Hartmut Laufer
30 Minuten für mehr
Mitarbeitervertrauen
30-Minuten-Reihe
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Umschlag und Layout: die imprimatur, Hainburg Lektorat: Diethild Bansleben, Hanau Satz: Zerosoft, Timisoara (Rumänien) Druck und Verarbeitung: Salzland Druck, Staßfurt
© 2007 GABAL Verlag GmbH, Offenbach
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.
Hinweis: Das Buch ist sorgfältig erarbeitet worden. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder Autor noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gemachten Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.
Printed in Germany
ISBN: 978-3-89749-719-1
92
In 30 Minuten wissen Sie mehr! Dieses Buch ist so konzipiert, dass Sie in kurzer Zeit prägnante und fundierte Informationen aufnehmen können. Mithilfe eines Leitsystems werden Sie durch das Buch geführt. Es erlaubt Ihnen, innerhalb Ihres persönlichen Zeitkontingents (von 10 bis 30 Minuten) das Wesentliche zu erfassen.
Kurze Lesezeit In 30 Minuten können Sie das ganze Buch lesen. Wenn Sie weniger Zeit haben, lesen Sie gezielt nur die Stellen, die für Sie wichtige Informationen beinhalten.
Alle wichtigen Informationen sind blau gedruckt.
Schlüsselfragen mit Seitenverweisen zu Beginn eines jeden Kapitels erlauben eine schnelle Orientierung: Sie blättern direkt auf die Seite, die Ihre Wissenslücke schließt.
Zahlreiche Zusammenfassungen innerhalb der Kapitel erlauben das schnelle Querlesen. Sie sind blau gedruckt und zusätzlich durch ein Uhrsymbol gekennzeichnet, sodass sie leicht zu finden sind.
Ein Register erleichtert das Nachschlagen.
39
Inhalt
94
Vorwort
6
1. Warum Menschen vertrauen Notwendigkeit von Vertrauen in Gemeinschaften Arten und Ausprägungen von Vertrauen Die Grenze zwischen Vertrauen und Manipulation Die Ausgewogenheit von Vertrauen und Misstrauen
8 9 11 14 17
2. Vertrauen in der Mitarbeiterführung Vertrauen als Basis erfolgreicher Führung Vertrauenswirklichkeit in Unternehmen Angst als Führungsinstrument Vertrauensvoller Führungsstil
20 21 27 28 33
3. Methoden für den Vertrauensaufbau Der Prozess der Vertrauensbildung Vertrauen schaffende Führungsgrundsätze Sicherheit und Vertrauen durch Information Partnerschaftliches Zielmanagement Verantwortungsdelegation als Vertrauensbeweis
36 37 40 43 46 53
58 59 60 63 66
5. Aufbauende Mitarbeiterkritik Ziele einer konstruktiven Mitarbeiterkritik Führen zweckdienlicher Kritikgespräche Struktur eines zielbewussten Kritikgesprächs
70 71 72 74
Literaturhinweise
78
Register
79
Inhaltsverzeichnis
4. Wertschätzende Mitarbeiterkontrolle Kontrolle als Führungsinstrument Emotionale Risiken von Kontrolle Grundregeln motivierenden Kontrollierens Von Vertrauen getragene Fehlerkultur
59
Vorwort Früher konnten sich Vorgesetzte dank ihrer Machtposition sowie ihres Wissensvorsprungs auf das strikte Anordnen und genaue Kontrollieren von Arbeitsaufgaben beschränken. Die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte haben jedoch dazu geführt, dass Führungskräfte heute vor weit höhere Anforderungen gestellt sind. Als Hauptursachen hierfür sind zu nennen: Geringerer Stellenwert von Arbeit im Vergleich zu Freizeit, Familie und Hobby in der Werteskala der heutigen Gesellschaft Geändertes Selbstverständnis und damit gewachsenes Selbstbewusstsein der Mitarbeiter Komplexere und einem schnelleren Wandel unterworfene Arbeitsaufgaben, sodass Vorgesetzte nicht mehr alle Details ihres Verantwortungsbereichs beherrschen können Rationalisierungsbedingte größere Führungsbereiche, d. h. größere Gruppen zu führender Mitarbeiter Die Konsequenzen dieser Führungshandicaps sind, dass Führungskräfte heute mehr denn je auf den guten Willen und die Verantwortungsbereitschaft sowie das spezialisiertere Fachwissen ihrer Mitarbeiter angewiesen sind. Das hierfür erforderliche Klima kann sich nur auf einer tragfähigen Vertrauensbasis entwickeln. Dem entgegen steht aber, dass die größeren Führungsbereiche eine Anonymisierung der Führung mit sich bringen. Das erschwert das Entwickeln dauerhafter Vertrauensbeziehungen. Hinzu kommt, dass die Arbeitnehmer durch häufige Firmenzusammenschlüsse,
96
Vorwort
Outsourcing oder durch zum Teil drastische interne Umorganisationen verunsichert werden. Das Vertrauen in die Unternehmen und deren Führung schwindet. Entwickelt sich hingegen ein Klima gegenseitigen Vertrauens, kann man es riskieren, seine Mitarbeiter weitgehend selbstständig arbeiten zu lassen. Wenn man sich nicht mehr um alles selbst kümmern muss, kann man sich wichtigeren, erfolgswirksameren Führungsaufgaben widmen. Dann werden die Mitarbeiter selbst in Krisensituationen bei der Stange bleiben. Als Vorgesetzter kann man sich dann auch einmal eine Fehlentscheidung oder gelegentliche schlechte Laune leisten, ohne dass die Mitarbeiter das ausnutzen oder einem die Gefolgschaft aufkündigen. Mitarbeitervertrauen ist aber keine Selbstverständlichkeit. Auch kann man es nicht anordnen - man muss es sich erwerben!
Der Autor Kontaktmöglichkeiten: Dipl.-Ing. Hartmut Laufer MENSOR Institut für Managemententwicklung und systemische Organisationsberatung GmbH Postfach 30 36 30, 10727 Berlin Tel.: (0 30) 2 62 96 40, Fax: (0 30) 2 62 59 77 E-Mail:
[email protected] Website: www.mensor.de
79
1. Warum Menschen vertrauen
Warum ist Vertrauen in menschlichen Gesellschaften unverzichtbar? Seite 9 Was ist überhaupt unter dem Begriff „Vertrauen“ zu verstehen? Seite 11 Ist Vertrauen nicht eine Art der Manipulation? Seite 14 Ist Misstrauen generell abzulehnen? Seite 17
1.1
Vertrauen bringt Harmonie
Menschliche Gemeinschaften bilden sich, um gemeinsam bestimmte Ziele zu verfolgen oder Erreichtes zu schützen und zu bewahren. Das gilt für ganze Völkergemeinschaften ebenso wie für Wirtschaftsunternehmen, Fußballvereine oder Wohngemeinschaften.
Notwendigkeit von Vertrauen in Gemeinschaften
1.1.1 Gegenseitiger Nutzen Nur wenn zwischen den Beteiligten ein ausgewogenes Geben und Nehmen herrscht, funktionieren solche Zweckgemeinschaften. Wenn ein Gemeinschaftsmitglied das Gefühl hat, keinen angemessenen Nutzen zu empfangen, wird es seine Leistungen reduzieren oder sich von der Gemeinschaft gänzlich verabschieden. Gegenseitiges Vertrauen ist eine zwingende Voraussetzung für die Harmonie innerhalb jeder menschlichen Gesellschaft. Demzufolge auch für die reibungslose Zusammenarbeit in einem Unternehmen. Das wiederum ist eine Bedingung für den Unternehmenserfolg. Dieses so wichtige gegenseitige Vertrauen ist jedoch keine Selbstverständlichkeit! Aufgrund einer ererbten „Urangst“ vor Unbekanntem sowie gemachter schlechter Lebenserfahrungen neigen wir dazu, uns fremden Menschen gegenüber eher misstrauisch zu verhalten. Obwohl wir selbst ein Bedürfnis nach Vertrauen haben, schenken wir es anderen nicht ohne weiteres.
9
1
1. Warum Menschen vertrauen
Jeder, der etwas zu einem gemeinsamen Vorhaben beiträgt, will darauf vertrauen können, dass sich auch die anderen engagiert einbringen und er für sich selbst einen angemessenen Nutzen erzielt. 1.1.2 Wann und warum wir vertrauen Normalerweise vertrauen wir erst dann, wenn uns etwas nicht mehr unbekannt ist und wir damit keine schlechten Erfahrungen gemacht haben. Das kann eine Person sein, mit der wir wiederholt Umgang hatten, oder eine bestimmte Situation, die wir so oder so ähnlich schon einmal erlebt haben. Vertrauen in diesem engeren Sinn ist also nicht von vornherein gegeben, sondern entsteht erst durch Bestätigung eigener Erwartungen oder Hoffnungen. Je häufiger die Bestätigung, desto stärker und vorbehaltloser wird das Vertrauen. Wollen Sie in einer neuen personellen Konstellation ein Vertrauensverhältnis aufbauen oder von einem anderen überhaupt erst einmal eine erste Vertrauensbestätigung bekommen, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als sich auch ohne jegliche Erfahrung zunächst ein Stück weit auf das Geschehen einzulassen. Dieser erste, risikobehaftete Schritt ist ein Akt unbegründeten Vertrauens – gewissermaßen ein Vertrauen auf Probe. So betrachtet entsteht Vertrauen nicht nur durch bestätigte Erwartungen, sondern erfordert ein gewisses Potenzial an Mut sowie Grundvertrauen in das Leben. Meistens versuchen wir, dieses Anfangsrisiko zu minimieren, indem wir uns an Vergleichbarem orientieren.
10
Erfahrung gibt Vertrauen
Wie zum Beispiel an Erfahrungen aus ähnlichen Begebenheiten, allgemeingültigen Regelungen oder abgesichertem Fachwissen, Ratschlägen oder Empfehlungen anderer. Vertrauen bedeutet, es als eher unwahrscheinlich einzuschätzen, benachteiligt oder getäuscht zu werden.
1.2
Arten und Ausprägungen von Vertrauen
Das Wort „Vertrauen“ ist ein vieldeutiger Begriff und je nachdem, worauf man ihn bezieht, sind darunter unterschiedliche Arten zu verstehen: Urvertrauen
spezifisches Vertrauen
unspezifisches Vertrauen Die Arten von Vertrauen
strategisches Vertrauen
blindes Vertrauen
1.2.1 Urvertrauen Bereits unmittelbar nach unserer Geburt machen wir unsere ersten Erfahrungen mit Vertrauen. So beginnen wir darauf zu vertrauen, dass es Menschen gibt, die
11
1
1. Warum Menschen vertrauen
unser Überleben sichern, dass unsere Eltern für Nahrung sorgen und uns vor Gefahren schützen. Wir lernen bald, uns darauf zu verlassen, dass nach der Nacht ein Tag und nach dem Winter ein Frühling folgt. Dieses natürlich gewachsene Vertrauen nannte der Psychologe Erik H. Eriksen das „Urvertrauen“, nämlich das Vertrauen in die Beständigkeit der Welt. Wir vertrauen immer wieder darauf, dass Eisenbahnen halbwegs pünktlich verkehren, nicht von Brücken stürzen und es auch morgen wieder die Zeitung und frische Brötchen geben wird. Es ist für uns selbstverständlich, dass menschliche Gesellschaften funktionieren, indem sich alle auf andere verlassen. Wir akzeptieren es, auf die Leistungen vieler anderer angewiesen zu sein. Letztlich bleibt uns auch nichts anderes übrig, wenn wir ohne permanente Existenzängste durchs Leben gehen und unsere Bedürfnisse auf bequeme Weise befriedigen wollen. Das Urvertrauen ist vermutlich der Grund dafür, warum wir trotz mancher Enttäuschungen letztlich doch immer wieder vertrauen. 1.2.2 Spezifisches Vertrauen Anders als das diffuse Urvertrauen ist ein auf bestimmte Bereiche begrenztes Vertrauen geartet. Die Bereiche können durch gesellschaftliche Regelungen, typische Lebensumstände oder bestimmte Personenmerkmale wie Fachkompetenz, besondere Machtbefugnisse oder Charaktereigenschaften definiert sein. Wenn wir in einem speziellen Zusammenhang gute Erfahrungen gesammelt haben, dann werden wir fremden Menschen oder Situationen, die ähnliche Merkmale aufweisen, zumindest auf diesen Bereich bezogen vertrauen.
12
Formen des Vertrauens
Selbst einem zuverlässigen guten Freund werden wir normalerweise nicht grenzenlos vertrauen. Auch wenn er ein noch so geschickter Maler ist, werden wir ihm nicht das Einrichten unseres neuen Computers oder das Ausfüllen unserer Steuererklärung anvertrauen. Wenn wir jemandem in einer bestimmten Situation unser volles Vertrauen schenken, muss das nicht ausschließen, dass wir ihm in einem anderen Zusammenhang nicht über den Weg trauen. Unser Vertrauen im Umgang mit anderen wird mehr oder weniger unbewusst nahezu immer in diesem Sinn begrenzt sein. 1.2.3 Unspezifisches Vertrauen Unspezifisches Vertrauen hingegen kann durch die große Liebe, eine enge familiäre Bindung oder eine kampferprobte Kameradschaft entstehen. Sie kann auch aus der grenzenlosen Bewunderung für eine überzeugende Persönlichkeit herrühren. Unspezifisches Vertrauen erwächst nicht aus konkreten Erfahrungen, sondern beruht vor allem auf einer besonders starken gefühlsmäßigen Beziehung. 1.2.4 Strategisches Vertrauen Im Gegensatz zum idealisierenden Vertrauensbegriff steht das zielbewusst eingesetzte strategische Vertrauen. Damit ist gemeint, dass Sie einem anderen auch ohne besondere Vorbedingungen bewusst Vertrauen entgegenbringen, um auch ihn zu einem vertrauensvollen Verhalten zu ermutigen. Sie appellieren an sein Gewissen
13
1
1. Warum Menschen vertrauen
und seine Anständigkeit und spekulieren darauf, dass er sich mit Vertrauen revanchiert. Sie rechnen damit, dass sich der eigene Vertrauensvorschuss auszahlt und Sie ihn als Partner gewinnen. Nüchtern betrachtet ist dieser berechnende Vertrauensvorschuss eine Manipulation, wobei die Grenze zur negativen Manipulation fließend ist: Strategisches Vertrauen wird manchmal zur Täuschung missbraucht, um andere bewusst zur Leichtgläubigkeit und damit Leichtfertigkeit zu verleiten. In wohlmeinender Absicht eingesetzt, kann strategisches Vertrauen durchaus ein legitimes Mittel sein, um zu einer für beide Seiten nützlichen Kooperation zu gelangen. 1.2.5 Blindes Vertrauen Blindes Vertrauen ist eine sorglose Gutgläubigkeit, die mitunter auch auf Gedankenlosigkeit, Leichtfertigkeit oder Bequemlichkeit beruht. Es blendet jegliches Misstrauen und damit jede Vorsicht aus. Blindes Vertrauen kann leicht zu Enttäuschungen und Konflikten führen.
1.3
Die Grenze zwischen Vertrauen und Manipulation
1.3.1 Rationale und emotionale Elemente von Vertrauen Das sogenannte „strategische Vertrauen“ wurde bereits genannt. Es bedeutet, der Vertrauensgeber bewusst ab, ob er mit seinem Vertrauensvorschuss das Risiko ein-
14
Vertrauen ist beeinflussbar
geht, durch den anderen Schaden zu erleiden, oder ob er als Gegenleistung einen Gewinn für sich erwarten kann. Dieser Vertrauenseinsatz wird auch als „kalkulatorisches Vertrauen“ bezeichnet. In der Literatur wird diese Art des Vertrauens vielfach heftig kritisiert und teilweise sogar so argumentiert, der Begriff „Vertrauen“ dürfe auf ein derartiges Verhalten überhaupt nicht angewendet werden. Vertrauen sei der Ausdruck einer rein emotionalen Beziehungsqualität. Es beruhe vor allem auf einem Gefühl der Verbundenheit. Ohne diesen Definitionsstreit aufgreifen zu wollen, darf aber wohl gesagt werden, dass auch Gefühle und gefühlsmäßige Beziehungen nicht unbegründet sind. Sie haben ihren Ursprung in erster Linie in Erfahrungen oder in der Art der persönlichen Wahrnehmung von Ereignissen. 1.3.2 Wechselseitige Einflussnahme Wie auch immer, eine Vertrauensbeziehung ist mit einer wechselseitigen Einflussnahme auf das Handeln des anderen verbunden. Indem Sie das entgegengebrachte Vertrauen akzeptieren, fühlen Sie sich verpflichtet, es zu rechtfertigen. Das ist ein Vertrauensmechanismus, den wir aus Erfahrung kennen und in unserem Unterbewusstsein gespeichert haben. Sicher ist niemand frei davon, Vertrauen manchmal auch zielgerichtet einzusetzen – also zur Manipulation anderer. 1.3.3 Missverständlicher Manipulations-Begriff Zudem ist „Manipulation“ ein zu Unrecht negativ besetzter Begriff. Er stammt ab vom lateinischen Wort
15
1
1. Warum Menschen vertrauen
manus = Hand. „Manipulieren“ heißt somit schlicht und einfach „handhaben“ oder sinngemäß „Einfluss nehmen“. (Wenn wir etwas mit unseren Händen herstellen, machen wir es „manuell“.) Es ist also ein von seinem Ursprung her wertfreier Begriff. Er hat den negativen Beigeschmack nur deshalb bekommen, weil er heutzutage überwiegend im Sinn einer schädigenden Einflussnahme gebraucht wird. Wir sprechen vom Manipulieren vor allem dann, wenn jemand auf eine Person oder einen Vorgang mit der Absicht einwirkt, sich auf seine Kosten einen einseitigen Vorteil zu verschaffen oder jemandem vorsätzlichen einen Schaden zuzufügen. Ein strategisch eingesetztes Vertrauen kann aber auch etwas Positives sein, nämlich dann, wenn es den Interessen beider Seiten dient. Der bewusst eingesetzte Vertrauensvorschuss einer Führungskraft, um ein leistungssteigerndes Vertrauensverhältnis zu seinen Mitarbeitern aufzubauen, soll natürlich in erster Linie den Unternehmenserfolg sichern und auch dem persönlichen Führungserfolg dienen. Gleichzeitig aber bewillt er damit etwas für die Mitarbeiterzufriedenheit und das harmonische Zusammenarbeiten. Wird die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter durch ein vertrauensvolles Arbeitsklima verbessert, erhöht sich der Unternehmensgewinn. Dadurch werden andererseits auch Lohnerhöhungen oder verbesserte Aufstiegschancen für die Mitarbeiter ermöglicht. Sofern eine Manipulation auch dem Manipulierten nützt, ist sie nichts Verwerfliches, sondern ein Beitrag zum harmonischen Zusammenleben.
16
Die Ausgewogenheit von Vertrauen und Misstrauen
1.4.1 Auswirkungen fehlenden Vertrauens Mangelndes Vertrauen kann nur durch bis ins letzte Detail geregelte Vorbedingungen und eine lückenlose Kontrolle ersetzt werden. Ein solches Zusammenwirken ist völlig auf die Sachebene reduziert und missachtet fundamentale emotionale Bedürfnisse. Persönliche Wertschätzung, gesellschaftliche Geborgenheit und zwischenmenschliche Harmonie bleiben auf der Strecke. Auf Dauer entwickelt sich kein echtes Partnerschaftsgefühl. Spätestens dann, wenn Schwierigkeiten auftreten, erweist sich die Brüchigkeit derartiger Beziehungen: Denn anstatt sich im Interesse des Ganzen gegenseitig zu unterstützen, versucht der Einzelne, sich noch stärker abzusichern. Statt alle Energien für die Problembewältigung zu mobilisieren, werden sie für Rechtfertigungen und gegenseitige Schuldzuweisungen verschwendet. So kommt es zu unnötigen Konflikten bis hin zu bewusst schädigendem Verhalten oder Sabotageakten, was sich zwangsläufig negativ auf die gesamte Zielerreichung auswirkt.
Mangelndes Vertrauen schafft Konflikte
1.4
Vertrauen birgt Risiken – Misstrauen aber auch! 1.4.2 Notwendigkeit von Misstrauen Ein uneingeschränktes Vertrauen ohne jede Vorsicht („blindes Vertrauen“) führt jedoch, wie bereits erläutert, mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Enttäuschung und daraus resultierenden Konflikten. Es gibt
17
1
1. Warum Menschen vertrauen
nun mal keine Partnerschaft, aus der beide Seiten ausschließlich Vorteile ziehen können. Irgendwann wird auch der blind Vertrauende sehend und bemerkt, dass er leichtfertig etwas hergegeben hat. Er ist dann enttäuscht, wenn er erkennt, nicht angemessen profitiert oder sogar draufgezahlt zu haben. Meist wird er die Schuld dafür dann nicht nur bei sich selbst suchen, sondern auch den Partner dafür verantwortlich machen, was zum Bruch der Beziehung führen kann. Allerdings: Blindes Vertrauen ist wesentlich seltener anzutreffen als unbegründetes Misstrauen! Fehlendes Misstrauen birgt das Risiko enttäuschter Erwartungen. 1.4.3 Die Ausgewogenheit macht es Bei allem Vertrauen ist daher stets auch ein angemessenes Maß an Vorsicht angebracht. Daher sollten Sie ein sogenanntes „gesundes“ Misstrauen hegen. Damit eine wie auch immer geartete Kooperation auf Dauer bestehen kann, darf der Blick für die möglichen Risiken nicht verstellt sein. Bei allem Optimismus ist ein Minimum vorsorglicher Absprachen oder Regelungen unverzichtbar. Die Partner müssen sich hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Erwartungen rechtzeitig austauschen, um sie wechselseitig berücksichtigen zu können. Die Balance zwischen wünschenswertem Vertrauen und zweckdienlichem Misstrauen sorgt dafür, dass ein bestehendes Vertrauensverhältnis nicht zerstört wird, sondern dass es wachsen kann.
18
stabilisierende Absicherung
tragfähige Partnerschaft
Balance aus Ver- und Misstrauen
Risikobereitschaft
Vertrauen ist eine tragende Voraussetzung für das Funktionieren von Gemeinschaften. Nur auf der Basis gegenseitigen Vertrauens können Menschen durch Bündelung ihrer Fähigkeiten und materiellen Möglichkeiten zum Nutzen aller Beteiligten Dinge zustande bringen, die einem Einzelnen unmöglich wären. Es gibt unterschiedliche Arten von Vertrauen, die je nach Lebenssituation und Rahmenbedingungen alle ihre Berechtigung haben. Ein vertrauensvolles Verhalten wird erst dann zur Manipulation im negativen Sinn, wenn es gezielt eingesetzt wird, um jemanden zur Leichtfertigkeit zu verleiten. Obwohl Vertrauen eine Voraussetzung jeder tragfähigen Partnerschaft ist, ist auch ein gewisses Maß an Misstrauen angebracht, um folgenschweren Enttäuschungen vorzubeugen.
19
1
2. Vertrauen in der Mitarbeiterführung
Welche Bedeutung hat Vertrauen für die Mitarbeiterführung? Seite 21 Wie ist es um die Vertrauenskultur in deutschen Unternehmen bestellt? Seite 27 Ist Angst ein brauchbares Führungsmittel? Seite 28 Welche Art von Führungsstil ist geeignet, Mitarbeitervertrauen aufzubauen? Seite 33
2.1
Gegenseitige Erwartungen
Nur wenn Mitarbeiter erkennen, dass die Führung nicht ausschließlich den Unternehmensprofit im Auge hat, sondern sich auch um die Belange der Beschäftigten kümmert, werden sie bereit sein, sich für die geforderten Arbeiten vorbehaltlos einzusetzen.
Vertrauen als Basis erfolgreicher Führung
2.1.1 Beiderseitige Erwartungen Mitarbeiter müssen darauf vertrauen können, dass sie für ihr Engagement angemessen entlohnt werden und die Arbeitsbedingungen zumutbar sind. In dieser Hinsicht liegen die Mitarbeitererwartungen vorrangig auf der Sachebene. In Bezug auf die unmittelbare Zusammenarbeit mit ihren Vorgesetzten, liegen die Mitarbeitererwartungen eher auf der Gefühls- bzw. Beziehungsebene. Mitarbeiter erwarten, dass Vorgesetzte die Leistungen ihrer Mitarbeiter wahrnehmen und anerkennen, ihre Persönlichkeit achten und wertschätzen, sie bei auftretenden Schwierigkeiten unterstützen und sich auch ihrer persönlichen Sorgen und Nöte annehmen. Andererseits müssen sich die Vorgesetzten darauf verlassen können, dass die Mitarbeiter ihre Fähigkeiten und Erfahrungen uneingeschränkt einbringen, sich nach besten Kräften anstrengen, gewissenhaft und umsichtig arbeiten,
21
2
2. Vertrauen in der Mitarbeiterführung
sich gruppendienlich verhalten sowie ehrlich und loyal sind.
Mitarbeiter wie Vorgesetzte haben ihre eigenen berechtigten Erwartungen an die Art der Zusammenarbeit. 2.1.2 Vertrauen – heute wichtiger denn je Vorgesetzte wollen ihren Mitarbeitern vertrauen können. Und diese Vertrauenswürdigkeit der Mitarbeiter ist heute wichtiger als je zuvor: Führungskräfte haben oft weder die Zeit noch das allumfassende Wissen, um sich mit jedem einzelnen Mitarbeiter so intensiv zu befassen, wie das noch vor einigen Jahrzehnten möglich war. Wegen der sich verstärkenden Terminnöte und andererseits immer komplexer sowie fachlich anspruchsvoller werdender Arbeitsaufgaben ist die Führungskraft auf die Verantwortungsbereitschaft und Loyalität ihrer Mitarbeiter angewiesen. Hat ein Vorgesetzter erst einmal ein solides Vertrauensverhältnis zu seinen Mitarbeitern aufgebaut, muss er sich nicht mehr um alles selbst kümmern. Dann kann er es riskieren, seine Mitarbeiter weitgehend selbstständig und eigenverantwortlich arbeiten zu lassen und sich somit auf seine eigentlichen Führungsaufgaben konzentrieren. Dann werden die Mitarbeiter auch in kritischen Situationen bei der Stange bleiben. Sie als Vorgesetzter können sich dann auch einmal eine Fehlentscheidung oder gelegentlich schlechte Laune leisten, ohne dass Ihre Mitarbeiter das ausnutzen oder Ihnen die Gefolgschaft aufkündigen.
22
Aufbau eines soliden Vertrauensverhältnisses
Eine derartige Vertrauensbeziehung ist jedoch keine Selbstverständlichkeit. Sie muss erst wachsen und bedarf der ständigen Pflege. Es ist nachgewiesen, dass sich die Qualität der unmittelbaren Beziehungen zwischen Mitarbeitern und Führungskräften direkt auf das Unternehmensergebnis auswirkt. Werden die Beziehungen von den Mitarbeitern positiv erlebt, ist das Leistungsniveau hoch. Herrscht jedoch Misstrauen, wirkt sich das auf die Produktivität der gesamten Organisation negativ aus. Gerade in Krisensituationen erweist es sich, inwieweit ein tragfähiges Vertrauensverhältnis besteht und sich der Vorgesetzte auf seine Mitarbeiter verlassen kann. 2.1.3 Die Glaubwürdigkeit der Führungskraft Doch was macht die Qualität einer MitarbeiterVorgesetzten-Beziehung aus? Naturgemäß lässt sich das nicht an einer einzigen Komponente festmachen. Hier spielt die gesamte Vielfalt menschlicher Gefühle, Einstellungen und Verhaltensweisen eine Rolle: Sympathie, individuelle Wertvorstellungen, Gesprächsverhalten und vieles mehr. Wer mit wem und warum gut auskommt und wer zu wem Vertrauen hat, kann höchst unterschiedlich sein. Was aber die Bereitschaft anbelangt, sich von jemandem führen zu lassen, so ist dabei offenbar immer die Glaubwürdigkeit und Gradlinigkeit des Führenden ein wesentliches Kriterium. Mitarbeiter wollen wissen, woran sie bei ihrem Chef sind, was sie zu erwarten haben. Es gibt genügend Beispiele, bei denen Mitarbeiter ihren Chef für zu streng halten, viele seiner Ansichten nicht
23
2
2. Vertrauen in der Mitarbeiterführung
teilen oder ihn sogar unsympathisch finden, sie ihm aber dennoch folgen, weil er in seinem Verhalten authentisch und konsequent ist – sie ihm vertrauen können. Menschen sind bereit, so manche Fehler anderer zu tolerieren, nicht aber mangelnde Vertrauenswürdigkeit. 2.1.4 Das Dilemma der Doppelrolle als Führungskraft Immer wieder geraten Führungskräfte in den Zwiespalt, sich einerseits den Belangen ihrer Mitarbeiter verpflichtet zu fühlen und andererseits häufig Entscheidungen treffen zu müssen, die sich gegen deren Interessen richten. Diese Diskrepanz lässt sich nur durch Vertrauen überbrücken. Nur wenn die Mitarbeiter davon überzeugt sind, dass es sich nicht um eine momentane Laune ihres Chefs oder sogar um einen Akt der Willkür handelt, werden sie auch eine ungeliebte Arbeitsaufgabe oder schmerzliche Maßnahme akzeptieren. Wobei es die Dringlichkeit eines Arbeitsauftrags manchmal nicht zulässt, einem Mitarbeiter den Sinn und Zweck der Anweisung detailliert zu erläutern. Auch dann kann die notwendige Mitarbeiterbereitschaft bei grundsätzlichem Vertrauen in die Fähigkeiten in die guten Absichten des Vorgesetzten erwartet werden. Selbst wenn der Vorgesetzte ein Versprechen einmal nicht einhalten kann: Seine Mitarbeiter werden es ihm nicht verübeln, denn aus Erfahrung können sie sicher sein, dass er sein Versprechen nicht leichtfertig oder berechnend gegeben hatte. Sondern dass er vielmehr aus zwingenden Gründen seine Zusage nicht einlösen konnte, er seinen Grundsätzen dennoch treu geblieben ist und sie nicht bewusst getäuscht hat.
24
2.1.5 Typische Gründe für Vertrauensdefizite Als Gründe mangelnden Mitarbeitervertrauens sind in Unternehmen zunehmend folgende Umstände festzustellen: Die Mitarbeiter machen wiederholt die Erfahrung, dass Veränderungen einseitig zu ihren Lasten vorgenommen werden. Sie bekommen das Gefühl, ihr Schicksal sei der Unternehmensleitung gleichgültig, die Vorgesetzten würden sich nicht um sie kümmern. Die Mitarbeiter gewinnen den Eindruck, man würde sie bewusst mangelhaft oder sogar falsch informieren. Sie müssen erkennen, dass ihr jahrelanges Engagement in Krisenzeiten oder bei strategischen Unternehmensentscheidungen nichts gilt. Die Unternehmensleitung setzt bei wichtigen Entscheidungen eher auf das (teure) Expertenwissen externer Berater als auf die Erfahrungen, das Insiderwissen und die Kundenkontakte der eigenen Mitarbeiter. Manager der oberen Hierarchieebenen sorgen mehr für ihre persönlichen Vorteile als für den Fortbestand des Unternehmens und den Erhalt der Arbeitsplätze. Derartigen Vertrauensdefiziten ist unbedingt vorzubeugen und wo sie bereits gegeben sind, ist zu versuchen, sie durch eine geänderte Unternehmens- und Führungskultur abzubauen. Doch sollte man sich illusionsfrei drüber im Klaren sein:
Ursachen für Vertrauensverlust
Mitarbeiter zu enttäuschen ist manchmal unvermeidbar, sie zu täuschen aber unverzeihbar!
25
2
2. Vertrauen in der Mitarbeiterführung
Das Vertrauen der Mitarbeiter zu gewinnen ist nicht leicht, verspieltes zurückzugewinnen aber doppelt schwer – mitunter sogar unmöglich! 2.1.6 Wertvolle Effekte durch Vertrauen Gerade unter den heutigen wirtschaftlichen Bedingungen ist gegenseitiges Vertrauen im Unternehmen besonders wichtig: Die schnellen Veränderungen der Märkte erfordern schnelles Handeln der Mitarbeiter ohne bürokratische, aus Misstrauen errichtete Barrieren. Die kostbare Zeit muss in erster Linie „an der Front“, also in den Umgang mit Kunden investiert werden und nicht für interne Koordinierungsvorgänge. Um der Konkurrenz standhalten zu können, müssen Kreativität, Experimentierfreudigkeit und Risikobereitschaft der Mitarbeiter durch nichtkontrollierte Handlungsspielräume gefördert werden. Vertrauen senkt die Kosten für unprofitable Überwachungs- und Rechtfertigungsbemühungen. Je ausgeprägter das Vertrauensklima, desto verantwortungsbereiter sind die Mitarbeiter und desto stärker identifizieren sie sich mit ihrer Arbeit und dem Unternehmen. Bei den heute fachlich oft sehr anspruchsvollen Aufgaben müssen die Spezialisten ohnehin weitgehend selbstständig arbeiten, da die Vorgesetzten deren Fachprobleme sowieso nur begrenzt verstehen. Vertrauen ist das Fundament jedes dauerhaften Führungserfolgs.
26
Vertrauenswirklichkeit in Unternehmen
Wer Vertrauen fordert, erntet selten Widerspruch. Dennoch wird in letzter Zeit ein zunehmender Vertrauensschwund in Wirtschaftsunternehmen beklagt. Das Thema „Vertrauen“ macht Schlagzeilen. 2.2.1 Jüngste Untersuchungsergebnisse Wie sieht es mit der Vertrauenswirklichkeit in den deutschen Unternehmen aus? Die jüngsten Untersuchungen hierzu zeichnen ein bedenkliches Bild. Im alljährlichen internationalen Vertrauensindex der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) schneiden die deutschen Manager regelmäßig schlecht ab. Gemäß dem Bericht des Jahres 2006 misstrauen 82 Prozent der Mitarbeiter den Führungsriegen. Allerdings sagen diese Untersuchungen nichts darüber aus, wer wem in welcher Hinsicht vertraut oder nicht. Differenzierender ist da schon die von der Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft 2006 veröffentlichte Studie, die auf einer Befragung von 350 Führungskräften beruht und zu folgenden Ergebnissen kommt: 21,5 Prozent der Befragten gaben an, dass ihr Vertrauen schon oft missbraucht worden ist. 8,6 Prozent hatten sogar schon einmal aufgrund eines schlechten Vertrauensverhältnisses den Arbeitsplatz gewechselt. 40,3 Prozent fühlen sich durch zu viele Kontrollen behindert.
Vertrauen in deutschen Unternehmen
2.2
Gerade wegen dieser negativen Erfahrungen sagten fast zwei Drittel der Befragten: „In Teams und Abteilungen,
27
2
2. Vertrauen in der Mitarbeiterführung
in denen kein gegenseitiges Vertrauen gegeben ist, kann ich nicht arbeiten.“ Nahezu einhellig sind die befragten Führungskräfte der Ansicht, dass der Faktor „Vertrauen“ immer bedeutender für den Unternehmenserfolg wird und nur 33,1 Prozent von ihnen glauben, dass Vertrauen zu oft missbraucht wird. Dennoch gab ein Viertel an: „Es dauert sehr lange, bis ich anderen Menschen bei der Arbeit voll und ganz vertraue.“ Die Befragungen und Studien lassen erkennen, wie wenig wirkungsvolle Bewusstseinsbildung sowie systematische Aus- und Weiterbildung auf dem Gebiet der vertrauensvollen Menschenführung bisher betrieben wurde, aber künftig geleistet werden muss. Selbst die Hoch- und Fachhochschulen beschränken sich immer noch weitestgehend auf reine Fachausbildung, statt die Studierenden auch auf ihre künftigen Führungsaufgaben vorzubereiten. Die Untersuchungsergebnisse zeigen deutlich, wie sehr beim Thema „Mitarbeitervertrauen“ Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen.
2.3 Angst als Führungsinstrument 2.3.1 Vermeintlich wirksames Druckmittel Manchmal neigen Führungskräfte dazu, mangelnde Leistungen der Mitarbeiter durch das Androhen disziplinarischer Maßnahmen bis hin zur Kündigung erzwingen zu wollen. Notfalls wird auch schon mal ein Exempel statuiert und werden bei passender oder auch unpassender Gelegenheit einige Leistungsschwache
28
Angst erschüttert Vertrauen
oder vermeintlich Unwillige gekündigt. Abgesehen davon, dass wegen des Kündigungsschutzes Entlassungen schwierig sind und kostenträchtige Verwaltungsakte erfordern, haben sie für die Produktivität langfristig gesehen oft gegenteilige Effekte: Das Vertrauen der verbleibenden Mitarbeiter zur Unternehmensleitung und den verantwortlichen Führungskräften wird erschüttert, was die allgemeine Arbeitszufriedenheit und Verantwortungsbereitschaft der Mitarbeiter sinken lässt. Zwar zeigen die Beschäftigten in einem Klima der Angst oft tatsächlich gesteigerte Aktivitäten, jedoch handelt es sich dann häufig um keinen echten erfolgsgerichteten Leistungswillen. Die Mitarbeiter bemühen sich lediglich, den Schein zu wahren, um keine Schwierigkeiten zu bekommen oder auf einer „schwarzen Liste“ zu landen. Werden Mitarbeiter undifferenziert und ohne Einfühlungsvermögen unter Druck gesetzt, entwickelt sich im Laufe der Zeit eine passive Arbeitshaltung. 2.3.2 Angst als Kostenfaktor Nach einer Gallup-Studie waren im Jahr 2006 nur noch 13 Prozent der deutschen Arbeitnehmer mit ihrer Arbeit zufrieden und identifizierten sich voll mit ihrem Arbeitgeber. Erschreckend: 68 Prozent machten nur noch „Dienst nach Vorschrift“. (Typischer Ausspruch: „Ich werde hier schließlich nicht für’s Denken bezahlt!“) Weitere 19 Prozent hatten bereits innerlich gekündigt. Diese durch Führungsfehler ausgelöste negative Arbeitshaltung ver-
29
2
2. Vertrauen in der Mitarbeiterführung
ursachte in Deutschland gemäß der Studie einen jährlichen gesamtwirtschaftlichen Schaden in Höhe von 250 Milliarden Euro! Man kann die Genauigkeit einer solchen Zahl in Frage stellen, sie verdeutlicht aber auf alle Fälle eine alarmierende Dimension. Bereits in den 1990er Jahren hatten die beiden Wirtschaftswissenschaftler Winfried Panse und Wolfgang Stegmann den Versuch unternommen, die finanziellen Auswirkungen von Mitarbeiterängsten in Unternehmen zu quantifizieren. Das Ergebnis: Angst vor Verlust oder Veränderung des Arbeitsplatzes und Versagens- und Konkurrenzängste in Unternehmen kosten die deutsche Wirtschaft jährlich 50 Milliarden Euro! Dabei hatten die Forscher in dieser Summe nicht einmal die finanziellen Folgen durch innere Kündigung oder Krankheitsausfälle berücksichtigt, weil darüber damals noch keine gesicherten Erkenntnisse existierten. In ihrem Buch „Angst – Macht – Erfolg“ beziffern sie auch diese Kostenfaktoren und kommen nunmehr auf eine Gesamtsumme der jährlichen angstbedingten Kosten von 100 Milliarden Euro! (Sicher spielen bei der Verdoppelung der Kostenhöhe auch der wirtschaftliche Abschwung und die dadurch bedingt verstärkten Ängste vor Arbeitsplatzverlust eine maßgebliche Rolle.) Die Gesamtsumme gliedert sich wie folgt auf: angstbedingter Medikamentenkonsum angstbedingter Alkoholkonsum Mobbingprozesse durch Angst verursachte Fehlzeiten innere Kündigungen
30
Auswirkungen von Angst
2.3.3 Angst als Führungsfehler Es ist unstrittig, dass Angst den Menschen zu ganz erstaunlichen Leistungen treiben kann. Es stellt sich daher die Frage, warum selbst so existenzielle Bedrohungen wie ein zu befürchtender Arbeitsplatzverlust zumindest langfristig gesehen nicht zu den angestrebten Leistungssteigerungen in Unternehmen führen. Der Gießener Psychologieprofessor Ingwer Borg kam durch Befragung von mehr als 10.000 Beschäftigten zu dem Schluss, dass eine schleichende Angst vor Arbeitsplatzverlust (also keine akute und konkrete Entlassungsgefahr) sich keineswegs anspornend, sondern schädlich auf die Arbeitsmotivation auswirkt. Die Untersuchungsergebnisse veranlassten ihn sogar zu der Schlussfolgerung, es sei einer der schlimmsten Managementfehler überhaupt, wenn Vorgesetzte Druck ausüben, indem sie andeuten, der Arbeitsplatz der Mitarbeiter sei gefährdet. Unabhängig von Region und Unternehmensart der befragten Beschäftigten äußerten sich diejenigen Mitarbeiter, die sich bei der Bewertung der Sicherheit ihres Arbeitsplatzes positiv äußerten, auch im Hinblick auf andere Aspekte ihrer Arbeit und ihrer Arbeitsstelle positiv. Sie vertrauten darauf, dass sich ihre Firmenleitung und die Führungsriege fair verhalten würden. Ganz im Gegenteil zu den Befragten, die ihren Arbeitsplatz für unsicher hielten. Deren Einstellung zu ihrer Arbeitssituation und zum Unternehmen als Ganzes war durchgängig negativer. Das ging sogar so weit, dass sie die Qualität der Produkte bzw. Dienstleistungen ihrer Firma sowie die Preise und den Kundenservice deutlich schlechter einschätzten als
31
2
2. Vertrauen in der Mitarbeiterführung
Kollegen, deren Arbeitsplatz nicht in Frage gestellt war. Dabei war es nahezu unerheblich, ob der Arbeitsplatz objektiv gefährdet war oder ob den Betreffenden nur das Gefühl vermittelt wurde. Dieses psychologische Phänomen heißt „vorweggenommene Trauer“: Im Unterbewusstsein versuchen die Betroffenen, ihre Ängste vor den Folgen eines Arbeitsplatzverlustes dadurch zu kompensieren, indem sie die Attraktivität ihres Arbeitsplatzes abwerten. Durch die Grundeinstellung, der momentane Arbeitsplatz sei ohnehin „ein blöder Job in einer miesen Firma mit schlechten Produkten und unfähigen Vorgesetzten“ lässt es sich mit der Bedrohung durch eine mögliche Entlassung besser leben. Zu dieser Art der Verdrängung neigen paradoxerweise insbesondere solche Mitarbeiter, die sich ehemals mit ihrer Arbeit stark identifizierten – also gerade die wertvollsten Leistungsträger! Gerade sie reagieren extrem sensibel auf Verunsicherungen. Eine akute Bedrohung kann aktivieren, permanente Verunsicherung jedoch lähmt. 2.3.4 Auswirkungen auf das Vertrauensklima Um uns sicher zu fühlen, also nicht ängstlich zu sein, müssen wir darauf vertrauen können, dass die Gesellschaftssysteme, Organisationen oder Menschen, auf die wir angewiesen sind, es nicht schlecht mit uns meinen und wir in Notsituationen mit deren Unterstützung rechnen können. Das betrifft natürlich in besonderem Maß die berufliche Situation, die in aller Regel unsere Existenzgrundlage bildet. Dazu gehören die Organisa-
32
Vertrauen kann nur im angstfreien Raum gedeihen.
Vertrauen aufbauen statt Angst schüren
tion bzw. das Unternehmen, für das wir arbeiten, sowie die Führungskräfte, die über unseren Arbeitsalltag bestimmen. Werden diese Erwartungen jedoch enttäuscht, wird das Vertrauensverhältnis zwischen Führung und Mitarbeitern beschädigt.
2.4 Vertrauensvoller Führungsstil 2.4.1 Demokratisches Führen beruht auf Vertrauen Gegenseitiges Vertrauen ist das entscheidende Merkmal jedes demokratischen und personenbezogenen Führungsstils. Vertrauen ist die Voraussetzung wechselseitiger Anerkennung und Unterstützung. Nur in einem vertrauensvollen Arbeitsklima kann sich eine größtmögliche Zufriedenheit der Mitarbeiter entwickeln und ein daraus resultierendes Engagement. Mit rein rationalen Organisationsmodellen lässt sich diese Art der Unternehmenskultur nicht schaffen. Gegenseitiges Vertrauen führt dazu, dass die Beteiligten die Position und den Einfluss anderer akzeptieren, Verständnis für deren Motive aufbringen, auch gelegentliches (begründbares) Misstrauen tolerieren, Kontrolle eher prozess- als personenbezogen ausüben bzw. empfinden, freimütig und konstruktiv miteinander kommunizieren. Im Grunde entspricht Vertrauen den normalen
33
2
2. Vertrauen in der Mitarbeiterführung
menschlichen Bedürfnissen nach Wohlbefinden und funktionierenden Gemeinschaften: Die Begleiterscheinungen von Vertrauen sind angenehmer als die des Misstrauens. Vertrauen macht den Umgang mit anderen unkomplizierter und ist statistisch gesehen auch eher gerechtfertigt als Misstrauen. Vertrauen schafft innere Ausgeglichenheit und weckt zuversichtliche Aktivität. Vertrauensorientierte Gruppen sind fähiger, Probleme zu meistern. Vertrauensvolles Führen sollte auf allen Hierarchieebenen gleichermaßen praktiziert werden und eine wesentliche Komponente der Führungskultur sein. Ein leistungsfördernder Führungsstil ist automatisch gegeben, wenn Führungskräfte sich vertrauensfördernd verhalten und alles unterlassen, was das Vertrauen erschüttern kann. 2.4.2 Auch autokratisches Führen kann vertrauensvoll sein! Mangelndes Vertrauen bzw. Misstrauen ist jedoch nicht im Umkehrschluss das Merkmal autokratischen oder autoritären Führens. Es gibt durchaus Unternehmen, in denen Vorgesetzte ausgesprochen undemokratisch führen, ihren Mitarbeitern aber dennoch menschliche Wertschätzung und ein gewisses Grundvertrauen entgegenbringen. Im Gegenzug dazu genießen sie deren Achtung und Vertrauen. Ein vertrauensvoller Führungsstil schließt auch nicht
34
Vertrauen bewirkt Leistung
jedes Misstrauen aus. Im Gegenteil: Undifferenziertes Vertrauen wird von den Mitarbeitern nach einiger Zeit als Desinteresse und mangelnde Anteilnahme empfunden. Misstrauen sollte jedoch immer angemessen sein und sich aus der jeweiligen Situation heraus rechtfertigen. (Siehe auch „Ausgewogenheit von Vertrauen und Misstrauen“ im Kapitel 1.) Die Voraussetzung für einen autokratischen, aber dennoch Vertrauen schaffenden Führungsstil ist eine gefestigte und glaubhafte Führungspersönlichkeit. Das Managen von Unternehmen und das Führen von Mitarbeitern sind ohne ein Mindestmaß gegenseitigen Vertrauens undenkbar. Bei einer vertrauensvollen Vorgesetzten-Mitarbeiter-Beziehung kann Mitarbeiterführung auch unter den heutigen Erschwernissen reizvoll sein und zu erfüllenden Erfolgserlebnissen verhelfen. Bedauerlicherweise wird dem für den Arbeitserfolg so wichtigen Mitarbeitervertrauen in vielen Organisationen noch immer nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt, wird es mancherorts sogar immer häufiger leichtfertig verspielt. Angst ist kein Führungsmittel zur langfristigen Leistungssteigerung, sondern einer der am schwersten wiegenden Führungsfehler. Ein motivierender Führungsstil ist gekennzeichnet durch menschliche Wertschätzung und eben auch Vertrauensbeweise.
35
2
3. Methoden für den Vertrauensaufbau
Lässt sich Mitarbeitervertrauen systematisch entwickeln? Seite 37 Welche Führungsprinzipien wecken Mitarbeitervertrauen? Seite 40 Welche Bedeutung haben Informationen für die Vertrauensbildung? Seite 43 Wann und wie darf man Mitarbeitern Eigenverantwortung einräumen? Seite 53
3.1
Der erste Schritt zur Vertrauensbildung
Vertrauen ist keine Selbstverständlichkeit, sondern muss erst aufgebaut werden. Es ist etwas ganz Natürliches, dass Mitarbeiter zunächst skeptisch sind, wenn sie in eine Firma neu eintreten oder einem neuen Vorgesetzten unterstellt werden. Sie wissen noch nicht, was sie erwartet – ihr natürliches Sicherheitsbedürfnis lässt sie vorsichtig sein.
Der Prozess der Vertrauensbildung
3.1.1 Anfängliche Skepsis Führungskräfte sind bestrebt, keine vermeidbaren Risiken einzugehen und sich abzusichern. Die Folge kann sein, dass sie ihre Mitarbeiter nur innerhalb enger Grenzen nach eigenem Ermessen arbeiten lassen, ihnen die Arbeitsweise genau vorgeben sowie die Arbeiten regelmäßig und sorgfältig kontrollieren. Soll es jedoch zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit kommen, muss eine der beiden Seiten einen ersten Schritt wagen und der anderen einen Vertrauensvorschuss anbieten. Nur durch einen Vertrauensvorschuss seitens eines der Beteiligten kann ein Prozess in Gang gesetzt werden, der zu einer Vertrauensbeziehung führt. 3.1.2 Das Wagnis des ersten Schritts Eine entscheidende Frage ist, wer das Risiko des ersten Schritts wagen muss – der Mitarbeiter oder sein Vorgesetzter. Es gibt zwei gute Gründe, die dafür sprechen, dass die Führungskraft den ersten Vertrauensvorschuss zu leisten hat:
37
3
3. Methoden für den Vertrauensaufbau
1. Die Verantwortung, ein leistungsförderndes und konfliktfreies Klima der Zusammenarbeit zu schaffen, liegt in erster Linie bei der Führungskraft, sie ist eine der wichtigsten Führungsaufgaben überhaupt. Der Mitarbeiter ist lediglich verpflichtet, durch sein persönliches Verhalten den Betriebsfrieden nicht zu stören und betriebliche Abläufe nicht zu behindern. 2. Das Risiko eines angemessenen Vertrauensvorschusses ist für die Führungskraft in aller Regel geringer als für den Mitarbeiter. Ein schlechtes Arbeitsergebnis bringt dem Vorgesetzten – wenn überhaupt – höchstens Ärger mit der nächsthöheren Führungsebene. Hingegen kann der Mitarbeiter durch vorbehaltloses Vertrauen zum Vorgesetzten, z. B. durch freimütiges Eingestehen eines Fehlers oder einer Überforderung, seine nächste Beförderung oder sogar seinen Job aufs Spiel setzen und dadurch seine wirtschaftliche Existenz und die seiner ganzen Familie gefährden! Hauptverantwortlicher für das Vertrauensklima ist die Führungskraft. 3.1.3 Der Regelkreis der Vertrauensbildung Der Vertrauensvorschuss eines Vorgesetzten drückt sich in einem vertrauensvollen Verhalten gegenüber dem Mitarbeiter aus, was auch bei diesem Vertrauen weckt. Normalerweise wird dieser sich seinerseits bemühen, durch ein vertrauenswürdiges Verhalten das Vertrauen seines Vorgesetzten zu rechtfertigen, um es sich zu
38
1 Vertrauen der Führungskraft
4 vertrauenswürdiges Mitarbeiterverhalten
Regelkreis der Vertrauensbildung
Regelkreis der Vertrauensbildung
erhalten. Das wiederum ist für den Vorgesetzten eine Bestätigung seines Vertrauens, das sich weiter verstärkt. Auf diese Weise kann sich schließlich ein beiderseitiges Vertrauensverhältnis entwickeln.
2 vertrauensvolles Führungsverhalten
3 beim Mitarbeiter gewecktes Vertrauen
Selbstverständlich funktioniert dieser Regelkreis auch in entgegengesetztem Sinn: Misstraut ein Vorgesetzter einem Mitarbeiter von Beginn an und kontrolliert ihn besonders genau, wird das auch den Mitarbeiter vorsichtig machen. Beispielsweise wird er Fehler möglichst zu vertuschen suchen. Bemerkt dies der Vorgesetzte, scheint das sein anfängliches Misstrauen zu bestätigen. Es wird dadurch wachsen. Als Folge wird er den Mitarbeiter noch pedantischer kontrollieren – der Regelkreis wird erneut durchlaufen und beschleunigt
39
3
3. Methoden für den Vertrauensaufbau
sich. Man nennt das eine „sich selbst erfüllende Vorhersage“. Da sich dieser negative Kreislauf sehr leicht in Gang setzen kann, vermeiden Sie als Führungskraft tunlichst alles, was bei den Mitarbeitern Misstrauen wecken könnte. Vertrauensvolles Vorgesetztenverhalten bewirkt vertrauenswürdiges Mitarbeiterverhalten.
3.2
Vertrauen schaffende Führungsgrundsätze
Grundvoraussetzungen für ein dauerhaftes Vertrauensverhältnis: Vorgesetztenbeiträge zur Vertrauensbildung
Kontaktpflege Vertrautheit
Glaubhaftigkeit Berechenbarkeit
Zuverlässigkeit Fairness
Vertrauensbeweise
1. Den Mitarbeitern die eigenen Führungsgrundsätze vertraut machen: – Jede Gelegenheit zum Gespräch mit den Mitarbeitern wahrnehmen – Den Mitarbeitern die eigenen Wertvorstellungen und Zielsetzungen verdeutlichen – Nicht nur Sachinformationen geben, sondern auch persönliche Auffassungen äußern
40
2. In Persönlichkeit und Verhalten glaubhaft und berechenbar sein: – Das eigene Führungsverhalten nicht von persönlichen Stimmungsschwankungen abhängig machen – Auch über unpopuläre Vorhaben rechtzeitig informieren – Gemachte Zusagen einhalten oder es zumindest transparent machen, wenn davon ausnahmsweise abgewichen werden muss – Auch Kritik an der eigenen Person zulassen und sich mit ihr auseinandersetzen – Eigene Fehler oder Irrtümer unumwunden eingestehen – Kein Interesse an schädigenden Gerüchten zeigen, sondern sie möglichst unterbinden – Gute Mitarbeiterleistungen vorbehaltlos loben, Fehlleistungen jedoch unbefangen und ohne Polemik beanstanden
Vertrauensbildung durch Vorgesetzte
– Eigene Gefühle und Befindlichkeiten zum Ausdruck bringen – Im Rahmen zu wahrender Autorität und Diskretion gelegentlich auch über private Angelegenheiten sprechen
3. Partnerschaftlich, zuverlässig und fair sein: – Interesse und Verständnis für die Probleme und Wünsche der Mitarbeiter zeigen – Mitarbeiter bei Problemen beraten und unterstützen – Sich für die Belange der Mitarbeiter einsetzen – Anvertraute persönliche oder für den Betref-
41
3
3. Methoden für den Vertrauensaufbau
– – – – –
fenden peinliche Informationen nicht weitergeben Fehler nur mit dem bzw. den Betreffenden besprechen, Kritik nur unter vier Augen Kritik im Sinne des Helfenwollens äußern Zugetragene Mängelhinweise nicht ungeprüft übernehmen Sich bei Kritik von außen vor die Mitarbeiter stellen Auch bei ärgerlichen Vorkommnissen fair und gerecht bleiben
4. Den Mitarbeitern Vertrauen entgegenbringen: – Mitarbeitern schwierige und verantwortungsvolle Aufgaben zutrauen – Sich bei Arbeitsaufträgen zuversichtlich äußern, Mut machen – Die Mitarbeiter weitgehend selbstständig arbeiten lassen – Vorschläge und Bedenken der Mitarbeiter ernst nehmen – Vor wichtigen Entscheidungen die Meinungen der Mitarbeiter einholen – Gegen die Meinungen und Interessen der Mitarbeiter nicht ohne triftigen Grund entscheiden und nicht ohne ihnen diesen zu erläutern – Nicht mehr kontrollieren, als es die Risiken und die eigene Führungsverantwortung erfordern – Sich beim Kontrollieren möglichst auf Ergebniskontrollen beschränken
42
3.3
Sicherheit und Vertrauen durch Information
3.3.1 Führen bedeutet Kommunizieren Das wirksamste Führungsinstrument ist und bleibt die Kommunikation. Ohne einen intensiven Austausch von Informationen und Meinungen ist in Organisationen kein koordiniertes und zielstrebiges Arbeiten denkbar. Dabei geht es jedoch nicht nur um aufgabenbezogene Sachinformationen, sondern auch um das Vermitteln von Gefühlen, Wünschen und Anschauungen. Emotionale Botschaften dienen der Mitarbeitermotivierung sowie dem Wachsen verlässlicher Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. Auch eine kürzlich erstellte Studie der Bertelsmann AG kommt zu dem Schluss, dass ein Unternehmen durch intensive interne Kommunikation erheblich zur Vertrauenskultur sowie zum Mitarbeiterengagement beitragen und damit den Unternehmenserfolg steigern kann.
Informationen sorgen für Vertrauen
Vertrauen kann man nicht anordnen – man muss es sich erwerben.
Kommunikation und Information gehören zu den ständigen Führungsaufgaben. 3.3.2 Offene Kommunikation statt Gerüchteküche Befragungen in Unternehmen ergeben immer wieder, dass Kommunikation und Information besonders wichtige Faktoren der Arbeitszufriedenheit sind. Entgegen den in Mitarbeiterkreisen oft zu hörenden
43
3
3. Methoden für den Vertrauensaufbau
Sprüchen wie „Ich sehe den Chef am liebsten von hinten“ haben die Bedürfnisse nach persönlichen Kontakten zum Vorgesetzten (ein intaktes Betriebsklima vorausgesetzt) in den letzten Jahrzehnten eher zugenommen. Sicher spielen hierbei die arbeitsteiligen Produktionsprozesse sowie die vereinzelnden Computertätigkeiten und die unpersönliche E-Mail-Kommunikation eine Rolle. Aber auch der zunehmende Zeitmangel der Vorgesetzten und die damit seltener werdenden Kontakte zu ihren Mitarbeitern lassen Defizitgefühle entstehen. Das Informationsbedürfnis entspringt dem fundamentalen menschlichen Bedürfnis nach Sicherheit. Wenn wir nicht wissen, was auf uns zukommt, fühlen wir uns automatisch unsicher. Um dieses ungute Gefühl abzubauen, sind wir dann bestrebt, unseren Wissensstand zu verbessern und sind für jede Information dankbar – wo auch immer sie herkommt. Bleiben offizielle Informationen aus, gedeihen inoffizielle Informationen besonders gut: Gerüchte, Halbwahrheiten und Spekulationen, im Betriebsjargon als „Gerüchteküche“, „Flurfunk“ oder „Buschfunk“ bekannt. Nimmt diese Art der internen Kommunikation überhand, führt das zu einem Klima des Misstrauens. Es kommt zu Verdächtigungen bis hin zu gezielten Verleumdungen. Niemand möchte als unwissend gelten und man überbietet sich förmlich im Produzieren von Gerüchten. Wie schnell aus vagen, harmlosen Vermutungen scheinbar bewiesene Skandale werden können, beweist das bekannte Kinderspiel „Stille Post“. Unbewusst (oder auch bewusst) ergänzt jeder Informant das Gehörte mit Bildern aus seiner Fantasie.
44
3.3.3 Informationsmangel in deutschen Unternehmen Nach einer europaweiten Studie des internationalen Personalforschungsunternehmens ISR gaben rund zwei Drittel der in deutschen Unternehmen Befragten an, von wichtigen Veränderungen in der Regel nur durch Hörensagen zu erfahren und nicht durch ihre Vorgesetzten. Die seit über 30 Jahren durchgeführten Befragungen weisen nach, dass Unternehmen mit steigenden Umsätzen und einem erfolgreichen Management sich meist durch eine gute interne Informationspolitik auszeichnen. Mangelhaft informierte Mitarbeiter hingegen verlieren das Vertrauen in die Führung – schwindendes Vertrauen aber bedeutet abnehmende Motivation und sinkende Produktivität. Nutzen Sie so oft wie möglich die Gelegenheit für Gespräche mit Ihren Mitarbeitern – auch außerhalb der formellen Besprechungen: bei der morgendlichen Begrüßung, beim Kantinenessen oder im Rahmen einer Jubiläumsfeier.
Offene Gespräche statt Gerüchteküche
Information schafft Sicherheit und Sicherheit schafft Vertrauen.
Nutzen Sie die Gelegenheit für Gespräche mit Ihren Mitarbeitern. Dieser Zeitaufwand für rechtzeitig und vorsorglich geführte Gespräche erspart Ihnen später aufwändige Motivierungs- und Konfliktgespräche.
45
3
3. Methoden für den Vertrauensaufbau
3.4
Partnerschaftliches Zielmanagement
3.4.1 Beteiligung der Mitarbeiter an der Zielfindung Nach traditionellem Führungsverständnis ist das Zielesetzen Sache der zuständigen Führungskraft. Die klare Trennung von Führen und Ausführen, von Anordnen und Befolgen wurde erst in der Mitte des vorigen Jahrhunderts durchlässiger, als man in Unternehmen begann, demokratische Führungsstile einzuführen. Das aus Amerika gekommene Führungskonzept des „Management by Objectives“ (Führen durch Zielsetzung) sah zwar weiterhin vor, dass die Führungskraft die Ziele vorgibt, stellte es aber den Mitarbeitern weitgehend frei, auf welche Weise sie diese erreichen. Da dieses Managementkonzept – wie auch die vielen folgenden Führungsstil-Experimente – nicht alle Erwartungen erfüllte, wurde es nach einigen Jahren von den meisten Unternehmen wieder fallen gelassen. Infolge des Abbaus von Hierarchieebenen (z. B. im Zuge des Lean Managements) hat die Grundidee des Führens durch Zielformulierungen jedoch in den letzten Jahrzehnten eine neue Bedeutung erhalten. Die wachsenden Belastungen und Zeitnöte der Führungskräfte machen es zwingend erforderlich, den Mitarbeitern mehr Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit einzuräumen. Mehr Eigenverantwortung setzt aber voraus, den Mitarbeitern eigene Entscheidungen zuzutrauen und sie dazu zu befähigen. Dazu gehört, sie umfassend zu informieren und ihnen das nötige Selbstvertrauen zu vermitteln, indem man sie bereits am Zielfindungsprozess betei-
46
Gemeinsame Zielfindung
ligt. Im Gegensatz zum früheren Führen durch „Zielvorgabe“ (Management by Objectives) spricht man heute vom Führen durch „Zielvereinbarung“. Selbstständigkeit der Mitarbeiter erfordert Selbstvertrauen: und Selbstvertrauen gewinnen sie, indem man Ihnen etwas zutraut. 3.4.2 Beiderseitiger Nutzen Führen durch Zielvereinbarung entspricht einem demokratischen Führungsverständnis. Es hat folgende positiven Effekte: Die Beteiligung an der Zielfindung signalisiert Vertrauen, gewährleistet eine intensive Information der Mitarbeiter, bietet ihnen Gelegenheit, ihre Fragen oder Bedenken einzubringen, kommt ihrem Bedürfnis nach Mitgestaltung entgegen, schafft Zielakzeptanz und Identifikation mit der Aufgabe und fördert damit die Mitarbeitermotivation. Die gedankliche Auseinandersetzung mit dem Arbeitsziel lenkt den Blick nach vorne. Gemeinsam getroffene Zielüberlegungen führen dazu, dass der betreffende Mitarbeiter automatisch über die Gründe und Hintergründe sowie die Rahmenbedingungen der Arbeitsaufgabe informiert wird. Dieser Informationsstand hilft, bei auftretenden Problemen selbstständig und zielgerecht zu improvisieren. Da der Mitarbeiter
47
3
3. Methoden für den Vertrauensaufbau
das Ziel mitgestaltet hat, wird er sich nach besten Kräften bemühen, es zu erreichen und sich damit selbst zu bestätigen. Das Erreichen wird als persönlicher Erfolg empfunden. Im Interesse eines flexiblen und marktorientierten Handelns sollten Zielsetzungen keine weisungsgemäßen Einbahnstraßen sein. 3.4.3 Führen von Zielvereinbarungsgesprächen Die meisten Führungskräfte führen mit ihren Mitarbeitern in regelmäßigen Abständen – meist jährlich – ein Zielvereinbarungsgespräch. Dabei kann nach zwei unterschiedlichen Gesprächsarten unterschieden werden: Sachzielgespräche
Entwicklungszielgespräche
Fordern von Arbeitsergebnissen
Fördern von Mitarbeiterfähigkeiten
Sachzielgespräch Beim Sachzielgespräch stehen Arbeitsaufträge und Leistungsanforderungen des Unternehmens im Vordergrund, weshalb hierbei eine aufgabenorientierte Gesprächsführung angebracht ist.
48
Zielvereinbarungsgespräche
Entwicklungszielgespräch Im Entwicklungszielgespräch geht es hingegen darum, mit dem Mitarbeiter über die betrieblich notwendige Weiterentwicklung seiner Fähigkeiten bzw. den Erwerb neuer Qualifikationen zu sprechen und die dazu erforderlichen Maßnahmen zu vereinbaren. Oder es geht um die eigenen Wunschvorstellungen des Mitarbeiters hinsichtlich seiner weiteren beruflichen Laufbahn. Handelt es sich bei einer Zielvereinbarung ausschließlich um derartige Fragen, wird das entsprechende Gespräch auch als „Fördergespräch“ bezeichnet. Die Gesprächsführung sollte hierbei in erster Linie personenorientiert sein. Mischformen Häufig werden in einem Gespräch beide Zielarten behandelt. So kann es sich bei der Vereinbarung eines Arbeitsziels herausstellen, dass der betreffende Mitarbeiter für die Aufgabe noch nicht genügend qualifiziert ist und zuvor eine Schulung oder Einarbeitungszeit benötigt. Andererseits kann in einem Fördergespräch ein Wechsel der Arbeitsaufgaben vereinbart werden, um dem Mitarbeiter die Chance zu geben, neuartige Kenntnisse und Erfahrungen zu sammeln und vielseitiger einsetzbar zu werden. Jahresgespräch Ein andere vielfach anzutreffende Variante ist, dass zunächst über die zurückliegende Arbeitsperiode gesprochen wird. Der Mitarbeiter hält Rückmeldung, inwieweit er die letztmalig vereinbarten Ziele erreicht und die Erwartungen des Vorgesetzten erfüllt hat. So-
49
3
3. Methoden für den Vertrauensaufbau
mit hat das Gespräch gleichzeitig den Charakter eines Beurteilungsgesprächs, allerdings ohne formelle schriftliche Beurteilung. Derartige Gespräche werden meist als „Jahresgespräch“ oder einfach auch „Mitarbeitergespräch“ bezeichnet. Zielvereinbarungsgespräche signalisieren Vertrauen und machen Mit-Arbeiter zu Mit-Verantwortlichen. 3.4.4 Gesprächsinhalte und -ablauf Bemühen Sie sich um ein vertrauensvolles Gesprächsklima, doch achten Sie darauf, das Gesprächsziel nicht aus den Augen zu verlieren. Der Mitarbeiter muss spüren, dass Sie es ernst meinen. Das Zielvereinbarungsgespräch muss in jedem Fall zu konkreten Vereinbarungen führen. Ein effizientes und partnerschaftliches Zielvereinbarungsgespräch sollte folgendermaßen ablaufen: 1. Bilanz der zurückliegenden Arbeitsperiode 2. Ausblick auf die künftigen Entwicklungen im Gesamtunternehmen 3. Anforderungen, die sich daraus für den betreffenden Organisationsbereich ergeben 4. Erwartungen des Mitarbeiters an die kommende Arbeitsperiode 5. Arbeitsziele für den Mitarbeiter in der kommenden Periode einschließlich Terminvereinbarungen 6. Voraussetzungen sächlicher oder organisatorischer Art, die für die Arbeitsabwicklung zu schaffen sind 7. Qualifizierungsmaßnahmen für den Mitarbeiter, sofern erforderlich
50
Bei einem Zielvereinbarungsgespräch geht es nicht um einen zwanglosen Meinungsaustausch, sondern um formelle, für beide Seiten verbindliche Abmachungen. 3.4.5 Ergebnissicherung Halten Sie die Vereinbarungen in einem schriftlichen Protokoll fest, so kommt es später nicht zu Auffassungsunterschieden, Konflikten oder sogar folgenschweren Zielverfehlungen. Allerdings sollte die Schriftform beim Mitarbeiter nicht den Eindruck erwecken, es gehe um eine „verhandlungsschriftliche Vernehmung“ oder es solle gar besonderer Druck auf ihn ausgeübt werden. Ein standardisiertes Formblatt kann dem Eindruck des persönlichen Misstrauens vorbeugen. Darüber hinaus erleichtert es die Schreibarbeit, hält zu einer folgerichtigen Vorgehensweise an und verhindert, dass wichtige Punkte übersehen werden. In vielen Unternehmen sind heutzutage bereits Formblätter für Zielvereinbarungen vorgegeben. Haben Sie keine solche schriftliche Vorlage, schaffen Sie sich zumindest für den eigenen Führungsbereich eine einheitliche Schriftform. Nachstehend finden Sie ein entsprechendes Muster.
Schritte des Zielvereinbarungsgesprächs
8. Kontrollvereinbarungen hinsichtlich des Arbeitsablaufs und der Arbeitsergebnisse
51
3
3. Methoden für den Vertrauensaufbau
Zielvereinbarung Zielelemente
zwischen (Führungskraft):
Gesamtziel/ Vorhaben:
und (Mitarbeiter/in)
Datum:
Vereinbarungen
Bemerkungen
Zielgrößen Was soll nach Möglichkeit erreicht werden? Was muss mindestens erreicht werden? Bewertungsgrößen Wie viel soll erreicht werden? Wie gut bzw. genau sollen die Ergebnisse sein? Teilziele In welchen Schritten soll das Gesamtziel erreicht werden? Termine Bis wann sollen bzw. müssen die Ergebnisse vorliegen? Voraussetzungen Welche und wie viele Ressourcen dürfen eingesetzt werden? Welche flankierenden Maßnahmen sind notwendig? Wer ist zu beteiligen? Kontrolle Wer kontrolliert was, wie und wann? Unterschrift Mitarbeiter/in:
52
Unterschrift Führungskraft:
Verantwortungsdelegation als Vertrauensbeweis
3.5.1 Problematik des Delegierens von Verantwortung Es zählt zu den Selbstverständlichkeiten, dass Führungskräfte die ihnen übertragenen Aufgaben nicht überwiegend selbst erledigen, sondern sie weitestgehend an ihre Mitarbeiter delegieren. Was das Delegieren von Arbeiten, also reinen Tätigkeiten anbelangt, so haben Führungskräfte damit normalerweise keine grundsätzlichen Probleme. Anders sieht es aus, wenn es darum geht, Verantwortung zu delegieren und damit zwangsläufig den Mitarbeitern die erforderlichen Befugnisse zu übertragen. Zu diesen Befugnissen kann zählen, alleine Entscheidungen zu treffen, andere Mitwirkende anzuweisen und anzuleiten, für die Firma Verbindlichkeiten einzugehen (z. B. durch übertragene Unterschriftsbefugnis).
Problematik der Verantwortungsdelegation
3.5
Bei der Frage, ob sie bei anspruchsvollen Aufgaben ihren Mitarbeitern derartige Befugnisse einräumen dürfen oder damit ihre Vorgesetztenpflichten verletzen könnten, kommen Führungskräften verständlicherweise oft Zweifel. Dabei spielen vor allem zwei Gesichtspunkte eine Rolle: Erstens gehen sie damit das Risiko ein, dass von den Mitarbeitern aus Leichtfertigkeit, blindem Eifer, Revanchegelüsten oder sonstigen Gründen Fehler gemacht und Schäden angerichtet werden, für welche die Führungskraft zur Rechenschaft gezogen wird. Zweitens ist das Delegieren von Verantwortung immer auch mit dem Abgeben eines Machtanteils verbunden. Es ist nicht auszuschließen,
53
3
3. Methoden für den Vertrauensaufbau
dass Mitarbeiter diesen Machtzuwachs für ihre persönlichen Interessen missbrauchen, indem sie sich eigene Vorteile verschaffen, sich auf Kosten der Autorität des Vorgesetzten zu profilieren suchen und diesem sogar seinen Posten streitig machen. Ängstliche neigen deshalb dazu, riskante Aufgaben lieber selbst zu erledigen, was schnell zur eigenen Überlastung sowie zum Vernachlässigen anderer wichtiger Aufgaben führen kann. Andere delegieren zwar, kontrollieren dann aber derart häufig und genau, dass sie unter dem Strich kaum eine zeitliche Entlastung erzielen. Außerdem entmündigen sie damit ihre Mitarbeiter und erziehen sie zur Unselbstständigkeit. Und doch: In der Verantwortungdelegation liegen große Chancen – sowohl für die Führungskraft selbst als auch für die Mitarbeiter. Verantwortungsdelegation bedeutet für die Führungskraft immer auch, Macht abzugeben – im Vertrauen darauf, dass sie von den Mitarbeitern nicht missbraucht wird. 3.5.2 Grenzen der Verantwortungsdelegation Jede Verantwortungsdelegation hat jedoch auch ihre Grenzen. Machen Sie sich daher die unterschiedlichen Arten von Verantwortung und deren Konsequenzen klar: Handlungsverantwortung Mit jedem Arbeitsauftrag wird automatisch auch die sogenannte Handlungsverantwortung delegiert. Das bedeutet, mit einem Arbeitsauftrag übernimmt der Mit-
54
Verantwortungsarten
arbeiter zwangsläufig die Verantwortung dafür, dass er die im Arbeitsvertrag üblicherweise vereinbarten grundsätzlichen Pflichten erfüllt. Das soviel heiß, dass er sich nach besten Kräften für die Aufgabenerfüllung einsetzt, die vereinbarten bzw. allgemeingültigen Regeln beachtet und seine durch Ausbildung oder Einarbeitung erworbenen Fähigkeiten einbringt. Entscheidungsverantwortung Anders liegen die Dinge bei dieser Verantwortungsart. Wie in ungeplanten Situationen zu verfahren ist, liegt grundsätzlich in der Entscheidungsverantwortung des Vorgesetzten. Hierbei hat der Vorgesetzte in jedem Einzelfall abzuwägen, ob die Verantwortungsdelegation unter Berücksichtigung aller situativen Gegebenheiten mit seiner Gesamtverantwortung vereinbar ist. Dabei sind auch Nutzen und Aufwand des jeweiligen Delegationsvorgangs gegenüberzustellen: Vorgesetztenentlastung und Mitarbeiterwachstum
ausführliches Informieren und Misserfolgsrisiken
Nutzen
Aufwand
Gesamtverantwortung Die Verantwortung für den Arbeitsvorgang als Ganzes verbleibt stets beim Vorgesetzten. Das gilt selbst bei sei-
55
3
3. Methoden für den Vertrauensaufbau
ner Abwesenheit (z. B. wegen Urlaubs): Der Vorgesetzte muss rechtzeitig Vorsorge dafür treffen, dass die Arbeiten so organisiert, die Mitarbeiter so qualifiziert und die Vertretungsfragen so geregelt werden, dass es auch während seiner Abwesenheit nicht zu vermeidbaren Schwierigkeiten kommt.
Gesamtverantwortung
Entscheidungsverantwortung
Handlungsverantwortung
nicht delegierbar
fallweise delegierbar
mit Arbeitsauftrag automatisch delegiert
Die Konsequenz: Je mehr eine Führungskraft delegiert, desto mehr muss sie im Hinblick auf ihre Gesamtverantwortung kontrollieren. Eine Führungskraft sollte ihre Verhaltensweisen und Führungsmaßnahmen stets auch daran messen, ob sich diese auf das Mitarbeitervertrauen eher positiv oder negativ auswirken. Beachtet man den Regelkreis der Vertrauensbildung, so ist es möglich, das Mitarbeitervertrauen gezielt zu fördern und Misstrauen zu vermeiden.
56
Kommunikation und Information tragen maßgeblich zum Sicherheitsgefühl und damit Vertrauen der Mitarbeiter bei. Ziele sollten nicht einseitig vorgegeben werden, sondern im partnerschaftlichen Gespräch mit den Mitarbeitern vereinbart werden. Das Übertragen von Eigenverantwortung auf die Mitarbeiter motiviert und schafft Vertrauen, bedarf aber auch einer situationsgerechten Abwägung und Kontrolle.
Verantwortung und Delegation
57
3
4. Wertschätzende Mitarbeiterkontrolle
Sollten Sie bei zuverlässigen Mitarbeitern auf Kontrollen verzichten? Seite 59 Werden Kontrollen von den Mitarbeitern nicht als Misstrauensbeweise empfunden? Seite 60 Wie gewährleisten Sie, dass Kontrollen nicht demotivierend wirken? Seite 63 Inwieweit können Sie Fehler von Mitarbeitern tolerieren? Seite 66
4.1
Kontrolle ist wichtig
Nur durch Kontrollen können Sie als Führungskraft Mängel im Arbeitsprozess oder an den Arbeitsergebnissen rechtzeitig erkennen und Gegenmaßnahmen einleiten.
Kontrolle als Führungsinstrument
4.1.1 Die Notwendigkeit von Kontrolle Eine Führungskraft kann ihrer Gesamtverantwortung für den eigenen Zuständigkeitsbereich nur dann gerecht werden, wenn sie sich rechtzeitig vergewissert, ob die angestrebten Arbeitsziele tatsächlich erreicht werden, die vorgegebenen Vorschriften und Regeln dabei eingehalten werden und mit den Ressourcen (Zeit, Werkstoffe, Energie) sparsam umgegangen wird. Kontrollen können beispielsweise folgende Mängel sichtbar machen: unrealistische Zielvorgaben missverständliche Zielformulierungen unzweckmäßige Arbeitsorganisation unzureichend qualifiziertes oder motiviertes Personal fehlende oder mangelhafte Arbeitsmittel Störungen durch äußere Einflüsse Ohne Kontrollen bliebe der Arbeitserfolg dem Zufall überlassen. Demzufolge ist Kontrolle eine unverzichtbare Führungsaufgabe.
59
4
4. Wertschätzende Mitarbeiterkontrolle
4.1.2 Funktionen von Kontrolle Arbeitswissenschaftlich betrachtet ist Kontrolle ein Soll-Ist-Vergleich und erfüllt im Arbeitsprozess eine wichtige regulierende Aufgabe. Kontrollen sorgen dafür, dass Störungen oder Fehlentwicklungen sichtbar, entstandene Fehler erkannt und Korrektur- oder Vorsorgemaßnahmen veranlasst werden. Mitarbeiterkontrollen haben aber nicht nur eine rationale Funktion, sondern wirken sich auch auf die Gefühle und damit auf die Einstellungen der Kontrollierten zu ihrer Arbeit sowie auf ihr Verhalten am Arbeitsplatz aus. Sinnvoll eingesetzt, können Kontrollen die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter steigern sowie die Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten fördern. Somit ist Kontrolle auch ein Instrument der Personalführung und -entwicklung. Kontrollen sichern dem Unternehmen das Erreichen der Arbeitsziele und bieten der Führungskraft Chancen zur Mitarbeitermotivierung.
4.2
Emotionale Risiken von Kontrolle
Im Allgemeinen wird die Notwendigkeit von Kontrollen auch von den Mitarbeitern anerkannt. Es ist ihnen klar, dass sich die verantwortliche Führungskraft vergewissern muss, ob die Arbeitsziele tatsächlich erreicht wurden und die Arbeitsgüte zufriedenstellend ist. Dennoch wird Kontrolle im Allgemeinen als unangenehm empfunden. Begriffe wie „Kontrolle“, Prü-
60
4.2.1 Negative Mitarbeitergefühle Kontrolle wird von den Mitarbeitern leicht als Misstrauensbeweis des Vorgesetzten empfunden, was die beiderseitige Vertrauensbeziehung belasten kann. Außerdem müssen die Mitarbeiter bei Kontrollen natürlich befürchten, dass der Vorgesetzte tatsächlich Fehler aufdeckt, was ihnen peinlich wäre und ihr Ansehen schmälern würde. Abgesehen davon, dass sie möglicherweise für die Fehlerfolgen aufkommen müssen (Nachbesserungsarbeiten oder sogar Haftungsansprüche).
Negative Auswirkungen von Kontrollen
fung“, „Revision“ oder „Inspektion“ sind für die meisten Menschen gefühlsmäßig negativ besetzt. Kontrollmaßnahmen lösen sowohl beim Kontrollierten als auch beim Kontrolleur meist Unbehagen aus. Es stellen sich häufig die nachstehend beschriebenen Gefühlslagen ein.
Beim Kontrollieren einer Arbeit wird nicht nur der betreffende Sachverhalt bewertet, sondern automatisch auch der Mitarbeiter selbst. Somit wird sein Selbstwertgefühl berührt. negative Gefühle der Mitarbeiter
empfundenes Misstrauen
Befürchtung der Fehlerentdeckung
Vertrauensschwund Beziehungsstörung
Peinlichkeit Imageverlust
61
4
4. Wertschätzende Mitarbeiterkontrolle
4.2.2 Negative Vorgesetztengefühle Meist geraten die Führungskräfte bei Kontrollmaßnahmen ebenfalls in eine negative Gefühlslage. Insbesondere bei allgemein zuverlässigen Mitarbeitern befürchten sie, den Anschein unbegründeten Misstrauens zu erwecken und sich dadurch das Vertrauen der Kontrollierten zu verscherzen und sie zu demotivieren. Es wäre ihnen peinlich, bei ihnen tatsächlich Fehler zu finden. Außerdem wissen sie aus Erfahrung, dass es zu unerfreulichen oder sogar aggressiven Rechtfertigungsdebatten kommen kann. Diese Befürchtung haben vor allem Vorgesetzte, die in der Sache selbst unsicher sind, sich der Kontrollaufgabe nicht gewachsen fühlen und/oder nicht wissen, wie man ein konstruktives Kritikgespräch führen kann. negative Gefühle des Vorgesetzten
Befürchtung des Misstrauensanscheins
Hemmungen vor Fehlernachweisen
Demotivation der Kontrollierten
konfliktauslösende Schulddebatten
Derartige Befürchtungen sind unangebracht, wenn Sie als Vorgesetzter einige Grundregeln positiven Kontrollierens beachten.
62
Vorteile von Kontrollen
4.2.3 Kontrollnutzen für die Mitarbeiter Trotz dieser emotionalen Risiken darf auf notwendige Kontrollen nicht verzichtet werden. Letztlich dienen Kontrollen in vielerlei Hinsicht auch den Belangen der Mitarbeiter: Kontrolle schafft die Voraussetzungen für Erfolgserlebnisse der Mitarbeiter. Kontrollen dienen der gerechten Leistungsbeurteilung und Entlohnung. Es können Schwierigkeiten erkannt und notwendige Hilfen gegeben werden. Kontrollen liefern die Erkenntnisse für einen leistungsgerechten Arbeitskräfteeinsatz. Unzumutbare persönliche Risiken können erkannt und vermieden werden. Bei rechtzeitiger Kontrolle kann der Mitarbeiter seine Fehler selbstständig korrigieren und doch noch zum Erfolg gelangen. Dem Kontrollierten eröffnen sich Chancen, aus Fehlern zu lernen und daran zu wachsen. Kontrollen nehmen die Ungewissheit und entlasten somit die Mitarbeiter. Verdeutlichen Sie den Mitarbeitern, dass Kontrollen auch zu ihrem eigenen Nutzen sind.
4.3
Grundregeln motivierenden Kontrollierens
Unter Beachtung der nachstehenden Regeln wird Kontrolle als etwas Hilfreiches und Selbstverständ-
63
4
4. Wertschätzende Mitarbeiterkontrolle
liches erlebt werden. Anstatt zu frustrieren, wirkt sie sogar motivierend. Regel 1: Geeignete Kontrollart wählen Es gibt kein einzig richtiges, sondern eine Vielzahl verschiedenartiger Kontrollverfahren. Wer stereotyp immer auf die gleiche Weise kontrolliert, wird nur selten der jeweiligen Situation gerecht werden. Vielmehr sollte man die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten dieses Führungsinstruments situationsgerecht nutzen. Regel 2: Kontrolle rechtzeitig vereinbaren Überraschende Kontrollen geben den Mitarbeitern das Gefühl, sie sollten ertappt werden, und beeinträchtigen somit das Vertrauensverhältnis. Sie wirken auf Dauer verunsichernd, was die Fehlerhäufigkeit sogar steigern kann. Zuvor vereinbarte Kontrollen hingegen versachlichen und bieten Chancen zur Selbstkontrolle sowie selbstständigen Fehlerkorrektur. Verbietet sich die Ankündigung eines konkreten Kontrolltermins (z. B. bei der Kontrolle des Verhaltens gegenüber Kunden), sollte immerhin bekannt sein, dass überhaupt kontrolliert wird. Regel 3: Kontrolle begründen und erklären Begründen Sie Kontrollen, legen Sie das Kontrollverfahren offen und erklären Sie es. Nur dann können die Mitarbeiter die Kontrollen als gerecht empfinden und sie akzeptieren. Dadurch beugen Sie dem Gefühl persönlicher Schikane vor.
64
6 Regeln für motivierendes Kontrollieren
Regel 4: Nur Wichtiges kontrollieren Achten Sie darauf, dass Kontrolle stets angemessen und keine Prinzipienreiterei ist. Wer sich selbstständig handelnde und risikobereite Mitarbeiter wünscht, muss selbst bereit sein, vertretbare Risiken einzugehen, und Mut zur Lücke beweisen. Undifferenzierte Kontrollen können dazu führen, dass Mitarbeiter viel Zeit für Minderwichtiges aufwenden, nur um möglichst viele positive Ergebnisse vorweisen zu können. Das steht jedoch im Widerspruch zu einer rationellen, am Gesamterfolg orientierten Arbeitsweise. Regel 5: Nicht nur nach Fehlern suchen Mitarbeiter dürfen nicht den Eindruck gewinnen, es sollten nur Fehler nachgewiesen werden. Vielmehr müssen auch Normalergebnisse den Kontrollierten mitgeteilt und überdurchschnittliche ausdrücklich anerkannt werden. Keine Chance auslassen, motivierende Erfolgserlebnisse zu vermitteln – dabei aber ehrlich bleiben! Regel 6: Konstruktive Fehlerkultur schaffen Ein Klima erzeugen, das die Mitarbeiter ermutigt, Fehler freiwillig zu bekennen und zu helfen, den Schaden zu begrenzen. Es sie merken lassen, dass Sie Fehler als zwar bedauerliche, aber natürliche menschliche Unzulänglichkeiten sehen. Fehler nicht dramatisieren, sondern an ihren tatsächlichen Auswirkungen messen und auch als Chancen zum Erfahrungsgewinn betrachten. Sich nicht mit unproduktiver Suche nach Schuldigen aufhalten, sondern sich auf die Ursachenermittlung und Fehlerkorrektur konzentrieren.
65
4
4. Wertschätzende Mitarbeiterkontrolle
Kontrolle sollte nicht vorrangig im Sinne der Fehlersuche, sondern für die Erfolgsbestätigung betrieben werden.
4.4
Von Vertrauen getragene Fehlerkultur
4.4.1 Fehler haben auch etwas Positives Jeder Mensch macht bekanntlich Fehler. Dabei ist es oft eine Frage der persönlichen Wahrnehmung, ob etwas als Fehler zu bezeichnen ist. Manchmal sind vermeintliche Fehler lediglich fehlgeschlagene Versuche, eine Lösung zu finden. So gesehen sind Fehler sogar wünschenswert. Ohne Fehler gibt es keinen Fortschritt, denn Fortschritt beruht meist auf einer Kette von Irrtümern. Fehler bringen manchmal nützliche Erkenntnisse im Hinblick auf Schwachstellen und Verbesserungsmöglichkeiten und tragen somit zur Qualitätssteigerung bei. Die Mitarbeiter wiederum können an ihren Fehlern lernen und sich weiterentwickeln – wenn sie die notwendige Einsicht und Bereitschaft dazu aufbringen. Ohne Fehltritte keine Erfahrungsschritte zum Fortschritt. 4.4.2 Erwarten Sie keine Perfektion Wer als Führungskraft den Anspruch der Perfektion erhebt, wird ängstlich alles vermeiden, was zu Fehlern führen kann. Er wird dazu neigen, seine Mitarbeiter akribisch zu kontrollieren, aufgetretene Fehler zu dramatisieren und vorschnell als Folgen von Fahrlässig-
66
Richtiger Umgang mit Fehlern
keit, Unfähigkeit oder gar Böswilligkeit zu werten. Die Reaktionen der Mitarbeiter auf einen solchen Führungsstil sind naturgemäß: Vermeiden jeglicher Risiken Scheu vor Verantwortung und Eigeninitiative Unselbstständigkeit geringe Arbeitszufriedenheit und Leistungsbereitschaft Enttäuschungen bis hin zur Resignation Misstrauen gegenüber der Führungskraft Perfektion ist ein in letzter Konsequenz unerreichbares Ziel, und sie zu verlangen, führt zu mangelnder Risikobereitschaft und somit zu Kreativitätsblockaden. 4.4.3 Fehler nicht ignorieren, aber gerecht bewerten! Selbstverständlich gibt es auch Fehler und Fehlverhaltensweisen, die keinesfalls toleriert werden dürfen. In schwerwiegenden Fällen müssen sie auch Sanktionen nach sich ziehen. Das gilt in erster Linie bei Fahrlässigkeit und Vorsatz. Beim Bewerten erkannter Fehler sind deren Ursachen und Begleitumstände zu berücksichtigen. Es ist zu klären, ob unmissverständliche Zielvorgaben existiert haben, die notwendigen Arbeitsmittel und Befugnisse gegeben waren, der Mitarbeiter für die Arbeit ausreichend qualifiziert war, er mit der nötigen Sorgfalt und Anstrengungsbereitschaft gearbeitet hat und welches Ausmaß und welche Folgen der Fehler hat. Erst danach kann zutreffend beurteilt werden, ob und
67
4
4. Wertschätzende Mitarbeiterkontrolle
wie schwerwiegend ein Verschulden des Mitarbeiters gegeben ist. Beschuldigen Sie einen Mitarbeiter wegen eines Fehlers zu Unrecht, schaffen Sie sich neben dem eigentlichen Sachproblem ein zusätzliches Motivationsproblem! Aber auch wenn die Schuld tatsächlich beim Mitarbeiter liegt, ist es müßig, darüber lang und breit zu diskutieren. Vielmehr muss es darum gehen, dem Mitarbeiter die Folgen des Fehlers zu verdeutlichen und mit ihm eine zweckmäßige Vorgehensweise zur Fehlerbeseitigung zu vereinbaren. Existiert eine positive Fehlerkultur, werden die Mitarbeiter bereit sein, verantwortungsbewusst denkend auf begangene Fehler auch von sich aus hinzuweisen. Sie eröffnen dadurch dem Vorgesetzten die Chance, Gegenmaßnahmen zu veranlassen, um Schaden zu verhüten oder ihn zumindest zu begrenzen. Ist das nötige Vertrauen zum Vorgesetzten jedoch nicht gegeben, sind die Mitarbeiter naturgemäß bestrebt, Fehler möglichst zu vertuschen, um Unannehmlichkeiten aus dem Weg zu gehen. Oberstes Ziel muss stets die Mängelbeseitigung sein und nicht die Schuldzuweisung. Kontrollen sind so durchzuführen, dass sie den Arbeitserfolg sichern und für die Mitarbeiter hilfreich sind. Kontrollen erfüllen sowohl wichtige arbeitsorganisatorische als auch führungspsychologische Funktionen und zählen somit zu den unverzichtbaren Führungsaufgaben. Unter Beachtung einiger grundlegender Regeln wirken Kontrollen auf die Mitarbeiter keineswegs
68
Vorteile einer Fehlerkultur
demotivierend, sondern werden von ihnen akzeptiert und als eher anspornend erlebt. Eine konstruktive Fehlerkultur ermutigt die Mitarbeiter, gemachte Fehler freiwillig zu bekennen und damit den Schaden zu begrenzen, und eröffnet ihnen Chancen, durch Fehler zu lernen sowie sich persönlich weiterzuentwickeln.
69
4
5. Aufbauende Mitarbeiterkritik
Was soll Mitarbeiterkritik bewirken? Seite 71 Was ist beim Führen eines konstruktiven Kritikgesprächs zu beachten? Seite 72 Wie sollte ein zielgerichtetes Kritikgespräch aufgebaut sein? Seite 74
5.1
Merkmale konstruktiver Kritik
Naturgemäß führen Mitarbeiterkontrollen nicht immer zu einwandfreien Ergebnissen, sondern decken auch Fehler oder Mängel auf. In diesen Fällen ist es Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass je nach Dringlichkeit und gegebenen Möglichkeiten die Fehler behoben oder zumindest deren Auswirkungen minimiert werden und künftigen Fehlern vorgebeugt wird.
Ziele einer konstruktiven Mitarbeiterkritik
5.1.1 Merkmale konstruktiver Kritik Eine konstruktive und partnerschaftliche Kritik ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet: Kooperation statt Konfrontation Reparieren statt Demontieren Beurteilen statt Verurteilen Tatbestandsschilderung statt Persönlichkeitsbewertung Beobachtungsergebnisse statt Vermutungen Ursachenwürdigung statt einseitiger Ergebnis bewertung Bewusstmachen der Arbeitsauswirkungen statt des Androhens disziplinarischer Folgen In der Sache klare Sprache statt harter gefühlsbetonter Worte Suche nach Lösungen statt nach Schuldigem Wundern Sie sich nicht, wenn sich der kritisierte Mitarbeiter gedemütigt oder ungerecht behandelt fühlt, sollten Sie diese Kriterien ignorieren. Schließlich geht es darum, mit ihm über einen negativen Sachverhalt zu
71
5
5. Aufbauende Mitarbeiterkritik
sprechen, der im Zusammenhang mit seiner Arbeit bzw. seinem Verhalten steht. Damit wird zwangsläufig sein Selbstwertgefühl berührt. Ein Kritikgespräch darf nicht zu einer Vergeltungsaktion ausarten!
5.2
Führen zweckdienlicher Kritikgespräche
Im Kritikgespräch geht es um einen konkreten Beanstandungspunkt. Das kann ein mangelhaftes Arbeitsergebnis, eine Terminüberschreitung oder ein unfreundliches Verhalten gegenüber Kunden sein. Wenn es um eine allgemein unbefriedigende Arbeitshaltung geht, wird ein diesbezügliches Gespräch auch als „Motivierungsgespräch“ bezeichnet. Allerdings sind die beiden Gesprächsarten nicht immer trennscharf voneinander zu unterscheiden. Sie werden daher meist generell als Kritikgespräche bezeichnet. 5.2.1 Schwierigkeiten und Risiken Kritikgespräche zählen zu den schwierigsten Mitarbeitergesprächen. Sie werden daher von beiden Seiten nicht gerade geliebt und oft gemieden. Das führt dann jedoch dazu, dass erkannte Mängel nicht abgestellt werden und man sich im Laufe der Zeit mit ihnen abfindet. Im Vergleich zu anderen Mitarbeitergesprächen werden beim Kritikgespräch in besonderem Maß die Gefühle des Mitarbeiters berührt. Es besteht somit stets das Risiko, dass es zu unsachlichen Äußerungen
72
Risiken und Regeln des Kritikgesprächs
kommt, der Mitarbeiter enttäuscht und demotiviert wird, er sich angegriffen fühlt und mit Gegenangriffen reagiert oder das Gespräch insgesamt einen ungewollten Verlauf nimmt. Eine systematische und zweckorientierte Steuerung ist daher bei dieser Art von Mitarbeitergesprächen besonders wichtig. Bereiten Sie sich sorgfältig vor: Bewerten Sie die Fakten nüchtern und überlegen Sie sich eine zweckdienliche Vorgehensweise. Da Kritikgespräche leicht aus dem Ruder laufen können, ist es fahrlässig, die Chance einer gründlichen Vorbereitung nicht wahrzunehmen! 5.2.2 Wichtige Regeln für die Gesprächsführung Erst klären – dann bewerten! Als Gesprächsführer sollte Sie sorgsam darauf achten, dass Sie nicht bewerten – geschweige denn beschuldigen –, ehe der Sachverhalt hinreichend geklärt ist. Trotz Kritik keine verletzenden Formulierungen wählen! Auch wenn sich die Beanstandung als zutreffend herausstellt und es sich um einen ärgerlichen Vorfall handelt, rechtfertigt dies kein unhöfliches oder unfaires Gesprächsverhalten. Verläuft ein Kritikgespräch in einer aggressiven Grundstimmung, ist eine für beide Seiten akzeptierbare Vereinbarung kaum zu erreichen. Hauptziel ist die Beseitigung des Beanstandungspunkts und nicht die Schuldzuweisung. Dieses übergeordnete Ziel kann nur erreicht werden, wenn sich die Kritik auf den zu beanstandenden Tatbestand beschränkt und nicht auf die Person des Mitarbeiters abzielt.
73
5
5. Aufbauende Mitarbeiterkritik
Führen Sie Kritikgespräche grundsätzlich unter vier Augen! Die Anwesenheit anderer erschwert einen offenen und sachorientierten Gesprächsverlauf, da sich der Mitarbeiter vor anderen bloßgestellt fühlt. Von diesem Grundsatz sollte nur abgewichen werden, wenn der Mitarbeiter selbst die Anwesenheit eines Dritten (z. B. eines Betriebsratsmitglieds) wünscht, zur Klärung des Sachverhalts das Hinzuziehen einer weiteren Person zwingend erforderlich ist oder eine Beanstandung mehrere Mitarbeiter gleichermaßen betrifft.
Eine mühevoll aufgebaute Vertrauensbasis und Mitarbeitermotivation kann durch eine ungeschickte oder verletzende Kritik schlagartig zunichtegemacht werden!
5.3
Struktur eines zielbewussten Kritikgesprächs
Die zielorientierte und folgerichtige Struktur des Gesprächs ist eine wichtige Voraussetzung für einen sachlichen und konstruktiven Verlauf. Hier ein bewährtes Phasenmodell: 1. Eröffnung Höflich begrüßen, Platz anbieten Keine Verärgerung zeigen, angemessen freundlich sein Entspannenden Einstieg wählen (aber nicht überziehen) Gesprächsart und -ziel unbefangen benennen Für Freimütigkeit und konstruktiven Verlauf plädieren
74
Die Phasen eines Kritikgesprächs
2. Beanstandung Sachverhalt aus eigener Sicht wertfrei schildern Selbstbeobachtetes und Zugetragenes trennen Kritikpunkte sachlich und ohne Umschweife darlegen Keine Verallgemeinerungen, keine Vorverurteilungen Problemausmaß und -folgen beschreiben 3. Stellungnahme Mitarbeiter zu freimütiger Stellungnahme auffordern Gründe für gegebenen Sachverhalt erfragen Aufmerksam zuhören, ggf. Notizen machen Unklares, Lückenhaftes oder Unlogisches klarstellen lassen Privat-/Intimsphäre respektieren, Diskretion zusichern
4. Bewertung Soll- und Ist-Zustand beschreiben und gegenüberstellen Unternehmens- und Mitarbeiterbelange abwägen nur Arbeiten/Verhalten bewerten, nicht Persönlichkeit Keine harten Worte, aber in der Sache klare Sprache Wenn Beanstandung haltlos, Gespräch hier beenden
5. Vereinbarung Mitarbeiter um eigene Lösungsvorschläge bitten Ggf. ergänzende oder Alternativvorschläge machen Positive Mitarbeitervorsätze ausdrücklich anerkennen
75
5
5. Aufbauende Mitarbeiterkritik
Mut machen, erforderlichenfalls Hilfe zusagen Kontrollabsprachen treffen (was, wann, wie)
6. Abschluss Beiderseitigen Gesprächsnutzen würdigen Rat und Unterstützung bei Problemen anbieten Konstruktive Mitwirkung des Mitarbeiters anerkennen Positive Erwartungen an die künftige Arbeit äußern Mitarbeiter höflich und freundlich verabschieden
Gelingt es, diese Reihenfolge und Art der Gesprächssteuerung einzuhalten, bestehen gute Aussichten, trotz unerfreulichen Anlasses zu einer beiderseits akzeptierten Vereinbarung zu gelangen.
76
Das erfolgreiche Kritikgespräch
Oberstes Ziel von Mitarbeiterkritik muss die Beseitigung des Beanstandungspunkts sein, während die Schuldfrage zweitrangig behandelt werden sollte. Um die notwendige Einsicht des Mitarbeiters zu erreichen, muss es sich auf den jeweiligen Sachverhalt beschränken und darf es dessen Selbstwertgefühl nicht mehr als unvermeidbar beeinträchtigen. Einfühlsam geführt, wird es das Vertrauensverhältnis nicht schmälern, sondern eher stärken. Kritik soll dem Mitarbeiter eine konkrete und hilfreiche Rückmeldung hinsichtlich seiner Arbeitsergebnisse bzw. seines Arbeitsverhaltens geben. Ein Kritikgespräch ist so zu führen, dass es den Mitarbeiter nicht demontiert, sondern motiviert. Auch ein ärgerlicher Anlass darf die Führungskraft nicht verleiten, unfair oder gar verletzend zu werden. Der Gesprächsablauf ist vom Vorgesetzten vor allem so zu steuern, dass es nicht zu einer vorschnellen Bewertung kommt. Vielmehr muss der Mitarbeiter zuvor ausreichend Gelegenheit erhalten, den Sachverhalt aus seiner Sicht zu schildern sowie seine Motive und die möglicherweise aufgetretenen Probleme darzulegen.
77
5
Anhang
Ergänzende Literatur
78
Brandes, D.: Alles unter Kontrolle, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2004
Fröhlich, P.: Kritisieren - aber richtig, Verlag Neuer Merkur, München 2003
Höhler, G.: Warum Vertrauen siegt, Econ Verlag, München 2003
Kießling-Sonntag, J.: Zielvereinbarungsgespräche, Cornelsen Verlag, Berlin 2002
Kratz, H.-J.: Delegieren – aber wie? GABAL Verlag, Offenbach 1999
Kratz, H.-J.: Kontrollieren – aber wie? GABAL Verlag, Offenbach 2000
Laufer, H.: Grundlagen erfolgreicher Mitarbeiterführung, GABAL Verlag, Offenbach 2006
Luhmann, N.: Vertrauen, Lucius & Lucius, Stuttgart 2000
Meier, J.: Erfolgreiche Führungsgespräche, GABAL Verlag, Offenbach 2004
Neubauer, W., Rosemann, B.: Führung, Macht und Vertrauen in Organisationen, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2006
Panse, W., Stegmann, W.: Angst – Macht – Erfolg, Volk Verlag, München 2004
Sprenger, R. K.: Vertrauen führt, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2002
Unger, St. (Hrsg.): Vertrauen ist gut …. Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt am Main 2003
Register
Register Angst 20, 28 ff. Arbeitsklima 16, 33 Arbeitsplatzverlust 30 f. Arbeitszufriedenheit 29, 43, 67 Authentisch 24
Risikobereitschaft 18, 67 Sachzielgespräch 48 Selbstkontrolle 64 Sicherheitsbedürfnis 37, 44 Soll-Ist-Vergleich 60
Demotivieren 58, 62, 68 Täuschung 14 Entwicklungszielgespräch 48 f. Fehlerkultur 65 f., 68 f. Fördergespräch 49 Führungsfehler 29, 31, 35 Führungskultur 25, 34 Führungsstil 20, 33 ff., 46 Glaubwürdigkeit 23 Information 36, 42 ff., 47, 56 Jahresgespräch 49 f. Kontrolle 17, 27, 33, 52, 57 ff. Kritikgespräch 62, 70, 72 ff., 77 Leistung 9, 12, 28, 31 Loben 41 Manipulation 8, 14 ff. 19 Misstrauen 8, 14, 17 ff., 23, 26, 33 f., 39, 44, 51, 56, 61, 67 Misstrauensbeweis 58 Mitarbeitergespräch 72 f. Mitarbeitermotivierung 43, 60 Mitarbeitervertrauen 7, 25, 28, 35, 56, Motivierungsgespräch 45, 72
Überwachung 26 Unternehmenskultur 33 Urangst 9 Verantwortung 38, 53 ff., 67 Verantwortungsdelegation 53 f. Vertrauensbasis 6, 64 Vertrauensbegriff 13 Vertrauensbeweis 35, 40, 53 Vertrauensbeziehung 6, 15, 23, 37, 61 Vertrauensbildung 36 ff., 56 Vertrauensdefizite 25 Vertrauensklima 26, 32, 38 Vertrauenskultur 20, 43 Vertrauensschwund 61 Vertrauensverhältnis 10, 16, 19, 22 f., 27, 33, 39, 64 Vertrauensvorschuss 14, 16, 37 f. Vertrauenswürdigkeit 22, 24 Wertvorstellungen 40 Willkür 24 Zielsetzungen 40, 48 Zielvereinbarung 47, 51 Zielvereinbarungsgespräch 48, 50 f. Zufriedenheit 33
79