Bernd Streich Stadtplanung in der Wissensgesellschaft
Bernd Streich
Stadtplanung in der Wissensgesellschaft Ein Hand...
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Bernd Streich Stadtplanung in der Wissensgesellschaft
Bernd Streich
Stadtplanung in der Wissensgesellschaft Ein Handbuch 2. Auflage
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
. . 1. Auflage 2005 2. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Katrin Emmerich VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: AZ Druck und Datentechnik, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17709-0
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Inhalt
Inhaltsübersicht
Vorwort
9
Einleitung
13
1
Begriffe und Systematik der Stadtplanung
17
2
Städtebauliche Planungstheorie
59
3
Institutionelle Grundlagen der Stadtplanung
121
4
Methoden der Stadtplanung
177
5
Städtebauliche Strukturplanung
253
6
Städtebauliche Gestaltungsplanung
331
7
Bauleitplanung
399
8
Stadterneuerung
459
9
Stadtentwicklung
515
10
Internationale Bezüge der Stadtplanung
587
11
Utopisches Denken in der Stadtplanung
625
Literatur und Internetquellen
675
Quellennachweis zu den Abbildungen
721
6
Inhalt
Inhalt
Vorwort
9
Einleitung
13
1
Begriffe und Systematik der Stadtplanung Übersicht · Planungsbegriffe im Kontext der Wissensgesellschaft · Planungsarten und Funktionen der Planung · Stadtplanung und Städtebau in der räumlichen Planung · Genealogie des planerischen Selbstverständnisses · Planertypen und Planungstheoretiker · Planungsakteure und Planungsbetroffene · Planungsskepsis und Planungskritik
17
2
Städtebauliche Planungstheorie Übersicht · Aufgaben und Zweck von Planungstheorien · Planungstheoretische Ansätze · Wohlstrukturierte und schlechtstrukturierte Planungsprobleme · Informationstheoretische und semiotische Grundlagen der Planung · Prozesse der Stadtplanung · Modelle wissenschaftlicher Politikberatung in der Stadtplanung · Komplexitätshandhabung in der Stadtplanung · Theoretische Grundlagen in der Stadtforschung · Städtebauliche Leitbildtheorie · Planungsethik
59
3
Institutionelle Grundlagen der Stadtplanung Übersicht · Domänen der Stadtplanung · Ebenen der öffentlichen und hoheitlichen Planung · Administrative und wissenschaftliche Institutionen · Rechtliche Grundlagen der Stadtplanung · Organisationsstrukturen der Stadtplanung · Verknüpfung der Stadtplanung mit anderen Bereichen der räumlichen Planung · Private Planungsträger · Formelle und informelle Planung · Partizipation
121
4
Methoden der Stadtplanung Übersicht · Begriff und Charakteristik stadtplanerischer Methoden · Qualitative Methoden · Quantitative Methoden · Planungsmethoden im Prozess des Planungsablaufs · Computereinsatz in der Anwen-
177
7
Inhalt
dung von Planungsmethoden · Das stadtplanerische Methodenrepertoire mit mobilen Computersystemen – Smartphones · Methoden der Statistik und Parameterschätzung 5
Städtebauliche Strukturplanung Übersicht · Begriffe und Grundlagen der städtebaulichen Strukturplanung · Stadtstrukturtypologien · Einzelelemente der Stadtstruktur · Informationsgrundlagen für die Stadtstrukturplanung · Stadtstrukturelle Konzepte · Stadtstrukturelles Entwerfen
253
6
Städtebauliche Gestaltungsplanung Übersicht · Wahrnehmung von Raum und Gestalt · Methoden der Gestalterfassung und Gestaltbewertung · Städtebauliche Gestaltungselemente · Methoden der städtebaulichen Gestaltungsplanung · Computergestützte Entwurfsmethoden und Darstellungsverfahren · Konzepte, Leitbilder und Instrumente städtebaulicher Gestaltung · Stadtgestalterisches Entwerfen und städtebaulicher Entwurf
331
7
Bauleitplanung Übersicht · Systematik der Bauleitplanung · Computereinsatz in der Bauleitplanung · Flächennutzungsplan · Bebauungsplan · Aufstellungsverfahren · Akteure der Bauleitplanung · Abwägung · Sicherung und Realisierung der Bauleitplanung
399
8
Stadterneuerung Übersicht · Anlässe und Aufgaben der Stadterneuerung · Stadtsanierung nach dem Planungsrecht · Stadterneuerung und Denkmalpflege · Städtebauliche Rahmenplanung und Experimentalstudien zum Stadterneuerungsentwurf · Einzelthemen der Stadterneuerung · Exkurs: Dorferneuerung · Entwicklungstendenzen in der Stadterneuerung
459
9
Stadtentwicklung Übersicht · Facetten des Begriffs ’Stadtentwicklung’ · Determinanten der Stadtentwicklung · Stadtentwicklungsplanung · Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen nach dem Planungsrecht · Anknüpfungspunkte für gegenwärtige Stadtentwicklungskonzepte · Szenarien und Denkmodelle zukünftiger Stadtentwicklung
515
10
Internationale Bezüge der Stadtplanung Übersicht · Internationale Beziehungsgeflechte · Frankreich · Großbritannien · Niederlande · Schweden · USA · Südafrika · Südkorea
587
8 11
Inhalt
Utopisches Denken in der Stadtplanung Übersicht · Stadt und Utopie – Stadtplanung für Utopia? · Epochenabriss wichtiger Stadtmodelle und Stadtbau-Utopien · Neue Kristallisationspunkte für städtebauliche Utopien?
625
Literatur und Internetquellen
675
Quellennachweis zu den Abbildungen
721
Eine vollständige Gliederung mit allen Zwischenüberschriften, einem Stichwortverzeichnis sowie Summaries in englischer Sprache befinden sich auf der DVD, die dem Buch beigefügt ist. Weitergehende Informationen stehen im Internet unter der Adresse www.urban-is.de zur Verfügung.
Vorwort
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Vorwort
Die vorliegende Publikation Stadtplanung in der Wissensgesellschaft basiert auf Ergebnissen der Lehr- und Forschungstätigkeit an den Universitäten Kaiserslautern und Bonn vor dem Hintergrund der sich konkretisierenden Konturen der Wissensund Informationsgesellschaft. Konzeption und inhaltliche Ausrichtung des Buches wurden nachhaltig beeinflusst durch Arbeiten und Forschungen auf Gebieten wie digitale Flächennutzungs- und Bebauungsplanung, Steuerung und Assistierung von Planungsprozessen durch digitale Netztechnologien, Auswirkungen der Wissensgesellschaft auf die Raum- und Stadtplanung, experimentelles Planen und Entwerfen in Stadtplanung und Architektur, aber auch durch die Frage nach Machtausübung im Zusammenhang mit digitalen Wissensspeichern. Ebenso flossen in diese Publikation die im Laufe der Zeit gewonnenen Erkenntnisse ein, wie Lehrinhalte der Stadtplanung im Zeitalter der Wissensgesellschaft zeitgemäß vermittelt werden können. Entstanden ist daraus die vorliegende Publikation unter Verwendung von sich gegenseitig ergänzenden Medien. Der Leser findet einen Textband vor, der im traditionellen Stil eines sequentiellen Aufbaus konzipiert ist; komplementär dazu wird in Form einer DVD ein digitaler Datenträger zur Verfügung gestellt, auf dem weiterführende Informationen zu den einzelnen im Buch angesprochenen Bereichen zu finden sind. Verlinkungen und Screenshots einschlägiger Internetseiten sowie Downloads von im Internet zur Verfügung stehenden Dokumenten sollen dem Leser als Angebot und Anreiz dienen, interessante Aspekte der Stadtplanung auf digitalem Wege zu vertiefen. Mit grundlegenden Erläuterungen liefert das Buch hierzu den entsprechenden Rahmen. Desweiteren enthält die DVD Dokumente und Darstellungen, die ohne digitale Technik nicht realisierbar sind. Dynamisch ablaufende Prozesse, sei es der Wachstumsprozess einer Stadt oder der interaktive Umgang mit Planungsinformationen und deren dynamische Präsentation, werden in einer noch vor wenigen Jahren undenkbaren Form sichtbar gemacht. Im Verlaufe der Realisierung dieses Buchprojektes sind viele Anregungen und Ratschläge an den Verfasser herangetragen worden. Auch hat es Zuarbeiten gegeben, die in erheblichem Maße zum Gelingen dieses Buches, der Erstellung der DVD sowie des Internetauftrittes beigetragen haben. Meinen besonderen Dank möchte ich an folgende Personen richten: Gerd Albers (Germering), Klaus Borchard (Königswinter), Dieter Frick (Berlin), Edmund Gassner (†, Bonn), Hans Detlef Kammeier (Bangkok/Thailand), Martin Lendi (Küssnacht/Schweiz), Michael Kahn (Durban/Südafrika), Dae-Wuk Kim (Daegu/Südkorea), Hans Kistenmacher (Kaiserslautern), Michael Krautzberger (Berlin), Sako Musterd (Amsterdam/Niederlande),
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Vorwort
Michael M. Richter (Kaiserslautern), Rivka Oxman (Haifa/Israel), Thomas Sieverts (Bonn), Annette Spellerberg (Kaiserslautern). Dank geht auch an den VS Verlag für Sozialwissenschaften (Springer Fachmedien) in Wiesbaden für die Drucklegung des Buches. Schließlich habe ich auch meiner Tochter Inga und meiner Frau Gaby zu danken, die für mich die harte Arbeit der Übersetzung ins Englische von Teilen des Buches für den Internetauftritt sowie die Erstellung von Graphiken und Manuskriptkorrekturen übernahmen. Ob ich ihre Geduld hätte aufbringen können? Bernd Streich Kaiserslautern im Januar 2005
Vorwort zur 2. Auflage
Nach gut 5 Jahren war es an der Zeit, das Handbuch zur Stadtplanung in der Wissensgesellschaft in einer zweiten, überarbeiteten Auflage herauszugeben. Wesentlich beflügelt durch viele positive Reaktionen seit Publikation der Erstauflage erscheinen dem Autor all die Dinge und Veränderungen, die zwischenzeitlich zu beobachten waren, einer systematischen Einarbeitung wert zu sein. Fünf Jahre sind eine lange Zeit im Kontext der Wissensgesellschaft – für die Stadtplanung mit der Folge eines gewaltigen Wissenszuwachses, zumal wir die in vielen anderen Fachdisziplinen beobachtbaren Phänomene der Wissensalterung und -halbwertzeiten nicht kennen. Was ist in dem vergangenen halben Jahrzehnt unseres neuen Jahrhunderts geschehen? Nun, hauptsächlich fällt der Blick auf den technologischen Schub, der mit den mobilen Kommunikationsgeräten einherging – einer Technologie, die sich wie keine andere zuvor in kürzester Zeit über den gesamten Erdball verbreitet hat und nicht nur in urbanen Ballungsräumen genutzt werden kann, sondern überall bis in die extremst peripheren Räume. Zugleich findet im Internet eine gewaltige Akzentverschiebung statt. Traditionelle Formen des Internets wie das Informationsangebot durch Websites und die soziale Kommunikation durch soziale Netzwerke wie Weblogs etc. werden zunehmend durchdrungen von geographischen Lokalisierungstechniken. Bei einer gedanklichen Projektion dieser Tendenz in die Zukunft kann von der Entstehung eines geobezogenen Internets, gleichsam eines Geowebs, gesprochen werden. Die Stadtplanung wird in vielerlei Hinsicht davon betroffen sein; die Verzahnung mit den Triebkräften der Wissensgesellschaft – technologisch ebenso wie in sozialer Hinsicht – sind evident.
11
Vorwort
Darüber hinaus haben sich weitere wichtige Themenbereiche und thematische Neueinschätzungen innerhalb der letzten fünf Jahre ergeben, wie etwa die im Gang befindliche Klimadiskussion oder die Tatsache, dass es seit dem Jahre 2006 erstmals in der Menschheitsgeschichte mehr Bewohner in Städten bzw. urbanen Räumen gibt als außerhalb. Zweifelsohne gab es somit an der einen oder anderen Stelle Einarbeitungsbedarf zur Vervollständigung relevanter Themen aus der Stadtplanung. An der systematischen Ein- und Zuordnung und am Aufbau des Handbuchs insgesamt scheint es, wenn man den Reaktionen Glauben schenkt, keinen Veränderungsbedarf zu geben. Erfreulich war die Tatsache, dass dem Buch in seiner ersten Auflage durchweg eine kritische Reflexion aller Themen zuerkannt wurde. Diese Grundhaltung soll weitergepflegt werden, ohne jedoch die Intention eines umfassend angelegten Handbuchs mit der Vermittlung objektiver Sachverhalte und systematischer Zusammenhänge sowie dem Aufgreifen relevanter Themen zu verlassen. Was indes erstaunt hat, ist die Tatsache, dass der provokant angedachte allerletzte Abschnitt des Buches, in dem es unter dem Stichwort der asketischen Stadt um den Entwurf eines leitenden Themas für die Stadtplanung der Zukunft insgesamt ging, auch nicht ansatzweise als Stachel gesessen hat. Vielleicht war der Gedanke zu selbstverständlich – oder die Zeit ist immer noch nicht reif für ein Leitbild des Kürzertretens. Möglicherweise kann diese zweite Auflage dazu dienen, den Blick für das zu schärfen, was unumgänglich sein wird. Bernd Streich Kaiserslautern, im Winter 2010/2011
Mit und für Gaby.
Einleitung
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Einleitung
Ganz allgemein können wir Stadtplanung als eine Handlungsdomäne bezeichnen, in der Aktivitäten von Menschen das Ziel haben, alle Arten von Geschehnissen in einer Stadt zu beeinflussen. Die wichtigste Voraussetzung für planerische Aktivitäten war und ist Wissen – Wissen, das gesammelt, geordnet, ständig erneuert und aufbereitet wird, um für konkrete Planungsaktivitäten in komplexer oder verdichteter Form zur Verfügung zu stehen. Der Titel des Buches „Stadtplanung in der Wissensgesellschaft“ trägt dem Umstand Rechnung, dass wir uns derzeit mitten in einer dynamischen Phase gesellschaftlicher und ökonomischer Transformation befinden: auf dem Weg in eine Gesellschaftsform, in der Wissen den wichtigsten Stellenwert unter allen gesellschaftlich bedeutsamen Ressourcen haben wird. Die daraus resultierenden Geschehnisse werden sich in vielfältiger Weise auf unsere Städte, aber auch auf die Raum- und Siedlungsstrukturen insgesamt auswirken – mit erheblichen Konsequenzen für die Stadtplanung. Neben allen Fragestellungen, die sich aus diesem Phänomen der sozio-ökonomischen Umstrukturierungsprozesse ergeben, interessiert vor allem: Was bedeutet die Wissensgesellschaft für die Stadtplanung, etwa im Hinblick auf die verschiedenen Techniken der Wissensverarbeitung und des Wissensmanagements? Umgekehrt steht aber auch die Frage im Raum, was Stadtplanung innerhalb der Wissensgesellschaft mit ihren Auswirkungen auf die Stadt bedeutet und auf welche Weise planerische Aktivitäten zur Beeinflussung von Geschehnissen einer Stadt zeitgemäß und adäquat entfaltet werden können. Die Intention des Buches besteht vor allem darin, die gegenseitige Durchdringung von Stadtplanung und Wissensgesellschaft aufzuzeigen. Es geht weder darum, ein auf digitale Techniken gestütztes Methodenrepertoire im Sinne einer lexikalischen Aufzählung zu thematisieren, noch darum, die traditionelle Stadtplanung um einige Facetten des Computereinsatzes zu ergänzen. Die Zeiten, in denen man das computergestützte Planen und Entwerfen als eine sehr spezielle, eher exotisch anmutende Form bzw. als ein Spezialgebiet des Methodeneinsatzes in der Stadtplanung betrachtete oder als eine ausschließlich auf Darstellung und Visualisierung ausgerichtete Arbeitsweise, dürften der Vergangenheit angehören. Diese Grundintention des Buches findet ihren Niederschlag im Gliederungsaufbau, der sich an den üblichen Kategorien der Stadtplanung orientiert, um darin die durch die Wissensgesellschaft hervorgerufenen strukturellen Veränderungen und methodischen Neuerungen einzubetten. In insgesamt elf Abschnitten wird die Thematik der Stadtplanung und des Städtebaus in ihren grundlegenden Strukturen behandelt:
B. Streich, Stadtplanung in der Wissensgesellschaft, DOI 10.1007/978-3-531-93164-7_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Einleitung
Der erste Abschnitt befasst sich mit den Begriffen und der Systematik der Stadtplanung. Hier findet der Leser alle wesentlichen begrifflichen Grundlagen mit entsprechenden Erläuterungen zur Frage: Was macht Stadtplanung im Kern aus und in welcher Beziehung steht sie zu den charakteristischen Merkmalen der Wissensgesellschaft? Der zweite Abschnitt liefert einen Überblick über die wichtigsten Anknüpfungspunkte einer städtebaulichen Planungstheorie. Erklärungsansätze und -modelle zeigen, wie das System Stadt funktioniert, welche Rolle die prozessualen Abläufe der Planung dabei spielen, wie Leitbilder entstehen und auf welchen ethischen Prinzipien stadtplanerisches Handeln basiert bzw. basieren sollte. Die institutionellen Grundlagen der Stadtplanung sind Gegenstand des folgenden Abschnitts. Im Wesentlichen werden hier die organisatorischen Strukturen der räumlichen Planung auf den verschiedenen Planungsebenen – von globalen und supranationalen Institutionen bis hin zur kommunalen Bauleitplanung – angesprochen. Damit in Zusammenhang stehen Formen der Beteiligung und Partizipation, die in der gebotenen Differenziertheit dargelegt werden. Der vierte Abschnitt ist den Methoden der Stadtplanung gewidmet mit einer Zusammenstellung der für die Arbeit in der räumlichen Planung relevanten Methodenansätze. Besondere Aufmerksamkeit gilt den computergestützten Methoden sowie den quantitativen Methoden der Stadtplanung einschließlich Statistik. Das anschließende Kapitel befasst sich mit der städtebaulichen Strukturplanung, wodurch ein wesentlicher inhaltlicher Aspekt der Stadtplanung angesprochen wird. Es geht um die Frage, auf welche Weise die Strukturen einer Stadt beplant werden und welche technischen Hilfsmittel etwa auf der Grundlage von Geographischen Informationssystemen (GIS) hierfür zur Verfügung stehen. Die zur vorgenannten Strukturplanung komplementäre städtebauliche Gestaltungsplanung, ein weiterer wesentlicher inhaltlicher Aspekt der Stadtplanung, ist Thema des sechsten Abschnitts. Hier geht es um die dreidimensional-ästhetische Ausprägung von urbanen Räumen und deren baulich-architektonische Gestaltung, wobei auch die Verfahren des Computer-Aided Design (CAD) methodisch berücksichtigt werden. Der siebte Abschnitt ist dem weiten Themenbereich der Bauleitplanung gewidmet, wobei – auf der Basis der im dritten Kapitel erläuterten institutionellen Grundlagen der Stadtplanung – nun die Verfahrensweisen und Planarten auf kommunaler Planungsebene näher betrachtet werden, wie sie durch das städtebauliche Planungsrecht nach dem in Deutschland geltenden Gesetz für die Stadtplanung, dem Baugesetzbuch, kodifiziert sind. Die Aufgaben, Methoden und Verfahrensweisen der Stadterneuerung, eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben der Stadtplanung zur Erhaltung des auf Städte und sonstige Siedlungsbereiche bezogenen historisch-kulturellen Erbes, sind anschließend Gegenstand des achten Abschnitts. Im neunten Abschnitt wird mit dem Thema Stadtentwicklung eine ebenso zentrale wie inhaltlich schillernde Facette der Stadtplanung aufgegriffen. Es geht hier um die Frage, in welcher Weise sich Städte, urbane Räume oder auch ganze Stadt-
Einleitung
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regionen fort- und weiterentwickeln und mit welchen Methoden und Zielsetzungen diese Entwicklungen beeinflussbar sind. In Abschnitt zehn wird der Blick sodann auf die internationalen Bezüge der Stadtplanung gerichtet, um damit die planerischen Aktivitäten im Umgang mit Städten und urbanen Räumen auch außerhalb Deutschlands etwas näher zu beleuchten. In diesem Zusammenhang spielen die verschiedenen nationalen Stadtplanungssysteme eine wichtige Rolle, die deshalb in einer exemplarischen Auswahl erörtert werden. Der Schwerpunkt liegt aus nachvollziehbaren Gründen auf Nachbarstaaten innerhalb der Europäischen Union, ergänzt um einige relevante Beispielländer außerhalb Europas. Der elfte Abschnitt mit der Überschrift Utopisches Denken in der Stadtplanung befasst sich mit der Frage, inwieweit sich die Planung von Städten von utopischen Vorstellungen hat inspirieren lassen und inwieweit utopisches Denken in städtebaulichen Konzeptionen ihren konkreten Ausdruck fand. Es handelt sich gewissermaßen um eine kleine ’Geschichte urbaner Zukunftsentwürfe’, die zum Verständnis der Stadtentstehung und allen dann folgenden städtebaulichen Planungsmaßnahmen in Struktur und Gestalt beiträgt. Ergänzt werden die Sachkapitel des Buches um eine DVD. Hier findet der Leser weitergehende Informationen über all das, was in dem statischen Teil dieser Publikation, dem eher sequentiell zu lesenden Buch, nicht enthalten ist, nämlich: 1. eine Kurzfassung des Buches auf der Grundlage des Inhaltsverzeichnisses und der jeweiligen Einführungsabschnitte aller Buchkapitel in Deutsch und Englisch; 2. eine komplette Gliederung aller Themenabschnitte des Buches und ein Abbildungsverzeichnis, auf deren Basis über eine digitale Suchfunktion nach thematischen Stichworten mit Angabe der Seitenzahl im Buch gesucht werden kann; 3. eine umfassende Sammlung von Quellen, die nur als Websites im Internet zu finden sind. Um den Nachweis über die Existenz dieser Quellen zu führen, finden sich zu allen Weblinks Screenshots und, sofern keine Copyrightrechte verletzt werden, Downloads von entsprechenden Dokumenten der jeweiligen Internetseiten (die genaue Verfahrensweise ist im Detail auf der DVD erläutert); 4. eine Zusammenstellung von Beispielen und Demonstrationen zu bestimmten städtebaulichen Themen, die sich durch dynamische Sequenzen – und eigentlich nur auf diese Weise – visualisieren lassen. Wesentliche Inhalte der DVD sind auch über den Internetauftritt zu diesem Buch zu finden. Die Internetadresse dazu lautet: www.urban-is.de
Begriffe und Systematik der Stadtplanung
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1
Begriffe und Systematik der Stadtplanung
Übersicht Dieses Einführungskapitel liefert einen Überblick über die wichtigsten Begriffe der Stadtplanung, des Städtebaus und der räumlichen Planung. Darin eingeschlossen sind die verschiedenen Arten von Planung. Da Stadtplanung eine von Menschen unterschiedlicher Couleur ausgeübte Tätigkeit ist, die in bestimmte Zeitepochen mit verschiedenen gesellschaftlichen Voraussetzungen eingebettet ist, richtet sich der Blick auch auf die Person des Planers bzw. der Planerin, um den Versuch einer Typisierung vorzunehmen und anschließend auch die in der Stadtplanung handelnden Akteure sowie die davon betroffenen Menschen und Personengruppen zu charakterisieren. Die begrifflichen Grundlagen und die wesentlichen systematischen Zusammenhänge der Stadtplanung werden in sieben Teilen erläutert: • • • • • • •
Planungsbegriffe im Kontext der Wissensgesellschaft Planungsarten und Funktionen der Planung Stadtplanung und Städtebau in der räumlichen Planung Genealogie des planerischen Selbstverständnisses Planertypen und Planungstheoretiker Planungsakteure und Planungsbetroffene Planungsskepsis und Planungskritik
Planungsbegriffe im Kontext der Wissensgesellschaft Eine für das weitere Verständnis der Aufgaben und der Systematik der Planung wichtige und nach wie vor aktuelle Definition zum Begriff Planung stammt aus den 1960er Jahren, einer Blütezeit der planungstheoretischen Überlegungen. Joseph H. Kaiser und kurz darauf Thomas Ellwein definierten Planung wie folgt:
B. Streich, Stadtplanung in der Wissensgesellschaft, DOI 10.1007/978-3-531-93164-7_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Begriffe und Systematik der Stadtplanung
Planung ist der systematische Entwurf einer rationalen Ordnung auf der Grundlage alles verfügbaren einschlägigen Wissens [T. Ellwein nach J. H. Kaiser 1968]. Nicht nur, dass dieser Planungsbegriff auch heute noch, mehr als vierzig Jahre später, Bestand hat. Er ist vielmehr vor dem Hintergrund des Umgangs mit der Computertechnik und aus dem Verständnis von Planung als komplexes Geschehen heraus außerordentlich zeitgemäß. Diese Definition wird deshalb eine zentrale Rolle für das gesamte vorliegende Buch spielen. a) Planung – kurze Bedeutungsanalyse Nehmen wir die einzelnen Teile dieser zentralen Begriffsdefinition genauer unter die Lupe, erhalten wir eine noch klarere Vorstellung von der Bedeutung. Dazu folgende Stichworte:
Abb. 1.1: Definition von Planung •
•
•
•
systematisch: damit wird die Art der Vorgehensweise bei Planungsaktivitäten mit starken Affinitäten zu methodischem Arbeiten zum zentralen Punkt der Definition erhoben; Entwurf: dieser Begriff beinhaltet zunächst Planung als Gestaltungsaufgabe, darüber hinaus wird aber auch ein noch weitergehender, für die Stadtplanung sehr wesentlicher Akzent gesetzt, nämlich dass Planung grundsätzlich etwas mit Entwerfen, der zentralen Intention eines jeden in der räumlichen Planung Tätigen, zu tun hat (im Sinne einer städtebaulichen und architektonischen Methode, Neues zu kreieren); rational: Planungsaktivitäten bedürfen stets der rationalen Begründung und Nachvollziehbarkeit und haben im Einklang mit planungsethischen Maximen zu stehen; Ordnung: hierbei geht es nicht darum, einem antiquierten Leitmotiv obrigkeitsstaatlichen Handelns das Wort zu reden, sondern um die eher planungsmetho-
Begriffe und Systematik der Stadtplanung
•
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disch zu interpretierende Aufgabe, die einzelnen Teile und Elemente einer Planung zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzufügen; alles verfügbare (Wissen): an dieser Stelle hat sich die Vorstellung, dass alles irgendwie mit allem zusammenhängt, in der Definition des Begriffs Planung niedergeschlagen – mit der Schlussfolgerung, dass zum einen Informationen umfassend zur Verfügung zu stellen sind, zum anderen die Organisation und Handhabung von Informationskomplexität als Aufgabe und Problem ansteht; einschlägiges (Wissen): hier wird die Einschränkung formuliert, dass es sich bei dem heranzuziehenden Wissen stets um für die jeweilige Planungsaufgabe relevantes Wissen handeln sollte – wobei natürlich die Frage, welche Informationen und Fakten als relevant anzusehen sind und welche nicht, eine Angelegenheit der Interpretation ist, die sich im zeitlichen Verlauf einer Planung auch ändern kann; Wissen: diese wichtige und interessante Verknüpfung von Planung und Wissen ist im Kontext mit der Wissensgesellschaft ein zentrales Thema – deshalb auch die starke diesbezügliche Fokussierung in diesem Buch.
b) Planung – Wissen – Wissensgesellschaft Der Begriff des Wissens sei mit Blick auf die typischen Merkmale und Aktionsräume von Planung, aber auch im Zusammenhang mit dem Einsatz von informationsverarbeitenden Maschinen in der Planung wie folgt definiert (vgl. auch Abb. 1.2): Wissen ist die intellektuelle Vernetzung von Informations-’atomen’ bzw. Einzeltatsachen zu komplexen Kenntnisstrukturen auf der Grundlage von Erfahrungstatbeständen und/oder Lernvorgängen von Einzelsubjekten oder Gruppen. – Informationen bestehen aus sinnvoll strukturierten Daten, Daten wiederum sind die ’atomaren’ Bausteine für Informationen. Diese Definition eröffnet vor allem im Hinblick auf den Einsatz von informationsverarbeitenden Maschinen recht wirkungsvolle methodische Gestaltungsoptionen. Sie dürfte deshalb sehr weitreichende Konsequenzen für ein modernes Verständnis von Stadtplanung haben, deren Kern Wissens- und Informationsverarbeitung ist, wo und wie auch immer Stadtplaner handeln mögen. Stadtplanung ist also per definitionem mit Wissensverarbeitung verkoppelt. Dies mag auf den ersten Blick selbstverständlich anmuten, würde da nicht zugleich die Assoziation zu einem viel weitergehenden Kontext auftauchen: die Ausprägungen in der Wissensgesellschaft. Diese ist dabei, sich allem Anschein nach als die dominierende Form gesellschaftlicher und ökonomischer Entfaltung zu etablieren, indem neben den traditionellen Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital zunehmend das Wissen als ökonomische Ressource an Bedeutung gewinnt [weitergehend zur Wissensgesellschaft vgl.: Kübler 2005; Ott 2002; Castells 1989; Hall 1998: 446ff und 941ff; Rifkin 2000; Gleich 2002; Kreibich 1986; Burke 1997/2001; Weingart 1997; Internetlinks auf beiliegender DVD].
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Begriffe und Systematik der Stadtplanung
Was aber sind die Wesensmerkmale der Wissensgesellschaft? Am deutlichsten sichtbar werden diese Wesensmerkmale, wenn sie den gesellschaftlichen Ausprägungen der vorausgehenden Epochen gegenübergestellt werden. Der Wandel menschlicher Tätigkeitsbereiche vollzog sich in der Menschheitsgeschichte von physisch geprägten Tätigkeiten in der Landwirtschaft und industrieller Arbeit hin zu intellektuell geprägten, ideenproduzierenden Tätigkeiten (’Wissensarbeiter’). Die Übersicht in Abbildung 1.3 zeigt Abb. 1.2: Wissen als Vernetzung von die Zusammenhänge [in AnlehInformationsatomen nung an Miegel 2001]. Das besondere Augenmerk in dieser Übersicht sei auf die „externalisierten Quellen“ (Meinhard Miegel) gelenkt. Gemeint sind damit Ressourcen, derer sich die Menschen hauptsächlich bedienten, wodurch sich diese prägend auf die jeweilige Gesellschaftsform auswirkten. So lebten die Menschen in der voragrarischen Epoche von den Naturgegebenheiten. Im Agrarzeitalter war der Boden die wichtigste ökonomische Ressource. Und im Maschinen- bzw. Industriezeitalter spielte der Einsatz von extramuskulärer Energie die ausschlaggebende Rolle bei der ökonomisch-gesellschaftlichen Entfaltung. Gegenwärtig nun befinden wir uns inmitten eines erneuten Epochenwandels. Heutzutage können externalisierte Quellen einer neuen Art zu einer gewaltigen Steigerung des ökonomischen Potentials beitragen: Komplementär zur Wissensverarbeitung in menschlichen Gehirnen stehen technische Systeme – Meinhard Miegel nennt sie „Parahirne“ – als Wissensspeicher zur Verfügung. Sie vor allem werden die Wissensgesellschaft formen. Die Wissensgesellschaft kann also als eine Art Wissensnetz betrachtet werden, das sich aus einem komplex miteinander kooperierenden System von einzelnen Menschen, Personengruppen und maschineller ’Intelligenz’ zusammensetzt. Wissen ist also auf einem topologischen Netz von miteinander kooperierenden Einzel’Intelligenzen’ aufgebaut. Michael Gleich definiert in seinem Buch „Web of Life“ diesen Sachverhalt wie folgt [Gleich 2002: 36, 38]: „Ein Netz ist die Verbindung vieler Lebewesen zu einer neuen, funktionierenden Einheit. Lebewesen sind die Knoten eines Netzes. Es besitzt Eigenschaften, die auf der Ebene seiner Knoten noch nicht existieren. Diese neuen Qualitäten entstehen durch die Zahl und die Anordnung der Knoten und vor allem durch die Interaktion zwischen ihnen (...). Emergenzen nennt man die neuen Eigenschaften, die erst auf der Ebene der Verknüpfung auftauchen und von ihr hervorgebracht werden.“
Begriffe und Systematik der Stadtplanung
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Abb. 1.3: Wesensmerkmale der Wissensgesellschaft (in Anlehnung an Miegel) Wie unterschiedlich der Kontext sein kann, in dem die Netzlogik des Wissens in Erscheinung tritt, zeigt Abbildung 1.4: Links oben Zellen eines (menschlichen) Gehirns; daneben das Ergebnis einer Analyse von Kommunikationsmustern zwischen Betriebsstätten in der City von London aus den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts [Lichtenberger 1986: 120; nach P. W. Daniels 1975 und J. B. Goddard 1968]; links unten folgt die topologische Struktur des Internets am Beispiel der USA [Internet www.cybergeography.org]; und schließlich ist ein Screenshot von Ergebnissen zu sehen, die eine Suchmaschine im Internet zu einem bestimmten Thema zusammengestellt hat, und zwar nicht nur als Liste von Suchergebnissen, sondern mit gleichzeitiger Darstellung der Beziehungen (Relationen) zwischen den einzelnen Fundstellen [Internet www.visit.uiuc.edu]. Mit dieser Zusammenstellung wird deutlich, dass das topologische Prinzip der Netzlogik nicht nur bei biologischen Systemen und in der Informationstechnik Gültigkeit besitzt, sondern über Verbindungen und Knoten auch im Kontext von Beziehungsgeflechten einer Stadt oder eines geographischen Raumes eine wesentliche Bedeutung hat. In der Raumordnung und Stadtplanung ist dieses Prinzip im Zusammenhang mit Städtenetzen sogar als konzeptionelle Idee aufgegriffen worden und kann somit gewissermaßen als städtebauliche Ausprägung der Wissensgesellschaft interpretiert werden [vgl. dazu auch Drewe 2003: 28ff und Drewe 2000: 12ff]. In enger Verwandtschaft dazu stehen auch Städtecluster, die üblicherweise auf einer regionalen Maßstabsebene zur Anwendung kommen [vgl. Kujath/Stein 2009].
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Begriffe und Systematik der Stadtplanung
Eine deutlich weitergehende Interpretation dessen, was die Wissensgesellschaft im Kern ausmacht, liefert Heinz Bude – unter Bezugnahme auf Jeremy Rifkin’s „Access“-Ökonomie – mit seiner grundsätzlichen Unterscheidung von Arbeitsteilung und Wissensteilung als die jeweils dominant wertschöpfenden Prinzipien zweier Epochen [Bude 2002; außerdem Helmstädter 2000]: „Während die arbeitsteilige Herstellung von Produkten die Weitergabe einer Sache notwendig macht, ist die Zusammenführung von Wissen nur als Teilhabe am Wissen denkbar. Wo Güter und Dienstleistungen verbraucht und abgenutzt werden, wächst das Wissen durch Weitergabe. Das ist die Logik der Gewinnerzielung durch Netzwerkexternalitäten. Hier regiert nicht mehr das tragische Schema von Wissen und Nichtwissen, was besagt, dass mit jeder Vermehrung des Wissens auch das Nichtwissen zunimmt, sondern das ironische Schema von Neuwissen und Weiterwissen. (...) So wird klar, dass das Konzept der Wissensgesellschaft sich nicht mehr dem industriellen Entwicklungsschema vom primären agrarischen zum sekundären industriellen und von da aus zum tertiären Dienstleistungssektor fügt, sondern einen eigenen Modus der Entwicklung in der Beziehung von Technologie und Gesellschaft darstellt.“
Abb. 1.4: Netzlogik des Wissens in unterschiedlichem Kontext
Begriffe und Systematik der Stadtplanung
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Welch eine Herausforderung für die Stadtplanung, die immer noch im Denken der Industriegesellschaft mit arbeitsteiliger Produktion, Differenzierung von Produktionsstätten mit unterschiedlichen Standortanforderungen und den entsprechenden städtebaulichen Utopien verhaftet ist [zum Abgesang dieser Art Utopien vgl. auch Habermas 1985]. Im Zusammenhang mit der Wissensgesellschaft wäre sodann auch über eine „Nachhaltigkeit des Wissens“ und über „Wege zu einer nachhaltigen Wissensgesellschaft“ – wie vom Club of Rome 2003 zum World Summit on the Information Society gefordert – nachzudenken [Ott 2002; Internet www.clubofrome.org; www.wissensgesellschaft.org]. Zudem ist es ein Irrtum anzunehmen, dass es eine ’Halbwertzeit des Wissens’ gäbe (bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass Publikationen oder Internetauftritte zum Thema ‘sinnloses Wissen‘ oder ‘nutzloses Wissen‘ keine Stichworteinträge mit urbanistischen oder städtebaulichen Bezügen enthalten – was bei aller Würdigung der Ernsthaftigkeit vielleicht auch auf eine gewisse Distanz zur humoristischen Selbstreflektion dieser Disziplin hindeuten mag). Wissensverlust kann sich zwar kein gesellschaftlicher Bereich leisten, doch wäre gerade die Stadtplanung in Anbetracht der von ihr wahrzunehmenden komplexen Aufgaben bei der Organisation urbaner Lebensräume von einem Verschütten von Wissen in besonders negativer Weise betroffen. Fakt ist die zunehmende Schwierigkeit, Wissen zu bewahren. Wissen zu erhalten und zu pflegen, ließe sich jedoch durch technische Wissensspeicher enorm und in unabdingbarer Weise unterstützen. Zunehmend hat sich die Stadtplanung schließlich auch noch mit einem weiteren Phänomen zu befassen: der „Eskalation von Ungewissheit“ [van den Daele 2003]. Dieses Phänomen ist für unsere Betrachtungen deshalb virulent, weil unser gesichertes Wissen dasjenige von heute ist, nicht aber das von morgen oder gar von übermorgen. Dieses Wissen von morgen wird jedoch bei städtebaulichen Planungsmaßnahmen, vor allem aber bei Risikokonflikten zunehmend eingefordert. Die Stadt- und Raumplanung sieht sich somit plötzlich auch mit hypothetischen Szenarien zukünftiger Entwicklungen konfrontiert, ohne dass es empirische Anhaltspunkte zum Nachweis der Möglichkeit von tatsächlich eintretenden Ereignissen gibt. Damit steht gewissermaßen auch ’potentielles Wissen’ auf der Tagesordnung von Fachauseinandersetzungen in der räumlichen Planung. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Wissensgesellschaft auf einem wichtigen, einzigartigen Schlüsselfaktor beruht – auf menschlicher Kreativität. Alles, was sich systemisch, strukturell und technisch als Topologie eines Informationsnetzwerkes abbilden lässt, findet nur dann seine inhaltliche Ausgestaltung, wenn kreative Menschen einen permanenten Wissensfortschritt herbeiführen. Die Computertechnologie mag dabei, wie auch in diesem Buch an verschiedenen Stellen zum Ausdruck gebracht wird, eine zunehmend wichtige Rolle spielen; die Quelle und Wurzel kreativen Handelns ist und bleibt indes der Mensch. Kreativität ist auch eine der zentralen Instanzen für die Herausbildung und Fortentwicklung von Städten – sie ist, um die Metapher von Charles Landry aufzugreifen, „the lifeblood of cities“ – denn, so Landry’s zweifellos richtige Feststellung: „Cities have one crucial resource – their people. Human cleverness, desire, motiva-
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tions, imagination and creativity are replacing location, natural resources and market access as urban resources.“ Deshalb, so Landry weiter, „there are special reasons for thinking about the problem of cities today in terms of creativity and innovation – or lack of it.“ [Landry 2000: xiii] Stadtplanung in der Wissensgesellschaft wird sich deshalb mit den Facetten kreativen Handelns befassen müssen, insbesondere was das Potential kreativer Milieus in Städten für die Städte anbetrifft, aber auch hinsichtlich der ökonomischen, methodischen und planungssystematischen Folgerungen für Städte, um deren Zukunftsfähigkeit zu sichern. In ihrer Studie über „Europe in the Creative Age“ (2004) haben Richard Florida und Irene Tinagli drei wesentliche Aspekte – „3Ts“ – benannt, die das ökonomische Wachstum urbaner Bereiche künftig bestimmen werden: 1) Technologie, 2) Talent und 3) Toleranz [Internet www.creativeclass.com; kritische Gegenposition zu Florida vgl. Kotkin 2005]. Zunehmend taucht in diesem Zusammenhang der Begriff der ‘creative economy‘ auf.
Abb. 1.5: Entwicklungsstufen des Internets
Die technologische Kapazität eines Landes oder einer Stadt – mit gezielten Aktivitäten in Forschung und Entwicklung oder dem Potential an technischer Innovation – werden von Florida und Tinagli als Schlüssel einer zukunftsfähigen Entwicklung hervorgehoben. Zweifellos spielen dabei die Informationstechnologien und der Interneteinsatz eine zentrale Rolle. Das Internet wird als wesentliche Triebkraft zur Entfaltung der Wissensgesellschaft betrachtet, wobei es in den letzten zwanzig Jahren als allgemein verfügbare Technologie selbst bereits enorme Evolutionsschritte durchlaufen hat. Entstanden sind dabei einschlägig wirksame Kunstbegriffe (vgl. Abb. 1.5): ‘Web 1.0‘ zur Kennzeichnung einer internetgestützten Informationsplattform; ‘Web 2.0‘ zur Charakterisierung einer Plattform für soziale Aktivitäten (Kommunikation) im Internet; und ‘Web 3.0‘ als Label für den immer stärker sich herausbildenden Geobezug des Internets. Bemerkenswert am Web 3.0 ist die Tatsache, dass mittlerweile Geobezüge und Geolokalisierungen das Geschehen im Internet derart dominieren, wie man es noch Ende der 1990er Jahre nicht für möglich gehalten hatte, als noch von der Ortlosigkeit bzw. Nichtverortbarkeit des Internets die
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Rede war. Es gibt gute Gründe, diese Entwicklungsstufe des Internets als Geoweb zu bezeichnen [z.B. im britischen Economist am 08.09.2007]. Seine enorme Entfaltung erfährt das Geoweb gegenwärtig vor allem durch mobile Geräte wie Smartphones, die sich als Kleinstcomputer mit Telefonierfunktion und eingebauten Geolokalisierungs- und Ortungstechniken sowie vielerlei Arten von anderen Sensoren weltweit rasant verbreiten. Zweifellos liefert das Internet einen entscheidenden Beitrag zu der Etablierung der Wissensgesellschaft. Aber es ändert auch die Art und Weise, wie Menschen Wissen erlangen und damit umgehen. Manch einer sieht wenig Positives am Internet als Wissensquelle, wie etwa der US-amerikanische Technikkritiker Nicholas Carr, der von der „amorality of Web 2.0“ (2005) spricht oder die Frage stellt, ob Google uns dumm macht („Is Google Making Us Stupid?“, 2008). Carr fasst seine Beobachtungen in folgendem Satz zusammen: „We are evolving from being cultivators of personal knowledge to being hunters and gatherers in the electronic data forest“ [Carr 2010]. Die Wissensgesellschaft befindet sich im Zeitalter des Internets demnach, wenn wir die Metapher vom ‘Jäger und Sammler‘ aufgreifen, noch ganz am Anfang. Oder doch bereits am Ende? – Zu Beginn des Jahres 2010 entzündete sich eine heftige Diskussion über die gleichberechtigte Übertragung von Daten und Informationen – bezeichnet als ‘Netzneutralität‘ –, die einige Netzbetreiber nicht mehr aufrecht erhalten möchten. Unter dem Titel „The Web Is Turning Into the ‘Splinternet‘“ beschreibt Josh Bernoff in der Zeitschrift Forbes [vgl. entsprechenden Internetbeitrag mit Eintrag vom 29.3.2010] die Fragmentierung des Internets durch neue Plattformen, die sich vor allem durch ihre Abgeschlossenheit auszeichnen, wie dies bei iPhone/iTunes-Applikationen oder bei der Website von Facebook zur Bildung von sozialen Netzwerken erkennbar ist. Dieser Trend zur Abgeschlossenheit führt zur Bildung von Informations-Barrieren bzw. ‘Mauern‘, die keinen Zugang von außen oder einen Zugang nach außen zulassen. Manche Staaten versuchen, grenzüberschreitende Informationsflüsse zu kontrollieren und teilweise zu unterbinden; Unternehmen erlauben nur bestimmte Programmanwendungen auf den von ihnen verkauften Geräten (z.B. iPhone) und gebärden sich als ‘gatekeeper‘ der von ihnen akzeptierten ‘Apps‘; und auch manch politisch-ideologische Motivation steckt hinter der Absicht, die neutrale Datenübermittlung im Internet in Frage zu stellen: Schon werden z.B. in den USA diejenigen, die Netzneutralität fordern und die sich abzeichnende Netzwerkdiskriminierung anprangern, als „socialist plot to regulate the Internet“ diffamiert [vgl. zusammenfassend den Stand der Diskussion in den Artikeln „The web‘s new walls“ und „The virtual counter-revolution“ im Economist vom 4.9.2010]. Damit stünde zweifelsohne auch die Utopie der Wissensgesellschaft auf der Kippe. Man stelle sich vor, Partizipationsapplikationen für Themen der Stadtplanung würden nur auf abgegrenzten Informationsplattformen oder nur auf bestimmten Geräten funktionieren.
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c) Weitere Interpretationen des Planungsbegriffs Eine andere Definition von Planung stammt von Dietrich Fürst, der – als einer der bekanntesten Planungstheoretiker Deutschlands – folgende Begriffsbestimmung formuliert hat: Planung ist das systematische Vorgehen zur Entwicklung von in die Zukunft gerichteten Handlungszielen und -abfolgen [Fürst 1995]. Diese Definition unterscheidet sich insofern von derjenigen von Kaiser/Ellwein, als hier der Begriff Zukunft eine wesentliche begriffskonstituierende Rolle spielt. In der Formulierung von Kaiser und Ellwein findet sich der Begriff Zukunft zwar auch, allerdings nur in impliziter Form durch die Verwendung des Wortes Entwurf, weil Entwerfen immer als eine in die Zukunft gerichtete Tätigkeit gedeutet werden kann. Die explizite Verwendung des Begriffs Zukunft führt nun aber zu weiteren sehr wesentlichen Begrifflichkeiten. Für Georg Picht, einen zwar nicht direkt der räumlichen Planung zuzuordnenden, aber für unsere Begriffsbildung als relevant zu erachtenden Sozialwissenschaftler, gibt es drei Grundformen, „in denen sich das menschliche Denken die Zukunft vor Augen zu stellen vermag“ [Picht 1968: 8ff] (vgl. Abb. 1.6): •
•
•
die Prognose als ein Versuch, „unter Verwertung aller verfügbaren Informationen festzustellen, welche künftigen Entwicklungen in einem genauer zu definierenden Feld unter bestimmten Voraussetzungen (...) nach zu berechnenden Wahrscheinlichkeitsgraden eintreten werden: Prognose ist also Diagnose der Zukunft“; die Utopie als „Entwurf von Bildern jener Zustände (...), die durch zielbewusstes Handeln herbeigeführt werden können“ bzw. als „jene Antizipation der Zukunft, die jedem auf ein Ziel gerichteten Handeln vorausgeht“; und die Planung als „Antizipation der Zukunft für die Praxis“, denn: „die Intention der Planung ist nicht die Wahl und der Entwurf einer Utopie, sondern die Ausarbeitung der Direktiven für die Realisierung einer Utopie“.
Diese Definitionen sind schon allein deshalb bemerkenswert, weil hier eine unmittelbare Verkoppelung von Planung und Utopie – definiert als eine positive Sollvorstellung von in die Zukunft gerichteten Handlungen – stattfindet. Visionen und Prophetie schließt Picht ausdrücklich von den Formen der Zukunftsvorstellungen aus, zu Recht, denn diese entbehren aller rationalen Begründungen, wie wir sie von der Planung erwarten. Einige Jahrzehnte vorher sind ähnliche Überlegungen schon von Karl Mannheim, dem Begründer der Wissenssoziologie und Verfasser der berühmten Schrift „Ideologie und Utopie“ (1929), formuliert worden, der als Befürworter von Planung als einer Methode zur „rationalen Beherrschung der irrationalen Kräfte“ auch Utopien als essentiell für gesellschaftlichen Wandel erachtete [Mannheim 1929; Hartfiel/Hillmann 1982 zum Stichwort ’Mannheim’; Sargent 2000].
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Abb. 1.6: Zur Unterscheidung von Prognose, Utopie und Planung (Quelle zum Bild mittig-links: Stich von Gustave Doré von 1872; Benevolo 1975/1982: 792)
Bei aller Akzeptanz von Planung als eine rationale Methode der Zukunftsgestaltung dürfen wir aber ernstzunehmende Argumente gegen diese Auffassung keinesfalls ignorieren. Widersprüche und Gegenargumente entzünden sich gerade an der eben angesprochenen Affinität von Planung und Prognose. So gibt es etwa auf seiten der Wissenschaftstheorie um Karl Popper sowie der liberalen Ökonomen der sogenannten Österreichischen Schule (Ludwig von Mises, Friedrich August von Hayek), insbesondere aber seitens der – vor allem in Amerika beheimateten – libertären Bewegung um Murray N. Rothbard („Libertäres Manifest“ 1973) grundsätzliche Einwände gegen jede Art von Planung. Als Hauptargument, das an Karl Popper’s Lehre vom ’Fallibilismus’ anknüpft, wird ins Feld geführt, dass sich die Wissenschaftlichkeit einer Theorie dadurch erweise, dass sie für Widerlegung offen ist (sog. ‘Falsifikationskriterium‘). Da es aber dem menschlichen Erkenntnisvermögen grundsätzlich verwehrt ist, in die Zukunft zu blicken, kann es über die Zukunft bestenfalls gut begründete Prognosen geben. Und auch die Eigenschaft von Pla-
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nung, eine rationale Methode zu sein, wird in Frage gestellt: „Der Glaube nämlich, man könne eine ganze Gesellschaft nach ’Entwicklungsgesetzen’ ausrichten, die eine zuverlässige Aussage über ihren zukünftigen Zustand erlaube, sei von Grund auf irrational“ [vgl. Herzinger 2003]. In einer pluralistischen Gesellschaft könne es deshalb nur darum gehen, einen „Wettstreit der unterschiedlichen Prognosen“ zu erlauben, die auch Kritik und Abwahl der politisch Verantwortlichen zulasse, um auf diese Weise die als falsch erwiesenen Kurse rasch zu korrigieren. Nun geht es bei der Planung im hier verwendeten Kontext der Stadtplanung nicht um die Schaffung eines kompletten Gesellschaftssystems, sondern lediglich darum, vorausschauend ein städtebauliches Struktur- und Gestaltungsgefüge so zu formen, wie es etwa ein Architekt macht, der ein Gebäude entwirft bevor es gebaut wird. Wenn wir uns also jetzt wieder dem engeren Bereich der Stadtplanung und der räumlichen Planung zuwenden, dann können wir einige weitere Differenzierungen in der Interpretation des Planungsbegriffs vornehmen, die dem Begriff der Stadtplanung eine eher pragmatische Bedeutung verleihen. Bei der konkreten Arbeit des Planers kann Planen nämlich dreierlei bedeuten [zur vertiefenden Begriffsrecherche vgl. auch Internet de.wikipedia.org]: • •
•
Planung als Vorgang des Planens; Planung als Ergebnis des Planens – manifestiert in Plänen –, wobei Pläne wiederum verschiedenen Zwecken dienen können, etwa der Darstellung eines zu schaffenden Objekts (Haus, Siedlung etc.) oder der Festlegung des Ablaufs bestimmter Maßnahmen (Bauvorhaben, Produktionsprozess etc.); Planung als vorausschauender Umgang mit begrenzten Ressourcen (Geld, Flächen, Rohstoffe, natürliche Gegebenheiten etc.).
Wann immer von Planung die Rede ist, besteht die Möglichkeit, dass sich am Ende der Planungsprozedur eine Planung auch als Fehlplanung erweisen könnte. Fehlplanungen liegen dann vor, wenn nach der Planrealisierung Mängel zutage treten, die eigentlich durch eine sorgfältige Planung nicht hätten auftreten dürfen. Auch kann es vorkommen, dass sich die Rahmenbedingungen eines Projekts derart geändert haben, dass sich nach Realisierung eine gegenüber dem Planungsbeginn veränderte Einschätzung von der Notwendigkeit oder Angemessenheit des Projekts einstellt. Bei der Antizipation von für die Zukunft projektierten Vorhaben sind Fehleinschätzungen oder Irrtümer nie (ganz) auszuschließen: ‘am Ende ist man immer schlauer‘, lautet die entsprechende Volksweisheit. Auch mögen unterschiedliche Interessengruppen hierzu voneinander abweichende Vorstellungen entwickeln. Fehlplanungen zu verhindern, Planungsdisastern aus dem Wege zu gehen, sollte stets im Bestreben aller Planungsaktivitäten sein. Systematisches Vorgehen und eine gute Grundlage an verfügbarem einschlägigen Wissen ist deshalb das Gebot allen planerischen Handelns.
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d) Planung als Infrastrukturplanung Ein weiterer zentraler Begriff im Zusammenhang mit der räumlichen Planung ist der Begriff der Infrastrukturplanung. Norbert Schmidt-Relenberg hat dessen Bedeutung mit der Aussage „Planung ist überwiegend Infrastrukturplanung” auf den Punkt gebracht, weil, so seine Begründung, „Gegenstand öffentlicher Planung vornehmlich die Erstellung und der Aufbau von Infrastrukturen bzw. die permanente Anpassung infrastruktureller Vorleistungen an die sich wandelnden Anforderungen der Wirtschaft” sei [Schmidt-Relenberg 1968]. Infrastrukturinvestitionen galten und gelten auch heute noch als Schlüssel allen ökonomischen Wachstums: „Infrastrukturpolitik als Wachstumspolitik“ ist die Devise [Vosgerau 1970: 29]. Der Begriff der Infrastrukturplanung bedarf wegen seiner herausragenden Bedeutung für die Stadt- und Raumplanung einer etwas genaueren Betrachtung. Auf den Raumökonomen Reimut Jochimsen geht folgende Definition zurück: Infrastruktur ist die Gesamtheit der materiellen, institutionellen und personellen Einrichtungen und Gegebenheiten (...) als wachstums-, integrations-, ver- und entsorgungsnotwendige Basisfunktionen einer Wirtschaft [Jochimsen 1995; Jochimsen 1966]. Es handelt sich um die klassische Definition von Infrastruktur, die in den 1960er Jahren entwickelt wurde. Diese hat in jüngster Zeit allerdings eine sehr erhebliche Ergänzung erfahren, die man im Zusammenhang mit dem Thema Wissensgesellschaft geradezu auch erwartet: Information kristallisiert sich mehr und mehr zu einem herausragenden Teilbereich der Infrastruktur heraus. Der US-amerikanische Stadtsoziologe und Medientheoretiker Manuel Castells bezeichnet dieses Phänomen als „informational mode of development“ [Castells 1989: 5ff], wodurch der epochale Organisationswandel im Übergang vom ‘Industrialismus‘ zum ‘Informationalismus‘ stattfinde [a.a.O.: 17ff]. Daran anknüpfend geht der US-amerikanische Informationswissenschaftler Paul N. Edwards noch einen Schritt weiter und expliziert den Begriff der „information infrastructure“ [Edwards 2003] sowie den der „knowledge infrastructure“ [Edwards 2010] mit der danach folgenden, wichtigen Feststellung, dass es sich nicht um Gegenstände oder Systeme, sondern um Netzstrukturen handelt: „in general infrastructures are not systems but networks or webs“ [a.a.O.: 12, 17f]. Die Edwards‘sche Definition ist aktuell und trifft den Kern, worum es geht, auch für unsere Zwecke sehr gut. Deshalb hier der volle Wortlaut: „Knowledge infrastructure comprise robust networks of people, artifacts, and institutions that generate, share, and maintain specific knowledge about the human and natural worlds“ [Edwards 2010: 17]. Es gibt also vier Aspekte oder Bereiche der Infrastruktur (vgl. Abb. 1.7): •
materielle Infrastruktur: Gesamtheit der Anlagen, Ausrüstungen und Betriebsmittel in einer Volkswirtschaft für den Bereich der Ver- und Entsorgung (Wasser), für das Verkehrs- und Energiewesen, die Telekommunikation sowie für die Konser-
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• • •
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vierung der natürlichen Ressourcen; institutionelle Infrastruktur: Normen, Organisationen und Verfahrensweisen einer Volkswirtschaft; personelle Infrastruktur: menschliches Leistungspotential in einer Wirtschaft (gelegentlich auch ’human capital’ oder ’immaterielles Infrastrukturkapital’). informationelle Infrastruktur: Verfügbarkeit und Vernetzung von Informationen zur Beschreibung von Sachverhalten sowie zur Organisation ökonomischer, ökologischer, sozialer und technischer Prozesse.
Die Bedeutung der Infrastruktur wird im weiteren Verlauf des vorliegenden Buches an verschiedenen Stellen noch unterstrichen. An dieser Stelle sei jedoch bereits auf vier deutlich erkennbare Entwicklungstendenzen hingewiesen: Erstens gibt es Tendenzen, die über die vergangenen Dekaden entwickelte Vorstellung von einer allumfassenden Raumplanung zurückzustutzen und sich allein auf Infrastrukturplanung als den eigentlichen Kern planerischen Handelns zu konzentrieren. So hat etwa in den Niederlanden eine Revision des Planungssystems stattgefunden mit dem Ziel, Planung im wesentlichen dem Infrastrukturansatz – der Vorbereitung und Umsetzung von (technischen) Infrastrukturprojekten – unterzuordnen [Wolsink 2002].
Abb. 1.7: Die vier Aspekte der Infrastruktur als Gegenstand räumlicher Planung Zweitens treten Überlegungen, ob und inwiefern Infrastrukturen als zentrale oder als dezentrale Einrichtungen ausgebildet werden sollten, verstärkt in den Fokus fachlicher (und politischer) Diskussionen. Zentrale und dezentrale Konzepte bei Infrastrukturanlagen hat es zwar – etwa im Bereich der Wasserentsorgung oder der Energieversorgung – seit jeher gegeben. Unter dem Leitgedanken der Nachhaltigkeit hat dieses Thema allerdings an Bedeutung gewonnen, da sich in vielen Fällen von Infrastruktureinrichtungen gute Gründe finden lassen, dezentralen Konzepten
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gegenüber zentralen den Vorzug zu geben (wie etwa im Falle der Energieversorgung). Die Möglichkeiten einer intelligenten Vernetzung (‘smart systems‘/‘smart grids‘) solcher Anlagen und Einrichtungen durch geschickte Computersteuerung bzw. Computerassistenz gibt diesen Überlegungen weiteren Antrieb, wobei sich materiell-technische und informationelle Infrastruktur – ‘smart infrastructure‘ – als miteinander verzahnt darstellen. Drittens sind verstärkte Bemühungen festzustellen in der Klärung, wie denn die infrastrukturellen Voraussetzungen für das Funktionieren der Wissensgesellschaft aussehen könnten oder müssten. Deutlich wird, dass im Gegensatz zu den Erfordernissen der Industriegesellschaft gewisse Verschiebungen eintreten: bei der materiellen Infrastruktur in Richtung technischer Vernetzung von Anlagen, Einrichtungen, Systemen und Sensoren aller Art, wobei Computersysteme und Kommunikationsnetze bis hin zu mobilen Gerätschaften eine bedeutende Rolle einnehmen; bei der institutionellen Infrastruktur in Richtung virtuelle Organisationseinheiten, die sich ebenfalls der technischen Potentiale bedienen; bei der personellen Infrastruktur in Richtung von „talent pools“ [Musterd 2002; vgl. beiliegende DVD], sozialen Netzwerken oder kreativen Milieus mit einem hohen Grad an individuellen, der Wissensgesellschaft adäquaten Fähigkeiten [vgl. dazu insbesondere Landry 2000: 60ff]; und bei der informationellen Infrastruktur als eigenständige und zugleich als Querschnittsinfrastruktur der anderen drei. In allen vier Bereichen der Infrastruktur spielen also im Hinblick auf die Bedingungen der Wissensgesellschaft offensichtlich Netze und Vernetzungen die eigentliche strukturbestimmende Rolle. Viertens etabliert sich neben den genannten, mehr aus ökonomischen Wachstumsbedingungen definierten Infrastrukturbereichen mit zunehmender Bedeutung ein gewissermaßen ‘grüner Infrastrukturbereich‘. Es handelt sich dabei um die Realisierung von miteinander vernetzten Ökosystemen, die einen infrastrukturellen Gegenpol zur bislang vorherrschenden ökonomischen Verwertung des Raumes bilden sollen: „Building a green infrastructure“, so die Europäische Kommission, „is one of Europe‘s main contributions to reversing the trend of biodiversity loss and to linking and strengthening diverse ecosystems in urban and rural areas“ [European Commission 2010]. Auch im Zusammenhang mit Boden- und Gewässerschutz, der Luftreinhaltung sowie im Umgang mit lokalen, regionalen und globalen Klimaveränderungen spielt die ‘grüne Infrastruktur‘ eine zunehmend wichtige Rolle. In den USA und in Canada sind die Bemühungen um die Schaffung grüner Infrastruktur in mancher Hinsicht noch ambitionierter, indem nicht nur bestimmte Räume in Stadt und Landschaft mit grüner Infrastruktur ausgestattet werden sollen, sondern tendentiell alles. Ein Beispiel liefert der Plan „Green City, Clean Waters“ von Philadelphia, mit dem eine komplette grüne Infrastruktur in der Stadt geschaffen werden soll mit Regelungen bis hinein in Bereiche privaten Eigentums [Internet www.phillywatersheds.org]. Und im Jahre 2010 hat Toronto als erste Stadt Nordamerikas die obligate Regelung geschaffen, dass bei allen Baumaßnahmen mit mehr als 2000 Quadratmetern Geschossflächenzahl (‘gross floor area‘) die Verpflichtung zur Schaffung von grünen Dächern besteht [Internet www.toronto.ca/greenroofs/overview.htm].
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e) Planung und Information Nachdem bereits die enge Verbindung zwischen Planung und Wissen bzw. Information aufgezeigt worden ist, soll dieser Aspekt kurz näher beleuchtet werden. Dazu der folgende, auch entscheidungstheoretisch begründete Zusammenhang in Form einer Definition [Meise/Volwahsen 1980: 14]: Planerische Entscheidungsprozesse können definiert werden als eine in Phasen ablaufende Transformation von Information; die Phasen sind gekennzeichnet durch die Suche und Selektion von Information zum Zwecke der Verringerung des Unsicherheitsgrades hinsichtlich der zu treffenden Entscheidung. Insoweit korrespondiert diese Definition sehr stark mit der eingangs detailliert dargelegten Begrifflichkeit von Kaiser/Ellwein. Dann aber folgt die für einen zeitgemäßen Planungsbegriff, der den Umgang etwa mit computergestützten Informationssystemen berücksichtigt, sehr wesentliche Feststellung [Meise/Volwahsen a.a.O.]: Planung beinhaltet die komplexe Verarbeitung und Organisation von heterogenen Informationsbestandteilen. Neu an dieser begrifflichen Umschreibung ist die Wortkombination 'heterogene Informationsbestandteile'. Damit wird zunächst einmal etwas in der Stadtplanung Selbstverständliches zum Ausdruck gebracht: dass zwar in einer Stadt bzw. in einem Raumgefüge alles mit allem zusammenhängt, die dazugehörigen Informationen jedoch in sehr unterschiedlicher Art und Weise gewonnen werden oder vorliegen. Die Konsequenzen daraus werden allerdings häufig erst im Zuge des Einsatzes informationsverarbeitender Maschinen sichtbar, wenn die unterschiedlichsten Daten und Informationen zusammengeführt werden sollen. Spätestens beim Auftauchen der Frage nach der geeigneten Hard- und Software wird erkennbar, in welcher Weise Planung als komplexes Geschehen zu begreifen ist, und dass eine der großen Zukunftsaufgaben der Stadtplanung darin besteht, informationsverarbeitende Maschinen sinnvoll für ihre Aufgaben einzusetzen: „Mit moderner Datenverarbeitung“, so auch das European Council of Town Planners (ECTP) in seiner „Neuen Charta von Athen 1998“ über den Umgang mit nachhaltiger Stadtentwicklung, „ist es jedenfalls möglich, derart komplexe Systeme zu steuern“ [ECTP 1998: 7, Punkt 2.5; Internetquelle vgl. Kap. 5].
Planungsarten und Funktionen der Planung Wenn wir uns der Stadtplanung und der räumlichen Planung begrifflich und inhaltlich weiter nähern wollen, sollte zunächst auf die verschiedenen Planungsarten, wie sie im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet werden, eingegangen werden. Un-
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terschieden werden üblicherweise die folgenden Aspekte der Planung: • • • • •
querschnittsbezogene Ressourcenplanung (Raum-, Finanz-, Personalplanung etc.); aufgabenbezogene Fachplanung (Verkehrsplanung, Wasserwirtschaftsplanung, Bildungsplanung etc.); institutionelle Einbindung der Planung (fachübergreifende integrierende Planung, Sektorplanung); Fristigkeit der Planung (kurz-, mittel-, langfristige Planung); Steuerungsqualität (Negativ-/Positivplanung, Ordnungs- vs. strategische Planung).
Damit ergibt sich die Frage, welche Funktionen Planungen überhaupt erfüllen sollen. Vier Aspekte lassen sich hier voneinander unterscheiden: • • • •
Frühwarnfunktion: Problemwahrnehmung, Problemdefinition, Strukturierung des Problemlösungsraums; Orientierungsfunktion: Leitbild für künftige Handlungen; Koordinationsfunktion: Zusammenführung sachlicher Abhängigkeiten sowie interessenabhängiger Bewertungen von Zielen und Maßnahmen; Moderationsfunktion: Auflösung divergierender (Einzel-)Interessen zugunsten gemeinwohlorientierter Lernprozesse.
Beim Betrachten dieser vier Planungsfunktionen wird erneut erkennbar, welche zentrale Bedeutung der Informationsverfügbarkeit zukommt und welche – insbesondere auch ethisch zu begründende – Verantwortung im Umgang mit Planungsinformationen daraus erwächst.
Stadtplanung und Städtebau in der räumlichen Planung Wenden wir uns nun den Begrifflichkeiten innerhalb der räumlichen Planung zu, insbesondere was die Felder Stadtplanung und Städtebau betrifft. Folgende Einzelaspekte werden dazu erörtert: • • • • • • • • •
Begriff Stadtplanung Unterscheidung der Begriffe Stadtplanung und Städtebau Wesensmerkmale des Städtebaus als Wissenschaft, Kunst und Politik Komplementäre Begriffe zur Stadtplanung und zum Städtebau Städtebauliche Planungsbegriffe außerhalb des deutschen Sprachraums Städtebauliche Begriffsdualitäten Handlungsdimensionen räumlicher Planung Gegenstandsbereiche der Stadtplanung Die ökologischen Wurzeln einer wissenschaftlich orientierten Stadtplanung
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a) Stadtplanung und Städtebau Für die Stadtplanung existiert eine immer wieder herangezogene Definition von Gerd Albers, die vor allem wegen ihrer Nähe zu der im deutschen Planungs- bzw. Städtebaurecht kodifizierten Begrifflichkeit eine herausragende Bedeutung hat. Diese Definition lautet wie folgt: Stadtplanung ist – auf der Ebene der Stadt oder Gemeinde – das Bemühen um eine den menschlichen Bedürfnissen entsprechende Ordnung des räumlichen Zusammenlebens [Albers 1988]. Stadtplanung und Städtebau sind zwei miteinander verwandte Begriffe, die häufig im gleichen Sinne benutzt werden. Während Stadtplanung aber begrifflich mehr auf die allgemeinen Prozesse der Planung in ihrer institutionellen und organisatorischen Einbettung zielt, wird der Begriff Städtebau vor allem dann verwendet, wenn es um den räumlich-gestalterischen Entwurf im Zuge eines konkreten Planungsablaufs geht. Damit ergibt sich eine gewisse begriffliche Nähe des Städtebaus zur Architektur, denn Städtebau kann auch als fortgesetztes architektonisches Schaffen von Einzelbauwerken zu größeren baulichen Ensembles aufgefasst werden. Städtebau bedeutet jedoch nicht nur Summation von Einzelbauwerken. Vielmehr gehören auch die Freiraumplanung innerhalb urbaner Bereiche, die Gartenarchitektur, aber auch die Landschafts- und Grünordnungsplanung zum Städtebau, immer allerdings unter der Voraussetzung, dass sie einen räumlich-gestalterischen Auftrag erfüllen. Die Affinität zwischen Stadtplanung/Städtebau und räumlicher Gestaltung, die hier hervorgehoben wird, lässt sich auf den ersten Blick kaum in Zweifel ziehen, zumal sie das nach außen getragene Bild dieser Disziplin deutlich dominiert. Doch werden hierdurch die eigentlichen Problemfelder der Stadtplanung nur zum Teil berührt. Zu Recht stellt ein eher kritisch von außen auf die Disziplin Blickender wie der Soziologe Jürgen Habermas in diesem Zusammenhang fest, dass „die Probleme der Stadtplanung nicht in erster Linie Probleme der Gestaltung sind, sondern Probleme der versagenden Steuerung, Probleme der Eindämmung und Bewältigung von anonymen Systemimperativen, die in städtische Lebenswelten eingreifen und deren urbane Substanz aufzuzehren drohen“ [Habermas 1985]. b) Städtebau als Wissenschaft, Kunst und Politik Wenn wir auf das Wesen des Städtebaus und der Stadtplanung genauer eingehen, zeigt sich eine sehr wichtige Eigenschaft. Städtebau bzw. Stadtplanung ist keine wissenschaftliche Disziplin im üblichen Sinne, zumindest keine, bei der wissenschaftliche Methoden der Erkenntnisgewinnung und Erkenntnisanwendung allein zum Ziel führen würden und könnten. Städtebau ist eine Handlungsdisziplin, die sich mit in die Zukunft gerichteten Vorstellungen bezüglich der räumlichen Umwelt auf der Grundlage von Entwurfskonzeptionen befasst. Diese weisen in Anbetracht der Gestaltungsaufgabe stets auch eine räumlich-ästhetische Komponente auf.
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Derartige Zielvorstellungen bedürfen immer aber auch der Durchsetzung, und so spielen die verschiedenen gesellschaftlichen Akteure und die dabei ablaufenden Prozesse des Zusammenwirkens dieser Akteure eine sehr wichtige Rolle. Damit ergeben sich, was das Wesen von Städtebau und Stadtplanung betrifft, drei – von dem Amerikaner Thomas Adams erstmals im Jahre 1935 benannte – Teilaspekte [Adams 1935: 21ff; Kühn 1958: 515; Albers 1988: 5ff]: • • •
Städtebau als Wissenschaft, Städtebau als Kunst und Städtebau als Politik.
Städtebau ist Wissenschaft insofern, als städtebauliche Tätigkeiten auf wissenschaftlich gewonnenen Erkenntnissen beruhen. In der Definition von Planung ist dies bereits mit der Formulierung „(...) auf der Grundlage alles verfügbaren (...) Wissens“ klar zum Ausdruck gebracht worden. Schon in der Antike war wissenschaftliches Arbeiten beim Bau von Städten nichts Ungewöhnliches: Bereits ganz am Anfang der 10 Bücher zur Architektur von Vitruv ist folgender Satz zu finden: „Architecti est scientia pluribus disciplinis (...)“ [Vitruv, caput 1.1; Internetquelle auf beiliegender DVD]. Und in der frühen Neuzeit haben etwa französische Architekten in einer Kontroverse mit einheimischen Steinmetzen die Auffassung vertreten: „Kunst ohne Wissenschaft ist wertlos“ (ars sine scientia nihil est) [Burke 1997/2001: 103] – woraus zu schließen wäre, dass sich in jener Zeit die Steinmetze eher als Künstler verstanden, Architekten dagegen als Wissenschaftler. Mittlerweile hat sich die Haltung zu diesem Thema durchaus verschoben: Wissenschaftlichkeit steht bei Architekten nicht gerade hoch im Kurs. Städtebau ist Kunst durch die schöpferische Leistung beim Erarbeiten von Planungsentwürfen. Dieser Aspekt wird, wenn überhaupt, ambivalent thematisiert. Eine der ersten Publikationen zum Thema, was die direkte Verknüpfung der beiden Begriffe anbetrifft, war Camillo Sitte’s Buch „Der Städte-Bau nach seinen künstlerischen Grundsätzen“ aus dem Jahr 1889, das als Reaktion auf den zu dieser Zeit überwiegend durch technische, baupolizeiliche und wirtschaftliche Belange bestimmten Städtebau zielte. Dem wiederum setzte allerdings später beispielsweise Le Corbusier das Ideal des Funktionalismus und der ökonomischen Rationalität entgegen: Sittes Ideal der geschwungenen Linie, so Le Corbusier, sei der Weg des Esels [diese Diskussion zusammenfassend vgl. etwa Schöttker 2002]. Städtebau ist Politik, da zur Durchsetzung und Realisierung von Planungsvorstellungen politisches Handeln erforderlich ist, besonders wenn es um die Sicherung des Allgemeinwohls geht – ein zentraler Auftrag der Stadtplanung insgesamt [Albers 1988: 7]. Im Bereich der Stadtplanung wird sich Politik aber nicht von der Kurzatmigkeit opportuner Themen beeinflussen lassen dürfen, sondern muss auf Kalkulierbarkeit, Verlässlichkeit und Dauer angelegt sein; mancherorts wird gar eine ’nachhaltige Politik’ eingefordert – mit stabilen Institutionen, nach demokratischen Prinzipien und frei von Korruption und Klüngel. Und wo, wenn nicht in der Stadtplanung erlangt der berühmte Satz von Max Weber mehr Gültigkeit, wonach Politik
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„ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich“ bedeute [Weber 1919/1968: 185]. In ihrer Prägnanz unübertroffen indes bleibt die Charakterisierung der Disziplin Städtebau nach wie vor in der Formulierung von Thomas Adams: „City and town planning is a science, an art, and a movement of policy concerned with the shaping and guiding of a physical growth and arrangement of towns in harmony with their social and economic needs“ [Adams 1935: 21]. c) Komplementärbegriffe zu Stadtplanung und Städtebau Zur Stadtplanung und zum Städtebau existieren einige komplementäre Begriffe, die ebenfalls der Erläuterung bedürfen: • • • • •
Raumplanung und räumliche Planung Raumordnung sowie Regional- und Landesplanung Ortsplanung und Siedlungsplanung Landschaftsplanung, Grünordnungsplanung und Freiraumplanung Fachplanung
Raumplanung bzw. räumliche Planung werden als übergeordnete Begriffe für alle Arten des planerischen Umgangs mit räumlichen Aspekten in Stadt und Land verwendet, einschließlich der Umweltplanung. Stadtplanung und Städtebau können als Teil dieser umfassenden Raumplanung aufgefasst werden. Raumordnung sowie Regional- und Landesplanung beinhalten diejenigen Aspekte der räumlichen Planung, die sich – in Deutschland – auf einer Maßstabsebene oberhalb der kommunalen Planung (Gemeinden, Landkreise, Städte) abspielen. Dies kann die räumliche Planung im globalen Maßstab (z.B. als Umweltplanung) ebenso betreffen wie etwa die europäische Raumordnung, die Raumordnung des Bundes und die Raumordnung bzw. Landesplanung der einzelnen Bundesländer oder von Teilen der Bundesländer unter der Bezeichnung Regionalplanung. Ortsplanung und Siedlungsplanung werden als allgemeine Begriffskategorien dann verwendet, wenn die unmittelbare Assoziation des Städtischen vermieden werden soll und insbesondere die Planung kleinerer Ortschaften, Dörfer oder einzelner Siedlungseinheiten Gegenstand des Interesses ist. Landschaftsplanung, Grünordnungsplanung und Freiraumplanung beziehen sich insbesondere auf die Planungstätigkeit außerhalb von baulich genutzten Bereichen, aber auch unmittelbar in der Umgebung von baulich genutzten Arealen, die von Bebauung frei zu halten sind. Schließlich existiert als häufig verwendeter Begriff die sogenannte Fachplanung, welche die eher umfassend ausgerichtete Stadtplanung um spezielle Fachaspekte ergänzt, z.B. bei der Planung von Verkehrstrassen, von Energieversorgungsanlagen oder technischen Entsorgungseinrichtungen. Die Fachplanungen beziehen sich in der Regel auf alle wichtigen Infrastrukturplanungen, die nach Spezialgesetzen, in der Planerterminologie Fachplanungsgesetze genannt, geregelt sind.
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d) Begrifflichkeiten außerhalb des deutschen Sprachraums Bei der Zusammenstellung von Planungsbegriffen sollte ein Blick auch über die Grenzen des deutschen Sprachraums hinaus nicht ganz fehlen [vgl. dazu auch Internet www.wikipedia.org]. Ein kurzes Anreißen des Themas möge genügen; zur Vertiefung wird Spezialliteratur empfohlen – etwa der allgemeine Überblick zu den verschiedenen Planungssystemen in Europa von Gerd Albers [Albers 1997], die Zusammenstellung des Planungs- und Baugenehmigungsrechts in den verschiedenen europäischen Staaten von Gerd Schmidt-Eichstaedt oder die Synopse der in die Planungssysteme von Deutschland, Großbritannien und Schweden eingebetteten Nutzung der Computer- und Internettechnologie von Antje Burg [Burg 1999]. •
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Im angelsächsischen Sprachraum, vor allem in Großbritannien, werden die Begriffe town and country planning verwendet. In den USA treffen wir häufig auch die Begriffe city planning, urban planning und community planning an. Darüber hinaus existieren Begriffe wie environmental planning für Umweltplanung oder landscape planning für Landschaftsplanung. Eine adäquate Übersetzung des deutschen Begriffs Raumplanung gibt es nicht, obzwar hin und wieder von spatial planning die Rede ist. Die Planung von kleinen Ortschaften im ländlichen Raum wird im Englischen als rural village planning bezeichnet. Im französischen Sprachraum ist der Begriff urbanisme als umfassender Begriff für Stadtplanung und Städtebau gebräuchlich. Auch im Deutschen kennen wir den Begriff Urbanismus, durchgesetzt wie im Französischen hat er sich aber nicht. In den Niederlanden heißt der Städtebau stedebouw mit einer dem Deutschen sehr ähnlichen Wortbedeutung als Bau von Städten bzw. Ortsbau.
Internationale Bezüge der Stadt- und Raumplanung werden in Kapitel 10 noch detaillierter angesprochen. e) Städtebauliche Begriffsdualitäten Zur Akzentuierung des Handlungsauftrags der Stadtplanung hat Gerd Albers bipolare Begriffe des Städtebaus voneinander unterschieden [Albers 1988: 11ff], die angesichts sich weiter differenzierender Vorstellungen zum Wesen der Stadtplanung hier um einige Aspekte erweitert werden (Abb. 1.8): • • • • • • • •
Stadt und Land Plan und Markt Stadtstruktur und Stadtgestalt Theorie und Praxis Bewahrung und Veränderung Gestaltete Umwelt und natürliche Umwelt Wachstum und Schrumpfung Geometrie und Topologie
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Stadt und Land: Früher wurde dies als ein Gegensatzpaar gesehen, heute gehen die Vorstellungen eher in Richtung eines Stadt-Land-Kontinuums. Thomas Sieverts hat diese Tendenz in seinem Essay „Zwischenstadt“ zeitgemäß beschrieben [Sieverts 1997]. Das Gegensatzpaar von Stadt und Land bzw. Stadt versus Land dient indes nicht nur dem Zweck einer eher deskriptiv motivierten Unterscheidung von zwei planerischen Handlungsdomänen, sondern besitzt noch eine tiefere, kulturhistorisch interpretierbare Bedeutung, die bis hin zu einer uralten bipolaren Gegenüberstellung von Zivilisation und Zivilisationskritik reicht. In diesem Gegensatzpaar manifestieren sich nämlich auch die Jagd nach Macht und Reichtum einerseits und dem einfachen bäuerlichen Leben andererseits, Luxus gegenüber Askese, höfische Intrigen gegenüber dem naturnahen Leben des Eremiten, Degeneration versus Vitalität, Kultur und Natur [Sieferle 1984: 7]. Dieses Stadt-Land-Gegensatzpaar scheint allerdings unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts, da die überwiegende Zahl der Menschen weltweit in Städten lebt, zunehmend obsolet zu werden – „with no clear rural-urban divide“ [Evans 2009], bestenfalls in Form einer Art „Zwischenstadt“ [Sieverts 1997]. Oder wie der kalifornische Stadtsoziologe Mike Davis seine Betrachtung der weltweit erkennbaren Slumbildung zusammenfasst: „rural people no longer have to migrate to the city; it migrates to them“ [Davis 2006]. Plan und Markt: Diese Begriffsdualität hat ihre Bedeutung vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass das freie Spiel der wirtschaftlichen Kräfte durchaus an Grenzen bei seinen Selbstregulierungsmechanismen stößt – etwa im Falle der Bodennutzung, der Bereitstellung von Wohnraum oder der Schonung der Umwelt. Vor allem in der USamerikanischen Planungsliteratur nimmt die Dichotomie von Plan bzw. Planung und Markt einen breiten Raum ein, wie allein die Existenz einer Zeitschrift wie „Planning & Markets“, die diesem wichtigen Abb. 1.8: Bipolare Begriffe zur Charakterisierung der Stadtplanung Aspekt gewidmet ist, deutlich macht [Internet www-pam.usc.edu]. Der Auftrag der Stadtplanung in einer freiheitlichen Gesellschaft unter dem Leitbild der sozialen Marktwirtschaft besteht in zweierlei Hinsicht: Erstens, einen Mittelweg zu finden zwischen der Berücksichtigung des Allgemeinwohls und dem Belassen von Freiraum für die Entfaltung von individuellen Nutzungs- und Gestaltungswünschen; zweitens menschliche und ökologische Ansprüche an den Raum auf der Grundlage sorgfältiger und vorausschauender Abwägung zu koordinieren. Stadtstruktur und Stadtgestalt: Diese Begriffsdualität ist von großer Bedeutung für die Stadtplanung, sowohl inhaltlich als auch methodisch [vgl. dazu auch die je-
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weilige geschichtliche Genealogie bei Albers 1970]. Bei der Stadtstruktur geht es vor allem um die räumliche Verteilung der verschiedenen Bodennutzungsarten in Stadt und Land, während sich im Gegensatz dazu die Stadtgestalt auf die dreidimensionale, ästhetische Ausprägung der Stadt bezieht. Die Methoden, mit denen Stadtstrukturen und Stadtgestalt planerisch bearbeitet werden, unterscheiden sich erheblich voneinander. Dies gilt insbesondere für das Repertoire computergestützter Methoden: Stadtstrukturplanung erfolgt unter Anwendung von sogenannten Geographischen Informationssystemen (GIS), für Aufgaben der Stadtgestaltung kommen Systeme aus dem Umfeld des Computer-Aided Design (CAD) zum Einsatz. Theorie und Praxis: Stadtplanung ist eine handlungsorientierte, auf die Praxis ausgerichtete Disziplin. Die Theorie der Stadtplanung beinhaltet deshalb die systematische Aufbereitung von Beobachtungen und Erfahrungen, die sich auf die Entwicklung der Städte, auf Methodik und Inhalt möglicher Steuerungsmaßnahmen sowie auf deren Auswirkungen beziehen. Bewahrung und Veränderung: Stadtplanung hat stets zwei, nicht selten im Widerstreit miteinander befindliche Aspekte zu berücksichtigen. Einerseits sind Städte eine kulturelle Errungenschaft der Menschheit, die es auch zu bewahren gilt; am augenfälligsten ist dies bei historischen Bauwerken, Ensembles, Gartenanlagen oder von Menschen geformten Landschaften. Gleichzeitig zielt Stadtplanung immer auch auf zeitgemäße Veränderungen in Struktur und Gestalt. Gestaltete und natürliche Umwelt: Nicht nur die anhaltenden Diskussionen um Ökologie und Nachhaltigkeit lassen die Dichotomie zwischen gestalteter und natürlicher Umwelt offensichtlich werden. Stadtplanung bedeutet per se ein Gestalten und Umgestalten der Umwelt. Stadtplanung und Städtebau sind deshalb stets mit Eingriffen in die (natürliche) Umwelt verbunden, so dass dadurch ein wichtiges bipolares Verhältnis von gestalteter Veränderung und natürlichen Gegebenheiten aufgespannt wird. Wachstum und Schrumpfung: Stadtplanung, wie wir sie bisher kennengelernt haben, war immer in Wachstumsprozesse – insbesondere demographische und ökonomische – eingebettet. Selbst wenn es in Vergangenheit schon zu Stadtschrumpfungen gekommen ist, wurde dies stets als vorübergehende Phase eines irgendwann doch wieder eintretenden Wachstums betrachtet. Dies könnte sich im 21. Jahrhundert grundlegend ändern, wenn es (weltweit?) zu einer Stagnation und dann zu einer Schrumpfung der Bevölkerung kommen sollte, wie schon in den technisch und institutionell hochentwickelten Ländern (Europa, Nordamerika, Japan) erkennbar. Die Stadtplaner werden sich in großem Stil mit der Entwicklung von Siedlungsstrukturmodellen beschäftigen müssen, deren Paradigma die Stadtschrumpfung ist. Wachstums- und Schrumpfungsprozesse werden zudem zeitgleich in verschiedenen Teilen der Welt stattfinden, denn während etwa auf dem afrikanischen Kontinent Städte noch für lange Zeit explosionsartig wachsen werden, dürften sich die in Mitteleuropa bereits zu beobachtenden Stadtschrumpfungsprozesse eher noch verstärken. Geometrie und Topologie: Die Stadtplanung der Vergangenheit hat sich vornehmlich mit geometrischen Modellen des Stadtwachstums beschäftigt. Es ist
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durchaus plausibel, anzunehmen, dass diese statisch-geometrische Vorstellung mehr und mehr in den Hintergrund rücken wird zugunsten einer topologischen Sicht auf die Stadt. Die Brauchbarkeit von geometrischen Wachstums- und Nutzungszuordnungsmodellen steht in Frage. Hingegen rücken die räumlichen Beziehungen – Topologien – von eher diffusen Nutzungsansprüchen in den Vordergrund: Die Informationstechnologien, die Netztopologie der auf Immaterialität ausgerichteten Wissensgesellschaft, aber auch die mit geometrischen Modellen kaum handhabbaren ökologischen Erfordernisse verändern das Paradigma der Stadt- und Raumplanung dauerhaft. f) Handlungsdimensionen der Stadt- und der räumlichen Planung Eine weitere sehr wichtige Unterscheidung betrifft die konkreten Handlungsdimensionen der Stadtplanung. Werden etwa Planungsdaten und -informationen erfasst, interpretiert und verwendet, geschieht dies unter vier getrennten Aspekten. Es gibt: •
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eine räumliche Dimension, bei der es etwa um Fragen des Bearbeitungsmaßstabs, des Flächenumgriffs einer Planung oder um räumliche Wechselwirkungen verschiedener Nutzungskategorien geht; eine zeitliche Dimension, bei der bestimmte Zeitpunkte und Prozessabläufe entlang einer Zeitachse in die Planungsüberlegungen einzubeziehen sind; eine inhaltliche Dimension, bei der bestimmte Gegenstandsbereiche und Aufgaben der Planung oder konkrete Problemdefinitionen thematisiert werden; eine organisatorische Dimension, bei der es beispielsweise um die Frage geht, wie und wo Planungen stattfinden und auf welche Art und Weise etwa Planungsinformationen zur Verfügung stehen.
Diese Differenzierung erweist sich vor allem dann als sehr hilfreich, wenn es etwa um die Aufdeckung von Informationsdefiziten geht. So können etwa in räumlicher Hinsicht Defizite dadurch auftreten, dass benötigte Informationen nicht der Genauigkeit des verwendeten Maßstabs entsprechen oder für notwendig erachtete Daten in einem bestimmten Raumumgriff gar fehlen. In zeitlicher Hinsicht betreffen Defizite häufig die Aktualität von Daten. Inhaltliche Defizite können auftreten, wenn bestimmte Problembereiche überhaupt noch nicht thematisiert wurden, aber ein aktuelles Handlungserfordernis vorliegt. Und wenn Koordinationsprobleme in der Planung auftauchen, haben wir es mit Unzulänglichkeiten oder Defiziten im Bereich der organisatorischen Dimension zu tun. g) Gegenstandsbereiche der Stadtplanung Die vier erläuterten Handlungsdimensionen gelten für alle Bereiche, mit denen die räumliche Planung zu tun hat. Die Frage, um welche Gegenstandsbereiche es sich denn nun inhaltlich handelt, führt zu einer Unterscheidung, die sich im Zuge der Nachhaltigkeitsdiskussion herauskristallisiert hat. Dieses als das „magische Drei-
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eck“ der Nachhaltigkeit bezeichnete Schema – bestehend aus Ökologie, Ökonomie und Sozialem – wird hier um eine vierte Dimension – den kulturellen Aspekt – zu einem symbiotischen Tetraeder erweitert. Eine Begründung dafür liefert nicht nur das Metier der Stadtplanung und des Städtebaus selbst, sondern auch die Tatsache, dass in einer der jüngeren Novellierungen des deutschen Baugesetzbuches (§ 1 Abs. 5 BauGB) der Begriff ’Baukultur’ erstmals in das Gesetz Eingang gefunden und man ihn mit dem Zusatz „in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen“ zu einem zentralen Aspekt der Nachhaltigkeit erhoben hat [Deutscher Bundestag 1998: 30ff, 415ff; Krautzberger 2004; Internet: www.placematters.us/Documents; www.nachhaltigkeitsrat.de; zum Thema Nachhaltigkeit vgl. außerdem Kap. 2 Abschnitt „Ökologische Stadtforschung“]. In der Stadtplanung wird also grundsätzlich von vier Dimensionen der Nachhaltigkeit auszugehen sein: • • • •
Mensch und Gesellschaft (soziale Aspekte, einschließlich politischer Nachhaltigkeit) Ökonomie (Wirtschaft) Ökologie (natürliche Umwelt) Kultur (baulich-räumliche Umwelt und gestaltete Kulturlandschaften)
Das symbiotische Tetraeder der Nachhaltigkeit (Abb. 1.9) ist indes nicht unumstritten. Hermann Daly, ein Verfechter der sogenannten starken Nachhaltigkeit, hat, wie auch Fritz Vorholz, auf das Manko im Umgang mit diesem Begriff hingewiesen: „Nachhaltigkeit, es lebe die Beliebigkeit, kann nämlich auch so gedeutet werden, dass nicht die Umweltverträglichkeit der Wirtschaftspolitik, sondern die Wirtschaftsverträglichkeit der Umweltpolitik auf den Prüfstand kommt“ [Daly 1999; entsprechend auch Vorholz 2000; außerdem zur Nachhaltigkeit Bartmann 2000]. Nicht wenige Fachleute plädieren deshalb für eine Rückkehr zum Begriff der Ökologie mit dem Argument, dass den Umweltbelangen dadurch mehr Geltung verschafft würde – und man sich nicht mit der „zum Windrad geformten Idee der Nachhaltigkeit“ begnügen sollte, wie es vor einigen Jahren sarkastisch im Leitartikel einer großen deutschen Wochenzeitung zu lesen stand [DIE ZEIT v. 11.12.2003, Artikel von Bernd Ulrich]. Abb. 1.9: Das symbiotische Tetraeder Und noch ein weiterer Aspekt der Nachhaltigkeit wäre zu berücksichtigen, der in der Nachhaltigkeitsdiskussion bisher völlig zu kurz gekommen ist, uns in der Stadt- und Raumplanung aber noch großes Kopfzerbrechen bereiten wird. Gemeint ist der dramatische Bevölkerungs-
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rückgang, der Deutschland und Westeuropa in den nächsten Jahren ins Haus steht: „In den ökologischen Plädoyers für die ’Nachhaltigkeit’ kommt die physische Selbstreproduktion der Gesellschaft nur am Rande vor“ [Lothar Müller in einem Artikel zur „Demographischen Zeitenwende“ in der Süddeutschen Zeitung vom 16.08.2002]. Nachhaltigkeit indes ist ein altes, aus der Forstwirtschaft stammendes Prinzip, das direkt wie indirekt in der Stadtplanung schon lange in Gebrauch ist. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden theoretische Überlegungen angestellt, die eine frappierende Ähnlichkeit mit den drei Handlungsdimensionen des magischen Dreiecks der Nachhaltigkeit aufwiesen. Um 1910 herum entwickelte der schottische Allroundwissenschaftler und praktizierende Stadtplaner Patrick Geddes ein dem erwähnten Dreieck sehr ähnliches Schema: Place, folk und work hießen damals die entsprechenden Stichworte in einer ebenso anschaulich-eingängigen wie komplexen Matrix (vgl. Abb. 1.10), in der die planerischen Gegenstandsbereiche zusammengestellt sind [Geddes 1915]. Geddes wurde im angelsächsischen Sprachraum, aber auch hierzulande, als Pionier der „human ecology“ und damit auch als ein Vorreiter der ökologischen Planung gerade wiederentdeckt [Internet: www.uky. edu/Classes/PS/776/Projects/Geddes/geddes.htm; www.media-ecology.org]. Auch das erste Standardwerk über Stadtentwicklungsplanung (vgl. Kap. 9) von Norbert J. Lenort aus dem Jahre 1961 enthielt bereits den Begriff der Nachhaltigkeit; er diente dort als wesentliches Element im Zusammenhang mit der Definition von ’Entwicklungsplanung’ [Lenort 1961: 162]. Eine etwas anders gegliederte Zusammenstellung zu den Gegenstandsbereichen der Stadtplanung findet sich bei Erich Kühn in einem – gerade auch in der aktuellen Fokussierung auf die Wissensgesellschaft – bemerkenswerten Artikel über „Städtebau als Wissenschaft“ mit seinen darin aufgeführten fünf großen Gruppen von Nachbar-Disziplinen, denen entsprechende Aufgaben zugeordnet sind [Kühn 1958: 518]: • • • •
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Formulierung von Leitbildern: Religionsgeschichte – Philosophie – Sozialgeschichte – Bau- und Kunstgeschichte; Erfassung von städtebaulichen Grundlagen: Statistik – Soziographie – Geographie – Bodenkunde – Volkswirtschaft; Bemühung um Mensch und Gesellschaft: Medizin und Hygiene – Psychologie – Klimatologie – Soziologie – Tierpsychologie; Bemühung um den Stadtaufbau: Aesthetik – Bodenkunde – Grünplanung – Verkehrswirtschaft – Energieversorgung – Wasserwirtschaft einschließlich Abwasserwirtschaft – Kerntechnik; Durchführung von städtebaulichen Aufgaben: Vermessungskunde – Recht (Bodenrecht) – Verwaltungswesen.
h) Die ökologischen Wurzeln einer wissenschaftlich orientierten Stadtplanung An dieser Stelle soll der Blick noch einmal etwas vertiefend auf eine Persönlichkeit gelenkt werden, die durch eine Kombination von fachlicher Herkunft, wissenschaft-
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lichem Arbeiten quer durch die Disziplinen, bemerkenswerten internationalen Aktivitäten und visionärem Impetus eine beachtliche Wirkung entfaltete und der Stadtplanung eine recht umfassende theoretische Grundlegung hinterlassen hat. Patrick Geddes, von dem hier die Rede ist, gelang die Verknüpfung höchst heterogener Teildisziplinen zu einem komplexen Gefüge urbaner und regionaler Betrachtung, aus dem sich die Stadtplanung schließlich konstituierte. Dabei ging es diesem aus Schottland stammenden Allroundwissenschaftler nicht in erster Linie um die Schaffung von Theorien, sondern um praktische Anwendung, Umsetzung und Demonstration in einem städtebaulichen, sozialen und umweltbezogenen Kontext. In Deutschland erstaunlich wenig rezipiert, gilt Geddes im angelsächsischen Raum als Urvater der ökologisch orientierten Stadtplanung schlechthin [Internet www.ballaterscotland.com/geddes]. Geboren 1854 im schottischen Ballater unweit Aberdeen, studierte Geddes zunächst in Edinburgh, später an der Royal School of Mines in London bei dem Zoologen Thomas H. Huxley, einem frühen und prominenten Anhänger von Darwins Evolutionstheorie. Im Jahre 1879 führte ihn seine Forschungsneugier nach Paris an die Sorbonne, wo er mit vielen neuen Gedanken und Ideen der Epoche in Kontakt kam, die ihn nachhaltig beeinflussen sollten. Vor allem das komplexe Vorstellungsgebäude von Frederic LePlay – französischer Sozialreformer, Statistiker und Generalkommissar der beiden auch städtebaulich bedeutsamen Pariser Weltausstellungen von 1855 und 1867 – hat Geddes mit weitreichenden Folgen für sein eigenes wissenschaftliches und praktisches Handeln adaptiert. Ebenso beeindruckten und beeinflussten ihn die wissenschaftlichen Arbeiten von Auguste Comte, insbesondere dessen hierarchische Evolutionstheorie der Wissenschaften, an deren Spitze die ’soziale Physik’ stand, die spätere Soziologie. Wesentlichen Einfluss auf Geddes hatten zudem, wie der britische Stadtplanungstheoretiker Peter Hall hervorhebt, die in Frankreich agierenden Anarchisten Proudhon, Reclus und Kropotkin. So hat er beispielsweise von dem (Sozial-)Geographen Elisée Reclus den Gedanken des in eine ’Sozial-Ökologie’ eingebetteten ’Regionalismus’ aufgegriffen und daraus ein Modell für ’ecological balanced communities’ und ’organically developing local cultures’ entworfen. Dieses Modell galt ihm als Ausdruck eines erstrebenswerten „Eutopia“, das er im Sinne einer „good community“ verstanden wissen wollte. Der Architekturkritiker und Technikphilosoph Lewis Mumford hat daraus später ein Konzept für einen ’ecological regionalism’ entwickelt, das weitreichenden Einfluss bis auf den heutigen Tag ausgeübt hat. Das französische Gedankengut jener Zeit hat Patrick Geddes primär und dauerhaft geprägt; seine zentralen Ideen, Konzeptionen und theoretischen Grundlegungen finden dort ihre Verortung. Seine Affinitäten zu Frankreich und den französischen Intellektuellen waren so groß, dass er 1895 in Edinburgh die Franco-Scottish Society gründete. Im Jahre 1881 wurde Geddes, gerade von einer kurzen Forschungsmission in Mexiko zurückgekehrt, Dozent für Zoologie an der Edinburgh University. Parallel dazu lehrte er an der Royal Society of Edinburgh „Classification of Statistics“ und „Principles of Economy“. Seine rege Publikationstätigkeit konzentrierte sich zu-
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nächst auf Zoologie und Evolutionstheorie, erstreckte sich aber zunehmend auch auf andere Gebiete wie Statistik, Kunst – oder die Verbesserung von urbanen Situationen. Im Jahre 1888 wurde er Professor für Botanik im schottischen Dundee, nachdem eine Berufung in Edinburgh gescheitert war – wegen seiner Unorthodoxheit, die er nach Meinung vieler an den Tage legte. Neben seinem Wirken an der Universität machte sich Patrick Geddes – zur selben Zeit als sich Ebenezer Howard mit der Schaffung neuer Gartenstädte außerhalb von urbanen Agglomerationen und Stadtzentren beschäftigte (vgl. auch Kap. 5 und 11) – Gedanken um eine Verbesserung des Zustands alter Städte sowie den Zusammenhang zwischen einer menschenwürdigen Wohnumgebung und dem sozialen Gefüge der Bewohner (Anhänger der Gartenstadt-Idee war er gleichwohl ebenso). Bereits im Jahre 1892 erwarb Geddes in Edinburgh am Castle Hill das Stadtdomizil des ’Laird of Cockpen’ mit der Absicht, das Gebäude als „place of outlook and a type-museum as a key to a better understanding of Edinburgh and its region, but also to help people get a clear idea of its relation to the world at large“ zu nutzen. Der „Outlook Tower“, bis heute in Funktion und eine Touristenattraktion, war von seinem neuen Eigentümer als ein Instrument der Wissensvermittlung für die Allgemeinheit gedacht. Er sollte den Menschen einen Blick von oben auf die Realität in der Altstadt und am Castle Hill-Quartier ermöglichen, um ihnen die geplante städtebauliche Verbesserung Edinburghs mit dem hochgesteckten Ziel, die unerträgliche Slumsituation zu beseitigen, nahe zu bringen. Um die Jahrhundertwende machte Geddes mehr und mehr als Stadtplaner und als Theoretiker der Stadtplanung von sich reden. Ein wichtiger Meilenstein war seine Studie für den Ort Dunfermline nahe Edinburgh im Jahre 1903, die als Publikation den Titel „City Development: A Study of Parks, Gardens and Culture“ trug – bemerkenswert für eine Zeit, in der sich gerade erst der Begriff ’town planning’ zu etablieren begann und ’development’ in der allgemeinen Fachterminologie noch nicht vorkam. Kam schon in dieser Publikation der fachliche Background von Geddes und sein holistischer Denkansatz zum Vorschein, wurde beides durch seine wichtigste Publikation, „Cities in Evolution“ (1915) mit einem inhaltlich breit angelegten Themenkanon, der übrigens auch Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg mit einschloss (von britischen Autoren als kurios empfunden), noch einmal nachdrücklich unterstrichen. Der Begründer der modernen Stadtplanung wurde in vielfältiger Form praktisch tätig: etwa als Regionalplaner auf Cypern, als Projektierer des Botanischen Gartens der Universität Dundee und des Zoologischen Gartens in Edinburgh sowie als Hochschullehrer in Indien. Besonders hervorzuheben sind seine Arbeiten als Stadtplaner im Auftrage der Zionist Movement im damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina. Dort hat Geddes nicht nur Projektarbeiten für ländliche Siedlungen und Bauten im sich sukzessive entwickelnden Wissenschaftsbetrieb durchgeführt, sondern auch für die neue Stadt Tel Aviv eine aus dem Jahre 1925 datierte städtebauliche Konzeption als Masterplan vorgelegt. Wer heute in Tel Aviv die Dizengoff Avenue entlangflaniert und den Dizengoff Circle quert oder in Jerusalem die Hebrew University (Entwurf um 1920) besucht, trifft auf Geddes’ städtebaulichen Nachlass. In Tel Aviv ist in Verbindung mit der sich anschließenden architektoni-
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schen Ausgestaltung nach Ideen des Bauhauses ein beispielloses städtebaulicharchitektonisches Ensemble allerersten Ranges entstanden. Zweifellos stand für Patrick Geddes die Stadtplanung in Theorie und Praxis im Mittelpunkt. Immer ging es ihm aber auch, siehe „Outlook Tower“, um die Verbesserung sozialer Bedingungen und um soziale Fragen allgemein. So gründete er beispielsweise im Jahre 1903 zusammen mit seinem engen Freund Victor Branford die britische „Sociological Society“ und lehrte in den frühen 1920er Jahren im indischen Bombay/Mumbay am „Chair of Sociology and Civics“. – Im Jahre 1924 führte ihn sein Weg zurück nach Europa ins südfranzösische Montpellier, wo er schon recht betagt das Scots College gründete und 1932 im Alter von 78 Jahren starb; kurz zuvor war er noch mit der Ritterwürde des britischen Empire geadelt worden.
Abb. 1.10: Place/folk/work-Schema von Patrick Geddes aus dem Jahr 1915, nach Bearbeitung von Glikson [Golany 1995:116] mit eigenen Ergänzungen Mit seinem Gedankengebäude, dessen Komplexität schon seine Zeitgenossen stark beeindruckte, hat Sir Patrick Geddes ganz wesentliche systematische Grundlagen für die praktische Arbeit in der Stadtplanung geschaffen, die bis heute nichts an Aktualität eingebüßt haben. Dass er als Urvater der ökologischen Stadtplanung gilt, hat natürlich vor allem mit seiner Herkunft als Biologe und Zoologe zu tun, ein Umstand, der seinen holistischen Denkansatz doch sehr beflügelt haben dürfte.
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Seine stadtplanerischen Prinzipien hat Geddes in einem komplexen Gefüge von Begriffen und Methoden zusammengefasst. Die klassische „Survey-AnalysisDesign“-Methode in der Stadt- und Landschaftsplanung etwa geht zurück auf den Planungsimperativ „survey before plan“, den Geddes selbst bei allen Arbeiten befolgte. Zur Veranschaulichung dieses Prinzips entwarf er ein Diagramm, indem er seinen biologischen Wissenshintergrund und das auf LePlay zurückgehende „LieuTravail-Famille“-Ordnungsschema quasi synthetisierte und zu einem „Place-FolkWork“-Diagramm vereinigte (Abb. 1.10). Dieses Diagramm – eine Matrix, in der die gegenseitigen Beziehungen der drei zentralen Begrifflichkeiten zum jeweiligen geographischen Raum mit sozialen und ökonomischen Aspekten dargestellt werden – bezeichnete Geddes als „Thinking Machine“, gleichsam im frühen Vorgriff auf die Wissensgesellschaft. Das Schema war für die Anwendung in der Praxis gedacht; er verwendete es aber auch im Sinne eines pädagogischen Konzepts, um Wissen zu vermitteln. Frappierend ist übrigens die strukturelle Nähe zu dem Nachhaltigkeitsparadigma unserer Tage mit seiner systemischen Triade von Ökologie, Ökonomie und Sozialem (bei der, wie schon erläutert, regelmäßig die kulturelle Dimension vergessen wird; bei Geddes hätte die Kultur wohl einen angemessenen Stellenwert erhalten, siehe seine Studie von 1903). Neben dieser speziellen „Thinking Machine“ entwarf Geddes noch weitere Schemata mit dem Ziel, soziale Phänomene – unter Verzicht auf mathematische Quantifizierungen oder algebraische Formalismen – auf eine Weise zu untersuchen, die es ermöglicht, mit einem holistischen Anspruch Komplexität zu organisieren und eine Synthese von Wissen herbeizuführen. Die Weiterentwicklung von Geddes’ Theorien wurde vor allem von Lewis Mumford vorangetrieben. Spannungslos war ihre Beziehung allerdings nicht. Das einzige Treffen der beiden im Jahre 1923 in New York wurde ein Desaster, weil Geddes den 28-jährigen aufstrebenden Star aus Amerika brüskierte, als er ihn zu seinem Assistenten und Adlatus machen wollte. Trotz dieser misslungenen Begegnung hat Mumford konsequent an Geddes’ Werken angeknüpft: im Rahmen von Arbeiten innerhalb der neugegründeten Regional Planning Association of America, als Editor des Magazins „Survey“, Sprachrohr der liberalen Intellektuellen in Amerika, und in seinen vielbeachteten Publikationen, die ihn letztendlich zu einem der ganz großen Protagonisten der Sozialökologie in der Stadt- und Regionalplanung gemacht haben. Mumford war es auch, der Geddes als „socio-biologist“ charakterisierte und damit dessen genuine Leistung hervorhob. Wäre damals schon wie heute von Nachhaltigkeit die Rede gewesen, würde Geddes zweifellos als Protagonist dieser urbanistischen Leitvorstellung genannt werden. Abschließend sollte der Hinweis nicht fehlen, dass Geddes – ebenso wie Mumford – ein utopisch inspirierter Mensch war. Das „Place-Folk-Work“-Schema beispielsweise war weder Ausdruck eines technokratischen Geistes, wie manche Kritiker unterstellten, noch sollte es nur deskriptiv-analytische Zwecke erfüllen. Vielmehr ging es Geddes darum, einen Prozess des Erhaltens und Fortentwickelns anzustoßen, mit dem Ziel, ein „Eutopia“ herbeizuführen, d.h. ein gutes Gemeinwesen, das sich aus den regionalen Besonderheiten, der lokalen Kultur und Ökonomie und den dort lebenden Menschen mit ihren Talenten und ihrer Kreativität speist. Dass Mumford im Jahre 1922 – in guter Kenntnis der Schriften von Geddes
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und in intensiver Korrespondenz mit ihm stehend – als inaugurale Buchpublikation „The Story of Utopias“ verfasst, macht noch einmal den Gleichklang beider Vorstellungswelten deutlich. Wenn Schottland als „hotbed of genius“ (so der Romancier Tobias Smollett) bezeichnet wird, dann ist damit die Schottische Aufklärung im 18. Jahrhundert gemeint, die sich mit Namen verbindet wie David Hume, Adam Smith, James Watt oder Charles Darwin. Mit Blick auf das Lebenswerk von Patrick Geddes und die von ihm gegründeten Institutionen und entwickelten Theorien ist man jedoch geneigt, ihn durchaus als einen späten Vertreter dieser Aufklärung anzusehen. Seine Verdienste für die Stadtplanung, gerade mit Blick auf die ökologische – und soziale – Akzentuierung, sind zweifelsohne von anhaltendem Wert bis weit in die Zukunft.
Genealogie des planerischen Selbstverständnisses Der Beginn einer eigenständigen, von der Architektur sich lösenden StadtplanungsDisziplin wird üblicherweise um die Mitte des 19. Jahrhunderts datiert. Die industrielle Revolution hatte Wirkungen von solch ungeheurem Ausmaß entfaltet, dass die früheren Vorgehensweisen, Städte zu planen, nicht mehr ausreichten. Das enorme Stadtwachstum führte dazu, dass viele Dinge über das bloße Errichten von Gebäuden hinaus zu bedenken waren: Versorgung der Stadtbevölkerung mit sauberem Wasser sowie nach dessen Gebrauch die Reinigung von Abwässern, Schaffung von leistungsfähigen Verkehrssystemen, Schutz vor diversen Gefahren wie beispielsweise Bränden, Seuchen etc. Über die Jahre und Jahrzehnte hinweg haben sich dann diese Aufgaben gewandelt. Manche Probleme wie etwa die Abwasserbeseitigung bekam man durch konsequentes Handeln alsbald in Griff, andere und vorher kaum zu erahnende Probleme wie die des explosionsartig zunehmenden Autoverkehrs kamen neu hinzu. Stadtplaner, die nun mehr und mehr diese neue Disziplin zu prägen begannen, versuchten dieser Probleme Herr zu werden. So bildeten sich allmählich Vorstellungen und Strategien heraus, wie mit diesen Herausforderungen umzugehen sei. Doch angesichts von sich dynamisch weiterentwickelnden Städten und Ortschaften konnte es nicht ausbleiben, dass sich diese Vorstellungen und Strategien selbst gleichfalls ständig veränderten. Seit es die Stadtplanung als eigenständige Disziplin gibt, hat sich das planerische Selbstverständnis mehrfach gewandelt. Im Wesentlichen sind es drei Faktoren gewesen, die diesen Wandel herbeigeführt haben: • • •
die sozio-ökonomischen und technologischen Rahmenbedingungen, Veränderungen im Staatsverständnis und konkrete, der jeweiligen Zeit entsprechende dominierende Aufgaben.
Abbildung 1.11 zeigt – in Anlehnung und Ergänzung eines Schemas des in Deutschland wohl prominentesten Stadtplanungstheoretikers Gerd Albers – diese
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Veränderungen im planerischen Selbstverständnis [Albers 1996; Internet disp.ethz.ch/disp]. In der Übersicht lässt sich erkennen, was für dieses planerische Selbstverständnis charakteristisch ist, welche Bezüge zu städtebaulichen Leitbildern, also Vorstellungen über leitende Prinzipien oder Paradigmen einer wünschenswerten städtebaulichen Entwicklung, es gegeben hat, sowie darüber hinaus, welche Informations- und Wissensbasis diesem planerischen Selbstverständnis entspricht.
Abb. 1.11: Planerisches Selbstverständnis im Wandel der Zeit (nach Albers; mit eigenen Ergänzungen) Stadtplanung heutzutage, im Kontext der Wissensgesellschaft, entwickelt sich mehr und mehr zu einer Organisationsaufgabe für die komplexen Prozesse, die Struktur und Gestalt einer Stadt verändern – worauf derselbe Gerd Albers bereits im Jahre 1970 in einer symbiotischen Betrachtung von „Prozess, Struktur und Gestalt“ hinwies, und worauf auch jüngeren Datums Julian Wékel mit seiner Aussage zielte, dass künftig „Planungskultur im Wesentlichen Verfahrenskultur“ sei [Albers 1970: 182ff; Wékel 2002]. Städtebauliche Leitbilder – woher immer diese auch kommen mögen – erscheinen dann lediglich in einem in diese Prozessabläufe eingebundenen Zusammenhang. Und die erforderliche Informationsbasis – in erheblicher Erweiterung der früheren Entwicklungsplanung mit ihren eher sequentiell ablaufenden Transformationen von Information – zeichnet sich nun dadurch aus, dass eine große Komplexität von Daten einschließlich ihrer dynamischen Fortschreibung zu organisieren ist. Diese Auffassung steht, wie schon erläutert, in direktem Bezug und im Einklang mit den Rahmenbedingungen der Wissensgesellschaft.
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Eine völlig andere Wendung könnte das stadtplanerische Selbstverständnis allerdings künftig nehmen, wenn es in den Kontext von Kreativität und Vitalität von Städten eingebettet wird, wie es beispielsweise Charles Landry in seinem vielbeachteten Buch „The Creative City – A Tollkit for Urban Innovators“ getan hat [Landry 2000]. Diskussionen im angelsächsischen Sprachraum lassen die Überlegung plausibel erscheinen, dass sich die Rolle und das Selbstverständnis von Stadtplanern mehr und mehr von der traditionellen Auffassung, sich im Wesentlichen mit der räumlichen Fixierung von Flächennutzungen und der Steuerung von städtebaulichen Entwicklungsprozessen zu befassen, entfernen wird zugunsten einer Auffassung von Stadtplanung als „meta urban discipline“ in folgender Ausgestaltung: „Gaining insights through crossovers“, also das synergetische Zusammenwirken verschiedener Disziplinen – „an economist might head up social affairs, and an historian physical planning; a social development specialist cultural affairs“ [Landry 2000: 247 und 249] – würde den komplexen Geschehnissen künftiger Stadtplanung gerecht und dem stadtplanerischen Selbstverständnis schließlich eine der Wissensgesellschaft angemessene Akzentuierung verleihen [Landry 2000: 247ff].
Planertypen und Planungstheoretiker Wenn wir uns mit dem Wandel des Selbstverständnisses von Stadt- und Raumplanern beschäftigen, taucht unweigerlich die Frage auf, mit welchem Planertypus wir es eigentlich zu tun haben. Über diese Frage ist natürlich schon viel nachgedacht worden. So etwa im Zusammenhang mit Alexander Mitscherlich’s „Unwirtlichkeit der Städte“ oder Hans Paul Bahrdt’s „Humanem Städtebau“. Aber auch aus der Diskussion über städtebauliche Utopien und David Riesman’s bekannte soziologische Unterscheidung in außengeleitete, innengeleitete und traditionsgeleitete Menschentypen lassen sich enge Bezüge zu Planertypen herleiten. Erstaunlich ist die Tatsache, dass bei Planern ein konservativer Habitus durchaus weit verbreitet ist, was deshalb erstaunt und stutzig macht, da Planung doch eigentlich permanent mit gesellschaftskritischer Reflexion und Herausforderungen für die Verhältnisse der jeweiligen Gegenwart verbunden ist. Gerd Albers unterscheidet zunächst ganz grob und pragmatisch zwei Typen: den Generalisten und den Spezialisten, wobei der praktizierende Stadtplaner am besten in beiderlei Hinsicht Kompetenzen aufweisen sollte [Albers 1997: 268ff]. Diese Unterscheidung ist sehr grob, weshalb nach einer differenzierteren Sichtweise Ausschau zu halten ist. Eine gewisse Direktive im Hinblick darauf, wie in Deutschland das konkrete Berufsbild des Stadtplaners definiert ist und welcher Personenkreis dazuzurechnen ist, liefern die berufsrechtlichen Regelungen. Die Berufsbezeichnung ’Stadtplaner’ ist ebenso wie ’Architekt’ gesetzlich geschützt, d.h. ob sich jemand Stadtplaner nennen kann, hängt in der Regel von dem erworbenen Hochschulabschluss ab sowie davon, ob er in die Stadtplanerliste der Architektenkammer des jeweiligen Bundeslandes aufgenommen worden ist. Aller-
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dings sind solche abgrenzenden Regelungen nicht unumstritten. Laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts können sich auch andere Berufsgruppen, die mit Stadtplanung zu tun haben, in die Liste eintragen lassen. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass Wirtschaftswissenschaftler, Soziologen, Tiefbauingenieure, Geographen oder auch Juristen (...) zur Stadtplanung ebenso viel beitragen können wie Architekten [Urteil BVerfG v. 17.04.2000; BvR 1538/98]. Der Personenkreis derer, die sich als Stadtplaner bezeichnen dürfen, ist also auch über das Berufsrecht breit gestreut. Wir wollen nun der Frage nachgehen, wie sich dieser Personenkreis noch genauer charakterisieren und weiter differenzieren ließe.
Abb. 1.12: Typologisierung der Planer (nach Udy 1991) In Anlehnung an John M. Udy [1991/1994] stellt Abbildung 1.12 eine differenzierte Typologie von Planern dar. Die Übersicht folgt einem bipolaren Ordnungsschema, in dem Planerinnen bzw. Planer (die Beschränkung auf das grammatikalische Masculinum möge im Weiteren erlaubt sein) zwischen einem rationalen und emotionalen Habitus sowie einem klassischen und romantischen Habitus eingeordnet werden können. Wir haben es zunächst mit vier Typen zu tun: • • • •
dem Administrator bzw. Verwalter dem Synthetiker dem Systematiker dem Reformer
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Im Falle des Administrators bzw. Verwalters gibt es wiederum vier typologische Ausprägungen: den Planungsjuristen als sehr klassisch-rationalen Typus, den Bürokraten, den privaten Planungsunternehmer und den pragmatisch handelnden Stadt- bzw. Ortsplaner. In der Regel handelt es sich hierbei um diejenigen, die mit der realen Umsetzung von Planungsprojekten befasst sind oder deren Ausführung kontrollieren. Im Falle des Systematikers können der klassische Theoretiker, der klassische Empiriker, der Beobachter bzw. Analytiker und der durchaus auch mit emotionalem Habitus ausgestattete Entwerfer unterschieden werden. Dieser Planertypus hat starke Affinitäten zur Lösung von eher abgegrenzten Aufgaben. Der Synthetiker ist der Gegentyp des Systematikers. Während der Systematiker eher darauf bedacht ist, zu differenzieren und zu segmentieren, bemüht sich der Synthetiker um die Zusammenführung komplizierter Sachverhalte. So gibt es den logischen Funktionalisten, den transdisziplinären Wissensvermittler, den auf ganzheitliche Betrachtung bedachten philosophischen Synthetiker sowie den humanistischen Strategen. Dieser Planertypus befasst sich mit der Zusammenführung und Handhabung von Komplexität; er dürfte dem Paradigma der Wissensgesellschaft am nächsten kommen. Der Reformer schließlich ist der Gegentyp des Administrators bzw. Verwalters. Unterscheiden lassen sich hier folgende Subtypen: der eher rational agierende Advokat (im Sinne des angelsächsischen ‘advocacy planner‘s‘, der als Anwalt für Planungsbetroffene tätig ist), der emotionale Aktivist, der romantische Visionär sowie der ebenso emotional wie romantisch sich zeigende Anarchist (von der Art eines Patrick Geddes etwa, folgt man einer Charakterisierung des britischen Urbanisten Peter Hall [Hall 1988: 137]). Dieser Planertypus betreibt Planung als Gesellschaftspolitik, sei es nun innerhalb oder außerhalb von etablierten Institutionen. Eine Zusammenstellung von Planungstheoretikern des 20. Jahrhunderts im englischsprachigen Raum, die die vorgenannten Planertypen prototypisch repräsentieren, findet sich mit kurzen Erläuterungen zu ihren wichtigsten Arbeitsbereichen auch im Internet [Internet dmoz.org/Science]. In jüngerer Zeit findet sich bei der Typisierung von Planern noch eine weitere Unterscheidung in: • • •
Planer als Manager Planer als Moderator Planer als Mediator
Der Begriff vom Planer als Manager hat seinen Ursprung in der Tatsache, dass Planer in der Umgebung von Dienstleistungsunternehmen – private Büros, Baugesellschaften oder Stadtverwaltungen – tätig sind und ihr ’Produkt’ vermarkten und entsprechend managen müssen. Hinzu kommt, dass Planer häufig Manageraufgaben übernehmen. Die Rolle eines Projektmanagers z.B. bietet Planern zunehmend die Möglichkeit, nicht nur fachlich sondern auch organisatorisch auf die Qualität der Planung Einfluss zu nehmen. Als Moderator tritt der Planer weniger als selbst Schaffender, kreativ Tätiger in
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Erscheinung, vielmehr moderiert er zwischen den Akteuren eines Planungsprozesses. Er verfügt zwar über planerisches Wissen, indes stehen das Zuhörenkönnen und die Fähigkeit zum vermittelnden Abwägen bei seiner Aufgabe im Vordergrund. Das Einbringen seiner fachlichen Position birgt für den Planer als Moderator auch Konfliktpotential mit seiner Rolle, da die allgemeine Akzeptanz seiner Person auf neutralem Verhalten seinerseits beruht. Bei der Rolle des Mediators tritt im Unterschied zum Moderator das planerische Fachwissen gänzlich in den Hintergrund. Gefragt ist vielmehr Wissen im Zuge der Leitung gruppendynamischer Prozesse, wobei es Aufgabe des Mediators ist, die gemeinsamen Interessen der Beteiligten aufzuspüren und zusammenzuführen, sich dagegen mit eigenen Ideen und Vorstellungen zurückzuhalten. Die genannten Typen von Stadtplanern werden künftig eine enorme Herausforderung erfahren, die in einem direkten Zusammenhang mit den sich verändernden Rahmenbedingungen der Wissensgesellschaft stehen. Die Wissensgesellschaft manifestiert sich, wie zu Beginn des Kapitels gezeigt wurde, in der Teilhabe an Wissen. Diese Teilhabe an Wissen wird realisiert über Netze und Vernetzungen sozialer Akteure und technischer Systeme, die miteinander in Wechselwirkung stehen. Charakteristisch ist dabei das Prinzip des ‘Bottomup‘, also die Gewinnung von Informationen und Fortentwicklung von Erkenntnissen durch die Gesamtheit aller Akteure, die jeweils ihren individuellen Beitrag zu der Mehrung von Wissen beisteuern. Dieser Prozess, der als ‘Crowdsourcing‘ bezeichnet wird, steht im Gegensatz zum bisher in der Stadt- und Raumplanung üblichen ‘Top-down‘-Prinzip, das letztendlich Ausdruck einer institutionellen Hierarchie ist und mit technokratischer Wissensmonopolisierung der Planerzunft einhergeht. Diese Form des Umgangs mit Planungswissen dürfte zunehmend in Frage gestellt werden und damit für das Berufsbild von Stadt- und Raumplanern neue Herausforderungen mit sich bringen. Die künftige Rolle von Stadt- und Raumplanern wird sich auf andere Handlungsfelder verlagern und zu einer veränderten Typologie führen. Stadt- und Raumplaner werden in folgenden Funktionen in Erscheinung treten: • •
•
• •
als Sachverständige für die Handlungsdomäne der Raum- und Stadtplanung ganz generell; als ‘Anwälte‘ für raum- und stadtplanungsbezogene Informationen im Sinne von Funktionsträgern, welche die Adäquatheit und Richtigkeit von raumrelevanten Informationen zu bestimmten Sachverhalten quasi ‘autorisieren‘; als Akteure in sozialen Netzwerken (‘social networks‘ im Web 2.0) zur Strukturierung von städtebaulichen und raumbezogenen Themen beispielsweise in Weblogs; als Impulsgeber bei der Konzeption und dem Entwurf von Plänen und Planalternativen in internetgerechter Aufbereitung sowie als fachlich versierte Personen für die Handhabung der Komplexität urbaner Systeme und Prozesse durch Zurverfügungstellung der entsprechenden ‘Tools‘ und Applikationen in Internetauftritten.
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Wie diese Funktionen inhaltlich ausgefüllt werden, wird in den nachfolgenden Kapiteln an verschiedenen Stellen noch näher auszuführen sein.
Planungsakteure und Planungsbetroffene Zentrale Instanz jeder städtebaulichen Planung ist der Mensch, sind Personen, die auf das komplexe System von Stadt und Raum Einfluss nehmen oder von solchen Einflussnahmen betroffen sind. Bereits in der Einleitung wurde Stadtplanung als eine Handlungsdomäne bezeichnet, in der Aktivitäten von Menschen das Ziel haben, alle Arten von Geschehnissen einer Stadt – bzw. eines Siedlungsraums mit den dazu komplementären Freiraumstrukturen – zu beeinflussen. Diese Menschen werden als Akteure der Stadtplanung bezeichnet [Ahrens/Zierold 1986: 98ff]. Sind diese Akteure in Institutionen tätig, werden die betreffenden Institutionen häufig selbst als Akteure bezeichnet: Politik und Verwaltung, private Akteure wie ökonomisch motivierte Interessenverbände, Unternehmer oder Investoren sowie darüber hinaus etwa die institutionalisierte Bürgerschaft [Ahrens/Zierold 1986: 11, 66]. Die institutionellen Grundlagen der Stadtplanung stellen ein weit verzweigtes System von Handlungsdomänen, Organisationseinheiten und rechtlichen Aspekten dar, die später noch ausführlich behandelt werden (Kap. 3). Eine wichtige Unterscheidung ist zwischen den – meist aktiven und interessengeleiteten – Planungsakteuren und den Planungsbetroffenen zu treffen [vgl. auch Offe 1972 oder Reuter 1989: 140f]. Häufig wird in diesem Zusammenhang auch der Gegensatz zwischen ’Planungsinteressenten’ und ’Beplanten’ bzw. ’Betroffenen’ formuliert: Während Planungsinteressenten ein klar definiertes, meist ökonomisch motiviertes Interesse an bestimmten Planungsvorhaben haben, sind Planungsbetroffene eher mittelbar und nicht direkt ökonomisch von den Planungsvorhaben in ihrer Lebensumwelt tangiert. [Ahrens/Zierold 1986: 98]. Nicht alle Planungsbetroffenen können der ökonomischen Machtausübung etwas Ebenbürtiges entgegensetzen. In vielen Fällen muss deshalb – schon aus einem Gebot der Gerechtigkeit heraus – den Planungsbetroffenen die Möglichkeit gegeben werden, sich zu artikulieren und sich in den Prozess der Planung einzubringen – und letztendlich selbst als interessengeleitete Akteure zu partizipieren (vgl. dazu auch die planungstheoretischen Ausführungen im folgenden Kap. 2, insbesondere zur „Planungsethik“). In diesem Zusammenhang ist für Planungsbetroffene vor allem die Durchschaubarkeit von Machtstrukturen sehr wesentlich. Robert Dahl nennt in seinem Aufsatz „The Concept of Power“ fünf Größen, die zur Erkennung von Machtstrukturen eines bestimmten Machtträgers herangezogen werden können [Dahl 1957]: •
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Machtbasis: Ressourcen, auf die jemand zurückgreifen kann, um eines anderen Verhalten zu beeinflussen (Geld, Weisungsbefugnisse, Überzeugungskraft, Informationsapparat etc.); Machtmittel: Instrumente, deren sich der Machtträger im Bedarfsfall tatsächlich bedient (Ressourcenentzug, Belohnung etc.);
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Machtbereich: Menge der Reaktionen des Machtsubjekts, die der Machtträger mit Hilfe seiner Mittel in seinem Sinne beeinflussen kann; Menge der Machtsubjekte: Zahl derjenigen, über die Macht ausgeübt werden kann; Machtfülle: die durch den Einsatz eines Machtmittels bewirkte Veränderung, so dass ein Machtsubjekt die von einem Machtträger beabsichtigte Aktion ausführt.
Eine weitere wichtige Unterscheidung ist zudem zwischen etablierten Akteuren einerseits sowie subkulturellen Akteuren anderseits zu treffen. Die wesentlichen Merkmale für Subkulturen sind abweichende Normen, Selbstorganisation der Bedürfnisse, Gegenöffentlichkeit (eigene Publikationsorgane oder einschlägige Internet-Foren), Gegenmilieus, Gegenökonomie und Gegeninstitutionen, wobei zu beachten ist, dass es neben progressiven Subkulturen mit gesellschaftsreformerischen Motiven auch regressive Subkulturen gibt, die sich an vergangenen Werten und Normen orientieren [zur Unterscheidung vgl. Schwendter 1971/1993 oder auch Sauberzweig 1986 sowie im Internet www.uni-wuerzburg.de/sopaed1/koch]. Während etablierte Akteure und Planungsbetroffene aus traditionellen Milieus – auch bei ’internen’ Meinungsunterschieden – eher systemkonform in Erscheinung treten, lassen sich subkulturelle Akteure mit ihren Affinitäten zu Nonkonformismus und Desintegration nicht in die üblichen Handlungsmuster der Akteursbeteiligung pressen. Nicht selten findet auch ein ’Kampf der Kulturen’ zwischen etablierten und subkulturellen Akteuren statt ebenso wie zwischen subkulturellen Gruppen untereinander, was nicht nur kultursoziologisches Interesse verdient [vgl. z.B. Schulze 1992], sondern auch für die Stadtplanung eine ständige Herausforderung bedeutet, wandelnden Auffassungen und kulturellen Haltungen gerecht zu werden. Die immer wieder zu beobachtende Tendenz, subkulturelle Akteure nach Möglichkeit zu ignorieren oder gar zu unterdrücken, um vorgeblich ’Sand im Getriebe einer reibungslosen Planung’ zu vermeiden, hat nicht nur wenig Aussicht auf Erfolg, sondern ignoriert auch das – im Falle progressiver Motivationen – enorme Potential dieser kreativen Milieus. Beispiel Amsterdam: Was in den 1960er Jahren als „Provo“- und „Kraker“-Bewegung [vgl. Internet www.graswurzel.net] begann und erhebliche Repressionen seitens des etablierten Milieus hervorrief, wird heute als gewaltiges Potential für das Image der Stadt empfunden, aus dem gar die Leitvorstellung einer „Creative cultural knowledge city“ kreiert wird, die folgende typische Merkmale aufweist: Toleranz, Multikulturalität und eine große Vielfalt talentierter Menschen [Musterd 2002; vgl. Aufsatz auf beiliegender DVD]. Zweifellos wird in dieser Leitvorstellung das kulturelle Milieu der Wissensgesellschaft zum Ausdruck gebracht. Naheliegenderweise bietet das Internet eine bevorzugte Plattform für subkulturelle Milieus, sogenannte ‘Netzkulturen‘, die sich – in ihrer progressiven Form – um ethische Prinzipien der Wissens- und Informationsgesellschaft bemühen. Auch Gruppen, die sich mit Stadt- und Raumplanung im weitesten Sinne befassen – deutlich etwa im Bereich der Ökologie, der Realisierung einer gerechten Ökonomie im weltweiten Maßstab, der Forderung nach freier Informationszugänglichkeit oder Aktivitäten gegen eine ’Big-brother’-Mentalität im öffentlichen Raum und im Internet
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– sind darunter zu finden [zu Netzkulturen vgl. etwa Internet www.uni-stuttgart.de/ soz/soziologie/sdi/netzkultur/alles.html].
Planungsskepsis und Planungskritik Zur Komplettierung der begrifflichen und systematischen Darlegungen zum Thema Planung und Stadtplanung gehören notwendigerweise auch Hinweise darauf, dass diesem Metier auch Skepsis und Kritik entgegengebracht wird, die bis zu ganz prinzipiellen Einwänden reichen. Vorgetragen werden Planungsskepsis und Planungskritik aus verschiedenen Motiven. Einzelne Personen oder Interessengruppen sehen in Planung bzw. Stadtplanung ganz grundsätzlich eine Einschränkung in der Entfaltung ihres Handelns und wenden sich vehement gegen oktroyierende Institutionen und Instanzen: „Politics“, so formulierte es im Jahre 1936 der amerikanische Politik- und Kommunikationswissenschaftler Harold D. Lasswell, „is who gets what, when, where, and how“ [Lasswell 1936]. Und so kann auch räumliche Planung bzw. Stadtplanung durchaus als eine rationale Strategie zur ’Domestizierung’ von Machtausübung im Umgang mit Raum- und Flächenressourcen verstanden werden (vgl. auch Kap. 2 zum Thema „Planungsethik“) – eine Auffassung von Planung, die nicht überall auf Gefallen stößt. Im Raum steht dabei auch stets der Vorwurf von Planwirtschaft sozialistischer Provenienz. Im Wesentlichen werden Argumente der Skepsis, Kritik oder Ablehnung gegenüber Planung von Ökonomen der sogenannten neoklassischen Schule hervorgebracht, die sich auf die klassischen Ökonomen Adam Smith, David Ricardo und John Stuart Mill beziehen und Planung ganz allgemein – nicht nur Planwirtschaft – als verzichtbar, wenn nicht gar schädlich für das Funktionieren von Wirtschaft und Gesellschaft erachten. Statt dessen wird eine Strategie empfohlen, bei der das freie Spiel der Marktkräfte die entscheidende Rolle zu spielen hat. Als wichtiges und im Prinzip unwiderlegbares, weil auf die Zukunft bezogenes Argument dient die Erkenntnis, dass jede Planung Nebenwirkungen auslöst, woraus manche die Schlussfolgerung ziehen, am besten überhaupt nicht erst in das Irrtums- bzw. FehlschlussDilemma der Planung zu geraten. Roger Scruton, Autor des Buches „The Uses of Pessimism – And the Danger of False Hope“, bezeichnet dies als „planning fallacy“ und schreibt: „In all its forms planning has a dangerous tendency to ignore the way in which, by the law of unintended consequences, the solution to one problem may be the start of another“ [Scruton 2010: 117]. Andere wiederum, so etwa der Zivilisationskritiker Rolf Peter Sieferle, zweifeln am Erfolg der Idee und des Programms, Geschichte gezielt und vernünftig gestalten zu können, da doch „die Unsicherheit der Zukunft in dem Maße gewachsen ist, wie man Erfolg in dem Bestreben hatte, die Natur (und die Gesellschaft) zu beherrschen“; es stehe sogar das im 18. Jahrhundert formulierte ’Projekt der Moderne’ in Frage, das programmatisch mit dem Prozess der Industrialisierung verbunden war [vgl. Sieferle in einer Buchbesprechung in DIE ZEIT v. 26.02.2004]. Und eine dritte Gruppe von Skeptikern schließlich hegt Zweifel allein an der
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theoretischen Möglichkeit, Planungsentscheidungen stets rational herbeiführen zu können. Basis ist das sogenannte ’Unmöglichkeitstheorem’ des Wirtschaftsnobelpreisträgers (1972) Kenneth Arrow, das besagt, „dass es kein gesellschaftliches Entscheidungsverfahren gibt, welches in sich widerspruchsfrei ist und gleichzeitig demokratischen Anforderungen genügt“ [vgl. Holzinger im Internet www.politik.uniessen.de]. So könne beispielsweise die Präferierung von Planungsalternativen durch Aggregation von Einzelpräferenzen nicht in allen Fällen ohne Widersprüche und paradoxe Resultate gelingen (Theorie der Präferenzaggregation), wodurch grundsätzliche Fragen im Kern von Planungen, nämlich Entscheidungen in einem rationalen Prozess herbeiführen zu wollen, aufgeworfen werden (vgl. hierzu Kap. 4, insbesondere im Abschnitt über „Methoden der Bewertung und Entscheidungsfindung“ die Erläuterungen zum sog. Condorcet-Arrow-Paradoxon). In der räumlichen Planung und in der Stadtplanung ist diese Skepsis und Kritik gegenüber Planung seit den 1980er Jahren auf beachtliche Resonanz gestoßen, so dass diejenigen, die sich um thematisch und räumlich umfassende Planungen für Städte und Regionen bemühten, immer stärker in die Defensive gerieten zugunsten derjenigen, die ihre städtebaulichen Gestaltungsaktivitäten allein auf konkrete Realisierungen von klar definierten und räumlich begrenzten Projekten ausrichteten. Am deutlichsten sichtbar wurde dieser Sinneswandel, der sich sogar in einer Antihaltung gegenüber jeglicher Art von Planung zeigte, in Großbritannien. Im Zuge der sogenannten ‘Thatcher-Revolution‘ wurden – in der Ideologie des Neoliberalismus – auch bewährte, für die Planung zuständige Institutionen und Gebietskörperschaften abgeschafft. Erst viele Jahre später wurden zaghafte Korrekturen an dieser mit selbstgerechter Arroganz ausgeführten Politik vorgenommen (vgl. Kap. 10). Diese auf ideologischem Humus gedeihende Planungsaversion berief und beruft sich allerdings auch auf wissenschaftstheoretische und methodische Argumentationslinien. Solche Einwände laufen im Wesentlichen immer auf die These hinaus, dass die reale Welt viel zu komplex und ständigen Veränderungen unterworfen ist, als dass die Zukunft wirklich adäquat mit einem weitgehend sequentiell und linear ablaufenden Planungsprocedere gestaltet werden könne. Eine noch radikalere, apodiktische Position der Planung gegenüber wird von Vertretern des ’Libertarismus’ eingenommen, die an die ökonomischen Lehren der Österreichischen Schule ebenso anknüpfen wie an die Theorien von Karl Popper (vgl. die begrifflichen Erörterungen zu Beginn dieses Kapitels). Radikale Libertäre wie Murray N. Rothbard, ein Schüler des Ökonoms Ludwig von Mises, argumentieren, dass so gut wie alle gesellschaftlichen Bereiche besser und gerechter organisiert werden, wenn sich der Staat aus ihnen heraushält. Selbst sämtlicher Grund und Boden, sogar Straßen und öffentliche Plätze sollten, so steht es im „Libertären Manifest“, in Privatbesitz sein [Rothbard 1973: 205; Internet: www.mises.org/rothbard; www.mises.de]. Diese radikale Antihaltung der Planung gegenüber gipfelt schließlich in einem – bei genauem Hinsehen möglicherweise recht folgenschweren – Satz, der das gesamte Selbstverständnis der Planung und seine methodischen Fundamente ins Wanken bringt: „All planning can be considered as an attempt to restrict possible futures (...) However, ’future scenarios’ are explicit rejections of other possible
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futures“ [Internet web.inter.nl.net]. Planung als Versuch, Zukunftsmöglichkeiten bzw. -optionen einzuschränken, erregt natürlich Unbehagen – und führt letztendlich zu der Überlegung, wem man denn die Macht zuzubilligen bereit ist, die Offenheit der Zukunft einzuschränken. Ernstzunehmen ist auch Kritik an der Stadtplanung auf Seiten der politischen Linken und autonomen Gruppen, die da lautet, dass Stadtplanung lediglich ein Vollzugsorgan von Kapitalinteressen sei und im Zweifelsfall nicht die wirklichen Bedürfnisse der betroffenen Menschen treffe. Diese Kritik entzündete sich in den 1960er und 1970er Jahren vor allem an damals üblichen städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen, die zum Abbruch ganzer historisch gewachsener Stadtteile und zur Zerstörung sozialer Milieus führten mit der Konsequenz, dass sich massiver Widerstand gegen ein solches Gebaren der Stadtplanung regte. Der Vorwurf gegen eine solchermaßen institutionalisierte Stadtplanung lautete, dass sie entweder machtlos sei, die Interessen des Kapitals in die Schranken zu weisen oder in einer Art vorauseilendem Gehorsam lediglich als Büttel der Kapitalinteressen in Erscheinung trete. Die in jüngerer Zeit erneut zu erkennende Privatisierung der Stadtplanung – wenn auch mit abflauender Tendenz – mag als entlarvendes Indiz für die Richtigkeit dieser These gedeutet werden. Ein in diesem Zusammenhang wichtiges Phänomen ist die Gentrifizierung von Stadtquartieren, ein Phänomen, das häufig Widerstand gegenüber Planungsaktivitäten jeglicher Art hervorruft, insbesondere wenn mit Hilfe von Macht ausgespielte ökonomische Verwertungsinteressen die Antriebskräfte sind [ausführlich Smith 1979 und Smith 1996]. Der Begriff Gentrifizierung bezeichnet einen Prozess, bei dem ‘heruntergekommene‘ oder für den Immobilienmarkt uninteressante innerstädtische Quartiere durch Planungsmaßnahmen ‘aufgewertet‘ und so erst für verschiedene Lebensstile interessant werden [zu bevorzugten Quartieren von Lebensstilgruppen vgl. Spellerberg 2004]. Bereits im Jahre 1964 hat die deutsch-britische Stadtsoziologin Ruth Glass auf dieses Phänomen im Falle London aufmerksam gemacht [Glass 1964; ansatzweise im Falle Middlesbrough bereits Glass 1948]. Stets geht es um das Problem der Verdrängung ökonomisch schwächerer Bevölkerungsteile durch Personengruppen mit höherem Einkommen – was mittlerweile aber doch nicht (mehr) widerstandslos hingenommen wird, wie viele Beispiele zeigen, angefangen beim Hamburger Schanzenviertel oder dem dortigen Gängeviertel über Teile von Berlin Kreuzberg, dem Münchner Glockenbachviertel bis hin zu vielen anderen Gentrifizierungsgegnerschaften sogar im ländlichen Raum. Die Befürchtung, dass wir es schon in wenigen Jahren mit einer „Zusammenballung der Gentrifizierungs-Verlierer am Stadtrand“ [Jonathan Fischer in der Süddeutschen Zeitung v. 30.07.2010] zu tun haben werden, ist berechtigt. Städte, wie z.B. Hamburg, versuchen diesem Veränderungsmechanismus administrativ mit „Umwandlungsverordnungen“ zu begegnen, die das Verhindern von Wohnraumumwandlung und damit das Erhalten der Zusammensetzung der ansässigen Wohnbevölkerung zum Ziel haben (vgl. ergänzend auch Kap. 8). Eine Zusammenstellung zum Für und Wider von Planung bzw. Stadtplanung findet sich in einem häufig zitierten Artikel mit dem Titel „Arguments For and Against Planning“ des amerikanischen Planungstheoretikers Richard E. Klosterman [Klo-
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sterman 1985; Internet urban.nyu.edu], der verschiedene ökonomische und gesellschaftspolitische Argumentationslinien untersucht hat. Planungsskepsis und Planungskritik sind, auch wenn sich das Pendel langsam wieder zurückzubewegen scheint, zum gegenwärtigen Zeitpunkt keineswegs verblasst. Buchtitel in der Art wie „Planung in der Krise?“ [Schönwandt 2002] als Plädoyer für ein Umdenken hinsichtlich der zu verwendenden Planungsmethoden oder „Planning in the Face of Crisis“ [Alterman 2002] zu der besonderen Planungssituation des von Einwanderung stark betroffenen Landes Israel zeigen dies.
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Städtebauliche Planungstheorie
Übersicht In diesem Kapitel werden die wichtigsten Teilbereiche einer städtebaulichen Planungstheorie dargestellt. Zwar mag es dem eher praktisch orientierten Stadtplaner vielleicht als Zumutung erscheinen, wenn er sich neben dem täglichen Geschäft von städtebaulicher Problemerfassung, Konzeptentwicklung und Planumsetzung auch noch mit theoretischen Grundlagen der Stadtplanung beschäftigen soll. Doch schon ein erster Blick auf die vielen sich durchdringenden Prozesse, die durch das Planungsrecht, die Arbeitsorganisation in Planungsinstitutionen oder die wechselseitige Verzahnung von Politik, Verwaltung und bürgerschaftlichen Interessen vorgegeben sind, dürfte auch den bodenständigsten Praktiker davon überzeugen, dass ein Mindestmaß an planungstheoretischen Kenntnissen unerlässlich ist. Durch das Aufkommen der Wissensgesellschaft erhält die Planungstheorie noch eine besondere Akzentuierung. Wissen ist in geradezu prägender Weise von Theoriewissen durchdrungen. So wäre die Implementierung von Prozessen der Planung in Computersysteme beispielsweise ohne vorhergehende theoretische Durchdringung überhaupt nicht denkbar. Auf der anderen Seite sind, was die Wissensgesellschaft mit ihrem umfassenden Einsatz von Informationssystemen anbetrifft, auch theoretische Überlegungen darüber notwendig, welchen Stellenwert man der Verbreitung des (Planungs-)Wissens einzuräumen bereit ist, zum Beispiel bei Öffentlichkeits- bzw. Bürgerbeteiligungsverfahren. Damit stecken wir nicht nur tief in der Diskussion über das Verhältnis von Fachwissen und Politik, sondern sind jetzt gefordert, eine der Wissensgesellschaft adäquate Planungsethik nicht nur theoretisch zu begründen, sondern auch in die Planungspraxis umzusetzen. Die städtebauliche Planungstheorie umfasst also ein weites Spektrum an Einzelthemen. Viele der planungstheoretischen Ansätze sind derart stark mit anderen Themenbereichen dieses Buches verwoben – insbesondere mit dem großen Feld der Planungsmethoden –, dass eine vollständige Darstellung aller Aspekte auch in einem Schwerpunktkapitel, wie dem vorliegenden, nicht möglich ist. So erfolgt nur ein allgemeiner Überblick mit einer Fokussierung auf folgende Teilaspekte:
B. Streich, Stadtplanung in der Wissensgesellschaft, DOI 10.1007/978-3-531-93164-7_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Aufgaben und Zweck von Planungstheorien Planungstheoretische Ansätze Wohlstrukturierte und schlechtstrukturierte Planungsprobleme Informationstheoretische und semiotische Grundlagen der Planung Prozesse der Stadtplanung Modelle wissenschaftlicher Politikberatung in der Stadtplanung Komplexitätshandhabung in der Stadtplanung Theoretische Grundlagen in der Stadtforschung Städtebauliche Leitbildtheorie Planungsethik
Aufgaben und Zweck von Planungstheorien Im Jahre 1933 hat einer der großen Pioniere der Stadtplanung in England und späterer Ersteller des berühmten „Greater London Regional Plan“ (1953), Patrick Abercrombie, vor dem Hintergrund eines ziellosen und ausufernden Stadtwachstums vor allem von London mit seinem Buch „A Theory of Civic Planning“ ein Plädoyer für eine umfassende Planungstheorie verfasst. Noch heute sind seine Analysen zum Problem des „continued and aimless growth of London“ eindrucksvoll zu lesen [Abercrombie 1933: 113], zumal wir bis heute das Problem des Flächenwachstums von Städten – auch bei stagnierenden Bevölkerungszahlen und einer verlangsamten Wirtschaftsentwicklung – immer noch nicht in den Griff bekommen haben. Planungstheorien, die als Erklärungsansätze für sich vollziehende Prozesse und Möglichkeiten der planerischen Einflussnahme herhalten können, sind heute so dringend wie damals. Eine geschlossene städtebauliche Planungstheorie allerdings, die als Grundlage für planerisches Handeln verwendbar wäre, gibt es nicht. Es kann sie auch nicht geben, weil es kaum möglich sein wird, alle Elemente einer Planung derart systematisch in einer Theorie zusammenzufassen, dass – so wie eine künftige Sonnenfinsternis aus den theoretischen Grundlagen der Astrophysik voraussagbar ist – alle, auch in die Zukunft reichenden Phänomene und Prozesse darin abgebildet werden könnten. Der Grund hierfür: Jede (räumliche) Planung ist implizit oder explizit bestimmten Normen oder Werthaltungen unterworfen und die Situation bzw. der Gegenstand, auf die/den sich die Planung bezieht, ist jedesmal anders gelagert. Damit soll keineswegs gesagt werden, städtebauliche Planung sei derart situationsbedingt und von subjektiven Vorstellungen der handelnden Menschen abhängig, dass Planungstheorien, in denen Verallgemeinerungen vorgenommen werden, von vornherein als eine fragliche Angelegenheit erscheinen. Vielmehr abstrahiert die Planungstheorie vom Inhalt der Planung, da Inhalte stets normativ geprägt sind – durch politische Entscheidungen – und mit wissenschaftlichen Methoden lediglich auf ihre Begründetheit, Widersprüche und Folgen geprüft werden können [Fürst in: ARL 1995: 708].
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Städtebauliche Planungstheorien, soweit ihnen also eine Aufgabe zugebilligt wird, machen sich in vierfacher Weise nützlich. Sie können: • • • •
Prozesse klären und erklären, Ursachen von Erscheinungsformen analysieren, Zusammenhänge aufzeigen und Konsequenzen von Maßnahmen prognostizieren.
Gegenstand von Planungstheorien sind [Fürst in: ARL 1995: 708f; Wolf 1998: 40; Altrock et al. 2004]: •
• • •
•
Planungssysteme, die in ihren verschiedenen Ausprägungen durch unterschiedliche gesellschaftspolitische oder institutionelle Rahmenbedingungen zu analysieren und zu gestalten sind; Planungsprozesse, bei denen vor allem Planungsabläufe entlang einer Zeitschiene von Interesse sind; Organisation der Planung einschließlich Planungsvollzug, was insbesondere die Verfahrensregeln und institutionellen Strukturen der Planung betrifft; Planungsmethoden, bei denen es um die Mittel zur Bearbeitung von Planungsaufgaben geht, darunter nicht zuletzt die immer stärker in den Vordergrund rückenden technischen Mittel des Computereinsatzes; Planungslegitimation und Planungsethik als ein sehr wesentliches und angesichts der aktuellen Diskussionen um Nachhaltigkeit, Wissensgesellschaft und globalisierte Machtstrukturen an Bedeutung gewinnendes Bezugsfeld, um individuelles und gesellschaftliches Planungshandeln zu begründen.
Gerd Albers, Nestor des planungstheoretischen Denkens in Deutschland, weist unterdessen darauf hin, dass einer rein prozessualen Theorie der räumlichen Planung im Grunde genommen der Raumbezug fehle. So kann, wie er es formuliert, eine Theorie der Stadt- bzw. Raumplanung „kaum mehr sein als systematisierte Empirie“, deren Ergebnisse auf drei verschiedenen Feldern liegen dürften [Albers 2000: 33], nämlich: • •
•
dem der typologischen Ordnung von Planungsproblemen unterschiedlichen Charakters und Maßstabs; dem der sinnvoll erscheinenden Kompositionsregeln für räumliche Elemente auf verschiedenen Maßstabsebenen vom Nutzungsgefüge bis zur dreidimensionalen Raumgestalt, wobei unter bestimmten Voraussetzungen solche Regeln zu modellhaften Leitvorstellungen führen mögen, die jedoch stets im Wandel der sozioökonomischen Wirklichkeit zu überprüfen sind; dem der möglichen Strategien solcher räumlichen Kompositionen in die Wirklichkeit.
In ähnlicher Weise hat auch Dieter Frick die Notwendigkeit einer „Theorie des Städtebaus“ in Form von drei Hypothesen begründet [Frick 2006: 28]: Erstens sei
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eine Theorie des Städtebaus die Voraussetzung dafür, „um die baulich-räumlichen Ressourcen (...) und die Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung baulich-räumlicher Organisation (...) von vornherein und möglichst im vollen Umfang im Planungsprozess zu berücksichtigen“. Zweitens liege einer solchen Theorie die Auffassung zu Grunde, dass sie „die Wechselbeziehungen zwischen den unterschiedlichen Teildisziplinen der Stadt- und Raumplanung verstärken wird und damit zugleich die Chance eröffnet, sozial- und naturwissenschaftliches Denken enger an die Handlungsebene heran zu führen“, und zwar „indem sie die ingenieurmäßige und künstlerische (architektonische) Erfahrungsweise um ein eigenes analytisches und normatives Denkkonzept erweitert“. Und drittens können mit einer Theorie des Städtebaus „die möglichen Ergebnisse von Stadt- und Raumplanung vom Grundsatz her verbessert werden, weil die Auseinandersetzung zwischen den unterschiedlichen Theorie- und Untersuchungsansätzen (möglichst) schon zu Beginn in den Denkund Handlungsprozess einfließen kann“.
Planungstheoretische Ansätze Wenn Stadtplanung die Aufgabe hat, dem in die Zukunft gerichteten Handeln für eine Stadt eine bewusste, rational sich legitimierende Orientierung zu verleihen [Ellwein 1968: 14], stellt sich die Frage, wie diese Rationalität hergestellt werden kann. Hierzu sind vier planungstheoretische Ansätze entwickelt worden [Meise/Volwahsen 1980: 3f; Kaiser/Godschalk/Chapin 1995: 37ff; Ahrens/Zierold 1986: 55ff; Internet ww3.sympatico.ca/david_macleod]: • • • •
ein entscheidungslogischer Ansatz, ein inkremental-pragmatischer Ansatz, ein systemtheoretischer Ansatz und ein politökonomischer Ansatz.
Beim entscheidungslogischen Ansatz geht es darum, durch Vorgabe formaler Regeln Handlungsrationalität zu erreichen, d.h. mit Hilfe von vorgegebenen Zielen, Mitteln und Randbedingungen einen optimalen Zustand herzustellen, der als Lösung des Planungsproblems in Frage kommt. Planung wird damit als Steuerungskette eines sequentiellen Ablaufs von Einzelentscheidungen verstanden, wobei stets eine klare und eindeutige Struktur des Planungsproblems unterstellt wird. Basis des entscheidungslogischen Ansatzes ist die ’Rational Choice Theory’ (RC; vgl. Abb. 2.1) mit folgenden drei Schritten im Prozess der Auswahl von sich stellenden Handlungsalternativen [vgl. auch entsprechende Internetlinks zu Kap. 4, darunter J. Groß unter der Adresse www.lrz-muenchen.de]: • •
Phase der Kognition: Ermittlung realisierbarer Handlungsalternativen und der Wahrscheinlichkeit der mit ihnen verknüpften Zielerreichung; Phase der Evaluation: Bewertung der mit den Handlungsalternativen verknüpften Zielvorstellungen;
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Phase der Entscheidung: Entscheidung für diejenige Alternative mit dem höchsten Grad an Zielerfüllung.
Ergebnisse, die beim entscheidungslogischen Modell erzielt werden können, lassen sich durch einen vorgegebenen Rahmen stark beeinflussen. So können etwa unterschiedliche Informationsdarstellungen für eine Entscheidungssituation mal zu dem einen, mal zu einem anderen Ergebnis führen, indem eine bestimmte Thematik durch selektive Betonung und Akzentuierung sowie Attributierung bestimmter Merkmale denjenigen, die entscheiden sollen, auf eine bestimmte Art und Weise vermittelt wird. Die Stadtplanung kennt diese Art der Rahmensetzung durch eine bestimmte Informationsdarstellung zuhauf, weshalb bei Entscheidungssituationen immer kritisch der vordefinierte Rahmen hinterfragt werden sollte. In der Entscheidungstheorie wird dieser Effekt als ‘Framing‘ bezeichnet; er gilt als Anomalie der Entscheidungstheorie [ausführlich vgl. Stocké 2000]. Eine klassische Methode auf der Grundlage des entscheidungslogischen Modells ist die Optimierung, die im Methodenkapitel noch ausführlich erläutert wird. Anknüpfungspunkt beim inkremental-pragmatischen Ansatz ist die Überlegung, dass bei komplexen Planungsproblemen eine entscheidungslogische Vorgehensweise unrealistisch ist bzw. allenfalls unter idealtypischen Bedingungen stattfinden kann [Ahrens/Zierold 1986: 57]. So ist nach dieser Auffassung etwa die Vorgabe von Planungszielen für eine Planung, die im gesamten Planungsverlauf als unumstößliches Fixum beibehalten werden, nicht durchzuhalten. Besser sei es daher, ganz pragmatisch Ziele in Abhängigkeit von verfügbaren Mitteln laufend zu bewerten und notfalls zu verändern. Die Lösungsstrategie für eine Planungsaufgabe ist somit durch ad-hoc-Entscheidungen in kleinen – inkrementellen – Schritten für jeweils überschaubare Einheiten gekennzeichnet. Im Bereich der angelsächsischen Planungsliteratur haben sich für dieses Planungshandeln zwei auch im deutschen Fachjargon verwendete Begriffe herausgebildet: „muddling through“, schon 1915 bei Patrick Geddes zu finden [Geddes 1915/1950: 25], dann aber von Lindblom 1959 in die Planersprache eingeführt, sowie der in ähnlicher Weise verwendete Begriff „disjointed incrementalism“ [Internet faculty.washington.edu/krumme/gloss/ d.html; vgl. außerdem Schönwandt 2002: 43; Kaiser/Godschalk/Chapin 1995: 39; speziell zu Komplexität in Organisationen und bei Entscheidungen vgl. Stacey 2007 sowie Internet www.plexusinstitute.org]. Dieses Planungsprinzip beinhaltet natürlicherweise eine gewisse Tendenz zum Opportunismus, weil zu jedem beliebigen Zeitpunkt der Planung vorher als gültig und sinnvoll erachtete Lösungsvorstellungen über Bord geworfen werden können. Auch werden Erfolgskontrollen in der Endphase von Planungen erschwert. Dieser inkremental-pragmatische Ansatz korrespondiert sehr stark mit den Tendenzen einer Planungsauffassung, die sich nur noch mit ’kleinen’, d.h. räumlich abgegrenzten, in jedem Fall aber rasch realisierbaren Einzelprojekten innerhalb einer Stadt befasst, nicht aber mit der umfassenden Betrachtung einer gesamtstädtischen Entwicklung. Vertreter des pragmatischen Ansatzes sehen deshalb etwa auch in der Formulierung von städtebaulichen Leitbildern eher Schaden als Gewinn für die Planung.
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Ausgangspunkt des systemtheoretischen Ansatzes ist die Anwendung des Instrumentariums der Systemtheorie [Luhmann 1971; Luhmann 1986], das aufgrund seiner Herkunft deutliche Affinitäten zur Nachrichtentheorie und Kybernetik aufweist [Flechtner 1970; Sachsse 1978: 17ff; Vester 1980: 50ff]. In Bezug auf das Thema Planung kann der systemtheoretische Ansatz auch als kybernetisches Modell des Planungsablaufs interpretiert werden [Meise/Volwahsen 1980: 4]. Grundsätzlich wird dabei von einem sich selbst regulierenden System einzelner miteinander verkoppelter Systemkomponenten ausgegangen. Dem Benutzer erlaubt dieser Ansatz, relativ voraussetzungsfrei den Zustand eines Systems mit einer speziellen Konstellation von Werten einzelner Systemvariablen in Form eines wissenschaftlichen Experiments zu ermitteln. Ein solches System kann darüber hinaus auch lernfähig sein, indem die miteinander verknüpften Systemkomponenten in Wechselwirkung mit den jeweiligen Umweltbedingungen treten [Flechtner 1970: 290ff; Vester 1980: 29; Sachsse 1978: 23]. Die klassische Vertreterin einer dem systemtheoretischen Ansatz adäquaten Methode ist die Simulation, zu der sich im Methodenkapitel weiterführende Erläuterungen finden. So leistungsfähig dieses systemtheoretische Modell auch anmutet, so hat es durchaus Kritik hervorgerufen, insbesondere bei Vertretern der „Kritischen Theorie“. In seiner Replik auf die Systemtheorie von Niklas Luhmann weist etwa der Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas darauf hin, dass „eine der Komplexität gesellschaftlicher Systeme angemessene Evolutionstheorie“ mindestens drei Dimensionen aufzuweisen habe [Habermas 1971: 276]: • • •
den wissenschaftlich-technischen Fortschritt (Entfaltung der Produktivkräfte); die Steigerung der Steuerungskapazität gesellschaftlicher Systeme (Erzeugung von Strategien und Organisationen, Erfindung von Steuerungstechniken); die emanzipatorische Veränderung von Institutionensystemen (Erzeugung von Legitimationsforderungen, Innovation von Rechtfertigungen und praktisch folgenreicher Kritik).
Den eigentlichen Stellenwert der Systemtheorie sieht Habermas allein im Bereich der zweiten Dimension, der Systembildung und der Systemsteuerung. Noch umfassender ist der politökonomische Ansatz, bei dem es darum geht, Planung in einen gesellschaftlichen Kontext zu stellen und auch die ökonomischen Kräfte, Macht- und Herrschaftsstrukturen miteinzubeziehen. Nicht eine abstrakte Beschreibung von Systemzusammenhängen steht hier im Vordergrund, sondern die Einbettung der Planung in einen gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklungsprozess. Die planungsmethodischen Instrumente, die dieser Ansatz zu liefern vermag, liegen weniger im Bereich der Herstellung einer optimalen Ziel-Mittel-Kombination, als vielmehr im Korrektiv durch eine ständige kritische Reflexion über Inhalte, Strukturen und Legitimation von Planung. Wesentlich dabei ist der Kommunikationsaspekt, also der Austausch von Argumenten unter den Planungsakteuren. Eine Typologie planungstheoretischer Ansätze, die den konkreten Aufgaben der Planung etwas näher steht, ist Ende der 1980er Jahre von Oren Yiftachel entwickelt
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worden. Ausgangspunkt dieser Typologie sind drei in der Stadt- und Raumplanung immer wieder auftauchende Debattenformen und Fragestellungen [Yiftachel 1989]:
Abb. 2.1: Yiftachel’s Typologie von Planungstheorien
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The Analytical Debate: ’What is Urban Planning?’ The Urban Form Debate: ’What is a Good Urban Plan?’ The Procedural Debate: ’What is a Good Planning Process?’
Abbildung 2.1 zeigt in einer zeitlichen Abfolge, welche methodischen und inhaltlichen Aspekte sich für die Planung aus diesen drei Debattenformen herleiten. Auf eine genauere Erläuterung muss an dieser Stelle verzichtet werden. Allerdings werden die meisten der in der Abbildung zu findenden Begrifflichkeiten an verschiedenen Stellen in diesem Buch detailliert dargelegt; im übrigen sei dazu einschlägige Literatur empfohlen, wie etwa – zum Einstieg in die Planungstheorie – die Übersicht von Philip Allmendinger von der University of Aberdeen [mit Darstellung weiterer planungstheoretischer Ansätze; vgl. Allmendinger 2002; Internet www.sagepub. co.uk]. Eine weitere wichtige Unterscheidung hinsichtlich planungstheoretischer Ansätze, aus der sich auch eine Systematisierung stadtplanerischer Tätigkeitsbereiche herleiten lässt, betrifft die Einteilung in • •
deskriptive (erklärende) Theorien auf der Grundlage empirisch-kausaler Erkenntnisgewinnung sowie normative Theorien auf der Grundlage von Werten, Normen und ethischen Kategorien.
Zu den deskriptiven Theorien der Stadtplanung und des Städtebaus gehören solche, die auf Empirie und objektiven Fakten basieren und in denen die Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung baulich-räumlicher Organisation dargestellt werden – von der Bodeneinteilung im zeitlichen Verlauf über Anforderungen und Bedingungen unterschiedlicher Nutzungen bis hin zu Verkehrserschließungssystemen und Ausprägungen öffentlicher Räume [vgl. Frick 2006]. Auch ökonomische Standorttheorien (vgl. weiter unten in diesem Kapitel) und ein großer Teil der in den Sozialwissenschaften entstandenen raumbezogenen Theorien zählen zu dieser Kategorie der erklärenden, analytischen Theorieansätze [Wolf 1998]. Im Gegensatz dazu stehen die normativen Theorien der Stadtplanung und des Städtebaus, die sich in Leitbildern und Zielvorstellungen manifestieren. Aus ihnen lassen sich bestimmte Handlungsfelder der Stadtplanung, denen eine normative Begründung innewohnt, ableiten, so zum Beispiel Themenbereiche wie Stadterweiterung, Stadterneuerung oder Stadtumbau [Frick 2006]. Zwischen empirisch-faktischen Theorien und normativen Theorien existiert eine Dualität insofern, als deskriptive, erklärend-analytische Theorien gerade in der räumlichen Planung nicht selten in normativer Weise verwendet werden. Das bekannteste Beispiel ist die Theorie des Systems der Zentralen Orte (vgl. weiter hinten in diesem Kapitel), das zunächst als eine Tatsachenbeschreibung der Herausbildung von Bedeutungsüberschüssen kleinerer und größerer Ortschaften gedacht war, später aber verwendet wurde, um daraus eine normative Theorie für die regionale Entwicklung von Räumen zu begründen.
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Die Dualität bzw. Differenz von empirisch-kausal und normativ impliziert allerdings, wie leicht zu erkennen ist, zwei sehr unterschiedliche Modi in Bezug auf die Erfassung der Welt. Der Rechtsphilosoph Bernhard Schlink hat diesen Unterschied vor einiger Zeit argumentativ auf die Spitze getrieben, indem er feststellt, dass die Aneignung von Wissen entweder faktisch, aufgrund von empirisch wahrgenommenen Sachverhalten oder durch die Brille einer normativen Wertung stattfindet. Im ersten Fall werden Tatsachen oder Fakten, die sich als falsch oder unwahr erweisen, im Zuge eines Lernvorganges durch neue Fakten ersetzt. Im zweiten Fall kommt es aber zu einer Verhärtung der normativen Voraussetzungen des Wissens mit dem Effekt, dass neue Tatsachen oder Fakten eher verdrängt werden, als dass man sie als neues Wissen adaptiert. „Normative und empirische Wahrnehmung“, so das Resumé von Schlink, „konkurrieren miteinander und können einander ausschließen“ [Schlink 2004]. Im Umgang mit Fakten und Normen, mit deskriptiven und normativen Theorien der Stadt- und Raumplanung ist also große Umsicht geboten. Insbesondere wird es darum gehen müssen, in Fakten versteckte Normen offenzulegen und eine klare Trennung zwischen Empirie und Kausalität auf der einen Seite sowie Normativität auf der anderen Seite vorzunehmen – zumal, wie Schlink zu bedenken gibt, „der Modus der faktischen, lernbereiten und der Modus der kontrafaktischen, lernunwilligen Erwartungen“ als grundsätzlich verschiedene Erwartungsmodi in der Sicht auf die Welt aufeinanderprallen.
Wohlstrukturierte und schlechtstrukturierte Planungsprobleme In der Stadt- und Raumplanung haben wir es stets mit bestimmten Problemlagen zu tun, die einer planerischen Bewältigung bedürfen. In dem Falle, dass auch die reinen Gestaltungsaufgaben, im landläufigen Sinne nicht unbedingt als problematisch (d.h. als etwas Negatives) empfunden, zu den ’Problemen’ rechnen, könnte man die Stadtplanung als die Fachdomäne bezeichnen, die sich mit der Lösung von Problemen einer Stadt beschäftigt. Dann wäre aber die Frage von Interesse, mit welchen Typen von Problemen die Stadt- und Raumplanung eigentlich zu tun hat. Als generelle Typisierung eignet sich die von dem Planungstheoretiker Horst Rittel eingeführte Unterscheidung in wohlstrukturierte und schlechtstrukturierte Probleme [Rittel 1970; Meise/Volwahsen 1980: 12f; Schönwandt 2002: 32ff]. Ein wohlstrukturiertes Problem ist dadurch gekennzeichnet, dass es mit einem festen Lösungsschema bearbeitbar ist. Für ein solches Lösungsschema lässt sich im Prinzip auch ein Verfahren formulieren – und als Algorithmus programmieren –, das bei gleichartigen Problemen immer wieder verwendet werden kann. Das Problem kann zwar kompliziert (also schwierig) sein, nicht jedoch komplex. Ein schlechtstrukturiertes Problem hingegen ist komplex und entzieht sich der Formulierung etwa durch einen Algorithmus. Probleme der Stadtplanung sind grundsätzlich der Klasse der schlechtstrukturierten Probleme zuzuordnen. Horst Rittel hat dazu die Bezeichnung „bösartige“
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Probleme (kurz: BP; im Angelsächsischen: „wicked problems“) verwendet und dazu die folgenden kennzeichnenden Merkmale zusammengestellt [Rittel 1970]: • • • • • • • • • •
BP lassen sich nicht vollständig und definitiv im Voraus definieren. Für BP gibt es keine Stoppregeln, die ein Kriterium zur Beendigung des Lösungsvorgangs liefern. Lösungen von BP haben keine umfassende Liste zulässiger Operationen. Jedes BP kann als Symptom eines anderen, übergeordneten Problems verstanden werden. Für jedes BP gibt es immer mehr als eine mögliche Erklärung, die von der ’Weltsicht’ des Problemlösers abhängt. Lösungen für BP können nie richtig oder falsch sein, vielmehr nur gut oder schlecht. Für BP gibt es keine durch Konventionen oder Wissenschaft gesicherte objektive Beurteilung. Jedes BP ist einmalig. Folgen der Lösung von BP sind irreversibel. BP-Löser werden verantwortlich gemacht für die Folgen ihrer Ergebnisse.
Die planungstheoretische Diskussion um wohlstrukturierte und schlechtstrukturierte Probleme steht in engem Zusammenhang mit der Entwicklung von computergestützten Verfahren in der Stadt- und Raumplanung. Als in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts versucht wurde, die Potentiale des Computereinsatzes in der Stadtplanung einzuschätzen, existierte durchaus die Vorstellung, städtebauliche Planungsaufgaben könnten ebenso bearbeitet werden wie etwa die Statik eines Gebäudes. Erst nachdem Horst Rittel auf den Unterschied zwischen wohlstrukturierten und schlechtstrukturierten Problemen aufmerksam gemacht hatte, vollzog sich ein Wandel dieser Einschätzung, der das Pendel allerdings recht radikal in die entgegengesetzte Richtung ausschlagen ließ: Seitens der Stadtplanung hielt man die Computertechnik fortan für nahezu vollständig verzichtbar, wenn man sie nicht überhaupt – angesichts der damals üblichen großen Rechenzentren – als ein Instrument demokratisch nicht legitimierter Machtausübung von Kapitalinteressen verdammte. Auch Horst Rittel beteiligte sich zunächst intensiv an dieser Diskussion um eine Relativierung der Potentiale des Computereinsatzes, etwa mit der Bemerkung: „Alles, was man mit der EDV machen kann, kann man auch ohne EDV machen, wenn auch etwas langwieriger“, um dann noch pointierter hinzuzufügen: „Oft ist die Methode der EDV in der Planung die Methode des Vorschlaghammers auf die Reißzwecke“ [Rittel 1973: 134]. (EDV ist das Kürzel für ‘Elektronische Datenverarbeitung‘, damals der Sammelbegriff für computergestütztes Arbeiten jeglicher Art, heute eher antiquiert und wenig präzise charakterisierend angesicht neuer Techniken der digitalen Informationsverarbeitung.) Tatsächlich gab es zu jener Zeit Computerfreaks, wie man heute sagen würde, die durchaus die Vorstellung hatten, sämtliche denkbaren Methoden und Verfahren zu algorithmisieren und in Computersystemen zu implementieren. Davor war auch
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die Stadtplanung nicht gefeit. So blieb es nicht aus, dass auch bei schlechtstrukturierten Planungsproblemen mit aller Macht Methoden angewandt wurden, die für wohlstrukturierte Probleme entwickelt worden waren. Eine Reaktion auf solches Handeln konnte und durfte nicht ausbleiben, und Horst Rittel’s dichotomische Trennung in wohl- und schlechtstrukturierte Probleme erwies sich in dieser manchmal euphorischen Phase des Computereinsatzes als durchaus hilfreich. Nicht so recht voraussehbar waren damals zwei gravierende Entwicklungen im Bereich der Computertechnik, die weitreichende Folgen haben sollten: Zum einen entwickelte sich ein Trend zur Miniaturisierung und Dezentralisierung der Rechnersysteme. Die Auswirkungen waren nicht nur technischer Natur. Die kostengünstige Verfügbarkeit von solchen kleinen, sehr leistungsfähigen und miteinander vernetzbaren Minicomputern hatte einen erheblichen prägenden Anteil an der Entstehung einer speziellen Cyberkultur. Diese als nahezu anarchistisch einzuordnende Nutzergruppe in ihrem subkulturellen Internetmilieu fühlt sich den Idealen einer total demokratischen Nutzung des Internets mit freiem Informationszugang ohne Zugriffsbeschränkungen verpflichtet [vgl. Internet www.eff.org/~barlow]. Heute findet der Trend seine Fortsetzung in mobilen Geräten, von leistungsfähigen Notebooks bzw. Laptops über nur für Internetzugriffe geeignete Netbooks bis hin zu Smartphones als Kleinstcomputer mit Telefoniefunktion. Zum zweiten kam es zu einem erheblichen Entwicklungsschub bei den computergestützten Methoden. Nicht mehr ausschließlich auf dem Paradigma des Algorithmisierens basierend, boten sie nun Lösungen auch für die Probleme Rittel’scher Provenience an: Mit wissensbasierten Systemen beispielsweise konnten jetzt auch schlechtstrukturierte, komplexe Aufgaben in der Stadtplanung bearbeitet werden [vgl.: Kurbel 1989; Pews 2000; Streich 2000]. Horst Rittel selbst war ebenfalls an der Fortentwicklung solcher Computersysteme maßgeblich beteiligt. Etwa mit dem „Issue Based Information System“ (IBIS), einem Konzept, das auf Rittel’s eigenen Erkenntnissen über die Handhabung schlechtstrukturierter Probleme aufbaute. Viele, auch kommerzielle Entwickler von moderner Software – nicht nur in der Stadtplanung – greifen auf das IBIS-Konzept zurück [vgl.: Märker 2000; Internet www. gdss.com/wp/VIMS.html].
Informationstheoretische und semiotische Grundlagen der Planung Die enge Verbindung zwischen Planung und Information ist evident. Bereits im Eingangskapitel wurde dies im Zusammenhang mit einer Definition von Planung, die sich mit der Transformation von Information befasst [Meise/Volwahsen 1980: 14], erörtert. Wenn es also bei der städtebaulichen Planung um die Verarbeitung und Verbreitung von Information geht, stellt sich auch für den planungspraktischen Gebrauch die Frage nach dem Wesen von Information. Allein die Etymologie des Begriffs Information weckt (nicht nur) bei Stadtplanern Interesse: Das lateinische ’informare’ bedeutet sinngemäß soviel wie ’Gestalt
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geben’, womit die Beziehung zu einer der Kernaufgaben der räumlichen Planung geradezu auf der Hand liegt – vor allem wenn es darum geht, städtebaulichen Räumen eine dreidimensionale Gestalt zu geben. Wir wollen es allerdings bei diesem Hinweis belassen und uns auf die Frage nach dem Wesen der Information im Verständnis der Gegenwart konzentrieren. Zunächst ist festzustellen, dass der Begriff der Information im Alltag vorwiegend pragmatisch verwendet wird: Es geht ganz einfach darum, ob eine bestimmte Nachricht für ihren Empfänger Information enthält oder nicht, ob diese Nachricht also – im Sinne des Informationstheoretikers Claude Shannon – geeignet ist, ein bestimmtes Nichtwissen zu beseitigen [Flechtner 1970: 71]. Diese Feststellung ist sehr wichtig, denn für den Empfänger einer Nachricht kann der Informationsgehalt völlig unverständlich und sinnlos sein; sie enthält für ihn dann keinerlei Information, weil er die Codierung nicht zu entschlüsseln vermag. Um die Beziehung zwischen Nachricht und Empfänger genauer zu erfassen, werden in der Informationstheorie drei Dimensionen der Information voneinander unterschieden (vgl. Abb. 2.2): • • •
Syntax, Semantik und Pragmatik.
Bei der syntaktischen Dimension der Information handelt es sich um die einzelnen Bausteine der Information bzw., genauer ausgedrückt, um die in Form von Signalen vermittelten Zeichen eines bestimmten Zeichenrepertoires. Die Buchstaben unseres Alphabets etwa sind Einzelzeichen eines solchen Zeichenrepertoires. Ebenso Abb. 2.2: Die drei semiotischen Dimensionen kann es sich aber auch um die visuellen Signale handeln, die ein Betrachter in einer Stadt wahrnimmt. Bezogen auf Computer- und digitale Informationssysteme wird die syntaktische Dimension bei dem dort verwendeten Zeichenrepertoire auf unterster Ebene letztendlich durch ein Bit – 0/1-Codierung von elektrischen Signalen in Form von Strom aus/ein – repräsentiert, das aber durch die Aneinanderkettung von vielen Bits zu umfangreicheren Informationsstrukturen zusammengefasst werden kann. Die semantische Dimension der Information besagt nun etwas über den Bedeutungsgehalt der Information. Die Aneinanderkettung von Buchstaben des Alphabets
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muss ja zunächst noch keinen Sinn für den Empfänger einer Nachricht ergeben. Dies ist erst dann der Fall, wenn er die verwendete Sprache versteht oder die Entschlüsselungsvorschrift kennt. Auch der Besucher einer fremden Stadt wird all die vielen Signale und Zeichen, die auf ihn einwirken, nur verstehen, wenn er in der Lage ist, diese auch semantisch zu interpretieren (bzw. zu entschlüsseln). Die pragmatische Dimension der Information bezieht sich auf den Wirkungsgehalt der Information, die den Empfänger der Nachricht zu bestimmten Handlungen veranlasst. Das Lesen eines Schriftsatzes kann beispielsweise bestimmte Tätigkeiten hervorrufen. Oder als Besucher einer fremden Stadt wird jemand, nachdem er bestimmte auf ihn einwirkende Signale interpretiert hat, vielleicht zum Besuch eines herausragenden Gebäudes animiert. Zusammenfassend können wir sagen, dass sich die Disziplin Semiotik mit den drei Dimensionen der Informationstheorie beschäftigt. Diese Disziplin ist allerdings keineswegs erst mit dem Aufkommen der Informations- und Computertechnik entstanden, sondern geht zurück bis ins 17. Jahrhundert, als der Philosoph John Locke die Semiotik – „the doctrine of signs“ – als dritten Zweig der Wissenschaft neben Philosophie und Ethik bezeichnete [Internet www.semiotik.de]. Als einer der wichtigsten zeitgenössischen Semiotiker (und Romanschriftsteller) ist Umberto Eco mit einem Standardwerk zur Semiotik bekannt geworden [Eco 1994]. Semiotische Aspekte spielen auch in der Stadtplanung und im Städtebau eine herausragende Rolle, und zwar nicht nur im Zusammenhang mit dem Einsatz von Computersystemen, sondern vor allem in der konkreten Stadtgestaltungsplanung mit ihrer Nähe zur Architektur, wenn es um die Erzeugung von visuell wahrnehmbaren Zeichenmustern, die Wirkung schöner Gestalt oder die Erlangung von Aufmerksamkeit geht.
Prozesse der Stadtplanung Der Prozesscharakter von Stadt- und Raumplanung ist evident, da alles, was Planung ist und mit Planung zu tun hat, in bestimmte Abläufe der Stadtgestaltung und Informationstransformation eingebettet ist. Deshalb stehen die Prozesse der Stadtplanung auch häufig im Mittelpunkt von planungstheoretischen Untersuchungen. Sie können auf sehr unterschiedliche Weise in Erscheinung treten, wie im Folgenden zu erkennen ist. a) Prozess des allgemeinen Planungsablaufs Für die Art und Weise, wie Planungsprozesse in der Realität ablaufen, existieren drei idealtypische Erklärungsmuster [Brunn 1973; Meise/Volwahsen 1980: 5]: • • •
das sequentielle Modell, das inkrementelle Modell sowie das synchrone Modell.
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Kennzeichnend für das sequentielle Modell ist das sequentielle Durchlaufen des Planungsprozesses, der, einmal in Gang gesetzt, unter weitgehender Vernachlässigung von Rückkoppelungen zwischen den einzelnen Planungsphasen Schritt für Schritt bis zum Ende abläuft. Dieses Modell ist leicht verständlich und wird im Vergleich zu den anderen beiden Modellen den strukturellen Anforderungen der planenden Verwaltung, auch mit Blick auf die nötige Rechtssicherheit und gerichtliche Nachprüfung, am ehesten gerecht; zugleich ist es aber ziemlich starr, weil die innerhalb einer dynamisch ablaufenden Planung eigentlich notwendigen Rückkoppelungen weitgehend ausbleiben. Beim inkrementellen Vorgehen wird dagegen ein Zuwachs (lat.: incrementum = Wachstum) an Planungsrationalität durch häufige Rückkoppelungen zwischen den einzelnen Planungsphasen erhofft. Im Verlaufe der Planung können je nach aktuellem Erkenntnisstand ständig Korrekturen am Zielsystem oder Konzeptentwurf vorgenommen werden. Selbst am Ende der Planung, bei der Planrealisation, sind Korrekturen noch erlaubt, ja sogar erwünscht, wenn sich der eingeschlagene Weg als falsch herausgestellt haben sollte. Beim inkrementellen Vorgehen besteht also nicht der Anspruch, Ziele unbedingt und unter allen Umständen zu realisieren. Ziele gelten vielmehr nur kurzfristig und werden der fortschreitenden Entwicklung ständig angepasst. Beim synchronen Modell schließlich werden die aufeinanderfolgenden Schritte des Planungsablaufs durch ein zeitliches und organisatorisches Neben- und Miteinander bis hinein in die Projektrealisierung ersetzt. Die Phasen des Planungsprozesses sind nicht zeitlich, sondern logisch aufgebaut und stellen sich dar als eine Folge von Problemstrukturierung bzw. Lösungssuche (= innovative Planung), Lösungsanpreisung (= Durchführungsplanung) und Lösungskonkretion (= Planverwirklichung) [Klein 1978: 23f]. Ein wesentliches Merkmal des Synchronmodells ist die Entscheidungstätigkeit, wobei der Planungsprozess in Entscheidungsstufen aufgelöst wird und auf jeder Entscheidungsstufe „nur diejenigen Randbedingungen gesetzt werden, die notwendige Voraussetzung für den Entscheidungsgang auf der nachfolgenden Konkretisierungsstufe sind“ [Meise/Volwahsen 1980: 5]. Insofern ähnelt das Synchronmodell dem inkrementellen Modell, denn auch hier wird das einmal gesteckte Planungsziel nur als vorläufige, abänderbare Entscheidung in einer Kette von Veränderungen gesehen: „Die Entscheidung findet als Sondierungsprozess statt, bei dem Ziele und Mittel kommunaler Entwicklung ständig neu bewertet werden“ [M. Lücke zit. nach Klein 1978: 25]. Nach diesem Überblick nun zum Planungsprozess, wie er üblicherweise durch die allgemeine Planungstheorie definiert wird. Wir haben es dabei mit den folgenden Schritten zu tun (vgl. auch Abbildung 2.3) [Albers 1988: 69ff; Streich 1988: 96ff; Streich 2000: 7ff; im Hinblick auf US-amerikanisches Planungsdenken vgl. Internet www.placematterstools.org/index.php]: • • •
Bestandsaufnahme/Situationserfassung und -analyse Situationsbewertung Planungserforderlichkeitsprüfung
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• • • • • •
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Zielfindung Abgrenzung des Handlungsspielraums Entwurf von Planungsvorstellungen Bewertung von Planungsvorstellungen mit Auswahl von Alternativen Planausarbeitung und Planverwirklichung Erfolgs- und Wirkungskontrolle
Selbst wenn dieser Planungsablauf sehr stringent anmutet mit einer eher auf den relativ autonom – und bisweilen selbstherrlich – agierenden Planer bzw. auf eine konkrete Planungsinstitution hin ausgerichteten Arbeitsweise [vgl. kritisch dazu Laurini 2001: 18], besteht durchaus die Möglichkeit, auch Partizipationsverfahren oder politische Aushandlungsprozesse darin einzubetten. Das Verhältnis von Politik und Planung bzw. die Beziehung zwischen Politik und wissenschaftlichem Sachverstand, welches hier zum Ausdruck kommt, wird an anderer Stelle in diesem Kapitel erörtert. Zu den Phasen des Planungsprozesses im Einzelnen: Die Durchführung einer Bestandsaufnahme und Situationsanalyse findet i.a. nur dann statt, wenn bestimmte problematische Situationen dies erfordern. Wann und unter welchen Umständen allerdings eine vorhandene städtebauliche Situation als problematisch empfunden wird, hängt von vielerlei Faktoren ab, vor allem von der Bedürfnisstruktur und dem Wertesystem der betroffenen Menschen. Für den Fall, dass die Betroffenen selbst sich nicht angemessen artikulieren können, sind die politischen Repräsentanten, die planende Verwaltung oder auch spezielle Bürgerbeauftragte gefordert, solche Problemsituationen zu erkennen und entsprechende Untersuchungen zu veranlassen. Die Notwendigkeit einer Bestandsaufnahme und Situationsanalyse ergibt sich also durch Vergleich, d.h. eine bestehende oder prognostizierte Situation wird wünschenswerten Vorstellungen gegenübergestellt. Damit besteht ein sehr enger Zusammenhang zwischen Situationserfassung/-analyse einerseits sowie städtebaulichen Zielvorstellungen/Leitbildern andererseits, die eine Bestandsaufnahme und Situationsanalyse auch inhaltlich beeinflussen können (vgl. dazu die Unterscheidung zwischen empirisch-kausaler und normativer Erfassung der Welt weiter oben in diesem Kapitel sowie die näheren Ausführungen zur ’enzyklopädischen’ und problemorientierten Bestandsaufnahme im Methodenkapitel dieses Buches). Waren schon Bestandsaufnahme und Situationsanalyse durch den Kontrast zwischen bestehender (problematischer) Situation und wünschenswerter Vorstellung geprägt, so gilt dies mehr noch für die Situationsbewertung. Ihr Zweck besteht darin, diesen Kontrast unter Zuhilfenahme von Zielkategorien zu analysieren, um letztendlich die Notwendigkeit einer planerischen Veränderung plausibel zu machen. Bestimmte, schon vorhandene Zielvorstellungen oder das Vorhandensein eines aktuellen städtebaulichen Leitbilds liefern hierfür gewissermaßen das Referenzsystem, mit dessen Hilfe die Ist-Soll-Bewertung vorgenommen wird. Eine wichtige Funktion besitzen dabei auch Prognosen, weil eine städtebauliche Situations-
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beurteilung immer auch vor dem Hintergrund möglicher Veränderungsprozesse vorgenommen wird, die durch drei Komponenten bestimmt sein können: a) durch sporadisch eintretende Einzelereignisse, b) durch längerfristig wirkende Trends und c) durch planende Eingriffe in den Entwicklungsablauf [Meise/Volwahsen 1980: 261f]. Für die sich anschließende Planungserforderlichkeitsprüfung – noch zu Beginn einer städtebaulichen Planung – sprechen drei Gründe: Zwar wird bereits im Zuge von Bestandsaufnahme und Situationsbewertung ein bestimmtes Wertgefüge zu Grunde gelegt, mit dessen Hilfe ein Ist-Soll-Vergleich zu einer bestimmten städtebaulichen Situation vorgenommen werden kann, um dadurch letztendlich die Erforderlichkeit einer Planung festzustellen. Doch gerade dieses Wertgefüge, das vor allem bei der problembezogenen Bestandsaufnahme zum Ausdruck kommt, und die damit implizit bereits verbundenen Lösungsvorstellungen zu einer Planung lassen eine Prüfung der Erforderlichkeit als zwingend erscheinen. Zweitens erscheint es plausibel, Abb. 2.3: Der Planungsablauf im Planungsablauf explizit auch einen Schritt des Verharrens einzubauen, der durchaus auch zu einem Verzicht auf weitere Planungsschritte führen könnte. Letztendlich wäre diese Phase im Planungsablauf dann gleichbedeutend mit der Prüfung der sog. Null-Alternative im Verfahren einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), also der Prüfung, ob überhaupt weitere Planungsschritte eingeleitet werden sollten oder ob es nicht – aus ökologischen oder anderen Gründen – sinnvoller sei, die vorgefundene städtebauliche Situation so beizubehalten wie sie ist [nähere Ausführungen vgl. Streich 1994]. Im Planungsrecht wird gelegentlich, wenn auch nicht ganz unumstritten, von ’Planrechtfertigung’ gesprochen [Internet www.raumplanung.uni-dortmund.de/rgd]. Bei der Zielfindung geht es im Wesentlichen um die Definition von Sollzuständen, deren Erreichen für alle oder einen Teil der Planungsakteure wünschenswert erscheint. Da die planerische Zielsetzung als normativer und problemorientierter Prozess zu verstehen ist, muss dem Verfahren der Zielsetzung ein hoher Stellenwert beigemessen werden. Grundsätzlich sind solche Zielsetzungen im demokratischen Willensbildungsprozess an zwei wesentliche Voraussetzungen gebunden: die ständige, umfassende Information der Betroffenen sowie deren aktive Beteili-
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gung. Dies ist nur möglich, wenn Willensbildung in einen Kommunikationsprozess eingebettet ist, so dass sich im Diskurs unter den Handlungsbeteiligten wünschenswerte, möglichst weitgehend von Konsens getragene Zielvorstellungen für die Planung herausbilden können (zum Thema Konsensbildung in der Stadtplanung vgl. auch im Zusammenhang mit städtebaulicher Leitbildtheorie am Ende dieses Kapitels). Was die Informationsbereitstellung betrifft, so kommt hier der Forderung nach 'informationeller Waffengleichheit' unter den Handlungsakteuren besonderes Gewicht zu; sie kann als Ausdruck eines planungsethischen Prinzips des Informationszeitalters interpretiert werden (weitergehende Ausführungen hierzu später). Eine Abgrenzung des Handlungsspielraums findet im nun folgenden Planungsschritt statt, wenn zu klären ist, in welchem Umfang überhaupt mit Aussicht auf Erfolg geplant werden kann. Es ist also nach dem Spielraum zu fragen, den die vorgegebenen rechtlichen, finanziellen, technischen u.ä. Bedingungen zulassen, und nach den Mitteln, die für die Planverwirklichung zur Verfügung stehen. Von Interesse sind außerdem mögliche Wirkungen und Nebenwirkungen von planerischen Maßnahmen, weil nicht tolerierbare Konsequenzen bestimmter Eingriffe den Handlungsspielraum ebenfalls einengen. Die Grenzen, die der Planungsspielraum selbst schließlich setzt, werden dann am deutlichsten sichtbar, wenn eines oder mehrere Ziele des vorgegebenen Zielsystems außerhalb dieses Spielraums liegen. Existieren Ziele, die vom jeweiligen Handlungsspielraum nicht abgedeckt werden, ist normalerweise das Zielsystem neu zu überdenken mit der Konsequenz, an dieser Stelle des Planungsablaufs noch einmal zum Planungsschritt 'Zielfindung' zurückzukehren. Der Entwurf von Planungsvorstellungen für ein gegebenes Planungsproblem ist eine der wichtigsten Aufgaben im Planungsprozess. Planentwicklung und der Entwurf von Planungsalternativen entziehen sich allerdings auf weiten Strecken der wissenschaftlichen Durchdringung und – für den Fall, dass Entwurfsalternativen maschinell generiert werden sollen – auch den computergestützten Methoden. Der Entwurf von Planungsalternativen stellt in weiten Bereichen einen kreativen Akt, häufig einzelner Personen, dar. Doch gibt es in der Stadt- und Raumplanung auch Planentwürfe, die in Gruppenarbeit entstehen. Computergestützte Techniken, die derartige Gruppenaktivitäten im Entwurfsprozess unterstützen, sind etabliert; sie reichen von gemeinsamer Ideenfindung über Kommunikationsplattformen unter Einsatz sprachlicher, graphischer und anderer Mittel bis hin zu verteilter Bearbeitung von Entwurfsprojekten über das Internet. Die Bewertung der Planungsalternativen dient dem Zweck, aus allen zuvor entwickelten Entwürfen den am besten geeigneten herauszusuchen, damit dieser im weiteren Fortgang der Planung schließlich realisiert werden kann. Da sich in der Alternativenbewertung und im Prozess der planerischen Entscheidung politische Willensbildung manifestiert, wird der Forderung nach Legitimation des Planungshandelns stets mit Bemühungen um große Transparenz und Nachvollziehbarkeit sowie Rationalität bei den Bewertungs- und Entscheidungsvorgängen begegnet. Die Methoden der Entscheidungsfindung werden später in diesem Buch ausführlich dargelegt.
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In der Phase der Planausarbeitung und Planverwirklichung geht es um die Realisierung von städtebaulichen Konzepten. Dazu steht eine Reihe geeigneter Instrumente des städtebaulichen Projektmanagements zur Verfügung, in dessen Aufgabenbereich auch eine ständige Durchführungskontrolle sowie eine exakte Protokollierung des gesamten Planungsprozesses fällt. Allerdings kann es nun aufgrund der Planverwirklichung oder durch veränderte Wertvorstellungen im Zuge der Planrealisierung sehr wohl möglich sein, dass neue Probleme zutage treten, die ihrerseits eine kritische Reflexion des bisherigen Planungshandelns (Ziele, Leitbilder) in Gang setzen können. In diesem Falle käme es bei der Wirkungskontrolle zu einer Neudefinition der Problemsituation, wodurch der Planungsablauf wieder von neuem beginnen würde. Mit der Wirkungskontrolle findet der Planungsablauf seinen vorläufigen Abschluss. Bei diesem Verfahrensschritt wird geprüft, ob und inwieweit die vorgegebenen Ziele bzw. das diesen Zielen übergeordnete Leitbild erreicht wurden. Die Wirkungskontrolle bezieht sich also in erster Linie auf das vorgegebene Referenzsystem, das gewählt wurde, um ein bestimmtes Planungsziel zu verwirklichen. Darüber hinaus muss in einem zweiten Schritt gefragt werden, ob die Wirkungen den gewünschten Erwartungen entsprechen und ob sich etwaige unerwünschte Nebenwirkungen vielleicht als so gravierend entpuppen, dass neue Probleme entstehen, die wiederum eine Situationsanalyse erforderlich machen und so den Planungsablauf erneut in Gang setzen. Das planungsmethodische Instrumentarium zu den einzelnen Phasen des hier dargelegten Planungsablaufs wird im Methodenkapitel dieses Buches erläutert, darunter auch die entsprechenden Möglichkeiten des Computereinsatzes. b) Vorgangsbearbeitungsprozesse in der Stadtplanung Bei der praktischen Arbeit von Stadtplanern wird der oben dargestellte Planungsprozess durch eine in bestimmte Organisationsstrukturen eingebettete Form der Vorgangsbearbeitung überlagert. Diese kann in unterschiedlichen Planungsorganisationen – öffentliche Planungsverwaltung, stadteigene Gesellschaften zur Erledigung bestimmter Planungsaufgaben (z.B. Wohnungsbau oder Stadtsanierung), kleine private Planungsbüros oder große global agierende Consulting-Konzerne – sehr unterschiedlich aussehen. Im Falle der öffentlichen Verwaltung ist zu differenzieren, ob es sich um Vollzugsverwaltung – wie etwa die Baugenehmigungsverwaltung – oder um planende Verwaltung handelt. Die Arbeitsweisen unterscheiden sich voneinander sehr erheblich. Bei der planenden Verwaltung existiert typischerweise ein dichtes Netz von Querverbindungen zu anderen Fachämtern oder zwischen den einzelnen Abteilungen. Dort kann es sich von Zeit zu Zeit auch als zweckmäßig erweisen, Arbeitsgruppen aus Angehörigen verschiedener Dienststellen zusammenzustellen, um bestimmte Projekte zu bearbeiten. Gemeinsam ist jedoch allen Organisationsmodellen, dass es sich bei der Vorgangsbearbeitung stets um Arbeitsprozesse handelt, bei denen eine bestimmte (Planungs-)Aufgabe von einer oder mehreren Personen gleichzeitig oder in einer
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zeitlichen Abfolge erledigt wird. Die Art der Abfolge richtet sich nach dem Organisationsschema, dem Organigramm, der jeweiligen Planungsorganisation. Die Gestaltung solcher Organisationsstrukturen sind auch unter planungstheoretischen Gesichtspunkten von Interesse. Einmal generell im Hinblick auf die seit einiger Zeit bestehenden Organisationsstrukturen der Verwaltung, die unter dem Stichwort ’Neues Steuerungsmodell’ zu einem effektiveren Verwaltungshandeln führen sollen [vgl. Internet www.kgst.de], zum zweiten aber auch im Hinblick auf die Einsatzmöglichkeiten der Computertechnologie, die mit diesem neuen Steuerungsmodell verkoppelt sind [Reinermann 1995; Reinermann 2000]. c) Planungsprozesse nach den formalen Regelungen des Planungsrechts In der Stadtplanung sind neben dem allgemeinen Planungsablauf und den Vorgangsbearbeitungsprozessen auch Prozesse zu berücksichtigen, die sich aus den verfahrensrechtlichen Regelungen des städtebaulichen Planungsrechts ergeben (wir beschränken uns hier auf Deutschland). Es handelt sich dabei im Wesentlichen um die Verfahrensvorschriften des deutschen Baugesetzbuchs (BauGB), nach denen eine städtebauliche Planung auf kommunaler Ebene – Aufstellung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen (nähere Ausführungen in Kap. 7) – wie folgt durchzuführen ist: • • •
• • •
Planaufstellungsbeschluss – durch das politische Gremium, den Gemeinderat; Frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit – durch Unterrichtung der Bürger über Ziele und Zwecke der Planung; Beteiligung von Behörden, Trägern öffentlicher Belange und Nachbargemeinden – durch Einbeziehung von entsprechenden Verwaltungsstellen und anderen Organisationen in die Planung; Billigungsbeschluss über den Planentwurf – durch das politische Gremium der Gemeinde; Öffentliche Auslegung des Plans – damit jede an der Planung interessierte Person die Möglichkeit zu Anregungen hat; Abwägung und Beschlussfassung – durch das politische Gremium der Gemeinde.
Erkennbar an diesem Verfahrensablauf ist, dass eine Vielzahl von Stellen, Organisationen und Akteuren bei der Planung zu involvieren ist. Dies bedeutet einen erheblichen Aufwand, was das Zurverfügungstellen von Planunterlagen betrifft. Im Falle der Beteiligung von Behörden bzw. Trägern öffentlicher Belange – von Wasserbehörden, Elektrizitätsversorgern über verschiedene Trägerschaften sozialer Einrichtungen bis hin zu Umweltverbänden oder Industrie- und Handelskammern – kann dabei durchaus ein Katalog von weit über einhundert solcher Einrichtungen und Träger zusammenkommen. Während man diese Beteiligung früher nur über den Post- oder Botenweg abwickeln konnte, stehen heute miteinander vernetzte Computersysteme zur Verfügung. Es liegt auf der Hand, dass dies erheblich zur Beschleunigung eines planungsrechtlich einwandfreien Planungsverfahrens
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beiträgt [vgl. ausführlich dazu Streich (Hrsg.) 2000]. Nähere Ausführungen finden sich in den entsprechenden Kapiteln zu den institutionellen Grundlagen der Stadtplanung und zur Bauleitplanung. d) Prozesse der Beteiligung verschiedener Planungsakteure Ebenfalls in die Prozessabläufe von städtebaulichen Planungen eingebunden ist die Beteiligung der verschiedenen Planungsakteure; aufgrund unterschiedlicher Planungsvoraussetzungen und örtlicher Gegebenheiten können diese allerdings höchst unterschiedlich zusammengesetzt sein. Akteure und Akteursgruppen in der räumlichen Planung können beispielsweise sein: • • • • • • • • •
Investoren oder Vorhabenträger – z.B. im Falle der Erstellung von vorhabenbezogenen verbindlichen Plänen für eine beabsichtigte Bebauung; externe Gutachter – wenn etwa Lärmgutachten zu erstellen sind; Vermessungsingenieure – z.B. um Grundstücksgrenzen festzulegen oder amtliche Karten- und Planunterlagen zu aktualisieren; Architekten oder private Planungsbüros – etwa im Falle der Erstellung von städtebaulichen Vorentwürfen; politische Gremien und Instanzen; Verwaltungsstellen innerhalb und außerhalb der jeweiligen Gemeinde; Behörden bzw. Träger öffentlicher Belange; Nachbargemeinden; weitere Akteure, z.B. einzelne Bürger, wie etwa im Falle der Einschaltung von ehrenamtlich bestellten, fachlich ausgewiesenen Bürgern nach den Denkmalschutzgesetzen der Länder.
Bei der Entwicklung von Computersystemen, die sich für Aufgaben der städtebaulichen Planung eignen, wird der Beteiligung von Planungsakteuren besondere Aufmerksamkeit zu schenken sein. Durch Internet- und Intranet-Techniken lassen sich die Beteiligungsformen noch wesentlich umfassender und effektiver gestalten, da alle am Planungsprozess beteiligten Akteure sowohl als Adressaten, aber auch als Lieferanten von Planungsinformationen auf eine zeitgemäße Art und Weise in die Prozessabläufe eingebunden werden können.
Modelle wissenschaftlicher Politikberatung in der Stadtplanung Wie bereits an verschiedenen Stellen angeklungen ist, geht es bei der Frage, auf welche Art und Weise die verschiedenen Planungsakteure miteinander umgehen, im Grundsatz um das Verhältnis zwischen politischer Führung und Sachverstand von Fachleuten. Die entsprechende einschlägige Diskussion geht bis auf den Soziologen Max Weber mit seiner berühmten Gegenüberstellung von Beamtenherrschaft und Politik zurück [Weber 1921]. Mitte der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde diese
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Diskussion unter dem Vorzeichen der Herbeiführung von rationaler Verwaltungstätigkeit insbesondere von Jürgen Habermas und kurze Zeit später von Thomas Ellwein, mit stärkerem Bezug auf das Thema Planung, fortgeführt. Im Zuge dieser Diskussion kristallisierten sich drei Positionen bzw. Modelle heraus [Habermas 1964/ 1968; Ellwein 1968]: • • •
das dezisionistische Modell, das technokratische Modell und das pragmatische Modell.
Das dezisionistische Modell ist in Anlehnung an Max Weber’s einschlägige Thesen durch eine strikte Trennung zwischen der Funktion des Sachverständigen und der des Politikers gekennzeichnet. Technisches Wissen hat der Politik zu dienen, soweit sie diesen Dienst überhaupt in Anspruch nimmt. Die Politik selbst aber beruht grundsätzlich auf ’Entscheidungen’, und darauf fußt ihr prinzipielles und unaufhebbar irrationales Wesen. Politische Entscheidungen können durch Vernunft nicht zureichend legitimiert werden, so dass letztendlich zwischen wissenschaftlichem Sachverstand und politischer Entscheidung die Brücke der Rationalität fehlt. Auch die Öffentlichkeit findet bei diesem Modell keine Berücksichtigung. Beim technokratischen Modell stellt sich das Verhältnis zwischen Sachverstand und Politik genau umgekehrt dar. Hier ist der Politiker gänzlich vom Fachpersonal abhängig mit der Begründung, dass die Irrationalität der Herrschaft zugunsten durchgängiger Rationalität aufgehoben wird. Der umfassende Sachverstand und der Sachzwang des Spezialisten gewinnt gegenüber der Dezision des Politikers Oberhand. Dieses Modell setzt allerdings ein Kontinuum an Rationalität bei der Behandlung technischer und praktischer Fragen voraus, das es eigentlich nicht geben kann. Zudem ist nicht auszuschließen, dass Experten – Technokraten – als Logik von Sachzwängen tarnen, was in Wahrheit Politik ist. Und schließlich ist die Funktion der kritischen Öffentlichkeit ausgehebelt, weil das Tun des Fachmanns auch ohne Zustimmung der Betroffenen richtig ist. Insofern ist das technokratische Modell relativ demokratiefern [Ellwein 1968: 65], und eine Beteiligung von Bürgern an städtebaulichen Planungen hätte darin keinen Platz: „Eine technokratische Verwaltung der industriellen Gesellschaft macht jede demokratische Willensbildung gegenstandslos“ [Habermas 1964/1968]. Beiden Modellen wird das pragmatische Modell gegenübergestellt, bei dem es um ein kritisches Wechselverhältnis zwischen Sachverstand und Politik geht. Der entscheidende Punkt in diesem Modell ist die wechselseitige Kommunikation, wobei einerseits Experten die Entscheidung fällenden Instanzen beraten und, umgekehrt, Politiker die Experten und den wissenschaftlichen Sachverstand entsprechend den Bedürfnissen der Praxis beauftragen. Dieses Modell ist auch offen gegenüber einer weitergehenden Kommunikation zwischen Politik, Sachverstand (Verwaltung) und Öffentlichkeit [Habermas 1964/1968]. In Anknüpfung an diese Diskussion hat Dietrich Fürst eine ’paradigmatische’ Steuerung von Planungsprozessen vorgeschlagen, die – insbesondere bei der Arbeit von Behörden und Fachressorts – durch zwei Elemente gekennzeichnet ist:
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durch Lernvorgänge und durch Problemlösungssuche mittels Interaktion. Paradigmatische Steuerung ist dabei als der Versuch zu verstehen, die jeweils „eigenen Konzepte mit den Interpretationsschemata der Adressaten kompatibel zu machen“, indem sie an den ’Deutungsmustern’ – ’Paradigmen’ – der Adressaten ansetzen. Zwar unterscheidet sich dieser Ansatz von sogenannten ’persuasiven’ Strategien, bei denen eine Beeinflussung der Adressaten allein durch Überreden und Überzeugen versucht wird [Fürst 2001: Internet www.laum.uni-hannover.de/ilr/publ/fuerst/ paradigm.pdf]. Vorsicht ist aber geboten, wenn diese Form der Steuerung von Planungsprozessen die in der Entscheidungstheorie bekannte ‘Framing‘-Anomalie (wie weiter vorne in diesem Kapitel erläutert) beinhaltet und letztendlich die Wirkung einer ziemlich unerfreulichen gezielten Manipulation entfaltet.
Komplexitätshandhabung in der Stadtplanung Zunehmend großes Kopfzerbrechen bereitet, aus planungstheoretischer Perspektive, der Umgang mit Komplexität in der Stadtplanung. Zwar ist dieses Thema keineswegs neu, wenn wir etwa die Charakterisierung von Jane Jacobs, einer in Sachen Stadtplanung und Architektur streitbaren Autorin, aufgreifen, die die Stadt in ihrer Gesamtheit als „organized complexity“ bezeichnet, in der „situations arise in which many quantities are arranged simultaneously and in subtle interconnected way“ [Jacobs 1969: 164]. Unter den Bedingungen der Wissensgesellschaft, die nach allgemeiner Einschätzung auf dem Wege ist, die Industriegesellschaft abzulösen, wird die Komplexitätsproblematik von Dauer sein – denn: Sollte sich der Begriff der Wissensgesellschaft nicht als hohl erweisen, wird es dabei im Kern um die Vernetzung von einzelnen Wissensbestandteilen zu einer immensen – im Idealfall der gesamten Menschheit zur Verfügung stehenden – Ressource gehen, die sich vornehmlich auf maschinell gespeicherte Informationen stützt. Normative Strategien der Komplexitätsbewältigung, wenn sie denn in Erwägung gezogen würden, sind unter diesen Bedingungen völlig ungeeignet, schon allein deshalb, weil Normativität eine empirisch-kausale, auf Fakten beruhende Sicht versperrt bis hin zur Lernunwilligkeit [vgl. Schlink 2004 und weiter oben im vorliegenden Kapitel]. Auch für die Stadtplanung werden die Konsequenzen, bislang wenig thematisiert, gewaltig sein: Umgang mit bestinformierten Menschen, die Mitsprache und Mitwirkung verlangen; Kooperationen mittels autonom agierender maschineller Intelligenzen; Organisation von gewaltigen Informationsmengen, die mit großer Geschwindigkeit ausgetauscht werden; Machtausübung durch Wissen und Austragung von Informationskämpfen. Wenn die Prognose, dass das „Netz zum Wissenschaftssymbol des 21. Jahrhunderts“ wird [Gleich 2002: 14], tatsächlich zutrifft, wird dies auch und gerade die Stadtplanung tangieren. Bislang hat man in der Stadt- und Raumplanung häufig lediglich Abwehrstrategien gegen zuviel Komplexität entwickelt. Ein Beispiel liefert Gerd Albers, der auf die Problematik von städtebaulichen Modellen und entsprechenden Diagrammen hinweist, weil „alle solche Modelle erst durch ’Reduzierung von Komplexität’ gewonnen werden können und ihre Wirklichkeitsnähe deshalb fragwürdig bleibt“ [Albers
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2000: 27]. Dietrich Fürst nennt einige der in praxi üblichen Strategien zur Reduzierung von Komplexität in planerischen Entscheidungssituationen [Fürst 1996; mit eigenen Ergänzungen]: • • • • • •
Denken im ’main stream’ – paradigmatisches Denken (Leitbilder etc.), normative Erwartungsmodi; Ausklammern von Entscheidungsbedarf; Konflikte ausklammern und/oder auf technische Probleme reduzieren; Themen in die Zukunft verschieben; Modelle anderer Planer übernehmen, wenn Bedarf an neuen Lösungen besteht; Vorabreduktion von Planungsalternativen durch intuitive Einsicht und Relevanzüberlegungen.
Solche Abwehrstrategien werden in der Wissensgesellschaft allerdings völlig unangebracht sein. Dietrich Fürst äußert sich diesbezüglich noch recht optimistisch, wenn er meint: „Raumplaner verstehen sich weniger in der Funktion, Lösungen anzubieten, als Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Komplexität kognitiv und politisch bearbeitet werden kann“ [Fürst 1996]. Wir werden uns jedoch vergegenwärtigen müssen, dass Komplexität aufs engste verknüpft ist mit der Logik von Netzen und von Vernetzungen, die sich bei ökologischen Fragestellungen ebenso zeigen wie im Falle von miteinander kooperierenden Städten, Industriebetrieben oder bei der globalen, ja ubiquitären (mobilen) Vernetzung von Computersystemen qua Internet. In seinem Buch „Web of Life“ nennt Michael Gleich die zehn Gesetze, die all diese Netze in ihrer Logik bestimmen [Gleich 2002: 60ff]: • • • • • • • • • •
Komplexität: Netze handeln komplex Nichtlinearität: Netze leben nichtlinear Emergenz: Netze erfinden Neues Lernfähigkeit: Netze antworten flexibel Selbstorganisation: Netze ordnen Chaos Chaos: Netze erzeugen Chaos Robustheit: Netze verzeihen Fehler Symbiosen: Netze nutzen Symbiosen Diversität: Netze vereinen Vielfalt Small World: Netze verkleinern Welten
Wenn wir uns die derzeit stattfindenden gesellschaftlichen Umbrüche und technologisch bedingten Umwälzungen vor Augen führen, dann können wir in der Stadt- und räumlichen Planung folgende Typen von Komplexität erkennen: • • •
Aufgaben- und Problemkomplexität (räumlich / zeitlich / inhaltlich) Gesellschaftliche Komplexität (soziale Fragmentierung, Handlungsakteure, postmoderner Wertepluralismus etc.) Komplexität von planerischen Prozessen
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Methodenkomplexität Komplexität der technischen Mittel und Optionen Zielkomplexität (z.B. widerstreitende Ziele) Komplexität von planerischen Entscheidungssituationen
Welche planungstheoretischen Anknüpfungspunkte gibt es nun für eine Komplexitätshandhabung, die zur Wissensgesellschaft passt? Der Erfahrungsalltag von Stadtplanern zeigt, dass der Umgang mit Komplexität stets drei Komponenten beinhaltet (vgl. Abb. 2.4): • • •
das Erhalten von Komplexität, die Reduktion von Komplexität und die Vermittlung von Komplexität.
Die herkömmlichen, traditionellen Mittel werden zukünftig für die Handhabung der Komplexität nicht mehr ausreichen. Stattdessen werden die Möglichkeiten der technischen Informations- und Wissensverarbeitung zunehmend eine herausragende Rolle spielen. Diese Auffassung wird auch vom European Council of Town Planners (ECTP) in der „neuen Charta von Athen“ 1998 vertreten, wo es heißt [ECTP 1998: Pkt. 2.5; Abb. 2.4: Handhabung von Komplexität Internet www.ceu-ectp.org]: „Städte müssen auf gesamtstädtischer Ebene nach Umweltkriterien und Prinzipien nachhaltiger Entwicklung geplant werden. Alle beteiligten Kräfte – Umwelt-, Sozial- und Wirtschaftskräfte – müssen nach strategischen oder umfassenden Gesichtspunkten gewürdigt werden. Sie dürfen nicht als selbständige Einheiten betrachtet werden. Diese umfassende Herangehensweise, die häufig eine Umweltverträglichkeitsstudie einschließt, ist ein Leitprinzip nachhaltiger Entwicklung. Abgesehen von fehlenden Mitteln an relevante Informationen zu kommen, gibt es keine technischen Schwierigkeiten so vorzugehen. Mit Hilfe moderner Datenverarbeitung ist es jedenfalls möglich, derart komplexe Systeme zu steuern.“ Die ECTP hat damit zweifelsohne erkannt, wo die Potentiale derzeitiger und künftiger Computernutzung liegen und dass sich der Computereinsatz schon lange nicht mehr, wie von Gerd Albers unterstellt, auf die „Erfassung der ’Stadt als System’ und ihre Abbildung im mathematischen Modell“ beschränkt [Albers 2003]. Tatsächlich kommt darin eine als überholt zu bezeichnende Sichtweise zum Ausdruck, im Computereinsatz grundsätzlich ein komplexitätsreduzierendes Instrument
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zu sehen. Der Fortschritt der Digitaltechnik in den letzten zwei Jahrzehnten lässt Computer, vor allem in ihrer globalen Vernetzung, hingegen mehr und mehr als Instrument der Komplexitätshandhabung denn der bloßen Komplexitätsreduktion in Erscheinung treten. Anhand von einigen Beispielen wird später gezeigt, auf welche Weise eine derartige Komplexitätshandhabung auf der Grundlage von digitalen Informationssystemen in der Stadtplanung aussehen könnte. Hinzuweisen wäre an dieser Stelle auf die Modellierbarkeit der Dynamik von Stadtsystemen auf der Basis selbstorganisierender Prozesse oder auf die methodischen Möglichkeiten zellulärer Automaten in der Stadtplanung, mit denen komplexe Abläufe simuliert und beobachtet werden können [für einen ersten Überblick wird empfohlen: Batty 2007; Internet www.geosimulation.org; aufschlussreich sind auch die Studien am „Center for the Study of Complex Systems“ an der University of Michigan mit dem dazugehörigen Internetauftritt unter www.cscs.umich.edu; vgl. außerdem Kap. 4 „Computereinsatz ...“].
Theoretische Grundlagen in der Stadtforschung Städtebauliche Planungstheorien haben ihr Augenmerk nicht nur auf die grundlegenden Abläufe der Planung und die damit zusammenhängenden Fragen – etwa eine Typisierung von Planungsproblemen, Informationsgrundlagen oder Komplexitätshandhabung – zu richten, sondern auch auf die theoretischen Grundlagen, die aus dem Bereich der Stadtforschung kommen. Dabei geht es vor allem um Erklärungsmodelle des Phänomens Stadt, die für eine Begründung von konkreten Planungsaufgaben herangezogen werden können. Grundsätzlich lassen sich vier Bereiche in der Stadtforschung voneinander unterscheiden: • • • •
Historische Stadtforschung Soziologische und kulturwissenschaftliche Stadtforschung Ökonomische Stadtforschung Ökologische Stadtforschung.
Diese vier Teilbereiche sind erwartungsgemäß nicht streng voneinander abgrenzbar, vielmehr durchdringen sie sich gegenseitig, wie so vieles andere auch im komplexen Gefüge des Städtebaus und der Stadtplanung. So wären etwa historische Analysen zur Herausbildung und Genealogie von Städten ohne Berücksichtigung der jeweiligen ökonomischen, kulturellen, sozialen und ökologischen Bedingungen völlig unzureichend, ebensowie beispielsweise die ökonomische Stadtforschung auf Hintergrundwissen über kulturelle oder historische Gegebenheiten von Stadt und Raum angewiesen ist. a) Historische Stadtforschung Gegenstand der historischen Stadtforschung ist alles, was die Geschichte der Stadt, des Städtebaus und der Stadtplanung in ihrem Facettenreichtum zu bieten hat. Dies
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hier auch nur ansatzweise vermitteln zu wollen, erübrigt sich angesichts der Menge anfallender Informationen. Von der nahezu unerschöpflichen Fülle an Publikationen der historischen Stadtforschung seien exemplarisch einige Standardwerke mit vielen weitergehenden Literaturhinweisen genannt: Leonardo Benevolo’s „Geschichte der Stadt“ [1982], Wolfgang Braunfels’ „Abendländische Stadtbaukunst“ [1976], Hanno-Walter Kruft’s „Geschichte der Architekturtheorie“ [1985], Peter Hall’s „Cities of Tomorrow – An Intellectual History of Urban Planning and Design in the Twentieth Century“ [1988] sowie „Cities in Civilization“ [1998] oder Lewis Mumford’s „The Culture of Cities“ [1970/1938]. Auch das Internet bietet eine Fülle an einschlägigen Websites und Dokumenten. Die beste Anlaufstelle mit vielen Verweisen und Links befindet sich im kanadischen Toronto [Internet www.clr.toronto.edu:1080/VIRTUALLIB/ARCH/hist. html]. Eine kurze stadthistorische Darstellung ist im Schlusskapitel dieses Buches mit einer schwerpunktmäßigen Ausrichtung auf die Genealogie der Stadtbauutopien zu finden. b) Soziologische und kulturwissenschaftliche Stadtforschung Die soziologische und kulturwissenschaftliche Stadtforschung ist ebenso breit gestreut und facettenreich wie die historische [vgl. Überblick von Spiegel 1995: 887ff]. Derartige Forschungen können wir bis in die Antike zurückverfolgen; sie beginnen etwa mit der griechischen Polis-Idee und Platon’s utopisch inspirierten Vorstellungen vom besten Staat, einer Form von kommunistischer Elitetheorie. Auch die große Menge an Schriften aus dem Bereich der Bevölkerungswissenschaften, beginnend mit den ersten bevölkerungsstatistischen Analysen von Johann Peter Süßmilch (Deutschland) und Thomas Robert Malthus (England) im 18. Jahrhundert, zählt zu diesem Themenkomplex [Birg 1995: 82ff]. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren dann die Entstehungsbedingungen des sozialen Elends in den Städten ein wichtiges Thema. Als eine der wohl faszinierendsten Analysen und zugleich „klassische Beschreibung“ [Benevolo 1975/ 1982: 801], die den Leser durch Beobachtungsschärfe und Sprachduktus auch heute noch in den Bann zieht, gilt immer noch die Schrift zur „Lage der arbeitenden Klasse in England“ von Friedrich Engels [Engels 1845/1892]. Eine Theorie der Stadt war damit zwar nicht verbunden, doch entfalteten Analysen wie diese durchaus eine Wirkung, indem sie den Anstoß gaben, über menschenwürdiges Wohnen nachzudenken oder darüber, wie bessere Siedlungsstrukturen geplant werden könnten. Soziologische und kulturwissenschaftliche Theorien im heutigen Verständnis traten dann erst um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in Erscheinung. Derartige Analysen sind verbunden mit bekannten Namen wie Georg Simmel, Max Weber oder Werner Sombart. Aber auch der Name Patrick Geddes, der immerhin Präsident der Edinburgh School of Sociology war, taucht mit soziologischen und stadtsoziologischen Studien jener Zeit wieder auf. Lewis Mumford, stimuliert durch Patrick Geddes, hat mit seinem klassischen Werk „The Culture of Cities“ [1938/ 1970] eine umfassende Sicht zu diesem Thema geliefert, wie ebenso geraume Zeit
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später die amerikanische Stadtsoziologin Sharon Zukin mit ihrem Buch „The Cultures of Cities“, indem sie mit dem Aufgreifen von Mumford’s Buchtitel in Pluralform eine postmoderne Wendung der Betrachtungsperspektive herbeiführt und Kultur mit ihren vielfältigen Akteuren als wesentliche ökonomische Basis künftiger Stadtentwicklung beschreibt [Zukin 1995: X, 11f]. Einen Boom erlangte die Stadtsoziologie mit einer Vielzahl von theoretischen Schriften in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, in deren Verlauf es um Aspekte ging wie [vgl. ausführlich Korte 1986; Häußermann/Siebel 2004; außerdem Kötter 1995; Internet www.ifk.ac.at]: • • • • • • •
Großstadtforschung und Großstadtkritik Urbanitätsforschung Mitbestimmung in der Stadtplanung und Planungspartizipation Sozialplanung als (rechtliches) Instrument insbesondere im Zuge von Stadterneuerungsmaßnahmen (städtebauliche Sanierung) Soziale Infrastruktur und Standorttheorien Sozialökologie und Sozialraumanalysen (Segregationstheorien) Soziologie des ländlichen Raums
Gegenüber diesen Themen, die zwischen den 50er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts relevant waren, hat sich mittlerweile, vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten, die Perspektive verlagert: Die makroanalytischen Ansätze wurden zu mikroanalytischen, strukturbezogene Betrachtungsweisen wurden handlungsbezogen, und anstelle des objektiv nachweisbaren Sachverhalts wurde das subjektiv Erfahrbare wichtig [Spiegel 1995: 891]. Diese Perspektivenveränderung korrespondiert mit dem eingangs dargelegten planerischen Selbstverständnis, nicht mehr einer Vorstellung von Globalsteuerung anzuhängen, wie sie idealtypischerweise in der Stadtentwicklungsplanung ihren Ausdruck findet (vgl. Kap. 9), sondern Planung nur noch auf die Mikrobereiche rasch realisierbarer Projekte zu fokussieren. Trotz dieser Verschiebung des Forschungsinteresses existieren nach wie vor makroanalytische Stadtforschungsansätze, etwa wenn es um die räumlichen und stadträumlichen Konsequenzen der demographischen Veränderungen geht. Die jüngeren soziologischen und kulturwissenschaftlichen Stadtforschungsansätze befassen sich mit den folgenden Fragen : •
• •
•
Städte im Wettbewerb von Internationalisierung und Globalisierung – „The New Urban Sociology“ [Sassen 1994/1996; Sennett 1998; Internet www.isra.tuwien. ac.at]; Demographie und Stadtschrumpfung [Internet www.undp.org/popin]; Integration, Segregation und Gentrifikation in Städten [Schwerpunktheft „Integration und Stadt“ der Deutschen Zeitschrift für Kommunalwissenschaften (DfK) 2001/1]; Privatisierung von öffentlichen Räumen [ausführlicher Überblick bei: Zukin 1995; Aesche/Dimmer 2001; außerdem Schäfers 2003 im thematischen Schwerpunktheft „Öffentlicher Raum und Stadtgestalt“ der Informationen zur Raument-
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• • •
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wicklung des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR)]; Auflösung der Stadt [Sieverts 1997: 70ff; Touraine 1996]; Simulation, Inszenierung und Festivalisierung in/von Städten [Häußermann/ Siebel 1993; Streich 1988: 67ff]; Umgang mit Risiken in der Stadt- und Raumplanung [vgl. wissenschaftliche Plenarsitzung 2003 der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL)].
Der Stadtsoziologe Bernd Hamm sieht die Prioritäten künftiger Stadtforschung – vor allem mit Blick auf internationale Bezüge – auf den Gebieten Armut, Regierbarkeit, Umwelt, dezentralisierende Verstädterung sowie nichtwestliche Formen der Beschäftigung mit städtischer Zukunft [Hamm 1995]. Einen immer größeren Raum in der stadtsoziologischen Forschung nimmt das Internet ein. Es liegt auf der Hand, dass das Web 2.0 (vgl. Abb. 1.5) als interaktive, kollaborative Form des Internets, welche sich in Weblogs, sogenannten Wikis und anderen partizipationsaffinen Internetauftritten manifestiert, das Interesse auch von Stadtsoziologen weckt [vgl. exemplarisch Internet planningpool.com/about/mixurban-planning-social-media]. c) Ökonomische Stadtforschung Die ökonomische Stadtforschung bzw. die Stadtökonomie beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen urbanen Räumen und Agglomerationen einerseits sowie ökonomischen Aktivitäten andererseits. Die Bedeutung dieses Zusammenhangs ist, wenn wir im historischen Rückblick auf die Planung schauen, bereits in dem place/folk/work-Schema von Patrick Geddes angelegt (vgl. Kap. 1). Die ökonomische Stadtforschung kann aber auch als Spezialgebiet der Volkswirtschaft aufgefasst werden, da räumliche Wirtschaftsbeziehungen und ökonomische Raumstrukturen eng mit volkswirtschaftlichen Modellen und Theorien verflochten sind. Um einen kleinen Einblick in diese Theorien zu geben, werden drei der wichtigsten Richtungen etwas näher erläutert: • • •
Raumwirtschaftstheorien und Standorttheorien Stadtökonomische Theorien und Raumnutzungstheorien Infrastrukturtheorien
Zunächst zu den Raumwirtschafts- und Standorttheorien. Diese sind Teil einer weit gefassten Regionalwissenschaft. Zentrales Merkmal aller Analysen, die dieses Thema betreffen, ist das Auftreten von Kosten der Raumüberwindung. Dazu zählen traditionellerweise Kosten des physischen Transports, aber auch Raumüberwindungskosten von immateriellen Gütern wie Information und Wissen. Ursprünglich entstanden Raumstrukturen aufgrund von ungleichmäßig verteilten natürlichen Ressourcen – sie entwickelten sich beispielsweise entlang natürlicher Verkehrswege (Flüsse als Wasserwege etc.) –, und letztendlich führten die Unterschiede der ökonomischen Faktoren zu einer Differenzierung des Raums und zu unterschiedli-
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chen Attraktivitätspotentialen von Städten. Standorttheorien, ältester Bestandteil der Raumwirtschaftstheorien, besitzen für die Erklärung von ökonomischen Prozessen, die sich innerhalb von Räumen abspielen, eine zentrale Bedeutung. Im Mittelpunkt steht die Standortwahl von Unternehmen und Betrieben, d.h. das Aussuchen eines Standorts nach bestimmten Faktoren. Unterschieden wird zwischen allgemeinen Standortfaktoren, die sich auf alle Betriebe einer Stadt gleichermaßen beziehen, wie etwa das staatliche Rechtssystem oder kommunale Steuern, und speziellen Standortfaktoren, die für einzelne Betriebe sehr unterschiedlich sein können.
Abb. 2.5: Sektorenmodell der Wirtschaft Die wichtigsten Modelle der Standorttheorien sind deshalb auch eng verflochten mit der Einteilung von Betrieben durch das sogenannte Sektorenmodell von Jean Fourastié (vgl. Abb. 2.5): Landwirtschaft als primärer, Industrie als sekundärer, Dienstleistungen als tertiärer Sektor. Seit einiger Zeit wird in Erweiterung des Fourastié-Modells auch ein quartärer Sektor aufgeführt. Darunter wird der gesamte Komplex der Informationsdienstleistung, Kommunikationstechnologie und Wissensarbeit – insbesondere eine „Kombination aus Spitzenmanagement, Forschung und Vermarktung“ [Lichtenberger 1986: 208ff] – subsumiert quasi als Ausdruck einer ‘New Economy‘, bei der eine Zusammenfassung von Wirtschaftsbereichen im Zusammenhang mit der Verbreitung der Computertechnologie und des Internets stattfindet [vgl. auch Helmstädter 2000; Internet www.socialpolitik.org/00_thuenen_ vorlesung.pdf]. Einen quintären Sektor abzugrenzen, könnte sich durch die Zunahme
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von Beschäftigten in der Entsorgungswirtschaft (Wasserentsorgung, Müllverwertung, Recycling etc.) oder auch im Bereich Tourismuswirtschaft empfehlen. Mit den drei traditionellen Sektoren, auf die wir uns beschränken wollen, setzen sich die folgenden standorttheoretischen Modelle auseinander [v. Böventer 1995: 796; Schöler 1995: 923ff; Tank 1987: 40; Hall 1998: 326]: • • • •
Modell von Johann Heinrich von Thünen -> primärer Sektor Modell von Alfred Weber -> sekundärer Sektor Modell von Walter Christaller -> tertiärer Sektor Modell von August Lösch -> System einer generellen Raumökonomie durch Zusammenfassung der vorgenannten Modelle, aber doch mit dem stärksten Bezug auf den sekundären Sektor [Blotevogel 1995: 1117; Tank 1987: 40; v. Böventer ARL 1985: 796]
Abb. 2.6: Modell von Thünen Das Thünen-Modell – 1826 publiziert – ist durch seine ringförmig-konzentrische Anordnung der Anbauflächen um den Ort, an dem die Vermarktung der landwirtschaftlichen Produkte stattfindet, gekennzeichnet (vgl. Abb. 2.6). Vorausgesetzt wird dabei eine homogene landwirtschaftliche Fläche, wobei in diesem Modell der zu erzielende Preis am Vermarktungsort unter Berücksichtigung des Kapitaleinsatzes, der Arbeitskosten sowie vor allem des Transports der landwirtschaftlichen
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Produkte von den Produktionsorten zum Konsumort eine maßgebliche Rolle spielt. Beim Weber-Modell – 1909 publiziert – wird dagegen der Versuch unternommen, die räumliche Verteilung industrieller Produktionsstätten zu erklären bzw. optimale Standorte für Betriebe zu finden. Danach ist ein Standort dann günstig, wenn er eine kostengünstige Produktion zulässt. Wesentliche Standortfaktoren sind: Transportkosten, Arbeitskosten und Agglomerationsvorteile (Vorteile von Zusammenschlüssen). Im Hinblick auf die günstigste Lage des Produktionsstandorts gibt es somit drei Möglichkeiten: nahe am Rohstoff, nahe am Absatzmarkt oder dazwischen; welche Lage gewählt wird, hängt vom jeweiligen Produkt ab. Ausgangspunkt für das Christaller-Modell – 1933 publiziert – ist die Beobachtung, dass jeder Ort und jede Stadt Güter und Dienstleistungen über den Eigenbedarf der Einwohner hinaus erzeugt. Dieser relative Bedeutungsüberschuss verleiht dem Ort eine gewisse Zentralität und macht ihn zu einem zentralen Ort innerhalb eines größeren Bereichs. Da solche Orte bzw. Städte entsprechend ihrer Größe eine funktionale Abstufung erfahren, ergibt sich eine Hierarchie der zentralen Orte (vgl. Abb. 2.7), die sich, unter der Annahme einer homogenen, ebenen und unbegrenzten Landschaftsstruktur, einer gleichmäßigen Bevölkerungsdichte und eines ubiquitären Abb. 2.7: Zentrale-Orte-Modell Transportsystems, zu einem hexagonalen von Christaller Schema ausbildet [vgl. Hofmeister 1972: 70]. Das Lösch-Modell wiederum kann als eine Reformulierung des Modells von Christaller interpretiert werden, in der die ökonomischen Grundlagen dieser Theorie klarer herausgearbeitet und in den größeren Rahmen einer umfassenden Raumwirtschaftstheorie eingebettet wurden. Alle Modelle korrespondieren mit dem Dreisektoren-Modell von Fourastié, das vor dem Hintergrund der Wissensgesellschaft heute sicher einer Modifikation bedarf. Da die Standorte der ’Produktion’ von Wissen und Informationen aufgrund ihrer ubiquitären Verfügbarkeit nicht mehr grundsätzlich an physische Standorte gebunden sind, können das Thünen- und das Weber-Modell praktisch gar nicht und das Christaller-Modell nur sehr bedingt zur Beschreibung von heutigen raumökonomischen Prozessen herangezogen werden. Für eine raumökonomische Explizierung des quartären Sektors, der Wissens-’Produktion’, eignen sich indes die Studien und Analysen von Manuel Castells, Saskia Sassen, Jeremy Rifkin oder William Mitchell. Der entscheidende Anstoß ging dabei wohl von Manuel Castells aus, der mit seiner Metapher „Space of Flows“ in Worte fasste, dass in der InformationsÖkonomie die entscheidende strukturbestimmende Wirkung nicht mehr von physischen Standorten mit ihrer starren Geometrie ausgeübt wird, sondern von topolo-
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gischen Beziehungen zwischen den Knotenpunkten von Informationsflüssen [Castells 1989: 126ff und 167ff; Sassen 1996; Rifkin 2000; Mitchell 1995]. Im Bereich der Stadtökonomie und der Raumnutzungstheorien nimmt die Theorieentwicklung der „New Urban Economics“ aus den USA einen zentralen Platz ein [v. Böventer/Hampe 1988: 120, 153]. Bei der Suche nach Erklärungen für städtische Raumstrukturen, die neben ökonomischen Faktoren auch gesellschaftliche Faktoren berücksichtigen, bieten die folgenden vier Modelle gute Anhaltspunkte [Herbert/ Thomas 1997: 199; Tank 1987: 35ff]: • • • •
konzentrische Stadt („concentric theory“ von Burgess); axiale Stadt („axial theory“ von Babcock; ähnlich bereits zu finden bei Geddes [vgl. Hall 1998: 147]); sektorale Stadt („sector theory“ von Hoyt); polyzentrische Stadt („multiple nuclei theory“ von Harris/Ullman).
Diese Modelle (vgl. Abb. 2.8) bieten einen recht guten Erklärungshintergrund in Bezug auf Nutzungen um Stadtzentren herum, den Einfluss von Verkehrsachsen auf die Erreichbarkeit, Bodennutzung und Bodenwerte oder die Herausbildung von Nebenzentren als Ergänzung des Hauptzentrums. Selbst wenn sie einen relativ statischen Charakter besitzen, sind diese Modelle auf weiten Strecken auch heute noch aktuell. Ein weiteres wichtiges Thema, mit dem sich die Theoretiker der Stadtökonomie seit langem beschäftigen, ist die Frage nach der optimalen Stadtgröße [vgl. v. Böventer/Hampe 1988: 36ff; Lenort 1961: 171]. Kern dieser Überlegungen ist die Minimierung von Kosten als Optimalitätskriterium. Während sich aber bei einzelnen Infrastruktur- und Gemeinbedarfseinrichtungen noch eine Optimalgröße bestimmen lässt, sind die Faktoren im Falle einer Gesamtstadt so vielfältig und vielschichtig, dass eine quantitative Optimalgrößenbestimmung nicht gelingen kann [Tank 1987: 99ff]. Eher möglich ist indes eine Bestimmung der minimalen Abb. 2.8: Stadtmodelle Stadtgröße, indem etwa entscheidende Einflussfaktoren für das Minimum von Infrastruktureinrichtungen (z.B. Ver- und Entsorgung) oder Mindestgrößen einer effizienten Verwaltung zu Grunde gelegt werden: „In der Realität“, so geben v. Böventer und Hampe aber zu
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bedenken, „ist eine solche minimale Größe nicht völlig eindeutig zu bestimmen, sicher jedoch ist eher Einigkeit darüber zu erzielen als über irgendeine optimale Stadtgröße“ [v. Böventer/Hampe 1988: 40]. Während also bei der Bestimmung einer minimalen Stadtgröße die Infrastruktureinrichtungen und deren Kosten eine Schlüsselrolle spielen, könnten bei Überlegungen in die entgegengesetzte Richtung, nämlich der Frage nach der maximalen Stadtgröße, ganz andere Faktoren maßgeblich sein; so könnte etwa eine ökologische Tragfähigkeit die Grenzen für eine Megalopolis mit zehn oder zwanzig Millionen Menschen aufzeigen – mess- und darstellbar etwa durch einen ‘ecological footprint‘, den ökologischen Fußabdruck zum Ressourcenverbrauch der betreffenden Agglomeration. Auch diese Frage wäre letztendlich durch die raumökonomischen Theorien zu durchdringen, im Wissen darum, dass Ökologie stets langfristige Ökonomie bedeutet. Das Thema Stadtgröße ist für Stadtökonomen und Siedlungsgeographen noch in einem anderen Zusammenhang interessant. Die Beobachtung des deutschen Geographen Felix Auerbach zu Beginn des 20. Jahrhunderts, dass es zwischen der Rangfolge von Städten eines Landes und deren Einwohnerzahl eine Regelmäßigkeit gebe, ist später von dem amerikanischen Linguisten George Kingsley Zipf mathematisch-statistisch fortentwickelt worden und hat schließlich auch Eingang gefunden in die Stadtökonomie als ‘Rang-Größe-Regel‘ (‘rank-size rule‘). Diese als „Zipf‘s Law“ bezeichnete Regel besagt, dass bei einer Sortierung aller Städte eines Landes nach ihrer Größe ein erstaunliches Phänomen zutage tritt: die zweitgrößte Stadt ist halb so groß wie die größte Stadt, die drittgrößte ein Drittel so groß, die viertgrößte ein Viertel von der Größten und so fort [Internet spiekermann-wegener. com/mir/pdf/MIR1_11_130109.pdf]. Eine wissenschaftlich haltbare Erklärung für dieses Phänomen gibt es nicht; vermutet wird eher, dass ein statistisches Artefakt vorliegt (etwa durch die Definition und Abgrenzung des Untersuchungsraumes). Man könnte dieses Phänomen als Kuriosum der Stadtökonomie abtun, würden sich nicht Folgeuntersuchungen hierauf stützen, wie dies zum Beispiel in Studien der Fall ist, bei denen der Zusammenhang zwischen dem Entwicklungsstand eines Landes und dem Polarisierungsgrad seines Städtesystems hergestellt wird [weitere Hinweise und Quellen dazu vgl. Internet www.supplement.de/geographie/blotevog/ stadtgeo/systeme.htm]. Andere versuchen, damit ein urbanes Wachstumsmodell im Sinne einer „superlinear city“ zu begründen in der Erwartung, dass die Stadtgrößenzunahme zu einer überproportionalen (superlinearen) Zunahme an ökonomischer Potenz in Form von Kreativität, Talenten und Ideen führt [Johnson 2010: 7ff]. Innerhalb von städtischen bzw. räumlichen Strukturen nimmt die Infrastrukturausstattung einen besonderen Platz ein. Während von dem sehr engen Zusammenhang zwischen Planung/Stadtplanung und Infrastruktur bereits zu Beginn dieses Buches die Rede gewesen ist (Kap. 1), werden wir uns nun den Infrastrukturtheorien zuwenden. In der räumlichen Planung sind die Begriffe ’Infrastruktur’ und ’Theorien der Infrastruktur’ eine relativ neue Errungenschaft, die auf Studien aus den 1960er Jahren insbesondere von Reimut Jochimsen zurückgeht [Jochimsen 1966]. Zentrales Anliegen der Infrastrukturtheorien ist, „die Funktion der Infra-
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struktur als Voraussetzung für das wirtschaftliche Wachstum und eine optimale nachhaltige sozioökonomische Entwicklung herauszuarbeiten“ [Jochimsen 1995: 494]. In der Raumwirtschaftstheorie besitzt die Infrastruktur den Rang eines endogenen Potentialfaktors – d.h. durch innere Ursachen oder Gegebenheiten sich bietende Entfaltungsmöglichkeiten einer Stadt oder Region –, mit dem vorhandene Engpässe anderer Potentialfaktoren – z.B. Landschaftspotentiale, Lagerstätten – teilweise oder ganz ausgeglichen werden können. Unterschieden werden die drei klassischen Teilbereiche der Infrastruktur: materielle/technische, institutionelle und personelle Infrastruktur. Diese sind untereinander komplex verzahnt, indem beispielsweise das Nutzungsangebot der materiellen Infrastruktur (z.B. Forschungseinrichtungen oder Telekommunikation) nur durch einen entsprechend ausgebildeten Personenkreis voll genutzt werden kann. Über die traditionelle Dreiteilung der Infrastruktur hinaus hat sich, wie bereits erläutert, als ein wesentlicher Aspekt für die Herausbildung der Wissensgesellschaft ein vierter InfrastrukturBereich terminologisch und inhaltlich etabliert: die informationelle Infrastruktur (vgl. Abb. 1.7 in Kap. 1). Im Rahmen der Wissensgesellschaft stellen technische Infrastrukturen, inklusive der informationellen Infrastruktur (Internetauftritte etc.), allerdings nur eine notwendige, keineswegs aber hinreichende Voraussetzung für den ökonomischen Erfolg einer Stadt dar. Der Grund liegt darin, dass materielle Infrastrukturen im Prinzip überall vorgehalten werden können: Kopieren der klassischen Standortfaktoren können letztendlich alle [Musterd 2002, vgl. Artikel auf beiliegender DVD]. Was in der Wissensgesellschaft hingegen mehr und mehr zählt, sind ‘talent pools‘, die den Schlüssel jeder künftigen Stadtentwicklung darstellen. Abschließend noch einige Hinweise auf neue Trends und Tendenzen, die sich gegenwärtig im Bereich der ökonomischen Stadtforschung, deren Entwicklung derzeitig einige Schübe erfährt, abzeichnen. Vier Bereiche sind gegenwärtig und in naher Zukunft von Interesse: • • • •
Ökonomische Globalisierung Space of Flow Attention-Economy Access-Economy
Die ökonomische Globalisierung wird Städte und Stadtplanung allerorts vor große Herausforderungen stellen. Die Konkurrenzsituationen und das Konkurrenzverhalten werden sich gravierend ändern: Während einige Städte sich nur noch als ’global players’ verstehen (wollen) und sich von ihrer regionalen Einbettung mehr und mehr abkoppeln (möchten), versuchen andere, durch Stärkung von endogenen Kräften und/oder durch Bildung von Städtenetzen die regionalen Möglichkeiten zu nutzen und sich gegenüber anderen Regionen besser zu positionieren. Als weithin wahrnehmbares Indiz mag dabei gelten, dass der Metropolen-Begriff – von der humoristischen Vermarktung der Lederhosen-und-Laptop-Metropole München über die politisch intendierte Definition und Abgrenzung von (europäischen) Metropolre-
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gionen bis hin zur ‘Metropole der Mittelmosel‘ Trier – unter ökonomischen Aufmerksamkeitsgesichtspunkten gegenwärtig en vogue ist, wenn auch in Verzerrung der antik-hellenistischen Bedeutung von ’Metropolis’, nämlich der ’Mutterstadt’ als zentraler Polis für ihre im übrigen Mittelmeerraum zugeordneten Kolonien. Der zweite Trend, in Anlehnung an Manuel Castells als ’Space of Flow’ bezeichnet, wird gleichfalls gewaltige raumökonomische Konsequenzen nach sich ziehen. Genau genommen handelt es sich hier schon um die Folgen der Veränderungen, die durch den Wandel von der Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft zur Wissens- und Informationsgesellschaft entstehen: Wenn Informationen und Wissen zum eigentlichen, entscheidenden Produktionsfaktor werden, dann verlieren räumlich fixierte Standorte mehr und mehr an Bedeutung, während Netze und Knoten der Informationsflüsse bzw. die Topologie eines globalen Wissensnetzes eine immer wichtigere Rolle spielen. Für die Stadtplanung stellt sich die Frage, wie mit dieser Topologie von Infrastrukturen, der tendentiell ein ubiquitärer Charakter innewohnt, grundsätzlich umzugehen ist. Geht es darum, Schaltstellen und Knotenpunkte eines solchen Wissensnetzes zu ergattern (z.B. durch Akquirierung von Forschungsinstitutionen), oder geht es darum, landschaftliche und kulturelle Qualitäten als endogenes Potential zu begreifen, das sogar urbane Schrumpfungsprozesse als sinnvolle Alternative plausibel erscheinen lässt? Eine Fortentwicklung dieses Ansatzes ist etwa bei Martijn Arnoldus und Sako Musterd von der Universität Amsterdam zu finden, die – in Anknüpfung an Sharon Zukin’s „The Cultures of Cities“ – bei ökonomisch höchst erfolgreichen Städten die folgenden Antriebskräfte bzw. -faktoren herausgefunden haben [Musterd 2002 vgl. Artikel auf beiliegender DVD; Zukin 1995; außerdem Arnoldus/Musterd 2002]: • • • • •
Kreativität („creative city“) Diversität („diverse city“) Toleranz („tolerant city“) Internationalität („international city“) Sicherheit („security city“)
Mit dem Stichwort ’Kreativität’ ist im Übrigen noch eine ganz andere Sicht auf die Stadt verbunden, die bei Stadt- und Raumplanern zunehmend auf Interesse stößt. Es erfordert auf weiten Strecken ein komplett anderes Verständnis von Stadtplanung und ein deutlich verändertes, für ’traditionelle Stadtplaner’ recht ungewöhnlich anmutendes Methodenrepertoire. In seinem Buch „The Creative City – A Toolkit for Urban Innovators“ zeigt Charles Landry, welche Bedeutung soziale und von Milieus getragenene Kreativität für die Vitalität von Städten besitzt, die sich letztendlich auch in messbaren ökonomischen Effekten niederschlägt: „Creativity is the catalyst for vitality“, so Landry’s Resumé [Landry 2000: 243f] – unter genauer Darlegung übrigens, wie mit einer „creative city strategy method“ einem solchen Ansinnen zur Realisation verholfen werden kann [Landry 2000: 166ff]; vgl. fortführend Kap. 9 „Stadtentwicklung“ zum Thema „Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft“]. Der Begriff ’Attention’-Ökonomie wird für eine dem Internetzeitalter angemessene Ökonomie verwendet [Goldhaber 1998; Internet www.well.com/user/mgoldh;
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außerdem Rötzer 1999]. Der zentrale Gedanke lautet: Im Gegensatz zur Ökonomie früherer Zeiten besteht die Notwendigkeit, ein größeres Publikum anzusprechen, was mittels elektronischer Medien (Fernsehen, Internet) geschieht. Dabei sind nicht etwa die Besucherzahlen von Websites das ausschlaggebende Kriterium: „Was gemessen wird, sind die Zeit und Aufmerksamkeit, auf deren anderweitige Verwendung die Konsumenten verzichten. Die Medien neuen Stils sind Märkte, auf denen Information statt gegen Geld ganz direkt gegen die Aufmerksamkeit, die ihr Konsum kostet, getauscht wird.“ [Franck 2000] Mit der Ökonomie der Aufmerksamkeit haben Stadtplaner tagtäglich zu tun: bei der Gestaltung öffentlicher Räume und der Realisierung spektakulärer Architekturobjekte, aber auch, wenn es um die Festivalisierung der Städte [Häußermann/Siebel 1993] oder um Internetauftritte im Web 1.0 bzw. um die Etablierung von Kommunikationsforen und Weblogs im Web 2.0 von Städten und Gemeinden geht. Die ’Access’-Ökonomie schließlich geht von der These aus, dass wir uns von einem industriellen Kapitalismus auf einen kulturellen Kapitalismus zubewegen, bei dem nicht mehr Besitz und Eigentum die Schlüsselposition einnehmen, sondern allein der Zugriff auf Ideen, Güter und Dienstleistungen. Dazu Jeremy Rifkin: „Ein großer Teil des kulturellen Lebens wird zukünftig in elektronischen Welten stattfinden. Die Frage des Zugangs wird im kommenden Zeitalter zur wichtigsten überhaupt“ [Rifkin 2000: 315, 351] und zu einem „eigenen Modus in der Beziehung von Technologie und Gesellschaft“ führen [vgl. dazu Bude 2002 sowie Kap. 1 in diesem Buch]. Auch diese Erkenntnisse sind nicht ganz neu. Bereits in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden sie vorformuliert – etwa in den USA in Daniel Bell’s Grundlagenwerk über die „nachindustrielle Gesellschaft“ oder in Frankreich mit Jean-François Lyotard’s grundsätzlichen Überlegungen zum „postmodernen Wissen“ [Bell 1973/1996; Lyotard 1986]. Gegenwärtig werden die ersten Erscheinungsformen und Auswüchse einer solchen Access-Ökonomie für Stadtplaner recht deutlich erkennbar: Sie zeigen sich bei Betrieben vor allem des tertiären Sektors, die kein Eigentum an Grundstücken und Gebäuden mehr besitzen, sondern nur noch Zugriffsrechte auf Immobilien für bestimmte Zeiträume. Access-Ökonomie ist vor allem auch erkennbar an den enorm zunehmenden sogenannten ’gated communities’ in den USA (und Europa), bei denen die Bewohner zwar auch (noch) Eigentum erwerben, sich insgesamt aber eher in einen bestimmten Lebensstil einkaufen und dafür über vertragliche Bindungen bestimmte Verpflichtungen eingehen (reglementierte Haus- und Vorgartengestaltung), ja am Ende sogar Rechte preisgeben, die bis zur Aushöhlung des privaten Umgangs mit dem Eigentum führen können [Beispiele finden sich bei Rifkin 2000: 163ff]. Nach dem Anschlag auf das World Trade Center in New York gehen Prognosen von einer Verstärkung dieses Trends aus mit der Folge vielleicht, dass ein gewaltiger „Kampf um Identitätsghettos“ stattfinden könnte [Häntzschel 2002]. d) Ökologische Stadtforschung Wenn es stimmt, dass „der Kampf um Artenvielfalt und kulturelle Vielfalt die beiden großen sozialen Bewegungen des 21. Jahrhunderts“ sein werden [Rifkin 2000:
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347], dann hat notwendigerweise eine verstärkte Theoriebildung in der ökologischen Stadtforschung auf der Agenda zu stehen. Bei der Frage, in welcher Weise die Theorien der ökologischen Stadtforschung systematisiert werden könnten, seien als Arbeitsgrundlage zunächst einmal die vier Dimensionen der Nachhaltigkeit in Erinnerung gerufen [vgl. Kap. 1 in diesem Buch sowie Deutscher Bundestag 1997 und Internet www.nachhaltigkeitsforum.de]: • • • •
die ökologische Dimension, die ökonomische Dimension, die soziale Dimension und die kulturelle Dimension.
Die große Schwierigkeit in der praktischen Umsetzung und Anwendung dieser vier Dimensionen besteht darin, dass je nach Erkenntnis und Interesse der jeweiligen Diskutanten den Nachhaltigkeitsdimensionen unterschiedliche Bedeutung beigemessen wird, also stets individuelle Werthaltungen und Leitbilder einfließen. So mag die Erhaltung eines Baudenkmals aus Gründen der Pflege der Kulturgüter für die nachfolgenden Generationen geboten sein, ökonomische Gründe könnten durchaus dagegen sprechen. Ähnliches ließe sich auch in Bezug auf die übrigen Dimensionen der Nachhaltigkeit vorbringen. Die gegenseitigen Wechselwirkungen sind jedoch meist derart diffizil, dass in solchen Diskussionen sehr früh und sehr stark Komplexitätsreduktionen vorgenommen werden, die am Ende aber keinen der mit dem Problem Befassten zufrieden stellen. So wäre es gerade unter dem Nachhaltigkeitspostulat sinnvoll, die Komplexität des Zusammenspiels aller vier Dimensionen mit ihren einzelnen Komponenten soweit wie möglich zu erhalten, d.h. sie zugunsten einer vernetzten Sicht auf die jeweilige Situation nach Möglichkeit nicht oder nur sehr behutsam zu reduzieren. Es gibt drei wichtige theoretische Ansätze für den Umgang mit stadt- und raumökologischem Wissen, an denen man, auch wenn sie z.T. schon älteren Datums sind, nicht vorbeikommt: Unter Sachsenkönig August dem Starken entstand im Jahre 1713 die erste forstwissenschaftliche Veröffentlichung, ein Werk des Oberberghauptmanns Hans Carl von Carlowitz mit dem Titel „Sylvicultura Oeconomica – Naturgemäße Anweisung zur Wilden Baum-Zucht“, in dem das grundlegende Prinzip der Nachhaltigkeit formuliert wurde [Grober 2010]. Um dem Problem des zunehmenden Holzmangels und weitgehenden Kahlschlags in der Umgebung der Bergbaustädte zu begegnen – Holz wurde in großen Mengen für den Ausbau von Gruben im Bergbau benötigt, aber auch beim Erzabbau mittels Feuersetzen und für die mit Holzkohle betriebenen Schmelzhütten –, sollte fortan nur noch soviel Holz geschlagen werden, wie auch nachwachsen konnte. Das Übertragen dieses Prinzips der Nachhaltigkeit auf die heutige Zeit bedeutet: substanzerhaltender Umgang mit erneuerbaren Ressourcen sowie sparsame und schonende Nutzung von nicht-erneuerbaren Ressourcen (Energie, Material, Fläche) [BfLR/BBR 1996]. Oder im Sinne einer ökonomischen Faustregel: Bewah-
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rung des natürlichen Kapitalstocks, d.h. Inanspruchnahme nur der ’Zinsen’, nicht aber der ’Kapitalsubstanz’. Insbesondere ist mit diesem Prinzip eine intergenerative Gerechtigkeit herzustellen, was heißen soll, dass nachfolgende Generationen nicht ihrer (natürlichen) Ressourcen beraubt werden dürfen. Auch der Begriff der Irreversibilität taucht im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit häufig auf: Die Herbeiführung von Irreversibilitäten – z.B. irreversibler Flächenverbrauch durch Bodenkontaminationen oder durch Zerstörung von Biotopen beim Straßenbau – widerspricht dem Prinzip der Nachhaltigkeit. Es gilt die Gleichung: nachhaltig handeln = Irreversibilitäten vermeiden. Ein weiterer Ansatz steckt in der ’Place/Folk/Work’-Triade von Patrick Geddes, auf den bereits ausführlich im ersten Kapitel eingegangen wurde. Nicht umsonst gilt der Schotte als einer der Urväter der Stadtökologie. Seine grundlegenden theoretischen Überlegungen werden seit einigen Jahren insbesondere im angelsächsischen Sprachraum wegen ihrer ökologischen Weitsicht wiederentdeckt. Sogar ein Bezug zur Wissensgesellschaft unserer Tage mag diesem Diagramm zugeordnet werden können, bezeichnete Geddes es doch als eine Art „Thinking Machine“ [Geddes 1950/1915: xiv, 208], wobei dieses Diagramm auch aus dem Blickwinkel einer theoretischen Grundlegung des ökologischen Gedankens interessant ist (vgl. Abb. 2.9). Zum einen besteht ein enger Zusammenhang zur sozialen Dimension, da sich Geddes auf das ’Lieu/Famille/Travail’-Schema des großen französischen Sozialreformers des 19. Jahrhunderts, Frederic LePlay, bezog. Zum anderen war Geddes durch seine Herkunft als Biologe mit dem damals in seiner Disziplin geläufigen ’Environment/Organism/Function’-Schema wohlvertraut, das ihn dann zu einer Fortentwicklung für stadtplanerische Anwendungen inspiriert haben mag [Geddes 1950/1915: xiv]. Geddes’ Überlegungen mündeten schließlich in utopischen Vorstellungen, denen er die Bezeichnung „Eutopia“ gab, was auf Thomas Morus’ doppeldeutigen Begriff verwies und den Zweck haben sollte, auf die Notwendigkeit der Realisierbarkeit von ’Orten des Wohlbefindens’ hinzuweisen [Geddes 1950/1915: 119; Eaton 2001: 11f; Internet www.uky.edu/Classes/PS/Projects/Geddes/geddes. htm; vgl. außerdem Kap. 11].
Abb. 2.9: Genealogie der Geddes-Trilogie Ein dritter theoretischer Ansatz für den Umgang mit stadt- und raumökologischem Wissen steckt in der Ökosystemforschung, bei der es im Prinzip um Erkenntnisse
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„der großen Komplexität der Lebewesen-Umwelt-Beziehungen“ geht [Haber 1995: 691]. Zum einen korrespondiert diese Vorstellung mit dem zuvor dargestellten Geddes-Schema, zum anderen aber auch etwa mit dem von Frederik Vester formulierten theoretischen Ansatz, Ökologie mit vernetztem Denken gleichzusetzen [Vester 1999] oder mit der Aufforderung von Fritjof Capra, jedes Ding von vornherein nicht durch das zu definieren, was es an sich ist, sondern durch seine Zusammenhänge mit anderen Dingen [Capra 1982: 84]. Unterhalb dieser Makroebene mit theoretischen Ansätzen in der Stadt- und Raumökologie existiert eine große Zahl von Teilaspekten. Dazu zählen zunächst einmal Modelle für die Ökosysteme der Umweltmedien • • •
Luft, Boden und Wasser.
Sehr spannend und merkwürdigerweise in einschlägigen stadtökologischen Publikationen kaum zur Kenntnis genommen ist die Tatsache, dass diese drei Umweltmedien in ihren Bezügen zu Städten und Ortschaften bereits von Hippokrates im antiken Griechenland ewähnt wurden. Im berühmten Corpus Hippocraticum, der zwischen 450 und 350 v. Chr. entstanden sein dürfte, finden wir in Teil VI, dass „Luft, Wasser und Ortslage – Einfluss der lokal beobachtbaren Sonneneinstrahlung und Windverhältnisse, der Wasserqualität und der Jahreszeiten auf Gesundheit und Krankheit in einer Stadt“ von großer Wichtigkeit für die Gesundheit der Stadtbewohner sind [Pichot 1991: 502; Capra 1982: 347]. Innerhalb dieser Umweltmedien spielen sich die komplexen Prozesse der unbelebten und belebten Umwelt von Ökosystemen ab. Anthropogene Einflüsse, die hierauf einwirken, bedürfen im Rahmen stadtplanerischer Aktivitäten einer sorgfältigen Analyse und – in ihren Wechselwirkungen – einer theoretischen Durchdringung. Sie lassen sich unter den folgenden Stichworten zusammenfassen [ausführliche Darstellungen vgl.: Finke 1986; BfLR/BBR 1996; Koch 2001; Tesdorpf 1984; Daniels 1995]: • • • • •
Emissionen und Immissionen (Stoffeinträge, Lärm, Strahlung etc.) Energie und Klima (Ressourceninanspruchnahme etc.) Boden- und Flächeninanspruchnahme (quantitativ und qualitativ) Vegetation (Flora, Fauna, Artendiversität, Biota) Natur- und Kulturlandschaften, Orts- und Stadtbild (Gestaltästhetik, visuelle Qualitäten)
Ein sehr hilfreiches Instrument zur Demonstration stadtökologischer Verhältnisse vor allem hinsichtlich des Ressourcenverbrauchs stellt der sogenannte ökologische Fußabdruck dar. Es handelt sich dabei um die Messung derjenigen Fläche, die in Anspruch genommen wird, um den Lebensstil eines Menschen zu ermöglichen. Entwickelt wurde das Konzept in den 1990er Jahren von Mathis Wackernagel und William Rees an der University of British Columbia in Vancouver mit der Idee, die
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Inanspruchnahme von Raum bzw. Fläche und natürlichen Ressourcen, die ein Mensch im Alltag für Essen, Wohnen, Mobilität und für die Entsorgung von Abfällen benötigt, in einem Rechenmodell zu einem ökologischen Fußabdruck zusammenzufassen [Wackernagel/Rees 1997]. Auch für Städte, Regionen und ganze Länder lassen sich entsprechende Zahlenwerte ermitteln. Der ökologische Fußabdruck ist ein wichtiger Umweltindikator für eine nachhaltige Entwicklung, vor allem wenn er der Biokapazität, also der Fähigkeit von Ökosystemen zur Hervorbringung von biologisch nutzbringendem Material, gegenübergestellt wird [Internet www.footprintnetwork.org]. Aus der Differenz zwischen Biokapazität und ökologischem Fußabdruck lässt sich außerdem eine Ökobilanz ableiten. Weltweit ist die Ökobilanz negativ, der Wert des ökologischen Fußabdrucks demnach größer als die Biokapazität [Internet www.lfu.bayern.de/umweltwissen/doc/uw_86_oekologischer_fussabruck.pdf].
Städtebauliche Leitbildtheorie Nach ihrer ersten großen Blüte vor etwa 30 Jahren und einer sich daran anschließenden Zeit der Abkehr sind städtebauliche Leitbilder und begleitende Diskussionen gegenwärtig wieder en vogue. Bereits Mitte der 1980er Jahre war zu erkennen [Streich 1988: 128], weshalb die Leitbilddiskussion sich neu beleben würde. Als Gründe konnten genannt werden: •
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Entwicklungen im sozio-ökonomischen Bereich: Wegen der schon damals erkennbaren Bevölkerungsabnahme zeichneten sich Schrumpfungsprozesse für weite Teile Deutschlands ab; ökologische Probleme: Sie machten neue Sichtweisen bei der Beurteilung städtebaulicher Aufgaben erforderlich und lieferten einen veränderten Orientierungsrahmen bei der Formulierung neuer Leitvorstellungen; technologische Entwicklungen: Die räumlichen Konsequenzen der neuen Technologien rückten ins Blickfeld und machten neue Konzepte für eine sinnvolle Implementierung in das strukturräumliche Gefüge von Stadt und Land notwendig.
Diese als „Kristallisationspunkte für städtebauliche Leitbilder“ bezeichnete Antizipation künftiger Themen, die nach damaligem Erkenntnisstand für die städtebauliche Planung als künftig relevant eingestuft wurden, haben sich weitgehend bewahrheitet. Da die Leitbilddiskussion in Städtebau und Stadtplanung boomt [Beispiele aus jüngerer Zeit: Jessen 1996; Waber 1996; Becker/Jessen/Sander 1998; Brake/Danielzyk/Karsten 1999; Spiekermann 2000; Giesel 2005/2007], wird dem Thema hier etwas mehr Platz eingeräumt. Es scheint nach wie vor diesbezüglichen Erkenntnisbedarf zu geben, vor allem, was eine Theorie städtebaulicher Leitbilder betrifft, wie diese entstehen, sich verändern und wieder fallengelassen werden. Nähern wir uns dem Leitbildbegriff zunächst von der terminologischen Seite [ausführlich dazu vgl. Streich 1988]. Zunächst sind dazu zwei begriffliche Kategorien zu unterscheiden, die als konstituierende und als intentionale Begriffsele-
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mente bezeichnet werden. Diese Unterscheidung muss getroffen werden, um klar zu stellen, welche semantischen Teile zwingend notwendig sind und welche dazu dienen, bestimmten Intentionen, die mit der Verwendung des Leitbildbegriffs verbunden sind, Ausdruck zu verleihen. Damit stellt sich allerdings die Frage, warum Intentionen überhaupt in die Begriffsbildung einbezogen werden sollen. Es sind jedoch gerade die transitiven, zielenden Aspekte, die dem Begriff des Leitbildes ihren Reiz verleihen. So gibt es etwa utopische Momente, die Leitbildern stets anhaften. Konstituierend für den Leitbildbegriff sind utopische Momente allerdings nicht. Sie drücken lediglich bestimmte Absichten, d.h. Intentionen, aus, die mit Leitbildern verfolgt werden. So ist beispielsweise die Absicht, eine Änderung unerwünschter Zustände durch die Formulierung eines Leitbilds herauszufordern, eine solche Intention. Ähnliches gilt auch für modische Momente, die manchen Leitbildern anhaften und denen gleichfalls eine bestimmte Absicht, nämlich etwas Neues zu kreieren, zu Grunde liegt. Der Begriff des Leitbildes setzt sich terminologisch aus folgenden Elementen zusammen [Streich 1988: 49f]: Die erste Kategorie, die der konstituierenden Begriffselemente, beinhaltet fünf Einzelaspekte: • •
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In erster Linie handelt es sich bei Leitbildern um dominierende Zielkonzepte, die der Orientierung und Steuerung von städtebaulichen Entwicklungen dienen. Leitbilder sind zudem übergreifende Ziele, d.h. sie dienen – im Sinne eines normensetzenden, ganzheitlichen Überbaus – der Orientierung bei der Formulierung operationaler Ziele oder bei aktuellen Einzelentscheidungen. Leitbilder stellen verdichtete Ziele dar, d.h. in ihnen wird eine gewisse Anzahl von Zielen gebündelt, um Breitenwirkung durch die Griffigkeit der Leitbildbezeichnung zu erzielen. Leitbilder sind bildlich fassbar, rufen beim Menschen also hinreichend konkrete Vorstellungen hervor; gelegentlich wird diese bildliche Fassbarkeit durch (z.T. auch geometrische) Modelldarstellungen unterstützt. Leitbilder sind kollektive und nicht etwa individuell variierende (persönliche) Konzeptvorstellungen, die mithin einen gewissen Grundkonsens erfordern.
Hinsichtlich der zweiten Kategorie, die der intentionalen Begriffselemente, sind zwei Aspekte zu nennen: • •
Leitbilder beinhalten utopische Momente, die allerdings nicht, wie es gelegentlich der Fall ist, mit (technischen) Fiktionen verwechselt werden dürfen. Leitbilder besitzen modische Momente, die sich durchaus auch aus dem (modernen) Fortschrittsparadigma mit einem ständigen Wechsel vom Alten zum Neuen ergeben.
Ohne die Implikationen aus dieser Definition im Einzelnen diskutieren zu wollen, darf ein Hinweis auf die Paradoxie nicht ganz fehlen, die in der begrifflichen Zweiteilung von übergreifenden und verdichteten Zielen steckt. Erwartet werden nämlich zugleich Komplexitätserhalt und Komplexitätsreduzierung: eine Paradoxie, die
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kaum zu überwinden ist. Während Dietrich Fürst in Leitbildern – dem „paradigmatischen Denken in der Raumplanung“ – grundsätzlich ein Instrument der Komplexitätsreduktion sieht [Fürst 1996], wäre auch die Auffassung vertretbar, dass diese Paradoxie durch Anwendung einer Diskursstrategie überwindbar ist. Wir werden dies später an einem Erklärungsmodell erkennen, das sich mit dem Entstehen und Wechsel von städtebaulichen Leitbildern befasst (vgl. Abb. 2.10). Obwohl der Begriff des Leitbildes einen zentralen Platz in der städtebaulichen Terminologie einnimmt, hat man sich erstaunlich wenig Gedanken über das Zustandekommen von Leitbildern im Sinne einer Theorie gemacht. Eine Ausnahme bildet Katharina Giesel‘s Dissertation „Leitbilder in den Sozialwissenschaften“ aus dem Jahre 2005 mit vielen Bezügen zur Stadt- und Raumplanung [Giesel 2005/ 2007]. Es gab Zeiten, da ist viel Unerklärliches vermutet worden, was die Entstehung von Leitbildern anbetrifft. So hat in den 1950er Jahren der Architekt Philipp Rappaport, der offenbar keinerlei Prinzip hinter dem Zustandekommen und dem Wandel von städtebaulichen Leitbildern erkennen konnte, unter Bezugnahme auf den plötzlichen Wechsel von der im Städtebau verwendeten ‘Korridorstraße‘ zur ‘Zeile‘ schlicht von einem „städtebaulichen Geheimnis“ gesprochen [Rappaport 1955]. Sucht man nach ersten theoretischen Ansätzen, die sich mit dem Entstehen von städtebaulichen Leitbildern befassen, wird man sich mit vagen, allenfalls indirekten Äußerungen begnügen müssen. Ein frühes Beispiel findet sich im Handbuch „medizin und städtebau“, in dem der Architekt Erich Kühn ein „Einverständnis über Leitbilder“, die den Disziplinen Medizin und Städtebau gemeinsam sind, fordert. Ein solches Einverständnis wäre gleichbedeutend mit der Herstellung von Konsensus – dem wohl zentralen Element bei der Leitbildentstehung. Interessant wäre es schon gewesen, wie und auf welchen Wegen ein solches Einverständnis im Sinne Kühn‘s zustande kommen könnte; bedauerlicherweise findet sich einige Zeilen später in der Publikation nur der Satz, dass es müßig sei, „darüber zu sprechen, wieweit Aktivität notwendig ist, um solche Leitbilder zu finden und durchzusetzen“ [Kühn 1957: 563]. Einen interessanten und für unsere Überlegungen verwertbaren Beitrag gab es erst in den 1970er Jahren, und zwar von dem französischen Architekten Yona Friedman, der seine „utopies réalisables“ mit einer, wie er es nannte, axiomatischen Theorie zu begründen versuchte. Friedman’s drei Axiome für realisierbare Utopien, d.h. Leitbilder im hier verwendeten Sinne, sind 1) kollektive Unzufriedenheit mit dem aktuellen Zustand, 2) die Existenz eines bekannten Mittels zur Behebung dieses Zustands sowie 3) die Verwirklichung des neuen Zustands aufgrund kollektiver Zustimmung [Friedman 1975/1977]. In der Tat sind diese drei ’Axiome’ von Friedman – auch hinsichtlich der verwendeten Terminologie mit Assoziationen zu Utopien – für eine theoretische Erklärung des Zustandekommens von Leitbildern ausgesprochen hilfreich, wie im Folgenden gezeigt wird. Der Herstellung von Konsens, dem dritten Friedman’schen Axiom, kommt offensichtlich eine zentrale Funktion bei der Leitbildentstehung zu – für die meisten, die sich mit dieser Thematik befassten, eine Selbstverständlichkeit, die selten hinterfragt wird. Es bedarf allerdings noch einiger anderer Faktoren, damit städtebauliche
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Leitbilder zustande kommen. So ist etwa ist die Frage relevant, worüber denn ein Konsens herzustellen ist, oder anders ausgedrückt: es werden Konzeptvorstellungen als Diskussionsgrundlage benötigt, auf die eine im Konsens erzielte Verständigen möglich ist – analog dem zweiten Friedman’schen ’Axiom’. Da solche Konzeptvorstellungen aber nicht ohne Anlass entwickelt werden, ist nach den Auslösemomenten für den Entwurf von entsprechenden Konzepten zu fragen – gleichbedeutend also mit dem ersten ‘Axiom‘ von Yona Friedman. Berücksichtigt man außerdem die gewünschte Realisierbarkeit eines Leitbilds, dann ergeben sich insgesamt vier Phasen, die in ihrer Gesamtheit die Entstehung städtebaulicher Leitbilder bewirken. Bevor nun auf die einzelnen Phasen dieses Erklärungsmodells eingegangen wird, ist zweierlei vorwegzuschicken: Zum einen, dass dieses Modell auf der Basis eines pragmatischen Ansatzes wissenschaftlicher Politikberatung (siehe weiter oben in diesem Kapitel) nur im Rahmen eines pluralistisch-demokratischen Gesellschaftssystems gelten kann. Der Kern des Modells – Herstellung eines leitbildtragenden, expliziten Konsenses – würde anderenfalls wenig Sinn ergeben und letztendlich in Frage stehen. Zweitens sei mit Blick auf die Definitionsarbeit der gelegentlich zu hörende Einwand aufgegriffen, dass Dominanz als Leitbild-Indikator nicht tauge [so bei Giesel 2005/2007: 134ff]. Allenfalls, so die Argumentation, könne dies für „dominante Leitbilder der 1. Generation“ gelten, nicht aber für die sich fortentwickelnde „Vielfalt der generellen Leitbilder der 2. Generation“ [ebenda: 134ff; 140ff]. So sehr man der Intention folgen möchte, leitende Vorstellungen in Vielfalt und Pluralität sich entfalten zu lassen, so problematisch ist es doch, bei empirischen Studien auf das Dominanz-Kriterium zu verzichten. Die Konsequenz wäre nämlich, dass konzeptionelle Vorstellungen einer bestimmten Zeitepoche alle dieselbe Bedeutung hätten, sie also keinerlei Bedeutungsunterschiede aufwiesen. Die Vorstellung von Nachhaltigkeit, so man ihr überhaupt etwas Leitbildhaftes zugesteht, hätte dann dieselbe Bedeutung wie leitende Vorstellungen von, sagen wir, Nutzungsmischung oder Förderung alternativer Verkehrsmittel in einer Stadt. Das Dominanz-Kriterium besitzt lediglich eine empirische Funktion, um Bedeutungsunterschiede von konzeptionellen Vorstellungen herauszuarbeiten. Auf keinen Fall aber soll es dazu dienen, das „homogene geistige Formprinzip einer Epoche“ zu setzen; und erst recht soll es nicht, wie unterstellt wird, als dezisionistisches Instrument „politischer Vorgabe“ herhalten [Zitate aus Giesel 2005/2007: 140]. Eine schematische Darstellung des Prinzips der Entstehung von städtebaulichen Leitbildern zeigt Abbildung 2.10. Abgesehen von individuellen, nicht in ein Leitbild eingebetteten städtebaulichen Konzepten oder individuellen Bauvorstellungen beinhaltet das Modell vier ineinander verzahnte Einzelphasen. a) Phase 1: Problem- oder Konfliktsituationen als Entstehungsimpuls Einen ersten Impuls zur Leitbildentstehung geben in der Regel Problem- oder Konfliktsituationen, wenn sich etwa – aus stadtplanerischer Sicht – Unbehagen oder Kritik an einem bestimmten Struktur- oder Gestaltungsmuster, aber auch an spe-
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ziellen städtebaulichen Funktionsbereichen (z.B. Übergewichtung des Verkehrs) entzündet. Derartige Anomalien oder Konfliktsituationen können auch sehr plötzlich auftreten, z.B. ausgelöst durch Katastrophen – man denke an die Choleraepidemien des 19. Jahrhunderts, die die Verantwortlichen zu entschlossenem Handeln zwangen und das Leitbild ‘Stadthygieneverbesserung‘ bzw. ‘unterirdischer Städtebau‘ auf den Weg brachten.
Abb. 2.10: Entstehung städtebaulicher Leitbilder Manchmal jedoch brauchen Konfliktsituationen real noch gar nicht aufgetreten zu sein, um die Postulierung eines Leitbildes herauszufordern; es genügt bereits die Erwartung von Anomalien für die Zukunft. So wurde beispielsweise das Leitbild der ’autogerechten Stadt’ – nicht zu verwechseln mit Hans Bernhard Reichow’s „autogerechter Stadt“, die nur ein unzutreffender Name für die von ihm propagierte „organische Stadtbaukunst“ war [Reichow 1959] – in Erwartung einer Zunahme des Pkw-Individualverkehrs auf vermeintlich unzureichend dimensionierten Straßen und
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bei einer insgesamt zu geringen Ausstattung des Raums mit Straßen formuliert. Ein anderer Entstehungsimpuls ging im Jahre 1960 auf der 11. Hauptversammlung des Deutschen Städtetages in Augsburg von Edgar Salin aus, der seine berühmt gewordene Urbanitätsformel vor dem realen Hintergrund von immer stärker verödenden Innenstädten artikulierte, denen er das urbane Flair südländischer Städte mit ihrer weitaus höheren Verdichtung gegenüberstellte: ’Urbanität durch Dichte’ hieß dann das Paradigma (das seit einiger Zeit in dem Leitbild ’Stadt der kurzen Wege’ eine gewisse Renaissance erlebt). Die genannten Beispiele machen deutlich, dass Problem- oder Konfliktsituationen nur dann zu einem auslösenden Moment für städtebauliche Leitbilder werden, wenn sie mehr sind als singuläre Ereignisse, wenn also festgestellt wird oder zu erwarten ist, dass dasselbe Problem häufiger in Erscheinung tritt. Hat man es lediglich mit einem singulären Problem zu tun, dann genügt eine Beseitigung bzw. Abwicklung dieses Problems im Zuge des üblichen Planungsverfahrens. So wird, um ein Beispiel zu geben, für das Problem von unerwünschtem Durchgangsverkehr durch ein Wohngebiet kein neues Leitbild benötigt, wenn dieses Problem einmalig ist. Die Notwendigkeit zur Formulierung eines Leitbildes entsteht erst dann, wenn das Problem des Durchgangsverkehrs häufiger und an verschiedenen Stellen auftritt oder wenn solche Probleme zunächst zwar singulär sind, ein häufigeres Auftreten aber erwartet werden muss und Prophylaxe geboten ist. Zur Herausbildung von städtebaulichen Leitbildern kommt es also nur dann, wenn eine bestimmte Problemlage gegenüber anderen Problemsituationen dominiert und ein neues Zielkonzept erforderlich macht. Dominierende Problemsituationen sind mithin leitbildkonstituierend. Problem- oder Konfliktsituationen werden aber nur dann als solche erkannt, wenn ein Bewertungsrahmen existiert, der es erlaubt, eine bestimmte Situation auch tatsächlich als problematisch zu empfinden. Dieser dem Leitbild übergeordnete Bewertungsrahmen leitet sich ab u.a. aus ethischen Grundwerten, dem jeweiligen epochalen ’Zeitgeist’, dem Stand der gesellschaftlichen Entwicklung, den ökonomischen Bedingungen und dem Stand des technischen Fortschritts. Ändern sich die darin enthaltenen Wertparameter, werden bestimmte Gegebenheiten möglicherweise als problematisch angesehen, die vorher noch als unproblematisch galten. Anomalien oder Konfliktsituationen werden damit am Ende unvermeidlich. b) Phase 2: Suche nach Lösungskonzepten Die zweite Phase in der Entstehung von Leitbildern ist von der Suche nach Lösungskonzepten geprägt, die eine Verbesserung des als unzulänglich erkannten Zustands oder die Beseitigung von Anomalien versprechen. Dies geht normalerweise so vonstatten, dass einzelne Fachpersönlichkeiten oder fachinteressierte Personen entsprechende Konzeptentwürfe entwickeln, auch wenn diese zunächst nur als Gedankensplitter oder ad-hoc-Ideen formuliert werden. Als Leitbilder können diese im ’stillen Kämmerlein’ entworfenen Individualkonzepte allerdings noch nicht bezeichnet werden, denn dazu bedarf es der Erfüllung einiger weiterer Vorbedingungen. Wichtig und zugleich evident ist, dass das betref-
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fende Konzept technisch realisierbar sein muss. Das Kriterium der technischen Realisierbarkeit ist notwendig, weil nur die technische Nichtrealisierbarkeit von leitbildverdächtigen Konzepten eine wirkliche Grenze darstellt; jenseits dieser Grenze hätte man es ausschließlich mit technischen Fiktionen zu tun, wie sie vor rund 40 Jahren beispielsweise von der britischen Archigram-Gruppe mit ihren durch die Landschaft rollenden, zwecks gemeinsamer Kommunikation sich sammelnden Städten konzipiert wurden. Diese Vorstellungen sind technisch unrealisierbar; sie sind Science-Fiction. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob das Realisierbarkeitskriterium nicht nur für die technische Seite von Leitbildern gilt, sondern zu einem generellen Kriterium für Leitbilder erhoben werden sollte. Dies könnte allerdings zur Folge haben, dass utopische Momente von Leitbildern allzu leicht mit technischen Fiktionen vermengt und über den Umweg der technischen Fiktionen auch die utopischen Momente in Leitbildern als Fiktionen diskreditiert würden. Damit dies nicht geschieht, empfiehlt sich die Anwendung des Realisierbarkeitskriterium allein auf die technischen Möglichkeiten der Verwirklichung von Leitbildern. c) Phase 3: Konsensbildung Entscheidend dafür, dass einem bestimmten Konzept die Funktion eines Leitbildes zuwächst, ist die dritte Phase, in der sich erweisen muss, in welchem Maße sich das betreffende Konzept gegenüber anderen, möglicherweise konkurrierenden Konzepten abhebt und durchsetzt. Dazu müssen zwei Bedingungen erfüllt werden: Zunächst bedarf es einer bestimmten Gruppe von Personen – einer Interessengruppe –, die als Träger des Leitbildes fungiert und für dessen Breitenwirkung sorgt. Diese Interessengruppe wird das betreffende Zielkonzept aber nur dann als Leitbild vertreten, wenn – und das ist die zweite, kaum weniger wichtige Voraussetzung – hierüber innerhalb der Gruppe Konsens besteht. Wenn das Leitbild dann über die jeweilige Interessengruppe hinaus an Verbindlichkeit gewinnen soll, ist auch weitergehender Konsens unerlässlich. Diese Auffassung ist allerdings nicht unumstritten. Sehen wir einmal von politisch gefärbten Provokationen ab, wie z.B. den Konsens als die „Diktatur der Minderheit“ zu diffamieren (so der CDU-Politiker Friedrich Merz im Spiegel v. 19.04.2004) – ein für die Stadtplanung völlig untauglicher Gedanke –, so bezweifeln etwa die Planungsmethodiker Jörg Meise und Andreas Volwahsen die Möglichkeit eines solchen Konsenses aus theoretischen Überlegungen ganz generell, weil die Setzung „allgemeiner Normen in unserer Gesellschaft nur im Bereich des Rechtsverständnisses und der Rechtswahrung, nicht aber im Bereich der Lebensbedingungen akzeptiert wird“; die Erstellung eines verbindlichen Zielsystems könne daher „keinen Beitrag zur Lösung konkreter Planungsprobleme liefern“ [Meise/Volwahsen 1980: 93]. Zu dieser Aussage sei indes bemerkt, dass im Bereich des Rechts Normensetzungen tatsächlich eher akzeptiert werden als in anderen Lebensbereichen. Es dürfte allerdings – jedenfalls in dieser apodiktischen Form – nicht zulässig sein, den übrigen Lebensbereichen außerhalb des juristischen Bereichs Normakzeptanz gänzlich abzusprechen. Dies widerspräche jeglicher Erfah-
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rung, denn zweifellos gibt es gesellschaftliche Werte und Normen, über die allgemeiner Konsens besteht und die dennoch rechtlich nicht normiert sind. Die – wenn auch oft begrenzte – Fähigkeit unserer (pluralistischen) Gesellschaft zur Konsensbildung oder wenigstens bestimmter gesellschaftlicher Gruppen zu Konsens gilt es mithin bei der Leitbildfindung zu nutzen. Nachdem die Konsensbildung bereits mehrfach als zentrales Element für die Entstehung von städtebaulichen Leitbildern herausgestellt wurde, soll dieser Aspekt nun etwas ausführlicher behandelt werden. Folgende Möglichkeiten des Konsenses sind denkbar: • •
impliziter bzw. stillschweigender (paradigmatischer) Konsens sowie expliziter Konsens, der entweder durch argumentative Rhetorik oder durch kommunikativen Diskurs hergestellt werden kann.
Typisch für den Fall des impliziten Konsenses ist das Prinzip der Nachahmung – ein klassisches Merkmal auch von Moden [vgl. dazu den berühmten Mode-Essay von Georg Simmel 1905] –, dem jedoch die Eigentümlichkeit innewohnt, dass man die Leitbildwirkung von Ideen oder Konzepten erst nach einiger Zeit bemerkt, nämlich dann, wenn hinreichend viele Nachahmungen entstehen und sich damit die Leitbildqualität allmählich herauskristallisiert. Außerdem bleibt die Leitbildfunktion von nachgeahmten Konzepten auch deshalb meist im Verborgenen, weil kaum jemand es offen zugeben wird, dass von ihm eine Idee nachgeahmt oder imitiert worden ist. Andererseits sind Nachahmungen – vor allem im architektonischen Bereich – im Sinne gleicher Stilauffassung, Anwendung gleicher Entwurfselemente, Entwurfsmethoden etc. durchaus gängig und bis zu einem gewissen Grade sogar erwünscht. Oft wird sogar die Fortsetzung eines bestimmten Stilschemas durch das Herausstellen des (Lehrer-)Vorbildes besonders betont. Insbesondere retrospektiv-konservativ orientierte Leitbilder verwenden das Prinzip der Nachahmung. Zwar kann es gemäß Definition eigentlich keine retrospektiv orientierten Leitbilder geben, weil ihnen die utopischen Momente fehlen, doch zeigen manche Fassadenkostümierungen unserer Tage – etwa beim ‘New Urbanism‘ in den USA [vgl. Katz 1994; Schwerpunktheft der Zeitschrift StadtBauwelt 12/2000 – oder manche ausufernde Stilimitation des Historismus zu Beginn des letzten Jahrhunderts, dass diese Rückwärtsgewandtheit gern umgedreht und als Paradigma für die Zukunft verwendet wird. Im Gegensatz zum impliziten Konsens wird beim expliziten Konsens die Übereinstimmung zu bestimmten Konzepten nicht stillschweigend, sondern absichtlich und klar formuliert herbeigeführt. Dies kann auf zweierlei Weise geschehen: durch argumentative Rhetorik oder durch kommunikativen Diskurs. Im ersten Falle versuchen einzelne Personen durch Argumentation und rhetorische Mittel ihr Auditorium von ihren Ideen, Konzepten oder Vorstellungen zu überzeugen, die dann, wenn es gelingt, als Leitbild akzeptiert werden. Der Erfolg dieser Bemühungen hängt von verschiedenen Faktoren ab, mit denen sich zum Teil schon die Sophisten und Rhetoriker der Antike beschäftigten: von der Plausibilität und Stichhaltigkeit der Argumente, von den Interessen und Einstellungen der Zuhörer, von ihrem Vorver-
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ständnis für das angesprochene Problem, aber auch von der persönlichen Ausstrahlung der Vortragenden. Charismatische Persönlichkeiten genießen dabei gewisse Vorteile, worauf auch Kenneth Boulding bei der Frage nach der Formulierung und Durchsetzung von Leitbildern hinweist [Boulding 1956/1958: 132]. Das Einsetzen der eigenen charismatischen Persönlichkeit in Bezug auf Leitbilder mag wegen des autoritären Hintergrunds fragwürdig erscheinen. Doch bereits Max Weber wies darauf hin, dass das vordergründig „autoritär gedeutete charismatische Legitimitätsprinzip auch antiautoritär umgedeutet werden“ kann, weil die „tatsächliche Geltung der charismatischen Herrschaft auf Anerkennung der konkreten Person als der charismatisch qualifizierten“ beruht [Weber 1922]. Um wiederum ein Beispiel aus dem städtebaulichen Bereich zu geben, so sei an die – manchmal wohl mit einer Portion Demagogie versehene – Ausstrahlungskraft eines Le Corbusier‘s erinnert. Und vielleicht geht man nicht ganz fehl in der Annahme, dass die Durchschlagskraft von Edgar Salins Urbanitätsformel, die wenige Jahre später sehr heftig diskutiert wurde, nicht nur auf ihrer Griffigkeit und dem Auftreffen auf den ’vorbereiteten Verstand’ der Versammlungsteilnehmer beruhte, sondern auch zu einem Gutteil dem mit Charisma gekoppelten Argumentationsgeschick Salin’s zu verdanken war [vgl. Salin’s Ausführungen in: Deutscher Städtetag (Hrsg.) 1960]. Die zweite Möglichkeit, einen expliziten Konsens über ein bestimmtes Leitbild herzustellen, ist kommunikativer Diskurs. Zwar wird auch hier, wie im vorherigen Fall, Konsens durch Argumentation hergestellt, nun jedoch nicht mehr einseitig, sondern durch Austausch und wechselseitiges Überzeugen mit Argumenten, mit anderen Worten: durch „zwanglosen Zwang der Argumente im Diskurs“ [Apel 1982]. Allerdings ist diese Art der Konsensbildung nur unter der Bedingung einer „idealen Kommunikationsgemeinschaft“ (Habermas) denkbar, wobei manche Kritiker die „herrschaftsfreie Kommunikation“ in das Reich der Utopie verweisen. Auf die Entstehung von Leitbildern bezogen lässt sich dieser Utopismus-Vorwurf jedoch hinterfragen – denn: Wenn Leitbildern, wie gezeigt wurde, immer auch ein utopisches Moment innewohnt, warum sollte dann nicht auch der Weg zu ihnen ein idealer sein? Einer demokratischen Gesellschaft stünde es jedenfalls gut zu Gesicht, wenn sich Leitbilder aus dem Konsens einer idealen Kommunikationsgemeinschaft herausbildeten. Auf die Frage, welche städtebaulichen Leitbilder durch kommunikativen Diskurs zustande gekommen sind, kann mangels einschlägiger Untersuchungen keine klare Antwort gegeben werden. Möglicherweise würde eine entsprechende empirische Untersuchung Merkmale eines kommunikativen Diskurses nachweisen können für die Entstehung der Leitbilder der ’ökologischen Stadt’ und des ’nachhaltigen Städtebaus’; seinerzeit fühlten sich viele Protagonisten dieser städtebaulichen Postulate durchaus einer solchen radikaldemokratischen Vorgehensweise zugeneigt. Zusammenfassend ist also festzustellen, dass eine ganz wesentliche Voraussetzung für die Entstehung von Leitbildern die Herstellung von Konsens zu einer bestimmten, in die Zukunft gerichteten Konzeptidee ist, die damit eine gewisse Verbindlichkeit für die beteiligten Akteure erhält. Sicher wird man in Kauf nehmen müssen, dass die jeweilige Konzeptidee nicht für alle Beteiligten gleichermaßen leitbild-
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hafte Verbindlichkeit erlangt; vor allem dürfte dies unter den Bedingungen einer pluralistischen Gesellschaftsform nicht gelingen. Kurzum: Leitbilder sind nicht oktroyierbar. Zwar ist es sehr wohl möglich, die Verbindlichkeit und Verwirklichung einer Konzeptidee zu erzwingen, doch sollte man unter diesen Umständen doch eher nicht von einem Leitbild sprechen. Wie könnte nun bei der Herstellung eines expliziten Konsenses über ein leitbildfähiges Konzept die argumentative Überzeugungsstrategie oder der gegenseitige Diskurs inhaltlich aussehen? Eine Antwort hierauf ist zwar vom konkreten Fall abhängig, generell lässt sich aber sagen, dass sich die Diskussion nicht auf einer leerformelhaften, abstrakten Ebene bewegen sollte. Von der Diskussion ist vielmehr zu erwarten, dass sie sich auf der Ebene operationaler Zielhierarchien abspielt (vgl. dazu das Methodenkapitel in diesem Buch), wobei darauf zu achten ist, dass das Zielsystem zu jedem Zeitpunkt der Diskussion ganzheitlich übergreifend bleibt und sich zu dem postulierten Leitbild verdichten lässt. Mit dem Vorschlag, die inhaltliche Diskussion im Zuge der Konsensfindung bei der Leitbildformulierung auf die Ebene der operationalen Ziele zu konzentrieren, würde man auch der von Gisela Zipp und Klaus Schmidt angesprochenen Gefahr aus dem Wege gehen, dass die Unbestimmtheit der Aussagekraft von Leitbildern einem „Entzug der Diskussionsgrundlage“ gleichkommt und die „Auswahl unter alternativen Handlungszielen zu einem Akt der planenden Verwaltung“ herabgewürdigt würde [Zipp 1976: 81f; Schmidt 1985]. d) Phase 4: Leitbildrealisation Die vierte Phase der Leitbildentstehung kann sehr kurz abgehandelt werden, da es hier lediglich darum geht, ein als Leitbild akzeptiertes oder postuliertes Konzept zu verwirklichen. Die Häufigkeit der (empirischen) Verwirklichung kann dabei als Indikator für die Leitbildwirkung eines Konzepts gelten, woraus umgekehrt folgt, dass Konzeptideen, die nicht oder nur ganz selten realisiert werden, keine Leitbilder darstellen – eine Schlussfolgerung, die sich auch aus der Definition von Leitbild als dominierende Konzeptvorstellung ergibt. Der konkreten Realisierung von städtebaulichen Leitbildern kann unter Umständen aber auch der zur Verfügung stehende Handlungsspielraum im Wege stehen. Eine Einschränkung des Handlungsspielraums liegt insbesondere dann vor, wenn planungs- oder baurechtliche Bestimmungen einer städtebaulichen Leitbildverwirklichung entgegenstehen. Gegebenenfalls kann es dann erforderlich werden, auch rechtliche Bestimmungen dem Leitbild entsprechend zu verändern. Nach den vier Phasen der Entstehung von städtebaulichen Leitbildern steht noch die Frage im Raum, wie sich ein Wechsel bei städtebaulichen Leitbildern vollzieht. Dies ist im Grunde ein recht einfacher Vorgang, denn jedes Leitbild wird dann zu verwerfen oder zumindest zu überdenken sein, wenn sich neue Konflikte, Anomalien oder Missstände aufgrund technologischer, sozialer o.ä. Entwicklungen ergeben. Da diese neuen Konflikte oder Missstände wiederum die erste Entstehungsphase eines neuen Leitbildes darstellen, ergibt sich schließlich eine Art Kreislauf von Leitbildentstehung und Leitbildverfall, wie er auch in Abbildung 2.10 zum
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Ausdruck kommt. – Welche konkreten Leitbilder es in der Geschichte des Städtebaus gegeben hat, wird in den nachfolgenden Kapiteln an verschiedenen Stellen erörtert.
Planungsethik Ethische Prinzipien werden für Stadtplaner zunehmend als Thema wichtiger und interessanter [vgl. ausführlich dazu Lendi/Hübler (Hrsg.) 2004]. Was sind die Gründe? Zum einen besteht eine wachsende Unsicherheit in Bezug auf die natürlichen Ressourcen, wie mit ihnen umzugehen ist und wie nachfolgenden Generationen die Lebensgrundlagen erhalten werden können. Die Erkenntnis, dass komplexitätsreduzierende Leitbilder allein nicht ausreichen, um der Verantwortung gegenüber der Natur und den nächsten Generationen gerecht zu werden, hat das Bedürfnis geweckt, Orientierung auch über ethische Prinzipien zu erhalten. Ein zweiter Grund steht im Zusammenhang mit der sich herauskristallisierenden Wissens- und Informationsgesellschaft, die geradezu provokant die Frage in den Raum stellt, wem denn nun diese Ressource Wissen gehört, wer Macht über Information und Wissen ausübt und wie diese Macht domestiziert werden kann. Bereits 1968 formulierte Georg Picht dazu: „Schon heute üben technische Systeme durch ihre Eigengesetzlichkeit eine Macht aus, die unvergleichlich viel stärker ist als die Macht der Menschen, die sich einbilden, diese Systeme zu beherrschen. Daraus entsteht dann eine neue Form der Macht, die sich nicht mehr der primitiven Gewalt, sondern der Instrumente des Denkens bedient.“ [Picht 1992: 320, 321] Planungsethik steht in engem Zusammenhang mit wissenschaftlicher Politikberatung sowie Problemen der Komplexitätshandhabung in der Stadtplanung. Damit ist sie auch Teil einer umfassenden städtebaulichen Planungstheorie. Nachfolgend werden die wichtigsten planungsethischen Aspekte behandelt, allerdings mit Konzentration auf diejenigen Fragestellungen, die sich im Zusammenhang mit der Wissensgesellschaft und Informationshandhabung mit digitalen Systemen für die Stadtplanung ergeben. a) Aktuelle Tendenzen planungsethischer Fragestellungen Die seit einiger Zeit auf allen Ebenen der räumlichen Planung erkennbare Tendenz, dass ethische Maximen an Bedeutung gewinnen, lässt auf eine gewisse Akzentverschiebung im Denken und Handeln von Planern schließen. Die Gründe dafür sind durchaus vielfältig und vielschichtig. Ein ganz wesentlicher Grund dürfte sein, dass sich gegenwärtig die räumliche Planung in einer weitreichenden Umbruchsituation befindet, und zwar in zweierlei Hinsicht: Zum einen kommt es zu inhaltlichen Umbrüchen bzw. neuen planerischen Problemstellungen, die zu neuen konzeptionellen Vorstellungen führen. So kann die anhaltende Diskussion um eine nachhaltige Raum- bzw. Stadtentwicklung als Indiz für einen derartigen inhaltlichen Umbruch interpretiert werden, auch wenn die
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Bedeutung des Begriffs der ’Nachhaltigkeit’ (’sustainability’) nach wie vor schillernd bleibt (vgl. Kap. 1). Ethische Bezüge sind in der Fachdiskussion zu erkennen, wenn das Prinzip der Nachhaltigkeit als Ausdruck einer ’ökologischen Ethik’ [Krebs 1996] oder gar als „kategorischer Imperativ“ interpretiert wird [Borchard 1996]. Gelegentlich ist auch von einem Planungsleitbild die Rede [vgl. z.B. BFLR 1996]. Doch gibt es inhaltliche Umbrüche mit noch nicht vollständig absehbaren Konsequenzen und neuen Handlungserfordernissen ebenso auf anderen Gebieten der räumlichen Planung. Konzeptionelle Vorstellungen werden von Planern beispielsweise in Bezug auf den Einsatz von digitalen Informationstechnologien erwartet, zumal sich mittlerweile doch recht genau einschätzen lässt, welche weitreichenden Konsequenzen diese Systeme nicht nur auf die Raumökonomie haben, sondern auch im Hinblick auf eine gerechte Verteilung von digital gespeichertem Wissen oder hinsichtlich des Schutzes persönlicher bzw. personenbezogener Daten. Zum anderen sind prozessuale Umbrüche in der Planung festzustellen. Nach den sich abzeichnenden Trends scheint die Aufgabe von Planern in Zukunft weniger darin zu liegen, fertige Lösungen für ein vorhandenes Planungsproblem zu liefern, als vielmehr den Prozess einer Planung inmitten der Planungsakteure zu moderieren. Die Moderationsfunktion kann die Planerin bzw. der Planer aber nur dann verantwortungsvoll übernehmen, wenn sie oder er auf alle wesentlichen und einschlägigen Informationen zu dem jeweiligen Planungsproblem zugreifen kann: Als Thomas Ellwein im Jahre 1968 Planung als den systematischen Entwurf einer rationalen Ordnung auf der Grundlage alles verfügbaren einschlägigen Wissens definierte (vgl. Kap. 1), waren die Möglichkeiten der computergestützten Wissensverarbeitung, die die Zukunft mit sich bringen würde, noch nicht annähernd zu erahnen. Mit diesen technischen Möglichkeiten aber werden an die Person des Moderatorenplaners neue Fragen bezüglich der Machtausübung und der ethischen Konsequenzen, die sich aus dem Umgang mit solchem Wissen ergeben, herangetragen. Für Planer und Planerinnen, die eine Moderatorenfunktion übernehmen, wird die Problematik einer gerechten Verteilung von Sachinformationen, einer verantwortungsvollen, abgewogenen Moderierung von Planungsdiskursen sowie auch eines Zugriffsrechts bzw. einer Zugriffsmöglichkeit auf Wissensspeicher zunehmend an Bedeutung gewinnen. Halten wir also fest: Wesentliche Aspekte der gegenwärtigen Umbruchsituation in der räumlichen Planung sind mit ethischen Überlegungen und Fragestellungen verknüpft. Dennoch ist hierzulande im Vergleich zum angelsächsischen Sprachraum die planungsethische Diskussion deutlich unterentwickelt. So enthält etwa der Sammelband über ’Bereichsethiken’ von der politischen Ethik über die ökologische Ethik bis zur Technikethik und Wissensethik alle wesentlichen Ethikbereiche [NidaRümelin 1996] – mit Ausnahme der räumlichen Planung. Vor allem in den USA ist die planungsbezogene Ethikdiskussion deutlich weiter gediehen. Exemplarisch zu nennen wäre etwa die Zeitschrift ’Environmental Ethics’, die seit 1979 existiert. Die American Planning Association (APA) hat zudem dreizehn ethische Prinzipien aufgestellt, von denen später noch die Rede sein wird.
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Damit soll allerdings keineswegs gesagt werden, dass Ethik in der Planung hierzulande als Thema überhaupt keine Rolle spielt: Im ’Handwörterbuch der Raumordnung’ findet sich ein eigener Abschnitt zu diesem Aspekt [ARL 2005: 228]. Die Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) hatte vor Jahren dazu einen eigenen wissenschaftlichen Arbeitskreis geschaffen und einen recht umfassenden Ergebnisbericht vorgelegt [vgl. Lendi/Hübler (Hrsg.) 2004]. Und für Dietrich Fürst, einen der führenden deutschen Planungstheoretiker, gehören ’Ethikfragen’ per se zum Kern der ganz wichtigen Aufgaben der Planungstheorie [Fürst 1995]. Wichtig ist auch der Zusammenhang zwischen Ethik und Macht in der Raumund Stadtplanung. Dieser Aspekt wird von Wolf Reuter ausführlich diskutiert, wobei er am Ende drei Gruppen von Strategien gegen Machtmissbrauch in der Planung vorschlägt [Reuter 1989: 199ff]: • •
•
Vermeidung planerischer Macht, z.B. durch Selbstbestimmung; Reduzierung planerischer Macht, z.B. durch Partizipation und Widerstand, Anwendung des Prinzips der kleinen Schritte, Minimalpläne oder Minderheitenschutz; Kontrolle planerischer Macht, z.B. durch Medien oder Ent-Anonymisierung der verantwortlichen Personen.
’Ethik der Planung’ wird im Zusammenhang mit dem Stichwort ’Abwägung’ auch von Gerhard Curdes in seinem Lehrbuch über „Stadtstrukturelles Entwerfen“ angesprochen, indem er Beispiele von Kategorien aufführt, die dem Planungshandeln zu Grunde gelegt werden können [Curdes 1995: 39]. Und selbstverständlich ist unser gesamtes kodifiziertes Bau- und Planungsrecht von ethischen Prinzipien durchdrungen, ohne dass es diesbezüglich einer expliziten Erwähnung bedürfte. Das Prinzip der Abwägung gehört ebenso dazu wie die Bürgerbeteiligung oder das Gebot, mit natürlichen Ressourcen sparsam umzugehen. Sogar bis hinein in die Begrifflichkeit einer architektonischen Gebäudelehre finden wir ethische Maximen, etwa in dem diesbezüglichen Standardwerk von Jürgen Schönfeld, wenn er der Frage nachgeht, durch welches „Glaubensbekenntnis“ Architekten sich beim Entwurf von Gebäuden leiten lassen sollten [Schönfeld 1992: 10]. Darüber hinaus werden natürlich auch die umweltbezogenen Ethiken und ökoethischen Diskussionen – vom „Prinzip der Verantwortung“ bis zum „Kategorischen Imperativ der Nachhaltigkeit“ – im Bereich der räumlichen Planung aufgegriffen [Jonas 1979, Borchard 1996]. Verbindungen zwischen der räumlichen Planung und ethischen Maximen sind also durchaus feststellbar. Selbst die noch vor wenigen Jahren festzustellenden Defizite, wo es um den Einsatz von Informationstechniken, um Aspekte der Wissensverarbeitung mit Computersystemen etc. in der räumlichen Planung ging, sind inzwischen aufgearbeitet. Die Sensibilität der Öffentlichkeit und privat Betroffener hat enorm zugenommen, wie Diskussionen um Datenerfassungen im Rahmen von Bevölkerungszählungen und Sozialdatenerhebungen, Videoüberwachungen in öffentlichen Räumen oder die flächendeckende Erfassung von Gebäuden aus der Luft oder aus dem Straßenraum zeigen. Die Stadt- und Raumplanung wird sich auf-
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grund ethischer Erwägungen künftig stets die Frage stellen müssen, ob und wann sie sich im konkreten Fall eine informationelle Selbstbeschränkung auferlegt. b) Systematik ethischer Ansätze und Folgerungen für die Planung Das Spektrum der unterschiedlichen ethischen Theorieansätze ist aufgrund einer mehr als zweieinhalbtausend Jahre währenden Geschichte der Ethik außerordentlich facettenreich. Immer wieder haben Menschen sich mit Begriffen, Problemen und Theorien des Guten beschäftigt, um Grundsätze eines guten und gerechten Handelns zu formulieren. Schon im 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung finden wir inhaltlich orientierte Ethikansätze im alten Indien. In unserem abendländischen Kulturkreis dürften wohl die Weisheitssprüche Demokrit’s den Beginn der Ethik markieren. Für Platon waren das Gute, das Wahre und das Schöne geradezu identisch. Und Aristoteles, der als Begründer der wissenschaftlich-philosophischen Ethik gilt, erhob das Ideal der Leistungstugend und die rechte Mitte zwischen den Extremen zur ethischen Grundlage seiner Theorie des ’praktisch guten Lebens’. Während zur Zeit des Mittelalters christlich-religiöse Moralvorstellungen das Abendland beherrschten, kamen in der Neuzeit weitere Ethikansätze hinzu, etwa die formale Prinzipienethik von Kant bis hin zu den neuesten moralphilosophischen Begründungen der Ethik sowie den Theorien der Gerechtigkeit aus den USA. Alle diese Ethikansätze hier erörtern zu wollen, wäre ein Ding der Unmöglichkeit. Deshalb beschränken wir uns auf die Konzepte einer angewandten Ethik. Es werden verschiedene Ethiktypen unterschieden (vgl. Abb. 2.11) [Nida-Rümelin 1996; Lenk 1997]. Zunächst gibt es eine utilitaristische Ethik, bei der die Optimierung des allgemeinen Wohlergehens im Vordergrund steht. Geprägt ist dieser Ethiktyp von drei konstitutiven Elementen: 1) einer Werttheorie, die auf das individuelle Wohlergehen von konkreten (menschlichen) Individuen abstellt, 2) dem Prinzip der einfachen Aggregation, das in der einfachen Aufsummierung von individuellem Wohlergehen zur Beurteilung gesellschaftlicher Zustände besteht und 3) schließlich dem Kriterium des richtigen Handelns, wonach Handlungen sich als richtig erweisen, wenn ihre Folgen optimal sind. Der Planungsbereich hat ständig mit dieser utilitaristischen Ethik zu tun, weil Planung stets darauf zielt, Planungsmaßnahmen inhaltlich und prozessual zu optimieren, nicht zu vermeidende Eingriffe in die Umwelt sowie Risiken zu minimieren, auf der anderen Seite den Nutzen für Menschen, Flora und Fauna zu maximieren. Die Methoden zur Herbeiführung von optimalen Zuständen sind seit langem bekannt. Nutzwertanalytische Verfahren und Risikoanalysen, die hierfür in Frage kommen, sind schon seit den 1970er Jahren – mit wechselnder Akzeptanzbereitschaft von Seiten der Planer – eine Einsatzdomäne für Computersysteme. Informationssysteme werden mit zunehmender Komplexität der Planungsaufgaben und der Notwendigkeit, sehr unterschiedliche Szenarien durchzuspielen und im Hinblick auf die Erfüllung von Optimalitätskriterien – quantitativ und qualitativ – zu bewerten, auch in Zukunft ihre Bedeutung als notwendiges Werkzeug zur Entscheidungsvorbereitung behalten, wenn nicht sogar steigern.
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Zu den wichtigsten Ansätzen der Handlungsethik gehört die Kantische Ethik, die sich vor allem im Kategorischen Imperativ als Essenz eines umfassenden Sittengesetzes zeigt. Für Kant ergeben sich moralische Pflichten gewissermaßen aus einem Test, indem nämlich individuelle Maximen oder subjektive Handlungsmaßstäbe danach beurteilt werden, ob auch andere Personen sich diese Maßstäbe zu eigen machen [Nida-Rümelin 1996: 21]. In seiner vereinfachten (naiven) Fassung wird der Kategorische Imperativ manchmal mit der sogenannten Goldenen Regel – also der Vorschrift, anderen etwas nicht anzutun, was man für sich selbst nicht akzeptieren würde – gleichgesetzt.
Abb. 2.11: Ethik-Typen Der Kategorische Imperativ bzw. die Goldene Regel ist auch in der Planungsethik ein sehr geläufiges Prinzip, so zum Beispiel, wenn im Sinne der Goldenen Regel Stadtplaner und auch Architekten gelegentlich daran erinnert werden (müssen), dass man von ihnen Entwürfe und Konzepte für eine baulich-räumliche Umwelt erwartet, in der sie selbst gerne wohnen oder arbeiten würden. Allerdings gibt es durchaus auch Fälle, in denen weder der Kategorische Imperativ noch die Goldene Regel greift. So wird zum Beispiel Streben nach Macht oder das ’Recht des Stärkeren’ für völlig legitim gehalten, wenn beispielsweise der Stärkere der Auffassung ist, seine Maxime könne doch sehr wohl als allgemeine Handlungsregel gelten [Nida-Rümelin 1996: 23]. Dass Wissens- und lnformationsspeicherung Macht und
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Stärke auch im Planungsgeschäft verleihen, ist unumstritten; um so mehr ist ethische Umsicht geboten. Als äußerst problematisch ist deshalb die erkennbare Tendenz einzustufen, Planungsdaten und -informationen der staatlichen oder kommunalen Aufsicht zu entziehen und dem privaten Dienstleistungsbereich zuzuordnen – mit der Konsequenz, dass beispielsweise planungsrelevante Informationen nur noch käuflich erworben werden könnten und damit der demokratischen Kontrolle entzogen wären. Desweiteren gibt es einen sogenannten kontraktualistischen Ethikansatz, bei dem es darum geht, dass alle Personen, die ein gemeinsames Interesse an der Befolgung bestimmter Regeln haben, diese durch einen Vertrag verbindlich etablieren. Der kontraktualistische Ethikansatz hat eine sehr lange Vorgeschichte und geht bis auf die Sophisten der griechischen Antike zurück. Seit einiger Zeit gibt es eine Renaissance der Vertragstheorien, vor allem infolge der Diskussion einer „Theory of Justice“ (Theorie der Gerechtigkeit) des Amerikaners John Rawls. Diese Theorie hat vor allem in den USA planungsethische Fragestellungen angestoßen. Beispiele liefern etwa die Darstellungen „Rawlsian Planning Theory“ von Shean McConnell oder „Rawlsian Justice and Community Planning“ von Randal Marlin [Hendler 1995]. Bezüge zu Informationssystemen in der Planung sind explizit nicht formuliert worden, doch ließen sich Fragen nach Gerechtigkeit durchaus im Zusammenhang mit den Zugriffsmöglichkeiten auf digitale Wissensspeicher etwa im Zuge diskursiver Verfahren erörtern. Der individualrechtliche Ethikansatz räumt der Zuschreibung individueller Rechte einen fundamentalen Status ein (Libertarismus), d.h. ein Anspruch, die Vielfalt individueller Rechte auf eine einzige fundamentale formale Kategorie zu reduzieren, wird nicht erhoben. In der räumlichen Planung kann der individualrechtliche Ethikansatz im Zuge von Planungsmaßnahmen dann eine Rolle spielen, wenn es etwa um die Berücksichtigung sehr subjektiver Wünsche, Bedürfnisse, Interessen und Ideale von Betroffenen geht, wie Planer sie nicht selten zum Beispiel im Zuge von städtebaulichen Sanierungsverfahren bei der Erhebung von Sozialdaten antreffen. Auch der Datenschutz und das Prinzip der informationellen Selbstbestimmung haben eine individualrechtliche Ethikgrundlage. Beim tugendethischen Ansatz, einem der ältesten, schon in den platonischen Dialogen niedergelegten Ethiktypen, geht es um angemessenes Handeln unter Bezugnahme auf leitende Tugenden, Einstellungen oder Charaktermerkmale. Nach Platon beruht die Existenz der Dinge auf der ’Idee des Guten’, auch die Ordnung der Dinge ist stets auf das Gute hin ausgerichtet. So ist für den Utopisten Platon etwa die gute Stadt – die Polis – Prototyp des guten Gemeinwesens schlechthin. Erfahrungsgestützte Lebensklugheit und Weisheit gehören zu den leitenden Maximen. Platon’s Tugendethik wendet sich damit einerseits gegen die hedonistische Ethikauffassung der Maximierung von Lust (und – spiegelbildlich dazu – der Minimierung von Leid) sowie andererseits auch gegen die Ethik des Willens zur Macht. In der städtebaulichen Diskussion begegnen wir dem tugendethischen Ansatz gleich mehrfach: So lässt sich die ’Suche nach der Idee des Guten’ durchaus in der städtebaulichen Leitbilddiskussion wiederfinden, aber auch in (städtebaulichen)
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Utopien, als deren Urvater Platon nicht von ungefähr gilt. Zweitens geht es in der Tugendethik nach aristotelischem Verständnis immer auch um eine die Extreme meidende Einstellung, ein Prinzip, das uns in der räumlichen Planung als ’Verbot des Übermaßes’ oder als ’Prinzip der Abwägung’ geläufig ist. Und drittens ist die Idee der Polis als Prototyp einer guten Stadt bis in unsere Gegenwart fast im Sinne einer Metapher vorbildlich geblieben, sei es materiell als städtebauliches Strukturmodell einer wohlgeordneten und schönen Stadt oder ideell als Vorbild eines demokratisch ausgerichteten, kommunalen Gemeinwesens. Die Diskursethik schließlich sieht im idealen Diskurs das zentrale ethische Rechtfertigungskriterium. Nach Jürgen Habermas und Karl-Otto Apel sind Handlungsnormen dann gültig, wenn alle möglicherweise davon Betroffenen in rationalen Diskursen zustimmen konnten. Ein rationaler Diskurs findet nur dann statt, wenn es zu einem herrschaftsfreien Austausch von Argumenten kommt, aus dem sich im Verlaufe des Diskurses ein Konsens herausbildet [vgl. Habermas 1981]. Diskursethische Prinzipien spielen in der räumlichen Planung eine außerordentlich wichtige Rolle. Planung als Diskurs darf als der wohl wichtigste planungsethische Imperativ in demokratischen und pluralistischen Gesellschaften gelten. Er stellt zugleich eine Herausforderung an den Einsatz von Informationssystemen dar, wobei unter Umsetzung dieses Imperativs von unterschiedlichen Positionen dasselbe Ziel angesteuert wird. Verfechter des Postmodernismus, wie etwa Jean-François Lyotard, fordern gar, dass „die Öffentlichkeit freien Zugang zu Speichern und Datenbanken haben müsste“, da Sprachspiele im Sinne Lyotards – sie erst eröffnen die Potentiale von Freiheit und Gerechtigkeit und neue, noch unbekannte Lebensformen – nur dann Sinn machen, wenn sie als „Spiele mit vollständiger Information“ in Erscheinung treten [Lyotard 1986]. Ebenso fordert Wolfgang Welsch den „freien Zugang zu Speichern und Datenbanken“, um die „technologische Uniformierung durch eine neue Polyformie zu überlisten und zu entschärfen“ [Welsch 1991]. Hier tangieren wir ethische Fragestellungen im Bereich der Informationswissenschaften. Eine diesbezügliche größere Diskussion keimt derzeit auf und wird aufgrund neuer Problemlagen des Informatikeinsatzes (Internet, Zensur, Datenschutz, Industrialisierung geistiger Arbeit etc.) auf breiterer Basis noch an Bedeutung gewinnen. Jedenfalls existieren entsprechende Diskussionsforen in der lnternet-Community. In den USA ist die Diskussion um eine Ethik der Datenverarbeitung bzw. Informationsverarbeitung mit Computern schon deutlich länger im Gange, wenn auch eher zu Themenbereichen, die nicht unbedingt ethische Bezüge im hier verwendeten Sinne aufweisen, wie Software-Raubkopien, Rechten an Programmen oder Zuverlässigkeitsfragen in Bezug auf Software [vgl. Steinmüller 1993: 735]. Ethisch akzentuierte Diskussionsbeiträge zu informationswissenschaftlichen Fragestellungen finden sich noch am ehesten im Zusammenhang mit technikphilosophischen Überlegungen und Aspekten der Technikfolgenabschätzung. Es handelt sich dabei in erster Linie um einschlägige Untersuchungen im Zusammenhang mit Wissensethiken, die auch für planungsethische Überlegungen herangezogen werden können. Offensichtlich scheinen sich neue Wissensordnungen des Informationszeitalters mit ethischen Konsequenzen herauszukristallisieren. Helmut F. Spinner benennt dabei zwei Arten von Technikfolgen [Spinner 1996]:
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Technikfolgen erster Art, die durch neue Wissenslagen von großer ethischer Brisanz entstehen, etwa wenn es einen Informationsvorsprung auf Seiten großer Organisationen gibt und bisherige Vorkehrungen zur Regulation und Gewaltenteilung nicht mehr greifen; Technikfolgen zweiter Art, die dadurch gekennzeichnet sind, dass der wissenschaftlich-technische Fortschritt zu Änderungen im gesamten Ordnungsrahmen der modernen Gesellschaft führt. Dabei sind die im Entstehen befindlichen massenmedialen Netzwerke und der grenzüberschreitende Datenverkehr ebenso in die Diskussion einzubeziehen wie etwa Aspekte des freien Informationsflusses oder gar eine Weltinformationsordnung.
Aufgrund dieser Problemlagen des sich etablierenden Wissens- und Informationszeitalters fordert Spinner neue ordnungspolitische Eckwerte und zwar: • • •
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eine informationelle Grundversorgung der Gesellschaft durch nichtkommerzielle Medien; eine informationelle Gewaltenteilung in der Gesellschaft; eine informationelle Chancengleichheit zwischen Macht und Machtkontrolle im Verhältnis von politischer, wirtschaftlicher, wissenschaftlich-technischer Leitinformation und unabhängiger Gegeninformation; eine mitwachsende Verantwortung der Wissenschaft.
Hieraus ergibt sich für Spinner „unter den Bedingungen einer rechtsstaatlich fundierten Wissensordnung klassischer Prägung“ ein ordnungskonformes Ethikprogramm, das drei Aspekte beinhaltet [Spinner 1996]: 1) mit Blick auf die Güte des Wissens eine Kreativitätsethik des schöpferischen Denkens und beständigen Verbesserns; 2) für Schutzzonen des Wissens eine Informationsethik unter der Bedingung informationeller Waffengleichheit; 3) mit Blick auf eine informationelle Grundversorgung der Gesellschaft eine Publizitäts- und Medienethik. Für die Planungswissenschaften kann als Schlussfolgerung hergeleitet werden, dass es erstens Zugriffsmöglichkeiten auf planungsrelevante Informationen im Sinne einer informationellen Grundversorgung und zweitens eine informationelle Chancengleichheit unter den Handlungsakteuren der Planung geben muss. Dabei wären aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes datenschutzrechtliche Prinzipien zu beachten; dem Bedürfnis nach planerischer Kommunikation – auch über digitale Medien – wäre Rechnung zu tragen. Allein die Zugänglichkeit zu Informationen gehört in der Stadt- und Raumplanung, die immer auch Umweltplanung bedeutet, zu einer der wesentlichen Ausgangsbedingungen. Nicht zuletzt deshalb hat im Jahre 1990 der Rat der Europäischen Union eine Richtlinie über „den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt“ (90/313 EWG) geschaffen, die in Deutschland auf Bundes- und Landesebene in nationales Recht überführt wurde [vgl. dazu etwa Wegener 1992], wenn auch streckenweise mit zweifelhaften Regelungen. Dazu gehört etwa die Möglichkeit, Kosten durch die zuständigen Behörden zu erheben oder die Informationsherausgabe während eines Verwaltungsverfahrens – somit auch bei Planungsver-
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fahren – einzuschränken. Diese EG/EU-Richtlinie geht zurück auf frühere Aktionsprogramme der Europäischen Gemeinschaft, in denen das Bestreben zu erkennen war, „Wege zur Verbesserung des Zugangs der Öffentlichkeit zu Informationen, über die die Umweltbehörden verfügen, zu finden“. Nach dieser Richtlinie wird es für notwendig erachtet, „allen natürlichen und juristischen Personen den freien Zugang zu den bei den Behörden in Schrift-, Bild-, Ton- oder Datenverarbeitungsform verfügbaren umweltbezogenen Informationen über den Zustand der Umwelt, Tätigkeiten oder Maßnahmen, die diesen Zustand negativ beeinflussen können, sowie über Tätigkeiten oder Maßnahmen zum Schutz der Umwelt zu gewährleisten“. Die tatsächliche Zugänglichkeit zu Umweltinformationen wird in der Richtlinie u.a. allerdings davon abhängig gemacht, ob es sich jeweils um ’aufbereitete Daten’ handelt. Die Aufbereitung von Umweltdaten wirft jedoch in zweifacher Hinsicht Probleme auf: Zum einen ergibt sich aus der Richtlinie eine Art Aufbereitungspflicht, da die Mitgliedstaaten dazu aufgefordert werden, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die in den Behörden vorliegenden Informationen über die Umwelt zugänglich zu machen. Da die Aufbereitung von Daten aber immer mit Datenselektion und Datenaggregation im Zusammenhang steht, müssen, und das ist das zweite Problem, praktikable Regelungen getroffen und Methoden entwickelt werden, nach denen – unter Beachtung des Datenschutzes – die Datenaufbereitung vonstatten geht. Somit geht es in der Planung um zwei konfligierende Ziele, hinter denen jeweils auch planungsethische Prinzipien stehen. Einerseits ist es zwingend geboten, dass der einzelne Bürger vor dem Zugriff auf seine individuellen Daten geschützt wird. Dieser Aspekt, Ausdruck einer individualrechtlichen Ethikauffassung, ist von Seiten der räumlichen Planung zu akzeptieren, auch wenn eine gewisse Problematik damit verbunden ist. (Übrigens sehen auch die lnformationswissenschaften seit Jahren schon im Datenschutz eines der größten Konfliktpotentiale im Bereich der räumlichen Planung [vgl. Steinmüller 1993: 477].) Auf der anderen Seite liegt es im Interesse der Planungsakteure, dass sie hinreichend umfassende und genaue Informationen über den Planungsgegenstand erhalten, da sonst etwa ein partizipativer Planungsprozess überhaupt nicht möglich wäre. Dieser Aspekt besitzt Implikationen für verschiedene Ethikauffassungen, in der Hauptsache aber für die Diskursethik. Die Utopie des herrschaftsfreien Austauschs von Argumenten im Diskurs kann zweifelsohne nur dann Wirklichkeit werden, wenn alle Handlungsbeteiligten auf derselben Informationsgrundlage argumentieren können. Alles andere wäre Machtausübung nach der Devise ’Wissen ist Macht’. Planern wird zunehmend die Aufgabe zuwachsen, einen gerechten Ausgleich zwischen diesen beiden Polen ethischer Grundsätze herzustellen. c) Ethische Grundsätze in der räumlichen Planung Wie bereits dargelegt, werden in der räumlichen Planung Fragen zur Ethik durchaus erörtert, bislang allerdings wenig im Zusammenhang mit der Nutzung von Computersystemen.
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Diese Feststellung gilt auch für den angelsächsischen Sprachraum, wo die Diskussionen über Planungsethik schon deutlich weiter gediehen sind als hierzulande. In dem von Sue Hendler herausgegebenen Sammelband „Planning Ethics: A Reader in Planning Theory, Practice, and Education“ etwa werden ethische Aspekte unter verschiedenen planungstheoretischen Ansätzen und praktische Beispiele vor allem aus dem Bereich der technischen Infrastrukturplanung diskutiert sowie die Notwendigkeit einer diesbezüglichen Ausbildung von Planern begründet, ohne dass dabei auf lnformationssysteme näher eingegangen wird [Hendler 1996]. Auch in den Ausbildungsstätten, wie etwa das Beispiel der renommierten Planerausbildung an der University of California in Los Angeles (UCLA) zeigt, spielen Fragen im Umgang mit Interessenskonflikten, feministischer Ethik, prozeduraler Ethik in der Planungstheorie oder Aspekte der Umweltphilosophie eine herausragende Rolle; dem Einsatz von lnformationssystemen wurde bis vor wenigen Jahren noch keine Beachtung geschenkt (Stand Sommer 1997; vgl. Internet www.sppsr.uela.edu). Eine ganz andere Zielrichtung in der Ethikdiskussion verfolgt Gideon S. Golany mit seinem Buch „Ethics and Urban Design“, das vor allem durch seine deutliche Akzentsetzung auf planerische Inhalte heraussticht. Golany versteht unter Ethik „norms and standards constituted by the society to retain order and healthy management in its social and environmental setting“, eine Disziplin also, „by which we measure what is good and bad, right and wrong, and moral obligations“. Die bis in die Vorantike zurückreichenden Analysen des Verfassers von Grundprinzipien urbaner Systeme führen am Ende zum Konzept einer „Geospace City“, bei dem es im Wesentlichen um neue Muster einer langfristig tragbaren, nachhaltigen Flächennutzungsplanung geht [Golany 1995]. Die Möglichkeiten der Informationsverarbeitung werden, obwohl angesichts leistungsfähiger Computersimulationsverfahren naheliegend, auch hier nicht erörtert. Aus den oben genannten US-amerikanischen Quellen – die Aufstellung der Beispiele erhebt nicht den Anspruch, lückenlos zu sein – lässt sich für die USA erkennen: Erstens gibt es eine in die Planungstheorie eingebettete Planungsethik. Zweitens ist eine inhaltliche Diskussion im Gange, die mit sehr konkreten Entwurfsanweisungen verbunden ist wie beispielsweise den dreizehn ethischen Prinzipien (vgl. Abb. 2.12) der American Planning Association (APA) zur Rolle von Planern [Internet www.iit.edu]. In diesem Codex werden Verhaltensregeln für den Planer aufgestellt, die unabhängig von den Hilfsmitteln, derer er sich bedient, Gültigkeit besitzen. Die Tatsache, dass Planung unter den heutigen Gegebenheiten nicht mehr ohne den Einsatz von lnformations- bzw. Computersystemen stattfindet, verringert die Bedeutung der APA-Prinzipien, in denen diese Systeme nicht explizit erwähnt werden, in keiner Weise. Es ist nun keineswegs so, dass in der räumlichen Planung das Thema der Informationssysteme gänzlich ohne ethische Bezüge geblieben wäre. Vielmehr war die Einführung von Computersystemen in der Stadtplanung stets von einer Diskussion über Zugriffsmöglichkeiten und Nutzung von digital gespeicherten Informationen begleitet. Bereits zu Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde die „Idee zu einer Demokratisierung durch bessere Informationen“ formuliert [Fehl 1972], dann allerdings konzeptionell nicht weiter vertieft.
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Abb. 2.12: Ethic Code der APA Durch die Dezentralisierung der Computersysteme mit ihren hohen Speicherkapazitäten und Rechengeschwindigkeiten sind Informationen mittlerweile ubiquitär verfügbar. Was einst zum Zwecke eines demokratischen Machtausgleichs als Wunsch formuliert wurde, korrespondiert gegenwärtig mit dem technisch Machbaren. Infolgedessen sehen wir uns heute verstärkt mit der Fragestellung konfrontiert: Wenn die technischen Systeme grundsätzlich dazu geeignet sind, Informationen in beliebiger Menge an beliebigen Orten und zu beliebigen Zeiten zur Verfügung zu stellen, müssen dann nicht auch konkrete Maßnahmen ergriffen werden, um Forderungen nach einem informationellen Machtausgleich wenigstens im Ansatz gerecht zu werden? Unterließe man Bestrebungen in diese Richtung, bestünde die Gefahr, dass sich die Warnung des Großen Hessenplans 80 aus dem Jahre 1970 bewahrheiten könnte. Dort heißt es: „Wenn Wissen mit Macht gleichzusetzen ist, dann verschafft die elektronische Datenverarbeitung mit dem erklärten Ziel, Datenbanken für lnformationszwecke aufzubauen, der Exekutive einen Informationsvorsprung und damit einen Machtzuwachs, der die Effektivität der Mitarbeit der Bürger und der von ihnen gewählten Vertreter in einer demokratischen Ordnung in Frage stellt.“ Der kontinuierliche Aufbau von Informationssystemen durch sogenannte NonGovernment Organisations (NGO’s), wie sie etwa mit dem Projekt des Global Challenge Network (GCN) des Alternativnobelpreisträgers Hans-Peter Dürr ins Leben gerufen wurden, um ökologische Daten den Angaben von Politikern und der Verwaltung gegenüberzustellen [Polatschek 1990], ist eine Reaktion auf derartige Befürchtungen. Wenn Politik und Verwaltung den Informationsbedürfnissen der
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Menschen nicht entgegenkommen, üben konkurrierende Systeme bald entsprechenden Druck aus. Interessante Ansätze sind bereits erkennbar, wie etwa die Beispiele von H. Schreier über bürgernahes „Umweltmonitoring“ oder von Jürgen Pietsch über „bürgerzentrierte Umweltberichterstattung“ auf der Basis Kommunaler lnformationssysteme zeigen [beides nachzulesen bei Gärtner 1992]. Neuere Tendenzen weisen in Richtung der Nutzung des Internets, insbesondere mit Hilfe der Techniken des Web 2.0 und des Geowebs mit mobilen Gerätschaften. d) Thesen zur Planungsethik beim Umgang mit lnformationssystemen Mittlerweile zeichnen sich verschiedene Themen ab, die in der Wissens- und Informationsgesellschaft unter planungsethischen Gesichtspunkten relevant werden dürften [ergänzend siehe auch Streich 1998 sowie Streich 2004]: •
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Realisierung einer umfassenden Zugänglichkeit zu Planungsinformationen: Zurverfügungstellung aller einschlägigen Planungsinformationen für alle Planungsakteure, jedoch unter Beachtung des individuellen Persönlichkeitsschutzes; Einsicht in die Notwendigkeit von informationeller Selbstbeschränkung (Datenschutz): z.B. Verbot der Erstellung von persönlichen Interessensprofilen sowie – mit Geoweb-Methoden – von Bewegungsprofilen durch digitale Medien, speziell unter Hinzuziehung von ausgefeilten Techniken des Data-Mining [Langford 2000; Tavani 2000: 75; Schulzki-Haddouti 2010; zum Prinzip des Data-Mining vgl. auch das Methoden-Kapitel in diesem Buch]; Herstellung von informationeller Waffengleichheit: wichtigster planungsethischer lmperativ und ein utopisch inspiriertes Ideal der Wissensgesellschaft zugleich; damit soll verhindert werden, dass die Kluft zwischen Informationsbesitzern mit all ihren technischen Möglichkeiten auf der einen Seite sowie den Benachteiligten der Informationsgesellschaft andererseits immer größer wird; Pflege eines transparenten Technikeinsatzes: Funktionalität und Wirkung von Informationssystemen bis hin zu ‘intelligenten‘ Sensoren im Miniformat müssen für den Anwender und Betroffenen durchschaubar bleiben – ohne eine abgehobene „Informationspriesterschaft“ („information priesthood“) und intransparenten ‘black boxes‘ [vgl. Economist v. 6.11.2010 zum Thema „Smart Systems“]; Ergänzung von Planungspartizipation durch telekommunikative Demokratieelemente: Erweiterung traditioneller Partizipationsmodelle in der Planung durch digitale Kommunikationsmedien (vgl. Kap. 3, Abschnitt „Partizipation“); Moderation von Planungsprozessen durch Computerassistenz: Nutzung von Computersystemen für eine prozessuale Sicht der Planung; Ethische Durchdringung der Risiken des Computereinsatzes für Planungsaufgaben: Minimierung von Planungsrisiken (durch Datenchaos und Informationsmüll) sowie Risiken der technischen Abhängigkeit (von den wissensverarbeitenden Maschinen); Entwicklung und Entwurf konzeptionell-inhaltlicher Vorstellungen: die explosionsartige Verbreitung der global vernetzten digitalen lnformationssysteme mit ihren weitreichenden raumökonomischen, arbeitsteilig-organisatorischen und
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sozialen Konsequenzen erfordern ein Nachdenken über künftige Handlungsspielräume und neue Konzepte der Stadt- und Raumentwicklung. Regeln für den Umgang mit dem Internet, die auch für die Stadtplanung mit nunmehr allgegenwärtiger Internetpräsenz von Bedeutung sind – im Sinne eines Verhaltenskodexes –, finden sich in etlichen weiterführenden Publikationen, beispielsweise bei Duncan Langford oder Virginia Shea. Sie behandeln Themen wie etwa den Umgang mit Wissen („share expert knowledge“), Beachtung der Privatsphäre („respect other people’s privacy“) oder Machtausübung mittels Informationssystemen („don’t abuse your power“) [Langford 2000; Internet www.albion.com/netiquette]. Seit dem Jahr 2003 existiert, darauf wäre noch hinzuweisen, ein spezieller, von der „Urban and Regional Information Systems Association“ (URISA) herausgegebener „GIS Code of Ethics“. Dieser soll sicherstellen, dass im Zusammenhang mit dem Einsatz von Geographischen Informationssystemen in der räumlichen Planung etwa das Gebot der vollständigen, klaren und akkuraten Information sowie die weitgehende Verfügbarmachung relevanter Daten für Planungsaufgaben mit Angabe ihrer Herkunft zu gelten hat [Internet www.gisci.org/code_of_ethics.aspx]. Zusammenfassend ist festzustellen, dass ethische Prinzipien in allen Bereichen der räumlichen Planung an Bedeutung gewinnen und dass die technischen Möglichkeiten der Informationsverarbeitung ethisch begründetes Handeln immer aufs Neue geradezu erzwingt.
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Übersicht Die institutionellen Grundlagen der Stadtplanung umfassen im Wesentlichen alle organisatorischen und rechtlichen Aspekte der Stadtplanung. Der begriffliche Rahmen orientiert sich an der in Kapitel 1 behandelten institutionellen Infrastruktur, die aus den Normen, Organisationen und Verfahrensweisen einer Gesellschaft besteht. Es geht also um die Frage, wie Stadtplanung organisiert ist und welche rechtlichen Grundlagen dem Handeln auf den verschiedenen Maßstabsebenen der Planung zu Grunde liegen. Da diese Organisationsstrukturen in den letzten zwei Jahrzehnten durch den Einsatz der Informationstechniken starken Veränderungen ausgesetzt waren, ist auch dieser Aspekt zu berücksichtigen. Eine zentrale Instanz der räumlichen Planung in Deutschland in institutionalisierter Hinsicht ist das Planungsrecht, insbesondere die Bauleitplanung. Wegen der besonderen Bedeutung für die Stadtplanung wird dieser Komplex später in einem eigenen Kapitel vertieft, das sich an die Darstellungen über städtebauliche Strukturund städtebauliche Gestaltungsplanung anschließt. Beide finden im Rahmen der Bauleitplanung ihren Niederschlag: im Flächennutzungsplan, dem rechtlichen Instrument für die gesamtgemeindliche Strukturplanung, sowie im Bebauungsplan, dem rechtlichen Instrument zur Umsetzung von städtebaulicher Gestaltungsplanung und baulicher Nutzungszuweisung, mit den ergänzenden Gestaltungs- und Bauvorschriften. Die institutionellen Grundlagen der Stadtplanung werden – bezogen auf Deutschland – in diesem Kapitel unter den folgenden neun Einzelgesichtspunkten dargelegt: • • • • •
Domänen der Stadtplanung Ebenen der öffentlichen und hoheitlichen Planung Administrative und wissenschaftliche Institutionen Rechtliche Grundlagen der Stadtplanung Organisationsstrukturen der Stadtplanung
B. Streich, Stadtplanung in der Wissensgesellschaft, DOI 10.1007/978-3-531-93164-7_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Verknüpfung der Stadtplanung mit anderen Bereichen der räumlichen Planung Private Planungsträger Formelle und informelle Planung Partizipation
Domänen der Stadtplanung Will man die institutionellen Grundlagen der Stadtplanung erörtern, ist zunächst abzuklären, welche Einzeldomänen bzw. sektoralen Arbeitsbereiche es in der Stadtplanung eigentlich gibt. Die im Eingangskapitel verwendete Definition von Stadtund Raumplanung als einer Disziplin, die in Bezug auf eine Planungsaufgabe alles verfügbare einschlägige Wissen einzubeziehen hat, bedarf deshalb einer Differenzierung nach inhaltlichen Gesichtspunkten. Erst wenn diese Differenzierung vorliegt, kann sinnvollerweise danach gefragt werden, in welche Organisationsstrukturen diese Inhalte eingebettet sind und welche Regelungen – insbesondere auf Seiten des Rechts – dabei eine Rolle spielen. Einen vollständigen Katalog aller Einzeldomänen, die der Stadtplanung direkt oder indirekt zuzuordnen sind, wird es gleichwohl nicht geben können. Dazu ist stadtplanerisches Tun und Handeln vom Grundsatz her zu querschnittsorientiert und heterogen. Im Einzelfall wird es immer darauf ankommen, welche Aufgabe konkret zu bearbeiten ist und welches einschlägige Wissen, um nochmals die eingangs verwendete Definition von Planung aufzugreifen, für diesen Fall relevant ist. Folgende Domänen der Stadtplanung besitzen allerdings konstant einen herausragenden Stellenwert [vgl. entsprechend dazu Braam 1999: 2]: • • • • • • •
Stadtplanung, Städtebau, Stadtentwicklungsplanung Umweltplanung, Stadtökologie, Klimaforschung, Landschafts- und Grünordnungsplanung Wohnungsbau Fachplanungen, Infrastrukturplanung einschließlich Gemeinbedarf, Ver- und Entsorgungsplanung Planung von Gewerbe- und Industrieflächen, Projektentwicklung, Wirtschaftsförderung Stadterneuerung, Stadtgeschichtsforschung, Denkmalpflege Bodenpolitik, Bodenmanagement, Liegenschaftswesen
Die hier aufgeführten Einzeldomänen können entweder als öffentliche Planungsinstitutionen oder als private Planungsträger organisiert sein. Der erste Block umfasst weitgehend alle Aspekte, die sich auf die Organisationsstrukturen einer originären Stadtplanung beziehen. Im Falle der öffentlichen Planungsinstitutionen beinhaltet dies die Tätigkeit von Bau- und Planungsdezernaten und Stadtplanungsämtern, auf dem privaten Sektor sind es diejenigen Büros, die sich mit städtebaulichen Entwürfen oder von der öffentlichen Hand als Auftrag vergebenen Bauleitplänen befassen.
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Im zweiten Block geht es um alle komplementär zur Stadtplanung notwendigen Bereiche, bei denen ökologische, freiraum- und umweltbezogene Aspekte im Vordergrund stehen. In der öffentlichen Verwaltung existieren hierfür häufig von der eigentlichen Stadtplanung entkoppelte Organisationsstrukturen, die etwa Umweltoder Grünflächenämtern zugeordnet sind. Der dritte Block ist einem wesentlichen Teilaspekt der gesamtstädtischen Planung zugeordnet, dem Wohnungsbau, der mit seiner sozialen Komponente, der Bereitstellung von quantitativ wie qualitativ ausreichendem, angemessenem Wohnraum sowie der komplexen Materie der staatlichen Wohnungsbauförderung einer eigenen Kategorie bedarf. Deshalb existieren hierfür sowohl auf dem öffentlichen wie auf dem privaten Sektor eigene Organisationsstrukturen, die sich mit Fragen des Wohnungsbaus, mit Wohnungsbauprojekten und ihrer Finanzierung bis hin zur architektonischen Gestaltung befassen. Der vierte Block beinhaltet alles, was mit der Planung städtischer Infrastrukturen und Gemeinbedarfseinrichtungen zu tun hat. Es handelt sich dabei häufig um sehr komplexe, technische Planungen – etwa Straßen, Wasserversorgung und Abwasserreinigung, Stromerzeugung und -transport –, für die es eigene gesetzliche Regelungen gibt. Diese Planungen sind Fachplanungen und im öffentlichen wie im privaten Bereich speziellen Organisationseinheiten zugeordnet, in der Kommunalverwaltung etwa den Tiefbauämtern oder Stadtwerken. Der fünfte Block umfasst diejenigen Planungsaspekte, die auf die Produktion von Gütern zielen. Die Flächenbereitstellung für Produktionsstätten und die Genehmigung von gewerblich genutzten Einrichtungen und Industrieanlagen ist unter Berücksichtigung von Immissionsschutz, Akquirierung von Arbeitsplätzen und kommunalen Steuereinnahmen derart komplex und vielschichtig, dass auch hierfür eigene Organisationsstrukturen existieren, die sich speziell mit diesen Aufgaben befassen. Zu nennen wäre etwa die Wirtschaftsförderung. Der sechste Block ist ebenfalls einer speziellen, unter dem Blickwinkel der Bewahrung des kulturellen Erbes von Städten jedoch nicht minder wichtigen Domäne der Stadtplanung zugeordnet. Den Aufgaben der Stadterneuerung und der Denkmalpflege widmet sich eine Reihe von Organisationsstrukturen, die gleichfalls von den originären Aufgaben der Stadtplanung abgekoppelt ist. Auch hier gibt es einen öffentlichen und einen privaten Planungssektor: kommunale Verwaltungsstellen mit Zuständigkeit für Stadterneuerung und Stadtsanierung, Denkmalämter und Stadtarchive sowie private Gesellschaften oder Bauträger, die sich auf die Planung und Durchführung von Stadterneuerungsmaßnahmen spezialisiert haben. Der siebte Block schließlich beinhaltet alle Aspekte, die sich mit dem Eigentum an Grund und Boden befassen. Stadtplanung ist nur unter Beachtung der eigentumsrechtlichen Gegebenheiten möglich, wobei es auch Anlässe geben kann, Eigentum an Grundstücken neu zu regeln, um überhaupt eine Bebaubarkeit von Grundstücken zu ermöglichen. Auch die kommunale Bodenpolitik, d.h. der Erwerb und Verkauf von Grundstücken durch die Kommune etwa aus Gründen der Bereitstellung von kostengünstigem Wohnraum oder der Akquirierung von Investoren, ist dieser Domäne der Stadtplanung zuzurechnen. Für diesen Aufgabenbereich gibt es eigene Organisationseinheiten im öffentlichen wie im privaten Bereich, etwa
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kommunale Fachämter, die sich mit der Neuordnung von Grundstücken befassen (Bodenordnung), oder private Unternehmen (Banken, große Industrieunternehmen), die eigene Grundstücksabteilungen unterhalten. Im Bereich der öffentlichen Verwaltung existiert noch eine weitere Organisationseinheit, die zwar für die städtebauliche Planung von großer Wichtigkeit ist, ihr aber als eigene Planungsdomäne nicht zugerechnet werden kann. Hierbei handelt es sich um die Baugenehmigungsbehörde, die letztendlich für alle Bauvorhaben, die durch die Stadtplanung initiiert und in Gang gesetzt werden, die Zuständigkeit der Erteilung von Baugenehmigungen besitzt. Auf den Zusammenhang zwischen Stadtplanung und der Genehmigung von Bauvorhaben nach stadtplanungs- und bauordnungsrechtlichen Vorschriften wird an anderer Stelle (insbesondere im Kapitel zur Bauleitplanung) noch detailliert einzugehen sein.
Ebenen der öffentlichen und hoheitlichen Planung Zur umfassenden Darstellung des Organisationssystems der öffentlichen und hoheitlichen Planung erweist sich eine Einteilung nach Planungsebenen als zweckmäßig [vgl. auch Internet www.umweltbundesamt.de/rup]. Folgende Ebenen können voneinander unterschieden werden (vgl. Abb. 3.1): • • • • • •
Supranationale Ebene (weltweit/global) Europäische Ebene (Europäische Union, Beitrittsländer und assoziierte Länder) Nationale Ebene (Bundesrepublik Deutschland) Landesebene (Planung jeweils innerhalb der 16 Bundesländer) Regionalebene Kommunale Ebene
Fünf dieser sechs Planungsebenen spielen sich oberhalb der eigentlichen Stadtplanung ab, wenngleich die Stadtplanung stets auch alle übergeordneten Planungsebenen in irgendeiner Weise aufzugreifen hat. Als oberste Ebene ist die supranationale bzw. globale Ebene in den vergangenen Jahren immer stärker ins Blickfeld des öffentlichen Interesses gerückt. Zwar kann von einer Planungsebene im Sinne, dass es ein weltweit kodifiziertes Planungsrecht gäbe oder entsprechende Planungsorganisationen zuständig wären, nicht die Rede sein. Dennoch gibt es internationale Verträge, politische Absichtserklärungen oder Konventionen, die wie konkrete räumliche Planungen wirken bzw. als planerische Vorgaben bis in den Kommunalbereich der Stadtplanung hineinwirken. Als wohl wichtigste Veranstaltung auf diesem Gebiet ist die Rio-Konferenz von 1992 zu nennen, mit der wichtige Anstöße für eine globale Umwelt-’Planung’, etwa durch die explizite Formulierung des Leitbilds der ’Nachhaltigkeit’, gegeben wurden [Internet www.igc.org; BfLR/BBR 1996]. Die Auswirkungen auf die Stadtplanung sind sehr direkt und reichen vom sparsamen Umgang mit der Ressource Fläche über eine Beteiligung der Öffentlichkeit an lokalen Agenda21-Prozessen bis hin zu
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dem Einfluss, den die in Deutschland geltende Energieeinsparverordnung (EnEV) im Hinblick auf eine Verminderung des CO2-Ausstoßes und damit auch auf die Gestalt von Gebäuden nimmt. Zu erwähnen wäre dann – insbesondere mit Blick auf die Ausformung der Wissensgesellschaft – die Aarhus-Konvention der United Nations Economic Commission for Europe (UNECE) vom Juni 1998, in der es um den (freien) Zugang zu Informationen und Öffentlichkeitsbeteiligung bei Umweltbelangen geht, eingeschlossen die Nutzung der Internettechnologie [Internet www.unece.org/env/pp/ oder www.aarhus-konvention.de]. Auch diese Konvention wirkt über ihre Umsetzung in entsprechenden EU-Richtlinien (siehe dazu weiter unten) bis in die konkrete Stadtplanung auf lokaler Ebene hinein, zum Beispiel wenn dazu das deutsche Planungsrecht novelliert wird. Auf der europäischen Ebene, insbesondere innerhalb der Europäischen Union (EU), gibt es an sich keine etablierte und institutionalisierte Planung im Sinne einer umfassenden europäischen Raumplanung, Raumordnung oder Städtebaupolitik. Die Römischen Verträge von 1956 enthalten keine Aussagen über eine gemeinschaftliche Politik in diesen Bereichen. Daran hat sich zunächst auch durch die 1987 in Kraft getretene Einheitliche Europäische Akte nichts geändert; ebenso nicht durch die späteren Verträge von Maastricht und von Amsterdam. Mit dem im Dezember 2009 in Kraft getretenen EU-Vertrag von Lissabon hat allerdings eine deutliche Akzentverschiebung stattgefunden, weil nun auch die territoriale Kohäsion neben der sozialen und wirtschaftlichen Kohäsion als Ziel der EU genannt und damit die Zuständigkeit der EU für Raumentwicklung deutlich gestärkt wurde [vgl. Ritter 2009]. Europäische, rechtlich wirksame Beschlüsse, die bis in den Kommunalbereich der städtebaulichen Planung hinein wirksam sind, gibt es zuhauf. Exemplarisch wären etwa folgende programmatische Entschließungen, Informationen oder Maßnahmen bzw. Aktivitäten zu nennen: •
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das „Grünbuch städtische Umwelt“ aus dem Jahre 1990, das mit einer dafür eigens eingesetzten Sachverständigengruppe für Themen zur städtischen Umwelt den Anfang einer „konzentrierten Städtebaupolitik der EG“ markiert [Internet europa.eu.int/comm/off/green/index_de.htm; europa.eu.int/comm/environment/ policy_de.htm]; das Europäische Raumentwicklungskonzept von 1999 (EUREK) als Orientierungsrahmen für die Fachpolitiken der EU-Mitgliedsstaaten [Internet www.inforegio.cec.eu.int]; Kommissionsberichte der EU als Informationsgrundlage für raumordnungsrelevante Diskussionen in EU-Gremien und Mitgliedsstaaten, wie etwa der Bericht „Europe 2000+“ [European Commission 1994]; grenzübergreifende Planungsregionen wie etwa die „Euregio Maas-Rhein“, die Teile von Belgien, Deutschland und den Niederlanden umfasst [Internet www. euregio-mr.org]; Europäische Gemeinschaftsmaßnahmen und -initiativen, wie zum Beispiel
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INTERREG zur Förderung der grenzübergreifenden Zusammenarbeit einschließlich der Verbesserung der Regionalplanung und des Umweltschutzes oder TELEMATIK zur Förderung der Inanspruchnahme von öffentlichen Telematikdiensten [Bergmann 1995: 241ff].
Abb. 3.1: Die verschiedenen räumlichen Planungsebenen Eine besondere Bedeutung kommt den Richtlinien auf EU-Ebene zu, die Rechtswirkungen insofern entfalten, als sie von den einzelnen Staaten in nationales Recht umzusetzen sind. Für die Stadt- und Raumplanung sind die folgenden EU-Richtlinien besonders hervorzuheben [Internet europa.eu.int; www.uvp.de; www.stuuer. via.t-online.de; außerdem Jacoby 2000]:
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EU-Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten – ’UVP-Richtlinie’ – aus dem Jahre 1985 mit Änderungsrichtlinie aus dem Jahre 1997 (85/337/EWG; 97/11/EG); EU-Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme – ’Plan-UP-Richtlinie’ – aus dem Jahre 2001 (2001/42/EG); Richtlinie über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten – ’Vogelschutz-Richtlinie’ (VRL) – aus dem Jahre 1979 (Richtlinie 79/409 EWG); Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie – ’FFH-Richtlinie’ – zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen aus dem Jahre 1992 (Richtlinie 92/43 EWG) mit dem daraus entwickelten europäischen Netz von Schutzgebieten bzw. Biotopverbundsystemen nach der „Natura 2000“ (gemeinsam mit der EU-Vogelschutzrichtlinie von 1979); EU-Richtlinie über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates aus dem Jahre 2003 (2003/4/EG); EU-Richtlinie über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten aus dem Jahre 2003 (2003/35/EG); EU-Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung – ’IVU-Richtlinie’ – aus dem Jahre 1996 (Richtlinie 96/91/EG); EU-Richtlinie zur Schaffung einer Geodateninfrastruktur in der Europäischen Gemeinschaft – INSPIRE – (Richtlinie 2007/2/EG).
All diese EU-Richtlinien wirken sehr stark bis in die kommunale Planung hinein. So sind sie beispielsweise, als EU-Recht oder eingebettet in das nationale Recht, auch bei städtebaulichen Planungen zu beachten, um Rechtssicherheit herzustellen und Abwägungsdefizite zu vermeiden. Als Beispiele für die Umsetzung in nationales Recht wäre im Falle Deutschlands etwa das UVP-Gesetz (UVPG) von 1990, das Umweltinformationsgesetz (UIG) von 1994 (letzte Neufassung 2004) oder das Geodatenzugangsgesetz (GeoZG) von 2009 bzw. die dazu entsprechenden Geodatenzugangs- oder Geodateninfrastrukturgesetze der deutschen Bundesländer zu nennen. Darüber hinaus finden aufgrund dieser EU-Richtlinien Anpassungen des bestehenden nationalen Rechts statt, beispielsweise wie im Falle des sogenannten Artikelgesetzes mit der Bezeichnung „Gesetz zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz“ vom Juli 2001. Eine weitere derartige Anpassung hatte auch im Zusammenhang mit der Plan-UP-Richtlinie zu erfolgen, die bis 2004 in nationales Recht umzusetzen war. Im Jahre 2004 wurde außerdem aufgrund des Europarechtsanpassungsgesetzes – EAG Bau – infolge von EU-Vorgaben für das städtebauliche Planungsrecht eine umfassende Novellierung des Baugesetzbuches (BauGB), des Bundesraumordnungsgesetzes (ROG) sowie des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) durchgeführt [zur Wirkung auf das deutsche Städtebaurecht vgl. Krautzberger 2004; Spannowsky 2003: 141ff; Internet www.bmvbw.de, www.stueer.via.t-online.de mit weiteren Links].
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Institutionelle Grundlagen der Stadtplanung
Auf der nächsten, der nationalen Ebene (Deutschland) wird es nun für die räumliche Planung deutlich konkreter. Wer für welche Aufgaben zuständig ist – Bund, Länder oder Gemeinden – regelt das Grundgesetz (GG). So wird dem Bund als übergeordneter Instanz die Kompetenz einer Rahmengesetzgebung zugeordnet (Art. 75 Nr. 4 GG), was seinen Niederschlag findet in den allgemeinen Grundsätzen und Leitvorstellungen einer bundeseinheitlichen Raumordnung im Bundesraumordnungsgesetz (ROG). Ebenso ist der Bund für das städtebauliche Bodenrecht zuständig (Art. 74 Nr. 18 GG); sein wichtigstes städtebauliches Planungsinstrumentarium zur Ausfüllung der gemeindlichen Planungshoheit nach dem in Art. 28 Abs. 2 GG eingeräumten kommunalen Selbstverwaltungsrecht ist das Baugesetzbuch, kurz BauGB [einen ersten Überblick liefert de.wikipedia.org/wiki/Kommunalrecht].
Abb. 3.2: Organisation räumlicher Planung in Deutschland Die Stadtplanung ist von der Gesetzgebungsbefugnis des Bundes und von der Bundesraumordnung insofern tangiert, als die Vorschriften des Baugesetzbuches, aber auch die allgemeinen Weisungen aus dem Raumordnungsgesetz zu beachten sind. Diese reichen von der Weisung zum Schutz von Natur und Landschaft bis zur Berücksichtigung des Wohnbedarfs der Bevölkerung. Hinzu tritt als zentraler Ord-
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nungsgrundsatz das sogenannte Gegenstromprinzip (§ 1 Abs. 3 ROG), wonach sich die Planungen der Teilräume (z.B. Gemeinden) in die Ordnung des Gesamtraums einfügen sollen, wie auch umgekehrt bei der Ordnung des Gesamtraums die Erfordernisse der Teilräume zu berücksichtigen sind. Der Bund selbst betreibt keine Gesamtplanung für das Bundesgebiet, wie es etwa durch die Erstellung eines Bundesraumordnungsplans der Fall sein würde. Er nimmt jedoch Einfluss über programmatische Erklärungen. Zu nennen wäre etwa das Bundesraumordnungsprogramm (BROP) aus dem Jahre 1975 als „gesamtfachlicher und übergeordneter Orientierungsrahmen“ – ohne weitere Fortschreibung – sowie der Raumordnungspolitische Orientierungsrahmen aus dem Jahre 1992 und der sich daran anschließende Raumordnungspolitische Handlungsrahmen aus dem Jahre 1995. Im Juni 2006 haben die für Raumordnung zuständigen Minister des Bundes und der Länder schließlich die „Leitbilder und Handlungsstrategien für die Raumentwicklung in Deutschland“ beschlossen und darin die drei Leitbilder „Wachstum und Innovation“, „Daseinsvorsorge sichern“ sowie „Ressourcen bewahren, Kulturlandschaften gestalten“ definiert [Internet www.bmvbs.de]. Konkrete Durchführungspläne des Bundes, die bis in die kommunale Ebene hineinwirken, sind im Übrigen im Bereich der sogenannten Fachplanung – Bundesfernstraßen, Luftverkehrsanlagen etc. – anzutreffen. Auf der Ebene der Bundesländer haben wir es mit der Landesplanung zu tun. Das Bundesraumordnungsgesetz schreibt den Bundesländern vor, eigene Rechtsgrundlagen für die Raumordnung auf ihrem Gebiet zu schaffen. Die jeweilige Ausgestaltung erfolgt höchst unterschiedlich und – etwa im Falle der Stadtstaaten – mit spezifischen Besonderheiten; allen Landesplanungsgesetzen ist jedoch gemeinsam, dass sie die Ziele und Grundsätze der Raumordnung des Bundes vertiefen, aber landesspezifisch modifizieren. Auf dieser Basis gibt es Landesentwicklungsprogramme und Landesentwicklungspläne in unterschiedlichen Rechtsformen (Gesetze, Verordnungen etc.). Letztere sind im Wesentlichen graphisch ausgearbeitete Pläne, in denen sich inhaltliche Aussagen beispielsweise zu einer zentralörtlichen Gliederung des Raums, überregionalen und regionalen Entwicklungsachsen oder großen Infrastrukturanlagen finden. Aufgrund der Anpassungsverpflichtung aus dem Baugesetzbuch hat die Stadtplanung diese Planungsvorgaben in ihre Planwerke, insbesondere die Bauleitplanung, einzubeziehen. Stärker noch gilt dies für raumbedeutsame Planungen, für die Raumordnungsverfahren nach Maßgabe des Bundesraumordnungsgesetzes durchzuführen sind. Die Regionalplanung als nächste Planungsebene umfasst die teilraumbezogene, regionale Stufe der Landesplanung. Die wichtigste Aktivität der Regionalplanung ist die Erstellung eines Regionalplans, in einigen Fällen auch ’Regionaler Raumordnungsplan’ genannt; ein solcher Plan besteht aus einem Text- und einem Kartenteil. Die Regionalplanung hat eine wichtige Mittlerfunktion zwischen den Raumordnungsbehörden auf der Bundes- und Landesebene einerseits sowie der Kommunalebene andererseits. Und erst durch die regionale Ausformung erhalten die Ziele der Raumordnung und Landesplanung ihre volle Aussagekraft, die wiederum eine konkrete Anpassung von Seiten der kommunalen Bauleitplanung erlaubt. Die Regionalplanung ist die Ebene, auf der das bereits angesprochene
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Institutionelle Grundlagen der Stadtplanung
Gegenstromprinzip am deutlichsten sichtbar zum Einsatz kommt. Auf kommunaler Ebene schließlich geht es um die eigentliche Planung der lokalen räumlichen Gegebenheiten. Hierfür steht eine breite Palette von formellen wie informellen Planungsinstrumenten zur Verfügung, von der Bauleitplanung mit dem gemeindegebietsweiten Flächennutzungsplan und dem rechtsverbindlichen Bebauungsplan bis hin zu Stadtentwicklungsplänen, städtebaulichen Rahmenplänen, Struktur- und Gestaltungsplänen etc. Auf die einzelnen Planarten wird im weiteren Verlauf der Erläuterungen im vorliegenden Kapitel und in anderen Themenschwerpunkten dieses Buches noch detailliert einzugehen sein.
Administrative und wissenschaftliche Institutionen Auf allen genannten Ebenen, auf denen räumliche Planung direkt und indirekt stattfindet, existieren Institutionen, die sich administrativ mit räumlicher Planung befassen. Ihnen zugeordnet sind häufig wissenschaftliche Institutionen, denen von Amts wegen die Bearbeitung wissenschaftlicher Themen aus dem Bereich der Raumund Stadtplanung obliegt. Eine wichtige Funktion haben auch Fachakademien außerhalb des administrativen Bereichs, die sich mit der Erforschung, Fortbildung und fachlichen Abstimmung in Bezug auf Fragen der Raumplanung und des Städtebaus befassen. Im Zeichen der Wissensgesellschaft verdienen diese Organisationen eine besondere Hervorhebung. Auf der supranationalen, globalen Ebene sind zunächst die Vereinten Nationen (UNO) mit folgenden für die räumliche Planung relevanten Unterorganisationen zu nennen: • • •
•
United Nations Environment Programme (UNEP) UN-Habitat bzw. United Nations Centre for Human Settlements (UNCHS) United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO): wichtige Aufgabenfelder sind z.B. die Thematisierung einer Informationsethik – Recht auf universalen Informationszugriff – im Rahmen von ’Webworld’ sowie die Führung der Liste des Welterbes (Weltkultur- und Weltnaturerbe) Weltbank (als UN-Sonderorganisation)
Auf europäischer Ebene sind das Europäische Parlament und die Brüsseler Administration zu nennen, die mit EU-Richtlinien gesetzesähnliche Regelungen erlassen können, die von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Die EU besitzt zwar keine originäre Kompetenz für die Raumordnungspolitik, doch beinhaltet der EU-Vertrag von Lissabon aus dem Jahre 2009 als ein wichtiges Ziel der Union neben der sozialen und der wirtschaftlichen auch die territoriale Kohäsion. Wichtige Aufgaben werden von EU-Institutionen gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten wahrgenommen. Folgende quasi-institutionellen Einrichtungen sind in diesem Zusammenhang zu nennen: das Europäische Parlament mit dem Parlamentsausschuss für regionale Entwicklung; der informelle Ministerrat der für Raum-
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entwicklung zuständigen Minister der Mitgliedstaaten; die EU-Kommission mit ihrer Generaldirektion Regionalpolitik, die für die Programme der Gemeinschaft zur Förderung der regionalen Entwicklung verantwortlich ist; der Ausschuss der Regionen als politische Versammlung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften der Europäischen Union mit seiner Fachkommission für territorialen Zusammenhalt; die Arbeitsgruppe ‘Territoriale Kohäsion und Städtische Fragen‘ (TCUM), eine gemischte Arbeitsgruppe der Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission, die sich in beratender Funktion mit Fragen der Territorial- und Stadtentwicklung befasst [zusammenfassend Internet www.ml.niedersachsen.de]. Auf der Ebene der Bundesrepublik Deutschland existiert der Deutsche Bundestag als gesetzgebendes Organ. Daneben gibt es als administrative Einheiten die Bundesministerien, von denen drei wegen ihrer besonderen Relevanz für die räumliche Planung hervorzuheben sind (Stand: Mai 2010): Das Ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) und das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV). Diesen Ministerien sind u.a. folgende Einrichtungen, in denen ebenfalls wichtige raumbezogene Daten erhoben und aufbereitet werden, nachgeordnet: • • • •
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) Umweltbundesamt (UBA) Bundesamt für Naturschutz (BfN) Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)
In den Bundesländern gibt es zum Bund vergleichbare Gesetzgebungsorgane (Landtage, Bürgerschaften) und Ressorts. In Nordrhein-Westfalen als dem größten Bundesland sind beispielsweise drei Ministerien maßgeblich für die Planung (Stand: Mai 2010): das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie (MWME) – zuständig auch für die Landesplanung und Raumordnung –, das Ministerium für Bauen und Verkehr (MBV) sowie das Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (MUNLV). Als nachgeordnete Organisationseinheiten mit besonderer Relevanz für die Stadt- und Raumplanung sind hervorzuheben: •
• •
Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS NW) in der Rechtsform einer GmbH mit dem Land Nordrhein-Westfalen als Gesellschafter; zudem assoziiertes Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, einer Wissenschaftsgesellschaft Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV NW) Staatliche Umweltämter (StUÄ), seit 2006 in der Organisationsstruktur der Bezirksregierungen
In vielen Bundesländern existieren zudem noch Regierungsbezirke, deren Regierungspräsidien als Mittelbehörden ebenfalls Planungsaufgaben wahrnehmen und als Aufsichtsbehörden der Städte und Gemeinden eine Kontroll- und Genehmigungsfunktion im Rahmen der Bauleitplanung (z.B. bei Aufstellung eines Flächen-
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Institutionelle Grundlagen der Stadtplanung
nutzungsplans) ausüben. Im Falle des Landes Nordrhein-Westfalen existiert außerdem eine institutionelle Besonderheit in Form von zwei Landschaftsverbänden – dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) und dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) –, die erhebliche Planungskompetenzen bis in den Kommunalbereich hinein besitzen: von der Durchführung diverser Infrastrukturmaßnahmen über Trägerschaften bei bestimmten Gemeinbedarfseinrichtungen bis hin zu wissenschaftlichen Aufgaben in der Denkmalpflege. Eine weitere wichtige institutionelle Einrichtung ist die Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO), die seit 1967 besteht und die Aufgabe hat, Bund und Länder auf der Grundlage des Bundesraumordnungsgesetzes in grundsätzlichen Fragen der Raumordnung und Landesplanung sowie bei bundesweit besonders bedeutsamen Problemen der räumlichen Entwicklung zu beraten. Innerhalb der föderativen Struktur der Bundesrepublik Deutschland kommt damit den Beratungen, Entschließungen und Beschlüssen der MKRO eine wichtige Kommunikationsfunktion zu [BMBau 1997; im Internet zur MKRO vgl. www.bmvbw.de]. Neben der MKRO existieren noch weitere raumbedeutsame Fachministerkonferenzen, wie beispielsweise die Umweltministerkonferenz, die Verkehrsministerkonferenz oder die für das Bau- und Planungswesen sehr wichtige Bauministerkonferenz – ARGEBAU –, die etwa die Musterbauordnung (MBO) als Orientierungsrahmen für die Bauordnungen der Länder beschließt [vgl. Internet www.is-argebau.de]. Die administrativen Organisationseinheiten auf Kommunalebene werden an anderer Stelle noch ausführlich darzulegen sein. An dieser Stelle sollen lediglich einige Hinweise auf von den Städten und Kommunen gemeinsam getragenen Institutionen erfolgen. Dazu gehören in erster Linie die sogenannten kommunalen Spitzenverbände, aber auch Einrichtungen, die für den kommunalen Bereich Forschung betreiben. Zu nennen sind insbesondere folgende Institutionen: • • • • •
Deutscher Städtetag (DST) für die großen Städte Deutscher Landkreistag (DLT) für die Landkreise als kommunale Gebietskörperschaften Deutscher Städte- und Gemeindebund (DSTGB) für kleinere Gemeinden Deutsches Institut für Urbanistik (DIFU) als Forschungsinstitution für Städte und Gemeinden Regionalverband Ruhr (RVR) seit 2004, davor Kommunalverband Ruhrgebiet (KVR von 1979 bis 2004) und Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk (SVR von 1920 bis 1979)
Bezüglich des Regionalverbands Ruhr mögen einige zusätzliche Erläuterungen interessant sein, da er sich von anderen kommunalen Verbänden aufgrund seiner geschichtlichen Herkunft und Bedeutung abhebt. Der RVR wurde 1920 als Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk (SVR) ins Leben gerufen, um alle Angelegenheiten, die der Förderung der Siedlungstätigkeit im gesamten Ruhrgebiet dienten – dazu gehörte übrigens von Anfang an immer mit Priorität die Sicherung von Freiräumen und Frischluftschneisen durch Schaffung eines regionalen Grünflächen-
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systems –, planerisch zu bearbeiten. Der Regionalverband Ruhr ist mit anderen Institutionen gemeinsam zuständig für das „Regionale Kooperationsprojekt Emscher Landschaftspark“, einer Fortsetzung der „Internationalen Bauausstellung Emscher Park“ (IBA Emscher Park), welche in den 1990er Jahren unter dem damaligen Geschäftsführer Karl Ganser weltweit eine enorme Beachtung und hohe Anerkennung erfuhr. Als eine für die räumliche Planung auf allen Ebenen außerordentlich wichtige institutionelle Einrichtung ist noch die Amtliche Statistik hervorzuheben. Auf den bisher genannten Ebenen der räumlichen Planung existieren dazu die folgenden Einrichtungen: • • • • •
United Nations Statistics Division und das im Dezember 2001 neu gegründete UNESCO Institute for Statistics (UIS) Eurostat der Europäischen Union Statistisches Bundesamt Deutschland (Destatis) Landesämter für Statistik in allen deutschen Bundesländern Fachämter für Statistik auf Kommunalebene (häufig in demselben Amt wie die Stadtentwicklung untergebracht; datenschutzrechtlich nicht unumstritten)
Neben diesen eher administrativen Bereichen gibt es weitere Institutionen, die sich wissenschaftlich mit Themen der Stadtplanung und Raumordnung auseinandersetzen. Zwei von ihnen verdienen es, besonders erwähnt zu werden: • •
die Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) als Teil der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e.V. (WGL); die Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL) mit drei Fortbildungsinstituten in München, Berlin und Münster.
Diese beiden Institutionen lassen sich auch den ’non-government organizations’ (NGO’s) zurechnen, wenngleich auch nicht ganz im Sinne der ursprünglichen Terminologie der NGO’s, deren Mitglieder und Anhänger, was die räumliche Planung anbetrifft, sich eher aus Umweltaktivisten oder Netzwerken von weltweit agierenden Bürgerorganisationen bzw. Civil Society Organisations [Internet www.undp.org] rekrutieren und nicht selten eine gewisse Nähe zu subkulturellen Milieus aufweisen. NGO’s spielen im institutionellen Geflecht der Stadt-, Raum- und Umweltplanung eine zunehmend wichtige Rolle – insbesondere in Nordamerika, aber auch in Nordund Westeuropa. Exemplarisch zu nennen wären etwa Greenpeace und andere Umweltorganisationen, aber auch jüngere, aufstrebende Bewegungen wie Attac als Gegenpol zu neoliberalen Globalisierungstendenzen im Bereich der Wirtschaft [vgl. Internet www.ngos.net; en.wikipedia.org/wiki/NGO; v.hdm-stuttgart.de/seminare/iim/ NGO/ngo.htm]. Aufgrund der Beschlüsse auf der Rio-Weltkonferenz 1992 kommt NGO’s vor allem auch bei lokalen Agenda-21-Prozessen eine quasi-institutionelle Funktion im Zuge von räumlichen Planungen zu. Die Internetquellen aller hier genannten Institutionen können wegen der großen Zahl an dieser Stelle nicht einzeln aufgeführt werden. Eine Auswahl von ihnen be-
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findet sich in der Internetlinksammlung auf der beiliegenden DVD. Eine im Zusammenhang mit der Internetnutzung zunehmend wichtige Rolle werden künftig die sogenannten ‘Wikinomics‘ mit ‘crowdsourcing‘-Aktivitäten spielen, die für hierarchisch organisierte Institutionen, sofern sie sich dieser Quelle der Informationsbeschaffung nicht selbst bedienen, eine ziemliche Herausforderung darstellen werden (vgl. Kap. 4, Abschnitt „Erfassungs- und Monitoringmethoden“).
Rechtliche Grundlagen der Stadtplanung Über das im Grundgesetz (Art. 28 Abs. 2 GG) verankerte Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden ist die Stadtplanung in Deutschland auf Kommunalebene institutionell recht stark verankert. Die Städte und Gemeinden besitzen eine relativ große Gestaltungsfreiheit bei der inhaltlichen Ausgestaltung städtebaulicher Pläne. Sie können die eigenen Entwicklungsziele selbst bestimmen, sind für die rechtliche Einhaltung der sie betreffenden Pläne verantwortlich und haben schließlich auch die Trägerschaft für die kommunale Infrastruktur. Bei aller Gestaltungsfreiheit sind jedoch stets die übergeordnete Rahmengesetzgebung, die Gemeindeordnungen der einzelnen Bundesländer sowie das geltende Baurecht zu beachten. Außerdem unterliegen die Gemeinden der rechtlichen Aufsicht einer übergeordneten Behördeninstanz, und für bestimmte städtebauliche Pläne ist eine Genehmigungspflicht durch die höhere Verwaltungsbehörde (z.B. das Regierungspräsidium) vorgesehen. Die beiden wichtigsten Rechtsgebiete, mit denen es die kommunale Planung stets und in sehr direkter Weise zu tun hat, sind Bestandteil des öffentlichen Rechts, nämlich: • •
das städtebauliche Planungsrecht und das Bauordnungsrecht.
Während das städtebauliche Planungsrecht als einheitliches Bundesrecht im Baugesetzbuch (BauGB) geregelt ist, sind für das Bauordnungsrecht die einzelnen Bundesländer zuständig. Diese Zweiteilung hat eine lange, bis in das 19. Jahrhundert zurückreichende Entwicklungsgeschichte; doch erst mit dem Gutachten des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Juni 1954 ist diese Aufspaltung der Zuständigkeiten innerhalb der Bundesrepublik Deutschland endgültig besiegelt worden [Ernst/Hoppe 1978: 365]. Die Zweiteilung bedeutet nun, dass die Nutzung von Grund und Boden (weitgehend gleichbedeutend mit Grundstücken) sowie die dazu erforderlichen Planungen, Planungsabläufe und Genehmigungen in die Regelungsbefugnis des Bundes fallen, während die konkrete Ausführung von baulichen Anlagen mit den entsprechenden bauordnungsrechtlichen Genehmigungen zum Kompetenzbereich der einzelnen Bundesländer gehört, die dazu ihre Landesbauordnungen (LBO) erlassen haben. Eigentlich regeln also die Landesbauordnungen das Bauen, nicht aber das BauGB, das somit einen nicht ganz zutreffenden Namen trägt [Albers 1988: 116]. Diese grundsätzliche Unterscheidung kann auch noch in anderer Weise
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getroffen werden: Während das städtebauliche Planungsrecht regelt wo und was gebaut werden darf, regelt das Bauordnungsrecht, wie etwas zu bauen ist (vgl. Abb. 3.3).
Abb. 3.3: Planungswirksame Rechtsgebiete Neben dem städtebaulichen Planungsrecht und dem Bauordnungsrecht gibt es noch weitere für die städtebauliche Planung wichtige Rechtsgebiete, die üblicherweise unter der Bezeichnung Baunebenrecht zusammengefasst werden. Zum Baunebenrecht gehören alle öffentlich-rechtlich verbindlichen Vorschriften von Bund und Ländern, die über die Anforderungen des Bauplanungsrechts und Bauordnungsrechts hinausgehen und sich unmittelbar auf die Zulässigkeit oder die Rechtmäßigkeit der Errichtung, Änderung oder Nutzung von baulichen Anlagen auswirken. Vielfach handelt es sich um Regelungen, die verborgen und verstreut und auch nicht immer primär planungs- oder baubezogen sind. Auch privat gesetzte Regeln, die über gesetzliche Vorschriften in das öffentliche Recht eingebunden sind – etwa die Vorschrift, nach den ’anerkannten Regeln der Technik’ vorzugehen – gehören dazu [Internet www.difu.de/archiv/Ber-03-3.pdf]. Beispiele sind das Eigentumsrecht an Grund und Boden, das Wohnungsbaurecht, das Fachplanungsrecht etwa im Bereich des Straßen-, Schienen-, Luft- und Wasserverkehrs, das Immissionsschutz- und Umweltrecht oder das Denkmalrecht. Ferner zählen auch außerhalb dieser Rechtsvorschriften existierende Normen und Richtlinien (z.B. DIN-Vorschriften) dazu. Auf die für die städtebauliche Planung wichtigsten wird im Anschluss an die Darstellung des öffentlichen Bau- und Bodenrechts näher eingegangen. Hervorzuheben wäre schließlich auch noch das private Baurecht, worunter das zivile Baunachbarrecht, das Bauvertragsrecht und die Regelungen für die Erbringung von Bau- und Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren fallen. Die Rechtsgrundlagen dafür sind das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), die Nachbarrechtsgesetze der Länder, die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) oder die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI).
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Institutionelle Grundlagen der Stadtplanung
a) Städtebauliches Planungsrecht Die Regelungsbereiche des Baugesetzbuches (BauGB) lassen sich anhand seiner inhaltlichen Gliederung ablesen (Stand 2010): • • • •
1. Kapitel: Allgemeines Städtebaurecht 2. Kapitel: Besonderes Städtebaurecht 3. Kapitel: Sonstige Vorschriften 4. Kapitel: Überleitungs- und Schlussvorschriften
Die Überleitungs- und Schlussvorschriften, die sich mit speziellen juristischen Feinheiten befassen, sollen uns an dieser Stelle nicht weiter interessieren. Bleiben die drei erstgenannten Kapitel, auf deren wichtigste Grundzüge kurz eingegangen wird. Zunächst das allgemeine Städtebaurecht, das sich mit folgenden Einzelthemen befasst: • • • • • • •
Bauleitplanung Sicherung der Bauleitplanung Regelung der baulichen und sonstigen Nutzung sowie Entschädigung Bodenordnung Enteignung Erschließung Maßnahmen für den Naturschutz
Den Gemeinden stehen zwei Kategorien von Bauleitplänen zur Lenkung der Entwicklungs- und Ordnungsaufgaben auf ihrem Gebiet zur Verfügung. Ein ’vorbereitender Bauleitplan’ – der Flächennutzungsplan –, stellt die aus einer beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung sich ergebende Nutzung des Grund und Bodens auf dem gesamten Gemeindegebiet in den Grundzügen dar. Der ’verbindliche Bauleitplan’ – der Bebauungsplan – regelt dagegen für bestimmte Teile einer Gemeinde in einem für jedermann rechtsverbindlichen Ortsgesetz (Satzung), welche baulichen Anlagen an welcher Stelle und unter welchen Voraussetzungen errichtet werden dürfen (ergänzt etwa um die Genehmigungsvoraussetzungen anderer Rechtsvorschriften, insbesondere der Landesbauordnung). Bei der Aufstellung dieser Bauleitpläne sind gewisse Zuständigkeits- und Verfahrensregeln einzuhalten, etwa, dass die Öffentlichkeit (früher: Bürger) sowie Behörden und Träger öffentlicher Belange (TöB, zum Beispiel Umweltbehörden oder örtliche Wirtschaftsverbände) an solchen Planungen beteiligt werden müssen, dass öffentliche und private Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind und dass schließlich die entscheidende Beschlussfassung durch ein demokratisch gewähltes Gremium zu erfolgen hat (Gemeinderat, Stadtrat). Der Komplex der Bauleitplanung wird an anderer Stelle dieses Buches noch genauer behandelt. Deshalb mögen die ersten Erläuterungen hier zunächst genügen. Da es mit dem Aufstellen von Bauleitplänen allein nicht getan ist, regelt das BauGB im allgemeinen Städtebaurecht außerdem, mit Hilfe welcher Maßnahmen
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eine Sicherung der Bauleitplanung herbeigeführt werden kann – z.B. durch den Erlass von Veränderungssperren oder, unter bestimmten Bedingungen, die Inanspruchnahme eines Vorkaufsrechts durch die Gemeinde. Deutlich konkreter auf das Bauen bezogen sind die Regelungen der baulichen und sonstigen Nutzung, die sich neben der Entschädigung vor allem mit der Zulässigkeit von Vorhaben – etwa bei der Errichtung eines Gebäudes – befassen. Hier wird auf verschiedene planungsrechtliche Situationen eingegangen: auf Vorhaben 1) wenn ein qualifizierter (d.h. mit gewissen Mindestinhalten versehener) Bebauungsplan vorliegt, 2) wenn ein im Aufstellungsverfahren befindlicher Bebauungsplan vorliegt, 3) im unbeplanten Innenbereich (z.B. Baulücke innerhalb bereits vorhandener Umgebungsbebauung) sowie 4) im Außenbereich (z.B. Windkraftanlage oder landwirtschaftlicher Betrieb außerhalb des Ortskerns). Die Bodenordnung dient der Neuordnung von Grundstücksverhältnissen in Lage, Form und Größe, damit z.B. die Festsetzungen eines Bebauungsplans bei vernünftigen Eigentumsverhältnissen überhaupt Realität werden können. Auch im unbeplanten Innenbereich können Bodenordnungsmaßnahmen in Form von Umlegungen durchgeführt werden. Eine einfachere Form der Bodenordnung ist die ‘vereinfachte Umlegung‘ (früher als Grenzregelung bezeichnet); in diesem Falle werden bei benachbarten Grundstücken Teile der Grundstücke gegeneinander ausgetauscht, um so eine Bebaubarkeit herbeizuführen. Grundsätzlich kann eine Baulandumlegung als amtliche Umlegung nach den Regelungen des BauGB oder als freiwillige Umlegung, bei der der Austausch von Grundstücksteilen über privatrechtliche Verträge der Eigentümer stattfindet, vorgenommen werden. Auf der Basis der Baugesetzbuchregelungen kann in bestimmten Fällen mit einem eigenen Verfahren auch von der Möglichkeit der Enteignung Gebrauch gemacht werden, für die aber stets, wie in der Verfassung (dem Grundgesetz) vorgeschrieben, eine angemessene Entschädigung zu leisten ist. Ein weiterer wichtiger Teil des Baugesetzbuches ist dem Thema Erschließung gewidmet. Dabei geht es um die Erstellung von Erschließungsanlagen und deren Finanzierung. Zu den Erschließungsanlagen zählen etwa Straßen, Wege und Plätze, aber auch Lärmschutzanlagen, Erschließungsgrünanlagen etc. Von den anfallenden Erschließungskosten hat die Gemeinde mindestens 10% zu tragen, auf die betroffenen Eigentümer entfällt dann der Rest (maximal 90%), der von ihnen jeweils anteilig nach einem vorgegebenen Verteilungsschlüssel als Erschließungsbeitrag (dieser ist Gegenstand einer Erschließungsbeitragssatzung) zu tragen ist. Ein Rechtsanspruch auf Erschließung besteht für den einzelnen Eigentümer nicht. Regelungen über Maßnahmen des Naturschutzes sind relativ spät in das allgemeine Städtebaurecht aufgenommen worden. Von großer Tragweite sind die darin kodifizierten Pflichten für den Träger eines (Bau-)Vorhabens zur Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen für die in Anspruch genommenen Naturressourcen sowie die Verpflichtung der Gemeinde zur Durchführung solcher Maßnahmen, wenn das Vorhaben und die dazu korrespondierende Ausgleichsmaßnahme räumlich voneinander getrennt sind. Soweit zum allgemeinen Städtebaurecht. Der nächste BauGB-Teil betrifft das besondere Städtebaurecht, das die folgenden Einzelthemen beinhaltet:
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Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen Stadtumbau Soziale Stadt Private Initiativen Erhaltungssatzung und städtebauliche Gebote Sozialplan und Härteausgleich Miet- und Pachtverhältnisse Städtebauliche Maßnahmen im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur
Unter städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen werden im Wesentlichen Maßnahmen der Stadterneuerung einschließlich der Erhaltung und Pflege historisch wertvoller Bausubstanz verstanden. Aufgrund der häufig komplizierten Verhältnisse in einem derartigen Gebiet und um vor allem spekulatives Verhalten bei den zu erwartenden Wertsteigerungen an Grundstücken zu unterbinden, steht für eine solche Planungsaufgabe ein spezielles, sehr weitgehendes Rechtsinstrumentarium zur Verfügung. Wie mit diesem Instrumentarium konkret umzugehen ist, wird in einem eigenen Kapitel an anderer Stelle in diesem Buch noch genauer dargestellt (vgl. Kapitel „Stadterneuerung“). Die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme stellt in gewisser Hinsicht den umgekehrten Fall zur Stadterneuerung dar. Hierbei geht es bei nachgewiesenem Bedarf um die erstmalige Entwicklung von Ortsteilen oder um eine neue Entwicklung eines Ortsteils im Rahmen einer städtebaulichen Neuordnung. Auch für diese Planungsaufgabe steht ein spezielles, dem der städtebaulichen Sanierung recht ähnliches Rechtsinstrumentarium zur Verfügung. Auf die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme wird ebenfalls an anderer Stelle noch näher einzugehen sein (vgl. Kapitel „Stadtentwicklung“). Maßnahmen zum Stadtumbau können dann in Betracht gezogen werden, wenn ein Gebiet von erheblichen städtebaulichen Funktionsverlusten betroffen ist und Anpassungen zur Herstellung nachhaltiger städtebaulicher Strukturen vorgenommen werden sollen. Erhebliche städtebauliche Funktionsverluste liegen insbesondere vor, wenn ein dauerhaftes Überangebot an baulichen Anlagen für bestimmte Nutzungen, namentlich für Wohnzwecke, besteht oder zu erwarten ist. Unter der Überschrift Soziale Stadt finden sich einige wenige Regelungen über städtebauliche Maßnahmen zur Behebung sozialer Missstände. Gemeint sind investive und sonstige Maßnahmen in entsprechend betroffenen (benachteiligten) Ortsteilen oder anderen Teilen des Gemeindegebiets, in denen ein besonderer Entwicklungsbedarf besteht. Soziale Missstände liegen insbesondere vor, wenn ein Gebiet aufgrund der Zusammensetzung und wirtschaftlichen Situation der darin lebenden und arbeitenden Menschen erheblich benachteiligt ist. Konkret geht es darum, Stadtteilen, die durch hohe Arbeitslosigkeit, wirtschaftliche Probleme des mittelständischen Gewerbes, Defizite bei der Integration ausländischer Mitbürger, Vernachlässigung von Gebäuden und der öffentlichen Räume, Vandalismus und
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ähnlichen Erscheinungen belastet sind, eine Zukunftsperspektive zu geben [vgl. Krautzberger 2004]. Die im BauGB enthaltene Regelung über Private Initiativen zur Stadtentwicklung zielt auf eine Stärkung privater Aktivitäten, die einen Beitrag zur städtebaulichen Verbesserung von Stadtquartieren in funktionaler und gestalterischer Hinsicht leisten. Solche Initiativen finden ihren Ausdruck zum Beispiel in sogenannten ‘Business Improvement Districts‘ (BID), einer nordamerikanischen Erfindung zur Revitalisierung von Stadtquartieren durch Grundeigentümer und Gewerbetreibende. Ein solcher ‘städtebaulicher Innovationsbereich‘, wie er auch manchmal genannt wird, stellt ein typisches Beispiel für eine öffentlich-private Partnerschaft bzw. ‘PublicPrivate Partnership‘ (PPP) dar, in der öffentliche Hand und private Initiative zusammenwirken. Mit der Möglichkeit, Erhaltungssatzungen und städtebauliche Gebote zu erlassen, steht den Gemeinden ein Instrumentarium zur Durchsetzung bestimmter Maßnahmen zur Verfügung. So kann die Gemeinde eine Erhaltungssatzung aufstellen, um städtebauliche Gestaltwerte zu sichern oder die Zusammensetzung der ortsansässigen Wohnbevölkerung zu erhalten. Sie kann über ein Baugebot, ein Pflanzgebot oder ein Rückbau- und Entsiegelungsgebot Eigentümer verpflichten, ihr Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu bebauen, zu bepflanzen oder bauliche Anlagen zu beseitigen. Ein Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot verpflichtet zur Mängelbeseitigung an Gebäuden. Die Regelungen über Sozialplan und Härteausgleich gibt den Gemeinden ein Instrumentarium in die Hand, mit dem etwaige nachteilige Auswirkungen von städtebaulichen Planungsmaßnahmen auf die persönlichen Lebensumstände der Menschen gemildert werden können. Dabei kann auch ein Härteausgleich in Geld gewährt werden. Hinsichtlich existierender Miet- und Pachtverhältnisse hat der Gesetzgeber einige Festlegungen getroffen, wie mit solchen Nutzungsrechten etwa im Rahmen von städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen umzugehen ist. Schließlich befinden sich im besonderen Teil des BauGB Regelungen über städtebauliche Maßnahmen im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur. Da Maßnahmen der Flurbereinigung, also Grundstücksneuordnungen für landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Betriebe in der freien Feldflur, stets auch Rückwirkungen auf die angrenzenden Ortslagen haben, sind hier enge Verknüpfungen zur städtebaulichen Planung unerlässlich. Neben dem allgemeinen und dem besonderen Städtebaurecht beinhaltet das Baugesetzbuch mit seinen sonstigen Vorschriften noch Regelungen beispielsweise über die Wertermittlung von Grundstücken, die bei vielen städtebaulichen Maßnahmen eine wichtige Rolle spielt – etwa bei der Bodenordnung, bei Enteignungen oder bei der Abschöpfung von Wertsteigerungen im Zuge von städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen. Die sonstigen Vorschriften behandeln daneben auch Themenbereiche wie: Zuständigkeiten, gemeinsam von mehreren Gemeinden aufzustellende Flächennutzungspläne, die Möglichkeit der Bildung von Planungsverbänden, (Heilungs-)Vorschriften im Falle der Verletzung von planungsrechtlichen Verfahrensvorschriften etc.
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Damit erschöpft sich das aus dem BauGB entwickelte Regelwerk zum städtebaulichen Planungsrecht aber noch keineswegs. Außer dem eigentlichen Gesetzestext des BauGB existieren noch rechtliche Regelungen, die auf dem Verordnungswege erlassen werden und zu denen das BauGB die rechtliche Ermächtigung liefert. Als die drei wichtigsten Verordnungen seien genannt: • • •
Baunutzungsverordnung (BauNVO) Planzeichenverordnung (PlanzV) Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV)
Die Baunutzungsverordnung trifft Regelungen über Art und Maß der baulichen Nutzung. Zu diesem Zweck sind bestimmte Gebietstypen festgelegt, für die jeweils ein Katalog über die zulässigen Nutzungen Auskunft gibt. So sind beispielsweise in reinen Wohngebieten nur Wohngebäude und Wohnnutzungen, andere Nutzungen wie etwa Läden dagegen nur ausnahmsweise zulässig; in Gewerbegebieten sind dagegen Gewerbebetriebe aller Art, jedoch keine Wohngebäude erlaubt. Diese Differenzierung der baulichen Nutzung von Grundstücken hat ihren Ursprung in der städtebaulichen Funktionstrennung, die erstmals 1933 in der Charta von Athen [vgl. Auszüge daraus auf beiliegender DVD] formuliert wurde und auf eine Entflechtung von sich gegenseitig beeinträchtigenden Nutzungen nach dem Grad ihrer Emissionen (z.B. Lärm) zielt. Beim Maß der baulichen Nutzung geht es um den Grad der Ausnutzung von Grundstücken, d.h. zu welchem Anteil Grundstücke überbaut werden dürfen (Grundflächenzahl) und wieviel Gesamtgeschossfläche auf einem Grundstück zugelassen wird (Geschossflächenzahl). Die Baunutzungsverordnung sieht für verschiedene Gebietstypen diesbezügliche Obergrenzen vor, die bei der Aufstellung von Bebauungsplänen nicht überschritten, aber durchaus unterschritten werden dürfen. In der Planzeichenverordnung sind Regelungen über die in Bauleitplänen zu verwendenden Planzeichen zu finden. Der Katalog von graphischen Symbolen und Zeichen – erstellt, um das Aussehen von Bauleitplänen zu vereinheitlichen – entstand zu einer Zeit, als niemand daran dachte, dass Bauleitpläne vielleicht einmal mit Hilfe von Computerprogrammen hergestellt und gezeichnet würden. Dies ist jedoch das heute übliche Verfahren; kaum ein Bebauungsplan wird noch mit der Hand gezeichnet. Eine automatische Erzeugung und Anordnung der Planzeichen ist allerdings keineswegs trivial, so dass die strikte Anwendung der Planzeichenverordnung bei einer computergraphischen Bearbeitung von Bebauungsplänen auch heutzutage noch manche Software auf die Probe stellt. Die Immobilienwertermittlungsverordnung als dritte im Baugesetzbuch verankerte, für die städtebauliche Planung wichtige Rechtsverordnung regelt, auf welche Weise der Verkehrswert von Grundstücken zu ermitteln ist. Der Verkehrswert bzw. der Wert, der für ein Grundstück auf dem freien Grundstücksmarkt im Prinzip zu erzielen wäre, spielt bei einer Reihe von städtebaulichen Maßnahmen eine wichtige Rolle: etwa bei städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen, aber auch bei normalen Bebauungsplänen, wenn deren Festsetzungen nur im Anschluss an eine vorherige Neuordnung von Grundstücken verwirklicht werden können (Bodenordnung).
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b) Bauordnungsrecht Das Bauordnungsrecht fällt in die Zuständigkeit der einzelnen Bundesländer. Dort existieren als gesetzliche Grundlage die Landesbauordnungen, kurz LBO’s oder LBauO‘s. Zwar obliegt den Bundesländern das alleinige Recht zur inhaltlichen Ausgestaltung ihrer jeweiligen Landesbauordnungen, so dass diese von Bundesland zu Bundesland durchaus variieren. Damit aber dennoch eine gewisse Einheitlichkeit der Landesgesetze gewährleistet ist, hat die ‘ARGEBAU‘ – die Bauministerkonferenz – eine Musterbauordnung (MBO) vorgelegt, die auch von Zeit zu Zeit eine Anpassung erfährt (zuletzt 2002) [Internet www.is-argebau.de; www.umwelt-online.de/ recht/bau]. Für die städtebauliche Planung von Belang in den Landesbauordnungen sind die Regelungen über: •
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die Errichtung, Änderung oder Unterhaltung von Gebäuden mit der Maßgabe, dass niemand gefährdet wird (Ziel: Gefahrenabwehr – ähnlich wie im allgemeinen Ordnungsrecht oder in den allgemeinen polizeilichen Generalklauseln der Landespolizeigesetze); die Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der Baukunst, wie sie sich etwa aus DIN-Normen, VDE-Vorschriften etc. ergeben; Gebäudeabstände, insbesondere zu den Grenzen der Nachbargrundstücke; Anforderungen an Stellplätze und Garagen; Einbeziehung der Nachbarn (zusätzliche Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und in den Nachbarrechtsgesetzen der Länder); Satzungsbefugnisse für Gemeinden (in Bezug auf Werbeanlagen, Stellplätze u.ä.).
Für die konkrete städtebauliche Planung sind von besonderer Bedeutung die Vorschriften der LBauO’s, die sich mit städtebaulicher Gestaltung befassen. Hier sind zwei Arten von Gestaltungsregelungen zu unterscheiden: •
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die positive Gestaltungspflege, d.h. die Landesbauordnungen geben den Gemeinden das Recht, Gestaltungssatzungen zu erlassen, in denen über Ge- und Verbote bestimmte Maßnahmen der Gestaltung an Gebäuden vorgeschrieben bzw. verboten werden; die Verunstaltungsabwehr, die festlegt, dass bauliche Anlagen nicht verunstaltend wirken dürfen und auch mit ihrer Umgebung gestalterisch in Einklang zu bringen sind; Kriterium dafür, was als verunstaltend zu gelten hat, ist aufgrund eines berühmt gewordenen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juni 1955 „das ästhetische Empfinden des gebildeten Durchschnittsbetrachters“ [Ernst/Hoppe 1978: 373].
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c) Bodenrecht – Eigentum an Grund und Boden Stadtplanung hat auf weiten Strecken mit der Zuteilung von Nutzungsrechten (oder mit der Beschränkung von Nutzungsaktivitäten) auf Grundstücken zu tun; somit gibt es stets Rechtsinhaber – Eigentümer, Erbbauberechtigte, Mieter oder Pächter –, die betroffen sind. Aus diesem Grund ist es wichtig zu wissen, wie das Eigentum an Grund und Boden bzw. das Bodenrecht institutionalisiert ist. Das geltende Bodenrecht in Deutschland lässt sich ganz grob wie folgt charakterisieren [weiterführend vgl. etwa Söfker 1995]: Eigentum an Grund und Boden ist in Deutschland verfassungsrechtlich durch das Grundgesetz in Artikel 14 Abs. 1 geschützt. Die darin enthaltene Eigentumsgarantie soll dem Rechtsinhaber einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich erhalten und ihm damit die Entfaltung und eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens ermöglichen. Unter rechtlichen Aspekten ist das Eigentum also durch Privatnützigkeit, d.h. die Ausübbarkeit zum eigenen Vorteil, und Verfügbarkeit, die allerdings beschränkt werden kann, gekennzeichnet. Die nähere Ausgestaltung dessen, was Eigentum an Grund und Boden nun im täglichen Rechtsverkehr bedeutet, ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Danach ist Eigentum begrifflich das umfassendste Recht, mit dem tatsächlich und rechtlich Handlungen an einer beweglichen oder unbeweglichen Sache vorgenommen werden können. Das Eigentumsrecht stellt ein sogenanntes Sachenrecht bzw. dingliches Recht dar. Sachenrechte wirken gegen jedermann, deshalb muss eine Sache als Einzelsache erkennbar und gegen andere Sachen abgrenzbar sein. Im Falle des Eigentums an Grund und Boden wird die Eindeutigkeit und Abgrenzung gegenüber anderen durch das Grundbuch hergestellt. Rechtsgrundlage als Gesetz ist die Grundbuchordnung (GBO). Zweck des Grundbuches ist die Ermittlung und Feststellung der einzelnen Grundstücke. Gleichzeitig sichert das Grundbuch das Eigentum und zeigt auf, welche Rechte und Belastungen (z.B. Grundschulden, Hypotheken oder Grunddienstbarkeiten) für den Eigentümer an dem Grundstück bestehen. Dafür wird beim Grundbuchamt für jedes Grundstück in Deutschland ein besonderes Blatt innerhalb des Grundbuches angelegt; das Grundbuchamt gehört institutionell und organisatorisch zum Amtsgericht. Nachdem die Grundbuchführung früher tatsächlich wie eine Art Buch (mit Grundbuch-Band und Grundbuch-Blatt) ablief, die Arbeitsweise aber mittlerweile in hohem Maße digital ist, spricht man – begrifflich etwas ungenau und veraltet – vom „elektronischen Grundbuch“ (EGB) [Internet www.elektronisches-grundbuch.de; www. bnotk.de]. Die entsprechenden Rechtsgrundlagen dafür sind das Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz (RegVGB) – das gibt es wirklich! – aus dem Jahre 1993 sowie die Verordnung über das maschinell geführte Grundbuch aus dem Jahre 1998 (EGB-VO, i.d.F. 2003) [Internet www.accis.de]. Um die Rechtssicherheit auch beim digital geführten Grundbuch zu gewährleisten, ist die Anwendung kryptographischer Verschlüsselungsverfahren erforderlich, mit deren Hilfe die digitalen Grundbuchdokumente als Authentizitätsnachweis eine digitale Signatur auf der Basis des Signaturgesetzes (SigG) erhalten (mehr zu diesen Verschlüsselungstechniken vgl. Kap. 7 im Zusammenhang mit digitalen Formen von Bauleitplänen).
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Zur genauen lagemäßigen Identifizierung eines Grundstücks reicht das Grundbuch allerdings nicht aus. Vielmehr ergibt sich diese aus dem Liegenschaftskataster. Das Liegenschaftskataster ist ein von der Katasterbehörde geführtes, aus Büchern und großmaßstäbigen Karten bestehendes öffentliches Register, in der alle Liegenschaften – Flurstücke und Gebäude – so nachgewiesen und beschrieben sind, dass es den Anforderungen des Rechtsverkehrs, der Verwaltung und der Wirtschaft an ein Basisinformationssystem gerecht wird. Das Liegenschaftskataster ist somit der geometrisch eindeutige Nachweis der Liegenschaften und besteht in der Regel aus der Liegenschaftskarte mit Katasterzahlenwerk und dem Liegenschaftsbuch. Beide haben in Deutschland mittlerweile einen hohen Automatisierungsgrad erreicht: durch das „Automatisierte Liegenschaftsbuch“ – ALB – und die „Automatisierte Liegenschaftskarte“ mit dem Kürzel ALK. Die ALK und das ALB sind seit einiger Zeit zusammengeführt zu einem Amtlichen Liegenschaftskataster-Informationssystem (ALKIS) [vgl. Beispiele im Internet www.dvz-kommunalsoftware.de; www.geoas.de; www.geographie.uni-osnabrueck.de; zu ALKIS vgl. außerdem: www.lverma-bb.de; www.lverma.nrw.de]. Eine Integration von Grundbuch und Liegenschaftskataster in ein digitales Informationssystem ist technisch möglich und wird auch bereits praktiziert. Aufgrund der unterschiedlichen Rechtsbereiche wird die Eigenständigkeit der jeweiligen Registerführung allerdings erhalten bleiben [Wiedenroth 2003].
Abb. 3.4: Katasterkarte (Originalmaßstab 1:1000) mit Flurstücken und Deutsche Grundkarte (Originalmaßstab 1:5000) mit Grundstücksgrenzen Jede städtebauliche Planung hat auf irgendeine Weise mit dem Eigentum an Grund und Boden zu tun. Besonders bei der Bearbeitung von städtebaulichen Plänen spielen Kartengrundlagen, auf denen die Eigentumsverhältnisse sowie die auf den jeweiligen Flächen befindlichen Immobilien erkennbar sind, eine entscheidende Rolle. Abbildung 3.4 zeigt zwei der wichtigsten Kartentypen: die Katasterkarte bzw. Flurkarte, die meist im Maßstab 1:1.000, manchmal aber auch im Maßstab 1:500 (in
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Großstädten mit dichten Parzellierungen) vorliegt und die Eigentumsverhältnisse anhand von Flurstücken repräsentiert; die Deutsche Grundkarte im Maßstab 1:5.000, in der die Grundstücksverhältnisse erkennbar sind [vgl. auch Internet www. bezreg-koeln.nrw.de; www.krefeld.de]. Welche wichtige Funktion die institutionelle Sicherung des Eigentums an Grund und Boden durch Grundbuch und Liegenschaftskataster für das Funktionieren einer Gesellschaft und deren ökonomischer Basis – Boden ist neben Arbeit, Kapital und Wissen ein wichtiger Produktionsfaktor – besitzt, kann hier nur angedeutet werden. Ebenso wichtig sind aber auch die Preisbildung am Grundstücksmarkt, die Besteuerung von Grundbesitz und die verschiedenen Möglichkeiten, Rechte an Grundstücken mit den darauf befindlichen Immobilien zu erwerben, die von Eigentum, Teileigentum über Pacht/Erbpacht oder Miete bis hin zu anderen Nutzungsrechten (z.B. Geh-, Fahr- oder Leitungsrecht) reichen können. In diesem Zusammenhang sei auch auf Reformbestrebungen beim Bodenrecht und im Umgang mit Grund und Boden hingewiesen, die immer mal wieder ins Rampenlicht rücken. Als Begründung wird dann herangezogen, der grundgesetzlich verankerten Sozialpflichtigkeit des Eigentums sei Genüge zu tun oder eine weitsichtig angelegte Stadtplanung erfordere dies oder einer aufkeimenden bzw. überbordenden Grundstücks- und Immobilienspekulation müsse ein Riegel vorgeschoben werden [vgl. Dieterich/Dieterich 1997]. d) Wohnungsbaurecht Wenn von den institutionellen Grundlagen der Stadtplanung die Rede ist, dürfen Hinweise auf die rechtlichen Grundlagen und administrativen Verknüpfungen zum Wohnungsbaurecht nicht fehlen. Zweifellos gehört das Wohnen mit zu den wichtigsten Grundbedürfnissen des Menschen. Die Stadtplanung hat dem Rechnung zu tragen, indem sie auf der Basis von prognostizierter Bevölkerungszahl und -struktur die entsprechenden Flächen zum Bau von Wohnungen zur Verfügung stellt. Eine wichtige Rolle spielt hierbei die Wohnungsbauförderung, die im Sinne der sozialen Marktwirtschaft das Ziel hat, breiten Schichten der Bevölkerung – auch den finanziell weniger starken – angemessenen Wohnraum zu ermöglichen. Bei der Wohnungsbauförderung werden zwei Instrumente unterschieden: die unmittelbare Objektförderung und die mittelbare Subjektförderung (vgl. Abb. 3.5). Bei der Objektförderung geht es hauptAbb. 3.5: Wohnungsbauförderung sächlich um Wohnungsneubau, d.h. um die Errichtung von Miet- oder Eigentums-
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wohnungen mit der Hilfe von öffentlichen Mitteln, Steuervergünstigungen, Übernahme von Bürgschaften oder Bereitstellung von Bauland. Dagegen beinhaltet die Subjektförderung die finanzielle Unterstützung von Bürgern mit Wohngeld, über Bausparprämien oder Mietentlastung [Internet www.wohnen.bayern.de]. Die Wohnungsbauförderung als wesentlicher Teil der Wohnungspolitik ruht auf einer wichtigen Säule: dem ’Sozialen Wohnungsbau’. Dieser subventioniert mit öffentlichen Zuwendungen die jeweiligen Bauherren, wobei die Gewährung der Unterstützung an bestimmte Auflagen, wie Mietpreis- und Belegungsbindungen, geknüpft ist. Sozialwohnungen sind somit alle Wohnungen, deren Erstellung direkt bezuschusst wird und die anschließend den Bindungen des Wohnungsbaugesetzes (WoBauG) und des Wohnungsbindungsgesetzes (WoBindG) unterliegen. An dieser Stelle sei der Hinweis erlaubt, dass das System von Objekt- und Subjektförderung nicht unumstritten ist. Manche Fachleute plädieren für eine Neuausrichtung der Wohnungspolitik für Einkommensschwache, indem die Objektförderung vollständig zugunsten der Subjektförderung abgeschafft wird. Städtebauliche Planungen haben im Zusammenhang mit dem Bau von Wohnraum sowohl auf die sozialen Belange und die finanzielle Leistungsfähigkeit der Bewohner, als auch auf die rechtlichen Randbedingungen der Wohnungsbauförderung Rücksicht zu nehmen. e) Städtebaulich wichtige Fachplanungen Unter Fachplanung werden Planungen oder Maßnahmen verstanden, die auf verschiedenen Planungsebenen in die Zuständigkeit von Fachressorts des Bundes, der Länder oder der Kommunen fallen. Dazu zählen etwa der überörtliche Straßenbau, der Schienenverkehrswegebau, der Bau von Leitungstrassen, Planungen für die Wasserversorgung und -entsorgung etc. Hierfür existiert auf allen Ebenen der räumlichen Planung eine Vielzahl von Fachplanungsgesetzen oder Satzungen. Ihr Einfluss auf die Stadtplanung ist sehr groß, sind sie doch bei der Realisierung vor allem von Infrastrukturanlagen unverzichtbar, wenn nicht gar Voraussetzung für jede städtebaulichen Planung. Auf eine tiefergehende Darstellung des Fachplanungsrechts an dieser Stelle muss aus Platzgründen verzichtet werden [ausführlicher vgl. z.B. Spitzer 1995; eine gute Zusammenstellung relevanter Rechtsgrundlagen findet sich bei Braam 1999: 415ff]. Sofern allerdings enge Bezüge zwischen der Stadtplanung und dem allgemeinen Städtebaurecht bestehen, werden sie an anderer Stelle in diesem Buch entsprechend aufgegriffen. f) Weitere für die städtebauliche Planung wichtige Rechtsnormen Die enorme Heterogenität der städtebaulichen Planungsaufgaben macht neben dem allgemeinen Städtebaurecht, dem Bauordnungsrecht und dem raumwirksamen Fachplanungsrecht noch weitere Rechtsnormen erforderlich. Da es auch hier wegen der großen Vielfalt von Einzelbezügen und Verzahnungen aussichtslos wäre, eine vollständige Übersicht über sämtliche relevanten Rechtsnormen zu geben,
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seien nur die wichtigsten auf Bundesebene – ergänzt um das städtebaulich besonders bedeutsame Denkmalschutzrecht auf Landesebene – stichwortartig aufgeführt: •
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das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG), ein Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umweltauswirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge mit einer Reihe von Ausführungsbestimmungen und diversen landesrechtlichen Regelungen; das BImSchG spielt zum Beispiel bei der Baugenehmigung von Gewerbe- und Industrieanlagen eine wichtige Rolle; das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), in welchem vorgeschrieben ist, dass Eingriffe in die Natur und Landschaft – beispielsweise aufgrund eines Bebauungsplans – innerhalb einer bestimmten Frist durch geeignete Maßnahmen auszugleichen sind; das Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG), über das Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten geregelt sind; das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG), das Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten vorschreibt; das Umweltinformationsgesetz (UIG), das rechtliche Regelungen über die Zugänglichkeit von Umweltinformationen enthält; das Geodatenzugangsgesetz (GeoZG), in dem der Zugang zu digitalen Geodaten geregelt ist; das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), das Regelungen für den Umgang mit personenbezogenen Daten enthält – mit erheblichen Wirkungen auch für den Umgang mit Daten für Zwecke der räumlichen Planung; das Urheberrechtsgesetz (UrhG), das mit seiner Regelung über „Werke an öffentlichen Plätzen“ (§ 59 UrhG) die Zulässigkeit herstellt, Werke/Bauwerke – allerdings nur in äußerer Ansicht – durch „Lichtbild oder durch Film zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben“ (photographische Aufnahmen durch fremde Personen, aber auch Gebäudeerfassungen durch Google-‘street-view‘ verstoßen damit nicht gegen das Urheberrecht); das Denkmalrecht nach den Denkmalschutzgesetzen der einzelnen Bundesländer, bei denen es um die Erhaltung und Pflege von Einzeldenkmälern bis hin zu Denkmalbereichen (Ensembleschutz) geht.
An dieser Stelle soll auch ein Hinweis auf das Umweltstrafrecht nicht fehlen, mit dem Handelnde in der Stadtplanung durchaus konfrontiert sein können. Dies wäre etwa der Fall, wenn unerlaubtes Einleiten von ungereinigten Abwässern in einen Bach oder Fluss zu untersuchen wäre und als Ergebnis herauskäme, dass zuvor ständig neue Baugebiete ausgewiesen worden wären, ohne gleichzeitig eine entsprechende Kapazitätserweiterung der Kläranlage zu planen. Die Informationsverarbeitung für Aufgaben der Stadtplanung rückt, wie die Hinweise auf das Umweltinformationsgesetz, das Geodatenzugangsgesetz oder das Datenschutzgesetz gezeigt haben, immer stärker in das Blickfeld der institutionellen
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Strukturen. Das Land Berlin etwa hat dazu sogar ein spezielles Gesetz erlassen, bei dem es um den Aufbau eines fachübergreifenden Informationssystems für Stadtentwicklung, Regionalplanung, Bauleitplanung und bodenwirtschaftliche Aufgaben geht. Das Berliner Stadtplanungsdatenverarbeitungsgesetz (StaPlaDVG) regelt vor allem die entsprechenden administrativen Zuständigkeiten. Der Datenschutz wird in der Raum- und Stadtplanung ein zunehmend wichtiges Thema, sei es im Falle von Volkszählungen, sei es bei Sozialdatenerhebungen im Zuge von Stadterneuerungsmaßnahmen oder sei es bei der Erfassung räumlicher Daten, zu welchem Zweck auch immer, durch mobile Sensoren etwa auf der Basis von Smartphones und anderen Gerätschaften. In der sich abzeichnenden Diskussion über die Zulässigkeit, Angemessenheit in Qualität und Umfang sowie in der Art der Nutzung und Weitergabe von raumbezogenen Daten werden drei institutionelle Bereiche voneinander unterschieden werden müssen: •
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Datenerhebungen und Datennutzung des öffentliches Sektors (in diesem Fall existiert auf der Grundlage der Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder ein Rechtsanspruch auf Akteneinsicht bzw. Zugang zu amtlichen Informationen); Datenerfassungen von privaten Unternehmen mit der sich anschließenden prekären Frage der Nutzung und eventuellen Weitergabe an Dritte; Erfassung (raumbezogener) Daten durch jedermann, etwa durch Geoweb-Technologien (Geotags etc.) und/oder ‘crowdsourcing‘-Methoden mit der sich ebenfalls anschließenden Frage des Umgangs mit solchen Informationen.
Auf diesem wichtigen Feld des städtebaulich-raumplanerischen Handelns betreten wir mit Blick auf die rasant sich fortentwickelnde Technologie mit dem Trend zu kleinen Geräten weitgehend Neuland. Wie zwiespältig sich die Situation schon heute darstellt, sei am Beispiel des Satellitendatensicherheitsgestzes (SatDSiG) aus dem Jahre 2007 kurz angerissen. Das Gesetz soll sicherstellen, dass Erdbeobachtungsdaten von Satelliten, die von Stationen auf deutschem Boden aus betrieben werden, nicht die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Fernerkundungsdaten mit einer geometrischen Auflösung von unter 2,5 Metern gelten deshalb als ‘sensitiv‘ und unterliegen einer besonderen Prüfung. Doch schon jetzt wird dieser Sensitivitätsgrenzwert durch private Anbieter unterlaufen. So bietet etwa der Eigner des in den USA kommerziell betriebenen und anmietbaren Ikonos-Satellits Bilder mit einer Auflösung von einem Meter an. Abschließend wäre an dieser Stelle noch auf eine weitere gesetzliche Regelung hinzuweisen, die von wachsender Bedeutung auch für die Stadt- und Raumplanung ist. Es geht um die Vielzahl von Dokumenten, mit der die Stadtplanung zu tun hat und die regelmäßig über das digitale Informationsnetzwerk ausgetauscht wird. Aus institutionellem Blickwinkel sind deshalb Vorkehrungen zu treffen, um die Authentifizierbarkeit dieser digitalen Dokumente sicherzustellen. Für das reibungslose Funktionieren von Verwaltungsvorgängen mit Mitteln des digitalen Informationsaustauschs und über das Internet sind deshalb digitale Signaturen mit speziellen Verschlüsselungstechniken erforderlich; Grundlage dafür ist das Signaturgesetzes.
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g) DIN-Normen, Richtlinien und Empfehlungen Regelungen, die außerhalb der öffentlichen Rechtssetzung stehen, wie DIN-Normen (bzw. international „DIN EN ISO-Normen“), Richtlinien und Empfehlungen – von Berufsverbänden, Fachvereinigungen oder dem Deutschen Institut für Normung (DIN) –, besitzen keine Rechtswirkung wie Gesetze oder Verordnungen [vgl. Internet www.baumarkt.de/b_markt/fr_info/din_ral.htm]. Weil jedoch zum einen die Landesbauordnungen vorschreiben, dass die Errichtung von Bauwerken nach den anerkannten Regeln der Baukunst zu erfolgen hat, und im Baugesetzbuch ein Abwägungsgebot formuliert ist, können solche Fachnormen, Richtlinien und Empfehlungen durchaus eine gewisse Rechtswirkung entfalten [Braam 1999: 391; Ernst/ Hoppe 1978: 369]. Aus der Vielzahl der Orientierungsrichtlinien und Empfehlungen seien zwei mit großem Einfluss auf die Stadtplanung hervorgehoben: • •
die DIN 18005 „Schallschutz im Städtebau“, die unter anderem Berechnungsverfahren zur Ermittlung von Schallemissionen von Verkehrsanlagen enthält; die Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsstraßen (EAE) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen.
Im Zusammenhang mit den späteren Ausführungen zur städtebaulichen Strukturplanung, städtebaulichen Gestaltungsplanung und Bauleitplanung wird auf diese Richtlinien und Empfehlungen noch zurückzukommen sein.
Organisationsstrukturen der Stadtplanung Nach den räumlichen Planungsebenen und dem für die Stadtplanung relevanten Bau- und Planungsrecht können wir uns jetzt etwas differenzierter den Organisationsstrukturen der Stadtplanung auf Kommunalebene zuwenden. Von den Besonderheiten der Stadtstaaten einmal abgesehen, ist auf Kommunalebene von Bedeutung, ob wir es mit einer kreisfreien oder einer kreisangehörigen Gemeinde bzw. Stadt zu tun haben. Im Falle einer kreisangehörigen Gemeinde übernimmt die Kreisverwaltung eine Reihe von administrativen Aufgaben (z.B. die Erteilung von Baugenehmigungen); im Falle von kreisfreien Gemeinden (häufig größeren Städten) befinden sich alle administrativen Aufgaben bei der (Stadt-)Verwaltung. Grundsätzlich werden auf Kommunalebene zwei Arten von Verwaltungsaufgaben unterschieden: • •
Selbstverwaltungsaufgaben, die in der alleinigen Zuständigkeit der Kommunen liegen (etwa im Falle der Stadtplanung die Aufstellung von Bauleitplänen), sowie Aufgaben des übertragenen Bereichs, bei denen die Kommunen gleichsam als verlängerter Arm des Staates tätig werden (Beispiel: die Erteilung von Baugenehmigungen).
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Bei der Erledigung dieser Aufgaben ist zu differenzieren zwischen der Legislative, den politischen Instanzen und Entscheidungsgremien (Gemeinderat bzw. Stadtrat), einerseits und der ihr zur Seite stehenden Exekutive, der Verwaltung, andererseits. An der Spitze der Gemeinden und Städte stehen Bürgermeister oder Oberbürgermeisterin, die in der Regel zugleich auch die Funktion des Verwaltungschefs bzw. der -chefin ausüben. Die Kompetenzverteilung zwischen den politischen Gremien und der Verwaltung ist in den Gemeindeordnungen der Bundesländer geregelt. Innerhalb der Stadtverwaltung ist die Stadtplanung Teil eines Dezernats, dem auch noch andere Fachämter zugeordnet sind. In einem Baudezernat sind beispielsweise neben dem Stadtplanungsamt das Vermessungsamt, das Bauordnungsamt, das Hoch- und Tiefbauamt oder das Grünflächenamt untergebracht. In größeren Städten kann es auch eine Teilung der Dezernate in Baudezernat mit Bauordnungsamt, Hoch- und Tiefbauamt sowie Planungsdezernat mit Planungsamt, Vermessungsamt und Grünflächenamt geben. Eine gewisse Sonderstellung nimmt die mit der Stadtplanung eng verknüpfte Stadtentwicklungsplanung ein. Diese ist nicht immer dem Stadtplanungsamt zugeordnet, sondern wegen ihrer strategischen Bedeutung häufig der Stadt- bzw. Verwaltungsspitze (Oberbürgermeister/in) unterstellt (vgl. auch Kapitel „Stadtentwicklung“ in diesem Buch). Innerhalb eines Stadtplanungsamtes erfolgt üblicherweise eine weitere funktionale Untergliederung in Abteilungen, denen wiederum einzelne Sachgebiete untergeordnet sind. In dem typischen Stadtplanungsamt einer Stadt mittlerer Größe etwa gibt es Abteilungen mit Zuständigkeiten für die Bauleitplanung in bestimmten Stadtbereichen und andere Abteilungen, die nur für Gewerbeplanung, für städtebauliche Rahmenplanungen, für generelle Planungsaspekte wie Infrastrukturplanung oder für die Betreuung von städtebaulichen Wettbewerben zuständig sind. Somit sind diese Aufgaben insgesamt in ein hierarchisches Verwaltungsmodell eingebunden. Da jedoch die Stadtplanung auf ihre komplexen Aufgaben flexibel reagieren muss, unterscheidet sich ihre Arbeitsweise von der einer reinen Vollzugsverwaltung, die z.B. für die Erteilung von Baugenehmigungen zuständig ist. So wie es innerhalb eines Stadtplanungsamtes enge Verflechtungen der Abteilungen und Sachgebiete untereinander gibt, so ist man auch mit anderen Dezernaten bzw. Abteilungen der Verwaltung ständig in Tuchfühlung und führt Abstimmungsgespäche. Das Gleiche gilt für die Kontakte zu Betrieben (z.B. Stadtwerke) außerhalb der eigentlichen Stadt- oder Gemeindeverwaltung bzw. zu anderen staatlichen Behörden oder nichtbehördlichen Institutionen. Arbeitsgruppen, die je nach Bedarf für bestimmte Aufgaben eingerichtet werden, um nach deren Erledigung wieder aufgelöst zu werden, sind ein typisches Merkmal für die Arbeitsweise in der Stadtplanung. Diese flexible Organisation korrespondiert seit einiger Zeit mit dem ’neuen Steuerungsmodell’ [Ganter 1997: 153ff; Metzen 1994], das eine dezentrale Ressourcenverwaltung mit einer horizontalen und vertikalen Zusammenfassung von Aufgaben beinhaltet. Damit ist die öffentliche Verwaltung in der Lage, flexibel auf Veränderungen durch sich rasch wandelnde Gegebenheiten und wachsende Komplexität zu reagieren. Dieses Konzept lässt sich durch ein Modell charakterisieren, das auf vier Säulen steht:
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Bildung von dezentralen Einheiten mit mehr Autonomie und Autarkie, Ergebnisorientierung hinsichtlich der zu erledigenden Sachaufgaben, Etablierung von rahmensetzenden Verwaltungseinheiten zur Überwachung der Organisationsregeln und Aufbau eines dezentralen kundenorientierten Services mit hoher Wissens- und Expertenkompetenz.
Das traditionelle, hierarchische Modell wird um so deutlicher in Frage gestellt werden, je stärker die Computertechnologie in die Arbeitsprozesse der Verwaltung Einzug hält. Auf mittlere und lange Sicht wird die Informationstechnik einen erheblichen Strukturwandel herbeiführen, denn, so etwa Heinrich Reinermann von der Verwaltungshochschule Speyer, „die moderne Informationstechnik weist Eigenschaften auf, die sie von herkömmlichen Arbeitstechniken der Verwaltung radikal unterscheiden und die Grundlage für eine weitreichende Verwaltungsentwicklung sein können“ [Reinermann 1995: 66ff]. Reinermann nennt drei Beispiele für eine durch die Infrastruktur digitaler Arbeitstechnik in Reichweite rückende verwaltungsorganisatorische Entzerrung [a.a.O.: 67f]: • •
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Computersysteme unterstützen neue Formen der raum-zeitlichen Arbeitsorganisation, indem sie etwa die Erreichbarkeit trotz Abwesenheit sichern; Vorgangsbearbeitungen können ganzheitlich an einem Arbeitsplatz oder als integrierte Vorgangsbearbeitung an kooperierenden Arbeitsplätzen durchgeführt werden; Beziehungen zwischen Behörden und Klienten können verbessert werden.
Abb. 3.6: Digitale Bauplattform der Stadt Esslingen als Teil des städtischen E-Governments (Quelle: Internet www.mediakomm.esslingen.de)
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Die Stadtplanung hat sich diese Vorteile bereits zu Nutze gemacht, wie ein Blick ins Internet beweist. Der noch im Jahre 1999 mit einer empirischen Studie belegte Nachholbedarf in Deutschland [Burg 1999] hat sich zwischenzeitlich als obsolet erwiesen. Auch das Baugesetzbuch misst dem Einsatz digitaler Medien, was den Informationsaustausch zwischen den Behörden anbetrifft, ausdrücklich eine tragende Rolle bei (§ 4a BauGB). Damit wird gesetzlich für den Bereich der Stadtplanung verankert, was im Verwaltungshandeln, aber auch dem Bürger gegenüber, ohnehin schon vielfach geschieht. So ist beispielsweise die Abwicklung von Baugenehmigungsverfahren mittels digitaler Verfahren mancherorts schon seit längerem durchaus nicht unüblich. Besonders früh hat sich in diesem Bereich die Stadt Esslingen am Neckar hervorgetan, die im Jahre 1999 einer der Gewinner des Städtewettbewerbs „Media@Komm“ war und als europäischer Vorreiter in Sachen E-Government und digitale Signatur gilt, insbesondere im Hinblick auf die in diesem Zusammenhang geschaffene Bauplattform (vgl. Abb. 3.6) [Internet www.media-komm.esslingen.de]. Mittlerweile ist das Stichwort E-Government allgemein zu einem wichtigen Thema moderner Verwaltungsorganisation geworden. In einem Beschluss der Regierungschefs von Bund und Ländern im Jahre 2003 ist dazu eine deutschlandweite Strategie zur Erfüllung von E-Government beschlossen worden mit 5 Säulen einer gemeinsamen Zusammenarbeit [Internet www.staat-modern.de]: • • • • •
Dienstleistungsportfolio: Online-Angebot der wichtigsten ebenenübergreifenden Verwaltungsdienstleistungen; Internet-Portale: Harmonisierung und Vernetzung von Strukturen und Angeboten der Verwaltungsportale; Infrastrukturen: Erleichterung des Datenaustauschs durch Auf- und Ausbau gemeinsamer Infrastrukturen; Standards, Daten und Prozessmodelle: Definition gemeinsamer Standards für effizienten Datenaustausch und zur Vermeidung von Doppelentwicklungen; Transfer: Verbesserung der E-Government-Koordinierung und Beschleunigung des Transfers von Lösungen.
Verknüpfung der Stadtplanung mit anderen Bereichen der räumlichen Planung Das Wesen der Stadtplanung bringt eine Reihe von Verknüpfungen mit anderen Bereichen der räumlichen Planung mit sich. Während einige bereits im Zusammenhang mit den Ebenen der öffentlichen und hoheitlichen Planung angesprochen worden sind, geht es nun darum, diese Verknüpfungen aus dem Blickwinkel der kommunalen Planung näher zu betrachten.
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a) Verknüpfung mit der überörtlichen Planung Bereits im 19. Jahrhundert wurde im Zuge des enormen Stadtwachstums erkannt, wie sinnvoll es wäre, über die Grenzen der einzelnen Gemeinde oder Stadt hinaus zu planen, d.h. die örtliche Stadtplanung mit der überörtlichen Planung – Raumordnung, Landes- und Regionalplanung – zu verknüpfen. Die bekanntesten Beispiele von Planungsinstitutionen, die damals gegründet wurden, um sich dieser Aufgabe zu widmen, waren: im Jahre 1912 der „Zweckverband Groß-Berlin“; 1920 der „Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk“ (SVR); im Jahre 1928 der „Hamburgisch-Preußische Landesplanungsausschuss“ [Schirrmacher 1995: 411; Senatsverwaltung Berlin 1996; Möller 1985: 28; Internet www.kvr.de]. Die Verknüpfung der überörtlichen Planung mit der örtlichen Stadtplanung findet im Wesentlichen in fünferlei Hinsicht statt: • • • • •
durch die Anpassungsverpflichtung des Baugesetzbuchs, bei der Umsetzung des Gegenstromprinzips, bei der Durchführung von Raumordnungsverfahren, bei der Aufstellung von gemeinsamen (gemeindeübergreifenden) Flächennutzungsplänen sowie bei der Bildung von Planungsverbänden.
Das Baugesetzbuch schreibt in § 1 Abs. 4 vor, dass Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen sind. Damit ist sichergestellt, dass Planungen auf örtlicher Ebene den Vorgaben der Raumordnung, Landes- und Regionalplanung entsprechen. Dies darf allerdings nicht so weit gehen, dass der Gestaltungsspielraum der Gemeinden in Bezug auf ihre eigene Entwicklung massiv eingeschränkt wird. Eine Überprüfung, ob eine solche Anpassung an die Ziele der Raumordnung und Landesplanung tatsächlich stattgefunden hat, erfolgt im Zuge der Genehmigung des Flächennutzungsplans (Normalfall), der als vorbereitender Bauleitplan der höheren Verwaltungsbehörde (z.B. in Nordrhein-Westfalen dem Regierungspräsidium) zur Genehmigung vorzulegen ist. Das Gegenstromprinzip, das explizit im Bundesraumordnungsgesetz (§ 1 Abs. 3 ROG) kodifiziert ist, besagt, dass jede Planungsebene die Vorgaben der übergeordneten Planungsebenen zu beachten hat, wie umgekehrt die höherrangigen Planungsebenen die Gegebenheiten und Erfordernisse ihrer Teilräume aufzugreifen und zu berücksichtigen haben. Dabei sind die Leitvorstellungen der Raumordnung sowie die daraus entwickelten Grundsätze der Raumordnung anzuwenden. Wichtigste Leitvorstellung ist die „nachhaltige Raumentwicklung, die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer dauerhaften, großräumig ausgewogenen Ordnung führt“ (§ 1 Abs. 2 ROG). Das Raumordnungsverfahren stellt ein spezielles Instrumentarium in der Zuständigkeit der Landesplanung dar, das im Wesentlichen für Planungsvorhaben größeren Umfangs – raumbedeutsame Planung mit überörtlicher Bedeutung – bestimmt ist (§ 15 ROG). Dazu zählen aufgrund einer eigens dazu erlassenen Rechtsverord-
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nung mit einem (nicht abschließenden) Katalog solcher Vorhaben etwa Bundesfernstraßen, Flugplätze, großflächige Einzelhandelsbetriebe, Abfalldeponien, kerntechnische Anlagen etc. Im Zuge eines solchen Raumordnungsverfahrens wird eine Raumverträglichkeitsprüfung durchgeführt, bei der raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen aufeinander abgestimmt und zusätzliche Standort- oder Trassenalternativen geprüft werden.
Abb. 3.7: Trendszenario zum europäischen Städtesystem mit Metropolregionen (Quelle: BMVBS/BBR 2006; © vgl. Internet www.aebk.com) Gelegentlich kann im Falle des Flächennutzungsplans die Aufstellung eines gemeinsamen städtebaulichen Plans, der sich über das Gebiet mehrerer Gemeinden oder Städte erstreckt, notwendig werden (§ 204 BauGB). Zwar sind Gemeinden bei der Aufstellung von Bauleitplänen stets gehalten, ihre Bauleitpläne mit denen der Nachbargemeinden abzustimmen (§ 2 Abs. 2 BauGB) und auch deren Äußerungen
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in ihren planerischen Abwägungsprozess einzubeziehen. Durch örtliche Gegebenheiten kann darüber hinaus aber auch ein gemeinsamer Flächennutzungsplan notwendig werden. Die Erforderlichkeit für eine solche koordinierte Planung kann sich aus topographischen Abhängigkeiten ergeben, aber auch durch die Notwendigkeit der gemeinsamen Erstellung von Infrastrukturanlagen (z.B. Wassergewinnung oder Abwasserbeseitigung). Bei der Bildung eines Planungsverbands wird noch einen Schritt weiter gegangen, indem nämlich die Planungsträgerschaft für die Bauleitplanung auf diesen Verband oder eine kommunale Gebietskörperschaft mit eigenen politischen Entscheidungsgremien übertragen wird (§ 205 BauGB). Noch weiter führt der seit 1998 in das Bundesraumordnungsgesetz aufgenommene Plantyp des regionalen Flächennutzungsplans. Voraussetzung für einen solchen Plan ist, dass sich Gemeinden und Gemeindeverbände zum Zwecke der Regionalplanung in regionalen Planungsgemeinschaften zusammenschließen. Der Plan erfüllt dann zugleich die Funktion eines Regionalplans und eines gemeinsamen Flächennutzungsplans (§ 9 Abs. 6 ROG). Vorgesehen ist ein solcher regionaler Flächennutzungsplan für Verdichtungsräume oder bei besonderen raumstrukturellen Verflechtungen. Unter dem Aspekt der Verknüpfung von örtlicher und überörtlicher Planungsebene dürfte auch dem im raumordnungspolitischen Orientierungsrahmen formulierten Vorschlag, miteinander kooperierende Städtenetze zu bilden, künftig eine noch wichtigere Rolle zukommen [BMBau 1993; BMBau 1995]. Zwar stehen der Umsetzung eines solchen Konzepts häufig die Einzelinteressen der Städte und Kommunen entgegen, doch wird man unter dem zunehmenden Druck, sich als Stadt gegenüber den konkurrierenden Städten anderer Regionen oder gar im globalen Wettbewerb behaupten zu müssen, nicht umhin kommen, sich mit einem solchen Kooperationsmodell anzufreunden, zumal dies auch aus ökonomischer und ökologischer Sicht Sinn macht. Eine Weiterentwicklung des Ansatzes zur Bildung von Städtenetzen sind die vor einiger Zeit deklarierten ‘Metropolregionen‘, entwickelt aus dem „Europäischen Raumentwicklungskonzept“ (EUREK) mit der Intention, stark verdichtete Großstadtregionen von hoher internationaler Bedeutung (vgl. Abb. 3.7) als Motoren der sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes zu stärken. b) Verknüpfung mit der Fachplanung Während das Spektrum der Stadtplanung breit, querschnittartig und integrierend im Sinne einer räumlichen Gesamtplanung angelegt ist, wie sich insbesondere bei der Bauleitplanung erkennen lässt, befassen sich Fachplanungen mit den speziellen Anliegen einzelner Fächer, die von Verkehr über Wasserver- und -entsorgung, Energie, Sport und Gemeinbedarfseinrichtungen bis zu Landwirtschaft und forstlichen Planungen reichen. Überwiegend handelt es sich um die Planung von Infrastrukturanlagen und -einrichtungen. Derartige Fachplanungen – es gibt sie auf allen räumlichen Ebenen der innerstaatlichen Planung – haben sich an den Regelwerken des Fachplanungsrechts zu orientieren. Im Bereich der Planungen für den
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Straßenverkehr gibt es beispielsweise den Fernstraßenbau (z.B. Bundesautobahnen) nach dem Bundesfernstraßengesetz (FStrG) und dem Bundesverkehrswegeplan, den Bau von Landesstraßen nach den Landesstraßengesetzen (z.B. LStrG in Rheinland-Pfalz) und Landesverkehrsprogrammen sowie außerdem den Bau von Verkehrsanlagen auf Kommunalebene. Damit sind auch schon die Verknüpfungen zur örtlichen Stadtplanung aufgezählt. Da Fachplanungen immer auch die Gebiete von Städten und Gemeinden tangieren, ist eine gegenseitige Abstimmung der Maßnahmen erforderlich. Eine solche Abstimmung zwischen der örtlichen Planung und den Fachplanungen findet vor allem bei der Aufstellung und Änderung von Flächennutzungsplänen statt. Die Fachplanungsträger sind als Behörden und sonstige „Träger öffentlicher Belange“ (§ 4 BauGB) an der Planaufstellung zu beteiligen und ihre Stellungnahmen bei der Abwägung der einzelnen Belange durch die Gemeinde zu berücksichtigen, indem etwa Vorhaben der Fachplanungsträger in den gemeindlichen Flächennutzungsplan aufgenommen werden. Da der Flächennutzungsplan behördenverbindlich ist, sind die Fachplanungsträger später an den Flächennutzungsplan gebunden, sofern sie ihm nicht widersprochen haben (§ 7 BauGB). Den Fachplanungsbehörden selbst steht für die Realisierung ihrer Planungsabsichten das Instrument des Planfeststellungsverfahrens zur Verfügung, das in allen Fachplanungsgesetzen geregelt ist. Ein solches Verfahren wird von der Planfeststellungsbehörde durchgeführt, unter Beteiligung von zahlreichen Behörden als Trägern öffentlicher Belange und von privaten Betroffenen, die von der Planung berührt sind. Eine noch weitergehende und frühzeitige Beteiligung von Bürgern, wie etwa nach dem Baugesetzbuch bei der Bauleitplanung, ist jedoch nicht vorgesehen. Im Zuge eines Planfeststellungsverfahrens erfolgt üblicherweise eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Das Verfahren endet mit einem Planfeststellungsbeschluss, der für alle Beteiligten und Betroffenen rechtlich verbindlich ist (ungeachtet einer möglichen gerichtlichen Überprüfung), auch und insbesondere für die jeweilige Stadt oder Gemeinde. c) Verknüpfung mit der Umweltplanung Stadtplanung und Umweltplanung sind derart vielschichtig miteinander verknüpft, dass dies hier nicht in allen Einzelheiten dargestellt werden kann [vgl. ausführlich Jessel/Tobias 2002]. Die Verknüpfungen ergeben sich u.a. durch gemeinsame Ziele wie den Schutz der natürlichen Umwelt gegen Zerstörungen und Beeinträchtigungen und den Schutz der natürlichen Lebensbedingungen für den Menschen bis hin zur Wahrung, Sicherung und Fortentwicklung ästhetischer Aspekte der Umwelt. Obwohl sie meist synonym verwendet werden, muss eine Unterscheidung gemacht werden zwischen den Begriffen Umweltplanung und Umweltschutz. Während der Umweltschutz im Prinzip nur auf Schutzmaßnahmen abzielt und nicht unbedingt mit aktiven (gestalterischen) Maßnahmen verbunden ist, versteht man unter Umweltplanung die Bewältigung von Umweltproblemen mit Mitteln der Planung [Erbguth 1995: 998], d.h. in Form von Umweltprogrammen, umweltrelevanten Fachplanungen und raumbezogenen Gesamtplanungen.
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Umweltschutz war schon sehr früh ein Thema für die Stadtplanung. Die Vermeidung und Bekämpfung schädlicher Umweltauswirkungen kann geradezu als eine der Wurzeln der modernen Stadtplanung gesehen werden, die mit Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, Straßenbau und Abstandsvorschriften zur Reduzierung von Gerüchen und Geräuschen ihren Anfang nahm [vgl. Albers 1988: 152ff]. Die Verknüpfung der Stadtplanung mit dem Umweltschutz ist in vielfältiger Weise rechtlich kodifiziert. Als Beispiele außerhalb des eigentlichen Planungsrechts seien genannt: das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG), das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), das Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) oder das Fluglärmschutzgesetz (FluglSchG), das zu erheblichen Baubeschränkungen führt. Außerordentlich relevant – mit steigender Tendenz – ist darüber hinaus außerdem das EU-Recht, das in nationales Recht zu überführen ist, wie dies etwa umfassend im Jahre 2004 durch das Europarechtsanpassungsgesetz (EAG Bau) geschehen ist, bei dessen Inkrafttreten umweltrelevante EU-Richtlinien in nationales Recht überführt wurden. Im Falle der Umweltplanung und des Umweltschutzes wären in diesem Zusammenhang vor allem die EU-Richtlinien zum Thema Umweltverträglichkeitsprüfung zu nennen, speziell die Projekt-UVP und die Plan-UP (vgl. auch entsprechende Ausführungen zu Beginn dieses Kapitels). Diese Aufzählung ließe sich noch wesentlich erweitern. Bemühungen in den 1990er Jahren, die mittlerweile fast unüberschaubaren Rechtsvorschriften zum Umweltschutz im Rahmen eines Umweltgesetzbuches (UGB) zu bündeln, sind über das Entwurfsstadium in den 1990er Jahren und einen zweiten Versuch zehn Jahre später nicht hinausgekommen [mehr dazu vgl. z.B. Jacoby 2000: 317ff]. So ist innerhalb des städtebaulichen Planungsrechts, nicht zuletzt durch die BauGB-Novellierung mit dem EAG Bau, der Umweltschutz zu einem ganz wesentlichen, ja geradezu tragenden Element geworden. Danach sind die Kommunen verpflichtet, eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung zu gewährleisten, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt. Städtebauliche Planungen sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln (§ 1 Abs. 5 BauGB). Diese Aufgabe wird im Zielkatalog des Baugesetzbuches und vor allem mit der Verpflichtung, die „ergänzenden Vorschriften zum Umweltschutz“ (§ 1a BauGB) anzuwenden, noch weiter konkretisiert. Insbesondere soll „mit Grund und Boden sparsam und schonend umgegangen (...) sowie Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß“ begrenzt werden. Einige der Maßnahmen, mit denen umweltschützende Belange durch die Stadtplanung aufgegriffen werden, sind: •
•
Ressourcenschutz: Vermeidung bzw. Reduzierung von Flächeninanspruchnahmen, Luft-, Wasser- und Bodenverunreinigungen, Energieverbrauch oder Verunstaltung von Landschafts- und Stadtgestalt; Nutzungsdifferenzierung: Vermeidung störender Immissions-Einflüsse zwischen unterschiedlichen Nutzungen durch entsprechende Nutzungszuordnungen, Ge-
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• •
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bäudeanordnungen etc.; Abstandsregelungen: Vermeidung oder Verringerung störender Immissionen bei der Errichtung von Anlagen mit erheblichem Gefährdungspotential durch das Einhalten von Abständen; Beachtung klimatischer Verhältnisse: Freihaltung von Frischluftschneisen; Nutzung von Sonnen- oder Windenergie; Lärmschutz: Vermeidung oder Verminderung von unerwünschten Schalleinwirkungen durch Lärmschutzanlagen, Gebäudeanordnungen etc.
Es mag nach dieser Zusammenstellung den Anschein haben, als lägen umweltschützende Maßnahmen primär im Verantwortungsbereich der Stadtplanung. Dies trifft aber nur zu einem Teil zu. Vielmehr hat in erster Linie der Betreiber selbst – nach dem Verursacherprinzip – bei der emittierenden Anlage für Immissionsschutz zu sorgen, indem er, gleich ob Kraftwerk, Müllentsorgungsanlage oder motorisiertes Kraftfahrzeug, die entsprechenden technischen (!) Vorkehrungen trifft. Dies kann z.B. mit dem Einsatz lärmmindernder Motoren und Reifen geschehen, durch geringen oder gar emissionsfreien Kraftstoffverbrauch auf Wasserstoffbasis und andere Maßnahmen. Die Stadtplanung hat sich eigentlich, ihrer originären Aufgabe entsprechend, vornehmlich auf die Bereitstellung von Flächen zu konzentrieren, die je nach Emissionsverhalten der Anlage entsprechende Standortzuweisungen erhalten. d) Verknüpfung mit der Landschafts- und Grünordnungsplanung Die Landschafts- und Grünordnungsplanung ist ein weiteres Instrument zur Durchsetzung von Umweltbelangen in der Stadtplanung. Rechtliche Grundlage ist das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), das für die örtliche Planungsebene das Instrument des Landschaftsplans (§ 6 BNatSchG) vorsieht. Dieser bildet die Grundlage für die Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und für die Entwicklung des Planungsraums unter Berücksichtigung der Belange von Naturschutz und Landschaftspflege. Die Verknüpfung der Landschafts- und Grünordnungsplanung mit der Stadtplanung kann auf zweierlei Weise erfolgen [Albers 1988: 158f; Hangarter 1999: 165]: •
•
Erstellung eines Landschaftsplans auf der Ebene des Flächennutzungsplans; hier sind unterschiedliche Rechtskonstruktionen denkbar, etwa der integrierte Landschaftsplan, bei dem die Planaussagen in den Flächennutzungsplan einfließen, oder, wie in Nordrhein-Westfalen, die Erstellung eines Landschaftsplans als Satzung, wobei aber dieser Plan – zur Vermeidung von rechtlichen Überschneidungen – seine starke Bindungswirkung nur im sogenannten Außenbereich (Kriterium: kein Bebauungsplan und keine im Zusammenhang bebauten Ortsteile) entfaltet; Erstellung eines Grünordnungsplans auf der Ebene des Bebauungsplans, mit dem grünplanerische Maßnahmen innerhalb eines Bebauungsplangebiets festgesetzt werden.
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Für die Stadtplanung von besonderer Bedeutung sind die Regelungen im Baugesetzbuch, die in § 1a BauGB als „ergänzende Regelungen zum Umweltschutz“ bezeichnet werden und in Absatz 4 eine Verknüpfung zum Bundesnaturschutzgesetz (§§ 8 und 8a BNatSchG) herstellen. Aus diesen Regelungen ergibt sich die Aufgabe, Eingriffe in Natur und Landschaft zu vermeiden oder ggf. einen Ausgleich herbeizuführen. Der Verursacher eines solchen Eingriffs – dabei kann es sich etwa um die Beseitigung von Bäumen oder eine Veränderung an bestehenden Grünanlagen handeln – ist verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen zu unterlassen und unvermeidbare Beeinträchtigungen innerhalb einer bestimmten Frist durch geeignete Maßnahmen auszugleichen. Auf der überörtlichen Planungsebene existiert, um Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu verwirklichen, das Landschaftsprogramm, das die fachliche Grundlage für den Landschaftsrahmenplan auf der Ebene der Regionalplanung darstellt. Im Bereich der sektoralen Fachplanung – z.B. beim Straßenbau oder in der Flurbereinigung – heißt das korrespondierende Planinstrumentarium Landschaftspflegerischer Begleitplan. Eine weitere Verknüpfung der Stadtplanung mit der Umweltplanung findet über das Instrument der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) statt. Nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) ist für eine Vielzahl von Anlagearten festgelegt, dass und auf welche Weise eine UVP durchzuführen ist. Diese Regelungen gelten jedoch nicht für die normale Bauleitplanung, da durch das BauGB (insbesondere die §§ 1 und 1a) eine ausreichende Prüfung der Umweltverträglichkeit sichergestellt ist. Eine Ausnahme bilden Einkaufszentren und großflächige Einzelhandelsbetriebe ab einer bestimmten Größe, für die zusätzlich zum Bebauungsplan eine UVP durchzuführen ist [Braam 1999: 401]. e) Verknüpfung mit Planungen in ländlichen Gebieten In ländlichen Gebieten sehen die Aufgaben für die räumliche Planung etwas anders aus: Hier trifft die Ortsplanung (als Planung für kleinere Ortschaften) auf die spezifischen Bedürfnisse des ländlichen Raums. Diese können durchaus unterschiedlich gelagert sein; je nachdem, ob sich eine Ortschaft im Umland einer größeren Stadt, in einer landschaftlich attraktiven Gegend oder weitab von städtischen Agglomerationen in einem ländlichen Raum ohne landschaftliche Potentiale befindet, ergeben sich unterschiedliche Planungserfordernisse, die mit jeweils anderen planerischen Aktivitäten verbunden sind. Für den ländlichen Raum stehen mit dem Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GemAgrG) und dem Flurbereinigungsgesetz (FlurbG) Planungsinstrumentarien zur Verfügung, die eng mit der örtlichen Bauleitplanung verknüpft sind – z.B. den §§ 187 bis 191 BauGB: „Städtebauliche Maßnahmen im Zusammenhang mit Maßnahmen der Verbesserung der Agrarstruktur“. Dies kommt zum Tragen bei städtebaulichen Maßnahmen innerhalb von Ortslagen, wenn etwa landwirtschaftliche Betriebe im Rahmen eines Flurbereinigungsverfahrens aus dem alten Ortsbereich ausgesiedelt werden oder die Infrastruktur im Ort (Straßen, Wege, Plätze etc.) nach den
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Erfordernissen der landwirtschaftlichen Betriebsabläufe zu verändern ist – in diesem Fall übernimmt die Flurbereinigung auch Aufgaben der Dorferneuerung – aber auch, wenn im Außenbereich landwirtschaftliche Betriebe errichtet oder erweitert werden sollen und dies in Einklang mit dem Bundesnaturschutzgesetz und der Landschaftsplanung zu bringen ist. f) Verknüpfung mit Denkmalschutz und Denkmalpflege Nicht nur die Aufgabe, das kulturelle Erbe mit Sorgfalt zu pflegen, verbindet den Bereich Denkmalschutz und Denkmalpflege eng mit der Stadtplanung. Auch im konkreten Umgang mit historisch wertvoller Bausubstanz einerseits und mit Stadtteilen oder ganzen Städten andererseits sind die Arbeitsbereiche vielfach eng verzahnt. Während es beim Denkmalschutz allein um die Erkennung, Sicherung und Unterschutzstellung von Denkmälern geht, leitet die Denkmalpflege die geeigneten Maßnahmen zur Rettung, Restaurierung und Erhaltung von Denkmälern in die Wege. Beides steht in engem Zusammenhang mit stadtplanerischen Aufgaben, so dass eine wechselseitige Bezugnahme und Abstimmung notwendig ist. Denkmalschutz und Denkmalpflege ist eine staatliche Aufgabe, die aufgrund der Kulturhoheit in die Zuständigkeit der Bundesländer fällt (Art. 70 GG). Deshalb existieren in jedem Bundesland eigene Denkmalschutzgesetze sowie Denkmalbehörden auf allen administrativen Ebenen. Das Denkmalschutzrecht ist ein sogenanntes Sonderordnungsrecht, das – ähnlich dem Bauordnungsrecht – bei ’Gefahr im Verzuge’ die Denkmalbehörden mit besonderen polizeiähnlichen Vollmachten ausgestattet hat. Diese kommen zum Einsatz, wenn etwa bei Baumaßnahmen ein historisch wertvolles Gebäude zerstört zu werden droht und nur ein Baustopp dies verhindern kann [vgl. Denkmalschutzgesetze der Länder am Beispiel Internet www.landesdenkmalamt-bw.de]. Auf Kommunalebene bildet die untere Denkmalbehörde deshalb auch häufig eine administrative Einheit mit dem Bauordnungsamt. Das städtebauliche Planungsrecht stellt für die Einbeziehung der Denkmalbelange etliche unterschiedliche Instrumente zur Verfügung. Sie reichen von der nachrichtlichen Übernahme von förmlich unter Schutz gestellten Baudenkmälern in die Bebauungspläne (§ 9 Abs. 6 BauGB) über die Abgrenzung von Erhaltungsbereichen bis hin zu umfassenden Maßnahmen der Stadterneuerung und Stadtsanierung. Die wichtigste Aufgabe allerdings, die letztendlich auch der Stadtplanung zufällt, besteht darin, eine geeignete Nutzung für ein Baudenkmal zu finden und insgesamt einen tragbaren Kompromiss zwischen der Erhaltung historischer Gestaltwerte und den offenzuhaltenden Entwicklungsoptionen einer Stadt herbeizuführen [Albers 1988: 163]. Eine Besonderheit in Bezug auf Denkmalschutz und Denkmalpflege stellt die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO dar (entsprechende Internetlinks befinden sich auf beiliegender DVD), die auch für die Stadtplanung durchaus relevant ist. So stehen etwa die deutschen Städte Lübeck und Bamberg (Altstadt), Weimar, Stralsund, Wismar und Regensburg (Altstadt) jeweils als Gesamtensemble auf dieser Liste. Die Konsequenz daraus: Ein Weiterbestand auf dieser Liste ist nur dann gesichert, wenn an Struktur und Gestalt dieser Städte keine den UNESCO-Statuten
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widersprechenden Veränderungen vorgenommen werden. Dies kann – wie im Falle Lübeck – dazu führen, dass mittelalterliche Grundstücksabmessungen unverändert beizubehalten sind, auch wenn sie neuzeitlichen Vorstellungen von einem sinnvollen Grundstückzuschnitt, wie er üblicherweise durch Bodenordnungsmaßnahmen herbeigeführt wird, widersprechen. Stadtsanierung findet in der Lübecker Altstadt deshalb grundsätzlich ohne eine Neuordnung von Grundstücken und Veränderung von Grundstücksgrenzen statt. Auch eine Streichung von der Welterbe-Liste ist möglich. Als spektakuläres Beispiel gilt der Fall des Dresdner Elbtals, das wegen eines in seiner Notwendigkeit und Ausführung umstrittenen Brückenbauwerks im Jahre 2009 seinen WelterbeTitel verlor. Ein ähnliches Schicksal droht gar dem Kölner Dom, der im Jahre 2004 auf die ‘Rote Liste‘ des Welterbes in Gefahr gesetzt wurde, weil die visuelle Integrität des Doms und der Kölner Stadtsilhouette durch geplante Hochhausbauten auf der dem Dom gegenüberliegenden Rheinseite als gefährdet erachtet wurde. Im Kapitel „Städtebauliche Sanierung“ werden die Aspekte des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege noch genauer behandelt. g) Grenzübergreifende städtebauliche Vorhaben Mit dem Zusammenwachsen der Europäischen Union rücken städtebauliche Projekte über Staatsgrenzen hinweg immer mehr in den Bereich des Machbaren. Städte, die sich in Grenznähe befinden, dürften solchen Projekten ein besonderes Interesse entgegenbringen. Als interessantes Beispiel ist ein realisiertes städtebauliches Projekt in AachenHeerlen bekannt geworden, bei dem ein grenzüberschreitender Bebauungsplan für ein Gewerbegebiet aufgestellt wurde. Sowohl deutsches wie auch niederländisches Planungsrecht war zu berücksichtigen. Für die Stadtplanung ein exemplarischer Fall dafür, wie verschiedene Rechtssysteme, unterschiedliche Planungsverfahren, die Verschiedenartigkeit der Planungskulturen sowie differierende Förderbedingungen zusammengeführt und koordiniert werden können [ILS 1997; Internet www.ils.nrw.de]. Die Beteiligung von Nachbarstaaten hat zwischenzeitlich auch Eingang in das städtebauliche Planungsrecht gefunden, insbesondere durch § 4a Abs. 5 BauGB.
Private Planungsträger Zu den institutionellen Grundlagen der Stadtplanung gehört zweifellos auch – mit einer langen Tradition – das Wirken von privaten Planungsträgern. Die Frage, wer denn eigentlich die Stadt baue [Albers 1988: 167], lässt sich dahingehend beantworten, dass neben den öffentlichen vor allem private Investoren die Hauptaktivitäten entfalten. Eine unüberschaubare Anzahl von Bauherren – einzelne Privatpersonen, Industriebetriebe, Versicherungen, Einzelhandelsunternehmen – oder Bauträgern, die in größerem Stil Gebäude zum Wohnen oder für gewerbliche Zwecke errichten, hat einen maßgeblichen Anteil an der Bautätigkeit, die letztendlich zur
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Herausbildung von Siedlungen und Städten führt. Zur Behebung städtischer Wohnungsnot im 19. Jahrhundert, nach Ende des 1. wie auch des 2. Weltkriegs waren etwa die Aktivitäten privater Wohnungsunternehmen, die mit dem Bau großer Neubausiedlungen in starkem Maße auch städtebaulich tätig waren, unverzichtbar. Als sich später das Spektrum um Aufgaben der Stadterneuerung und Stadtsanierung erweiterte, traten vielfach auch hier private und halböffentliche Gesellschaften als Sanierungsträger in Erscheinung. Bei städtebaulichen Erschließungsmaßnahmen, dem Bau von Straßen, Wegen und Plätzen etc., sieht das Baugesetzbuch (wie vorher das Bundesbaugesetz) seit jeher die Möglichkeit vor, dass die Gemeinde die Erschließung per Vertrag auf einen privaten Erschließungsträger übertragen kann (§ 124 BauGB). Ein solcher Erschließungsträger hat dann die vertraglich vereinbarten Leistungen nach den Festsetzungen des vorhandenen Bebauungsplans herzustellen. Seit Bestehen der Regelungen über städtebauliche Sanierungsmaßnahmen und städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen (seit 1972 im Städtebauförderungsgesetz, seit 1986 im Baugesetzbuch) werden auch private Planungsträger qua Vertragsvereinbarungen für Aufgaben der Stadtsanierung und für städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen eingeschaltet. Die Möglichkeiten des Agierens von privaten Planungsträgern und einer Zusammenarbeit von Städten und Gemeinden mit Privaten wurde im Jahre 1998 nochmals erweitert, indem nun auf der Grundlage des Baugesetzbuches auch für andere städtebauliche Maßnahmen städtebauliche Verträge abgeschlossen werden können (§§ 11ff BauGB). Danach ist es möglich, auf Antrag eines privaten Investors oder Planungsträgers ein Bebauungsplanverfahren einzuleiten, bei dem ein Vorhaben- und Erschließungsplan als Bestandteil eines „vorhabenbezogenen Bebauungsplans“ erstellt wird (§ 12 BauGB) [vgl. auch Stich 1998: 285ff]. In Zukunft wird die Aktivität privater Planungsträger sicherlich noch zunehmen, zumal eine langsame Abkehr von der ’hoheitlichen’ Planung, der alleinigen Planungsinitiative der Städte und Gemeinden, und eine stärkere Hinwendung zu privatwirtschaftlich initiierten Projekten erkennbar ist. Zwei Faktoren werden diese Tendenz noch verstärken: die knappen öffentlichen Haushalte einerseits sowie die Wettbewerbsmechanismen national wie international agierender Investoren andererseits (was allerdings zunehmend auf den Widerspruch und Widerstand sozial engagierter Gruppen stößt). Privates Engagement in der Stadtplanung ist durchweg projektbezogen und auf rasche Realisierung ausgerichtet. Häufig handelt es sich aufgrund wirtschaftlicher Interessen um punktuelle Einzelvorhaben, doch es können auch größere Baugebiete bis hin zu ganzen Stadtquartieren sein, die von einem privaten Planungs- und Projektträger beplant werden. Die nachfolgende Zusammenstellung zeigt das Spektrum möglicher Aufgaben [Internet www.bvleg.de; www.gewos.de]: • • • • •
Stadtsanierung und Stadtentwicklung Wohnungsbau und Gewerbebau Infrastrukturprojekte und Umweltschutzprojekte Projektmanagement und -steuerung Objektplanung im Hoch- und Tiefbau
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Bauträgerschaft und Standortentwicklung Modernisierung, Um- und Ausbau Flächenmanagement Grundstücksmanagement und Baulandbeschaffung Immobilienentwicklung Facility Management Konversionsvorhaben und Brachflächenreaktivierung Vermietungsgeschäfte und Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen Schaffung von ‘Business Improvement Districts‘ (BID; vgl. weiter vorn in diesem Kapitel)
Eine Kooperation der öffentlichen Hand mit einem privaten Planungsträger – häufig als Public-Private Partnership (PPP) bezeichnet – bietet für die Kommunen etliche Vorteile: • •
•
Entlastung kommunaler Haushalte; Schaffung kommunaler Infrastruktur- und Gemeinbedarfseinrichtungen durch Private im Zusammenhang mit der Realisierung einer städtebaulichen Maßnahme; Entlastung der kommunalen Planungs- und Bauverwaltung.
Die Übertragung von öffentlichen Planungsleistungen auf Private birgt allerdings auch Nachteile und Risiken für die Allgemeinheit in sich. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn etwa Private im Auftrage der öffentlichen Hand Infrastrukturmaßnahmen durchführen in der Absicht, damit die öffentlichen Haushalte zu entlasten. Üblicherweise verzichtet die öffentliche Hand dann auf spätere Einnahmen, zum Beispiel in Form von Gebührenerhebungen, und überlässt diese Einnahmequelle dem privaten Träger. Ins Gerede gekommen sind dabei mancherorts undurchsichtige Verträge, die der Allgemeinheit häufig nicht zugänglich sind und zu denen wegen der Geltendmachung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen die Möglichkeit einer Akteneinsichtnahme nicht besteht – auch nicht über die in Deutschland geltenden Informationsfreiheitsgesetze mit den dort kodifizierten Rechten auf Zugang zu amtlichen Informationen [vgl. Falldokumentationen im Dossier „Deutschlands gefährlichste Straße“ von Roland Kirbach in DIE ZEIT v. 15.07.2010]. Private Planungsträger, die größere städtebauliche Projekte planen und realisieren, sind beispielsweise: • • • • • •
Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsgesellschaften oder Landesentwicklungsgesellschaften; Wohnungsbaugesellschaften; Immobilientöchter von großen Betrieben oder Industrieunternehmen mit eigenen Planungs- und Grundstücksabteilungen; Erschließungsträger bzw. Erschließungsgesellschaften; Consultingunternehmen; private Maßnahmen- und Vorhabenträger;
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•
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die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) als bundeseigenes Unternehmen für weltweite Entwicklungsprojekte (Infrastrukturprojekte etc.).
Durch die zunehmende Verlagerung der Planung in die Hände von Privaten kommt es zu einer Gewichtsverschiebung: weg von der klassischen ’Angebotsplanung’ und hin zu einer mehr und mehr von Investoren dominierten ’Nachfrageplanung’, wie sie vor allem in angelsächsischen Ländern (USA, Großbritannien; vgl. auch das Kapitel „Internationale Bezüge der Stadtplanung“) vorexerziert wurde. Nachdem die Vorteile eines solchen Planungsverständnisses bereits weiter oben benannt wurden, sollen auch die Nachteile nicht vorenthalten werden: • • • •
Stadtplanung als öffentliche Aufgabe verliert an Bedeutung; Stadtplanung findet nicht mehr umfassend, sondern nur noch punktuell im Stadtgefüge statt (städtebauliche Hightlights, Vermarktung von Ereignissen etc.); Dominanz privater Verwertungsinteressen und ökonomischer Rentierlichkeit; Erzeugung sozialer Schieflagen im Wohnungsangebot: Projektrealisierung für zahlungsstarke Bevölkerungsgruppen – das Stichwort ‘Gentrifizierung‘ ist bereits gefallen (vgl. Kap. 1) – statt Vorsorgeprinzip für alle Menschen, insbesondere die sozial schwachen und mit ihrem Ort, dem Kiez, verbundenen.
Die derzeit starke Position privater Planungsakteure – seit den 1990er Jahren auch in Deutschland – dürfte aus den bereits genannten Gründen noch einige Zeit stark bleiben, wenngleich eine abflauende Tendenz durchaus erkennbar ist. Auch extreme Auswüchse wie etwa die Absicht eines großen deutschen Bankhauses vor einigen Jahren, mit Milliardensummen die gesamte Stadtplanung der Bankenmetropole Frankfurt a.M. übernehmen zu wollen, dürften sich hin und wieder zeigen. Doch könnte es sehr wohl sein, dass die Tendenz zu privatisierter Stadtplanung ihren Höhepunkt schon überschritten hat. Die immer erfolgreicher verlaufenden Aktivitäten von Globalisierungsskeptikern und Gegnern von Gentrifizierungsmaßnahmen deuten auf einen neuen Trend im Umgang mit Privaten hin. Man wird sich in Erinnerung rufen, dass räumliche Planung in der öffentlichen Hand wohl doch besser aufgehoben ist, da es letztendlich um eine ausgewogene Zuteilung von Nutzungsrechten im System Stadt geht, und die – will man Wildwuchs vermeiden – kann unter der Ägide von Privaten nicht in Gänze geleistet werden: Stadtplanung könnte auch definiert werden als Strategie zur Domestizierung von Verfügungsgewalt und Verfügungsberechtigungen über urbane Räume. Die räumliche Planung wird deshalb eine öffentliche Aufgabe bleiben (müssen), private Planungsträgerschaften sind dieser Aufgabe unterzuordnen.
Formelle und informelle Planung Die institutionellen Grundlagen der Stadtplanung sind bislang nahezu ausschließlich unter dem Aspekt formeller Planungsinstitutionen erörtert worden. Neben der formellen Planung existiert jedoch noch eine andere Ausprägung von Planung, die
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sich gewissermaßen informell institutionalisiert. Bei den informellen Planungsinstrumenten geht es im Prinzip darum, ohne formelles Planungsverfahren im Diskurs zwischen den Planungsakteuren einen Konsens zu erzielen und miteinander zu kooperieren [vgl. Priebs 1998; Internet www.ioer.de]. Der Vorteil informeller Planungsverfahren und informeller Pläne liegt darin, dass Probleme unbefangener auf den Tisch gelangen, Innovationen frühzeitiger aufgenommen und konfliktreiche Themen eher zu einer Konsenslösung gebracht werden können. Informelle Planungen und Pläne unterliegen keinem vorgeschriebenen Verfahren, und bei ihnen muss nicht unbedingt von Gesetzes wegen auf eine umfassende Beteiligung aller Planungsakteure geachtet werden. Letztendlich dienen informelle Planungen aber nur dem Zweck, später in formellen Pläne ihren Niederschlag zu finden [Ganser Abb. 3.8: Wichtige Arten der informellen 1995]. Planung Informelle Planungsinstrumente haben sich vor allem im Bereich der Regionalplanung als sinnvoll erwiesen, zum Beispiel in Form von Regionalkonferenzen oder als Regionalmanagement [Priebs 1998; Fürst 1998]. Auch in der Stadtplanung haben sich mittlerweile etliche unterschiedliche Formen der informellen Planung etabliert. Diese reichen von städtebaulichen Wettbewerben über Ortsbegehungen, öffentliche Versammlungen und Internetforen bis zur sogenannten Masterplanung, einem informellen Planungsinstrument, das, aus der angelsächsischen Planungskultur kommend, zunehmend auch in Deutschland angewendet wird (vgl. Übersicht in Abb. 3.8). Auf der kommunalen Ebene sind informelle Planungsinstrumente – etwa in Form des Stadtentwicklungsplans oder des
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städtebaulichen Rahmenplans – schon seit langem üblich. Dazu im Vorgriff auf nachfolgende Kapitel einige kurze Hinweise: Beim Stadtentwicklungsplan handelt es sich um einen Plan, bei dem in umfassender Weise die zukünftige Entwicklung einer Stadt dargelegt wird – bis hin zu einer mittelfristigen Finanzplanung, die zur Verwirklichung der stadtentwicklungspolitischen Ziele notwendig ist. Beim städtebaulichen Rahmenplan handelt es sich um eine Zwischenstufe zwischen Flächennutzungsplan und Bebauungsplan, die vornehmlich auf Baublockebene oder für einen ganzen Stadtteil etwa im Rahmen eines städtebaulichen Sanierungsverfahrens erstellt wird. Neben der Bezeichnung ’städtebaulicher Rahmenplan’ hat sich auch der Begriff des ’städtebaulichen Entwicklungskonzepts’ etabliert; manchmal wird auch vom ’integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzept’ gesprochen, im Ausland analog ’Integrated Development Plan’ (IDP). Bei beiden Planarten wurde im Zuge von Novellierungsarbeiten am Baugesetzbuch (und davor am Bundesbaugesetz) zeitweilig erwogen, sie als formelle Pläne in das Planungsrecht mit aufzunehmen. Davon wurde in beiden Fällen jedoch wieder Abstand genommen, um die Vorteile, die sich aus der Informalität dieser Pläne ergeben, nicht zu gefährden. Diese informellen Pläne dürften neuerdings aber dadurch eine erhebliche Aufwertung erfahren, dass sie formellen Plänen (z.B. Bebauungsplänen) als Grundlage für spätere Umweltprüfungen dienen können und im Falle eines Selbstbindungsbeschlusses durch den Gemeinderat abwägungsrelevant sind.
Partizipation Die Beteiligung von Bürgern und der Öffentlichkeit insgesamt ist institutioneller Bestandteil einer jeden demokratisch legitimierten Stadtplanung – oder sollte es zumindest sein. Zugleich sind Art und Umfang von Partizipationsmöglichkeiten eine Nagelprobe dafür, was wir mit dem Begriff der Wissensgesellschaft gedanklich verbinden: Wenn Wissen ins Zentrum sozio-ökonomischer Aktivitäten und Prozesse rückt, muss auch eine Teilhabe an diesem Wissen möglich sein. Stadtplanung in der Wissensgesellschaft kulminiert geradezu in die Forderung einer umfassenden Teilhabe an Planungswissen. Letztendlich geht es darum, die „Asymmetrien in der bestehenden Einflussverteilung“ zu reduzieren [vgl. Kodolitsch 2003] und mehr zu bewirken, als eine „Demokratisierung der Machtlosigkeit“ [Roth 2001]. Dass durch eine Wissensteilhabe die klaffenden Unterschiede und Lücken zwischen Herrschaftswissen und Laienwissen keinesfalls restlos aufgehoben werden können und „ein Verfahren des politischen Umgangs mit der Differenz zwischen privilegiertem Wissen und Laienwissen“ erfordern [Weingart 1997: 18], ist allerdings ein Faktum.
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a) Planungstheoretische Begründungen Einige sehr wichtige planungstheoretische Eckpunkte zur Begründung von Partizipationsverfahren in der Stadtplanung wurden bereits im Kapitel „Städtebauliche Planungstheorie“ erörtert, insbesondere im Zusammenhang mit Modellen wissenschaftlicher Politikberatung (pragmatisches Modell nach Habermas), mit städtebaulicher Leitbildtheorie (Konsensbildung über Leitbilder) und mit Planungsethik (speziell Diskursethik). Aus diesen planungstheoretischen Eckpunkten lassen sich Stufen der Partizipation herleiten, wie sie etwa von Robert Laurini unter Hinzuziehung einschlägiger Vorarbeiten dargelegt wurden [Laurini 2001: 248f]. Danach können solche Stufen anhand des Umgangs mit Planungswissen definiert werden, indem folgende Unterscheidung getroffen wird: Information, Konsultation, Diskussion sowie Wissensteilung. Diese vier Aspekte lassen sich außerdem bestimmten gesellschaftspolitischen Profilen bzw. Staatsformen und deren Verhalten gegenüber Beteiligungsformen zuordnen, wie Abbildung 3.9 in einer Gegenüberstellung zeigt.
Abb. 3.9: Partizipationsformen und gesellschaftspolitische Profile (Quelle: Laurini 2001) Eine andere Stufung von Beteiligungsformen hat Richard Kingston entwickelt [Kingston 1998], der zunächst eine Zweiteilung der Beteiligungsformen in einen niedrigen und einen hohen Level vornimmt und diese dann weiter nach Art und Weise der konkreten Informationshandhabung differenziert (vgl. Abb. 3.10). Insgesamt lassen sich Beteiligungen unter drei wesentlichen Aspekten zusammenfassen, die nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit dem Computereinsatz und internetgestützten Beteiligungsverfahren eine wichtige Rolle spielen [vgl. Burg 1999]: • • •
Information, Kommunikation und Partizipation.
Während es im Bereich der Information darum geht, dass die zu beteiligende Öffentlichkeit über Planungsabsichten und -vorgänge in Kenntnis gesetzt wird,
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beinhaltet Kommunikation den Austausch von Informationen zwischen den Planungsbeteiligten. Partizipation hingegen bedeutet aktive Mitwirkung und Einflussnahme im Rahmen von Planungsprozessen.
Abb. 3.10: Stufen der Bürgerbeteiligung (nach Kingston 1998 und Laurini 2001) Die Idee zu wirklicher Partizipation, auf der Grundlage einschlägiger Informationen und mit der Möglichkeit kommunikativer Verständigung, setzt allerdings voraus, dass Machtausübung domestiziert wird oder zumindest eine Art ’informationelle Waffengleichheit’ unter den Handlungsbeteiligten besteht. Der Schlüssel für Macht liegt, wie der US-amerikanische Planungstheoretiker John Forester auf den Punkt bringt, in der Kontrolle von bzw. im Umgang mit Information [Forester 1982]. Planungsakteure können im Rahmen ihrer Funktion, die sie im System ausüben, aus strategischen Gründen Informationen zurückhalten oder einseitig benutzen und präsentieren, Planungsberichte wider besseres Wissen manipulieren, bestimmte Interessen bevorzugt behandeln bzw. andere zurückstellen. Damit können sie Transparenz, Offenheit und Beteiligung behindern oder verhindern, politische und private Entscheidungen beeinflussen und manipulieren. Auf diese Weise üben sie Macht aus. Sie können aber auch selbst ’Opfer’ von verzerrten Kommunikationsstrukturen
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werden, indem ihnen Informationen vorenthalten werden oder sie von Manipulation und einseitiger Präsentation betroffen sind [Lanz 1996: 27].
Abb. 3.11: Voraussetzungen – Geltungsansprüche – für sprachliche Kommunikation, kommunikative Verzerrungen und Gegenmaßnahmen (nach Habermas; Darstellung in Anlehnung an Lanz 1996 und Forester 1985) Es gibt verschiedene Überlegungen, diesen Formen der Machtausübung mit Gegenstrategien zu begegnen. Planungstheoretisch am fundiertesten sind diejenigen Vorschläge, die an die „Theorie des kommunikativen Handelns“ von Jürgen Habermas anknüpfen, demzufolge für „kommunikatives Handeln nur solche Sprechhandlungen konstitutiv“ sind, mit denen der Sprecher „kritisierbare Geltungsansprüche verbindet“. Im Rahmen einer Kommunikation – einer alltäglichen Sprechsituation etwa – gehen die Handelnden grundsätzlich davon aus, dass folgende Merkmale als Normen für eine Aussage von allen kommunikativ Handelnden erfüllt werden [Habermas 1981 (Bd. 1): 410ff]: • • •
•
die Verständlichkeit einer Aussage; die Wahrhaftigkeit oder Aufrichtigkeit einer Aussage (als Gegensatz zur Lüge oder Täuschung); die Richtigkeit einer Aussage; sie bezieht sich auf das soziale Regelwerk (d.h. es wird vorausgesetzt, dass jemand legitimiert ist, das zu sagen, was er/sie sagt); die Wahrheit einer Aussage (diese betrifft den Unterschied zwischen Tatsache und Phantasie oder zwischen Realität und Ideologie).
Nach Habermas sind diese Normen als Bezugspunkte für eine unverzerrte Kommunikation universell gültig. Eine Verletzung dieser Normen der alltäglichen Kommu-
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nikation – und damit eine kommunikative Verzerrung – kann in der Stadt- bzw. Raumplanung (und nicht nur dort) auf zwei verschiedenen Ebenen stattfinden: auf persönlicher, handlungsbezogener Ebene sowie auf struktureller, institutioneller Ebene. Abbildung 3.11 zeigt in Anlehnung an John Forester (deutsche Überarbeitung durch Stephan Lanz) die vier Habermas’schen Geltungsansprüche für kommunikatives Handeln in einer inhaltlichen Interpretation in Bezug auf die Stadtplanung [Lanz 1996: 31f; Forester 1985: 213f]. Ein zum Nachdenken anregendes, ja geradezu kurios anmutendes Beispiel dafür, wie eine Verzerrung in der Kommunikation entsteht, hat Mitte des Jahres 2010 das hinsichtlich der globalen Klimadiskussion zentrale Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) mit der Herausgabe einer Anleitung für den Umgang mit Presse und Öffentlichkeit geliefert (erarbeitet von der privaten Firma „resource media“). Darin finden sich unter anderem Ratschläge für die Verwendung wissenschaftlicher Ausdrücke – Motto: „avoid scientific jargon“ – mit einem Index von unbedingt zu vermeidenden Vokabeln: Nicht nur für die Öffentlichkeit missverständliche (?) Worte wie „manipulation“, „enrichment“ oder „disruptive“ finden sich dort, nein auch eher unverdächtige Worte wie „positive“, „trend“, „literature“ oder „model“ [Dokument zu finden bei docs.google.com auf beiliegender DVD]. b) Herkömmliche Beteiligungsverfahren Die Diskussionen um Öffentlichkeitsbeteiligung oder Bürgermitwirkung in der Stadtund Raumplanung seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts haben eine Vielzahl von Verfahren und Begrifflichkeiten hervorgebracht. Die speziellen Ausprägungen von Beteiligungsverfahren sind allerdings von ihrer planungskulturellen Einbettung und vom jeweiligen Rechtssystem nicht trennbar. Deshalb kommt es nicht selten vor, dass in verschiedenen Ländern bestimmte Beteiligungsverfahren zwar ein- und dieselbe Bezeichnung haben, sich aber Unterschiedliches dahinter verbirgt. Es existieren allerdings auch kultur- und staatenübergreifende Ansätze und Aktivitäten. Eine wichtige Initiative ist die „World Alliance for Citizen Participation“ (CIVICUS), die ihre Vision einer „worldwide community of informed, inspired, committed citizens engaged in confronting the challenges facing humanity“ formuliert und in ihrem Wertekanon vor allem auch die globale Vermittlung von Wissen zum Zwecke der Partizipation als zentrales Anliegen aufführt [Internet www.civicus. org/who-we-are] – getragen nicht zuletzt von dem südafrikanischen Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten Kumi Naidoo, der seit 2009 als Chef der internationalen Sektion der Umweltorganisation ‘Greenpeace‘ fungiert. Im Falle Deutschlands kann im Hinblick auf die Partizipationsdebatte der vergangenen 30 bis 35 Jahre ein deutlicher Wandel festgestellt werden – mit vier voneinander unterscheidbaren Phasen [v. Kodolitsch 2003; Vetter (Hrsg.) 2008: 11]: • •
1970er Jahre, gekennzeichnet durch eine staats- und gesellschaftskritische Partizipationsdebatte; 1980er Jahre mit einer von Distanz zu den politisch-administrativen Institutionen geprägten Modernisierungsdiskussion;
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1990er Jahre bis heute mit vielfältigen pragmatischen Motiven des Bürgerengagements, das sich zum Beispiel im Aufgreifen der Debatte um ’Politikverdrossenheit’ ebenso zeigt wie in Diskussionen über die Reform von Kommunalfinanzen, Abbau der Dominanz organisierter Interessen (’Klüngel’) und ähnlichen Themen; 2000er Jahre und darüber hinaus mit stark um sich greifenden Internetaktivitäten bis hin zu ‘Flashmobs‘ (Spontandemos durch Aktivierung über mobile Kommunikationssysteme – eigentlich eine Art partizipatives ‘crowdsourcing‘) sowie den sich abzeichnenden Tendenzen zu Bürgerbegehren sowie der Formierung einer ‘Stadtentwicklung von unten‘ (Beispiele: „Komm-in-die-Gänge“ im Falle des Hamburger Gängeviertels oder Aktivitäten im Falle von „Stuttgart 21“).
Bevor wir uns einer Auflistung der wichtigsten Beteiligungs- und Partizipationsverfahren zuwenden, wäre noch auf den Unterschied zwischen formellen und informellen Verfahren hinzuweisen – mit einer ähnlichen Abgrenzung wie im Falle von formeller und informeller Planung, wie bereits weiter oben beschrieben. Folgende Beteiligungsformen lassen sich voneinander unterscheiden [Laurini 2001: 247; Internet www.netzwerkzeug.de; mehr-demokratie.de]: • •
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Informelle lokale Kontakte: Kenntniserlangung durch persönliche Tuchfühlung, auch über lokale Schlüsselpersonen (Bürgermeister, Sozialarbeiter etc.); Bürgerbüro: Anlauf- und Kontaktstelle für Bürger, die – etwa im Zuge von städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen – ihre Anliegen an kompetenter Stelle vortragen möchten; Einsatz von Massenmedien: Informationsverbreitung über Zeitungen, Radio, Fernsehen oder Internet; Fragebogenaktionen und Erkundigungen: gezielte Sammlung von Informationen, um Bedürfnisse oder Zielvorstellungen zu erfahren; Planungszellen/Workshops: Auswahl von Bürgergruppen mit einem Zufallsverfahren im Hinblick auf die Mitwirkung im Planungsprozess, ggf. Assistierung durch prozessbegleitende Fachleute; Bürgerversammlungen, öffentliche Anhörungen/Untersuchungen: Zusammenkünfte zum Austausch von Fakten und zur Artikulation von Meinungen zum Planungsgeschehen; Spielsimulationen: Durchführung eines Planspiels zur Gewinnung von Kenntnissen über Strukturzusammenhänge und Ableitung von Planungsalternativen in einer der Realität nachgestellten Situation; Anwaltsplanung (’advocacy planning’): Beauftragung einer quasi anwaltlich tätigen Person zur Stärkung der Interessen artikulationsschwacher, sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen durch fachliche Beratung und Unterstützung der Gruppen; formelle Bürgerbeteiligungen: Partizipationsformen aufgrund von rechtlich institutionalisierten Verfahren; Bürgerbegehren und Bürgerentscheide: Institutionalisierung basisdemokratischer Elemente in der Planung durch die Möglichkeit, über Mehrheitsentschei-
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dungen Planungsbeschlüsse herbeizuführen (vgl. auch Kap. 7, Abschnitt „Aufstellungsverfahren“ zum Thema „Öffentlichkeitsbeteiligung“). Darüber hinaus existieren noch jede Menge andere Beteiligungsverfahren, die je nach Fall eingesetzt werden können. Diese können von Haushaltsbefragungen und Ausstellungen über Petitionen, ’runde Tische’ und Foren bis hin zu fachlichen Beratungen durch kommunale oder staatliche Institutionen reichen. Seit den Ereignissen von ‘Stuttgart 21‘, einem im Jahre 2010 starke Kontroversen auslösenden Bahnprojekt, wird auch die Schlichtung als geeignete Form der Partizipation angesehen. „Die Schlichtung“, so Heribert Prantl [Süddeutsche Zeitung v. 30.11.2010], „war ein Experiment, bei dem Vertreter der internetgestärkten Zivilgesellschaft mit Vertretern der repräsentativen Demokratie am Tisch saßen.“ Doch leider war die Stuttgart 21-Schlichtung letztendlich auch ein PartizipationsFlop. Es ist dem Kommentar und der Analyse von Andreas Zielcke [Süddeutsche Zeitung v. 3.12.2010] voll zuzustimmen, wenn er dazu folgendes ausführt: „Die Stuttgarter Tafelrunde war nur der Versuch, die Ohnmächtigen mit ihrer Niederlage zu versöhnen. (...) Mit der geballten Macht der bindenden Verträge und Beschlüsse aller zuständigen Parlamente und Gerichte im Rücken durften sie [die S21-Repräsentanten; d. Verf.] sich über alle Wochen der Tafelrunde sicher sein, dass die Sache nie zu ihren Ungunsten ausgehen konnte. Das ist die Parodie auf den herrschaftsfreien Diskurs [Hervorhebung d. d. Verf.]. Man nennt es einseitige oder unfaire Souveränität.“ Es gab in dieser Runde, so darf man hinzufügen, keine Kommunikation auf Augenhöhe, wie der Schlichter Heiner Geißler es auszudrücken pflegte (vgl. Wortlaut der Schlichtung im Internet), erst recht gab es keine ‘informationelle Waffengleichheit‘ (vom Schlichter allerdings durchaus nachdrücklich angemahnt), die der Informations- und Wissensgesellschaft gerecht geworden wäre. So darf schließlich an dieser Stelle der Hinweis nicht fehlen, dass es auch Grenzformen politischer Partizipation gibt, die im Falle schwerwiegender Interessenkonflikte, bei extrem verzerrter Kommunikation oder bei administrativen Hauruck-Maßnahmen zur schnellen Schaffung von Tatsachen (z.B. Abriss eines denkmalgeschützten Gebäudes) zum Einsatz kommen können. Unter solch extremen Umständen kann sich die Frage nach der Legitimität einer Gegenmaßnahme oder Aktion (z.B. im genannten Fall die Besetzung des denkmalgeschützten Gebäudes) stellen mit der Konsequenz, vielleicht auch das Legalitätsprinzip zu verletzen. In derartigen Situationen ist eine sorgfältige Abwägung unter Einhaltung ethischer Prinzipien zwischen dem, was legal (rechtmäßig) und legitim (moralisch gerechtfertigt) ist, vorzunehmen. Es handelt sich um schwieriges Terrain, doch ist die Stadtund Raumplanung durchaus und in zunehmender Weise damit konfrontiert. c) Computereinsatz und Planungspartizipation Mit dem Einsatz der Computertechnik und den Anforderungen, die aus der Wissensgesellschaft resultieren, stehen wir in der Stadt- und Raumplanung vor einem Wendepunkt der Beteiligungsverfahren. Die herkömmlichen Partizipationsmöglichkeiten, wie etwa die durch nichts anderes ersetzbaren persönlichen Kontakte
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auf lokaler Ebene, die Anwaltsplanung oder Bürgerversammlungen, werden ihren Stellenwert zwar nicht verlieren, doch wird die Computertechnik und vor allem der Interneteinsatz die Palette der Partizipationsformen erheblich erweitern. Das in diesem Zusammenhang häufig benutzte Argument, dass computergestützte Beteiligungsverfahren nur für einen informationell privilegierten und technisch geschulten Personenkreis in Frage kämen, dürfte zwischenzeitlich nicht mehr zutreffen: Die Handhabbarkeit der Systeme ist derart einfach geworden und auch die Zugangsmöglichkeiten über Internetcafés, entsprechend ausgestattete Bürgerzentren mit technischer Beratungskompetenz sowie über digitale Heimarbeitsplätze haben einen Umfang angenommen, dass von einer wirklichen Benachteiligung nicht mehr die Rede sein kann. Beschleunigt wurde die gute Handhabbarkeit von Computersystemen für jedermanns Gebrauch in den letzten Jahren zudem durch mobile Geräte – vor allem Smartphones – mit ihren gegenüber älteren Gerätschaften erweiterten technischen Raffinessen. Abbildung 3.12 stellt die drei Aspekte der Beteiligung – Information, Kommunikation und Partizipation – mit ihrer jeweiligen Zweckbestimmung, den zur Verfügung stehenden Techniken sowie den planungsethischen Ansprüchen gegenüber.
Abb. 3.12: Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung in der Wissensgesellschaft Das deutsche Planungsrecht hat den Trend zur Hinwendung auf digitale Medien bei Partizipationsverfahren bereits mitgemacht. Durch eine im Jahre 2004 in Kraft getretene novellierte Fassung des Baugesetzbuches wird dem Einsatz digitaler Technologien, insbesondere des Internets, bei der Beteiligung der Öffentlichkeit eine tragende Rolle zuteil (§ 3 in Verbindung mit § 4a BauGB). Der Gesetzgeber weist den digitalen Medien allerdings nach wie vor nur eine ergänzende Funktion gegenüber traditionellen Beteilungsformen zu.
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Abb. 3.13: Bürgerinformationssystem für Kaiserslautern (Prototyp) Die Internetauftritte deutscher Städte und Gemeinden sind zahlreich und vermutlich flächendeckend. Sie bieten in sehr vielen Fällen auch etliche Formen der Bürgerbeteiligung an [vgl. z.B. Internet www.mainz.de; sowie die Linksammlung in Kap. 7]. Abbildung 3.13 zeigt den Prototyp eines speziell für die städtebauliche Planung entwickelten Bürgerinformationssystems für die Stadt Kaiserslautern [vgl. Streich (Hrsg.) 2000; Schildwächter 1996; die beiliegende DVD enthält weitere Quellen und Anschauungsmaterial zu diesem Thema]. Die Frage, ob in absehbarer Zeit damit zu rechnen ist, Internetauftritte im Rahmen der Bauleitplanung zum Zwecke der Partizipation rechtlich verbindlich zu machen, mag zunächst offenbleiben. Die technische Entwicklung und der von den Nutzern des Internets ausgehende Druck könnten dies aber bewirken. Zwei Entwicklungen dürften in diesem Zusammenhang von Bedeutung sein: Zum einen sind da die technischen Neuerungen im Bereich der mobilen, sehr einfach zu bedienenden Computersysteme, die sich in der Smartphone-Technologie vereinen und eine wirklich ubiquitäre Handhabbarkeit auch von nicht speziell geschulten Nutzern
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erlauben. Zum anderen gibt es einen Trend zu einer völlig anderen Art von Partizipation, die nicht mehr auf einen von oben nach unten führenden Informationsfluss bei Datenerfassungen und Datenbereitstellungen angewiesen ist, sondern wo die Akteure bzw. Bürger selbst als Informationslieferanten in Aktion treten – ein Vorgang, ‘crowdsourcing‘ genannt, der später in diesem Buch noch näher zu thematisieren sein wird. Als Beispiel für eine in diese Richtung weisende Aktivität sei der Internetauftritt für Frankfurt a.M. mit dem Label „Frankfurt gestalten – Bürger machen Stadt“ genannt, der in vollem Umfange die Techniken von Web 1.0 (Information), Web 2.0 (Kommunikation/Weblog) und Web 3.0 (Geoweb) nutzt. So können sich Bürger, die sich auf dieser Plattform registrieren lassen, nicht nur über Planungsvorgänge informieren, sondern eigene Vorschläge unterbreiten und diese auch in Karten darstellen (Abb. 3.14).
Abb. 3.14: Internetauftritt „Frankfurt gestalten – Bürger machen Stadt“ (Quelle: Internet www.frankfurt-gestalten.de) Die Stadt Frankfurt selbst hat ihrerseits einen Internetauftritt ins Leben gerufen, der als eine ‘Wiki-Map‘ organisiert ist – gleichfalls im Sinne eines gemeinschaftlichen Erstellens von planungsbezogenen Karteninhalten, was sich ebenfalls ziemlich nah an dem Gedanken von ‘crowdsourcing‘ orientiert [Internet www.wikimap.nordend. de/map]. Die Fortentwicklung von derartigen Internetauftritten und internetgestützten Partizipationsforen für mobile Kleinstcomputer und Smartphones – mit den entsprechenden Kartendarstellungen und interaktiven Eingabemöglichkeiten für Sachinfor-
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mationen und Kommentarbeiträge – dürfte nicht mehr lange auf sich warten lassen. Auf gewisse Gefahren und Friktionen des Interneteinsatzes, die sich auch bei Partizipationsaktivitäten bemerkbar machen können, sei an dieser Stelle allerdings ebenfalls hingewiesen. Allseits bekannt ist das Phänomen, dass sich Internetnutzer häufig in ‘news ghettos‘ [erhellend dazu vgl. Morozov 2010] tummeln, indem sie offenbar stets das suchen, was sie finden wollen, und eigentlich nicht auf neue Informationen erpicht sind. Im Falle von Partizipationsaktivitäten könnte dies durchaus die Konsequenz haben, dass etwa ‘unerwünschte‘, aber relevante Informationen zu einer Angelegenheit bereits in der Phase ausgeblendet werden, in der es eigentlich nur darum geht, sich umfassend ins Bild setzen zu lassen.
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Übersicht Das Methodenrepertoire in der Stadtplanung, im Städtebau und in der räumlichen Planung insgesamt ist außerordentlich breit, facettenreich und heterogen. Der Grund dafür liegt im Querschnittscharakter dieser Disziplin. Die schiere Grenzenlosigkeit des Methodenrepertoires zwingt deshalb zu einer Auswahl und Beschränkung. Schon die in Kapitel 1 gegebene Definition von Planung als eine mit „allem verfügbaren einschlägigen Wissen“ operierende Disziplin, die dieses Wissen unter räumlich, zeitlich und sachlich sich ständig verändernden Umständen handzuhaben hat, deutet auf einen nicht begrenzbaren Methodenpluralismus hin. Zudem ist das städtebauliche Methodenrepertoire nicht zu trennen von konkret anfallenden Aufgaben, deren Bearbeitung jeweils nach anderen, spezifischen Methoden verlangt. Die Darstellungen dieses Kapitels beschränken sich daher zunächst nur auf allgemeine methodische Grundlagen sowie auf einen eher ’global’ angelegten Überblick, ergänzt jedoch mit deutlichen Bezügen zu den Möglichkeiten des Computereinsatzes. Ein spezielles Augenmerk wird dann auf mobile Computersysteme – Smartphones – gerichtet, die im Geoweb-Einsatz auch für den praktisch tätigen Stadtplaner, wenn er etwa über mobile Verortungstechniken räumliche Datenerfassungen durchführt, eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Ergänzt wird das städtebauliche Methodenrepertoire in nachfolgenden Kapiteln, speziell zu den Themen der städtebaulichen Struktur- und der städtebaulichen Gestaltungsplanung. In diesem Kapitel werden die allgemeinen Methoden der Stadtplanung in sieben Abschnitten erläutert: • • • • •
Begriff und Charakteristik stadtplanerischer Methoden Qualitative Methoden Quantitative Methoden Planungsmethoden im Prozess des Planungsablaufs Computereinsatz in der Anwendung von Planungsmethoden
B. Streich, Stadtplanung in der Wissensgesellschaft, DOI 10.1007/978-3-531-93164-7_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Das stadtplanerische Methodenrepertoire mit mobilen Computersystemen – Smartphones Methoden der Statistik und Parameterschätzung
Begriff und Charakteristik stadtplanerischer Methoden Das stadtplanerische Methodenrepertoire lässt sich in seinen charakteristischen Merkmalen recht einprägsam anhand des Begriffs ’Methode’ erläutern. Folgt man der Etymologie, so lässt er sich zurückführen auf eine Kombination der beiden griechischen Worte ’metà’ und ’hodós’. Während ’metà’ soviel bedeutet wie ’hinterher’, ’hinternach’, ’nach’ usw., bezeichnet das Wort ’hodós’ etwa das, was im Deutschen für ’Weg’ steht. Daraus folgt für unsere Zwecke: • • •
Methoden sind stets zielgerichtet und stellen ein Mittel zur Realisierung von Zielen dar; Methoden beinhalten immer die Vorstellung von planmäßigem Vorgehen; Methoden sind begrenzt in dem Sinne, dass die Entscheidung für einen methodischen Ansatz den Ausschluss anderer Ansätze beinhaltet.
a) Charakterisierung von Methoden der Stadtplanung Immer wieder hat es Versuche und Ansätze gegeben, ausschließlich auf der Basis von konsequentem methodischen Arbeiten planerische Lösungen herbeizuführen. Auch der stadtplanungsbezogene Computereinatz in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts stand streckenweise unter dem Einfluss dieser mit technokratischem Impetus durchsetzten Vorstellung [vgl. z.B. Broadbent 1973: 73ff]. Als in diesem Zusammenhang einige Zeit später unter Kritikern der Begriff der ’cartesianischen Methoden’ die Runde machte, geschah dies häufig in der Absicht, einen pejorativen Beigeschmack zu erzeugen. Allerdings mag der Hinweis von Interesse sein, dass sich dieser Begriff von Arbeiten des großen französischen Philosophen René Descartes – lateinisch Renatus Cartesius – ableitet, der im frühen 17. Jahrhundert durch sein Hauptwerk „Discours de la Méthode“ den Methodenbegriff in die Wissenschaftssprache einführte. Descartes ging es dabei vornehmlich um Klarheit und begriffliche Schärfe – quasi in Fortführung des neuzeitlichen Denkens seit Erfindung der Zentralperspektive im frühen 15. Jahrhundert, als mit Brunelleschi’s Experimenten und Alberti’s theoretischen Grundlegungen eine klare, systematische Geometrisierung von Blick und Bildern einsetzte [vgl. Hüppauf 2004]. Im Original des Descartes-Textes lässt sich erkennen, was er mit seinem Methodenbegriff beabsichtigte und aus welchen einzelnen Teilen bzw. Schritten die carte-
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sianische Methode bestehen sollte. Einleitend formulierte Descartes den Satz: „(...) so glaube ich, statt einer großen Anzahl von Regeln, aus denen die Logik besteht, mit den folgenden vier genug zu haben, natürlich unter der Bedingung, dass ich den festen und beharrlichen Entschluss fasste, sie stets zu befolgen“, um dann diese vier Regeln genau zu umreißen [Descartes 1737/1948: 48f]: •
• •
•
„Die erste war, niemals eine Sache als wahr anzunehmen, die ich nicht als solche deutlich erkennen würde, d.h. sorgfältig die Übereilung und das Vorurteil zu vermeiden und in meinen Urteilen nur soviel zu begreifen, als sich meinem Geist so klar und deutlich darstellen würde, dass ich gar keine Möglichkeit hätte, daran zu zweifeln.“ „Die zweite: jede der Schwierigkeiten, die ich untersuchen würde, in so viele Teile zu teilen, als möglich und zur besseren Lösung wünschenswert wäre.“ „Die dritte: meine Gedanken richtig zu ordnen; zu beginnen mit den einfachsten und fasslichsten Objekten und aufzusteigen allmählich und gleichsam stufenweise bis zu der Erkenntnis der kompliziertesten, und selbst solche Dinge in gewisser Weise zu ordnen, bei denen ihrer Natur nach nicht die einen den anderen vorausgehen.“ „Und die letzte: überall so vollständige Aufzählungen und so umfassende Übersichten zu machen, dass ich sicher wäre, nichts auszulassen.“
Diese vier Regeln, im etwas ungewohnten Sprachduktus der damaligen Zeit, können in ihrer Essenz – bei allzu kräftiger Reduktion ist allerdings Vorsicht geboten – auf die folgenden Stichworte reduziert werden: • • • •
Erkenntnisgewinnung durch systematisches Zweifeln: unter Vermeidung von Vorurteilen nur das klar Erkennbare als wahr anerkennen; Zerlegung: Problemstellungen und Schwierigkeiten möglichst weitgehend in Teile zergliedern; Komplexitätshandhabung: Dinge gleichsam stufenweise vom Einfachen zum Komplizierten ordnen; Vollständigkeit: die Lückenlosigkeit des Systems durch Übersichtlichkeit sicherstellen.
Die cartesianische Methode zielt im Wesentlichen also auf Vollständigkeit und Hierarchisierung. Letzteres würde man heute als ’Top-down’-Prinzip bezeichnen, ein methodischer Ansatz, der dann bei der Entwicklung computergestützter Methoden in der Stadtplanung eine wichtige Rolle gespielt hat. Wir werden später noch darauf zurückkommen. Es wird jetzt recht deutlich, dass Descartes die Vorstellung hatte, nicht separierte Methoden für bestimmte Wissensgebiete zu entwerfen, sondern die Methode – eine einzige Methode also – für alle Wissensgebiete. Und zweifellos orientierte sich Descartes’ Methode sehr stark an den exakten Naturwissenschaften und an
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der Mathematik. Allerdings ließ Descartes auch in sehr deutlicher Weise dem Methodenpluralismus Raum. Im Originaltext liest sich das so: „Ainsi mon dessein n’est pas d’enseigner ici la méthode que chacun doit suivre pour bien conduire sa raison, mais seulement de faire voir en quelle sorte j’ai tâché de conduire la mienne“ [Descartes 1737/1948: 14]. Dies mag als Einführung in die sogenannten cartesianischen Methoden zunächst genügen. In der Stadtplanung und im Städtebau ist methodisches Arbeiten – gerade nach den cartesianischen Prinzipien – nicht unumstritten. Ganz besonders aber gilt dies, wenn der künstlerische Aspekt in den Vordergrund rückt, wie es etwa bei städtebaulichen Entwurfsarbeiten, im Falle der städtebaulichen Gestaltungsplanung oder bei architektonischen Entwurfsprojekten anzutreffen ist. Dies deckt sich mit kulturtheoretischen und wissenschaftshistorischen Überlegungen und ihren Versuchen „einer ästhetischen Revolution der wissenschaftsbestimmenden Neuzeit“ [Welsch 1991: 74]. Als Schlüsseltext gilt Jean-Jacques Rousseau’s „Discours sur les Sciences et les Arts“ aus dem Jahre 1750, in der er eine Antwort auf die Preisfrage der Akademie von Dijon gibt, ob der Wiederaufstieg der Wissenschaften und Künste zur Läuterung der Sitten beigetragen habe [Internet un2sg4.unige.ch/athena/rousseau]. Auch der Philosoph und „anarchistische Erkenntnistheoretiker“ Paul Feyerabend vertrat diese Auffassung, als er 1975 in seinem Buch „Wider den Methodenzwang“ für eine „offene Wissenschaft“ im Sinne der Evolutionstheorie plädierte, die mit einer Annäherung an die Kunst einhergehen müsse [Feyerabend 1975]. Das war und ist Wasser auf die Mühlen derer, die sich hinsichtlich der Anwendung stringenter Methoden ganz allgemein und in der Stadtplanung im Besonderen skeptisch zeigen. Genährt wurden diese Zweifel schließlich auch durch Argumente der mathematischen Komplexitätstheorie, die nämlich konstatiert, dass es keinen Algorithmus (ein Computerprogramm etwa) geben kann, mit dem etwas erzeugbar ist, das komplexer ist als dieser Algorithmus bzw. dieses Programm selbst [vgl. dazu etwa Winograd/Flores 1986/1989: 157ff]. Es gibt, so heißt es in den entsprechenden Untersuchungen, eine „Grenze der Zugänglichkeit durch den menschlichen Verstand, jenseits derer wir uns in der ’Grauzone’ wiederfinden, in der Vernunft und systematische Analyse der intuitiven Einsicht, den Gefühlen, den Ahnungen oder einfach glücklich dummen Zufällen weichen“ [Casti 1990/1992: 448]. Insgesamt lässt sich also festhalten, dass methodisches Arbeiten – auch und vor allem im Sinne eines schrittweisen Vorgehens nach einem vorgegebenen stringenten Schema zur Lösungssuche – in der Tat der gestalterischen Aufgabe nicht oder nur in sehr seltenen Fällen adäquat sein dürfte. Es ist aus den benannten Gründen nicht möglich, den künstlerisch inspirierten Entwurfsprozess methodisch vollständig einzufangen. Inwieweit dies den Vorstellungen von Descartes tatsächlich widerspricht, sei im Übrigen dahingestellt. Die Motivation, zur Veranschaulichung seiner ’méthode’ nicht zuletzt auf die Vorgehensweise beim Bau von Häusern und Städten zu verweisen, lässt natürlich Raum für differenzierte Interpretationen [Descartes 1737/1948, 2me Partie]. Indes haben auch, was manchmal vergessen wird, künstlerisch inspirierte Stadtplaner und Architekten die Entwicklung von Methoden zumindest für ihre eigene
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Disziplin vorangetrieben. So gilt Patrick Geddes, der uns schon im Eingangskapitel begegnet ist, als einer der bedeutendsten „forerunner to the rational decision model“ [Batty et al. 1998: 5], steht doch das von ihm geschaffene „Survey-AnalysisPlan“-Schema bis heute im Zentrum planerischen Handelns. Für Deutschland wäre Fritz Schumacher zu nennen, eine der großen Figuren in Stadtplanung und Architektur, die während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf vielfältige Weise die Disziplin prägten – sei es durch seine praktische Tätigkeit in Hamburg und Köln, oder sei es, was uns hier mehr interessiert, durch seine vielfältigen und häufig mit wertvollen Methodenanweisungen versehenen Publikationen. Von den stadtbautheoretischen Schriften, die Fritz Schumacher verfasste, sind diesbezüglich zwei besonders hervorzuheben. Da ist einmal eine im Jahre 1931 verfasste Denkschrift über umfassende stadtplanerische Arbeiten für die Stadt Bremen, an welcher er maßgeblich mitwirkte und die im Jahre 1979 unter dem Titel „Ein Vorbild für die Methodik stadtplanerischer Arbeiten – Stadt- und Landesplanung Bremen 1926-1930“ neu aufgelegt wurde. In seinem Beitrag „Von der Gliederung städtebaulicher Arbeit“ hat Schumacher wichtige methodische Akzente gesetzt, indem er etwa darauf hinweist, im Falle des Städtebaus handele es sich um ein Gebiet „vielseitigster Verknotung“ und die Empfehlung gibt, „statt einer Zergliederung des Arbeitsgebietes eine Gliederung des Arbeitsvorgangs“ vorzunehmen [Schumacher 1931/1979: 45]. In seinem Buch „Der Geist der Baukunst“, herausgegeben im Jahre 1938, äußert sich Fritz Schumacher im 2. Teil zum „Wesen des baulichen Gestaltens“ und darin – mit offensichtlichem Bezug zum Methodischen – über den „Vorgang des baulichen Gestaltens“. Zitat: „Als dies Ziel kann man bezeichnen: die noch schweigenden Umrisse einer Idee immer mehr zum festen Bilde zu verdichten. Dies geistige Bild hat dann die schwere Probe der Auseinandersetzung mit all den einzelnen Realitäten von Zweck und Konstruktion zu bestehen; es kann in dieser Probe wachsen oder zerknittert werden. Das Ende des Vorgangs dieser Synthese aus dem geistigen Bilde und den realen Forderungen pflegt man ’Entwurf’ zu nennen.“ [Schumacher 1938: 279]. Schumacher unterscheidet sodann „Genius temporis“ und „Genius loci“ als die beiden „Patengeister architektonischen Werdens“, die nicht nur an der Wiege einer Idee stehen, sondern auch deren weitere Entwicklung beeinflussen, und definiert schließlich die Phasen des – architektonischen und städtebaulichen – Entwurfsvorgangs in folgender Weise [Schumacher 1938: 280ff]: • •
•
1. Phase: ein einmaliger Phantasieakt führt zur Entstehung der architektonischen Idee; 2. Phase: auf dem Wege von der Idee zur Gestalt treten Elemente mit ausgesprochen technisch-fachlichem Charakter hinzu, wodurch eine Materialisation des noch Schwebenden stattfindet; zwei materiell-fachliche Momente spielen eine Rolle: das Baumaterial und die zur Verfügung stehenden Geldmittel; 3. Phase: Phase der verstandesmäßigen Materialisation durch Heranziehung des festen Maßstabs (= maßstäbliche Zeichnung, Modell), die über allerlei freihändige Skizzen hinausgehen; hierbei kommen folgende Techniken in methodischer Weise zum Einsatz:
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a) virtuoses Handhaben der zeichnerischen Zerlegungskunst, b) Perspektive, die aber nicht auf Kosten der geometrischen Zeichnung in den Vordergrund rücken darf, denn sie ist das Kind der geometrischen Zeichnung, c) plastische Modelle, die dem Experimentieren dienen, nicht der Herstellung von Liliputarchitektur; 4. Phase: Herstellung der Werkzeichnungen für die konkrete Bauausführung.
Zum Charakter von Methoden gehört auch, dass sie in kulturelle Kontexte eingebettet sind und damit von gesellschaftlichen Bedingungen abhängen. Selbst innerhalb von abgegrenzten Kulturkreisen sind die jeweils ersonnenen und angewandten Methoden einem ständigen Wandel unterworfen. Mit welcher Kraft neue Methoden in der Lage sind, eine ganze Planungsund Baukultur zu beeinflussen, lässt sich an zwei Beispielen veranschaulichen: Die Methode der Zentralperspektive (vgl. Abb. 4.1), erfunden – genauer: ’wiederentdeckt’, denn das Prinzip der Zentralperspektive war bereits im antiken Griechenland und Rom bekannt – durch Filippo Brunelleschi zu Beginn des 15. Jahrhunderts, führte zu einer eigenen städtebauliAbb. 4.1: Prinzip der Zentralperspektive; chen Planungs- und Baukultur, die a) aus Perspectiva Practica, b) Fresko in in der Renaissance, später vor Pompeji (Quelle: Internet www.cyberus.ca) allem im barocken Städtebau zu höchster Vollkommenheit geführt wurde [exemplarisch aus der breiten Palette an diesbezüglicher Literatur: Benevolo 1975/1982: 565ff; Panofsky 1964; Oechslin 1981]. Als zweites Beispiel lassen sich die methodischen Prinzipien des „Bauhauses“ anführen. In den 1920er Jahren erregte die Künstlergruppe großes Aufsehen mit ihren avantgardistischen Projekten und den durchaus auch als subkulturell einzustufenden Anfängen in Weimar (weshalb sie in dieser Stadt eher unerwünscht war und im Zuge von baulichen Erweiterungsabsichten nach Dessau umzog). Die puristische Methode des Bauhauses mit ihrer Reduktion auf einfache geometrische Formen und dem Prinzip „Einfachheit im Vielfachen, knappe Ausnutzung von Raum, Stoff, Zeit und Geld“, wie es der Architekt und Bauhausgründer Walter Gropius in seinem Manifest „Grundsätze der Bauhausproduktion“ im Jahre 1926 gefordert hatte, sollte für das gesamte 20. Jahrhundert wegweisend sein. Sein Ziel, für alle Schichten der Bevölkerung kostengünstigen Wohnraum zu
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schaffen, beeinflusste den Wohnungsbau sehr nachhaltig und führte letztendlich dazu, dass sich immer stärker ein funktionalistischer Städtebau herauskristallisierte [vgl. den dazu umfassenden von Költzsch/Tupitsyn 2000 herausgegebenen Ausstellungskatalog zum Bauhaus]. Diese neuen Prinzipien – und Methoden – widersprachen den damals gängigen Vorstellungen etablierter gesellschaftlicher Milieus, aber auch der etwa zeitparallel sich entwickelnden konservativen ‘arts-and-crafts‘Bewegung [Sieverts 1998; Eaton 2001: 174]. Zwischen Methoden und dem jeweiligen gesellschaftlichen Kontext gibt es also einen engen Zusammenhang; ebenso zwischen Planungsmethoden und Planungskultur (einschließlich Baukultur). Dabei spielen für die Fortentwicklung des Methodenrepertoires neben den etablierten gesellschaftlichen Milieus auch die subkulturellen Milieus eine wichtige Rolle (vgl. Kap. 1 Abschnitt „Planungsakteure und Planungsbetroffene“). Planungsmethoden subkultureller Milieus (z.B. von spontanen Aktionsgruppen etc.) besitzen einige typische Kennzeichen. Sie sind • • • • •
authentisch in Lebensumstände eingebettet, nahe an konkreten Problemfeldern der betreffenden Milieustrukturen, meist auf lokales Handeln hin ausgerichtet, häufig als (utopische) Herausforderung gegenüber etablierten Milieus gedacht und mit neuartigen Begriffs- und Kommunikationsmustern ausgestattet.
Diese Kennzeichen sind auch für die gegenwärtigen subkulturellen Milieus in der Wissensgesellschaft gültig, die sich der neuartigen Kommunikationsstrukturen bedienen, um u.a. Wissensnetzwerke zu organisieren. So existieren im Internet Cyber-Kulturen, die eine eigene Ethik im Umgang mit Wissen und Information entwickelt haben und sich über subkulturelle Netzwerke um neue Methoden der Wissenskommunikation bemühen. Auch in der Stadtplanung entfalten diese subkulturellen Milieus immer stärker ihre Aktivitäten, etwa indem sie lokale, regionale oder globale Umweltprobleme aufgreifen oder publik machen, entsprechende Internetforen schaffen oder internetgestützte Partizipationsmethoden initiieren. Der Hinweis, dass ‘subkulturelle Milieus‘ und soziale Netzwerke (im Internet) einen Methodenwandel herbeiführen, mag für den einen oder anderen vielleicht befremdlich anmuten. Aber selbst wenn wir uns von dem Begriff lösen, so werden Methoden – auch und gerade Planungsmethoden – einen Epochenwandel erfahren. Man wird sich der Voraussage des britischen Wissenschaftsjournalisten und ‘Soziobiologen‘ Matt Ridley wohl anschließen können, die da lautet: „The bottom-up world is to be the great theme of the century“ [Ridley 2010: 355; The Economist 15.05.2010: 87]. Einige Ausprägungen dieser Tendenz wurden bereits dargelegt, im Hinblick auf die Planungsakteure und Planungsbetroffenen in Kapitel 1 sowie die neuen Tendenzen im Bereich der Planungspartizipation in Kapitel 2. Weitere Beispiele für diesen sich abzeichnenden epochalen Wandel werden noch anzusprechen sein.
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b) Systematisierung des Methodenrepertoires in der Stadtplanung Nachdem die wichtigsten Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit dem Wort ’Methode’ und seiner Herkunft abgeklärt sind, können wir uns den Systematisierungsansätzen des stadtplanerischen Methodenrepertoires zuwenden. Auch hier gibt es kein ganz einheitliches Bild, sondern verschiedene Ordnungsschemata. Eine erste wichtige Unterscheidung, die hinsichtlich des stadt- bzw. raumplanerischen Methodenrepertoires getroffen werden kann, ist die auf Britton Harris [Albers 2000: 26] zurückgehende Einteilung in • •
prozessorientierte Methoden – ’methods of planning’ – und inhaltliche Methoden – ’methods in planning’ (’substantial methods’).
Prozessorientierte Planungsmethoden sind solche, bei denen Planungsabläufe in all ihren Facetten thematisiert sind. Hingegen beziehen sich inhaltliche Planungsmethoden auf die Art und Weise des Umgangs mit substantiellen, inhaltlichen Fragestellungen in der Planung. Es liegt auf der Hand, dass die beiden Arten von Planungsmethoden miteinander verwoben sind, so dass eine strikte Trennung beider nicht sinnvoll erscheint. Geradezu notwendig ist eine Verknüpfung der beiden Bereiche, wenn prozessorientierte und inhaltliche Methoden in Computersystemen abgebildet werden, etwa im Zuge des Einsatzes von Workflowmanagement-Systemen (vgl. weiter hinten in diesem Kapitel). In Anknüpfung an Horst Rittel’s Unterscheidung in „gutartige Probleme“ und „bösartige Probleme“ (Planung hat mehr Affinität zum letztgenannten; vgl. Kap. 2) unterteilt Walter Schönwandt die Planungsmethoden (bzw. Planungstheorien oder -modelle) in drei Generationen [Schönwandt 2002: 30ff]: • •
•
1. Generation: ’rationale Planungsmethoden’ auf der Grundlage ’objektiver Rationalität’ quasi nach dem cartesianischen Prinzip; 2. Generation: Identifizierung von Planung als verzwicktes Problem (andere Bezeichnungen: ’bösartiges’ Problem; wicked problem; ill-defined problem; ill-structured problem) mit der Konsequenz, dass Planungsmethoden keine objektiv richtigen oder optimalen Problemlösungen liefern können; 3. Generation: Auffassung von Planung als Kreislaufprozess in der Erkenntnis, dass selbst durch ausgeklügelte Methodenanwendungen keine Optimallösungen zu erreichen sind und Methodenanwender stets der Gefahr ausgesetzt sind, in Denkfallen zu geraten.
Ein weiteres wichtiges Ordnungsschema bei der Systematisierung des stadtplanerischen Methodenrepertoires haben Dietrich Fürst und Frank Scholles in grober Anlehnung an das in Kapitel 2 dargestellte Modell des Planungsprozesses vorgelegt, das aus folgenden Einzelkategorien besteht und hier ohne weitergehende Untergliederung wiedergegeben wird [Fürst/Scholles 2008; Internet www.laum.unihannover.de]:
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Kreativitäts- und Strukturierungsmethoden Methoden der Zielfindung und Entscheidung Analysemethoden Prognose- und Szenariomethoden Bewertungsmethoden Methoden der partizipativen Planung Kooperationsmethoden
Eine weitere Einteilung des städtebaulichen Methodenrepertoires findet in die beiden Teilbereiche qualitative und quantitative Methoden statt. Diese Zweiteilung entstand zu einer Zeit, als angesichts einer überbordenden ’Zahlengläubigkeit’ die mathematisch-statistischen Methoden zunehmend in Zweifel gezogen wurden. Aus diesem Blickwinkel wurden Zahlen nun eher als zu interpretierende Darstellungen der Realität angesehen, so dass sich durch diesen Paradigmenwechsel die Anwendung von Planungsmethoden zum Teil sehr deutlich veränderte: Neben den quantitativen Prognoserechnungen etablierte sich nun die Szenariotechnik, und Kosten-Nutzen-Rechnungen wurden verstärkt durch verbal-argumentative Abwägungen ersetzt. Nach einem heftigen Methodenstreit zwischen Vertretern beider Auffassungen über einen längeren Zeitraum ist dieser Zwist inzwischen einer nüchternen, pragmatischen Einschätzung im Umgang mit quantitativen und qualitativen Methoden gewichen. Beide Methodenansätze stehen gleichberechtigt nebeneinander und ergänzen sich; gegenwärtig ist angesichts der ökologischen und ökonomischen Problemlagen sowie der weltweit immer noch stark wachsenden, in Deutschland hingegen gravierend schrumpfenden Bevölkerung tendentiell wieder eine Hinwendung zu den quantitativen Methoden festzustellen. Wer auf Maß und Zahl verzichten möchte, wird rasch an Überzeugungskraft verlieren: „What gets measured gets managed“, so Peter Drucker, Begründer der Managementlehre. Eine einprägsame Formel, die auch für das stadtplanerische Methodenrepertoire passt. Diese Zweiteilung ist in vielerlei Hinsicht recht sinnfällig und wird deshalb in den weiteren Erläuterungen des städtebaulichen Methodenrepertoires als Ordnungsschema fungieren. Bei allen Versuchen, das stadtplanerische Methodenrepertoire zu systematisieren, sollte man sich allerdings stets der Begrenztheit der Anwendung bestimmter Methoden im Klaren sein. Aufgrund der Komplexität der Stadtplanung ist davor zu warnen, sich zwanghaft dem vorgegebenen Methoden-Kanon zu unterwerfen (vgl. Hinweis auf Paul Feyerabend weiter oben). Ad-hoc-Methoden, die für spezifische Problemlagen eigens zu entwickeln sind, werden in vielen Fällen zu einem besseren Umgang und zu einer angemesseneren Handhabung der sich stellenden Aufgabe führen.
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Qualitative Methoden Die qualitativen Methoden, deren wichtigste Vertreter nachfolgend angesprochen werden sollen, sind insgesamt durch ein interpretatives Paradigma gekennzeichnet, weil es hierbei stets um die Einbettung in einen sozialen Kontext mit Bedeutungen und Sinnzuschreibungen geht [Pohl in: ARL 1998: 95ff]. Bei ihrer Anwendung in der Stadtplanung ist Umsicht und kritische Aufmerksamkeit angesagt, um sich nicht dem Vorwurf von wortgewandter Sophistik und damit methodischer Beliebigkeit auszusetzen. a) Phänomenologie Gestützt auf die erkenntnistheoretischen Arbeiten des Philosophen Edmund Husserl handelt es sich bei der Phänomenologie um eine Methode, die auf der Basis lebensweltlicher Erfahrungen und durch intensives Nachdenken zum Wesentlichen einer Sache vorstößt. Die Gültigkeit von Studien nach einer solchen phänomenologischen Methode richtet sich nach der Akzeptanz des Adressaten, ob ihm die Darstellung des Sachverhalts plausibel erscheint. Phänomenologisch bearbeiten lassen sich in der Stadtplanung etwa Fragen nach dem Wesen von Stadt, Urbanität oder anderen Aspekte, die uns in unserer räumlichen Umwelt interessieren. b) Hermeneutik Bei der hermeneutischen Methode geht es um das Interpretieren und Verstehen von Bedeutungen [Gadamer 1970], die sich in der Stadt- und räumlichen Planung etwa auf bestimmte Texte oder visuell wahrnehmbare Objekte – z.B. Einzelgebäude einer Stilrichtung aus einem bestimmten historischen Kontext – beziehen können. Die Gültigkeit von hermeneutischen Interpretationen ist ähnlich wie im Falle der Phänomenologie von der Akzeptanz anderer abhängig. Methodisch erschwert wird die Auslegungskunst bzw. Deutungslehre durch den sogenannten ’Hermeneutischen Zirkel’, der besagt, dass Einzelnes nur verstanden wird, wenn vorher das Ganze im Zusammenhang erfasst wurde, das Ganze wiederum nur dann richtig verstanden werden kann, nachdem die Einzelteile richtig durchdrungen wurden [Klaus/Buhr 1972: Stichwort ’Hermeneutik’]. In der Kunstgeschichte – und somit auch in Architektur und Denkmalpflege – besitzt die Hermeneutik einen sehr hohen Stellenwert, weil die Wertschätzung von solchen Objekten vor allem mit Methoden des Interpretierens und Verstehens gelingt [vgl. Gadamer 1975; Bätschmann 1984: 5ff]. c) Verbal-argumentative Verfahren Verbal-argumentative Verfahren zielen auf die argumentative Überzeugungskraft des gesprochenen oder geschriebenen Wortes. Argumentative Begründungen von Sachverhalten müssen logisch und systematisch aufgebaut sein, frei von Widersprüchen und für den Adressatenkreis nachvollziehbar. Ist allerdings ein Sachver-
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halt sehr komplex – beispielsweise aufgrund einer großen Menge von Einzelaspekten, die zu berücksichtigen und argumentativ aufzugreifen ist –, stößt diese Methode rasch an ihre Grenzen. Wenn verbal-argumentative Verfahren zum Beispiel im Falle der Anwendung bei der Bewertung von Standortalternativen für ein neues Wohngebiet oder für eine Infrastrukturanlage eingesetzt werden, ergeben sich bereits bei 10 Alternativen unter Berücksichtigung von 50 Bewertungskriterien und 3 unterschiedlichen Gewichtungsansätzen für diese Kriterien 1.500 zu beschreibende Einzelgesichtspunkte. Allein schon aus arbeitsökonomischen Gründen wären unter diesen Umständen quantifizierende Verfahren – und sinnvollerweise auch der Computereinsatz – vorzuziehen, was allerdings nicht ausschließt, dass im Anschluss an ein quantitatives Verfahren eine verbal-argumentative Abschlussbegründung erfolgt. d) Offenes Interview Das offene Interview ist ein qualitatives Verfahren, bei dem auf die Erzeugung von Daten im gewöhnlichen Sinne verzichtet wird und die Informationsgewinnung durch ein Interview in eine Gesprächsatmosphäre des Alltags eingebettet wird [vgl. Pohl in: ARL 1998: 102]. Die Auswertung eines solchen Interviews erfolgt über mehrere Sinnabschnitte und Sinnebenen. Zum Einsatz kommen kann diese Methode, wenn bei einer Planung Menschen und Menschengruppen – etwa bei einer städtebaulichen Stadterneuerungs- oder Sanierungsmaßnahme – betroffen sind, deren Bedürfnisstrukturen oder Zielvorstellungen ausgelotet werden sollen. Computergestützte Methoden können bei der Dokumentation und gegenseitigen Vernetzung der Informationen helfen, indem Computer bzw. digitale Kommunikationssysteme quasi als Plattform für den Wissensaustausch fungieren. e) Delphi-Verfahren Am sogenannten Delphi-Verfahren sind nur Experten und Fachleute beteiligt, deren Experteneinschätzung über mögliche Entwicklungstendenzen extrahiert werden soll. Im Prinzip handelt es sich also um eine Methode zur Projektion von künftigen Entwicklungsverläufen durch eine Gruppe von Personen mit einem breiten, einschlägigen Erfahrungshintergrund [Burch/Grundnitzki/Strater 1983: 308; BMFT 1977: III-8]. Die Bezeichnung ’Delphi’-Verfahren bezieht sich auf das Orakel von Delphi im antiken Griechenland, das zu Rate gezogen wurde, in der Annahme, ein von Göttern inspirierter Sachverstand würde über künftige Ereignisse Auskunft geben können. Delphi-Verfahren können in der Stadtplanung beispielsweise dann relevant sein, wenn es um die Einschätzung globaler Entwicklungstrends für Metropolen oder um die Stadt-Umland-Problematik bei zunehmenden Kosten der Raumüberwindung geht. Die Auswertung erfolgt meist mit statistischen Methoden, die heutzutage ohne Computereinsatz undenkbar wären.
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Quantitative Methoden In die Klasse der quantitativen Methoden fallen alle Verfahren, bei denen mathematische Rechenmethoden oder, darüber hinausgehend, logische Symbolverarbeitungs- bzw. Symbolmanipulationsverfahren wie z.B. beim Computereinsatz angewendet werden. Die Anwendung quantitativer Methoden geht immer mit Komplexitätsreduktion einher, weil Phänomene der Realität in verdichteter Form durch Maß und Zahl abgebildet werden [vgl. Ossimitz im Internet www.uni-klu.ac.at]. Eine wichtige Voraussetzung für die Anwendung all dieser Verfahren ist ihre Formalisierung, was bedeutet, dass eine gewisse Regelhaftigkeit eingehalten wird zum Zweck der besseren Nachvollziehbarkeit und der Handhabung von Komplexität. Letztendlich zwingt Formalisierung dazu, bestimmte Regeln der Darstellung, der Bewertung oder was auch immer sonst, die in impliziter Form vorliegen, in eine explizite Form zu bringen. Die Zahl der quantitativen Methoden in der Stadtplanung ist sehr groß. Umfassende Zusammenstellungen liefert das „Methodenhandbuch“ von Jörg Meise und Andreas Volwahsen [Meise/Volwahsen 1980] oder die „Einführung in die Stadtökonomie“ von Edwin von Böventer und Johannes Hampe [Böventer/Hampe 1988]. Hinzuweisen wäre auch auf das ’klassische’ Werk von Geoffrey Broadbent „Design in Architecture“ mit der Zusammenstellung wichtiger „Problemlösungstechniken“ [Broadbent 1973: 175ff]. Besondere Beachtung verdient auch die an der University of California entstandene PhD-Arbeit von H. J. Bryan „On the theory and use of quantitative methods in design“ [Bryan 1987]. Im Folgenden werden die wichtigsten quantitativen Methoden, soweit sie für die Stadtplanung von besonderer Relevanz sind, vorgestellt. a) Statistische Methoden Statistische Methoden dienen dazu, eine komplexe Welt aufgrund von Beobachtungen bzw. Messungen empirisch zu erfassen und mittels quantitativer Abbildungen bestimmte Eigenschaften in objektiver Form handhabbar zu machen. Die Statistik trifft also aufgrund von Parametern charakterisierende Aussagen über Daten. Sie beinhaltet das Sammeln, Klassifizieren, Zusammenfassen, Organisieren sowie die Analyse und Interpretation von Daten, die aus Beobachtungen (Messungen, Zählungen etc.) gewonnen werden. In der Stadt- und Raumplanung kommen statistische Methoden in vielfältiger Weise zum Einsatz. Nicht selten sind Organisationsstrukturen der Stadtplanung mit denen der Statistik verkoppelt; im kommunalen Bereich sind sie gelegentlich zu einer gemeinsamen Organisationseinheit ‘Stadtentwicklung und Statistik‘ zusammengefasst, woran die strategische Bedeutung statistischer Basisinformationen erkennbar wird. Wegen der besonderen Bedeutung statistischer Methoden für die Raumplanung werden diese am Ende des Kapitels gesondert und etwas ausführlicher dargestellt.
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b) Erfassungs- und Monitoringmethoden Um eine hinreichend genaue Informationsbasis für den weiteren Planungsablauf zu erhalten, werden räumliche Daten für alle relevanten Aspekte erhoben. Die Erfassung solcher mit thematischen Attributen ausgestatteten Raumdaten – physische, soziale, ökonomische oder ökologische – findet auf allen Ebenen der räumlichen Planung statt. Das dafür zum Einsatz gebrachte Methodenrepertoire ist riesig und reicht von vermessungstechnisch-geodätischen Methoden zur Geolokalisierung durch Koordinatenbestimmung, der Gewinnung thematischer Inhalte über Bilderfassungsmethoden (im Kern auch eine Vermessungstechnik), Sozialdatenerhebungen mit räumlicher Verortung bis hin zu ökologisch oder ökonomisch wichtigen Datengewinnungen mit zum Teil auf den Anwendungsbezug zugeschnittenen, speziellen Verfahren. Auf einige wichtige Verfahren wird in diesem Buch noch zurückzukommen sein. Als neuer wichtiger Begriff wird sich zukünftig Sensorik etablieren. Jede Datenerfassung wird mit Sensoren durchgeführt, die zwar überwiegend technischer Natur sind, aber auch den Menschen selbst miteinbeziehen kann – der Mensch als Sensor quasi. Bei der Anwendung von Erfassungsmethoden ist zu unterscheiden, ob die entsprechende Datengewinnung zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgenommen, also ein Momentzustand erhoben wird, oder ob ein Datenfluss entlang der Zeitachse stattfindet. Im letztgenannten Fall kann die Datengewinnung in zeitlichen Abständen (diskontinuierlich) oder kontinuierlich erfolgen. Genannt wird dieser Vorgang ‘Monitoring‘. Gemeint ist damit die Beobachtung eines (räumlichen) Phänomens im zeitlichen Verlauf. Der Begriff ‘Monitoring‘ erfreut sich zunehmender Beliebtheit, national wie international, trifft er doch die Intention einer kontinuierlichen Beobachtung räumlicher oder anderer Phänomene recht treffend (in Deutschland existiert seit langem der Begriff der ‘laufenden Raumbeobachtung‘, jedoch wird auch hier zunehmend der ‘Monitoring‘-Begriff verwendet; durch sein Erscheinen im Baugesetzbuch ist er mittlerweile planungsrechtlich verankert). Auch das für Monitoringaufgaben in Frage kommende Methodenrepertoire ist sehr vielfältig, so dass wir es nicht in allen Einzelheiten systematisch werden darlegen können. Allerdings ist auf einige neuere Entwicklungen hinzuweisen, die in engem Zusammenhang mit den Rahmenbedingungen und technischen Möglichkeiten der Wissensgesellschaft stehen. Eine für die Stadt- und Raumplanung interessante Neuerung steht seit Dezember 2010 mit der Internet-Plattform „Google Earth Engine“ zur Verfügung. Auf dieser Plattform sollen Beobachtungen zu bestimmten Umweltphänomenen, z.B. Flächeninanspruchnahmen für bestimmte Raumnutzungen, allgemein Zugänglich gemacht werden. Die wohl wichtigste Weiterentwicklung ist im Bereich der Datenerfassungsgeräte festzustellen, die klein, mobil und mit Verortungstechniken ausgestattet sind. Das Potential solcher Geräte wurde bereits im vorhergehenden Kapitel im Zusammenhang mit computergestützten Partizipationsmöglichkeiten angesprochen. Bei der Datenerfassung und beim Aufbau von raum- bzw. stadtplanungsbezogenen Moni-
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toringsystemen zeichnet sich ein nahezu epochaler Wandel ab: ‘Crowdsourcing‘, also die Datenerfassung von räumlichen Phänomenen zu einem bestimmten Zeitpunkt oder entlang einer Zeitachse kann künftig auf vielen Feldern räumlicher Planung von interessierten Personen (auch Laien) durchgeführt werden und ist nicht allein etablierten oder semi-etablierten Institutionen bzw. Organisationen vorbehalten. Abbildung 4.2 vermittelt eine Vorstellung über das Prinzip. Noch einen Schritt weiter kann man gehen, wenn Nutzer nicht nur an der Datenerfassung mitwirken, sondern auch Anstöße für neue Themen liefern, die einem Beobachtungsprozess unterworfen werden sollten. Dieser Partizipations-Modus soll hier als induktives Monitoring bezeichnet werden.
Abb. 4.2: Datenerfassung mit mobilen Geräten
Unabhängig von den aktuellen Forschungsaktivitäten (2010/2011) des Verfassers selbst, die sich mit diesem neuartigen Forschungsfeld befassen, sind einige wenige in ähnliche Richtung weisende Ansätze erkennbar, die sich allerdings zumeist noch in einem experimentellen Stadium befinden. So haben sich an der School of Computer Science der Carnegie Mellon University in Pittsburgh Eric Paulos u.a. mit dem „Living Environments Lab“ im Human Computer Interaction Institute [Internet www.living-environments.net/research/citizenscience] durch entsprechende Aktivitäten hervorgetan. Vornehmlich geht es dabei um die Erfassung von Umweltdaten
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(z.B. Luftqualität oder Lärm) durch mobile Sensoren, die von interessierten und entsprechend geschulten Laien bedient werden [Paulos et al. 2008]. Auch das „Pachube“-Projekt des Londoner Architekten Usman Haque zielt auf die Schaffung einer im Internet verfügbaren, sukzessive über ‘citizen activities‘ sich etablierende Informationsplattform, mit der beispielsweise umweltrelevante und gebäudebezogene Sensordaten erfasst werden können [Internet www.pachube. com]. Selbst auf administrativer Seite stößt diese neuartige Form des Monitorings zunehmend auf positive Resonanz und Sympathie. So lässt etwa die US Environmental Protecting Agency auf diese Weise die Wasserqualität von Flüssen und Seen durch geschulte Laien beobachten und bewerten [Internet www.epa.gov]. Durch sogenannte ‘place-blogs‘ könnten solche ‘crowdsourcing‘-Aktivitäten eine zusätzliche Akzentuierung erfahren, indem Phänomene und Sachverhalte auf lokaler Ebene erfasst und kontinuierlich beobachtet werden [vgl. z.B. Internet www.placeblogger.com/faq]. In jüngerer Zeit etablieren sich dazu die Begriffe ‘urban sensoring‘ und ‘participatory sensing‘. c) Prognosemethoden Prognosen sind für Stadt- und Raumplaner eines der wohl wichtigsten methodischen Handwerkszeuge, um planerisches, in die Zukunft gerichtetes Handeln zu steuern. Sie sind der eigentliche Kern einer raumbezogenen Zukunftsforschung. Eine Prognose kann als eine Art „Diagnose der Zukunft“ interpretiert werden, die sich von der Diagnose gegenwärtiger Zustände dadurch unterscheidet, dass nicht ein bestimmter Zustand, sondern „eine Pluralität von verschiedenen Zuständen“ ins Auge gefasst werden muss [Picht 1992: 9]. Eine solche Zukunftsdiagnose kann auf vielfältige Weise durchgeführt werden, und tatsächlich ist insbesondere in den 1960er und 1970er Jahren – aus verschiedenen demographischen, ökonomischen und ökologischen Anlässen – eine große Zahl von Prognosemethoden entwickelt worden. Grundsätzlich werden quantitative Prognosetechniken und qualitative bzw. argumentative Prognosemethoden unterschieden [vgl. Stiens 1998: 114; ARL 1988]. In dieser Unterscheidung wird wieder die bereits erläuterte Oszillation zwischen quantitativen und qualitativen Methoden erkennbar, die sich durch das gesamte Methodenrepertoire der räumlichen Planung zieht. Somit kommen wir im Falle der Prognosemethoden zu folgender Charakterisierung [ergänzend vgl. auch Hendry/ Ericsson 2001: 24ff]: •
Quantitative Prognosetechniken sind dadurch gekennzeichnet, dass aufgrund von statistisch belegbaren Beobachtungen der Vergangenheit und Gegenwart Entwicklungstendenzen für die Zukunft abgeschätzt und quantifiziert werden. Dazu gehören Trendextrapolationen auf der Grundlage von linearen und nichtlinearen Regressionen ebenso wie Simulationsverfahren, bei denen ’Stellschrauben’ eines komplexen (räumlichen) Systemzusammenhangs verändert werden, um Auswirkungen auf das System zu beobachten. Hieraus werden dann
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•
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Schlussfolgerungen in Bezug auf Erforderlichkeit und Art der zu treffenden Planungsentscheidungen gezogen. Häufig wird eine Unterscheidung getroffen zwischen ’Voraussage’ – im Sinne des angelsächsischen ’forecast’ – und ’Projektion’. Während es sich im Falle einer Projektion um das Ergebnis einer in die Zukunft reichenden Modellrechnung handelt, beruht eine Voraussage dagegen auf Wahrscheinlichkeitseinschätzungen bezüglich der Zukunft [Kaiser/Godschalk/Chapin 1995: 117; Hendry/Ericsson 2001: 17ff]. Qualitative Prognosemethoden beruhen im Wesentlichen auf dem sogenannten ’heuristischen’ Ansatz, der als methodischer Weg zum Auffinden von etwas Neuem bezeichnet werden kann (abgeleitet von Archimedes’ enthusiastischem Ausruf „Heureka“ – „Ich hab’s gefunden!“ –, als er das hydrostatische Grundgesetz entdeckte). Zu den heuristischen Methoden zählen insbesondere Szenariomethoden, das bereits dargelegte Delphi-Verfahren und andere ’Kreativitätstechniken’ wie etwa das sogenannte ’Brainstorming’ [BMFT 1977: III-6; Kreibich 1986: 396f; Stiens 1998: 116]. Im Falle der Szenariotechniken werden drei Spielarten voneinander unterschieden [Meise/Volwahsen 1980: 267ff]: 1) das Trendszenario, bei dem ein beobachteter Trend in die Zukunft extrapoliert wird, indem die Frage nach der ’wahrscheinlichsten Entwicklung’ erörtert wird; 2) das Alternativszenario, bei dem im Gegensatz zum Trendszenario die Frage im Vordergrund steht: Was geschieht, wenn dieses oder jenes Ereignis eintritt? Dazu werden alternative Entwicklungsstränge ausgelotet, zum Beispiel unter der Annahme, dass bestimmte Werthaltungen in der Gesellschaft, (ökonomische oder ökologische) Rahmenbedingungen oder auch zufällige Ereignisse die Entwicklung beeinflussen; 3) das Kontrast- oder Zielszenario, bei dem im Gegensatz zum Trend- und zum Alternativszenario nicht von der Gegenwart in die Zukunft geschlossen wird, sondern umgekehrt ein für anstrebenswert oder sinnvoll erachteter, künftiger Zustand angenommen und nun bis in die Gegenwart zurückverfolgt wird. Damit lassen sich Anhaltspunkte herausfinden, mit welchen Maßnahmen in der Gegenwart das für wünschenswert erachtete Ziel erreicht werden kann.
Die Crux bei Prognosen jedoch ist, dass sie eine Wirkung auf das Verhalten derjenigen Menschen ausüben, an die diese Prognosen gerichtet sind. Bekannt ist diese Tatsache etwa bei Wahlprognosen, deren Veröffentlichung das Wahlverhalten der Menschen durchaus zu beeinflussen vermag. Auch Umweltprognosen haben einen solchen Effekt. Die berühmteste dürfte wohl die Prognose über „Die Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome aus dem Jahre 1972 sein (siehe Abb. 4.3), bei der es um die Gefahren des exponentiellen Verbrauchs der natürlichen Ressourcen ging [Meadows et al. 1972; zur Geschichte des Clubs vgl. außerdem Internet www3.sympatico.ca]. Diese Warnprognose hat das Verhalten der Menschen stark beeinflusst, eine zunächst als Protestbewegung, dann in Form von politischen Par-
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teien sich etablierende Ökologiebewegung hervorgerufen und schließlich bis in die Nachhaltigkeitsdiskussion unserer Tage gewirkt. Diese Wirkung zu erzielen, wird ja auch die Absicht der Verfasser dieser Studie gewesen sein. Allerdings ist auch der gewichtige Einwand, dass Zukunftsszenarien dazu führen, noch andere denkbare und mögliche Entwicklungsstränge der Betrachtung zu entziehen, nicht von der Hand zu weisen (vgl. Kap. 1 zum Thema „Planungsskepsis und Planungskritik“). Eigentlich werden (nahezu) alle Prognosen mit der pragmatischen Absicht erstellt, Wirkung erzielen zu sollen [sehr kritisch dazu vgl. Lomborg 1998/2002]. Man könnte sogar die Behauptung aufstellen und belegen, dass ein Großteil der PrognoAbb. 4.3: Exponentielles Wachstum der sen als (schockierende) WarnprogStadtbevölkerung (Quelle: Studie des nosen konzipiert werden, in der AbClub of Rome 1972) sicht, die Adressaten – Politiker und Öffentlichkeit – aufzurütteln, damit die prognostizierten Ereignisse eben nicht eintreten. Manchmal grenzt das an ‘Alarmismus‘. Und somit ist Vorsicht angesagt im Umgang mit Prognosen: Zum einen lässt sich ihre Wirkung niemals ganz genau einschätzen, und zum anderen gibt es Interessen – und sei es auch nur das auf Sensationen spekulierende öffentliche Pressewesen mit der Maxime „bad news are good news“ –, die die Wirkungen von Prognosen gezielt einkalkulieren. Das Hin und Her, das wir um den Jahreswechsel 2009/2010 in Bezug auf die Richtigkeit und Korrektheit von Klimadaten mit den daraus hergeleiteten globalen Klimaprognosen durch das „Intergovernmental Panel on Climate Change“ (IPCC) erleben konnten, mag ein erhellendes Licht auf die Jongliermöglichkeiten bei wissenschaftlichen Prognosen geworfen haben. Was also diesen Aspekt von Prognosen betrifft, so haben wir es sowohl mit einem „erkenntnistheoretischen Problem ersten Ranges“ [Luhmann 2002: 165] sowie einem stark in die stadtplanerische Praxis hineinwirkenden Problem zu tun. In Anknüpfung an die Studien des amerikanischen Soziologen Robert K. Merton in den 1950er Jahren zum Phänomen der „self-fulfilling prophecies“ [Merton 1968] können wir entsprechend der Abbildung 4.4 drei Arten von Prognosen unterscheiden [Opp 1970: 78f]: • • •
die normale Prognose, deren Eintrittswahrscheinlichkeit sich gewissermaßen resistent gegenüber jeder Art von Beeinflussung verhält; die ’self-fulfilling-prophecy’, welche sich durch ihre Publizierung bewahrheitet; die ’suicidal-prophecy’ bzw. ’self-defeating prophecy’, welche durch ihre Publizierung einen zu dem prognostizierten Sachverhalt gegenteiligen Effekt bewirkt.
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Das erkenntnistheoretische Problem, auf das Niklas Luhmann in seiner Systemtheorie hinweist, hat enorme methodische Implikationen, die sich in starkem Maße unangenehm auch in der Stadtplanung bemerkbar machen können: Wie nämlich „kann man, wenn man weiß, dass man durch Bekanntgabe der Prognose die Realität verändert (...), dann noch zu objektiven Erkenntnissen über die Realität kommen? (...) Was heißt dann noch Objektivität? Die Frage ist nicht, wie man das Problem mit geeigneten methodologischen Vorkehrungen ausräumen kann, sondern wie wir mit dieser Art einer zirkulären Vernetzung leben.“ [Luhmann 2002: 165f]
Abb. 4.4: Die pragmatische Funktion von Prognosen Tatsächlich sind die wenigsten Prognosen, das werden wir eingestehen müssen, normale Prognosen in dem Sinne, dass sie keinerlei Eigendynamik entfalten, sobald sie an den/die Adressaten (Öffentlichkeit) gelangen – das gilt auch in der Stadtplanung. Wenn es etwa um Gemeinbedarfseinrichtungen geht, deren Erforderlichkeit nachzuweisen ist, hat die Stadtplanung oft mit Prognosen zu tun, die sich im nachhinein als ‘self-fulfilling-prophecies‘ herausstellen – nicht selten ein Effekt, der von vornherein beabsichtigt und Bestandteil eines strategischen Kalküls war. Die Prognose etwa, Schwimmen sei ein künftiger Volkssport, eingesetzt, um die Erforderlichkeit von Schwimmbädern zu belegen, wird mit großer Wahrscheinlichkeit genau dieses Resultat – ’ausgelastete Schwimmbäder durch neuen Volkssport’ – herbeiführen, wenn die Prognose nur häufig genug an die Öffentlichkeit lanciert wird. Auch im Falle des Golfsports – vorher war es Tennis – ist dieser ‘self-fulfilling‘-Effekt gegenwärtig zu beobachten. Deutlicher aber ist der Effekt im Falle der ‘suicidalprophecy‘ bzw. ‘self-defeating-prophecy‘, zumal wohl die meisten Prognosen etwa im Umweltbereich – Klimakatastrophe etc. – genau diesen Effekt nutzen, durch ein Katastrophenszenario das Gegenteil der Prognose, nämlich ihr Nichteintreten, zu bewirken. Die Aussage, dass die meisten Prognosen falsch sind und nicht eintreten, ist in diesen Fällen richtig und gewollt. Mit dem methodischen Instrumentarium
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der weiter oben angesprochenen Szenarien auf verbal-argumentativer Basis lassen sich diese ’methodischen Spiele’ mit geschickt aufgebauten (manipulativen) Argumentationssträngen im Übrigen besonders gut bewerkstelligen; nicht selten ist es Sophismus reinster Form. Ein völlig anderer Prognoseansatz, der sich mehr und mehr als leistungsfähige Methode etabliert, ist das ‘prediction market‘-Verfahren, eine Idee, die auf den österreichischen Ökonom und Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek im Zusammenhang mit Marktmechanismen und heterogen verteilten Informationen über Preisbildungen zurückgeht [Hayek 1945] und in jüngerer Zeit vor allem unter Einsatz des Internets funktioniert. Dabei wird die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des Eintretens künftiger Ereignisse nach einem Bieter-Modell mit fiktivem Geldumsatz realisiert [vgl. Internet www.ideosphere.com, www.newsfutures.com]. Eigentlich handelt es sich um ein Wetten auf zukünftige Ereignisse, bei dem auch die bereits angesprochenen Potentiale des ‘crowdsourcing‘ zum Zuge kommen – in dem Sinne, dass viele Menschen ihre Einschätzungen beitragen. Speziell im Umweltbereich finden sich bereits einige Anwendungen der ‘prediction market‘-Methode, zum Beispiel um Klimaereignisse zu prognostizieren. Auch in der Stadtplanung wären viele Anwendungsfelder denkbar, etwa demographische oder ökonomische Effekte vorauszusagen oder Immobilienpreise für die Zukunft einzuschätzen. Das ‘prediction market‘-Verfahren bzw. entsprechende Prognosebörsen gelten bei manchen Auguren geradezu als die Zukunft der Zukunftsforschung – „The Future of Futurology“, wie vor einiger Zeit im britischen Magazin „The Economist“ zu lesen war [Jahresausgabe The World 2008]. Versuche, über die Beobachtung und Auswertung von Diskussionen auf der Mikroblogging-Plattform „Twitter“ zu auswertbaren und hinreichend präzisen Prognoseeinschätzungen (im Hinblick auf Erfolg von Produkten) zu gelangen, sind bereits erfolgreich verlaufen [Internet www.briansolis.com]. Das ‘wisdom of the crowds‘, so die dazugehörige Metapher, für Prognoseeinschätzungen nutzbar zu machen, dürfte sich für das allgemeine Methodenrepertoire insgesamt als ziemlich wertvoll erweisen. Auch die Stadtplanung wird davon profitieren, wenn auch mit der völlig neuen Einstellung zur Profession, das soziale ‘bottom-up‘-Prinzip einem elitären ‘top-down‘ letztendlich vorzuziehen. d) Optimierungsmethoden Bei der Optimierung handelt es sich um ein Verfahren, bei dem ein bestimmtes Ziel unter gegebenen Randbedingungen (Restriktionen) bestmöglich erreicht wird. Ziele vorzugeben und diese auch zu erreichen, gehört mit zu den originären Aufgaben der Stadtplanung. Zu einem Optimierungsproblem wird diese Aufgabe dann, wenn Erschwernisse bei dem Erreichen von solchen Zielen zu berücksichtigen sind. Optimierung kommt in der Stadt- und räumlichen Planung in vielfältiger Weise vor. Und auch im alltäglichen Sprachgebrauch verwenden wir Begriffe wie ‘bestmöglich‘, ‘bestanpassend‘, ‘minimierend‘, ‘unter den gegebenen Umständen die beste Lösung finden‘ etc. So ist etwa das gegenwärtig präferierte Konzept „Stadt der kurzen Wege“ im
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Prinzip eine klassische Optimierungsaufgabe: Die Summe aller Wegebeziehungen in einem städtebaulichen Gefüge ist – mathematisch formuliert – zu minimieren (vor allem hinsichtlich des motorisierten Individualverkehrs). Auch das sogenannte Optimierungsgebot bei der Erfüllung von Zielvorgaben im Zuge von planerischen Abwägungen (näheres vgl. Kap. 7), so wie es vor allem die Rechtsprechung verlangt [vgl. Peine 1998: 178f], stellt hohe Anforderungen an das methodische Arbeiten von Planern. Optimierungsaufgaben sind auch Gegenstand mathematischer Modellbildungen. So kann etwa das Schätzen eines Mittelwerts aus einer vorgegebenen Zahl von Mess- bzw. Beobachtungsgrößen oder die Berechnung einer ausgleichenden Kurve aufgrund von Messgrößen, die in einem zweidimensionalen Koordinatensystem eingetragen sind, als optimale Lösung einer Parameterschätzung angesehen werden. Es gibt die folgenden Arten von (mathematischen) Optimierungsverfahren [z.B. Kreibich 1986: 385f]: • • • • •
lineare Optimierung, nichtlineare Optimierung, diskrete Optimierung, dynamische Optimierung und interaktive Optimierung.
Bei der linearen Optimierung wird das Maximum (oder Minimum) einer linearen Funktion gesucht unter Berücksichtigung von Nebenbedingungen (linearen Gleichungen oder Ungleichungen), die bei der Suche nach dem Optimalwert stets einzuhalten sind. Derartige Optimierungsaufgaben tauchen häufig bei ökonomischen Problemstellungen auf. Zur Lösung solcher Aufgaben ist die Simplexmethode entwickelt worden [vgl. Eichholz/Vilkner 2000: 61ff; Müller-Merbach 1973: 88ff]. Im Falle der nichtlinearen Optimierung liegt dem Optimierungsproblem mindestens eine nichtlineare Funktion zu Grunde. Die Lösung einer solchen Aufgabe gelingt durch Verallgemeinerung des Simplexverfahrens [Grosche et al. 1995: 169ff]. Bei der diskreten Optimierung dürfen für die Variablen im Gegensatz zur linearen bzw. nichtlinearen Optimierung nur ganzzahlige Werte auftreten. Können die Variablen nur die Werte 0 oder 1 annehmen, liegt der Fall einer Boole’schen Optimierung vor. Derartige Optimierungsprobleme kommen in der Praxis bei Mischungs-, Aufteilungs- oder Transportproblemen vor, wenn Mischungen, Aufteilungen oder Transportkapazitäten nur ganzzahlige Werte annehmen dürfen [Grosche et al. 1995: 162ff]. Die dynamische Optimierung stellt eine Lösungskonzeption für Optimierungsaufgaben mit meist vielen Variablen dar. Dazu wird das ganze Problem in einen zeitlichen Ablauf bzw. in einen Prozess umgeformt. Die Optimierungsaufgabe kann man als n-stufigen Prozess auffassen, wobei von einem gegebenen Anfangszustand aus die Menge aller Strategien durchlaufen wird, um schließlich über die zu minimierende Zielfunktion der Gesamtaufgabe zu einer optimalen Strategie zu gelangen.
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Das Schachspiel etwa kann als dynamisches Optimierungsproblem interpretiert werden. In der Verkehrsplanung gibt es Ansätze, die Trassierung von Straßen mit ihren Entwurfselementen Gerade, Klotoide, Kreis und der Zielfunktion ’bestmögliche Anpassung an eine Freihandlinie’ als dynamische Optimierungsaufgabe zu bearbeiten. Die interaktive Optimierung schließlich kann bei komplexen Planungsproblemen zum Zuge kommen, beispielsweise bei der Aufgabe, eine optimale Allokation von Flächennutzungen eines städtebaulichen Gefüges herbeizuführen (vgl. Kap. 5 „Städtebauliche Strukturplanung“). Ein solches Planungsproblem besitzt typischerweise eine Komplexität, die es sowohl für Mensch als auch für Maschine unmöglich macht, auf direktem Weg die optimale Lösung zu konstruieren – sofern es eine solche überhaupt gibt oder geben kann. Sowohl Mensch als auch Maschine sind dann darauf angewiesen, sich einer Lösung des Problems in systematischen, schrittweisen Lösungsversuchen zu nähern. Wenn ein Computerprogramm dabei auch nicht immer den optimalen Plan errechnen kann, so kann es doch – besser als ein Mensch allein – in systematischer Weise wesentlich größere Planungsprobleme bewältigen und mehr Nebenbedingungen berücksichtigen. Kombiniert werden gewissermaßen maschinelle ’Sorgfalt’ und menschliche Intelligenz. e) Methoden der Bewertung und Entscheidungsfindung Bewertungen durchführen und Entscheidungen treffen sind zentrale Instanzen planerischen Handelns. Ihnen zu Grunde gelegt werden formalisierte Methoden, die dazu dienen, Bewertungsvorgänge rational und transparent zu gestalten. Zum Einsatz kommen sie vor allem dann, wenn unterschiedliche Alternativen einer Planung nach vorgegebenen Kriterien zu bewerten sind. Ziel ist es dann, eine Reihenfolge für die zu präferierenden Alternativen zu finden, um so eine solide Entscheidungsgrundlage zu besitzen. Da diese Präferenzen vom Erfüllungsgrad der zu Grunde liegenden Kriterien abhängig gemacht werden, besteht eine große Ähnlichkeit zur Methode der Optimierung. Die Bewertungsmethoden lassen sich in qualitativ-argumentative Verfahren, wie weiter oben bereits dargelegt, und quantifizierende Bewertungsverfahren einteilen. Letztere lassen sich dann wiederum in zwei wichtige Hauptklassen unterteilen: die kompositionellen und die dekompositionellen Verfahren (vgl. Abb. 4.5). Der Unterschied besteht darin, dass den kompositionellen Ansätzen Teilpräferenzen zu einer Gesamtpräferenz zusammengefasst (quasi ‘komponiert‘) werden, während man bei dekompositionellen Ansätzen die Gesamtpräferenzen in ihre Bestandteile zerlegt (quasi ‘dekomponiert‘). Die dekompositionellen Verfahren basieren auf einer Spielart der ‘Conjoint-Analyse‘ – ihren Ursprung hat sie in der Marketing- und Konsumgütertheorie sowie mathematischen Verfahren der Psychologie und Psychometrie –, bei der davon ausgegangen wird, dass ein Produkt (etwa ein Auto) vom Kunden nicht nach der Aufsummierung von Einzelaspekten beurteilt wird, sondern eine Bewertung als Ganzes stattfindet. Um festzustellen, welche Wertigkeit die Einzelaspekte besitzen, werden statistische Verfahren eingesetzt. Untersucht
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wird, in welchem Maß einzelne Merkmale beziehungsweise Merkmalskombinationen, die ein bestimmtes Produkt dann als Ganzes auszeichnen, vom Nutzer bevorzugt werden. Der Conjoint-Ansatz ist nicht nur beim Marketing von Verkaufsprodukten einsetzbar, sondern auch im Bereich der räumlichen Planung, wie zum Beispiel eine Studie zur Entscheidungsfindung in der Landnutzungsplanung für Naturschutzszenarien im Biosphärereservat „Flusslandschaft Mittlere Elbe“ eindrucksvoll belegt [Harth 2006: 187ff].
Pa = Planungsalternative ; Ps = Planungsstimulus
Abb. 4.5: Kompositionelle und dekompositionelle Bewertungsverfahren (Quelle: Harth 2006) Wir wollen uns jetzt den kompositionellen Verfahren zuwenden. Grundsätzlich bestehen diese, wie auch aus Abbildung 4.5 (linker Teil), ersichtlich ist, aus folgenden Elementen: • • • •
•
dem Bewertungsgegenstand, d.h. dem Objekt der Bewertung selbst; den vorgegebenen, in die Bewertung einzubeziehenden Alternativen; den Bewertungskriterien, d.h. denjenigen Gegenstandsbereichen, nach denen die Alternativen bewertet werden können; den Präferenzen bzw. Gewichtungen, d.h. unterschiedlichen subjektiven Einschätzungen, die man im Zuge der Bewertung einzelnen Bewertungskriterien zuordnet; den Aggregationsmodalitäten, d.h. den Vorschriften (oder Methoden) darüber, auf welche Art und Weise Kriterien und Gewichtungen in Bezug auf die vorgegebenen Alternativen des Bewertungsgegenstands zusammenzuführen bzw. zu verknüpfen sind, damit sich Aussagen über die Reihenfolge der zu präferieren-
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•
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den Alternativen herleiten lassen; der Sensitivitätsanalyse, mit der die Stabilität bzw. Instabilität des Bewertungsergebnisses bei unterschiedlichen Gewichtungen unter die Lupe genommen werden kann.
Als die beiden Hauptvertreter der kompositiven Bewertungsverfahren sind zu nennen: • •
die Kosten-Nutzen-Analyse (übliches Fachkürzel: KNA) und die Nutzwertanalyse (mit dem üblichen Fachkürzel NWA).
Die Kosten-Nutzen-Analyse wie auch die Nutzwertanalyse haben eine generelle Relevanz als Methoden der Entscheidungsfindung, sind aber vor allem auch bei allen öffentlichen Maßnahmen von erheblicher Bedeutung für Entscheidungen mit finanziellen Konsequenzen. Beide Verfahren sind in Deutschland daher nach den Vorschriften der Bundeshaushaltsordnung (BHO, § 7) vom 19.08.1969 vorgeschrieben und wurden einige Zeit später, am 21.05.1973, im Rundschreiben des Bundesfinanzministeriums als ’Vorläufige Verwaltungsvorschrift zu § 7 (2) BHO’ methodisch konkretisiert. Die Kosten-Nutzen-Analyse besteht im Wesentlichen darin, eine monetäre Bewertung von Projektalternativen vorzunehmen, d.h. es findet eine monetäre Bilanzierung aller Kosten und Nutzen statt. Wichtig ist dabei, dass sich alle monetären Größen auf einen gemeinsamen Zeitpunkt beziehen, wozu ggf. eine Abzinsung bzw. Diskontierung durchzuführen ist. Allerdings lassen sich nicht alle Kosten- und Nutzenarten monetär bewerten. Diese sogenannten ’intangiblen’ Effekte werden dann entweder durch verbal-argumentative Ergänzungen der Kosten-Nutzen-Rechnung hinzugefügt, oder es werden andere Bewertungsverfahren, wie etwa die Nutzwertanalyse, verwendet. Die Nutzwertanalyse ist so konstruiert, dass damit der Erfüllungsgrad von vorgegebenen Bewertungskriterien aller in Betracht kommenden Alternativen bestimmt und daraus eine Liste der zu präferierenden Alternativen hergeleitet werden kann. Dazu können Kardinalskalen (metrische Größen), aber auch Nominal- oder Ordinalskalen verwendet werden (zu diesen Begriffen vgl. weiter unten in diesem Kapitel im Zusammenhang mit der Darstellung statistischer Methoden). Abbildung 4.6 (oben) zeigt die NWA auf der Grundlage von kardinal (also metrisch) skalierten Kriterienmessungen. Links ist eine Matrix zu erkennen, die den Erfüllungsgrad eines jeden Kriteriums für jede Alternative enthält. In die zweite Matrix daneben – hier nur aus einer Spalte (Vektor) bestehend – ist eingetragen, wie die einzelnen Bewertungskriterien gegeneinander zu gewichten sind. Werden beide Matrizen miteinander multipliziert, entsteht als Ergebnis auf der rechten Seite des Gleichheitszeichens eine Matrix – hier wieder einspaltig als Vektor –, in der die (Summen-)Nutzwerte aller Alternativen aufgeführt sind. Nun wird eine Reihung derzu präferierenden Alternativen nach der Größe der Summennutzwerte vorgenommen und diejenige Alternative mit dem größten (bzw. kleinsten) SummenNutzwert als beste Alternative ausgewählt.
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Abb. 4.6: Prinzip der Nutzwertanalyse in mathematischer Darstellung
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Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Gewichtungen der einzelnen Kriterien. Diese sind stets subjektiv und können je nach Bewertungsgegenstand und örtlicher Gegebenheit sehr stark variieren, zumal verschiedene Akteure einer Planung – mit unterschiedlichen (politischen oder sonstigen) Interessen – den Bewertungskriterien verschiedene Bedeutungen beimessen werden. Sodann ist im Zuge der Anwendung von Entscheidungs- und Bewertungsmethoden immer zu untersuchen, ob und inwieweit das erzielte Bewertungsergebnis sensibel auf unterschiedliche Gewichtungen bei ein- und demselben Kriterienkatalog reagiert. Um hierzu Aussagen treffen zu können, ist stets eine Sensitivitätsanalyse erforderlich. Aus mathematischer Sicht ist nichts anderes zu tun, als den Vektor der Gewichtung zu einer Matrix von Gewichtungen zu erweitern, bei der alle in Frage kommenden Gewichtungsansätze spaltenweise eingetragen sind. Im Ergebnis entsteht nach der Matrizenmultiplikation auf der rechten Seite eine Matrix mit allen Summen-Nutzwerten, spaltenweise geordnet nach den Gewichtungsansätzen der am ‘Bewertungsspiel‘ beteiligten Akteure. Zur Veranschaulichung sind Nutzwert- und Sensitivitätsanalyse in Abbildung 4.6 (unterer Abbildungsteil) graphisch dargestellt. Die Abbildung macht auch deutlich, welche Komplexitätshandhabung mit diesem Verfahren möglich ist. Um das kurz zu demonstrieren, erinnern wir uns kurz an das bereits angeführte Beispiel, eine in der Stadtplanung nicht selten auftretende Bewertungsaufgabe zu bearbeiten, bei der 10 Alternativen (z.B. für einen Kraftwerksstandort) mit 50 unterschiedlichen Bewertungskriterien (Verkehrsanbindung, Herstellungskosten, Ressourceninanspruchnahme etc.) und 3 verschiedene Kriteriengewichtungen zu berücksichtigen sind. Damit hätten wir es mit 1.500 Einzelaspekten zu tun, die zu handhaben ohne den Computereinsatz kaum vorstellbar ist. Auch von nominal wie ordinal skalierten Kriterien ist bei derart komplexen Bewertungsaufgaben, wie auch tendentielle Befürworter verbal-argumentativer Verfahren zugeben, abzuraten [vgl. Jacoby/Kistenmacher 1998: 157]. Eine Bewertungsmethode, in der die KNA mit der NWA kombiniert wird, ist die Kosten-Wirksamkeits-Analyse (KWA). Die Kosten werden dabei monetär bewertet; die Nutzen hingegen werden nicht monetär, sondern in anderen Einheiten erfasst, um die Projektwirkung zu beschreiben [Meise/Volwahsen 1980: 370]. Man mag meinen, dass die genannten Entscheidungsmodelle generell zur Herbeiführung konsistenter Präferenzstrukturen taugen. Bedauerlicherweise ist dies jedoch nicht der Fall. Ein gravierendes, gerade auch für die Stadtplanung relevantes Problem besteht darin, dass prinzipiell die Gefahr besteht, individuelle Präferenzen nicht ohne Widersprüche zu einer kollektiven Präferenz zu aggregieren (Theorie der Präferenzaggregation). Unter der Prämisse, dass wir es mit mindestens drei Individuen und mehr als zwei Alternativen zu tun haben, ist es nämlich nicht möglich, eine Regel aufzustellen, mit deren Hilfe kollektiv entschieden wird, in welcher Beliebtheitsreihenfolge die Alternativen aufzustellen sind [www.newsatelier.de/html/ arrow.html]. Eine wichtige Rolle bei dieser Erkenntnis spielt das sogenannte Condorcet-Arrow-Paradoxon – benannt nach dem französischen Mathematiker, Politiker und Staatstheoretiker Condorcet (1743-1794) und dem Wirtschaftsnobelpreisträger des Jahres 1972 Kenneth Arrow –, welches besagt, dass je nach Reihen-
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folge einer Verfahrensregel unter bestimmten Voraussetzungen unklar ist, welche Alternative präferiert wird (Problem der zyklischen Mehrheiten). Abbildung 4.7 demonstriert dieses Paradoxon am Beispiel dreier Individuen (Akteure der Stadtplanung) mit drei zu präferierenden Alternativen [Bamberg/Coenenberg/Krapp 2008: Kap. 8; Internet u.a.: www-rohan.sdsu.edu/~jwingram/condorcet.html].
Abb. 4.7: Das Condorcet-Arrow-Paradoxon am Beispiel einer stadtplanerischen Entscheidungsfindung
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Dieses Beispiel mag für den unvoreingenommenen Betrachter als arg konstruiert erscheinen, zumal wegen des darin eingebetteten zyklischen Prinzips. Kenneth Arrow jedoch hat mit seinem sogenannten ’Possibility-Theorem’ bewiesen, welches – entgegen seiner irreführenden Bezeichnung – zeigt, dass es kein einziges Verfahren kollektiver Entscheidungsfindung gibt, das elementarsten Rationalitätsprinzipien entspricht. Diese Prinzipien lassen sich (leicht vergröbert) so umschreiben [Nida-Rümelin 2002 vgl. Internet www.bundesregierung.de]: Erstens sollte eine Alternative, die von allen vorgezogen wird, auch aufgrund des Entscheidungsverfahrens vorgezogen werden (Paretoprinzip); zweitens ändert sich, wenn eine Alternative X gegenüber einer Alternative Y aufgrund des Entscheidungsverfahrens als besser gilt, daran auch dann nichts, wenn zusätzlich Alternativen ins Spiel kommen (Irrelevanz unabhängiger Alternativen); drittens darf es keinen Diktator geben, also keine Person, deren Präferenzen ausschlaggebend sind – unabhängig davon, welche Präferenzen die anderen Personen haben. Diese drei Bedingungen sind derart einsehbar, dass man sie geradezu als trivial empfindet. Um erstaunlicher ist es aber, dass selbst diese schwachen Voraussetzungen, wie Kenneth Arrow schließlich nachgewiesen hat, von keinem Entscheidungsverfahren simultan erfüllt werden. Die wichtigste Folgerung, die aus dieser Erkenntnis gezogen werden kann, lautet: Da sich Gruppen von Individuen unterscheiden, müssen, um gemeinsames Handeln zu verstehen, auch Prozeduren, Institutionen und die Entscheidungen von Individuen in ihren jeweiligen Umgebungen beachtet und analysiert werden. Letztendlich führt diese Forderung wieder auf den ‘Framing‘-Effekt, den wir schon bei der Erörterung planungstheoretischer Ansätze zu Beginn des Kapitels 2 kennengelernt haben: Ausschlaggebend ist die Art und Weise, wie Entscheidungssituationen durch selektive Betonungen und Akzentuierungen vermittelt werden und was daraus im praktischen Umgang der Herbeiführung von planerischen Entscheidungen folgt. f) Risikoanalysen Der Einschätzung von Risiken kommt in der räumlichen Planung, denkt man etwa an Naturkatastrophen oder Folgen von Klimaveränderungen eine wachsende Bedeutung zu [vgl. z.B. ARL 2003; interdisziplinäre Zusammenschau vgl. Buergin 1999]. Dies gilt insbesondere im Bereich der Ökologie, wo ’ökologische Risikoabschätzungen’ durchgeführt werden. Solche Risikoabschätzungen gehören in der Regel auch zum Kern einer jeden Umweltverträglichkeitsprüfung. Die hierzu entwickelten Methoden stehen in enger Beziehung zu den bereits erläuterten Prognosemethoden und Entscheidungsverfahren. Allerdings ist der Ausgangspunkt ein etwas anderer, weil es darum geht, künftige (Schadens-)Ereignisse einzuschätzen, die nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden können. Wir stehen dann vor der Aufgabe, die Höhe bzw. Intensität eines möglichen Schadens mit der Wahrscheinlichkeit seines Eintretens zu quantifizieren. Bei einer Wahrscheinlichkeit Null gibt es kein Risiko, denn das Ereignis tritt nicht ein; bei einer Wahrscheinlichkeit Eins tritt das Ereignis mit sicherer Gewissheit ein,
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wodurch auch kein Bedarf an einer Risikoaussage besteht. Interessant wird es erst, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit irgendwo zwischen diesen Grenzwerten Null und Eins liegt. Der Einsatz Geographischer Informationssysteme (GIS; ausführlich dazu vgl. Kap. 5) spielt bei der Risikoanalyse eine zunehmend wichtige Rolle, wie das Beispiel in Abbildung 4.8 demonstriert [Hargrove/Levine 1996].
Abb. 4.8: Risikoanalyse unter Einsatz eines Geographischen Informationssystems (Quelle: Hargrove/Levine 1996) Üblicherweise wird Risiko definiert als mathematisches Produkt aus Schadensintensität und Eintrittswahrscheinlichkeit, welches die Grundlage für alle Risikoanalysen bildet. In der räumlichen Planung werden dazu häufig ordinale Klassifizierungen von Eintrittswahrscheinlichkeiten zu bestimmten Schadensereignissen – etwa von Umweltgütern – vorgenommen, die ähnlich der Nutzwertanalyse miteinander aggregiert werden, um dadurch zu einer Abschätzung des (ökologischen) Gesamtrisikos einer Planungsmaßnahme oder des kumulierten Risikos verschiedener Planungsmaßnahmen zu gelangen. In jüngerer Zeit ist als Methode auch die ’fuzzyset’-Theorie, die später in diesem Kapitel noch genauer zur Sprache gebracht wird, vorgeschlagen worden [vgl. Scholles 2003]. Zunehmend Kopfzerbrechen bei Risikokonflikten bereitet die Tatsache, dass nicht mehr nur auf vorhandenes, gesichertes Wissen Bezug genommen wird, sondern immer häufiger auch „hypothetische Schadensszenarien ohne empirische Anhaltspunkte zum Nachweis der Möglichkeit eines Schadens“ in den Raum gestellt werden [vgl. van den Daele 2003]. In letzter Konsequenz kann dies allerdings, wenn entsprechende Argumente ins Feld geführt werden, zu einer völligen Blockade von technischem Fortschritt oder Planungshandeln führen. Bemerkenswert ist im Übrigen auch die Logik, die sich dahinter verbirgt: Von etwas, dessen Auftreten oder Existenz man nicht kennt aber vermutet, ist ja nie ganz auszuschließen, dass es vielleicht doch auftritt oder existieren könnte. Die
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Ungewissheit zukünftiger Ereignisse ist darin eingeschlossen. Das Beispiel der von Menschen verursachten ‘globalen Klimaveränderung‘ – metaphorisch ‘global warming‘ – liefert das entsprechende Beispiel: Schon die Annahme, dass dieses hypothetische Risiko besteht, soll zum Handeln – oder zum Unterlassen gewisser klimaschädlicher Handlungen – zum gegenwärtigen Zeitpunkt auffordern. g) Methoden städtebaulicher Kostenkalkulation Kosten- und Finanzierungsfragen in der Stadtplanung sind eine derart umfangreiche und komplexe Materie, dass sie hier nur insoweit behandelt werden, wie sie zum Verständnis der methodischen Zusammenhänge in der Stadtplanung notwendig sind. Die Methoden der städtebaulichen Kostenkalkulation lassen sich ganz grob in folgende Fälle unterscheiden: • •
•
• • •
allgemeine Kosten-Nutzen-Untersuchungen, wie bereits weiter oben erläutert; kommunalwirtschaftliche Berechnungen, etwa bei der Errichtung von Anlagen und Einrichtungen der technischen Infrastruktur mit ihrem Investitionsaufwand und den dazugehörigen Folgekosten [vgl. beispielsweise v. Barby 1974]; methodische Konsequenzen, die sich aus den Vorschriften zu Kosten- und Finanzierungsgesichtspunkten von Planungsmaßnahmen nach dem deutschen Baugesetzbuch ergeben, etwa bei der Aufstellung von Bebauungsplänen, bei städtebaulichen Verträgen, bei der Erschließung sowie insbesondere bei städtebaulichen Sanierungs- oder städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen; Kostenkalkulationen auf der Basis von städtebaulichen Orientierungswerten oder Schätzgrößen [vgl. dazu: Borchard 1974; Schöning/Borchard 1992]; betriebswirtschaftliche Methoden der Berechnung von Kosten und Nutzen privatwirtschaftlich finanzierter (Einzel-)Projekte im Städtebau; Wertschöpfungsberechnungen öffentlich erbrachter Planungsleistungen, wobei die Wertschöpfung von Bebauungsplänen anhand des sich daran anschließenden Investitionsvolumens privater und öffentlicher Bauherren ermittelt wird (allein bei der Stadt Mainz ist für das Jahr 1998 eine solche Wertschöpfung von rd. 3,6 Mrd. Euro errechnet worden) [Stadt Mainz 1999].
Zunehmend auf Interesse stoßen darüber hinaus auch gesamtwirtschaftliche Kosten von Planungsmaßnahmen, etwa bei der Entscheidung, ob städtebauliche Projekte aus volkswirtschaftlichen Erwägungen besser in schon bebauten Umgebungen – in ’Innenbereichen’ – oder ’auf der grünen Wiese’ – d.h. im ’Außenbereich’ – realisiert werden sollten. Im letzten Fall müssten neben Grundstückskosten (bei konstanten Kosten für die beabsichtigte Baumaßnahme selbst) auch die volkswirtschaftlichen Kosten der Raumüberwindung etc. einbezogen werden.
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h) Managementtechniken und Operations Research Das Ziel von Managementtechniken ist, Prozessabläufe und Operationen in Unternehmen zu explizieren und mit Hilfe von mathematischen – und zunehmend computergestützten – Verfahren kalkulierbar zu machen, letztendlich also die besten Strategien und Organisationsmuster zu finden. Die in Unternehmen ablaufenden Prozesse werden dazu modellhaft abgebildet [Kreibich 1986: 386ff; Müller-Merbach 1973]. Während Operations-Research-Methoden zunächst fast nur in privatwirtschaftlichen Unternehmen zu Anwendung kamen, haben sie in den letzten beiden Jahrzehnten unter dem Stichwort ’neue Organisationsmodelle’ zunehmend auch in der öffentlichen Verwaltung an Bedeutung gewonnen [Weber/Streich 1997]. Sogenannte Workflowmanagement-Systeme unterstützen diese Managementtechniken (vgl. weiter unten in diesem Kapitel). Eine weitere für die Stadt- und räumliche Planung sehr wesentliche Methode, die den Managementtechniken zuzurechnen ist und vor allem in den angelsächsischen Ländern bei strategischen Planungen aller Art (von Marketingstrategien bis zu didaktischen Lehrkonzepten) angewandt wird, ist die sogenannte SWOT-Analyse (vgl. Abb. 4.9). Die Abkürzung SWOT steht dabei für strengths, weaknesses, opportunities und threats. Eine zu beurteilende Einheit – wie etwa ein städtebauliches Projekt, eine Organisationseinheit oder auch eine Idee – wird also nach strategischen Gesichtspunkten wie Stärken, Schwächen, Möglichkeiten und Bedrohungen systematisch analysiert; ’strengths’ und ’weaknesses’ stellen dabei in Bezug auf die zu analysierende Einheit gewissermaßen die internen Aspekte dar, ’opportunities’ und ’threats’ die externen [Internet www.mindtools.com/swot.html]. Aus dem Bereich der räumlichen Planung und Stadtplanung sei exemplarisch das „Network of European Regions and Areas“ (Metrex) genannt, das im Jahre 1998 einer „Pilot ’SWOT’ Analysis of Europe’s Metropolitan Urban Areas“ unterzogen wurde [Internet www.metrex.dis.strath.ac.uk/ en/sitemap.html]. Weitere Beispiele in der Anwendung einschlägiger SWOT-Analysen finden sich in Abb. 4.9: Beurteilungsaspekte der SWOTUS-amerikanischen Quellen [vgl. Analyse dazu diverse Quellennachweise für das Internet in der beiliegenden DVD-Dokumentation]. Schließlich soll an dieser Stelle noch auf eine Managementtechnik hingewiesen werden, die in der räumlichen Planung etwa bei Projekten in Entwicklungsländern eine wichtige Rolle spielt und darauf ausgerichtet ist, die Möglichkeiten planerischer
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Realisierungsmaßnahmen im Hinblick auf das institutionelle Umfeld auszuloten; in der englischsprachigen Planungsliteratur wird diese Managementtechnik als ’stakeholder-analysis’ bezeichnet [vgl. z.B. Internet cvoz.uky.edu/psa/tcsp/spi.htm]. i) Spieltheorie Die Spieltheorie befasst sich mit der Entscheidungsfindung in Personengruppen, wobei Situationen und Prozesse, die zu bestimmten Entscheidungen führen, durch Interessen und Handlungen beeinflusst werden. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass jeder Spieler einen maximalen (ökonomischen) Nutzen bzw. Erfolg seiner Strategie anstrebt, möglicherweise aber auch Aspekte wie Fairness und Gerechtigkeit in sein Nutzenkalkül einbezieht [umfassend zur Spieltheorie vgl. Schlee 2003]. Die Spieltheorie steht in einem engen Zusammenhang mit der Entscheidungstheorie. Aufgeworfen werden darin – auch für die Stadtplanung relevante – Fragen wie die von Kenneth Arrow nach der Konsistenz von Präferenzaggregationen durch Verfahren kollektiver Entscheidungsfindung (vgl. weiter oben in diesem Kapitel) oder die von dem indischen Philosophen und Ökonomen Amartya Sender nachgewiesene Unvereinbarkeit individueller Freiheiten mit kollektiv effizienten Verteilungen von Gütern (Nobelpreis 1997). Abb. 4.10: Spielsimulation mit „Mobility“ (Quelle: www.mobility-online.de) Eine für die Stadtplanung höchst praktische Umsetzung der Spieltheorie kann in einer Spielsimulation erfolgen, bei der die Realwelt – etwa ein konkreter Planungsfall – wie auf einer Bühne in einem Spiel mit verteilten Rollen nachgebildet wird. In einer solchen Spielsimulation werden zunächst Aktionsbereich und Reaktionsbereich voneinander unterschieden. Der Aktionsbereich umfasst die Handlungen der simulierten Akteursgruppen, der Reaktionsbereich die aus den Aktionen resultierenden Veränderungen. Diese lassen sich am Systemzustand eines vorgegebenen Systems, in dem alle Wirkungszusammenhänge modelliert sind, feststellen. Der jeweilige Systemzustand wird als Eingabegröße für nachfolgende Aktionen verwendet, so dass das Spiel von neuem beginnen kann und insgesamt einen
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Kreislauf beschreibt [vgl. Meise/Volwahsen 1980: 346ff]. Die Modellierung des Systemzusammenhangs ist in der Regel sehr komplex, so dass hierfür Computersysteme verwendet werden. Nicht von ungefähr gehört einer der großen Pioniere der Computertechnik und Erfinder der internen Programmsteuerung von digitalen Rechenautomaten, John von Neumann, auch zu den Begründern der ’Theorie der strategischen Spiele’ [v. Neumann 1944/1961; Kreibich 1986: 382]. Computergestützte Spielsimulationen im Bereich der Raum- und Stadtplanung sind seit einiger Zeit etwa durch Frederik Vester’s „Sensitivitätsmodell“ der interessierten Öffentlichkeit bekannt [Vester 2000; Vester/v. Hesler 1980]. Es handelt sich dabei um ein Verfahren, bei dem komplexe Zusammenhänge – vor allem im Umweltbereich – in einem vernetzten System modelliert sind, um damit bei Veränderungen an den ’Stellschrauben’ des Systems die Auswirkungen auf das gesamte System beobachten zu können. In einfacher Form steht diese Spielsimulation zur Demonstration ökologischer Zusammenhänge auch als Brettspiel mit der Bezeichnung „Ökolopoly“ zur Verfügung. Aber auch Computerspiele wie das bekannte und weit verbreitete „SIMCITY“ oder, in einem ähnlichen Graphiklayout, das als Spielprogramm für Schulen entwickelte „Mobility“ können in diesem Zusammenhang genannt werden. Bei beiden handelt es sich um ausgezeichnete, didaktisch wertvolle Softwareprodukte, mit denen sich komplexe Geschehnisse so modellieren lassen, wie sie bei der Entwicklung von urbanen Strukturen in der Realität auch tatsächlich ablaufen (vgl. Screenshot zu „Mobility“ in Abb. 4.10). j) Systemtheorie Charakteristisch für den systemtheoretischen Ansatz – in Deutschland vor allem durch den Soziologen Niklas Luhmann propagiert – ist, dass komplexe dynamische Systeme in ihren wesentlichen Verhaltensweisen erfasst werden. Dazu wird das Verhalten von Systemen weniger anhand von einzelnen, gar separierten Systemelementen beschrieben, sondern vielmehr über die funktionalen Wechselwirkungen zwischen den Elementen und Teilen. Gerade die Systemtheorie hat Grundlegendes bei der Durchdringung komplexer Systeme geleistet, indem sie etwa neue Verfahrensweisen bei der Reduktion von Komplexität und bei der Herausarbeitung operationaler Systemziele und wesentlicher Verhaltenszusammenhänge ermöglicht [Luhmann 1984; Luhmann 1986; Luhmann 2002; Kreibich 1986: 389; Benz 1998: 256f]. So wirkungsvoll bzw. effektiv der systemtheoretische Ansatz auf den ersten Blick auch erscheinen mag, so ist doch immer wieder auf das formale Abstraktionsschema dieses Ansatzes hingewiesen worden, der sich lange Zeit dem Vorwurf ausgesetzt sah, der Einordnung in einen gesellschaftlichen Kontext zu wenig Beachtung zu schenken. Berühmt geworden ist in diesem Zusammenhang die Habermas-Luhmann-Diskussion mit dem seinerzeit noch wichtigen, mittlerweile aber wohl doch entkräfteten Vorwurf, dass die Systemtheorie „eine auf Komplexität gesellschaftlicher Systeme angemessene Evolutionstheorie“ vermissen lasse, wie es etwa der politökonomische Ansatz versucht [Habermas/Luhmann 1971].
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Die Systemtheorie steht in engem Zusammenhang mit Modellen der Nachrichtentechnik und Kybernetik, da sich komplexe Systeme letztendlich nur in Computersystemen modellieren lassen. Niklas Luhmann bezeichnete kybernetische Maschinen deshalb auch als Systeme, die „Komplexität reduzieren“ [Luhmann 1971: 11; zum Thema ’Komplexitätsreduktion’ einschließlich der Herkunft dieses Begriffs vgl. insbesondere Luhmann 2002: 167ff]. k) Graphentheorie und Netzplantechnik Die Graphentheorie liefert formale und mathematisch-geometrische Modelle – bestehend aus Knoten und Kanten – zur Behandlung von Planungsabläufen sowie Steuerungs- und Kontrollvorgängen [BMFT 1977: III-11]. Mit diesem methodischen Instrumentarium können etwa Prozessabläufe quantitativ erfasst und behandelt werden. Hierbei kann es sich um Handlungssequenzen von Personen oder Personengruppen zu bestimmten Zeiten handeln, Informations- und Kommunikationsprozesse oder auch aufeinander abgestimmte Einzelmaßnahmen bei der Herstellung zum Beispiel eines Bauwerks. Die Netzplantechnik greift auf das graphentheoretische Instrumentarium zurück, um damit komplexe Projektabläufe zu koordinieren. Dazu wird ein gegebenes Projekt in überschaubare Arbeitsabschnitte zerlegt, sodann die terminliche Zuordnung der Arbeitsgänge sowie zwischen ihnen bestehende Abhängigkeiten explizit dargestellt. Mit der Netzplantechnik lassen sich genaue Angaben über Dauer, erforderliche Maßnahmen, notwendige Beschleunigung oder Verzögerung von Projektarbeiten, den Einsatz von Ressourcen etc. machen [BMFT 1977: III-20ff]. Graphentheoretische Methoden und die Netzplantechnik sind zwischenzeitlich in Computersysteme implementiert. Als mächtiges Werkzeug haben sich daraus vor allem die Workflowmanagement-Systeme entwickelt, die auch in der Stadtplanung zum Einsatz kommen [vgl. dazu ausführlich Streich 2000]. l) Kartographie/Planungskartographie Karten und Pläne sind die graphischen Darstellungen von in die (Grundriss-)Ebene projizierten Sachverhalten der Erde (oder anderer Himmelskörper – allerdings finden hier zur Zeit raumbezogene Planungen noch nicht statt). Die Kartographie, speziell die Planungskartograhie mit dem Ziel einer anschaulichen Präsentation quantitativer Raum-Informationen stellt die größte Gruppe des stadt- und raumplanerischen Methodenrepertoires dar. Planungskartographische Bezüge durchziehen das gesamte vorliegende Buch, weshalb auf Einzeldarstellungen an dieser Stelle verzichtet wird. Besonders hinzuweisen wäre aber auf das mächtige Methodenrepertoire des Internets mit Geobezug – das bereits als Web 3.0 bezeichnete Geoweb – und auf die Geographischen Informationssysteme (GIS), die heutzutage vielfältig zum Einsatz kommen und vor allem in der städtebaulichen Strukturplanung eine wichtige Rolle spielen.
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Planungsmethoden im Prozess des Planungsablaufs Die Systematisierung des stadtplanerischen Methodenrepertoires nach den einzelnen Phasen des Planungsablaufs ist im Hinblick auf den Anwendungsbezug in der Planungspraxis ein übliches Schema. Im Zusammenhang mit den planungstheoretischen Grundlagen im 2. Kapitel wurde bereits darauf hingewiesen. Während die dortige Zusammenstellung ohne Bezug auf das übliche Planungsprocedere erfolgte, weil sich die qualitativen und quantitativen Methoden gewissermaßen quer durch alle Phasen des Planungsablaufs ziehen, findet nun eine Einteilung des Methodenrepertoires nach Planungsschritten statt. Abbildung 4.11 zeigt in einer Gegenüberstellung die Phasen des Planungsablaufs und die jeweils in Frage kommenden Methoden, die hier allerdings nur exemplarisch wiedergegeben sind und nachfolgend nur in Fällen besonderer methodischer Relevanz erörtert werden. Hinsichtlich der Phase der Bestandserfassung und Situationsanalyse ist zunächst eine wichtige Unterscheidung zu treffen, nämlich die Separierung der städtebaulichen Struktur- von der städtebaulichen Gestaltungsplanung (vgl. dazu die Begründung in Kap. 1 sowie schwerpunktmäßig Kap. 5 und 6). Die Unterscheidung ist notwendig, weil beide Planungsaspekte inhaltlich derart unterschiedlich sind, dass ihnen jeweils ein sehr spezifisches Methodenrepertoire zu eigen ist. Während in der Stadtstrukturplanung statistische Verfahren und die auf Erfassung von Stadtgrundrissen bezogenen Methoden von herausragender Bedeutung sind, geht es bei der Stadtgestaltungsplanung um die Erfassung der dreidimensionalen Ausprägung von Stadträumen vor allem unter gestaltungsästhetischen Aspekten. Darüber hinaus ist bei Bestandserfassungen eine grundsätzliche Unterscheidung zu treffen, nämlich danach, in welchem Umfang und mit welchem Aufwand städtebauliche Erhebungen durchgeführt werden sollen. Unterschieden wird deshalb üblicherweise in: • •
enzyklopädische Erfassung von städtebaulichen Situationen und problemorientierte Erfassung von städtebaulichen Struktur- und Gestaltungselementen.
Würden wir die im Anfangskapitel verwendete Definition von Planung als eine mit „allem verfügbaren Wissen“ operierende Handlungsdomäne beim Wort nehmen, hätte dies konsequenterweise zur Folge, dass stets eine enzyklopädische Vorgehensweise bei der Erfassung von Raum- und Siedlungsstrukturen zu Grunde zu legen wäre. Auch die ökologische Erkenntnis, dass in der Stadtplanung alles mit allem zusammenhängt, spräche dafür. Letzten Endes werden dieser Vorgehensweise dennoch Grenzen gesetzt – aus Gründen der Arbeitsökonomie oder Finanzierbarkeit, oder auch durch die Aussicht, dass zu breit angelegte Situationserfassungen nichts anderes erzeugen als in Konvoluten eingebettete Datenfriedhöfe, d.h. große Datenmengen, die rasch veralten.
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Abb. 4.11: Methoden der Stadtplanung im Planungsablauf Deshalb wird in der Regel die problembezogene Bestandserfassung bevorzugt [vgl. Fehl/Frick 1968; Albers 1975], indem man sich nur auf das eigentliche Problem konzentriert und die dazu entsprechenden Informationen sammelt. Diese Vorgehens-
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weise beinhaltet allerdings ein an den sogenannten hermeneutischen Zirkel erinnerndes Paradox: das Problem, für das die Daten in einer problembezogenen Erfassung zusammengetragen werden sollen, muss nämlich bereits bekannt sein. Wenn aber das Problem an sich schon bekannt ist, läuft die problembezogene Erfassung lediglich auf eine Vervollständigung der (im Prinzip schon vorhandenen) Datenlage hinaus – mehr eigentlich nicht. Eine grundsätzlich neue Problemidentifizierung kann nicht stattfinden, es sei denn, mehr aus Zufall. Hinzu kommt die Schwierigkeit, dass eine problemorientierte Bestandsaufnahme von vornherein auf einen Soll-Ist-Vergleich angelegt ist, weil immer dann etwas als problematisch empfunden wird, wenn gewisse Unzulänglichkeiten in Erscheinung treten. Dies aber setzt stets ein bestimmtes Referenzsystem voraus, das sich in desiderativen Vorstellungen bzw. Leitbildern manifestiert [vgl. Genaueres dazu bei Streich 1988: 98f]. Was die Methoden der Zielfindung betrifft, sei klargestellt – um einem möglichen Missverständnis vorzubeugen –, dass es nicht um Methoden geht, mit denen Ziele – objektiv und losgelöst von zielesetzenden Subjekten – extrahierbar und formulierbar sind. Dieses Missverständnis hat es im Zusammenhang mit dem Einsatz von Computern tatsächlich schon gegeben, etwa in Bezug auf Methoden der Künstlichen Intelligenz, als Überlegungen angestellt wurden, ob und in welcher Weise man den ’Elektronenhirnen’ Eigenständigkeit bis hin zu Wert- und Zielsetzungen würde zugestehen wollen. Dass die planerische Zielfindung und die Setzung von subjektiven Wertpräferenzen aber stets in den Aufgabenbereich von Menschen – Akteuren und Betroffenen – gehört, dürfte unbestritten sein. Auch intelligente Computersysteme werden solche subjektiven Wertpräferenzen nicht ersetzen oder simulieren können.
Abb. 4.12: Zielstrukturierung durch paarweisen Zielvergleich und Hierarchisierung Dennoch können computergestützte Verfahren zur Unterstützung von Zielfindungsprozessen recht zweckdienlich sein. So kann es etwa sinnvoll sein, umfangreichen
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Zielkatalogen, die sich aus politischen Zielsetzungen, Bürgerbeteiligungsverfahren oder der Beteiligung anderer Planungsinstitutionen (z.B. Behörden oder Trägern öffentlicher Belange) ergeben, eine übersichtliche Struktur zu verleihen. Abbildung 4.12 zeigt, wie aus einem gegebenen Zielkatalog, der einen großen Umfang annehmen könnte, eine hierarchische Struktur über paarweisen Zielvergleich und Subordinationsmatrizen extrahiert werden kann. Die Methoden in der Planungsphase Prognose wurden im Wesentlichen bereits weiter oben bei den Prognosemethoden dargelegt und werden deshalb an dieser Stelle nicht weiter behandelt. In der Phase des Planentwurfs kommt das gesamte, schier grenzenlose Spektrum an Entwurfsmethoden, gleich ob manuell oder computergestützt, zum Einsatz. Hinsichtlich des Computereinsatzes stehen CAD-Methoden und Geographische Informationssysteme im Mittelpunkt des Interesses (dazu später in eigenen Kapiteln). Desweiteren spielen die bereits angesprochenen Optimierungsverfahren im Zuge des planerischen Entwurfs eine wichtige Rolle; auch hier findet der Einsatz von computergestützten Verfahren statt. Bei der Alternativenbewertung haben wir es mit schon angesprochenen Selektionsmethoden nach vorgegebenen Kriterien und Präferenzen zu tun, wie sie auch im Falle der Entscheidungsverfahren zum Tragen kommen. Einschlägig sind die Nutzwertanalyse, die Kosten-Nutzen-Analyse und andere Methoden der Entscheidungsfindung, wie sie bereits vorgestellt wurden. Die Methoden der Erfolgskontrolle sind ein weiterer wichtiger Bestandteil des Methodenrepertoires. Allerdings ist festzustellen, dass ihnen häufig nicht hinreichend Aufmerksamkeit geschenkt wird – sei es, dass man die Frage nach dem Erfolg einer Planungsaufgabe nach deren Realisierung nicht so gern stellt, oder sei es, dass der Nachweis über Erfolg und Nichterfolg einer realisierten Planung als zu kompliziert empfunden wird, weil hierfür eine detailgenaue Betrachtung des gesamten abgelaufenen Planungsprozesses mit allen Rückkoppelungen und Friktionen vorzunehmen wäre. Dabei können sich gerade in diesem Fall computergestützte Informationssysteme als außerordentlich hilfreich erweisen, da die Dokumentation des Planungsprozesses lediglich eine Frage der systematischen Organisation aller einschlägigen Informationen ist. Dies gilt letztendlich für alle Spielarten der Erfolgskontrolle, nämlich [vgl. dazu Benz 1998: 260]: • • • • •
Kontrolle des Planungsprozesses und der Planungsorganisation; Plankontrolle, d.h. die Überprüfung der sachlichen und rechtlichen Richtigkeit des Plans selbst; Vollzugskontrolle, womit die Überwachung der Aktivitäten von Vollzugsinstitutionen der Planung gemeint ist; Zielerreichungskontrolle durch eine Gegenüberstellung vorgegebener und tatsächlich erreichter Ziele; Effizienzkontrolle mit Nachweis der Wirtschaftlichkeit eines realisierten Projekts.
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Die in Frage kommenden geeigneten Modelle und Tools im Prozess des Planungsablaufs konnten hier nur exemplarisch dargelegt werden. Eine detaillierte Zusammenstellung von solchen Tools entlang der „Planning Process Road Map“, in der sich vor allem relevante Computertools finden, bietet der Internetauftritt von „PlaceMatters.com“ – einer im Jahre 2002 in den USA gegründeten Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, im Zuge von „vision-centered place-based planning“ fortschrittliche Techniken der Modellierung und Visualisierung der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen [Internet www.placematters.us].
Computereinsatz in der Anwendung von Planungsmethoden Die bisherigen Darstellungen dürften den Stellenwert des Computereinsatzes bei der Anwendung von Planungsmethoden bereits deutlich gemacht haben. Indes geht das in Computersysteme implementierbare Methodenrepertoire weit darüber hinaus. Zwar ist gelegentlich immer noch die Auffassung zu hören, dass die Computertechnik dem raum- und stadtplanerischen Methodenrepertoire keine wirklich neuen Ansätze geliefert habe, doch werden diese Stimmen leiser. Die Ansicht, beim Computereinsatz gehe es doch nur um die Übertragung der traditionellen, insbesondere quantitativen Methoden auf eine grundsätzlich dumme Maschine, ist nicht mehr haltbar. Stimmen dieser Art kann insbesondere entgegengehalten werden, dass es Methodenansätze gibt, die ohne Computertechnologie überhaupt nicht denkbar wären. Dazu gehören beispielsweise komplizierte Analysemethoden auf der Grundlage von Geographischen Informationssystemen ebenso wie die aus den Forschungen der Künstlichen Intelligenz entwickelten wissensbasierten Methoden für die Abb. 4.13: Schema der Turing-Maschine Stadtplanung; dazu gehört aber auch die Einbettung des gesamten einschlägigen Wissens in die Internettechnologie des World Wide Web, so dass es über raffinierte Verfahren der Wissensextrahierung genutzt werden kann. Allerdings ist auch die Auffassung, digitale Maschinen seien ein universelles
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Instrument für sämtliche Arten der Informations- und Wissensverarbeitung, nicht ganz unproblematisch. Wir bewegen uns hier zugegebenermaßen auch erkenntnistheoretisch auf schwierigem Terrain. Einer der großen Pioniere der Computerwissenschaften, Alan Turing, vertrat durchaus die Meinung, sein Modell einer informationsverarbeitenden Maschine sei universell, denn menschliches Gehirn und Rechenautomaten würden nach demselben Prinzip arbeiten. Wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung ist das Schema eines solchen informationsverarbeitenden Systems, das als Turing-Maschine bezeichnet wird, in Abbildung 4.13 wiedergegeben. Zu erkennen ist ein Informationsträger – hier in Gestalt eines in zwei Richtungen sich erstreckenden Bandes – mit diskreten Feldern, auf denen Informationsbestandteile gespeichert werden können. Eine Schreib- und eine Leseeinrichtung – Input und Output – sorgen dafür, dass Information gespeichert und entnommen werden kann. Durch die Verschiebevorrichtung lassen sich Informationen an verschiedenen Stellen des Informationsträgers abspeichern oder wieder abrufen. Gesteuert wird die Maschine durch ihren inneren Zustand auf der Basis der jeweils gelesenen Information. Soweit das universelle Prinzip informationsverarbeitender Maschinen nach dem Modell von Turing. Trotz des universellen Prinzips einer solchen informationsverarbeitenden und als Wissensspeicher verwendbaren Maschine sind Zweifel angebracht, da eine grundsätzliche Differenz besteht zwischen explizitem und implizitem Wissen. Diese sehr wesentliche Unterscheidung ist im Zusammenhang mit sogenannten Expertensystemen sowie Problemen der Wissensextrahierung und Wissensakquisition im Rahmen des Knowledge Engineering diskutiert worden [vgl. dazu ausführlich Maurer 1993: 45; Wachter 2002; Wachter 2004; umfassend vgl. auch Schreyögg/Geiger 2002; außerdem grundsätzlich Polanyi 1985]. Das Wissen im Kopf eines menschlichen Experten ist in der Regel ’nur’ in impliziter Form vorhanden und muss, damit es einem Computersystem zugänglich gemacht werden kann, mit Hilfe von Techniken der Wissensextraktion expliziert werden. Der hierfür notwendige Vorgang ist in keiner Weise trivial, da sich ein wahrer Experte gerade dadurch auszeichnet, dass er in einer Problemsituation intuitiv sofort weiß, was zu tun ist, ohne möglicherweise genau ausdrücken zu können, weshalb er das weiß bzw. nach welchen Regeln und Kriterien seine Experteneinschätzung erfolgt [vgl. dazu Kurbel 1989: 76ff]. Im Alltag ist die Achtung vor einem Experten bzw. einer Expertin dann besonders hoch, wenn sie oder er mit viel implizitem Wissen aufgrund eines großen Erfahrungsschatzes und erlebter Situationen treffsichere Entscheidungen zu fällen vermag. Diese Tatsache korrespondiert mit dem sogenannten Knowledge-Engineering-Paradoxon, das lautet: Je besser ein Experte ist, desto weniger ist er in der Lage, sein Problemlösungswissen explizit zu beschreiben [Kurbel 1989: 78]. Dies erschwert die Implementierung von Expertenwissen in Informationssysteme. Der Einsatz von Computersystemen stößt beim derzeitigen Stand der technischen Entwicklung also immer noch auf Grenzen, allein was die Handhabbarkeit von explizitem und implizitem Wissen betrifft. Gerade in der Stadt- und räumlichen Planung aber haben wir es mit einem großen Anteil von implizitem Expertenwissen
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zu tun, weshalb sich die Implementierung von Planungswissen in Computersysteme einer vollständigen Umsetzung entziehen dürfte. Ohnehin haben sich die Zeiten gewandelt: weg von der grenzenlosen Computergläubigkeit der 60er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts hin zu einer nüchternen, pragmatischen Einstellung zum Computer. Die Faszination und überspannte Erwartung, aber auch mancherlei Befürchtungen von Benutzern gegenüber dem Medium Computer sind dem routinierten Umgang mit einem guten und mächtigen Werkzeug gewichen: „Two words have defined the distinction between the past and the future – power and ubiquity“ [Brail 1987]. Im Bereich der räumlichen Planung ist diese ’Normalisierung’ im Umgang mit Computersystemen daran zu erkennen, dass man computergestützte Methoden auf der Grundlage automatisch ablaufender Algorithmen nur noch in sehr seltenen Fällen zum Einsatz bringt, hingegen aber Methoden bevorzugt, die einen ständigen Benutzereingriff, eine Kommunikation mit dem technischen System und eine Einbettung in soziale Netzwerke des Internets (Web 2.0) erlaubt. Wir haben es allem voran mit Planungsinformationssystemen unter Einsatz der Computertechnik zu tun, die im angelsächsischen Sprachraum als „Computer-Aided Planning Support Systems“ (PSS) bezeichnet werden. Viele der Einzelwerkzeuge und Methoden, die in ihrer traditionellen Form bereits dargelegt wurden und nachfolgend unter dem Aspekt der sehr spezifischen Möglichkeiten (und methodischen Potentiale) des Computereinsatzes noch näher betrachtet werden, sind in solchen Systemen integriert, wie das Schema von Michael Batty in Abbildung 4.14 zeigt: Programme zur Tabellenkalkulation, Geographische InformaAbb. 4.14: Planning Support Systems (PSS) tionssysteme (GIS), Worknach Batty flowmanagement-Systeme zur Unterstützung von planerischen Prozessabläufen etc. [Batty 1993; Batty et al. 1998: 7; Internet www.casa. ucl.ac.uk; Hinweise auf relevante Quellen gibt auch Kammeier 1998: 239ff]. Unter Berücksichtigung all dieser Aspekte werden im Folgenden die Möglichkeiten des Computereinsatzes für das stadtplanerische Methodenrepertoire in ihren wesentlichen Zügen dargelegt – mit Ausnahme von GIS und CAD (Computer-Aided
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Design), die in den Kapiteln zur Stadtstrukturplanung (GIS) sowie städtebaulicher Gestaltungsplanung (CAD) behandelt werden. a) Informationstechnisch adaptierende Verfahren Die erste Gruppe von Methoden besteht in erster Linie aus dem bereits dargestellten traditionellen Methodenrepertoire, das lediglich auf Computersysteme übertragen wird. Bei diesen ’informationstechnisch adaptierenden Verfahren’ geschieht im Prinzip nichts anderes, als dass Methoden, die, zuvor mit Papier und Bleistift ’zu Fuß’ ablaufend, nun in Computersystemen implementiert werden. Diese einfachste und zugleich naivste Form des stadt- und raumplanungsbezogenen Methodeneinsatzes war mit ein Grund für die Auffassung, eigentlich würden Computer zur Erweiterung des planerischen Methodenrepertoires nichts beitragen. Tatsächlich lassen sich nahezu alle der oben aufgeführten traditionellen Methoden mit Hilfe von Computersystemen bearbeiten. Arbeitsökonomisch ergeben sich durchaus Vorteile, denn die Anwendung von Methoden wird dadurch beschleunigt und rationalisiert. Außerdem lassen sich, wie im Falle von Nutzwertanalysen, rasch anwachsende Mengen an Einzeluntersuchungen besser handhaben. Und bei der Generierung von Planungsalternativen ist der Bearbeiter im Gegensatz zum traditionellen Arbeitsvorgang nicht mehr so rasch geneigt, aus arbeitsökonomischen Gründen oder zur Vermeidung von Unübersichtlichkeiten Vorabreduktionen seiner Überlegungen vornehmen zu wollen. Zum traditionellen Repertoire der computertechnisch adaptierenden Verfahren gehört selbstverständlich auch die gesamte Palette der üblichen Standardprogramme wie Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, einfache graphische Datenverarbeitung oder (in bescheidenem Umfang) Bildverarbeitung. Diese werden hier nicht näher behandelt. Das eigentliche Potential der Computertechnik bei der Anwendung von Planungs- und Entwurfsmethoden ist damit keinesfalls auch nur annähernd ausgeschöpft. In den Übergangsbereichen von den traditionellen zu den computergestützten Methoden ist im Übrigen nicht selten ein – durchaus erwünschter – experimenteller Umgang mit dem (digital manipulierbaren) Medium Computer festzustellen: Homo ludens, der spielende Mensch, wird zum medial kompetenten Akteur einer neuen Auffassung von Stadtplanung. b) Simulationsmethoden – Computersimulationen Der Begriff ’Simulation’ steht im Großen und Ganzen synonym für ’Computersimulation’. Darauf sollten wir uns auch an dieser Stelle beschränken und von einer Einbeziehung etwa der gedanklichen, ideellen bzw. verbalen Simulation absehen. Gleiches gilt für gewisse Simulationsmethoden, die auf endoskopische oder holographische Techniken zurückgreifen, die in der Stadtplanung eine Zeit lang eine gewisse Bedeutung hatten [ausführlich dazu vgl. Streich 1983], mehr und mehr
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aber neben den Computersimulationen in den Hintergrund treten. Das Interesse soll an dieser Stelle ausschließlich den computerbezogenen oder computergestützten Simulationen gelten. Darunter fallen alle Verfahren, bei denen eine modellhafte Abbildung der Realität in einem Computersystem stattfindet, um Gesetzmäßigkeiten in der Realität auf die Spur zu kommen oder mit experimentellen Studien neue Ideen für eine Umsetzung in die Realität zu erzeugen. Die Methode der Simulation wird deshalb von manchem auch als eine weitere Methode der Erkenntnisgewinnung neben der direkten Beobachtung von Phänomenen oder dem gezielten Experiment gesehen. Jede Simulation beginnt zunächst mit der Entwicklung eines Simulationsmodells, das die wesentlichen Eigenschaften der zu simulierenden Vorgänge und deren gegenseitigen Beeinflussung widerspiegelt. Unterschieden wird dann ganz grundsätzlich in: •
•
deterministische Simulationen, bei denen alle im Modell verwendeten Größen mathematisch exakt definiert und über eindeutige Zusammenhänge miteinander verknüpft werden, sowie stochastische Simulationen, in deren Modell auch zufallsabhängige Größen Verwendung finden (sog. Monte-Carlo-Simulationen).
Simulationsmodelle und entsprechende Computersimulationen liegen seit den 1960er Jahren in großer Zahl vor. Exemplarisch erwähnt seien in diesem Zusammenhang: 1) das von Jay Forrester et al. unter Anwendung der Computersprache „DYNAMO 2“ entwickelte Simulationsmodell „System Dynamics“/„Urban Dynamics“, das in Deutschland bei der Modellierung des Münchner Wohnungsmarktes zur Anwendung kam [Forrester 1972; Meise/Volwahsen 1980: 312ff u. 338ff; Volwahsen/Sieverts/Blum 1973]; 2) das Simulationsmodell „POLIS“ (vgl. Abb. 4.15), das Abb. 4.15: Teilsysteme des Simulationsbemerkenswerterweise schon zur systems POLIS damaligen Zeit als „vorläufiges Endglied einer Kette deterministischer Verteilungsmodelle auf der Basis des Erreichbarkeits- und Attraktivitätsansatzes“ bezeichnet wurde [Meise/Volwahsen 1980: 321; Batelle Institut 1973].
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Die umfassende Nutzung dieser Modelle und Methoden scheiterte allerdings damals, hauptsächlich wegen ihrer Mathematiklastigkeit und zu geringen Anschaulichkeit. Diese Situation hat sich allerdings in den letzten Jahren so gravierend geändert, dass gegenwärtig an neuen Simulationsmodellen gearbeitet wird. Drei sich überlagernde Trends kommen der Entwicklung von neuartigen Simulationsmodellen und -verfahren zugute: 1) der hohe Entwicklungsstand im Bereich der Computergraphik (CAD) und der Geographischen Informationssysteme (GIS) bis hin zu 3D-Anwendungen; 2) die technischen Möglichkeiten dynamischer Computergraphiken im Rahmen von GIS und einer Vielzahl anderer Werkzeuge bzw. Tools; 3) die Internettechnologie und insbesondere die hypermedialen Möglichkeiten des World Wide Web mit seinen jüngeren Entwicklungstrends in Richtung Geoweb und Smartphone-Nutzung [vgl. ausführlich: Streich/Zeile 2011; Zeile 2010; Dosch 1998: 336f; Laurini 2001: 123ff; Internet www.urbansim.org].
Abb. 4.16: Simulation von Stadtwachstum durch einen zellulären Automaten auf der Basis einer A) deterministischen und B) stochastischen Entscheidungsregel Hiermit in einem unmittelbaren Zusammenhang steht eine weitere, zunehmend an Bedeutung gewinnende Simulationsmethode, nämlich die Anwendung zellulärer Automaten. Dabei handelt es sich – zunächst unabhängig von der uns interessie-
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renden Anwendungsdomäne – um mathematische Idealisierungen, in denen Raum und Zeit diskret abgebildet werden. Üblicherweise besteht ein zellulärer Automat mit computergraphischem Anwendungsbezug aus Rasterzellen, die Werte aus einer endlichen Menge diskreter Elemente aufnehmen können. Der zelluläre Automat entwickelt sich in diskreten Zeitschritten, wobei der Zustandswert einer Zelle zu einem bestimmten Zeitpunkt vom Zustandswert des vorhergehenden Zeitpunkts einer regelmäßigen Zeitfolge abhängt. Der Übergang in einen neuen Zustandswert wird durch Entscheidungsregeln bestimmt, die deterministischer oder stochastischer (zufälliger) Art sein können. Für die Modellierung städtischer Strukturen besitzen zelluläre Automaten viele Vorteile, vor allem die Raumbezogenheit, die Verbindung zur Komplexitäts- und Selbstorganisationstheorie oder die Flexibilität und leichte Handhabbarkeit bei der Visualisierung durch Geographische Informationssysteme (vgl. Abb. 4.16; Kap. 9 enthält ein Anwendungsbeispiel). So können etwa Rasterdaten eines Geographischen Informationssystems direkt als Zellraster eines zellulären Automaten verwendet werden [vgl. ausführlich zu diesem Thema Thinh 2002; Batty 2007; Batty 1998; O’Sullivan/Torrens 2000; vgl. außerdem Kap. 5, Abschnitt „Geometrische Typologien“]. Urbane Gebilde, zum Beispiel Siedlungs- oder Stadtgrundrisse lassen sich auch mit einer weiteren Methode sehr eindrucksvoll modellieren: durch Erzeugung von Fraktalen. Dabei handelt es sich um geometrische Muster, die durch mathematische Prozesse vor allem mittels rekursiver Funktionen entstehen. In einem sehr einfachen Beispiel kann man sich vorstellen, eine geometrische Struktur so herzustellen, dass Teile einer Gesamtstruktur als verkleinerte Kopien von sich selbst erzeugt werden und man diesen Prozess mit immer kleineren, sich selbst ähnlichen Geometrien wiederholt. Ron Eglash, ein amerikanischer Computerwissenschaftler und ‘Ethnomathematiker‘ hat diese Methode zum Beispiel auf Grundrisse von Dörfern und kleinen afrikanischen Ortschaften angewandt mit erstaunlichen Ergebnissen, was die Gegenüberstellung von Realität und Simulation betrifft [vgl. Internet mit kleinen Programmanwendungen für den interessierten Betrachter www.rpi.edu/ ~eglash/... sowie csdt.rpi.edu/african/African_Fractals/culture2.html]. Mit diesen Möglichkeiten, deren Spielarten, Umfang und Potentiale hier nur angedeutet werden konnte, werden die Grenzen herkömmlicher Methoden in der Stadtplanung enorm erweitert. Dies gilt vor allem, wenn dynamische Computervisualisierungen, eingesetzt zur Nachbildung von Prozessen in Stadtstruktur und Stadtgestalt, über das Internet Verbreitung finden bzw. interaktive Zugriffsmöglichkeiten realisiert werden. c) Medienexperimentelle Methoden Mehr noch als bei anderen (traditionellen) Medien liegt, so schrieb die amerikanische Psychologin Sherry Turkle bereits Anfang der 1980er Jahre, die eigentliche kulturelle Bedeutung des Computers darin, ein „evozierendes Objekt“ zu sein (Evokation = Erweckung von Vorstellungen). Mit anderen Worten: Der Computer bringt Menschen auf Ideen [Kurzweil 1990: 68ff].
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Medienexperimentelle Methoden haben seit je her in der Stadtplanung – vor allem bei architekturnahen Gestaltungs- und Entwurfsaufgaben – eine wesentliche Rolle gespielt. Beim Bau von Architektur- oder Städtebaumodellen ist mit traditionellen Modellbaumaterialien ebenso experimentell umgegangen worden wie mit anderen, sogenannten analogen Medien, zu denen insbesondere die Fotographie sowie filmische Sequenzen und Videoinstallationen gehören. Die besondere Qualität von Computersystemen besteht in ihrem Polymorphismus, d.h. der Unbeschränktheit und Universalität der in Frage kommenden Anwendungsdomänen: Informationsverarbeitende Maschinen verhalten sich zur Gesamtheit der Anwendungsdomänen neutral. Die Funktionsweise eines Computers beruht allein auf binären physikalischen Zuständen – Strom ein / Strom aus –, d.h. auf Signalzuständen ohne fachspezifische Semantik. Die Semantik der einzelnen Signalzeichen ergibt sich erst aus dem Kontext der Aufgabe. Da sich – im Gegensatz zu anderen Medien – die Signalzustände leicht, nämlich durch programmiertes (!) Umschalten, verändern lassen, ergeben sich beliebige Manipulationsmöglichkeiten mit einer im Prinzip unendlich großen Zahl an Interpretationsmöglichkeiten. Diese besondere Eigenschaft von Computersystemen lässt sich vor allem auch für Experimentalstudien verwenden. Was den Einsatz in Städtebau und Architektur anbetrifft, so lassen sich folgende Stufen digital-medienexperimenteller Methoden unterscheiden [Streich 1996]: •
• • •
•
multimediale Darstellungen und Präsentationen, z.B. Zusammenführung von Graphiken oder Animationen, inklusive des Einsatzes von Sound bzw. Musik für eine wirkungsvolle Entwurfspräsentation; experimentelles Arbeiten innerhalb der Möglichkeiten gegebener Programme, z.B. sogenannte Bitmapmanipulationen; Übertragung von Bitfolgen aus unterschiedlichen Kontexten und deren Manipulation zur Gewinnung inspirativer Ideen; Programmierarbeiten zur Erzeugung anderweitig nicht realisierbarer Strukturen, beispielsweise – wie erläutert – Fraktalstrukturen als Ergebnis einer Programmierung rekursiver Funktionen; experimentelle Veränderungen an Hardwarekomponenten.
Weiter hinten in diesem Buch werden Beispiele für medienexperimentelle Studien erläutert (vgl. vor allem Kap. 6). d) Wissensbasierte Methoden – Expertensysteme und Künstliche Intelligenz Das für Stadtplanung und Städtebau in Betracht kommende Methodenrepertoire auf der Grundlage von wissensbasierten Systemen ist gegenwärtig noch im Aufbau begriffen. Das Potential ist riesig, Grenzen sind nicht in Sicht. Zunächst sollte erklärt werden, um was es sich bei wissensbasierten Systemen eigentlich handelt, um danach einige exemplarische Methodenansätze für die Stadt-
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planung anzusprechen. Wissensbasierte Systeme stellen nach allgemeiner Interpretation eine Teilmenge der sogenannten Künstlichen Intelligenz (KI) dar. Während es bei der KI darum geht, intelligentes Verhalten durch Computer erfassen und nachvollziehen zu lassen, wird in wissensbasierten Systemen Wissen über einen spezifischen Anwendungsbereich dargestellt [Pews 1999: 66; Kurbel 1989: 25; Laurini 2001: 148ff; Coyne et al. 1990: 48]. Wissensbasierte Systeme sind für die Stadtplanung nicht zuletzt deshalb interessant, weil sich mit ihrer Hilfe auch komplexe, schlecht strukturierte und strukturierbare Probleme mit der Computertechnik bearbeiten lassen (zur begrifflichen Unterscheidung von gut und schlecht strukturierten Problemen wird auf Kap. 2 verwiesen).
Abb. 4.17: Komponenten eines wissensbasierten Systems Fünf Komponenten bilden, wie Abbildung 4.17 zeigt, den Kern eines jeden wissensbasierten Systems, gelegentlich auch als Expertensystem bezeichnet [vgl. allgemeinverständlich z.B. Pews 1999: 69 oder Kurbel 1989: 18, 28f]: • •
• •
die Wissensbasis, in der das Wissen über Fakten und Regeln einer bestimmten Wissensdomäne abgebildet ist; die Problemlösungskomponente, die auch als ’Inferenzmaschine’ bezeichnet wird und Mechanismen zur Verarbeitung dieses Wissens beinhaltet wie beispielsweise die Fähigkeit, Schlussfolgerungen zu ziehen; die Dialogkomponente, mit der die Kommunikation zwischen Benutzer und System stattfindet; die Wissensakquisitionskomponente, mit der das Wissen in die Wissensbasis gebracht wird;
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die Erklärungskomponente, mit der auf Anforderung Begründungen darüber abgegeben werden, auf welche Weise ein Ergebnis aus der Wissensbasis abgeleitet wurde.
Wissensbasis und Problemlösungskomponente, die beiden wichtigsten Komponenten, sind zwar grundsätzlich verschiedene Bestandteile, stehen allerdings miteinander in enger Beziehung, weil die Abarbeitung des Wissens durchaus von der Darstellungsform und dem Aufbau in der Wissensbasis abhängt. Hinzu kommt, dass wissensbasierte Systeme nur explizites Wissen behandeln können und damit hohe Anforderungen an die Techniken des Knowledge Engineering und der Wissensakquisition verbunden sind. Für die Art und Weise, wie wissensbasierte Systeme in der Stadtplanung angewendet werden, kommen vier Möglichkeiten in Betracht: •
•
• •
semantische Netze, bei denen das Wissen auf der Grundlage von Netzwerkstrukturen abgebildet wird; sie erlauben eine komplexe Verzahnung von Begriffen, Objekten, Ereignissen oder Konzepten; objektorientierte Form der Wissensrepräsentation, mit der Einzelgegenstände (’entities’) der realen Welt und ihrer spezifischen Semantik in eine computerinterne Form gebracht werden, so dass über Beziehungen (‘Relationen‘) eine Kommunikation zwischen Objekten realisierbar ist; regelbasierte Wissensrepräsentation, die Entscheidungen über Wenn-dannKonstruktionen ermöglicht; fallbasierte Wissensrepräsentation, deren Wissenskomponente durch das Sammeln von Fällen mit ihren typischen Merkmalen gespeist wird, um aus dieser Fallsammlung später über Anfrage (’retrieval’) bestimmte Fälle zu recherchieren.
Abb. 4.18: Semantisches Netz eines Stadtgefüges durch Hyperdokumente
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Es ist vorstellbar, um hierzu ein Beispiel aus der Stadtplanung zu geben, das städtebauliche Gefüge einer ganzen Stadt als semantisches Netz zu modellieren (vgl. Abb. 4.18), bei dem Gebäude, Straßen oder Grünflächen als Einzelobjekte mit jeweils bestimmten Eigenschaften gehandhabt würden. Die regelbasierte Repräsentation könnte bei der Genehmigung von Bauvorhaben mit den Abstands-Regeln aus den Bauordnungen zum Einsatz kommen, und die fallbasierte Wissensrepräsentation wäre ein mächtiges Werkzeug, um eine städtebauliche Gebäudelehre aufzubauen oder eine Sammlung herausragender städtebaulicher Entwurfsbeispiele zu organisieren. Dies wird später in diesem Buch noch an Einzelbeispielen demonstriert. e) Workgroup Computing Die Methoden des Workgroup Computing sind zur Zeit dabei, die Arbeitsprozesse in Wirtschaft und Verwaltung zu revolutionieren. Auch die Stadtplanung ist davon in positiver Weise betroffen, zumal hier viele, auch sehr heterogene Akteure beteiligt sind. Werkzeuge zur Unterstützung des verteilten Arbeitens an Computern fallen begrifflich unter „Computer Supported Collaborative Work“ (CSCW) und „Workgroup Computing“; sie bieten Unterstützung bei: • • • •
der Koordination von Arbeitsschritten, dem Treffen von Gruppenentscheidungen, der Kommunikation zwischen den Beteiligten sowie dem gemeinsamen Bearbeiten von Objekten.
Eine gemeinschaftlich nutzbare computerbasierte Umgebung, die Workgroup Computing ermöglicht, wird als „Groupware“ bezeichnet, seit einiger Zeit originellerweise auch als „Socialware“ [Urbas/Leuchter 2002]. Hierzu gehören auch ‘Blogs‘/ ‘Weblogs‘, die bei der Herausbildung der Wissensgesellschaft mittlerweile eine zentrale Position einnehmen [vgl. dazu Schweiger 2006]. Gelegentlich werden diese Bezeichnungen zwar als Synonym für bestimmte Softwareprodukte verwendet, tatsächlich aber fallen unter diesen Begriff noch etliche andere Entwicklungen, die insgesamt ein sehr umfassendes Leistungsspektrum anbieten: • • • • • • • •
Systeme zum Nachrichtenaustausch Multiuser-Editoren bis hin zu ‘Wikis‘, den von Benutzern (mit Berechtigungszugriff) bearbeitbaren und veränderbaren Informationssystemen Entscheidungsunterstützungssysteme Computerkonferenzsysteme Intelligente Agenten Koordinationssysteme Projektmanagementsysteme flexible, wissensbasierte Workflowmanagement-Systeme
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Wegen ihrer zunehmenden Bedeutung werden diese Systeme nachfolgend etwas ausführlicher erläutert: Systeme zum Nachrichtenaustausch: Hierunter fallen vor allem electronic-mailSysteme (E-Mail). Sie unterstützen unstrukturierte Kommunikation, d.h. insbesondere den asynchronen Austausch von elektronischer Post, doch können sie auch Merkmale für eine strukturierte Kommunikation enthalten, etwa durch Regeln, Reihenfolgen oder Auswahl der Beteiligten [vgl. Hasenkamp et al. 1994]. Multiuser-Editoren: Sollen Texte durch mehrere Beteiligte erstellt oder redigiert werden, so bedarf es einer detaillierten Aufteilung von Zugriffs- und Änderungsrechten über einzelne Informationsbestandteile (z.B. Texte oder graphische Editoren). Alle Beteiligten müssen etwa über Änderungsvorgänge informiert werden können. Entscheidungsunterstützungssysteme: „Group Decision Support Systems“ (GDSS) unterstützen die Bearbeitung unstrukturierter oder schwach strukturierter Probleme bei Verhandlungen und Entscheidungsprozessen in einer Gruppe, so wie wir sie etwa bei Konsensbildungsprozessen im Zuge der Entwicklung von Leitbildern, wie in Kapitel 2 dargelegt, antreffen. Es gibt Systeme zur Entscheidungsstrukturierung, zur Bewertung und Abstimmung sowie zur Ideenerzeugung [vgl. Hänle 1993]. Beispiele für solche Entscheidungsunterstützungssysteme sind etwa das „lssue Based Information System“ (IBIS) nach Rittel [vgl. Rittel 1992], das System „ZENO“ zur Mediation bzw. Moderation von Kooperation, Argumentation und Diskussion [vgl. Voss 1996] oder auch Expertensysteme als Hilfe für Problemlösungen in klar abgrenzbaren Anwendungsdomänen – z.B. „EXCEPT“ für Umweltverträglichkeitsprüfungen [vgl. hierzu Hübner 1992]. Computerkonferenzsysteme: Die Aktivitäten von einzelnen Benutzern in einer Anwendersoftware sind für die übrigen Mitglieder der Gruppe im gleichen Moment erkennbar. Eingabeberechtigungen können reihum wechseln. Die Kommunikation kann durch Übertragung von Realzeit-Bewegtbildern und Sprache der Benutzer erleichtert werden. Unterschieden wird zwischen Echtzeit-Konferenzsystemen, Telekonferenzsystemen (Videoübertragung) und Desktop-Konferenzsystemen (Integration von Bewegtbild und Softwarenutzung). Intelligente Agenten: Hierbei übernehmen Computer regelbasierte Aufgaben in einer ansonsten von Menschen geprägten verteilten Arbeitsumgebung. Intelligente Agenten können sich auch selbständig in Computernetzen bewegen und bestimmte Aufgaben erledigen, etwa das Sammeln von Informationen nach einem vom Benutzer vorgegebenen Stichwort. Koordinationssysteme: Die Koordination von Einzelaktivitäten der Gruppenmitglieder im Hinblick auf ein gemeinsames Ziel ist die Aufgabe von Koordinationssystemen. Hierzu ist eine Vorstrukturierung des Arbeitsprozesses erforderlich. Unterschieden werden formularbasierte Systeme, die den Dokumentenfluss in einer Organisation unterstützen, ablauforientierte Systeme, die den Geschäftsablauf als Programm behandeln, konversationsorientierte Systeme, die auf den Regeln in einem kommunikativen Gespräch aufbauen (‘Speech Act Theory‘) sowie ‘Communication Structured Models‘, die sich an rollenorientierten Verhaltensweisen orientieren. Projektmanagementsysteme: Wesentliches Kennzeichen der Projektmanage-
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ment-Technik ist die Vorstrukturierung der anstehenden Arbeiten anhand von Parametern wie Aufgaben, ausführende Sachbearbeiter und Zeitvorgaben. Bereits in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden entsprechende Entwicklungen aus der Raumfahrt für die kommunale Planung nutzbar gemacht [vgl. BMFT 1977]. Heute können durch Standard-Softwareprodukte umfangreiche Projekte gesteuert und begleitet werden. Projektmanagementsysteme leisten jedoch nur die äußere Koordination einer Gruppenarbeit. Sie enthalten im Projektstrukturplan ein Abbild des Projektes in Form von Arbeitspaketen und benötigten Ressourcen sowie innerhalb der Ablaufplanung ein detailliertes Muster des zeitlichen Ablaufs. Es fehlt allerdings eine direkte Verbindung zwischen dem im Rechner verwalteten Abbild und der realen, sich ständig verändernden Konstellation des Projekts, bestehend aus den Akteuren, ihren Werkzeugen sowie den vorhandenen bzw. den dynamisch entstehenden Informationen. Marktverfügbare Projektmanagementsysteme sind nur sehr bedingt in der städtebaulichen Planung einsetzbar, denn eine Vorstrukturierung aller Arbeitsabläufe ist vor Beginn der Arbeiten nicht möglich. Dies ist bei einfacher strukturierten Verwaltungsvorgängen, wie etwa der Ausgabe von Führerscheinen oder der Erstellung von Bescheiden für Grundbesitzabgaben möglich, nicht jedoch bei stadtplanerischen Aufgaben mit wechselnden Problemen und Aufgaben, unterschiedlichen Akteuren und Akteursgruppen sowie zeitlichen Vorgaben, die ebenfalls stark voneinander abweichen. Flexible, wissensbasierte Workflowmanagement-Systeme: Diese Systeme unterstützen Arbeitsabläufe eines einzelnen Benutzers oder auch einer Benutzergruppe und bieten die Möglichkeit zur Modifizierung auch noch im Zeitablauf der Bearbeitung selbst. Beispielsweise für die Bearbeitung von Bebauungsplänen lassen sich derartige Systeme einsetzen [vgl. Streich 2000; Wachter 2004]. f) Methoden der Wissensnavigation in hypermedialen Umgebungen Die Methoden der Wissensnavigation in hypermedialen Umgebungen haben in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten mit ungeheurer Dynamik Bedeutung auch in der Stadtplanung erlangt. Grundsätzlich darf diese Art des Umgangs mit Informationen und Wissen wohl als die eigentliche Ausprägung der Wissensgesellschaft interpretiert werden. Die verwendete Begrifflichkeit mag auf den ersten Blick etwas sperrig anmuten. Deshalb einige Erläuterungen: Unter dem Begriff einer hypermedialen Umgebung verbirgt sich eine Struktur von atomaren Wissensfragmenten, die aufgrund von Zusammenhängen (Relationen) semantisch durch sogenannte Links miteinander verknüpft sind. Diese Wissensfragmente sind in Hyperdokumenten gespeichert und können sehr heterogener Natur sein, Texte ebenso beinhalten wie graphische Darstellungen aller Art oder Bewegtbildsequenzen (Animationen). Zwei typische Vertreter von hypermedialen Umgebungen sind: das Internet bzw. das World Wide Web als allgemein zugängliche hypermediale Umgebung und die Intranets in abgeschlossenen Organisationseinheiten von Firmen oder Behörden. Abbildung 4.19 zeigt die grundsätzliche Struktur einer hypermedialen Umgebung. Die Ähnlichkeit mit der in Kapitel 1 darge-
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legten Struktur zur Charakterisierung des Begriffs Wissen ist kein Zufall, sondern zeigt, dass man gerade über die praktisch unbegrenzten Möglichkeit des Hinzufügens von immer neuen Hyperdokumenten tatsächlich zu maschinell organisiertem Wissen gelangt, dessen Strukturierung der Wissensorganisation beim Menschen entspricht [Maurer 1993]. Das Problem, das sich nun allerdings ergibt, indes lautet: Wie können aus den Millionen und Abermillionen Hyperdokumenten die richtigen, d.h. zu einem bestimmten Zeitpunkt für eine bestimmte Person relevanten, Teile extrahiert werden. Um dieses Problem zu lösen, werden Navigationshilfen benötigt. Auch das menschliche Gehirn benutzt solche Navigationshilfen; fehlen sie, können Fehlinterpretationen des Menschen in Bezug auf bestimmte Sachverhalte vorkommen. Ähnliches gilt für hypermeAbb. 4.19: Semantisches Netz (nach Laurini diale Umgebungen, in denen 2001; Laurini und Thompson 1992) es gelegentlich ebenfalls zu fehlerhaften Informationsextraktionen kommt. Für die Navigation in hypermedialen Umgebungen gibt es die folgenden Möglichkeiten: •
•
• •
Navigation über Linkfolgen, d.h. die Strategie besteht darin, die für eine bestimmte Fragestellung relevanten Links in einer Sequenz von Hyperdokumenten aufzurufen und sich anzeigen zu lassen; Navigation über Suchmaschinen, bei denen nach bestimmten Suchwörtern die entsprechenden Adressen von Hyperdokumenten aufgelistet werden; diese Liste kann u.U. sehr lang sein und – ohne eine differenzierte Suchstrategie – schnell zu einer unüberschaubaren, additiven Ansammlung von Links führen; Navigation über Metasuchmaschinen, bei denen mehrere Suchmaschinen gleichzeitig aktiviert werden; Navigation über relationale Suchfunktionen, in denen nicht die additive Sammlung von Hyperdokumenten im Vordergrund steht, sondern die gegenseitigen Beziehungen der Hyperdokumente; die Häufigkeit von Links auf ein bestimmtes Hyperdokument kann ein Indiz für die Wichtigkeit dieses Dokuments sein.
Die letztgenannte Form der Wissensnavigation ist in Abbildung 4.20 dargestellt [Internet: www.kartoo.com; ähnlich auch www.visit.uiuc.edu/information.html]. Auch
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hier zeigt sich erneut die Ähnlichkeit zu dem, was eingangs zu dem Begriff des Wissens gesagt wurde.
Abb. 4.20: Suchmaschine von „Kartoo“ (Quelle: www.kartoo.com) Die Wissensnavigation in hypermedialen Umgebungen kann sich auf traditionelle Textdokumente ebenso beziehen wie auf Graphiken und webbasierte Karten mit entsprechend markierten Sprungstellen zu weiteren verlinkten Dokumenten. All diese Techniken können in der städtebaulichen Planung in dreierlei Hinsicht sehr zweckmäßig eingesetzt werden und zwar [vgl. Burg 1999]: • • •
zur Information über Planungssachverhalte, zur Kommunikation zwischen Planungsakteuren und bei der Partizipation von Bürgern im Prozess von Planungsabläufen.
Verstehen wir diese drei Möglichkeiten der Nutzung hypermedialer Umgebungen im Rahmen von Planungsprozessen als eine Art Stufung, dann steigt der Organisationsaufwand mit jeder Stufe stark an. Lediglich Planungsinformationen anzubieten, die der Benutzer ’passiv’ rezipiert, ist ein relativ leichtes Unterfangen. Kommunikation zwischen den Planungsakteuren – allein über E-Mail oder auch über soge-
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nannte Chat-Rooms etc. – bedeutet organisatorisch schon einen deutlich höheren Aufwand. Und um schließlich Partizipationsmöglichkeiten anzubieten, so dass auch alle Anregungen zu einer Planung vom Planungsträger erfasst und nach relevanten Ordnungskriterien in Datenbanken gespeichert werden, bedeutet in Pflege und Wartung einen doch recht gewaltigen Aufwand. Gleichwohl darf abschließend festgestellt werden, dass all diese Techniken und Methoden der Navigation in hypermedialen Umgebungen zu einer neuartigen Auffassung von städtebaulicher Planung und der Handhabung komplexer Planungsprozesse beitragen, die einer der Wissensgesellschaft angemessenen Form entspricht. g) Realitätsvirtualisierende Methoden Unter dem Begriff ’realitätsvirtualisierende’ Methoden werden diejenigen Techniken zusammengefasst, die mit Hilfe von Computersystemen eine Wechselwirkung zwischen einer simulierten Umwelt und der realen Umwelt herstellen, und zwar unter Echtzeitbedingungen (d.h. ohne zeitliche Verzögerung). Je nach Art oder Stärke dieser Wechselwirkung lassen sich folgende Methoden voneinander unterscheiden: • • •
Virtual Reality Augmented Reality Virtualized Reality
Im Falle der Virtual-Reality-Methoden (VR) geht es im Prinzip darum, Situationen der realen Umwelt in ein Computersystem zu übertragen, so dass in der simulierten Umwelt bestimmte Beobachtungen durchgeführt oder Veränderungen vorgenommen werden können. VR-Methoden – und dieser Bereich umfasst wesentlich mehr als simple Computergraphiken – erlauben beispielsweise in computergraphisch präsentierten Situationen mittels multisensorischer Eingabeeinheiten (bewegungssensitiven Datenhandschuhen etc.) eine dynamische Betrachtung von räumlichen Gebilden und deren Veränderung im virtuellen Raum. Auch die Koppelung einer virtuellen mit einer realen Situation ist möglich, etwa wenn mit Hilfe von Robotern Gebäudeteile hergestellt werden. Die Anwendungsbereiche in der Stadtplanung sind gleichfalls breit gestreut und reichen von der Präsentation virtueller Situationen als ‘VR-Walkthroughs‘ bis hin zu VR-gestützten Bürgerbeteiligungsverfahren [Laurini 2001: 201ff und 255ff]. Speziell für die Verknüpfung von VR und Internet stehen eigene Tools zur Verfügung, unter denen VRML (Virtual Reality Markup Language) die herausragende Rolle spielt. Während bei VR-Verfahren gleichsam die Realität in den Computer hineingeholt wird, steht bei Augmented-Reality-Verfahren gewissermaßen der umgekehrte Fall im Mittelpunkt. Hier werden reale Situationen mit digitalen Zusatzinformationen ausgestattet, so dass die betreffenden Objekte und Gegenstände mit Computersystemen in Kommunikation treten können. So kann ein als Computergraphik erstellter Gebäudeentwurf ähnlich einer traditionellen Fotomontage mit einer aktuellen Realsituation durch Einblendung überlagert werden. Dieser Vorgang kann automatisch
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erfolgen, indem ein mit Verortungstechnik (GPS-Empfänger) ausgestatteter Computer die Bildüberlagerung in Bezug auf Position und Blickrichtung geometrisch exakt ausführt. Im nachfolgenden Abschnitt werden die Verortungsmethoden und andere Sensorik-Verfahren, die dafür notwendig sind, mit ihren Einsatzmöglichkeiten in der Stadtplanung vertieft. Noch einen Schritt weiter gehen die Methoden der Virtualized Reality, bei denen es darum geht, reale Situationen in Echtzeit komplett zu erfassen, in Computersysteme einzuspeisen und dort Beobachtungen zu tätigen oder Veränderungen vorzunehmen. So könnte etwa eine bestimmte Situation bei einem Fußballspiel digital erfasst und vom aktiven Betrachter in sämtlichen Spielzügen beliebig oft aus verschiedenen Blickwinkeln nachvollzogen werden. Auch die Erzeugung modifizierter Spielzüge, also solcher, die es real überhaupt nicht gegeben hat, ist denkbar. Im stadtplanerischen bzw. städtebaulichen Bereich könnten derartige Methoden auf mittel- bis langfristige Sicht etwa bei der Simulation sich dynamisch vollziehender Prozesse angewendet werden, etwa wenn sich die Aufgabe stellt, Benutzerverhalten in städtischen Räumen zu beobachten, zu analysieren und alternative Verhaltensmuster einzuschätzen [Internet www.cs.cmu.edu/afs/cs/project/VirtualizedR/ www/VirtualizedR.html]. Sodann gibt es Ansätze, die Erfassung von Gebäuden und Fassaden durch mit Videokameras ausgestattete Fahrzeuge – ähnlich wie bei „Google Street-view“ – Begrifflich auch dem Thema ‘virtualized reality‘ zuzuordnen [vgl. entsprechende Vorschläge von Avideh Zakhor aus Berkeley: Internet www. futurefeeder.com/?s=zakhor sowie berkeley.edu/news/media/releases/2005/04/ 25_zakhor.shtml].
Das stadtplanerische Methodenrepertoire mit mobilen Computersystemen – Smartphones Smartphones sind, wie Technikhistoriker festgestellt haben, die am schnellsten sich ausbreitende technische Errungenschaft aller Zeiten. Keine andere Technik je zuvor hat sich derart rasch über den gesamten Globus verbreitet wie diese als Kleinstcomputer ausgestatteten Mobiltelefone. Die Besitzer und Nutzer dieser Geräte sind nicht nur in Städten und urbanen Regionen anzutreffen. Selbst bis in die letzten Winkel sehr abseits gelegener ländlicher Räume werden Mobiltelefone und auch dort zunehmend mit smartphone-ähnlichen Funktionen verwendet. Der Nutzen dieser Geräte ist riesig, ihre Wirkungen auf soziale Beziehungen und ökonomische Aktivitäten immens. Ein Beispiel sind Bezahlsysteme auch für kleinste Geldbeträge direkt von Mobiltelefon zu Mobiltelefon, wie sie bereits in Teilen Afrikas und Asiens eingeführt wurden und dazu führen, dass Menschen auch in ländlichen Räumen stärker am ökonomischen Fortschritt teilhaben können; der Gang zur Bankfiliale ist bei Geldtransaktionen nicht mehr zwingend. Kleinbauern und Fischer können jetzt ihre Produkte direkt an die Endabnehmer liefern, indem sie sich über ihre Mobiltelefone mit ihnen in Verbindung setzen und damit den Zwischenhandel oder zentrale Verkaufsmärkte umgehen. Mancherorts ist schon der Effekt einer Verminderung des sogenannten ‘digitale divide‘ erkennbar, also einer Verminderung der Kluft
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zwischen denen, die den Umgang mit dem digitalen System gelernt haben, und denen, die es nicht gelernt haben und es nicht können. Mobiltelefone und Smartphones dürften zu einer Verminderung dieser Kluft führen, ja sogar das Lesen, Schreiben und Rechnen nach der Methode ‘Learning by Doing‘ dauerhaft befördern [bemerkenswerte Analogie dazu von Julian Gough im britischen „Prospect“-Magazin 4/2010 – Internet www.prospectmagazine.co.uk/2010/03/if-i-ruled-the-world-8]. Die Wirkungen der Mobiltelefone und insbesondere der Smartphones auch für die Stadt- und Raumplanung werden gewaltig sein. Nehmen wir das Beispiel ‘Zentralität‘: Vor gut siebzig Jahren hat man sich überlegt, wie Zentralität, also der Bedeutungsüberschuss eines Ortes oder einer Stadt gegenüber anderen Orten oder Städten gemessen werden könnte mit dem Ergebnis, die Zahl von Telefonanschlüssen zu Grunde zu legen. Im Zeitalter der mobilen Kommunikation dürfte dieses Verfahren allerdings obsolet geworden sein. Für Rechenzentren, die einst ebenfalls nach dem Zentralitätsprinzip geschaffen wurden, gilt dasselbe. Damit sind die Wirkungen für Stadt und Raum oder für Institutionen (Rechenzentren etc.) bei weitem nicht ausgelotet und benannt. Ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Forschungsprojekt des Verfassers wird hierzu umfassendes Material und neue Einsichten liefern [Streich/Zeile 2011]. Einige erste Hinweise mögen das Interesse wecken, vor allem im Hinblick auf die methodischen Möglichkeiten, die sich durch diese neue Technologie eröffnen. Drei Eigenschaften sind es, die denen das enorme methodische Potential der mobilen Kommunikationsgeräte mit Computerfunktion – Smartphones also – beruht. Sie sind klein, mobil und verortbar. Es sind nicht die drei Eigenschaften jeweils für sich allein genommen, die den eigentlichen Nutzen ausmachen, sondern die Kombination aus Kleinheit, mobiler Handhabung und Verortbarkeit von Gerät und Benutzeraktivitäten. Diese Kombination aus Eigenschaften erlaubt für diese Klasse von ‘Gadgets‘ (Lifestyle-Geräte – vordergründig eine technische Spielerei) völlig neue Ideen für ihre Nutzung zu entwickeln. Einige dieser Ideen, die sich bereits im Einsatz befinden, seien kurz angesprochen. a) Verortungsmethoden und Sensorik Mit der Verortbarkeit von Smartphones eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten. Eingesetzt wird dafür eine Ortungstechnik, mit der Signale des satellitengestützten „Global Positioning System“ (GPS) empfangen werden können, um daraus die geographische Position des Empfangsgeräts – hier beispielsweise Smartphones – zu bestimmen. Die Lokalisierung und Positionsbestimmung kann auch auf anderem Wege erfolgen (mit höherer oder niedrigerer Genauigkeit), etwa anhand einer Ortung über die Sendemasten zellularer Mobilfunknetze, über WLAN-Netze oder im geodätischen Bereich über den hochgenauen Satellitenpositionierungsdienst der deutschen Landesvermessung (SAPOS) mit ergänzenden terrestrischen Referenzstationen und einer Ortungsgenauigkeit von bis zu einem Zentimeter [erster Überblick im Internet unter: knol.google.co/k/alternative-ortungsmöglichkeiten-zu-gps... sowie www.lvermgeo.rlp.de zum Stichwort ‘SAPOS‘].
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Im Grunde genommen handelt es sich hier um eine Sensorik, bei der die geographische Lage bestimmt wird. Ergänzt werden kann diese Lagebestimmung durch Höhenangaben, die ebenfalls über die GPS-Technik erfolgen. Wenn das verwendete Gerät darüber hinaus noch mit einem Richtungssensor – ‘Kompass‘-Funktion bei einigen Smartphones – und einem Kippsensor ausgestattet ist, dann haben wir ein vollumfängliches räumliches Positionierungssystem mit drei Koordinaten für Lage (x, y) und Höhe (z) sowie drei Ausrichtungswinkeln (Horizontalwinkel, Vertikalwinkel und Kippwinkel des Geräts).
Abb. 4.21: Die sechs Parameter zur Verortung eines Smartphones
Wir haben es damit übrigens mit einem Wissens- und Wissenschaftstransfer ungeahnten Ausmaßes zu tun, wie man sich das noch vor wenigen Jahren nicht hätte vorstellen können. Wer hätte gedacht, dass zentrale Methoden des Vermessungswesen, der Geodäsie, so stark in den Alltag hineinwirken würden, wie es nun bei der Nutzung von mobilen Kommunikationsgeräten der Fall ist. Die zentrale Methode im Vermessungswesen, von der hier kurz die Rede sein soll, ist die synchrone Positions- und Richtungsbestimmung mit sechs Standardparametern. Wenn Vermessungsingenieure beispielsweise aus Bildern – ‘Messbildern‘ – heraus Objekte (z.B. Hausfassaden) vermessen, dann benötigen sie dazu die sogenannten Daten der ‘äußeren Orientierung‘ dieses Bildes: Standpunkt (x, y, z) sowie Blick-/Aufnahmerichtung (Horizontalwinkel, Vertikalwinkel, Kippwinkel: Drehung des Geräts um die Achse der Blickrichtung, im einfachsten Fall also Realisierung des Wechsels von einer Querformat- zur einer Hochformataufnahme). All dies ist nun im Alltagsgebrauch, wenn Smartphones verwendet werden: Der Benutzer bestimmt seine Position mit dem GPS-Empfänger, er fotographiert (= Bildsensor) sodann mit demselben Gerät vielleicht ein Gebäude, indem er es auf das Objekt ausrichtet und dabei möglicherweise ins Hochformat kippt (vgl. Abb. 4.21). Das ‘Gadget‘ wird zum
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tauglichen Multisensor; der Nutzer lernt spielerisch, mit Wissenschaft umzugehen – die Metapher Wissensgesellschaft erhält nunmehr auch einen sehr praktischen Bezug (ergänzend vgl. Kap. 6, Abschnitt „Photographische Erfassungsmethoden ...“ und Abb. 6.12). Die Ortungs- und Richtungssensoren, die in dem gerade erläuterten Beispiel zum Einsatz kommen, sind aber nur der Anfang der Sensorik. Sie sind die notwendige Voraussetzung für den Aufbau eines auf Geolokalisierung begründeten Geowebs, weshalb diese Sensorik-Klasse als Basissensoren bezeichnet wird. Interessant wird es aber dann (insbesondere für die Stadt- und Raumplanung), wenn wir daran anknüpfend weitere Sensoren, vor allem Sensoren, die menschliche Sinnesorgane nachahmen können, in unsere Betrachtungen miteinbeziehen. Wir haben es quasi mit Sinnessensoren zu tun. Unsere ‘Lifestyle-Gadgets‘ leisten auch dies. Folgende Sinnessensoren können zum Einsatz kommen: • • • • • •
visuelle Sensoren – (digitale) Fotographie als Standardausrüstung eines jeden Smartphones; akustische Sensoren – Mikrophon als Sensor für Geräuscherfassung und akustische Messungen; chemische Sensoren – über Datenschnittstellen an Smartphones anschließbar (z.B. NASA CO2-Detektor) Menschen als Sensoren – Erfassung subjektiver Empfindungen über verschiedene Methoden (Spracheingabe, Weblog etc.); sensorische Erfassung sozialer Befindlichkeiten und Beziehungen (z.B. über soziale Netzwerke im Internet und Web 2.0-Techniken); raum-zeitliche Sensorik – Bewegungs- und Beschleunigungssensoren sowie Erfassung von Sinneswahrnehmungen bzw. Phänomenen im zeitlichen Verlauf und in verschiedenen örtlichen Situationen.
Es versteht sich fast von selbst, dass alle geolokalisierten Sensordaten unmittelbar ins Internet eingespeist werden können und dort in Karten („Google Maps“ oder „Google Earth“) oder in sozialen Netzwerken des Web 2.0 sichtbar werden. In einem weiteren Schritt ist der Aufbau von Geosensornetzwerken denkbar, indem räumlich getrennte Einzelsensoren miteinander verknüpft werden. Wenn solche Netzwerke nicht nur technisch mit automatischen Systemen realisiert werden, sondern auch unter Hinzuziehung von Menschen, die sich an der Datenerfassung und Datengewinnung beteiligen, haben wir es, wie bereits angesprochen, mit ‘crowdsourcing‘ oder ‘crowdsensing‘ zu tun. Kurzum: Unsere mit Sensoren ausgestatteten Smartphones sind Geräte zur Realisierung von ‘crowdsourcing‘-Aktivitäten für raumbezogene Phänomene. Die Potentiale für die räumliche Planung liegen auf der Hand, wenn gleichwohl auch eine Reihe von datenschutzrechtlichen Problemen auftauchen, die zu lösen oder zu beachten sind.
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b) Nahfeldkommunikation und QR-Codierung In engem Zusammenhang mit den Verortungsmethoden und der Sensorik stehen Techniken der Nahfeldkommunikation (‘near field communication‘ – NFC). Dabei handelt es sich um eine drahtlose Datenübertragungstechnik mit Radiofrequenzen im Nahbereich von mobilen Geräten. Verwendet werden dazu RFID-Funkchips (RFID = ‘radio frequency identification‘), die mit einem Computer oder Smartphone bei entsprechend ausgerüstetem Empfangsteil kommunizieren können. Objekte wie beispielsweise ein Gebäude, das Informationsplakat für eine Bürgerbeteiligung oder etwas beliebig Anderes kann mit einem winzigen RFID-Chip ausgestattet werden, das Information an das mobile Empfangsgerät liefert, sobald sich der Nutzer eines solchen Gerätes in der Nähe befindet. Manche technikaffinen Stadtplaner sehen in der RFID-Technologie einen völlig neuen Ansatz für die künftige Organisation von ganzen Städten. Der entsprechende konzeptionelle Ansatz firmiert unter dem Begriff „Ubiquitous City“ (kurz: „U-City“), worunter eine Stadt (oder Region) verstanden wird, bei der es eine ubiquitäre Ausstattung mit Informationstechnologie gibt. Alle denkbaren urbanen Informationssysteme – von der Nutzung öffentlicher Verkehrssysteme bis hin zum Abfallrecycling – sind dabei drahtlos miteinander verlinkt und der Einsatz der RFID-Technologie darin integriert. In Süd-Korea gibt es erste Versuche der Realisierung von U-Citys [exemplarisch Shin 2009].
Abb. 4.22: Einsatz der QR-Codierung für eine Gebäudeinformation
Eine konkurrierende Technik zu RFID ist die QR-Codierung (QR = ‘quick response‘) in Form von zweidimensionalen Barcodes. Eine Information, beispielsweise eine Internetadresse, wird dazu in einen QR-Code eingebettet. Dieser Code wird durch einen Decodiervorgang entschlüsselt, indem ein in ein Smartphone eingebauter Fotoapparat mit der dazugehörigen Software diesen Code liest und danach zum
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Beispiel eine direkte Verbindung zum Internet-Browser unter Aufruf und Laden der codierten Internetadresse herstellt. Dieser Vorgang wird ‘mobile tagging‘ genannt. Die Potentiale dieser Technik sind gewaltig. Abbildung 4.22 zeigt das Beispiel einer QR-Codierung im Falle eines zum Verkauf stehenden Gebäudes, das vielleicht irgendwo an der Fassade mit einem QR-Code ausgestattet ist. Jemand, der sich für dieses Gebäude interessiert, kann diesen Code mit seiner SmartphoneKamera erfassen, woraufhin weitergehende Informationen zu diesem Objekt qua Internet geliefert werden. Als weiteres sinnvolles Anwendungsfeld stelle man sich Informationen im Rahmen einer Bürgerbeteiligung bei einem städtebaulichen Planungsverfahren vor, wenn öffentliche Plan- oder Kartenunterlagen zusätzlich mit QR-Codes versehen sind, um Planbegründungen zu liefern, Verbindungen (Links) zu Internetforen herzustellen oder Videosequenzen zu den Planungsentwürfen darzubieten. c) Das Methodenrepertoire im Geoweb und in geobasierten sozialen Netzwerken Geobasierte soziale Netzwerke und das Geoweb – die Kombination von Web 2.0 und Web 3.0 – erföffnen völlig neue methodische Möglichkeiten in der Stadt- und Raumplanung. Einige Stichworte zu den sich abzeichnenden Trends, die zum Teil aus laufenden Forschungsarbeiten des Verfassers entnommen sind, mögen Hinweise liefern und Interesse wecken: •
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Erfassung räumlicher Daten durch Geotagging – das Hinzufügen von räumlichen Informationen bzw. Attributen mit geographischen/geodätischen Koordinaten (‘geotags‘) –, um beispielsweise für die Stadt- oder Raumplanung interessierende Rauminformationen über Standorte von Gebäuden, Bäumen oder etwas beliebig Anderes direkt ‘vor Ort‘ durch eine Person mit einem auf dem Smartphone befindlichen Kartensystem und GPS-Verortung zu erfassen; Erfassung räumlicher Daten im ‘crowdsourcing‘-Prozess: Organisation eines raumbezogenen Erfassungssystems mit derselben Technik wie eben beschrieben durch synchrone oder sequentielle Aktivität einer Personengruppe zu einem städtebaulichen Thema; Beobachtung von Phänomen im zeitlichen Verlauf – deduktives Monitoring: Organisation eines im Geoweb verankerten Beobachtungsprozesses durch eine Planungsinstitution mit Themen bzw. Phänomenen, die für die betreffende Planung als relevant erachtet werden; Beobachtung von Phänomenen und dynamische Hinzufügung neuer Beobachtungsphänomene – induktives Monitoring: Organisation einer durch die Beobachter (Akteursgruppe o.ä.) in Eigeninitiative ergänzbaren Palette von zu beobachtenden Phänomenen der räumlichen Planung im Geoweb und mit geobasierten sozialen Netzwerken; Analysemethoden: Verwendung aller Geoweb-Techniken zur Durchführung von räumlichen Analysen wie etwa Distanzberechnungen, Flächenberechnungen, Zählungen und statistische Auswertungen etc.; Organisation sozialer Aktivitäten im Planungskontext: Nutzung von geobasierten
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sozialen Netzwerken zu Partizipationszwecken bis hin zu ‘smartmob‘-Aktivitäten, bei der eine spontane Selbststrukturierung einer sozialen Gruppe durch (mobile) Kommunikationsmedien stattfindet, um beispielsweise gemeinsame Treffen im Rahmen von Partizipationsaktivitäten vorzubereiten und durchzuführen [Internet www.smartmobs.com]; Prognosen durch geobasierte ‘prediction market‘-Methoden: Nutzung und Auswertung der Inhalte von Blogging-Plattformen, um zu bestimmten Themen (mit oder ohne Geobezug) zu Prognoseeinschätzungen beispielsweise zu einem Planungsgegenstand zu gelangen; Entwurfsarbeit mit ‘augmented reality‘-Techniken: Nutzung einer Kombination aus Verortungstechnik und Computergraphik, bei der Bilder der Realsituation und der städtebaulichen Entwurfsarbeit überlagert werden; Erfolgskontrolle mit geobasierten Weblogs: Auswertung von Diskussionsforen und Weblog-Aktivitäten zu bestimmten Planungsfällen, um daraus Aussagen über Erfolg oder Misserfolg herzuleiten.
Diese Liste wird mit fortschreitender Technik noch erheblich erweiterbar sein. Hinzuweisen wäre vielleicht noch auf Überlegungen, sich bei der Erfassung von Daten nicht nur auf objektive Informationen zu stützen, sondern auch subjektive Informationen miteinzubeziehen. Der Gedanke wirkt zunächst abwegig, ist er aber nicht. Subjektiv ermittelte Daten haben einen Informationswert und können durch Daten-Stützpunkte mit objektiven Werten quasi kalibriert werden (z.B. ‘gefühlte Temperatur‘ im Vergleich zu der tatsächlichen Temperatur). Der Vorteil besteht darin, zwar mit Aufwand aber dennoch relativ kostengünstig zu mehr Daten zu gelangen und – etwa im ‘crowdsourcing‘-Prozess – kontinuierlich eine Verdichtung der räumlichen Daten herbeizuführen. Darüber hinaus sind subjektive Empfindungen von Menschen, die sich in urbanen oder auch nicht-urbanen Räumen bewegen, auch deshalb von wissenschaftlichem Interesse, um Erkenntnisse über das Wohlbefinden zu gewinnen. Die ‘mental-map‘-Methode zur Erfassung subjektiver Eindrücke von Menschen, die sich im Stadtraum bewegen, ist ein prominentes Beispiel (zur Methode selbst vgl. Kap. 6). Mit den mobilen Kommunikationstechniken lassen sich mit relativ einfachen Mitteln auch emotionale Karten – „Emomaps“, wie sie im Rahmen von experimentellen Studien am Fachgebiet des Verfassers genannt wurden – herstellen, um beispielsweise die Aufenthaltsqualität von Stadträumen zu analysieren. Geoweb-Methoden sind für derartige Projekte das unabdingbare technische Hilfsmittel. All diese Aktivitäten werden künftig auf Smartphones mit der entsprechend Ausstattung stattfinden. Wie riesig das methodische Potential dieser Technik ist, mag an dieser Stelle noch einmal mit Nachdruck zu unterstreichen sein. Zugleich wird die Individualisierung von Smartphone-Anwendungen – kurz: ‘apps‘ als Kürzel für ‘applications‘ – voranschreiten mit der Folge, dass viele apps genau auf die jeweilige Einsatzdomäne zugeschnitten sein werden (bis hin zu ‘Personen-apps‘). So steht zu erwarten, dass es im städtebaulichen Zusammenhang apps auch für individuelle Planungsfälle geben wird, die von Planungsorganisationen oder -akteuren beispielsweise zu Partizipationszwecken zur Verfügung gestellt werden.
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Fassen wir all die technischen Möglichkeiten, die Etablierung des Geowebs und die Nutzung geobasierter sozialer Netzwerke zusammen, so können wir als generellen Trend feststellen, dass sich das Methodenrepertoire der Stadtplanung im Umbruch befindet und in Richtung einer ‘smart urban crowdsourcing‘ mit GeowebMethoden geht.
Methoden der Statistik und Parameterschätzung Statistische Methoden sind in der Stadtplanung unverzichtbar. Im Zuge des Bedeutungszuwachses der quantitativen Methoden, der allenthalben in der Stadt- und Raumplanung zu beobachten ist, stoßen auch die Methoden der Statistik und Parameterschätzung wieder auf größeres Interesse. Bevölkerungsvorausschätzungen, Wirtschaftsprognosen, die Messung von Umweltbeeinträchtigungen oder der Artendiversitäten, aber auch Verkehrsmengenerhebungen und Wahrscheinlichkeitsaussagen über Hochwasserereignisse sind Beispiele aus der räumlichen Planung, die eine Anwendung von statistischen Methoden geradezu erzwingen. Die Rede ist hier von Statistik und Parameterschätzung – aus gutem Grund. Während Statistik nach der allgemeinen Definition dazu dient, eine komplexe Welt aufgrund von Beobachtungen empirisch zu erfassen und mittels quantitativer Verfahren bestimmte Eigenschaften in objektiver Form handhabbar zu machen [Voß et al. 2000: 17], wird mit Hilfe der Parameterschätzung diese Aufgabe konkreter gelöst. Nach der Vorgabe bzw. Konstruktion eines mathematischen Modells werden diesbezüglich beste Schätzwerte für die unbekannten Parameter bestimmt [Koch 1980: 2], um dann mit der Statistik charakterisierende Aussagen über Daten auf der Basis dieser Parameter zu treffen. Nachfolgend erfolgt eine Erläuterung der grundlegenden Begriffe und Methoden der Statistik und Parameterschätzung, soweit sie für die Stadtplanung von einiger Relevanz sind. Sollten im Einzelfall tiefergehende statistische Methoden erforderlich sein, wird auf weiterführende Literatur oder auf das Internet, wo es auch eine große Fülle anschaulicher Beispiele und Programme gibt, verwiesen. a) Deskriptive und induktive Statistik Das statistische Methodenrepertoire wird unterteilt in deskriptive und induktive Statistik. Bei der deskriptiven Statistik – der beschreibenden, explorativen oder deduktiven Statistik – geht es im Prinzip um die Informationsverdichtung einer vorgegebenen (großen, unüberschaubaren) Datenmenge – der statistischen Masse – in wenigen charakteristischen Zahlen. Enthält die statistische Masse sämtliche denkbaren Merkmalsausprägungen eines Merkmals von einem Merkmalsträger, wird dies als Grundgesamtheit bezeichnet. Um Daten übersichtlich und informativ zu gestalten, stehen numerische und graphische Methoden zu Verfügung. Kann aus bestimmten Gründen die Grundgesamtheit nicht vollständig beobachtet werden, findet lediglich eine Stichprobenerhebung statt. Werden nun von den Stichproben Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit gezogen, haben wir es mit der
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induktiven Statistik zu tun, die auch beurteilende, schließende, analytische oder Inferenz-Statistik genannt wird. Methoden, aus denen dann Schlussfolgerungen gezogen werden können, sind Verfahren zum Schätzen, zum Testen (von Hypothesen) und zum Modellieren. Um den Unterschied der beiden Arten von Statistik zu verdeutlichen, nehmen wir das folgende typische Beispiel aus dem stadtplanerischen Bereich: Für die Ermittlung der durchschnittlichen Größe aller Zweizimmerwohnungen einer Stadt wäre die deskriptive Statistik zu verwenden. Die induktive Statistik käme dann zum Zuge, wenn Stadtplaner etwa zu beurteilen hätten, inwieweit der Aussage einer statistischen Stichprobe über das Auftreten einer bestimmten Krankheit im Umfeld einer Müllentsorgungsanlage herum zu trauen sei. b) Beobachtungen, Daten und Skalen Jede statistische Untersuchung beginnt damit, dass Beobachtungen zu gewissen Sachverhalten oder bestimmten Objekten vorgenommen werden; dies gilt für die deskriptive ebenso wie für die induktive Statistik. Durch Beobachtungen werden Merkmale in ihren Merkmalsausprägungen untersucht. Unterschieden wird in qualitative Merkmalsausprägungen – z.B. nur rote und weiße Häuser einer Siedlung – und quantitative Merkmalsausprägungen – etwa die Höhe dieser Gebäude. Für derartige Beobachtungen bzw. Untersuchungen sind entsprechende Messskalen zu Grunde zu legen. Bei den quantitativen Merkmalsausprägungen wiederum wird unterschieden in: • •
diskrete Merkmalsausprägungen und stetige Merkmalsausprägungen.
So werden zum Beispiel die Anzahl von Grundstücken in einem Gebiet sowie die Größe dieser Grundstücke auf unterschiedliche Weise ermittelt: durch Abzählen der Grundstücke – als diskrete, ganzzahlige Operation – und durch Bestimmung der Flächengrößen anhand eines Maßstabs – der kontinuierliche Merkmalsausprägung liefert. Abbildung 4.23 zeigt, welche Arten von Skalen es gibt, mit deren Hilfe Beobachtungen oder Messungen durchgeführt werden können. Unterschieden werden nichtmetrische und metrische Skalen (Kardinalskalen) in folgender Weise: • • •
Binärskalen (nicht metrisch, nur dichotomisch bzw. logisch): ein bestimmter Sachverhalt existiert oder existiert nicht (0/1 bzw. wahr/falsch); Nominalskalen (nicht metrisch); z.B.: blau/rot/grün ... mit Operation wie Feststellung von Gleichheit und Ungleichheit; Ordinalskalen (nicht metrisch): Merkmalsausprägungen können in einer Rangfolge abgebildet werden, wobei die Abstände jedoch nicht exakt quantifizierbar sind; zulässige Operation – im Gegensatz zu den Nominalskalen – ist die Be-
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stimmung von Rangfolgen (wenn x>y und y>z, dann x>z); Intervallskalen (metrisch): hier können Differenzen zwischen Merkmalsausprägungen quantifiziert werden, wobei der Bezugspunkt (Nullpunkt) willkürlich gewählt ist; Operationen wie bei Ordinalskalen, zusätzlich aber Bestimmung gleicher Differenzen möglich; Verhältnisskalen (metrisch): wie Intervallskalen, jedoch mit absolutem Bezugspunkt; Operationen wie bei Intervallskalen, zusätzlich aber Bestimmung gleicher Verhältnisse möglich; Absolutskalen (metrisch): wie bei Verhältnisskalen, jedoch mit feststehenden natürlichen Intervallen.
Abb. 4.23: Skalenarten in der Statistik
Neben diesen Skalen gibt es noch zwei weitere für die quantitative Beschreibung von Sachverhalten, die in der räumlichen Planung gelegentlich Verwendung finden: • •
das Semantische Differential (Polaritätsprofil), bei dem Sachverhalte mit polarisierenden Begriffen beschrieben werden, und die nichtverbalen Bilderskalen, mit denen Messungen von Assoziationen mit Hilfe von Bildsequenzen durchgeführt werden.
Semantische Differentiale tauchen in der Stadtplanung beispielsweise bei der Bewertung der gestalterischen Qualität von Gebäudeensembles und Stadtquartieren auf, indem etwa nach schön/hässlich, schlicht/überladen oder ähnlichen Gegensatzpaaren bewertet wird [vgl. Krause 1975: 79f]. Nichtverbale Bilderskalen – auch Q-Sorting genannt – werden etwa bei der Ermittlung von Präferenzstudien über
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städtische Umwelten oder geplante Bauvorhaben verwendet, indem Befragungspersonen Bildsequenzen vorgelegt und die hervorgerufenen Assoziationen bewertet werden. Diese Methoden lassen sich heutzutage in hervorragender Weise in Computersystemen implementieren. Bei der Durchführung und Darstellung von Messungen und Beobachtungen zu Beginn einer statistischen Auswertung können Fehler auftreten, wobei sich in der statistischen Terminologie der Begriff des Fehlers durchaus vielschichtig zeigt. Manche Fehler sind vermeidbar, andere nicht. Folgende Fehlerarten lassen sich unterscheiden [vgl. auch Voß et al. 2000: 22f, oder Sachs 1970: 8]: • • •
• •
Operationalisierungsfehler: das zu untersuchende Problem wurde falsch erkannt; grobe Fehler: sind auf echte Falschmessungen zurückzuführen, etwa durch Falschablesung eines Messgeräts; systematische Fehler: weisen eine Regelmäßigkeit auf; ein Messgerät liefert beispielsweise regelmäßig zu große Messwerte (systematische Fehler lassen sich bei bekannter Systematik der Abweichung durch mathematische Operationen oder durch Kalibrierung des Messgerätes beseitigen); zufällige Fehler: ihnen haftet keine erkennbare Regelmäßigkeit an, d.h. Abweichungen von einem Erwartungswert sind rein zufällig; andere Fehler: z.B. Darstellungs- oder Skalierungsfehler.
Den zufälligen Fehlern gilt das zentrale Interesse der Statistik. Zufällige Schwankungen sind bei voneinander unabhängigen Messungen oder Beobachtungen zunächst ganz normal. Um jedoch die Vertrauenswürdigkeit von Beobachtungen bzw. Messungen einzuschätzen, besteht großes Interesse, den Größenordnungen und Verteilungen von solchen Schwankungen auf den Grund zu gehen. Das Gebiet, das sich mit der Lehre von den mathematischen Gesetzmäßigkeiten des Zufalls beschäftigt, ist die Stochastik (von griech.: mutmaßen, vermuten); sie befasst sich mit der Wahrscheinlichkeit zufälliger Ereignisse, mit Zufallsexperimenten und Zufallsverteilungen. Die räumliche Planung sieht sich mit derartigen zufälligen Ereignissen etwa im Falle von Hochwasserereignissen konfrontiert. Es gilt dann beispielsweise herauszufinden, ob ein besonders stark ausgeprägtes Hochwasser, das einen Ort überflutet hat, ein seltenes, eher als zufällig zu bezeichnendes Ereignis ist oder doch regelmäßig vorkommt (und sei es auch nur, statistisch gesehen, alle hundert oder gar tausend Jahre). c) Deskriptive Statistik Die deskriptive Statistik teilt sich in drei Untergruppen, deren Unterscheidungskriterium die Anzahl der beobachteten bzw. gemessenen Merkmale ist. So erfolgt eine Einteilung der statistischen Methoden in:
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• • •
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univariate Verfahren mit nur einem einzigen Merkmal, bivariate Verfahren mit zwei Merkmalen und multivariate Verfahren mit mehr als zwei Merkmalen.
Zunächst zur univariaten Statistik mit einem einzigen Merkmal. Die Merkmalsausprägungen zu diesem einen Merkmal werden in einer Beobachtungs- oder Messreihe in (möglichst großer Zahl) beobachtet, um eine sogenannte Urliste von Merkmalswerten zu erhalten. Die Frage ist nun, wie man, ausgehend von dieser DatenUrliste, einen Überblick erhält oder zu Zahlenausdrücken gelangt, die die Ausgangsdaten möglichst gut und in komprimierter Form charakterisieren. Liegen nominalskalierte oder ordinalskalierte Beobachtungen vor, wie es in der Stadtplanung häufig der Fall ist, erfolgt die statistische Auswertung durch einfaches Auszählen der Merkmalsausprägungen aller Beobachtungen – um z.B. den jeweiligen Anteil der weiblichen und männlichen Personen in einer Gruppe festzustellen. Zur Darstellung von Ergebnissen kommen folgende Möglichkeiten in Betracht: • • •
Häufigkeitstabellen Stab- bzw. Säulendiagramme Kreissektorendiagramme
Liegen keine diskreten, sondern stetige Beobachtungen vor, sind die Zahlenwerte in ’Klassen’ zu sammeln. Nur auf diese Weise aufbereitet können sie in einem Histogramm graphisch dargestellt werden. Eine spezielle, gleichwohl sehr zweckdienliche statistische Methode ist die Erstellung eines sogenannten Stengel-Blatt-Diagramms (‘stem-leaf-display‘), das zwar nur für Urlisten kleineren Umfangs und für diskrete Zahlenwerte verwendet werden kann, aber zum Verständnis der Begrifflichkeit und auch zur Vorbereitung auf kompliziertere statistische Methoden gute Dienste leistet [Mendenhall/Sincich 1996: 11; Mayer/Sykes 1996: 15ff]. Abbildung 4.24 zeigt zunächst eine Urliste mit 32 Zahlen. Links darunter befindet sich das Stengel-Blatt-Diagramm mit den führenden Zehnerdezimalziffern als ’Stengel’ und den nachfolgenden Ziffern als ’Blätter’. Die Kontur dieses Stengel-BlattDiagramms entspricht einem Säulendiagramm (rechts darunter), das gegenüber dem Stengel-Blatt-Diagramm um 90° gedreht erscheint. Anhand dieser Darstellungen lassen sich nun einige wichtige statistische Begriffe sehr einfach erklären: • • • • • •
Minimum: kleinster Wert in der Urliste; Maximum: größter Wert in der Urliste; Spannweite: Maximumwert minus Minimumwert; Modalwert/Modus: häufigster Wert in der Urliste; Zentralwert/Median: 50% aller Werte der Urliste sind kleiner und 50% aller Werte sind größer als der Medianwert; Quantil/Perzentil: der Medianwert erzeugt zwei 50%-Perzentile (Quantil 0,5) über alle Werte der Urliste, bei einem 30%-Perzentil befinden sich 30% der Werte aus der Urliste innerhalb dieses Bereichs;
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Abb. 4.24: Stengel-Blatt-Diagramm und Herleitung wichtiger Begriffe der deskriptiven Statistik
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• •
• • •
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unteres Quartil/oberes Quartil: ein Viertel aller Werte aus der Urliste befinden sich im oberen/unteren Bereich der Spannweite; ’Ausreißer’: Zahlenwerte, die im Vergleich zu den übrigen Werten der Urliste extrem in die eine oder andere Richtung ausschlagen (Ausreißer sind nicht immer auf fehlerhafte Beobachtungen oder Messungen zurückzuführen und bedürfen stets einer gesonderten kritischen Untersuchung darüber, was den Ausreißer hervorgerufen hat, oder es werden andere, z.B. robuste Schätzverfahren benutzt, die nicht sensibel auf Ausreißer reagieren); Mittelwert: Summe aller Beobachtungsgrößen dividiert durch die Anzahl der Beobachtungen (arithmetisches Mittel aller Beobachtungen); durchschnittliche Abweichung: arithmetisches Mittel der Abstände aller Beobachtungsgrößen vom Lageparameter (z.B. vom Mittelwert); mittlere quadratische Abweichung: arithmetisches Mittel der quadrierten Abstände aller Beobachtungswerte vom Mittelwert (wird daraus die Wurzel gezogen, gibt dieser Zahlenwert die Standardabweichung an).
Anhand dieser Zusammenstellung lässt sich auch der Unterschied zwischen Lageparameter und Streuungsparameter erläutern. Während ein Lageparameter möglichst gut beschreiben soll, wo das Datenmaterial auf der Merkmalsachse lokalisiert ist, gibt ein Streuungsparameter an, inwieweit und in welcher Intensität die Daten auf der Merkmalsachse verstreut sind. Drei gebräuchliche Lageparameter sind Modalwert, Medianwert und arithmetisches Mittel, während Spannweite und Standardabweichung zwei typische Streuungsparameter darstellen. Im Falle der bivariaten Statistik haben wir es mit zweidimensionalem Datenmaterial zu tun. Die entsprechende Urliste der Beobachtungswerte besteht aus Wertepaaren der Form (x, y). Es wäre natürlich möglich, jedes Merkmal mit Hilfe der univariaten Verfahren für sich allein isoliert zu untersuchen. Stehen allerdings die Daten in einem Zusammenhang oder ist zu vermuten, dass ein Zusammenhang vorliegen könnte, wird die Aufgabe interessant, diesen Zusammenhang nachzuweisen und ihn gegebenenfalls in einem mathematischen Ausdruck zu beschreiben. Folgende Methoden zur Auswertung kommen in Betracht: •
• • •
zweidimensionale Häufigkeitstabellen, die im Falle von metrisch oder ordinal messbaren Merkmalen Korrelationstabellen, im Falle nominal messbarer Merkmale Kontingenztabellen heißen; Streuungsdiagramme zur graphischen Darstellung aller Wertepaare in einem zweidimensionalen Koordinatensystem; Korrelationskoeffizient als Maßzahl für die Stärke eines (linearen) Zusammenhangs zweier Merkmale; Regression zur mathematischen Bestimmung der Form des (linearen oder nichtlinearen) Zusammenhangs zweier metrisch messbarer Merkmale.
Korrelationen und Regressionen spielen in der städtebaulichen und räumlichen Planung eine wichtige Rolle. Sie sollten daher etwas eingehender erläutert werden.
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Zunächst zum Korrelationskoeffizienten für metrisch skalierte Beobachtungsgrößen: Das Verfahren zur Bestimmung dieses Koeffizienten besteht darin, alle Abweichungsprodukte zwischen den jeweiligen Mittelwerten und den Beobachtungsgrößen in beiden Koordinatenrichtungen aufzusummieren. Anschließend findet durch Division eine Normierung dieser Werte statt, damit sich ein Korrelationskoeffizient im Intervall zwischen -1 und 1 ergibt. Ein Korrelationskoeffizient 0 bedeutet, dass es zwischen den beobachteten Werten keinen Zusammenhang gibt. Bei einem Korrelationskoeffizienten 1 oder -1 ist der Zusammenhang am stärksten und ohne jede Abweichung; es handelt sich um einen deterministischen Zusammenhang (wobei das Vorzeichen nur auf positive oder negative Korrelation hinweist mit einer ’steigenden’ oder ’fallenden’ Tendenz der Punktwolke im Streudiagramm). Soweit das Prinzip der Korrelation, das sich in der Handhabung als relativ einfach darstellt. Allerdings muss auf zwei Irrtümer im Zusammenhang mit Korrelationen hingewiesen werden, die durchaus gängig sind. Zum einen kann der Korrelationskoeffizient 0 zu dem irrtümlichen Schluss verleiten, dass es zwischen den beiden Messreihen überhaupt keinen Zusammenhang gibt. Dies ist nicht zwingend der Fall, denn ein solcher Zusammenhang kann durchaus existieren, nur eben kein linearer (eine auf einem Kreisumfang angeordnete Punktwolke etwa würde zu einem Korrelationskoeffizienten 0 führen). Zum zweiten besteht stets die Gefahr, dass man Scheinkorrelationen aufsitzt. Die bekannteste Scheinkorrelation ist der Zusammenhang zwischen der abnehmenden Zahl der Störche und einer sich verringernden Geburtenrate. Im Bereich der städtebaulichen Planung etwa wäre eine Korrelation denkbar zwischen der Abnahme der Todesfälle und zunehmender Geschosszahl in Gebäuden, wenn festgestellt worden ist, dass sich im Erdgeschossbereich die meisten Todesfälle ereignen. Dies wiederum könnte Anlass zu der Vermutung geben, Ursache könne eine höhere Immissionsbelastung der Erdgeschosse durch den Straßenverkehr sein. Möglicherweise sitzt man hier aber einer Scheinkorrelation auf, denn der eigentliche Grund dürfte sein, dass ältere Menschen bevorzugt in Erdgeschossbereichen wohnen, weil sie nicht gern Treppen steigen; der Zusammenhang zwischen Geschosszahl, Immissionsbelastung und erhöhter Mortalität ist also nur scheinbar. Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass es auch Korrelationsrechnungen und -koeffizienten für ordinalskalierte und nominalskalierte Beobachtungen gibt, die als Rangkorrelationskoeffizient und Kontingenzkoeffizient bezeichnet werden [vgl. dazu weiterführende Literatur, z.B. Bamberg/Baur 1993: 38ff]. Wenn nun ein Zusammenhang zwischen zwei Merkmalen festgestellt worden ist, besteht der nächste Schritt darin, diesen Zusammenhang in einer möglichst einfachen mathematischen Formel zu beschreiben. Hierfür gibt es das Instrumentarium der Regression. Von den verschiedenen Arten der Regression wird hier nur auf den Fall der linearen Regression – wobei die beiden Parameter einer linearen Funktion geschätzt werden – eingegangen. Um eine nichtlineare Regression handelt es sich, wenn die Parameter komplizierterer Funktionen geschätzt werden. Die Parameterschätzung für den linearen Fall ist recht einfach durchzuführen, denn es gilt lediglich, eine ausgleichende Gerade zu finden, die möglichst optimal
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zwischen allen Beobachtungswerten liegt. Optimal heißt in diesem Fall: Die beiden Parameter der ausgleichenden Geraden sind so zu wählen, dass die Quadratsumme der Abstände aller Beobachtungsgrößen zum Minimum wird, weshalb dieses von Carl Friedrich Gauß entwickelte Verfahren auch als „Methode der kleinsten Quadrate“ bzw. exakter „Methode der kleinsten Abstandsquadratsumme“ bezeichnet wird (vgl. Abb. 4.25). Soweit die grundlegenden Methoden der univariaten und bivariaten Statistik.
Abb. 4.25: Prinzip der Parameterschätzung
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Besteht nun die Aufgabe darin, mehr als zwei Merkmale statistisch zu behandeln, haben wir es mit multivariater Statistik zu tun. Auf eine Vertiefung dieses Zweigs der Statistik soll hier verzichtet werden. Exemplarisch sei die Faktorenanalyse erwähnt, bei der es darum geht, eine Datenreduktion durch Bündelung von Variablen in wenigen Faktoren vorzunehmen. Dies mag sich zwar einfach anhören, jedoch verstecken sich dahinter recht komplizierte mathematische Verfahren. Insgesamt stößt die Faktorenanalyse heute eher auf kritische Distanz [Bamberg/Baur 1993: 236; Steingrube 1998: 81], da ihre Anwendung – nicht zuletzt in der räumlichen Planung und den Sozialwissenschaften – gelegentlich zu unkritischen Interpretationen der Ergebnisse geführt hat. Wegen seiner großen Bedeutung für die räumliche Planung sei abschließend noch auf das Methodeninstrumentarium der Zeitreihenanalyse hingewiesen (vgl. Abb. 4.26). Zeitreihen werden in der räumlichen Planung etwa im Verkehrsbereich, bei der Ver- und Entsorgung (Wasser- und Energieverbrauch) und bei der Berücksichtigung natürlicher Gegebenheiten (Niederschlagsmengen im Jahresverlauf, Abflussverhalten von Flüssen, Temperaturschwankungen etc.) angewandt.
Abb. 4.26: Statistische Zeitreihenanalyse Bei einer statistischen Zeitreihenanalyse handelt es sich um eine Untersuchung des zeitlichen Verhaltens von Mess- bzw. Beobachtungsvariablen. Ziel ist es, etwaige
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Gesetzmäßigkeiten bei aufeinanderfolgenden Werten einer Zeitreihe festzustellen, die zeitliche Entwicklung verschiedener Sachverhalte oder Tatbestände zu vergleichen, quantitative Aussagen über Zeitpunkte des Beobachtungsintervalls, für die kein Wert beobachtet wurde, zu gewinnen (Interpolation) und schließlich Aussagen über Zeitpunkte außerhalb des Beobachtungsintervalls zu formulieren (Extrapolation/Prognose). Konkret analysiert werden bei Zeitreihenanalysen folgende Komponenten: • •
•
die Trendkomponente als langfristige Grundrichtung einer zeitlichen Entwicklung (monoton wachsende oder fallende Funktion; häufig linear); die zyklische Komponente als periodisch wiederkehrender Einfluss (wellenförmige Funktion, wie z.B. bei saisonalen, jahreszeitlichen Einflüssen mit konstanter jährlicher Periodizität); die zufällige Restkomponente (irreguläre Komponente), mit der alle Schwankungen der beobachteten Zeitreihe erfasst werden, die nicht unter die vorgenannten systematischen Komponenten fallen (der Mittelwert dieser Zufallsschwankungen bzw. Störvariablen beträgt Null).
Methoden zur Ermittlung der Zeitreihenkomponenten können beispielsweise so aussehen, dass man zunächst einen Trend durch lineare oder nichtlineare Regression ermittelt und danach zyklische bzw. periodische Einflüsse durch eine spezielle mathematische Funktion modelliert; im Bereich der Ökonomie wird häufig das statistische Glättungsverfahren des ‘gleitenden Durchschnitts‘ verwendet, bei dem Zeitreihenwerte über eine bestimmte Zeitperiode hinweg gemittelt werden. d) Induktive Statistik Bei der induktiven Statistik werden anhand von Daten, die mittels einer Stichprobe gewonnen wurden, weil eine vollständige Datenerhebung nicht möglich war, Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit gezogen. Dazu werden Hypothesen aufgestellt, d.h. Annahmen über interessierende unbekannte Charakteristika der Grundgesamtheit getroffen, die dann über Parameter oder über die Verteilungen einer Grundgesamtheit, d.h. durch Stichprobenuntersuchungen, zu überprüfen sind. Treten Abweichungen auf, ist herauszufinden, ob diese zufälliger oder wesentlicher Natur sind. Die Entscheidung wird herbeigeführt durch Prüfverfahren oder Prüftests, die prinzipiell wie folgt aussehen: • •
• •
Aufstellung der Nullhypothese H0 und der Alternativhypothese HA in Bezug auf einen zu überprüfenden Sachverhalt; Vorgabe einer Irrtumswahrscheinlichkeit bzw. eines Signifikanzniveaus, das die Wahrscheinlichkeit angibt, mit der es zu einer fälschlichen Ablehnung der Nullhypothese H0 kommt; Wahl einer Stichprobenfunktion (Prüfgröße, Testfunktion); Bestimmung des kritischen Bereichs (Verwerfungsbereich);
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Berechnung des Werts der Stichprobenfunktion; Anwendung der Entscheidungsregel: Lehne die Nullhypothese H0 genau dann ab, wenn die Realisierung der Stichprobenfunktion im Verwerfungsbereich liegt.
Große Bedeutung kommt bei diesem Prüfverfahren der Irrtumswahrscheinlichkeit bzw. dem Signifikanzniveau zu. Die Wahl der Irrtumswahrscheinlichkeit – z.B. 5% – hat nämlich zur Folge, dass in 5% der Fälle in Bezug auf die Nullhypothese H0 eine falsche Entscheidung getroffen wird. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn zwischen dem Mittelwert einer Stichprobe und dem Mittelwert der entsprechenden Grundgesamtheit kein Unterschied konstatiert wird, obwohl einer vorliegt. Je kleiner das Signifikanzniveau gewählt wird, desto seltener wird zwar H0 fälschlicherweise abgelehnt, aber um so häufiger wird H0 fälschlicherweise beibehalten. Nur eine Erhöhung des Stichprobenumfangs selbst (Vergrößerung der Zahl von Beobachtungen bzw. Messungen) würde zu einer gleichzeitigen Verminderung beider Fehlerrisiken führen [Sachs 1970: 45]. Von herausragender Bedeutung in der induktiven Statistik sind Beobachtungen bzw. Messungen, die der sogenannten Normalverteilung unterliegen. In diesen Fällen ist ein statistisches Schätzverfahren relativ einfach, vor allem aber anschaulich. Abbildung 4.27 zeigt die Normalverteilung der Größe von Menschen. Typisch ist der glockenförmige Verlauf der Kurve, weshalb sie nach dem Entwickler dieses Verfahrens Gauß’sche GlockenAbb. 4.27: Normalverteilung am Beispiel kurve genannt wird. Ablesbar sind der Körpermaße von Menschen anhand dieser Kurve zunächst Mittelwert und Streuungsparameter. Wird nun auf der Grundlage von normalverteilten Beobachtungen bzw. Messungen ein Vergleich zwischen den Werten der Stichprobe und der Grundgesamtheit vorgenommen, kann dies in einfacher Weise mit diesem Instrumentarium geschehen. Bei Vorgabe einer Irrtumswahrscheinlichkeit können dann Aussagen darüber getroffen werden, ob sich zum Beispiel zwei Mittelwerte signifikant voneinander unterscheiden oder nicht. Die dazu gewählte Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% (je 2,5% auf jeder Seite) ist links und rechts unterhalb der Glockenkurve zu erkennen. Die Bedeutung dieser beiden Bereiche erschließt sich rasch: 5% der getätigten Messungen fallen genau in diesen Bereich. Die Anwendung der induktiven Statistik in der Stadtplanung ist sehr vielschichtig. Ihre Prüfverfahren werden etwa eingesetzt, wenn es darum geht, die Signifikanz von Abweichungen bei der Ermittlung von Grundstückspreisen oder des Mietni-
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veaus in verschiedenen Stadtteilen einer Stadt festzustellen. Weitere Beispiele aus dem Umweltbereich, der Wirtschaft, dem Verkehr oder beim quantitativen Nachweis einer Sanierungserforderlichkeit in Stadterneuerungsgebieten wären möglich. e) Statistische Raumanalysen – Geostatistik Statistische Raumanalysen stellen eine Erweiterung des statistischen Methodenrepertoires mit räumlichen Bezügen dar. Noch führen diese Methoden ein etwas untergeordnetes und wenig beachtetes Dasein. Sie sind für die Stadt- und Raumplanung jedoch unverzichtbar und gewinnen gerade bei Internetanwendungen mit Geobezug – im Geoweb – zunehmend an Bedeutung.
Abb. 4.28: Methoden der Datenregionalisierung
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Methoden der Stadtplanung
Ein treffender Begriff, mit dem die Gesamtheit der Methoden für statistische Raumanalysen gefasst werden könnte, ist Geostatistik. Dieser Begriff wäre geeignet, um alle statistischen Methoden, die irgendeinen Raumbezug haben, mit einem Oberbegriff auszustatten, darunter auch statistische Auswerte- und Analysemethoden unter Anwendung von Geographischen Informationssystemen, bei der Fernerkundung und digitalen Bildverarbeitung oder bei der statistischen Ableitung regionaler Indexzahlen und Klassifizierungen. Aufgrund seiner Herkunft beinhaltet der Begriff Geostatistik derzeit jedoch nur eine spezielle Klasse von Methoden, bei denen es darum geht, aus punktuellen Rauminformationen flächenhafte Informationen und Darstellungen abzuleiten. Bestimmte Raumphänomene – z.B. Klimadaten oder Bodensubstratdaten – können zunächst nur durch punktuelle Messungen erfasst werden. Um daraus eine Verteilung über die Fläche zu gewinnen, werden entweder geometrische Methoden der Datenregionalisierung oder eben geostatistische Methoden verwendet. Abbildung 4.28 zeigt die vier gebräuchlichsten Methoden zur Datenregionalisierung. Gegeben sind Mess- oder Beobachtungspunkte zu einem bestimmten Phänomen im geographischen Raum. Im ersten Fall wird die Regionalisierung durch Erzeugung von Polygonen in halber Distanz um die Messpunkte herum vorgenommen. Im zweiten Fall wird zunächst ein Dreiecksnetz über die Mess- bzw. Stützpunkte gespannt (Methode der Triangulation), um dann zwischen diesen Stützpunkten mittels Interpolation die Datenregionalisierung vorzunehmen. Mit dem Inverse-Distanz-Verfahren im dritten Fall werden Zwischenwerte gewonnen, indem den unbekannten, zu ermittelnden Punkten ein gewichtetes Mittel der benachbarten Punkte zugewiesen wird, wobei sich die Gewichtungen aus den umgekehrten Abständen zu den Messpunkten ergeben. Während die drei genannten Methoden zur Datenregionalisierung quasi deterministisch funktionieren, haben wir es im vierten Fall mit dem eigentlichen geostatistischen Ansatz zu tun. Es handelt sich um ein Interpolationsverfahren, bei dem eine statistische Analyse der gegebenen Messund Beobachtungspunkte stattfindet, um den Zusammenhang zwischen Messpunktentfernungen und Messdatenähnlichkeit festzustellen. Dieser Zusammenhang wird in einem sogenannten ‘Semivariogramm‘ operationalisiert, aus dem dann Gewichtungen für die zu interpolierenden Punkte zwischen den Messpunkten zum Zwecke der Datenregionalisierung abgeleitet werden. Das Verfahren ist nach dem südafrikanischen Bergbauingenieur Danie Gerhardus Krige benannt und wird üblicherweise als ‘Kriging‘ bezeichnet [zum Einstieg in die Thematik www.labo-deutschland.de/Veroeffentlichungen.html, Rubrik „Datengrundlagen und Informationssysteme“]. f) Sonderthemen: unscharfe Daten, Digitale Filterung, Data Mining Drei Sonderthemen der Statistik dürfen bei einer statistischen Gesamtübersicht im Anwendungsbezug der räumlichen Planung nicht fehlen. Zum einen geht es um den Umgang mit sogenannten unscharfen Daten und Mengen – in der angelsächsischen Terminologie auch als ‘fuzzy sets‘ bezeichnet. Es handelt sich dabei um Daten, bei denen keine eindeutige Zuordnung zu einer
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bestimmten abgegrenzten Datenmenge möglich ist. Auch in der Stadt-, Raum- oder Umweltplanung finden sich solche unscharfen Daten. So sind zum Beispiel bei der Erfassung von Ökotopen eindeutig fixierte Grenzziehungen in der Regel nicht möglich – da sachlich nicht begründbar –, was den Einsatz von Geographischen Informationssystemen erschwert, die nur mit klaren geometrischen Abgrenzungen bei den thematischen Aspekten umgehen können. Sinnvoll wäre es in diesen Fällen, auf eher ’schwammige’ Begriffe wie ’groß’ oder ’weit entfernt’ zurückzugreifen und diese auch mathematisch-statistisch handhabbar zu machen. Um dies zu ermöglichen, werden die Werte innerhalb einer Fuzzy-Menge nach dem Grad der Zugehörigkeit zu einer Eigenschaft (meist als reelle Zahl zwischen 0 und 1) zugeordnet. Mit Hilfe einer solchen Zugehörigkeitsfunktion lassen sich dann Mengenoperationen wie Vereinigung und Durchschnitt oder auch kompliziertere statistische Analysen durchführen [Voß et al. 2000: 645ff]. Die Anwendungsfelder der ‘fuzzy sets‘ in der räumlichen Planung reichen von den bereits erwähnten Geographischen Informationssystemen über die Wissensverarbeitung in der Stadtplanung bis hin zu ihren Einsatzmöglichkeiten bei den weiter oben dargelegten Entscheidungs- und Bewertungsmethoden oder ökologischen Risikoanalysen, die eine große strukturelle Ähnlichkeit mit der Fuzzy-Theorie aufweisen [vgl. dazu Eberle in: ARL 1995: 93; außerdem Dosch 1998: 336f; Scholles 2003]. Die Methoden der Digitalen Filterung sind insbesondere beim Einsatz von Geographischen Informationssystemen (GIS) von Bedeutung (vgl. GIS-Grundlagen in Kap. 5). Haben wir es beispielsweise mit einem Raster-GIS zu tun, dann stecken die für den Stadt- bzw. Raumplaner interessanten Rauminformationen im Wesentlichen in den Farbwerten aller Pixelpunkte einer Rasterkarte (Bitmap). Diese Pixelpunkte sind zunächst alle voneinander unabhängig. Es kann aber vorkommen, dass sich innerhalb einer homogenen Fläche weißer Rasterpunkte ein schwarzer Rasterpunkt (möglicherweise ein fehlerhafter Ausreißer) befindet. Mit Hilfe eines Mittelwertfilters lassen sich nun solche Rasterpunkte beseitigen, indem der betrachtete Rasterpunkt beispielsweise mit den Werten seiner 8 direkten Nachbarn gemittelt wird (3x3-Filtermatrix), wodurch letztendlich ein plausibleres Ergebnis bei der Analyse von Rasterkarten erzielt werden kann. Neben dem Mittelwertfilter existiert noch eine große Anzahl weiterer Filtermatrizen (Medianfilter, Binomialfilter, Gradientenfilter, Schärfungsfilter, Hochpass- oder Tiefpassfilter). Zur Vertiefung dieses interessanten Gebiets der digitalen Bildverarbeitung wird auf weiterführende Literatur verwiesen [Star/Estes 1990: 159ff; Göpfert 1991; Internet: www.lrz-muenchen.de/ ~t583101/www/index.html oder 129.187.92.218/materials/ArcView_Grundlagen/ gis_man.pdf]. Schließlich wäre noch kurz auf die Methodik des Data Mining einzugehen, die in der räumlichen Planung stark an Bedeutung gewinnt. Der Grundgedanke dieses statistischen Verfahrens besteht darin, Regularitäten, Muster (‘patterns‘) und Wissen mittels Datenanalysen in den Datenbanken von Computersystemen aufzudecken. Dazu werden bestimmte Assoziationsregeln aufgestellt oder Klassifikationsverfahren angewandt. Auch Verfahren der Mustererkennung (‘pattern recognition‘) können dabei zum Einsatz kommen.
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Methoden der Stadtplanung
In der städtebaulichen Planung können Data-Mining-Verfahren etwa bei der empirischen Erfassung von Einzelobjekten eine wichtige Rolle spielen. Ein interessantes Anwendungsfeld ist die Ableitung städtebaulicher Schätzgrößen aus dem Repertoire von relevanten Daten, die sich in Datenbanken befinden. Sollen beispielsweise Zahl und Größenordnung von Infrastruktureinrichtungen für ein Wohngebiet festgelegt werden, kann man sich über das Data-Mining-Verfahren Informationen aus anderen Projekten beschaffen, um daraus Durchschnittswerte zu bilden, die dann dem konkreten Anwendungsfall zu Grunde gelegt werden können. Eine interessante Anwendungsdomäne für die Methodik des Data Mining hat Martin Behnisch mit seiner umfassenden Studie über die „Operationalisierung der Strukturerkennung und Strukturbildung von Ähnlichkeitsmustern über die gebaute Umwelt“ geliefert – Titel der Studie: „Urban Data Mining“. Die Herausarbeitung von räumlichen und zeitlichen Ähnlichkeitsmustern urbaner Strukturen soll dazu dienen, „allgemeine Sätze über das räumliche Muster von Städten zu formulieren und die Beziehung zwischen den Städten mit bestimmter Funktion und ihren Hinterländern darzustellen“, um „differenzierte Orientierungen für Städte mit weitgehend ähnlichen Problemlagen und Potentialen zu entwickeln“ [Behnisch 2007: 13ff]. Früher nur sehr begrenzt als Aufgabe zu bewältigen, kann Data Mining nun dazu dienen, wie Behnisch zeigt, aus der Datenkomplexität unterschiedlicher Quellen die relevanten Informationen zu extrahieren und auch einen Beitrag zur räumlichen Theoriebildung zu liefern. Ein mit dem Data Mining verwandter Begriff ist der sich mehr und mehr etablierende Begriff ‘Blog Mining‘, womit eine spezielle Art von ‘crowdsourcing‘ bezeichnet wird. Es geht dabei um die Gewinnung von Informationen aus den Blogs des Internets, indem dort nach relevanten Begriffen und Sprachsequenzen gesucht wird in der Erwartung, neuen Ideen oder sich abzeichnenden Trends auf die Spur zu kommen [vgl. z.B. „Blog mining: Scouring blogs for useful information“ im Economist v. 13.03.2010]. Das Interesse der Stadtplanung und raumbezogenen Planung insgesamt an dieser als Partizipationsinstrument verwendbaren Methodik dürfte auf der Hand liegen, wobei allerdings wiederum Fragen nach den Grenzen und Begrenzungsnotwendigkeiten der Datenextrahierung aufgeworfen werden.
Städtebauliche Strukturplanung
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Städtebauliche Strukturplanung
Übersicht In diesem Kapitel wird mit der städtebaulichen Strukturplanung eines der zentralen Themen der Stadtplanung und des Städtebaus aufgegriffen. Im Wesentlichen geht es um die Aufgabe, Städten und Orten ein sinnvoll geordnetes Gefüge zu verleihen. Dabei steht nun die Frage im Vordergrund, aus welchen Einzelelementen ein solches Strukturgefüge besteht, welche Größenausdehnung diese Elemente haben sollen und wie diese im Falle des Entwurfs von städtebaulichen Strukturkonzepten miteinander verknüpft werden können. Sollen Siedlungsstrukturen neu geplant oder fortentwickelt werden, ist eine Vielzahl von Informationen erforderlich, um eine ausreichende Dimensionierung der städtebaulichen Strukturelemente vornehmen zu können. Geographische Informationssysteme (GIS) spielen dabei eine zentrale Rolle; sie sind das geeignete methodische Hilfsmittel bei der städtebaulichen Strukturplanung auf der Basis digitaler Technologien. Die städtebauliche Strukturplanung wird unter folgenden Einzelgesichtspunkten behandelt: • • • • • •
Begriffe und Grundlagen der städtebaulichen Strukturplanung Stadtstrukturtypologien Einzelelemente der Stadtstruktur Informationsgrundlagen für die Stadtstrukturplanung Stadtstrukturelle Konzepte Stadtstrukturelles Entwerfen
Begriffe und Grundlagen der städtebaulichen Strukturplanung Unter Struktur verstehen wir ganz allgemein das Gefüge von Beziehungen, das zwischen den Teilen eines Ganzen besteht. Je nach Beschaffenheit dieser Teile kann
B. Streich, Stadtplanung in der Wissensgesellschaft, DOI 10.1007/978-3-531-93164-7_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Städtebauliche Strukturplanung
es sich um verschiedene Arten von Strukturen handeln. Im Falle, dass wir es mit einem urbanen System zu tun haben, können die folgenden Strukturen voneinander unterschieden werden: • • • • •
baulich-räumliche Struktur Nutzungsstruktur Infrastruktur Wirtschaftsstruktur Sozialstruktur
Baulich-räumliche Strukturen, Nutzungsstrukturen und Infrastrukturen liegen im unmittelbaren Einflussbereich der Stadtplanung. Auf Wirtschafts- und Sozialstrukturen dagegen hat die Stadtplanung eher einen indirekten Einfluss, wenngleich diese Bereiche durchaus auch in starkem Maße – etwa bei Stadterneuerungs- und städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen – Gegenstand stadtplanerischer Überlegungen sind. Wird größeres Gewicht auf die architektonische Ausformung bestimmter Strukturen einer Stadt gelegt, geht es also mehr um visuell erfassbare, dreidimensionale Strukturen, haben wir fließende Übergänge zum Aspekt der städtebaulichen Gestaltung. Dies gilt insbesondere bei der Herausbildung städtischer Räume als wichtige städtebauliche Strukturelemente, wie es etwa bei Platzbildungen der Fall ist. Trotz der Überschneidung in den Randbereichen ist – aus systematischen Gründen und weil sich Zielrichtung und Aufgaben doch erheblich voneinander unterscheiden – eine Differenzierung zwischen Stadtstruktur und Stadtgestalt ratsam. Bei der städtebaulichen Strukturplanung geht es um die Realisierung einer bestmöglichen funktionalen Verknüpfung von einzelnen Strukturelementen, während es Aufgabe der städtebaulichen Gestaltungsplanung ist, eine auf die Wahrnehmungsempfindungen des Menschen ausgerichtete urbane Ausdruckskraft herzustellen, die sich mit Begriffen wie Schönheit, Identifizierbarkeit oder Wohlbefinden charakterisieren lässt (vgl. auch das Kap. 6 „Städtebauliche Gestaltungsplanung“). Eine erste, grobe Vorstellung von städtebaulichen Strukturen erhalten wir, wenn wir in einem Flugzeug sitzend von oben auf einen Stadtkörper blicken. In dieser Draufsicht sind voneinander abgegrenzte Stadtquartiere zu erkennen mit Freiflächen, besiedelten Flächen unterschiedlicher Nutzung und Bebauungsdichte sowie mit einem Straßen-, Wege- und Verkehrssystem. Auch unterschiedlich ausgebildete Baublöcke und einzelne Gebäudetypen lassen sich voneinander unterscheiden. Doch nicht nur diese offensichtlichen Elemente konstituieren eine Stadtstruktur. Hinzu kommen Strukturelemente, die sich unter der Erdoberfläche befinden (Infrastrukturanlagen wie Abwasserkanäle oder das System von Leitungen) oder als Nutzungen in Gebäuden untergebracht sind. Manche dieser Strukturelemente sind gänzlich unsichtbar, gewissermaßen immateriell, gleichwohl für das Funktionieren einer Stadt unverzichtbar. Hierzu gehören beispielsweise die Strukturen bzw. Infrastrukturen der Informationsübertragung und Kommunikation, sei es in Form von Richtfunkstrecken oder Sende- und Empfangsbereichen von Mobiltelefonen.
Städtebauliche Strukturplanung
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a) Städtebauliche Funktionen Ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt der städtebaulichen Strukturplanung ist die Gliederung der Stadt in städtebauliche Funktionen. Darunter ist die Einteilung des Stadtgefüges in einzelne Bereiche mit unterschiedlichen Nutzungsarten zu verstehen. Die Zuordnung dieser Nutzungsarten kann sich auf natürlichem Wege ergeben, etwa, indem sich bestimmte Nutzungen aufgrund von Adhäsionskräften, Fühlungsvorteilen, Austauschrelationen oder Selbstregulationskräften des Marktes in der Nähe anderer Nutzungen ansiedeln. Die strukturelle Anordnung von Nutzungsarten kann (sollte oder muss?) aber auch künstlich durch planerische Maßnahmen erfolgen, wenn zu erwarten ist, dass die Herausbildung auf natürlichem Wege zu unerwünschten Folgewirkungen – vor allem zu gegenseitigen Störungen der Nutzungen, zu ökologisch nicht akzeptablen Eingriffen bzw. Folgewirkungen oder zu sozialen Verwerfungen – führt. Zwar sind Städte in allen Kulturkreisen schon immer nach funktionalen Überlegungen gebaut worden, in der griechischen und der römischen Antike ebenso wie im europäischen Mittelalter und in der Neuzeit. Doch erst im Zuge des aus der Industrialisierung resultierenden enormen Stadtwachstums im 19. Jahrhundert wurden systematische, methodische und konzeptionelle Überlegungen angestellt, wie man durch eine funktionale Gliederung der Städte sinnvolle Siedlungsstrukturen erreichen kann, die vor allem auch den Bedingungen der Industriegesellschaft gerecht werden. Bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden mit Konzepten für bandartige Stadtstrukturen oder Konzepten für die Entflechtung großer städtischer Ballungsräume die ersten städtebaulichen Strukturmodelle entwickelt. Doch erst in den 1920er Jahren ist die Trennung der städtebaulichen Funktionen als Prinzip formuliert worden. Den entscheidenden Markstein und Schlusspunkt all dieser Überlegungen setzte die 4. CIAM-Veranstaltung (das Kürzel CIAM steht für „Congrès International d’Architecture Moderne“), die im Jahre 1933 in Athen stattfand. Auf Betreiben von Charles-Édouard Jeanneret, besser bekannt als ’Le Corbusier’, wurde die funktionale Stadtplanung thematisiert und später in einem programmatischen Manifest – der „Charta von Athen“ – festgehalten [Reinborn 1996: 137ff und 321f; Internet www.tu-harburg.de/b/kuehn]. These 77 dieser Charta von Athen enthält das Prinzip der ’Funktionstrennung’. Allem Städtebau, so heißt es dort, liegen vier Funktionen zu Grunde: Wohnen, Arbeiten, Erholung und Verkehr. Und gleich im Anschluss daran, in These 78, findet sich der Auftrag für die Stadtstrukturplanung, wo es heißt: „Die Planung bestimmt das Gefüge der den vier Funktionen entsprechenden Lebensbereiche und ihren Platz im Gesamtzusammenhang.“ (Auszüge aus der Charta befinden sich auf beiliegender DVD.) Zeitgleich gab es eine breite funktionalistische Bewegung, die vor allem im Bereich der Architektur ihren Niederschlag fand. Die von dem amerikanischen Architekten Louis Sullivan geprägte Metapher „Form follows function“ mag von ihm anders gemeint gewesen sein, traf jedoch die allgemeine Stimmungslage jener Zeit, den funktionalen Aspekten größere Bedeutung beizumessen als der architektoni-
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schen Form [vgl. dazu Klotz 1986, darin insbesondere Posener: 30]. Das Prinzip der Funktionstrennung dominierte die weitere städtebauliche Entwicklung im 20. Jahrhundert und fand ihren Niederschlag in entsprechenden Rechtsvorschriften, von denen als wichtigste in Deutschland die Baunutzungsverordnung (BauNVO) mit ihrem Katalog von differenzierten Nutzungen hervorzuheben ist. In der Sozialgeographie wird im Zusammenhang mit der Funktionstrennung von ’Daseinsgrundfunktionen’ gesprochen [Internet www.uni-muenster.de/Geographie], denen zu genügen als ein wesentlicher Auftrag für Planer erachtet wird. Indes meldeten sich auch kritische Stimmen. Eine der ersten war im Jahre 1961 die amerikanische Journalistin Jane Jacobs, die sich in ihrem Buch „Death and Life of Great American Cities“ vehement gegen die Corbusianisten wandte und für einen Mix der Flächennutzungen aussprach [Jacobs 1961; Hall 1988: 261/234]. Auch die enorm anwachsende Flächeninanspruchnahme für Siedlungszwecke, die in Deutschland zeitweise bis zu 130 ha/Tag betrug, wurde zunehmend als negative Konsequenz aus dem Prinzip der Funktionstrennung gesehen [vgl. ARL 1987], so dass man gegen Ende des 20. Jahrhunderts wieder für eine maßvolle Funktionsmischung plädierte – wobei gegenseitige Störungen bis zu einem gewissen Grad vertretbar schienen. Gewachsenen Funktionsmischungen wurde gar eine städtebauliche Qualität eingeräumt, die es zu erhalten galt; häufig angesprochen und zitiert wurde zu jener Zeit die städtebauliche ’Gemengelage’ im Berliner Stadtteil Kreuzberg, die eine bis heute erkennbare sehr spezifische Ausprägung – die „Kreuzberger Mischung“ – aufweist [Hoffman-Axthelm 1984: 88; zum Gemengelagenbegriff vgl. Bavaj/Schröder 1986: 59 oder Internet www.umweltlexikon-online.de; außerdem Kap. 8 in diesem Buch]. Möglicherweise jedoch werden die Digitaltechniken und ihre funktionalen Erfordernisse bald dafür sorgen, dass die Dichotomie von Funktionstrennung und Funktionsmischung in einem ganz anderen Licht erscheint. Eine Reihe von Indizien – dargelegt zum Beispiel in Manuel Castells’ „Informational City“ [Castells 1989], aber auch in William Mitchell’s „City of Bits“ [Mitchell 1995] – lassen durchaus die Vorstellung plausibel erscheinen, dass wir uns auch in der städtebaulichen Strukturplanung mit einem völlig neuen Paradigma werden auseinandersetzen müssen, das in Anlehnung an Sullivan in folgende Metapher gekleidet werden könnte: Form follows digital function! [ausführlicher dazu vgl. Streich 1995; relevant außerdem Coates/ Mahaffie/Hines 1987] b) Zentrale Aufgabe der Stadtstrukturplanung: Optimierung Im Kern dreht sich bei der städtebaulichen Strukturplanung alles um folgende Frage: Welche Elemente, die städtebauliche Funktionen bestimmen, sind im Einzelfall zu verwenden und wie sind sie miteinander zu verknüpfen? Diese Aufgabe lässt sich im Prinzip recht einfach – als Lösung eines Optimierungsproblems – behandeln und zwar in Bezug auf:
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die Zurverfügungstellung von quantitativ ausreichend bemessenen Flächen, um bestimmte Nutzungen überhaupt realisieren zu können, sowie die zweckmäßige räumliche Anordnung und Zuordnung dieser Nutzungen.
Auf den Punkt gebracht geht es bei der städtebaulichen Strukturplanung also um eine bedürfnisgerechte Bereitstellung und bestmögliche Zuordnung von städtebaulichen Nutzungen: eigentlich eine Optimierungsaufgabe par excellence, die man sich sogar als mathematisches Problem formuliert vorstellen könnte. Das Lösen einer solchen mathematischen Aufgabe hätte allerdings derart gigantische Ausmaße, dass selbst moderne informationsverarbeitende Maschinen davor kapitulieren müssten. Deshalb kann es für die Aufgabe, ein optimales städtebauliches Strukturkonzept mit mathematischen Mitteln zu erarbeiten, keine Gesamtlösung geben, sondern nur Lösungsstrategien für Teilaspekte: im Bereich der Verkehrsplanung etwa zur Minimierung von Verkehrsvorgängen, bei der Suche nach geeigneten Standorten für Infrastrukturanlagen oder auch für die Aufgabe, einen kostengünstigen oder energieoptimalen Wohnungsbau zu realisieren. Dieses Optimierungsmerkmal ist für die städtebauliche Strukturplanung charakteristisch. Es steht, darauf muss nachdrücklich hingewiesen werden, in recht deutlichem Gegensatz zur Arbeitsweise der städtebaulichen Gestaltungsplanung. Denn dort spielt, wie im Einzelnen noch auszuführen sein wird, nicht die bestmögliche Anund Zuordnung von Nutzungen die entscheidende Rolle, sondern die Wechselwirkung zwischen der Erscheinungsweise eines baulich-räumlichen Gefüges und den subjektiven Empfindungen, die es beim Betrachter hervorruft; mit Optimierung ist da nur wenig auszurichten. Wenn aber die städtebauliche Strukturplanung als Optimierungsaufgabe verstanden wird, stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien Optimalität zu bewerten ist. Bezüglich der Bereitstellung von Flächen, auf denen bestimmte Nutzungen realisiert werden sollen, sind folgende Kriterien von ausschlaggebender Bedeutung: • •
Kriterium der Erforderlichkeit: eine bestimmte Funktion bzw. Nutzung wird überhaupt und grundsätzlich benötigt; Kriterium des Flächen- bzw. Raumbedarfs: die betreffende Funktion bzw. Nutzung erzeugt einen quantitativen Anspruch.
Ob eine städtebauliche Funktion überhaupt benötigt wird, hängt ab von der Bedürfnisstruktur der in einem bestimmten Gebiet wohnenden und arbeitenden Menschen oder von den Funktionserfordernissen der Wirtschaft. Dies kann von Land zu Land, von Region zu Region, aber auch von Stadt zu Stadt durchaus erheblich variieren. Eine gewisse Direktive findet sich im deutschen Planungsrecht, wenn nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs Städte bzw. Gemeinden die in ihren städtebaulichen Plänen darzustellende „Bodennutzung nach den voraussehbaren Bedürfnissen“ (§ 1 Abs. 5 und insbesondere § 5 Abs. 1 BauGB) auszurichten haben. Dies gilt vor allem für den Flächennutzungsplan, in dem die städtebaulichen Strukturen für das gesamte Gebiet einer Stadt oder Gemeinde dargestellt werden.
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Die zweite Frage – in welchem Umfang denn die einzelnen städtebaulichen Funktionen zu realisieren sind – hängt von verschiedenen Parametern und städtebaulichen Basisgrößen ab. Bei der Bereitstellung von Flächen für die Funktionsbzw. Nutzungskategorie Wohnen beispielsweise stellen demographische Informationen die wichtigste Bezugsgröße dar. Aus ihnen wird der entsprechende Flächenbedarf abgeleitet, der sich allerdings nicht allein aus der Zahl der unterzubringenden Menschen errechnet, sondern etwa auch Bebauungsdichten – Überbauungsgrad und Bauhöhen – sowie Wohnstandards und quantitative Flächenansprüche (die in Deutschland gegenwärtig im Durchschnitt bei etwa 45 qm Wohnfläche pro Person liegen) miteinbezieht. Worin besteht nun die Optimierungsaufgabe der städtebaulichen Strukturplanung ganz konkret? Auch wenn es auf den ersten Blick den Anschein haben könnte, so geht es nicht darum, dem Flächenbedarf aller Nutzungen in vielleicht gewünschtem Umfange zu genügen. Die Optimierungsaufgabe besteht vielmehr darin, unter der Restriktion beschränkter Flächenverfügbarkeit die Flächenansprüche aller zu berücksichtigenden Nutzungsarten bzw. Funktionen bestmöglich zu erfüllen. Beschränkte Flächenverfügbarkeiten können sich aufgrund von topographischen Gegebenheiten, aus ökologischen Gründen (von jeglicher Nutzungsänderung ausgenommene Flächen) oder allein aufgrund der Tatsache ergeben, dass städtebauliche Funktionen nur innerhalb der eigenen administrativen Grenzen einer Stadt oder Gemeinde realisiert werden können. Mathematisch ausgedrückt heißt das: Minimiere die Summe aller Flächeninanspruchnahmen (Zielfunktion) unter der Randbedingung, dass alle Flächenansprüche bzw. Flächenbedarfe (quantitativ) berücksichtigt werden. Sobald feststeht, dass alle in Frage kommenden Funktionen und städtebaulichen Nutzungen innerhalb der verfügbaren Fläche in quantitativer Hinsicht untergebracht werden können, geht es im nächsten Schritt darum, diese Funktionen räumlich sinnvoll anzuordnen. Auch hier handelt es sich im Prinzip wieder um eine Optimierungsaufgabe. Wo etwa sollen sich die zum Wohnen geeigneten Flächen befinden? Sollen sie in der Nähe von Erholungsflächen liegen oder in der Nähe von Arbeitsplätzen? Ist die Nähe zu bereits vorhandenen Gemeinbedarfseinrichtungen (Kindergärten, Schulen etc.) stärker zu berücksichtigen, oder soll die Erreichbarkeit über Verkehrsanlagen eine höheren Stellenwert bekommen? Grundsätzlich geht es also darum, die Beziehungen (Relationen) zwischen den einzelnen städtebaulichen Funktionen bzw. Nutzungen optimal zu gestalten. Die Kriterien, an denen die Optimalität ausgerichtet wird, können unterschiedlich sein. Eines dieser Kriterien, das bereits in der Charta von Athen formuliert wurde, kann lauten, dass die Summe aller Verkehrsbeziehungen zwischen den Funktionen bzw. Nutzungen zu minimieren ist. Andere Kriterien könnten darin bestehen, den Einfluss von Immissionen auf Menschen möglichst niedrig zu halten, die Kosten von Erschließungsmaßnahmen in einem akzeptablen Rahmen zu halten oder vielleicht auch möglichst vielen Gebäuden eine energieoptimale Südhanglage zuzuordnen. Die Schwierigkeit bei dieser Aufgabe besteht allerdings darin, dass wir in der
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städtebaulichen Strukturplanung sehr viele Optimalitätskriterien zu berücksichtigen haben, die sich im Idealfall ergänzen, häufig aber im Konflikt miteinander befinden. Die Kunst der städtebaulichen Strukturplanung besteht dann darin, die Summe dieser Konflikte zu minimieren. Gewissermaßen könnte man hier von einer Metaebene stadtstruktureller Optimierung sprechen, deren Lösung dann möglicherweise mehr in den Händen politischer Akteure liegt. Und schließlich sei darauf hingewiesen, dass sich – auch ohne direkte planerische Einflussnahme – das Funktionsgefüge von Städten ständig dynamisch verändert. Die Randbedingungen bzw. Restriktionen sind in so starkem Maße permanenten Veränderungen unterworfen, dass es für die stadtstrukturelle Optimierungsaufgabe keine Lösungsverfahren nach cartesianischem Muster geben kann (auch die in Kapitel 4 erläuterte Methode der sogenannten dynamischen Optimierung, also eines Optimierungsprozesses im zeitlichen Verlauf, ist hier nicht anwendbar). Im Übrigen gibt es eine Paradoxie der Optimierung: Wenn etwa alle Städte einer Region eine bestmögliche Ausstattung zu ihrer eigenen Nutzenoptimierung anstreben – zum Beispiel bei Kultureinrichtungen, Infrastruktur etc. –, verschwinden in letzter Konsequenz die Unterschiede. Optimierungsbestrebungen bei allen führen zu einer Nivellierung mit der Konsequenz, dass die Vorteile der Standortoptimierung sinken (vgl. auch Kap. 9). c) Funktions- und Nutzungskategorien im Überblick Nachdem dargelegt ist, dass Stadtstrukturplanung im Wesentlichen ein Zusammenfügen von städtebaulichen Funktionen bzw. Nutzungen zu einem sinnvollen und optimal aufeinander abgestimmten Ganzen bedeutet – getreu der Erkenntnis: das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile (Aristoteles) –, können wir uns nun der Frage zuwenden, aus welchen Teilen bzw. Elementen sich Siedlungsstrukturen zusammenfügen (lassen). Wie bereits erwähnt, unterscheidet die Charta von Athen vier städtebauliche Funktionen: Wohnen, Arbeiten, Erholung und Verkehr. In letzter Konsequenz zielte diese funktionalistische Kategorisierung auf eine Trennung zwischen den Produktionsstätten mit ihren noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts erheblichen Emissionen einerseits sowie den Wohn- und Aufenthaltsbereichen der Menschen außerhalb der industriellen Beschäftigungszeiten andererseits. Dieser ebenso strikte wie einfache städtebauliche Funktionalismus ist deshalb als eindeutige Konsequenz der Industriegesellschaft mit ihren Fertigungsmethoden, Arbeitsweisen und Produktlinien zu interpretieren. Dass im Laufe der Zeit eine weitere Differenzierung der vier städtebaulichen Funktionen der Charta von Athen notwendig wurde, dürfte einleuchten: Mit dem Anwachsen des tertiären Beschäftigungssektors (Dienstleistungen) war es nicht mehr notwendig, derart strikt die Wohnbereiche von den Arbeitsstätten zu trennen. Aber auch im Bereich der industriellen Fertigung und des produzierenden Gewerbes konnten im Laufe der Zeit feinere Differenzierungen nach dem jeweiligen Störungsgrad vorgenommen werden, so dass sich auch hier manche strikte Trennung
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Abb. 5.1: Nutzungstypen in der Gebietsabgrenzung einer Stadt bzw. Gemeinde und deren Begrifflichkeiten
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relativieren ließ. Und wenn wir schließlich davon ausgehen, dass künftige Stadtstrukturen in die Randbedingungen der Wissensgesellschaft einzubetten sind, bei der die ’Produktion’ von Wissen und Informationen im Vordergrund ökonomischer Aktivitäten steht, dann wird sich die strikte Trennung in geometrisch organisierbare Funktionsbereiche in vielerlei Hinsicht ohnehin als obsolet erweisen. Die wichtigste kategoriale Unterscheidung von Stadt- bzw. Siedlungsstrukturen wird allerdings nach wie vor bestehen bleiben, die Differenzierung nämlich in • •
unbebaute Flächen – Freiflächen – und bebaute Flächen – d.h. Siedlungsflächen.
Innerhalb dieser beiden Hauptnutzungskategorien können dann weitere Unterteilungen vorgenommen werden; Abbildung 5.1 zeigt eine systematische Gesamtübersicht [vgl. Borchard 1974: 20]. Unser Augenmerk wird sich in erster Linie auf die bebauten bzw. besiedelten Flächen richten; die Freiraumnutzungen (landwirtschaftliche Flächen, Waldflächen, Wasserflächen und sonstige Flächen) sollen uns nur insoweit interessieren, wie sie in engem und direktem Zusammenhang mit städtebaulichen Aufgaben stehen. Dies allerdings kann nach den Vorschriften im deutschen Planungsrecht durchaus erheblich sein, insbesondere wenn bei Eingriffen in Natur und Landschaft im Flächennutzungsplan „Flächen zum Ausgleich“ darzustellen sind (§ 1a Abs. 3 und § 5 Abs. 2a BauGB). Dies führt bei stadtstrukturellen Planungen zu einer sehr starken Wechselwirkung zwischen den zu bebauenden und den unbebauten Flächen, weil mit jeder Maßnahme der Siedlungsplanung auch Veränderungen im Freiraum oder auf Freiflächen verknüpft sind. Im Rahmen der städtebaulichen Strukturplanung ergeht damit nicht nur ein Optimierungsauftrag für die Siedlungsfunktionen, sondern ebenso für die Freiraumfunktionen, die sich sogar bis auf Gebiete außerhalb des jeweiligen planungshoheitlichen Zugriffs erstrecken können (§ 1a Abs. 3, Satz 3 BauGB: „(...) sonstige geeignete Maßnahmen zum Ausgleich auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen“, dabei kann es sich, als Baulast dinglich gesichert, durchaus um Gebiete anderer Gemeinden handeln). Es sei noch darauf aufmerksam gemacht, dass im Zuge einer städtebaulichen Strukturplanung auch zu berücksichtigen ist, ob einzelnen Flächen Mehrfachnutzungen zugeordnet sind. Dies wäre etwa der Fall bei Erholungs- und Sportarealen auf Freiflächen oder bei Leitungstrassen und Leitungsschutzbereichen in Verbindung mit anderen baulichen und nichtbaulichen Nutzungen etc. [vgl. dazu ausführlich Spitzer 1987: 180ff]. d) Einflusskräfte auf Stadtstrukturen Gegenstand der städtebaulichen Strukturplanung sind die einzelnen Funktionen bzw. Nutzungen einer Stadt, die, miteinander in Beziehung stehend, an bestimmten Stellen lokalisiert sind. Der Tatbestand oder die planerische Entscheidung, weshalb sich nun welche Örtlichkeit für welche Nutzung am besten eignet, wird durch die folgenden Faktoren beeinflusst:
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natürliche Gegebenheiten Lagegunst und Standortvorteile für bestimmte Nutzungen Nachfrage- und Bedarfsstrukturen Planungsmaßnahmen Bodenpreisgefüge
Die natürlichen Gegebenheiten beeinflussen Siedlungsstrukturen in vielfältiger Weise. So können sich etwa bei Vorkommen von Rohstoffen Gewinnung, Verarbeitung und Handel sehr prägend auf die Siedlungsstrukturen auswirken. Einen ebenso großen Einfluss können die topographischen Gegebenheiten ausüben, von denen die Bebaubarkeit von Flächen und ihre Nutzung abhängig ist. Lagegunst und Standortvorteile für bestimmte Nutzungen hängen in erster Linie von den natürlichen Gegebenheiten ab; darüber hinaus sind aber auch andere Faktoren wichtig wie etwa Vorhandensein von Infrastruktureinrichtungen, Erfüllung administrativer Funktionen oder Nähe zu bereits vorhandenen Komplementärnutzungen. Die Nachfrage- und Bedarfsstrukturen, die sich aufgrund der Ansammlung von Menschen und ihren Tätigkeiten (Wirtschaft) ergeben, erzeugen bestimmte stadtstrukturelle Erfordernisse, die zu erfüllen sind. Entweder sorgen die Marktkräfte selbst dafür, dass diese Nutzungen im Stadtgefüge zur Verfügung stehen, oder es muss durch planerische Eingriffe und Aktivitäten der Öffentlichen Hand nachgeholfen werden. Um die Nachfragestrukturen und den künftigen Bedarf zu ermitteln, bedarf es umfangreicher Strukturanalysen und Vorausschätzungen wie Bevölkerungsprognosen und Projektionen der wirtschaftlichen Entwicklung. Die quantitativen Methoden der Stadtplanung, wie sie in Kapitel 4 dargelegt wurden, sind dann von größter Relevanz gerade für die Planung von urbanen Strukturen. Selbstredend, dass Planungsmaßnahmen eine wichtige Rolle bei der Herausbildung von Stadtstrukturen spielen. Bei Stadtgründungen etwa ging und geht es immer auch darum, der Stadt als Ganzen und ihren Teilen explizit bestimmte Funktionen zuzuweisen und diese strukturell zu ordnen. Die verkehrliche Erschließung und auch sonstige Infrastrukturmaßnahmen wie z.B. die Wasserversorgung gelten dabei als wesentliche Subfaktoren der planerischen Aktivitäten. Auch das Bodenpreisgefüge einer Stadt hat erhebliche Auswirkungen auf die Stadtstruktur und deren weitere Entwicklung. Bodenpreise sind eine ökonomische Messgröße für Art und Umfang der Nachfrage nach bestimmten Flächen und für die Einschätzung des auf diesen Flächen erzielbaren Gewinns. Da diese aufgrund der Realisierung bestimmter Nutzungen sehr unterschiedlich ausfallen können, wirken sich die Marktgesetze strukturbildend auf das Stadtgefüge aus. Ein enger Zusammenhang besteht auch zwischen dem Bodenpreisgefüge und anderen Einflussgrößen der Stadtstruktur. So steigen insgesamt die Bodenpreise, wenn die Bevölkerung und somit die Nachfrage wächst; sie sind aber dort eher niedrig, wo es an Infrastruktur mangelt – zum Beispiel wenn Verkehrserschließungen fehlen oder nicht möglich sind. Auch die Sicherheit in Stadtteilen spielt eine wichtige Rolle; der Zusammenhang zwischen Grundstückspreisen und Kriminalitätsraten ist durchaus verifizierbar. In einigen Städten der USA können sich Eigentümer und Kaufinteres-
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senten via Internet anhand von kartographischen Darstellungen und statistischen Informationen über die Kriminalitätsrate einzelner Stadtteile informieren. Auch diese Effekte wirken sich ausgesprochen strukturbildend auf Städte aus [vgl. Näheres dazu Internet www.sannet.org/police sowie www.arjis.org/mapping; außerdem kritisch dazu Werber 1999: 430].
Stadtstrukturtypologien Entwickeln sich Siedlungsstrukturen ohne jegliche planerische Einflussnahme, bilden sich in der Regel dennoch bestimmte Siedlungsstrukturmuster heraus. Bei größeren Siedlungseinheiten allerdings, vor allem bei großen städtischen Agglomerationen, können in diesen frei und ohne planerische Eingriffe sich zeigenden Siedlungsstrukturen unerwünschte Probleme auftauchen, von denen menschenunwürdiges Wohnen oder die Inanspruchnahme und Zerstörung von Ressourcen und Umwelt die vielleicht gravierendsten sind. Genau an diesem Punkt setzt die Siedlungsstrukturplanung an. Stadtplaner haben zu diesem Zweck Strukturtypologien auf verschiedenen Maßstabsebenen entwickelt, denen wir uns in einem kurzen Überblick zuwenden wollen. a) Historische Bezüge Immer schon haben diejenigen, die sich in der Geschichte mit der Gründung und Fortentwicklung von Städten und Ortschaften beschäftigten, von Anfang an sehr konkrete Vorstellungen darüber entwickelt, wie die strukturelle Ordnung und Aufteilung der von ihnen entworfenen Siedlungseinheiten auszusehen hätte. Zu nennen wären beispielsweise [vgl. Benevolo 1975/1983 oder Lichtenberger 1986]: •
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im Falle der antiken griechischen Stadt eine Dreiteilung der Stadtstruktur in einen öffentlichen Bereich (Agora), einen heiligen (Akropolis) und einen privaten Bereich (bei späteren Stadtgründungen überdies mit einem regelmäßigen Straßenraster – dem ’Hippodamischen Raster’ – ausgestattet); im antiken römischen Städtebau eine stadtstrukturelle Organisation, die sich aus militärstrategischen Erwägungen sowie einer aus dem Cardo-Decumanus-Prinzip sich ergebenden Vierteilung des Stadtgefüges (in Quartiere) herleitete; im mittelalterlichen Städtebau mit den stadtstrukturprägenden Marktfunktionen sowie den städtebaulich markanten Bauten, durch die weltliche und religiöse Kräfte ihre Macht und Stärke demonstrierten; im absolutistischen Städtebau mit der stadtstrukturellen Fixierung axialer Systeme im Stadtgrundriss und einem stadträumlichen Bezug zur Schlossanlage bzw. zum Herrschaftssitz, was ebenfalls zur Demonstration von zentralen Machtansprüchen dienen sollte; im Städtebau der liberalen Epoche mit Siedlungsstrukturen, die primär auf das reibungslose Funktionieren industrieller Produktionsweisen ausgerichtet waren.
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Diese exemplarische Aufzählung zeigt in groben Zügen, unter welchen Gesichtspunkten über die Jahrhunderte hinweg Stadtstrukturen geplant und realisiert wurden (vgl. weiterführend auch Kap. 11 in diesem Buch). Die Epoche seit Beginn der Industrialisierung sei jedoch etwas genauer betrachtet, weil zu dieser Zeit eine Reihe von Stadt- und Siedlungsstrukturkonzepten entwickelt wurden, die bis heute von Bedeutung sind. Auslösendes Moment für die Entwicklung neuer Konzepte war die zwingende Notwendigkeit, die Probleme der Städte in den Griff zu bekommen, welche durch ihr explosionsartiges Wachstum infolge der Industriellen Revolution entstanden waren. Dass dieser Problemlösungsdruck letztendlich zur Entstehung der Disziplin Stadtplanung bzw. Städtebau selbst beitrug, sei nochmals hervorgehoben. Zwei kontroverse Auffassungen, wie mit dem Phänomen des Stadtwachstums umzugehen sei, die Akzeptanz und die Nichtakzeptanz von großstädtischen Agglomerationen nämlich, haben zu grundsätzlich unterschiedlichen konzeptionellen Strategien geführt. Unbehagen gegenüber dem Moloch Großstadt und Kritik an der Großstadtzivilisation waren um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert unter Kulturkritikern, Schriftstellern und generellen Skeptikern gegenüber jegliche urbane Zivilisation weit verbreitet [vgl. Reinborn 1996: 31, 39], wobei „mit der Gegnerschaft zur befreienden Stadtluft die Verklärung des Landlebens einherging“; vor allem bereitete „das urbane Sexualleben den Großstadtkritikern seit jeher das schwerste Kopfzerbrechen“ [Henschel 2007]. Während aber diejenigen, die sich gegen ein unbegrenztes Wachstum von Städten aussprachen, entflochtene Strukturen von Stadteinheiten und dazwischen befindlichen Freiräumen entwickelten, versuchten die Protagonisten der anderen Position, Konzeptionen für eine Auflösung der Stadt (Dezentralisierung und Größenbegrenzung) oder zumindest für eine ’innere’ Gliederung städtischer Räume in überschaubare, quasi nachbarschaftliche Einheiten zu entwerfen. So überlegte sich der englische Planer Ebenezer Howard, von Beruf Parlamentsstenograph, ein Gartenstadtkonzept, das – mit dem Ziel, große Agglomerationen zu entflechten – etwa um London herum ein System autonomer Stadteinheiten mit begrenzter Einwohnerzahl (ca. 32.000) vorsah. Dieses TrabantenstadtKonzept fand starken Widerhall überall auf der Welt, so auch in Deutschland, wo im Jahre 1902 die Deutsche Gartenstadtbewegung gegründet wurde, wenngleich hier auch nur kleinere Siedlungseinheiten bzw. Gartenvorstädte wie beispielsweise Essen-Margarethenhöhe oder Dresden-Hellerau realisiert wurden [Reinborn 1996: 70ff]. Ein anderer konzeptioneller Ansatz, der etwa zeitgleich – in den 1880er Jahren – von dem Spanier Arturo Soria y Mata für Madrid entwickelt wurde, zielte auf eine für jene Zeit völlig neue Art der Lenkung von Stadterweiterungen. Im Zusammenhang mit Trassenführungen für die neue Straßenbahn in das Madrider Umland hinein entwarf Soria y Mata ein Bandstadtkonzept mit einer hochverdichteten Siedlungsachse, in deren Mitte die Straßenbahn als öffentliches Transportsystem vorgesehen wurde. Auch dieses Strukturkonzept stieß weltweit auf großes Interesse; es wurde vielfach nachgeahmt und fortentwickelt [vgl. ausführlich Kainrath 1997]. Die strukturelle Organisation des Stadtgefüges mittels sogenannter Nachbar-
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schaftseinheiten war eher auf eine Gliederung großstädtischer Agglomerationen hin intendiert. Das Gliederungskonzept geht auf den Amerikaner Clarence Arthur Perry zurück, der – als Planer-Soziologe – sein ’Neighbourhood Unit’-Konzept in die spezifischen Besonderheiten des US-amerikanischen (Demokratie-)Verständnisses nachbarschaftlicher Hilfe und Kontrolle einbettete [Hall 1988: 123ff]. Auch dieses städtebauliche Strukturkonzept fand weltweit viele Nachahmer, so etwa in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg mit dem Konzept der „gegliederten und aufgelockerten Stadt“ [Reinborn 1996: 180ff]. Und schließlich sei nochmals auf das Konzept der Funktionstrennung hingewiesen, das die Stadtstrukturplanung bis heute nachhaltig bestimmt hat. b) Geometrische Typologien Bereits dieser knappe historische Überblick hat deutlich gemacht, dass geometrisch fundierte Konzepte bei der Entwicklung von Siedlungsstrukturen eine wesentliche Rolle spielen. Da sich städtebauliche Strukturplanung in Grundrissformen abspielt, kommen zunächst drei geometrische Grundtypen in Frage: Punkt, Linie und Fläche, die als geometrische Grundeinheiten von Stadtstrukturen bezeichnet werden können (vgl. Abb. 5.2). Daraus lassen sich die folgenden geometrischen Grundtypen für Siedlungsstrukturen oder Stadtformen ableiten [Albers 1988: 217; Hotzan 1994: 90; Streich 1990]: • • •
konzentrisch-kompakte bzw. punktuelle Stadt-/Siedlungsstrukturen lineare bzw. bandartige Stadt-/Siedlungsstrukturen flächenhafte Stadt-/Siedlungsstrukturen
Im Falle von punktuellen bzw. konzentrisch-kompakten Strukturformen handelt es sich um Funktionen, die auf begrenztem Raum lokalisiert oder organisiert werden können. Im Gefüge einer Stadt würden hierzu typischerweise Gemeinbedarfseinrichtungen wie Schulen, Theater oder Schwimmbäder zählen, die sich im Stadtgrundriss punktuell darstellen. Lineare bzw. bandartige Strukturformen sind in der Regel Funktionen, die andere Funktionen miteinander verknüpfen oder dazu dienen, das siedlungsstrukturelle Wachstum gezielt zu lenken. Typische Beispiele sind Verkehrswege oder Leitungstrassen. Bei flächenhaften Strukturformen handelt es sich um Funktionen, die sich weder in punktueller noch in linearer Form zweckmäßig organisieren lassen. In diesen Fällen wäre dann die Anwendung flächiger Nutzungsgeometrien sinnvoll. Wohngebiete, aber auch Gewerbe- und Industrieareale besitzen typischerweise solche flächenhaften Grundrissformen. Diese typologische Dreiteilung städtebaulicher Strukturformen ist derart sinnfällig und eingängig, dass immer wieder gern auf sie zurückgegriffen wird. Ob dies so bleibt, kann indes bezweifelt werden. Zunächst weist Gerd Albers, der sich sehr eingehend mit geometrischen Strukturmodellen beschäftigt hat, auf die Fragwürdigkeit dieses typologischen Ansatzes hin, weil er sehr grob sei und die reale Komple-
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xität von städtebaulichen Strukturmustern zu stark reduziere [z.B. Albers 2000: 27]. Sodann gilt es zu beachten, dass zumindest zwei dieser drei Typen mit dem städtebaulichen Paradigma des Wachstums verknüpft sind [vgl. ebenfalls Albers 1988: 208], was aber in der Gegenwart, wo wir uns um eine Begrenzung des Stadtwachstums bemühen, zunehmend in Frage zu stellen ist. Geradezu ins Auge springt dieses Wachstumsparadigma bei allen linearen, bandartigen Strukturformen, die stets so ausgelegt sind, dass an den beiden Enden des Bandes jederzeit weitere Elemente der Abb. 5.2: Geometrische Grundeinheiten linearen Funktion angefügt werden von Stadt- bzw. Siedlungsstrukturen können. Das Konzept der Bandstadt verdankt seine Entstehung genau dieser Intention von kontinuierlich fortsetzbarem Wachstum. Nicht ganz so offensichtlich, aber ebenfalls durchaus erkennbar ist das Wachstumsparadigma auch bei den flächenhaften Strukturen. Als Beispiel seien die Rasterstrukturen der amerikanischen Städte herangezogen, die auf flächenhaftes Wachstum in die freie Landschaft hinein ausgelegt waren; Frank Lloyd Wright’s „Broadacre City“ mag als zwar extremes Beispiel gelten, dem Zeitgeist von 1932 hatte es aber durchaus nicht widersprochen [vgl.: Hall 1988: 285ff; Internet www.taliesinpreservation.org]. Das Wachstumsparadigma stadtgeometrischer Typologien steht in deutlicher Korrespondenz zu den Wachstumsvorstellungen der Industriegesellschaft, mit denen man stets auch das Wachstum von Städten und Siedlungen in die Landschaft hinein verband. Als Prototypen für verschwenderisch mit Fläche umgehende Stadtentwürfe im Kontext der Industrialisierung gelten Tony Garnier’s „Cité industrielle“ aus dem Jahr 1917 oder Le Corbusier’s „Ville contemporaine“ aus dem Jahr 1922 [Eaton 2001: 154ff]. Indes dürfte das Paradigma des Wachstums langsam an Gewicht verlieren, und zwar aus dreierlei Gründen: •
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die Freiflächeninanspruchnahme durch Siedlungsflächenwachstum wird zunehmend – zugunsten einer sogenannten ’Innenentwicklung’ – als problematisch empfunden; die sinkenden Bevölkerungszahlen (zumindest in Deutschland und Europa) werden den Siedlungsdruck tendentiell vermindern; im Übergang von der Industrie- zur Wissens- und Informationsgesellschaft werden sich die Flächenansprüche verändern.
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Diese Faktoren werden, zumindest in der Tendenz, zu einer Entgeometrisierung der städtebaulichen Strukturmuster führen. Innenentwicklung, technologische Neuerungen, die nicht mehr in allen Fällen zwingend auf fixierte Standorte angewiesen sind, aber auch demographische und urbane Schrumpfungsprozesse stellen die geometrischen Strukturmodelle – insbesondere im Bereich der Stadtentwicklung – zunehmend in Frage: „variable geometry of spatial structure“ bezeichnete Manuel Castells dieses schon in den 1980er Jahren sich abzeichnende Phänomen [Castells 1989: 307ff]. So werden in gewisser Hinsicht auch die städtebaulichen Strukturmuster mit deutlich geometrischen Bezügen, wie sie in Kapitel 2 mit dem ’Kreismodell’ von Burgess, dem ’Axialmodell’ von Babcock, dem ’Sektorenmodell’ von Hoyt und dem ’polyzentralen Modell’ von Harris und Ullmann angesprochen wurden, einer Überprüfung standhalten müssen. Diese vier Modelle – alle in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden und damit gleichfalls im Kontext der Entwicklungsdynamik einer Industriegesellschaft zu interpretieren (vgl. Abb. 2.8) – basieren auf einem deutlich erkennbaren Wachstumsparadigma. Auch diese Modelle wären deutlich zu modifizieren, sollte sich die Tendenz verstärken, dass variable Geometrien oder Netzstrukturen, wie sie für die Wissensgesellschaft typisch sind, aber auch Schrumpfungserscheinungen mehr und mehr die Veränderungsprozesse von Stadtstrukturen bestimmen [zu siedlungsstrukturellen Modellen für Netze vgl. Kühn 2000]. Unterdessen hat es in jüngerer Zeit Versuche gegeben, die geometrische Sichtweise auf städtebauliche Strukturmuster zu ’retten’. So wurde beispielsweise versucht, anhand von sogenannten Fraktalstrukturen, die in der Mathematik bei der Anwendung und Visualisierung von rekursiven Algorithmen und dynamischen Systemen in Erscheinung getreten sind [zu den Prinzipien vgl. Becker/Dörfler 1989], die Grundrissgeometrie von Stadtformen zu analysieren, Abb. 5.3: Stuttgart und Umland, dargestellt als um daraus neue Planungsanfraktale Geometrie (Quelle: Becker et al. 2003) sätze zu entwickeln. Unter der Leitung von Klaus Humpert sind an der Universität Stuttgart im Rahmen des Modellierens von Entstehungsprozessen natürlicher Formen empirische Studien darüber angestellt worden, inwieweit „durch die nicht mehr fassbare Komplexität moderner Stadtlandschaften (...) Städte als fraktale Gebilde“ interpretiert werden können [vgl.
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Humpert et al. 1996 und Becker et al. 2003]. Abbildung 5.3 zeigt die von den Autoren so genannte „Sieblinie“ einer Stadtlandschaft, die dadurch zustande kommt, dass Siedlungspartikel zusammenhängender Siedlungsflächen in verschiedenen Größenkategorien kategorisiert und abgebildet werden. Daraus werden dann Schlussfolgerungen über die Zahl der Siedlungspartikel und ihre (geometrische) Zerfranstheit hergeleitet. Von den Autoren wird sogar – allerdings von ihnen selbst mit einem Fragezeichen versehen – die These aufgestellt, dass „fraktales Stadtwachstum ein menschliches Grundbedürfnis“ ist, weil die Formbildung von städtischen Ballungsräumen eine Oszillation von Dichte und Weite darstellt, die letztendlich nur das Ergebnis von Selbstorganisationsprozessen ist. Aus diesen Erkenntnissen sollte sich nach Auffassung des damaligen Stuttgarter Forschungsteams gar ein „neues Planungsverständnis“ herausbilden, das diesen Selbstorganisationsprozessen mehr Rechnung trägt, ohne aber auf Steuerungsstrukturen und -mechanismen etwa durch die Festlegung von Infrastrukturen etc. zu verzichten [Becker et al. 2003]. In eine ähnliche Richtung zielen die Arbeiten von Michael Batty, einem der weltweit wichtigsten Forscher auf dem Gebiet der mathematischen Raumanalysen im Kontext der räumlichen Planung. In seiner Buchpublikation „Cities and Complexity“ sind in umfassender Weise die Möglichkeiten von zellulären Automaten, von mathematischen Fraktalmodellen und der dynamischen Simulation von Bewegungsmustern großer Mengen von Individuen – z.B. von Fußgängern im Stadtraum abhängig von Orten größerer oder minderer Attraktivität – zusammengestellt [Batty 2007]. Auch Batty erhebt den Anspruch, durch die mathematischen Ansätze der Komplexitätstheorie zu einem besseren Verständnis – „Understanding Cities“, so programmatisch im Untertitel des Buches – des Systems Stadt zu gelangen, ausgerichtet insbesondere auf städtebauliche Strukturen (vgl. auch Kap. 4, Abschnitt „Simulationsmethoden ...“). c) Maßstabsbezüge Je nachdem, welche Maßstabsebene bei der Bearbeitung von Raum-, Stadt- und Siedlungsstrukturen zugrunde gelegt wird, haben wir es mit unterschiedlichen Typen von Strukturelementen zu tun [vgl. Humpert 1997: 35]. Die Übersicht in Abbildung 5.4 zeigt in einer Synopse, in welcher Weise die geometrischen Grundeinheiten Punkt, Linie und Fläche auf den verschiedenen Maßstabsebenen in Erscheinung treten. Es bedarf keiner Erklärung, dass die Auswahl der aufgeführten Strukturelemente nur exemplarisch sein kann und dass es natürlich auch Zwischen- und Übergangsformen gibt – zwischen den geometrischen Grundgrößen ebenso wie zwischen den Maßstabsebenen. Dies macht sich vor allem bei der praktischen Bearbeitung von städtebaulichen Strukturplänen bemerkbar. Während nämlich etwa auf einer übergeordneten Planungsebene ein Strukturelement durch einen Punkt in Erscheinung tritt, kann es auf der darunter befindlichen Ebene eine flächenhafte Geometrie besitzen.
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Abb. 5.4: Typische geometrische Strukturelemente auf verschiedenen Maßstabsebenen
d) Stadttypologien und Siedlungsstrukturmuster Die Vielfältigkeit, mit der sich Siedlungsstrukturen – in verschiedenen Kulturkreisen und abhängig von jeweiligen klimatischen und natürlichen Voraussetzungen – herausgebildet haben, führt zu einer Fülle von Merkmalen, nach denen Städte und Ortschaften typologisierbar sind. Folgende Merkmale etwa können für typologische Klassifikationen in Betracht gezogen werden [vgl. etwa Klöpper 1995: 911ff oder Hofmeister 1972]: • • • • •
Lagetypisierung (Flussnähe, Tal-/Berglage etc.) Grundrisstypisierung (Rasterstadt, Bandstadt, kompakte Solitärstadt etc.) Typisierung nach Alter (historische Epochen) Größentypisierung (Dorf, Kleinstadt, Stadt, Großstadt, Metropole; i.d.R. nach dem Kriterium der Einwohnerzahl) Typisierung nach Funktionen und/oder Verwaltungsorganisation (Zentraler Ort, Landeshauptstadt, Bankenmetropole etc.)
Sehr intensive Typisierungsarbeiten haben in der Vergangenheit vor allem im Bereich kleiner Ortschaften und Dörfer stattgefunden, wobei genealogische und entwicklungsgeschichtliche Aspekte eine besondere Rolle spielten. Dorftypisierungen haben die besonderen Merkmale ländlicher Siedlungen und ihrer Funktionen im ländlichen Raum aufzugreifen, wie z.B. Flur- und Gehöftformen und deren Lage. Ohne dieses weite Studienfeld vertiefen zu wollen [ausführlich dazu vgl. etwa Born
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1977], stehen aber auch hier die nach Grundrissgeometrien geordneten Typisierungsansätze im Vordergrund, woraus sich folgende Typisierungskategorien ergeben (ergänzend vgl. auch Kap. 8): • • • •
Einzel- und Streusiedlung (locker verteilte isolierte Gehöftstandorte) lineare Siedlungen (Beispiel Straßendorf) Platzsiedlungen (Beispiel Rundling in Norddeutschland) Siedlungen mit flächigem Grundriss (Beispiel Haufendorf)
Eine gängige Methode, sich einen Überblick über verwendete Siedlungsstrukturtypen zu verschaffen, sind sogenannte ’Schwarzpläne’, in denen alle besiedelten Flächen schwarz und alle übrigen Flächen weiß dargestellt sind (siehe Abb. 5.5). Durch diese visuelle Kontrastdarstellung wird die Aufmerksamkeit auf vorhandene Strukturmerkmale und Strukturmuster gelenkt [vgl auch: Humpert 1997: 40ff; Schalhorn/Schmalscheidt 1997: 38ff].
Abb. 5.5: Schwarzplandarstellungen für Stuttgart, Portland, Los Angeles und Leipzig (Quelle: Hagedorn/Wolf 2000)
Im Vorgriff auf spätere Erläuterungen zu den Methoden des stadtstrukturellen Entwerfens sei an dieser Stelle noch auf eine besondere Art der Typologisierung von Stadt- und Siedlungsstrukturen hingewiesen. In den 1960er Jahren prägte der
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Mathematiker und spätere Stadtplaner Christopher Alexander in seinen Arbeiten den Begriff der „patterns“, der rasch auch in die Terminologie der städtebaulichen Strukturplanung eingeflossen ist. Alexander’s Gedanke war, dass sich städtebauliche Strukturen aus einem Repertoire von Formentypen bzw. -elementen, die jeweils eine bestimmte Funktion erfüllen, herleiten lassen. Diese Formen gehen entweder auf natürlichem Wege nach bestimmten Regeln Verbindungen zu Strukturmustern ein, oder es geht darum, sie im Planungsfall durch Kombination dieser Elemente zu solchen Mustern zu verknüpfen. Abbildung 5.6 zeigt das ’Pattern’-Element No. 8 mit den dazugehörigen wesentlichen Erläuterungen. In einer Gegenüberstellung von drei nach sozialräumlichen Aspekten unterschiedenen Stadttypen bzw. Siedlungsstrukturen wird eine planerische Handlungsanweisung formuliert mit dem Ziel, über ein Mosaik subkultureller Beziehungen eine soziale und kulturelle Bereicherung von Städten herbeizuführen [Alexander 1964; Alexander et al. 1977].
Abb. 5.6: Christopher Alexander’s Pattern No. 8 „Mosaic of Subcultures“ (Quelle: Alexander et al. 1977)
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Einzelelemente der Stadtstruktur Stadtstrukturen konstituieren sich aus ihren Einzelelementen, die im jeweiligen Stadtgefüge in kaum überschaubarer Vielfalt und in den unterschiedlichsten Formen – natürlich und gebaut, fest und beweglich – auftreten. Gebäude zum Wohnen und Arbeiten gehören primär dazu, ebenso aber auch bauliche Anlagen für Gewerbe, Industrie, Verkehr, Infrastruktur und Gemeinbedarf sowie schließlich die Strukturelemente des Freiraums. Da hier kein Anspruch auf eine lückenlose Aufzählung aller denkbaren Möglichkeiten erhoben wird, folgt nur eine selektive Darstellung der wichtigsten Einzelelemente, die in der Stadtstruktur auftreten können. a) Bauten im Stadtgefüge und Gebäudetypologien Zweifellos gehören Bauten und Gebäude zu den wichtigsten Strukturelementen einer Besiedlung oder Stadt. Nach welchen Aspekten sie sich im Sinne einer Gebäudetypologie zusammenstellen lassen, ergibt sich aus folgender Definition: Eine städtebauliche Gebäudetypologie leitet sich aus vorgegebenen Zweckbestimmungen für Bauaufgaben einer Zeitepoche, einer Region und eines kulturellen Kontextes ab, wobei bestimmte geometrische Abmessungen, die innere topologische Organisation der Gebäude und die zur Verfügung stehenden Baumaterialien einerseits mit funktionalen, stilistischen und ästhetischen Aspekten korrespondieren sowie andererseits die Entfaltung von Außenwirksamkeit im Sinne von städtebaulicher Integration und Ensemblewirkung die typologischen Ordnungsmuster erzeugen. Es ist hier nicht der Ort, anhand dieser Definition eine umfassende städtebauliche Gebäudelehre auf der Basis von diversen Gebäudetypologien zu liefern. Verwiesen wird auf diesbezügliche Spezialliteratur und entsprechende Internetauftritte [vgl. insbesondere Schönfeld 1992; Neufert 2000: 270ff; Heisel 2004; mit Städtebaubezug vgl. Prinz 1993 oder Urhahn/Bobic 2000; Internet www.perspektive-reihenhaus.de, erg.ucd.ie] Eine erste grobe Einteilung von Gebäudetypen lässt sich anhand ihrer Funktion treffen. In der städtebaulichen Gebäudelehre wird zunächst ganz grundsätzlich unterschieden in:
• • • • • • •
Wohngebäude Gebäude für Produktionsstätten, Handwerk und Industrie Gebäude für landwirtschaftliche Einrichtungen Hallen- und Lagergebäude Bürogebäude Gebäude für Handel, Einzelhandel und Großhandel Hotels und Gebäude für das Gaststättengewerbe
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• •
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Gebäude für Gemeinbedarfseinrichtungen Gebäude für Spezialfunktionen
Wenn innerhalb von Gebäuden mehr als nur eine Funktion vorhanden ist, haben wir es mit Nutzungskombinationen zu tun. Vor allem in Innenstädten besitzen viele Gebäude mehr als nur eine einzige Funktion. Eine Nutzungskombination kann beispielsweise so aussehen, dass auf der Erdgeschossebene Einzelhandelsbetriebe oder Läden untergebracht sind, während sich in den darüberliegenden Geschossen Wohnungen oder Büros befinden. Die oben genannten Gebäudetypen lassen sich selbstverständlich von Fall zu Fall noch weiter differenzieren. Nehmen wir als Beispiel den Typus des ’Wohngebäudes’, dann kann nach wichtigen Grundtypen des Wohnungsbaus unterschieden werden. Wichtigste Einflussgröße, durch die sich Typen des Wohnungsbaus herleiten, sind die Wohnbedürfnisse der Menschen, die in diesen Wohnungen leben (möchten). Diese Bedürfnisse können im Einzelfall extrem unterschiedlich sein. Folgende Aspekte, die sich im Laufe eines menschlichen Lebens auch verändern, sind beim Wohnungsbau zu berücksichtigen [vgl. auch Prinz 1993: 171ff oder Heisel 2004: 03-1ff; aus stadtsoziologischer Sicht Schneider/Spellerberg 1999]: • • • • • • •
altersspezifische Wohnbedürfnisse je nach Lebensphase geschlechtsspezifische Wohnbedürfnisse subjektive Wohnpräferenzen und individuelles Wohnverhalten der einzelnen Bewohner Art der Berufstätigkeit innerhalb oder außerhalb der Wohnung verfügbares Einkommen individuelles oder partnerschaftliches Wohnen vom Single über Familie bis zur Wohngemeinschaft bildungsspezifische, kulturelle oder ethnische Voraussetzungen
Die Stadtplanung hat diesen sehr unterschiedlichen Wohnbedürfnissen Rechnung zu tragen, indem sie die entsprechenden Gebietskategorien im städtebaulichen Strukturgefüge ausweist und so die Basis schafft für ein differenziertes Angebot an verschiedenen Wohnungen und Hausformen. Im Wohnungsbau bzw. bei Wohngebäuden werden zwei große Gruppierungen voneinander unterschieden: Einfamilienhäuser und Geschosswohnungsbauten (siehe auch Abb. 5.7). Bei Einfamilienhäusern haben wir es mit folgenden Typen zu tun: • • • • •
freistehendes Einfamilienhaus Doppelhaus Kettenhaus Gartenhofhaus, Atrium- oder Winkelhaus Reihenhaus
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Abb. 5.7: Wohngebäudetypen und Dichtewerte
Im Geschosswohnungsbau werden folgende Typen voneinander unterschieden: • • •
Spännertypen (Ein-, Zwei-, Drei- oder Vierspänner) Laubenganghaus Innenganghaus
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• • •
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Punkt(hoch)haus Terrassenhaus diverse Sonderformen
Mit verschiedenen Haustypen lassen sich unterschiedliche Bevölkerungs- bzw. Einwohnerdichten erzielen, die in der städtebaulichen Strukturplanung zu den ganz wichtigen quantitativen Bezugsgrößen zählen. Städtebauliche Dichtewerte unter Bezugnahme auf die jeweiligen Haustypen können herangezogen werden, um im gegebenen Planungsfall kalkulatorisch zu berechnen, wie viele Menschen in einem entsprechend ausgelegten Wohngebiet untergebracht werden können. Gleichzeitig liefern diese Zahlen aber auch Anhaltspunkte für die Dimensionierung von technischen Infrastrukturanlagen (z.B. ausreichende Kläranlagenkapazität), die wirtschaftliche Tragfähigkeit von Gemeinbedarfseinrichtungen oder die Auslastung bzw. Frequentierung von öffentlichen Verkehrsmitteln. Was die städtebauliche Entwurfsarbeit anbetrifft, so geht es bei der Entwicklung von Strukturkonzepten darum, unter Verwendung der Einzeltypen des Wohnungsbaus eine qualitätvolle städtebauliche Ensemblewirkung zu erzielen sowie auch hier allen funktionalen Forderungen an das Wohnen bestmöglich gerecht zu werden (zu optimieren). In erster Linie gehört natürlich dazu, dass sich die Bewohner in einem Wohngebiet wohlfühlen und mit ihrer Umgebung identifizieren können, wozu vor allem auch qualitätvolle Architektur und Stadtraumgestaltung mit Platzbildungen (vgl. dazu Kap. 6) in erheblichem Maße beitragen. Mindestens ebenso wichtig für die Bewohner ist jedoch auch die Erreichbarkeit anderer Strukturelemente im Stadtgefüge (z.B. Arbeitsplätze oder Gemeinbedarfseinrichtungen), die verkehrliche Erschließung und infrastrukturelle Ausstattung des Gebietes oder die Anbindung an den öffentlichen Personenverkehr. Dies alles fällt in den Aufgabenbereich der städtebaulichen Strukturplanung, die gleichzeitig aber auch die Kosten und Folgekosten, die von der Gemeinde und von den Bewohnern für all dies aufzubringen sind, im Auge zu behalten hat. b) Strukturelemente für Gewerbe und Industrie Der Industrie und dem Gewerbe gilt es im Zuge von städtebaulichen Strukturplanungen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Zweifellos benötigt jede Stadt mit Blick auf die Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen und zur Schaffung einer guten Mischung der städtebaulichen Funktionen gewerbliche und industrielle Nutzungen. Die Stadtstrukturplanung hat die dafür notwendigen Flächen unter Berücksichtigung der jeweiligen sehr spezifischen Standortansprüche (Verkehrsanbindung etc.) bereitzustellen. Zu beachten ist dabei aber auch, dass von diesen Nutzungen je nach Art des Gewerbes oder der Produktionsstätte mehr oder weniger starke Störungen ausgehen (Lärm, Luftschadstoffe, Erschütterungen etc.), deren Einwirken etwa auf Wohnbereiche zu vermeiden oder zumindest gering zu halten ist. Eine wesentliche Maßnahme, im Zuge der städtebaulichen Strukturplanung gegenseitige Störungen zu vermeiden, ist das Einhalten von Abständen – wobei emis-
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sionsmindernde und immissionsschützende Maßnahmen in erster Linie grundsätzlich durch bauliche oder technische Vorkehrungen an den Anlagen der Produktionsstätte selbst zu ergreifen sind; dies zu veranlassen oder gar zu lösen, ist aber nicht Aufgabe der Stadtplanung. Erst wenn die baulichen und technischen Lösungsmöglichkeiten zur Emissionsminderung ausgeschöpft sind, ist die Stadtplanung gefragt. Die Aufgabe besteht jetzt darin, Standortflächen zu bestimmen, auf denen die mehr oder minder störenden Produktionsstätten errichtet werden könnten. Das Einhalten von Abständen zu immissionsempfindlichen Nutzungen (Wohngebiete etc.) sind, wie gesagt, ein dazu probates Mittel. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen hat hierzu im Jahre 1974 per Ministerialerlass eine sogenannte Abstandsliste erstellt (zuletzt 2007 erneuert), in der Mindestabstände zu Wohngebieten für mehr als zweihundert verschiedene Betriebsarten aufgeführt sind [MUNLV 2007; Internet: www.bekon.org, www.umweltonline.de/recht]. Auch die vorherrschende Windrichtung kann bei der Standortfrage für Gewerbe und Industrie eine wesentliche Rolle spielen, wenn es etwa darum geht, dass Wohnbereiche nicht mit der leeseitigen Abgasfahne emittierender Anlagen in Berührung kommen. Grundsätzlich bedürfen alle emittierenden Anlagen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) mit den entsprechenden Verwaltungsvorschriften wie etwa der „Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft“ (TA-Luft) oder der „Technischen Anleitung Lärm“ (TA-Lärm) [vgl. dazu etwa Knauer/Surburg 1995: 205ff]. Nicht selten kommt es vor, dass sich – über einen gewissen Zeitverlauf – Wohnnutzungen und störende Nutzungen aus Industrie und Gewerbe im Strukturgefüge einer Stadt langsam, wie man es vielleicht ausdrücken würde, aufeinander zu bewegen. Auf diese Weise verringern sich allmählich die Abstände zwischen den Nutzungen durch Neubauten, die sukzessive errichtet werden. Bei einer solchen Problemlage sind zwei Fälle voneinander zu unterscheiden, je nachdem, welche der beiden Nutzungen an die andere heranrückt. In dem Fall, dass eine emittierende Anlage neu errichtet (oder baulich bzw. technisch verändert) wird, sind die Regelungen nach dem BImSchG zu beachten. In dem Falle aber, dass Wohnbebauung durch Neubauten allmählich und sukzessive an bestehende emittierende Anlagen heranrückt, gibt es zunächst keine Handhabe nach immissionsschutzrechtlichen Regelungen. Gleichwohl birgt ein derartiger Vorgang über einen längeren Zeitraum hinweg erhebliches Konfliktpotential (wird möglicherweise gar zu einem Gefahrenherd), so dass in diesem Fall sehr frühzeitig andere planerische Vorkehrungen zu treffen wären, zum Beispiel durch die Darstellung von ausreichend bemessenen Abstandsflächen als Freiflächen- oder Grünnutzung im gemeindlichen Flächennutzungsplan (vgl. hierzu Kap. 7). Ein besonderes Problem der Stadtstrukturplanung im Zusammenhang mit Gewerbe und Industrie sind Altlastenflächen, deren Bodenkontaminationen eine stadtstrukturelle Implementierung von geeigneten Nachnutzungen bzw. Flächenkonversionen – auch ehemalige Militärflächen o.ä. zählen dazu – erschweren [vgl. Streich 1988; Braam 1999: 406ff]. Als gesetzliche Grundlage ist diesbezüglich neben dem
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städtebaulichen Planungsrecht insbesondere auch das Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) aus dem Jahre 1998 zu beachten. c) Verkehrsanlagen und öffentliche Räume im städtebaulichen Strukturgefüge Jede städtebauliche Strukturplanung wird entscheidend geprägt, das war bereits im Zusammenhang mit den historischen Bezügen und den geometrischen Strukturformen urbaner Systeme erkennbar, durch das zu Grunde liegende Verkehrserschließungssystem. Verkehrsanlagen gehören zu den netzartigen Strukturelementen, indem sie das städtebauliche Strukturgefüge miteinander verknüpfen. Zunächst ist dabei die Frage von Belang, welche Arten der Fortbewegung mit ggf. welchen Verkehrsmitteln es gibt und inwieweit diesbezüglich im Zuge planerischer Überlegungen Förderungs- und Ausbauprioritäten zu setzen sind. Grundsätzlich können folgende Verkehrsarten unterschieden werden: • • • • • •
Fußgängerverkehr Fahrradverkehr motorisierter Individualverkehr – Kraftfahrzeugverkehr mit Autos oder motorisierten Zweirädern Transport mit Massenverkehrsmitteln – Autobus, schienengestützter Personenverkehr (Straßenbahn, U-Bahn, S-Bahn, Fernverkehr per Bahn), Fähren Luftverkehr Schwerlastverkehr mit Bahn, Schiff oder Lastkraftwagen (Lkw)
Im Hinblick auf die auftretenden Verkehrsmengen innerhalb der einzelnen Verkehrsarten ist die Unterscheidung der Verkehrszwecke von wesentlicher Bedeutung, ob Verkehr etwa aus beruflichen Gründen entsteht (Berufsverkehr), durch Freizeitaktivitäten ausgelöst wird (Freizeitverkehr), dem Gütertransport dient (Gütertransportverkehr) oder ähnliches. Diese verkehrsinduzierenden Aktivitäten führen zu gewissen Spitzen- oder Ruhezeiten, von denen zum Beispiel im Falle des Berufsverkehrs die sogenannten ’rush hours’ morgens und abends während der Wochenarbeitstage zu den bekanntesten Erscheinung gehören. Abhängig von der Maßstabsebene, die zu bearbeiten ist, gibt es unterschiedliche Ansätze, mit denen den Erfordernissen der Raumüberwindung durch Bereitstellung entsprechender Verkehrsanlagen für die einzelnen Verkehrsmittel Rechnung zu tragen ist. Wird auf stadtregionaler bzw. gesamtstädtischer Ebene geplant, ist in einem ersten Schritt zu analysieren, wo zu welchen Zeiten und aus welchen Gründen im Stadtgefüge Verkehr entsteht und welche Fahrtenziele die Verkehrsteilnehmer haben [zu den Methoden vgl. exemplarisch Internet www.traffic.uni-essen.de oder www.pvfrm.de]. Um dies herauszufinden, wird das gesamte Siedlungsstrukturgefüge in kleine Zellen unterteilt. Für jede einzelne Zelle wird nun auf der Grundlage von ausgeklügelten Berechnungsverfahren festgestellt, welcher Verkehr in der Zelle entsteht und für welchen Verkehr diese Zelle ein Ziel darstellt. Bei Betrachtung einer derartigen Zelle werden Binnen-, Quell-, Ziel- und Durchgangsverkehr voneinander
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unterschieden (vgl. Abb. 5.8). Aus den Berechnungsergebnissen lässt sich dann unter bestimmten Annahmen über die Aufteilung der Verkehrsmittelwahl durch die verschiedenen Nutzergruppen berechnen, inwieweit und in welcher Dimensionierung Straßen, Wege und Radwege vorzusehen sind, welche Massenverkehrsmittel zum Einsatz gebracht werden können oder sollten und ob ggf. auch verkehrssubstituierende Maßnahmen zur Vermeidung von physischen Verkehrsvorgängen (z.B. die Telekommunikation) sinnvoll sein könnten. Auf dieser Maßstabsebene lässt sich sehr deutlich ein enger Zusammenhang zwischen der Aufteilung des Stadtgefüges in einzelne Nutzungsareale und einer sinnvollen Verbindung dieser Nutzungen durch ein Geflecht von unterschiedlichen Verkehrsanlagen und -einrichtungen erkennen. Kurzum: Flächen- und Verkehrssysteme stellen sich als einheitliche Aufgabe der städtebaulichen Strukturplanung dar.
Abb. 5.8: Verkehrsvorgänge in der Zellenstruktur eines Stadtgefüges Auf der Maßstabsebene eines abgegrenzten Teilbereichs innerhalb des gesamtstädtischen Gefüges – etwa eines mittelgroßen Wohngebiets –, hat die (innere) Erschließung des Gebiets Priorität und es stellt sich die Frage, mit welchen verkehrlichen Strukturelementen diese Erschließung vorgenommen werden kann. Für Verkehrserschließungssysteme gibt es folgende Typologisierung (vgl. auch Abb. 5.9) [EAE 1985/1995; Neufert 2000: 206ff; Internet slws1.bau-verm.uni-karlsruhe.de/module/; www.radburn.org]: • • •
Rasternetz mit rasterförmiger Erschließung des Gebiets axiales Netz mit einer zentralen Straßenachse und beidseitiger Detailerschließung Verästelungsnetz mit zangenförmiger Haupterschließung und daran sich anschließender Detailerschließung
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• •
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Innenringnetz mit ringförmiger Haupterschließung und nach außen reichenden Detailerschließungen Außenringnetz mit ringförmiger Haupterschließung und nach innen reichenden Detailerschließungen
Abb. 5.9: Erschließungsnetztypen und deren Elemente Auf einer noch detaillierteren Maßstabsebene haben wir es mit folgenden Straßentypen zu tun (vgl. Abb. 5.9): • • • •
Einhangstraße Stichstraße Schleifenstraße Schleifenstichstraße
Je nach Straßenquerschnitt sind unterschiedliche Geschwindigkeiten des motorisierten Verkehrs, straßenbegleitende Parkierungsflächen, Rad- und Gehwege, Straßenbegleitgrün (Rasen, Büsche, Bäume) möglich. Unterschieden nach ihrer Funktion gibt es die folgenden Straßentypen:
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Hauptsammelstraße (man unterscheidet hier zwischen ’anbaufähig’ und ’anbaufrei’ je nachdem, ob Grundstückszufahrten möglich sind) Sammelstraße Anliegerstraße Anliegerweg selbständig geführte Rad- oder Gehwege
Was die Bestandteile und Dimensionierungen der Straßenquerschnitte betrifft, so wird auf die „Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsstraßen“ (EAE) und weiterführende Quellen verwiesen [EAE 1985/1995; Internet slws1.bau-verm.unikarlsruhe.de/module; Braam 1999: 291ff]. Eine wichtige Funktion von Verkehrsanlagen ist ihre Zugänglichkeit und Nutzbarkeit für die Allgemeinheit. Innerhalb des gebauten Strukturgefüges einer Stadt bzw. baulicher Ensembles sind sie als öffentliche Räume nutzbar. Befinden sich solche Flächen in Privatbesitz, sind aber dennoch für die Öffentlichkeit zugänglich und nutzbar, werden sie als halböffentlichen Räume bezeichnet. Eine besondere Art von öffentlichen Räumen sind Plätze, die oft nicht nur eine Verkehrsfunktion haben, sondern darüber hinaus auch durch ihre ästhetische Qualität Aufenthaltsräume und Treffpunkte für Menschen darstellen (Phänotyp ist die Agora in der antiken griechischen Polis) oder, wie schon in der mittelalterlichen Stadt, als Handels- bzw. Marktplätze genutzt werden. Seit einiger Zeit gibt es einen Trend, öffentliche Räume zu privatisieren oder auch in abschließbaren Anlagen (z.B. ‘Shopping-Malls‘) gewissermaßen zu simulieren, nicht zuletzt, um die Zugänglichkeit bei Bedarf zu beschränken und durch ein Überwachungssystem Straßenkriminalität und Ladendiebstählen vorzubeugen. Welche Konsequenzen diese Tendenz der Privatisierung öffentlicher Räume für die Städte letztendlich mit sich bringt, ist noch nicht in vollem Umfange erkennbar. In stadtstruktureller Hinsicht wird dies möglicherweise zu verstärkten sozialen Segregationserscheinungen und auch Ghettobildungen führen. In diesem Zusammenhang sollte auch auf die seit jeher bestehende städtebaulich relevante Funktion von öffentlichen Räumen hingewiesen werden, dass sich Menschen dort ohne Preisgabe ihrer Privatheit aufhalten können. Die Privatheit in öffentlichen Räumen wird indes ein zunehmend heikles Thema, hervorgerufen vor allem durch umfassende und in einigen Städten Großbritanniens und der USA schon nahezu flächendeckende Videoüberwachungssysteme – ein Thema, das von subkulturellen Aktivisten und Künstlern bereits aufgegriffen wurde, die dazu als probates Mittel gegen diese ’Big-brother’-Mentalität die kartographische Veröffentlichung solcher Systeme im Internet praktizieren [vgl. z.B. Internet www.mediaeater. com oder www.dergrossebruder.net]. Öffentliche Flächen, insbesondere Plätze, werden gern zum Abstellen von Fahrzeugen benutzt – ein Thema, das die Stadtplanung unter dem Stichwort ‘ruhender Verkehr‘ behandelt. Abstellflächen und Abstellanlagen für Fahrzeuge sind unter Berücksichtigung des immer noch zunehmenden Motorisierungsgrades zweckmäßig und in umweltschonender Weise in die Stadtstruktur einzupassen. In Betracht kommen Einzelstellplätze auf dem Grundstück, Abstellflächen im Straßenraum, großflächige Parkierungsflächen, Parkhäuser oder Tiefgaragen. Alle diese
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Einzelmaßnahmen können im Rahmen der städtebaulichen Strukturplanung durch die Erstellung eines umfassenden Parkraumkonzepts zusammengefasst werden [vgl. Internet slws1.bau-verm.uni-karlsruhe.de/module]. Auch das Emissionsverhalten des motorisierten Verkehrs – Lärm und Abgasemissionen – stellt ein stadtstrukturelles Problem dar. Gerade bei der Stadtstrukturplanung ist dafür Sorge zu tragen, dass die Einwirkung von Immissionen auf Menschen und bestimmte schützenswerte Nutzungen vermieden oder wenigstens abgemildert werden. Dazu gehören etwa die Bündelung von motorisiertem Verkehr auf einem entsprechend geeigneten Straßennetz, bauliche und städtebauliche Maßnahmen zur Lärmabschirmung, Förderung des öffentlichen Personenverkehrs durch Bereitstellung der entsprechenden Strukturelemente (Trassen und Haltestellen), Schaffung eines flächendeckenden Radwegenetzes, Parkraumbewirtschaftung durch Reduzierung von Stellmöglichkeiten für Fahrzeuge etc. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der bei der Planung von Verkehrsanlagen stets zu berücksichtigen ist, betrifft die Barrierefreiheit. Es handelt sich dabei um die Benutzbarkeit von technischen Einrichtungen wie insbesondere Verkehrsanlagen (komplementär dazu aber auch Bauten oder Kommunikationssysteme wie das Internet), ohne dass eine Diskriminierung aufgrund einer Behinderung, des Alters oder bestimmter Lebensumstände (z.B. Bewegen eines Kinderwagens) stattfindet. d) Infrastruktur und Gemeinbedarf Anlagen und Einrichtungen der Infrastruktur und des Gemeinbedarfs (häufig auch als Wohnfolgeeinrichtungen bezeichnet) stellen, wie bereits angeführt, einen eminent wichtigen Bereich der gesamten städtebaulichen Strukturplanung dar. Priorität hat dabei die materielle Infrastruktur – nahezu identisch mit der technischen Infrastruktur –, zu der außer den Verkehrsanlagen auch Ver- und Entsorgungsanlagen gehören, wie: • • • • •
Wasserversorgung Abwasserentsorgung Energieversorgung (Strom, Gas, Wärme) Abfallentsorgung Telekommunikation
Auf die eher technischen Aspekte der Implementierung von Ver- und Entsorgungsanlagen in das städtebauliche Strukturgefüge – d.h. Flächenbereitstellung für eine Abwasserreinigungsanlage, Unterbringung von oberirdischen oder unterirdischen Leitungen oder Anschließen dieser Leitungen an Gebäude – wird hier nicht näher eingegangen. Es sei lediglich darauf hingewiesen, dass in der städtebaulichen Strukturplanung sowohl zentrale als auch dezentrale Konzepte für die Implementierung von technischer Infrastruktur Anwendung finden. Im Falle von unterirdisch untergebrachten Anlagen der technischen Infrastruktur wird manchmal auch von „unterirdischem Städtebau“ gesprochen [Lichtenberger 1986: 197].
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Eine weitere Aufgabe der Stadtplanung ist es, Gemeinbedarfseinrichtungen ins stadtstrukturelle Gefüge einzubinden, beispielsweise [Borchard 1974]: • • • • • • • • •
Bildungseinrichtungen Gesundheitsvorsorge und Krankenpflege öffentliche Verwaltung Sportanlagen und -einrichtungen Alteneinrichtungen Anlagen und Einrichtungen für Kinder und Jugendliche kulturelle Einrichtungen Begegnungsstätten Einrichtungen für Glaubensgemeinschaften
Wo und in welcher Kapazität diese Einrichtungen im Stadtgefüge unterzubringen sind, hängt von vielerlei Faktoren ab: von der Stadt- bzw. Ortsgröße, von der Funktion der Stadt im gesamträumlichen Gefüge, vom Einzugsbereich der Einrichtung, von der Altersstruktur der Bevölkerung oder von ethnischen Gegebenheiten. Die entsprechenden statistischen Zahlen bilden die Basis für die Erstellung von Prognosen bzw. Projektionen zur Abschätzung zukünftiger Bedarfsänderungen, wodurch die Erforderlichkeit und Größenordnung einer Gemeinbedarfseinrichtung fixiert werden kann. Bei der Aufstellung von städtebaulichen Strukturplänen, vor allem bei der Aufstellung von gemeindlichen Flächennutzungsplänen, spielt die Bedarfsabschätzung von Anlagen und Einrichtungen des Gemeinbedarfs eine zentrale Rolle, damit entsprechende Flächen für den jeweiligen zeitlichen Planungshorizont vorgehalten werden. Die Realisierung von Infrastruktur und Gemeinbedarf kostet allerdings Geld, nicht nur als finanzielle Investition bei der Herstellung und Errichtung, sondern auch im Hinblick auf die nach der Realisierung anfallenden – oft sehr erheblichen – Folgekosten. Angesichts knapper Kassen und überbordender Schulden der öffentlichen Haushalte stellt sich natürlich die Frage, wie in Zukunft mit Infrastruktur und Gemeinbedarf umzugehen ist. Schon gibt es Kritiker, die das ganze Prinzip der Daseinsvorsorge in Form von Gemeinbedarfseinrichtungen und Infrastruktur in Frage stellen möchten und alle entsprechenden Aktivitäten als eine „Entmündigung“ des Bürgers deklarieren, da doch „die Bürger mit ihrem Leben und ihrem Geld Besseres tun können, als sich dem Fürsorgestaat zu unterwerfen“. Klar, dass in solchen Argumentationskontexten die wichtigste Botschaft dann auch ziemlich hart und apodiktisch daherkommen soll: „Daseinsvorsorge ist ein anderes Wort für staatliche Planwirtschaft, es klingt nur besser“ [Hank 2008; vgl. ergänzend Kap. 1, „Planungsskepsis und Planungskritik“]. e) Strukturelemente des Freiraums Freiraumfunktionen haben in der städtebaulichen Strukturplanung schon seit Beginn einer wissenschaftlich fundierten Stadtplanung eine wichtige Rolle gespielt (erinnert wird an Patrick Geddes; vgl. Kap. 1 und 2). Dabei ging und geht es nicht so
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sehr um Freiräume außerhalb der eigentlichen Siedlungsbereiche (sog. Außenbereich; vgl. Kap. 7), die landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzt werden, Wasserflächen oder Brachland sind. Vielmehr geht es um Freiräume innerhalb des Siedlungsgefüges, die unterschiedlichste Funktionen ausüben, beispielsweise der Erholung der Menschen dienen und gleichzeitig auch erhebliche ökologische Bedeutung haben [umfassend zu den ökologischen Aspekten der Stadtplanung vgl. Jessel/Tobias 2002]. Vor allem trifft dies auf die folgenden Nutzungen zu: • • • • •
Grünflächen und Grünanlagen aller Art (inklusive für Sport, Spiel und Erholung genutzte Flächen) Parks und Gärten (inklusive botanische oder zoologische Gärten) Wasserflächen und Uferbereiche Friedhöfe Kleingartenanlagen
Die Stadtstrukturplanung hat dafür Sorge zu tragen, dass ein Grünflächensystem entsteht, wobei topographische und andere natürliche Gegebenheiten, die Stadtlandschaft, Immissionen, die Erreichbarkeit für die Bewohner sowie die Möglichkeit der emotionalen Inbesitznahme von Freiraumfunktionen bis hin zu semi-agrarischen Aktivitäten (Pflanzungen, Bienenhaltung etc.) angemessen zu berücksichtigen sind. Auch kleinklimatische Beziehungen wie etwa Frischluftschneisen zwischen außerhalb der Stadt liegenden Waldflächen und dichter besiedelten Stadtbereichen sind Gegenstand der Stadtstrukturplanung; ein vorbildliches Beispiel zu dieser Thematik liefert Stuttgart (vgl. auch Abb. 5.25 weiter unten in diesem Kapitel) [bemerkenswert dazu vgl. Internet www.stadtklima.de/stuttgart]. Eine Vernetzung solcher grünen Freiraumelemente wird in Anlehnung an die britische Planungsterminologie auch ’green belt’ genannt; handelt es sich um Wasserflächen, spricht man von einem ’blue belt’. Eine komplexere Sicht auf den Freiraum bietet eine theoretische Studie über den „Freiraum als Möglichkeitsraum“. Dort wird der Freiraum als „emergenter Raum“ angesehen, der unter bestimmten Kontextbedingungen folgende Erscheinungsweisen aufweisen kann: als Agrarinsel, als Zwischenstadt, als Möglichkeitsraum, als Rückzugsraum oder als Freizeit-, Service-, Schmutz- oder Schutzlandschaft [vgl. Dörr 2004 im Internet unter www.oerok.gv.at/aktuelles/Fachtagung_Freiraum]. Der Freiraum ist nicht mehr nur allein der Gegensatz zum Gebauten, sondern eine komplexe Struktur des Nichtbebauten und Nichtbebaubaren, wobei es darum geht, latente Phänomene im (Frei-)Raum frühzeitig wahrzunehmen und planerisch aufzugreifen. f) Öffentliche und private Nutzungen in der Stadtstruktur Eine wichtige Unterscheidung mit erheblicher Bedeutung für Stadtstrukturen ist noch dahingehend zu treffen, ob bestimmte Flächen der Öffentlichen Hand gehören oder ob sie sich im Eigentum von Privaten befinden. Bereits im Zusammenhang mit den Strukturelementen des Verkehrs wurde auf das Charakteristikum der öffentli-
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chen und halböffentlichen Flächen bzw. Räume hingewiesen, für die Allgemeinheit zugänglich zu sein. An dieser Stelle geht es, noch grundsätzlicher in Bezug auf öffentliche und private Nutzungen, letztendlich um die Frage, wo die eigentliche Akzentuierung der städtebaulichen Strukturplanung und der Stadtplanung überhaupt liegt.
Abb. 5.10: „Fluchtlinienplan“ zur Stadterweiterung von Berlin aus dem 19. Jahrhundert mit strikter Trennung von öffentlichen und privaten Nutzungen (Quelle: Landesarchiv Berlin) In jüngerer Zeit sind von Fachleuten aus der Planungspraxis häufiger wieder Plädoyers darüber zu hören, dass sich die Stadtplanung im Wesentlichen mit der Planung von öffentlichen Räumen und Nutzungen befassen und sich bei der planerischen Ausgestaltung von Flächen in privater Hand eher zurückhalten sollte. Verwiesen wird dann manchmal im historischen Rückblick auf das Prinzip der sogenannten Fluchtlinienplanung des 19. Jahrhunderts, als in den zu beplanenden Gebieten – meist handelte es sich um Stadterweiterungen – lediglich eine räumliche Trennung von öffentlichen und privaten Nutzungen vorgenommen wurde (vgl. Abb. 5.10). In vielen Städten wurden damals, oft auf Veranlassung der jeweiligen staatlichen Regierung, Stadterweiterungspläne erstellt, die als Straßen- oder Fluchtlinienpläne bezeichnet wurden. Das berühmteste Beispiel ist der sogenannte „HobrechtPlan“ für Berlin aus dem Jahre 1862 (benannt nach dem vom Berliner Polizeipräsidenten mit der Erstellung des Plans beauftragten Vermessungs- und Bauingenieur James Hobrecht). In diesen Plänen wurden lediglich die Straßen- und Fluchtlinienverläufe festgelegt; die Bebauung hinter den Fluchtlinien war weitgehend den einzelnen Eigentümern überlassen und nur durch rahmensetzende Vorschriften der
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Baupolizei geregelt, vor allem hinsichtlich der Zugänglichkeit der Blockinnenhöfe für Geräte zur Brandbekämpfung (Feuerspritzen). Die Festlegung der Fluchtlinien rings um große Baublöcke führte allerdings zu der ebenso berühmten wie berüchtigten Mietskasernen-Bebauung mit hintereinander gestaffelten Hinterhöfen und extremer Verdichtung, da die Investoren – zumeist anonyme „Terrain-Gesellschaften“ – an einer maximalen Ausnutzung der Grundstücke interessiert waren. Ob und inwieweit diese Art von Stadtplanung als Rezept für heute taugt, sei dahingestellt. Die stadtstrukturellen Effekte dieser Trennung von Öffentlichem und Privatem sind jedenfalls gravierend, wenn nicht gar von entscheidender Bedeutung für das gesamte Strukturgefüge einer Stadt. g) Sonderbereich der Stadtstruktur: die Innenstadt Die städtebaulichen Strukturen, wie sie bisher erläutert wurden, sind quasi neutrale Instanzen, die den Grundriss einer Stadt auf vielfältige Weise formen können, ohne dass sich etwas stadtstrukturell Dominierendes herausbildet oder herausbilden soll. Es gibt allerdings in nahezu jeder Stadt einen Bereich, der sich im Strukturmuster abhebt und stets besondere Aufmerksamkeit genießt oder erfordert: die Innenstadt. Im Deutschen assoziieren wir damit das Innere eines städtischen Gefüges, wobei das, was mit dem Stadtinneren gemeint ist, nicht unbedingt auf die zentrale Funktion und Lage dieses wichtigen urbanen Kernbereichs hinweist; im Englischen werden die treffenderen Bezeichnungen ‘city centre‘, ‘downtown‘ oder ‘central business district‘ (CBD) verwendet. Die Innenstadt, das Zentrum, ist quasi Aushängeschild und Imageträger einer Stadt und der eigentliche Identifikationsbereich für die Bewohner der Stadt als Ganzes. Sie soll sich deshalb in ihren Funktionen, Nutzungsmischungen und räumlicher Verdichtung von den umliegenden Stadtquartieren abheben. Das Strukturmuster von Innenstadtbereichen steht häufig in engem Zusammenhang mit städtebaulicher Gestaltung (ausführlich dazu Kap. 6), vor allem dann, wenn die Innenstadt als räumlich und visuell erkennbares Stadtelement in ihrer Aufrissdimension oder durch herausragende Einzelgebäude (Theater, Museen, Kaufhausgebäude etc.) akzentuiert wird. Das Strukturelement Innenstadt ist zunehmenden Druck ausgesetzt durch alternative städtebauliche Strukturelemente, die außerhalb der Innenstadt geschaffen werden. In Konkurrenz treten Wohngebiete außerhalb der Innenstadt, überdimensionale Einkaufszentren oder Freizeitareale, die in Innenstädten aufgrund der begrenzten Flächenverfügbarkeiten in schon vorhandener Bebauung schlecht oder nur mit sehr großem Aufwand realisiert werden können. Auch Verkehrsanbindungen und die Erreichbarkeit mit privaten Fahrzeugen spielen eine wichtige Rolle, wenn über die Konkurrenz zwischen Innenstadt und Nutzungen außerhalb der Innenstadt nachgedacht wird. Insgesamt ist festzustellen, dass man dem Strukturbereich Stadtzentrum und Innenstadt weltweit große Aufmerksamkeit schenkt, was noch in jüngerer Vergangenheit nicht immer der Fall war. Anknüpfungspunkte reichen von der Verbesserung der Wohnqualität und der Einkaufsmöglichkeiten durch ein breites Spektrum von Einzelhandelsgeschäften über die Steigerung des Frei-
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zeit- und Kulturangebots unter gleichzeitiger Schaffung urbaner Aufenthaltsräume bis hin zu einem prägenden Identifikationsmerkmal, was immer auch dies im Einzelfall sein mag.
Informationsgrundlagen für die Stadtstrukturplanung Die komplexen Zusammenhänge, Geschehnisse und Abläufe, die bei der städtebaulichen Strukturplanung zu berücksichtigen sind, lassen sich sinnvoll nur auf der Basis entsprechender Informationsgrundlagen bearbeiten. Bei diesen Informationsgrundlagen handelt es sich nicht lediglich um eine Sammlung von rohen Daten und Fakten, sondern um Wissen, das als strategische Information für eine Entscheidungsunterstützung genutzt werden kann. In der angelsächsischen Planungsliteratur findet sich hierfür der treffende Begriff „planning intelligence“ [Kaiser/Godschalk/ Chapin 1995: 89]. Informationsgrundlagen stehen grundsätzlich auf dreierlei Arten zur Verfügung: • • •
in den Köpfen der Menschen, die als Planungsakteure in Erscheinung treten (nicht nur professionelle Planerinnen und Planer, auch Laien), in traditionellen (analogen) Informationsmedien (Schriftsätze, Akten, traditionelles Kataster, handgefertigte (karto)graphische Planunterlagen etc.), in digitalen Informationsmedien in Form von computergestützten Planungsinformationssystemen.
Im Kontext der Wissensgesellschaft ist vor allem die Koppelung zwischen dem Wissen in den Köpfen der Menschen und den digitalen Informationsmedien von Bedeutung (vgl. Abb. 1.2 in Kap.1). In den nachfolgenden Ausführungen werden die Informationsgrundlagen für die städtebauliche Strukturplanung mit besonderem Augenmerk auf digitale Medien erläutert. Eine wichtige Rolle spielen dabei Geographische Informationssysteme, die als das wohl wichtigste und am besten geeignete digitale Handwerkszeug für die städtebauliche Strukturplanung gelten dürften. a) Planungsinformationssysteme – Begriff und Aufgaben Zunächst einige Erläuterungen zu Begriff und Aufgaben von Planungsinformationssystemen. Bei einem Planungsinformationssystem handelt es sich ganz allgemein um eine Sammlung von raumreferenzierten Daten, Informationen und Modellen für die räumliche Planung. Diese Begrifflichkeit ist nicht auf die städtebauliche Strukturplanung beschränkt, sondern hat auch in der städtebaulichen Gestaltungsplanung Gültigkeit (vgl. Kap. 6). Im Unterschied zu anderen Informationssystemen ist das kennzeichnende Merkmal bei Planungsinformationssystemen der Raumbezug im Sinne geographischer Lokalisation bzw. dreidimensional-räumlicher (euklidischer) Ausprägung.
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Die Aufgabe eines Planungsinformationssystems besteht darin, Wissen zu generieren und bereitzustellen, um Planungsdiskurse zu unterstützen sowie Planungsentscheidungen herbeizuführen. Dazu werden Informationen und Wissen unter den folgenden Gesichtspunkten aufbereitet [nach Kaiser/Godschalk/Chapin 1995: 90]: • • • • • • •
Beschreibung historischer Verläufe und der gegenwärtigen Situation Vorausschätzung künftiger Entwicklungen Beobachtung (’Monitoring’), Erfassung und Interpretation von Veränderungen Diagnose von Planungs- und Entwicklungsproblemen Bewertung von Planungserfordernissen Modellierung von gegenseitigen Beziehungen zwecks Simulation von künftigen Entwicklungsverläufen Präsentation von Planungsinformationen für die Planungsakteure (Planer, Öffentlichkeit, Entscheidungsträger etc.)
Für die Zwecke der städtebaulichen Strukturplanung sollte ein Planungsinformationssystem in der Lage sein, die Erscheinungsweisen und Auswirkungen räumlicher Trends zu identifizieren, um daraus ein sinnvolles Siedlungsstrukturmuster zu gewinnen, das den künftigen Erfordernissen einer Stadt gerecht wird. b) Geographische Informationssysteme (GIS) In der städtebaulichen Strukturplanung werden Planungsinformationssysteme auf der technischen Basis von Geographischen Informationssystemen (GIS) eingesetzt. In einer groben Unterscheidung kann man prinzipiell sagen, dass der GISEinsatz mit den methodischen und inhaltlichen Erfordernissen der städtebaulichen Strukturplanung korrespondiert, während Systeme aus dem weiten Bereich des Computer-Aided Design (CAD) mehr den methodischen und aufgabenspezifischen Erfordernissen der städtebaulichen Gestaltungsplanung entsprechen (vgl. diesbezüglich Kap. 6). Die Übergänge zwischen GIS und CAD sind allerdings fließend, was auf zwei Gründe zurückzuführen ist [vgl. auch Bill 1999]: Zum einen ist eine strikte Trennung von Stadtstruktur- und Stadtgestaltungsplanung nicht möglich, weshalb auch von Stadtplanungspraktikern der Wunsch geäußert wird, mit nur einem System sowohl Aufgaben der Strukturplanung als auch der Gestaltungsplanung bearbeiten zu können. Zweitens versuchen die Softwareentwickler, sofern sie sich den sehr spezifischen Usancen der räumlichen Planung und des Städtebaus widmen (wollen), schon von sich aus, beide Softwarebereiche abzudecken und damit die Vermarktungsfähigkeit ihrer Produkte zu verbessern. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen dabei die Programmierumgebungen solcher Systeme, die es dem Nutzer erlauben, in Eigenregie erhebliche Systemergänzungen vorzunehmen bis hin zu eigenen Applikationen als Erweiterungen des ursprünglichen Basissystems, die wiederum als quasi eigenständige Software-Produkte vermarktungsfähig sind. Die Bedeutung dessen, was unter einem Geographischen Informationssystem
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zu verstehen ist, hat sich im Laufe der Zeit enorm gewandelt. Ging es anfänglich in der Mitte des letzten Jahrhunderts nur um die Möglichkeit, raumbezogene Daten geographisch zu verorten, wozu zunächst weder graphische noch kartographische Ausdrucksmöglichkeiten nötig waren, so ist heute die Computerkartographie Standardfunktion in jedem GIS. Eine Erweiterung – über die zweidimensionale Kartographie hinausgehend – um dreidimensionale GIS-Funktionen führte dazu, dass Geographische Informationssysteme mittlerweile ein computergraphisches Funktionsrepertoire aufweisen, das früher nur in CAD-Systemen anzutreffen war. Auf der anderen Seite weist sogar die ’Low-cost’-Software, wie sie etwa zur Herstellung von einfachen Computergraphiken, Internetseiten oder zur Erzeugung von Bewegtgraphiken (beispielsweise ’animated GIF’s’) verwendet wird, mittlerweile gewisse GIS-Ähnlichkeiten auf [vgl. Beispiele auf beiliegender DVD].
Abb. 5.11: Bestandteile eines GIS Üblicherweise besteht die Funktionalität eines GIS aus drei Hauptbestandteilen (Abb. 5.11): • • •
einem graphischen bzw. computerkartographischen Teil, einer Datenstruktur bzw. einem Datenbanksystem und einem Teilsystem mit Werkzeugen zur Durchführung von räumlichen Analysen.
Der kartographische bzw. computerkartographische Bestandteil der GIS wiederum lässt sich in zwei verschiedene Gruppen unterteilen [aus der Vielzahl der GIS-Literatur vgl. etwa Star/Estes 1990: 32ff, Bill 1999 oder sehr gut zum Einsteigen vgl. Internet www.usgs.gov]: • •
vektororientierte Geographische Informationssysteme (Vektor-GIS) rasterorientierte Geographische Informationssysteme (Raster-GIS)
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Abb. 5.12: Prinzip von Vektor- und Rastergraphik
289 Diese Einteilung nimmt Bezug auf die zwei grundsätzlich verschiedene Funktionsweisen, mit denen computergraphische Systeme arbeiten (vgl. Abb. 5.12): entweder auf der Grundlage von Graphikelementen, die auf Vektoren basieren, oder von Graphikelementen, die aus Rasterstrukturen
bestehen. Im Falle der Vektorgraphik werden graphische Darstellungen aus Punkten und den zwischen diesen Punkten befindlichen (geraden) Linien bzw. gerichteten Strecken – den Vektoren – aufgebaut. Aus ihnen lassen sich über geschlossene Streckenzüge (Polygonzüge) Flächen erzeugen, die wiederum ein thematisches Attribut erhalten können (z.B. Wohnbaufläche). Im Falle der Rastergraphik wird der graphische Bildaufbau über eine Rasterstruktur von Bildpunkten (den ’Pixeln’) realisiert, wobei jedes Pixel einen bestimmten Farbwert besitzt, der thematisch interpretiert werden kann (ein grüner Pixelpunkt etwa könnte Wald bedeuten, ein blauer hingegen Wasser). Heutzutage sind viele graphische Systeme in der Lage, zugleich Vektor- und Rasterdaten zu verarbeiten; sie werden als ’graphische Hybridsysteme’ bezeichnet oder – im Falle von Geographischen Informationssystemen – als ’hybride GIS’. Zum allgemeinen Verständnis der GIS-Prinzipien folgt eine kurze Erläuterung, wie Raster- und Vektordaten entstehen: Rasterdaten werden grundsätzlich durch Bild- bzw. Objektabtastverfahren – aus dem angelsächsischen Sprachraum: ’scannen’ – erzeugt. Bei derartigen Verfahren wird mit Hilfe eines Sensors bzw. Detektors das Objekt in einzelne, diskrete Bildpunkte zerlegt, deren (Farb-)Attributwerte dann vom Sensor gemessen werden können. Büroscanner etwa, die Bild- oder Textvorlagen erfassen, funktionieren nach diesem Prinzip ebenso wie digitale Fotoapparate, wenngleich die Technik hier eine etwas andere ist; unterschieden wird beispielsweise in aktives Scanning (Büroscanner) und passives Scanning (digitale Fotokamera). Scanningverfahren kommen aber auch in Flugzeugen bzw. Satelliten auf Erdumlaufbahnen zum Einsatz, um die Erdoberfläche zu erfassen und damit schließlich kartographisches Material zu gewinnen. Demgegenüber werden Vektordaten in der Regel durch manuelles Digitalisieren von Punkten und Linien aus einer Vorlage, aus vermessungstechnisch gewonnenen Punktkoordinaten oder auf der graphischen Benutzeroberfläche, dem Display bzw. Monitor des verwendeten GIS oder CAD-Systems hergestellt. Wenden wir uns jetzt dem zweiten wichtigen Bestandteil von Geographischen Informationssystemen zu, den Datenstrukturen und Datenbanksystemen.
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Rasterstrukturen eines computergraphischen Systems lassen sich recht einfach speichern (vgl. Abb. 5.13 in Verbindung mit Abb. 5.12): Im Prinzip brauchen nur die Attributwerte der einzelnen Rasterzellen (= PixelAbb. 5.13: Speicherung von Rasterpunkte) Punkt für Punkt und Zeile für Daten bezogen auf das Beispiel aus Zeile in einer Datei ’notiert’ zu werAbb. 5.12, 7. Zeile – oben: unkomden. Dabei entsteht im einfachsten primierte Form; unten: komprimierte Fall eine einfache Liste von AttributForm werten. Zum Zwecke der Speicherplatzminimierung werden häufig Bildkomprimierungsverfahren eingesetzt, bei denen z.B. zusammenhängende Attributwerte mit identischem Zahlenwert zusammengefasst werden. Erzeugt werden sogenannte ‘Bitmaps‘, die auf unterschiedlichen Komprimierungsverfahren basieren; ausführlichere Darstellungen finden sich in der entsprechenden Spezialliteratur [guter Überblick bei Star/Estes 1990]. Der Bildaufbau einer solchen Bitmap bzw. Rasterkarte ist recht simpel und geschieht einfach durch Aneinandersetzen der einzelnen Pixel mit ihren attributiven Farbinformationen, allerdings unter Berücksichtigung der Zeilenwechsel. Dieses Verfahren funktioniert, weil alle Rasterpunkte geometrisch gleich groß sind und auch in Bezug auf die Bild-/Objektvorlage stets die gleiche Größenrelation aufweisen. Ein Bildformat horizontal/vertikal kann z.B. 1024x768 Pixelpunkte betragen. Im Falle von Vektordaten gibt es vier verschiedene Typen von Datenstrukturen, die wegen ihres etwas komplizierteren Aufbaus als Datenbanken bezeichnet werden. Sie besitzen eine grundsätzliche Bedeutung über den Einsatz von Geographischen Informationssystemen hinaus und sollen deshalb etwas genauer erläutert werden (vgl. auch Abb. 5.14). Unterschieden werden [vgl. auch Bill 1999, Bd. 1: 309ff]: • • • •
hierarchische Datenbanksysteme netzwerkartige Datenbanksysteme relationale Datenbanksysteme objektorientierte Datenbanksysteme
Diese vier Datenbankkonzepte lassen sich mit Rückgriff auf die Terminologie der städtebaulichen Strukturplanung recht anschaulich erläutern. Bei einer hierarchischen Datenorganisation wird das betreffende Gebiet (z.B. eine Stadt) – gewissermaßen vom Großen ins Kleine – in immer detailliertere Stufen bzw. Ebenen aufgegliedert. In einer netzwerkartigen Datenorganisation lassen sich auch Querbeziehungen zwischen den Daten darstellen. Bei räumlichen Strukturen könnte dies etwa bei Nutzungsüberlagerungen oder Mehrfachnutzungen von Flächen im Stadtgefüge vorkommen. Bei relationalen Datenstrukturen werden Datenstrukturen nach ihren Attributen voneinander separiert und tabellenartig gespeichert. So wird je eine Tabelle für Punktkoordinaten, für Strecken/Linien sowie für ge-
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Abb. 5.14: Datenbanktypen und Datenbankmodelle
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schlossene Linienzüge (Polygone) unter Hinzufügung eines Nutzungsattributs (z.B. Wohnbaufläche) erstellt. Diese Tabellen beziehen sich aufeinander, stehen zueinander in Relation, woraus sich schließlich auch ihre Bezeichnung herleitet. Bei objektorientierten Datenstrukturen wird jedes einzelne Objekt der Stadt- bzw. Siedlungsstruktur nicht nur im Hinblick auf seine Geometrie und seine Attributierung (z.B. Straße oder Wohnbaufläche) erfasst, sondern auch in Bezug auf sein Verhalten anderen Objekten gegenüber und die Vererbung von Verhaltensweisen auf untergeordnete Objekte: das Objekt ’Wohnbaufläche’ etwa weist ein Verhalten auf, mit dem es das Errichten von Wohn-Gebäuden erlaubt. Auf der Grundlage von solchen Datenbanksystemen lassen sich nun, etwa im Zuge von städtebaulichen Strukturplanungen, eine Reihe von räumlichen Analysen durchführen. Auch bei diesem dritten Grundbestandteil von GIS ist die Unterscheidung wichtig, ob wir es mit Raster- oder Vektorstrukturen zu tun haben. Obwohl die Möglichkeiten und methodischen Ansätze von räumlichen Analysen schier unbegrenzt sind, sollen zwei typische Anwendungen – jeweils für Rasterund Vektorverfahren – exemplarisch vorgestellt werden. Im Falle von Rasterdaten sind statistische Untersuchungen eine typische Analyseanwendung. Soll etwa festgestellt werden, wie groß die Anteile von Nutzungen auf einem Stadtgebiet sind, werden lediglich die dazugehörigen Attributwerte ausgezählt und statistisch miteinander verglichen (vgl. Abb. 5.15). Im Prinzip findet diese statistische Analyse mit nominalskalierten Daten statt, da es nur auf die Farbanteile der dadurch repräsentierten Nutzungen ankommt, auch wenn diese in Zahlenform vorliegen (vgl. dazu die statistischen Grundlagen in Kap. 4). Liegen außerdem Informationen darüber vor, welche Fläche ein Pixelpunkt in der Realität überdeckt, sind auch Angaben über die absolute Abb. 5.15: GIS-Analyse auf Rasterbasis Größe der Nutzungsstrukturen eines Siedlungsgefüges möglich. Eine typische Analyseanwendung im Falle von Vektordaten sind die sogenannten Überlagerungsoperationen (im Angelsächsischen: ’overlay’). Hierzu wird das zu betrachtende Gebiet in ‘Layern‘ organisiert (einst legten Stadtplaner manuell Transparente oder Folien übereinander; es handelt sich um dasselbe Prinzip). Sind z.B. auf einem derartigen Layer die vorgesehenen Nutzungen einer Stadt dargestellt und auf einem zweiten die durch Bodenkontamination betroffenen Altlastenflächen, dann lassen sich durch
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das Überlagern dieser beiden Layer Informationen über die potentielle Gefährdung der geplanten Nutzungen gewinnen (vgl. Abb. 5.16). Im Ergebnis gewinnt der Planer Kenntnisse darüber, ob etwaige zukünftige Wohnbauflächen von Altlasten betroffen sein könnten und deshalb vielleicht alternative Planungslösungen herbeigeführt werden müssten. Für diese Overlay-Operationen eignen sich Vektordaten insofern sehr gut, als dieses Verfahren Flächenstrukturen durch polygonale Abgrenzungen definiert und im Falle von Überlagerungsoperationen lediglich Schnittmengen (Verschneidungspolygone) berechnet werden müssen. Es versteht sich von selbst, dass solche Verschneidungsoperationen auch mit mehr als zwei Layern durchgeführt werden können.
Abb. 5.16: GIS-Analyse auf Vektorbasis Der Einsatzbereich von Geographischen Informationssystemen zielt, wie dargelegt, in erster Linie auf den zweidimensionalen Grundriss von Raum- und Siedlungsstrukturen. Der Schwerpunkt der städtebaulichen und räumlichen Strukturplanung wird auch künftig das Arbeiten im Grundriss beinhalten. Von Fall zu Fall können allerdings auch räumliche Strukturen – nicht Gestaltaspekte, obwohl die Übergänge, wie erläutert, fließend sind – in drei Dimensionen von Interesse sein. Man denke etwa an klimatische Gegebenheiten, Schadstoff- oder Schallausbreitungen, Bodenstrukturen, Grundwasservorkommen oder geologische Formationen, die wichtige Strukturbereiche für die Raum- und Stadtplanung darstellen und mit 3D-fähigen Geographischen Informationssystemen untersucht werden können. Wenn ein solches 3D-GIS außerdem dazu geeignet ist, zeitliche Verläufe derartiger Strukturen – beispielsweise Grundwasserströmungen, Hochwasserereignisse oder Schallausbreitungen – abzubilden und dynamisch zu simulieren, haben wir es mit Geographischen Informationssystemen zu tun, mit denen räumliche Strukturaspekte in allen drei Raumdimensionen handhabbar gemacht werden können. Auch im Falle von 3D-GIS ist, was die geometrischen Grundeinheiten betrifft, die Unterscheidung in Vektor und Raster gültig. Hinzu kommt allerdings die zusätzliche
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geometrische Dimension. Im Falle von Vektoren sind es dreidimensional im Raum befindliche, gerichtete Strecken oder mit solchen Vektoren modellierte Gebilde. Im Rasterfall stehen statt der Pixel dreidimensionale Volumenelemente – ‘Voxel‘ – für die Bearbeitung zur Verfügung (häufig beispielsweise bei Klimamodellen). Geographische Informationssysteme, einst eine schwer zu bedienende Softwarekategorie in einem nur außerhalb des Internets verwendbaren Bearbeitungsmodus, sind mittlerweile im Internet mit benutzerfreundlichem Zugriff über allgemein verfügbare Internet-Browser eingebettet. Frei verfügbare und einfach zu bedienende Produkte wie ‘Google Maps/Earth‘, ‘Bing Maps‘ oder ‘NASA World Wind‘, mit denen in rudimentärer Weise auch räumliche Strukturanalysen durchgeführt werden können, haben dazu die entsprechenden Impulse geliefert und Wirkung auf dem Softwaremarkt der Geographischen Informationssysteme entfaltet. GIS im Internet ist in Gestalt von ‘Internet-GIS‘, ‘Web Mapping‘ oder ‘WebGIS‘ zu einer Standardfunktionalität bis hin zur mobilen Anwendung auf Smartphones geworden und kann als wesentlicher Teil dessen betrachtet werden, was wir als Geoweb bezeichnen. c) Erfassung und Analyse von Siedlungs- und Raumstrukturen Die Erfassung des städtebaulichen Strukturgefüges und räumlicher Situationen ist eine wichtige Aufgabe im Vorfeld oder im Zuge planerischer Aktivitäten. Erfasst werden Realnutzungen und andere tatsächliche Gegebenheiten (z.B. Eigentumsverhältnisse), die sich prägend auf die Struktur einer Stadt oder einer anderen Raumeinheit auswirken. Geographische Informationssysteme sind zeitgemäße technische Hilfsmittel, um Siedlungs- und Raumstrukturen in effektiver Weise zu erfassen und zu analysieren. Bei der Erfassung von Realnutzungen sind zwei Aspekte voneinander zu unterscheiden: • •
äußerlich sichtbare Strukturmerkmale sowie äußerlich nicht sichtbare Strukturmerkmale, darunter insbesondere Nutzungen innerhalb von Gebäuden.
Diese Unterscheidung ist sehr wichtig, weil, wie schon eingangs erwähnt, Strukturelemente, die sich unterhalb der Erdoberfläche befinden, oder strukturbestimmende Nutzungen innerhalb von Gebäuden für die Stadtstrukturplanung nicht minder wichtig sind als die für das Auge unmittelbar erkennbaren städtebaulichen Strukturelemente. Für die stadt-, siedlungs- und raumstrukturelle Erfassung und Analyse stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, von denen die wichtigsten sind: • • • •
Fernerkundung (Luftbilder und Satellitenbilder) Kartenanalysen (zu Topographie, Boden, Geologie, Klima sowie allen übrigen planungskartographischen Themen) Katasterinformationen (Karten, Listen etc. zu verschiedenen Themen) Erfassung von Nutzungsstrukturen im Baubestand
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Für die Realnutzungserfassung von Raum- und Siedlungsstrukturen besitzt die Fernerkundung eine überragende Bedeutung. Unter Fernerkundung (im angelsächsischen Raum wird von ’remote sensing’ gesprochen) fallen alle Verfahren, mit denen über eine Distanz hinweg eine bildgraphische Erfassung von Objekten vorgenommen werden kann [Laurini 2001: 78ff; Star/Estes 1990: 191ff; zu den methodischen Grundlagen sehr gut auch DLR 1989 oder Internet www.crisp.nus.edu.sg/ ~research/tutorial/rsmain.htm]. Bevor Satelliten in Erdumlaufbahnen eingesetzt wurden, fand die Fernerkundung mit Hilfe von Flugzeugen, Helikoptern oder anderen Fluggeräten statt, von denen aus die Erdoberfläche photographisch bzw. photogrammetrisch erfasst wurde (vgl. Abb. 5.17). In der städtebaulichen Strukturplanung bedient man sich der Fernerkundung, um anhand des gewonnenen Bildmaterials (Luft-/Satellitenbilder) vor allem mit statistischen Methoden den quantitativen Anteil der verschiedenen Nutzungen im Stadtgefüge zu ermitteln [vgl. Internet www.statistik-bund.de/stabis], soweit eine solche Differenzierung aus Bilddaten möglich ist. Nutzungen innerhalb von Gebäuden lassen sich über die Fernerkundung allerdings nicht feststellen.
Abb. 5.17: Prinzip der Fernerkundung zur Gewinnung von Rauminformationen für den GIS-Einsatz Auch kartographisches Material spielt in der städtebaulichen Strukturplanung nach wie vor eine herausragende Rolle, gleich, ob es in analoger Form (traditionelle, manuell gefertigte Pläne) oder in digitaler Form (Karten und Pläne in computerisierter Form) vorliegt. Thematische Karten aus dem Planungsbereich können beispielsweise Aufschluss geben über die Herausbildung von Siedlungs- und Raumstrukturen in der Vergangenheit und so – in Verbindung mit anderem Kartenmaterial, das Informationen zur Topographie, aber auch zu Bodeneigenschaften, Geologie, Klima
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etc. enthält – die Ausgangsbasis für in die Zukunft gerichtete, stadtstrukturelle Konzepte bilden.
Abb. 5.18: Erfassung von Veränderungen im Bestand im Falle des „Kommunalen Planungsinformations- und Analyse-Systems“ der Landeshauptstadt München (Quelle: Landeshauptstadt München; Scan eines dem Verfasser überlassenen Kartenausdrucks aus dem Jahre 1991) Katasterinformationen sind der dritte große Bereich, der Auskunft über städtebauliche Strukturen gibt und für Aufgaben der städtebaulichen Strukturplanung herangezogen wird. Vorrangig geht es dabei um Informationen zu Eigentums- und Besitzverhältnissen an Grundstücken, die im Liegenschaftskataster und den dazugehörigen Katasterkarten mit Darstellung der Eigentumsparzellen (Flurstücke) nieder-
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gelegt sind. Ursprünglich bezog sich der Katasterbegriff – vor dem Hintergrund der Erhebung von Steuern auf Grund und Boden – nur auf Liegenschaften. Mit der Zeit jedoch wurde der Begriff des ’Katasters’ auch auf andere Sachverhalte ausgeweitet; so gibt es mittlerweile Gewerbeflächenkataster, Leitungskataster, Infrastrukturkataster, Baumkataster, Altlasten(verdachts)kataster und ähnliches. Stets geht es darum, für den jeweiligen Sachverhalt geordnete Listen zu führen – heutzutage in der Regel per Computer – und diese ggf. mit kartographischem Material zu ergänzen. Die Erfassung von Nutzungsstrukturen im Baubestand, d.h. innerhalb von Gebäuden, ergänzt die Bestandsaufnahme der Siedlungsstrukturen um eine wichtige Komponente, denn aus dem Bildmaterial der Fernerkundung lässt sich nicht immer erkennen, ob und inwiefern sich städtebauliche Strukturen gravierend ändern. Ganze Stadtteile können in ihrer Nutzungsstruktur ’umkippen’, wenn sich etwa der tertiäre Sektor mit Büros, Praxen, Softwareherstellern etc. von der Öffentlichkeit kaum bemerkt in Wohngebäuden einquartiert. Weltweit gibt es attraktive Stadtteile mit ’guten Adressen’, in denen derartige Prozesse ablaufen; häufig handelt es sich um hochwertige Altstadtgebiete, die durch städtebauliche Erneuerungsmaßnahmen und Gentrifizierung bereits eine bauliche Substanzverbesserung erfahren haben – in Deutschland sind dies häufig Gründerzeithausgebiete großer Städte. Um die Veränderung solcher Nutzungsstrukturen im Bestand festzustellen und ggf. auch gegensteuern zu können, bedarf es besonderer Erfassungsmethoden. Beispielhaft war vor vielen Jahren die Stadt München mit ihrem „Kommunalen Planungsinformations- und Analyse-System“ (KOMPAS), mit dem auf der Grundlage einer systematischen Erfassung von Baufertigstellungen Nutzungsänderungen im Siedlungsbestand kontinuierlich registriert werden konnten (vgl. Abb. 5.18). Im Falle von Gebäudeleerständen aufgrund von tendentiell abnehmenden Bevölkerungszahlen, die bei etwaiger Häufung mancherorts ein besonderes Problem im Stadtstrukturgefüge darstellen, liefern Fernerkundungsmethoden ebenfalls keine aussagefähigen Ergebnisse. Auch hier würde ein System wie das genannte KOMPAS hilfreich sein. Stattdessen verwendet man für die Erfassung von leerstehenden Gebäuden andere Methoden, die sich spezieller Merkmale bedienen, die indirekte Hinweise auf das tatsächliche Bewohnen liefern. Dazu gehören Ortsbegehungen (teuer, aufwändig und nicht frei von subjektiven Einschätzungen), die Nutzung von Ver- und Entsorgungseinrichtungen der Bewohner (kein Strom- oder Wasserverbrauch als Leerstandsindiz) oder ein Datenabgleich über das Einwohnermelderegister, das allerdings nur Informationen über bewohnte, nicht aber über unbewohnte Gebäude liefert [ausführlich zu den methodischen Problemen bei der Erfassung von Gebäudeleerständen vgl. Streich 2010]. d) Flächen- und Raumbeobachtung im zeitlichen Verlauf Die Anwendung der gerade erläuterten Methoden zum Erfassen von Siedlungsund Raumstrukturen liefert als Resultat lediglich eine statische Momentaufnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt. Zur Beurteilung der Entwicklungsdynamik von Stadt- und Raumstrukturen sind jedoch Flächen- und Raumbeobachtungen (Moni-
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toring) über einen gewissen Zeitraum wichtig, damit auch sich nur allmählich vollziehende, schleichende Veränderungen hinsichtlich der Nutzungen oder anderer Strukturphänomene in einem Siedlungsgebiet erkannt werden. Methoden der kontinuierlichen Flächen- und Raumbeobachtung können als Erweiterung der Erfassung und Analyse der Siedlungs- und Raumstrukturen über den zeitlichen Verlauf hinweg verstanden werden. Wird dazu ein Geographisches Informationssystem zum Einsatz gebracht, trägt es in der Regel die Bezeichnung dynamisches GIS. In welcher Weise ein solches GIS jedoch die Dynamik zeitlicher Abläufe wiederzugeben vermag, ist von vornherein nicht immer ganz ersichtlich. Auch das zeitliche Aneinanderkoppeln von (statischen) Karten, die jeweils den Zustand zu bestimmten Zeitpunkten repräsentieren, wird gelegentlich als dynamisches GIS bezeichnet.
Abb. 5.19: Bildersequenz aus einem dynamischen GIS am Beispiel der Stadt Köln (dargestellt sind die Jahre 1840, 1938 und 1986) Die Informationsgewinnung anhand von dynamischen Abläufen lässt sich steigern, je mehr die Möglichkeiten der digitalen Medien ausgeschöpft werden. Eine geeignete Methode zur Visualisierung von Veränderungen des Siedlungsstrukturgefüges, um daraus Informationen über zeitliche Abläufe zu gewinnen, sind Bewegtbildsequenzen bzw. filmische Szenen, die, computertechnisch betrachtet, leicht zu realisieren sind. Eine Möglichkeit sind sogenannte ’animated GIF’s’, eine andere die Herstellung von ‘flash‘-Animationen. Abbildung 5.19 zeigt einzelne Momentaufnahmen aus einer solchen dynamischen Sequenz am Beispiel eines Stadtwachstumsprozesses; eine Zusammenstellung von Beispielen aus Deutschland und den USA findet sich auf der dem Buch beiliegenden DVD in Form filmischer Szenen. e) Bevölkerungsstruktur und Bevölkerungsentwicklung Daten über Bevölkerungsstruktur und Bevölkerungsentwicklung gehören mit zu den wichtigsten Informationsgrundlagen für städtebauliche Strukturplanungen. Die Ausweisung von Wohngebieten oder die stadtstrukturelle Berücksichtigung von Arbeitsplätzen basiert ebenso auf Bevölkerungszahlen wie die Menge der Gemeinbe-
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darfseinrichtungen und Anlagen der technischen Infrastruktur oder die Kapazität einer Abwasserreinigungsanlage. Von Interesse für die Stadtstrukturplanung sind besonders folgende Bevölkerungskennwerte: • • •
Zahl der Gesamtbevölkerung Bevölkerungsaufbau nach Alter und Geschlecht Bevölkerungsanteile nach Herkunftsnationalitäten und ethnischen Gruppen
Die große Vielfalt der Methoden, die es erlaubt, die Bevölkerung eines Gebiets zahlenmäßig zu erfassen, kann hier nicht dargelegt werden; dazu bediene man sich der umfangreichen bevölkerungswissenschaftlichen Spezialliteratur [Feichtinger 1973] oder der entsprechenden Planungsliteratur [z.B. Schwarz 1972, Meise/Volwahsen 1980: 285ff oder ARL 1988; ebenfalls sehr übersichtlich mit dem Kapitel „Population“ Kaiser/Godschalk/Chapin 1995: 115ff; außerdem vgl. Streich 1976]. Geht es im einfachsten Fall darum, die Gesamtbevölkerung in einem betrachteten Gebiet festzustellen, werden die entsprechenden Erhebungen durchgeführt und nach den oben genannten Merkmalen mit Hilfe von statistischen Methoden (vgl. Kap. 4) ausgewertet. Unter bestimmten Annahmen sind dann auch Bevölkerungsvorausschätzungen (Prognosen oder Projektionen) möglich, bei denen im Zuge der mathematischen Modellierung etwa ein lineares (oder auch nicht lineares) Regressionsmodell zu Grunde gelegt wird.
Abb. 5.20: Das Lexis-Diagramm zur Veranschaulichung von Lebensereignissen einzelner Personen und Personengruppen (Kohorten)
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Eine andere, sehr gebräuchliche Modellierungsgrundlage für Bevölkerungsuntersuchungen stellt das Lexis-Diagramm dar, das nach dem deutschen Nationalökonom Wilhelm Lexis (1837-1914) benannt ist. Darin können die ’Lebenslinien’ mit verschiedenen Lebensereignissen einzelner Personen oder zu Alterskohorten zusammengefasster Personengruppen entlang zweier Zeitachsen – der Lebensjahre und der Kalenderjahre – anschaulich dargestellt werden (vgl. Abb. 5.20). Das Lexis-Diagramm bildet die Basis eines noch etwas komplizierteren Modellansatzes, mit dem die Bevölkerungsstruktur einer Gesamtbevölkerung erfasst und die künftige Entwicklung der Bevölkerung unter bestimmten Annahmen simuliert werden kann. Es handelt sich um das sogenannte Kohorten-Komponenten-Modell, das in den 1920er Jahren von den Amerikanern Pascal K. Whelpton und Warren S. Thompson entwickelt wurde und die größte Bedeutung unter den Bevölkerungsmodellierungsverfahren besitzt [Whelpton 1928; Helly 1975: 19ff; Kaiser/Godschalk/ Chapin 1995: 132]. Bei diesem Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass sich eine Bevölkerung aus verschiedenen Altersgruppen, den Kohorten, zusammensetzt und sich die Veränderung der Bevölkerungsstruktur aus den Komponenten Geburten, Sterbefälle und Wanderungsbewegungen entlang einer Zeitachse ergibt (siehe Abb. 5.21). Wird die zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhandene Bevölkerung graphisch dargestellt, zeigt der Bevölkerungsaufbau – im Idealfall einer über einen langen Zeitraum stabilen Bevölkerung – die Form einer Pyramide; man spricht deshalb von einer Bevölkerungspyramide. Im Falle Deutschlands weist die graphische Darstellung gegenwärtig allerdings keine Pyramidenform mehr auf, sondern besitzt wegen geringer und weiter abnehmender Geburtenraten sowie einer zahlenmäßigen Zunahme älterer Bevölkerungskohorten eher die Form einer Birne (vgl. Simulation auf beiliegender DVD). Dieser Modellansatz basiert für ein abgegrenztes Gebiet und für eine bestimmte Zeitperiode auf den folgenden Parametern [vgl. z.B. Meise/Volwahsen 1980: 285ff]: • • • •
Einteilung der Bevölkerung in Kohorten nach Alter und Geschlecht (zu einem bestimmten Zeitpunkt, der den Beginn der betrachteten Zeitperiode markiert) Geburten innerhalb der Zeitperiode unter Zugrundelegung kohortenspezifischer Fertilitätsraten (Frauen zwischen 15 und 45 Jahren) Todesfälle innerhalb der Zeitperiode nach kohortenspezifischen Mortalitätsraten, Wanderungen innerhalb der Zeitperiode als kohortenspezifische Zu- und Abwanderungen (kohortenspezifisches Wanderungssaldo)
Mit diesen Parametern und ihrer gegenseitigen Beeinflussung lassen sich Bevölkerungsveränderungen für einen bestimmten Zeitraum sehr gut simulieren (einige für die Stadtentwicklungsplanung relevante Schlussfolgerungen aus den aktuellen, für Deutschland geltenden Zahlen vgl. entsprechende Ausführungen in Kap. 9). Bevölkerungsvorausschätzungen nach dem Kohorten-Komponenten-Verfahren sind denkbar einfach. Ausgehend von den Bevölkerungsdaten in Einjahreskohorten zu einem bestimmten Zeitpunkt wird jede einzelne Kohorte unter Berücksichtigung der für diese Kohorte maßgeblichen Sterbewahrscheinlichkeit sowie von Zu- und
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Abwanderungen in die nächsthöhere Kohortenposition des Folgejahres transformiert. So erhält man aus der Alterskohorte der 41-jährigen des Jahres 2010 die Al-
Abb. 5.21: Das Kohorten-Komponenten-Modell (mit 10-Jahres-Kohorten)
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terskohorte der 42-jährigen des Jahres 2011. Die in jedem Jahr neu zu erstellende Alterskohorte der 0- bis 1-jährigen ergibt sich aus den Geburten eines Jahres, die wiederum aus den Fertilitätsraten aller Frauen im gebärfähigen Alter errechnet werden. Auf diese Weise können sukzessive über den gesamten Betrachtungszeitraum hinweg die Veränderungen der Bevölkerungszahlen prognostiziert werden. In diesem Zusammenhang sei noch die sogenannte Leslie-Matrix erwähnt (vgl. Abb. 5.22). Hierbei handelt es sich um eine mathematische Formulierung des KohortenKomponenten-Verfahren (ohne Zu- und Abwanderungen), das auf eine einfache Matrizenmultiplikation reduziert ist und sich deshalb recht unkompliziert in ein Computerprogramm umsetzen lässt [zur Programmierung eines solchen KomponentenKohorten-Modells vgl. Streich 1976].
Abb. 5.22: Leslie-Matrix für Bevölkerungsprognoserechnungen
f) Städtebauliche Schätzgrößen und Orientierungswerte Die städtebauliche Strukturplanung benötigt eine Vielzahl von Basisinformationen, beispielsweise darüber, wie groß die Flächenbedarfe für einzelne Nutzungen bezogen auf eine bestimmte Einwohnerzahl sind, von welcher Größenordnung und welchem Einzugsbereich etwa bei Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen auszugehen ist oder wie hoch die entsprechenden Herstellungs- und Betriebskosten anzusetzen sind. Um bei konkreten Planungsaufgaben nicht völlig im Nebel zu stochern, gibt es in der Stadtplanung schon seit vielen Jahrzehnten Bemühungen, Anhaltspunkte über diese Gegenstandsbereiche zu gewinnen. Die dabei zusammengestellten Werte trugen so unterschiedliche Bezeichnungen wie Richtwerte, Kennwerte, Eckwerte, Standards oder Orientierungswerte; im Angelsächsischen ist der Begriff ’standards’ üblich, seltener ’planning parameters’ [vgl. Chiara/Koppelman 1978; Kaiser/Godschalk/Chapin 1995: 385ff]. Lange gab es über die in Deutschland verwendeten Bezeichnungen Diskussionen, die auch heute noch nicht ganz abgeebbt sind. In erster Linie wurden und werden Bedenken gegenüber dem Begriff ‘Orientierungswerte‘ geäußert, weil mit
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ihm ein quasi-normativer Charakter verbunden ist, was nicht nur wegen der Schnelligkeit, mit der sich Lebensbedürfnisse, -gewohnheiten und -umstände der Menschen wandeln, höchst fragwürdig erscheint; erst in jüngerer Zeit taucht dieser Begriff wieder häufiger im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitsdiskussion im Städtebau auf [vgl. etwa Fuhrich 2002]. In jedem Fall ist man sich dahingehend einig, dass Zahlenwerte zur Einschätzung von benötigten Größenordnungen nach wie vor unverzichtbar sind; insbesondere von Seiten der in der städtebaulichen Praxis tätigen Planerinnen und Planer besteht eine Nachfrage nach solchen ’Faustwerten’, wie diese Zahlenwerte manchmal auch genannt werden. Im übrigen dürfte es den praktischen Bedürfnissen vielleicht mehr entgegenkommen, sie nicht städtebauliche Orientierungswerte oder Standards zu nennen, sondern städtebauliche Schätzgrößen oder städtebauliche Basisdaten. Für die Ableitung von städtebaulichen Schätzgrößen kommen grundsätzlich folgende Verfahren in Betracht [Borchard 1974: 11]: • •
•
Einzelfallerfassung und statistische Ermittlung von Durchschnittswerten; Gewinnung von Rückschlüssen auf solche Werte/Größen durch Beobachtung der Zusammenhänge und der Entwicklung von gesellschaftlichen und individuellen Bedürfnissen; Aufgreifen von normativen Werten, über die weitgehend ein Konsens besteht, so dass sie etwa in rechtlichen Vorschriften ihren Niederschlag gefunden haben.
So zweckmäßig die städtebaulichen Schätzgrößen bei der Bearbeitung von städtebaulichen Projekten auch immer sein mögen, ihr großer Nachteil ist, dass sie stets auf Daten aus der Vergangenheit basieren – fragwürdig insbesondere, als dadurch gewissermaßen auch Normen und Werte der Vergangenheit für die Zukunft fixiert werden. Dieser Nachteil wird noch dadurch verschärft, dass solche Schätzgrößen stets in stark aggregierter Form vorliegen aufgrund einer statistischen Durchschnittsbildung, die zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgenommen wird. Diese Durchschnittsbildung führt zu pauschalierten Informationen und verhindert den Rückgriff auf die zu Grunde liegenden Einzelfälle. Zu den damaligen Methoden, solche Schätzgrößen zu bilden und zusammenzustellen, wie dies Klaus Borchard in den 1960er und 1970er Jahren mit seinem noch heute verwendeten Standardwerk über „städtebauliche Orientierungswerte“ getan hat, gab es allerdings auch keine methodischen Alternativen. Dies hat sich zwischenzeitlich geändert, denn mit den Möglichkeiten der computergestützten Informationsverarbeitung sind wir jetzt in der Lage, mit völlig anderen Methoden an die Bildung von städtebaulichen Schätzgrößen heranzugehen, sie nämlich unter jeweils unterschiedlichen Situationsbedingungen gewissermaßen immer neu zu bilden. Für einzelfallbezogene Datenaggregationen, die dann zu jedem beliebigen Zeitpunkt einer Anfrage durchgeführt werden können, kommen zwei methodische Ansätze aus dem Umfeld der angewandten Informatik in Betracht: fallbasiertes Schließen bzw. ‘case-based reasoning‘ (CBR) oder explorative Datenanalysen wie etwa
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‘Data-Mining‘ (dazu vgl. Kap. 4). Beim CBR-Ansatz geht es im Prinzip darum, die Lösung für ein aktuelles Problem aus den Lösungen von ähnlichen Problemen in der Vergangenheit herzuleiten [vgl. Internet www.ai-cbr.org]. Übertragen auf die Herleitung städtebaulicher Schätzgrößen heißt dies, dass zunächst eine Sammlung von Einzelfällen in einem Computersystem abgespeichert wird. Dabei erfolgt eine charakterisierende Beschreibung dieser Fälle, etwa indem eine Indexierung nach verschiedenen Gesichtspunkten vorgenommen wird oder diese Objekte nach semantischen Aspekten geordnet werden. Im Falle einer Grundschule könnten dies etwa Lage und topographische Gegebenheiten, Baujahr, Kosten, Ausstattung etc. sein. Wenn zu einem späteren Zeitpunkt erneut die Errichtung einer Grundschule ansteht, wird nach einer entsprechenden Anfrage das System nach ähnlich gelagerten Fällen in seiner Datenbank suchen. Anhand der von ihm selbst zusammengestellten Beispiele kann der Planer sich dann Schätzgrößen für den konkreten Planungsfall liefern lassen. Der große Vorteil gegenüber herkömmlichen statistischen Verfahren besteht in dreierlei Hinsicht: Erstens werden nur Fälle zum Ermitteln von Schätzgrößen (oder Orientierungswerten) in Betracht gezogen, die tatsächlich Ähnlichkeiten zum konkreten Planungsfall aufweisen. Zweitens kann die entsprechende Datenbank dynamisch fortgeführt werden, so dass bei einer kontinuierlichen Fortführung die Schätzgrößen auf relativ aktuellen Informationsgrundlagen basieren. Und drittens findet die Herleitung von Schätzgrößen immer über identifizierbare Einzelfälle statt, wodurch der Nachteil einer statistischen Vorabaggregierung, die keine Rückschlüsse mehr auf die verwendeten Einzelfälle zulässt, wegfällt [zum Thema CBR vgl. Standardwerk von Kolodner 1993; außerdem Streich/Rippel 1995 oder Schmitt 1996]. Die Gewinnung von städtebaulichen Schätzgrößen mit der Methode des ’DataMining’ ist dem CBR-Verfahren recht ähnlich. Bei diesem Ansatz findet die Datengewinnung auf der Basis einer (schon vorhandenen) heterogenen Datenstruktur statt, indem die relevanten Informationen nach dem in Kapitel 4 angesprochenen Verfahren extrahiert werden. Am Beispiel der Gemeinbedarfseinrichtung Grundschule sei kurz dargestellt, welche Arten von Schätzgrößen bzw. Basiswerte für die städtebauliche Strukturplanung relevant sind. Es sind dies insbesondere [vgl. Borchard 1974: 104]: • • • • •
der Flächenbedarf für eine Grundschule je Einwohner; die erforderliche Grundstücksfläche (für eine konventionelle Grundschule); der erforderliche Mindesteinzugsbereich; die maximal zumutbare Entfernung für die Schüler; der Stellplatzbedarf (etwa aufgrund von Richtwerten aus rechtlichen Vorschriften).
Im Falle des angenommenen Beispiels der Grundschule wären folgende Abhängigkeiten zu berücksichtigen: •
Anteil der Grundschüler an der Bevölkerung des Einzugsbereichs in Neubaugebieten, in Gebieten mit stabiler Bevölkerung und in Gebieten mit überalterter Be-
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• • •
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völkerung; Schulfläche pro Schulkind nach DIN 18031; Klassenfrequenzen; Differenzierungsmöglichkeiten des Lehrangebots.
Abb. 5.23: Zusammenstellung ausgewählter Schätzgrößen im Bereich des Gemeinbedarfs Darüber hinaus sind folgende Kostenpositionen, die dann vor allem auch im Stadtbzw. Gemeindehaushalt ihren Niederschlag finden müssen, zu kalkulieren: • • •
Herstellungskosten mit reinen Baukosten, Kosten der Außenanlagen, besonderen Betriebseinrichtungen und Baunebenkosten; Einrichtungskosten für Mobiliar und Lehrausstattung; Betriebskosten (Folgekosten) mit folgenden Einzelpositionen: Lohn- und Gehaltskosten (für Verwaltungspersonal etc.), Zins- und Tilgungskosten, Reinigungs- und Pflegekosten, laufende Materialkosten für Lehr- und Lernmittel,
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Fahrtkosten für Schülertransport, Energiekosten, Gebühren und Versicherungskosten, jährliche Instandhaltungskosten sowie Kosten für Verschiedenes. Eine Zusammenstellung ausgewählter Schätzgrößen für die städtebauliche Planung im Bereich der Gemeinbedarfs zeigt Abbildung 5.23. Genauere Darstellungen zu städtebaulichen Schätzgrößen, Basiswerten oder Orientierungswerten in Bezug auf andere Gemeinbedarfseinrichtungen sowie weitere für die Stadtstrukturplanung wichtige Schätzgrößen finden sich unter entsprechenden Internetlinks auf beiliegender DVD. g) Stadtökonomische Informationen (Wirtschaft) Die sehr engen Beziehungen zwischen städtebaulichen Strukturen und der Stadtökonomie sind bereits an anderen Stellen mehrfach zum Ausdruck gebracht worden. Zu den ganz wesentlichen Grundlagen für städtebauliche Strukturplanungen gehören deshalb immer auch Informationen über die ökonomischen Voraussetzungen und wirtschaftlichen Aktivitäten einer Stadt.
Abb. 5.24: Veranschaulichung des stadtstrukturellen Wandels, an dessen vorläufigem Ende die fraktale Struktur der Wissens- und Informationsgesellschaft steht (Quelle: ISOCARP Kongressankündigung 2001)
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Weil die Ökonomie einer Stadt bzw. eines Ortes in erheblichem Maße das städtebauliche Strukturgefüge formt, ist es erforderlich, sich in jedem Einzelfall genaue Informationen über die Wirtschaftsstruktur, ihre infrastrukturellen Voraussetzungen und ihre Einbettung in das städtebauliche Gefüge einer Stadt zu verschaffen. Dies kann von Ort zu Ort höchst unterschiedlich ausfallen, je nachdem welcher Branchenmix gegeben und welcher für die Zukunft gewünscht ist. Industrielle Produktionsweisen benötigen andere Standortvoraussetzungen als der Dienstleistungssektor, mittelständisches Gewerbe andere als Zentralen großer Konzerne. Was nun die Schaffung einer der städtebaulichen Strukturplanung adäquaten und zweckmäßigen Informationsgrundlage anbetrifft, so gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten der Bedarfsermittlung: einen unternehmensorientierten Ansatz, der die einzelnen Branchen mit ihrem Neuansiedlungs-, Verlagerungs- und Erweiterungsbedarf berücksichtigt, sowie einen arbeitsmarktorientierten Ansatz, der auf ein ausreichendes Arbeitsplatzangebot für das gesamte Beschäftigtenpotential ausgerichtet ist [vgl. Gruber 1987: 301]. Eine zunehmend wichtige Rolle im Zuge von städtebaulichen Strukturplanungen spielt die Tatsache, dass sich der Branchenmix in den Städten gegenwärtig und künftig gravierend verändert. Vor allem der Wandel von der Industriegesellschaft zur Wissensgesellschaft wird stadtstrukturelle Folgen haben, beispielsweise durch die zunehmende Standortunabhängigkeit der Wissensarbeit auf der Basis digitaler Technologien [vgl. Castells 1989, Streich 1987, Coates/Mahaffie/Hines 1997; Heuser 1996: 49ff]. Abbildung 5.24 zeigt in starker Vereinfachung, welche Veränderungen – mit unausweichlichen Konsequenzen für das städtebauliche Gefüge unserer Städte – auf uns zukommen werden (ergänzend vgl. Abb. 2.5, in der die Dynamik der klassischen Dreiteilung in primären, sekundären und tertiären Beschäftigungssektor zu erkennen ist – mit dem Wissens- und Informationssektor als quartärem Sektor). h) Umweltinformationen Für die Stadtstrukturplanung stellt die natürliche Umwelt nicht nur die physikalische Grundlage zur Realisierung von baulichen Nutzungen dar, sondern auch eine Ressource, die es im Sinne des Nachhaltigkeitsgrundsatzes zu schützen, zu erhalten und zu pflegen gilt – mit den entsprechenden Instrumenten zur Prüfung auf Umweltverträglichkeit. Aus diesem Grunde ist das Vorliegen und die Verfügbarkeit von Informationen über die Umwelt ebenso unabdingbar wie ihre Berücksichtigung im Zuge von städtebaulichen Strukturplanungen, und dies nicht nur im Hinblick auf die optimale Zuordnung von baulichen Nutzungen und verschiedenen Freiraumnutzungen, sondern auch aus ethischen Erwägungen der Raumnutzung durch den Menschen [vgl. Beatley 1994: 241ff]. Die städtebauliche Strukturplanung benötigt Informationen über die folgenden Umweltmedien [Braam 1999: 400; Kaiser/Godschalk/Chapin 1995: 172ff]:
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Boden (Bodentypen, Bodenqualitäten und ggf. -verunreinigungen) Wasser (Oberflächenwasser, Grundwasser) Luft (Luftverunreinigungen, Klima) Ökosysteme (Flora, Fauna und Habitate)
Hinzuweisen ist an dieser Stelle nochmals auf den ‘ökologischen Fußabdruck‘ als wichtigen Leitindikator für die Inanspruchnahme von Umweltmedien (zum theoretischen Hintergrund vgl. Kap. 2, Abschnitt „Ökologische Stadtforschung“), der eine wichtige Rolle im Zuge von städtebaulichen Strukturüberlegungen spielt bzw. spielen sollte. Die Umrechnung der Inanspruchnahme von Umweltmedien – aller Umweltmedien – in eine Flächeneinheit öffnet die Augen dafür, was eine Stadt in ihrer Nutzungsstruktur noch verträgt oder was sie nicht mehr verträgt. Schutz und Pflege der Umwelt ist eine Seite der Medaille, die im Zuge der städtebaulichen Strukturplanung zu berücksichtigen ist. Die andere Seite ist, dass von der Umwelt auch Gefahren mit erheblichen Konsequenzen auf die städtebauliche Struktur ausgehen können. Deshalb sind im Zuge der Stadtstrukturplanung stets auch Informationen über potentielle Überschwemmungsgebiete, Gefahrenbereiche von Erdrutschen in stark hängigen Gebieten, Erdbeben, gehäuft auftretende Sturmereignisse oder sogar Gefahrenherde beim Vorliegen von idealen Ausbreitungsbedingungen für Krankheitserreger einzuholen und stadt- bzw. raumstrukturelle Maßnahmen des Schutzes und der Abwehr zu treffen.
Abb. 5.25: Stadtklimatische Analysen im Zuge von Stadtstrukturplanungen für Stuttgart; links: Kaltluftströme; rechts: überlagerte Darstellung von Kaltluftvolumina und Stadtstrukturen (Quelle: www.stadtklima.de/stuttgart)
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In diesem Zusammenhang ist erneut auf den besonderen Wert von Geographischen Informationssystemen (GIS) hinzuweisen, die bei der Erfassung, Speicherung und Wiedergabe von Umweltinformationen seit langem eine herausragende Rolle spielen. Insbesondere die Eigenschaft solcher Systeme, raumbezogenes Informationsmaterial eingängig und allgemeinverständlich zu präsentieren, ist hilfreich, wenn es darum geht, das öffentliche Bewusstsein für Umweltprobleme zu aktivieren und zu schärfen [vgl. exemplarisch Internet www.grida.no/climate]. Von den vielen GIS-Einsatzmöglichkeiten an der Nahtstelle zwischen städtebaulicher Strukturplanung und den zu berücksichtigenden Umweltdispositionen seien stadtklimatische Analysen hervorgehoben, die ein hohes methodisches Niveau erreicht haben und sehr anschaulich vermittelt werden können, wie das Beispiel Stuttgart zeigt; Abbildung 5.25 liefert dazu einen kleinen Eindruck [Internet www.stadtklima.de/stuttgart]. i) Informationen über die Zukunft: Prognosen und Projektionen Zum Spektrum der Informationen, die für die städtebauliche Strukturplanung benötigt werden, gehören – aus dem Wesen der Stadtplanung heraus – auch Einschätzungen, wie sich bestimmte Sachverhalte in Zukunft entwickeln. Dies gilt für die demographische und die ökonomische Entwicklung einer Stadt oder eines Ortes ebenso wie für die Umweltbedingungen, den Verkehr oder die Bedürfnisse der Menschen. Der enge Zusammenhang zwischen Planung und Voraussagen über die Zukunft (Prognosen), Gegenstand des Eingangskapitels, wurde ebenso wie die unterschiedlichen Prognosemethoden und die statistischen Methoden, mit denen mathematische Projektionen für bestimmte Sachverhalte in die Zukunft vorgenommen werden können, bereits behandelt (siehe Kap. 4). Bei der städtebaulichen Strukturplanung kommt es nun darauf an, die so gewonnenen Informationen über die Zukunft zu nutzen, um daraus ein in die Zukunft gerichtetes städtebauliches Strukturgefüge zu konzipieren. Nach welchen Prinzipien und mit welchen Methoden dies geschieht, ist Gegenstand der nachfolgenden Erörterungen; später wird noch im Zusammenhang mit der städtebaulichen Entwicklungsplanung, der Stadterneuerungsplanung und dem für die Strukturplanung wichtigen Flächennutzungsplan auf die notwendigen städtebaulichen Strukturinformationen zurückzukommen sein.
Stadtstrukturelle Konzepte Wir wollen uns nun der Frage zuwenden, welche stadt- bzw. siedlungsstrukturellen Konzepte es nach dem Stand der derzeitigen Erkenntnisse gibt und welche Gliederungskonzepte zur Differenzierung sowie Optimierung des Stadtgefüges zum Einsatz gebracht werden können. Daran anknüpfend werden die wichtigsten Instrumente der Stadtstrukturplanung dargestellt, um schließlich auch den Entwurf stadtstruktureller Konzepte und die Veranschaulichung durch in die Zukunft reichende Szenarien zu erörtern.
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a) Stadtstrukturelle Leitbilder und Gliederungsmodelle Stadtstrukturelle Leitbilder und Gliederungsmodelle dienen dem Zweck, Stadtstrukturen räumlich zu organisieren. An dieser Stelle geht es allerdings nur um solche konzeptionellen Überlegungen, die ihren Niederschlag in ganz konkreter Weise im räumlichen Strukturgefüge von Städten und Stadtregionen gefunden haben oder finden; zum Leitbildbegriff selbst sei auf die entsprechenden Ausführungen zu den „Städtebaulichen Planungstheorien“ (vgl. Kap. 2) verwiesen.
Abb. 5.26: Ebenezer Howard’s Gartenstadtkonzept (Quelle: Howard 1898) Bereits unter dem Thema Stadtstrukturtypologien zu Beginn dieses Kapitels wurde die Ableitung von stadtstrukturellen Konzepten aus leitbildhaften Gliederungskonzepten kurz erörtert. Die dort angesprochenen Konzepte hatten ihren Ursprung allesamt in der Phase des Stadtwachstums, die sich vor allem in europäischen Städten zu Zeiten der expandierenden Industrialisierung abspielte. Als Reaktion darauf wurden Gliederungskonzepte entwickelt, mit denen dieses Wachstum in vernünftige Bahnen gelenkt werden konnte, wie etwa: • •
das Prinzip der Funktionstrennung, das Prinzip der Dezentralisierung, d.h. Entflechtung großer Agglomerationen
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• •
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durch eine gestufte Zentrenstruktur (Trabantenstädte/’Gartenstädte’), das Prinzip der inneren Gliederung von Städten durch Schaffung von Nachbarschaften, das Prinzip der Siedlungskonzentration entlang leistungsfähiger Verkehrs- bzw. Transportachsen.
Das Prinzip der Funktionstrennung wurde – auch in seiner Ambivalenz – bereits mehrfach angesprochen. Deshalb mag hier der Hinweis genügen, dass es mit dem Ziel formuliert und implementiert wurde, den gegenseitigen Störungsgrad von Nutzungen (insbesondere durch Immissionen) zu minimieren. Obwohl das Prinzip der Funktionstrennung zeitweise heftig in Frage gestellt worden ist, hat es auch heute noch durchaus seine Gültigkeit, allerdings nicht mehr ganz so apodiktisch. So gibt es im stadtstrukturellen Nahbereich Funktionen, die zwar unterschiedlich, aber dennoch verträglich sind und deshalb nebeneinander untergebracht werden können, während – auf einer anderen Maßstabsebene – eine stark emittierende oder verkehrserzeugende Industrieanlage eine wesentlich schärfere Trennung und einen größeren Abstand erfordert [Albers 1988: 196]. Weitgehend unstrittig dürfte sein, dass eine sehr konsequente Anwendung der Funktionstrennung bei zunehmender Bevölkerung und prosperierender Wirtschaft zu einer wachsenden Flächeninanspruchnahme für Siedlungszwecke führt, aber auch zu einer Desurbanisierung, da Nutzungsentmischung Verödungstendenzen für einzelne Siedlungsbereiche (’Schlafstädte’) nach sich zieht. Die Vorstellung einer Dezentralisierung durch das Entflechten großer Agglomerationen und Herbeiführen einer gestuften Zentrenstruktur wurde schon sehr früh in der Stadtplanung thematisiert: Vor gut einhundert Jahren entwickelte Ebenezer Howard sein Gartenstadtkonzept für den Großraum London; Abbildung 5.26 zeigt das Howard’sche Grundschema. Spätere Trabantenstadtkonzepte, das Prinzip der ’dezentralen Konzentration’, die Schaffung etlicher New Towns in Großbritannien nach dem 2. Weltkrieg (New Towns Act von 1946) hatten ebenso wie die romantischen Vorstellungen einer Versöhnung von Abb. 5.27: Gliederungsprinzip der NachbarStadt und Land ihren Ursprung schaftseinheiten nach Perry (Perry 1929) in der Gartenstadtidee.
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Die innere Gliederung von Städten durch Schaffung einer Zentrenstruktur und Abgrenzung von Nachbarschaften wurde in den Vereinigten Staaten der 1920er Jahre ersonnen. Abbildung 5.27 zeigt die konzeptionelle Idee von Clarence Arthur Perry, die im Zuge regionalplanerischer Studien für New York entstand [Perry 1929/ 1998]. Kernpunkt seiner Überlegungen war die Idee, Nachbarschaften nach den Einzugsbereichen zentraler Einrichtungen abzugrenzen, vor allem im Hinblick auf die gute Erreichbarkeit von Grundschulen. Auch dieses Gliederungskonzept ist anschließend immer wieder aufgegriffen worden: In These 88 der Charta von Athen etwa heißt es, dass „Kernfrage und Ausgangspunkt des Städtebaus die Wohnung und ihre Einfügung in eine Wohngruppe von wirksamer Mindestgröße“ sei (vgl. Auszüge aus der Charta von Athen auf beiliegender DVD). Nach 1945 entwickelte sich in Deutschland daraus das Strukturkonzept der „gegliederten und aufgelockerten Stadt“ [Göderitz/Rainer/Hoffmann 1957] – nachdem sogar die Nationalsozialisten in Deutschland dieses Konzept unter der Bezeichnung „Siedlungszelle“ missbraucht hatten [vgl. Albers 1988: 209; Reinborn 1996: 157]. In den USA spielt dieses Konzept noch heute und bis hinein in die neotraditionellen Nachbarschaftskonzepte des „New Urbanism“ und der „Gated Communities“ eine wichtige Rolle [vgl. Kaiser/Godschalk/Chapin 1995: 342ff; Lejeune 2000; Katz 1994; Rifkin 2000: 155ff]. Das Prinzip der Siedlungskonzentration entlang von leistungsfähigen Verkehrsadern bzw. Transportachsen wurde bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelt und später immer wieder aufgegriffen. Das erste Bandstadtkonzept entstand im Jahre 1882 in Spanien unter der Bezeichnung „ciudad lineal“, die von Arturo Soria y Mata für die Siedlungsentwicklung Madrids entworfen wurde (vgl. Abb. 5.28). Ein anderes bekanntes Bandstadtkonzept wurde in der vormaligen Sowjetunion durch Nikolai A. Miljutin im Rahmen eines Wettbewerbsentwurfs für Stalingrad/ Wolgograd aus dem Jahr Abb. 5.28: Das Bandstadtkonzept von A. Soria y 1930 entworfen. Aber auch Mata (Quelle: Kainrath 1997) die bandartigen Stadtstrukturen von Le Corbusier für Rio
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de Janeiro oder Algier aus den frühen 1930er Jahren sind, wenngleich diese auch nicht realisiert wurden, für die Ideengeschichte des Städtebaus von erheblicher Bedeutung [ausführlich zur Geschichte der Bandstadt vgl. Kainrath 1997].
Abb. 5.29: Der Hamburger Achsenplan von F. Schumacher (links) und der ’Finger’-Plan für Kopenhagen (rechts) (Quellen: Fischer 1977; Berlin Stadtentwicklung 1996) Eine gewisse Modifizierung und Fortentwicklung haben Bandstadtkonzepte durch punktaxiale Systeme erfahren. Da es in der Natur der Sache liegt, dass reine Bandstadtsysteme zunächst keine zentrenähnliche Strukturelemente aufweisen, wurde dieser Umstand irgendwann auch als Nachteil empfunden, vor allem durch den stärker auftretenden Verkehr entlang eines solchen Bandes. Hinzu trat die Tatsache, dass man in den meisten Fällen an bereits vorhandene Siedlungsstrukturelemente anknüpfen musste oder wollte. Aus solchen Überlegungen entstand dann etwa der berühmt gewordene Achsenplan für Hamburg von Fritz Schumacher im Jahre 1920 [Fischer 1977: 66f]. Schumacher hat aus einem „Schema der natürlichen Entwicklung des Organismus Hamburg“ ein Konzept für die „wirkliche Entwicklung“ erstellt (vgl. Abb. 5.29, links). Dies geschah wohl auch in der intrinsischen Absicht, dem Konflikt zwischen Hamburg und Preußen, der sich auch in der
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Streckenführung der verschiedenen Bahnsysteme in das Hamburger Umland hinein zeigte [vgl. Möller 1985: 77ff], zu versachlichen, indem er kurzerhand die bestehenden Verkehrsstränge in seinem Diagramm aufnahm und diese eigentlich nur mit Ergänzungen versah. Die Wirkungen von Schumacher’s Entwicklungsdiagramm waren jedenfalls beachtlich. Letztendlich fand es im Jahre 1969 auch seinen Niederschlag in der gemeinsamen Landesplanung zwischen Hamburg und seinen Nachbarländern; dieses Entwicklungsmodell trägt unzweifelhaft die Züge von Schumacher’s Vorstellungen einer punktaxialen Siedlungsstruktur. Ein anderes bekanntes Beispiel, das dem hamburgischen ähnelt, ist der sogenannte „Finger-Plan“ für Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen aus dem Jahre 1947 (wegen seiner 5 Achsen in der Erscheinungsweise einer Hand; vgl. Abb. 5.29, rechts). Auch hier ist ein punktaxiales Strukturkonzept entwickelt worden in der Absicht, das Stadtwachstum auf diese Achsen zu konzentrieren und die Zwischenräume von Bebauung frei zu halten [Kainrath 1997: 76f]. Eine zugegebenermaßen knapp gehaltene Zusammenstellung von städtebaulichen Strukturkonzepten wäre unvollständig, würden zwei weitere Modelle, denen ebenfalls eine gewisse Leitfunktion zukam, nicht erwähnt. Zum einen geht es um die städtebauliche Umsetzung von organisch anmutenden Strukturen, wofür sich der Begriff einer „Organischen Stadtbaukunst“ etablierte, zum anderen um die sogenannte „Autogerechte Stadt“. Auch wenn es zunächst nicht den Anschein hat, dass beide Begriffe bzw. die dahinter stehenden Strukturmodelle etwas miteinander zu tun haben könnten, so weisen sie in Wahrheit eigentümlicherweise doch ein recht enges Verhältnis zueinander auf. Ansätze, der Natur nachempfundene – organische – Strukturen für Siedlungsstrukturkonzepte zu verwenden, hat es schon immer gegeben. Kurz nach dem 2. Weltkrieg erhielten diese Vorstellungen neuen Auftrieb beispielsweise dadurch, dass von Hans Bernhard Reichow ein Buch zum Thema „Organische Stadtbaukunst“ publiziert wurde, Abb. 5.30: Reichow’s Diagramm zur Begründung eines um damit, wie er im „organischen Städtebaus“ (Quelle: Reichow 1959) Untertitel verlauten ließ, „von der Großstadt zur Stadtlandschaft“ zu gelangen [Reichow 1948]. Mit einem weiteren Buch griff Reichow dann im Jahre 1959 ein zunehmend drängendes Problem auf, wie nämlich seitens der Stadtplanung mit den sich abzeichnenden Verkehrsmengen
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umzugehen sei. Nicht zuletzt wohl auf Drängen seines Verlegers erhielt dieses Buch schließlich den Titel: „Die autogerechte Stadt“. Damit war allerdings ein Schlagwort geboren, das wie kaum ein anderes zu weitreichenden (und oft falschen) Schlussfolgerungen führte – und heftiges Pro und Contra hervorrief, weil es schnell als Synonym für die Beherrschung der Stadt durch das Auto verstanden wurde. Reichow selbst hat dies immer bedauert, ging es ihm doch um ein organisch angelegtes Siedlungsstrukturgefüge, bei dem auch die Bewegungsvorgänge des Verkehrs wie in einem organischen System funktionieren sollten. Dazu hat er diagrammatisch etwa das Rastersystem von Straßen dem organischen Verästelungssystem gegenübergestellt (vgl. Abb. 5.30), welches von ihm zum Beispiel in der Hohnerkampsiedlung in Hamburg sowie dann vor allem in Bielefeld-Sennestadt realisiert wurde [Reichow 1959]. Soweit einige der wichtigsten städtebaulichen Strukturmodelle der Vergangenheit. Wir können uns nun der Frage nach den gegenwärtig aktuellen städtebaulichen Strukturmodellen und -leitbildern zuwenden. Im Mittelpunkt der gegenwärtigen stadtstrukturellen Diskussion stehen drei Ordnungsprinzipien: Dichte, Mischung und Polyzentralität [BfLR/BBR 1997: 19ff, 61; Koch 2001: 116ff], mit denen die aktuellen Maximen der städtebaulichen Strukturplanung verknüpft sind, nämlich: • • •
Innenentwicklung statt Außenentwicklung dezentrale Konzentration Stadt der kurzen Wege
Das in dem Schlagwort ’Innenentwicklung statt Außenentwicklung’ verdichtete Leitbild zielt auf einen grundsätzlichen Stopp von immer neuer Flächeninanspruchnahme im Außenbereich der Städte und Orte. In gewisser Hinsicht bedeutet dies eine Gegnerschaft zur Suburbanisierung und eine Abkehr vom Prinzip der Funktionstrennung, denn die neue Direktive verlangt, zunächst innerhalb des bestehenden Siedlungskörpers nach (freien) Flächen Ausschau zu halten, auf denen städtebauliche Entwicklungstätigkeit stattfinden kann, und dann differenziert zu prüfen, ob dort geplante benachbarte Nutzungen einander wirklich gravierend stören würden oder nicht doch eventuell nebeneinander existieren könnten. Für stadtstrukturelle Maßnahmen der Innenentwicklung eignen sich bestehende Baulücken (manche Städte haben dafür ein Baulückenkataster aufgebaut), Konversionsflächen (vormals Militär-/Kasernennutzung oder stillgelegte Gleisanlagen der Bahn) oder Industriebrachen. Das Flächenpotential ist zum Teil erheblich, wenn auch konzediert werden muss, dass die Aktivierung solcher Flächen häufig aus eigentumsrechtlichen Gründen oder aufgrund von etwaigen Bodenkontaminationen (Altlastenverdacht) nicht unkompliziert ist. Ein grundlegendes methodisches Konzept für alle diese Aufgaben, Zielvorstellungen und Maßnahmen stellt der Gedanke einer umfassenden Flächenhaushaltspolitik analog zur Vorgehensweise bei einer kommunalen Finanzpolitik mit der Saldierung von Einnahmen und Ausgaben dar [vgl. ARL 1987; ARL 1999]. Das Leitbild der dezentralen Konzentration bzw. der polyzentrischen Stadt – im
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regionalen Bereich wäre das Analogon dazu das System der Zentralen Orte – ist schon seit einigen Jahrzehnten in der Diskussion und in Anwendung. Grundsätzlich geht es bei diesem Gliederungsmodell darum, die Siedlungsstruktur an bestimmten Stellen zu konzentrieren und zu bündeln, um damit der flächenhaften Dispersion entgegenzuwirken. Sinnvollerweise findet eine solche Bündelung vor allem dort statt, wo es bereits Siedlungskerne, -konzentrationen und -verdichtungen gibt, wie etwa bei historischen, gewachsenen Stadtteilen. Eine andere Variante ist die Bündelung an Haltestellen des öffentlichen Personenverkehrs, um die Zugänglichkeit zu öffentlichen Verkehrsmitteln zu erleichtern und nebenbei auch für eine bessere Auslastung des öffentlichen Verkehrssystems zu sorgen. Das Leitbild hinter dem Schlagwort ’Stadt der kurzen Wege’ schließlich – bereits an anderer Stelle angesprochen – zielt auf eine Stadtstruktur, in der die Verkehrsvorgänge – insbesondere der motorisierte Individualverkehr sowie der straßengebundene Güterverkehr – minimiert (optimiert) sind [vgl. z.B. Brunsing/Frehn (Hrsg.) 1999]. Dementsprechend ist das Stadtgefüge so zu organisieren, dass derartiger Verkehr entweder erst gar nicht entsteht oder, im Falle er sich nicht vermeiden lässt, mit weniger umweltschädlichen Verkehrsmitteln bewerkstelligt werden kann. Ist eine Siedlungsstruktur nach dem Motto ’Stadt der kurzen Wege’ konzipiert, sollte der Individualverkehr in vielen Fällen mit dem Fahrrad oder zu Fuß vonstatten gehen können; für den straßengebundenen Güterverkehr könnte eine bessere Vernetzung von Produktionsstätten oder die Konzentration von Produktionseinrichtungen an Bahnanschlüssen bzw. Güterverteilzentren die Lösung darstellen, die zu einer Verminderung der zurückzulegenden Wege führt. All diese konzeptionellen Vorstellungen lassen sich schließlich unter dem Prinzip der Nachhaltigkeit zusammenfassen. Das Prinzip selbst explizit als stadtstrukturelles Leitbild und Gliederungsmodell zu thematisieren, ist zwar naheliegend, seine stadtstrukturelle Operationalisierung unter Berücksichtigung der Gesamtheit aller ökologischen, sozialen, ökonomischen und sicher auch kulturellen Aspekte erscheint jedoch kaum möglich. Das Nachhaltigkeitsprinzip findet vielmehr in den jeweiligen stadtstrukturellen Leitbildern und den daraus abgeleiteten Zielvorstellungen seinen konkreten Niederschlag. Auch in diesem Zusammenhang wäre erneut die Idee der Einführung einer Flächenhaushaltspolitik zu nennen, welche als Kontroll- und Gestaltungsinstrument für eine nachhaltige Flächenbewirtschaftung und flächenbezogenen Kreislaufwirtschaft mit einem Minimum an Flächenverbrauch dienen könnte. Der allgemeine Konsens über das Nachhaltigkeitsprinzip darf indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass die stadtstrukturellen Leitbilder und Gliederungsmodelle latent in Frage gestellt werden. Die zunehmende Anwendung der digitalen Technologien etwa, auf die sich die Wissensgesellschaft vor allem stützt, wird zu einer grundsätzlichen Infragestellung der räumlichen Fixierung von Nutzungen führen, so wie wir es von den Zeiten der überwiegend industriellen Produktion her kennen. Thomas Sieverts hat in seinen Essay zur „Zwischenstadt“ nach einer eindringlich realistischen Analyse der gegenwärtigen Umstände, in denen Städtebau stattfindet und betrieben wird, mehrere „Denkmodelle zur Entwicklung der Zwischenstadt“ zur Diskussion gestellt [Sieverts 1997: 140ff; Sieverts 2003 mit noch deutlicherer Cha-
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rakterisierung der Zwischenstadt]: •
•
•
•
die „bewahrte Stadt“, bei der es um eine Erhaltung der städtischen Grundstrukturen geht, indem „mit drakonischen, in unserer freiheitlich verfassten Gesellschaft kaum durchzusetzende und mit dem Grundgesetz demokratisch nicht legitimierbare Eingriffe in die Selbstbestimmung der Gemeinden und der Menschen“ die Struktur einer kompakten Stadt erzwungen wird; die „Stadt der kooperierenden Zentren“, die in etwa dem polyzentralen Modell entspricht, jedoch die Gefahr in sich birgt, dass „eine schleichende Zerstörung der historischen Zentren“ stattfindet; die „ausgelaugte Stadt“, bei der ein Bedeutungsverlust der (Innen-)Städte stattfindet, weil um sie herum Einkaufszentren (darunter auch ’factory outlet centers’ – FOC’s) mit regionaler und überregionaler Bedeutung entstehen, während den Städten allenfalls eine touristische Attraktivität bleibt; die „Stadt der künstlichen Welten“, bei der die Städte nur noch als Simulationen ihrer selbst in Form von „örtlichen Inszenierungen“ existieren.
Die Reaktionen auf diese Sieverts’schen Denkmodelle waren zum Teil recht heftig. Indes dürfte dieser Versuch einer realistischen Einschätzung dessen, welche stadtstrukturellen Auswirkungen uns die globalisierte Wirtschaft, die technologischen Entwicklungen und der gesellschaftliche Wandel noch bescheren werden, eher als moderat einzuschätzen sein. Bevölkerungsschwund in den Städten einerseits und Immigration andererseits – mit den entsprechenden stadtstrukturellen Integrationserfordernissen – werden uns noch viele stadtstrukturelle Leitbilddiskussionen und einen flexibleren Umgang mit Denkmodellen abverlangen. Von vielen Seiten wird die Zwischenstadt allerdings auch als tragbares Konzept für die Stadt der Zukunft erachtet, so etwa beim „Council for European Urbanism C. E. U.“ [vgl. Internet www.ceunet.de]. b) Umsetzungsformen und Instrumente der Stadtstrukturplanung Besteht Einverständnis über ein bestimmtes stadtstrukturelles Leitbild und Gliederungsmodell, stellt sich als nächstes die Frage nach der Umsetzung. Ganz allgemein stehen der städtebaulichen Strukturplanung – je nach sinkendem Abstraktionsgrad und größer werdendem Maßstab – mit Blick auf die Situation in Deutschland folgende Planinstrumente zur Verfügung: • • • •
Funktionsmodelle im Sinne von diagrammatischen Darstellungen zur funktionalen Gliederung von Stadtstrukturen; städtebauliche Strukturpläne zur Skizzierung gesamtstädtischer Entwicklungen; der Flächennutzungsplan; städtebauliche Strukturkonzepte als Teil städtebaulicher Entwürfe und zur Vorbereitung von Bebauungsplänen.
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Abstrakte Funktionsmodelle in diagrammatischer Form wurden bereits im Zusammenhang mit geometrischen Stadtstrukturtypologien und stadtstrukturellen Gliederungskonzepten in ausreichendem Maß besprochen (siehe Anfang des Kapitels sowie Abb. 5.2). Städtebauliche Strukturpläne, in denen gesamtstädtische Entwicklungen skizzenhaft dargestellt werden, zielen im Prinzip auf die Vorbereitung einer Flächennutzungsplanaufstellung. Ein solcher Strukturplan enthält deshalb die Zentrenstruktur einer Stadt, Darstellungen über die grobe Lokalisation von Wohnarealen, Industrie, Gewerbe oder Büros sowie die Standorte von Infrastruktureinrichtungen und die sie verbindenden Verkehrsanlagen. Abbildung 5.31 zeigt den städtebaulichen Strukturplan zur Implementierung der Hauptstadtfunktionen für Berlin.
Abb. 5.31: Städtebaulicher Strukturplan für die Hauptstadtfunktionen der Stadt Berlin (Quelle: Berlin FNP 94)
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Aus solchen Strukturplänen, von denen es nach Themen systematisiert eine Reihe von verschiedenen geben kann, wird am Ende ein Flächennutzungsplan entwickelt, d.h. eine flächendeckende Darstellung – nach den rechtlichen Vorgaben des Baugesetzbuches – aller (künftigen) Nutzungen im gesamten Gemeinde- bzw. Stadtgebiet (vgl. ausführlich dazu Kap. 7).
Abb. 5.32: Entwicklung eines städtebaulichen Strukturkonzepts aus räumlichen und strukturellen Bindungen (Quelle: Prinz 1993) Städtebauliche Strukturkonzepte schließlich sind zunächst Teil von skizzenhaften Darstellungen im Rahmen der Entwurfsarbeit von städtebaulichen Gestaltungsplänen. Letztendlich dienen sie auch der Vorbereitung von Bebauungsplänen (vgl. ausführlich dazu Kap. 7). Inhalt von solchen städtebaulichen Strukturkonzepten sind skizzenhafte Darstellungen über das Funktionsgefüge einer zu beplanenden Fläche. Abbildung 5.32 zeigt, wie aus einer räumlichen Analyse mit der Erfassung von räumlichen und strukturellen Bindungen ein städtebauliches Strukturkonzept entworfen werden kann, das die Grundlage für einen nachfolgenden detaillierteren städtebaulichen Entwurf oder für einen späteren Bebauungsplan bildet [zur Methodik vgl. Prinz 1993: 47ff; ähnlich auch Hangarter 1999: 161 oder Reinborn/Koch 1992].
Stadtstrukturelles Entwerfen Sollen im Zuge einer städtebaulichen Strukturplanung stadtstrukturelle Maßnahmen durchgeführt werden, gilt es als erstes, ein städtebauliches Strukturkonzept zu entwerfen und das künftige Siedlungsstrukturgefüge so zu organisieren, dass es den funktionalen Anforderungen und Aufgaben bestmöglich entspricht. Abstrakter ausgedrückt: Die Aufgabe besteht darin, für eine gegebene Situation, die als unzulänglich oder problematisch empfunden wird, etwas Neues zu kreieren, das nicht nur die gegenwärtigen Unzulänglichkeiten behebt, sondern auch die zukünftig zu erwarten-
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den Gegebenheiten aufgreift. Damit ist bereits ganz grob das Prinzip des Entwerfens umrissen. Bei dem Versuch einer etwas genaueren Definition (was beim schillernden Begriff des Entwerfens nicht ganz einfach ist) wäre etwa folgendermaßen zu formulieren: Entwerfen ist ein innovativer, kreativer und i. d. R. heuristischer Gestaltungs- bzw. Suchvorgang, bei dem unter vorgegebenen Zielsetzungen, Randbedingungen und Kriterien eine bislang noch nicht bekannte Organisation von Objekten, Sachverhalten o. ä. hergestellt wird. Diese Definition ist so allgemein gehalten, dass sie sich ebenso auf den Entwurf einer Buchpublikation beziehen könnte wie auf den Entwurf eines technischen Geräts. Wir wollen uns hier allerdings mit dem Entwurf von städtebaulichen Strukturen befassen. a) Entwerfen von städtebaulichen Strukturen Stadtstrukturelle Entwurfsaufgaben können je nach Problemlage sehr unterschiedlich ausfallen. Großstädtische Stadtstrukturen sind entwurflich anders zu handhaben als dörfliche Strukturen, Aufgaben der Stadtentwicklung anders als die der Stadterneuerung oder Stadtkonservierung. Ein wichtiger Ausgangspunkt ist der zu Grunde zu liegende Maßstab. Gerhard Curdes hat in seiner Zusammenstellung von „Aufgaben und Methoden stadtstrukturellen Entwerfens“ in einer maßstäblich aufsteigenden Reihe alle wesentlichen Bearbeitungsdomänen benannt [Curdes 1995: 79ff]: Einfügung von Stadtstrukturelementen auf Baublockebene unter Berücksichtigung von Nutzungsmischungen; stadtstrukturelles Zusammenwirken von Stadtraum und Stadtbild; Stadtbrachen, Stadtreparatur und Stadtfragmente; Städte in ihrer Einbindung in Regionalstrukturen; Stadtränder und Dorfstrukturen. Deutlich erkennbar sind hier die fließenden Übergänge zur Stadtgestaltungsplanung. Auch Klaus Humpert unterscheidet „verschiedene Maßstabsfenster“ und kommt zu der folgenden Aufgabengliederung [Humpert 1997]: Parzellenstruktur; Stadtfelder (Nutzungsgefüge und öffentliche Räume); Stadt und Stadtgrundriss; Region und Stadt. Die ’Kunst’ des Entwerfens von Stadtstrukturen besteht, auf welcher Maßstabsebene auch immer, im Prinzip darin, zwei Aspekte und damit zwei methodische Ansätze sinnvoll miteinander zu kombinieren: Zum einen besteht die Aufgabe darin, vorgegebene Dinge an bestimmten Stellen (Gebieten, Lokalisationen) zu verorten – im Falle der Gesamtstruktur einer Stadt wären dies vor allem abstrakte Nutzungsarten (Wohnen, Gewerbe etc.), in der Größenordnung von Stadtteilen oder Häuserblöcken etwa Einzelgebäude oder Anpflanzungen. Andererseits ist für bestimmte Orte (Gebiete, Lokalisationen) genau anzugeben, welche Gegenstände dort am besten unterzubringen sind: im gesamtstädtischen Zusammenhang auf einer bestimmten Fläche zum Beispiel ein Wohngebiet, auf einer anderen Fläche vielleicht ein großer Schulkomplex. Es versteht sich von selbst, dass es dabei Konkurrenzen geben kann, wenn sich beispielsweise eine bestimmte Fläche gleich gut eignet für ein Wohngebiet wie für
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einen Schulkomplex. In diesem Fall muss im Rahmen eines komplexen Abwägungsvorgangs die sinnvollste Lösung, möglicherweise auch ein Kompromiss herbeigeführt werden; Partizipationsstrategien (Öffentlichkeits- oder Bürgerbeteiligung) können bei der Entscheidungsfindung eine wichtige Rolle spielen. b) Entwurfsansätze Den Möglichkeiten der Vorgehensweisen, mit denen man zu Entwurfslösungen im Bereich der städtebaulichen Strukturplanung gelangt, sind keine Grenzen gesetzt, was auch mit dem Begriff des Entwerfens zusammenhängt, der grundsätzlich jeden Ansatz zulässt, um neue städtebauliche (stadtstrukturelle) Konzepte zu finden oder zu erfinden. Den Versuch einer gewissen eingrenzenden Charakterisierung von „ausgewählten Techniken der Lösungssuche“ hat Gerhard Curdes mit der folgenden Zusammenstellung unternommen. Er unterscheidet [Curdes 1995: 58ff]: • • • • • • • • • • • • • • • •
Analoge Lösung (Ähnlichkeit zu schon vorhandenen Erfahrungen); Probieren: Versuch und Irrtum (oder auch ’learning by doing’); spontane Ideen (Erzeugung von spontanen Einfällen durch kreatives Denken); morphologische Methode (Erzeugung von typologisch unterschiedlichen Lösungen); systematisches Entwerfen (die Komponenten und Teilsysteme einer Aufgabe werden logisch und prozessual zusammengeführt); Blockdiagramme (sachliche und zeitliche Strukturierung von Teilaufgaben eines Entwurfs); Checklisten (Sammlung von Anforderungen und Bedingungen an einen Entwurf); skizzenhaftes Erarbeiten von Ideen (Herantasten an einen Lösungsentwurf durch spontan erstellte Graphiken und Handzeichnungen); Brainstorming (Nutzung schöpferischer Phantasie); Restriktionen erfassen (Festhalten von Einschränkungen durch ’Negativpläne’); typologisches Entwerfen (Erzeugung von Bau- und Siedlungstypen); räumlicher Kontext (Berücksichtigung örtlicher Bedingungen, z.B. Raum- und Architektursprache der Umgebung); Beispielsammlungen (Orientierung und Fortentwicklung von Fällen); Entwurfsrepertoire (Verwendung einer systematischen Sammlung von Fällen); Pattern Language (Verwendung eines Entwurfsrepertoires und der dazugehörigen Verknüpfungsregeln); synchrones Arbeiten in verschiedenen Maßstäben.
Es ist hier nicht der Ort, all diese Entwurfsansätze und ihren zweckmäßigen Einsatz in der städtebaulichen Strukturplanung zu erörtern. Interessant ist jedoch, dass einige der genannten Entwurfstechniken ihr ganzes Spektrum erst in unserer Zeit durch den verstärkten Einsatz von Computern entfalten können. Dies gilt insbesondere für die Verfahren – in der Zusammenstellung von Curdes nicht wenige –, bei
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denen auf Erfahrungen, systematische Sammlungen und Typologien zurückgegriffen wird. Auch hier spielen Methoden des ’fallbasierten Schließens’ – ’case-based reasoning’ –, wie schon im Zusammenhang mit den städtebaulichen Schätzgrößen in diesem Kapitel angesprochen, eine wichtige Rolle. Eine spezielle Ausprägung besitzt im Zusammenhang mit stadtstrukturellen Entwurfsaufgaben die auf Christopher Alexander zurückgehende, bereits kurz angesprochene Methode, Entwurfsrepertoires mit Entwurfselementen und entsprechenden Verknüpfungsregeln – eine sogenannte „pattern language“ – zu verwenden [Alexander 1964; Alexander et al. 1977]. Dieser methodische Ansatz, der in seinen Grundzügen schon in der hierarchischen Designmethode Alexander’s angelegt war (vgl. Abb. 5.33), ist sehr wirkungsvoll, weil man damit nicht nur Entwurfsprinzipien der Vergangenheit nachbilden, sondern auch Entwurfsrepertoires und Verknüpfungsregeln entwickeln kann, mit denen völlig neue Entwurfsmuster kreierbar sind. Eine Abwandlung dieses Prinzips stellen sogenannte „shape grammars“ dar, die vor allem im städtebaulichen Gestaltungsbereich und in der Architektur bekannt geworden sind [vgl. ausführlich Mitchell 1990: 131ff]; der „pattern language“ und den „shape grammars“ kommt also auch in der städtebaulichen Gestaltungsplanung eine wichtige Bedeutung zu, weshalb sie später in dem dortigen Kontext noch einmal aufgegriffen werden (vgl. Kap. 6).
Abb. 5.33: Die hierarchische Designmethode von C. Alexander als Vorstufe der späteren „pattern language“ (Quelle: Alexander 1964) Ein anderer interessanter und für die städtebauliche Strukturplanung ebenso wie für den Entwurf von Gebäudegrundrissen nützliches Verfahren steht in Verbindung mit der Theorie linearer Graphen in der Mathematik. Wie bereits dargestellt, geht es bei der städtebaulichen Strukturplanung im Prinzip darum, bestimmte geometrische Objekte (Flächen, die mit Nutzungen versehen werden) miteinander zu verknüpfen. Eine ähnliche Aufgabe stellt sich beim Entwurf von Gebäudegrundrissen. Auch hier haben wir es mit geometrischen Objekten – Räumen bzw. Zimmern unterschiedli-
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Abb. 5.34: Relationsmatrizen, der Entwurf von städtebaulichen Strukturen, Gebäudegrundrisse und die Anwendung der linearen Graphentheorie
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cher Nutzungszuweisung – zu tun, die miteinander verknüpft sind. Insofern weisen städtebauliche Strukturen und Gebäudegrundrisse große Ähnlichkeiten auf. Beim Gebäudeentwurf verwendet der Architekt zu Beginn seiner Entwurfsarbeiten nach der Vorgabe des Raumprogramms (welche Nutzungen mit welchem Flächenanteil werden benötigt?) eine sogenannte Zuordnungs- oder Relationsmatrix, um damit festzulegen, welche Räume in einem Haus mit anderen Räumen unmittelbar in Verbindung stehen sollen (vgl. Abb. 5.34 oben). Soll es zwischen zwei Räumen etwa eine unmittelbare Nachbarschaft oder Zugänglichkeit geben, wird dies in der Matrix entsprechend gekennzeichnet [Schönfeld 1992: 31; Engel 2002: 117, 120; Hartmann1980: 58]. Ist diese Matrix erarbeitet, beginnt für den Architekten die Arbeit, daraus ein geometrisches Gebilde herzustellen, also den Gebäudegrundriss bzw. das Haus unter Beachtung dieser Relationen zu entwerfen. Eine ähnliche Aufgabe stellt sich in der städtebaulichen Strukturplanung. Auch hier geht es zunächst darum, Beziehungen zwischen städtebaulichen Funktionseinheiten zu definieren, um danach ein geometrisch zu fixierendes Strukturgefüge zu entwickeln. Bei der Erstellung von solchen Zuordnungs- bzw. Relationsmatrizen können je nach zu erfüllendem Raumprogramm recht komplexe Fälle auftreten, die in der Matrixdarstellung zwar den Anschein von Vollständigkeit erzeugen, jedoch möglicherweise so nicht realisierbar sind. So ist eine etwaig geforderte Aneinanderfügung von nur 5 Flächen im Strukturgefüge einer Stadt oder 5 Räumen in einem Haus mit der Maßgabe, diese 5 Räume/Flächen in einer Grundrissebene alle miteinander zu verbinden, d.h. jeden Raum von allen anderen Räumen unmittelbar erreichbar zu machen, nicht möglich. Zur Feststellung dieses Sachverhalts dient die Theorie linearer Graphen, bei der die geometrischen Objekte als Knoten und Relationen zwischen den Objekten als Kanten dargestellt werden. Unter Anwendung dieses mathematischen Instrumentariums kann etwa eine Planaritätsprüfung stattfinden, und zwar unter Hinzuziehung des aus der mathematischen Topologie bekannten ‘Satzes von Kuratowski‘, der besagt, dass ein aus Knoten und Kanten bestehender Graph nur dann planar ist, wenn er keinen Subgraphen des Typs K5 oder K3,3 enthält (vgl. Abb. 5.34 Mitte). Mit anderen Worten: Zuordnungs- bzw. Relationsmatrizen sind dahingehend zu untersuchen, ob darin ein solcher Kuratowski-Graph versteckt ist, um in einer Grundrissebene nicht realisierbare geometrische Raum- bzw. Flächenanordnungen aufzudecken; die entsprechenden mathematischen Verfahren sind übrigens nicht trivial, computergestützte Verfahren mit einer akzeptablen Rechenzeit ebenfalls nicht [Mitchell 1977: 201ff; March/ Steadman 1971: 242ff; Internet www.mpi-sb.mpg.de]. Ein sehr beliebter Entwurfsansatz, der auch und gerade in der städtebaulichen Strukturplanung ein große Rolle spielt, bedient sich der Erzeugung von Strukturmustern durch Metaphern. Vor allem Metaphern mit Assoziationen zur Natur und biologischen Vorgängen werden gern verwendet, wohl stets in der Erwartung, dass sich das Künstliche, von Menschen Hergestellte einer Stadt am besten vermitteln läßt, wenn über eine metaphorische Beschreibung eine gewisse Natürlichkeit und Ästhetik des Naturnahen zum Ausdruck gebracht wird. Metaphern wie ‘organische Stadt‘ mit der Assoziation einer lebenden Struktur, ‘pulsierendes Herz der Stadt‘ mit
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der Vorstellung eines sehr lebendigen Stadtteils (z.B. Innenstadt) oder die ‘Stadt als Baum‘ mit der Idee eines hierarchisch zusammensetzbaren Musters von städtebaulichen Einzelelementen sind Beispiele für eine solche Art, zu Entwurfslösungen zu gelangen. Auch der Umgang mit Computern kann urbane Metaphern hervorrufen, wie zum Beispiel die „City of Bits“ [Mitchell 1995] mit der Assoziation eines aus Computer-Bits sich konstituierenden urbanen Gebildes, sei es nun real als Informations-Infrastruktur der urbanen Wissensgesellschaft oder virtuell als eine Art Urbanität im Internet. Selbst Kreativitätstechniken, das Brainstorming und die Methodik zur Erzeugung von spontanen Ideen, wie zu Beginn in diesem Abschnitt als Teil des Entwurfsrepertoires erwähnt, besitzen im Zeitalter des Digitalen ihre Berechtigung und können zur Entwurfsfindung beitragen. Hartnäckig hält sich zwar die Auffassung, dass sich diese Techniken der Zugänglichkeit des Computereinsatzes entzögen, weil ein Computer nun einmal nicht kreativ sein könne. Dieser Argumentation ist jedoch entgegenzuhalten, dass hinsichtlich der Kreativität maschineller Intelligenz durchaus einiges in Bewegung gekommen ist, auch wenn zum gegenwärtigen Zeitpunkt Marvin Minski’s Vorstellungen von einer umfassend intelligenten „Mentopolis“ [Minski 1985/1990] oder die Vision des amerikanischen Futurologen Raymond Kurzweil von einer Koppelung zwischen menschlicher Intelligenz und maschinellem Wissen (noch) zu weit gegriffen sein mögen [Kurzweil 2002]. Auch am Umstand, dass unsere Computersysteme, wie bereits an anderer Stelle dargelegt, nur explizites und kein implizites Wissen verarbeiten können, wird sich so rasch nichts ändern – und Entwerfen besteht zu einem Gutteil gerade aus implizitem Wissen (Erfahrungen, spezifische Weltsichten etc.). Doch selbst bei konservativer Sichtweise wird man der amerikanischen Psychologin Sherry Turkle zustimmen können, die bereits in den 1980er Jahren die eigentliche kulturelle Bedeutung des Computers darin erkannte, ein „evozierendes Objekt“ zu sein (Evokation = Erweckung von Vorstellungen): Computer bringen Menschen auf Ideen, so könnte die These lauten [zu Sherry Turkle vgl. z.B.: Kurzweil 1990: 68ff]. Der experimentelle Umgang mit dem Medium Computer, der auch in der Stadtplanung Einzug gehalten hat – worauf noch zurückzukommen sein wird –, dürfte diese Sicht mit Nachdruck bestätigen. c) Standorteignungen und Nutzungseignungen Wenn es um städtebauliche Strukturen geht, sind die Entwurfsansätze meist durch nüchterne Pragmatik gekennzeichnet. Ein Anlass für Stadtplanung, die auf Veränderungen von städtebaulichen Strukturen zielt, ist in der Regel die Notwendigkeit, Flächen funktional umzuwidmen. Das kann etwa der Fall sein, wenn aufgrund von prognostiziertem Bevölkerungswachstum neue Wohnbauflächen ausgewiesen werden sollen, wenn ein Investor nach einer geeigneten Fläche für seinen Betrieb sucht oder wenn sich aus gesetzlichen Vorgaben die Notwendigkeit zur Errichtung einer bestimmten Infrastrukturanlage oder Gemeinbedarfseinrichtung ergibt. Zu einer funktionalen Umwidmung von Flächen kann es auch kommen, wenn beispielsweise eine vorausgegangene Nutzung nicht mehr existiert (aufgegebene Industrieanlagen, Militärflächen o.ä.) und nach einer neuen Nutzung Ausschau gehal-
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ten wird. Aus der städtebaulichen Routinearbeit der Stadtstrukturplanung lassen sich zwei Typen von Planungsaufgaben hervorheben, die im Sinne einer Entwurfstätigkeit stets wiederkehren (vgl. Abb. 5.35), nämlich das Untersuchen auf: • •
Standorteignung und Nutzungseignung.
Bei der Standorteignung geht es, kurz gesagt, um das Suchen und Auffinden des besten Standortes für eine vorgegebene Nutzung. Wird ein neues Wohngebiet oder eine Müllverwertungsanlage erforderlich, dann ist die Frage zu beantworten, wo in einem bestimmten Gebiet (Stadtregion, Stadtgebiet oder Stadtteil) diese Nutzung am besten unterzubringen wäre. Im Gegensatz dazu geht es bei der Nutzungseignung darum, für ein vorgegebenes Gebiet (oder einen Standort) die bestmögliche Nutzung zu finden. Ist etwa am Südrand einer Stadt auf einer zur Verfügung stehenden Fläche die Unterbringung der Funktion Wohnen die sinnvollste Lösung, oder wäre eine andere Nutzung – eine neue Bildungseinrichtung beispielsweise oder eine naturbelassene Fläche – sinnvoller? In beiden Fällen wird im Prinzip eine Nutzwertanalyse (vgl. Kap. 4) durchgeführt, um zu einer Lösung zu gelangen, wobei es lediglich Unterschiede hinsichtlich der Zielfunktionen und Bewertungskriterien gibt [ähnlich auch im Sinne von „land suitability analysis“ Kaiser/Godschalk/Chapin 1995: 216f]. Während sich bei der Standorteignung die Bewertungskriterien auf die unterzubringende Nutzung beziehen (z.B.: Welche Erfordernisse sind an die Funktion Wohnen zu stellen?), sind sie bei der Nutzungseignung auf die Gegebenheiten des Standortes abzustellen (z.B.: Welche gebietsspezifischen Gesichtspunkte – ökologische Schutzwürdigkeit, Berücksichtigung benachbarter Nutzungen etc. – sind zu berücksichtigen?). In der täglichen stadtplanerischen Praxis spielen sich die stadtstrukturellen Bearbeitungs- und Entwurfsaufgaben – auch, um den Arbeitsaufwand in einem überschaubaren Rahmen zu halten – im Bereich entweder der Standorteignung oder der Nutzungseignung ab. Dabei wäre es sinnvoll und notwendig, wenn nicht nur isolierte Betrachtungen vorgenommen würden (welche Nutzung für dieses Gebiet?), sondern auch Wechselwirkungen mit sämtlichen anderen Standorten des Gesamtgebiets (wie wirkt es sich jeweils auf die anderen Standorte aus, wenn an diesem Standort diese bestimmte Nutzung festgelegt wird?) Berücksichtigung finden würden. Statt die beiden Ansätze zusammenzuführen, werden sie in der Praxis nach wie vor strikt getrennt voneinander eingesetzt, nicht zuletzt auch, weil man für diese Art von Planungsaufgaben vielerorts immer noch ohne die Computertechnologie meint auskommen zu können. Die Komplexität, die sich durch eine Koppelung der beiden Aufgabenbereiche ergäbe, läßt sich problemadäquat jedoch nur unter Zuhilfenahme von modernen Rechen- und Informationsverarbeitungssystemen zufriedenstellend bewältigen.
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Abb. 5.35: Städtebauliche Strukturplanung durch komplexe Eignungsbewertung
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Selbst dort, wo eine Gesamtschau notwendig wäre – wie etwa im Falle des gesamtgemeindlichen Flächennutzungsplans, bei dem es um die Gesamtkomplexität des Zusammenspiels aller Teilgebiete einer Stadt und aller städtebaulichen Funktionen geht –, wird entweder nur der eine oder der andere Typus angewandt. Dies ist einer der Gründe dafür, dass viele Städte und Gemeinden in Deutschland quasi per Salamitaktik die zwei- oder dreihundertste Änderung ihres Flächennutzungsplans vornehmen, indem an einzelnen Stellen – nach einer weitgehend isolierten Betrachtung der Standort- oder Nutzungseignung – Flächenumwidmungen stattfinden, ohne dass es auch nur im Ansatz zu einer Gesamtschau gekommen wäre. In manchen Fällen ist dann sogar von ’nachhaltiger Planung’ die Rede.
Abb. 5.36: Methodik der Entwicklung von städtebaulichen Struktur- und Flächennutzungsplänen (Quelle: Kaiser/Godschalk/Chapin 1995) Im unteren Teil der Abbildung 5.35 ist skizziert, wie ein komplexes Eignungsbewertungsverfahren aussehen könnte. In der Matrixdarstellung sind alle möglichen Nutzungsarten einerseits sowie alle möglichen Gebiete bzw. Standorte eines vorgegebenen Flächenumgriffs andererseits enthalten. Innerhalb der Matrix lassen sich am Ende des Bewertungsprozederes die Eignungswerte ablesen, und zwar einmal aus der Sicht eines jeden Gebietes (Standortes) sowie zum anderen aus der Sicht
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jeder einzelnen Nutzungsart. Im Zuge der Bewertung ließen sich auch Randbedingungen – wie sie zu jeder Optimierungsaufgabe gehören – einführen, etwa, dass der Bedarf für jede Nutzung gedeckt sein soll, dass nicht mehr Flächen genutzt werden dürfen als dem Ort selbst zur Verfügung stehen oder dass die Wegebeziehungen nach dem Leitbild ’Stadt der kurzen Wege’ in ihrer Summe zu minimieren sind. Es versteht sich von selbst, dass ohne Computereinsatz diese Aufgabe kaum zu lösen wäre; eine Verknüpfung mit dem zugehörigen Verkehrssystem zu einem komplexen Flächen- und Verkehrssystem wäre dann ebenfalls leicht zu bewerkstelligen. Zu einem ähnlichen Vorschlag, in welcher Weise im Rahmen der städtebaulichen Strukturplanung zu verfahren ist, kommen auch Kaiser, Godschalk und Chapin, die den Entwurfsprozess in eine Sequenz aus fünf Schritten zergliedern (Abb. 5.36) zerlegen [Kaiser/Godschalk/Chapin 1995: 278ff]: •
• • • •
Task 1: Derive location requirements for land use sector of concern – Herleitung von Gebietsanforderungen/Standorteignungen für in Betracht zu ziehende Flächennutzungen; Task 2: Map the suitability of lands for particular use – Betrachtung (Kartierung) der Eignung von Gebieten für unterschiedliche Nutzungen; Task 3: Estimate space requirements for the land user – quantitative Schätzung der Flächen-/Raumbedarfe für die späteren Nutzer; Task 4: Analyze holding capacity of the suitable land supply – Analyse der zur Verfügung stehenden geeigneten Flächenkapazitäten; Task 5: Design alternative spatial arrangements of land classes or land uses – Konzeption bzw. Entwurf von alternativen Flächen-/Raumnutzungsanordnungen (Flächenallokationen bzw. -kombinationen).
Darauf, dass diese komplexe Aufgabe jetzt und künftig sinnvollerweise nur auf der Grundlage von Geographischen Informationssystemen bearbeitet werden kann, weisen die Autoren ausdrücklich hin.
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Übersicht Gegenstand der städtebaulichen Gestaltungsplanung ist das baulich-räumliche Gefüge und die gestalterisch-ästhetische Ausprägung von Städten. Es geht dabei um die dreidimensionalen, räumlichen Formen von städtebaulichen Situationen mit den Wirkungen, die diese Gestaltungsmuster auf Wahrnehmungsorgane und subjektive Empfindungen des Menschen ausüben. Städtebauliche Raumwirkungen werden vorwiegend durch bauliche Maßnahmen, durch Gebäude erzielt. Damit steht die städtebauliche Gestaltungsplanung in engem Zusammenhang mit Architekturobjekten und deren Entwurf. Die städtebauliche Gestaltung geht aber über architektonische Einzelobjekte hinaus, indem sie sich mit der gesamträumlichen Ensemblewirkung unter Einbeziehung von landschaftsgestalterischen und landschaftsästhetischen Aspekten befasst. Mit Hilfe von Computersystemen lassen sich die räumlichen und ästhetischen Wirkungen einer städtebaulichen Gestaltungsplanung sowie des architektonischen Entwerfens – etwa durch fotorealistische Darstellungen – anschaulich simulieren. Computergestützte Methoden nehmen in der Praxis städtebaulicher Gestaltung breiten Raum ein; sie werden deshalb auch hier in angemessener Weise thematisiert. Insgesamt wird die städtebauliche Gestaltungsplanung unter den folgenden sieben Einzelaspekten erörtert: • • • • • • •
Wahrnehmung von Raum und Gestalt Methoden der Gestalterfassung und Gestaltbewertung Städtebauliche Gestaltungselemente Methoden der städtebaulichen Gestaltungsplanung Computergestützte Entwurfsmethoden und Darstellungsverfahren Konzepte, Leitbilder und Instrumente städtebaulicher Gestaltung Stadtgestalterisches Entwerfen und städtebaulicher Entwurf
B. Streich, Stadtplanung in der Wissensgesellschaft, DOI 10.1007/978-3-531-93164-7_7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Wahrnehmung von Raum und Gestalt Im Gegensatz zu der im vorangegangenen Kapitel dargestellten städtebaulichen Strukturplanung, die sich mit der Umsetzung von Nutzungsansprüchen und optimalen Nutzungszuordnungen beschäftigt, geht es bei der Gestaltungsplanung primär um die ästhetischen Aspekte des Städtebaus. Das komplexe Feld von Einzelfragen und Methoden, das sich daraus ergibt, unterscheidet sich in sehr grundsätzlicher Weise von dem der städtebaulichen Strukturplanung. Während wir städtebauliche Strukturen in ihrem Funktionsgefüge gewissermaßen durch eine Draufsicht auf ein Siedlungsgefüge erkennen können, befinden wir uns, wenn wir die Gestalt von Städten und Ortschaften wahrnehmen wollen, inmitten dieses Gefüges, das jetzt mit seinen dreidimensionalen Formen, der Architektur und den Geschehnissen auf uns, den Betrachter, einwirkt und unsere subjektiven Empfindungen unmittelbar berührt. Im Gegensatz zu den Strukturaspekten einer Stadt übt der gestaltete Formenkanon eine viel direktere Wirkung auf den Menschen aus. Erst durch Form und Gestalt, die auf den menschlichen Betrachter einwirken, entwickelt dieser Vorstellungen und ein Urteil darüber, ob er eine Stadt oder einen Ort als schön empfindet oder nicht, ob er sich dort wohlfühlt, Geborgenheit empfindet und sich mit der gebauten Umwelt identifizieren kann: „From a nonprofessional perspective, visual quality may be the most important influence on how people experience and respond to urban areas and planning initiatives“, heißt es in einem Buch über „Urban Land Use Planning“ – einem Standardwerk der Stadtplanung, das eigentlich mehr den strukturellen Aspekten urbaner Systeme gewidmet ist [Kaiser/Godschalk/Chapin 1995: 223]. Dass es zwischen städtebaulicher Struktur und städtebaulicher Gestaltung fließende Übergänge gibt, sei gleichwohl hier nochmals hervorgehoben. Vor allem gilt dies, wenn die Betrachtungsperspektive stärker aus Richtung der Architektur kommt. In seiner Dissertation über den „Raum in der Architektur“ trifft Wolfgang Meisenheimer die folgende Unterscheidung: Der Unterschied zwischen Struktur und Gestalt, sofern wir es mit den visuellen Qualitäten zu tun haben, besteht darin, dass sich Gestalt auf den „Aspekt der geordneten Ganzheit der Erscheinung“ bezieht, Struktur dagegen auf „differenzierte Einzelzüge, gesetzmäßige Anordnungen von Gestaltmomenten“ [Meisenheimer 1964: 11]. Der Aspekt der geordneten Ganzheit hat für den Gestalt-Begriff eine zentrale Bedeutung. Die Gestaltpsychologie, eine im frühen 20. Jahrhundert entwickelte Teildisziplin der Psychologie, hat mit ihren umfangreichen Forschungsarbeiten an diesem ganzheitlichen, quasi synthetischen Paradigma von Gestalt und Gestaltwahrnehmung eine ganze Disziplin begründet [vgl. dazu z.B. Lang 1987: 86ff oder Weinhandl 1927]. Anknüpfungspunkt war unter anderem die schon in der Antike, vor allem durch Aristoteles formulierte Vorstellung, dass das Ganze einer Sache mehr sei als nur die Summe seiner Teile. Was genau unter geordneter Ganzheit zu verstehen ist, veranschaulicht Abbildung 6.1 mit der Abfolge von drei Begriffen [Krause 1974: 33]:
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Kollektion als Ansammlung und Verteilung von Objekten, zwischen denen keinerlei Wechselbeziehungen bestehen; Aggregat als Ansammlung und Verteilung von Objekten mit minimaler Wechselbeziehung untereinander; Gestalt als Zusammenfügung von Objekten mit maximaler Wechselbeziehung untereinander, so dass ihr Zusammenhang als eine Ganzheit ein neues Wirkungssystem darstellt.
Abb. 6.1: Ganzheitlichkeit als Charakteristikum von Gestalt im Gegensatz zu einfacher Kollektion oder einem Aggregat (nach Leinfellner; Quelle: Krause 1974) Gestalt, so können wir festhalten, hat also stets etwas mit Ganzheitlichkeit zu tun, Struktur dagegen mit differenzierten Einzelaspekten – jenen Einzelaspekten einer Stadt demnach, die wir schon in der städtebaulichen Strukturplanung mit dem differenzierten Funktionsgefüge einer Stadt kennengelernt haben. Der Umgang mit Gestaltungsphänomenen im Städtebau erfordert deshalb auch immer eine ganzheitliche Sicht der Dinge. Zusammenfassend können wir also feststellen, dass im Unterschied zur städtebaulichen Strukturplanung mit ihren Affinitäten zum analytischen Arbeiten bei der städtebaulichen Gestaltungsplanung das synthetische Arbeiten im Vordergrund steht. Zweifellos hat dies erhebliche Konsequenzen auch für das in der städtebaulichen Gestaltungsplanung in Frage kommende Methodenrepertoire. a) Begrifflichkeiten zu Raum und Gestalt Der ’Gestalt’-Begriff, etymologisch hergeleitet, wie wir dem Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm entnehmen können, aus ’stellen/gestallt’, weist vor allem in seiner umgangssprachlichen Bedeutung viele Facetten auf [systematische Zusammenstellung vgl. Streich 1983: 18]. Visuelle Aspekte und die Anschaulichkeit von Objekten stehen im Vordergrund der Wortbedeutung. In Anlehnung an eine gängige Definition aus dem Umfeld der Philosophie wollen wir Stadtgestalt definieren als anschaulich wahrnehmbare Form baulich-räumlicher Gegenstände eines städtebaulichen Gefüges [vgl. Schischkoff 1969, Stichwort „Gestalt“]. Die Begriffe Gestalt und Stadtgestalt korrespondieren eng mit zwei anderen Begriffen: ’Raum’ und ’Räumlichkeit’. Gerade bei Fragen städtebaulicher Gestaltung geht es immer wieder um Räume, die zu gestalten sind – von der räumlichen An-
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ordnung baulicher Objekte, von Straßenräumen, Platzräumen und Raumbildungen aller Art. Obwohl häufig verwendet, herrschen allerdings selbst bei Fachleuten aus den Bereichen Stadtplanung oder Architektur eher diffuse Vorstellungen zum Begriff ’Raum’ [Holschneider 1969: 79]. Selbst eine der umfassendsten Untersuchungen zum Thema Raum, vorgelegt von Alexander Gosztonyi, kommt am Ende bei der Frage, „was denn nun eigentlich Raum sei, (...) leicht in Verlegenheit“ [Gosztonyi 1976: 1240]. Eine umfassende terminologische Konstruktion dessen, was Gestalt ist, sollte allerdings noch weiter ausholen und den Umweltbegriff miteinbeziehen. Umwelt wird dabei als der gesamte Lebensraum angesehen, der ein Lebewesen umgibt. Tatsächlich ist ja das Band zwischen dem Menschen und seiner Umwelt so eng, „dass die Grenze zwischen Individuum und seiner Umwelt verschwimmt“ [Global 2000: 493]. Angesichts der Kritik an manchen baulichen Ergebnissen, die in polemischen Essays wie Rolf Keller's „Bauen als Umweltzerstörung“, in der Forderung nach visuellem Umweltschutz [z.B. Altendorf 1981] oder in dem vor einigen Jahren auf Stuttgart gemünzten Sponti-Wortspiel ’Kaputtgart’ ihren Ausdruck findet, wird die enge Beziehung zwischen Mensch, Umwelt und Stadtgestalt offenkundig. Zugleich wird aber in begrifflicher Hinsicht auch deutlich, dass der „anfänglich biologisch-ökologisch gebrauchte Umweltbegriff durch anthropologische, sozial- und wahrnehmungspsychologische sowie phänomenologische Erwägungen erheblich erweitert“ worden ist [Laage/Michaelis/Renk 1976: 31]. Die Verknüpfung mit dem ’Umwelt’-Begriff erlaubt es uns nun, sowohl die urbane Umwelt als auch den Freiraum und Landschaftsbestandteile, in denen die urbane Umwelt eingebettet ist, als integrale Aufgabe städtebaulicher Gestaltung zu verstehen. Dass die Räumlichkeit ein typisches Merkmal der urbanen (wie auch der nicht urbanen) Umwelt ist, darüber sind sich nicht nur Stadtplaner einig. Auch Philosophen und Erkenntnistheoretiker haben sich in vielfältiger Weise mit dem Raum als eine wesentliche Konstante menschlicher Existenz und menschlichen Handelns befasst. Für den Existenzphilosophen und Phänomenologen Otto Friedrich Bollnow ist Räumlichkeit zentraler Aspekt in der „Wesensbestimmung des menschlichen Daseins“ überhaupt [Bollnow 1963: 22], und für den Pionier der konstruktivistisch orientierten Kognitionsforschung, Jean Piaget, gehört die „Frage nach der Beschaffenheit des Raumes zu den zentralen Problemen menschlicher Erkenntnis“ [Piaget 1972, 2. Band: 143]. Die Tatsache, dass der Raum in der gesamten Geschichte der Philosophie auf sehr starkes Interesse stieß, wird deshalb nicht sonderlich erstaunen. Nach Alexander Gosztonyi gibt es drei große Problemkomplexe, in die alle Raumanalysen eingeordnet werden können [Gosztonyi 1976: 35]: • • •
den philosophischen Komplex, zu dem auch die Raumanalysen der Sinnespsychologie und der Phänomenologie zu zählen sind, den geometrischen Komplex und den mathematisch-physikalischen Komplex.
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In seinen Raumuntersuchungen unterscheidet Gosztonyi allein 29 verschiedene Einzelaspekte, unter denen Raum betrachtet werden kann (vgl. Abb. 6.2).
Abb. 6.2: 29 Untersuchungsaspekte zum Thema ’Raum’ von Gosztonyi Alle diese Aspekte sollen und können hier nicht im Hinblick auf städtebauliche Gestaltung ausgelotet werden. Zumal viele der genannten Begriffe für unsere Zwecke noch weiter untergliedert werden müssten – den in Abbildung 6.2 hervorgehobenen Sinnesraum beispielsweise mindestens noch in Seh-, Hör- und Tastraum [eine detaillierte, tabellarische Übersicht dazu findet sich bei Lang 1987: 91]. Zudem fehlen in Gosztonyi’s Raumbetrachtungen zwei für die vorliegenden Erörterungen sehr wesentliche Aspekte, nämlich spezifische Raumvorstellungen in Städtebau und Architektur sowie Raumwahrnehmung über Bilder, Graphiken und Computerdarstellungen, räumlich-visuelle Simulationen oder Computeranimationen. Diese werden wir deshalb später noch genauer betrachten. b) Der Raum-Begriff im Städtebau und in der räumlichen Planung Wie bereits durch die vorangegangenen Erläuterungen dargestellt, haben wir es im Städtebau und in der räumlichen Planung im Hinblick auf den Begriff des ’Raumes’
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mit einem sehr weitgedehnten Spektrum zu tun. So treffen wir auf diesen Begriff in einem siedlungsgeographischen, raumordnerischen wie raumordnungspolitischen Kontext, wo dieser Begriff eine starke Abstraktion erfährt, die sich erst durch einen regionalen oder siedlungsstrukturellen Bezug etwas stärker zu konkretisieren beginnt. Raum wird dann gedanklich assoziiert mit einer gewissen flächenhaften Ausdehnung von Dingen auf der Erdoberfläche, weniger aber mit einer dreidimensionalen Ausprägung von Objekten. Die Dreidimensionalität von Raumvorstellungen und von Objekten im Raum ist es aber, die uns im Städtebau, in der Architektur und in der städtebaulichen Gestaltungsplanung vornehmlich interessiert. Der Umgang mit dem Raum gehört hier zum täglichen Geschäft. Um so erstaunlicher, dass wir hier dennoch auf eine ziemlich vage Unbestimmtheit des ’Raum’Begriffes stoßen. Zwar ist der ’städtebauliche Raum’ ein bei Fachleuten feststehender Begriff [Schirmacher 1978: 9], fragt man diese jedoch genauer, was sie unter Raum verstehen, ist eher Diffuses zu erfahren; so wird von ihnen die assoziative Ähnlichkeit von Raum und Sequenz oder Raum und Rhythmus stärker betont als beispielsweise Raum und System [Holschneider 1969: 79]. Dies wird uns allerdings nicht sonderlich überraschen, zumal sich in der Architekturgeschichte allmählich eine Raumvorstellung herauskristallisiert hat, in der Raum weitgehend gleichbedeutend mit ausgehöhltem Raum bzw. Innenraum konnotiert wird [Giedion 1941/1976: 29 und 33; im Kontext der Wahrnehmung von Außenräumen vgl. Machule 1978: 32ff]. Dies lässt sich an konkreten Beispielen sehr schön belegen: So bezeichnete etwa Karl Gruber, einer der Pioniere städtebaulicher Gestaltanalysen, den berühmten Place Vendôme in Paris als „äußeren Raum“, „dessen Wände wie die Wände eines Saales gegliedert sind“ [Gruber 1976: 148]. Oder Camillo Sitte, der im 19. Jahrhundert den Blick der Stadtplanung auf städtebauliche Gestaltung geschärft hatte. In seinen Ausführungen über die „Geschlossenheit der Plätze“ spricht er eher abfällig davon, dass „heute freilich auch der bloße leere Raum so benannt wird [nämlich als Platz], welcher entsteht, wenn eine von vier Strassen umsäumte Baustelle einfach unverbaut bleiben soll“ [Sitte 1889/1901/1972: 35]. Von Interesse mag in diesem Zusammenhang ein Blick auf die Gartenkunst und Landschaftsarchitektur sein, wo eine mit der Bauarchitektur fast identische Raumauffassung besteht. Friedrich Ludwig von Sckell’s Bemühungen um räumliche Wirkungen in der landschaftlichen Gestaltung gingen in diese Richtung [Keller 1976: 127ff], und der Definition von Hermann Muthesius, dass „der Garten eine Aneinanderreihung von regelmäßigen Einzelteilen bilden soll, die sich etwa mit dem Grundriss eines Hauses vergleichen lässt, nur dass die Räume (Terrasse, Rasenplatz usw.) nach oben offen sind“, lag ebenfalls die Vorstellung von Innenräumlichkeit zu Grunde: „Das Übereinstimmende des Gartens mit dem Haus [besteht] nicht darin, dass wie in der Renaissance die äußerlich sichtbaren Linien des Hauses seine Vertikalen und Horizontalen, der plastische Schmuck, durch den sie betont werden, sich im Gartenraum nur wiederholen und sich sozusagen die Architektur ins Freie hinausschiebt, sondern dass die Innenräume, das ’Bewohnbare’ des Hauses, sich möglichst im idealen Grundriss wiederholen sollten.“ [Keller 1976: 147] Raumauffassungen, die den Innenraum für nicht wesentlich hielten, gab es in der Architekturgeschichte zwar auch, dennoch ist allen Vorstellungen bzw. Konzep-
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tionen die Affinität von Raum und Volumen gemeinsam. Erst die sich in einer bestimmten topologischen Anordnung darbietenden Flächen, Oberflächen, Formen oder freistehenden Volumina (einschließlich Bäumen usw.) ermöglichen es dem Architekten und Stadtgestalter, den Raum begrifflich und anschaulich zu fassen – ganz in Analogie zu der philosophischen Erkenntnis, dass es eine Wahrnehmung des eigentlich leeren Raumes nicht gibt. „Das Prägnanzmerkmal des Architekturraums“, so lässt sich mit dem Architekturtheoretiker Wolfgang Meisenheimer zusammenfassend feststellen, „ist das Merkmal des Innenräumlichen“. Hierdurch unterscheidet sich der ’Raum der Architektur’ von allen anderen technischen und künstlerischen Raumschöpfungen, vor allem vom ’Raum der Malerei’ und vom ’Raum der Plastik’. Meisenheimer nennt fünf Elemente zur Strukturierung eines Raumes in der Architektur [Meisenheimer 1964: 264]: • • • • •
stoffliche Elemente konstruktive Elemente funktionelle Elemente symbolische und allegorische Elemente mathematische Elemente
Es ist allerdings nicht das Merkmal der Innenräumlichkeit allein, das bei architektonischen und städtebaulichen Raumanalysen eine Rolle spielt. Die genannten fünf Elemente zur Strukturierung des Raumes in der Architektur beziehen sich zunächst ausschließlich auf das Objekt selbst, abstrahieren also vom subjektiven Empfinden des Betrachters. Über diese, allein auf das Objekt bezogene Sichtweise hinaus geht der Architekturtheoretiker Bruno Zevi in seinem Buch „Architecture as Space“, indem er drei Stufen zur architektonischen Raumanalyse unterscheidet [Zevi 1964/ 1974; Meisenheimer 1964: 355]: • • •
Die wichtigste architektonisch-räumliche Realität ist der Innenraum. Innenraum ist nicht nur Leere oder Dreidimensionalität, sondern ’aktueller Raum’, der in der Bewegung mit allen Sinnen erlebt wird (n-dimensional). Der Mensch, das psychologisch-physiologische, das soziale und intelligible Subjekt, ist der Mittelpunkt des Raum-Erlebnisses.
Damit sind die wichtigsten Aspekte des Raum-Begriffs, soweit er für die städtebauliche Gestaltungsplanung von Belang ist, benannt. Zu klären wäre allerdings noch, was im letzten Punkt dieser architektonisch-städtebaulichen Raumanalyse zum Ausdruck kommt: Wie hat man sich eigentlich die (Raum-)Wahrnehmung des Menschen vorzustellen? c) Theoretische Aspekte der Raum- und Gestaltwahrnehmung Ansatzpunkt für die nun folgenden Überlegungen ist die bereits verwendete Definition von Gestalt, als ’anschaulich-räumliche Form wahrnehmbarer Gegenstände’.
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Dabei soll auf weit ausholende philosophische Darlegungen, etwa ob Gegenstände außerhalb unseres Denkapparats tatsächlich existieren, verzichtet werden. Dies vorausgesetzt, wollen wir uns eher pragmatisch der Frage zuwenden, wie und in welcher Weise die Wahrnehmung von (physischen) Gegenständen stattfindet. Zudem soll noch eine weitere Eingrenzung vorgenommen werden: Interessieren soll nämlich nur die visuelle Wahrnehmung der räumlichen Umwelt, weil ihr eine dominierende Rolle [Gosztonyi 1976: 727] bei der Erfassung von Stadtgestalt zukommt. Diese Themeneingrenzung ist nicht ganz unproblematisch, weil auch nichtvisuelle (z.B. akustische, haptische und olfaktorische) Sinnesdaten die Gestaltwahrnehmung beeinflussen und weil, wenn wir an moderne digitale Darstellungstechniken denken, auch Methoden zur Simulation von Raum- und Gestaltqualitäten denkbar sind, die diese nichtvisuellen Sinnesempfindungen herbeiführen können bzw. sollen. Man denke in diesem Zusammenhang beispielsweise an den architektonischen Entwurf eines Konzertsaales, für den neben der optischen Qualität auch die Akustik von Interesse ist; im Siedlungsbereich finden sich ähnliche Beispiele im Zusammenhang mit der akustischen Wirkung von Platzraumsituationen bei künstlerischen Events (Open-air-Musikveranstaltungen) oder städtebaulichen Lärmuntersuchungen unter Einbeziehung lärmabsorbierender oder -reflektierender Gestaltungselemente (Schallschutzanlagen). Ausgehend von der Annahme, dass außerhalb der mentalen Aktivitäten eines Betrachters objektiv-reale, ’wirkliche’ Gegenstände existieren, stellt sich nun die Frage, wie diese Gegenstände wahrgenommen werden. Zum Verständnis der Zusammenhänge werden wir uns ein Stück weit auf die Pfade der Sinnespsychologie begeben müssen. Die zentrale Frage einer sinnespsychologischen Erörterung der Wahrnehmung von Räumlichem lautet: „Ist die ’Raumwahrnehmung’ (...) rein psychisch oder durch außerpsychische Elemente bedingt?“ [Gosztonyi 1976: 726]. Diese Frage wird üblicherweise nicht im Sinne eines Gegensatzes, sondern im Sinne einer Komplementarität beantwortet, indem der Versuch unternommen wird, abzuklären, welcher Anteil außerpsychischen und welcher psychischen Elementen zuzuschreiben ist. Auch das Ineinandergreifen von Erfahrung und Bedingungen, die nicht aus der Erfahrung stammen, erfährt dabei seine Berücksichtigung. Unter Bezugnahme auf einschlägige Untersuchungen zum Thema [als Auswahl in alphabetischer Reihenfolge seien neben den bereits erwähnten Quellen genannt: Bollnow 1963; Gibson 1950/1973; Holzkamp 1978; Lang 1987; Merleau-Ponty 1966, Piaget 1972] können wir sechs wesentliche Elemente nennen, die den Wahrnehmungsraum konstituieren: • • • •
den physischen Raum, der unabhängig vom menschlichen Betrachter existiert (siehe oben); den Sinnesraum, für den hier nur der visuelle Aspekt zur Diskussion steht; den Bewegungsraum, der durch die Eigenbewegung des Betrachters erschlossen wird; die Gesamtheit menschlicher Aktivitäten in Gestalt von Denkprozessen und anderen psychischen Vorgängen;
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den Erscheinungsraum, der sich aus dem physischen Raum, dem Sinnesraum und dem Bewegungsraum konstituiert und damit die physikalischen Phänomene der Raumwahrnehmung zusammenfasst; den Wahrnehmungsraum, der durch den Erscheinungsraum einerseits und durch psychische Aktivitäten, Denkprozesse etc. des Menschen andererseits konstituiert wird.
Zwischen diesen Elementen bestehen Beziehungen und Wechselwirkungen, die nur exemplarisch benannt werden sollen. So steuert und koordiniert das kognitive System etwa die Bewegungen des Menschen im Raum, oder es schärft bestimmte Sinnesorgane. Und auch die Tatsache, dass der Mensch seine bauliche Umwelt nicht nur gestaltet, sondern auch von ihr beeinflusst wird, stellt eine solche Wechselwirkung dar. Der auf Albert Schweitzer zurückgehende Satz: „Erst baut der Mensch die Stadt, dann prägt die Stadt den Menschen“ – umfassend thematisiert in Alexander Mitscherlich’s „Unwirtlichkeit der Städte“ [vgl. Mitscherlich 1965: 9ff] – verdeutlicht das Verhältnis des Menschen zu der ihn umgebenden physischen Welt und der von Menschenhand gebauten Umwelt. Mit diesen systematischen Überlegungen aus der Sinnespsychologie sind wir nun in der Lage, ein Modell des gesamten Systemzusammenhangs (vgl. Abb. 6.3) zu konstruieren. Dazu werden zunächst die Begriffe • • •
’physischer Raum’ durch ’vorhandene Umwelt’, ’Erscheinungsraum’ durch ’wirksame Umwelt’ und ’Wahrnehmungsraum’ durch ’erlebte Umwelt’
substituiert, um mit den von Michael Trieb in den Städtebau eingeführten und mittlerweile etablierten Begriffe weiterzuarbeiten [Trieb 1977: 60]. Vervollständigt wird das in der Abbildung schematisch dargestellte Modell, indem der Sinnes- und der Bewegungsraum als eine Art ’Filter’ zwischen vorhandener und wirksamer Umwelt sowie die individuelle psychische Konditionierung des Menschen als ’Filter’ zwischen wirksamer und erlebter Umwelt interpretiert wird. Wenden wir uns nun den in der Abbildung verwendeten Begriffen im Einzelnen zu [zum Begriff des Filters in diesem Kontext vgl. Köhler 1981: 12 oder Persson 1979: 180]: Vorhandene Umwelt: Darunter wird die objektiv vorhandene, quantifizierbare, dreidimensionale Gestalt der Umwelt verstanden, die unabhängig von einem Beobachter in einem bestimmten Moment vorhanden ist. Zu verschiedenen Zeitpunkten stellt sich die objektiv vorhandene Umwelt allerdings unterschiedlich dar, je nach Tageszeit, Witterungsverhältnissen, Jahreszeit usw. Der urbane Aspekt der vorhandenen Umwelt wird als Stadtgestalt bezeichnet. Das ist nicht ganz so banal, wie es sich vielleicht liest. So finden wir etwa bei dem englischen Philosophen Bertrand Russell folgende Überlegung: „Wirkliche Gestalt ist nicht das (...), was wir sehen; sie ist etwas, das von uns aus dem Gesehenen erschlossen worden ist. Und was wir sehen, verändert dauernd seine ’Gestalt’, während wir uns durch den Raum bewegen, so dass unsere Sinne offenbar nicht die Wahrheit über das betrachtete Ob-
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jekt selbst, sondern nur über seine Erscheinung sagen“ [Russell 1912/1967: 12]. Diese Sätze spannen gleichsam eine ganze Theorie auf, an der sich anknüpfen lässt. Insbesondere auf den hier eingeführten Begriff der Erscheinung – der Stadterscheinung – werden wir noch genauer eingehen. Wirksame Umwelt: Von der vorhandenen Umwelt können nur einzelne Teile konkret wahrgenommen werden. Die Gesamtheit dieser wahrnehmbaren Umweltausschnitte, die vom Standort des Beobachters und von der begrenzten Kapazität seiner Sinnesorgane bestimmt ist, soll als wirksame Umwelt bezeichnet werden. Der urbane Aspekt der wirksamen Umwelt ist die Stadterscheinung. Ähnlich aber wie sich die vorhandene Umwelt (Stadtgestalt) nur aus dem Erscheinungs-Ganzen rekonstruieren lässt, kann die wirksame Umwelt (Stadterscheinung) nur aus der tatsächlich erlebten Umwelt rekonstruiert werden. Erlebte Umwelt: Die wirksame Umwelt bewirkt beim Beobachter bestimmte Verhaltensweisen, sie löst mentale und psychische Reaktionen aus. Diese hängen zum einen von der jeweils vorhandenen Umwelt, zum anderen von der mentalen und psychischen Konditionierung des Individuums ab. Das Ergebnis dieser Wechselbeziehung kann als die ’erlebte Umwelt’ bezeichnet werden. Der urbane Aspekt der erlebten Umwelt wird als Stadtbild bezeichnet – ein Begriff, der sich auch umgangssprachlich begründen lässt: Jemand ’macht sich ein Bild’ von seiner Stadt, d.h. er bildet diese Umwelt durch individuelle Wahrnehmungsprozesse ab, er macht sich ’sein’ Stadt-Bild. Neben diesen drei genannten Umweltwahrnehmungskategorien existiert außerdem noch der Begriff der erwarteten Umwelt [Vidolovits 1978: 55 und 69ff], um damit auch die prognostische Fähigkeit des Menschen zu erfassen. Letztendlich ist diese jedoch als ein Teil der erlebten Umwelt und nicht als eigenständige Kategorie der Umwelt- und Gestaltwahrnehmung zu interpretieren. Zusammenfassend können wir also feststellen, dass die eigentliche zentrale Instanz der subjektiven Wahrnehmung der vorhandenen Umwelt und des physischen Raums die erlebte Umwelt bzw., wenn wir uns auf den urbanen Raum beziehen, das Stadtbild darstellt. Das Stadtbild beruht auf dem wirksamen Teil der Umwelt (Stadterscheinung), insbesondere jedoch auf individuellen Erfahrungen, Erinnerungen, Handlungsabsichten oder Stimmungen. Ein Betrachter von städtebaulichen Gestaltphänomenen wird diese also niemals ganzheitlich erfassen können. Zwar vermag das Individuum z.B. durch ständigen Wechsel seines Beobachtungsstandortes (Bewegung im Raum) oder infolge Veränderung seiner persönlichen Verfassung (z.B. durch Schulung) die Grenzen der wirksamen und erlebten Umwelt zu erweitern; das Erfassen der vorhandenen Umwelt (Stadtgestalt) in seiner Gänze wird ihm trotzdem nur näherungsweise gelingen. Die hier aufgezeigten Zusammenhänge zwischen Stadtgestalt, Stadterscheinung und Stadtbild machen deutlich, dass neben statischen Untersuchungen (im Sinne von Momentaufnahmen) auch dynamische Prozesse eine wichtige Rolle spielen. Die Dynamik, auch sie ist in Abbildung 6.3 dargestellt, ergibt sich aus den folgenden, sich ständig ändernden Einflüssen:
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Abb. 6.3: Prozess der Wahrnehmung und Veränderung von Stadtgestalt
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im Falle der vorhandenen Umwelt, der Stadtgestalt, spielen etwa Einflüsse wie Tag/Nacht, Jahreszeiten oder Veränderungen durch menschliche Eingriffe in das städtebauliche Gefüge eine wichtige Rolle; im Falle der wirksamen Umwelt, der Stadterscheinung, stellen Bewegungsabläufe des menschlichen Betrachters im Raum einen wichtigen Faktor im Hinblick auf die räumliche Gesamtwahrnehmung dar; im Falle der erlebten Umwelt, des Stadtbildes, sind die ständigen Veränderungen der psychischen Konditionierung von Personen (Freude, Trauer, Melancholie etc.), aber auch der Zuwachs an persönlicher Erfahrung oder Bildung von ausschlaggebender Bedeutung.
Bei der Erfassung urbaner Gestaltqualitäten finden also komplexe Prozesse der Wahrnehmung statt. Eigentlich lassen sich städtebauliche Gestaltqualitäten nur durch eine dynamische Sichtweise angemessen erfassen und beurteilen, wie auch Kevin Lynch in seinem Hauptwerk „The Image of the City“ zu diesem Thema feststellt: „Das Bild der Umwelt ist das Ergebnis eines Prozesses, der zwischen dem Beobachter und seiner Umwelt stattfindet“ mit der fast selbstverständlich anmutenden Konsequenz, dass „das Bild einer gegebenen Wirklichkeit für verschiedene Wahrnehmer je ein ganz verschiedenes“ sein wird [Lynch 1960/1965: 16]. Der dargestellte Prozess in Abbildung 6.3 setzt also individuelle Wahrnehmung voraus; Einflüsse anderer Menschen z.B. in Form von Kommunikation bzw. sozialen Interaktionen werden als externe Einflüsse auf dieses Modell berücksichtigt [zur weiteren Vertiefung vgl. Streich 1983]. Diese theoretischen Grundlagen der Raum- und Gestaltwahrnehmung versetzen uns jetzt in die Lage, die Methoden der Gestalterfassung und Gestaltbewertung den jeweiligen Bedingungen menschlicher Wahrnehmung zuzuordnen, so dass daraus später ’Rezepte’ für die städtebauliche Gestaltungsplanung hergeleitet werden können.
Methoden der Gestalterfassung und Gestaltbewertung Wahrnehmung von Gestalt beruht, wie wir gesehen haben, auf dem subjektiven Empfinden des menschlichen Betrachters. Den Möglichkeiten der Erfassung und Bewertung von städtebaulichen Gestaltaspekten sind damit so gut wie keine Grenzen gesetzt. Die nachfolgende Zusammenstellung kann deshalb auch nur eine Auswahl der gängigen Methoden sein, die sich seit Beginn einer wissenschaftlich ausgerichteten Stadtgestaltungsforschung seit den 1960er Jahren herauskristallisiert haben. Auf die Gestaltung von Einzelbauwerken wird in dieser Zusammenstellung weitgehend verzichtet, weil ansonsten das gesamte Spektrum architektonischen Entwerfens und Gestaltens bis hin zu stilistischen, baukonstruktiven oder ästhetischen Details zu erörtern wäre. Aus der Vielzahl der diesbezüglichen Literatur mag vielleicht David Dunster’s Publikation über „Leitbilder der Architektur im 20. Jahrhun-
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dert“ eine erste Anregung darstellen [Dunster 1985/1986]. Bezüge zur städtebaulichen Gebäudelehre wurden bereits im Kapitel über städtebauliche Strukturplanung dargelegt. Bevor wir zu den Methoden im Einzelnen kommen, ist vorab noch auf etwas hinzuweisen, das bereits im Einführungskapitel zur Sprache gebracht wurde, im Zusammenhang mit städtebaulicher Gestaltung aber noch einmal aufzugreifen ist. Es geht um die habituelle Neigung zweier Typen von Planern, zweier Fraktionen gewissermaßen, zwischen denen eine Art oszillierende Konkurrenz besteht. Während die Vertreter der einen Richtung grundsätzlich mehr dem künstlerischen und ästhetischen Gestalten zuneigen, das seinen Ausdruck vor allem in architektonischen Einzelbauwerken und in der Ensemblewirkung von Gebäudeansammlungen findet, sehen die Vertreter der anderen Fraktion dagegen ihre Aufgabe mehr in der Schaffung einer strukturell funktionierenden Stadt auf der Grundlage von eher wissenschaftlich begründbaren Methoden. Diese beiden Fraktionen – mit zum Teil extrem unterschiedlichen Positionen zum planerisch-städtebaulichen Handeln – hat es bei städtebaulichen Planungen zu allen Zeiten gegeben. Am deutlichsten kommt die Diametralität dieser beiden habituellen Neigungen in der Zeitperiode zum Vorschein, als Stadtplanung und Städtebau am Ende des 19. Jahrhunderts begannen, sich als eigenständige Disziplinen herauszukristallisieren: Während etwa Reinhard Baumeister, seines Zeichens Professor an der Karlsruher Technischen Hochschule und 1872 Gewinner des Wettbewerbs für die Mannheimer Oststadterweiterung, im Jahre 1876 sein Buch „Stadterweiterungen in technischer, baupolizeilicher und wirtschaftlicher Beziehung“ publizierte, setzte im Jahre 1889 Camillo Sitte mit seinem Buch „Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen“ dazu ganz bewusst und gezielt einen Kontrapunkt – speziell was den Begriff „Städte-Bau“ betrifft, der sich nach Sitte’s Vorstellung allein auf der Basis künstlerischer Grundsätze manifestieren sollte. Dort allerdings, wo auch Baumeister die Bezeichnung Städtebau verwendete, geschah dies gleichfalls in einer eher ästhetisch-künstlerischen Konnotation, angewandt im konkreten Planungsfall der Mannheimer Oststadterweiterung [vgl. Curdes 1993: 87 und 128; Reinborn 1996: 60ff]. Nur wenige wie etwa Fritz Schumacher, der vor allem in Hamburg und Köln gewirkt hat, verstanden es, bruchlos die Brücke zu schlagen zwischen Gestalt und Struktur, zwischen Stadtplanung und Städtebau, zwischen landes- und regionalplanerischen Konzepten und architektonischem Wirken [vgl. dazu Fischer 1977 oder Kayser 1984]. a) Analyse von Gestalt und Struktur von Planungsarealen (’site analysis’) Einer der großen Pioniere der Stadtgestaltungsforschung war der amerikanische Planungswissenschaftler Kevin Lynch [vgl. Gosling 2003: 51, 155f]. Von Lynch stammen grundsätzliche und zugleich ebenso pragmatisch wie praktisch angelegte Überlegungen und Anweisungen darüber, wie beim städtebaulichen Beplanen von Gebieten, Arealen oder Grundstücken – im Englischen ’sites’ – zu verfahren sei. Die entsprechenden Grundlagenerhebungen und Analysen hat Lynch als ’site analysis’ bezeichnet. Im Prinzip geht es dabei um die Analyse von Gestalt und Struktur von zu beplanenden Gebieten: „Site planning locates structures and
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activities in threedimensional space“ [Lynch 1962: 5]. Der Zweck der ’site analysis’ besteht also darin, räumliche Strukturqualitäten zu erfassen, allerdings mit nahtlosen Übergängen zwischen Stadtstruktur und Stadtgestalt [Lynch/Hack 1984/2000; vgl. auch Chiara/Koppelman 1978]. Zudem war auch immer die Einbeziehung der Landschaftsgestalt in den Untersuchungsrahmen von wesentlicher Bedeutung; der im Jahre 1965 von Lynch publizierte Aufsatz mit dem Titel „The city as environment“ zeigt seine Intention, Stadt als Umwelt zu begreifen, so dass man ihn auch als einen frühen Vertreter der ökologischen Stadtplanung bezeichnen kann [Sieverts 1997]. Was nun die konkreten Erfassungsgegenstände einer ’site analysis’ anbetrifft, so können diese in vier Punkten zusammengefasst werden [vgl. Lynch/Hack 1984: 62ff; zusammenfassend vgl. Krause 1975: 14f]: • • • •
Landschaftsgestalt: Oberflächenbedingungen und Oberflächencharakteristika; Stadtgestalt: Freiräume, Raumqualitäten, Bodenform, Bodentextur, Details (Möblierung, Fassadenstrukturen etc.); Reiheninformationen: Blickpunkte, Sequenzen, visuelle Strukturen; verallgemeinerte Raumdispositionen: Betrachtung der Gesamtheit all dieser Aspekte.
Abb. 6.4: ’Site analysis’ in Struktur und Gestalt unter Einsatz der Computertechnologie (Quelle: Hoinkes im Internet unter www.clr.utoronto.ca)
’Site planning’ und die ihr zu Grunde liegende Analysen spielen sich indes auf allen städtebaulichen Maßstabsebenen ab. Verstärkt ins Blickfeld geraten ist die ’site analysis’ bei Landschaftsplanern, die diese Methode auch unter der Bezeichnung ’landscape analysis’ anwenden. Ein Beispiel liefert Abbildung 6.4, die zugleich deutlich macht, wie auch hier der Computereinsatz zu einem sinnvollen Instrument für differenzierte Analysen und Visualisierungen in Bezug auf Struktur und Gestalt von Städten geworden ist.
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b) Raum-Gestalt-Analyse, Gestaltwert-Analyse und Erlebniswert-Analyse In Deutschland gilt neben dem bereits genannten Michael Trieb vor allem Karl-Jürgen Krause als einer derjenigen, die die Stadtgestaltungsforschung seit den 1970er Jahren vorangetrieben haben. In seiner damals wegweisenden Publikation zum Thema „Stadtgestalt und Stadterneuerung“ finden sich die wichtigsten Methoden der Gestalterfassung und -bewertung – sieht man einmal von den darin nicht thematisierten Möglichkeiten des Computereinsatzes ab, die allerdings zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Sammelwerkes zumindest in Deutschland noch nicht auf sonderlich großes Interesse stießen.
Abb. 6.5: Gestaltwert-Analyse für die Innenstadt von Werne nach dem Kriterium ’Dominanz’ (Quelle: Krause 1974) Krause systematisiert Analysebereiche zur Vorbereitung von später sich anschließenden Stadtgestaltungsplanungen, die sich, wenn auch nicht vollständig, in weiten Bereichen mit den weiter oben genannten drei Wahrnehmungsebenen Stadtgestalt, Stadterscheinung und Stadtbild decken [Krause 1974; zusammenfassend mit tabellarischen Übersichten Streich 1983: 54ff]. Es handelt sich um:
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die Raum-Gestalt-Analyse, die Gestaltwert-Analyse und die Erlebniswert-Analyse.
Die Raum-Gestalt-Analyse bezieht sich vor allem auf den strukturellen Aspekt von Stadtgestalt und befasst sich mit raumbegrenzenden, raummarkierenden, raumdifferenzierenden Elementen, um nur einige wenige zu nennen, des dreidimensionalen Gefüges urbaner Strukturen. Bei der Gestaltwert-Analyse geht es um die Bewertung von städtebaulichen Gestaltqualitäten, indem bestimmte städtebauliche Merkmalsträger wie Objekte, Wege, Orte etc. unter Anwendung von vorgegebenen Bewertungskriterien wie Dominanz, Signifikanz, Prägnanz, Kontrast, Maßstäblichkeit, Lichtqualität u.ä. analysiert werden. Bei der Erlebniswert-Analyse wird die Wirkung von Gestaltqualitäten auf den menschlichen Betrachter unter Hinzuziehung von Qualitätsmerkmalen wie Neuheit, Überraschung, Ambivalenz etc. erfasst. Abbildung 6.5 zeigt das Ergebnis einer Gestaltwertanalyse am Fallbeispiel der Innenstadt von Werne unter Anwendung des Kriteriums ’Dominanz’, bezogen auf stark in Erscheinung tretende Gebäude und dominierende Fußgängerströme im Straßenraum [Krause 1974: 44].
c) Sequenzanalyse (’townscape analysis’) Schon sehr früh in der Stadtgestaltungsforschung hat man sich mit Bewegungsstudien beschäftigt mit dem Ziel, die bewegungsqualitative Gestaltung von Straßen und Stadtraumsituationen aus der Sicht eines in Bewegung befindlichen Betrachters zu analysieren. Die Erkenntnis, dass durch Betrachterbewegungen bestimmte visuelle Effekte erzielt werden können, ist keineswegs neu: Viele stadträumliche Planungen und EntAbb. 6.6: Place Stanislas und Place de la Carrière wurfskonzepte, gerade auch in Nancy (Quelle: Gruber 1952/1976) der Vergangenheit, bedienen sich dieser Idee. Vor allem der barocke Städtebau setzte bei seinen typischen Platzfolgen gezielt die visuellen Effekte durch Betrachterbewegungen ein; eines der berühmtesten Beispiele für eine
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Folge von Raumaufweitungen und Raumverengungen dürfte, vgl. Abbildung 6.6, die Aneinanderreihung von Place Stanislas und Place de la Carrière im nordfranzösischen Nancy sein, deren besondere Raumqualitäten in Gänze nur in der Betrachterbewegung erfasst werden kann [Gruber 1952/1976: 154f; Braunfels 1976: 201].
Abb. 6.7: Methode der Sequenzanalyse – links nach Lynch/Hack, rechts nach Gordon Cullen Bewegungsstudien im Bereich der städtebaulichen Gestalterfassung werden in Anknüpfung an eine entsprechende Studie von Philip Thiel aus dem Jahre 1961 am Massachusetts Institute of Technology auch als Sequenzanalysen – im Original: „sequence-experience notation“ – bezeichnet. Zum Einstieg in seine Studie formulierte Thiel dazu folgende bemerkenswerte Sätze: „The perception of our visual
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world is a dynamic process involving the consumption of time. [...] Each space exists in a sequence-context. Architecture may well be ‘frozen music‘ [...]; but man is the pickup whose movement realizes the experience.“ [Thiel 1961; ergänzend vgl. auch Krause 1975: 21 oder Trieb 1977: 140ff, 217ff]. Auch Kevin Lynch stellt (zeitweise in gemeinsamer Arbeit mit Thiel) den Aspekt der visuellen Sequenzen in den Mittelpunkt seiner Überlegungen zur Wahrnehmungstheorie und zu den praktischen Handhabungsanweisungen zur ’site planning’: „Since the landscape is usually experienced by a moving observer, especially in our day, the single view is not as important as the cumulative effect of a sequence of views“ [Lynch/Hack 1984/2000: 162]. Auch die ’townscape analysis’ des einflussreichen englischen Architekten Gordon Cullen steht in engem Zusammenhang mit der Sequenzanalyse. In seinem städtebaulichen Standardwerk „Townscape“ aus dem Jahre 1961 hat Cullen dem Begriff „serielles Sehen“ – im Original: „serial vision“ –, mit dem er die auf die Bewegung des menschlichen Sehens abgestimmte Analyse und Gestaltung meint, bei allen Überlegungen eine zentrale Rolle zugedacht [Cullen 1961/1991; Cullen 1961: 17]. Abbildung 6.7 zeigt das Prinzip dieses methodischen Ansatzes aus den Darstellungen von Kevin Lynch (gemeinsam mit seinem späteren Co-Autor Gary Hack) und von Gordon Cullen. Wurden solche Sequenzanalysen, wie die Abbildungen erkennen lassen, noch bis vor wenigen Jahren mühsam unter Verwendung einer Kombination von kartographischen und fotographischen Mitteln realisiert, lassen sie sich heutzutage durchgängig mit computergraphischen Mitteln auf der Grundlage von simulierten Bewegungsabläufen durchführen. Die Präsentation von Stadtraumsituationen durch Simulation serieller Sehereignisse ist heute zu einer Standardanwendung des Computereinsatzes herangereift. d) Stadtbildanalyse und psychologische Methoden Mit seinen Forschungen in den 1950er Jahren und dem 1960 erschienenen Buch „The Image of the City“ hat Kevin Lynch den Beginn einer neuen städtebaulichen Forschungsrichtung markiert, in deren Mittelpunkt die Vorstellungen stehen, die sich Menschen in Bezug auf ihre stadträumliche Umwelt machen. Lynch untersuchte am Massachusetts Institute of Technology das Wahrnehmungsverhalten von Stadtbewohnern, weil er Zusammenhänge zwischen der menschlichen Wahrnehmung und der Art und Qualität von Architektur und Stadtgestalt vermutete. Er fand durch empirische Studien heraus, dass das ’geistige Abbild’, das jeder Mensch über seine Umwelt anfertigt, folgende charakteristische Eigenschaften aufweist: es ist mehr oder weniger verzerrt, personengruppenspezifisch und gegenüber der Wirklichkeit zumeist vereinfacht; zudem ist dieses Abbild aus einer kleinen Gruppe von Grundelementen zusammengesetzt, die in verschiedenen Städten von unterschiedlicher Bedeutung für die Strukturierung der Stadtgestalt sind [Lynch 1960/1965; als guten Einstieg vgl. auch ESG 1987: 8ff oder Internet: userpage.fu-berlin.de/ ~bressler]. Diese ’geistigen Karten’ – „mental maps“ –, die auch als kognitive Karten bezeichnet werden („cognitive maps“), haben eine Bedeutung vor allem im Zusammenhang mit der räumlichen Orientierung und Ordnung. Die Art und Weise, wie aus
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der Verarbeitung objektiver Sinneseindrücke die mentale, subjektive Repräsentation eines Raumes entsteht, lässt sich allerdings nur indirekt erfassen. Als Instrumentarium dienten Lynch neben Gedächtnisprotokollen vor allem Kartenskizzen, die von den Probanden aus der Erinnerung hergestellt wurden (vgl. Abb. 6.8). Diese Methode fand wegen ihres hohen Anwendungsbezugs rasch auch Eingang in andere raumbezogene Wissenschaftsdisziplinen, insbesondere in der Psychologie bei der Analyse von subjektiven Raumwahrnehmungen oder in der Ökonomie im Hinblick auf die räumliche Vorstellung wirtschaftlicher Aktivitäten.
Abb. 6.8: ’Mental map’ von Boston nach Auswertung der Aufzeichnungen geschulter Beobachter (Quelle: Lynch 1965) Die grundlegenden Gestaltphänomene bzw. räumlichen Strukturelemente, die Lynch bei seinen Untersuchungen verschiedener Städte in den USA identifiziert hatte, lassen sich in fünf Typen gliedern [Lynch 1965; Trieb 1977: 218f]: • • • • •
Wege Grenzlinien/Ränder Brennpunkte Bereiche Merk- oder Wahrzeichen
Das ’mental map’-Verfahren basiert im Wesentlichen darauf, dass Probanden ihr Vorstellungsbild vom Stadtraum zeichnerisch festhalten. Von psychologischer Seite wird dazu allerdings eingewendet, dass sich nicht immer „Wahrnehmungsgehalte
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zeichnerisch angemessen erfassen lassen“, weil zum einen „nicht jedermann den Zeichenstift so geschickt zu führen vermag, dass sein Vorstellungsbild schließlich mit der Zeichnung übereinstimmt“, und zum anderen „die Verwendung des Abzeichenverfahrens mit der wissenschaftlich nicht haltbaren Gleichsetzung der Wahrnehmung mit einer Spiegelung eines Weltausschnittes“ einhergehe [Franke 1980]. Trotz dieser Einwände hat das ’mental map’-Verfahren seine Bedeutung behalten. Es steht sogar zu erwarten, dass seine Fortentwicklung künftig von neueren technischen Möglichkeiten getragen sein wird, namentlich durch die Koppelung von Geographischen Informationssystemen mit den im Methoden-Kapitel (Kap. 4) angesprochenen Verortungsmethoden einschließlich der zugehörigen Sensorik. So ist es nunmehr denkbar, dass eine ’mental map’ nicht mehr allein auf Erinnerungsfragmenten von Personen basiert, sondern anhand der Messung und Erfassung der Aufenthaltsdauer von Personen bzw. Probanden in stadträumlichen Umgebungen durch digitale Systeme gewissermaßen eine Art zweites ’Erinnerungs’-Bild extrahiert wird: Mit GPS-Empfängern als Teil von Handheld-Computern oder Smartphones, wird der (geographische) Standort und die Verweildauer des oder der Probanden gemessen und in das Geoweb eingespeist, woraus sich schließlich – im übertragenen Sinne – eine ’mental map’ erzeugen lässt. Diese wird ihre Aussagekraft etwa über den Grad an Aufmerksamkeit gewinnen, die eine Person oder Personengruppe einer bestimmten städtebaulichen Situation zuteil werden lässt. Wie so etwas aussehen könnte, hat vor einiger Zeit eine interdisziplinär zusammengesetzte Forschungsgruppe des „SENSEable City Laboratory“ am Massachusetts Institute of Technology demonstriert, indem sie durch Erfassung der räumlichen Verweildauer von Personen über verortbare Mobiltelefone und einer anschließenden Visualisierung der statistisch aggregierten Daten zu „people movement maps“ gelangte [Internet senseable.mit.edu]. Ähnliche Studien hat es unter den Bezeichnungen ‘tracking people‘ und ‘humans as sensors‘ in der Forschungsgruppe des Verfassers gegeben; Demonstrationsbeispiele anhand von Animationsgraphiken finden sich auf beiliegender DVD. Hinzuweisen wäre an dieser Stelle noch auf zwei andere Verfahren aus der psychologischen Stadtgestaltungsforschung, die bei der Beurteilung und Bewertung von Gestaltqualitäten verwendet werden. Beide Verfahren zielen auf die Erfassung vor allem von Erlebnis- und sogenannten Anmutungsqualitäten durch semantische Differentiale bzw. Polaritätsprofile oder durch zu bewertende Bildassoziationen, genannt Q-Sorting [vgl.: Krause 1974: 79; Franke/Bortz 1972; Streich 1983: 80f; ESG 1987: 10]. Während beim semantischen Differential bestimmte Gegenstandsbereiche (z.B. Baukörper oder andere stadtraumprägende Elemente) mittels einer Reihe von verbalen Gegensatzpaaren (fremdartig/vertraut oder schön/hässlich) in assoziativer Weise zu bewerten sind, werden beim Q-Sorting-Verfahren dem Probanden Serien von photographischen Abbildungen präsentiert, die er nach bestimmten Charakteristika zu sortieren und zu gewichten hat, um daraus das Wesen der Situation zu extrahieren. Die Implementierung solcher Verfahren auf Computersysteme ist naheliegend, zumal damit verknüpfte statistische Auswertesysteme zu raschen Arbeitsergebnissen führen.
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e) Schichtenverfahren – Analyse von Gestaltschichten und ‘Levels of Detail‘ Eine für städtebauliche Gestaltuntersuchungen verbreitete Methode zur Erfassung von Gestaltungselementen ist das Schichtenverfahren, bei dem das städtebauliche Raumgefüge als ein quasi aus Schichten zusammengesetztes Ganzes verstanden wird. Von den verschiedenen Ansätzen, die es dafür gibt, seien die wichtigsten vorgestellt. Thomas Sieverts etwa greift in seinem auf das Aussehen von Einzelgebäuden bezogenen Schichtenmodell auf die Semiotik zurück. Er unterscheidet als visuelle Merkmale die Rohbaustruktur und die darauf befindlichen Primär- und Sekundärzeichen, die von Dachformen, Erkern und Balkonen bis zu Werbeträgern und Lichtkörpern reichen [Sieverts 1974]. Bei anderen Ansätzen der Systematisierung wird beim Schichtenverfahren eine konsequente Methodik nach dem Prinzip ’vom Großen ins Kleine’ praktiziert, wodurch etwa folgende Einteilung entsteht [Spengelin 1980; Braun 1978; Gebhard 1969; Greulich 1979]: • • • •
Silhouette bzw. Umrisslinien und Großformen von Baukörpern Baukörper, Großformkonturen und Primärkonstruktionen, die die horizontale und vertikale Gliederung und Proportionierung der Fassaden bestimmen Öffnungen (Fenster, Türen etc.), Fensterteilungen, Detailstrukturen (Ornamentik) und Material von Außenwänden Farbgebung
Bei der konkreten Durchführung von Schichtenanalysen können zwei unterschiedliche Betrachtungsmodalitäten zu Grunde gelegt werden: • •
zweidimensionale Ansichtsstrukturen, wie sie etwa bei Gebäudeaufrissdarstellungen und Fassadenabwicklungen verwendet werden, sowie dreidimensionale Darstellungen im Sinne von raumperspektivischen Ansichten auf der Basis von Fotographien oder 3D-Computergraphiken.
Fassadenabwicklungen eignen sich vor allem bei einer gereihten Gebäudeanordnung, um entlang einer Straßensituation bei nebeneinander stehenden Gebäuden zum Beispiel die Höhenentwicklung, Dachausrichtung, Proportionierung der Fassaden oder das Befensterungsmuster synoptisch und im gegenseitigen Vergleich zu beurteilen (vgl. Abb. 6.9). Schichtenanalysen auf der Basis von perspektivischen Ansichten über Fotographien oder 3D-Computergraphiken berücksichtigen gegenüber Fassadenabwicklungen auch die städtebauliche Raumwirkung in ihrer dreidimensionalen Ausprägung. Es ist allerdings zu beachten, dass der dazu gewählte Blickpunkt einer subjektiven Vorabeinschätzung unterliegt mit dem Effekt, dass solche Analysen aus dem Blickwinkel des ’schönen’ Fotographierwinkels durchgeführt werden, was in letzter Konsequenz an Manipulation grenzen kann. Auch ist eine gewisse „bildmäßige Isolierung und Distanzierung“ nicht zu vermeiden [Schirmacher 1978: 10].
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Dass es in letzter Zeit stiller um diese Analysemethode geworden ist, hängt unter anderem mit der zu beobachtenden Tendenz zusammen, die Erarbeitung räumlicher Gestaltungskonzepte direkt in die konkrete Entwurfsbearbeitung einzubetten und auf vorausgehende Grundlagenanalysen eher zu verzichten. Mit modernen computergestützten Verfahren, vor allem auf dem Gebiet der digitalen Mustererkennung, ließe sich das Schichtenverfahren auch bis zu einem gewissen Grade – die Erfassung der Semantik der graphischen Elemente vorausgesetzt – automatisieren.
Abb. 6.9: Schichtenverfahren am Beispiel einer Fassadenabwicklung (Quelle: Spengelin 1980)
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Der Computereinsatz im Umgang mit visuellen und graphischen Elementen führt im Übrigen auf ein anderes Problem, das hier kurz erörtert werden soll. Die Art und Weise, wie die zu betrachtenden Schichten definiert werden, ist abhängig von der vorgegebenen Aufgabe und unterliegt subjektiver Einschätzung. Dieser Tatsache Rechnung zu tragen, ist vor einem anderen Hintergrund des Umgangs mit visuellen Phänomenen sehr wichtig. Im Zusammenhang mit der Darstellung von digitalen 3D-Stadtmodellen taucht das Problem der graphischen Komplexität von Oberflächentexturen auf (z.B. auf Gebäudefassaden), so dass bei perspektivischen Abbildungen im Nahbereich eine hohe graphische Detailgenauigkeit und im Fernbereich eine geringere graphische Detaillierung zu realisieren ist. Je nach Entfernung und Position des Betrachtungsstandpunktes zu den Objekten des 3DModells ist die Detailgenauigkeit des Dargestellten zu verändern, was beim Computereinsatz mit einer entfernungs-kontinuierlichen Methode einen sehr großen Rechenaufwand bedeuten kann. Durch die Definition von Detailstufen – ‘Levels of Detail‘ (LOD) – kann man diesem Problem abhelfen. Im Zusammenhang mit Standardisierungsbemühungen des Open Geospatial Consortium (OGC) zur Handhabung von 3D-Stadtmodellen im Internet ist eine „City Geography Markup Language“ (CityGML) als spezielles Anwendungsschema der „Geography Markup Language“ (GML) entwickelt worden, die auch eine spezielle, für viele Zwecke geeignete LOD-Systematik enthält: LOD 1 als Regionalmodell (z.B. Geländemodell mit Luftbildstruktur); LOD 2 als ‘Klötzchenmodell‘ von Gebäuden ohne weitere Detailstrukturen; LOD 3 mit Gebäudeformen und Dächern; LOD 4 als Architekturmodell mit Details an Fassaden, Dächern etc.; LOD 5 als Modell mit umfassenden Architekturdetails bis hin zu den Innenräumen der Gebäude. Übergänge zwischen den Detailstufen können durch computergraphische Überblendungsverfahren realisiert werden, die plötzliche Übergänge zwischen den LOD-Stufen unterdrücken oder wenigstens vermindern. Es ist an dieser Stelle allerdings nochmals hervorzuheben, dass die vom OGC vorgegebene LOD-Systematik eine Normierung darstellt, die letztendlich subjektiver Natur ist und sich nicht für alle denkbaren Aufgabenzwecke der städtebaulichen Gestaltung – wie z.B. Themen aus der Baugeschichte, baukulturelle Analysen oder die Visualisierung von energetischen Gebäudeeigenschaften – eignen. Darüber hinaus ist stets Obacht geboten bei allen Normierungsbemühungen, gerade was Computergraphik und Internet anbetrifft; Normierungen verhindern Fortschritt. f) Abgrenzung von Gestaltbereichen Das Analysieren von vorhandener Bebauung in Bezug auf die Gestaltung und das Abgrenzen von Bereichen mit einer gewissen gestalterischen Homogenität ist wichtig für in die Zukunft reichende Gestaltungsplanungen. Auf dieser Basis wird etwa im Zuge von Stadterneuerungsaufgaben ein differenzierter Umgang mit Altbausubstanz, eine gelungene Integration von Neubauten sowie die Erarbeitung von Gestaltungsvorschriften in Bebauungsplänen, städtebaulichen Rahmenplänen oder Baugestaltungssatzungen möglich. Zur Abgrenzung von Gestaltbereichen können städtebauliche Gebiete nach fol-
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genden Merkmalen analysiert und abgegrenzt werden (vgl. Abb. 6.10) [Schirmacher 1978: 22; Streich 1980; Kunze 1980]: • • • •
Topographie Genealogie im Sinne von historisch-genetischen Merkmalen Morphologie im Sinne baulich-formaler Ausprägung der Gebäude in Maßstab, Formenkanon, Konstruktion und Material Nutzungen
Abb. 6.10: Methodik zur Abgrenzung von Gestaltbereichen am Beispiel Koblenz-Ehrenbreitstein (Quelle: Streich 1980)
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Während topographische, genealogische und morphologische Merkmale in ihrer Unveränderlichkeit eine gestaltprägende Wirkung entfalten, sind Nutzungen zwar ebenso hochgradig gestaltprägend, unterliegen zugleich aber auch dem höchsten Grad an Veränderung. Zur Abgrenzung von Gestaltbereichen werden sie deshalb nur sehr bedingt zu berücksichtigen sein, etwa im Falle von innerstädtischen Ladenund Einkaufsarealen oder wenn bestimmte andere stadtfunktionale Voraussetzungen nur gewisse Nutzungen zulassen. Methoden zur Abgrenzung von Gestaltbereichen mit Technologien des Computereinsatzes sind im Wesentlichen gleichbedeutend mit GIS-Analysen durch Overlay-Werkzeuge auf der Basis einer entsprechenden Layer-Struktur (vgl. Kap. 5, Abb. 5.16). g) Stadtbaugeschichtliche und architekturhistorische Untersuchungsmethoden Stadtbau- und architekturgeschichtliche Untersuchungen spielen unter den städtebaulichen Gestaltanalysen zweifelsohne eine herausragende Rolle. Dies liegt in der Natur der Sache, da sich analytisches Arbeiten an urbanen Gestaltungsmustern mit vorhandenen städtebaulichen Situationen von besonderem Gestaltungswert beschäftigt, die zudem meist historische Bezüge aufweisen. Damit ist auch die Nähe zur Denkmalpflege, zur Stadterneuerung und zur Stadtbaugeschichte ganz offensichtlich (vgl. die entsprechenden Kapitel in diesem Buch). Eine wichtige Fachdomäne, die sich mit bau- und architekturgeschichtlicher Stadtgestaltungsforschung befasst, ist die Kunstgeschichte. Auf der einen Seite hat sie ein rein wissenschaftliches Interesse an stadthistorischen Forschungen, erfüllt aber auf der anderen Seite mit der Denkmalpflege eine eminent wichtige stadtplanerische Funktion. Im Mittelpunkt kunstgeschichtlicher Untersuchungen, sofern sie sich mit städtebaulichen Themen befassen, stehen profane und sakrale Einzelbauwerke. Erstaunlich ist deshalb die Tatsache, wie spät sich die historische Stadtgestaltungsforschung auch der ’Plastik des Stadtkörpers’ angenommen hat, nachdem bis dato versucht wurde, allein den Stadtplan als Geschichtsquelle auszuwerten [Gerlach 1963]. Eine grundlegende Methodik hat der Architekturhistoriker Karl Gruber im Jahre 1952 mit seiner Studie über die „Gestalt der deutschen Stadt – ihr Wandel aus der geistigen Ordnung der Zeiten“ vorgelegt, aus der sich drei ’physiognomische Stadtgestaltungsfaktoren’ herleiten lassen [Gruber 1952/1976; Gerlach 1963; Curdes 1993: 20f]: • • •
Stadtlage Stadtgrundriss Stadtaufbau
Bei allen stadtbaugeschichtlichen und architekturhistorischen Analysen steht die Frage nach den verfügbaren Unterlagen, mit denen man sich über die Gestalt- und Kulturwerte aus der Vergangenheit ins Bild setzen kann, an erster Stelle. Informa-
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tionsquellen können beispielsweise sein: • •
•
Dokumentensammlungen in Stadtarchiven, Bauordnungs-, Vermessungs- oder kommunalen Denkmalämtern, örtliche Erfassung von vorhandenen Bauten, historischen Gartenanlagen (Parks, Friedhöfe etc.) oder Ensemblebereichen nach bau- und kulturgeschichtlichen Merkmalen oder Auswertungen von archäologischen Untersuchungen.
Eine zunehmend wichtige Rolle bei stadtbau- und architekturgeschichtlichen Gestaltungsanalysen spielt der Computereinsatz. Die digitale Technik kann für folgende Aufgaben zur Anwendung kommen: • •
• •
Zugriff auf historische Bauakten, die zu diesem Zweck digitalisiert werden; Digitalisierung von wertvollen Dokumenten in Stadtarchiven mit dem Ziel, die Dokumente einer breiteren Präsentation und Verwertung zuzuführen, ohne dass bei solchen Folgearbeiten die Gefahr der Beschädigung oder schleichenden Zerstörung besteht; digitale Rekonstruktion von zerstörter oder ahistorisch veränderter Bausubstanz mit dem Ziel einer nachfolgenden baulichen Rekonstruktion; komplette digitale Rekonstruktion von Gebäuden und historischen Stadtteilen zwecks Präsentation dieser Objekte in virtueller Realität.
Abb. 6.11: Simulation des Römerkastells in Xanten (Quelle: Universität Dortmund; Internet www.bauwesen.uni-dortmund.de)
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Beispiele für solche Rekonstruktionsarbeiten, die großen Bekanntheitsgrad und zum Teil weltweite Beachtung erlangt haben, sind das Kloster Cluny [Cramer/Koob (Hrsg.) 1993], die Frauenkirche in Dresden, Rekonstruktionen von zerstörten Synagogen in Deutschland oder auch das Römerkastell im Xantener archäologischen Park (vgl. Abb. 6.11 und entsprechende Internetquellen). h) Fotographische und fotogrammetrische Erfassungsmethoden, Laserscanning Fotographische Methoden spielen bei der Erfassung und Bewertung von städtebaulichen Gestaltsituationen aufgrund der Möglichkeit, visuelles Bildmaterial unmittelbar im Stadtraum zu erzeugen, ebenfalls eine herausragende Rolle. Zu unterscheiden ist dabei zwischen fotographischen Erfassungstechniken und fotogrammetrischen Verfahren, wobei in beiden Fällen die alte analoge oder die neuere digitale Technik zum Einsatz kommen kann. Schon sehr früh, praktisch unmittelbar mit der Erfindung der Heliographie bzw. Daguerreotypie durch Joseph Nicéphore Niepce, Louis-Jaques Mandé Daguerre, Jules Duboscq und David Brewster, spielten stadtraumbezogene Erfassungen eine wichtige Rolle, wurden doch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu Demonstrationszwecken der technischen Innovationen fast ausschließlich städtebauliche Situationen oder Architekturobjekte abgelichtet. Die erste fotographische Aufnahme überhaupt – aus dem Jahre 1824 – ist als verschwommenes Bild von Paris überliefert. Im Jahre 1842 erlangte dann eine Fotographie von Hamburg nach dem Großen Brand – sie gilt als eine der ersten weltweit beachteten Reportagefotos – große Aufmerksamkeit (siehe auch Abb 8.1 in Kap. 8). Und auch die stereoskopische Bildvorführung des Londoner Glaspalastes anlässlich der ersten Weltausstellung im Jahre 1851 sollte erwähnt werden, wenn wir nach frühen fotographischen Darstellungen Ausschau halten, deren zentrales Motiv in der bildlichen Wiedergabe der Gestalt von Städten oder Bauwerken bestand. Von hier bis zur Erfindung des Bildmessverfahrens – im Zusammenhang mit der Bauaufnahme am Wetzlarer Dom im Jahre 1858 –, das später als Fotogrammetrie bezeichnet wurde, war der Weg nicht mehr weit (vgl. auch Kap. 8). Fotogrammetrische Verfahren werden eingesetzt, wenn es um eine berührungslose Vermessung von Objekten geht. Die Geometrie der Objekte wird dabei aus fotographischen Abbildungen mit mathematischen Methoden rekonstruiert. Um dies zu erreichen, müssen die innere Geometrie der Kamera (z.B. genaues Maß der Brennweite sowie die Lagegeometrie der Projektionsfläche zur Aufnahmerichtung) und die relative Lage der Kamera zu den Aufnahmeobjekten genau bekannt sein (vgl. Abb. 6.12 sowie ergänzend Abb. 4.21 in Kap. 4). Im baulichen und städtebaulichen Zusammenhang sind folgende Verfahren zu unterscheiden: •
•
die Architekturfotogrammetrie zur Erfassung von Bauwerken oder städtebaulichen Situationen, wie etwa Platzanlagen, mit einem erdgebundenen Kamerastandort (= ’terrestrische’ Fotogrammetrie bzw. Nahbereichsfotogrammetrie); die Luftbildfotogrammetrie zur Erfassung von Baublöcken oder Stadtteilbereichen aus der Luft, wobei sich das technische Equipment in Luftfahrzeugen oder
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– dank hochauflösender Bildtechniken – gar in Satelliten (= ’remote sensing’) befindet. Bei fotogrammetrischen Verfahren wird außerdem unterschieden in Einbildfotogrammetrie, bei der eine messtechnische Auswertung einzelner Bilder stattfindet, in Stereobildfotogrammetrie, bei der über Stereobildpaare und binokulare Betrachtung messtechnisch ’auf direktem Wege’ eine dreidimensionale Bildauswertung stattfindet, sowie schließlich Mehrbildverfahren auf der Grundlage einer größeren Zahl von miteinander verkoppelten Bildern, mit denen ein Objekt – Haus oder Platzsituation – aus verschiedenen Blickrichtungen erfasst wird.
Abb. 6.12: Prinzip der Architekturfotogrammetrie (links) und des Laserscanning-Verfahrens (rechts)
Fotographische und fotogrammetrische Methoden stehen im Übrigen in ganz enger Verbindung zu computergestützten Darstellungs- und Simulationsverfahren. Diese Verbindung tritt schon beim Vorgang der Aufnahme in Erscheinung, wenn di-gitale Bilderfassungstechniken zum Einsatz kommen, aber auch im Zuge der Weiterbearbeitung dieser Bildgrundlagen, wenn auf Geographische Informationssysteme (überwiegend bei luftbild- und satellitenbildgestützten Verfahren) oder Methoden des Computer-Aided Design (meist im Zusammenhang mit terrestrischen Verfahren und Gebäudeerfassungen) zurückgegriffen wird. Die Einspeisung von fotographischen Aufnahmen in das Internet erfordert kein
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spezielles Fachwissen mehr und ist eine Standardanwendung für jeden, der auch nur rudimentäres Wissen über die Weblog-Nutzung besitzt. Software zur Bildbearbeitung und Bildentzerrung (z.B. von Fassaden) steht oft kostenlos als ‘Cloudcomputing‘-Funktionalität – Bereitstellung von Software und Daten je nach Bedarf über das Internet ohne Speicherung im lokalen Computer – zur Verfügung. Mit GeowebMethoden kann zugleich die Geolokalisierung allen verortbaren Bildmaterials realisiert werden, wodurch sich enorme Crowdsourcing-Aktivitäten, also die Nutzung von Bildmaterial von beliebigen personalen Quellen, entfalten lassen (vgl. ergänzend Kap. 4, Abschnitt „Verortungsmethoden und Sensorik“). Laserscanning basiert zwar auf einer komplett anderen Technik als fotographische Verfahren, hat aber enge Berührungen zu ihnen durch die Möglichkeit gegenseitiger Verknüpfung und Ergänzung. Laserscanner der Hochleistungsklasse, die sich zur Erfassung von Gebäuden und Objekten im urbanen Raum eignen, sehen aus wie traditionelle vermessungstechnische Instrumente (Theodolite oder Tachymeter), allerdings ergänzt um einen Laserlichtstrahl zur Messung von Richtung und Entfernung zu Objekten im Raum. Mit einem solchen Gerät kann in einem automatisierten Prozess das gesamte Umfeld des Ortes, an dem sich das Gerät befindet, abgescannt werden. Überall dort, wo der Laserstrahl auf die zu erfassenden Objekte trifft, werden durch Entfernungs- und Richtungsmessung automatisch die dreidimensionalen Koordinaten dieser Auftreffpunkte berechnet. Es entsteht eine Wolke von Punkten im dreidimensionalen Raum mit jeweils dreidimensionalen Punktkoordinaten. Bei diesem Verfahren können nur die Oberflächen der Objekte abgescannt werden. Dahinter befindliche physische Strukturen erfasst der Laser ebenso wenig wie die Objekteigenschaften (Semantik) an den erfassten Punkten und Informationen darüber, welche benachbarten Punkte sich auf demselben Objekt oder denselben Objektteilen befinden. Die Zusammenfassung von erfassten Punkten setzt die Kenntnis der Objekteigenschaften benachbarter Punkte voraus. Die durch Laserscanning erzielte Punktwolke entzieht sich also zunächst der Weiterbearbeitung für Aufgaben der städtebaulichen Gestaltung, die gerade die Objekteigenschaften für weitere Untersuchungsaufgaben und stadtgestalterische Analysen benötigen. Die Darstellung der Punktwolke in einer Computergraphik allein liefert zwar einen ersten, groben Eindruck vom aufgenommenen Raumgefüge, ist als Visualisierungsform urbaner Gestalt jedoch unzureichend. Allerdings sind Laserscanner oft mit einer fotographischen Aufnahmetechnik (digital) ausgestattet, so dass synchron zur Erfassung von Objektpunkten ein Digitalfoto erstellt werden kann. Durch Überlagerung der Punktwolke mit einem Digitalfoto oder mehreren davon können dann durchaus Gestaltanalysen im Kontext städtebaulicher Erfordernisse durchgeführt werden. Auch die Einspeisung in computergraphische Systeme (CAD, vgl. weiter unten in diesem Kapitel) ist ohne Umstände möglich. Ob die computergestützten Methoden der Mustererkennung – zur Aggregierung von Punkten mit gleichen Objekteigenschaften und Erzeugung von Objekten im computergraphisch weiterverarbeitbaren Vektormodus – künftig zur Verfügung stehen, bleibt abzuwarten, erfordert aber zumindest eine noch fortzuentwickelnde Diskussion über die Möglichkeiten der digitalen Informationsverarbeitung auf semantischer Ebene in allen denkbaren Kontexten.
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i) Gestaltanalysen durch Simulationsverfahren Eine zunehmend wichtige Rolle bei städtebaulichen Gestaltanalysen spielen Simulationsverfahren. Ihre enge methodische Koppelung mit fotographischen und fotogrammetrischen Verfahren dürfte bereits deutlich geworden sein. Von der Systematik her betrachtet, ließen sich fotographische Verfahren gar als Teilaspekt aller visuellen Simulationsverfahren auffassen.
Abb. 6.13: Arten der visuellen Simulation in der Stadtgestaltung In der Stadtbau- und Architekturgeschichte spielten simulative Gestaltdarstellungen immer schon eine wichtige Rolle. Im antiken Griechenland etwa wurden Tempelplätze nach den ’subjektiven’ Proportionen des perspektivischen Blicks gestaltet, wobei man sich der Erfahrungen aus der Bühnenmalerei antiker Theateraufführungen bediente [vgl. Krause 1985: 18ff]. Zu römischer Zeit legte Vitruv unter Rückgriff auf griechische Vorbilder die bis heute üblicherweise verwendete Triade des Darstellungsprinzips von ’ichnographia’, ’orthographia’ und ’scenographia’ (Grundriss, Ansicht und Schaubild/Perspektive) theoretisch dar, die als Vorläufer systematisch angelegter visueller Simulationsverfahren zur Darstellung von baulichen und städtebaulichen Gestaltuntersuchungen gedeutet werden kann [vgl. dazu Oechslin 1982;
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Streich 1983: 119ff]. In vielen Stadtdarstellungen – bei Ausgrabungen in Pompeji und Herculaneum auf Wandmalereien entdeckt – sind die Prinzipien der Zentralperspektive auch praktisch umgesetzt worden. Und als im frühen 15. Jahrhundert die berühmte Stadtraumsimulation der Piazza della Signora durch Filippo Brunelleschi hergestellt wurde, war dies nicht nur eine neuartige Art der Darstellung auf der Grundlage der Perspektive, vielmehr markierte diese Technik und Darstellungsmethode zugleich den Beginn einer ganzen Epoche – der Renaissance als Beginn der Neuzeit [vgl. ausführlich dazu: Benevolo 1975/1982: 365ff; Panofski 1964; Gadol 1969; Streich 1983: 144ff].
Abb. 6.14: Kombination von Simulationsverfahren: Modellbau und Endoskopie (oben); CAD-Visualisierung und Modellbau (unten) (Quellen: o. l. Markelin/Fahle 1978; o. r. in freundlicher Zurverfügungstellung von Bob Martens, TU Wien; u. l. und u. r. Streich/Weisgerber 1996) Als interessante Randnotiz möge noch hinzugefügt sein, dass es in der Renaissance zwei konkurrierende Verfahren bei der Herstellung perspektivischer Simulations-Darstellungen gegeben hat: die Winkelperspektive, bei der Objektverkleinerungen nach den Winkelverhältnissen im Augpunkt des Betrachters vorgenommen wurden, und die Linearperspektive, wie wir sie heute kennen und bei der Objektverkleinerungen nach den Entfernungsverhältnissen realisiert wurden. Doch dies
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ist, wenngleich die Konsequenzen für städtebauliche Gestaltungsprinzipien nicht gering gewesen sind, ein ganz anderes Thema ... [mehr dazu vgl. etwa Simon 1988/1992: 78f]. Grundsätzlich lassen sich, wenn wir das Augenmerk auf städtebauliche Gestaltungsaufgaben richten, vier Arten von Simulationen unterscheiden: • • • •
symbolische Simulationen, unter denen verbalisierte, sprachliche Formen besonders hervorzuheben wären; materielle Simulationen, unter denen Architektur- und Städtebaumodelle eine herausragende Stellung einnehmen; analoge Simulationen, die sämtliche traditionellen graphischen Bildmedien wie Zeichnungen und Fotographien umfassen; digitale Simulationen, die die Gesamtheit der Computersimulationen beinhalten.
Nicht selten werden diese Arten von Simulationen miteinander kombiniert. Auf zwei dieser Kombinationen sei besonders hingewiesen (vgl. Abb. 6.14). Zum einen auf die Kombination von materiellen mit analogen Verfahren durch den Einsatz endoskopischer Techniken, wie sie bei traditionellen Architektur- und Städtebaumodellen eingesetzt werden, um dem Betrachter in einem maßstäblich verkleinerten Modell nicht nur die Ansicht aus der Vogelperspektive zu liefern, sondern ein wirklichkeitsnahes Bild von Raumsituationen innerhalb des Modells zu ermöglichen [Markelin/ Fahle 1978; Internet www.uni-essen/simlab]. Zweitens die Kombination von digitalen Verfahren mit materiellen, wie sie durch Techniken des computergestützten Modellbaus realisierbar ist [Streich/Weisgerber 1996]. Eine andere Systematisierung der visuellen Simulationsmethoden kann außerdem nach den mathematischen Dimensionen der Darstellung vorgenommen werden. Für den Anwendungsbereich Städtebau und Architektur kann folgende Einteilung getroffen werden (vgl. Abb. 6.13): •
•
•
zweidimensionale Verfahren (2D-Verfahren), wobei hier noch zwischen Grundrissdarstellungen (z.B. Grundrisspläne und Karten) und Aufrissdarstellungen (z.B. Fassadenansichten und -abwicklungen) zu differenzieren wäre; dreidimensionale Verfahren (3D-Verfahren), die von echten dreidimensionalen Architektur- und Städtebaumodellen über holographische Abbildungen bis hin zu dreidimensional illusionierenden perspektivischen oder isometrischen Darstellungen einschließlich der Technik der Fotomontage reichen; dreidimensionale Verfahren mit Bewegungskomponente, bei denen eine Betrachterbewegung durch eine dreidimensionale Szenerie stattfindet; dies kann entweder mit periskopischen Modellsimulationstechniken oder mittels Computersimulationen bzw. -animationen realisiert werden (die gelegentlich anzutreffende Bezeichnung 4D-Verfahren wird aus systematischen Gründen hier nicht verwendet).
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Abb. 6.15: Dreidimensionale Computersimulation für den Dresdener Neumarkt als ’virtual reality’-Szene mit Wahl verschiedener Betrachtungsstandorte in einem Internetauftritt (Quelle: Internet www.digitalelectronic.de) Was die Möglichkeiten der digitalen Simulationen anbetrifft, so lässt sich feststellen, dass sie alle aufgezählten Formen der Darstellung weitestgehend abdecken. Die Simulation wird damit quasi zu einem wichtigen Aufgabenbereich der Digitaltechnik – woraus sich weitreichende Konsequenzen ergeben. Während man nämlich noch vor wenigen Jahren der Auffassung war, Computer seien lediglich ein effektives Handwerkszeug, um bestimmte Phänomene nachvollziehend darzustellen, so setzt sich mittlerweile mehr und mehr die Auffassung durch, dass Computersimulationen neben der direkten Beobachtung von Phänomenen und Experimenten eine weitere Möglichkeit der Erkenntnisgewinnung eröffnen [vgl. z.B. Gramelsberger 2000]. Dies gilt nicht nur aus dem Blickwinkel einer allgemeinen Wissenschaftstheorie, sondern auch für die spezifischen Anwendungsbereiche in Architektur und Städtebau. Tatsächlich können wir mit der Simulation von visuellen Phänomenen die Wirkung von baulich-räumlichen Maßnahmen hochgradig realitätsnah nachbilden (vgl. Abb. 6.15), darüber hinaus aber auch in ihrer Wirkung auf den menschlichen Betrachter beobachten und bewerten. Einige der zur Verfügung stehenden Methoden von ’virtual reality’, ’augmented reality’ und ’virtualized reality’ wurden bereits im Methodenkapitel erörtert. Weiterführende Erläuterungen finden sich im Zusammenhang mit den Methoden des Computer-Aided Design (CAD) an späterer Stelle in diesem Kapitel.
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j) Informationsästhetik: vom Irrweg der Quantifizierung von Schönheit Im Frühjahr 1973 erschien in einer überregionalen deutschen Tageszeitung ein langer Artikel unter der Überschrift: „Die Schönheit der Stadt – berechnet“ [Buttlar/ Wetzig 1973]. Was hier einer breiten Öffentlichkeit vorgetragen wurde, war der Versuch, das ’schwammige’ Problem der Ästhetik in Städtebau und Architektur endlich in den Griff zu bekommen. Es ging nicht nur um bestehende Bausubstanz [vgl. Kiemle 1967; Krampen 1974; Franke/Bortz 1972]; in nicht wenigen Fällen wurde sogar die Hoffnung geäußert, auf diese Weise ästhetisch befriedigende städtebauliche Entwurfslösungen herbeiführen zu können [so etwa Jesberg 1972 oder nachzulesen bei Sieverts/Schneider 1970]. In philosophischen Erörterungen wurden solche Überlegungen noch weitergetrieben. Als einer der stärksten Verfechter trat in diesem Zusammenhang der Philosoph Max Bense in Erscheinung, der in den 1960er Jahren aus der Informationstheorie und der Zeichentheorie – der Semiotik (vgl. Kap. 2) – die Informationsästhetik zu entwickeln vorhatte, mit dem erklärten Ziel, „das allgemeine spekulative Kunstgeschwätz der Kritik zu beseitigen und den pädagogischen Irrationalismus unserer Akademien zum Verschwinden zu bringen“; diesem Irrationalismus sollte eine „rational-empirische und objektiv-materielle Ästhetikkonzeption“ entgegengehalten werden [Zitate aus Bense 1969: 8]. Den Hauptgedanken der Informationsästhetik hat ein anderer Apologet dieses Ansatzes, Frieder Nake, unter Verwendung semiotischer Begrifflichkeiten wie folgt zusammengefasst: „Ein materielles Objekt ist ein ästhetisches Objekt [z.B. ein Bauwerk; d.V.], wenn es in einem Kommunikationsprozess als Zeichenträger fungiert, und die Konstellation der Zeichen dabei ästhetische Information überträgt“ [Nake 1974: 65]. Das hört sich recht harmlos an, ist es aber keineswegs. Das Prinzip der Informationsästhetik besteht darin [vgl. Gunzenhäuser 1975 oder ergänzend Mitchell 1990: 33], das visuelle Erscheinungsbild eines Gegenstands unter Vorgabe eines Zeichenrepertoires in Zeichenelemente zu zerlegen und die Auftrittshäufigkeiten aller einzelnen Zeichen zu ermitteln. Aus der (statistischen) Auftrittswahrscheinlichkeit der Zeichen sowie der stochastischen Wahrscheinlichkeit von Wiederholungen (Redundanz) lässt sich dann dieser Theorie zufolge ein ’informationsästhetisches Maß’ definieren und berechnen. Zur Demonstration des Verfahrens sei auf Abbildung 6.16 verwiesen. Kritik an diesem Verfahren dürfte durchaus berechtigt sein. Denn: Welchen Aussagewert hat nun die Tatsache, dass ein Objekt den informationsästhetischen Wert 0,012 oder 0,785 besitzt? Und was heißt es, wenn der informationsästhetische Wert der Gebäudefassade in Abbildung 6.16 mit 0,0625 berechnet wird und sich für einen berühmten Holzstich von Albrecht Dürer mit 0,0631 nahezu derselbe Zahlenwert ergibt? [vgl. Brög 1968; im Detail nachzulesen auch bei Streich 1983: 132] Die Einwände an diesem Verfahren sind zahlreich und grundsätzlicher Natur [kritische Aufbereitung vgl. auch Streich 1983: 72ff]: Sie reichen vom Vorwurf einer semiotischen Verwechslung von Syntax und Semantik [so Jacob 1973: 13, oder Franke/Bortz 1972] über den Nachweis, dass die Erlebnisreaktion von Stadtbewohnern mit den Berechnungsergebnissen der Informationsästhetik absolut nicht
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korrespondieren [Schönknecht 1976: 214], bis hin zum Vorwurf von Psychologen, dass „in informationstheoretischen Überlegungen über Wahrnehmungsfragen umgegangen wird, so als ob ein halbes Jahrhundert ernsten Nachdenkens über das Problem des Elements in der Psychologie völlig spurlos vorübergegangen wäre“ [Tiedtke 1977: 24]. Die schärfsten Einwände übrigens kamen, was manchen überraschen dürfte, aus Richtung des dialektischen Materialismus, dessen Vertreter von einem „dingfetischistischen mechanischen Materialismus“ sprachen, da das „Subjekt als ästhetisches Aktionszentrum völlig eliminiert“ werde [Klaus/Buhr 1970/1972, Stichwort „Ästhetik“].
Abb. 6.16: Prinzip der Methode der Informationsästhetik Die Schlussfolgerung lautet mithin ganz eindeutig: Ein Irrweg! Die Konsequenz war allerdings, dass Informationstechnik und Computereinsatz mit dieser Theorie nun
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einmal in Verbindung gesetzt waren und nicht zuletzt auch deshalb für lange Zeit in Bezug auf Gestaltungsfragen in Misskredit standen.
Städtebauliche Gestaltungselemente Bei städtebaulichen Gestaltungselementen handelt es sich um diejenigen Elemente im Stadtgefüge, die auf der Ebene der Objektgestaltung verwirklicht werden, um auf der Erscheinungsebene eine räumlich-anschauliche Wirkung zu entfalten und auf der Wahrnehmungsebene des Stadtbildes bestimmte Empfindungen auszulösen. Es greifen also an dieser Stelle viele Facetten, die das städtebauliche Gestaltungsgeschehen bestimmen, komplex ineinander. a) Grundtypologie In Anlehnung an die vorangegangenen Erläuterungen von Methoden der Gestaltanalyse und Gestaltbewertung lassen sich städtebauliche Gestaltungselemente folgendermaßen grob unterteilen: • •
• •
•
Bodengestalt (natürlich und künstlich) in Abhängigkeit von Geländemorphologie (Topographie) und Bodentextur (Straßen- und Wegetexturen, Kleinbewuchs); Bauwerke und Gebäudearchitektur mit allen städtebaulich prägenden Elementen wie Fassaden, Dachformen sowie allen übrigen konstruktiven, ornamentalen oder durch Farbgebung akzentuierten Detailelementen; Grüngestaltungselemente und Wasser soweit sie stadtraumprägend sind; Raummöblierung und maßstabsbildende Objekte, die von räumlich fixierten Elementen wie Straßenlaternen, Sitzgelegenheiten, Brunnenanlagen oder Verkehrsschildern bis hin zu beweglichen Objekten wie Menschen oder Menschengruppen und schließlich auch Fahrzeugen aller Art reichen können; Umweltgegebenheiten, die zeitlichen Änderungen unterworfen sind – Tageszeit, Jahreszeit, meteorologische Gegebenheiten – und damit das Erscheinungsbild aller anderen natürlichen und künstlichen Gestaltungselemente kontinuierlich verändern.
Auf einige dieser städtebaulichen Gestaltungselemente wird wegen ihrer Bedeutung für das gesamte Stadtgefüge im Folgenden gesondert eingegangen. b) Bauwerke, Architektur und Gebäudeensembles Die wichtigsten städtebaulichen Gestaltungselemente sind zweifellos Bauwerke mit ihrer Gestalt und Anordnung. Sie konstituieren Stadt, und sie definieren Städtebau und die wesentlichen Inhalte der Stadtplanung. Bereits im Kapitel zur städtebaulichen Strukturplanung findet sich eine erste grundlegende Gebäudetypologie. Dort geht es allerdings um eine Einordnung der
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Bauwerke und Gebäude nach ihren stadtstrukturbestimmenden Nutzungen, aus denen sich typologische Muster herleiten lassen. An dieser Stelle soll es nun um die Gestaltungsaspekte von Gebäuden gehen.
Abb. 6.17: Typologie der Stadtbausteine in ihrem dreidimensionalen Erscheinungsbild in Anlehnung an Humpert Die Schwierigkeit, eine Typologie zu entwickeln, die sich allein auf den Gestaltungsaspekt bezieht, bei der also das dreidimensional-räumliche Erscheinungsbild von Bauwerken im Mittelpunkt steht, liegt auf der Hand, und deshalb werden nicht selten bei solchen Typologisierungsversuchen auch grundrissbezogene Strukturmerkmale miteinbezogen. Eine Typologie, in der das dreidimensionale Erscheinungsbild von Gebäuden und Bauwerken deutlich im Vordergrund und die stadtstrukturbestimmenden Nutzungen etwas mehr im Hintergrund stehen, hat Klaus Humpert mit seiner „Typologie der Stadtbausteine“ erstellt. Er trifft zunächst eine Unterscheidung in freistehende und gereihte Hausformen mit folgenden Einzeltypen [Humpert 1997: 110ff]; guter, kompakter Überblick auch bei Bürklin/Peterek 2007:
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punktartige Gebäude: Einfamilienhäuser/Villen, Punkthochhäuser für Wohnen und Verwaltung etc.; gerichtete Gebäude: Reihenhäuser, Wohnzeilen, Scheibenhochhäuser etc.; clusterförmige Gebäude: Verwaltungsbauten, Gewerbe- und Industrieanlagen, Hotels, Altenheimanlagen etc.; offene Bebauung mit Bauflucht: Gebäudeanordnung in Straßendörfern, dichte Bebauung mit Bauwich (Grenzabstand zum Nachbarn) etc.; geschlossene Bebauung mit Bauflucht: Gebäudeanordnungen in Innenstadtquartieren, Reihenhäuser etc.; raumbildende Großformen: einheitliche Siedlungen, Großblöcke etc.
Desweiteren unterscheidet Humpert städtebauliche Kleinbausteine (Garagen, Gartenpavillons, Denkmäler und Skulpturen, Brunnen, Wartehäuschen im öffentlichen Nahverkehr, temporäre Bauten) von städtebaulichen Großbausteinen (Rathäuser, Schulen und Verwaltungsbauten, Kirchen, Hallen, Theatergebäude, Sportarenen, Kraftwerke, Passagen und viele andere gestaltprägende Einzeltypen mehr). In den letzten vier Jahrzehnten wurde zunehmend die Passage, eine städtebauliche Sonderform mit prägnanter Gestaltung, bei der Außen- und Innenräume von Gebäuden und baulichen Ensembles fast nahtlos ineinander übergehen, für den Städtebau interessant [dazu auch Bürklin/Peterek 2007: 37ff]. Erstmals in größerem Stil traten Passagen im 19. Jahrhundert im Zuge der Ästhetisierung des modernen öffentlichen Raums auf [vgl. Zukin 1995: 259, 279f], etwa in London, Paris, Mailand oder Leipzig. In den 1970er Jahren führte der Wunsch nach einer gestalterischen Aufwertung von Einkaufsarealen (häufig für den gehobenen Standard) in einer witterungsunabhängigen Umgebung zu einem erneuten Boom dieser städtebaulichen Sonderform – nicht nur in Stuttgart, Hamburg oder Düsseldorf. Die Passage war zu jeder Zeit ein Publikumsmagnet – schon im 19. Jahrhundert [Zukin 1995: 253ff; vgl. auch Hinweise auf Internetquellen auf beiliegender DVD] – und die Möglichkeit, gezielt Marketingstrategien anwenden oder innerhalb solcher als öffentliche Räume in Erscheinung tretenden Anlagen bestimmte Formen der öffentlichen Nutzung unterbinden zu können, lässt sie sowohl für den privaten Investor als auch für die auf Attraktivität ihrer ’Einkaufsstadt’ bedachten Städte vorteilhaft erscheinen. Gewissermaßen als eine Weiterentwicklung der Passage können Shopping Malls gesehen werden, die, zunächst in Nordamerika – z.B. die Mall of America in Minneapolis/St Paul oder die Edmonton Mall in Kanada – aufgekommen, bald weltweit Nachahmung fanden. Es handelt sich dabei um große, geschlossene Einkaufscenter, die, häufig an Stadträndern oder wie im Falle des Centro in Oberhausen auf einem großflächigen ehemaligen Industrieareal (Stahlhütte) errichtet, die Regeneration einer ganzen Stadt fördern sollen. ‘Factory Outlet Centers‘ (FOC’s) gehören im weitesten Sinne ebenfalls zu dem Genre der Shopping Malls. Der Begriff ’Mall’ hat übrigens seinen begrifflichen und assoziativen Ursprung in der berühmten „Mall“ von Washington D.C., die dort allerdings als öffentlicher Raum durch eine breite Grünachse inmitten des Stadtzentrums ausgebildet ist und beidseitig von diversen Museumsbauten und Gebäuden der Regierungsadministration gesäumt wird.
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c) Plätze, Platzfolgen und Straßenräume Plätze gehören zu den ästhetisch wirksamsten und häufig auch symbolträchtigsten Gestaltungselementen, die den Grundriss einer Stadt, aber auch die platzbildenden Aufrisselemente im städtebaulichen Gefüge akzentuieren. Die Agora im antiken Griechenland sowie die Forumsbereiche in den Städten des Römischen Reiches nach dem Vorbild des Forum Romanum gehören zu den Urtypen von gestalteten Platzanlagen, mit einer entsprechenden repräsentativen Akzentuierung von städtischen Verwaltungsgebäuden und religiösen Bauwerken an dieser zentralen Stelle des Stadtensembles. Schon für Cicero im antiken Rom war der Stadtplatz – neben der Umwallung und einem für die Bewohner gemeinsamen kulturellen Ausdruck im Stadtbild – unentbehrlich für eine Stadt [vgl. Coubier 1985: 8]. Viele Stadtplätze besitzen mit den dort regelmäßig stattfindenden Märkten eine wichtige praktische und kommunikative Funktion – kennzeichnend vor allem bei Städten aus der Gründungsphase des Mittelalters mit ihren jeweiligen überlieferten Bezeichnungen, die auf die ursprüngliche Funktion hinweisen: Pferdemarkt, Heumarkt, Fischmarkt etc. Ein Platz entsteht durch die bauliche Gestaltung von Platzwänden, so dass die freie Platzfläche einen von Gebäuden oder Grüngestaltungselementen umschlossenen Raum bildet. Platzfolgen können die raumeinengende oder -aufweitende Wirkung von Gestaltungselementen noch verstärken, bis hin zu bühnenhaft und theatralisch anmutenden Erscheinungsformen, wie sich – zur Zeit des Absolutismus praktiziert – exemplarisch am Place Vendôme in Paris oder Place Stanislas in Nancy erkennen lässt. Bestimmte Bodenbeläge, das Platzieren von Raummöblierungselementen wie Skulpturen, Denkmälern oder markierenden Bäumen, im Einzelfall aber auch das Freihalten des gesamten Platzraums erzeugen beim Betrachter zusätzliche ästhetische Effekte. Die Funktionen und Arten von Plätzen sind derart vielfältig, dass von einer weitergehenden Einzeltypisierung hier abgesehen wird. Verwiesen wird auf die Standardwerke von Camillo Sitte, Leonardo Benevolo oder Heinz Coubier [vgl. Literaturverzeichnis]. Wenn auch nicht ganz so wirkungsvoll wie ein Platz, so gehört doch auch der Straßenraum zu den wichtigen städtebaulichen Gestaltungselementen. Dieser bezieht seine Erscheinungsqualität von straßenbegrenzenden Gebäudeanordnungen oder großvolumigen Grüngestaltungselementen, und je nach Straßenquerschnitt sowie Art der Wege- oder Straßenführung können bestimmte Raumwirkungen erzielt werden, die zur Erhöhung der Erlebnisqualität einer Stadt beitragen. Die „Empfehlungen zur Anlage von Erschließungsstraßen“ [EAE 1985/1995] widmet sich diesem Aspekt in angemessener Ausführlichkeit und mit ausgewählten Entwurfs- und Gestaltungsbeispielen (vgl. exemplarisch Abb. 6.18). Leider zeigen sich die nachfolgenden „Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen“ (RASt 06) in einer etwas anderen Form und mehr als eine auf Straßenbemessungstechnik ausgerichtete Entwurfsanleitung [RASt 2006].
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Abb. 6.18: Empfehlungen zur Straßenraumgestaltung für stadtkernnahe Altbaugebiete nach der EAE 1985/1995 Der Gestaltung von Plätzen, Platzfolgen und Platzanlagen hat immer schon die Aufmerksamkeit der unterschiedlichsten Akteure gegolten: Das enorme ästhetisch wirksame Potential stadträumlicher Gestaltungswirkung korrespondiert mit der Möglichkeit zur Befriedigung manch individuellen Bedürfnisses nach öffentlich wirksamer Selbstdarstellung. Doch nicht immer stoßen solche Bau-Gestaltungsmaßnahmen auf Gegenliebe, wie das Beispiel Berlin zeigt: „Die Wiese auf dem Schlossplatz oder die Weite des Tempelhofer Feldes sind eben einladender“, so kommentiert Laura Weissmüller die jedem Berlin-Bewohner oder -Besucher bekannte Situation, „als der verwaiste Potsdamer Platz nach Ladenschluss oder der von Sandstein schier erwürgte Pariser Platz“. Die Kommentatorin sieht darin geradezu eine „Stadtplanung mit Halsstarre nach hinten“ [Süddeutsche Zeitung v. 26.11.2010]. d) Grüngestaltungselemente und Wasser als Gestaltungsmittel Städtebauliche Gestaltung beinhaltet üblicherweise auch die Berücksichtigung von Grüngestaltungselementen. Dabei geht es nicht so sehr um großflächigere stadtstrukturbestimmende Grünfunktionen wie Parkanlagen, Friedhöfe, botanische oder zoologische Gärten, Waldflächen oder von Bebauung freizuhaltende Frischluftschneisen etc., sondern eher um solche Elemente, die allein oder in Gruppen als Gestaltungsmittel eingesetzt werden: Einzelbäume auf Plätzen, Baumreihen entlang von Straßen und Wegen, Buschgruppen, raumbegrenzende Hecken oder Schmuckbepflanzungen etwa im Empfangsbereich von öffentlichen Gebäuden oder an Kreisverkehrsplätzen. Zu empfehlen sind hier die „Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen“, die einen Abschnitt „Technische Ausstattung und Grün im Straßenraum“ enthält mit vielen guten Hinweisen auch auf die gestalterische und ästhetische Wirkung beim Einsatz von grünen Gestaltungselementen [RASt 2006: 126ff]. Allerdings sind solche Grüngestaltungselemente nicht in jedem Fall angebracht, wenn man etwa an Platzsituationen denkt – beispielsweise die Piazza del Campo in Siena –, die ihre volle ästhetische Raumwirkung gerade deshalb entfalten, weil sie ohne jegliche großvolumige Grüngestaltung sind. Im Gegensatz dazu steht die voll-
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kommene und bruchlose Integration von Grüngestaltungselementen in das gestalterische Erscheinungsbild und städtebauliche Strukturgefüge eines ganzen Ortes, wie wir es etwa vom Weltkulturerbe Wörlitzer Park kennen. Auch Wasser hat – neben kleinklimatischen Vorteilen – eine wichtige Aufgabe als städtebauliches Gestaltungsmittel, wenn z.B. alte Bachläufe freigehalten bzw. wieder freigelegt werden, Wasserrinnen im Straßenverlauf untergebracht oder Brunnenanlagen errichtet werden (Beispiel Freiburg im Breisgau). Städte am Wasser oder Städte mit großen Wasserflächen im Zentrumsbereich, wie etwa Hamburg mit der Binnenalster, gewinnen durch dieses Gestaltungselement erheblich an Attraktivität. e) Straßen-, Platz- und Raummöblierung Unter die Rubrik der Raummöblierungselemente – auf ihre Bedeutung wurde bereits im Zusammenhang mit Platzanlagen und Straßenräumen hingewiesen – fallen Kunstwerke im Straßen- und öffentlichen Raum, Skulpturen und Denkmäler, Kioske, Sitzbänke oder Fahrradständer, aber auch Laternen, Telefonzellen oder gar – in modernem Design daherkommende – Abfallbehälter. Diese Gestaltungselemente dienen nicht nur den ihnen vordergründig zugewiesenen Zwecken, sondern tragen auch zur Raumbildung selbst bei, indem sie eine Art Maßstabsbildung in Bezug auf die umgebende Bebauung herbeiführen. Darüber hinaus nehmen sie Einfluss auf die Identifikation der Menschen mit ihrem Wohn- oder Arbeitsumfeld, indem sie sich auf die Attraktivität eines Ortes auswirken.
Methoden der städtebaulichen Gestaltungsplanung Das Spektrum der Methoden zur städtebaulichen Gestaltungsplanung ist so vielfältig, wie es verschiedene Herangehensweisen in Bezug auf die Wahrnehmung und Bewertung von Gestaltphänomenen und die Umsetzung von konkreten Gestaltungsaufgaben gibt. Weitaus mehr als im Falle der städtebaulichen Strukturplanung zielt die städtebauliche Gestaltungsplanung auf Originalität und individuelle stadträumliche Qualität – auch um letztendlich einer ästhetisch befriedigenden urbanen Umwelt gerecht zu werden. Daraus ergibt sich zwangsläufig ein Methodenpluralismus, der am Ende jegliche Form des Entwerfens zulässt. Dennoch haben sich bestimmte, stets wiederkehrende Vorgehensweisen als allgemein zweckmäßig erwiesen, von denen hier eine Auswahl angesprochen wird. a) Herkunft und Typologie des Methodenrepertoires Ein kurzer Blick in die Geschichte des Städtebaus mag einen ersten Eindruck davon liefern, welcher Methoden man sich bisher in der städtebaulichen Gestaltung bediente. Eine ausgesprochen wichtige Rolle unter allen methodischen Ansätzen der Vergangenheit spielten die Prinzipien von „Genius temporis“ und „Genius loci“, die Fritz Schumacher als die „beiden Patengeister“ des städtebaulichen (und architek-
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tonischen) Werdens bezeichnet hat. Es handelt sich dabei um die Erkenntnis, dass jeder „Vorgang des baulichen Gestaltens“ an Zeit und Ort gebunden ist – gewissermaßen „als Wiege einer Idee“. Näheres hierzu in Kapitel 4 [Schumacher 1938: 280]. Auch wenn wir dies heute als eine Selbstverständlichkeit erachten, war das keineswegs immer so. Im Mittelalter etwa bestand das methodische Rüstzeug der baulichen und städtebaulichen Gestaltung im Wesentlichen aus tradiertem, heute in der Terminologie der Wissensgesellschaft vielleicht als implizit zu bezeichnenden Wissen, das sich zu einem Gutteil aus dem verborgenen Wissenstransfer innerhalb der Bauhütten und anderer einschlägiger Zünfte speiste. Im Vordergrund der Gestaltungstätigkeit stand damals der handwerkliche Umgang mit Baumaterialien aus der näheren Umgebung. Erst mit der Renaissance kamen abstraktere, vor allem auf die Zeichnung gestützte Methoden der Gestaltfindung auf, die sich in Grundriss, Aufriss und Perspektive manifestierten. Diese Triade war, wenn auch eher rudimentär, schon in der Antike geläufig – in Bezug auf die Architektur bezeichnete Vitruv sie als ‘ichnographia‘, ‘orthographia‘ und ‘scenographia‘ (vgl. Abb. 6.19) –, doch erst zu Beginn der Neuzeit wurde dieses Prinzip wieder aufgegriffen und bis zur Perfektion fortentwickelt.
Abb. 6.19: Ichnographia, orthographia und scenographia bei Vitruv (Quelle: Oechslin 1982) In der Renaissance wurden zudem Entwurfszeichnung und Entwurfsprozess als identisch angesehen; der Renaissancearchitekt Leon Battista Alberti verlieh dieser Identität durch den Begriff ’lineamenta’ Ausdruck [Oechslin 1992]. Neben der zuvor beschriebenen zeichnerischen Methode zur städtebaulichen und baulich-räumlichen (sowie architektonischen) Gestaltfindung bestand (und besteht) eine weitere wichtige Methode darin, in dreidimensionalen Maßstabsmodellen mit zum Teil unterschiedlichen Modellbaumaterialien die verschiedenen Entwurfsstudien darzustellen, um letztendlich zu einem Entwurfsergebnis zu gelangen. Derartige Modelle waren, da für jedermann verständlich, sehr geschätzt und wurden gezielt etwa zur Durchsetzung stadtgestalterischer Absichten eingesetzt. Berühmtheit erlangte im 18. Jahrhundert die Vorgehensweise des Markgrafen von Baden bei der Umsetzung des städtebaulichen Konzepts für Karlsruhe, wofür er kleine Modellhäuschen anfertigen ließ, die käuflich zu erwerben waren und nach denen man sich – allerdings nur in Bezug auf die Fassadengestaltung – beim Bauen zu richten hatte [Einsele/Kilian 1997: 29].
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Dieser historische Rückblick macht deutlich, wie eng Entwurfsmethoden und Techniken der Gestaltfindung seit jeher miteinander verbunden und verwoben waren. Nun hat sich aber gerade in diesem Bereich während der letzten drei bis vier Jahrzehnte ein derart grundsätzlicher, fast revolutionärer Wandel vollzogen, dass man nicht umhinkommt, genauer darauf einzugehen. Nicht nur die medialen Möglichkeiten wurden durch die neuen digitalen Techniken nachhaltig erweitert, sondern auch eine umfassende Diskussion über neue (manchmal auch nur vermeintlich neue) Entwurfsmethoden entfacht, die in ihrer gesamten Breite allerdings hier nicht aufgegriffen werden kann. Interessierte seien deshalb auf die einschlägigen Konferenzen zum Beispiel der CAAD-Futures, der ACADIA in Nordamerika oder der ECAADE in Europa verwiesen (vgl. entsprechende Internetauftritte). An dieser Stelle wird nur der Versuch einer groben Systematisierung von Entwurfsmethoden und Techniken der städtebaulichen Gestaltfindung unternommen, die sowohl die tradierten Formen als auch die mit modernen Mitteln realisierbaren Möglichkeiten einbezieht. Danach lassen sich drei grundsätzlich verschiedene methodische Ansätze voneinander unterscheiden: • • •
pragmatisch-situative Entwurfsmethoden rational-deterministische Entwurfsmethoden offen-argumentative Entwurfsmethoden
Die pragmatisch-situativen Entwurfsmethoden umfassen das gesamte Spektrum der tradierten Formen, bei denen für eine bestimmte Situation pragmatisch und adhoc eine Entwurfsidee kreiert und vermittelt wird. Dabei werden alle zur Verfügung stehenden technischen Hilfsmittel genutzt, um der Entwurfsidee Ausdruck zu verleihen. Traditionell sind dies die Techniken der graphischen Darstellung (Handzeichnung und darstellende Geometrie) und des Modellbaus, die beide durch verbale Formen unterstützt werden. Eine Differenzierung dahingehend, inwiefern diese Art des Entwerfens ausschließlich mit manuellen Mitteln oder mit maschineller Unterstützung – von Computergraphik über digitale Simulationen bis zu computergestützten Modellbauverfahren – stattfindet, ist nicht notwendig, weil sich nur die Techniken voneinander unterscheiden, nicht aber die Art des Entwerfens. Die rational-deterministischen Entwurfsmethoden sind dagegen von völlig anderem Kaliber. Hier kommt die Vorstellung zum Tragen, dass es im Prinzip möglich sein müsste, die Entwurfsarbeit auf derart rationale Füße zu stellen, dass sich aus einer vorgegebenen Aufgabenstellung und den zugehörigen Randbedingungen mit Hilfe (algorithmisierbarer) Transformationsregeln quasi in deterministischer (also zwangsläufiger) Weise ein akzeptables Entwurfsergebnis von allein einstellt. Dieser Entwurfsansatz wird gelegentlich auch als cartesianisch bezeichnet, weil er den im „Discourse de la Methode“ dargelegten Prinzipien von Descartes gehorcht (vgl. auch Kap. 4). Die Diskussion über rationale Entwurfsmethoden entbrannte recht vehement zu Beginn der 1960er Jahre, ausgelöst durch die „Conference on Design Methods“ im Jahre 1962 am Imperial College in London, die eine wissenschaftliche Grundlegung des Entwerfens zum Thema hatte. Etwa zeitgleich erschienen die Studien von Christopher Alexander [vgl. Alexander 1964] und die Arbeiten der „Archi-
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tecture Machine Group“, die sich seit Mitte der 1960er Jahre unter der maßgeblichen Leitung von Nicholas Negroponte am Massachusetts Institute of Technology diesem Thema widmete [Negroponte 1970]. Die wichtigsten und interessantesten dieser Entwurfsmethoden, die zwar einerseits wieder deutlich in die Methodik der städtebaulichen Strukturplanung hineinreichen, andererseits aber auch seitens der Architektur zur räumlichen Gestaltfindung beim Gebäudeentwurf verwendet werden und deshalb im weitesten Sinne der städtebaulichen Gestaltungsplanung zuzurechnen sind, seien hier genannt: Zunächst ist an dieser Stelle erneut auf die hierarchische Entwurfsmethode von Christopher Alexander hinzuweisen, die quasi auch den Beginn der rational-deterministischen Methoden markiert. Es handelt sich dabei um einen methodischen Ansatz, bei dem – auf der Basis der modernen Graphen- und Mengentheorie – das Entwurfsproblem über eine hierarchische Vorgehensweise in kleine, einzeln zu bearbeitende Teilaspekte zerlegt wird (‘top-down‘-Prinzip), um es danach auf umgekehrtem Wege wieder zu einem Ganzen zusammenzuführen (‘bottom-up‘-Prinzip). Dieser Ansatz lässt sich prinzipiell neben dem bereits genannten stadtstrukturbezogenen Anwendungsfeld auch auf dreidimensional-räumliche Gestaltungsaspekte anwenden, indem Raumstrukturen von größeren Objekten in immer feineren Verästelungen zerlegt werden, um sie später auf umgekehrtem Wege wieder zu einem Ganzen zu synthetisieren. Auch an dieser Stelle soll der Hinweis nicht fehlen, dass Alexander selbst diesen methodischen Ansatz nur wenige Zeit später in einem Aufsatz mit dem Titel „A City is not a Tree“ [Internet www.rudi.net/pages/8755] verwirft und anschließend seine berühmt gewordene „Pattern Language“ entwickelt. Diese Entwurfsmethode stellt, wenn sie auch als grundsätzliche Abkehr vom hierarchisch-deterministischen Prinzip zu interpretieren ist, letztendlich doch eine folgerichtige Weiterentwicklung des Ansatzes der Formensynthese auf der Basis separierter entwurflicher Einzelaspekte aus den frühen 1960er Jahren dar [Alexander 1964; Alexander 1965/1967; Alexander et al. 1977]. Ein völlig anderer Ansatz wurde etwa zeitgleich von Geoffrey Broadbent vorgestellt, der sich als eine Entwurfsmethode charakterisieren lässt, bei der über eine Sammlung von Randbedingungen, Zwangsbedingungen bzw. Entwurfsrestriktionen der Lösungsraum soweit eingegrenzt und die Freiheitsgrade verringert werden (sollen), dass sich daraus letztendlich eine Entwurfslösung weitgehend von selbst einstellt. Neben räumlichen Restriktionen – einzuhaltende Grenzabstände, maximale Gebäudehöhen etc. (vgl. Abb. 6.20) – gehen auch Nutzerbedürfnisse u.ä. als Randbedingungen in den Entwurfsfindungsprozess ein. Die systematische Erfassung dieser Erfordernisse und Randbedingungen erfolgt über Matrizen und Diagramme. Anschließend werden diese in physische Formen auf der Basis von vier EntwurfsTypen transformiert, nämlich: pragmatisches Entwerfen (Verwendung verfügbarer Materialien sowie Konstruktionsmethoden und Erzeugung einer Entwurfslösung durch Probieren); ikonisches Entwerfen (Gewinnung der Entwurfslösung aus der wiederholten Anwendung bereits akzeptierter Lösungen und deren Weiterentwicklung und Kombination); analoges Entwerfen als – so Broadbent – „zentraler Mechanismus der Kreativität“ (Übertragung einer Idee von einem Kontext in den anderen);
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kanonisches Entwerfen (Verwendung von geometrischen Rastern, Proportionssystemen oder Mustern) [Broadbent 1973]. Ebenfalls zeitgleich zu Alexander’s und Broadbent’s Arbeiten stellt Philip Tabor einen Ansatz vor, bei dem – mit dem Ziel einer weitgehend automatischen Erzeugung einer Entwurfslösung – ein Rechnersystem räumliche Grundelemente durch ’additive’ oder ’permutative’ Strategien und unter Zuhilfenahme eines Zufallsgenerators miteinander verknüpft. Dabei werden viele Varianten (möglicherweise hunderte oder tausende) erzeugt, unter denen dann nach einem Optimalitätskriterium – z.B. Minimierung von Wegebeziehungen – die am besten geeignete als Entwurfslösung herausgesucht wird [March/ Steadman 1971: 303ff; KalisAbb. 6.20: Beispiel für eine aus Entwurfsrestrikperis 1988: 28ff]. tionen sich determinierende Entwurfslösung Soweit einige der wichtignach Broadbent (Quelle: Coyne et al. 1990) sten Vertreter unter den rational-deterministischen Entwurfsmethoden. Aus heutiger Sicht mag die Begrenztheit dieser methodischen Ansätze ins Auge fallen, und tatsächlich sind sie auch nicht immer als praktisch anwendbare Methoden zur Herbeiführung von architektonischen, gestalterischen oder städtebaulichen Entwurfslösungen zu interpretieren. Dennoch sei hervorgehoben, dass allein das Nachdenken über solche Methoden schon einen erheblichen Erkenntnisgewinn in Bezug auf das Wesen des Entwerfens und Gestaltens hervorbrachte. Ende der 1960er und zu Beginn der 1970er Jahre entwickelte sich eine Gegenreaktion auf diese rational-deterministischen Ansätze. Einer der wichtigsten Vertreter war zweifelsohne der in Stuttgart und Berkeley lehrende Horst Rittel. Seine Unterscheidung zwischen wohldefinierbaren und algorithmischer Bearbeitung zugänglichen Problemen und solchen, die eher „wicked problems“ – verzwickte oder „bösartige Probleme“ (Rittel) – sind, hat im Prinzip zu einer neuen Auffassung von Entwurfsmethoden beigetragen, die sich als offen-argumentative Methoden charakterisieren lassen. Die zehn Punkte als Kennzeichen für Rittel‘s ’bösartige’ bzw. verzwickte Probleme sind im Detail in Kapitel 2 zu finden. Mit verzwickten Problemen haben wir es in der städtebaulichen Planung ganz
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grundsätzlich zu tun, weshalb sie ein wichtiges Thema planungstheoretischer Überlegungen sind. Konkreter treten sie in der städtebaulichen Strukturplanung, vor allem aber in der städtebaulichen Gestaltungsplanung in Erscheinung. Rittel’s Vorschlag für argumentative Planungsmethoden weist in eine Richtung, die auch bei Entwurfsfindungsprozessen in der städtebaulichen Gestaltungsplanung von Bedeutung ist und aufgrund der ubiquitär und universell einsetzbaren Internet-Techniken nicht mehr in einem Gegensatz zu computergestützten Verfahren steht. Jüngere Arbeiten – gemeint sind die letzten zehn bis fünfzehn Jahre – zeigen eine zunehmende Aufgeschlossenheit gegenüber der Implementierung von Planungs- und Entwurfsmethoden in Computersysteme mit etlichen neuen theoretischen Ansätzen auch aus dem Umfeld der Künstlichen-Intelligenz-Forschung. In solchen Ansätzen sind etwa Theorien aus der Linguistik, der Sprachhermeneutik und dem kommunikativen Handeln unter Bezugnahme auf philosophische und sozialwissenschaftliche Arbeiten von Hans-Georg Gadamer bis Jürgen Habermas aufgegriffen worden, um sie in wissensbasierten Entwurfssystemen auch für Architekten und Stadtplaner nutzbar zu machen [ausführlich dazu vgl. Coyne et al. 1990 oder Snodgrass 1991]. b) Gestaltungs- und Ideenwettbewerbe Auf der Ebene der städtebaulichen Gestaltungsplanung und des städtebaulichen Entwurfs stellen Gestaltungs- und Ideenwettbewerbe ein ausgezeichnetes Verfahren zur Generierung von Ideen dar [Lynch/Hack 1984/2000: 142]. Dazu wird zwecks Lösung einer bestimmten städtebaulichen Aufgabe nach den Regularien des Wettbewerbswesens ein städtebaulicher Wettbewerb ausgelobt, an dem sich verschiedene Fachleute beteiligen können [vgl. Internet www.wettbewerbe-aktuell.de]. In Deutschland werden Wettbewerbe nach den „Richtlinien für Planungswettbewerbe“ (RPW 2006) durchgeführt, die im Einklang mit dem Recht der Europäischen Union stehen. Zwei Arten von Wettbewerben werden darin unterschieden [RPW 2006: § 1 Abs. 2]: •
•
der Ideenwettbewerb zur „Lösung konzeptioneller Aufgaben“, um eine Vielfalt von Ideen für die Lösung einer Aufgabe zu erhalten – nicht unbedingt mit der konkreten Absicht, diese Aufgabe zu realisieren; der Realisierungswettbewerb zur „Findung alternativer Ideen und optimierter Konzepte für die Lösung von Planungsaufgaben“, bei dem auf der Grundlage eines fest umrissenen Programms und bestimmter Leistungsanforderungen die planerischen Möglichkeiten für die Realisierung eines Projekts aufgezeigt werden sollen.
Die Auswahl und Bewertung von eingereichten Wettbewerbsbeiträgen obliegt einer eigens dafür geschaffenen Jury (Preisgericht), die sich aus Personen mit hinreichender Fachkompetenz zusammensetzt. Die besten Wettbewerbsentwürfe werden prämiert und erhalten in der Regel Geldpreise [weiterführend vgl. auch Thalgott 1999]. Der Computereinsatz spielt beim Erstellen und Einreichen von Wettbewerbsbei-
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trägen eine zunehmend wichtige Rolle, wobei immer häufiger schon in der Wettbewerbsausschreibung statt der traditionellen Medien Papier und Modell digitale Präsentationsformen wie etwa CDs oder DVDs verlangt werden. c) Städtebauliche Rahmenplanung Mit dem Instrument der städtebaulichen Rahmenplanung wird eine Brücke geschlagen zwischen dem städtebaulichen Entwurf, der naturgemäß einen informellen Charakter hat und auch haben muss, und denjenigen Planformen, in denen die städtebauliche Gestaltungsplanung formell fixiert wird (Bebauungspläne, Denkmalpflegepläne, Gestaltungssatzungen o.ä.). So wird die städtebauliche Rahmenplanung im Baugesetzbuch zwar erwähnt (im Zusammenhang mit städtebaulicher Sanierung), im Gegensatz zu Bebauungsplänen gibt es jedoch keine Vorschriften über Planinhalte, zu verwendende Planzeichen oder Planaufstellungsverfahren.
Abb. 6.21: Baulich-räumliches Konzept aus einem städtebaulichen Rahmenplan (Quelle: Krause 1974) Gleichwohl hat sich mit der Zeit ein recht einheitliches Bild darüber herauskristallisiert, welche Konzeptebenen ein städtebaulicher Rahmenplan enthalten sollte [immer noch aufschlussreiche Hinweise liefert Bihr/Veil/Marzahn 1979: 6.1ff zur Bearbeitung „städtebaulicher Rahmenpläne“ sowie 7.1ff zur Erstellung „stadtgestalterischer Rahmenpläne“]. Von zentraler Bedeutung sind die folgenden Konzept-
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ebenen, die im Einzelfall weiter differenziert oder erweitert werden können, um spezifischen örtlichen Gegebenheiten gerecht zu werden: • • • • •
Nutzungskonzept Verkehrskonzept baulich-räumliches Konzept bzw. stadtgestalterisches Konzept Freiraumkonzept bzw. stadtökologisches Konzept räumliches und zeitliches Realisierungskonzept
Das baulich-räumliche Konzept etwa, in dem sich die städtebauliche Gestaltungsaufgabe manifestiert – die anderen Konzeptebenen werden im Zusammenhang mit dem Thema Stadterneuerung aufzugreifen sein –, enthält üblicherweise Planaussagen über die Lage und Anordnung von folgenden Aspekten (vgl. Abb. 6.21): • • • • •
geschlossene und offene Raumkanten Baudenkmäler dominierende Einzelobjekte Grüngestaltungselemente weitere Gestaltungselemente, sofern diese im Einzelfall relevant sind
Normalerweise stehen die einzelnen Konzeptebenen des städtebaulichen Rahmenplans nicht separat nebeneinander, sondern werden zu einem einzigen Planwerk zusammengefasst. Ein besonderer Akzent wird dennoch immer mit den städtebaulichen Gestaltungsabsichten gesetzt, weil – im Vergleich zu anderen Planformen – ein städtebaulicher Rahmenplan in seiner Art der Darstellung dem Vorstellungsvermögen einer breiten Öffentlichkeit sehr entgegenkommt. Heutzutage werden städtebauliche Rahmenpläne mit Computerunterstützung angefertigt; zum Einsatz kommen kleine Programmpakete zur graphischen Datenverarbeitung und CAD-Systeme ebenso wie Geographische Informationssysteme.
Computergestützte Entwurfsmethoden und Darstellungsverfahren Alle zuvor genannten Methoden der städtebaulichen Gestaltungsplanung lassen sich auch auf Computersysteme übertragen. Wo noch vor wenigen Jahren Skepsis hinsichtlich der Möglichkeiten digitaler Systeme im Rahmen städtebaulicher Entwurfsaufgaben herrschte, stehen heute allenthalben Computer, mit denen in großer Selbstverständlichkeit die Projekte bearbeitet werden [am eindrucksvollsten zu erkennen bei Schmitt 1993, Schmitt 1996 oder Mitchell 1990]. Im Einsatz sind in erster Linie gestaltsimulierende Methoden, um möglichst wirklichkeitsnahe Darstellungen von städtebaulichen Entwurfssituationen zu erhalten. Diese Methoden machen im Kern das aus, was üblicherweise als Computer-Aided Design (CAD) oder, stärker auf Gebäudearchitektur bezogen, als Computer-Aided Architectural Design (CAAD) bezeichnet wird [vgl. dazu etwa das CAAD-Standardwerk von Mitchell 1977; ausführlich auch bei Streich/Weisgerber 1996]. Zum Ver-
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ständnis dessen, welche Möglichkeiten die CAD/CAAD-Methoden für die städtebauliche (einschließlich der baulich-architektonischen) Gestaltungsplanung eröffnen, werden zunächst die CAD-Modellierungstypen und im Anschluss daran die wichtigsten Methoden der wirklichkeitsnahen Darstellung von räumlichen Gestaltungsphänomenen erläutert sowie einige weitergehende computergestützte Entwurfsmethoden, die über bloße Visualisierungstechniken hinausgehen. a) CAD-Modellierungstypen Zum weiteren Verständnis ist eine kurze Erläuterung der wichtigsten Begriffe aus der mittlerweile etablierten CAD-Terminologie unumgänglich [ausführlich vgl. etwa Rooney/Steadman 1987/1990 oder Angel 1990]. Ausgangspunkt für jede CAD-Darstellung ist die Objektgeometrie. Jedes Objekt, das durch ein CAD/CAAD-System computergraphisch oder auch durch Techniken des computergestützten Modellbaus hergestellt werden soll, erfordert zunächst eine geometrische Beschreibung auf der Basis der Grundelemente Punkt, Kante/Linie, Fläche und Volumen. Aus diesen Grundelementen lassen sich die folgenden CAD-Modellierungstypen herleiten (vgl. Abb. 6.22): • • • •
Kantenmodellierer Flächenmodellierer Volumenmodellierer Objektmodellierer
Die ersten drei Typen unterscheiden sich vom Typ des Objektmodellierers darin, dass erstere lediglich eine geometrische Beschreibung der Objekte beinhalten, letzterer aber über die reine Geometrie hinaus semantische Informationen über die Objekte besitzt. Auf diesen bedeutsamen Unterschied sei bereits an dieser Stelle hingewiesen, weil er zum Verständnis der geometrischen Modellierungstypen, deren Semantik sich allein auf die geometrischen Grundeinheiten bezieht, beiträgt. Manchmal findet sich in der Literatur noch ein fünfter Typ des Modellierens von Objekten, der allein auf mit zwei- oder dreidimensionalen Koordinaten versehenen Punkten basiert. Bei der Visualisierung eines solchen Punktmodells entsteht eine Punktwolke, die beispielsweise die Oberflächenpunkte eines Objektes repräsentiert. Laserscanning-Verfahren, wie bereits weiter oben in diesem Kapitel erläutert, führen im Ergebnis zu einem solchen Punktmodell (siehe Abb. 6.12). In CAD-Modellierungsumgebungen spielen Punktmodelle allerdings nur eine untergeordnete Rolle – eher als Hilfsmittel zur Orientierung weitergehender computergraphischer Bearbeitungsschritte; auf eine tiefergehende Erörterung können wir daher verzichten. Die eigentliche CAD-Arbeit beginnt, wenn zwischen Punkten mindestens Strecken oder Linien computergraphisch realisiert werden. Wir haben es dann mit dem Typ des Kantenmodellierers zu tun, der auf der geometrischen Grundeinheit der Verbindungslinie zwischen zwei Punkten im Raum basiert. Im einfachsten Fall
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Abb. 6.22: CAD-Modellierungstypen als Grundlage der Anwendung computergestützter Methoden in der städtebaulichen Gestaltungsplanung
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ist dies eine geradlinige Verbindung, die üblicherweise als Kante oder Vektor bezeichnet wird (Vektor, weil es sich in der Regel um eine gerichtete Strecke handelt). Als wichtigstes Charakteristikum von Kanten- bzw. Vektormodellen gilt, dass die einzelnen Kanten völlig unabhängig voneinander existieren. Anders ausgedrückt: Die einzelne Kante eines Würfels ’weiß’ nichts von den benachbarten Kanten des Würfels, auch nichts davon, dass sie gemeinsam mit elf weiteren Kanten diesen Würfel bzw. mit drei anderen Kanten eine der sechs Flächen dieses Würfels beschreibt. Wäre dies der Fall, hätten wir es bereits mit einem Volumen- oder wenigstens mit einem Flächenmodellierer zu tun. Wird bei einem Kantenmodell eine neue Kante hinzugefügt oder eine vorhandene Kante gelöscht, geschieht dies völlig unabhängig von anderen Kanten. Mit diesem Modelltyp lassen sich computergraphische Darstellungen ohne großen Rechenaufwand realisieren, da lediglich die Kanten einzeln und separat per Abbildungstransformation (Parallelprojektion, Perspektivabbildung etc.) auf die Abbildungsfläche übertragen werden. Bei diesem Verfahren entsteht allerdings nur ein sogenanntes ‘Drahtmodell‘, bei dem alle Modellkanten – ohne Rücksicht auf etwaige gegenseitige Objektverdeckungen – sichtbar sind. Derartige Darstellungen werden aufgrund der vielen sich visuell überlagernden Linien schon bei einer relativ geringen Zahl an Objekten recht unübersichtlich und es besteht die Gefahr von Mehrdeutigkeiten bei einer visuellen Interpretation der Darstellung. Eine gewisse Abhilfe ließe sich durch binokulares Betrachten von Stereobildpaaren eines solchen Drahtmodells schaffen [Beispiel vgl. Streich 1983: 140ff]. Den Flächenmodellierer kann man sich als Erweiterung des Kantenmodellierers vorstellen. Charakteristisch für diesen Modellierungstyp ist, dass er neben Kanteninformationen auch eine Beschreibung von Flächen besitzt. Unterschieden wird in polygonal begrenzte, ebene Flächen (auch als Facetten bezeichnet), analytisch beschreibbare Regelflächen (z.B. Kreis- oder Ellipsenflächen) und Parameterflächen zur Erzeugung von Freiformen auf der Grundlage von Interpolations- oder Approximationsverfahren (zwischen sogenannten ‘Stützpunkten‘ wird eine Fläche entweder durch Zwischenwerte-Interpolation gewonnen oder sie wird durch eine bestmögliche Annäherung an die Stützpunkte approximiert). Computergraphische Darstellungen auf der Basis von Flächenmodellen können deutlich realitätsnäher gestaltet werden als dies bei Kantenmodellen möglich wäre. Dafür gibt es vielfältige Möglichkeiten: Sollen beispielsweise nur Kanten dargestellt werden, lassen sich über ein sogenanntes objektraumbezogenes Visibilitätsverfahren die verdeckten Kanten ausblenden. Sollen etwa die einzelnen Modellflächen flächig dargestellt und mit Farben versehen werden, kann dies im einfachsten Fall mit dem ’flat-shading’ durch sogenannte bildraumbezogene Visibilitätsverfahren geschehen. Flächenmodellierer ermöglichen auch das sogenannte ’Gouraudshading’, eine Technik zur Erzeugung gleichmäßiger Flächenkrümmungen auf einem Netz ebener Polygonalflächen. Zudem können sie realitätsnahe Abbildungen mit Licht und Schatten erzeugen nach der Methode von Phong Bui-Tong (sog. ’Phong-shading’) oder mit Hilfe komplizierter Strahlverfolgungstechniken im Sinne von ’Ray-tracing’ (sofern wir innermediale Lichtstrahldurchgänge durch transparente Körper bzw. Volumina, die nur in Volumenmodellierern realisiert werden kön-
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nen, einmal außer Acht lassen). Bei ’Ray-tracing’ handelt es sich mathematisch zwar um ein exaktes Verfahren, es ist aber auch sehr rechenintensiv, so dass häufig eine Approximation durch ’Texture-mapping’-Verfahren vorgenommen wird. Bei diesem Verfahren erfolgt die Darstellung von Oberflächendetails (z.B. Materialien) ohne aufwendige Geometrieberechnungen, indem die Bildstrukturen mit einfachen Mitteln auf das dreidimensionale Trägerobjekt ’aufgetragen’ werden. Mit ‘Bumpmapping‘ lassen sich zudem noch Oberflächenreliefstrukturen von Objekten erzeugen. Beim Typ des Volumenmodellierers schließlich werden Volumina vollständig geometrisch beschrieben. Es existieren generative Volumenmodelle und akkumulative Volumenmodelle, die sich durch die Art ihrer Volumenerzeugung unterscheiden. Im Falle von generativen Modellen findet der Aufbau von komplexen Geometrien durch die konstruktive Verknüpfung einfacher Volumenformen oder durch Generierung räumlicher Gebilde auf der Grundlage zweidimensionaler FiguAbb.6.23: Stadtraumsimulation durch CAD- ren statt. Bei den akkumulativen Volumenmodellierung (Quelle: HANSEATIModellen dagegen werden geomeCA Immobilien Hamburg 2001) trische Figuren oder kubische Zellen gewissermaßen additiv zusammengefügt, bis das gewünschte Volumen entstanden ist. Volumenmodellierer lassen sich folgendermaßen klassifizieren (Abb. 6.22): •
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Boundary Representation, ein akkumulatives Beschreibungsverfahren, bei dem die Körper bzw. Volumina durch ihre Kanten und Flächen definiert werden; eine konsequente Weiterentwicklung des flächenhaften Modellierens auf der Basis von polygonal begrenzten, ebenen Flächen. Constructive Solid Geometry, das wichtigste generative Beschreibungsverfahren, bei dem komplexe Volumina erzeugt werden, indem sogenannte Volumenprimitive (Quader, Kugel, Zylinder etc.) mit Hilfe von Boole’schen Mengenoperationen – Vereinigung, Durchschnitt oder Differenz – verknüpft werden. Parametrisierte Objektfamilien (generativ), die dadurch gekennzeichnet sind, dass jedes Objekt einer bestimmten Geometriefamilie angehört sowie über bestimmte Parameterwerte manipulierbar ist (bei einem symmetrischen Satteldachhaus etwa über die Parameter Länge, Breite, Höhe und Dachneigung). Sweep-Modelle (generativ) beschreiben Volumina, indem zunächst eine zweidimensionale Figur erzeugt wird, die dann entlang einer Raumkurve bewegt und auf diese Weise räumlich extrudiert wird.
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Cell Decomposition (akkumulativ) ist eine Methode, mit der komplexe Objekte aus einem Mosaik dreidimensionaler Grundkörper zusammengesetzt werden, wobei die einzelnen Zellkörper geometrisch unterschiedlich beschaffen sein können. Spatial Occupancy Enumeration (akkumulativ) ist ein spezieller Fall von Cell Decomposition, in dem nur geometrisch identische Zellkörper – Volumen-’Pixel’ bzw. ’Voxel’ – verwendet werden; diese Art von Volumenmodellierung spielt in der Computertomographie und in einem für uns interessanten Anwendungsbezug, dem dreidimensional-räumlichen Einscannen von handgefertigten Architektur- oder Städtebaumodellen mit anschließendem computergestützten Modellbau, eine wichtige Rolle [ausführlich dazu vgl. Streich/Weisgerber 1996].
Das computergraphische Darstellen von volumenbezogenen Objektgeometrien ist – im Gegensatz zum Abbilden von Kanten- oder Flächenmodellen – keinerlei Einschränkungen unterworfen und erlaubt durch bestimmte Körpereigenschaften der Volumenmodelle die Erzeugung höchstmöglicher Realitätsnähe. Diese wird beispielsweise durch innermediale Lichtbrechung erreicht, wenn die Durchdringung transparenter Körper durch Lichtstrahlen simuliert werden soll. Desweiteren ist eine Anwendung computergestützter Modellbauverfahren zur Herstellung physischer Architektur- und Städtebaumodelle möglich. Letztendlich können wir sagen, dass auf der Basis von Objektgeometrien bzw. Volumenmodellen das gesamte Spektrum der gestaltbezogenen Entwurfstechniken auf Computersysteme übertragbar ist. Kommen wir abschließend zum vierten und letzten Typ der anfangs genannten Modellierungsparadigmen, dem Objektmodellierer, wie er hier begrifflich nicht ganz sauber bezeichnet werden soll. Vertreter dieses Typs gehen noch einen Schritt über die reine Objektgeometrie hinaus und verleihen den geometrischen Objekten zusätzlich semantische Merkmale. Ein solches System ’versteht’ gewissermaßen die fachliche Bedeutung bestimmter Objekte, etwa wenn von einem ’Haus’, von einem ’Baum’ oder einer ’Straße’ die Rede ist. Der Nutzer eines solchen Systems braucht nicht mehr eine Semantik in das von ihm zu bearbeitende geometrische Objekt hineinzuinterpretieren; das Computersystem selbst besitzt das Wissen um dieses Objekt und kennt auch die Methoden, es objektgemäß zu manipulieren. Mit der Philosophie des Objektmodells ist im Übrigen auch eine Brücke geschlagen zur Welt der Objektorientierung und wissensbasierten Systeme in der Informatik [hinsichtlich der Verknüpfung von Objektorientierung und architekturbezogener Entwurfsarbeit vgl. Schmitt 1993: 64ff]. b) Generative und wissensbasierte Methoden So raffiniert die vorgenannten Verfahren mit ihren graphischen und modellbaumäßigen Möglichkeiten im Einzelfall auch sein mögen, letztendlich sind sie quasi nur als digitale Erweiterung des Zeichenstifts oder der traditionellen Modellbautechnik zu interpretieren. Die Frage ist deshalb, ob die Techniken der digitalen Informationsverarbeitung hinsichtlich städtebaulicher Gestaltungsplanung noch mehr zu bieten
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haben, was über eine bloße Adaptierung des bisher schon Bekannten hinausgeht. Um auf diese Frage eine Anwort zu finden, können wir auf entsprechende Überlegungen von William Mitchell zurückgreifen, der für das computergestützte Entwerfen in Architektur und Städtebau drei Paradigmen formuliert [Mitchell 1994: 380]: •
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Paradigm 1 – Designing as problem solving: Es handelt sich hierbei im Wesentlichen um etwas, das bereits weiter oben im Zusammenhang mit Horst Rittel’s Unterscheidung zwischen ’gutartigen’ und ’bösartigen’ Problemen dargelegt wurde, nur dass Mitchell die Probleme in „well-defined“ und „ill-defined“ unterteilt und sie darüber hinaus als – mit Computern – leicht oder schwer bearbeitbar einstuft („problems may turn out ’easy’ or ’hard’“). Paradigm 2 – Designing as a Knowledge-Based Activity: In diesem Fall wird entweder nach bestimmten Regeln verfahren wie „if then “ oder auf eine fallbezogene Wissensbasis Bezug genommen. Paradigm 3 – Designing as a Social Activity: Ähnlich wie bei Horst Rittel’s Lösungsfindung durch argumentativ-kommunikative Prozesse geht es hier darum, das Herbeiführen von Entwurfslösungen in einen Prozess sozialer Aktivitäten einzubetten, wobei der Computereinsatz eine zunehmend wichtige Rolle in der Kommunikationsvermittlung spielt. Mitchell’s optimistisches Statement dazu: „They import knowledge into the common pool, they construct some common intellectual ground, and they sometimes change each other’s mind“.
Interessant für unsere Überlegungen ist das zweite Paradigma, aus dem sich für die computergestützten Entwurfsmethoden eine Einteilung in zwei Gruppen ableiten lässt, nämlich in: • •
regelbasierte Methoden sowie fallbasierte Methoden.
Diese grundlegende Unterteilung wird bei näherem Hinsehen rasch einleuchten und schon deshalb in unserem fachlichen Kontext nachvollziehbar sein, weil sie der traditionellen Arbeitsweise des Stadtplaners und -gestalters bei der Lösung von Entwurfsaufgaben entspricht. Während regelbasierte Methoden vorgegebene Regeln anwenden, um zu einer Entwurfslösung zu gelangen, wird bei fallbasierten Methoden versucht, mittels Rückgriff auf bereits realisierte Entwurfsfälle mit einer ähnlichen Aufgabenformulierung und ähnlichen Randbedingungen eine Entwurfslösung herbeizuführen. Zu den regelbasierten Methoden gehören beispielsweise „Design Languages“ und „Shape Grammars“; eine überzeugende deutsche Übersetzung etwa in ’Entwurfssprachen’ oder ’Gestaltgrammatiken’ hat sich bislang nicht etabliert (eine Sinnverwandtschaft zu ’Architektursprache’ ist allenfalls partiell, denn üblicherweise verbindet man mit diesem Begriff den Bedeutungsinhalt eines realisierten Gebäudes, nicht aber den auf Regeln basierenden Prozess des Entwerfens). Die Funktionsweise regelbasierter Methoden lässt sich in wenigen Worten rasch erklären: Vorgegeben wird ein fester Satz von Gestaltungselementen, die mitein-
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ander verknüpft werden können. Welche Arten von Verknüpfungen zulässig sind, wird durch Vorgabe bestimmter Regeln festgelegt (vgl. Abb. 6.24). Zu ‘Design Languages‘ und ‘Shape Grammars‘ hat sich in Architektur und Städtebau eine breite Forschungslandschaft etabliert. Besonders hervorgetreten sind: George Stiny und William Mitchell mit der von ihnen entwickelten „Palladian Grammar“ [Stiny/Mitchell 1978]; die „Shape Grammar“ zur reproduktiven Generierung von Gebäuden des Typs Präriehaus von Frank Lloyd Wright [Koning/Eizenberg 1981]; die schon mehrfach erwähnte „Pattern Language“ von Christopher Alexander et al. oder die auf einer Sammlung von städtebaulichen Entwurfsarbeiten basierende Arbeit von Gert Urhahn und Miloš Bobic mit dem Titel „A Pattern Image – A typological tool for quality in urban planning“ [Urhahn/Bobic 2000].
Abb. 6.24: Beispiel einer „shape grammar“ und Demonstration einer städtebaulichen Anwendung (Quelle: Mitchell 1990) Die Interpretation von Gestalt, Architektur und visuellen Erscheinungen des Städtebaus als Ergebnis eines Repertoires von Sprachelementen und deren Verknüpfung ist übrigens keineswegs so neu. Analytische Studien über bildliche Grammatiken tauchten bereits Mitte des 19. Jahrhunderts auf, so etwa mit dem klassischen, später die ’Arts and Crafts’-Bewegung stark beeinflussenden Werk von Owen Jones „The Grammar of Ornament“ aus dem Jahre 1856 [Owen 1856/2001; Mitchell 1990: 32; Internet: www.csuchico.edu; www.loc.gov/exhibits/treasures/]; aber auch das in
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der Architekturtheorie so wichtige Werk „Précis des leçons d’architecture“ von JeanNicolas-Louis Durand aus dem Jahre 1802 wird in diese Richtung interpretiert [Mitchell 1990: 149]. Die zweite Spielart der wissensbasierten Methoden, die sowohl in der Architektur wie im Städtebau zur Anwendung kommen, sind die fallbasierten Methoden (im Englischen: ’case-based reasoning’ – CBR). Auch dieser Ansatz ist leicht verständlich: Er basiert auf einer Sammlung von (sehr vielen) Entwurfsfällen, die anhand von zahlreichen, sehr unterschiedlichen Merkmalen beschrieben werden. Steht dann irgendwann eine neue Entwurfsaufgabe zur Bearbeitung an, kann sich der Entwurfsbearbeiter nach einer entsprechenden Anfrage an die Datenbank an bereits bekannten Fällen orientieren. Ein leistungsfähiges CBR-System wird nicht nur diejenigen Fälle heraussuchen, die genau zu den Anfragekriterien passen, sondern darüber hinaus auch in der Lage sein, ähnliche Fälle zu präsentieren. Damit dies gelingt, müssen Kriterien ersonnen und definiert werden, mit denen sich die Ähnlichkeit (’similarities’ in der CBR-Terminologie) von Fällen beschreiben lässt. So gibt es beispielsweise semantisch-textuelle Beschreibungskriterien (z.B.: Einfamilienhaus oder Hotel), numerische Beschreibungskriterien (z.B. Gebäudehöhe oder Gebäudenutzfläche), topologische Beschreibungskriterien (z.B. die direkte Nachbarschaft von bestimmten Gebäudetypen im stadträumlichen Gefüge) sowie geometrische Beschreibungskriterien (z.B. Satteldach oder geometrische Grundrissform). c) Entwurfsbearbeitung mit mobilen Computersystemen im Geoweb Anknüpfend an die Darstellungen zum Computereinsatz in der Anwendung von Planungsmethoden und mobiler Computersysteme in Kapitel 4 sei hier auf die Potentiale dieser Techniken und Methoden für die (künftige) städtebauliche Entwurfsbearbeitung im Zuge von gestalterischen Aufgaben hingewiesen. Das Geoweb, also die mit Geobezügen und Verortungsmethoden in Verbindung stehenden Bereiche des Internets (vgl. Kap. 1, Abb. 1.5), wird neue Möglichkeiten und Formen städtebaulicher Entwurfsarbeit entfalten, die zum jetzigen Zeitpunkt (2010) nur in groben Umrissen erkennbar sind. Die Erfassung städtebaulicher Gestalt mit mobilen Computer- oder Bilderfassungssystemen (Smartphones oder mit GPS-Empfängern ausgestattete Digitalkameras) ist schon heute eine verbreitete Standardanwendung. Desgleichen gilt für die CAD-Bearbeitung im städtebaulichen Entwurfsprozess auf mobilen Computersystemen; Tablettcomputer, die ebenfalls mit GPS-Empfängern ausgestattet sind, dürften den Trend der Vor-Ort-Bearbeitung von Entwurfsaufgaben verstärken. Schließlich werden ‘augmented-reality‘-Techniken (vgl. Kap. 4) der städtebaulichen Gestaltung völlig neue Möglichkeiten eröffnen, indem etwa die im Entwurfsprozess erzeugten Objekte – z.B. ein neues Gebäude in einer Baulücke – unmittelbar in die Realumgebung der städtebaulichen Situation eingeblendet werden und auch dynamische Betrachtungen durch Standortwechsel sowie Bewegung um das Objekt herum realisierbar sind. Der Prozess der Wahrnehmung von Gestaltphänomenen im urbanen Raum, wie eingangs in diesem Kapitel dargelegt (vgl. Abb. 6.3), erfährt eine erhebliche Steige-
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rung durch diese Techniken. Auch manche wahrnehmungspsychologische Erkenntnis und Theorie dürfte vor diesem Hintergrund der unmittelbaren Raum- und Gestaltwahrnehmung von Realität und Virtuellem auf den Prüfstand gehören.
Konzepte, Leitbilder und Instrumente städtebaulicher Gestaltung Da die Gestalt von Städten, städtischen Räumen und gestaltbildenden Einzelobjekten nicht nach objektiven Kriterien gemessen und beurteilt werden kann, ist ein Formulieren von Konzepten und Leitbildern zur städtebaulichen Gestaltung, die für alle Zeiten gültig sind, nicht möglich. Andererseits lassen sich Vorstellungen über städtebauliche Gestaltung auch nicht in totaler Beliebigkeit umsetzen, weil es durchaus einige Prinzipien und Grundsätze städtebaulicher Gestaltung gibt, die zu beachten sind. a) Stadtbaukultur Einige erste sehr wichtige Anhaltspunkte zu Konzepten und etwaigen Leitbildern liefert ein im Dezember 2001 vorgelegter Statusbericht mit dem Titel „Baukultur in Deutschland“, der von dem für das Bauen zuständigen Bundesministerium in Auftrag gegeben wurde [vgl. Internet www.bmvbw.de/architektur-baukultur]. Die baukulturellen Aspekte des Städtebaus spielen darin eine zentrale Rolle – es heißt dort: Die Baukultur „beschränkt sich nicht auf Architektur, sondern umfasst Ingenieurbauleistungen, Stadt- und Regionalplanung, Landschaftsarchitektur sowie die Kunst im öffentlichen Raum gleichermaßen. Die Qualität der Baukultur ergibt sich aus der gesamten Gesellschaft für ihre gebaute Umwelt und deren Pflege.“ Die in diesem Statusbericht enthaltenen Konzepte und Leitbilder städtebaulicher Gestaltung bewegen sich allerdings auf einer sehr abstrakten Ebene. Auf die Frage, „welche Ästhetik mit Baukultur gemeint“ ist, wird eine programmatische Antwort formuliert: „Das gleichberechtigte Nebeneinander unterschiedlicher ästhetischer Ansätze ist ein Wesensmerkmal einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft. Das bedeutet nicht Beliebigkeit, sondern Verpflichtung zur Begründung ästhetischer Entscheidungen. Nicht ein neuer Stil ist nötig und auch nicht der Rückgriff auf vergangene Konventionen, sondern eine neue Konvention des Verschiedenen. Offenheit innerhalb der Europäischen Union und darüber hinaus ist ein Gewinn für das baukulturelle Niveau. Das bedeutet keine Internationalisierung der Ästhetik, sondern die Einbeziehung des internationalen Dialogs zugunsten regionaler Lösungen.“ Für das Messen der Baukultur sollen diesem Bericht zufolge die folgenden Qualitätsmerkmale maßgeblich sein: • • • •
die Gestalt von Bauten und gebauter Umwelt und deren räumliche Integration; deren Gebrauch; die Nachhaltigkeit im ökologischen, sozialen und ökonomischen Sinne; die Verfahren und Regeln der Auftragsvergabe und der Herstellung.
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b) Gestaltungsprinzipien Die Suche nach tragenden Gestaltungsprinzipien ist so alt wie der Städtebau und die Architekturgestaltung. Einen festen Kanon von unumstößlichen Rezepten zur Gestaltung gibt es nicht und wird es nie geben können; dennoch hat es immer wieder Versuche gegeben, Regeln für die Gestaltung von einzelnen Bauwerken oder ganzen Stadtanlagen aufzustellen. Das Pendel der jeweils akzeptierten Prinzipien schlägt mal in die eine Richtung, mal in die andere. Bereits im antiken Griechenland kam es zu einem gravierenden Paradigmenwechsel, als sich im 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung die bis dato geltenden Prinzipien von einer Objektästhetik hin zu einer Subjektästhetik wandelten: Zahlensymmetrien und Proportionen als Grundlage der Gestaltungsprinzipien wurden abgelöst durch die Gesetzmäßigkeiten ’subjektiver’ Proportionen, durch ’Rhythmos’ und die Prinzipien der schönen Erscheinung und des schönen Anblicks, während gleichzeitig auch die Handschrift des Architekten an Bedeutung gewann [vgl. näher Krause 1985: 16]. Gestaltungsprinzipien sind abhängig u.a. von den folgenden Faktoren: • • • •
den Zielen der Gestaltung in Abhängigkeit von der gestellten Aufgabe; der jeweiligen Örtlichkeit; den zeitlichen und epochalen Bedingungen; den baulichen und städtebaulichen Ausdrucksformen einer Gesellschaft einschließlich Geschmack und modischen Einflüssen.
Als wesentliche Gestaltungsprinzipien gelten nach wie vor [vgl. z.B. Albers 1988: 221ff]: • • • • • •
Ästhetik als das Bemühen um eine ansprechende Gestaltung von Baumassen und baulich gefassten Außenräumen; Orientierung für die Stadtbewohner, um räumliche Zusammenhänge und Beziehungen bewusst zu machen und Vertrautheit mit dem Ort herzustellen; Identifikation im Sinne einer Art Inbesitznahme der urbanen Umwelt durch die Stadtbewohner; Individualität und Unverwechselbarkeit des Stadtbildes im Gegensatz zu Vereinheitlichung (Monotonie) und zu starker Typisierung; Herstellung von Attraktivität durch Inszenierung von urbanen Gestaltqualitäten im Wechselspiel von Harmonie und Ordnung, Spannung und Überraschung; Maßstäblichkeit als Ausdruck dafür, dass die urbanen Gestaltelemente in ihrer Größe aufeinander abgestimmt sein und den Nutzerbedürfnissen entsprechen sollten.
In den Empfehlungen zur Straßenraumgestaltung innerhalb bebauter Gebiete, herausgegeben von der Forschungsgesellschaft für das Straßen- und Verkehrswesen, werden als „immaterielle Ansprüche der Menschen an die bebaute Umwelt“ sechs Aspekte genannt: Orientierung, soziale Brauchbarkeit, Identifikation, Identität, Anregung – und Schönheit [ESG 1987: 7f].
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Hier taucht mit dem Begriff der Schönheit ein wichtiges Gestaltungsprinzip auf, das immer wieder genannt wird, wenn auch stets Unbehagen dabei mitschwingt. In der Tat beurteilt der Betrachter eine urbane Situation zunächst einmal ganz individuell und subjektiv danach, ob sie ihm gefällt oder nicht. So naheliegend dieses Prinzip auch sein mag, seine Operationalisierbarkeit stößt doch immer wieder auf Schwierigkeiten. Selbst Platon’s Gedanke, dass das Schöne und das Gute gleichbedeutend seien und sich das Gute in der Polis – sowohl durch den urbanen Raum als auch in der konstitutionellen Organisation der Stadt – manifestiere, hilft nicht wirklich weiter, denn auch damals war – als eine gesellschaftliche Vereinbarung über visuelle Sachverhalte – der Begriff des Schönen immer an eine bestimmte Zeit gebunden [Krause 1985: 5]. Platon’s Lehrer Sokrates indes hatte seine eigene Auffassung vom Wesen des Schönen: „Beim Zeus!“, so ein berühmter Ausspruch von ihm, „Auch ein Mistkorb ist schön und ein goldener Schild hässlich, wenn für seine Zwecke jener schön gearbeitet ist, dieser aber schlecht“. Auch der Versuch, mit der Informationsästhetik Schönheit zu operationalisieren, war, wie gezeigt wurde, zum Scheitern verurteilt. So mag am Ende gelten, was uns Fritz Schumacher im „Geist der Baukunst“ wissen lässt, dass nämlich „der Begriff ’Schönheit’ für die Architektur nicht eine wirklich klärende Bedeutung besitzt“ [Schumacher 1938: 14; eine differenzierte Darstellung der – philosophischen und kunsttheoretischen – Sichtweisen findet sich auch bei Mitchell 1990: 34ff]. Seit einiger Zeit ist in Deutschland die Diskussion um Schönheit im Städtebau erneut im Gange. Das „Deutsche Institut für Stadtbaukunst“ – durch den Architekten Christoph Mäckler im Jahre 2008 an der Technischen Universität Dortmund gegründet – hat sich die „Erforschung und Lehre der Kunst des Städtebaus“ auf die Fahne geschrieben, um vor allem den „künstlerischen Charakter des Städtebaus [...] und die ästhetisch-gestalterische Seite der Stadt“ zu betonen [Internet www.dis.tu-dortmund.de]. Ein zentrales Leitmotiv des Instituts ist die Herausbildung und Realisierung von Schönheit, verankert im Manifest der „10 Grundsätze zur Stadtbaukunst heute“, wo es heißt: „Jedes innerstädtische Bauwerk muss als Baustein der Stadt dauerhaft und schön sein, um auf diese Weise eine qualitätvolle und zukunftsfähige städtische Umwelt zu schaffen“ [Internet www.dis.tu-dortmund.de/www.dis.tu-dortmund.de/images/bilder/grundsaetze.pdf]. Unabhängig von dieser Diskussion auf nationaler Ebene lassen sich seit einiger Zeit, wenn wir einen globalen Betrachtungsmaßstab anlegen, zwei Hauptrichtungen in der Umsetzung von Gestaltungsprinzipien feststellen, wobei die Verwendung von Anglizismen bei beiden dieser Tendenzen die Herkunft verrät. Es handelt sich um: • •
Realisierung von Hochhausprojekten, eine weltweit zu beobachtende Tendenz zu Stadtraumgestaltung durch Skyscraping, sowie um die Realisierung von städtebaulichen Projekten durch Aufgreifen traditioneller Ausdrucksformen, zum Beispiel beim sogenannten New Urbanism.
Im ersten Fall handelt es sich um eine globale Erscheinung, nämlich mit Hochhausprojekten Städte gestalten, Stadtentwicklung vorantreiben und das Image der Städte gegenüber ihrer globalen Konkurrenz erhöhen zu wollen. Nicht nur die gro-
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ßen Metropolen, sondern auch mittelgroße Städte versuchen, sich durch dominierende Hochbauten in Szene zu setzen, um in der ’Ökonomie der Aufmerksamkeit’ (vgl. Kap. 2) regionale oder überregionale Beachtung zu erheischen. Meist handelt es sich dabei um Verwaltungsbauten, in denen häufig der Hauptsitz oder eine wichtige Zweigstelle von großen Konzernen untergebracht wird, um auf diesem Wege eine werbewirksame Außendarstellung zu betreiben oder Vorteile für die Akquisition komplementärer Betriebe zu gewinnen.
Abb. 6.25: Hochhausprojekte als Gegenstand städtebaulicher Gestaltungsplanung; links: Frankfurt a. M., rechts: Bonn Im vergangenen Jahrzehnt war geradezu ein Boom beim Bau von Hochhäusern zu verzeichnen: 8% aller Hochhäuser weltweit befanden sich um das Jahr 2005/2006 im Bau und 40% der 200 höchsten Skyscraper wurden erst nach dem Jahre 2000 realisiert [The Economist 01.06.2006]. In engem Zusammenhang mit der Realisierung von Hochhausprojekten und anderen großvolumigen Bauvorhaben steht die Tendenz, Gebäudefassaden als überdimensionale Projektionsflächen und digitale Displays zu verwenden. Gelegentlich ist auch von einer ’Billbordisierung’ im Städtebau die Rede, weil diese digitalen Projektionsflächen vor allem für Werbezwecke gedacht sind. Manchmal wird gar versucht, mit einer digitalen Gebäudehülle die Gestalt eines längst verschwundenen Baus zu simulieren, wie dies im Rahmen der Diskussion um einen etwaigen ’Wiederaufbau’ des Berliner Stadtschlosses unter dem Titel „Janus-Schloss“ von Meinhard von Gerkan vorgeschlagen wurde [Internet www.gmp-architekten.de]. Öffentliche Räume verändern auf diese Weise zunehmend ihren Gestaltcharakter, weil Gestaltqualitäten permanent manipulierbar sind und sich ständig verändern können. Die Tendenz einer Simulation von Gestaltqualitäten deutet sich schon seit
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längerem an. Ein Entwurf etwa für die Düsseldorfer Königsallee von Markus Pasing [vgl. Fröschl 1994] arbeitete mit interaktiven Fassaden, die auf klimatische Gegebenheiten der Umgebung oder auf Flaneuraktivitäten im öffentlichen Raum reagieren. Die heutigen Gestaltungsvorstellungen gehen somit weit über das hinaus, was durch den Times Square in New York, als Urtyp dieser Art von Gestaltung öffentlicher Räume, bereits über viele Jahrzehnte bekannt war und entsprechende Faszination ausübte. Im Gegensatz zum weltweiten Hochhausboom handelt es sich beim New Urbanism um eine eher gegenläufige Tendenz, die zunächst in den USA ihren Ursprung hatte, in abgewandelter Form aber auch anderweitig in Erscheinung tritt. Allein der Simulationsaspekt ist beiden gemeinsam, dort als Simulation des äußeren Erscheinungsbildes, hier die Simulation tradierter städtebaulicher Abb. 6.26: Geplantes Städtebauprojekt nach den Ausdrucksformen. Indem Prinzipien des New Urbanism im Quartier am Tanämlich altbekannte Koncheles in Berlin; nach Entwurf von A. Duany zepte wie die von Clarence (Quelle: Internet www.stadtentwiclung.berlin.de) Arthur Perry’s ’Neighborhood Units’ für die New Yorker Regionalplanung aus dem Jahre 1929 und einer Verwirklichung des „American Dream“ in neuem Gewand erscheinen, werden ebenso romantische wie retrospektive Vorstellungen von städtebaulicher Gestaltung zelebriert mit Gebäudetypen, die häufig an viktorianische und neoklassische Architektur erinnern [Bressi 1992: XXV; vgl. außerdem Schwerpunktheft 12/2000 der Zeitschrift „Stadtbauwelt“]. Zur Durchsetzung der neotraditionalistischen Gestaltvorstellungen werden üblicherweise außerordentlich stringente Gestaltungsvorschriften – ein ’Urban Code’ – entwickelt, von denen nicht abgewichen werden darf (was, wie in den USA, ohnehin dadurch sichergestellt ist, dass die Projektrealisierung in den Händen eines Developers liegt). Eines der bekanntesten Beispiele in den USA ist der Ferienort Seaside in Florida, einem breiten Publikum bekannt geworden durch Prinz Charles’ vehemente Fürsprache in seinem Buch „A Vision of Britain: A Personal View of Architecture“ aus dem Jahre 1989 und den Kinofilm „The Truman Show“ (Premiere Juni 1998). Mittlerweile gibt es eine Vielzahl derartiger Projekte, die in den USA häufig in Form von ’Gated Communities’ realisiert wurden. Doch nicht nur in den USA, auch anderenorts sind neotraditionalistische Tendenzen im Städtebau anzutreffen. Selbst an Deutschland ist die Diskussion um den amerikanisch-angelsächsisch geprägten ‘New Urbanism‘ nicht vorbeigegangen. Zu-
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nehmend wird die Frage aufgeworfen, ob es sich hierbei auch um ein tragbares Konzept für die ‘Zwischenstadt‘ und zur Gestaltung von ‘Suburbia‘ handeln könnte, und ob auch innerstädtische Quartiere nach diesen Vorstellungen realisiert werden sollten. So gibt es bereits realisierte und projektierte Beispiele, wie das Kirchsteigfeld-Projekt bei Potsdam (Architekt Rob Krier) oder die (heftig umstrittenen) Masterplanungen zum Quartier am Tacheles in Berlin-Mitte durch den Architekten Andrés Duany, einen der führenden Protagonisten des ‘New Urbanism‘ in den USA (vgl. Abb. 6.26) [zur Diskussion vgl. z.B. Bodenschatz 2000 oder Internet www.ceunet.de; www.stadtent-wicklung.berlin.de] c) Positive Gestaltungsplanung und Verunstaltungsabwehr Konzepte städtebaulicher Gestaltungsplanung bedürfen letztendlich auch der Realisierung, wobei das instrumentelle Repertoire des Baugestaltungsrechts auf die Umsetzung einen wichtigen Einfluss ausüben kann. Grundsätzlich gibt es dafür zwei Möglichkeiten. So kann auf die Gestaltung aktiv Einfluss genommen werden, indem entsprechende Gestaltungsvorschriften – wie bei den ’urban codes’ des ‘New Urbanism‘ – entwickelt werden, die bei jeder einzelnen Baumaßnahme zwingend zu beachten sind. Es handelt sich hier gewissermaßen um eine positive Gestaltungsplanung, die im Gegensatz zur bloßen Verunstaltungsabwehr steht, bei der es darum geht, augenfällig und grob verunstaltende bauliche Maßnahmen zu verhindern. Zu den Instrumenten der positiven Gestaltungsplanung gehören im Falle Deutschlands gestaltbezogene Festsetzungen in Bebauungsplänen, Gestaltungssatzungen oder durch Verträge privatrechtlich abgesicherte Gestaltungsprinzipien. Im Gegensatz dazu steht die Verunstaltungsabwehr, die sich – im Falle Deutschland – aus den entsprechenden Verunstaltungsparagraphen der Landesbauordnungen ergibt. Üblicherweise lauten dort die Formulierungen wie folgt: a) bauliche Anlagen sind nach Form, Maßstab, Verhältnis der Baumassen und Bauteile zueinander, Werkstoff und Farbe so zu gestalten, dass sie nicht verunstaltend wirken; b) bauliche Anlagen sind mit ihrer Umgebung derart in Einklang zu bringen, dass sie das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild oder deren beabsichtigte Gestaltung nicht stören (so in § 5 der Landesbauordnung des Landes Rheinland-Pfalz wie auch ähnlich in den Landesbauordnungen anderer Bundesländer). Dabei stellt sich unweigerlich die Frage, nach welchen Kriterien festgestellt wird, ob und inwieweit eine bauliche Anlage denn eigentlich verunstaltend wirkt. Die Diskussion darüber ist sehr alt, denn seit Jahrhunderten gehört die Sorge um die ästhetische Gestaltung baulicher Anlagen zu den Aufgaben des Baurechts. Der Durchbruch des politischen Liberalismus zu Beginn des 19. Jahrhunderts führte dann auch im deutschen Baurecht dazu, dass nur noch (baupolizeiliche) Regelungen zur Gefahrenabwehr als statthaft angesehen wurden, Polizeibehörden aber nicht zur Wahrung ästhetischer Interessen befugt waren. Erst durch eine Reichsverordnung aus dem Jahre 1936 wurde der ausschließlich negative Verunstaltungsbegriff durch positive Gestaltungserfordernisse ersetzt. Knapp zwei Jahrzehnte später wurde im Zuge einer rechtlichen Überprüfung mit
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Urteil vom 28.6.1955 gerichtlich entschieden, dass der in der Baugestaltungsverordnung enthaltene Begriff der „anständigen Baugesinnung“ als unbestimmter Rechtsbegriff nur dann gültig sei, wenn er dahingehend ausgelegt werde, dass nicht bereits jede Störung der architektonischen Harmonie, also die bloße Unschönheit, sondern nur die Verunstaltung, also ein hässlicher, das ästhetische Empfinden des Betrachters nicht bloß beeinträchtigender, sondern verletzender Zustand gemeint sei. Bei der Beurteilung wird dann ausdrücklich auf den ästhetisch besonders empfindsamen oder geschulten Betrachter abgestellt – auf „das ästhetische Empfinden des gebildeten Durchschnittsmenschen“ [Maué 1957; Ernst/Hoppe 1978: 374]. Kopfzerbrechen bereitete dann allerdings der Begriff des „gebildeten Durchschnittsmenschen“, der nicht allein unter quantitativen Aspekten (statistischer Durchschnitt), sondern nach qualitativen Merkmalen Allgemeingültigkeit erlangen sollte. Um die rechtliche Beurteilung qualitativ einzugrenzen, wurde vorgeschlagen, den in Frage kommenden Personenkreis zwischen drei polaren Begriffspaaren einzuordnen: zwischen Individualismus der freien Entfaltung des Individuums und kollektiven Schönheitsnormen, zwischen retrospektivem Traditionalismus und traditionsbrechendem Avantgardismus sowie zwischen dem detailversessenen Pedanten und dem die Mittelmäßigkeit verachtenden Genie [Maué 1957]. Unser gegenwärtig geltendes Bau- und Städtebaurecht in Deutschland bietet, neben den entsprechenden Verunstaltungsparagraphen der Landesbauordnungen, noch weitere Instrumente zur Abwehr von Verunstaltungen, nämlich die Möglichkeit, Erhaltungssatzungen nach dem Baugesetzbuch oder Denkmalbereichssatzungen nach den Denkmalschutzgesetzen der einzelnen Bundesländer zu erlassen. d) Gestaltungssatzungen Gestaltungssatzungen stellen in Deutschland ein wichtiges Instrument dar, mit dem auf die Gestaltung von baulichen Anlagen Einfluss genommen werden kann. Der Erlass von Gestaltungssatzungen obliegt den Städten und Gemeinden aufgrund einer rechtlichen Ermächtigung durch die Landesbauordnungen. Der erste Schritt zur Erarbeitung einer Ortssatzung ist die Gebietsabgrenzung bzw. Zonung des vorgesehenen Geltungsbereichs, die etwa im Falle historischer Bausubstanz mit einer Gewichtung der einzelnen Zonen untereinander einhergeht, um den Bindungsgrad der gestaltgebenden Eingriffe an die vorhandene Bebauung auszudrücken. Sodann können Gestaltungsvorschriften für die folgenden Aspekte formuliert werden: • • • • • • •
Ausdehnung nach Länge, Breite und Höhe der baulichen Anlagen Körperform der baulichen Anlagen Dachformen, Dachneigungen, Dacheinschnitte etc. Material und Gliederung der Fassaden Farbgebung Werbeanlagen, Einfriedungen, Bepflanzungen und Bodenbeläge sonstige architektonische Details wie Befensterungsmuster etc.
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Ein wichtiger Punkt bei der Formulierung von Gestaltungsvorschriften ist, dass diese sowohl positiv als auch negativ formuliert werden können. Bei den Positivvorschriften handelt es sich um Gebote, bei denen alles verboten ist, was nicht ausdrücklich erlaubt wird. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei den Negativvorschriften um Verbote; alles, was nicht ausdrücklich verboten wird, ist erlaubt. Somit sind Gebote in ihrer Wirkung stärker als Verbote, und der Umgang mit ihnen sollte eher sparsam erfolgen [vgl. Trieb et al. 1985: 109].
Abb. 6.27: Visualisierte Begründung für Regelungen in Gestaltsatzungen am Beispiel Lübeck (Quelle: Schmidt 1990) Auch die Frage, ob und inwieweit Gestaltungssatzungen grundsätzlich nur zur Abwehr von Verunstaltungen nach dem oben genannten Kriterium oder aber auch zur positiven Durchführung bestimmter gestalterischer Absichten einzusetzen sind, wird bei der Ausformulierung des Satzungstextes zu beachten sein [einige Hinweise dazu finden sich etwa bei Gehrmann 1975]. Insgesamt betrachtet sollten bei der Erstellung von Gestaltungssatzungen die folgenden Grundsätze beachtet werden [nach Krause 1974: 132]: •
• • • •
Gestaltungsanweisungen sind für unterschiedliche räumliche Geltungsbereiche zu entwickeln und sollten nicht für einen ganzen Stadtkern oder einen ganzen Ort gleichermaßen gelten; Gestaltungsanweisungen haben neue Baustoffentwicklungen mitzuberücksichtigen; grundsätzlich ist es zweckmäßiger, weniger mit Geboten als mit Verboten umzugehen; Gestaltungsanweisungen haben die Kostenrelationen bezüglich der vorgeschriebenen Baumaterialien zu berücksichtigen; Gestaltungsanweisungen sollten kreativen Lösungen bei der architektonischen Ausgestaltung nicht entgegenstehen;
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• •
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Gestaltungsanweisungen haben sich im Hinblick auf die örtlichen Gegebenheiten auf das wirklich notwendige Maß zu beschränken; Gestaltungsanweisungen sind eindeutig zu formulieren, um den Ermessensspielraum möglichst gering zu halten.
Da Vorschriften über die bauliche Gestaltung gelegentlich in einer sehr verwaltungstechnischen Sprache abgefasst sind, haben sich vielerorts Baugestaltungsfibeln als zweckmäßig erwiesen, mit denen vor allem durch visualisierte Erläuterungen die jeweilige Satzung Gebäudeeignern verständlich gemacht wird. Als besonders beispielhaft bekannt geworden sind die „Oberhachinger Baufibel“, die Gestaltungsfibel zur Gestaltungsplanung Innenstadt Werne, die Gestaltungssatzung für Kempten im Allgäu oder die als aktuelle Bürgerinformation aufbereitete „Stadtgestalterische Satzung“ für Neu-Isenburg [Oberhaching 1977; Herne 1995; Bayerisches Staatsministerium des Innern – Oberste Baubehörde 1977; Neu-Isenburg 1983]. Gestaltungssatzungen und deren Gestaltungsanweisungen können auch Bestandteil von Bebauungsplänen werden [vgl. dazu etwa Stüer 2001: 52ff]. Dieser Aspekt wird im Kapitel Bauleitplanung gesondert aufgegriffen.
Stadtgestalterisches Entwerfen und städtebaulicher Entwurf Dass die zentrale Instanz bei jeder städtebaulichen Gestaltungsplanung der städtebauliche Entwurf ist, haben die vorangegangenen Darstellungen bereits deutlich gemacht. Im Gegensatz aber zur Entwurfsarbeit im Zuge von städtebaulichen Strukturplanungen fließt in den Entwurfsprozess bei der städtebaulichen Gestaltfindung auch künstlerisches Können und ästhetische Ausdruckskraft des Entwerfers ein. Das Entwerfen selbst hatten wir schon definiert als innovativen, kreativen und in der Regel heuristischen Gestaltungs- bzw. Suchvorgang, bei dem unter vorgegebenen Zielsetzungen, Randbedingungen und Kriterien eine bislang noch nicht bekannte Organisation von Objekten, Sachverhalten o.ä. hergestellt wird. Innovation, Kreativität und Heuristik stehen also im Mittelpunkt des stadtgestalterischen Entwerfens (Heuristik = Findungskunst; das griech. ’heureka’ steckt in dem Wort – untrennbar verbunden mit dem Sprung des Archimedes aus der Badewanne bei Entdeckung des Auftriebs von Gegenständen in Flüssigkeiten; vgl. InternetQuelle auf beiliegender DVD). Der städtebauliche Gestaltungsentwurf vermag allein durch die Art und Weise seiner visuellen Darbietung Gefallen zu erzeugen oder Distanz und Ablehnung herbeizuführen. Und somit kommt es vor, dass gelegentlich nicht so sehr die Methoden der Gestaltfindung im Vordergrund des städtebaulichen Entwerfens stehen, sondern die Art der Vermittlung einer Idee und die Form einer gefälligen Präsentation. Zu Beginn des Kapitels 4 haben wir uns bereits ausführlich über das Wesen des Entwerfens und über den Entwurfsvorgang ins Bild gesetzt. Erinnert sei an Fritz Schumacher’s vier Phasen des baulichen Gestaltens bestehend aus: 1) dem Phantasieakt, 2) der Einschätzung der Materialisationsmöglichkeiten, 3) der maßstäbli-
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chen Materialisation durch Modelle und Zeichnungen sowie 4) der konkreten Ausführung [Schumacher 1938: 280ff; ausführlich zitiert in Kap. 4]. a) Methodische Anhaltspunkte Gerade im Bereich der dreidimensional-räumlichen Gestaltung ist der städtebauliche Entwurf stark abhängig von individueller Kreativität und persönlichem Können bei der Erzeugung und Vermittlung von ästhetisch ansprechenden Entwurfsideen. Dennoch seien, trotz bestehender Vorbehalte gegenüber einer zu ausgeprägten Stringenz, einige methodische Anhaltspunkte zum Entwerfen erlaubt. Dazu gehören etwa die folgenden Schritte [vgl. Reinborn/Koch 1992, Prinz 1993 oder Hartmann 1980: 144]: • • • •
Erzeugung von Ideen-Alternativen zu einer vorgegebenen Aufgabe; Aufgreifen und Einbeziehen von gegebenen Randbedingungen, die vor allem in räumlicher Hinsicht entwurfsdeterminierend wirken; Konzeptentwicklung in sukzessiver Verfeinerung vom Abstrakten zum Konkreten; Realisierung von stufenweise zunehmender Detaillierung unter Ausarbeitung der entsprechenden Entwurfsdetails.
Bei jedem städtebaulichen Entwurf geht es zunächst einmal darum, eine für die Ausarbeitung der gestalterischen Konzeption leitende Idee zu generieren. Dazu wird man verschiedene alternative Vorstellungen für eine vorgegebene Gestaltungsaufgabe entwickeln, von denen dann eine zur weiteren Bearbeitung ausgewählt wird. Als zweckmäßig erweist sich häufig ein auf den Punkt gebrachtes Motto oder eine leitende Metapher, die dazu dient, dem Entwurfsprozess Sinnfälligkeit zu verleihen, ihn zu strukturieren und das Entwurfsergebnis zu vermitteln und zu begründen. Desweiteren geht es im Entwurfsprozess darum, gegebene Randbedingungen – topographische Gegebenheiten, ein Baum als Naturdenkmal, Wasser oder bereits vorhandene städtebauliche Dominanten oder Blickbeziehungen – als quasi entwurfsdeterminierend aufzugreifen. Dieses Vorgehen erleichtert das Entwickeln von Konzeptvorstellungen erheblich; in einer völlig ebenen und leeren Wüste zum Beispiel fehlen derartige Anknüpfungspunkte, was einen städtebaulichen Entwurf dort eher erschwert. Auf der anderen Seite aber kann ein zu starkes Orientieren an Randbedingungen und Suchen nach Anknüpfungspunkten eine Barriere für die Erzeugung völlig neuer konzeptioneller Ideen darstellen, weshalb auch diese methodische Strategie nur in Grenzen Gültigkeit besitzt. Im weiteren Entwurfsprozess werden die anfangs recht abstrakten Vorstellungen des Gestaltungskonzepts immer konkreter ausgearbeitet, wie auch in Abbildung 6.28 skizzenhaft zu erkennen ist. Am Beginn dieses Entwurfsprozesses stehen konzeptionelle Überlegungen, die große Ähnlichkeiten mit einem städtebaulichen Strukturplan, wie er in Kapitel 5 behandelt wurde, aufweisen. Daraus werden sukzessiv immer konkretere Ausarbeitungen des städtebaulichen Gestaltungskonzepts
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entwickelt, bis am Ende ein anschauliches und hinsichtlich aller funktionalen Erfordernisse klar erkennbares Plangebilde vorliegt. Dieser Prozess vom Abstrakten zum Konkreten kann sowohl mit graphischen Mitteln als auch mit den Möglichkeiten des Modellbaus – in der Schrittfolge Ideenmodell, Massenmodell, Präsentationsmodell – erfolgen.
Abb. 6.28: Entwurfsarbeit für eine kleinere städtebauliche Situation – links: erste Skizzierung der nachbarschaftlichen Einfügung, Orientierung und Erschließung; rechts: skizzenhafter Entwurf der baukörperlichen Zusammenhänge (Quelle: Hartmann 1980) Korrespondierend dazu wird man sich während des Entwurfsprozesses immer mehr auch den Entwurfsdetails zuwenden: einer Platzgestaltung etwa, bei der in der Oberflächengestaltung des Platzes, in der Systematik der Bepflanzungen oder der Positionierung eines Brunnens beabsichtigte Blickbeziehungen aufgriffen werden. Die genannten Punkte stehen im Entwurfsprozess untereinander in ständiger Wechselwirkung und werden außerdem überlagert durch Bearbeitungsmodi in verschiedenen Maßstäben, die nicht selten auch noch in synchroner Weise zum Einsatz kommen. Auch die Beachtung dieser methodischen Anhaltspunkte garantiert nicht unbedingt einen akzeptablen Gestaltungsentwurf. Die Spielräume des individuellen Entwerfens sind groß und sollten es auch bleiben. b) Experimentalstudien Eine völlig andere Art des Herangehens an eine Entwurfsaufgabe besteht darin, auf experimentelle Weise im Umgang mit medialen Möglichkeiten zu einer Entwurfslösung oder zu verschiedenen Lösungsalternativen zu gelangen. Bereits in Kapitel 4 – Methoden der Stadtplanung – wurden die Potentiale des medienexperimentellen Arbeitens vor allem mit den technischen Möglichkeiten von Computersystemen kurz dargelegt. Um die dort erläuterten Prinzipien im Kontext des stadtgestalterischen Entwerfens noch etwas zu veranschaulichen, sei ein Beispiel präsentiert.
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In diesem Beispiel geht es um die Simulation von Wachstumsprozessen, mit denen großstädtisch-urban anmutende Gestaltungsmuster erzeugt werden können. Grundlage sind einzelne, zellartige Bauelemente, die nach bestimmten Regeln aneinandergesetzt werden und aufeinander Bezug nehmen. Die Darstellungen in Abbildung 6.29 machen deutlich, welche in ihrer Komplexität überraschenden Grundrissstrukturen mit Straßenzügen und Platzbildungen dabei entstehen können. Das Beispiel ist ausführlich auf beiliegender DVD dokumentiert; es zeigt in einem dynamischen Prozess das Entstehen der Gestaltungsmuster. Weitere Beispiele medienexperimenteller Entwurfsstudien finden sich in den nachfolgenden Kapiteln, die sich mit Stadterneuerung und Stadtentwicklung befassen.
Abb. 6.29: Generierung einer städtebaulichen Situation durch medienexperimentelle Verfahren: Generierungsprozess (links) und Ergebnisdarstellung (rechts)
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Übersicht Im vorliegenden Kapitel findet eine vertiefende Darstellung der bereits in Kapitel 3 kurz angesprochenen Bauleitplanung statt. Damit wird das wichtigste instrumentelle Repertoire thematisiert, das der Stadtplanung aus den institutionellen Vorgaben des deutschen Planungsrechts zur Verfügung steht. Angesichts der Tatsache, dass es gerade für diesen zentralen Bereich der städtebaulichen Planung eine schier unüberschaubare Menge an Publikationen gibt, mag die Frage berechtigt sein, in welcher Weise dem noch etwas hinzuzufügen wäre. Im Gegensatz aber zu den größtenteils aus dem Umfeld des Rechtswesens und der praktischen Anwendung des Planungsrechts kommenden Darlegungen wird in den nachfolgenden Erläuterungen der Einsatz von digitalen Informationsverarbeitungssystemen stärker akzentuiert. Dazu bedarf es zunächst einer kurzen Darstellung der Systematik der Bauleitplanung, an die sich dann die Frage anknüpfen kann, welche Möglichkeiten der Computereinsatz in der Bauleitplanung eröffnet. Anschließend werden, stets in Bezug gesetzt mit dem Computereinsatz, alle wichtigen Aspekte der Bauleitplanung behandelt. Daraus ergibt sich eine Darstellung der Bauleitplanung unter folgenden acht Einzelaspekten: • • • • • • • •
Systematik der Bauleitplanung Computereinsatz in der Bauleitplanung Flächennutzungsplan Bebauungsplan Aufstellungsverfahren Akteure der Bauleitplanung Abwägung Sicherung und Realisierung der Bauleitplanung
B. Streich, Stadtplanung in der Wissensgesellschaft, DOI 10.1007/978-3-531-93164-7_8, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Systematik der Bauleitplanung Zunächst erfolgt ein kurzer Überblick über die Systematik der Bauleitplanung in Deutschland nach den gesetzlichen Regelungen des Baugesetzbuches (BauGB) und seinen für die städtebauliche Planung relevanten komplementären Rechtsvorschriften. In Kapitel 3 wurde bereits kurz auf die Systematik des städtebaulichen Planungsrechts mit seiner Verzahnung zu anderen planungsrelevanten Rechtsgebieten sowie auf die Systematik des Baugesetzbuches selbst eingegangen. An dieser Stelle wird eine andere, quasi umgekehrte Systematik zu Grunde gelegt. Ausgangspunkt ist die Zielsetzung der Bauleitplanung – als Bestandteil der städtebaulichen Planung –, die darin besteht, das Bauen zu regeln, indem anhand der Zulässigkeit von (Bau-)Vorhaben die Frage nach der Art der Pläne (sofern solche vorliegen) mit ihren Zulässigkeitsvoraussetzungen und -einschränkungen zu stellen ist. Grundlage der Darstellung ist das Baugesetzbuch in der Fassung seines Inkrafttretens am 20.07.2004, also in der Version, die nach der Novellierung durch das Europarechtsanpassungsgesetz (EAG Bau) Rechtskraft erlangt hat. Durch das EAG Bau sind vor allem EU-Richtlinien in das BauGB integriert worden [vgl. Krautzberger 2004; EAG Bau RegE 2003]. Da einige der früheren Vorschriften, auch manche planungsrechtlich nahezu ’angestammte’ Begrifflichkeiten – wie etwa der „Erläuterungsbericht“ beim Flächennutzungsplan oder die „Bürger“-Beteiligung beim Verfahrensablauf der Planaufstellung – auch heute und zukünftig noch von einiger Bedeutung sind, werden in den nachfolgenden Darstellungen die verschiedenen Fassungen des Baugesetzbuches voneinander unterschieden, sofern dies aus systematischen Gründen und zum Verständnis der Rechts- und Begriffsentwicklung notwendig erscheint. Auch der Umstand, dass Bauleitpläne nach altem Planungsrecht bestehen bleiben und entsprechend erteilte Baugenehmigungen Bestandsschutz genießen, zwingt zu einer zweigleisigen Erläuterung des Rechts der Bauleitplanung. Grundsätzlich beziehen sich die Erläuterungen allerdings auf die aktuelle Version des Baugesetzbuches. Während der Bearbeitung der Neuauflage dieses Buches befanden sich Novellierungsarbeiten zum BauGB in Vorbereitung. Diese haben zum Ziel, unter anderem den Klimaschutz und die Förderung erneuerbarer Energien in das Städtebaurecht zu verankern. Hinsichtlich dieser anstehenden Änderungen wird auf Spezialliteratur oder auf entsprechende Stellen im Internet verwiesen. a) Zulässigkeit von Bauvorhaben Bei der Zulässigkeit von Bauvorhaben – das Baugesetzbuch benutzt ausschließlich den Begriff ’Vorhaben’, wenn es um die Errichtung, Veränderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen geht – sind nach dem städtebaulichen Planungsrecht verschiedene Fälle, abhängig von den in Abbildung 7.1 dargestellten räumlichen Gegebenheiten, zu unterscheiden. Allgemein gesprochen, richtet sich die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens danach,
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ob ein für die Genehmigung maßgeblicher Plan vorhanden ist, ob sich ein solcher Plan in Aufstellung befindet, ob sich das Vorhaben ohne einen solchen Plan innerhalb eines schon bebauten Gebietes befindet oder ob ein Vorhaben außerhalb schon vorhandener Siedlungsbereiche liegt, für die es auch keinen maßgeblichen Plan gibt.
Die Außengrenzen einer Stadt oder Gemeinde (siehe Abb. 7.1) grenzen das Gebiet ab, auf dem die Stadt oder Gemeinde ihre Planungskompetenz und -hoheit selbständig ausübt. Auf dem Territorium der Stadt oder Gemeinde wird zwischen ’bebauten’ und ’nicht bebauten’ Gebieten unterschieden. Handelt es sich bei den bebauten Gebieten um solche, die flächenhaft zusammenhängen, werden sie in der Terminologie des städtebaulichen Planungsrechts als „im Zusammenhang bebaute Ortsteile“ bezeichnet bzw. kurz als ’Innenbereich’. Im Innenbereich wiederum ist zu differenzieren zwischen unbeplantem und beplantem Innenbereich. Im ersten Fall handelt es sich um bereits bebaute Gebiete, für die kein städtebaulicher Plan in der rechtsverbindlichen Qualität eines Bebauungsplans vorliegt; im zweiten Fall liegen hingegen Bebauungspläne vor.
Abb. 7.1: Räumliche Bereiche in den Kategorien der Bauleitplanung Nun werden Bebauungspläne nicht nur für die Innenbereichsflächen einer Stadt bzw. Gemeinde aufgestellt, sondern, je nach städtebaulicher Entwicklung und daraus resultierendem Erweiterungsbedarf, auch für den (zunächst noch unbebauten) Ortsrand oder für Gebiete, die sich abseits von Ortschaften und Siedlungsbereichen befinden. In beiden Fällen handelt es sich um eine flächenhafte Umwidmung von Freiraumnutzungen (vormals vielleicht landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen) zu baulichen Nutzungen.
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Alle Gebiete einer Gemeinde, die nicht zum Innenbereich gehören und für die es keine rechtskräftigen Bebauungspläne gibt, sind dem Außenbereich zuzurechnen. Der Außenbereich ist allerdings nicht in Gänze identisch mit unbebauten Arealen der Stadt oder Gemeinde. Gebiete nämlich, für die es einen rechtskräftigen Bebauungsplan und damit Baurecht gibt, die aber aus irgendwelchen Gründen noch nicht bebaut sind, gehören, selbst wenn dort nur grüne Wiesen oder Äcker vorzufinden sind, nicht zum Außenbereich. Soll nun eine Baugenehmigung für ein bestimmtes Vorhaben erteilt werden, ist seitens der Genehmigungsbehörde zunächst festzustellen, welcher der genannten planungsrechtlichen Fälle vorliegt: vorhandener Bebauungsplan, unbeplanter Innenbereich, Außenbereich oder – als Sonderfall – ein in Aufstellung befindlicher Bebauungsplan. Die Zulässigkeit von Vorhaben bemisst sich dann nach den vom Baugesetzbuch vorgegebenen Kriterien, die sich aus den in Abbildung 7.1 dargestellten räumlichen Bereichszuordnungen ergeben. Grundsätzlich gilt für alle Fälle, dass die folgenden Voraussetzungen stets erfüllt sein müssen: • •
•
die Erschließung muss gesichert sein; bauordnungsrechtliche Voraussetzungen nach der jeweiligen Landesbauordnung (Standsicherheit des Gebäudes, Gestaltung/Verunstaltung, Grenzabstände etc.) müssen erfüllt sein; andere Bestimmungen des Fachrechts (z.B. Denkmalrecht) dürfen einer Baugenehmigung nicht entgegenstehen.
Die Frage nach der planungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens nach dem Baugesetzbuch bildet somit lediglich einen Ausschnitt aus der Gesamtprüfung, die im Rahmen einer Baugenehmigungserteilung vorzunehmen ist. Von großer praktischer Bedeutung für die Realisierung von Bauvorhaben ist die Erschließung, mit der sichergestellt wird, dass ein Grundstückseigentümer über eine öffentliche Zuwegung überhaupt an sein Grundstück gelangen kann. Im Baugesetzbuch ist von ’gesicherter Erschließung’ die Rede, nicht aber von ’vorhandener Erschließung’. Der Sinn dieser begrifflichen Konstruktion bedarf einer kurzen Erläuterung. Gesicherte Erschließung bedeutet keineswegs, dass die Erschließung, also Straßen, Wege und Anlagen der Ver- und Entsorgung, zum Zeitpunkt der Baugenehmigung tatsächlich vorhanden sein müssen, sondern lediglich zum Zeitpunkt der Fertigstellung oder Ingebrauchnahme der baulichen Anlage [Spannowsky/ Uechtritz 2009:490; Stüer 2001: 485]. Die Kriterien für diese, wie es im ersten Moment scheint, etwas spitzfindigen Genehmigungsvoraussetzungen ergeben sich aus den speziellen Regelungen des Baugesetzbuchs zur Erschließung. Dabei hat der Umstand, dass die Gemeinde – wenn sie die Erschließung durch Vertrag nicht einem Dritten überträgt (Erschließungsvertrag nach § 124 BauGB oder Städtebaulicher Vertrag nach § 11 BauGB) – mindestens 10% des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes zu tragen hat, erhebliche Konsequenzen auf die Erteilung oder Nichterteilung einer Baugenehmigung zu einem bestimmten Zeitpunkt.
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Auf die bauordnungsrechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Baugenehmigung soll hier nicht näher eingegangen werden. Es handelt sich dabei, um es nur kurz anzureißen, beispielsweise um die Überprüfung der Standfestigkeit von Gebäuden, der Brandschutzvorkehrungen oder der Grenzabstände zu Nachbargebäuden (vgl. auch Kap. 3).
Abb. 7.2: Zulässigkeit von Bauvorhaben nach der Systematik des Baugesetzbuches
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Kommen wir zurück auf die vier Fälle der planungsrechtlichen Zulässigkeit von Bauvorhaben, mit denen es hinsichtlich der möglichen Erteilung einer Baugenehmigung folgende Bewandtnis hat: 1) Liegt ein rechtskräftiger Bebauungsplan als Ortssatzung vor, besteht ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung, wenn das Vorhaben den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widerspricht und auch die genannten sonstigen bau- und fachplanungsrechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Allerdings macht es einen Unterschied, ob es sich um einen sogenannten qualifizierten Bebauungsplan handelt oder nur um einen einfachen Bebauungsplan. Ein qualifizierter Bebauungsplan liegt vor, wenn Festsetzungen zumindest über die Art der baulichen Nutzung (z.B. Wohngebiet), das Maß der baulichen Nutzung (z.B. Grad der Grundstücksüberbauung), die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthalten sind. Fehlt etwas aus dieser Liste der Mindestfestsetzungen, handelt es sich um einen einfachen Bebauungsplan. In diesem Fall hängt jedoch die Zulässigkeit eines Vorhabens nicht nur davon ab, dass dieses den Festsetzungen des Bebauungsplans entspricht; zusätzlich sind noch die Zulässigkeitsregelungen für den unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) anzuwenden. 2) Befindet sich ein Bebauungsplan im Aufstellungsverfahren, richtet sich die Zulässigkeit eines Vorhabens in dem entsprechenden Gebiet nach den in Aussicht stehenden, künftigen Planfestsetzungen (§ 33 BauGB). Dafür muss allerdings das Aufstellungsverfahren schon ein fortgeschrittenes Stadium erreicht haben bzw. ist eine gewisse Planreife notwendig. Man unterscheidet zwischen formeller und materieller Planreife [Spannowsky/Uechtritz 2009: 536ff]. Eine formelle Planreife liegt vor, wenn bestimmte Verfahrensschritte, insbesondere die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung bei der Planaufstellung, bereits stattgefunden haben; eine materielle Planreife liegt vor, wenn die in Aussicht genommene Planung mit ihren konkreten Planfestsetzungen wahrscheinlich ist. Dabei ist allerdings zu beachten, dass formelle Planreife und materielle Planreife gleichermaßen erforderlich sind [Krautzberger 2004], eine Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung also in jedem Fall stattgefunden haben muss. Im Übrigen hat der um die Baugenehmigung nachsuchende Antragsteller die Festsetzungen des künftigen Bebauungsplans für sich und seine Rechtsnachfolger schriftlich anzuerkennen. 3) Wesentliche Voraussetzung für eine Baugenehmigung im unbeplanten Innenbereich ist, dass sich das Bauvorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung – in Art und Maß der baulichen Nutzung, Bauweise und zu überbauender Grundstücksfläche (§ 34 BauGB) – einfügt. Außerdem müssen die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben, und das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden. Das Vorhaben selbst muss im Übrigen dem Bebauungszusammenhang eines Ortsteils zuzurechnen sein, was nur gelingt, wenn Außen- und Innenbereich eindeutig voneinander abgegrenzt sind. Für die Grenzziehung kann neben topographischen Gegebenheiten (Erhebungen oder Flussläufen) etwa die Größe von Baulücken, die stets in Relation zu der Größe der einzelnen bebauten Grundstücke zu stellen wäre, eine wesentliche Rolle spielen [vgl. Stüer 2001: 481]. Da die Bereichsabgrenzung in der Praxis nicht selten zu Schwierigkeiten führt, sieht das Baugesetzbuch vor, dass eine Gemeinde per Satzung die Grenzen für im Zu-
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sammenhang bebaute Ortsteile festlegen kann. Es gibt verschiedene Formen für eine derartige Satzung, nämlich die Klarstellungssatzung (eindeutiges Festlegen, welche Grundstücke dem Innenbereich zugeordnet sind und welche nicht), die Entwicklungssatzung (Außenbereichsflächen mit Siedlungsansätzen werden zum Ortsteil zugehörig festgelegt) und die Ergänzungssatzung (Einbeziehung einzelner Flächen des Außenbereichs zur Abrundung der baulichen Nutzung angrenzender Bereiche). Im Zuge der Erteilung von Baugenehmigungen nach dem Kriterium des Einfügens werden künftig, wie sich bereits mancherorts abzeichnet, computergraphische Modelle eine deutlich wichtigere Rolle spielen. 3D-Stadtmodelle auf CAD-Basis (vgl. Kap. 6) zur Beurteilung von Bauvorhaben im Kontext mit der Nachbarbebauung erlauben Betrachtungen aus verschiedenen Blickrichtungen und in dynamischen Blicksequenzen, die damit einen hohen Informationswert besitzen. Ob solche Darstellungen irgendwann zur Pflichtunterlage von Bauanträgen gemacht werden, bleibt abzuwarten. 4) Die Zulässigkeit von Vorhaben im Außenbereich schließlich richtet sich danach, ob es sich um privilegierte, nichtprivilegierte oder teilprivilegierte Vorhaben handelt. In jedem Fall ist aber zu prüfen, ob öffentliche Belange der Genehmigung eines solchen Außenbereichsvorhabens entgegenstehen. Zu den privilegierten Vorhaben zählen solche, die einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb oder der gartenbaulichen Erzeugung dienen; ebenso gehören Vorhaben aus den Bereichen der Ver- und Entsorgung (Wasser, Gas, Elektrizität etc.) sowie der Erforschung, Entwicklung und Nutzung von Atom-, Wind- und Wasserenergie dazu. Unter die teilprivilegierten Vorhaben fallen etwa Folgenutzungen von ehemals landwirtschaftlichen Nutzungen, die Neu- bzw. Wiedererrichtung von zerstörten Gebäuden oder Änderungen an erhaltenswerten und das Landschaftsbild prägenden Gebäuden. Nichtprivilegierte Vorhaben sind grundsätzlich unzulässig; sie können nur im Einzelfall und unter Beachtung besonders gravierender Restriktionen – etwa Ausschluss jeglicher Beeinträchtigung von öffentlichen Belangen – zugelassen werden [vgl. Spannowsky/Uechtritz 2009: 587ff; Stüer 2001: 503ff]. Soweit in groben Zügen die vier Fälle, nach denen die planungsrechtliche Zulässigkeit von (Bau-)Vorhaben entschieden wird. Abbildung 7.3 zeigt die Verteilung der Zahl von Baugenehmigungen nach diesen vier Fällen, basierend auf Durchschnittszahlen der Bautätigkeitsstatistik für die westlichen Bundesländer (ohne Bayern). Die Graphik lässt erkennen, dass 30% – in manchen Gemeinden sind es sogar bis zu 90% – der Baugenehmigungen in Gebieten getätigt werden, in denen bereits eine Bebauung vorhanden ist [Schmidt-Eichstaedt 1998: 233f]. Allerdings ist auf zwei Aspekte im Zusammenhang mit der Erteilung von Baugenehmigungen noch besonders hinzuweisen: auf die Umweltprüfung und auf die Möglichkeit der Erteilung von Baurecht auf Zeit. Was das Thema Umweltprüfung (UP) im Zusammenhang mit der Erteilung von Baugenehmigungen betrifft, so ist diese nach EU-rechtlichen Vorgaben stets dann durchzuführen, sofern sie nicht durch eine bereits vorliegende UP als rahmensetzende Entscheidung als erledigt zu betrachten ist.
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Abb. 7.3: Verteilung der Zahl von Baugenehmigungen nach den vier Fällen der Zulässigkeitsvoraussetzungen im Baugesetzbuch (Quelle: Schmidt-Eichstaedt 1998) Die Befristung von Baurechten war im früheren Planungsrecht unbekannt, vor allem auch wegen entschädigungsrechtlicher Implikationen, die eintreten können, wenn man etwa für einen künftigen Zeitpunkt eine wertmindernde Nutzung hätte vorschreiben wollen. Lediglich im Zuge von städtebaulichen Verträgen wären Regelungen eines Entschädigungsverzichts bei Neu- und Umplanungen zulässig gewesen; ebenso bei Vorhaben- und Erschließungsplänen (Genaueres weiter unten in diesem Kapitel), für die nach § 12 Abs. 3 BauGB keine zwingende Bindung an den Festsetzungskatalog für Bebauungspläne in § 9 BauGB oder an die Baunutzungsverordnung (BauNVO) vorgesehen ist. Verschiedene Gründe, vor allem die Problematik zunehmender Gebäudeleerstände im Zuge des demographischen Wandels (Bevölkerungsrückgang), ließen es als zweckmäßig erscheinen, auch die Möglichkeit befristeter Festsetzungen in Bebauungsplänen zu eröffnen. So heißt es etwa in § 9 Abs. 2 BauGB, dass „in besonderen Fällen auch festgesetzt werden kann, dass bestimmte Nutzungen (...) nur für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig“ sein können, wobei jedoch in jedem Fall die Folgenutzung festgesetzt werden soll. Die entsprechenden Konsequenzen für die Erteilung von Baugenehmigungen dürften unmittelbar einsichtig sein. b) Zwei Typen von Bauleitplänen Für die Zulässigkeit von Bauvorhaben und die Erteilung von Baugenehmigungen ist, wie zu sehen war, das Vorhandensein von städtebaulichen Plänen keine zwingende Voraussetzung. Und tatsächlich wird in der Praxis die überwiegende Zahl
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von Baugenehmigungen erteilt, ohne dass für das entsprechende Gebiet ein Bebauungsplan vorliegt. Andererseits schreibt das Baugesetzbuch zwingend vor, dass Bauleitpläne von der Gemeinde aufzustellen sind, „sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist“ (§ 1 Abs. 3 BauGB). Da man eine solche Erforderlichkeit wohl nirgendwo leugnen kann, sind zumindest städtebauliche Entwicklungs- und Ordnungsvorstellungen, die das gesamte Gemeindegebiet betreffen, zu erstellen. Grundsätzlich sind nach dem Baugesetzbuch zwei Typen von Bauleitplänen zu unterscheiden (vgl. Abb. 7.4): • •
der Flächennutzungsplan als vorbereitender Bauleitplan und der Bebauungsplan als verbindlicher Bauleitplan.
Während der Flächennutzungsplan Planaussagen in Form von Darstellungen über die Art der Bodennutzung für das gesamte Gemeindegebiet trifft, bezieht sich der räumliche Geltungsbereich eines Bebauungsplans mit sehr konkreten Planfestsetzungen nur auf Teilbereiche einer Stadt oder Gemeinde (in Ausnahmefällen kann es vorkommen, dass ein Bebauungsplan ausreicht, um die gesamte städtebauliche Entwicklung einer Gemeinde zu ordnen; § 8 Abs. 2 BauGB).
Abb. 7.4: Die zwei Typen von Bauleitplänen – links: Ausschnitt aus dem Flächennutzungsplan der Stadt Frankfurt/M.; rechts: ein kleiner Bebauungsplan der Stadt Bamberg (Quellen: Internet; vgl. Zugriffsadressen auf beiliegender DVD) Beide Pläne unterscheiden sich nicht nur durch die unterschiedlichen Flächenumgriffe, sondern auch darin, dass ein Flächennutzungsplan in seiner Qualität als vorbereitender Bauleitplan eine Bindungswirkung nur gegenüber Gemeinde und Behörden bzw. öffentlichen Planungsträgern besitzt, nicht aber gegenüber jedermann. Die Gemeinde hat später, im Zuge der Aufstellung von Bebauungsplänen, diese aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln. Und für öffentliche Planungs-
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träger besteht Bindungswirkung und Anpassungspflicht ihrer Planungen an den Flächennutzungsplan, wenn sie an der Aufstellung des Flächennutzungsplans beteiligt waren und ihm nicht widersprochen hatten. Darüber hinaus hat der Flächennutzungsplan im Außenbereich eine große Bedeutung, da er hier als öffentlicher Belang zum Tragen kommt und sogar privilegierte Vorhaben zum Scheitern bringen kann, wenn diese den Aussagen des Flächennutzungsplans entgegenstehen [Stüer 2001: 38]. Im Gegensatz dazu ist ein Bebauungsplan in seiner Qualität als verbindlicher Bauleitplan für jedermann rechtsverbindlich, da er ein Gesetz auf Ortsebene (Satzung) darstellt. Diese Rechtsqualität kommt auch schon in der Formulierung der Planaussagen zum Ausdruck, die hier Festsetzungen heißen und sich damit von den bloßen Darstellungen in einem Flächennutzungsplan begrifflich unterscheiden. Diese Festsetzungen sind detailliert und regeln grundstücksparzellenscharf, an welcher Stelle welche (bauliche) Nutzung mit welchem Ausnutzungsgrad realisiert werden darf. Das Baugesetzbuch unterscheidet drei Arten von Bebauungsplänen: • • •
den qualifizierten Bebauungsplan, den einfachen Bebauungsplan sowie den vorhabenbezogenen Bebauungsplan.
Ein qualifizierter Bebauungsplan (§ 30 Abs. 1 BauGB) zeichnet sich dadurch aus, dass er Festsetzungen enthält zumindest über: Art der baulichen Nutzung, Maß der baulichen Nutzung, überbaubare Grundstücksflächen und örtliche Verkehrsflächen. Darüber hinaus kann sich die Gemeinde auch eines umfangreichen Katalogs von weiteren Festsetzungsmöglichkeiten bedienen (§ 9 BauGB); sie darf allerdings keine Festsetzungen erfinden, sondern ist vielmehr an den Katalog der Festsetzungsmöglichkeiten aus dem Baugesetzbuch und der ergänzenden Baunutzungsverordnung (BauNVO) gebunden (Typenzwang). Festsetzungen können in zeichnerischgraphischer sowie in textlicher Form erfolgen. Für die zeichnerische bzw. graphische Darstellung der Festsetzungen ist die Planzeichenverordnung (PlanzV) zu beachten, von der jedoch abgewichen werden kann, solange die Planaussagen eindeutig, verständlich und klar bleiben (Bestimmtheitsgrundsatz). Ein einfacher Bebauungsplan liegt vor, wenn er die Mindestfestsetzungen nicht enthält. In diesem Fall sind, wie erwähnt, die Regelungen des Baugesetzbuchs über den nicht beplanten Innenbereich oder den Außenbereich anzuwenden. Ein vorhabenbezogener Bebauungsplan (§ 12 und § 30 Abs. 2 BauGB) unterscheidet sich von einem ’normalen’ Bebauungsplan insbesondere in der Art und Weise seines Zustandekommens. Bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan geht die Initiative zur Beplanung eines Gebietes von einem Vorhabenträger (z.B. Investor) aus, der einen mit der Gemeinde abgestimmten Plan zur Durchführung eines Vorhabens und der entsprechenden Erschließungsmaßnahmen (Vorhabenund Erschließungsplan) vorlegt und sich zur Durchführung innerhalb einer bestimmten Frist sowie zur kompletten oder teilweisen Übernahme der Planungs- und Erschließungskosten verpflichtet (Durchführungsvertrag). Der vorhabenbezogene Be-
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bauungsplan ist also auf konkrete Projektverwirklichung ausgerichtet, wohingegen der ’normale’ Bebauungsplan als Plansatzung aufgestellt wird, ohne dass damit eine direkte Planumsetzung verbunden ist. Die Inhalte beider Planarten sind, was die Festsetzungen anbetrifft, gleich. Allerdings wird beim vorhabenbezogenen Bebauungsplan der Vorhaben- und Erschließungsplan Bestandteil der Satzung. Wichtig bei all diesen Plänen ist, dass jeweils eine Umweltprüfung (UP) durchzuführen ist. Eine solche Umweltprüfung ist als Verfahrensschritt eingeführt worden, um alle umweltrelevanten Prüfungen in die Beteiligungsverfahren bei der Planaufstellung durchzuführen und in den Umweltbericht zu integrieren [vgl. Spannowsky/ Uechtritz 2009: 104ff]. Sie wird für grundsätzlich alle Bebauungspläne (und auch Flächennutzungspläne) sowie sonstige baurechtsschaffende Satzungen als ein selbstverständlicher Bestandteil des Planungsprozesses durchgeführt. In einer im Zuge der BauGB-Novellierung durch das EAG Bau neu geschaffenen Anlage zum BauGB werden die methodischen Anforderungen an die Ermittlung und Bewertung der Belange im Rahmen der Umweltprüfung geregelt. Namentlich zu nennen sind das Verfahren der Bestandsaufnahme, Prognose und Prüfung von Vermeidungsund Ausgleichsmaßnahmen sowie die Regelungen zu Prüfungsumfang und Prüfungstiefe in einem Prüfschema für die Zusammenstellung des umweltbezogenen Abwägungsmaterials [Krautzberger 2004]. Am Ende steht – innerhalb der stets obligatorischen Planbegründung – ein „Umweltbericht“ als gesonderter Teil der Begründung und eine zusammenfassende „Erklärung zum Umweltbericht“ mit Angaben über die Art und Weise, wie die Umweltbelange und die Ergebnisse der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung in dem Planverfahren berücksichtigt wurden (§ 2a BauGB). c) Landschaftspläne, Grünordnungspläne und Umweltfachpläne Die Systematik der Bauleitplanung wird in komplementärer Weise ergänzt durch Pläne, die auf die umweltschützenden Aspekte der räumlichen Planung eingehen. Dazu gehören (§ 1 Abs. 6 Nr. 7 sowie § 2 Abs. 4 BauGB): • • •
Landschaftspläne Grünordnungspläne Umweltfachpläne
Diese die Bauleitplanung flankierenden Fachpläne konkretisieren in ökologischer und landschaftsästhetischer Hinsicht die Prinzipien von Nachhaltigkeit durch das Festsetzen von Maßnahmen bezüglich Erhalt und Fortentwicklung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes. Im Zuge der planerischen Abwägung bei der Aufstellung von Bauleitplänen (§ 1 Abs. 6 Nr. 7 und Abs. 7 BauGB) sowie im Hinblick auf Ausgleichsmaßnahmen bei Eingriffen in Natur und Landschaft nach dem Bundesnaturschutzgesetz (§ 8a BNatSchG) sind diese Maßnahmen zu berücksichtigen. Verfahren und Inhalte von Landschaftsplänen sind nicht im Baugesetzbuch, sondern als Rahmenrecht im Bundesnaturschutzgesetz geregelt (§ 6 BNatSchG). Die
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Umsetzung dieser rahmenrechtlichen Regelung ist aufgrund eigener Landesgesetze (Landesnaturschutz- oder Landespflegegesetze) von Bundesland zu Bundesland recht unterschiedlich, auch was die Bindungswirkung für den Bürger betrifft. Grundsätzlich können diese ’grünen Pläne’ auf zwei verschiedene Arten mit den Bauleitplänen verknüpft sein. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass neben der Bauleitplanung eine eigenständige Landschaftsplanung etabliert ist, die Landschaftspläne als Satzung oder als Rechtsverordnung mit eigener Verbindlichkeit aufstellt. Bei dem anderen Modell handelt es sich um eine integrierte Landschaftsplanung, bei der die Gemeinden als Träger der Landschaftsplanung auf der Ebene des Flächennutzungsplans den Landschaftsplan (vgl. Abb. 7.5) und auf der Ebene des Bebauungsplans den Grünordnungsplan aufstellen [vgl. Internet www.ioer.de/ PLAIN]. Im Grünordnungsplan als Komplementärplan zum Bebauungsplan kann etwa der Erhalt bestehender Gehölze, die Wiederherstellung von Strauchpflanzungen, Fassadenbegrünungen oder die Verwendung von versickerungsfreundlichen Materialien für Bodenbeläge planungsrechtlich bindend festgesetzt werden.
Abb. 7.5: Beispiel eines Landschaftsplans (Quelle: Umlandverband Frankfurt – jetzt: Planungsverband Ballungsraum Frankfurt/M.) Besitzt, wie im Falle von Nordrhein-Westfalen, der Landschaftsplan für Kreise und kreisfreie Städte die Rechtsqualität einer Satzung, bezieht er sich nur auf Außenbe-
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reichsflächen [vgl. Stüer 2001: 270; Braam 1999: 63], damit er nicht mit anderen bauplanungsrechtlichen Satzungen (Bebauungsplänen) oder den Zulässigkeitsvoraussetzungen für Bauvorhaben im unbeplanten Innenbereich kollidiert. Neben Landschafts- und Grünordnungsplänen sind bei der Aufstellung von Bauleitplänen auch sonstige umweltrelevante Pläne zu berücksichtigen. Solche Umweltfachpläne können etwa sein (§ 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchstabe g BauGB): • • •
Pläne des Wasserrechts (z.B. wasserwirtschaftliche Rahmenpläne) Pläne des Immissionsschutzrechts (z.B. Luftreinhaltepläne, Lärmminderungspläne etc.) Pläne des Abfallrechts (z.B. Abfallwirtschaftspläne)
Im Zuge der Aufstellung von Landschafts-, Grünordnungs- und Umweltfachplänen sind nach EU-rechtlicher Vorgabe auch die bereits erwähnten Umweltprüfungen durchzuführen. Diese können zwecks Verfahrensstraffung auch in die Bauleitpläne eingebettet werden.
Computereinsatz in der Bauleitplanung In der Bauleitplanung spielt der Computereinsatz mittlerweile eine tragende Rolle. Im Folgenden soll näher darauf eingegangen werden, auf welche Weise die Techniken der digitalen Informationsverarbeitung der Bauleitplanung – etwa hinsichtlich Bearbeitungsmethodik und Rechtssicherheit – neue Impulse verliehen haben und welche zukünftigen Entwicklungen sich auf diesem Sektor abzeichnen. Ob und inwieweit das Einstellen von Bauleitplänen ins Internet rechtlich verpflichtend gemacht wird, sei nach dem derzeitigen Stand der Dinge dahingestellt und künftigen BauBG-Novellierungen vorbehalten (Bestrebungen in diese Richtung sind schon erkennbar). Einige wichtige Aspekte, das Thema ’Bauleitplanung und Computereinsatz’ betreffend, wurden bereits in vorangegangenen Kapiteln angesprochen, wie etwa der Einsatz Geographischer Informationssysteme (GIS) vornehmlich im Bereich der Flächennutzungsplanung. CAD-Systeme finden hingegen mehr im Bereich der Bebauungsplanung und bei konkreten Baugenehmigungen – etwa durch Einsatz von 3D-Stadtmodellen – Verwendung. Damit wäre quasi der graphische Aspekt der Planbearbeitung und des Computereinsatzes abgedeckt. Der Einsatz digitaler Informationssysteme wird sich jedoch nicht auf diesen Bereich beschränken; immerhin lässt sich gegenwärtig feststellen, dass – nach etlichen Jahren des beharrlichen Ignorierens seitens der Stadtplanungspraxis – diese Technik jetzt mit großer Dynamik Einzug hält. Das Haupttätigkeitsfeld liegt derzeit allerdings (immer noch) im Bereich der graphischen Datenverarbeitung, ergänzt um Textverarbeitung und numerische Berechnungsmethoden – für Flächen- bzw. Nutzungsbilanzierungen – auf der Basis von Tabellenkalkulationsprogrammen.
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Bei der Novellierung des Baugesetzbuches durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau) wurde allerdings der Einsatz der Informationstechnologie – speziell des Internets – vor allem bei der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung im jetzigen § 4a BauGB explizit thematisiert [Spannowsky/Uechtritz 2009: 167ff]. Darüber hinaus sind mit dem neuen, zusätzlichen Verfahrensschritt bei der Aufstellung von Bauleitplänen – der „Überwachung“ (Monitoring) von erheblichen Umweltauswirkungen (§ 4c BauGB) – ganz neue Türen aufgestoßen worden, die den Computer als unabdingbares Instrument zur Erfüllung dieses Überwachungsgebots verstärkt ins Blickfeld rücken werden (z.B. GIS-gestütztes Monitoring). Die entscheidenden Potentiale und Einsatzmöglichkeiten der Computertechnik im Bereich der Bauleitplanung lassen sich mit Blick auf die gegenwärtigen technologischen Gegebenheiten in vier zentralen Punkten zusammenfassen: • • • •
hypermediale und geolokalisierbare Wissensorganisation dynamische Prozesssteuerung semantische Informationshandhabung digitale Authentifizierung
Alle vier Aspekte sind, wie im einzelnen noch gezeigt wird, miteinander verzahnt. Im Folgenden werden ihre Potentiale in Bezug auf die Bauleitplanung erst allgemein dargestellt, um sie anschließend anhand der beiden Bauleitpläne, des Verfahrens zur Aufstellung von Bauleitplänen, der Beteiligung von Akteuren im Bereich der Bauleitplanung und der Abwägung zu konkretisieren. a) Hypermediale und geolokalisierbare Wissensorganisation Wie zu Beginn dieses Buches erläutert, steht Stadtplanung in einem engen Zusammenhang mit Informationshandhabung und Wissensverarbeitung. Bislang nutzten wir für den Umgang mit Wissen biologische Speicher, das menschliche Gehirn, sowie physikalische Speichermedien wie Bücher, Schriftsätze, Aktenordner oder traditionelles Kartenmaterial. Seit wir aber die Möglichkeit haben, Informationen und Wissen in digitalen Speichermedien zu organisieren, steht für die räumliche Planung ein immenses Potential an zusätzlichem Wissen zur Verfügung, mit dem umzugehen wir noch lernen müssen. Dies hat Konsequenzen auch für das Bau- und Planungsrecht. So ist für die Aufstellung von Bauleitplänen aufgrund der rechtlichen Vorschriften eine gewaltige Menge von Einzelaspekten zu sammeln, zu organisieren, nach Relevanzgesichtspunkten zu werten, zu gewichten und für die konkrete Planausarbeitung entsprechend aufzubereiten. Wenn zum einen Aktenberge vermieden werden sollen, zugleich aber alle wichtigen Gesichtspunkte für und gegen bestimmte Planaussagen der verschiedensten Planungsakteure aufzugreifen und festzuhalten sind, wird man sich notgedrungen der neuen technischen Wissensspeicher bedienen müssen. Weder kann ein Mensch allein alle Planungsaspekte im Blick behalten, noch ist eine Gruppe von Menschen in der Lage, Kommunikationsstrukturen
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in einer Weise aufzubauen, dass jeder Handlungsbeteiligte zu jedem Zeitpunkt denselben Informationsstand besitzt. Dies wird auf Dauer nur sinnvoll funktionieren, wenn die Organisation des relevanten Wissens durch die technischen Möglichkeiten digitaler Systeme unterstützt wird. Der Stand der digitalen Informationstechnik erlaubt es heute, hier einen wirklichen Wandel herbeizuführen, indem durch sukzessives Verknüpfen von einzelnen Informationsbestandteilen ein Wissensnetz geschaffen wird, das den umfassenden Ansprüchen an eine sorgfältige Planung entspricht. Welche Arten der Information dabei miteinander verknüpft werden, spielt – im Gegensatz zu den Zeiten der analogen Wissensorganisation – bei der hypermedialen Wissensorganisation keine Rolle mehr: Graphik, Text und Zahlen sind ebenso miteinander verknüpfbar wie digitale Videosequenzen, akustische Informationen oder das gesprochene Wort. Eine derartige hypermediale Wissensorganisation kann für die Bauleitplanung für folgendes eingesetzt werden: • • •
• • • • • •
Verknüpfung von logisch zusammenhängenden graphischen Planbestandteilen; Verknüpfung von miteinander in Beziehung stehenden graphischen und textlichen Planbestandteilen; Verknüpfung von Planbestandteilen und den entsprechenden Passagen der Begründung, der Umwelterklärung und der zusammenfassenden Erklärung zum Umweltbericht; Verknüpfung zu anderen – übergeordneten oder abgeleiteten – Plänen oder städtebaulichen Entwürfen; Verknüpfung zu den gesetzlichen Grundlagen (städtebauliches Planungsrecht, Bauordnungsrecht und Fachplanungsrecht); Verknüpfung zu den Planungsgrundlagen und Informationen aus Erhebungen, Gutachten etc.; Verknüpfung zwischen den Planungsakteuren und deren Beiträge zur Planentwicklung; Verknüpfung des Plans mit dem Internetauftritt der jeweiligen Stadt oder Gemeinde; Verknüpfung zu den (umweltbezogenen) Überwachungsgegenständen des Monitorings.
Voraussetzung für eine hypermediale Planerstellung ist eine gut organisierte und gepflegte Informationsgrundlage. Bei deren Aufbau wird man sich deshalb von Anfang an um eine strukturierte Organisation des Wissens für die konkrete Planung, aber auch für künftige Planungsfälle in einer digitalen Umgebung kümmern müssen. Bislang war die Praxis, durch Improvisation geprägt, überwiegend mit der graphischen Planausarbeitung beschäftigt. Die Wissensgesellschaft wird jedoch in nicht allzu ferner Zukunft ganz andere Anforderungen an eine hypermediale Wissensorganisation stellen. Zunehmend wird die hypermediale Wissensorganisation ergänzt um die Möglichkeit der Geolokalisierung von Informationsbestandteilen und Wissen. Da es bei der Bauleitplanung um die Verortung von planungsrechtlichen Inhalten in Dar-
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stellungen und Festsetzungen geht, geraten auch digitale Verortungstechnologien im Geoweb (vgl. Kap.1, Abb. 1.5) ins Blickfeld. So lassen sich alle geolokalisierbaren Wissensbestandteile und Planinhalte mit Geotags – Geo-Koordinaten zu einem Sachverhalt – ausstatten, was einen ausgezeichneten Überblick über die komplexe Verknüpfung aller relevanten Sachverhalte im geographischen Raum erlaubt. Mit GPS ausgestattete mobile Geräte, darunter auch Smartphones, erlauben es, diese raumbezogenen Sachverhalte unmittelbar in der Örtlichkeit zu betrachten und zu überprüfen. Es ist nicht mehr allein der von der räumlichen Unmittelbarkeit abstrahierte Internetauftritt, der zum Tragen kommt, sondern der Zugriff auf räumliche Tatbestände, die unmittelbar an Ort und Stelle des Geschehens abgerufen und, wenn erwünscht, verändert werden können – quasi in Form einer Echtzeitplanung. b) Dynamische Prozesssteuerung Städtebauliche Planung ist stets in Prozessabläufe eingebettet. Ganz besonders gilt dies für die Bauleitplanung, bei der wir es mit verschiedenen, komplex miteinander verwobenen Prozessen gleichzeitig zu tun haben. Um in jeder Phase dieser prozessualen Abläufe den Überblick behalten und zu jedem Zeitpunkt die aus rechtlichen und sachlichen Gründen notwendigen Aktivitäten für eine Planung einleiten, überwachen und zum Abschluss bringen zu können, sind geeignete Methoden der Prozesssteuerung unverzichtbar. Früher kam hier etwa die Netzplantechnik als eine der ersten und wichtigsten Projektmanagementmethoden zur Anwendung; heute bedient man sich dynamischer Methoden der Steuerung von Prozessen und Projekten unter Einsatz von Computern, um den Besonderheiten in der Bauleitplanung gerecht zu werden. Mit den digitalen Informationstechniken stehen uns sehr weitreichende Möglichkeiten der Prozesssteuerung und ihrer dynamischen Veränderung zur Verfügung. Um eine Vorstellung davon zu gewinnen, braucht man nur das zuvor beschriebene Prinzip der hypermedialen Organisation von Informationsbestandteilen um eine Zeitkomponente zu erweitern: Zu bestimmten Zeitpunkten wird eine bestimmte Planungsaktivität veranlasst, bei der dann auf bestimmte Wissensbestandteile zugegriffen oder eine Verbindung zu bestimmten Planungsakteuren hergestellt wird. So kann etwa der Beschluss zur Aufstellung eines Bauleitplans einen automatisch ablaufenden Prozess aktivieren, der jeweils zum richtigen Zeitpunkt die frühzeitige Öffentlichkeits- bzw. Bürgerbeteiligung, die Benachrichtigung von Nachbargemeinden, Behörden oder Trägern öffentlicher Belange oder die Beauftragung von planungsrelevanten Gutachten berücksichtigt. Da sich diese Prozesse zwar grundsätzlich nach den Verfahrensvorgaben des städtebaulichen Planungsrechts (Baugesetzbuch) richten, darüber hinaus aber auch im Einzelfall weitere Aspekte hinzukommen können, muss das entsprechende Prozesssteuerungssystem veränderbar sein. Für die Handhabung eines solchen Systems werden miteinander vernetzte Computersysteme zum Einsatz gebracht, wobei die darauf zu implementierenden flexiblen Workflowmanagement-Systeme den zeitlichen Ablauf koordinieren. Werden im Zuge der Prozessabläufe alle Aktivitäten protokolliert, kann ein sol-
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ches Protokoll später für die Formulierung von Planerläuterungen bzw. -begründungen oder beim Umweltbericht hilfreich sein. Als sehr zweckmäßig können sich auch die in den Sozialwissenschaften gebräuchlichen Programme zur qualitativen Datenanalyse erweisen, bei denen eine Exploration und systematische Analyse von Texten über Stichwort- und Begriffshierarchien sowie nach mit Schlüsselwörtern gekennzeichneten Textpassagen stattfindet. Darüber hinaus ist es auch nicht mehr ganz unwahrscheinlich, dass zukünftig textliche Planbegründungen automatisch oder halbautomatisch erzeugt werden. Schon heute gibt es Textverarbeitungssysteme, die in der Lage sind, Textzusammenfassungen zu generieren. Inhaltlich und sprachlich werden wohl immer etliche Wünsche offen bleiben, doch zumindest ansatzweise lässt sich erkennen, was die Wissensgesellschaft uns noch bieten könnte. Ein solches System hätte zumindest aber den Vorteil, dass im Prozess der Abwägung – im Interesse der Rechtssicherheit – Fakten und Argumentationsabfolgen nicht verlorengingen. c) Semantische Informationshandhabung Als ’Semantik versus Syntax’ könnte man den derzeit stattfindenden Wandel im Bereich der Handhabung von Computersystemen bzw. der dabei verwendeten Software charakterisieren. Damit ist gemeint, dass Nutzer nicht mehr wie früher auf einer abstrakten Ebene und begrifflich losgelöst von der konkreten Anwendung mit Computern kommunizieren (Syntax), sondern dass zwischen Mensch und Maschine eine Kommunikation mit Begriffen in der Bedeutung des interessierenden Sachumfelds stattfindet (Semantik). Semantische Informationshandhabung heißt im konkreten Fall der Bauleitplanung, dass für den Benutzer eine Arbeitsumgebung existiert, in der auch das Computersystem Begriffe wie ’Bebauungsplan’, ’Maß der baulichen Nutzung’ oder ’überbaubare Grundstücksfläche’ quasi versteht. Dazu werden im Rechnersystem Objekte abgebildet, mit denen auf dieser semantischen Ebene ein Informationsaustausch stattfindet. Während, um ein Beispiel zu geben, zur Erzeugung der graphischen Signatur für die Festsetzung einer überbaubaren Grundstücksfläche in früheren Softwaresystemen zunächst im Menüfeld nach einem geeigneten graphischen Element gesucht werden musste, genügt nach heutigem Stand der Technik lediglich die (textliche oder sprachliche) Eingabe des Begriffs ’überbaubare Grundstücksfläche’, wodurch das System veranlasst wird, die entsprechenden Planzeichen – Baulinie/Baugrenze nach der geltenden Planzeichenverordnung – oder auch andere Aktivitäten (etwa Informationen zum Bereich ’Was ist auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen zulässig?’) bereitzuhalten. Semantische Informationshandhabung, dynamische Prozesssteuerung und hypermediale Wissensorganisation greifen also ineinander: Planungsinformationen sind semantisch handhabbar und können damit quasi als Wissen bezeichnet werden; Verfahrensschritte der Bauleitplanung können in eine hypermediale Wissensorganisation integriert werden; und auch die einzelnen Stationen des planerischen Procederes lassen sich semantisch über die fachliche Begrifflichkeit handhaben.
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d) Digitale Authentifizierung Die Bauleitplanung dient der Rechtssicherheit bei der Genehmigung von Bauvorhaben. Das mittlerweile gängige Verfahren, Bauleitpläne digital zu speichern und dann konsequenterweise auch die Zulässigkeit von Bauvorhaben anhand von digitalen Bebauungsplänen zu prüfen, macht es zwingend erforderlich, dass die im Internet präsentierten Pläne keinerlei Verfälschungen aufweisen. Interessierte Bürger, Bauwillige und Investoren möchten sich mit absoluter Sicherheit auf die Unverfälschtheit der Pläne verlassen können. Die Gewähr der Richtigkeit können Pläne über eine digitale Authentifizierung erlangen – mit digitalen Schlüsseln bzw. digitalen Signaturen –, ein Verfahren, für das die Rechtsgrundlagen in Deutschland, in der Europäischen Union und weltweit weitestgehend geschaffen sind. Als Technik für eine solche digitale Signatur kommen Kryptoalgorithmen in Betracht, bei denen ein individueller Signaturschlüssel für das Dokument verwendet wird, der nur von dem Signaturschlüssel-Inhaber (z.B. der für einen Bebauungsplan zuständigen Gemeinde) erzeugt werden kann, und ein öffentlich zugänglicher Verifizierungsschlüssel, der zur Prüfung des Dokuments (z.B. Bebauungsplan) auf Echtheit dient. Nach dem in Deutschland geltenden Signaturgesetz (SigG) und den entsprechenden Verordnungen sind eine Reihe von kryptographischen Anforderungen zu beachten. Ein Schema zur digitalen Signatur im Sinne des Gesetzes umfasst danach folgende Kryptoalgorithmen: •
• •
einen Hash-Algorithmus zur Komprimierung der zu signierenden Daten auf eine Bitfolge kurzer Länge (Hash-Wert), wobei nun nicht mehr die Daten selbst signiert werden, sondern lediglich der Hash-Wert; einen Signier-Algorithmus, der aus einem Signier- und einem Verifizierungsalgorithmus besteht; ein Verfahren zur Erzeugung von Schlüsselpaaren für die einzelnen Teilnehmer.
Eine gängige Methode ist das sogenannte asynchrone Verschlüsselungsfahren nach dem „RSA“-Prinzip (das Kürzel geht auf die Namen der Entwickler zurück), das so konzipiert ist, dass der Empfänger eines (Plan-)Dokuments mit einem eigens erzeugten, individuellen Schlüssel und einem dem Dokument hinzugefügten zweiten Schlüssel das Dokument auf Echtheit überprüfen kann [vgl. Internet ftp.pca.dfn.de; itgl.informatik.uni-bremen.de]. Ein anderes Verfahren funktioniert über das ’Secure Shell’-Verfahren, bei dem ein sicherer Schlüssel-Tausch nach der Methode von Diffie-Hellmann stattfindet [vgl. Zeitschrift LANline 6/2003: 82ff; weitere Verfahren siehe auch KBSt 2003: 99ff]. Ein einfaches kryptographisches Verfahren ist im Übrigen die Tarnung von Informationen, die in Bild-, Musik, oder anderen Typen von Dateien eingebettet werden. Dieses Verfahren, ’Steganographie’ genannt, kann ebenfalls dem Schutz digitaler Dokumente dienen, indem diese mit einem digitalen Wasserzeichen versehen werden [Internet rhlx01.rz.fht-esslingen.de].
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Flächennutzungsplan Da der Flächennutzungsplan als Bestandteil der Bauleitplanung an anderer Stelle bereits angesprochen wurde, genügt an dieser Stelle eine kurze Charakterisierung dieses Plantyps: • • • •
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Rechtsgrundlage: Baugesetzbuch, Baunutzungsverordnung und Planzeichenverordnung; Zuständigkeit: Gemeinde; Verbindlichkeit: für die Gemeinde selbst und diejenigen Behörden und Träger öffentlicher Belange, die dem Plan nicht widersprochen haben; Geltungsbereich: das gesamte Gemeindegebiet (der Plan hat für alle Teile der Gemeinde Planaussagen zu treffen und darf keine ’weißen Flächen’ enthalten; Ausnahme: z.B. Altlasten(verdachts)flächen, die vor einer Planaussage erst noch im Hinblick auf eine konkrete Nutzbarkeit untersucht werden müssen); Bezeichnung des Planinhalts: Darstellungen (sowie Kennzeichnungen wie etwa im Falle von Altlastenflächen) nach dem Darstellungskatalog des Baugesetzbuches (§ 5), der Baunutzungsverordnung (§ 1 Abs. 1) und der Planzeichenverordnung; Bezeichnung des Textteils zum Plan: Begründung (in früheren Versionen des BauGB hieß dieser Textteil ’Erläuterungsbericht’); der Begründung ist obligatorisch ein Umweltbericht und eine zusammenfassende „Erklärung zum Umweltbericht“ hinzuzufügen (§ 2a BauGB); Gültigkeit: nach 15 Jahren soll nach neuem Recht (§ 5 Abs. 1 BauGB) ein Flächennutzungsplan neu aufgestellt werden; eine solche ’soll’-Bestimmung ist als ’muss’-Vorschrift zu interpretieren, wenn nicht zwingende Gründe vorliegen, davon abzuweichen.
Abbildung 7.6 zeigt den Flächennutzungsplan der Stadt Mainz (eine Farbversion der Darstellung befindet sich auf beiliegender DVD), der die Merkmale eines typischen Flächennutzungsplans aufweist [vgl. Internet www.mainz.de]. Im Falle von digitalen Planversionen können dynamisch ablaufende Bildsequenzen bzw. Animationen sowie sogenannte cursor-sensitive Kartenbestandteile (per Cursorbewegung auf dem Computermonitor wird eine Reaktion ausgelöst) sinnvoll und nutzbringend eingesetzt werden (z.B. dynamisches Einblenden von Luftbildern, Realnutzungsdarstellungen oder Kartengrundlagen); auch diesbezüglich wird der Leser einige selbsterklärende Beispiele in den entsprechenden Dokumenten auf der beiliegenden DVD finden. Eine Reihe von Screenshots stellt in der nächsten Abbildung 7.7 dar, wie mit Hilfe eines computergestützten Assistenzsystems Wohnbauflächen in einen Flächennutzungsplan eingearbeitet werden, der sich im Aufstellungsverfahren befindet. Diese Bildfolge verdeutlicht auch die Aufgabe des Flächennutzungsplans, „die sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodennutzung nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde“ darzustellen (§ 5 Abs. 1 BauGB), mit anderen Worten: Prognosen (z.B. Bevölkerungsprognosen) zu erstellen und in der Planausarbeitung aufzugreifen.
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Abb. 7.6: Flächennutzungsplan von Mainz (Quelle: Internetauftritt der Landeshauptstadt Mainz 2003) In dem Beispiel wurde davon ausgegangen, dass im Rahmen einer Flächennutzungsplanung weitere Wohnbauflächen benötigt werden (was durch Prognosen zu untermauern wäre). Es werden nun potentielle, d.h. in Frage kommende Areale ermittelt und dann in den Flächennutzungsplan als entsprechende Darstellung eingearbeitet. Dies sei anhand der Screenshots kurz erläutert [der vollständige Bearbeitungsgang zu diesem Beispiel ist zu finden bei Streich (Hrsg.) 2000]:
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Abb. 7.7: Der Einsatz eines computergestützten Assistenzsystems im Prozess des Aufstellungsverfahrens für einen Flächennutzungsplan
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•
•
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Zunächst wird im Hauptbearbeitungsfenster der Arbeitsschritt ’GIS-Abfrage potentielle Wohnbauflächen’ aktiviert, dem sich ggf. noch weitere Unterarbeitsschritte – etwa ’Unbebaute Flächen ohne Restriktionen’ oder ’Bewertung der gefundenen Flächen’ – anschließen können. Im Feld ’Informationen’ auf der rechten Seite des Hauptbearbeitungsfensters kann nun etwa auf weitergehende Informationen zu diesem Arbeitsschritt per Aktivierungsklick zugegriffen werden; im vorliegenden Fall auf ’Allgemeine Hinweise zur GIS-Abfrage Wohnbauflächen’. Aufgrund dieser Anforderung wird ein Web-Browser gestartet, mit dessen Hilfe Informationen zu ’Erläuterungen zur GIS-Abfrage für Siedlungserweiterungsflächen’ hinzugeladen werden können (vgl. geöffneten Web-Browser in der Bildmitte, links). Darüber hinaus kann im Hauptbearbeitungsfenster (oben rechts) auf ein ’InfoArchiv’ (vgl. Icon, rechts) zugegriffen werden, das an jeder Stelle des Verfahrens sämtliche Informationen des Verfahrensablaufs und alle relevanten Informationen zur Verfügung stellt. Im Falle der Siedlungserweiterungsflächen könnte etwa die Realnutzungskartierung und als Unterpunkt das Baulückenkataster von Interesse sein (vgl. Bildmitte rechts ’Informations-Archiv’). Im Hauptbearbeitungsfenster kann sodann eine GIS-Abfrage zur Ermittlung der potentiellen Wohnbauflächen nach Starten des entsprechenden Programms durchgeführt werden. Das Ergebnis der GIS-Abfrage wird durch eine kartographische Darstellung des GIS visualisiert. Anschließend könnte die Darstellung für neue Wohnbauflächen in den Flächennutzungsplan eingearbeitet werden.
An diesem Beispiel wird erkennbar, wie Geographische Informationssysteme im Rahmen der Aufstellung von Flächennutzungsplänen eingesetzt werden: nicht im Sinne eines eigenständigen und von übrigen Bearbeitungsaufgaben separierten Programms, sondern eingefügt in den Prozess des gesamten Planungsablaufs als Software-Modul in einer Reihe mit vielen anderen.
Bebauungsplan Der Bebauungsplan wurde in seinen drei Varianten – dem qualifizierten, dem einfachen sowie dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan – bereits zu Beginn dieses Kapitels vorgestellt. Deshalb genügt hier eine kurze Charakterisierung dieses Plantyps: • • •
Rechtsgrundlage: Baugesetzbuch, Baunutzungsverordnung und Planzeichenverordnung; Zuständigkeit: Gemeinde; Verbindlichkeit: rechtsverbindlich für jedermann qua Satzung (Ortsgesetz);
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Abb. 7.8: 3D-Visualisierung eines Baugebiets mit zugehörigem städtebaulichen Gestaltungsplan und Bebauungsplan (zeichnerischer Teil)
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Geltungsbereich: Teile des Gemeindegebiets; parzellenscharf, indem alle im Geltungsbereich befindlichen Flurstücke des Liegenschaftskatasters (Katasterkarte, Flurkarte) eindeutig dem Plan zugeordnet werden können; Bezeichnung der Planinhalte: Festsetzungen, wobei zwischen graphisch-zeichnerischen und textlichen Festsetzungen sowie Kennzeichnungen (z.B. Altlastenflächen) nach dem Festsetzungskatalog des Baugesetzbuches (§ 9), der Baunutzungsverordnung und der Planzeichenverordnung zu unterscheiden ist; Bezeichnung des Textteils zum Plan: Begründung; der Begründung ist obligatorisch ein Umweltbericht und eine zusammenfassende „Erklärung zum Umweltbericht“ hinzuzufügen (§ 2a BauGB); Gültigkeit: zunächst unbegrenzt bzw. bis der Satzungsbeschluss durch einen neuen Beschluss des Gemeinde- bzw. Stadtparlaments aufgehoben wird; seit Inkrafttreten der BauBG-Novellierung 2004 existiert allerdings auch die Möglichkeit der ’Dynamisierung’ planerischer Festsetzungen, d.h. bei Vorliegen besonderer städtebaulicher Situationen die Festsetzung befristeter oder auflösend bedingter Nutzungen [vgl. Spannowsky/Uechtritz 2009: 275ff].
Zentrale Aufgabe eines jeden Bebauungsplans sind die Festsetzungen, mit denen die Zulässigkeit von (Bau-)Vorhaben bestimmt wird. Im Falle des qualifizierten Bebauungsplans etwa sind dies Festsetzungen über Art und Maß der baulichen Nutzung, überbaubare Grundstücksflächen und örtliche Verkehrsflächen. Abbildung 7.8 zeigt in schematisierter Form einen Bebauungsplan mit seinen typischen Merkmalen, während Abbildung 7.9 die entsprechenden Erläuterungen der für die Bebauungsplanfestsetzungen verwendeten Nutzungsschablonen darstellt; weitere Beispiele befinden sich auf der beiliegenden DVD [z.B. Internet www. mainz.de]. Für Festsetzungen über die Art der Abb. 7.9: Nutzungsschablone für Bebaulichen Nutzung wird der Katalog bauungsplanfestsetzungen der baugebietsbezogenen Festsetzungsmöglichkeiten aus der Baunutzungsverordnung herangezogen. Unterschieden werden folgende Baugebietskategorien: • • •
reine Wohngebiete (WR) allgemeine Wohngebiete (WA) besondere Wohngebiete (WB)
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• • • • • • •
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Dorfgebiete (MD) Mischgebiete (MI) Kerngebiete (MK) Gewerbegebiete (GE) Industriegebiete (GI) Kleinsiedlungsgebiete (WS) Sondergebiete (SO)
Grund für diese Differenzierung (durchaus in konsequenter Anwendung des Funktionstrennungsprinzips der Charta von Athen) ist der Immissionsschutz, was sich auch an der Formulierung in den entsprechenden Rechtstexten zeigt, wenn vom ’Störungsgrad’ bestimmter Betriebe oder Nutzungen in baulichen Anlagen die Rede ist. So können z.B. in ’reinen Wohngebieten’ ausnahmsweise „Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen“, zugelassen werden (§ 3 BauNVO).
Abb. 7.10: Systematik und Berechnungsformeln zur Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung in Bebauungsplänen Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung geschehen ebenfalls auf der Basis der Baunutzungsverordnung, in der zu allen genannten Nutzungsarten je-
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weils Obergrenzen fixiert sind, die nicht überschritten werden dürfen. Das Maß der baulichen Nutzung wird bestimmt durch folgende Festsetzungen (vgl. Abb. 7.10): • • • • •
Grundflächenzahl (GRZ) als Verhältniszahl (Quotient) aus Grundfläche der baulichen Anlage zur jeweiligen Grundstücksfläche; Geschossflächenzahl (GFZ) als Verhältniszahl (Quotient) aus der Summe der Geschossflächen einer baulichen Anlage zur jeweiligen Grundstücksfläche; Baumassenzahl (BMZ) als Verhältniszahl (Quotient) aus dem Bauvolumen der baulichen Anlage zur jeweiligen Grundstücksfläche; Zahl der Vollgeschosse der baulichen Anlage; Höhe der baulichen Anlage.
Es sei im Übrigen hervorgehoben, dass in einem Bebauungsplan keine Festsetzungen über den Verlauf der Eigentumsgrenzen – Grundstücksgrenzen – getroffen werden (Mindestgrößen von Grundstücken dagegen können nach § 9 Abs 1 Nr. 3 BauGB festgesetzt werden). Die oben genannten Maßzahlen dagegen beziehen sich stets auf die jeweilige Grundstücksfläche. Sinn einer derartigen Regelung ist es, dass diese Maßzahlen grundsätzlich immer Gültigkeit haben, wie auch immer Grundstücksteilungen oder -verschmelzungen die konkreten Eigentumsgrenzen in Zukunft verändern sollten. Dabei ist weiterhin zu beachten, dass von ’Grundstücken’ – einem Begriff aus dem Grundbuchrecht –, nicht aber von ’Flurstücken’ – einem Begriff aus dem Liegenschaftskataster – die Rede ist (vgl. Kap. 3, Abschnitt „Bodenrecht – Eigentum an Grund und Boden“). Wenn sich im Hintergrund von graphisch-zeichnerischen Festsetzungen eines jeden Bebauungsplans eine Flur- bzw. Katasterkarte befindet, dann hat diese keine festsetzende Rechtswirkung, sondern dient lediglich der Herstellung eines eindeutigen Raumbezugs für die planerischen Festsetzungen; durch bodenordnerische Maßnahmen (z.B. Umlegung) können sich diese Flurstücks- und damit die Eigentumsgrenzen ohnehin jederzeit und unabhängig vom Bebauungsplan verändern (vgl. weiter hinten in diesem Kapitel). Die Festsetzung von überbaubaren Grundstücksflächen erfolgt durch zwei graphisch-zeichnerische Varianten, nämlich: • •
Baugrenzen und Baulinien.
Bei einer Baugrenze handelt es sich um eine Begrenzungslinie, die nicht überschritten werden darf; eine etwaige bauliche Anlage muss sich hinter dieser Begrenzung befinden. Im Falle der Baulinie muss sich die bauliche Anlage, etwa mit dem Verlauf einer ihrer Außenwände, exakt auf dieser Linie befinden. Die graphischen Polygone, die sich durch Baugrenzen oder Baulinien ergeben, werden gelegentlich auch als ’Baufenster’ bezeichnet. Sie grenzen in eindeutiger Weise die überbaubaren von den nicht überbaubaren Grundstücksflächen ab. Grundsätzlich dürfen bauliche Anlagen nur innerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen errichtet werden. Auf den nichtüberbaubaren Grundstücksflächen, also außerhalb der Baufenster, sind als bauliche Anlagen nur Nebenanlagen wie
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z.B. überdachte Stellplätze, Garagen oder kleine Gartenpavillons zulässig (§ 14 BauNVO). Die Zulässigkeit solcher Nebenanlagen kann jedoch eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Hinsichtlich der örtlichen Verkehrsflächen können folgende Festsetzungen getroffen werden: • • • •
Straßen, Wege und Plätze Flächen für den ruhenden Verkehr Fußgängerbereiche Flächen für den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen
Die örtlichen Verkehrsflächen stehen in einem engen Zusammenhang mit der Erschließung des durch den Bebauungsplan festgelegten Baugebiets (der Erschließungsbegriff umfasst aber noch mehr: etwa auch Grünanlagen, immissionsschützende Anlagen etc.). Festsetzungen über örtliche Verkehrsflächen können ergänzt werden um Festsetzungen von Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit oder eines beschränkten Personenkreises. Über die vorgenannten Mindestfestsetzungen hinaus kann noch eine Vielzahl weiterer Festsetzungen getroffen werden. Besonders hervorzuheben wäre da etwa die Bauweise (§ 22 BauNVO) mit den folgenden Varianten: •
•
offene Bauweise, bei der Gebäude einen seitlichen Grenzabstand haben und als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet werden; die Zulässigkeit der einzelnen Hausformen kann explizit festgesetzt werden; geschlossene Bauweise, bei der Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet werden.
Da die Baunutzungsverordnung (BauNVO) bei den konkreten Festsetzungsmöglichkeiten eine zentrale Rolle spielt, sei an dieser Stelle noch auf eine Besonderheit dieses Rechtstextes hingewiesen. Bebauungspläne sind in ihrem Charakter als Ortsgesetz unbegrenzt gültig; andererseits ist es aber ausgeschlossen, dass sich bei einer etwaigen Veränderung oder Novellierung der Baunutzungsverordnung alle bestehenden Ortssatzungen dieser neuen Fassung der BauNVO anpassen müssen. Deshalb sind rechtskräftige Bebauungspläne immer mit der zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses jeweils gültigen Fassung der Baunutzungsverordnung verkoppelt. Aus eben diesem Grund befinden sich in den einschlägigen Rechtstexten neben der aktuellen stets auch alle früheren Fassungen der Baunutzungsverordnung. Die Bearbeitung eines Bebauungsplans lässt sich, wie Abbildung 7.11 an einem Beispiel demonstriert, durch computergestützte Assistenzsysteme wirkungsvoll unterstützen. In der Abbildung befindet sich die Planbearbeitung gerade in der Phase, in der die örtlichen Verkehrsflächen festgesetzt werden sollen. Der Screenshot lässt dazu folgendes erkennen:
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Abb. 7.11: Der Einsatz eines computergestützten Assistenzsystems im Prozess des Aufstellungsverfahrens für einen Bebauungsplan •
•
•
•
Im Hauptbearbeitungsfenster (oben links) wird dem Sachbearbeiter der Stand der Arbeiten und die noch zu erledigenden Aufgaben eingeblendet: als nächstes ist die Geometrie der Verkehrsflächen festzusetzen. Bei dieser Aufgabe sorgt das System automatisch dafür, dass ein weiteres Bearbeitungsfenster eingeblendet wird (unten links), das die Art der Geometriebearbeitung steuert, etwa indem die richtige Signatur aus der Planzeichenverordnung ausgesucht wird. Diese Aktivität führt dazu, dass der Plan selbst in Erscheinung tritt (sofern er nicht schon aufgrund bereits getätigter graphischer Festsetzungen eingeblendet war) und nun konkret die Linie zur Festsetzung der örtlichen Verkehrsflächen – automatisch mit der nach der Planzeichenverordnung vorgeschriebenen Signatur – gezogen werden kann. Zugleich wird – bei Bedarf – ein weiteres Fenster eingeblendet, in dem der Sachbearbeiter die Rechtsgrundlagen (z.B. die aktuelle Rechtsprechung zu die-
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•
sem Aspekt) für die Festsetzung von örtlichen Verkehrsflächen findet; diese Informationen können über entsprechende Informationsdienste zum Bau- und Planungsrechtswesen aus dem Internet entnommen worden sein. Schließlich wird der Sachbearbeiter noch darauf hingewiesen (unten rechts), dass für den Festsetzungssachverhalt ’Verkehrsfläche’ ein Lärmgutachten vorliegt. Das Computersystem selbst erachtet automatisch dieses Gutachten als möglicherweise relevant und macht es deshalb an dieser Stelle und zu diesem Zeitpunkt dem Sachbearbeiter zugänglich. Planerische Abwägungsfehler lassen sich auf diese Weise verringern.
Auch dieses Beispiel zeigt deutlich, wie der Einsatz von Geographischen Informationssystemen oder CAD-Systemen in den Prozess des gesamten Planungsablaufs einzuordnen ist: Ein solches Graphiksystem ist für die Bebauungsplanung ein Tool unter vielen möglichen anderen.
Position des Betrachters durch GPSSignal auf dem Display
Abb. 7.12: Ein im Entwurf befindlicher Bebauungsplan auf einem Tablettcomputer einschließlich Geolokalisierung des Betrachters Abbildung 7.12 zeigt die Möglichkeit der Nutzung mobiler Computersysteme – hier als Tablettcomputer bzw. Smartphone – bei der Bearbeitung von Bebauungsplänen. Bebauungsplanentwürfe können damit direkt vor Ort in den gewünschten Planaussagen kontrolliert und gegebenenfalls unmittelbar verändert werden. Durch die Einblendung des Standortes über ein GPS-Signal erhält der Betrachter eine räumlich exakte Vorstellung der Planfestsetzungen. Bei Vorliegen eines rechtskräftigen Bebauungsplans kann die Realisierbarkeit von Bauabsichten ebenfalls direkt vor Ort überprüft werden, möglicherweise ergänzt durch ‘augmented-reality‘-Techniken,
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bei denen Baukörper in die Areale der überbaubaren Grundstücksflächen eingeblendet und von allen Seiten betrachtet werden können.
Aufstellungsverfahren Das Verfahren zur Aufstellung von Bauleitplänen ist – für Flächennutzungs- und Bebauungspläne weitgehend identisch – im Baugesetzbuch geregelt (vgl. Abb. 7.13). Da dieses Verfahren bereits in zahlreichen einschlägigen Publikationen des Planungsrechts aber auch der allgemeinen Planungsliteratur detailliert erläutert vorliegt [vgl. z.B. Stüer 2001: 187ff, Braam 1999: 128ff, van Schayck 1998. 13ff, Hangarter 1999: 30, Albers 1988: 133ff], wird in dem vorliegenden Buch unter besonderer Berücksichtigung des Einsatzes der digitalen Informationstechnik darauf eingegangen. Gegenwärtig zeichnet sich hier ein gravierender Wandel ab. So gibt es den Vorschlag, „Digitale Planungsordner“ zu schaffen, die im Zuge von Planverfahren die Papierform weitgehend ersetzen; die Vorteile wären: eine bessere Informationsverfügbarkeit, Erleichterung von Beteiligungsverfahren, geringere Kosten, weniger Raumprobleme bei der Aktenunterbringung und Erleichterung der Bearbeitung. Im Zusammenhang mit Planfeststellungsverfahren haben Bernhard Stüer und Willi Probstfeld gar eine weitergehende, noch vor wenigen Jahren für undenkbar gehaltene Schlussfolgerung gezogen: „Die eindeutigen, ja geradezu zwingenden Vorteile der Fachplanung auf CD-ROM werden dazu führen, dass die rechtlichen Bestimmungen bei nächster Gelegenheit klar und eindeutig abgefasst werden und herkömmliche Plansätze in Papierform mehr und mehr in den Hintergrund treten und am Ende ganz verschwinden“. Dieses Statement wird sich nicht nur im Bereich des Planfeststellungsverfahrens, um das es in dieser Expertise ging [vgl. Internet www.stuer.via.t-online.de] bewahrheiten, sondern zweifellos auch im Bereich des städtebaulichen Planungsrechts. Die Tatsache, dass diese Einschätzung von Rechtswissenschaftlern stammt, mag manchem in dieser Hinsicht immer noch verhalten agierenden Stadtplanungspraktiker zu denken geben. Ein erster Schritt in diese Richtung erfolgte allerdings schon im Zuge einer der jüngeren BauGB-Novellierungen mit § 4a, der in Absatz 4 die Vorschrift enthält, dass „bei der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung ergänzend elektronische Informationstechnologien genutzt werden können“. a) Planungserforderlichkeit und Aufstellungsbeschluss Bauleitpläne werden von der zuständigen Gemeinde in eigener Verantwortung aufgestellt. Dazu ist eine Beschlussfassung (§ 2 Abs. 1 BauGB) notwendig, die ortsüblich bekanntzumachen ist. Der Planaufstellungsbeschluss muss den räumlichen Geltungsbereich bezeichnen, enthält jedoch zunächst noch keine inhaltlichen Aussagen über die Nutzungen des Plangebiets.
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Abb. 7.13: Verfahrensschritte bei der Aufstellung von Bauleitplänen Ein sehr wesentlicher Gesichtspunkt beim Aufstellen von Bauleitplänen ist der Nachweis der Planungserforderlichkeit durch die Gemeinde – vor dem Hintergrund des anhaltenden Ressourcenverbrauchs ein Aspekt von besonderer ökologischer
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Tragweite. In § 1 Abs. 3 BauGB heißt es, dass die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen haben, „sobald und soweit dies (...) erforderlich ist“. Folgern lässt sich aus dieser Vorschrift zweierlei: •
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eine städtebauliche Planung – in Gestalt der Bauleitplanung – ist zwingend vorgeschrieben, wenn es aufgrund von städtebaulichen Entwicklungen zu einem unzweifelhaften und unaufhebbaren Handlungsdruck gekommen ist; auf eine städtebauliche Planung muss aber auch verzichtet werden können, wenn zeitlich und sachlich kein Anlass für eine solche Planung vorliegt, sie mithin nicht erforderlich ist.
Beide Auslegungen sind im Prinzip gleichrangig, denn der Gesetzgeber hat explizit weder ein Planungsgebot noch ein -verbot formuliert. Mit den Begriffen ’sobald’ und ’soweit’ erhält der Handlungsspielraum sowohl eine zeitliche als auch eine sachliche bzw. quantitative Komponente, die wiederum in zwei Richtungen wirken kann: Es darf nicht zu früh oder zu spät, aber auch nicht zu viel oder zu wenig geplant werden. Außerdem impliziert der Wortlaut des Textes die Frage, ob zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Planung überhaupt erforderlich, d.h. notwendig ist. Planungsmethodisch bedeutet dies nichts anderes als den Auftrag, im Rahmen etwa einer Umweltprüfung (UP) bzw. Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) eine sogenannte Nullalternativenprüfung durchzuführen, die Planung damit praktisch einzustellen. In diesem Zusammenhang gibt es übrigens einen interessanten Sachverhalt, der, in der Fachwelt bislang nur wenig diskutiert, durchaus auch an anderen Stellen der UVP-Praxis zu beobachten ist: Bei den Gemeinden tritt zunehmend die Fragestellung des „ob überhaupt“ zugunsten eines „wie am umweltfreundlichsten“ stark oder gänzlich in den Hintergrund [Jacoby 1988]. Es ist allerdings allgemeine Rechtsauffassung, dass „die Entscheidung, ob (...) eine Planung betrieben wird, grundsätzlich dem Planungsermessen der Gemeinde obliegt, und das Merkmal der Erforderlichkeit ’praktisch nur bei groben und einigermaßen offensichtlichen Missgriffen eine Schranke der Planungsbefugnis darstellt’“ [Ernst/Zinkahn/Bielenberg 1990, Rd.-Nr. 20]. Die verschiedenen Kommentierungen zum Baugesetzbuch lassen sich in Bezug auf den Erforderlichkeitsaspekt wie folgt zusammenfassen [vgl. ausführliche Quellennachweise dazu bei Streich 1994]: •
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Die Planungsbefugnis, d.h. die Befugnis, durch Bauleitpläne Rechtspositionen des Bürgers zu gestalten, wird der Gemeinde nicht uneingeschränkt verliehen, sondern muss sich aus dem Entwicklungs- und Ordnungsauftrag rechtfertigen, was aber nicht bedeutet, dass – etwa im Sinne der polizeirechtlichen Tradition von Erforderlichkeit – Maßnahmen unbedingt notwendig sein müssen, sondern vielmehr, dass sie nach der planerischen Konzeption der Gemeinde erforderlich sind. Wenn Planungserforderlichkeit von der planerischen Konzeption der Gemeinde her interpretiert wird, bedeutet das zum einen, dass ein akutes Bedürfnis oder gar ein zwingender Grund für die Planung nicht zu bestehen braucht, zum ande-
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ren, dass es zur Entwicklung neuer Planungsinitiativen der Darlegung zwingender Gründe nicht bedarf – die Ausweisung eines neuen Baugebiets trotz genügend vorhandenen Baulands also möglich wäre. Eine Kontrolle der Planungserforderlichkeit findet zweistufig statt. Die erste Stufe beinhaltet das Entwickeln eines planerischen Konzepts in Gestalt von Flächennutzungsplänen oder kommunalen Entwicklungsplanungen, aber auch das bisherige Planungsverhalten; die zweite Stufe umfasst dann den Nachweis, dass sich die konkrete Planungsmaßnahme in dieses Konzept einfügt und in diesem Sinne notwendig ist. Daraus ergibt sich die Verpflichtung zu konzeptgemäßem Verhalten bei der Planung und somit schließlich auch eine Planungspflicht.
Die Logik dieser Argumentationskette zielt also im Prinzip darauf, Planungsmaßnahmen in die Wege zu leiten, nicht aber darauf, gegebenenfalls auf sie zu verzichten. Die Prüfung der Planungserforderlichkeit in dem Sinne, dass sie am Ende nicht automatisch zu einer Planung führt, bleibt weitgehend unberücksichtigt und kommt im Wesentlichen nur dann zustande, wenn eine planerische Konzeption komplett fehlt. Allerdings kann die obligatorische Umweltprüfung diesem Automatismus einen Riegel vorschieben. In der Praxis beginnt das Verfahren zur Aufstellung von Bauleitplänen nicht erst mit dem eigentlichen Aufstellungsbeschluss, sondern in der Regel viel früher, etwa aufgrund einer Initiative der Verwaltung (Stadtplanungsamt, kommunale Wirtschaftsförderung etc.) oder einer Investorenanfrage. Häufig gibt es bei einem derartigen Vorlauf bereits eine Reihe von Informationen in Form von städtebaulichen Entwurfsmodellen, Texten oder graphischen Darstellungen, die, in einem digitalen Planungsordner öffentlich gemacht, zur ortsüblichen Bekanntmachung des Planaufstellungsbeschlusses – auch über das Internet – sowie schließlich zum Nachweis der Planungserforderlichkeit herangezogen werden. Eine wichtige Rolle kann in dieser Phase auch das sogenannte Ökokonto spielen, bei dem es darum geht, im Zuge der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung (§ 8a BNatSchG und § 1a BauGB) bereits vor dem Eingriff durch einen Bauleitplan geeignete Ausgleichsmaßnahmen durchzuführen und diese Vorleistung durch einen angemessenen Flächenabschlag in der Abwägung als ’ökologische Verzinsung’ zu berücksichtigen [vgl. Internet www.umweltministerium.bayern.de]. Auch hierfür stellen digitale Informationssysteme mit differenzierten Informationen über ökologische Wertigkeiten von Flächen ein unerlässliches Instrument dar, und zwar um so mehr, als wegen der natürlichen Eigendynamik von Ökotopen auch der Zeitfaktor eine wichtige Rolle spielt. b) Beteiligung der Behörden und Träger öffentlicher Belange Am Verfahren der Bauleitplanung sind Behörden und sonstige Träger öffentlicher Belange (TöB) nach § 4 BauGB zu beteiligen. Diese Beteiligung dient – ebenso wie die Öffentlichkeitsbeteiligung (früher ’Bürgerbeteiligung’) – dazu, zusätzlich Informationen zu erhalten, die für die inhaltliche Abwägung der unterschiedlichen Belange
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bei der Planabfassung wichtig sein können. Gleichzeitig bietet sie den Behörden und TöB die Möglichkeit, eigene Planungsvorstellungen in die Planausgestaltung einzubringen. Das Baugesetzbuch benennt die zu beteiligenden Behörden und Träger öffentlicher Belange nicht im Einzelnen; unter Berücksichtigung des jeweiligen Planungsgegenstands und der hierdurch berührten Belange ist jedoch von einer umfassenden Beteiligung auszugehen [Stüer 2001: 195; Braam 1999: 134ff]. Träger öffentlicher Belange sind nicht nur staatliche Behörden wie etwa jene für Immissionsschutz, Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft etc., sondern auch Organisationen wie die Industrie- und Handelskammer, die Handwerkskammer, die Landwirtschaftskammer oder Versorgungsunternehmen für Wasser oder Energie. Die Beteiligung von Behörden und Trägern öffentlicher Belange gestaltet sich – häufig allein durch ihre Zahl, die zwei- bis dreistellig sein kann – recht aufwendig. Um das Verfahren der Beteiligung von Behörden und Trägern öffentlicher Belange zu vereinfachen, setzt sich in jüngerer Zeit allmählich ein Procedere durch, das über ein mittlerweile flächendeckend verfügbares Netzwerk digitaler Informationssysteme und/oder das Internet abgewickelt wird (vgl. Abb. 7.14). Auch die terminliche Koordination – die Träger öffentlicher Belange haben ihre Stellungnahme innerhalb eines Monats abzugeben – lässt sich mit Hilfe der Digitaltechnik in zeitgemäßer Weise kontrollieren.
Abb. 7.14: Beteiligung von Akteuren im Rahmen der Bauleitplanung durch den Einsatz der Internettechnologie
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Nach Inkraftsetzung der Novellierung des BauGB werden die „elektronischen Informationsmedien“ ausdrücklich als Instrument für Beteiligungsverfahren erwähnt (vgl. § 4a Abs. 4 BauGB). c) Öffentlichkeitsbeteiligung Ein weiteres wesentliches Feld der Verfahrensbeteiligung bei der Aufstellung von Bauleitplänen ist die Beteiligung der Öffentlichkeit bzw. der Bürger. Diese hat vier wichtige Funktionen [Stüer 2001: 199f]: •
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eine Informationsfunktion, um Planungsvorstellungen aus der Öffentlichkeit zu gewinnen und eine Qualitätsverbesserung der Planung herbeizuführen, um die Bedürfnisse des Bürgers näher kennenzulernen sowie insgesamt mehr Abwägungsmaterial zu erhalten; eine demokratische Funktion, d.h. Beteiligung der Öffentlichkeit und Möglichkeit einer individuellen Artikulation; eine Rechtsschutzfunktion, d.h. Verbesserung von Einwirkungsmöglichkeiten zwecks Wahrung individueller Rechte; eine Integrationsfunktion, um die Akzeptanz kommunaler Planungen zu verbessern.
Während seit der novellierten Fassung des Baugesetzbuches aus dem Jahre 2004 der neue Begriff der „Öffentlichkeitsbeteiligung“ eingeführt ist, war in der alten Fassung von „Bürgerbeteiligung“ die Rede – wobei sich die Frage stellte, was unter dem Begriff ’Bürger’ im Sinne des deutschen Städtebaurechts zu verstehen ist. Das Baugesetzbuch verwendete das Wort ’Bürger’ bzw. verwendet nach aktueller Gesetzesformulierung die Bezeichnung ’Öffentlichkeit’, ohne zu definieren, um wen bzw. welche Personen oder welchen Personenkreis es sich dabei eigentlich genau handelt. Dass es dabei nicht nur um Bürger/Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit gehen kann, liegt auf der Hand; von einer Planung können auch Personen anderer Nationalitäten betroffen sein. Der angesprochene Personenkreis wird jedoch noch wesentlich weiter gefasst, denn jedermann – „jede natürliche und juristische Person (...) ohne Nachweis eines irgendwie gearteten eigenen Interesses“ [Stüer 2001: 201, 207] – kann sich als Bürger/Person in das Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren einbringen. Diese Auslegung stößt allerdings bei Städten und Gemeinden zunehmend auf Skepsis, weil vor allem durch den vermehrten Interneteinsatz die Zugriffsmöglichkeiten und die Kenntnis von in Aufstellung befindlichen Bauleitplänen gegenüber früheren Zeiten schlagartig quasi ’globalisiert’ wurden, mit Konsequenzen, die noch nicht voll absehbar sind. Inwieweit sich die Beteiligung von ’jedermann’ aufrechterhalten lässt oder nach Grad der räumlichen und sachlichen Betroffenheit zu gewichten ist, wird möglicherweise noch zu intensiveren Diskussionen führen als früher. Das Baugesetzbuch sieht ein abgestuftes Informationssystem bzw. zwei Phasen für die Öffentlichkeitsbeteiligung vor (§ 3 BauGB):
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die vorgezogene oder frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung als Bestandteil der Planungsvorbereitung und die förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung als Stellungnahme zu einem Planentwurf.
Während die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung zu Beginn der Planaufstellung stattfindet, um noch planrelevante Informationen zu gewinnen, wird die förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung gegen Ende des Verfahrens durchgeführt, dann nämlich, wenn der Bauleitplan nebst Begründung in einer beschlussreifen Form vorliegt und derart vom Stadt- bzw. Gemeinderat gebilligt wurde. In der vorgezogenen Öffentlichkeitsbeteiligung werden die Bürger über die von der Gemeinde beabsichtigten Planungsziele und -konzepte informiert, und sie erhalten Gelegenheit zur öffentlichen Erörterung und Stellungnahme. Dies soll in geeigneter Weise geschehen, etwa in einer Bürgerversammlung, die den Bürgern durch Bekanntmachung rechtzeitig anzukündigen ist. Bei der förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung sind genauere Verfahrensvorschriften einzuhalten. So ist etwa nach dem Billigungsbeschluss der Plan für einen Monat zu jedermanns Einsicht öffentlich auszulegen und mindestens eine Woche vorher Ort und Dauer der Auslegung ortsüblich bekanntzugeben. Jeder Bürger hat dann das Recht, Anregungen (bis zur BauGB-Novellierung 1998 hieß es noch ’Bedenken und Anregungen’) zu dem Plan vorzubringen, die in die Planabwägung eingehen. Zu erwähnen ist noch das Instrument des Bürgerbegehrens bzw. Bürgerentscheids, das nach den Gemeindeordnungen einiger Bundesländer, so in Bayern, Hessen oder Sachsen, auch bei der Aufstellung von Bauleitplänen zum Zuge kommen kann (andere Bundesländer schließen die Bauleitplanung ausdrücklich davon aus, z.B. Nordrhein-Westfalen) [Internet mehr-demokratie.de/bb_regeln.html]. Im Zuge der Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren gewinnt die digitale Informationstechnik zunehmend an Bedeutung; neben den traditionellen Methoden der Öffentlichkeitsbeteiligung hat sich schon heute vielerorts die Partizipation über das Internet etabliert. Der Vorteil dieser Technik besteht darin, dass die Öffentlichkeitsbeteiligung nicht mehr in zwei distinktive Zeitphasen zerfällt, wie es bei den traditionellen Verfahren aus organisatorischen Gründen der Fall ist, sondern eine kontinuierliche Unterrichtung der Bürger und ein permanenter Informationsaustausch stattfinden kann, ohne dass die rechtlich vorgeschriebenen Verfahrensvorschriften und -schritte damit in Frage gestellt wären. Dass und in welcher Weise die neuen digitalen Medien bei der Öffentlichkeitsbeteiligung eingesetzt werden können, ist in § 4a Abs. 4 BauGB geregelt. Im Wortlaut heißt es dort: „Bei der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung können ergänzend elektronische Informationstechnologien genutzt werden. Soweit die Gemeinde den Entwurf des Bauleitplans und die Begründung in das Internet einstellt, können die Stellungnahmen der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange durch Mitteilung von Ort und Dauer der öffentlichen Auslegung nach § 3 Abs. 2 und der Internetadresse eingeholt werden; die Mitteilung kann im Wege der elektronischen Kommunikation erfolgen, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet hat.“
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Abb. 7.15: Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen eines kommunalen Bürgerinformationssystems Ist bereits ein umfassendes digitales Bürgerinformationssystem (BIS) von seiten der Stadt- oder Gemeindeverwaltung vorhanden, bietet es sich an, ein internetgestütztes Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren darin einzubetten (vgl. Abb. 7.15 und beiliegende DVD), so dass sich interessierte Bürger auf einer einheitlichen, wiedererkennbaren Internetseite über den Stand der Planungen unterrichten können. Der große Vorteil einer derartigen Planungspartizipation ist, dass eine Beeinflussung einzelner Personen durch gruppendynamische Prozesse, wie sie manchmal auf öffentlichen Bürgerversammlungen oder in Bürgerbüros von Stadtbezirken ablau-
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fen, weitgehend ausgeschlossen werden kann. Bedenklich sind dagegen Techniken, mit denen das Profil der Benutzer von Internetseiten (z.B. Personen, die Plananregungen geltend machen) extrahiert und analysiert werden kann, um sie anschließend gezielt mit auf das Benutzerprofil abgestimmten Informationen zu beeinflussen. Mit diesem Phänomen wird sich die Planungsethik noch intensiv zu befassen haben. d) Billigungsbeschluss und Planoffenlegung Mit dem Billigungs- und Offenlegungsbeschluss geht das Verfahren bei der Aufstellung eines Bauleitplans in eine entscheidende Phase. Alle für den aufzustellenden Bauleitplan relevanten Informationen werden für die politischen Entscheidungsträger – Stadt- bzw. Gemeinderat – aufbereitet, so dass eine Entscheidung, den Planentwurf einschließlich seiner Begründung zu billigen, herbeigeführt werden kann (vor Inkrafttreten der BauGB-Novellierung 2004 hieß diese Begründung bei Flächennutzungsplänen ’Erläuterungsbericht’). Begründungen für Bauleitpläne sind stets auch um einen Umweltbericht, eine zusammenfassende Erklärung sowie um Grundsätze für das Monitoring hinsichtlich der Umweltauswirkung im Zuge der Realisierung der Bauleitpläne zu ergänzen [vgl. Spannowsky/Uechtritz 2009: 120ff]. Welches Gemeindeorgan dabei tätig wird, bestimmt das jeweilige landespezifische Kommunalrecht; nach Bundesrecht wäre es sogar ausreichend, wenn die Offenlage des Planentwurfs ortsüblich bekannt gemacht würde [Stüer 2001: 203]. Üblich ist ein Billigungsbeschluss durch Stadt- bzw. Gemeinderat als dem zuständigen politischen Gremium. Mit diesem Beschluss wird dann zum Zwecke einer förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung eine Planoffenlegung eingeleitet. Nach dem Baugesetzbuch sind hierbei zwei wichtige Fristen zu beachten: Zwischen Bekanntmachung und Beginn der Planoffenlegung muss eine Woche liegen, für die Offenlage des Plans selbst muss ein Monat zur Verfügung stehen. Während dieser Zeit hat die Öffentlichkeit Gelegenheit, Anregungen zum Planentwurf vorzubringen; die betroffenen Behörden und Träger öffentlicher Belange werden über die Auslegung informiert. Darauf, dass bei der Öffentlichkeitsbeteiligung „ergänzend elektronische Informationstechnologien“, wie es im Gesetzestext in § 4a Abs. 4 BauGB heißt, genutzt werden können, wurde bereits an anderer Stelle hingewiesen. Planoffenlage und das Vorbringen von Anregungen kann also in effektiver Weise über das Internet abgewickelt werden, und viele Städte und Gemeinden praktizieren schon seit längerem ein solches Verfahren (Vor- und Nachteile wurden schon weiter oben diskutiert). Eine Planoffenlage über das Internet zu organisieren, ist technisch kein großes Problem und rechtlich in Ansätzen geregelt.
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e) Umgang mit Plananregungen Bei der Handhabung der Plananregungen ist größte Sorgfalt angebracht, weil alle Informationen, die im Rahmen des Verfahrens bis zum Zeitpunkt der endgültigen Planbeschlussfassung die Stadt bzw. Gemeinde erreichen, in die Abwägung eingestellt werden müssen [Stüer 2001: 207]. Im Umgang mit den Plananregungen als wesentlichem Bestandteil des gesamten Abwägungsmaterials manifestiert sich die Planungshoheit der Gemeinden, weil die „Beachtung der Grundsätze des Abwägungsgebots das Kennzeichen jeder rechtsstaatlichen Planung“ darstellt [Stüer 2001: 253]. Die im Rahmen der förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung fristgerecht vorgebrachten Anregungen sind im Einzelnen zu prüfen. Das Ergebnis dieser Prüfung ist denjenigen, die die Anregungen vorgebracht haben, mitzuteilen, wobei die letztendliche Zuständigkeit der Prüfung und der Erteilung eines Bescheids über die Prüfung beim politischen Gremium, dem Rat der Stadt oder Gemeinde, liegt. Die Verwaltung bereitet lediglich die Beschlussvorlage für jede einzelne Anregung vor. Bringen mehr als fünfzig Personen Anregungen annähernd gleichen Inhalts vor, kann die Mitteilung des Ergebnisses der Prüfung an jeden einzelnen dadurch ersetzt werden, dass die betreffenden Personen das Prüfergebnis in der Behörde während der Dienstzeit einsehen können (§ 3 Abs. 2 BauGB). Inwieweit diese Mitteilungen zukünftig per E-Mail zugesandt werden können, mag noch juristisch zu überprüfen sein; § 4a BauGB eröffnet dazu im Prinzip die Möglichkeiten. Wenn, wie es in größeren Städten nicht selten vorkommt, mehrere zehntausend Anregungen zu einer Planaufstellung zu bearbeiten sind, ist der Organisationsaufwand beträchtlich. Um alle Informationen sachgerecht handzuhaben, sind die folgenden Einzelmaßnahmen durchzuführen: • • • • • •
Erfassung, Dokumentation und Sortierung der eingegangenen Anregungen; Feststellung von Anregungen mit im Wesentlichen gleichem Inhalt (§ 3 Abs. 2 BauGB) zur Straffung des Prüfungsvorgangs; Prüfung jeder einzelnen Anregung nach den Kriterien einer sachgerechten Abwägung; etwaige Einarbeitung von Anregungen in den Plan (mit der Konsequenz einer nochmaligen Offenlage); Erstellung von Beschlussvorlagen für das politische Gremium über die Anregungen; Mitteilung des Prüfungsergebnisses an die Einwender.
Ein derart komplexes Zusammenspiel von Informationserfassung, Informationsverdichtung, -präsentation und -bewertung in einem System kontinuierlicher Informationsflüsse lässt sich zweckmäßig nur noch mit leistungsfähigen Informationssystemen organisieren. Eine rasch wachsende Zahl von Kommunen ist deshalb auch schon dazu übergegangen, ein entsprechend leistungsfähiges Ratsinformationssystem aufzubauen, das, dank einer engen informationellen Koppelung mit der Verwaltung, dazu dient, die politische Arbeit durch Bereitstellung von Beschlussvor-
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lagen organisatorisch zu straffen und im Bedarfsfall die Bereitstellung von Hintergrundinformationen zu erleichtern. f) Planbeschluss und ortsübliche Bekanntmachung Mit dem Beschließen des Plans durch das entsprechende politische Gremium der zuständigen Kommune – üblicherweise ist dies der Rat der Stadt oder Gemeinde – ist das Aufstellungsverfahren von Bauleitplänen aber noch nicht gänzlich abgeschlossen. Im Falle des Flächennutzungsplans bedarf es noch der Genehmigung durch die höhere Verwaltungsbehörde (in Nordrhein-Westfalen etwa wäre dies der Regierungspräsident). Erst wenn innerhalb einer Dreimonatsfrist eine Genehmigung von der höheren Verwaltungsbehörde vorliegt, kann die Gemeinde durch öffentliches Bekanntmachen der Genehmigungserteilung die endgültige Planwirksamkeit herstellen. Die Kommune selbst und diejenigen Behörden und Träger öffentlicher Belange, die dem Plan nicht widersprochen haben, sind dann an diesen Plan gebunden. Im Falle von Bebauungsplänen bedarf es einer solchen Genehmigung durch die höhere Verwaltungsbehörde nicht, vorausgesetzt, der Bebauungsplan wurde aus einem wirksamen Flächennutzungsplan heraus entwickelt. Die Bundesländer können allerdings für diese nicht genehmigungsbedürftigen Bebauungspläne ein Anzeigeverfahren einführen, so dass sich die höhere Verwaltungsbehörde innerhalb eines Monats zu etwaigen Rechtsverletzungen äußern kann (§ 246 Abs. 1a BauGB). Äußert sie sich nicht, erlangen solche Bebauungspläne durch ortsübliche Bekanntmachung ihre Rechtsverbindlichkeit als Satzung. In einem anderen Fall jedoch ist die Mitwirkung der Genehmigungsbehörde stets erforderlich, dann nämlich, wenn ein Bebauungsplan – etwa in einem dringenden Fall – nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelt wurde oder wenn sich der Flächennutzungsplan selbst gerade in einem Aufstellungs-, Änderungs- oder Ergänzungsverfahren befindet. Mit der Bekanntmachung eines Flächennutzungsplans oder Bebauungsplans ist die Pflicht der Kommune verbunden, jedermann Einsicht in diese Pläne zu gewähren und diesbezüglich Auskünfte zu erteilen. Auch für diese Aufgabe bedient man sich heutzutage – mit zunehmender Tendenz – der digitalen Bild- und Informationsmedien, wodurch die ’Verfügbarkeit und Einsichtnahme in die Bauleitpläne’ eine völlig neue Qualität erhält (siehe etwa Bebauungsplanentwurf auf einem Smartphone in Abb. 7.12). Künftige BauGB-Novellierungen werden eine Internetpräsentation möglicherweise zur Pflicht machen. g) Überwachung (Monitoring) Nach der BauGB-Novellierung 2004 sind aufgrund europarechtlicher Vorgaben die Gemeinden verpflichtet, die erheblichen Auswirkungen der Durchführung der Bauleitpläne auf die Umwelt zu überwachen (§ 4c BauGB). Der europarechtlich eröffnete Gestaltungsspielraum soll, wie Michael Krautzberger dazu ausführt, „den
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Gemeinden als Trägern der Planungshoheit erhalten bleiben, damit diese über Zeitpunkt, Inhalt und Verfahren des Monitoring entsprechend den Bedürfnissen der jeweiligen Planungskonzepte entscheiden und das Monitoring somit als Instrument zur Verbesserung der Planungspraxis und auch zur Erfolgsbilanzierung insgesamt nutzen können“ [Krautzberger 2004; außerdem Spannowsky/Uechtritz 2009: 179ff]. Das im Einzelfall geeignete Konzept zur Planüberwachung soll von der Gemeinde im Umweltbericht beschrieben werden. Der Einsatz von Geographischen Informationssystemen als besonders geeignetes Instrument zur Erfüllung dieser Überwachungsaufgabe, die für jeden Bauleitplan eine permanent zu erfüllende Pflicht darstellt, bietet sich an. Der Gesetzestext und auch die einschlägigen Kommentierungen zum Monitoring treffen dazu keine Aussagen. Allerdings haben die „einzelnen Bürger einen Anspruch darauf, über das Ergebnis der Umweltüberwachung informiert zu werden“ [Spannowsky/Uechtritz 2009: 186], was letztendlich – schon allein aus arbeitsökonomischen Gründen – auf einen entsprechend gestalteten Internetauftritt mit klaren Geobezügen (Geoweb) der beobachteten Sachverhalte hinauslaufen dürfte.
Akteure der Bauleitplanung Inwieweit die rechtlichen Instrumente der Bauleitplanung eingesetzt werden, hängt entscheidend von den Interessen und der Motivation der verschiedenen Akteure ab. Je nach Problemlage, Aufgabenstellung oder Zielvorstellung können sehr unterschiedliche Gruppierungen aktiv werden, so dass am Ende eine kaum überschaubare Zahl an relevanten Akteuren zu koordinieren und zu integrieren ist. Wesentliche Akteursgruppen sind zum Beispiel: • • • • • • • •
politische Instanzen, Gremien oder Einzelakteure auf verschiedenen institutionellen Ebenen; unterschiedliche Verwaltungseinheiten, sowohl in ihrer vertikalen, als auch in ihrer horizontalen Gliederung; Aufsichts- und Genehmigungsbehörden; Projektbearbeiter (Einschaltung Dritter als Verwaltungshelfer); die Öffentlichkeit, insbesondere Bürger; Behörden und sonstige Träger öffentlicher Belange; Investoren, Bauträger, Erschließungsträger, Sanierungs- oder Entwicklungsträger; Betroffene (Eigentümer, Mieter, Pächter).
Zwischen sämtlichen Akteuren und Akteursgruppen finden ständig Informationsflüsse statt, die sich in ihrer Wirkung auch gegenseitig beeinflussen können. Einige Planungstheoretiker sehen darin einen gewaltigen Koordinationsaufwand und plädieren für ein permanentes Beobachten und Kontrollieren des Handelns aller Akteure und erachten diese Tätigkeit als eines der wesentlichen Elemente im Zuge der Steuerung von Planaufstellungsprozessen [Ahrens/Zierold 1986: 65].
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Mit den Mitteln einer modernen Informationsverarbeitung lässt sich diese Koordinationsaufgabe problemlos bewältigen und ein auf die Adressaten abgestimmter Informationsfluss sicherstellen. Technischerseits handelt es sich im Prinzip um eine Projektmanagementaufgabe auf der Grundlage von Arbeitsabläufen (’Workflows’), die mit Workflowmanagement-Systemen und mit Methoden der dynamischen Prozesssteuerung organisiert werden können.
Abb. 7.16: Hinzufügung eines Planungsakteurs im Ablaufschema eines Workflowmanagement-Systems für die Bauleitplanung Abbildung 7.16 zeigt an einem einfachen Beispiel, wie ein solches System im Rahmen der Bauleitplanung funktionieren kann. Die Beteiligung und Koordination von Planungsakteuren lässt sich flexibel, je nach Bedarf und Erfordernis, durch eine für die Koordination zuständige Stelle regeln. Die in der Abbildung erkennbare Einschaltung eines ’Trägers öffentlicher Belange’ geschieht einfach durch Hinzufügen eines Symbols, das für die betreffende Akteursbeteiligung zum richtigen Zeitpunkt sorgt. Die Benutzeroberfläche dieses Prozessmanagement-Systems ist so konzipiert, dass die zuständige Stelle (Planungsamtsleiter, Dezernatsleiter etc.) ein solches Symbol im System eigenständig und ohne Spezialkenntnisse generieren kann, um die Akteursbeteiligung zum richtigen Zeitpunkt an einem sachlich gebotenen Punkt des Verfahrens sicherzustellen. Voraussetzung ist allerdings, dass diese Stelle eine Zugriffsberechtigung – beispielsweise durch eine Autorisierungsprozedur (Passwort o.ä.) geregelt – besitzt.
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Abwägung Ein zentrales Prinzip im Rahmen der Bauleitplanung ist die Abwägung. Sie ist aus der verfassungsrechtlichen Verankerung des Rechtsstaatsgebots des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) für jede Planung als öffentlich-rechtliche Handlungsform verbindlich. Im Baugesetzbuch ist das Abwägungsgebot in folgender Weise formuliert: „Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen“ (§ 1 Abs. 7 BauGB). Öffentliche Belange sind zum Beispiel dann berührt, wenn durch den Bau von Straßen oder technischer Infrastruktur Kosten für die Allgemeinheit anfallen oder wenn ökologisch wertvolle Flächen tangiert sind; private Belange dagegen ergeben sich etwa aus Eigentumsverhältnissen oder Interessen von Mietern und Pächtern. Das Abwägungsgebot des Baugesetzbuchs legt einen besonderen Akzent auf die „Belange des Umweltschutzes (...)“ (§ 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB) als Beitrag der Bauleitplanung zum Umweltschutz und zur Umsetzung des Nachhaltigkeitsprinzips. Zu unterscheiden ist im Übrigen der ’Abwägungsvorgang’ vom ’Abwägungsergebnis’. Dazu hat sich allmählich eine Rechtsauffassung herauskristallisiert, dass im Wesentlichen letzteres für die rechtliche Überprüfung entscheidend ist. Nach der BauGB-Novellierung 2004 hat sich diese Rechtsauffassung im Gesetzestext niedergeschlagen, wo es nun heißt, dass „für die Abwägung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan oder die Satzung maßgebend“ ist (§ 214 Abs. 3 BauGB). Bei der Bearbeitung der Anregungen im Zuge der Bauleitplanaufstellung findet Abwägung ebenso statt wie bei der Erstellung von Begründungen zum Flächennutzungsplan bzw. zu Bebauungsplänen, die künftig auch obligatorisch Umweltberichte umfassen. a) Prinzipien der Abwägung Bei der Abwägung geht es im Prinzip darum, etwas – seien es Planungsvorstellungen oder bei der Planung zu berücksichtigende Güter, die eine inhaltliche Konkurrenz oder Gegensätzlichkeit aufweisen, – entsprechend seiner Bedeutung zu gewichten. Allerdings sind zum einen nicht alle in Betracht kommenden Aspekte einer Planung abwägungsfähig; zum anderen gibt es bestimmte Normen, die nicht durch eine Abwägung überwunden werden können. Darüber hinaus darf es keine „subjektiven Abwägungssperren“ (Stüer) geben, die etwa dann vorliegen, wenn eine Stadt oder Gemeinde sich an einen Privaten – z.B. einen Investor – bindet (vgl. zum Thema „Abwägungsfehler“ weiter unten). Hinsichtlich der Abwägungsfähigkeit sind zu unterscheiden [Stüer 2001: 254ff]: • • •
Planungsleitsätze Planungsziele und -leitlinien Optimierungsgebote
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Bei Planungsleitsätzen handelt es sich – im Kontext der Abwägung – um Beachtensregeln, die sich aus zwingenden Vorschriften, z.B. Fachgesetzen, ergeben und dem Planer keinerlei Gestaltungsspielraum eröffnen. Der zwingende Charakter solcher Beachtungsregeln führt allerdings in seiner apodiktischen Form schnell zu Schwierigkeiten, wenn zwei oder mehr derartige Sachverhalte zu beachten sind [vgl. dazu etwa Huster 2002]. Demgegenüber unterliegen Planungsziele und -leitlinien nur dem Berücksichtigungsgebot. Die daraus resultierenden Belange sind entsprechend dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung einzustellen. Optimierungsgebote schließlich nehmen eine Mittelposition zwischen den zwingenden Planungsleitsätzen und den nur zu berücksichtigenden Planungszielen ein: Auch wenn ihre Einhaltung nicht zwingend ist, so müssen die entsprechenden Belange möglichst weitgehend beachtet werden. Das Baugesetzbuch enthält einen Katalog der Belange, die bei der Abwägung zu berücksichtigen sind (§ 1 Abs. 6 BauGB): • •
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die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung; die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung; die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung; die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile; die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes; die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge; die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege; die Belange der Wirtschaft (mit weiterer Differenzierung der Sektoren); die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung; die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften; die Ergebnisse einer von der Gemeinde beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung.
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Der besondere Stellenwert der umweltbezogenen Belange in der bauleitplanerischen Abwägung, dem schon durch das Baugesetzbuch seit der Novellierung aus dem Jahr 1998 Rechnung getragen wird (damals § 1a BauGB), wurde schon erwähnt. Jene Novellierung forderte ein, den Katalog der zu berücksichtigenden Belange um diejenigen Aspekte zu erweitern, die nötig waren, um das Nachhaltigkeitsprinzip umzusetzen, dem Naturschutzrecht in allen seinen Facetten Rechnung zu tragen und Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) nach den Maßgaben des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVPG) als Bestandteil der Abwägung durchzuführen [vgl. Stüer 2001: 260ff]. Durch eine der neueren Novellierungen des Baugesetzbuches ist der Katalog der Belange des Umweltschutzes in § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB in Bezug auf folgende Aspekte konkretisiert worden: • •
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Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt; die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung und der Europäischen Vogelschutzgebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes; umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt; umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter; Vermeidung von Emissionen sowie sachgerechter Umgang mit Abfällen und Abwässern; Nutzung erneuerbarer Energien sowie sparsame und effiziente Nutzung von Energie; Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts; Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von bindenden Beschlüssen der Europäischen Gemeinschaften festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden; Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes.
b) Phasen der Abwägung Die Abwägung vollzieht sich in drei Phasen: • • •
Zusammenstellung des Abwägungsmaterials; Bewertungsvorgang; eigentlicher Abwägungsvorgang.
Bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials handelt es sich um einen Ermittlungs- und Feststellungsvorgang, der methodische Ähnlichkeiten zur städtebaulichen Bestandsaufnahme aufweist. Die Materialzusammenstellung wiederum untergliedert sich in eine begriffliche und tatbestandliche Abgrenzung der abwägungs-
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erheblichen Gesichtspunkte sowie eine Entscheidung darüber, welche konkreten Aspekte unter die Begriffe subsumiert werden können. Zum Abwägungsmaterial gehören alle von der Bauleitplanung betroffenen Belange, die erkennbar, schutzwürdig und mehr als nur geringfügig sind. Bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials können folgende Gesichtspunkte im Prüfkatalog einer (bebauungsplanbezogenen) Abwägung eine Rolle spielen [Stüer 2001: 326f]: • • • • • • • • • • •
Erforderlichkeit des B-Plans mit seinen allgemeinen Zielen und Zwecken; Abgrenzung des räumlichen Geltungsbereichs; Ziele der Raumordnung und Landesplanung; Beachtung des Entwicklungsgebots (B-Pläne sind aus dem F-Plan zu entwickeln); Nachweis der Zweckmäßigkeit und Vollständigkeit des Abwägungsmaterials durch die Bestandsaufnahme; Eigentumsverhältnisse; baulich genutzte Flächen; Freiflächen sowie Zustand von Natur und Landschaft; bestehendes Planungsrecht; Begründung der B-Plan-Festsetzungen; Auswirkungen des B-Plans.
Dem Vorgang der Bewertung folgt der Vorgang der Gewichtung. Hier wird der objektive Inhalt der Belange und ihr jeweiliges Gewicht bestimmt, wobei Konsequenzen, die das Bevorzugen oder Zurückstellen von einzelnen Belangen mit sich bringen würde, in den Bewertungsvorgang miteinzubeziehen sind. Erst dann setzt der eigentliche Abwägungsvorgang ein, in dem ein Ausgleich zwischen korrespondierenden und gegenläufigen Belangen hergestellt wird. Das Vorziehen oder Zurücksetzen bestimmter Belange ist nicht unbedingt ein nachvollziehbarer Vorgang der Abwägung, sondern eine planerische Entscheidung, die zum Ausdruck bringt, wie und in welche Richtung sich eine Stadt oder Gemeinde städtebaulich fortentwickeln will. Der Rahmen, innerhalb dessen die Gemeinde bei einer drohenden Kollision verschiedener Belange Prioritäten setzen kann, wird abgesteckt durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit [Ernst/Hoppe 1978: 117]. c) Abwägungsfehler Das Abwägungsgebot steht – neben der Verfahrenskorrektheit bei der Aufstellung von Bauleitplänen – häufig im Mittelpunkt gerichtlicher Kontrollen. Gegenstand der Prüfung ist, ob gegen das Abwägungsgebot verstoßen wurde und somit ein Abwägungsfehler vorliegt. Bei der Abwägung können folgende Fehlermöglichkeiten auftreten:
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Ermittlungsausfall oder Ermittlungsdefizit Abwägungsausfall oder Abwägungsdefizit Abwägungsfehleinschätzung Abwägungsdisproportionalität Abwägungsdivergenz subjektive Abwägungssperre
Ein Ermittlungsausfall oder Ermittlungsdefizit liegt vor, wenn zu bestimmten Belangen keine oder nur unzulängliche Informationen eingeholt wurden. Ein solcher Abwägungsfehler wäre nicht nur als eklatanter Verstoß gegen einen rechtlich gebotenen Auftrag zu werten, sondern würde auch der Vorstellung von Planung in begrifflicher Hinsicht widersprechen, dass Planung alle relevanten Informationen zu berücksichtigen habe (vgl. Definition in Kap. 1). Ein Abwägungsausfall oder Abwägungsdefizit liegt vor, wenn die Abwägung nicht oder nur unvollständig vorgenommen wurde. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn in die Abwägung bestimmte Belange nicht eingestellt wurden, die nach Lage der Dinge hätten berücksichtigt werden müssen. Ein solcher Fall kann eintreten, wenn ein Belang als vordringlich bezeichnet wird und deshalb die Ermittlung anderer Belange außer Acht gelassen wird. Auf der anderen Seite kann aber auch ein Zuviel zu einer fehlerhaften Abwägung führen, etwa dann, wenn Belange in die Abwägung hineingestellt werden, die nicht zum Abwägungsmaterial gehören. Eine Abwägungsfehleinschätzung kommt vor, wenn z.B. bei der Bewertung des Abwägungsmaterials Belange im Widerspruch zu einer normativ geregelten Bewertung oder Prioritätensetzung eingestellt werden. Dies kann etwa der Fall sein, wenn ein Belang, der durch normative Vorgaben mit einem hohen Gewicht versehen ist, als zu vernachlässigende Größe dargestellt wird. Eine Abwägungsdisproportionalität liegt vor, wenn ein Ausgleich der von der Planung berührten Belange in der Gesamtbewertung in einer Weise vorgenommen wird, der zum Gewicht der einzelnen Belange in keinem Verhältnis steht. Von einer Abwägungsdivergenz ist dann zu sprechen, wenn die Abwägung nicht mit den Plandarstellungen oder -festsetzungen übereinstimmt. Eine subjektive Abwägungssperre schließlich liegt dann vor, wenn etwa eine vertragliche Bindung der Gemeinde den Planungsprozess, der idealerweise unbeeinflusst ablaufen sollte, vorprägt und damit etwa das Ob und Wie eines Bebauungsplans in einseitiger Weise tangiert. Im Falle eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans, bei dem eine Zusammenarbeit zwischen Gemeinde und einem Vorhabenträger grundsätzlich zum Procedere gehört, wäre in jedem Fall die Letztentscheidung über die vom Vorhabenträger vorgelegten Planungen durch die Gemeinde sicherzustellen. Das Baugesetzbuch sieht allerdings auch eine Behebung bzw. Heilung von etwaigen Abwägungsfehlern vor (§§ 214 und 215 BauGB). So müssen etwa Mängel in der Abwägung, die auch den Planinhalt betreffen, innerhalb einer Frist von einem Jahr geltend gemacht werden, um eine etwaige Nichtigkeit des Bebauungsplans begründen zu können [Näheres dazu vgl. Stüer 2001: 243ff].
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d) Einsatz der Informationstechnologie Das Herstellen von Abwägungssicherheit spielt in der Bauleitplanung eine entscheidende Rolle. Um Abwägungssicherheit zu gewährleisten, ist dafür zu sorgen, dass das Abwägungsmaterial vollständig vorliegt und die Berücksichtigung der Abwägungsbelange in ihren gegenseitigen Bezügen und Gewichtungen bzw. ihre Einarbeitung in den Plan nachvollzogen werden kann. Somit geht es bei der Abwägung, allgemein ausgedrückt, um eine komplexe Handhabung von Information, die am Ende des Prozesses der Planaufstellung rechtlich und inhaltlich nachprüfbar sein muss. Wesentliche Unterstützung kann dabei die Informationstechnologie leisten. Während früher die Nachvollziehbarkeit der Berücksichtigung von Abwägungsbelangen von einer entsprechenden Aktenführung abhing, stehen uns heute durch die Informationstechnologien weitaus effektivere Möglichkeiten zur Verfügung, die einzelnen Abwägungsbelange und ihre Berücksichtigung im Prozess der Bauleitplanung präzise zu dokumentieren. Denkbar wäre etwa ein computergestütztes Assistenzsystem in der Art, wie es bereits erläutert wurde, als Basis für eine solche Dokumentation. Da jeder einzelne planerische Arbeitsschritt von einem derartigen System protokolliert werden könnte, wären die zu einem bestimmten Zeitpunkt einbezogenen Abwägungsbelange, Grad und Gewichtung ihrer Einbeziehung, Gründe für eine etwaige Nichtberücksichtigung und die dabei involvierten Akteure exakt nachvollziehbar. Die Begründung für einen auf diese Weise bearbeiteten Bauleitplan ließe sich am Ende des Planaufstellungsverfahrens dann leicht aus dem Niedergelegten herleiten, ebenso wie sich die Berücksichtigung jeder einzelnen Anregung im Zuge von Beteiligungsverfahren belegen ließe. Jedes computergestützte System zur Bauleitplanung sollte deshalb die Möglichkeit der automatischen Protokollierung und Dokumentation von Planbearbeitungsschritten beinhalten.
Sicherung und Realisierung der Bauleitplanung Neben den eigentlichen Verfahrensvorschriften über die Aufstellung von Bauleitplänen sieht das Baugesetzbuch noch weitere Möglichkeiten vor, wie Gemeinden während der Planaufstellung die Ziele der Bauleitplanung sichern und nach Inkrafttreten der Bauleitpläne deren Realisierung veranlassen können. Hauptsächlich geht es dabei um Maßnahmen, die den Umgang mit dem Eigentum zeitweise einschränken und deshalb besondere Sorgfalt bei der Anwendung erfordern. Damit es während der Aufstellung von Bauleitplänen auf den betroffenen Grundstücken nicht zu Aktivitäten kommt, die den Zielsetzungen des vorgesehenen Bauleitplans zuwiderlaufen, stehen den Gemeinden verschiedene Plansicherungsinstrumente zur Verfügung. Zu den wichtigsten gehören: •
die Veränderungssperre sowie im Vorlauf einer solchen Veränderungssperre die Zurückstellung von Baugesuchen (§§ 14 und 15 BauGB) zur Verhinderung von
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baulichen Maßnahmen während des Aufstellungsverfahrens von Bebauungsplänen; die Teilung von Grundstücken (§ 19 BauGB) mit der Maßgabe, dass dabei keine Verhältnisse (Grundstückszuschnitte) entstehen, die mit den Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht vereinbar sind; in städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsbereichen bedarf es einer Teilungsgenehmigung (§ 144 und § 169 BauGB); das Vorkaufsrecht (§ 24 ff BauGB), das im Falle eines Eigentumswechsels von der Gemeinde (unter bestimmten Voraussetzungen auch zugunsten eines Dritten) zum Wohl der Allgemeinheit ausgeübt werden kann – ein wichtiges Mittel zur Sicherung der Bauleitplanung, aber auch ein Instrument, um die gemeindliche Bodenpolitik zu steuern.
Der Einsatz der Informationstechnik spielt bei diesen Sicherungsinstrumenten nur eine untergeordnete Rolle, allenfalls im Bereich der Verfahrens- und Fristenkontrolle. Auch zur Verwirklichung der Bauleitplanung haben die Gemeinden etliche rechtliche Instrumente in der Hand. Die wichtigsten Planverwirklichungsinstrumente sind: • • • • • •
Bodenordnung – Umlegung und Grenzregelung Enteignung und Entschädigung Erschließung Städtebauliche Verträge Ausgleichsmaßnahmen Städtebauliche Gebote und Erhaltungssatzung
Diese Planverwirklichungsinstrumente beinhalten diverse planerische Maßnahmen und die Anwendung von speziellen Methoden. Da sie auch in Bezug auf den Einsatz von Informationsverarbeitungssystemen in Frage kommen, wird im Folgenden etwas näher auf sie eingegangen. a) Bodenordnung – Umlegung und Grenzregelung Das Instrument der Bodenordnung (§§ 45ff BauGB) wird eingesetzt, wenn Grundstücksverhältnisse mit in Bebauungsplänen enthaltenen Festsetzungen in Einklang zu bringen sind. Oft können Festsetzungen nicht verwirklicht werden, weil Lage oder Zuschnitt der Grundstücke dem entgegenstehen. Die betroffenen bzw. beteiligten Eigentümer haben zwar grundsätzlich die Möglichkeit, sich auf privater Basis durch Kauf und Verkauf von Grundstücken oder Grundstücksteilen zu einigen, doch wäre dies in vielen Fällen sehr zeitraubend. Hier setzt nun das gesetzlich geregelte, förmliche Verfahren der Umlegung (von Bauland) an, das eine Maßnahme zur Grundstücksneuordnung darstellt. Drei Fälle kommen dabei in Betracht: Bodenordnung zum Zwecke der erstmaligen Erschließung eines unbebauten Gebietes, zur städtebaulichen Erneuerung eines bereits erschlossenen und bebauten Gebietes im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes
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oder innerhalb einer im Zusammenhang bebauten Ortslage. Eine solche Bodenordnung dient dem öffentlichen Interesse, weil erst durch diesen Vorgang in vielen Fällen die angestrebte städtebauliche Ordnung verwirklicht werden kann. Gleichzeitig aber ziehen auch die Grundeigentümer Nutzen daraus, da sie für baulich nicht oder nur schlecht verwendbare Grundstücke besser nutzbare Grundstücke erhalten. Hierzu werden aus den in das Umlegungsverfahren einbezogenen Grundstücken – nach Abzug der künftigen Erschließungs- und Gemeinbedarfsflächen – neue Grundstücke gebildet, die nach Lage, Form und Größe so zugeschnitten sind, dass die im Bebauungsplan ausgewiesene Nutzung realisiert werden kann. Grundsätzlich erhält jeder Grundeigentümer für sein bisheriges, in das Verfahren einbezogene Grundstück (Einwurfsgrundstück) ein möglichst gleichwertiges neues Grundstück (Zuteilungsgrundstück). Ausnahmsweise kann auch in Geld oder mit Grundstücken außerhalb des Umlegungsgebiets abgefunden werden. Unterschiede zwischen dem Verkehrswert des Einwurfsgrundstücks und dem des Zuteilungsgrundstücks sowie sonstige durch die Umlegung bedingte Vermögensnachund -vorteile werden in Geld ausgeglichen. Nach dem Prinzip der gerechten Lastenverteilung werden dabei alle beteiligten Grundeigentümer möglichst gleichmäßig zur Deckung des öffentlichen Flächenbedarfs herangezogen.
Abb. 7.17: Prinzip der Grundstücksneuordnung durch Umlegung (links) und durch Grenzregelung bzw. vereinfachte Umlegung (rechts)
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Abbildung 7.17 (links) zeigt das Prinzip der Umlegung an einer fiktiven Grundstückssituation vor der Maßnahme (oben) und danach (unten). Die neue Grundstücksaufteilung ergibt sich aus den eingebrachten Grundstücksflächen unter Berücksichtigung eines Vorwegabzugs für die örtlichen Verkehrsflächen. Die Verteilung der Flächen bezieht sich nur auf den Grund und Boden; etwaige bauliche Anlagen, Anpflanzungen oder sonstige Einrichtungen werden in Geld ausgeglichen. Dazu ist eine monetäre Bewertung aller Grundstücke durchzuführen, die auf dem Prinzip der Verkehrswertermittlung mit einem gemeinsamen zeitlichen Bezugspunkt, dem Zeitpunkt der Einleitung des Umlegungsverfahrens (Umlegungsbeschluss), beruht. Zur Ermittlung des Verkehrswertes ist die Immobilienwertermittlungsverordnung – ImmoWertV, in Kraft getreten am 1.7.2010; sie löst die alte Wertermittlungsverordnung (WertV) ab – auf der gesetzlichen Grundlage des Baugesetzbuches (§ 199 BauGB) heranzuziehen. Es stehen drei Verfahren zur Verfügung, um – allein oder in Kombination – den Verkehrswert zu ermitteln (§ 8 ImmoWertV): das Vergleichswertverfahren, das auf Kaufpreissammlungen von Vergleichsgrundstücken „mit hinreichend übereinstimmenden Grundstücksmerkmalen“ basiert (§ 15 ImmoWertV); das Ertragswertverfahren auf der Grundlage „marktüblich erzielbarer Erträge“ (§ 17 ImmoWertV; der Bodenwert ist vorrangig über das Vergleichswertverfahren zu ermitteln); das Sachwertverfahren aus dem „Sachwert der nutzbaren baulichen und sonstigen Anlagen“ auf Grundlage der Herstellungskosten von Gebäuden und unter Berücksichtigung der Alterswertminderung (§ 21 ImmoWertV; auch hier wird der Bodenwert vorrangig über das Vergleichswertverfahren ermittelt). Eine abgeschwächte Form der Bodenordnung ist die vereinfachte Umlegung (§§ 80ff BauGB), die bis zum Inkrafttreten der BauGB-Novellierung im Jahre 2004 ’Grenzregelung’ hieß. Diese dient dazu, in einem vereinfachten Verfahren Grenzführungen, die einer Nutzung von benachbarten Grundstücken entgegenstehen, nach den städtebaulichen Erfordernissen neu zu ordnen. Dabei werden benachbarte Grundstücke oder Grundstücksteile ausgetauscht (vgl. Beispiel in Abb. 7.17, rechts) oder kleine Splittergrundstücke einseitig zugeteilt, wenn dies im öffentlichen Interesse geboten ist. Was die Möglichkeiten des Computereinsatzes im Bereich der Bodenordnung betrifft, so zeigt sich, dass die diesbezüglichen Potentiale – im Gegensatz zur Bearbeitung und Verfahrensabwicklung von Bebauungsplänen – bei weitem noch nicht so genutzt werden, wie es von der Aufgabe und den Methoden der Bodenordnung her zu vermuten wäre (im Bereich der Flurbereinigung – einer Bodenordnung für landwirtschaftliche Flächen – ist dies bereits seit langem gang und gäbe). Nicht zuletzt dürfte diese Tatsache auch auf Defizite im Ausbildungsbereich zurückzuführen sein. Andererseits sind die statistischen Auswertungen von Kaufpreissammlungen als unerlässliche Quelle für das Vergleichswertverfahren seit jeher eine fast als klassisch zu bezeichnende Domäne des Computereinsatzes, die sich meist im Kompetenzbereich der kommunalen Vermessungsbehörden befindet.
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b) Enteignung und Entschädigung Das Instrument der Enteignung (§§ 85ff BauGB) ist ein Planverwirklichungsinstrument, das nur eingesetzt werden darf, wenn der Enteignungszweck auf andere Weise nicht erreicht werden kann. Die Hürden für eine etwaige Enteignung sind durch die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Grundgesetzes (Art. 14 GG) sehr hoch gelegt: Enteignungen oder enteignungsgleiche Eingriffe in das Eigentum sind nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zulässig [vgl. Spannowsky/Uechtritz 2009: 839ff]. Eine Enteignung darf nur zum Wohl der Allgemeinheit und auch nur gegen eine Entschädigung durchgeführt werden. Soll möglicherweise ein Bebauungsplan die Grundlage für eine spätere Enteignung bilden, so bedarf dies einer speziellen Rechtfertigung, die über die allgemeine Planrechtfertigung hinausgeht. Es ist keineswegs so, dass mit einem Bebauungsplan automatisch die Zulässigkeit einer Enteignung verknüpft ist; hierfür ist eine besondere, zusätzliche Legitimation nötig. Grundsätzlich gilt, dass sich eine Gemeinde, bevor sie eine Enteignung auch nur in Erwägung zieht, um den freihändigen Erwerb der entsprechenden Grundstücke zu bemühen hat. Enteignung ist in jedem Fall nur die Ultima Ratio, nachdem alle anderen Möglichkeiten restlos ausgeschöpft sind. Der Computereinsatz spielt bei dem Planverwirklichungsinstrument der Enteignung keine nennenswerte Rolle, es sei denn, dass der Wert des zu enteignenden Grundstücks (üblicherweise der Verkehrswert) bzw. eine angemessene Entschädigungssumme auf dem Wege des Vergleichswertverfahrens mit Rückgriff auf umfangreiche Kaufpreissammmlungen ermittelt wird. c) Erschließung Ist ein Bebauungsplan aufgestellt und sind die Grundstücke – beispielsweise durch eine Umlegung – so geordnet, dass sie gemäß den Festsetzungen des Bebauungsplans genutzt werden können, so hängt die tatsächliche Nutzung aber noch davon ab, ob die Grundstücke an das Straßennetz sowie an Ver- und Entsorgungsanlagen angebunden sind. Erst dadurch werden die Grundstücke endgültig baureif. Bauland wird in drei Kategorien unterteilt [Bonczek/Förster/Gassner 1973: 58ff; Stüer 2001: 381]: • • •
Bauerwartungsland Rohbauland baureifes Land
Unter Bauerwartungsland werden solche Grundstücke verstanden, für die zu erwarten ist, dass sie baureifes Land werden. Anhaltspunkte für die spätere bauliche Nutzung kann eine entsprechende Darstellung im Flächennutzungsplan (z.B. als ’Wohnbaufläche’ oder ’gewerbliche Baufläche’) oder die Lage innerhalb eines Gemeindegebiets mit entsprechend günstigen Verkehrsverhältnissen sein. Der Wert dieser Grundstücke beträgt etwa 20 bis 50% des Preises von baureifem Land.
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Sollte sich das Bauerwartungsland nicht zu Rohbauland oder baureifem Land entwickeln, besteht kein Entschädigungsanspruch. Zur Kategorie Rohbauland zählen Grundstücke, die planerisch (gemäß Bebauungsplan) für eine Bebauung vorgesehen sind, denen aber noch die Erschließung fehlt. Der Wert solcher Grundstücke beläuft sich etwa auf 40 bis 80% des Preises von baureifem Land. Baureifes Land liegt erst dann vor, wenn die bebaubaren Flächen nach Maßgabe etwa eines Bebauungsplans oder im unbeplanten Innenbereich tatsächlich erschlossen sind. Der Erschließung kommt eine Schlüsselposition hinsichtlich der konkreten, tatsächlichen Bebaubarkeit von Grundstücken zu. Dies leuchtet unmittelbar ein, weil ein Grundstück über eine Straße oder zumindest einen Weg zu erreichen sein muss, damit sein Eigentümer es tatsächlich nutzen kann.
Abb. 7.18: Zum planungstechnischen Erschließungsbegriff (nach Gassner 1993)
Grundsätzlich also sind die infrastrukturellen Voraussetzungen – insbesondere die der materiellen Infrastruktur (vgl. Kap. 1) – zu schaffen, bevor ein Baugebiet mit den darin befindlichen Grundstücken auch baulich genutzt werden kann. Diese Anlagen und Einrichtungen, die sich innerhalb und außerhalb des eigentlichen Bauge-
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biets befinden können, lassen sich unterteilen in [vgl. Bonczek/Förster/Gassner 1973: 29 oder Seele 1995: 227ff]: • •
Aufschließung und Erschließung.
Der Begriff der Aufschließung – gelegentlich auch synonym als äußere Erschließung bezeichnet – ist weder gesetzlich definiert noch fest umgrenzt. Er beinhaltet vor allem die Infrastruktur außerhalb der Grenzen eines zu erschließenden Gebietes. Für den Begriff der Erschließung im Sinne des Baugesetzbuches sind diese Infrastrukturanlagen und Folgeeinrichtungen ohne Bedeutung [ausführlich vgl. v. Barby 1974: 22ff; außerdem Ernst/Hoppe 1978: 283]. Die Erschließung im planungsrechtlichen Sinne (vgl. dazu Abb. 7.18) umfasst nur die im Baugesetzbuch aufgeführten Erschließungsanlagen, für deren Herstellung im Normalfall ein Bebauungsplan Voraussetzung ist (§ 125 BauGB). Zwar ist der Begriff ’Erschließung’ selbst im Baugesetzbuch nicht definiert, doch wird dort aufgezählt, was zu den Erschließungsanlagen innerhalb eines Baugebiets gehört (§ 127 BauGB): • • •
öffentliche Straßen, Wege und Plätze öffentliche Parkflächen (Abstellplätze für Fahrzeuge) und Grünanlagen (allerdings ohne Kinderspielplätze) Immissionsschutzanlagen (Lärmschutzwände o.ä.)
Im Zusammenhang mit den Erschließungsmaßnahmen hat die Gemeinde grundsätzlich auch für die Wasserversorgung, die Ableitung von Abwässern und die Beseitigung fester Abfallstoffe zu sorgen. Häufig wird diese Aufgabe – maßgebend sind entsprechende Gesetze in den Bundesländern – kommunalen Gemeinschaftseinrichtungen (Wasser- und Abfallentsorgungsverbänden) übertragen. Die Erschließung endet stets an der Grenze des erschlossenen Grundstücks. Auf dem Grundstück selbst hat der Eigentümer für einen Anschluss an die Erschließungsanlagen – Hausanschlussleitungen, Zuwege oder Stellplätze (Außenanlagen) – zu sorgen. Der Erschließungsaufwand, die Kosten der Erschließungsmaßnahmen, setzt sich aus vier Positionen zusammen (§ 128 BauGB), nämlich: 1) Kosten für den Grundstückserwerb; 2) Kosten für die Freilegung der Grundstücke; 3) Kosten für die erstmalige Herstellung der Erschließung; 4) Kosten für die Übernahme von Anlagen als gemeindliche Erschließungsanlagen. Eine wichtige Planungs- und Entscheidungshilfe für die Herstellung und Gestaltung von Straßenräumen stellen die „Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen“ dar [RASt 2006]. Diese Richtlinien liefern zwar Anhaltspunkte im Sinne des ’Stands der Technik’, sind aber letztendlich weder für die Gemeinden noch für Gerichte bei der Überprüfung von Erschließungsbeitragsbescheiden verbindlich [Reif 1990]. Aus den tatsächlich entstandenen Kosten für Erschließungsmaßnahmen wird der ’beitragsfähige Erschließungsaufwand’ berechnet, der nur den zur Baugebiets-
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nutzung erforderlichen Erschließungsaufwand umfasst. Soweit er nicht anderweitig gedeckt ist, trägt die Gemeinde mindestens 10% des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes, während die übrigen (maximal) 90% der Summe von den Eigentümern oder Erbbauberechtigten zu übernehmen sind. Für die Verteilung dieser Kosten können verschiedene Maßstäbe zu Grunde gelegt werden (§ 131 BauGB). Verteilungsmaßstäbe sind (vgl. Abb. 7.19): • • • •
Verteilung nach der Grundstücksbreite an der Erschließungsanlage (Frontmetermaßstab) Verteilung über die Grundstücksfläche (Flächenmaßstab) Verteilung nach Art und Maß der baulichen Nutzung Kombination dieser Verteilungsmaßstäbe
Abb. 7.19: Beispiel für die Verteilung von Erschließungskosten in Anlehnung an die Muster-Erschließungsbeitragssatzung des Landes Baden-Württemberg (Quelle: Reif 1990)
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Mehrfach erschlossene Grundstücke sind bei der Verteilung des Erschließungsaufwandes nur einmal zu berücksichtigen. Durch eine Erschließungsbeitragssatzung regelt die Gemeinde die Einzelheiten der Erhebung des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes (§ 132 BauGB). Die Erschließung ist zwar grundsätzlich eine Aufgabe, die von der Gemeinde zu erbringen ist, gleichwohl ist die Gemeinde keineswegs gezwungen, die Erschließungsmaßnahmen selbst durchzuführen. Vielmehr kann sie über einen Erschließungsvertrag die Erschließungsmaßnahmen auch auf einen Dritten – einen Bauträger, Investor oder Erschließungsträger – übertragen, der alle erforderlichen Maßnahmen im Auftrage der Gemeinde durchführt (§ 124 BauGB). Die Gemeinde kann neben den beitragsfähigen Erschließungsanlagen auch die nicht beitragsfähigen Anlagen, darunter insbesondere Ver- und Entsorgungsanlagen oder Kinderspielplätze, dem Vertragspartner übertragen. Der Computereinsatz spielt bei Maßnahmen der städtebaulichen Erschließung in vielfältiger Weise eine wichtige Rolle, insbesondere bei: • •
•
der Verfahrensbegleitung und -kontrolle; dem Entwurf von Erschließungsanlagen und -elementen sowie der Durchführung von Vergleichsrechnungen zum Nachweis der Wirtschaftlichkeit und des prozentualen Flächenanteils im Bruttobaugebiet; der Berechnung des Erschließungsaufwands und der Anwendung des Verteilungsschlüssels.
Zu weiterführenden Darlegungen des auf weiten Strecken recht komplizierten Erschließungsbeitragsrechts sei auf die von Hans-Joachim Neumann herausgegebene mehrbändige Loseblattsammlung „Sichere Abrechnung von Erschließungsbeiträgen nach neuester Rechtsprechung“ mit vielen Berechnungsbeispielen insbesondere in Band 2 oder auf die von Karl Reif herausgegebene „Arbeitsmappe Erschließungsbeitrag nach dem BauGB“, die ebenfalls viele anschauliche Beispiele enthält, verwiesen [Neumann o.J.; Reif 1990]. Auch im Internet finden sich diverse Erläuterungen und Berechnungsbeispiele, so etwa von der Stadt Düsseldorf als Bürgerinformation zum Thema „Erschließungsbeiträge“ entsprechend aufbereitet [Internet www.duesseldorf.de/buergerinfo]. d) Städtebauliche Verträge Im städtebaulichen Planungsrecht kennt man, im Zusammenhang mit der Erschließung, das Instrument des städtebaulichen Vertrags. Die ersten Anfänge reichen in Deutschland zurück bis in das 19. Jahrhundert, als sogenannte Terraingesellschaften vertragliche Vereinbarungen mit den Städten und Gemeinden im Zuge von – nicht selten auch spekulativ motivierten – Erschließungsmaßnahmen für Baugebiete trafen. Das gegenwärtige Planungsrecht beinhaltet zwei wichtige Regelungen zu städtebaulichen Verträgen, die vor allem im Zusammenhang mit der gängigen Bauleitplanung stehen [Stüer 2001: 431ff]. Dies sind:
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• •
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der Erschließungsvertrag sowie der städtebauliche Vertrag.
Während sich ein Erschließungsvertrag nach § 124 BauGB nur auf die Durchführung von Maßnahmen zur Erschließung eines Baugebietes bezieht, stellen städtebauliche Verträge nach § 11 BauGB eine erhebliche Erweiterung des städtebaulichen Instrumentariums dar. Sie können sich ebenso auf die Vorbereitung und Durchführung städtebaulicher Maßnahmen beziehen wie auf Grundstücksnutzungen – wenn beispielsweise Wohnraum für besondere Bevölkerungsgruppen zu schaffen ist oder ökologische Ausgleichsmaßnahmen durchzuführen sind. Auch im Zusammenhang mit städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen im Rahmen von Stadterneuerungen, mit städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen im Zuge einer erstmaligen Entwicklung von Ortsteilen oder auch bei Maßnahmen des Stadtumbaus können entsprechende Verträge geschlossen werden (vgl. dazu die Kap. 8 und 9). e) Ausgleichsmaßnahmen Ein weiteres wichtiges Instrument zur Realisierung der Bauleitplanung sind naturschützende Ausgleichsmaßnahmen. Dabei handelt es sich um Regelungen über die Art und Weise des Ausgleichs für Eingriffe in Natur und Landschaft, die aufgrund von Bauleitplänen zu erwarten sind. Sofern die betroffenen Eigentümer die festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen nicht an Ort und Stelle selbst durchführen können [Näheres vgl. Stüer 2001: 302; Schmidt-Eichstaedt 1998: 192ff], ist die Gemeinde befugt, diese an anderer Stelle zu realisieren und einen Kostenerstattungsbetrag zur Deckung des Aufwandes zu erheben. Die Vorschriften erlauben – ähnlich der Verteilung von Erschließungskosten nach dem Erschließungsbeitragsrecht – eine Umlegung der Kosten nach den verschiedenen Verteilungsmaßstäben (§ 135b BauGB): • • • • •
überbaubare Grundstücksfläche zulässige Grundfläche zu erwartende Versiegelung Schwere der zu erwartenden Eingriffe eine Kombination dieser Verteilungsmaßstäbe
Ähnlich einer Erschließungsbeitragssatzung werden die Modalitäten für die Erhebung von Ausgleichsbeträgen und die Kostenverteilung auf die Grundstückseigentümer durch Satzung geregelt (§ 135c BauGB). f) Städtebauliche Gebote und Erhaltungssatzungen Mit einem Bebauungsplan werden zunächst nur Bebauungsmöglichkeiten eröffnet, eine Realisierung der Festsetzungsinhalte ist damit noch nicht verbunden. Zur Realisierung der Festsetzungen eines Bebauungsplans gehören deshalb auch planungsrechtliche Gebote, mit denen Eigentümer im Falle einer Weigerung zur
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Durchführung von plankonformen Maßnahmen verpflichtet werden können. Solche Gebote konkretisieren somit die Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach Artikel 14 des Grundgesetzes. Die folgenden städtebaulichen Gebote können in einem derartigen Fall zur Anwendung kommen: • • • •
Baugebot im Geltungsbereich eines Bebauungsplans sowie im nicht beplanten Innenbereich (§ 176 BauGB); Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot bei Vorliegen baulicher Missstände oder Mängel (§ 177 BauGB); Pflanzgebot im Geltungsbereich eines Bebauungsplans (§ 178 BauGB); Rückbau- und Entsiegelungsgebot im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, für den Fall, dass bauliche Anlagen den Festsetzungen nicht entsprechen oder bauliche Mängel oder Missstände vorhanden sind, die durch Modernisierung oder Instandsetzung nicht behoben werden können (§ 179 BauGB).
In der Praxis werden die städtebaulichen Gebote nur mit Zurückhaltung angewendet, weil sie als Zwangsmaßnahmen gegenüber dem Bürger in Erscheinung treten und ein zu häufiges Aussprechen von Geboten das Verhältnis zwischen Verwaltung und Bürgern stören würde. So wird man tunlichst erst alle Möglichkeiten der Kooperation und des Gesprächs ausschöpfen, um die Ziele des Bebauungsplans und seiner planinhaltlichen Festsetzungen zu bewirken, bevor ein solches städtebauliches Gebot erlassen wird. Hinzu kommt, dass bei einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit der durch das Gebot veranlassten Maßnahme oder bei Vermögensnachteilen für den betroffenen Eigentümer die Gemeinde entweder eine Entschädigung zu leisten hat oder zur Übernahme des Grundstücks verpflichtet ist. Schließlich sei noch auf die Möglichkeit hingewiesen, dass die Gemeinde in einem Bebauungsplan oder durch eine spezielle Erhaltungssatzung Gebiete bezeichnen kann, in denen bauliche Anlagen und die Eigenart von Gebieten zu erhalten sind (§ 172 BauGB). Eine solche Erhaltungssatzung dient vor allem dem Ziel der erhaltenden Stadterneuerung und der städtebaulichen Denkmalpflege (vgl. ausführlich dazu Kap. 8). Sie kann zweckdienlich sein, wenn es darum geht, bauliche Anlagen unter dem Aspekt der nachfolgend aufgeführten Erhaltungsgründe zu genehmigen oder abzulehnen [vgl. ausführlich Braam 1999: 160ff]: • • •
Erhaltung der städtebaulichen Eigenart eines Gebiets aufgrund seiner spezifischen städtebaulichen Gestalt (städtebaulicher Ensembleschutz); Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung (städtebaulicher Milieuschutz); bei städtebaulichen Umstrukturierungen, die zumeist in Verbindung mit städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen stehen.
Während die Ensembleschutzsatzung mit klassischen städtebaulichen Aufgaben und Zielen – Stadtgestalt, Stadterneuerung und Denkmalpflege – verknüpft ist, zielt die Milieuschutzsatzung zunächst nicht auf originär städtebauliche Zwecke. Vielmehr geht es hierbei um soziale Anliegen, die aber indirekt wieder auf den Städte-
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bau einwirken. Besteht etwa die Gefahr, dass in einem bestimmten Gebiet Luxusmodernisierungen zu einer unerwünschten Verdrängung der dort befindlichen Wohnbevölkerung führen, so könnte eine entsprechende Satzung helfen, das soziale Milieu zu schützen. Ein Beispiel liefert die Freie und Hansestadt Hamburg mit ihrer Umwandlungsverordnung aus dem Jahre 1998 (befristet bis 2013), in der geregelt ist, dass in Gebieten einer Erhaltungsverordnung nach § 172 Abs. 1 BauGB nur dann Sondereigentum – Wohnungseigentum und Teileigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz – an Gebäuden begründet werden darf, wenn zuvor eine Genehmigung hierfür erteilt wurde.
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Übersicht Stadterneuerung ist eine der ganz wichtigen Planungsaufgaben der Zukunft. Aufgrund der Tatsache, dass in Nord- und Mitteleuropa die Städte des Jahres 2030 schon heute zu 85% gebaut sind [Sieverts 1998], werden sich die Hauptanwendungsfelder und das wissenschaftliche Interesse der Stadtplanung verlagern. Die Neuplanung von Städten oder klassische Stadterweiterungsplanungen, wie sie noch vor wenigen Jahrzehnten im großen Stil praktiziert wurden, dürfte immer seltener werden. Vor dem Hintergrund der demographischen Veränderungen, der ökologischen Probleme in ausufernden urbanen Agglomerationen sowie der wachsenden Wertschätzung des baulich-kulturellen Erbes gilt das Interesse zunehmend der Aufgabe, Städte und Dörfer mit ihren Bauten und städtebaulichen Gestaltungsmustern dauerhaft zu bewahren, sie zugleich aber auch für die gegenwärtigen und zukünftigen Erfordernisse eines funktionierenden städtebaulichen Gefüges zu rüsten. Das zentrale Thema der praktischen Stadtplanung wird zweifelsohne die Stadterneuerung sein. In diesem Kapitel wird ein Überblick über die wichtigsten Themenfelder der Stadterneuerung gegeben. Angesprochen werden rechtliche und instrumentelle Grundlagen der Stadterneuerung in Deutschland ebenso wie Grundsätze für eine erhaltende Erneuerung von Städten einschließlich des notwendigen Bezugs zu Denkmalschutz und Denkmalpflege. Die Methoden der Stadterneuerung werden in diesem Kapitel anhand der städtebaulichen Rahmenplanung und computergestützter Experimentalstudien exemplarisch angesprochen, wobei an das bereits in den Kapiteln ’Städtebauliche Struktur-’ und ’Städtebauliche Gestaltungsplanung’ dargelegte Methodenrepertoire angeknüpft wird. Der Themenkomplex Stadterneuerung wird in folgenden Einzelaspekten erörtert: • • • • •
Anlässe und Aufgaben der Stadterneuerung Stadtsanierung nach dem Planungsrecht Stadterneuerung und Denkmalpflege Städtebauliche Rahmenplanung und Experimentalstudien zum Stadterneuerungsentwurf Einzelthemen der Stadterneuerung
B. Streich, Stadtplanung in der Wissensgesellschaft, DOI 10.1007/978-3-531-93164-7_9, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Stadterneuerung
Exkurs: Dorferneuerung Entwicklungstendenzen in der Stadterneuerung
Anlässe und Aufgaben der Stadterneuerung Seit es Städte gibt, sind sie dem Wandel und einem ständigen Veränderungsprozess unterworfen. Gebäude werden durch An- oder Umbauten verändert oder durch Neubauten ersetzt. Viele Nutzungen sind an bestimmten Plätzen nicht von Dauer und werden von konkurrierenden Nutzungen verdrängt. Alte Bausubstanz verfällt oder wird vernichtet. Die Einführung neuer Techniken – zum Beispiel im Bereich des Verkehrs oder der Ver- und Entsorgung – führt ebenso zu Veränderungen des Stadtgefüges wie das plötzliche Auftreten singulärer Ereignisse wie Brandkatastrophen, Erdbeben oder Überflutungen. Gelegentlich wird die Notwendigkeit eines Wiederaufbaus oder Ersatzes, der in diesem Fall veranlasst wird, sogar als Chance wahrgenommen, ein städtebauliches Gefüge nach neuen Konzeptionen von Grund auf zu verändern. Bei dem Prozess der Stadterneuerung haben wir es mit einer wechselseitigen Beziehung zwischen Altem und Neuem zu tun, zwischen Erhalten auf der einen und Erneuern auf der anderen Seite. Jede Maßnahme ist mit Eingriffen in bauliche Gestaltung und städtebauliche Strukturen verbunden und hat überdies – im Gegensatz etwa zu städtebaulichen Neuplanungen ’auf der grünen Wiese’ – stets direkt mit den Menschen zu tun, die in einem solchen Gebiet wohnen oder ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen. Aus diesem Grund sind in jedem einzelnen Fall die Maßnahmen einer städtebaulichen Veränderung sehr sorgfältig zu überlegen. Sie bewegen sich zwischen zwei gegensätzlichen Polen: totale Neugestaltung nach dem Tabularasa-Prinzip oder moderate Erneuerung durch Verbesserungen und Veränderungen im Detail. Allerdings ist nicht jede Veränderung an bestehender Bausubstanz oder an städtebaulichen Situationen schon gleich eine städtebauliche Erneuerungs- oder gar Sanierungsmaßnahme. Manchmal sind es auch wechselnde Moden und Veränderungen des Zeitgeistes – nicht unbedingt das Motiv der Erneuerung im eigentlichen Sinne –, die zu baulicher Gestalt-’Verschönerung’, Straßendurchbrüchen oder Platzraumgestaltungen führen. a) Stadterneuerung in der Geschichte des Städtebaus In der Geschichte des Städtebaus findet sich eine große Zahl von Stadterneuerungsmaßnahmen, die von unzähligen Gebäudeerneuerungen und -umbauten bis hin zu großflächigen städtebaulichen Neuplanungen und Umgestaltungskonzepten reicht. Auch wenn auf Veränderungsmaßnahmen an Einzelgebäuden hier nicht weiter eingegangen wird, so sollte der Hinweis nicht fehlen, dass Umbauten, Ergänzungen oder auch nur einzelne Renovierungsarbeiten an Bauwerken eine wichtige historische Quelle darstellen können, die vielerlei Rückschlüsse etwa auf Tätigkeiten und Gewohnheiten der Menschen, auf Nutzungsänderungen und bauliche
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Gestaltungsmoden zulassen. Diese können auch im Zuge von städtebaulichen Erneuerungsmaßnahmen von Bedeutung sein, wenn es etwa um die Frage der Ablesbarkeit bauhistorischer und städtebaulicher Entwicklungen oder um das Unterschutzstellen solcher Objekte geht. Wenn wir das Augenmerk auf Stadterneuerungsmaßnahmen in einem größeren städtebaulichen Zusammenhang richten, dann lassen sich in der Geschichte des Städtebaus einige wichtige und für die nachfolgenden Zeitepochen sehr prägende Ereignisse, Initiativen und Maßnahmen erkennen, die ein insgesamt recht repräsentatives Bild der relevanten Probleme, Aufgaben und neueren Konzeptionen zur Transformation der Stadt liefern [vgl. etwa Benevolo 1975/1982; Kiesow 1996a]: •
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der Wiederaufbau von Milet durch Hippodamos nach der Zerstörung der Stadt durch die Perser im 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung; verwendet wurde im Neugestaltungsentwurf ein stringentes, rasterartiges Strukturmodell, das als „hippodamisches Raster“ Berühmtheit erlangte; die Neugestaltung weiter Teile Roms im 16. Jahrhundert unter Mitwirkung von Bramante, Domenico Fontana, Raffael und Michelangelo; dabei wurde ein achsiales, die mittelalterliche Stadtstruktur durchschneidendes Straßensystem entworfen und realisiert, das – am markantesten an der Piazza del Popolo und am Petersplatz erkennbar – zu einer völligen Umgestaltung des städtebaulichen Raumgefüges führte; die Reorganisation des Straßennetzes in Paris im 17. Jahrhundert unter Hinzufügung repräsentativer Plätze und Platzfolgen (Place Vendôme, Place des Vosges etc.) mit gleichzeitiger Einführung einer flächendeckenden Kanalisation und Wasserversorgung; der Wiederaufbau Londons nach dem verheerenden Brand von 1666; die zunächst umfassenden Neugestaltungsentwürfe – u.a. von Christopher Wren – wurden am Ende nur in sehr bescheidenem Maße umgesetzt und beschränkten sich im Wesentlichen auf eine Verbreiterung der Hauptstraßen; der Wiederaufbau Hamburgs nach dem Großen Brand von 1842 (siehe Abb. 8.1); diese Stadterneuerungsaufgabe umfasste mit einschneidenden Neugestaltungsmaßnahmen – vom Entwurf eines völlig neuen Straßensystems, der grundlegenden Veränderung der Grundstücksverhältnisse (Bodenordnung) sowie der Einführung stadttechnischer Innovationen (Kanalisation) – ein Maßnahmenbündel, das für viele nachfolgende Planungen auch außerhalb Hamburgs exemplarischen Charakter hatte [vgl. Faulwasser 1892]; die umfassenden Neugestaltungsmaßnahmen von Paris unter Leitung des Präfekten Georges-Eugène Haussmann im Anschluss an die 1848er Revolution; zwischen 1854 und 1871 wurden die bestehenden Ansätze der barocken Boulevards zu einem umfassenden, die gesamte Stadt einbeziehenden Straßensystem mit vielen neuen Straßendurchbrüchen vervollständigt; die erste Flächensanierungsmaßnahme in Deutschland, die in Hamburg nach der verheerenden Choleraepidemie 1892 unter der Leitung einer „Sanierungskommission“ in drei großen Sanierungsbezirken der Hamburger Innenstadt durchgeführt wurde [vgl. Wischermann 1983: 94ff];
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die Flächensanierungsmaßnahmen der Glasgower Gorbals an der Südseite des River Clyde; das aus dem 19. Jahrhundert stammende Gebiet mit seiner unvorstellbaren Verdichtung von einer Million Bewohner pro Quadratmeile wurde in den 1950er und 1960er Jahren zunächst mit zeittypischen Punkthochhäusern neu bebaut; im Rahmen einer neuerlichen Sanierung in jüngster Zeit wurden diese teilweise durch eine blockrandartige, maximal viergeschossige Neubebauung nach den Prinzipien eines retrospektiven ‘New Urbanism‘ ersetzt; das „Loi Malraux“, ein im Jahre 1962 in Frankreich erlassenes Gesetz, um den zukunftsweisenden Gedanken einer erhaltenden Stadterneuerung umzusetzen; in städtebaulichen Erhaltungsbereichen (’secteurs sauvegardés’) konnten damit Einzelbauwerke geschützt und die Erhaltungsmaßnahmen finanziell gefördert werden [vgl. Gutschow (Redak.) 1974; Kiesow 1996a; Stich 1984]; Schaffung und Sensibilisierung eines allgemeinen Bewusstseins für die Notwendigkeit der erhaltenden Stadterneuerung historischer Ortskerne durch die Deutsche UNESCO-Kommission im Rahmen des Europäischen Denkmalschutzjahres 1975 [Breitling (Redak.) 1974]; die Neubeplanung der Londoner Docklands, nach deren Vorbild verschiedene Städtebauprojekte zur Reaktivierung von Industriebrachen seit den 1970er Jahren an vielen anderen Orten im Vereinigten Königreich und in der Welt durchgeführt wurden.
Abb. 8.1: Der Große Brand von Hamburg 1842: oben Fotographie nach dem Brand – es handelt sich übrigens um das älteste noch erhaltene Reportagefoto der Welt (Quelle: Landesbildstelle Hamburg); unten der Wiederaufbauplan mit einschneidenden Neugestaltungsmaßnahmen im Hamburger Stadtzentrum (Quelle: Faulwasser 1892)
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Diese Zusammenstellung macht in der Geschichte des Städtebaus wiederkehrende Problemlagen und Anlässe für Maßnahmen zur Stadterneuerung deutlich. Es fällt auf, dass man der Stadterneuerung unter dem Leitmotiv ’Erhaltung’ erst relativ spät Aufmerksamkeit geschenkt hat, denn in den Zeiten zuvor waren Stadterneuerungsaktivitäten fast ausnahmslos gleichbedeutend mit einer völligen Neugestaltung des Siedlungsgefüges nach vorhergehendem flächenhaften Abriss – wie bei den Haussmann-Planungen für Paris. Mit dem Auftauchen des Begriffs ’Stadterneuerung’ oder ’städtebauliche Erneuerung’ im Sprachgebrauch zeigte sich auch ein Wandel im Denken. Vormals nämlich wurde unter dem Begriff ’Sanierung’ oder – in Anlehnung an die französische Bezeichnung – ’Assanierung’ eine flächenhafte Sanierung von Städten oder Stadtteilen verstanden mit dem Ziel, städtebauliche Missstände zu beseitigen. Als Missstände wurden im 19. Jahrhundert etwa solche städtebaulichen Situationen angesehen, die den Ausbruch von Epidemien (vor allem Cholera) begünstigten [vgl. Albers 1988: 237; Stich 1984: 83]. b) Anlässe zur Stadterneuerung Die verschiedenen Anlässe für Maßnahmen der Stadterneuerung lassen sich, wenn wir die Ereignisse und Motive in der Stadtbaugeschichte nochmals Revue passieren lassen, im Wesentlichen in vier Kategorien zusammenfassen: • • • •
Wiederaufbau Funktionsumwidmung einzelbauliche Erneuerung sozialstrukturelle Erneuerungsmotive
Maßnahmen zum Wiederaufbau haben stets dann stattgefunden und wurden für entsprechend erforderlich gehalten, wenn unvorhersehbare Katastrophen, Naturereignisse (Brände, Überflutungen, Stürme), Kriegsereignisse oder Anschläge mit verheerenden Zerstörungen einhergingen. Auch Bausubstanzzerstörungen, die vielleicht zu einer bestimmten Zeit als notwendig erachtet, rückblickend aber als Fehler und Verlust empfunden werden (siehe etwa Berliner Stadtschloss), fallen unter diese Kategorie. Bei der Frage, wie in städtebaulicher Hinsicht mit solchen Zerstörungen umzugehen ist, gehen die Überlegungen regelmäßig in zwei Richtungen: Wiederaufbau wie gehabt – oder Wiederaufbau nach völlig neuer Konzeption und städtebaulichem Entwurf. In vielen Fällen wird auch der Versuch unternommen, einen Kompromiss zwischen diesen beiden Polen herbeizuführen, indem etwa eine Neugestaltung mit darin eingebetteten Erinnerungselementen aus dem früheren Bestand vorgenommen wird (Beispiel: Sony-Center in Berlin mit historischem Kaisersaal). Eine andere Variante ist, zerstörte Bauten bzw. Areale wiederherzustellen, diese aber in Funktion und Materialausstattung den neuzeitlichen Erfordernissen anzupassen. Funktionsumwidmungen kommen als bauliche oder städtebauliche Erneuerungsmaßnahme dann in Betracht, wenn Gebäude oder Areale in ihrer alten Funktionsbestimmung Mängel aufweisen oder ihre Existenz ungenutzt – als Leerstand
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oder Brache – fristen. Dann sind Überlegungen darüber anzustellen, welcher neuen Funktion man derartige Bauten oder Flächen zuführen kann, wobei sich gegebenenfalls das Problem stellt, ob und inwieweit eine bestimmte Funktion mit der vorhandenen Bausubstanz und den städtebaulichen Gegebenheiten (Art der Erschließung etc.) in Einklang gebracht werden kann. Maßnahmen der einzelbaulichen Erneuerung fallen üblicherweise beim Gebrauch von Objekten an, sei es, dass Gebäude in ihrer Substanz erhalten und im Falle von Mängeln verbessert werden (z.B. durch Wärmedämmung, Schallschutz) oder im städtebaulichen Kontext Straßen und Plätze zur Attraktivitätssteigerung vielleicht mit einer neuen Bepflasterung, Beleuchtung oder Raummöblierung versehen werden. Auch einzelne Abrissmaßnahmen können zu den einzelbaulichen Erneuerungsmaßnahmen gehören, wenn sie etwa durchgeführt werden, um den übrigen Gebäuden eine bessere Belichtung, Belüftung oder Besonnung zu verschaffen. Ebenso kann die Beseitigung nicht genutzter Nebengebäude, baufälliger Schuppen in Hinterhöfen oder mit Asphalt versiegelter Flächen genutzt werden, um stattdessen Freiraumqualitäten herzustellen, Begrünungsmaßnahmen durchzuführen und insgesamt eine ökologische Aufwertung des betreffenden Gebiets herbeizuführen. Schließlich spielen bei Maßnahmen der Stadterneuerung sozialstrukturelle Motive immer wieder eine wesentliche Rolle. Im Mikromaßstab etwa dergestalt, dass ein Gebäude im Zuge eines Generationswechsels seiner Bewohner aufgrund unterschiedlicher Bedürfnisse hinsichtlich Raumbedarf und -funktionen zu verändern ist. In einem größeren städtebaulichen Kontext betrachtet – beispielsweise in der Größenordnung eines Wohnviertels oder Stadtteils – könnte dagegen eine sich abzeichnende unausgewogene Bevölkerungsstruktur Anlass sein, städtebauliche Erneuerungsmaßnahmen in Erwägung zu ziehen mit dem Ziel, die Attraktivität des Wohnens und Arbeitens in diesem Gebiet für breitere Schichten und Kreise der Bevölkerung zu erhöhen. So stellt sich etwa aktuell in ländlichen Ortslagen das Problem, dem Fortzug von Familien mit Kindern in Wohngebiete außerhalb des Ortskerns dadurch entgegenzuwirken, dass im Zuge von Dorferneuerungsmaßnahmen das Wohnen im Ortskern für diese Personengruppen attraktiver gemacht wird. Dass Stadterneuerungsmaßnahmen gelegentlich auch deshalb initiiert werden, um bestimmte Bevölkerungsgruppen gezielt zu verdrängen, kann nicht von der Hand gewiesen werden. Städtebauliche Erneuerungsmaßnahmen wurden und werden durchaus nicht selten dazu genutzt, unliebsame politische Aktivitäten zu neutralisieren. So geschehen beispielsweise im Zuge der Pariser Haussmann-Planungen. So geschehen aber auch in Hamburg im Rahmen der ersten in Deutschland vor dem ersten Weltkrieg durchgeführten Flächensanierung: Anlass für diese Sanierung war zwar die verheerende Choleraepidemie im Jahre 1892, doch so ganz nebenbei hatte man auch die Beseitigung von Schlupfwinkeln „unruhiger Elemente“ im Blick [vgl. Wischermann 1983: 97]. So drängte die Hamburger Polizei seinerzeit insbesondere auf eine rasche Sanierung des sogenannten „Gängeviertels“, und auch die Nationalsozialisten hatten nach der Machtergreifung in Hamburg nichts Eiligeres zu tun, als noch 1933, quasi unter dem Etikett der Stadterneuerung, mit der Beseitigung der, wie es hieß, „Brutstätte des Marxismus“ in eben diesem Gängeviertel zu beginnen [vgl. PAH 1982: 65]. Kurz nachdem die erste Auflage zu diesem Buch erschien, rückte das Hamburger Gängeviertel erneut in den Blickpunkt
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des Interesses, weit über Hamburg hinaus. Nun war es ein international tätiger Investor, der sich, wohlwollend akzeptiert durch die damals politisch Verantwortlichen der Hansestadt, des bislang bunt gemischten Viertels annehmen wollte – zwangsläufig auf Kosten der ansässigen Bevölkerung, Künstlergruppen, Kleinunternehmer und Subkulturen. Soweit kam es jedoch nicht, da die Betroffenen sich zu wehren wussten; zwischenzeitlich hat man sich (vorläufig?) gütlich geeinigt [vgl. ausführliche Dokumentation im Internet: das-gaengeviertel.info/presse.html]. Dieses Aufbegehren war u.a. auch ein Widerstand gegen von oben verordnete Stadtplanung in der Tradition der 1970er Jahre, einer Zeit, in der die etablierte Planerzunft begann, sich auch dem Umbau historisch gewachsener Städte und Stadtteile zu widmen, um sie in etwas Modernes, Neuzeitliches umzuwandeln. Es formierte sich damals rasch eine beachtliche Protestbewegung gegen solche Bestrebungen, zumindest gegen gewisse Auswüchse dieser städtebaulichen Aktivitäten. Beginnend mit der Amsterdamer „Kraker“-Bewegung (entstanden u.a. aus der „Provo“-Subkultur) folgten bis heute unzählige weitere in Frankfurt, Berlin, München, Köln, Hamburg etc. – nicht zuletzt auch deshalb, weil sehr häufig der Versuch unternommen wurde, unliebsame Sozialstrukturen und soziale Gruppen mit Hilfe von Gebäudeabriss und Neubau zu neutralisieren. Die Graffiti-(Un)Kultur legt bis heute Zeugnis von den Beweggründen dieses ebenso sozial wie politisch motivierten Engagements subkultureller Milieus ab (wobei Graffiti durchaus als ein eigenes Kunstgenre anerkannt sind – von dem genialen „Banksy“, Pseudonym eines Unbekannten, bis hin zu ‘graffiti.org‘ [Internet www.banksy.co.uk; graffiti.org]). Nicht von ungefähr entstanden im Zusammenhang mit dem im Jahre 1971 in Deutschland erlassenen Städtebauförderungsgesetz (seit 1986 Teil des Baugesetzbuches), der rechtlichen Grundlage für städtebauliche Sanierungsmaßnahmen und deren Finanzierung, wesentliche Rechtsvorschriften zur Erweiterung von Bürgerbeteiligungen und zur Aufstellung von Sozialplänen. Stadtsoziologen wie HansPaul Bahrdt waren maßgeblich an der Ausgestaltung dieses Gesetzes beteiligt. Dass sich mancher von ihnen eher als Sozialtechniker verstand, sei am Rande vermerkt, mag aber ein Licht auf das damals herrschende technokratische Selbstverständnis werfen, mit Stadterneuerung umzugehen. Auch der bei städtebaulichen Sanierungsverfahren, vor allem im Zuge von vorbereitenden Untersuchungen zur Erhärtung des Sanierungsverdachts, propagierte sehr weitgehende Einsatz der Informations- und Computertechnologie war Ausdruck eines solchen technokratischen Denkens, nicht selten mit dem Ergebnis einer Erfassungsmanie. Als Reaktion darauf wurden nicht nur kritische Stimmen gegen eine derart agierende Sozialtechnik laut, sondern auch der Computereinsatz in der Stadtplanung nachhaltig diskreditiert – als vermeintliches Instrument der Ausübung von (informationeller) Macht in den Händen kapitalkräftiger Interessen. Mit fataler Wirkung bis zum heutigen Tag – auch wenn wir konzedieren können, dass ’Netzkulturen’ und subkulturelle Milieus zwischenzeitlich die Informationstechnik in virtuoser Weise nutzen, um effektvoll Gegenmachtpositionen aufzubauen.
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c) Zwei zentrale Kontexte und Fokussierungspunkte der Stadterneuerung Stadterneuerungsmaßnahmen lassen sich bei vordergründiger Betrachtung inhaltlich zwar auf das hinreichend bekannte Schema von Stadtstruktur (Funktionsmuster) und Stadtgestalt (Erscheinungsqualitäten von Bauten und Stadträumen) zurückführen. Die Besonderheiten der Stadterneuerung werden damit aber nicht zum Ausdruck gebracht. Vielmehr sind es zwei andere Fokussierungspunkte – gewissermaßen durch die in der Sache begründeten, intrinsischen Bezüge –, die bei jeder städtebaulichen Maßnahme zur Stadterneuerung relevant sind: der soziale und der kulturelle Kontext. Der soziale Kontext ist gerade bei Stadterneuerungsaufgaben deshalb von herausragender Bedeutung, weil die baulichen und städtebaulichen Veränderungen stets direkte Auswirkung auf diejenigen Menschen haben, die in den betroffenen Gebieten wohnen und/oder arbeiten. Hier existieren soziale Milieus, gewachsene Nachbarschaften und diverse, komplex miteinander verzahnte sozialräumliche Beziehungen, die in irgendeiner Weise immer berührt werden, wenn an den Bauten der Wohn- und Arbeitsumgebung Veränderungen vorgenommen werden. Zudem führen städtebauliche Sanierungsmaßnahmen zu Veränderungen der Grundstückswerte, steigenden Mieten oder Verlagerung von (störenden) Gewerbebetrieben, die gleichfalls soziale Konsequenzen nach sich ziehen. Damit befindet sich der Stadtplaner quasi in der Rolle eines Sozialarbeiters, so dass es im Zuge von Stadterneuerungsmaßnahmen notwendig ist, entsprechende Einrichtungen zu institutionalisieren, die dem sozialen Bedürfnis nach direkter Ansprache und Informationsaustausch gerecht wird. Stadterneuerungs- oder Sanierungsbüros inmitten des betreffenden Gebiets erleichtern den notwendigen direkten Kontakt zwischen den Betroffenen und Akteuren. Der kulturelle Kontext der Stadterneuerung beinhaltet demgegenüber alle Aspekte, die sich in den spezifischen baukulturellen oder städtebaulichen Gegebenheiten und deren Wert, aber auch in den neuen baulichen und städtebaulichen Maßnahmen und Projekten widerspiegeln. Insbesondere beim Umgang mit historischer Bausubstanz und bei Maßnahmen zur erhaltenden Stadterneuerung wird der kulturelle Kontext häufig zur Argumentation herangezogen. So formierte sich etwa in den 1960er und 1970er Jahren im Zuge einer – anfänglich als Flächensanierung gedachten – Stadterneuerungswelle eine Gegenbewegung, die den Verlust von kulturellen Werten nicht länger hinnehmen wollte und zu einem Umdenken in Richtung einer erhaltenden Stadterneuerung aufrief [vgl. etwa Breitling (Redak.) 1974]. Bereits jetzt ist absehbar, dass es künftig eine ähnliche Diskussion geben wird (und wohl auch muss), weil aufgrund der demographischen Veränderungen in den kommenden Dekaden über Erhalten (und damit zusammenhängende Finanzierungsfragen) oder Aufgeben (mit der Konsequenz eines unwiederbringlichen Verlusts) offen nachgedacht werden muss. Schon wird im Angesicht dieser Entwicklungstrends die Strategie des Offenlassens nach dem Motto „Hände weg, liegen lassen“ propagiert mit dem Argument, dass sich im Laufe der Zeit von allein herausstellen wird, „was davon von kulturellem Wert ist und zugleich wirtschaftlich nutzbringend weiterverwendet werden kann“ [Ganser 2002].
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Die Einordnung der Stadterneuerung in jeweils einen sozialen und einen kulturellen Kontext hat indes auch Konsequenzen auf die Wahl des anzuwendenden Methodenrepertoires. Von wesentlicher Bedeutung sind qualitative Methoden, mit denen die Erfassung, Analyse und Bewertung von sozialen und kulturellen Sachverhalten in adäquater Weise stattfinden kann, weniger dagegen das Repertoire der quantitativen Methoden, das mehr bei den klassischen Aufgaben der Stadtentwicklungsplanung zur Anwendung kommt (vgl. dazu Kap. 9). d) Aufgaben und Handlungsfelder der Stadterneuerung Mit den Anlässen für eine Stadterneuerung sind im Wesentlichen auch schon die Aufgaben für städtebauliche Erneuerungsmaßnahmen benannt. Legen wir unseren Überlegungen die grundsätzliche Einteilung des Städtebaus bzw. der Stadtplanung in städtebauliche Strukturplanung und städtebauliche Gestaltungsplanung zu Grunde, dann lassen sich folgende Aufgabenblöcke und Handlungsfelder der Stadterneuerung definieren: • •
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Nutzungskonversionen sowie Verbesserung und Revitalisierung stadtfunktionaler Verflechtungen (Stadtstruktur); bauliche Ordnungsmaßnahmen und Wohnumfeldverbesserungen, die an bestimmten Stellen mit Abriss, an anderen auch mit Neubebauung einhergehen können (Stadtstruktur und Stadtgestalt); Gebäudemodernisierungen (Struktur und Gestalt); Erhaltung oder Herbeiführung einer ausgewogenen Sozialstruktur; Wahrung und Sicherung des (bau-)kulturellen Erbes (Struktur, Gestalt und soziale Motive).
Diesen Handlungsfeldern lässt sich eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Einzelmaßnahmen zuordnen, die von kleineren Modernisierungsmaßnahmen an Einzelgebäuden und denkmalpflegerischen Arbeiten über nutzungsändernde Stadtreparaturen mittlerer Größenordnung bis hin zu größeren Stadtumbaumaßnahmen reichen können. Greifen wir dazu die Begrifflichkeit der städtebaulichen Sanierung als wichtigen Teilbereich der Stadterneuerung auf, dann lassen sich nach Grad und Umfang der Eingriffe in das städtebauliche Gefüge unterscheiden: • • •
Flächensanierung Baublocksanierung Objektsanierung
Flächensanierung ist gleichbedeutend mit der städtebaulichen Neugestaltung eines größeren Gebiets innerhalb eines bestehenden Stadtgefüges. Um dies zu bewerkstelligen, werden zunächst alle in dem Gebiet befindlichen Bauten und Anlagen beseitigt, um das Gebiet anschließend – mit entsprechenden Erschließungs- und Infrastrukturanlagen, eventuell anderer Grundstücksaufteilung sowie einer kom-
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pletten Neubebauung – einer neuen Nutzung zuzuführen. Bei Baublocksanierungen geht es hauptsächlich um städtebauliche Verbesserungs- und Erneuerungsmaßnahmen innerhalb einzelner Baublöcke. Unter weitgehender Beibehaltung des Straßen- und Erschließungssystems, das einen solchen Baublock umgibt, wird innerhalb des Baublocks mit Maßnahmen der Freiraumgestaltung (einschließlich Abbruch von Nebengebäuden oder Hinterhäusern) und Gebäudemodernisierung sowie vereinzelten Neubaumaßnahmen eine wesentliche Verbesserung der städtebaulichen Situation herbeigeführt. Seit den 1970er Jahren hat sich im Zusammenhang mit der Baublocksanierung auch der Begriff ’Wohnumfeldverbesserung’ etabliert. Er umfasst Verbesserungsmaßnahmen in der direkten Wohnumgebung durch Gestaltung der öffentlichen und halböffentlichen Räume – von der Platz- und Straßenraumgestaltung über Hofbegrünung bis hin zur Schaffung von sogenannten Mietergärten. Der Begriff der Objektsanierung bezieht sich auf Einzelgebäude, die durch Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen auf einen für Wohn- und Arbeitsstätten zeitgemäßen Standard gebracht und in einen akzeptablen Gebrauchszustand versetzt werden. Während zu Beginn der städtebaulichen Sanierungstätigkeit Objektsanierungsmaßnahmen ausschließlich historischer Altbausubstanz galten, sind mittlerweile auch andere Areale in das Blickfeld der Objektsanierung gerückt. Schon in den 1980er Jahren hatte man (im Westen Deutschlands) begonnen, bei diversen Großwohnanlagen aus den 1960er und 1970er Jahren baulich und städtebaulich nachzubessern [vgl. GEWOS 1986: 65ff]. Nach der deutschen Vereinigung wurden auch die zu DDR-Zeiten entstandenen Großwohnanlagen in die objektbezogene Erneuerung miteinbezogen, wobei im Zuge von städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen die Strategie verfolgt wurde, den „Hochhausanteil städtebaulich verträglich zu reduzieren“ und mit den verbleibenden Wohnungen eine auf den wirklichen Bedarf abgestimmte, attraktive Wohnungsstruktur zu schaffen [Beyer 1999: 71].
Stadtsanierung nach dem Planungsrecht Im Jahre 1971 wurde mit dem Inkrafttreten des Städtebauförderungsgesetzes (StBauFG) in Deutschland erstmals eine planungsrechtliche Grundlage für die Durchführung von städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen geschaffen. Diese städtebaulichen Verfahrensregelungen, die, anfangs als Sondergesetz, im Jahre 1986 dann – in der Zusammenführung des damaligen Bundesbaugesetzes mit dem Städtebauförderungsgesetz – zum Bestandteil des Baugesetzbuches wurden, stellen die stärkste Handhabe für städtebauliche Erneuerungsmaßnahmen dar. Und zwar aus folgenden Gründen: •
die weitreichenden städtebaurechtlichen Regelungen bedeuten vor allem im Hinblick auf die bodenpolitische Konzeption – Einfrieren der Bodenpreise zum Zeitpunkt des Beschlusses über die förmliche Festlegung eines Sanierungsge-
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bietes – eine Art Ausnahmerecht auf Zeit; die Regelungen zielen auf unmittelbare Realisierung; derartige Maßnahmen werden durch öffentliche Städtebauförderungsmittel von Bund und Ländern finanziell unterstützt.
Die Voraussetzung zur Durchführung einer städtebaulichen Sanierungsmaßnahme (§§ 136-191 BauGB als Teil des besonderen Städtebaurechts) ist gegeben, wenn ein bestimmter städtebaulicher Zustand im Hinblick auf zwei Kriterien, die vom Gesetz als „städtebauliche Missstände“ bezeichnet werden (§ 136 BauGB), als problematisch empfunden wird (man spricht dann von einem ’Sanierungsverdacht’) [Spannowsky/Uechtritz 2009: 1286f]: •
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bauliche Mängel sowie eine schlechte allgemeine Situation im Hinblick auf gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und Sicherheit der in dem betreffenden Gebiet wohnenden und arbeitenden Menschen (Substanzschwäche); Mängel in Bezug auf Funktionen und Struktur in dem betroffenen Gebiet (Funktionsschwäche).
Wenn nach diesen Kriterien eine Erhärtung des Sanierungsverdachtes stattgefunden hat, kann eine städtebauliche Sanierung in Erwägung gezogen werden. Zur Akquirierung von öffentlichen Sanierungsförderungsmitteln wird von der betroffenen Stadt bzw. Gemeinde dann üblicherweise eine Aufnahme in entsprechende Förderprogramme vorbereitet (nähere Ausführungen weiter unten). Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber mit der Durchführung von städtebaulichen Maßnahmen zur Stadtsanierung bestimmte Intentionen verfolgt, insbesondere die baulichen Strukturen zu verbessern, die Wirtschafts- und Agrarstruktur (in Kleinstädten und auch Dörfern) zu unterstützen, die Siedlungsstruktur den städtebaulichen Erfordernissen anzupassen sowie Ortsteile zu erhalten, zu erneuern und fortzuentwickeln.
Abb. 8.2: Ablauf einer städtebaulichen Sanierungsmaßnahme mit 3 Hauptphasen nach dem Baugesetzbuch
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Eine städtebauliche Sanierungsmaßnahme gliedert sich nach den planungsrechtlichen Rahmenvorgaben in drei Phasen (vgl. Abb. 8.2): eine Vorbereitungs-, eine Durchführungs- und eine Abschlussphase [vgl. ausführlich Braam 1999: 220ff]. a) Vorbereitungsphase In der Vorbereitungsphase geht es zunächst darum, in einem Gebiet, das aus subjektiver Einschätzung oder wegen offenkundiger, objektiver Mängel unter Sanierungsverdacht steht, eine Erhärtung dieses Verdachts auf der Grundlage objektiver Kriterien herbeizuführen. Folgende Verfahrensschritte sind dabei einzuhalten: • • • • • •
Beschluss über den Beginn „vorbereitender Untersuchungen“ (§ 141 BauGB) mit ortsüblicher Bekanntmachung; Gewinnung von Beurteilungsunterlagen in Bezug auf soziale, strukturelle und städtebauliche Verhältnisse; Formulierung der Ziele einer möglichen Sanierung und Entwurf eines städtebaulichen Rahmenplans; Erkundung der Mitwirkungsbereitschaft der Betroffenen (Eigentümer, Mieter, Pächter, andere Nutzungsberechtigte); Einschätzung der Auswirkungen der beabsichtigten Sanierung auf die unmittelbar Betroffenen (Sozialplan); Erlass einer Sanierungssatzung: förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes (§ 142 BauGB) und Genehmigung durch die höhere Verwaltungsbehörde mit anschließender ortsüblicher Bekanntmachung.
Diese Vorbereitungsphase hat spätestens mit dem Inkrafttreten der Sanierungssatzung gravierende Konsequenzen. Dies gilt insbesondere für die nur noch mit erheblichen Einschränkungen versehene eigentumsrechtliche Verfügbarkeit an Grund und Boden mit einem entsprechenden Sanierungsvermerk für alle betroffenen Grundstücke im Grundbuch. Damit sind beispielsweise der Grundstücksverkehr eingeschränkt (z.B. Vorkaufsrecht der Gemeinde) oder bauliche oder sonstige Maßnahmen auf den Grundstücken untersagt. b) Durchführungsphase Die Durchführungsphase dient der eigentlichen Realisierung der städtebaulichen Sanierungsmaßnahme. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Konkretisierung der Planunterlagen stattfindet, um danach die entsprechenden Ordnungs- und Baumaßnahmen durchzuführen. Folgende Einzelschritte und -maßnahmen sind Teil dieser Phase: •
Erstellung eines städtebaulichen Rahmenplans, aus dem sich die Aufstellung von B-Plänen für Teilbereiche des Sanierungsgebietes ergibt; eventuell findet jetzt auch die Einschaltung eines (privatwirtschaftlich agierenden) Sanierungsträgers statt, der die konkrete Durchführung der Maßnahmen betreibt;
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Ordnungsmaßnahmen (§ 147 BauGB): Bodenordnung und Grunderwerb, Umzug von Bewohnern und Betrieben, Freilegung von Grundstücken, Herstellung und Änderung von Erschließungsanlagen, sonstige Maßnahmen im Hinblick auf die Durchführung von Baumaßnahmen; Baumaßnahmen (§ 148 BauGB): Neu- und Ersatzbau, Modernisierung und Instandsetzung, Errichtung und Änderung von Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen, Verlagerung oder Änderung von Betrieben.
Die Durchführungsphase einer städtebaulichen Sanierungsmaßnahme kann sich über mehrere Jahre erstrecken, so dass die Bewohner mit beachtlichen Unannehmlichkeiten und Störungen in ihrer Wohnumgebung rechnen müssen. Bei der Abfassung der Grundsätze für den Sozialplan ist deshalb dringend auf die spezifischen sozialen Umstände, beispielsweise auf die Ruhebedürfnisse älterer Menschen, Rücksicht zu nehmen. Es empfiehlt sich deshalb, die Baumaßnahmen in räumlich abgegrenzten Teilbereichen mit jeweils einem klar definierten, begrenzten Zeitrahmen durchzuführen. c) Abschlussphase In der Abschlussphase einer städtebaulichen Sanierungsmaßnahme wird das städtebauliche Ausnahmerecht wieder aufgehoben, wobei folgende Dinge zu regeln sind: • •
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Aufhebung der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebietes als Satzung (§ 162 BauGB); Reprivatisierung der Grundstücke, die vor Beginn der Maßnahme von der Gemeinde oder einem Sanierungsträger (§ 159 Abs. 3 BauGB) erworben worden waren; Abschöpfung der sanierungsbedingten Boden- bzw. Grundstückswertsteigerungen durch Geldausgleich; Ermittlung von Entschädigungsleistungen der Gemeinde und Ausgleichsbeträgen der Eigentümer (§ 154 BauGB).
Die zum Teil recht erheblichen Kosten einer städtebaulichen Sanierungsmaßnahme, die sich vor allem aus der Sanierungsvorbereitung, den Ordnungsmaßnahmen (Bodenordnung), den Gebäudeabbrüchen und der Erschließung ergeben, sind aus Finanzierungsmitteln zu tragen, deren Tilgung und Zinsen nicht aus den späteren Erträgen der Maßnahmen gedeckt werden können. Diese sogenannten unrentierlichen Sanierungskosten hat die Gemeinde zu tragen, entweder aus eigenen Haushaltsmitteln oder Mitteln zur Städtebauförderung des Bundes und der Länder, die der Gemeinde zur Verfügung gestellt werden. Die gesamte Finanzierung muss frühzeitig abgeklärt sein, denn letztendlich hängt das Gelingen der Sanierung davon ab. Besteht nämlich keine Aussicht, die in Betracht gezogene städtebauliche Sanierungsmaßnahme innerhalb eines angemessenen Zeitraums durchzuführen, tritt die Sanierungssatzung außer Kraft. Die Gemeinde ist daher gehalten, nach dem jeweiligen Stand der Planung eine Kosten-
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und Finanzierungsübersicht vorzulegen (§ 149 BauGB). Was die Stadt oder Gemeinde selbst betrifft, so ist sie zur Übernahme der Kosten für die Ordnungsmaßnahmen nur dann verpflichtet, wenn sie diese Maßnahmen nicht vertraglich auf einen Dritten, einen Sanierungsträger, übertragen hat. Sind Städtebauförderungsmittel (durch Bund und Länder) zugeteilt, können sie für die Vorbereitung von Sanierungsmaßnahmen, die Durchführung von Ordnungsund Baumaßnahmen, die angemessene Vergütung eines treuhänderisch mit der Sanierung Beauftragten (Sanierungsträger) aber auch für die Verwirklichung des Sozialplans sowie für die Gewährung eines Härteausgleichs (§ 164a BauGB) eingesetzt werden. Finanzhilfen vom Bund dagegen sind – nach dem derzeitigen Stand der Dinge (2010) – schwerpunktmäßig für die folgenden Aufgaben gedacht (§ 164b BauGB) [Internet bbsr.bund.de, Rubrik „Grundlagen der Städtebauförderung: Ziele, Finanzierung, Mittelverteilung“]: •
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Stärkung von Innenstädten und Ortsteilzentren in ihrer städtebaulichen Funktion unter besonderer Berücksichtigung des Wohnungsbaus sowie der Belange des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege; Maßnahmen der Sozialen Stadt; Stadtumbaumaßnahmen in den neuen und in den alten Ländern; Wiedernutzung von Flächen, insbesondere der in Innenstädten, unter Berücksichtigung ihrer funktional sinnvollen Zuordnung (Nutzungsmischung).
Über die Verteilung von Städtebauförderungsmitteln wird jährlich eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern getroffen (z.B. VV-Städtebauförderung 2010), in der auch die jeweiligen thematischen Schwerpunkte der Förderung definiert werden (Näheres dazu in Kap. 9, inklusive Quellenhinweisen).
Stadterneuerung und Denkmalpflege Maßnahmen der Stadterneuerung stehen naturgemäß in engem Zusammenhang mit Maßnahmen des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege. Dies gilt insbesondere für den Umgang mit Altstadtbereichen oder städtebaulichen Einzelmaßnahmen, wenn historische Bausubstanz und baugeschichtlich bedeutsame Kulturdenkmäler betroffen sind. Die Abkehr der Stadterneuerung von einer Tabula-rasa-Flächensanierung und Hinwendung zu einer behutsamen Stadterneuerung, die in den 1970er Jahren mit einer zunehmenden Wertschätzung des baulich-kulturellen Erbes einherging, hatte zur Folge, dass Denkmalschutz und Denkmalpflege zu einem zentralen Thema der Stadtplanung wurden. a) Geschichtliche Entwicklung des Denkmalpflegegedankens Ein kurzer Abriss der geschichtlichen Entwicklung des Denkmalpflegegedankens soll als Einstieg in das ebenso wichtige wie interessante Gebiet des städtebaulichen
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Umgangs mit dem baulich-kulturellen Erbe dienen. Der Begriff des Denkmals war ursprünglich – in der Antike und im Mittelalter – in erster Linie auf die Erinnerung an herausragende Personen oder bestimmte Ereignisse ausgerichtet oder hatte einen religiösen Hintergrund. Allerdings spielten schon im Mittelalter durchaus auch wirtschaftliche Aspekte eine gewisse Rolle, wenn etwa Bausubstanz erhalten wurde, weil das Abtragen des vorhandenen Baus zu aufwendig gewesen wäre oder indem man bei Neu- und Erweiterungsbauten (von Kirchen oder Burgen) auf den Grundmauern vorheriger Bauten baulich anknüpfte. Mit Beginn der Neuzeit und der anbrechenden Phase des Absolutismus stand – nach antikem Vorbild – die Selbstdarstellung der Herrschenden im Vordergrund. Zur Wertschätzung von kulturellen Gütern trug auch das Aufkommen einer zunächst unter Adligen verbreiteten Sammelleidenschaft im 16. Jahrhundert bei. Kunst und Kuriositäten wurden in „Kunst- und Wunderkammern“ aufbewahrt, den Vorläufern von Museen, die sich erst im 19. Jahrhundert daraus entwickelten. Vor dem Hintergrund des wachsenden Bewusstseins fürs Historische wurden alsbald auch bauliche Rekonstruktionen vorgenommen. Selbst die dem barocken Zeitgeist zugewandten Baumeister – wie etwa Ignaz Michael Neumann bei seinen Arbeiten am Dom zu Speyer – haben dabei bewusst romanische wie gotische Elemente aufgriffen. Und es gab bereits so etwas wie ein Denkmalrecht, das allerdings auf den Prinzipien des aufgeklärten Absolutismus basierte und als Polizeirecht in Erscheinung trat: Die „Wohlfahrtspolizey“ des Landesherrn hatte darüber zu befinden, wie der Staatszweck höchstmöglicher „Glückseligkeit“ der Untertanen zu befördern sei mit der Folge, in diesem Sinne auch über die Denkmäler zu bestimmen. Der eigentliche Beginn des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege im heute üblichen Sinne datiert jedoch aus der Zeit der Romantik [ausführlich zur Geschichte des Denkmalpflegegedankens vgl.: Paschke 1972; Gassner 1983]. Als Schlüssel aller nachfolgenden Entwicklungen gilt Goethe’s begeisterter Hymnus „Von deutscher Baukunst“ über das Straßburger Münster aus dem Jahre 1773 und die damit einhergehende künstlerische Anerkennung der voreinst eher verschmähten Gotik. Kurz zuvor schon, im Jahre 1771, hatte der Markgraf von Ansbach und Bayreuth eine Anweisung zum Erhalt von Denkmälern gegeben (mit Inventarisation in Listen und Strafandrohung bei böswilliger Zerstörung). Einige Zeit später, im Jahre 1780, erließ der Archivar des Markgrafen die erste in Deutschland bekannte Verordnung zum Schutz von Denkmälern, die allerdings noch keine Baudenkmäler betraf. Und auch die im selben Jahr erlassene Verordnung zur „Erhaltung der im Lande befindlichen Monumente und Alterthümer“ des Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Kassel war nicht so sehr kulturgeschichtlich motiviert, sondern galt vielmehr der Sorge um seine Familiengeschichte. Im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 ist von Denkmälern noch nicht explizit die Rede, auch wenn die Intention der betreffenden Gesetzespassage (§ 33 Titel 8 Theil I) durchaus schon in Richtung eines Denkmalschutzes weist: „Soweit die Erhaltung einer Sache auf die Erhaltung und Beförderung des gemeinen Wohls erheblichen Einfluss hat, soweit ist der Staat deren Zerstörung oder Vernichtung zu untersagen berechtigt“, heißt es dort.
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Erst im Jahre 1815, als – im Zuge der nachnapoleonischen „Gegenrevolution“ [Sieferle 1984: 58] – einer der berühmtesten Architekten jener Zeit, Karl Friedrich Schinkel, in einem Gutachten Vorschläge zur Erhaltung von Denkmälern und Altertümern unterbreitete, begann sich der Denkmalpflegegedanke zu entfalten. In diesem Gutachten hat Schinkel die Aufgaben der Denkmalpflege in vier Punkten zusammengefasst, die sich bis heute in den Denkmalschutzgesetzen in ganz ähnlicher Weise finden: • • • •
Erfassung des Denkmälerbestandes, Errichtung von Denkmalpflegebehörden mit sachverständigen Mitarbeitern, Schutz- und Aufsichtskompetenz bei Bezirksbehörden sowie Gutachterfunktion der Denkmalpflegebehörden bei Instandsetzung und Restaurierung.
Noch im gleichen Jahr erließ der preußische König Friedrich Wilhelm III. diesbezüglich eine Kabinettsorder. Als Urform aller Denkmalschutzgesetze gilt allerdings die vom Vatikan im Jahre 1820 erlassene „Lex Pacca“; sie schrieb eine Beurteilung der in Frage kommenden Objekte durch eine Denkmalkommission und eine anschließende Inventarisation der Denkmäler vor. Überhaupt spielte im Ausland der Denkmalschutz schon früh, ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, eine wichtige Rolle: In Frankreich etwa wurde im Jahre 1830 die „Inspection Générale des Monuments Historiques“ geschaffen, im Jahre 1837 zum ersten Mal ein Denkmalpflegerat eingesetzt, ab 1840/ 1841 Denkmäler aufgelistet und provisorisch klassifiziert und im Jahre 1913 mit dem „Loi sur les monuments historiques“ der Umgebungsschutz (Ensembleschutz) eingeführt. Dagegen beschloss erst im Jahre 1887 die Generalversammlung der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine, die deutschen Regierungen zu bitten, baldmöglichst auf dem Wege der Gesetzgebung Bestimmungen zum Schutz von Denkmälern herbeizuführen. Der erste deutsche Denkmalpflegetag fand im Jahre 1900 in Dresden statt; 1902 erließ das Großherzogtum Hessen-Darmstadt das erste Denkmalschutzgesetz Deutschlands, und bald darauf schlossen sich weitere Länder diesem Vorbild an: Bremen 1909, Sachsen-Altenburg 1909 und Oldenburg 1911. In Württemberg, Baden und Bayern wurden zunächst keine Denkmalschutzgesetze geschaffen, sondern denkmalrechtliche Behelfe in die Landesbauordnungen eingefügt – sogenannte „Annexrechte“. In Preußen war der Denkmalschutz Gegenstand des preußischen Verunstaltungsgesetzes von 1902, dem im Jahre 1906 die Einrichtung einer „Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege“ mit Zuständigkeit auch für die Baudenkmalpflege folgte (Naturdenkmale und Kulturdenkmale haben bezüglich des Schutzgedankens gemeinsame Wurzeln, noch heute übrigens erkennbar an dem Namen des „Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz“). Wichtige Impulse für die Herausbildung des Denkmalpflegegedankens entstanden im 19. Jahrhundert im Zuge des damals salonfähigen Historismus, nicht zuletzt beflügelt durch das romantische Œuvre berühmter Maler wie Caspar David Friedrich in Deutschland oder William Turner in England. In diesem romantischen und
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retrospektiven Zeitgeist entstand in England die „arts and crafts“-Bewegung, in Deutschland die Heimatschutzbewegung, die sich der Bewahrung des kulturellen Erbes und dem Schutz der Landschaft annahm. Allerdings wurde die Idee, Denkmäler unter allen Umständen zu schützen, nicht überall einhellig begrüßt. In England und dem Vereinigten Königreich etwa warnten namhafte Persönlichkeiten wie der Kunsthistoriker John Ruskin schon früh vor einer falsch verstandenen, historisierenden Denkmalpflege: „In Schönheit sterben lassen“ hieß die auf eine einprägsame Metapher verdichtete kritische Gegenposition, die auch in Deutschland auf einige Sympathie stieß [Clemen 1933: 43] und fortan die zwischen den Polen von Authentizität und Kopie ringende Diskussion bis heute bestimmt. Während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft verschmolzen Teile der Heimatschutzbewegung mit der Blut-und-Boden-Ideologie des Regimes [vgl. Sieferle 1984: 167ff oder Linse 1986] und die Idee des retrospektiven Bewahrens wurde ideologisch vereinnahmt. Als im Jahre 1935 das Reichsnaturschutzgesetz und 1936 die Baugestaltungsverordnung erlassen wurden, gab es darin eine ziemlich gravierende Veränderung. Das bis dahin gültige (polizeirechtliche) Prinzip einer bloßen Verunstaltungsabwehr wurde dort ergänzt um eine ’positive’ Norm für die Ausführung baulicher Anlagen im Sinne einer „anständigen Baugesinnung“. So anrüchig dieser Begriff heute auch anmuten mag, so war er doch keine Erfindung der Nationalsozialisten selbst, sondern findet sich bereits 1920 in Theodor Fischer’s „Sechs Vorträgen über Stadtbaukunst“. Nach dem 2. Weltkrieg spielten Denkmalschutz und Denkmalpflege in Deutschland (ähnlich in anderen Ländern) zunächst keine größere Rolle. In Deutschland war der rasche Wiederaufbau das drängendere Problem. Jahrzehnte später jedoch, als historische Städte und Stadtteile, die den Krieg überstanden hatten, den damals herrschenden Vorstellungen von einer ’modernen’ Stadt zum Opfer zu fallen drohten, begann man, sich eines Besseren zu besinnen. Während das Städtebauförderungsgesetz bei seinem Inkrafttreten im Jahre 1971 in seiner Grundintention noch auf Flächensanierung zielte – d.h. Totalabriss und Neubebauung – und mancherorts bereits eine Umsetzung erfolgt und ein unwiederbringlicher Schaden eingetreten war, bewirkte der veränderte Zeitgeist zu Beginn der 1970er Jahre, befördert durch die Studie des Club of Rome über die „Grenzen des Wachstums“ sowie spätestens durch das Europäische Denkmalschutzjahr 1975 ein allgemeines Umdenken. Seither sind Denkmalschutz und Denkmalpflege, dort wo mit vorhandener Bausubstanz umgegangen werden muss, fester Bestandteil aller städtebaulichen Planungen und Projekte. b) Denkmalschutz- und Denkmalpflegerecht Die Materie des in Deutschland geltenden Denkmalschutz- und Denkmalpflegerechts mit seinen Verbindungen zu Bauordnungsrecht, städtebaulichem Planungsrecht und dem übrigen Fachplanungsrecht ist derart komplex, dass sie hier nur in groben Zügen dargelegt werden kann. Zunächst sei hervorgehoben, dass der Denkmalschutz zu den Kulturaufgaben
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gehört, die – nach dem föderalen Prinzip und wegen ihrer Zuständigkeit für Kulturaufgaben – den einzelnen Bundesländern obliegt. Dort hat das Denkmalschutzrecht den Charakter eines Sonderordnungsrechts; Denkmalschutzämter besitzen sonderordnungsbehördliche Befugnisse bei der Unterschutzstellung von Denkmälern. Dies ist auch der Grund dafür, dass die Unteren Denkmalbehörden der Kreise oder kreisfreien Städte nicht selten administrativ direkt den Bauordnungsämtern zugeordnet sind. Jedes Bundesland besitzt demzufolge ein eigenes Denkmalschutzgesetz, in dem jeweils eine Legaldefinition dessen zu finden ist, um was es sich bei einem Denkmal bzw. Kulturdenkmal (in Abgrenzung zum Naturdenkmal; zur gemeinsamen ideengeschichtlichen Wurzel vgl. weiter oben) handelt. Die Definitionen unterscheiden sich nur geringfügig; herangezogen sei deshalb exemplarisch das Denkmalschutzgesetz des Landes Baden-Württemberg mit folgendem Wortlaut: „Kulturdenkmäler (…) sind Sachen, Sachgesamtheiten und Teile von Sachen, an deren Erhaltung aus wissenschaftlichen, künstlerischen oder heimatgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse besteht“ [vgl. Internet www.landesdenkmalamtbw.de]. Üblicherweise wird bei Denkmälern unterschieden in: • • •
bewegliche Denkmäler (z.B. Ausstellungsgegenstände, Archiv- und Bibliotheksgut); Baudenkmäler (bauliche Anlagen, die der architektonischen Denkmalpflege unterliegen; dazu gehören auch Gesamtanlagen bzw. Ensembles); Bodendenkmäler (Denkmalschutzgesetze regeln als ’Ausgrabungsgesetze’ auch den Umgang mit Fundstellen bei Grabungstätigkeiten, z.B. durch Überbauungsverbote).
Neben baulichen Anlagen können im Sinne der Denkmalschutzgesetze auch Gartenanlagen, Friedhöfe, Gewässer, historische Landschaftsformen etc. denkmalfähig sein. Eine wichtige Rolle spielt neben den einzelnen Denkmälern auch ihr Umgebungsschutz; entsprechende Regelungen in einigen Denkmalschutzgesetzen sollen dafür sorgen, dass bauliche Beeinträchtigungen des Erscheinungsbildes in der Umgebung von Baudenkmälern (z.B. durch Werbeanlagen) verhindert werden können. Die Denkmalschutzgesetze der einzelnen Bundesländer sind durchweg sehr ähnlich aufgebaut. Sie behandeln: • • • • • • •
Aufgaben des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege sowie die dazu notwendigen Begriffsbestimmungen; Denkmalliste und (vorläufige) Unterschutzstellung von Denkmälern; Unterschutzstellung von Denkmalbereichen; Erhaltung von Denkmälern; Nutzung von Baudenkmälern und ortsfesten Bodendenkmälern; erlaubnispflichtige Maßnahmen; Veräußerungs- und Veränderungsanzeige;
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Bodendenkmäler, Ausgrabungen, Grabungsschutzgebiete, Entdeckung von Bodendenkmälern und Verhalten bei der Entdeckung von Bodendenkmälern, Ablieferung von Gegenständen etc.; Denkmalbehörden und deren Zuständigkeiten; Denkmalbeiräte und Beauftragte für Denkmalpflege; Denkmalpflegeplan; Vorschriften über Erlaubnisverfahren, Auskunfts- und Betretungsrecht, Enteignung, Übernahme von Denkmälern und Entschädigungsleistungen, Vorkaufsrecht; Denkmalförderungsprogramm, Städtebauförderung, Wohnungsmodernisierung; Vorschriften über Denkmäler, die der Religionsausübung dienen; Schutz bei Katastrophen; steuerliche Fragen, Bußgeldvorschriften, Verwaltungsvorschriften.
Über die Denkmalschutzgesetze hinaus existieren noch viele weitere rechtliche Regelungen, die den städtebaulichen und raumplanungsbezogenen Denkmalschutz betreffen. Hervorzuheben wäre in diesem Zusammenhang insbesondere das Artikelgesetz zur „Berücksichtigung des Denkmalschutzes im Bundesrecht“ aus dem Jahre 1980, mit dem verschiedene Bundesgesetze eine entsprechende Ergänzung erfuhren (vor allem Fachgesetze wie beispielsweise das Bundesfernstraßengesetz). Um Interessen des Denkmalschutzes durchzusetzen, gibt das städtebauliche Planungsrecht den Gemeinden zudem folgende Einflussnahmemöglichkeiten: • • • •
• • • • •
denkmalrelevante Festsetzung in Bebauungsplänen; Aufnahme örtlicher Bauvorschriften zur Gestaltung baulicher Anlagen und zur Verhinderung von Verunstaltung in Bebauungsplänen; Kennzeichnung von Denkmälern und Denkmalbereichen in Bebauungsplänen; Einstufung des Denkmalschutzes als wichtigen öffentlichen Abwägungsbelang (wichtig und relativ neu eingeführt in das Baugesetzbuch ist mit § 1 Abs. 5 BauGB das Stichwort „Baukultur“ als Bestandteil des Nachhaltigkeitsprinzips); Berücksichtigung von Denkmalbelangen bei der Einzelgenehmigung von Vorhaben nach § 34 oder § 35 BauGB; Erlass von Erhaltungssatzungen; Erlass von Veränderungssperren; Ausübung von Vorkaufsrecht; städtebauliche Sanierung (insbesondere städtebauliche Rahmenplanung nach § 140 BauGB).
c) Bewertungskriterien für Kulturdenkmäler In allen Denkmalschutzgesetzen gilt ein Gegenstand nur dann als Denkmal, wenn ein öffentliches Interesse an seinem Erhalt besteht; diese Voraussetzung gilt auch für bauliche Anlagen. Ein derartiges öffentliches Interesse muss im Einzelfall durch
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die Denkmalbehörde nachgewiesen werden, im Zweifelsfall auf der Grundlage einer wissenschaftlichen Begutachtung (im Bundesland Nordrhein-Westfalen spielen bei dieser Aufgabe die beiden Landschaftsverbände eine herausgehobene Rolle). Folgende Kriterien sind dabei maßgebend [vgl. Kiesow 1989]: • • • • •
die künstlerische Bedeutung die wissenschaftliche Bedeutung die geschichtliche Bedeutung die städtebauliche Bedeutung die technische Bedeutung
Das Einschätzen der künstlerischen Bedeutung gestaltet sich dabei recht schwierig, weil hierfür naturgemäß keine objektiven Maßstäbe angelegt werden können. Eine wesentliche Beurteilungsgrundlage stellt das ’in besonderem Maße angesprochene ästhetische Empfinden’ dar, ein aus der Rechtsprechung hervorgegangenes Kriterium. Üblicherweise wird eine solche Beurteilung durch fachlich versierte Personen – vielleicht ein eigens dazu geschaffener Denkmalrat – vorgenommen. Kriterien für die Bewertung der künstlerischen Bedeutung sind: • • • • • •
künstlerische Qualität (zum Vergleich werden üblicherweise künstlerische Qualitäten derselben Stilphase herangezogen); entwicklungsgeschichtliche Bedeutung (z.B. Erkennbarkeit von Ansätzen eines neuen künstlerischen Stils); Stellenwert im Œuvre eines bedeutenden Künstlers (z.B. Früh- oder Spätwerk); Seltenheitswert etwa innerhalb einer Stilepoche; Qualität oder Vielfalt der Fassadengliederung und Bauornamentik; Qualität oder Vielfalt der Innenausstattung eines Bauwerks.
Um die wissenschaftliche Bedeutung eines Denkmals zu beurteilen, sind Kriterien zu prüfen wie etwa: • • • •
Bedeutung für die Kunstwissenschaft Bedeutung für die naturwissenschaftliche Erdgeschichte Bedeutung für die Vor- und Frühgeschichte Bedeutung für die Hausforschung
Die geschichtliche Bedeutung ist unabhängig von der rein wissenschaftlichen Bedeutung zu betrachten, nicht zuletzt deshalb, weil in der Regel hier die ausschlaggebenden Argumente für eine Denkmalfähigkeit – als Geschichtsdokument – zu finden sind. Folgende Kriterien spielen eine Rolle: • • • •
Siedlungsgeschichte Religionsgeschichte Sozialgeschichte Zeugnis einer bestimmten Geschichtsepoche
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• • • • • • • •
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Stätte eines wichtigen politischen Ereignisses Wirkungsstätte einer historischen Persönlichkeit Bedeutung für die Rechtsgeschichte Territorial- und Militärgeschichte Geschichte von Wirtschaft und Verkehr Geschichte der Gartenbaukunst Volkskunde und Heimatgeschichte volkstümlicher Erinnerungswert
Die städtebauliche Bedeutung eines potentiellen Denkmals lässt sich an einer Klärung der folgenden Punkte festmachen: • • • • •
Bedeutung eines exponierten Einzelbauwerks für ein Ortsbild oder eine Landschaft Symbolwert – etwa für einen Ort wichtiger raumbildender oder milieuprägender Bestandteil eines Straßenzuges, Platzes oder Ortsbildes maßstabsbildende Funktion in der Sichtbeziehung zu einem wichtigen Baudenkmal wesentlicher baulicher Rest einer historischen Städtebaukonzeption
Und schließlich kann auch die technische Bedeutung von Bauwerken – man denke etwa an alte Wasser- oder Windmühlen, die Schwebebahn in Wuppertal oder Fördertürme von aufgegebenen Zechenanlagen – eine wichtige Rolle bei der Beurteilung von Denkmalwürdigkeit spielen. Hierzu werden Kriterien beurteilt wie: • • • •
Zeugnis für die Entwicklung der Technik Qualität der Konstruktion oder Herstellungsart handwerkliche oder technische Qualität der Ausführung Erhaltungsqualität des Originalzustands
d) Maßnahmen zur Behandlung von Baudenkmälern Der Maßnahmenkatalog für die (städtebauliche) Behandlung von Baudenkmälern lässt sich in vier Gruppen aufteilen: • • • •
Nachbildung total zerstörter Bauten, Rekonstruktion, Wiederherstellung und Ergänzung teilzerstörter oder verunstalteter Bauten, Instandsetzung von baulichen Anlagen unter weitgehender Erhaltung der Originalsubstanz sowie Translozierung von Gebäuden.
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Eine Nachbildung total zerstörter Bauten ist denkmalpflegerisch unter mehreren Voraussetzungen vertretbar: Die städtebauliche Situation darf sich seit dem Zeitpunkt der Zerstörung nicht verändert haben; die Dokumentation des untergegangenen Bauwerks muss soweit vollständig vorhanden sein, dass eine exakte Nachbildung aller Bestandteile möglich ist – unter Verwendung derselben Baustoffe und Handwerkstechniken wie beim Original. Außerdem darf durch die Herstellung der Nachbildung keine möglicherweise noch vorhandene Originalsubstanz zerstört werden. Eine Rekonstruktion, Wiederherstellung und Ergänzung teilzerstörter oder verunstalteter Bauten gilt dann als vertretbar, wenn wesentliche Teile der Originalsubstanz existieren und eine zuverlässige Dokumentation vorhanden ist, anhand derer die fehlenden Teile ergänzt werden können. Für einen rekonstruierten Wiederaufbau kann auch sprechen, dass sich noch erhaltene Originalteile (Anastilosis) nur auf diese Weise vor dem weiteren Verfall bewahren lassen. Gegebenenfalls ist auch eine Neuschöpfung erlaubt, etwa dann, wenn die künstlerische Qualität des verschwundenen Details so hoch war, dass eine Nachbildung nur ein schwaches Abbild sein würde [zum kontrovers geführten Thema Rekonstruktion siehe Nerdinger (Hrsg.) 2010]. Einer Instandsetzung unter weitgehender Erhaltung der Originalsubstanz wäre in jedem Fall der Vorzug zu geben, da diese Maßnahme für Baudenkmäler die größtmögliche Schonung bedeuten würde. Denkmalpflegerisch vertretbar ist eine solche konservierende Instandsetzung, wenn die Zeitabstände zwischen durchgreifenden Restaurierungen so groß wie möglich gehalten werden und Dokumentationen des Vorzustandes, während der Baumaßnahmen und zum Abschluss der Restaurierungsarbeiten erstellt werden. Eine Translozierung von Gebäuden gilt grundsätzlich als sehr problematisch, da die betroffenen Bauten aus dem städtebaulichen Kontext gerissen werden und so ihre siedlungs- und sozialgeschichtliche Bedeutung aus dem Blickfeld gerät; der Quellenwert für die Wissenschaft und die örtlichen Geschichtsspuren verschwindet (Problem von Freilichtmuseen). Außerdem geht bei jeder Translozierung – auch bei sorgfältigster Ausführung – Originalsubstanz verloren (z.B. Fugenmörtel, Innenputz oder Ausfachungen von Gebäuden). Gleichwohl wäre eine solche Maßnahme als Ultima Ratio denkmalpflegerisch vertretbar, wenn ein Totalverlust des Baudenkmals zu befürchten ist, ein Konzept zur Zusammenführung historischer Bausubstanz in einem Freilichtmuseum besteht oder das Objekt nur um wenige Meter transloziert wird (z.B. aus Gründen der Verkehrsführung). Neben diesen Maßnahmengruppen gibt es allerdings noch eine weitere Option, mit Baudenkmälern umzugehen: die betroffenen Objekte unberührt zu lassen, wie es Karl Ganser [Ganser 2001] vorgeschlagen hat, sie gar im Einzelfall im Sinne Ruskin’s ’in Schönheit sterben zu lassen’. Aus den verschiedensten Gründen könnten sich aktive Maßnahmen als unzweckmäßig, zum Nachteil für das Objekt oder als finanziell nicht tragbar erweisen. Anstatt dann Maßnahmen um jeden Preis in Erwägung zu ziehen, kann es sich auf längere Sicht als durchaus sinnvoll und vorteilhaft erweisen, keinerlei Maßnahmen zu veranlassen und die weitere Entwicklung abzuwarten. Wir sollten bedenken, dass aus einer solchen Handlungsoption auch
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Positives gewonnen werden kann. Eine aus Verfallserscheinungen sich entwickelnde Ruinenästhetik könnte zu gegebener Zeit auf hohe Wertschätzung stoßen und dann zu neuen, völlig anderen und ungeahnten Aktivitäten führen (wobei der Umgang mit den Ruinen selbst wiederum zu speziellen baulichen, städtebaulichen und restaurierenden Formen des Umgangs führen kann; vgl. Internet www.denkmalpflege-hessen.de). Auf eine weitere Besonderheit im Umgang mit denkmalwerter Bausubstanz sei an dieser Stelle der Vollständigkeit halber hingewiesen. Wenn wir Baudenkmäler vornehmlich aus der Perspektive der Stadtplanung betrachten, dann muss an den eigentlichen Auftrag der Stadtplanung erinnert werden, der darin besteht, räumliche Nutzungszuordnungen zu treffen. Im Falle von Baudenkmälern geht es dann letztendlich darum, eine geeignete, verträgliche Nutzung zu finden. Stadtplaner werden deshalb bemüht sein müssen, die ursprüngliche Nutzung von Bauwerken, wenn ihnen die Qualität als Denkmal zuteil wird, mit den Anforderungen der heutigen Zeit in Einklang zu bringen. Unter solchen Umständen kann die Wiederherstellung von Originalzuständen gegenüber dem Wunsch nach Erhaltung aller Geschichtsspuren mit Konflikten einhergehen. Nicht selten werden Versuche unternommen, diesem Konflikt aus dem Wege zu gehen, indem den betreffenden Bauwerken beispielsweise eine Museumsfunktion zugedacht wird – sei es als örtliches Heimatmuseum oder in irgendeiner anderen musealen Funktion. Ob dies eine dauerhaft tragfähige Lösung darstellt, sei aber mit Blick auf langfristige Trägerschaften, Finanzierung und ähnliche Randbedingungen dahingestellt. e) Vom Einzelbaudenkmal zum ’Stadtdenkmal’ Der klassische Denkmalbegriff zielt in erster Linie, das haben die bisherigen Darlegungen gezeigt, auf das Einzelobjekt. Im Falle von Baudenkmälern wurde diese Tatsache schon immer als ziemlich unbefriedigend angesehen, weil diese stets in einem landschaftlichen und/oder städtebaulichen Kontext stehen. Eine isolierte Betrachtung birgt nämlich die Gefahr, dass am Ende ein solches Bauwerk ohne jeglichen Zusammenhang in einem völlig veränderten und verfremdeten Umfeld steht. Damit dies nicht geschieht, wird es als sinnvoll und sachgerecht erachtet, die nähere Umgebung in die denkmalpflegerische Betrachtung miteinzubeziehen (Umgebungsschutz). Aber auch dieser Schritt ist nicht immer ausreichend, weil – über das Einzelgebäude hinausgehend – auch eine Ansammlung von Baudenkmälern als Gruppe eine besondere städtebauliche Qualität entfalten kann. Sinnvoll ist es deshalb, derartige Gruppen von Baudenkmälern als Ensemble zu schützen. Noch weiter geht der Gedanke des Milieuschutzes, der nicht nur die bauliche Substanz, sondern auch andere Merkmale – etwa soziale – mit dem Erhaltungsauftrag des Denkmalschutzes in Verbindung bringt; erinnert sei an die Möglichkeit des Baugesetzbuches, mit dem Ziel des Milieuschutzes eine Erhaltungssatzung erlassen zu können. Selbst eine ganze Siedlungseinheit ließe sich so in die Obhut des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege führen. Dann hätten wir es letztendlich mit einem ’Stadtdenkmal’ zu tun bzw., wenn auch Gartenanlagen hinzukommen, mit einem ’Flächendenkmal’ [vgl.: Kiesow 1996b; Paschke 1972].
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Abb. 8.3: Ratzeburg als Flächendenkmal – aus dem Stadtkernatlas Schleswig-Holstein (Quelle: Beseler 1976) Einen wichtigen Meilenstein in der allgemeinen öffentlichen Bewusstseinsbildung zum Thema Stadtdenkmal stellte in den 1970er Jahren eine groß angelegte schleswig-holsteinische Stadtkatalogisierung im Rahmen einer „Kunst-Topographie“ dar, aus der schließlich der beeindruckende Stadtkernatlas Schleswig-Holstein hervorging; die in Abbildung 8.3 gezeigte Stadtgrundrissdarstellung von Ratzeburg ist daraus entnommen [vgl. Beseler 1976]. Nach der deutschen Vereinigung wurde in den 1990er Jahren das Thema ’Stadtund Flächendenkmäler’ auch in den östlichen Bundesländern aktuell, ausgelöst durch den immensen Instandsetzungs- und Erneuerungsbedarf einerseits und gleichzeitigen Bauboom in den Städten andererseits [Quelle dazu vgl. Literaturverzeichnis unter Kiesow 1996a/b]. Die Aufgabe, Alt und Neu miteinander in Einklang zu bringen, stellt sich im Falle eines Stadt- oder Flächendenkmals als eine komplexe Aufgabe dar, weil eine Be-
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trachtung und Handhabung nun nicht mehr wie bei einem einzelnen Baudenkmal isoliert stattfinden kann. Hinzu kommt, dass gerade bei einem Stadtdenkmal Erhaltung nicht bloße Konservierung bedeuten darf, da hierdurch letztendlich die Lebensfähigkeit der Stadt in Frage gestellt würde. Aus der Sicht des städtebaulichen Denkmalschutzes sind vier Arten von Bauten zu unterscheiden [Kiesow 1996b: 14]: • • • •
Baudenkmale, die als Einzelbauten unter Schutz stehen; Bauten von stadtbildprägender Bedeutung, die zur Erhaltung des historischen Stadtbildes unverzichtbar sind; schlichte Bauten, die das Stadtbild weder negativ noch positiv beeinflussen; störende Bauten, die nach Möglichkeit bei passender Gelegenheit durch qualitätvolle Neubauten ersetzt werden.
Eine Besonderheit im Zusammenhang mit dem Thema der Stadt- oder Flächendenkmäler stellen die von der UNESCO als Weltkulturerbe in die „World Heritage List“ aufgenommenen Städte und Anlagen dar. In Deutschland exemplarisch zu nennen wären etwa die Altstädte von Lübeck, Bamberg oder Bremen, aber auch der Wörlitzer Park in der Nähe von Dessau, um hier nur einige zu erwähnen, die auch aus städtebaulicher Sicht von Interesse sind [Internet www.unesco.org/whc]. Ein dauerhafter Verbleib in dieser Liste ist an strenge Auflagen – etwa hinsichtlich einer Veränderung des historischen Stadtbilds durch Neubebauung – geknüpft (eine finanzielle Förderung durch die UNESCO ist übrigens nicht damit verbunden). Im Falle von Lübeck geht das etwa so weit, dass sogar bodenordnerische Maßnahmen, also die Veränderung von Grundstücksformen und -zuschnitten, einem Verbleib in dieser Liste entgegenstehen, weil auch diese im Mittelalter entstandene Grundstücksaufteilung zusammen mit den darauf befindlichen Gebäuden zum charakteristischen Merkmal von Stadtstruktur und Stadtgestalt gehört, die es zu erhalten gilt. Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen können deshalb nur äußerst behutsam durchgeführt werden und beschränken sich meist auf objektsanierende Aktivitäten an einzelnen Bauwerken. f) Grundsätze für eine erhaltende Stadterneuerung Von allen Aufgaben, Problemlösungen und Strategien für eine Stadterneuerung kommt den ’erhaltenden Maßnahmen’ zweifellos ein herausragender Stellenwert zu. Ihre Grundsätze lassen sich aus den vorangegangenen Erörterungen folgendermaßen zusammenfassen: • • • • • • •
Ablesbarkeit der Stadtbaugeschichte Erhaltung des städtebaulichen Maßstabs Erhalt und Pflege des baukulturellen Erbes Bewahrung unverwechselbarer Individualität Erhaltung und behutsame Fortentwicklung städtebaulicher Strukturelemente Erhaltung und Pflege der ortstypischen Gestalt Verbesserung des Wohnwertes
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Sicherung von ortsansässigen Betrieben (ggf. durch Immissionsschutzmaßnahmen) und städtebauliche Integration von Beschäftigungsmöglichkeiten Rücksichtnahme auf Sozialstrukturen und Wohnmilieus
Der in diesem Maßnahmenkatalog manifestierte Erhaltungsgedanke in der Stadterneuerung besitzt neben der wissenschaftlichen und methodischen auch eine interessante politische Dimension. In früheren Zeiten wurde die Einstellung zur Erhaltung – auch Erhaltung von städtischen und städtebaulichen Strukturen – mit einer eher konservativen, manchmal auch restaurativen Grundhaltung in Verbindung gebracht, die sich auch in einer entsprechenden politischen Haltung ausdrückte. Eine ausgezeichnete Dokumentation dazu liefert Rolf Peter Sieferle’s Buch „Fortschrittsfeinde“, dem wir entnehmen, dass im frühen 19. Jahrhundert – in der nachnapoleonischen Phase mit der Herausbildung nationaler Emotionen – die konservative „Gegenrevolution den Wert historischer Baudenkmäler in dem Augenblick entdeckte, als sie von der Revolution bedroht war“ [Sieferle 1984: 58]. Hier hat sich in den letzten anderthalb bis zwei Jahrzehnten allerdings ein gravierender und bemerkenswerter Wandel vollzogen. Einer der ersten, der auf diesen Wandel hingewiesen hat, war der französische Soziologe Alain Touraine, der eine eigentümliche Umkehrung des politischen Links/Rechts-Schemas beobachtet hat – festzumachen daran, wie mit (bau-)kulturellen Werten umgegangen wird und wer sich um diese Qualitäten kümmert. Seine Feststellung: War es früher eher ein Merkmal der politischen Rechten, sich für den Erhalt örtlich-kultureller Eigenarten einzusetzen, ist dies heute eher ein Ziel der Linken [Touraine 1996]. Thomas Sieverts hat für diese Beobachtung Touraine’s eine Begründung hinzugefügt. Wenn es zur Aufgabe der Stadtplanung gehöre, so Sieverts, „in den Städten das Humane, das ökonomisch nicht Verfügbare und eine nicht nur ökonomisch vermittelte Solidarität mit den schwächeren Gliedern der Gesellschaft zu erhalten und zeitgemäß weiter zu entwickeln“, dann treffe diese Aufgabe unzweifelhaft die Programmatik der politischen Linken [Sieverts 1998: 471]: Erhaltende Stadterneuerung mit ihrer Sensibilität für soziale Milieus und Erhalt des kulturellen Erbes tritt damit dezidiert als Auftrag und Kennzeichen linker Politik in Erscheinung. g) Technologieeinsatz in der Denkmalerfassung und Inventarisation Immer schon sind in erstaunlichem Umfang neue Technologien beim Denkmalschutz und in der Denkmalpflege zum Einsatz gekommen. Erinnert sei daran, dass im Jahre 1858 der Architekt Albrecht Meydenbauer bei der Erfassung eines Baudenkmals das Verfahren der Fotogrammetrie erfand. Der Anlass war ebenso dramatisch wie kurios: Meydenbauer hatte den Auftrag, eine Bauaufnahme am Wetzlarer Dom durchzuführen und kam bei der damals üblichen Methode, sich zum Zwecke der Vermessungsarbeiten außen an der Fassade in einem Korb hochziehen zu lassen, fast zu Tode. Er beschloss, sich einer anderen, ungefährlicheren Methode zu bedienen, nämlich der Daguerreotypie, eines damals erst seit wenigen Jahren bekannten Verfahrens zur fotographischen Erfassung von Objekten. Dieser Vorfall gilt zum einen als die Geburtsstunde der Archi-
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tekturfotogrammetrie (aus der sich später die Fotogrammetrie als eine wichtige geodätisch-vermessungstechnische Methode entwickelte), zum anderen war er Anlass, in umfassender Weise Baudenkmäler zu archivieren. Im Jahre 1885 wurde mit dem Ziel, mit Hilfe dieser neuen Technik ein „Denkmäler-Archiv“ zu erstellen, die „Königliche Messbildanstalt“ Berlin gegründet; die preußische Regierung beauftragte Meydenbauer mit dem Aufbau dieser Institution. 1921 wurde aus der „Königlichen Messbildanstalt“ die „Staatliche Bildstelle Berlin“, eine Sammelstelle von Fotographien aller Art [vgl. Internet z.B. www.lvr.de]. Die Architekturfotogrammetrie gilt bis heute als eine der wichtigsten Techniken der berührungslosen Erfassung von Baudenkmälern und führt zu gesamtheitlichen – und nicht wie die Tachymetrie- oder Laserabtastverfahren zu punktuellen – Messdaten (zu den methodischen Grundlagen vgl. Kap. 4). Im Laufe der Zeit hat sie sich zu einem digitalen Bildanalyseverfahren unter Einbindung von Methoden der Wissensverarbeitung – automatisierte Objekterkennung und Erfassung der Objektsemantik – fortentwickelt [vgl. Internet www.fpk.tu-berlin.de]. Doch nicht nur bei der Erfassung und Inventarisation von Baudenkmälern haben die digitalen Techniken Einzug gehalten. Auch in anderen Bereichen des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege haben sie sich etabliert [weitergehende Informationen liefert auch das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz; Quellenangabe vgl. Münzer 1992]. Exemplarisch seien genannt: •
• •
Interneteinsatz in der Öffentlichkeitsarbeit der Denkmalpflege: Veröffentlichung von Denkmallisten geschützter Objekte und Denkmalbereiche, Aufbau eines umfassenden Denkmal-Informationssystems; virtuelle Rekonstruktionen von Bauwerken (auf der Basis von CAD-Systemen) und Präsentationen im Internet; Webcam-Übertragung von Rekonstruktionsmaßnahmen über das Internet.
Die Ergebnisse solcher zunächst nur auf die Denkmalpflege ausgerichteten Arbeiten sind naturgemäß auch für die Stadtplanung von großer Bedeutung. Das in den letzten zwanzig Jahren vielleicht spektakulärste Beispiel in diesem Zusammenhang stellt die Rekonstruktion der Dresdner Frauenkirche dar, über die sich Interessierte mit einer damals recht neuen Errungenschaft, einer permanenten Webcam, überall auf der Welt über den Baufortschritt auf dem Laufenden halten konnten [Internet www.mdr.de/frauenkirche]. Anhand dieser spektakulär in Szene gesetzten Rekonstruktions- und Wiederaufbaumaßnahme lassen sich exemplarisch nahezu alle denkmalpflegerischen und städtebaulichen (sowie baukonstruktiven) Argumentationsstränge wie unter einer Lupe ablesen und mitverfolgen. Der Einsatz moderner Computersysteme für diese Aufgabe war übrigens auch deshalb unerlässlich, weil nur diese Technik es ermöglichte, aus dem Schutt der zerstörten Kirche die wiederverwendbaren Steinblöcke zu erfassen und – wie in einem gigantischen Puzzle – an den richtigen Stellen des Baus einzufügen.
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Zwischenzeitlich haben die digitalen Techniken mit mobilen Geräten erneut einen gewaltigen Sprung vollzogen, wie bereits in vorangegangenen Kapiteln ausführlich dargelegt wurde. Die Erfassung von historischer Bausubstanz und Denkmälern bis hin zum Aufbau eines umfassenden Monitoring-Systems zur kontinuierlichen Beobachtung der Baukultur lässt sich auf einer weiteren Stufe technischer Möglichkeiten durchführen. Die fotographische Erfassung und unmittelbare Geolokalisierung der Objekte sowie ihre Übertragung in eine Datenbank (z.B. über Weblogs) ist in wenigen Schritten und ohne spezielle Abb. 8.4: Georeferenzierte historische Kenntnisse möglich. Auch der Zugriff Karte von Edinburgh, die mit Smartauf historisches Bildmaterial einer Stadt phone ‘begehbar‘ ist (Quelle: Apple & kann mit wenigen Mitteln realisiert walkthroughtime.co.uk) werden. Geolokalisierte Informationen über Denkmäler oder historisch bedeutsame Stadträume lassen sich über ‘augmented-reality‘-Techniken in das Display eines Smartphones einblenden, sobald sich der Betrachter am betreffenden Ort befindet. Auch historisches Kartenmaterial lässt sich nach einer georeferenzierten Übertragung auf einen mobilen Computer betrachten und mit GPS-Steuerung im realen Stadtraum quasi begehen. Abbildung 8.4 zeigt den Betrachtungsmodus auf einem Smartphone für eine historische Karte der schottischen Hauptstadt Edinburgh als praktisches Beispiel, das ohne großen technischen Aufwand realisierbar ist: Benötigt wird lediglich eine historische Karte, die georeferenziert und in eine Kartendarstellungs-Applikation mit GPS-Steuerung übertragen wird. Die Einschätzung, dass ‘Crowdsourcing‘, die Gewinnung von Informationsmaterial durch viele an einem speziellen Thema interessierte Menschen, auch im Bereich der Denkmalerfassung Platz greift, ist nicht weit hergeholt. Die Möglichkeit, an einem einst für viele sperrigen Thema wie Denkmalpflege und Denkmalschutz mitwirken zu können, dürfte das Bewußtsein aller erheblich schärfen und das Gefühl der Verantwortung für das stadträumliche Umfeld mit seiner historischen Bausubstanz stärken.
Städtebauliche Rahmenplanung und Experimentalstudien zum Stadterneuerungsentwurf Grundlage einer jeden Stadterneuerungsmaßnahme sind städtebauliche Konzepte mit Aussagen über die zukünftige Struktur und Gestalt des Stadterneuerungsge-
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biets. Lediglich in dem Falle, dass eine Stadterneuerung ausschließlich sukzessive durch isolierte bauliche Maßnahmen an einzelnen Gebäuden (Objektsanierung) stattfindet, kann unter Umständen auf ein städtebauliches Gesamtkonzept verzichtet werden. Um städtebauliche Konzepte für die Stadterneuerung zu erstellen, hat sich – als informeller Plan – das Instrument der städtebaulichen Rahmenplanung etabliert (vgl. auch Kap. 6, Abschnitt „Städtebauliche Rahmenplanung“). Die Ausarbeitung eines städtebaulichen Rahmenplans erfolgt anhand eines mittlerweile bewährten, recht stringenten Schemas mit verschiedenen Konzeptebenen. Die eigentliche konzeptionelle Entwurfsfindung ist damit allerdings nur eingeschränkt möglich, weil ein solcher Rahmenplan nicht auf Ideen- und Lösungssuche zielt, sondern auf die Darstellung der Ergebnisse am Ende eines abgeschlossenen Entwurfsprozesses. Deshalb wird im Folgenden der herkömmlichen Rahmenplanung exemplarisch eine ergänzende Entwurfsmethodik gegenübergestellt, die auf der Grundlage computergestützter Experimentalstudien für die Stadterneuerung demonstriert wird. a) Traditionelle Rahmenplanung Als Demonstrationsbeispiel für eine städtebauliche Rahmenplanung im Zuge einer Stadterneuerung sei die städtebauliche Sanierungsmaßnahme für Koblenz-Ehrenbreitstein – auf der rechten Rheinseite am Fuße der Festung Ehrenbreitstein – herangezogen [ausführlich Streich 1980; vgl. auch beiliegende DVD]. Dieses Beispiel besitzt recht typische Merkmale für eine auf Stadterneuerungsmaßnahmen bezogene Rahmenplanung, zum einen was die Größe und Nutzungsstrukturen des Gebietes angeht, zum anderen findet man in diesem Areal eine bauliche Gestaltung von historisch bemerkenswerter Qualität, aber auch gravierende Probleme durch Verkehr und regelmäßig wiederkehrende Hochwasserereignisse. Die Sanierungserforderlichkeit wurde schon zu Beginn der 1970er Jahre durch umfassende vorbereitende Untersuchungen nachgewiesen. Stichwortartig zusammengefasst waren es folgende Gründe, die den damaligen Sanierungsverdacht erhärteten: erhebliche Bausubstanzmängel; regelmäßige Hochwasserprobleme am Zusammenfluss von Rhein und Mosel, die zu den Mängeln an der Bausubstanz in erheblichen Maße beitrugen; Verkehrsprobleme durch die Trassenführung zweier Bundesstraßen und der rechtsrheinischen Bahnlinie am rheinseitigen Ortsrand; wenig Grün- und Freiflächen durch starke Baublocküberbauung mit der Folge geringer Wohnattraktivität; geringe Stellplatzmöglichkeiten für Fahrzeuge; Probleme mit einer einseitig und zum Nachteil für den Stadtteil sich entwickelnden Sozialstruktur. Bemerkenswert ist Ehrenbreitstein wegen seiner historischen Qualität, die nahe an die eines Flächendenkmals heranreicht. Ehrenbreitstein gilt nach dem „Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler“ von Dehio als eine der wenigen fast vollständig erhaltenen Siedlungsanlagen barocker Wohnkultur am unteren Mittelrhein [Dehio 1972: 413ff]. Zahlreiche Beamte der im 17. Jahrhundert auf der Festung residierenden Erzbischöfe errichteten ihre stattlichen Wohnhäuser unten im „Thal Ehrenbreitstein“; sogar der Barockarchitekt Johann Balthasar Neumann hatte hier für
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einige Zeit eine Wirkungsstätte: Ihm oblag die Gestaltung des Dikasterialgebäudes mit dem Marstall am nördlichen Ortsausgang [Liessem et al. 1978].
Abb. 8.5: Städtebaulicher Rahmenplan für das Stadterneuerungsvorhaben Sanierung Koblenz-Ehrenbreitstein Es sprachen somit etliche Gründe – nicht nur stadtbaugeschichtliche – für die Erhaltung des Stadtteils Ehrenbreitstein in seiner historisch überlieferten Gestalt. Ziel der Stadterneuerungs- bzw. förmlichen Sanierungsmaßnahme nach dem Städtebauförderungsgesetz (jetzt im Baugesetzbuch) war es, die Wohn- und Arbeitsbedingungen im Stadtteil mittels Objektsanierung und Baublockentkernung grundlegend zu verbessern. Neben diesen Maßnahmen wurde es für erforderlich gehalten, das Gebiet vor den regelmäßig wiederkehrenden Hochwässern im Zuflussbereich von Rhein und Mosel zu schützen, um die jährlichen Schäden an den Gebäuden zu verhindern und einen nachhaltigen Erfolg zu erzielen. (Die zuständigen Fachbehörden vertraten diesbezüglich allerdings eine deutliche andere Auffassung und machten für große Teile des Sanierungsgebiets die Funktion einer ’natürlichen’ Retentionsfläche geltend.) Desweiteren wurde eine grundsätzliche Neuordnung der Verkehrsverhältnisse vor allem hinsichtlich des überörtlichen Durchgangsverkehrs auf den beiden Bundesstraßen für notwendig erachtet. Abbildung 8.5 zeigt einen Ausschnitt aus dem städtebaulichen Rahmenplan für die Stadterneuerung Ehrenbreitstein. Erkennbar ist die Neuordnung des Verlaufs der Bundesstraße 42 entlang des rheinparallelen Bahndamms sowie der neue Kno-
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tenpunkt zur Verknüpfung mit der Bundesstraße 49. Mit dieser verkehrlichen Neuordnung sollte die Möglichkeit eröffnet werden, durch eine gleichsam mantelartige Anordnung von lärmunempfindlicheren Nutzungen die Wohnnutzung im Kernbereich des Stadtteils vor Lärmemissionen des Straßenverkehrs und der Bahn abzuschirmen. Mit umfassenden Objektsanierungen, Baublockentkernungen durch einzelne Abbruchmaßnahmen, einigen Neubebauungsmaßnahmen, der Schaffung von unterirdischen Stellplätzen und öffentlich zugänglichen Frei- und Grünflächen sollte insbesondere das Wohnen in diesem Gebiet wieder attraktiv gemacht werden. b) Computergestützte Experimentalstudien zur Stadterneuerung Eine völlig andere Herangehensweise an die entwurfliche Bearbeitung einer Stadterneuerungsaufgabe stellen computergestützte Experimentalstudien dar. Im vorliegenden Demonstrationsbeispiel handelt es sich um eine konkrete städtebauliche Situation in der Bonner Altstadt (Abb. 8.6).
Abb. 8.6: Entwurf eines städtebaulichen Konzepts durch computergestützte Experimentalstudien am Beispiel eines Baublocks in der Innenstadt von Bonn Die Aufgabe bestand darin, für das Gelände einer ehemaligen Brauerei inmitten eines Baublocks mit gründerzeitlicher Bebauung eine geeignete Nachnutzung mit
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einer gestalterisch ansprechenden Lösung zu finden. Mit dem Fernziel ’städtebauliches Erneuerungskonzept’ sollte auf experimentellem Wege eine Entwurfslösung herbeigeführt werden, die als Basis für eine daran anschließende städtebauliche Rahmenplanung dienen konnte. Abbildung 8.6 zeigt verschiedene Momentaufnahmen aus dem Prozess der Experimentalstudie. Ein eigens für diese individuelle städtebauliche Situation erstelltes Computerprogramm ermittelte unter Berücksichtigung der vorhandenen und zu erhaltenden Blockrandbebauung und eines denkmalgeschützten Gebäudes sowie unter Einbeziehung von Straßen und einzuhaltenden Gebäudeabständen die Flächen potentieller Bebaubarkeit. Anschließend wurden mögliche Grundstücksausnutzungen quantitativ visualisiert, in der schwarz-weißen Darstellung der Abbildung erkennbar an den grauen bis dunkelgrauen Arealen. Der Nutzer dieser kleinen Software kann die Parametereinstellungen für die Randbedingungen der Bebaubarkeit und Nichtbebaubarkeit – z.B. einzuhaltende Abstände zwischen Gebäuden oder Mindestgröße von Freiflächen – ändern, um zu unterschiedlichen Lösungen zu gelangen, aus denen dann in einer anschließenden Bewertung die für den vorliegenden Fall am besten geeignete Lösung gefunden wird (das Projekt befindet sich vollständig und als dynamische Sequenz auf beiliegender DVD).
Einzelthemen der Stadterneuerung Mit der Fokussierung der vorangegangenen Abschnitte auf den Erhaltungsgedanken ist das Themenspektrum der Stadterneuerung keineswegs umfassend abgehandelt. Eine Reihe von Besonderheiten, die eine Veränderung der vorhandenen Stadtstrukturen und der Stadtgestalt zum Ziel haben, werden je nach Problem- und Aufgabenstellung mit anderen Bezeichnungen belegt. Die wichtigsten von ihnen werden nachfolgend vorgestellt. a) Stadtumbau Der Begriff Stadtumbau umfasst alle Maßnahmen, die zu einer Veränderung von Stadtstruktur und Stadtgestalt führen. Beim Stadtumbau steht also nicht das Erhalten im Vordergrund: Stadtumbau bedeutet eine Veränderung im Stadtgefüge, die zugleich auch auf das Ersetzen der ursprünglichen Nutzungen durch neue Nutzungen ausgerichtet ist [Adrian 1983: 480; Albers 1988: 244]. Im Gegensatz aber zu einer flächenhaften Sanierung finden die Umbaumaßnahmen nicht in einem einzigen Akt mit Abriss und Neubau statt, sondern – in einer Art ’Salami-Taktik’ – in einer sukzessiven Folge von kleineren und mittleren Eingriffen zu dem Zweck, eine umfassende Zielvorstellung oder ein vielleicht auch nur unterschwellig vorhandenes städtebauliches Leitbild zu verwirklichen. Unbehagen an einem solchen Vorgehen wurde schon früh artikuliert. Im Jahre 1975 etwa – zeitgleich zum europäischen Denkmalschutzjahr – gab es in der Stadt
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Bochum eine Ausstellung und Dokumentation zum Thema „Umbau der Stadt – Beispiel Bochum“, die vor einer solchen Umbaustrategie warnte. Diese habe das Ziel, so der Tenor der Ausstellung, der Funktionstrennung (statt Funktionsmischung) und ökonomischer Nutzenmaximierung unter Inkaufnahme der (Zer-)Störung gewachsener Bewohnerstrukturen (statt Milieuerhaltung) zum Durchbruch zu verhelfen [Fehr/Koch 1975]. Allerdings hat das Thema Stadtumbau in jüngerer Zeit eine spezielle Akzentuierung erhalten und ist begrifflich eher positiv konnotiert. Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung und der Bemühungen um Erhaltung eines funktionierenden Wohnungsmarktes in den östlichen Bundesländern hat die deutsche Bundesregierung in den 1990er Jahren ein Programm mit dem Titel „Stadtumbau Ost – für lebenswerte Städte und attraktives Wohnen“ aufgelegt, mit dem der „Rückbau leerstehender und langfristig nicht mehr benötigter Wohngebäude und die Aufwertung städtischer Quartiere in den ostdeutschen Ländern“ auf der Grundlage integrierter Stadtentwicklungskonzepte gefördert werden soll. Dieses anfänglich für die östlichen Bundesländer gedachte Programm ist später nicht nur auf die westlichen Bundesländer ausgedehnt worden, sondern hat sich auch inhaltlich als Teil des Baugesetzbuches (§§ 171a bis 171d) im städtebaulichen Planungsrecht niedergeschlagen [Internet: text.bundesregierung.de; www.bmvbw.de; www.stadt-umbauost.de; www.stadtumbau.com; www.staedtebau-recht.de]. b) Stadtreparatur und Wiederaufbau Maßnahmen der Stadtreparatur werden durchgeführt, wenn in begrenzten Bereichen einer städtebaulichen Situation das Funktionsgefüge oder die Gestaltung gestört ist oder bauliche Zerstörungen beispielsweise durch Katastrophenereignisse stattgefunden haben. Stadtreparaturmaßnahmen können sich auf eine Verbesserung der Funktionsfähigkeit von baulichen Anlagen oder des öffentlichen wie halböffentlichen Raums richten, aber auch auf gestalterische Reparaturmaßnahmen im Falle grober Verunstaltungen. Selbst eine Baulückenschließung in einer baulich sonst geschlossenen Straßenfront kann den Charakter einer Stadtreparaturmaßnahme annehmen. Die stärkste Form der Stadtreparatur stellen Wiederaufbaumaßnahmen dar, nachdem etwa durch eine Umweltkatastrophe (Hochwasser, Sturm o.ä.), durch Fahrlässigkeit (Brandfall) oder einen mutwilligen Akt (Anschlag oder geplante Sprengung) eine Zerstörung eingetreten ist. Wiederaufbau muss aber nicht in jedem Fall die originalgetreue Rekonstruktion des Zerstörten bedeuten, sondern kann je nach Bedeutung, Erinnerungsgewicht oder Symbolgehalt in anderer Weise stattfinden. c) Regeneration, Rehabilitation und Revitalisierung Die Begriffe Regeneration, Rehabilitation oder Revitalisierung werden in der Planersprache häufig synonym verwendet, wenn es darum geht, einem ökonomisch wie sozial erodierenden Stadtteil durch einen Mix von Maßnahmen wieder Lebendigkeit
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und eine (endogene) Dynamik zu verleihen. Eine solche Revitalisierung kann durch bauliche, städtebauliche und infrastrukturelle Maßnahmen herbeigeführt werden, die aber in der Regel nur dann Erfolg haben, wenn sie durch weitere Maßnahmen – Schaffung einer neuen ökonomischen Basis oder Herbeiführung von Attraktivität für verschiedene soziale Milieus – ergänzt werden. Als international herausragendes Exempel einer dauerhaft gelungenen Revitalisierung wird immer wieder die schottische Hauptstadt Edinburgh genannt: Der Bereich um die „Royal Mile“, zwischen Castle und Holyrood House, der sich noch in den 1970er Jahren in einem hochgradig desolaten Zustand befand, hat sich dank städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen und begleitender kultureller Aktivitäten („Edinburgh Festival“) zu einem äußerst lebendigen Stadtteil mit einer sehr spezifischen Atmosphäre entwickelt. Infolge dieses gelungenen Beispiels, das viele Nachahmer fand – stichwortartig seien genannt die städtebaulichen Revitalisierungen von Hafen- und Uferzonen in London, Edinburgh-Leith, Boston, Amsterdam, Hamburg etc. [vgl. Schubert 2002] –, haben sich Revitalisierungsmaßnahmen zur einer großen Domäne der Stadterneuerung entwickelt. Häufig sind es die Bewohner eines Stadtteils selbst, die für seine Revitalisierung sorgen, und zwar, ohne dass vorher Planungsadministrationen oder Investitionen von Eigentümern eine wesentliche Rolle gespielt hätten. Die Initiativen reichen von Wohnungsinstandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten durch Mieter über Maßnahmen zur Verbesserung der unmittelbaren Wohnumgebung, die Selbstorganisation sozialer Beziehungen bis hin zu Aktivitäten im Hinblick auf die Herausbildung einer eigenen kulturellen Identität. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die Attraktivitätssteigerung von Stadtteilen wie Berlin-Kreuzberg, Hamburg-Ottensen oder Bonn-Nordstadt nicht zuletzt den zugewanderten Bevölkerungsgruppen aus anderen Ländern und Kulturkreisen zu verdanken ist, die einen großen Beitrag zu derartigen, auch städtebaulich wertvollen Revitalisierungsmaßnahmen leisten. Aus städtebaulicher Sicht spielt bei der Revitalisierung eines Stadtteils, manchmal aber auch nur eines Baublocks, die Wohnumfeldverbesserung eine wichtige Rolle. Hierzu zählen Maßnahmen der Straßenraum- und Platzgestaltung ebenso wie Hofbegrünungsmaßnahmen oder die Schaffung von Flächen, auf denen sich Mieter außerhalb ihrer Wohnungen (Mietergärten o.ä.) betätigen können [Internet z.B. www.sozialestadtteilentwicklung.de/bergedorf-west/wohnumfeldverbesserung.htm]. d) Flächenrecycling und Flächenkonversion Unter Flächenrecycling – oder Flächenreaktivierung – werden Maßnahmen verstanden, bei denen vor allem brachgefallene Flächen einer neuen Nutzung zugeführt werden. Im Mittelpunkt steht die Wiedernutzung von nicht mehr genutzten Industrieflächen (z.B. Areale früherer Stahlverhüttung im Ruhrgebiet oder im Saarland), stillgelegten Betriebsflächen kleinerer oder mittelgroßer Gewerbebetriebe oder auch von Flächen für Infrastrukturanlagen, die von großen Bahnanlagen bis zu Anlagen der Ver- und Entsorgung (Wassertürme o.ä.) reichen können. Gelegentlich besitzen diese Flächen, wie im Falle von Stahlhütten oder Zechenanlagen, giganti-
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sche Ausmaße. Ein schwieriges Problem im Zusammenhang mit Flächenrecycling und Flächenkonversionen stellen eventuelle Bodenkontaminationen oder Bombenblindgänger (’Altlasten’) dar. Liegt ein Altlastenverdacht vor, sind – bevor über eine Nachfolgenutzung für die Fläche entschieden werden kann – entsprechende Untersuchungen des Untergrunds und Bodens sowie der darauf befindlichen baulichen Anlagen auf Kontaminationen vorzunehmen und gegebenenfalls Sanierungsmaßnahmen zu veranlassen [vgl. Streich 1988].
Abb. 8.7: Umgang mit Altlastenverdachtsflächen in der Stadtplanung Abbildung 8.7 zeigt in Anlehnung an Darstellungen des Umweltbundesamts und der Stadt Zwickau die Vorgehensweise im Umgang mit Altlastenflächen [Internet: www. umweltbundesamt.de/altlast/; www.zwickau.de]. Derartige Untersuchungen können sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, weshalb etwa bei der Aufstellung eines Flächennutzungsplans solche Flächen oft (noch) nicht mit einer nutzungsdefinierenden Dar-
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stellung versehen werden (entsprechend § 5 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Hinzu kommen hohe Kosten für diese Untersuchungen, die zu einem Wertverlust der Grundstücke führen können – im äußersten Fall sogar zu negativen Grundstückswerten. In Zukunft wird sich die Aufgabe des Flächenrecyclings nicht mehr nur auf die brachfallenden Areale früherer Flächen für Industrie, Gewerbe und technische Infrastruktur beschränken. Der „hemmungslose Ausbau“, so Thomas Sieverts, „auch von sozialer und kultureller Infrastruktur hat jetzt schon in einigen Gemeinden dazu geführt, dass Teile der Infrastruktur nicht mehr betrieben, ja nicht einmal mehr unterhalten, repariert und bedient werden können, mit der Folge, dass diese Teile dem langsamen Verfall überlassen bleiben bzw. abgerissen werden müssen“ [Sieverts 1998: 462]. Das Recyceln gerät dann schnell an die Grenze des Machbaren, und letztendlich wird auch die Renaturierung als spezielle Form der Wiederverwendung von Flächen auf der Agenda stehen müssen.
Abb. 8.8: Konversion eines ehemaligen Bahngeländes in Kaiserslautern; links im Jahre 2005, rechts im Jahre 2010 Bei der Flächenkonversion handelt es sich um einen Spezialfall des Flächenrecyclings, in dessen Mittelpunkt ehemals militärisch genutzte Areale innerhalb oder außerhalb von besiedelten Flächen – z.B. stillgelegte Militärflugplätze – stehen. Der Konversionsbegriff wird gelegentlich sehr weit gefasst. Die Stadt Hamburg beispielsweise subsumiert unter den Begriff der Konversionsflächen ganz allgemein alle „Bahn-, Post-, Kasernen- und Industriestandorte“ [Internet www.hamburg.de/ Behoerden/]. Abbildung 8.8 zeigt eine Konversionsfläche nahe dem Stadtzentrum von Kaiserslautern, wo aus einem ehemaligen Bahnareal eine Neubebauung für Wohnen und universitätskomplementäre Forschungseinrichtungen realisiert wurde. Solche Gebiete stellen eine besondere städtebauliche Herausforderung dar. Häufig sind die Areale derart groß, dass es sich enorm schwierig gestaltet, eine flächendeckende Nachfolgenutzung zu finden. Da die zugehörige Infrastruktur in der Regel ganz auf die frühere Nutzung abgestimmt ist, stehen hier Ergänzungen,
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wenn nicht gar ein kompletter Neubau von Infrastrukturanlagen an. Zudem sind oft auch erhebliche Umbaumaßnahmen an vorhandenen Gebäuden (z.B. Kasernen) erforderlich, bevor diese für Folgenutzungen (z.B. Wohnen) verwendet werden können. Nicht selten sind Bodenkontaminationen vorhanden, d.h. Altlastenprobleme zu lösen. Regional- und strukturpolitisch betrachtet ist mit der Konversion einer aufgelassenen Militäranlage auch die Aufgabe verbunden, den Zivilbeschäftigten, die durch die Aufgabe des Militärstützpunkts ihre Arbeit verloren, im Zuge der Realisierung neuer Nutzungen alternative berufliche Chancen zu eröffnen. e) Innenentwicklung und Gemengelagenproblematik Unter ’Innenentwicklung’ wird eine Strategie verstanden, bei der Stadterneuerung als eine Art Stadtentwicklungsaufgabe betrieben wird ohne gleichzeitige Flächeninanspruchnahme durch Umwidmung im unbebauten Außenbereich der Stadt bzw. Gemeinde. Auch die bereits erwähnten Maßnahmen des Flächenrecyclings, der Flächenregeneration sowie in gewisser Weise auch die des Stadtumbaus können dem Aufgabenfeld der Innenentwicklung zugeordnet werden. Da die Flächen, die für Maßnahmen der Innenentwicklung zur Verfügung stehen, naturgemäß begrenzt sind und man sich mit schon bebauten Arealen arrangieren muss, wäre es nicht möglich, das städtebauliche Prinzip der Funktionstrennung, selbst wenn man wollte, in vollem Umfange durchzuhalten. Kompromisse hinsichtlich der Nutzungsanordnungen im städtebaulichen Gefüge sind somit vorprogrammiert; das Relativieren einer strikten Funktionstrennung zugunsten einer verträglichen Funktionsmischung wird nicht zu vermeiden sein. Ganz allgemein wird das Erarbeiten von Konzepten für eine verträgliche Funktionsmischung zu einer der zentralen Aufgaben der Stadterneuerung werden. Typischerweise können Konflikte im Zusammenhang mit der Innenentwicklung in folgenden Fällen auftreten [vgl. Planungserlass NW von 1982, abgedruckt in: Bavaj/Schröder 1986: 105]: •
•
bei der Neuplanung von Wohnnutzungen oder sonstigen schutzbedürftigen Nutzungen in der Nachbarschaft von bereits vorhandener Gewerbe- und Industrienutzung (heranrückende Wohnbebauung); bei der Neuplanung von Gewerbe- und Industrienutzung in der Nachbarschaft bereits vorhandener Wohngebiete oder sonstiger schutzbedürftiger Nutzungen (heranrückende gewerbliche Nutzung).
Besonders die Standortsicherung von Gewerbe- und Industriebetrieben ist generell ein wichtiger Aspekt der Stadterneuerung, die eben nicht nur allein auf die Belange des Wohnens zu fokussieren ist: Auch „Standortsicherheit ist Stadterneuerung“, lautet die Devise in nahezu allen von nachhaltiger Stadtentwicklung getragenen Stadterneuerungsmaßnahmen [vgl. Bavaj/Schröder 1986: 6]. Damit ergibt sich aber ein neues städtebaulich und stadtplanerisch ziemlich diffiziles Phänomen: die sogenannte Gemengelagenproblematik. Das Thema ist keineswegs eine Erfindung der jüngeren Epoche städtebaulichen Handelns. Viele, ge-
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rade in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandene Stadtteile waren durch eine Mischung aus Wohnen, Gewerbe und sogar Schwerindustrie gekennzeichnet, die im Rückblick auf die Entwicklung solcher Situationen auch als ’Wildwuchs der Gründerzeit’ bezeichnet wurde. In manchen Fällen blieb dieser Mischungscharakter – trotz vieler städtebaulicher Umstrukturierungen nach dem Prinzip der Funktionstrennung – bis in die 1970er Jahre weitgehend erhalten, wie die Fälle Kreuzberg in Berlin oder Ottensen in Hamburg exemplarisch zeigen. Gemengelagensituationen können trotz ihrer städtebaulichen Durchmischung, die eine stringente Systematik eher erschwert, gleichwohl auch typisiert werden. Der Planungserlass des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahre 1982 trifft dazu folgende kategoriale Differenzierung [Bavaj/Schröder 1986: 59; GEWOS 1986: 59]: • • •
kleinräumige Mischung unterschiedlicher Nutzungen mit Immissionskonflikten (Kleingemengelagen); Aneinandergrenzen unterschiedlicher Nutzungen mit Immissionskonflikten (Nahtstellen); Nachbarschaft von großflächigen Nutzungen (Großgemengelagen).
Die planerischen Lösungen zur Konfliktbewältigung bei Gemengelagensituationen können recht vielfältig sein, wobei sie sich vor allem durch ein gesteigertes Maß an gegenseitiger Rücksichtnahme auszeichnen. Im Konfliktfall allerdings genießt die schutzbedürftige Nutzung Priorität vor der umweltbelastenden Nutzung. Die unterschiedlichen Nutzungsinteressen werden durch eine Art Mittelwertbildung ausgeglichen, jedoch nicht im mathematischen Sinne, sondern im Sinne von nachvollziehbaren Ausgleichsentscheidungen. In kritischen Fällen kann die Einholung eines Immissionsschutzgutachtens erforderlich werden [Stüer 2001: 154]. Eine Zusammenstellung möglicher Maßnahmen zur Bewältigung der Gemengelagenproblematik hat das Land Nordrhein-Westfalen als „Bausteine für die Planungspraxis“ publiziert [vgl. Bavaj/Schröder 1986]. f) Flächenmanagement und GIS-Einsatz In jüngerer Zeit ist im Umgang mit Grund und Boden – insbesondere bei mit der stadterneuernden Innenentwicklung und Reaktivierungsmaßnahmen zusammenhängenden Eigentumsveränderungen – zunehmend die Bezeichnung ’Flächenmanagement’ (gelegentlich auch Bodenmanagement) in Mode gekommen [vgl. z.B. Kötter 2001]. Parallel dazu hat sich in den Stadtverwaltungen – insbesondere bei den Kataster-, Vermessungs- und Liegenschaftsbehörden (und in deren Gefolge auch bei der Wirtschaftsförderung) – das Selbstverständnis in Richtung einer Dienstleistungsverwaltung gewandelt, die sich institutionell der Aufgabe des Flächenmanagements widmet. Ein herausragendes Beispiel liefert das Land Baden-Württemberg, das mit seinem, wie es dort heißt, Flächenressourcenmanagement auf folgende Handlungs-
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schwerpunkte zielt [Internet www.uvm.baden-wuerttemberg.de/bofaweb]: • • • • • • • • •
Wiedernutzung von Industrie- und Gewerbebrachen Umgang mit Altlastenverdachtsflächen Entwickeln (Aktivierung) von Baulücken Optimierung der Nutzungsdichte Schutz der Bodenressourcen Schutz von Freiflächen und Biotopen etc. Minimierung von Neuversiegelung Entsiegelung standort- und substratgerechte Verwertung von Bodenmaterial
Abb. 8.9: Internetauftritt zum Baulückenmanagement des Landes Berlin Eine nahezu zwingende Voraussetzung für ein gutes Flächenmanagement ist allerdings eine gut organisierte Datengrundlage. Der zeitgemäße Umgang mit einer derart komplexen Managementaufgabe lässt den GIS-Einsatz als ein unverzichtbares Hilfsmittel erscheinen. Häufig kann auf schon vorhandene Datenbestände in den Kataster- und Liegenschaftsverwaltungen – etwa eine digitale Katasterkarte in Form der Automatisierten Liegenschaftskarte (ALK) – zurückgegriffen werden, die
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gewissermaßen die Startbasis für ein Flächenmanagementsystem bildet. Darauf aufbauend lassen sich mit GIS-Tools folgende und auch für eine stadterneuernde Innenentwicklung wichtige Informationen organisieren und handhaben, beispielsweise: • • • • • •
Baulückenkataster Altlasten(verdachts)kataster Brachflächenkataster Versiegelungskataster Gewerbeflächenkataster Ausgleichsflächenkataster
Im Baugesetzbuch finden sich für Städte und Gemeinden – mit Blick auf die Mobilisierung von Bauland – ausdrückliche Regelungen darüber, in welcher Weise sie ein Baulandkataster erstellen und veröffentlichen dürfen bzw. auch sollen (§ 200 Abs. 3 BauGB). Danach können Gemeinden bebaubare Flächen in Karten oder Listen auf der Grundlage eines Lageplans veröffentlichen, allerdings nur soweit Grundstückseigentümer nicht widersprochen haben [genauer hierzu und zu etwaigen datenschutzrechtlichen Implikationen vgl. Schmidt-Eichstaedt 2001]. Liegen alle diese Informationen in digitaler Form vor, lassen sie sich rasch und problemlos in ein kommunales Auskunftssystem einbinden, so dass – bei einem entsprechenden Internetauftritt – die Möglichkeit gegeben ist, die Informationen im Rahmen des Stadtmarketings zu verwenden. Ein vorbildliches Anschauungsbeispiel (siehe Abb. 8.9) für ein gut organisiertes Baulückenmanagement bietet der Internetauftritt des Landes Berlin [vgl. etwa Internet www.stadtentwicklung.berlin.de; außerdem Flicke et al. 2002].
Exkurs: Dorferneuerung Besonderer Aufmerksamkeit im Rahmen von städtebaulichen Erneuerungsmaßnahmen bedürfen dörfliche Siedlungsstrukturen. Dorferneuerungsmaßnahmen – im Unterschied zu Erneuerungsmaßnahmen in größeren, mittleren oder auch kleineren Städten – stehen in engstem Zusammenhang mit den Funktionen des ländlichen Raums, sei es, dass sie (immer noch) ausschließlich durch land- oder forstwirtschaftliche Nutzung geprägt sind oder durch andere Funktionen, wie etwa Fremdenverkehr oder Energieversorgung (Windkraft, Biomasse etc.), ergänzt wurden. Wegen dieser gegenüber städtischen Kontexten unterschiedlich gelagerten Sachverhalte stehen für Dorferneuerungsmaßnahmen auch andere städtebauliche Instrumente zur Verfügung, die auf die speziellen Bedürfnisse des ländlichen Raums abgestimmt sind.
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a) Merkmale und Typologien ländlicher Siedlungen Für die Durchführung von Dorferneuerungsmaßnahmen ist es erforderlich, die Besonderheiten des ländlichen Raums und die typischen Ausprägungen von ländlichen Siedlungen und Dörfern zu kennen. Beginnen wir mit dem, was gemeinhin unter ’ländlichem Raum’ verstanden wird [vgl. Henkel 1993]. Intuitiv wird mit diesem Begriff zunächst folgendes assoziiert: • • • • •
Landschaftsbild mit vorwiegend natürlichen und naturnahen Elementen Land- und Forstwirtschaft kleine Ortsgrößen sowie geringere Bebauungs- und Bevölkerungsdichten als in städtischen Agglomerationen überschaubare und engere Sozialkontakte geringere Zentralität und weniger Infrastruktur
Betrachtet man den ländlichen Raum dagegen analytisch-empirisch, gibt es zwei verschiedene Ansätze. Beim induktiv-generalisierenden Ansatz wird der ländliche Raum als ’zurückgebliebener’ bzw. ’strukturschwacher’ Raum definiert. Diese Definition hat Eingang in das deutsche Bundesraumordnungsgesetz und in die Landesplanungsgesetze gefunden. Beim deduktiv-empirischen Ansatz findet eine Typisierung nach den Kriterien statistischer Daten statt, etwa nach Distanzkriterien in Bezug auf Zentren sowie nach Korrelationen zwischen Distanzen und räumlichen Strukturvariablen. Zum Zwecke einer laufenden Raumbeobachtung unterscheidet das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zunächst zwei Basisstrukturmerkmale: 1) die Besiedelung – Unterscheidung zwischen überwiegend städtisch und ländlich geprägten Gebieten, klassifiziert nach Bevölkerungsdichte und Siedlungsflächenanteil (lokale/kleinräumige Maßstabsebene); 2) die Lage – Unterscheidung zwischen zentral und peripher gelegenen Räumen, klassifiziert nach potenziell erreichbarer Tagesbevölkerung (regionale/großräumige Maßstabsebene). Diese Basisstrukturmerkmale verstehen sich als Fortentwicklung der im Bundesraumordnungsbericht 2005 vorgestellten „Raumstrukturtypen ROB 2005“ mit den drei Hauptkategorien: Zentralraum, Peripherraum und Zwischenraum. Die eigentliche Raumtypisierung erfolgt problemorientiert für bestimmte, ausgewählte Typenkombinationen, so dass sich am Ende beispielsweise Typen wie ‘ländlich‘ und ‘peripher/ sehr peripher‘ zur Raumkategorie ‘ländlich-peripherer Raum‘ kombinieren und vergleichend zu anderen Räumen auswerten lassen [vgl. Internet bbsr.bund.de, Rubrik „Laufende Raumbeobachtung – Raumabgrenzungen“ bzw. „Raumtypen ROB 2010]. Eine sich hiervon lösende Differenzierung empfiehlt sich allerdings dann, wenn planerische Maßnahmen im Zusammenhang mit agrarstrukturellen Erfordernissen anstehen. Dann erweist sich folgende Einteilung als zweckmäßig [Kötter 1995]: • •
ländliche Räume mit ausgeprägter landwirtschaftlicher Struktur ländliche Räume im Einzugsbereich von Verdichtungsgebieten
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ländliche Räume mit erheblichem Naturraumpotential und/oder Fremdenverkehrseignung ländliche Räume mit erheblichen Strukturschwächen ländliche Räume mit spezieller Problemstruktur (außergewöhnliche Anomalien, z.B. Flächeninanspruchnahme für außerlandwirtschaftliche Zwecke)
Jede Dorferneuerung hat sodann die besonderen siedlungstypologischen Merkmale der betreffenden ländlichen Siedlungen und Dörfer zu berücksichtigen [Born 1977; Baldauf 1980]. Dabei handelt es sich um die Merkmale: • • • • • •
Siedlungsgröße Siedlungsgrundriss Siedlungslage Haus- und Gehöftformen Flurformen Formenwandel
Hinsichtlich der Siedlungsgröße wird unterschieden in: a) Einzelsiedlungen, b) kleine Gruppensiedlungen mit einer weiteren Differenzierung in Doppelsiedlungen/ Doppelhöfe (zwei benachbarte Haus- und Hofstätten) und Weiler (bis zu 20 Hausoder Hofstätten) sowie c) große Gruppensiedlungen, die dann als Dörfer bezeichnet werden. Beim Siedlungsgrundriss wird – ähnlich wie bei städtebaulichen Strukturmodellen – eine Unterscheidung nach den abstrakten geometrischen Merkmalen Punkt, Linie und Fläche getroffen. Daraus ergeben sich folgende idealtypische Grundrissformen: Platzsiedlung (Beispiel: norddeutscher Rundling); lineare Siedlung (Beispiel: Straßendorf, Fehndorf in Ostfriesland); Siedlung mit flächigem Grundriss (Beispiel: Haufendorf). Eine weitere Differenzierung von ländlichen Ortsformen beinhaltet folgende Einzeltypen (vgl. Abb. 8.10, I) bis IX)): • • • • • • • •
Einzel- und Streusiedlung (locker verteilte isolierte Gehöftstandorte) -> I) in Abb. 8.10; lockere Dörfer (mit regellosem Wegenetz, z.B. Weiler, Haufendorf) -> II) in Abb. 8.10; geschlossene Dörfer (Haufendorf, Wurtendorf) -> III) in Abb. 8.10; Rechteckplatzdörfer (Freifläche oder Ortsumriss ist rechteckig, Ausrichtung des Hofzugangs auf Freifläche) -> IV) in Abb. 8.10; Rundplatzdörfer/Rundling (runder Platz in Ortsmitte, sternförmige Zuordnung der Gehöfte zum Platz) -> V) in Abb. 8.10; Angerdörfer (ausgeprägte Längserstreckung der Freifläche in Ortsmitte und beiderseitige Gehöftreihung entlang des Angers) -> VI) in Abb. 8.10; Straßendörfer (beiderseitige Gehöftreihung entlang einer Straße; z.B. Wegedorf, Sackgassendorf) -> VII) in Abb. 8.10; Zeilendörfer (Straße/Weg als Bestandteil der Dorfaußengrenze) -> VIII) in Abb. 8.10;
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Reihendörfer (Gehöftreihen direkt an oder parallel zu einer natürlichen oder künstlichen Leitlinie, z.B. entlang von Deichen beim Marschhufendorf; ähnlich beim Waldhufen- oder Moorhufendorf; Fehndorf entlang eines wasserführenden Kanals) -> IX) in Abb. 8.10.
Abb. 8.10: Dorftypen – Erläuterungen vgl. Text (nach Born mit eigenen Ergänzungen; Darstellung in unterschiedlichen Maßstäben) Hinsichtlich der Siedlungslage wird danach unterschieden, wo sich die ländliche Siedlung in Bezug auf Topographie und ökologische Gegebenheiten befindet und welche Gemarkungslage der Ort aufweist. Die Haus- und Gehöftformen spielen in jeder dorftypologischen Systematik – und damit auch im Hinblick auf etwaige Dorferneuerungsmaßnahmen und Denkmalpflege – eine zentrale Rolle, da der spezifische Charakter eines Dorfes durch seine traditionellen Bauernhäuser mit ihren ursprünglichen Baumaterialien bestimmt wird. In engem Zusammenhang mit den Haus- und Gehöftformen stehen die verschiedenen Flurformen, diejenigen Flächen also, auf denen die landwirtschaftliche Produktion stattfindet. Die formale Grundeinheit ist die Parzelle als Katasterparzelle bzw. Flurstück. Unterschieden werden folgende Typen: a) Blockfluren als regelhafte Parzellierung mit parallelem Verlauf der Längs- und Breitengrenzen der Einzelpar-
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zellen, die geometrisch als Rechteck, Quadrat oder Trapez ausgeformte Blöcke bilden; b) Streifenfluren, die durch ein paralleles Liniensystem der Parzellenlängsgrenzen geformt werden; c) Gemengefluren, deren Kennzeichen die verstreut liegenden Parzellen eines landwirtschaftlichen Betriebs sind; d) Gewannfluren als Parzellenverband und Gemengelagenbesitz. Die Flurformen sind, ebenso wie die Haus- und Gehöftformen, in jüngerer Vergangenheit und auch noch gegenwärtig einem starken Formenwandel unterworfen. Dieser Formenwandel kann unterschiedliche Gründe haben: Zum einen kann er durch moderne Betriebsführung erforderlich werden, die verstärkt großdimensionierte landwirtschaftliche Geräte einsetzt. Die Flurbereinigung greift dies auf und sorgt mit einer neuen Fluraufteilung für besser zu bewirtschaftende Flächen (angesichts landwirtschaftlicher Überproduktion verliert dieser Gedanke allerdings zunehmend an Gewicht, während hingegen Natur- und Landschaftsschutz an Bedeutung gewinnen). Zum anderen ergibt sich ein Formenwandel auch zwangsläufig, wenn städtisch-ländliche Mischformen des Bauens entstehen und nichtlandwirtschaftliche Neubauten zunehmen. Und schließlich können auch außerlandwirtschaftliche Maßnahmen (z.B. Planung von Straßen- oder Eisenbahntrassen) Flureingriffe veranlassen. Alle angesprochenen Aspekte sind im Zuge von Dorferneuerungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Diese unterscheiden sich von städtebaulichen Erneuerungsmaßnahmen in Städten weniger in methodischer Hinsicht – Strukturplanung, Gestaltungsplanung – als in den zur Verfügung stehenden rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen. b) Rechtliche und administrative Rahmenbedingungen Ausgangspunkt aller rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen für Dorferneuerungsmaßnahmen in Deutschland ist die Verfassung (Art. 91a GG), die Planungsmaßnahmen im ländlichen Raum der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) zuordnet. Konkretisiert wurde dieser grundgesetzliche Auftrag im Jahre 1969 durch das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GemAgrG). Darin wird ausgeführt, dass geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes auszuwählen, effizient einzusetzen und mit anderen Bereichen abzustimmen sind. Diese Abstimmungs- und Koordinationsaufgabe mit der Bezeichnung ’Agrarstrukturelle Vorplanung’ (AVP) hat eine eminente planerische Dimension (§ 1 Abs. 2 GemAgrG). Hauptzielsetzung der Gemeinschaftsaufgabe ist es, eine leistungsfähige Landund Forstwirtschaft zu gewährleisten und ihre Eingliederung in den Gemeinsamen Markt der EU zu erleichtern. Zur Umsetzung dieses Ziels existiert ein Rahmenplan der GAK mit Förderungsgrundsätzen, die durch die Planungskommission für Agrarstruktur und Küstenschutz (PLANAK) erstellt wird. In diesen Förderungsgrundsätzen sind – exemplarisch für den aktuellen Zeitraum 2010 bis 2013 – folgende Positionen aufgeführt [BMELV 2010]:
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• • • • • •
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Verbesserung der ländlichen Strukturen, hier insbesondere mit Grundsätzen für die Förderung der integrierten ländlichen Entwicklung Verbesserung der Produktions- und Vermarktungsstrukturen Nachhaltige Landbewirtschaftung Forsten Sonstige Maßnahmen Küstenschutz
Städtebau und Dorferneuerung sind in dieser Rahmenvorschrift explizit im Förderbereich der integrierten ländlichen Entwicklung aufgeführt. Danach können investive Maßnahmen gefördert werden zur „Dorferneuerung und -entwicklung ländlich geprägter Orte (...) zur Erhaltung und Gestaltung des dörflichen Charakters einschließlich der Sicherung und Weiterentwicklung dorfgemäßer Gemeinschaftseinrichtungen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der dörflichen Bevölkerung sowie der dazu erforderlichen Dorfentwicklungsplanungen/-konzepte“ [BMELV 2010: 13f]. Administrativ wird die Dorferneuerung im Wesentlichen von den Flurbereinigungsbehörden abgewickelt. c) Typische Dorferneuerungsmaßnahmen Maßnahmen zur Dorferneuerung unterscheiden sich zum Teil recht erheblich von entsprechenden Maßnahmen im urban-städtischen Kontext. Hauptsächlich geht es hier nämlich um Erhaltung und Pflege einer kleinen, räumlich überschaubaren, von naturnahen Nutzungen umgebenen und durchdrungenen Siedlungsstruktur. Gemessen an den Kriterien einer Planungserforderlichkeit, die im Einzelfall zu Beginn eines Verfahrens zur Dorferneuerung auch in rechtlicher Hinsicht nachzuweisen wäre, könnten folgende Tatbestände eine wesentliche Rolle spielen [weiterführend vgl. auch Schäfer et al. 1989]: •
• • • •
• • • •
Regelungsbedarf hinsichtlich der Eigentums- und Rechtsverhältnisse an Grundstücken inklusive des Erfordernisses von Grundbesitz zur Gestaltung öffentlicher Maßnahmen Verbesserung der Wohnverhältnisse Erfordernis einer gewissen Verdichtung im Ortskern und einer neu zu gestaltenden dörflichen Mitte fehlende Grüngestaltung (inklusive Erholungsbereiche, Spielmöglichkeiten für Kinder etc.) Belange der Denkmalpflege und Sicherung von erhaltungs- und gestaltungswerter Bausubstanz mit besonderem Augenmerk auf ursprüngliche landwirtschaftliche Nutzungen Umweltschutzgesichtspunkte Verkehrsprobleme Hochwasserschutz Probleme in der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung
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Aus diesen Tatbestandsmerkmalen lassen sich verschiedene Arten und Schwerpunkte von Maßnahmen zur Dorferneuerung herleiten. Folgende Zusammenstellung gibt einen Überblick über typische Dorferneuerungsmaßnahmen: • • • • • • •
Sicherung und Verbesserung der Wohnqualitäten in dörflicher Umgebung Verbesserung der Wohnumfeldqualitäten Verbesserung der Wohnverhältnisse und des Wohnungsstandards Sicherung und Entwicklung der wirtschaftlichen Grundlagen Verbesserung infrastruktureller Einrichtungen und Anlagen Dorferneuerungsmaßnahmen in Koppelung mit sozial- und kulturpolitischer Akzentuierung Einbettung umweltpolitischer Belange in die Ortserneuerungsmaßnahmen
Dazu im Einzelnen: Das Sichern und Verbessern der Wohnqualitäten in dörflicher Umgebung kann realisiert werden etwa durch: • • •
Förderung der Innenentwicklung durch weitgehende Vermeidung neuer Siedlungsareale am Dorfrand oder abseits der Ortschaft Ermöglichung einer bedarfsgerechten Außenentwicklung Revitalisierung alter Ortskerne
Zu einer Verbesserung der Wohnumfeldqualitäten können die folgenden Maßnahmen beitragen: • • • • •
Schaffung vielfältig nutzbarer öffentlicher Freiflächen Verkehrsberuhigung Erhaltung und Schaffung von immissionsarmen Wohnlagen Hochwasserschutz Verbesserung des Freizeitwertes
Wohnverhältnisse und Wohnungsstandards lassen sich durch diverse Einzelmaßnahmen aufwerten. Umweltgerechte und energiesparende Bauformen gehören ebenso dazu wie das Verbessern der Ausstattungsstandards von Wohnungen. Auch und gerade im ländlichen Raum ist im Zuge von Dorferneuerungsmaßnahmen die Sicherung und Entwicklung der wirtschaftlichen Grundlagen im Auge zu behalten. Folgende Maßnahmen kommen dafür in Betracht: • • • • • • •
Schaffung und Erhaltung von Erwerbskombinationen Schaffung neuer Arbeitsplätze Sicherung vorhandener Handwerksbetriebe Förderung des Fremdenverkehrs Sicherung von Betriebsstandorten Schaffung einer funktionsgerechten Betriebsflächenausstattung Schaffung funktionsgerechter Betriebsgebäude
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• •
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Verbesserung der überbetrieblichen Zusammenarbeit Förderung der Direktvermarktung
Zu den Dorferneuerungsmaßnahmen gehört ebenfalls – als weiterer wichtiger Faktor für dauerhaften Erfolg – die Verbesserung infrastruktureller Einrichtungen und Anlagen. Folgendes Bündel von Maßnahmen wäre dabei zu nennen: • • • • • • • • •
Verbesserung der Verkehrsverhältnisse Erhöhung der Verkehrssicherheit Schaffung von funktionsgerechten Grundstückserschließungen Förderung des nichtmotorisierten Individualverkehrs Verbesserung der Situation für den ruhenden Verkehr Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Personenverkehrs Verbesserung der Ver- und Entsorgungssituation Sicherung öffentlicher und privater Folge- und Versorgungseinrichtungen Schaffung umweltgerechter Ver- und Entsorgungsanlagen
Auch die Sozial- und Kulturpolitik spielt eine wichtige Rolle in der Dorferneuerung, da sie sich für die Erhaltung und Entwicklung der örtlichen Identität einsetzt, indem sie zur Erhaltung und Verbesserung des Ortsbildes beiträgt, das baukulturelle Erbe pflegt, dorfgerechte kulturelle Initiativen sowie das Dorfgemeinschafts- und Vereinsleben fördert.
Abb. 8.11: Der Ort Forst an der Weinstraße nach gelungener Dorferneuerung In diesen Zusammenhang gehört auch der im regelmäßigen Turnus in Deutschland durchgeführte Bundeswettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ (bis zum Jahre 1997 firmierte der Wettbewerb unter dem Titel „Unser Dorf soll schöner werden“ und wurde
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deshalb manchmal als Blumen- und Schönheitswettbewerb belächelt, was allerdings auch seine ursprüngliche Intention Anfang der 1960er Jahre war). Diese Veranstaltung, organisiert und administriert vom Bundeslandwirtschaftsministerium, mit einer Jury von externen Fachleuten, entfaltet eine erhebliche identitätsstiftende Wirkung mit deutlichen städtebaulichen Bezügen [Internet www.dorfwettbewerb.bund. de]. Sie trägt zu einer nachhaltigen Verbesserung von Struktur und Gestalt ländlicher Siedlungen bei und entfaltet letztendlich auch ökonomische Wirkungen etwa durch eine damit einhergehende Steigerung des Fremdenverkehrs. Schließlich stellen Dorferneuerungsmaßnahmen auch eine Art realisierter Umweltpolitik dar, wenn mit ihnen etwa die natürlichen Lebensgrundlagen gesichert, eine dorftypische Artenvielfalt erhalten oder ein dorftypisches Grünsystem geschaffen und erhalten wird.
Entwicklungstendenzen in der Stadterneuerung Am Ende dieses Kapitels sollen einige Überlegungen darüber angestellt werden, welche Entwicklungstendenzen sich in der Stadterneuerung abzeichnen. Soweit erkennbar, dürften in naher und mittlerer Zukunft drei entscheidende Faktoren von ausschlaggebender Bedeutung sein: • • •
die demographischen Veränderungen, das Nachhaltigkeitspostulat im Städtebau sowie der technologische Fortschritt.
Die demographische Veränderungen, auf deren Konsequenzen im Kapitel zur „Stadtentwicklung“ noch genauer einzugehen sein wird, dürfte in naher Zukunft andere Themen zunehmend in den Hintergrund drängen. Ganz gleich, ob es nun, wie prognostiziert, zu gravierenden Schrumpfungsprozessen in der Bevölkerung oder durch eine gewaltige Einwanderungsbewegung zu einer gewissen Kompensation der Schrumpfung kommt, in jedem Fall wird diese Thematik auch künftige Problemstellungen der Stadterneuerung beeinflussen. Demgegenüber könnte sich das derzeit auf der Agenda ganz oben positionierte Thema Nachhaltigkeit – angesichts dieser dramatischen Entwicklungen – schon bald als nachrangig zeigen, es sei denn, dass unter dem Stichwort der sozialen Nachhaltigkeit (vgl. Kap. 1) auch die Folgen der Bevölkerungsschrumpfung und/oder der (teil-)kompensatorischen Einwanderung thematisiert werden. Der dritte oben genannte Faktor, der technologische Fortschritt, wird auf die künftigen Tendenzen in der Stadterneuerung ebenfalls erhebliche Auswirkungen haben. Man denke etwa an die Digitaltechniken mit ihrem auch für die Städte schier grenzenlosen Einsatzpotential, an die Umwelttechniken hinsichtlich etwa der Energieerzeugung und -einsparung oder an die sich abzeichnenden neuen Techniken im Verkehrs- und Transportbereich. Nicht immer übrigens stehen diese Technologien im Einklang mit dem Nachhaltigkeitspostulat. Stadterneuerung wird künftig zunehmend von zeitgleichen, aber gegenläufigen Tendenzen gekennzeichnet sein, die letztendlich zu paradoxen Phänomenen füh-
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ren. In seinem vielbeachteten Essay „Zwischenstadt“ hat Thomas Sieverts einige dieser Gegenläufigkeiten und Paradoxien anhand von vier Denkmodellen zur Entwicklung der Zwischenstadt benannt, die sich auch als Kristallisationspunkte künftiger Aufgaben der Stadterneuerung interpretieren lassen. So kann etwa der von Sieverts definierte Modelltyp der „bewahrten Stadt“ als Gegensatz zum vielerorts auf der Welt erkennbaren Trend zu einer „Stadt der künstlichen Welten“ gesehen werden, und das von Sieverts beschriebene Modell einer „Stadt der kooperierenden Zentren“ mit weitgehend erhaltener Attraktivität der Innenstädte steht dem Modell der „ausgelaugten Stadt“ gegenüber, mit Innenstädten, die durch peripher gelegene Einkaufszentren ausgetrocknet werden [Sieverts 1997: 14ff]. Diese gegenläufigen Tendenzen sind Anlass genug für ein intensives Nachdenken, wie die Stadtplanung künftig inhaltlich und methodisch mit Aufgaben der Stadterneuerung umzugehen gedenkt. a) Stadterneuerung als Stadtentwicklung Während früher gern eine klare Unterscheidung zwischen Stadterneuerung und Stadtentwicklung getroffen wurde – auch, um begrifflich die städtebaulichen Maßnahmen im vorhandenen Stadtgefüge von jenen zur Ergänzung und Fortentwicklung der Stadt abseits des bereits Vorhandenen zu trennen –, wird heutzutage Stadterneuerung nahezu ausschließlich als Teil der Stadtentwicklung interpretiert. Diese Akzentverschiebung und Umgewichtung hat dazu geführt, dass, so Thomas Sieverts, der „Baubestand als Hauptressource der Stadtentwicklung“ in den Vordergrund rückt und – in konsequenter Fortentwicklung dieses Gedankens – eine baubestandsbezogene „Kreislaufwirtschaft“ propagiert wird [Internet www.flaecheim-kreis.de]. Die Konsequenz daraus ist, dass Gebäude „von vornherein auf ihre Umnutzung und letztendliche Recyclingsfähigkeit hin angelegt werden“ müssten. Instrumentell ließe sich dafür die Baugenehmigung nutzen, die für eine Bau- oder Umbaumaßnahme nur dann erteilt würde, wenn zugleich die „Abrisskosten abzüglich eines Wiederverwertungsnutzens“ bei der Gemeinde hinterlegt würden. Sieverts leitet aus alledem die „Vision des Paradoxes einer nachhaltig stabilisierenden Stadtdynamik“ ab, in der eine lebendige Entwicklung von Städten auch ohne Ressourcenverbrauch stattfindet und „menschliche Aktivitäten, verbunden mit Naturprozessen, eine produktive und gleichzeitig schöne Einheit bilden“ und letztendlich zu der „Utopie einer Stadtkultur“ führen [alle Zitate vgl. Sieverts 1998: 462, 473]. Häufig allerdings wird, wenn von Stadterneuerung als Stadtentwicklung die Rede ist, dies immer noch als Projekt zusätzlicher Bebauungsmaßnahmen missverstanden. Auch die der nachhaltigen Umweltpolitik sich verpflichtet fühlende Europäische Union ist vor diesem Missverständnis nicht ganz gefeit, wie etwa ein EU-weiter Wettbewerb zum Thema „Ökologische Stadtsanierung / urban redevelopment“ im Jahre 2001/2002 gezeigt hat: Die eingereichten Wettbewerbsbeiträge zeigten deutlich die Tendenz, sogar in Städten mit bereits schrumpfenden Ressourcen freie Flächen einer Bebauung zuzuführen, statt ihnen völlig andere „stadtökologische Funktionen“ (sic!) zuzuweisen [vgl. Internet www.eu-competition.org].
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b) Konsequenzen aus den demographischen Veränderungen Von den drei entscheidenden Faktoren, die künftig die Fortentwicklung der Stadterneuerung beeinflussen werden, seien die demographischen Veränderungen als der vermutlich dominierende Faktor als erstes erörtert. Die demographische Entwicklung wird zukünftig in erheblichem Maße Einfluss auf die Art der Stadterneuerungsmaßnahmen ausüben. Im Vorgriff auf die noch anzusprechenden Szenarien der demographischen Entwicklung in Bezug auf Stadt und Raum im folgenden Kapitel zur „Stadtentwicklung“ können wir von zwei grundsätzlichen Tendenzen ausgehen: einer Bevölkerungsschrumpfung und einer (wenn wohl auch nur teilweisen) demographischen Schrumpfungskompensation. Sollten sich die demographischen Schrumpfungsprognosen für Deutschland von etwa einer halben Million Menschen pro Jahr in vollem Umfange bewahrheiten – und davon ist mit ziemlicher Sicherheit auszugehen –, würde dies zwangsläufig in bestimmten Landstrichen zu Bevölkerungsentleerungen führen. Lässt man die theoretisch denkbare Möglichkeit, freiwerdende Wohnungen und Gebäude als Zweit- und Drittwohnsitze zu nutzen, als wenig plausibel außer Acht, würden diese Entleerungstendenzen dazu führen, dass ganze Orte und Stadtteile brachfallen. Schon heute ist dieses Phänomen in Teilen Deutschlands mit zum Teil dramatischen Konsequenzen zu beobachten. Die Frage ist, welche städtebauliche Erneuerungsaufgabe unter diesen Umständen eigentlich sinnvoll wäre. Im optimistischsten Fall einer möglichen Konsolidierung könnte die Pflege und Umnutzung bestehender Bausubstanz veranlasst werden. Im Falle dramatischer Schrumpfungen jedoch bliebe als letzte sinnvolle Handhabe nur, die ’überflüssige’ Bausubstanz zu beseitigen, so wie es bereits in dem Modellvorhaben Umbau Ost geschehen ist. Der Rückbau von Großsiedlungen aus den 1960er und 1970er Jahren dürfte auf der Tagesordnung bleiben. In peripher gelegenen Orten wird man je nach Attraktivität und kultureller Bedeutung auch nach der von Karl Ganser ausgegebenen Devise „Hände weg, liegen lassen“ verfahren – verbunden mit der Hoffnung, dass sich irgendwann vielleicht doch wieder neue belebende Aktivitäten ergeben [Ganser 2002]. Aber selbst in dem Falle, dass sich demographische Schrumpfungen durch bevölkerungspolitische Maßnahmen zumindest teilweise kompensieren ließen, ergäbe sich ein erheblicher städtebaulicher Erneuerungsbedarf, weil den spezifischen Bedürfnissen der neu hinzuziehenden Menschen Rechnung zu tragen wäre. Dies würde sich auf die dann nachgefragten Wohnungen ebenso beziehen wie auf neu zu errichtende oder zu verändernde Infrastruktur- und Gemeinbedarfseinrichtungen. Diese Nachfrageveränderungen werden vor allem in den attraktiven, größeren Städten sichtbar werden, weniger in peripher gelegenen Orten, die an dieser Entwicklung nur in Ausnahmefällen werden partizipieren können. c) Kulturelle Nachhaltigkeit Urbane Gestaltqualitäten stellen als räumlich-ästhetische Ausprägungen des kulturellen Erbes sowie im Kontext einer umfassenden sozio-kulturellen Gestaltungsauf-
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gabe einen herausragenden Aspekt nachhaltiger Entwicklung dar. Sie spielen bei allen Maßnahmen der Stadterneuerung eine zentrale Rolle. Zwar geht es dabei in erster Linie um Einzelbauwerke und städtebauliche Ensembles, darüber hinaus aber auch um die räumlich-ästhetischen Ausprägungen von Freiraumsituationen, Kulturlandschaften und Gartenarchitektur. Die Notwendigkeit, das Thema kulturelle Nachhaltigkeit als Teil der Stadterneuerung aufzugreifen, ist erneut insbesondere vor dem Hintergrund einer in naher Zukunft dramatisch abnehmenden Bevölkerung zu würdigen. Eine zentrale Rolle wird dann nämlich die Frage spielen, wie mit den von Schrumpfungserscheinungen betroffenen Städten, Ortschaften und Kulturlandschaften im Hinblick auf eine Gestaltwertsicherung umzugehen ist. Würde es nämlich dazu kommen, dass urbane Gestaltqualitäten unwiederbringlich verloren gingen, wäre dies nicht nur ein ideeller Verlust, sondern hätte auch weitreichende ökonomische Konsequenzen. Gestaltqualitäten entfalten Wirkungen, die gemeinhin als sogenannte weiche Standortfaktoren bezeichnet werden. Ein ästhetisch ansprechendes Ambiente einer ’guten Adresse’ oder die Aura einer der Baukultur innewohnenden, unverwechselbaren Qualität spielen bei der Wahl von neuen Betriebsstandorten insbesondere bei den Entscheidungsträgern auf den mittleren und höheren Managementebenen von Wirtschaftsunternehmen eine immer größere Rolle. In ihrem vielbeachteten Buch „The Cultures of Cities“ hat die US-amerikanische Stadtsoziologin Sharon Zukin einen engen Zusammenhang zwischen städtischen Kulturen und kontinuierlicher Stadterneuerung hergestellt und dabei einige grundsätzliche Fragen „for nearly all discussions of urban revitalization“ aufgeworfen. Dabei werden die Kulturen einer Stadt als die zentrale ökonomische Basis identifiziert, die es zu pflegen und fortzuentwickeln gilt [Zukin 1995: 11ff]. Sie empfiehlt unterschiedliche Strategien: „There are many different ’cultural’ strategies of economic development. Some focus on museums and other large cultural institutions, or on the preservation of architectural landmarks in a city or region center. Others call attention to the work of artists, actors, dancers, and even chefs who give credence to the claim that an area is a center of cultural production. Some strategies emphasize the aestetic or historic value of imprints on a landscape, pointing to old battlegrounds, natural wonders, and collective representations of social groups, including houses of worship, workplaces of archaic technology, and even tenements and plantation housing. While some cultural strategies, like most projects of adaptive reuse of old buildings, create panoramas for visual contemplation, others, like Disney World and various ’historic villages’, establish living dioramas in which contemporary men and women dress in costumes and act out imagined communities of family, work, and play. The common element in all these strategies is that they reduce the multiple dimensions and conficts of culture to a coherent visual representation.“ [Zukin 1995: 271] In das Betrachtungsfeld der kulturellen Nachhaltigkeit gehört auch und vor allem, worauf Sharon Zukin gleichfalls mit Nachdruck hinweist [Zukin 1995: 24ff, 53f], der öffentliche Raum, in dem sich städtisches Leben abspielt und urbane Milieus entfalten. Ihm muss deshalb auch das besondere Interesse städtebaulicher Aktivitäten gelten; er ist das zentrale Handlungsfeld der – öffentlich betriebenen –
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Stadtplanung. Der Stadttheoretiker Thomas Sieverts geht sogar noch einen Schritt weiter und sieht den öffentlichen Raum und den Umgang mit Baukultur als Ausgangspunkt für eine neue Orientierung der Stadtplanung und plädiert mit Nachdruck für eine „Planungskultur im Diskurs mit Kunst und allgemeiner Kulturtheorie“ [Sieverts 1997: 129]. d) Gestaltwerterhaltung und Ökologie Ob Gestaltwerterhaltung und Ökologie in jedem Fall natürliche Verbündete sind, wird sich noch erweisen müssen. Ursprünglich wurde die städtebauliche Diskussion über den ökologischen, sparsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen in den 1970er Jahren ausgelöst. Der damalige Kampf von engagierten Bürgern, subkulturellen Milieus – aus denen sich schließlich neue politische Kräfte formierten und Parteien etablierten – war auch ein Kampf (mit einem manchmal fast konservativ anmutenden Habitus) gegen die Zerstörung des baulich-kulturellen Erbes. Gleichwohl bleibt die Tendenz, die natürliche Umwelt und die gebaute Umwelt einschließlich des darin befindlichen kulturellen Erbes als Gegensatz zu betrachten: Humanökologie versus Bioökologie, so könnte man sagen. Die Stadt steht ihrem Wesen nach notwendigerweise im Gegensatz zur Natur – sofern man nicht doch der Auffassung zuneigt, dass die Stadt Bestandteil einer menschengemachten Natur werden kann [Sieverts 1997: 51]. Eine gewaltige Aufgabe wird somit beim Stadtumbau und der erhaltenden Stadterneuerung auf uns zukommen. In einer Debattenserie über die „Zukunft der Architekten“ im Jahre 2002 schrieb der Präsident der Bundesarchitektenkammer zu diesem Thema: „Die Architekten und Ingenieure zusammen mit der Bauwirtschaft müssen ihren Teil zu einer Verringerung des Energieverbrauchs beitragen, nicht nur bei neuen Gebäuden, sondern vor allem beim Umbau und der Modernisierung des Baubestands“ [vgl. Süddeutsche Zeitung v. 26.08.2002]. Die Realisierung allerdings wirft etliche Fragen auf, zum Beispiel: Wie lassen sich – unter der Bedingung, dass auch den Erfordernissen der denkmalschützenden Gestaltwerterhaltung entsprochen wird – bauökologische Standards [vgl. dazu Daniels 1995] im Bestand umsetzen? Wie etwa sollen erhaltenswerte Dachlandschaften von Ortschaften und Stadtteilen aussehen, wenn Dächer mit staatlicher Förderung zur solaren Energiegewinnung genutzt werden? Wie können erhaltenswerte Gebäudefassaden mit den Erfordernissen des Wärmeschutzes nach den Energieeinsparvorschriften in Einklang gebracht werden? Wie soll die künftige Nutzbarkeit von denkmalgeschützten Gebäuden hinsichtlich moderner haustechnischer Standards gewährleistet bleiben? Und eine immer wieder zu erörternde Frage ist auch, inwieweit sich – bedingt durch die technische Vernetzung der Wissensgesellschaft – digitale Funktionalitäten in denkmalwerten Gebäuden integrieren lassen.
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e) Authentizität und Simulation Künftige Aktivitäten in der Stadterneuerung werden sich mit einem weiteren Phänomen auseinandersetzen müssen, das sich zwar schon seit langem in der Fachdiskussion befindet, angesichts der Fortschritte in der Digitaltechnik aber immer weiter ins Zentrum des Interesses rückt. Die „Stadt der künstlichen Welten“, so Thomas Sieverts, ist unaufhaltsam auf dem Vormarsch [Sieverts 1997: 142], woraus die Schlussfolgerung zu ziehen ist, dass Authentisches in unseren heutigen urbanen Formen mehr und mehr auf der Strecke bleiben wird. Dieser Trend wird sich möglicherweise verstärkt fortsetzen, nicht bei den Shopping Malls und Freizeitzentren vor den Städten haltmachen, sondern sich auch in den Stadtkernen räumlich und baulich entfalten: Disneyhafte Verhübschung von städtebaulichen Situationen und öffentlichen Räumen werden als gelungene Projekte von Stadterneuerung verkauft. In ihrem Buch „The Cultures of Cities“ beschäftigt sich Sharon Zukin ausführlich mit diesem Phänomen – „Learning from Disney World“ –, greift den ihrer Ansicht nach diesbezüglichen „harschen Kritizismus europäischer Intellektueller“ auf, stellt ihn der anderslautenden Auffassung US-amerikanischer Vordenker gegenüber und gelangt zu folgendem Schluss: „The fascinating point is that Disney World idealized urban public spaces. For city managers seeking economic development strategies and public philosophers despairing of the decline of civility, Disney World provides a consensual, competitive strategy. (...) Visual culture, spatial control, and private management make Disney World an ideal type of new public space.“ [Zukin 1995: 53f] Auch auf der Ebene des Einzelbauwerks sind die beiden widerstreitenden Trends von Authentizität und Simulation zu beobachten. Ein interessantes und aus der Sicht der Stadterneuerung zugleich aufschlussreiches Beispiel lieferte die Diskussion um den möglichen Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses. Hier gab es zeitweise – neben der Befürwortung des realen Aufbaus (mittlerweile eine beschlossene Sache) – auch sehr konkrete Überlegungen dahingehend, das Original schlichtweg nachzuahmen bzw. mit digitalen Möglichkeiten zu simulieren: Von einer bekannten Hamburger Architektengruppe etwa kam der Vorschlag, statt des realen Wiederaufbaus eine interaktive Fassade zu schaffen, die das Bild des alten Schlosses liefern sollte, so dass dem Betrachter die Illusion eines Schlosses vorgegaukelt worden wäre. Prinzipiell ließe sich auf diesem Wege jede beliebige Simulation von historischen Gestalterscheinungen erzeugen. Darüber mag man erschrecken und sich die Frage stellen, wo Authentizität und Aura des Originals im Zeitalter der digitalen Simulation geblieben sind. Dass in solchen Diskussionen Walter Benjamin’s kulturkritischer Essay über „das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ [Benjamin 1963] zu Rate gezogen wird, hat gute Gründe. Vielleicht hilft es, sich der technischen Möglichkeiten zu bedienen, die noch sehr weitreichende Folgen haben werden. Beispiel ’augmented reality’, einer Visualisierungstechnik (vgl. Kap. 4), mit der sich der Betrachter einer städtebaulichen Situation in Echtzeit auch nicht mehr existente Gebäude oder städtebauliche Ensembles über Geolokalisierungstechniken auf dem (Smartphone-)Display als Einblendung in
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die reale Umwelt vorführen lassen kann. Der Clou dabei: Reale und simulierte Welt verschmelzen für einige Momente der Betrachtung und erzeugen die Illusion authentischen Erlebens. f) Soziale Bedürfnisse in der Stadterneuerung Stadterneuerungsmaßnahmen hatten immer soziale Implikationen, werden künftig aber noch stärker auf die sich verändernden Bedürfnisse der Menschen eingehen müssen. Dazu gehören nicht nur rein quantitative Aspekte aufgrund der demographischen Schrumpfungsprozesse, sondern auch die enormen prognostizierten Verschiebungen in der Bevölkerungsstruktur. Während im Jahre 1960 zwischen den 20- bis 60-jährigen gegenüber den über 60-jährigen eine Relation von 100:31 bestand, betrugt diese Relation im Jahre 2002 bereits 100:43, und im Jahre 2040 wird diese Relation auf 100:86 ansteigen. Der Anteil der über 80-jährigen (2% im Jahre 1960, 4% im Jahre 2002) wird auf 11% im Jahre 2040 ansteigen [vgl. Artikel von Meinhard Miegel in DIE ZEIT v. 25.07.2002]; die am stärksten wachsende Alterskohorte ist die der über 100-jährigen (allerdings von einem extrem niedrigen Niveau ausgehend). Diese Entwicklung wird zu gewaltigen Veränderungen etwa hinsichtlich der Bedürfnisstrukturen der Menschen führen. So sind neue urbane Lebensformen denkbar, die sich auf die Nachfrage bei Haus- und Wohnformen sowie Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen auswirken werden. Auch diese Trends werden im Zuge von Stadterneuerungsmaßnahmen frühzeitig aufzugreifen sein. Die allgemeinen sozialen Bedürfnisse der Menschen in den urbanen Zentren werden aber auch gravierenden Veränderungen unterworfen sein, wenn in größerem Umfange Zuwanderung stattfindet. Andere Lebensstile kommen hinzu, die sich auf die Nachfrage nach Wohnungen in Lage und Ausstattung, nach einer bestimmten Wohnumgebung und nach Wohnfolge- und Gemeinbedarfseinrichtungen auswirken. An manchen Orten werden die sozialen Strukturen von Segregationstendenzen gekennzeichnet sein, anderenorts werden sich die Lebensstile mischen und multikulturelle Milieus heranwachsen – Formen, die dann bei Stadterneuerungsmaßnahmen eine wichtige Rolle spielen werden. Neue Medien mit ihren multilingualen Möglichkeiten können eine wichtige Rolle spielen, wenn es um das Einbeziehen der zugewanderten Bürger in den Prozess einer Stadterneuerung geht. In diesem Zusammenhang wird man sich auch – als eine Aufgabe, die Sozialwissenschaftler und Stadtplaner gleichermaßen angeht – mit den Wohngebieten befassen müssen, die gebaut wurden, als die Industriegesellschaft im Aufbau befindlich war und Vollbeschäftigung herrschte, nun aber „rapide ihre sozialen und wirtschaftlichen Grundlagen verlieren“ [Sieverts 1998: 466] und als ’soziale Brennpunkte’ zu städtebaulichen Problemgebieten werden. Soziale Bedürfnisse in der Stadterneuerung finden ihren Ausdruck auch im Zusammenhang mit städtebaulichen Maßnahmen, die als ‘Gentrifizierung‘ bezeichnet werden (vgl. in diesem Buch dazu auch Kap. 1, Abschnitt „Planungsskepsis ...“, sowie Kap. 7, Abschnitt „Städtebauliche Gebote ...“). Die sozialen Verwerfungen, die mit Gentrifizierungsaktivitäten einhergehen, sind schon lange bekannt. Es gibt
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jedoch immer wieder kapitalkräftige Investoren, die sich eines Stadtteils, dem soziale Netzwerke und (subkulturelle) Milieus zu einem interessanten und unverwechselbaren Image verholfen haben, annehmen, um ihn nach einem gewissen Investitionsaufwand unter Kapitalmaximierung als ‘angesagte Adresse‘ zu vermarkten. Sehr treffend äußern sich zu diesem Thema Jana Brenner und Ruth Hemling in einem Zeitungsartikel, dessen Überschrift schon alles ausdrückt: „Yuppies raus! Luxussanierung – ein Horror für die Bewohner günstiger Stadtviertel. Ihr Protest findet jetzt öfter Gehör bei Stadtplanern“ [DIE ZEIT v. 29.04.2010]. Man darf, mit Rückgriff auf die in Kapitel 1 aufgeführten Planertypen sicher die Frage stellen dürfen, wessen Anwalt diese eigentlich sind. g) Stadtzentren, Ortseingänge und Zwischenstadt Bei Stadterneuerungserfordernissen und -maßnahmen stehen Stadtzentren (oder Stadtteilzentren) und Innenstädte häufig im Mittelpunkt des Interesses. Dies ist naheliegend, weil Stadtzentren in der Regel die wichtigsten Identifikationsmerkmale für die Stadt besitzen (vgl. auch Kap. 5, Abschnitt „... Innenstadt“) und Außenwirkung im gesamtstädtischen Gefüge meist am stärksten entfalten. Stadterneuerungsvorstellungen und daraus abgeleitete Konzepte sind vielfältig und reichen von der Akzentuierung des Bestehenden und Historischen als Denkmalensemble über eine Clusterung von Museen und Kultureinrichtungen, die Schaffung von Anziehungsmagneten, Erlebnisbereichen und Einkaufsmöglichkeiten bis hin zur Betonung einer ökologischen Zielrichtung durch ein Netz von Grünanlagen, Wasser im Stadtraum, Verbesserung kleinklimatischer Bedingungen und vieles andere mehr. Stadtzentren und Innenstädte stehen allerdings in Wechselwirkung und auch in Konkurrenz zu anderen Teilen der Stadt, beispielsweise zu dem, was sich an den eigenen Stadträndern abspielt. Und damit in engem Zusammenhang steht eine weitere, fachlich eher seltener diskutierte, gleichwohl aber wichtige Aufgabe der Stadterneuerung: die Erneuerung von Stadträndern und Ortseingängen. Unter urbanen Schrumpfungsbedingungen wird man sich der Stadt- und Ortsränder mit ihren vor allem an Einfallstraßen befindlichen zerfransten, zum Teil chaotisch anmutenden und mit einem Gemisch von Gewerbebetrieben, Baumärkten, Fast-food-Ketten, Fitness-Studios, Großkinos und Einkaufsmärkten durchsetzten Siedlungsstrukturen, die dort lediglich eine „oberflächliche Behübschung“ [Sieverts 1998] erfahren, annehmen müssen (vgl. auch in Kap. 9 „Phasen der Suburbanisierung“). Zudem werden die angesprochenen Gentrifizierungsaktivitäten in den Stadtzentren und Innenstädten zu einer Verdrängung der dortigen Bewohner führen – mit absehbar fatalen Konsequenzen für die Stadtränder: „In zehn Jahren redet niemand mehr über Gentrifizierung, sondern über die Ghettos der Verlierer am Stadtrand“ [Jonathan Fischer in der Süddeutschen Zeitung v. 30.07.2010]. Wo, wenn nicht hier, sollte – als künftige Aufgabe der Stadterneuerung – das von Thomas Sieverts entwickelte Denkmodell der Zwischenstadt, eingebettet in den regionalen Kontext und als „Vision einer Stadt-Kultur-Landschaft“ [Sieverts 1997: 162] auf der Grundlage von miteinander kooperierenden Zentren, seinen gestalterischen Ausdruck finden?
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Stadtentwicklung
Übersicht Die Stadtentwicklung stellt eine weitere herausragende Teildomäne der Stadtplanung dar. Es geht dabei um das System Stadt in seiner Gesamtkomplexität und Dynamik, d.h. um die Fragestellung, auf welche Weise sich die fortschreitende, prozessuale Entfaltung von bestimmten strukturellen, räumlichen, ökonomischen oder gesellschaftlich-sozialen Gegebenheiten in urbanen Systemen niederschlägt. Das Kapitel beginnt mit einer kurzen Analyse des Begriffs ’Stadtentwicklung’, welcher dann in seiner konkreten Anwendung und inhaltlichen Ausgestaltung in der Stadtplanung ausgebreitet wird. Ausgehend von einer historisch-genealogischen Betrachtung lassen sich die Determinanten der Stadtentwicklung herleiten. Als weiterer Schwerpunkt dieses Kapitels wird dann die ’Stadtentwicklungsplanung’ angesprochen. Deren Aufgabe besteht darin, die Entwicklung von Städten voranzutreiben, indem Planungsvorstellungen über ein aktives Steuern von Geschehnissen und Prozessen vielerlei Art realisiert werden. Als eine spezielle Form der Stadtentwicklungsplanung wird in diesem Zusammenhang auch die ’städtebauliche Entwicklungsmaßnahme’ nach den Regelungen des deutschen Städtebaurechts angesprochen. Gegen Ende des Kapitels folgt eine Darstellung der wichtigen gegenwärtig erkennbaren Entwicklungstendenzen zum Thema Stadtentwicklung. Folgende Einzelaspekte zum Thema Stadtentwicklung werden erörtert: • • • • • •
Facetten des Begriffs ’Stadtentwicklung’ Determinanten der Stadtentwicklung Stadtentwicklungsplanung Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen nach dem Planungsrecht Anknüpfungspunkte für gegenwärtige Stadtentwicklungskonzepte Szenarien und Denkmodelle zukünftiger Stadtentwicklung
Facetten des Begriffs ’Stadtentwicklung’ Einer der zentralen und wohl am häufigsten verwendeten Begriffe der Stadtplanung ist ’Stadtentwicklung’. Es handelt sich um einen Begriff, der – auch für fachlich
B. Streich, Stadtplanung in der Wissensgesellschaft, DOI 10.1007/978-3-531-93164-7_10, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Nichteingeweihte – auf den ersten Blick recht klar, eindeutig und vor allem positiv besetzt erscheint. Bei näherem Hinschauen jedoch und der Frage, wann und wofür dieser Begriff verwendet wird, treten recht bald Zweifel an dieser Klarheit und Eindeutigkeit zutage, denn es zeigt sich überraschenderweise eher Diffuses, das von einer schillernden Vielschichtigkeit dieses Begriffs zeugt. Wenn wir uns vor Augen führen, was alles unter Stadtentwicklung verstanden wird und welche inhaltlichen Verknüpfungen mit diesem Begriff gern hergestellt werden, dann weckt dies eher die Vorstellung von Beliebigkeit, fast in Richtung eines Begriffs-Hoppings. Folgende Zusammenstellung möge davon einen kleinen, zweifellos unvollständigen Eindruck vermitteln. Werfen wir einen Blick auf die Themenschwerpunkte einschlägiger Institutionen aus der jüngeren Vergangenheit, dann können wir feststellen, dass Stadtentwicklung mit folgenden Stichpunkten verknüpft und auch identifiziert wird [vgl. z.B. verschiedene Themen von Jahrestagungen der DASL im Literaturverzeichnis]: • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
Nachhaltigkeit Stadtumbau Stadterneuerung (vgl. ausführlich Kap. 8) Innenentwicklung Kulturpolitik sozialorientiertes Quartiersmanagement Wohnungsbestandspflege Gewerbeparkplanung Projektentwicklung neue Strategien exemplifiziert am Potsdamer Platz in Berlin Planung zentral gelegener Bahnflächen bürgerschaftliches Planen Aktivitätsmuster in Zeiten des Shareholder Value inszenierte (kulturelle) Ereignisse Festivalisierung, Events und Großprojekte Zuwanderung – Integration von Migration Diskontinuitäten – Wachstum vs. Schrumpfung Geld und Stadt globale Erwärmung und Klimawandel
Weshalb nun diese Attraktivität des Begriffs Stadtentwicklung für so mancherlei Dinge im Kontext des Urbanen und Städtischen, und woher kommt seine in Beliebigkeit abgleitende Vielschichtigkeit? Als ein Grund lässt sich zunächst das derzeit dominierende Selbstverständnis der Gesellschaft mit seinen ökonomischen Prinzipien identifizieren, bei denen Wandel, Dynamik, Veränderung, Zukunftsorientierung – und Wachstum, immer wieder Wachstum – bekannte Metaphern sind. Davon bleibt auch die Stadtplanung nicht unberührt. Sie benötigt einen Begriff, der urbane Veränderungsprozesse thematisiert, verbunden mit einfachen gedanklichen Assoziationen, inhaltlicher Flexibilität
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und einem mitschwingenden Hauch von Programmatik. Entwicklung wird als der Motor für Veränderungen einer Stadt gesehen, wie auch umgekehrt nahezu x-beliebige Aktivitäten und Aktionen im städtischen und städtebaulichen Kontext als Motor für Stadtentwicklung propagiert werden. Erhofft wird ein sogenannter ‘Spillover‘Effekt, ein Überschwappeffekt, der von diesem initialzündenden Motor in andere Bereiche hineinwirkt, erkennbar etwa bei der Förderung von Unternehmen der Wissensökonomie und der Propagierung von Clusterbildungen [zu diesem Thema guter Einstieg und Überblick bei Döring/Schnellenbach 2004]. Die Liste der mit dem Begriff Stadtentwicklung verknüpften Bereiche ließe sich ohne Probleme fortsetzen. So kann Widerspruch nicht ausbleiben. Warnungen, dass der Begriff der Stadtentwicklung bei einem derart inflationären Gebrauch langsam in Beliebigkeit abgleite, sind keineswegs neu. Bereits in der ersten Boomphase der Stadtentwicklungsplanung während der 1960er und 1970er Jahre war von „feuilletonistischen Definitionsversuchen“ die Rede, verbunden mit der Warnung, „dass die ’kommunale Entwicklungsplanung’ in der Gefahr steht, zur Leerformel für jegliche kommunale Tätigkeit zu werden“, zumal nicht zu erkennen sei, „welche spezifischen Neuerungen hier gegenüber den traditionellen Fachplanungen und ihren Erweiterungen gefordert werden“ [Hesse 1976: 84f]. Gleichwohl ist ’Stadt-Entwicklung’ seit langem ein gern benutzter Begriff. Alles, was irgendwie einen stadtplanerischen oder städtebaulichen Neuigkeitswert besitzt, sei es fundiert oder auch nur ein Hecheln nach dem Neuen und Nichtdagewesenen, wird als Handlungspotential für die Stadtentwicklung gesehen – und sei es auch nur für einen kurzen Zeitraum künftigen Agierens mit der alleinigen Hoffnung, vielleicht eine Dynamik von gewisser Dauer anzustoßen. Nicht selten wird der Begriff Entwicklung auch als Code-Wort für etwas verwendet, das eher im Verborgenen bleiben soll und deshalb mit einem wenig hinterfragten Euphemismus ausgestattet wird. Es kann deshalb nicht verkehrt sein, diesem begriffsinflationären Trend gegenüber eine gewisse Distanz zu wahren. Doch was verstehen wir eigentlich unter ’Entwicklung’? Zweifellos assoziieren wir damit regelmäßig etwas Bildliches, gerade wenn im Falle urbaner Situationen unser Interesse Raum und Gestalt gilt. Schon der Begriff Entwicklung für sich allein genommen steht dem Sinnbild des Ent-wickelns – ab- bzw. auswickeln wie etwa bei einer Rolle Skizzenpapier – recht nahe. Und tatsächlich ist, wenn wir die Etymologie und philosophische Quellen zu Rate ziehen, die eigentliche Bedeutung von Entwicklung durchaus im Sinne von „Auswicklung eines vorher Eingewickelten“ zu verstehen [Schischkoff/Schmidt 1978, Stichwort „Entwicklung“]. Übertragen auf Städtebau und Stadtplanung bedeutet dies, dass eine Stadtentwicklung als das Ent-wickeln einer physischen (oft auch geometrischen) Struktur verstanden werden kann. Tatsächlich entspricht diese Auffassung dem, was wir im Städtebau bis in die 1980er Jahre hinein stets mit einer sich entwickelnden Stadt gedanklich verbunden haben: Eine Stadt entwickelt sich in den sie umgebenden Landschaftsraum hinein. Die entsprechenden Konsequenzen wurden schon früh kritisiert und bewogen manchen weitsichtigen Künstler – wie beispielsweise die Karikaturen von A. Paul Weber („Die Erschließung“/1978) oder von Hans-Georg
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Rauch („Ausbruch“/1986) von sich in die Landschaft fressenden Städten zeigen –, dieses Verständnis von Stadt-Entwicklung entschieden anzuprangern [Rauch 1986; Weber 1980]. Mittlerweile wird der Begriff Stadt-Entwicklung auch nicht mehr so gern im Sinne einer geometrischen Versinnbildlichung oder eines räumlich-physischen Vorgangs verwendet, sondern abstrakter und allgemeiner im Sinne eines prozessualen Vorgangs, egal, worum es sich auch immer handeln möge. Gerade diese Abstraktion jedoch erlaubt jede inhaltliche Deutung und Interpretation, wodurch die Tendenz zur Beliebigkeit der Begriffsverwendung noch weiter gefördert wird. Dass dieser Begriff nach wie vor beliebt ist, hat aber noch einen weiteren Grund: Er ist (bzw. erscheint auf den ersten Blick) relativ neutral im Sinne einer etwaigen ideologischen Vorprägung. Vor allem private Planungsakteure, die das städtebauliche Handeln in den privatwirtschaftlichen Bereich verlagern möchten, verleihen ihrer Tätigkeit mit der Bezeichnung ’Stadtentwicklung’ gern ein positiv besetztes Image – zumal ’Stadt-Planung’ für manchen Akteur eher einen Touch von planwirtschaftlichem Handeln einer öffentlich-bürokratischen Administration besitzt. Als privatwirtschaftlich agierender Unternehmer in Sachen Stadt – neudeutsch: Developer – zieht man es vor, den Begriff Planung zu vermeiden und stattdessen von ’Projektentwicklung’ zu sprechen. Zudem lässt sich hinter dem positiv besetzten Begriff der Stadtentwicklung strategische Machtausübung leichter verbergen. Denn was sollte schon gegen Bemühungen einzuwenden sein, etwas entwickeln oder fortentwickeln zu wollen. Von Stadtentwicklungs-Planung ist aus der Perspektive derartiger Interessen denn auch nur in Ausnahmefällen die Rede. a) Genealogie des Begriffs ’Entwicklung’ Um der Attraktivität des Begriffs ’Entwicklung’ auf die Spur zu kommen, werfen wir einen kurzen Blick auf seine Geschichte und kommen zu einigen recht aufschlussreichen Erkenntnissen [ausführlich vgl. etwa das von Wolfgang Sachs 1993 herausgegebene „Development Dictionary“]. Der moderne Begriff der Entwicklung kam etwa um die Mitte des 18. Jahrhunderts auf, als die vorherrschende Naturauffassung, von der absoluten Unveränderlichkeit der Natur, allmählich durch den Entwicklungsgedanken abgelöst wurde und die modernen Naturwissenschaften – namentlich die Biologie – sich etablierten. Biologen und Zoologen in Deutschland, Frankreich und England – von Caspar Friedrich Wolff (1759) über Jean-Baptiste de Lamarck (1809) und Étienne Geoffroy Saint Hilaire (1818) bis Charles Darwin (1859) – befassten sich im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert mit einer Theorie der Entwicklung der biologischen Arten, in deren Gefolge der Begriff auch in der Anthropologie, der Psychologie, der Gesellschaftstheorie und in der Kulturgeschichte Verwendung fand. Hierin liegen auch die Wurzeln der Nähe des Entwicklungs-Begriffs zum Evolutions-Begriff (nicht selten sogar synonym verwendet) und (seltener) dem der Genese. Eine ganz zentrale Kategorie ist das Entwicklungsprinzip auch in der Philosophie Hegel‘s, der in Bezug auf den Begriff des Entwickelns zweierlei Zustände unterscheidet: ’potentia’ als das Vorhandensein bestimmter Anlagen bzw. Keimzustände sowie ’actus’ als geistige Tätigkeit für konkrete Taten
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[Hegel, Ausgabe 1971, Bd. 18: 39ff]. Eine zentrale Rolle spielt der Begriff der Entwicklung auch im Marxismus, wobei hier das begriffliche Verständnis – beeinflusst vor allem durch die Hegel’sche Geschichtsphilosophie und Darwin’s Evolutionstheorie – durch die Vorstellung von „Veränderung, Bewegung in aufsteigender Linie und Übergang von niederen zu höheren, von einfachen zu komplizierteren Qualitäten“ geprägt wird. Verknüpft mit diesem Entwicklungs-Begriff ist die Vorstellung, dass es sich quasi um deterministische Vorgänge handelt, weil der „dialektische Materialismus lediglich die allgemeinsten Bewegungs- und Entwicklungsgesetze der Natur, der Gesellschaft und des Denkens“ aufdeckt [Klaus/Buhr 1972, Stichwort „Entwicklung“]. Entwicklung in diesem Kontext erscheint als eine Art Kette von zwangsläufigen Geschehnissen, die ihre Wirkung über gesellschaftliche Entwicklungsprozesse letztendlich auch auf städtische bzw. urbane Systeme entfalten. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts fand der Begriff der Entwicklung immer stärker Eingang auch in die Umgangssprache. Gleichzeitig nahm die Breite der Verwendung des Begriffs enorm zu, die schon damals zu der erwähnten Beliebigkeit dieses Begriffs führte. So erstaunt es nicht, wenn wir im kurzen ideengeschichtlichen Abriss zum Entwicklungsbegriff im „Development Dictionary“ dazu folgende zusammenfassende Feststellung finden: „The debris of metaphors used throughout the 18th century began to become part of ordinary language in the 19th century, with the word ’development’, accumulating in it a whole varity of connotations. This overload of meanings ended up dissolving its precise significance“ [Esteva 1993: 9]. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts hielt der Entwicklungs-Begriff schließlich auch Einzug in den urbanen Bereich. Einer der ersten, der den Begriff für die Stadtplanung verwendete, war Patrick Geddes (vgl. auch Kap. 1). Geddes, der im Jahre 1903 den Auftrag erhalten hatte, für die schottische Stadt Dunfermline einen städtebaulichen Report zu erstellen, versah seinen Abschlussbericht mit dem Titel: „City Development – a study of parks, gardens, and culture-institutes“ [Geddes 1904/ 1973], womit er – als ausgebildeter Botaniker – den Entwicklungs-Begriff auch auf das System Stadt zur Anwendung brachte. In diesem Report tauchte erstmals auch der Planungsimperativ „survey before plan“ auf, der später eine starke Wirkung auf die stadtplanerische Planungsmethodik entfalten sollte [Geddes 1904/1973; vgl. Einführung von Peter Green 1973: 19; Abercrombie 1933: 128ff]. Geddes war zum Zeitpunkt der Beauftragung und Erstellung dieses Gutachtens Botanik-Professor am University College in Dundee, zugleich aber auch Präsident der Edinburgh School of Sociology – weshalb noch heute viele in dem ausgebildeten Biologen Geddes einen der ersten Stadtsoziologen sehen. Für den britischen Stadtplaner Patrick Abercrombie war dies ein unstrittiges Faktum [Abercrombie 1933: 103]. Als Geddes gut zehn Jahre später sein Hauptwerk „Cities in Evolution“ publizierte, war die begriffliche Verknüpfung zwischen ’Entwicklung’ und ’Evolution’ in ihrer Anwendung auf urbane Geschehnisse komplettiert.
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b) Wachstum und Fortschritt als Paradigma von Entwicklung In engem Bezug zum Begriff der Entwicklung bzw. Stadtentwicklung stehen Vorstellungen von Wachstum und Fortschritt. Hier können wir zwei gegensätzliche Positionen ausmachen: So wird Stadtentwicklung in einem Fall als direkte Konsequenz aus Wachstum und Fortschritt gesehen, weil jeder Fortschritt mit Wachstum verbunden ist und ein solches Wachstum konsequenterweise einhergeht mit städtischem Wachstum. Die andere Position besteht darin, Entwicklung/Stadtentwicklung zwar mit dem Fortschrittsparadigma zu kontextuieren, diesen Fortschritt aber unter Vermeidung von – quantitativem – (Stadt-)Wachstum zu realisieren. Mit dem Begriff Stadtentwicklung verbindet man bis in die Gegenwart hinein in der Regel also Wachstum – und zwar durchweg im Sinne von quantitativem Wachstum. Diese Assoziation kommt nicht von ungefähr: „Development cannot delink itself from the words with which it was formed – growth, evolution, maturation“, heißt es im „Development Dictionary“ [Esteva 1993: 10]. Hinzu kommt, dass, wie Kulturanthropologen zu bedenken geben, die Wachstumsmentalität der westlichen Welt geradezu etwas Typisches innerhalb des europäischen kulturellen Erbes darstellt, wir uns somit diesem Phänomen ohne Kulturbrüche kaum entziehen können [Grymer 2003]. So sind Stadtentwicklung und Wachstum quasi Komplementärbegriffe; auch dies ein Grund für die Attraktivität des Begriffs. Im Jahre 2002 hat die Stadt Hamburg – damalige Bevölkerung: 1,7 Millionen – vorgemacht, wie man damit locker, publikumswirksam und um Aufmerksamkeit heischend umgeht: Sie formulierte die Vision von der „Wachsenden Stadt“ mit einer stadtentwicklungspolitischen Zielsetzung von 2 Millionen Einwohnern [Internet www.wachsende-stadt.hamburg.de; kritisch dazu Altrock 2003]. Mittlerweile wird das Wachstumspostulat in Zusammenhang mit dem Entwicklungs-Begriff zunehmend als problematisch angesehen. Insbesondere die Nachhaltigkeitsdiskussion stellt den rein quantitativen Wachstumsbegriff durchaus ernstzunehmend in Frage. In den 1970er Jahren gab es, angestoßen durch die Studie des „Club of Rome“, eine erste umfassende Diskussion über die „Grenzen des Wachstums“ [Meadows et al. 1972]. Noch einen Schritt weiter ging der Physiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker, der für eine Abkehr vom ökonomischen Wachstumsparadigma plädierte und eine notwendige Hinwendung zu einer „asketischen Weltkultur“ für sinnvoll erachtete [Weizsäcker 1978: 56ff; weitergehende Darstellungen finden sich am Ende des 11. Kapitels]. Ökonomen, allen voran Hans Christoph Binswanger haben sich damals bei der Suche nach „Wegen zu einem neuen Wirtschaftsstil“ vehement für qualitatives – anstelle von quantitativem – Wachstum ausgesprochen [Binswanger et al. 1983: 114ff und 209ff]. Und die Tatsache, dass wir uns jetzt schon – und in Zukunft noch stärker – mit städtischen Schrumpfungsprozessen anstelle von Stadtwachstum auseinandersetzen müssen [vgl. Themenschwerpunkt „Wachstum und Schrumpfung“ der DASL 2003 und DASL 2004 oder Häußermann/Siebel 2004], gibt der Verwendung des Begriffs Stadtentwicklung langsam eine andere Bedeutung; die Programme in Deutschland
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zum Stadtumbau Ost und Stadtumbau West haben hier klare Zeichen gesetzt. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang mag sein, dass Vertreter der ökologischen Ökonomie versuchen, den Begriff der Entwicklung, schon wegen seines positiven Images, in eine Gegenposition zum Wachstums-Begriff zu stellen: „Die ökologische Ökonomik leitet aus der Kritik der Wachstumsgesellschaft die Forderung nach Entwicklung statt Wachstum“ her, heißt es dann etwa in entsprechenden Publikationen [Bartmann 2000: 2, 14]. Doch selbst dies ist kein gänzlich neuer Trend, war doch schon Patrick Geddes vor einhundert Jahren auf dem Pfad der Nachhaltigkeitstugend, als er die Differenz zwischen quantitativem und qualitativem Wachstum beschrieb und diesen Unterschied im Zusammenhang mit dem Thema Entwicklung wie folgt charakterisierte [Geddes 1904/1973: 2]: „The world is now rapidly upon a new era of civic development, one in which ’progress’ is no longer described as in mere quantity of wealth and increase of population, but is seen to depend upon the quality of these.“ Geddes hat daraus gar eine praktische Handlungsanweisung abgeleitet, die manchen Stadtökologen der Gegenwart entzücken dürfte. Denn Geddes, der, wie Peter Hall schreibt, einer anarchistisch-utopischen Tradition verhaftet war [Hall 1988: 137ff], setzte seine programmatischen Betrachtungen über quantitatives und qualitatives Wachstum in einen Bezug zum Begriff der Utopie mit einer interessanten Unterscheidung: ihm ging es um die Realisierung eines „Eu-topia“ im Gegensatz zu einem „U-topia“ – „not with imagining an impossible no-place where all is well, but with making the most and best of each and every place, and especially of the city in which we live“ [Geddes 1904/1973: 3]. Wenden wir uns dem begrifflichen Zusammenhang von ’Entwicklung’ und ’Fortschritt’ zu. Auch diese Verbindung war seit jeher recht eng, führt bei genauerer Betrachtung aber zu ähnlich zweifelhaften Konsequenzen, wie wir dies im Falle von ’Entwicklung’ und ’Wachstum’ schon erkennen konnten. In seinem Buch „Fortschrittsfeinde?“ zeigt Rolf-Peter Sieferle, inwieweit „Entwicklung, Progression und Fortschritt als Verbesserung der Lage der Menschheit seit dem 18. Jahrhundert zu den paradigmatischen Grundlagen des Selbstverständnisses der europäisch-amerikanischen Kultur“ gehören [kritisch dazu vgl. auch „The Development Dictionary“; Sachs 1993: 192ff]. Sieferle warnt allerdings davor, das Vordringen der Fortschrittsvorstellung als bloße Ideologie zu denunzieren und gibt folgende Definition: „In seiner evolutionären Bedeutung des Begriffs kann mit ’Fortschritt’ die Irreversibilität von historischen Prozessen bezeichnet werden, denen eine bestimmte, unabhängig von Wertungen konstatierbare Richtung innewohnt.“ Sieferle weist sodann darauf hin, dass sich „die Fortschrittsvermutung (...) immer nur auf die Neuzeit oder sogar auf das Industriesystem“ beziehe, wodurch sich eine Abgrenzung zum „reinen Typus einer normintegrierten Gesellschaft“ ergebe, bei der die Tradition den entscheidenden Orientierungsrahmen bilde, aber auch als Bremse von Entwicklungen jeder Art wirke – kurzum: Tradition behindert nicht nur Fehlentwicklungen, sondern Entwicklungen überhaupt [Sieferle 1984: 16ff]. Die Feststellung, dass Fortschritt und Entwicklung in einem Gleichklang stehen, gilt zweifellos auch für urbane Räume und städtische Systeme. Seit Beginn des industriellen Zeitalters sind urbane Agglomerationen und regionale Raumstrukturen
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Gegenstand von gezielter Entwicklung und waren stets ein Ausdruck von Fortschritt. Nicht von ungefähr traten sie in ihrer beispiellosen Dynamik zuerst im europäisch-amerikanischen Raum in Erscheinung und prägten das gesamte neuzeitliche Städteplanen als kulturelle Errungenschaft. c) Kritische Distanz und Gegenpositionen Schon die bisherigen Ausführungen zum Begriff ’Entwicklung’ waren mit einigen kritischen Anmerkungen versehen, nicht um die Verwendung des Begriffs grundsätzlich in Frage zu stellen, sondern lediglich um den naiven und unreflektierten Gebrauch des Wortes zu hinterfragen. Dabei war von einer ausdrücklichen Gegenposition oder auch nur einer verhalten artikulierten kritischen Distanz noch nicht die Rede. Kritische Distanz oder gar ausgesprochen deutliche Gegenpositionen zu diesem Begriff sollten – bei aller Begriffspräferenz – nicht sorglos beiseite geschoben werden. Vor allem, wenn wir die internationale Diskussion hinzuziehen, werden wir feststellen, dass kein einhelliger Konsens in Bezug auf eine positive Konnotierung besteht. Nehmen wir etwa das „Development Dictionary“, das dazu eine ziemlich apodiktische Feststellung mit folgendem Wortlaut enthält: „The last 40 years can be called the age of development. This epoch is coming to an end. The time is ripe to write its obituary.“ [Sachs 1993: 1] Nun mag man einwenden, dass es Wolfgang Sachs und seinen Mitstreitern in diesem Dictionary weniger um die Anwendung des Begriffs Entwicklung/Development im Kontext urbaner Planung ging, als vielmehr darum, seine Bedeutung in der internationalen Diskussion zwischen hochentwickelten Industriestaaten und ’Entwicklungs’-Ländern der sogenannten ’Dritten Welt’ herauszustellen (wobei hier sehr problematische Begrifflichkeiten benutzt werden: ’Dritte Welt’ etwa, daran sei erinnert, wurde in den frühen 1950er Jahren zuerst im französischen Sprachraum zur Kennzeichnung von Territorien zwischen den beiden damaligen Supermächten verwendet). Kritiker des ’Entwicklungs’-Begriffs und seiner metapherartigen Anwendung verweisen gern auf die Inaugurationsrede des amerikanischen Präsidenten Harry S. Truman im Jahre 1949, in der die südliche Hemisphäre unseres Erdballs als „underdeveloped areas“ bezeichnet und eine ’Entwicklung’ dieser Gebiete – im Wettkampf der politischen Systeme zu Beginn des Kalten Krieges mit der Sowjetunion – programmatisch auf die Agenda gesetzt wurde. Die Kritiker geben außerdem zu bedenken, dass die Genealogie dieses Begriffs nicht nur mit einer eindeutig den westlichen Denkkategorien zuzuordnenden Konnotation verknüpft ist – „the metaphor of development gave global hegenomy to a purely Western genealogy“ –, sondern dass der Begriff beispielsweise durch das britische „Law of Development of the Colonies“ ein imperialistisch angehauchtes und damit durchaus zweifelhaftes Erbe aufweist [Esteva 1993: 9]. Selbst das Konzept des ’sustainable development’, ein mittlerweile etablierter Schlüsselbegriff der Raum- und Stadtplanung und zuerst mit dem BrundtlandReport „Our Common Future“ 1987 in die globale Fachdiskussion eingebracht [vgl.
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Internet www.brundtlandnet.com], trägt nach Auffassung mancher Kritiker nicht den Bedürfnissen aller angemessen Rechnung, weil, so das Argument, „in its mainstream interpretation, sustainable development has been explicitly conceived as a strategy for sustaining ’development’, not for supporting the flourishing and enduring of an infinitely diverse natural and social life“ [Esteva 1993: 16]. d) Ambivalenz im Umgang mit dem ’Entwicklungs’-Begriff Trotz aller begründeten Zweifel dürfte der Begriff der ’Entwicklung’ bzw. der ’Stadtentwicklung’ weiterhin ein stehender Begriff im stadtplanerischen Begriffsrepertoire sein, wenn es um Aktivitäten im Hinblick auf eine Veränderung von Stadt und Raum geht. Ein plausibler Ersatz ist nicht in Sicht. Von allen denkbaren Alternativen – beispielsweise ’Entfaltung’, ’Evolution’, ’Transformation’ oder schlicht ’Veränderung’ – würde vielleicht der Begriff des städtischen oder städtebaulichen ’Strukturwandels’ der mit dem Begriff verknüpften Intention noch am nächsten kommen. Einen Ersatz kann aber auch dieser nicht liefern, weil er im Wesentlichen auf die Veränderung von städtebaulichen Strukturen, wie sie in Kapitel 5 erläutert wurden, zielt und damit nur sehr indirekt mit der Veränderung von städtebaulichen Gestaltungsmustern zu tun hätte. ’Entwicklung’ bleibt also – trotz der berechtigten Kritik – ein insgesamt positiv besetzter Begriff, der mit einem fortschreitenden, in die Zukunft gerichteten Prozess in Verbindung gebracht wird und damit zum derzeit allgemein akzeptierten Fortschrittsparadigma passt. Und schließlich sei nochmals auf den großen Vorteil dieses Begriffs aufmerksam gemacht, der darin besteht, dass das Wort Entwicklung eine für Stadt- und Raumplaner unerlässliche geometrische Assoziation hervorruft, zugleich aber in der abstrakteren Bedeutung eines wie auch immer gearteten ’Fortentwickelns’ verwendet werden kann. Diese Flexibilität des Begriffs geht sogar so weit, dass er selbst auf die aktuelle städtebauliche Thematik, nämlich die Steuerung von Schrumpfungsprozessen, ohne größere Verständnisschwierigkeiten angewendet werden kann: „Schrumpfende Städte fordern neue Strategien für die Stadtentwicklung“ lautete etwa das programmatische Motto, das sich die Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung für ihre Jahrestagung 2002 gab [DASL 2002]. Wobei mit ’Entwicklung von Schrumpfung’ schon eine recht merkwürdige begriffliche, fast paradox anmutende Verknüpfung stattfand. Offenbar sind sich manche dieser Problematik bewusst und unterbreiten im Zusammenhang mit der urbanen Schrumpfungsdebatte, die eher (noch) negativ besetzt ist, Vorschläge für andere Begrifflichkeiten. Von „neuen städtebaulichen Mustern“ ist da die Rede [vgl. Internet www.leipzig 2030.de/x/zukunftsforum_leipzig.pdf] oder – noch neutraler – von „Nutzungswandel und städtebaulicher Steuerung“ [vgl. Wüstenrot Stiftung 2003 bzw. als Zusammenfassung difu-Berichte 1/2003; vgl. Internet www.wuestenrot-stiftung.de].
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Determinanten der Stadtentwicklung Stadtentwicklung, verstanden als das (sich) Entwickeln von urbanen Strukturen, lässt grundsätzlich zweierlei Arten von Betrachtung zu: eine in die Vergangenheit gerichtete, retrospektive, sowie eine in die Zukunft gerichtete, prospektive. Die retrospektive Sicht ist gleichbedeutend mit stadtbaugeschichtlichen Untersuchungen bzw. dem Beantworten der Fragestellung, wie sich die Entwicklung einer Stadt oder die Gesamtheit städtischer Systeme in Struktur und Gestalt vollzogen hat [vgl. hierzu Kap. 11; außerdem Ahrens/Zierold 1986: 5ff]. Prospektive Betrachtungen hingegen zielen auf Entwicklungserwartungen städtischer Systeme für die Zukunft, gleich ob planerisch beeinflusst oder nicht. Bei beiden Betrachtungsweisen gilt es, die Determinanten bzw. Einflussgrößen herauszufinden, die jeweils maßgeblich einen solchen Entwicklungs-Prozess bestimmt haben bzw. bestimmen werden; gelegentlich ist auch von ’Parametern’ einer Entwicklung die Rede [vgl. etwa Projektgruppe Planung HBK 1970: 109]. Zweifellos schwingt bei der Verwendung der Begriffe Determinanten, Einflussgrößen oder Parameter im Zusammenhang mit dem Thema Stadtentwicklung stets auch die Vorstellung von etwas Quantitativem mit. Diese Assoziation hat durchaus Berechtigung, weil für die Verortung von Prozessen, die sich innerhalb eines Stadtkörpers abspielen, vorrangig diejenigen Einflusskräfte und quantitativ messbaren Faktoren interessieren, die auf das System Stadt dynamisch einwirken. Nicht ohne Grund hat Norbert Lenort, Verfasser des ersten in Deutschland erschienenen Standardwerks zum Thema Stadtentwicklung, von „Determinanten konkreter Entwicklungsrechnungen“ gesprochen und in diesem Zusammenhang die Einwohnerzahl und die wirtschaftliche Basis einer Stadt genannt [Lenort 1961: 192]. Bevölkerung und Wirtschaft gehören also zu den Grundbausteinen jeder analytischen Betrachtung zum Thema Stadtentwicklung. Es sind soziale und demographische und es sind ökonomische Faktoren, mit denen wir es in der Stadtentwicklung vornehmlich zu tun haben, so dass es naheliegt, diesen Umstand in die Definitionsarbeit einfließen zu lassen. In seiner detaillierten Untersuchung über „sozioökonomische Bestimmungsfaktoren der Stadtentwicklung“ gibt Hans Heuer deshalb auch folgende umfassende Definition zum Begriff Stadtentwicklung [Heuer 1977: 39ff]: „Stadtentwicklung kann definiert werden als das sichtbare Ergebnis eines sozioökonomischen Wachstums- oder Schrumpfungsprozesses einer Stadt, der aus den Verhaltensweisen und sich wechselseitig beeinflussenden Entscheidungen der handelnden Akteure resultiert und einen ständigen Wandel der sozialen und wirtschaftlichen sowie der baulichen und räumlichen Struktur der Städte impliziert.“ Dieser Definition ist auch aus heutigem Verständnis nichts hinzuzufügen, zumal die gleichgewichtige begriffliche Einbeziehung von Wachstums- und Schrumpfungsprozessen auch die gegenwärtigen Problemlagen der Städte miteinbezieht. Heuer führt alle sozioökonomischen Prozesse der Stadtentwicklung auf zwei Hauptbestimmungsfaktoren zurück: auf die Determinanten der (potentiellen) Pro-
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duktion – dazu zählen natürliche Bevölkerungsbewegung, räumliche Bevölkerungsbewegung, Pendelwanderung, Erwerbsbeteiligung, private und öffentliche Investitionstätigkeit – sowie auf die Determinanten der effektiven Nachfrage [Heuer 1977]. Die sozialen und ökonomischen Faktoren stehen demnach im Mittelpunkt von Stadtentwicklungsprozessen. An dieser Stelle sollte betont werden, dass die bisherigen Darstellungen zu den Determinanten der Stadtentwicklung eine gewisse einseitige Akzentuierung erfahren haben. Die genannten Arbeiten und Untersuchungen zum Thema Stadtentwicklung waren vornehmlich auf ein wissenschaftliches Erkenntnisinteresse hin ausgerichtet mit dem Ziel, den bestimmenden Faktoren, Parametern oder Determinanten des Systems Stadt auf die Spur zu kommen. Von der Möglichkeit der steuernden Einflussnahme auf diese Faktoren war bislang ebensowenig die Rede wie von einer Instrumentalisierung des Begriffs ’Stadtentwicklung’ als Mäntelchen für Akteursaktivitäten jedweder Art. Dabei lassen sich drei Spielarten von Absichten im Umgang mit dem Thema Stadtentwicklung unterscheiden: • • •
deskriptiv-analytische Absichten, zielbezogen-normative Absichten sowie initial-evozierende Absichten.
Deskriptiv-analytische Intentionen weisen noch am ehesten eine Nähe zu wissenschaftlichem Erkenntnisinteresse auf. Hier wird der Frage nachgegangen, welche Entwicklung(en) für eine Stadt aufgrund von erkennbaren Tendenzen wohl am wahrscheinlichsten zu erwarten ist (sind). Allerdings kann es auch hier passieren, dass durch verborgene Normen – wissenschaftlich verbrämt und in Form von Szenarien untermalt – wünschenswerte Entwicklungsrichtungen angestoßen werden können oder sollen. Ein Beispiel stellen sogenannte ’worst-case’-Szenarien dar, denn diese erzeugen Schrecken und bereiten den Weg für gedankliche und forschungsrelevante Richtungswechsel: „The cultural strategies“, so die amerikanische Planungskritikerin Sharon Zukin, „are often a worst-case scenario of economic development“ [Zukin 1995: 273]. Zielbezogen-normative Intentionen im Umgang mit dem Begriff der Stadtentwicklung sind hingegen auf wünschenswerte Entwicklungsziele ausgerichtet. Wesentlich bei dieser Spielart ist, dass die einer angestrebten Entwicklung zu Grunde liegenden Normen sowie die daraus abgeleiteten Ziele diskutiert werden. Einen völlig anderen Charakter haben initial-evozierende Intentionen. Hierbei spielen die wissenschaftliche Fundierung einer erkennbaren Entwicklungstendenz oder normative Setzungen eine untergeordnete Rolle. Stattdessen geht es darum, Faktoren zu eruieren und in euphemistischer Weise plausibel zu machen, die als Initialzündung für die Entwicklung einer Stadt herhalten könnten. Auch in diesem Fall werden Szenarien oder ad-hoc-Strategien eingesetzt, so dass man durchaus den Eindruck einer wissenschaftlichen Fundierung gewinnen kann. Nicht selten handelt sich dabei aber lediglich um eine Strategie zur Erzeugung von Erwartungen mit der Hoffnung auf eine ’self-fulfilling-prophecy’ – deshalb ist von Evokation die Rede: ex vocare = hervorrufen, herbeiholen – von Mystikern als magische Be-
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schwörung verwendet... Diese Strategie, die übrigens nicht von ungefähr auch im Bereich des Aktienhandels zu beobachten ist, hat in den letzten Jahren sehr viele Anhänger gewonnen und ganz nebenbei das Beratungsgeschäft in der Stadtplanung enorm belebt. Exemplarisch zeigt sich dieses Gebaren auch an den vielfach überdimensionierten Kultur- oder Sportveranstaltungen bzw. Events, die Städte gern – mit dem Etikett ’nachhaltige Entwicklung’ versehen – akquirieren, selbst wenn dies oft den finanziellen Ruin bedeutet. Auch die Bezeichnung von Adressen – Gewerbe-Park, Neue Mitte Oberhausen etc. – mit denen „inszeniert räumliche Identitäten“ herbeigeführt werden sollen, ist dieser Kategorie zuzuordnen [Bölling 2004]. Wie ambivalent allerdings solche suggestiven Strategien manchmal sein können, zeigt ein lange zurückliegender Fall aus München. Als sich die bayerische Landeshauptstadt Ende der 1960er Jahre das Zukunftsmotto „München wird modern“ zulegte, löste es – ganz ohne sprachliche Spontimitwirkung oder Graffitiaktivitäten – großes Gelächter aus: Man hatte übersehen, dass sich allein durch eine unterschiedliche verbale Betonung des Homographs ’modern’ eine andere Bedeutung einstellt – ’München wird erneuert’ oder ’München wird zerfallen’. a) Theorien zur Stadtentwicklung Über die Wirkungsweise und das Zusammenspiel der entwicklungsbestimmenden Parameter von Städten existieren verschiedene Theorien; einige wichtige wurden bereits bei der städtebaulichen Strukturplanung (Kap. 5) angesprochen. Für das Verständnis der Theorien zur Stadtentwicklung ist es zweckmäßig, zwei Arten von Fragestellungen zu unterscheiden, nämlich: Wie haben sich urbane Strukturen und Formen aus sich selbst heraus entwickelt? Sowie: Auf welche Weise und in welcher strukturellen und formalen Ausprägung soll sich ein städtebauliches Gefüge entwickeln? Diese Unterscheidung entspricht, wie eingangs in diesem Kapitel angesprochen, der Differenzierung des Begriffs ’Entwicklung’ in ’potentia’ und ’actus’, wie wir sie in der Philosophie Hegel‘s antreffen. Theorien der Stadtentwicklung versuchen, unter diesen beiden Gesichtspunkten Erklärungsmodelle für die komplexen Vorgänge des Wandels von Städten zu liefern. Zwar wird es auch hier – wie bei Theorien über Städte oder über Planung generell (vgl. Kap. 2) – keine Theorie geben können, mit der man der Komplexität aller Faktoren des auf die Städte wirkenden Wandels gerecht würde, doch lassen sich vereinfacht zwei Gruppen von Theorieansätzen unterscheiden [Friedrichs 1995: 877ff]: • •
klassische Modelle, die sich aus den Einflussfaktoren auf Stadtstrukturen herleiten, und Phasen-Modelle, die sich aus Faktoren des ökonomischen, demographischen oder kulturellen Wandels herleiten.
Die klassischen Modelle der Stadtentwicklung setzen an den theoretischen Grundlagen für städtebauliche Strukturen an, wie sie bereits in Kapitel 2 („Theorien der
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Abb. 9.1: Phasen der Entwicklung urbaner Systeme nach Herbert/Thomas (Quelle: Herbert/Thomas 1997) Im Falle der Phasen-Modelle – nachfolgend einige Varianten – werden die bestimmenden Faktoren der Entwicklung von Städten anhand von zeitlichen Perioden erklärt. Hierfür gibt es zwar sehr unterschiedliche Ansatzpunkte, aber alle Modelle unterstellen einen regelhaften Verlauf der Entwicklung von Städten, der sich in eine geordnete Abfolge von Phasen gliedern lässt. Ein bekanntes Modell-Schema für die Kennzeichnung von städtischen und städtebaulichen Entwicklungsphasen basiert auf empirischen Untersuchungen von saldierten Bevölkerungsveränderungen einzelner Stadtregionen. Darin werden vier Phasen voneinander unterschieden [van den Berg et al. zit. nach Friedrichs 1995: 879]: • • • •
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Als Ursache für Bevölkerungsveränderungen werden in diesem Modell die ökonomischen Faktoren erachtet, die zur Bevölkerungszunahme einer Stadt bzw. des Stadtkerns (Urbanisierung), zu Stadt-Umland-Wanderungen (Suburbanisierung), zur Bevölkerungsentleerung (Desurbanisierung), aber auch zu einem erneuten Bevölkerungswachstum des Stadtkerns (Reurbanisierung) führen. Ein in eine ähnliche Richtung weisendes Phasen-Modell haben die Stadtgeographen David Herbert und Colin Thomas entwickelt (vgl. Abb. 9.1). Der wesentliche Unterschied zu anderen besteht darin, dass zwei Stufen einer post-industriellen Stadtentwicklung unterschieden werden: In einer ersten Stufe bilden sich Stadtregionen heraus, in einer zweiten Stufe erfährt die Unterscheidung zwischen urbanen und ländlichen Räumen sowie die funktionale Separierung aufgrund der wachsenden Effizienz von Kommunikationsstrukturen eine drastische Reduzierung [Herbert/ Thomas 1997: 77ff]. Andere theoretische Modelle setzen gern an den – mathematisch gut operationalisierbaren – demographischen und ökonomischen Faktoren an, um auf diese Weise die relevanten Triebkräfte der Entwicklung von Städten zu erklären [vgl. Friedrichs 1995; Friedrichs 1978; Tank 1987]. Ein völlig anderes Erklärungsmodell stammt von Lewis Mumford, der in seinem in den 1930er Jahren entstandenen Monumentalwerk „The Culture of Cities“ – unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Vorarbeiten durch Patrick Geddes [Geddes 1915; Internet www.yorku.ca/isin] – folgende sechs Phasen der kulturellen Entwicklung von Städten unterscheidet [Mumford 1938/1970: 284ff]: • • • • •
•
Eopolis – Kristallisationspunkte in Form von dörflichen Gemeinschaften; Polis – Orte mit urbanen Zivilisationen und funktional differenzierten Strukturen; Metropolis – Herausbildung von dominanten Städten und Bedeutungsdifferenzierungen innerhalb von vernetzten Stadtsystemen; Megalopolis – Herausbildung gigantischer Stadtgrößen mit gewaltiger Machtballung, sozialen Konflikten und schwer organisierbaren Siedlungsstrukturen; Tyrannopolis – die Stadt als Aktionsraum von tyrannisierender Kriminalität, Korruption und Gangster-Diktatoren mit chaotischen Konsequenzen für das strukturelle Gefüge von Städten; Necropolis – das Ende der Städte (Mumford: „the city of the dead“).
Die pessimistische Sicht auf die Entwicklungstendenz von Städten bis zu dem finalen Stadium des Todes, die hier zum Ausdruck kommt, ist ein immer wieder aufgegriffenes Thema, nicht nur bei Mumford. Schon im 19. Jahrhundert war dies ein beliebtes Thema bei Kulturkritikern – in Deutschland insbesondere im Umfeld der konservativen großstadtfeindlichen Heimatschutzbewegung [Sieferle 1984: 167ff]. Aber auch in unserer Zeitepoche tauchen solche auf die Entwicklung von Städten projizierten Pessimismen immer wieder auf. Schockierend für die Stadtplaner der frühen 1960er Jahre etwa war das bekannte Pamphlet „The Death and Life of Great American Cities“ der amerikanischen Journalistin Jane Jacobs, in dem das Siechtum und Sterben des Urbanen durch den städtebaulichen Funktionalismus angeprangert wurde [Jacobs 1961]. Auch der im Jahre 1996 von dem französischen
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Soziologen und Kulturkritiker Alain Touraine publizierte Artikel über „Das Ende der Städte?“ zeugt von großer Skepsis: „In welchen Kontext man die Stadtentwicklung auch stellt“, so heißt es bei Touraine, „stets kommt man zu dem Schluss, dass sie zersplittert ist und ihre eigenen Glieder nicht mehr kontrollieren kann. Die Stadt ist nicht mehr länger das Symbol der triumphierenden Moderne, sondern der Zerrissenheit einer Gesellschaft, in der die Wirtschaft immer weniger gesellschaftlich ist“ [Touraine in DIE ZEIT v. 31.05.1996]. Eine extreme Form der Zerrissenheit kann sich – Soziologen und Politikwissenschaftler weisen seit längerem darauf hin und auch Lewis Mumford hatte schon eine entsprechende Vorahnung – in einer Art von Zerstörung urbaner Strukturen zeigen, die als ‘urbicide‘ bezeichnet wird. Dieser Begriff beschreibt destruktive Gewaltexzesse, die sich in urbanen Gebieten entzünden und sich auch von außen auf urbane Strukturen richten. Dieses Phänomen ist keineswegs neu. In der Gegenwart jedoch steht diese Form der Zerstörung des Urbanen in engem Zusammenhang mit urbaner ‘Entwicklung‘, rasantem Stadtwachstum und Globalisierung. Immer wieder sind soziale Verwerfungen oder politische Motive als Ursachen identifizierbar [vgl. Internet www.geography.dur.ac.uk/conf/urbicideworkshop/...]. Von der Brisanz des Themas ‘urbicide‘ zeugt auch die schwerpunktmäßig darauf ausgerichtete Arbeit des Crisis State Research Centre (CSRC) der London School of Economics. Dortige Studien haben ergeben, dass in fragilen Staaten eine beachtliche Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen infolge Urbanisation bestehe, ja dass es eine Verlagerung von „‘peasant wars‘ to ‘urban wars‘“ und eine neue Form von „urban brutality“ gebe, deren Ursachen man mit großem Nachdruck auf den Grund gehen müsse, um soziales Unheil und Stillstand jeglicher Stadtentwicklung zu verhindern [Internet www.crisisstates.com/Research/cafs.htm; mit einem historischen Überblick und Aufgreifen aktueller Ereignisse dieses Phänomens siehe Evans 2009 oder ausführlich Coward 2009; außerdem Berman 1996 mit dem Titel „Falling Towers: City Life After Urbicide“]. Vom nahen Tod der Städte ist auch in dem Buch „Dead Cities“ von Mike Davis, einem führenden Verfechter der „radical urban theory“ [Internet www.rut.com] in den USA, die Rede. Am Beispiel von Las Vegas – eine der am stärksten wachsenden amerikanischen Städte und urbaner Riese inmitten der Wüste – beschreibt er die „sieben Todsünden“ der Stadtpolitik, die jede Weiterentwicklung der Stadt als unverantwortliches Unterfangen erscheinen lassen: „Las Vegas“, so Mike Davis, „hat jede verantwortliche Wasserpolitik aufgegeben; hat die örtliche Regierung geschwächt und sie den Plänen von Privatfirmen unterworfen; hat nur völlig unzureichende öffentliche Räume geschaffen; hat es völlig aufgegeben, sogenannte ’gefährdete Zonen’ einzurichten, die die möglichen Auswirkungen von Naturkatastrophen mildern und für Landschaftsschutz sorgen könnten; hat sich der Diktatur des Automobils unterworfen und hat eine extreme soziale und vor allem ethnische Ungleichheit akzeptiert“ [Davis 2002; deutsche Übersetzung von Petra Steinberger in der Süddeutschen Zeitung v. 22.10.2002]. Solche Thesen, die auf weiten Strecken eher wie Untergangsszenarien anmuten, stehen im Raum und lassen sich unter dem Aspekt der Nachhaltigkeitsdiskussion leicht auf andere Orte und Regionen übertragen. Allerdings gibt es auch dazu
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konträre Auffassungen. Der englische Wissenschaftsjournalist und Zoologe Matt Ridley beispielsweise warnt in seinem Buch „The Rational Optimist“, den urbanen Endzeitpropheten zu viel Gehör zu schenken, denn es ist doch wohl eher ein „triumph of cities“, den wir über die gesamte Geschichte der Menschheit hinweg feststellen können: „Urban opportunities is what people want. In 2008 for the first time more than half the people in the world lived in cities. That is not a bad thing. It is a measure of economic progress that more than half the population can leave subsistence and seek the possibilities of a life based on the collective brain instead. Two-thirds of economic growth happens in cities.“ [Ridely 2010: 157ff, insbes. 188f] Auch der Hamburger Stadtökonom Dieter Läpple wendet sich vehement gegen die Auffassungen vom Sterben der Städte und sieht gar eine „Renaissance der Stadt in der Wissensgesellschaft“ heraufziehen, weil die Städte bzw. „Stadtmetropolen, insbesondere die Kernstädte von Stadtmetropolen ein privilegiertes Innovationsfeld der Wissens- und Kulturproduktion sowie Inkubatoren neuer, postindustrieller Arbeits- und Lebensformen sein werden (...) und es in diesem Sinne auch weiterhin spezifische Formen städtischer Zentralität geben wird“ [Läpple 2003]. Ähnlich argumentiert Peter Hall, indem er – allerdings mehr auf die Globalisierungsdebatte bezogen – konstatiert: „There are problems with the ’death of the city’ formulation“. In seiner Gegenargumentation greift er auf die Modelle von Christaller und Lösch zurück (vgl. dazu Kap. 2) und leitet daraus eine neue Standorttheorie – „A New Theory of Location“ – sowie Überlegungen zu neuen urbanen Formen – „A New Urban Form“ – her. Diese Überlegungen veranlassen Hall schließlich, auf neue urbane Polarisationsprozesse – „A New Urban Polarisation“ – im globalen Kontext hinzuweisen [Hall 2002 im Internet www.alpbach.org]. Auf einen Nenner gebracht lautet die Schlussfolgerung: Die Städte werden nicht verschwinden, sondern sich im Rahmen der Globalisierung in gegenseitiger Konkurrenz lediglich neu formieren. Soweit zu einigen Theorien zur Stadtentwicklung mit ihren manchmal in der futurologischen Einschätzung pessimistischen und optimistischen Pendelausschlägen (zur Futurologie vgl. auch Kap. 11). Theoretisch durchdrungen wird in vielerlei Facetten das Phänomen der Suburbanisierung, worüber zwischenzeitlich differenzierte Erkenntnisse vorliegen, die zeigen, dass es nicht nur eine Stadt-Umland-Wanderung allein von Bewohnern gibt. Vielmehr ist festzustellen, dass andere Akteure nachgezogen haben, ja sogar Einrichtungen der sozialen Infrastruktur wegen ihrer Größe, Erreichbarkeit (Autobahnknoten in der Nähe) etc. an suburbanen Standorten untergebracht werden. Volker Eichener vom gemeinnützigen Institut für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung (InWIS) hat aus der Beobachtung dieses Phänomens ein Sechs-Phasen-Modell der Suburbanisierung entwickelt, dessen ausschlaggebende Parameter ebenfalls die beiden Faktoren Demographie und Ökonomie (als Kosten-Nutzen-Relation) darstellen [Internet www.inwis.de]: • • •
1. Phase: Suburbanisierung der Bevölkerung 2. Phase: Suburbanisierung des Einzelhandels 3. Phase: Suburbanisierung der sozialen Infrastruktur
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• • •
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4. Phase: Suburbanisierung des Gewerbes 5. Phase: Suburbanisierung der Bürostandorte und Firmensitze 6. Phase. Suburbanisierung der kulturellen Infrastruktur
Diese Phasen sind weitgehend identisch mit den einzelnen Schritten eines Entwicklungsprozesses, für den sich in der Stadtplanerterminologie seit einiger Zeit das Schlagwort ’Zwischenstadt’ etabliert hat (nähere Ausführungen dazu am Ende dieses Kapitels sowie in Kap. 8). b) Bevölkerungsentwicklung und Stadtentwicklung Der wohl wichtigste Impuls für die Entwicklung von Städten geht zweifellos von der Bevölkerung einer Stadt oder einer Stadtregion aus. Nimmt die Bevölkerung zu, ist dies meist gleichbedeutend mit räumlich-flächenhaftem Stadtwachstum, sofern keine Bestrebungen vorhanden sind, diesen Zuwachs durch eine höhere Bebauungs- und Bevölkerungsdichte aufzufangen. Eine abnehmende Bevölkerung wiederum geht mit schrumpfenden Stadtstrukturen einher, wie auch immer diese vor allem in stadtstruktureller Hinsicht aussehen mögen. Unabhängig jedoch davon, mit welchem dieser beiden Fälle wir zu tun haben: Grundsätzlich benötigt die Stadtplanung verlässliche Informationen über die bestehende und die zukünftige Bevölkerung.
Abb. 9.2: Bevölkerungsentwicklung und Bevölkerungsprojektion am Beispiel Frankfurt a.M. und Umland (Quelle: UVF 1997) Von den verschiedenen zur Verfügung stehenden Methoden, Bevölkerungsvorausschätzungen zu erstellen, kommen für Städte und Stadtregionen vor allem zwei Verfahrensansätze in Betracht: die Trendextrapolation und das Kohorten-Komponenten-Verfahren (vgl. auch Kap. 5). Außerdem wird zwischen deterministischen und
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stochastischen Ansätzen der Bevölkerungsvorausschätzung unterschieden [vgl. Lipps/Betz 2003]. Entwicklungs-Alternativen schlagen sich im Falle deterministischer Ansätze in einzelnen Szenarien nieder, im Falle stochastischer Ansätze sind sie unter der Annahme von Streuungswahrscheinlichkeiten der Bestimmungsparameter bereits im Modellansatz integriert. Bei der Trendextrapolation werden die Gesamtbevölkerung oder bestimmte gruppenbezogene Teile der Bevölkerung (junge oder alte Personengruppen, Ausländer o.ä.) eines Gebietes über Messungen bzw. Beobachtungen der Vergangenheit erfasst und unter bestimmten Modellannahmen in die Zukunft projiziert. Die Modellannahmen basieren auf dem statistischen Verfahren der Regression, wobei entweder ein linearer oder ein nichtlinearer Verlauf der Entwicklung angenommen wird (vgl. Abb. 9.2). Genauere und differenziertere Bevölkerungsvorausschätzungen erlaubt das Kohorten-Komponenten-Verfahren, das sich methodisch aus dem Bevölkerungsaufbau – der sogenannten Bevölkerungspyramide – und den ihnen zu Grunde liegenden Veränderungsparametern herleitet. Das Prinzip dieses Verfahrens ist in Kapitel 5 (vgl. Abb. 5.21) dargestellt. Zwar liefert das Kohorten-Komponenten-Verfahren gegenüber dem einfachen Trendextrapolationsverfahren ein genaueres Bild von der Einschätzung einer künftigen Bevölkerung in einem abgegrenzten Gebiet, dennoch sind auch hier Unsicherheiten möglich. Dies kann sich gravierend auswirken, wenn auf der Basis einer geschätzten Bevölkerungsentwicklung konkrete städtebauliche Planungen und konzeptionelle Vorstellungen über die Entwicklung einer Stadt herzuleiten sind. Um solche Unsicherheiten zu berücksichtigen, gibt es den Vorschlag, statt eines deterministischen Prognoseansatzes einen stochastischen Ansatz zu Grunde zu legen, bei dem die Streuungswahrscheinlichkeit einzelner Einflussparameter Berücksichtung findet. Abbildung 9.3 zeigt den Bevölkerungsaufbau in einem Kohorten-Komponenten-Modell nach einer solchen stochastischen Prognoserechnung. Werfen wir nun einen Blick auf die Einflussgrößen einer Bevölkerungsvorausschätzung im Einzelnen: Geburtenraten: Sie stellen den entscheidenden Faktor dafür dar, ob eine ortsansässige Bevölkerung in ihrem Umfang erhalten bleibt oder nicht. Wie erwähnt, beziehen sich die Geburtenraten auf die durchschnittliche Zahl der Geburten aller im gebärfähigen Alter befindlichen Frauen. Üblicherweise wird hier die Alterskohorte der 15- bis 45-jährigen Frauen zu Grunde gelegt, wobei sich die Fertilitätsraten nicht gleichmäßig über diese Kohorte verteilen, sondern bei bestimmten Jahrgängen häufiger, bei anderen Jahrgängen weniger häufig auftreten. Bei einer Gesamtbetrachtung ist das Verhältnis aller Geburten zu allen Frauen in der Alterskohorte der gebärfähigen Frauen von entscheidender Bedeutung: Zur Bestandserhaltung einer Bevölkerung müsste diese Verhältniszahl mindestens 2 betragen (wegen möglicher Sterbefälle von jungen Frauen, bevor diese ins gebärfähige Alter kommen, ist aber eine Verhältniszahl von 2,1 zu Grunde zu legen). Wenn diese Zahl überschritten wird, gilt ein Bevölkerungswachstum aufgrund natürlicher Faktoren als gesichert. Sinkt die Zahl unter diesen kritischen Wert, schrumpft die Bevölkerung. Die Zahlen für Deutschland (entsprechendes gilt für ganz Westeuropa) sehen
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allerdings dramatisch aus: Seit Mitte der 1970er Jahre liegt die Fertilitätsrate zwischen 1,3 und 1,4 Kindern; mit Beginn der 1990er Jahre sank sie gar auf 1,1 Kinder, in den neuen Bundesländern betrug sie zeitweise 0,8 Kinder pro Frau [BMI 2001: 27]. Die Konsequenzen für die Stadtplanung und für die Entwicklung der Städte sind gewaltig: Sie reichen von schrumpfenden Städten und sich entleerenden Räumen über eine dramatische Veränderung beim Bedarf an Infrastruktureinrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Universitäten, Sportstätten und Kultureinrichtungen für junge Menschen bis hin zu gravierenden Verschiebungen in der Nachfrage nach Grundstücken und Wohnungen und dem damit verbundenen Preisgefüge [BMI 2001: 33].
Abb. 9.3: Veränderung einer Bevölkerungspyramide auf der Grundlage eines stochastischen Modellansatzes (Beispiel entnommen aus Lipps/ Betz 2003) Sterblichkeiten: Sie sind ein maßgeblicher Faktor bei der Herausbildung einer Bevölkerungspyramide, weil jeder Geburtenjahrgang bzw. jede Kohorte im Laufe seiner natürlichen Alterung allmählich immer kleiner wird. Da aufgrund der Fortschritte im Bereich der Hygiene und der modernen medizinischen Versorgung die Lebenserwartung der Menschen (in den technisch und institutionell hochentwickelten Ländern) kontinuierlich ansteigt, bahnen sich gravierende Verschiebungen in der Altersstruktur an. Die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland beträgt derzeit für Frauen 80 Jahre, für Männer 74 Jahre. Während im Jahre 1960 nur 17% das 60. und 2% das 80. Lebensjahr überschritten, hat sich heute der Anteil der über 60-jährigen auf 24% und der über 80-jährigen auf 4% erhöht [vgl. M. Miegel in DIE
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ZEIT v. 25.07.2002]. Auch dieser Entwicklung, die sich schon heute an der Altersmigration in attraktive urbane Zonen erkennen lässt, werden Stadtplanung und Stadtentwicklungsplanung Rechnung tragen müssen. Es erfordert ein verstärktes Berücksichtigen von Infrastruktureinrichtungen für Senioren, in großem Stil mit Sicherheit aber auch Maßnahmen einer altengerechten Umgestaltung von Städten, Ortschaften und Wohnquartieren.
Abb. 9.4: Zur Bedeutung von Wanderungssalden für eine Stadt Wanderungen: Zu unterscheiden ist hier zunächst zwischen Zu- und Abwanderungen. Werden die Wanderbewegungen (Migrationen) eines Gebiets gegeneinander verrechnet bzw. aufsaldiert, hat man es im Ergebnis entweder mit einer Nettozuwanderung (mehr Zuwanderer als Abwanderer) oder Nettoabwanderung (mehr Abwanderer als Zuwanderer) zu tun. Die Summe aller Zuwanderungen und Abwanderungen wird als Bruttowanderungssumme bezeichnet. Zahlenangaben über Bruttowanderungen können – vor allem im stadtplanerischen Zusammenhang – von großem Interesse sein, weil beispielsweise bei einem Wanderungssaldo von Null bzw. nahezu Null der trügerische Schluss gezogen werden könnte, dass es in der betreffenden Stadt überhaupt keine Migrationsbewegungen gegeben hat (vgl. Abb 9.4). An der Zahl der Bruttowanderungsbewegungen lässt sich jedoch sehr wohl
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ablesen, ob es unter Umständen eine hohe Zahl von Wanderungen gegeben hat, d.h. die betreffende Stadt vielleicht eine besondere Anziehungskraft auf bestimmte Personengruppen ausübt (z.B. Beschäftigte im Hochtechnologie- oder Medienbereich), während sie etwa für Familien mit Kindern an Attraktivität verliert. Wanderungen stellen auch insofern eine enorme Herausforderung für die Stadtplanung und Stadtentwicklungsplanung dar, als hier nicht nur quantitative Aspekte des Mehr oder Weniger von Menschen eine Rolle spielen, sondern in sehr hohem Maße – insbesondere im Falle von Zuwanderungen – auch qualitative Aspekte zum Tragen kommen, von denen die städtebauliche Integration von Zuwanderern unter Berücksichtigung kultureller Unterschiede und Eigenheiten mit zu den wichtigsten Aufgaben gehören dürfte. Die dargestellten Zusammenhänge zwischen Bevölkerungsentwicklung und Stadtentwicklung sind vornehmlich deskriptiv-analytischer Natur. Doch selbstverständlich werden auch und gerade hier normative Vorstellungen formuliert. Hier ist zwar nicht der Ort, die politischen Standard-Diskussionen in Bezug auf Zuwanderung und Immigration aufzugreifen, dennoch sei die Bemerkung erlaubt, dass die dramatische Abnahme der Bevölkerung in einer Größenordnung von etwa einer halben Million Menschen pro Jahr und die Kompensationsmöglichkeiten über eine aktive Einwanderungspolitik nicht immer objektiv thematisiert werden. Was die Zukunft der Städte und die Stadtplanung anbetrifft, so wäre zu wünschen, dass sich normative Überlegungen auch durch die Frage leiten lassen, welche Populationsgrößenordnungen und -verteilungen oder welche Wachstumsraten für eine Stadt erwünscht sind. Und auch initial-evozierende Intentionen spielen in diesem Zusammenhang, wenn auch indirekt, eine Rolle. Man denke etwa an die vielerorts immer noch praktizierte Akquirierung von bestimmten Projekten in der Hoffnung, damit einen Einwohnerzuwachs (und daraus folgend einen höheren Anteil an der Einkommensteuer sowie höhere Besoldungseinstufungen der Stadtbediensteten) herbeizuführen, auch wenn mittlerweile jedem klar sein müsste, dass dies bei insgesamt abnehmenden Bevölkerungszahlen nur Illusion bleiben kann. c) Wirtschaftsentwicklung und Stadtentwicklung Ähnlich wie bei dem Verhältnis zwischen Bevölkerung und Stadtentwicklung stehen auch Wirtschaftsentwicklung und Stadtentwicklung in einer engen Wechselbeziehung. Wenn von der Entwicklung, Fort- oder Weiterentwicklung eines Ortes, einer Stadt oder einer Region die Rede ist, schwingt stets die Vorstellung mit, dass städtebauliche Strukturveränderungen einhergehen mit Veränderungen der Wirtschaftsstruktur. Als im Jahre 1962 Rudolf Hillebrecht, Städtebautheoretiker und Stadtbaurat von Hannover, diese Tatsache auf den Punkt brachte mit seiner Bemerkung, dass die „maßgebliche Bestimmung der Stadtentwicklung eben durch die Wirtschaft“ stattfinde [Hillebrecht 1962], markierte dies den Beginn einer Epoche neuen stadtplanerischen Selbstverständnisses, in der die Stadtökonomie zunehmend das Denken und Handeln der Stadtplaner bestimmen sollte. Auf die Frage, wovon eine Stadt denn eigentlich lebt, folgt üblicherweise eine Aufzählung der wichtigsten ansässigen Betriebe dieser Stadt: Die größten Industrie-
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betriebe mit den meisten Arbeitsplätzen oder den höchsten Steuerabgaben werden erwähnt ebenso wie die Standortfunktion der Stadt, sei es für einen Konzernhauptsitz, eine Hochschule oder einen bedeutenden Sportverein mit großem Publikumszulauf. Die Wirtschaftsförderung als institutionelle Einrichtung auf kommunaler oder regionaler Ebene ist dieser Entwicklungsdomäne zugeordnet, die für entsprechende Standortsicherungen oder Akquisitionen zu sorgen hat. Von den verschiedenen Methodenansätzen, mit denen ökonomische Projektionen in der Stadtentwicklung vorgenommen werden können, sind die wichtigsten [Kaiser/Godschalk/Chapin 1995: 145ff; Helly 1975: 43ff; Internet www.ac.wwu.edu/ ~zaferan; empfehlenswert in diesem Zusammenhang auch Hendry/Ericsson 2001]: • • • • •
die Experteneinschätzung, die Trendextrapolation, das Ratio-share-Verfahren, regionale Wirtschaftsmodelle sowie verknüpfte Projektionen von Bevölkerung und Wirtschaft.
Die Experteneinschätzung, auch Delphi-Verfahren genannt, wurde bereits im Methodenkapitel erläutert. Im Falle ökonomischer Projektionen ist darauf zu achten, dass sich das Expertengremium auch tatsächlich aus den entsprechenden Fachexperten zusammensetzt – Wirtschaftswissenschaftlern, mit wirtschaftlichen Trends vertrauten Verwaltungsfachleuten (z.B. aus der Wirtschaftsförderung, der Liegenschaftsverwaltung etc.) sowie Personen aus dem Bereich der Wirtschaft selbst (Industrie- und Handelskammern, Banker etc.). Auch das Verfahren der Trendextrapolation wurde bereits verschiedentlich angesprochen (vgl. z.B. das Methodenkapitel, Abschnitt „Statistik“). Im vorliegenden Fall ökonomischer Trend-Projektionen ist jedoch zu berücksichtigen, dass Vorausschätzungen auf diesem Gebiet mit noch stärkeren Unsicherheitsfaktoren behaftet sind als etwa im Falle von Bevölkerungsprojektionen. Bei der Extrapolation ökonomischer Trends ist große Vorsicht geboten, weil die Einflussparameter wesentlich zahlreicher sind und auch die Wahrscheinlichkeit singulärer Ereignisse – z.B. die Insolvenz eines großen Unternehmens mit Konsequenzen auf das Steueraufkommen – sehr viel größer ist. Bei der Ratio-share-Technik werden für die Vorausschätzung bezüglich eines Betrachtungsgebietes entsprechende Beobachtungen einer größeren Gebietseinheit zu Grunde gelegt. Dieses Verfahren geht von der Annahme aus, dass die ökonomischen Wachstumsprozesse kleiner Gebietseinheiten bis hin zu jenen auf lokaler Ebene von internationalen oder nationalen Wachstumsprozessen abhängen. Es handelt sich quasi um eine ’Regionalisierung’ von gesamtwirtschaftlichen Größen mit dem Vorteil, dass Wirtschaftsprognosen für übergeordnete Räume häufiger und in abgesicherterer Form vorliegen als für einzelne, kleinere Teilräume. Die Brauchbarkeit dieses Ansatzes hängt allerdings von der Voraussetzung ab, dass es im Verhältnis der beiden Gebietseinheiten einen systematischen Zusammenhang gibt, der Extrapolationen zulässt. Außerdem müssen vergleichbare Daten, insbesondere was die zeitlichen Bezüge und die Aktualität anbetrifft, vorliegen. Eine Verfeinerung
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der Ratio-share-Technik stellt das Verfahren der Shift-share-Analyse dar, bei dem die Wirtschaftsstruktur und deren Entwicklung in strukturspezifische Komponenten zerlegt wird, die zunächst separat analysiert werden, um dann gemeinsam für eine Vorausschätzung verwendet zu werden [vgl. Meise/Volwahsen 1980: 301ff; Kaiser/ Godschalk/Chapin 1995: 147ff]. Die regionalen Wirtschaftsmodelle – in der angelsächsischen Fachliteratur meist unter dem wenig aufschlussreichen Stichwort ’component methods’ aufgeführt [vgl. Eckey 1988: 205ff; Helly 1975: 43ff; Kaiser/Godschalk/Chapin 1995: 147, 150] – knüpfen an der wirtschaftlichen Dynamik einer Stadt oder Region mit einer Vielzahl von Akteuren und Märkten an, die miteinander verflochten sind und auch mit umliegenden Räumen in Austauschbeziehungen stehen. Regionale Wirtschaftsmodelle werden als Instrumente zur Diagnose und Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung verwendet. Es gibt die folgenden Modellansätze: •
•
•
das Exportbasis-Konzept (’economic base analysis’ / ’export base theory’) mit dem Grundgedanken, dass das Wachstum einer Stadt (oder Region) allein vom Umfang der Produktion für den Export in umliegende Regionen abhängt und deshalb diese ’basic economic activities’ von den ’nonbasic activities’, die der lokalen Konsumierung von Gütern dienen, zu unterscheiden sind [vgl. auch Tank 1987: 74ff; Eckey 1995: 281f]; ökonometrische Ansätze (’econometric models’), mit denen über ein System von mathematischen Gleichungen die Beziehungen zwischen ökonomischen Variablen modelliert werden; diese können dann für ökonomische Vorausschätzungen verwendet werden [vgl. Kaiser/Godschalk/Chapin 1995: 164f]; Verflechtungsansätze (’input-output models’), bei denen auf der Grundlage von Input-Output-Transaktionstabellen die sektoralen Verflechtungen innerhalb eines Wirtschaftsraumes abgebildet werden, so dass daraus auch Einschätzungen für zukünftige Entwicklungen – etwa der wirtschaftsstrukturelle Wandel in einer Region mit Wirkung auf andere Regionen oder Wirtschaftssektoren – stattfinden können [vgl. Kaiser/Godschalk/Chapin 1995: 155ff; Meise/Volwahsen 1980: 299ff].
Im Falle der Stadtentwicklungsplanung werden alle diese Methoden der Vorausschätzung nicht in isolierten Betrachtungen vorgenommen, sondern gegenseitig auf Konsistenz zu prüfen sein. Ein wichtiger Ansatz dafür sind miteinander verbundene ökonomisch-demographische Projektionen [Kaiser/Godschalk/Chapin 1995: 165], in deren Verlauf geprüft wird, ob und inwieweit etwa die aus den ökonomischen Entwicklungstendenzen erkennbaren Folgerungen für den Bedarf an Beschäftigten mit der sich abzeichnenden demographischen Struktur in Übereinstimmung stehen bzw. wie diese Übereinstimmung (im Bereich der Demographie etwa durch Zuwanderung) hergestellt werden kann. Als neueres Instrument zur Vorausschätzung von ökonomischen Entwicklungen könnten sich Prognosebörsen auf Grundlage der ‘prediction market‘-Technologie erweisen, wie bereits im Methodenkapitel 4, Abschnitt „Prognosemethoden“, ausführlich dargelegt.
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Schließlich sei an dieser Stelle auch nochmals auf die Rolle von normativen Vorausschätzungen hingewiesen, in deren Verlauf die Projektionen von zukünftigen ökonomischen Veränderungen nicht anhand von gegebenen Trends und Kausalzusammenhängen vorgenommen werden, sondern auf vorgegebenen Zielsetzungen basieren. d) Infrastruktur und Stadtentwicklung Dritte wichtige Säule für das Existieren einer Stadt ist – neben den demographischen Gegebenheiten sowie der Wirtschaft – die Infrastruktur. So ist im Rahmen der Fortentwicklung und des gesteuerten Wandels einer Stadt stets auch die Weiterentwicklung der Infrastruktur im Auge zu behalten. Zeichnen sich etwa Veränderungen in der Wirtschaft oder in den Bedürfnisstrukturen der in der Stadt wohnenden und arbeitenden Menschen ab, ist für die Schaffung entsprechender infrastruktureller Voraussetzungen zu sorgen. Dies gilt für alle vier Teilbereiche der Infrastruktur – materielle, institutionelle, personelle und informationelle Infrastruktur – gleichermaßen (vgl. dazu Kap.1, Abschnitt „Infrastruktur“), wobei die informationelle Infrastruktur als Ausdruck der Wissens- und Informationsgesellschaft bei der Ausgestaltung künftiger Strategien der Stadtentwicklung eine wesentliche Rolle spielen wird. Die drei anderen Infrastrukturbereiche werden dadurch wichtige Veränderungen und Neuerungen erfahren. Im Bereich der materiellen Infrastruktur werden Technologien und die digitale Vernetzung von Informationsverarbeitungs- und Kommunikationssystemen weiter ausgebaut und sich mit den traditionellen Infrastrukturanlagen und -einrichtungen des Verkehr, der Ver- und Entsorgung oder des Gemeinbedarfs (insbesondere Bildungs- und Ausbildungsstätten) etc. zu intelligenten Systemen vereinen. Im Bereich der institutionellen Infrastruktur wird sich die Schaffung von neuen Organisationsstrukturen auf der Grundlage von Internet-Techniken als weiterhin zwingend notwendig erweisen mit einem gleichzeitigen Rationalisierungseffekt in weiten Teilen des Verwaltungshandelns (Stadtverwaltung, Genehmigungsprozeduren per Internet). Und im Bereich der personellen Infrastruktur schließlich wird die Wissensgesellschaft mit den darauf aufbauenden ökonomischen Strukturen ein ständig wachsendes Niveau an Wissen erfordern, dem durch umfassenden, barrierefreien Informationszugang und Möglichkeiten der unbegrenzten Wissenserlangung konsequent Rechnung zu tragen ist. e) Kultur und Kreativität als Motor der Stadtentwicklung Zweifellos gehören Verfügbarkeit und Qualität von Infrastrukturen zu den wesentlichen Standortfaktoren, die die Attraktivität einer Stadt und deren zukünftige Entwicklung maßgeblich und nachhaltig bestimmen [Schöler 1995: 923]. Die ’klassischen’ Standortfaktoren stellen zwar weiterhin einen unverzichtbaren Bestandteil für die Entwicklung von Städten dar, doch sie allein reichen nicht aus, um eine Stadt künftig im Konkurrenzkampf erfolgreich zu positionieren. Als weiterer Faktor, ja gewissermaßen als Motor für die Entwicklung von
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Städten, werden zunehmend ihre kulturelle Basis und das kreative Schaffen der in ihr lebenden Menschen von den Akteuren wahrgenommen. Gelegentlich wird hierfür der Begriff der ’weichen’ Standortfaktoren einer Stadt verwendet, die sich von den ’harten’ Standortfaktoren wie Ressourcenverfügbarkeit, Haltepunkt einer überregionalen Schnellbahn, Flughafen oder Bildungsstätten unterscheiden. In jüngerer Zeit richtet sich das Interesse zunehmend auf diejenigen ’weichen’ Standortfaktoren, die zwar in der klassischen Dreiteilung der Infrastruktur zunächst der personellen Infrastruktur zuzurechnen sind, denen jedoch unter den künftigen Bedingungen der Wissensgesellschaft eine herausragende Qualität zuwächst. Der entscheidende Faktor, möglicherweise der Schlüsselfaktor für die Entwicklungspotentiale von Städten ist das Vorhandensein von kreativen sozialen Milieus, von Menschen also, die ihre individuellen Fähigkeiten in großer Breite und in einer Atmosphäre gegenseitiger Toleranz kreativ entfalten können. Unter den Gegebenheiten der Wissensgesellschaft ist seit einiger Zeit von ‘Talent-Pools‘ die Rede. Gemeint sind damit Gruppen von Menschen, die das soziale und innovative Geschehen in Städten maßgeblich bestimmen und vorantreiben. Ganz neu ist diese Erkenntnis zwar nicht, weil viele Stadtgründungen in der Geschichte des Städtebaus – man denke an die von Hugenotten gegründeten Städte oder an von den utopischen Sozialisten ausgehende soziale Innovationen – eng verbunden sind mit den Aktivitäten kreativer Milieus. Doch mehr noch als in früheren Zeiten baut die Wissensgesellschaft, quasi per definitionem, auf die Potentiale des kreativen, innovativen Wissens sozialer Milieus. Schon seit langem kann beobachtet werden, wie Betriebe und Unternehmen vornehmlich aus dem Bereich des Wissens- und Informationssektors bei der Standortwahl für ihren Hauptsitz und von Dependancen sehr darauf achten, dass neben den harten – materiellen – Infrastrukturen auch die weichen – personellen und kulturellen – Infrastrukturen in adäquater Qualität zur Verfügung stehen. Ein Mix von kreativen Menschen mit unterschiedlichem kulturellen Background, mit differenzierten Lebensstilen in oft sehr unterschiedlichen Wohnmilieus und mit häufig auch ungewohnten Positionen zur Einbindung in die Arbeitswelt bildet diese Talent-Pools, die eine wichtige Ressource für die Entwicklung einer Stadt bilden. In ihrem Buch „The Cultures of Cities“ hat Sharon Zukin nachgewiesen, dass kultureller Background ein dominanter Faktor von Städten ist und in seiner Bedeutung ebenso hoch einzuschätzen ist wie ökonomische Strukturen oder politische Institutionen [Zukin 1995]. Daran knüpft sich allerdings die Frage an, welche Bedingungen eine Stadt denn nun erfüllen muss, um einen guten Nährboden für die Herausbildung von TalentPools vorzuweisen. In einer breit angelegten, internationalen Studie – Amsterdam, Barcelona, Genf, London, Mailand, München und Paris – gelangen Martijn Arnoldus und Sako Musterd von der Universität Amsterdam zu der Erkenntnis, dass folgende Faktoren eine wesentliche Rolle spielen: Stadtgefüge mit historisch-kulturellem Hintergrund, Vorhandensein von Universität/Fachhochschule und/oder Kunstakademie; internationale Orientierung mit einer traditionellen Toleranz gegenüber Zu- und Einwanderern [Arnoldus/Musterd 2002]. Kultur und Kreativität werden als Motor künftiger Stadtentwicklungen, so die Schlussfolgerung der Autoren, noch an Bedeutung zunehmen – nicht nur in metropolitanen und großstädtischen Kontexten, son-
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dern auch in Städten mittlerer Größe oder gar kleineren Ortschaften, sofern dort der soziale ’Humus’ stimmt. Allerdings ist vor übertriebene Hoffnungen zu warnen. Mit Blick auf eine Reihe von vielleicht nicht gescheiterten, aber doch nachdenklich stimmenden kunstaffinen Projekten kommen kritische Beobachter im Hinblick auf die Potentiale kreativer Milieus zu folgenden Schlussfolgerungen: „The arts are certainly crucial to the cultural health of a successful city, region or nation. But to expect an arts centre or festival to be the primary trigger of regeneration has been the fallacy of a generation. (...) Today, everyone is a creative, and ‘creativity‘ is a skill one can learn“ [Crichton-Miller/Linklater 2010].
Stadtentwicklungsplanung Gegenstand der Stadtentwicklungsplanung ist die Fort- bzw. Weiterentwicklung einer Stadt in ihrer Gesamtheit. Eine wohlverstandene Stadtentwicklungsplanung beschränkt sich deshalb nicht nur auf Teilbereiche einer Stadt oder Teilaspekte städtebaulicher Aufgaben, sondern hat die komplexe Verzahnung aller Aspekte einer Stadt im Blick. Unter Stadtentwicklungsplanung wird deshalb jede kommunale Entwicklungsplanung verstanden, die in sachlicher und zeitlicher Hinsicht alle gemeindlichen Planungsaufgaben wie Bauleitplanung und Fachplanungen, Finanz- und Personalplanungen mit dem Ziel der bestmöglichen Entwicklung der Stadt als Ganzes zu einem quasi einzigen Planungsvorgang zusammenfasst. Die Stadtentwicklungsplanung setzt also den Rahmen für alle anderen kommunalen Planungen. Exemplarisch seien hier genannt: die Bauleitplanung in Gestalt der Flächennutzungsplanung; die Verkehrsplanung in Form eines Verkehrsentwicklungsplans; die Planung von Wohnfolge- und Gemeinbedarfseinrichtungen wie z.B. die Aufstellung eines Schulentwicklungsplans; die mittelfristige Finanz- und Haushaltsplanung einer Stadt. Was aber unterscheidet nun die Stadtentwicklungsplanung von anderen Planungsarten und -formen? Zunächst zum Unterschied zur Stadtplanung: Während sich der Begriff Stadtplanung auf jegliches planerische Tun in einer Stadt bezieht, hat die Stadtentwicklungsplanung den Anspruch einer „umfassenden Steuerung kommunaler Entwicklungsprozesse“ [Hesse 1976: 84]. Der Akzent liegt auf den Begriffen ’umfassend’ und ’Steuerung’, woraus sich folgende Abgrenzungsmerkmale herleiten lassen: Erstens strebt die Stadtentwicklungsplanung eine Integration von verschiedenen planerischen Einzelaufgaben innerhalb einer Stadt an, damit der gesamte Stadtorganismus auf Dauer funktionsfähig erhalten wird. Zweitens zielt die Stadtentwicklungsplanung über das Instrument der mittelfristigen Finanzplanung auf eine aktive Steuerung von Entwicklungsabsichten. Die Zusammenführung der Finanzplanung mit den Entwicklungsabsichten einer Stadt führt zwangsläufig zu Rangfolgen und Prioritätenlisten für kurz-, mittel- und langfristig zu tätigende Maßnahmen oder Projekte. Als nächstes wäre eine Unterscheidung zwischen Stadtentwicklungsplanung
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und städtebaulicher Rahmenplanung zu treffen, die notwendig ist, weil die Stadtentwicklungsplanung häufig als diejenige Planungsform angesehen wird, die „den Rahmen für eine insbesondere den sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Erfordernissen dienende städtebauliche Entwicklung und Ordnung des Gemeindegebietes einschließlich der raumwirksamen Investition der Gemeinde und deren Zeitund Rangfolgen“ beinhaltet [vgl. Dolde/Keinath 1981: 45f]. Stadtentwicklungsplanung hat damit die Funktion einer städtebaulichen Rahmenplanung, allerdings nicht in der Art, wie wir sie bereits im Zusammenhang mit der städtebaulichen Gestaltungsplanung (vgl. Kap. 6) und der Stadterneuerung (vgl. Kap. 8) kennengelernt haben. Während die städtebauliche Rahmenplanung im Kontext der Stadtentwicklungsplanung einen eher abstrakten Rahmen für später zu konkretisierende planerische Einzelmaßnahmen oder Fachplanungen auf gesamtstädtischer Ebene liefert, ist der städtebauliche Rahmenplan im Kontext von städtebaulichen Gestaltungsaufgaben mehr ein städtebaulicher Entwurf auf Stadtteil- oder Baublockebene, der den Rahmen für die spätere Aufstellung von Bauleitplänen bildet. Fließende Übergänge bleiben gleichwohl bestehen und wurden durch die Novellierung des Baugesetzbuches im Jahr 2004 noch verstärkt, wo im Zusammenhang mit dem Thema Stadtumbau das Vorliegen eines „Stadtentwicklungskonzepts“ (§ 171b BauGB) gefordert wird, auch wenn dies dann doch im Sinne eines städtebaulichen Rahmenplans zu verstehen ist. Schließlich wäre noch eine Unterscheidung zwischen Stadtentwicklungsplanung und Flächennutzungsplanung zu treffen. Beiden Plankategorien ist derselbe räumliche Umgriff zu eigen, der das jeweilige Stadtgebiet komplett beinhaltet. Während aber der Flächennutzungsplan (vgl. Kap. 3 und Kap. 7) quasi eine statische Planunterlage über Vorstellungen zur zukünftigen Nutzungsverteilung in einer Stadt darstellt, liefert die Stadtentwicklungsplanung die programmatischen Aussagen, aus denen sich die Flächennutzungsplanung herleitet. Die Stadtentwicklungsplanung dient somit der Vorbereitung des Flächennutzungsplans [vgl. Baldauf 1977: 54ff]. Im Gegensatz zur formellen Flächennutzungsplanung (formell aufgrund der Verfahrens- und inhaltlichen Ausgestaltungsvorschriften nach dem Baugesetzbuch) handelt es sich bei der Stadtentwicklungsplanung um eine informelle Planung (vgl. Kap. 3). Durch Beschlüsse der zuständigen politischen Gremien (Stadt- bzw. Gemeinderat) kann sich die Stadt bzw. Gemeinde jedoch qua Selbstbindung zur einer Umsetzung des Plans im Verlaufe weiterer städtebaulicher Planungen verpflichten. Neben der eher auf einen umfassenden Ansatz zielenden ’klassischen’ Form haben sich in der praktischen Arbeit einige weitere Spielarten der Stadtentwicklungsplanung herausgebildet und als zweckmäßig erwiesen, wie z.B.: •
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Stadtentwicklungsplanung in kleinen Schritten, bei der – analog zum inkrementellen Ansatz der Planung (vgl. Kap. 2) – der zeitliche Zielhorizont mit einem einmal gesetzten Zielbild relativiert und zugunsten kleiner Teilschritte modifiziert wird; Stadtentwicklungsprogramm statt Stadtentwicklungsplan, um damit den vorbereitenden Charakter der Planung für nachfolgende Planungen besser zum Ausdruck zu bringen;
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Stadtteilentwicklungsplanung, die sich nicht mehr auf den gesamten räumlichen Umgriff einer Stadt oder eines Ortes bezieht, sondern nur auf Teilbereiche (etwa zur Vorbereitung einer Stadterneuerungsmaßnahme); die Übergänge zu städtebaulichen Rahmenplänen der in Kapitel 6 und 8 genannten Form sind in diesem Fall indes fließend.
Parallel zum städtischen Raum gibt es auch eine Entwicklungsplanung für Landkreise oder für Orte im ländlichen Raum (Kreisentwicklungsplanung, Dorfentwicklungsplanung). Auch auf regionaler Ebene existieren analoge Begrifflichkeiten, etwa die Gebietsentwicklungsplanung im Land Nordrhein-Westfalen, bei der es sich allerdings um eine übliche Regionalplanung mit entsprechenden kartographischen Plandarstellungen handelt. Die Stadtentwicklungsplanung wird nun hinsichtlich ihrer strategischen Bedeutung, ihrer organisatorischen Grundlagen sowie der zur Verfügung stehenden Methoden noch etwas ausführlicher dargestellt. a) Stadtentwicklungsplanung in strategischer Hinsicht Eine der vornehmsten Aufgaben der Stadtentwicklungsplanung besteht darin, strategische Ziele für eine Stadt zu definieren. Es geht hierbei also darum, Zukunftsvorstellungen für eine Stadt zu gewinnen und den zu beschreitenden Weg dorthin aufzuzeigen. Über die strategische Bedeutung der Stadtentwicklungsplanung ist viel geschrieben worden. Bis auf den heutigen Tag ist prägnant geblieben, was Norbert J. Lenort im Jahre 1961 in seinem Schlüsselwerk zur Stadtentwicklungsplanung dazu ausgeführt und als die „konstitutiven Elemente des Leitbilds einheitlicher Gestaltung“ von Städten und Stadtregionen bezeichnet hat, nämlich [Lenort 1961: 161f]: • • • •
Verbesserung der Lebenslagen aller Bürger, Stärkung der wirtschaftlichen Leistungskraft, Sicherung der Funktionsfähigkeit des Gesamtorganismus und Pluralität der Ordnungskräfte.
Die nach diesen vier Punkten ausgerichteten Tätigkeiten und Maßnahmen sind nach Lenort als Strategie der Stadtentwicklungsplanung zu betrachten, die letztendlich die Steuerung aller Entwicklungsprozesse einer Stadt (oder einer Region) beinhaltet. Die Stadtentwicklungsplanung hat bei der Steuerung der Entwicklungsprozesse in erster Linie eine Integrations- und eine Koordinierungsfunktion zu erfüllen in Bezug auf die verschiedenen Kompetenzenträger von Planungsaufgaben, das räumliche Nebeneinander sowie die zeitliche Abfolge aller Maßnahmen. Üblicherweise werden unter Berücksichtigung der örtlichen und überörtlichen Entscheidungsstrukturen vier Funktionen der kommunalen Entwicklungsplanung voneinander unterschieden [Hesse 1976: 86ff]:
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die Integrationsfunktion – durch die Entwicklungsplanung findet eine Integration von sektoralen oder Teilbereichsplanungen unter Einbeziehung ihrer Raum-, Zeit-, Sozial- und Finanzdimension statt; die politische Steuerungsfunktion – die Entwicklungsplanung wird als strategisches Instrument zur Steuerung der kommunalen Gesamtentwicklung benutzt; die Komplementaritätsfunktion – die Entwicklungsplanung sorgt für eine vertikale Integration von Planungen übergeordneter Gebietskörperschaften; die Legitimationsfunktion – die Entwicklungsplanung tritt als Ausdruck politischadministrativer Handlungsfähigkeit in Erscheinung.
Die strategische Bedeutung der Stadtentwicklungsplanung in dem hier dargelegten Sinne zielt, um es nochmals hervorzuheben, auf ein umfassendes Konzept städtischer Entwicklungssteuerung. Dieser Anspruch wird in der Gegenwart allerdings, da sich das planerische Selbstverständnis seit den 1960er und 1970er Jahren nun doch gravierend gewandelt hat (vgl. Kap. 1), nicht mehr in vollem Umfange erhoben. Statt dessen stehen städtebauliche Einzelprojekte im Vordergrund – die gleichwohl geschickt als strategische Maßnahme zur Stadtentwicklung vermarktet werden. „Integrierte Konzepte der Stadtentwicklungsplanung“ – so das Thema eines gemeinsamen Workshops des Deutschen Städtetages und des Deutschen Instituts für Urbanistik [vgl. Difu-Berichte 1/2004: 12ff] – zeigen aber, dass man sich in der Fachöffentlichkeit von Zeit zu Zeit an die ursprünglichen Intentionen zum strategischen Wert der Stadtentwicklungsplanung erinnert. b) Stadtentwicklungsplanung in organisatorischer Hinsicht Jede Stadtentwicklungsplanung, soll sie überhaupt auf den Weg gebracht werden, bedarf institutioneller Vorkehrungen mit einer effektiven Organisationsstruktur. In der Regel steht eine entsprechende Organisationseinheit innerhalb der Verwaltung als ’Dienststelle für Entwicklungsplanung’ zur Verfügung, wobei unterschiedliche Konstruktionsformen denkbar sind [Ahrens/Zierold 1986: 75ff; DifuBerichte 1/2004: 12ff]: als Stabsstelle, die wegen der strategischen Bedeutung direkt der Stadtspitze (Oberbürgermeister/in) unterstellt ist; als eigenes Dezernat für Stadtentwicklung, das neben dem Dezernat für das Bauen (Hochbau, Tiefbau etc.) existiert; als Bestandteil eines Planungsdezernats oder als Abteilung des Stadtplanungsamtes. Abbildung 9.5 veranschaulicht die Organisationsform der Stadtentwicklungsplanung innerhalb der Verwaltungshierarchie als eigenes Dezernat. Nicht selten befinden sich übrigens ’Entwicklungsplanung’ und ’kommunale Statistik’ in einer gemeinsamen Funktionseinheit, wobei diese Konstruktion, wie erwähnt, datenschutzrechtliche Bedenken hervorrufen kann. Der institutionelle Rahmen der Stadtentwicklungsplanung ist jedoch keineswegs auf diese Organisationsformen beschränkt, sondern kann deutlich weiter gesteckt sein. In seiner wegweisenden Studie über die Entwicklungsplanung nennt bereits Norbert J. Lenort eine Reihe anderer relevanter Institutionen: Arbeitsgemeinschaften, Baulandgesellschaften, Trägerorganisationen, Planungsverbände, Koordinierungsstellen z.B. nach dem Landesplanungsrecht, Siedlungsverbände und Zweck-
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verbände sowie andere für die Stadtentwicklung einschlägige Institutionen [Lenort 1961: 200ff und 243].
Abb. 9.5: Beispiel der organisatorischen Einbettung der Stadtentwicklungsplanung innerhalb der Hierarchie einer Stadtverwaltung (Quelle: Difu) Komplettiert wird der institutionelle Rahmen schließlich durch Organisationsstrukturen, die eine einheitliche und gezielte Finanzierung von Maßnahmen ermöglichen und das Resultat der Stadtentwicklungsplanung sind. Lenort gibt zu bedenken, dass „die Wirksamkeit (...) bei der Verwirklichung einheitlicher Gestaltungsgrundsätze“ weitgehend davon abhänge, ob auch „ihre finanziellen Probleme durch wirklichkeitsnahe und dauerhafte Regelungen gelöst werden können“ [Lenort 1961: 212]. Dies könne nur einhergehen mit einer mittelfristigen Finanzplanung innerhalb der Stadt; es kann sich aber auch, wie Lenort gleichfalls vorschlägt, auf finanzwirtschaftliche Verbünde in Stadtregionen erstrecken: auf der Grundlage gemeinsamer Investitionsfonds, gegenseitigen Finanzausgleichs oder regionaler Wirtschaftsverbände [Lenort 1961: 220ff und 243]. c) Stadtentwicklungsplanung in methodischer Hinsicht Die Methoden der Stadtentwicklungsplanung sind ebenso vielfältig wie die Vorstellungen darüber, was die Stadtentwicklungsplanung strategisch, inhaltlich und räumlich eigentlich bewirken soll. In der ’klassischen’ Form der Stadtentwicklungsplanung – mit dem Ergebnis eines Stadtentwicklungsplans – sind folgende Aussagenbereiche vorgesehen [Bihr/ Veil/Marzahn 1979: 5.3]: • • • • •
bauliche Maßnahmen ökologische und umweltpflegerische Maßnahmen wirtschaftsfördernde Maßnahmen bevölkerungswirksame Maßnahmen Maßnahmen im Finanz- und Haushaltswesen
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Da der Umfang einer städtebaulichen Entwicklungsplanung von den jeweiligen örtlichen Verhältnissen abhängt, ist dieser Katalog im konkreten Fall weiter zu differenzieren und zu ergänzen. Die grundsätzliche Vorgehensweise bei einer Stadtentwicklungsplanung besteht aus fünf Einzelschritten [Lenort 1961: 33ff und 236; Baldauf 1977: 53; Albers 1995: 882; als englischsprachige Quelle vgl. etwa Kaiser/Godschalk/Chapin 1995: 405ff]: • • • • •
Bestandsaufnahme, die eine kontinuierliche Beobachtung und Analyse laufender Entwicklungen relevanter Parameter einer Stadt miteinschließt; Entwicklung eines Leitbilds bzw. von Zielvorstellungen für verschiedene Zeithorizonte (Lenort spricht von „praktischen Axiomen“); Feststellung der Entwicklungsmöglichkeiten und -alternativen; Formulierung des Programms und Koordination der planerischen Aussagen; Durchführung und Überwachung der Zielerfüllung.
Abb. 9.6: Internetauftritt der Stadt Regensburg zum Stadtentwicklungsplan (Ausschnitt) Aus methodischer Sicht interessante Beispiele für Stadtentwicklungsplanungen jüngeren Datums sind: der „Regensburg-Plan 2000 – Leitziele zur Stadtentwicklung“ [Internet www.regensburg.de]; der „Stadtentwicklungsplan Heilbronn 2000Plus – Leitbilder, Ziele, Maßnahmen“ [Internet www.heilbronn.de] oder „Stadtentwicklung Leipzig“ [Internet www.leipzig2030.de]. Vor allem die Stadt Regensburg greift bei ihrem Entwurf zum Stadtentwicklungsplan 2000 und späteren „Regensburg-Plan 2005“ in Methodik und Darstellungsweise auf bewährte Schemata zurück, wie wir sie aus den 1960er und 1970er Jahren kennen und wie sie oben in ihren Grundzügen dargelegt wurden. Abbildung 9.6 zeigt einen Ausschnitt aus dem Einstiegsdokument zu diesem Stadtentwicklungsplan im Internet.
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d) Stadtentwicklungsplanung und Computereinsatz Der Computereinsatz hat in der Stadtentwicklungsplanung von Anfang an, d.h. seit der Einführung dieses städtebaulichen Planungsinstruments, eine signifikant wichtige Rolle gespielt. Drei Gründe sind dafür zu nennen: Ein Grund war, dass die Verfügbarkeit der Computertechnik für Domänen außerhalb des Rechnens und mathematischen Kalkulierens (’computing’ im ursprünglichen Sinne) und die Entstehung der Stadtentwicklungsplanung zeitlich zusammenfielen und sich damit ein interessantes Experimentierfeld für mathematische Modellierungsmethoden und rechnergestützte Simulationsverfahren eröffnete. Ein zweiter Grund ergab sich zudem aus dem Anspruch der Stadtentwicklungsplanung, ein Instrument für die umfassende Steuerung aller Prozesse einer Stadt oder einer Stadtregion sein zu wollen, was sich als Problemfeld von enormer Komplexität erwies, das man allein durch die damals neuen Techniken der Informationsverarbeitung in den Griff zu bekommen glaubte. Drittens herrschte mit dem zeitgleichen Aufkommen der Systemtheorie (vgl. Kap. 4) eine heute fast euphorisch anmutende Technikgläubigkeit, die sich auch auf die Möglichkeiten des Einsatzes der Computertechnologie bis hin zur Modellierung sozialer Prozesse in Stadt und Raum erstreckte. So lag es auf der Hand, die Computertechnik im Zuge von Stadtentwicklungsplanungen intensiv einzusetzen, weil es hierbei – nach dem damaligen Verständnis – hauptsächlich um das quantifizierende Modellieren von verschiedenen Aspekten und Sachverhalten ging. Auf der Grundlage dieser Vorstellung wurden Systeme entwickelt, die letztendlich alle darauf abzielten, die Komplexität urbaner Prozesse anhand von kybernetischen Modellen, die in Computersystemen implementiert wurden, durchschaubar und handhabbar zu machen. Einige der damals entwickelten Systeme dürften auch heute noch so manchen visuellen Eyecatcher, den wir als Non-plus-ultra für die Modellierung von Stadtentwicklungsprozessen im Internet vorgeführt bekommen, in den Schatten stellen. Drei dieser ’alten’ Systeme mit ihren recht ausgeklügelten methodischen Konzeptionen sind es durchaus wert, kurz in Erinnerung gerufen zu werden. Besonders erwähnenswert sind: • • •
das Simulationssystem POLIS, das Simulationssystem SIARSSY und das Planungsinformations- und Analyse-System KOMPAS der Stadt München.
Das in den frühen 1970er Jahren am Frankfurter Batelle-Institut entwickelte POLISSystem war von vornherein als Tool für das spezielle Anwendungsanliegen der Stadtentwicklungsplanung angelegt; Köln und Wien dienten als Referenzstädte zur Erprobung dieses Systems. Vorbilder aus den USA, insbesondere das „Urban Dynamics“-Modell von Jay W. Forrester, standen bei der Entwicklung Pate [Forrester 1969]. Da das POLIS-System gelegentlich noch heute herber Kritik ausgesetzt ist – manchmal wird es gar als abschreckendes ’Monstrum der Computergläubigkeit’ bezeichnet –, sollen einige der wichtigsten Merkmale dieses Modells bzw. Systems nachfolgend kurz vorgestellt werden.
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Abb. 9.7: Simulationsmodell POLIS: Zusammenwirken der Modellkomponenten im Kontext der Stadtentwicklung (oben) und der den Modellen zu Grunde liegenden Dimensionen (unten) POLIS basierte auf drei ineinander verzahnten Planungsmodellen, die als Instrument der Stadtentwicklungsplanung zum Einsatz gebracht werden sollten, und zwar [Batelle Institut 1973: 17, 23f]:
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Modelle der städtischen Gesamtentwicklung, die es erlauben, Entwicklungschancen und -spielraum einer Stadt im regionalen und überregionalen Zusammenhang abzuschätzen (Gegenstand der Modellierung war Wachstum; heute wären wohl auch Konsolidierungs- und Schrumpfungsmodelle hinzuzufügen); Modelle der räumlichen Stadtentwicklung, die es ermöglichen, die räumliche Verteilung städtischer Aktivitäten innerhalb des Planungsraums und die Auswirkungen alternativer Varianten der räumlichen Stadtentwicklung erkennbar zu machen (Verteilungsmodelle); Modelle zur Bewertung der Planungsvarianten, die aufgrund eines formalisierten, durchschaubaren und nachvollziehbaren Ablaufs dazu beitragen, die Rationalität bei der Entscheidung zwischen den Varianten zu erhöhen (Bewertungsverfahren).
Die Systementwickler stellten außerdem einen Katalog der Eigenschaften auf, die gewissermaßen als Kriterien für die Nützlichkeit des Systems fungierten und auch heute noch als Maximen zur Modellierung komplexer Systeme für die Stadtentwicklungsplanung geeignet erscheinen. Mit folgenden Eigenschaften sollte das System ausgestattet sein [Batelle Institut 1973: 23]: •
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mit einem Grad an räumlicher Differenzierung, der es ermöglicht, räumliche Verteilungsprozesse abzubilden und deren Ergebnisse zu problemadäquaten raumrelevanten Aussagen heranzuziehen; mit einem Grad an zeitlicher Differenzierung, der es ermöglicht, die zeitliche Entwicklung des Planungsraums so abzubilden, dass die Phasen der Veränderung als Grundlage für das Planen von Eingriffen sowie das Ausmaß und die Abfolge der Auswirkungen dieser Eingriffe erkennbar sind; mit einem Umfang an inhaltlicher Differenzierung, der die einen Planungsraum verändernden Kräfte in abgewogener Weise so weit unterteilt, dass es möglich wird, die vielschichtigen Wechselwirkungen und Einflüsse dieser Kräfte auf die relevanten Aspekte der Stadtentwicklung zu erfassen; mit einer ’Maßnahmenorientiertheit’, welche die wesentlichen Eingriffsmöglichkeiten der Stadtentwicklungsplanung berücksichtigt und es erlaubt, die Auswirkungen unterschiedlicher Kombinationen von Planungsmaßnahmen zu überprüfen; mit einer ’Benutzerfreundlichkeit’, die einen einfachen, ökonomischen und übersichtlichen Informationsaustausch mit dem Benutzer ermöglicht; mit einer Offenheit (Flexibilität) in der Modellstruktur, die es gestattet, spezifische Anforderungen hinsichtlich Erweiterung des Modells oder Vertiefung einzelner Elemente zu berücksichtigen.
Dieser Katalog von zu erfüllenden Eigenschaften wirkt – selbst nach fast vierzig Jahren – noch keineswegs antiquiert. Im heutigen Sprachgebrauch würde man sagen, dass es auch damals schon um Komplexitätshandhabung im Interesse einer nachhaltigen Planung ging, auch wenn diese Stichworte nicht ausdrücklich fielen. Die Systemkomponenten von POLIS (vgl. Kap. 4, Abb. 4.15) beinhalteten alles, wo-
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rum wir uns auch heute im Zuge der ’nachhaltigen Stadtentwicklung’ bemühen: Mensch, Umwelt, Ökonomie und bauliche Gestaltung. Abbildung 9.7 zeigt nun in Ergänzung dieser Darstellung, wie die Modellkomponenten im Kontext und Prozess der Stadtentwicklung zusammenwirken und welche räumlichen, zeitlichen sowie inhaltlichen Dimensionen mit den entsprechenden methodischen Modellierungsansätzen zu Grunde gelegt wurden.
Abb. 9.8: Modellkomponenten und Verfahrensablauf des Simulationsmodells SIARRSY In eine ähnliche Richtung war auch das Planungsmodell und Simulationssystem SIARSSY intendiert; das Kürzel steht hier für Programmsystem zur „simulativen Analyse regionaler und städtischer Systeme“. Auch hier gab es Anknüpfungspunkte
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aus den USA (und der Schweiz), und auch hier beeindruckt im Rückblick das modern anmutende Konzept, das jeder Nachhaltigkeitsdiskussion in der Stadtplanung und Stadtentwicklung auch heute noch alle Ehre machen würde [Popp et al. 1973]. Auch im Falle von SIARSSY, das im Kanton Zürich, in Bern und Mannheim zur Anwendung kam, steht die Stadt- und Regionalentwicklung im Mittelpunkt des Modellansatzes; das System war also in klassischer Weise auf Stadtentwicklungsplanung ausgerichtet. Einen Eindruck von der beachtlichen Kapazität dieses Systems vermitteln die zwei zentralen Graphiken in Abbildung 9.8. Die bei jeder Stadtentwicklungsplanung letztendlich entscheidenden Kosten- und Finanzierungsfragen sind entsprechend ihrem Stellenwert dargestellt. Beiden Systemen, POLIS wie auch SIARSSY, war keine lange Lebensdauer vergönnt. Die allgemeine Kritik lautete: die Ergebnisse der Simulationsrechnungen sind unanschaulich und die in den Systemen modellierten Prozesse schlecht nachvollziehbar. Am Ende wurden diese Systeme als das Endergebnis einer wissenschaftstheoretischen Welle, alles quantifizieren zu wollen, verworfen. Das einzig Positive an der ganzen Sache schien zu sein, dass man bei der Konzipierung solcher Modelle gelernt hatte, reale Prozesse und systemische Zusammenhänge in der Wirklichkeit besser zu durchschauen – ein erster Ansatz in Richtung vernetzten Denkens. Die Unanschaulichkeit der damaligen Systeme war wirklich ein ernstzunehmendes Manko, zumal Planung und ihre Ergebnisse immer auch Laien – Politikern und Bürgern – verständlich gemacht werden müssen. Tatsächlich erlaubten es die damaligen Systeme nur in sehr beschränktem Maße, Anschaulichkeit herzustellen. Vor allem waren technische Gründe dafür verantwortlich, weil die graphische Datenverarbeitung damals noch in den Kinderschuhen steckte und vom multimedialen Internet gleichfalls noch nichts erkennbar war. Dennoch gab es auch zu dieser Zeit schon computergestützte Ansätze, die anschauliche Resultate hervorbrachten und sich deshalb gerade für Prozesse der Stadtentwicklung eigneten. Als herausragendes Beispiel wäre das „Kommunale Planungsinformations- und Analysesystem“ der Stadt München (KOMPAS) zu nennen, das bedauerlicherweise (aus kommunalpolitischen Gründen) nie so recht die Aufmerksamkeit erhielt, die ihm gebührte (siehe Abb. 5.18) Dieses Raum- bzw. Flächenbeobachtungssystem – von der Stadt München auf der Grundlage von Baufertigstellungen (und Zusatzerhebungen) entwickelt – erlaubte es, Nutzungen und Nutzungsänderungen im Baubestand qualitativ und quantitativ festzustellen. Wie Abbildung 5.18 im Kapitel „Städtebauliche Strukturplanung“ zeigt, ist das Ergebnis dieser Erhebungen eine thematische Karte, in der jedes Gebäude bzw. Bauwerk verzeichnet ist, symbolisch dargestellt mit einer Kreis- bzw. ’Torten’-Graphik. Die Größe des Kreises verhält sich proportional zur Bruttogeschossfläche (Summe aller Flächen im Gebäude/Bauwerk); die einzelnen Segmente innerhalb eines jeden Kreises repräsentieren die Anteile der einzelnen Nutzungen (Wohnen, gewerbliche Nutzung etc.). Auf diese Weise lassen sich sehr genau nicht nur signifikante und auffällige Nutzungsänderungen beobachten, sondern auch langsam sich vollziehende, schleichende Nutzungsänderungen, die zu einer städtebaulichen Strukturveränderung von Baublöcken oder ganzen Stadtteilen
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führen können. Da dieses Verfahren – im Gegensatz zu luftbild- oder satellitengestützten Raum- und Flächenbeobachtungsverfahren – auch von außen nicht feststellbare Nutzungsänderungen erfasst, läge der Schluss nahe, es zum unverzichtbaren Bestandteil eines jeden die Stadtentwicklungsplanung vorbereitenden und begleitenden computergestützten Monitoringsystems zu machen. Ein solches System wäre auch eine wertvolle Hilfe im Rahmen einer von Fachleuten immer wieder vorgeschlagenen und geforderten Flächenhaushaltspolitik, die im jährlichen Turnus qua Flächenbericht Rechenschaft über die Inanspruchnahme von Flächen gibt [ARL 1987; ARL 1999]. Eine internetgestützte Version würde es zudem erleichtern, eine breite Öffentlichkeit zu informieren bzw. zu sensibilisieren in einer Weise, wie wir es in den Vereinigten Staaten im Zusammenhang mit dem Thema ’urban sprawl’ bereits seit langem kennen.
Abb. 9.9: Öffentlichkeitsarbeit im Zuge der Stadtentwicklungsplanung in Pittsburgh (Quelle: Internetauftritt der Stadtverwaltung) Alles bis hierher im Zusammenhang mit Möglichkeiten des Computereinsatzes in der Stadtentwicklungsplanung Dargestellte und Erörterte mag wie ein wehmütiger Rückblick auf ein ’Goldenes Zeitalter’ erscheinen, das längst abgeschlossen ist. Das Gegenteil jedoch ist der Fall: Die Renaissance in diesem Bereich ist in vollem Gange, nicht zuletzt, weil die instrumentellen Möglichkeiten, deren Nichtvorhandensein früher zu den beschriebenen Frustrationen geführt hat, jetzt in der gewünschten Form und Bandbreite zur Verfügung stehen. Das just in der Gegenwart sich entwickelnde Geoweb – das mit Geoinformationen und Geobezügen ausgestattete Internet – dürfte diesen Trend noch weiter beschleunigen. Die Überlegung allerdings, dass große Stadtmodellierungssysteme nach dem
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Vorbild von „Urban Dynamics“, POLIS oder SIARSSY schon bald wieder en vogue sein könnten, macht derzeit wenig Sinn, da zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Stadtentwicklung eher auf losgelöste Einzelmaßnahmen zielt. Stattdessen sollte ganz pragmatisch nach exemplarischen Ansätzen des Computereinsatzes im Bereich der heutigen Stadtentwicklungsplanung Ausschau gehalten werden. Grundsätzlich lassen sich computergestützte Methoden mit spezifischer Relevanz speziell für die Stadtentwicklungsplanung folgendermaßen klassifizieren: •
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Erfassungs- und Analysemethoden, unter denen insbesondere Methoden der Bevölkerungs-, Wirtschafts- und Raumstatistik einschließlich der auf statistischen Informationen basierenden Raum- bzw. Flächenbeobachtungsmethoden, etwa nach dem KOMPAS-Vorbild, eine wichtige Rolle spielen; Darstellungs- und Präsentationsmethoden, mit denen Entwicklungsabsichten visualisiert und an die interessierte Öffentlichkeit herangetragen werden können; exemplarisch sei hier Stadt Pittsburgh mit ihrem Downtown-Plan erwähnt (vgl. entprechenden Einstiegsteil in Abb. 9.9); Simulationsmethoden, mit denen Entwicklungsabläufe in Struktur und Gestalt von Städten oder Stadtregionen nachvollzogen und in die Zukunft projiziert werden können. Koordinationsmethoden, mit denen das für eine Stadtentwicklungsplanung verwendete Wissen verschiedener Akteure miteinander verknüpft werden kann.
Die in der Zusammenstellung aufgeführten Simulationsmethoden bedürfen noch einer etwas genaueren Erläuterung, nicht zuletzt, um an ihnen den Wandel der technischen Möglichkeiten und die neuen Potentiale des Computereinsatzes zu demonstrieren (die drei übrigen Bereiche sind bereits an anderer Stelle ausreichend gewürdigt worden). Neu an den heutigen Simulationsverfahren im Bereich der Stadtentwicklung ist, dass ihnen, im Gegensatz zu den 1970er Jahren, für die dynamische Visualisierung von Stadtentwicklungsprozessen und ihre Veranschaulichung in Struktur und Gestalt eine allgemein verfügbare Informationsplattform zur Verfügung steht: das Internet mit seinen vielfältigen hypermedialen Verknüpfungsmöglichkeiten. Abbildung 9.10 zeigt zwei Beispiele, die hier nur als Bildfolgen wiedergegeben sind; auf der diesem Buch beiliegenden DVD befinden sich die Vollversionen als dynamische Sequenz. Im ersten Beispiel handelt es sich um das Ergebnis einer Studie zum Thema ‘urban sprawl‘, einer Untersuchung zum Problem der Flächeninanspruchnahme im internationalen Vergleich (verglichen wurden die Städte und Stadtregionen Stuttgart, Leipzig, Portland und Los Angeles). Um ein Bild von künftig zu erwartenden Flächeninanspruchnahmen zu gewinnen, wurden unter verschiedenen Modellannahmen (kompakte Stadt, ’sprawl’ etc.) sowie methodisch den zellulären Automaten ähnlich (vgl. Kap. 4) auf einer Raster-GIS-ähnlichen Grundlage Entwicklungsszenarien bis in das Jahr 2030 hinein generiert. Der Betrachter kann in der dynamischen Sequenz auf beeindruckende Weise mitverfolgen, wie Punkt für Punkt Freiflächen zu bebauten Flächen umgewandelt werden [Hagedorn/Wolf 2000; vgl.
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auch beiliegende DVD]. Das zweite Beispiel stammt aus städtebaulichen Experimentalstudien, die das Ziel hatten, mit wenigen Parametern einen dynamischen Simulationsprozess zur Generierung städtebaulicher Strukturen in einer vorgegebenen Geländesituation in Gang zu setzen. Die Bildsequenz in der Abbildung zeigt den Prozess in Einzelbildern; zur genaueren Betrachtung wird gleichfalls auf die beiliegende DVD verwiesen.
Abb. 9.10: Computersimulationen von Stadtentwicklungsprozessen: GIS-gestützte Simulation von Flächeninanspruchnahme im Großraum Stuttgart (oben); Modellierung von Stadtwachstum auf der Basis eines ‘Stadtgenerators‘ (unten) Beide Beispiele zeigen, in welche Richtung die Simulationsmodellierung in der Stadtentwicklungsplanung künftig gehen wird: dynamische Visualisierungen, einfache Handhabung der Systemkomponenten, einheitliche Plattform für die mediale Wiedergabe, wenige Schlüsselparameter zur Steuerung der Prozesse. Bei der Weiterentwicklung wird man in Zukunft allerdings vermehrt darauf achten müssen, dass sich diese Modelle auch für fachlich nicht geschulte Benutzer eignen, die experi-
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mentell mit solchen Systemen umgehen wollen, um selbst etwa Stadtentwicklungsalternativen zu generieren; die Nähe zu kommerziellen Spielprogrammen ähnlicher Ausrichtung (z.B. „Simcity“) braucht, wie schon an anderer Stelle zum Ausdruck gebracht, keineswegs ein Nachteil zu sein. Gewinnbringend für neue Einsichten dürften auch ‘Crowdsourcing‘-Aktivitäten auf derartigen Plattformen sein.
Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen nach dem Planungsrecht Während es sich bei der Stadtentwicklungsplanung mit ihrem Endprodukt Stadtentwicklungsplan (oder Stadtentwicklungsprogramm) um eine informelle Planung handelt, stellt die ’Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme’ wieder eine formelle Planform dar, die nach den Vorschriften des in Deutschland geltenden Baugesetzbuches zu bearbeiten ist [vgl. umfassend Bunzel/Lunebach 1994]. Das Instrument der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme fand im Jahre 1971 Eingang in das Städtebaurecht, und zwar zunächst in das Städtebauförderungsgesetz (StBauFG), gemeinsam mit der städtebaulichen Sanierungsmaßnahme (vgl. dazu die entsprechenden Ausführungen in Kap. 8). Beide Planinstrumente sind hinsichtlich ihrer verfahrensrechtlichen Regelungen sehr ähnlich. Einen gravierenden Unterschied gibt es allerdings: Während die städtebauliche Sanierungsmaßnahme die Verbesserung von bereits bestehenden städtebaulichen Situationen etwa durch Behebung baulicher Mängel zum Ziel hat, geht es bei einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme grob gesprochen um die Schaffung neuer Siedlungseinheiten. Die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme hat bereits eine recht wechselvolle Geschichte hinter sich. Seit 1971 im Städtebauförderungsgesetz verankert, wurde sie bei der Zusammenführung von Bundesbaugesetz und Städtebauförderungsgesetz zum neuen Baugesetzbuch im Jahre 1987 für verzichtbar gehalten und tauchte als planungsrechtliches Instrument überhaupt nicht mehr auf. Doch bereits 1990 führte man angesichts der damals erheblich gestiegenen Nachfrage nach Wohnraum das Instrument der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme wieder ein, indem es – zunächst zeitlich befristet – in das Maßnahmengesetz zum Baugesetzbuch (BauGB-MaßnahmenG) aufgenommen wurde. Im Jahre 1993 wurde die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme wieder als Dauerrecht in das Baugesetzbuch übernommen. Mit den Voraussetzungen haben sich im Laufe der Zeit auch die Anwendungsmöglichkeiten für städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen erheblich verändert. Während in den 1970er Jahren die Schaffung neuer Orte (wie z.B. MeckenheimMerl bei Bonn), die Entwicklung vorhandener Orte zu Siedlungseinheiten oder die Erweiterung von Orten um neue Ortsteile Gegenstand von städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen waren, können Gemeinden nach dem jetzt geltenden besonderen Städtebaurecht des Baugesetzbuches (§§ 165-171 BauGB) folgende Entwicklungsmaßnahmen einleiten:
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Außenentwicklungsmaßnahmen als erstmalige Entwicklung von Ortsteilen und anderen Teilen des Gemeindegebietes entsprechend der angestrebten Entwicklung des Landesgebietes oder der Region; Innenentwicklungsmaßnahmen als städtebauliches Vorhaben, um im Rahmen von Neuordnungen bestimmte Ortsteile oder andere Teile des Gemeindegebietes einer neuen Entwicklung zuzuführen.
Außenentwicklungsmaßnahmen beziehen sich also auf bisher unbebaute Gebiete, Innenentwicklungsmaßnahmen auf bislang schon baulich genutzte Flächen, die brachgefallen sind, eine Minderausnutzung zeigen oder als Konversionsflächen (z.B. vormals militärisch genutzt) eine völlig neue Entwicklungsoption erhalten sollen.
Abb. 9.11: Ablauf einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme nach dem deutschen Städtebaurecht Eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme ist für die zuständige Stadt bzw. Gemeinde an einige Voraussetzungen geknüpft. Sie kann nur dann eingeleitet werden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind [vgl. ausführlich etwa Braam 1999: 243f; Spannowsky/Uechtritz2009: 1492ff]: •
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Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der zügigen Durchführung einer solchen Maßnahme; das Wohl der Allgemeinheit hat im Vordergrund zu stehen wie z.B. bei der Deckung eines erhöhten Bedarfs an Wohn- und Arbeitsstätten, der Errichtung von Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen oder der Wiedernutzung brachliegender Flächen; Nachweis, dass die angestrebte städtebauliche Entwicklung nur über eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme erreichbar und kein anderes städtebauliches Instrument, insbesondere ein städtebaulicher Vertrag, zur Erreichung der Ziele geeigneter ist; Gewährleistung einer zügigen Durchführung innerhalb eines überschaubaren Zeitraums; Bereitschaft der betroffenen Grundstückseigentümer, ihre Grundstücke an die
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Gemeinde zu einem Preis zu verkaufen, der von der beabsichtigten Entwicklungsmaßnahme unbeeinflusst ist. Der Ablauf einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme, die mit den Schritten Vorbereitungs-, Durchführungs- und Abschlussphase dem einer städtebaulichen Sanierungsmaßnahme sehr ähnlich ist (vgl. Abb. 9.11), sieht wie folgt aus: a) Vorbereitungsphase In der Vorbereitungsphase wird anhand entsprechender Beurteilungsunterlagen geprüft, ob die Voraussetzungen zur Einleitung einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme erfüllt sind. In einem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Münster aus dem Jahre 1997 wird die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme als „schärfstes Schwert des Städtebaurechts“ [vgl. OVG Münster v. 1.12.1997-10a D 62/94.NE] bezeichnet, so dass große Sorgfalt im Umgang mit diesem weitreichenden Instrument der Stadtplanung gefordert ist. Der Nachweis der Erfüllung aller rechtlich gebotenen Voraussetzungen ist unabdingbar. Dass mancherorts die Vorstellung um sich griff, die jeweils örtliche Bauland- und Wohnungsproblematik durch den Einsatz des Entwicklungsrechts zügig – und mit weitreichender finanzieller Förderung – bewältigen zu können, hat sich nicht selten als irrig erwiesen. Ein herausragender und wohlbegründeter Anwendungsfall für den Einsatz des Instruments der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme stellt das in den 1990er Jahren entstandene Parlaments- und Regierungsviertel in Berlin dar, dessen Eignung als Entwicklungsmaßnahme durch § 247 Abs. 7 BauGB – „die Entwicklung der Parlaments- und Regierungsbereiche in Berlin entspricht den Zielen und Zwecken einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme“ – zudem ausdrücklich geregelt ist. Im Falle des Voraussetzungskriteriums ’erhöhter Bedarf an Wohn- und Arbeitsstätten’ ist es zwingend erforderlich, dass dieser Bedarf auch tatsächlich nachgewiesen wird. Methodisch geschieht dies über entsprechende Bedarfs-Prognosen, die sehr sorgfältig durchzuführen sind. Nach der einschlägigen Rechtsprechung ist der quantitative Nachweis durch inhaltliche und methodische Plausibilität sowie über eine Beurteilung der Quantifizierung des erhöhten Wohnbedarfs zu einem Gesamtergebnis zu bringen [Ebbing 1998]; zudem hat „die Gemeinde die Prognose unter Ausschöpfung aller ihr mit zumutbarem Aufwand zugänglichen Erkenntnisquellen zu ermitteln“ [Spannowsky/Uechtritz 2009: 1494]. Prognosemethoden sind also im Zuge von städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen in höchstem Maße relevant (vgl. Kap. 4) und deshalb auch Hauptbestandteil der dafür vorgesehenen „vorbereitenden Untersuchungen“. Insgesamt sind in der Vorbereitungsphase für eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme, die ähnlich wie die städtebauliche Sanierungsmaßnahme ein städtebauliches Ausnahmerecht darstellt, folgende Verfahrensschritte einzuhalten [detailliert vgl. Braam 1999: 246ff]:
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Nachweis des erhöhten Bedarfs an Wohn- und Arbeitsstätten (§ 165 Abs. 3 BauGB) durch Prognoserechnungen und Gegencheck, inwieweit brachliegende Flächen der Gemeinde wiedergenutzt werden könnten; Durchführung einer Grobanalyse: Abgrenzung des Untersuchungsgebietes, Beurteilung der Erforderlichkeit und Realisierbarkeit der Entwicklungsmaßnahme; Beschluss über den Beginn von „vorbereitenden Untersuchungen“ mit Festlegung des Untersuchungsgebietes sowie anschließender ortsüblicher Bekanntmachung; Durchführung von „vorbereitenden Untersuchungen“ (§ 165 Abs. 4 BauGB): Bestandsanalyse (städtebauliche Situation, Eigentumsstruktur und Grundstückswertermittlung sowie Vorgaben aus der Landes-, Regional- und Flächennutzungsplanung), Erarbeitung eines Entwicklungskonzepts einschließlich Finanzierungsplanung und Unterbreitung eines Vorschlags für die Abgrenzung eines förmlich festzulegenden Entwicklungsbereichs; Erörterung mit den Betroffenen, Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden bzw. Träger öffentlicher Belange; Entwicklungsbereichssatzung: Beschluss über die förmliche Festlegung des städtebaulichen Entwicklungsbereiches mit genauer Bezeichnung und Abgrenzung des Gebietes (§ 165 Abs. 6 BauGB); Vorlage der Satzung einschließlich Begründung der Notwendigkeit der vorgesehenen Entwicklungsmaßnahme bei der höheren Verwaltungsbehörde zur Genehmigung (§ 165 Abs. 7 BauGB); Ortsübliche Bekanntmachung der Satzung und der erteilten Genehmigung mit Hinweis auf nun künftig genehmigungspflichtige Vorhaben und Rechtsvorgänge im Entwicklungsbereich; die Entwicklungsbereichssatzung wird hierdurch rechtsverbindlich (§ 165 Abs. 8 BauGB);
Die Vorbereitungsphase, insbesondere der Satzungsbeschluss zieht – analog zur städtebaulichen Sanierungsmaßnahme – erhebliche Rechtsfolgen nach sich. Dies betrifft vor allem die erheblichen Einschränkungen hinsichtlich der eigentumsrechtlichen Verfügbarkeit an Grund und Boden oder die Genehmigungspflicht für zahlreiche Rechtsvorgänge. Die betroffenen Grundstücke erhalten zu diesem Zweck alle einen Entwicklungsvermerk im Grundbuch. b) Durchführungsphase In der Durchführungsphase geht es um die Realisierung der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme. Sie umfasst die Konkretisierung des Entwicklungskonzepts, Erschließungs- sowie Baumaßnahmen und läuft folgendermaßen ab: •
Erstellung eines konkreten Entwicklungskonzepts (städtebauliche Rahmenplanung) und/oder Durchführung eines städtebaulichen Wettbewerbs mit anschließender Aufstellung von Bebauungsplänen; eventuelle Einschaltung eines Entwicklungsträgers;
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•
• •
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Grundstückserwerb im gesamten Entwicklungsbereich durch die Gemeinde (Grundstückspreise unbeachtlich von entwicklungsbereichsbedingten Wertsteigerungen), Bodenordnung, Umzug von Bewohnern und Betrieben, Freilegung von Grundstücken, Herstellung und Änderung von Erschließungsanlagen, sonstige Maßnahmen im Hinblick auf die Durchführung von Baumaßnahmen; Baumaßnahmen: Errichtung neuer Gebäude sowie Herstellung öffentlicher Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen; Realisierung von städtebaulichen Ausgleichsmaßnahmen; Reprivatisierung der Grundstücke; Abschöpfung entwicklungsbedingter Bodenwertsteigerungen; Ermittlung von Entschädigungsleistungen der Gemeinde und Ausgleichsbeträgen der Eigentümer (§ 154 BauGB).
c) Abschlussphase In der Abschlussphase einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme wird das städtebauliche Ausnahmerecht wieder zurückgenommen, indem die Aufhebung der förmlichen Festlegung des Entwicklungsgebietes als Satzung (§ 162 BauGB) mit ortsüblicher Bekanntmachung stattfindet und eine Löschung des Entwicklungsvermerks im Grundbuch vorgenommen wird. Auch die Kosten- und Finanzierungsfragen sind bei städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen denen der städtebaulichen Sanierung sehr ähnlich (§§ 164a und 164b BauGB). Städtebauförderungsmittel durch Bund und Land stehen im Mittelpunkt des Interesses der Städte und Gemeinden. Über die Zuteilung von Städtebauförderungsmitteln treffen Bund und Länder jährlich eine entsprechende Verwaltungsvereinbarung (z.B. die VV-Städtebauförderung 2010 v. 28.04.2010/22.07.2010), aus der sich die Finanzhilfen für städtebauliche Sanierungs- und städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen in den einzelnen Bundesländern ergeben. In dieser Verwaltungsvereinbarung werden auch thematische bzw. inhaltliche Schwerpunkte der Förderung definiert. Zwar ist zwischen städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen und städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen nicht immer eine ganz scharfe Trennung möglich – man denke etwa an Flächenkonversionen im Innenstadtbereich –, dennoch wurden im Hinblick auf städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen darin die folgenden thematischen Fokussierungen vorgenommen [Internet www.bmvbs.de, Rubrik „Städtebauförderung 2010“]: • • •
„Stadtumbau“ für die Anpassung an den demographischen und strukturellen Wandel in Ost und West; „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ für die Innenentwicklung; „Soziale Stadt“ für integrativ-offene Ansätze in benachteiligten Quartieren und sozialen Brennpunkten – auch im nicht-investiven Bereich und gerade zur gesellschaftlichen Integration;
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„Städtebaulicher Denkmalschutz“ für den Erhalt historischer Stadtkerne und Stadtquartiere in Ost und West; „Kleinere Städte und Gemeinden“ zur Sicherung der Daseinsvorsorge in ländlichen oder dünn besiedelten Räumen; „Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen“ in Ost und West.
Speziell im Zusammenhang mit Stadtumbaumaßnahmen, die zunehmend die städtebauliche Entwicklung Deutschlands bestimmen, sind in der Verwaltungsvereinbarung 2010 auch weitergehende Bestimmungen aufgeführt, um vor allem Finanzhilfen zu vergeben, damit sich die Gemeinden „frühzeitig auf Strukturveränderungen vor allem in Demographie und Wirtschaft und auf die damit verbundenen städtebaulichen Auswirkungen einstellen“ können. Förderfähig sind dann aufgrund eines städtebaulichen Entwicklungskonzepts: • • • • •
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die Vorbereitung der Gesamtmaßnahme: Erarbeitung (Fortschreibung) von städtebaulichen Entwicklungskonzepten einschließlich Bürgerbeteiligung; die städtebauliche Neuordnung sowie die Wieder- und Zwischennutzung von Industrie-, Verkehrs- und Militärbrachen; Verbesserung des öffentlichen Raums, des Wohnumfeldes und der privaten Freiflächen; die Anpassung der städtischen Infrastruktur einschließlich der Grundversorgung; die Aufwertung und der Umbau des Gebäudebestandes unter Erhaltung von Gebäuden mit baukultureller Bedeutung, wie z.B. die Instandsetzung und Modernisierung von das Stadtbild prägenden Gebäuden; Wieder- und Zwischennutzung freigelegter Flächen; sonstige Bau- und Ordnungsmaßnahmen, die für den Stadtumbau erforderlich sind; der Rückbau leerstehender, dauerhaft nicht mehr benötigter Gebäude oder Gebäudeteile oder der dazu gehörigen Infrastruktur; Leistungen von Beauftragten.
Nach Durchführung einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme steht im Idealfall ein nach zeitgemäßen Gesichtspunkten strukturell wohlgeordnetes, baulich gestaltetes und unter Finanzierungs- und Eigentumsaspekten vernünftig realisiertes Projekt zur Verfügung.
Anknüpfungspunkte für gegenwärtige Stadtentwicklungskonzepte Alle Städte versuchen, jeweils für sich ein tragfähiges städtebauliches Zukunftskonzept zu definieren, um die eigene Existenz zu sichern und sich gegenüber Konkurrenten zu behaupten. Es wird deshalb annähernd so viele Stadtentwicklungskonzepte geben wie es Städte gibt, nicht zuletzt auch, um durch individuelle Alleinstellungsmerkmale Akzente gegenüber anderen zu setzen. Wenn wir jedoch nach Anknüpfungspunkten für Stadtentwicklungskonzepte suchen, werden wir von
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diesen individuellen, singulären Gegebenheiten abstrahieren und nach generellen bzw. grundlegenden Tendenzen Ausschau halten. Nachfolgend wird auf einige für relevant erachtete Anknüpfungspunkte eingegangen. a) Stadtentwicklung in der Ökonomie der Aufmerksamkeit Von der sogenannten ’Ökonomie der Aufmerksamkeit’ war schon an anderer Stelle die Rede (vgl. Kap. 2). Ihre Prinzipien besagen, dass im Zeitalter der Massenmedien und digitalen Verbreitung von Informationen nicht mehr allein die Realökonomie mit monetären Strukturen und Prozessen die entscheidende ökonomische Rolle spielt, sondern die Erlangung von Aufmerksamkeit. Nur das, was Aufmerksamkeit und Beachtung hervorruft oder Attraktivität generiert, hat Chancen, sich ökonomisch durchzusetzen. Diese Beschreibung könnte man auch nach herkömmlichem Verständnis gelassen zur Kenntnis nehmen, wenn diese Art der ’neuen’ Ökonomie letztendlich dazu führt, dass sie Wirkungen auf die alte Ökonomie entfaltet – und in materieller Form Geld fließt. Diese ’alte’ Form der Ökonomie wird aber zunehmend in Frage gestellt. Diejenigen nämlich, die sich mit diesem ’neuen’ ökonomischen Phänomen befassen, geben zu bedenken, dass die ’Ökonomie der Aufmerksamkeit’ weniger mit materiellen Werten (etwa Geld) als mit immateriellen und entmaterialisierten Werten (Wissen) zu tun hat: „Die volkswirtschaftlich entscheidende Frage bei der Kapitalisierung der Aufmerksamkeit“, so Georg Franck, „ist die der Aufteilung der geistigen Gesamtarbeit auf ihre direkte produktive Widmung (...) und Vermittlung von Wissen“ [Franck 1993; Franck 2000]. Selbst wenn wir einige generelle Zweifel an einem derart massiven ökonomischen Paradigmawechsel hegen, so müssen wir doch feststellen, dass die Städte sich den Gesetzmäßigkeiten der Aufmerksamkeitsökonomie bereits seit langem unterworfen haben – erkennbar an folgenden beispielhaft zu nennenden Aktivitäten: • • • • •
• • •
Errichtung städtebaulicher Highlights und Dominanten – meist manifestieren sich diese in der Bauform des Hochhauses; Schaffung überregional bedeutsamer Infrastruktur – z.B. Haltepunkte von Hochgeschwindigkeitsbahnen auch in Provinzstädten; Etablierung von Standorten der Wissensvermittlung und Wissensproduktion – bevorzugt Hochschul- oder öffentliche Forschungseinrichtungen; Akquirierung und Sicherung von Zentralen großer Betriebe – möglichst global agierender Konzerne; Realisierung eines Aufmerksamkeit erzeugenden und gut sortierten Internetauftritts – vorzugsweise mit einem leicht erinner- und auffindbaren sowie internationalen Sprachkontexten entsprechenden Domainnamen; Herstellung von Medienpräsenz – von der lokalen Zeitung bis hin zu regional oder überregional bedeutsamen Radio- oder Fernsehstationen; Bereitstellung von Applikationen – ‘Apps‘ – für mobile Kommunikationsgeräte wie Tablettcomputer und Smartphones; Erzeugung und Lancierung aufmerksamkeitsbezogener Labels und Metaphern.
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Alle diese Aktivitäten – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen – können als Ausdruck des Paradigmas von ’Aufmerksamkeitsökonomie’ gedeutet werden. Es bliebe allerdings auch hinzuzufügen, dass sich nicht alle diese Aktivitäten monetär rechnen, auch nicht die mit großem Aufwand betriebenen Events wie EXPO’s, internationale Sportaustragungen oder Kulturveranstaltungen. Eine wichtige Rolle spielt für viele Städte auch die Exklusivität von Events, Festivals und anderen Kulturaktivitäten. Bemüht wird dabei gern der Begriff des Alleinstellungsmerkmals – so wie dies in ihrer Vorbildfunktion die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages in ihrem Abschlussbericht 2007 als Empfehlung an die Länder und Kommunen vorgemacht hat, nämlich „darauf hinzuwirken, dass Städte und Regionen Kultur als Alleinstellungsmerkmal für ihr Tourismusmarketing benutzen“ [Enquete-Kommission Kultur 2007: 358]. Und was den Einsatz des Internets für Städte und Kommunen in der Ökonomie der Aufmerksamkeit betrifft, so treffen wir auf ein ziemlich zwiespältiges Meinungsbild, das zwischen alten Denkkategorien der Geldökonomie und neuem Denken der Aufmerksamkeitsökonomie oszilliert. Zwar werden Internetauftritte – bis hin zur Einbeziehung von sozialen Netzwerken im Web 2.0 oder ‘Apps‘ – allerorts für unabdingbar gehalten, doch gleichzeitig wird von Entscheidungsträgern in Kommunen hin und wieder die Frage aufgeworfen, welchen Nutzen denn ein zweifelsohne personalintensiver Internetauftritt bringe – wobei unter Nutzen allein oder überwiegend die monetären Vorteile verstanden werden. Solchen Zweifeln und Bedenken ist entgegenzuhalten, dass es in der Ökonomie der Aufmerksamkeit eben nicht entscheidend ist, wieviel Geld in den Wirtschaftskreislauf der jeweiligen Kommune oder Region fließt, sondern wieviel Aufmerksamkeit interessierten Mediennutzern abgerungen werden kann. Die Frage, ob man auf eine mediale Präsenz verzichten kann, wird auf Dauer niemand ernsthaft stellen können. Mediale Präsenz wird auch in Zukunft im Zentrum stadtentwicklungspolitischer Bemühungen stehen. Die Stadt selbst ist letztendlich ein Medium für Werbung in vielen Facetten – real und im Internet. Stadtwerbung im Internet, werbewirksame Erstellung von Weblogs und Mikroblogging-Plattformen sowie Geoweb-Aktivitäten zur räumlichen Lenkung von Aufmerksamkeit werden zentraler Bestandteil aller denkbaren Stadtentwicklungskonzepte sein. b) Nachhaltige Stadtentwicklung Derzeit wohl am häufigsten frequentierter Anknüpfungspunkt für Stadtentwicklungskonzepte ist das Thema Nachhaltigkeit. In Deutschland und weltweit gibt es kaum ein vergleichbar dominantes Stichwort im Zusammenhang mit stadtentwicklungspolitischen Vorstellungen wie das der ’nachhaltigen Entwicklung’ mit dem angelsächsischen Pendant ’sustainable development’. Zudem wird in allen einschlägigen Diskussionen immer wieder die Neuartigkeit des Nachhaltigkeitsgedankens im Bereich der Stadtentwicklung hervorgehoben, so als wäre jetzt endlich das ultimative Leitbild für alle Zeiten gefunden. Von einem wirklichen Novum des Nachhaltigkeitsgedankens in der Stadtentwick-
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lungsplanung kann jedoch nicht die Rede sein. Vielmehr war das Thema Stadtentwicklung von Anbeginn seiner wissenschaftlichen Durchdringung genuin mit dem der Nachhaltigkeit verbunden. Im Jahre 1961 stellte Norbert Lenort – in der ersten wichtigen deutschsprachigen Publikation zum Thema Entwicklungsplanung – diese Verknüpfung her: “Entwicklungsplanung (...) ist der Inbegriff für alle Formen sozialgestalterischer Einflussnahme, mit denen in bestimmten Raumeinheiten die Schaffung, nachhaltige Sicherung und ständige Verbesserung der materiellen und immateriellen Voraussetzungen (...) angestrebt wird“ [vgl. Lenort 1961: 162]. Wir wollen aber auch nicht verhehlen, dass die schlagwortartige Verwendung das Wort Nachhaltigkeit zu einer beliebig anwendbaren Worthülse gemacht hat, die dem eigentlich positiven Sinngehalt abträglich ist. Mit einem Hauch von britischem Humor hat Andrew Palmer – Analytiker und „jargon fighter“ im Economist [The World 2008] – folgende Worte dazu gefunden: „‘Greenwash‘ is the environmental version of whitewash [Schönfärberei; B.S.] (...) Sustainability will spread everywhere. The green shoots of jargon will flourish (...).“ Vielleicht genügt es zu wissen, dass Nachhaltigkeit begrifflich für so ziemlich alles steht, was dauerhaft sein soll. Die Frage ist aber, ob auch künftige Akteure oder nachfolgende Generationen die heute aus unserer Weltsicht definierte Dauerhaftigkeit für bestimmte Dinge in gleicher Weise und mit derselben Weltsicht akzeptieren wie wir. Doch bleiben wir beim Thema nachhaltige Stadtentwicklung als zu konkretisierendem Handlungsfeld. Wenn Entwicklungskonzepte für Städte einschließlich der sie umgebenden Region erarbeitet werden, die sich mit dem Label ‘nachhaltig‘ versehen lassen, dann geht es speziell um die bereits in Kapitel 1 behandelten vier Dimensionen: •
• •
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Ökologie: Stadtentwicklung unter Vermeidung von Irreversibilitäten bei der Inanspruchnahme von natürlichen Ressourcen und außerdem Beachtung des Klimaschutzes (z.B. Flächeninanspruchnahme für Siedlungszwecke minimieren, Energiesparsamkeit und -effizienz anstreben, ökologisches Gleichgewicht und Kreislaufwirtschaft herstellen sowie ökologischen Fußabdruck verbessern); Ökonomie: Stadtentwicklung auf der Basis einer langfristig stabilen Wirtschaftsstruktur (z.B. Branchenmix, stabile kommunale Finanz- und Haushaltssituation); Soziale Nachhaltigkeit: Stadtentwicklung mit der Intention einer langfristigen Sicherung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen, ihrer sozialen Netzwerke und individuellen Entfaltungsmöglichkeiten (z.B. Bildung und Ausbildung, demographische Stabilität, Sicherheit und Multikulturalität); Kultur: Stadtentwicklung unter Wahrung und Pflege der kulturellen Ressourcen (insbesondere des baukulturellen Erbes).
Den breitesten Raum in der Nachhaltigkeitsdiskussion nimmt zweifellos die ökologische Dimension ein. Die Priorisierung der „ökologischen Nachhaltigkeit“ gegenüber den anderen Aspekten der Nachhaltigkeit wird damit begründet, dass aus dem Bereich der Ökologie heraus „für die städtebauliche Planung allgemein gültige Handlungsansätze formuliert werden können“, während jene – also Ökonomie, Soziales
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und Kultur – „nur in einem partizipatorischen Prozess beurteilt werden können“ [Koch 2001: 32]. Ein für die Raum- und Stadtplanung im Rahmen der Nachhaltigkeitsdiskussion ganz wesentlicher, inhaltlicher Schwerpunkt ist das Thema Flächenhaushaltspolitik. Stadt- und Raumplaner, die sich aus ihrem beruflichen Selbstverständnis mit der Allokation von Flächennutzungen zu befassen haben, sind letztendlich immer auch gefordert, als ’Anwalt der Ressource Fläche’ ihren Sachverstand in die politische Diskussion einzubringen, Der Begriff ’Flächenhaushaltspolitik’ ist angesichts einer in den Siedlungsräumen unverkennbaren und exorbitanten Flächeninanspruchnahme – vulgo: ’Flächenverbrauch’ – für Siedlungszwecke (einschließlich Infrastrukturanlagen) von einem wissenschaftlichen Arbeitskreis der deutschen Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) bereits im Jahre 1987 geprägt und 1999 präzisiert worden [ARL 1987; ARL 1999]. Eine den Grundsätzen der Nachhaltigkeit entsprechende Flächenhaushaltspolitik verfolgt danach zwei Kernziele [ARL 2004: 2]: 1) die weitere Ausdehnung von Siedlungs- und Infrastrukturflächen nicht nur deutlich zu verringern – von 105 ha im Jahre 2003 auf 30 ha im Jahre 2020 –, sondern sie langfristig durch eine Kreislaufwirtschaft vollständig zu ersetzen (Mengenziel); 2) die ökologischen Qualitäten der Ressource Fläche zu erhalten, die von unabwendbaren neuen Flächenbeanspruchungen ausgehenden Beeinträchtigungen in qualitativer und quantitativer Hinsicht vollständig auszugleichen sowie auf bereits genutzten, devastierten Flächen die ökologischen Funktionen wiederherzustellen (Qualitätsziel). Auch in der Nachhaltigkeitsstrategie der deutschen Bundesregierung aus dem Jahre 2002 nimmt das Thema Flächeninspruchnahme neben dem der demographischen Veränderungen, der Energie und alternativen Kraftstoffe einen zentralen Raum ein; daran hat sich auch nach zwischenzeitlichen Regierungswechseln kaum etwas geändert (Klimaschutz ist verstärkt in den Fokus geraten). Aufbauend auf dieser Nachhaltigkeitsstrategie wurden die für Städte und Kommunen relevanten Themenbereiche wie folgt benannt [vgl. Difu-Berichte 1/2004: 16f]: • • • • • • •
Bürgerbeteiligung und Einbindung spezieller Zielgruppen Nachhaltigkeit in der Ver- und Entsorgung Flächeninanspruchnahme nachhaltige Mobilität Klimaschutz/Energie kommunale Entwicklungszusammenarbeit Organisation der Nachhaltigen Entwicklung in den Kommunen
Ergänzt wird dieser Katalog von Aufgaben zudem mit der programmatischen Aussage, dass es in deutschen Kommunen zukünftig darum gehe, „den Prozessen mehr Verbindlichkeit zu geben, die Nachhaltigkeitsaspekte mehr miteinander zu verknüpfen, Eine-Welt-Aspekte mehr zu berücksichtigen sowie Geschlechtergerechtigkeit stärker als Querschnittsaspekt zu verankern“ [Difu-Berichte 1/2004: 17, im Internet verfügbar].
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c) Klimaschutz und Klimaanpassung Die weltweite Debatte um Klimaschutz und Klimaveränderungen zielt nicht zuletzt auch in Richtung des künftigen Umgangs mit urbanen Strukturen im Zuge der Stadtentwicklungsplanung. Auch dieses Thema ist nicht neu, denn klimatische Gegebenheiten waren bei der Gründung und der Fortentwicklung von Städten stets ein wichtiger Faktor. Einen klimatisch günstigen Standort für eine Stadt zu finden und klimatisch sinnvolle Zuordnungen von Nutzungen und Baukörpern zu schaffen, wurde auch in frühen Zeiten der Menschheitsgeschichte als notwendig erachtet. Erinnert sei an Hippokrates, der mit seinen Bemerkungen über stadtklimatisch vorteilhafte Ortslagen – Windverhältnisse oder jahreszeitliche Einfüsse – den Anfang von danach immer weiter fortentwickelten Erkenntnissen bezüglich Wechselwirkung von Stadt und Klima markierte (vgl. Kap. 2, Abschnitt „Ökologische Stadtforschung“). Bis vor wenigen Jahrzehnten richtete sich der Blick, wie bei Hippokrates, allein auf lokale, allenfalls regionale Klimaphänomene in ihrer Wechselwirkung mit städtischen Gebieten oder urbanen Regionen. Wenn auch bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts erste Vorstellungen bzw. Erkenntnisse zu globalen und möglicherweise von Menschen beeinflussten Klimaphänomenen formuliert wurden [vgl. Edwards 2010: 67], so hat sich erst seit etwa zwei bis drei Jahrzehnten eine umfassende, systematische Forschungslandschaft dazu herausgebildet. Infolge von Warnungen durch die Wissenschaft (Meteorologen und Klimatologen) und der öffentlichen Wahrnehmung, dass sich möglicherweise eine ‘Klimakatastrophe‘ anbahnt, wurde im Jahre 1988 das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) als Unterorganisation der Vereinten Nationen gegündet. Die Analysen des IPCC bestätigten, dass wir es tatsächlich mit einer globalen Klimaveränderung, einer Erwärmung der Atmosphäre zu tun haben. Darüber hinaus sind die Anhaltspunkte dafür, dass neben natürlichen Einflüssen in signifikanter Weise auch anthropogene Ursachen die Klimaveränderungen bewirken, derart schwerwiegend, dass daraus ein Handlungserfordernis entsteht – und sei es auch nur als Prophylaxe, um Klimaeffekte nicht auftreten zu lassen oder sie zumindest auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Die Handlungserfordernisse erstrecken sich auch auf den Bereich der Stadtentwicklung. Hier existieren zwei Arten von Strategien im Umgang mit Klimaveränderungen (zum systematischen Zusammenhang und zu den Wechselwirkungen vgl. Abb. 9.12): • •
Strategien zur Vorbeugung (im Englischen ‘prevention‘): Maßnahmen zum Stopp oder zur Verminderung der atmosphärischen Aufheizung; Strategien zur Anpassung (im Englischen ‘adaption‘ und/oder ‘mitigation‘): Maßnahmen zur Vermeidung oder Verringerung von Folgen der Klimaveränderung auf Siedlungsstrukturen.
Im ersten Fall sind stadtplanerische oder städtebauliche Vorkehrungen zu treffen, um insbesondere klimaschädliche Emissionen zu reduzieren, indem der Energie-
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einsatz von Anlagen und Einrichtungen, die klimaschädliche Gase (CO2, Methan etc.) und Stoffe (Aerosolpartikel) emittieren, dauerhaft vermindert wird. Die Wärmedämmung von Gebäuden gehört ebenso dazu wie die Verminderung von Straßenverkehr mit Verkehrsmitteln, die solche klimaschädlichen Gase in die Atmosphäre ausstoßen. Auch urbanen Wärmeinseln gehört die Aufmerksamkeit der Stadtplanung, die dafür Sorge zu tragen hat, dass ein Aufheizen urbaner Gebiete mit Hilfe von Vegetation und innerstädtischen Freiflächen, Luftzirkulation und Frischluftschneisen, Stellung und Höhe von Baukörpern etc. auf ein Minimum reduziert wird [weitergehend vgl. BMVBS 2010].
Abb. 9.12: Klimaschutz und Klimaanpassung in Wechselwirkung mit der sozio-ökonomischen Entwicklung (Quelle: IPCC 2001) Im zweiten Fall geht es darum, dass im Zuge von Stadtentwicklungsplanungen die Folgen der Klimaveränderungen antizipiert werden, um daraus Maßnahmen der Milderung und Adaptierung für urbane Strukturen abzuleiten. Ein zentraler Punkt ist dabei die Risiko-Einschätzung von Ereignissen – Hochwasser an Küsten und im Landesinnern, Wind und Sturm, Wasserknappheit infolge von Dürre etc. –, die im Zusammenhang mit der globalen Klimaveränderung stehen [zu den ökonomischen Effekten vgl. World Bank 2010: insbesondere 169ff]. In seinem Buch „Climatopolis“ gelangt der kalifornische Umweltökonom Matthew E. Kahn vor dem Hintergrund enormer Risiken für gefährdete Städte – insbesondere an Küsten und in ariden
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Regionen – zu dem Schluss, dass sich das Städtesystem als Ganzes verändern wird: „Cities and regions will slowly transform as we change our behaviors and our surroundings in response to the changing climate“ [Kahn 2010, 225ff]. Die Klimaeffekte und die daraus entstehenden Risiken werden nach Kahn‘s Einschätzung das globale und regionale Städtesystem dramatisch verändern: mit Verlierern, bei denen die Risiken und Kosten der Wiederherstellung nach Eintritt von klimabedingten Ereignissen zu hoch sind, und Gewinnern, bei denen diese Risiken als gering eingeschätzt werden. Die globalen Klimaveränderungen werden zeigen, inwieweit die Stadtplanung mit diesen vielfältigen Sachverhalten umzugehen in der Lage ist. Klimatologie und Meteorologie, Soziologie und Ökologie, mathematische Modellbildungen und Simulationen, Siedlungsstrukturen und Städtebau und vieles mehr greifen komplex ineinander. Die Klimaphänomene werden die Nagelprobe dafür sein, ob die Stadtplanung in der Lage ist, den wissenschaftlichen Erkenntnissen anderer Disziplinen etwas Eigenes beizusteuern und den Anforderungen der Wissensgesellschaft insgesamt gerecht zu werden. d) Stadtregion Als ganz wesentlicher Anknüpfungspunkt für Stadtentwicklungskonzepte hat immer schon die Stadtregion im Zentrum des Interesses gestanden. Norbert J. Lenort’s „Entwicklungsplanung in Stadtregionen“ [Lenort 1961] legt davon ebenso Zeugnis ab, wie Rudolf Hillebrecht’s annähernd zeitgleich publizierter Aufsatz „Städtebau und Stadtentwicklung“ mit der berühmten „Schemaskizze zur Entwicklung einer neuen städtebaulichen Form der Stadtregion“. Die Sätze des damaligen Stadtbaurats von Hannover haben bis heute ihre Gültigkeit nicht eingebüßt [Hillebrecht 1962]: „Die Städte entwickeln sich zu Schwerpunkten größerer Wirtschaftsräume. Im Zuge dieser Entwicklung findet innerhalb der größeren Räume eine immer stärkere Integrierung städtischer und bisher ländlicher Gebiete auch in sozialer und kultureller Hinsicht statt. Die Stadtregionen, die sich im Einzelnen zwar unterschiedlich, dem Wesen nach jedoch gleichartig bilden, sind als ein Ganzes zu betrachten. Es sind organisatorische Voraussetzungen zu schaffen, um in politischer, administrativer, rechtlicher und finanzwirtschaftlicher Art die Integrationsvorgänge zu erleichtern, die zu einer neuen städtebaulichen Form, der Stadtregion, führen.“ Die Diskussion über Stadt-Umland-Beziehungen ist also keineswegs neu. Sie reicht, um es noch einmal in Erinnerung zu rufen, von Ebenezer Howard’s System der „Garden Cities“ [Howard 1898: 86ff] über Patrick Geddes’ „evolution of city regions“ [Geddes 1915/1950: 22ff] bis hin zu Fritz Schumacher’s wegweisendem, bereits in Kapitel 5 (Abb. 5.29) dargelegten „Hamburger Achsenmodell“ [Fischer 1977: 65ff]. Gegenwärtig eröffnen die neuen Bezugsfelder ’Globalisierung’ und ’nachhaltige Regionalentwicklung’ neue Diskussionsfelder. So wird beispielsweise „nach der Leistungsfähigkeit von integrierten regionalen Handlungssystemen im Vergleich zu fragmentierten Handlungsstrukturen“ gefragt und „die Region als gesellschaftliche Handlungsarena“ in die Diskussion eingebracht [Fürst 2001].
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Die generell wieder verstärkt stattfindende Hinwendung von der Stadt zur Region wird gelegentlich sogar als „Paradigmenwechsel in der raumbezogenen Umweltforschung“ hingestellt. Überraschend dann aber doch der Umstand, dass zum Umweltbezug selbst kaum inhaltliche Aussagen getroffen werden, der Paradigmenwechsel vielmehr an „Schlüsselelementen für einen gemeinsamen Lernprozess“ in der Region festgemacht wird, die eher wie Allgemeinplätze anmuten: Von „Stärkung regionaler Partnerschaft“, „Partizipation und Erfahrungsaustausch“ und „Durchsetzung des Subsidiaritätsprinzips“ ist da die Rede, von „Transparenz bei der Programmgestaltung und in Entscheidungsprozessen“, „Simulation von Veränderungen durch Sichtbarmachung kleiner Erfolge“, „Integration regionaler Nachhaltigkeit in alle Politikfelder“, „Langfristperspektive in der Regionalentwicklung“ und „Regionaler Nachhaltigkeit als dynamischem Prozess“ [Fichter/Moss 2001]. Trotz solcher diffusen Aussagen können wir aber feststellen, dass das Beziehungsgeflecht zwischen ’Kernstadt’ und ’Stadtregion’ nicht geringer geworden ist, sondern vielmehr deutlich zugenommen hat – bei Verkehrs- und Pendlerbeziehungen zwischen Kernstadt und Umland, der Vernetzung von Ver- und Entsorgungsinfrastrukturen, Netzstrukturen wirtschaftlicher Verflechtungen, komplexen, ökologischen Beziehungen und vielen anderen Bereichen mehr. Auch die von Thomas Sieverts angestoßene Diskussion, die sich um die Metapher „Zwischenstadt“ rankt, steht in Bezug zu diesem regionalen Kontext [vgl. Sieverts 1997]. Dem enormen Bedeutungszuwachs durch die regionale Einbettung haben Stadtentwicklungskonzepte stets Rechnung zu tragen. Welche inhaltlichen Aspekte im konkreten Einzelfall dann tatsächlich zum Tragen kommen, kann exemplarisch am Fall der „Region Ulm/Neu-Ulm“ gezeigt werden, der in den angesprochenen Themenkomplexen eine allgemeine Grundtendenz widerspiegelt [Katz 2001]. Als angestrebte und z.T. schon realisierte Teilprojekte werden dort angesprochen: •
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Ulm, die „Wissenschaftsstadt“; verbunden mit einer „Innovationsoffensive vor allem in den ’Kompetenzfeldern’ der Region“ (Telekommunikation, Biotechnologie, Medizintechnik und Fahrzeugtechnik); Leitbild „Die Innovationsregion Ulm – Spitze im Süden“; Regionalmarketing auf der organisatorischen Grundlage eines Vereins, dem neben den Kommunen auch die Kammern, Hochschulen und zahlreiche Unternehmen angehören; Gründung einer Ulm/Neu-Ulm Touristik GmbH zur Förderung des Städtetourismus sowie des Tagungs-, Kongress- und Messegeschäfts; Gründung einer Technologiefabrik GmbH zur Förderung von Technologieunternehmen, des Technologietransfers und von Unternehmensgründungen; Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs durch Schaffung eines regionalen Verkehrs- und Tarifverbunds; Förderung der Kultur; gemeinsamer Betrieb der Volkshochschule sowie Etablierung regelmäßiger „kultureller Events“ (z.B. das internationale Donaufestival); Errichtung und Betrieb eines Erlebnisbades durch einen privaten Investor; Schaffung eines „Stadtentwicklungsverbandes Ulm/Neu-Ulm“ als gemeinde- und länderübergreifende Zusammenarbeit (Baden-Württemberg und Bayern).
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Im Zusammenhang mit der Stärkung regionaler Bezüge beim Erstellen von Stadtentwicklungskonzepten darf auch ein Hinweis auf die letzten Novellierungen des städtebaulichen Planungs- und des Raumordnungsrechts in Deutschland nicht fehlen. So existiert seit 1998 im Bundesraumordnungsgesetz das Planinstrument des „Regionalen Flächennutzungsplans“ (§ 9 Abs. 6 ROG) als Ergänzung der bisherigen Instrumente wie Schaffung von gemeindeübergreifenden Planungsverbänden (§ 205 BauGB) oder gemeinsame Flächennutzungsplanungen (§ 204 BauGB). Auch das von einer der früheren deutschen Bundesregierungen angestoßene und geförderte Modellvorhaben „Städtenetze“, bei dem es um eine „neue Form der interkommunalen Kooperation“ geht (ergänzend vgl. Kap. 3), zielte auf eine noch stärkere Akzentuierung von Stadtentwicklungskonzepten auf die Region. e) Events und endogene Potentiale Zwei Aspekte, die thematisch auf den ersten Blick kaum Gemeinsamkeiten aufweisen, sind seit den 1980er Jahren als Anknüpfungspunkt für Stadtentwicklungskonzepte immer stärker ins Blickfeld gerückt (wie auch das eben dargelegte Beispiel der Region Ulm/Neu-Ulm zeigte): Events und endogene Potentiale. Während mit Events – gleich, ob als singuläres Ereignis oder in konstantem Zeitrhythmus – versucht wird, Neues zu inszenieren, zielt das Aufgreifen endogener Potentiale auf eine Anknüpfung an vorhandene Strukturen [vgl. im Zusammenhang mit regionalen Nachhaltigkeitskonzepten die Hinweise von Fichter/Moss 2001]. Events und endogene Potentiale im gleichen Atemzug als Anknüpfungspunkt für Stadtentwicklungskonzepte zu nennen, mag zunächst widersinnig scheinen. Schließlich könnte man die Auffassung vertreten, dass bei genügend endogenem Potential eines Ortes auf inszenierte Events verzichtet werden kann und dass man umgekehrt konzeptionell auf inszenierte Ereignisse setzen sollte, wenn es an endogenem Potential fehlt. Dennoch weisen beide Aspekte große Ähnlichkeiten auf, weil es im Prinzip auf den zu erzielenden Effekt im Sinne einer ’Ökonomie der Aufmerksamkeit’ ankommt. Bereits unseren Altvorderen in der Stadtplanung waren solche Effekte geläufig, und nicht zuletzt war es abermals Patrick Geddes (im Jahre 1909), der diesem Thema unter dem Stichwort „Civic Exhibitions“ breiten Raum schenkte [Geddes 1915/1950: 75ff] und gemeinsam mit der britischen Soziologischen Gesellschaft eine entsprechende Empfehlung gab mit dem Kommentar, dass „this exhibition will be remembered as a date and landmark in our social progress.“ Hand in Hand mit der Ökonomie der Aufmerksamkeit geht die ’Erlebnis’-Ökonomie: „Überall auf der Welt“, so Jeremy Rifkin, „bauen transnationale Medienkonzerne weltumspannende Kommunikationsnetze auf und beuten lokale kulturelle Ressourcen aus: neu verpackt als Unterhaltungsprodukte und Kulturware“ [Rifkin 2000: 15; zur Erlebnisgesellschaft vgl. außerdem Schulze 1992]. Diesem ökonomischen Trend folgend, versuchen viele Städte und Stadtregionen das Potential von inszenierten Events aufzugreifen: Entertainmentzentren, Wellness, Sportereignisse, Mode und Essen, Glücksspiel, Musik- und Filmfestivals, Fernsehauftritte, Themenparks oder eine EXPO sind begehrte Themen und Einrichtungen. Ein Weltkulturerbe zu sein oder zu besitzen, fällt in dieselbe Kategorie, zumal man gerade hier den
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großen Vorteil einer Verknüpfung mit den endogenen Potentialen ausnutzen kann. Ähnliches gilt für Museen, deren Einrichtung oft mit dem Vorhandensein von schon vorgegebenen Strukturen einer Stadt oder Stadtregion begründet wird. Sie alle können Gegenstand von konzeptionellen Anknüpfungspunkten in der Stadtentwicklung sein. Ziel all dieser Bemühungen ist es, wie die beiden Stadtsoziologen Hartmut Häußermann und Walter Siebel in ihrem Essay über die „Festivalisierung in der Stadtpolitik“ auf den Punkt gebracht haben, „Geld, Menschen und Medien auf ein möglichst klar umrissenes Ziel hin zu mobilisieren“ [Häußermann/Siebel (Hrsg.) 1993: 8]. Durch die öffentliche Wahrnehmung wird die lokale Identität gefördert und die Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt oder Stadtregion gestärkt. Oder sei es auch nur, dass alle diese Bemühungen aus dem „Mut der Verzweiflung“ heraus getätigt werden in der hoffnungsvollen Absicht, „Events und Großprojekte als Motor der Stadtentwicklung“ zu nutzen [Liebmann 2003]. Als externer Effekt von Events nimmt der Erlebniswert der Stadt in der Wahrnehmung von Touristen und potentiellen Investoren zu. Dieser Effekt wiederum bewirkt eine Verbesserung der sogenannten weichen Standortfaktoren von Städten, die – infolge Angleichung der sogenannten ’harten Standortfaktoren’ (= materielle Infrastruktur) – somit in der gegenseitigen Konkurrenz von Städten an Bedeutung gewinnen. An der Tatsache, dass im Standortmarketing der Städte, im Gegensatz zu früher, nicht so sehr die größten Industrieunternehmen hervorgehoben werden, sondern eher der Kultur-, Freizeit- und Unterhaltungswert betont wird, zeigt sich der enorme Bedeutungszuwachs solcher Festivalisierungs- oder Inszenierungsprojekte. Was die handfesten ökonomischen Vorteile von Events und Großveranstaltungen betrifft, so gehen die Meinungen weit auseinander. Die amerikanische Stadtsoziologin Sharon Zukin hebt mit großem Nachdruck die Bedeutung der Kultur als ökonomische Basis hervor und rät zur Umsetzung verschiedener kultureller Strategien im Interesse einer Entwicklung, die sich letztendlich auch in monetär messbaren ökonomischen Erfolgen niederschlagen wird [Zukin 1995: 271]. Eine genaue Kosten-Nutzen-Kalkulation für Stadtentwicklungskonzepte, in denen Events und Großveranstaltungen eine hervorgehobene Rolle spielen, ist im Vorfeld ihrer Realisierung zwar angebracht, ergibt allerdings kaum ein eindeutiges Bild. Dieser Umstand ist ein häufiger Kritikpunkt. Trotzdem treiben die Städte medial inszenierte und spektakuläre Events voran, während das Geld, das dafür benötigt wird, anderweitig durchaus sinnvoller eingesetzt werden könnte. Hartmut Häußermann und Walter Siebel sprechen hier von einem „Oaseneffekt“ und meinen damit „die vorübergehende Konzentration der Kräfte auf einen Höhepunkt“, der gleichzeitig andere Räume der Politik austrocknen könnte [Häußermann/Siebel (Hrsg.) 1993: 28]. Festivalisierungs- und Inszenierungsprojekte bieten die Gelegenheit, sich über ein klar bestimmtes Ziel politisch zu profilieren, bedeuten zugleich aber auch ein „organisiertes Wegsehen von sozialen, schwer lösbaren und wenig spektakuläre Erfolge versprechenden Problemen“ [Häußermann/Siebel a.a.O.]. Manche Kritiker sehen Events und städtische Festivalisierungsprojekte auf grundsätzliche Weise – und nicht nur aus Gründen eines zu hohen Finanzierungs-
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wagnisses – an einem Ende angelangt. In einem Beitrag für die Amsterdamer Konferenz „Creativity and the City“ vor einigen Jahren sieht beispielsweise John Thackara das Modell einer „post-spectacular city“ heraufziehen, weil die ’Klasse der Kreativen’ es zwar bislang verstanden habe, eine Optimierung des Spektakels in unseren Städten herbeizuführen, wir ihnen zugleich aber auch kulturell eher Ungebetenes zu verdanken haben: „semiotic pollution (and) catatonic spaces that despoil our physical and perceptual landscapes“. Es dürfe deshalb nicht mehr darum gehen, vorprogrammierte kulturelle Attraktionen für eine passiv konsumierende Masse zu realisieren, sondern den aktiven Menschen in den Städten sowie den in Netzwerken tätigen Milieus Gestaltungsraum zu geben. Spektakel, so Thackara, machten uns nur blind [vgl. Thackara in www.creativestad.nl/Thackara speech.php; in ähnlicher Weise auch die Kritik von Crichton-Miller/Linklater 2010]. f) Stadtentwicklung durch Stadterneuerung In Kapitel 8 haben wir betrachtet, inwieweit einzelne Maßnahmen zur Stadterneuerung einen Beitrag zur Stadtentwicklung liefern können: Stadterneuerung als Stadtentwicklung. Im Gegensatz dazu werden wir uns nun der Frage zuwenden, wie sich Stadtentwicklung aus der Gesamtheit von Maßnahmen zur Stadterneuerung konstituieren kann. ’Stadtentwicklung durch Stadterneuerung’ ist nicht nur ein Anknüpfungspunkt für historisch bedeutsame Städte, sondern auch für Orte, die aus ganz anderen Anlässen einen Erneuerungsbedarf aufweisen. Richten wir den Blick auf die Situation in Deutschland, dann sind in diesem Zusammenhang als einschlägig die Maßnahmen zur „Förderung von Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf“ – auch als Projekt der „Sozialen Stadt“ bezeichnet – hervorzuheben. Diese genießen im Rahmen der von Bund und Ländern gemeinsam finanziell ausgestatteten Städtebauförderung eine Schwerpunktförderung. Es geht dabei um zwei Arten von Gebietstypen [Internet www.soziale-stadt.de]: •
•
Innerstädtische oder innenstadtnahe (oft gründerzeitliche) Quartiere in benachteiligten Regionen mit nicht modernisierter Bausubstanz und deutlich unterdurchschnittlicher Umweltqualität sowie um große Wohnsiedlungen aus der Nachkriegszeit und Wohnsiedlungen der abgezogenen Streitkräfte mit wenig individueller Architektur, fehlender Nutzungsmischung und unzureichender sozialer Infrastruktur.
Die Maßnahmen für die Entwicklung der betreffenden Quartiere zielen auf folgende Bereiche: • • • • • •
Bürgermitwirkung, Stadtteilleben lokale Wirtschaft, Arbeit und Beschäftigung Quartierszentren soziale, kulturelle, bildungs- und freizeitbezogene Infrastruktur Wohnen Wohnumfeld und Ökologie
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Während das Programm für die „Soziale Stadt“ seit Mitte der 1990er Jahre den Substanzerhalt zum Ziel hatte, ließ sich in jüngerer Zeit angesichts der sich abzeichnenden demographischen Veränderungen ein zunächst vorsichtiger, jetzt aber recht klarer programmatischer Richtungswechsel – nach dem Motto: „Rückbau und Aufwertung“ von Stadtquartieren – erkennen. Dieser Richtungswechsel hat seinen Niederschlag bereits in der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern über die Zuteilung und Verwendung von Städtebauförderungsmitteln aus dem Jahre 2002 gefunden und ist in späteren Jahren entsprechend bzw. etwas modifiziert fortgeschrieben worden (vgl. Wortlaut weiter vorn in diesem Kapitel). Rückbau bezieht sich demnach auf „leerstehende, dauerhaft nicht mehr benötigte Wohngebäude oder Wohngebäudeteile“; Aufwertung von Stadtquartieren umfasst Maßnahmen wie die Erarbeitung bzw. Fortschreibung von Stadtentwicklungskonzepten, die Anpassung der städtischen Infrastruktur, die Wiedernutzung von freigelegten Flächen, die Verbesserung des Wohnumfeldes oder die Aufwertung des vorhandenen Gebäudebestandes [Internet www.stadtumbau.com]. Aufbauend auf diesen programmatischen Vorarbeiten hat in Deutschland zu Beginn dieses Jahrzehnts unter dem Begriff Stadtumbau ein neues Thema in die städtebauliche Fachdiskussion Einzug gehalten, das hier vor allem unter dem Aspekt der Stadtentwicklungsplanung angesprochen wird. Aufgrund der Novellierung des Baugesetzbuches im Jahre 2004 werden unter Stadtumbaumaßnahmen solche Maßnahmen verstanden, „durch die in von erheblichen städtebaulichen Funktionsverlusten betroffenen Gebieten Anpassungen zur Herstellung nachhaltiger städtebaulicher Strukturen vorgenommen werden“. Aus dem Blickwinkel der Stadtentwicklungsplanung lassen sich daraus vier Handlungsfelder des Stadtumbaus ableiten [Internet www.staedtebau-recht.de/pdf/folien0309.pdf]: • • • •
Erhaltungsgebiete Umstrukturierungsgebiete Neuentwicklungsgebiete Abrissgebiete
Erhaltungsgebiete (nicht im Sinne von § 172 BauGB) sind dadurch gekennzeichnet, dass in ihnen die überwiegende Bausubstanz erhalten bleibt und damit auch Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen fortgeführt werden. Die städtebauliche Situation bleibt weitgehend unverändert, wobei allerdings einzelne Abriss- und Entkernungsmaßnahmen nicht ausgeschlossen sind. Im Falle von Umstrukturierungsgebieten kommt es zu größeren Abbruchmaßnahmen, aber auch Maßnahmen zur Erhaltung von verbleibenden Gebäuden. Der städtebauliche Charakter eines solchen Gebietes wird kaum verändert, auch wenn Teilabrisse und Umnutzungen der vorhandenen Bausubstanz durchgeführt werden. Einzelne Neubaumaßnahmen sind ebenso wie kleinere Bodenordnungsmaßnahmen und Veränderungen an Verkehrsanlagen nicht ausgeschlossen. Neuentwicklungsgebiete sind solche, bei denen umfassende Abbrüche durchgeführt werden und nur eine geringe Zahl von Gebäuden bestehen bleibt. Die freigewordenen Flächen werden für eine Neubebauung vorbereitet, die einhergehen
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kann mit umfangreichen Maßnahmen zur Bodenordnung. Bei Abrissgebieten werden Quartiere im Ganzen zurückgebaut, einschließlich der vorhandenen Infrastruktur. Solche Gebiete kommen für eine Neubebauung danach nicht mehr in Betracht; es können dann quasi größere Baulücken entstehen. In Erwägung zu ziehen ist aber auch, derartige Flächen städtebaulich dem Außenbereich (gemäß § 35 BauGB) zuzuordnen.
Szenarien und Denkmodelle künftiger Stadtentwicklung Zum Abschluss dieses Kapitels wollen wir uns nun der Frage zuwenden, welche spezifisch neuen Problemlagen und Aufgaben am Horizont auftauchen, die Folgewirkungen auf die Entwicklung von Städten und auf den planerischen Umgang mit ihnen haben werden. Bereits zu Beginn dieses Kapitels befand sich eine Zusammenstellung von verschiedenen Aspekten, mit denen die Stadtentwicklung in den letzten Jahren in Zusammenhang gebracht worden ist. Manche der dabei aufgeführten Aspekte repräsentieren räumliche oder zeitliche Einzel- bzw. Ausnahmephänomene, manche aber – wie das Thema Nachhaltigkeit oder Innenentwicklung – weisen auch das Merkmal von zeitlicher Dauerhaftigkeit oder thematischer Dominanz auf. Wenn wir nach weiteren Anknüpfungspunkten für thematische Schwerpunkte der künftigen Stadtentwicklung Ausschau halten, dann mag zu recht vermutet werden, dass das Positionspapier der Fachkommission Stadtentwicklung des Deutschen Städtetages unter der Überschrift „Zukunftsinitiative Stadtregion“ [DST 2001] dazu relevante Themen liefert. Benannt werden in diesem Statement-Papier folgende, künftig als bedeutsam zu erachtende Handlungsfelder: •
• • • • •
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Bevölkerungs- und Sozialstruktur: angestrebt wird eine ausgewogene Bevölkerungsstruktur und eine robuste soziale Durchmischung der Bevölkerung in den Siedlungsbereichen der städtischen Regionen – zu ergänzen wären aus heutiger Sicht die deutlich erkennbaren demographischen Schrumpfungs- und Alterungsprozesse; Wohnungsbau: Schaffung von Wohnungsangeboten in den Regionen und deren Verknüpfung durch ’intelligente’ Verkehrssysteme; Arbeitsplätze und Standortverhalten: Gesamtkonzepte zur Entwicklung des Arbeitsplatzangebots in den Stadtregionen; Verkehr: Erstellung von integrierten Verkehrsentwicklungskonzepten für die Stadtregionen; Finanzen: gerechter Vorteils- und Lastenausgleich zwischen den kommunalen Partnern in den Stadtregionen; Ökologisch tragfähige Siedlungsentwicklung: ‘nachhaltige Ausweisung‘ ökologischer Ausgleichs- und Erlebnisräume (Regionalparks); angesichts der sich zuspitzenden Flächenknappheit und vielfältiger Nutzungskonflikte Initiierung von Kooperations- und Abstimmungsverfahren in den Regionen; Zentralörtliche Angebote: Schwerpunktverlagerung vom ’klassischen’ hierarchi-
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schen Zentrenkonzept hin zu einer ganzheitlichen Betrachtung funktionell verflochtener Stadtregionen. Über die Ergiebigkeit dieser Statements mag man unterschiedlicher Auffassung sein, denn in weiten Bereichen stellen sie nur eine Wiederholung dessen dar, was ’state-of-the-art’ seit jeher gewesen ist (vgl. insbesondere das Kap. 5 „Städtebauliche Strukturplanung“). Welche Probleme und Aufgaben in der Stadtentwicklung nach den sich abzeichnenden Tendenzen auf uns zukommen, lässt sich – da eindeutige Prognosen aus Extrapolationen nicht möglich sind – am ehesten noch anhand von Szenarien und Denkmodellen ausloten. Hierzu werden nachfolgend thesenartig einige davon aus der gegenwärtigen Fachdiskussion vorgestellt. a) Wachstum und Schrumpfung Die wohl wichtigste und am wenigsten umstrittene These lautet, dass sich alle zukünftigen Überlegungen im Bereich der Stadtentwicklung mit zwei gleichzeitig stattfindenden, gegenläufigen Tendenzen werden auseinandersetzen müssen: mit Wachstum und Schrumpfung. Zwar hat bereits in den 1980er Jahren eine Debatte über „Wachstum-Stagnation-Schrumpfung“ stattgefunden [Göb 1977; Häußermann/Siebel 1983 sowie Häußermann/Siebel 1987: 111ff], jedoch im Kontext der vor allem in Industrieregionen einsetzenden Deindustrialisierung (Abbau der Schwerindustrie), nicht aber durch Aufgreifen einer generellen Tendenz mit gravierenden Konsequenzen für ganze Regionen, Landesteile und Staaten. Vereinzelt ist damals, wie etwa in München, sogar über „Nullwachstum“ als Stadtentwicklungsziel nachgedacht worden. Eine ernsthaft gemeinte Abkehr vom Wachstumsparadigma hat es allerdings nicht gegeben. Die Behauptung allerdings, die kommunale Entwicklungsplanung habe das Schrumpfungsthema „erst vor relativ kurzer Zeit ’entdeckt’“ [Müller/Siedentop 2004], erweist sich damit als nicht richtig. Auf die Tatsache, dass die tägliche Flächeninanspruchnahme – eigentlich ein Indikator für urbanes Wachstum – in Deutschland immer noch um die 100 Hektar beträgt [siehe Einig/Jonas/Zaspel 2009; vgl. außerdem zum Thema ARL 2004], ist bereits an anderer Stelle in diesem Buch hingewiesen worden. Parallel jedoch zu diesem Siedlungsflächen-Wachstum sind in erheblichen Maße Schrumpfungsprozesse zu verzeichnen, von denen die ostdeutschen Bundesländer, manche Regionen im Westen Deutschlands sowie viele ländliche Räume insbesondere in abseits gelegenen Landesteilen mit zum Teil ganz dramatischen Konsequenzen betroffen sind. Diese zeitgleich ablaufenden, gegenläufigen Tendenzen von Wachstum und Schrumpfung sind auch im weltweiten Maßstab festzustellen. Während in Asien, vor allem aber in Afrika viele Städte in einem enormen Tempo, ja fast explosionsartig wachsen (vgl. Abb. 9.13), dürften allen einschlägigen Studien zufolge [vgl. z.B. Internet www.unhabitat.org] im Vergleich dazu die Städte in Europa ihren Wachstumshöhepunkt erreicht, wenn nicht gar überschritten haben.
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Abb. 9.13: Urbanisation weltweit: Wachstum der Städte im interkontinentalen Vergleich zwischen 1950 und 2000 (links; Quelle: Herbert/Thomas 1997); wachsende und schrumpfende Städte im weltweiten Vergleich mit Prognosen bis in das Jahr 2010 (rechts; Quelle: www.unhabitat.org) Das Thema Wachstum und Schrumpfung wird uns aber noch anderer Hinsicht Kopfzerbrechen bereiten. Bis in die jüngere Zeit hinein hatten Stadtplanung und Städtebau (seit sie sich als eigenständige Fachdisziplinen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts herausbildeten) nur mit urbanen Prozessen des Wachstums zu tun. Fast ausschließlich ging es in dieser Phase des stadtplanerischen Handelns um die Organisation von Stadt- und Siedlungswachstum unter Bereitstellung von Infrastruktur und Schaffung von Wohn-, Gewerbe- und Industriegebieten. Die Rahmenbedingungen haben sich jedoch gravierend geändert, weshalb sich die Stadtplanung nun verstärkt der Frage wird zuwenden müssen, welche stadträumlichen Konsequenzen Schrumpfungsprozesse nach sich ziehen werden und welche Modelle zur Verfügung stehen, mit denen derartige Prozesse stadtplanerisch gelenkt werden können [vgl. dazu DASL 2003; Müller/Siedentop 2004]. Wie ungewohnt es für Stadtplaner noch vor wenigen Jahren war, sich überhaupt mit dem Schrumpfungsphänomen zu befassen, machte eine Beobachtung auf der 2. Deutschen Regionalplanungstagung im Oktober 2002 in Leipzig deutlich, wo es
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während eines Workshops zu Differenzen darüber kam, ob es nicht besser wäre, den Begriff der „Schrumpfungsplanung“ zu meiden und stattdessen von „Anpassungsstrategien“ zu sprechen [vgl. ARL-Nachrichten 4/2002: 39]. Dies jedoch klingt im Rückblick eher nach dem letzten Aufflackern einer Realitätsnegierung mit dem Mittel einer euphemistischen Begriffsschöpfung, als nach Akzeptanz eines zweifellos sich vollziehenden Paradigmenwechsels in der Stadt- und Raumplanung. Doch nicht überall war Realitätsverdrängung angesagt. Eine gewisse Vorreiterfunktion hat schon früh in der Fachdiskussion die Stadt Leipzig übernommen mit ihrem Beschluss, sich dem Thema Schrumpfung vorbehaltslos zu stellen [vgl. Lütke Daldrup 2003] und sogar Modelle der Stadtschrumpfung zu entwickeln, die dort als Strategien oder „Möglichkeiten des Stadtumbaus“ zugunsten einer „nachhaltigen, attraktiven Stadtentwicklung“ bezeichnet wurden [Internet www.leipzig2030.de]; die entsprechenden Prognosemodelle wurden unter intensivem Einsatz von GIS-Technologien erstellt [vgl. Doehler-Behzadi 2004 und Stadt Abb. 9.14: Graphische Darstellung von MoLeipzig (Hrsg.) 2004: 57ff und 74ff]. dellen der Stadt Leipzig im Umgang mit Leipzig hat sich das generelle Ziel städtebaulichen Schrumpfungsprozessen gesetzt, „die zentralen Bereiche (Quelle: Internetauftritt der Stadt Leipzig) der Stadt als dichten, urbanen Kern zu erhalten, die Funktion der sozialen, technischen und verkehrlichen Infrastruktur zu gewährleisten und gleichzeitig die veränderten Bedürfnisse der Bewohner zu berücksichtigen“. Drei Modelle sind hieraus abgeleitet worden (vgl. Abb. 9.14): •
• •
Kontraktionsmodell: Der Stadtumbau erfolgt in Form eines Rückbaus vom Stadtrand her, wobei die peripheren Stadtflächen rückgebaut, entsiegelt und in einen natürlichen Zustand zurückgeführt werden. Gliederungsmodell: Hier werden im Zuge des Stadtumbaus brachfallende innerstädtische Flächen durch Begrünung umgewidmet und nicht mehr neu bebaut. Auflockerungsmodell: Bei diesem Denkansatz sollen subsistente Stadtteile (Kerne) erhalten bleiben, während die Zwischenbereiche extensiviert und erheblich ausgedünnt werden (Leipzig bezeichnet diesen Ansatz auch als sog. „Präriestadt“).
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Ein Gegenmodell zu diesen drei Modellen findet sich in den Leipziger Überlegungen ebenfalls und wird als „Donut-Modell“ bezeichnet, dessen Phänotyp man aus den USA kennt: Suburbanisierung mit ausgehöhltem Kern und einem weiten Speckgürtel. Sucht man nach gemeinsamen, bestimmenden Determinanten bei diesen Modellen, so lassen sich folgende Feststellungen treffen: •
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Städtebauliche Schrumpfungsprozesse vollziehen sich im vorhandenen Strukturgefüge eher punktuell und zu bestimmten Zeiten eher quasi ’zufällig’ an bestimmten Orten mit dem Ergebnis einer perforierten, mit vielen größeren und kleineren ’Löchern’ versehenen Stadt (geometrische Modelle lassen sich daraus schwer ableiten; insofern zeichnet das oben genannte Kontraktionsmodell ein Idealbild im Geiste eines linear-geometrischen Modellansatzes). Die gegebenen infrastrukturellen Voraussetzungen gehören – ähnlich wie bei Wachstumsprozessen – auch im Falle von Schrumpfungsprozessen zu den wichtigsten Determinanten für eine gezielte Steuerung des Stadtumbaus. Im Gegensatz zum Stadtwachstum haben wir es jetzt mit bereits vorhandenen Infrastrukturen zu tun, die man aus verschiedenen Gründen nicht ohne weiteres zur Disposition stellen kann: aufgrund getätigter (und noch nicht abgeschriebener) Investitionen in diese Infrastrukturanlagen; aufgrund der Schlüsselfunktion von Infrastrukturen für Stadtquartiere; aber auch aus technischen Gründen, weil etwa die Dimensionierung von Ver- und Entsorgungsanlagen (insbesondere Wasser) auf bestimmte Einwohnerzahlen ausgelegt ist und bei geringer werdenden Anschlüssen die Funktion der technischen Systeme nicht mehr gewährleistet ist (im Falle von Wasser könnte bei zu geringem Durchfluss auch die Wasserqualität leiden). Städtebauliche Schrumpfungsprozesse werden auf das baulich-kulturelle Erbe Rücksicht nehmen müssen, so dass etwa um denkmalwerte Gebäude oder um baugeschichtlich wertvolle Ensembles herum eine Stabilisierung und Konsolidierung von Schrumpfungsprozessen stattfinden sollte und entsprechende Investitionen in Infrastruktur und Erhaltung von Bausubstanz getätigt werden sollten. Planungsrechtlich treten bei städtebaulichen Schrumpfungsprozessen sehr große Schwierigkeiten deshalb auf, weil nun Planungsrecht zurückgenommen werden muss oder sollte (z.B. bei Umwidmungen von Bauflächen zu Grünflächen) und sich damit die Grundstückspreise verändern, die, wenn sie zum Nachteil der Grundstückseigentümer ausfallen, auch Entschädigungsansprüche hervorrufen können.
Im Grunde genommen zielen die Modelle des Schrumpfens auf eine Strategie, bei der jene städtebauliche Strukturelemente konstant zu erhalten sind, die für das weitere Funktionieren des städtebaulichen Strukturgefüges unverzichtbar sind oder einen unwiederbringlichen kulturellen Wert besitzen. Doch auch bei diesen beiden Faktoren kann kein Absolutheitsanspruch erhoben werden, denn insbesondere im Zuge von weiter abnehmender Bevölkerung wären auch dort sukzessiv Abstriche zu machen.
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Abb. 9.15: Gegenüberstellung von Kennzeichen wachstumsund schrumpfungsorientierter Planung (nach Müller/Siedentop 2004) Zum Tragen kommen könnte dann ein Prinzip, das von einem der führenden strategischen Denker in der deutschen Stadtplanung, Karl Ganser, im Zuge der Diskussion im Umgang mit Schrumpfungsprozessen formuliert wurde und in dem Diktum mündet: „Hände weg, liegen lassen“ [Ganser 2001]. Ganser begründet dieses Prinzip wie folgt: •
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Was bebaut ist, bleibt stehen und im Laufe der Zeit wird sich herausstellen, was davon von kulturellem Wert ist und zugleich wirtschaftlich nutzbringend weiterverwendet werden kann. Was man in Ruhe lässt, wird von der Natur bearbeitet. Schon heute sind solche Areale beachtliche Biotope und Naturschutzgebiete. Im Laufe der Zeit wird sich herausstellen, wie viel Nachfrage aus einer Region auf einen solchen Standort gelenkt werden kann und mit welchen Bauvorhaben
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dies gelingt. Bis es soweit ist, wird der beträchtliche Aufwand an privaten und öffentlichen Mitteln für Abriss, De-Kontamination, Bodenaufbereitung und konventionelle Erschließung erspart, besser ’aufgespart’.
Wenn wir dieses Prinzip des „Hände weg, liegen lassen“ noch einen Schritt weiterdenken, liegt der Gedanke nahe, auf jegliches Handeln zu verzichten und das, was aus demographischen (und finanziellen) Gründen ohnehin nicht haltbar ist, nicht unter allen Umständen am Leben erhalten zu wollen. „In Schönheit sterben lassen“, würde man – frei nach John Ruskin – diese ’Strategie’ auch nennen können. Ob daraus je ein Phönix aus der Asche erwächst – ein vielleicht sogar aus Ruinenromantik sich entwickelndes Qualitätsmerkmal herausbildet –, sei dahingestellt. Bernhard Müller und Stefan Siedentop vom Institut für Ökologische Raumentwicklung (IÖR) in Dresden haben in einer tabellarischen Übersicht die Kennzeichen wachstumsorientierter und schrumpfungsorientierter Planung gegenübergestellt [Müller/Siedentop 2004]. Diese synoptische Übersicht in Abbildung 9.15 unterstreicht noch einmal den gewaltigen Paradigmenwechsel in der Stadtplanung, der bereits in Kapitel 1 im Zusammenhang mit dem Wandel des planerischen Selbstverständnisses im Wandel der Zeit (vgl. Kap. 1, Abb. 1.10) angesprochen wurde, dort aber bereits als eine grundsätzliche Konsequenz infolge neuer Rahmenbedingungen der Wissensgesellschaft interpretiert wurde. Auf eine Stadt sei abschließend zu dem Thema Umgang mit Stadtschrumpfung noch besonders hingewiesen. Es handelt sich um Youngstown ganz im Osten von Ohio, eine Stadt im ‘rust belt‘ der USA, deren wirtschaftliche Grundlage einst die Stahlverhüttung war. Infolge des Niedergangs der Schwerindustrie verlor die Stadt mehr als die Hälfte der Einwohner und hatte mit entsprechenden urbanen Schrumpfungsprozessen zu kämpfen. Wie bravourös die Stadt diese Aufgabe meistert, zeigt ein Artikel im New York Times Magazine [Ausgabe v. 10.12.2006; im Internet verfügbar] mit dem Titel „Creative Shrinkage“ in hoher Anerkennung der Bemühungen eines damals sehr jungen und innovativ denkenden Bürgermeisters: Dessen „strategy calls for razing derelict buildings, eventually cutting off the sewage and electric services to fully abandoned tracts of the city and transforming vacant lots into pocket parks“. Der Artikel betont den Vorbildcharakter auch für andere, sieht die Stadt aber schon einen wichtigen Schritt weiter: „Youngstown, Ohio, has a new approach: shrinking its way into a new identity“. b) Denkmodelle zur ’Zwischenstadt’ Eine weitere Konsequenz aus dem eben dargelegten Phänomen ’Stadtwachstum und Stadtschrumpfung zur gleichen Zeit’ ist die ’verstädterte Landschaft’. Sei es, dass sich im Falle von Wachstum die Stadt im Sinne eines ’urban sprawl’ in die Landschaft hineinfrisst, oder sei es, dass bei Schrumpfung eine Perforierung der Stadt stattfindet und letztendlich die Natur die ’Löcher’ der Stadt in Besitz nimmt. In seinem vielbeachteten Essay hat Thomas Sieverts dieses Phänomen mit dem Begriff „Zwischenstadt“ [Sieverts 1997] versehen. Dieser Begriff hat in der deut-
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schen Stadtplanerzunft heftige, kontroverse Diskussionen hervorgerufen – die Argumente reichten von blankem Unsinn, weil es so etwas wie eine ’Stadt dazwischen’ weder theoretisch noch praktisch geben könne, bis zu vorbehaltloser Zustimmung, ja sogar konzeptionellen Vorstellungen für ein solches Zwischenstadt-Gebilde teilweise auf der konzeptionellen Grundlage des von Amerika importierten ‘new urbanism‘ (vgl. Kap. 5 und Kap. 6; Internet www.ceunet.de). So neu und ungewöhnlich der Begriff der Zwischenstadt immer noch anmuten mag, auch hier gibt es Vorgänger: „middle landscape“ bezeichnete Lewis Mumford bereits in den 1930er Jahren dieses Phänomen in ganz ähnlicher Weise wie Sieverts heute [vgl. Nolte 2000 und Mumford 1938/1970]. Und bereits im Jahre 1932 hat der US-amerikanische Architekt Frank Lloyd Wright in seiner Publikation „The Disappearing City“ als bewusste Antithese zu kompakten Stadtmodellen das Konzept einer ‘Broadacre City‘, eines breit in die Fläche sich erstreckenden Stadtgebildes, publikumswirksam in Szene gesetzt [Wright 1932]. Konzeptionell noch einen Schritt weiter, für manche wie eine Provokation, ging vor zwanzig Jahren der in Harvard lehrende Peter G. Rowe mit seinem Buch „Making a Middle Landscape“, in dem er sehr konkrete praktische Anweisungen zur städtebaulichen Gestaltung der suburbanen Zwischenstadt gibt [Rowe 1992].
Abb. 9.16: Verdeutlichung des Zwischenstadt-Phänomens am Beispiel des Raumes Stuttgart durch Thomas Sieverts; links: Netzstruktur von Siedlungsflächen und Freiraumelementen; rechts: Darstellung der engmaschigen Durchdringung von Waldflächen und Siedlungsflächen (Quelle: Sieverts 1997) Sieverts selbst hat indes immer wieder darauf verwiesen, dass die Bezeichnung ’Zwischenstadt’ von ihm lediglich als Arbeitsbegriff in Ermangelung eines besseren Ausdrucks für das von ihm beschriebene Phänomen gemeint war, um die fraktali-
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sierten Stadt-Ränder, an denen sich quasi „randmaximierende“ Stadtstrukturen herausbildeten, zu charakterisieren (siehe Abb. 9.16). Sieverts selbst zeigte sich von der Eigendynamik seiner Begriffsschöpfung überrascht, machte aber auch kein Hehl daraus, dass er durchaus daran Gefallen fand, weil damit eine längst überfällige Diskussion über die Zukunft der Stadt angestoßen werden konnte. Im Übrigen ging es ihm aber auch darum, einen bisher völlig vernachlässigten Aspekt in die Diskussion einzubringen, nämlich die neuen Lebenszusammenhänge der Zwischenstadt politisch abzubilden, da diese ja keinerlei territoriale Bindung aufwiesen. Sieverts benennt vier Denkmodelle der Zwischenstadt, die bereits an anderer Stelle in diesem Buch erörtert wurden (vgl. vor allem Kap. 5, Abschnitt „Stadtstrukturelle Leitbilder ...“): • • • •
Modell 1: „Die bewahrte Stadt“ Modell 2: „Die Stadt der kooperierenden Zentren“ Modell 3: „Die ausgelaugte Stadt“ Modell 4: „Die Stadt der künstlichen Welten“
Anhaltspunkte für Konzepte künftiger Stadtentwicklung liefert Sieverts ebenfalls. Unter Berücksichtigung der Randbedingungen, dass Städte und Regionen mit vorhandenen Finanzmitteln auskommen, sich ohne Wachstum qualifizieren und in eine umfassende Kreislaufwirtschaft einfügen müssen, werden von ihm folgende Handlungsfelder als notwendig erachtet [Sieverts 1997: 155ff]: •
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Transport und Kommunikation als instrumentelle Basis für Austausch, Funktion und Entwicklung in der Zwischenstadt, insbesondere im Hinblick auf eine Verknüpfung unterschiedlicher Transport- und Kommunikationsformen; Schutz, Pflege und Entwicklung auf der Basis der klassischen Bereiche des Landschafts- und Denkmalschutzes unter Einbeziehung des Milieuschutzes im Sinne des Erhaltens und der behutsamen Erneuerung von Bereichen verminderten kulturellen und ökonomischen Anpassungsdrucks bis hin zu ökologischen oder kulturellen Feldern, in denen keine Planung greifen darf, sondern die sich eher selbst überlassen bleiben und selbst regulieren sollen (Paradox: Planung des Nichtzuplanenden); Transformation und Erweiterung mit dem Ziel, einfache und komplexe Projekte anzustoßen, die als fokussierende Stabilisatoren und räumliche Anker in Form von Zentren bzw. Kanten die diffuse Stadt strukturieren. Orientierung und Information als ein für den dauerhaften Zusammenhalt der Zwischenstadt unerlässliches Netz von Wegen und Zeichen im Stadtraum und ihre Ergänzung durch Informationen über die verschiedensten Medien. Kultur und Sport als Handlungsfeld, mit dem über kulturelle Besetzungen und ’Aufladungen’ sowie über sportliche Ereignisse die emotionale Identifikation mit einer ganzen Region herbeigeführt werden kann.
Der Zusammenhang zwischen den mit dem Phänomen der Zwischenstadt entwickelten Modellen, d.h. Konzeptionen für nicht mehr wachsende Städte, sowie der
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stadträumlichen Organisation von Prozessen der Stadtschrumpfung liegen ganz offensichtlich auf der Hand. Eine genaue städtebauliche Konkretisierung wird allerdings stets von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten abhängen müssen. c) Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft Mit dem Aufkommen und der Festigung wissensgesellschaftlicher Strukturen wird die Frage interessant, auf welche Weise sie die zukünftige Stadtentwicklung beeinflussen werden und mit welchen konzeptionellen Überlegungen angemessen darauf reagiert werden kann (Thema auch von einigen neu geschaffenen Konferenzreihen wie beispielsweise „Knowledge Cities World Summit“, zuletzt Melbourne 2010). Um diese Frage beantworten zu können, werden zunächst die Konturen der Wissensgesellschaft anhand der traditionellen städtebaulichen Funktionen betrachtet – auch wenn dies unter den neuen Paradigmen der Wissensgesellschaft nicht ganz den Kern der sich abzeichnenden Entwicklungen trifft, weil sich diese festgefügten funktionalen Strukturen ja gerade in Auflösung befinden: •
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In der städtebaulichen Funktion des Arbeitens bzw. der Arbeitsstätten werden die Strukturen der Wissensgesellschaft naturgemäß am deutlichsten greifen und zutage treten. Immer stärker werden die Orte der eigentlichen Wissensproduktion nur noch ganz grob anhand gewisser dominierender Knotenpunkte und Attraktoren des Wissensnetzes erkennbar sein, ansonsten findet eher eine von Orten losgelöste, nur der Netztopologie des Wissens gehorchende Arbeits- und Produktionsweise statt. Verstärkt wird diese Tendenz dadurch, dass die Wissensproduktion ständig zwischen menschlichen Wissensarbeitern und informationsverarbeitenden (künftig ’intelligenten’?) Maschinen oszilliert, was sich ebenfalls auf räumliche Standortbedingungen auswirkt. Die Funktion Wohnen wird gleichfalls durch vernetzte Strukturen bestimmt sein. Zum einen geht es um die informationstechnische Vernetzung im Inneren von Gebäuden und Wohnungen, die beispielsweise zur Steuerung von Hausgeräten, zur Optimierung des Energieverbrauchs (das ’intelligente’ Haus) oder für Hilfestellungen zum Wohle älterer oder behinderter Bewohner (‘assisted living‘) genutzt werden kann. Zweitens gibt es die informationstechnische Außenvernetzung von Gebäuden, vor allem durch leistungsfähige Kommunikationsinfrastrukturen mit ihren Potentialen für die Wissensproduktion in Heimarbeit (WebDesigner, Entwurfsingenieure etc.) oder für Zugriffe auf immaterielle Dienstleistungen. Wohnen, Arbeiten und die Wahrnehmung von Dienstleistungsangeboten finden am selben Ort statt; Standortbedingungen und die Standortgunst gewisser Funktionen, die früher strukturbestimmend für die Städte waren, überlagern sich. Gemeinbedarfseinrichtungen werden ebenfalls in erheblichem Maße von den Folgen der Wissensgesellschaft tangiert sein. Insbesondere bei den Bildungseinrichtungen zeichnen sich gravierende Strukturveränderungen ab; ’virtuelle’ Bildungseinrichtungen etwa stehen – angesichts der auflaufenden Folgekosten
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für den Erhalt der Gebäudesubstanz – politisch hoch im Kurs und dürften mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Ähnliches ließe sich für andere Gemeinbedarfseinrichtungen, etwa Museen oder Bibliotheken, feststellen. Im Falle des Verkehrs werden sich städtebauliche bzw. räumliche Auswirkungen der ’intelligenten’ Informationsverarbeitungssysteme in zwei Bereichen zeigen: Zum einen steht mit der vernetzten Informationstechnik ein Substitutionspotential zur Verfügung, das spätestens dann zur Anwendung kommen dürfte, wenn die Erhöhung der Kosten für die physische Raumüberwindung, die aus ökologischen Gründen ja durchaus gewollt ist, eine finanzielle Schmerzgrenze erreicht hat und sich andere Energieträger zur Raumüberwindung (möglicherweise Wasserstoff oder Strom) als nicht praktikabel erweisen sollten. Zweitens dürfte die Informationstechnik für intelligente Verkehrssteuerungssysteme eingesetzt werden, allerdings weniger mit dem Ziel, Verkehr zu reduzieren, als ihn geschickt auf verfügbare Kapazitäten zu verteilen. Das Zusammenspiel von Flächen- und Verkehrssystemen in der Stadtplanung dürfte damit vor neuen interessanten Herausforderungen stehen. Auch die gesamte technische Infrastruktur wird durch die technischen Möglichkeiten der Wissensgesellschaft betroffen sein – mit insgesamt sehr positiven Wirkungen auf das Gefüge unserer Städte. So werden beispielsweise hochgenaue und ’intelligente’ Sensoren die Steuerung komplexer technischer Systeme ermöglichen, so dass Anlagen der technischen Infrastruktur etwa im Hinblick auf ihr Immissionsverhalten optimiert und Gefahren frühzeitig unter Kontrolle gebracht werden können. Die Standortbedingungen und -planungen für Infrastrukturanlagen dürften sich somit erheblich verändern. Für urbane Räume, in denen die Informations- und Kommunikationstechnologie in umfassender Weise zum Einsatz kommt und die digitale Vernetzung im Bereich der technischen Infrastruktur konzeptionell ebenso vorangetrieben wird wie bei Einrichtungen der sozialen und institutionellen Infrastruktur, hat sich seit einiger Zeit der Begriff der „smart cities“ etabliert.
Zusammenfassend wäre festzustellen, dass es in Bezug auf die Stadt- und Raumstrukturen tendenziell zu einer Entgeometrisierung der städtebaulichen Funktionen kommen wird und dass sich die Siedlungsstrukturen den topologischen Erfordernissen der aus Wissensproduktion und Wissensspeicherung sich konstituierenden Vernetzung anpassen werden. Die Gestaltqualitäten unserer Städte werden zunehmend durch das Phänomen der visualisierenden Simulation gekennzeichnet sein, das mit heute schon mancherorts vorhandenen billbordisierten Gebäudehüllen und interaktiven Fassaden erst einen Anfang markiert [mehr dazu vgl. Streich 1995; Streich 1997]. Die Wissensgesellschaft wird zudem auch die Stadtökonomie verändern, wie im Zusammenhang mit der „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ [Goldhaber 1997; Goldhaber 1998] oder mit Dieter Läpple’s Thesen zur „Renaissance der Stadt in der Wissensgesellschaft“ [Läpple 2003] an anderer Stelle in diesem Kapitel bereits dargelegt wurde. Die zunehmende Bedeutung von Wissen wird sich aber nicht nur auf die Stadt in
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ihrer physischen und strukturellen Form auswirken, sondern auch Einfluss auf die Lebensweise der Bewohner der Stadt und ihr regionales Umfeld nehmen. Die konkrete Lebenssituation der Menschen in den Städten und Stadtregionen wird in vielfältiger Weise von den neuen Randbedingungen der Wissensgesellschaft tangiert sein. Lernen, Kommunikation und ein auf Kreativität ausgerichteter Lifestyle stehen in engem Zusammenhang mit Wissensaneignung, Wissensaustausch, Wissensvermehrung und Wissensproduktion. Dies erfordert auch die Schaffung neuer infrastruktureller Voraussetzungen, die das Funktionieren der Wissensgesellschaft in materieller, institutioneller, personeller und informationeller Hinsicht sicherstellen. Welche Voraussetzungen innerhalb der urban wirksamen Infrastrukturbereiche im Einzelnen zu erfüllen sind, wurde an anderer Stelle in diesem Buch bereits ausführlich dargelegt. Neuere Studien zeigen auch, dass die traditionellen Standortfaktoren allein nicht mehr ausreichen, um Städten im globalen Wettbewerb eine adäquate Position zu sichern. Vielmehr hat es sich gezeigt, dass bei ökonomisch höchst erfolgreichen Städten in signifikanter Weise Faktoren wie Kreativität, Diversität, Toleranz, Internationalität und Sicherheit eine wichtige Rolle spielen [Musterd 2002], aus denen sich die Konturen der Wissensgesellschaft herleiten und zeichnen lassen. Vor allem der US-amerikanische Urbanist Richard Florida hat mit seinen Thesen von der „kreativen Klasse“ reichhaltige Anstöße geliefert [Florida 2002]. Florida‘s Theorie behauptet, dass in Zukunft erfolgreiche Städte und Metropolregionen mit hohen Konzentrationen von Beschäftigten im Hochtechnologiebereich, von Wissensarbeitern, Künstlern, Musikern, ‘Bohemiens‘ etc. ein höheres ökonomisches Entwicklungsniveau haben werden. ‘Hip‘ zu sein und ‘coolness‘ zu besitzen, so die These, wird entsprechend ausgestatteten Städten enorme Vorteile für ihre Entwicklung verschaffen. Tatsächlich treffen Florida‘s Thesen den Kern von Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft, wo es um eben diese tragenden Eigenschaften von innovativen Menschen und kreativen Netzwerken geht. Manche Kritiker sehen Florida‘s Thesen allerdings als zu elitär, um sie als allgemeingültiges Rezept für jede Stadtentwicklung anwenden zu können. In seiner Replik auf Florida schreibt der US-amerikanische Stadtforscher Joel Kotkin unter dem Titel „Uncool cities“, dass die Verlockungen von ‘coolness‘ und Vorstellungen von einer „culturally-based lifestyle economy“ nicht ausreichen würden. Die fundamentalen Grundlagen jeder Stadtentwicklung, von traditioneller Infrastruktur bis zu den grundlegenden, materiellen Bedürfnissen der Stadtbewohner, würden ignoriert und seien nicht mit einem hippen Lifestyle kompensierbar [Kotkin 2005]. Kommen wir zum Schluss zu einem anderen Themenbereich, der allerdings in einem durchaus engen Zusammenhang mit wissensgesellschaftlichen Strukturen steht: die ’Lernende Stadt’ bzw. ’Lernende Region’. Viele Städte sehen darin seit einiger Zeit für sich ein neues Leitbild für die Stadt- und Regionalentwicklung [vgl. etwa Larsen 1999; Romero 2003], so dass auch wir uns theoretisch und praktisch mit diesem Aspekt der Stadtplanung befassen wollen. Zunächst einige theoretische Vorüberlegungen: Wissen, so können wir in Anknüpfung an Kapitel 1 in diesem Buch sagen, ist das Ergebnis von Lernvorgängen. Diese können auf verschiedene Weise stattfinden:
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durch Vermittlung von explizitem Wissen über verschiedene Formen des Lehrens und Lernens, aber auch durch Erfahrungen, die jedem Menschen zuteil werden, wenn er mit seiner Umwelt kommuniziert. Darüber hinaus konstituiert sich Wissen, wie dargelegt, auch aus miteinander kooperierenden Individuen, die zur Wissensmehrung um so mehr beitragen, je stärker die schon angesprochenen sozialen Randbedingungen wie Verschiedenartigkeit, Kreativität, Toleranz und auch Internationalität prägend wirken.
Abb. 9.17: Eröffnung von Teilhabechancen in der Wissensgesellschaft (Quelle: Stadt München) Wenn wir daran anknüpfend Überlegungen anstellen, eine Konzeption der ’lernenden Stadt bzw. Region’ zu entwickeln, dann könnte man in einer ersten Annäherung damit etwas bezeichnen, das auf Theorien über Innovation aufbaut und dabei Organisationen sowie Systeme miteinbezieht, die zur Förderung von Innovation beitragen. Den unterschiedlichen Konzepten der lernenden Städte bzw. Regionen dürfte die Vorstellung gemein sein, Innovation und Lernen zum Kern aller Entwicklungsstrategien zu machen, damit die örtliche und regionale Wirtschaft auf hohem Innovationsniveau weiterfunktionieren und in einer globalisierten Welt konkurrenzfähig bleiben kann [vgl. auch ergänzend mit Fallbeispielen aus den östlichen Bundesländern Büttner/Lange/Matthiesen 2003]. Dazu werden verschiedene Kombinationen des lebenslangen Lernens ebenso für erforderlich gehalten wie der kreative Gebrauch der digitalen Informations- und Kommunikationstechniken. Die Begriffe Lernen sowie Lernfähigkeit haben sich in diesem Kontext auf einzelne Personen ebenso zu beziehen wie auf Institutionen. Das Lernen des Einzelnen beinhaltet den Erwerb von Wissen, aber auch die Fähigkeit, andere Menschen zu verstehen sowie mit wissensbasierten technischen Systemen umzugehen. Auf der Basis dieser theoretischen Überlegungen gelten zwei Aspekte als Schlüssel für lernende Städte bzw. Regionen: Netzwerke und Teilhaberschaften. Beide Aspekte sind Voraussetzung dafür, dass vor allem gemeinsame Lernprozesse in einem ununterbrochenen Austausch von Informationen organisiert werden
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können, um Lerneffekte herbeizuführen. Netzwerke können auch als Beziehungsgeflechte bezeichnet werden. Sie bestehen zunächst aus Individuen, die miteinander in einer Relation stehen und durch gemeinsame Aktivitäten, durch Kooperation oder Kommunikation realisiert werden. Dabei lassen sich verschiedene Netzwerke voneinander unterscheiden: personelle Netzwerke als von Menschen ausgeübte Beziehungsgeflechte; Netzwerke in der Wirtschaft als Beziehungsgeflechte von Wirtschaftssubjekten zum Zwecke der Güterproduktion oder des Handels; Netzwerke des Lernens als sich gegenseitig ergänzende Einrichtungen der Bildung und Ausbildung; administrative Netzwerke als Funktions- und Organisationseinheiten etwa einer Verwaltung. Die Gesamtheit dieser Einzelnetzwerke einer Stadt oder Region bildet quasi ein allumfassendes Meta-Netzwerk, aus dem sich letztendlich die Stadt oder Region insgesamt konstituiert. Ergänzt und komplettiert werden diese Netzwerke durch technische Systeme bzw. Netzwerke, die dazu dienen, Informationsaustausch, Kommunikation, Kooperation und auch Partizipation zu realisieren. Ergänzend zum Beziehungsgeflecht menschlicher Individuen treten zunehmend auch intelligenter werdende und mit einer gewissen Lernfähigkeit ausgestattete Maschinen (Computer), die miteinander verbunden sind und somit ebenfalls Beziehungsgeflechte besitzen. Dies führt auf den zweiten Schlüsselaspekt der lernenden Stadt bzw. Region: die Teilhaberschaft. Netze und Netzwerke funktionieren nämlich nur dann, wenn jedes Individuum in das Netzgefüge eingebunden und integriert ist und keine Ausgrenzung stattfindet. Die Leitvorstellung von der lernenden Stadt bzw. Region wird ihre Dynamik somit dann am besten entfalten können, wenn die Netzwerke der verschiedenen Akteure in einer Atmosphäre der Toleranz und Offenheit für den Aufbau weiterer Beziehungsgeflechte kultiviert werden. Woraus sich unter diesen Vorgaben eine lernende Stadt bzw. Region konstituiert, lässt sich stichwortartig wie folgt zusammenfassen: • • • • • •
durch eine Vielzahl lernender und sich um Lernen bemühender Menschen; durch eine lernende Wirtschaft; durch lernende Institutionen in Stadt und Region (Wissensmanagement in der Verwaltung); durch den Einsatz von lernenden Maschinen, die Kontrollaufgaben übernehmen, Menschen von Routineaufgaben entlasten und das Lernen erleichtern; Verlinkung von lernenden Menschen mit maschinell gespeichertem Wissen; Lernen durch Erfahrung in den komplexen Geschehnissen einer Stadt bzw. Region und durch Schaffung einer kreativen Atmosphäre der kulturellen Vielfalt.
Die Herbeiführung von Lerneffekten ist ggf. mit entsprechenden Infrastrukturen und Organisationseinheiten zu unterstützen – durch Einrichtungen für Bildung, Ausbildung, Fort- und Weiterbildung für alle Altersklassen ebenso wie die Schaffung von Kommunikationsmöglichkeiten (technisch oder personell) oder auch Bereitstellung von Strukturen, welche die Entstehung neuer Netzwerke und ihre Fortentwicklung begünstigen. Dabei ist zweifellos auch den unterschiedlichen sozio-ökonomischen
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Umständen Rechnung zu tragen, mit denen die Besonderheiten in Geschichte und Kultur einer Stadt bzw. Region aufgegriffen werden. Die lernende Stadt bzw. Region wird auf diesen Erfahrungsschatz zurückgreifen, zugleich aber auch alle Voraussetzungen dafür schaffen müssen, dass dem ’Lernen durch Erfahrung’ auch in Zukunft alle Entfaltungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Eine große Aufgabe für die Stadtentwicklung.
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Übersicht Das Zusammenwachsen Europas und die vielfältigen internationalen Austauschbeziehungen in einer durch die Ökonomie der Wissensgesellschaft geprägten Welt verstärken das Interesse an städtebaulicher Planung jenseits der nationalen Grenzen. Vor diesem Hintergrund greift das vorliegende Kapitel internationale Bezüge der Stadtplanung auf. Zu Beginn werden dazu die internationalen Beziehungsgeflechte allgemein dargelegt. Ein knapper Rückblick wird zeigen, dass sich die Akteure der Stadtplanung, vor allem ihre Theoretiker, immer schon mit Überlegungen, Modellen und exemplarischen Lösungskonzepten in anderen Ländern auseinandergesetzt haben – nicht zuletzt, um Rezepte für das eigene Tun zu erhalten. Der Schwerpunkt des vorliegenden Kapitels liegt in der Darstellung von Planungssystemen einzelner, ausgewählter Länder. Aus naheliegenden Gründen werden wir zunächst auf einige wichtige Nachbarstaaten innerhalb der Europäischen Union eingehen und uns anschließend mit Ländern außerhalb des europäischen Kontinents befassen. Für die Auswahl sind Länder bzw. Staaten herangezogen worden, die besondere Beachtung deshalb verdienen, weil sie entweder aufgrund ihrer Exponiertheit und ihres Modellcharakters für Planungssysteme anderer Länder von herausragender Bedeutung sind (insbesondere Großbritannien, USA), weil sie sich in einem grundsätzlichen gesellschaftlichen Wandel befinden, der mit einer beachtlichen Umgestaltung des räumlichen Planungssystems einhergeht (Südafrika), oder weil eine besondere ökonomische Dynamik hin zu einem hochentwickelten Industriestaat das Interesse auch auf die entsprechenden Organisationsstrukturen und Methoden der Stadt- und Raumplanung lenkt (Südkorea). Dargestellt werden nach einem einführenden Abschnitt über internationale Beziehungsgeflechte die Stadtplanungssysteme folgender Länder: • •
Frankreich Großbritannien
B. Streich, Stadtplanung in der Wissensgesellschaft, DOI 10.1007/978-3-531-93164-7_11, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Niederlande Schweden USA Südafrika Südkorea
Internationale Beziehungsgeflechte Internationale Beziehungsgeflechte spielen in der Stadtplanung und im Städtebau nicht erst seit Beginn der Globalisierungsdebatte in den 1990er Jahren eine herausragende Rolle. Die Ideen und Konzepte anderer beim Planen und Bauen von Städten und der Fortentwicklung von städtebaulichen Systemen wurden immer schon mit offenen Augen angeschaut. Im Gegensatz zu früheren Zeiten aber sind die Städte und Stadtregionen aufgrund der globalen Konkurrenzsituation heute gezwungen, die konzeptionellen Planungsansätze anderer und ihre Planungssysteme nicht nur (akademisch) zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch aufzugreifen. Eine Implementierung anderer Systeme wird häufig nicht zuletzt auch deshalb für erforderlich gehalten, weil der Zwang besteht, gegenüber den Konkurrenten institutionell, konzeptionell und methodisch mitzuhalten. Dieser Grund für Planungssystemadaptierungen lässt sich seit einiger Zeit ganz besonders im Zuge des globalen Gerangels um Standorte für Events (im Sportbereich, EXPO’s etc.) beobachten, aber auch in der Tendenz, sich teilweise von nationalen Planungssystemen abzukoppeln und Planungsinstrumente zu verwenden, die internationale Verbreitung gefunden haben. Dazu gehört etwa die in ihrer rechtlichen Verbindlichkeit eher offene und flexible ’Masterplanung’ ebenso wie die zunehmende Rolle von Planungsaktivitäten privatwirtschaftlich handelnder Organisationen, die mit der öffentlichen Hand allenfalls in einer ’private-public-partnership’ (PPP) kooperieren; beides entstammt der angelsächsischen Planungskultur. a) Rückblick Die Tatsache, dass in der Geschichte des Städtebaus zwischen verschiedenen Planungssystemen und konzeptionellen Alternativen für die Lösung von urbanen Problemen häufig eine gegenseitige Befruchtung stattfand, lässt sich umstandslos belegen. Es würde keine Schwierigkeiten bereiten, alle historischen Epochen durchzudeklinieren und herausragende Beispiele im Sinne von ’globalen Paradigmen’ der Stadtplanung zu finden. So waren die städtebaulichen Konzepte und Stadtanlagen im antiken Griechenland, die ihren Ausgang von den jeweiligen ’Mutterstädten’ – den Metropolen – nahmen, ein wesentlicher Kristallisationspunkt für die Verbreitung von Vorstellungen zum Bau von Städten. Die römische Antike, in der auch die städtebaulichen Schemata der Etrusker und Griechen adaptiert wurden, verlieh den Städten dann eine durch funktionale und militärstrategische Überlegungen bedingte eigene Prägung und hinterließ nachfolgenden Kulturen das Modell einer vollkommen durchra-
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tionalisierten Stadtplanung. Im Mittelalter sorgte die Hanse in Nord-, West- und Mitteleuropa für ökonomische Verflechtungen der Hansestädte, die sich in Struktur, Gestalt und Zweckbestimmung ähnlich waren. Und in der Neuzeit waren es die imperialen Kolonisatoren – Spanier, Portugiesen, Engländer, Franzosen, Niederländer etc. –, die für eine Stadtplanung jeweils mit eigener Prägung im globalen Kontext sorgten. Machen wir einen Sprung in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, als sich die Stadtplanung als eigenständige Disziplin etablierte und die aufkommende wissenschaftliche Fundierung die heute verwendeten Planungssysteme am direktesten beeinflusste. Gehen wir der Frage nach, was – und vor allem: wer – das internationale Beziehungsgeflecht der Stadtplanung zu jener Zeit am meisten geprägt hat, werden wir rasch auf die vielfältigen und nachhaltig wirksamen Aktivitäten utopisch sowie philantropisch inspirierter Personen stoßen. Ihnen allen ging es darum, den Auswüchsen des überbordenden Kapitalismus ein alternatives Gesellschaftsbild, nicht selten mit einem neuartigen städtebaulichen Konzept kombiniert, entgegenzusetzen. Als besonders prägend traten dabei die Ideen der ‘utopischen Sozialisten‘ in Erscheinung (vgl. ausführlich dazu Kap. 11). Zu erinnern wäre als erstes an Robert Owen, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit seinen beiden wichtigsten Projekten in New Lanark (Schottland) und New Harmony (Indiana/USA) beachtliche Wirkungen entfaltete und wesentlich zur Entstehung eines internationalen Beziehungsgeflechts von idealistisch inspirierten Nachahmern mit ähnlichen Vorstellungen beitrug [Bollerey 1977: 49ff]. Vor allem Ebenezer Howard war es dann, der auf diese utopischen Vorstellungen zurückgriff und im Jahre 1898 seine Utopie von einem „Peaceful Path to Real Reform“ [Howard 1898] beschrieb, die dann einmündete in (s)eine „realisierte Utopie“ [Abercrombie 1933: 98] – der vielbeachteten, ersten Gartenstadt Letchworth nördlich von London [vgl. Hall 1988: 169]. Hinter der Gartenstadt stand die Überlegung, ein trabantenstadtartiges Gegengewicht zu den im 19. Jahrhundert entstandenen Großstadt-Molochs zu schaffen. Dass der Großraum London im Zentrum solcher Überlegungen stand, kam nicht von ungefähr, handelte es sich doch seinerzeit um die größte Stadt der Welt mit einer Einwohnerzahl von rund 4,5 Mio. im Jahre 1901 [Benevolo 1975/1982: 968], die nach Entlastung sowie einer grünen Zwischenzone – einem „greenbelt cities concept“ [Hall 1988: 129ff] – rief. Die Gartenstadtidee mit allem, was an planungstheoretischen Begründungen damit verbunden war, fand rasch Widerhall in der internationalen Fachdiskussion; die konzeptionellen Fortentwicklungen überwanden schnell nationale Grenzen und wurden in verschiedenen Ländern aufgegriffen und umgesetzt. In den USA waren es die Architekten Clarence Stein und Henry Wright, vor allem aber Clarence Arthur Perry, die der Gartenstadt dort – exemplifiziert an dem berühmten ‘Radburn‘-System – ihren Prägestempel aufdrückten: „The Stein-Wright Radburn cities“, so Peter Hall, „are unquestionably the most important American contributions to the gardencity tradition“ [Hall 1988: 122ff]. Ein weiterer interessanter Pfad führt nach Deutschland (vgl. Kap. 11) – und von dort zu Beginn des 20. Jahrhunderts schließlich auch nach Israel, wo sich unver-
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sehens die Wege namhafter Stadtplaner und Architekten kreuzten: die einen mit einer Herkunft aus der Bauhaus-Bewegung, die anderen, wie Richard Kauffmann, die Gartenstadt-Tradition deutscher Spielart verbreitend [Wahrhaftig 1996: 42ff] und schließlich auch wieder der Schotte Patrick Geddes, der im damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina planerisch tätig war und einen berühmt gewordenen Grundrissentwurf für die neu zu gründende Stadt Tel Aviv – heute noch ablesbar an der Dietzengoff Avenue und dem Dietzengoff Circle im Stadtzentrum – hinterließ. Patrick Geddes war es dann auch, der durch seine theoretischen Studien das allgemeine planerische Interesse an den Planungsprinzipien und -systemen anderer Länder weckte; Geddes selbst blickte vor allem auch nach Deutschland, wo viele städtebauliche und stadtplanerische Innovationen in Erscheinung traten. Bereits im Jahre 1909 zeigte Geddes seine hohe Anerkennung für etliche in Deutschland angewandte Prinzipien [Geddes 1915/1950: 67ff; das Buch ist 1909 entstanden; zur Person Geddes vgl. ausführlich in Kap. 1]: „German Railway Stations as illustrative of better organisation than in other countries. Frankfort New Docks as a masterpiece of town planning in its co-ordination of port and railway, engineering and commercial activities and above all its systematic provision of housing, with gardens, parks, etc., for its dockers. (...) General criticism of German methods: their recent progress. Camillo Sitte’s rehabilitation of medieval town planning. (...) Limitation of German methods: advantage of English cottage system (Letchworth, Hampstaed, etc.) now being admitted in Germany, and provided at Ulm. (..) Application to British Cities, and to industrial progress generally. Criticism of the London Docks scheme.“ Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass sich um die Zeit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts die in den internationalen Beziehungsgeflechten aufgegriffenen stadtplanerischen Innovationen (damals noch) auf wenige Länder konzentrierten. Kein Geringerer als Patrick Abercrombie, einer der namhaften Planer im damaligen England und späterer Schöpfer des in die Gartenstadttradition eingebetteten „Greater London Plan“ (1944), war es, der schon damals, im Jahre 1933, die Planungsansätze von Frankreich, Deutschland, England und Amerika (USA) – in dieser Reihenfolge! – als die „Big Four in planning“ bezeichnete [Abercrombie 1933: 87ff]. 1933 war auch das Jahr, das mit einem prägenden Höhepunkt im Zuge der internationalen Diskussion über leitende Prinzipien zukünftiger Stadtplanung aufwarten konnte. Der „Congrès International d’Architecture“ (CIAM) entwarf die „Charta von Athen“ (vgl. Kap. 5), die weltweit Wirkungen auf Planungssysteme insofern entfalten sollte, als das Prinzip der Trennung von städtebaulichen Funktionen nahezu
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überall in die jeweiligen rechtlichen Grundlagen der Stadtplanung aufgenommen wurde. Diese Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Es würde jedoch zu weit führen, auch nur die wichtigsten Einflüsse zwischen Staaten und Planungssystemen in Bezug auf die Institutionalisierung von Planung und ihre inhaltliche wie konzeptionelle Ausgestaltung darlegen zu wollen; einen ausgezeichneten Überblick bietet hierfür Peter Hall’s Klassiker „Cities of Tomorrow“ [Hall 1988]. Aufschlussreich ist auch ein Blick auf eine Liste von Stadtgründungen im 20. Jahrhundert – von Canberra über Brasilia, Chandigarh bis Almere oder Louvain Neuf [vgl. z.B. Internet en.wikipedia. org/wiki/List_of_planned_cities]. b) Städte im globalen Wettbewerb Die internationalen Bezüge der gegenwärtigen Stadtplanung stehen unter dem Einfluss des Stichworts ’Globalisierung’ – einem Phänomen, das trotz des gedanklichen Austauschs von Planungsvorstellungen und der Adaptierung von konzeptionellen Lösungen über nationale Grenzen hinaus erst in jüngerer Zeit als urbanistische und raumplanerische Herausforderung von immenser Bedeutung auf der Agenda steht. Früher fand Stadtplanung in einem eher abgegrenzten Raum – der jeweiligen Stadt oder ihrem regionalen Einzugsbereich – statt. Heutzutage hat sich die lokale Stadtplanung zusätzlich mit überregionalen und globalen Aspekten auseinanderzusetzen, da die Städte sich auch auf diesen Ebenen der Konkurrenz stellen müssen. Als ein Nebenprodukt hat sich mittlerweile ein lohnender Markt für Consulting-Unternehmen aufgetan, die in regelmäßigen Abständen Untersuchungen bezüglich der Konkurrenzfähigkeit von Städten durchführen, um das Ergebnis in Form von Stadtranking-Listen zu präsentieren. Ähnlich funktioniert auch die als Denkfabrik für urbane Angelegenheiten auftretende Organisation „City Mayors“, die mit umfassenden Daten ein weltweit angelegtes Städteranking betreibt [Internet www.citymayors. com/sections/rankings_content.html]. Zweifellos sind die urbanen Planungsaktivitäten in der Wissens- und Informationsgesellschaft, um im Bild des Buchtitels zu bleiben, in globale Strukturen eingebettet, unter Umständen mit der Folge, dass z.B. etablierte lokale und nationale Planungssysteme in Frage gestellt werden, wenn sie den Interessen global angelegter Stadtentwicklungsaktivitäten zuwiderlaufen. Städte sind (ökonomische) Mittelpunkte der sie umgebenden Landstriche, Teil eines hierarchischen Systems von zentralen Orten einer Region oder eines Landes, gleichzeitig aber auch Teil einer globalen Städtehierarchie. Dementsprechend haben sich spezifische Begrifflichkeiten etabliert, mit denen sich die jeweilige Positionierung einer Stadt beschreiben lässt. Eine diesbezügliche Grobeinteilung liefert folgende Kategorien (vgl. Abb. 10.1): a) einfache Städte mit lokaler Bedeutung, b) Metropolen mit regionaler Bedeutung und c) World Cities mit globaler Bedeutung [vgl. Hall 1966; Sassen 1996, Herbert/Thomas 1997: 96ff; Petz/Schmals 1997: 3ff; Kural 2000: 44ff; Internet www.lboro.ac.uk/gawc/citymap.html]. Diese Begriffe sind allerdings keine Erfindungen aus der jüngsten Globalisierungsdebatte; bereits Patrick Geddes verwendete den Begriff ’World Cities’ [1915/1950: 22ff]. Und auch in
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Deutschland waren Begriffe wie ’Weltstadt’ bereits im 19. Jahrhundert geläufig: „Berlin – Panorama einer Weltstadt“, so lautete in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Essay-Sammlung des Vormärz-Revolutionärs Karl Gutzkow [vgl. Internet gutenberg.spiegel.de/gutzkow]. Eine umfassender angelegte Diskussion über die Bedeutung von Städten im globalen Kontext keimte allerdings erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf. Einer der ersten, der sich dabei hervortat, war Peter Hall, der im Jahre 1966 fünf charakteristische Merkmale von „World Cities“ formulierte [Hall 1966; Internet www.usc.edu/dept/geography]. In solchen Städten, so Hall, befinden sich • • • • •
politische Macht, nationale Regierungen und internationale Organisationseinheiten, führende Berufsorganisationen, Gewerkschaften oder andere gesellschaftliche Zusammenschlüsse, Zentren für Finanzen, Handel und Kommunikation sowie Zentren für Transport und Distribution von Gütern.
Abb. 10.1: Hierarchie der World-Cities in den 1990er Jahren (Quelle: Herbert/Thomas 1997) Dass die Diskussion um ’World Cities’ dann in den 1990er Jahren verstärkt geführt wurde und mancherorts geradezu resignierend-panische Züge annahm, hatte mit dem Globalisierungs-Phänomen zu tun, dem man sich hilflos ausgeliefert sah. Im Gegensatz zu früher nämlich ging es nicht mehr nur um die Ausgestaltung von materiell-physischen, d.h. von lokal fixierten Standortbedingungen. Vielmehr sah man sich im Konzert des Städtewettbewerbs mit zunehmend von physischen Bedingun-
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gen und Raumüberwindungsnachteilen abkoppelbaren Triebkräften konfrontiert, die bei der Herausbildung einer städtischen Hierarchie im globalen Kontext eine immer prägendere Rolle spielen sollten. In den Mittelpunkt des Interesses gerieten im Zuge der globalen Ausbreitung des Internets und seiner Diffundierung in alle Lebensbereiche die raum- und siedlungsstrukturellen Effekte der Informations- und Kommunikationstechnologien [Castells 1989], welche ihrerseits Kennzeichen und technische Voraussetzung der Wissens- und Informationsgesellschaft sind: „The world city“, so der Kommentar eines einschlägig mit der Gestaltung globaler Stadtstrukturen befassten Architekten, „can only exist in an overflow of information and communication at the global level. The communication network has to be comprehensive and extensive enough to allow facile contact with the rest of the world from any location. The world city comprises an international airport and a harborfront.“ [Kural 2000: 44] Die internationalen Bezüge der Stadtplanung sind damit nicht nur, wie noch zu Zeiten von Geddes, Abercrombie oder der Charta von Athen rein exemplarischer Natur, als man pionierhafte und problemadäquate Lösungen auf ihre Übertragbarkeit prüfte. In der globalen Konkurrenzsituation aber, der sich die Städte nunmehr ausgesetzt sehen, stehen auch die stadtplanerischen Lösungskonzepte in gegenseitiger Konkurrenz, von denen eine rasche und reibungslose Umsetzung mit einer möglichst spektakulären Werbewirksamkeit gefordert wird. Nationale Stadtplanungssysteme stehen dieser Tendenz zunehmend im Wege. Aus diesem Grund gibt es Bestrebungen, die Systeme einander anzugleichen, und in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren hat genau dies in vielen Ländern stattgefunden. In Deutschland beispielsweise hatte dieser Prozess eine Abkehr von der hoheitlichen Planung hin zu einer Planung durch private Akteure zur Folge; auch die aus dem angelsächsischen System übernommene ’Masterplanung’ wie die ebenfalls neu eingeführten Instrumente des ’städtebaulichen Vertrags’ und des ’vorhabenbezogenen Bebauungsplans’ im deutschen Planungsrecht sind Ausdruck dieses Angleichungsprozesses. Wie die Raum- und Stadtplanung außerhalb Deutschlands aussieht, soll mit den nachfolgenden Ausführungen zu den Planungssystemen einzelner Länder beleuchtet werden. Für die Auswahl der Länder war im Wesentlichen ausschlaggebend, inwieweit dabei prägende Konzepte für die Stadtplanung entstanden sind, wie etwa in Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden, oder dass, wie beispielsweise in Südafrika im Zuge der Demokratisierung nach dem Verschwinden des ApartheidRegimes, ein für einen derartigen Transformationsprozess vorbildliches System entwickelt wurde [gute Überblicke zu Europa bieten: Wollmann 2008; Albers 1997, Schmidt-Eichstaedt (Hrsg.) 1995 oder in Kurzfassung Schmidt-Eichstaedt 1998: 45ff].
Frankreich Allein die starken ökonomischen Verflechtungen zwischen Frankreich und Deutschland und die zentrale Funktion der deutsch-französischen Beziehungen innerhalb
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der Europäischen Union wecken das Interesse am Planungssystem unseres Nachbarn [vgl. Albers 1997, Kistenmacher 1998, Wollmann 2008 und im Internet www. urbanisme.equipement.gouv.fr oder www.planungsrundschau.de den Beitrag von Braumann/Elineau]. Das französische Planungssystem war bis in die 1980er Jahre hinein – im Gegensatz zu Deutschland – zentralistisch organisiert. Nach seiner Wahl zum Staatspräsidenten im Jahr 1981 trieb François Mitterand die Dezentralisierung voran und setzte richtungsweisende Änderungen im politisch-administrativen System durch; allerdings änderte sich an der Grundstruktur des Staates kaum etwas. Das französische Staatsverständnis nach dem jakobinischen Motto „La France est une et indivisible“ ist als Leitprinzip Frankreichs seit der Französischen Revolution nach wie vor existent und hat die kulturelle, rechtliche und soziale Gleichheit der Bürger zum Ziel. Im Zuge der Dezentralisierungsbestrebungen beschloss die Nationalversammlung im Jahre 1982 weitreichende Gesetze zur Reform der Territorialstruktur, die das Verhältnis zwischen dem Zentralstaat und seinen Gebietskörperschaften entscheidend veränderten und die Struktur des politisch-administrativen Rahmens neu definierten. Insbesondere das Verhältnis zwischen Staat und den Gebietskörperschaften wurde gründlich reformiert: An der Spitze stehen die Institutionen des Zentralstaats mit dem gesetzgeberischen Monopol für das ganze Land, ausgeübt durch die Ministerien in Paris. Die Vertretung des Zentralstaats in der Provinz erfolgt durch Präfekturen und Unterpräfekturen, die direkt den in Paris ansässigen Ministerien unterstehen. Die im Zuge der Dezentralisierung vorgenommene Auslagerung von administrativen Stellen in die Provinz bedeutete keine Verschiebung von Kompetenzen, sondern stärkte lediglich die Präsenz des Zentralstaates in der Fläche; 95% der Beschäftigten des Zentralstaates arbeiten seither außerhalb von Paris. Unterhalb der staatlichen Ebene verfügt Frankreich – im Gegensatz zur sonst üblichen Zweiteilung in anderen europäischen Staaten – mit Regionen, Départements und Gemeinden über drei administrative Ebenen. Die französische Verfassung gesteht diesen drei Gebietskörperschaften das Recht zu, sich selbst zu verwalten. Die Festlegung der vom Zentralstaat an die Gebietskörperschaften übertragenen Aufgaben wurde durch die Dezentralisierungsgesetze geregelt. Kompetenzen sind allerdings nur im administrativen Bereich eingeräumt worden, Gesetzgebungsakte oder Rechtsprechung sind ihnen nicht erlaubt. Die 26 Regionen sind die jüngsten, derzeit noch mit den wenigsten Kompetenzen ausgestatteten Gebietskörperschaften – und in ihrer räumlichen Größe mit kleineren deutschen Bundesländern vergleichbar. Eine Region umfasst bis zu acht Départements, die vor allem aufgrund ihrer Zuständigkeiten im Sozialbereich recht viel Macht besitzen. Die unterste Ebene des französischen Territorialsystems bilden die über 36.000 Gemeinden. Die Beziehungen zwischen Zentralstaat und Gebietskörperschaften sind in erster Linie durch die Hierarchielosigkeit zwischen den Gebietskörperschaften – d.h. eine Art Gleichzeitigkeit von Zentralstaat und Gebietskörperschaften auf sämtlichen räumlichen Ebenen –, das Fehlen einer institutionalisierten Kooperation zwischen den Gebietskörperschaften und das Fungieren des Zentralstaats als koordinierende
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Instanz gekennzeichnet. Dem Zentralstaat fehlt zwar die Legitimation zur Weisungsbefugnis, aber durch seine Rolle als Koordinator, Moderator und Vertragspartner für Gebietskörperschaften weitet er letztendlich seinen Einfluss auch auf den formal dezentralisierten Bereich aus [vgl. Internet www.planungsrundschau.de, Jahrgang 2003, Beitrag von Braumann/Elineau]. Die aus der Dezentralisierungsreform resultierenden administrativen Probleme machten auch das Reformieren des französischen Planungssystems erforderlich mit der Notwendigkeit einer rechtlichen Fundierung und Regelung dieses Bereichs. Dank des Raumordnungsmonopols der staatlichen Zentralgewalt kam die französische Raumordnung lange Zeit ohne ein eigenständiges Gesetz zurecht; es gab auch keinerlei Anlass für einen besonderen gesetzlichen Rahmen. Dem französischen Staat reichten bis zur Dezentralisierung Anfang der 1980er Jahre neben seinen finanziellen und infrastrukturellen Programmen meist Runderlasse, um steuernd einzugreifen, zumal es staatliche Dienststellen waren, welche die Anweisungen vor Ort ausführten. Ein gesetzlicher Rahmen, so befürchtete man, würde außerdem den Ermessensspielraum des Staates bzw. der jeweiligen Regierung einschränken. Erst durch die Dezentralisierung und das Ende der Politik der Nationalen Pläne 1992 entstand schrittweise ein Bedarf an neuen gesetzlichen Grundlagen. Seit Beginn der 1990er Jahre entstanden verschiedene Gesetzeswerke, die einen neuen legislativen Rahmen für die Raumordnung und Stadtplanung in Frankreich bildeten: •
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Das „Loi d’orientation pour l’aménagement et le développement durable du territoire“ (LOADDT) aus dem Jahre 1999 als Novellierung des LOADT von 1995 (von seiner Konzeption her entspricht es in etwa dem deutschen Raumordnungsgesetz); das „Loi relative au renforcement et à la simplification de la coopération intercommunale“ aus dem Jahre 1999, das die Formen interkommunaler Kooperation vereinfachend regelt; das „Loi relative à la solidarité et au renouvellement urbain“ (Loi SRU) aus dem Jahre 2000, ein Teil des Code de l’urbanisme, der von seiner Konzeption her etwa dem deutschen Baugesetzbuch entspricht und die Neuregelung der kommunalen Bauleitplanung betrifft.
Das französische Planungssystem verfügt über eine Vielzahl von formellen und informellen Möglichkeiten zur Ausgestaltung der Raumordnung und Stadtplanung [Wollmann 2008: 185ff]. Auf der lokalen Ebene stehen mit dem „Schéma de cohérence territoriale“ (SCOT) und dem „Plan local d’urbanisme“ (PLU) die beiden wichtigsten Planinstrumente zur Verfügung. Während das SCOT die Funktion eines Referenzdokuments für die überörtliche Entwicklung hat [vgl. z.B. Fall Metz im Internet www.ca2m.com/ statiques/pdf/scot.pdf], mit dem interessierte Gemeindeverbände auf freiwilliger Basis ihre gemeinsame Entwicklung steuern können, übernimmt der PLU die Regelung der örtlichen Flächennutzungsplanung, indem er jeweils die gesamte Gemein-
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de umfasst und deren Fläche in Nutzungszonen einteilt. Ein solcher PLU bestimmt allerdings nicht mehr einfach die Bodennutzung, sondern bildet den Rahmen für die Kohärenz der verschiedenen Planungsmaßnahmen der Gemeinde. Hier werden die angestrebten Maßnahmen aufgezeigt, besonders diejenigen, bei denen es um die Behandlung des öffentlichen Raumes, die Landschaft, die Umwelt und die städtebauliche Erneuerung geht. Zur Erstellung eines PLU sind die Gemeinden nicht verpflichtet; er muss aber mit den übrigen zur örtlichen Entwicklung vorgesehenen Sektorplänen bzw. -programmen – etwa dem „Plan de déplacements urbains“ (Verkehrsplan) und dem „Programme local de l’habitat“ (Wohnungsprogramm) – in Übereinstimmung stehen. Diese beiden Plantypen haben die vormaligen Plantypen – das „Schéma directeur d’aménagement et d’urbanisme“ (SDAU)“ und den „Plan d’occupation des sols“ (POS) – abgelöst.
Abb. 10.2: Der „Plan local d’urbanisme“ am Beispiel Lyon 2003 (Quelle: Internet www.grandlyon.com) Für kleinere Gemeinden ist der PLU nicht vorgesehen. Stattdessen gibt es die „carte communale“, die baureife und naturbelassene Zonen ausweist [Wollmann 2008] und vom kommunalen Rat sowie dem zuständigen Präfekten beschlossen wird. Ein Vergleich des französischen Planungsrechts mit dem deutschen lässt nach den jüngsten Neuerungen gewisse Ähnlichkeiten zwischen beiden Systemen auf örtlicher Ebene erkennen. In beiden Ländern gliedert sich die formelle Planung in ein zweistufiges System, bestehend aus einem strategischen Gesamtplan und De-
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tailplänen. Flächennutzungsplan und „Schéma de cohérence territoriale“ (SCOT) sind strategische Werkzeuge, die keine direkte rechtliche Wirkung entfalten. Für Ballungsräume mit mehr als 50.000 Einwohnern ist dieser Plan allerdings verpflichtend. Die Regelung, dass der SCOT interkommunal sein muss, eine maximale Wirkungsdauer von zehn Jahren hat und durch sektorale Planungen zu ergänzen ist, unterscheidet ihn vom deutschen Flächennutzungsplan. Noch größere Unterschiede sind zwischen dem Bebauungsplan und dem „Plan local d’urbanisme“ (PLU) festzustellen. Bereits der Umstand, dass der PLU sich über das gesamte Gemeindegebiet erstreckt, unterscheidet ihn grundlegend vom deutschen Bebauungsplan. Die Planaussagen des PLU und des SCOT sind nicht standardisiert, wie dies in Deutschland durch die BauNVO und die PlanZVO der Fall ist. Mit dem Loi SRU wurden in Frankreich die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger deutlich erweitert. So wurde die „concertation préalable“ eingeführt, welche sich nicht nur auf eine frühzeitige Bürgerbeteiligung in einen eingegrenzten Zeitraum beschränkt, sondern während des gesamten Verfahrens stattfinden soll. Darüber hinaus wird die Position der Bürger in Frankreich durch ein umfassendes Recht auf Information – basierend auf der Umweltinformationsrichtlinie der EU – in einer Weise gestärkt, wie es in Deutschland nicht der Fall ist.
Abb. 10.3: Grenzübergreifende räumliche Planung am Beispiel „Eurodistrict Saarmoselle“; Hintergrundbild: „Eurodistrict“ im Grenzgebiet Saarland/Lothringen; Vordergrundbild: Eingabemaske und Kartendarstellung für Gewerbeflächenpotentiale (Quelle: eurodistrict saarmoselle) Im Zusammenhang mit Frankreich bietet sich an dieser Stelle die Gelegenheit, exemplarisch auf die mittlerweile weit verbreitete, gegenseitige Bezugnahme von Stadtplanungssystemen in Europa hinzuweisen. Das Beispiel „Eurodistrict saarmoselle“, eine gemeinsame grenzübergreifenden Initiative der Region Saarmoselle (siehe Abb. 10.3) im europäischen Verbund territorialer Zusammenarbeit (EVTZ) –
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bestehend aus Teilen des Saarlandes in Deutschland und Lothringens in Frankreich –, steht in seiner Ausgestaltung zwar noch sehr am Anfang, ist aber in mancherlei Hinsicht lehrreich, insbesondere was das Abstimmungsprocedere und die Datenaufbereitung bis hinein in die Kommunalebene betrifft. Im Mittelpunkt der gemeinsamen Initiative stand zunächst die Erstellung eines digitalen Gewerbeflächenkatasters sowie eines Gewerbeflächenmonitoringsystems in einem einheitlichen, zweisprachigen Internetauftritt mit Zugriff auf die entsprechenden räumlichen Daten über ein integriertes Geographisches Informationssystem. Allein die Tatsache, dass in Frankreich und in Deutschland Gewerbegebiete unterschiedlich definiert und für die Geoinformationen verschiedene Landeskoordinatensysteme verwendet werden – Lambert‘sche Projektion in Frankreich, Gauß-Krüger-Projektion bzw. UTM in Deutschland – hat einen enormen technischen Koordinationsaufwand hervorgerufen. Abbildung 10.3 zeigt den Prototyp dieses von den Einzelgemeinden bedienbaren Gewerbeflächeninformationssystems auf einer einheitlichen Plattform der Wissenseinspeisung (Bearb.: Jan-Philipp Exner, TU Kaiserslautern).
Großbritannien Großbritannien hat in der Geschichte der Stadtplanung – markieren wir die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts als den Beginn dieser Disziplin – eine große Anzahl von Innovationen hervorgebracht, die weltweit Maßstäbe setzten und nachgeahmt wurden. Zu nennen wären etwa Ebenezer Howard’s Prinzipien der Gartenstadt, die auch von Überlegungen begleitet wurden, wie deren Realisierung planungssystematisch und rechtlich vonstatten gehen sollte. Nach dem 2. Weltkrieg wurden mit dem „New Towns Act“ von 1946 und dem „Town and Country Planning Act“ von 1947 die maßgeblichen rechtlichen Grundlagen [vgl. ausführliche Zusammenstellung bei Rahs 1995] zur Gründung von neuen Satellitenstädten um die großen städtischen Agglomerationen herum geschaffen – vorbildlich und nachahmenswert auch für andere Länder. Und auch die Wende, die das britische Planungssystem in den 1980er Jahren infolge der „Thatcher Revolution“ [Hall 1998: 903] vollzog, hatte eine nahezu weltumspannende Nachahmungswirkung: Nachdem die damalige Premierministerin Thatcher das britische Planungssystem, das bis dahin im Lande selbst als vorbildlich angesehen worden war, samt Planungsapparat als Hemmnis für ökonomische Entwicklungen diskreditiert und eine Politik der sogenannten Deregulierung eingeleitet hatte, sollten städtebauliche Entwicklungsvorhaben privaten Aktivitäten – unter Aushebelung des ’Verzögerungsfaktors’ Bürgerbeteiligung – überlassen bleiben in der Erwartung, dass ‘private enterprise‘ alles besser machen werde als ein Behördenapparat [ausführlich vgl. z.B. Albers 1997: 58ff]. Darüber hinaus hatte die konservative Zentralregierung einen speziellen Organisationstypus ins Leben gerufen, der den Handlungsspielraum und die Aktionsfelder der ‘local governments‘ erheblich einschränkte und aushöhlte [vgl. Wollmann 2008: 32f]. Es handelte sich dabei um die Einsetzung und Ernennung von Komitees oder privaten Dienstleistungsunternehmen – z.B. ‘Urban Developments Corporations‘ – durch die Zentralregierung mit dem Ziel, sie bestimmte Planungsleistungen ‘unab-
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hängig‘ erbringen zu lassen. Organisationen dieses Typs werden in Großbritannien als „quangos“ bezeichnet, als „quasi-non-governmental organizations“ (dieser Begriff ruft zwar Assoziationen zu ‘non-governmental organizations‘ – den NGO‘s, vgl. Kap. 3 – hervor, bei ihnen handelt es sich institutionell allerdings dann doch um etwas ganz anderes). Unter der Labour-Regierung von 1997 bis 2010 hat es erneut einen Umbruch im englischen Planungssystem gegeben, wodurch dessen Diskontinuitäten nochmals auf deutliche Weise betont wurden. Hinzu kommt, dass es ein einheitliches britisches Planungssystem allein deshalb nicht gibt, weil in Schottland und Wales nach Erlangung der politischen Teilautonomie jeweils andere, von England unterschiedliche Verhältnisse herrschen. In krassem Gegensatz zum föderalen Deutschland und – nach den Dezentralisierungsreformen – auch zu Frankreich kann das britische (englische) Planungssystem als das wohl am stärksten zentralistische System innerhalb der gesamten Europäischen Union bezeichnet werden [Albers 2002; Wollmann 2008: 29ff, 32f]. Auf der lokalen Ebene haben die ‘local governments‘ zwar durchaus gewisse Rechte, um eine eigenständige Kommunalpolitik betreiben zu können, die Möglichkeiten sind jedoch erheblich eingeschränkt und mit der deutschen Kommunalautonomie nicht zu vergleichen. Die im Zuge des Thatcherismus zugunsten einer „market determined development policy“ abgeschafften (Planungs-)Institutionen wurden nach 1997 – „New Labour“ hatte die Regierungsverantwortlichkeit übernommen und das Konzept von „devolution“ entwickelt – wieder eingeführt oder mit neuen Verantwortlichkeiten ausgestattet. Spektakulärstes Ergebnis dieses Richtungswechsels war der „Greater London Authority Act“ aus dem Jahre 1999, durch den eine einheitliche Administration für die Metropole sowie das Amt eines Londoner Oberbürgermeisters geschaffen wurde. Im Zuge dieser administrativen Umorganisationen wurde nicht nur die lokale Planungsebene gestärkt, sondern auch die Regionalplanung wieder eingeführt. Zugleich wurde allerdings die zentralstaatliche Steuerung und Kontrolle über die lokalen Administrationen, selbst im Vergleich zur konservativen Vorgängerregierung, eher noch verschärft und damit das planerische Hineinwirken in den kommunalen Bereich letztendlich vergrößert [Wollmann 2008: 33]. Inwieweit die neue konservativ-liberale Regierung, die seit 2010 im Amt ist, die Dinge erneut verändert bleibt abzuwarten: Wieder ist von einer Stärkung der Kommunen die Rede, vor allem aber von der Abschaffung (‘revocation‘) der Regionalplanung. Das zentralstaatliche Element bei allen Planungsaktivitäten ist also nach wie vor augenfällig. Zwar existiert in Großbritannien keine das ganze Land umfassende Raumordnung wie in Deutschland, dafür sind die ministeriellen Kompetenzen dort sehr viel weitreichender als hierzulande. Diese beschränken sich nicht nur auf Gesetzgebung, Erlass von Verordnungen und Förderprogramme. Die Einflussnahme läuft auch über das Herausgeben von inhaltlichen Weisungen in Form von „Planning Policy Guidances“ (PPG‘s), nach denen sich die lokalen Administrationen bei der Erarbeitung ihrer Pläne zu richten haben [vgl. Internet: www.map21ltd.com; www.heesates.ac.uk; www.planning.odpm.gov.uk]. Darüber hinaus kann der Minister einzelne Pläne einfordern und über sie entscheiden. Diese Pläne sind dann aber
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keineswegs rechtsverbindlich, sondern haben lediglich Empfehlungscharakter. Erst im Rahmen der Erteilung von Baugenehmigungen wird für jeden Einzelfall die politische und planerische Abwägung zwischen privaten und öffentlichen Belangen vorgenommen. Die lokalen Pläne stellen, wenn vorhanden, nur einen Abwägungsaspekt neben vielen anderen Erwägungen dar. Das britische Planungssystem bietet dadurch einen breiten Ermessensspielraum, und eine Sicherheit für Bauabsichten gibt es erst durch die Baugenehmigung [Wollmann 2008: 199ff].
Abb. 10.4: Portfolio von Dokumenten für ein „Local Development Framework“ am Beispiel der südostenglischen Stadt Ashford (Quelle: www.ashford.gov.uk) Das englische Planungssystem hatte – bis zum Inkrafttreten einer neuen gesetzlichen Grundlage im Jahre 2004 – auf lokaler Ebene mit dem „Structure Plan“ für
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das jeweilige County, einer den deutschen Landkreisen vergleichbaren Gebietskörperschaft, und dem „Local Plan“ zwei Planarten, die in Maßstabsebene und Gebietsumgriff in etwa dem deutschen Flächennutzungs- und Bebauungsplan vergleichbar waren. Große Bedeutung im Sinne der Rechtsverbindlichkeit kam dabei den „written statements“ zu, wohingegen der Plan selbst nur erläuternden Charakter hatte [vgl. Quellen mit Beispielen auf beiliegender DVD].
Abb. 10.5: Ausschnitt aus einem „Area Action Plan“ der Stadt Chester (Quelle: www.cheshirewestandchester.gov.uk) Gegen Ende der 1990er Jahre wurden „Structure Plan“ und „Local Plan“ heftig in Frage gestellt. Nachdem eine „Urban Task Force“ unter Vorsitz des Architekten Lord Rogers eine „urban renaissance“ gefordert hatte und sich die britische Regierung den Reformvorschlägen anschloss, erfuhr das Konzept zur Veränderung des Stadtplanungssystems mit dem „Planning and Compulsory Purchase Act“ (PCP Act) im Jahre 2004 seine rechtliche Umsetzung. Die markantesten Änderungen darin: Der „Structure Plan“ ist durch ein regionales Strategiekonzept – „Regional Spatial Strategies (RSS‘s)“ –, der „Local Plan“ durch einen „folder“ von „Local Development Documents (LDD‘s)“ in Verbindung mit einem „Local Development Framework“ (LDF) abgelöst worden – offensichtlich mit dem Ziel, eine noch stärkere Flexibilität der Planung zu erreichen. Im Falle des LDF ist man von der ursprünglich vorgesehenen Beschränkung auf einen reinen Textteil zur lokalen Entwicklungsstrategie abgerückt, wie das Beispiel des Portfolios von LDF-Dokumenten der südost-
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englischen Stadt Ashford in Abbildung 10.4 zeigt. Außerdem kann die Präzisierung von Planaussagen auf der Basis eines „Action Area Plans“ stattfinden, der somit einem deutschen Bebauungsplan vergleichbar wäre; Abbildung 10.5 zeigt ein Beispiel aus Chester. Wie schon angedeutet, wird dieses System aktuell erneut durch die seit Frühjahr 2010 im Amt befindliche konservativ-liberale Regierung in Frage gestellt. Insbesondere geht es um die Abschaffung der regionalen Strategiekonzepte in der politisch artikulierten Absicht, die „local authorities“ stärken zu wollen.
Abb. 10.6: Digitales Modell der City of London als Grundlage von Planungspartizipation und ‘e-planning‘ in Großbritannien (Quelle: Internet www.casa.ucl.ac. uk sowie web.mit.edu/dusp/uis/e-planning) Ein in Großbritannien häufig verwendeter, informeller Plantyp ist der sogenannte ’Masterplan’, den vor allem Architektenplaner zur Darstellung von generellen städtebaulichen Konzeptionen bevorzugen. In diesem Sinne weist der Masterplan große Ähnlichkeiten zum städtebaulichen Rahmenplan (vgl. Kap. 6) oder zu städtebaulichen Entwicklungskonzeptionen bis hin zum Stadtentwicklungsplan deutscher Provenienz auf. Die Bezeichnung ’Masterplan’ wird indessen auch für andere Planungsaspekte, etwa spezifische Fachplanungen oder ökonomische Entwicklungen, verwendet. Im angelsächsischen Raum – insbesondere auch in den USA (vgl. weiter unten) – gehören Masterpläne üblicherweise zum Planungsrepertoire privatwirtschaftlich organisierter Entwicklungsgesellschaften, die größere Areale beplanen.
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Ein solcher Plantyp wird dort als probates Rezept für erfolgversprechendes Planen unter möglichst weitgehender Umgehung formeller Plantypen erachtet – ein mittlerweile auch in Deutschland unter derselben Begrifflichkeit gern angewandtes Verfahren, wie das Beispiel des Masterplans für die Hamburger Hafencity zeigt [Internet www.hafencity.com, www.architekturarchiv-web.de/hafencit.htm].
Abb. 10.7: Die Entwicklung der Gorbals in Glasgow; obere Bildreihe: Entwicklung der Verdichtung von 1780 bis 1900; untere Bildreihe: Skyline 1964 – „Garden City“ um 1965 – aktuelle städtebauliche Situation um 2003 (Quelle: CSRP 1997) Fassen wir abschließend die charakteristischen Merkmale des britischen Planungssystems zusammen: Dieses Planungssystem zielt in hohem Maße auf Flexibilität, die Planwerke besitzen einen geringen Verbindlichkeitsgrad und die Rolle privater Planungsakteure ist sehr stark. Zudem ist das Planungsgeschehen durch starke zentralistische Tendenzen geprägt, mit erheblichen Konsequenzen für die Bürgerbeteiligung, wie aus einer im Internet publizierten Vergleichsstudie deutlich wird. Das Resumee dort lautet: „The UK does not have a codified constitution that protects citizens’ rights. In terms of planning this means that while in other European countries (Italy, The Netherlands and Spain), citizens have a constitutional right to a decent home, UK citizens do not.“ [Internet www.map21ltd.com/costc11/uk-plan-
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ning.htm]. Gleichzeitig hat aber das Thema ‘e-planning‘ in Großbritannien gerade vor dem Hintergrund verbesserter Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung eine wichtige Akzentuierung erfahren; Abbildung 10.6 zeigt am Beispiel London, wie ein digitales Stadtmodell für eine Planungspartizipation aussehen kann. Besonders hervorzuheben hinsichtlich des städtebaulichen Planungsgeschehens in Großbritannien wären noch die in den letzten zwei Jahrzehnten durchgeführten städtebaulichen Maßnahmen zur Umgestaltung und Regenerierung brachgefallener Flächen in den Innenstädten, vor allem früherer Industrie- und Hafengebiete, die internationale Beachtung fanden [vgl. etwa Herbert/Thomas 1997: 115ff]. Die Umgestaltung der Londoner Docklands durch die „London Docklands Development Corporation“ (LDDC), eine privatrechtlich konstruierte Entwicklungsgesellschaft, gilt als herausragendstes und spektakulärstes Beispiel [vgl. ausführlich Hall 1998: 913ff]. Masterpläne hatten auch hier eine wichtige instrumentelle Funktion. Ein anderes interessantes Beispiel für derartige Umgestaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen stellen die sogenannten „Gorbals“ in Glasgow dar, eines der flächenmäßig größten Sanierungsgebiete Großbritanniens. Für die Neugestaltung/ Sanierung der Gorbals wurde im Jahre 1953 die erste „Comprehensive Development Area“ nach dem Zweiten Weltkrieg ins Leben gerufen. 50 Jahre später kam bereits die zweite umfassende Flächensanierung für dieses Gebiet zum Abschluss. Warum das so kommen musste, lässt sich leicht nachvollziehen, wenn wir uns – auch aus der Perspektive der städtebaulichen Ideengeschichte – folgende Entwicklung vor Augen führen: Nachdem eine Flächensanierung in den Gorbals nach den Vorstellungen der Charta von Athen mit Punkthochhäusern und dazwischen befindlichen freien Flächen die unzumutbaren Zustände des Gebietes – auf einer Quadratmeile wohnten um 1950 rund 100.000 Menschen! – in den 1960er Jahren beseitigt hatte, wurden diese Gebäude im Zuge neuerer Planungsüberlegungen wieder teilweise abgerissen. Eine Masterplanung, die derzeit umgesetzt wird, sieht eine Blockrandbebauung mit drei- bis viergeschossigen Wohngebäuden vor, um mit Hilfe eines gänzlich anderen städtebaulichen Charakters das schlechte Image der Glasgower Gorbals als sozialer Brennpunkt langfristig zu beseitigen [CSRP 1997]. Abbildung 10.7 zeigt drei städtebauliche Phasen der Gorbals.
Niederlande Die Stadtplanung in den Niederlanden und das niederländische Planungssystem verdienen – unter dem Aspekt, spezifische Besonderheiten mit internationaler Vorbildfunktion herauszustellen – besondere Beachtung. In den letzten 50 bis 60 Jahren haben die Niederländer beachtliche Akzente in folgenden Bereichen gesetzt: •
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vorbildliche Wiederaufbauplanung und -maßnahmen für Rotterdam (u.a. Schaffung der ersten Fußgängerzone) nach dem verheerenden Zerstörungswerk deutscher Bomben, dem das gesamte Stadtzentrum zum Opfer fiel; Schaffung des Bewusstseins, Mensch und Natur miteinander in Einklang zu
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bringen und Umsetzung dieses Leitziels durch Maßnahmen, die von Hochwasserschutzmaßnahmen (nach der großen Flutkatastrophe im Jahre 1953) bis zur Vermeidung von Bodenkontaminationen durch Industrieanlagen reichen (eine sog. ’Holland-Liste’ war in den 1980er Jahren die erste Liste, in der Grenzwerte für schädliche Stoffeinträge in den Boden definiert waren); Gründung neuer Städte in den Landgewinnungsgebieten der Polder (z.B. Lelystad oder Almere); Realisierung einer überörtlichen Planung unter dem Modell ’Randstad Holland’, welches das Städteband von Utrecht über Amsterdam, Den Haag bis Rotterdam umfasst; Erarbeitung von Pionierkonzepten für verkehrsberuhigte Maßnahmen in Wohngebieten mit entsprechenden Maßnahmen zur Straßenraumgestaltung, allen voran das international vielbeachtete und nachgeahmte ’Woonerf’-Prinzip; beispielhafte Förderung des Fahrradverkehrs mit einem auch in dicht bebauten Innenstädten bestens ausgebauten Radwegenetz; Gründung der Satellitenstadt Bijlmermeer als neue Stadtanlage am Rande von Amsterdam mit großzügiger Freiflächenausstattung, hervorragend angeschlossenem öffentlichen Personennahverkehr und starker Abtrennung des Autoverkehrs; das Erkennen der städtebaulichen Potentiale historisch gewachsener Städte und Stadtteile, deren Rettung sich subkulturelle Milieus (Amsterdamer ’Krakers’) mit großem Erfolg, Ausstrahlung und Anstoßwirkung auf andere Länder annahmen; experimenteller Umgang in Architektur und Städtebau mit neuen Gebäudetypen und Siedlungsstrukturen.
Alle diese städtebaulichen Aktivitäten und raumplanerischen Maßnahmen spiegeln die generelle Tendenz im niederländischen Planerbewusstsein wider, Stadtplanung auf unspektakuläre aber sehr effektive Weise zu betreiben – auf begrenzt zur Verfügung stehendem Raum, zum Wohle der Menschen und im Einklang mit den natürlichen Ressourcen. Hin und wieder wird dieser Pragmatismus gar als „radikal instrumentelles Verhältnis“ der Niederländer zu ihren Landschaftsräumen gedeutet, weil Landschaft „vor allem als neu zu gewinnender Siedlungsfreiraum“ interessiert [Nolte 2000]. Dementsprechend ist auch das niederländische Planungssystem, bei dem in den letzten Jahren ebenfalls Umbrüche festzustellen waren, von diesem Pragmatismus geprägt. Das Planungssystem der Niederlande ist ähnlich strukturiert wie das deutsche Planungssystem. Es existieren drei Plantypen: • • •
„Streekplan“ „Structuurplan“ „Bestemmingsplan“
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Damit finden wir in den Niederlanden ein der deutschen Planabfolge – Regionalplan, Flächennutzungsplan, Bebauungsplan – ähnliches System vor. Administrativ ist die räumliche Planung drei Verwaltungsebenen zugeordnet: der Reichs-, der Provinz- und der Gemeindeebene. Auf der obersten Ebene ist die Raumordnung im Ministerium für Wohnungswesen, Raumordnung und Umwelt angesiedelt [Internet www.vrom.nl]. Hier ist das Staatsamt für Raumordnung – „Rijksplanologische Dienst“ – als die zentrale Fachbehörde für die Vorbereitung der nationalen räumlichen Politik und deren Kontrolle tätig. In den Provinzen existieren für die Raumordnung zuständige administrative Einheiten, die selbständig für ihr Provinzgebiet planen und zugleich dort die nationale Planung einbringen. Sie unterstützen die Gemeinden in der Umsetzung der Staatsplanung sowie – nach einer Art Gegenstromprinzip – bei der Weiterleitung kommunaler Belange in die Staatsplanung.
Abb. 10.8: „Structuurplan“ für Amsterdam aus dem Jahre 2003 (Quelle: Internet www.dro.amsterdam.nl) Die Kommunen sind für die Bauleitplanung zuständig, die mit der übergeordneten Raumplanung abzustimmen ist, so wie es im nationalen Gesetz über die Raumordnung „Wet op den Ruimtelijke Ordening“ (WRO) geregelt ist. Die staatliche
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Raumplanung besitzt in den Niederlanden – im Gegensatz zu Deutschland – die Befugnis, in die Planungshoheit der Gemeinden einzugreifen. So kann sie etwa Aufgaben zuweisen, z.B. die Zahl der von einer Gemeinde zusätzlich bereitzustellenden Wohneinheiten für weitere Bewohner festlegen. Eine derartige Zuweisung geschieht in der Regel jedoch im Einvernehmen mit der Gemeinde, die zudem bei der Umsetzung der gestellten Aufgaben durch das Reich eine finanzielle Unterstützung erfährt. Die Raumordnungspolitik des Reiches wird in Grundsatzentscheidungen – „Planologische Kernbeslissing“ (PKB) – grob festgelegt. Im Anschluss daran setzen Fachplaner die Grundsatzentscheidungen in detailliertere fachplanungsbezogene Richtungsvorgaben (Strukturschemata) um, die dann, nachdem sie ein Abstimmungsverfahren mit den Fachressorts, Provinzen, Kommunen und der Öffentlichkeit durchlaufen haben, von den gesetzgebenden Kammern auf Nationalebene beschlossen werden. Grundsatzentscheidungen finden auf Provinzebene ihren Niederschlag im jeweiligen Regionalplan – dem „Streekplan“ –, dessen Aufstellung allerdings keine Pflicht ist. Für die Politik der Provinz gilt er als Programm und wird, nachdem der Plan vom Provinzrat beschlossen ist, zur Beurteilung der kommunalen Planung herangezogen.
Abb. 10.9: Beispiel eines typischen niederländischen „Bestemmingsplan“ (Quelle: Internet www.digital-bestemmingsplan.nl) Auf kommunaler Ebene gibt es dann, wie im deutschen Planungssystem, eine Bauleitplanung, die auf zwei Plantypen basiert: dem unverbindlichen „Structuurplan“ als eine Art Flächennutzungs- bzw. städtebaulicher Entwicklungsplan sowie dem „Bestemmingsplan“ als verbindlichen Bebauungsplan. Der Structuurplan greift den
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Regionalplan auf und stellt die zukünftige räumliche und infrastrukturelle Entwicklung der Kommune dar, wie in Abbildung 10.8 das Beispiel Amsterdam zeigt. Der Bestemmingsplan legt Plangebiete fest und kann Vorschriften über die Nutzung der Flächen und baulichen Anlagen aufstellen. Er konkretisiert den Structuurplan, zeigt aber auch Elemente des Bebauungsplans auf und ist für den Bürger unmittelbar verbindlich. Dieser Plan beinhaltet eine Art Positivsystem, indem er deutlich angibt, was erlaubt ist, und weniger darauf eingeht, was nicht erlaubt ist; auch Gebote sucht man, anders als beim deutschen Bebauungsplan, vergeblich. Von den Festsetzungen kann unter Umständen aufgrund einer entsprechenden Befreiung durch die Gemeinde abgewichen werden [Haars 2001: 19f]. Abbildung 10.9 zeigt das Beispiel eines Bestemmingsplans, der deutlich erkennbare Ähnlichkeiten zu einem deutschen Bebauungsplan aufweist. Insgesamt betrachtet ist die Raumordnung in den Niederlanden stark dezentralisiert. Kommunikation und freiwillige Kooperation stehen im Vordergrund, wenn es darum geht, Einigkeit zu erreichen. Zwar haben die staatlichen Stellen und die Provinzen eine Vielfalt von Einflussmöglichkeiten gegenüber den Planungen der Gemeinden, aber sie setzen diese regulativen Instrumente selten in autoritärer Weise ein. So finden auch die oben bereits angesprochenen Weisungen des Reiches an die Gemeinde nur selten Anwendung, ebenso wie die Reichsplanung der Provinzplanung nur Leitlinien vorgibt. Der Regionalplanung wird viel Spielraum gewährt. Zudem gibt es zahlreiche institutionalisierte und informelle Wege der Aushandlung, wozu u.a. ressortübergreifende Ausschüsse und Beiräte gehören. Desweiteren räumt das Gesetz der Bevölkerung ein Mitspracherecht ein. Raumordnerische Grundsatzentscheidungen werden öffentlich diskutiert, wobei Gutachten und Meinungen von verschiedenen Seiten in die Ziele einfließen. Allerdings lässt sich ein Trend zur Zentralisierung der raumplanerischen Steuerung beobachten. So wurde vor einiger Zeit durch die Rechtsprechung die Bindungskraft von Grundsatzentscheidungen deutlich aufgewertet. Das strategische Konzept der Grundsatzentscheidungen hat die Steuerungsmöglichkeiten in der Raumplanung erhöht. So finden die strategischen Konzepte in verschiedenen Bereichen – z.B. Tourismus und Wohnraumbeschaffung – als fachbezogene Strukturschemata mehr Beachtung. Die finanziellen Mittel für die Konzepte, und die daraus zu entwickelnden Handlungsprogramme, werden für einen Zeitraum von fünf Jahren zugeordnet. Politisch genießt die Raumplanung eine große Akzeptanz, was mit der Tradition der Planung in den Niederlanden zusammenhängt. Die Regelungen zur Bodenordnung und zur Stadt- und Dorferneuerung sowie die gezielte Bodenpolitik der Gemeinden haben die Raumplanung zusätzlich aufgewertet. Doch auch die niederländische Raumplanung hat sich im Laufe der Zeit deutlich verändert: Sie ist stärker umsetzungsbezogen auf konkrete Maßnahmen ausgerichtet und an klar definierte Entwicklungsperspektiven gebunden. Generell hat die niederländische Raumplanung auf der Ebene der Provinzen einen erheblichen Entscheidungsspielraum. Während die Reichsplanung eher leitbildgebend und strategisch steuert bzw. in grober Form Vorgaben in Bezug auf Zentralorte, Hauptverkehrsachsen und -umschlagplätze oder Räume für Natur- und
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Landschaftsentwicklung macht, findet die konkrete Umsetzung auf der Provinzebene statt. Eine gewisse Sonderrolle vor allem hinsichtlich von Planungsaufgaben nimmt die Institution „Rijkswaterstaat“ ein. Früher befasste sie sich vornehmlich mit umfangreichen Landgewinnungsmaßnahmen, den Poldern, und bis heute erstrecken sich ihre Kompetenzen auf den Hochwasserschutz, darüber hinaus aber auch auf andere große, regionale wie überregionale Infrastrukturprojekte wie den Verkehrswegebau [Internet www.rijkswaterstaat.nl]. Abschließend lässt sich sagen, dass man in den Niederlanden auf hohem Niveau bestrebt ist, die Raum- bzw. Stadtplanung systematisch, aber auch experimentell weiterzuentwickeln. Vorbildlich ist die Integration von Raumplanung und Umweltpolitik, die in ausgewählten Gebieten umgesetzt wird. Die Raumplanung in den Niederlanden wird als Koordinations- und Perspektivplanung angesehen, wobei die Vorstellung von Entwicklungsplanung stärker ausgeprägt ist als die von Ordnungsplanung. All dies lässt die niederländische Raumplanung als sehr modern, zukunftsweisend und vorbildhaft für andere erscheinen.
Schweden Schwedens Stadtplanung und seine städtebaulichen Projekte sind vor allem wegen der konsequenten Umsetzung des über viele Jahre als vorbildlich angesehenen Sozialstaatmodells interessant, das als ’dritter Weg’ zwischen Kapitalismus und Sozialismus die internationale Aufmerksamkeit auf sich zog. Auch wenn dieses Modell inzwischen stark zurückgefahren wurde, gilt die schwedische Stadtplanung – zumindest zwischen 1945 und 1980 – als Realisierung eines, um es mit den Worten von Peter Hall auszudrücken, „Social Democratic Utopia“. Insbesondere die Satellitenstadt Vällingby vor den Toren Stockholms, in den frühen 1950er Jahren begonnen, gilt gemeinhin als das realisierte sozialdemokratische Utopia überhaupt [Hall 1988: 842ff und Abb. 80]. Das in der Ära der schwedischen Sozialdemokraten entwickelte sozialstaatliche Wohlfahrtsmodell fand jedoch seinen Niederschlag nicht nur im Städtebau, sondern vor allem in der Schaffung von kostengünstigem Wohnraum mit hohen Wohnstandards für alle Schichten der Bevölkerung. Dieses Modell ging einher mit einer starken Rationalisierung der Baumethoden und dementsprechend geringerer Formenvielfalt in der baulichen Gestaltung und Siedlungsplanung. Welcher hohe Wohnstandard erreicht wurde, zeigt die Entwicklung der zur Verfügung stehenden Wohnfläche pro Person, die von 31 qm im Jahre 1960 auf 46 qm im Jahre 1990 rapide anstieg; danach war ein leichter Rückgang auf nunmehr etwa 44 qm zu verzeichnen [vgl. Internet www.si.se oder www.sabo.se]. Verschiedene Autoren, darunter Gerd Albers, teilen die Geschichte der Stadtplanung in Schweden nach dem Zweiten Weltkrieg in Phasen [Albers 1997: 97]: Die erste Phase war durch Experimentierfreudigkeit gekennzeichnet – eine Zeit des Optimismus und der utopisch inspirierten Aufbruchstimmung. Die zweite Phase zielte auf den massenhaften Bau von Wohnungen, die in kurzer Zeit und mit groß-
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volumigen Baukörpern realisiert werden sollten. In der dritten Phase lag die Betonung mehr auf ökologischen Aspekten, kleinmaßstäblicheren Siedlungs- und Gebäudeeinheiten und einer Verbesserung der Bürgerbeteiligung in der Planung. Seit Mitte der 1980er Jahre gibt es ein neues Planungsrecht, das den Kommunen gegenüber früher mehr Kompetenzen zugesteht. So sind die Gemeinden nicht mehr auf eine Genehmigung von Plänen durch die Provinzverwaltung angewiesen; diese hat lediglich die Befugnis, Pläne bei Verstößen gegen Umweltbelange oder Vorschriften über Sicherheit und Gesundheit zu beanstanden.
Abb. 10.10: „Översiktsplan“ von Kalmar im Internet (Quelle: Internet www.kalmar.de) Das schwedische Planungssystem weist mit den Planarten [Wollmann 2008: 179ff] • • •
„Regionplan“, „Översiktsplan“ und „Detajlplan“
Ähnlichkeiten mit dem deutschen und auch dem niederländischen System auf [vgl. Internet www.rtk.sll.se]. Der „Regionplan“ entspricht dem deutschen Instrumentarium der Regionalplanung, der „Översiktsplan“ hat den Charakter eines Flächennutzungsplans hierzulande, und der „Detajlplan“ ist dem deutschen Bebauungsplan fast zur Verwechslung ähnlich. Die beiden letztgenannten Pläne entfalten überdies, was vor allem die Rechtsgrundlage für Baugenehmigungen betrifft, eine ähnliche Rechtswirkung wie die deutschen Bauleitpläne. Auch die große Planungsautonomie
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der Gemeinden entspricht weitgehend der deutschen Situation. Abbildung 10.10 zeigt den „Översiktsplan“ der Stadt Kalmar, die diesen Plan in musterhafter Weise mit Texten, Veranschaulichung von Planungsabläufen und differenziertem Kartenmaterial, darunter seit langem auch schon interaktive Plandarstellungen, im Internet präsentiert [vgl. Internet www.kalmar.se].
USA Die in den USA praktizierte ’Planungsphilosophie’ unterscheidet sich von den europäischen in mehrfacher Hinsicht sehr deutlich. Um die Planungsprinzipien und das -system bis hin zu den Partizipationsmöglichkeiten der Bürger zu verstehen, ist ein Blick auf das Selbstverständnis der Amerikaner (USA) im Hinblick auf ihren Staat sowie den Umgang mit Eigentum und (natürlichen) Ressourcen – von denen ’Land’ aus dem Blickwinkel der Stadtplanung die wesentlichste darstellt – aufschlussreich. Die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen Amerika und etwa Deutschland bzw. Europa mit ihren Konsequenzen auf die politische Kultur lassen sich historisch begründen [vgl. beispielsweise Kalberg 2000]. In den USA besitzen Eigenverantwortung – ’self-reliance’ – und der stark ausgeprägte Glaube an die Fähigkeiten des einzelnen Menschen eine hohe Wertschätzung. Schon die Gründungsväter legten allergrößten Wert darauf, den Staat daran zu hindern, sich in gesellschaftliche Entwicklungen einzumischen. Seine Aufgabe sollte es vielmehr sein, deren ungestörte Entfaltung sicherzustellen, indem er die freie Diskussion und den offenen Austausch von Ansichten schützte. Nach Auffassung der Amerikaner würde sich eine gute und gerechte Gesellschaft dann entwickeln, wenn die Regierung alles unterließ, um die Richtung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels zu beeinflussen. Darüber hinaus bilden den Mittelpunkt des politischen Lebens in Amerika bis heute die Vermächtnisse der asketisch-protestantischen (puritanischen) Kirchen und Sekten, aus denen sich bestimmte Ideale für das Miteinander im täglichen Leben herleiteten. In säkularer Form entwickelten sich daraus ideale Vorstellungen von Gerechtigkeit, Fairness, Chancengleichheit und Solidarität, die vor allem die ländlichen Gegenden mit ihren Nachbarschaften und Bürgervereinen bestimmten. Mit dem Entstehen der Städte gab es zwar einen gewissen Niedergang der aus dem asketischen Protestantismus herrührenden Maßstäbe, doch blieb diese Grundströmung bis heute erhalten. Hinzu kommen zwei weitere, für die Stadt- und Raumplanung wesentliche Faktoren: das Verhältnis der Amerikaner zu Stadt und Land sowie ihr Umgang mit natürlichen Ressourcen, insbesondere mit Landschaftspotentialen. Seit der Inbesitznahme Nordamerikas durch die ersten Siedler bildeten sich verschiedene Grundmuster im amerikanischen Umgang mit dem neu betretenen Boden heraus [vgl. Nolte 2000]. In den puritanisch geprägten Kolonien Neuenglands etwa gingen religiöse Überzeugung und unmittelbare Überlebenszwänge eine höchst wirkungsvolle Verbindung ein, die dazu führte, dass die zu mythischen Über-
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höhungen neigenden Siedler es als ihren göttlichen Auftrag ansahen, Wildnis in Zivilisation zu verwandeln. Andere Vorstellungen hatten die sich weiter im Süden – mit dem Zentrum der Sklavenkolonie Virginia – ansiedelnden anglikanischen Einwanderer, die der englischen Oberschicht entstammten. Ihnen schwebte ein in parkähnliche Landschaften eingebundener Lebensstil vor, der auf städtische Zentren nicht angewiesen war, noch nicht einmal für die Abwicklung des Handels oder zur Ausübung von politischer Herrschaft. Aus diesen unterschiedlichen Grundeinstellungen entwickelte sich die bis heute typische amerikanische Besiedlungsform, deren Kennzeichen die mit der Landschaft zwischen Bäumen und Bachläufen verschmelzende Siedlungsweise ist. Auch die weißen Siedler aus einfacheren Verhältnissen, die sich etwa im Hinterland des Südens niederließen, hatten ihren Mittelpunkt politischer Herrschaft nicht in der nächsten Stadt, sondern im ’Country Court House’ oder im ’Country Store’, die jeweils am Schnittpunkt zweier Straßen lagen und als Zentrum sozialer Vernetzung fungierten.
Abb. 10.11: Thomas Jefferson’s territoriales Aufteilungsschema für die USA aus dem Jahre 1785 (links; Quelle: Benevolo); das ’national grid’ im mittleren Westen der USA (rechts) Diese Muster der „kulturellen Topographie Amerikas“ [Nolte 2000] haben bis heute ihre Spuren hinterlassen – von der Verwirklichung des Ideals einer Lebensführung im dezentralen Raum ohne Einflussnahme durch zentrale staatliche Instanzen bis hin zur Vorstellung der effektivsten Besitzergreifung und Zähmung der natürlichen Wildnis: „Statt punktuelle Bastionen der Kultur zu schaffen, die sich aus der Landschaft herausheben, entsteht aus der spinnennetzartigen Aneignung der Landschaft eine Synthese aus Natur und Kultur, welche die gesamte Fläche erfasst und radikal neu erfindet“ [Nolte 2000]. Für die Überformung der Natur bedienten sich die Menschen weniger geometrischer Grundformen: Vor allem der rechte Winkel fungierte als Basis eines sich über das gesamte Land erstreckenden, Landschaften und Städte gleichermaßen einbeziehenden Rasters (vgl. die bekannte Darstellung zur territorialen Aufteilung der USA von Thomas Jefferson aus dem Jahre 1785;
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siehe Abb. 10.11), mit dem Weite in der Horizontalen bezwungen werden sollte; ergänzend fand später die Erschließung der Höhe durch vertikale Elemente – in der baulichen Ausprägung von Wolkenkratzern – statt. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist auch der Vergleich des deutschen Nationalökonomen und Soziologen Werner Sombart, der sich um das Jahr 1906 ein Bild von den Städten in den USA gemacht hatte und seinen Eindruck mit dem in Europa vorherrschenden Stadttypus in Beziehung setzte. Sein in weiten Strecken auch heute noch gültiger Schluss aus den Beobachtungen: In Europa sei die Stadt „meist organisch gewachsen (...) im Grunde doch nur ein vergrößertes Dorf, dessen Wesen ihr Bild widerspiegelt“; in den USA gebe es die „nach ’rationellen’ Grundsätzen künstlich hergestellte wirkliche ’Stadt’, in der (...) alle Gemeinschaftsspuren ausgelöscht und die reine Gesellschaft niedergeschlagen ist“ [Quelle: Joachim Oltmann: „Stadt der Zukunft, Reich des Bösen“; in: DIE ZEIT v. 05.09.2002].
Abb. 10.12: Siedlung am Rande von Washington D.C. nach den Prinzipien des ‘New Urbanism‘ Dem bis heute unveränderten amerikanischen Selbstverständnis ist auch das System der Stadt- und räumlichen Planung untergeordnet. In den USA gilt grundsätzlich, dass nach dem ’Trennungsprinzip’ die unterste, lokale Ebene über sich selbst entscheidet (’local home rule’), ohne übergeordnete oder vorgeschaltete Landesoder Regionalplanungen berücksichtigen zu müssen. Staatliche Intervention wird zurückgewiesen, den privatwirtschaftlichen und kommunalen Entscheidungen im föderalen System der USA eine zentrale Rolle garantiert [Schneider-Sliwa 1995; Scott 1990]. So treten vor allem private Investoren – ’developer’ – als die entscheidenden Planungsakteure in Erscheinung, denen etwa die suburbanen Wirtschafts-
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zentren, in der Regel kleinere Gemeinden in dünn besiedelten Landkreisen (’counties’), keine entsprechende Macht oder Sachkompetenz entgegensetzen können. Die Bauleitplanung in Form von ’zoning’-Regularien, die es durchaus gibt, werden nicht selten von mächtigen und kapitalkräftigen Investoren vom Tisch gewischt, wie das folgende, recht typische Zitat erkennen lässt: „Forget zoning, there is no zoning, only deals“ [Rohr-Zänker 1996]. ’Privatism’ ist denn auch ein zentraler Aspekt der amerikanischen Planungstradition, und die Rolle der Gemeinden besteht letztendlich darin, „Frieden zwischen den einzelnen Geldverdienern zu bewahren und, wenn möglich, eine offene und gedeihliche Atmosphäre zu schaffen, in der jeder Bürger eine beträchtliche Möglichkeit hat, zu prosperieren“ [Warner 1967: 3f]. Die Folge ist, dass amerikanische Städte in ihrem äußeren Erscheinungsbild in weitaus stärkerem Maße von den wirtschaftlichen Zielsetzungen der ’developer’ und Bauunternehmer geprägt sind als von städtebaulichen Planungen der öffentlichen Hand. Dies gilt auch für die Bewegung des „New Urbanism“, dessen Projekte – Seaside/Florida, Civano/Arizona oder Liberty Harbor North in New Jersey etc. (vgl. Beispiel in Abbildung 10.12) – von ’developern’ in eigener Regie errichtet wurden [Bodenschatz/Kegler 2000; Katz 1994; Internet www.newurbanism.org].
Abb. 10.13: Ausschnitt aus der „Zoning Map“ in New York (Quelle: Internet www. nyc.gov) Großräumige bzw. regionale Planung findet in den USA hauptsächlich über Infrastrukturpolitik statt. Infrastrukturpolitische Maßnahmen – etwa der amerikanischen Bundesregierung – dienen generell der Unterstützung privater Bautätigkeit und sind in der Regel Erschließungsmaßnahmen in den Bereichen Autobahn, Luft- und
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Schienenverkehr, Telekommunikation etc., begleitet von einer unternehmerfreundlichen Subventionspolitik vor allem für wirtschaftlich weniger prosperierende Regionen. Darüber hinaus existiert eine starke Innovations- und Diffusionspolitik durch Förderung von Forschung und Technologie [Schneider-Sliwa 1995]. Auf lokaler Ebene indes gibt es durchaus Möglichkeiten, städtebauliche Aktivitäten zu steuern; dabei spielt das ’zoning’, das Ausweisen von Flächennutzungen, die wichtigste Rolle [vgl. etwa New York im Internet www.ci.nyc.ny.us]. Häufig wird aber das Prinzip des „spot zoning“ praktiziert, bei dem die Ausweisung von Flächennutzungen je nach privatwirtschaftlichem Bedarf kurzfristig auch wieder geändert werden kann, sogar innerhalb eines über fünf oder zehn Jahre geltenden Regelungswerks [Schneider-Sliwa 1995]. Nicht selten findet bei der Realisierung großer Bauprojekte, etwa in New York, ein zähes Ringen um Geschossflächenzahlen, öffentlich zugängliche Flächen, Umweltauflagen, Wohnungsbauquoten für Niedrigverdiener und Ausgleichszahlungen für Wohnbaumaßnahmen an anderer Stelle statt. Das einzelfallbezogene Aushandeln von Geschossflächenzahlen – „floor area ratio“ (FAR) – als „negotiable zoning“ ist nicht unüblich. Zusätzlich gibt es in New York seit 1982 ein neues Planungsrecht für Midtown Manhattan – „Midtown Zoning Ordinance“ –, nach dem große Projekte einer „uniform land use review procedure“ unterzogen werden müssen, einem öffentlich, häufig kontrovers geführten Diskussionsprozess, bevor ein solches Projekt von der „City Planning Commission“ und dem „City Council“ verbindlich genehmigt werden kann [Schulz zur Wiesch 1993; Internet www.ci.nyc.ny.us]. Abbildung 10.13 zeigt das Beispiel einer „zoning map“ aus New York.
Südafrika Der gewaltige Transformationsprozess, in dem sich Südafrika seit der Abschaffung der Apartheidgesetze im Jahre 1992 nach vielen Jahren des politischen Widerstands und der Wahl von Nelson Mandela zum ersten schwarzen Präsidenten im Jahre 1994 befindet, wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus. Er betrifft das Rechtssystem des Staates und der einzelnen Provinzen ebenso wie die Administration auf allen Ebenen sowie die städtebauliche und räumliche Planung. In dieser Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs, der gekennzeichnet ist durch den Willen, ein demokratisches System aufzubauen, das allen Bevölkerungsgruppen – ethnischen wie religiösen – gerecht wird, werden die Konsequenzen für die Stadt- und Raumplanung erst allmählich sichtbar. Die politische, parlamentarische und administrative Neuorganisation des Landes nach der „Constitution of the Republic of South Africa“ von 1996 (in Kraft getreten am 4. Februar 1997) – eine der fortschrittlichsten Verfassungen der Welt und durchaus mit dem Potential, exemplarischen Charakter für den afrikanischen Kontinent zu entfalten – ist abgeschlossen. Es gilt ein System der horizontalen und vertikalen Gewaltenteilung, das durchaus Parallelen zu Deutschland aufweist: „Government is constituted as national, provincial and local spheres, which are distinctive, interdependent and interrelated. The powers of the law-makers (legislative authorities), governments (executive
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authorities) and courts (judicial authorities) are separate from one another“ [Internet www.gov.za/yearbook/2002/govtsystem.htm]. Südafrika besitzt in seiner staatlichen Organisation eine nationale Administration, besteht in seiner räumlichen Gliederung sodann aus Provinzen mit ähnlichen Kompetenzen wie die deutschen Bundesländer sowie politischen und administrativen Gebietseinheiten auf lokaler Ebene. Wie sehr man bestrebt ist, den Bedürfnissen aller ethnischen Gruppen gerecht zu werden, zeigen allein zwei Fakten: zum einen sind es elf Amtssprachen, die konstitutionell abgesichert sind und unter denen Englisch mit einem Sprachanteil von 8,6% erst an fünfter Stelle rangiert – auf den Plätzen eins bis vier stehen isiZulu (22,9%), isiZhosa (17,9%), Afrikaans (14,4%) und Sepedi (9,2%). Zum anderen garantiert die Verfassung Status und Rolle der traditionellen Führer (Stammesoberhäupter) und die eigene parlamentarische Vertretung, das „House of the Traditional Leaders“.
Abb. 10.14: Planungssystem in Südafrika am Beispiel der Provinz KwaZuluNatal (Quelle: Kahn et al. 2001) In Bezug auf die räumliche Planung Südafrikas und die Stadtplanung sind die gravierenden Umstrukturierungsprozesse immer noch im Gange. Zwar existieren rechtliche Grundlagen in Gestalt etwa des „Municipal Systems Act“ (MSA) aus dem Jahre 2000 – und beispielsweise gilt für die Provinz KwaZulu-Natal mit dem Über-
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seehafen Durban seit 1998 ein „Planning and Development Act“ (PDA) –, doch harren noch manche rechtlichen Kodifikationen in Form von sogenannten „White Papers“ der Umsetzung [vgl. Zusammenstellung im Internet www.gov.za]. In dem für die räumliche Planung wichtigsten „White Paper“ vor etwa 10 Jahren ging es in Vorbereitung einer gesetzlichen Grundlage um den Handlungskomplex „Spatial Planning and Land Use Management“; die Umsetzung erfolgte schließlich im Jahre 2008 durch die „National Land Use Management Bill“. Abbildung 10.14 zeigt die systematischen Zusammenhänge im Falle der Provinz KwaZulu-Natal. Zur Vorbereitung und Steuerung von stadt- und raumplanerischen Maßnahmen sind im Einklang mit den planungsrechtlichen Rahmenbedingungen verschiedene Handreichungen (’guidelines’) entwickelt worden, die den für Planung zuständigen Organisationen auf Provinzebene und lokaler Ebene zur Verfügung stehen. Herausragend ist etwa das „KwaZulu-Natal Land Use Management System“ (LUMS), das im Auftrage der Provinzkommission für Stadt- und Regionalplanung an der University of KwaZulu-Natal in Durban ausgearbeitet wurde [Kahn/von Riesen/Jewell 2001 mit Update 2004].
Abb. 10.15: Verknüpfung von „Land Use Management System“ und „Integrated Development Planning“ in Südafrika (Quelle: Kahn et al. 2001) Ein zentraler Aspekt bei allen ‘Guidelines‘ ist das Instrument des „Integrated Development Plans“ (IDP), der eine große Ähnlichkeit – insbesondere hinsichtlich seiner
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Verknüpfung mit Budget-Planungen – mit dem in Deutschland schon seit den 1970er Jahren verwendeten Stadtentwicklungsplan aufweist. Abbildung 10.15 zeigt, wie das ’Land Use Management System’ mit dem Instrument des IDP korrespondiert [vgl. zum IDP außerdem www.csir.co.za und beiliegende DVD]. Südafrika spielt nach Beseitigung der Apartheid, mit seinen vergleichsweise friedlich ablaufenden gesellschaftlichen Transformationsprozessen, dank der hohen Reputation seiner politischen Repräsentanten (Nelson Mandela und Thabo Mbeki) und nicht zuletzt dank seiner Initiative bei der Schaffung von NEPAD – der „New Partnership for Africa’s Development“ – auf dem Kontinent und weltweit eine exemplarische Rolle für die Subsahara-Region, wenn nicht für den ganzen Kontinent.
Abb. 10.16: Die fast 4 Millionen Einwohner zählende Stadt Durban/ eThekwini am Indischen Ozean Die sich vollziehenden Wandlungen in der Stadtentwicklung lassen sich beispielhaft an der am indischen Ozean gelegenen Großstadt Durban/eThekwini erkennen: 3,5 Millionen Einwohner (Stand 2007), größter Hafen des Landes und des Kontinents, eine insgesamt recht friedlich funktionierende multikulturelle Gesellschaft mit vielen unterschiedlichen ethnischen Gruppen sowie deutlich sichtbaren ökonomischen Potentialen, die geprägt sind von Automobilproduktion (Toyota), Handel und wissenschaftlichen Einrichtungen mit beachtlicher Reputation [Freund/Padayachee 2002]. Doch auch hier ist das Gefälle zwischen Reichtum und Armut enorm, wie
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Abbildung 10.16 zeigt (oben eine Hafenimpression, unten links Downtown-Bereich, unten rechts Wohnen in Armut). Eine Planerkonferenz im Jahre 2002 kam zu dem Ergebnis, dass unabhängig von der enormen Vielfalt der aufgeworfenen Probleme zwei Dinge für eine effektive Planung stets als notwendig erachtet werden müssten: das Geltendmachen von ethischen Prinzipien – im Falle Südafrika realisiert durch eine Post-Apartheid-Politik und politische Legitimation von Planung („sustainable politics“) – sowie die Vermittlung von ’skills’ der Planung, die von Managementaufgaben über ein Verständnis von Flächenpolitik in Städten und Regionen und ihre methodische Handhabung bis hin zu Wohnraumbereitstellung, Infrastrukturmaßnahmen und Nutzung von Methoden modernster Informationsverarbeitung reichen. Bei dem Versuch, die relevanten Themen der Raum- und Stadtplanung auf wesentliche Kernbereiche zu verdichten, stehen folgende sechs Handlungsbereiche – von Südafrika auf den gesamten Kontinent übertragen – im Mittelpunkt: Infrastruktur: Dieser Bereich wird enorme Anstrengungen noch für einen langen Zeitraum verlangen. Welche gewaltigen Aufgaben anstehen, die überdies noch unter dem Aspekt einer nachhaltigen Stadtentwicklung zu lösen sind, mag man am Beispiel von Kairo erahnen, wo für die rund 14 Mio. Einwohner eine Infrastrukturausstattung für lediglich 4 Mio. Menschen vorhanden ist. Finanzbedarf: Aus der dringenden Notwendigkeit, Infrastrukturen sowie menschenwürdigen Wohnraum zu schaffen, erwächst ein Finanzbedarf derartigen Ausmaßes, dass er von den afrikanischen Staaten allein nicht zu bewältigen ist; man ist auf Hilfe von außen, etwa durch die Weltbank, angewiesen. Dabei wird NEPAD die wichtige Rolle zukommen, der Stimme des afrikanischen Kontinents auf der Ebene der globalen Akteure die nötige Geltung zu verschaffen. Dezentralisation: In weiten Teilen des afrikanischen Kontinents ist trotz anhaltendem Städtewachstum eine generelle Tendenz zu dezentralen Strukturen im politisch-administrativen Bereich erkennbar; auf die vorbildhafte Implementierung föderalistischer Strukturen in der Republik Südafrika, die eine Dezentralisierung der Planungszuständigkeiten zur Folge hatte, wurde bereits hingewiesen. Integrierte Entwicklungsplanung: Auf allen Ebenen der räumlichen Planung wird das Konzept des „Integrated Development Planning“ (IDP) als eine planungsmethodische und instrumentelle Neuerung umgesetzt, die mit der Verwirklichung des Leitbilds einer nachhaltigen Entwicklung einhergeht. Armutsbekämpfung: Im gewandelten Planungsverständnis hierzulande kaum noch präsent, ist „Planning for the poor and the disadvantaged!“ auf dem afrikanischen Kontinent als ein sehr deutlich akzentuierter planungsethischer Imperativ erkennbar. Die Notwendigkeit, sich dieses Themas immer wieder anzunehmen, ist auch und gerade vor dem Hintergrund von Gewalt und Kriminalität in urbanen Räumen eine unabdingbare Notwendigkeit. Krankheiten/AIDS: In schockierender Weise ist auf dem afrikanischen Kontinent allgegenwärtig, wie stark sich Krankheiten wie AIDS auf Erfordernisse der räumlichen Planung auswirken und städtebauliche Maßnahmen notwendig machen: Für ganze Generationen junger Menschen, die ohne Eltern aufwachsen müssen, sind auch planerische Vorkehrungen zu treffen, um ihnen ein menschenwürdiges Dasein
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zu ermöglichen. Obwohl die Probleme groß und nicht zu unterschätzen sind, herrscht dennoch ein deutlich vernehmbarer Optimismus. Im „Handbook of Urban Studies“ [Paddison (ed.) 2001] heißt es dazu: „The remarkable bottom-up transformation of local government according to non-racial and democratic principles has been extremely influential in new thinking about urban governance throughout the continent“ [Stren/ Halfani 2001: 482].
Südkorea Wenn das Augenmerk nun auf die Republik Korea – Südkorea – gelenkt wird, dann vor allem, weil sich dieses Land in einem rasanten Tempo von einem kriegszerstörten Agrarstaat zu einer Industrienation entwickelt hat. Parallel zu dieser Entwicklung durchlief das Land eine Phase der Urbanisierung und Verstädterung, die sich exemplarisch an der Hauptstadt Seoul erkennen lässt: Seoul hatte im Jahre 1945 rund 900.000 Einwohner, 1960 schon 2,5 Mio. und im Jahre 1990 rund 10,6 Mio., die sich dann zwischen 10 und 11 Mio. einpendelten. Werden die Einwohnerzahlen der umgebenden Städte, beispielweise Incheon (Hafen und Airport), hinzugezählt, leben etwa 23 Mio. Menschen in der Metropolregion Seoul – ungefähr die Hälfte der gesamten Einwohnerzahl Südkoreas mit rund 45 Millionen. Das Land ist damit fast doppelt so dicht besiedelt wie Deutschland. Seit dem Ende des Koreakrieges 1953 hat die Entwicklung der südkoreanischen Wirtschaft einen in der Welt ziemlich einzigartigen Aufschwung erlebt (vergleichbar vielleicht nur noch mit Taiwan). Der Koreakrieg hatte im Süden ein Land hinterlassen, das von den Rohstoffen und der Schwerindustrie im Norden abgeschnitten und dessen Bevölkerung zu zwei Dritteln in der Landwirtschaft tätig war. Angesichts der hohen Kriegsschäden an Wohnungen und Produktionsstätten konnte – trotz der umfangreichen ausländischen Wiederaufbauhilfen – mit einer Wirtschaftspolitik, die auf einen kleinen Binnenmarkt ausgerichtet war, bis zum Jahre 1962 kein ernsthafter Aufschwung herbeigeführt werden. Dann kam es zu einem radikalen Wechsel in der Wirtschaftspolitik. Die Regierung führte Wirtschaftsentwicklungspläne in Form von Fünfjahresplänen ein; zugleich schottete man den Binnenmarkt rigoros ab und legte Löhne und Zinsen fest, um eine exportorientierte Industrie aufzubauen. Eine aggressive Preispolitik gab der südkoreanischen Wirtschaft zudem den notwendigen Rückhalt im internationalen Wettbewerb. Staatliche Finanzhilfen unterstützten – unter Vernachlässigung der Klein- und mittelständischen Industrie – in erster Linie die südkoreanischen Großkonzerne wie Hyundai, Samsung oder Daewoo, große Mischkonzerne mit diversen Tochterfirmen in fast allen Industriebranchen. Durch enge Verflechtungen, sowohl untereinander als auch mit der Politik, übten und üben sie einen großen Einfluss auf die Wirtschaftspolitik aus. In jüngerer Zeit wird von staatlicher Seite versucht, auf eine stärkere Entflechtung dieser Konzerne hinzuwirken. In den 1960er Jahren stützte sich der Export zunächst noch auf die von den Japanern errichtete Textilindustrie, später folgten dann Petrochemie, Maschinenbau und Elektroindustrie. Mit
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dem Aufbau der Schiffsbau- und Stahlindustrie, deren Schwerpunkt im Süden in der Region Pusan/Pohang liegt, gelang es Südkorea, in den vergangenen dreißig Jahren zu einer der bedeutendsten Stahl- und Schiffsbaunationen der Welt aufzusteigen. Seit Beginn der 1980er Jahre wurde auch die Automobilindustrie aufgebaut. Zwei weitere wichtige Entwicklungsimpulse boten sich mit der Ausrichtung der Olympischen Spiele 1988 und der gemeinsam mit Japan veranstalteten Fußballweltmeisterschaft im Jahre 2002. Der rasante wirtschaftliche Wandel blieb nicht ohne Folgen für die Siedlungsentwicklung, Stadtstruktur und Stadtgestalt. So zeigt sich der mit dem wirtschaftlichen Aufstieg einhergehende Verlust traditioneller Bindungen deutlich an der Art des Wohnens, das sich nun verstärkt auf europäische und nordamerikanische Standards ausrichtet. Das System der räumlichen und städtebaulichen Planung in Südkorea orientiert sich, ähnlich wie in Deutschland, an der administrativen Gliederung des Landes (vgl. Abb. 10.17). Als oberste Stufe der staatlichen Raumordnung fungiert die Staats- bzw. Landesplanung. Auf der Grundlage des koreanischen Stadtplanungsgesetzes aus dem Jahre 1962 wurden Raumordnungspläne für die verschiedenen Verwaltungsebenen erarbeitet. Hierzu zählen der für das gesamte Staatsgebiet aufgestellte nationale Raumordnungsplan, Pläne für die Provinzen und für die Landkreise sowie Sonderpläne für bestimmte Gebiete. In diesen Plänen werden die Grundsätze, Ziele und Maßnahmen der Raumordnung festgelegt, stark beeinflusst von den jeweiligen Fünfjahresplänen. Die Ausführung und Kontrolle der Raumnutzung geschieht dann anhand von Durchführungsplänen auf der Grundlage des 1972 erlassenen Gesetzes zur koreanischen Raumnutzungsplanung [vgl. Kang 1997: 104ff]. In diesen Plänen werden die konkret zulässigen Nutzungen – in zehn verschiedene Kategorien unterteilt, z.B. land- und forstwirtschaftliche Flächen, Industriegebiete oder Siedlungsflächen für ländliche Gebiete und Stadtgebiete – festgesetzt. Auf der kommunalen Ebene werden die Ziele der Raumordnung konkret umgesetzt. Das südkoreanische Stadtplanungsgesetz stellt verschiedene Instrumente für die städtebauliche Entwicklung von Gebieten zur Verfügung. Die Stadtgrundplanung – in etwa mit der deutschen Flächennutzungsplanung vergleichbar – trifft Aussagen zur Flächennutzung, zur Stadtstruktur, geplanter Bevölkerungsentwicklung und Infrastrukturausstattung. Diese Pläne werden auf kommunaler Ebene vom Stadtparlament mit dem Bürgermeister an der Spitze aufgestellt und veröffentlicht, müssen aber zuvor durch den zuständigen Bauminister unter Beteiligung der entsprechenden Provinzbehörden genehmigt werden. Mit der Stadt(anordnungs)planung, die in etwa der Ebene des deutschen Bebauungsplans entspricht, werden im Einklang mit den Zielen der Raumordnung und der Stadtgrundplanung die konkreten Festsetzungen für ein Baugebiet getroffen. Ähnlich wie in Deutschland können so z.B. Art und Maß der baulichen Nutzung bestimmt werden. Es sind auch Festsetzungen zur Beschränkung der weiteren Konzentration von Bevölkerung und Infrastruktur möglich, um einer unerwünschten weiteren Verstädterung in Teilräumen entgegenzusteuern oder eine ungesteuerte Siedlungsentwicklung zu verhindern. Ebenso können z.B. Freiräume, Landschafts-
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schutz- oder zur Erholung bestimmte Gebiete vor unerwünschten Entwicklungen oder vor einer weiteren Zersiedlung gesichert werden. Das Maß der baulichen Nutzung wird ebenso wie in Deutschland durch Grundflächenzahlen und Geschossflächenzahlen begrenzt, doch erlauben die Geschossflächenzahlen eine sehr dichte Bebauung: Für Wohnbauflächen können Geschossflächenzahlen bis zu 7,0 (in Deutschland max. 1,6), für Geschäfts- bzw. gemischte Bauflächen sogar bis zu 11,0 (in Deutschland max. 3,0) festgesetzt werden. Die Auswirkungen dieser Regelungen auf die Silhouetten südkoreanischer Großstädte sind deutlich zu erkennen. Darüber hinaus können auch Größenbeschränkungen für Grundstücke festgesetzt werden.
Abb. 10.17: Das räumliche Planungssystem in Südkorea (Quelle: Kim 2005) Das Stadtplanungsgesetz enthält auch Regelungen bezüglich Besonnung und Belüftung, Brandschutz und Nachbarschaftsschutz – Festsetzungen, die in Deutschland in den Landesbauordnungen anzutreffen sind. Diese landeseinheitlichen Bau-
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normen führen allerdings dazu, dass früher bestehende regionale Besonderheiten in der Bauweise zunehmend verschwinden. Für die Aufstellung der Stadt(anordnungs)planung ist im Prinzip die Stadt mit dem Bürgermeister an der Spitze zuständig. Aufgrund der nach wie vor starken Position der staatlichen Raumordnung hat jedoch der zuständige Bauminister, in Abstimmung mit der Provinzverwaltung, jederzeit die Möglichkeit, bei für die Raumordnung wichtigen Entscheidungen direkt in die lokale Planung einzugreifen und solche Pläne selbst aufzustellen.
Abb. 10.18: Seoul Downtown-Area Um die Hauptstadt Seoul vom anhaltenden Siedlungsdruck zu entlasten, hat es, ähnlich wie in Japan für Tokio, immer wieder Überlegungen gegeben, die Hauptstadtfunktionen aus Seoul in eine neu zu gründende Stadt auszulagern. Bis heute sind allerdings keine ernsthaften Schritte in diese Richtung unternommen worden, da man sowohl von Seiten der Politik als auch von Seiten der Wirtschaft die Befürchtung hat, die wirtschaftliche Dynamik Südkoreas zu gefährden, die sich im Wesentlichen doch in Seoul konzentriert; Seoul gehört zu den zehn konkurrenzfähigsten Städten der Welt – ausgestattet mit dem werbewirksamen Stadtmotto: „Soul of Asia“. Auf zwei aktuelle stadtplanerische und städtebauliche Aktivitäten sei an dieser Stelle noch besonders hingewiesen. Die starke Affinität der Südkoreaner zu technologischen Innovationen und ihr Bestreben, in vielerlei Ausformung zur Weltspitze zu gehören, wird auch im Bereich der Stadtplanung deutlich. Das Land besitzt sehr hohe Standards in allen Infrastrukturbereichen und zwar stets in Verknüpfung mit informationeller Infrastruktur auf allerhöchstem Niveau. So erstaunt es dann auch nicht, wenn diese ‘kulturelle Affinität‘ der Südkoreaner auch auf die Stadtplanung und städtebauliche Projekte übertragen wird. Eines dieser Projekte firmiert unter dem Label „U-City“ als Kürzel für „ubiquitous city“ und hat zum Ziel, einen urbanen Komplex vollkommen mit Informationstechnologie für alle Stadtfunktionen und in
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allen Lebensbereichen auszustatten. Ein erster Stadtkomplex, in dem diese Idee partiell realisiert wurde, ist Hwaseong-Dongtan U-City am südlichen Rand der Metropolregion Seoul. Ein noch größerer Komplex wird mit der im Bau befindlichen „New Songdo City“ als Teil der Millionenstadt Incheon im Westen der Metropolregion Seoul entstehen. Dort wird auch das zweite große städtebauliche Anliegen der Südkoreaner realisiert: die Realisierung eines „Eco-City“-Konzepts unter Berücksichtigung aller ökologischen Erkenntnisse, der Minimierung des CO2-Ausstoßes und der Integration aller technischen, insbesondere informationstechnischen Raffinessen. „Compact, smart and green city“ lautet die entsprechende Vision der Stadtadministration [Internet www.songdo.com; außerdem vgl. Economist v. 4.11.2010, Artikel „Living on a platform – For cities to become truly smart, everything must be connected“]. Die völlig neuartige, aber zeitgemäße Ausrichtung der Stadtplanung in Songdo erfährt weltweit hohe Anerkennung und ist zu Recht mit Preisverleihungen geehrt worden.
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Übersicht Utopische Vorstellungen waren seit jeher eine treibende Kraft bei der Realisierung von Städten. Zu allen Zeiten haben sich Stadtplaner an utopischen Konzepten orientiert oder sind selbst als Verfasser von utopischen Konzepten in Erscheinung getreten. Den meisten Autoren von Utopien ging es zwar in erster Linie um das Herbeiführen einer besseren Gesellschaftsform auf der Grundlage einer neuen politischen Idee oder einer Staatsutopie, doch spielten Städte und die baulichen bzw. städtebaulichen Formen zur Manifestation solcher Utopien eine zentrale Rolle. Im vorliegenden Kapitel werden wir uns anhand eines stadtbaugeschichtlichen Abrisses einen Überblick über die wichtigsten Stadtbau-Utopien verschaffen und dabei sehen, welche Wirkung gesellschaftsutopische Vorstellungen auf das Phänomen Stadt insgesamt, auf städtebauliche Formen in Struktur und Gestalt sowie auf die Herleitung und Begründung städtebaulicher Konzeptionen in der Vergangenheit hatten. Wir werden dabei der Frage nachgehen, inwieweit von Städten – schon allein aufgrund ihrer Existenz – eine utopische Ausstrahlung ausging mit der Folge, dass viele Menschen ihre Hoffnungen in das Urbane hineinprojizierten. Aber auch andere Fragen sind interessant: Hat es etwa je eine Stadtplanung für Utopia gegeben? Oder: Inwieweit sind utopische Vorstellungen mit städtebaulichen Konzepten untermauert worden, und inwieweit hat sich Stadtplanung von utopischen Vorstellungen inspirieren lassen? Anhand von einschlägigen Begrifflichkeiten, einem typologischen Umgriff von Utopien und Verfassern von Utopien wollen wir uns mit diesen Fragestellungen näher befassen. Im Anschluss an diese Erörterungen folgt ein Epochenabriss wichtiger StadtbauUtopien, bei dem es im Wesentlichen um die Darstellung von Stadtformen in verschiedenen Epochen der Geschichte des Städtebaus geht, die im Fokus utopischer Vorstellungen standen. Am Ende dieses Kapitels stehen Überlegungen darüber, welche Auslöser in Zukunft zu neuen Utopien führen und ob diese sich auch in städtebaulichen Struk-
B. Streich, Stadtplanung in der Wissensgesellschaft, DOI 10.1007/978-3-531-93164-7_12, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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tur- und Gestaltungskonzepten niederschlagen könnten. Die drei Hauptabschnitte des Kapitels befassen sich mit den Themenbereichen: • • •
Stadt und Utopie – Stadtplanung für Utopia? Epochenabriss wichtiger Stadtmodelle und Stadtbau-Utopien Neue Kristallisationspunkte für städtebauliche Utopien?
Stadt und Utopie – Stadtplanung für Utopia? Gemeinhin gelten Utopien als Hirngespinste, bestenfalls als nette, aber unrealisierbare Vorstellungen von einer besseren Welt. Diese gängige, in ihrer Tendenz aber eher negative Meinung wird gelegentlich noch dadurch bestärkt, dass von interessierter Seite Utopien in die Nähe von Phantastereien ohne jeglichen Realitätsbezug gerückt werden. So etwa, wenn der frühere Mitherausgeber der konservativen Frankfurter Allgemeinen Zeitung nach dem Zusammenbruch des östlichen Sozialismus um 1989 in einem Essay mit dem Titel „Der zerstörte Traum – Vom Ende des utopischen Zeitalters“ mit allem Utopischen abrechnet [Fest 1991]. Die Art und Weise, wie Fest vor allem auf Ernst Bloch, den Philosophen des Utopischen, fixiert ist, ihm „intellektuellen Autismus“ vorwirft und vom „großem Tam-Tam der Utopien“ spricht [Fest 1991: 73, 93], ist typisch für die wiederholten Bemühungen gerade von politisch konservativen Kräften, Utopien pauschal zu diskreditieren. In besonders bizarrer Weise waren Aktivitäten solcher Art bereits erkennbar bei dem Versuch, Thomas Morus – Katholik und Lordkanzler des englischen Königs Heinrich VIII., von diesem hingerichtet und seit dem Jahre 1935 ein Heiliger der katholischen Kirche – zu einem reinen Kirchenmann zu machen und „ihn zu desinfizieren vom revolutionären Geruch“ seines eigenen Werks „Utopia“ (1516), indem seine Autorenschaft in Zweifel gezogen und das Dokument kurzerhand zu einer Fälschung erklärt wurde [Bloch 1959/1985: 600]. So wundert es auch nicht, dass es kaum positiv intendierte Utopien von konservativ gesinnten Autoren gibt, dagegen aber negative Schreckens-Utopien (Dystopien), zu denen etwa Romane wie „Brave New World“ (geschrieben 1932) von Aldous Huxley oder „Nineteen Eighty-four“ (geschrieben 1948) von George Orwell zählen [Picht 1992: 24]. Doch ist das tatsächlich die angemessene Art und Weise, mit utopischen Vorstellungen umzugehen? Und – vor allem mit Blick auf unser Thema: Können wir die Geschichte des utopischen Denkens so ohne weiteres aus der Geschichte der Stadtplanung ausblenden? Oder anders gefragt: In welchem Verhältnis stehen Utopien, deren Realisation und Stadtplanung zueinander? Unter Stadtplanern sind die Auffassungen hierüber durchaus polarisiert. Während auf der einen Seite der versteckte Vorwurf zu hören ist, Stadtplaner sollten sich nicht mit Utopien – oder Leitbildern – befassen, sondern ganz pragmatisch mit dem Lösen konkreter Probleme, fordern andere Zukunftsprojektionen, und zwar für Städte, deren Realisierung die betroffenen Menschen mit Hoffnung und positiver
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Erwartung entgegenblicken können. Vielleicht überwiegt in dem von der europäischen Kultur geprägten Teil der Welt derzeit ein von Utopien weitgehend losgelöster Pragmatismus. In anderen Teilen der Welt drängt sich allerdings schon der Eindruck auf, dass dem Berufsstand des Stadtplaners eine durchaus tragende Rolle bei dem Bemühen um Erfüllung von Hoffnungsprojektionen zugemessen wird. Beispiel Afrika: „Planning for the poor and the disadvantaged is the main task for planning“ lautete die Essenz eines Redebeitrags – gewissermaßen ein ethisch begründeter Auftrag zur Realisierung einer besseren Welt – während einer Städtebaukonferenz im südafrikanischen Durban im Jahre 2002. Ebenso war der Satz: „The planners’ mission is to give the people hope“ als Appell an das utopisch inspirierte Gewissen der Zunft gedacht. Doch grenzenloser Optimismus, so sehr man ihn selbst als Lebensmaxime bejaht, hat auch seine Kehrseiten. Optimismus in Gestalt von utopischen Vorstellungen und visionär anmutenden Planungsaktivitäten kann auch zu Trugschlüssen und Irrtümern verleiten. Roger Scruton, ein politisch engagierter britischer Philosoph, warnt in seinem Buch „The Uses of Pessimism – And the Danger of False Hope“ [Scruton 2010] mit den Stichworten „utopian fallacy“ und „planning fallacy“ vor zuviel falschem Optimismus in einer nach Orientierung sich sehnenden Gesellschaft und plädiert für vernünftige Skepsis bei der Fortentwicklung von Zukunftsprojekten. a) Utopien in der Literatur In den Köpfen der meisten Menschen verbindet sich der Begriff der Utopie mit einem literarischen Genre [vgl. dazu Gnüg 1983; umfassende Quellenübersicht vgl. Internet www.nypl.org/utopia/primarysources.html oder Stockinger 1982]. Abhängig von den jeweiligen epochalen Bedingungen und dem vorherrschenden Zeitgeist waren es vor allem Romanschriftsteller, die im Laufe der Zeit eine außerordentlich breite begriffliche Facettierung herbeiführten. Mit der Stadtplanung hatte und hat dieses Genre zunächst kaum Berührungspunkte, denn wenn Stadtplaner von Utopien (oder von Leitbildern; vgl. Kap. 2) sprechen, ist der Gedanke an literarische Entwürfe meist sehr fern. Die Utopie als literarische Gattung ist untrennbar verbunden mit Personen, die sich schriftstellerisch mit Entwürfen für eine bessere Welt befasst haben. Sie können als die eigentlichen Schlüsselfiguren der Utopiegeschichte bezeichnet werden. Um so bemerkenswerter ist, dass in utopischen Romanen und Erzählungen häufig Aspekte im Vordergrund standen, die wir heute als Stadtplanung oder Städtebau bezeichnen. Eigentlich nicht weiter überraschend, da sich die Autoren über Art und Weise, insbesondere bauliche Formen des Zusammenlebens von Menschen in einer idealen Gemeinschaft ausließen, und dies lässt sich am anschaulichsten und naheliegendsten in Form von Siedlungen und Städten darstellen [über die städtebauliche Umsetzung normativer Aussagen in Utopien vgl. Saage 1991: 5]. Selbst diejenigen, die den Ursprung aller utopischen Entwürfe in den Gesellschaftsutopien sehen, unterstreichen, dass es eine gewisse Berechtigung gebe, „von Stadtutopien, also bloßen Stadtbauutopien zu sprechen“, weil man darauf im Sinne
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der „materiellen Tendenz (...) des Konkretwerdenwollens der Utopie“ letztendlich angewiesen sei [Schmidt 1988: 64]. Mancher Interpret geht sogar noch einen Schritt weiter und unterstellt den Textautoren konkrete stadtplanerische Absichten: „Morus hatte die klassische Stadtplanung im Sinn, als er Utopia entwarf“, schreibt etwa Richard Marius in seiner MorusBiographie [Marius 1984/1987: 215; Saage 1991: 301]. Das literarische Genre der Utopie gibt es seit mehr als viertausend Jahren, auch wenn der Begriff – geprägt durch den Staatsroman „Utopia“ von Thomas Morus (1516) – jüngeren Ursprungs ist. Immer schon im Verlauf der Geschichte haben sich Menschen als Kontrast zur existierenden Welt eine gedankliche Gegenwelt in Form eines irdischen Paradieses, eines Garten Eden oder eines Goldenen Zeitalters geschaffen, um gegenüber Leid, Hunger, Unsicherheit und Kümmernissen des Alltags eine Hoffnungsperspektive zu besitzen. Vor rund viertausend Jahren geschah dies etwa im babylonischen Gilgamesch-Epos, das gemeinhin auch als die älteste Utopie gilt. Im 8. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung thematisierte der griechische Dichter Hesiod den Mythos von einem vergangenen ’Goldenen Zeitalter’ in vorgeschichtlicher Zeit – eine rückwärtsgewandte Utopie; aufgegriffen und berühmt wurde der Mythos dann einige Jahrhunderte später in den „Metamorphosen“ des römischen Dichters Ovid [Gnüg 1983: 8; Eaton 2001: 22f; Voßkamp 1982: 4]. Eine Loslösung vom ausschließlich Mythologischen fand statt, als Vorstellungen von einer besseren Gesellschaftsform entwickelt wurden. Wenngleich es auch schon früher Staatsutopien gegeben haben dürfte [vgl. Theimer 1973: 12; Bloch 1959/1985: 566ff], gilt doch Platon‘s „Politeia“ aus dem 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung als der erste utopische Entwurf eines idealen Staatswesens, den Jahrhunderte später, wie vermutet wird, Thomas Morus wohl für seinen „Utopia“Text zum Vorbild nahm [Marius 1984/1987: 246]. Den Hintergrund des griechischen politischen Denkens bildete der Stadtstaat, die Polis. Es war allerdings nicht Athen, Platon’s Wirkungsstätte, das er als „empirisches Modell“ (Bloch) für die ideale Gesellschaftsform benutzte, sondern Sparta, ein Dreiklassenstaat. Nach Platon‘s Idealvorstellung sollten Philosophen an der Spitze nach den Regeln eines wohlwollenden Absolutismus regieren, Beamte und Soldaten die mittlere Klasse und das handwerklich tätige Volk die unterste Klasse bilden [Theimer 1973: 17]. Platon differenzierte noch weiter, was in seinem Idealstaat eine wichtige Rolle spielen sollte. So schrieb er etwa der Landwirtschaft edle, charakterbildende Eigenschaften zu – die Sklaverei wurde dabei nicht in Frage gestellt –, während die städtischen Gewerbe als unedel und charakterverderbend eingestuft wurden. Diese Charakterisierung taucht bei späteren Agrar-Romantikern übrigens immer wieder auf. Platon schlug gar vor, den ’idealen Staat’ von der Küste landeinwärts zu verlegen, damit er den verderblichen Einflüssen des Handels und der Seefahrt entzogen sei [Theimer 1973: 22]. Dieser bemerkenswerte Vorschlag hat Schule gemacht, denn bis in die Gegenwart hinein können wir an Beispielen festmachen, wie sich utopische Konzepte und Siedlungsgründungen von dem Gegensatzpaar ’ländlich versus urban’ haben leiten lassen – nicht nur theoretisch, sondern auch in der
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Realisierung. Für Platon selbst bot sich bald die Gelegenheit, seine Vorstellungen praktisch umzusetzen, wenn auch nicht mit einem eigenen Siedlungsexperiment, so doch im Rahmen einer Art Ausbildungsprogramm für den jungen Dionysius II., der in Syrakus den Thron bestieg. Vom Ergebnis seiner Bemühungen enttäuscht und frustiert kehrte er anschließend nach Athen zurück und gründete im „Garten des Herrn Akademos“ (Bloch) die Platonische Akademie. Deren legendärer Leitspruch am Eingang – „Kein der Geometrie Unkundiger trete ein“ [Internet www.dartmouth.edu/ ~matc] – war nicht nur bezeichnend für die ’Wissensgesellschaft’ der damaligen Zeit, sondern sollte auch für die Stadtplanung und Baukultur der griechischen Antike Wirkung entfalten. Später, nach einem zweiten für ihn abermals enttäuschenden Aufenthalt in Syrakus, wandte Platon sich seinem Alterswerk zu, in dem er sich auch mit der sagenhaften Insel „Atlantis“ befasst. Nach der abstrakten Staatsutopie in der „Politeia“ wird hier nun, im „Kritias“-Dialog, erstmals eine Utopie an einem Ort festgemacht [Platon: Kritias]. Platon hatte in jüngeren Jahren während einer Reise nach Ägypten von dem Atlantis-Mythos erfahren und verlegte in seinem Text die Existenz und den Untergang dieser idealen Gemeinschaft um neuntausend Jahre in die ferne Vergangenheit zurück [Bloch 1985: 202]. Als eine weitere Utopie, die das gesamte literarische Genre, aber auch städtebauliche Vorstellungen späterer Epochen stark beeinflussen sollte, trat in der Spätantike die „Sonneninsel“ des Jambulos in Erscheinung. Die Bedeutung dieses Textes reichte fast an die der Platon’schen Staatsutopie heran. Jambulos wählte als Handlungsort für seinen Roman, der nur in Fragmenten überliefert ist, sieben Äquatorinseln, auf denen völlige Besitzlosigkeit und die Abschaffung von Kasten und Sklaverei das Glück aller sowie ein Leben in Rausch und Festen ermöglichen. In der Renaissance waren die Textfragmente sehr verbreitet; Morus kannte sie ebenso wie Campanella, dessen „Civitas Solis“ sicher nicht zufällig einen ähnlichen Titel trägt [Bloch 1959/1985: 568f]. Während zur Zeit des antiken Abb. 11.1: Frontispiz zu Morus‘ „Utopia“ Roms und im gesamten Mittelalter die literarische Utopie so gut wie nicht existierte – das Mittelalter gilt in der Tendenz als eher „utopie-fern“ [Seibt 1982] –, erhielt sie mit Beginn der Renaissance gewaltigen Auftrieb.
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Initialwerk der literarischen Utopie war ganz ohne Zweifel „Utopia“ von Thomas Morus, dessen vollständiger Titel lautete: „Über die beste Staatsverfassung und von der neuen Insel Utopia“ [Morus 1516/2001]. Erstmals im Jahre 1516 publiziert (vgl. Abb. 11.1), entfaltete dieser Erzähltext in Form eines Reiseberichts eine außerordentliche Wirkung und inspirierte viele zu ähnlichen Romanen und Erzählwerken. Über die Bedeutung des Worts Utopia und die Frage, was der Autor Morus damit ausdrücken wollte, ist viel spekuliert worden. Zusammengefasst lautet die recht einhellige Interpretation, an der sich übrigens auch Patrick Geddes beteiligte: Utopia setzt sich zusammen aus dem altgriechischen Wort ’topos’ – dem ’Ort’ bzw. ’Platz’ – und der Vorsilbe ’u’, einer Kontraktion aus ’ou’ bzw. ’eu’. Je nach Auslegung der Vorsilbe lassen sich zwei Bedeutungen herleiten: ’kein Ort’ bzw. ’nirgendwo’ oder ‘Ort des Wohlbefindens‘ [Doxiadis 1966: 25, 88; Eaton 2001: 11, 66]. „Utopia“ beschreibt die Sozialutopie einer liberalen, toleranten Gesellschaft auf der Grundlage einer egalitären Staatsverfassung. Die Darstellung von Städten spielt in dem Reisebericht des fiktiven Erzählers Hythlodaeus – die Namensgebung verrät ein Augenzwinkern, denn die Übersetzung ist ’Schaumredner’ [Bloch 1959/1985: 604] – eine ganz wesentliche Rolle. Alle vierundfünfzig Städte der imaginären Insel sind gleich, was die Gleichstellung aller Inselbewohner auch durch die Art, wo und wie sie wohnen, unterstreicht. „Wer eine Stadt kennt, kennt sie alle“, heißt es in dem Text. Jede Stadt besitzt, wie die Hauptstadt Amaurotum, einen quadratischen Grundriss, ist funktional auf Verkehrsbedürfnisse und Windschutz abgestimmt und hat eine ansehnliche Baugestaltung, die bis ins Detail beschrieben wird, so als würde ein umfassendes Stadtmodell in Grund- und Aufriss entworfen. Im Anschluss an Morus’ Utopia erschien bis in das frühe 17. Jahrhundert hinein eine stattliche Anzahl weiterer utopischer Texte. Unter all diesen Beschreibungen sticht der im Jahre 1623 erschienene Text „Civitas Solis“ – ’Sonnenstaat’ – des in Kalabrien geborenen Dominikanermönchs Tommaso Campanella besonders hervor. Dieses Werk steht allerdings in einem klaren Gegensatz zu Morus’ Utopia: Während es Morus um eine Utopie der Freiheit ging, entwarf Campanella eine Utopie der Ordnung – zwei völlig verschiedene Richtungen, die schon in der Antike zu erkennen waren und bei allen nachfolgenden utopischen Entwürfen ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal darstellen sollten. Campanella’s Staats- und Stadtentwurf ist ein zentralistisches Modell, das im Einklang mit der zentralisierten Herrschergewalt des Barocks steht. Obwohl Campanella selbst siebenundzwanzig Jahre in Kerkerhaft verbrachte, sah er das spanische Weltreich und die französische Monarchie stets als Vorbild an und beschrieb in der Civitas Solis eine obrigkeitsstaatliche, bürokratische Utopie. Bezeichnenderweise findet sich in einer weiteren Schrift aus dem Jahre 1637 eine Widmung für Kardinal Richelieu, den Ersten Staatsminister Frankreichs, mit folgendem Wortlaut: „Der Sonnenstaat, der von mir entworfene, von dir zu errichtende“. Er begrüßt auch die Geburt des späteren Königs Ludwig XIV. im Jahre 1638, der sich während seiner Regentschaft tatsächlich ’Sonnenkönig’ nennen wird. Richelieu selbst lässt südlich der Stadt Tours eine Schlossanlage und eine Stadt errichten, die seinen Namen tragen wird. Inwieweit Campanella ihn dazu inspiriert hat, ist zwar nicht bekannt, dennoch gibt es allein in ihrer Stringenz bemerkenswerte Parallelen
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zwischen Campanella’s Stadtentwurf und Richelieu’s Projekt [Kruft 1989: 90]. Das Konzept der Schloss-, Park- und Stadtanlage fungiert später als konstituierendes Vorbild für Schloss und Stadt Versailles [Kruft 1989: 84]; sogar die aus Frankreich nach Deutschland geflohenen Hugenotten nehmen die Stadtanlage von Richelieu – etwa bei der Gründung der Erlanger Neustadt im Jahre 1686 – zum Vorbild [Kruft 1989: 98]. Mit dem städtebaulichen Konzept in Campanella’s Sonnenstaat hat die Stadt Richelieu dennoch nichts gemeinsam. Während die Stadt Richelieu durch einen strengen Rechteckgrundriss und das Fehlen eines zentralen Bereichs in der Stadt gekennzeichnet ist [vgl. Kruft 1989: 82ff], besitzt bei Campanella der Stadtentwurf einen kreisförmigen Grundriss mit einem klaren Zentrum in der Mitte, um das sich konzentrische Ringe legen, wie die Bahnen von Planeten, die das Zentrum umkreisen und damit auch eine soziale Hierarchie widerspiegeln. Das Utopia von Thomas Morus und der Sonnenstaat von Tommaso Campanella repräsentieren mithin zwei Phänotypen von Utopien. Der Gegensatz von Freiheit und Ordnung (Bloch), von liberal und autoritär zeigte sich denn auch in den Intentionen derjenigen, denen es um städtebauliche Umsetzung ging. Ernst Bloch beschreibt den Unterschied wie folgt: „Während die liberale Sozialutopie des Thomas Morus ihren besten Staat mit Einzelhäusern, Flachbauten und aufgelockerten Gartenstädten ausschmückte, zeigte hundert Jahre später Campanella’s autoritäre Utopie Wohnblöcke, Hochbauten, ein völlig zentralisiertes Stadtbild“ [Bloch 1959/1985: 866]. Fassen wir mit Blick auf den Städtebau und die Stadtplanung die aus dem literarischen Fundus gewonnenen Erkenntnisse zusammen: Dezentrale Stadtsysteme, die in ihrer Struktur keine oder nur eine geringe Hierarchie ausweisen und ebenso kein stark ausgebildetes Zentrum besitzen, weisen auf Liberalität, Toleranz, Gleichheit und ein demokratisches Gemeinwesen hin. Dagegen spiegeln Städte und Stadtsysteme mit deutlich erkennbarer zentraler Instanz, einem hierarchischen Aufbau sowie einem stark ausgebildeten Zentrum ein eher autoritäres Gesellschaftssystem mit Klassenunterschieden und einem geringen Verständnis für Demokratie wider. Totalitaristische Systeme haben schon immer eine Vorliebe für Städte und Stadtsysteme gehabt, bei denen die autoritären und zentralistischen Strukturen des Herrschaftssystems auch baulich und städtebaulich deutlich zu erkennen waren. Es verbietet sich demnach auch, für derartig totalitaristische Modelle die Bezeichnung ’Utopie’ zu verwenden, denn dies käme einer Verdrehung dessen, was sui generis unter einer Utopie verstanden wird, gleich (korrekterweise wäre dann von ’Dystopien’ zu sprechen). b) Typologisierung von Utopien Die Vielfalt der utopischen Vorstellungen und Entwürfe, die im Laufe der Zeit entstanden ist, kann anhand bestimmter Merkmale systematisch geordnet werden. So lassen sich die Typologisierungsansätze in drei Klassen einteilen, und zwar nach der Art der utopischen Projektion, nach epochalen Merkmalen sowie nach antipodischen Merkmalen.
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Die Grundtypologie nach der Art der utopischen Projektion basiert auf einer Zweiteilung, nach der nahezu alle utopischen Entwürfe oder Beschreibungen entsprechend eingeordnet werden können: Entweder wird die Vorstellung von einer besseren Welt in ferne Räume bzw. Länder projiziert – wir haben es in diesem Fall mit einer ’Raumutopie’ zu tun – oder aber in ferne Zeiten, so dass wir hier von einer ’Zeitutopie’ sprechen können [Bloch 1959/1985: 550; Gnüg 1983: 103]. Die meisten Utopien lassen sich einer dieser beiden Kategorien (gelegentlich auch beiden zugleich) zuordnen. Allerdings existiert noch ein drittes Genre. So hat es im eher utopiearmen Mittelalter (in Europa), das mit dem utopischen Impetus der Neuzeit kaum etwas gemeinsam hat, Vorstellungsbilder gegeben, die weder mit räumlichen noch mit zeitlichen Projektionen verknüpft waren, aber dennoch Vorstellungen von einem besseren Dasein beinhalteten. Dieses bessere Dasein stellte man sich – gewissermaßen als ’transzendente Utopie’ – im Jenseits vor: im Paradies oder im Himmlischen Jerusalem. Auch manch irdische Einrichtung, das Leben in Klöstern beispielsweise [Seibt 1982], wird von einigen Historikern gelegentlich dieser Gruppe der transzendenten Utopien zugeordnet. Hinzu kommt, dass nicht wenige derjenigen, die Utopien entwarfen, gerade zu Beginn des 19. Jahrhunderts, durchaus mit Nachdruck auch Religionssurrogate liefern wollten – bis hin zu dem von Georges Minois als „die wahnwitzigste Version“ einer Utopie bezeichneten Projekt von Charles Fourier, „der in einer überschwänglichen Synthese Religion, Science-fiction, Utopie und Psychologie vermengt“ hat [Minois 1996/1998: 577, 627]. Die Grundtypologie nach Art der utopischen Projektion beinhaltet also drei Spielarten: • • •
Raumutopien, Zeitutopien und transzendente Utopien.
Je nachdem, ob sich es um eine Projektion in die Vergangenheit (wie bei Platon’s Atlantis) oder in die Zukunft handelt, lässt sich die Gruppe der Zeitutopien noch weiter unterteilen: in retrospektive und prospektive Utopien. Manchmal finden wir nahezu unbemerkt solche utopischen Anwandlungen auch im Alltagssprachgebrauch, wenn es darum geht, Hoffnungsprojektionen zum Ausdruck zu bringen: Da steht der Satz ’Früher war alles besser’ als konservatives, rückwärtsgewandtes Bedauern über verlorenes Glück in deutlichem Gegensatz zu der fortschrittsoptimistischen Versprechung, dass ’in Zukunft alles besser’ werde. Der Gegensatz von Retrospektivem und Prospektivem findet sich auch in der Stadtplanung und im Städtebau wieder. Dort kennen wir auf der einen Seite glorifizierende, retrospektive Leitbilder, mit denen Vergangenes zum Ideal erhoben wird – etwa die mittelalterliche oder barocke Stadt, die es zu sichern und zu schützen gilt, oder verlorengegangene Bauten und bauliche Ensembles, deren Wiederherstellung dann gefordert wird (prominentes Beispiel war die Initiative zum Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses). Auf der anderen Seite stehen prospektive Vorstellungsmuster (z.B. solche, wie sie radikal von Le Corbusier ersonnen wurden), die Altes
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und Vergangenes rigoros durch Zeitgemäßes und Neues ersetzen wollen. Die zweite typologische Klasse von Utopien ist systematisiert nach epochalen Merkmalen. Bei dieser chronologischen Einteilung in Epochen können sieben „utopische Hauptkonstellationen“ unterschieden werden [Kilminster 1985; Manuel/Manuel 1979: 19]: • • • • • •
Phase 1: Geburt der Utopie in der Renaissance und Reformation des 15. und 16. Jahrhunderts (Morus, Leonardo, ...); Phase 2: das 17. Jahrhundert (Campanella, ...); Phase 3 und 4: die Aufklärung (Rousseau, ...) mit mindestens zwei Unterphasen; Phase 5: der utopische Sozialismus des frühen 19. Jahrhunderts (Owen, Fourier, ...); Phase 6: Marxismus und Anti-Marxismus (Marx, Engels, ...); Phase 7: die Moderne (Darwin, Freud, Le Corbusier, ...).
Möglicherweise kann diesem chronologischen Gliederungssystem noch eine achte Phase hinzugefügt werden, nämlich die Post-/Nachmoderne bzw. die Zweite Moderne, in der sich schließlich auch (utopische) Zukunftsprojektionen der Wissensgesellschaft zeigen. Wir werden später in diesem Kapitel noch ausführlicher auf die einzelnen Epochen der Utopiegeschichte zurückkommen. Die dritte Art der Typologisierung von Utopien erfolgt nach einem antipodischen Schema. In diesem Fall werden utopische Vorstellungen, wenn auch in weit auseinanderlaufenden Interpretationsformen, anhand dialektischer Gegensätze systematisiert. Kennengelernt haben wir eine solche polare Gegensätzlichkeit bereits bei Morus’ Utopia und Campanella’s Sonnenstaat, die als Prototypen von Utopien für das Gegensatzpaar von Freiheit und Ordnung stehen – eine Polarität, die als ein generelles Schema von der Antike bis in die Gegenwart hinein nachgewiesen werden kann. Im 19. Jahrhundert, einer in der Geschichte recht utopiereichen Epoche, waren es etwa die liberal-föderativen Utopien von Robert Owen oder Charles Fourier, die den zentralistischen Utopien von Etienne Cabet oder Henri-Claude de Saint-Simon gegenüberstanden [Bloch 1959/1985: 614, 647ff, 654ff; Bloch 1980: 53]. Und immer spielten Siedlungskonzeptionen als jeweils spezifische baulichstädtebauliche Ausdrucksform der Utopien eine tragende Rolle [vgl. ausführlich dazu Bollerey 1977 oder Eaton 2001]. Eine weitere antipodische Unterscheidung kann zwischen sozialistischen und nicht-sozialistischen Utopien getroffen werden. Dabei ist es eine bemerkenswerte Tatsache, dass es eigentlich nur eine einzige nicht-sozialistische Utopie gab: „The Commonwealth of Oceana“ von James Harrington aus dem Jahre 1656, in der eine konservative Agrardemokratie zum Ideal erhoben wurde [Theimer 1955/1973: 260]. Die Wirkungen, die von diesem Text ausgingen, waren jedenfalls höchst beachtlich – inspirierte er doch, wie man weiß, im späten 17. Jahrhundert den Gouverneur von Pennsylvania, William Penn, bei seinem Entwurf für ein Regierungskonzept, das in vielerlei Hinsicht die ’Declaration of Rights’ der späteren Vereinigten Staaten von Amerika vorwegnahm. Auch beim Entwurf von Stadtanlagen, vor allem bei dem von
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William Penn selbst initiierten und an den Landvermesser Thomas Holme in Auftrag gegebenen rasterartigen Grundrissentwurf für Philadelphia (Abb. 11.9), spielte die Oceana-Utopie wohl eine tragende Rolle [Eaton 2001: 91f; Bloch 1959/1989: 633]. In die Reihe der antipodischen Utopien gehört auch der mit falschen Assoziationen behaftete Begriff des ’utopischen Sozialismus’. Diese Bezeichnung geht auf Karl Marx und Friedrich Engels zurück, allerdings ohne die Intention, die ihnen später immer wieder unterstellt wurde, dass nämlich der Sozialismus eine zu realisierende Utopie sei. Marx und Engels verwendeten, wie später auch Lenin, einen klar akzentuierten „pejorativen Utopiebegriff“ [Saage 1991: 234; Theimer 1955/1973: 278]. Die Bezeichnung „utopischer Sozialismus“ war von ihnen als polemische Verunglimpfung derjenigen gedacht, die ihre utopischen Denkmodelle in Pioniergemeinschaften und Siedlungsexperimenten realisieren wollten. In derartigen Projekten sahen Marx und Engels rein spekulative Phantastereien ohne wissenschaftliches Fundament – nachzulesen in der Schrift „Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft“ von Friedrich Engels aus dem Jahre 1878, in der diese radikale Position schon im Titel zum Ausdruck kommt [Lasky 1976/1989: 71, 73]. Als Antipoden-Paar können schließlich auch Sozialutopien auf der einen Seite sowie technische bzw. technizistische Utopien auf der anderen Seite eingestuft werden [Picht 1992: 24; Bloch 1959/1985: 729ff]. Während jedoch Sozialutopien stets als eine kritische Herausforderung für die jeweilige politische und soziale Situation gedacht sind und die Herbeiführung einer besseren Gesellschaftsform bezwecken, kaprizieren sich technische/technizistische Utopien vorrangig auf die Möglichkeiten des wissenschaftlich-technischen Fortschritts – ohne den in utopischen Vorstellungen sonst anzutreffenden sozialen Impetus. Technizistische Vorstellungen von einer ’besseren Welt’ bewegen sich somit häufig am Rande dessen, was wir üblicherweise unter ’Science Fiction’ verstehen, und es ist nicht verkehrt, solchen Vorstellungen aufgrund des „Überhandnehmens der technischen Komponente“ den utopischen Sinngehalt grundsätzlich abzusprechen [z.B. Schumpp 1972]. Gleichwohl spielen gerade solche technischen Fiktionen in Bezug auf Städtebau und Urbanistik eine nicht geringe Rolle. Zwar begann die Geschichte des utopischen Denkens bei Platon noch gänzlich ohne Technik, doch spätestens in der Renaissance wird beim Entwurf von utopischen Konzepten gern auf wissenschaftlich angeleitete Technik zurückgegriffen [Saage 1991: 41f]. Selbst für den Philosophen Ernst Bloch erlangen technische Aspekte in Utopieentwürfen einen beachtlichen Stellenwert, so dass er ihnen in seinem Hauptwerk „Das Prinzip Hoffnung“ mit zwei Kapiteln – „Wille und Natur, die technischen Utopien“ sowie „Bauten, die eine bessere Welt abbilden, architektonische Utopien“ – breiten Raum einräumt [Bloch 1959/1985: 729ff und 819ff]. Insgesamt ist festzustellen, dass „Stadtutopien eine relative Selbständigkeit gegen die Gesamtentwürfe einer Idealgesellschaft gewannen, wenngleich umgekehrt in sämtlichen Gesellschaftsutopien die Einsicht vertreten wird, dass die Neuordnung der Menschenverhältnisse stets auch eine Vorstellung neuer Stadtstrukturen verlange“ [Schmidt 1988: 10]. Insbesondere im Laufe des 20. Jahrhunderts entstand infolge der wissenschaftlich-technischen Entwicklung eine Vielzahl von technischen Fiktionen, die als moderne Stadtutopien bezeichnet werden können: Le
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Corbusier’s „Wohnmaschinen“ nach funktionalistischen Prinzipien; Bruno Taut’s „Stadtkrone“ aus dem Jahre 1919; die utopischen Fiktionen der britischen Archigram-Group in den 1960er Jahren mit Studien beispielsweise zu sich bewegenden „Walking Cities“; oder die technizistischen Vorstellungen der Metabolisten mit Projekten wie die von Kenzo Tange vorgeschlagene Überbauung der Bucht von Tokyo oder Richard Buckminster Fuller’s Vorschlag, eine gewaltige Glaskuppel über Manhattan zu errichten [vgl. Klotz 1986; Vercelloni 1994; Eaton 2001]. Für das Phänomen all dieser antipodischen Typen von Utopien hat sich seit geraumer Zeit das Begriffspaar ’Utopie und Dystopie’ etabliert. Die Notwendigkeit für einen zweiten Konträrbegriff rührt daher, dass mit Beginn des 20. Jahrhunderts die bis dahin eher positiv besetzte Bedeutung der Utopien in Frage gestellt wurde. Zunehmend wurde die Gesellschaft – in ursächlichem Zusammenhang mit den Auswirkungen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts [Saage 1991: 264ff, 268; Gnüg 1983: 153ff; Schmidt 1988: 11ff; guter Gesamtüberblick bei Kumar 2000] – mit ’negativen Utopien’ oder ’schwarzen Utopien’ – Dystopien, Schreckensutopien – konfrontiert; zu den bekanntesten Vertretern des literarischen Genres zählen Jewgenij Samjatin, Aldous Huxley oder George Orwell. Dass diese gegensätzlichen Typen von Utopien ihren Niederschlag auch deutlich erkennbar in städtebaulichen Konzeptionen fanden, muss kaum noch hervorgehoben werden. Interessant ist aber, dass wir diese – durch Utopien inspirierten Polaritäten – auch im Kontext der städtebaulich-raumplanerischen Diskussion wiederfinden, und zwar: • • •
in einer räumlichen Dichotomie: Stadt vs. Land; in einer siedlungsstrukturellen Dichotomie: zentral vs. dezentral; in einer inhaltlich-konzeptionellen Dichotomie: technizistisch vs. sozial und ökologisch verträglich.
Bei näherer Betrachtung dieser drei Dichotomien können wir erkennen, dass die Stadt, die einst als Bezugspunkt für die älteren Utopien fungierte, von einer dazu konträren Raumstruktur wie re-agrarisierte Nachbarschaften sowie kleine überschaubare Siedlungseinheiten (nahezu) abgelöst wurde [Saage 1991: 342; Sieferle 1984: 182ff]. Das 19. und frühe 20. Jahrhundert mit den stadtplanerischen Entballungsbemühungen – etwa durch die Idee der in den ländlichen Raum hineinverlagerten Gartenstadt – liefert eine Reihe von Beispielen. Und als vor dreißig Jahren infolge der aufkeimenden Ökologiediskussion ein grundsätzliches Nachdenken über die Endlichkeit der natürlichen Ressourcen einsetzte, entwarf in den USA Ernest Callenbach mit „Ecotopia“ eine Utopie, die eine den indianischen Naturmythen verpflichtete Eingliederung des einzelnen Menschen in den ökologischen Kreislauf des Lebens anstrebte [Schumacher 1973/1985; Callenbach 1975; Kumar 2000]. Angestoßen durch die von Ernst Friedrich Schumacher im Jahre 1973 entwickelte „Small is Beautiful“-Philosophie gehören zu den Kernelementen dieses Konzepts dezentrale Siedlungsstrukturen ebenso wie die Propagierung einer „mittleren Technik“ statt der damals auf vielen Feldern – beispielsweise nukleare Energieversorgung – mit Nachdruck betriebenen Großtechnik; als Sprachrohr des
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„Dezentralismus“ hat sich die „E. F. Schumacher Society“ bis heute als international aktive NGO erhalten [vgl. Internet www.schumachersociety.org]. c) Das Verhältnis von Utopikern zu Stadt und Stadtplanung Auf die bemerkenswerte Tatsache, dass die Verfasser von Utopien ihre Vorstellungen häufig auf Städte projizierten, wurde bereits hingewiesen: Gleich ob Platon, Jambulos, Morus, Campanella, Owen, Fourier – jeder verband seine Vorstellung von einer besseren Gesellschaftsform mit dem Entwurf einer neuen Stadtform. Nicht umsonst räumt auch Ernst Bloch diesem Utopieaspekt in all seinen Werken sehr viel Platz ein. Einer seiner Schüler, Burghart Schmidt, erklärt dazu, dass Utopien – über die kritische Funktion hinaus – eine „Realisierbarkeitsintention innewohnt“. Diese führe dazu, „dass die Gesellschaftsentwürfe den Charakter von Plänen erhalten“, die schließlich eine „Herauslösung der Stadtutopien aus dem gesellschaftlichen Zusammenhang“ herbeiführten, auf diese Weise aber auch die kritische Funktion, die sich nur im Konzept einer reinen Utopie niederschlagen könne, verlören [Schmidt 1988: IXf, 5,10, 38 etc.]. Die Verwirklichungsabsicht hatte bei allen Utopikern einen hohen Stellenwert, so dass sich bei ihren Überlegungen, wie dies wohl am geeignetsten geschehen könne, Städte und Stadtplanung als zentrale Gegenstandsbereiche aller Utopien vorstellungsmäßig geradezu aufdrängten. Ganz typisch bei der städtebaulichen Konkretisierung von utopischen Vorstellungen ist die Umsetzung in eine Einheitlichkeit von Form und Struktur (wie bei Morus) und/ oder eine geometrische StrinAbb. 11.2: New Lanark in Schottland; oben: genz (wie bei Campanella und Inschrift über dem Eingang in das Schulgeden meisten anderen). In viebäude; unten: Siedlung mit den Fabrikgelen Fällen wurden derart konbäuden im Hintergrund und den Wohngezipierte Stadtutopien auch tatbäuden für die Arbeiter im Vordergrund sächlich realisiert – insbesondere seit dem 19. Jahrhundert –, wenn auch äußerst selten mit dauerhaftem Erfolg. Als herausragende Beispiele zu nennen sind Robert Owen’s „New Lanark“ in Schottland und „New Harmony“ im Staate Indiana/USA sowie die „Phalanstères“ der Fourieristen, einer von Frankreich ausgehenden utopisch inspirierten Bewegung [vgl. umfassend Bollerey 1977; außerdem Benevolo 1975/1982: 804ff].
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Die Entwürfe der jeweiligen Siedlungs- bzw. Stadtanlagen unterscheiden sich allerdings deutlich voneinander: So konnte Owen seine sozialreformerischen und philantropischen Vorstellungen in New Lanark auf einer bereits bestehenden baulichen Anlage verwirklichen, die seinem Schwiegervater, dem Tuchfabrikanten David Dale gehörte. Er ergänzte die vorhandenen Bauten und Fabrikationsanlagen um einige Gebäude, von denen die Schule, das „Institute for the Formation of Character“, als quasi ’zentrale Gemeinbedarfseinrichtung’ den vielleicht stärksten Impuls für so manchen nachfolgenden utopisch inspirierten Stadtplanungsentwurf entfaltete (vgl. Abb 11.2). Im Gegensatz zu New Lanark wiesen die Entwürfe für New Harmony eine beachtliche siedlungsstrukturelle Differenziertheit und die geometrische Form einer Großwohneinheit auf. Doch ist für diese Entwürfe nicht Owen selbst verantwortlich gewesen, sondern der von ihm engagierte Architekt Thomas Stedman Whitwell, der stilistisch einen mittelalterlich-retrospektiven Gotizismus bevorzugte und mit seiner Formensprache nicht unbedingt Owen’s Geschmack getroffen haben dürfte [Bollerey 1977: 64]. Wegen seiner großen Verdienste nicht nur als Philantrop und Sozialreformer, sondern auch als Architekturtheoretiker und Siedlungspraktiker brachte man Robert Owen schon zu seinen Lebzeiten viel Bewunderung entgegen. Er, der seine berufliche Laufbahn als Tuchhändler begonnen hatte, galt als der „große Städtebauer im Lande Utopia“, wie es Charles Gide im Jahre 1913 in seiner „Geschichte der volkswirtschaftlichen Lehrmeinungen“ ausdrückte [Bollerey 1977: 29]. Selbst Karl Friedrich Schinkel, der berühmte preußische Baumeister, interessierte sich während seiner Englandreise im Jahre 1826 für Owen’s Projekt: „Wir fuhren im Stage-Coach nach Lanark“, so notierte Schinkel in seinem Tagebuch, „frühstückten dort im Wirtshaus und gingen dann in das Tal des aus dem südöstlichen schottischen Gebirgsland herströmenden Clyde hinab, wo wir das große Fabrikgebäude des Mr. Owen besichtigten“. Auch Friedrich Engels hat Owen’s Wirken durchaus gewürdigt. Er, der zunehmend eine Gegenposition zu allem Utopischen und Owen’s Vorstellungen einnahm, schrieb mit ebensoviel Spott wie Verehrung, dass sich bei Owen „die vollständige Ausarbeitung des Gebäudes für die kommunistische Gemeinde der Zukunft, mit Grundriss, Aufriss und Ansicht aus der Vogelperspektive“ finden lasse [Bloch 1959/1985: 649]. Auch der in Frankreich wirkende Utopist Charles Fourier, der wie Owen in frühen Jahren als Tuchhändler tätig war, hatte mit dem Entwerfen von Stadtanlagen zunächst nichts zu tun. Und doch gilt dieser Vorläufer des wissenschaftlichen Sozialismus als „einer der ersten Urbanisten einer technisierten Welt“ [Bollerey 1977: 94]. Im Jahre 1822 verfasste Fourier, der sich schon früh für architektonische Probleme interessiert hatte, eine Abhandlung über eine haus- und landwirtschaftliche Genossenschaft; das von ihm in diesem Zusammenhang entworfene kreisrunde Stadtschema hatte große Ähnlichkeit mit jenem aus Tommaso Campanella’s Sonnenstaat-Modell. Erst im Nachhinein mündeten Fourier’s theoretische Überlegungen in den Entwurf einer neuen Gesellschaftsform: Er hielt Gemeinschaften für ideal, die groß genug waren, um die Entfaltung aller Formen zwischenmenschlicher Beziehungen zu
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gewährleisten und jeweils „bei voller Auslastung“ aus maximal 1620 Personen aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten bestehen sollten. Es handelt sich hierbei – aus der Sicht der Stadtplanung – um erste Überlegungen zu einem Thema, das geraume Zeit später die Diskussion um das Konzept der Nachbarschaftseinheiten, die ökonomische Auslastung von Infrastruktur oder städtebauliche Orientierungs- und Basiswerte bestimmen sollte. Doch damit nicht genug, denn eine solche Gemeinschaft, die sogenannte „Phalange“, sollte ein Gebiet von einer Quadratmeile zur Verfügung haben und in einem großen gemeinsamen Gebäude, der „Phalanstère“, wohnen [Bollerey 1977: 107f; Minois 1996/1998: 626ff]. Dieser Gebäudetypus ist – von Fourier bis ins kleinste Detail ausgearbeitet – ein monumentaler Bau, der große Ähnlichkeiten mit Schloss Versailles besitzt. Die Formensprache der „Phalanstères“, die von Fourier und seinen Anhängern, den ’Phalanstèriens’, unterscheidet sich also erheblich von den Vorstellungen Robert Owen‘s (mit dem übrigens, obwohl zur selben Zeit lebend, eine Kontaktaufnahme nie recht gelang). Das Modell der Phalanstères wirkte so außerordentlich überzeugend, dass Fourier’s Konzept zwischen 1830 und 1850 in Frankreich selbst, schließlich aber auch in Russland, Algerien, Brasilien und Nordamerika etwa fünfzigmal realisiert wurde. Den größten Erfolg hatten die experimentierfreudigen Phalansterianer in den Vereinigten Staaten von Amerika, z.B. mit der „Wisconsin Phalanx“ (heute die Ortschaft Ripon 160 Meilen nördlich von Chicago) sowie der 40 Meilen südlich von New York gelegenen „North American Phalanx“ [Bollerey 1977: 140f; Minois 1996/1998: 630; Internet www.ipfw.edu/ipfwhist/histreso/utopian.htm]. Als in der Mitte des 19. Jahrhunderts Eisen immer stärker als Baustoff Verwendung fand und die ersten Eisenbauten in Form von Markthallen, Ausstellungsgebäuden, Bahnhöfen und Passagen errichtet wurden, war dies für Fourier Anlass, diese Neuerungen für seine Zwecke zu interpretieren, indem er etwa die Pariser Passagen kurzerhand als ’Heimstätten-Utopie’ der Phalansterianer deutete. Fourier’s Ideen machten auch anderweitig Schule: Von allen fourieristischen Fortentwicklungen dürfte das Beispiel des Fabrikanten Jean Baptiste Godin, der in den 1850er Jahren im nordfranzösischen Guise einen an den Fourier’schen Prinzipien orientierten Gebäudekomplex errichtete, das vielleicht nachhaltigste gewesen sein. Weil das zu Grunde liegende Konzept jedoch vom ursprünglichen Gedanken der Phalanstères abwich – jede Familie verfügte hier über eine eigene Wohnung –, wurde diese Gebäudeanlage als ’Familistère’ bezeichnet [Bollerey 1977: 150ff]. Wie an dem Beispiel der Familistères erkennbar, entfalteten die Ideen und Modelle von Owen und Fourier im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts bis weit hinein in das 20. Jahrhundert erhebliche Wirkungen. Auch in ihrer Bedeutung herausragende städtebauliche Konzepte, wie etwa die spätere ’garden city’ von Ebenezer Howard, sind davon inspiriert, ebenso wie etliche andere städtebauliche Modelle und urbane Leitbilder, die bis in die Gegenwart hineinwirken.
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d) Die Stadt im Zentrum von Hoffnungsprojektionen Nicht nur die Utopisten und Utopiker rückten die Stadt ins Zentrum ihrer utopischen Projektionen. Seit jeher waren die Städte für die Menschen Gegenstand und Ziel ihrer Hoffnungsprojektionen, ein besseres, vielleicht auch nur aufregenderes und spannenderes Leben zu verwirklichen. Dass viele, sehr viele Menschen dies offenbar glauben, ist eine Tatsache, die eindrucksvoll belegt ist, denn seit 2006 leben erstmals in der Menschheitsgeschichte mehr Menschen in Städten als außerhalb. Der britische Wirtschaftsjournalist Matt Ridley zeichnet deshalb in seinem Buch „The Rational Optimist“ auch ein Bild über den Triumph der Städte in der Geschichte der Menschheit, das trotz aller urbanen Probleme ein positives Bild bleibt und nicht zu Pessimismus Anlass gibt [Ridley 2010: 157ff; außerdem aktuell dazu Glaeser 2011]. Ernst Bloch hat Architektur und damit auch die Stadt in ihrer Gesamtheit als einen „Produktionsversuch menschlicher Heimat – vom gesetzten Wohnzweck bis zur Erscheinung einer schöneren Welt in Proportion und Ornament“ bezeichnet, denn „sämtliche großen Bauwerke waren sui generis in die Utopie, die Antizipation eines menschenadäquaten Raums hineingebaut“ worden [Bloch 1959/1985: 871f]. Schauen wir in die griechische Antike: Dort gibt sich Sokrates in einer häufig zitierten Szene aus dem platonischen Phaidros-Dialog als völlig überzeugter Stadtmensch zu erkennen, wenn er seine Zuneigung zur Stadt und zu den darin lebenden Menschen zum Ausdruck bringt: „Ich bin eben lernbegierig, und Felder und Bäume wollen mich nichts lehren, wohl aber die Menschen in der Stadt“. Und in Platon’s Politeia wird zwar ein Idealstaat entworfen, aber eben nicht nur dies; denn auch die Beschreibung des Entstehens und Wachsens von Städten auf der Basis der menschlichen Bedürfnisstrukturen weisen in Richtung einer konkreten Stadtplanung. Schon zu Beginn des Abschnitts über die „Entstehung des Staates“ – gemeint ist die Polis, der Stadt-Staat im antiken Griechenland – finden wir den Schlüsselsatz: „Es entsteht, sprach ich, ein Staat, wie ich glaube, weil jeder Einzelne von uns nicht sich selbst genügt, sondern ihm vieles mangelt (...) Wenn also einer den andern, den zu diesem und den wieder zu jenem Bedürfnis hinzunimmt, und die Leute so, weil sie so viele Bedürfnisse haben, an einen Wohnplatz viele Genossen und Gehilfen heranziehen, so bezeichnen wir eine solche gemeinschaftliche Siedelung mit dem Namen Staat.“ [Platon: Der Staat] Die Vielfältigkeit des menschlichen Zusammenlebens, ja die Vielfalt der Menschen selbst, so lässt sich daraus folgern, stellt einen wesentlichen Charakterzug von Städten dar – und genau dies erzeugt ihre Faszination, ihre Anziehungskraft und ihre Wirkung, die Menschen dazu veranlasst, Hoffnungen auf die Stadt zu projizieren. Im römischen Reich waren auf Städte bezogene utopische Hoffnungsprojektionen deutlich geringer ausgeprägt als im antiken Griechenland. Was daran lag, dass die römische Militärmaschinerie Städte vornehmlich zur Eroberung und Verteidigung ihres Reiches benötigte, ein utopisches Gesellschaftskonzept aber nicht dahinterstand. Anstatt auf utopische Stadtkonzepte projizierten die Römer ihre Vor-
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stellung vom schönen Leben eher auf weitläufig umfriedete Landvillen außerhalb der Stadt, quasi eine kleine Stadt für den Eigengebrauch [Vercelloni 1994: Tafel 18] – ein durchaus nachvollziehbarer Wunsch, wenn man bedenkt, dass Rom zu seiner Blütezeit immerhin rund eine Million Einwohner aufwies. Im Gegensatz zur römischen Antike war das Mittelalter nicht nur „an Stadtplanung sui generis reich“, wie Ernst Bloch uns zu verstehen gibt, es gab zu dieser Zeit auch in vielfältiger Weise Hoffnungsprojektionen, die die Menschen auf Städte projizierten. Städte im Mittelalter waren – vor allem für Unfreie – die Stätten ihrer Sehnsucht; „Stadtluft macht frei“ lautete eine der ganz zentralen Hoffnungsprojektionen auf die Stadt. Nur hier schienen Freiheit, Unabhängigkeit, Reichtum und Glück für jeden Menschen Realität werden zu können. Im Hildesheimer Stadtrechtsprivileg aus dem Jahre 1249 heißt es dazu in Paragraph 49, dass derjenige, der in die Stadt kam, um dort zu wohnen, und ein Jahr und einen Tag blieb, ohne (von seinem Grundherrn) zurückgefordert zu werden, danach von niemandem mehr zurückgefordert werden konnte [nachzulesen in mittelhochdeutscher Textfassung im Internet www.stadtarchiv-hildesheim.de]. Dann der große Epochenwandel, der Beginn der Neuzeit: Die Entdeckungsreisen um die Welt hatten – ebenso wie religiöse Konflikte – zur Folge, dass Projektionen von einer besseren Welt auf neu gegründete oder neu zu gründende Städte gerichtet wurden. Es war kein Zufall, dass zeitgleich das Genre des utopischen Romans boomte. Indien galt als „geographischer Utopieraum par excellence“ (Bloch), so dass man sich anschickte, dort das irdische Paradies zu suchen, ob nun auf östlichem Wege über Land oder auf westlichem Wege über den Atlantik [vgl. dazu „geographische Utopien“ von Bloch 1959/1985: 873ff, 891]. Gefunden wurde aber nicht der Seeweg nach Indien, sondern entdeckt wurde ein neuer Kontinent. Viele Menschen projizierten nun ihre Hoffnungen auf Amerika und etliche Vorstellungen wurden in die Realität umgesetzt, die sich vor allem in Städtebau und utopisch inspirierten Siedlungsprojekten konkretisierten. In Nordamerika waren es vornehmlich diejenigen Einwanderer, die aus politischen und religiösen Gründen Europa verlassen mussten. Virgilio Vercelloni stellt in seiner Zusammenstellung von Stadtutopien gar die These auf, dass nahezu „jede Neugründung einer Stadt in den Vereinigten Staaten tief in der religiösen und sozialen Utopie wurzelt“ [Vercelloni 1994: 114]. Migration und utopisch inspirierte Neugründungen von Städten gab es allerdings auch in Europa. Besonders hinzuweisen wäre auf die Welle der Stadtgründungen in Deutschland durch die aus Frankreich vertriebenen Hugenotten. Städte wie Berlin, Mannheim, Erlangen, Neu Isenburg entstanden auf diese Weise [Braunfels 1976: 324; Internet www.hugenotten.de]. Auch Freudenstadt im Schwarzwald gehört dazu, eine Stadt, für die Albrecht Dürer im Jahre 1527 einen quadratischen Grundriss entwarf, die letztendlich aber um das Jahr 1600 nach einem Planentwurf des Architekten Heinrich Schickardt im Auftrage des protestantischen Herzogs Friedrich I. von Württemberg realisiert wurde. Das Beispiel Freudenstadt ist auch insofern interessant, als wir hier den seltenen Fall haben, dass die Realisierung einer Stadt als Vorbild für eine utopische Projektion dient: Die Anlage von Freudenstadt und die Diskussion ihrer Pläne bieten den formalen Ausgangspunkt der ersten
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in Deutschland entstandenen (lutherischen) Staatsutopie. „Christianopolis“, so der Titel des Textes, wurde im Jahre 1619, also gut ein Jahrzehnt nach der Gründung von Freudenstadt, durch den Theologen und Humanisten Johann Valentin Andreae geschrieben [Kruft 1989: 79; Eaton 2001: 70f]. Im 17. und 18. Jahrhundert gab es eine weitere Welle von Stadtgründungen: eine Vielzahl barocker Residenzstädte entstand. Die bei der Gründung dieser Städte mitschwingende Intention, „einem unordentlichen Leben den Rahmen eines klareren zu geben“, wies durchaus gewisse utopische Momente auf; die Struktur der Residenzstädte zeichnete sich durch „förmliche Stadtmathematik“ (Bloch) aus, mit einer absoluten Klarheit in Symmetrie, Axialität und Raster [Bloch 1959/1985: 863ff]. Zu Zeiten der Französischen Revolution war es Claude-Nicolas Ledoux, der den auf Städte ausgerichteten Hoffnungsprojektionen gestalterisch Ausdruck verlieh. Ledoux, ein politischer Wendehals, diente schon dem Ancien Régime als Architekt, unterstützte zwar als Royalist die Französische Revolution nicht, teilte aber die aufklärerischen Ideen von Zeitgenossen wie Jean-Jacques Rousseau und gilt heutzutage als einer der wichtigen Revolutionsarchitekten. Ernst Bloch bezeichnet Ledoux „als den eigentümlichsten Entwerfer künftiger Siedlungen, der überhaupt in der Geschichte der utopischen Architektur vorkommt“ [Bloch 1959/1985: 867f]. Ledoux war der Überzeugung, dass Architektur auf das menschliche Verhalten einwirken kann und wollte den Rahmen für eine ideale Gesellschaft erschaffen, die im Einklang steht mit den tugendhaften Gesetzen und der natürlichen Ordnung. Auch das enorme Städtewachstum im Europa des 19. Jahrhunderts ist zu einem großen Teil auf Hoffnungen zurückzuführen, die auf die Städte projiziert wurden. Mit zunehmender Industrialisierung sahen sich Menschen allmählich ihrer handwerklichen Erwerbsmöglichkeiten auf dem Lande beraubt und wanderten in die Städte, die Zentren der industriellen Entwicklung, um dort Arbeit zu finden. Hinzu kam im Falle Deutschlands, dass aufgrund der preußischen Freihandelspolitik und des Fortfalls der napoleonischen Kontinentalsperre im Jahre 1813 Produkte der technisch weitaus fortgeschritteneren englischen Textilindustrie ins Land gelangten, die mit ihren konkurrenzlos niedrigen Preisen den einheimischen Markt zum Erliegen brachten. Dies bedeutete beispielsweise für die schlesischen Hausweber Arbeitslosigkeit und Verelendung mit der Folge einer verstärkten Landflucht und eines zusätzlichen Bevölkerungsdrucks auf die Städte. Das anhaltende Städtewachstum brachte allerdings statt der Erfüllung ihrer utopischen Hoffnungsprojektionen die soziale Verelendung breiter Schichten der Bevölkerung mit sich. Dies wiederum rief soziale Bewegungen, aber auch Philantropen und Utopisten, auf den Plan, die sich für Verbesserungen – vor allem menschenwürdiges Wohnen in der Stadt – einsetzten und die Initiative ergriffen. Das Genossenschaftswesen im Wohnungsbau prosperierte, gewerkschaftliche Wohnungsbauprojekte entstanden, und im Zusammenhang mit der Gründung von Zechen und großen Industrieanlagen wurden in unmittelbarer Nachbarschaft Siedlungs- und Wohnungsbauprojekte für die benötigten Arbeiter und ihre Familien geschaffen. Herausragende Beispiele waren Bournville des Kakaofabrikanten Cadbury oder Port Sunlight des Seifenfabrikanten Lever in England oder die Arbei-
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tersiedlungen des Ruhrgebiets, unter denen die Gartenvorstadt Margarethenhöhe in Essen – benannt nach Margarethe Krupp, die sich um dieses Projekt besonders kümmerte – wohl eine der bekanntesten ist. Auch das Kleingartenwesen entwickelte sich zu dieser Zeit, in Deutschland vornehmlich geprägt durch Moritz Schreber. Die Bewegung hatte ihren Ursprung in den englischen Armengärten des frühen 19. Jahrhunderts und wurde umgesetzt mit armenpflegerischen, philantropischen Hilfsprojekten des Reform-Absolutismus, die in Gestalt von Armengärten, Gartenarbeitsschulen, Kindergärten, Rettungshäusern und diversen Ausprägungen der damaligen Spatenkultur ihren Ausdruck fanden [vgl. Stein 1997/2000]. Zeitgleich entstanden in England/Schottland, Frankreich und vor allem den USA in beachtlicher Zahl Siedlungsprojekte der sogenannten utopischen Sozialisten (Owen, Fourier etc.). Die utopischen Hoffnungsprojektionen dieser Siedlungsexperimente zielten allerdings weniger auf das Erstellen von großen urbanen Einheiten, als auf das Realisieren einer besseren Gesellschaft in einem überschaubaren Rahmen. Im Zuge der Hochindustrialisierung rückte die technische Organisation von städtischen Systemen mehr und mehr ins Blickfeld der Stadtplanung. Das Bauen mit Stahlskelett und Stahlbeton, die Beherrschung und Nutzung der Elektrizität sowie die vertikale Verkehrserschließung – Erfindung des Paternosters und vor allem des hydraulischen Aufzugs – waren dazu angetan, die Phantasie anzuregen und „Städte für das Maschinenzeitalter“ zu entwickeln [Eaton 2001: 154ff]: Bereits im Jahre 1901 entwarf der französische Architekt Tony Garnier die imaginäre „Cité industrielle“, die als erste echte Idealstadt des Zeitalters der Mechanisierung gilt. Die überwältigende Mehrheit der in dieser Zeit aufkommenden Avantgardebewegungen strebte danach, Stadt und Gesellschaft nach dem Vorbild der technisch fortschrittlichsten Fabriken zu formen. Schon vor dem 1. Weltkrieg entwarfen neben russischen vor allem italienische Futuristen wie Antonio Sant’Elia oder Mario Chiattone Gebäude und Stadtsysteme für moderne Metropolen, die von der Erschließung der dritten Dimension beherrscht wurden: Hochhausbauten mit Außenaufzügen und Straßenverkehr auf mehreren Ebenen, wie in Sant’Elia’s „Neuer Stadt“ [Eaton 2001: 183; Vercelloni 1994: 154ff]. Die Zeit nach dem 1. Weltkrieg zeigte sich ebenfalls ausgesprochen kreativ in Bezug auf utopische Ideen. Die auf Städte gerichteten Hoffnungsprojektionen standen – auch wenn ihr janusköpfiger Charakter ambivalente Gefühle und Antipathien hervorrief – im Mittelpunkt der häufig ausgesprochen phantastischen Vorstellungen. Herausragende Projekte waren neben anderen die „Stadtkrone“ von Bruno Taut (1919), die „Ville contemporaine“ – gedacht für drei Millionen Einwohner – von Le Corbusier (1922), die Wolkenkratzer mit dem berühmten „Wolkenbügel“ von El Lissitzky (1923) oder die „Hochhausstadt“ von Ludwig Hilbersheimer (1928). Fritz Lang’s Film „Metropolis“ machte im Jahre 1926 die Tendenzen, die sich potentiell für die Stadt der Zukunft abzeichneten, in einer für alle Menschen begreifbaren Form sichtbar. Dieser Film ist von Kontrasten und Ambivalenzen gekennzeichnet und zeichnet über die Metapher der ’Maschine Stadt’ hinausgehend in eindringlicher Weise auch ein sozialkritisches Bild: Arbeiter, die – wie Sklaven
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gehalten – unter der Stadt leben und arbeiten; zu ebener Erde das Bürgertum, das die von den entrechteten Arbeitern erwirtschafteten Güter konsumiert; darüber das Führungszentrum der Industriestadt mit dem Büro des diktatorischen Unternehmers; auf höchster Ebene die Residenz des Herrschers inmitten eines tropischen Gartens mit exotischen Tieren, gleich einem irdischen Paradies. Viele der phantasievollen Gedanken, die sich Menschen über die Entwicklung der Stadt der Zukunft machten, wurden in Amerika – dem ’Land der unbegrenzten Möglichkeiten’ – in die Realität umgesetzt. So nimmt es auch nicht wunder, dass der Hochhausbau, sichtbarer Ausdruck und Kennzeichen der neuzeitlichen Metropolis, zuerst in den USA umgesetzt wurde. Bereits in den 1880er Jahren entstanden in Chicago – nach dem verheerenden Brand von 1871 – mit dem Home Insurance Building (1885) und dem Monadnock Building (1889) die ersten Wolkenkratzer. Bald folgte New York, das dann schließlich mit dem Empire State Building ab dem Jahre 1931 das für lange Zeit höchste Gebäude der Welt besaß [Internet www.skyscrapers.com; Bennett 1995/1997; Glaeser 2011: 136ff]. Allerdings haben sich im Laufe der Zeit die auf Städte gerichteten Hoffnungsprojektionen gravierend gewandelt. Nachdem über die westliche Welt noch einmal in den 1960er und frühen 1970er Jahren eine Welle von technizistisch geprägten Stadtutopien hinweggegangen war [vgl. etwa Eaton 2001: 216ff], in denen soziale und gesellschaftsreformerische Intentionen eine eher untergeordnete Rolle spielten, beschäftigen wir uns am Übergang zum 21. Jahrhundert mit urbanen Problemen, in denen Städte und urbane Systeme als Zentrum von Hoffnungsprojektionen kaum noch vorkommen. Wenn auf der einen Seite Flächenverbrauch durch Vorstadtsiedlungen stattfindet, die sich gewaltig ausdehnen, wenn Wohlhabende ’urban sprawl’ erzeugen und Barackensiedlungen (Slums, Squattersiedlungen, Favelas, Shacks oder Gecekondus) ins Uferlose wachsen – wenn sich aber auf der anderen Seite Stadtteile entleeren, weil urbane Schrumpfungsprozesse stattfinden, dann erscheint die Vorstellung von besseren Welten in urbanen Räumen zunehmend zweifelhaft. Zusätzlich erschweren es enorme Umweltprobleme und der Verbrauch von Umweltressourcen, die auf Städte projizierten Hoffnungen aufrechtzuerhalten; hier können wir wirklich vom ‘zerstörten Traum‘ sprechen. Mit allem Utopischen abzurechnen, wie es Joachim Fest in seinem Text „Vom Ende des Utopischen Zeitalters“ (1991) ebenso sarkastisch wie amüsiert vorführt, ginge allerdings zu weit. Ohne Hoffnungsprojektionen auf eine bessere und verbesserte Welt von morgen wird es nicht gehen. Die weltweite Urbanisierung mit mehr als der Hälfte der Menschen in Städten stellt eine über den derzeitigen Vorstellungshorizont hinausgehende Herausforderung dar. Das urbane Wachstum auf dem afrikanischen Kontinent ebenso wie in China oder Indien mit allen sozialen, eigentumsrechtlichen, infrastrukturellen, umweltbezogenen und anderen Problemen wird die Staaten und Administrationen vor gewaltige Aufgaben stellen. Möglicherweise haben wir es in der derzeitigen Situation aber auch nur mit einem Pendelschlag der Geschichte zu tun, wie es ihn in der Historie der (Stadt-) Utopien schon häufig gegeben hat. Nicht in allen Utopien war die Stadt das Zentrum
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einer besseren Welt. Gegenläufige Bewegungen, die das Leben in der Natur idealisierten und eine wohlgeordnete Anarchie nach dem Ideal des ’edlen Wilden’ – wie man es zu Zeiten der Aufklärung ausdrückte – anstrebten [Saage 1991: 97f], hat es immer schon gegeben. So mancher Gartenarchitekt hat sich von Vorstellungen über das Paradies leiten lassen – eine Gestaltung von Landschaftsästhetik ohne urbanes Gefüge. In dem utopischen Roman „Les Aventures de Télémaque“ von François Fénelon aus dem Jahre 1699 werden alle ’Künste der Architektur’ als unnütz abgelehnt, und zwar aus dem einfachen Grund, weil die Bewohner dieser utopischen Gesellschaft keine Häuser bauen. Auch Denis Diderot, französischer Aufklärer im 18. Jahrhundert, Enzyklopädist und Verfasser der Tahiti-Utopie, verzichtete darauf, den Harmoniegedanken durch die geometrische Gestaltung des utopischen Raumes zu untermauern, die der in Stein gefassten Herrschaftsrepräsentation des absoluten Staates nachempfunden gewesen wäre [Saage 1991: 99f]. Und so treten anti-urbane und anti-architektonische Utopie-Alternativen bis heute auf vielfältige Weise in Erscheinung: beim „Environmentalism“ im Sinne von Callenbach’s Ökotopia bis zu den antiurbanen Wurzeln und Tendenzen der US-amerikanischen „New Urbanism“Bewegung [Lejeune 2000; Eaton 2001: 233ff]. e) Stadtplaner als Utopiker Nicht nur Literaten und Romanschriftsteller waren es, die (Stadt)Utopien entwarfen; auch Stadtplaner (und Architekten) haben sich als Utopisten bzw. Utopiker hervorgetan. Die treibende Kraft bei der Realisierung von Städten sind häufig utopische Vorstellungen gewesen. Dieser utopische Impetus von Stadtplanern stößt aber nicht immer auf Akzeptanz. Burghart Schmidt, ein Theoretiker der „reinen Utopie“, hält Stadt-Planern und Stadt-Architekten vor, mit einem verkürzten Utopiebegriff zu operieren, wenn „Utopie in die Rolle gedrängt wird, sich mit Planung überhaupt zu versöhnen“. Er spricht von „Utopie als Kunst des Versöhnens durch gebildete Einsicht“ und kritisiert das utopieschwangere Gehabe der Stadtplanerzunft „als Partizipation in ’Stadtspielen’ auf kleiner Flamme gegenüber Planungsprozessen, die ohnehin laufen“ und ergänzt, dass die Rolle des Planers lediglich die eines ’Pädagogen’ sei, der „nur die mäßigend reformistische Version einer Einbindung der Utopie in den gegenwärtigen Stand der Planung (bewirke), die keine kritischen Zähne mehr zeigen will“ [Schmidt 1988: 20]. – Gut gebrüllt, Löwe! Aber alle Erfahrung zeigt, dass diese Einschätzung stimmt. Diese Kritik mag für die Gegenwart wohl einige Berechtigung besitzen, nicht jedoch, wenn wir die Geschichte des Städtebaus Revue passieren lassen. Von zahllosen Beispielen utopisch inspirierter Stadtplaner und Architekten, die zu nennen wären, seien einige exemplarisch hervorgehoben [vgl. Vercelloni 1994; Dostoglu 1986; Internet www.villes-en-france.org/histoire/utopie.htm]: •
Hippodamos – er galt im antiken Griechenland als derjenige, der die Polis-Utopie mit dem von ihm entworfenen und später nach ihm benannten Rasterprinzip
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in eine bauliche und städtebauliche Form gebracht hatte; dieses Prinzip wurde erstmals im Zuge des Wiederaufbaus von Milet nach der Zerstörung durch die Perser angewendet, später an diversen anderen Orten (Olynth, Priene, Piräus u.a.); Vitruv – der im antiken Rom nicht nur theoretische Schriften („Zehn Bücher über Architektur“) verfasste, sondern auch Idealstadtmodelle mit kreisrundem Grundriss und deutlichen, auf ein Zentrum hin ausgerichteten Strukturelementen entwarf; Leonardo da Vinci – als Ingenieur, Künstler und Architekt tat er sich auch mit visionären Stadtmodellen hervor und unternahm dabei – im Gegensatz zu vielen anderen seiner Zeitgenossen – sogar den Versuch, diese im Sinne einer wirklichen Utopie in ein sozioökonomisches Umfeld einzubetten; Claude-Nicolas Ledoux – in Zeiten revolutionärer Umbrüche und des Aufbruchs in ein neues Zeitalter entwarf er zukunftweisende Stadtmodelle; als herausragendes Beispiel für die nach seinen Vorstellungen realisierte Utopie gilt die Fabrikstadt Chaux (UNESCO Weltkulturerbe); Ebenezer Howard – der die Vorstellungen utopisch inspirierter Bewegungen des 19. Jahrhunderts aufgriff und daraus ein Idealstadtmodell formte: das Gartenstadtmodell; bis weit ins 20. Jahrhundert hinein sollte dieses Modell – vorangetrieben durch die mit sozialem Impetus ausgestattete Gartenstadtbewegung – die neuzeitliche Diskussion um menschengerechten Städtebau dauerhaft bestimmen; Patrick Geddes – ein Utopiker ersten Ranges, der mit seinen theoretischen Schriften (z.B. „Cities in Evolution“, 1915), seiner Affinität zu Soziologie und Biologie sowie als praktizierender Stadtplaner wichtige Akzente setzte, „Eutopia“ zu realisieren (vgl. ausführlich Kap. 1); die Bewegung der Futuristen – diese in Italien beheimatete Gruppe von Architekten mit Antonio Sant’Elia an der Spitze entwarf bereits vor dem Ersten Weltkrieg noch heute phantastisch anmutende Idealstädte mit in die Höhe aufragenden Bauwerken; die technizistisch-utopischen Vorstellungen der Gruppe wurden genährt durch die zu jener Zeit sehr verbreitete Erwartungshaltung bezüglich Segnungen durch Wissenschaft und Technik; die Bauhaus-Bewegung – sie vertrat ein rationalistisches Prinzip für eine humanere Stadt; Walter Gropius, Ludwig Hilbersheimer und andere prägten gemeinsam mit Vertretern der unterschiedlichsten Kunstrichtungen einen formal reduzierten Stil und kümmerten sich um Wohnungen für das Existenzminimum; entwickelt wurde eine Utopie von der rationalistischen, funktionalen Stadt; Le Corbusier – er trieb mit Entwürfen für die zeitgenössische Stadt – z.B. die „Ville contemporaine“ – den Funktionalismus in Architektur und Städtebau radikal auf die Spitze; mit der „Charta von Athen“, die unter seiner Federführung entstand und 1933 verabschiedet wurde, legte man eine Rezeptur für die ideale Stadt der Zukunft vor, die für viele Jahrzehnte das Bild unserer Städte formen sollte; die Archigram-Group – auch diese Gruppe experimenteller Forscher hat in den Zeiten der Wissenschafts- und Technikgläubigkeit der 1960er Jahre mit futuristischen Entwürfen für bewegliche Städte („Walking Cities“ von Ron Herron) oder
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aus vorgefertigten, austauschbaren Elementen gebildete Städte (z.B. „Plug-In City“ von Peter Cook) utopische Anstöße geliefert; Buckminster Fuller – es waren nicht nur seine Kuppelkonstruktionen („Geodätische Kuppel“ auf der Weltausstellung 1967 in Montreal), die ihn als utopisch inspirierten Architekten berühmt gemacht haben, sondern vor allem seine weit in die Zukunft reichende Metapher vom „Spaceship Earth“ – eine ökologische Utopie über den Umgang der Menschheit mit ihrem nur begrenzt mit Ressourcen ausgestatteten Planeten [Internet www.bfi.org; www.earthscope.com]; Lúcio Costa – gemeinsam mit Oscar Niemeyer schuf er die neue brasilianische Hauptstadt Brasilia als „quasi-Corbusianische Stadt“ [Hall 1988: 215]; es herrscht allgemeiner Konsens bei der Beurteilung dieser Stadt: „Brasilia ist eine der wenigen realisierten Idealstädte des 20. Jahrhunderts, eine gebaute ’Utopie’, eine am Reißbrett entstandene ’Planstadt’, der Lúcio Costa mit seinem flugzeugförmigen Gesamtplan und Oscar Niemeyer mit seiner eigenwilligen skulpturalen Architektur ein unverkennbares Gesicht verliehen hat“ [Internet www.ifa.de/a/a2/ da2brasi.htm]; William Mitchell – er startete erst mit dem Buch „City of Bits“ (1995), später mit der Publikation „e-topia“ (1999) den Versuch, die Stadt im Zeitalter der Information und des Wissens zu beschreiben, bis hin zu neuen Stadtsystemen mit Utopien über das menschliche Zusammenleben in der Wissens- und Informationsgesellschaft.
Abb. 11.3: Moshav Nahalal in der Nähe von Haifa
Eine solche Liste von utopisch inspirierten Stadtplanern und/oder Architekten wird unvollständig bleiben müssen, so groß ist die Zahl derer, die sich dieser Thematik widmeten. Die Aufzählung soll allerdings nicht beendet werden, ohne auf eine in der Utopiegeschichte einmalige Besonderheit aufmerksam zu machen. Seit den 1880er Jahren hatte sich im damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina und heutigen Israel mit der zionistischen Bewegung auch eine beachtliche Zahl von namhaften Stadtplanern und Architekten der Verwirklichung einer Gesellschaftsutopie
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mit sozialistischer Prägung verschrieben. Wer heute Israel besucht, kann in den großen Städten – vor allem in Tel Aviv und Haifa – genauso wie in den ländlichen Gebieten die Ergebnisse dieser eindrucksvollen utopisch inspirierten Bemühungen in vielen architektonischen und städtebaulichen Facettierungen erkennen und staunen, in welch kurzer Zeit all dies entstanden ist [ausführlich dazu vgl. Wahrhaftig 1996]. Im städtischen und großstädtischen Bereich ist es vor allem die aus der Bauhaus-Bewegung kommende Architektur, die ins Auge springt. Tel Aviv etwa verdankt diese Bauten vorrangig dem Bauhaus-Schüler Arieh Sharon, der den von Patrick Geddes nach dem Muster englischer Gartenstädte entworfenen MasterPlan fortentwickelte, ihm aber auch – unter Beibehaltung der Straßenführung von Geddes – eine eigene Prägung verlieh [Wahrhaftig 1996: 128ff]. Die Bauhaus-Architektur von Tel Aviv wurde 2003 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen [Internet portal.unesco. org]. Die eigentliche Realisierung utopischer Vorstellungen in Israel fand jedoch in ländlichen Gegenden statt. Aus der Idee einer idealen Gemeinschaft, die säkular und sozialistisch geprägt sein sollte, entwickelte sich das Modell der Siedlungsgenossenschaften in zwei Spielarten: das Kibbutz auf der Basis einer sozialistischgenossenschaftlichen Lebensweise ihrer Bewohner und das Moshav als landwirtschaftliche Kooperative [vgl. Internet www.hum.huji.ac.il]. Einer der maßgeblichen Pioniere bei der Planung und Umsetzung solcher Siedlungen war der Architekt und Stadtplaner Richard Kauffmann, der bereits im Jahre 1920 nach Palästina auswanderte. Kauffmann studierte Architektur und Städtebau in Deutschland und sammelte seine ersten beruflichen Erfahrungen bei Georg Metzendorf in Essen – bei jenem Metzendorf also, der die Arbeitersiedlung „Margarethenhöhe“ nach den Gartenstadt-Prinzipien entworfen und realisiert hatte. Kauffmann gilt als einer der bedeutendsten am Aufbau Israels beteiligten Architekten und Stadtplaner; von seinen insgesamt 644 Projekten wurden fast 400 realisiert, darunter über 120 ländliche und etwa 90 städtische Siedlungen. Das wohl bekannteste ländliche Siedlungsprojekt ist der Moshav Nahalal in der Nähe Haifas, eine kreisrunde Siedlungsanlage mit Gemeinschaftsbauten in der Mitte (vgl. Abb. 11.3). f) Urbane Utopien und Futurologie Wer an zeitlich in die Zukunft gerichteten Utopien Interesse findet, dem dürfte auch ein sehr verwandtes Thema interessieren: die Futurologie, eine quasi wissenschaftliche Disziplin, die sich mit Themen der Erkenntnisgewinnung für die Zukunft beschäftigt. Als Begründer dieser Disziplin gilt der Jurist und Staatswissenschaftler Ossip K. Flechtheim, der die Idee einer wissenschaftlichen Zukunftsforschung während seiner Emigrationszeit in den USA aufgriff und später die Futurologie bei seiner Lehrtätigkeit in Deutschland begründete. Flechtheim sah in der Futurologie eine Synthese aus Ideologie und Utopie, betonte aber auch, dass ein Anspruch auf Wissenschaftlichkeit mit dem Begriff nicht erhoben werden sollte [Flechtheim 1968; Flechtheim 1970]. Die Futurologie hat nichts gemeinsam mit dem Futurismus, bei
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dem es sich, wie bereits angesprochen, um eine aus Italien stammende avantgardistische Kunstbewegung (mit Affinitäten zum italienischen Faschismus) handelte, die sich zum Beispiel mit futuristisch anmutenden Gebäuden in Szene gesetzt hat; gleichwohl werden Futurologen gelegentlich auch als Futuristen bezeichnet. Der Begriff Futurologie ist von Flechtheim vor allem auch deshalb geprägt worden, um den mehr und mehr in der Mitte des 20. Jahrhunderts ins Dystopische abdriftenden utopischen Vorstellungen und Antizipationen in anderer Weise Geltung zu verschaffen: „Die Futurologie“, so Flechtheim, „entwirft die Zukunft weder als utopisches Paradies noch als gegenutopische Hölle“ [Flechtheim 1966]. Im Jahre 1972 formulierte Flechtheim die folgenden sechs Postulate der Futurologie: 1) Die Welt ist dynamisch, sie ändert sich in ihren Grundstrukturen, sie produziert Neues. 2) Gewisse Grundstrukturen des Wandels sind zumindest teilweise erkennbar. 3) Richtung und Tempo der Änderungen können hier und da in groben Zügen vorhergesehen werden. 4) Auch antithetische Prognosen und Projektionen haben ihren Wert – sie können zur Klarlegung von Problemen und Krisen beitragen und sogar teilweise richtig sein. 5) Innerhalb des Rahmens besteht Freiheit der Wahl und der Gestaltungsmöglichkeit. 6) Durch das Erkennen des Notwendigen, Möglichen und Gewollten wird die Zukunft mitgestaltet. Diese sechs Postulate der Futurologie haben direkt oder indirekt die Raum- und Stadtplanung in erheblichem Maße beeinflusst (vgl. auch Kap. 1). Flechtheim selbst, auch wenn er keine ausgeprägten Affinitäten zur Stadtplanung und zum Städtebau hatte, liefert einen Hinweis. „Erforschung der ‘Futura‘“ sei notwendig, so Flechtheim, denn „Volks- und Betriebswirte, Statistiker, Bevölkerungstheoretiker und Städteplaner glauben heute, die Trends auf ihrem Gebiet mit erheblicher Genauigkeit auf Jahre oder gar Jahrzehnte voraussehen zu können“ [Flechtheim 1968]. Entsprechend gab es eine Fülle von Publikationen, die sich mit dieser Nahtstelle zwischen Futurologie und utopischen Entwürfen beschäftigten und auch heute noch beschäftigen. Manche waren technisch und technizistisch motiviert, wie zum Beispiel Yona Friedman‘s „machbare Utopien“ in Gestalt von Raumstadtkonzepten, die Vorschläge zur Überbauung der Bucht von Tokyo durch die japanischen Metabolisten oder die von Buckminster Fuller formulierten Gedanken zu einem von den Menschen als ökologisches System zu behandelnden „Spaceship Earth“. Manche wandten sich sozialen Fragestellungen und dem gesellschaftlichen Wandel zu, wie etwa der amerikanische Soziologe und Futurologe Daniel Bell mit seinen Studien zur „nachindustriellen Gesellschaft“. Und erstaunlich viele haben sich schon sehr früh mit begrenzten Ressourcen, Umwelt und ökologischen Aspekten befasst, von denen der „Wettlauf zum Jahre 2000“ von Fritz Baade aus dem Jahre 1960 (sehr lesenswert noch heute), die Studie des Club of Rome über die „Grenzen des Wachstums“ aus dem Jahre 1972 bis hin zu der im Jahre 2010 unter dem Titel „Climatopolis“ erschienenen Studie des kalifornischen Ökonomen Matthew E. Kahn mit Überlegungen darüber, welche Konsequenzen Städte angesichts der Klimaveränderungen ziehen sollten, exemplarisch erwähnt sein mögen [Friedman 1975/ 1977; Fuller 1963/1973; Bell 1973/1996; Baade 1960; Meadows et al. 1972; Kahn 2010].
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Epochenabriss wichtiger Stadtmodelle und Stadtbau-Utopien Nachdem wir einen Zusammenhang zwischen dem Phänomen Stadt und utopisch inspirierten Vorstellungen bei der Gründung und Planung von Städten feststellen konnten, wollen wir uns nun der Frage nach der konkreten Ausgestaltung städtebaulicher Konzeptionen und ihrer Realisation zuwenden. Die Antwort darauf soll in Form eines Epochenabrisses wichtiger Stadtmodelle und Stadtbau-Utopien erfolgen. Einen Anspruch auf Vollständigkeit will und kann dieser Epochenabriss nicht erheben; vielmehr soll über die historischen Epochen hinweg ein Eindruck davon vermittelt werden, nach welchen leitenden Prinzipien Städtebau und Stadtplanung zur jeweiligen Zeit vorangetrieben wurde. Für vertiefende Studien sei auf weitergehende Literatur verwiesen – oder auf das Internet, das gerade zu stadtbaugeschichtlichen Themen eine große Fülle enthält (vgl. die Sammlung von Internetlinks auf beiliegender DVD). a) Vorgeschichtliche Epoche und frühe Hochkulturen Schon zu vorgeschichtlicher Zeit haben Siedlungen und Städte eine besondere Faszination auf Menschen ausgeübt. Den Hirten, Bauern oder Viehzüchtern, denen in ihrem mühevollen Dasein Höhlen oder einfache Schutzdächer als Behausung dienten, dürften Siedlungen, Dörfer und Städte – Orte des Schutzes gegen die feindliche Umwelt – als etwas Wunderbares erschienen sein, mit ein Grund dafür, den Ursprung der Stadt zu mythologisieren. Die Stadt hat ihre Wurzeln in der dörflichen Ansiedlung. Sie ist jedoch mehr als nur ein vergrößertes Dorf. Die ersten Städte entstanden, als Menschen die Arbeitsteilung einführten, d.h. als der Einzelne nicht mehr alle anfallende Arbeit verrichtete, sondern sich in eine bestimmte Richtung – z.B. landwirtschaftlich oder handwerklich – spezialisierte. Damit einher ging die Herausbildung und Ausdifferenzierung von sozialen Gruppen (aber auch Herrschaftsverhältnissen), zu deren Zusammenleben und Organisation es dann auch komplexer Regelungen bedurfte.
Abb. 11.4: Pyramiden von Gizeh (links); altägyptische Hieroglyphe für den Begriff ’Stadt’ (zusätzlich für ’Dorf’, ’Ägypten’)
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Ein weiterer Unterschied zwischen Dorf und Stadt ist die Geschwindigkeit des Wachstums: Da eine zur Stadt sich entwickelnde Siedlung rasch eine Größenordnung erreichen kann, die sich im Ganzen kaum überschauen lässt, war die Erkenntnis naheliegend, dass gezieltes Lenken des Siedlungswachstums – Planen also – hilfreich sein könnte, um die Funktionszusammenhänge der zum Teil gewaltigen Stadtsysteme zu organisieren. Die ersten großen Städte wurden, aus den unterschiedlichsten Anlässen, in Mesopotamien an Euphrat und Tigris, in Ägypten (vgl. Abb. 11.4), aber auch im heutigen Pakistan, in Indien und China realisiert. Städtebauliche Kennzeichen waren: regelmäßige Stadtgrundrisse, große und zum Teil gewaltige Bauten sowie eine funktionale Aufteilung der Stadt. Würde man nach dem utopischen Kern dieser frühen Städte suchen, ließen sich drei wesentliche Aspekte hervorheben: 1) die Tatsache, dass Menschen die Stadt als Kulturform überhaupt zustande gebracht haben, d.h. eine „städtische Revolution“ (Benevolo) herbeizuführen in der Lage waren [Benevolo 1975/1982: 22]; 2) die ingenieurtechnische Leistung, gewaltige Bauten herzustellen (Zikkuratbauten und ’Hängende Gärten’ in Mesopotamien, Pyramiden und Nekropolen in Ägypten etc.), auf deren Basis langlebige Mythen entstanden (zum Beispiel der ’Turmbau zu Babel’ als Metapher für menschlichen Größenwahn); 3) die Herbeiführung eines Zivilisationsschubs durch die Stadt selbst, wobei das Niederschreiben von Regeln des Zusammenlebens für erforderlich gehalten wurde – wie exemplarisch am Hammurabi-Codex erkennbar, der auch wesentliche Vorschriften über das Bauen in Städten enhält. b) Antiker Städtebau – Polis-Utopie und geometrische Stadtmodelle Im Mittelpunkt des utopisch inspirierten Städtebaus der Antike stand die griechische Polis-Idee. Vor allem Platon hat mit seinen Vorstellungen vom bestmöglichen gemeinschaftlichen Zusammenleben der Menschen ein Idealstadtmodell entworfen und dieses praktisch mit der Polis gleichgesetzt. Ähnliches gilt für Aristoteles, der bei seinen Vorstellungen über die Art des gemeinschaftlichen Zusammenlebens in der Polis allerdings größeren Realismus und Pragmatismus walten ließ als sein Lehrer Platon. Was aber die konkrete Umsetzung der Polis-Idee in eine städtebauliche Form betrifft, so hat der Architekt und Stadtplaner Hippodamos Akzente gesetzt. Gemäß dem Faible der Griechen für geometrische Formen und Idealstrukturen entwarf er Mitte des 5. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung ein städtebauliches Struktursystem, das als ’hippodamisches Raster’ in die Geschichte des Städtebaus eingehen sollte (vgl. Abb. 11.5). Anlass war der Wiederaufbau der kleinasiatischen Stadt Milet nach der Zerstörung durch die Perser. Hippodamos legte seiner Heimatstadt ein rechtwinkliges Rastersystem zu Grunde, das von den sonst typischen runden Stadtformen in Assyrien oder Babylonien abwich. Wie heute angenommen wird, hatte sich Hippodamos dabei vermutlich an rechtwinkligen Struktursystemen orientiert, wie sie etwa aus Ägypten bekannt waren.
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Das hippodamische Raster setzte sich im gesamten Mittelmeerraum durch, vor allem im Zuge der Neugründung von Kolonialstädten durch ihre ’Mutterstädte’, die ’Metropolen’. Alexander der Große verbreitete auf seinen Eroberungsfeldzügen das Rastersystem dann in der gesamten antiken Welt, was sich noch heute am Grundriss vieler Städte – etwa im ägyptischen Alexandria – ablesen lässt [umfassend zum Planen und Bauen in der griechischen Antike vgl. Krause 1998]. Für die Zeit der römischen Antike sind städtebauliche Muster, die sich aus Utopien herleiten, kaum festzustellen. Dennoch lassen sich in römischer Zeit einige städtebauliche Strukturelemente und -muster sowie stadtbautheoretische Überlegungen erkennen, die – in Fortentwicklung ihrer griechischen (und etruskischen) Vorbilder – utopisch inspirierten Idealstadtmodellen zumindest recht nahe kommen. Da ist zum einen das städtebauliche Rastersystem, welches die Römer bei der Gründung ihrer Heerlager und Provinzstädte anwendeten: ein rechtwinklig sich kreuzendes Hauptstraßensystem innerhalb einer rechteckigen Umwehrung (vgl. Abb. 11.6 links). Die Hauptstraße in nord-südlicher Richtung wurde als Cardo bezeichnet, diejenige in ost-westlicher Richtung als Decumanus. An ihrem Schnittpunkt befanden sich die zentralen Einrichtungen Abb. 11.5: Das städtebauliche Rasder Stadt wie Forum, Praetorium und tersystem in Milet nach dem EntQuaestorium. Durch das vom Hauptstrawurf von Hippodamos ßensystem gebildete Grundskelett fand eine Vierteilung der Stadtstruktur statt; noch heute wird auf dieses Gliederungssystem Bezug genommen, wenn im übertragenen Sinne von ’Stadtvierteln’, ’StadtQuartieren’ oder von ’quartiers’ im Französischen gesprochen wird. Institutionell und methodisch zuständig für die Planung dieses Systems waren übrigens römische Agrimensoren bzw. Gromatici (Landvermesser), denen wegen der Weihausübung schließlich auch priesterliche Funktionen zufielen [vgl. Benevolo 1975/1982: 250; vgl. auch den von Thulin 1913/1971 veröffentlichten Agrimensorencodex]. Im 1. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung trat allerdings mit Vitruv jemand auf die Bühne des Geschehens, der die ideengeschichtliche Fortentwicklung in Architektur und Stadtplanung nachhaltig prägen sollte. Auch die weitere Entwicklung von Stadtbauutopien wurde durch ihn beflügelt. Sein architekturtheoretisches Werk, die „Zehn Bücher über Architektur“ [vgl. vollständig und mehrsprachig im Internet www.ukans.edu/history/...], ist die einzige aus dem Altertum erhaltene römische Abhandlung ihrer Art. Vitruv’s Werk behandelt auch architektonische und städtebau-
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liche Entwurfsprinzipien, die aus der griechischen Epoche überliefert sind, darunter die Methodik der architektonischen Entwurfsdarstellung in Grundriss, Aufriss und Perspektive – ‘ichnographia‘, ‘orthographia‘, ‘scenographia‘ (zu finden in Kap. 6, Abb. 6.19).
Abb. 11.6: Idealstadtmodelle in der römischen Antike; links: Cardo/DecumanusSchema aus dem Agrimensorencodex; rechts: Idealstadtmodell von Vitruv In seinen stadtbautheoretischen Darlegungen findet sich auch ein Idealstadtmodell, das einen völlig durchrationalisierten Stadtgrundriss aufweist (vgl. Abb. 11.6 rechts): Während die äußere Begrenzung der Stadt die perfekte Form eines Kreises hat, wird die Mitte der Stadt durch einen ebenso perfekten quadratischen Platz gebildet, von dem aus sich radiale Strukturen in alle Richtungen erstrecken. c) Städtebau im Mittelalter – transzendente Utopien und städtebauliche Kompaktheit Das Mittelalter mit seinem relativ statischen, feudal geprägten Gesellschaftssystem, dem jegliches Fortschrittsbewusstsein fremd war, gilt allgemein als utopiearm bzw. utopiefern [Seibt 1982]. Die Hoffnungsprojektionen der Menschen waren mehr auf ein jenseitiges Leben gerichtet als auf die Verwirklichung eines besseren Lebens im Hier und Jetzt. Wenn überhaupt von utopischen Vorstellungen die Rede sein konnte, dann am ehesten im Sinne von transzendenten Utopien, die Glücksverheißungen im Jenseits versprachen. Als ein wichtiger Ausgangspunkt für diese transzendenten Utopien wird die Gottesstaat-Utopie „De civitate Dei“ des Augustinus um das Jahr 425 erachtet, der, wie Bloch schreibt, „der neuen Erde als einem Jenseits auf Erden den kraftvollsten, den freilich auch Kirche bildenden Ausdruck“ gab [Bloch 1959/1985: 583].
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Während des gesamten Mittelalters spielte diese transzendente Form utopischer Vorstellungen eine wichtige Rolle: bei der Realisierung von Bauten – vor allem bei Kirchen- und Sakralbauten – ebenso wie bei Stadtanlagen (etwa während der Eroberungszüge der sogenannten ’Ostkolonisierung’ des Deutschen Ordens) und dem Entwurf von städtebaulichen Gliederungskonzepten. Als prototypisch für alle diese formalen Ausprägungen gilt der nach seinem Aufbewahrungsort benannte ’Klosterplan von St. Gallen’, der das – eben auch transzendent-utopisch inspirierte – Denken jener Zeit widerspiegelt und das klösterliche Leben als Quelle und Projektion utopischer Vorstellungen in den Vordergrund treten lässt [Seibt 1982]. Selbst das enorme Aufleben des Städtewesens im Mittelalter hatte mit Religion und Kirche zu tun. Nachdem es nach der Auflösung des Römischen Reiches im Frühmittelalter zu einem Niedergang der Städte gekommen war, ging es ab dem 6. Jahrhundert und besonders im Zuge der ’karolingischen Renaissance’ mit dem Städtewesen langsam wieder aufwärts. Während aber die weltlichen Herrscher von Pfalz zu Pfalz zogen, waren „die eigentlich stadtansässigen Großen die Bischöfe“, um deren Residenzen herum das Städtewesen schließlich wieder aufblühte [Ennen 1979: 48]. Im 10. Jahrhundert gewannen zudem in ganz Europa – nach den Reformen von Abb. 11.7: Stadt und Paradies in der idealisierten Cluny (Neuregelungen für den Vorstellung des Mittelalters Benediktinerorden) – die Klöster an wirtschaftlicher und sozialer Bedeutung hinzu. Aus dem Netz der Klöster entwickelte sich ein Netz von Städten, das enge Handelsbeziehungen zwischen diesen Städten pflegte. Nach der Jahrtausendwende, von der viele Zeitgenossen das Ende der Welt erwartet hatten, boomte das Städtewesen gar derart, dass man begann, sich mit dem Phänomen dieser urbanen Renaissance auseinanderzusetzen und dieses in einer abstrakten, symbolischen und metaphysischen Bildersprache darstellte. Ein immer wiederkehrendes Motiv war die Vorstellung vom Paradies, das als Metapher für eine ideale Stadt fungierte (vgl. Abb. 11.7). Nachdem die europäischen Städte durch den aufblühenden Handel zu Reichtum gekommen waren, erschien die Stadt umso mehr wie ein kostbarer Behälter für zahlreiche Wunderdinge, gewissermaßen als
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Verkörperung des Paradieses mit Schutzmauern, Türmen, großen Gebäuden sowie einem großen Garten im Zentrum der Stadt – quasi als Sinnbild des (Paradies-)Gartens [Vercelloni 1994: 23]. Dort zu leben, dort auch frei zu sein von Knechtschaft und Leibeigenschaft, musste vielen Bewohnern auf dem Lande als erstrebenswert erscheinen, wenngleich sich auch der Ausspruch ’Stadtluft macht frei’ nicht in allen Fällen bewahrheitete, sondern in mannigfachen Variationen und Ausnahmen darstellte [Ennen 1979: 123]. Und noch ein weiteres Moment war in der spirituellen Abstraktion des Mittelalters prägend: Bei der ikonographischen Bedeutung der idealen Stadt und der realen Umsetzung von städtebaulichen Strukturen spielte im christlich geprägten Kulturkreis die Vorstellung vom ’Himmlischen Jerusalem’ eine wichtige Rolle. In Anknüpfung an den christlichen Kirchenlehrer Augustinus war Jerusalem während des gesamten Mittelalters das Symbol einer Idealstadt schlechthin, wobei das reale, irdische Jerusalem – in Karten stets als Mittelpunkt der Welt dargestellt – spiegelbildlich zum himmlischen existierte. Auch hier finden wir wieder eine weitere Quelle utopischer Projektionen auf die Stadt. Zugegebenermaßen wurden die Einflüsse auf die Entstehung und Entwicklung mittelalterlicher Städte in ihrer gesamten Komplexität hier nur zum Teil und auch sehr einseitig, mit Blick auf mögliche utopisch inspirierte und vom christlichen Glauben geprägte Vorstellungen, aufgeführt. Es würde auch zu weit führen, den gesamten mittelalterlichen Städtebau mit seinen Planungsgrundsätzen und Bauvorschriften [vgl. dazu etwa v. Repgo’s „Sachsenspiegel“] oder das Wirken von Bauhütten oder (Bau-)Zünften wiederzugeben [die Literatur dazu ist reichhaltig; vgl. dazu exemplarisch Benevolo 1975/1982: 327ff]. Die wesentlichen Merkmale der mittelalterlichen Stadt in Struktur und Gestalt lassen sich (im christlich geprägten Teil Europas) in einem knappen Schema wie folgt umreißen: • •
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Kompaktheit mit einer durch die Stadtmauer fest definierten Grenze zur Umgebung der Stadt (prominenteste Ausnahme: die Lagunenstadt Venedig); Grundrissform häufig als Kreis (aufgrund des optimalen Verhältnisses von Umfang und Fläche) oder als Rechteck ausgebildet (z.B. bei den Stadtgründungen im Zuge der sogenannten ’Ostkolonisation’ oder bei Stadtgründungen der Engländer in Südwestfrankreich); Plätze mit Marktfunktion als Dominanten im Grundriss der Städte; Kirche(n), Rathaus und Repräsentationsgebäude der Zünfte als Dominanten im Aufriss der Städte.
Was die Strukturen innerhalb der mittelalterlichen Städte im Detail betrifft, so herrscht häufig die vordergründige Vorstellung von einem eher unsystematischen, weitgehend auf Zufälligkeiten basierenden Stadtgefüge. Und dieses Thema beschäftigt nicht nur Laien; es finden immer wieder auch Fachdiskussionen darüber statt, ob die mittelalterlichen Städte denn nun genauen Planungen unterworfen waren oder ob sie sich im Großen und Ganzen natürlich und ungeplant entwickelt haben. Vor nicht allzu langer Zeit wurde diese Thematik in einer Studie von Klaus Hum-
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pert und Martin Schenk unter dem Titel „Entdeckung der mittelalterlichen Stadtplanung“ erneut aufgegriffen. Ausgangspunkt für die Autoren war die Frage, weshalb die Straßen mittelalterlicher Städte oft gekrümmt seien. Sie kommen in ihren Untersuchungen zu dem Schluss, dass Straßenkrümmungen bzw. ein augenscheinlich ohne Ordnung gewachsenes oder gar unregelmäßig aussehendes Straßenbild in der Regel nicht nur Teil der ursprünglichen Planung waren, sondern das Ergebnis genauer Vermessungen [Humpert/Schenk 2001]. Die daraus gewonnene Erkenntnis, das Mittelalter habe schon eine Stadtplanung besessen, ist allerdings nicht spektakulär und hätte sich auch belegen lassen, ohne die mittelalterlichen Vermessungen im Einzelnen nachzuvollziehen [vgl. Replik von Meckseper 2002]. Welcher sorgfältigen Planung die mittelalterlichen Städte unterzogen wurden, ist tatsächlich seit langem bekannt. Herausragendes Beispiel ist vielleicht die Stadt Lübeck, deren „Altstadt als (...) Ergebnis rationaler Stadtplanung des Mittelalters“ erscheint [Beseler (Hrsg.) 1976: 94]. Gleiches gilt für viele andere Städte aus der Gründungsphase des Mittelalters. d) Renaissance und Absolutismus – Blütezeit von Utopien und Idealstadtmodellen Die epochalen Umbrüche vom Mittelalter bis in die Neuzeit waren nicht nur ein guter Nährboden für utopische Romane und Erzählwerke, sondern brachten auch enorme Innovationen bei der Planung von Städten hervor. Von den vielen Faktoren, die diese Innovationen beflügelten oder gar eine formale Neuausrichtung von städtebaulichen Strukturen zwingend notwendig machten, seien als die wichtigsten genannt: •
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Abkehr von der Tradition des Mittelalters und Wiederentdeckung antiker Werte, Prinzipien und Techniken, was mit einem grundlegenden gesellschaftlichen Wandel einherging; Erfindung der Feuerwaffen; Erfindung des Buchdrucks und damit Beginn der mechanisierten Verbreitung des Wissens; Entdeckung Amerikas und Beginn einer ökonomischen Globalisierung.
Das neue Denken der Renaissance prägten vor allem Künstler, unter denen der Architekt Filippo Brunelleschi aus Florenz den wohl stärksten Impuls lieferte. Seine Erfindung des Prinzips der Zentralperspektive vermittelte nicht nur eine grundlegend neue Art des Sehens, es wurden daraus auch Gestaltungsprinzipien entwickelt, die sich im weiteren Fortgang der Stadtbaugeschichte als enorm prägend erweisen sollten. Die Methode der Zentralperspektive eignete sich aber nicht nur für die reine Bilddarstellung. Sehr rasch erfreute sie sich großer Beliebtheit bei absolutistischen Herrschern, die sich nun Städte bauen ließen, die nach den Prinzipien des zentralperspektivischen Sehens ausgeformt werden sollten. Der Stadtgrundriss von Karlsruhe mit dem Schloss als Mittelpunkt eines axialen, strahlenförmig in alle Richtungen sich erstreckenden Straßensystems liefert bis heute ein eindrucksvolles Bei-
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spiel (Abb. 11.8 rechts). Dass sich die absolutistischen Herrscher auch noch zusätzlich des Vokabulars und der zeitgenössischen Utopievorstellungen von idealen Stadtanlagen bedienten, bedeutete nur eine Komplettierung ihres für selbstverständlich erachteten Legitimationsanspruchs. So wurden die Methode der Zentralperspektive, das utopische Denken in seiner zentralistischen Spielart und das utopische Vokabular – „Civitas Solis“ (Campanella) -> „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. – zu einem Symbol für Herrschaftsausübung und deren Demonstration in städtebaulichen Formen.
Abb. 11.8: Die städtebauliche Umsetzung der Zentralperspektive; links: Idealstadt (Schule aus dem Umfeld von Piero della Francesca; Palazzo ducale, Urbino); rechts: Karlsruhe im Jahre 1739 (Stich von Christian Thran) Zeitgleich hatte die Entwicklung der Feuerwaffen eine Anpassung der Stadtstrukturen an die neuen Gegebenheiten aus Gründen der Stadtverteidigung erforderlich gemacht. Es entstanden Festungsbauwerke und -städte mit zum Teil gewaltigen Bollwerken; utopisch-soziale Bezüge spielten dabei kaum eine Rolle. Da aber gewisse formale Ähnlichkeiten – vor allem geometrische Stringenz der städtebaulichen Grundrisssysteme – zwischen utopisch inspirierten städtebaulichen Strukturmodellen, Idealstadtmodellen und Modellentwürfen zum Bau von Festungsstädten vorhanden sind, werden sie in der stadtbaugeschichtlichen Literatur gern miteinander in Beziehung gesetzt [vgl. etwa Vercelloni 1994]. Mit der Entdeckung Amerikas im Jahre 1492 und der „Kolonisierung der Welt durch die Europäer“ wurde eine neue Phase in der Entwicklung von städtebaulichen Siedlungsstrukturen eingeleitet [Benevolo 1975/1982: 647ff]. In seinem Traktat „Die Geschichte der Stadt“ weist Leonardo Benevolo darauf hin, dass Städte und Bauwerke in den Überseegebieten viel mehr über damalige Machtverhältnisse und Zeitgeist aussagen als die im Mutterland entstandenen. In Übersee wurden Städte komplett neu gegründet; in Europa dagegen wurden lediglich Veränderungen oder
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Ergänzungen an bereits existierenden Städten vorgenommen. Der Blick auf Stadtneugründungen in Übersee lohnt sich u.a. schon deshalb, weil deren Realisierung gerade dort von enormen utopischen Vorstellungskräften vorangetrieben wurde. e) Stadtgründungen in der Neuen Welt – Realisierung utopischer Träume im Städtebau Der neue Kontinent jenseits des Atlantiks wurde für viele Menschen, die in Europa aus religiösen oder politischen Gründen Unterdrückung und Repressalien ausgesetzt waren und um Leib und Leben fürchten mussten, das Ziel ihrer Hoffnungsprojektionen. So wundert es nicht, dass diese Menschen ihren Vorstellungen von einer besseren Welt auch in der Art und Weise, wie sie in Amerika – im Kontrast zum alten Europa – Siedlungen und Städte gründeten, Ausdruck verliehen. Die Immigranten fanden häufig leere Territorien von enormen Ausmaßen vor, in denen sie als Pioniere große Kolonisierungs- und Urbanisierungsprogramme durchführen konnten [Benevolo 1975/1982: 647]. Dabei sahen sie weder in einer feindlich gesonnenen Natur, noch in den vielfältigen Traditionen und Bräuchen der einheimischen Bevölkerung einen Hinderungsgrund. Bei den Stadtgründungen der Europäer in der Neuen Welt gab es allerdings große Unterschiede zwischen Lateinamerika und Nordamerika. Auf dem südlichen Halbkontinent dominierte der kulturelle und politische Hintergrund aus Spanien und Portugal. Man hatte hier gegenüber dem, was im Norden geschah, völlig andere Vorstellungen und Absichten – auch was die Gründung und Gestaltung von Städten anbetraf [vgl. Benevolo 1975/1982: 674ff]. So erließen die spanischen und portugiesischen Behörden auf Weisung ihrer Könige Dekrete, nach denen die Planung der neuen Städte zu erfolgen hatte. Vorgeschrieben wurden regelmäßige Grundstückszuschnitte, die Betonung der Plaza durch Straßen, die in die vier Himmelsrichtungen zeigten, und eine möglichst gleichmäßige Gestaltung der Gebäude – „der Schönheit der Stadt zuliebe“, wie es dazu hieß [vgl. Eaton 2001: 79]. Auf diese Weise setzte sich in Lateinamerika ein regelmäßiges, schachbrettartiges Grundrissmuster durch. Dieses Prinzip fand auch für die Fortentwicklung vorhandener Städte wie beispielsweise Tenochtitlán Anwendung, auf dessen Terrain heute Mexiko-Stadt liegt. Die Realisierung utopischer Vorstellungen spielte bei alledem kaum eine Rolle, und wo doch, wie etwa in den von Jesuiten im heutigen Grenzgebiet von Paraguay, Argentinien und Brasilien geschaffenen „reducciones“, wurden diese rasch im Keim erstickt [Eaton 2001: 83f]. Demgegenüber waren die Voraussetzungen und die städtebaulichen Entwicklungen in Nordamerika völlig anders. Hier konnte die Realisierung von utopischen Träumen und ihre Umsetzung in städtebauliche Konzepte in großer Vielfalt stattfinden – quasi als „Versuchsfeld für alte Utopien“ [Eaton 2001: 74] –, und dafür lassen sich drei Gründe nennen: Erstens gab es für Nordamerika keine weitreichenden Weisungen einer obrigkeitlichen Instanz wie in Lateinamerika durch Spanien und Portugal. Zweitens waren im Norden Amerikas keine Städte vorhanden, an denen städtebaulich hätte angeknüpft werden können. Und drittens war der weitaus überwiegende Teil der Einwanderer hoch motiviert, in Nordamerika utopische Vor-
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stellungen von einem besseren Leben zu realisieren. New York als Ort der Ankunft für die Auswanderer galt und gilt in vielerlei Hinsicht als ’Hauptstadt des Utopischen’ bis heute. In Nordamerika entwickelten sich die neu gegründeten Städte zunächst organisch, wie beispielsweise am Stadtgrundriss von Boston noch heute erkennbar ist (vgl. Abb. 11.9 links). Gleichwohl setzte sich im weiteren Verlauf der Entwicklung schließlich auch in Nordamerika die Struktur des städtebaulichen Grundrissrasters durch. Das Schachbrettmuster galt bei der Erschließung der Weiten des Westens als effektivste Methode, Grundbesitz zu verteilen und zu verkaufen. Die von Thomas Jefferson auf den Wege gebrachte berühmte „Land Ordinance“ von 1785 teilte die Gebiete in jeweils 16 Quadratmeilen große ’townships’ auf, die auf einfache Weise weitere Unterteilungen in 2, 4, 8, 16 und noch mehr Parzellen erlaubten [vgl. auch Internet www.usgennet.org; www.endoftheoregontrail.org]. Daraus ist ein „nach allen Richtungen mit gleichen Eigenschaften ausgestattetes Kataster entstanden, das sowohl an frühe römische Verfahren der Landvermessung erinnert als auch an jene Grundstücksbemessung denken lässt, die Morus für die Insel Utopia avisierte“ [Eaton 2001: 86]. Dieses System hat sich in den USA letztendlich flächendeckend durchgesetzt, wenngleich es auch, wie etwa Hauptstadtplanungen für Washington D.C. durch Pierre-Charles L’Enfant mit städtebaulichen Diagonalelementen zeigen, Modifikationen nach barockem Muster gegeben hat.
Abb. 11.9: Stadt- und Siedlungsstrukturen in den USA; links: Boston; Mitte: Philadelphia; rechts: Shaker-Siedlung Die eigentliche Realisierung von Utopien in Nordamerika indes, wenngleich auch in den meisten Fällen nicht mit wirklich dauerhaftem Erfolg, fand durch die zahlreichen religiös und weltanschaulich inspirierten Gemeinschaften statt. Quäkern, Mennoniten, Shakern, Mormonen etc. erschien Amerika als das Gelobte Land, in dem sich ihre Ideale würden verwirklichen lassen. Dementsprechend setzten diese Gruppen
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und Gemeinschaften beim Aufbau ihrer Siedlungen und Städte ihre Ideen in bauliche Formen und städtebauliche Strukturen um. Aus der großen Zahl an Beispielen seien an dieser Stelle nur die – überwiegend im Nordosten der USA gelegenen – Shaker-Siedlungen sowie Salt Lake City, die große und bedeutende Mormonenhauptstadt im Staate Utah, in Erinnerung gerufen [umfassende Zusammenstellung im Internet vgl. www.utopia-britannica.org.uk]. f) Epoche der Moderne und der Industrialisierung – technologischer Fortschritt, Städtewachstum und sozialutopische Antriebskräfte Das Zeitalter der Moderne wird im Allgemeinen mit der jüngeren Phase unserer Neuzeit in Verbindung gebracht, obwohl nicht ganz unumstritten ist, zu welchem Zeitpunkt der Beginn der Moderne festgemacht werden kann. Erstmals taucht in Deutschland der Begriff der ’Moderne’ 1887 in einem Aufsatz des Literaturwissenschaftlers Eugen Wolff in seinen „Thesen zur literarischen Moderne“ auf [Welsch 1991: 66]. Für den US-amerikanischen Philosophen und Urbanisten Marshall Berman ist Jean-Jacques Rousseau „the archetypal modern voice in the early phase of modernity“, der als erster auch das Wort „moderniste“ verwendete – „in the ways in which the nineteenth and twentieth century will use it“ [Berman 1982: 17]. Sein Landsmann, der Soziologe Daniel Bell datiert den Beginn der Moderne auf das Jahr 1789, das Jahr der Französischen Revolution. Andere sehen eher einen langsamen Entstehungsprozess, der sich allmählich nach 1789 bis weit ins 19. Jahrhundert vollzieht; wieder andere, wie Wolfgang Welsch in seinem Buch „Unsere postmoderne Moderne“, sehen die Zäsur und den Beginn der Moderne in der Person und den Schriften von René Descartes, weil mit ihm die exakte Wissenschaft, die systematische Weltbeherrschung und die wissenschaftlich-technische Zivilisation begannen [Welsch 1991: 68f; zu Descartes vgl. auch Kap. 4]. Ihren kulturellen Höhepunkt erreichte die Moderne in Europa und Nordamerika in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Zu den wesentlichen Elementen der Moderne gehören: Säkularisierung, Industrialisierung, Fortschrittsglaube, Rationalität sowie Autonomie gesellschaftlicher Bereiche wie Politik, Recht und Wirtschaft [zur Theorie der Moderne vgl. Habermas 1981, Bd. 2: 420ff, oder Berman 1982]. Diese Elemente sind auf das Engste verwoben mit der Entwicklung urbaner Systeme und der Herausbildung der Disziplin Stadtplanung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In Deutschland war es vor allem die Bauhaus-Bewegung, die sich als kulturelle Keimzelle der Moderne mit einer starken utopischen Inspiration hervortat. Überdies war und ist die Moderne selbst schon ein utopisches Projekt, denn: Modernisierung geht stets mit einer Infragestellung des Bestehenden einher und stellt das noch unbekannte Neue in den Mittelpunkt aller gesellschaftlichen Aktivitäten. Zudem hat sich die Moderne „immer wieder gesellschaftsbezogen verstanden, sei es sozialreformerisch, sozialrevolutionär oder sozialutopisch“ [Welsch 1991: 24]. Und so blieb es nicht aus, dass sich auch die Planerzunft diesem utopisch inspirierten Programm zuwandte: „The early modernist planners held utopian
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attitudes and a belief in a future in which social problems could be tamed and humanity liberated from the constraints of scarcity and greed“ [Beauregard 1989; Internet www3.sympatico.ca/david.macleod/pomo.htm]. Viele Errungenschaften der Moderne hatten großen Einfluss auf den Bereich Städtebau, Stadtplanung und Architektur. Aus dem ganzen Spektrum seien die folgenden Errungenschaften besonders hervorgehoben: •
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der sich immer stärker beschleunigende wissenschaftlich-technische Fortschritt brachte die Dampfmaschine, den Verbrennungsmotor und – vor allen anderen – die Nutzung der Elektrizität als universell einsetzbare Energieform mit sich; die Industrialisierung des Bauens – dank der technologischen Neuerung des Bauens mit Stahl und Stahlbeton – ermöglichte das serielle Errichten von Bauwerken, was besonders im Wohnungsbau des 20. Jahrhunderts eine große Bedeutung erlangte; rasche und effektive Raumüberwindung durch leistungsfähige Verkehrsmittel und Verkehrssysteme auf der Grundlage von Dampfmaschinentechnik, Verbrennungsmotoren, Elektrifizierung; damit ließen sich Massenverkehrsmittel – Eisenbahnen, Schiffe, Straßen- und Untergrund-Bahnen, Flugzeuge – ebenso industriell herstellen wie Fahrzeuge für den Individualverkehr (Pkw); die Industrialisierung der Produktion in Fabrikationsstätten, deren Organisationslogik starke Zentralisierungstendenzen der Standorte zur Folge hatte; Entwicklung sozialreformerischer, revolutionärer und sozialutopischer Konzepte und Projekte, die ursächlich darauf zurückzuführen waren, dass die industriellen Produktionsstätten zunächst ein enormes Arbeitskräftepotential in sich aufsogen, ohne dass im Zuge des gewaltigen Wachstums die Konsequenzen für die Arbeits- und Wohnbedingungen der Menschen bedacht wurden.
Im Zuge dieses gewaltigen Transformations- und Modernisierungsprozesses wurden auch Städte und urbane Systeme großen Veränderungen unterworfen: „Wirtschaftliche Imperative“, so der Soziologe Jürgen Habermas, „bestimmten auch das unkontrollierte Wachstum der Städte“, woraus sich schließlich auch „die Erfordernisse einer Art von Stadtplanung“ ergaben [Habermas 1985]. Mit dem Aufkommen der Stadtplanung als eigenständige (wissenschaftliche) Disziplin fanden Veränderungen oder Gründungen von Städten im Kontext der Moderne nunmehr auf der Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen und technologischen Neuerungen statt. In vielen Fällen spielten auch utopische Gedanken eine Rolle, wie etwa die folgenden Beispiele zeigen: • • •
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die Stadt Chaux (von Claude-Nicolas Ledoux) als Vorbild einer Industriestadt; die Siedlungsprojekte der ’utopischen Sozialisten’ (Owen, Fourier, etc.), die viele spätere Projekte beeinflussten (etwa die Idee der Gartenstadt); der Arbeitersiedlungsbau in vielen Ländern, die „company towns“ in den USA [Green 2010] mit häufig philantropischem Hintergrund und manchmal utopisch inspirierten Intentionen; die Gartenstadtidee (von Ebenezer Howard) mit großer Resonanz vor allem auf
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den britischen Inseln, in Deutschland und Israel, aber auch in vielen anderen Teilen der Erde; Bandstadtsysteme als „städtebauliche Vision“ [Kainrath 1997] und ökonomisch konsequente Antwort auf linear ausgerichtete Verkehrssysteme; die Bauhaus-Ideen als zentraler Bezugspunkt der Moderne mit weltweiter Verbreitung; der Funktionalismus als direkte Konsequenz der Moderne und der räumlichen Erfordernisse, die sich aus der Industrialisierung ergaben; Stadtneugründungen (Hauptstadtprojekte wie Brasilia, Canberra, Chandigarh oder Tel Aviv), Stadterweiterungen (z.B. Barcelona) oder Stadtumbauten (z.B. das von Le Corbusier projektierte Vorhaben für Algier) in konsequenter Umsetzung der Moderne.
Auf eine weitere sehr konsequente Realisierung der Moderne, die exemplarischen Charakter für viele andere hatte, sei noch hingewiesen: das „Social Democratic Utopia“ in Schweden, vor allem in Stockholm und Umgebung, realisiert in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg [Hall 1998: 842ff]. Modernste Erkenntnisse – sei es bei städtebaulichen Struktursystemen mit Zentrumsplanungen und Satellitenstadtmodellen, beim Wohnungsbau für alle sozialen Schichten, beim Aufbau der Verkehrsinfrastruktur oder bei der Berücksichtigung von Natur und Umwelt – fanden dort ihren Niederschlag in Siedlungsstruktur und Stadtgestalt.
Abb. 11.10: Die funktionalistische Stadt – „Ville contemporaine“ – für drei Millionen Menschen von Le Corbusier (links); eine völlig durchrationalisierte Stadt nach Vorstellungen von Ludwig Hilbersheimer (rechts) Die Ideen der Moderne waren indes nie unumstritten. Als scharfe Gegner positionierten sich vor allem konservative Zivilisationskritiker und Kulturpessimisten, die in Modernisierung und Fortschritt ein grundsätzliches Unheil sahen und sich einer romantischen Rückwärtsgewandtheit hingaben [vgl. Sieferle 1984]. Die Nationalsozialisten wiederum hatten ein ambivalentes Verhältnis zur Moderne. Sie lobten den ’Geist der Sachlichkeit’, schätzten eine Zeit lang gar die Städteplanung von Le Corbusier als Abkehr vom falschen Individualismus der Vorkriegszeit, griffen anbie-
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dernd Elemente der Bauhaus-Moderne ebenso auf [vgl. Nerdinger/Bauhaus Archiv 1993] wie sie das städtebauliche Prinzip der Nachbarschaftseinheiten in ihren ’Siedlungszellen’ usurpierten und sich eines monumentalen Architekturstils mit imperialem Gestus bedienten [Sieferle 1984: 216f; Miller-Lane 1968]. Doch spätestens mit der Machtergreifung wurde die Maske fallengelassen, das künstlerische Schaffen des Bauhauses galt als ’entartet’ und die Anbiederung wich einer menschenverachtenden Dystopie, die in einer nie dagewesenen Katastrophe enden sollte. Deshalb: „Ein Beitrag zur Ideologie der Völkischen und der späteren Nationalsozialisten“, schreibt Jost Hermand in seinem Essay „Formen des utopischen Denkens“, „hat in einem Buch über Utopisches Denken an sich nichts zu suchen“ – sei es, weil allein schon der Begriff Utopie von der Naziideologie als ’undeutsch’ abgelehnt wurde, sei es aber auch, „weil Gegner jedes fortschrittlichen Denkens gerade am Beispiel des ’Faschismus’ immer wieder auf die mörderischen Konsequenzen aller Formen utopischer Denkmodelle hingewiesen haben“ [Hermand 1981: 61, 70]. Seit einiger Zeit wird von Seiten der Ökologie der Erfolg des „Projekts der Moderne“ in Zweifel gezogen, das, wie Rolf Peter Sieferle in einer Buchrezension schrieb, „programmatisch mit dem Prozess der Industrialisierung verbunden war und darauf gesetzt hatte, die Geschichte gezielt und vernünftig zu gestalten.“ Indes sei „das Resultat aber das genaue Gegenteil dieses Programms“, da doch die Risiken und „die Unsicherheit der Zukunft in dem Maße gewachsen ist, wie man Erfolg in dem Bestreben hatte, die Natur (und auch die Gesellschaft) zu beherrschen“ [DIE ZEIT v. 26.02.2004]. g) Postmodernismus und Zweite Moderne – Pluralität und die Abkehr von monistischen Stadtbau-Utopien In den 1970er Jahren entwickelte sich eine Gegenposition zur Moderne, die sich in der Metapher ’Postmoderne’, später – um den historisierenden Tendenzen im architektonischen und städtebaulichen Postmodernismus aus dem Wege zu gehen – in der ’Zweiten Moderne’ [Klotz 1986: 22f] widerspiegelte. Der Begriff ’Postmoderne’ hat verschiedene Wurzeln, so etwa in der nordamerikanischen Literaturdebatte der 1950er Jahre, aus der er durch den Architekten Charles Jencks Mitte der 1970er Jahre in die Architekturtheorie übertragen wurde [Jencks 1978; Jencks 1987; Klotz 1984: 15; Hall 1998: 12ff; Internet www.wikipedia.org/wiki/Postmodernism]. Die neue Richtung lehnte das ’progressive’ Denken der Moderne ab und beschränkte sich nur noch darauf, bekannte Elemente miteinander zu verknüpfen, verschiedene Stile zu zitieren und auf Zusammenhänge hinzuweisen. Die Postmoderne, so schreibt Jencks, „erkennt die Schuld gegenüber der Moderne an, transzendiert aber diese Bewegung, indem sie sie mit anderen Belangen zusammenfasst“ [Jencks 1987: 11; als Gegenposition zum Post-Modernismus insgesamt vgl. etwa Berman 1982: 345]. Aus dem postmodernen Denken, das sich als komplex, variabel, eklektisch, mehrdeutig, verschiedenartig etc. charakterisieren lässt [Klassifizierung nach dreißig Aspekten vgl. Jencks 1980/1981: 32; vgl. auch Lanz 1996: 68ff], entsteht eine andere Art von utopischem Denken, das nicht mehr „monopolistisch“, sondern brei-
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ter angelegt ist: „Die Vision der Postmoderne ist zuinnerst positiv. Sie zielt auf eine Welt der Vielfältigkeit. Wer demgegenüber bloß den Verlust der einen verbindlichen Utopie beklagt, hat weder realisiert, dass die eine Utopie immer auch eine Zwangsvorstellung ist und dass es genau dieses Schema zu verlassen gilt, noch hat er die positive Inspiration erfasst, die die Postmoderne beseelt und die auf wirkliche Pluralität zielt. Dies ist die Form von Utopie, die nach der Einsicht in den Zwangscharakter jeder monistischen Utopie legitim und notwendig wird“ [Welsch 1991: 36, 41].
Abb. 11.11: Unterschiede zwischen moderner und postmoderner Stadtplanung (nach McLeod; Übersetzung und Ergänzungen durch den Verfasser) Die Spuren, die das postmodernistische Denken der letzten dreißig bis vierzig Jahre in Städtebau, Architektur und Stadtplanung insgesamt hinterlassen hat, sind so heterogen, komplex und vielfältig wie die Assoziationen zum Begriff der Postmoderne. Typisch für das ’neue Bewusstsein’ waren [Eaton 2001: 216ff; Welsch 1991: 87ff]: • • • • •
das Aufgreifen historischer Quellen; das Akzeptieren von Vielheit in Formen, Typologien und Stilen; spielerischer Umgang mit Entwurfskonzepten und -prinzipien, wie es einem postindustriellen ’Homo ludens’ angemessen ist; Megastrukturalismus; Verbindung von Pop-Art und Architektur.
Eine ausführliche Diskussion über „demokratische Stadtplanung in der postmodernen Gesellschaft“ findet sich bei Stephan Lanz, der an Theorien des amerikani-
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schen Planungstheoretikers John Forester und dessen Bezugnahme auf die „Theorie des kommunikativen Handelns“ von Jürgen Habermas und die raumplanungsbezogenen Partizipationstheorien von Klaus Selle anknüpft und diese im Kontext postmoderner Stadtplanung interpretiert [Lanz 1996: 21ff]. Abbildung 11.11 zeigt in einer Gegenüberstellung die Unterschiede zwischen moderner und postmoderner Stadtplanung nach einer entsprechenden Untersuchung des kanadischen Planungstheoretikers David McLeod [Internet www3.sympatico.ca/david.macleod/pomo.htm]. Wenn wir nun den Blick auf konkrete städtebauliche Projekten richten, die der Postmoderne zuzuordnen sind, dann wären zum einen die in Konzeption und Planungsprocedere vielfach nachgeahmten ’Dockland’-Planungen in London zu nennen [vgl. Hall 1998: 888ff], mehr noch aber – wegen ihrer stilistischen Prägnanz und historisierenden Elemente – die Stadterweiterung von Montpellier durch Ricardo Bofill (siehe Abb. 11.12). Eine postmoderne Ausgestaltung haben aber auch die städtebaulichen Prinzipien erfahren, nach denen eine Stadt wie Las Vegas in den vergangenen vierzig Jahren gestaltet oder Freizeitparks wie Disney-World angelegt wurden.
Abb. 11.12: Postmoderner Städtebau; links: Montpellier; rechts: Las Vegas Die beiden letztgenannten Fälle stellen den Höhepunkt einer Entwicklung dar, die Jean Baudrillard als „Fiktion des Realen“ und „Hyperrealismus der Simulation“ bezeichnet hat [Baudrillard 1976/1982]. In seiner an diesen Beispielen festgemachten Zeitdiagnose gelangte er zu folgendem Schluss: „Die Zukunft ist schon angekommen, alles ist schon angekommen, alles ist schon da. Es lohnt sich nicht, zu träumen oder irgendeine Utopie der Umwälzung oder der Revolution zu nähren. Es ist alles schon umgewälzt. Ich meine, alles hat schon seinen Ort verloren. Alles hat Sinn und Ordnung verloren. Es ist keine Übertreibung, wenn wir sagen, alles sei schon eingetreten“ [Baudrillard in Hesse 1983: 103].
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h) Wissensgesellschaft – Komplexitätshandhabung und Stadt-Utopien jenseits geometrischer Modellvorstellungen Seit Mitte der 1980er Jahre sind die möglichen Auswirkungen der Wissensgesellschaft auf das utopische Denken und auf utopische Modellvorstellungen für den Städtebau heftig in der Diskussion. An Publikationen zu dieser Thematik fehlt es nicht: „Mentopolis“ [Minski 1985/1990], „The Informational City“ [Castells 1989], „Being digital“ [Negroponte 1995], „e-topia“ [Mitchell 1999] oder „The City of the Coming Golden Age“ [Hall 1998: 943ff] – so lautet eine Titelauswahl von Schriften, in denen die Wirkungen der Informationstechnologien auf Städte optimistisch eingeschätzt werden. Wer nach Stadtbau-Utopien in der Wissensgesellschaft Ausschau hält, wird allerdings auf eher diffuse Vorstellungen über Stadtstruktur und Stadtgestalt treffen. Diese Tatsache bereitet Unbehagen bei denjenigen, die städtebauliche Modellvorstellungen nur gelten lassen, wenn daraus letztendlich bauliche Strukturen und Formen herauskristallisiert werden können; dies aber treffe für die Gegebenheiten der Wissensgesellschaft nicht zu, weil sie als Kontext zur Herbeiführung spezifischer städtebaulicher Muster zu diffus sei. Würde man diesem Argumentationsstrang folgen, hieße dies aber, dass wir in Modellvorstellungen verharren würden, wie wir sie aus der industriegesellschaftlichen Organisation von Raumstrukturen und urbanen Räumen kennen. Tritt jetzt aber Wissen als dominante ökonomische Ressource und als Gegenstand umfassender gesellschaftlicher Bedürfnisbefriedigung in Erscheinung, wird dies auch Konsequenzen für die räumlich-funktionale Organisation von Städten und Siedlungsräumen haben müssen. Der Gegensatz zu den Modi der Industriegesellschaft liegt auf der Hand: Wissen stellt eine immaterielle Ressource dar, die weitestgehend keiner städtebaulichen Lokalisation bedarf. Typisches Merkmal ist seine Komplexität, die handzuhaben eine ebenso technische wie methodische Herausforderung darstellt. Überdies sind die Infrastrukturen, über die Informationen und Wissen ausgetauscht werden, weitgehend unsichtbar – man denke an mobile Informationssysteme –, das Nutzungspotential im Prinzip ubiquitär. Daraus ergibt sich, dass Stadtbau-Utopien der Wissensgesellschaft, wenn es sie denn geben sollte, im Gegensatz zu nahezu all ihren Vorgängern ohne geometrische Modellvorstellungen werden auskommen können oder müssen. Dass eine Abkehr von geometrischen Utopien in der Stadtplanung stattfinden wird, darf als gesichert gelten. Selbst Verfechter des utopischen Denkens und des für notwendig erachteten Weiterentwickelns utopischer Konzepte, unter denen sich Johano Strasser mit seinem Buch „Leben ohne Utopie?“ besonders hervorgetan hat, mahnen letztendlich zu einem Verzicht der „ganz dem rationalistischen Geist der Geometrie verhafteten“ Utopien an [Strasser 1990: 78, 83]. Stadt-Utopien für die Wissensgesellschaft werden sich am ehesten wohl an Aufgaben entzünden, die sich aus soziologischen, vielleicht auch ökonomischen oder – immer stärker – aus ökologischen Problemstellungen ergeben, wie dies am Ende des Kapitels 9 mit Überlegungen zur „Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft“ bereits dargelegt wurde. Um es noch einmal in einen kurzen Fragekatalog zu kleiden: ’Stadt des Wissens’ – welche städtebaulichen Strukturmodelle könnten
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ihr denn zugrundegelegt werden? ’Lernende Stadt’ – welche städtebaulichen Gestaltungselemente benötigt diese Utopie? Und schließlich: Wie könnte die bauliche Ausgestaltung einer auf Kreativität und Toleranz basierenden Utopie einer multiethnischen Polis-Gemeinschaft des 21. Jahrhunderts aussehen? Vielleicht haben wir es in diesem Kontext mit einem U-topia im wahrsten Wortsinne zu tun: einer nicht-Verortung der Vorstellungen von einer besseren Welt, wo auch immer lokalisiert – mit einer auf Wissen basierenden Entfaltungsmöglichkeit von Hoffnungsprojektionen für alle und jeden. Steht der technische und ökologische Kontext stärker im Vordergrund, so entwickeln sich in jüngerer Zeit noch andere, mit Hoffnungsprojektionen verknüpfte Konzepte, die mit Fug und Recht als urbane Ausprägung der Wissensgesellschaft zu interpretieren sind. ‘Smart Cities‘ lautet die entsprechende Bezeichnung für eine konzeptionelle Idee, die sich gegenwärtig überall auf der Welt verbreitet. Es geht darum, alle Funktionen einer baulichen bzw. urbanen Struktur durch ‘smart grids‘, intelligente Netze, miteinander zu vernetzen, um höchstmögliche Effizienz zu erzielen. Dies gilt insbesondere für Energienetze mit dezentraler Energieerzeugung, aber auch für andere Ver- und Entsorgungseinrichtungen, für Verkehrssysteme und, natürlich, für Kommunikationsnetze [vgl. Zink/Pietsch 2010]. Teilweise verwirklicht wurde das Konzept in Südkoreas Songdo City (vgl. Kap. 10, Abschnitt „Südkorea“), geplant als grüne und CO2-neutrale Ökostadt Masdar City in Abu Dhabi sowie im Entwurfsstadium befindlich als neue Stadtanlage „PlanIT Valley“ im Norden Portugals, die von Konzernen des Computersektors gesponsert wird [Internet www.skyscrapercity.com/showthread.php?t=1269533]. An dieser Stelle sei noch kurz auf ein anderes Diskussionsfeld hingewiesen, das in den 1990er Jahren ziemlichen Wirbel entfachte. Im Jahre 1996 hat der USamerikanische Wissenschaftsjournalist John Horgan in seinem Buch „The End of Science: Facing the Limits of Knowledge ...“ [Horgan 1997] die These aufgestellt, dass in allen Wissenschaftsdisziplinen die Grenzen der Gewinnung von grundsätzlich neuen Erkenntnissen erreicht seien. Horgan bezieht sich auf Überlegungen des amerikanischen Biologen Gunther Stent aus dem Jahre 1969, der in seinem Buch „The Coming of the Golden Age – a view of the end of progress“ argumentiert, dass „certain fields of science are limited simply by the boundedness of their subject matter. No one would consider human anatomy or geography, for example, to be infinite endeavors“ [a.a.O.: 10]. Wenn dies aber so sei, dann würde ein Goldenes Zeitalter entstehen: „As society becomes more affluent and comfortable, fewer young people may choose to more hedonistic pursuits, perhaps even abandoning the ‘real world‘ for fantasies induced by drugs or electronic devices [formuliert im Jahre 1969; d. Verf.] feeding directly into the brain.“ [a.a.O.: 12] Dies sei allerdings, so Stent, keineswegs eine pessimistische Sicht der Dinge, sondern führe in den utopischen Zustand eines „new Polynesia“ mit Menschen als Hedonisten und wenigen Ansprüchen an Wissenschaft und Wissensgesellschaft. Vielleicht, so mag man hinzufügen, könnte mit der Erkennung der Grenzen des urbanen Wachstums in einer begrenzten Geographie – Endlichkeit der Erde, Klima, Ressourcen etc. – auch eine Besinnung auf bescheidenere Lebensstile einhergehen.
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Neue Kristallisationspunkte für städtebauliche Utopien? Das literarische Genre der Utopien konzentrierte sich überwiegend auf die Themenbereiche Raum und Zeit; Auslöser waren die Entdeckung unbekannter Kontinente und der Fortschrittsoptimismus der Moderne. Beide Aspekte haben in erheblichem Maße zur Inspiration beigetragen: Die Realisierung von Utopien – projiziert in noch nicht erschlossenes Terrain oder in eine noch zu gestaltende und gestaltbare Zukunft – erschien als eine ungemein reizvolle Perspektive. Heute hat sich die Inspirationskraft von Raum und Zeit erschöpft. Zum einen gibt es auf unserem Globus keine ’Terra incognita’ mehr, die sich zur räumlichen Projektion von Utopien eignen würde. Zum zweiten hat die Zukunftsforschung systematisch und mit einer großen Zahl von explorativen Methoden ein derart differenziertes Bild der Zukunft gezeichnet, dass auch hier kaum noch Raum für wirkliche Innovationen besteht. Und drittens, weil auch die Risiken der technologischen Vorhersage gewaltig sind und die neuen Technologien, wie eine Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) zum Ausdruck gebracht hat, „zu keinem kohärenten Projekt zu führen scheinen“, so dass „der Mensch des ausgehenden 20. Jahrhunderts sich einer Welt gegenübersieht, deren Komplexität und Gefahren so groß sind, dass er sich außerstande fühlt, irgendeine Zukunft vorauszusagen“ [Minois 1996/1998: 728]. So nimmt es nicht wunder, dass sich heutige Utopien in ihrem Raumbezug häufig auf die Erschließung des Weltraums kaprizieren, während die zeitliche Orientierung nicht in die Zukunft, sondern eher retrospektiv, statisch und endzeitlich geprägt ist. Eine der Ursachen für die Endzeitstimmung in Utopien liegt in der Art des technischen Fortschritts, der sich für das 21. Jahrhundert abzeichnet. Ausgehend von der Prognose des amerikanischen Technikpropheten Ray Kurzweil, dass im Jahre 2030 das menschliche Gehirn komplett in einem Computer duplizierbar sein und mit Genund Nanotechnologie zusammenwachsen wird, lässt sich schlussfolgern, dass wir „nichtbiologische Einheiten, mithin Maschinen und Roboter, als unsere Verwandten, sozusagen als maschinelle Mitmenschen anerkennen“ werden. „Mit Utopien als sozialphilosophischen Entwürfen“, so heißt es dann, „ist es vorbei, wenn die Zukunftsvisionen der Gen-, Nano- und Computertechnik Realität werden, deren Medium der Mensch selbst ist“ [Werber 2001; Moravec 1993]. Diese Auffassung basiert allerdings auf einer technizistischen Vorstellung von der Zukunft, die eher Unbehagen auslöst. Anders dagegen bei Jürgen Habermas. Er spricht zwar ebenfalls von einem Ende der Utopien bzw. einer „Erschöpfung utopischer Energien“, meint damit aber einen Paradigmenwechsel der Quellen für utopisches Denken und keineswegs das Herannahen einer Endzeit. Zum einen diagnostiziert er ein „neues Zeitbewusstsein“ derart, dass „die Zeit als knappe Ressource für die zukunftsorientierte Bewältigung von Problemen“ in Erscheinung tritt, und zum anderen – schon zu Beginn der 1980erJahre –, dass „eine forsch akzeptierte Ratlosigkeit mehr und mehr an die Stelle von zukunftsgerichteten Orientierungsversuchen tritt“. Nach der Habermas’schen Diagnose scheint die Sozialstaatentwicklung in eine Sackgasse zu geraten, weil sich die „Energien der arbeitsgesell-
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schaftlichen Utopie“ erschöpft haben. Die Utopietradition an sich besteht nach wie vor, wobei sich allerdings „die utopischen Akzente vom Begriff der Arbeit auf den Begriff der Kommunikation“ verschieben; daraus ergibt sich der „utopische Gehalt einer Kommunikationsgesellschaft“ mit einer „kommunikativen Alltagspraxis“ und „diskursiver Willensbildung“ [alle Zitate: Habermas 1985]. Wenn wir also nach Kristallisationspunkten für neue städtebauliche Utopien Ausschau halten, haben wir es nach der klaren Ausrichtung in der Vergangenheit zweifelsohne, um nochmals mit Habermas zu sprechen, mit einer „neuen Unübersichtlichkeit“ zu tun. Doch so diffus die Lage im Zeichen des Postmodernismus auch sein mag, ohne utopische Orientierung wird es nicht gehen, denn „wenn die utopischen Oasen austrocknen (würden), breitet sich eine Wüste von Banalität und Ratlosigkeit aus“ [Habermas a.a.O.]. Also stellt sich die Frage, in welche Richtung die Argumentationsstränge weisen. Um Kristallisationspunkte für Utopien zu fixieren, sind gewisse methodische Grundüberlegungen notwendig. „Mit einem Hinausdenken über die gegenwärtige Lage allein ist es nicht getan“, schreibt der Philosoph Martin Seel, und auch, „dass wir uns dann und wann unwahrscheinliche Ziele setzen, ist noch keine utopische Handlung“, denn: „gemessen an der jeweiligen Wirklichkeit sind Utopien außerwirkliche Zustände, deren Imagination der Gegenwart auf die Sprünge helfen“. Seel hält drei „Regeln für Utopisten“ für unerlässlich [Seel 2001]: •
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Denkbarkeit: das utopische Denken muss einfachen Anforderungen der Logik genügen, damit das, was es entwirft, nicht nur vorstellbar, sondern auf der Basis des verfügbaren Wissens tatsächlich auch denkbar ist; Erfüllbarkeit: der unabsehbare utopische Zustand muss ein erfüllbarer Zustand sein, weil wir nicht nur ’wünschen’ können müssen, sondern auch wollen, in dem utopischen Zustand zu sein; Erreichbarkeit: nicht allein auf der Grundlage des gegenwärtig Machbaren, sondern unter Zugrundelegung eines realistischen Szenarios, das eintreten könnte, auch wenn gegenwärtig keinesfalls damit zu rechnen ist.
Bevor wir diese drei Regeln auf Überlegungen für mögliche Anknüpfungspunkte zu städtebaulichen Utopien anwenden, sollen in einer kurzen Übersicht die gegenwärtig sich abzeichnenden Themen und Trends für eine Stadt der Zukunft und ihre Beziehungen zu Stadtplanung und Architektur dargestellt werden. a) Themen und Trends unter dem Blickwinkel utopischen Denkens Einen wertvollen Anhaltspunkt für relevante Themen liefert das „Handbook of Urban Studies“ (mit überwiegend britischen Autoren) aus dem Jahre 2001. Das Gliederungsschema spiegelt die künftig bedeutsamen und im globalen Maßstab anzugehenden Themen wider [Paddison (ed.) 2001]: • •
Identifying the City The City as Environment
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The City as People The City as Economy The City as Organized Polity (urban governance, social policy, ...) Power and Policy Discourses in Postmodern Cities Cities in Transition
Die Themenschwerpunkte greifen, durchaus gleichgewichtig, ökologische, soziale, ökonomische und politische Fragestellungen auf, ergänzt um spezifische Besonderheiten, die etwa in Asien oder in der Subsahara-Region vorzufinden sind. Das Handbuch liefert ein Zustandsbild wissenschaftlicher Forschungsfelder, wobei es den Autoren nicht unbedingt um wirklich neue Konzepte für eine urbane Zukunftsgestaltung ging. Dass allerdings Themen wie Armut, Kriminalität, soziale Segregation und Polarisation, Wachstum des informellen Sektors in der Stadtökonomie behandelt oder Fragen nach der Art der Ausübung von politischer Macht aufgeworfen werden, macht deutlich, wo man die Notwendigkeit, an tragbaren Zukunftsentwürfen zu arbeiten, für besonders dringlich hielt. Bemerkenswert ist allerdings die Tatsache, dass dem wichtigen Thema Demographie mit allen seinen Konsequenzen erstaunlich wenig Raum geschenkt wurde, denn gerade dieser Themenkomplex wird noch ein intensives Nachdenken über die Zukunft der Stadt und des sozialräumlichen Zusammenlebens erfordern. Hingegen haben einige stadt- und raumökonomische Themen, die bereits in den 1990er Jahren von Stadt- und Raumökonomen diskutiert wurden, eine deutliche Akzentuierung erfahren: Stichworte wie „Cities in the Global Economy“ (Saskia Sassen), „The Post-fordist City“ (W. F. Lever) oder „The New Urban Economies“ (Donald McNeill / Aidan While) sind in dem Handbuch gut repräsentiert. Doch gerade auf diesem Gebiet deutet sich seit einiger Zeit ein Pendelschlag in die andere Richtung an, wie etwa die Analyse von Dieter Läpple in seinem Aufsatz „Stadt und Region in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung“ zeigt [Läpple 2001]. Darin kritisiert Läpple die Kernaussagen der „Technizisten und Cyberspace-Theoretiker“ sowie der „Globalisten“, welche die territoriale Komponente des menschlichen Handelns als zunehmend obsolet erachteten und digitale Städte im Cyberspace, die an keinen Ort der Erdoberfläche gebunden sind, prophezeiten. Diesen „Medienfuturologen“ stellt Läpple die „Regionalisten“ gegenüber, die eine Renaissance der regionalen Ökonomie prognostizieren. Diese plädierten für spezifische lokale und regionale Innovationsmilieus sowie, daraus abgeleitet, ökonomische Kooperationsnetzwerke mit zum Teil recht bodenständigen Produktionsbereichen bis hin zu kleinstädtisch-ländlichen Modellen von ’craft-based’-Distrikten. Die telematische Stadt mit durchdigitalisierten Funktionen und der Dominanz von informationellen Infrastrukturen wird also in Frage gestellt. Beispielsweise auch von Vittorio Magnago Lampugnani, der in seinem Essay-Band „Verhaltene Geschwindigkeit – Die Zukunft der telematischen Stadt“ die These vertritt, dass „auch im telematischen Zeitalter die neue Stadt im großen und ganzen die alte sein wird“ [Lampugnani 2002: 21]: „Essen, Ruhen, Schlafen und Zusammensein lassen sich nicht telematisch optimieren, denn Wohnen bedeutet nicht Kommunikation mit der Ferne, sondern in der Nähe. (...) Entsprechend wenig wird sich in den städtischen
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Wohnhäusern ändern. Sie benötigen lediglich eine neue Verkabelung und werden wohl etwas anders genutzt werden, als es gegenwärtig der Fall ist, ohne dass deswegen Umbauten erforderlich wären.“ [Lampugnani 2002: 37] Veränderungen sieht Lampugnani am ehesten noch im Arbeitsleben; doch auch dort verlangen ausgerechnet jene, die vorrangig am Bildschirm und für den Bildschirm arbeiten, den Bezug zu einer physisch fassbaren und nach Möglichkeit historisch aufgeladenen Umwelt [Lampugnani 2002: 27]. Am Ende fordert Lampugnani die „Stadt der toleranten Normalität“, plädiert „gegen den Innovationswahn“ der Architekten, der sich „bei genauem Hinsehen ohnehin als mehr oder minder virtuoses Plagiat irgendeines Ismus erweist“ [Lampugnani 2002: 91] und formuliert seine Utopie von der künftigen Stadt und der dazugehörigen Stadtplanung mit den Stichworten ’Einfachheit’ und ’Zurückhaltung’: „Damit die Menschen sich frei ausleben können, sollte sich die Stadt bescheiden und großzügig zurückhalten.“ [Lampugnani 2002: 94f, 101] Manche Auguren scheinen dieses Prinzip der Zurückhaltung überhaupt nicht zu teilen. In seinem Buch „The Rational Optimist“ zeichnet der britische Wissenschaftsjournalist Matt Ridley denn auch ein rundum optimistisches Bild von den Städten: „Rural self-sufficiency is a romantic mirage. Urban opportunity is what people want“, so lautet die apodiktische Feststellung im Kapitel „The triumph of cities“ [Ridley 2010: 189]. In ähnlicher Weise äußert sich der Harvard-Ökonom Edward Glaeser in seinem gerade erschienenen Buch „Triumph of the City“, in dem er Städte als Orte beschreibt, die sich wie schon in der Vergangenheit auch in der künftigen Wissens- und Informationsgesellschaft als größte Menschheitsinnovation darstellen – und weiterhin behaupten: „Today, information technology is changing the world“, heißt es bei den Überlegungen zur Stadt von morgen, „making it more idea-intensive, better connected, and ultimately more urban“ [Glaeser 2011: 37]. b) Anknüpfungspunkte für Stadt-Utopien: die asketische Stadt Gegen Ende der 1970er Jahre schrieb der Physiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker einen Aufsatz mit dem bemerkenswerten Titel „Gehen wir einer asketischen Weltkultur entgegen?“ [v. Weizsäcker 1978] – wenige Jahre nach der Studie des Club of Rome über die „Grenzen des Wachstums“ (1972), als nach überwundenem Ölpreisschock ein erstes umfassendes Nachdenken über die „Krise der Wachstumsgesellschaft“ [vgl. etwa Binswanger u.a. 1983] stattfand. Von Weizsäcker ging es in seinem Aufsatz vor allem darum, ein utopisches Bild für eine bessere Zukunft zu entwerfen. Die Verwendung des Begriffs ’asketisch’ hatte durchaus die Funktion einer utopisch anmutenden Herausforderung, um den schon damals erkennbaren Krisenerscheinungen zu begegnen und vor allem dem Wachstumsparadigma eine Alternative entgegenzusetzen. Wenn die Weizsäcker’schen Thesen schon damals zutreffend waren, um wieviel mehr dürften sie den Nerv in der Gegenwart treffen, da gerade wieder heftig, nahezu als Dauerbrenner, über das Thema Wachstum nachgedacht und diskutiert wird. Kurt Biedenkopf, früherer Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, wäre in diesem Diskussionszusammenhang ebenso zu nennen wie der Sozialwissenschaftler und
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Publizist Meinhard Miegel. Beide kommen in ihren Überlegungen zu demselben Ergebnis. Während Biedenkopf darlegt, der Fetisch Wachstum sei an sein Ende gekommen und das 21. Jahrhundert müsse ein Jahrhundert der Bescheidenheit sein [Internet Spiegel online v. 25.07.2009], plädiert Miegel für einen „Exit“ und „Wohlstand ohne Wachstum“ – denn, so das Resümee von Miegel: „Wohlstand heißt nicht, viel zu haben, sondern wenig zu benötigen“ [Miegel 2010 sowie in der ZEIT v. 29.4.2010 unter der Überschrift „Es wird eng“]. In Frankreich ist es der Ökonom Serge Latouche, der schon seit vielen Jahren ein Konzept der Wachstumsrücknahme propagiert. Mittlerweile entfalten viele weitere Diskussionsbeiträge eine enorme Breitenwirkung: Buchpublikationen mit Titeln wie „Postwachstumsgesellschaft – Konzepte für die Zukunft“ [Seidl/Zahrndt (Hrsg.) 2010 mit Internetauftritt www.postwachstum.de] oder essayistische Beiträge wie „The Age of Less“ des britischen Musikers und Gesellschaftskritikers Brian Eno [Prospect magazine 10/2010] zeigen die Bandbreite. Vielleicht gewinnen auch die „Slow Movement“-Aktivitäten an Attraktivität [Internet www.slowmovement.com], nicht nur im Bereich des Verkehrs, woran man zunächst denken würde, sondern eher noch in Gestalt der ‘Slow Cities movement‘ oder gar die Vision eines langsamen Internets, wie manche in Erwägung ziehen [vgl. Prospect magazine 7/2010: 49]. Wir wollen die Weizsäcker’sche These zur asketischen Weltkultur noch einmal kurz aufgreifen und dann der Frage nachgehen, was sie für unser Thema Stadt-Utopien bedeuten könnte. Zunächst zum Askese-Begriff: Üblicherweise wird dieser Begriff entweder mit religiösen oder esoterischen Inhalten in Verbindung gesetzt (z.B. christliche Askese der Mönche oder Nonnen), oder es wird auf die soziologische Studie von Max Weber verwiesen, der den Begriff Askese im Zusammenhang mit dem Arbeitsethos des Protestantismus (Calvinismus, Puritanismus) als Voraussetzung für die Herausbildung einer kapitalistischen Geisteshaltung verwendete [Weber 1905/1968]. Der Begriff Askese taucht auch im Zusammenhang mit fernöstlicher Philosophie auf, etwa im Zusammenhang mit dem Taoismus, der beispielsweise in Vorstellungen von Bescheidenheit und Kontemplation seinen Ausdruck findet. Sehr ähnlich ist die Askese der antiken Stoiker, deren Wahlspruch, sich der ’überflüssigen Ergötzlichkeiten zu enthalten’, in eine vergleichbare Richtung weist. Manche Form des Luxus war schon immer verpönt; die Antike, das Mittelalter und alle folgenden Phasen der Zeitgeschichte sind voll von Beispielen. Von Weizsäcker sieht das moralische Problem der Askese für den Menschen nicht im Umgang mit Knappheit und Armut, sondern im Umgang mit zugänglichen Gütern, mit möglichem Reichtum. Er weist in seiner Argumentationskette zunächst darauf hin, dass es kein Zufall sei, wenn „die Herausbildung asketischer Lebensformen sozialgeschichtlich mit der Entwicklung wohlhabender Oberschichten gekoppelt gewesen ist“, um dann auf den eigentlichen Kern des Problems einzugehen: Wachstum. Von Weizsäcker schreibt: „Es liegt also auf der Hand, dass die Wachstumspolitik langfristig keine konservative, sondern eine radikal weltverändernde Politik ist. Hier kann der Streit nur darum gehen, ob diese Weltveränderung
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langfristig wünschenswert oder bedrohlich ist. Wir kehren damit zur Ausgangsfrage des Aufsatzes zurück. Wäre es notwendig, dem Konsumwachstum durch Askese zu begegnen? Ich gliedere nun meine Kritiken am Wirtschaftswachstum in zwei Ebenen der Fragestellung auf. Wirtschaftswachstum kann entweder für direkt physisch oder für primär moralisch gefährlich gehalten werden. Entweder, so meint man, zerstört es direkt unsere Lebensbasis, oder es zerstört die lebenserhaltende Tugend der Selbstbeherrschung“ [v. Weizsäcker a.a.O.]. Wohlgemerkt: Als von Weizsäcker diese Sätze formulierte, war weder von (ökonomischer) ’Globalisierung’ die Rede, noch war der – mittlerweile arg strapazierte und nicht immer im Sinne seiner ursprünglich intendierten Bedeutung angewandte – Jargon-Dauerbrenner ’Nachhaltigkeit’ in aller Munde [empfehlenswert dazu im Zusammenhang mit Stadtplanung Uhlig 1999]. Worum es also geht, ist eine Abkehr vom Wachstumsparadigma, aus der allerdings nicht ein Konzept der Schrumpfung hergeleitet wird, sondern eine Utopie des Einhaltens und Innehaltens, des Understatements und des Verzichts, der Bescheidenheit und Kontemplation zu entwerfen wäre. Der Wirtschafts- und Umweltsoziologe Joseph Huber hat schon in den 1990er Jahren hierfür den Begriff der „Suffizienz“ geprägt, um mit ihm eine Strategie der Selbstbegrenzung – im Sinne von Maß halten, Genügsamkeit und Bescheidenheit – in die Nachhaltigkeitsdiskussion einzuführen; es ist gar von einer „Suffizienz-Revolution“ die Rede [Huber 1994; Linz et al. 2002; vgl. auch weitere Internetquellen auf beiliegender DVD]. Und der Stadttheoretiker Vittorio Magnago Lampugnani hat dieser Utopie im Zusammenhang mit seinen kritischen Äußerungen über die „telematische Stadt“ Ausdruck verliehen, als er für die Städte der Zukunft eine „verhaltene Geschwindigkeit“ und den politischen Verantwortlichen dort einen Habitus der Bescheidenheit und großzügigen Zurückhaltung empfahl [Lampugnani 2002]. In seiner ‘Kulturgeschichte der Nachhaltigkeit‘ kommt der Publizist Ulrich Grober zu dem Schluss, dass der eigentliche Kern der Nachhaltigkeit auf Bescheidenheit ziele und darin bestehe „etwas nicht zu tun, obwohl man es tun könne“ [Grober 2010]. Auch Wissenschaft wird sich bescheiden müssen, notgedrungen vielleicht, wie uns der US-amerikanische Statistiker und Essayist Nassim N. Taleb zu verstehen gibt, wenn er eine Prognose zur Rolle der Wissenschaft für die kommenden 25 Jahre stellt: „Science will produce smaller and smaller gains (...); it will start focusing on what it cannot – and should not – do“ [The Economist „The World in 2011“]. Und selbst die frühen Ökonomen haben sich mit dem Thema des Einhaltens und Innehaltens beschäftigt, wie zum Beispiel John Stuart Mill, wohl einer der einflussreichsten Ökonomen und liberalen Denker des 19. Jahrhunderts (der übrigens als erster den Dystopie-Begriff verwendete). Als „prophetische Geistesblitze“ bezeichnet sein Biograph Richard Reeves Mill‘s Auslassungen in den „Prinzipien der Nationalökonomie“ aus dem Jahre 1848, in denen von den „Gefahren des wirtschaflichen Wachstums für die Umwelt“ die Rede ist und ein „‘gleichbleibender Zustand‘ der Wirtschaft, sobald einmal ausreichender Wohlstand gesichert“ ist, befürwortet wird [Reeves 2006]. Alle diese Überlegungen sind brennender und aktueller denn je. Was bedeuten sie nun für unsere Städte?
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Zweifellos stehen viele Städte vor dem ökonomischen (finanziellen) Kollaps, was einen Verzicht auf liebgewonnene Gewohnheiten nahezu erzwingt, wie z.B.: das gelegentlich mit manischen Zügen versehene Durchführen von Stadtevents, deren Folgekosten dann nicht in den Griff zu bekommen sind; die Realisierung von Hochhausprojekten, um die Stadt vom Image einer Provinzmetropole zu befreien, während zugleich eine Zerstörung des Stadtbilds in Kauf genommen wird (Beispiel München); das Planen von überdimensionierten Infrastrukturanlagen und Gebäudekomplexen, die den von der UNESCO verliehenen Titel eines Weltkulturerbes gefährden (Beispiele in Dresden oder Köln); die Schaffung von Shopping-Malls zwecks ‘Rettung der Stadt‘ – gern bezeichnet als ‘Einkaufsparadies‘, ein Begriff, dessen „Euphemismus des Marketing schon die Vertreibung ahnen läßt“ [Uhlig 1999]; die Errichtung von Freizeitparks, Erlebniswelten und gewaltigen Multifunktionshallen, die prognostizierbar keine dauerhafte Nachfrage induzieren können (Beispiele: Space-Park Bremen oder „Erlebniswelt Nürburgring“). Und schließlich sollte an dieser Stelle der Hinweis nicht fehlen, dass der bis vor kurzem regierende konservative Hamburger Senat in den frühen 2000er Jahren voller Hybris ein Leitbild der „wachsenden Stadt“ verfolgte [zur Utopie der wachsenden Stadt vgl. Altrock/Schubert (Hrsg.) 2004], während andere – wie beispielsweise Leipzig – bereits bescheidenere Wege einzuschlagen bereit waren. In jüngerer Zeit ist tatsächlich ein Umdenken festzustellen, wenn auch gepaart mit vorsichtigem Bedauern und im Sinne eines „Abschied von der verwöhnten Stadt“, so das Motto der Jahrestagung 2005 der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung. Noch geht dieses Umdenken nicht so weit, dass ein verändertes Verständnis der Stadtplanung in Sicht wäre und man dem Abschied von der wachstumsverwöhnten Stadt ein positives Image verleihen würde. Der US-amerikanische Stadtökonom Edward Glaeser blickt in seinem Buch „The Triumph of the City“ nicht nur auf die von urbanen Schrumpfungsprozessen arg betroffenen Städte Youngstown und Detroit in seinem eigenen Land, sondern mit ziemlicher Hochachtung auch auf Leipzig. Dort sieht er gar einen derart positiven Umgang mit Schrumpfung, um entsprechende Aktivitäten mit dem Etikett „Shrinking to Greatness“ auszustatten. Glaeser‘s Empfehlung: „Realism pushes toward small, sensible projects, not betting a city‘s future on a vast, expensive roll of the dice.“ [Glaeser 2011: 64ff, insbes. 66] Die ökologischen Probleme und globalen Klimarisiken verstärken allerdings den Trend zu einer wachstumsneutralisierenden Kreislaufwirtschaft und führen dazu, dass die Wiederverwendung von Ressourcen wie Flächen, Gebäude, Rohstoffe in die Strategie von Suffizienz und Prinzipien einer asketischen Kultur eingebettet werden. Der ‘ökologische Fußabdruck‘, wie zu Beginn in diesem Buch beschrieben, wird dazu ein wertvoller Indikator sein (vgl. Kap. 2, Abschnitt „Ökologische Stadtforschung“). Bei der Verwirklichung einer suffizienteren Lebensweise werden möglicherweise vermehrt auch Bemühungen, Landwirtschaft und landwirtschaftsähnliche Aktivitäten in urbanen Gebieten zu betreiben, in den Fokus geraten. ‘Urban beekeeping‘ beispielsweise ist ein Trend, der weltweit von Manhattan über Innenstadtgebiete von London – z.B. unter der Obhut von „The London Beekeepers Association“ – bis hin
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zu entsprechenden Aktivitäten in Berlin, Frankfurt und anderenorts stattfindet (wobei Bienen zugleich als Bioindikatoren einer sauberen Umwelt dienen können). Ebenso findet das Kleingartenwesen, in Deutschland immer schon stark ausgeprägt, zunehmend auch in anderen Ländern vor dem Hintergrund des wachsenden Bewußtseins um Klimawandel und Bemühungen um ‘self-sufficiency‘ Zuspruch. In Großbritannien stoßen ‘allotments‘, die mit dem „General Enclosure Act“ von 1845 und dem „Small Holdings and Allotments Act“ von 1908 eine traditionsreiche Vergangenheit aufweisen, in jüngerer Zeit wieder auf starkes Interesse. Vielleicht befördert durch einen prominenten Anlass, denn es gab in London heftigen Widerspruch im Zuge der Zerstörung der „Manor Garden Allotments“, um diese Fläche für das Areal der Olympischen Spiele 2012 zu nutzen; eine Wiederherstellung nach den Spielen wurde durch Regierungsverantwortliche zugesagt [Internet www.lifeisland.org]. Eine ganz andere Art der ‘urban agriculture‘ wäre übrigens, Landwirtschaft in eigens dafür gebauten Hochhäusern – ‘vertical farming‘ – zu betreiben, wie es in Nordamerika oder in den dicht bebauten Niederlanden sehr konkret überlegt wird. Schließlich werden auch die schon mehrfach angesprochenen demographischen Veränderungen, neben der Stadtökonomie vielleicht der gewichtigste Parameter für das Wachsen oder Schrumpfen von Städten, ein Innehalten erzwingen, sei es, dass schrumpfenden Orten nicht mehr wie bisher das Blaue vom Himmel versprochen wird, oder sei es, dass wachsenden Städten, wo es sie gibt, die ökologischen und sozialen Risiken vor Augen geführt werden. Städtebaulich betrachtet bedeutet die sich derzeit abzeichnende Entwicklung aber auch, dass Stadtplanung nicht mehr alle „voraussehbaren Bedürfnisse“ voll erfüllen kann, so wie dies im deutschen Planungsrecht – im Baugesetzbuch – verankert ist. Entsprechendes gilt für die – ins deutsche Grundgesetz geschriebene – räumliche Umsetzung von gleichwertigen Lebensbedingungen, die ja doch vornehmlich auf Bereitstellung von Infrastruktureinrichtungen zielt(e). In einem Interview mit dem Titel „Was wird?“ wurde der Soziologe Ulrich Beck – „Die Risikogesellschaft“ (1986) – gefragt, ob wir uns auf eine Utopie des Weniger einlassen müssten, worauf er eine kurze Antwort gab: „Über die Gesellschaft des Weniger hat kaum jemand nachgedacht. Da muss auch die Soziologie passen.“ [DIE ZEIT v. 07.08.2003] Desgleichen gilt für Ökonomen – und natürlich für die Stadtplanung, die sich seit ihrem Entstehen als Disziplin aufgrund der räumlichen Erfordernisse der Industriegesellschaft noch nie mit Bescheidenheit, Selbstbeschränkung und Suffizienz als Planungsmaximen beschäftigen musste. Die ‘asketische Stadt‘ – vieles deutet darauf hin, dass sich die Stadtplanung in der Wissensgesellschaft einer neuen Aufgabe wird stellen müssen.
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Literatur und Internetquellen
Die nachfolgende Literaturzusammenstellung hat im Wesentlichen die traditionellen Printmedien zur Grundlage. Bei Internetquellen ist die diesem Buch beiliegende DVD heranzuziehen, auf der sich eine Zusammenstellung aller im Buch verwendeten Internetquellen befindet. Das Auffinden der jeweiligen Internetadresse erfolgt entweder kapitelweise anhand der nach Sachstichworten geordneten Systematik oder über die Suchfunktion des vom Leser verwendeten Browsers.
Die 11 wichtigsten Buchempfehlungen: Die nachfolgenden Buchempfehlungen sollen Hinweise auf wichtige ergänzende oder weiterführende Literatur geben. Bei der Auswahl waren inhaltliche Originalität und Themen mit Potential für neue Diskussionsanstöße das leitende Motiv. •
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Gerd Albers‘ und Julian Wékel‘s „Illustrierte Einführung in die Stadtplanung“ (2008) gehört zu den wenigen deutschen Publikationen mit dem Anspruch eines breit angelegten Überblicks und sehr guten Farbillustrationen. Peter Hall‘s „Cities of Tomorrow“ (1988), das wegen des ausgezeichneten Überblicks über Stadtplanung im 20. Jahrhundert ein Schlüsselwerk für die Stadtplanung darstellt. Dieter Frick‘s „Theorie des Städtebaus“ (2006) ist zweifelsohne eine der wichtigsten deutschsprachigen Publikationen in Sachen Theorie. Matthew E. Kahn‘s „Climatopolis“ (2010) ist ein Muss in der Diskussion um Klimafolgen und deren urbane Konsequenzen. Thomas Sieverts‘ „Zwischenstadt“ (1997) wegen der Weitsicht und des kritischen Realismus, die in diesem Essay zur Zukunft der Stadt- und Raumplanung zum Ausdruck gebracht werden. Kevin Lynch‘s und Gary Hack‘s „Site Planning“ (1984/2000) als Klassiker zu den Methoden der Stadt- und Ortsplanung. Fritz Schumacher‘s „Geist der Baukunst“ (1938) als klassisches Werk zur Baukunst mit philosophischer und methodischer Durchdringung des Themas, geschrieben von einer Schlüsselperson der deutschen Stadtplanung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Robert Cowan‘s „Dictionary of Urbanism“ (2005) mit allen wichtigen Stichworten und Bedeutungserklärungen urbanistischer Begriffe inklusive solcher von deutscher Herkunft. Paul N. Edwards‘ „Vast Machine“ (2010) ist mit Nachdruck empfohlen aufgrund
B. Streich, Stadtplanung in der Wissensgesellschaft, DOI 10.1007/978-3-531-93164-7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Literatur und Internetquellen
der hervorragenden Aufbereitung und Kombination der Themenkomplexe Klimatologie, Wissensgesellschaft, Datenmodellierung und Simulation – auch mit diversen Bezügen zur Stadtplanung. Edward Glaeser‘s „Triumph of the City“ (2011), worin aus stadtökonomischer Perspektive ein optimistisches Bild des Urbanen als größte Erfindung der Menschheit gezeichnet wird. Ruth Eaton‘s Buch „Die ideale Stadt – Von der Antike bis zur Gegenwart“ (2001) wegen der ausgezeichneten Bebilderung, des hervorragenden Textes und des insgesamt sehr guten stadtbaugeschichtlichen Überblicks.
Die 6 wichtigsten Internetempfehlungen (Portale zu weiteren Links): • • • • • •
www.urban-is.de (enthält alle im Buchtext verwendeten Internetquellen) www.gdrc.org www.casa.ucl.ac.uk www.cyburbia.org www.lib.berkeley.edu/ENVI/histplan.html www.dr-frank-schroeter.de
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Quellennachweis zu den Abbildungen
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Quellennachweis zu den Abbildungen
Das Quellenverzeichnis zu den Abbildungen enthält die dem Autor bekannten Quellen und Namen der Urheberberechtigten der verwendeten Abbildungen. Der Autor bittet alle diejenigen um Entschuldigung, die sich trotz Nachforschungs- und Verifikationsbemühungen nicht angemessen berücksichtigt fühlen sollten. Bei den hier nicht aufgeführten Abbildungen handelt es sich um eigene Darstellungen des Autors.
Abb. 1.4: eigene Darstellung – Herkunft der verwendeten Einzelabbildungen vgl. laufenden Text; Abb. 1.6: dito; Abb. 1.10: eigene Darstellung nach Vorlage Golany 1995; Abb. 1.12: eigene Darstellung nach Vorlage Udy 1991 und Übersetzung durch den Verfasser. Abb. 2.1: Screenshot aus Internet Allmendinger 2002 (www.sagepub.co.uk) nach Yiftachel 1989; Abb. 2.6: eigene Darstellung unter Hinzuziehung von www.agrar.hu-berlin.de/wisola/... und userpage.fu-berlin.de/~bressler/...; Abb. 2.7: eigene Darstellung in Anlehnung an Hofmeister 1972; Abb. 2.8: eigene Darstellung in Anlehnung an Herbert/Thomas 1997 sowie Tank 1987; Abb. 2.12: eigene Darstellung – Herkunft des Inhalts vgl. laufenden Text. Abb. 3.3: eigene Darstellung in Anlehnung an Stüer 2001; Abb. 3.6: Screenshot aus Internetauftritt der Stadt Esslingen (www.mediakomm.esslingen.de); Abb. 3.7: BMVBS/BBR 2006; Abb. 3.9: Laurini 2001 – Hochzeichnung durch den Verfasser; Abb. 3.10: eigene Darstellung nach Vorlage Laurini 2001 und Übersetzung durch den Verfasser; Abb. 3.11: eigene Darstellung in Anlehnung an Lanz 1996; Abb. 3.13: Schildwächter aus Diplomarbeit im Fachgebiet des Verfassers 1996; Abb. 3.14: Screenshot aus Internet www.frankfurt-gestalten.de. Abb. 4.1: Scan aus Perspectiva Practica (oberer Abbildungsteil) sowie Screenshot aus Internet (www.cyberus.ca); Abb. 4.3: Club of Rome 1972 – Hochzeichnung durch den Verfasser; Abb. 4.4: eigene Darstellung in modifizierter Anlehnung an Opp 1970; Abb. 4.5: Scan aus Harth 2006; Abb. 4.8: Screenshot aus Internet Hargrove/Levine 1996; Abb. 4.10: Screenshot aus Internet www.mobility-online.de; Abb. 4.12: eigene Darstellung in Anlehnung an Meise/ Volwahsen 1980; Abb. 4.14: Scan aus Batty 1998; Abb. 4.15: Batelle Institut 1973 – Hochzeichnung durch den Verfasser; Abb. 4.17: eigene Darstellung in Anlehnung an Kurbel 1989; Abb. 4.19: eigene Darstellung in Anlehnung an Laurini 2001 und Thompson 1992; Abb. 4.20: Screenshot aus Internet www.kartoo.com; Abb. 4.28: eigene Darstellungen in Anlehnung an Internet ifgivor.uni-muenster.de sowie resources.esri.com. Abb. 5.1: eigene Darstellung in Anlehnung an Borchard 1974; Abb. 5.3: Scan aus Becker et al. 2003; Abb. 5.5 Hagedorn/Wolf aus Diplomarbeit im Fachgebiet des Verfassers 2000; Abb.
B. Streich, Stadtplanung in der Wissensgesellschaft, DOI 10.1007/978-3-531-93164-7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Quellennachweis zu den Abbildungen
5.6: Scan aus Alexander et al. 1977; Abb. 5.10: Landesarchiv Berlin; Abb. 5.14: eigene Darstellung in Anlehnung an Internet www.geoinformatik.uni-rostock.de; Abb. 5.18: Landeshauptstadt München – Scan eines dem Verfasser überlassenen Kartenausdrucks aus dem Jahre 1991; Abb. 5.19: eigene Darstellung – genaue Herkunft nicht eruierbar; Abb. 5.21: eigene Darstellung in Anlehnung an Kaiser/Godschalk/Chapin 1995; Abb. 5.23: eigene Darstellung – inhaltlich aus Borchard 1974; Abb. 5.24: Collage durch den Verfasser nach ISOCARP Kongressankündigung 2001; Abb. 5.25: Screenshots Internet www.stadtklima.de/ stuttgart; Abb. 5.26: Scan aus Howard 1898; Abb. 5.27: Scan aus Perry 1929; Abb. 5.28: Scan aus Kainrath 1997; Abb. 5.29: Scan aus Fischer 1977 sowie Berlin Stadtentwicklung 1996; Abb. 5.30: Scan aus Reichow 1959; Abb. 5.31: Scan aus Berlin FNP 94; Abb. 5.32: Scan aus Prinz 1993; Abb. 5.33: Scan aus Alexander 1964; Abb. 5.36: Kaiser/Godschalk/ Chapin 1995 – Hochzeichnung durch den Verfasser. Abb. 6.1: eigene Darstellung in Anlehnung an Krause 1974; Abb. 6.2: eigene Darstellung – inhaltlich aus Gosztonyi 1976; Abb. 6.4: Screenshot aus Internet Hoinkes (www.clr.utoronto.ca); Abb. 6.5: Scan aus Krause 1974; Abb. 6.6: Scan aus Gruber 1952/1976; Abb. 6.7: Scan aus Lynch/Hack 1984/2000 und Cullen 1961/1991 – Bildarrangement durch den Verfasser; Abb. 6.8: Scan aus Lynch 1965; Abb. 6.9: Scan aus Spengelin 1980; Abb. 6.10: eigene Darstellung – inhaltlich nach Schirmacher 1978; Abb. 6.11: Screenshot aus Internet www.bauwesen.uni-dortmund.de; Abb. 6.14: Markelin/Fahle 1978 – Zurverfügungstellung von Bob Martens, TU Wien – sowie zwei eigene Darstellungen des Verfassers; Abb. 6.15: Screenshot aus Internet www.digitalelectronic.de; Abb. 6.17: eigene Darstellung – inhaltlich nach Humpert 1997; Abb. 6.18: Scan aus EAE 1985/1995; Abb. 6.19: Scan aus Oechslin 1982; Abb. 6.20: Scan aus Coyne et al. 1990; Abb. 6.21: Scan aus Krause 1974; Abb. 6.23: Screenshot aus CD der HANSEATICA Immobilien Hamburg 2001; Abb. 6.24: eigene Darstellung in Anlehnung an Mitchell 1990; Abb. 6.26: Screenshot aus Internet www.stadtentwicklung.berlin.de (Entwurf von A. Duany); Abb. 6.27: Scan aus Schmidt 1990; Abb. 6.28: Scan aus Hartmann 1980. Abb. 7.3: Schmidt-Eichstaedt 1998 – Hochzeichnung durch den Verfasser; Abb. 7.4: Screenshot aus Internetauftritten des Planungsverbandes Ballungsraum Frankfurt a.M. und der Stadt Bamberg; Abb. 7.5: Screenshot aus Internetauftritt des Umlandverbands Frankfurt, jetzt Planungsverbandes Ballungsraum Frankfurt a.M.; Abb. 7.6: Screenshot aus dem Internetauftritt der Landeshauptstadt Mainz 2003; Abb. 7.14: Diplomarbeit Anja Kaiser / Natalie Scheck im Fachgebiet des Verfassers 1998; Abb. 7.15: Schildwächter aus Diplomarbeit im Fachgebiet des Verfassers 1996; Abb. 7.18: eigene Darstellung – nach Gassner 1993; Abb. 7.19: eigene Darstellung in Anlehnung an Publikation des Landes Baden-Württemberg. Abb. 8.1: Screenshot Internet Landesbildstelle Hamburg und Scan Faulwasser 1892; Abb. 8.3: Scan aus Beseler 1976; Abb. 8.4: Screenshot aus Internet walkthroughtime.co.uk; Abb. 8.7: eigene Darstellung in Anlehnung an Internetauftritt der Stadt Zwickau (www.zwickau.de); Abb. 8.9: Screenshot aus Internetauftritt des Landes Berlin; Abb. 8.10: eigene Darstellung in Anlehnung an Born 1977. Abb. 9.1: Scan aus Herbert/Thomas 1997; Abb. 9.2: UVF 1997 – Hochzeichnung durch den
Quellennachweis zu den Abbildungen
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Verfasser; Abb. 9.3: Lipps/Betz 2003 – Hochzeichnung durch den Verfasser; Abb. 9.5: eigene Darstellung in Anlehnung an Difu-Berichte 1/2004; Abb. 9.6: Screenshot aus dem Internetauftritt der Stadt Regensburg; Abb. 9.7: Scans aus Batelle Institut 1973, Abb. 9.8: Scans aus Popp et al. 1973; Abb. 9.9: Screenshot des Internetauftritts der Stadt Pittsburgh; Abb. 9.10: eigene Darstellung – oberer Bildteil entnommen aus Diplomarbeit Hagedorn/Wolf im Fachgebiet des Verfassers 2000; Abb. 9.12: Scan/Screenshot aus IPCC 2001; Abb. 9.13: Scan aus Herbert/Thomas 1997 sowie Screenshot aus Internet www.unhabitat.org; Abb. 9.14: Screenshot aus www.leipzig2030.de; Abb. 9.15: Müller/Siedentop 2004 – Hochzeichnung durch den Verfasser; Abb. 9.16: Scans aus Sieverts 1997; Abb. 9.17: Screenshot aus Internetauftritt der Landeshauptstadt München. Abb. 10.1: Scan aus Herbert/Thomas 1997; Abb. 10.2: Screenshots aus Internet www. grandlyon.com; Abb. 10.3: Screenshots aus Internetauftritt von „Eurodistrict Saarmoselle“; Abb. 10.4: Internetauftritt der Stadt Ashford (www.ashford.gov.uk); Abb. 10.5: Screenshot aus Internet www.cheshirewestandchester.gov.uk; Abb. 10.6: Screenshot aus Internet www. casa.ucl.ac.uk; Abb. 10.7: Scans aus CSRP 1997; Abb. 10.8: Screenshot aus Internet www.dro.amsterdam.nl; Abb. 10.9: Screenshot aus Internet www.digital-bestemmingsplan.nl; Abb. 10.10: Screenshot aus Internet www.kalmar.se; Abb. 10.11: Scan aus Benevolo 1975/ 1982 (Luftaufnahme zum ’national grid’ der USA trotz Kontaktaufnahme zur Kongressbibliothek in Washington D. C. nicht eruierbar); Abb. 10.13: Screenshot aus Internet www.nyc.gov; Abb. 10.14: Screenshot von CD Kahn et al. 2001; Abb. 10.15: Screenshot von CD Kahn et al. 2001; Abb. 10.17: Dae-Wuk Kim auf der Grundlage seiner vom Verfasser betreuten Doktorarbeit 2005; Abb. 10.17: dito. Abb. 11.1: Scan aus Eaton 2001; Abb. 11.3: Scan bereitgestellt durch die Bibliothek des Technions in Haifa im Rahmen eines Forschungsaufenthalts des Verfassers aus unbekannter Buchquelle; Abb. 11.4: Scan aus Benevolo 1975/1982; Abb. 11.5: Scan aus Benevolo 1975/ 1982; Abb. 11.6: Scans aus dem von Thulin hrsg. Agrimensorencodex sowie aus Vercelloni 1994; Abb. 11.7: Scan aus Vercelloni 1994; Abb. 11.8; Scans aus Vercelloni 1994 sowie Einsele/Kilian 1997; Abb. 11.9: Screenshot aus Internet www.boston.com (Grundriss Boston; Boston Public Library) sowie Scan aus Vercelloni 1994; Abb. 11.10: Scans aus Vercelloni 1994; Abb. 11.11: eigene Darstellung in Anlehnung nach McLeod (www3.sympatico/david. macleod); Abb. 11.12: eigene Darstellung sowie Scan aus ZEIT Magazin.