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PARKER sorgt für kalte Duschen Günter Dönges »Könnten Sie Ihr Angebot freundlicherweise wiederholen?« fragte Josuah Parker höflich. »Vermutlich hat sich hier ein kleines Mißverständnis eingeschlichen.« Butler Parker sah sich zwei jun gen Männern gegenüber, die einen durchaus seriösen Eindruck machten. Sie waren vielleicht so um die fünfundzwanzig, mittel groß und schlank. Einer von ihnen trug einen flachen Aktenkoffer, den er gerade öffnete. »Wir versichern Fensterscheiben«, erklärte dieser Mann und legte eine Art Prospekt heraus, »aber Sie können sich bei uns auch gegen Brand, Diebstahl und sonstige Schäden versichern.« »Das Leben ist voller Überraschungen«, fügte sein Kollege hinzu und blickte sich in der großen Wohnhalle um. »Sie haben hier etliche Werte. Stellen Sie sich nur mal vor, das alles hier würde in Flammen aufgehen.« Die Hauptpersonen:
Ken Kogan
beaufsichtigt eine Auto-Waschanstalt und vermißt seinen Morris. Ritchie Dawson scheint seine Rocker-Zeit bereits hinter sich zu haben.
Billy Brandon leitet den »Club der Fünfhunderter« und
träumt von einer ganz speziellen Karriere.
Gary Hooks besitzt ein »windiges« Hotel in Rocker-Nähe.
Fred Murray verkauft Bauartikel aller Art und reagiert
sauer auf eine gewisse Street-Gang.
Dave Daniels verdient sich seinen Lebensunterhalt unter
anderem als Nachtportier.
Lady Agatha ist hocherfreut, wieder einmal beleidigt
zu werden.
Butler Parker lehnt den Abschluß einer
Scheiben-Versicherung strikt ab.
»In der Tat, das könnte man nur als bestürzend bezeichnen«, 2
antwortete der Butler, »leider ist die Kompetenz meiner Wenig keit nicht ausreichend, um Abschlüsse zu tätigen. Wie Sie sehen, bin ich nur der Butler dieses Hauses.« »Das sieht man ganz deutlich«, bestätigte der junge Mann, »so was wie Sie gibt’s eigentlich nur noch im Fernsehen oder im Ki no.« Diese Feststellung war keineswegs übertrieben. Josuah Parker, ein Mann unbestimmbaren Alters, war die Verkörperung des hochherrschaftlichen englischen Butlers. Er trug einen schwarzen Zweireiher, einen weißen Eckkragen und einen schwarzen Binder. Sein Gesicht war glatt und ausdruckslos. »Welche Versicherung vertreten die Herren?« erkundigte sich Parker gemessen. »Wir sind ‘ne Privatversicherung«, schaltete der zweite Besu cher sich ein, »ich würde Ihnen raten, erst mal ‘ne Scheibenversi cherung abzuschließen. Auf dem Gebiet tut sich momentan eine ganze Menge.« »Man wird Lady Simpson entsprechend informieren.« »Wer ist Lady Simpson?« fragte der junge Mann, der seinen fla chen Aktenkoffer schloß. »Die Hausherrin«, erläuterte Josuah Parker, »meine Wenigkeit sollte Ihnen nicht verhehlen, daß man hier in Shepherd’s Market ungemein sicher lebt.« »Wir hätten nie gedacht, daß es so was noch gibt«, räumte der zweite Besucher ein, »so viele alte Fachwerkbauten auf einem Fleck habe ich hier in London noch nie gesehen.« »Fachwerk brennt wie Zunder«, warnte sein Kollege eindring lich, »Sie sollten sich schnell entscheiden.« »Wie hoch wäre der monatliche Beitrag für eine Scheibenversi cherung?« wollte der Butler wissen. »Na ja, in diesem Fall hier gut und gern fünfzig Pfund pro Mo nat.« »Würden Sie das freundlicherweise wiederholen?« »Fünfzig Pfund«, lautete die Antwort, »und denken Sie auch an ‘ne hübsche kleine Brandversicherung. Sie haben doch bestimmt in den Zeitungen gelesen, daß eine Street-Gang unterwegs ist, die alles zusammenschlägt, was ihr unter die Finger kommt.« »Und die auch Brände legt und Wagen demoliert«, fügte der zweite Vertreter hinzu. »Mylady kommt erst gegen Abend wieder zurück.« 3
»Okay, dann lassen wir uns noch mal sehen«, kam der Be scheid, »wir können nur hoffen, daß bis dahin nichts passiert.« »Wir drücken Ihnen sogar die Daumen«, meinte der erste Mann, »wie sieht das mit den Leuten hier am Platz aus?« »Sie sprechen von den Bewohnern der benachbarten Fachwerk häuser?« »Richtig. Die sind doch ebenfalls gefährdet.« »Diese Herrschaften sind auf dem Land«, erklärte Parker. »Scheint ‘ne ziemlich finanzstarke Ecke zu sein.« »Dies möchte meine Wenigkeit nicht ausschließen.« »Gut, also bis gegen Abend.« Die beiden jungen Versicherungs vertreter gingen auf den verglasten Vorflur zu. »Drücken Sie die Daumen, damit bis dahin nichts passiert.« »Meine Wenigkeit wird sich erlauben, Ihrer Anregung Folge zu leisten«, antwortete der Butler und öffnete die schwere Haustür. Die beiden Männer verließen das altehrwürdige Fachwerkhaus und gingen zu ihrem Morris, den sie neben Parkers hochbeinigem Monstrum abgestellt hatten. Der Butler merkte sich selbstverständlich das Kennzeichen und deutete eine knappe Verbeugung an, als der Wagen wenig später den säulengetragenen Vorbau des Hauses passierte. Bald darauf war der Morris auf der nahen belebten Durchgangsstraße ver schwunden. Josuah Parker, der die beiden Vertreter nicht ohne Grund einge lassen hatte, öffnete einen Wandschrank neben dem verglasten Vorflur und betätigte dort einen der vielen Schalthebel. Daraufhin senkten sich engmaschige Rollgitter und sicherten die bleiverglas ten Scheiben im Erd- und Obergeschoß des Hauses. Parker rech nete fest mit Glasbruch. * »Und Sie haben diese Lümmel nicht sofort an die frische Luft gesetzt?« wunderte sich Lady Agatha Simpson. Sie war eine ma jestätische Erscheinung, hatte das sechzigste Lebensjahr mit Si cherheit überschritten und machte dennoch einen energischen Eindruck. Mit dem Blut- und Geldadel der Insel eng verschwistert und verschwägert, galt die passionierte Detektivin in ihren Krei sen als eine Art Paradiesvogel, der allerdings ein wenig füllig aus 4
gefallen war. Sie war sehr reich, pfiff auf alle Konventionen, konnte höchst drastisch werden und betätigte sich als Kriminalis tin. Agatha Simpson bekämpfte das Verbrechen auf ihre spezielle Art. Begriffe wie Logik oder Vorsicht waren ihr fremd. Sie sagte stets ungeniert das, was sie gerade dachte. Vielleicht verunsi cherte gerade das ihre Gegner immer wieder. Hinzu aber kam Josuah Parker, der diskret seine schützende Hand über die ältere Dame hielt und sie vor Schaden bewahrte. »Die beiden jungen Vertreter dürften mit Sicherheit bald erneut in Erscheinung treten, Mylady«, prophezeite Josuah Parker, »mit einem Anschlag auf die Fensterscheiben von Myladys Haus ist fest zu rechnen.« »Aha, man will mich also unter Druck setzen, nicht wahr?« »In der Tat, Mylady«, sagte der Butler, »Mylady haben es mit einer neuen Form der Erpressung von Schutzgeldern zu tun.« »So etwas werde ich selbstverständlich nicht dulden, Mr. Par ker. Was werde ich dagegen unternehmen?« »Mylady werden die Steinwerfer zur Rechenschaft ziehen.« »Darauf können Sie sich verlassen, Mr. Parker.« Sie nickte nachdrücklich. »Treffen Sie alle Vorbereitungen. Sie wissen hof fentlich, worauf es mir ankommt.« »Auf Effizienz, Mylady.« »Aha!« Sie sah ihn ein wenig irritiert an. »Ich lasse Ihnen freie Hand, Details interessieren mich nicht.« »Darf man Mylady jetzt einen kleinen Imbiß servieren?« »Aber ja doch, Mr. Parker.« Sie nickte huldvoll. »Aber nur ein paar Kleinigkeiten.« Sie begab sich in den kleinen Salon neben der großen Wohnhal le und hatte ihn noch nicht ganz erreicht, als plötzlich das aufrei zende Knattern von schweren Motorrädern zu vernehmen war. Lady Agatha wechselte die Richtung und baute sich vor einem der Fenster eines kleinen Erkers auf. Sie machte zwei Maschinen aus, auf deren Rücksitzen Beifahrer saßen. Mit großer Geschwindigkeit jagten die beiden Motorräder auf die Frontseite des Hauses zu. Dann holten die Mitfahrer weit aus und warfen pflastersteingroße Würfel auf die Fenster. Mylady fuhr unwillkürlich zurück und nahm schützend die Arme hoch. Parker, der neben seiner Herrin erschien, zuckte mit keiner Wimper. Er setzte fest auf das feine, engmaschige Schutzgitter, 5
das die Wurfgegenstände auffing und federnd zurückwarf. »Eine Unverschämtheit«, grollte die ältere Dame, »Mr. Parker, ich warte auf Ihre Reaktion.« »Die beiden Motorräder kehren noch mal zurück, Mylady«, mel dete Josuah Parker. Er beobachtete weiter die Maschinen, deren Benutzer tiefschwarze Jet-Schutzhelme trugen. Die Soziusfahrer holten erneut aus und warfen zum zweiten Mal. Und wieder ließ das Schutzgitter die Wurfgegenstände zurückfedern. Danach kurvten die Fahrer mit ihren Maschinen ein und jagten zurück zur nahen Durchgangsstraße. Dazu mußten sie aber das hohe Tor aus Schmiedeeisen passieren, das den weiten Vorplatz vor dem Haus zur Straße hin begrenzte und abschloß. Dieses Tor schloß sich bereits erstaunlich schnell. Bei der Einfahrt hatten die Fahrer eine Lichtschranke passiert und den Mechanismus zur Schließung ausgelöst. Wenige Augen blicke später mußten sie eine gewagte Notbremsung vornehmen. Sie schafften es nicht mehr, den weiten Innenhof mit seinen ge pflegten Blumenrabatten zu verlassen, kamen aus dem Gleichge wicht, verloren die Balance und flogen von den Maschinen, die haltlos über das Pflaster glitten und krachend an der Tormauer landeten. Die Motorradfahrer sahen ihren Maschinen nach und konnten von Glück sagen, daß sie Lederkleidung trugen. Sie blieben benommen liegen und begriffen erst mit einiger Verspätung, was passiert war. »Sehr schön«, lobte die ältere Dame, die alles beobachtet hatte, »das wird diesen Lümmeln eine erste Lehre sein. Sorgen Sie da für, Mr. Parker, daß ich die Kerle verhören kann.« Die Motorradfahrer hatten sich hochgerappelt und standen vor dem geschlossenen Gittertor. Dann blickten sie zum Fachwerk haus hinüber, kletterten am Gitter hoch und mühten sich ab, auf die Durchgangs- Straße zu kommen. Verständlicherweise küm merten sie sich nicht weiter um ihre Maschinen. Parker sah deut lich, daß die vier jungen Leute in ihren Bewegungen mehr als nur leicht gehemmt waren. Die Rutschpartie über das Kopfsteinpflas ter des Vorhofes schien sie doch mitgenommen zu haben. »Mylady brauchen sich nicht zu sorgen«, sagte Josuah Parker, »man wird versuchen, die beiden Maschinen zu bergen. Dann wird Gelegenheit sein, sich mit den Werfern näher zu befassen.« »Ich habe es natürlich mit einer Bande zu tun.« stellte Agatha 6
Simpson fest und nickte nachdrücklich, »und ihr werde ich das Handwerk legen, Mr. Parker. Schließlich wollte man mir die Fens terscheiben einwerfen.« »Die von Mylady angesprochene Bande wird versuchen, die Scharte auszuwetzen«, versicherte Parker. »Die bald zu erwar tende Dunkelheit dürfte die Täter animieren, aktiv zu werden.« »Hoffentlich«, entgegnete die Detektivin, »im Fernsehen läuft ohnehin nichts, was mich interessieren könnte. Sie wissen, Mr. Parker, ich hasse Langeweile.« Parker wußte es nur zu gut. * »Natürlich hat sich bisher nichts getan«, meinte Anwalt Rander, der sich mit Kathy Porter im Haus der Lady Simpson eingefunden hatte. »Diese Knaben dürften inzwischen wissen, mit wem sie sich anlegen wollten.« Mr. Mike Rander, um die Vierzig, erinnerte – was sein Äußeres betraf – an einen bekannten James-Bond-Darsteller. Er war An walt, hatte in der nahen Curzon Street seine Kanzlei, über der er auch wohnte, und verwaltete neben seiner Tätigkeit als Verteidi ger das Vermögen der Agatha Simpson. Vor Jahren war er zusammen mit Butler Parker in den Staaten gewesen und hatte dort mit ihm eine Serie von Abenteuern er lebt. Seinerzeit hatte Parker noch als Butler für Mike Rander ge arbeitet. Kathy Porter war die Sekretärin und Gesellschafterin der Lady Agatha. Sie war eine sehr attraktive Erscheinung, hatte rotbrau nes Haar und den mandelförmigen Augenschnitt einer Exotin. Sie wirkte vielleicht auf den ersten Blick hin wie ein scheues Reh, doch wenn es darauf ankam, konnte sie sich blitzschnell in eine Pantherkatze verwandeln. Kathy Porter wußte sich durchaus ihrer Haut zu wehren und war in fast allen Künsten fernöstlicher Selbstverteidigung beschlagen. Zwischen ihr und Mike Rander herrschte ein mehr als nur freundschaftliches Verhältnis. Lady Simpson wartete nämlich dar auf, endlich für die beiden die Hochzeit ausrichten zu können. Sie tat alles, um diesen Vorgang zu beschleunigen und sah es mehr als gern, daß Kathy inzwischen für Mike Rander drüben in der 7
nahen Kanzlei arbeitete. »Sie haben das Kennzeichen dieses Morris«, warf Kathy Porter ein und blickte Parker an, »könnte man über diesen Wagen nicht an die beiden Vertreter herankommen?« »Genau das, meine Liebe, wollte auch ich gerade sagen«, lobte Lady Simpson wohlwollend. »Ich denke nicht daran, die Hände in den Schoß zu legen, Mr. Parker.« »Man wird sicher versuchen, Mylady, im Schutz der Nacht die beiden Motorräder zu bergen«, antwortete Josuah Parker. »Wie ich Sie kenne, haben Sie die Motorräder natürlich beson ders gesichert, wie?« erkundigte sich der Anwalt. »Mittels einer soliden Stahlkette, Sir«, bestätigte Parker. »Das Tor ist einladend weit geöffnet«, sagte Kathy Porter. »Wenn die Burschen klug sind, werden sie auf die beiden Ma schinen verzichten«, erklärte der Anwalt. »Tun sie es, dann dürfte erwiesen sein, daß sie von einem Profi geführt werden.« »Eine Ansicht, Sir, die mit Ihnen zu teilen ich mir erlaube«, ließ Josuah Parker sich vernehmen. »Falls man sich mit dem Besitzer des Morris beschäftigt, könnte man eine erste Klärung der Dinge bewirken.« »Das denke ich auch, Mr. Parker.« Lady Agatha nickte. »Und was werde ich damit abklären?« »Ob man es mit einer sogenannten Street-Gang zu tun hat, My lady, oder aber mit einer profihaft geführten Gang.« »Und worin besteht der Unterschied? Ich weiß es natürlich, aber wissen auch Sie es?« »In einer Street-Gang, Mylady, schließen sich junge Leute zu sammen, die im Sinn der Gesetze erst noch kriminell werden können. Man könnte sie auf den sprichwörtlichen Pfad der Tugend zurückgeleiten. Bei einer Profi-Gang dürfte man tauben Ohren predigen, um es mal so auszudrücken.« »Sollte man sich nicht mal mit Chief-Superintendent McWarden in Verbindung setzen, Mylady?« fragte Kathy Porter. »Vielleicht weiß er bereits etwas von diesen Pflastersteinwerfern.« »Er wird dann nur wieder meine Kreise stören«, wehrte die älte re Dame umgehend ab, »Sie wissen doch, Kindchen, wie unge schickt der gute McWarden ist.« »Also warten wir erst mal ab«, faßte Mike Rander zusammen. »Aber keineswegs, mein Junge«, lautete Lady Simpsons Ant wort, und die Detektivin reagierte genau so, wie Mike Rander es 8
gewünscht hatte, »selbstverständlich werde ich die Initiative er greifen. Mr. Parker, verschaffen Sie mir die Adresse der beiden Lümmel, die im Morris gekommen sind. Ich bin es gewöhnt, den Dingen stets auf den Grund zu gehen. Daher rühren ja schließlich auch meine Erfolge.« Parker, Kathy Porter und Mike Rander tauschten schnell einen Blick. An Unbescheidenheit hatte Lady Agatha noch nie gelitten. * »Natürlich fahre ich einen Morris«, sagte Ken Kogan, ein dickli cher Mann von etwa fünfzig Jahren, und starrte Agatha Simpson respektvoll an, »das habe ich ja gar nicht abgestritten.« Ken Kogan stand in der Haustür zu seinem schmalbrüstigen Ei genheim im Stadtteil Clerkenwell und fuhr sich nervös über das schüttere Haar. Er sah sich Lady Agatha gegenüber, hinter der Butler Parker Aufstellung genommen hatte. »Leugnen wäre auch sinnlos gewesen, junger Mann«, meinte die ältere Dame mit ihrer baritonal gefärbten Stimme, »und an wen haben Sie Ihren Wagen ausgeliehen?« »Ausgeliehen?« Der Mann, der Ken Kogan hieß, schluckte vor Aufregung. »Ich habe meinen Wagen nicht ausgeliehen.« »Sie sollten Mylady vielleicht ins Haus bitten«, schlug Josuah Parker höflich vor. »Mylady? Guter Gott, eine echte Lady! Natürlich, treten Sie nä her. Warum interessieren Sie sich für meinen Morris?« »Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet, junger Mann«, erinnerte die ältere Dame und schob ihre majestätische Fülle durch die schmale Haustür. Ken Kogan ging voraus und führte sie in ein kleines Wohnzimmer, in dem ein Fernsehgerät lief. Die Ein richtung bestand aus Plüsch. »Ich habe meinen Wagen nicht aus geliehen«, wiederholte Kogan, »auf solch einen Gedanken würde ich nie kommen. Wer verleiht schon seinen Wagen?« »Sie, um nur ein Beispiel zu nennen, junger Mann«, grollte Lady Agatha, »Ihr Wagen ist in der Nähe von Hyde Park unangenehm aufgefallen. War es nicht so, Mr. Parker?« »In der Tat«, bestätigte der Butler und korrigierte ein wenig die Wahrheit, »Ihr erwähnter Morris soll an einem kleinen Verkehrs unfall beteiligt gewesen sein.« 9
»Das ist ausgeschlossen«, sagte Ken Kogan, »ich bin seit ges tern überhaupt nicht mit dem Wagen unterwegs gewesen. Auch vorgestern nicht. Ich fahre eigentlich nur samstags oder sonn tags.« »Haben Sie etwa einen entsprechenden Schwur geleistet?« er kundigte sich die ältere Dame. »Nein, aber ich denke schließlich an die Kosten. Verstehen Sie? Ich verdiene einfach nicht genug, um jeden Tag zur Arbeit zu fah ren. Ich habe es ohnehin nicht weit, ich gehe zu Fuß.« »Darf man sich nach Ihrem Beruf erkundigen?« fragte Josuah Parker. »Ich bin in einer Autowaschanstalt beschäftigt«, lautete prompt die Antwort, »ich erledige da die Buchung. Besonders viel verdie ne ich nicht, aber ich bin ja allein. Junggeselle, verstehen Sie?« »Und wo befindet sich Ihr Wagen zur Zeit?« erkundigte sich der Butler höflich weiter, während die Detektivin Bilder und Fotos links und rechts des kleinen Kamins betrachtete. In dem vorge täuschten Kamin gab es eine Gasheizung, die trotz der warmen Außentemperaturen eingeschaltet war. »Ich möchte jetzt endlich wissen, wer Sie sind und warum Sie diese Frage stellen!« Ken Kogan hatte sich aufgerafft und wollte energisch wirken, fiel aber nach seiner Frage wieder förmlich in sich zusammen. Er hüstelte nervös. »Meine Wenigkeit war so frei, Mylady bereits vorzustellen«, gab Josuah Parker zurück. »Würden Sie sich freundlicherweise zu Ih rem Wagen äußern?« »Mein Morris steht in einer Sammelgarage hinter dem Block«, erwiderte Ken Kogan, »und wenn Sie wollen, können Sie sich den Wagen ja mal ansehen.« »Und ob ich will, junger Mann!« Agatha Simpson setzte sich in Bewegung. Ken Kogan drückte sich an ihrer Fülle vorüber und übernahm die Führung. Es ging durch eine kleine Küche, dann über eine Hintertreppe hinaus in einen winzigen Garten. Hier öff nete Kogan eine ebenfalls schmale Tür in der Mauer und führte seine Besucher dann zur Sammelgarage. Unter einem Wellblech dach standen etwa acht bis zehn Wagen, die voneinander nur durch Maschendraht getrennt wurden. Ken Kogan deutete auf einen Wagen und stutzte. »Mein Morris«, sagte er dann mit heiserer Stimme, die immer schriller wurde, »mein Morris… mein Morris ist weg… Er ist ge 10
stohlen worden! Mein Morris ist weg!« »Sie sagten es bereits mehrfach und geradezu überdeutlich«, gab Josuah Parker zurück, »wann sahen Sie ihn zum letzten Mal?« »Heute nachmittag. Vor ein paar Stunden erst. Ich hatte die Polster abgesaugt und die Scheiben gewaschen.« »Sie sollten sich wegen des bedauerlichen Verlustes an die zu ständige Behörde wenden«, schlug Parker vor, »man wird Ihren Wagen mit einiger Sicherheit finden.« »Aber in welchem Zustand?« Kogan war zutiefst erschüttert und den Tränen nahe. Er nahm kaum wahr, daß Lady Simpson und Butler Parker den schmalen Fußweg hinter den Reihenhäusern benutzten, um zum hochbeinigen Monstrum des Butlers zurück zugehen. »Schuldig, Mr. Parker, oder nicht schuldig?« fragte die Detekti vin, »ich bin doch sehr gespannt, was Sie dazu sagen.« »Meine Wenigkeit möchte Mylady den Vortritt überlassen«, gab Josuah Parker zurück. »Und bei dieser Gelegenheit sollte man darauf verweisen, daß Mylady wahrscheinlich mit einem Zwi schenfall zu rechnen haben.« »Zwischenfall?« Sie runzelte die Stirn. »Meine Wenigkeit möchte auf die Gruppe Jugendlicher verwei sen, die sich augenscheinlich zusammengetrottet hat, um Mylady den Weg zu versperren.« Parkers Stimme klang höflich-diszipliniert wie stets. * Es waren vier junge Schläger, die Lady Simpson und Butler Par ker eindeutig im Weg standen. Sie hatten sich nebeneinander aufgebaut und führten erstaunlicherweise Hockeyschläger mit sich, die in ihren Händen sehr gefährlich aussahen. »Geht man vielleicht recht in der Annahme, daß Sie die Absicht hegen, physisch auf Lady Simpson und meine Wenigkeit einwir ken zu wollen?« erkundigte sich Parker und lüftete höflich die schwarze Melone. Er hatte die vier jungen Männer erreicht, die im Schnitt wohl achtzehn Jahre sein mochten. Sie trugen ausgewa schene Jeans, überweite Herrensakkos und ziemlich ausgefranste Tennisschuhe. 11
»Ich hab’ kein Wort verstanden«, bekannte der Anführer der jungen Männer. Er war muskulös, wie die nackten Unterarme zeigten, gedrungen und hatte gut entwickelte O-Beine. »Könnte es sein, daß Sie Mylady und meine Person mit Gewalt daran hindern wollen, weiterzugehen?« übersetzte Parker. »Das stimmt«, erwiderte der Wortführer und nahm seinen Ho ckeyschläger hoch. Bevor er allerdings gewalttätig werden konn te, hatte Parker bereits seine Reserve aufgegeben und wurde ak tiv. Mit der Außenwölbung seiner schwarzen Melone, die er noch in der rechten Hand hielt, tippte der Butler kurz auf die fleischige Nase des Wortführers, der daraufhin überrascht aufschrie, um dann allerdings ein sattes Gurgeln zu produzieren. Dem zweiten Mann erging es kaum besser. Parker hielt seinen Universal-Regenschirm bereits stoßbereit in der linken Hand und piekste damit in die Magengegend des Geg ners, der im Gegensatz zu seinem Wortführer allerdings nicht aufschrie, sondern verzweifelt nach Luft rang. Dann ließ er sich auf die Knie nieder und legte seinen Hockeyschläger erst mal ab. Anschließend kippte er nach vorn und stützte sich mit der Stirn ab. Die beiden anderen Wegelagerer waren wie erstarrt. So etwas hatten sie noch nie erlebt. Für sie waren der Butler und Lady Agatha hilflose Opfer gewesen. Und jetzt kam alles an ders, denn die wehrlose Dame war ebenfalls zum Gegenangriff übergegangen. Sie schwang ihren perlenbestickten Pompadour und setzte den sogenannten Glücksbringer darin auf das rechte Ohr des dritten Gegners. Er schien von einem unsichtbaren Pferd getreten worden zu sein, rutschte haltlos nach links und landete in einem reichlich verstaubt aussehenden Strauch. Der Glücksbringer, nämlich ein echtes und großes Pferdehufeisen, hatte wieder mal seine Pflicht getan und die Lage so gut wie bereinigt. Der vierte Gegner dachte nämlich nicht im Traum daran, seinen Begleitern zu Hilfe zu kommen. Er gab bereits Fersengeld und rannte in langen Sätzen davon. Zwischendurch schaute er sich um und verlor dadurch seinen bisher geradlinig gehaltenen Kurs. Er stolperte über ein Wegeband aus Stahlblech, schlug der Länge nach hin, raffte sich wieder auf und rannte weiter, wenn auch hinkend. »Sie wollen doch nicht etwa schon weitergehen, Mr. Parker?« 12
fragte die ältere Dame fast entrüstet. »Immerhin bin ich scham los angegriffen worden. So etwas läßt eine Lady Simpson sich nicht bieten.« »Mylady haben besondere Wünsche?« fragte Parker gemessen zurück. »Natürlich«, meinte Lady Agatha, und ein boshafter Glanz er schien in ihren Augen. »Ich könnte zum Beispiel einen der Ho ckeyschläger dazu benutzen, diesen Lümmeln Manieren beizu bringen.« »Mylady wissen aber sehr wohl, daß mit dem Erscheinen weite rer Schläger fest zu rechnen ist?« »Das macht doch nichts«, gab sie erfreut zurück, »dann werde ich auch diesen Subjekten klarmachen, was eine gute Erziehung ist.« »Mylady würden sich aber um das Vergnügen einer Autoverfol gung bringen«, behauptete der Butler. Er war keineswegs daran interessiert, sich mit diesen Schlägern noch weiter zu befassen. »Eine Autoverfolgung?« Mylady spitzte die Ohren. »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dürfte damit zu rechnen sein.« »Das ist selbstverständlich etwas anderes«, räumte die aben teuerlustige Dame ein. »Nun gut, aufgeschoben ist nicht aufge hoben. Kommen Sie, Mr. Parker! Die Dinge nehmen einen recht angenehmen Verlauf.« * Parker lüftete höflich die schwarze Melone, als ihnen ein älterer Mann entgegenkam, der eine Art Freizeitanzug trug und dem But ler zugenickt hatte. »Ich kenn’ diese Rocker«, sagte der Mann im Vorübergehen und bewegte kaum die Lippen, »beeilen Sie sich, es gibt noch mehr davon.« Parker verzichtete darauf, Fragen zu stellen. Er wollte den Mann, der etwa sechzig sein mochte, nicht in Verlegenheit brin gen. Lady Agatha hatte nichts von diesem geflüsterten Hinweis mitbekommen. Sie eilte trotz ihrer Fülle erstaunlich leichtfüßig auf Parkers hochbeiniges Monstrum zu. Sie freute sich eindeutig auf eine kleine Verfolgungsjagd. 13
Agatha Simpson saß bereits im Fond von Parkers Wagen, als er am Steuer Platz nahm. Sie wandte sich um und suchte nach ei nem verdächtigen Wagen. Parker ließ das ehemalige Londoner Taxi anrollen und erregte das Mitleid einiger Passanten und E ckensteher, die wohl nur darauf warteten, daß der Wagen seinen Geist aufgab. Dieser Eindruck täuschte selbstverständlich. Lady Agatha und Parker saßen in einem Fahrzeug, das Einge weihte eine gut gefüllte Trickkiste auf Rädern nannten. Unter der eckigen Haube verbarg sich ein Motor, der einem Rennwagen alle Ehre gemacht hätte. Darüber hinaus war die gesamte Technik nach Parkers Vorstellungen auf einen Höchststand gebracht wor den. »Ich sehe immer noch keinen Wagen«, räsonierte Lady Agatha bereits nach wenigen Minuten. »Die Verfolger werden sich wohl erst noch formieren müssen, Mylady«, beruhigte der Butler seine Herrin. »Das möchte ich mir aber auch ausgebeten haben«, gab sie un geduldig zurück, »oder Sie, Mr. Parker, haben die Lage wieder mal falsch beurteilt.« »Mylady sehen in meiner Wenigkeit einen Menschen, der sich seiner vielen Schwächen durchaus bewußt ist.« »Wem sagen Sie das!« Sie nickte zufrieden und ließ sich ent spannt in die Polster sinken. »Hoffentlich legt man mir diese Fahrt nicht als Flucht aus.« »Dies brauchen Mylady auf keinen Fall zu befürchten«, gab Jo suah Parker zurück. »Man wird davon ausgehen, daß Mylady eine taktische Variante präsentieren, die die Gegner nicht zu über schauen vermögen.« »Das ist richtig.« Sie nickte. »Ich bin ja schließlich bekannt da für, daß ich meine Gegner stets vor vollendete Tatsachen stelle. Ich denke, ich werde noch etwas unternehmen, bevor es völlig dunkel ist.« »Haben Mylady besondere Wünsche?« »Schlagen Sie mir etwas Hübsches vor, das mich anregt«, ant wortete die ältere Dame, »Sie dürfen da völlig frei entscheiden.« »Man könnte vielleicht einen bekannten Rocker-Club aufsuchen, der hier in der Region zu finden ist.« »Rocker, Mr. Parker?« Diese Vorstellung paßte ihr. Sie nickte wohlwollend. 14
»Meine Wenigkeit hatte vor geraumer Zeit Kontakt mit solchen Leuten.« »Vielleicht sind es genau die, denen ich das Handwerk legen will.« Agatha Simpson kümmerte sich nicht weiter um mögliche Verfolger. Josuah Parker steuerte sein hochbeiniges Monstrum die Farrington Street hinunter und hielt dann in einer Seitenstraße vor einer Spielhalle. Auf dem Parkplatz links vom Eingang standen Motorräder aller Hubraumklassen, doch die schweren Maschinen überwogen. Par ker öffnete den hinteren Wagenschlag und ließ Mylady ausstei gen. Sie reckte sich, brachte ihren perlenbestickten Pompadour in leichte Schwingung und bewegte ihre majestätische Fülle in Rich tung Eingang. Hier standen Motorradfahrer in meist schwarzer Lederkleidung, die sich phantasievoll kostümiert hatten. Ihre Lederhosen und Westen waren mit verchromten Ziernieten übersät. Dazu trugen viele von ihnen Orden aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Kopfbede ckung bestand aus Ledermützen mit schwarzgelackten Schirmen. Die Gruppe dieser zumeist jungen Männer bot einen martialischen Anblick. Und man lachte natürlich ungeniert, als die ältere Dame ziel strebig den Eingang ansteuerte. Man amüsierte sich vor allen Dingen über Josuah Parker, der – die Würde in Person gravitä tisch hinter Mylady einherschritt. »Hat euch das Museum Ausgang gegeben?« fragte einer der Rocker, ein großer, muskelbepackter Mann von etwa fünfund zwanzig Jahren. »Richtig, junger Mann«, dröhnte Myladys sonore Stimme, »ich will das Kinderheim hier besuchen.« Gelächter brandete auf. Der Muskelbepackte verzog das Gesicht und wollte sich vor My lady aufbauen. Man hatte auf seine Kosten gelacht. Da er sein Gesicht nicht verlieren wollte, suchte er nach einer Möglichkeit, seine Stärke zu beweisen. Bevor es jedoch zu einem Zwischenfall kam, auf den die ältere Dame nur wartete, erschien ein schlanker, gerade mittelgroßer Mann in der Tür. Er war etwa dreißig und trug nur einen schwar zen Leder-Overall. Verzierungen waren an seiner Montur nicht angebracht. »Stopp, Marty«, sagte er knapp zu dem Muskulösen, »das da 15
sind meine Gäste, ist das klar?« »Okay, Ritchie«, antwortete der Angesprochene, »ich kann ja warten.« * »Wir hätten uns ja irgendwo treffen können«, sagte Ritchie Dawson einige Minuten später fast vorwurfsvoll, »mußten Sie unbedingt hier aufkreuzen, Mr. Parker?« »Es war keineswegs meine Absicht, Sie vor Probleme zu stellen, Mr. Dawson«, erwiderte der Butler, »es haben sich Schwierigkei ten in der sogenannten Hackordnung Ihrer Gruppe ergeben?« »Und ob, Mr. Parker!« Ritchie Dawson nickte. »Es gibt da Ty pen, die wieder Stunk machen wollen.« »Will man Sie ausbooten, junger Mann?« fragte Lady Agatha und musterte Ritchie Dawson. Sein Gesicht war leicht entstellt. Ein schlecht vernarbter Messerstich unter dem rechten Auge gab Dawson ein wildes Aussehen. »Und ob man mich ausbooten will, Lady«, erklärte Dawson, »das will man ununterbrochen. Marty ist einer davon, Sie haben ihn ja eben erst kennengelernt. Für Marty läuft das hier alles zu friedlich ab.« »Womit man bereits beim Thema sein dürfte, Mr. Dawson«, schaltete Josuah Parker sich höflich ein. »Nach Lage der Dinge muß sich in Ihren Kreisen eine Organisation gebildet haben, die Versicherungen gegen Glasbruch, Feuer und möglicherweise auch gegen Wasserschäden abschließt, wobei die Werbemethoden nur als ungemein massiv bezeichnet werden können.« »Die Masche mit den Schutzgeldern.« Ritchie Dawson nickte. »Das ist doch im Grund ein alter Hut.« »Aber leider immer wieder aktuell«, warf Parker ein. »Stimmt, Mr. Parker«, bestätigte Dawson, »die Verlockung ist einfach zu groß, ein schnelles Pfund machen zu können. Sie wis sen doch noch, als man uns Erpressung von Lokalbesitzern an hängen wollte.« »Sie wissen nichts von einer konkreten Neugründung, was den Verkauf von Versicherungen betrifft?« »Im Augenblick nicht. Und das ist die Wahrheit.« »Diese sogenannte Street-Gang soll in Clerkenwell beheimatet 16
sein.« »Da gibt’s ‘nen Club der >Fünfhunderter< das stimmt.« »Was ist denn das?« erkundigte sich die Detektivin. »Fünfhundert Kubik, Lady«, erklärte Ritchie Dawson, »das be zieht sich auf die Maschinen.« »Ich weiß«, wehrte sie umgehend ab, »ich selbst habe schließ lich ein Motorrad gefahren, ich kenne mich aus.« »Traut man Ihnen ohne weiteres zu«, sagte Dawson. »Sie haben einen guten Blick für Tatsachen, junger Mann«, antwortete die ältere Dame und nickte freundlich. »Aber was ist nun mit diesem Club der Fünfhunderter?« »Wer ist der Clubvorstand?« fragte Parker zusätzlich. »Billy Brandon«, lautete die Antwort. »Er ist scharf wie ein Flei schermesser, das kann ich Ihnen sagen. Dagegen sind wir hier nur friedliche Lämmer.« »Sie neigen neuerdings zu gewissen Übertreibungen, Mr. Daw son?« fragte der Butler höflich. »Stimmt.« Ritchie Dawson lachte breit. »Aber wirklich, Billy Brandons Club ist knochenhart. Leider wechseln viele von uns hier zu ihm. Er hat angeblich mehr zu bieten.« »Wie würden Sie den erwähnten Mr. Billy Brandon einstufen, Mr. Dawson?« »Er schlägt schnell zu, denkt aber langsam«, meinte Ritchie Dawson abfällig, »und das wird ihm eines Tages das Genick bre chen.« »Könnte er fähig sein, eine Art Versicherung in der eben be schriebenen Art zu betreiben?« »Niemals, Mr. Parker«, gab Ritchie Dawsoh zurück, »wenn er so einen Laden führt, dann denken andere für ihn, das ist ganz klar.« »Sie wissen natürlich, wo man Mr.Billy Brandon finden kann, nicht wahr?« Ritchie Dawson nannte die Adresse und fügte noch eine War nung hinzu. »Falls Sie da wirklich aufkreuzen, Mr. Parker, sollten Sie ver dammt vorsichtig sein. Billy Brandon ist ein gemeiner Hund, ich kenne ihn von früher her. Der wird erst richtig munter, wenn er Leute quälen kann. Ich glaube, daß er so etwas wie ein Sadist ist.« »Hier wären die Kennzeichen von zwei Motorrädern«, sagte Par 17
ker und schob Ritchie Dawson einen Zettel zu, »es wäre durchaus hilfreich, wenn man in Erfahrung bringen könnte, wer die Besitzer dieser Maschinen sind und wo sie wohnen.« »Okay, ich werde mich darum kümmern«, versprach Ritchie Dawson, »und jetzt werde ich Sie mal aus dem Laden hier beför dern. Marty ist ausgelacht worden und wartet jetzt nur darauf, den wilden Mann spielen zu können.« »Ich habe nichts dagegen«, warf Agatha Simpson ein, »ich wer de ihm zeigen, wer Lady Simpson ist.« * Marty war nicht allein. Um ihn herum standen einige ebenfalls nicht gerade körperlich unterentwickelte Männer, die sich wie Marty mit dachlattenähnli chen Holzprügeln bewaffnet hatten. Sie alle tauchten plötzlich hinter einem Wagen auf, der in der Nähe von Parkers Gefährt stand. »Und jetzt?« fragte Marty süffisant, »wie sieht’s denn jetzt aus, ihr Museumstypen?« »Sie scheinen offensichtlich einen gewissen Groll zu hegen«, stellte der Butler fest. Mit dem Eingreifen von Ritchie Dawson war nicht mehr zu rechnen. Er war in der Spielhalle zurückgeblieben, nachdem er die Lady und Parker durch einen Seitenausgang hi nausgelassen hatte. »Ich hab’ nicht gern, wenn man mich lächerlich macht«, sagte Marty und rückte langsam auf. »Sie wollen sich doch wohl nicht an einer wehrlosen Frau ver greifen, wie?« erkundigte sich die Dame. »Wer hat denn eben von ‘nem Kindergarten gequasselt?« wollte Marty wissen. »Und Kinder vergreifen sich nicht an Erwachsenen, oder?« »Nein, Kinder brauchen Liebe und Verständnis, junger Mann«, sagte Agatha Simpson. Marty, der sich dicht vor ihr aufgebaut hatte, grinste ausgesprochen tückisch. Doch dann tat er es schon nicht mehr. Er hatte keineswegs mit der ungezwungenen Art der älteren Dame gerechnet. Sie tat etwas, was eine Dame von Welt wohl kaum getan hätte. Mylady setzte nämlich die Spitze ihres nicht gerade kleinen Schuhs auf das linke Schienbein von Marty, 18
der völlig überrascht war. Und da Mylady vehement zugetreten hatte, brüllte Marty entsetzt und stellte sich auf das gesunde Bein. Er hüpfte herum und wartete im Grund nur darauf, endgül tig aus dem Gleichgewicht gebracht zu werden. Er brauchte nicht lange zu warten. Lady Agatha, die ihren perlenbestickten Pompadour bereits ak tiviert hatte, schlug herzhaft zu und setzte den sogenannten Glücksbringer genau auf die rechte Backe des Hüpfenden. Marty kippte sofort zur Seite und landete in den Armen von zwei Beglei tern, die ihn im letzten Moment gerade noch vor dem Sturz be wahren konnten. Dieser Aufschub währte nicht lange. Josuah Parker hatte den linken, angewinkelten Unterarm hochgerückt und den UniversalRegenschirm senkrecht in die Luft steigen lassen. Als der mit Blei gefütterte Bambusgriff seinen Gipfelpunkt erreichte, faßte Parker mit der rechten, schwarz behandschuhten Hand nach dem unte ren Drittel des Schirmstocks und verfügte plötzlich über eine un gemein wirkungsvolle Defensivwaffe, die er nun offensiv einsetz te. Blitzschnell klopfte er bei Martys Begleitern an und setzte den schweren Bambusgriff auf die Stirn der Männer. Sie verdrehten daraufhin ihre Augen, ließen Marty zu Boden fallen und folgten ihm unmittelbar. Es dauerte nur wenige Wimpernschläge, bis drei muskulöse und entschlossene Schläger sich durchaus friedlich auf dem harten Beton der Gehwegplatten vereinten. Zwei junge Schläger starrten entgeistert auf die Szene und ver standen die Welt nicht mehr. Als Parker sich ihnen zuwandte, holten sie erst mal tief Luft, besannen sich auf ihre Beine und ergriffen die Flucht. Sie verschwanden nach wenigen Augenbli cken in der nahen Spielhalle. »Wenn Mylady einsteigen wollen?« Parker öffnete die hintere Tür seines hochbeinigen Monstrums. Agatha Simpson nickte ho heitsvoll, benutzte Martys Rücken als Trittstufe und begab sich dann in den Fond des Wagens. Parker schloß die Tür ohne jede Hast, ging gemessen um den Wagen herum, setzte sich ans Steuer und fuhr langsam an. Als das Heck des Wagens die drei auf dem Gehweg Liegenden erreichte, betätigte der Butler einen der vielen Kipphebel auf dem reichhaltig ausgestatte Armaturen brett. Daraufhin schoß eine Rußwolke aus einer Düse, die neben dem Auspuff angebracht war. Diese fette Wolke legte sich wie ein 19
Trauerschleier über die drei Schläger, die nicht ahnten, wie sie später aussehen würden. »Sehr hübsch, wirklich«, meinte die ältere Dame wohlwollend. Sie hatte durch das Rückfenster die kleine Szene beobachtet. »Hoffentlich dauert es einige Zeit, bis man den Ruß von den Ge sichtern bekommt.« »Mylady können davon ausgehen, daß wenigstens zwei Tage dazu benötigt werden«, versicherte Josuah Parker, »man wird sich an Mylady also intensiv erinnern.« * »Bisher hat sich nichts getan«, berichtete Mike Rander, als die Detektivin und Butler Parker nach Hause kamen. »Man scheint die beiden Motorräder aufgegeben zu haben«, vermutete Kathy Porter, die mit dem Anwalt im Haus der Lady zurückgeblieben war. »Was nicht ist, meine Lieben, kann vielleicht noch werden«, hoffte die ältere Dame, »ich gebe die Hoffnung nie auf.« »Und wie war es mit der kleinen Informationsfahrt?« fragte Mi ke Rander. Josuah Parker lieferte einen knappen Bericht, während Lady A gatha sich erst mal mit ihrem Kreislauf befaßte, von dem sie be hauptete, er habe gelitten. Während Parker informierte, ließ sie sich von ihm einen mehr als doppelten Kognak servieren. »Diesen Namen sollte man sich wohl genau merken«, meinte Rander, als der Butler seine Schilderung beendet hatte, »der Club der Fünfhunderter also. Ob die Knaben dazugehören, die sich in Clerkenwell eine Abfuhr geholt haben?« »Sie sprechen von den Lümmeln, die mich nach dem Besuch bei diesem Morris-Besitzer überfallen wollten?« erkundigte sich Lady Agatha. »Genau die, Mylady.« Rander nickte. »Erstaunlich, daß die hin ter dem Haus von Ken Kogan warteten, wie?« »Darüber habe auch ich schon intensiv nachgedacht, mein Jun ge«, behauptete die ältere Dame, »und auch über den jungen Mann in der Spielhalle. Wie heißt er noch, Mr. Parker?« »Es handelt sich um Mr. Ritchie Dawson, Mylady«, erinnerte der Butler in seiner diskreten Art. 20
»Eine schillernde Person, nicht wahr, Mr. Parker?« »Dem kann man in der Tat nicht widersprechen, Mylady.« »Er ist selbstverständlich der eigentliche Drahtzieher«, erklärte die ältere Dame, »das wußte ich sofort. Sie sind hoffentlich eben falls meiner Ansicht, Mr. Parker.« »Nur partiell, Mylady, mit Verlaub zu sagen.« »Dann eben nicht«, redete sie munter weiter, »ich frage mich nämlich, warum er verschwand, als er mich aus seiner Spielhalle führte. Er wußte genau, daß dieser Manuel, oder wie immer er auch heißen mag, draußen auf dem Parkplatz auf mich wartete.« »Mylady beziehen sich auf den jungen Mann namens Marty?« fragte der Butler. »Ich klammere mich grundsätzlich nicht an Namen«, gab sie unwillig zurück, »ich halte mich an Tatsachen, Mr. Parker. Dieser junge Mann also ist der Drahtzieher, um das noch mal zu wieder holen.« »Verwies dieser Dawson nicht auf einen Billy Brandon, der den Club der Fünfhunderter aufgezogen hat?« warf Mike Rander ein. »Und der in Clerkenwell residiert?« fügte Kathy Porter hinzu. »Nichts als ein Ablenkungsmanöver«, wischte Lady Agatha die se Einwände hinweg, »erinnern Sie mich daran, Mr. Parker, daß ich mir diesen Kubikmeterclub so bald wie möglich ansehe.« »Sehr wohl, Mylady.« Parker verzichtete auf eine Korrektur. »Vor dem Dinner werde ich noch ein wenig meditieren«, erklär te Agatha Simpson und setzte ihre Fülle in Richtung Treppe in Bewegung, »ich möchte in einer Stunde etwa geweckt… äh, be nachrichtigt werden.« Mike Rander, Kathy Porter sahen die ältere Dame lächelnd an, bis sie im Korridor verschwunden war. Dann wandten sie sich Parker zu, der ihnen einen Sherry servierte. »Wie beurteilen denn Sie die Lage, Parker?« erkundigte sich Mi ke Rander. »Das gesamte Umfeld, Sir, dürfte noch weitgehend unbekannt sein«, gab der Butler zurück. »Der Hinweis auf Billy Brandon ist allerdings als beachtenswert zu bezeichnen.« »Wer ist Ritchie Dawson, Mr. Parker?« warf Kathy Porter ein. »Meine Wenigkeit ist geneigt, seinen Worten Glauben zu schen ken«, erwiderte Josuah Parker, »Mr. Dawson ist selbstverständ lich kein unbeschriebenes Blatt, um es so zu umschreiben, Miß Porter. Auf sein Konto gehen einige Vorstrafen wegen Diebstahls, 21
Körperverletzung und Erpressung. Meine Wenigkeit konnte ihn seinerzeit vor einer Mordanklage bewahren.« »Gehört ihm diese Spielhalle?« fragte Mike Rander. »Seinem Onkel, einem gewissen John Dawson.« »Der wahrscheinlich auch kein unbeschriebenes Blatt ist, wie?« »In der Tat, Sir. Mr. John Dawson ist ein Hehler, wie aktenkun dig gemacht werden konnte.« »Ist diesem Onkel zuzutrauen, daß er diese Versicherung aufge zogen hat?« »Kaum, Sir, dazu fehlt es Mr. John Dawson an Härte, um es mal so auszudrücken.« »Wollen Sie noch in dieser Nacht zu Billy Brandon nach Cler kenwell fahren?« warf Kathy Porter ein. »Solch eine Fahrt bietet sich an, Miß Porter«, lautete Parkers Antwort, »aber dabei sollte es in erster Linie um Mr. Ken Kogan gehen.« »Sprechen Sie jetzt von dem Besitzer des Morris, Mr. Parker?« »Von einem Mann, Miß Porter, der seinen Wagen über alles liebt und ihn nur an den Wochenenden zu benutzen pflegt.« Parker nickte. »Fahren wir in großer Besetzung nach Clerkenwell?« wollte der Anwalt wissen. »Wohl kaum, Sir«, gab der Butler zurück, »Mylady wird sicher einen kritischen und ausgedehnten Blick auf einen Kriminalfilm werfen, den das Fernsehen in zwei Stunden präsentiert.« Kathy Porter hatte sich gründlich gemausert. Sie trug eng anliegende schwarze Lederhosen, passende Stiefel und eine ebenfalls schwarze Lederweste. Auf ihrem dunkelbrau nen Haar mit dem leichten Rotstich saß eine Ledermütze, die recht verwegen wirkte. Noch hatte Kathy neben Parker im hoch beinigen Monstrum ihren Platz, doch schon bald sollte sie ausge setzt werden. »Machen Sie sich wirklich keine Sorgen, Mr. Parker«, meinte sie lächelnd, »ich bin schließlich nicht zum ersten Mal dabei. Ich kann mich schon wehren.« »Daran besteht erfreulicherweise nicht der geringste Zweifel«, antwortete Josuah Parker. »Aber vielleicht sollten Sie noch gene rell ein wenig mehr Farbe auftragen, was Ihr Make-up betrifft. Es wirkt noch zu diskret.« »Dem kann leicht abgeholfen werden«, sagte sie auflachend 22
und machte sich sofort an die Arbeit. Dann wandte sie ihr Gesicht Parker zu, der ihren Blick kurz und prüfend erwiderte. »Ausgezeichnet«, stellte der Butler fest, »jetzt sehen Sie einer sogenannten Rockerbraut sehr ähnlich.« »Den Rest schaffe ich vor Ort«, beruhigte Kathy Porter den But ler, »ich stamme also aus Liverpool und besuche hier in London meinen Onkel.« »Der Horace Pickett heißt«, führte Parker weiter aus, »Sie ha ben sich von einem Autofahrer mitnehmen lassen und sind in Clerkenwell rein zufällig angekommen.« »Wie wir es verabredet haben, Mr. Parker.« Kathy Porter war von Parker genau instruiert worden. »Ich werde während meines Ausfluges von Mr. Pickett und einigen seiner Freunde beschattet.« »Meine Wenigkeit sieht den kommenden Stunden mit Freude entgegen«, sagte Josuah Parker. »Darf man Sie noch mal daran erinnern, daß Sie jegliches Risiko vermeiden sollten, Miß Porter?« Sie nickte und wartete darauf, endlich abgesetzt zu werden. Sie wollte sich als Lockvogel betätigen und Bekanntschaft mit dem Club der Fünfhunderter schließen. Kathy traute sich solch eine Aufgabe ohne weiteres zu. Aus dem Stand konnte sie Slang spre chen. Nachdem sie ausgestiegen war, fuhr der Butler noch ein Stück weiter und holte dann ein Sprechfunkgerät aus einer Halterung unter dem Armaturenbrett. Er schaltete es ein und rief den Na men eines gewissen Mr. Horace Pickett. »Pickett«, meldete sich die Gegenstelle umgehend. »Sie haben zur Kenntnis genommen, daß Miß Porter bereits ausgestiegen ist?« fragte Parker. »Alles unter Kontrolle, Mr. Parker«, bestätigte Horace Pickett, »wir lassen sie nicht aus den Augen. Ich habe übrigens den Mann aufgespürt, der Sie nach Ihrem Besuch bei Kogan gewarnt hat.« »Die Zusammenarbeit mit Ihnen, Mr. Pickett, ist stets erfreulich und gewinnbringend.« »Der Mann heißt Dave Davids und wohnt vier Häuser neben Mr. Kogan. Er ist Nachtportier in einer Hotelpension.« »Dave Davids«, wiederholte Butler Parker den Namen. »Man wird auch ihm einen Besuch abstatten müssen.« »Ich habe mir die Hotelpension angesehen, Mr. Parker, ich ken ne sie von früheren Zeiten her. Es ist kein renommiertes Haus.« Parker bestätigte die Durchsage, schaltete sein Gerät ab und 23
suchte nach einem passenden Parkplatz. Er fand ihn in einer ru higen Seitenstraße, stieg aus und lustwandelte dann zu jenem schmalbrüstigen Reihenhaus, in dem Ken Kogan wohnte, der Be sitzer des gestohlenen Morris. Als Parker in die bewußte Straße bog, meldete sich plötzlich seine innere Alarmanlage, wie er dazu sagte. Er besaß ein feines Gespür für Gefahr. Sein Instinkt war in dieser Hinsicht hervorra gend ausgebildet. Parker blieb an der Ecke stehen und spähte die fast dunkle Straße hinunter. Links und rechts parkten Wagen in dichter Folge. Die Straßenbeleuchtung war mehr als mangelhaft. Parker ging die Bogenlampen genau durch und fand heraus, daß zwei im Bereich jenes Hauses nicht mehr brannten, in dem Ken Kogan wohnte. Das konnte ein Zufall sein, doch Parker unterstellte, daß hier Absicht vorlag. Ob man auf seine Rückkehr wartete? Wenn das so war, hatte die Gegenseite genau spekuliert, dann hatte man es mit Profis zu tun, die möglichst schnell die Lage bereinigen woll ten. Parker konzentrierte sich auf die parkenden Wagen in der Nähe des bewußten Hauses und brauchte nicht lange zu warten, bis er das Aufglühen einer Zigarette in einem etwa zwanzig Meter vor Kogans Haus abgestellten Kleinwagen entdeckte. Man wartete also tatsächlich auf ihn. Aber Parker war bereit, sich auf diese neue Situation einzustellen. * Parker zog sich in die Seitenstraße zurück und verschwand für einen Moment in einem Torweg. Hier kleidete er sich blitzschnell um und brauchte im Grund nur seinen schwarzen Covercoat um zuwenden. Die Melone diente jetzt als Bauchwölbung, der Univer sal-Regenschirm verschwand unter dem Mantel. Als der Butler den Torweg verließ und sich der Straßenecke näherte, war er ein anderer Mensch geworden. Man sah jetzt einen gebrechlichen Mann hohen Alters, der das linke Bein nachzog und offensichtlich unter einem dicken Leib litt. Parkers Verwandlung war perfekt. Er setzte darauf, daß man vor Kogans Haus auf einen Butler wartete in schwarzem Covercoat und Melone. Davon war jetzt nichts mehr zu sehen. Die Innensei 24
te des Mantels war ein dunkles Grau. Mit nachziehendem Bein näherte sich Parker dem Wagen, in dem wenigstens ein Zigarettenraucher saß. Sekunden später machte er eine zweite Person auf dem Beifahrersitz aus. Parker hatte bereits die übrigen abgestellten Wagen, mit einem Blick kontrolliert. Weitere Insassen konnte er nicht ausmachen. Er brauchte sich also nur mit den beiden Männern zu beschäftigen, die in einem Vauxhall saßen. Da der Beifahrer seine Scheibe nach unten gedreht hatte, ergaben sich für Parker überhaupt keine Schwierigkeiten, die wartenden Männer ganz speziell zu behan deln. Dazu überquerte er die Straße und näherte sich hüstelnd dem Vauxhall. Als er ihn erreichte, stutzte er deutlich; er schien erst jetzt die beiden Insassen des Wagens ausgemacht zu haben und hielt einen Zigarrenstummel in der linken Hand. »Haben Se mal Feuer?« fragte er nuschelnd und beugte sich in den Wagen. »Hau ab, Dicker«, reagierte der Beifahrer gereizt. »‘n Streichholz«, redete Parker weiter. »Verdrück dich, Mann, oder ich scheuch’ dich.« Parker nahm die Zigarre hoch und lenkte damit den Blick des Beifahrers geschickt ab. Gleichzeitig aber schob er die rechte Hand hoch, in der sich eine Sprayflasche befand. Ein kurzer Druck auf den Auslöseknopf, und schon zischte eine Dosis in das Gesicht des Beifahrers, der unwillkürlich nach Luft schnappte und sich mit den Beinen abstemmte. Der Fahrer des Wagens war aufmerksam geworden und… wurde von Parker ebenfalls behandelt. Auch er hechelte, stemmte sich erst mal hoch, entspannte nachhaltig und blieb dann wie hingegossen in seinem Sitz hängen. Der Beifahrer hatte dies bereits alles hinter sich und lächelte versonnen. Butler Parker kümmerte sich nicht weiter um die beiden im Vauxhall. Er kannte die Wirkung des Sprays nur zu gut. Für eine halbe Stunde würden die Männer tief schlafen, Zeit genug, um sich mit Mr. Ken Kogan zu befassen. Parker wechselte zum schmalbrüstigen Haus des Mannes hin über und betätigte den Türklopfer. Es dauerte eine Weile, bis Ko gans Gesicht im Türspalt erschien. Als er Parker sah, war die Ü berraschung in seinem Gesicht perfekt. »Ja, was ist denn?« fragte Kogan unsicher und dachte nicht daran, die vorgelegte Sperrkette auszuhaken. »Meine Wenigkeit möchte nachfragen, ob Ihr Morris sich inzwi 25
schen wieder eingefunden hat«, antwortete Josuah Parker. Er hatte sich vor dem Anklopfen in einen Butler zurückverwandelt, was sein Äußeres betraf. »Mein Morris? Nein, er ist noch nicht gefunden worden.« »Wie unsagbar traurig für Sie«, fand Parker. »Könnten Sie mir noch sagen, wo ich Mr. Billy Brandon finde?« »Billy Brandon? Äh, den kenne ich nicht. Wer soll das denn sein?« »Es war nur eine Frage, die Sie vergessen sollten, Mr. Kogan.« Parker lüftete die schwarze Melone und wandte sich ab. »Ent schuldigen Sie die Störung, Mr. Kogan, aber sie erschien mir wichtig.« »Wieso wichtig, Mr. Parker?« wollte Kogan wissen. »Lady Simpson glaubt, daß Sie Ihren Morris nur ausgeliehen haben«, erklärte Parker und drehte sich wieder zu Ken Kogan um. »Mylady geht davon aus, daß Sie, Mr. Kogan, unter einem gewis sen seelischen Druck stehen.« »Aber wie kommt die Lady denn darauf?« staunte Kogan. Er drückte kurz die Tür an und hakte endlich die Sperrkette aus, danach zog er die Tür halb auf. »Sie versäumten es, Mylady nach dem eigentlich Sinn des Be suches zu fragen«, meinte Parker in seiner höflichen Art. »Sie zeigten keine normale Neugier und interessierten sich einzig und allein für Ihren Wagen. Mylady schien das ungemein verdächtig.« »Was wirft die Lady mir denn vor?« fragte Kogan und wirkte so fort wieder eingeschüchtert und unsicher. »Mylady könnte sich sehr gut vorstellen, daß Sie mit dem soge nannten Club der Fünfhunderter zusammenarbeiten«, sagte Par ker und schoß damit einen Versuchsballon ab. »Aber das alles kann sich ja auch durchaus als Irrtum herausstellen. Man wünscht noch eine entspannende Nacht.« Parker lüftete die schwarze Melone und verließ die Haustür, oh ne sich weiter um Ken Kogan zu kümmern, der dem Butler nach starrte und dann die Blickrichtung änderte, hinüber zu dem Vaux hall. * Parker blieb an der Straßenecke stehen und beobachtete Ken 26
Kogan, der gerade wieder aus dem Haus trat. Der dickliche Jung geselle blickte nach allen Seiten und stahl sich dann vorsichtig an den Vauxhall heran. Er warf einen kurzen Blick in den Wagen, richtete sich wieder auf und rannte förmlich in sein Haus zurück. Die beiden fest schlafenden Insassen des Wagens schienen ihn überrascht zu haben. Parker wartete auf weitere Reaktionen. Seine Geduld wurde nicht lange in Anspruch genommen. Nach etwa zehn Minuten erschien weit hinten auf der Straße ein Wa gen, der schnell näherkam und mit quietschenden Bremsen ne ben dem Vauxhall hielt. Zwei junge Männer stiegen aus, befaßten sich kurz mit den Schlafenden, zogen und zerrten sie auf die Hin tersitze des Vauxhall und sorgten anschließend dafür, daß der Wagen sich bewegte. Einer der jungen Männer hatte das Steuer übernommen, fuhr voraus und hielt auf die Straßenecke zu, an der Parker sich aufgebaut hatte. Wenige Augenblicke später erschien der Vauxhall in der Straße, dicht gefolgt von einem kleinen Renault. Parker, der im Torweg Deckung genommen hatte, wurde natürlich nicht gesehen. Der Butler wartete einige Minuten, bis er sicher sein konnte, daß die Luft rein war. Anschließend begab er sich zum Haus, in dem Dave Davids wohnte, jener Mann, der ihn erst vor einigen Stunden ge warnt hatte. Parker läutete und lüftete die schwarze Melone, als die Haustür geöffnet wurde. »Moment mal, kennen wir uns nicht?« fragte der Mann, der auch jetzt einen Freizeitanzug trug. »Parker mein Name, Josuah Parker«, stellte der Butler sich höf lich vor, »Sie waren so entgegenkommend, Lady Simpson und meine Wenigkeit vor weiteren Rockern zu warnen.« »Gut, daß Sie da so schnell gegangen sind«, meinte Dave Da vids und gab die Tür frei, »es hat nur wenige Minuten gedauert, bis ein zweiter Schlägertrupp hinter den Häusern erschien.« »Meiner bescheidenen Ansicht nach scheinen Sie sich hier aus zukennen, Mr. Davids. Man darf Ihre sicher kostbare Zeit für we nige Minuten in Anspruch nehmen?« »Aber klar doch, Mr. Parker«, lautete die Antwort, »mein Dienst beginnt erst in anderthalb Stunden.« »Sie sind Nachtarbeiter?« fragte Parker, als er nähertrat. »Nachtportier«, lautete die Antwort, »ich muß mir einfach noch 27
was dazuverdienen, sonst komme ich nicht über die Runden. Kommen Sie, ich habe gerade Tee aufgebrüht. Sie nehmen doch eine Tasse, nicht wahr?« »Ein Vorschlag, Mr. Davids, den man nur als ausgesprochen verlockend bezeichnen kann«, sagte Parker gemessen. * »Wie dieser Rocker-Club heißt, weiß ich natürlich nicht«, erzähl te Dave Davids fünf Minuten später, »aber ich weiß genau, daß die Rocker gefährlich sind. Sie terrorisieren das gesamte Viertel. Selbst ich hatte schon mit diesen Leuten zu tun.« »Privat oder dienstlich, wenn man fragen darf?« »Dienstlich, Mr. Parker, wenn Sie so wollen. Sie kamen eines Nachts in die Halle des Hotels, in dem ich arbeite, verlangten Al kohol und zertrümmerten zwei große Spiegel neben dem Aufzug, als ich ihnen nichts geben konnte. Ich hatte wirklich nichts, sonst hätte ich bestimmt nachgegeben.« »Man vergriff sich an Ihrer Person, Mr. Davids?« »Eigentlich nicht«, berichtete Dave Davids weiter, »offen ge sagt, Mr. Parker, ich bin weggelaufen und habe mich in den Keller geflüchtet, aber das brauchen Sie nicht an die große Glocke zu hängen.« »Ihre Reaktion ist nur zu verständlich«, meinte der Butler, »darf man erfahren, wem die Hotel-Pension gehört?« »Gary Hooks«, erwiderte Dave Davids, »aber der kümmert sich kaum ums Geschäft und läßt sich eigentlich so gut wie gar nicht sehen.« »Er wohnt nicht im Hotel?« »Nein, ich glaube, er hat ein Haus in Brighton oder so, genau weiß ich das nicht. Sie interessieren sich für ihn?« »Nur beiläufig«, lautete Parkers Antwort. »Man sollte vielleicht noch mal auf die jungen Leute zurückkommen, die Ihnen unan genehm aufgefallen sind. Diese Motorradfahrer verfügen über ein Clublokal, wie anzunehmen ist, nicht wahr?« »Das ist richtig, Sir«, meinte Dave Davids. »Ich glaube, die lun gern meistens in einer ausgedienten Fabrikhalle herum. Angeblich machen sie dort Musik. Selbst ich habe mich noch nie hinget raut.« 28
»Ist Ihnen ein gewisser Billy Brandon bekannt?« »Mag sein, mag nicht sein, Mr. Parker. Ich will mich da nicht festlegen. Wer soll das übrigens sein?« »Dies wird man noch genau ermitteln müssen«, antwortete der Butler ausweichend. »Wie haben Sie mich überhaupt gefunden?« wunderte sich Da ve Davids jetzt. »Dank einer gezielten Suche«, meinte der Butler höflich, »Sie sollten sich deshalb aber nicht den Kopf zerbrechen. Wenn Sie gestatten, möchte meine Wenigkeit sich jetzt empfehlen. Hilfreich wäre allerdings, wenn man die Lage dieser leeren Fabrikhalle in Erfahrung bringen könnte.« Dave Davids beschrieb sie mehr als umständlich. »Demnach ist es nicht sonderlich weit?« fragte Parker, nachdem Davids seine Lagebeschreibung beendet hatte. »Nein, das sind nur ein paar Minuten von hier«, sagte Davids. »Sie können das Fabrikgelände gar nicht übersehen. Kurz davor ist ein Kino.« »Ihre Hinweise waren mehr als nützlich«, behauptete Josuah Parker. »Sie pflegen gutnachbarschaftliche Beziehungen zu Mr. Ken Kogan?« »So gut wie keine«, antwortete Davids, »aber das hängt mit meiner Arbeitszeit zusammen. Natürlich, man kennt sich, aber mehr auch nicht. Darf ich mal was fragen?« »Meine Wenigkeit wird Ihnen Rede und Antwort stehen.« »Warum interessieren Sie sich für die Rocker, Mr. Parker? Wol len Sie sich mit diesen Schlägern anlegen? Sie würden doch nur den kürzeren ziehen.« »Lady Simpson wünscht diese Informationen«, gab Josuah Par ker zurück. »Mylady ist eine Dame, die stets den Dingen auf den Grund zu gehen pflegt.« »Es war nur eine Frage«, meinte Davids hastig, »ich wollte be stimmt nicht neugierig sein.« »So wurde es von meiner Wenigkeit auch keineswegs aufge faßt«, versicherte Parker dem Nachtportier, lüftete die schwarze Melone und ließ sich an die Tür bringen. »Wollen Sie nachher noch zu diesen Rockern?« fragte Davids, als er öffnete. Parker wollte antworten, doch ein Geschoß klatschte in die Tür füllung, obwohl man keinen Schuß gehört hatte. Parker zog es 29
daraufhin vor, sich noch mal in Dave Davids’ Haus zu begeben. Dieser Schuß kam ihm ein wenig übertrieben vor. * Josuah Parker hörte einen Motor, der brutal aufheulte, dann das Quietschen von durchtourenden Reifen. Wenig später war alles wieder ruhig. Der Butler trat an eines der beiden Wohnraumfens ter und spähte auf die Straße. Er sah gerade noch die roten Schlußlichter eines Wagens, der um die nächste Straßenecke fuhr. »Hat man auf Sie geschossen?« fragte Dave Davids noch mal. »Ich konnte mich des Eindrucks nicht ganz erwehren«, antwor tete der Butler. »Aber Sie, Mr. Davids, sollten dieser Tatsache keine zu große Bedeutung schenken.« »Man hat auf Sie geschossen.« Davids holte tief Luft. »Guter Gott, Mr. Parker, Ihre Ruhe möchte ich haben!« »Eine Frage des Trainings, wenn man so sagen darf«, erklärte der Butler, »um Ihre Haustür tut es mir leid, um offen zu sein.« »Sollte man nicht die Polizei informieren?« »Sind Sie daran wirklich interessiert, Mr. Davids?« »Nicht besonders«, räumte der Nachtportier ein, »da werden nur Fragen gestellt… Und dann die Lauferei… Eigentlich ist ja nicht viel passiert.« »Meine Wenigkeit schlägt vor, diesen Vorfall zu vergessen«, sagte Josuah Parker. »Wenn es genehm ist, könnte man eine Banknote zurücklassen, damit Sie eine Reparatur der Haustür vornehmen können.« Während Parker noch redete, legte er diskret einen Geldschein auf den Garderobentisch im Korridor. »Aber das ist doch nicht nötig«, zierte sich der Nachtportier oh ne jeden Nachdruck. »Ihnen sollen auf keinen Fall Unkosten entstehen«, redete der Butler weiter. »Darf man sich erneut empfehlen?« »Wollen Sie nicht lieber die Hintertür nehmen, Mr. Parker?« »Auf solch eine Reaktion könnte man unter Umständen nur war ten, Mr. Davids«, entgegnete Josuah Parker und öffnete die Haus tür vorsichtig, doch diesmal wurde nicht geschossen. Parker tauchte in die Dunkelheit der Straße ein und ging zurück zu sei 30
nem hochbeinigem Monstrum. Der Schuß hatte ihn überrascht. Mit solch einer Eskalation der Dinge hatte er keineswegs ge rechnet. In diesem Zusammenhang kam es gar nicht darauf an, ob der Schuß nur als Warnung gedacht war, oder aber ob man hier wirklich versucht hatte, ihn umzubringen. Die Männer, die ihre beiden im Vauxhall schlafenden Freunde weggeschafft hatten, mußten fast über hellseherische Fähigkeiten verfügen. Wie hätten sie sonst wissen können, daß Parker noch mal zurückkehren würde? Der Butler nahm am Steuer des ehemaligen Londoner Taxis Platz und rollte in jenes Viertel, in dem sich die leere Fabrik be fand. Dave Davids hatte sie genau beschrieben, und Parker brauchte nur wenige Minuten, bis er die betreffende Straße er reichte. Weit hinten in der Dunkelheit entdeckte er die KinoReklame… und auch Horace Pickett! Ein großer, fast schlanker Mann mit grauweißem Haar und ge pflegtem Schnurrbart stand unter einer der wenigen Laternen und trat an den Straßenrand. Parker hielt kurz und ließ den Mann einsteigen. Horace Pickett, etwa sechzig Jahre alt, erinnerte an einen pen sionierten Offizier. Er war eine Vertrauen ausstrahlende Person. Vor geraumer Zeit war Pickett ein Taschendieb gewesen, der sich allerdings nur auf die Brieftaschen vor Personen spezialisiert hat te, die einen Verlust durchaus vertragen konnten. Pickett war auf die andere Seite des Gesetzes gewechselt, nachdem Josuah Par ker ihm mal das Leben gerettet hatte. Seit dieser Zeit war es für Horace Pickett eine Ehre, Parker und Lady Simpson seine nun ehrenwerten Dienste anbieten zu kön nen. Parker machte von diesem selbstlosen Angebot immer wie der Gebrauch und konnte sich auf den ehemaligen Eigentumsum verteiler fest verlassen. »Miß Porter ist bereits bei den Rockern«, berichtete Pickett, »und sie wird natürlich von meinen Freunden überwacht.« »Sie kennen die genaue Lage, Mr. Pickett?« »Ich habe mich bereits umgesehen«, antwortete er. »Wenn Sie wollen, können sie auf den offiziellen Eingang verzichten. Ich ha be da so eine Art Seiteneingang entdeckt.« »Hat man es mit dem sogenannten Club der Fünfhunderter zu tun, Mr. Pickett?« 31
»Das ist der Club«, lautete die Antwort, »und hier in der nähe ren Umgebung der Fabrik hat man Angst vor den jungen Leuten. Ihre Manieren sollen nicht besonders sein.« »Man sollte das vor Ort prüfen«, schlug Josuah Parker vor, »na türlich werde ich allein gehen.« »Sie werden auf die jungen Leute wie ein rotes Tuch wirken, Mr. Parker«, warnte Pickett eindringlich. »Meine Wenigkeit beabsichtigt nicht, in Erscheinung zu treten«, gab Josuah Parker zurück, »Miß Porters Sicherheit hat unbedingte Priorität.« * Der Butler hatte einen lädierten Drahtzaun hinter sich gebracht und stieg über einige Schuttberge, bis er endlich das Fabrikge bäude erreichte. Er hörte deutlich Rockmusik, die seiner Schät zung nach aus den Kellern kam. Parker hielt sich genau an Pi cketts Wegbeschreibung und ging um einen Stapel ausgedienter und abgewrackter Eisenträger herum. Dann stieg er vorsichtig über eine Art Rampe hinunter zum Fundament der Fabrikhalle. Die Musik wurde lauter. Der Butler fand einen Mauerdurchbruch, drang in das Kellerge schoß der ausgedienten Halle ein und brauchte dann nur der Mu sik zu folgen. Dabei durchquerte er leere Lagerräume, auf deren Boden sich große Wasserlachen gebildet hatten. Es roch bereits aufdringlich nach Alkoholika, nach Tabakrauch und Feuchtigkeit. Parker wollte vorsichtig weitergehen, als er Stimmen hörte. Schritte näherten sich, dann war ein Lachen zu vernehmen. Wenig später passierten ihn zwei junge Männer, die schwarze Lederkleidung trugen und aus Bierdosen tranken. Sie verschwan den in einem Seitenkeller und schlugen eine Tür hinter sich zu. Parker brauchte nicht lange zu warten, bis sie zurückkehrten. Sie redeten miteinander, doch man konnte wegen des vielfachen Echos in den Räumen nichts verstehen. Als sie wieder in der Tiefe des Kellers verschwunden waren, warf der Butler einen Blick in jenen Raum, den die beiden Rocker gerade verlassen hatten. Es handelte sich um einen einfachen Waschraum mit gekachel ten Wänden, die noch erstaunlich gut in Ordnung waren. Es gab eine Reihendusche, Waschbecken an den Wänden und einige Toi 32
letten. Parker wandte sich zurück in den Durchgangskeller und schob sich immer näher, an die nun überlaute Musik heran. Plötzlich erblickte er Kathy. Sie sah hinreißend aus und war von jungen Männern umlagert, die mit ihr redeten, lachten und flachsten. Einer dieser jungen Männer konnte nur Billy Brandon sein. Er war groß, schmalhüftig und breitschultrig. Er trug selbstverständlich schwarze Lederklei dung und hatte erstaunlicherweise auf jeden Zierat verzichtet. Seine schwarze Ledermütze mit dem gelackten Schirm hatte er sich tief ins Gesicht geschoben. Billy Brandon schien eine gewollte Glatze zu haben. Kathy Porter hielt eine Bierdose in der Hand, aus der sie gerade trank. Sie flirtete eindeutig mit dem Anführer des Clubs der Fünf hunderter, beherrschte die Szene und hatte die Rocker zu ihren Marionetten gemacht. Sie stand dann auf und schien gehen zu wollen, doch Billy Bran don war damit keineswegs einverstanden. Er griff blitzschnell nach Kathys linkem Oberarm und zog die junge Frau fast brutal zurück. Kathy ließ es mit sich geschehen. Sie blieb dann vor Brandon stehen und musterte ihn herablas send. Danach langte sie mit zwei Fingern der linken Hand nach Brandons großer Hand und löste sie von ihrem Oberarm. Und dann, Parker bekam es kaum mit, wandte sie einen fernöstlichen Verteidigungsgriff an. Billy Brandon absolvierte daraufhin notge drungen einen halben Salto und landete krachend auf dem Rü cken. Gelächter brandete auf, erstarb aber sofort wieder, als Brandon blitzschnell aufsprang. Irgend jemand im Keller drehte das Radio leiser. »Okay, Süße, das war nicht schlecht«, sagte Brandon, der sich nur mühsam beherrschte, »aber mach das nicht noch mal.« »Das gilt auch für dich, mein Junge«, gab Kathy gelassen zu rück. »Du willst schon abhauen? Jetzt wird’s doch erst bestens«, meinte Brandon, der immer noch gereizt war. »Ich werde jetzt verduften«, sagte Kathy, »und vielleicht mal wieder aufkreuzen.« »Is’ doch klar, daß du bleibst«, verlangte Billy Brandon, »komm schon, Süße, mach keine Zicken.« 33
»Das gilt auch für dich, mein Junge«, wiederholte Kathy, »spiel hier nicht den wilden Mann.« Sie wandte sich erneut ab und ging weiter. Einige Rocker gaben automatisch den Weg frei. Billy Brandon nagte an seiner Unterlip pe und wirkte unentschlossen. Dann schien er einen Ausweg ge funden zu haben. »Ich bring dich rauf«, sagte er einlenkend, »sag mal, woher stammt der Trick da eben?« »Von der Glotze«, sagte sie lässig. »Komm schon, Süße, erzähl mir nichts vom Pferd. Woher hast du den?« Bevor Kathy antworten konnte, holte Billy Brandon zu einem harten Schlag mit dem Handrücken aus. Butler Parker sah schon voraus, daß Kathy von diesem Ausbruch der Wildheit völlig überrascht wurde. * Normalerweise hätte Josuah Parker sich nicht eingemischt, ein kleines Handgemenge hätte er hingenommen. Doch jetzt und hier ging es um mehr. Parkers Ritterlichkeit wurde umgehend akti viert. Er reagierte automatisch und dachte nicht an Konsequen zen. Blitzschnell hatte er die schwarze Melone vom Kopf genommen und in eine Frisbee-Scheibe umfunktioniert. Seine Kopfbede ckung, deren Wölbung mit zähem Stahlblech ausgefüttert war, sirrte wie ein Diskus durch die Luft und traf mit erstaunlicher Si cherheit das linke Ohr des Zuschlagenden, der darauf nicht mehr aktiv war. Billy Brandon brüllte, ließ die Hand fallen und krümmte sich. Dann sackte er auf die Knie und hielt sich das Ohr. Jetzt erst dachte der Butler an Reaktionen. Zuerst starrten die Rocker entgeistert auf ihre Leitfigur, die sich recht unmännlich benahm und schrie. Die jungen Männer hatten Brandon so noch nie gesehen und wunderten sich. Dann starrten sie auf die Melone, die Kathy Porter allerdings längst erkannt hat te. Geistesgegenwärtig wandte sie sich um und deutete in die fal sche Richtung. »Los, Beeilung«, rief sie, »schnell, ihr erwischt ihn noch…« 34
Dieser Hinweis löste eine Art Stampede aus. Die Rocker stampften los und rannten dann in die falsche Rich tung. Kathy Porter ging um Brandon herum, der den Kopf geho ben hatte und sie gereizt anschaute. Dabei erhob er sich lang sam. »Ich hab’ gleich gespürt, daß du ein Spitzel bist«, sagte er. »Übernimm dich nur nicht«, erwiderte sie spöttisch. »Für wen spionierst du hier herum?« Brandon hielt sich das lin ke Ohr, doch mit der rechten Hand langte er in seine Jeans und zog ein Messer hervor. »Steck das Messer weg, Billy«, verlangte Kathy Porter ener gisch. »Wer hat dich geschickt?« wollte Brandon noch mal wissen. »Meine bescheidene Wenigkeit«, schaltete Josuah Parker sich ein und trat hinter der Querwand hervor. »Wer ist denn das?« Brandon riß die Augen weit auf. »Parker mein Name, Josuah Parker«, stellte der Butler sich vor. »Sie sind, Mr. Brandon, gewollt oder ungewollt in eine gewisse Schußlinie geraten, um es mal so auszudrücken.« Billy Brandon reagierte gereizt und schleuderte das Messer auf den Butler, doch Parker hatte mit solch einem Überraschungsan griff gerechnet. Fast beiläufig wehrt er das heranfliegende Messer mit dem Universal-Regenschirm ab. Es landete klirrend auf dem Beton des Bodens. Kathy Porter hatte Parkers Melone aufgehoben und trug sie zurück zum Butler. Währenddessen staunte Brandon noch immer. Er blickte auf Parker, dann auf sein Messer und schließlich wieder auf den But ler. »Sie neigen zu Überreaktionen, Mr. Brandon«, stellte Parker fest. »Früher oder später werden Sie mit Sicherheit das bekom men, was man in Ihren Kreisen Ärger zu nennen pflegt.« »Verdammt, wer sind Sie?« »Meine Wenigkeit stellte sich bereits vor«, gab Parker zurück, »ersparen Sie mir unnötige Wiederholungen. Sie brachten sich nicht in den illegalen Besitz eines Autos?« »Verdammt, wovon reden Sie eigentlich?« brauste Brandon auf. »Von Versicherungen gegen Glasbruch, Brand und sonstigen Unannehmlichkeiten.« »Sind Sie bescheuert, Mann?« Brandon wollte sich auf den But ler stürzen, doch dann zuckte er zurück. Instinktiv spürte er, daß 35
er hier seinen Meister gefunden hatte. »Sie werden Verständnis dafür aufbringen, daß man auf Ihre Frage nicht näher eingehen wird, Mr. Brandon«, entgegnete der Butler. »Ihre Freunde vermissen nicht zufällig zwei Motorräder?« »Mann, was quasseln Sie da eigentlich zusammen?« erwiderte Brandon gereizt. »Gehört die Kleine da zu Ihnen?« »In der Tat«, sagte der Butler, »ich muß Ihnen übrigens meine Mißbilligung aussprechen. Sie hatten die feste Absicht, Miß Porter zu schlagen.« »Quatsch, stimmt ja gar nicht. Aber sie hatte mich schließlich aufs Kreuz gelegt.« »Sie sollten ab sofort eine gewisse Vorsicht walten lassen, Mr. Brandon«, schickte Josuah Parker voraus. »Es könnte durchaus sein, daß man Sie und Ihre Freunde belasten will. Ich lasse Ihnen meine Visitenkarte zurück. Sie können meine Wenigkeit jederzeit anrufen, falls sich Ihnen das Gefühl aufdrängen sollte, mit mir sprechen zu müssen.« Während Parker noch redete, schob er seine Visitenkarte in ei nen Mauerspalt. Anschließend warf er einen seiner PatentKugelschreiber auf den Betonboden. Bevor Brandon begriff, was geschah, umwallten ihn dichte Nebelschwaden, die ihm jede Sicht raubten. * »Ich komme wirklich rein zufällig vorbei«, sagte ChiefSuperintendent McWarden, ein untersetzter, bullig aussehender Mann von etwa fünfundfünfzig Jahren. McWarden leitete im Yard ein Sonderdezernat, das für organisiertes Verbrechen zuständig war. Der Chief-Superintendent war so etwas wie der sehr gute Freund des Hauses. Er schätzte die kriminalistischen Fähigkeiten vor allen Dingen des Butlers, er schätzte aber auch die vielen kleinen Wortgefechte, die er sich mit seiner Herrin lieferte. »Ich habe bereits gefrühstückt«, sagte Lady Agatha genußvoll. »Sie sind zu spät gekommen, mein lieber McWarden.« »Mir reicht ein Sherry vollkommen«, gab McWarden zurück, »es können aber von mir aus auch zwei sein. Ich weiß ja schließlich, wie gastfreundlich Sie sind, Mylady.« 36
»Sie werden noch zum Trinker«, behauptete Agatha Simpson und bedachte Parker mit mißbilligendem Blick. Er schickte sich nämlich an, den gewünschten Sherry zu servieren. »Ist das da vorn am Tor ein neues Kunstobjekt?« erkundigte sich McWarden, als er das gefüllte Sherryglas vom Silbertablett nahm. »Ein neues Kunstobjekt?« Lady Agatha runzelte die Stirn. »Zwei Motorräder«, erinnerte McWarden, »sie sind aneinander gekettet und sehen ziemlich angeschrammt aus.« »Mr. Parker, warum weiß ich nichts davon?« wollte Lady Agatha wissen und wandte sich an ihren Butler. »Meine Wenigkeit hat bereits veranlaßt, daß die beiden Maschi nen umgehend weggeschafft werden, Mylady.« »Ich habe mir sicherheitshalber die Kennzeichen aufgeschrie ben«, sagte der Chief-Superintendent genußvoll, »ich werde fest stellen lassen, wer die Besitzer sind.« »Haben Sie keine anderen Sorgen, McWarden?« grollte die älte re Dame. »In jüngster Zeit interessieren mich Motorräder«, gab McWar den zurück. »Ich habe nämlich mit einigen Rockern zu tun, die ziemlich unangenehm auffallen.« »Sie machen mich neugierig, mein Lieber.« »Kein Fall für Sie, Mylady«, behauptete der ChiefSuperintendent abwinkend. »Es dürfte sich wohl um eine Bagatel le handeln, die zufällig auf meinem Schreibtisch gelandet ist.« »Dann ist es ja gut«, meinte Agatha Simpson. »Sie sind also rein zufällig hier, McWarden. Sie haben Sorgen? Sie brauchen wieder mal meine Hilfe, um einen Fall lösen zu können?« »Es geht um Rocker, wie man sagt«, antwortete McWarden und lächelte dünn, »hier im Viertel treiben sich Kerle herum, die an geblich Versicherungen verkaufen.« »Interessiert mich so etwas, Mr. Parker?« wollte die Detektivin von ihrem Butler wissen. »Mylady werden sich wahrscheinlich erst später entscheiden«, vermutete Parker. »Man verkauft Versicherungen gegen Glasbruch und Feuer«, berichtete McWarden weiter, »und falls man solch eine Versiche rung nicht abschließt, hat man eben Glasbruch oder muß die Feu erwehr alarmieren.« »Es dürfte sich also um eine Variante der bekannten Schutzge 37
bühren handeln, Sir«, stellte Parker höflich fest. »Um nichts anderes geht es, Mr. Parker«, antwortete McWar den. »Uns liegen da einige Anzeigen vor, und ich gehe davon aus, daß man es mit organisiertem Bandenverbrechen zu tun hat.« »Ich sollte mich da vielleicht doch einschalten, McWarden«, ließ die ältere Dame sich vernehmen. »Bei Ihnen wurden solche Ver sicherungen noch nicht angeboten?« McWarden sah die Hausher rin sehr betont an. »Wie kommen Sie denn darauf?« wunderte sich die ältere Da me. »Nur eine Vermutung, Mylady«, wich McWarden aus, »ich sah die beiden Maschinen vorn am Tor zur Straße hin. Die Rocker, die für Glasbruch und Feuer gesorgt hatten, kamen auf solchen Ma schinen, warfen Pflastersteine und diese scheußlichen MotolowCocktails.« »Sie haben mich überzeugt, mein lieber McWarden«, flötete die energische Dame plötzlich huldvoll und beschenkte McWarden mit einem Lächeln. »Mr. Parker, noch einen Sherry für unseren lieben Gast. Sehen Sie, McWarden, wenn Sie mich nur richtig bitten, wie Sie es eben getan haben, werde ich Ihnen selbstverständlich wei terhelfen.« »Ich habe Sie überhaupt nicht um Hilfe gebeten, Mylady«, pro testierte der Chief-Superintendent umgehend. »Wie auch immer, mein Lieber, ich wenigstens habe Ihren Hilfe schrei herausgehört. Ist es nicht so, Mr. Parker?« »Wie Mylady zu meinen belieben«, lautete Parkers gemessene Antwort. »Vertrauen Sie sich mir an, McWarden«, redete die ältere Dame weiter, »sehen Sie in mir eine gute Freundin.« »Gütiger Himmel«, schnaubte McWarden, »ich komme wirklich allein zurecht, was diesen Fall betrifft.« »Das reden Sie sich nur ein, McWarden«, erklärte Agatha Simp son und lächelte verständnisvoll, »wollten Sie gerade noch etwas sagen?« »Ja«, gestand der Chief-Superintendent und wandte sich an Jo suah Parker, »ich brauche jetzt dringend einen weiteren Sherry.« *
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»Hier ist Billy Brandon«, meldete sich der Rocker, der den Club der Fünfhunderter anführte, »Sie sind doch dieser komische But ler, oder?« »Erfreulich, Mr. Brandon, daß Sie meiner Wenigkeit durchaus heitere Gefühle entgegenbringen«, erwiderte Josuah Parker, der sich mit Mike Rander in der großen Wohnhalle des Hauses befand. »Man kann wohl davon ausgehen, daß Sie nicht gerade aus einem Gefühl der Langeweile hier anrufen.« »Klar, Sie sind das«, meinte Brandon, »so kariert wie Sie spricht nur einer.« »Die Sprache ist ein Instrument, das man sorgsam pflegen soll te«, entgegnete der Butler, »aber könnten Sie unter Umständen zur Sache kommen, Mr. Brandon?« »Sie haben mich doch in der Nacht nach ein paar vermißten Ma schinen gefragt, oder?« »Mein Wenigkeit fragte nach zwei Motorrädern«, erinnerte der Butler. »Miß Porter berichtete inzwischen, daß Ihre Freunde in der Tat zwei Maschinen vermissen.« »Dann wußte die mehr als ich«, behauptete Billy Brandon, »ich hab’ das erst vor ein paar Stunden rausbekommen. Also, die bei den Maschinen sind verschwunden.« »Sollten sie gestohlen worden sein?« »Klar, die sind geklaut worden, Parker. Und dazu ist hier bei uns das letzte Wort noch nicht gesprochen, darauf können Sie Gift nehmen. Lassen diese Idioten sich einfach zwei Maschinen klau en, nicht zu fassen! Wieso haben Sie nach den Feuerstühlen ge fragt, Mann? Haben Sie von der Klauerei etwa gewußt?« »Vor Myladys Haus warten zwei abgelegte Motorräder auf ihre Besitzer«, antwortete Josuah Parker, »inzwischen läßt meine We nigkeit feststellen, wem diese Motorräder gehören.« »Ich glaube, ich komme mal vorbei, wie?« »Sie kennen die Besitzer der Maschinen?« »Natürlich, Parker. Die gehören ja zu meinem Verein. Und die können sich noch’ auf was gefaßt machen.« »Sie wundern sich nicht sonderlich darüber, daß die beiden Mo torräder hier vor Myladys Haus zurückgelassen wurden?« »Weiß ich, was die Typen mit den geklauten Krädern gemacht haben? Hören Sie, sind Sie etwa wegen der beiden Feuerstühle bei uns im Club aufgekreuzt?« 39
»Sie treffen den oft zitierten Nagel voll auf den Kopf, Mr. Bran don.« »Hören Sie, Parker, Sie sind ein verdammt cleverer Hund, wis sen Sie das?« »Sie Schmeicheln sicherlich meiner Wenigkeit.« »Das mit dem Nebel war Klasse, Parker. Da is’ noch was, das geklärt werden sollte.« »Sie wollen sicher von Ihrem Messerwurf berichten.« »Mann, Sie sind ja direkt ‘n Hellseher«, wunderte sich Billy Brandon. »Ich hab’ das Messer nicht direkt auf Sie geworfen. O der haben Sie das etwa geglaubt?« »Meine Wenigkeit konnte nicht umhin, dies anzunehmen.« »Das Ding war an Ihnen vorbeigezischt, aber haarscharf. Ich kann mit mein Messer umgehen.« »Beruhigend, dies wenigstens nachträglich zu hören und zu wis sen, Mr. Brandon. Dann darf man Sie also innerhalb der kom menden Stunde hier in Shepherd’s Market erwarten?« »Ich werde die beiden Trottel mitbringen, die sich ihre Maschi nen haben klauen lassen.« »Es wird ein möglicherweise interessantes Wiedersehen geben, Mr. Brandon.« Parker legte auf und wandte sich an Mike Rander, der das Gespräch über den Raumverstärker mitverfolgt hatte, »Klang alles ziemlich treuherzig, Parker«, urteilte der Anwalt, »dieser Brandon dürfte es aber faustdick hinter den Ohren ha ben.« »Davon, Sir, sollte man stets ausgehen«, erwiderte Josuah Par ker. »Ein waches Mißtrauen dürfte allen gegenüber höchst ange bracht sein.« * »Klar, das sind unsere Maschinen«, sagte einer der beiden Ro cker, die Billy Brandon mitgebracht hatte. Die drei in Leder ge kleideten jungen Männer waren in einem eindeutig frisierten MiniCooper gekommen. Sie standen vor den aneinandergeketteten Motorrädern und machten einen irritierten Eindruck. »Wenn ich die Typen erwische, die uns die Feuerstühle geklaut haben…«, sagte der zweite Motorradbesitzer wütend. »Mann, kos tet das Zaster, bis wir die wieder hinbekommen haben.« 40
»Hallo, Süße«, rief Billy Brandon Kathy Porter zu, die mit Parker und Mike Rander das Haus verlassen hatte. Kathy Porter lächelte neutral. Sie sah sehr attraktiv aus in ih rem Hausanzug. »Sieht man sich mal wieder?« fragte Brandon weiter, während die beiden Begleiter sich mit ihren Maschinen beschäftigten. »Dann aber zusammen mit mir«, warf Mike Rander ein. Er wirk te lässig-arrogant in seiner grauen Flanellhose und dem dunkel blauen Blazer. Er trug ein weißes Hemd mit modischem Halstuch. »Wer is’ denn das?« mokierte sich Brandon und musterte den Anwalt mehr als abfällig. »Die beiden Herren sollten sich ausweisen, Mr. Parker«, erin nerte der Anwalt und lächelte Brandon an. Rander deutete lässig auf die Begleiter der beiden jungen Männer, die ihre Maschinen aufrichteten. »Wollen Sie etwa behaupten, wir würden Ihnen was vorma chen?« fragte Brandon aggressiv. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, guter Mann?« fragte Rander lässig zurück. Billy Brandon schoß die Röte ins Gesicht. Er fürchtete um sein Gesicht und baute sich breitbeinig vor dem Anwalt auf, der ihn förmlich übersah. »So ‘nein Pinkel wie dir mach ich immer noch was vor«, äußerte Brandon da und fuhr sich über die ausrasierte Glatze. »Okay, wenn Sie darauf bestehen.« Rander lächelte flüchtig. Brandon schien ihn überhaupt nicht zu interessieren. »Okay, Pinkel, wenn du Streit haben willst, sollst du ihn ha ben«, schickte Brandon voraus. »Ich gebe dir ‘ne echte Chance. Noch kannst du dich verdrücken, bevor du was auf die Rübe be kommst.« »Sie wollen Eindruck machen, nicht wahr?« fragte Mike Rander. Billy Brandon explodierte. Gerade vor Kathy Porter wollte er zeigen, wer er war. Seine Begleiter hatten ihre Maschinen gegen die Backsteinmauer gestellt und grinsten erwartungsvoll. Sie kannten ihren Anführer und gaben Rander keine Chance. Brandon schlug bereits zu, fingierte und wollte dem Anwalt die Linke auf die Nase setzen. Doch Mike Rander pendelte den harten Schlag fast beiläufig aus und schlug seinerseits blitzschnell zu rück. Er setzte seine Faust auf Billy Brandons Magenpartie. Der Mann sog scharf die Luft ein und verbeugte sich tief. Aus dieser 41
Verbeugung warf Brandon sich vor und wollte seinen Kopf als Rammbock einsetzen. Erneut wich der Anwalt leichtfüßig aus und ließ Brandon ins Lee re laufen. Dabei stolperte der glatzköpfige Rocker und fiel auf die Knie. »Was ist denn, guter Mann?« fragte Rander ein wenig spöttisch, »ein Kniefall vor mir? Den hat kein Mensch hier verlangt.« Brandon verlor wieder mal die Selbstbeherrschung und zog sein Messer. Er stand auf, warf es von der linken in die rechte Hand und dann wieder zurück. Dazu tänzelte er wie ein Zirkuspferd und wollte seinen Gegner aus dem Konzept bringen. »Aus welchem Film haben Sie denn das, Brandon?« erkundigte sich Mike Rander freundlich, »sieht nicht schlecht aus.« Brandon fiel aus. Er warf sich nach vorn und hatte eindeutig die feste Absicht, Mi ke Rander mit dem Messer zu verletzen. Doch er hatte die Rech nung ohne den Anwalt gemacht. Rander absolvierte einen Sidestep und packte dann mit beiden Händen wie eine zustoßende Schlange zu. Er ergriff das Handgelenk des Messerstechers und ließ ihn einen Salto ausführen. Brandon brüllte, als er auf dem Rücken landete und dabei sein Messer verlor. Er stand ein wenig mühsam auf und verlor jede Kontrolle über sich. Er ruderte mit beiden Armen in der Luft herum und wollte mit den Fäusten zu schlagen. Dabei lief er voll in einen rechten Haken des Anwalts. Brandon stieg aus dem Stand etwa zehn Zentimeter senkrecht hoch in die Luft, kippte dann nach hinten ab und landete erneut krachend auf dem Pflaster des Vorhofes. Diesmal blieb er liegen. »Ihre Papiere, wenn man höflich bitten darf«, sagte Parker zu den beiden tief beeindruckten Rockern. »Sie hatten doch be stimmt kaum die Absicht, sich am Geschehen zu beteiligen, nicht wahr?« »Nee, überhaupt nicht«, sagte der erste Rocker. »Warum auch?« fügte der zweite hinzu und blickte Mike Rander scheu an. »Irgendwie hat er das mal gebraucht. In letzter Zeit macht er ziemlich auf wild.« »Was sollte man sich darunter vorstellen?« fragte Josuah Par ker. »Er dreht durch«, lautete die Antwort, »er hält sich für den Größten.« »Wie sind Mr. Brandons Beziehungen zu Ritchie Dawson?« woll 42
te der Butler wissen. »Die waren noch nie gut«, sagte der erste Rocker, »die beiden hassen sich wie die Pest.« »Was im Fall eines gewissen Marty aber wohl nicht ganz zutrifft, ja?« »Marty wartet doch nur darauf, Dawson aussteigen zu lassen. Dawson hat nich’ mehr den richtigen Kick, verstehen Sie? Der hat glatt den Anschluß verloren. Der macht immer mehr auf Unter nehmer bei seinem Onkel. Nee, der hat keinen Kick mehr.« * »Nun, Mr. Parker, was haben Sie mir zu berichten?« fragte die Lady eine Stunde später. Sie war aus dem Obergeschoß des Hau ses gekommen und blickte sich suchend um, »wo sind die Kin der?« »Miß Porter und Mr. Rander begaben sich hinüber in die Curzon Street, Mylady, um sich den Geschäften zu widmen.« »Sehr schön.« Lady Agatha nahm in einem Sessel vor dem mächtigen Kamin Platz. »Dann wollen wir die Kinder auch nicht stören, Mr. Parker. Diese Zweisamkeit ist sehr förderlich.« »Mylady hoffen darauf, bald eine Hochzeit ausrichten zu kön nen?« »Aber natürlich, Mr. Parker. Sie sind ja wie füreinander geschaf fen, finden Sie nicht auch?« »Meine Wenigkeit möchte sich erlauben, diese Frage zu beja hen.« »Habe ich etwas versäumt, Mr. Parker?« Lady Simpson nickte huldvoll, als Parker ihr einen Sherry servierte. »Wie ist es mit diesen Rockern gelaufen?« »Die Besitzer der beiden Motorräder erschienen zusammen mit Mr. Billy Brandort und holten ihre sogenannten Feuerstühle ab. Sie wiesen Papiere vor, aus denen die Besitzverhältnisse geklärt werden konnten. Während dieser Formalitäten kam es zu einer kleinen Auseinandersetzung zwischen Mr. Rander und Mr. Bran don.« »Das hört sich aber doch recht gut an«, meinte die ältere Da me. »Mr. Rander sah sich genötigt, aus seiner sonst üblichen Reser ve herauszugehen. Danach fühlte der Anführer der Rocker sich 43
nicht mehr sonderlich wohl.« »Das lobe ich mir, Mr. Parker. Ich weiß also jetzt, wer mich mit dieser Versicherung erpressen wollte?« »Nicht mit letzter Sicherheit, Mylady«, korrigierte der Butler sanft, »zur Zeit haben Mylady es mit zwei Rocker-Gruppen zu tun. Auf der einen Seite gibt es den sogenannten Club der Fünf hunderter, auf der anderen Seite eine Rockervereinigung, die von einem gewissen Ritchie Dawson geführt wird, den Mylady ken nenzulernen geruhten.« »Aha. Und wo war das?« Sie runzelte die Stirn. »In einer Spielhalle in Clerkenwell, Mylady. Die Herren Billy Brandon und Ritchie Dawson dürften Gegner sein, was ihre jewei ligen Clubs betrifft. Nach jüngsten Informationen soll Mr. Ritchie Dawson auf dem besten Weg sein, sich aus der Rockerszene zu rückzuziehen.« »Und was schließe ich daraus, Mr. Parker?« »Mylady üben die bekannte Zurückhaltung«, behauptete der Butler höflich, »Mylady fällen selbstverständlich keine voreiligen Urteile.« »Wer hat mir nun angedroht, meine Fensterscheiben einzuwer fen?« wollte sie ungeduldig wissen. »Vieles deutet auf die Rocker-Gang des Mr. Billy Branden hin«, entgegnete der Butler, »aber diese Person allein dürfte die illegale Versicherung kaum etabliert haben.« »Und warum glaube ich das nicht?« fragte sie und ließ sich ei nen zweiten Sherry servieren. »Die Intelligenz des erwähnten Mr. Billy Brandon reichte nicht aus, solch eine Organisation zu gründen und zu leiten. Er ist das, was man einen Schläger nennen könnte, der sogar noch stolz auf seine unbeherrschte Brutalität sein dürfte.« »Und dieser Spielhallen-Rocker, Mr. Parker?« wollte sie wissen. »Mr. Ritchie Dawson, Mylady, verfügt eindeutig über die erfor derliche Intelligenz«, urteilte der Butler, »er war es übrigens, der Mylady auf den sogenannten Club der Fünfhunderter aufmerksam machte, was man durchaus als ein Ablenkungsmanöver bezeich nen könnte. Zudem hat Mr. Ritchie Dawson einen Onkel, der sich in Geldgeschäften ungemein gut auskennt.« »Dann ist dieser Spielhallen-Rocker der gesuchte Täter. Von mir aus, Mr. Parker, können Sie auch noch seinen Onkel als Drahtzie her dazupacken. Sie sehen, wie schnell man einen Fall klärt. Man 44
muß nur kombinieren können.« »Es geht eben nur noch um die notwendigen Beweise, Mylady«, gab der Butler zu überlegen, »aber Mylady werden sie mit Sicher heit herbeischaffen.« »Natürlich«, antwortete sie, »erledigen Sie die notwendigen De tails, Mr. Parker. Dieser Kleinkram interessiert mich nicht und lenkt mich nur ab.« Parker deutete schweigend eine knappe Verbeugung an. * »Mann, Sie haben vielleicht Nerven«, sagte der mittelgroße schlanke Mann und schaute den Butler entgeistert an, »daß Sie sich überhaupt hierher trauen, Parker.« »Zuerst möchte meine Wenigkeit Ihnen einen noch halbwegs guten Tag wünschen, Mr. Murray«, erwiderte Parker und lüftete seine schwarze Melone. »Ich hab’ verdammt große Lust, Sie durch die Mangel zu dre hen«, redete Fred Murray weiter. Seine dunklen Augen flackerten nervös wie stets. Der Mann war in der kriminellen Szene Londons eine bekannte Erscheinung. Er leitete eindeutig eine Gang und unterhielt einige Verbindungen mit der internationalen Mafia. Auf Parker war er nicht sonderlich gut zu sprechen, da der Butler ihm erst vor knapp einem Jahr eine Beute abgejagt hatte, die aus der Zentralkasse einer Windhund-Rennbahn stammte. Fred Murray selbst hatte sich einer Anklage entziehen können. Wenigstens drei Personen hatten seinerzeit Meineide geschworen und be hauptet, Murray sei zur Tatzeit in Cardiff gewesen. Josuah Parker hatte diesen Mann in einem Baumarkt aufge sucht, der das Hauptquartier des Gangsters war. Arglose Bastler konnten hier alles kaufen, was ihr Herz begehrte. Fred Murray saß in einer Art verglaster Kanzel, aus der er seine Verkaufshalle gut überblicken konnte. »Sie werden sicher längst unterstellt haben, daß meine Wenig keit nicht als Kunde gekommen ist«, meinte der Butler, »und was die erwähnte Mangel betrifft, durch die Sie meine Person zu dre hen wünschen, so stelle ich anheim.« »Ich bin doch nicht so blöd, mich von Ihnen provozieren zu las sen«, erwiderte Fred Murray. »Ich kenne Ihre Tricks, Parker. Aber 45
eines Tages sind Sie dran, das verspreche ich Ihnen.« »Falls Sie dann noch die Möglichkeit haben, Ihre Wünsche um münzen zu können«, sagte Parker, »oder sollten Sie Ihre auf kommende Konkurrenz unter Kontrolle haben?« »Aufkommende Konkurrenz?« Fred Murray kniff die Augen zu sammen. »Sie wissen wirklich von nichts, Mr. Murray?« wunderte sich der Butler. »Ich hab’ keine Ahnung, wovon Sie reden, Parker. Kommen Sie, rücken Sie schon mit der Sprache heraus!« »Im engeren Stadtgebiet verkauft man Versicherungen gegen Glasbruch und Feuer«, erklärte Josuah Parker. »Dieses Verfahren an sich kann Ihnen ja nicht unbekannt sein. Man verlangt fünfzig Pfund pro Monat, eine Art Einführungspreis.« »Wer spielt sich da auf?« wollte Fred Murray wissen, der das Geschäft mit Schutzgeldern nur zu gut kannte. »Die Betreiber dieser Versicherung sind meiner Wenigkeit noch unbekannt.« »Ach so, jetzt kapiere ich. Sie glauben, daß ich so etwas aufge zogen haben könnte?« »Grundsätzlich wäre so etwas nicht auszuschließen«, gab Parker zurück, »aber nach meinen Informationen sind Sie momentan auf einem anderen Gebiet tätig.« »Was Sie nicht sagen! Und was sollte das sein?« »Sie betreiben einige illegale Spielkasinos, wie man sagt.« »Unsinn, nichts als Gerüchte.« Fred Murray lächelte. »Das Eintreiben von Schutzgeldern wird man aber Ihnen zur Last legen, Mr. Murray«, redete der Butler weiter, »und Gerüchte dieser Art dürften auch das Ohr der Polizei erreichen.« »Wieso interessieren Sie sich für Schutzgelder, Parker? Ist das nur ein Vorwand? Wollen Sie mir noch mal ans Leder? Hören Sie genau zu: Noch mal legen Sie mich nicht aufs Kreuz. Ich wer de…« »Sie erregen sich völlig unnötig, Mr. Murray«, erklärte der But ler in seiner höflichen Art, »Ihre Kasinos stehen nicht zur Debat te. Sie fragten nach meinem Interesse an Schutzgeldern. Nun, man wollte Mylady zwingen, solch eine Schutzgebühr zu zahlen. Mehr braucht man dazu sicher kaum zu sagen.« »Was sind denn das für blutige Anfänger?« entrüstete sich Fred Murray jetzt ehrlich. »Wie kann man Ihrer Lady nur auf die Füße 46
treten? Wir Profis wissen doch verdammt genau, was dann pas siert.« »Sie sprachen gerade von sogenannten blutigen Anfängern, Mr. Murray«, erinnerte der Butler. »Weil’s doch stimmt, Parker. Ein richtiger Insider geht Ihnen und der Lady aus dem Weg. Nur nicht reizen, heißt die Devise.« »Sie unterstellen also, daß man es mit Anfängern zu tun hat?« »Mit Anfängern, natürlich«, bestätigte Murray nachdrücklich, »die ahnen ja noch nicht mal, daß sie mit dem Feuer spielen.« »Sie denken jetzt sicher an sich, nicht wahr?« »Wieso sollte ich an mich denken?« »Meine Wenigkeit wies bereits darauf hin, daß man Ihnen wohl diese neue Versicherung zuschreiben dürfte.« »Aha, und ich soll jetzt wohl noch für Sie tätig werden, was?« »Sie, werden es müssen, Mr. Murray«, schloß Parker und lüftete seine schwarze Melone. »Adresse und Telefon meiner Wenigkeit sind Ihnen bekannt. Ein baldiger Anruf wäre für beide Seiten un gemein nützlich.« * »Sie glauben wirklich, daß er für Sie arbeiten wird, Parker?« fragte Mike Rander, nachdem Josuah Parker Bericht erstattet hat te. Die beiden Männer saßen im hochbeinigen Monstrum des But lers und fuhren hinauf nach Clerkenwell. Bis dorthin waren es im Grund nur wenige Minuten, falls man nicht gerade in einen der üblichen Verkehrsstaus geriet. Noch kündigte sich so etwas aller dings nicht an. »Mr. Murray wird sich notgedrungen mit dem anstehenden Problem befassen müssen«, beantwortete Parker die Frage des Anwalts, »er kann sich die Neugier der Polizei auf keinen Fall leis ten.« »Weil er gerade wieder ein Ding ausheckt, wie?« Rander lächel te. »So könnte und sollte man sagen, Sir«, bestätigte der Butler, »Mr. Murray wird jetzt umgehend seine Fühler ausstrecken.« »Wieso hat er Sie eigentlich aus seinem Laden gelassen, Par ker?« »Es dürfte sich bei Mr. Murray um einen Akt der reinen Vorsicht 47
gehandelt haben, Sir. Man sollte natürlich nicht ausschließen, daß er noch aktiv werden wird. Mr. Murray ist auf keinen Fall sonder lich gut auf meine Wenigkeit zu sprechen.« »Sie wollen jetzt diesem Ritchie Dawson einheizen?« »Und seinem Onkel John«, bestätigte Josuah Parker, »mögli cherweise trifft man auch auf einen gewissen Marty, der Fäden in Richtung des Clubs der Fünfhunderter zu spinnen scheint.« »Trauen Sie den beiden Dawsons zu, diese Versicherung aufge zogen zu haben?« fragte Rander. »Solch eine Möglichkeit sollte man im vorhinein niemals aus schließen«, sagte Parker, »Mr. Ritchie Dawson ist seinem Konkur renten Billy Brandon weit überlegen, was die geistigen Fähigkei ten betrifft.« »Wieso schickte er dann zwei seiner Versicherungsverkäufer ausgerechnet zu Ihnen und Mylady?« »Dabei kann es sich um einen Irrtum gehandelt haben«, vermu tete der Butler, »es ist zu vermuten, Sir, daß Sie nun nach den Besitzern der beiden Motorräder fragen werden.« »Diese Frage ist hiermit gestellt.« Rander lächelte amüsiert. »Ein Ritchie Dawson würde seine Steinwerfer niemals auf eige nen Motorrädern losschicken, Sir. Ihm würde es darum gehen, einen etwaigen Verdacht abzulenken.« »Dieser Trick würde dann auch für den Morris gelten, nicht wahr?« »In der Tat, Sir«, versicherte Josuah Parker, »Ritchie Dawson würde alles tun, um seinen Konkurrenten Brandon zu belasten.« Während die beiden Männer miteinander redeten, näherten sie sich dem Stadtteil Clerkenwell und dann auch der Straße, in der sich die Spielhalle befand. Parker hielt ostentativ vor diesem Lo kal und stieg würdevoll aus. Vor dem Eingang hatten die Rocker Maschinen abgestellt. Die Burschen redeten längst nicht mehr miteinander, sondern beo bachteten den Butler, den sie ja bereits kannten, und sie muster ten auch eingehend Mike Rander, der in dieser Umgebung gera dezu aufreizend wirkte. Man sah es ihm deutlich an, daß er einer anderen sozialen Schicht entstammte als die Rocker. Parker lüftete höflich die schwarze Melone, als er die jungen, in Leder gekleideten Männer passierte. Mike Rander zündete sich eine Zigarette an und gab die Blicke der Rocker gelassen zurück. Obwohl die Atmosphäre sich schlagartig aufgeladen hatte, pas 48
sierte nichts. Parker und Rander konnten ungehindert die Spiel halle betreten. Ein großer, massiger Mann, etwa fünfzig Jahre alt und mit ei nem Vogelkopf behaftet, der überhaupt nicht zum Körper paßte, kam ihnen mit schnellen Trippelschritten entgegen. »Mr. Parker, nicht wahr?« fragte er und rieb sich die Hände. »Und Mr. Rander«, antwortete der Butler, »geht man recht in der Annahme, daß Sie Mr. John Dawson sind?« »Ja, ich bin John Dawson«, bestätigte der Massige, »könnten wir uns nicht schon mal gesehen haben?« »Warum sollte man dies ausschließen, Mr. Dawson?« gab Josu ah Parker zurück, »die Welt ist klein, wie es so treffend heißt.« »Was kann ich für Sie tun? Sie wollen sicher zu Ritchie, nicht wahr? Er sagte mir, daß Sie bereits gestern hier waren. Hätte ich davon gewußt, wäre ich natürlich sofort gekommen und hätte Sie begrüßt.« »Wir wollen Sie sprechen«, schaltete Mike Rander sich ein. »Sie sind da auf dem besten Weg, in eine gefährliche Schußlinie zu geraten.« »Ich sollte in eine Schußlinie geraden?« staunte John Dawson, »darüber müssen wir in aller Ruhe sprechen. Gehen wir doch in mein Büro, ja? Wer will mir da etwas am Zeug flicken?« »Können Sie sich vorstellen, daß Billy Brandon diese Person ist?« fragte Josuah Parker. »Billy Brandon?« John Dawson blieb stehen und nickte nach drücklich. »Brandon traue ich einfach alles zu. Dieser Schwach kopf hat den Ehrgeiz, eine Rolle spielen zu wollen.« »Und er hat hier bereits gewisse Freunde gefunden, wie es heißt«, meinte der Butler. »Natürlich. Sie sprechen von Marty. Das ist auch so ein Einfalts pinsel, der große Rosinen im Kopf hat. Aber ich sage Ihnen be reits jetzt Mr. Parker, daß er Schiffbruch erleiden wird.« »Um welche Rosinen handelt es sich, Mr. Dawson?« erkundigte sich der Butler höflich. »Genau weiß ich das nicht, Mr. Parker, ich vermute, daß sie Spenden sammeln.« »Was stell’ ich mir denn darunter vor?« staunte der Anwalt. »Billy Brandon und seine Rocker sammeln Geldspenden für ih ren Club, Mr. Rander. So einfach ist das. Und wer nicht spendet, der hat ab sofort so seinen Ärger.« 49
»Eine interessante Variante«, ließ Josuah Parker sich verneh men. »Billy Brandon erhebt also keine sogenannten Schutzgelder, Mr. Dawson?« »Genau weiß ich das natürlich nicht, aber falls er es macht, dann nicht auf eigene Rechnung. Er käme sonst zu schnell den großen Gangs in die Quere. Und das müßte eigentlich auch ein Schwachkopf wie Brandon wissen, denke ich.« »Sie wissen nicht zufällig, wo der erwähnte Marty sich zur Zeit aufhält?« wollte der Butler wissen. »Hier wird er auf keinen Fall mehr erscheinen«, entgegnete Dawson, »ich habe ihm Hausverbot erteilt. Wahrscheinlich lungert er jetzt ein paar Häuser weiter in einer Videothek herum. Viel leicht ist er aber bereits bei Brandon. Und wo der sein Hauptquar tier hat, dürften Sie ja wohl wissen.« »Die Kellerunterkunft ist in der Tat bekannt«, sagte der Butler. Er wollte noch etwas hinzufügen, als plötzlich das Klirren von Glas zu hören war. Dann donnerten harte Schläge gegen Eisen. Das Dröhnen erinnerte an zersprungene und jetzt mißtönende Glo cken. Dann folgten Rufe, Schreie und schrille Pfiffe. »Sie dürften gerade Besuch erhalten, Mr. Dawson«, deutete der Butler den ohrenbetäubenden Lärm. »Marty«, sagte Dawson nur, »Marty… Er holt zu einem Schlag aus. Ich denke, Sie sollten schleunigst gehen, bevor er hier auf taucht.« »Und was werden Sie tun?« fragte Mike Rander. »Ich bin bereits weg«, sagte John Dawson, »ich habe mich noch nie als Held gefühlt.« * John Dawson wieselte auf erstaunlich flinken Beinen zu einer Tür, die seitlich hinter seinem Schreibtisch zu sehen war. Er hatte sie noch nicht ganz erreicht, als sie förmlich explodierte. Die Tür füllung barst, Holzsplitter wirbelten durch die Luft. Mit ein paar weiteren kräftigen Fußtritten wurden die Reste der Tür aus dem Rahmen befördert. Marty erschien auf der Szene. Er blieb für einen Moment wie erstarrt stehen, als er den Butler ausmachte, doch dann richtete er sich auf und überspielte seine 50
Verblüffung. »Ach nee«, sagte er und schulterte einen langen Holzprügel, während links und rechts von ihm sich weitere Rocker in Dawsons Büro schoben, »das is’ ‘ne Überraschung, damit hab’ ich nich’ gerechnet.« »Ihre Art, einen Raum zu betreten, kann man nur als ausge sprochen stürmisch bezeichnen«, sagte Josuah Parker und lüftete höflich die schwarze Melone. »Ich hab’ doch schon immer gewußt, daß du mit Bullen und Ty pen wie Parker unter einer Decke steckst«, schickte Marty voraus, »du machst doch schon seit Jahren auf Polizeispitzel, Dawson.« Während Marty sprach, wurde die Tür, die zur Spielhalle führte, fast vorsichtig aufgedrückt. Im Türrahmen erschienen weitere Rocker mit Knüppeln und Äxten. Einer von Ihnen winkte Marty zu. »Jungens, macht keinen Ärger«, sagte John Dawson beschwö rend, »das führt doch zu nichts.« »Halt die Klappe, Dawson«, fuhr Marty ihn an, ließ aber den Butler nicht aus den Augen, »was wird denn hier ausgeheckt? Willst du die Bullen auf mich hetzen?« »Sind Sie im Auftrag von Billy Brandon gekommen?« fragte Mi ke Rander und wandte sich an Marty. »Was hat Brandon damit zu tun? Wer bist denn du Lackaffe? Neu im Geschäft?« »Mr. Rander ist der Anwalt der Lady Simpson«, stellte Josuah Parker in seiner höflichen Art fest. »Wo ist Billy?« fragte Marty. »Unterwegs, irgendwo in der Stadt«, erwiderte John Dawson. »Noch einmal, Marty, mach keinen Ärger…« »Nee, machen wir auch nicht«, gab Marty grinsend zurück, »wir schlagen nur deinen Laden zusammen… und dich dazu! Das gilt auch für dich, du komischer Butler. Einmal hast du mich reinge legt, noch mal schaffst du das bestimmt nicht.« »Sie scheinen meiner Wenigkeit gram zu sein«, stellte der But ler erst mal gemessen fest. Er hatte längst in eine seiner vielen Westentaschen gegriffen und einen Patent-Kugelschreiber her vorgeholt. »Was soll das?« fragte Marty mißtrauisch, der den Butler genau beobachtete. »Es handelt sich, wie Sie sehen, um einen Kugelschreiber«, antwortete der Butler und hielt das Gerät zur Demonstration 51
hoch, »wenn man beide Hälften gegeneinander verdreht, wird daraus eine Art Blitzlichtbombe.« »Okay, James Bond«, spottete Marty, »du hast zu viele Krimis gesehen.« »Wenn Sie sich freundlichst von der Wahrheit meiner Worte ü berzeugen wollen«, schickte Josuah Parker voraus und… verdreh te beide Hälften des Kugelschreibers gegeneinander. Mike Rander, der Parkers Ankündigung sehr wohl zur Kenntnis genommen hatte, preßte beide Augen fest zusammen und riß hoch zusätzlich die Hände hoch, um seine Sehwerkzeuge zu schützen. Dennoch wurde er geblendet. Ein Lichtblitz von der In tensität einer kleinen Sonne erfüllte John Dawsons Büro bis in den letzten Winkel. Die Rocker, die mit solch einem grellen Blitz wirklich nicht gerechnet hatten, blieben wie angewurzelt stehen und verloren jede Orientierung. »Man sollte vielleicht das sprichwörtliche Weite aufsuchen, Sir«, hörte Rander die höfliche Stimme des Butlers, »momentan dürfte nicht mit Schwierigkeiten zu rechnen sein.« »Dann reichen Sie mir mal Ihre hilfreiche Hand, Parker«, erwi derte der Anwalt, »ich sehe nichts als Farben.« »Sofort, Sir«, entgegnete der Butler, »wenn Sie gestatten, soll te man auch Mr. Dawson einladen, sich an dem Exodus zu beteili gen.« Kurz danach hörte Mike Rander ein mehrfaches hartes Anklop fen, danach spürte er Parkers Hand auf der Schulter. »Was war das gerade?« fragte Rander, der nun Versuchsweise die Augen geöffnet hatte. Auf eine Antwort brauchte er jedoch nicht zu warten. Er sah jetzt sehr wohl, was dieses Anklopfen be wirkt hatte. Einige der Marty-Anhänger lagen auf dem Boden. Die hintere Tür war frei. Josuah Parker schien mit dem bleigefüllten Bambusgriff seines Universal-Regenschirms bei den Rockern auf seine sehr spezielle Art angepocht zu haben. Der Butler kümmerte sich jetzt um John Dawson und dirigierte ihn durch die Hintertür. Mike Rander folgte und warf noch einen letzten, wenn auch leicht getrübten Blick auf die Szene. Die Rocker tasteten sich durch das Büro, rammten sich wech selseitig und wurden aggressiv. Es dauerte nur wenige Augenbli cke, bis sie sich prügelten, und zwar in der Annahme, es mit ih ren Gegnern zu tun zu haben. Mike Rander hütete sich, erklärend einzugreifen. 52
* »Man wird mir die Spielhalle kurz und kleinschlagen«, ängstigte sich John Dawson eine Viertelstunde später. Er saß zusammen mit Mike Rander und Butler Parker in einem Pub und machte ei nen müden Eindruck. »Sollte man nicht unterstellen, daß Sie gut versichert sind, Mr. Dawson?« fragte Parker. »Das schon, doch was bringt das? Es dauert Monate, bis ich den alten Zustand wiederhergestellt habe. Und es fragt sich, ob Billy Brandon das überhaupt zuläßt.« »Um was geht es diesem Schläger eigentlich?« fragte Mike Rander. »Um Einfluß, um Macht«, erwiderte John Dawson, »er will die gesamte Rockerszene kontrollieren.« »Und damit sind die etablierten Gangs hier in der Stadt einver standen?« wunderte sich der Anwalt. »Das kann ich mir schon vorstellen, Mr. Rander.« John Dawson nickte. »In Brandon haben die so was wie ‘nen nützlichen Idioten gefunden, den sie auf Knopfdruck einsetzen können.« »Darum haben die Gangs auch nichts dagegen, daß Brandon und seine Leute Spenden eintreiben, wie?« »Solange die nicht übertreiben, drücken die Gangs ein Auge zu.« »Man sollte vielleicht noch mal das Thema Schutzgelder behan deln«, ließ Josuah Parker sich vernehmen. »Sie trauen Brandon nicht zu, daß er so etwas aus eigenem Antrieb aufgezogen haben könnte?« »Dazu reicht’s bei ihm nicht.« Dawson schüttelte den Kopf. »Sie aber, Mr. Dawson, wären durchaus in der Lage, solch eine Privatversicherung aufzubauen.« »Vielen Dank für die Blumen, Parker«, meinte John Dawson fast bitter, »aber ich bin vielleicht noch cleverer als Sie annehmen. Ich würde mich verdammt hüten, den Gangs in die Quere zu kommen. Ich weiß doch, daß so was nie gutgeht. Also würde ich’s von vornherein erst gar nicht versuchen.« »Ihrer Ansicht nach wird Billy Brandon von einem noch unbe kannten Hintermann dirigiert?« 53
»Falls er und seine Leute diese Schutzgelder eintreiben.« Daw son nickte. »Ritchie halten Sie für klug genug, seine Finger von Schutzgel dern zu lassen?« »Ritchie? Mann, Parker, der Junge ist gerissen, aber auch er weiß genau, wem er in die Suppe spucken würde. Nein, Ritchie ist höchstens an den Rockern interessiert gewesen, doch inzwischen hat er von denen die Nase voll. Ich weiß genau, daß er sich ab setzen will. Ritchie und ich sind nur noch an regulären Geschäften interessiert.« »Sollte eine gewisse Einsicht sich bei Ihnen durchgesetzt ha ben?« fragte der Anwalt lächelnd. »Einsicht und Vorsicht«, entgegnete John Dawson. »Auf die Dauer bringt es nichts ein, sich mit der Polizei anzulegen. Und auch nicht mit den Gangs hier in der Stadt. Wir haben vor, so im Lauf der Zeit noch ein paar zusätzliche Spielhallen aufzuziehen.« »Was werden Sie jetzt tun, Mr. Dawson?« wollte Josuah Parker wissen. »Ich setz’ mich erst mal ab«, meinte der Spielhallenbetreiber, »inzwischen dürfte die Polizei ja bei mir aufgekreuzt sein.« »Wird Ihr Neffe eine Retourkutsche in Richtung Brandon fah ren?« fragte der Anwalt. »Falls er das plant, würde ich ihm davon abraten«, lautete Dawsons Antwort. »Wird Ritchie es tatsächlich hinnehmen, daß man die Spielhalle zerstört hat?« Parker blickte Dawson intensiv und zwingend an. »Ihr Neffe wird nicht zu Unrecht als Heißsporn bezeichnet.« »Ritchie hat sich unter Kontrolle«, erklärte Dawson, »das heißt, ich kann’s nur hoffen.« »Sagt Ihnen der Name Gary Hooks etwas?« fragte Parker ohne jeden Übergang. »Gary Hooks?« Dawson runzelte die Stirn, um dann langsam den Kopf zu schütteln. »Nein, nie gehört. Oder doch? Irgendwie kommt mir der Name bekannt vor. Wer soll denn das sein?« »Mr. Gary Hooks ist der Betreiber einer Hotel-Pension in Cler kenwell.« »Nee, Fehlanzeige«, sagte Dawson und schüttelte den Kopf, »a ber gehört hab’ ich den Namen schon mal, darauf gehe ich jede Wette ein.« »Sollte Ihnen zu dieser Person noch etwas einfallen, Mr. Daw 54
son, dann würde man sich über einen Anruf freuen«, meinte Par ker und erhob sich. »Mr. Rander und meine Wenigkeit wünschen Ihnen einen noch halbwegs erträglichen Tag.« »Am liebsten würde ich alles hinschmeißen«, erwiderte John Dawson, »und vielleicht werde ich’s auch eines Tages tun.« * »Hier dürfte einiges passiert sein, Parker«, sagte Mike Rander, als sie sich Myladys Haus in Shepherd’s Market näherten. Die bei den Männer saßen im hochbeinigen Monstrum des Butlers und passierten gerade eine normalerweise ruhige Straße, in der an sehnliche Häuser standen. Zwei parkende Streifenwagen der Poli zei aber wiesen darauf hin, daß die vornehme Ruhe durchbrochen worden sein mußte. Parker und Rander stiegen aus und näherten sich dem ersten Streifenwagen. Dabei passierten sie einige Häuser, deren Fens terscheiben eingeworfen worden waren. Im Erdgeschoß schien sogar ein Feuer verursacht worden zu sein. Man sah verbrannte Gardinenreste, Qualm, der aus den Fensterhöhlen zog, und pitschnasse Teppiche, die man in den kleinen Vorgarten geworfen hatte. »Meine Wenigkeit möchte den Dingen keineswegs vorgreifen, Sir«, schickte Josuah Parker voraus, »aber nach Lage der Dinge dürfte man es hier mit den sogenannten Werfern zu tun gehabt haben.« »Und diese Kerle haben ganz schön gehaust«, meinte der An walt, »ich werde mich mal an die Polizei heranpirschen, Parker.« Die beiden Männer trennten sich. Während Mike Rander auf ei nen Zivilisten zuging, der einigen uniformierten Polizisten Anwei sungen erteilte, näherte sich Parker einer älteren Frau, die über ihr dunkles Kleid mit der weißen Zofenschürze einen Mantel ge worfen hatte. »Ich möchte Sie meines Mitgefühls versichern«, sagte Parker und lüftete höflich die schwarze Melone, »Sie gehören sicher zu jenem Haus, in dessen Erdgeschoß ein Brand gewütet hat.« »Ist das nicht fürchterlich?« Sie sah mit schnellem Blick, daß sie es mit einem Butler zu tun hatte und faßte sofort Vertrauen zu Parker. »Plötzlich klirrten die Fensterscheiben, völlig aus heiterem 55
Himmel. Ich war in der Küche und putzte das Silber. Als ich nach vorn in die Bibliothek lief, brannte es bereits.« »Ihre Herrschaft muß doch geradezu entsetzt gewesen sein.« »Die ist überhaupt nicht hier in London«, redete die ältliche Zo fe munter weiter, »sie ist in Frankreich, in Paris. Aber ich habe bereits angerufen. Das Telefon war ja noch in Ordnung.« »Hier in der Straße scheint noch mehr passiert zu sein.« »In drei anderen Häusern sind auch die Fensterscheiben einge worfen worden. Meine Freundin Margie Filton – da drüben an der Laterne steht sie – hat zwei Motorräder gesehen. Von diesen aus wurden Steine geworfen, richtige Pflastersteine.« »Ohne jede Vorwarnung?« wunderte sich Josuah Parker. »Ich weiß nicht, warum man so etwas getan hat. Die schönen Teppiche! Ich hatte sie gerade erst mit Sauerkraut gereinigt.« »Ein wirksames Mittel, das die Fachfrau verrät«, lobte Josuah Parker, »können Sie sich vielleicht an gewisse Drohungen erin nern, die mit diesem Vandalismus in Zusammenhang gebracht werden könnten? Ich möchte nicht verhehlen, daß in dem Haus, in dem ich diene, Drohungen eintrafen.« »Bei Ihnen auch, Sir?« fragte sie zurück und nickte erleichtert. »Bei uns war das auch. Ich selbst habe einen solchen Anruf ent gegengenommen. Da war eine Stimme, richtig unheimlich, sie sagte, man würde jetzt nicht mehr länger warten. Wir sollten endlich die Versicherung bezahlen. Ich habe überhaupt nicht beg riffen, was das eigentlich sollte, aber ich konnte ja nicht mit mei ner Herrschaft reden.« »Die sich seit wann in Frankreich befindet?« »Seit einer Woche. Na, die wird Augen machen, wenn sie zu rückkehrt. Sagen Sie, Sir, was soll ich jetzt tun? Die Scheiben sind hin.« »Sie sollten sich mit einem Glaser in Verbindung setzen«, schlug der Butler vor, »man wird Ihnen dort bestimmt weiterhel fen. Was hat Ihre Freundin denn sonst noch beobachtet? Meine Wenigkeit geht davon aus, daß Sie ungemein scharfe Beobachte rinnen sind.« »Das stimmt«, kam die Antwort, »auf den Motorrädern saßen je zwei Männer, sie alle trugen schwarze Lederkleidung wie die Ro cker. Sie kennen das ja sicher. Und richtig, sie hatten diese un heimlichen Sturzhelme auf. Also meine Freundin sagte mir, sie hätten ausgesehen wie von einem anderen Stern. Und diese Mit 56
fahrer warfen die Steine. Es ging alles blitzschnell. Plötzlich klirr ten die Scheiben.« »Sie sollten sich vielleicht an einem Sherry laben«, schlug Josu ah Parker mitfühlend vor. »Ich glaube Sir, daß ich das sofort tun werde«, erwiderte die ältliche Kammerzofe, »das war ein sehr guter Rat.« »Es war mir eine Ehre, Ihnen behilflich sein zu können.« Parker lüftete die schwarze Melone und dachte an das altehrwürdige Fachwerkhaus der Lady Simpson im nahen Shepherd’s Market. Hoffentlich war es nicht auch dort zu unerfreulichen Zwischenfäl len gekommen. * »Es hat sich nichts getan, aber auch rein gar nichts«, beschwer te sich Lady Agatha zwanzig Minuten später. »Diese Steinwerfer scheinen mich völlig vergessen zu haben.« »Oder wissen inzwischen, wer Sie sind, Mylady«, erwiderte Mike Rander, »und falls dem so ist, werden sie Ihnen weit aus dem Weg gehen.« »Man hätte ja wenigstens ein paar Steine werfen können«, grollte die ältere Dame. »Dies besorgte man einige Straßen weiter auf sehr gründliche Art, Mylady«, schaltete der Butler sich ein, um dann einen Bericht von den Ereignissen zu geben. »Sogar ein Brand?« Lady Agatha schüttelte den Kopf. »Das ist doch wenigstens etwas, Mr. Parker. Also ich glaube, daß jetzt ich die Initiative übernehmen muß. Ab sofort gehe ich zum Angriff über.« »Und wie stellen Sie sich den vor, Mylady?« erkundigte sich Mi ke Rander. »Die Details überlasse ich Mr. Parker, damit er sich nicht über flüssig vorkommt«, gab sie zurück. »Aber ich denke, daß ich mir diesen Lümmel mal ansehen werde, der Kathy belästigte.« »Mr. Billy Brandon«, warf der Butler ein. »Wie auch immer.« Sie machte eine wegwerfende Handbewe gung. »Dieses verkommene Subjekt werde ich mir kaufen. Und es kann sich bereits schon jetzt auf einiges gefaßt machen.« Sie wollte gerade zur Treppe hinübergehen, als die Türglocke sich meldete. Parker schritt gemessen durch die große Wohnhalle, 57
schaltete die hauseigene Fernsehübertragungsanlage ein und er blickte dann auf dem Monitor den Chief-Superintendent, der ei nen recht ungeduldigen Eindruck machte. Wenig später begrüßte McWarden die ältere Dame, Mike Rander und Kathy Porter, die aus dem oberen Stock des Hauses gekom men waren. McWarden blickte in die Runde und räusperte sich. »Diese Werfer haben wieder zugeschlagen, wie Sie ja sicher be reits wissen«, schickte er voraus, »in einem Fall haben Sie sogar einen Molotow-Cocktail geworfen.« »Ich wundere mich, daß Sie so etwas dulden, mein lieber McWarden«, mokierte sich die Hausherrin, »aber Sie lassen sich ja auf der Nase herumtanzen.« »Nicht mehr lange«, erwiderte der Chief-Superintendent und bedachte Lady Agatha mit einem gereizten Blick, »ich denke, daß wir bald zuschlagen werden.« »Sie haben bereits einen bestimmten Verdacht, Sir?« fragte Ka thy Porter. »Es handelt sich um diesen Club der Fünfhunderter«, erwiderte McWarden und nickte, »wir haben einen heißen Tip bekommen.« »Und der sieht wie aus?« warf Mike Rander ein. »Wir erhielten einen anonymen Anruf«, meinte McWarden, »a ber der Anrufer dürfte eine wichtige Kleinigkeit übersehen ha ben.« »Machen Sie’s nicht so spannend, McWarden«, sagte der An walt, »was Sie uns auch sagen werden, wir werden’s schon nicht hinausposaunen.« »Der Anrufer überhörte das Rasseln und Klingeln von Glücks spielautomaten im Hintergrund«, gab McWarden bedeutungsvoll zurück, »es wurde also eindeutig aus einer Spielhalle angerufen.« »Und dieser Anrufer, Sir, verwies Sie auf Mr. Billy Brandon?« ließ Josuah Parker sich nun vernehmen. »Auf Billy Brandon«, bes tätigte der Chief-Superintendent. »Und darum möchte ich Sie bitten, vorerst nicht dort aufzutauchen. Ich lasse die Gang über wachen. Falls Sie dort auftauchen, würden Sie meine Ermittlun gen erheblich stören.« »Ich lasse mir von Ihnen überhaupt nichts verbieten, McWar den«, grollte Agatha Simpson sofort, »warum erzählen Sie mir von diesen Glücksspielautomaten?« »Waren Sie nicht in solch einer Spielhalle?« McWarden blickte den Anwalt und Butler Parker lächelnd an. 58
»Sie lassen uns überwachen?« fragte Mike Rander. »Reiner Zufall, daß Mr. Parker und Sie gesehen wurden«, ant wortete McWarden, »ich lasse selbstverständlich alle uns bekann ten Rockergruppen überwachen. Dabei wurden Sie gesehen, Rander. So einfach ist das.« »Sie verwiesen nicht ohne Grund auf den Fehler, den der ano nyme Anrufer beging«, ließ Parker sich vernehmen, »kann man unterstellen, daß Sie an ein Täuschungsmanöver denken?« »Täuschungsmanöver?« McWarden tat arglos. »Sie haben sich meiner bescheidenen Ansicht nach mit Ritchie und John Dawson befaßt«, redete der Butler weiter, »und dabei dürfte Ihnen nicht entgangen sein, daß vor allen Dingen Mr. John Dawson über eine beachtliche kriminelle Energie verfügt.« »Worauf wollen Sie eigentlich hinaus, Mr. Parker?« fragte McWarden. »Auf die Tatsache, Sir, daß Sie annehmen, daß Ritchie und John Dawson die sogenannten Werfer beschäftigen und jetzt den Ver dacht auf Mr. Billy Brandon lenken wollen.« »Sehen Sie denn nicht auch diesen Zusammenhang?« fragte McWarden. »Keineswegs und mitnichten, Sir. Mylady deutete schon bei an derer Gelegenheit darauf hin, daß man versuchte, Street-Gangs und Rockergruppen zu belasten, um selbst ungestört arbeiten zu können.« »Das habe ich tatsächlich gesagt?« wunderte sich Agatha Simp son, merkte dann jedoch, daß ein erheblicher Zweifel in ihrer Stimme war und korrigierte sich schleunigst, »natürlich habe ich das bereits gesagt, ich erinnere mich noch sehr genau.« Sie staunten nur noch. Parker hatte sein hochbeiniges Monstrum vor dem stillgelegten Fabrikgebäude gestoppt, war ausgestiegen und hatte die hintere Wagentür geöffnet. Lady Agatha stieg ebenfalls aus und sah sich neugierig nach allen Seiten um. Sie trug eines ihrer zu weiten Tweed-Kostüme, ihre mehr als eigenwillige Hutschöpfung und hielt sogar einen noch zusammengeklappten, altmodischen Fä cher in der rechten Hand. Sie und Butler Parker schienen aus ei nem anderen Jahrhundert hierher in die Gegenwart gekommen zu sein. Die Rocker, die zum Club der Fünfhunderter gehörten, staunten und waren beeindruckt. So etwas hatten sie noch nie gesehen. 59
Natürlich war einigen von ihnen Butler Parker bekannt, doch das zählte im Augenblick nicht. Die allgemeine Aufmerksamkeit kon zentrierte sich auf die Lady, die ihre majestätische Fülle nun auf die Rocker zuschob. »Wo finde ich diesen… Wie heißt er denn noch, Mr. Parker?« fragte sie zuerst die Rocker, um sich dann an ihren Butler zu wenden. »Mr. Billy Brandon«, ergänzte der Butler höflich. »Wie auch immer.« Sie schüttelte unwillig den Kopf und kon zentrierte sich auf einen besonders kompakt und muskulös aus sehenden Rocker. »Wo finde ich diesen Mann also, mein Bester?« »Wen, altes Mädchen?« fragte der Rocker lässig zurück. Er woll te schnell eine kleine Show abziehen, saß auf einer umgestülpten Kiste und war dabei, sich eine Zigarette zu drehen. Er schaute hoch und grinste Lady Agatha herausfordernd an. Eine Sekunde später grinste er nicht mehr. »Sie sind ein kleiner Schelm, junger Mann«, sagte die energi sche Dame und klopfte mit ihrem Fächer leicht auf die rechte Schulter, des Rockers. Da die Stäbe des Fächers durch Bleistrei fen verstärkt waren, fiel dieser an sich leicht und spielerisch wir kende Klaps mit dem Fächer sehr nachdrücklich aus. Der Getrof fene stöhnte und hatte das Gefühl, sein Schlüsselbein hätte zuviel bekommen. »Ich bitte mir Höflichkeit aus, junger Mann«, verlangte die älte re Dame, »Sie stehen einer wehrlosen Frau gegenüber.« Um diese Feststellung noch zusätzlich zu unterstreichen, trat sie ihm auf den linken Fuß, der in einem leichten Tennisschuh steck te. Myladys nicht unbeträchtliches Gewicht verursachte eine leich te bis mittelschwere Quetschung der Zehen des jungen Mannes. Er verfärbte sich und schnappte nach Luft. »Meine Wenigkeit möchte anregen, Mr. Brandon verständigen zu wollen«, schaltete Josuah Parker sich ein, »es könnte sonst unter Umständen zu gewissen Mißverständnissen kommen.« Der stämmige Rocker wischte sich einige Krokodilstränen aus den Augenwinkeln und stand auf. Er hob vorsichtig die rechte Schulter an und verzog dabei schmerzhaft das Gesicht. »Mensch, Tante, du kannst verdammt froh sein, daß du ‘ne alte Frau bist«, sagte er dann wütend, »aber an ‘ner Mumie vergreif ich mich nicht.« Die angesprochene Mumie reagierte auf ihre sehr spezielle Art. 60
Lady Agatha, die ihren perlenbestickten Pompadour längst in Schwingung gebracht hatte, setzte den darin befindlichen Glücks bringer gekonnt auf die linke Backenseite des Rockers. Der Stämmige wurde zur Seite geworfen und stolperte über die Kiste. Danach schlug er zu Boden und landete in einem Müllhaufen, der aus leeren Getränkedosen und Pizzaresten gebildet wurde. Mit seinem Gesicht klatschte er in eine kreisrunde Aluminiumfo lie, in der sich noch beachtliche Reste einer mit Thunfisch beleg ten Pizza befanden. »Wie heißt dieser unhöfliche Lümmel?« fragte Lady Agatha und musterte zwei der Rocker blitzend. »Jack Warrick«, erwiderte einer der beiden jungen Männer au tomatisch. »Und welchen Rang, wenn man fragen darf, nimmt er innerhalb Ihrer Vereinigung ein?« fügte Parker hinzu. »Das is’ Billys rechte Hand«, lautete die Antwort. »Und das Rindvieh des Clubs«, war in diesem Moment die Stimme von Billy Brandon zu hören. Der Anführer der Rocker kam aus einem Kellergang und winkte Parker gefährlich-freundlich zu. Parker lüftete höflich die schwarze Melone. »Das is’ doch bestimmt die sagenhafte Lady«, redete Billy Brandon weiter, »Moment, wir rollen gleich den roten Teppich aus.« * »War das gerade eine Beleidigung?« fragte Agatha Simpson hoffnungsfroh ihren Butler. Die ältere Dame, deren Pompadour nach wie vor schwang, wartete nur darauf, erneut eingesetzt zu werden. Etwa acht Rocker hatten einen Halbkreis gebildet und harrten ihrerseits darauf, sich mit den beiden ungewöhnlichen Besuchern zu befassen. Jack Warrick hatte sich inzwischen die Pizzareste aus dem Ge sicht gekratzt und massierte sich die Wange. »Der Tatbestand einer Beleidigung dürfte noch nicht erfüllt sein, Mylady«, beantwortete Parker die Frage. »Kein Mensch will Sie beleidigen«, versicherte Billy Brandon und strich über seine ausrasierte, glänzende Glatze, »Sie haben da ‘nen völlig falschen Eindruck von uns.« 61
»Sie also lassen diese Werfer herumfahren und Schutzgelder erpressen«, stellte die Detektivin munter fest. Von einer drohen den Gefahr schien sie nichts zu spüren. »Lady, so was will man uns doch nur in die Schuhe schieben«, gab Billy Brandon zurück, »warum hat man uns zwei Feuerstühle geklaut? Wir sollen doch hier nun den Blitzableiter spielen.« »Und wer ist dieser Lümmel?« Lady Agatha deutete auf Jack Warrick, der im Haar einen Brocken Thunfisch entdeckt hatte und ihn mühsam entfernte. »Vergessen Sie ihn, Lady«, schlug Billy Brandon, der Anführer der Fünfhunderter, vor. »Jack dreht leicht durch. Bis er eines Ta ges mal auf die Schnau… ich meine, bis er mal ausrutscht.« Jack Warrick warf seinem Anführer einen giftigen Blick zu und stakste hinüber zum Kellerabgang. Wenig später war er verschwunden. Billy Brandon, der sich eine Zigarette angezündet hatte, deutete auf einen ausgedienten Bauwagen der vor einem wüsten Durch einander von Abwrackteilen aus der Fabrik stand. »Da können wir uns in aller Ruhe unterhalten«, meinte er und bedachte seine Clubmitglieder dann mit einem warnenden Blick, »hier geht alles in Ordnung, Leute. Haut ab!« Sie trollten sich umgehend. Ihr Respekt vor Billy Brandon war groß. Wahrscheinlich fürchteten sie allein schon seine körperliche Überlegenheit. Nacheinander stiegen die Rocker über die Keller treppe hinunter in die Fabrik. »Sie haben sich auf uns eingeschossen, wie?« fragte Brandon dann die ältere Dame. »Und dahinter steckt doch Ritchie Daw son.« »Sie geben sich alle Mühe, Mr. Brandon, verdächtig zu erschei nen«, erwiderte Parker für seine Herrin. »Okay, ich hab’ da überzogen«, räumte der Rocker ein. »Aber inzwischen weiß ich, mit wem ich’s zu tun habe.« »Sie haben sich nach mir erkundigt, junger Mann?« fragte A gatha Simpson. »Klar doch«, lautete Brandons Antwort, »und ich bin gewarnt worden. Also noch mal im Klartext: Wir haben mit den Werfern nichts zu tun. Wir sind doch nicht bekloppt.« »Aber es steht fest, daß Sie Spenden einsammeln, um es mal so auszudrücken«, meinte Josuah Parker. »Stimmt. Und das tun ja auch andere, oder? Wenn hier irgend ein Club ‘ne Party aufzieht, gehen die Brüder ja auch von Ge 62
schäft zu Geschäft und lassen sich Preise spendieren. Okay, wir machen das auch. Ist das etwa verboten?« »Alles dürfte davon abhängen, auf welche Art Sie diese soge nannten Spenden sammeln«, entgegnete Josuah Parker. »Immer auf die höfliche Tour«, behauptete der Rockerchef, »wir wissen doch genau, was sich gehört. Wir wollen schließlich keinen Trouble mit den Bullen haben.« »Ihr Club der Fünfhunderter rechnet mit Zuwachs, nicht wahr?« »Ich weiß schon, worauf Sie anspielen, Mr. Parker.« Billy Bran don grinste und amüsierte sich eindeutig, »klar, Ritchie Dawsons Laden löst sich auf. Marty und ‘ne Menge anderer Jungens kom men zu uns. Ritchie Dawson kann einpacken. Bei uns ist eben mehr los.« »Mylady wurde bereits dahingehend unterrichtet, Mr. Brandon, daß Sie den gerade erwähnten Mr. Ritchie Dawson nicht sonder lich schätzen.« »Wir hassen uns im Grund wie die Pest«, meinte der glatzköpfi ge Rocker und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Sie wissen vielleicht nicht, daß wir früher mal so was wie Freunde waren, aber dann drehte Dawson auf und wollte immer besser sein als ich. Okay, dann kam’s zu ‘nem Krach. Sie kennen die Narbe unter seinem rechten Auge, ja? Die stammt von meinem Messer. Damals gingen wir uns gegenseitig an die Kehle. Klar, daß Ritchie Dawson verlor, gegen mich hatte er nicht ‘nen Hauch von ‘ner Chance.« »Danach kam es zur Trennung des ursprünglichen Clubs?« »Haargenau, Mr. Parker, ich zog hier meinen eigenen Laden auf. Un’ der is’ eben besser als sein Verein. Sieht man doch. So nach un’ nach kommen die alle wieder zurück zu mir.« »Verkauft dieser Mann nun die Versicherungen oder nicht?« wollte Agatha Simpson rundheraus wissen. »Trau’ ich ihm zu«, meinte Billy Brandon und nickte, »der is’ für die feine Tour, verstehen Sie, Lady?« »Mr. Ritchie Dawson traut Ihnen allerdings nicht zu, Versiche rungen der erwähnten Art anzubieten«, warf Josuah Parker ein. »Weil er mich für bescheuert hält.« Billy Brandon nickte. »Ich weiß doch genau, daß er das tut, aber soll er ruhig.« »Er könnte sich aber durchaus vorstellen, daß Sie von einem sogenannten. Drahtzieher gesteuert werden«, bot Parker als Er klärung an. 63
»Ein Billy Brandon braucht keinen Drahtzieher«, lautete die for sche Antwort, »wenn einer ‘nen Drahtzieher braucht, dann Ritchie Dawson. Und das war dann sein Onkel. Das is’ ein gerissener Fuchs. Dem trau’ ich glatt zu, daß er die Masche mit den Versi cherungen und diesen Werfern aufgezogen hat. John Dawson, also Ritchies Onkel, is’ heiß auf Geld…« »Sie hingegen machen sich nichts aus dem sogenannten schnö den Mammon?« »Nur am Rande«, versicherte Billy Brandon, »aber es reicht ja schließlich, wenn man so über die Runden kommt.« »Der erwähnte Marty versuchte zusammen mit Freunden die Spielhalle des Mr. John Dawson zu demontieren.« »Damit hab’ ich nichts zu tun, das ist Martys Sache. Aber ich hab’ nichts dagegen, daß er da alles zu Brei schlägt.« »Sie gehen davon aus, daß Ihre Freunde sich Ihnen gegenüber loyal verhalten?« wollte Parker nun wissen. »Loyal? Wie soll ich das verstehen?« »Gibt es nicht auch hier in Ihrem Club der Fünfhunderter gewis se Ringkämpfe um eine Hackordnung, um es mal so auszudrü cken, Mr. Brandon?« »Ach so, das meinen Sie. Und wer sollte hier versuchen, mir ein Bein zu stellen? Wollen Sie mir das mal sagen?« »Mr. Jack Warrick machte einen ungemein aggressiven Eindruck auf Mylady und meine bescheidene Wenigkeit.« »Jack sollte das mal probieren.« Billy Brandon lachte fast amü siert. »Den würd’ ich doch glatt in der Luft zerreißen, Mann.« »Er führt also innerhalb Ihres Clubs nicht eine eigene Fraktion?« »Jack Warrick?« Der junge Rocker mit dem rasierten Glatzkopf zog die Stirn kraus und dachte sichtlich nach. Dabei nahm sein Blick einen leicht verlorenen Ausdruck an. »Mylady registriert, daß Sie plötzlich recht nachdenklich gewor den sind«, sagte Parker. »Quatsch, Mann«, brauste Billy Brandon unvermittelt auf, »re den Sie mir nichts ein, Parker. Wollen Sie uns aufeinanderhetzen? Da können Sie bei mir nicht landen, klar?« * »Längst vergangene Zeiten, Mr. Parker«, stellte Lady Agatha ei 64
ne halbe Stunde später fest. Sie befand sich mit ihrem Butler in der Empfangshalle jenes Hotels, in dem Dave Davids als Nacht portier arbeitete. Die ältere Dame schaute sich um und nahm den verschlissenen Plüsch zur Kenntnis. Dann aber konzentrierte sie sich auf einen Mann von etwa fünfzig Jahren, der einen schmud deligen Eindruck machte und aus seiner Portierloge kam. »Sie wollen ein Zimmer?« fragte er ungläubig. »Sie sind der Portier für die Tagesstunden?« erkundigte sich Parker, ohne auf die Frage einzugehen. »Richtig. Sie wollen wirklich ein Zimmer? Ich glaube, wir sind völlig ausgebucht.« »Wann werden Sie von Mr. Dave Davids abgelöst?« lautete Par kers nächste Frage. »Am Spätnachmittag. Kennen Sie ihn? Wollen Sie wissen, wo er wohnt? Ist gar nicht weit von hier.« »Mr. Davids war leider nicht zu Hause«, gab Parker zurück, während Lady Agatha durch die Halle lustwandelte und sich des interessiert zeigte. »Nicht zu Hause?« wunderte sich der Portier. »Sonst ist er das eigentlich immer. Was wollen Sie denn von ihm?« »Wieso ist Ihr Hotel ausgebucht?« schaltete die ältere Dame sich überraschend ein. Sie war zurückgekommen und blickte den Mann mißbilligend an. »Wir sind immer ausgebucht«, lautete die Antwort, »die meis ten Zimmer sind für Monate belegt. Wir haben fast nur Stamm gäste.« Er hatte seinen Satz noch nicht beendet, als einige Männer aus einem schon altersschwach aussehenden Fahrstuhl stiegen. Par ker sah auf den ersten Blick, daß er es mit Mitgliedern der krimi nellen Szene zu tun hatte. Sie musterten ihrerseits Mylady und ihn, blickten dann betont weg und verließen die Empfangshalle in Richtung Straße. »Mr. Gary Hooks scheint eine spezielle Art von Gästen zu bevor zugen«, meinte Parker. »Sie kennen den Chef?« staunte der Portier. »Er ist zur Zeit in London?« fragte der Butler zurück. »Ja, das stimmt, seit ein paar Wochen. Er hat die ehemalige Präsidenten-Suite hier im Haus.« »Und ist anwesend?« »Der Chef ist vor anderthalb Stunden zurückgekommen. Soll ich 65
Sie anmelden?« »Es handelt sich um eine kleine Überraschung, mein Bester.« Agatha Simpson bedachte den Mann mit einem ungemein freund lichen Blick. »Führen Sie mich nach oben. Mr. Parker wird Sie für diese. Freundlichkeit belohnen, ich habe gerade kein Geld bei mir.« »Zum Chef kann man aber nur nach vorheriger Anmeldung«, erklärte der Portier. Er straffte sich und wurde vorsichtig. »Worauf warten Sie noch, junger Mann?« grollte Lady Agatha und versetzte dem Portier einen freundschaftlichen Stoß in die Rippenpartie. »Ich will Ihren Chef überraschen, ich will nicht an gemeldet werden. Muß ich noch deutlicher werden?« Der Mann schnappte nach Luft und faßte nach seinen geprellten Rippen. Dabei entging ihm, daß die Detektivin ihn in Richtung Fahrstuhl dirigierte. Ihm ging erst ein Licht auf, als er bereits im Fahrstuhl stand und zusammen mit Lady Simpson und Butler Par ker nach oben schwebte. »Der Chef schmeißt mich doch glatt raus«, sorgte sich der Por tier, »Sie kennen ihn nicht. Der ist knochenhart. Und ich bin froh, daß ich diesen Job überhaupt bekommen habe.« »Möglicherweise wird er Ihnen sogar noch dankbar sein«, gab Josuah Parker beruhigend zurück, »er hat natürlich seine beiden Leibwächter bei sich, nicht wahr?« »Leibwächter? Wieso? Er hat keine Leibwächter. Bei ihm ist nur der Manager des Hotels.« »Der die Interessen des Mr. Gary Hooks hier im Haus vertritt?« »Ja, natürlich. Hören Sie, wollen Sie nicht vielleicht doch vorher angemeldet werden?« »Wie setzt sich das Personal dieses Hauses zusammen?« er kundigte sich der Butler weiter. Man hatte den obersten Stock erreicht und stieg aus. »Wie meinen Sie das?« wollte der Portier wissen. »Wie viele Angestellte haben Sie hier im Hotel?« »Nur die Etagenkellner und die für die Bar unten. Ich glaube, es sind sieben Kellner. Ja, sieben genau.« »Sie verfügen nicht über eine eigene Küche?« »Wir holen das Essen im Schnellimbiß nebenan. Das ist billiger, sagt der Manager.« »Sie können sich wieder nach unten verfügen, junger Mann«, ordnete die ältere Dame streng an, »und wo ist die Präsidenten 66
Suite nun? Ich verlange eine genaue Information.« Der Portier deutete auf eine Tür am Ende des Korridors und be eilte sich dann, wieder in die Empfangshalle zurückzuschweben. Butler Parker und die Lady machten sich auf den Weg, Gary Hooks einen Höflichkeitsbesuch abzustatten. »Warum will ich diesem Subjekt eigentlich Fragen stellen?« A gatha Simpson blieb plötzlich stehen, »was hat denn er mit mei nem Fall zu tun?« »Mylady wünschen dies zu beurteilen«, gab Parker in seiner höflichen Art zurück, »Mylady pflegen mißtrauisch zu sein.« »Das stimmt allerdings.« Sie nickte. »Es würde mich gar nicht wundern, wenn dieser Hotelier der gesuchte Drahtzieher ist.« * Butler Parker und Lady Agatha hatten die Tür zur PräsidentenSuite erreicht, doch Parker dachte nicht daran, sie zu öffnen. Ihm war keineswegs entgangen, daß der Fahrstuhl sich nicht bis hin unter in die Empfangshalle bewegt hatte. Der Portier war bereits im nächsten Stock ausgestiegen und mochte von dort aus den Hotelbesitzer Gary Hooks alarmiert haben. Wahrscheinlich war man also bereit, ihn und Mylady zu empfangen. »Worauf warte ich eigentlich noch?« grollte die ältere Dame, als Parker mit der Spitze seines Universal-Regenschirmes direkt auf eine Tür deutete, die kurz vor der Feuertreppe auszumachen war. Die Detektivin schüttelte zwar den Kopf, folgte ihm jedoch leicht gereizt und lächelte dann boshaft, als diese Tür wenige Augenbli cke später vorsichtig geöffnet wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatten Parker und sie bereits Position hinter der sich nun weiter öffnenden Tür bezogen. Ein schlanker Mann wurde sichtbar, der sich wie ein Aal durch die nur wenig geöffnete Tür schlängelte und dabei deutlich mach te, daß er eine schallgedämpfte Waffe in der rechten Hand hielt. Natürlich war dieser Mann überrascht. Er hatte vor der offiziellen Tür zur Präsidenten-Suite das Duo aus Shepherd’s Market erwartet, doch zu seiner Verblüffung konnte er keinen Besuch ausmachen. Dann aber zündete es in ihm. Er warf sich herum und riß dabei die Waffe hoch. Er war zu langsam. 67
Josuah Parker hatte mit beiden Händen kraftvoll auf das Tür blatt gedrückt. Daraufhin wurde die Tür zur zuschnappenden Fal le. Die Türkante krachte gegen die Stirn des Mannes, der prompt die Schußwaffe verlor und dazu auch noch die Übersicht. Bevor er sich neu zu orientieren vermochte, verwandelte Parker seinen Regenschirm in einen Golfschläger und kickte die Waffe in Rich tung Lady Agatha. Dann lüftete der Butler außerordentlich höflich seine schwarze Kopfbedeckung und setzte die Wölbung auf die Nase des Mannes. Jetzt war es Parker, der die Tür öffnete. Er blickte in einen e benfalls mit Plüschmöbeln eingerichteten Raum, in dem sich ein großer, schlanker Mann befand, der seiner Schätzung nach etwa fünfundvierzig Jahre zählte. Er trug einen modischen und sicher auch teuren Sportanzug, hatte schwarzes Haar mit fast kokett wirkenden Silbersträhnen und wasserhelle Augen. »Man erlaubt sich, einen friedlichen und freundlichen Nachmit tag zu wünschen«, grüßte Josuah Parker, »Lady Simpson und meine Wenigkeit müssen sich in der Tür geirrt haben.« Der Mann starrte Parker an und schluckte. »Sie sind Mr. Gary Hooks?« fragte Parker, während Lady Agatha auf der Bildfläche erschien. »Gary Hooks«, antwortete der Mann und hüstelte ausgiebig. »Sie haben die Ehre und den Vorzug, Myladys Fragen beantwor ten zu dürfen«, redete Josuah Parker weiter, »wegen Ihres Assis tenten brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Er wird sich bald wieder äußerst wohl fühlen, dann aber seine Schußwaffe vermissen.« »Verdammt, was wollen Sie hier?« brauste Gary Hooks endlich auf. Er hatte sich von seiner Befangenheit und Überraschung er holt und sprang auf, »hauen Sie sofort ab, oder ich mache Ihnen Beine!« »Wurde ich gerade zutiefst beleidigt, Mr. Parker?« fragte die äl tere Dame hoffnungsfroh und blickte ihren Butler an. »Höchstens andeutungsweise, Mylady«, gab Parker zurück, »der Grund zu einer erzieherischen Maßnahme dürfte aber noch nicht gegeben sein.« Gary Hooks verlor die Selbstbeherrschung und wollte eine Schreibtischschublade aufziehen.
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* Es blieb bei der Absicht. Mit dem Bambusgriff seines Universal-Regenschirmes langte Jo suah Parker über den Schreibtisch hinweg und zog die Schublade wieder zu. Dabei klemmte er durchaus gewollt die Hand des Ho teliers ein, der daraufhin einen erstickten Aufschrei produzierte. »Falls Sie wirklich nicht nach einer Schußwaffe greifen wollten, bittet meine Wenigkeit herzlichst um Entschuldigung«, sagte Par ker. Er ging um den Schreibtisch herum und holte nun eine Au tomatic aus der Lade, für die Gary Hooks sich aber schon nicht mehr interessierte. Er betrachtete seine Hand und blies einige unbedeutende Quetschfalten an. »Sie wollten auf mich schießen?« erkundigte sich die ältere Da me und brachte ihren perlenbestickten Pompadour in Schwin gung. »Wer, zum Henker, sind Sie?« fragte Hooks mit vibrierender Stimme. »Lady Simpson«, stellte Parker vor, »meine Wenigkeit hat die Ehre, Mylady als Butler dienen zu können.« »Na und?« fragte Gary Hooks weiter und duldete die dicken Tränen, die sich in seinen Augenwinkeln gebildet hatten. »Mylady recherchieren in einem Kriminalfall, in dem augen scheinlich Rocker Versicherungen anbieten und im Fall einer Ab lehnung Fensterscheiben einwerfen und Brände legen.« »Was habe ich denn damit zu tun?« brüllte Gary Hooks da. »Glauben Sie, ich würde mich mit solchen Kinkerlitzchen abge ben?« »In welcher Sparte der kriminellen Szene sind Sie denn tätig, Mr. Hooks?« erkundigte sich der Butler höflich. »In überhaupt keiner, Mann.« Hooks ließ sich in einem Sessel nieder und blies seine malträtierten Finger an. »Darauf werde ich noch zurückkommen, junger Mann«, kündig te die ältere Dame grollend an, »aber zuerst werden Sie Mr. Par kers Fragen beantworten.« »Wie käme ich denn dazu?« regte der Hotelier sich auf. »Ich werde keine einzige Fragen beantworten und Ihnen einen Prozeß an den Hals hängen, haben Sie mich verstanden?« »Wurde ich gerade nicht eindeutig beschimpft?« fragte die e nergische Dame umgehend bei Parker an. 69
»Nicht direkt und unmittelbar, Mylady«, wiegelte Josuah Parker ab, um sich dann wieder Hooks zuzuwenden, »Sie kennen einen gewissen Billy Brandon?« »Keine Ahnung.« Der Hotelier zuckte die Achseln. »Müßte ich ihn kennen?« »Besagter Billy Brandon leitet den sogenannten Club der Fünf hunderter, Mr. Hooks«, erklärte der Butler geduldig, »in der Nähe Ihres Hauses befindet sich eine Fabrik, die teilweise bereits ab gewrackt wurde. In den Kellerräumen dieser Fabrikruine sind die Clubräume dieser jungen Männer, die sich ihren nicht gerade bil ligen Motorrädern mit Leib und Seele verschrieben haben.« »Ach die!« Gary Hooks entspannte sich. »Hin und wieder sam meln die hier für ihre Parties. Kann sein, daß ich Brandon dabei mal kennengelernt habe.« »Mylady kann also festhalten, daß Mr. Billy Brandon Ihnen be kannt ist«, konstatierte der Butler gemessen. »Demnach müßten Sie auch einen gewissen Mr. Ritchie Dawson kennen.« »Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?« fragte der Hotelier, um dann plötzlich zu nicken. »Ich kapiere! Sie wollen mir unterstel len, ich würde die Rocker losschicken und durch sie Versicherun gen verkaufen lassen, wie?« »Sie treffen mit dieser Bemerkung den sprichwörtlichen Nagel voll auf den Kopf, Mr. Hooks«, gab der Butler zurück. »Nichts aber auch rein gar nichts habe ich mit diesen Rockern zu tun«, stellte Hooks umgehend klar, »wer hat Ihnen eigentlich den Floh ins Ohr gesetzt, ich würde mit Rockern zusammenarbei ten? Sagen Sie schon, wer mich da anmachen will?« »Mylady geht einem Verdacht nach«, antwortete der Butler, »die Nachbarschaft zwischen Ihrem Haus und der Fabrikruine ist augenscheinlich. Es könnte so zu einer Art Interessengemein schaft gekommen sein.« »Rocker interessieren mich nicht«, wiederholte Gary Hooks, »ich habe mit der kriminellen Szene nichts zu tun, um genau zu sein.« »Gewisse Auskünfte reden eine erheblich andere Sprache«, bluffte Josuah Parker, der an die Männer dachte, die er unten in der Empfangshalle gesehen hatte. »Sie spielen auf meine Vergangenheit an, wie? Mann, das sind doch uralte Geschichten. Gut, ich hatte ein paarmal Ärger mit der Polizei und bin auch für einige Jahre mal eingebuchtet worden.« 70
»Und was konnte man Ihnen beweisen, junger Mann?« schalte te die ältere Dame sich sofort ein. »Man konnte mir gar nichts beweisen, ich bin nur aufgrund von falschen Zeugenaussagen verurteilt worden.« »Weshalb?« fragte die Detektivin hartnäckig nach. »Wagen Sie es nicht, mir auszuweichen.« »Ich soll angeblich ein Hehler gewesen sein«, rückte Hooks mit der Sprache heraus. »Aber das alles war erstunken und erlogen. Und dann soll ich noch Gäste erpreßt haben. Lächerlich! So was würde mir nie in den Sinn kommen…« * »Nein, meine Lieben, es hat sich wieder mal nichts getan«, be schwerte sich die ältere Dame eine Stunde später. Sie machte einen sehr verärgerten Eindruck. »Man scheint Mylady ganz offensichtlich aus dem Weg zu ge hen«, fügte Butler Parker hinzu. »Tut mir leid für Sie, Mylady«, meinte der Anwalt. Er und Kathy Porter hatten die Hausherrin und Parker gerade in der großen Wohnhalle des altehrwürdigen Fachwerkhauses in Empfang ge nommen. »Ich war voller Hoffnung, Mike, als ich die Lümmel in der Hotel halle sah«, sagte Lady Agatha, »sechs oder sieben dieser Kellner haben sich dort aufgebaut und sahen sehr angriffslustig aus, aber sie rührten keine Hand. Sie ließen mich ohne weiteres auf die Straße.« »Mr. Gary Hooks, der Mylady nach unten begleitete, war an ei nem Zwischenfall eindeutig nicht interessiert«, ließ Josuah Parker sich vernehmen. »Er schwitzte Blut und Wasser«, erinnerte Lady Agatha sich freudig, »das hing wohl mit seiner Automatic zusammen, die ich mit nach unten genommen hatte.« »Möglicherweise auch mit den beiden Schüssen, die Mylady ab zufeuern beliebten«, fügte Josuah Parker höflich hinzu. »Sie haben geschossen, Mylady?« Kathy Porter wußte jetzt Be scheid und lächelte amüsiert. »Nur in die Decke der Halle, Kindchen«, erläuterte Agatha Simpson, »daß dabei einer der Leuchter herunterkam, war nicht 71
meine Absicht.« »Dieser Vorgang war äußerst beeindruckend«, wußte Parker zu berichten, »die Kellner zogen es daraufhin vor, das Feld zu räu men.« »Aber es hat sich nichts getan«, meinte der junge Anwalt lä chelnd. Er wiederholte die Feststellung der Lady. »Absolut nichts«, bedauerte Agatha Simpson, »ich hatte mir von diesem Besuch mehr versprochen, aber ich gehe nach wie vor davon aus, daß dieser Hotelier sehr verdächtig ist.« »Sie halten ihn für den Drahtzieher der Rocker, Mylady?« er kundigte sich Kathy Porter. »Er könnte es durchaus sein, Kindchen«, pflichtete die ältere Dame ihr bei, »schließlich hat er bereits schon mal wegen Erpres sung gesessen, und der Ruf seines Hauses ist gar nicht gut.« »Das Angebot an Drahtziehern weitet sich damit aus«, ließ Mike Rander sich vernehmen. »Richtig, mein Junge«, bestätigte die passionierte Kriminalistin und wandte sich Butler Parker zu, »war da nicht noch ein Lüm mel, dem ich nicht über den Weg traue, Mr. Parker?« »Mylady meinen sicher Mr. Jack Warrick«, erwiderte der Butler, »er wird die rechte Hand des Rocker-Anführers Brandon ge nannt.« »Kocht dieser Bursche seine eigene Suppe?« fragte der Anwalt. »Dies könnte in der Tat durchaus der Fall sein«, meinte der But ler, »Mr. Billy Brandon weiß wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, daß seine rechte Hand Warrick eine echte Konkurrenz ist.« »Ich werde mich mit Einzelheiten nicht belasten«, entgegnete die selbstbewußte Dame und schritt zur Treppe, »ich werde aber über den Fall ein wenig meditieren. Wann reichen Sie einen klei nen Imbiß, Mr. Parker?« »Wann wünschen Mylady ihn zu nehmen?« »In einer Stunde«, bat sie, »aber nur eine Kleinigkeit, Mr. Par ker. Denken Sie an meine Diät.« »Mylady haben spezielle Wünsche?« »Nun, etwas kalten Braten, Mr. Parker. Dazu vielleicht eine würzige Remouladensauce, aber vorher eine Brühe mit Ei, dann höchstens noch zwei kleine Rostwürstchen und diverse Käsesor ten. Wie gesagt, nur eine Kleinigkeit. Mann soll nie übertreiben.« »Nur eine Kleinigkeit«, spöttelte Mike Rander, als Mylady sich 72
auf der Treppe befand und kurz im obersten Korridor verschwand, »Mylady wird noch glatt verhungern.« »Wie beurteilen Sie denn unsere neuen Kandidaten, Mr. Par ker?« fragte Kathy Porter. »Sie spielen auf die Herren Hooks und Warrick an, Miß Porter?« reagierte der Butler. »Sind sie unwichtig, Mr. Parker?« »Keineswegs und mitnichten, Miß Porter, aber man sollte auch die Herren Ritchie und John Dawson weiter unter Kontrolle halten. In diesem Zusammenhang müßte man natürlich auch den jungen Mann nennen, der Marty heißt und zu Mr. Brandons Club der Fünfhunderter übergewechselt ist.« »Hübsche Auswahl«, kommentierte Mike Rander die Aufzählung, »haben wir vielleicht noch eine Person vergessen?« »Die Herren Dave Davids und Ken Kogan sollten nicht unge nannt bleiben«, antwortete der Butler. »Randfiguren, Parker.« Rander winkte ab. »Die nahe Zukunft wird dies lehren, Sir«, meinte der Butler, »mit Überraschungen ist stets zu rechnen.« * Das Telefon klingelte. Parker, der allein in der großen Wohnhalle war, hob ab und meldete sich. Auf der Gegenseite nannte Fred Murray seinen Na men. »Sie haben’s geschafft, Parker«, sagte der Inhaber des Bau marktes, der eindeutig zur kriminellen Szene gehörte und Kon takte zur Mafia unterhielt, »Sie haben’s geschafft. Jetzt strampeln wir uns schon ausgerechnet für Sie ab.« »Ein Zustand, Mr. Murray, den man nur als erfreulich bezeich nen kann.« »Wir haben unsere Fühler ausgestreckt, Parker, Fehlanzeige auf der ganzen Linie.« »Was kann meine Wenigkeit sich unter diesem Hinweis vorstel len?« »Da ist ein krasser Außenseiter an der Arbeit, was die Schutz gelder betrifft«, berichtete Fred Murray, »und dieser Außenseiter ist ganz schön clever. Wir haben keine Ahnung, wo er zu finden 73
ist.« »Ihr interner Nachrichtendienst dürfte demnach auch nicht mehr das sein, was er mal war, Mr. Murray.« »Die uns bekannten Rockergruppen können an dieser komi schen Versicherung nicht beteiligt sein, Parker. Aber wir haben einen bestimmten Verdacht.« »Sie wecken eine gewisse Neugier in meiner Wenigkeit.« »Sie kennen ja John Dawson, nicht wahr? Gut, Dawson zieht da seit einiger Zeit ‘ne komische Show ab und spielt nicht mehr mit.« »Wie darf man Ihre Worte interpretieren, Mr. Murray?« »Er befaßt sich nur noch mit seiner Spielhalle und kauft andere Hallen in der Stadt auf.« »Ihren Worten zufolge will Mr. John Dawson nur noch auf den Pfaden der Tugend wandeln?« »Lieber Himmel, wie Sie sich wieder ausdrücken, Parker.« Mur ray lachte leise. »Dawsons Neffe gibt kampflos seine Rockergrup pe auf und segelt im Kielwasser seines Onkels.« »Die Herren Dawson bemühen sich demnach um eine gewisse Bürgerlichkeit?« »Schön ausgedrückt, Parker. Aber wie auch immer, ich traue ihm nicht über den Weg.« »Wird man die Herren Dawson zu einem Gespräch einladen?« »Wie meinen Sie das?« kam die vorsichtige Gegenfrage. »Wird man die Herren Dawson nachdrücklich befragen?« »Ach so, Parker, Sie denken so an den Dritten Grad, wie? Also Tatsache ist, daß die beiden Dawsons verschwunden sind.« »Eine Nachricht, die überrascht.« »Die haben sich abgesetzt und sind erst mal spurlos ver schwunden. Die Spielhalle haben sie geschlossen.« »Und nun sucht man nach den beiden Dawsons, wie zu vermu ten ist?« »Klar, Parker. Wir wollen wissen, was mit denen los ist.« »Sie haben sich auch für Billy Brandons Club der Fünfhunderter interessiert?« »Ein Hohlkopf«, urteilte der Gangster, »ich glaube, daß er be reits von seinem Adjutanten Warrick gesteuert wird, ohne davon aber was zu merken.« »Dieser junge Mann machte sich bereits bekannt«, fügte Parker hinzu. 74
»Möglich, daß er da etwas hinter Brandons Rücken aufgezogen hat«, deutete Fred Murray an, »aber bewiesen ist das natürlich nicht. Wir können ihn natürlich mal ordentlich durch die Mangel drehen.« »Ein unnötiges Verfahren, Mr. Murray«, sagte der Butler, »Ihren Freunden und Bekannten dürfte übrigens nicht entgangen sein, daß die Polizei sich bereits für die diversen Rocker-Gruppen inte ressiert.« »Das kann man wohl sagen.« Auf der Gegenseite war erneut leises Lachen zu vernehmen. »McWarden hat ausschwärmen las sen. Überall herrscht eine verdammte Hektik. Ich kenne Leute, die deswegen sauer sind.« »Sagt Ihnen der Name Gary Hooks etwas?« fragte Parker bei läufig. »Gary Hooks? Warten Sie mal, Parker. Doch ja, Hooks kenne ich. Was ist mit ihm?« »Sein Hotel steht in der Nähe der Fabrikruine, die das Quartier der Rocker um Billy Brandon abgibt.« »War das gerade ein heißer Tip, Parker? Kommen Sie, Hooks gibt sich doch nicht mit Werfern ab und mit SchutzgeldVersicherungen.« »Er ist in einem anderen Bereich tätig, wie zu vermuten ist, nicht wahr, Mr. Murray?« »Kein Kommentar, aber mit Rockern arbeitet Hooks ganz sicher nicht. Das ist nicht sein Stil.« »Sie rechnen also mehr denn je mit einem krassen Außensei ter?« »Das kann man wohl sagen, Parker. Und das paßt gewissen Leuten nicht. Mann, denken Sie doch mal an diese Wahnsinnsket te bei Ihnen in der Gegend. Reihenweise eingeworfene Fenster scheiben und dazu noch Molotow-Cocktails. Wenn ich nur an die Schlagzeilen denke!« »Die einschlägigen Medien werden sich in der Tat mit diesen Vorfällen befassen, Mr. Murray.« »Meine Freunde sind verdammt daran interessiert, daß wieder Ruhe einkehrt«, versicherte der Inhaber des Baumarktes. »Was halten Sie davon, sich zurückzuhalten? Wir werden das intern regeln.« »Ein Vorschlag, den Mylady strikt ablehnen wird«, wußte der Butler bereits im vorhinein, »Mylady wurde provoziert und will Genugtuung.« 75
»Hoffentlich kommen wir uns nicht gegenseitig ins Gehege«, warnte Fred Murray, »das könnte großen Ärger geben.« * Ken Kogan hockte in einem kleinen Verschlag und blickte über rascht, als Josuah Parker und Mike Rander plötzlich vor der Glas scheibe dieses Raumes erschienen. Dann erhob er sich vom Ho cker und kam nach draußen. »Sie?« staunte er sichtlich. »Ein reiner Höflichkeitsbesuch«, schickte Josuah Parker voraus, während er die schwarze Melone lüftete, »Mr. Rander und meine Wenigkeit waren bereits bei Ihnen zu Hause, fanden Sie dort aber nicht vor.« »Ich habe Überstunden eingelegt«, erklärte der dickliche Jung geselle, »Sie sehen und hören ja, was hier los ist. Wir haben eine Menge Betrieb in der Waschanlage.« »Und das um diese Zeit«, wunderte sich der junge Anwalt, »es geht immerhin auf den Abend zu.« »Morgen beginnt das Wochenende«, erwiderte Ken Kogan, »da will jeder seinen Wagen sauber haben.« »Hat Ihr Morris sich inzwischen wieder eingefunden, Mr. Ko gan?« fragte Josuah Parker. »Ja, der Wagen ist da«, gab der dickliche Junggeselle zurück, »wie durch ein Wunder stand er plötzlich wieder in der Sammel garage.« »Ohne Schaden genommen zu haben?« wollte der Butler wis sen. »Kein Kratzer«, versicherte Ken Kogan und bekam einen glück lichen Ausdruck in seinen Augen, »Sie können sich ja gar nicht vorstellen, wie glücklich und erleichtert ich bin.« »Sie beschäftigen Hilfskräfte?« Parker deutete mit der Schirm spitze zur eigentlichen Waschanlage hinüber. Drei junge Leute in schwarzen Lederhosen und bunten Unterhemden polierten Wa gen, die die Waschstraße bereits durchlaufen hatten. »Die stellen wir von Fall zu Fall ein«, meinte Kogan, »sie kom men und gehen.« »Sie sehen aus wie friedfertige Rocker«, meinte der Anwalt an züglich. 76
»Tatsächlich?« Kogan schien sich zu wundern. »Darauf habe ich noch gar nicht geachtet. Ich kann mich nicht beklagen. Ich kom me mit den jungen Leuten gut aus.« »Auch der Betreiber dieser Waschanlage?« erkundigte sich der Butler. »Der läßt sich hier kaum blicken«, sagte Ken Kogan, »er hat mehrere Waschstraßen in der Stadt.« »Und wo könnte man ihn zur Zeit treffen?« »Das weiß ich wirklich nicht«, lautete Kogans Antwort, »soll ich mich darum kümmern?« »Auf keinen Fall, Mr. Kogan«, wehrte der Butler ab, »echauffie ren Sie sich nicht unnötig. Meine Wenigkeit hat nur die Absicht, sich nach jenem Vauxhall zu erkundigen, der vor Ihrem Haus stand und in den Sie einen prüfenden, wenn auch nur kurzen Blick warfen.« »Vauxhall?« Ken Kogan schien nicht zu begreifen. Er schüttelte irritiert den Kopf. »Ein Vauxhall mit zwei Insassen, Mr. Kogan. Sie verließen Ihre Haustür, warfen einen Blick in den erwähnten Wagen und liefen dann ins Haus zurück.« »Ach so, jetzt weiß ich wieder, was Sie meinen.« Ken Kogan nickte. »Ja, ich war überrascht, ehrlich.« »Das müssen Sie mir näher erklären, Mr. Kogan«, schaltete der Anwalt sich ein, »warum und wieso interessierten Sie sich für einen Wagen, der Ihnen doch wohl kaum bekannt war?« »Ja, wie soll ich das erklären«, gab der dickliche Junggeselle zu rück und schwitzte bereits intensiv. »Also gut, ich war neugierig geworden, weil dieser Vauxhall schon eine ganze Zeit vor meinem Haus stand. Und natürlich hatte ich auch die beiden Männer beo bachtet, ich meine die beiden Gestalten im Wagen. Offen gesagt, ich hatte irgendwie Angst.« »Angst wovor?« hakte Mike Rander nach. »Ich weiß es nicht, Sir, es war so ein Gefühl, das man kaum be schreiben kann. Ein Wagen vor meiner Haustür, nicht wahr? Und dann zwei Männer darin, die doch auf etwas warteten. Ich hatte einfach Angst. Und als sie dann gingen, Mr. Parker, habe ich ge sehen, daß die beiden Männer plötzlich in ihren Sitzen hingen, als wäre ihnen was passiert. Ja, und dann bin ich schnell rausgelau fen und habe nachgesehen.« »Eine beachtliche Mutprobe«, stellte Mike Rander ironisch fest, 77
»hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut, Kogan.« »Mutprobe? Nein, ich wollte helfen. Ich dachte ja, da wäre was passiert.« »Sie haben den erwähnten Vauxhall also die ganze Zeit über beobachtet?« fragte Josuah Parker. »Ja, ja, weil ich Angst hatte«, erwiderte der Mann. »Was ist Ihnen denn dabei sonst noch aufgefallen?« wollte Mike Rander wissen. Ihm war natürlich bekannt, daß der Butler am Wagen gewesen war und die beiden Insassen auf seine spezielle Art behandelt hatte. »Was mir aufgefallen ist?« Ken Kogan runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, was Sie meinen. Oder doch, warten Sie! Da war je mand, der mit den beiden Männern im Wagen kurz gesprochen hat. Aber plötzlich war der verschwunden. Und kurz danach war ja dann Mr. Parker vor der Tür.« »Bestens, Kogan.« Rander lehnte sich lässig gegen einen Pfei ler, »ich nehme an, Sie kennen eine Menge von diesen Burschen, die die Wagen polieren, wie?« »Natürlich, Sir, das ergibt sich so. Es kommen ja immer wieder andere Aushilfen. Eben von Fall zu Fall. Die kommen nur, wenn sie gerade Lust haben und sich ein paar Pfund verdienen wollen.« »Könnten es Rocker sein?« fragte Rander noch mal. »Selbst wenn, Sir, das würde mich nicht kümmern. Ich komme mit den jungen Leuten wirklich gut aus.« »Auch mit Mr. Dave Davids?« warf Josuah Parker ein. »Mein Nachbar Davids?« Ken Kogan nickte und blickte den But ler treuherzig an. »Sie haben Zeit gehabt, sich Ihre Antworten genau zu überle gen.« meinte der Anwalt ironisch. »Ich kenne ihn doch nur flüchtig, so wie man sich eben so sieht, verstehen Sie? Man sagt sich die Tageszeit und winkt sich viel leicht auch mal zu, aber mehr haben wir nicht gemeinsam.« »Auch Mr. Dave Davids hat ein gutes Verhältnis zu diversen Ro ckern, nicht wahr?« fragte Josuah Parker. »Das glaube ich schon«, lautete Kogans Antwort, »er kommt ja jeden Tag an der Fabrik vorbei, in der die jungen Leute wohnen. Bisher haben sie ihn noch nie belästigt.« »Aber wir werden gleich belästigt«, warf Mike Rander ein und deutete auf die drei jungen Wagenwäscher, die sich plötzlich vermehrt hatten. Aus drei Polierern waren fünf geworden. Sie 78
schwärmten aus, zeigten diverse Schlaginstrumente und ließen mehr als deutlich erkennen, daß sie es mit Mike Rander und But ler Parker aufzunehmen gedachten. Ken Kogan hüstelte nervös und setzte sich schleunigst ab. Die fünf Rocker aber kamen näher und schwangen ihre Waffen. »Dann wollen wir mal«, sagte der Anwalt unternehmungslustig, »später können wir dann ja noch immer gezielte Fragen stellen, Parker.« »Wie Sie zu wünschen belieben, Sir.« Parker lüftete kurz die schwarze Melone. * Josuah Parker bewaffnete sich ebenfalls. Er langte nach einem leicht gekrümmten Stahlrohr, durch das heiße Waschlauge mittels eines Kompressors gedrückt wurde. Dieses Gerät diente dazu, den größten Schmutz von den angelie ferten Wagen zu waschen. Mit der Spitze seines UniversalRegenschirmes drückte der Butler auf den Einschaltknopf und befaßte sich dann mit den fünf Rockern, die bereits recht nahe herangekommen waren. Josuah Parker hatte einen von ihnen sofort wiedererkannt. Es handelte sich um Jack Warrick, der die sogenannte rechte Hand von Billy Brandon war. Dieser junge Mann hatte dank Lady Simpson mit seiner Nase eine etwas vergammelte Pizzafolie aus gekratzt. Jack Warrick schien sehr nachtragend zu sein. In der rechten Hand hielt er einen schweren Schraubenschlüssel. »Es ist meiner Wenigkeit so gut wie gar nicht peinlich«, sagte Josuah Parker und richtete den starken und seifigen Laugenstrahl auf Warrick, der zwar seitlich ausweichen wollte, doch dabei nur an der gekachelten Wand landete. Warrick fuchtelte mit den Armen in der Luft herum, ließ den Schraubenschlüssel fallen und schützte sein Gesicht. Da die Sei fenlauge aber längst seine Augen erreicht hatte, sah er nicht mehr viel. Parker sprühte den Rocker ausgiebig ab. Mike Rander übernahm den zweiten Teil der Behandlung. Er hatte den Kran zu einem Wasserschlauch voll aufgedreht und machte Jack Warrick von oben bis unten naß. Da der Druck im 79
Wasserschlauch ebenfalls recht beachtlich war, kam Jack Warrick nicht aus seiner Ecke heraus. Die vier anderen Rocker setzten sich ab. Sie waren nicht erpicht darauf, sich ebenfalls einer Vollwäsche unterziehen zu lassen. Sie stellten sich dabei allerdings recht ungeschickt an, liefen in die Waschanlage und benutzten dabei ausgerechnet jene Gasse, die für die Wagen vorbehalten war. Parker konnte selbstverständlich nicht widerstehen, setzte er neut die Spitze seines Schirmes ein und brachte damit die eigent liche Waschanlage in Gang. Die eben noch schlaff herunterhän genden Fransen aus Kunststoff blähten sich auf zu riesigen, kom pakten Bürsten und Walzen. Ein dumpfes Brausen war zu ver nehmen, Wasser rauschte aus vielen versteckten Düsen. Der at mosphärische Druck dieser Wasserstrahlen war enorm. Die Ro cker rissen die Arme hoch, um die Gesichter zu schützen. Sie schnappten verzweifelt nach Luft und wurden von den schnell rotierenden Walzen und Bürsten bearbeitet. Die Fransen aus Kunststoff wirkten wie kleine Peitschen und massierten die Ro cker, die jede Richtung verloren hatten. »Gegen eine kleine Unterwäsche ist eigentlich nichts einzuwen den«, meinte der Anwalt. Er stand vor dem Schaltkasten, auf dem die einzelnen Waschprogramme getastet werden konnten. Er drückte einen entsprechenden Knopf und sorgte umgehend für die verschriebene Unterwäsche. Jack Warrick hatte sich inzwischen niedergehockt und sehr klein gemacht. Um ihn herum wallte und wogte der perlende Wasch raum. Parker strahlte ihn erneut an und seifte ihn für eine zweite Vorwäsche ein. Immer dann, wenn Jack Warrick etwas sagen wollte, quollen erstaunlich große und schillernde Seifenblasen aus seinem Mund. Die vier Rocker arbeiteten sich inzwischen durch die Waschanlage und suchten den Ausgang. Sie näherten sich langsam den letzten Stationen des Durchgangs. »Etwas Heißwachs könnte eigentlich nicht schaden«, meinte Rander, der die Rocker genau beobachtete, »das konserviert, schätze ich.« Er drückte den entsprechenden Knopf auf der Schalttafel und wandte sich dann Josuah Parker zu, der seine Vorwäsche beendet hatte. Jack Warrick stemmte sich gerade müde hoch und wischte sich den dicken Schaum aus dem Gesicht. Er machte einen er 80
schöpften Eindruck und stand unsicher auf den Beinen. »Darf man Sie zu einem Gespräch einladen?« erkundigte sich Parker, »Sie sollten übrigens diese Intensivbehandlung keines wegs persönlich nehmen, Mr. Warrick. Sie diente nur dazu, mög liche innere Verkrampfungen zu lösen.« * »Verdammt, wir haben mit diesen Werfern nichts zu tun«, er klärte Jack Warrick etwas später. Er saß auf einem umgestülpten Eimer und hatte sich noch immer nicht ganz erholt. Hin und wie der stieß er auf, da er augenscheinlich zuviel Seifenlauge ge schluckt hatte. Nach jedem Aufstoßen nämlich quollen kleine Sei fenblasen aus seinem Mund. »Mylady ist der Ansicht, daß Sie vielleicht hinter dem Rücken von Mr Billy Brandon diese Versicherung gegründet haben«, meinte der Butler in seiner höflichen Art. »Ich bin doch nicht lebensmüde.« Warrick schüttelte den Kopf. »Billy würde mich fertigmachen. Wir haben mit diesen Idioten wirklich nichts zu tun, glauben Sie mir das doch endlich.« »Aber Sie können sich durchaus vorstellen, daß ein gewisser Mr. Ritchie Dawson Schutzgeld-Versicherungen verkauft?« »Der bestimmt nicht, das weiß ich genau… Der nicht!« »Sie sind Ihrer Sache ungemein sicher, wie gerade zu verneh men war.« »Ritchie Dawson legt sich auch nicht mit den großen Gangs an.« »Also auch nicht Mr. Murray, der zum Club der Fünfhunderter überwechselte?« »Der auch nicht. Mann, begreifen Sie doch endlich, daß wir mit diesen Werfern nichts zu tun haben!« »Sie erwähnten gerade Ritchie Dawson«, schaltete der Anwalt sich lässig ein, »und Sie wissen verdammt genau, daß er sauber ist, was die Werfer betrifft. Aber das Wort >genau< verschluck ten Sie gerade noch, alter Junge. Daraus lassen sich Schlüsse ziehen.« »Wieso denn das?« Warrick tat erstaunt und öffnete den Mund. Und prompt formten sich zwei ovale Seifenblasen, die seinem Zahngehege entstiegen. Warrick sah ihnen verdutzt nach. »Könnte es sein, daß Mr. Ritchie Dawson sich zur Zeit in der 81
Fabrikruine befindet?« wollte der Anwalt wissen. »Haben Sie ihm dort auf den Zahn gefühlt?« »Fassen Sie es bitte nicht als eine plumpe Drohung auf, wenn meine Wenigkeit auf die Möglichkeit verweist, daß man Sie noch mal einer Vorwäsche unterziehen könnte, falls Sie sich nicht an die Wahrheit zu halten gedenken«, äußerte Parker und runzelte die Stirn. »Wie war das?« Jack Warrick schien verblüfft. »Mr. Parker kann Sie durchaus noch mal abwachsen«, übersetz te Mike Rander amüsiert. »Nur ja nicht«, wehrte Jack Warrick hastig ab, »okay, Ritchie ist bei uns in der Fabrik. Wir haben ihn abgefangen, als er abhauen wollte. Und sein Onkel is’ auch bei uns.« »Das ist doch schon etwas«, gab Mike Rander zurück, »Sie sind ja direkt lernfähig, Warrick. Nur weiter so!« * »Hoffentlich wartet nicht eine ganze Festversammlung auf uns, Parker«, sagte Mike Rander. Die beiden Männer näherten sich dem Mauerdurchbruch im Kellergeschoß der Fabrikruine. Der But ler, der diesen Weg ja bereits kannte, hatte die Führung über nommen. »Es ist nicht anzunehmen, Sir, daß Mr. Jack Warrick einen ent sprechenden Hinweis gegeben hat«, meinte Josuah Parker, »da mit würde er ja Billy Brandon gegenüber eingestehen, aus der sogenannten Schule geplaudert zu haben.« »Wir werden gleich wissen, ob Sie recht haben, Parker.« Mike Rander ging dicht hinter dem Butler, der bereits den Fabrikkeller betrat und dann eine kleine Pause einlegte. »Ist was, Parker?« fragte Rander. »Meine Wenigkeit fragt sich, wo man die beiden Herren Dawson untergebracht haben könnte«, gab der Butler zurück, »meiner unmaßgeblichen Ansicht nach dürfte man sie sehr gut versteckt halten.« »Dann lassen Sie sich mal was einfallen, Parker.« Rander horch te in die Kellerräume hinein. Von sehr weit her war Rockmusik zu hören. Zwischendurch wurden Türen geöffnet und wieder hart geschlossen. Josuah Parker setzte sich in Bewegung und schritt 82
würdevoll auf einen weiten Kellerraum zu, der sich im Dunkeln verlor. Dann blieb er wieder stehen und nahm die Melone ab. Mit ihr fächelte er sich Luft, schnüffelte ein wenig wie ein professio neller Weintester und änderte dann die Richtung. Er setzte sich wieder in Bewegung. »Könnte man vielleicht mal erfahren, was Sie da erschnüffelt haben?« fragte Rander leise. »Den Rauch frischer Tabakwaren, Sir. Es dürfte sich um selbst gedrehte Zigaretten handeln.« »Ich werde mich hüten, das anzuzweifeln«, lautete Randers Antwort. Er blieb weiterhin dicht hinter dem Butler, der nun unbeirrt die Dunkelheit des weiten Kellerraumes ansteuerte. Als er einen Gang erreichte, hob Parker warnend den altväterlich gebundenen Regenschirm. »Der Duft einer Kerze, Sir«, flüsterte Parker. »Wenn Sie meinen, Parker?« »Hinter der nächsten Abzweigung muß eine offene Kerze bren nen, Sir, deren Schein aber noch nicht zu sehen ist.« Während Parker noch sprach, zog er seine Gabelschleuder aus der Innentasche des schwarzen Covercoats und griff dann mit zwei Fingern der linken Hand in eine der vielen Westentaschen. Er holte eine hartgebrannte Tonmurmel hervor und schob sich lang sam an die Gangecke heran. Wenig später erblickte er die bren nende Kerze und entdeckte daneben einen jungen Mann in schwarzer Lederkleidung. Dieser Rocker saß auf dem nackten Betonboden, hatte sich zur Kerze heruntergebeugt und las in ei nem Magazin. Butler Parker wurde sofort aktiv, legte die Tonmurmel in die Le derschlaufe seiner Zwille und visierte den Rocker an. Dann schickte er das an sich harmlose Geschoß auf die Luftreise und schritt wie selbstverständlich um die Ecke. Für ihn war es klar, daß er voll getroffen hatte. Und er hatte getroffen! Der junge Mann lag ausgestreckt neben der noch immer bren nenden Kerze und bekam überhaupt nicht mit, daß Mike Rander ihn schnell und routiniert ihm wahrsten Sinne des Wortes ver pflasterte. Auf der Hinfahrt hierher zur Fabrikruine hatte Parker vor einem Papierwarengeschäft gehalten und Klebeband erstan den. Dieses zähe Zeug tat erstaunliche Dienste. Nach wenigen 83
Augenblicken war der Rocker verschnürt. Sein Halstuch, das Rander ihm in den Mund gestopft und leicht überklebt hatte, hinderte ihn daran, Alarm zu schlagen. Parker befaßte sich bereits mit einer Feuertür, die einen noch intakten und soliden Eindruck machte. Sie war zwar verschlossen, doch das Zylinderschloß schien förmlich zu spüren, mit wem es zu tun hatte. Als Parker einen skurril geformten und gezackten, sehr flachen Stahlstreifen in das Schloß einführte, gab es umgehend jeden Widerstand auf und kapitulierte. Parker öffnete die Tür und blickte gegen eine dunkle Wand. Er holte seine Kugelschreiber-Taschenlampe hervor, schaltete sie ein, durchschnitt mit dem scharf gebündelten Lichtstrahl diese Wand und zerlegte sie in Streifen. Und dann erblickte er zwei jämmerlich zugerichtete Gestalten… Sie lagen auf feuchtem Betonboden, waren an Händen und Fü ßen gefesselt und reagierten kaum mehr auf das Licht. »Die Herren Ritchie Dawson und John Dawson«, meldete Josuah Parker, um danach Mike Rander eintreten zu lassen. * »Eine falsche Bewegung, Leute, und es knallt!« Mike Rander und Josuah Parker richteten sich langsam auf und erblickten zwei Schattenrisse in der Tür. »Mr. Billy Brandon, wenn meine Wenigkeit sich nicht sehr irrt«, sagte Josuah Parker dann. »Und Jack Warrick«, erwiderte einer der Schattenrisse, »so, Leute, jetzt sind wir an der Reihe.« »Ich möchte keineswegs verhehlen, daß es Ihnen gelungen ist, Mr. Rander und meine Wenigkeit zu überraschen«, räumte Josuah Parker ein. »Wo sind denn jetzt Ihre faulen Tricks, Parker?« fragte Billy Brandon, den Parker tatsächlich sofort an der Stimme erkannt hatte. »Warum keine falsche Bewegung?« fragte Warrick höhnisch, »wir haben nur so ein paar Bleispritzen bei uns.« »Sie glauben doch wohl nicht, daß wir allein gekommen sind«, schaltete der Anwalt sich ein. »Kann sein, kann aber auch nicht sein«, erwiderte Brandon, 84
»wir haben keine Mitläufer gesehen.« »Sie hatten Mr. Rander und meine Wenigkeit bereits seit einiger Zeit unter Sichtkontrolle, wenn man höflich fragen darf?« Parkers Stimme klang gemessen wie stets. »Und ob, Parker! Aber diesmal zahlen Sie drauf…« In Brandons Stimme war Genugtuung. »Sie haben jetzt stunden- und tagelang Gelegenheit, sich mit den beiden Dawsons zu unterhalten, falls die ihren Mund überhaupt noch aufbekommen.« »Wollen Sie uns hier einsperren?« fragte Rander. »Für den Rest eurer Tage«, bestätigte Brandon umgehend, »wir bringen ja schließlich keinen um, wir vergessen euch nur.« »Sie müssen verdammt sauer auf uns sein.« »Wir haben eben was gegen Schnüffler«, warf Warrick ein, »und deshalb setzt unser ganzer Verein sich erst mal für ‘ne Woche nach Westen ab.« »Und wenn wir dann zurück sind, werfen wir vielleicht mal ‘nen kurzen Blick in den Keller«, fügte Billy Brandon hinzu. Weder Butler Parker noch Mike Rander hatten Gelegenheit zu Gegenmaßnahmen. Sie wurden von starken Taschenlampen an gestrahlt. Jede noch so geringe Bewegung wäre sofort registriert worden. Und Parker zweifelte keinen Moment daran, daß die bei den Rocker nur darauf warteten, einen Schuß anzubringen. »Ich werde dann ja sehen, was Sie mit Ihren faulen Tricks an gestellt haben«, sagte Warrick, der auf den Butler nicht gut zu sprechen war, was nach der Vorwäsche nicht weiter verwunderte. »Bevor wir aber losfahren, werden wir den Gang erst mal verbauen«, sagte Billy Brandon und lachte leise, »Schutt und Müll gibt’s ja hier in Mengen.« »Bevor Sie sich von Mr. Rander und meiner Wenigkeit abwen den, könnten Sie vielleicht noch eine Frage beantworten«, schick te Josuah Parker voraus, »haben Sie nun diese Werfer und Versi cherungsvertreter auf den Weg gebracht?« »Und wenn Sie sich auf den Kopf stellen, Parker, ich bin das nicht gewesen«, erwiderte Brandon, »und Warrick war’s auch nicht, darauf können Sie Gift nehmen.« »Dann wohl die Herren Dawson, nicht wahr?« »Auch nicht, aber vielleicht habe ich die auch schon nicht mehr recht verstanden. Die konnten plötzlich nicht mehr deutlich spre chen. Die hatten Ärger mit ihren Zähnen.« Ohne jede Vorankündigung wurde plötzlich die Feuertür zuge 85
schlagen. Dann war das Eintreiben von Keilen zu vernehmen. Die beiden Rocker sorgten erst mal dafür, daß man die Tür nicht so ohne weiteres öffnen konnte. »Schöne Bescherung, Parker«, sagte der Anwalt, »die meinen es wahrscheinlich verdammt ernst.« »Davon Sir, sollte man in der Tat ausgehen.« »Die werden den ganzen Kellergang zuschütten, oder?« »Material dazu ist überreichlich vorhanden, Sir.« »Und kein Notausgang weit und breit…« Rander beobachtete den schmalen Lichtfinger, mit dem Josuah Parker die vier Beton wände und dann die solide Feuertür abtastete. »Wahrscheinlich sollen wir hier in aller Stille umkommen«, rede te der Anwalt weiter, »wie ist das eigentlich mit dem guten Pi ckett? Beobachten er und seine Freunde noch die Fabrikruine?« »Man kann es nur hoffen, Sir.« »Wenig schöne Aussichten, Parker, Mylady würde in solch ei nem Fall sagen: >Lassen Sie sich etwas einfallen, Mr. Parker, um Details kümmere ich mich nicht<.« »Mylady und Miß Porter wissen immerhin, daß man der Wasch anstalt einen Besuch abstatten wollte«, erklärte der Butler, »man wird sich also mit Mr. Ken Kogan ins Benehmen setzen und dar aus vielleicht passende Schlüsse ziehen.« »Machen wir uns doch nichts vor, Parker«, entgegnete der An walt, »genau bei der Waschanstalt wird man auf Mylady und Miß Porter warten. Brandon kann doch davon ausgehen, daß dieser Besuch in Shepherd’s Market bekannt ist.« »Wenn Sie gestatten, Sir, möchte meine Wenigkeit die momen tane Situation als ein wenig beunruhigend bezeichnen.« »Sie neigen wieder mal zur Untertreibung, Parker«, war Mike Randers Antwort. * »Die wollen uns hier verrecken lassen«, sagte’ Ritchie Dawson mit undeutlicher Stimme, »das gilt auch für Sie, Parker.« Ritchie hatte sich aufgerichtet, nachdem Josuah Parker ihm die Fesseln abgenommen hatte. Mike Rander kümmerte sich um Rit chies Onkel John, der stöhnte. »Mr. Brandons Haß auf Sie ist äußerst bemerkenswert«, stellte 86
der Butler fest. Die vier Männer konnten sich kaum erkennen. Mike Rander benutzte die Kugelschreiber-Taschenlampe des But lers nur sparsam. »Das war schon immer so, Parker«, nuschelte Ritchie Dawson weiter. Seine Zähne waren nur noch lückenhaft vorhanden, die Lippen stark angeschwollen: »Haben Sie nun die Werfer und Versicherungsvertreter organi siert?« stellte Parker die für ihn wichtige Frage. »Weder ich noch mein Onkel«, lautete die Antwort, »ich glaube, daß Brandon das getan hat.« »Was er nachdrücklich bestreitet.« »Und gerade jetzt hätte er es doch zugeben können«, warf Mike Rander ein. »Haben Sie schon mal an Ihr Clubmitglied gedacht?« stellte der Butler seine nächste Frage. »Marty kommt nicht in Betracht«, erklärte Ritchie Dawson, »da zu ist er zu dumm.« »Und was sagen Sie zu Gary Hooks, dessen Hotel Sie ja sicher kennen?« »Mit so etwas gibt Hooks sich doch nicht ab«, kam mühsam die Antwort, »für den ist so etwas doch nur Kleingeld. Hooks macht in Diebstahl und Schiebung. Damit allein verdient er sich eine goldene Nase. Und Hooks würde nie seine Leute ausgerechnet zu Ihnen schicken.« »Ein Hinweis, den meine Wenigkeit schon bei anderer Gelegen heit vernahm«, erwiderte der Butler, um sich dann Mike Rander zuzuwenden, »darf man sich nach dem Zustand des Mr. John Dawson erkundigen?« Bevor Mike Rander antworten konnte, war vor der Feuertür lau tes Poltern zu vernehmen. Man schien Gesteinsschutt abgeladen zu haben. Rander richtete den Strahl der kleinen Taschenlampe auf den unteren Türspalt. Deutlich war zu sehen, wie feiner Mör telstaub durch die Ritze drang. »Es geht los, Parker«, sagte der Anwalt, »Brandon verdämmt den Kellergang.« »Und er hat genug Leute, um das hinzubekommen«, ließ Ritchie Dawson sich vernehmen. »John Dawson braucht bald einen Arzt«, stellte Mike Rander klar, »er dürfte sich einige Rippen gebrochen haben.« »Kunststück, wie die uns behandelt haben«, sagte Ritchie Daw 87
son bitter, »ich dachte schon, sie hätten meinen Onkel totge schlagen.« »Sie wollten die Stadt verlassen?« erkundigte sich der Butler. Er stand in einer Ecke und beschäftigte sich mit seinem linken Schnürschuh. »Überhaupt nicht«, erwiderte Ritchie Dawson, »Brandon hat uns in der Wohnung meines Onkels überfallen. So verdammt einfach war das.« Mike Rander, der noch immer im Besitz der Kugelschreiber Ta schenlampe war, schnitt mit dem Lichtstrahl Parkers Schuh aus der Dunkelheit. Deutlich war zu sehen, daß der Butler sich mit dem Absatz befaßte. Mike Rander schaltete die Taschenlampe aus. Seiner Ansicht nach brauchte Ritchie Dawson nicht zu sehen, was Parker da tat. Nun, der Butler hatte den Absatz seines Schnürschuhs bereits zur Seite gedreht und griff mit spitzen Fingern in die erstaunlich große Aushöhlung des Absatzes. Er zog eine Art Knetmasse her vor, die er erst mal in die linke Tasche seines Covercoats steckte. Dann rückte er den Absatz wieder zurecht und befaßte sich mit dem des anderen Schuhs. Aus der frei werdenden Höhlung holte er eine kleine, stabile Blechschachtel hervor. Sie war kaum größer als jene Behältnisse, in denen Niespulver verkauft wird. Diese flache Schachtel verschwand ebenfalls in der Manteltasche. »Haben Sie aufgesteckt, Mr. Parker?« fragte Ritchie Dawson in die Dunkelheit. »Aber keineswegs und mitnichten, Mr. Dawson«, gab der Butler höflich zurück, »meine Wenigkeit erlaubt sich nur, gewisse Vorbe reitungen zu treffen, um diesen unansehnlichen Raum wieder verlassen zu können.« Vor der Feuertür war erneutes Poltern zu vernehmen. Die Ro cker um Billy Brandon schienen die zweite Gesteinsladung heran geschafft zu haben. * »Mann, was machen Sie denn da?« fragte Ritchie Dawson. Er saß an der Wand und beobachtete den Butler, der die kleine Ta schenlampe von Mike Rander übernommen hatte. Hin und wieder schaltete Parker sie ein. Ritchie Dawson bekam mit, daß der But 88
ler sich mit jener Türseite befaßte, an der die schweren Angeln befestigt waren, wenn auch leider von außen. Aber Parker schien genau zu wissen, wo diese Angeln sich nur befinden konnten. Er nahm sich Zeit, dies genau festzustellen. Mike Rander lehnte knapp neben der Tür an der Wand und wunderte sich überhaupt nicht. Den Trick mit den ausgehöhlten Schuhabsätzen kannte er nur zu gut. Schon im Weltkrieg II führten Bomberpiloten in diesen ausgehöhlten Absätzen genaue Karten jener Gebiete mit sich, über die sie zu fliegen hatten. Sie waren seinerzeit auf feiner Sei de gedruckt worden und ließen sich zu fast winzig kleinen Päck chen falten. In ausgehöhlten Schuhabsätzen fanden Kompasse, Sägedraht und andere nützliche Utensilien Platz. Parker führte stets für den Fall des Falles Sprengstoff mit sich, genauer gesagt Plastik-Sprengstoff, den man ohne große Verbau ung dem zu sprengenden Gegenstand anheften konnte. Die Zün der und Zündschnüre waren auf diesen Plastik-Sprengstoff genau abgestimmt. Nun, Ritchie Dawson brauchte von diesen kleinen Geheimnissen nichts zu wissen. Was er nicht sah, konnte er später auch nicht weitererzählen. Rander war auf jeden Fall gelassen und setzte auf Parkers Geschick. Im Umgang mit der Technik war der Butler Pro fi. »Was machen Sie da eigentlich?« Ritchie Dawson wiederholte seine Frage. »Meine Wenigkeit bemüht sich, Ihren Onkel ärztlich zu versor gen«, gab Josuah Parker zurück. Er hatte inzwischen seine Arbeit beendet und drei kleine Sprengsätze in Höhe der vermuteten Türangeln angebracht. »Und wie wollen Sie das schaffen?« »Durch das vielleicht etwas gewaltsame Öffnen der Tür«, laute te die Antwort des Butlers, »Sie sollten sich jetzt in Deckung be geben und Schutz an der Türwand suchen. Es ist davon auszuge hen, daß es vielleicht etwas laut werden könnte.« Mike Rander schleifte John Dawson vorsichtig an die Wand her an und nickte, als der Lichtstrahl aus Parkers Hand ihn traf. Da nach vergewisserte sich der Butler, daß auch Ritchie Dawson sei ner Aufforderung nachgekommen war. Kurz danach zündete Par ker die drei relativ kurzen Zündschnüre. Drei kleine Wunderkerzen schienen abzubrennen. 89
Ritchie Dawson starrte wie hypnotisiert auf die gleißenden Flammenfäden und wurde dann von einer überharten Faust voll getroffen. Die Detonation sprengte fast seine Trommelfelle. Er riß unwillkürlich den Mund auf, hustete sich fast die Seele aus dem Leib und spürte dann kühle, feuchte Luft auf der Gesichtshaut. Als er die Augen öffnete, sah er nichts, dafür aber hörte er schnelle Schritte, die sich entfernten. »Parker«, rief Ritchie Dawson, »Parker… Wo stecken Sie? Was, verdammt, ist passiert?« Er erhielt keine Antwort, denn Josuah Parker und Mike Rander hatten bereits die aufgesprengte Tür hinter sich gelassen und arbeiteten sich über Schutt und Gesteinsbrocken nach vorn zum Kellergang. Die solide Feuertür hing windschief und ausgefranst im Rahmen und war mit Sicherheit nur noch bedingt brauchbar. Mike Rander, der über die Schußwaffe des Türwächters verfüg te, baute sich Parker gegenüber auf und hob die Waffe, um sie als Schlaginstrument einzusetzen. Josuah Parker hatte seinen Uni versal-Regenschirm in beiden Händen und war bereit, ihn als Golfschläger zu verwenden. Die beiden Männer brauchten nicht lange zu warten. Schritte, Rufe und laute Kommandos waren zu vernehmen. Die Rocker um Billy Brandon rückten an, um nachzusehen, was pas siert war. Die Lichter ihrer Taschenlampen erfaßten den wallen den Rauch und Staub. Das alles wälzte sich noch immer durch den Kellergang. »Paßt auf, Leute«, brüllte Billy Brandon, »da is’ was hochge gangen.« Billy Brandon, Jack Warrick und etwa fünf weitere Rocker braus ten um die Ecke und erlebten eine mehr als nur peinliche Überra schung. Butler Parker und Mike Rander verzichteten auf jede un nötige Vornehmheit und langten herzhaft zu. Sie besorgten das mit Schnelligkeit und Konzentration. Billy Brandon, dessen Brust von Parkers Regenschirmgriff getroffen wurde, verbeugte sich tief und fiel dann auf die nachstürmenden Freunde zurück. Er wurde auf diese Art zu einem Hindernis, über das die anderen Rocker stolperten. Jack Warrick verhielt sich nicht anders. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis der Butler und Mike Rander die Herren der Situation waren. Zu ihren Füßen lagen ausgeschaltete Rocker, die im Moment nicht ansprechbar waren. 90
»Gute Arbeit, Parker«, fand der Anwalt und winkte dem Butler zu. »Meine bescheidene Wenigkeit tat hoffentlich ihr Bestes, Sir«, lautete Parkers Antwort. * Butler Parker war beeindruckt und besorgt zugleich. Er beobachtete einen ziemlich zerbeult aussehenden Landrover, der mit viel Fahrt über das Gelände der Fabrikruine jagte und kein Schlagloch ausließ. Am Steuer des geländegängigen Wagens saß eine Erscheinung, die man nur als majestätisch bezeichnen konnte. Es handelte sich um Lady Agatha Simpson, die herbeieil te, um Parker und Rander zu helfen. Da die Geschwindigkeit des Wagens wirklich beachtlich war, ge riet der Landrover ins Schleudern, als er einigen Eisenträgern ausweichen wollte. Das Heck brach aus und rammte einige schwere Motorräder, die seitlich neben den Eisenträgern abge stellt waren. In Sekundenschnelle kippten die chromglänzenden Maschinen um wie Dominosteine. »Lady Simpson räumt ab und auf«, konstatierte Mike Rander. »Mylady pflegt sich nie mit Halbheiten abzugeben«, erwiderte Josuah Parker gemessen und höflich. Dann schloß Parker für eine Sekunde die Augen. Die ältere Dame erwischte mit dem vorderen rechten Kotflügel des Landrovers noch drei weitere Maschinen und hielt dann nach einer Vollbremsung. »Ich komme zu spät?« fragte die Detektivin, als sie ausstieg. Sie ging energisch auf Rander und Parker zu, gefolgt von Kathy Porter. »Gewisse Fragen konnten in der Tat inzwischen bereits geklärt werden«, beantwortete der Butler die Frage. »Das höre ich aber gar nicht gern«, grollte sie, »warum wurde ich vorher nicht benachrichtigt?« »Parker und ich wurden von den Ereignissen überrollt, Mylady«, schaltete der Anwalt sich lächelnd ein. Dann berichtete er kurz über das, was sich getan hatte. Agatha Simpsons Mund bildete danach einen schmalen Strich. »Diese Rocker sitzen also in einem der Keller fest?« fragte sie dann. 91
»Der Club der Fünfhunderter ist erst mal ausgeschaltet«,; erwi derte der Anwalt, »und die beiden Dawsons lecken sich die Wun den. Der Krankenwagen muß gleich kommen.« »Mylady wurden alarmiert?« fragte Parker. »Von unserem guten Pickett«, bestätigte die ältere Dame. »Er rief in Shepherd’s Market an. Nun, wie auch immer, was habe ich jetzt vor, Mr. Parker? Habe ich den Drahtzieher der Werfer ge stellt?« »Meiner bescheidenen Ansicht nach ist dies nicht der Fall, Myla dy«, gab der Butler zurück, »beide Rocker-Anführer beteuern, mit den Schutzgeld-Versicherungen nichts zu tun zu haben.« »Ich werde diese Subjekte verhören, Mr. Parker«, entschied La dy Agatha energisch, »in wenigen Minuten erfahre ich dann die Wahrheit.« »Vielleicht könnten Mylady sich vorher noch dazu durchringen, einen Besuch abzustatten.« »Und wen will ich besuchen, Mr. Parker?« »Das Hotel des Gary Hooks, Mylady«, entgegnete der Butler, »dort dürften einige Fäden zusammenlaufen.« »Ich wußte es von Beginn an«, behauptete sie, »aber auf mich wollte ja keiner hören. Kommen Sie, Mr. Parker, ich möchte den Fall abschließen, bevor McWarden hier erscheint.« »Sie informierten den Chief-Superintendent?« »Miß Porter überredete mich dazu«, sagte die ältere Dame, »und leider gab ich wieder mal nach. Miß Porter plädierte für eine polizeiliche Unterstützung, nachdem der gute Pickett anrief und uns mitteilte, Sie hätten sich von den Rockern hereinlegen las sen.« »Dann würde ich aber losfahren, Parker«, schlug Mike Rander vor, »McWarden und seine Leute können hier jeden Moment auf kreuzen. Kathy und ich werden die Stellung halten.« »Worauf warte ich dann eigentlich noch?« Lady Agatha wandte sich sofort ab und deutete auf ihren Landrover. »Mir nach, Mr. Parker, ich werde den Fall jetzt abschließen.« »Mylady kennen den Drahtzieher der Werfer?« fragte der But ler. »Natürlich«, gab sie zurück, ohne mit der Wimper zu zucken, »aber ich bin doch sehr gespannt, wen Sie mir gleich präsentieren werden, Mr. Parker. Ich werde Ihnen rechtzeitig sagen, ob Sie richtig liegen oder nicht.« 92
»Was soll ich denn hier?« räsonierte sie wenig später. Parker und seine Herrin hatten den Landrover verlassen und näherten sich der Rückseite des Hotels, in dem der Butler bereits seine Aufwartung gemacht hatte. »Mylady gedenken einen Blick in die Personalräume zu werfen«, antwortete er, »Mylady interessieren sich für die Etagenkellner.« »Aha.« Sie wußte allerdings nicht, warum sie sich ausgerechnet für das Personal interessieren sollte. »Mylady gehen davon aus, daß die Etagenkellner die Werfer und Versicherungsvertreter sind.« »Das klingt nicht schleicht«, antwortete sie und folgte dem But ler, der inzwischen über eine Außentreppe hinunter in das Souter rain des Hotels schritt. Die Tür war erfreulicherweise nicht ver schlossen. Parker suchte und fand den Weg zu den Personalräu men. Er hatte den Vorraum noch nicht ganz erreicht, als er Stimmen hörte, die miteinander stritten. Parker nutzte diese Gelegenheit, die Türen einiger Eisenspinde im Vorraum vorsichtig zu öffnen. Nach kurzem Inspizieren trat er zur Seite und ließ Lady Agatha einen Blick ins Innere dieser schmalen, hohen Spinde werfen. »Ich wußte es von Anfang an«, sagte sie nicht gerade leise. Sie erblickte Jet-Helme für Motorradfahrer und schwarze Lederklei dung. Parker wollte gerade antworten, als er plötzlich vorn am Kellergang ein Geräusch hörte. Blitzschnell fuhr er herum und nahm dabei gleichzeitig seinen Universal-Regenschirm in den Hüftanschlag. Bevor Dave Davids aber einen Schuß aus seiner Automatik abfeuern konnte, hatte der Butler bereits einen seiner bunt gefiederten Pfeile verschos sen. Dieses unheimlich aussehende Geschoß blieb im rechten Ober arm des schüchternen Nachtportiers stecken, der daraufhin einen spitzen Schrei ausstieß, die Schußwaffe zu Boden poltern ließ und weglaufen wollte. Dabei zeigte sich, daß Dave Davids sogar eine kurzläufige Maschinenpistole mit sich führte. Sie hing auf seinem Rücken und war genau das, was Parker in dieser Situation brauchte. Lady Agatha stoppte den Rückzug des Nachtportiers und be nutzte dazu ihren perlenbestickten Pompadour. Als der sogenann te Glücksbringer auf dem Hinterkopf des Nachtportiers landete, tat Dave Davids einen kecken Hüpfer und schlug der Länge nach 93
zu Boden. Parker barg die Maschinenpistole und schritt würdevoll hinüber zum eigentlichen Personalraum. Drei Etagenkellner waren gerade dabei, sich aufzurüsten. Auf einem langen, schmalen Tisch lagen scheußlich anzusehende Ge rätschaften, nämlich Revolver, Stahlruten, Fahrradketten und diverse Stichwaffen. »Meine Wenigkeit kann nur hoffen, gründlich zu stören«, mach te Parker sich bemerkbar und richtete den Lauf der gerade erbeu teten Maschinenpistole auf die drei Männer, »in ähnlichen Fällen pflegt man zu sagen, daß das Spiel beendet ist.« Die jungen Männer starrten den Butler an. »Würden Sie sich bitte unter die Sammeldusche verfügen.« Parker deutete mit dem Lauf der Maschinenpistole auf einen ge kachelten Duschraum, der im Anschluß an den Aufenthaltsraum zu sehen war. Nun, man kam seiner Bitte gern nach und verfügte sich in den Duschraum. Auch Parkers nächste Bitte wurde erfüllt. Die drei Männer nahmen ihre diversen Schlaginstrumente mit und ließen anschließend das Wasser aus den Brauseköpfen strömen. Nach wenigen Sekunden bereits waren die Männer pitschnaß und muß ten sich gegen ihren Willen einigen intensiven Wechselbädern aussetzen. Parker sorgte dafür, daß sie heiß und kalt duschten, bis jeder Widerstandswille in ihnen davongeschwemmt war. Er lüftete überaus höflich die schwarze Melone, als später der Chief-Superintendent zusammen mit Kathy Porter und Mike Rander auf der Szene erschien. »Wenn Sie sich freundlicherweise bedienen wollen, Sir«, sagte der Butler und deutete mit dem Schirm auf die Männer unter den wasserspeienden Brauseköpfen, »meiner bescheidenen Ansicht nach dürften sie inzwischen reichlich eingeweicht sein.« * »Wie sind Sie auf Dave Davids gekommen?« wollte McWarden später wissen, als man sich im Haus der älteren Dame in Shepherd’s Market eingefunden hatte. »Davids hat bereits ein Geständnis abgelegt. Er war der Drahtzieher dieser Werfer und Versicherungsvertreter. Er hat die Etagenkellner tatsächlich her umgeschickt und für diesen ganzen Terror gesorgt.« 94
»Es war die schüchterne Bescheidenheit des Mr. Davids, die meine Wenigkeit nachdenklich werden ließ, Sir«, beantwortete Parker die Frage, »ein Mann, der sich derart ängstlich gab, brach te erstaunlicherweise den Mut auf, meine Wenigkeit auf Rocker zu verweisen, die in der Nähe seiner Wohnung in der bekannten Fabrikruine lebten. Dieser Hinweis konnte nur gezielt gewesen sein. Hinzu kamen dann die zusätzlichen Verdachtsmomente, wie zum Beispiel der gestohlene Morris und die beiden Motorräder der Billy-Brandon-Gang. Alles deutete darauf hin, Mr. Brandon und seine Freunde zu belasten. Dies konnte nur eine Person bewerk stelligen, die sich in den Gepflogenheiten der Rocker bestens aus kannte. Meine Wahl fiel also auf die Herren Kogan und Davids.« »Ich wußte von Anfang an, daß es nur dieser Nachtportier sein konnte«, behauptete die Detektivin. »Habe ich das nicht schon immer gesagt, Mr. Parker?« »Meine Wenigkeit kann sich vage erinnern«, erwiderte Parker höflich, um dann fortzufahren: »Mr. Kogan von der Autowaschan stalt konnte schnell von der Liste der Verdächtigen gestrichen werden, Sir, also blieb nur noch Mr. Dave Davids.« »Und es war ein Fehler, seine Mitarbeiter ausgerechnet zu Lady Simpson zu schicken«, warf Mike Rander ein. »Der Drahtzieher konnte in der Tat kein Profi sein«, führte Jo suah Parker weiter aus, »das erleichterte natürlich die Suche nach dem eigentlichen Täter.« »Erstaunlich, daß der Nachtportier die Etagenkellner für seinen Plan gewinnen konnte«, meinte Kathy Porter. »Geld übt auf viele Menschen einen Reiz aus, Miß Porter, den man nur als hypnotisch bezeichnen kann«, erklärte der Butler. »Was ich einfach nicht verstehen kann«, stellte die ältere Dame kopfschüttelnd fest, »Geld hat man, meine Liebe, aber man redet nicht darüber.« McWarden hüstelte, während Kathy Porter, Mike Rander und Butler Parker schnelle Blicke tauschten und ein Lächeln unter drückten. »Nun denn«, redete die ältere Dame weiter und wandte sich an den Chief-Superintendent, »damit hätte ich also wieder mal einen Fall gelöst.« »Prompt und präzise wie üblich«, sagte McWarden. »Ich bin eben gut«, lobte sich die Dame, ohne mit der Wimper zu zucken. 95
»Wer würde es wagen, Mylady zu widersprechen?« fragte Par ker in seiner höflichen Art.
ENDE
Nächste Woche erscheint BUTLER PARKER Auslese Band 278
Günter Dönges
PARKER bremst die »Kaffeemühle«
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