D e u t s c h e s Arc h ä o l o gi s c h e s I n s t i t u t • J a h re s b e r i c ht 2 0 0 9
Archäologischer Anzeiger 2010/1 Beiheft
Deutsches Archäologisches Institut
JAHRESBERICHT 2009
Hirmer Verlag · München
ARCHÄOLOGISCHER ANZEIGER • BEIHEFT die Zeitschrift erscheint seit 1889, das Beiheft mit dem Jahresbericht des DAI seit 2008
AA 2010/1 Beih. • VI, 426 Seiten mit 551 Abbildungen
Herausgeber Deutsches Archäologisches Institut Zentrale Podbielskiallee 69–71 D-14195 Berlin www.dainst.org
© 2010 Deutsches Archäologisches Institut / Hirmer Verlag GmbH ISSN: 0003-8105 • ISBN: 978-3-7774-3071-3 Gesamtverantwortlich: Redaktion an der Wissenschaftlichen Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin (www.dainst.org) Redaktion: Anja Ludwig, Berlin Layout und Satz: eScriptum GmbH & Co. KG • Publishing Services, Berlin (www.escriptum.de), nach Standard-Layout des Archäologischen Anzeigers von F217 Sailer/Sohn, Berlin (www.F217.de) Bildbearbeitung: Catrin Gerlach, Deutsches Archäologisches Institut, Zentrale Herstellung und Vertrieb: Hirmer Verlag GmbH, München (www.hirmerverlag.de) Titelbilder: Nach Projekt-Bildern der Zentrale, 7 Abteilungen und 3 Kommissionen des DAI Abbildungen: Eine Einholung der Nutzungsrechte aller Darstellungen, für die die Projekte des DAI nicht die Rechteinhaber sind, wurde angestrengt. In Einzelfällen konnten Copyright-Inhaber nicht ausfindig gemacht werden bzw. erfolgte keine Rückmeldung auf diesbezügliche Anfragen. Wir möchten Sie bitten, in solchen Fällen einen entsprechenden Hinweis an die Redaktion des DAI (
[email protected]) zu senden, damit eine Einholung der Publikationserlaubnis schnellstmöglich noch vorgenommen werden kann. – Länderkarten: Weltkarte nach R. Stöckli, E. Vermote, N. Saleous, R. Simmon and D. Herring (2005). The Blue Marble Next Generation – A true color earth dataset including seasonal dynamics from MODIS. Published by the NASA Earth Observatory. Corresponding author:
[email protected]. – Flüsse nach Global Runoff Data Centre (2007): GIS Layers of Major River Basins of the World. 1st edition. GRDC in the Bundesanstalt für Gewässerkunde, 56068 Koblenz, Germany, http://grdc.bafg.de. – Ländergrenzen nach Environmental Systems Research, Inc. (ESRI), 20050811, Countries: ESRI Data & Maps 2005, Environmental Systems Research Institute, Inc. (ESRI), Redlands, California, USA Erscheint auch als digitale Version auf der Homepage des DAI (www.dainst.org) Alle Rechte, insbesondere das Recht der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten. Printed and Bound in Italy
Inhalt
DEUTSCHES ARCHÄOLOGISCHES INSTITUT JAHRESBERICHT 2009 1
Vorwort
3
Zentrale
61
Abteilung Rom
101
Abteilung Athen
127
Römisch-Germanische Kommission
145
Abteilung Kairo
181
Abteilung Istanbul
217
Abteilung Madrid
255
Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik
267
Orient-Abteilung
331
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen
355
Eurasien-Abteilung
401
Forschungstellen am Deutschen Evangelischen Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes (DEI) in Amman und Jerusalem
413
Die Forschungscluster des DAI
Berlin Bonn
Frankfurt München Rom Istanbul
Madrid Athen
Damaskus Jerusalem Kairo
Amma
Jahresbericht 2009 des Deutschen Archäologischen Instituts
Peking Ulaanbaatar
Liebe Leserinnen und Leser, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Teheran Baghdad
an
Sana'a
das Deutsche Archäologische Institut konnte im Jahr 2009 seine wissenschaftliche Arbeit erfolgreich fortsetzen. Mit besonderer Freude möchte ich an dieser Stelle die diesjährige Gründung der Forschungsstelle Lissabon der Abteilung Madrid des DAI hervorheben. Anfang des Jahres wurde mit dem Portugiesischen Amt für Architekturund Bodendenkmalpf lege in Lissabon das Memorandum zur Einrichtung der Forschungsstelle unterschrieben. Diese setzt – nun in einem anderen Rahmen – die langjährige Präsenz des DAI in Portugal fort, wo zwischen 1971 und 1999 bereits eine Außenstelle der Abteilung Madrid bestand. Darüber hinaus wurde Ende des Jahres in Peking ein Memorandum mit der Chinesischen Akademie für das Kulturerbe der VR China unterzeichnet, mit dem die Weichen für die Einrichtung einer Außenstelle der Eurasien-Abteilung des DAI gestellt wurden. Das DAI dankt der Bundesregierung und dem Bundestag für die Bewilligung der Haushaltsmittel. Im Besonderen sei dem Auswärtigen Amt für die verlässliche Unterstützung und Begleitung der Institutsarbeit zu danken. Viele Projekte wurden durch zahlreiche Institutionen der Wissenschaftsförderung unterstützt und häufig erst ermöglicht, unter denen die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Gerda Henkel Stiftung, die Fritz Thyssen Stiftung, die Max-Planck-Gesellschaft, die VolkswagenStiftung, die Gesellschaft der Freunde des DAI/Theodor Wiegand Gesellschaft e. V., die American Friends of the German Archaeological Institute, die Asociación de Amigos del Instituto Arqueológico Alemán de Madrid sowie der Verein zur Förderung des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes besonders hervorzuheben sind. Dank dafür gilt ihnen wie weiteren privaten Stiftungen, Kooperationspartnern und Förderern aus dem Bereich der Industrie, deren Unterstützung bei den entsprechenden Unternehmungen gewürdigt wird. Eingeschlossen in unseren Dank seien auch die Institutionen, Behörden, Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen unserer Gastländer für die besondere Unterstützung der Forschungsarbeit und die herzliche Aufnahme. Der hier vorgelegte Jahresbericht soll in einem Überblick über die Vielzahl der Unternehmungen der Zentrale, der Abteilungen sowie der Kommissionen von den fruchtbaren internationalen Kooperationen Zeugnis geben. Hans-Joachim Gehrke
Präsident, Generalsekretär, Mitglieder der Zentraldirektion und des Direktoriums
Präsident Prof. Dr. Hans-Joachim Gehrke Generalsekretär Prof. Dr. Ortwin Dally, Vertreter des Präsidenten
Mitglieder der Zentraldirektion Der Präsident (Vorsitzender) Hölscher, Tonio, Prof. Dr. (Stellvertreter im Vorsitz) Ruprecht-Karls-Universität Institut für Klassische Archäologie Marstallhof 4 D-69117 Heidelberg Eichmann, Ricardo, Prof. Dr. (Vertreter des Direktoriums) DAI, Orient-Abteilung Podbielskiallee 69–71 D-14195 Berlin Kobler Martin, MD (Vertreter des Auswärtigen Amts) Auswärtiges Amt, Leiter der Kulturund Kommunikationsabteilung Werderscher Markt 1 D-10117 Berlin Daim, Falko, Prof. Dr. Generaldirektor, Römisch-Germanisches Zentralmuseum Ernst-Ludwig-Platz 2 D-55116 Mainz Fless, Friederike, Prof. Dr. Freie Universität Institut für Klassische Archäologie Otto-von-Simson-Str. 11 und 7 D-14195 Berlin Funke, Peter, Prof. Dr. Westfälische-Wilhelms-Universität Seminar für Alte Geschichte, FB 7 Domplatz 20–22 D-48143 Münster Käppel, Lutz, Prof. Dr. Christian-Albrechts-Universität Institut für Klassische Altertumskunde Leibnizstr. 8 D-24118 Kiel Koenigs, Wolf, Prof. Dr.-Ing. Technische Universität Baugeschichte und Bauforschung Arcisstr. 21, D-80290 München Kunze, Christian, Prof. Dr. Universität Regensburg Institut für Klassische Archäologie Universitätsstr. 31 D-93053 Regensburg Maran, Joseph, Prof. Dr. Ruprecht-Karls-Universität Institut für Ur- und Frühgeschichte und Vorderasiatische Archäologie Marstallhof 4 D-69117 Heidelberg
Martini, Wolfram, Prof. Dr. Justus-Liebig-Universität Professur für Klassische Archäologie Otto-Behaghel-Str. 10 D D-35394 Gießen Maul, Stefan, Prof. Dr. Ruprecht-Karls-Universität Seminar für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients – Assyriologie Hauptstr. 126 D-69117 Heidelberg Nielsen, Inge, Prof. Dr. Universität Hamburg Archäologisches Institut Edmund-Siemers-Allee 1, Flügel West D-20146 Hamburg Reinsberg, Carola, Prof. Dr. Universität des Saarlandes Institut für Klassische Archäologie Campus/Gebäude B3 1 D-66123 Saarbrücken Strube, Christine, Prof. Dr. Ruprecht-Karls-Universität Institut für Byzantinische Archäologie und Kunstgeschichte Marstallhof 4 D-69117 Heidelberg Verhoeven-van Elsbergen, Ursula, Prof. Dr. Johannes Gutenberg-Universität Institut für Ägyptologie und Altorientalistik, FB 07 Johann Friedrich von Pfeiffer-Weg 5 D-55099 Mainz von den Hoff, Ralf, Prof. Dr. Albert-Ludwigs-Universität Institut für Archäologische Wissenschaften, Abteilung für Klassische Archäologie Fahnenbergplatz D-79085 Freiburg i. Br. Buchner, Edmund, Prof. Dr. Präsident i. R. Nadistr. 14 D-80809 München (ohne Votum) Kyrieleis, Helmut, Prof. Dr. Dr. h.c. Präsident i. R. c/o DAI Podbielskiallee 69–71 D-14195 Berlin (ohne Votum) Parzinger, Hermann, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Von-der-Heydt-Str. 16–18 D-10785 Berlin (ohne Votum)
Mitglieder des Direktoriums Der Präsident (Vorsitzender) Der Generalsekretär (Vertreter des Präsidenten) Eichmann, Ricardo, Prof. Dr. DAI, Orient-Abteilung Podbielskiallee 69–71 D-14195 Berlin Hansen, Svend, Prof. Dr. DAI, Eurasien-Abteilung Im Dol 2–6, Haus II D-14195 Berlin Hesberg, Henner von, Prof. Dr. DAI, Abteilung Rom Via Sardegna, 79 I-00187 Rom Lüth, Friedrich, Dr. Römisch-Germanische Kommission des DAI Palmengartenstr. 10–12 D-60325 Frankfurt a. M. Marzoli, Dirce, Prof. Dr. DAI, Abteilung Madrid Serrano 159 E-28002 Madrid Niemeier, Wolf-Dietrich, Prof. Dr. Dr. h. c. DAI, Abteilung Athen Fidiou 1 GR-10678 Athen Pirson, Felix, PD Dr. DAI, Abteilung Istanbul İnönü Caddesi 10 TR-34437 Istanbul Schuler, Christof, PD Dr. Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik des DAI Amalienstr. 73 b D-80799 München Seidlmayer, Stephan J., Prof. Dr. DAI, Abteilung Kairo 31, Sharia Abu el-Feda ET-11211 Kairo-Zamalek Vogt, Burkhard, Dr. Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen des DAI Dürenstr. 35–37 D-53173 Bonn
Zentrale
Zentrale Podbielskiallee 69–71 D-14195 Berlin Tel.: +49-(0)3018 7711-0 Fax: +49-(0)3018 7711-168/190/191 E-Mail:
[email protected]
Präsident Prof. Dr. Hans-Joachim Gehrke Generalsekretär Prof. Dr. Ortwin Dally, Vertreter des Präsidenten Wissenschaftliche Direktorin Prof. Dr.-Ing. Ulrike Wulf-Rheidt, Vertreterin des Generalsekretärs Leiter der Verwaltung Rainer Weiß Joachim Hahn (stellv. Leiter) Wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Dr. Peter Baumeister (bis 31. 3.), Prof. Dr. Norbert Benecke, Dr. Uta Dirschedl, Andreas Geißler M. A. (Projektschwerpunkte an der Universität zu Köln, Archäologisches Institut), Dr. Julia Gresky, Prof. Dr. Hans Rupprecht Goette, Dr.-Ing. Arnd Hennemeyer (ab 26. 10.), Dr. Michael Hensle (ab 1. 9.), Dr. Karl-Uwe Heußner, Dr. Kerstin P. Hofmann (ab 15. 2.), Ute Kelp M. A. (ab 23. 11.), Rainer Komp M. A., Dr. Michael Krumme, Dr. Monika Linder, Anja Ludwig M. A. (von 16. 2. bis 31. 12.), Dr. Susanne Moraw, Dr. rer. nat. Reinder Neef, Dr. Andreas Oettel (bis 22. 10.), Dr. Hans-Ulrich Onasch (ehrenamtlich), Dr. Daniela Pohl (ab 1. 11.), Patricia Rahemipour M. A., Dr. Felix Schäfer (Universität zu Köln, Archäologisches Institut, Projektschwerpunkte an der Zentrale), Dr.-Ing. Peter Schneider, Dr. Florian Seiler, Dr. Simone Wolf Fortbildungsstipendiaten und Fortbildungsstipendiatinnen Dr. Georg Breitner (bis 30. 6.), Dr. Martin Furholt (bis 30. 6.), Dr. Christoph Gerber, Dr. Renate Heckendorf (bis 31. 5.), Dr. Oliver Hülden (bis 31. 12.), Dr. Kristine Iara (ab 1. 10.), Dipl.-Ing. Claudia Lacher, Dipl.-Ing. Daniel Lohmann (bis 31. 12.), Dipl.Ing. Janet Lorentzen (ab 1. 11.), Dr. Sonja Magnavita-Santos (bis 31. 12.), Dr. Roland Oetjen, Dr. Andrea Schmölder-Veit, Dipl.-Ing. Verena Stappmanns, Dr. Mike Teufer (bis 31. 5.), Dipl.-Ing. Fabian Zens (ab 1. 6.) Wissenschaftliche Hilfskräfte Dipl.-Ing. Clemens Brünenberg (ab 19. 10.), Dipl.-Ing. Dörthe Brüning (von 12. 1. bis 30. 4.), Dr. Veronica Bucciantini, Anja Endrigkeit M. A., Frederick Jagust M. A., Veronica Hinterhuber M. A., Dipl.-Ing. Janet Lorentzen (bis 10. 10.), Dominik Lukas M. A., Marie Vigener M. A., Jennifer Wilde M. A., Dipl.-Ing. Claudia Winterstein (bis 12. 1., ab 1. 5.) Aus Drittmitteln finanzierte Stellen Elisa Cortesi M. A. (DFG, ab 9. 2.), Stephanie Langer M. A. (DFG, ab 1. 5.), Dr. Luise Hallof (DFG, ab 1. 7.), Dr.-Ing. Catherine Hof (DFG, 6 Monate), Ulrike Nowotnick M. A. (DFG, 8 Monate), Dipl.-Ing. Juren Meister (DFG), Dr. Andreas Oettel (DFG) Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Nicole Kehrer M. A.
Zentrale Ausgrabungen und Forschungen
Abb. 1 Editionsprojekt FGrHist V, Fragmente der griechischen Historiker (Antike Geographen). Verlauf von Donau, Tanais und Araxes nach der Beschreibung Herodots
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Editionsprojekt FGrHist V, Fragmente der griechischen Historiker (Antike Geographen) Die meisterhafte Sammlung und Kommentierung der Fragmente der griechischen Historiker – FGrHist – durch den Altertumswissenschaftler Felix Jacoby (1876–1959) findet in der Herausgabe der von Jacoby selbst nicht mehr ausgeführten Abteilung V ihre Fortsetzung. Sie hat die systematische Zusammenstellung und Kommentierung der fragmentarisch erhaltenen antiken Autoren über Geographie zum Ziel. Der Fokus des Werks umfasst jetzt 96 griechisch- und lateinischsprachige Autoren und reicht von der beschreibenden Geographie über die mathematische Geographie bis hin zu Reiseberichten (Abb. 1). An dem Unternehmen der FGrHist V arbeiten 57 Altertumswissenschaftler aus acht Nationen (Deutschland, Italien, Russland, Frankreich, Spanien, Großbritannien, Israel, USA). Die Koordination und Organisation der FGrHist V wird seit dem Vorjahr durchgeführt. Am Rande des 13. Kongresses der Fédération Internationale des Associations d’Études Classiques in Berlin fanden in diesem Jahr weitere Gespräche mit dem Brill Verlag über die Herausgabe der Abteilung V statt. Der Brill Verlag in Leiden wird die Fragmentsammlung ab dem kommenden Jahr publizieren. Neben der für einen späteren Zeitpunkt geplanten gedruckten Fassung werden etliche Autoren demnächst bereits über die Website des Brill Verlags elektronisch greif bar sein. Im Umfeld des Editionsprojekts der FGrHist V fand Ende des Jahres in der Villa Vigoni bei Como die zweite trinationale Konferenz über Geographie und Politik in der antiken Welt statt. Sie belegt das derzeitige große Interesse der internationalen Altertumswissenschaft an Fragestellungen der Historischen Geographie. Die in der Konferenz im Mittelpunkt stehende Epoche des Hellenismus bildet dabei ein besonders geeignetes Feld für die Erforschung politisch-geographischer Beziehungen in der Antike, da sich in jener Zeit der Raum des historischen Geschehens aus klassisch-griechischer Perspektive weit öffnete. Die Tagung in der Villa Vigoni wurde von renommierten Altertumswissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen aus Frankreich, Deutschland und Italien bestritten. Am 10. November dieses Jahres, dem 50. Todestag Felix Jacobys, fand in der Humboldt-Universität zu Berlin aus diesem Anlass ein wissenschaftliches Kolloquium zu seinem Gedenken statt. Die Würdigung seines Werks und ein Blick auf Jacobys Berliner Promotionsverfahren im Jahre 1900 bildeten den
6 Jahresbericht 2009 des DAI
Abb. 2 Editionsprojekt FGrHist V, Fragmente der griechischen Historiker (Antike Geographen). Felix und Margarethe Jacoby in der 1950er Jahren
Auftakt der Veranstaltung (s. auch hier S. 47). Hierbei wurden die Fortschritte in der Erforschung der fragmentarischen griechischen Geschichtsschreibung vor dem Hintergrund der aktuellen Nachfolge- und Fortsetzungsprojekte zu Jacobys Fragmenten der griechischen Historiker beleuchtet. Unveröffentlichte Briefe aus den letzten Jahren Jacobys in Berlin-Dahlem sowie frühe Aufzeichnungen zur Organisation und Gliederung des Editionsprojekts in Leuven ermöglichten einen neuen Einblick in die Arbeitsmethoden Felix Jacobys. Die Gedenkfeier endete mit einer Führung in Falkensee-Finkenkrug, dem Wohnort Felix Jacobys in den Jahren von 1935 bis 1939, wo sein bis heute erhaltenes Wohnhaus besucht wurde (Abb. 2). Das Vorhaben ist – als Grundlagenprojekt – von besonderer Bedeutung für das Studium der antiken Raumvorstellungen und deshalb auch mit dem trinationalen Projekt »Raum und Macht« und dem Berliner Exzellenzcluster TOPOI eng verbunden. Kooperationspartner: Università degli Studi di Firenze (S. Bianchetti); Università degli Studi di Perugia (F. Prontera); Université de Nice (P. Arnaud) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: H.-J. Gehrke • Mitarbeiterin: V. Bucciantini • Abbildungsnachweis: nach G. Lindström, in: S. Hansen – A. Wieczorek – M. Tellenbach (Hrsg.), Alexander der Große und die Öffnung der Welt. Asiens Kulturen im Wandel. Begleitband zur Sonderausstellung in den Reiss-Engelhorn-Museen (Mannheim 2009) 28 (Abb. 1); aus dem Nachlass von Eduard Georg Jacoby in der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek (Cb 156), mit freundlicher Genehmigung von K. Küchmeister (Abb. 2). Taganrog und Umgebung (Russische Föderation) Der Schwerpunkt der Arbeiten lag in diesem Jahr auf dem Umland von Taganrog, einem der frühesten griechischen Handelsstützpunkte im nördlichen Schwarzmeerraum an der Mündung des Don in das Asovsche Meer. Geographische Geländesondierungen hatten zunächst zum Ziel, geeignete Ablagerungen (Archive) für die Umweltrekonstruktion mittels Bohrungen zu finden. Die Rekonstruktion soll durch Analyse fossiler Pf lanzenreste (Pollen, Samen, Holzkohle) und durch stratigraphische Analysen von Sedimenten erfolgen. Hauptsächlich in der Nähe von Kurganketten und bronzezeitlichen Siedlungsplätzen wurden insgesamt 45 Bohrungen abgeteuft, wobei per
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Abb. 3 Taganrog und Umgebung (Russische Föderation), Sambektal. Verteilung von Siedlungen und Kurganen
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Handbohrgerät der Boden meist nur bis maximal 2 m Tiefe erschlossen werden konnte. Die Bohrungen in der Aue des mittleren Sambektals erbrachten nahe einer bronzezeitlichen Siedlungsf läche mit Kurganen zwei Kerne für die pollenanalytische Untersuchung, dabei lagen die Endteufen bei 6,28 m (Kern SAM1) und 3,43 m (Kern SAM2). Wie bereits die Kampagne im Vorjahr gezeigt hat, ist die vorgesehene Hauptmethode der Umweltrekonstruktion, die Pollenanalyse, im Untersuchungsgebiet schwer anwendbar. Das trockene Klima, das Fehlen geeigneter Archive (Moore, Seen) sowie die intensive Umgestaltung der Landschaft seit dem 19. Jh. erschwerten es, adäquates Probenmaterial zu finden. Die Feldarbeit konzentrierte sich daher auf das relativ feuchte und daher besser geeignete Schwerpunktgebiet des mittleren Sambektals. Neben Pollenarchiven wurde zusätzlich nach Sedimentarchiven sondiert, das Tal geomorphologisch kartiert und an verschiedenen Sites mittels Rammkernsonde bebohrt. Insgesamt liegen 51,80 m Kernmaterial aus Schwemmfächern, Auenbereich und Grabhügel vor. Die geographischen Arbeiten im Umland von Taganrog wurden damit beendet. Der bereits 2008 begonnene und nun fortgesetzte extensive Survey konzentrierte sich in dieser Kampagne vor allem wie schon im vergangenen Jahr auf die Kartierung, Vermessung und Dokumentation von Kurganen und Siedlungsf lächen zwischen später Bronze- und früher Eisenzeit. Im unteren und mittleren Sambektal wurden per Referential-GPS mittlerweile insgesamt 39 Fundstellen mit 232 Kurganen und ca. 17 Siedlungen vermessen. Davon sind fünf Fundstellen mit insgesamt 28 Kurganen neu entdeckt worden (Abb. 3). Damit verbunden waren Literaturstudien und die Aufarbeitung bislang unpublizierter Grabungsergebnisse im Museum von Taganrog, die für die bei dem Survey aufgenommenen Kurgane und Siedlungsplätze Datierungskriterien liefern.
8 Jahresbericht 2009 des DAI
Abb. 4 Taganrog und Umgebung (Russische Föderation), Levinsadovka. Grabungsareal mit Geomagnetik und Grabungsschnitten 2007/2009
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Abb. 5 Taganrog und Umgebung (Russische Föderation), Levinsadovka. Grabungsareal mit Grabungsschnitt II, Planum 5 (Ausschnitt mit Entzerrung der Fundaufnahmen)
Abb. 6 Taganrog und Umgebung (Russische Föderation), handgetöpferter Napf (Srubnaja-Kultur, 2. Hälfte 2. Jt. v. Chr.)
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In einem engen Zusammenhang mit der kulturhistorischen Entwicklung des Dondeltas zwischen später Bronze- und früher Eisenzeit standen auch die Feldforschungen, die sich auf die bereits 2007 prospektierte Siedlung von Levinsadovka an der Mündung des Myus Liman konzentriert haben (Abb. 4). Aufgrund der dabei gewonnenen Daten bestand die Erwartung, Siedlungsphasen aus der späten Bronze- und frühen Eisenzeit und damit Daten zur Siedlungsstruktur, Wirtschaftsweise und Chronologie der Übergangsphase Bronzezeit – Eisenzeit zu erhalten. Obwohl keine geschlossenen Siedlungsstrukturen erfasst werden konnten, wurde eine Abfallschicht entdeckt (Abb. 5), die sehr viel Knochenmaterial enthielt sowie Keramik, die größtenteils in der Sabatinovka-Phase der spätbronzezeitlichen Srubnaja-Kultur datiert (Abb. 6). Bis jetzt ist noch nicht eindeutig, ob die Datierung der Schicht einheitlich Srubnaja (2. Hälfte 2. Jt. v. Chr.) zugeschrieben werden kann. Hierfür sind weitere Analysen der Keramik sowie eine Reihe von 14C-Datierungen der Knochen notwendig. Die Eisenzeit war nur durch vereinzelte Scherben vertreten. Die Feldarbeiten sollen im kommenden Jahr in der Region Taganrog insgesamt durch letztmalige Arbeiten in dem frühgriechischen Handelsstützpunkt in Taganrog sowie einem weiteren eisenzeitlichen Siedlungsplatz im Dondelta abgeschlossen werden. Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau (V. Kuznetsov); Don-Archäologische Gesellschaft Rostov am Don (A. Zibrij, V. Zibrij, A. Isakov); Institut für Geographische Wissenschaften, Fachrichtung Physische Geographie der Freien Universität Berlin (Ch. Singer, M. Schlöffel); Institut für Prähistorische Archäologie der Freien Universität Berlin (H. Parzinger, L. van Hoof );
10 Jahresbericht 2009 des DAI
Institut für Strahlen- und Kernphysik der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (H. Mommsen) • Förderung: Exzellenzcluster TOPOI • Leitung des Projekts: O. Dally • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: C. Bellaire, V. Boecker, S. Gehrke, S. Huy, U. Kapp, A. K. Kokles, B. Schiefer, N. Ullrich • Abbildungsnachweis: L. van Hoof (Abb. 3); U. Kapp (Abb. 4. 5); P. Grunwald, S. Gehrke (Abb. 6). Rom (Italien), Palatin In diesem Jahr konnten die bauforscherischen Untersuchungen zu den Palästen der römischen Kaiser auf dem Palatin im Bereich der Domus Augustana mit zwei kurzen Aufarbeitungskampagnen fortgesetzt werden. Mit der Fertigstellung des Raumbuches wurden die Dokumentationsarbeiten für diesen Bereich zu einem vorläufigen Abschluss gebracht. Die ersten Ergebnisse zur Phasenabfolge der Domus Augustana konnten dabei weitgehend bestätigt werden: Dieser Palastbereich ist danach nicht – wie allgemein angenommen – einheitlich in domitianischer Zeit entstanden, er war f lavisch offensichtlich nicht in allen Teilen fertig gestellt und hat erst im 2. Jh. n. Chr. mit einem weitreichenden Um- und Ausbau seine endgültige Ausformulierung erfahren (s. AA 2009/1 Beiheft, 9–13 Abb. 8). Ziel ist es nun, für alle relevanten Aus- und Umbauphasen der Domus Augustana unter Einbeziehung der bereits erzielten Erkenntnisse zur Bauabfolge des angrenzenden Gartenstadions und der Domus Severiana Rekonstruktionsvorschläge zu erarbeiten. Die Aufarbeitung der Bauphasen und vor allem deren Visualisierung als 3D-Rekonstruktionen der Domus Severiana konnte ebenfalls fortgeführt und ein Rekonstruktionsmodell für die severische Ausbauphase erarbeitet werden (Abb. 7). Während sich die Erweiterungsbauten der Substruktionen
Abb. 7 Rom (Italien), Palatin. Hypothetische Rekonstruktion der severischen Bauphase (Anfang 3. Jh. n. Chr.) der Domus Severiana (Stand 10/2009). In dieser Phase wurde der Bereich nochmals durch hohe, mit einer aufwendig gegliederten Fassade versehene Substruktionen für einen groß angelegten Thermenneubau erweitert. Nach Osten bekam der Palast durch den Neubau eines imposanten Nymphäums eine neue Fassade
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Abb. 8 Rom (Italien), Palatin. 3D-Massenmodell der gesamten Palastanlage. Dargestellt ist die severische Ausbauphase (Anfang 3. Jh. n. Chr.); im Vordergrund der Circus Maximus, über dem auf hohen Substruktionen ›schwebend‹ der severische Thermenneubau errichtet wurde (Stand 12/2009)
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in dieser Phase sehr gut rekonstruieren lassen, muss aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes die Rekonstruktion der neu errichteten Therme auf der Hauptebene in weiten Teilen hypothetisch bleiben. Ein in dieser Erweiterungsphase als Versorgungsebene für die Therme neu geschaffenes Zwischengeschoss ist aber ein deutliches Indiz, dass sich diese nach Südwesten noch erheblich über die erhaltenen Räume hinaus erstreckte, was schon für diese Phase auf eine relativ großzügig angelegte Thermenanlage schließen lässt. Aufgrund ihrer exponierten Lage, hoch über dem Circus Maximus ›schwebend‹, setzte dieser Neubau einen nicht zu übersehenden, baulichen Akzent, der sich besonders auf die Wahrnehmung der Palastanlage im städtebaulichen Gefüge auswirkte. In severischer Zeit kam diesem Palastteil insgesamt offenbar große Bedeutung zu, da der bisher vernachlässigte Abschluss des Palastes nach Südosten durch den Neubau des Septizodiums, einem großen Nymphäum, auch auf dieser Seite eine Schaufassade bekam (Abb. 7). Im Rahmen des Kooperationsprojekts »Palast und Stadt im severischen Rom« wurde vor allem der Frage nachgegangen, welche severischen Veränderungen sich in der Domus Augustana fassen lassen und wie diese zu bewerten sind. Im Unterschied zu den im Gartenstadion und der Domus Severiana nachweisbaren tiefgreifenden Ausbau- und Erweiterungsmaßnahmen in der Domus Augustana sprechen die bislang fassbaren severischen Baumaßnahmen für weniger umfangreiche strukturelle Änderungen. Sie lassen vielmehr auf ein weitgehendes Beibehalten der Raumstrukturen im Haupttrakt des Palastes schließen, die sich auch in einer Kontinuität der höfischen Interaktionsformen widerspiegelt. Es ist eine Stagnation der bis in antoninische Zeit zu beobachtenden architektonischen Entwicklung derjenigen Raumgruppen des Palastes festzustellen, in denen die höfischen Interaktionsformen convivium und salutatio stattfanden. Dagegen scheint dem Ausbau verschiedener Fassadenabschnitte im Sinne einer bewussten Steigerung der städtebaulich und architektonisch fassbaren kaiserlichen Präsenz im römischen Stadtbild eine große Bedeutung zugekommen zu sein. Dies lässt sich auch daran ablesen, dass weniger einzelne Räume und Raumensembles als vielmehr Elemente zur Außendarstellung, wie im Besonderen die stadträumliche Verschränkung von Circus und Palast, in spätantiken Palästen und aristokratischen Villenanlagen rezipiert und weiterentwickelt wurden. Das 3D-AutoCAD-Modell wurde mit Hilfe der Google-Software SketchUp in ein benutzerfreundlicheres 3D-Modell umgewandelt, das in Google Earth implementiert auch mit kostenloser Software genutzt werden kann (Abb. 8).
12 Jahresbericht 2009 des DAI
Kooperationspartner: Faculty of Archaeology, Leiden University (N. Sojc); Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin (A. Winterling); Lehrstuhl für Baugeschichte und Lehrstuhl für Vermessungskunde der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus; E. Bukowiecki • Förderung: Soprintendenza Archeologica di Roma; Gerda Henkel Stiftung (Forschungsprojekt: »Palast und Stadt im severischen Rom«) • Leitung des Projekts: U. Wulf-Rheidt • Mitarbeiter: J. Pf lug, J. Denkinger, C. von Bargen, A. Müller, U. Kapp • Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, Architekturreferat, J. Denkinger auf der Grundlage der 3D-Rekonstruktion von A. Müller (Abb. 7); DAI, Zentrale, Architekturreferat, C. von Bargen auf der Grundlage des AutoCAD-Modells von A. Müller (Abb. 8). Sarno-Ebene (Italien) Das Gebiet der Sarno-Ebene, die durch den Ausbruch des Somma-Vesuv 79 n. Chr. unter bis zu 10 m hohen vulkanischen Ablagerungen begraben wurde, ist seit drei Jahren Gegenstand eines interdisziplinären Forschungsprojekts, dessen Ziel es ist, die historische Topographie und Ökologie des schon in der hellenistisch-römischen Periode dicht besiedelten geographischen Raumes in den Grundzügen zu rekonstruieren, um daraus Fragen zur Siedlungsstruktur und Siedlungsdynamik abzuleiten. Die in diesem Jahr während einer kurzen Feldkampagne durchgeführten Untersuchungen setzten die in den Vorjahren begonnene geoarchäologische Erforschung des Unterlaufs des Flusses Sarno mit einer Serie von vier Kernbohrungen fort, die im Gebiet der Gemeinden Pompei und Scafati bis zu einer Tiefe von 14 m gesetzt wurden (Abb. 9). Die geostratigraphische Auswertung der Bohrkerne ergab charakteristische Aufschlüsse über die geologischen Zustände und Veränderungen der Umwelt im Mündungsgebiet des Sarno während eines Zeitraumes von mehr als 10 000 Jahren. Nicht zuletzt für die Kenntnis der römischen Topographie des Suburbiums von Pompeji leisten die geoarchäologischen Untersuchungen einen wichtigen Beitrag. Von der Bronzezeit bis in die letzte Periode vor 79 n. Chr. scheint das Mündungsgebiet eine ausgedehnte Auenlandschaft mit Mooren und Sümpfen geprägt zu haben, die weitgehend unbesiedelt war, auch wenn das vielfältige Angebot an natürlichen Ressourcen wirtschaftlich sicher nicht ungenutzt geblieben ist. Dabei gewinnen vor allem die Travertinvorkommen, die in drei der Bohrungen nachgewiesen werden konnten, eine besondere Bedeutung, da sie potenziell als Abbaugebiete dieses in Pompeji in frühsamnitischer Zeit (4./3. Jh. v. Chr.) in großen Mengen verwendeten Baustoffes in Frage kommen. Die Vorkommen liegen in der nächsten Umgebung der Stadt und waren für den Materialtransport auf dieses Weise leicht erschließbar. Die Befunde zur Klärung dieser Fragen werden zurzeit im Rahmen eines interdisziplinären Teilprojekts bearbeitet, das die Gewinnung und Verteilung antiker Baustoffe zum Thema hat. Die aus den Bohrkernen ermittelten stratigraphischen Daten f ließen ein in die seit mehreren Jahren aufgebaute, inzwischen über 1 800 Datensätze umfassende Datenbank von eigenen und nicht eigenen Bohrungen. Diese Bohrungen sind über die gesamte Ebene verteilt und ergeben ein dichtes Netzwerk stratigraphischer Informationen, die eine wertvolle Quelle für die Rekonstruktion der Ökologie und Morphologie der Sarno-Ebene im Zustand vor der Verschüttung 79 n. Chr. bilden. Aus diesen Daten wurde mittels geostatistischer Methoden ein digitales Höhenmodell (DHM) der römischen Oberf läche in einer räumlichen Auf lösung von 10 m erstellt (Abb. 10) und auf dieser Grundlage der ungefähre Verlauf des Paläo-Sarno und seiner Zuf lüsse modelliert. Im nächsten Schritt konnten durch Bestimmung der geologischen und
Abb. 9 Sarno-Ebene (Italien), Scafati. Ortsteil Bagni, Abteufung einer bis 14 m Tiefe reichenden Kernbohrung. Die Stratigraphie des Bohrkerns ergab Abfolgen von mehreren Torf- und Sumpfhorizonten und alluvionalen Ablagerungen, die charakteristisch für das Überschwemmungsgebiet einer Auenlandschaft sind
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Abb. 10 Sarno-Ebene (Italien), digitales Höhenmodell des römischen Horizonts vor dem Vesuvausbruch 79 n. Chr. Die Rekonstruktion des Paläo-Sarno, der Zuflussrinnen und des potenziellen Überschwemmungsgebiets macht die große Relevanz des hydrographischen Systems im Ökosystem der Ebene deutlich. Die antiken Städte Pompeji, Stabiae und Nuceria lagen geschützt auf Anhöhen
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paläontologischen Charakteristiken von Bohrkernschichten und anhand der Morphologie der antike Küstenverlauf und das Überschwemmungsgebiet des Flusses rekonstruiert werden. Auf diese Weise gelang es zum ersten Mal, die antike Oberf lächengestalt und Umweltverhältnisse der gesamten Sarno-Ebene darzustellen. Dieses antike digitale Höhenmodell bildet fortan die Grundlage, mit der verschiedene topographische und archäologische Informationen verschnitten werden wie antike Wegeführungen, villae rusticae, Nekropolen etc. Die ersten Ergebnisse der Verschneidung geographischer und archäologischer Daten lassen bereits erkennen, dass zum Beispiel den römischen Gehöftstellen charakteristische topographische Standortfaktoren mit Vorzugslagen zu Eigen sind.Koorperationspartner: Soprintendenza Speciale dei Beni Archeologici di Napoli e Pompei; Soprintendenza per i Beni Archeologici delle Province di Salerno, Avellino e Benevento; Autorità di Bacino del Sarno (Kar-
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tographie); Università di Napoli Federico II, Dipartimento di Scienze della Terra (G. Balassone, D. Barra); Geozentrum Nordbayern der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg (M. Joachimski); Osservatorio Vesuviano, Napoli (A. Maturano); G. Di Maio, G. Patricelli, T. Saccone • Leitung des Projekts: F. Seiler • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: P. Kastenmeier, S. Vogel, D. Esposito, M. Märker, V. Heck, W. Linder • Abbildungsnachweis: F. Seiler (Abb. 9); S. Vogel, M. Märker (Abb. 10). Hamadab und Meroë (Sudan) Für die beiden im Mittleren Niltal gelegenen Orte des meroitischen Reiches von Kusch (3. Jh. v. bis 4. Jh. n. Chr.) gibt es zu Besiedlungsgeschichte und Lebensweisen in Hamadab sowie zur Baugeschichte und Wasserversorgung der sog. Königlichen Bäder im Kontext der Residenzstadt Meroë Neues zu berichten. In Hamadab erbrachten die Sondierung des nördlichen Siedlungsteils mit Stadtmauer, die Dokumentation des Standortes der Akinidad-Stele vor dem Stadttempel sowie Grabungen hinter dem Tempel und im angrenzenden Haus 1200 grundlegende Erkenntnisse zur Geschichte der Oberstadt: Stadtmauern und Tempelbezirk wurden vor dem Ende des 1. Jhs. v. Chr. auf einer Sanddüne errichtet, offenbar im Rahmen einer übergeordneten Stadtplanung. Erst darauf folgte die Bebauung der Stadt mit Wohnquartieren. Anlass der Stelenaufstellung war vermutlich eine Umgestaltung der Stadt am Ende des 1. Jhs. v. Chr. Aufschlussreich für die Nutzung der Oberstadt ist die Entdeckung eines Stadttors hinter dem Tempel, während die nördliche Stadtmauer keine Eingänge besaß. Ein Testschnitt bis zu ihrem Fundament in 3 m Tiefe zeigt, dass die 2,50 m starke, mehrphasige Mauer aus Lehmziegeln mit beidseitiger Brandziegelverschalung besteht. Die Baugeschichte des Hauses 1200 ist sehr komplex: Kleine Räume, Küchen, Vorratsbehälter und Kochgefäße veranschaulichen den Wohnhauscharakter (Abb. 11. 12). Webgewichte und Spinnwirtel belegen Gewerke wie Spinnen und Weben in diesen häuslichen Bereichen. Bei Geländebegehungen im Umland von Hamadab wurde nördlich in Richtung Meroë ein spätnapatanisch-frühmeroitischer Siedlungsplatz entdeckt. Auf dem Südhügel von Hamadab lieferte die magnetometrische Dokumentation Hinweise auf eine Siedlungsaktivität im christlichen Mittelalter. Auf dem Nordhügel wurde erst wieder in frühislamischer Zeit gesiedelt,
Abb. 11 Hamadab (Sudan), Haus 1200. Raum 1239 veranschaulicht die Komplexität der Befunde
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Abb. 12 Hamadab (Sudan), Haus 1200. Schnitt durch die vielphasigen Siedlungshorizonte in Raum 1237
Abb. 13 Meroë (Sudan), sog. Königliche Bäder. Kanal südöstlich des Wasserbeckens mit Revisionsschacht, Seitenwangen aus Brandziegeln, darüber nubisches Gewölbe Abb. 14 Meroë (Sudan), sog. Königliche Bäder. Kanal südöstlich des Wasserbeckens, Seitenwangen aus kleinen unregelmäßigen Sandsteinbrocken, am Boden ist das Fließbett des Wassers gut sichtbar
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wie eine durch Bodenradar nachgewiesene Rundhüttensiedlung am Westrand des Hügels zeigt. In Meroë im Areal der sog. Königlichen Bäder ließ sich erstmals das baugeschichtliche Verhältnis des Gebäudes zur angrenzenden Stadtmauer und damit zu einem bedeutenden Glied in der Stadtgeschichte von Meroë fassen. Die Fundamentlage der Stadtmauer liegt in diesem Bereich der Royal City auf den ältesten Kulturschichten der Stadt, das aufgehende Mauerwerk aus großen Sandsteinquadern ist imposante 4,50 m stark. Später, als die sog. Königlichen Bäder errichtet wurden, waren die obersten Lagen der Stadtmauer bereits eingestürzt und durch Brandziegel ersetzt worden, denn die Außenmauer der Bäder wurde unmittelbar gegen diese Reparatur der Stadtmauer gebaut. In ihrer heute noch erhaltenen Form können die Bäder daher erst in einem fortgeschrittenen Stadium der Stadtgeschichte von Meroë gegründet worden sein (s. AA 2009/2, 217–234). Die Untersuchung der hydrotechnischen Installationen der Bäder konzentrierte sich auf den unterirdischen Kanal südöstlich des Wasserbeckens, der in dieser Saison jetzt vollständig dokumentiert werden konnte: Die Seitenwangen sind in verschiedenen Techniken gemauert, ein Abschnitt aus gebrannten Ziegeln (Abb. 13), ein anderer aus kleinen unregelmäßigen Sandsteinbrocken (Abb. 14). Ein nubisches Gewölbe schließt den Kanal ab. Das Wasser f loss nicht durch eine Tonröhrenleitung, sondern formte sich ein natürliches Fließbett. Die Stratigraphie legt nahe, dass dieser Kanal jedoch wohl keine Funktion für die sog. Königlichen Bäder hatte und zur Zeit ihrer Errichtung auch nicht mehr genutzt wurde. Die Konservierungsmaßnahmen konnten fortgesetzt werden, so im Bereich der Umgänge rund um das Wasserbecken, auf den Treppenstufen und an den Farbfassungen der Tierprotome, Statuen und Kapitelle.
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Kooperationspartner: National Corporation for Antiquities and Museums, Khartoum; außerdem für das Teilprojekt Hamadab: Institute for Meroitic Studies der Universität Shendi (Sudan); Institut für Archäologie, Lehrbereich Ägyptologie und Archäologie Nordostafrikas der Humboldt-Universität zu Berlin; Geophysikalische Prospektion durch B. Ullrich, Exzellenzcluster TOPOI, Freie Universität Berlin sowie M. Abdelwahab und A. Haron, Wadi Halfa University • Förderung: DFG (WO 1515/1-1, seit 11/2007); Kulturerhalt-Programm des Auswärtigen Amts (Konservierungsmaßnahmen) • Leitung des Projekts: S. Wolf; Leitung des Teilprojekts Hamadab: P. Wolf, A. Ahmed Abdallah • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Böhme, D. Fuchs, C. Hof, U. Nowotnick, H.-U. Onasch, J. Weschenfelder, F. Wöß • Abbildungsnachweis: P. Wolf (Abb. 11. 12); H.-U. Onasch (Abb. 13. 14). Milet (Türkei), Faustina-Thermen Dem Wandel in der visuellen Definition öffentlicher Räume über einen längeren Zeitraum von der römischen Kaiserzeit bis in die Spätantike sind die Untersuchungen in Milet an den Faustina-Thermen mit ihren Ausstattungselementen sowie der Stadt selbst gewidmet (Abb. 15). Die gemeinsam mit der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz kuratierte Ausstellung »ZeitRäume – Milet in Kaiserzeit und Spätantike«, die ab dem Frühjahr im Pergamonmuseum SMB SPK (s. a. hier S. 56) zu sehen war, veranschaulichte die bisherigen Forschungsergebnisse zum spätantiken Skulpturengebrauch und zur Aneignung öffentlicher Bauten und Plätze in Milet anhand von Berliner Exponaten. Darüber hinaus wurden in diesem Jahr die Untersuchungen an dem Thermengebäude vor Ort fortgesetzt. Die bauforscherischen Arbeiten führten die Aufnahme des Gebäudes und die Dokumentation der noch vorhandenen Ausstattungselemente weiter. Nach Kartierung der unterschiedlichen Baumaterialien – Gneis, Kalkstein, Ziegel, Marmor – ist deutlich zu erkennen, wie bereits der ursprüngliche Bau in weiten Teilen aus wieder verwendeten Blöcken errichtet wurde. An mehreren Stellen der Anlage wurden weitere archäologische Sondagen vorgenommen (Abb. 16). Die Frage nach einer Vorgängerbebauung erhielt im Vorjahr neue Aktualität durch das Ergebnis der geophysikalischen Messungen, als sich unter dem Boden von Raum 1 (Ambulacrum) regelmäßige Strukturen abzeichneten. Diese Strukturen konnten nun als bauzeitliches Kanalsystem geklärt werden, das über einem Kieselsteinfußboden errichtet ist (Abb. 17). Das keramische Fundmaterial deutet auf eine Entstehung dieses Bodens vor dem 1. Jh. n. Chr. Unter dem Boden lieferten geoarchäologische Bohrungen Material aus Kulturschichten des 4. Jhs. v. Chr. Zusammen mit der Untersuchung der Kanäle unter dem Boden im südlich anschließenden Raum 6 erbrachte die Sondage zudem Hinweise zur Lebensdauer der Thermen. Das Fundmaterial (Keramik, Lampen, Münzen, Glas etc.) hier ermöglicht es nun, die Nutzung der Anlage auf einen Zeitraum zwischen 1./2. Jh. und 5./6. Jh. n. Chr. einzugrenzen. Weiterhin unbestimmt bleibt der Zeitpunkt des Umbaus des nördlich an das Frigidarium anschließenden Raumes 3 zu einer Zisterne. Eine Sondage vor der Nordwand des Raumes klärte jedoch den konstruktiven Auf bau des Wasserbeckens mit einem großformatigen Ziegelplattenboden, der über dem vermutlich bauzeitlichen Boden aus weißen Kalkstein-Tesserae eingebracht wurde. Der Funktionsbestimmung einzelner Räume diente die Freilegung des Wasserbeckens an der Südseite in Raum 7 sowie die Fortführung der Son-
Abb. 15 Milet (Türkei), Faustina-Thermen. Blick von Nordosten über das Heroon III auf den Thermenbau
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Abb. 16 Milet (Türkei), Faustina-Thermen. Aktivitäten im Verlauf der diesjährigen Kampagne
Abb. 17 Milet (Türkei), Faustina-Thermen. Endplanum der Sondage 6 in Raum 1 (Ambulacrum), Steinkieselboden mit Kanal im nördlichen Teil der Sondage rechts im Bild Abb. 18 Milet (Türkei), Faustina-Thermen. Freigelegtes Wasserbecken mit dem Entlastungsbogen in der Südwand von Raum 7
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dage in der Südostecke von Raum 22. In Raum 7 konnte in der Südwand hinter dem Becken eine Öffnung festgestellt werden, die mit den Kanal- und Heizungssystem in Verbindung zu bringen ist (Abb. 18). Mit der Annahme eines bislang unbekannten Präfurniums im Süden erscheint eine Nutzung des Raumes, der sonst über keine eigene Heizquelle verfügt, als Sudatorium wieder denkbar. Die Existenz des Präfurniums bleibt zu klären. Die Ergebnisse der Grabung in der Südostecke von Raum 22 weisen dagegen darauf hin, dass es sich bei diesem Teil der Anlage ursprünglich wohl um einen Außenraum gehandelt haben muss. Hierauf deutet v. a. die Ausbildung des südlichen Endes der Nordwand als Gebäudekante, an die zu einem späteren Zeitpunkt von Westen her eine mächtige Spolienmauer angesetzt wurde.
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Zur Lagerung des 2008 und 2009 in großen Mengen aus den Sondagen geborgenen Fundmaterials konnte in einem Raum des Theaters ein separates Depot eingerichtet werden. Das Gros der Funde umfasst Fragmente sowie in Einzelfällen auch vollständige Objekte von Gebrauchs- und Feinkeramik. Weder in qualitativer noch in quantitativer Hinsicht gibt es bislang aus der Stadt vergleichbar aussagekräftige Kontexte kaiserzeitlicher und frühbyzantinischer Keramik. Funde aus den oberen Schichten verschiedener Sondagen datieren in das 4., 5. und 6. Jh. n. Chr. und belegen die bereits aus den Inschriften bekannte Lebensdauer der Anlage bis in die frühbyzantinsche Zeit hinein. Hinweise auf eine gewandelte Funktion der Räume sind den Funden nicht zu entnehmen. Kooperationspartner: Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz (A. Scholl, M. Maischberger, S. Agelidis); Institut für Geowissenschaften, Abteilung Geophysik der ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel (H. Stümpel); Fachbereich Geographie der Philipps-Universität Marburg (H. Brückner); Institut für Klassische Archäologie der Freien Universität Berlin (A. Herda) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: O. Dally • Mitarbeiter: P. Schneider • Abbildungsnachweis: P. Schneider (Abb. 15); P. Schneider auf der Grundlage von F. Krischen, Thermen und Palaestren, Milet I 9 (Berlin 1929) Abb. 115 (Abb. 16); S. Agelidis (Abb. 17); M. Kruip (Abb. 18). Didyma (Türkei), Archaischer Apollontempel Für die Rekonstruktion und die geplante Publikation des archaischen Apollontempels wurde das katalogmäßige Erfassen sowie die zeichnerische und photographische Dokumentation der dem archaischen Tempel zuweisbaren Bauglieder in der diesjährigen Aufarbeitungskampagne mit einem Team von Architektur- und Archäologiestudenten fortgesetzt. Die Untersuchungen seit 2003 zielen auf eine möglichst vollständige katalogmäßige Erfassung sämtlicher dem sog. Tempel II zuweisbaren Bauglieder ab, die Beschreibung ihrer Erhaltung, ihres Materials, der Form, der technischen Details, der Werkspuren und ggf. Farbspuren etc. sowie ihre exakte Vermessung. Diese bilden die Grundlage für die typologische, stilistische und chronologische Einordnung der Bauglieder und auch der Bauskulptur und darauf auf bauend für die Rekonstruktion von Grund- und Aufriss des archaischen Tempels. Ein Hauptaugenmerk der Arbeiten dieser Kampagnen galt u. a. den verwendeten Steinarten, zu denen hier einige herausgegriffene Beobachtungen exemplarisch zusammengefasst werden. Da die Anzahl der Architekturfragmente in den Grabungen seit den 1960er Jahren enorm angewachsen ist, insbesondere durch das Bergen von in den Fundamenten des Nachfolgebaus – des hellenistischen Tempels – verbauten und verfüllten, sozusagen bestatteten Baugliedern, weicht das Erscheinungsbild des archaischen Tempels, das sich nach den Aufarbeitungskampagnen abzeichnet, stark vom bisher bekannten und publizierten ab: Denn nach eingehender Untersuchung und detailliertem Studium der Architekturfragmente können dem archaischen Tempel bzw. seinem Altar mittlerweile etwa 550 Architekturfragmente zugewiesen werden, von denen, anders als bislang angenommen, derzeit ca. 85 % aus Mergel und Kalkstein und nur 15 % aus Marmor bestehen. Dabei kommt die Mehrzahl der verschiedenen Bauglieder, wie z. B. Säulentrommeln, Tori von Säulenbasen, ionische Kymata und Quader, sowohl in Kalkstein und Mergel als auch in Marmor vor, die Dachziegel in Terrakotta und Marmor – und nur die Spiren der ephesischen Säulenbasen, die ionischen
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21 Abb. 19 Didyma, Archaischer Apollontempel. Säulentrommelfragment A 685 aus braunem Mergel Abb. 20 Didyma, Archaischer Apollontempel. Säulentrommelfragment A 164 aus beigefarbenem Mergel Abb. 21 Didyma, Archaischer Apollontempel. Säulentrommelfragment A 1063 aus weißem Marmor
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Abb. 22 a Didyma, Archaischer Apollontempel. Fragment eines ionischen Kyma A 1042 mit Resten roter Farbfassung Abb. 22 b Didyma, Archaischer Apollontempel. Kehle der Unterseite des Kyma
Kapitelle sowie die reliefierten Architravblöcke mit Gorgonen bislang ausnahmslos in Marmor. Wie ein Neufund aus dem Jahr 2006 deutlich macht (vgl. AA 2008/1 Beiheft, 24 Abb. 27, Wagenlenker), gab es neben den bekannten, im Pergamonmuseum auf bewahrten und ausgestellten Columnae caelatae aus Marmor auch figürlich reliefierte Säulentrommeln aus Kalkstein und Mergel. Das Materialspektrum reicht beispielsweise an den Kalkstein-/MergelSäulentrommeln von einem porösen, vereinzelt konglomeratigen braunen Mergel (Abb. 19) über einen dichteren beigefarbenen Mergel (Abb. 20) bis zu einem qualitätvollen feinkörnigen hellen Kalkstein und stammt nach den Untersuchungen der Geologen aus der unmittelbaren Umgebung des Heiligtums sowie einem Umkreis von ca. 2 km Entfernung auf der Milesischen Halbinsel. Dagegen ist die Herkunft der verschiedenen am archaischen Tempel verwendeten Sorten von weißem Marmor (Abb. 21) bislang nicht abschließend geklärt. Die Verwendung von Poros und Kalkstein sowie Poros, Kalkstein und Marmor nebeneinander an einem Bau ist in der archaischen Architektur kein Einzelfall, sondern begegnet auch an den beiden ebenfalls aus dem 6. Jh. v. Chr. stammenden Tempeln im benachbarten Heraion in Samos, dem sog. ersten und zweiten Dipteros. Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass sich an einigen Architekturfragmenten, insbesondere den großformatigen ionischen Kymata, Reste einer roten Farbfassung erhalten haben, besonders gut in der weit vorkragenden Kehle auf der Unterseite (Abb. 22 a. b). Kooperationspartner: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (A. Furtwängler, Grabungsleitung); Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz (V. Kästner); Lehrstuhl für Baugeschichte und Bauforschung der Technischen Universität München (A. Ohnesorg) • Leitung des Projekts: U. Dirschedl • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: F. Aydın, D. Dahms, J. Hanke, H. Masch • Abbildungsnachweis: P. Grunwald (Abb. 19–22 a. b). Die hellenistischen Stadtmauern von Pergamon (Türkei) An der ›Philetairischen‹ und der ›Eumenischen‹ Stadtmauer finden seit 2005 bauforscherische Untersuchungen statt, die im Rahmen des aktuellen Forschungsprogramms der Pergamongrabung einen Beitrag zur Erforschung der hellenistischen Stadt liefern sollen. In den vorangegangenen Jahren konnte bereits ein Lageplan fertig gestellt und die Untersuchungen an der ›Eumenischen‹ Stadtmauer abgeschlossen werden. An der ›Philetairischen‹ Stadtmauer wurden die Untersuchungen 2008 an der Ost- und Südseite begonnen und in diesem Jahr an der Westseite fortgesetzt. Dabei ging es vor allem darum, die im letzten Jahr gefundenen Hinweise auf Bauphasen weiter zu verdichten: So muss beispielsweise davon ausgegangen werden, dass die Mauer im Bereich des Großen Altars in hellenistischer Zeit vor dessen Bau abgeräumt worden ist, da sie dort innerhalb des Temenos liegt (Abb. 23). Die Südwestecke hingegen wurde in hellenistischer Zeit offensichtlich erneuert, da sich die bautechnische Ausführung an dieser Stelle von jener der restlichen Mauer unterscheidet und eher mit der ›Eumenischen‹ Mauer vergleichbar ist. Darüber hinaus fanden sich auf der Mauerkrone verschiedentlich Mörtelreste, die auf die von den ersten Ausgräbern abgetragene byzantinische Überbauung zurückzuführen sind. In der nächsten Kampagne sollen die Untersuchungen an den Stadtmauern mit kleineren Nachuntersuchungen und der Fertigstellung der Baubeschreibung beider Stadtmauern möglichst zum Abschluss gebracht werden.
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Darüber hinaus wäre jedoch die Untersuchung der Ummauerung von Akropolis und Arsenalen wünschenswert, um das Befestigungssystem der hellenistischen Stadt umfassend analysieren und beurteilen zu können. Leitung des Projekts: J. Lorentzen (Teilprojekt »Hellenistische Stadtmauern«); F. Pirson (DAI, Abteilung Istanbul, Leiter der Pergamongrabung) • Mitarbeiter: M. Wittmann • Abbildungsnachweis: Archiv der Pergamongrabung, E. Lissel (Abb. 23).
Abb. 23 Die hellenistischen Stadtmauern von Pergamon (Türkei), Blick auf den Großen Altar und dessen Temenos. Reste der ›Philetairischen‹ Stadtmauer rechts im Bild
Selinus (Türkei) Seit 2005 wird der an der türkischen Südküste in der westkilikischen antiken Stadt Selinus gelegene sog. Şekerhane Köşkü erforscht. Der zur Zeit der Seldschuken (13. Jh. n. Chr.) umgebaute kaiserzeitliche Ursprungsbau liegt inmitten einer großf lächigen Hofanlage, die allseitig von Portiken umgeben war. Höchstwahrscheinlich steht dieser Baukomplex in engem Zusammenhang mit dem Tod des römischen Kaisers Trajan, der 117 n. Chr. während seiner Seereise von den östlichen Grenzen des Reiches nach Rom bei einer Zwischenlandung in Selinus verstarb. Die bisherigen Arbeiten am ›Şekerhane Köşkü‹ umfassen intensive bauhistorische Untersuchungen, einzelne kleine Grabungssondagen sowie geophysikalische Prospektionen. Dabei konnten aufschlussreiche Erkenntnisse zur architektonischen Gestalt und zur stadträumlichen Einbindung des Monuments gewonnen werden. In diesem Jahr wurden die Arbeiten durch geoarchäologische Untersuchungen ergänzt (Abb. 24. 25). Deren Ziel war es, einen Überblick über die geoarchäologische und paläogeographische Situation um den Burgberg und die antike Stadt zu erhalten, insbesondere im Bereich der Bauanlage des ›Şekerhane Köşkü‹. Im Vordergrund steht dabei die Rekonstruktion des antiken Küstenverlaufs. Die Fragestellung der landschaftsräumlichen Einbindung ist für die Interpretation der Funktion und Nutzung des kaiserzeitlichen Vorläufers des ›Şekerhane Köşkü‹, zur Rekonstruktion seines Umfeldes und zur Beurteilung seiner Bedeutung von großem Interesse. Während die gezielte Ausrichtung der Bauanlage auf den Gipfel des im Südwesten angrenzenden Burgber-
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Abb. 24 Selinus (Türkei), ›Şekerhane Köşkü‹. Luftbild mit Angabe der in diesem Jahr durchgeführten Bohrungen. Die Bauanlage des ›Şekerhane Köşkü‹ und die vermutete Uferbefestigung sind in gelb eingetragen Abb. 25 Selinus (Türkei), ›Şekerhane Köşkü‹. Geoarchäologische Untersuchung in der Hofanlage des ›Şekerhane Köşkü‹
ges besonders augenfällig ist, bedarf der Bezug zum Wasser weiterer Klärung. An einem Geländeversprung nordöstlich des ›Şekerhane Köşkü‹ liegen die Überreste einer höchstwahrscheinlich aus römischer Zeit stammenden Bruchsteinmauer. Die Bauweise und Dimensionierung lassen ebenso wie das Scha-
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densbild der stark verkippten Mauer die Annahme zu, dass sie ursprünglich als Uferbefestigung gegen eine Wasserf läche errichtet wurde, eventuell gegen den in der Antike ebenfalls Selinus genannten Fluss, möglicherweise aber auch gegen den Hafen oder gar eine Meeresbucht. Darüber hinaus fällt auf, dass die Bauanlage des ›Şekerhane Köşkü‹ von der heutigen Küstenlinie aus betrachtet relativ weit im Landesinneren liegt. Obwohl das ehemals zweigeschossige zentrale Gebäude hoch aufragte, war es von Nordwesten her durch die zur heutigen Küste hin liegenden öffentlichen Bauten vermutlich stark verdeckt. Da in der Antike in der durch kleine Buchten gegliederten rauen Küstenlandschaft des westlichen Kilikiens der Seeweg die Hauptverkehrsachse darstellte, erscheint es merkwürdig, dass diese für Selinus bedeutende, außergewöhnliche Bauanlage nicht an einer zum Meer hin exponierteren Stelle errichtet wurde. Sehr wahrscheinlich ist jedoch, dass die aus dem Taurus hervortretenden Flüsse, die im Laufe der Jahrhunderte die ausgedehnte Schwemmebene bildeten, in der neben Selinus auch das moderne Gazipaşa liegt, den Küstenverlauf seit der Antike entscheidend verändert haben. Zur geoarchäologischen Untergrunderkundung dienten Bohrungen, die mit einem Vibrationsbohrschlaghammer durchgeführt wurden (Abb. 26) und Durchmesser zwischen 3,60 cm und 6,00 cm aufweisen. Die mittels Hydraulik gezogenen Bohrkerne sind bis zu 15,50 m lang. Eine Mehrzahl der insgesamt 18 Bohrpunkte bildet zwei Transekte, eines parallel zur heutigen Küstenlinie verlaufend, eines senkrecht dazu ins Landesinnere reichend. Erste Deutungen der Bohrprofile (Abb. 27) weisen unter teilweise mächtigen Flussschotterschichten auf marine und lagunäre Ablagerungen hin. Um die Profile genauer zu deuten und einen zeitlichen Bezug zur antiken Stadt herzustellen, sind jedoch ausführliche Laboranalysen der Sedimente sowie die Radiokohlenstoffdatierung der organischen Komponenten notwendig. Diese Arbeiten werden aktuell durchgeführt. Erst danach lassen sich definitive Aussagen treffen und multitemporale Landschaftsszenarien entwickeln. Kooperationspartner: Museum Alanya (S. Türkmen); Fachbereich Geographie der Philipps-Universität Marburg (H. Brückner, A. Anklamm); DAI, Abteilung Istanbul • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung • Leitung des Projekts: A. Hoffmann, C. Winterstein • Abbildungsnachweis: Gazipaşa Belediyesi, C. Winterstein (Abb. 24); C. Winterstein (Abb. 25–27).
Abb. 26 Selinus (Türkei), ›Şekerhane Köşkü‹. Bohrarbeiten in einer Kiesgrube im nördlichen Bereich der Ebene
Abb. 27 Selinus (Türkei), ›Şekerhane Köşkü‹. Bohrkern SEL 12 ermöglicht Aussagen über den Zeitpunkt der maximalen Meerestransgression, da hier ein kompletter mariner Sedimentationszyklus mit umfangreichem datierbarem Material erbohrt wurde, der zwischen terrestrischen Schichten eingeschlossen ist
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Romuliana-Gamzigrad und sein Umfeld (Serbien) Das neue Forschungsprojekt zur Rekonstruktion des Siedlungsgefüges sowie der topographischen und klimatischen Gegebenheiten im Umfeld des Palastes vom Neolithikum bis in das Mittelalter konnte in diesem Jahr fortgesetzt werden (zur Zielsetzung des Projekts vgl. AA 2009/1 Beiheft, 28–31 Abb. 36. 38; s. auch S. 135–137). In einem systematischen archäologischen Umlandsurvey wurde das Umfeld des Palastes in einem Radius von 1 km begangen und dabei archäologisch relevantes Oberf lächenmaterial gesammelt (Abb. 28). Die 91 Fundstellen im Umkreis des Palastes wurden mit Hilfe von GPS-Daten eingemessen und in einem Satellitenbild sowie einer topographischen Karte kartiert sowie in einem systematisierten Fundstellenformular beschrieben und photographisch dokumentiert (Abb. 29). Mit der Analyse und der Aufarbeitung des umfangreichen archäologischen Materials, im Besonderen der Keramik, konnte in einer Aufarbeitungskampagne im Sommer begonnen werden. Die anhand der ersten Analyse des Oberf lächenmaterials erstellten vorläufigen Fundstellenverteilungskarten für die unterschiedlichen Zeithorizonte bestätigen die erste Vermutung, dass mit einer langen, zum Teil sehr intensiven Besiedlungstätigkeit gerechnet werden muss, die von der neolithischen über die Bronze- und die Eisenzeit mit einem weiteren Schwerpunkt in der Spätantike bis ins Mittelalter reicht. In diesem Jahr wurde ein bislang unbekannter, ausgedehnter neuer neolithischer Fundplatz im Westen des Palastes (Abb. 29, Nr. 90) aufgedeckt, dessen Oberf lächenfunde zeigen, dass er eine Ansiedlung der sog. Starčevo Kultur war (6400–5400 v. Chr.). Es ist der erste ausgedehnte Siedlungsplatz dieser Kultur, der im Umkreis von Felix Romuliana nachgewiesen werden konnte. Eine Analyse der naturräumlichen Voraussetzungen dieser Fundplätze verspricht auch neue Erkenntnisse zum Auf kommen dieser Kultur in Ostserbien in Abhängigkeit von bestimmten geographischen Voraussetzungen. Die Siedlungsplätze bestanden offensichtlich bis in die Bronzezeit (1700– 1300 v. Chr.), wobei in dieser Zeit die anhand der Keramik nachweisbaren zahlreichen neuen Fundstellen für eine Intensivierung der Besiedlungstätigkeit sprechen (Abb. 30). Ob dies, wie zahlreiche Funde von Eisenerzschlacken andeuten, mit einer vermehrten Erzverhüttung und -verarbeitung und unter Umständen auch einem ausgeweiteten Handel mit diesem Rohstoff in Verbindung zu bringen ist, müssen die weiteren Untersuchungen noch zeigen.
Abb. 28 Romuliana-Gamzigrad (Serbien), der spätantike Kaiserpalast und sein Umfeld. Intensive Geländebegehung, im Hintergrund ist die spätantike Palastanlage zu sehen
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1a. Near northern walls of the palace – antique building 1b. Prehistoric settlement 1c. Prehistoric necropolae 2. Malo gradište 3. Selište – near village graveyard 4. Selište – field of Dragan »Advokat« 5. Selište – field of Dragan »Advokat« 6. Selište – field of Aca »Moler« 7. Field of Aca Novaković 8. Petronj – antique water chanel 9. Field near the table FELIX ROMULIANA 10. Field of Zora Brzanović 11. Antique building above road G. Banja – Metovnica 12. Field of Zora Brzanović II 13. Church? 14. Roman necropolae? 15. Beligovo 16. Banjska stena 17. Banjska stena – rock shelter 18. Selište – property of Sergej Petrović 19. Selište – field of Živojin Vujinović 20. Selište – below house of S. Petrovića 21. Fields of D. Nikolić i B. Prvulović 22. Selište – field of B. Prvulović 23. Field of Milutin Adamović 24. Selište – house of D. Adamović 25. railway station in village Zvezdan 26. Storage »SEMAFOR« in Zvezdan 27. Field above road and turning to Gamzigrad 28. Field near table FELIX ROMULIANA 29. Field of Ratomir Raščić 30. Field on the entrance to village Zvezdan
31. Field near the south walls of the palace 32. Konjske štale 33. Field of Ilija Veljković 34. Garden of Višica Janković 35. Hill Magura 36. Magura – building north from the sacral complex 39. Miletov bunar 40. Rimski majdan 41. Kravarnik – field of M. Mihailović 42. Kravarnik – brick furnaces 43. Kravarnik – antique site 44. Selo Gramzigrad – zard of Đ. Bekić 45. Yard of R. Novaković 46. Property of N. Paunović 47. Cotton factory in village Zvezdan 48. Field near table »Zvezdan« 49. Field near table »Zvezdan« II 50. Baba Jona – field Mora Arsuri 51. Varzari – field of M. Nikolić 52. Varzari – field of D. Prvulović 53. Krovalj – wall remains 54. Petronj – field SW from Stanija house 55. Nikolov savat – field of T. Nikolić 56. Nikolov savat – field opposite to house of Milutin, near the stream in Dos 57. Nikoličevo – Buzova kosa 58. Nikoličevo – Buzova kosa, right 59. Building on the slope below eastern gate of Gamzigrad fortification 60. Necropola – in front of eastern gate of Gamzigrad fortification 61. Đokin Vis
62. Nemčin breg – late antique necropolae 63. Okolina Zvezdana – Karaula 64. Okolina Zvezdana – Golaja 65. Okolina Zvezdana – Kula 66. Zvezdan – stream going through the village 67. Brdo Zanjevac – Zanjevac church 67a. Crkvište 67b. Necropolae near Crkvište 68. Varzari – field of D. Đorđević 69. Varzari – above Višica garden 70. Plateau above site 27 71. Field of M. Simonović 72. Konjske štale II 73. Malo gradište II 74. Village graveyard – southern slope 75. Selište – near southern walls of the palace 76. Petronj – SE of Stanija house 77. Komora 78. Nikolov savat – prehistoric settlement 79. Đokin Vis – Strenjak 80. Mustafa – field of M. Makulović 81. Gradište – 1,5 km N from the palace 82. Above right side of the road Paraćin – Zaječar 83. Gradište – east side of road leading to palace 84. Selište – Roman Querry 85. SW from Roman Querry 86. Selište – right terrace of Seliški stream 87. South from hill Magura 88. Field of Dragiša Trujić 89. Potoci 90. E from Stanija house 91. Petronj – SE from Stanija house II
Abb. 29 Romuliana-Gamzigrad (Serbien), der spätantike Kaiserpalast und sein Umfeld. Topographische Karte mit den 2009 bekannten archäologischen Fundstellen sowie ihrer prozentualen Verteilung in den unterschiedlichen Besiedlungsperioden. Mit einem roten Pfeil gekennzeichnet der neu aufgedeckte neolithische Siedlungsplatz; in gelb markiert der spätantike Kaiserpalast. Deutlich ist eine Konzentration von Fundstellen entlang des Bachlaufes des Dragan zu erkennen, die für dafür sprechen, dass dem Platz in der Antike in einem Netz von Kontrollpunkten der Handelsroute eine besondere Rolle zugekommen sein könnte
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Abb. 30 Romuliana-Gamzigrad (Serbien), der spätantike Kaiserpalast und sein Umfeld. Typische bronzezeitliche Keramik. Die Verbreitung der Keramik deutet darauf hin, dass in der Bronzezeit eine Intensivierung der Siedlungstätigkeit in dieser Region stattfand
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Die antiken Fundplätze konzentrieren sich auffälligerweise in unmittelbarer Nähe des Palastes sowie entlang des Bachlaufes (Abb. 29, Dragan), der östlich am Palast vorbeiführt. Wie die Ergebnisse der Geophysik und der Sondagen im Umfeld des Palastes der letzten Jahre gezeigt haben, ist hier bereits vor der Erbauung des Palastes mit einer regen Bautätigkeit zu rechnen. Dies könnte darauf hindeuten, dass dem Ort schon vor der Erbauung des Palastes eine überregionale Bedeutung zukam. Dafür spricht die Lage von Gamzigrad in Bezug auf das Erzabbaugebiet um die moderne Stadt Bor (Abb. 29, rechts oben in grün markiert) und die bekannten antiken Orte entlang der beiden Flussläufe Crni Timok und Beli Timok, die den Fluss Timok bilden, der in die Donau f ließt. Bei der antiken Vorgängeranlage des Palastes scheint es sich demnach um einen strategisch wichtigen Ort im Kontext der Kontrolle dieser für den Erzhandel bedeutenden Route gehandelt zu haben. Dies könnte ein wichtiger Standortfaktor für den Ausbau als Herrschaftsort mit zentralörtlicher Funktion an dieser Stelle gewesen sein. Parallel zu den Arbeiten im Rahmen des Projekts des Exzellenzclusters TOPOI zur Erforschung des Umlandes wurde die architektonische Bearbeitung der Palastarchitektur fortgeführt. Auf der Grundlage des 3D-AutoCADBestandsmodells (vgl. AA 2008/1 Beiheft, 30. 31 Abb. 37) konnte ein erstes generalisiertes Rekonstruktionsmodell für die zweite Ausbauphase des Palastes (Anfang 4. Jh. n. Chr.) erarbeitet werden (Abb. 31). Kooperationspartner: DAI, Römisch-Germanische Kommission (G. Sommer von Bülow); Lehrstuhl für Vermessungskunde der Brandenburgischen
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Technischen Universität Cottbus (R. Haberland); Institut für Klassische Archäologie der Freien Universität Berlin (F. Fless); Institut für Geographische Wissenschaften, Fachrichtung Physische Geographie der Freien Universität Berlin (B. Schütt); Archäologisches Institut der Akademie Belgrad; Archäologisches Institut der Philosophischen Fakultät Belgrad; Institute for the Protection of Cultural Monuments of Serbia; Museum Zaječar • Leitung des Projekts: U. Wulf-Rheidt, G. Sommer von Bülow, B. Schütt • Mitarbeiter: J. Škundrić, J. T¿th, C. von Bargen, G. Breitner (Teilprojekt Bauornamentik) • Abbildungsnachweis: U. Wulf-Rheidt (Abb. 28); D. Knitter, J. T¿th, J. Škundrić (Abb. 29); J. Škundrić (Abb. 30); C. von Bargen nach Angaben von U. Wulf-Rheidt (Abb. 31).
Abb. 31 Romuliana-Gamzigrad (Serbien), der spätantike Kaiserpalast und sein Umfeld. Generalisiertes 3D-Rekonstruktionsmodell der Bebauung des sakralen Komplexes auf Magura und der spätantiken Hauptausbauphase des Palastes (Stand 12/2009)
Tayma (Saudi-Arabien) Als Schutzsystem einer Oasensiedlung im Nordwesten der Arabischen Halbinsel beschränkt sich der Verlauf der Maueranlage von Tayma nicht allein auf die Umfassung des Siedlungskerns, sondern bezieht den gesamten Lebensbereich der Oase mit ihren landwirtschaftlichen Flächen und Wasserressourcen mit ein. Die in ihrem Kern vor mehr als 4000 Jahren errichtete Anlage ist seit 2006 Gegenstand eines eigenen Forschungsprojekts, das die topographische Erfassung, die Klärung der zeitliche Entwicklung und der funktionalen Bestimmung des mehr als 15 km langen Bauwerks zum Ziel hat (Abb. 32). Nachdem in den vorangegangenen Jahren die einzelnen Mauerabschnitte kartiert und eingehend untersucht worden sind und ein Modell zu Entstehung und Veränderungen der Anlage erarbeitet werden konnte, bedeutete die Freilegung des Gebäudes W41-b1 an der Innenseite des westlichen Arms des Mauersystems (Abb. 32. 33) in diesem Jahr den Abschluss der Feldarbeiten im Rahmen des Stadtmauerprojekts. Die annähernd quadratische Baustruktur wurde 2006 an dem weit nach Nordwesten ausgreifenden Mauerabschnitt, etwa 1 km vom Siedlungskern der Oase entfernt, entdeckt. Gegenüber den nach gleichartigem Schema in regelmäßigen Abständen vor der Außenseite des westlichen Arms errichteten turmartigen, als Wachtposten interpretierten Anbauten, erwies sich das Gebäude W41-b1 aufgrund seiner Lage auf der Innenseite, seiner größeren Dimensionen und seiner abweichenden Grundrissstruktur als Sonderfall (Abb. 34). Mit der 2008 begonnenen Freilegung wurde die Klärung der Baustruktur, ihrer Funktion und Nutzung sowie der Chronologie von Anbau und westlichem Arm verfolgt. Diese Arbeiten erbrachten den Befund eines allseitig ummauerten, etwa 5,50 m × 5,50 m großen Raumes, unter dessen Steinboden sich ein weiteres Geschoss abzeichnete. Nach Ausweis des Fugenverlaufs muss der Raum zeitgleich mit dem westlichen Arm errichtet worden sein. Aufgrund der
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Abb. 32 Tayma (Saudi-Arabien), Stadtmauer. Lage der Grabungsbereiche W41 und W43 Abb. 33 Tayma (Saudi-Arabien), Stadtmauer. Westlicher Arm der Maueranlage, Blick von Nordwesten über W41 hinweg
problematischen Grabungsbedingungen und seines schlechten Erhaltungszustands konnte das Gebäude 2008 nur bis zum Boden des Obergeschosses freigelegt werden. Die diesjährigen Arbeiten, die abschließend die Untersuchung des Untergeschosses zum Ziel hatten, zeigten, dass der Steinfußboden sekundär auf die Dachkonstruktion eines älteren Gebäudes aufgesetzt wurde, der obere Raum mithin das Ergebnis einer Umbaumaßnahme ist. Der untere Raum war bis 50 cm unterhalb der Decke mit eingewehtem Sand und erodiertem Steinund Mörtelmaterial verfüllt (Abb. 35). Nach der Freilegung zeigte sich, dass der jüngere Bau errichtet wurde, nachdem der ältere Bau schon über einen längeren Zeitraum hinweg mit Flugsand verfüllt war. Zudem wurde deutlich, dass die ältere Bauschicht mit einem langrechteckigen Zuschnitt von ca. 6,00 m × 4,00 m einen anderen Grundriss aufwies als die jüngere. In der Mitte des älteren Baus, dessen Mauern noch vollständig bis zur Decke erhalten waren, stützte ein monolithischer Pfeiler die steinerne Decke. Der über
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Durchgänge in der Nordwestwand und in der Südostwand zugängliche Boden des Raumes wurde von Steinplatten überdeckt, die durch niedrige Öffnungen gegliederten Wände waren mit Lehmputz versehen. In der südlichen Hälfte des Raumes standen vor den Wänden Bänke auf dem Steinboden. In der Füllschicht des unteren Raumes aufgefundene Keramikfunde, die der sog. Talah-Ware, einer lokal verbreiteten Keramiksorte, zuzurechnen sind, ergeben einen ersten Anhaltspunkt für die Nutzung des jüngeren Gebäudes ab der Mitte des 1. Jts. v. Chr. Mit der Erneuerung des Gebäudes in W41 kam es offenbar gleichzeitig – da auf gleichem Niveau über dem angewehten Sand – zu einer Verstärkung des Stadtmauerzugs an dieser Stelle, der zu einem späteren Zeitpunkt nochmals übermauert wurde. Da in 2009 die Grabungsbedingungen die Freilegung der Gründungssituation von W41-b1 zuließen, konnte auch an einer anderen Stelle, ca. 80 m südöstlich von W41 zumindest die Höhenlage des Mauerfußes des westlichen Arms ermittelt werden. An dieser Stelle ist der Mauerverlauf bei gering erhaltener Höhe oberf lächlich gut zu erkennen. Hier zeigte sich, dass die Stadtmauer über dem anstehenden Fels innen auf einer Sandschicht und außen auf einer kompakten Lehmschicht gegründet ist. Nach Beendigung der diesjährigen Feldarbeiten sind die Ergebnisse im Folgenden zur Veröffentlichung aufzubereiten. Kooperationspartner: Lehrstuhl Baugeschichte der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (K. Rheidt); DAI, Orient-Abteilung, DFGProjekt Tayma (R. Eichmann, A. Hausleiter, T. Götzelt) • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung • Leitung des Projekts: P. Schneider • Mitarbeiter: N. Basler, R. Hahn, H. Jantzen, A. Pfützner, G. Sperveslage • Abbildungsnachweis: Saudi Geological Survey 10097-WSA-62, Zeichnung über Luftbild P. Schneider (Abb. 32); G. Sperveslage (Abb. 33–35).
Abb. 34 Tayma (Saudi-Arabien), Stadtmauer. Gebäude W41-b1, Blick von Nordosten Abb. 35 Tayma (Saudi-Arabien), Stadtmauer. Unterer Raum des Gebäudes W41-b1
Tripoli (Libanon), Handels- und Gewerbegroßbauten im Bazar der Altstadt In der Altstadt von Tripoli, die im Norden des heutigen Staates Libanon etwa 4 km von der Küste entfernt im Landesinneren liegt, hat sich ein geschäftiger Bazar erhalten mit zahlreichen Handels- und Gewerbegroßbauten aus der mamlukischen (1289–1516 n. Chr.) und osmanischen (1516–1918 n. Chr.) Periode. Diese Bauten weisen baustrukturelle und funktionale Veränderungen auf, die auf die Umbrüche und Neuordnungsprozesse des Osmanischen Reiches im ›langen‹ 19. Jh. zurückzuführen sind. Im Rahmen eines interdisziplinären Stadtforschungsprojekts mit dem Titel »Akteure und ihre Lebens-
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welten. Die Transformation der Stadt Tripoli (Libanon) während des ›langen‹ 19. Jahrhunderts« werden diese baustrukturellen und funktionalen Veränderungen von Seiten der Bauforschung rekonstruiert und analysiert. Ziel des übergeordneten Projekts ist es, zu erforschen, in welcher Form sich die oben genannten Prozesse in der materiellen Kultur der Stadt und deren Gesellschaft widerspiegeln und inwieweit lokale Akteure diese Prozesse aktiv ausgestaltet haben. Im diesem Jahr konnten die Feldforschungsarbeiten zu zwei Handels- und Gewerbegroßbauten – dem ïŒn a§-êŒb´n (dt. Karawanserei der Seife) und dem S´q al-îarŒğ (dt. Auktionsbazar) – weitestgehend abgeschlossen werden. Damit liegt nun eine Bestandserhebung zu insgesamt vier Baukomplexen vor, welche die Bandbreite sowohl der in Tripoli vertretenen Bautypen von Handels- und Gewerbegroßbauten als auch deren baustrukturelle und funktionale Veränderungen widerspiegeln. Die bei der Bestandserhebung angewandten Methoden sind vielfältig und reichen von einer einfachen Befundkartierung – beispielsweise die nachträgliche Öffnung der Außenwand im ïŒn a§-êŒb´n, einer verschließbaren zweigeschossigen Hofanlage mit Pfeilerhallen und rückwärtigen Räumen (Abb. 36) – bis zu einer formgetreuen Bauaufnahme. Letztere wurde aufgrund der sehr komplexen Baustruktur im S´q al-îarŒğ durchgeführt, der eine von einem Gewölbesystem überdachte Platzanlage mit angeschlossenen Handels- und Gewerberäumen im Erdgeschoss sowie unterschiedlichen Wohneinheiten im Obergeschoss darstellt. Auf der Grundlage dieser Bauaufnahme konnte sein baulicher Wandel nachvollzogen werden. So wurden beispielsweise die Zugangssituationen im Westf lügel der Anlage nachhaltig verändert, was im Zusammenhang mit der Verbreiterung der parallel verlaufenden Bazarstraße im Westen sowie den dortigen Straßenkreuzungen zu sehen ist. Derartige Maßnahmen sollten zu einer nachhaltigen Aufwertung der dichten Altstadt führen und wurden vom lokalen Stadtrat – einer wahrscheinlich bereits in den 1860er Jahren neu geschaffenen Institution (Angaben C. Saßmannshausen) – initiiert oder zumindest beaufsichtigt. Möglicherweise ebenfalls in Verbindung mit einer solchen Maßnahme ist der Beginn des Transformationsprozesses des ïŒn a§-êŒb´n zu sehen, der schließlich zu einem fundamentalen Wandel des Bautyps und dessen Funktionsprinzips führte (Abb. 37. 38). Eine bereits fortgeschrittene Analyse der
Abb. 36 Tripoli (Libanon), Hān as-Sābūn. ˘ Blick in den Hof der Anlage mit nachträglich zugesetzten Arkaden der ehemaligen Pfeilerhalle im Erdgeschoss, die in einzelne Räume aufgeteilt wurde
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osmanischen Gerichtsakten von Seiten der am Projekt beteiligten Historiker sowie die Lokalisierung der in den Akten genannten Akteure soll nicht nur eine Datierung des in Stufen abgelaufenen Transformationsprozesses ermöglichen, sondern zur Entwicklung eines Erklärungsmodells für diesen Prozess beitragen. Kooperationspartner: Institut für Islamwissenschaft der Freien Universität Berlin (G. Krämer); Fachgebiet Historische Bauforschung der Technischen Universität Berlin (D. Sack); Museum für Islamische Kunst, Berlin (S. Weber); Orient-Institut Beirut (S. Leder); Lebanese University, Centre for Restauration and Conservation (R. Majzoub) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: J. Meister (Handels- und Gewerbegroßbauten) • Mitarbeiter: H. Ehrig • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des übergeordneten Projekts: S. Weber (Koordinator), K. Börner (Wohnbauten), C. Saßmannshausen (Soziale Praxis) • Abbildungsnachweis: S. Weber (Abb. 36); J. Meister (Abb. 37. 38).
Abb. 37 Tripoli (Libanon), Hān as-Sābūn. ˘ Büro des Muhtār als Teil der ehemaligen ˘ Pfeilerhalle im Westflügel, Hofseite mit zugesetzter Arkade Abb. 38 Tripoli (Libanon), Hān as-Sābūn. ˘ Modernes Ladengeschäft im Ostflügel, Straßenfassade mit Blick in den Hof. Oberhalb des Ladenschildes ist ein Rundbogen erkennbar, über den der ehemalige Lagerraum nachträglich als Ladengeschäft zum Straßenraum geöffnet wurde
Ptolemais (Libyen), eine hellenistische Neugründung in der Kyrenaika und ihr Umland Die hellenistische Stadt Ptolemais liegt zwischen Euhesperides (Bengahzi) und Kyrene, direkt an der Mittelmeerküste. Im 6. Jh. v. Chr. war sie als Hafenniederlassung der von König Arkesilaos II. von Kyrene um 567 v. Chr. gegründeten Siedlung Barke angelegt worden, im frühen 3. Jh. v. Chr. wurde sie von Ptolemaios III. als selbständige Stadt neu gegründet. Modern nie überbaut, bietet sie großes Potential zur Untersuchung der Anlage und der städtebaulichen Entwicklung einer der wichtigsten Städte der Kyrenaika von antiker bis in islamische Zeit.
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Abb. 39 Ptolemais (Libyen), eine hellenistische Neugründung in der Kyrenaika und ihr Umland. Blick von der Akropolis auf das antike Stadtgebiet. In der Bildmitte das ausgegrabene Stadtzentrum mit der sog. Agora und rechts davon der Palazzo delle Colonne, im Hintergrund der antike Hafen. Mit einem roten Pfeil markiert die Porta Taucheira, das am besten erhaltene Stadttor
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Ihre Ausdehnung zwischen der Küste, den zwei Wadis im Osten und Westen sowie der untersten Terrassenstufe des Djebel Akhdhar lässt sich in der Ebene gut fassen (Abb. 39). Ab 1935 fanden Grabungen internationaler Missionen im ausgedehnten Stadtzentrum statt, seit 2001 führt die Universität Warschau Untersuchungen durch. Während die hellenistische Siedlungsstruktur weitgehend bekannt ist, fanden bislang die Stadtmauer mit den erhaltenen Stadttoren sowie das Umland nur wenig Beachtung. 2009 befasste sich nun eine erste Kampagne der Untersuchung der Stadtmauer und der Chora von Ptolemais. Die bauforscherischen Arbeiten konzentrierten sich auf die Porta Taucheira, das am besten erhaltene, an der in Ost-West-Richtung verlaufenden Hauptstraße gelegene Stadttor der hellenistischen Stadtanlage (Abb. 40). Die auf einer erstmaligen detaillierten Bauaufnahme basierende Bauuntersuchung der Porta Taucheira erlaubt Aussagen über die Bauphasen der Toranlage und der anschließenden Stadtmauern (Abb. 41). Das Tor besteht aus zwei Türmen mit einem 3,15 m breiten Tordurchgang. Ihre sehr sorgfältig gefügten Spiegelquader mit Fugenschnitt und die exakte horizontale Ausrichtung der Steinlagen sprechen für eine hellenistische Datierung der ersten Phase des Tores. Aufgrund von Balkenlöchern auf zwei Ebenen sind die Türme zweigeschossig zu rekonstruieren. Die der Stadt zugewandte Fassade wurde zu einem noch unklaren Zeitpunkt bis fast auf die Grundmauern abgebrochen. An die Türme angesetzt ist die etwa 2,60 m starke Stadtmauer, die aufgrund der deutlich abweichenden Bautechnik sowie der intensiven Spolienverwendung einer späteren Erneuerungsphase zuzurechnen ist. Spuren abgeschlagener Quader weisen jedoch auf die Existenz einer zeitgleich mit der Errichtung des Tores bestehenden Stadtmauer. Künftige Sondagen sollen zur Klärung der Datierung der einzelnen Bauphasen beitragen. Die Bergmauer, die das Hochplateau im Süden umzieht, besitzt eine zur Stadtmauer in der Ebene deutlich abweichende Bautechnik. Keramikstreufunde sprechen für eine Besiedlung des Bereichs bereits in vorhellenistischer (klassischer?) Zeit. Ob dies auch für die Anlage der Akropolismauer gilt, soll in den nächsten Kampagnen geklärt werden. Die archäologischen Aktivitäten zur Erforschung des Umlandes konzentrierten sich auf eine großräumige Begehung der Küstenzone zwischen den antiken Städten Taucheira und Ptolemais. Abschnitte der antiken via maritima mit zwei bis dahin nicht bekannten römischen Meilensteinen, zahlrei-
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che hellenistische, römische und frühchristliche Gräber sowie Denkmäler der antiken ländlichen Infrastruktur konnten lokalisiert und kartiert werden. Parallel zu diesen Arbeiten wurden die Forschungsmöglichkeiten der Archäobotanik in und um die antike Stadt erkundet. Botanisches Fundmaterial ist in den antiken Schichten vor allem als Holzkohle vorhanden, aber wahrscheinlich würden nur großf lächige Ausgrabungen genügend aussagekräftiges Material liefern. Für eine Einschätzung der antiken Landwirtschaft und der ehemaligen Bewaldung auf dem Djebel Akhdhar wurden in der direkten Umgebung von Ptolemais und im weiteren Umkreis auf den Djebel Akhdhar erste Geländebegehungen durchgeführt. Da die Trockensaison gerade geendet hatte, konnten nur fragmentierte Vegetationsaufnahmen gemacht werden. Die ebenen Hochf lächen des Djebel Akhdhar sind alle in Agrarland umgewandelt. Regenfeldbau findet noch ca. 35–40 km von der Küste entfernt im Inland statt. Waldreste sind stark reduziert nur mehr an den Hängen zu den Hochf lächen und an den Rändern der Wadis vorhanden. An der Küste wie auch im Inneren des Djebel Akhdhar überwiegen Wacholderheiden, dominiert von dem phönizischen Wacholder ( Juniperus phoenicea). Nur im zentralen Teil
Abb. 40 Ptolemais (Libyen), eine hellenistische Neugründung in der Kyrenaika und ihr Umland. Westansicht der Porta Taucheira Abb. 41 Ptolemais (Libyen), eine hellenistische Neugründung in der Kyrenaika und ihr Umland. Porta Taucheira, Bauaufnahme der Westseite (im Originalmaßstab 1 : 50)
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Abb. 42 Ptolemais (Libyen), eine hellenistische Neugründung in der Kyrenaika und ihr Umland. Wadi Kouf, Kyrenaika. An den Rändern der tief eingeschnittenen Wadis des Nationalparks Wadi Kouf sind heute noch ältere Zypressen und Kermes-Eichen als Zeugen einer waldreichen Vergangenheit dieser Region vorhanden
der Bergregion, im Nationalpark Wadi Kouf, gibt es noch ältere Zypressen (Cupressus sempervirens) und Kermes-Eichen (Quercus coccifera), die von einer längst abgeholzten waldreichen Vergangenheit zeugen (Abb. 42). Kooperationspartner: Lehrstuhl Baugeschichte der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (A. Druzynski von Boetticher); Institut für Klassische Archäologie der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (T. M. Weber) • Leitung des Projekts: U. Wulf-Rheidt, A. Druzynski von Boetticher, T. M. Weber, F. Berger, R. Neef • Mitarbeiter: U. Kapp • Abbildungsnachweis: U. Wulf-Rheidt (Abb. 39); A. Druzynski von Boetticher (Abb. 40); Lehrstuhl Baugeschichte, BTU Cottbus (Abb. 41); R. Neef (Abb. 42). Lissos (Albanien) Die deutsch-albanischen Forschungen zum hellenistischen Lissos wurden im vierten Jahr fortgesetzt; ergänzend zur Sommerkampagne fand erstmals eine eigene Herbstkampagne zur Erforschung der spätantiken Stadt – lateinisch: Lissus – statt. Die Arbeiten im Sommer konzentrierten sich im Zentrum der antiken Stadt nahe der Kreuzung der Südtor- und der Hafentorstraße (Grabungsbereich A). Die Freif läche zwischen der hellenistischen Terrassenmauer, auf der die Südtorstraße verläuft, und der anschließenden Architektur wurde bis auf den gewachsenen Boden abgetragen (Abb. 43); die große Menge von stratifizierter Keramik, die dabei geborgen wurde und die aus dem 3. und frühen 2. Jh. v. Chr. stammt, korreliert mit den jüngsten Ergebnissen zur Zeitstellung der Stadtmauer, deren Entstehung sehr wahrscheinlich ebenfalls ins frühe 3. Jh. v. Chr. zurückreicht. Der Befund spricht dafür, dass Stadtmauer und Straßenraster in einem Zuge geplant und auch gebaut wurden. Ein über der genannten Freif läche errichtetes Ziegeldach, das in ihrer letzten Nutzungsphase die Terrassenmauer mit der anschließenden Bebauung verband, fiel einer gewaltigen Zerstörung in der 1. Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. zum Opfer. Die zahlreichen in der Brandschicht gefundenen Münzen, darunter auch Prägungen des letzten illyrischen Königs Genthios (180– 168 v. Chr.), erhärten die Arbeitsthese, dass diese Zerstörung im Zuge der römischen Eroberung Illyriens kurz vor 168 v. Chr. stattfand. Auf dem Schutt
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Abb. 43 Lissos (Albanien), Unterstadt. Grabungsbereich A, die Freifläche vor der Terrassenmauer (im Hintergrund) wird abgenommen. Dabei wurde Keramikmaterial vom frühen 3. bis zum frühen 2. Jh. v. Chr. gefunden
der illyrischen Stadt wurde Lissos mit teilweise neuem Straßenverlauf wieder errichtet. Nach einer erneuten Zerstörung im 1. Jh. v. Chr. – möglicherweise im Rahmen des römischen Bürgerkrieges – wurde das Terrain um rund 2 m erhöht; die Stümpfe der alten abgetragenen Mauern dienten nun als Fundamente für eine neue Architektur. Auch außerhalb der Stadt fanden nach der römischen Eroberung von 168 v. Chr. Baumaßnahmen statt: Unmittelbar vor der Stadtmauer entstand westlich des Südtores (Grabungsbereich B) eine Reihe von Räumen, in denen große Mengen von zerscherbten Tongefäßen zusammen mit zerbrochenen Dachziegeln zutage kamen (Abb. 44). Die Stadtmauer hatte zu dieser Zeit ihre Wehrfunktion verloren. Zu einer zweiten römischen Neuerrichtung von Lissos gehört in der Oberstadt ein kleiner repräsentativer Bau unbekannter Funktion auf der Terrasse M, der im 1. Jh. v. Chr. über einer massiven Terrassierung mit Keramik des 3. bis 1. Jhs. v. Chr. errichtet wurde, die auch eine große Anzahl von Kleinfunden beinhaltete (Abb. 45). Die unzureichende Fundamentierung des
Abb. 44 Lissos (Albanien), Grabungsbereich B außerhalb des Südtores. Unmittelbar vor der Stadtmauer wird die Rückwand eines lang gestreckten Gebäudes mit mehreren kleinen Räumen freigelegt
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Abb. 45 Lissos (Albanien), Oberstadt. Grabungsbereich M, ein Bronzebeschlag aus der Terrassierungsschicht unterhalb des repräsentativen Gebäudes. Organische Reste auf seiner Rückseite belegen, dass er einst auf Leder angebracht war
Abb. 46 Lissos (Albanien), Oberstadt. Grabungsbereich O, auf der nach Westen zur Adria hin ausgerichteten Terrasse konnten bisher zwei nebeneinander liegende Räume eines großen Gebäudes, wohl einer Halle, freigelegt werden
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aus monumentalen Blöcken bestehenden Unterbaus führte dazu, dass der Bau stellenweise absackte und daher aufgegeben und großteils abgetragen wurde. Auf der höher gelegenen Terrasse O wurde in diesem Jahr ein 2006 durch Georadar nachgewiesenes Gebäude, möglicherweise eine Halle, zu Teilen freigelegt (Abb. 46). Erste Funde legen nahe, dass es sich hier um eine hellenistische Anlage handelt. Die Befunde der Terrassen M und O, die einen großen Teil der bebaubaren Fläche der Oberstadt von Lissos ausmachen, lassen bislang für die Oberstadt eine vorwiegend öffentliche Nutzung vermuten; Wohnbebauung scheint es hier dagegen nur in geringerem Umfang gegeben zu haben. Neue Erkenntnisse zur Geschichte der Stadt Lissus in der Spätantike erbrachte eine eigene Herbstkampagne: Sie betraf zum einen die späte Baugeschichte des wohl in der frühen Kaiserzeit entstandenen Thermengebäudes (Grabungsbereich B) vor dem Südtor, zum anderen weitere Bebauung im Bereich um das Baptisterium (Grabungsbereich D) sowie am Hafentor der hellenistischen Stadtmauer. Durch die Vergrößerung des Grabungsbereiches D und die dadurch gewonnenen stratifizierten Funde konnten jetzt die das im Jahre 2007 freigelegte Baptisterium umgebenden Mauerzüge, auf denen die rezente Architektur teilweise direkt aufsaß, als spätantik und unmittelbar zugehörig erkannt werden. Ein vergleichbarer Befund zeigt sich im Grabungsbereich C: Am Hafentor ließ sich unter der bei dem schweren Erdbeben von 1979 zerstörten rezenten Hauptstraße von Lezha eine durch Münzfunde datierte spätantike Bebauung nachweisen. Interessanterweise scheint sie die moderne Straßenführung vorwegzunehmen, während dieser Bereich im 1. Jh. n. Chr. noch ein davon abweichendes Straßensystem zeigt. Die Forschungen zur hellenistischen und römischen sowie spätantiken Urbanistik von Lissos/Lissus werden in den kommenden Kampagnen noch vertieft werden. Kooperationspartner: Albanisches Archäologisches Institut, Tirana; Labor für Geodäsie der Beuth-Hochschule Berlin; Fachbereich Geographie der Philipps-Universität Marburg • Förderung: DFG; Auswärtiges Amt (Stabilitätspakt Balkan) • Leitung des Projekts: G. Hoxha, A. Oettel • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: B. Lahi, P. Kögler, L. Heinze, M. Brückle, F. Cenalli, U. Schede, A. Obermann, J. Grünberg, C. Kabel, A. Bejko, R. Breuer,
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A. Buso, J. Daitche, D. Hoxha, D. Grergji, Z. Grjshja, A. Kasa, J. Köhler, G. Kosturi, E. Kullolli, D. Lienhard, M. Löwe, A. Lulgjuraj, A. Otte, B. Premto, S. Ratto, B. Shkodra, W. Streblow, B. Toçi, E.-M. Träder, K. Velo, U. Rübens, U. Böttcher, S. Ristau • Abbildungsnachweis: LIS-09-4235, A. Oettel (Abb. 43); LIS-09-4195, G. Hoxha (Abb. 44); LI-M-F0192, A. Oettel (Abb. 45); LIS-09-4484, A. Oettel (Abb. 46). Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäozoologie In diesem Jahr wurden Untersuchungen an Tierresten auf verschiedenen Ausgrabungen des DAI sowie anderer Institutionen im In- und Ausland durchgeführt. Sie betrafen u. a. Fundmaterialien folgender Orte: Okolište (Bosnien-Herzegowina), Kovačevo (Bulgarien), Kırklareli (Türkei), Aruchlo (Georgien), Tall ZirŒ‘a ( Jordanien) und Tissamaharama (Sri Lanka). Über die Ergebnisse der Studien an den Tierresten aus den frühbronzezeitlichen Siedlungen von Kırklareli-Kanlıgeçit (Thrakien) wird hier näher berichtet. Das von diesem Siedlungsplatz ausgewertete Material umfasst knapp 15 000 Tierreste. Nach den Bestimmungen stellen die Haustiere die nahrungswirtschaftlich wichtigste Tiergruppe dar. Die häufigste Art dieser Gruppe ist das Rind. Wie die Funde zeigen, nimmt sein Anteil im Laufe der Frühbronzezeit deutlich zu (Abb. 47). Nach den Alters- und Geschlechtsangaben scheint neben der Fleischgewinnung die Milchnutzung einen hohen Stellenwert in der lokalen Rinderhaltung besessen zu haben. Das Schwein ist die zweithäufigste Art unter den Wirtschaftshaustieren. Seine Haltung stand im Dienste der Fleisch- und Fetterzeugung. Die Kleinwiederkäuer, Schaf und Ziege, nehmen nach der Fundzahl den dritten Platz unter den Nutztieren ein. Ihr Anteil geht im Laufe der Frühbronzezeit etwas zurück. Nach den artbestimmten Funden sind Schafe häufiger im Fundmaterial vertreten als Ziegen, und zwar im Verhältnis 8 : 1. Die ermittelten Befunde zur Altersstruktur und zum Geschlechterverhältnis weisen darauf hin, dass beim Schaf neben der Fleischgewinnung Aspekten der Sekundärnutzung eine größere Rolle
Rind Schwein Schaf/Ziege
FBZ I 32,00 % 29,90 % 38,10 %
FBZ II 33,80 % 33,30 % 32,90 %
FBZ III 56,10 % 20,50 % 23,30 %
Abb. 47 Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäozoologie, Kanlıgeçit. Relative Häufigkeit der Wirtschaftshaustiere in den frühbronzezeilichen Besiedlungsphasen von Kanlıgeçit (nach der Fundzahl)
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Abb. 48 Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäozoologie, Kanlıgeçit. Freilegung eines Pferdeschädels Abb. 49 Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäozoologie, Kanlıgeçit. Linke Oberkieferzahnreihen von fünf Pferden aus Grube 32P/25. Das geschätzte Alter der Tiere beträgt 9–10, 7–8, 7–8, 4–5 und 3–4 Jahre (von links nach rechts)
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in der Haltung zukam. Der relativ hohe Anteil männlicher Tiere, darunter viele Hammel, spricht für die Wollnutzung bei diesem Haustier. Zu den in den frühbronzezeitlichen Siedlungen von Kanlıgeçit gehaltenen Haustieren gehörten auch Pferde (Abb. 48. 49). Die Funde aus Kanlıgeçit sind die bislang ältesten naturgeschichtlichen Belege für die Haltung von Pferden auf der südlichen Balkanhalbinsel. Die Ergebnisse der molekulargenetischen Untersuchungen weisen auf ein fortgeschrittenes Stadium der Domestikation mit dem Auftreten verschiedener Fellfarben unter den Tieren hin. Wahrscheinlich hatten Pferde überwiegend Aufgaben als Transporttiere zu erfüllen; ob als Reit-, Pack- oder Zugtiere, darüber lassen die Funde keine Angaben zu. Nutzungsbedingte anatomisch-pathologische Veränderungen treten an den Knochenfunden nicht auf. Sekundär wurden die Tiere auch für die Fleischgewinnung genutzt. Ein Teil des Fundmaterials aus den frühbronzezeitlichen Siedlungen von Kanlıgeçit gehört zu Wildtieren, und zwar überwiegend zu Arten, die als Jagdwild anzusprechen sind. Dazu zählen zahlreiche Spezies der Wildsäugetiere sowie die nachgewiesenen Vogelarten. Die mit Abstand größte Gruppe des Jagdwildes bilden Arten der Huftiere mit Rothirsch, Damhirsch, Reh, Ur und Wildschwein. Bezogen auf die wirtschaftlichen Nutztiere beträgt ihr Anteil lediglich 8 %. Daraus kann geschlossen werden, dass der Jagd für die Bereitstellung von Nahrung und Rohstoffen in den Siedlungen von Kanlıgeçit nur eine untergeordnete Bedeutung zukam. Möglicherweise wurde sie hier überwiegend als Zeitvertreib bzw. Sport betrieben. So dokumentieren die Funde eine selektive Jagd auf ausgewachsene Hirschbullen und Keiler sowie eine intensive Verfolgung des Braunbären. Die unter den Tierresten nachgewiesenen Wildtierarten lassen aus der Kenntnis ihrer heutigen Habitatansprüche einige Hinweise auf das damalige Landschaftsbild im weiteren Umfeld des Siedlungsplatzes zu. Die zahlreichen Fundbelege für den Rothirsch und das Wildschwein deuten auf die Existenz von Wäldern hin, vermutlich mit der Eiche als charakteristischem Laubbaum. Eine solche Vegetationsbedeckung wird man vornehmlich auf dem angrenzenden leicht hügeligen Flachland nördlich und östlich von Kanlıgeçit annehmen können. Hier wird auch der Damhirsch geeignete Lebensbedingungen gefunden haben. Nach Westen und Südwesten, d. h. in die Ebene hinein, sind diese Wälder vermutlich in steppenartiges Offenland übergegangen. Für das Bestehen solcher Areale in der Umgebung sprechen die Nachweise von Ur, Feldhase und Großtrappe (Abb. 50).
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Kooperationspartner: Lehrstuhl für Prähistorische Archäologie der Universität Istanbul; Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, Berlin; Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig • Leitung der Projekte: N. Benecke • Abbildungsnachweis: N. Benecke (Abb. 47); M. Hochmuth (Abb. 48–50). Naturwissenschaftliche Forschungen – Dendrochronologie In diesem Jahr konnten im dendrochronologischen Labor die Untersuchung von 4 261 Holzproben mit entsprechenden Gutachten abgeschlossen werden. Die regionale Spannbreite reicht dabei von mittelalterlichen bzw. frühneuzeitlichen Befunden aus Utrecht und Amsterdam bis hin zum Kurgan Noin-Ula in der Mongolei. In Dippoldiswalde (Sachsen) konnten für diesen Bereich unbekannt ausgedehnte und frühe Bergwerksbefunde aus dem Ende des 12., Anfang des 13. Jhs. datiert werden. Mittelalterliche Befunde aus Bremen und Bardowick lieferten über den Aspekt der Datierung hinaus durch Provenienz-Bestimmung von Fässern auch interessante Einblicke in den Fernhandel und die Beziehungen zum Umland. Gemeinsam mit der Römisch-Germanischen Kommission des DAI gelang es, über unsere lange Eichenchronologie (bis 7200 v. Chr.) und durch Kooperation mit weiteren Laboren mehrere bisher schwimmende Chronologien des 6. bis 7. Jts. v. Chr. für das SINCOS-Projekt absolut zu datieren. Zum Ausbau und zur weiteren Absicherung der langen Eichenchronologie konnten weitere Komplexe aus Flussbaggerungen und Kiesabbau an Elbe und Neiße erschlossen werden. Zur internen Grobdatierung wurden dazu 72 14C-Datierungen durchgeführt. Um das Potential der Dendrochronologie im Nordkaukasus besser abschätzen zu können und die Grundlage für spätere Klimarekonstruktionen zu verbessern, wurde gemeinsam mit der Eurasien-Abteilung des DAI die Untersuchung von verschiedenen Komplexen aus dieser Region begonnen. Zum einen wurden Eichenholzproben aus spätneolithischen Kurganen erschlossen. Im Fall von Marinskaja 3 Grab 18 konnte die Datierung über Wigglematching auf 3405–3360 v. Chr. (1 Sigma) eingegrenzt werden. Der Vergleich mit unserer Eichenchronologie in diesen Bereichen sieht hoffnungsvoll aus, muss aber aufgrund der weiten Entfernung weiter ausgebaut werden. Weitere Proben zu diesem Zeitabschnitt liegen schon im Labor. Zwei sehr fragile Befunde wurden zur dreidimensionalen Dokumentation und zur zerstörungsfreien Gewinnung des Jahrringbildes im Computertomograph des Krankenhauses in Stavropol untersucht. Die historische Bauforschung im Nordkaukasus bietet gute Ansatzpunkte, um dendrochronologisch zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Dabei spielen sehr unterschiedliche Aspekte eine Rolle: Die absolute Zeitstellung der Gebäude ist durch die politisch wechselvolle Geschichte in dieser Region nur sehr selten überliefert. Eine erste Expedition führte zu verschiedenen Blockhäusern in KabardinoBalkarien, in die Čegem-Schlucht und zu Gräbern im Nachbartal Kart-Džurt. Da die Blockhäuser heute teilweise unbewohnt sind oder nur noch temporär genutzt werden und der Bestand an historischer Bausubstanz durch die gegenwärtige Entwicklung in touristisch nicht erschlossenen Gebieten stark gefährdet ist, stellen die Dokumentation und damit auch die Datierung daher dringliche Aufgaben dar. Parallel zu den Häusern wurden alle verfügbaren Hölzer des Umfeldes beprobt. In Verchnij Čegem ist das Gehöft der Familie Kuliev der älteste Komplex (Abb. 51. 52). Die Hölzer zu den Gebäuden wurden 1747, 1762–1765 und
Abb. 50 Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäozoologie, Kanlıgeçit. Großtrappe, rechter Carpometacarpus
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51 Abb. 51 Naturwissenschaftliche Forschungen – Dendrochronologie, Verchnij Čegem. Ältestes Haus Abb. 52 Naturwissenschaftliche Forschungen – Dendrochronologie, Verchnij Čegem. Bohren von Kernen
Abb. 53 Naturwissenschaftliche Forschungen – Dendrochronologie, Verchnij Čegem. Grabanlagen Abb. 54 Naturwissenschaftliche Forschungen – Dendrochronologie, Verchnij Čegem. Proben aus den Gräbern
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1824–1827 geschlagen. Es handelt sich um Kiefern- und Fichtenholz. Die Hölzer aus den benachbarten Grüften des Friedhofes lagerten im Depot des archäologischen Instituts Stavropol, auch aus ihnen konnten Proben geschnitten werden. Diese Proben datieren die Gräber auf den Zeitraum von 1634 bis 1772 (Abb. 53. 54). Es gelingt damit schon, von den Häusern eine Brücke zu den bisher nur vage nach den Befunden datierten Gräbern zu schlagen. Mit weiteren Gebäuden aus dem Umfeld ergibt sich eine Kiefernchronologie für den Zeitraum von 1533 bis 1904 – wobei die meisten Daten in das 18. und 19. Jh. fallen – und für die Fichte ein Mittelwert für die Zeit von 1632 bis ebenfalls 1904. Beide Chronologien sind im Vergleich mit dem bis-
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herigen Forschungsstand schon länger und im älteren Teil deutlich besser belegt. Die ersten Vergleiche zeigen, dass die klimatischen Beziehungen des Baumwachstums dieser Region in den anatolischen Raum und auch bis nach Zentralasien reichen, während oberf lächlich von Beziehungen zu den Mittel- und Nordeuropäischen Reihen nichts zu erkennen ist. Die Forschungen sollen in den kommenden Jahren ausgebaut und weiter in die zeitliche Tiefe getrieben werden. Leitung des Labors: K.-U. Heußner • Abbildungsnachweis: S. Reinhold (Abb. 51. 52); K.-U. Heußner (Abb. 53. 54). Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäobotanik Von mehreren Ausgrabungen des DAI sowie anderer Institutionen wurde 2009 botanisches Material im Labor für Archäobotanik des DAI oder vor Ort bearbeitet. Dies betrifft u. a. botanische Proben aus Pietrele (Rumänien), Aruchlo (Georgien), Tayma (Saudi-Arabien), Tall HujayrŒt al-GhuzlŒn ( Jordanien), Shir (Syrien) und Elephantine (Ägypten). Am Ende des Jahres erschien im Rahmen des Digitalen Pf lanzenatlasprojekts der dreibändige »Digitale Atlas der Nutzpf lanzen«. An dieser Stelle soll näher auf Nachweise von Nutzpf lanzen eingegangen werden, die als Gewürze, Gemüse oder als Heilkräuter verwendet wurden und normalerweise eher selten im archäologischen Fundgut nachgewiesen werden. Ihr Nachweis ist eher schwierig, da es sich hier nicht um als Massengut angebaute Pf lanzen handelt wie die für die Grundernährung wichtige Getreidearten oder Hülsenfrüchte. Vielmehr geht es vor allem um sehr kleinf lächig angebaute oder um in relativ kleinem Rahmen gesammelte Nutzpf lanzen, die selten ihre Spuren hinterlassen. Der direkte Nachweis solcher Pf lanzen gelingt meistens nur unter ganz besonderen (Erhaltungs-)Bedingungen und/oder Fundumständen. Ein schöner Beleg für die Nutzung von Wildpf lanzen sind die Überreste von Vorräten aus einem stark verbrannten zweigeschossigen Haus auf dem
Abb. 55 Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäobotanik, tabellarische Übersicht von allen nachgewiesenen Nutzpflanzentaxa aus dem kupferzeitlichen Măgura Gorgana (Stückzahl der Großreste: +/1–10, ++/10–1000, +++/>1000). Die Taxa sind nach ökologischen Gruppen geordnet und sowie deren mögliche Verwendung angegeben
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Abb. 56 Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäobotanik, Tollkirsche (Atropa bella-donna) im Botanischen Garten Berlin-Dahlem
kupferzeitlichen Siedlungshügel M‡gura Gorgana bei Pietrele (Rumänien) aus der 2. Hälfte des 5. Jts. v. Chr. (Abb. 55). Neben Getreidearten wie Einkorn, Spelzgerste und Borstenhirse gab es eine auff ällig hohe Zahl an gesammelten Wildobstarten wie Weißdorn, Schlehe, Kirschpf laume, Himbeere, Kornelkirsche und Wilde Weinrebe. Trockenobst war noch bis vor kurzem eine wichtige Vitamin- und Mineralstoffquelle im Winter in den nördlicheren Regionen. Auch die zahlreich gefundenen kleinen Samen vom Weißen Gänsefuß und AmpferKnöterich/Floh-Knöterich wie auch die jungen Blätter dieser Pf lanzen sind genießbar und könnten möglicherweise als (Not-)Nahrung genutzt worden sein. Sehr außergewöhnlich sind die Funde in M‡gura Gorgana von mehreren 1 000 Samen der Tollkirsche, einer Pf lanze mit stark halluzinogener Wirkung. Die Tollkirsche, eine strauchförmige, ausdauernde Pf lanze mit lilabraun gefärbten Blüten, gehört zu den Nachtschattengewächsen (Abb. 56), seine schwarz glänzenden Beeren reifen im August bis September. Tollkirschen wachsen vor allem an aufgelichteten Stellen im Wald, die Pf lanze gehört zu den wirkungsvollsten psycho-aktiven und giftigen Pf lanzen in der Alten Welt. Sie enthält relativ hohe Konzentrationen an Alkaloiden in allen ihren Teilen, überwiegend Hyoscyamin, Atropin und Scopolamin, die höchste Konzentrationen jedoch in Samen und Wurzel. Atropos ist in der griechischen Mythologie die Schicksalsgöttin, deren Aufgabe es war, den Lebensfaden zu zerschneiden. In Kleinstmengen ist die Pf lanze aber nicht gef ährlich. Die belle donne von Venedig nutzten die Tollkirsche als Augentropfen, um die Pupillen zu erweitern und Glanzaugen zu bekommen. Die Pf lanze wurde in der Volksmedizin vor allem gegen Schmerzen und Krampfzustände eingesetzt. Die tödliche Dosis liegt bei Erwachsenen zwischen 10 und 20 Beeren. Bei dieser hohen Toxizität wäre durchaus auch an eine Benutzung als Pfeilgift zu denken. In der Zauberei und im Aberglauben spielte die Tollkirsche schon immer eine wichtige Rolle. Dabei wurde meistens kein Unterschied gemacht zwischen den im Ritual hervorgerufenen magisch-religiösen, sprich halluzinogenen, und den heilenden Aspekten einer solchen Pf lanze. Die Tollkirsche fand Verwendung bei kultischen Ritualen und als Aphrodisiakum, weswegen ihre Früchte auch als Liebesbeeren bezeichnet wurden. Im Mittelalter gehörte die Tollkirsche zusammen mit ähnlich wirkenden Nachtschattengewächsen wie dem Bilsenkraut zu den klassischen Drogen in den Hexensalben. Die auftretenden Rauschzustände ließen die Benutzer glauben, dass sie sich in Tiere verwandelten und fähig waren, durch die Luft zu f liegen. Über die tatsächliche Benutzung der Tollkirsche in M‡gura Gorgana kann man viel spekulieren. Aber durchaus vorstellbar ist, dass halluzinogene Pf lanzen wie die Tollkirsche schon lange eine Rolle im spirituellen Leben gespielt haben, sei es auch nur gewesen, um dem Alltag zu entf liehen. Die ganz typische Wirkung von der ›Götterpf lanze‹ Tollkirsche auf die menschliche Psyche könnte dann zwangsläufig auch Folgen für die damalige spirituelle Wahrnehmung gehabt haben. Leitung des Projekts: R. Neef • Abbildungsnachweis: R. Neef (Abb. 55. 56). Naturwissenschaftliche Forschungen – Paläopathologie/Prähistorische Anthropologie Menschliche Skelette aus mehreren Grabungen des DAI aus Elephantine (Ägypten), Vráble (Slowakei), Shir (Syrien), Liushui (VR China), Göbekli Tepe (Türkei), Beglitzkiy, Aksuat und Kegen (Russische Föderation) und
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einer Grabung des Österreichischen Archäologischen Instituts in Tell el Dab’a (Ägypten) wurden anthropologisch und paläopathologisch untersucht. Abgesehen von der Bestimmung individueller Daten wie Sterbealter, Geschlecht, Körpergröße, Statur und Händigkeit lag ein Schwerpunkt auf den am Knochen sichtbaren Erkrankungen. Zur Untersuchung pathologischer Veränderungen am Knochen gibt es, abgesehen von der immer vorausgehenden makroskopischen Untersuchung, unter anderem folgende Methoden: Endoskopie, Radiologie, Computertomographie, Rasterelektronenmikroskopie sowie Histologie. Je nach Bodenlagerung und dem davon abhängigen Erhaltungszustand der Knochen können auch noch nach Jahrtausenden Spuren von Erkrankungen am Skelett sichtbar sein. Am Knochen sind nicht nur die typischen Knochenkrankheiten wie gut- oder bösartige primäre Knochentumoren, Knochenbrüche, Osteoporose und Gelenkverschleißerkrankungen (Abb. 57) zu sehen, sondern auch sehr viele, nicht direkt den Knochen betreffende Veränderungen wie Mangelerkrankungen (Anämie, Skorbut, Rachitis), Entzündungserkrankungen (spezifische Entzündungen wie Tuberkulose, Lepra, Syphilis und unspezifische Entzündungen) und chronische Herz-Kreislauf-Lungenerkrankungen (z. B. Pierre-Marie-Bamberger Syndrom). Auch Erkrankungen der Zähne und des Zahnhalteapparates wie Parodontose/Parodontitis, Karies, Abszesse, Zahnstein und Schmelzhypoplasien (Abb. 58) liefern bedeutende Informationen zur Lebensweise der früheren Menschen. Ärztliche Eingriffe wie Zahnoperationen, Schienung von Brüchen oder das Eröffnen von Schädeln (Trepanation) sind selbst bei Jahrtausende alten Skeletten zu beobachten. Der Krankheitsstatus einer Population gibt u. a Antwort auf folgende Fragen: Haben die Menschen überwiegend Fleisch (nomadische Lebensweise) oder Getreide (bäuerliche Lebensweise) gegessen, war die Ernährung zuckerhaltig (Karieshäufigkeit), gab es vermehrt Mangelerkrankungen (u. a. Vitamin C-Mangel durch zu wenig frisches Obst/Fleisch), haben die Menschen Zahnhygiene betrieben (Zahnstein, Auftreten von Putzspuren an den Zähnen)? Weitere Informationen betreffen die körperlichen Aktivitäten: Waren die Menschen allgemein körperlich aktiv (gut ausgeprägte Ansatzmarken der Muskulatur am Knochen [Abb. 59]) oder haben sie sich geschont (Atrophie des Knochens), sind sie z. B. viel geritten (verstärkte Muskelmarken an den Beinen) oder haben sie häufig an Kampf handlungen teilgenom-
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Abb. 57 Naturwissenschaftliche Forschungen – Paläopathologie/Prähistorische Anthropologie, Vráble. Sondage 22, Individuum B. Ausgeprägte degenerative Veränderungen des Rippenhalsgelenks der achten rechten Rippe mit einem stark verbreiterten Gelenkrand (oberer Pfeil) und einer löcherig veränderten Gelenkfläche (unterer Pfeil) Abb. 58 Naturwissenschaftliche Forschungen – Paläopathologie/Prähistorische Anthropologie, Vráble. Sondage 22, Individuum B. Seitliche Ansicht des linken Unterkiefers, große punktförmige Schmelzhypoplasie (Pfeil) am unteren linken Eckzahn
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Abb. 59 Naturwissenschaftliche Forschungen – Paläopathologie/ Prähistorische Anthropologie, Liushui. Individuum M37-3, äußere Fläche des oberen Randes des linken Hüftbeins, die starken lippenartigen Neubildungen sind ein Hinweis auf ein sehr langes und intensives Training der schrägen Bauchmuskulatur
men (Kriegsverletzungen)? So liefert der Krankheitsstatus einer Population sehr viele Informationen, die nirgendwo anders gespeichert sind und sonst verloren gingen. Leitung der Projekte: J. Gresky • Abbildungsnachweis: J. Gresky (Abb. 57–59).
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Hauskolloquien der Wissenschaftlichen Abteilung 15. April Bruno Jacobs (Berlin/Basel), Kyros der Große, der Achämenide – Historische Wahrheit oder eine ›intentionale Genealogie‹ Dareios’ I.? 22. April Nicola Zwingmann (Tübingen), Aneignung fremder Vergangenheiten – Die Wahrnehmung nichtgriechischer Denkmäler in der Antike 12. Mai (in Zusammenarbeit mit der Humboldt-Universität zu Berlin und der Deutsch-Griechischen Gesellschaft) Yannos Kourayos (Athen) – Aenne Ohnesorg (München), Despotiko. A Recently Found Archaic Sanctuary near Paros 20. Mai Alexandra von Lieven (Berlin), Tesenouphis theos megistos. Vergöttlichte Menschen und ihr Kult im griechisch-römischen Ägypten 27. Mai Rafed El-Sayed (Tübingen), Stadt, Tempelbezirk und Nekropole des oberägyptischen Athribis. Eine Zwischenbilanz der archäologischen Forschungen und konservatorischen Arbeiten des Tübinger Athribis-Projekts nach sieben Grabungskampagnen 24. Juni (in Zusammenarbeit mit der Eurasien-Abteilung des DAI) Alexander Fantalkin (Tel Aviv), East Greeks abroad (Naukratis and the Black Sea). A Function of Lydian Imperialism? 11. November Bilge Hürmüzlü (Isparta), Zur Klassifizierung und Chronologie der Klazomenischen Sarkophage der archaischen bis frühklassischen Zeit 25. November Søren Handberg M. A. (Aarhus), Is It Hard to Be Indigenous in the Greek Colonies? Diverse Interpretations of Indigenous Pottery in Greek Colonies in the Western Mediterranean and the Black Sea. Vortragsreihe »Bauforschung im Wiegandhaus« 12. Februar Felix Teichner (Frankfurt a. M.), Römische Landvillen am Westrand der antiken Welt – Zeugnisse einer tausendjährigen Siedlungskontinuität in der europäischen Frühgeschichte? 28. Mai Stephan Zink (Philadelphia), Oktavians Orakel – Neue Ergebnisse zur Architektur, Funktion und Symbolik des palatinischen Apollotempels 2. Juli Alexander Papageorgiou-Venetas (München), Der Athener Spaziergang – Ein Pilgerweg zur Akropolis 3. Dezember Ulrike Siegel (Berlin), Die Residenz des Kalifen HŒr´n ar-Raš¥d in ar-Raqqa/ar-RŒf ¥qa (Syrien). AA 2010/1, Beiheft
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Naturwissenschaftliche Forschungen an der Zentrale 3. Juni Arne Ludwig (Berlin), Die Anfänge der Pferdedomestikation aus molekulargenetischer Sicht 2. Dezember Walter Dörf ler (Kiel), Holzverbrauch und Eisengewinnung während der Römischen Kaiserzeit im nördlichen Mitteleuropa. Vortragsreihe »Archäologie digital im Wiegandhaus« des IT-Referats an der Zentrale (Abb. 60) 13. November Uzy Smilansky (Rehovot), 3D Scanning and Computer Based Methods for the Recording of Archaeological Artifacts. Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, Architekturreferat, J. Keitz, J. Denkinger (Abb. 60). Vortragsreihen,Vorlesungen,Vorträge Vortragsreihe (im Rahmen der Ausstellung »Ackern, Flößen, Jagen« [Ausstellungsort: Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin-Dahlem; Organisation: Referat Naturwissenschaften der Zentrale, Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin-Dahlem, Archäologische Landesdenkmalämter Brandenburg und Berlin]). – Es sprachen: 18. Januar Reinder Neef (Berlin), Das vergeht doch alles! – Pf lanzenreste als Zeugen zur Wirtschafts- und Umweltgeschichte 15. Februar Cornelia Becker (Berlin), Waidmanns Heil – Zur Jagd der Burgherren von Spandau 15. März Susanne Hanik (Wünsdorf ), Schwein gehabt – Haustierhaltung von einst bis jetzt 26. April Justyna Gralak (Berlin) – Christof Krauskopf (Berlin), Nur gemeinsam sind sie stark – Bilder, Texte und Sachzeugnisse zum mittelalterlichen Alltag. Vortragsreihe »Deutsche Archäologen berichten. Aus der Arbeit des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI)« der Gesellschaft der Freunde des Deutschen Archäologischen Instituts – Theodor Wiegand Gesellschaft (TWG) e. V. (Veranstaltungsort: Besucherzentrum des Auswärtigen Amts). – Es sprachen: 25. Februar Barbara Helwing (Leiterin der Außenstelle Teheran der Eurasien-Abteilung des DAI), Frühe Kupfer- und Silberschmiede im iranischen Hochland. Erste Ergebnisse der deutschiranischen Ausgrabungen in Arisman 2000–2004 13. Mai Wolf-Dietrich Niemeier (Erster Direktor der Abteilung Athen des DAI), Das Orakel-Heiligtum des Apollon von Abai. Neue Grabungen in einem der wichtigsten Heiligtümer des antiken Griechenland 28. Oktober Mayke Wagner (Zweite Direktorin der Eurasien-Abteilung des DAI), Eurasische Kulturbrücken. Die neue Außenstelle des Deutschen Archäologischen Instituts in Peking 18. November Norbert Benecke (Leiter des Referats Naturwissenschaften der Zentrale des DAI), »›Auf den Hund gekommen‹ – Zur frühen Kulturgeschichte des Haushundes«. 5. Februar Antrittsvorlesung anlässlich der Bestellung des Präsidenten des Deutschen Archäologischen Instituts Hans-Joachim Gehrke zum Honorarprofessor der Freien Universität Berlin (Veranstaltungsort: Freie Universität Berlin). – Es sprachen: Ursula Lehmkuhl (Erste Vizepräsidentin der Freien Universität Berlin) – Dominik Bonatz (Dekan des Fachbereiches Geschichtsund Kulturwissenschaften) – Peter-André Alt (Dekan des Fachbereiches Philosophie und Geisteswissenschaften), Grußworte; Jannis Niehoff-Panagiotidis (Institut für Griechische und Lateinische Philologie, Abteilung Byzantinistik – Neogräzistik), Laudatio • Vorlesung: Hans-Joachim Gehrke (Präsident des DAI), Vergangenheitsrepräsentationen bei den Griechen. 9. Februar Antrittsvorlesung anlässlich der Bestellung des Generalsekretärs des Deutschen Archäologischen Instituts Ortwin Dally zum Hono-
Abb. 60 Logo der neuen Vortragsreihe des IT-Referats an der Zentrale »Archäologie digital im Wiegandhaus«
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rarprofessor der Freien Universität Berlin (Veranstaltungsort: Freie Universität Berlin). – Es sprachen: Dominik Bonatz (Dekan des Fachbereiches Geschichts- und Kulturwissenschaften) – Friederike Fless (Institut für Klassische Archäologie, Sprecherin des Excellenzclusters TOPOI), Grußworte • Vorlesung: Ortwin Dally (Generalsekretär des DAI), Archäologie und Photographie. 2. Dezember Festvortrag (Veranstaltungsort: Theodor-Wiegand-Saal des Pergamonmuseums SMB SPK; Veranstaltung und Organisation: DAI, Abb. 61). – Es sprachen: Hermann Parzinger (Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz), Einführung; Hans-Joachim Gehrke (Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts), Diskussionsleitung • Festvortrag: Nikolaj Makarov (Direktor des Archäologischen Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften, Moskau), Colonization and Cultural Identity. Recent Archaeological Research in North-Eastern Russia. Abbildungsnachweis: N. Makarov, DAI, Zentrale, Architekturreferat, J. Denkinger (Abb. 61).
Abb. 61 Einladung zum Festvortrag des Direktors des Instituts für Archäologie der Russischen Akademie der Wissenschaften Nikolaj Makarov im Pergamonmuseum SMB SPK
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Kolloquien, Konferenzen,Workshops 13./14. Februar Kolloquium »Hellenismus in Kilikien« (Förderung: Alexander von Humboldt Stiftung; Unterstützung: DAI; Organisation: Andrea De Giorgi [Cleveland], Adolf Hoffmann [Berlin], Richard Posamentir [Tübingen]). – Es sprachen: Ortwin Dally (Berlin) – Adolf Hoffmann (Berlin), Begrüßung; Andrea De Giorgi (Cleveland) – Adolf Hoffmann (Berlin) – Richard Posamentir (Tübingen), Einführung • Die Festung auf dem Karasis: Adolf Hoffmann (Berlin), Warum liegt die Karasisfestung in Kilikien?; Silvia Polla (Berlin/Bern), Zur Nutzung des Karasis. Die Keramik der archäologischen Prospektionen 2003–2005; Timm Radt (Stuttgart), Karasis – Ein Einzelfall? (Gesprächsleitung: Kai Trampedach [Heidelberg]) • Voraussetzungen und Rahmenbedingungen: Nurettin Arslan (Çanakkale), Eisenzeitliche Keramik in Kilikien; Redha Attoui (Trient) – Martina Andreoli (Trient) – Mariette De Vos (Trient), Survey archeologico degli insediamenti intorno al Karasis – Il periodo ellenistico (Gesprächsleitung: Detlev Wannagat [Rostock]) • Siedlungsplätze im Ebenen Kilikien: Richard Posamentir (Tübingen), Das hellenistische Anazarbos; Andrea De Giorgi (Cleveland), Anazarbos and East Cilicia in the Early Hellenistic Period (Gesprächsleitung: Winfried Held [Marburg]) • Natascha Kreutz (Tübingen), Die Siedlung auf dem Sirkeli Höyük (Provinz Adana) in hellenistischer Zeit; Ralph Rosenbauer (Bern), Vom Heiligtum zur Hafenstadt? – Zur städtebaulichen Entwicklung von Magarsos; Ulrike Wulf-Rheidt (Berlin), Der Stadtplan von Akören. Hellenistische Vorläufer oder ein langes Beharren an hellenistisch geprägten Bautraditionen? (Gesprächsleitung: Gabriele Mietke [Berlin]) • Öffentlicher Vortrag: Adolf Hoffmann (Berlin), Seleukidische Herrschaftsarchitektur – Residenz und Festung auf dem Karasis • Hellenismus im Ebenen Kilikien: Giovanni Salmeri (Pisa), Linguistic Dynamics in Hellenistic Cilicia; Mustafa Sayar (Istanbul), Religiöse Vorstellungen und Kultgebräuche der Bevölkerung Kilikiens in hellenistischer Zeit (Gesprächsleitung: Christof Berns [Hamburg]) • Kai Trampedach (Heidelberg), Die Neuordnung der Provinz Kilikien durch Pompeius (66–62 v. Chr.); Marion Meyer (Wien), Bilder der Städte. Zu Thematik und Gestaltung städtischer Münzprägung (Gesprächsleitung: Ruprecht Ziegler [Duisburg]) • … und bei den Nachbarn: Detlev Wannagat (Rostock), Das Zeus-Heiligtum von Olba; Serra Durugönül (Mersin), Zwei Modelle zur hellenistischen Siedlungsstruktur im Rauhen Kilikien: Turmgehöfte und
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Hanghäuser; Elisabeth Katzy (Tübingen), Nordmesopotamien in hellenistischer Zeit am Beispiel des Habur-Gebietes (Gesprächsleitung: Marion Meyer [Wien]); Schlussbetrachtung. 26. Februar bis 1. März Kolloquium »Licht – Konzepte in der vormodernen Architektur« (10. Diskussionen zur Archäologischen Bauforschung) (Veranstaltungsort: Besucherzentrum des Auswärtigen Amts und Pergamonmuseum SMB SPK; Organisation: DAI, Zentrale, Architekturreferat; Förderung: Auswärtiges Amt; Fa. LBM – Lichtleit-Fasertechnik GmbH, Berching) mit Festvortrag und anschließender Vorstellung des teilrestaurierten Markttores von Milet durch Martin Maischberger (Berlin) sowie Empfang im Theodor-Wiegand-Saal • Festvortrag: Robert Suckale (Berlin), Die Gotik als Architektur des Lichts • Kolloquium: – Es sprachen: Ulrike WulfRheidt (Berlin), Grußworte; Peter I. Schneider (Berlin), Einführung • Ein erstes Licht-Konzept: Andreas Pastoors (Mettmann), Die Bedeutung von Licht in eisenzeitlichen Bilderhöhlen • Licht-Konzepte im vorderasiatischen und ägyptischen Raum: Mike Schnelle (Berlin) – Moritz Kinzel (Berlin), Überlegungen zu Lichtkonzeptionen in der altsüdarabischen Sakralarchitektur – Die Wirkung auf Steinmaterialien und deren gestaltete Oberf lächen; Felix Arnold (Madrid), Licht als architektonisches Gestaltungsmittel in den ägyptischen Pyramidentempeln; Pierre Zignani (Genf ), Light and Function. An Approach to the Concept of Space in Pharaonic Architecture; Veit Stürmer (Berlin), Inszenierung von Licht in der minoischen Palastarchitektur: Zur Beleuchtung bronzezeitlicher Zeremonialräume • Licht-Konzepte in der griechischen Welt: Norbert Feller (Marburg), Zur Beleuchtung griechischer Saalbauten; Aenne Ohnesorg (München), Der naxische Lichtdom. Das Phänomen lichtdurchlässiger inselionischer Marmordächer; Arnd Hennemeyer (München), Zur Lichtwirkung am Zeustempel von Olympia; Hans Rupprecht Goette (Berlin), Licht in antiken Kulthöhlen; Matthias Grawehr (Basel), Lichtverhältnisse und Raumnutzung in einer antiken Bronzewerkstatt; Martin Bachmann (Istanbul), Fenster zum Hof. Zur Belichtungsfrage pergamenischer Peristylhäuser • Licht-Konzepte in römischer und spätantiker Architektur: Katja Piesker (Hannover), Licht- und Schattenkonzepte römischer Tabernakelfassaden am Beispiel des Bühnengebäudes des Theaters von Patara (Türkei); Mantha Zarmakoupi (London/ Berlin), Light Concepts in Roman Luxury Villa Architecture: The Design of Dining Facilities; Roman Hillmann (Berlin) Lumen, aër, prospectus. Zu Form und Funktion kleiner Fenster im pompejianischen Wohnhaus; Thomas Knosala (Basel), Licht im Reich der Schatten. Beobachtungen zur Metamorphose und Bedeutung des Lichtes im Kontext römischer Grabbauten; Heinz-Jürgen Beste (Rom), Licht und Lichtführung in der Domus Aurea; Henner von Hesberg (Rom), Führung durch Licht? Die Fenster der Kryptoportikus im Albanum Domitians; Hilke Thür (Wien), Licht in den Festsälen des C. Flavius Furius Aptus im Hanghaus 2 in Ephesos; Jürgen J. Rasch (Karlsruhe), Lichtzufuhr, Raumgestalt und Wandauf bau in spätantiken Räumen • Licht-Konzepte in nachantiker Zeit/Mittelalter: Daniel Keller (Mainz), Glaslampen im frühbyzantinischen Kirchenraum. Künstliche Beleuchtung im Kontext von architektonischen und liturgischen Veränderungen; Rudolf H. W. Stichel (Darmstadt) – Oliver Hauck (Darmstadt) – Andreas Noback (Darmstadt), Licht in der Hagia Sophia Justinians – Eine computergestützte Simulation; Judith Ley (Aachen) – Marc Wietheger (Aachen), Licht für den kaiserlichen Aufstieg? Der Treppenturm an der Palastaula Karls des Großen; Bernhard Flüge (Freiburg), Domus solaratae der Periode Cluny III. Licht-Lösungen an Profanbauten der Zeit um 1100;
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Concha Diez-Pastor Iribas (Segovia) – Margarita Arroba Fernandez (Segovia), Light as a Symbolic Definer of Spaces in Roman Architecture • LichtKonzepte der Renaissance und Neuzeit: Stefan Hajek (Gars-Haiden), Vitruv, Alberti, Pius II und der Palazzo Piccolomini; Jan Pieper (Aachen), Maulnesen-Tonnerrois. Die Lichtregie in einem Schloss der französischen Renaissance; Jos Tomlow (Zittau), Mimar Sinan, Alessandro Antonelli, Antoni Gaudí – Sparsames Konstruieren hilft Licht spenden • Licht-Konzepte in der Rezeption antiker Architektur: Joachim Ganzert (Hannover), Lichtkonzepte – Made in Ancient Egypt – Werfen ›königliches‹ Licht auf spätere Zeiten; Marco Pogancik (Venedig), Der Hypäthraltempel als architektonische Lichtkonzeption zwischen Auf klärung und Restauration; Manfred Klinkott (Karlsruhe), Licht und Schatten in der Architektur des romantischen Klassizismus; Abschlussdiskussion. 10. November Internationales Kolloquium aus Anlass des 50. Todestages von Felix Jacoby (10. November 1959 – 10. November 2009) (Veranstaltungsort: Hauptgebäude der Humboldt-Universität zu Berlin; Organisation: HansJoachim Gehrke [Präsident des DAI]; Veronica Bucciantini [DAI, Zentrale]). – Es sprachen: Hans-Joachim Gehrke (Berlin) – Wolfgang Rösler (Berlin), Begrüßung; Guido Schepens (Leuven), Die Debatte über die Struktur der Fragmente der griechischen Historiker; Eugenio Lanzillotta (Rom), Riflessioni sulla prima Storiografia Greca da Felix Jacoby ai nostri giorni; Stefan Schorn (Leuven), Neue Forschungen zu den hellenistischen Biographen und ihre Edition im Rahmen der »Fragmente der Griechischen Historiker Continued«; Ausf lug zu Jacobys Wohnhaus in Finkenkrug bei Berlin (Führung: Detlef Berger). 1./2. Oktober Internationale Tagung »Palast und Stadt im severischen Rom« (Organisation: DAI, Zentrale, Architekturreferat, Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin, Archäologisches Seminar der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Classical Archaeology Department Leiden; Förderung: Gerda Henkel Stiftung). – Es sprachen: Einführung: Ortwin Dally (Berlin), Begrüßung; Ulrike WulfRheidt (Berlin), Einführung; Aloys Winterling (Berlin), Hof und Stadt im interkulturellen Vergleich; Domenico Palombi (Rom), Lo sviluppo della città di Roma nell’età preseveriana • Festvortrag: Adolf Hoffmann (Berlin), Einführung; Mariantonietta Tomei (Rom), Le residenze sul Palatino dall’età repubblicana all’età antonina • Die severische Zeit: Peter Eich (Potsdam), Strukturen von Politik und Verwaltung im severischen Rom; Björn Schöpe (Freiburg), Die Entwicklung des Hofes von Pertinax bis Alexander; Françoise Villedieu (Rom), La Vigna Barberini in età severiana; Jens Pf lug (Berlin), Die Entwicklung der Domus Augustana im Kontext des südöstlichen Palatin bis in die severischer Zeit; Natascha Sojc (Leiden/Würzburg), Der severische Palast im urbanen Kontext; Alexandra Busch (Rom), Das Militär im severischen Rom: Bärtige Barbaren?; Andreas Grüner (München), Die Kaiservillen in severischer Zeit • Ausblick: Ulrike Wulf-Rheidt (Berlin), Die Bedeutung der severischen Paläste für spätere Residenzbauten; Henner von Hesberg (Rom), Schlussworte; Abschlussdiskussion. 21. bis 23. Oktober Internationale Tagung »Schutzbauten und Rekonstruktionen in der Archäologie. Von der Ausgrabung zur Präsentation« (Veranstaltungsort: LVR-Archäologischer Park Xanten/LVR-RömerMuseum; Organisation: DAI, Zentrale Architekturreferat; LVR-Archäologischer Park Xanten/LVR-RömerMuseum; Ministerium für Bauten und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen). – Es sprachen: Harry K. Voigtsberger (Direktor des Landschaftsverbands Rheinland) – Lutz Lienenkämper (Minister
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für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen) – Hans-Joachim Gehrke (Präsident des DAI), Begrüßung • Einführung: Peter Kienzle (Xanten), Eine Ethik des Umgangs mit der Archäologie – Die Entwicklung der internationalen Vereinbarungen • Überblick und Methoden – Momentaufnahme des Verfalls. Die Präsentation archäologischer Stätten und Grabungsbefunde: Ulrike Wulf-Rheidt (Berlin), Konzepte und Ziele des Deutschen Archäologischen Instituts; Thomas Otten (Düsseldorf ), Neue Konzepte der Präsentation archäologischer Stätten in Nordrhein-Westfalen; Martin Müler (Xanten), Der LVR-Archäologische Park Xanten, Abriss der Entwicklung und Konzept heute (Diskussionsleitung: Hans-Joachim Schalles [Xanten]) • Beispiele – Visualisierung des Unsichtbaren. Die Sichtbarmachung von Bodendenkmälern: Peter Henrich (Bad Homburg), Rekonstruktionen am UNESCO-Weltkulturerbe Obergermanisch-Raetischer Limes; David Breeze (Edinburgh), The Antonine Wall; Kees Peterse (Nijmegen) – Harry van Enckevort (Nijmegen), Rekonstruktion und Visualisierung des römischen Nijmegen; Franz Humer (Deutsch-Altenburg), Schutzbauten in Carnuntum, Adnan Diler (Muğla), The Delicate Balance of Archaeological and Natural Heritage. A Proposal for Management Plan of Sedir Island (Kedreai); Rudolf Aßkamp (Haltern), Das Römermuseum und archäologische Freigelände Haltern; Hans-Joachim Schalles (Xanten), Schutzbau über den Großen Thermen Xanten; Empfang für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung durch den Direktor des Landschaftsverbands Rheinland Harry K. Voigtsberger im LVR-RömerMuseum im Archäologischen Park Xanten (Diskussionsleitung: Jürgen Kunow [Bonn]) • Beispiele – Fortsetzung: Evert van Ginkel (Leiden), Visualisierung durch Kunst in den Niederlanden; Martin Bachmann (Istanbul), Neue Restaurierungen in Pergamon: Das Schutzdach über den römischen Mosaiken von Bau Z und die Rote Halle; Sabine Ladstätter (Wien), Das Hanghaus 2 in Ephesos: Römischer Wohnkomplex – Moderner Schutzbau – Touristische Attraktion; Georgios Riginos (Preveza), Die jüngsten Projekte zur Umgestaltung und Hervorhebung an archäologischen Stätten im südwestlichen Epirus; Paola Rispoli (Pompei), Restauro e manutenzione a Pompei: 1998–2008; Mike Schnelle (Berlin) – Christian Weiss (Erlangen), Restauratorische Maßnahmen am Almaqah-Tempel der sabäischen Stadtanlage von Sirwah/Jemen; Margarete van Ess (Berlin), Visualisierung der Stadt Uruk/Iraq – Erhalt und Präsentation fragiler Lehmziegelarchitektur; Pete Wilson (Weaverthorpe), To Build or not to Build? Presenting Roman Sites in England (Diskussionsleitung: Thomas Otten [Düsseldorf ]) • Technik und Ausführung – Moderne Techniken und Materialien. Risikofolgeabschätzung Pf lege und Wartung von Schutzanlagen und des geschützten Befundes Orsolya: Heinrich-Tamaska (Leipzig), Die Planung des Archäologischen Parks Keszthely-Fenekpuszta/Ungarn; Peter Kienzle (Xanten), Moderne Technik und traditionelles Handwerk – Die Rekonstruktion von drei Wohnhäusern in Xanten; Thomas Metz (Trier), Trier. Kaiserthermen – Thermen am Viehmarkt – Barbarathermen; Meinrad Filgis (Langenbrettach), Badenweiler – Architektonische Qualität und Einsatz von High-Tech; Holger Grewe (Ingelheim), Kaiserpfalz Ingelheim 2010 – Leitgedanken der Konservierung, Erschließung und Präsentation eines Bau- und Bodendenkmals; Harriet Bönisch (Raddusch), Slawenburg Raddusch – Rekonstruktion oder Adaption eines Bodendenkmals?; Helmut Luley (Bonn), Der Industriearchäologische Park Oberhausen. Konservierung – Präsentation – Schutzbau; Marc Steinmann (Köln), Ausgrabung und Schutzbau von Kolumba, Köln; Lutz-Michael Dallmeier (Regensburg), Mittelalterliches Judenviertel Regensburg mit Präsen-
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tation »document Neupfarrpfalz«; Franz Glaser (Klagenfurt), Schutzbauten im Ostalpenraum; Wolf Koenigs (München), Priene – Anastilosis des Theaters (Diskussionsleitung: Ulrike Wulf-Rheidt [Berlin]) • Wiederaufbau, Teilrekonstruktion – Der fragmentierte Wiederauf bau. Die Anastylose: Jan Martin Klessing (Karlsruhe/Berlin), Unterschiedliche Aspekte der Konservierung in der mykenischen Zitadelle Tiryns; Reinhard Senff (Athen), Die Restaurierung des DAI in Olympia. Gesamtkonzept und Einzeldenkmal; Jürgen Seeher (Istanbul), Rekonstruktion eines Großbaus aus Lehmziegeln: Die hethitische Stadtmauer von Hattuša (Diskussionsleitung: Martin Bachmann [Istanbul]) • Erschließung und Vermittlung – Die Problematik der öffentlichen Erschließung von Bodendenkmälern: Jürgen Kunow (Bonn), Römische Thermenanlagen im Rheinland. Aktuelle Planungen und Realisierungen zu ihrer Präsentation und Erschließung • Zusammenfassung: Martin Müller (Xanten) – Thomas Otten (Düsseldorf ) – Ulrike Wulf- Rheidt (Berlin), Resümee zu den Beiträgen und Themen der Tagung; Exkursion: Johannes Schubert (Xanten), Führung im Dom von Xanten, Besuch der Dombauhütte. 21. bis 23. Oktober Tagung »Bild – Raum – Handlung. Perspektiven der Archäologie« (Veranstaltungsort: TOPOI-Haus der Freien Universität Berlin; Organisation: Ortwin Dally [Deutsches Archäologisches Institut]; Susanne Moraw [Deutsches Archäologisches Institut]; Hauke Ziemssen [Exzellenzcluster TOPOI]). – Es sprachen: Ortwin Dally (Berlin) – Hauke Ziemssen (Berlin), Begrüßung und Einführung in das Thema • Festvortrag: Tonio Hölscher (Heidelberg), Bilderwelt, Lebensordnung und die Rolle des Betrachters im antiken Griechenland; Empfang • Bild und Naturraum: Peter Fux (Zürich), Bebilderte Fernwege. Die Paracas-zeitlichen Petroglyphen im Río Palpa-Tal, Südperu; Karsten Lambers (Konstanz), Von Bildern zu Bühnen: Die Geoglyphen von Palpa und Nasca (Südperu) in ihrem räumlichen und sozialen Kontext; João Zilhão (Bristol), The Côa Valley Rock Art. Archaeology of an Upper Paleolithic Landscape • Bild und städtischer Raum: Alessandra Gilibert (Berlin), Archäologie der Menschenmenge. Platzanlagen, Bildwerke und Fest im Syro-Hethitischen Stadtgefüge; Hauke Ziemssen (Berlin), Herrscher und Götter. Bild und Inszenierung im kaiserzeitlichen Rom; Franz Alto Bauer (München), Kontrollierte Wahrnehmung: Raum und Ritual im Kaiserpalast von Konstantinopel • Bild und Innenraum: Ute Günkel-Maschek (Heidelberg), In die Augen, in den Sinn. Wandbilder als konstitutive Elemente von (Handlungs-)Räumen in der minoischen »Neupalastzeit«; Ulrich Thaler (Heidelberg), Going Round in Circles. Anmerkungen zur Bewegungsrichtung in mykenischen Palastmegara; Ralf von den Hoff (Freiburg), Die statuarische Definition des Handlungsraumes im Gymnasion von Pergamon; Ortwin Dally (Berlin), Die Faustinathermen in Milet; Susanne Muth (Berlin), Begleitet von Bildern. Zur Bildausstattung römischer Häuser • Bild und Ritual: Klaus Schmidt (Berlin), Die megalithischen Kreisanlagen des steinzeitlichen Göbekli Tepe und ihr Bildprogramm; Lorenz Winkler-Horacek (Berlin), Bilder des Rituals im Raum der Handlung: Parthenonfries und Apadanareliefs als Fallbeispiele; Stefanie Kühn (Berlin), Zurück in die mythologische Vergangenheit: Die Pythaïs-Prozession in hellenistischer Zeit; Katja Moede (Berlin), Realer als die Wirklichkeit. Zur Darstellbarkeit religiöser Rituale; Susanne Moraw (Berlin), Schlussdiskussion. 26. bis 28. November Tagung »Antike Geschichte, Archäologie und Öffentlichkeit – Für einen neuen Dialog zwischen Medien und Wissenschaft« mit Podiumsdiskussion und Workshop (Veranstaltungsort: Besucherzentrum und Europasaal des Auswärtigen Amts; Organisation: Hans-Joachim Gehrke
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[Präsident des DAI]; Miriam Sénécheau [DFG-Forschergruppe 875 »Historische Lebenswelten in populären Wissenskulturen der Gegenwart«, AlbertLudwigs-Universität Freiburg]; Kooperationspartner und Kooperationspartnerinnen: Gerda Henkel Stiftung; Auswärtiges Amt, Referat Wissenschaft und Hochschulen; Brigitte Röder [Institut für Prähistorische und Naturwissenschaftliche Archäologie, Universität Basel]; Stefanie Samida [Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters, Eberhard-KarlsUniversität Tübingen]; Michael Zelle [Projektleiter der Ausstellung »IMPERIUM KONFLIKT MYTHOS. 2000 Jahre Varusschlacht«, Lippisches Landesmuseum, Detmold]). – Es sprachen: Allgemeine Beiträge: Hans-Joachim Gehrke (Berlin), Begrüßung; Marc-Antoine Kaeser (Neuchâtel), Die Darstellung der Archäologen und der Archäologie in den Medien: Ein störendes Spiegelbild?; Siebo Heinken (Hamburg), Journalisten und Archäologen – Für eine bessere Partnerschaft; Brigitte Röder (Basel), »Schon die Höhlenmänner bevorzugten Blondinen«. Gesellschaftliche und politische Funktionen der Urgeschichte im Spiegel von Medientexten; Stefanie Samida (Tübingen), Schliemanns Erbe? Populäre Bilder von Archäologie in der Öffentlichkeit; Michael Zelle (Detmold), Rauschen im Blätterwald – Die Ausstellung »IMPERIUM KONFLIKT MYTHOS. 2000 Jahre Varusschlacht« im Lippischen Landesmuseum Detmold und ihr Widerhall in den Medien • Film: Patricia Rahemipour (Berlin), Ganze Lebenswelten auf nur 35 mm?; Miriam Sénécheau (Freiburg), Geklaute Germanen? Fernsehdokumentationen als Basis für Unterrichtsfilme; Tamara Spitzing (Freiburg), Wissenschaft oder Indiana Jones – Historischer Dokumentarfilm zwischen Forschung und Kommerz; Friedrich Steinhardt (München), Mythos Troja – Megahit oder wahre Geschichte? • Printmedien: Ulrike Pirker (Freiburg), Black Romans – Die Antike im gegenwärtigen Diskurs um eine schwarze britische Geschichte; Johannes Saltzwedel (Hamburg), Antike im Sachbuch – Forschung zum Schmökern; Cornelia Varwig (Leinfelden-Echterdingen), Wie man Ausgräber angräbt: Über das Zusammentreffen von Journalisten und Archäologen; André Wais (Stuttgart), »Zum Blättern gern«. Ein populäres Archäologiemagazin auf Papier im Kontext von Digitalisierung und neuen Medien; Bertold Seewald (Berlin), Homer ist überall: Archäologie als Leitwissenschaft • Abendvortrag: Thomas Späth (Bern), In der Seele des centurio oder: Römische Geschichte als Soap • Podiumsdiskussion »Geschichte im Film« – Es nahmen teil: Thomas Heise (Regisseur, Autor, Professor für Film, Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe), Mathias Herrmann (Schauspieler), Ulrich Kriest (Filmkritiker), Rainer Wirtz (Professor für Neuere Geschichte, Universität Konstanz), Martin Zimmermann (Professor für Alte Geschichte, Ludwig-Maximilians-Universität München) • Workshop – Runder Tisch: Konkrete Projektplanungen (geschlossene Veranstaltung). 23./24. November Workshop »Interconnected Data Worlds. Workshop on the Implementation of CIDOC-CRM« (Organisation: Felix Schäfer [Archäologisches Institut der Universität zu Köln], Rainer Komp [DAI, Zentrale, IT-Referat], Robert Kummer [Historisch-Kulturwissenschaftliche Informationsverarbeitung der Universität zu Köln], Undine Lieberwirth [Exzellenzcluster TOPOI], Carlos Saro [ZUSE-Institut Berlin]). – Es sprachen: Ulrike Wulf-Rheidt (Leiterin des Architekturreferats und Stellvertreterin des Generalsekretärs des DAI), Begrüßung; Felix Schäfer (Köln/ Berlin), CIDOC-CRM aus Sicht des DAI; Undine Lieberwirth (Berlin), CIDOC-CRM aus Sicht von TOPOI • CIDOC-CRM Applied in the Context of Museums: Siegfried Krause (Nürnberg) – Karl-Heinz Lampe (Bonn), Einführung: CIDOC-CRM aus der Museums-Perspektive; Regine Stein
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(Marburg), CRM in der Praxis: Das Harvestingformat museumdat; Axel Vitzthum (Kiel) – Frank Dührkohp (Göttingen), Using CRM and SKOS as a Basis for the Datamodelling of Different Collections and for the Presentation of Archaeological Objects in PICA • CIDOC-CRM as a Tool for Research: Agnes Thomas (Köln) – Reinhard Förtsch (Köln), CIDOC-CRM and Text Data – The World of Thuc.; Robert Kummer (Köln), From Questions to Answers – Travelling from Perseus to ARACHNE and Anywhere; Gerald Hiebel (Innsbruck), Prototype of a CIDOC-CRM Implementation in a Relational Database with GIS Interface • Implementing the CIDOC-CRM: Graham Klyne (Oxford), CIDOC-CRM for Sharing, CIDOC-CRM for Use; Bernhard Haslhofer (Wien) – Philipp Nussbaumer (Wien), CIDOC-CRM in Practice – Experciences, Problems, and Possible Solutions; Keith May (Pontypridd), The CRM-English Heritage Extensions of CIDOC-CRM; Douglas Tudhope (Pontypridd) – Ceri Binding (Pontypridd), Breaking Down Barriers to Interoperability • Alternatives to CIDOC-CRM: Axel Posluschny (Frankfurt a. M.), The Data Exchange Format ADeX of the Archaeological Heritage Management in Germany – Intentions and First Thoughts About the Mapping with CIDOC-CRM; Leif Isaksen (Southampton), Archaeology, Formality and the CIDOC-CRM; Abschlussdiskussion.
Veranstaltungen zu den Forschungsclustern des DAI
Kolloquium zur Wissenschafts- und Archäologiegeschichte im Rahmen des Forschungsclusters 5 »Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts im 20. Jahrhundert« des DAI 16. April Erik Straub (Berlin), Archäologische Ausgrabungen im Spiegel ihrer Bildmedien 26. Mai Stefanie Klamm (Berlin), Strategien der Visualisierung in der Klassischen Archäologie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts 25. Juni Rüdiger Hachtmann (Potsdam), Wissenschaft und Krieg in Deutschland 1900–1945 14. Oktober Fabian Link (Basel), Vom Nationalisten zum völkischen Rassisten? Politisch-ideologische Radikalisierungen in der Burgenforschung in der 1. Hälfte des 20. Jhs. Das Beispiel Bodo Ebhardt. Workshop 21. Februar Workshop zu Forschungsfeld 1 »Erschließung und Nutzung von Räumen« im Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI«. – Es sprachen: Ingo Motzenbäcker (Berlin) – Knut Rassmann (Frankfurt a. M.) – Dieter Vieweger ( Jerusalem), Begrüßung; Diskussion zur Fortsetzung der Arbeit im Forschungsfeld 1; Planung der Internationalen Tagung, Berlin November 2009 in Kooperation mit dem Excellenzcluster TOPOI. Tagungen 13./14. Mai Tagung zu Forschungscluster 5 »Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts im 20. Jahrhundert« des DAI. – Es sprachen: Ortwin Dally (Berlin), Einführung; Christian Jansen (Berlin), Archäologie und Politik. Das DAI zwischen Wissenschaft, Zeitgeist und auswärtiger Kulturpolitik; Marie Vigener (Berlin), Archäologie und Öffentlichkeit – Das Deutsche Archäologische Institut in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts; Frederick Jagust (Berlin), Die DAI Zentrale: Entscheidungsprozesse und Finanzstrukturen; Katharina Becker (Frankfurt a. M.), Die Römisch-Germanische Kommission: Rolle und Bedeutung ihrer Kommissionsmitglieder; Thomas Fröhlich (Rom), Armin von Gerkan; Sylvia Diebner (Rom), Ludwig Curtius:
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Aus dem Leben eines Abendländers. Fach-, zeit- und kulturgeschichtliche Aspekte eines Archäologen; Michael Krumme (Berlin), Walter Wrede, Direktor des DAI Athen 1937–1944; Susanne Kern (Voß) (Kairo/Berlin), Das DAI Kairo 1907–1979 im Spannungsfeld deutscher politischer Interessen; Jorge Maier (Madrid) – Thomas G. Schattner (Madrid), Die Rezeption der deutschen Altertumswissenschaften auf der Iberischen Halbinsel; Margarete van Ess (Berlin), Bestand und Potential des Wissenschafts-, Nachlass- und Verwaltungsarchivs der Orient-Abteilung; Patricia Rahemipour (Berlin), Film als Quelle einer Archäologiegeschichte; Abschlussplenum; Beiratssitzung. 18. bis 22. November Internationale Tagung »Politische Räume in vormodernen Gesellschaften: Gestaltung – Wahrnehmung – Funktion« (Veranstaltungsort: Henry-Ford-Bau der Freien Universität Berlin; Organisation: Sprecher des Forschungsclusters 3 »Politische Räume« des DAI; F. Fless [Exzellenzcluster TOPOI]) Interne Sitzung des Forschungsclusters 3 »Politische Räume« des DAI, Forschungsfelder 1–4«. – Es sprach: Ortwin Dally (Berlin), Einleitung – Bilanz und Ausblick; Internationale Tagung »Politische Räume in vormodernen Gesellschaften: Gestaltung – Wahrnehmung – Funktion«. – Es sprachen: Ortwin Dally (Berlin) – Friederike Fless (Berlin), Einleitung • Sektion 1: Politische Räume: Volker Gerhardt (Berlin), Wissen und Öffentlichkeit in der Antike; Joseph Maran (Heidelberg), Gesellschaftlicher Raum in schriftlosen und frühschriftlichen Epochen: Möglichkeiten des Nachweises und der Interpretation; Eva Cancik-Kirschbaum (Berlin), Standardisierung und Normierung: Zur administrativen Dimension des politischen Raumes; Jörg Rüpke (Erfurt), Konstitution von Öffentlichkeit in der römischen Republik: Religionsgeschichtliche Perspektiven • Sektion 2: Raumerfassung: Klaus Geus (Mannheim), Einleitung; Hagan Brunke (München), Raum-Erfassung in der keilschriftlichen Dokumentation; Kai Brodersen (Erfurt), Der Artemidor-Papyrus: Eine neue Quelle zur antiken Raumerfassung; Jens O. Lindermann (Berlin), Der »ordo mundi« bei den römischen Feldmessern; Sebastian Frühinsfeld (Berlin), Rechtsschutz von öffentlichen Wegen; Silvia Polla (Berlin), GIS-basierte territoriale Modelle in der Archäologie. Von der räumlichen Analyse zur Interpretation politischer Räume; Sybille Krämer (Berlin), ›Was eigentlich ist eine Karte?‹ Wie Karten Räume darstellen und wie wir mit Karten Räume nutzen; Tanja Michalsky (Berlin), Italia illustrata. Der protonationale Raum Italiens in humanistischen Topoi und Kartierung des Territoriums • Sektion 3: Erschließung und Nutzung von Räumen: Dieter Vieweger ( Jerusalem) – Knut Rassmann (Frankfurt a. M.) – Ingo Motzenbäcker (Berlin), Einleitung; Anne Kolb (Zürich), Herrschaft durch Raumerschließung – Rom und sein Imperium; Camilla Campedelli (Berlin), Von der Besitzergreifung zur Verwaltung der Iberischen Halbinsel im Spiegel der römischen Meilensteine; Gerd Grasshoff (Bern), Von Wegen und Orten zu geographischen Koordinaten: Die Genese der Ptolemäischen Geographie; Dieter Vieweger ( Jerusalem) – Gabriele Rasbach (Frankfurt a. M.) – Knut Rassmann (Frankfurt a. M.), Kontinuität und Diskontinuität – Vorrömische und römische Verkehrswege; Ortwin Dally (Berlin) – Jutta Häser (Amman) – Dirce Marzoli (Madrid), Interaktion – Seewege, Häfen und Hinterland; Florian Seiler (Berlin) – Axel Posluschny (Frankfurt a. M.), Schnittstellen – Verkehrswege und Siedlungsstrukturen; Veronica Hinterhuber (Berlin) – Ingo Motzenbäcker (Berlin) – Anatoli Nagler (Berlin), Von der Struktur zur Symbolik: Prozessionsstraßen in Ägypten und Eurasien im diachronen und räumlichen Vergleich • Sektion 4: Begrenzungen und Entgrenzungen: Friederike Fless (Berlin) – Claus-
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Michael Hüssen (Ingolstadt), Einleitung; Jörg Klinger (Berlin), Die Grenzen politischer Räume im Alten Orient; Klaus Geus (Mannheim), Die Grenzen der Oikumene(n); Christoph Markschies (Berlin), Die Konstruktion politischer Räume im vorkonstantinischen Christentum; Katja Moede (Berlin), Grenzmarkierung und Grenzkonf likt. Das System absoluter und relativer Grenzen in der Antiken Welt; Stefan Esders (Berlin), Zur Entwicklung der politischen Raumgliederung im Übergang von der Antike zum Mittelalter; Stephan J. Seidlmayer (Kairo), Die Südgrenze Ägyptens am Ersten Nilkatarakt; Markus Gschwind (München) – Claus-Michael Hüssen (Ingolstadt), Die Gestaltung der Grenze – Forschungen an der Nord- und Ostgrenze des römischen Reiches; Sophie Helas (Köln) – Andreas Victor Walser (München), Die Wahrnehmung der Grenze – Die mediale Wirkung von Begrenzungen aus archäologisch-althistorischer Perspektive; Michèle Eller (Frankfurt a. M.) – Janet Lorentzen (Berlin), Die Funktion der Grenze – Zwischen Semantik und Fortifikation; Wolfgang Kaiser (Freiburg), Grenzgänger. Die Grenze als Ressource in der Frühen Neuzeit • Sektion 5: Urbane Räume: Heinz Beste (Rom) – Stefan Freyberger (Rom), Einleitung; Olof Pedersén (Uppsala), Political Spaces in Babylon; Axel Filges (Frankfurt a. M.), Schaffung, Nutzung und Aufgabe des prienischen urbanen Raumes; Eugenio Polito (Cassino), Der Wandel urbaner Räume zwischen Republik und Prinzipat am Beispiel einiger Landstädte im südlichen Latium; Claudia Bührig (Berlin), Das Theater-Tempel-Areal in Gadara. Struktureller Wandel eines politisch-urbanen Raumes; Cornelia Jöchner (Florenz), Heiliger Ort und politischer Raum: die Architektur des Filippo Juvarra für die Votivkirche S. Maria di Natività bei Turin • Sektion 6: Geschehen am Herrschaftsort: Schriftquellen und Archäologie: Felix Arnold (Madrid) – Rudolf Haensch (München) – Ulrike Wulf-Rheidt (Berlin), Einführung; Mirko Novák (Tübingen), Dur-Sarrukin – die Festung Sargons. Schaltzentrale eines Weltreiches; Rudolf Haensch (München), Der Palast auf dem Palatin – Das Zentrum der Reichshauptstadt Rom in der Hohen Kaiserzeit? Das Zeugnis der schriftlichen Quellen; Ulrike Wulf-Rheidt (Berlin), Der Palast auf dem Palatin – Zentrum im Zentrum. Geplanter Herrschersitz oder Produkt eines langen Entwicklungsprozesses?; Franz Alto Bauer (München), Der Große Kaiserpalast als Spiegel byzantinischen Herrschertums; Felix Arnold (Madrid), Der Herrscher in seinem Saal: Córdoba – Kairo – Baghdad; Diskussion; Abschlussplenum: Friederike Fless (Berlin) – Stephan J. Seidlmayer (Kairo), Zusammenfassung. 19./20. November Jahrestagung des Forschungsclusters 2 »Innovationen: technisch, sozial« des DAI (Organisation: Svend Hansen [Erster Direktor der Eurasien-Abteilung], Ricardo Eichmann [Erster Direktor der Orient-Abteilung], Christof Schuler [Erster Direktor der AEK]). – Es sprachen: Ricardo Eichmann (Berlin) – Svend Hansen (Berlin) – Christof Schuler (München), Begrüßung durch die Sprecher des Forschungsclusters 2 • Metall: Kurzer Bericht aus der AG Metall; Svend Hansen (Berlin), Neue Ergebnisse in der kupferzeitlichen Siedlung Pietrele an der Unteren Donau; Barbara Helwing (Berlin), Frühe Metallurgie in Westasien. Perspektiven auf eine Innovation am Beispiel Arisman; Michael Kunst (Madrid), Stand der Forschungen des Projekts Sizandro – Alcabrichel (Portugal); Mayke Wagner (Berlin) – Dominic Hosner (Berlin), Chinesische Metallfunde in der Online-Datenbank CHARDA-Xplore • Mobilität und Wissenstransfer: Constance von Rüden (Athen), Die Interaktion im östlichen Mittelmeerraum als Innovationsmotor im 2. Jt. v. Chr.; Stefan Burmeister (Kalkriese), Germanen im 3. Jh.: Ist eine dem Neuen gegenüber aufgeschlossene Gesellschaft auch immer innovativ? Kerstin P. Hofmann (Berlin), Totenrituale und Kulturtransfer. Südostsizi-
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lien unter Einf luss der Griechen • Theorie und Praxis: Nils Müller-Scheeßel (Frankfurt a. M.), Bericht aus der AG Theorie und Moderation der Diskussion des Fragenkatalogs zu den beiden geplanten Publikationen; Perspektiven des Forschungsclusters 2 und Diskussion über die weitere Arbeit • Wasser: Ricardo Eichmann (Berlin), Bericht aus der AG Wasser; Richard A. Herrmann (Berlin) – Klaus Schmidt (Berlin), Göbekli Tepe. Untersuchungen zur Gewinnung und Nutzung von Wasser im Bereich des steinzeitlichen Bergheiligtums; Michael Bachmann (Istanbul), Neue Untersuchungen zur Wasserversorgung von Oinoanda; Christof Schuler (München), Fernwasserleitungen in Lykien. Eine Regionalstudie zur Diffusion römischer Bauformen im griechischen Osten; Annette Zgoll (Göttingen), Wassergewinnung als Herausforderung für die städtische Gemeinschaft oder: Den Rätseln des Mythos Enlil und Ninlil auf der Spur; Burkhard Vogt (Bonn), Wasserwirtschaft und Sakrallandschaft – Die Forschungen der KAAK auf der Osterinsel (Chile); Ueli Brunner (Zürich), Großf lächige Bewässerung als Innovation – Ein überregionaler Vergleich; Claudia Näser (Berlin), Wassermanagement im Antiken Sudan. Technologische Innovationen, ihre sozialen Voraussetzungen und Folgen.
Öffentlichkeitsarbeit
6. Mai Jahresempfang des Deutschen Archäologischen Instituts aus Anlass der Sitzung der Zentraldirektion (Abb. 62): Jahresbericht des Präsidenten mit anschließendem Festvortrag (Veranstaltungsort: Europasaal des Auswärtigen Amts). – Es sprachen: Hans-Joachim Gehrke (Präsident des DAI), Aus der Arbeit des Deutschen Archäologischen Instituts 2008; Ulrike Wulf-Rheidt (Zentrale des DAI, Leiterin des Architekturreferats), Neue Forschungen zu den Kaiserpalästen auf dem Palatin in Rom. Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, P. Grunwald (Abb. 62). Abb. 62 Die Mitglieder der Zentraldirektion und des Direktoriums des Deutschen Archäologischen Instituts, untere Reihe von links nach rechts: Christine Strube, Marianne Bergmann, Inge Nielsen, Felix Pirson, Carola Reinsberg, Wolf Koenigs, Hans-Joachim Gehrke, Lutz Käppel, Friederike Fless, Peter Funke, Thomas Götz, Burkhard Vogt, Ortwin Dally, Barbara May, Ricardo Eichmann. Obere Reihe von links nach rechts: Friedrich Lüth, Svend Hansen, Adolf Borbein, Dietrich Wildung, Henner von Hesberg, Wolf-Dietrich Niemeier, Stephan Seidlmayer, Tonio Hölscher, Dirce Marzoli, Rudolf Haensch, Wolfram Martini, Simone Wolf, Joseph Maran, Helmut Kyrieleis
18. Juni Gartenempfang anlässlich der Vorstellung der neu gewählten Reisestipendiaten und Reisestipendiatinnen durch den Präsidenten des Deutschen Archäologischen Instituts, Hans-Joachim Gehrke. 14. Juli Festakt anlässlich der Gründung des Vereins zur Förderung des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes, zugleich Forschungsstelle des Deutschen Archäologischen Instituts, mit anschließendem Festvortrag (Veranstaltungsort: Pergamonmuseum SMB
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SPK; auf Einladung des DEI und des Vereins zur Förderung des DEI; Kooperationspartner: Staatliche Museen Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz; Förderung: Evangelische Kirche in Deutschland [EKD], DAI, Staatliche Museen Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz; Schirmherrschaft: Bischof Wolfgang Huber [Ratsvorsitzender der EKD] und Hans- Joachim Gehrke [Präsident des DAI], s. auch hier S. 403). – Es sprachen: Gabriele Förder-Hoff (für die Gründungsinitiatoren), Begrüßung; Hermann Parzinger (Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz) – Bischof Wolfgang Huber (Ratsvorsitzender der EKD und Schirmherr) – Hans- Joachim Gehrke (Präsident des DAI und Schirmherr), Grußworte • Festvortrag: Dieter Vieweger (Direktor des Deutschen Evangelischen Instituts), Mittler zwischen Kulturen und Religionen. Das Deutsche Evangelische Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes.
Abb. 63 Einladungsflyer zur diesjährigen Langen Nacht der Wissenschaften »Menschen, Kulturen & Traditionen«
Lange Nacht der Wissenschaften 13. Juni Lange Nacht der Wissenschaften »Menschen, Kulturen & Traditionen« (Veranstaltungsort: Zentrale und Orient-Abteilung des DAI, Abb. 63): Düfte des Orients; Speisen wie die alten Römer (Eßkultur Berlin) • Führungen durch das Wiegandhaus • Mit Google Earth zu den Ausgrabungen des DAI • Archäologie für Kinder: Kinder graben aus; Forscherdiplom für Kinder; Basteln und spielen wie die alten Ägypter; Ketten und Diademe nach orientalischen Vorbildern gestalten; Malecke für Kinder • Benefiz-Tombola zugunsten der Aktion »Bücher für den Irak« • Infostand der Gesellschaft der Freunde des Deutschen Archäologischen Instituts – Theodor Wiegand Gesellschaft (TWG) e. V. • Live-Musik, PUTUTU – Eine musikalische Reise auf vergangenen Klangpfaden mit Nachbauten archäologischer Musikinstrumente der Kulturen Süd- und Mittelamerikas sowie einer Lichtinstallation (Abb. 64) • Ausstellungen: Posterausstellung der Eurasien-Abteilung; Archive & Öffentlichkeit? Passt das zusammen?; Wie lebten die römischen Kaiser?; Im Zentrum der Macht – Das Forum Romanum im Modell (Abb. 65); Rundgang über das Forum Romanum • Vorträge aus den aktuellen Forschungsarbeiten: Margarete van Ess (Berlin), Archäologie im Irak – Wie geht es weiter?; Hans-Georg Hüttel (Bonn), Neue Forschungen des DAI im Orchon-Tal, zentrale Mongolei; Bettina Grieß (Berlin), Wagenfahrt ins Jenseits, Bronzezeit in China; Agathe Reingruber (Berlin), Pietrele an der unteren Donau – Eine Siedlung zwischen 4500 und 4250 v. Chr.; Gunvor Lindström (Berlin), Auf den Spuren Alexanders des Großen nach Baktrien; Nikolaus Boroff ka (Berlin), Roxanes Badewanne: Alexander der Große in Asien • Vorträge aus dem Archiv des Instituts: Susanne Kern (Voß) (Kairo/Berlin), Ägypten im 19. Jahrhundert und die Anf änge des DAI Kairo; Marie Vigener (Berlin), Aufstieg und Fall
Abb. 64 PUTUTU – Eine musikalische Reise auf vergangenen Klangpfaden, Kollegen der Musikarchäologie präsentieren Nachbauten archäologischer Musikinstrumente der Kulturen Süd- und Mittelamerikas Abb. 65 Das Forum Romanum im Modell, der wissenschaftliche Direktor der Abteilung Rom des DAI, Klaus S. Freyberger, erklärt Besuchern und Besucherinnen der Langen Nacht das Modell des Forum Romanum (Leihgabe durch das Institut für Klassische Archäologie der FriedrichAlexander-Universität Erlangen-Nürnberg)
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des Siegfried Fuchs, 1933–1946; Frederick Jagust (Berlin), »Gott strafe die Kelten« – Die Karriere des Paul Jacobsthal 1880–1957 • Mitternachtsvortrag: Klaus S. Freyberger (Rom), Das zentrale Areal des Forum Romanum in augusteischer Zeit: Funktion und Bedeutung • Vorträge für Kinder: Ortwin Dally (Berlin), Was ist Archäologie? Was bedeutet der Begriff und was tun Archäologen eigentlich?; Hans-Joachim Gehrke (Berlin), »Als die Römer frech geworden …«. Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, J. Denkinger, J. Keitz (Abb. 63); DAI, Zentrale, P. Grunwald (Abb. 64); M. Alker, DAI, Zentrale (Abb. 65). Ausstellung 6. Mai bis 10. Januar 2010 Ausstellung »ZeitRäume – Milet in Kaiserzeit und Spätantike« im Pergamonmuseum SMB SPK (Organisation: DAI, Zentrale; in Zusammenarbeit mit der Antikensammlung SMB SPK; mit Unterstützung des Exzellenzclusters TOPOI und des Vereins der Freunde der Antike auf der Museumsinsel Berlin e. V., Abb. 66). 5. Mai Eröffnung im Pergamonmuseum SMB SPK. – Es sprachen: Michael Eissenhauer (Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin) – Ortwin Dally (Generalsekretär des Deutschen Archäologischen Instituts) – Andreas Scholl (Direktor der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin), Eröffnung. Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, J. Denkinger, J. Keitz (Abb. 66).
Abb. 66 Einladung zur Ausstellung »ZeitRäume – Milet in Kaiserzeit und Spätantike« im Pergamonmuseum SMB SPK
Veröffentlichungen
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts 123, 2008 Archäologischer Anzeiger 2008/2 Archäologischer Anzeiger 2009/1 Jahresbericht 2008, Beiheft zum Archäologischen Anzeiger 2009/1 Archäologische Forschungen 25: Die Casa del Fauno in Pompeji I.: A. Hoffmann, Bauhistorische Analyse, nach Vorarbeiten von R. von Schöfer und A. Tschira; A. Faber, Die stratigraphischen Befunde und Funde der Ausgrabungen in den Jahren 1961 bis 1963 Denkmäler antiker Architektur 20: A. Öztürk, Die Architektur der Scaenae frons des Theaters in Perge Samos 26: N. Hellner, Die Säulenbasen des zweiten Dipteros von Samos. Grundlage für die Rekonstruktion des Tempels in seinen Bauphasen Ch. Landwehr, Die römischen Skulpturen von Caesarea Mauretaniae 4. Die Porträtplastik
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Bibliotheken und Archive des DAI
Bibliotheken: Das Informationsangebot der Bibliotheken des DAI konnte im Bereich elektronischer sowie gedruckter Medien weiterhin kontinuierlich ausgebaut werden, z. B. wurde ein Abonnement der retrospektiven Zeitschriftenaufsatzdatenbank »JSTOR« von allen Bibliotheken mit einer Anschubfinanzierung der DFG realisiert. Die Migration der Daten der Bibliothek sowie des Sachkatalogs der Römisch-Germanischen Kommission in den OnlineKatalog ZENON DAI wurde eingeleitet, ebenso erfolgte die Vorbereitung der Migration sämtlicher Daten der Bibliothek in Kairo. In einem Projekt konnten zahlreiche Dubletten in ZENON DAI eliminiert werden, Mittel des Exzellenzclusters TOPOI ermöglichten die Bearbeitung von raumbezogener Literatur. Ein weiteres Arbeitsgebiet lag in der Evaluierung der Klassischen Archäologischen Bibliographien des DAI. Anfang des Jahres fand ein Bibliothekstreffen der Bibliotheksleiter und -leiterinnen und der Bibliothekare und Bibliothekarinnen aller DAI-Bibliotheken statt. In diesem Rahmen erfolgte die Erarbeitung einer abteilungsübergreifenden und einheitlichen Statistikführung aller DAI-Bibliotheken, die im Laufe des Jahres eingeführt wurde. Die »Fachangestellten für Medienund Informationsdienste« der Bibliothek der Zentrale legten ihre Abschlussprüfung ab und konnten in befristetem Verhältnis weiterbeschäftigt werden, die Bibliotheksdirektorin reiste für Arbeitsbesuche an die Abteilungen Athen und Istanbul. Ein Teil der Bibliothek sowie des Archivs der Abteilung Rom wurde in einem Interimsquartier in Settebagni zwischengelagert. Ab Spätsommer gab es umfangreiche Vorbereitungsmaßnahmen für die Sanierung und die Umzüge diverser Liegenschaften des DAI in Berlin, vor allem bezüglich der anstehenden Kernsanierung des Bittelhauses, der kompletten Auslagerung der Bibliothek der Zentrale sowie der Umzüge der Archive der Zentrale. Das DAI nahm weiterhin aktiv am Ausbau und der Erweiterung des Datenbestandes der Virtuellen Fachbibliothek Altertumswissenschaften »Propylaeum« teil. Das von der DFG finanzierte Projekt »Rezeption der Antike im Semantischen Netz: Buch, Bild, Objekt digital« konnte gemeinsam mit den Partnern des Forschungsarchivs Antike Plastik der Universität zu Köln, der Universitätsbibliothek Heidelberg sowie der Winckelmann-Gesellschaft e. V. Stendal in Rom gestartet werden. Der Bereich präsentierte sich auf einem Informationsstand während der Konferenz der »Fédération International des Études Classiques« (FIEC) in Berlin. Die Bibliotheksdirektorin war maßgeblich an der Kooperationsvereinbarung mit dem Collège de France, Paris, beteiligt. Archive: Das Papier »Einführung eines Archiverschließungssystems im DAI unter Berücksichtigung der Datenwelt 2015« wurde fertig gestellt. Die Arbeiten zu Forschungscluster 5 »Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts im 20. Jahrhundert« des DAI wurden fortgesetzt (s. auch hier S. 423– 425), die Anfragen und Besuche von in- und ausländischen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen am Archiv der Zentrale in Berlin sowie an anderen Archiven des DAI nahmen weiterhin zu. An diversen Abteilungen entstand Zuwachs durch Überlassung von Nachlässen und Schenkungen. Die Arbeiten für die Fertigstellung des Aktenplans konnten aufgrund weiterer Finanzierung wieder aufgenommen werden. In Rom erfolgte die Erstellung eines Aktenverzeichnisses der Altregistratur. Das Projekt »Briefedition von Otto Jahn« konnte DFG-finanziert im Archiv der Zentrale angesiedelt werden, ebenso das Projekt »Erschließung des Nachlasses von Georg Kossack« an der Römisch-Germanischen Kommission in Zusammenarbeit mit
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der Universität zu Köln und dem Landesamt für Denkmalpf lege und Archäologie Sachsen-Anhalt. Die Archive des DAI sind schließlich am BMBF-Verbundprojekt »Das Berliner Skulpturennetzwerk – Kontextualisierung und Übersetzung antiker Plastik« beteiligt. Bibliotheksdirektorin: M. Linder.
Stipendien
Reisestipendium Ein ganzes Reisestipendium wurde an Henning Burwitz (Cottbus), Manuel Flecker (Augsburg) und Johannes Lipps (Köln), ein halbes Reisestipendium an Stefan Feuser (Münster) und Jörn Lang (Köln) verliehen. Je ein halbes Reisestipendium der Römisch-Germanischen Kommission wurde Diana Modarressi-Tehrani (Kiel), Cecilia Moneta (Köln) und Jennifer Morscheiser-Niebergall (Trier) zuerkannt (Abb. 67). Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, P. Grunwald (Abb. 67).
Abb. 67 Die Reisestipendiaten und Reisestipendiatinnen 2009 des DAI mit dem Präsidenten Hans-Joachim Gehrke (3. von links) und dem Referenten des Generalsekretärs Andreas Oettel (1. von rechts), von links: Johannes Lipps, Manuel Flecker, Jennifer Morscheiser-Niebergall, Diana Modarressi-Tehrani, Cecilia Moneta, Jörn Lang, Stefan Feuser, Henning Burwitz
Mitglieder des Instituts
Das Institut betrauert den Tod seiner Mitglieder Petre Alexandrescu (Bukarest), Dietrich von Bothmer (New York), Bohuslav Chropovsk`y (Nitra), Ahmed Hasan Dani (Islamabad), Sigrid Dušek (Weimar), Robert Etienne (Le Bouscat), Francisco Javier Fortea Pérez (Oviedo), Berndmark Heukemes (Ladenburg), Barthel Hrouda (Germering), Karl-Heinz Knörzer (Neuss), Peter Munro (Hannover), Karl Josef Narr (Münster), Ezat Ollah Negahban (Philadelphia), Pierre Salama (Paris), Waldtraud Schrickel (Dresden), Vincenzo Tusa (Palermo), Barbara Vierneisel-Schlörb (München), Elmar Vonbank (Bregenz). Das Institut wählte zu Ordentlichen Mitgliedern Armin Grün (Zürich), Christian Kunze (Regensburg), Monika Linder (Berlin), Ursula Verhoeven-van Elsbergen (Mainz), Dieter Vieweger ( Jerusalem/Wuppertal), Ralf von den Hoff (Freiburg), Gerd-Christian Weniger (Mettmann) und Reinhard Wolters (Tübingen). Zu Korrespondierenden Mitgliedern wurden gewählt Peter Akkermans (Leiden), Gabriele Albers (Würzburg), Ali Ibrahim Al-Ghabban (Riad), Dai-
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fallah Al-Talhi (Riad), Mounir Arbach (Paris), Yunxiang Bai (Peking), Fathi Béjaoui (Tunis), Fabrizio Bisconti (Rom), Jörg Bofinger (Esslingen), Sebastian Brather (Freiburg), Vera Brieske (Münster), Christine Bruns-Özgan (Istanbul), Helga Bumke (Bonn), R. T. J. Cappers (Groningen), Amanda Chadburn (Bristol), Timothy Darvill (Dorset), Bernhard Eitel (Heidelberg), Jörg Faßbinder (München), Naïdé Ferchiou (Tunis), Ivan Gatsov (Sofia), Elaine Gazda (Ann Arbor), Kutalmiş Görkay (Ankara), Erich S. Gruen (Berkeley), Christoph Grünewald (Münster), Jochen Haberstroh (München), Ingrid Hehmeyer (Toronto), Zbigniew Kobyli nski ´ (Warschau), Anne Kolb (Zürich), Elena Kountouri (Athen), Claude Albore Livadie (Neapel), Angelika Lohwasser (Münster), Igor Manzura (Chişin‡u), Arnaldo Marcone (Udine), María Isabel Martínez Navarrete (Madrid), Tong Mingkang (Peking), José Luis Moralejo Álvarez (Alcalá de Henares/Madrid), Massimo Osanna (Matera), Gobain Ovejero Zappino (Sevilla), Diamantis Panagiotopoulos (Heidelberg), François de Polignac (Paris), Flemming Rieck (Kopenhagen), Nico Roymans (Amsterdam), Turgut Saner (Istanbul), Eugen Sava (Chişin‡u), Andreas Schachner (Istanbul), Heidrun Schenk (Remagen), Helmuth Schneider (Kassel), Manfred Schuller (München), Hassan Selim (Kairo), Maria Stavropoulou-Gatsi (Messolongi), Margarita Vallejo Girvés (Alcalá de Henares/ Madrid), Ralf-B. Wartke (Berlin), Aloys Winterling (Berlin), Christian Witschel (Heidelberg) und Qingsheng Zhu (Peking).
Sonstiges
»kulturweit« – Freiwilligendienst des Auswärtigen Amts Am 13. Februar erfolgte die öffentliche Vorstellung des neuen kulturellen und internationalen Freiwilligendienstes »kulturweit« durch Staatsminister Gernot Erler. Das auf dem »Freiwilligen Sozialen Jahr« basierende Programm wird von der Deutschen UNESCO-Kommission in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt getragen, als Partner kooperieren das Deutsche Archäologische Institut, der Deutsche Akademische Austauschdienst, das Goethe-Institut, der Pädagogische Austauschdienst sowie das Bundesverwaltungsamt – Zentralstelle für das Auslandschulwesen. Durch eine ehrenamtliche Einsetzung an den Auslandsstellen der Institutionen im Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts wird jungen Menschen im Alter von 18 bis 26 Jahren ein Engagement in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik ermöglicht, gleichzeitig soll der Dienst vor allem die Stärkung der kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beziehungen zu den Gastländern unterstützen. Das DAI nahm in diesem Jahr mit der Einsetzung dreier Freiwilliger für 6 Monate in der Abteilung Istanbul, der Abteilung Madrid sowie in der Außenstelle Damaskus der Orient-Abteilung an diesem Programm teil, weitere Einsatzorte im kommenden Jahr sind geplant. Ansprechpartnerin: M. van Ess.
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Abteilung Rom
Abteilung Rom Via Sardegna, 79 I-00187 Rom Tel.: +39-06-488 81 41 Fax: +39-06-488 49 73 E-Mail:
[email protected] ab 2010 Via Curtatone 4 d I-00185 Rom Tel.: +39-06-488 81 41 Fax: +39-06-488 49 73 E-Mail:
[email protected]
Direktoren Prof. Dr. Henner von Hesberg, Erster Direktor Prof. Dr. Klaus Stefan Freyberger, Wissenschaftlicher Direktor Wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Dr.-Ing. Heinz-Jürgen Beste, Dr. Alexandra W. Busch, Dr. Sylvia Diebner, Dr. Thomas Fröhlich, PD Dr. Richard Neudecker, Dr. Philipp von Rummel Auslandsstipendiat Dr. David Knipp (bis 30. 9.) Wissenschaftliche Hilfskräfte Maria D’Onza M. A. (ab 4. 5.), Eva Hagen M. A. (ab 20. 4.), Markus Löx M. A., Melanie Maier (ab 8. 6.), Katharina Meinecke M. A. (bis 31. 5.), Sabine Patzke M. A. Aus Drittmitteln finanzierte Stellen Dipl.-Ing. Christine Ertel (DFG), Christiane Nowak M. A. (Gerda Henkel Stiftung, bis 31. 3.), Ellen Thiermann (Gerda Henkel Stiftung, bis 31. 3.)
Abteilung Rom Ausgrabungen und Forschungen
Abb. 1 Rom, Basilica Aemilia. Südfront mit vorgelagerten Sacella, Rekonstruktion, 3D-Modell
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Rom, Basilica Aemilia und Basilica Iulia Die Basilica Aemilia und die Basilica Iulia, die sich im westlichen Bereich des Forum Romanum befinden, wurden als Forschungsprojekt mit dem Ziel konzipiert, die verschiedenen Bauphasen und die Rekonstruktion der Bauwerke zu gewinnen. In diesem Jahr wurde das Material der Basilica Aemilia ausgewertet. Dabei konnten das Manuskript für die Endpublikation und der in der elektronischen Datenbank ARACHNE in Köln eingegebene Gesamtkatalog fertig gestellt werden. Das gesamte Bildmaterial ist digitalisiert. Die Rekonstruktion des augusteischen Baus der Basilica Aemilia liegt in 3D-Modellen vor (Abb. 1. 2). Im Bereich zwischen den im letzten Jahr erwähnten Sacella (s. AA 2009/1 Beiheft, 67) und der Basilica Aemilia (Abb. 1) befand sich das atrium regium, das in der Königszeit die ›offizielle‹ Residenz des Königs war und als pars publica fungierte. Der mythologischen Tradition nach war der Gründer des atrium regium der König Numa Pompilius, der in diesem Gebäude seinen Amtssitz hatte. Das atrium regium nutzte der König als Treffpunkt mit seinen Untergebenen, an dem politische, wirtschaftliche, soziale und juristische Angelegenheiten ausgehandelt wurden. Im Unterschied zu dem offiziellen Amtssitz des atrium regium galten die Regia und das atrium Vestae, die ebenfalls von Numa errichtet wurden, der privaten Sphäre des Königs. Aus dem atrium regium geht in republikanischer Zeit der Urbau der Basilica Aemilia hervor, jedoch in hellenisierter Form. Diese kommt in der griechischen Namensnennung des Gebäudes zur Geltung, wobei das atrium zur aula und regium zur basilica wird. Die hellenisierte Gestaltungsweise zeigt sich aber auch im architektonischen Auf bau, indem Elemente der griechischen Architektur, die Stoa und die zum Forumsplatz ausgerichtete Ladenreihe, aufgenommen wurden. Die in einen geschlossenen Baukörper integrierten Säulenreihen mit den Läden und den sich zur Via Sacra öffnenden Portiken folgen einem kompositen Schema, das einheimische und importierte Elemente miteinander kombiniert (Abb. 2). Vor diesem Hintergrund ist die Gebäudeform der Basilica eine eigenständige stadtrömische Schöpfung, die in der Folgezeit zu einer Leitform wurde. Auch an der Nordwestecke der Basilica Iulia wurde ein älterer Kultbau, der Lacus Servilius (Festus 370), in das Bauwerk integriert. Es erscheint nicht
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Abb. 2 Rom, Basilica Aemilia. Südostansicht, Rekonstruktion, 3D-Modell
ausgeschlossen, dass noch mehrere ältere Kultareale mit dem Bauwerk der Basilica Iulia in Beziehung standen. Kooperationspartner: Soprintendenza Autonoma per i Beni Archeologici di Roma (A. Bottini, M. Tomei); Forschungsarchiv Antike Plastik der Universität zu Köln (R. Förtsch); Archäologisches Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München (R. Schneider); Institut für Geodäsie der Technischen Universität München (K. Schnädelbach, T. Wunderlich); Institut für Historisch-Kulturwissenschaftliche Informationsverarbeitung an der Universität zu Köln (M. Thaller); S. Franz und V. Hinz • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: K. S. Freyberger • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Darwisch, Ch. Ertel, K. Tacke • Abbildungsnachweis: 3D-Modelle, Herstellung und Bearbeitung, S. Franz, V. Hinz (Abb. 1. 2). Rom, Domus Aurea Nach dem großen Brand in Rom im Jahre 64 n. Chr. ließ Nero in kürzester Zeit und mit einem Geldaufwand, der die Staatskasse auf Jahre hinaus belastete, in Rom eine neue Kaiserresidenz erbauen, die um einiges luxuriöser und größer war als die älteren kaiserlichen Palastanlagen der Domus Tiberiana und Domus Transitoria. Die auf ca. 80 Hektar angelegte Anlage zwischen Palatin, Oppius und Caelius umfasste neben dem eigentlichen Residenzgebäude einen künstlichen See, an dessen Stelle heute das Kolosseum steht, ein gigantisches Nymphaeum sowie Portiken und Gartenanlagen. Der ganze Komplex, der zum Zeitpunkt des Todes Neros noch nicht fertig gestellt war, zählt mit den Palastanlagen auf dem Palatin, der Domitiansvilla in Castel Gandolfo und der Hadriansvilla bei Tivoli zum Inbegriff einer Kaiserresidenz. Das im Jahre 104 n. Chr. durch einen Brand beschädigte Hauptgebäude der Anlage diente beim Bau der Trajansthermen (106–109 n. Chr.) als Unterbau, indem man alle Öffnungen des Gebäudes zumauerte und die Räume mit Erde auffüllte, aber nicht, ohne vorher die kostbaren Materialien (Marmor, Elfenbein- und Holzverkleidungen) von den Fußböden und Wandf lächen auf- bzw. abzunehmen. Die exakte Ausdehnung des Gebäudes, das man zu einem der Hauptkomplexe der Domus Aurea zählt, sowie die Gestalt des Grundrisses sind bis heute im Detail nicht bekannt. Nach dem momentanen Wissensstand geht man davon aus, dass das Gebäude aus einem Ost- und Westf lügel, zwei großen polygonalen Höfen sowie einem Mit-
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4 Abb. 3 Rom, Domus Aurea. Grundriss des Untergeschosses in neronischer Zeit mit den soweit bekannten, integrierten Gebäudeteilen aus der Zeit vor dem Brand von 64 n. Chr. (M. 1 : 2 000) Abb. 4 Rom, Domus Aurea. Colle Oppio. Ergebnisse von Bodenprospektion und elektrischer Widerstandstomographie im Bereich der Domus Aurea
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telteil bestand, dessen Zentrum ein achteckiger, überkuppelter Saal (Sala ottagonale) bildete. Demnach hätte die Anlage in Ost-West-Richtung eine Länge von ca. 330 m und in Nord-Süd-Richtung eine Breite von mindestens 60 m besessen. Ferner sind durch Grabungen Teile eines Obergeschosses nachgewiesen. Die im Vorjahr begonnene Bauuntersuchung im Bereich der Sala ottagonale wurde in diesem Jahr fortgesetzt. Die Untersuchung der Ziegelmoduli in diesem Teil der Anlage ergab, dass die Räume 107–111 n. Chr. ebenfalls zu einem Gebäude gehörten, das schon vor dem Brand von 64 n. Chr. bestand und in die Anlage der Domus Aurea integriert wurde (Abb. 3). Mit dem Nachweis des Zusammenführens von gleich mehreren Gebäuden, die bereits vor dem Brand von 64 n. Chr. bestanden, wird deutlich, dass der Grundriss der Anlage durch die Vorgängerbebauung mitbestimmt wurde. Die Anordnung, Ausstattung, Materialwahl und Größe der in das Projekt integrierten Räume legt die Vermutung nahe, dass es sich bei ihnen um öffentliche
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Gebäude, wie z. B. horrea (Speicher), handelte. Stellt man die Flächen dieser Gebäude zusammen, so wird deutlich, dass der Colle Oppio vor dem Brand von 64 n. Chr. dicht bebaut war, wobei ein Großteil der Bebauung aus öffentlichen Gebäuden (Speicher) bestand. Ferner konnten mittels einer Bodenprospektion und einer geoelektrischen Tomographie Aussagen über die bauliche Situation des Obergeschosses der Domus Aurea und der Trajansthermen gemacht werden (Abb. 4). Die Magnetik im heutigen Parco Colle Oppio ist wegen der Parkbeleuchtung (Elektrokabel) sehr gestört. Trotzdem scheinen sich zwei unterschiedlich ausgerichtete Strukturen erkennen zu lassen, die als weitere Reste des Obergeschosses der Domus Aurea und als Mauerzüge der Therme gedeutet werden können. Mit Sicherheit konnte aber bei einer Untersuchung im Inneren der Anlage die Mauerecke eines Vorgängerbaus sichtbar gemacht werden. Die elektrische Widerstandstomographie (ERT) erfasste neben Mauerzügen (ERT 3) auch eine tief liegende Anomalie, die für eine Mauer zu breit ist und eventuell ein Becken oder einen massiven Fußboden darstellen könnte (ETR 2). Eine eindeutige Zuweisung der Struktur zur Domus Aurea oder zu den darüber liegenden Thermen ist im Moment jedoch nicht möglich, so dass die Untersuchung im kommenden Jahr mittels Georadar ergänzt werden soll. Kooperationspartner: Soprintendenza Archeologica di Roma (F. Filippi); Archäologisches Institut der Universität zu Köln (M. Heinzelmann) • Förderung: Soprintendenza Archeologica di Roma • Leitung des Projekts: H.-J. Beste • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: V. Bartoloni, E. Bukowiecki, D. Campanile, A. Cattaneo, A. Sylos Labani • Abbildungsnachweis: H.-J. Beste (Abb. 3); M. Heinzelmann, M. Buess (Abb. 4). Rom, Heiligtümer des Kaiserkultes auf dem Marsfeld Das Marsfeld diente seit der Zeit das Augustus der Erinnerung und Verehrung der Herrscher und ihrer Familien, wie am Mausoleum des Herrschers und dem Pantheon in geradezu antipodischer Position abzulesen ist. Das Projekt zur Erforschung des Kaiserkultes auf dem Marsfeld konzentriert sich auf das 2. Jh. n. Chr., also die Periode, in der durch die Errichtung des Mausoleums des Hadrian und des Tempels für den Divus Hadrianus, dem sog. Hadrianeum, eine neue Achse geschaffen wurde. Neben der Fertigstellung der Dokumentation am Hadrianstempel standen in diesem Jahr die Arbeiten an der den Tempel umgebenden Portikus im Mittelpunkt. Von dieser Anlage lassen sich noch bedeutende Reste auf der Nord- und Westseite in der Randbebauung der heutigen Piazza di Pietra fassen. Die Neuvermessung dieser baulichen Reste, die teilweise bis in 8 m Höhe noch anstehen, aber für eine Rekonstruktion bisher kaum berücksichtigt wurden, sowie das Einbeziehen von älteren Grabungsergebnissen, die sich allerdings heute nicht mehr immer überprüfen lassen, ermöglicht eine weitgehend sichere Aussage über die Lage, Gestalt und Größe der Portikus. Diese hatte eine Tiefe von ca. 11,60 m, so dass eine mittlere Säulenreihe nicht auszuschließen ist, und lag ca. 1,90 m höher als der Platz, auf dem der Tempel stand, so dass der Zugang zu ihm wohl über mehrere Treppenaufgänge möglich war. Die aus Tuffstein bestehende Portikuswand war mit Marmor verkleidet und durch Pilaster, die den Achsen der Säulenstellung folgten, gegliedert (Abb. 5. 6). Im Gegensatz zu den bisherigen Rekonstruktionsvorschlägen liegen die auf der Nord- und Südseite nachgewiesenen, 18,50 m langen und ca. 8 m tiefen Exedren nun mittig in der Portikus. Ferner, und das ist für die Gestaltung der Portikus nicht unerheblich, schlossen die beiden Exedren nicht unmittelbar
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Abb. 5 Rom, Heiligtümer des Kaiserkultes auf dem Marsfeld. Rekonstruktion des Hadrianstempels mit umgebender Portikus (M. 1 : 2 000) Abb. 6 Rom, Heiligtümer des Kaiserkultes auf dem Marsfeld. Anlage des Hadrianeum in der modernen Bebauung des nördlichen Marsfeldes
an die Außenwand der Portikus an, sondern waren in einer lang gestreckten rechteckigen Erweiterung integriert, die die Tiefe einer weiteren Säulenstellung besaß. Ausgehend von den wenigen, aber gesicherten neuen Eckdaten zu der Portikus kann eine Hallenumfassung für den Tempelbezirk von 300 Fuß × 480 Fuß rekonstruiert werden. Der Tempel selber steht nicht mittig auf dem Platz, sondern ist leicht nach Westen verrückt. Generell offen und durch weitere Untersuchungen fortzuführen ist die Frage nach der Anbindung der Anlage an die Via Lata (heute Via del Corso) und die benachbarten Bezirke mit ihren Heiligtümern. Kooperationspartner: Soprintendenza Archeologica di Roma (F. Filippi) • Leitung des Projekts: H. von Hesberg, H.-J. Beste • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: J. Lipps, F. Renda, A. Vella • Abbildungsnachweis: H.-J. Beste (Abb. 5. 6).
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Abb. 7 Rom, Großes Columbarium. Wand B mit Projektion der im Museum befindlichen Malereien
Rom, Großes Columbarium Das ›Große Columbarium‹ vor der Villa Doria Pamphilj an der Via Aurelia Antica in Rom ist bereits im Jahr 1838 freigelegt worden und gehört mit seinen rund 500 Urnennischen in die Gruppe der großen, frühkaiserzeitlichen Gemeinschaftsgräber, die es nur im Suburbium Roms gegeben zu haben scheint. Zwar haben sich in der langen Zeit seit seiner Entdeckung verschiedene Forscher mit dem Bau beschäftigt, doch fehlt bis heute eine moderne Gesamtdarstellung des Grabes, was vor allem daran liegt, dass in den frühen 1920er Jahren der Wandputz mit seinen Malereien und Dipinti aus konservatorischen Gründen abgenommen worden ist. Die Dekorationen waren zwar in den 1950er und 1960er Jahren für einige Zeit in einer Raumrekonstruktion im Thermenmuseum ausgestellt, verschwanden dann aber, in einzelne Platten zerlegt, in den Magazinen und waren so für mehrere Jahrzehnte nicht zugänglich. Im Rahmen einer Ausstellung des Römischen Nationalmuseums, die 2008/2009 im Palazzo Massimo alle Terme stattfand, konnte der Großteil der Platten restauriert werden und es bot sich die Gelegenheit, die Malereien und Beischriften neu zu photographieren und zu vermessen. Zur Ergänzung hierzu und im Hinblick auf eine wünschenswerte virtuelle Rekonstruktion des Grabes mit seinen Innendekorationen wurde anschließend eine Bauaufnahme der unterirdischen Grabkammer durchgeführt, zu der bislang nur sehr ungenaue Pläne vorlagen (Abb. 7). Im Laufe dieser Arbeit konnten zahlreiche Beobachtungen zur Bautechnik und zur Bauorganisation gemacht werden. Kooperationspartner: Soprintendenza Speciale per i Beni Archeologici di Roma (F. Catalli, R. Paris); Lehrstuhl Geschichte und Theorie der Architektur der Technischen Universität Dortmund (S. Haps) • Leitung des Projekts: T. Fröhlich, S. Haps • Abbildungsnachweis: S. Haps (Abb. 7). Latium, Albano und Castel Gandolfo Unter Septimius Severus wurde zu Beginn des 3. Jhs. n. Chr. das erste und einzige Legionslager auf italischem Boden in nur 20 km Entfernung zu Rom, also unmittelbar vor den Toren der Hauptstadt des römischen Rei-
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Abb. 8 Albano und Castel Gandolfo, Gelände des kaiserlichen Villenareals und Legionslagers
ches, errichtet. Für den Bau des Lagers der Legio II Parthica in Albano Laziale wählte man ein Terrain, das im späten 1. Jh. n. Chr. zur kaiserlichen Villa des Domitian gehörte, deren zentraler Bereich in dem nahe Albano gelegenen Castel Gandolfo zu lokalisieren ist (Abb. 8). Im Rahmen des Projekts wird zum einen der Wandel des ehemaligen kaiserlichen Villengrundes zum Legionslager untersucht, zum anderen widmen sich die Arbeiten den baulichen Strukturen des Lager selbst, bei dem es sich um eines der am besten erhaltenen und gleichzeitig am wenigsten erforschten Legionslager des römischen Reiches handelt. Um eine solide Ausgangsbasis für die Interpretation der antiken Baubefunde im Rahmen der beschriebenen Fragestellung zu schaffen und die Zusammenhänge zwischen Villengrund und Militärlager zu klären, wurde in diesem Jahr ein Vermessungsnetz eingerichtet, in das alle bisher bekannten und heute noch im Gelände sichtbaren antiken Strukturen von Albano und Castel Gandolfo eingefügt wurden. Die Vermessungsarbeiten bilden die Grundlage für die Erstellung eines neuen georeferenzierten Gesamtplans und eines computergestützten, topographischen Geländemodells. Baubefunde aus Altgrabungen werden im kommenden Jahr nachträglich georeferenziert und in das Modell eingebunden. Des Weiteren wurden geophysikalische Messungen in der Retentura des Lagers sowie zwischen dem Lager und dem nordöstlich davon gelegenen Amphitheater durchgeführt, um Erkenntnisse zur Binnenstruktur der militärischen Anlage, zum Vorlagerbereich und zur Vorgängerbebauung zu gewinnen. Es kamen hierbei drei verschiedene Methoden zur Anwendung: Geomagnetik, elektrische Widerstandsmessungen und geoelektrische Tomographie. Neben Strukturen, die sich klar als Mannschaftsunterkünfte identifizieren lassen, konnten bei der geophysikalischen Untersuchung solche festgestellt werden, die in ihrer Ausrichtung dem Amphitheater entsprechen und vermutlich zu einer älteren Bebauung des Geländes gehörten (Abb. 9). Der heute noch eindrucksvollste Baukörper, der sich unmittelbar mit dem Legionslager verbinden lässt, ist die Umfassungsmauer aus großen Tuffsteinen
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Abb. 9 Albano, Legionslager. Ergebnisse der geophysikalischen Prospektion
in opus quadratum, einer Bautechnik, die in Mittelitalien vor allem in republikanischer Zeit Verwendung gefunden hatte. Ende des Jahres wurde damit begonnen, die Lagermauer photogrammetrisch sowie mit 3D-Laserscanning-Technik aufzunehmen (Abb. 10). Die Dokumentation des heutigen Bestandes dient dabei als Ausgangsbasis für die intensive Beschäftigung mit dem einzigartigen Monument, zu dem aus severischer Zeit keine vergleichbaren Umfassungsmauern in entsprechender Qualität erhalten sind. Die systematische Aufnahme des Baubefundes per Laserscanning ermöglicht es, im Idealfall die Gesamthöhe und Gestaltung der Umfassungsmauer mit Wehrgang zu bestimmen und Aussagen zur Mauerbekrönung, zur Wahl des Baumaterials sowie zur altertümlichen Bautechnik zu treffen. Im Rahmen der Kampagne zur Bauaufnahme wurden auch weite Teile der großen
Abb. 10 Albano, Legionslager. Bauaufnahmen der Lagermauer mit 3D-Laserscanning (oben) und Photogrammetrie (unten)
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Thermen, die unmittelbar vor der Porta praetoria des Legionslagers liegen und kurze Zeit nach dessen Errichtung erbaut wurden, aufgenommen. Die Thermen haben im Laufe der Zeit diverse Um- und Ausbauphasen erfahren, bis sie im Mittelalter in Teilen in eine heute noch existente Wohnbebauung und eine Kirche eingebunden wurden. An der komplexen Baugeschichte der Anlage lassen sich die Nutzungsabfolgen ablesen und Aussagen zur Siedlungskontinuität treffen. Im nächsten Jahr soll die Aufnahme der Thermen abgeschlossen werden. Kooperationspartner: Soprintendenza Archeologica per i Beni Archeologici per il Lazio (G. Ghini); Archäologisches Institut der Universität zu Köln (T. Fischer, M. Heinzelmann); Institut für Baugeschichte und Denkmalpf lege der Fachhochschule Köln ( J. Broser, N. Schöndeling); Fachbereich Bauwesen der Hochschule Magdeburg-Stendal (M. Jakobi, T. Scheffler) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: H. von Hesberg, T. Fischer, A. W. Busch • Mitarbeiterin: S. Aglietti • Abbildungsnachweis: RAF 1944_150_26_3015_98291_0 (Abb. 8); M. Heinzelmann, M. Buess (Abb. 9); J. Broser (Abb. 10). Latium, Fabrateria Nova Die Grabungen und Prospektionen im Stadtgebiet von Fabrateria Nova zielen darauf ab, eine klarere Vorstellung von der urbanen Entwicklung einer römischen Kolonie im 2.–1. Jh. v. Chr. in Mittelitalien zu gewinnen. Bei Prospektionen wurde eine Abfolge von Bezirken mit mehreren Tempelanlagen ausgemacht, deren Entwicklung und Datierung im Rahmen des Projekts präzisiert werden soll. Bei der diesjährigen Grabungskampagne im Stadtareal von Fabrateria Nova, das laut der antiken Überlieferung 124 v. Chr. unmittelbar nach der Zerstörung des rebellischen Nachbarortes Fregellae gegründet wurde, konnten die in den letzten zwei Jahren mittels Bodenprospektion gewonnenen Erkenntnisse über die Stadtanlage anhand archäologischer Sondagen überprüft und fortgesetzt werden. Die erste Sondage galt wie auch in den beiden Vorjahren der ca. 40 m × 70 m großen Portikusanlage, die vermutlich das Forum der Stadt bildet. Neben der exakten Abmessung der Anlage stand vor allem ihre Anbindung und Erschließung an die auf der Südseite entlang verlaufende ca. 4 m breite und gepf lasterte Straße im Vordergrund, bei der es sich vermutlich um die Via Latina handelt, die Fabrateria mit der für die Region bedeutenden ca. 18 km entfernt liegenden Stadt Aquinum verband. Die an der Südostecke der Portikus vorgenommene ca. 10 m × 10 m große Sondage zeigte, dass die Anlage sowohl auf ihrer Süd- als auch auf ihrer Westseite von Anbauten gesäumt war, die aufgrund der gemachten Fundstücke als Tabernen angesprochen werden können. Aufgrund der komplexen Stratigraphie mit reichen Materialfunden war es in der dreiwöchigen Grabungszeit nicht möglich, zu klären, wie der ca. 1 m betragende Höhenunterschied zwischen der Straße und dem Laufniveau der Portikus überwunden wurde und wie die Eingangssituation der Anlage architektonisch gestaltet war. Ein besonderes Interesse galt dem im Osten des Stadtgebiets liegenden Areal (Abb. 11), auf dem im Vorjahr durch die Bodenprospektion zwei Tempel von unterschiedlicher Größe sichtbar gemacht werden konnten, so dass wir es – zusammen mit dem hier schon bekannten Podiumstempel – mit einer Anlage von drei Tempelbauten zu tun haben. Die ca. 100 m 2 große Sondage legte die Rückseiten beider Tempel frei, die exakt auf einer Linie mit dem oben genannten Podiumstempel liegen und wie dieser in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet sind, wobei ihr Zugang von Süden erfolgt. Die aus Tuff-
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Abb. 11 Latium, Fabrateria Nova. Fundamente der Tempel A, B, C, die im östlichen Stadtareal aufgedeckt wurden
stein bestehenden Quader der Außenverkleidung sind bei beiden Tempeln bis auf wenige Abschnitte der ersten Fundamentschicht ausgeraubt, so dass nur ihre aus lokalem Kalkstein bestehenden Grundmauern noch ca. 40 cm hoch anstehen. Nach der bisherigen Ausgrabungssituation handelt es sich bei beiden Gebäuden um Prostyloi, von denen der kleinere Tempel (Tempel C) eine Abmessung von ca. 7 m × 13 m besitzt und der in der Mitte liegende Tempel (Tempel B) etwa 16,50 m × 8,80 m misst. Die mit viel Keramikmaterial aufgefüllten Fundamentgräben erlauben eine Datierung der Gebäude in die Zeit Ende des 2. Jhs./Anfang des 1. Jhs. v. Chr. (Abb. 12). Bei Säuberungsarbeiten im Bereich des Podiumstempels (Tempel A) konnten ein Geison und eine Säulenbasis gefunden werden, die von ihrer Architektur und Größe zu diesem Tempel gehören könnten. Ferner konnte auf der Südseite die Innenschale des Podiums freigelegt werden, so dass nun die Abmessung des Podiums mit etwa 24 m × 19 m feststeht. Kooperationspartner: Soprintendenza per i Beni Archeologici per il Lazio (A. Betori); Comune di S. Giovanni Incarico (A. Nicosia); Università degli Studi di Cassino (E. Polito, S. Marandola, C. Venditti); Università degli Studi del Salento (G. Ceraudo, A. Valchera) • Förderung: Comune di S. Giovanni Incarico • Leitung des Projekts: H.-J. Beste, T. Fröhlich • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: S. Arcese, J. Becker, C. Cioffi, V. Iannone, K. Kressirer, E. Maffioli, Ch. Menzler, E. Seitz, M. Zerjadtke • Abbildungsnachweis: H.-J. Beste, T. Fröhlich (Abb. 11. 12).
Abb. 12 Latium, Fabrateria Nova. Ergänzung eines Antefixes mit Potnia theròn
Latium, Minturnae, Stadtgebiet Das an der Via Appia im Süden Latiums an der Mündung des Garigliano ins Meer gelegene Minturnae kann als Musterbeispiel einer römischen Kleinstadt gelten. Ziel des Projekts ist die Erforschung der städtebaulichen Entwicklung dieser Stadt. Das Unternehmen profitiert davon, dass die Bauten des Stadtzentrums in der Vergangenheit vollständig ausgegraben, aber niemals sachgemäß dokumentiert und ausgewertet wurden. Um erste Hypothesen zur Stadtentwicklung aufstellen zu können, reichten die vorhandenen Pläne und Luftphotos nicht aus. Deshalb wurde mit Hilfe photogrammetrischer Auf-
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Abb. 13 Minturnae, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beim Aufsteigenlassen der Drohne
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nahmen aus 100 m Höhe durch eine GPS gesteuerte Drohne (Abb. 13) ein Gesamtplan der ausgegrabenen Stadteile gezeichnet, der in diesem Jahr zu zwei Dritteln fertig gestellt werden konnte. Folgende Fragen stellen sich schon jetzt: Wie sah das republikanische Castrum im Inneren aus, wie das Vorfeld entlang der Via Appia? Wann wurde das Castrum geschleift und durch den Tempel B und seine Hallen überbaut? Wann orientierte sich der Ausbau der Stadt an der Richtung des Castrum, wann folgte er der Via Appia, die am Westtor des Castrum ca. 4 Grad nach Norden knickt? Orientiert sich auch die republikanische Bebauung unter dem kaiserzeitlichen Forum am Castrum? Konkretere Ergebnisse gab es bei der Bauuntersuchung der beiden Tempel A und C im Zentrum der Stadt zwischen dem republikanischen und kaiserzeitlichen Forum (Abb. 14). Der nun vorliegende Plan des jüngeren Tempels A gibt erstmals seine Form exakt wieder. Am wichtigsten für die Rekonstruktion des Grundrisses war die Einmessung der von oben durch eine Luke zugänglichen südwestlichen Kammer im caementitium-Fundament des Tempels. Dadurch lässt sich die Lage der Türwand und der Außenwände des Tempels mit hinreichender Genauigkeit bestimmen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit lagen je zwei Kammern mit f lachen Tonnengewölben unter dem Pronaos und der Cella des Tempels. J. Johnsons Annahme, der Tempel habe fünf Kammern besessen, beruht auf einer irrtümlichen Interpretation der Abdrücke für Binder im caementitium-Kern des Podiums, ein Ergebnis der Archivrecherche in Philadelphia, bei der alle relevanten Korrespondenzen und die gesamte photographische Dokumentation der amerikanischen Grabung von 1931/1932 beschafft werden konnten. Der Grundriss des italisch-etruskischen Tempels C auf dem republikanischen Forum stimmt im Wesentlichen mit der vom amerikanischen Ausgräber J. Johnson publizierten Zeichnung A. Davicos überein. Nachzutragen ist lediglich eine Türschwelle in der Ostwand des Pronaos, die den Zugang gewährt zum Blitzgrab (Bidental) in einem Hof zwischen Tempel A und C. Der auf Photos aus den Jahren 1931/1932 zu erkennende hervorragende Zustand des Bidentals und des Tempelfundaments nach der Freilegung schließt eine von Johnson postulierte Überbauung des Areals durch einen frühkaiserzeitlichen, auf einem caementitum-Fundament stehenden Tempel aus. Eher ist zu vermuten, dass das Podium des altertümlichen, vielleicht nach Blitzschlägen reparierten italisch-etruskischen Tempels in der frühen Kaiserzeit verkleidet wurde. Fußprofile und Fundamente dieser Verkleidung haben sich an der Nord- und Westseite des Podiums erhalten. Zu dieser Baumaßnahme gehört wohl auch ein zwischen Tempelfront und Via Appia eingefügtes Marmorfundament. Wahrscheinlich erhob sich darüber ein dorisches Gebälk unter Arkaden (Abb. 15). Die erstmals vermessenen, von Johnson vorsichtig dem Tempel A zugewiesenen dorischen Bauteile zeigen nämlich Steinschnitte und Entlastungsfugen, die nur durch darunter liegende Bögen zu erklären sind, vergleichbar mit dem dorischen Gebälk der Basilica Aemilia. Genauere Aussagen können jedoch erst nach der vollständigen Vermessung aller Bauteile getroffen werden, die im nächsten Jahr mit Hilfe eines handgeführten Laserscanners begonnen werden soll. Weitere Forschungsschwerpunkte bilden die Bauuntersuchungen am Theater sowie das zweijährige Forschungsvorhaben »Wasserbewirtschaftung, Hydrotechnik und Wasserarchitektur von Minturnae (Südlatium)«. Kooperationspartner: Soprintendenza Archeologica per i Beni Archeologici per il Lazio (G. Bellini); H. Bankel (Hochschule München); P. Kreuz (Ruhr-Universität Bochum) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts:
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Abb. 14 Minturnae, Stadtgebiet. Steinplan des Tempelbezirks am Forum von Minturno
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Abb. 15 Minturnae, Stadtgebiet. Zeichnung des dorischen Architravs vom Tempelbezirk am Forum
H. von Hesberg, H. Bankel • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: S. Arnold, M. Döring, H. Manderscheid • Abbildungsnachweis: H. Bankel (Abb. 13–15). Sizilien, Selinunt, Metallfunde von der Agora Bei den Ausgrabungen auf der Agora von Selinunt ist seit 1995/1996 eine große Menge an Metallfunden zutage gekommen. Die überwiegende Zahl dieser Fundstücke besteht aus Bronze, wohingegen eiserne Objekte seltener vorkommen und solche aus Edelmetall fehlen. Das Fundspektrum ist breit gefächert und umfasst unter anderem Schmuck und Trachtbestandteile (Fibeln, Nadeln, Armringe und -bänder, Ohr- und Fingerringe, bikonische Perlen, Anhänger etc.), Gefäßteile (Perlrandbecken, Gefäßhenkel und -griffe, Attaschen, ›Käsereiben‹ etc.), Werkzeuge und Geräte (Beile, Meißel, Hämmer, Schaufel, Spieße, Messer, Sicheln, Nähnadeln, Angelhaken, Lampe etc.), Waffen- und Rüstungsstücke (Helmfragmente, Lanzen- und Pfeilspitzen, Schwerter etc.), Pferdegeschirrteile, treibverzierte Bronzebleche und Bauteile wie etwa Ziernägel. Im Gegensatz zu den meisten bislang vorgelegten Kleinfundkomplexen archaischer und klassischer Zeit aus dem griechischen Kulturraum, die sehr häufig aus bedeutenden Heiligtümern stammen, können die modern ergrabenen Funde aus Selinunt größtenteils in die Schichtenabfolge eingehängt und anhand der stratifizierten Keramik präzise datiert werden. Damit werden sie nicht nur zu einem wichtigen Fixpunkt in der relativen und absoluten Chronologie metallener Kleinfunde im Mittelmeerraum, sondern geben zugleich einen Einblick in den metallenen Fundbestand einer griechischen Koloniestadt, wie es ihn in dieser Breite und
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Vollständigkeit bislang nicht gibt. Bedeutsam sind vielfältige Hinweise auf Metallverarbeitung, die sich im Fundmaterial nicht nur in Form von Werkzeugen, Eisenschlacken und bronzenen Gusskuchen fassen lassen, sondern auch durch Halbfabrikate und Fehlgüsse von Fibeln, Pfeilspitzen und Beilen sowie durch Stücke mit deutlich erkennbaren Hieb- oder Schnittspuren, die auf ein bevorstehendes ›Recycling‹ von Altmetall hinzudeuten scheinen. Solche Funde erlauben Einblicke in die handwerkliche Produktion im Bereich der Agora von Selinunt und damit in die Infrastruktur der Stadt. Unter den Metallfunden sind Schmuckstücke und Trachtbestandteile, die offenbar fast durchweg einheimisch-sizilischer Produktion entstammen, besonders zahlreich vertreten, wohingegen Objekte griechischer Provenienz weitgehend ausbleiben. Halbfabrikate von Fibeln und Bronzebeilen deuten darauf hin, dass solche Objekte nicht aus dem Hinterland importiert, sondern in der Stadt selbst hergestellt wurden. Bemerkenswert sind zahlreiche Bruchstücke von Armringen des 6. Jhs. v. Chr. mit Rippen- oder Buckelverzierung, die aus einheimischer Fabrikation zu stammen scheinen, obschon aus Sizilien bislang nur wenig Vergleichbares publiziert ist. Parallelen zu solchem Armschmuck wurden nicht nur in Sizilien gefunden, sondern auch im Languedoc-Roussillon, wo sie in Depotfunden auftreten, die in das 7. und 6. Jh. v. Chr. gesetzt werden. Damit werden schlaglichtartig Kontakte zwischen Sizilien und Südfrankreich deutlich. Daneben ist das Fragment eines bronzenen Dreifußbeins besonders hervorzuheben, das auf der Ostseite der Agora im Pastashaus zutage gekommen ist. Das massive Bruchstück weist eine deutliche Hiebverletzung auf, die wie im Falle anderer Metallfunde auf ein bewusstes Zerkleinern des Objekts hinweist. Mit diesem Fund bewegt man sich auf jeden Fall im religiösen Bereich, gehörten Dreifüße doch zu den prominentesten und wertvollsten Weihgaben geometrischer Zeit in griechischen Heiligtümern, die möglicherweise auch bei der Neugründung eines Kultes oder einer Stadt eine Rolle spielten. Die zusammenfassende Auswertung der Metallfunde aus den Ausgrabungen auf der Agora von Selinunt verspricht eine Vielzahl neuer Erkenntnisse, nicht allein für Leben, Handwerk und Kult in der griechischen Kolonie am Selinus, sondern auch für das Verhältnis zur einheimischen Bevölkerung im Umland. Kooperationspartner: Soprintendenza per i Beni Culturali e Ambientali di Trapani • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: H. von Hesberg, D. Mertens • Mitarbeiter: H. Baitinger. Sizilien, Syracus, Stadtmauern Syracus ist eine der ältesten, größten und bedeutendsten westgriechischen Kolonien. Die Forschungstätigkeiten der Abteilung Rom konzentrieren sich allerdings weniger auf die innere Struktur der Stadt als vielmehr auf ihr unmittelbares Umfeld, genauer: das gewaltige Mauer- und Festungssystem auf dem nördlich über der Stadt selbst gelegenen Hochplateau Epipolai, welches die größte Verteidigungsanlage der ganzen griechischen Welt darstellt (Abb. 16). Vom Tyrannen Dionysios I. gegen die Bedrohung durch Karthago ab 402 v. Chr. angelegt und von den hellenistischen Königen der Megalopolis bis zum Ende des 3. Jhs. v. Chr., vor allem im Bereich des Kastells Euryalos (Abb. 17) auf der Westspitze, immer weiter und monumentaler ausgebaut, diente die Anlage wohl weniger der unmittelbaren Befestigung der Stadt selbst, sondern hatte die Charakteristika und Aufgaben einer sog. Landschaftsfestung. Sie war zum einen dazu bestimmt, einem Belagerer den Zugriff und die Verschanzungsmöglichkeit auf dem Hochplateau zu verwahren, denn davon war die tödliche Bedrohung der Stadt im großen Krieg gegen Athen ausgegan-
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Abb. 16 Sizilien, Syrakus, Stadtmauer. Die Hochfläche von Epipolai mit den Resten der dionysischen Nordmauer (linker Bildrand)
Abb. 17 Sizilien, Syrakus, Stadtmauer. Die Reste des Kastell Euryalos (Luftbild 1988)
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gen. Zum anderen war sie dazu angelegt, im Kriegsfalle die Landbevölkerung sicher und wohl geordnet unterzubringen. Unsere Untersuchungen ergaben durch die neue Identifizierung einer Reihe von Toren und auf diese zuführenden Landstraßen ein anschauliches Bild davon, wie systematisch die Anlage mit dem Umland in Verbindung stand. Gleichzeitig haben wir sichere Hinweise auf die Einrichtung von Lagern gleich hinter den Mauern erhalten, in denen die Bevölkerung im Notfall untergebracht und versorgt werden konnte. Neben der rein archäologisch-baugeschichtlichen Untersuchung wurde bei den Arbeiten auch eine wissenschaftliche Grundlage zu Maßnahmen der besseren Erhaltung und vor allem zur Erschließung der Mauern im Zuge der aktuellen Planungen des neuen städtischen Generalbebauungsplanes (seit 2002) geschaffen. Daher wurde seither der gesamte, vor allem durch die weit auf das Plateau ausgreifende moderne Bebauung geprägte Befund ausgewertet. Das im M. 1 : 2 000 angelegte Planwerk ist dabei dadurch gegenüber herkömmlichen Karten ausgezeichnet, dass der Befund der Mauern, Tore und Kastelle unter Beobachtung aller einschlägigen archäologischen Befunde, terrestrisch konventionell eingemessen worden ist und sich daher durch hohe Genauigkeit und Aussagekraft auszeichnet. Dabei ging es, stets in enger Abstimmung mit der Soprintendenz, auch darum, ein beispielhaftes Modell für einen möglichen neuen archäologischen Gesamtplan der bedeutenden Stadt an einem Themenkreis, eben den Mauern, zu erproben. Inzwischen ist das definitive druckfertige Planwerk entstanden und die Bearbeitung für den Druck weitgehend abgeschlossen. In dieser Weise ist auch die vor der Fertigstellung stehende Publikation konzipiert. Sie umfasst neben der analytischen Darstellung der Bestandteile des Kastells und der Mauern auch ihre graphische Rekonstruktion gemäß den erkannten Entwicklungsphasen sowie den Versuch einer Zusammensicht des Problems der Befestigung der Stadt durch die Zeiten hindurch. Daraus ergeben sich auch angesichts der Bedeutung von Syrakus allgemeine Einsichten in die Entwicklung der griechischen Poliorketik. Neben der baugeschichtlichen Arbeit an den Festungswerken, die nach bisheriger Übereinkunft in der genannten Weise fertig gestellt werden können, stellt sich freilich noch eine weitere Forschungsebene durch die Grabung. Einzelne gezielte Grabungsschnitte, die seinerzeit (1990 und 1991) zu Datierungsfragen im Bereich des Kastells angelegt worden sind, werden gegenwärtig ausgewertet. Ihre Ergebnisse sollten noch in die geplante Monographie einf ließen. Kooperationspartner: Soprintendenza dei Beni Culturali e Archeologici di Siracusa; S. Ortisi (Universität zu Köln) • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung • Leitung des Projekts: D. Mertens, H.-J. Beste • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Knechtel, U. Petzhold • Abbildungsnachweis: D-DAIROM, H.-J. Beste (Abb. 16), D-DAI-ROM, D. Mertens (Abb. 17). Sizilien,Tripi Eine ganze Reihe von Projekten der Abteilung Rom des DAI ist in enger Kooperation mit den italienischen Soprintendenzen entstanden. Die bauhistorische Untersuchung der Nekropole di Abakainon, Comune Tripi (Messina), gehört zu einem solchen Projekt. Dort wurde die Nekropole aus dem 4. und 3. Jh. v. Chr. dokumentiert und untersucht, in der in einem einheimischen Umfeld griechische Formen der Monumentalisierung in der Markierung der Gräber gewählt wurden. Die bei der Anlage einer neuen Straße 1994 in der Contrada Cardusa zum Vorschein gekommene Nekropole gehört zu dem antiken Ort Abakainon, der bis auf wenige Streufunde nur aus der
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Abb. 18 Sizilien, Tripi. Tomba Nr. 58. Bauglieder in Sturzlage
Nennung bei den antiken Autoren Diodor Siculo und Appian überliefert ist. In der Nekropole, deren Ausdehnung bisher nicht bekannt ist, wurden in den Jahren zwischen 1994 und 2004 auf einer Fläche von ca. 2000 m2 152 Gräber freigelegt. Trotz der eher bescheidenen und prunklosen Grabbeigaben, die sich in die Zeit zwischen dem 4. und 2. Jh. v. Chr. datieren lassen, handelt es sich bei der Nekropole von Abakainon um eine der besterhaltenen und bedeutendsten antiken Grabstätten auf Sizilien. Im Mittelpunkt der diesjährigen Untersuchung standen die Gräber Nr. 9 und Nr. 58 (Abb. 18), deren Bauglieder seit ihrer Freilegung in Sturzlage belassen worden sind. Insbesondere das aus einem dreistufigen Unterbau bestehende, ca. 25 m × 25 m große Grab Nr. 58 stellt mit seiner dorischen Architekturordnung, von der sich drei Architravstücke mit angearbeitetem Geison (Abb. 19), eine Seitenwange mit angearbeiteter Halbsäule sowie mehrere Säulenfragmente erhalten haben, eine Ausnahme im Gräberfeld von Abakainon dar.
Abb. 19 Sizilien, Tripi. Tomba Nr. 58. Frontarchitrav (M. 1 : 200)
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Kooperationspartner: Soprintendenza Archeologica di Messina • Förderung: Soprintendenza Archeologica di Messina • Leitung des Projekts: H.-J. Beste • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Knechtel, U. Petzold • Abbildungsnachweis: H.-J. Beste (Abb. 18. 19). Apollonia (Albanien),Theater Die an der Adria liegende Stadt Apollonia wurde in den Jahren vor 585 v. Chr. als griechische Kolonie von Korinth aus gegründet. Das albanisch-deutsche Gemeinschaftsunternehmen zielt darauf ab, von einem prominenten Baubefund – dem Theater – ausgehend die Bedeutung der Stadt am Übergang von östlichen zu westlichen Formen der Mittelmeerkultur im Hellenismus und in der mittleren Kaiserzeit zu beleuchten. Die Arbeiten konzentrierten sich in diesem Jahr auf die Erforschung des Theaters, seine städtebauliche Einbindung und auf seine bauliche Rekonstruktion. Auf einer Terrasse südöstlich oberhalb des Theater-Koilons wurden Bebauungsspuren untersucht, die sich als Wohnbauten klassischer Zeit herausstellen. In ihrer Ausrichtung folgen sie dem oberen der beiden für Apollonia ersichtlichen Straßenraster, für deren Datierungen es bislang an Anhaltspunkten mangelte. Für die Schaffung einer Freif läche im hinteren Bereich des Theaters wurden die Bauten offenbar in hellenistischer Zeit abgebrochen. Mehrere Sondagen hatten zum Ziel, die Ausdehnung einer Platzanlage, auf die sich das Bühnengebäude mit einer westlich vorgelagerten Stoa ausrichtet, und ihre Anbindung an das Straßennetz festzustellen. Hierbei ergaben sich auch neue Hinweise zur Wasser-Entsorgung. Bei der Aufnahme der Bauteile und der Dokumentation der Architektur des Theaters wurde der Zuschauerraum einschließlich des Übergangs zum Gelände oberhalb des Koilons und zur Orchestra aufgenommen und in ein Geländemodell umgesetzt (Abb. 20). Der Schwerpunkt der Bauteiluntersuchung lag weiterhin in der Aufnahme der in undokumentierten früheren Grabungen sukzessive freigelegten und in das neue Bauteillager West transferierten Architekturelemente. Insgesamt erhöhte sich die Zahl der nummerierten Bauteile in dieser Kampagne von 436 auf 618. Zusammen mit den in der Orchestra lagernden Bauteilen kann von einer Gesamtzahl von weit über tausend Bauteilen ausgegangen werden.
Abb. 20 Apollonia (Albanien), Theater. Geländemodell mit Angabe der Grabungsflächen. Erkennbar ist die Ausdehnung des Zuschauerraumes
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Abb. 21 Apollonia (Albanien), Theater. Rekonstruktion eines Bogentores an der Orchestra zwischen Bühnenhaus und Zuschauerraum
Das Bild der dorischen Ordnungen hat eine ganze Reihe an Funden deutlich bereichert. Dazu zählt das Fragment eines dorischen Kapitells, das ein Pendant in einem der im Museum aufgebauten Stücke findet. Es lassen sich zwei verschiedene dorische Ordnungen erschließen, die zu verschiedenen Bauabschnitten am Theater gehört haben werden. Weiterer Hinweis auf zwei Gruppen dorischer Ordnungen geben Fragmente von Regulae mit Guttae. Die Metopen-Triglyphen-Friese, bei denen in diesem Jahr drei neue hinzugekommen sind, teilen sich ebenfalls in zwei Gruppen. Zwei zusammenpassende Fragmente eines dorischen Geisons mit Inschrift auf der Geisonstirn und Farbspuren an dieser sowie Mutulusplatten ergänzen die schon vorhandenen Reste im Museum. Beim Ausräumen des Magazinganges kamen unter den zahlreichen Architektur- und Skulpturfragmenten weitere zugehörige Geisonfragmente mit Inschrift zum Vorschein. Aus weiteren Bauteilen der nicht dokumentierten früheren Grabung konnte der Unterbau eines großen zweiseitigen Bogentores erschlossen wer-
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den (Abb. 21). Es handelt sich um Keilsteine mit abschließendem Profil am Rand, Teile des senkrechten Gewändes mit gleichem Profil und mächtige Abschlussblöcke über den Keilsteinen. Es fehlt bisher die genaue Position innerhalb der Gesamtanlage. Verschiedene Teile eines weniger mächtigen Türgewändes gehörten vielleicht zu einer Tür im Bühnengebäude selbst. Unter den aus dem Magazingang geborgenen Fundstücken der Theatergrabungen aus den 1970er Jahren tauchten übrigens auch zwei bis dahin nur aus alten Zeichnungen bekannte ionische Halbsäulenkapitelle der Proskenionsordnung wieder auf. Oberhalb des Koilons wurde in den letzten Grabungstagen in Schnitt D eine Mauer freigelegt, die mit deutlicher Krümmung verläuft und als obere Begrenzung des Koilons zu verstehen ist. In dieser mutmaßlichen oberen Begrenzungsmauer des Koilons gibt es im Süden eine Lücke, in der in Mauerf lucht größere Platten, wohl für einen Durchgang, verlegt sind. Anlässlich der Säuberung des Orchestrakanals wurde der bisherige, auf den albanischen Zeichnungen basierende Plan für diesen Bereich durch Probemessungen überprüft. Das Ergebnis machte deutlich, dass vor dem Entfernen der Platten zur Säuberung des Kanals diese erst neu aufgenommen werden müssen, da der bisherige Plan um bis zu 50 cm in verschiedenen Richtungen von der Realität abweicht. Der Kanal weist drei Phasen auf und war in der ersten oben offen, dann wurde er nach Einarbeitung eines Falzes an den oberen Rändern mit kleinen Platten sauber abgedeckt. Die heutige Abdeckung aus wiederverwendeten Fußplatten von Sitzstufen des Koilons wäre die dritte Phase und ging vermutlich mit dem Abbau der ersten Sitzreihen und einer Erhöhung des Orchestrabodens einher. Kooperationspartner: Akademie der Wissenschaften in Albanien (B. Lahi); Archäologisches Institut der Universität zu Köln (M. Fiedler) • Förderung: DFG; Stabilitätspaktmittel des Auswärtigen Amts • Leitung des Projekts: H. von Hesberg, B. Lahi • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Fiedler, V. Hinz, S. Franz • Abbildungsnachweis: H. von Hesberg (Abb. 20. 21). Karthago (Tunesien) Zwischen 1988 und 1997 führte die Abteilung Rom des DAI unter Leitung F. Rakobs im Zentrum des antiken Karthago Ausgrabungen durch. Von den zwei Teilprojekten an der rue Ibn Chabâat und an der avenue Habib Bourguiba sind bisher nur die römischen und frühbyzantinischen Phasen publiziert. In diesem Jahr konnten die Arbeiten vor Ort wieder aufgenommen werden. Das Ziel der aktuellen Arbeiten in Karthago liegt in der detaillierten wissenschaftlichen Vorlage der archaischen und punischen Befunde sowie der Beantwortung ausgewählter Fragen zur spätantiken und frühbyzantinischen Bebauung. Die erste Kampagne im deutschen Grabungsareal erfolgte südlich der heutigen rue Ibn Chabâat. Die dabei durchgeführten Arbeiten konzentrierten sich auf die archaischen bis spätpunischen Epochen. Archaische Wohnbebauung: In diesem Jahr konnte die Bauabfolge der in Trockentechnik errichteten Räume T/1 und T/2 aus der 2. Hälfte des 8. Jhs. v. Chr. rekonstruiert und dokumentiert werden. Durch gezielte Sondagen wurde eine Differenzierung in eine früh-, mittel- und spätarchaische Bauperiode erhärtet. Die archaische Bebauung weist mit erhaltenen Mauerhöhen über 2 m für Karthago singuläre Dimensionen auf. An der rue Ibn Chabâat überwiegen Trockenmauern aus küstennahen lokalen Oberf lächenkalksteinen. Die Häuser bestehen aus kleinen, etwa 10 m 2 großen Räumen. Die ältesten Bauten gründen direkt auf dem Alluvionslehm in 8,20 m Tiefe, erreichen aber nicht den zeitlichen Horizont der sagenhaften Stadtgründung 814 v. Chr.
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Abb. 22 Karthago (Tunesien), rue Ibn Chabâat. Mittelpunische Emplekton-Mauer (vorne) und archaische Bebauung im mittelkaiserzeitlichen Tabernenbereich (Blick von Süden) Abb. 23 Karthago (Tunesien), rue Ibn Chabâat. Südwestecke des mittelpunischen Quadergroßbaus über archaischer Bebauung (Raum T/2)
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Ein mittelpunischer Quadergroßbau: Der zweite Schwerpunkt der Kampagne lag auf der Dokumentation des von F. Rakob als mittelpunischer Tempel interpretierten Großbaus und einer mit ihm in baulichen Zusammenhang stehenden massiven Mauer in Emplekton-Technik (Abb. 22). Die diesjährig gewonnenen Erkenntnisse weichen erheblich von dem in Vorberichten publizierten Kenntnisstand ab. Das Gebäude wird deshalb im Folgenden als mittelpunischer Quadergroßbau bezeichnet (Abb. 23). Sein Grundrissplan konnte im Vergleich zu den Vorschlägen F. Rakobs durch die Neudokumentation der im mittelkaiserzeitlichen und frühbyzantinischen opus caementitium verbackenen Sandsteinblöcke und der Raubstollen revidiert werden. Die von F. Rakob nicht erfasste Südwestecke des punischen Großbaus wurde als Negativbefund in etwa 7,50 m Tiefe festgestellt. Für den Quadergroßbau können nunmehr Maße von 11,00 m × 5,50 m angegeben werden. Für seine Errichtung wurden spätarchaische Bauten einplaniert. Das aufgehende Mauerwerk ruht auf Kalksteintrockenmauern und vier darauf aufgesetzten Lagen aus Sandsteinquadern. Eine innerstädtische Emplekton-Mauer: Südlich und östlich des Quadergroßbaus konnte auf einer Länge von 14,00 m das Fundament einer Emplekton-Mauer mit einer Stärke von 4,80 m festgestellt werden. Da aufgrund von Mauerbund und identischer Baugrubenverfüllung die gleichzeitige Errichtung der Emplekton-Mauer mit dem Quadergroßbau nachzuweisen war und für letzteren eine 14C-Analyse eines Schwalbenschwanz-Dübels aus dem Quaderverband mit Datum 515–405 v. Chr. vorliegt, scheidet eine Deutung als
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archaische Stadtmauer aus der Mitte des 7. Jhs. v. Chr. aus. Die EmplektonMauer und der mit ihr gleichzeitig errichtete Quadergroßbau belegen eine urbanistische Zäsur in der Stadtentwicklung Karthagos, weg von kleinteiliger archaischer Wohnbebauung hin zu Gebäuden öffentlichen Charakters. Kooperationspartner: Institut National du Patrimoine, Tunis (F. Béjaoui, A. Krandel-Ben Younés) • Leitung des Projekts: H. von Hesberg, A. Krandel-Ben Younés • Grabungsleitung: H. Dolenz, Ch. Flügel • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Achour, F. Mejri, A. Zmerli, Kh. Hassaine, M. Boos • Abbildungsnachweis: Ch. Flügel (Abb. 22. 23). Simitthus/Chimtou (Tunesien) Das für seine Marmorsteinbrüche bekannte antike Simitthus liegt im Nordwesten Tunesiens nahe der algerischen Grenze. Die lange Siedlungsgeschichte reicht vom 4. Jh. v. Chr. bis ins 10. Jh. n. Chr., wobei die Stadt vor allem im 2. und 3. Jh. durch den Marmorhandel erblühte. Die Projektarbeiten widmen sich urbanistischen Fragen, vor allem in der bisher weitgehend unbekannten Früh- und Spätphase der Siedlung. In diesem Jahr konnten die seit zehn Jahren ruhenden Arbeiten der Abteilung Rom des DAI wieder aufgenommen werden. Neben der Herrichtung des Grabungshauses (Abb. 24) und der Infrastruktur sowie dem Schutz der ausgegrabenen Strukturen stand die wissenschaftliche Aufarbeitung der 1980– 1984
Abb. 24 Simitthus/Chimtou (Tunesien), Teilansicht des Grabungshauses in Chimtou Abb. 25 Simitthus/Chimtou (Tunesien), Übersichtsbild mit der Sondage nördlich des Forums im Zentrum des Bildes
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Abb. 26 Simitthus/Chimtou (Tunesien), verschiedene Phasen vorrömischer Mauern
von F. Rakob und C. B. Rüger nördlich des Forums angelegten Sondage im Zentrum der diesjährigen Kampagne (Abb. 25). Hier waren vor mehr als 30 Jahren durch eine Tiefsondage Schichten und architektonische Befunde von der vorrömisch-numidischen bis in arabisch-hochmittelalterliche Zeit ans Licht gekommen. Zu einer Publikation dieser interessanten Ergebnisse kam es damals jedoch nicht mehr. Daher war es Ziel des deutsch-tunesischen Teams, die ältere Dokumentation mit den Befunden vor Ort abzugleichen, eine stratigraphische Matrix sowie eine GIS-gestützte Erfassung der Baubefunde zu erstellen und fehlende Daten zu ergänzen, um so die abschließende Publikation dieser älteren Sondage zu ermöglichen. Zudem wurde das Fundmaterial aus der Sondage komplett gesichtet und dokumentiert. Dank der guten Ordnung des Keramikarchivs, der sorgfältigen Beschriftung der Fundkomplexe und der guten zeichnerischen Grabungsdokumentation gelang diese Auf bereitung der Altgrabung in zufrieden stellender Weise. Ziel des aktuellen Projekts ist außerdem die Konfrontation der älteren Resultate mit neuen Fragen, denen unter anderem durch die Erweiterung der Grabungsf läche Rechnung getragen wird. So bietet sich hier die Chance, zum ersten Mal im nordafrikanischen Binnenland in einem größeren Umfang Einblick in die Struktur einer in Lehmziegelbauweise auf Bruchsteinsockeln errichteten vorrömischen Siedlung zu gewinnen, die mindestens bis in das 3. Jh. v. Chr. zurückreicht (Abb. 26). Neben der Klärung der Datierung der ältesten Siedlungsspuren am Ort fragt das Projekt nach dem Alltag in der numidischen Stadt, nach dem möglichen Niederschlag von Identitätsdiskursen in der Sachkultur, nach den kulturellen Verbindungen zu anderen Siedlungen im nördlichen Tunesien und den Einf lüssen der punischen Metropole Karthago sowie den ökonomischen Verbindun-
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Abb. 27 Simitthus/Chimtou (Tunesien), historisches Luftbild der großen MedjerdaBrücke von Chimtou
gen zu ihr. Ein wichtiger Punkt ist das Problem des archäologischen Niederschlags des Wechsels von der numidischen zur römischen Herrschaft im 1. Jh. v. Chr. Der zweite zentrale Teilbereich der aktuellen Untersuchungen widmet sich der späten Phase und dem Ende der Stadt Simitthus. Dabei soll erforscht werden, wann genau die öffentlichen Bereiche dieses Stadtviertels erste deutliche Umnutzungs- und Aufgabespuren zeigen und in welchem zeitlichen Rahmen und mit welchen Brüchen und Kontinuitäten die Entwicklung zur Verdörf lichung der ehemaligen Stadt im Mittelalter verläuft. Das umfassende Ziel ist somit die genaue Erfassung der Siedlungsstratigraphie und die Einbettung der Ergebnisse in die historische Entwicklung dieser tunesischen Region. Parallel zu diesem Teilprojekt wurde an der Medjerda-Brücke gearbeitet, um die zwischen 1985 und 1995 von U. Hess (†) durchgeführten Untersuchungen zum Abschluss und zur Publikation zu führen. Die Brücke über die Medjerda war mit ca. 53 m Länge eines der mächtigsten Brückenbauwerke im römischen Nordafrika (Abb. 27). Die Bausubstanz des dritten Brückenpfeilers wurde eingehend untersucht und so mit der Erstellung eines systematischen Inventars des erhaltenen Baubestands begonnen. Damit soll die Rekonstruktion des Baus, seiner Reparaturphasen und seiner bewegten Geschichte nachvollziehbar und die Einordnung der Anlage in das Baugeschehen ihrer Zeit ermöglicht werden. Kooperationspartner: Institut National du Patrimoine, Tunis (F. Béjaoui, M. Khanoussi) • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung (Projekt MedjerdaBrücke) • Leitung des Projekts: P. von Rummel, M. Khanoussi • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: S. Abdelhamid, M. Adili, S. Ardeleanu, H. R. Baldus, M. Brahmi, S. Büchner, R. Hahn, Y. Jrad, H. Möller, K. Müller, C. B. Rüger, N. Selmi, W. Sengstock, E. Westerkamp • Abbildungsnachweis: P. von Rummel (Abb. 24–27). Italische Kulturen des 7. bis 3. Jhs. v. Chr. in Süditalien und Sizilien Das Schwerpunktprogramm »Italische Kulturen des 7. bis 3. Jhs. v. Chr. in Süditalien und Sizilien« betraf in erster Linie die Formen und die Intensi-
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tät der wechselseitigen Kontakte zwischen den in Süditalien und in Sizilien ansässigen Völkergruppen von der frühen griechischen Kolonisierung im 7. Jh. v. Chr. bis in das 3. Jh. v. Chr. Es kam in diesem Jahr nach einer Laufzeit von drei Jahren zum Abschluss. Von den Stipendiatinnen, die in dieser letzten Phase mit Dissertationsvorhaben an dem Programm teilnahmen, wurden Befunde in Kampanien und in der Basilicata, insbesondere in Capua und Paestum untersucht. Der Schwerpunkt lag zuletzt auf den Nekropolen. E. Thiermanns Arbeit über »Die archaische Nekropole von Capua« ist inzwischen als Dissertation von der Universität Amsterdam angenommen worden. Ihr Untersuchungsgegenstand ist die Nekropole Fornaci bei Capua. Es wurden die Befunde von mehr als 100 Gräbern aus der Zeit von etwa 575 bis 400 v. Chr. ausgewertet. Entsprechend der Zielsetzung konnten damit die kollektiven Identitäten beschrieben und historische Bevölkerungsverschiebungen in Nordkampanien verifiziert werden. Ch. Nowak stellt die Frage nach »Italiker(n) in griechischen Koloniestädten Unteritaliens?«, die sie anhand von Untersuchungen zu Wandlungsprozessen im Bestattungsritual beantworten will. Dabei ist gefordert, die Veränderungen an den Ritualen nicht primär anhand postulierter ethnischer Identitäten und einer sog. Samnitisierung Süditaliens zu interpretieren. Mit den griechischen Kolonien Kyme, Paestum und Neapel an der tyrrhenischen Küste, die laut antiker Überlieferung von der Samnitisierung betroffen waren, wurden insgesamt über 70 Orte Kampaniens und Lukaniens in die Untersuchung aufgenommen. Weitere Schwerpunkte bildeten Metapont und Siris-Herakleia. Nunmehr, kurz vor Abschluss der Arbeit, zeigt sich als klares Ergebnis, dass die sich verändernden Rituale eben keine überregionalen Verbindungen aufweisen, sondern offensichtlich eigenständige Entwicklungen der jeweiligen Gemeinschaft darstellen. Anfang des Jahres wurde ein internationales Symposium zum Thema »Pianificare lo spazio. Strategie degli insediamenti in Italia meridionale e Sicilia dal VIII al III secolo a. C./Regional Planning. Settlement Strategies in Southern Italy and Sicily from the 8th to the 3rd Century BC./Raumplanung. Siedlungsstrategien in Süditalien und Sizilien vom 8. bis 3. Jh. v. Chr.« veranstaltet (s. a. hier S. 95. 96). Aus den Beiträgen dieses und der beiden im Vorjahr abgehaltenen Symposien wird eine das Forschungsprogramm abschließende Publikation vorbereitet. Die Beiträge und die Diskussionen bei den Symposien und ebenso die Ergebnisse der Dissertationen im Rahmen des Programms lassen deutlich erkennen, dass angesichts der Beschaffenheit der Befunde vor allem siedlungskundliche, topologische und überregionale Perspektiven eine differenziertere Interpretation der historischen Vorgänge ermöglichen, während die antike ethnographisch ausgerichtete Überlieferung eine noch kritischere Auseinandersetzung erfordern. Wenn dies auch noch nicht einen Wechsel der Paradigmen bedeutet, so ergeben sich zumindest deutliche Korrekturen am bisherigen Gesamtbild und an theoretischen Erklärungsmodellen. Kooperationspartner: Scuola di Specializzazione in Archeologia di Matera (M. Osanna); Koninklijk Nederlands Instituut te Rome (G. J. Burgers) • Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: R. Neudecker • Stipendiatinnen: Ch. Nowak, E. Thiermann. Frühkaiserzeitliche Grabsteine in Mittelitalien Im Mittelpunkt des Projekts steht, in Ergänzung einer früheren Untersuchung (ArchCl 38, 1986–1988, 35–66) und unter Einbeziehung weiterer in der Zwischenzeit erfolgter Studien, die Erforschung und Definition des
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kulturellen Raumes ›Mittelitalien‹ anhand seiner römischen Steindenkmäler. Bei den Formcharakteristika und vor allem im Themenrepertoire dieser Denkmäler überrascht immer wieder die gewisse Eigenständigkeit, mit der aus den verschiedensten Bereichen stammende Vorlagen und Motive miteinander frei kombiniert werden können (Abb. 28. 29). Wir sind noch weit davon entfernt, aus dieser Vielschichtigkeit ein differenziertes Gesamtbild ableiten und eine womöglich neue Inhaltlichkeit beschreiben zu können. Bei allen übergreifenden Gemeinsamkeiten, die die frühkaiserzeitliche Kunstlandschaft Italiens bestimmen, sind die immer wieder zu beobachtenden, teils verschieden langlebigen Elemente neben retardierenden Faktoren und Neuerfindungen in ihrer Aussage noch nicht näher eingrenzbar, die Vielzahl von Sinnbezügen noch nicht erklärbar. Auch die jeweils eigenständigen Traditionen der Steinbearbeitung müssen in Zukunft noch besser herausgearbeitet werden. Im gegenwärtigen Beitrag wird versucht, anhand neuer Photoaufnahmen und erweiterter Materialkenntnis, innerhalb kleiner geographischer Räume die Diskussion über das Ausmaß des Niederschlages, den aus hellenistischer Kunst stammende Elemente auf den Grabsteinen Umbriens und der Sabina gefunden haben, weiterzuführen. Eine gewisse Homogenisierung in der Aussagekraft landstädtischer Denkmäler, wie sie seit spätaugusteischer-tiberischer Zeit zu beobachten ist, geht wahrscheinlich auf die augusteische Kolonisierungswelle zurück. Kooperationspartner: Soprintendenza per i Beni Archeologici dell’Umbria (P. Bruschetti); Comune di Terni (G. Tomassini) • Leitung des Projekts: S. Diebner • Abbildungsnachweis: D-DAI-Rom-2009.0546 (Abb. 28); D-DAI-Rom-2009.0560 (Abb. 29). Kanatha (Syrien), Heiligtümer Im Rahmen der Vorbereitung für die Endpublikation des Forschungsprojekts zu den städtebaulichen Untersuchungen in Kanatha wurde der Befund der Heiligtümer in Kanatha und Seeia ausgewertet, wobei das funktionale Verhältnis der Kultbauten zueinander im Zentrum der Betrachtung stand (Abb. 30. 31). In dem 2,5 km südöstlich von Kanatha liegenden Ort Seeia befindet sich ein monumentales Terrassenheiligtum, das in exponierter Lage auf dem Plateau eines Felssporns aufragte (Abb. 31. 32). Da es zum Stadtterritorium von Kanatha gehörte, war es ein Kultbau dieser Stadt und kein extraurbanes Heiligtum. Große Übereinstimmungen herrschen in dem Aufbau und auch den Kulten zwischen den Kultstätten in Seeia und der Oberstadt von Kanatha, die durch eine Straße miteinander verbunden waren. Beide Anlagen bestehen aus drei Terrassen und vier Tempelbauten (Abb. 30. 31). In beiden Heiligtümern wurden eine Göttertrias und eine Ortsgöttin verehrt. Die Namen der Gottheiten in Seeia sind durch eine aramäischgriechische Weihinschrift überliefert. Genannt sind Baalschamin, Seeia, Isis und Malakelaha’, die im Jahr 204 (=105/104 v. Chr. nach der Seleukidischen Ära) in Seeia eingeführt wurden. In Kanatha ist inschriftlich Zeus Megistos, das rangmäßige Äquivalent zu Baalschamin, bezeugt. Die anderen drei Gottheiten sind zwar durch Inschriften nicht überliefert, können aber aus dem architektonischen Kontext und dem Vergleich mit dem Heiligtum in Seeia erschlossen werden. Das mit drei Nischen versehene Adyton im ›Westtempel‹ in Kanatha legt die Verehrung einer Göttertrias nahe. In Seeia hatte die Ortsgöttin ihren Tempel im zweiten Bezirk. Diese ist nicht nur durch eine Weihinschrift und eine Statue bezeugt, sondern auch durch die architektonische Ausstattung des zweiten Bezirks, der mit hohen Mau-
Abb. 28 Frühkaiserzeitliche Grabsteine in Mittelitalien, Grabcippus aus Carsulae (Nebenseite) im Besucherzentrum von Carsulae
Abb. 29 Frühkaiserzeitliche Grabsteine in Mittelitalien, Türstele aus Carsulae im Antiquarium von Carsulae
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Abb. 30 Kanatha (Syrien), Oberstadt. Heiligtümer, Ansicht von Norden nach Süden. Rekonstruktion, 3D-Modell
Abb. 31 Seeia (Syrien), Heiligtum. Ansicht von Westen nach Osten, Rekonstruktion, 3D-Modell
Abb. 32 Kanatha und Seeia (Syrien), Lage der Heiligtümer in Seeia und Kanatha mit Angabe der unterirdischen Kanäle (Qanate). Rekonstruktion, 3D-Modell
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ern und Türmen gleich einer Stadtmauer umgeben ist. Eine entsprechende architektonische Inszenierung hat auch der zweite Bezirk im Heiligtum der Oberstadt von Kanatha, dessen stadtmauerartige Umwehrung und quadratischer Tempel die Anlage als Kultstätte der Stadtgöttin von Kanatha identifizieren. Die Fassaden der den beiden Ortsgöttinnen geweihten Tempelbauten bringen die Zusammengehörigkeit beider Heiligtümer sichtbar zur Geltung. Aufgrund dieser Übereinstimmungen liegt die Vermutung nahe, dass von Kanatha aus die Überführung der Götterstatuen nach Seeia stattfand. Durch die Schaffung eines Ablegers der Kultstätte von Kanatha in Seeia nahmen die Einwohner von Kanatha das wasserreiche Umland in ihren Besitz. Das Wasser wurde von den Hügeln bei Seeia in Sammlern aufgefangen und in unterirdischen Kanälen, den Qanaten, in das etwa 300 m tiefer liegende Kanatha weitergeleitet (Abb. 32) und dort in riesigen unterirdischen Zisternen gespeichert, die sich in den umwehrten Bezirken der Heiligtümer befinden. Auf diese Weise war das Wasser der Öffentlichkeit nicht zugänglich und damit weitgehend vor Missbrauch und Verschmutzung geschützt. Mit Geschick nutzte man die Hanglage der Oberstadt, von der aus wiederum über unterirdische Kanäle das Wasser in die tiefer liegende Stadt verteilt werden konnte. Das netzartige System der Qanate mit ihren Sammlern und Verteilern war ausschlaggebend für den antiken und modernen arabischen Namen der Stadt Kanatha beziehungsweise Qanawat. Vor diesem Hintergrund wird die Dominanz der Kultstätten in Kanatha verständlich: Als Brennpunkt des öffentlichen Lebens, trugen sie den religiösen, sozialen, merkantilen und persönlichen Bedürfnissen der Gemeinwesen in dieser Region Rechnung. Angesichts dieser Bedeutung waren die Heiligtümer auch das politische Zentrum von Kanatha und der Auranitis. Der Zugriff auf das Wasser und dessen Verteilung lagen in der Hand einer mächtigen Priesterschaft. Angesichts dieser Deutung sind die Heiligtümer als ein sakraler Herrschaftssitz zu verstehen, in dessen Interaktionsfeld die religiösen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Abläufe untrennbar miteinander verknüpft waren. Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM); Archäologisches Institut der Universität zu Köln (T. Fischer); Institut für Geodäsie der Technischen Universität München (K. Schnädelbach, T. Wunderlich); S. Franz und V. Hinz • Leitung des Projekts: K. S. Freyberger • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Darwisch, C. Ertel • Abbildungsnachweis: 3D-Modelle, Herstellung und Bearbeitung, S. Franz, V. Hinz (Abb. 30–32). Antikenbezug in der Ausstattung der Feuerwehrkaserne Rom-Capannelle (1941) Innerhalb des Projekts »Antikenrezeption während des italienischen Faschismus« ist eine Online-Publikation erschienen (http://kunstgeschichte-ejournal.net/discussion/2009/diebner). In diesem Beitrag geht es um die hier erstmals bekannt gemachte künstlerische Ausgestaltung der 1941 eingeweihten Ausbildungsstätte für Feuerwehrmänner. Mit Mosaiken, Temperagemälden, Steinreliefs und -skulpturen waren bzw. sind die Repräsentations- und Trainingsbereiche geschmückt. Die sportliche Ertüchtigung stellt erwartungsgemäß ein Hauptthema der ›Kunst am Bau‹ dar. In den Reliefs versteckter, in den Fresken der Turnhalle direkter, ist eine Anspielung auf militärische Thematik zu beobachten; die Betonung liegt auf der Bedeutung des Sports als nationaler Aufgabe. Insgesamt liegt der künstlerischen Ausgestaltung der Anlage das Konzept der Sichtbarmachung von Effizienz des Staatsapparates zugrunde. In der Nachkriegszeit bedurften nur vier
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Abb. 33 Antikenbezug in der Ausstattung der Feuerwehrkaserne, Wandmosaik in den »Scuole Centrali Antincendi« in Rom-Capannelle (1941, Künstler: L. Micheli Cicotti)
Worte der auf dem umlaufenden Architrav des Eingangsbereiches befindlichen lateinischen Inschrift und eine Figur des Gemäldes im Sakrarium einer Abänderung, um in der Nachkriegszeit ›political correct‹ zu sein. In den Reliefs und in einem der großformatigen Mosaike ist die Schilderung durch die ›Realia‹ ganz in die Gegenwart geholt, was die Einbindung einer Sagengestalt wie der des Neptun und auch Reminiszenzen aus der christlichen Kunst nicht ausschließt. In einem der Mosaike (Abb. 33) wird mit der Darstellung der Minerva oder Dea Roma zum einen an die Vergangenheit angebunden und zum anderen auf die Entdeckungen in verschiedenen Wissenschaften angespielt. Kooperationspartner: Direktion der Scuole Centrali dei Servizi Antincendi (D. De Bartolomeo, V. D’Angelo) • Leitung des Projekts: S. Diebner • Abbildungsnachweis: D-DAI-Rom-2007.6565 (Abb. 33). Die etruskische ›ceramica sovraddipinta‹ des 4. und 3. Jhs. v. Chr. Die in einem Promotionsvorhaben behandelte ›ceramica sovraddipinta‹ ist eine etruskische Keramikgattung, deren Besonderheit in der Technik ihrer Bemalung liegt: Die bereits getrockneten Vasen wurden in einem ersten Schritt vollständig mit einem dünnen Tonschlicker überzogen, auf den, nach erneutem Trocknen, mit einer oder mehreren tonbasierten Farben die eigentliche Bemalung aufgetragen wurde. Diesem Bild konnten durch Einritzungen weitere Details hinzugefügt werden. Im anschließenden Dreiphasenbrand reagierten die unterschiedlich auf bereiteten Tone verschieden, so dass zum Schluss das Bild hell (in verschiedenen Farbtönen von rot, gelb oder weiß) vor einem schwarzen Grund erschien. Die erzielte Wirkung dieser Vasenbilder ähnelt der rotfiguriger, der Produktionsweg war allerdings ein völlig anderer. In der wissenschaftlichen Literatur gilt die Technik der ›ceramica sovraddipinta‹ als einfacher, die etruskischen Vasen wurden häufig als simplere Nachahmungen attisch-rotfiguriger Stücke abgetan.
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›Ceramica sovraddipinta‹ wurde in etruskischen Töpferwerkstätten vom 5. bis 3. Jh. v. Chr. produziert. Die Vasen des 5. Jhs. waren hochwertige Einzelstücke, deren Bilder oft figürliche Szenen zeigten. Diese ähneln tatsächlich häufig attischen Vasen. Aus der 1. Hälfte des 4. Jhs. sind hingegen nur wenige Vasen in dieser Technik bekannt, so dass man früher sogar davon ausging, ihre Anwendung sei völlig abgebrochen und die Technik in Vergessenheit geraten. Inzwischen ist allerdings zwar von einem Produktionsrückgang, dennoch aber einer Kontinuität auszugehen. In der 2. Hälfte des 4. Jhs. kam es zu einem regelrechten Boom in der Produktion von ›ceramica sovraddipinta‹. Gleichzeitig wandelte sich ihr Erscheinungsbild deutlich: Statt wie im 5. Jh. einzelne, voneinander sehr unterschiedliche Gefäße mit aufwendiger Bemalung, wurden Ende des 4. Jhs. nur noch eine kleine Anzahl verschiedener Gefäßtypen, diese allerdings in verhältnismäßig hoher Stückzahl hergestellt. Jeder dieser Gefäßtypen erhielt eine für ihn entwickelte, immer ähnlich aussehende Bemalung. Als Bilder dienten je nach Gefäß einzelne Figuren ohne szenische Einbindung, einzelne Tiere, vor allem Vögel, oder einfache Ornamente. Das Aussehen der Vasen kann für diesen Zeitraum als standardisiert bezeichnet werden. Die oben aufgezeigte Entwicklung wurde unter Berücksichtigung verschiedener theoretischer Modelle untersucht. So lässt sich mit Hilfe der chaîne opératoire aufzeigen, welche Veränderungen in den Produktionsabläufen notwendig bzw. ursächlich für die Veränderungen im Aussehen der Keramik waren. Innovationstheoretische Überlegungen können mögliche Gründe aufdecken, die überhaupt erst zu diesem Wandel führten. Da ab der 2. Hälfte des 5. Jhs. in Etrurien auch rotfigurige Keramik hergestellt wurde, ist eine mögliche Erklärung für das neue Erscheinungsbild von sovraddipinta-Vasen die Abgrenzung von dieser, das Finden einer eigenen Nische. Zu klären ist, ob mit diesen Änderungen auch eine neue Nutzung der Gefäße einherging. Zu diesem Zweck werden einzelne, ausgewählte Fundkomplexe mit ›ceramica sovraddipinta‹ untersucht und ausgewertet. Projektbearbeiterin: S. Patzke. Indigene Kultbauten auf Sizilien Das in diesem Jahr begonnene Dissertationsvorhaben widmet sich der Analyse indigener Kultbauten- und Plätze auf Sizilien. Der Untersuchungszeitraum umfasst die Zeit der sog. Großen Griechischen Kolonisation vom 8. bis 6. Jh. v. Chr. Für die einheimischen Bevölkerungsgruppen setzten mit der Ankunft der griechischen Siedler, deren Ansiedlungen sich in kürzester Zeit zu prosperierenden Polisstädten entwickelten, tief greifende Transformationsprozesse ein. Die Folgen und Auswirkungen dieses Kulturkontaktes auf die Lebenswelt und die kulturelle Identität der indigenen Gruppen stehen immer häufiger im Zentrum archäologischer Fragestellungen. Religiöse Vorstellungen und Kultpraktiken stellen ein charakteristisches Merkmal der kollektiven Identitäten sozialer Gruppen dar. Daher verspricht die Erforschung der indigenen Glaubenswelt anhand der archäologischen Hinterlassenschaften wichtige Einblicke in die Lebensrealität der Einheimischen, die durch die Interaktion mit den griechischen Koloniestädten neue kulturelle und soziale Impulse erfuhren. Die durch Grabungen bekannten indigenen Siedlungen sollen auf Anzeichen religiöser Praktiken und Vorstellungen hin untersucht werden. Ausgangspunkt der Untersuchung bilden die in der Forschung als indigene Kultbauten bezeichneten Gebäudestrukturen, die entweder einen rund-/
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ovalen oder einen rechteckigen Grundriss aufweisen. Die Bauten der ersten Gruppe geben die lokale Bautradition wieder, während davon ausgegangen wird, dass die Gebäude der zweiten Gruppe bereits unter dem Einf luss der griechischen Koloniestädte entstanden. Exemplarisch kann hierbei auf die indigene Siedlung Sabucina verwiesen werden, in der beide Gebäudetypen vorgefunden wurden. Aufgrund ihrer abgesonderten Lage und des Fundmaterials werden diese Bauten als Kultstätten interpretiert. Insbesondere die Funde von Haus- bzw. Tempelmodellen aus Ton gelten gemeinhin als Belege für eine kultische Funktion dieser Gebäude. In der Regel in unmittelbarer Umgebung zu den Kultbauten oder im Grabkontext gefunden, bilden diese Tonmodelle sowohl indigene Rund-/bzw. Ovalbauten als auch Tempelbauten griechischen Typus nach. Aus einem systematischen Vergleich zwischen den sog. indigenen Kultbauten und den mit ihnen vergesellschafteten Fundobjekten können differenzierte Erkenntnisse über religiöse Vorstellungen und Praktiken der einheimischen Bevölkerungsgruppen Siziliens gewonnen werden. Die diachrone Zusammenstellung der Befunde erlaubt des Weiteren die Wechselbeziehung zwischen indigener Tradition und griechischem Einf luss besser nachzuvollziehen. Als Materialgrundlage dienen bereits publizierte Grabungsberichte, Museumskataloge und Materialeditionen. Eine Neuvorlage unpublizierten Materials ist nicht vorgesehen. Projektbearbeiterin: M. D’Onza. Der Princeps und die Anderen, visuelle Darstellungen des römischen Kaisers in Interaktionssituationen Das Promotionsvorhaben beschäftigt sich mit Monumenten, vor allem Münzen und Reliefs, die den Kaiser in einem Moment der Interaktion mit Angehörigen des römischen Volkes oder mit Personifikationen beziehungsweise Göttern zeigen. Bei diesen Situationen handelt es sich beispielsweise um adlocutiones und congiaria, aber auch um adventus- oder profectio-Szenen. Im Vordergrund der Untersuchung steht die Frage nach der visuellen Darstellung der Interaktion zwischen Kaiser und Volk und den daraus zu ziehenden Schlüssen für das tatsächliche Verhältnis dieser beiden Parteien zueinander. Dafür wird zuerst geklärt, welche Anlässe zur Interaktion im Bild dargestellt wurden und ob es bestimmte Kriterien für die Szenenauswahl gab. Dazu kommen Fragen nach der Zusammenstellung der beteiligten Gruppen und nach den Absichten der Auftraggeber dieser Denkmäler. Außerdem wird untersucht, ob die Interaktionssituationen immer gleich dargestellt werden oder ob es im Laufe der Zeit zu signifikanten Veränderungen kommt, beispielsweise in der Art der Darstellung des Kaisers, der Zusammensetzung des Publikums oder in der Art der Interaktion des Kaisers mit diesem. Solche Veränderungen können Hinweise auf die Wahrnehmung der Nähe des Kaisers zum Volk geben und auch darauf, welche Bevölkerungsgruppen von dem jeweiligen Auftraggeber der Darstellung als wichtig erachtet wurden. Die Dissertation wird den Zeitraum vom Prinzipat des Augustus bis zu den Severern behandeln, da das Phänomen der Interaktion über einen längeren Zeitraum untersucht werden soll, um Entwicklungen und Tendenzen feststellen zu können. Bisher wurden die für die Dissertation wichtigen Konzepte der ›Interaktion‹ und der ›Kommunikation‹ definiert und klar voneinander abgegrenzt, da diese beiden Begriffe unterschiedliche Bedeutungsebenen vertreten. So werden unter Interaktion in der Dissertation nur die in den Darstellungen sichtbaren Vorgänge zwischen Kaiser und Volk verstanden, während der Begriff
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der Kommunikation sowohl mit der verbalen Verständigung der Parteien im Bild verknüpft wird als auch mit den Zielen und Absichten der Auftraggeber dieser Darstellungen. Abgesehen von dieser Definition wurde eine Übersicht über die vorhandene Materialgrundlage angefertigt und mit der Zusammenstellung eines Kataloges begonnen, der mit Fortschreiten der Arbeit ständig aktualisiert wird. Ein bereits erstelltes Kapitel über die Interaktion unter dem ersten Princeps Augustus hat gezeigt, dass auf öffentlich sichtbaren Monumenten, auch solchen mit militärischem Kontext, der Princeps meistens in Toga statt in Panzer erscheint und somit offensichtlich mehr Wert auf zivile Erscheinung als auf die Propagierung seiner militärischen Erfolge setzt. Das nächste anzufertigende Kapitel wird sich der Adlocutio widmen und die Darstellungen von Anspracheszenen im 1. und 2. Jh. n. Chr. behandeln, wobei besonders darauf zu achten sein wird, vor welchem Publikum (Soldaten oder zivile Zuhörer) der Kaiser jeweils spricht und wie er diesem gegenübertritt. Des Weiteren ist wichtig zu untersuchen, ob sich die Darstellungsmodi im Lauf der Zeit ändern und wie dadurch möglicherweise auch die Aussagen der Darstellungen variieren. Als nächste Arbeitsschritte sind sowohl diachrone Untersuchungen der verschiedenen Interaktionsformen geplant als auch Vergleiche der Abbildungen von Interaktionen unter ausgewählten Kaisern, um feststellen zu können, ob die Darstellung bestimmter Interaktionsformen von den Auftraggebern als wichtiger für das Bild eines idealen Kaisers erachtet wurden als andere. Projektbearbeiterin: M. Maier.
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vorträge 23. April (Palilienadunanz, zu Gast im Museo Nazionale Romano, Palazzo Massimo alle Terme) Lucia Faedo (Pisa), Con gli occhi della mente. Rif lessioni su Pausania, Polignoto e la Lesche dei Cnidi 10. Dezember (Winckelmann-Adunanz, zu Gast im Museo Nazionale Romano, Palazzo Massimo alle Terme) Marianne Bergmann (Berlin), Ouranopolis. Eine Staatsutopie des frühen Hellenismus. Vortragsreihe »Incontri Amelung« 9. Januar Henner von Hesberg (Rom), Apollonia (Albanien) und sein Theater 23. Januar Gabriele Cifani (Rom), Etnicità e archeologia del territorio. La media valle tiberina preromana 6. Februar Richard Neudecker (Rom), Rom, Augustusforum. Recht und Ordnung in sakralem Raum 20. Februar Achim Weidig (Mainz), Guerrieri italici tra Etruschi e Piceni. Ricerche archeologiche sull’armamento arcaico alla luce delle nuove scoperte nella Conca Aquilana 13. März Carlos Machado (Heidelberg), Statues and Civic Life in Late Antique Italy 20. März Valeria Bartoloni (Rom) – HeinzJürgen Beste (Rom) – Evelyne Bukowiecki (Rom) – Alessandra Cattaneo (Rom) – Azzurra Sylos Labini (Rom), Licht im ›Goldenen Haus‹ 3. April Enrico Benelli (Rom), Culture in contatto nella bassa valle del Tevere: La nascita dell’epigrafia fra Etruschi, Latini e Italici 30. April Lucia A. Scatozza Höricht (Neapel), Kyme di Eolide (Turchia). Le ricerche dell’Università Federico II di Napoli 22. Mai Maya Maskarinec (Honolulu), Amalgamations of the Roman Past. The Temple of Saturn and Macrobius’ Saturnalia 29. Mai Anna Santucci (Urbino) – Maria Elisa Micheli (Urbino), Tra ellenismo e romanizzazione. Evidenze dal territorio marchigiano 12. Juni AA 2010/1, Beiheft
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Markus Löx (Rom), Hanc igitur oblationem NN quam tibi offeret. Zur Rolle des Bischofs im christlichen Gabentausch 26. Juni Italo Iasiello (Benevent), Archeologia e identità civica. I materiali isiaci a Benevento dal rinvenimento al museo 3. Juli Igor Santos Salazar (Oxford), I castra Emiliae e il territorio dell’Emilia orientale nella transizione tra la tarda antichità e l’alto medioevo 4. September Christine Pappelau (Berlin), Das Septizonium des Septimius Severus: Bemerkungen zum urbanen Kontext, zur Architektur und zur Spoliierung der Baumaterialien 18. September Saskia Stevens (Nijmegen), Urbis principium – Defining and Marking the Roman City 25. September David Knipp (Rom), Zur Chronologie des Exedrabereiches im spätantiken Palatinvestibül (Presbyterium S. Maria Antiqua) 2. Oktober Chiara Giatti (Rom), Le necropoli di Roma tra II e I secolo a. C.: Sviluppo architettonico ed organizzazione topografica 16. Oktober Giulia Baratta (Macerata), Was sieht manim Spiegel? Über Bleispiegel in der römischen Antike 30. Oktober Umberto Pappalardo (Neapel) – Rosaria Ciardiello (Neapel) – Mario Grimaldi (Neapel) – Ivan Varriale (Neapel), Nuove ricerche a Pompei. L’Insula Occidentalis 6. November Sylvia Diebner (Rom), Ludwig Curtius (1874– 1954). Fach-, zeit- und kulturgeschichtliche Aspekte eines Archäologen 12. November Holger Baitinger (Frankfurt a. M.), Die Metallfunde aus Seli nunt 11. Dezember Michael Herchenbach (Köln), Die Flora Italiens in der frühen Kaiserzeit. Überlegungen zum Umgang mit den Quellen.
Abb. 34 Programm des Studientages »Archäologie und Ethnizität. Zur Methodologie in einer archäologischen Kernfrage«
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Kolloquien und Symposien 30. März Studientag »Archäologie und Ethnizität. Zur Methodologie in einer archäologischen Kernfrage« (in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Historischen Institut Rom, Abb. 34). – Es sprachen: Richard Bösel (Rom) – Klaus S. Freyberger (Rom) – Philipp von Rummel (Rom) – Heinrich Härke (Reading), Ethnic Interpretation in Post-Roman Britain. Possibilities, Problems and Pitfalls; Sebastian Brather (Freiburg), Funeral and Social Representation. Early Medieval Identities in Central Europe; Florin Curta (Gainesville), Ethnicity in the Archaeology of the Early Middle Ages. The Case of the Early Slaves in the Adriatic Region (Croatia, Slovenia, Italy); Roland Steinacher (Wien), Der Germanenbegriff als ethnische und archäologische Kategorie? Probleme mit einem Dinosaurier; Stefano Gasparri (Venezia), Le molteplici identità dei Longobardi. Linguaggi politici e pratiche sociali; Cristina La Rocca (Padua) – Irene Barbiera (Padua), La migrazione dei Longobardi in Italia tra storia, demografia e genetica. Un progetto interdisciplinare tra corpi e storia; Kerstin Hofmann (Berlin) – Christiane Nowak (Rom) – Ellen Thiermann (Rom), Ethnizität im Grab? Zur Ethnosdebatte im vorrömischen Süditalien und Sizilien anhand von drei Fallbeispielen; Walter Pohl (Wien), Conclusione: Problemi metodologici di una ›archeologia dell’identità‹. 16./17. April Symposium »Pianificare lo spazio. Strategie degli insediamenti in Italia meridionale e Sicilia dal VIII al III secolo a. C./Regional Planning. Settlement Strategies in Southern Italy and Sicily from the 8th to the 3rd Century BC./Raumplanung. Siedlungsstrategien in Süditalien und Sizilien vom 8. bis 3. Jh. v. Chr.« im Rahmen des von der Gerda Henkel Stiftung geförderten Schwerpunktprogramms »Italische Kulturen des 7. bis 3. Jhs. v. Chr. in Süditalien und Sizilien« (in Zusammenarbeit mit dem Reale Istituto Neerlandese Rom und der Scuola di Specializzazione in Archeologia Matera). – Es sprachen: Bernard Stolte (Rom), Begrüßung; Richard Neudecker (Rom), Einführung; Joseph Coleman Carter (Austin), Survey in the Chora of Metaponto. Methods and Results (gelesen von Sveva Savelli); Dimit-
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ris Roubis (Matera) – Andreas Thomsen (Frankfurt a. M.), Nuove ricerche a Timmari e nella valle del Bradano (Basilicata); Gioacchino Francesco La Torre (Messina), Occupazione del territorio e modalità insediative lungo la costa tirrenica della Calabria tra VIII e III secolo a. C.; Lin Foxhall (Leicester), Scaling the Heights. Greek Exploitation of the Mountains of Southern Calabria; Oliver Nakoinz (Kiel), Centralization and Cultural Space. The Analysis of Settlement Dynamics in the Zone of Early Iron Age Princley Sites in Central Europe; Marianne Kleibrink (Groningen), La dea e l’eroe. Culti sull’Acropoli del Timpone della Motta presso Sibari; Elena Isayev (Exeter), The Problem of Place and Centre in Lucania and the Apennines; Gianfranco Carollo (Matera) – Marco Di Lieto (Matera) – Massimo Osanna (Matera), Komedon zontes. Insediamenti e organizzazione del territorio nell’entroterra della costa ionica in età arcaica; Flavia Frisone (Lecce), Strategie territoriali, processi storici e identità. Fra ›colonie‹, pregiudizi e chimere; Franco De Angelis (Vancouver), Reassessing the Earliest Social and Economic Developments in Greek Sicily; Grazia Semeraro (Lecce), Paesaggi ›visibili‹ e modelli insediativi. Casi di studio nell’area delle Murge Brindisine (Puglia) fra età del ferro ed età arcaica; Roberto Goffredo (Foggia) – Valentino Romano (Foggia), Organizzazione degli spazi rurali in Daunia tra età preromana e romanizzazione; Gert Jan Burgers (Rom), Insediamenti e paesaggi della Magna Grecia. Pianificare la ricerca archeologica. 10. Juni 1. Studientag der Abteilung Rom des DAI zur nordafrikanischen Archäologie. – Es sprachen: Henner von Hesberg (Rom), Begrüßung; Philipp von Rummel (Rom), Einleitung; Paul Scheding (Köln), iDAI-Magreb. Das digitale Nordafrika-Archiv als Quelle neuer Forschungen; Selma Abdelhamid (Heidelberg), Die phönizische Seefahrt im 8. bis 6. Jh. v. Chr. und die Notwendigkeit unterwasserarchäologischer Untersuchungen in Tunesien; Ivan Fumadó Ortega (Valencia/Rom), La morfologia urbana di Cartagine. Una proposta di ricostruzione per la fase fenicia e punica; Stefan Ardeleanu (Rom), Massinissa I. bis Iuba I.: Hellenistische Könige in Nordafrika?; Paul Scheding (Köln), Imitation von Raum. Ornamentaler Stuck aus Karthago als Marmorersatz. 29. Oktober Studientag »3D nella Bauforschung: dal metro al laser/3D in der Bauforschung: vom Zollstock zum Laser« (in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Historischen Institut Rom). – Es sprachen: Richard Bösel (Rom), Begrüßung; Heinz-Jürgen Beste (Rom), Einführung; Thomas Käfer (Wien) – Gerhard Paul (Wien), Wege zu einer Anastylose am Beispiel des Tetrapylon und des Sebasteions von Aphrodisias; Barbro Santillo Frizell (Rom) – Jonathan Westin (Rom), Displaying Via Tecta. Visualisation and Communication of the Sanctuary of Hercules Victor at Tivoli; Alessandra Tronelli (Rom) – Luciano Maria Rendina (Rom), Correlazione trifocale parallela, potenzialità e limiti. L’esperienza della Moschea del Venerdì, Isfahan (Iran), di Kafır Kala (UZB) e della cinta muraria della città di Alife, Caserta (Italia); Maria Grazia Filetici (Rom) – Rita Santolini (Rom) – Paola. Palazzo (Rom) – Alessandro Miele (Rom) – Benedetta Alberti (Rom) – Carlo Pavolini (Rom) – Alia Englen (Rom), L’uso del laser scanner. Uno strumento di conoscenza importante nell’interpretazione architettonica delle domus romane del Celio; Norbert Zimmermann (Wien) – Irmengard Mayer (Wien), Die dreidimensionale Dokumentation der Domitilla-Katakombe in Rom. 3. bis 5. Dezember Kolloquium »Römische Weihealtäre in Tempeln und Heiligtümern« (in Zusammenarbeit mit dem Römisch-Germanischen Museum der Stadt Köln; Förderung: Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen). – Es sprachen: Thomas Otten (Düsseldorf ),
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Begrüßung; Alexandra W. Busch (Rom) – Alfred Schäfer (Köln), Einführung; Jörg Rüpke (Erfurt), Frommste Religion – minimalste Variation. Norm und Devianz in individuellen Ritualpraktiken; John Scheid (Paris), Opferaltar und Weihaltar in Rom und Italien; Ulrike Egelhaaf-Gaiser (Göttingen), Altäre in der literarischen ›Topographie‹ von Ovids Fasten; Günther Schörner ( Jena), Votivaltäre in Epidauros – antike Inventur und Kategorisierung; Christoph Berns (Kiel), Weihealtäre in der Hispania Tarraconensis. Lokale Standards, individuelle Selbstdarstellung; Markus Scholz (Mainz), Grabaltäre in den nordwestlichen Grenzprovinzen von Britannien bis Mösien; William van Andringa (Lille), Espaces du sacrifice dans les sanctuaires des cités du Vésuve; Gaby Kremer (Wien), Die Weihepraxis in Carnuntum unter besonderer Berücksichtigung des Silvanus-Heiligtums; Friederike NaumannSteckner (Köln), Weihaltäre eines Zentralortes am Beispiel Köln; Gerhard Bauchhenss (Bonn), Die Weihaltäre aus Bonn; Thierry Luginbühl (Lausanne), Autels, sacella et aires d’offrande dans la Civitas Helvetiorum; Ton Derks (Amsterdam), Die Heiligtümer der Nehalennia und sonstige ländliche Heiligtümer in Niedergermanien; Barbara Stark (Berlin), Das Heiligtum am Yalakbasi in Lykien und verwandte Heiligtümer in Kleinasien; Thomas G. Schattner (Madrid), Weihealtäre im indogermanischen Hispanien. Das Heiligtum des deus berobreus auf dem Monte do Facho (O Hío/Galicien/ Spanien); Carmen Ciongradi (Cluj-Napoca), Höhenheiligtümer im Minendistrikt der Provinz Dakien; Dirk Schmitz (Xanten), Weihbezirke an Wegkreuzungen (Quadruviae); Richard Neudecker (Rom), Weihealtäre für den Herrscher? Überlegungen zu den Kultdenkmälern der Augustalen; Alexandra W. Busch (Rom), Die Weihepraxis des Militärs – Religiöse Orte und Weihungen in stadtrömischen Militärlagern; Oliver Stoll (Passau), Genius, Minerva und Fortuna im Kontext gruppenbezogener Weihungen von Armeeangehörigen am Obergermanisch-Rätischen Limes; Rudolf Haensch (München), Militärische Weihungen in Syrien; Jon Coulston (St. Andrews), The Roman Maryport Altars; Alfred Schäfer (Köln), Weihaltäre in Statthaltersitzen und Benefiziarier-Heiligtümern; Bernd Steidl (München), Der Weihebezirk der Benefiziarierstation von Oberburg am Main; Ute Verstegen (Erlangen), Weihedenkmäler aus St. Gereon – Spätantike Spoliennutzung als Ressourceneffizienz oder symbolischer Traditionsbruch? Abbildungsnachweis: A. W. Busch (Abb. 34).
Veranstaltungen zu den Forschungsclustern des DAI
Treffen des Forschungsfeldes 3 »Urbane Räume« im Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI 8./9. Juni Treffen des Forschungsfeldes 3 »Urbane Räume« im Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI. – Es sprachen: Klaus S. Freyberger (Rom), Einführung; Cornelia Jöchner (Florenz), Platz und Territorium: Frühneuzeitliche Raumbildungsprozesse im Zentrum und an der Peripherie am Beispiel von Turin; Brigitte Sölch (Florenz), Platz und Territorium. Frühneuzeitliche Raumbildungsprozesse im Zentrum und an der Peripherie am Beispiel von Mailand; Holger Wendling (Frankfurt a. M.), Prozess und Ereignis – Faktoren für Entstehung und Verfall spätkeltischer Stadtstrukturen; Heinz-Jürgen Beste (Rom) – Thomas Fröhlich (Rom), Entstehung und Verfall urbaner Räume am Beispiel von Fabrateria Nova; Klaus S. Freyberger (Rom), Die Entstehung und Persistenz ritueller Handlungen im urbanen Raum am Beispiel des Forum Romanum in Rom; Bettina Fischer-Genz (Berlin), Der
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Festivalbereich vor den Toren der Stadt Baalbek: Ein öffentlicher Raum mit Öffnung zum Umland?; Philipp von Rummel (Rom), Simitthus/Chimtou (Tunesien). Ein altes DAI-Projekt und sein neuer Schwerpunkt auf der Entstehung und dem Verfall des städtischen Raums; Axel Filges (Frankfurt a. M.), Schaffung, Nutzung und Aufgabe des prienischen urbanen Raumes; Philipp Speiser (Berlin), Die islamische Nekropolis von Assuan als Beispiel von gleichzeitigem urbanem Fortbestehen und Zerfall bis in die Neuzeit; Diskussion zur Zukunft des Forschungsfeldes 3; Planung der Internationalen Tagung, Berlin November 2009 in Kooperation mit dem Excellenzcluster TOPOI; Planung der Publikation.
Öffentlichkeitsarbeit
Die Frühjahrsführungen des Instituts zu ausgewählten Monumenten und Museen wurden von den wissenschaftlichen Mitarbeitern und Mitarbei terinnen zwischen 31. Januar und 16. April für die interessierte Öffentlichkeit in deutscher Sprache veranstaltet (Abb. 35). Der traditionelle Fortbildungskurs für Gymnasiallehrer fand in diesem Jahr vom 5. bis 10. Oktober in Pompeji statt. Als Gemeinschaftsveranstaltung mit der Zentrale des DAI bot die Abteilung Rom vom 28. März bis 6. April einen fachwissenschaftlichen Studienkurs zum Thema »Urbane Entwicklungen in einer diachronen Perspektive – Entwicklung von Siedlungen und Städten von der prähistorischen Zeit bis zur Spätantike« in Albanien an. Im Zentrum des Kurses stand die Frage, wie der kulturelle Raum Albaniens durch Siedlungen unterschiedlicher gesellschaftlicher und historischer Rahmenbedingungen gestaltet wurde. Ein besonderes Augenmerk galt dem Erscheinungsbild der Siedlungen, ihrer verkehrstechnischen und rituellen Vernetzung sowie ihren wirtschaftlichen Grundlagen. Abbildungsnachweis: A. W. Busch (Abb. 35).
Abb. 35 Henner von Hesberg, Erster Direktor der Abteilung Rom, führt in Rom an der Portikus Octaviae
Museum und Gelände (Führungen für Studierende) Einen traditionellen Schwerpunkt der Abteilung stellt die Lehre dar. Für Studierende der Altertumswissenschaften insbesondere im Rahmen des Erasmus-Programmes, ebenso für studierende und promovierende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen veranstaltet die Abteilung Rom des DAI unter Leitung von Richard Neudecker regelmäßige wissenschaftliche Führungen in Museen, vor Baumonumenten und an Grabungsstätten in Rom und Umge-
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bung. 27. März Richard Neudecker, Museo Barracco 3. April Richard Neudecker, Die Area Sacra am Largo Argentina 24. April Henner von Hesberg, Palazzo Massimo 8. Mai Klaus S. Freyberger, Die Basilica Aemilia. Rekonstruktion, Funktion und Bedeutung 15. Mai Paul Zanker, Palazzo Altemps 22. Mai Richard Neudecker, Musei Capitolini 27. Mai Richard Neudecker, Lucus Feroniae 29. Mai Alexandra W. Busch, Grabund Weihemonumente im Museo Epigrafico des Museo Nazionale Romano delle Terme 9. Juni Richard Neudecker, Otricoli 26. Juni Richard Neudecker, Apollon Sosianus. Tempel und Giebel 11. Dezember Richard Neudecker, Porträts im Palazzo Massimo des Museo Nazionale Romano 18. Dezember Paul Zanker, Centrale Montemartini.
Veröffentlichungen
Römische Mitteilungen 114, 2008 Römische Mitteilungen 115, 2009 Sonderschriften des Deutschen Archäologischen Instituts, Römische Abteilung 15: S. Helas, Selinus II. Die punische Stadt auf der Akropolis Palilia 19: A. Schmölder-Veit, Brunnen in den Städten des westlichen Römischen Reiches
Sonstiges/Persönliches
Nach einer dreijährigen Schließung wurde im August dieses Jahres ein Ausweichquartier für die Abteilung Rom in der Via Curtatone 4 d gefunden. Mit September begannen die Vorbereitungen für den Umzug des gesamten Institutes samt seiner umfangreichen Bibliothek und der anderen wissenschaftlichen Apparate wie der Photothek. Der Umzug und die damit zusammenhängenden Arbeiten waren zum Jahresende noch nicht vollständig abgeschlossen.
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Abteilung Athen
Abteilung Athen Fidiou 1 GR-10678 Athen Tel.: +30-210-330 74 00 Fax: +30-210-381 47 62 E-Mail:
[email protected]
Direktoren Prof. Dr. Dr. h. c. Wolf-Dietrich Niemeier, Erster Direktor PD Dr. Reinhard Senff, Wissenschaftlicher Direktor Wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Dr. Peter Baumeister (ab 1. 4.), Dr. Joachim Heiden, Dr. Konstantinos Kopanias (bis 30. 4.), Dr.-Ing. Nils Hellner (ab 1. 6.), Dr. Ivonne Kaiser, Dimitra Spiliopoulou M. A. (ab 1. 11.), Dr. Jutta Stroszeck Auslandsstipendiatin Dr. Constance von Rüden Wissenschaftliche Hilfskräfte Dr. Dimitris Grigoropoulos (bis 30. 6.), Kathrin Fuchs M. A. (ab 1. 5.), Jan-Marc Henke M. A., Jana Mätzschker M. A., Laura Rizzotto M. A., Ulrich Thaler M. A.
Abteilung Athen Ausgrabungen und Forschungen
Athen, Kerameikos Im Kerameikos wurde eine weitere Nachgrabung am Grabbau der Lakedaimonier (403 v. Chr.) durchgeführt. Die Untersuchungen galten dem südlichen Erweiterungsbau der Grabanlage. Ziele waren die Vervollständigung der Dokumentation der Schichten und die Klärung der Befunde unter dem steinernen Grabbau. Wie im Vorjahr unter dem Kernbau für die ersten Gefallenen Nr. 1–9 beobachtet, ist auch über den Gefallenen Nr. 10–13 zunächst ein Vorgängerbau aus Lehmziegeln errichtet worden, der beim Bau der steinernen Anlage eingeebnet wurde. Vor der Erweiterung der Anlage für die Bestattung der Gefallenen Nr. 10–13 führte entlang der südöstlichen Außenmauer des Kernbaus ein offener, 0,90 m bis 1,20 m breiter Graben. Sein Gefälle im ausgegrabenen Abschnitt beträgt gut 0,30 cm auf einer Strecke von ca. 2,90 m. Der Graben wurde im Sommer 403 v. Chr. aufgefüllt und die Fläche darüber eingeebnet, damit die Grabgrube für die Krieger Nr. 10–13 angelegt werden konnte. Die Auffüllungsschicht enthielt eine große Menge an Steinen und Scherben von Grob- und Feinkeramik sowie viele Fragmente von Dachziegeln, die durch die Fundumstände gut datiert sind (Abb. 1). Den Boden der Grabgrube bildete eine mit Lehm überdeckte Schicht kleinerer Steine. Reste des direkt nach der Auffüllung der Grabgrube errichteten Lehmziegelgrabmals wurden unter der Südund der Ostecke des wenig später errichteten steinernen Grabmals festgestellt. Der wesentlich höher, aber in gleicher Weise wie seine Kameraden bestattete Gefallene Nr. 14 wurde direkt in einem schmalen Abschnitt des steinernen Grabbaus beigesetzt. Da hier keine ältere Grabgrube und auch kein vorausgehendes Grabmonument festgestellt werden konnte, ist die wahrscheinlichste Erklärung, dass er später als Nr. 10–13 zu einem Zeitpunkt gefallen bzw. gestorben ist, als der steinerne Grabbau gerade in Errichtung war, und dass er aus diesem Grund im gleichen Bauvorgang ein Einzelgrab erhalten hat.
Abb. 1 Athen, Kerameikos. Lakedaimoniergräber, südliche Erweiterung. Verfüllter Graben unter der Grabgrube für die Gefallenen Nr. 10–13
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Kooperationspartner: 3. Ephorie des griechischen Antikendienstes, Athen • Leitung des Projekts: W.-D. Niemeier; Leitung der Untersuchungen an den Lakedaimoniergräbern: J. Stroszeck • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: C. Böschel, C. Graml, S. Neumann, P. Peters, A. Rüth, U. Wenzel, P. Gjumes, E. Foto, J. Papagrigoriou • Abbildungsnachweis: J. Stroszeck (Abb. 1). Kakovatos In diesem Jahr wurden ziemlich genau 100 Jahre nach W. Dörpfeld die archäologischen Arbeiten an der Stätte von Kakovatos in Triphylien wieder aufgenommen. Hier an der Westküste der Peloponnes waren 1907–1908 drei große Kuppelgräber frühmykenischer Zeit (SH II A, ca. frühes 15. Jh. v. Chr.) mit den Überresten ihrer einst prunkvollen Grabbeigaben gefunden worden, die Hinweise auf die regionale Bedeutung dieses Ortes und seine Einbindung in überregionale Netzwerke bieten. Ziel der Arbeiten in Kakovatos ist es, Aufschlüsse über die Wohn- und Siedlungsstrukturen des Ortes in mykenischer Zeit zu gewinnen. Dies betrifft sowohl Ausdehnung und Gestaltung als auch die chronologische Spanne der von Dörpfeld punktuell erschlossenen, allerdings nie veröffentlichten Bebau-
Abb. 2 Kakovatos, der Hügel mit einer bronzezeitlichen Besiedlung und einstmals reich ausgestatten Kuppelgräbern liegt an einer verkehrsgeographisch günstigen Stelle an der Westküste der Peloponnes im Landstrich Triphylien (von Norden) Abb. 3 Kakovatos, das Geländemodell des Hügels mit den heute sichtbaren Strukturen der Bebauung auf der Akropolis (M und N) sowie der Lage der drei Kuppelgräber (von Norden)
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ungsstrukturen auf der sog. Akropolis, die sich südlich über den genannten Gräbern erhebt (Abb. 2). Wohn- und Siedlungsstrukturen der frühmykenischen Zeit sind allgemein kaum bekannt, ebenso wenig wissen wir über deren weitere Entwicklung im Verlauf der mykenischen Palastzeit des 14. Jhs. v. Chr. Die archäologische Erforschung des Siedlungsplatzes von Kakovatos soll außerdem dem weiteren Verständnis der Region Triphylien im Verhältnis zu den Nachbarregionen Elis und Messenien in mykenischer Zeit dienen. Zu Beginn der Feldforschungen in Kakovatos galt es, zunächst eine Bestandsaufnahme des Vorhandenen durchzuführen. Dazu gehörte die Erstellung eines homogenen Festpunktfeldes sowie eines genauen, digitalen Geländemodells, die Vermessung aller oberf lächlich sichtbaren, archäologischen Strukturen und die geographische Erfassung und Kartierung von Surveyfunden. Die Ergebnisse der geodätischen Aufnahme bestehen in einem topographischen Plan des Geländes von Kakovatos und seiner Umgebung als auch in einem Geländemodell der archäologischen Zone (Abb. 3). Aufgabe der geophysikalischen Untersuchung war es, Relikte oder Hinweise auf Bebauung zu finden und die Ausdehnung der von Dörpfeld 1907– 1908 angelegten Grabungsf lächen zu lokalisieren. Dabei kam auf der gesamten Fläche der archäologischen Zone zunächst die Geomagnetik zum Einsatz, deren Befunde dann in Teilbereichen mit geoelektrischen Tomographieschnitten und geoelektrischer Kartierung sowie geoelektrischer 3D-Tomographie weiter vertieft wurden. Der Einsatz von Bodenradar erwies sich für den sandig-mergeligen Untergrund in Kakovatos als ungeeignet. Die Auswertung der geophysikalischen Messungen legt nahe, dass sich Reste antiker Baustrukturen vor allem auf der Akropolis von Kakovatos konzentrieren, wo entsprechende Anomalien vor allem im Westen des Plateaus zu beobachten sind. Hier liegen auch die bereits von Dörpfeld wenigstens teilweise ausgegrabenen Mauerzüge M und N. Im Osten der Akropolis und in der Senke sind keine zusätzlichen Strukturen aufgefallen, die mit antiker Bebauung in Zusammenhang zu bringen sind. Die archäologische Arbeit konzentrierte sich auf die Dokumentation der sichtbaren gebauten Strukturen und die systematische Begehung des Geländes der Akropolis und ihrer Umgebung. Die Mauerstrukturen M und N auf der Akropolis wurden oberf lächlich gereinigt, vermessen, photogrammetrisch aufgenommen und dokumentiert (Abb. 4). Allgemein stehen die Ergebnisse der Geophysik im Einklang mit dem Fundauf kommen auf dem gesamten Hügel und seiner unmittelbaren Umgebung, wo sich Funde mehrheitlich im Westen des Akropolisplateaus konzentrieren.
Abb. 4 Kakovatos, Mauerecke N an der Westseite der Akropolis (von Westen)
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Das Fundmaterial scheint nach der Einschätzung der charakteristischen Scherben einen langen Horizont zu umfassen, der von den Perioden der Mittelbronzezeit in der 1. Hälfte des 2. Jts. v. Chr. über die frühmykenische Zeit bis in die frühe mykenische Palastzeit (SH III A, 14. Jh. v. Chr.) reicht. Dieses erste und vorläufige Ergebnis deutet auf eine vergleichsweise lange Benutzungszeit der Akropolis von Kakovatos. Damit ist ein chronologisch deutlich weiteres Spektrum als jenes erschlossen, das die Kuppelgräber von Kakovatos nach dem bisherigen Kenntnisstand abzudecken scheinen. Kooperationspartner: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Projektträger); 7. Ephorie des griechischen Antikendienstes, Olympia • Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: B. Eder • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: S. Bocher, A. Grubert, B. Horejs, C. Hübner, C. Kurtze, P. Moutzouridis, K. Nikolentzos, M. Bergner, T. Fuhrmann, J. Huber, M. Kapfer, A. Kleineberg, C. Schwall • Abbildungsnachweis: B. Eder (Abb. 2. 4); C. Kurtze (Abb. 3). Kalapodi (Abai) Im beim heutigen Dorf Kalapodi Phthiotidas gelegenen Orakelheiligtum des Apollon von Abai wurden im Rahmen des Forschungsclusters 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual. Kontinuität und Veränderung« des DAI die Grabungen im Bereich der Südtempel fortgesetzt. Die Hausnahme und Deponierung in einem Schutzbau des in klassischer Zeit in die Ruine der Cella des archaischen, 480 v. Chr. von den Persern zerstörten Tempels errichteten Einbaus ermöglichte die Untersuchung des sog. Adyton des spätgeometrischen bis früharchaischen Südtempels und des auf ihn folgenden provisorischen Heiligtums. Das ›Adyton‹ hatte drei Bauphasen. Die erste Phase, ein nach Osten offener, im Grundriss Pi-förmiger Bau, von dem nur das Fundament aus rechteckigen, sorgfältig gearbeiteten Süßwasserkalksteinblöcken erhalten ist, bildete einen Bestandteil des spätgeometrischen bis früharchaischen Südtempels. Möglicherweise war dieser Bau der Sitz des Orakels. Direkt vor der offenen Seite wurde eine aus einem Block gearbeitete Säulenbasis aus Süßwasserkalkstein gefunden, die aus einem quaderförmigen Unterteil und einem achteckig facettierten Oberteil bestand, auf dem eine sicherlich ebenso facettierte Holzsäule stand (Abb. 5). Diese Facettierung ist
Abb. 5 Kalapodi, Säulenbasis im Zentrum des spätgeometrischen bis früharchaischen Südtempels vor dem Adyton (von Osten)
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Abb. 6 Kalapodi, Bronzeanhänger in Gestalt eines Widders (um 700 v. Chr.). Gefunden unter der Säulenbasis (vgl. Abb. 5)
Abb. 7 Kalapodi, geometrischer Südtempel. Plan mit Lage der Votive (2007–2009)
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nach N. Hellner als frühe Gestaltungsidee in der Entwicklung hin zur kannelierten dorischen Säule zu verstehen. In der Baugrube der Säulenbasis hatte man vor deren Versatz ein Opferfeuer entzündet und in dieses Votive – bronzene Anhänger in Gestalt eines Widders (Abb. 6) und eines Vogels – geworfen. Nachdem der Steinmetz die Basis mit einem eisernen Meißel geglättet hatte, legte er daneben diesen und einen Vogelanhänger nieder. Als man nach der Zerstörung des spätgeometrischen bis früharchaischen Südtempels das provisorische Heiligtum anlegte, um die Aufrechterhaltung des Kultes und des Orakels bis zur Errichtung eines neuen Tempels zu sichern, baute man das ›Adyton‹ mit Lehmziegeln auf den alten Fundamenten wieder auf, als im Freien stehenden kleinen Bau, der nun auch eine Mauer im Osten aufwies, durch die eine Tür in das Innere führte. In der dritten Phase, während der Aufschüttung der Terrasse für den archaischen Südtempel, hielt man das ›Adyton‹ so lange wie möglich offen, wie die schrägen Anschüttungen der Füllerde zeigen. Im geometrischen Südtempel, der unter dem spätgeometrischen bis früharchaischen Tempel liegt und für dessen Erbauung niedergelegt und rituell bestattet wurde, waren bereits in den vergangenen beiden Jahren zahlreiche Votive zu Tage gekommen (Abb. 7). Nun kam weiter westlich ein interessanter Befund hinzu (Abb. 7. 8): eine einzigartige Waffenweihung aus zwölf eisernen Griffzungenschwertern des Typs Naue II – sechs mit der Spitze nach Westen, sechs mit der Spitze nach Osten –, fünf eisernen Lanzenspitzen, einem bronzenen Schildbuckel, einer großen Bronzenadel und einem verkohlten hölzernen Bogen. Diese Waffen waren als Tropaion vor der Nordwand des Tempels aufgestellt gewesen und beim Einsturz der Nordwand herabgefallen. Westlich des Südtempels wurde ein neues Grabungsareal in Angriff genommen, um die hier in den vergangenen Jahren angetroffene klassische
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Abb. 8 Kalapodi, Waffenweihung (Tropaion) innen vor der Nordwand des geometrischen Südtempels
Bronzegießerei vollständig freizulegen, ebenso das archaische Gelände westlich der Westfront des archaischen Südtempels mit seiner zweiten Rampe. Erreicht wurden zunächst hellenistische bis byzantinische Schichten. Aus hellenistischer Zeit stammen die Reste eines in 7,00 m Länge und 2,50 m Breite erhaltenen Bodens aus Kalksplitt, in den mehrere kreisförmige Gruben, wohl zur Aufnahme von Pithoi zur Vorratshaltung, eingetieft waren. Drei Mauerzüge und eine ausgeraubte Mauer belegen die Existenz eines Großgebäudes der römischen Kaiserzeit. In frühbyzantinischer Zeit wurde dieses Gebäude teils ausgeraubt, teils wieder errichtet und für Wohn- und Werkstattzwecke genutzt. Zu dieser Phase gehören die Überreste eines aus Lehmziegeln und gebrannten Ziegeln erbauten Töpferofens. Zur Vorbereitung der Untersuchung und Bergung des 2007–2008 in Sturzlage angetroffenen Westgiebels des archaischen Südtempels wurde eine stereoskopische Photogrammetrie für ein 3D-Modell durchgeführt. Kooperationspartner: 14. Ephorie des griechischen Antikendienstes, Lamia; Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (K. Sporn); Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (U. Hassler) • Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: W.-D. Niemeier • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: H. Birk, D. Grigoropoulos, A. Felsch-Klotz, R. Felsch, G. Lini, N. Hellner, J.-M. Henke, G. Klebinder-Gaus, S. Langenberg, B. Niemeier, L. C. Rizzotto, M. Sauerbier, Ch. Vaporakis, Studierende der Universitäten Freiburg und Hamburg • Abbildungsnachweis: W.-D. Niemeier (Abb. 5. 6. 8); Zeichnung, H. Birk, B. Niemeier (Abb. 7). Kleonai Die Untersuchung der ca. 25 km südlich von Korinth gelegenen antiken Polis Kleonai wurde in diesem Jahr mit Feldkampagnen in der Umgebung der Stadt fortgesetzt. Ziel des Projekts und eines 2008 vorausgegangenen Pilotprojekts war zunächst die Klärung der Frage, ob Feldstudien außerhalb der archäologischen Schutzzone trotz der sehr intensiven landwirtschaftlichen Nutzung noch sinnvoll sind. Erfreulicherweise zeigte sich aber schon im vergangenen Jahr, dass noch genügend archäologische Quellen vorhanden sind. Ein weiteres Ziel war es, einen Einblick in die Besiedlungsstruktur des Tales von Kleonai zu gewinnen, um damit der Ephorie Informationen zur Koordination des Schutzes von Bodendenkmälern geben zu können. Dazu wurden von einem griechischen Mitarbeiter des Projekts die Ortsakten der Ephorie ausgewertet, die so identifizierten Are-
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Abb. 9 Kleonai, eines der Säulenfragmente eines hellenistischen (?) Gebäudes, vielleicht eines Heiligtums, das von Bauern mit Maschinen in ein Flussbett abgeschoben wurde
ale anschließend durch Teams gezielt aufgesucht und durch weitere Feldbegehungen verdichtet und ausgeweitet. Auf diese Weise konnten 2009 zahlreiche neue Fundstellen kartiert werden, die bereits jetzt einen ersten Einblick in die Besiedlungsgeschichte des Tals ermöglichen. So wurden im Fundort ›Daliani‹, östlich Aghios Basilios gelegen, am Rande einer antiken Streusiedlung punktuelle Konzentrationen sehr gut erhaltener früher Keramikfragmente festgestellt, hinzu kommen weitere Altfunde geometrischer Keramik, so dass sich hier ein frühes Siedlungszentrum abzeichnet. Ein Beispiel für klassische/hellenistische Befunde ist der gezielten Begehung eines Areals am Bahnübergang von Aghios Basilios zu verdanken, von hier stammte die Fundmeldung eines hellenistischen Mosaiks. In der Tat zeigte sich eine Konzentration von Gebrauchskeramik und Dachziegeln, so dass hier tatsächlich von einem größeren Gebäude(komplex) auszugehen ist. Ein bedeutender Fundplatz mit Resten großdimensionierter hellenistischer (?) Architektur wurde westlich von Aghios Basilios gefunden. Einige der Säulenfragmente (Abb. 9) waren von dem Feldbesitzer erst vor kurzer Zeit in ein Flussbett abgeschoben worden. Im umzäunten Feld wurden deutliche Scherbenkonzentrationen sowie eine weitere Säulentrommel dokumentiert. Gerade dieser Fundplatz, der wohl als ein weiteres bedeutendes extramurales Heiligtum zu interpretieren ist, zeigt die Bedeutung der Kampagne für den Schutz der Bodendenkmäler. Aber auch im unmittelbaren Bereich vor der Stadt konnten neue Befunde dokumentiert werden. Hierzu gehört ein gestörtes Grab, das aus Spolien, dem Grabstein eines [Ar]istokrito[s] und zwei zusammenpassenden Fragmenten der Kassettenplatte einer (Grab?)Ädikula (Abb. 10), errichtet worden war. Außerdem konnten im Zuge der Kampagne erstmals auch Teile der Stadtmauer im Osten und Norden der Stadt mit den Fundamentlagen eines Turmes dokumentiert werden (Abb. 11). Aus der Spätantike und der (früh)byzantinischen Zeit stammen einige Gehöfte, die durch Keramikfunde und Dachziegelfragmente angezeigt wurden. Obgleich die Fundkeramik noch nicht ausgewertet werden konnte und auch die Erstellung einer analytischen Karte erst in den nächsten Monaten erfolgen wird, ist schon durch die wenigen aufgeführten Beispiele und
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Abb. 10 Kleonai, in einem Grab unmittelbar vor der Stadtmauer wieder verwendete Kassettendecke einer (Grab-?) Ädikula Abb. 11 Kleonai, Fundamentlage der rechten Wand eines Turmes der Stadtmauer. Bereiche der Stadtmauern konnten bei Feldbegehungen dokumentiert werden, weil hier zuvor von Bauern gerodet worden war 11
im Zusammenhang mit bekannten Fundplätzen, z. B. der spätantiken Villa bei Chani Anesti oder einer byzantinischen Villa östlich der antiken Stadt, deutlich, dass eine chronologische Verteilung von Aktivitätsschwerpunkten auch kleinräumig durchaus möglich ist. Auf diese Weise ergibt sich, freilich bislang noch in Ansätzen, eine Gliederung der Chora von Kleonai. Der wissenschaftliche Gewinn der diesjährigen Kampagne ist also deutlich. Wie gehofft ist damit auch ein Ausbau des Schutzes von Bodendenkmälern möglich. Aber auch die Erforschung des Stadtgebietes von Kleonai bleibt weiterhin von hohem, wissenschaftlichem Interesse. Angesichts der Tatsache, dass Kleonai die Ausrichterin der panhellenischen Spiele von Nemea war, ist leider zu konstatieren, dass über die Urbanistik, die Stadtgeschichte und die politische Gliederung der Polis trotz der langen und erfolgreichen Kooperation des DAI mit der Ephorie immer noch kaum etwas bekannt ist. Hier sollen die Forschungen fortgesetzt werden. Kooperationspartner: Philipps-Universität Marburg (Projektträger); 37. Ephorie des griechischen Antikendienstes, Korinth • Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: T. Mattern, K. Kissas • Mitarbeiter: G. Giannakopoulos, V. Grieb • Abbildungsnachweis: T. Mattern (Abb. 9–11). Olympia Im Zeusheiligtum von Olympia konzentrierten sich die Feldarbeiten auf die Fortsetzung der Ausgrabung im Südosten und der geophysikalischen Prospektion im Bereich des antiken Hippodroms.
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Abb. 12 Olympia, Q 08.2. Erweiterung zum Südostkomplex
Abb. 13 Olympia, Bronzekessel mit korinthischem Helm
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Beim sog. Südostkomplex wurde die Grabung von Q 08.2 bis zur erhaltenen Außenmauer erweitert. Es zeigte sich, dass die antiken Schichten in unmittelbarer Nähe zur Mauer gut erhalten, also nicht vom Fluss fortgeschwemmt worden waren und sich in zunehmender Tiefe weiter nach Osten ausdehnten, wobei ihr Gefälle eine Art Uferböschung andeutet. Die Mauer besteht aus groben Kalksteinen und größeren Flusskieseln und lässt mehrere Bauphasen erkennen (Abb. 12). In einer Tiefe von ca. 2 m unter der Geländeoberf läche musste die Grabung wegen des in diesem Jahr ungewöhnlich hohen Grundwasserstandes eingestellt werden. Die Funde von Scherben und Metallobjekten zeigen jedoch, dass der natürliche Boden noch nicht erreicht ist. Möglicherweise gibt es in der Nordhälfte der Sondage einen verfüllten antiken Erdbrunnen, denn hier lag unter einer fast kompletten spätarchaischen Tonkylix ein vollständiger Bronzekessel von ca. 0,50 m Durchmesser mit nach unten gekehrter Mündung. In dem Kessel kam bei der späteren Restaurierung ein korinthischer Helm aus Bronze mit intentionell verbogenem Wangenschutz zum Vorschein (Abb. 13). In der Sondage Q 08.3 enthielten die ins 5. Jh. v. Chr. datierbaren Schichten neben Scherben von Fein- und Grobkeramik wie im Vorjahr viele Knochen und Dachziegelfragmente mit Brandspuren sowie Metallgegenstände. Der Schutt bedeckte eine große, f lache beckenartige Vertiefung, deren Wandung mit Ziegelstücken verstärkt und mit einem kalkhaltigen rötlichen Mörtel überzogen war. Es handelt sich sichtlich nicht um eine Installation im Rahmen des Kultes. Denkbar ist ein Zusammenhang mit Baumaßnahmen, vielleicht aber auch im Rahmen einer Töpferei (Abb. 14). Eine Untersuchung des sog. spätantiken Zeusaltars westlich vor der Echohalle sollte die Datierung und Zweckbestimmung des Bauwerks klären. Da hier die früheren Grabungen bis zum gewachsenen Boden hinabgeführt worden waren, ließen sich jedoch keine sicheren Ergebnisse erzielen. Bei der geophysikalischen Untersuchung des Geländes südlich und östlich des Stadions wurde ergänzend zu den bisher angewandten Verfahren in diesem Jahr Geoelektrik eingesetzt. Die erkennbaren Strukturen sind auch diesmal nicht sicher mit antiken Resten zu verbinden. Zur Verifizierung der bisherigen Ergebnisse wurde an fünf Stellen über den im Vorjahr festgestellten linearen Anomalien sondiert. Da sich lediglich unterschiedliche, natür-
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Abb. 14 Olympia, Q 08.3. Becken
liche Erd- und Kiesschichten abzeichneten, bleibt nach wie vor die genaue Lage und Gestalt des Hippodroms ungewiss. Südlich des Leonidaion, wo man nach einem Hinweis von Pausanias die Agora vermutet, wurden weitere geoelektrische Profile gemessen. Es ergaben sich geringe Hinweise auf antike Baureste, deren Natur noch zu klären ist. Weitere Spuren von Gebäuden zeichneten sich am Kronoshügel nordöstlich des Gymnasiums ab. In diesem Jahr konnte mit einem weiteren Restaurierungsprojekt begonnen werden, der Wiedererrichtung der Nordsäule des Ptolemäerweihgeschenks vor der Echohalle. Neben der Erstellung fachlicher Gutachten wurden erste Proben zur Steinreinigung durchgeführt und Gipsabgüsse von Bruchf lächen der Marmortrommeln angefertigt. Ebenso begannen in Olympia und seiner Umgebung die Mitglieder der Arbeitsgruppe »Olympia und seine Umwelt« mit der Analyse der antiken Siedlungsstruktur, wichtiger Kommunikationswege und der Suche nach Erfolg versprechenden geologischen Sedimentformationen, die als ›Archive‹ der landschaftlichen Veränderungen in historischen Zeiträumen in Zukunft genauer untersucht werden können. Kooperationspartner: 7. Ephorie des griechischen Antikendienstes, Olympia; Deutsches Sport & Olympia Museum, Köln • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung; Pestalozzi-Stiftung; Leventis-Stiftung; Kulturstiftung der Fa. Kärcher; HRH Prinzessin Haya Bint Al Hussein, Fédération Equestre Internationale; Institut für Sportwissenschaft der Johannes-GutenbergUniversität Mainz • Leitung des Projekts: G. Chatzi, R. Senff • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Bentz, H. Born, A. Endrigkeit, K. Fuchs, H. Giannoulopoulos, Giese, Grubert, Hübner GbR, A. Gutsfeld, J. Hein, A. Hennemeyer, K. Herrmann, G. Höfig, W. Koenigs, H. KoenigsPhilipp, S. Lehmann, Ch. Leypold, J. Mätzschker, D. Mohr, S. Nettekoven, J. Schilbach, Ch. Schuhmann, U. Schulz, A. Sieverling, F. Thieme, Studierende der Sportwissenschaft der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz • Abbildungsnachweis: Archiv der Olympiagrabung (Abb. 12. 14); H. Born (Abb. 13).
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Abb. 15 Samos, Heraion. Fragment von Plinthe und Füßen einer kyprischen Kalksteinkore (7. Jh. v. Chr.)
Abb. 16 Samos, Heraion. Überreste von frühbronzezeitlichen (unten) und kaiserzeitlich-römischen (oben) Häusern
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Samos, Heraion Im Heiligtum der Hera auf Samos, einer der bedeutendsten Kultstätten des antiken Ionien, in der die Abteilung Athen seit 1923 forscht, wurden nach zehnjähriger Unterbrechung die Grabungen wieder aufgenommen. Das neue Forschungsprogramm hat zwei Untersuchungsschwerpunkte: 1. die dem Heiligtum vorausgegangene frühbronzezeitliche Siedlung, 2. die Ursprünge des Heiligtums. 1. Die frühbronzezeitliche Siedlung des 3. Jts. v. Chr. gehört zu den protourbanen Siedlungen dieser Zeit in der östlichen Ägäis wie Troia, Poliochni auf Lemnos und Thermi auf Lesbos. Überreste von ihr wurden immer wieder bei den Grabungen im Heraion angetroffen, aber leider nur z. T. publiziert. Neben der Auswertung aller Informationen zu diesen älteren Grabungen umfasst das Forschungsprogramm auch geophysikalische Untersuchungen und neue Grabungen. Nach einer geophysikalischen Untersuchung des gesamten Geländes wurden die Grabungen nördlich im Anschluss an das Areal nördlich der Heiligen Straße begonnen, in dem 1980/1981 überraschenderweise Überreste der frühbronzezeitlichen Siedlung zu Tage gekommen waren, die demnach viel größer gewesen sein muss als ursprünglich angenommen. In dem 60 m 2 großen Areal fanden sich in den vier Siedlungsschichten der späteren römischen Kaiserzeit neben wenigen Mauerresten vor allem Schutt, der auch ältere Objekte enthielt, darunter das Fragment von Plinthe und Füßen einer zyprischen Kalksteinkore des 7. Jhs. v. Chr. – eine der größten Weihgaben dieser Art am Heraheiligtum (Abb. 15). Von den darunter folgenden, bisher zwei Schichten der Frühen Bronzezeit II-früh (ca. 2750–2550/2500 v. Chr.), enthielt die obere die Ostmauer eines Nordwest-Südost gerichteten Trapezhauses sowie ein aus mindestens zwei Räumen bestehendes, West-Ost orientiertes Rechteckhaus (erhaltene L 12,00 m), in dem Keramik auf Kieselfußböden, Koch- und Mahleinrichtungen sowie Speichergefäße zu Tage kamen (Abb. 16). Eine Terrasse aus rotem Lehm, auf der die genannten Bauten errichtet wurden, bildete die ältere Schicht. Diese Terrassierung diente zum Schutz der Erweiterung der Siedlung nach Norden vor dem Hochwasser des Imbrasos-Flusses. 2. Die nach 1963 und 1984 dritte Freilegung des sog. Kultbaumes, eines im zum Altar 3 der 2. Hälfte des 8. Jhs. v. Chr. gehörigen Pf lasters angetrof-
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Abb. 17 Samos, Heraion. Im Vordergrund der wieder ausgegrabene Teil des Pflasters von Altar 3 mit dem ›Kultbaum‹, im Hintergrund die einzige noch aufrecht stehende Säule des polykratischen Tempels Abb. 18 Samos, Heraion. Bronzestatuette eines Mannes mit Hund (neubabylonisch) 17
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fenen, kontrovers diskutierten Baumstumpfes (Abb. 17), zeigte, dass weder H. Walter, nach dem er der Überrest eines die Kernzelle des Heiligtums bildenden bronzezeitlichen Kultbaums war, noch H. Kienast, der hier ein zufälliges Wachstum des Baumes in archaischer Zeit annahm, Recht hatten. Der Baumstumpf stammt von keinem an dieser Stelle gewachsenen Baum, da er keine Wurzeln mehr besitzt, sondern stattdessen auf der Unterseite Hackspuren aufweist. Er wurde also schon als Stumpf hier deponiert. Man denkt unweigerlich daran, dass das Kultbild der Samischen Hera nach Clemens von Alexandria (2. Jh. n. Chr.) ursprünglich eine Holzbohle war. Pausanias 8, 17, 2 nennt Wacholder als ein in der Frühzeit für Götterstatuen verwendetes Holz. Unter dem Baumstumpf kam nach seiner vorübergehenden Herausnahme ein Pf laster aus f lachen Kalksteinplatten zu Tage, auf dem konische Tonnäpfe kretisch-minoischen Typs mit der Mündung nach unten gesetzt waren – ein aus minoischen Heiligtümern auf Kreta bekannter Befund. Wie das Athenaheiligtum in Milet war also auch das Heraheiligtum auf Samos minoischen Ursprungs. In einem östlich des großen Altars gegrabenen Quadrat kam ein in Zusammenhang mit der Errichtung des sog. Rhoikos-Altars um 560 v. Chr. entstandenes Werkzollband aus Kalksplitt zu Tage, in dem zahlreiche Votive lagen, die wohl einst an den dem ›Rhoikos-Altar‹ vorausgegangenen frühen Altären standen: Terrakotta-, Kalkstein- und Fayencefigurinen sowie Bronzen aus Griechenland, Zypern und dem Vorderen Orient, wie z. B. die babylonische Bronzestatuette eines bärtigen Mannes mit Hund (Abb. 18). Darunter folgten Schwemmschichten des Imbrasos und drei bronzezeitliche Pf lasterungen ohne nennenswerte Funde. Kooperationspartner: 21. Ephorie des griechischen Antikendienstes, Athen/Samos; Universität Zypern (Ou. Kouka); Università degli Studi di Udine (E. Borgna); Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (H. Stümpel) • Leitung des Projekts: W.-D. Niemeier • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. E. Alberti, H. Birk, N. Hellner, Ch. Klein, B. Niemeier, I. Papagrigoriou, L. C. Rizzotto, Studierende der Universitäten Nikosia, Udine, Freiburg, Berlin und Kiel • Abbildungsnachweis: W.-D. Niemeier (Abb. 15. 17. 18); Ou. Kouka (Abb. 16).
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Abb. 19 Tiryns, Fundbereiche von Wandmalereien im Bereich der Westtreppe der Tirynther Akropolis
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Tiryns Unter den Palästen der mykenischen Kultur stellt die Anlage von Tiryns den wohl konsequentesten und am weitesten entwickelten baulichen Ausdruck der Konzepte und Ideen dar, die der Gestaltung dieser Herrschaftsorte des 13. Jhs. v. Chr. zugrunde liegen. So ist es ein besonderer Glücksfall, wenn Neufunde, wie z. B. zwischen 1999 und 2001 im Bereich der Westtreppe durch den griechischen Antikendienst geborgene Wandmalereifragmente, unser Bild des von H. Schliemann ausgegrabenen Tirynther Palastes über ein Jahrhundert nach dessen Aufdeckung weiter ergänzen. Die seit 2006 im Rahmen des Projekts »Bildräume und Raumbilder. Mykenische Paläste als performativer Raum« im Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI durchgeführte Restaurierung dieser neuen Wandmalereifunde, die zum gleichen Komplex zu rechnen sind wie die berühmten 1910 gefundenen Fresken (z. B. große Frauenprozession, Jagdfries, Hirschfries, Abb. 19), konnte in diesem Jahr mit dem Abschluss der Anpassungssuche und mit der Einlagerung in einen neu eingerichteten Magazinraum ebenso zu Ende geführt werden wie die digitale Umzeichnung der rund 1 000 Fragmente und Fragmentgruppen. Obschon das eigentliche Studium der Fragmente somit noch am Anfang steht und mit einer Vorstudie 2007 eingeleitete und für Vergleiche wesentliche Arbeiten an dem im Athener Nationalmuseum auf bewahrten Altmaterial erst 2010 in vollem Umfang begonnen
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Abb. 20 Tiryns, kleinformatige Darstellung weiblicher Prozessionsteilnehmer mit Palme und auf dieser sitzendem Vogel
werden können, zeichnen sich bereits heute bedeutsame Ergebnisse des Projekts ab: Zumindest fallweise, so insbesondere bei der großen Frauenprozession, deren Fragmentbestand durch die Neufunde ergänzt wird, ermöglicht die eingehende Betrachtung der Fund- ebenso wie der Überlieferungsumstände im Bereich der Tirynther Akropolis eine plausible Zuweisung der in sekundär verlagertem Schutt gefundenen Malereien zu bestimmten Raumfolgen innerhalb des Palastes und damit in ihren ursprünglichen architektonischen Funktions- und Bedeutungskontext. Neben gängigen Themen wie den nun auch kleinformatig in Tiryns belegten Prozessionsdarstellungen (Abb. 20) ergänzen die Neufunde das bekannte Tirynther Repertoire aber auch um teils sehr seltene Motive, wie z. B. zum einen die Darstellung einer weiblichen Figur, die eine kleinere Figur zu halten scheint und unter Umständen mit einer kleinen Gruppe möglicher Wiedergaben von Figurinen im Wandbild aus Mykene und Tiryns selbst zu verbinden ist. Zum anderen gibt es Darstellungen von Meerestieren, die aus Gefäßen trinken bzw. sie zu halten scheinen, die in den Altfunden mit einem, in den Neufunden mit zwei Exemplaren vertreten sind (Abb. 21). Schließlich ist schon jetzt die herausragende chronologische Bedeutung der Neufunde ersichtlich, die im Grabungskontext klar mit Keramik der Stufe Späthelladisch III B 2 vergesellschaftet waren, wodurch der Großteil der Tirynther Malereien nunmehr klar mit dem letzten Bauzustand des Palastes zu verbinden ist und nicht länger, wie bislang zumeist, als Dokument einer älteren Blütephase gesehen werden kann. Aufgrund stilgeschichtlicher Querverbindungen ist diese Erkenntnis für die gesamte Relativchronologie der mykenischen Wandmalerei von großer Bedeutung. Kooperationspartner: Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Projektträger); 4. Ephorie des griechischen Antikendienstes, Nafplio • Leitung des Projekts: J. Maran, A. Papadimitriou, U. Thaler • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: V. Galanis, A. Makris, K. Bra, G. Papadimitriou, M. Skouteri, B. Konnemann • Abbildungsnachweis: M. Kostoula (Abb. 19. 20); M. Kostoula, B. Konnemann (Abb. 21).
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Abb. 21 Tiryns, Darstellung eines Nautilus, dessen Arme ein Metallgefäß halten (links Original, rechts Umzeichnung)
Die antike Siedlungstopographie Triphyliens Die antike Landschaft Triphylien liegt in der südlichen Elis an der Westküste der Peloponnes. In der vierten Kampagne wurde in den Städten Samikon, Platiana, Lepreon und Vrestos an den Stadtplänen gearbeitet und mit detaillierten Bauaufnahmen begonnen. In Anilio und in Tripiti wurden erste Untersuchungen durchgeführt. In allen Städten wurde die Oberf lächenkeramik beobachtet und einzelne diagnostische Scherben eingesammelt. Geophysikalische Prospektionen fanden nur in Makistos, einer großen Polis im Norden Triphyliens mit relativ wenig oberirdisch sichtbarer Architektur, statt. Die elektrischen Widerstandsmessungen machten ein rechtwinkliges Raster sichtbar, welches einem Straßensystem einer klassischen Polis entsprechen könnte. Deutlich zu erkennen wären demnach eine Hauptstraße und schmalere Nebenstraßen. In Samikon wurden die Stadtplanaufnahmen im M. 1 : 1 000 des Vorjahres überprüft und korrigiert und zusätzlich Bauaufnahmen im M. 1 : 50 durchgeführt. Auf Basis der im Vorjahr angefertigten Aufnahmen eines 3D-Laserscans konnten die Ansichten zweier Türme der Stadtmauer gezeichnet werden. Darüber hinaus wurde Turm 6 östlich der Akropolis in Ansichten und Grundriss mit Hilfe tachymetrischer Aufnahme und Photogram�metrie aufgenommen. Abgesehen von zwei mittelhelladischen Scherben, die unterhalb der Akropolis gefunden wurden, gibt es in Samikon keine Keramik, die älter ist als das 4. Jh. v. Chr. In Platiana wurden die Stadtplanaufnahmen abgeschlossen und mit Bauaufnahmen im M. 1 : 50 begonnen. Neben der Arbeit an der Stadtmauer und ihren Türmen fand eine Untersuchung eines großen öffentlichen Gebäudes, vielleicht das Bouleuterion der Stadt, und des Theaterplateaus statt (Abb. 22). Auch in Platiana kam keine Keramik zu Tage, die älter als das 4. Jh. v. Chr. ist. Samikon und Platiana scheinen Neugründungen des Triphylischen Bundes zu sein. In Lepreon wurden nur Bauaufnahmen im M. 1 : 50 durchgeführt. An einem neuzeitlich in einen Stall umgebauten Torbau an der Westmauer sowie an den zwei nördlichen Türmen der Ostmauer und dem Mauerabschnitt zwischen ihnen wurden Untersuchungen vorgenommen.
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Abb. 22 Die antike Siedlungstopographie Triphyliens, Platiana. Blick auf das Bühnengebäude des Theaters Abb. 23 Die antike Siedlungstopographie Triphyliens, Lepreon. Torbau in der westlichen Stadtmauer
In der antiken Ortschaft bei Vrestos wurden die in der letzten Kampagne begonnenen Arbeiten fortgesetzt. Die fast runde Stadtmauer mit ihren 11 Türmen und alle oberirdisch sichtbare Architektur im inneren Stadtgebiet wurde im M. 1 : 1 000 aufgenommen. Zusätzlich konnte ein Grabmal außerhalb der Stadt verortet werden. Im stark überwachsenen Stadtgebiet fanden sich viel Grobkeramik, sehr wenig feine Ware und das Fragment eines Tongrills. In Anilio begannen die Arbeiten in diesem Jahr an einer burgartigen Anlage oberhalb der modernen Ortschaft. Die von W. Dörpfeld als mykenischer Fürstensitz angesprochene Befestigung ist aber vermutlich wesentlich später zu datieren (Abb. 24). Bei der modernen Ortschaft wurde ein großes Fundament, das vermutlich zu einem Tempel gehört, vom Bewuchs befreit. Das Fundament misst in der gesamten erhaltenen Breite fast 11,00 m. Die ursprüngliche Länge ist nicht erhalten, messbar sind 13,00 m. Das Fundament muss aber wesentlich länger gewesen sein. Die an der Oberf läche beobachtete Keramik reicht von spätarchaischer Zeit bis in den Hellenismus. Kooperationspartner: Labor für Bauaufnahme und Bauforschung der Hochschule RheinMain; 7. Ephorie des griechischen Antikendienstes, Olympia; Lehrstuhl für Vermessungskunde der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (K. Heine, R. Haberland); Institut für Archäologie des Mittelmeerraumes der Universität Bern (D. Jordan) • Förderung: DFG-
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Abb. 24 Die antike Siedlungstopographie Triphyliens, Anilio. Mauerzug der Oberburg
Schwerpunktprogramm 1209 »Die hellenistische Polis als Lebensform. Urbane Strukturen und bürgerliche Identität zwischen Tradition und Wandel« • Leitung des Projekts: G. Chatzi, J. Heiden, C. Rohn • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: S. Bocher, J. Mätzschker, E. Richter, Studierende der Universitäten Rostock und Cottbus sowie der Hochschule RheinMain • Abbildungsnachweis: Archiv des Triphylienprojekts (Abb. 22–24). Osrhoene/Südwest-Kommagene in der Spätantike (Türkei) Die antike Landschaft Osrhoene erstreckt sich zwischen Euphrat und Habur im nördlichen Mesopotamien auf dem Gebiet der heutigen Türkei und Syriens. Trotz der kulturgeschichtlichen Bedeutung, die jenem Areal aufgrund der Lage am Schnittpunkt zwischen römisch-byzantinischer und parthisch-sassanidischer Interessenssphäre zukommt, ist die antike Landschaft Osrhoene bislang nur wenig erforscht. Das Projekt versucht, durch Bauaufnahmen, Siedlungskartierungen und Betrachtung der naturräumlichen Faktoren die Entwicklung Osrhoenes zwischen Kaiserzeit und Spätantike zu erforschen, wobei der Schwerpunkt der Untersuchung auf dem nördlichen Teil dieser antiken Landschaft bzw. der Grenzregion zum antiken Kommagene liegt. Nachdem im Bereich östlich des türkischen Euphratbogens zwischen Birecik und Üanlıurfa, dem antiken Edessa, in den vergangenen Jahren erste Feldforschungsarbeiten durchgeführt werden konnten, richtete sich der Schwerpunkt der diesjährigen Kampagne auf den Bereich des westlichen Euphratufers nördlich von Zeugma. Es erfolgte die ausführliche Dokumentation einer Kirche in Ehneş/Gümüşgün, die in einem der Seitentäler des Euphrats südlich von Rumkale liegt (Abb. 25. 26). Es handelt sich um einen aus großformatigen Kalksteinquadern gefügten Bau mit überwölbtem Sanktuarium, der in Teilen (komplette Nordmauer, tonnenüberwölbter Teil des Sanktuariums) noch sehr gut erhalten ist. Insbesondere wegen seiner syrischen Inschriften, von denen die ältesten in das 8. Jh. n. Chr. datiert werden können (Abb. 27), war das Gebäude bereits Gegenstand epigraphischer Forschung; eine archäologisch-bauhistorische
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26 Abb. 25 Osrhoene/Südwest-Kommagene in der Spätantike (Türkei), Kirche in Ehneş/ Gümüşgün. Ansicht von Südosten Abb. 26 Osrhoene/Südwest-Kommagene in der Spätantike (Türkei), Kirche in Ehneş/ Gümüşgün. Blick von Osten auf das Sanktuarium
Abb. 27 Osrhoene/Südwest-Kommagene in der Spätantike (Türkei), Kirche in Ehneş/ Gümüşgün. Syrische Inschrift aus dem 8. Jh. n. Chr. Auszüge aus verschiedenen Psalmen 27
Untersuchung erfolgte bislang nicht. Bei den Arbeiten galt es deswegen zum einen zu klären, ob die Inschrift aus der Bauzeit des Gebäudes stammt oder zu einem späteren Zeitpunkt auf eine bereits existierende Kirche angebracht worden ist, wofür einige Gründe zu sprechen scheinen. Zum anderen wird die Analyse der Bauornamentik, der Typologie und der Bautechnik Hinweise darauf geben können, ob sich die kulturgeschichtlichen Entwicklungslinien zwischen Osrhoene und Kommagene unterscheiden, was insbesondere für die Frage nach einer geschlossenen Kulturlandschaft Osrhoenes von Wichtigkeit sein wird. Kooperationspartner: Zeugma Archaeological Project (K. Görkay); Institut für Baugeschichte, Fakultät für Architektur des Karlsruher Instituts für Technologie (D. Roos); İstanbul Teknik Üniversitesi (T. Saner); Oriental Institute, University of Oxford (D. Taylor) • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung • Leitung des Projekts: P. Baumeister • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: J. Krauel, N. Koch • Abbildungsnachweis: P. Baumeister (Abb. 25–27).
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Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vorträge 21. Januar Gabriella Lini (Rom), The Peninsula of Knidos in the Byzantine Period. The Topographical Evolution of the City and its Territory 27. Januar François Bertemes (Halle), Minoer in Kleinasien – Tavşan Adası im Spannungsfeld zwischen Kreta und Anatolien 18. Februar Elina Kardamaki (Athen), »III B or not III B?« Bemalte mykenische Keramik aus dem Zerstörungshorizont in der Westtreppe von Tiryns 24. März Birgitta Eder (Freiburg), Olympia und Elis und die Transformation der mykenischen Welt 26. März Maria Gkikaki (Würzburg), Frauenfrisuren auf spätklassischen und frühhellenistischen Münzen 30. März Sebastian Prignitz (Berlin), δαπναι κα ναλματα. Die Bauinschrift des Asklepieions von Epidauros (IG IV² 1, 102) und seine Datierung 9. April Amelia Robertson Brown (Athen), A New Isis-Tyche from Malta and Ancient Mediterranean Maritime Goddesses 23. April Alexandra Alexandridou (Athen), Funerary Cults over Offering Trenches. The Case of the North Necropolis of Vari 15. Mai Frank Bernstein (Frankfurt a. M.), Frieden stiften in der Antike. Vergessen als politische Option 27. Mai Konstantina Katsari (Athen/Leicester), Roman Monetary System 12. November Ulrich Thaler (Athen), Hinein und Herum. Wege in mykenische(n) Palastmegara. Am 22. Mai hielt Helmut Kyrieleis (Berlin) den diesjährigen Sommerfestvortrag zu »Der Orient und die frühgriechische Kunst«. Im Anschluss wurde auf der Institutsterrasse zum Sommerfest geladen. Am 4. Dezember fand die Winckelmannfeier statt. Nach dem Jahresbericht des Ersten Direktors Wolf-Dietrich Niemeier hielt Iris Gerlach (Sana’a) den Festvortrag über »Südarabien in vorislamischer Zeit. Forschungen des Deutschen Archäologischen Instituts im Reich von Saba ( Jemen)«. Kolloquien 26. bis 29. März Internationales Kolloquium »Corinthia and the Northeast Peloponnesus. Topography and History from Prehistoric Times until the End of Antiquity« in Loutraki (in Zusammenarbeit mit der 37. Ephorie des griechischen Antikendienstes, Korinth, der American School of Classical Studies at Athens und der Philipps-Universität Marburg; Organisation: Konstantinos Kissas [Korinth], Wolf-Dietrich Niemeier [Athen], Jack Davis [Athen], Torsten Mattern [Marburg], Abb. 28). – Es sprachen: Konstantinos Kissas (Korinth), The Organization, Operation and Work of the Cor inth Ephorate of Antiquities; Charles K. Williams II (Athen), Pausanias in the Theater District of Corinth; Stavros Oikonomidis (Athen), Transport, Passages and Communication in Neolithic Corinth; Ioulia Tzonou-Herbst (Athen), The Coastal Corinthian Plain in the Mycenaean Period; Panagiota Kassime (Korinth), An Early Mycenaean Tholos Tomb in Ancient Corinth; Jeannette Marchand (Dayton) – Ioulia Tzonou-Herbst (Athen), Results of the Dorati Survey, a Surface and Geophysical Survey at a Bronze Age Site in the Corinthia; Chris Hayward (Edinburgh), Stone Exploitation and Landscape Alteration in Corinthia and Sikyonia; Rune Frederiksen (Athen), Topo graphical Implications of the 7th Century BC City Wall of Corinth; Amalia Giannopoulou (Korinth) – Vivi Evaggeloglou (Korinth) – Elena Maragoudaki (Korinth) – Christina Pipilou (Korinth), Archaic Cemetery in the Area North of Ancient Corinth; Nancy Bookidis (Athen), Acrokorinth. The North Slope; Olga Zolotnikova (Cyprus), The Cult Places of Zeus in the NorthEast Peloponnesos in the Early Iron Age – Late Archaic Period; Panag iota
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Kassime (Korinth) – Vasilis Tassinos (Korinth), The Ancient Cemetery at Anapnoa; Ronald Stroud (Berkeley), Xenophon and the Topography of the Corinthia; Alastar H. Jackson (Manchester), Mummius Battle 146 BC; David Gilman Romano (Philadelphia), Roman Colonies in the Corinthian Landscape; Panagiota Meleti (Korinth), Early Christian Cemetery at Ancient Corinth; Guy D. R. Sanders (Athen), Corinth in Late Antiquity; Eleni Balomenou (Korinth), Following the Traces of an Early Helladic Cemetery (?) at Schoinos; Richard Tomlinson (Birmingham), The Circular Building at the Heraion Perachora; Zoe Aslamatzidou-Kostourou (Patras), A Roman Villa of Katounistra at Loutraki; Despoina Koutsoumba (Athen) – Yannis Nakas (Athen), The Diolcos. A Significant Technical Achievement of Antiquity; Hans Lohman (Bochum), The So-Called Diolcos; An Ancient Slipway?; Daniel J. Pullen (Tallahassee) – Thomas F. Tartaron (Philadelphia), Korfos – Kalamianos. A Mycenaean Harbor on the Saronic Coast of the Cor inthia; Eleni Balomenou (Korinth) – Vasilis Tassinos (Korinth) – Panagiota Kassime (Korinth), Mycenaean Activity in Northeast Corinthia. New Evidence from Coastal and Inland Areas; Catherine Morgan (Athen), The Late Bronze Age – Early Iron Age at the Isthmian Sanctuary; Vasilis Tassinos (Korinth), Ancient Cromna; Frederick Hemans (Wichita), In Search of the Hippodrome at Isthmia; Elizabeth R. Gebhard (Chicago), Pausanias. Myth and Topography at the Isthmus; Timothy Gregory (Columbus), The Sanctuary of Poseidon and the Broader Isthmus at the End of Antiquity; Elena Korka (Athen), Excavation and Research Conducted by the Ministry of Culture in Association with the ASCSA concerning the Roman Cemetery at Rachi Koutsogila of Kenchreai; Joseph L. Rife (Nashville), Kenchreai during the Roman Era; Dimitris Chatziangelou (Athen), The Cave of Klenia; Elena Korka (Athen), A Painted Sarcofagus from Faneromeni Chiliomodiou in the Corinthia; Jeannette Marchand (Dayton), Investigations in the Territory of Kleonai in the Northeastern Peloponnesus; Torsten Mattern (Marburg), Studies at Kleonai and the Valley of Kleonai; Jack L. Davis (Athen) – Carl W. Blegen (Cincinnati) – John F. Cherry (Providence) – Alexandra Kalogirou (Athen), The Nemea Valley in the Early Bronze Age; Kim Shelton (Berkeley), Nemea before Zeus. Prehistory and Early History in the Sanctuary Area; James C. Wright (Bryn Mawr) – Mary K. Dabney (Bryn Mawr), The Mycenaean Settlement on Tsoungiza, Nemea. Results of Excavation 1926–1927, 1981– 1986; Evaggelia Pappi (Nafplio) – Mary K. Dabney (Bryn Mawr) – Sevasti Triantaphyllou (Sheffield) – James C. Wright (Bryn Mawr), Excavations at the Mycenaean Cemetery at Ayia Soteira, Nemea; Stephen G. Miller (Berkeley), The Early Temple of Zeus at Nemea; Joseph Maran (Heidelberg), Human Settlement and Geomorphological Change in the Basin of Phlious; Konstantina Kaza-Papageorgiou (Athen) – Zoe Aslamatzidou-Kostourou (Patras) – Dimitra Sarri (Korinth), An Archaic Sanctuary Deposit from the Plakomenos Site at Leontion in the District of Nemea; Vasco Hachtmann (Heidelberg), A Bronze Age Settlement at Aidonia; Konstantina Kaza-Papageorgiou (Athen) – Calliopi Krystalli-Votsi (Athen), A Mycenaean Cemetery at Aidonia near Nemea; Hector Williams (Vancouver), Excavations at Ancient Stymphalos; Christos Piteros (Nafplio), A Cult Cave at Laf ka of the Stymphalia Area; Klaus Tausend (Graz), A Mountain-Village in the Pheneatike; Konstantinos Kissas (Korinth), The Plain of Pheneos. Recent Research Results of the Archaeological Service; Dora Katsonopoulou (Athen), The Journey of Pausanias from Helike in Achaea to Aristonautes in Corinthia. New Archaeological Data; Paraskevi Micha (Athen), New Data concerning the Harbor of Ancient Aigira at Mavra Litharia in the Evrostini Municipality;
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Dimitra Sarri (Kor inth) – Yannis Lolos (Volos), Archaeological Surface Survey in the Territory of Sikyon. City and Countryside; Vasilis Papathanasiou (Korinth), A Mycenaean and Classical Cemetery at Ancient Sikyon; Calliopi Krystalli-Votsi (Athen) – Foteini Balla (Athen), Ancient Sikyon. Revealing Part of the Hellenistic Cemetery; Erik Østby (Bergen), The Temples of Apollo at Sikyon. Identification and Reconstruction; Athanasios Tsiogas (Korinth), Ancient Sikyon. The Kamaratiza Site; Christiane Tytgat (Athen), The Surface Survey of Titane; Nancy Delle (Korinth) – Eleni Manolessou (Korinth), The Corinthia after the End of Antiquity; Elena Korka (Athen), Illicit Trafficking in Corinthia and the Protection of Antiquities. 26./27. Oktober Workshop der Arbeitsgruppe »Olympia und seine Umwelt« in Olympia (Organisation: Peter Baumeister [Athen]). – Es sprachen: Hans-Joachim Gehrke (Berlin), Olympia und seine Umwelt – Eine Einführung; Reinhard Senff (Athen), Der Südosten des Heiligtums nach den neuesten Grabungs- und Surveyergebnissen; Helmut Kyrieleis (Berlin), Mythos und Politik. Elische und panhellenische Konnotationen des plastischen Bildschmucks des Zeustempels; Panos Valavanis (Athen), Oι ρησμγια την δρυση των Oλυμπιακν Αγνων και της ιερς εκεειρας. Μθς ιστρα ; Hermann Born (Berlin), Die Bronzen von Olympia – Neue Aufga-
ben und Ziele durch Technikforschung; Konstantinos Nikolentzos (Olympia), The Mycenean Cemetry near the New Museum; Jürgen Schilbach (Weilheim), Der Einf luss von Sparta auf Elis im Hinblick auf die Tongefäße seit der archaischen Epoche; Peter Baumeister (Athen), Routes of Traffic – Lines of Communication. New Approaches in Analysing the Traffic Routes around Olympia. 4. bis 7. November DFG/NEH-Konferenz »The ›BigDigs‹ Go Digital. Opportunities And Challenges for Large-Scale, Multigenerational Excavation Projects in the Digital Age« (in Zusammenarbeit mit der Zentrale des DAI und der American School of Classical Studies at Athens; Organisation: Ortwin Dally [Berlin], Reinhard Senff [Athen], Jack Davis [Athen], Charles Watkinson [Athen]; Förderung: DFG; NEH). – Es sprachen: Ortwin Dally (Berlin), The DAI and Its Digital Program; Jack Davis (Athen) – John Younger (Lawrence), The ASCSA and Its Digital Program; James Herbst (Athen), The History of Excavation and the Impact of Digital Technologies at Ancient Corinth; Reinhard Senff (Athen), The History of Excavation and the Impact of Digital Technologies at Olympia; Bruce Hartzler (Athen), The History of Excavation and the Impact of Digital Technologies at the Athenian Agora; Wolf-Dietrich Niemeier (Athen) – Ivonne Kaiser (Athen) – Nils Hellner (Athen), The History of Excavation and the Impact of Digital Technologies at Kalapodi; Diskussion: The Nature of Large-Scale Excavation in the Digital Age; Reinhard Förtsch (Köln), The Challenge of Interoperability. The CIDOC-CRM and Archaeological Databases; Tom Elliott (New York), The Challenge of Sustainability. 20./21. November Internationales Kolloquium »Griechische Grabbezirke klassischer Zeit – Normen und Regionalismen« (in Zusammenarbeit mit der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg; Organisation: Katja Sporn [Freiburg]; Förderung: Fritz Thyssen Stiftung; Franz-und-Eva-Rutzen-Stiftung). – Es sprachen: Katja Sporn (Freiburg), Grabdenkmal und Grabbild im klassischen Griechenland. Der Status quo; Ann-Sophie Koeller (Aixen-Provence), Enclosures, Terraces and Aediculae. Spatial Organization of the Classical Necropoleis in the Greek World; Jutta Stroszeck (Athen), Beobachtungen zu klassischen Grabbezirken im Kerameikos; Jan Breder (Bonn), Zur Architektur klassischer Grabbezirke in Attika; Johannes Ber-
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gemann (Bochum), Attische Grabbezirke. Wertvorstellungen und Totenkult; Wendy Closterman (Bryn Athyn), Family Groupings in Classical Attic Tomb Enclosures; Maria Chidiroglou (Athen), Ancient Cemetery Sites on Euboea. An Overview of Old and New Data; Stella Katakouta (Larissa) – Maria Stamatopoulou (Oxford), The Grave periboloi of Pharsalos in the Classical Period; Maria Nikolaidou-Patera (Kavala), Νεκρταφεα κλασικς επς σε πλεις της Ανατλικς Μακεδνας ; Sophia Iliopoulou (Komotini), Τ Νεκρταφε της αραας νης στ Ν. ρυ ; Stratis Padapopoulos (Kavala), Ταφικ περλι και ταφικ μημεα στη νεκρπλη της αραας Θσυ ; Photeini Zapheiropoulou (Athen), Stone Monuments as Grave Markers of Classical Times on Thera and Paros in the Cycladic Archipelago; Daniela Marchiandi (Turin), Burying as in Athens. Funerary Periboloi in the Attic Cleruchies; Susanne Bocher (Heidelberg) – Joachim Heiden (Athen), Tod und Gedenken in triphylischen Höhen. Grabbezirke und Periboloi im antiken Makistos; Maria Tsouli (Sparta), Ανασκαφ κλασικ νεκρταφευ στην πλη της Σπρτης ; Anthi Angeli (Arta), Ταφικ περλι της Αμρακας ; Maria Stavropoulou-Gatsi (Messolongi), Ταφικς περλς και κτσμα απ τ κλασικ νεκρταφε της Λευκδας ; Nurettin Arslan (Çanakkale), Gräber der klassischen Zeit in Assos; Gürcan Polat (Izmir), The Necropolis of Ancient Antandros; Christof Berns (Berlin), Grabbezirke von Knidos; Nadin Burkhardt (Frankfurt a. M.), Zur oberirdischen Gestaltung der Nekropolen in westgriechischen Kolonien; Alexandre Baralis (Aix-en-Provence) – Krastina Panayotova (Sofia), Grave Enclosures in the Classical and Early Hellenistic Necropolis of Apollonia Pontica, Kalfata/Budjaka Area. Abbildungsnachweis: K. Kissas (Abb. 28).
Abb. 28 Poster des Internationalen Kolloquiums »Corinthia and the Northeast Peloponnesus. Topography and History from Prehistoric Times until the End of Antiquity« in Loutraki
Öffentlichkeitsarbeit
Auf den Grabungen der Abteilung wurden internationale Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen geführt, außerdem der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland Wolfgang Schultheiß auf den Grabungen auf Samos und in Kalapodi. Am 13. Mai sprach Herr Niemeier auf Einladung der Gesellschaft der Freunde des Deutschen Archäologischen Instituts – Theodor Wiegand Gesellschaft (TWG) e. V. im Rahmen ihrer Vortragsreihe »Deutsche Archäologen berichten. Aus der Arbeit des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI)« im Auswärtigen Amt in Berlin über »Das Orakel-Heiligtum des Apollon von Abai. Neue Grabungen in einem der wichtigsten Heiligtümer des antiken Griechenland«. Am 10. Oktober führten Herr Niemeier und Herr Senff die Teilnehmer der Tagung des Athener Goethe-Instituts »Die Idee der Demokratie – Ursprung und Gegenwart« auf der Pnyx. Am 24. November hielt Herr Niemeier auf Einladung der American School of Classical Studies at Athens in der Gennadios-Bibliothek den Vortrag »The Oracle Sanctuary of Apollon at Abai (Kalapodi). New Excavations in One of the Most Important Sanctuaries of Ancient Greece«. Im Dezember hielt Herr Niemeier Winckelmann-Vorträge über das Heiligtum von Abai (Kalapodi) an den Universitäten Münster, Hamburg, Kiel, Tübingen und Würzburg. Auf Einladung der Archäologischen Gesellschaft Athens hielt Frau Stroszeck am 16. Dezember im Rahmen des öffentlichen Bildungsprogramms AA 2010/1, Beiheft
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der Archäologischen Gesellschaft einen Vortrag auf griechisch mit dem Titel »Der Kerameikos von Athen. Grabungsgeschichte, Topographie, Baudenkmäler und Entwicklung der Nekropole«. Anlässlich der Eröffnung des Neuen Akropolismuseums im Juni gab Herr Senff Interviews im Kulturprogramm mehrerer deutscher Rundfunksender.
Veröffentlichungen
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung 123, 2008
Persönliches
Wolf-Dietrich Niemeier wurde zum Corresponding Member of the Archaeological Institute of America gewählt. Die Olympiagrabung trauert um den langjährigen Vorarbeiter Giorgos Andriopoulos, der am 9. April nach kurzer, schwerer Krankheit verstarb.
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Mitglieder der Kommission der RGK
Der Direktor und die Direktorin der RGK Der Präsident Kobler Martin, MD Auswärtiges Amt, Leiter der Kulturund Kommunikationsabteilung Werderscher Markt 1 D-10117 Berlin Roth, Petra, Dr. Die Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt am Main Römerberg 23 D-60311 Frankfurt a. M. Daim, Falko, Prof. Dr. Generaldirektor, Römisch-Germanisches Zentralmuseum Ernst-Ludwig-Platz 2 D-55116 Mainz Bertemes, François, Prof. Dr. Martin-Luther-Universität HalleWittenberg Institut für Kunstgeschichte und Archäologien Europas Brandbergweg 23 D-06120 Halle/Saale Bittmann, Felix, Dr. Niedersächsisches Institut für historische Küstenforschung Viktoriastr. 26/28 D-26382 Wilhelmshaven Carnap-Bornheim, Claus von, Prof. Dr. Direktor, Stiftung SchleswigHolsteinische Landesmuseen, Archäologisches Landesmuseum Schloß Gottorf 24837 Schleswig Conard, Nicholas, Prof. Dr. Eberhard-Karls-Universität Institut für Ur- und Frühgeschichte Schloss Hohentübingen D-72070 Tübingen Ettel, Peter, Prof. Dr. Friedrich-Schiller-Universität Bereich Ur- und Frühgeschichte Löbdergraben 24 a D-07743 Jena
Kaenel, Hans-Markus von, Prof. Dr. Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Institut für Archäologische Wissenschaften Abteilung II, Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen sowie Hilfswissenschaften der Altertumskunde Grüneburgplatz 1 D-60629 Frankfurt a. M. Kunow, Jürgen, Prof. Dr. Rheinisches Amt für Bodendenkmalpf lege Endenicher Str. 133 D-53115 Bonn Metzner-Nebelsick, Carola, Prof. Dr. Ludwig-Maximilians-Universität Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie und Provinzialrömische Archäologie Geschwister-Scholl-Platz 1 D-80539 München Planck, Dieter, Prof. Dr. Präsident, Landesamt für Denkmalpf lege Baden-Württemberg Berliner Str. 12 D-73728 Esslingen a. N. Schallmayer, Egon, Prof. Dr. Direktor, Landesamt für Denkmalpf lege Hessen, Abteilung Archäologische und Paläontologische Denkmalpf lege Schloss, Ostf lügel D-65203 Wiesbaden-Biebrich Sommer, C. Sebastian, Dr. Bayerisches Landesamt für Denkmalpf lege, Abteilung Praktische Denkmalpf lege, Bodendenkmäler Hofgraben 4 D-80539 München Stauch, Eva, Prof. Dr. Westfälische Wilhelms-Universität Abteilung für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie Robert-Koch-Str. 29 D-48149 Münster Willroth, Karl-Heinz, Prof. Dr. Georg-August-Universität Seminar für Ur- und Frühgeschichte Nikolausberger Weg 15 D-37073 Göttingen
Zimmermann, Andreas, Prof. Dr. Universität zu Köln Institut für Ur- und Frühgeschichte Weyertal 125 D-50931 Köln Maier, Ferdinand, Prof. Dr. Erster Direktor i. R. Justus-Liebig-Str. 8 D-64720 Michelstadt/Odw. (ohne Votum) Schnurbein, Siegmar von, Prof. Dr. Erster Direktor i. R. Schneckenhofstr. 29 D-60596 Frankfurt a. M. (ohne Votum)
Römisch-Germanische Kommission
Römisch-Germanische Kommission Palmengartenstr. 10–12 D-60325 Frankfurt a. M. Tel.: +49-(0)69-97 58 18-0 Fax: +49-(0)69-97 58 18-38 +49-(0)69-97 58 18-40 (Direktion) E-Mail:
[email protected]
Direktor und Direktorin Dr. Friedrich Lüth, Erster Direktor Prof. Dr. Susanne Sievers, Wissenschaftliche Direktorin Wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Melanie Augstein M. A. (Manching, 2. 3. bis 23. 4.), Dr. Uta von Freeden (Frankfurt, bis 30. 4.), Dr. Roland Gauss (Frankfurt, ab 21. 9.), Dr. Claus-Michael Hüssen (Ingolstadt), Dr. Mariya Ivanova (Frankfurt, bis 31. 1.), Dr. Sonja Magnavita-Santos (Frankfurt, ab 1. 1.), Dipl.-Prähist. Sebastian Messal (Schwerin, ab 1. 10.), Dr. Gabriele Rasbach (Frankfurt), Dr. Knut Rassmann (Frankfurt), Dr. Karl-Friedrich Ritters hofer (Frankfurt), Dr. Gerda Sommer von Bülow (Frankfurt), PD Dr. Felix Teichner (Frankfurt, ab 1. 1., ehrenamtlich), Dr. Holger Wendling (Frankfurt), Dr. Thorsten Westphal (Frankfurt), Dr. David Wigg-Wolf (Frankfurt) Wissenschaftliche Hilfskräfte Michèle Eller M. A. (Frankfurt), Manuela Gallenmüller M. A. (Frankfurt), Dr. Juliane Stadler (Frankfurt, bis 30. 11.), Ulrike Trenkmann M. A. (Frankfurt), Katja Winger M. A. (Frankfurt) Aus Drittmitteln finanzierte Stellen Dr. Holger Baitinger (Frankfurt, DFG, ab 1. 3.), Martha Bartkowiak M. A. (Frankfurt, EU, ab 26. 8.), Dr. Armin Becker (Frankfurt, DFG), Katharina Becker M. A. (Frankfurt, DFG, bis 28. 2.), Dipl.-Prähist. Mike Belasus (Schwerin, DFG), Ruth Beusing M. A. (Frankfurt, EU, bis 15. 7.), Anselm Drafehn M. A. (Frankfurt, DFG, ab 1. 10.), Dr. Benjamin Ducke (Kiel, BMWI, ab 18. 11.), Dr. Harald Lübke (Schwerin, EU, bis 31. 1.), Dr. Nils Müller-Scheeßel (Frankfurt/Kiel, DFG), Dr. Alexandru Popa (Frankfurt, DFG), Dr. Daniel Peters (Frankfurt, BMBF, ab 16. 11. zusätzlich ZIM-Projekt), Dr. Axel Posluschny (Frankfurt, DFG), Thomas Schierl M. A. (Frankfurt, DFG), Dr. Nina Schücker (Frankfurt, EU, ab 1. 8. zusätzlich CRFB), Dr. Hans-Ulrich Voß (Schwerin, DFG)
Römisch-Germanische Kommission Ein ausführlicher Tätigkeitsbericht für 2009 wird im Bericht der RömischGermanischen Kommission Band 90, 2009, veröffentlicht.
Ausgrabungen und Forschungen
Rekonstruktion spätneolithischer Siedlungsprozesse in Zentralbosnien Die diesjährigen Forschungen fanden auf dem Fundplatz »Jagnilo« bei dem Ort Zupčići nahe GoraÅde statt. Die Auswertung der geomagnetischen Befunde und Bohrungen lieferte Hinweise auf eine Siedlungsgröße von 1,8 ha. Die Siedlungsschichten weisen eine Mächtigkeit von 0,75 m auf. Im Zentrum der Siedlung wurde eine Grabungsf läche von insgesamt 96 m 2 im Areal einer im Magnetogramm erkannten Hausstelle (5,70 m × 8,50 m) angelegt. Die Planung zielte auf die Untersuchung eines Hausabschnittes und die angrenzende Hausgasse. In den unteren Plana wurden der unverbrannte Fußboden und die unverbrannte Basis einer Außenwand erfasst. Darüber lag der verziegelte Schutt der Wände mit darin eingebetteten Gefäßen. Innerhalb des Hauses fand sich ein Ofen samt Tenne, die 0,30 m über dem Fußboden des Hauses lag (Abb. 1). Der Befund ist ein Hinweis auf eine zweigeschossige Bauweise. Hangabwärts wurden ferner zwei Schnitte von 35 m 2 angelegt, die der Untersuchung zweier linearer Anomalien dienten. Die parallel zur Drina verlaufende erste Anomalie geht auf eine lineare Hangerosion durch ein Fließgewässer zurück. Bei der zweiten linearen Anomalie handelt es sich um einen Siedlungsgraben. Der Graben wurde für unbestimmte Zeit jedoch auch von einem Bach durchf lossen, wie eingebettete Bachsedimente zeigen. Die Keramikfunde aus dem Grabungsf lächen 1 und 2 entsprechen der spätneolithischen Vinča-Phase (Vinča-Tordos B). Herausragender Fund ist eine Statuette aus Keramik (Abb. 2). Kooperationspartner: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ( J. Müller); Bosnisch-Herzegowinisches Nationalmuseum (Z. Kujundžić-Vejzagić, L. Jevtić, A. Marić); Bosnische Akademie der Wissenschaften (M. Forić) •
Abb. 1 Rekonstruktion spätneolithischer Siedlungsprozesse in Zentralbosnien, Jagnilo. Fläche 1, Schnitt 12. Ofen im östlichen Teil des freigelegten Hauses. Im Bereich des Kreuzschnittes befindet sich die Lehmtenne, die auf zahlreichen größeren Kieselsteinen aufliegt. Um den Ofen herum ist der Ansatz der Ofenkuppel erkennbar. An diese ist im Bildvordergrund und noch in situ der untere Teil eines Keramikgefäßes angelehnt; die umliegenden Scherben sind vermutlich zu diesem zugehörig
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Förderung: DFG • Leitung des Projekts: K. Rassmann, J. Müller • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: N. Müller-Scheeßel, R. Hofmann, C. Mischka, H. Kroll, S. Dreibrodt sowie Studierende der Universitäten Kiel, Brünn und Mostar • Abbildungsnachweis: DAI, RGK (Abb. 1. 2). Fidvar bei Vráble (Slowakei), siedlungsarchäologische Studien zur Frühbronzezeit am Südwestrand des Slowakischen Erzgebirges Die Untersuchungen der diesjährigen Grabungskampagne zielten auf die Ermittlung der Ausdehnung der Siedlung, ihrer inneren Gliederung und der Überprüfung von geomagnetisch erfassten Anomalien. An der Hangkante zur Žitava-Niederung wurden die Arbeiten am Hangschnitt 11 (Breite 2,00 m) fortgesetzt. Der im Vorjahr im nördlichen Hangschnitt (Sondage 4) erfasste Wall der ältesten Befestigungsanlage ließ sich auch hier nachweisen. Ein wichtiges Ergebnis gelang durch die weiträumige Lokalisierung des ältesten Grabens (Abb. 3 a), der bereits von A. Točik bei seinen Ausgrabungen im Jahr 1967 angeschnitten wurde, sich aber bei Feldforschungen 2007 und 2008 weder durch die geoelektrischen Arbeiten noch durch die Bohrungen nachweisen ließ. Durch die neuen Ergebnisse lässt sich der Verlauf des ältesten Befestigungssystems rekonstruieren. Die Siedlungsf lächen, die den Kern der ältesten Anlage bilden, sind der Erosion zum Opfer gefallen. Im Bereich der Siedlung und des südlich angrenzenden frühbronzezeitlichen Gräberfeldes wurden mehrere kreisförmige, geomagnetische detektierte Anomalien geprüft. Durch eine Sondage von 2,00 m × 3,00 m wurde eine Vorratsgrube untersucht, die einen Durchmesser von 3,00 m aufweist und bis in die Tiefe von 2,20 m unter die heutige Oberf läche reicht. In den unteren Schichten fanden sich Reste verkohlten Getreides. Der nach oben verengende Querschnitt ist von zahlreichen Gruben auf befestigten Siedlungen im südlichen Mitteleuropa bekannt und spricht für die Funktion als Vorratsgrube. Das Vorhandensein der Grubenfelder und ihre Lage in unmittelbarer Nachbarschaft zu Häusergruppen deutet eine gemeinschaftlich verwaltete Lagerhaltung in den entsprechenden Hausbezirken an. Außerhalb der Vorsiedlung, südlich der Siedlung, sind weitere Cluster kreisförmiger, geomagnetischer Anomalien sichtbar, die sich jedoch weniger deutlich als die potentiellen Siedlungsgruben abzeichnen, davon wurden drei geprüft. In zwei Fällen handelt es sich um frühbronzezeitliche Gräber, davon wurde eines ausgegraben, es war beraubt und enthielt einige kleine Metallfragmente. Die Erhaltung der Skelettreste war sehr gut. Die Ausgrabung in diesem Bereich diente der Optimierung der Ausgrabungsstrategie im Bereich des Gräberfeldes. In den Kampagnen der kommenden Jahre sollen die Arbeiten ausgedehnt werden. Geplant sind Untersuchungen von 30–50 Gräbern pro Kampagne. Auf ca. 61 ha wurden hochauf lösende, geomagnetische Prospektionen durchgeführt, davon 6 ha erneut im zentralen Bereich der Siedlung. Im Ergebnis bilden sich Architekturreste im Siedlungskern (Hausmauern, Gruben) klar und detailreich ab (Abb. 3 b). Im südöstlichen und östlichen Vorfeld der Siedlung wurden 55 ha prospektiert. Es gelang der Nachweis eines linienbandkeramischen Grabenwerks von 18,4 ha Größe. Zahlreiche Hausstrukturen wurden innerhalb des linienbandkeramischen Grabenwerks aber auch nördlich und östlich davon ermittelt. Weitere großf lächige Grabenstrukturen erlauben den Nachweis zweier römischer Marschlager. Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Slowakischen Akademie der Wissenschaften; Geographisches Institut der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg; Deutsches Bergbau-Museum Bochum; Niedersächsisches
Abb. 2 Rekonstruktion spätneolithischer Siedlungsprozesse in Zentralbosnien, Jagnilo. Keramikstatuette mit angedeuteten Brüsten, vogelartigem Kopf und breiter Basis. Die ehemals vermutlich stummelförmigen Ärmchen sind abgebrochen. Eine ähnliche Statuette war bereits in den 1950er Jahren auf der nur wenige 100 m entfernten Flur »Lug« geborgen worden (M. 1 : 1)
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3 a
3 b Abb. 3 a Fidvar bei Vráble (Slowakei), siedlungsarchäologische Studien zur Frühbronzezeit am Südwestrand des Slowakischen Erzgebirges. Umzeichnung der geomagnetischen Anomalien innerhalb der frühbronzezeitlichen Siedlung und die Lage der Grabungsflächen (4. 11. 20. 21) Abb. 3 b Fidvar bei Vráble (Slowakei), siedlungsarchäologische Studien zur Frühbronzezeit am Südwestrand des Slowakischen Erzgebirges. Geomagnetische Strukturen im südlichen Umfeld des Grabens C (Lage vgl. Rahmen Abb. 1 a, Darstellung ± 30 nT)
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Institut für historische Küstenforschung; DAI, Zentrale, Naturwissenschaftliches Referat; Fa. SENSYS GmbH (K. Winkelmann) • Leitung des Projekts: F. Lüth, K. Rassmann, J. Bátora (Nitra) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Ivanova, J. Gresky, P. Bednar, Studierende der Universitäten Brno, Bratislava, Kiel, Halle • Abbildungsnachweis K. Rassmann (Abb. 3 a. b). Ausgrabungen am Wall des Oppidums von Manching Die Befestigungsreste des keltischen Oppidums von Manching sind in ihrem südlichen und östlichen Verlauf noch auf weiten Strecken als oberirdisches Denkmal erhalten. Eine Infrastrukturmaßnahme der EADS Manching bot Gelegenheit, die Erhaltungsbedingungen im hier noch ca. 2,50 m hohen Wallbereich zu studieren und neue Erkenntnisse zur Konstruktion der um 130/120 v. Chr. errichteten Fortifikation zu gewinnen (Abb. 4). Eine intensive bodenkundliche Probenentnahme und mikromorphologische Analysen sollen Aufschluss über Herkunft, Behandlung und Ablagerungsbedingungen des zum Bau verwendeten Sand- und Steinmaterials geben und weitere konstruktive und architektonische Details erhellen. Unter dem Wallkörper hatte sich die antike Geländeoberf läche als stark komprimiertes Sandband erhalten; Gruben und Gräbchen, die teilweise wiederum unter dieser Oberf läche aufgedeckt wurden, sind Relikte einer der Spätlatènezeit vorausgehenden Besiedlung, die momentan aufgrund fehlender Funde zeitlich nicht näher einzugrenzen ist. Das Hauptaugenmerk der Untersuchungen richtete sich auf die Identifikation und Konstruktion der verschiedenen Mauerbauphasen sowie auf die
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Abb. 4 Manching, digitales LiDAR-Oberflächenmodell des latènezeitlichen Oppidums mit markierten Torzugängen und Grabungsareal am ›ehemaligen Munitionsgelände‹
Struktur und Differenzierung der rückwärtig an die Steinmauer anschließenden Sandrampe (Abb. 5). Es zeigte sich, dass zu Beginn der Rampenanhäufung einzelne hügelartige Aufschüttungen vorgenommen wurden, die im weiteren Fortgang durch Zwischenschüttungen verbunden und nivelliert wurden. Die unterschiedliche Konsistenz und Farbe der komplex aufeinander folgenden Kies- und Sandschichten spricht für heterogene Abbaustellen, zu denen auch, wie zahlreiche graubraune, stark verdichtete, plaggenartige Sandlinsen zeigen, der in unmittelbarer Nähe abgestochene anmoorige Oberboden gehörte. Abschließend wurden die internen Rampenschüttungen durch mächtige Sandauf bringungen am Rampenfuß hinterfangen und
Abb. 5 Manching, komplexe Stratigraphie der Rampenschüttung und Reste der steinernen Frontmauer
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Abb. 6 Manching, Reste der untersten Balkenlage und Steinpackung des murus Gallicus im Planum. Der Verlauf der Querbalken und der vier Längsbalkenzüge ist durch Pfeile markiert, die Mauerfront weist nach Südosten
an ihrer Oberseite überdeckt. Die Oberf läche der Rampe dürfte auf über 3,50 m Höhe an die Rückfront des murus Gallicus angeschlossen haben. Die im Zuge der Erneuerung der Mauer aufgebrachte zusätzliche Rampenschüttung aus mächtigen Sand- und Kiesschichten führte zu einer Verbreiterung der Rampe, die nun eine Breite von rund 14,00–15,00 m aufwies. Ihr Verlauf legt eine Rekonstruktion der Mauerhöhe in den beiden jüngeren Ausbauphasen auf ca. 4,50 m nahe. In der nach vorne verkippten Front des murus Gallicus aus behauenen und sorgfältig gesetzten Kalksteinquadern blieben quadratische Aussparungen der Querbalken und Nägel zur Verzimmerung von Längs- und Querbalken bzw. aneinander stoßender Frontbalken in situ erhalten. Die unterste Lage des hölzernen Balkengitters hatte sich als graue Sandkonkretion erhalten und offenbarte ein Novum im Vergleich zu anderen Bauabschnitten des Manchinger murus: Die im Abstand von ca. 1,50 m verlaufenden Querbalken lagen nicht wie sonst üblich zwei oder drei Längszügen auf, sondern wurden von vier mauerparallelen Balkenzügen getragen (Abb. 6). Diese waren wiederum – auch dies ein bislang nicht beobachtetes Phänomen – durch ein 10–15 cm mächtiges Fundament feiner Sandstraten unterfüttert, wobei der vordere Längszug in einem schmalen, in den antiken Oberboden eingetieften Gräbchen verlegt wurde. Die mächtigen Pfostengruben der jüngeren Pfostenschlitzkonstruktion, die auf den baufällig gewordenen murus Gallicus folgte, zeichneten sich ca. 0,50 m vor dessen Frontverblendung ab. Sie wiederum wurden in der jüngsten Ausbauphase durch die leicht nach Süden versetzt eingetieften Pfosten einer gleichartigen Konstruktion ersetzt. Der obere Bereich der Mauer war aufgrund jüngerer Bodeneingriffe zerstört: Wie andernorts wurden auch am Munitionsdepot die Reste eines Kalkbrennofens aufgedeckt, der analog zu gleichartigen Strukturen der römischen Kaiserzeit zugewiesen wird. Eine schon 1937 aufgedeckte Brennkammer und weitere schwache Verfärbungen, die auf die Existenz weiterer, sich teilweise überschneidender Ofenanlagen auf höheren Niveaus hindeuten, illustrieren die nachkeltische Ressourcennutzung der verfallenden Mauer. Kooperationspartner: European Aeronautic Defence and Space Company EADS N. V. Manching (M. Rauscher); Technische Universität München ( J. Völkel, M. Leopold); Bayerisches Landesamt für Denkmalpf lege (E. Claßen); Archäologische Staatssammlung München (R. Gebhard); Markt
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Manching (H. Nerb, J. Forstner); Kelten und Römer Museum Manching (W. David) • Leitung des Projekts: S. Sievers, H. Wendling • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Augstein, M. Eller, M.-A. Wiedamann, K. Winger und Studierende der Universitäten Frankfurt a. M. und Göttingen • Abbildungsnachweis: DAI, RGK (Abb. 4–6). Lahnau-Waldgirmes Die planmäßig angelegte, zivile römische Stadt von Waldgirmes – die älteste rechts des Rheins – erbrachte bereits 1994 das erste Bruchstück vergoldeter Gussbronze. Das nur wenige Zentimeter große Fragment war eine archäologische Sensation, belegte es doch, dass die Römer hier in einer neu gegründeten Stadt eine Statue errichtet hatten. Ihre Größe und die Identität der dargestellten Person blieben hingegen ungewiss, auch als in den folgenden Jahren immer wieder Bruchstücke zu Tage gefördert wurden. Erst als 1998 ein Bruchstück der vergoldeten Brustschirrung eines Pferdes geborgen werden konnte, konkretisierte sich die Vorstellung von dieser Statue. Im Waldgirmes hatten die Römer offenbar mit Fertigstellung des zentralen Forums eine lebensgroße, vergoldete Reiterstatue aus Bronze aufgestellt. In den folgenden Jahren gab der Boden rund 180, zum überwiegenden Teil sehr kleine Bruchstücke frei, darunter auch das Fragment eines Pferdefußes. Aus historischen Überlegungen heraus kann es sich während der Gründungsphase einer Stadt in einer neu zu gestaltenden Provinz eigentlich nur um eine Darstellung des Kaisers Augustus gehandelt haben. Die archäologischen Feldforschungen dieses Jahres galten der Untersuchung eines Brunnens, der mit 11,00 m überraschend tief war (Abb. 7). Das Fälldatum der Bäume, aus denen die Spaltbohlen des Brunnenkastens geschlagen worden waren, konnte mit Hilfe der Dendrochronologie auf das Jahr 3 v. Chr. bestimmt werden. Herausragend sind jedoch die Funde, die aus dem Brunnenschacht geborgen werden konnten, denn es handelt sich um über 100 Funde aus Holz, die sich nur dank der Lage im Grundwasserbereich bis heute erhalten haben. Neben Architekturteilen aus Holz, einem pilum murale und Bruchstücken von Holzgefäßen wurden zwei weitere sensationelle Fundstücke geborgen – der Pferdekopf der lebensgroßen Reiterstatue aus vergoldeter Bronze und ein Fuß des Reiters. Bis zur Auffindung des rechten Fußes des Reiters, der auf dem Rand des Fasses am unteren Ende des Brunnenkastens zu liegen gekommen war, verrieten die Funde bisher nichts Näheres über die Person des Reiters. Die Annahme, dass es sich um eine Kaiserstatue gehandelt hatte, wurde erhärtet, denn der Fuß zeigt das für höher gestellte Persönlichkeiten typische Schuhwerk, die dem Patrizier- bzw. Senatorenstand vorbehaltene knöchelhohe Calceus mit seiner seitlich herabhängenden Schnürung (Abb. 8). Im untersten Bereich des Brunnens kam neben fast neuwertigen Mühlsteinen der Kopf des lebensgroßen Bronzepferdes zu Tage (Abb. 9). Mit seinen geblähten Nüstern, der feinen Äderung und wachen Augen besitzt der Kopf sehr große Ausdruckskraft. Das Maul ist aufgerissen, das vorwärtsdrängende Pferd wird vom Reiter gezügelt, die Öse der Trense ist ebenso wie der Hengstzahn gut erkennbar. Der qualitätvollen Darstellung des Pferdekopfes entsprechend ist das reich geschmückte Zaumzeug ausgearbeitet. Figural verzierte Schmuckscheiben zieren die Riemenkreuzungen, am Riemenwerk sind kleine Schnallen und Nieten erkennbar. Am Stirnriemen zeugen rechteckige Aussparungen von ehemals eingesetztem Kopfschmuck. Die Medaillons des Zaumzeugs sind an den Seiten mit drei Büsten der Siegesgöttin Victoria geschmückt, die gut an den in ihrem Rücken sichtba-
Abb. 7 Lahnau-Waldgirmes, photogrammetrische Montage des Brunnens 2
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Abb. 8 Lahnau-Waldgirmes, Schuh des Reiters der lebensgroßen Statue aus vergoldeter Bronze Abb. 9 Lahnau-Waldgirmes, Pferdekopf der lebensgroßen Statue aus vergoldeter Bronze
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ren Flügeln bestimmbar ist. Ursprünglich waren es wohl vier Victoriendarstellungen, ein Medaillon ist jedoch durch eine Beschädigung des Pferdekopfes verloren. Die ovale Schmuckplatte auf dem Nasenrücken des Pferdes ziert ein Bild des sitzenden Kriegsgottes Mars, der Schwert und Schild hält. Auf dem seitwärts gewandten Kopf trägt er einen Helm mit hoch aufragenden Helmbusch. Das über der Nasenplatte angebrachte Rundmedaillon war wie die anderen figürlich verziert, doch ist der Kopf verloren. Ebenfalls unklar ist zurzeit die Ansprache der Figur, die auf der Schmuckplatte über den Nüstern dargestellt ist. Vermutlich gehören beide ebenfalls in den Zusammenhang der Bildersprache von Krieg und Sieg, was gut zur Situation einer römischen Stadtgründung in neu erobertem Gebiet passen würde. Kooperationspartner: Landesamt für Denkmalpf lege Hessen (E. Schallmayer, A. Kreuz); Akademie der Wissenschaften und Literatur Mainz (D. Wigg-Wolf ); Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M. (U. Ehmig, A. Stobbe, H. Thiemeyer); Forschungsbereich Vulkanologie, Archäologie und Technikgeschichte (VAT) des Römisch-Germanischen Zentralmuseums (H. Schaaf ); Freie Universität Berlin (G. Schneider); D. Baatz; S. Biegert; S. von Schnurbein • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: G. Rasbach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Becker, A. Popa und Studierende der Universitäten Marburg und Gießen • Abbildungsnachweis: DAI, RGK (Abb. 7–9). Romuliana-Gamzigrad (Serbien) Die Arbeiten im Umfeld des spätantiken Kaiserpalastes Romuliana bei dem Dorf Gamzigrad, Bezirk Zaječar in Ostserbien wurden fortgesetzt (s. auch S. 23–26). Da es die letzte Kampagne im Rahmen des bis 2009 gültigen deutsch-serbischen Kooperationsvertrages war, waren im Wesentlichen abschließende Prospektions- und Grabungsarbeiten vorgesehen. Die geomagnetischen Erkundungen wurden mit einem erstmals eingesetzten Fünf-Sonden-Gradiometer durchgeführt, wodurch es möglich wurde, insgesamt eine Fläche von ca. 8 ha südöstlich des Palastes sowie an dem zur Magura-Höhe führenden Hang vor dem Osttor zu prospektieren. Dabei wurde mindestens eine ausgedehnte und mehrfach unterteilte Baustruktur auf der ersten Geländeterrasse oberhalb des Bachtales östlich des Palastes festgestellt, während weiter hangaufwärts keine Strukturen mehr auszumachen waren. Ob hier tatsächlich in römischer und spätantiker Zeit keine Gebäude gestanden haben oder ob diese durch Erosion und Beackerung vollständig abgetragen sind, muss noch geklärt werden.
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Die archäologischen Sondagegrabungen begannen mit den ersten drei Suchschnitten. Diese wurden zur Verifizierung von zwei nebeneinander liegenden Hausstrukturen, welche bei der geomagnetischen Prospektion im Vorjahr entdeckt worden waren, abgetieft. Es sind die einzigen markanten Anomalien, die etwa 250 m südlich des Palastes am linken Ufer des Flüsschens Dragano, d. h. auf derselben Bachseite wie der Palast, lokalisiert werden konnten. Ihre archäologische Untersuchung sollte Aufschluss darüber geben, ob hier mit einer ähnlichen Bebauungsstruktur zu rechnen sei wie auf der untersuchten Fläche nördlich des Palastes und ob die auf der ›Nordf läche‹ erkannten Erhaltungs- bzw. Zerstörungsbedingungen der Siedlung auch südlich des Palastes vorhanden waren. Der Erhaltungszustand der beiden untersuchten Baustrukturen südlich des Palastes entspricht grundsätzlich dem, was schon in dem nördlichen Siedlungsareal zu beobachten war: Natürliche Erosion und Feldbearbeitung haben dazu geführt, dass die fast nur im Fundamentbereich noch vorhandenen Mauerreste unmittelbar unter der Pf lugschicht zu Tage kamen. Die Fußbodenschicht der Gebäude war ebenfalls abgetragen bzw. abgepf lügt und in den Profilen zeigte sich stattdessen eine 20–30 cm mächtige, sehr dunkle und sehr fundarme, ziemlich homogene tonige Erdschicht, wie sie auch in den Schnitten auf der Nordseite angetroffen worden war. Auch von den Gebäuden auf der ›Südf läche‹ waren einige Mauern aus der ursprünglichen senkrechten Position um einige Grad nach Norden verkantet und stellenweise regelrecht auseinander gerissen. Einzelne Funde, darunter
Abb. 10 a Romuliana-Gamzigrad (Serbien), die Gradientenkarte zeigt eine klare Unterbrechung und Versetzung in der Längsmauer eines großen Gebäudes nördlich der Nordwestecke des Palastes Abb. 10 b Romuliana-Gamzigrad (Serbien), in dem über dieser Mauer angelegten Sondageschnitt (Markierung) kam stattdessen eine durchgehende mörtelgebundene Mauer zu Tage
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auch wenige Münzen, lassen auf eine chronologische Einordnung dieser beiden Gebäude schließen, die ebenfalls der Bebauung auf der ›Nordf läche‹ zu entsprechen scheint und möglicherweise bis in vorgalerische Zeit zurückreicht. Ein weiterer Gebäudegrundriss, der durch die geomagnetische Prospektion im Vorjahr etwa 430 m nördlich der Nordwestecke des Palastes detektiert worden war (Abb. 10 a. b), wurde durch drei weitere Sondagen untersucht. Dabei handelt es sich um ein ca. 25 m langes und 12 m breites, einräumiges Gebäude, dessen Eingang in der nördlichen Schmalseite von zwei antenartig vorspringenden Zungenmauern f lankiert wird. Was den Erhaltungszustand der Mauern betrifft, so wiederholten sich auch die beschriebenen Beobachtungen auf den anderen Siedlungsf lächen. Bei dem jetzt untersuchten Gebäude ist allerdings die Abtragung der Kulturschichten schon so weit fortgeschritten, dass so gut wie kein Fundmaterial mehr zu Tage kam und daher eine sehr vage Datierung des Gebäudes in römische bzw. spätantike Zeit sich allein auf die Ähnlichkeit des erhaltenen Mauerwerks mit dem der übrigen Bauwerke nördlich und südlich des Palastes stützen kann. Kooperationspartner: DAI, Zentrale, Architekturreferat (U. WulfRheidt); Brandenburgische Technische Universität Cottbus (R. Haberland); Thüringisches Landesamt für Archäologie Weimar (M. Opelt); Museum Zaječar (M. Živić); Lehrstuhl für Archäologie der Universität Belgrad (M. Milinković) • Leitung des Projekts: G. Sommer von Bülow, U. WulfRheidt • Mitarbeiter: Ch. Rummel, D. Delchev • Abbildungsnachweis: RGK (Abb. 10 a. b). Ulpiana/Justiniana secunda-Gracanica (Kosovo) Trotz der politisch instabilen Lage nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo im Jahr 2008 war es in diesem Jahr möglich geworden, geophysikalische Prospektionen im Stadtareal von Ulpiana durchzuführen. Dabei konnte rund ein Drittel des auf 43 ha zu schätzenden Siedlungsareals sowie ein kleiner Teil des in unmittelbarer Nähe liegenden spätrömischen Kastells mit einem fahrbaren Multisonden-Magnetometer untersucht werden. Auf der Basis dieser aussagekräftigen geophysikalischen Prospektionspläne wurde in diesem Jahr erstmals eine Ausgrabungskampagne in Ulpiana durchgeführt. Im Rahmen des Internationalen Sommercamps der örtlichen Kooperationspartner konnten mehrere Sondagen an für die Stadtgeschichte neuralgischen Punkten angelegt werden (Abb. 11. 12). Drei dieser Schnitte dienten der Klärung der chronologischen Stellung und der Baustruktur der bislang als ›justinianisch‹ angesprochenen Stadtmauer. Dabei ließen sich mindestens zwei Bauphasen der spätantiken Periode unterscheiden, zudem fanden sich aber auch die abweichend orientierten Baustrukturen der mittelkaiserzeitli-
Abb. 11 Ulpiana/Justiniana secunda-Gracanica (Kosovo), Blick von Westen über das nördliche Areal der römischen Stadt. Deutlich erkennbar das Nordtor der Stadtanlage sowie die frühchristliche Märtyrer basilika
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chen Besiedlung und eine Planierung, die der munizipalen Gründungsphase angehört. Eine andere Sondage diente der stratigraphischen Differenzierung der verschiedenen Bauphasen des auf das nördliche Stadttor zulaufenden cardo maximus (Abb. 13). Erneut waren mehrere, bislang nicht erkannte Bauphasen des Straßenkörpers und der darin eingebetteten Abwasserleitung zu unterscheiden. Durch weitere dieser diagnostischen Sondagen sollte es allmählich möglich werden, die bislang alleine anhand der Ereignisgeschichte beschriebene Stadtentwicklung mit archäologischen Mitteln zu klären sowie die für ein römisches Munizipium kennzeichnenden Baustrukturen zu identifizieren. Im Rahmen der Geländearbeiten wurden zudem beratend die Ausgrabungen des Kosovo-Museums im Bereich eines mittelkaiserzeitlichen Großbaus (Iseums?) unweit der bekannten byzantinischen Märtyrerbasilika begleitet. Dort konnten ein um die Basilika entstandener nachantiker Friedhof (Abb. 14) sowie eine zeitlich noch nicht näher zu fassende Glasmacherwerkstatt identifiziert werden. Alle in diesem Bereich notwendigen geodätischen Vermessungen wurden durchgeführt. Als überaus kompliziert erwies sich dabei die Zusammenführung der bislang verwendeten unterschiedlichen Mess- und Dokumentationssysteme, so wurden von serbischer bzw. kosovarischer Seite über Jahre unterschiedliche Koordinatensysteme verwendet. Schließlich wurde eine f lache Geländeerhöhung nördlich des Nordtores der Stadt (extra muros), auf der bei den geophysikalischen Messungen des Vorjahres zahlreiche Wohnbauten erkannt worden waren, topographisch vermessen und ein digitales Geländemodell erstellt. Bei der Auswertung verschiedener Luftbilder und Satellitenaufnahmen zeichnete sich in diesem Bereich ein kleines Bach- oder Flussbett ab. Parallel zu diesen Arbeiten in Ulpiana konnten montanarchäologische Prospektionen im Hinterland des antiken Munizipiums durchgeführt werden. Diese Surveys führten zur Identifizierung mehrerer Schlackehalden, Pingen und Stollen. Von besonderer Bedeutung erscheint die Vergesellschaftung eindeutig mittelkaiserzeitlichen Fundgutes an einigen dieser neuen
Abb. 12 Ulpiana/Justiniana secunda-Gracanica (Kosovo), Grabungsplan im nördlichen Stadtareal. Erkennbar sind das Nordtor, die frühchristliche Märtyrerbasilika und die ersten diagnostischen Sondagen 1–8
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Abb. 13 Ulpiana/Justiniana secunda-Gracanica (Kosovo), stratigraphische Situation vor der nördlichen Stadtmauer (Sondage 1)
Abb. 14 Ulpiana/Justiniana secunda-Gracanica (Kosovo), während des Geländesurveys im Umland der römischen Stadt entdeckter Grabstein der hohen Kaiserzeit
Fundplätze. Als potentielles Arbeitsgebiet für die weiterführenden Arbeiten erweisen sich zwei Kleinräume (Flusstäler bei Kacikoll und Janjevo) mit einer deutlichen Verdichtung römisch-byzantinischer Fundorte. Ziel dieser Arbeiten wäre die Erschließung der wirtschaftlichen Grundlagen des zu Beginn des 2. Jhs. n. Chr. auf der Hochebene des Amselfeldes gegründeten Munizipiums von Ulpiana. Kooperationspartner: Ministerium für Kultur, Jugend und Sport Kosovo; Archäologisches Institut des Kosovo/Instituti Arkeologjik i Kosovës (E. Rexha, M. Berisa); Kosovo Museum/Museu i Kosovës (K. Luci, F. Peja); Deutsches Bergbau-Museum Bochum (T. Stöllner, G. Körlin) • Leitung des Projekts: F. Teichner, K. Luci • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: F. Peja, M. Berisa, E. Shala mit einer Teilnehmergruppe der kosovarischen Seite sowie Fachwissenschaftlern, Fachwissenschaftlerinnen und Studierenden der Universitäten Frankfurt a. M., Marburg und Göttingen • Abbildungsnachweis: OSZE, Delegation Priština (Abb. 11); DAI, RGK (Abb. 12–14).
Sitzungen und wissenschaftliche Veranstaltungen
Die Jahressitzung fand unter Vorsitz von Herrn Lüth am 26. Februar in der Römisch-Germanischen Kommission statt. Dabei wurden zehn Gelehrte zu Korrespondierenden Mitgliedern des Deutschen Archäologischen Instituts gewählt. Die Kommission war ferner Gastgeber für mehrere Arbeitsgespräche. Vorträge 29. Januar Alexandru Popa (Frankfurt a. M.), Neue Forschungen zum römischen Limes in den Ostkarpaten 25. Februar Timothy Darvill (Dorset), Stonehenge. Excavations in the Bluestone Circle 2008 12. März Uta von Freeden (Frankfurt a. M.), Das Ende der Völkerwanderungen in Mitteleuropa (Ende 5. bis 2. Hälfte 6. Jh.). Gräberfelder zwischen Plattensee und Frankfurt
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8. April Eva Rosenstock (Berlin), Grand Tour. Mit dem Reisestipendium durch Ostmittelmeerraum, Zentralasien und Osteuropa 10. Juni Burkhard Vogt (Bonn), Am Nabel der Welt – Neue Forschungen des Deutschen Archäologischen Instituts auf der Osterinsel 23. April Claus-Michael Hüssen (Ingolstadt), Römische Feldlager an Donau und Limes 22. Oktober Knut Rassmann (Frankfurt a. M.), Entstehung und Niedergang eines spätneolithischen Siedlungszentrums – Ausgrabungen und Prospektionen auf der Siedlung von Okolište in Zentralbosnien (5200–4500 v. Chr.) 12. November Sonja Magnavita (Frankfurt a. M.), Zur Frühgeschichtlichen Archäologie im Niger, Westafrika 10. Dezember Sebastin Messal (Schwerin), Slawen entlang der Ostseeküste Tagungen 19. bis 22. März Internationales Kolloquium »Corpus der römischen Funde im europäischen Barbaricum. Archäologie zwischen Römern und Barbaren. Zur Datierung und Verbreitung römischer Metallarbeiten des 2. und 3. Jhs. n. Chr. im Reich und im Barbaricum«. (Organisation: Siegmar von Schnurbein [Frankfurt a. M.], Hans-Ulrich Voß [Schwerin]; Förderung: DFG). – Es sprachen: Friedrich Lüth (Frankfurt a. M.), Begrüßung; Siegmar von Schnurbein (Frankfurt a. M.), Einführung in das Kolloquium; Matthias Becker (Halle), Metallgefäße aus Siedlungsfunden Mitteldeutschlands im Vergleich mit den Fundspektren der Brand- und Körpergräber – Methodische Anmerkungen zur Fundüberlieferung, Chronologie und Befundstrukturen; Helmuth Bernhard (Speyer) – Richard Petrovszky (Speyer), Versunken im Rhein – Typenspektren der ›Beutehorte‹ im Vergleich; Astrid Böhme-Schönberger (Mainz), Emailscheibenfibeln und Kniefibeln mit halbrunder Kopfplatte in den nordwestlichen Reichsprovinzen; Renata Ciołek (Warschau), Die römischen Fundmünzen in Sląsk/Schlesien; Eckhard Deschler-Erb (Zürich), Gürtel- und Riemenbeschläge in militärischem und zivilem Fundkontext – Übersicht zur Entwicklung des Formenspektrums von claudischer bis antonischer Zeit; Nathan Elkins (Frankfurt a. M.), Balkan Metal Detector Finds. Feeding the Coin Trade in the USA; Michael Erdrich (Nijmegen), Terra sigillata im mitteleuropäischen Barbaricum zwischen Rhein und Weichsel – Quellenlage, Formenspektrum, Chorologie und Chronologie; Joachim Gorecki (Frankfurt a. M.), Metallgefäßspektren aus ausgewählten römischen Fundkomplexen diesseits und jenseits von Rhein und Donau – Versuch einer Synopse; Helle Horsnæs (Kopenhagen), Coins for the Warriors? Roman Coins from War Booty Sacrifices and Other Types of Danish Iron Age Contexts; Hans Markus von Kaenel (Frankfurt a. M.), Begrüßung; Fleur Kemmers (Frankfurt a. M.), Coinage without Borders? Regional Circulation Patterns and the Provenance of Coin Finds in the Barbaricum; Holger Komnick (Frankfurt a. M.), Münze und Geld an Rhein und Donau; Nina Lau (Kiel), Pferdegeschirre aus skandinavischen Heeresbeuteopfern – Römische und ›barbarische‹ Komponenten; Martin Luik (München), Buntmetallgefäße der mittleren Kaiserzeit zwischen Pyrenäen und Rhein; Ulla Lund Hansen (Kopenhagen), Kasserollen und Kelle-/Siebgarnituren – Römischer und germanischer Fundkontext im Vergleich; Magdalena Mączyńska (Łódź), Römische Fibeln im mitteleuropäischen Barbaricum. Das Beispiel der Emailscheibenfibeln und Kniefibeln mit halbrunder Kopfplatte; Renata Madyda-Legutko (Krakau), Römische Gürtelteile im mitteleuropäischen Barbaricum vom cingulum militiae zum spätrömischen Militärgürtel; Xenia Pauli Jensen (Kopenhagen), Roman Military Equipment from the Weapon Deposit of Vimose, Funen; Andreas Rau (Schleswig), Römische Gurt- und Gürtelteile in skandinavischen Votivplätzen
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mit Militärausrüstungen; Jan Schuster (Bonn), Lübsow/Lubieszewo – Eine legendäre Fundstelle im Licht neuer Untersuchungen; Bernd Steidl (München), Kleinfunde und Münzen aus Siedlungsfunden Mainfrankens und dem gegenüberliegenden Limesgebiet im Vergleich; Hans-Ulrich Voß (Schwerin), Beschlagteile vorwiegend militärischer Verwendung im mitteleuropäischen Barbaricum zwischen Rhein und Oder – Formenspektrum und Fundkontext. 11. bis 13. Mai CRFB-Arbeitstreffen in Schwerin auf Einladung der RGK über »Kaiserzeitliche Siedlungskeramik in Mecklenburg und Vorpommern – Aspekte handgefertigter und Drehscheibenware« (Organisation: Hans-Ulrich Voß [Schwerin], Jens-Peter Schmidt [Landesamt für Kultur und Denkmalpf lege, Schwerin], Lars Saalow [Landesamt für Kultur und Denkmalpf lege, Schwerin]; Förderung: Private Spende). – Es sprachen: Hans-Ulrich Voß (Schwerin), Begrüßung, Einführung in das Arbeitstreffen; Angelika AbeggWigg (Schleswig), Drehscheibenware und Nachahmungen römischer Gefäße in Ton aus Schleswig-Holstein; Susanne Biegert (Frankfurt a. M.), Die römischen Töpfereien der Wetterau; Martina-Johanna Brather (Wünsdorf ), Drehscheibenkeramik in der Niederlausitz und im Großraum Berlin; Erhard Cosack (Hannover), Hannoversche Drehscheibenware; Grzegorz Doma ński (Breslau), Drehscheibenkeramik der Luboszyce-Gruppe; Marion Euskirchen (Köln), Römische Keramik von rhein-wesergermanischen Gräberfeldern und Siedlungsplätzen im südlichen Rheinland; Klaus Frank (Bonn), Drehscheibenware von kaiserzeitlichen Siedlungsplätzen im Taubertal und im Rheintal; Morton Hegewisch (Berlin), Drehscheibengefäße der Braunschweiger Gruppe; Markus Helfert (Frankfurt a. M.), Archäometrischen Untersuchungen am Beispiel der römischen Töpfereien von Groß Gerau; Michael Meyer (Berlin), Ein neues Projekt zur germanischen Drehscheibenware in Brandenburg; Frank Nikulka (Schwerin), Die Siedlungen von Gadebusch und Schönberg, Landkreis Nordwestmecklenburg; Daniel Nösler (Wilhelmshaven), Drehscheibenware im Wesermündungsgebiet; Gabriele Rasbach (Frankfurt a. M.), Römische Keramik in Waldgirmes; Bartłomiej Rogalski (Pozna ń), Zur Drehscheibenkeramik in Großpolen und Westpommern; Lars Saalow (Schwerin), Siedlungsgrabungen zur Römischen Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit in Mecklenburg-Vorpommern – Eine Übersicht; Thomas Schierl (Frankfurt a. M.), Drehscheibenware aus dem Thüringer Becken; Jens-Peter Schmidt (Schwerin), Die frühkaiserzeitliche Siedlung Pinnow, Landkreis Parchim; Jan Schuster (Bonn), Zu den Forschungen über germanische Drehscheibenware in Polen; Bernd Steidl (München), Germanische Drehscheibenware in Mainfranken; Alois Stuppner (Wien), Drehscheibenkeramik im nördlich der Donau gelegenen Teil Österreichs.
Veranstaltungen zu den Forschungsclustern des DAI
Treffen des Forschungsfeldes 2 »Grenzen politischer Räume« im Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI 25./26. Juni Treffen des Forschungsfeldes 2 »Grenzen politischer Räume« im Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI in Ingolstadt. – Es sprachen: Sophie Helas (gelesen von Claus-Michael Hüssen), Städte Latiums; Janet Lorentzen (Berlin), Zur Dynamik der Stadtmauern von Pergamon in diachroner Perspektive; Joachim Heiden (Athen) – Corinna Rohn (Wiesbaden), Ethnische Identitäten und ethnische Grenzen in der Elis; Andreas Victor Walser (München), Die Auf lösung der Grenzen beim Zusammenschluss von Poleis; Markus Gschwind (München), Die Ostgrenze der Provinz Syria und der Import
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mediterraner Güter im 1. und 3. Jh. n. Chr. im Spiegel ausgewählter Funde aus Raphaneae, Zeugma, Dura-Europos und Qreiyen/ἉyyŒš; Gerda Sommervon Bülow (Frankfurt a. M.), Soziale Aspekte der Begrenzungsmauern von Romuliana-Gamzigrad und Ursachen für deren Veränderungen; Michèle Eller (Frankfurt a. M.) – Susanne Sievers (Frankfurt a. M.), Soziale und wirtschaftliche Konsequenzen von Grenzen; Dietrich Raue (Kairo) – Philipp Speiser (Berlin), Der 1. Katarakt, Survey Westbank, Schellal/Bigga und Fatimidenfriedhof; Udo Schlotzhauer (Berlin), Grenzen im Bosporanischen Reich; Philine Kalb (Frankfurt a. M.), Kurzbericht Vale de Rodrigo; Sabine Reinhold (Berlin), Naturräumliche oder kulturelle Grenzen? – Topographische und ökologische Auswahlkriterien für Siedlungsareale in Gebirgsregionen; Diskussion zur Zukunft des Forschungsfeldes 2; Planung der Internationalen Tagung, Berlin November 2009 in Kooperation mit dem Excellenzcluster TOPOI.
Öffentlichkeitsarbeit
Am 26. August fand in der RGK zu den Neufunden von Waldgirmes eine von Herrn Lüth geleitete Pressekonferenz mit der Hessischen Kultusministerin Eva Kühne-Hörmann und Egon Schallmayer statt, an der etwa 50 Medien vertreter sowie Nicole Kehrer aus der Zentrale und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der hessischen Landesarchäologie teilnahmen. Herr Lüth gab bei dieser Gelegenheit mehrere Interviews. Nach der Pressekonferenz fuhr Frau Rasbach mit verschiedenen Kamerateams zur Ausgrabungsstelle und gab zahlreiche Interview. Zusammen mit Armin Becker bereitete sie Tafeln für eine Ausstellung am Tag des offenen Denkmals vor und führte verschiedene Gruppen. Interviews gab sie folgenden Sendern und Zeitschriften: ZDF, HR3, SAT1, RTL, 3SAT, SWR2, HR2, BR2; FAZ, FR, Spiegel, TAZ, History Illustrated, Illustreret Videnskab. Am 21. und 24. September fanden in Waldgirmes und Bad Homburg v. d. H. Dreharbeiten des Senders RheinMainTV statt, am 28. September wurden mit dem Hessischen Rundfunk Vorbesprechungen für Dreharbeiten im Oktober in Waldgirmes geführt. Am Tag des offenen Denkmals am 13. September besuchten etwa 250 Personen die Grabung und nahmen an den stündlichen Führungen teil.
Veröffentlichungen
Germania. Anzeiger der Römisch-Germanischen Kommission 86, 2008, 1. Halbband Kolloquien zur Vor- und Frühgeschichte 10: A. Posluschny – K. Lambers – I. Herzog (Hrsg.), Layers of Perception. Proceedings of the 35th International Conference on Computer Applications and Quantitative Methods in Archaeology (CAA) Berlin, Germany, April 2–6, 2007 Kolloquien zur Vor- und Frühgeschichte 12: U. von Freeden – H. Friesinger – E. Wamers (Hrsg.), Glaube, Kult und Herrschaft. Phänomene des Religiösen im 1. Jahrtausend n. Chr. in Mittel- und Nordeuropa. Akten des 59. Internationalen Sachsensymposions und der Grundprobleme der frühgeschichtlichen Entwicklung im Mitteldonauraum Römisch-Germanische Forschungen 64: A. Leube, Studien zu Wirtschaft und Siedlung bei den germanischen Stämmen im nördlichen Mitteleuropa während des 1. bis 6. Jahrhunderts n. Chr.
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Römisch-Germanische Forschungen 66 = Kalkriese 4: J. Harnecker, Katalog der römischen Funde vom Oberesch. Die Schnitte 1 bis 22 Corpus der römischen Funde im europäischen Barbaricum. Deutschland Band 7. Land Nordrhein-Westfalen, Landesteile Westfalen und Lippe. Bearbeitet von S. Berke unter Mitwirkung von D. Bérenger, P. Ilisch, B. Klapp, A. Remme, R. Stupperich, R. Wiegels und M. Zelle Internet-Zeitschrift
7/2009: G. von Bülow, Romuliana-Gamzigrad
Stipendien
Auf der Jahressitzung 2009 wurde je ein halbes Reisestipendium Diana Modarressi-Tehrani (Kiel), Cecilia Moneta (Köln) und Jennifer Morscheiser-Niebergall (Trier) zuerkannt.
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Abteilung Kairo
Abteilung Kairo 31, Sharia Abu el-Feda ET-11211 Kairo-Zamalek Tel.: +20-(0)2-2735 14 60, 2735 2321 Fax: +20-(0)2-2737 07 70 E-Mail: [email protected]
Direktoren Prof. Dr. Stephan J. Seidlmayer (ab 1. 5.) PD Dr. Daniel Polz, Wissenschaftlicher Direktor (Kommissarischer Direktor, bis 30. 4.) Wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Dr. Nicole Alexanian (ehrenamtlich), Dr. Ralph Bodenstein, Dr. Ulrike Fauerbach, Dr. Ulrich Hartung, Dr. Dietrich Raue, Dr. Ute Rummel (ehrenamtlich) Wissenschaftliche Hilfskraft Susann Harder M. A.
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Abteilung Kairo Ausgrabungen und Forschungen
Elephantine Die Insel Elephantine befindet sich gegenüber der modernen Großstadt Assuan am nördlichen Zugang zum Ersten Katarakt des Nils. Sie war somit in verschiedenen Epochen der ägyptischen Geschichte Teil des Grenzgebietes zu den südlich folgenden unternubischen Kulturen. Mit einem massiven Ausbau der Befestigungen untermauert der ägyptische Zentralstaat zum Ende der frühdynastischen Zeit um 2700 v. Chr. seine Position an der Südgrenze des Landes. Auch quantitativ ist mit einem Anstieg der Bevölkerungszahl in der Stadt zu rechnen und in den Grabungen auf Elephantine tritt dies in großen Fundmengen aus allen Bereichen des Lebens zu Tage. Diese Zeitstufe und Befunde zu den folgenden 650 Jahren konnten im bislang unerforschten rückwärtigen Teil des Tempels der Göttin Satet untersucht und die Forschungslücke geschlossen werden.
Abb. 1 Elephantine, Stadt der 2. Dynastie (um 2750 v. Chr.). Haus westlich des Satettempels mit zweischaligem Ofen
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Der Verlauf der Umfassungsmauer der 2. Dynastie, der hier eine auffällige Einbuchtung aufweist, erklärt sich aus dem Streben, den höchstgelegenen Granitfelsgruppen zu folgen. Zu hoch konnten offenbar noch die Nilfluten während der Überschwemmungszeit reichen, als dass eine Bautätigkeit auf niedrigerem Niveau gewagt werden konnte. Zwischen dem Tempel und der Stadtmauer war die Siedlung der 2. Dynastie (um 2750 v. Chr.) mit mehr als 1 m hoch anstehenden Lehmziegelmauern außergewöhnlich gut erhalten (Abb. 1). Ein ungewöhnlich konstruierter, aus zwei Schalen gebildeter Ofen könnte mit der Bierherstellung in Verbindung stehen. Im Vergleich zu anderen Stadtbereichen auffallend reich sind die Funde von Steingefäß- und Siegelfragmenten, hölzernen Salbutensilien, Rollsiegeln (Abb. 2) und Pfeilfragmenten. Gut dreihundert Jahre später, begleitet von deutlich niedrigeren Hochf lutereignissen, wird die Stadtmauer in zwei Schritten auf niedrigerem Niveau errichtet und hiermit eine neue Stadtf läche gewonnen. Vor einer Bebauung galt es jedoch, mit bis zu 6 m hohen Schüttungen den Zwischenraum zu füllen. Dies wurde mit Schutt aus dem Tempel der Satet und seiner unmittelbaren Umgebung bewerkstelligt. Hiermit ermöglicht sich nochmals ein umfassender Einblick in die Votivpraxis des 3. Jts. v. Chr. Dazu gehören Kultkeramik und Figurinen, unter denen sich das Applikationsfragment einer Frauenfigur aus Holz befindet (Abb. 3). Diese Untersuchungen wurden im Kontext des Forschungsclusters 4 »Heiligtümer. Gestalt und Ritual. Kontinuität und Veränderung« möglich. Auch an weiteren Fundgruppen wurde die Arbeit fortgesetzt. Hier sind vor allem die Siegel des Alten Reiches, Nubische Keramik des 3. bis 2. Jts. v. Chr., Keramik des Alten, Mittleren und Neuen Reiches und der Spätantike, Architekturteile und Dekoration der Satettempel und Chnumtempel des 2. und 1. Jts. v. Chr. sowie die Tierknochenfunde zu nennen. Das Schweizerische Institut für Ägyptische Bauforschung und Altertumskunde führte seine Untersuchungen an der südwestlichen Stadtmauer fort. Die Untersuchungen sprechen nun für eine Errichtung im späten Mittleren Reich (um 1750 v. Chr.). Derzeit wird angenommen, dass die jüngsten Ausbauten der Befestigungen in die frühptolemäische Zeit (um 300 v. Chr.) datieren. Im Chnumtempel wurde die Untersuchung der spätantiken Besiedlung im Anschluss an die Aufgabe des Chnumkultes nördlich des Tempelhauses fortgesetzt. Im Bereich des Hauses T43 wurde eine kleine, einschiffige Kirche (L 7,90 m, B 4,20 m) mit einer wohl beträchtlichen Gebäudehöhe von bis zu 5 m untersucht (Abb. 4). Die innere Tempelumfassungsmauer war hier erst im späten 6. Jh. abgerissen worden. Südlich des Chnumtempels wurde die Werkstatt K20 und ihre Umgebung weiter verfolgt. Hier konnten Fabrikationsabfälle einer Metallgefäßwerkstatt festgestellt werden, deren Produkte auf der Innenseite zum Teil Kruzifix-Dekorationen trugen. Im Rahmen der Kooperation mit dem Ägyptischen Antikendienst hinsichtlich der Restaurierung und Neugestaltung des Museums der Insel Elephantine wurde intensiv an der Konzeption des Museumsprojekts gearbeitet. Erste Vorschläge konnten dem ägyptischen Antikendienst unterbreitet werden. Kooperationspartner: Schweizerisches Institut für Ägyptische Bauforschung und Altertumskunde • Leitung des Projekts: D. Raue, P. Kopp, C. von Pilgrim • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: F. Arnold, J. Auenmüller, L. Bertini, B. Billson, A. Blöbaum, M. Brooker, J. Budka, R. Colman, E. Delange, M. El-Dorri, J. Gresky, L. von Haenigsen, A. Hood, M. Hofmann, R. Humphreys, M. Jährig, H. Jaritz, D. Katzjäger, F. Keshk, I. Klose, K. Köster, A. Korhonen, A. Krause, E. Laskowska-Kusztal, I. Leh-
Abb. 2 Elephantine, Rollsiegel der 2. Dynastie. Holz (um 2700 v. Chr.)
Abb. 3 Elephantine, Applikationsfragment einer Frauenfigurine. Holz (um 2400 v. Chr.)
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Abb. 4 Elephantine, Rekonstruktion der spätantiken Bebauung im Chnumtempelbezirk nördlich des Tempelhauses mit der Kirche T43 (7. Jh. n. Chr.)
nert, D. Lörch, R. Neef, H.-Ch. Nöske, A. Paasch, E. Peintner, L. Petrick, B. von Pilgrim, V. Podsiadlowski, T. Rzeuska, M. Schultz, S. J. Seidlmayer, A. von den Driesch, C. Vormelker, V. Wagner, L. Warden, N. Warner, P. Windszus, S. Ziegler • Abbildungsnachweis: DAI-KAI, P. Kopp (Abb. 1); DAI-KAI, A. Paasch (Abb. 2. 3); SI, F. Arnold (Abb. 4).
Abb. 5 Assuan, Survey auf dem Westufer. Blick auf das Westufer, links Qubbet el-Hawa, rechts Dörfer und Felder von Gharb Aswan
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Assuan, Survey auf dem Westufer Im Rahmen des Forschungsclusters 3 »Politische Räume« des DAI wurden die geomorphologischen und archäologischen Untersuchungen in Gharb Aswan (Abb. 5) durch Begehungen und Bohrungen mit etwa 100 neuen Untersuchungspunkten (Abb. 6) fortgesetzt. Die bodenkundlichen Untersuchungen bieten wichtige Informationen für die Rekonstruktion der historischen Landschaft, ihrer einstigen Nutzungspotenziale und ihrer topographischen Veränderung. Siedlungsplätze, landwirtschaftlich nutzbare Flächen und andere, ebenso geographische wie archäologische Befunde erlauben es, das Umfeld des urbanen Zentrums Elephantine nördlich der Granitschwelle des Ersten Kataraktes zu charakterisieren. Der
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Untersuchungsraum Gharb Aswan liegt auf der Westseite des Flusses und nördlich der Felsnekropole Qubbet el-Hawa und erstreckt sich über 7 km nach Norden. Der Fruchtlandstreifen verläuft teilweise über eine Breite von 700 m zum heutigen Flussufer. Charakteristisch für das Hinterland, wo sich ausgedehnte antike Steinbruchgebiete befinden, sind die Sandsteinplateaus, die von kleinen Tälern und Wadis durchschnitten werden. Die Auswahl der Untersuchungsplätze folgt einem idealen Raster von West-Ost-Transekten im Abstand von ca. 250 m. Die Keramikbefunde ergaben ein erstaunlich regelmäßiges Muster für die Naqada III A–C Periode (spätes 4. Jt. v. Chr.), die in Abständen von 1,2 bis 1,5 km auftraten. Der genaue Charakter dieser Befunde ist Gegenstand zukünftiger Untersuchungen. Sicher ist jedoch, dass diese Fundplätze keine Kerne kontinuierlicher Besiedlung sind, sondern dass sich mit dem Beginn der frühdynastischen Zeit das regionale Siedlungsmuster radikal verändert. Dies wird sicherlich im Zusammenhang mit der frühen Staatlichkeit und der Stadtbildung auf der gut 3 km entfernten Insel Elephantine zu erklären sein. Das 3. Jt. v. Chr. ist nunmehr lediglich in Oberf lächenfunden zu registrieren, während für die Keramik der 1. Hälfte des 2. Jts. v. Chr. Befunde aus erstaunlichen Tiefen von bis zu 6 m unter der Oberf läche festzustellen sind. Auch dieser Befund erfordert weitere Untersuchungen. Befunde des Neuen Reiches und der ptolemäischen Zeit fehlen erstaunlicherweise. Fast durchgängig kann eine spätantik-frühmittelalterliche Kulturschicht verfolgt werden, die stellenweise auch mit bloßem Auge in den Feldern durch leichte Tell-Bildung auszumachen ist. Zur Landschaft dieser Zeit gehörte mit großer Wahrscheinlichkeit eine Insel, die in Jahren durchschnittlicher Fluthöhen überschwemmungsfrei gewesen ist. Die Kulturschichtung kann hier bis zu 3 m betragen. Die nahezu f lächendeckenden Befunde und teilweise sehr hohen Konzentrationen an Keramik aus dieser Zeit könnten ein Hinweis auf die bislang nur schriftlich überlieferte Siedlung Contra-Syene sein, die etwa 35 km südlich von Contra-Ombos liegen soll. Kooperationspartner: M. C. Gatto (italienisch-englischer Survey »Aswan – Kom Ombo Archaeological Project«); M. De Dapper (Geographisches Institut der Universität Gent) • Leitung des Projekts: I. Klose • Mitarbeiter: M. De Dapper, D. Raue • Abbildungsnachweis: I. Klose (Abb. 5); D. Raue (Abb. 6).
Abb. 6 Assuan, Survey auf dem Westufer. Auswertung und Dokumentation der Ergebnisse einer Bohrung in den Feldern von Nag El-Qubba
Assuan, Fatimidenfriedhof, Islamische Südnekropole Die Dokumentations- und Restaurierungsarbeiten in der islamischen Südnekropole Assuans, einem trapezförmigen Areal von ca. 18 ha, besser bekannt als Fatimidenfriedhof, wurden in diesem Jahr fortgeführt. Hatten sich bisher die Dokumentation und die Bauforschung auf die im nördlichen Abschnitt liegenden Gräbergruppen beschränkt, konzentrierten sich die Arbeiten nun auf die westlich der Moschee des Scheich al-Dessuqi liegende Gräbergruppe im südlichen Abschnitt der Nekropole. Das Erscheinungsbild dieser Gruppen ist kompakter als das derjenigen im Norden, da sich hier wesentlich mehr Mausoleen auf einer begrenzten Fläche (ca. 100 m × 150 m) befinden. Diese sind deutlich größer und mit unterschiedlich gestalteten Kuppeln überwölbt (Abb. 7). Auffällig ist auch der relativ gute Erhaltungszustand, der darauf zurückzuführen ist, dass etwa die Hälfte der Monumente nicht Mausoleen, sondern Memorialbauten sind. Diese erinnern an Mitglieder der Prophetenfamilie und berühmte Scheichs Ägyptens, die alle anderswo begraben sind. Es sind Stätten der Heiligenverehrung und sie erfahren durch ihre Funktion dauernd eine gewisse Pf lege. Daneben gibt es zahlreiche historische und moderne Einzelbestattungen (20. und 21. Jh.). Hier wurden auch zwei neue Grabtypen identifiziert: erstens
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Abb. 7 Assuan, Fatimidenfriedhof. Südteil, Übersicht
sog. Hofgräber, die aus einer 2,00 m bis 2,50 m hohen Einfriedung aus Ziegeln bestehen, innerhalb derer mehrere Einzelbestattungen angeordnet waren. Es handelt sich dabei wohl um Familien- oder Clangräber. Der zweite Typus hat einen rechteckigen Unterbau mit Maueröffnungen wie bei einem Mausoleum, ist aber statt mit einer Kuppel mit einem altägyptischen Tonnengewölbe versehen. Da es sich aber teilweise um zerstörte und nur um eine restaurierte Anlage mit rekonstruierter Überwölbung handelt, bleibt unklar, ob die Tonne dem Originalzustand nachempfunden ist. Insgesamt wurden über 20 Mausoleen und zehn Hofgräber vermessen, photographiert und beschrieben. Neben der Dokumentation weiterer Gräber wurde die topographische Vermessung des im Norden gelegenen Friedhofareals mit einer Fläche von ca. 2,3 ha durchgeführt, das durch den Bau einer modernen Straße (ca. 1965) und eines Bürogebäudes vom restlichen Nekropolengelände abgetrennt wurde. Somit kann nun auch für dieses Gebiet eine topographische Karte im M. 1 : 500 vorgelegt werden. Das Areal ist insofern von besonderer Bedeutung, als dass sich dort neben über 90 islamischen Gräbern in dichter Abfolge wichtige Zeugnisse aus pharaonischer Zeit befinden wie Felsinschriften, Steinbrüche und Überreste einer zum Teil in den Fels gehauenen Straße, die einst zu der wesentlich weiter südlich gelegenen Tempelanlage von Philae führte. Die muslimischen Grabanlagen dort sind anders gestaltet (Abb. 8). Sie bestehen aus einem länglichen Raum (ca. 3 m × 2 m), der mit einer Lehmziegeltonne mit schrägen Schichten überdeckt ist, in dem drei bis vier Tote oberirdisch bestattet wurden. Diese Art der Bestattung ist auf den felsigen Untergrund zurückzuführen. Angesichts anstehender Restaurierungsarbeiten wurde ein Bericht zum baulichen Zustand der einzelnen Mausoleen erarbeitet. Dabei stellte sich heraus, dass die Mausoleen neben Altersspuren eine größere Zahl von konstruktiven und statischen Problemen aufweisen. So wurde an einem Mausoleum als erster Restaurierungsschritt eine statische Maßnahme getroffen, nämlich das Gießen einer armierten Manschette aus Kalkmörtel, die gleichzeitig als Klammer für das aufgehende Mauerwerk und als Fundament für eine neue Außenschale dient. Diese Restaurierung ist als Pilotprojekt für weitere Erhaltungsmaßnahmen des Supreme Council of Antiquities angelegt. Eine weitere Schutzmaßnahme betrifft die Südnekropole insgesamt. Es ist vorgesehen, das Friedhofsgelände zukünftig nicht mehr für Bestattungen
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Abb. 8 Assuan, Fatimidenfriedhof. Nordteil, Übersicht
zuzulassen, sondern in eine archäologische Schutzzone umzuwandeln. Eine solche Nutzungsänderung bedarf einer sorgfältigen Planung. Daher wurde ein erstes Konzept für ein zukünftiges Site Management erarbeitet, das folgende drei Schwerpunkte hat: Schutz und Unterhalt von Gräbern und Mausoleen, klar definierte Zonen für unterschiedliche Nutzer (Angehörige der Bestatteten und Pilger) sowie spezielle Wegführungen und Einrichtungen für Touristen. Die Südnekropole würde so idealerweise über einen Besucherparcours das Areal um den Unfertigen Obelisken im Osten mit dem Nubischen Museum im Westen verbinden. Ein 3D-Modell ist in Vorbereitung. Kooperationspartner: Supreme Council of Antiquities • Leitung des Projekts: P. Speiser • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: L. Chablais, J. Lindemann, G. Nogara. A. Paasch, G. Pyke, P. Quack, M. Sählhof, B. Schäfer, Ch. Straße • Abbildungsnachweis: A. Paasch (Abb. 7. 8). Theben-West, Nekropole von Dra‘ Abu el-Naga Die Unternehmung in der Nekropole von Dra‘ Abu el-Naga in Theben-West, gegenüber der modernen Stadt Luxor, widmet sich der Erforschung von Grabanlagen und Friedhöfen der 2. Zwischenzeit und des frühen Neuen Reiches (13.–18. Dynastie; ca. 1850–1500 v. Chr.). Das Hauptziel der Aufarbeitungskampagne im Grabungsmagazin der Unternehmung war die vollständige zeichnerische und photographische Dokumentation des gesamten Konvoluts an sog. Grabkegeln, die in den Grabungskampagnen von 1991–2008 in den verschiedenen untersuchten Arealen von Dra‘ Abu el-Naga gefunden wurden. Bei diesen Grabkegeln handelt es sich um eine eigentümliche, in ihrem Vorkommen nahezu ausschließlich auf die thebanische Nekropole beschränkte Objektart. Die bis zu 50 cm langen, kegelförmigen und aus gebranntem Ton hergestellten Grabkegel waren während des Neuen Reiches (ca. 1550– 1180 v. Chr.) zur Verzierung in langen Reihen an den Fassaden oberhalb des Eingangs von monumentalen Felsgräbern angebracht. Dabei wurden sie so in die Lehmziegelmauern oberhalb der Fassaden eingebunden, dass nur wenige Zentimeter der dicken Seite hervorragten. Dieses Ende der Kegel war mit einem meist runden Stempelabdruck verziert, der in einer hieroglyphischen Inschrift über mehrere Zeilen oder Kolumnen den Namen, die Titel und gelegentlich nahe Angehörige der Grabbesitzer wiedergab.
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Abb. 9 Theben-West, Nekropole von Dra‘ Abu el-Naga. Zeichnung und Photo der Stempelflächen zweier Grabkegel des Hohenpriesters des Amun, Min-Month, vom Vorhof seiner Grabanlage TT 232. Die Grabkegel waren als Zierrat in großer Zahl an der Fassade des Felsgrabes oberhalb des Grabeingangs angebracht
Abb. 10 Theben-West, Nekropole von Dra‘ Abu el-Naga. Dekorierte Harfe aus Grabanlage K03.2 südlich der Pyramide des Nub-Cheper-Re Intef. Dargestellt sind eine Papyrusblüte am unteren Ende des Klangkörpers sowie eine Gruppe von drei Gazellen, die sich auf wilder Flucht vor einer Raubkatze befinden
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Die Grabkegel stellen somit eine ganz besondere Quelle u. a. zur Prosopographie, zur Sozialgeschichte und zur Verwaltung der thebanischen Region der Zeit des Neuen Reiches dar. Darüber hinaus erlauben sie häufig die Identifizierung einer Felsgrabanlage in solchen Fällen, in denen weder aus der Dekoration noch aus den in einer Grabanlage aufgefundenen Objekten die ursprüngliche Identität seines oder seiner Besitzer hervorgeht: Im Laufe der Jahrtausende kollabierten die Lehmziegelmauern oberhalb der Grabfassaden und stürzten zusammen mit den in ihnen verbauten Grabkegeln in die offenen Vorhöfe der Felsgrabanlagen. In den Ausgrabungen dieser Höfe lassen sich dann mitunter Dutzende bis einige Hundert Exemplare von Grabkegeln mit identischem Stempelfeld finden, wodurch sich das Felsgrab zweifelsfrei einem Besitzer zuweisen lässt – wie etwa im Falle der gewaltigen Grabanlage TT 232 im Konzessionsgebiet der Unternehmung, die auf diese Weise eindeutig dem »Hohenpriesters des Amun« namens Min-Month zugeschrieben werden kann (Abb. 9). Das Konvolut der während der vergangenen 18 Jahre aufgefundenen Grabkegel aus der Unternehmung Dra‘ Abu el-Naga umfasst etwas über 1 000 komplette und fragmentierte Exemplare, von denen etwa 600 eindeutig insgesamt ca. 60 verschiedenen Typen bzw. Stempeln zuzuweisen sind. Letztere konnten während der Aufarbeitungskampagne komplett dokumentiert werden, exemplarisch für den jeweiligen Stempelabdruck. Die Aufnahme dieses Konvoluts geschah im Rahmen einer in Vorbereitung befindlichen Publikation der Grabkegel aus Dra‘ Abu el-Naga durch E. Kruck, die als Band 124 der Reihe »Archäologische Veröffentlichungen« erscheinen soll. Während der Aufarbeitungskampagne wurden daneben drei verschieden gut erhaltene hölzerne Harfen restauriert, die aus den Grabkammern unterschiedlicher Schachtgrabanlagen in der näheren Umgebung der Pyramide des Königs Nub-Cheper-Re Intef (Ende der 17. Dynastie, ca. 1560 v. Chr.) stammen. Aufgrund vor allem des keramischen Inventars werden die Harfen vorläufig in die späte 2. Zwischenzeit und das frühe Neue Reich datiert. Insbesondere eine dieser Harfen stellt wegen ihres aufwendigen polychromen Dekors an den beiden Längsseiten des Klangkörpers in diesem Erhaltungszustand ein absolutes Einzelstück dar (Abb. 10) und soll zusammen mit einer weiteren Harfe in näherer Zukunft im Museum Luxor ausgestellt werden. Leitung des Projekts: D. Polz • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: P. Collet, E. Kruck, E. Peintner, P. Windszus • Abbildungsnachweis: DAIKAI-DAN, Zeichnung, P. Collet, Photographie, P. Windszus (Abb. 9); DAIKAI-DAN, P. Windszus (Abb. 10).
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Theben-West, die Grabanlage K93.12 in der Nekropole von Dra‘ Abu el-Naga K93.12 ist der südliche Teil eines großen Doppelgrabkomplexes in der mittleren Hügelkette von Dra‘ Abu el-Naga (Abb. 11), welcher im Rahmen des Forschungsclusters 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual. Kontinuität und Veränderung« des DAI untersucht wird. Das übergeordnete Forschungsinteresse gilt dabei der ›Sakralisierung des Grabes‹, die ein Phänomen des fortgeschrittenen Neuen Reiches darstellt. Grabinnenraum: Der Schacht und die unterirdische Anlage konnten in diesem Jahr vollständig freigelegt werden. Von dem senkrechten Schacht (Abmessungen: ca. 2,00 m × 3,00 m; Tiefe ca. 10,00 m) öffnet sich ein ca. 5,00 m langer absteigender Korridor nach Westen, welcher in eine Kammer von 2,90 m Breite und 2,35 m Länge führt (Höhe ca. 2,10 m; Abb. 12). Der durchmischte Schutt aus Korridor und Kammer enthielt die Reste von mehreren durch Grabraub stark beschädigten Bestattungen. Darunter befand sich auch jene des Hohenpriesters des Amun Amenophis, womit eine der zentralen Fragen des Projekts geklärt werden konnte. Die Funde lassen auf insgesamt drei Bestattungsphasen schließen. Phase 1, Bestattung des Hohenpriesters Amenophis (20. Dynastie, um 1125 v. Chr.): Von der Bestattung des Amenophis wurden diverse Holzsargfragmente gefunden und außerdem insgesamt 20 gut gearbeitete Holzuschebtis (zwölf davon intakt) geborgen, die mit seinem Namen beschriftet sind (Abb. 13). Neben den Uschebtis kam eine große Menge an Keramik der 20. Dynastie zum Vorschein. Zwei Amphoren sind mit einer hieratischen Tintenaufschrift versehen, die ebenfalls den Namen und den Titel des Hohenpriesters nennen (Abb. 13). Phase 2, 22. Dynastie (um 945 bis 735 v. Chr.): Es wurden die z. T. recht großformatigen Fragmente von fünf Kartonagesärgen geborgen. Mit ihrer Restaurierung und Dokumentation wurde bereits begonnen. Ein Teil der zahlreichen Holzsargfragmente ebenso wie einige Gefäßformen des Keramikinventars können ebenfalls in die 22. Dynastie datiert werden. Außerdem kamen in der Verfüllung mehr als Tausend kleine Uschebtis aus gebranntem Ton zu Tage, die in vier Typen untergliedert werden können. Ein lang
Abb. 11 Theben-West, die Grabanlage K93.12 in der Nekropole von Dra‘ Abu el-Naga. Blick über die beiden Vorhöfe (VH 1 und VH 2) von K93.12. Im Zentrum befinden sich die Überreste des Lehmziegelpylons; östlich davon (in VH 1) ist der Zerstörungshorizont aus Sandsteintrümmern erkennbar
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Abb. 12 Theben-West, die Grabanlage K93.12 in der Nekropole von Dra‘ Abu el-Naga. Blick aus der Passage in die noch teilverfüllte Sargkammer des Felsgrabes
Abb. 13 Theben-West, die Grabanlage K93.12 in der Nekropole von Dra‘ Abu el-Naga. Grabbeigaben des Hohenpriesters des Amun Amenophis, ein hölzerner Uschebti (Dienerfigur) sowie vier Beispiele aus dem Keramikinventar
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gestreckter weiblicher Typ ist mit großer Wahrscheinlichkeit der 22. Dynastie zuzuordnen. Phase 3, 25. Dynastie (um 750 bis 660 v. Chr.): Diese Phase ist durch ein reichhaltiges Keramikinventar belegt. Dieses beinhaltet sog. sausage jars, squat jars, brush decorated jars sowie große Mergeltonschalen. Die Bearbeitung der geborgenen Holzsargfragmente steht noch aus. Von den hunderten z. T. sehr kleinteiligen Sargfragmenten konnten bislang noch keine eindeutig dieser späten Phase zugeordnet werden. Vorhöfe und Lehmziegelpylon: Der innere Vorhof (VH 2) ist bis auf einen Profilschnitt vollständig freigelegt worden. Von dem zentralen Lehmziegelpylon wurde der noch verschüttete Nordturm ausgegraben, so dass der gesamte Torbau inklusive der späteren Bauergänzungen aufgenommen werden konnte. Der Pylon selbst wurde in der 20. Dynastie errichtet, aber er ist in mindestens zwei weiteren Phasen baulich verändert worden. In den zwei neu angeleg-
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Abb. 14 Theben-West, die Grabanlage K93.12 in der Nekropole von Dra‘ Abu el-Naga. Südlicher Teil des Hofbereichs mit dem Südturm des zentralen Lehmziegelpylons (Mitte) und dem Westturm des Seitenpylons (rechts). Der Horizont aus Sandsteintrümmern im ersten Hof zieht sich durch den Durchgangsbereich des Seitenpylons bis in die Süderweiterung hinein
ten Schnitten des ersten Vorhofs (VH 1) kam östlich des Lehmziegelpylons ein Zerstörungshorizont bestehend aus Sandsteintrümmern zum Vorschein (Abb. 11. 14). Offensichtlich wurden große Teile der zerstörten Anlage im ersten Hof abgekippt. Weiteres Interesse galt der Frage nach der Südbegrenzung des ersten Vorhofs und einer möglichen Zuwegung aus dem von Süden an die Hügelf lanke heranführenden Wadi heraus. In den hier angelegten erweiternden Schnitten konnten die untersten Ziegellagen der Westf lanke eines Torbaus freigelegt werden (Abb. 14). Es handelt sich um einen seitlich gelagerten Pylon, welcher die gleiche bauliche Gestalt aufweist wie der zentrale Lehmziegelpylon. Auch in der Süderweiterung fand sich eine große Menge an Sandsteintrümmern. Ein Teil der zerschlagenen ramessidischen Kapelle wurde nach ihrer Zerstörung also auch südlich des Vorhofs abgeladen. Die Freilegung des Seitenpylons und die weitere Klärung der Situation im ersten Hof wird ein zentrales Ziel der kommenden Kampagne sein. Leitung des Projekts: U. Rummel • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: T. Brockmeier, S. Fetler, N. Gräßler, G. Heindl, L. Körfer, L. Kruck, P. Kunkel, T. Mack, S. Michels, E. Peintner, P. Windszus • Abbildungsnachweis: DAI-KAI-DAN, U. Rummel (Abb. 11. 12); DAI-KAI-DAN, P. Windszus (Abb. 13. 14). Theben-West, spätantike-koptische Klosteranlage Deir el-Bachit in Dra‘ Abu el-Naga Die Arbeiten in der Klosteranlage Deir el-Bachit, die sich hoch über dem Niltal auf dem Hügelrücken von Dra‘ Abu el-Naga erstreckt, umfassten im Frühjahr eine eingehende Bauuntersuchung mit steingerechter Bauaufnahme sowie Zeichenarbeiten verschiedener Objekte vor Ort und im Magazin der ägyptischen Antikenverwaltung. Außerdem wurde eine kleinere Sondage durchgeführt, deren Notwendigkeit sich aus den neu gewonnenen Erkenntnissen der diesjährigen Bauuntersuchung ergeben hatte. Der kleine, in der Kampagne des Vorjahres unter zwei Lehmböden des Vierpfeilerraumes zu Tage gekommene Raum 10 A (Abb. 15), in dem sich ein verschlossenes Lehmgefäß mit elf intakten Keramikgefäßen, zahlreiche Holzutensilien und andere Gegenstände befanden, war damals ohne die Grundlage einer eingehenden Bauuntersuchung vorläufig als Bestandteil der ältesten
Abb. 15 Theben-West, spätantike-koptische Klosteranlage Deir el-Bachit von Dra‘ Abu el-Naga. Raum 10 A mit dem darin gefundenen verschlossenen Lehmbehälter (im Vordergrund des Raumes), Blick nach Norden
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Abb. 16 Theben-West, spätantike-koptische Klosteranlage Deir el-Bachit von Dra‘ Abu el-Naga. Abfolge der Bauphasen im Vierpfeilerraum 10
Abb. 17 Theben-West, spätantike-koptische Klosteranlage Deir el-Bachit von Dra‘ Abu el-Naga. Vierpfeilerraum 10 mit Viehtrögen an der Steinmauer, Blick nach Westen
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Phase der Klosterbebauung im südlichen Klosterbereich interpretiert worden. Durch die gezielte Bauuntersuchung dieses Raumes sowie aller umgebenden Strukturen und durch die Untersuchung der Funde aus diesem Raum ergaben sich in der diesjährigen Kampagne neue Erkenntnisse. Zwar ist der Raum 10 A mit dem Lehmbehälter und dessen Inhalt älter als der darüber gebaute Vierpfeilerraum, jedoch deutlich später als die beiden ältesten Bauphasen 1 und 2 unter dem Vierpfeilerraum (Abb. 16). Die Untersuchung der intakten Keramikgefäße aus dem Lehmbehälter in Raum 10 A hat überdies ergeben, dass die Gefäße frühestens in der Zeit zwischen 750–800 n. Chr. in dem Lehmbehälter deponiert worden sein können. Damit bietet sich nun erstmals ein konkreter Hinweis für eine zeitliche Fixierung der bislang nur relativen Chronologie, denn dies bedeutet, dass die beiden ältesten nachgewiesenen Bauphasen in diesem Bereich, d. h. die Südwand des Vierpfeilerraumes sowie die große Steinmauer M 226 (Abb. 16), vor 750–800 n. Chr. errichtet wurden, während der kleine Raum 10 A erst danach errichtet worden sein kann. Um die Ausdehnung der Viehtröge, die an den Raum 10 A gebaut worden sind, feststellen zu können und den Zusammenhang mit dem Raum 10 A weiter zu klären, wurde der bislang nicht freigelegte östliche Teil des Vierpfeilerraumes ausgegraben (Abb. 17). Die Rückwand der Tröge wird von einer Steinmauer gebildet, die entweder gemeinsam mit der Ostwand des Raumes 10 A oder später als diese errichtet wurde (Abb. 16, Bauphase 3). Zusammen mit den Viehtrögen setzt sie sich sogar noch unter der Ostwand des späten Vierpfeilerraumes fort, so dass ihr Abschluss vorläufig nicht zu klären war. Wichtiges Ergebnis dieser Grabung ist aber, dass die Wände des später errichteten Vierpfeilerraumes offensichtlich keine Rücksicht auf die älteren Strukturen genommen haben und sich auch nicht an ihnen orien-
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tierten. Eine Erklärung hierfür ist vorläufig die Annahme eines Funktionswandels des später errichteten Vierpfeilerraumes sowie der an ihn grenzenden Räume. Kooperationspartner: Ludwig-Maximilians-Universität München • Förderung: Gerda Henkel Stiftung; DFG • Leitung des Projekts: G. Burkard, I. Eichner (Grabungsleitung) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: T. Beckh; H. Bücherl, R. Fey, K. Gabler, J. Sigl • Abbildungsnachweis: I. Eichner (Abb. 15–17). Theben-West, Memnon-Kolosse und Tempel Amenophis’ III. Die 11. Kampagne an den Memnon Kolossen und dem Totentempel Amenophis’ III. hatte neben den Grabungen im Tempelbereich vornehmlich die Reinigung, Restaurierung und Konservierung der in den vergangenen Jahren gefundenen Objekte zum Ziel. An den Memnon-Kolossen wurden wiederum manuelle Kontrollmessungen vorgenommen, die erfreulicherweise keine neuen Senkungen, auch keine weiteren Risse aufzeigten. Darüber hinaus fanden die Überprüfung und Kartonierung der Risse an den Statuen und den Sockeln statt. Am 2. Pylon erfuhren die beiden verstürzten Kolosse Amenophis’ III. eine Behandlung durch ein Team von Restauratoren. Die verschiedenen großen abgebrochenen Fragmente von Fuß, Sockel und Arm des Südkolosses wurden aus der tiefen Ausschachtung herausgezogen, gereinigt und konserviert, die Reliefdarstellung von Fremdvölkern am Sockel aus zahlreichen Fragmenten weiter zusammengesetzt und anschließend gezeichnet und photographiert. Darauf hin wurde der noch immer knapp 300 t schwere Torso auf eine Aufschüttung von Sand und Kies gehoben und um 90° aufgerichtet, damit in der kommenden Kampagne die abgebrochenen Fragmente wieder angefügt werden können. Die Königin Teje an der Seite des Thrones blickt jetzt zum Himmel (Abb. 18). Bei der Ausgrabung im östlich anschließenden Quadrat fanden sich größere Teile des Kopfes, eine Partie des Mundes, 67 cm lang und 35 cm breit, fein poliert und gerandet, ein gewaltiges Fragment des Bartes, 110 cm hoch, sowie Hunderte kleinere Fragmente.
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Abb. 18 Theben-West, Memnon-Kolosse und Totentempel Amenophis’ III. Freigelegte rechte Seite des Südkolosses Amenophis’ III. am 2. Pylon, mit Königin Teje an der Seite des sitzenden Königs Abb. 19 Theben-West, Memnon-Kolosse und Totentempel Amenophis’ III. Peristyl Ost. Fundamentgrube der Südhälfte der Außenwand mit Resten der Fundamentblöcke. Fundstätte der Königsstatue und des Sphinx
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Abb. 20 Theben-West, Memnon-Kolosse und Totentempel Amenophis’ III. Sitzstatue Amenophis’ III. aus der Fundamentgrube des Peristyl-Ost. Dunkler Granit (H 2,59 m) Abb. 21 Theben-West, Memnon-Kolosse und Totentempel Amenophis’ III. Sphinx Amenophis’ III. Quarzit (H 1,98 m, L 2,90 m) 20
Auf der Südseite des Eingangtores zum Peristyl wurden zwei 10 m × 10 m große Quadrate geöffnet (Planquadrate 940/S1 und 940/S2). Auch dort hatten die ramessidischen Steinräuber das Mauerwerk und die Fundamentsteine bis zur untersten Kiesschicht fast vollständig ausgeplündert (Abb. 19). Auf dieser untersten Schicht lag auf der Seite eine herrliche königliche Sitzstatue aus dunklem Granit von 2,60 m Höhe (Abb. 20). Sie ist perfekt erhalten, nur die Nase ist angebrochen und der Uräus fehlte. Diesen fanden wir jedoch unter anderen Fragmenten aus früheren Grabungen im Peristyl. Auf einer Seite des Throns steht fein eingraviert der Name Amenophis. Es ist eindeutig ein sehr frühes, jugendliches Bildwerk des Königs. Nicht weit davon lag ein mächtiger Königskopf, der zu einem über 3 m großen Sphinx gehörte, der sich unweit davon im Schlamm befand. Nachdem sie herausgezogen waren, konnten Kopf und Körper des Sphinx zusammengefügt werden (Abb. 21). Weiter südlich davon, direkt an der abgerissenen Innenseite der Peristylmauer waren große Architravblöcke aus Sandstein erhalten geblieben. Sie sind mit dem Namen Amenophis’ III. und dem Namen des Tempels »Gotteshaus von Millionen von Jahren« dekoriert. Andere Blöcke enthalten feine Reliefszenen einer hügeligen ›Wüstenlandschaft‹ mit Tieren. In der Westportikus des Peristyls wurde die Entsalzung und Konsolidierung der großen Säulenbasen aus Sandstein fortgesetzt; dabei fand sich eine kopf lose Sitzstatue der Göttin Sachmet. In einem Schnitt an der Nordostecke des Peristyls, wo wir die Ecke der Peristylmauer angenommen hatten, fand sich in der Tat der Eckstein und Mauerreste des Fundamentgrabens. Damit kann nun die genaue Breite des Peristyls gemessen werden.
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Förderung: Association des Amis des Colosses de Memnon; Förderverein Memnon; private Spenden • Leitung des Projekts: H. Sourouzian • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: R. Stadelmann, J. Dorner, N. Hampikian, M. Seco Alvarez, Ch. Perzelmeier, A. Karakhanyan, A. Avagian, M. Blanco Sanz, M. Lopez Marcos, L. Mesa Garcia, M. A. Moreno, E. Mora Ruedas, S. J. Vidal, A. Hasan Ibrahim, T. Hasan Ibrahim, A. Mohamed Ali, E. Kamimura, B. Lachat, D. Galazzo, C. Bondi, U. Lewenton, K. Ueno, P. Calassou, J. Malatkova, A. Chéné, O. Chéné, D. Aston, A. Garnett, O. Elchal, C. Henderson, L. Clarke. • Abbildungsnachweis: ©Memnon/Amenhoteps III Project (Abb. 18–21). Abydos/Umm el-Qaab Im frühzeitlichen Königsfriedhof war die Feldarbeit wiederum auf den Grabkomplex des Djer konzentriert (1. Dynastie, um 2950 v. Chr.). Am Grab seines Nachfolgers Wadj wurden Aufnahmearbeiten durchgeführt und in der Umgebung des Grabes des Peribsen (2. Dynastie) die Reinigung fortgesetzt. Im Grabungshaus wurde die Bearbeitung der Keramik und der Kleinfunde weitergeführt. Außerdem wurden zwei weitere Magazinräume angefügt. Die schon während der letzten Kampagne weitgehend ausgehobene Königskammer des Djer wurde vollständig geleert und gereinigt (Abb. 22). Der Boden mit einem Ziegelpf laster und Schlammestrich darüber erwies sich erstaunlicherweise als weitgehend ungestört. In dem Estrich waren allenthalben noch Abdrücke von dicht verlegten Halbrundhölzern festzustellen, die offenbar als Auf lager für den Holzfußboden des großen Schreines dienten, von dessen Rahmenbalken unmittelbar vor den Zungenmauern ebenfalls noch Abdrücke vorhanden sind. Der Schrein war 10,50 m × 8,60 m groß und führte im Westen direkt an die Ausmauerung der Königskammer, die im Südwesten eine Scheintürnische aufweist. Farbreste an einer der Zungenmauern zeigen, dass er rot bemalt war. Einige Zentimeter über dem Estrich der 1. Dynastie waren noch Reste eines weiteren Estrichs erhalten, der aus dem Mittleren Reich (um 2000 v. Chr.) stammen dürfte, als das Grab für den Osiriskult umgestaltet wurde (zu den Forschungen zu Osiris in Abydos s. auch hier S. 161–163). Bemerkenswerterweise ist die Grabkammer dafür gar nicht vollständig ausgeräumt worden, in einigen der durch die Zungenmauern gebildeten Nebenkammern
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Abb. 22 Abydos, Königsfriedhof Umm el-Qaab. Grab des Königs Djer, Königskammer Abb. 23 Abydos, Königsfriedhof Umm el-Qaab. Grab des Königs Djer, Königskammer, südliche und östliche Nebengräber
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Abb. 24 Abydos, Königsfriedhof Umm el-Qaab. Grab des Königs Djer, Türkisfigur
Abb. 25 Abydos, Königsfriedhof Umm el-Qaab. Privatstele einer Frau
steckten im Boden noch Keramikfragmente und auch die Treppe des Mittleren Reiches in der Nordwestecke, unter der F. Petrie einige Importgefäße fand, ist nicht unmittelbar auf den Estrich der 1. Dynastie, sondern auf eine dünne Sandschicht gegründet. Nach weiterem Abbau der Halden wurden die südlichen Nebengräber vollständig freigelegt und geleert (Abb. 23). Sie bestehen aus einer baulichen Einheit von ca. 16,50 m × 4,08 m Größe mit 20 Kammern, die in zwei von Ost nach West verlaufenden Reihen in etwa 5,65 m Abstand von der Königskammer angelegt sind. Eine durchlaufende Mittelwand trennt die beiden Reihen von acht größeren Kammern im Norden und zwölf kleineren Kammern im Süden. Die Tiefe beträgt durchweg ca. 1,45 m. Am Boden sind verschiedentlich Reste von Holzsärgen erhalten. Bei mehreren Kammern ist die Nordwand ausgehackt worden, da der Platz für den Sarg zu klein war. Die Eindeckung der Gräber erfolgte mit Rundhölzern, die auf der nördlichen beziehungsweise südlichen Außenwand auf lagen und von dort die Kammern in Nord-Süd-Richtung zur tragenden Mittelwand überspannten. Auf den Außenmauern sind Lehmziegelreste von der Einmauerung der Balkenköpfe erhalten. Als Deckschicht diente darüber eine Lage Lehmziegel. Von den östlichen Nebengräbern wurden die südlichen 35 Kammern freigelegt und drei Kammern geleert. Sie sind in drei Reihen angeordnet, von denen die innere Reihe mit größeren Kammern etwas höher liegt als die beiden äußeren Reihen. Auch hier sind noch Reste der Deckenfassung erhalten. Einige Kammerwände waren ausgehackt, um die Särge aufnehmen zu können. In der Restfüllung der Königskammer, den Schuttüberlagerungen und Füllungen der Nebengräber fanden sich wie in den bisherigen Kampagnen große Mengen an Keramik, vor allem Weinkrugfragmente, Scherben von Steingefäßen, einige Siegelabrollungen und verschiedene Elfenbein- und Steinobjekte (Abb. 24) sowie weitere Fragmente vom Schrein des Osiris und Votivgaben für Osiris. In der Umgebung des Grabes des Peribsen wurden westlich bzw. nord- und südöstlich weitere Abschnitte der originalen Wüstenoberf läche von Flugsand und Schuttüberlagerungen gereinigt. Im Westen kamen dabei noch einige Siegelabrollungen und etwas Keramik zu Tage, im Osten gab es nur vereinzelte Streufunde an Keramik. Im Südosten, an den Ausläufern der Halden des Djer, wurde neben Keramik aus dem Grab des Djer auch eine kleine Privatstele einer Frau gefunden (Abb. 25). Förderung: DFG • Leitung des Projekts: G. Dreyer • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: F. Barthel, A. Blöbaum, K. Butt, R. Hartmann, U. Hartung, A. Kohse, C. Knoop, I. Köhler, H. Köpp, R. Kuhn, E.-S. Lincke, M. Mahn, N. Marcinzik, P. Meyrath, S. Müller, V. Müller, A. Rost, M. Sählhof • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 22–25). Osiris in Abydos Im Rahmen des Forschungsclusters 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual. Kontinuität und Veränderung« des DAI wird die Nutzung der Nekropole von Umm el-Qaab als zentraler Kultort des Osiris untersucht, insbesondere die kultische Kontinuität vom ausgehenden Alten Reich (um 2200 v. Chr.) bis zum frühen 6. Jh. n. Chr. Ziel ist die Rekonstruktion des bislang weitgehend unbekannten Kultgeschehens am Osirisgrab (Grab des Königs Djer), insbesondere in Verbindung zu den umgebenden sakralen Bereichen und Anlagen.
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Abb. 26 Osiris in Abydos, Ansicht der temporären Keramiksteingärten am Osirisgrab. Im Vordergrund die Fundstelle O-NN
In Abstimmung mit den fortlaufenden Grabungen des DAI zur Untersuchung der frühdynastischen Nutzung der Nekropole von Umm el-Qaab (zu den Arbeiten in Abydos s. auch hier S. 160. 161), lag ein Schwerpunkt des Projekts in der Fortsetzung der Dokumentation der zahlreichen osirianischen Funde und Befunde. Hierzu zählt insbesondere die systematische Erfassung der während der Grabung am Osirisgrab gelagerten Keramikberge. Insgesamt wurden 40 573 diagnostische Scherben und vollständige Gef äße bearbeitet (Abb. 26). Auf dieser Basis kann nun das Spektrum der Waren und Formen, vor allem hinsichtlich ihrer Häufigkeit und relativen Häufigkeit, verlässlich rekonstruiert werden. Die bislang angenommene Dominanz der sog. Spätzeitf laschen scheint überdenkenswert zu sein – teilweise wird das Repertoire von Biertöpfen und -f laschen des späten Neuen Reiches (um 1100 v. Chr.) und vor allem der 3. Zwischenzeit (ca. 1000–750 v. Chr.) dominiert. Es deutet sich an, dass ein Großteil des Materials bereits aus der Libyerzeit vor der 25. Dynastie stammt (ca. 720–655 v. Chr.). Die 19. Dynastie ist ebenfalls besonders prominent vertreten. Darüber hinaus konnten zahlreiche bislang unbekannte Formen des Mittleren Reiches (um 1800 v. Chr.) dokumentiert werden, die teilweise gute Parallelen im Material aus dem Tempelkomplex Sesostris III. in Abydos-Süd finden. Als ausgesprochen ergiebig hat sich die Aufarbeitung der Archivmaterialien und Funde der früheren Ausgräber É. Amélineau, F. Petrie und E. Naville erwiesen. Während der Bearbeitung der beschrifteten Keramik des Neuen Reiches und der 3. Zwischenzeit (Abb. 27) konnten so erneut aus den Neufunden der DAI-Grabung Anpassstücke zu Fragmenten aus den alten Grabungen, welche sich heute in verschiedenen Sammlungen und Museen – besonders in Paris, Châteaudun, Chiddingston und London – befinden, identifiziert werden. Unter den zahlreichen Kleinfunden befindet sich auch ein sog. Osirisbeet, ein aus Lehm bestehender Gefäßinhalt mit Abdrücken von Getreidekörnern. Des Weiteren konnte ein Schulterfragment einer Osirisfigur aus ungebranntem Lehm zugewiesen werden; mehrere ähnliche Figuren waren bereits früher von E. Naville am Ende eines auf das Osirisgrab zuführenden Prozessionsweges gefunden worden. Mehrere Kalksteinblöcke, insbesondere
Abb. 27 Osiris in Abydos, Votivgefäßfragment mit Darstellung und Beischrift des Hohenpriesters des Amun Iuput, Sohn Schoschenq I. aus der 22. Dynastie (ca. 920 v. Chr.)
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Abb. 28 Osiris in Abydos, Rekonstruktion des im Schrein stehenden Kultbildes, des sog. Osirisbettes (Aufsicht)
einige Eckakrotere wurden als verbliebene Fragmente eines hellenistischen Hörneraltars identifiziert, der ursprünglich im näheren Umfeld des Osirisgrabes platziert gewesen ist. Noch nicht abgeschlossen ist die Rekonstruktion des großen Schreines, der vermutlich erst in der Spätantike mutwillig zerschlagen worden ist und von dem erneut zahlreiche Fragmente geborgen wurden. Besondere Bedeutung erhält dieser Schrein, da in ihm offensichtlich einst das bereits von É. Amélineau entdeckte Osirisbett, die Kultstatue, gestanden hat (Abb. 28). Dass sich in hellenistischer und römischer Zeit im Bereich des Sethostempels ein Orakel befunden hat, ist seit Längerem bekannt; Zeugnis geben insbesondere der Geschichtsschreiber Ammianus Marcellinus sowie antike Graffiti im Tempel Sethos I. Anlass für intensivierte Untersuchungen zu Abydos in der Antike und Spätantike waren die gezielten Fragestellungen zum Ende und Nachleben von Kultorten im Kontext des Forschungsfeldes 2 innerhalb des Forschungsclusters 4 des DAI. Neufunde, insbesondere Ostraka und Graffiti aus dem nahen Umfeld des Osirisgrabes, weisen nun darauf hin, dass auch dieses Areal in den bis in die Spätantike andauernden Kultablauf integriert gewesen ist. Das damals bereits fast 2 000 Jahre alte Kultbild des Osiris wurde anscheinend in der Art einer ›Statuenreliquie‹ zu einer Orakelstatue umfunktioniert. Leitung des Projekts: U. Eff land • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: F. Barthel, J. Budka, A. Eff land, S. Müller, J. D. Preisigke, A. Rost, J. Vieth • Abbildungsnachweis: J. Budka (Abb. 26); DAI-KAI, F. Barthel (Abb. 27); U. Eff land (Abb. 28). Dahschur Das ca. 30 km südlich von Kairo gelegene Dahschur gehört mit seinen Pyramiden des Alten und Mittleren Reiches (um 2600–1700 v. Chr.) zu den bedeutenden Pyramidenfriedhöfen Ägyptens. In diesem Jahr konzentrierten sich die Arbeiten auf die Freilegung von Grabschächten aus dem Mittleren Reich (um 1900 v. Chr.) westlich der Pyramide Amenemhets II. (Abb. 29). Es handelt sich um eine von Nord nach Süd ausgerichtete Doppelreihe von 2 × 15 Grabschächten. Im Norden schließt sich rechtwinklig dazu eine nach Westen verlaufende Doppel- bzw. Drei- bis Vierfachreihe mit unregelmäßig angeordneten Schächten an. Die Tatsache, dass der Schachtkomplex parallel und axial zum Pyramidenbezirk Amenemhets II. ausgerichtet ist, zeigt, dass er in direkter Beziehung zu dieser Grabanlage steht. Insgesamt sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt acht Schächte freigelegt worden. Die Grabkammern waren alle beraubt. Trotzdem fanden sich zahlreiche Reste von Mumien, Bestattungen in hölzernen Kastensärgen, Karto-
Abb. 29 Dahschur, schematische Umzeichnung nach dem Magnetogramm. Schachtreihen des Mittleren Reiches westlich des Pyramidenbezirks Amenemhets II.
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Abb. 30 Dahschur, Blick nach Süden in die halb ausgegrabene Grabkammer 7L16 mit einer Trinkflasche am Kopfende des Sarges. 12. Dynastie (um 1900 v. Chr.)
Abb. 31 Dahschur, Opferbecken des »Leiters des Festzeltes des Palastes« und »Vorsteher der privaten Räume des Königs«, Za-Mesehi »Sohn des Krokodilgottes«
nage von Mumienmasken, angesetzte hölzerne Ohren und ein hölzerner Bart, Blattgold von den vergoldeten Eckleisten des Sarges, ein hölzerner Kanopendeckel und Ritualobjekte wie Modellwaffen und Szepter sowie hölzerne Miniaturteile von Schiffen, ein Spiegel-Amulett und Keramik. Regelmäßig befanden sich am Kopfende des Sarges oder neben dem Grabkammereingang eine Flasche und ein Trinknapf (Abb. 30). Am östlichen Ende der ost-westlich verlaufenden Schachtreihe haben sich Spuren von Oberbauten erhalten. Es handelt sich um Reste eine kleinen Lehmziegelkapelle, einer Miniaturmastaba und einer größeren Mastaba. In diesen Oberbauten waren Libationsbecken aufgestellt (Abb. 31). Weiter wurden Fragmente einer Scheintür gefunden. Die Titel der Besitzer zeigen, dass es sich bei den in den Grabschächten bestatteten Personen um Palastpersonal vom Hof Amenemhets II. handelt. Zu diesem neuartigen Denkmälerkomplex des Mittleren Reiches gibt es keine direkten Parallelen. Um zu allen Aspekten Anknüpfungspunkte zu finden, muss man chronologisch in die ferne Vergangenheit zurückgreifen
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Abb. 32 Dahschur, Blick auf den ›See von Dahschur‹, einen Altarm des Nils, an dem die südliche Pyramidenstadt des Snofru gelegen haben könnte
und Vorbilder der 4. Dynastie, ja aus der 1. Dynastie am Anfang des 3. Jts. v. Chr. heranziehen. Die Königsgräber in Abydos waren von Doppel- und Mehrfachreihen von Nebengräbern des Hofstaats umgeben; am Fruchtlandrand lagen große Ritualbezirke, die ebenfalls von Gräberreihen eingefasst waren. Wie es scheint, greift Amenemhet II. als erster König des Mittleren Reiches nicht nur programmatisch bis auf die Urzeit des ägyptischen Staates zurück. Im Rahmen des Forschungsclusters 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual. Kontinuität und Veränderung« des DAI und des Exzellenzclusters TOPOI wurden geowissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt, die eine Rekonstruktion der Paläoumwelt und der antiken Landschaft von Dahschur mit ihren Denkmälern und Siedlungen zum Ziel haben. Auf der Grundlage von sedimentologischen und geomorphologischen Analysen sollen Paläoumweltbedingungen rekonstruiert und Veränderungen im Relief und Geländeniveau ausgewiesen werden. Es wurden über 500 Sedimentproben untersucht, die bei Bohrungen im zur Knickpyramide führenden Wadi und dessen Vorfeld genommen wurden. Das Ziel der Bohrungen war, den zum Tempel der Knickpyramide führenden Aufweg zu verfolgen und die antiken Geländeniveaus des Mittleren und Alten Reiches zu bestimmen, die heute mehrere Meter mit Sand bzw. Kulturschichten bedeckt sind. Im Wadi sind nach dem Alten Reich sowohl äolische (durch Wind) wie f luviale (durch Wasser) Transportprozesse nachweisbar. Bohrungen am westlichen Ufer des Sees von Dahschur (Abb. 32), bei dem es sich um einen Altarm des Nils handelt, verfolgen die Frage, ob sich hier die bisher nicht lokalisierte, südliche Pyramidenstadt des Snofru befindet. Kooperationspartner: Freie Universität Berlin; Institut für Geographische Wissenschaften, Fachrichtung Physische Geographie der Freien Universität Berlin • Förderung DFG • Leitung des Projekts: N. Alexanian, S. J. Seidlmayer • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: D. Blaschta, W. Bebermeier, M. Beer, L. Borrmann, T. Gutmann, A. Kriener, J. Malur, M. Mayrhofer, A. Paasch, J. Pinke, A. Ramisch, B. Schütt • Abbildungsnachweis: DAIKAI, Freie Universität Berlin (Abb. 29–32).
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Abb. 33 Saqqara, Grab des Königs Ninetjer. Plan mit neuen Kammern an der Zugangsrampe
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Abb. 34 a Saqqara, Grab des Königs Ninetjer. Weinkrug mit Verschluss
Abb. 34 b Saqqara, Grab des Königs Ninetjer. Weinkrug mit Tragnetz
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Saqqara In der Nekropole der alten Hauptstadt Memphis war die Feldarbeit im Grab des Königs Ninetjer (2. Dynastie, um 2700 v. Chr.) auf die Galerien westlich und östlich der Zugangsrampe konzentriert (Abb. 33). Außerdem wurden die Bergung der Bestattung des Neuen Reiches in Kammer H 202, die Konsolidierung von Särgen und anderen Holzobjekten, die Bearbeitung der ramessidischen Särge mit Darstellung im ›daily dress‹ sowie die Aufnahme der frühdynastischen Funde und der Keramik fortgesetzt. In den während der letzten Kampagne entdeckten Räumen westlich der vom Grab des Neb-Kau-Hor überbauten Zugangsrampe wurde die Galerie A 500 weiter geklärt, die noch große Mengen der ursprünglichen Ausstattung enthielt. Einschließlich der während der letzten Kampagne entnommenen Keramik fanden sich dort 117 große ovoide Vorratsgefäße und Weinkrüge, 27 streifenpolierte Flaschen, acht grobe Bierf laschen und zwei Schalen. Bei den Weinkrügen lassen sich Warengruppen aus Mergelton und Nilton unterscheiden. Die meisten Gefäße weisen einfache Ritzmarken auf; sechs Exemplare haben noch die Verschlusskappen (Abb. 34 a) und drei Gefäße befinden sich in Tragnetzen aus Pf lanzenfasern (Abb. 34 b), was ebenso wie die in der Kammer verbliebenen hölzernen Tragestangen auf eine eilige Beschickung schließen lässt. Die streifenpolierten Gefäße enthielten Christdornfrüchte, etwa die Hälfte tragen Tintenaufschriften. Zwischen der Keramik kamen zudem zahlreiche Verschlusskappen von Weinkrügen zu Tage, sämtlich mit Siegelabrollungen des Ninetjer. Am Ostende der Galerie wurde bei der weiteren Reinigung im Durchlass zur Rampe eine größere Anzahl Holzfragmente gefunden, darunter Zeltstangen von einem Reisezelt (ähnlich dem der Königin Hetep-Heres). Im Vergleich mit dem Grab des Vorgängers (Raneb/Hetepsechemui) war zu vermuten, dass sich ähnliche Galerien auch östlich der Rampe unter dem Grab des Neb-Kau-Hor befinden. Diese Annahme bestätigte sich bei der Untersuchung von spätzeitlichen Schächten innerhalb des Grabes des NebKau-Hor. Einer der Schächte (NKH-01) schneidet in ca. 4,50 m Tiefe Kammern, die eindeutig zum Grab des Ninetjer gehören. Nach Auffüllung des Schachtes bis auf das Bodenniveau des Ninetjer konnte zunächst im Westen eine Galerie festgestellt werden (A 400), die sich etwa gegenüber der westlichen Galerie A 300 befindet. Sie ist ca. 6,20 m lang, 1,40 m breit und war weitgehend mit eingerieseltem Sand gefüllt. Am Boden fanden sich noch ein Konvolut von kleinen Scheingefäßen aus Ton, zwei Steingefäßrohlinge, einige halbfertige große Flintmesser sowie ein Flintknollen mit Tintenaufschrift (Abb. 35). Nach Norden hat der Schacht NKH-01 Verbindung zu einer kleinen Kammer (A 208), die zu einer weiteren nordwest-südöstlich orientierten Galerie von 16,60 m Länge und 1,10 m Breite führt (A 200). Sie entspricht der Galerie A 100 westlich der Rampe, und wie bei A 100 gehen von A 200 beidseitig nach Norden und Süden jeweils sieben Kammern unterschiedlicher Größe ab (L 3,00–7,00 m; B 0,60–1,00 m), die noch unfertig wirken. Die Galerie und die Seitenkammern sind sämtlich für spätere Bestattungen wieder genutzt und z. T. mit der Anlage von Grabschächten und Grabkammern erheblich umgestaltet worden. Besonders betroffen ist der westliche Abschnitt, wo ein Teil der Galerie A 200 und die anschließenden nördlichen Kammern zu zwei größeren Raumkomplexen erweitert wurden. In den Grabkammern befinden sich zahlreiche, zumeist durch Grabräuber gestörte Holzsärge und Mumien (Abb. 36). Am Ostende der Galerie A 200 sind vier reich dekorierte Särge in zwei Lagen nebeneinander aufgestapelt.
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Abb. 35 Saqqara, Grab des Königs Ninetjer. Scheingefäße und Flintobjekte in A 400 Abb. 36 Saqqara, Grab des Königs Ninetjer. Nachbestattungen in A 205/207 36
Neben 26 von Särgen abgerissenen Holzmasken fanden sich an verstreuten Beigaben u. a. 16 Osirisholzstatuetten, 29 Fayenceuschebtis, mehrere Holzkisten mit Dekor, zwei Kästen mit Falkenfiguren auf dem Deckel sowie viele fragmentarische Stücke. Leitung des Projekts: G. Dreyer • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: S. Boos, H. Köpp, C. Lacher, E. Peintner, T. Reichl, I. Regulski, A. Rifaad • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 33–36). Buto/Tell el-Fara‘in Die Fortsetzung der Grabungsarbeiten in Buto, einem im nordwestlichen Nildelta gelegenen, fast 1 km 2 großen Siedlungshügel, der vom frühen 4. Jt. bis in spätrömische Zeit besiedelt war, konzentrierte sich auf die Untersuchungen spätzeitlicher Baureste aus der 3. Zwischenzeit und der 26. Dynastie (8.–6. Jh. v. Chr.) sowie eines größeren Gebäudekomplexes aus der 1. und 2. Dynastie (frühes 3. Jt. v. Chr.). Bei den spätzeitlichen Bauresten handelt es sich vor allem um Fundamente von Gebäuden aus dem frühen 6. Jh. v. Chr., die wahrscheinlich im Zuge einer groß angelegten Neubebauung Butos errichtet worden sind. Sie sind in der für die Spätzeit typischen Kammerbauweise konstruiert und dürften zu mehrstöckigen Häusern gehört haben, eines der Fundamente gründet sogar mehr als 3 m tief (Abb. 37). Gelegentlich finden sich in den Fundamentkammern Rundspeicher eingebaut, die zur Vorratshaltung landwirtschaftlicher Produkte in den Kellern der Gebäude dienten. In einem anderen Grabungsbereich wurden Reste der älteren frühsaitischen Bebauung aus dem 7. Jh. freigelegt, so z. B. mehrere Räume eines Wohn- oder Wirtschaftskomplexes mit Innenhof, der offensichtlich als Küche
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Abb. 37 Buto/Tell el-Fara‘in, Fundament eines mehrstöckigen saitischen Gebäudes (6. Jh. v. Chr.) Abb. 38 Buto/Tell el-Fara‘in, als Küche verwendeter Innenhof eines frühsaitischen Hauses (7. Jh. v. Chr.)
benutzt worden war, wie mehrere, durch kleine Ziegelmauern eingerahmte Herdstellen (Abb. 38) und Keramikdeponierungen mit Kochtöpfen zeigen. In einer späteren Umbauphase wurde das Raumkonzept verändert und im Hof mehrere Rundspeicher errichtet. Aus der 3. Zwischenzeit kamen bei den jüngsten Arbeiten nur spärliche Baureste, jedoch große, mit aschigem Material verfüllte Gruben zu Tage. Vollständige Rinderskelette und wiederholte Deponierungen von Keramik und Tierknochen lassen vermuten, dass es sich hier nicht nur um einfache Abfall-, sondern um Opfergruben handelt. Ihr kultischer Zusammenhang ist allerdings noch nicht geklärt. Die Grabungen erfassen hier nur den Randbereich der Stadt, die nach der Aufgabe Butos im späten Alten Reich hier im 8. Jh. v. Chr. neu gegründet worden war. Das Zentrum dieser Ansiedlung liegt etwa 500 m weiter östlich.
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Abb. 39 Buto/Tell el-Fara‘in, aufscheinende Mauerzüge eines frühdynastischen administrativen Gebäudekomplexes (1./2. Dynastie, frühes 3. Jt. v. Chr.). Links im Bild wird noch an der untersten Mauerlage eines saitischen Gebäudes gearbeitet
Weder Bohrungen noch Ausgrabungen erbrachten bisher in Buto Siedlungsreste aus dem Mittleren oder Neuen Reich und auch in den jetzigen Grabungsf lächen überlagern die spätzeitlichen Befunde unmittelbar frühdynastische Mauerzüge aus dem frühen 3. Jt. v. Chr. Diese gehören zu einem größeren palastartigen Gebäudekomplex, der in der 1. Hälfte der 1. Dynastie errichtet worden war und etwa in der Mitte der 2. Dynastie teilweise einem Brand zum Opfer gefallen ist (Abb. 39). Es dürfte sich um eine königliche Wirtschaftsanlage handeln, deren Aufgabe die administrative Erfassung und Verteilung landwirtschaftlicher Produkte der Region war. In anderen, durch spätzeitliche Befunde tiefer gestörten Bereichen des Grabungsareals ist dieses Siedlungsniveau nicht mehr erhalten. Hier kamen bereits Mauerzüge der Vorgängerbebauung aus der frühen 1. Dynastie zu Tage, die aus mehreren kleineren Gebäuden mit Rundspeichern und neben den Mauern eingegrabenen Vorratsgefäßen bestand. Ob es sich dabei ebenfalls bereits um eine größere zusammengehörige Anlage oder um eine lockere, dorfähnliche Bebauung handelt, ist nach den bisherigen Grabungsergebnissen noch nicht zu sagen. Kooperationspartner: Universität Poitiers (P. Ballet) • Leitung des Projekts: U. Hartung • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: R. Hartmann, E. Hower-Tilmann, C. Jeuthe, Ch. Kitagawa, P. Kopp, W. Kreibig, S. Lösch, P. Tilmann, P. Windszus • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 37–39). Oase Siwa, Ammoneion Während der diesjährigen Kampagne am Ammoneion in der Oase Siwa, einer der berühmtesten Orakelstätten der Antike, an der u. a. Alexander der Große seine Legitimierung als rechtmäßiger König Ägyptens erhielt, wurde im Vorbereich des Tempels von Umm UbaydŒ der mutmaßliche Endpunkt des ehemaligen dromos ausgegraben (Abb. 40). Östlich der einstigen Tempelhausfassade wurde bei -15,60 m/NN erstmals das tiefste Fundamentierungsniveau im Umkreis des kleinen Hügels erreicht, auf dem das Tempelhaus errichtet worden war. Zwischen 2,50–3,50 m unter dem ›Erdreich‹ (d. i. zu
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Abb. 40 Oase Siwa, der mutmaßliche Endpunkt des Prozessionswegs von Aghūrmī nach Umm Ubaydā. Fundamentierungsreste vor den mächtigen (nordwestlichen) Säulenfundamenten des ›Festhofs‹
Abb. 41 Oase Siwa, Vorbereich der Tempelfassade (Ostseite). Fundamentierungsreste von Säulen und einem weiteren Bauteil (im Profil). Auf den Basen der Fundamente sind Fluchten und Ecken durch Ritzlinien vorgegeben
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›Sand‹ erodierter Gesteinsbruch und zumeist kleinteilige Überreste zerschlagenen Blockmaterials) kamen die (verstürzten) Reste einer zweiten (sowie vermutlich dritten) Säulenfundamentierung zum Vorschein, die ihrerseits auf einer Basis aus kleineren Einzelsteinen errichtet worden war (Abb. 41). Auf diesen Basen, die im Vergleich zum ehemaligen Lauf horizont des Tempels (Tempelfußboden) 5,60 m (!) tiefer liegen, geben Ritzlinien die Flucht der (in ihrer architektonischen Bedeutung noch unklaren) Säulenstellung parallel zur Tempelhausfassade vor. Für die größte Überraschung sorgte eine stichprobenartige Grabung im Ostteil des mutmaßlichen ›Festhofs‹, in den die Prozessionsstraße mündete. Unternommen, um die Möglichkeit zu prüfen, ob hier vielleicht noch Fundamentreste der anzunehmenden Hofmauer festzustellen sind – mit bislang unschlüssigem Ergebnis –, kamen in stark beraubten und durchfeuchteten unteren Schichten südlich der beiden noch erhaltenen Fundamentsockel der rückwärtigen Kolonnade zwei Blöcke mit griechischer Beschriftung zum Vorschein (Abb. 42). Hierbei handelt es sich nicht um Stelenmaterial, wie es während vergangener Kampagnen auf Agh´rm¥ gefunden wurde. Die Blöcke geben eindeutig zu erkennen, dass sie ehemals Teile eines Mauerverbands bildeten, also entweder zu einem Gebäude(teil) gehörten (z. B. zur Prozessionsstraße), zum Sockel einer prächtigeren Votivgabe oder eventuell zu einem großen, gemauerten Altar. Als generellen Herkunftsort wird man den dromos vermuten dürfen, wo sich für den Zeitpunkt der Errichtung (oder des Umbaus?) des Tempels von Umm UbaydŒ ebenfalls Baumaßnahmen annehmen lassen und ältere Weihegaben vielleicht solchen aus jüngerer Zeit weichen mussten. Die Inschriften datieren offenkundig vor die Errichtung des Tempels von Umm UbaydŒ, der, bislang nicht nachprüf bar, aufgrund einer von früheren Reisenden kopierten Kartusche aus der Zeit Nektanebos II. stammt (360– 342 v. Chr.). Paläographisch könnten sie bereits in die 1. Hälfte des 5. Jhs. v. Chr. passen. Sie sind insbesondere dadurch interessant, dass sie neben den Namen der Besucher/Weihenden auch deren Herkunftsorte nennen: Sparta und die Cyrenaika. Beide sind aus der geschichtlichen Überlieferung auch
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sonst für enge Beziehungen zum Ammoneion bekannt. Zweimal tritt die Bezeichnung »Lakedaimon(ier)« auf (… LAKEDAIM …: Λακεδαιμ[νις]) und aus der Cyrenaika finden sich die Ortsnamen »Barke«/al-Marg (… APOBAR …: π Βρ[κης]; SGDI II 2175) und »Cher(so)nasion« (… APOXERNASIW …: π Xερνσι ω). Letzteres (»Klein-Chersonesos«) könnte entweder in Opposition zu »Groß-Chersonesos«/Ra’s al-Tin am Golf von Bombae/Bumba stehen oder es stellt möglicherweise nur eine Variante zu »dem aus der Cyrenaika bekannten Chernasos« dar (G. Oliverio, Documenti antichi dell’Africa Italiana, Cirenaica I [Bergamo 1932]). Mit großer Wahrscheinlichkeit aber handelt es sich nicht um Chersonesos Mikra bei Plinthine in der Mareotis. Leitung des Projekts: K. P. Kuhlmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: B. Böhm, E. Büttner, A.-C. Escher, M. Fuss, N. Flessa, A. alTayyib, M. al-Tayyib, D. TePass • Abbildungsnachweis: K. P. Kuhlmann (Abb. 40–42).
Abb. 42 a–c Oase Siwa, in den Fundamentschichten des Umm Ubaydā Tempels verbaute griechische Inschriften (Fundlage und Umzeichnung der Herkunftsangaben der Weihenden)
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Neuaufnahme des Annalensteins Der sog. Annalenstein ist eine der wichtigsten Quellen für die Chronologie der ägyptischen Frühzeit. Auf der ursprünglich schätzungsweise etwa 1,60 m × 0,70 m großen Steinplatte, von der nur ca. 10–15 % in Fragmenten erhalten sind, waren nach einer Liste von vorgeschichtlichen Königen Ober- und Unterägyptens in ca. 550 Jahresfeldern die Jahresnamen (mit dem/den wichtigsten Ereignis/sen des jeweiligen Jahres) der 1. bis 5. Dynastie (ca. 3000–2400 v. Chr.) aufgeführt und darüber der Name des jeweiligen Königs angegeben (Abb. 43). Nach der schon 2004 durchgeführten Neuaufnahme der im Ägyptischen Museum Kairo befindlichen Stücke konnte nun auch das größte Fragment dieses Steines im Archäologischen Museum von Palermo neu zeichnerisch und photographisch dokumentiert werden. Gegenüber der Publikation von H. Schäfer, L. Borchardt und K. Sethe (1902) ergab sich dabei eine ganze Reihe von Lesungsverbesserungen und Korrekturen der Jahresfelder auf der Rückseite. Auf dieser Grundlage soll eine Neupublikation des gesamten Annalensteines erfolgen. Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: G. Dreyer • Mitarbeiter: U. Hartung • Abbildungsnachweis: nach H. Schäfer, Ein Bruchstück altägyptischer Annalen (Berlin 1902) Taf. 1 (Abb. 43). Abb. 43 Palermostein, Vorderseite
Industriearchitektur des 19. und 20. Jhs. in Ägypten, ein Survey Das in diesem Jahr begonnene Surveyprojekt untersucht die Entwicklung der Industriearchitektur in Ägypten vom Anfang des 19. Jhs. bis zu den 1970er Jahren. Ägypten war das erste Land im Nahen Osten, das im frühen 19. Jh. mit einer Industrialisierung im größeren Stil begann und seine Industriebauten sind wichtige Zeugnisse des technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels im Kontext zunehmender globaler Verf lechtungen. In der Forschung und Denkmalpf lege bleiben sie jedoch bis heute fast völlig vernachlässigt. M. Scharabi’s »Industrie und Industriebau in Ägypten (Tübingen 1992)« ist die bislang einzige (mit 40 Textseiten sehr knappe) Publikation zu diesem Thema. Diese Forschungslücke wird dadurch akut, dass immer mehr historische Industriebauten im Zuge wirtschaftlichen Strukturwandels stillgelegt und abgerissen werden. Ziel des Surveys ist die Erfassung eines repräsentativen und aussagekräftigen Querschnitts erhaltener Industriegebäude in ganz Ägypten durch Erkundungsfahrten, Objektbegehungen und vor allem photographische Dokumentation. Der geographische Schwerpunkt der ersten Kampagne lag dabei bei den beiden wichtigsten Industriestädten Ägyptens, Groß-Kairo und Alexandria, sowie zahlreichen Städten des Nildeltas. Dabei wurden Interviews zur Geschichte der Unternehmen und ihrer Gebäude geführt, in Einzelfällen konnte firmeneigenes Quellenmaterial eingesehen und historische Photographien und Pläne eingescannt werden. Im kommenden Jahr soll der Survey auf das östliche Delta, den Suez-Kanal, die Rotmeerküste und Mittel- und Oberägypten ausgedehnt werden. Zudem sollen weitere Archive gesichtet und erhaltene Plansammlungen von Architekten des 20. Jhs. ausgewertet werden. Die Fragestellungen sind in erster Linie bau- und architekturgeschichtlicher Art: Wie hat sich die Industriearchitektur Ägyptens hinsichtlich ihrer Typen, Bauformen, Bautechnik, Funktionen und architektonischen Stile entwickelt? Wie lassen sich diese Entwicklungen in allgemeinere Trends im ägyptischen und globalen Kontext einordnen? Welchen Hintergrund und welche Rolle hatten Ingenieure, Baumeister, Architekten und Bauherren? Welche Vorbilder auch außerhalb Ägyptens lassen sich identifizieren und welche spezifi-
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schen Lösungen wurden für den lokalen Kontext entwickelt? Da es sich bei den Bauten nicht nur um Produktionsgebäude im engeren Sinne handelt, sondern auch um größere Komplexe mit Gebäuden für Verwaltung, Ausbildung, Wohnen, medizinische Versorgung und Freizeit, reichen die sich daraus ergebenden Fragestellungen auch in gesellschaftsgeschichtliche Bereiche hinein. Die Bandbreite der schon erfassten Industriebauten reicht vom großen Arsenalkomplex aus der Zeit Muhammad Alis (1805–1848) in der Kairener Zitadelle als älteste noch großteils erhaltene Industrieanlage Ägyptens (Abb. 44) über Baumwoll-Entkörnungsanlagen des späteren 19. Jhs. bis zu den gigantischen Textilfabriken von Alexandria und al-Mahalla al-Kubra aus den 1930er bis 1960er Jahren. Auch Wasser- und Elektrizitätswerke, Eisen- und Straßenbahngebäude, Druckereien, Papierfabriken, Zuckerraffinerien, Getränke- und Lebensmittelfabriken, Zigarettenfabriken, Lederfabriken u. a. m. zählen dazu. Große funktionalistische Produktionshallen finden sich darunter ebenso wie kleine Fabrikgebäude, die sich als Etagenwohnhäuser tarnen. Es gibt Anlagen im Rumi-Stil (osmanischer Barock) aus dem frühen 19. Jh., in den historistischen Stilen der Jahrhundertwende (Abb. 45) und im Art-Deco und International Style der Zeit ab den 1930er Jahren (Abb. 46). Architektonische Vielfalt, Qualität und Besonderheiten des ägyptischen Industriebaus sind auch im internationalen Vergleich beeindruckend und machen die Erforschung dieses baulichen Erbes zu einem lohnenden und dringlichen Unterfangen.
Abb. 44 Industriearchitektur des 19. und 20. Jhs. in Ägypten, Kairo. Arsenal in der Zitadelle, Werkshallen zur Produktion von Waffen und Militärausrüstung aus der 1. Hälfte des 19. Jhs.
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Erste Ergebnisse dieses Surveys erscheinen im kommenden Jahr in einem Buch zur Industriearchitektur in der Islamischen Welt, herausgegeben vom Aga Khan Award of Architecture. Leitung des Projekts: R. Bodenstein • Mitarbeiter: A. El-Bindari • Abbildungsnachweis: R. Bodenstein (Abb. 44. 46); A. El-Bindari (Abb. 45).
Abb. 45 Industriearchitektur des 19. und 20. Jhs. in Ägypten, Qalyub, al-Qanatir al-Khayriyya. Torbauten der BaumwollEgrenieranlage der 1895 im malerischen Castle Style errichteten Alexandriner Firma Salvago, einer der größten Egrenieranlagen in Ägypten (Architekt A. Lasciac)
Die Geschichte der Abteilung Kairo im Spannungsfeld deutscher politischer Interessen von 1881 bis 1966 Gegenstand des Projekts ist es, mittels der Darstellung der Geschichte der Abteilung exemplarisch die Verzahnung wissenschaftlicher und politischer Interessen und Motive zu erforschen. Grundlage dazu sind die wieder aufgefundenen Originalakten der Abteilung aus dem 19. und 20. Jh.
Abb. 46 Industriearchitektur des 19. und 20. Jhs. in Ägypten, Alexandria. Textilfabriken der STIA. Fassadendetail des Hauptgebäudes mit Verwaltungsbau und Werkshalle von 1946 (Architekt F. Debbané)
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In diesem Jahr wurden die Archivrecherchen in Berlin und in Kairo äußerst erfolgreich fortgesetzt. Im Rahmen dieser Arbeiten wurden die hauseigenen Akten grundlegend neu organisiert, Erschließungslisten hergestellt und ein geordneter Zugriff auf die Archivalien ermöglicht. Auf Einladung von Z. Hawass konnte auch die im Zweiten Weltkrieg beschlagnahmte Photosammlung des DAI im Supreme Council of Antiquities gesichtet werden. Die Dokumente des sog. Kairo-Archivs in der Berliner Zentrale wurden neu organisiert, enteist, sortiert, gelistet und in Archivboxen umgelagert. Im Anschluss erfolgte eine entsprechende Unternehmung in der Abteilung Kairo, die im Ergebnis eine gelistete Zusammenführung des Bestandes ergab. Die Übersicht zeigt, dass davon ausgegangen werden darf, dass der ursprüngliche Aktenbestand der Abteilung Kairo ab dem Jahrgang 1899 zu etwa 90 % erhalten ist. Es handelt sich beispielsweise um Unterlagen zu Ankäufen und Ausgrabungen, um Teilungslisten, Grabungserlaubnisse, Arbeiterlisten, Unterlagen zum Deutschen Haus in Theben und zur Ebersbibliothek, wissenschaftliche Korrespondenzen, Notizen und Zeichnungen, Photolisten oder Reise- und Grabungstagebücher aus den Jahren 1899 bis 1966. Damit ist es gelungen, die Quellenlage, auf der das wissenschaftsgeschichtliche Projekt fußen kann, kategorial zu bereichern und zu verbessern. Projektbearbeiterin: S. Kern (Voß). AEgArOn – Ancient Egyptian Architecture Online Das in diesem Jahr begonnene und auf drei Jahre ausgelegte Projekt A EgArOn entwickelt ein kostenfrei zugängliches Online-Repositorium kritisch edierter Pläne altägyptischer Gebäude. Auf Basis bereits existierender Pläne, deren Korrektheit so weit wie möglich verifiziert wird, werden die Pläne nach einem einheitlichen Darstellungsstandard neu gezeichnet, wobei die Herkunft der Informationen bis ins Detail nachvollziehbar gemacht wird. Architekturpläne von Bauten aus pharaonischer Zeit sind häufig schwer zugänglich oder überhaupt nicht adäquat veröffentlicht. Der in ägyptologischen Publikationen erkennbare Anspruch an Genauigkeit sowie die verwendete Darstellungsweise von Materialien, Erhaltungszustand, Rekonstruktionen etc. klaffen weit auseinander. Hinzu kommt, dass die Pläne zahlreicher Gebäude überraschend viele Fehler aufweisen. Dies erschwert die Architekturforschung erheblich – ob sie im Rahmen der Ägyptologie, der Bauforschung oder der Kunstgeschichte betrieben wird. Die wesentliche Arbeit des Projekts besteht darin, publizierte und teils unpublizierte Pläne einer Auswahl von etwa 150 Gebäuden zu sammeln, kritisch zu bewerten, ggf. vor Ort auf wichtige Details zu überprüfen und neu zu zeichnen. Diese Zeichnungen, die zum Herunterladen frei zur Verfügung gestellt werden, weisen zwei Besonderheiten auf: Erstens werden sie in einer einheitlichen, nachvollziehbaren Darstellungssprache abgefasst, um einen Standard für die Ägyptologie zu entwickeln und anzubieten. Standardisierte Farben, Strichstärken und Linientypen ermöglichen differenzierte Aussagen zu Gebäudeauf bau, Materialien, Erhaltungszustand bzw. Rekonstruktionsgrad und Bauzeit. Dabei werden Bestandspläne streng von Rekonstruktionsplänen unterschieden, so dass die ursprüngliche Planungsabsicht bzw. die Rekonstruktion klar vom durch Umbauten, Nachnutzung oder Zerstörung beeinf lussten Ist-Zustand zu unterscheiden ist (Abb. 47. 48). Die zweite Besonderheit besteht darin, den Zeichnungen Metadaten an die Seite zu stellen, welche die Autorenschaft, Entstehungsgeschichte und Verläs-
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Abb. 47 AEgArOn – Ancient Egyptian Architecture Online, Giza. Harmachistempel und Sphinx (4. Dynastie, 26. Jh. v. Chr.). Querschnitt mit Ansicht nach Westen, Bestand. Neuzeichnung nach Ricke, Lehner. Die Zeichnungen werden in AutoCAD in einer für alle Pläne einheitlichen Layerstruktur aus über 80 Layern erstellt (vgl. Abb. 48). Die Querschnitte werden von drei Grundrissen ergänzt, die Bestand, Rekonstruktion und Bauphasen wiedergeben Abb. 48 AEgArOn – Ancient Egyptian Architecture Online, Giza. Harmachistempel und Sphinx (4. Dynastie, 26. Jh. v. Chr.). Querschnitt mit Ansicht nach Westen, Rekonstruktion. Neuzeichnung nach Ricke, Lehner. Die in dieser Form erstmalige Zusammenzeichnung von Tempel und Sphinx macht die gemeinsame Wirkung beider Denkmäler deutlich. Von Ricke übernommen wurden die Schnittachsen durch den Tempel, die in Bestandsplan und Rekonstruktion leicht voneinander abweichen
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slichkeit der Informationen nachweisen. Dies steht der bisher häufig verfolgten Praxis entgegen, Pläne ohne Ansehen oder Hinweis auf ihre Herkunft durchzuzeichnen, wobei Fehler addiert statt korrigiert, der Eindruck falscher Aktualität vermittelt und überdies die Autorenschaft missachtet werden. Es gilt, die verwendeten Quellen auf ihren genuinen Informationsgehalt zu prüfen und dem Nutzer des Planes die Datendichte und ‑verlässlichkeit unmissverständlich darzulegen. Diese Metadaten ergänzen das Plan-Archiv aus maßstäblichen Pixelbildern (TIFF) sowie CAD-Dateien, welches über die Internetseiten des DAI und der UCLA Encyclopedia of Egyptology zugänglich sein wird. Die Auswahl der präsentierten Bauten soll einen ausgewogenen Überblick über die ägyptische Architektur geben. Häuser, Paläste, kleine sowie monumentale Gräber, Provinzheiligtümer und überregional bedeutende Tempel, Magazine, Werkstätten etc. werden repräsentiert sein, die ›Zwischenzeiten‹ sowie die Anfänge der Christianisierung ebenso berücksichtigt wie die sog. Blütezeiten. Es ist nahe liegend, Bauten aus dem Arbeitsbereich des DAI in das Projekt aufzunehmen, insbesondere, wenn hochwertige Daten vorliegen. Die Auswahl geht aber weit darüber hinaus und ist primär danach ausgerichtet, das oben umrissene Feld gleichmäßig abzustecken. In Ergänzung zu den dringend erforderlichen detaillierten Untersuchungen ägyptischer Gebäude öffnet das Projekt durch seine breite Perspektive den Blick auf das, was altägyptische Architektur war, und ermöglicht, ihr Potenzial als historische Quellengattung ausschöpfen zu können. Das Projekt konzentriert sich in der Anfangsphase auf die Entwicklung von Standards für Informationsdichte, Darstellung und Metadatenerfassung. Dies geschieht an einer Auswahl von möglichst unterschiedlichen Denkmälern, bisher dem Tempel von Philae (4. Jh. v. Chr. – 1. Jh. n. Chr.), dem Harmachis-Tempel von Giza (26. Jh.) und der Villa des Generals Ramose in Amarna (14. Jh. v. Chr.). Kooperationspartner: University of California, Los Angeles (W. Wendrich) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: U. Fauerbach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: S. Khamis, M. Sählhof • Abbildungsnachweis: S. Khamis (Abb. 47. 48).
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Am 29. September wurde das Gartenfest der Abteilung Kairo mit einer Ehrung zum 198. Geburtstag von Georg Gustav Erbkam, Architekt und Geodät der Königlich Preußischen Expedition nach Ägypten, in Form einer Präsentation von Ulrike Fauerbach zum Projekt »Ancient Egyptian Architecture Online (AEgArOn)« mit ca. 200 geladenen Gästen begangen. Am 15. Dezember fand der Winckelmann-Tag im Institutsgebäude statt. Etwa 120 geladene Gäste hörten den Vortrag von Günter Burkard zum Thema »›I Was Guarding Pharaoh’s Walls‹ – Texts from Deir el-Medine and Their Interpretation«. Bei dieser Gelegenheit wurden als neues Ordentliches Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts Ursula Verhoeven-van Elsbergen und als neue Korrespondierende Mitglieder des Deutschen Archäologischen Instituts Angelika Lohwasser sowie Hassan Selim willkommen geheißen und ihnen die Ernennungsurkunden überreicht. Vorträge 16. März Susan Kamel (Berlin) – Christine Gerbich (Berlin), Museums and Their Visitors in Egypt (in Zusammenarbeit mit dem DAAD Kairo und dem
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Supreme Council of Antiquities) 19. März Jonas Berking (Berlin), Recent Geo-Archaeological Research at Naga (Sudan) 31. März Stephan J. Seidlmayer (Kairo), The Beginnings of German Archaeology in Egypt. Culture and Politics in the Time of Muhammad Ali Pasha 9. Juni Karin Kindermann (Köln) – Frank Darius (Berlin), Patterns of Environmental Change and Human Occupation in the Eastern Sahara 1. Juli Ulrike Fauerbach (Kairo), Altägyptische Bautechnik am Beispiel des Pylons von Edfu (an der Universität Kassel) 7. Oktober Vera Müller (Wien), A Puzzle with Indefinite Pieces – King Den’s Tomb at Umm el-Qaab/Abydos 28. Oktober Stephan J. Seidlmayer (Kairo), Adolf Erman and the Ancient Egyptian Dictionary Project at the Berlin Academy of Sciences and Humanities 1. Dezember Dietrich Raue (Kairo)‚ Neighbours – Nubians and Egyptians at the First Cataract in the 3rd and 2nd Millenniums BCE.
Veranstaltungen zu den Forschungsclustern des DAI
Jahrestreffen des Forschungsclusters 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual. Kontinuität und Veränderung« 16. bis 19. Januar Jahrestreffen des Forschungsclusters 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual. Kontinuität und Veränderung« des DAI. – Es sprachen: Daniel Polz (Kairo), Begrüßung; Hans-Joachim Gehrke (Berlin), Einführung: Research Clusters of the German Archaeological Institute • Festvortrag: Stephan J. Seidlmayer (Kairo), Sacred Spaces in Ancient Egypt • Forschungsfeld 4 »Votiv und Ritual«: Helga Bumke (Bonn) – Martin Bentz (Bonn), Rituelle Mahlzeiten; Oliver Pilz (Mainz) – Gunvor Lindström (Berlin), Spektrum und Veränderung; Thomas G. Schattner (Madrid) – Michael Koch (Stolberg), Formate und Quantitäten • Beiträge externer Partner: Stefan Maul (Heidelberg), Das Haus des Götterkönigs. Zur Konzeption überregionaler Heiligtümer im Alten Orient; Irene Forstner-Müller (Wien), Das Heilige und das Profane. Sakrale Topographie eines urbanen Raumes im alten Ägypten; Peter Funke (Münster), Integration und Abgrenzung. Politische Funktionen überregionaler Heiligtümer in der griechischen Staatenwelt • Beiträge neuer Teilnehmer des Forschungsclusters 4: Henner von Hesberg (Rom), Kulttopographie des Marsfeldes • Forschungsfeld 3 »Gestalteter Raum«: Ute Rummel (Kairo), Funktionalität und Semantik; Nicole Alexanian (Kairo), Topographische Verortung und Kulttopographie; Detlev Wannagat (Rostock), Grenze und Übergang • Forschungsfeld 1»Genese und Kontinuität«: Wolf-Dietrich Niemeier (Athen), Kultkontinuität von der Bronzezeit bis zur römischen Kaiserzeit im Apollonheiligtum von Abai (Kalapodi); Andreas Furtwängler (Halle), Didyma. Das Apollonheiligtum in archaischer und klassischer Zeit. Neue Perspektiven; Ioannis Panteleon (Bochum), Die Aphrodite von Oikous. Literarische Quellen und archäologische Sachüberlieferung; Arnd Hennemeyer (München), Kontinuität und Wandel. Beobachtungen am Zeustempel von Olympia; Helmut Kyrieleis (Berlin), Mythos und politische Botschaft. Zum Bildprogramm der Skulpturen des Zeustempels von Olympia • Forschungsfeld 2 »Ende und Neubeginn«: Stefan Lehmann (Wittenberg), Die Analyse von Spolien und Spolisierungen als archäologische Methode; Andreas Eff land (Hamburg), Damnatio memoriae am ›Gottesgrab‹? Kriterien der Spolisierung in Umm el-Qaab/Abydos; Klaus Schmidt (Berlin), Die Wiederverwendung monolithischer Bauteile in den steinzeitlichen Heiligtümern des Göbekli Tepe; Hans-Ulrich Cain (Leipzig), Die Wiederverwendung des zentralen Altars der Agora von Milet; Rudolf Haensch (München), Christli-
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che Kirchen an der Stelle von paganen Tempeln und Synagogen. Das Zeugnis der Inschriften aus dem Osten des Reiches im Vergleich mit den übrigen Nachrichten; Andreas Gutsfeld (Clermont-Ferrand), Das Ende ohne Ende. Zur Entwicklung von Olympia in der Spätantike; Christoph Konrad (Berlin), Die Verwendung von Spolien in der Basilika A und beim Bau der Großen Moschee in Resafa/Syrien • Religionswissenschaftliche Fragestellungen: Renate Schlesier (Berlin) – Jörg Rüpke (Erfurt), Moderation. Als Rahmenprogramm fanden am 16. Januar Exkursionen nach Giza und ins Ägyptische Museum Kairo sowie am 19. Januar nach Dahschur statt.
Öffentlichkeitsarbeit
Am 28. Februar beteiligte sich die Abteilung am Deutschlandtag der Deutschen Botschaft im Rahmen der Deutsch-Ägyptischen Kulturwochen in Ägypten in der Deutschen Evangelischen Oberschule Kairo mit einem Informationsstand und einem Hieroglyphenkurs für Kinder. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Abteilung gaben zahlreiche Interviews zu den Arbeiten des Instituts und aktuellen archäologischen Fragen und führten ebenso akademische Gruppen wie hochrangige Besucher aus Politik und Journalismus auf Grabungen der Abteilung sowie im Ägyptischen Museum und den großen Denkmälerstätten in der Umgebung von Kairo.
Veröffentlichungen
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo 63, 2007 Sonderschrift des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo 16: U. Rössler-Köhler – T. Tawfik (Hrsg.), Die ihr vorbeigehen werdet … Wenn Tempel, Gräber und Statuen sprechen. Gedenkschrift für Prof. Dr. Sayed Tawfik Ahmed Sonderschrift des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo 23: G. Hollender, Amenophis I. und Ahmes-Nefertari. Untersuchungen zur Entwicklung ihres posthumen Kultes anhand der Privatgräber der thebanischen Nekropole Sonderschrift des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo 34: S. Kubisch, Lebensbilder der 2. Zwischenzeit. Biographische Inschriften der 13.–17. Dynastie Studien zur Archäologie und Geschichte Altägyptens 25: E. C. Köhler, Helwan II. The Early Dynastic and Old Kingdom Funerary Relief Slabs
Sonstiges
Am 8. Oktober wurde im Rahmen einer Feierstunde am Supreme Council of Antiquities die von der Abteilung herausgegebene Gedenkschrift zu Ehren von Sayed Tawfik, einer der führenden Persönlichkeiten der ägyptischen Ägyptologie und früherer Direktor des Supreme Council of Antiquities, vorgestellt und den Mitgliedern der Familie übergeben.
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Abteilung Istanbul
Abteilung Istanbul İnönü Caddesi 10 TR-34437 Istanbul Tel.: +90-(0)212-393 76 00 Fax: +90-(0)212-393 76 40, 393 76 14 E-Mail: [email protected]
Direktoren PD Dr. Felix Pirson, Erster Direktor Dr.-Ing. Martin Bachmann, Wissenschaftlicher Direktor Wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Dr. Philipp Niewöhner, PD Dr. Andreas Schachner, Dr. Jürgen Seeher, Dr. Anja Slawisch (ab 1. 3.) Auslandstipendiat Dr. Ralf Becks Wissenschaftliche Hilfskräfte Ute Kelp M. A. (bis 21. 12.), Dominique Krüger M. A. (ab 1. 12.), Alexandra Wirsching M. A. (ab 15. 1.) Aus Drittmitteln finanzierte Stellen Dr. Güler Ateş (DFG), Dr. Stefan Feuser (DFG), Eric Laufer M. A. (BMBF, ab 15. 8.)
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Abteilung Istanbul Ausgrabungen und Forschungen
Abb. 1 Göbekli Tepe, der umgestürzte und in zwei mehrere Tonnen schwere Teile zerbrochene Schaftfuß des westlichen Zentralpfeilers von Anlage C wird mangels Zufahrtsmöglichkeiten für schweres Gerät mit technisch einfachen Mitteln wieder aufgerichtet Abb. 2 Göbekli Tepe, nach der gelungenen Aufrichtung des zerbrochenen Pfeilers in Anlage C wird auf der östlichen Schaftseite das Flachrelief eines überlebensgroß dargestellten Fuchses sichtbar. Mit im Bild sind die mit den Aufrichtungsarbeiten befassten Spezialisten und Hilfskräfte zu sehen. Der T-Kopf des ursprünglich 5 m hohen Pfeilers wurde noch nicht gefunden
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Göbekli Tepe Die 15. Grabungskampagne am steinzeitlichen Göbekli Tepe im Südosten der Türkei diente vor allem der Fortsetzung der Arbeiten in den megalithischen Kreisanlagen C und D, die ins 10. Jt. v. Chr. datieren. In Anlage C wurde der Fußboden, der aus der sorgsam geglätteten gewachsenen Felsf läche besteht, vollständig freigelegt. Hierzu war es notwendig, den westlichen, nach Osten hin verkippten und in zwei Teile zerbrochenen Zentralpfeiler wieder zusammenzufügen und aufzurichten, denn die schräg liegenden, jeweils mehrere Tonnen schweren Bruchstücke waren an einen mächtigen Sedimentsockel angelehnt, der zur Freilegung des Innenraumes der Anlage entfernt werden musste. Da es für die Heranführung und Nutzung eines Krans an dieses Grabungsareal keine Zufahrtsmöglichkeit gab, musste die Aufgabe mit vergleichsweise einfachen Hilfsmitteln (Kettenzüge, LKW-Wagenheber, Fußwinden) bewältigt werden (Abb. 1). Der T-Kopf dieses Pfeilers wurde bisher nicht entdeckt, so dass nur der Schaftstumpf aufgerichtet werden konnte. Jetzt wurde auf der linken Schaftseite die überlebensgroße Darstellung eines Fuchses sichtbar, der bisher vom Sedimentsockel verdeckt worden war (Abb. 2). Der Sockel wurde nun zusam-
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Abb. 3 Göbekli Tepe, Blick von Südwesten auf Anlage D mit den durch Hangdruck in Schräglage geratenen Zentralpfeilern, die während der Grabungsarbeiten durch Abstützungen gesichert werden mussten. Zwischen zwei Arbeitern sind am Fuß des westlichen Zentralpfeilers der Felsboden und das niedrige Podest erkennbar, auf dem der 5,50 m hohe Pfeiler aufgestellt wurde
men mit einem hier befindlichen Stegrest abgegraben. Südlich der Süd-Südost orientierten Zentralpfeiler erschien eine bemerkenswerte Installation. Symmetrisch zur Mittelachse der Anlage wurde vor den beiden Pfeilern jeweils ein tischhoch aufgemauertes, altarartiges Podest angetroffen, das mit einer großen Steinplatte bedeckt war. Die westliche Platte war unverziert, auf der östlichen fand sich das Flachrelief einer Schlange. In Anlage D wurde mit der vollständigen Ausgrabung der beiden durch Hangdruck in Schief lage versetzten Zentralpfeiler begonnen, die ohne Abstützungen umstürzen würden und die im Verlauf zukünftiger Arbeiten in eine stabile Position gebracht werden müssen (Abb. 3). Beide Pfeiler sind unversehrt und stehen, von der Schräglage abgesehen, in situ. Es gelang, den Fußboden der Anlage zu erreichen, der wie in Anlage C aus dem geglätteten Felsen besteht. Die Zentralpfeiler stehen wieder auf einem aus dem Felsen herausgearbeiteten, niedrigen Podest. Sie sind über 5 m hoch. An ihrer anthropomorphen Gestalt kann angesichts der bei beiden Pfeilern in Flachrelief angegebenen Arme und Hände nicht gezweifelt werden. Beide Pfeiler tragen unterhalb der Hände einen Gürtel, von dem auf der Bauchseite jeweils ein Tierfell als Lendenschurz herabhängt. Der verbirgt zwar die Schamregion der Pfeiler, erlaubt aber dennoch eine begründete Aussage zur Frage nach dem Geschlecht, denn nach Ausweis der miniaturhaften Figurinen dieser Zeit tragen in der Regel nur die Männer einen Gürtel, so dass ein entsprechendes Geschlecht auch für die Pfeiler angenommen werden kann. Auf der nach Süden weisenden Kante des Felspodests des östlichen Zentralpfeilers kamen die halbplastisch ausgeführten Reliefs von fünf entenartigen Vögeln zum Vorschein, die alle von Ost nach West blicken. Da das Podest noch nicht auf ganzer Breite ausgegraben ist, werden sich nach der vollständigen Freilegung insgesamt wahrscheinlich sieben Vögel zählen lassen. Kooperationspartner: Fachbereich Bauingenieurwesen der Universität Siegen; Institut für Geomatik der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft; Institut für Paläoanatomie und Domestikationsforschung sowie ArchaeoBio-Center und Fakultät für Biologie im Bereich Biodiversitätsforschung/Anthropologie der Ludwig-Maximilians-Universität München; Institut für Ur- und Frühgeschichte der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg; DAI, Zentrale, Naturwissenschaftliches Referat; Inge-
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nieurbüro Christofori und Partner; Geotech Knoll & Konopatzki Architekten und beratende Ingenieure • Förderung: DFG; Theodor Wiegand Gesellschaft e. V.; ArchaeNova e. V. Heidelberg • Leitung des Projekts: K. Schmidt (Orient-Abteilung) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: E. Avar, W. Bück, A. Can, E. Christofori, L. Dietrich, O. Dietrich, A. Dittrich, J. Gräfensteiner, A. Götz, G. Gruppe, H. H. Heinisch, R. Herrmann, E. Knoll, G. KnollSchäfer, G. McGlynn, T. Müller, Ç. Köksal-Schmidt, P. Paxinos, J. Peters, N. Pöllath, B. Sever, R. Stöcklein, A. Thieß • Abbildungsnachweis: Archiv der Göbekli Tepe-Grabung (Abb. 1–3). Boğazköy-Expedition Die diesjährige Kampagne war geprägt durch den Abschluss der Arbeiten in der Oberstadt und den viel versprechenden Beginn neuer Forschungen in der Unterstadt. Gleichzeitig konnten die Grabungen in der chalkolithischen Siedlung von Çamlıbel Tarlası mit guten Ergebnissen fortgesetzt und beendet werden. Geophysikalische Untersuchungen ergänzen das Projekt ebenso wie Surveys an der Felsenanlage von Kızlarkayası sowie Forschungen zur Wasserwirtschaft. I. Çamlıbel Tarlası: In Çamlıbel Tarlası wurde die 3. und letzte Kampagne zur Erforschung dieses spätchalkolithischen Dorfes durchgeführt. Die Arbeiten konzentrierten sich auf die älteren Siedlungsphasen. Zu den Überraschungen gehört die Erkenntnis, dass der Errichtung der ersten Wohnhäuser eine Phase andersartiger Nutzung vorangegangen ist. Denn zu dieser Zeit lief ein Bach auf seinem Weg hangabwärts mitten durch das spätere Siedlungsareal. Zu beiden Seiten dieses Rinnsals fanden sich Spuren menschlicher Aktivitäten, darunter Gruppen runder Schmelzgruben mit etwa 25 cm Durchmesser (Abb. 4), in denen Kupfererz verhüttet worden ist. Unbrauchbare Teile des Erzes wurden abgetrennt und mit anderen Abfällen den Hang hinabgeworfen. An geschützten Stellen zeigt sich ein mehrlagiger Schichtauf bau, der nahe legt, dass man diesen Ort wiederholt aufgesucht hat, um Kupfererz zu ver-
Abb. 4 Boğazköy-Expedition, Çamlıbel Tarlası. Schmelzgrube der ältesten Phase. Ein Teil der Aschefüllung ist entfernt und gibt den Blick auf die Auskleidung mit Keramikscherben und den Boden aus gebranntem Lehm frei
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Abb. 5 Boğazköy-Expedition, Çamlıbel Tarlası. Blick über die neu freigelegten Baureste der ersten Architekturphase. Mauersockel aus Bruchsteinen sind nur bei Häusern verwendet worden, deren Rückseite in den Hang eingegraben ist
arbeiten – vermutlich jährlich. Ein Ausbiss von Kupfererz wurde dieses Jahr nur etwa 2,5 km stromaufwärts im gleichen Seitental lokalisiert. Sehr weit tragen mussten die ›Metallurgen‹ von Çamlıbel Tarlası ihr Rohmaterial also nicht. Botanische Reste zeigen ackerbauliche Tätigkeiten an. Wo die ›Muttersiedlung‹ zu dieser Zeit gelegen hat, ist unklar. Es ist aber unwahrscheinlich, dass sie in großer Entfernung zu suchen ist. Bereits zu dieser Zeit sind Bestattungen vorgenommen worden, wobei 2009 auch Gräber von Erwachsenen gefunden wurden. Die Bedeutung der Befunde von Çamlıbel Tarlası liegt zum einen in der ungewöhnlich guten Erhaltung der Schmelzinstallationen. Andererseits zeigen sie aber auch, wie eine Gemeinschaft von Ackerbauern Metallverarbeitung quasi nebenbei ausgeübt hat und diese nicht etwa auf das Wirken handwerklicher Spezialisten zurückgeht, wie üblicherweise angenommen wird. Eine zweite Phase der Geschichte des Ortes beginnt, nachdem der Wasserlauf zusedimentiert war. Zu diesem Zeitpunkt hat man sich zu einer permanenten Anwesenheit entschlossen und eine Anzahl von Behausungen aus Bruchsteinen und Lehm errichtet (Abb. 5). Typischerweise waren diese Häuser mit Backöfen ausgestattet. Metallurgische Tätigkeiten sind auch in dieser Zeit ausgeübt worden, wie zahlreiche Schmelzgruben in Gruppen zwischen den Häusern zeigen. Wie schon in den vergangenen Jahren wurden unter den Fußböden zahlreiche Kindergräber sowohl in großen Keramikgefäßen als auch in Erdgruben festgestellt (Abb. 6). Diese Siedlung wurde schließlich aufgegeben; an verschiedenen Stellen fanden sich deutliche Hinweise darauf, dass der Platz über einen längeren Zeitraum verlassen gewesen ist. Erstaunlich ist jedoch, dass man in der nächsten Siedlungsphase auf den Mauerstümpfen des größten Hauses ein neues Gebäude errichtet hat, das Bezug auf den unterliegenden Bau nimmt. Das neue Gebäude zeigte, wie 2008 beschrieben (s. AA 2009/1 Beiheft, 196), ungewöhnliche Charakteristika und hatte wahrscheinlich rituelle Funktion. Das Wissen um den Platz ist also in der dazwischen liegenden Zeit nie verloren gegangen. Daraus lässt sich schließen, dass es dieselbe Gemeinschaft gewesen ist, die den Platz in unterschiedlichen Episoden genutzt hat. Zwei Kleinfunde verdienen Erwähnung. Zum einen wurde der Kopf einer großen Stierfigur aus Terrakotta gefunden, ein erneuter Hinweis darauf, dass
Abb. 6 Boğazköy-Expedition, Çamlıbel Tarlası. Kinderbestattung in kontrahierter Körperhaltung. In Çamlıbel Tarlası sind Kinder in einfachen Erdgruben, Säuglinge dagegen in Keramikgefäßen beigesetzt worden. Die große Zahl solcher Gräber spiegelt die hohe Kindersterblichkeit wider
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Abb. 7 Boğazköy-Ḫattuša, repräsentatives Wohnhaus in der südwestlichen Oberstadt
dieser Tierart besondere Aufmerksamkeit zuteil geworden ist. Zum anderen belegt eine Röhrenperle aus Jade, dass Çamlıbel Tarlası in ein System umfangreicher Fernhandelsbeziehungen eingebunden gewesen ist. Die zukünftigen Arbeiten zu Çamlıbel Tarlası werden der Aufarbeitung des Fundmaterials dienen. Man darf insbesondere darauf gespannt sein, welche Erkenntnisse die Untersuchungen der Tierreste und des botanischen Fundmaterials erbringen. II. Boğazköy-ïattuša: Bevor das Projekt durch eine Verlagerung der Arbeiten in die Unterstadt einen neuen Schwerpunkt erhielt, erbrachte der Abschluss der Forschungen in der westlichen Oberstadt noch eine großartige Überraschung. Bei letzten Arbeiten in einem in den Vorjahren weitgehend freigelegten Gebäude (Abb. 7) wurde neben der Vervollständigung des Grundrisses ein Fragment eines an den Kommandeur der Palastgarde adressierten Briefs gefunden. Dieser Keilschrifttext ist ein Hinweis auf den Besitzer des großen, quadratischen Hauses, in dem in den Kampagnen 2007 und 2008 ein gut erhaltenes Keramikinventar gefunden wurde. Es ist nun erstmals möglich, ein Gebäude in der Stadt einer derart hoch gestellten Persönlichkeit des öffentlichen Lebens zuzuweisen. Darüber hinaus gewinnen die genannten Funde an Bedeutung, denn sie können nun als das Inventar angesprochen werden, das bei Festen und Ritualen zur Bewirtung von Gästen verwendet wurde. Archäologische Rückschlüsse auf bisher nur in den Texten belegte, soziale Netzwerke sind möglich. Die Arbeiten der letzten Dekaden in der Oberstadt haben unsere Kenntnis von der historischen Entwicklung und unser Bild der Stadt grundlegend verändert. Trotz vieler, noch ungelöster Probleme erwies sich die Frage, wie die Unterstadt in dieses neu gewonnene Bild einzufügen sei, als drängendes Desiderat. Deshalb wurden mit dem Ziel, die chronologische und strukturelle Entwicklung der Unterstadt zu untersuchen, südlich der bis in die 1970er Jahre untersuchten Flächen neue Forschungen auf bauend auf geophysikalischen Untersuchungen begonnen. Die Arbeiten erbrachten schon im ersten Jahr einen Überblick über die kulturelle Entwicklung vom frühen 2. Jt. v. Chr. bis in die byzantinische Zeit und legen so den Grundstein für eine Neubewertung der kulturellen Entwicklung dieses Stadtareals. Hervorzuheben sind zwei aufeinander folgende, große Wohngebäude, die unter schlecht erhaltenen Befunden der Eisenzeit und einer Nekropole der
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Abb. 8 Boğazköy-Ḫattuša, Stadttor in der Poternenmauer westlich von Kesikkaya
antiken Perioden zu Tage kamen. Die Gebäude zeigen, dass sich die monumentale Bebauung, die im Norden freigelegt wurde, nicht nach Süden fortsetzt. Vielmehr belegen sie eine Nutzung dieses Bereichs als repräsentatives Wohnviertel. Da gleichzeitig erste Indizien darauf hindeuten, dass zumindest das jüngere der beiden Gebäude stratigraphisch jünger ist als die nördliche Bebauung, könnten die zukünftigen Arbeiten eine Annäherung an die Problematik der Datierung des Großen Tempels und der ihn umgebenden Gebäude ermöglichen. In einem westlich gelegenen Areal erwies sich die hethitische Bebauung als weniger gut erhalten. Jedoch konnte hier an verschiedenen Stellen eine Bauschicht der Karum-Zeit erreicht werden, die durch ein Feuer zerstört wurde. Neben zahlreichen Gefäßen eines Keramikinventars wurden mehrere charakteristische Kleinfunde, Siegel und eine Keilschrifttafel geborgen. Da diese Funde zunächst über eine allgemeine Parallelisierung mit der Schicht I b in Kültepe hinaus keine genaue Datierung erlauben, ist das Ergebnis der 14C-Bestimmungen mit Spannung zu erwarten. Da die hethitische Bebauung an mehreren Stellen die ältere Phase unmittelbar weiter nutzt, spricht vieles für eine kurze Zeit zwischen den beiden Perioden. Ein wenig südlich gelegener dritter Grabungsabschnitt dient der Erforschung der Poternenmauer. Dabei leistet die Freilegung eines neuen Stadttores (Abb. 8), das westlich von Kesikkaya die Verbindung zwischen der Unterstadt und der westlichen Oberstadt ermöglicht, einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der Stadttopographie. Denn nach bisheriger Kenntnis wäre ein Umweg über das unterhalb der Büyükkale gelegene Tor notwendig gewesen. Nun ist jedoch klar, dass es auch im Westen der Unterstadt einen Durchgang durch die Poternenmauer gab. Dieses Tor bildet zusammen mit Kesikkaya, dem nun besser verständlichen Verlauf der Poternenmauer, einer 2009 nachgewiesenen Fassung des Bachlaufs und der nun aufgemessenen Felsanlage von Kızlarkayası (Abb. 9) ein Ensemble, das in dieser Form Einblicke in die Gestaltung der Landschaft durch die hethitischen Baumeister ermöglicht. Im Rahmen von Untersuchungen zur Wasserwirtschaft wurden im Bereich der Süd- und Ostteiche in der Oberstadt Bohrungen durchgeführt (Abb. 10). Kooperationspartner – Çamlıbel Tarlası: University of Edinburgh, Edinburgh • Leitung des Teilprojekts: U.-D. Schoop • Mitarbeiter und Mitar-
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Abb. 9 Boğazköy-Ḫattuša, Luftbild von Kızlarkayası
Abb. 10 Boğazköy-Ḫattuša, Bohrung zur Klärung wasserbaulicher Fragen an den Südteichen
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beiterinnen: E. Schoop, S. Ben Mohamed, B. Irvine • Abbildungsnachweis: Archiv der Boğazköy-Expedition (Abb. 4–6). Kooperationspartner – Boğazköy-ïattuša: Generaldirektion für Kulturdenkmäler und Museen des Kultur- und Tourismusministeriums der Republik Türkei; Generaldirektion für Kulturdenkmäler und Museen des Kultur- und Tourismusministeriums der Republik Türkei, Direktion für Denkmalschutz und Baudokumentation; Akademie der Wissenschaften und Literatur Mainz, Kommission für den Alten Orient; Institut für Altorientalistik der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg; Institut für Vorderasiatische Altertumskunde der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster; Institut für Altorientalistik der Universität Leipzig; Institut für Geowissenschaften der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; Fachrichtung Konservierung und Restaurierung der Fachhochschule Erfurt; School of History, Classics and Archaeology, University of Edinburgh, Edinburgh; Department of Geology der Middle East Technical University, Ankara • Förderung: DFG (Unterstadt-Grabung); Brennan Foundation (Arbeiten im südlichen Tal von Sarıkale); GRH Stiftung (Untersuchungen zur hethitischen Wasserwirtschaft) • Leitung des Projekts: A. Schachner (Gesamtleitung) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: U.-D. Schoop (Edinburgh; Leitung der Ausgrabungen in Çamlıbel Tarlası), G. Wilhelm, S. Herbordt, R. Dittmann, H. Wittenberg, T. Staemmler; für eine vollständige Liste der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen s. auch den Vorbericht im AA 2010/1 • Abbildungsnachweis: Archiv der Boğazköy-Expedition (Abb. 7–10).
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Milet Die Arbeiten standen in der ersten Hälfte des Jahres noch im Zeichen des Langfristprogramms zur Erforschung des archaischen Milet. In der Hauptsache ging es darum, die überaus reichen Funde aus dem großen Bothros im Aphroditeheiligtum zu restaurieren, zu photographieren und wissenschaftlich zu dokumentieren. Der Bothros war im Vorjahr entdeckt und bis Ende des Jahres ausgegraben worden, als schwere Winterregen eine Fortsetzung der Arbeiten unmöglich machten. Trotz kontinuierlicher Anwesenheit von Restauratoren und Restauratorinnen, die sich sofort um die Funde kümmerten, blieb ein nicht unerheblicher Rest der Funde unrestauriert. Dieser Überhang wurde in der Frühjahrskampagne durch den Einsatz einer Gruppe von Restauratoren und Restauratorinnen abgearbeitet. Dabei war besonders die Durcharbeitung der Keramikfunde erfolgreich, durch die wir jetzt sehen, dass der Bothros auch weitgehend zusammensetzbare Gefäße wie beispielsweise den hier abgebildeten Krater aus dem 7. Jh. v. Chr. enthielt (Abb. 11). Gleichzeitig waren die wichtigsten Bearbeiter und Bearbeiterinnen der verschiedenen Fundgattungen am Grabungsort, um die Neufunde sofort in ihre über Jahre gewachsenen Dokumentationen aufzunehmen. Die Wiederaufnahme der Grabungsarbeiten im großen Bothros des Aphroditeheiligtums konnte in diesem Jahr ebenfalls erfolgen. Es ist allein der Großzügigkeit privater Spender zu verdanken, dass die Arbeiten so lange fortgeführt werden konnten. Von einer Tiefe von ca. 2,50 m, die Ende 2008 erreicht war, wurde nun bis auf eine Tiefe von ca. 11 m herunter gegraben. Im oberen Bereich, in dem der Bothros den Kalksteinfels durchstößt, hat er die Form eines unregelmäßigen Schachts, während er sich im unteren Bereich, wo er durch die anschließende Tuffitformation getrieben ist, verengt und eine runde brunnenförmige Gestalt mit seitlichen Steiglöchern annimmt. Es ist also denkbar, dass er zunächst als Brunnen geplant war, um erst anschließend bis zum Rand mit Heiligtumsschutt gefüllt zu werden. Die sehr reichen Bothrosfunde der diesjährigen Kampagne bestätigen das in der ersten Ausgrabungsphase gewonnene Bild. In dem Bothros sind Heiligtumsschutt und Weihgaben geborgen worden, die nach Ausweis der korinthischen Keramik in die Zeit zwischen 680 und 630 v. Chr. zu datieren sind. Zu den Hauptfunden gehören Terrakottafiguren sowie Fayencen (Gefäße und Figuren) ägyptischer Provenienz und ihre ägäischen Nachahmungen, darunter auch über 200 Skarabäen, außerdem figürliche Bronzen und viel weiblicher Gewand- und Körperschmuck. Zu den Elfenbeinfunden des vergangenen Jahres kommen jetzt einige wenige Objekte aus Bernstein hinzu. Im Herbst wurde die seit langem geplante Straßensondage nachgeholt. Das Ziel dieser Sondage war, das durch die geophysikalische Prospektion entdeckte Straßenraster im südlichen Vorfeld der nach der Perserzerstörung wieder aufgebauten Stadt zu verifizieren. Die Sondage wurde an einer Stelle geöffnet, an der die geomagnetischen Messungen sowohl eine Straße als auch eine bauliche Struktur angezeigt hatten. Bei der baulichen Struktur handelt es sich um einen römischen Grabbau aus dem 2./3. Jh. n. Chr., dessen Grabinschrift unverletzt in dem Zerstörungsschutt gefunden wurde (Abb. 12). Südlich von diesem Gebäude führte eine gleichzeitige und parallel verlaufende Straße entlang, deren Oberf läche aus verdichteter, mit Keramikschutt befestigter Erde bestand und die außerdem von einer Wasserleitung begleitet war. Unmittelbar unter dem römischen Niveau lagen Hausreste des 6. Jhs. v. Chr. mit einer untereinander parallelen, aber von dem späteren Raster abweichenden Ausrichtung (Abb. 13). An den tiefsten Stellen, die von der Grabung erreicht wurden, kamen Scherben des 7. Jhs. v. Chr. zu Tage.
Abb. 11 Milet, Aphroditeheiligtum. Krater aus dem Bothros (7. Jh. v. Chr.)
Abb. 12 Milet, römische Grabinschrift
Abb. 13 Milet, Straßensondage
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Als vorläufiges Ergebnis kann festgehalten werden, dass die an dieser Stelle prospektierte Straße tatsächlich existierte und in römischer Zeit als Gräberstraße benutzt wurde. Wann das gesamte Straßensystem im südlichen Vorfeld der späteren Stadt eingerichtet wurde, kann erst nach der Gesamtauswertung aller Funde beantwortet werden. Weitere Aktivitäten in Milet betrafen die Arbeiten in den Faustina-Thermen (s. auch hier S. 16–18), ferner Grabungsarbeiten in den neu entdeckten römisch-byzantinischen Südstadt-Thermen (s. auch hier S. 191) sowie die Fortführung der Bauuntersuchungen im Heiligtum des Apollon Delphinios. Zusammenarbeit mit der Zentrale des DAI (O. Dally, Projekt FaustinaThermen), den Abteilungen Istanbul (P. Niewöhner, Projekt Byzantinisches Milet) und Athen (W.-D. und B. Niemeier, Projekt Athenatempel) des DAI und der Freien Universität Berlin (A. Herda, Bauuntersuchungen im Heiligtum des Apollon Delphinios) • Förderung: DFG; Ruhr-Universität Bochum; Privatspenden • Leitung des Projekts: V. von Graeve • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: K. Akıncı, G. Günay-von Graeve, A. Yaşa • Abbildungsnachweis: D. Johannes (Abb. 11); G. Günay-von Graeve (Abb. 12. 13). Milet, Südstadt-Thermen Die Südstadt-Thermen wurden im Vorjahr bei Reinigungsarbeiten im Süden der großen Moschee entdeckt. Sie liegen in einem noch kaum erforschten Stadtteil außerhalb des Zentrums und der byzantinischen Befestigungen. Bauweise und Ausstattung ließen jedoch darauf schließen, dass sie aus byzantinischer Zeit stammten. Das konnte nun in diesem Jahr durch eine stratigraphische Untersuchung bestätigt werden. Die Hypokaustenheizung wurde nach dem frühen 5. Jh. n. Chr. (Terminus post quem) gebaut und über das Ende der frühbyzantinischen Epoche hinaus genutzt. Wahrscheinlich diente das Bad in erster Linie den Bewohnern des Stadtviertels, denn es handelt sich um eine verhältnismäßig kleine, unprätentiöse Anlage, wie sie für die byzantinische Zeit typisch war. Die Thermen belegen, dass die Südstadt in frühbyzantinischer Zeit bewohnt war, und sprechen dafür, dass der byzantinische Mauerring erst später errichtet wurde. Überraschend kamen unter den byzantinischen Hypokausten mit einem Boden aus schräg gestellten Ziegeln (Abb. 14) große quadratische Ziegelplat-
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Abb. 14 Milet, Südstadt-Thermen. Byzantinische Hypokausten mit einem Boden aus schräg gestellten Ziegeln Abb. 15 Milet, Südstadt-Thermen. Unter den byzantinischen Hypokausten liegt eine große, quadratische Ziegelplatte
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ten zum Vorschein (Abb. 15), die sich als Abdeckplatten einer zweiten, älteren Hypokaustenheizung erwiesen (Abb. 16. 17). Letztere stammt aus der mittleren Kaiserzeit und gehört offenbar zu einem älteren Badegebäude, das in byzantinischer Zeit umgebaut wurde. Kooperationspartner: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (H. Stümpel); Österreichische Akademie der Wissenschaften Wien (A. Waldner) • Leitung des Projekts (Teilprojekt der Miletgrabung): P. Niewöhner • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: D. Bozkurt, K. Güler, J. Heymach • Abbildungsnachweis: P. Niewöhner (Abb. 14–17). Didyma Der Apollontempel von Didyma gilt als die am besten erhaltene und imposanteste Ruine eines in klassischer Zeit entworfenen Sakralbaus Kleinasiens. Die Erforschung der topographischen Veränderungen im Kernheiligtum des Apollon von Didyma zwischen 7. und 4. Jh. v. Chr. wurde in diesem Jahr ebenso fortgesetzt wie die Grabungen auf der nahe gelegenen Insel Tavşan Adası. Im Rahmen der Untersuchungen zur räumlichen Planung und Ausdehnung des didymäischen Orakelheiligtums galt es, zunächst die Arbeiten am Trassenverlauf der Heiligen Straße im Zugangsbereich des Kernheiligtums fortzusetzen (s. AA 2009/1 Beiheft, 202. 203). Die Ausrichtung der Trasse des alten archaischen Prozessionsweges bestätigte sich; aus kultischer Tradition wurde dieser Weg auf gleichem Niveau bis in hellenistische Zeit beibehalten. Unmittelbar nördlich der im Vorjahr freigelegten Rundbasis einer hellenistischen Siegerstatue (Sondage HSA, s. AA 2009/1 Beiheft, 203 Abb. 16) konnte eine weitere, stark zerstörte Freiplastik geborgen werden (Abb. 18): Sie lag schräg umgekippt im Schnitt, was auf römisch-kaiserzeitliche Arbeiten zurückzuführen ist, als das Straßenniveau um rund 0,70 m erhöht worden war. Die ausgehöhlte Unterseite dieses aus weichem Kalkstein bestehenden, quaderähnlichen Blocks und die stuhlbeinförmige, reliefverzierte Vertikalkante sind deutliche Indizien, die zugunsten einer hocharchaischen Sitzstatue sprechen. Falls diese Deutung zutrifft, besäßen wir mit diesem Neufund die früheste Sitzfigur des ›Branchiden‹-Typs, kubisch gestaltet und ursprünglich wohl mehr durch Polychromie als durch durchgegliederte, plastische Formen charakterisiert. Rund 25 m nördlich vom Apollontempel entfernt, etwa in der Flucht seines rückwärtigen Adytonbereiches, wurden vier Suchschnitte angelegt
Abb. 16 Milet, Südstadt-Thermen. Die Ziegelplatte wird gehoben und erweist sich als Decke eines zweiten römischen Hypokaustensystems Abb. 17 Milet, Südstadt-Thermen. Vermessung der römischen Hypokausten
Abb. 18 Didyma, Bergung der früharchaischen Sitzstatue (?)
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Abb. 19 Didyma, Luftaufnahme von Tavşan Adası
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(SS09/06–07, 09–10). Tiefe Schuttauffüllungen spätrömischer und byzantinischer Zeit zeigen, dass die Geländemorphologie sich bis in die Kaiserzeit sehr von der heutigen unterschied. Danach und spätestens in byzantinischer Zeit wurde das Gebiet nördlich des Tempels aus bisher ungeklärten Gründen bis zu 3,50 m aufgeschüttet. Im 19. Jh. erfolgte eine Überbauung des Geländes. Aus den 2009 zum Abschluss gebrachten Untersuchungen auf dem Taxiarchis-Hügel (vgl. AA 2002, 84–104) geht nun hervor, dass die obere Terrasse seit der Frühzeit zum Apollonheiligtum gehörte und auf ihr spätestens seit dem 7. Jh. v. Chr. sukzessiv Votivmaterial abgelagert wurde. Nach der Zerstörung durch die Perser 494 v. Chr. wurde dann großf lächig Heiligtumsschutt deponiert, der mit Votivmaterial geradezu durchsetzt ist. Die Feldforschungen im überregionalen Handelszentrum auf der Didyma nah gelegenen Insel Tavşan Adası wurden fortgeführt und die einzelnen Besiedlungsphasen der Insel analysiert (Abb. 19). Im Südosten (Areale D17– D19, C17 und C18) wurde das große, ursprünglich zweigeschossige, nahezu quadratische Gebäude (15,50 m × 15,00 m) der jüngeren kretischen Palastzeit (TA 4) weitgehend erfasst (Abb. 20). Es fanden sich weitere Hinweise darauf, dass eine Flutwelle dieses Gebäude zerstört hatte. Im Süden (Areale C10– C13 und B13) wurden die bereits 2008 festgestellten Gebäudestrukturen der älteren kretischen Palastzeit (TA 3) f lächig weiterverfolgt, während man im Norden der Insel auf zwei Schichten anatolischer Prägung (TA 2) mit vereinzelten Importen kretischen und kykladischen Ursprungs stieß. Anatolisch/ trojanische Parallelen verweisen für beide Schichten auf ein frühbronzezeitliches Alter (Troja II g bis V bzw. EBA II bis III). Aus Sicht der kretischen
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Chronologie ist das Material vorpalastzeitlich und entspricht in etwa FM II bis FM III/MM I a. Die laufenden Restaurierungs- und Konsolidierungsmaßnahmen am großen Tempel galten in diesem Jahr der Abschlusssanierung der südlichen Türlaibung der großen Erscheinungstür und der Ost- und Westmauer des 2- und 12-Säulensaales. Marmorblöcke wurden hierbei mit Diamant-Hohlbohrern bearbeitet und mit titanstabilisierten Edelstahlankern gefestigt. Das Schließen der Fugen zwischen Gewände und Mauer erfolgte mit technischem Kalkmörtel bzw. Epoxidharz. So konnte ein wesentlicher Teil des Tempels saniert und die optisch störenden Eisenbänder der alten Restaurierungen entfernt werden. Schließlich wurde ein dreisprachiges Schautafelsystem eingerichtet, das den interessierten Touristen Auskunft über das didymäische Orakelheiligtum geben soll (Abb. 21). Leitung des Projekts: A. Furtwängler • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: F. Bertemes (Leitung der Untersuchungen auf Tavşan Adası), A. Slawisch, D. Mauermann, H. Bumke, J.-H. Breder, Ch. Kronewirth, H. Löhr • Abbildungsnachweis: Archiv der Didymagrabung (Abb. 18–21). Priene Die im 4. Jh. v. Chr. am Südfuß des Mykale-Gebirges (heute: Samsun Dağları) über dem Mündungsgebiet des Mäander (Büyük Menderes) angelegte Stadt Priene gilt seit ihrer teilweisen Ausgrabung durch deutsche Archäologen im späten 19. Jh. als Musterbeispiel einer ›hippodamischen‹ Stadtanlage. Seit 1998
Abb. 20 Didyma, Tavşan Adası. Ostareal (2009)
Abb. 21 Didyma, Schautafel mit Blick auf den Apollontempel
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Abb. 22 Priene, Bronzeblech (3,60 cm × 3,20 cm) von der Teloneia mit Darstellung der Geburt Christi
Abb. 23 Priene, Synagoge im westlichen Stadtgebiet
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laufende Grabungen und Bauuntersuchungen widmen sich den städtebaulich bedeutsamen Veränderungen im Hellenismus und neuerdings auch in spätantik-byzantinischer Zeit. Untersuchungen zur Spätzeit der Stadt, die das bisherige Bild der Stadtentwicklung von Priene erheblich verändern, brachten in diesem Jahr unerwartete Ergebnisse. Bei einem intensiven Survey auf dem Gipfelplateau der Teloneia etwa 200 m über der antiken Wohnstadt wurde eine dichte Bebauung festgestellt, zu der auch zwei kleine Kirchen oder Kapellen gehört haben. Die aufgelesene Keramik weist zeitliche Schwerpunkte im 5.–7. Jh. sowie im 11./12. Jh. n. Chr. auf. Erwähnenswert ist der Oberf lächenfund eines Bronzeblechs mit der Reliefdarstellung von Christi Geburt bei einer der erwähnten Kirchen (Abb. 22). Die spätantik-byzantinische Teleoneiabebauung verändert unsere Vorstellung der Stadt insofern, als zu dem schon immer bekannten Siedlungskern im Bereich der antiken Stadt nun ein zweiter, von diesem räumlich getrennter, hinzukommt. Seine Fläche entspricht ungefähr einem Drittel der antiken Wohnstadt. Bisher waren vom Teloneiaplateau fast ausschließlich Wehrbauten bekannt. Der Beginn einer neuerlichen Untersuchung der Synagoge im Westteil der Stadt führte ebenfalls zu neuen Erkenntnissen (Abb. 23). Der Bau, der bei seiner Freilegung im 19. Jh. noch als christliche Hauskirche angesehen worden war, ist etwa doppelt so groß gewesen wie bisher angenommen und weist zwei Hauptbauphasen auf, von denen die erste vermutlich ins 5. Jh. gehört. Zum Arbeitsprogramm, das der Stadtentwicklung in antiker – besonders in hellenistischer – Zeit gilt, gehörte vor allem die Fortsetzung mehrerer bereits in den Vorjahren begonnener Vorhaben: Für den Bereich des (späteren?) Heiligtums der ägyptischen Götter und seiner Nachbarschaft zeichnet sich immer deutlicher die Existenz einer monumentalen Bebauung aus der Zeit um 200 v. Chr. ab. Zu dieser haben vier Gebäude im Typus von Prostashäusern gehört, die die größte Architektur dorischer Ordnung darstellen, die aus Priene bis jetzt bekannt ist. Die Arbeiten am Kultplatz der Kybele (?) nordöstlich oberhalb der Stadt haben den Charakter des Areals – kleinteilige Bebauung mit hohem Anteil
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Abb. 24 Priene, Grabung in einem Wohnhaus der Insula D 2
von Wasserversorgungsinstallationen – sowie seine Nutzungszeit bestätigt (hellenistisch). Im Westteil der Stadt wurden die Ausgrabung des hellenistischen Hauses in der Insula D 2 sowie die detaillierte Bauaufnahme der Wohnhäuser fortgesetzt (Abb. 24). Dabei ergaben sich zahlreiche Beobachtungen, die ein viel differenzierteres Bild vom Aussehen der Häuser, von der Mischung privater und kultischer Nutzung sowie der architektonischen Erschließung des Geländes ermöglichen, als es bisher bekannt war. Als ein neues Vorhaben kam die Untersuchung des ›Oberen Gymnasions‹ hinzu. Dieses für das öffentliche Leben der hellenistischen Stadt so wichtige Gebäude ist aufgrund späterer Überbauung bis jetzt nur sehr unvollkommen bekannt. Die diesjährig begonnenen Untersuchungen sollen nicht nur Aufschluss über sein Aussehen und seine genaue Datierung geben, sondern auch über seine spätere Umnutzung im Kontext sich ändernder urbanistischer und gesellschaftlicher Bedingungen. Förderung: DFG; Leopold Werner Stiftung • Leitung des Projekts: W. Raeck ( Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M.), F. Rumscheid (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: W. Koenigs, W.-R. Teegen, W. Blümel, H.-U. Wiemer, N. Burkhardt, A. Filges, B. Gossel-Raeck, A. Hennemeyer, U. Mandel, M. Wilson, J. Rumscheid, U. Mania, D. Kah, U. Ruppe, L. Heinze, J. Fildhuth, E. Baylan, Z. Yılmaz, S. Prillwitz, M. Dirschlmayer, G. Höfig • Abbildungsnachweis: Archiv der Prienegrabung (Abb. 22–24). Pergamon Die antike Metropole Pergamon liegt unweit der Küste der türkischen Ägäis. Nach mehr als 130 Jahren archäologischer Forschung durch deutsche Wissenschaftler widmet sich das neue Forschungsprogramm der Pergamongrabung seit 2005 dem urbanen Gesamtorganismus, d. h. der Gliederung der Stadt durch Straßensystem und Gebäudeensembles sowie ihrer Besiedlungsgeschichte. Schwerpunkt der Arbeiten ist die Untersuchung der großen noch unausgegrabenen Gebiete am Ost- und Westhang des Stadtberges. Eine Kombination aus verschiedenen Methoden der archäologischen, geodätischen und geophysikalischen Geländeerkundung kommt hierbei zum
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Abb. 25 Pergamon, Felsheiligtum am Ostabhang aus der Vogelperspektive
Abb. 26 Pergamon, Votivstatuette aus dem Heiligtum
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Einsatz, die größtmöglichen Erkenntnisgewinn bei kleinräumigen Grabungen verspricht. Nachdem im Rahmen dieser Arbeiten im äußersten Norden des Ostabhangs des Stadtberges an mehreren Stellen Abarbeitungen im Fels in Form von Nischen, Stufen oder eines Statuenpostaments beobachtet wurden, die auf kultische Aktivitäten hindeuten, sind in diesem Jahr Grabungen an den potentiellen Heiligtümern durchgeführt worden. Dabei wurde eine ausgedehnte Kultstelle (Abb. 25), die vermutlich der anatolischen Muttergottheit Kybele geweiht war, freigelegt. Der Nachweis eines Wasserbeckens ist charakteristisch für den Kult dieser Göttin, von deren tönernen Bildnissen sich einige Fragmente gefunden haben. Daneben kamen zahlreiche Bruchstücke klein- und großformatiger Tonfiguren zu Tage (Abb. 26). An einer anderen Stelle, die für die Lokalisierung eines Kultplatzes in Frage kommt, wurde eine ungewöhnliche hellenistische Tonlampe mit neun Brennlöchern gefunden, die durch die Inschrift »dem Gotte« (theo) als Weihgabe ausgewiesen ist. Von der Fortsetzung dieser Untersuchungen (Abb. 27) erhoffen wir uns weitere Aufschlüsse über Funktion, Datierung und Stellenwert dieser ephemeren Heiligtümer innerhalb der Sakraltopographie Pergamons. Religionsgeschichtlich besonders aussagekräftig ist das breite Spektrum an Kulten und Kultplätzen in der hellenistischen Metropole, das vom prächtigen Zeusaltar und den großen Heiligtümern bis zu einfachen, in den Fels geschlagenen Anlagen reicht. Über die Grenzen des ummauerten Stadtgebietes hinaus umfassen die aktuellen Forschungen auch den suburbanen Bereich, der gleichermaßen in die städtische Infrastruktur einbezogen war. Hier befanden sich unter anderem die Nekropolen der Stadt, die mit weithin sichtbaren Monumenten wie den großen Tumuli (Grabhügeln) den Anspruch Pergamons auf die Beherrschung der Landschaft unterstrichen. Trotz ihrer eminenten kulturhistorischen Bedeutung sind die Gräber und Nekropolen Pergamons bisher kaum erforscht. Zur Vorbereitung eines neuen Projekts haben wir im vergangenen Jahr wissenschaftliches Neuland betreten: Erstmals wurden an einem der großen Grabhügel, dessen Kammer mit ihrem Zugang bekannt ist, seismi-
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sche Messungen vorgenommen (Abb. 28), mit deren Hilfe das Innenleben der gewaltigen Monumente erforscht werden soll. Nach sehr ermutigenden Ergebnissen dieser ersten Tests hoffen wir nun, die Arbeiten in den kommenden Jahren fortsetzen zu können. Kooperationspartner: DFG-Schwerpunktprogramm 1209 »Die hellenistische Polis als Lebensform. Urbane Strukturen und bürgerliche Identität zwischen Tradition und Wandel«; Exzellenzcluster TOPOI; BMBF-Verbundprojekt »Das Berliner Skulpturennetzwerk – Kontextualisierung und Übersetzung antiker Plastik«; Wissenschaftliches Netzwerk »Epochenwandel und historische Veränderungsprozesse in Anatolien« des DAI, Abteilung Istanbul; Generaldirektion für Kulturdenkmäler und Museen des Kulturund Tourismusministeriums der Republik Türkei; Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik des DAI; Ephesosgrabung des Österreichischen Archäologischen Instituts; Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz; Museum Bergama; Ankara Üniversitesi, Başkent Meslek Yüksekokulu, Restorasyon ve Konservasyon Programı; Mimar Sinan Üniversitesi Istanbul, Mimarlık Fakültesi; Koç Üniversitesi Istanbul, Tarih Bölümü; Archäologisches Institut der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg; Archäologisches Institut der Universität zu Köln; Geodätisches Institut der Universität Karlsruhe; Historisches Seminar der Abteilung für Alte Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München; Institut für Geomatik der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft; Institut für Geowissenschaften der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik der Friedrich-WilhelmsUniversität Bonn; Institut für Chemie und Biochemie der Freien Universität Berlin; Institut für Geographische Wissenschaften der Freien Universität Berlin; Institut für Klassische Archäologie der Freien Universität Berlin; Fachbereich Geographie der Philipps-Universität Marburg; Studiengang Konservierung und Restaurierung/Grabungstechnik der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin; Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin; Lehrstuhl für Darstellungslehre der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus; Fachbereich Bauwesen, Sachgebiet Wasserbau der Fachhochschule Lübeck; Fa. Eastern Atlas, Berlin • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung; Theodor Wiegand Gesellschaft e. V. • Leitung des Projekts: F. Pirson • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: Für eine vollständige Liste der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen s. auch den Vorbericht im AA 2010/2 • Abbildungsnachweis: Archiv der Pergamongrabung, F. Pirson (Abb. 25. 26. 28); Archiv der Pergamongrabung, A. Weiser (Abb. 27).
Abb. 27 Pergamon, Dokumentation der Kultplätze mit dem Hochstativ
Abb. 28 Pergamon, seismische Prospektionen am Tumulus Maltepe
Pergamon, Umland Die Erforschung des Umlandes von Pergamon verspricht neue Erkenntnisse für die Entstehungsgeschichte der hellenistischen Residenzstadt, die wesentlich von der Kontrolle der Verkehrswege, dem Zugriff auf Ressourcen und dem Auf bau einer militärischen Infrastruktur abhing. Die Stellung Pergamons als Hauptort des unteren Kaikostales und der angrenzenden Gebirgszüge spiegelt sich in seinem Verhältnis zu den benachbarten Gehöften, ländlichen Siedlungen und Städten wider. Drei, die Methoden der archäologischen Oberf lächenuntersuchung, der Geographie sowie verschiedener ingenieurund naturwissenschaftlicher Disziplinen miteinander verbindende Teilprojekte der Pergamongrabung widmen sich seit 2006 der Analyse der pergamenischen Landschaft als historischem Siedlungsraum. Am bronzezeitlichen Siedlungshügel Yeni Yeldeğirmentepe (3. Jt. v. Chr.) konnte bei den diesjährigen Oberf lächenuntersuchungen eindrucksvoll bestä-
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Abb. 29 Umland von Pergamon, Yeni Yeldeğirmentepe. Bronzezeitliche Keramik aus der ›Unterstadt‹
Abb. 30 Umland von Pergamon, Blick in das Tal des Kaikos mit Teuthrania und der Halbinsel Kane im Hintergrund Abb. 31 Umland von Pergamon, Elaia. Die befestigten Plätze Gâvur Evleri (Vordergrund) und Sakarkaya (Hintergrund) südöstlich der Stadt
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tigt werden, dass sich die Siedlung weit über den f lachen Hügelrücken hinaus in die Ebene erstreckte und allein schon aufgrund ihrer bemerkenswerten Größe das Potential für ein regionales Zentrum hat (Abb. 29). Die Arbeiten im westlichen Tal des Kaikos und auf der Kane-Halbinsel haben eine Vielzahl neuer Siedlungsplätze erbracht, die deutlich machen, dass das Umland Pergamons in antiker Zeit dichter besiedelt war als erwartet. Die Kombination aus archäologischer Begehung der modernen Feldf lächen und geoarchäologischen Tief bohrungen hat gezeigt, dass die heute weitestgehend f lache Kaikosebene (Abb. 30) in antiker Zeit von kleinen Hügeln durchsetzt war, die heute aufgrund von Erosion, landwirtschaftlicher Nutzung und Flussbettverlagerungen kaum noch als solche wahrnehmbar sind. Diese Hügellagen waren bevorzugte Plätze für Gehöfte und kleine ländliche Siedlungen. Auch im Rahmen der Untersuchung von Elaia, der Hafenstadt Pergamons am Südrand des Kaikostales, haben wir unser Augenmerk verstärkt auf das Umfeld der Stadt gerichtet. Hier konnten mindestens zwei militärisch nutzbare Anlagen nachgewiesen werden (Abb. 31), die möglicherweise zu einem übergeordneten Verteidigungssystem der Residenzstadt Pergamon gehörten. Solche Anlagen hatten nicht nur praktische, sondern auch symbolische Funktionen, da sie als weithin sichtbare Landmarken territoriale Ansprüche zum Ausdruck bringen konnten. Eine ähnliche Funktion könnte auch ein großer Grabhügel des späten 4. bis frühen 3. Jhs. v. Chr. nördlich von Elaia besessen
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Abb. 32 Umland von Pergamon, Elaia. Der Grabhügel auf dem Bozyertepe
haben, den wir nach mehrmaligen Plünderungsversuchen durch Raubgräber im Rahmen einer Rettungsgrabung gemeinsam mit dem Museum Bergama untersucht haben (Abb. 32). Im Zentrum des ca. 50 m breiten Hügels wurde keine Bestattung, sondern ein massives Fundament angetroffen, das ein kleines Bauwerk, eine große Stele oder auch eine Statue auf der Spitze des weithin sichtbaren Tumulus getragen haben könnte. Ähnliche Befunde kennen wir aus der Troas, wo sie als pseudo-homerische Grabdenkmäler aus spätklassischer bis römischer Zeit gedeutet werden. Ein solches Anknüpfen an die heroische Vorzeit wäre auch für Elaia denkbar, dessen mythische Ursprünge bis in die Zeit des trojanischen Krieges zurückreichen. Kooperationspartner: DFG-Schwerpunktprogramm 1209 »Die hellenistische Polis als Lebensform. Urbane Strukturen und bürgerliche Identität zwischen Tradition und Wandel«; Exzellenzcluster TOPOI; BMBF-Verbundprojekt »Das Berliner Skulpturennetzwerk – Kontextualisierung und Übersetzung antiker Plastik«; Wissenschaftliches Netzwerk »Epochenwandel und historische Veränderungsprozesse in Anatolien« des DAI, Abteilung Istanbul; Generaldirektion für Kulturdenkmäler und Museen des Kultur- und Tourismusministeriums der Republik Türkei; Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik des DAI; Ephesosgrabung des Österreichischen Archäologischen Instituts; Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz; Museum Bergama; Ankara Üniversitesi, Başkent Meslek Yüksekokulu, Restorasyon ve Konservasyon Programı; Mimar Sinan Üniversitesi Istanbul, Mimarlık Fakültesi; Koç Üniversitesi Istanbul, Tarih Bölümü; Archäologisches Institut der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg; Archäologisches Institut der Universität zu Köln; Geodätisches Institut der Universität Karlsruhe; Historisches Seminar der Abteilung für Alte Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München; Institut für Geomatik der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft; Institut für Geowissenschaften der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn; Institut für Chemie und Biochemie der Freien Universität Berlin; Institut für Geographische Wissenschaften der Freien Universität Berlin; Institut für Klassische Archäologie
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der Freien Universität Berlin; Fachbereich Geographie der Philipps-Universität Marburg; Studiengang Konservierung und Restaurierung/Grabungstechnik der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin; Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin; Lehrstuhl für Darstellungslehre der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus; Fachbereich Bauwesen, Sachgebiet Wasserbau der Fachhochschule Lübeck; Fa. Eastern Atlas, Berlin • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: F. Pirson • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: B. Horejs (Leitung Projekt »Yeni Yeldeğirmentepe«), M. Zimmermann (Leitung DFG-Projekt »Atarneus – Chora von Pergamon«); für eine vollständige Liste der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen s. auch den Vorbericht im AA 2010/2 • Abbildungsnachweis: Archiv der Pergamongrabung, B. Horejs (Abb. 29); Archiv der Pergamongrabung, F. Pirson (Abb. 30. 31); Archiv der Pergamongrabung, U. Mania (Abb. 32).
Abb. 33 Pergamon, Rote Halle. Der Innenraum des südlichen Rundturmes nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten und Einrichtung der Ausstellung
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Pergamon, Konservierungsprojekt Rote Halle Mit der Eindeckung der römischen Kuppel des südlichen Rundturmes der Roten Halle waren im Vorjahr die Arbeiten zur Sicherung dieses wichtigen Bauteils der monumentalen römischen Anlage abgeschlossen worden. In diesem Jahr konnte nun an den Auf bau einer Ausstellung und an die museale Herrichtung des Innenraumes der Rotunde gegangen werden. Dazu sollten einige ausgesuchte Stücke aus dem umfangreichen Lapidarium im Rundturm, dessen Bestand vor Beginn der Restaurierungsarbeiten ausgeräumt und in einem neu errichteten Depotgebäude sachgemäß eingelagert worden war, in den Innenraum zurückkehren. Ausgewählt wurden mehrere Statuenfragmente aus dunklem Marmor, die zu den überlebensgroßen ägyptisierenden Stützfiguren aus den Seitenhöfen der Roten Halle gehört hatten, eine Löwenstatue aus dem südlichen Seitenhof, die bei den jüngsten Ausgrabungen 2002 entdeckt worden war, und eine Gruppe von Architekturteilen, die das Baudekorationsprogramm des römischen Großbaus verdeutlichen (Abb. 33). Diese Stücke mussten vor der Aufstellung sorgfältig restauriert werden. Die kleineren Fragmente wurden auf dunklen Stahlpaneelen an der Wand angebracht, die größeren auf Stahlkonsolen aufgestellt. Größe und Einteilung dieser Paneele nehmen die Struktur der Marmorinkrustation wieder auf, mit der die Wände ursprünglich bedeckt waren. Zusätzlich aufgestellte, dreisprachige Schautafeln erläutern die ausgestellten Stücke und informieren über die Architektur des Rundbaus. Am 27. September konnte der restaurierte Innenraum in einer feierlichen Zeremonie, an der der türkische Kulturminister E. Günay, der deutsche Botschafter in Ankara E. Cuntz und die
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Abb. 34 Pergamon, Rote Halle. Feierliche Eröffnung des Rundturmes, von links nach rechts: der deutsche Botschafter in Ankara Eckart Cuntz, die Vorsitzende der StudiosusFoundation e. V. Frau Ruth Hopfer-Kubsch, der Kultur- und Tourimusminister Ertuğrul Günay sowie der Provinzgouverneur von İzmir Cahit Kıraç Abb. 35 Pergamon, Rote Halle. Das Innere des Substruktionsraumes mit den Gewölben während der Restaurierungs arbeiten
Vorsitzende der Studiosus-Foundation e. V., R. Hopfer-Kubsch, teilnahmen, der Öffentlichkeit übergeben werden (Abb. 34). Fortgesetzt wurden die Restaurierungsarbeiten in den Substruktionen südlich des Rundturmes. Ein großer, mit Kreuzgewölben überdeckter Kellerraum gleicht hier das zum Selinus stark abfallende Gelände der Bauterrasse des Komplexes aus (Abb. 35). Seine Umfassungswände, aber auch die teilweise eingestürzten Gewölbe und Stützpfeiler befinden sich in einem höchst gefährdeten Zustand. Bereits in den Vorjahren wurde hier mit der steinmetzmäßigen Ergänzung fehlender Partien begonnen. Diese Arbeiten wurden nun im nördlichen Bereich des Kellers fortgesetzt. Bei den Vorbereitungsarbeiten für die Ergänzung eines fehlenden, statisch wichtigen Mauerabschnitts wurde ein Töpferofen aus osmanischer Zeit freigelegt, der nach dem archäologischen Befund aus der Zeit um 1870 stammen dürfte. Er enthielt noch große Mengen teilweise vollständig erhaltener Gebrauchskeramik (Abb. 36). Der Ofen gehört zu der auch anderswo nachgewiesenen Nutzung dieses Abschnitts der Roten Halle für die Keramikproduktion in spätosmanischer Zeit. Kooperationspartner: Generaldirektion für Kulturdenkmäler und Museen des Kultur- und Tourismusministeriums der Republik Türkei • Förderung: Studiosus-Foundation e. V. • Leitung des Projekts: M. Bachmann, F. Pirson • Mitarbeiter: J. Steiner; für eine vollständige Liste der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen s. auch den Vorbericht im AA 2010/2 • Abbildungsnachweis: Archiv der Pergamongrabung, M. Bachmann (33–36).
Abb. 36 Pergamon, Rote Halle. Osmanische Gebrauchskeramik der 2. Hälfte des 19. Jhs. aus dem Töpferofen in den Substruktionsräumen der Roten Halle
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Abb. 37 Aizanoi, Metalldepotfund aus der byzantinischen Siedlung (Sondage 4)
Abb. 38 Aizanoi, frührömische Brunnen anlage unter dem Tempelhof (Sondage 1. 3; Säuberung 1–3)
Abb. 39 Aizanoi, Fundament der späthellenistischen Pfahlgründungsmauer (rechts) und ältere Bebauungsreste (Sondage 2)
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Aizanoi Das antike Aizanoi (heute: Çavdarhisar, Provinz Kütahya) beherbergt den am besten erhaltenen antiken Tempel der heutigen Türkei, der im späten 1. Jh. n. Chr. für Zeus und den Kaiser Domitian errichtet wurde. Die Arbeiten zur Erforschung der vortempelzeitlichen Siedlung wurden in diesem Jahr fortgeführt. Im Zentrum standen Grabungen unter dem Südteil des Hofes um den Zeustempel, am südwestlichen Rand des Siedlungshügels, den Tempel und Tempelhof überbaut haben. Diese wurden wohl im 11. Jh. zu einer Festung umgestaltet. In ihrer Mitte hatte man in den antiken Tempel eine Kirche eingebaut. Die Befunde erweiterten zunächst unsere Kenntnis der byzantinischen Siedlung innerhalb der Festung. Sie wurde teilweise im Verband mit den mächtigen, aus Spolien bestehenden Festungsmauern errichtet und bestand aus einfachen, mehrphasigen Hof häusern, besaß aber auch gepf lasterte und terrassenartige Areale. Bei den Grabungen wurde in einer Grube deponierter Hausrat geborgen (Abb. 37, vgl. Abb. 40). Durch Münzen ist seine Niederlegung ins 11. bis frühe 12. Jh. datiert. Zudem kamen in größerer Zahl Eisen- und Bronzegegenstände zu Tage, die ursprünglich ebenfalls zu Hausratdepots gehörten. Mitsamt der sie umgebenden Erde, in der sich auch Reste von Gräbern fanden, wurden sie wohl umgelagert und dann überbaut. Die mittelbyzantinische Siedlung durchlief also Phasen aufwendiger Umbauten. Für die unter dieser Bebauung liegenden antiken Siedlungsbefunde vor Errichtung des Zeustempels ist im untersuchten Areal die 2007–2008 entdeckte, in diesem Jahr weiter freigelegte große Brunnenanlage der frühen Kaiserzeit prägend (Abb. 38). Ihre Rekonstruktion im Typus der ›Meta Sudans‹ in Rom bestätigte sich 2009. Unmittelbar südwestlich, außerhalb des späteren Tempelhofes, konnte eine schon früher nachgewiesene Befestigungsmauer untersucht werden (Abb. 39). Sie zeichnet sich durch ein Bruchsteinfundament aus, das auf rasterartig in den Boden gerammten Holzpfählen ruhte: eine in römischer Bautechnik geläufige, in Kleinasien aber sonst nicht bezeugte Technik. Funde erlauben nun ihre Datierung frühestens ins 1. Jh. v. Chr., während ihre Aufgabe und systematische Ausraubung ins 1. Jh. n. Chr. zu datieren sind. Ihr chronologisches Verhältnis zur Brunnenanlage ist noch unklar. Zu der ihr und dem Brunnen vorausgehenden hellenistischen Sied-
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lung gehören eher kleinräumige Strukturen außerhalb und innerhalb des späteren Tempelhofes, die teilweise Werkstattbetriebe beherbergten und im kommenden Jahr weiter untersucht werden. Eine vielleicht der Terrassierung dienende Bruchsteinmauer wurde von Wasserleitungen mehrfach überlagert und bei der Anlage des Brunnens teilweise abgetragen (Abb. 40). Die Bearbeitung der Inschriften von Aizanoi widmete sich in diesem Jahr auch Briefen caesarischer Zeit, die in hadrianischer Zeit an einem Monument erneut publiziert wurden. In Verbindung mit Beobachtungen am Tempelpodium liegt es nahe, dass die Inschriften an den Orthostaten dieses Podiums angebracht waren und der Tempel so auch zu einem Monument der Erinnerung an Aizanois Vergangenheit wurde. Im Areal des Stadions wurden spätantik-frühbyzantinische Einbauten und der Anbau eines großen Peristyls wohl christlich geprägter Funktion untersucht. Kooperationspartner: Institut für Archäologische Wissenschaften, Abteilung für Klassische Archäologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg; Lehrstuhl Baugeschichte der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus; Fakultät für Architektur der Fachhochschule Regensburg; Geodätisches Institut der Universität Karlsruhe (TH); T. C. Kütahya Dumlupinar Üniversitesi, Grabung Seyitömer • Leitung des Projekts: R. von den Hoff (Freiburg) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: E. Baylan, I. Bozoğlu, H. Bücherl, F. Grosser, E. Kasubke, B. Sielhorst, F. Stroth, H. Türk, J. Wirag, M. Wörrle, S. Karrer, M. Vetter • Abbildungsnachweis: Archiv der Aizanoigrabung (Abb. 37–40).
Abb. 40 Aizanoi, byzantinische Bebauung mit Metalldepotgrube (oben). Vortempelzeitliche Mauern und Wasserleitung (unten) (Sondage 4)
Oinoanda In der zweiten regulären Forschungskampagne in der ca. 80 km nordöstlich von Fethiye gelegenen Stadt Oinoanda in Lykien stand die Baudokumentation im Vordergrund. Es ist ein wichtiges Anliegen dieses Forschungsvorhabens, einen Kontext zwischen den bedeutenden Inschriftenfunden des antiken Ortes und dem öffentlichen Raum des Stadtgefüges herzustellen. Die bekannte Inschrift des Philosophen Diogenes, welche die Wand einer Säulenhalle bedeckt hatte, steht dabei im Zentrum. Diese Stoa dürfte an der Esplanade, dem hellenistischen Zentrum der Stadt, gestanden haben und so wurden die gesamten Gebäudereste im Bereich des städtischen Platzareals steingerecht dokumentiert – eine Fläche von mehr als 25 000 m². Dies geschah auf Basis eines im Vorjahr erstellten und nun ausgewerteten terrestrischen Laserscans (Abb. 41). Erfasst wurden nicht nur die Reste der beiden den Platz f lankierenden Hallen, sondern auch die korrespondierenden Bauten in den nördlichen Eckbereichen und die späte Wehrmauer, welche die Esplanade im Westen abriegelt. Um auch das Umfeld der Esplanade und ihren Zusammenhang zum Stadtorganismus verstehen zu können, wurde außerdem das mit dem Laserscanner erfasste Areal auf die südwestlich benachbarten Bereiche ausgedehnt – eine Therme, eine monumentale Felserhebung und eine byzantinische Kirche mit Spolien der Nordstoa. Im Fokus der Architekturdokumentation lagen ferner diese Bauglieder der Nordstoa und hier konnte auf Basis ihrer genauen Erfassung ein erster Rekonstruktionsversuch der nahezu 5 m hohen Doppelhalbsäulenpfeiler entstehen (Abb. 42). Breiten Raum nahm naturgemäß wieder die Arbeit an den Inschriften ein. Bei der Kartierung der Diogenesfragmente konnten 27 neue Stücke entdeckt werden, darunter bemerkenswerte Textpassagen. Diese Kartierungsarbeiten konnten abgeschlossen werden, so dass die Verteilung der Fragmente im Stadtgebiet von Oinoanda vollständig dokumentiert ist. Fortgesetzt wurde die Herstellung der ›digitalen Abklatsche‹ mit dem Streifenlichtscanner. Dabei
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Abb. 41 Oinoanda, Esplanade. Das Punktwolkenmodell der Platzanlage mit diesjährig dokumentierten Baulichkeiten und den neu mit dem Laserscanner erfassten Bauanlagen der Therme, Felsformation und einer byzantinischen Kirche
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wurden gezielt Stücke ausgewählt, die im textlichen Kontext standen. So war es möglich, einen ersten räumlichen Rekonstruktionsversuch vom linken Teil der Inschrift zu wagen, bei dem fehlende Inschriftenblöcke durch neutrale Platzhalter ersetzt wurden (Abb. 43). Die Untersuchungen zu den nichtphilosophischen Inschriften und zur Einbindung der Stadt in die Landschaft wurden ebenfalls fortgesetzt. Bei letzteren stand das antike Wasserversorgungssystem im Vordergrund. Der wohl im 1. Jh. n. Chr. errichtete, bemerkenswerte Aquädukt aus gewaltigen Steinblöcken im Süden der Stadt war Teil eines Leitungssystems, das von einem etwa 3,5 km südlich der Stadt liegenden Quellareal Frischwasser
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heranführte. Diese Leitung wurde vollständig abgegangen und vermessen und die Ergebnisse im Oinoanda-GIS kartiert (Abb. 44). Mehrere parallele Leitungsstränge wurden beobachtet, außerdem verschiedene Bauanlagen im Umfeld der Leitung, deren Bedeutung noch zu erschließen ist. Aquädukt und Leitung gehören zu den bemerkenswerten frühen lykischen Variationen dieses römischen Baugedankens. Kooperationspartner: Universität zu Köln; Hacettepe Universität Ankara; British Institute at Ankara; M. Ferguson Smith; Institut für Geomatik der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft; Institut für Geowissenschaften der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; Ertan İlter, Ankara • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung; Gesellschaft der Freunde und Förderer der Nordrhein-Westf älischen Akademie der Wissenschaften • Leitung des Projekts: M. Bachmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: E. İlter, V. İnan, E. Laufer, A. Zeitler, U. Herrmann, D. Roos, O. Ayaz, N. Koch, M. F. Smith, J. Hammerstaedt, K. Berner, O. Thiessen, A. Rasselnberg, I. Song, K. Berner, B. Fischer, M. Güldenpfennig, N. Milner, V. Köse, G. Staab, M. Obryk, C. Klein, M. Proksch, K. Dünnbier, T. Götzelt • Abbildungsnachweis: Archiv der Oinoandaunternehmung, M. Bachmann (Abb. 41–44).
Abb. 42 Oinoanda, Esplanade. Rekonstruktionsversuch der Doppelhalbsäulenpfeiler von der Front der Nordstoa
Abb. 43 Oinoanda, Diogenesinschrift. Rekonstruktionsversuch des linken Anfangs der inskribierten Wandfläche
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Abb. 44 Oinoanda, der in diesem Jahr kartierte Verlauf der antiken Wasserleitung von Oinoanda
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Germia Germia liegt am östlichen Fuß des Dindymon in einer wasserreichen Siedlungskammer auf der ansonsten öden Hochebene zwischen Dorylaion/ Eskişehir und Ankyra/Ankara. Hier wurde in byzantinischer Zeit der Erzengel Michael verehrt und es entwickelte sich einer der bedeutendsten Wallfahrtsorte Anatoliens mit einer fünfschiffigen Kuppelkirche sowie mehreren Klöstern, Herbergen und Hospizen. Die damit verbundene Sonderarchitektur hat in der ansonsten befundarmen Region substantielle Ruinen hinterlassen (Abb. 45). In diesem Jahr wurde mit ihrer Kartierung, Bauaufnahme (Abb. 46), geomagnetischen Prospektion und archäometrischen Analyse begonnen sowie an einem denkmalgerechten Nutzungskonzept gearbeitet. Bei einem Umlandsurvey sind weitere Siedlungsplätze entdeckt worden, die ausweislich ihrer Bauskulptur ebenfalls repräsentative byzantinische Bauten enthalten haben müssen (Abb. 47). Sie können mit aus den Schriftquellen bekannten Nachbarorten von Germia identifiziert werden. Im Lauf der nächsten Jahre soll auf diese Weise ein anschauliches Bild von der historischen Topographie einer bislang nahezu unbekannten Landschaft entstehen. Kooperationspartner: Brandenburgische Technische Universität Cottbus (K. Rheidt); Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (E. Erkul); Montanuniversität Leoben (W. Prochaska); Fachhochschule Mainz (K.-C. Bruhn); Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik des DAI (A. V. Walser) • Leitung des Projekts: P. Niewöhner • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: S. Akik, G. Baykal, D. Doğan, S. Giese, I. Kaplanvural, K. Özkap, K. Richter, A. Vardar, F. Ziegler • Abbildungsnachweis: P. Niewöhner (Abb. 45. 47); S. Giese (Abb. 46).
Abb. 45 Germia, Michaelskirche. Südjoch der zweigeschossigen Vorhalle (Narthex) von Norden Abb. 46 Germia, Michaleskirche. Südjoch der zweigeschossigen Vorhalle (Narthex), Schnitt nach Osten
Abb. 47 Germia, ionisches Kämpferkapitell aus einer frühbyzantinischen Siedlung im Umland
Istanbul, Holzhäuser Das Stadtviertel Zeyrek (Abb. 48) war in den 1970er Jahren Gegenstand einer großen, f lächendeckenden Dokumentation durch das DAI, die von W. Müller-Wiener und J. Cramer (Technische Universität Darmstadt) geleitet worden war. Zu dieser Zeit waren noch zahlreiche der für die Altstadt Istanbuls charakteristischen Holzhäuser vorhanden. Da die Strukturen äußerst sorgfältig festgehalten wurden, lässt sich auch rückblickend noch ein sehr genaues Bild dieses Viertels erhalten. Dieses zurückgewonnene Bild bietet darüber hinaus die Chance, als verlässlicher Ausgangspunkt für den Vorstoß in noch ältere Zeitschichten zu dienen. In diesem Jahr wurde damit begonnen, die große Fülle von Daten aus den 1970er Jahren – Pläne, Bauaufnahmen, Skizzen, Photographien und Beschreibungen – zu digitalisieren und in ein georeferenziertes Ordnungssystem zu überführen, das für die Methodik stadt-
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Abb. 48 Istanbul, Holzhäuser. Straßensituation in Zeyrek (1977)
topographischer Untersuchungen neue Ansätze und Möglichkeiten bietet. Dieses System ist als Web-GIS angelegt worden, um verschiedene Untersuchungen und Forschungsansätze zur Istanbuler Stadtgeschichte durch alle Zeitschichten hinweg zusammenzuführen (Abb. 49). Mit dem Erwerb historischer Aufnahmen von Zeyrek von Perihan Balçı und der Überführung der digitalisierten Photographien des Viertels von H. Offen, die bei den Untersuchungen der 1970er Jahre mit soziologischen Studien beteiligt war, gelang es darüber hinaus, den Bildbestand zu Zeyrek im Photoarchiv der Abteilung beträchtlich zu vermehren. Auch eine neue Bauaufnahme konnte in diesem Jahr auf einer der Prinzeninseln durchgeführt werden. Die Sommerhäuser des 19. Jhs. auf dem Archipel vor den Toren der Metropole gehören zu den größten erhaltenen Bestän-
Abb. 49 Istanbul, Holzhäuser. Screenshot des im Prototyp erstellten Web-GIS Istanbul mit einem Ausschnitt der Bebauung von Zeyrek
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Abb. 50 Istanbul, Holzhäuser. Heybeliada, Apostolidis Köşkü. Ansicht des Gebäudes von Nordwesten Abb. 51 Istanbul, Holzhäuser. Heybeliada, Apostolidis Köşkü. Detail des Treppengeländers mit klassizistischer Volutenreihung 50
den an osmanischen Holzhäusern in Istanbul. Allerdings stammen nur ganz wenige der existierenden Gebäude aus den älteren Zeitepochen vor Beginn der Belle Époque. Umso erfreulicher ist es, dass mit dem Haus des griechischen Advokaten Apostolidis von 1862 ein noch ganz dem Klassizismus verpf lichtetes Gebäude dokumentiert werden konnte (Abb. 50). Die reich ausgestatteten Innenräume des Apostolidis Köşkü und die Fassaden wurden mit einem hoch auf lösenden Laserscanner dokumentiert, Schnitte und konstruktive Details des Gebäudes im Handaufmaß gezeichnet. Das Detail des reich geschnitzten Treppengeländers macht deutlich, mit welch hohem handwerklichem Aufwand diese Gebäude ausgeführt worden waren (Abb. 51). Die verformungsgerechte Bauaufnahme soll als Grundlage für eine Restaurierung des stark baufälligen Holzhauses dienen. Mit dem Apostolidis Köşkü wurde gleichzeitig die variantenreiche Vielfalt der Holzhäuser, die von der Abteilung dokumentiert wurden, um das Beispiel einer überwiegend europäischen Gebäudetypologie bereichert. Kooperationspartner: Mimar Sinan Üniversitesi Istanbul • Leitung des Projekts: M. Bachmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Köth, E. İlter, V. İnan; C. Yılmazer, S. Tezer, I. Dikeç • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Istanbul, Archiv, H. Offen (Abb. 48); Web-GIS Istanbul, T. Götzelt (Abb. 49); DAI, Abteilung Istanbul, Archiv, M. Bachmann (Abb. 50. 51).
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vorträge 22. Januar Engin Akyürek (Istanbul) – Burhan Varkıvanç (Antalya), The Kesik Minare Project (Antalya). Agora, Church, Mosque and Museum
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19. Februar John Haldon (Princeton), The Avkat Archaeological Project. Some Preliminary Findings 26. Februar Dieter Vieweger (Wuppertal/Jerusalem), Tempel, Städte und Götter Palästinas – 5 000 Jahre Kultur-, Religions- und Technikgeschichte am Beispiel des Tall ZirŒ‘a in Nordjordanien 12. März Martin Bachmann (Istanbul), Die Inschrift des Diogenes. Neue Forschungen in Oinoanda 19. März Haluk Abbasoğlu (Istanbul), Neue Forschungen in Perge 2. April Sabine Ladstätter (Wien), Ephesos – Veränderungen im Stadtbild von der römischen Kaiserzeit zur Spätantike 8. April Mehmet Özdoğan (Istanbul), Balkan Neolithization – The Anatolian View 1. Juni Hermann Parzinger (Berlin), Totenritual und Herrschaftsrepräsentation. Zur Erforschung und Deutung von Großkurganen der eurasischen Steppe 22. Oktober Francesco D’Andria (Lecce), Hierapolis in Phrygia. Integrated Methods for Reconstructing the Landscape of the City and the Surrounding Area 25. November Vedat İdil (Ankara), Nysa ad Maeandrum. Geschichte, Bauten und Erforschung einer antiken Stadt 10. Dezember Volkmar von Graeve (Bochum), Das archaische Aphroditeheiligtum von Milet und seine Weihgaben. Hauskolloquien 19. Januar Georg Plattner (Wien), Spolien in Ephesos. Auf der Suche nach dem Übergang von der Kaiserzeit zur Spätantike 16. März Ralf Becks (Istanbul), Siedlungsstrukturen des zweiten Jahrtausends v. Chr. im westlichen Kleinasien 23. März Ayça Polat (Istanbul), Befestigungsanlagen und stadtplanerische Aspekte der Troas in archaischer und klassischer Zeit 6. April Ferudun Özgümüş (Istanbul), Istanbul Underground. The Archaeological Survey of Istanbul University 20. April Füsun Tülek (Kocaeli), A Late Antique Settlement in Osmaniye (Plain Cilicia) 14. Dezember Alexei Lipatov (St. Petersburg), The Desjatinnaya (Tithie) Church in Kiev. From Constantinopolitan Tradition to Local Architectural School; Denis Jolshin (St. Petersburg), Byzantine Inf luence in Old Russian Architectural Tradition. Building Mortars, Walls and Substructures, Its Perception and Adaptation. Wissenschaftliches Netzwerk Das zweite wissenschaftliche Netzwerk der Abteilung trägt den Titel »Epochenwandel und historische Veränderungsprozesse in Anatolien«. Im Mittelpunkt steht die Diskussion von Veränderungserscheinungen in archäologischbaugeschichtlichen Befunden als methodisches und phänomenologisches Problem, d. h. auf ihre Erfassbarkeit als empirische Erscheinungen. Dabei geht es zunächst um Grundmuster historischer Veränderungen, d. h. um Umbrüche auf der einen und langfristige Entwicklungen auf der anderen Seite. Das Netzwerk will über die Grenzen von Epochen, Landschaften und Fachdisziplinen hinaus erörtern, welche historischen Veränderungsprozesse Spuren in der materiellen Kultur hinterlassen und sich damit in archäologischen Befunden fassen lassen und welche Methoden mit ihren spezifischen Stärken und Schwächen bei ihrer Feststellung zum Einsatz kommen. Daran schließt die Frage nach der historischen Interpretierbarkeit archäologisch nachgewiesener Veränderungsprozesse an, d. h. ihrer Tauglichkeit als Quellen für die Ereignis- ebenso wie für die Kultur-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Dabei soll es u. a. auch um das virulente Problem der Verknüpfung archäologischer Befunde mit schriftlichen Quellen gehen. Durch die Konzentration des Netzwerks auf Anatolien ergibt sich darüber hinaus die Chance, Formen der Veränderung in verschiedenen Epochen und Landschaften miteinander zu vergleichen und nach möglichen Parallelen im Auf-
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treten von langfristigen Entwicklungen, Brüchen oder auch Persistenzen zu fragen, die z. B. durch gleich bleibende naturräumliche Gegebenheiten bedingt sein können. Am 6./7. März fand ein einführendes Seminar mit Vorträgen zum Thema »Grundmuster historischer Entwicklung und Methoden ihrer Erforschung« statt, am 6. November ein Seminar unter dem Titel »Veränderungserscheinungen in Politik-, Kultur- und Religionsgeschichte« sowie am 7. November ein internationaler Workshop (s. auch S. 213). Tagungen 1. bis 3. Juni Internationale Konferenz »TUMULISTANBUL 2009 – Tumulus as Sema. International Conference on Space, Politics, Culture and Religion in the First Millenium BC« (in Zusammenarbeit mit dem Research Center for Anatolian Civilizations der Koç University und dem Excellenzcluster TOPOI; Organisation: Olivier Henry [Istanbul], Ute Kelp [Istanbul], Abb. 52). – Es sprachen: Susan Alcock (Providence), Time Travelling Tumuli. The Many Lives of Bumps on the Ground; Nicole Thierry (Paris), Avanos Tumulus and the Sacred Town of Zeus Ouranos; Felipe Rojas (Berkeley), The Lydian Tumuli in Hellenistic and Roman Times; Annie SchnappGourbeillon (Paris), Sema, Tumbos, Stele … What Kind of Memory before the Funerary Inscriptions?; Christopher Roosevelt (Boston) – Christina Luke (Philadelphia), Memory and Meaning in Bin Tepe, the Lydian Cemetery of the ›Thousand Mounds‹; Maria Stamatopoulou (Oxford), Forging a Link with the Past. The Evidence from Some Tumuli in Thessaly in the Archaic to Hellenistic Periods; Donatella Ronchetta (Turin), Significance of the Tumulus Burial among the Funeral Buildings of Hierapolis of Phrygia; Olivier Henry (Istanbul), Marking Karian Soil; Lydian Tumuli in Karia; Anne Marie Carstens (Kopenhagen), Tumuli as Power Political Statements. Tumuli on Cyprus in an East Mediterranean and Anatolian Context; Ute Kelp (Istanbul), Some Remarks on the Revival of Tumuli in Early Roman Phrygia; Taciser Sivas (Eskisehir) – Hakan Sivas (Eskisehir), Tumulus Tombs in Western Phrygia; Giuseppe Scardozzi (Rom), Tumuli in the Ancient Territory of Hierapolis in Phrygia; Milena Tonkova (Sofia), A Thracian Burial Mound with a Wooden Sarcophagus of the Fifth Century BC at Belitsa in the Valley of the Upper Mesta (South West Bulgaria); Consuelo Manetta (Rom), Figurative Programs of the Painted Tombs in Thrace during the Hellenistic Age. Characteristics, Local Models and External Inf luences; Latife Summerer (München) – Alexander von Kienlin (Zürich), Painted Tomb Chambers in Anatolian Tumuli of the 5th Century; Brian Rose (Philadel phia), The Tumuli of the Troad; Beat Schweizer (Tübingen), Tumuli of Early Etruria. The Construction of Protourban Landscapes; Orhan Bingöl (Ankara), General Opinions on Tumuli in Asia Minor and the Aim of Their Investigation at Magnesia; Owen Doonan (Ankara), Tumuli and the Creation of a Middle Ground in the Hinterland of Greek Sinope; Marina Daragan (Kiev), Spatial Features of an Arrangement of Tumuli of the Scythian Times in Steppes of Northern Black Sea Region; Leon van Hoof (Berlin) – Marlene Schlöffel (Berlin), Kurgans in the Northeastern Azov Sea Region – Proposals for a Geoarchaeological Research Program; Daniela Stoyanova (Sofia) – Totko Stoyanov (Sofia), Early Tombs of Thrace – Questions of Chronology and Cultural Context; Maria Chichikova (Sofia), The Early Hellenistic Tumular Necropolis of Helis, North-East Bulgaria; Inci Delemen (Istanbul), Tumuli in Southeastern Thrace. On the Periphery?; Athanasia Kyriakou (Thessaloniki), The History of a 4th Century BC Tumulus
Abb. 52 Flyer zur Tagung »TUMULISTANBUL 2009 – Tumulus as Sema. International Conference on Space, Politics, Culture and Religion in the First Millenium BC«
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at Vergina. Definitions in Space and Time; Sahin Yildirim (Edirne), The Emergence and Development of Tumuli in Eastern Thrace; Richard F. Liebhart (Elon), A Fresh Look at the Tumuli of Gordion; Maya Vassileva (Sofia), ›Royal‹ Tombs in Balkan-Anatolian Context. Representations of Identity and Status in Phrygian Tumuli; Felix Pirson (Istanbul) – Wolfgang Rabbel (Kiel), Landmarks? Current Research on the Hellenistic Tumuli of Pergamon and Elaia; Elisabeth McGowan (Williamstown), Tumulus and Memory. The Tumulus as a Locus for Ritual Action in the Greek Imagination; Nicola Zwingmann (Berlin), Tumuli as Attraction Point in Greek and Latin Sources; Barbara Schmidt-Dounas (Thessaloniki), Grave Tumuli in Macedonia; Wouter Gheyle (Gent), The Place of Early Iron Age Burial Mounds in the Fascinating Archaeological Landscape of the Altay Mountains; Katja Moede (Berlin) – Judith Mahnkopf (Berlin), What Did the Late-Scythians Mark by Their Grave-Mounds?; Anton Gass (Berlin), Archaeological and Geoarcheological Investigations in Semirechye, Southeastern Kazakhstan; Natascha Kreutz (Tübingen), Two Tumuli for Battos on the Agora of Cyrene; Bilge Hürmüzlü (Isparta), Display of Power. The Mortuary Landscape of Pisidian Tumuli; Oliver Hülden (München), Tumuli in Lycia – a Social and Cultural Phenomenon like Elsewhere?; Kostadin Rabadjiev (Sofia), The Tomb as Ritual Space; Ismail Öztekin (Konya), Chronological Growth of Tumulus Tradition at 1st Millennium BC in Anatolia and Its Geographical Spread; Maria Grazia Amore (Tirana), The Complex of Tumuli 9, 10 and 11 in the Necropolis of Apollonia (Albania). A Time Span from the Early Bronze Age to the Early Hellenistic Period; Lorenc Bejko (Tirana), Social Landscape and Tumuli Burial in the Late Bronze and Early Iron Age South eastern Albania; Samantha Martin-McAuliffe (Dublin), Defining Landscape. The Prehistoric Tumulus at Lof kënd, Albania. 7. November Internationaler Workshop »›Dark Ages‹ in Anatolien« (im Rahmen des zweiten Netzwerks »Epochenwandel und historische Veränderungsprozesse in Anatolien« der Abteilung Istanbul; Organisation: Philipp Niewöhner [Istanbul], Jürgen Seeher [Istanbul], Anja Slawisch [Istanbul]). – Es sprachen: Jürgen Seeher (Istanbul), ›Dark Ages‹ in Zentralanatolien nach dem Untergang des Hethiterreichs; Jan-Kzysztof Bertram (Ankara), Kontinuität und Diskontinuität bei den Nachbarn der Hethiter. Die Sicht auf die ›Dark Ages‹ aus dem westanatolischen/thrakischen und nordostanatolischen/südkaukasischen Raum; Ralf Becks (Istanbul), Troia während der ›Dark Ages‹ im Licht der neuen Forschungen; Kate Lantzas (Sheffield), The Argolid during the ›Dark Ages‹. A Revised Perspective; Hannelore Vanhaverbeke (Leuven), »Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif«. The ›Dark Ages‹ in Southwestern Anatolia; Sabine Ladstätter (Wien), Ephesos in byzantinischer Zeit; Andreas Schachner (Istanbul), Zwischen Aufstieg und Niedergang. Ländliche Siedlungen in Zentralanatolien während der osmanischen Zeit. Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Istanbul (Abb. 52).
Veranstaltungen zu den Forschungsclustern des DAI
Workshop 8./9. April Internationaler Workshop »… Beginnings – New Research in the Appearance of the Neolithic between Northwestern Anatolia and the Carpathian Basin« im Rahmen des Forschungsclusters 1 des DAI »Von der Sesshaftigkeit zur komplexen Gesellschaft. Siedlung, Wirtschaft, Umwelt« (Organisation: Norbert Benecke [Berlin], Dan Ciobotaru [Timişoara], Barbara
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Horejs [Wien], Raiko Krauß [Tübingen], Felix Pirson [Istanbul], Abb. 53). – Es sprachen: Raiko Krauß (Tübingen), Between Northwest Anatolia and the Carpathian Basin – an Introduction; Bernhard Weninger (Köln) – Olaf Jöris (Neuwied) – Lee Clare (Köln) – Eelco Rohling (Southampton), Rapid Climate Change in the Eastern Mediterranean during the Holocene, with Special Emphasis on the Archaeology of the 8600–8000 ka calBP Interval; Joachim Burger (Mainz), The Colonization of Europe by Cattle and Man as Seen by DNA from Their Bones; Çiler Çilingiroğlu (İzmir/Tübingen), 1 000 Years of Occupation at Ulucak, İzmir; Haluk Sağlamtimur (Izmir), Environmental Factors in the Neolithic Settlement of Ege Gübre; Barbara Horejs (Wien), Çukuriçi Höyük – Different Aspects of Its Earliest Settlement Phase; Necmi Karul (Istanbul), The Neolithic and Its Development in the Southern Marmara Region; Zafer Derin (Izmir), The Prehistoric Settlement of Yeşilova Höyüğü in the Izmir Region; Eylem Özdoğan (Istanbul), Settlement Organization and the Architecture of Aşağı Pınar Early Neolithic Layer 6; Nedko Elenski (Veliko T‡rnovo), Dzhulyunica-Smardesh and the the Early Neolithic in the Yantra and Rusenski Lom River Valleys (Northern Bulgaria); Agathe Reingruber (Berlin), The ›Preceramic‹ Period in Greece. 50 Years after Its Invention; Nikolaos Efstratiou (Thessaloniki), The Elusive Early Neolithic of Aegean Thrace – New Directions in Fieldwork Research; Zlatko Videvski (Skopje), New Research on the Neolithic in the Republic of Macedonia; Raiko Krauß (Tübingen), About the ›Monochrome‹ Neolithic in South-Eastern Europe; Clemens Lichter (Karlsruhe), Neolithic Stamp Seals; Dušan Borić (Cambridge), Lepenski Vir and a Transformation of Pre-Neolithic Europe; Jasna Vuković (Belgrade), Pottery and Cult Objects from the Early Neolithic Site of Blagotin, Central Serbia; Dan Ciobotaru (Timişoara), The Beginning of the Neolithic in South-West of Romania – State of Research and Perspectives. 15. bis 17. Mai Treffen des Forschungsfeldes 4 »Orte der Herrschaft« im Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI • Exkursion: Franz Alto Bauer (München), byzantinischer Kaiserpalast; Felix Arnold (Madrid), Besichtigung des Topkapi Seray; Martin Bachmann (Istanbul), Hünkar Kasri der Yeni Camii und Kayserili Ahmet Paşa Konaği • Workshop »Funktionale Ausgestaltung von Herrschaftsorten« (Konzeptpapier: Ulrich Thaler [Heidelberg]). – Es sprachen: Rudolf Haensch (München), Einleitung; Andreas Schachner (Istanbul), Die Entwicklung eines anatolischen Fürstensitzes zu einer Metropole am Beispiel der Entwicklung der Königsburg von ïattuša; Ulrike Wulf-Rheidt (Berlin), Nutzungsbereiche des f lavischen Palastes auf dem Palatin; Alexandra W. Busch (Rom), Schutz und Verteidigung kaiserlicher Villen und Residenzen im Spiegel archäologischer und literarischer Quellen; Roland Färber (München), Von öffentlichen und geheimen Räumen in der römischen Rechtsprechung; Gerda Sommer von Bülow (Frankfurt a. M.), Überlegungen zur Funktionsbestimmung einzelner Bauten in Felix Romuliana; Franz Alto Bauer (München), Der Große Kaiserpalast im Spiegel byzantinischer Herrschaftsauffassung; Dorothée Sack (Berlin), Kalif und Hofstaat. Überlegungen zur funktionalen Struktur der Residenz Resafa – Rusafat Hisham; Felix Arnold (Madrid), Funktionsbestimmung von Räumen in islamischen Palästen der iberischen Halbinsel; Franziska Bloch (Damaskus), Frühislamische Herrscherpräsenz im syrischen Steppengürtel; Diskussion zur Zukunft des Forschungsfeldes 4; Planung der Publikation; Planung der Internationalen Tagung, Berlin November 2009 in Kooperation mit dem Excellenzcluster TOPOI. Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Istanbul (Abb. 53).
Abb. 53 Poster zur Tagung »Beginnings – New Research in the Appearance of the Neolithic between Northwestern Anatolia and the Carpathian Basin«
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Öffentlichkeitsarbeit
Führungen Zwischen dem 26. April und dem 14. Juni fanden sechs öffentliche Führungen in Stadtvierteln, Gebäuden und Museen in Istanbul durch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Abteilung statt. Presseinterviews für nationale und internationale Zeitungen und Zeitschriften sowie Funk- und Fernsehanstalten wurden vor allem im Rahmen der einzelnen Arbeitsprojekte gegeben. Im Institutsgebäude, auf den Grabungen des Instituts sowie an anderen archäologischen Stätten und in verschiedenen Museen wurden zahlreiche Gruppen und Einzelpersonen geführt.
Abb. 54 Göbekli Tepe, der Gouverneur der Provinz Şanlıurfa Nuri Okutan (2. von rechts), und der Bürgermeister der Stadt Ahmet Eşref Fakıbaba (3. von rechts), eröffnen die Photoausstellung »Der Göbekli Tepe in der Weltpresse«
Abb. 55 Logo der neuen Seite mit Informationen zur Archäologie in der Türkei auf der Homepage des DAI, Abteilung Istanbul
Ausstellung »Istanbuls Holzhäuser – Beispiele seiner historischen Wohnarchitektur« Die im Vorjahr eröffnete Ausstellung zu den osmanischen Holzhäusern der Stadt, die einen Überblick über fast fünfzig Jahre Forschungsaktivitäten des DAI auf diesem Gebiet gibt (s. AA 2009/1 Beiheft, 224–226), ist aufgrund des großen Interesses verlängert und bis zum 31. März in den Räumlichkeiten des İstanbul Araştırmaları Enstitüsü gezeigt worden. Photoausstellung »Der Göbekli Tepe in der Weltpresse« (»Dünya basınında Göbekli Tepe etkileri«) Für das im Herbst stattfindende 5. Internationale Kultur- und Kunstfestival in Şanlıurfa wurde von der Grabungsmannschaft des Göbekli Tepe eine Photoausstellung zum Thema »Der Göbekli Tepe in der Weltpresse« (»Dünya basınında Göbekli Tepe etkileri«) zusammengestellt und im Mozaik Merkezi von Şanlıurfa gezeigt. Die Ausstellung wurde vom Gouverneur der Provinz, Nuri Okutan, und vom Bürgermeister der Stadt, Ahmet Eşref Fakıbaba, eröffnet (Abb. 54). Anschließend berichtete Herr Schmidt in einem öffentlichen Vortrag über die neuesten Grabungsergebnisse am Göbekli Tepe. Abbildungsnachweis: Archiv der Göbekli Tepe-Grabung (Abb. 54). »DAI Istanbul Serviceportal« Auf der Homepage des DAI wurde auf den Seiten der Abteilung Istanbul unter dem Titel »DAI Istanbul Serviceportal« eine Seite eingerichtet, die eine Sammlung mit Links und Informationen zu verschiedenen Themenkomplexen der Archäologie in der Türkei bietet (Abb. 55). Das Spektrum reicht von Veranstaltungshinweisen und Links zu archäologischen Forschungsinstitutionen, Ausgrabungen, Forschungsprojekten, Online-Publikationen und sonstigen Web-Ressourcen bis hin zu Informationen zu Studium und Forschung im Ausland. Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Istanbul (Abb. 55).
Veröffentlichungen
Istanbuler Mitteilungen 58, 2008 Istanbuler Forschungen 51: Andreas Schachner, Assyriens Könige an einer der Quellen des Tigris. Archäologische Forschungen im Höhlensystem von Bırkleyn und am sog. Tigris-Tunnel. Mit Beiträgen von Karen Radner, Uğur Doğan, Yvonne Helmholz, Birgül Öğüt Byzas 9: Martin Bachmann (Hrsg.), Bautechnik im antiken und vorantiken Kleinasien
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Abteilung Madrid
Abteilung Madrid Serrano 159 E-28002 Madrid Tel.: +34-(91) 561 09 04 Fax: +34-(91) 564 00 54 E-Mail: [email protected]
Direktorin und Direktor Prof. Dr. Dirce Marzoli, Erste Direktorin Prof. Dr. Thomas G. Schattner, Wissenschaftlicher Direktor Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr.-Ing. Felix Arnold, PD Dr. Michael Kunst, Dr. Dirk P. Mielke Auslandsstipendiatin Dr.-Ing. Nicole Röring Wissenschaftliche Hilfskräfte Beate Brühlmann M. A., Nina Lutz M. A., Maria Joao Delgado Correia do Santos M. A. Aus Drittmitteln finanzierte Stelle PD Dr. Thomas X. Schuhmacher (DFG)
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Abteilung Madrid Ausgrabungen und Forschungen
Abb. 1 Zambujal (Portugal), schematisierter Gesamtplan auf der Basis des Gesamtplans von 1973. Am Rand Angabe der Koordinaten in m
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Zambujal (Portugal) In der kupferzeitlichen befestigten Siedlung von Zambujal, die etwa 14 km von der Atlantikküste entfernt im heutigen Landkreis von Torres Vedras (Distrikt Lissabon) gelegen ist, fanden in diesem Jahr keine Grabungen statt. Stattdessen wurde weiter an den Publikationen gearbeitet. Dazu gehörte auch die Ausarbeitung eines neuen, digitalen Gesamtplans von Zambujal, der alle topographischen Informationen enthält (Abb. 1). Bei der Fundbearbeitung fanden die ›Knickwandschalen‹ (auf Portugiesisch: taças carenadas) ein besonderes Augenmerk (Abb. 2), denn sie gehören zu den Leitfunden des portugiesischen Endneolithikums (Neolítico final) und der von K. Spindler definierten ›Parede-Gruppe‹, die bisher schwierig zu datieren ist. Allgemein wird aber von einer Zeitstellung im 4. Jt. v. Chr. ausgegangen, wobei das Ende unklar ist. Die neueren Grabungen in Zambujal belegen, vor allem an der vierten Befestigungslinie (Abb. 1), einen Besiedlungsbeginn erst nach 2900 v. Chr., mit Ausnahme eines Wildtierknochens, der unter Umständen älter sein könnte. ›Knickwandschalen‹ sind in Zambujal vertreten und zwar an der Linie IV der Befestigungsanlagen (Abb. 1) in den frühen Schichten, so dass zumindest eine frühkupferzeitliche Datierung der Gefäße in der 1. Hälfte des 3. Jts. v. Chr. bewiesen ist, allerdings laufen noch weitere Arbeiten, um zu klären, bis wann diese Ware noch in Gebrauch war. Weitere Untersuchungen sollen in Zambujal diese Datierung noch präzisieren, die für die Chronologie und den Zusammenhang von Endneolithikum und Kupferzeit in Portugal sowie für die Entstehung der kupferzeitlichen Befestigungsanlagen eine Schlüsselrolle spielt.
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Es wurde mit Dünnschliffanalysen an den Mikroprofilen (Abb. 3), die seit der Kampagne 2002 in Zambujal entnommen wurden, begonnen, um speziellen Fragen der Schichtentstehung und Herdfunktionen nachzugehen. Im Rahmen der Dissertation eines portugiesischen Archäologen zu den zylindrischen, mit Glättmustern verzierten Bechern (auf Portugiesisch: copos canelados) der portugiesischen Kupferzeit wurden zahlreiche Rohstoffanalysen von entsprechenden Keramikscherben aus Zambujal (Abb. 4) durchgeführt. Nach den Kommunalwahlen in Portugal Ende des Jahres hat der wiedergewählte Oberbürgermeister von Torres Vedras beschlossen, dass in seiner neuen Legislaturperiode das Musealisierungsprojekt von Zambujal verwirklicht werden soll. Dazu fanden im Oktober erste Besprechungen und Vereinbarungen mit einem Vertreter der Stadt Torres Vedras und einer Mitarbeiterin der portugiesischen Denkmalbehörde statt. Kooperationspartner: Câmara Municipal de Torres Vedras; Instituto de Gestão do Património Arquitectónico e Arqueológico (IGESPAR); Institut für Physische Geographie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M. (H. Thiemeyer, R. Dambeck, D. Fritzsch); Seminar für Vor- und Frühgeschichte der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M. (A. J. Kalis); Departamento de Arqueología y Prehistoria, Universidad Autónoma de Madrid (C. Blasco Bosqued) • Leitung des Projekts: M. Kunst • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: G. Casella, Ch. Hartl-Reiter, J. Patterson • Abbildungsnachweis: nach E. Sangmeister – H. Schubart, MB 5, 1 (1981) Beilage 4, Zeichnungen, G. Casella, J. Fernández, topographische Aufnahmen, M. Höck, Ch. Hartl-Reiter (Abb. 1); Digitale Zeichnung, G. Casella (Abb. 2); Institut für Physische Geographie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M., S. Müller (Abb. 3); D-DAI-MAD-PAT-DG-36-2007-014, J. Patterson (Abb. 4).
3 Abb. 2 Zambujal (Portugal), Scherben von fünf Knickwandschalen, die an der vierten Befestigungslinie gefunden wurden Abb. 3 Zambujal (Portugal), Dünnschliffpräparation von Probenmaterial aus Zambujal im Mikromorphologielabor
Sizandro-Alcabrichel (Portugal) Das geoarchäologische Projekt »Sizandro-Alcabrichel. Zwei kupferzeitliche Siedlungskammern im Vergleich« ist nach zwei Flüssen benannt, die etwa parallel in den Atlantik münden. Das von Zambujal dominierte Territorium wird vor allem im Einzugsgebiet des Río Sizandro zu suchen sein.
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Abb. 4 Zambujal (Portugal), drei Scherben (Z-68073-82; Z-68051-93; Z-68080-83) eines zylindrischen Bechers mit Glättmusterverzierung, die auf ihre Rohstoffzusammensetzung analysiert wurden
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Daher ist es wichtig, die prähistorische Besiedlung beider Flusstäler miteinander zu vergleichen. Im Rahmen von Forschungscluster 2 »Innovationen: technisch, sozial« des DAI verfolgt das Projekt das Ziel, die Umweltfaktoren und die kulturellen Voraussetzungen für die technologische und soziale Entwicklung im 3. Jt. v. Chr. auf der Iberischen Halbinsel – der sog. Kupferzeit – exemplarisch an diesem klar definierten Raum zu erforschen. I. Geoarchäologische Untersuchungen des DAI: Seit 2006 werden in diesem Projekt im Concelho (Kreis) von Torres Vedras siedlungsarchäologische Prospektionen durchgeführt. Dabei steht die Frage nach dem räumlichen Umfeld der langjährig erforschten kupferzeitlichen befestigen Höhensiedlung von Zambujal während des 3. Jts. v. Chr., insbesondere während der Glockenbecherzeit, im Mittelpunkt des Interesses. Untersucht werden die räumlichen Beziehungsmuster der Siedlungen zueinander, der Siedlungen und ihrer Produkte (Artefakte), der Siedlungen und ihrer Umwelt (Naturhaushalt, Ressourcenzugang/‑management) sowie der Siedlungen und Gräber bzw. heiligen Orte. Zwischen 2006 und 2009 wurden Prospektionsarbeiten geleistet und dabei 40 bereits bekannte Fundstellen intensiv begangen, außerdem drei möglicherweise kupferzeitliche Fundstellen und eine paläolithische neu entdeckt. Die Begehungen der bereits bekannten Fundplätze lieferten wichtige neue Erkenntnisse zur Lage und Ausdehnung der Siedlungen. Vor dem Hintergrund einer Erosionsmodellierung zur Interpretation der Fundverteilungsmuster soll die Größe der Siedlungen als wichtiger Faktor einer angestrebten Territorialanalyse eingeschätzt werden. Die diesjährigen Arbeiten konzentrierten sich auf die Auswertung der Feldforschungen, die im Rahmen einer Dissertation bearbeitet wird. Basierend auf dem Bestand der Projektdatenbank ist eine GISbasierte Arbeitsumgebung entwickelt worden, die für alle interdisziplinären Zweige des Projekts zur Schnittstelle werden soll. Es ist angestrebt, hierdurch die Ergebnisse zur Landschaftsrekonstruktion mit den archäologischen Daten zu verbinden, um daraus fundierte Kenntnisse über kupferzeitliche Besiedlungsstrategien abzuleiten. Als Grundlage der archäologischen Auswertung wurden in diesem Jahr schwerpunktmäßig topographische Analysen erarbeitet. Hierzu zählt die Sichtraumanalyse der auf Anhöhen liegenden, kupferzeitlichen Siedlungen. Die Darstellung der Sichträume dieser Plätze (Abb. 5–7) zeigt, dass die Lageverteilung der Siedlungen auf den Río Sizandro und seine Nebenf lüsse Bezug nimmt. Daraus kann eine Kontrollfunktion der Siedlungen über den Fluss abgeleitet werden, so dass sich natürliche Kontrollpositionen und damit Kommunikationsräume erschließen lassen. Darüber hinaus wurden ›Cost-Surface-Analysen‹ (Kostenoberf lächenmodellierungen) vorgenommen, um topographisch günstige Verkehrsverbindungen zu ermitteln (Least-Cost-Path) als Vorbereitung einer derzeit angelegten Site-CatchmentAnalyse. Zum Abschluss der archäologischen Untersuchungen muss die Frage nach der Gleichzeitigkeit bzw. Abfolge der Siedlungen erneut gestellt werden. Hierfür wird im Moment das Fundmaterial der Region aktuell zusammengestellt, forschungsgeschichtlich aufgearbeitet und chronologisch ausgewertet. Zudem wurde damit begonnen, die Sedimente der Bohrungen des Vorjahres im unteren Tal des Río Sizandro zu untersuchen. Diese Analysen sind noch nicht abgeschlossen. Es handelt sich dabei um bodenkundliche, palynologische und archäobotanische Untersuchungen sowie um Bestimmungen von Mikrofossilien und Mollusken. Das Ziel ist es, die Dauer einer früheren Meeresbucht im Tal des Río Sizandro genauer zu bestimmen, darüber hinaus eine Rekonstruktion des ehemaligen Landschaftsreliefs sowie der Vege-
5 Abb. 5 Sizandro-Alcabrichel (Portugal), Sichtraumanalyse kupferzeitlicher Siedlungsfundstellen im Bereich der Flüsse Sizandro und Alcabrichel innerhalb der Grenzen des Landkreises (Concelho) von Torres Vedras (Portugal). Darunter auch die Fundstellen Monte Crasto und Sequeira, deren Deutung und Datierung bislang noch unsicher ist. Die eingefärbten Flächen zeigen die Sichträume der in der Legende aufgeführten Fundstellen
Abb. 6 Sizandro-Alcabrichel (Portugal), digitales Geländemodell der Sicht von der kupferzeitlichen Siedlung Boiaca in Richtung Nordwesten über das Tal des Río Sizandro. Die Pixelgröße des Geländemodells verursacht die grobe Rasterung der Orthophotos 6 Abb. 7 Sizandro-Alcabrichel (Portugal), Blick von der Autobahn A8 nach Westen auf den kupferzeitlichen, noch unausgegrabenen Siedlungsplatz von Boiaca (Hügel in der Bildmitte, durch den ein Eisenbahntunnel führt). Dahinter rechts der Hügel, der in dem Geländemodell von Abb. 6 am rechten Bildrand zu sehen ist
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tation zu entwickeln und damit die Faktoren, die zu Landschaftsveränderungen führten, zu untersuchen. Vor allem ist zu klären, inwieweit Eingriffe des Menschen (Neolithisierung usw.) daran beteiligt waren. II. Ausgrabungen in Bolóres, eine Kooperation mit der University of Iowa: Bei Bolóres im Concelho (Kreis) von Torres Vedras handelt es sich um ein Kollektivgrab unter einem wahrscheinlich künstlichen Felsdach, das zwischen 2800 und 1800 cal BC datiert. Die portugiesische Estremadura, zu der Torres Vedras gehört, ist eine archäologisch fundreiche Landschaft, die sich vor allem durch eine besonders gute Knochenerhaltung auszeichnet. Ziel der Ausgrabungen ist es, als Teil des »Sizandro-Alcabrichel Research Project (SARP)«, vor allem von anthropologischer Seite einen Beitrag zur Untersuchung der Gesellschaftsentwicklung und Paläoökologie der Bevölkerung zwischen Neolithikum und Bronzezeit in den Flusstälern von Sizandro und Alcabrichel zu liefern. In diesem Jahr fanden keine Ausgrabungen statt, sondern es wurden die Knochen, Artefakte und Sedimente aus den Grabungen der beiden Vorjahre untersucht. Um ein hoch aufgelöstes Geschichtsbild von Bolóres zu generieren und die Variabilität der menschlichen Hinterlassenschaften während der Belegungszeit zu dokumentieren, hat die Forschergruppe interdisziplinäre Methoden angewandt, u. a. GIS, AMS-Datierungen verschiedener Individuen, Mikromorphologie, Bioarchäologie, Knochenrekonstruktionen, Verwandtschaftsanalysen und Analyse stabiler Isotope (Abb. 8). Auf der Grundlage der bisher ausgegrabenen Knochen (Abb. 9) waren in dem Kollektivgrab von Bolóres mindestens 14 Individuen bestattet: sechs Erwachsene, zwei Jugendliche (Altersbereich 10–21 Jahre) und sechs Kinder (Altersbereich: 0–10 Jahre). Diese Zahlen werden sich sicher bei weiteren Ausgrabungen noch erhöhen. Das Auftreten von Pathologien, wie z. B. Anämie und Schäden an den Zähnen, kommt bei diesen Individuen selten vor. Dieser Befund stimmt jedoch mit anderen spätneolithischen Gräberpopulationen in der Estremadura überein. Ein wenig ungewöhnlich für die Epoche ist der in Bolóres relativ hohe Prozentsatz an subadulten Individuen (über 50 %), Grabbeigaben sind kaum vorhanden. Kooperationspartner: Câmara Municipal de Torres Vedras; AG Bodenkunde, Institut für Physische Geographie der Johann Wolfgang Goethe-
Abb. 8 Bolóres (Portugal), Entnahme von Knochenproben für Isotopenanalysen
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Abb. 9 Bolóres (Portugal), Knochenverteilung der 14 bisher gefunden Individuen in der Grabungsfläche von Bolóres
Universität Frankfurt a. M.; Department of Anthropology, University of Iowa • Förderung: Câmara Municipal de Torres Vedras; Social Science Funding Program der University of Iowa (für das Projekt Bolóres) • Leitung des Projekts »Geoarchäologische Prospektionen des DAI«: M. Kunst • Leitung der Bohrkampagne und der geowissenschaftlichen Untersuchungen: H. Thiemeyer, R. Dambeck ( Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M.) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: D. Bergmann-Dörr, D. Schneider, C. Haase, C. Sänger, S. Sylla, N. Herrmann, A. J. Kalis, A. Lord, A. Stobbe, H. Rittweger, H.-P. Stika, Leitung der archäologischen Prospektion: N. Lutz, L. J. Trindade • Leitung des Projekts »Ausgrabungen in Bolóres«: K. Lillios (Iowa) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: J. A. Artz, B. Kendall, J. Thomas, A. Waterman, J. Willman, L. J. Trindade • Abbildungsnachweis: Topographische Daten und Orthophotos, Câmara Municipal, Gabinete de Sistemas de Informação Geográfica (Torres Vedras), Kartenerstellung, N. Lutz (Abb. 5. 6); D-DAI-MAD-PATDG-060-2008-01, J. Patterson (Abb. 7); J. T. Thomas (Abb. 8); Zeichnung, J. Alan Artz (Abb. 9).
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Elefanten und Elfenbein als Indikatoren interkontinentaler Beziehungen im 3. und der 1. Hälfte des 2. Jts. v. Chr. Interdisziplinäre Studien zu Austauschsystemen im westlichen Mittelmeerraum, dem atlantischen Nordwestafrika und Südwesteuropa Auf bauend auf dem abgeschlossenen Vorgängerprojekt, welches die Elfenbeinobjekte des Chalkolithikums und der Frühen Bronzezeit der Iberischen Halbinsel zum Thema hatte, strebt das in diesem Jahr angelaufene interdisziplinäre Projekt eine tiefer gehende Darstellung des Austauschs von Elfenbein zwischen dem Östlichen Mittelmeerraum, dem Maghreb und dem westlichen Mittelmeerraum während des Chalkolithikums und der Frühen Bronzezeit (ca. 300–1650 v. Chr.) an (Abb. 10). Ziel ist es zunächst, ähnlich wie dies für die Iberische Halbinsel bereits erfolgreich unternommen wurde, in den Museen vor Ort eine systematische Aufnahme von Elfenbeinobjekten des 3. und 2. Jts. v. Chr. für den gesamten westlichen Maghreb (Marokko, Algerien, Tunesien und Libyen) durchzuführen. Konnten die bisher an Elfenbein der Iberischen Halbinsel vorgenommenen, spektroskopischen Analysen belegen, dass der Hauptanteil an Elfenbein vom Afrikanischen Steppenelefanten stammt, neben solchem des Asiatischen und des Europäischen Altelefanten, so steht nun die Präzisierung der geographischen Herkunft des afrikanischen Elfenbeins innerhalb des afrikanischen Kontinents im Mittelpunkt. Aus diesem Grund soll insbesondere der Frage nachgegangen werden, ob sich innerhalb dieses afrikanischen Elfenbeins möglicherweise mehrere Herkunftsregionen unterscheiden lassen, wobei die Nutzung desselben durch die kulturellen Gemeinschaften der Iberischen Halbinsel regional und chronologisch variierte. Für diese präzise Bestimmung der geographischen Herkunft des afrikanischen Elfenbeins werden zum Teil erstmals aktuelle naturwissenschaftliche Analysemethoden, in erster Linie durch Kohlenstoff (C)-, Stickstoff (N)-, Sauerstoff (O)- und Strontium (Sr)-Isotopie, an archäologischem Elfenbein angewendet. So wurden bereits erste vorbereitende Isotopenanalysen an Elfenbeinproben der Iberischen Halbinsel und Marokkos durchgeführt. Darüber hinaus sollen über C- und N-Isotopieanalysen von archäologisch gut datiertem Elfenbein Aussagen zur Niederschlagsmenge und zum Waldvolumen Nordwestafrikas gerade im Hinblick auf die Lebensräume der Elefanten und die innerafrikanischen Versorgungsrouten mit Elfenbein erzielt werden. Von archäologischer Seite aus wird dies mit Hilfe der Analyse der Fundkontexte, dem typologischen Vergleich der aus Elfenbein gefertigten Fundgegenstände mit ihren möglichen Vorbildern in Nordwestafrika und vor allem Ägypten sowie Vorderasien und mittels der Kombination mit den naturwissenschaftlichen Ergebnissen der geographischen Bestimmung des Rohelfenbeins erfolgen. Zudem ist geplant, die Routen des Imports von Elfenbein in den westlichen Mittelmeerraum und entlang der Atlantikküste der Iberischen Halbinsel und Marokkos zu rekonstruieren. Des Weiteren wurde damit begonnen, einen erst vor kurzem entdeckten Elfenbeinkomplex aus zwei chalkolithischen Gräbern der bedeutenden, von Kreisgräben umgebenen Siedlung von Perdigões (Alentejo, Portugal) aufzunehmen (Abb. 11). Aus dem portugiesischen Alentejo lagen bisher so gut wie keine Elfenbeinfunde vor. Dieses Bild wird sich nun jedoch radikal ändern. Es ist jedoch zu untersuchen, ob der Alentejo sein Elfenbein etwa im Austausch gegen Metall aus dem Tejo-Mündungsgebiet bezog, worauf die im Rahmen eines anderen Projekts (a. hier S. 220–223 à Info Sizandro) durchgeführten Metallanalysen hinweisen.
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Abb. 11 Elefanten und Elfenbein als Indikatoren interkontinentaler Beziehungen im 3. und der 1. Hälfte des 2. Jts. v. Chr., Dolchgriff aus Elfenbein aus einem Grab der Siedlung von Perdigões (Alentejo, Portugal)
Abb. 10 Elefanten und Elfenbein als Indikatoren interkontinentaler Beziehungen im 3. und der 1. Hälfte des 2. Jts. v. Chr., jüngeres Chalkolithikum/Ältere Frühbronzezeit. Verteilung der Elfenbeinfunde (l) nach ihrer Anzahl gegenüber den Funden von Knochen und Stoßzähnen von Elefanten (n), Glockenbecherkeramik (q), Metallobjekten der Glockenbechererscheinung (p) und Armschutzplatten (s) in Nordwest afrika 1 Sidia Messaoud; 2 El Kiffen; 3 Kehf el Baroud; 4 Grotte des Contrenabndires; 5 Dar-es-Soltan; 6 El Harhoura; 7 Mehdia; 8 Sidi Slimane; 9 Lixus; 10 Azib Slaoui; 11 Grotte des Idoles; 12 Ain Dalia und Mers; 13 Ghar Kahal; 14 Kahf Taht el Gar; 15 Ain Smen; 16 Hassi Ouenzga; 17 El Heriga; 18 La Stdia; 19 Karraouba; 20 Rhar-oum-Fernan; 21 Saïda; 22 Cap Chenoua; 23 Cherchell; 24 Lamoricière
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Kooperationspartner: INCENTIVS (International Centre of Ivory Study), Institut für Geowissenschaften der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz • Förderung: DFG (Projekt SCHU 1539/3-1) • Leitung des Projekts: T. X. Schuhmacher • Mitarbeiter: A. Banerjee • Abbildungsnachweis: T. X. Schuhmacher nach einer Kartenvorlage der Abteilung Madrid des DAI (Abb. 10); Era-Arqueologia, Lissabon, T. X. Schuhmacher (Abb. 11).
Abb. 12 Prä- und protohistorische Befestigungen auf der Iberischen Halbinsel, Fort 1 von Los Millares (Santa Fe de Mondújar/ Almería)
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Prä- und protohistorische Befestigungen auf der Iberischen Halbinsel Die Untersuchungen zu den prä- und protohistorischen Befestigungen auf der Iberischen Halbinsel hatten in diesem Jahr schwerpunktmäßig die chalkolithischen Anlagen im Blickfeld. Bei diesen Fortifikationen handelt es sich um komplexe Gebilde, hinter denen sich lange Entwicklungen, aber auch besondere Befestigungsstrategien verbergen. Fortifikatorische Kennzeichen dieser Anlagen sind vor allem Rundbastionen und eine meistens ebenerdige, nicht erhöhte Verteidigungslinie (Abb. 12). Immer wieder wurde für diese Befestigungen in der Forschung eine Beeinf lussung durch ostmediterrane Vorbilder postuliert. Direkte Kontakte lassen sich diesbezüglich aber nicht nachweisen. Letztlich steht hinter den auf den ersten Blick gleichen Merkmalen nur ein ähnliches Befestigungs- und Verteidigungskonzept, welches zudem nicht nur im Mittelmeerraum Verbreitung gefunden hat. So finden sich ähnlich strukturierte Anlagen auch in der Eisenzeit und in verschiedenen voneinander unabhängigen Regionen wieder. Die Untersuchung der Befestigung von Los Castillejos de Alcorrín (Málaga), die den Ausgangspunkt des Forschungsvorhabens darstellt und der die Ausgrabungskampagne im Vorjahr gewidmet war, ist noch in Bearbeitung.
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Projektbearbeiter: D. P. Mielke • Abbildungsnachweis: D. P. Mielke, Umzeichnung nach Guía del yacimiento arqueológico Los Millares (2005) 65 (Abb. 12). Mogador, Essaouira (Marokko), ein phönizischer Außenposten und sein afrikanisches Hinterland Im Rahmen der Phönizierarchäologie konzentrierten sich die im Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI angesiedelten Forschungen auf die Atlantikinsel Mogador/Essaouira (Marokko), wo ab der Mitte des 7. Jhs. v. Chr. Phönizier die entfernteste Niederlassung der westlichen Koiné gründeten (Abb. 13). Im Rahmen der 3. Ausgrabungskampagne des deutschmarokkanischen Kooperationsprojekts wurden die Arbeiten sowohl auf der Insel Mogador (Ausgrabung) als auch in der Kulturdelegation in Essaouira (Fundbearbeitung) durchgeführt.
Abb. 13 Mogador, Essaouira (Marokko), die Bucht von Essaouira mit der Insel Mogador und der Hafenstadt Essaouira
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Abb. 14 Mogador (Essaouira, Marokko) Arbeiten im Schnitt H
Abb. 15 a. b Mogador (Essaouira, Marokko), phönizische Keramik aus den ältesten Schichten der Ausgrabung
Abb. 16 Mogador (Essaouira, Marokko), Unterwasserarchäologen bei der Arbeit
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Im Bereich der römischen Villa wurden fünf Sondagen (L a–d; M) angelegt. Sie sollten eventuelle Bauphasen und Siedlungsschichten dokumentieren. Es zeigte sich, dass die römische Villa zur Zeit von Juba II. (1. Jh. n. Chr.) direkt auf dem gewachsenen Boden (Sand) errichtet wurde und mindestens zwei Phasen aufweist. Im sondierten Areal sind weder ältere Schichten noch verlagerte vorrömische Funde zu verzeichnen. Der 5 m × 5 m große Schnitt (H) im Bereich des ›Tetre‹ (Abb. 14) belegt eine Abfolge der Schichten von der Mitte des 7. Jhs. v. Chr. bis zum 2. Jh. n. Chr. Weder ein Hiatus noch Zerstörungshorizonte sind vorhanden. Die Befunde aus dem 2. und 1. Jh. n. Chr. sind vor allem anhand von römischen Amphoren (vorrangig vom Typus Beltrán 2 und Dressel 7–11) und feinem Tafelgeschirr (vorrangig hispanische und italische TS) zu datieren und in ihrer Abfolge zu differenzieren. Die punischen Schichten weisen ebenso wie die phönizisch-archaischen das bereits bei den Kampagnen 2007 und 2008 angetroffene Spektrum auf, wobei die Schichtabfolge in diesem Bereich mit über 1,50 m besonders stark und daher auch gut auswertbar ist. Es handelt sich um Konzentrationen von Fragmenten des auch von anderen westphönizischen Fundplätzen bekannten Tafelgeschirrs sowie um Lampen, Pithoi mit Doppelhenkel (Abb. 15 a. b) und zahlreiche Amphoren. Kannen und Dreifüße sind nur vereinzelt unter den Gefäßen vorhanden, handgemachte Keramik nimmt einen kleinen Prozentsatz ein. Hervorzuheben sind sechs phönizische Graffiti. Sie befinden sich auf der Unterseite von Tellerrändern, vor allem aber auf Amphorenschultern. Besonders zahlreich sind die Tierknochenfunde, unter denen sich außer z. B. Ziegen und Schafen, zahlreichen Fischen und Muscheln auch ›exotische‹ Tiere bestimmen lassen, so u. a. drei Löwen, eine Wildkatze, ein Elefant und mehrere Robben. Insgesamt besteht der Eindruck, als würde das Schichtpaket aus Bankettresten bestehen. Wie und in welchem Zeitraum es zu den offenbar intentionellen Ablagen kam, ist noch ungewiss. Die Nähe des Baitylos lässt aber vermuten, dass ein Bezug zu kultischen Handlungen gegeben ist. Ein weiterer 5 m × 5 m großer Schnitt (N) wurde in dem Areal südlich des ›Tetre‹ angelegt, wo A. Jodin 1958 metallurgische Öfen gefunden (aber nicht dokumentiert) hatte. Der antike, nach Aussage der Keramik in das 7. Jh. v. Chr. zu datierende Gehhorizont konnte festgestellt werden, doch ist er durch das Wurzelwerk der Macchia sowie durch Tierbauten und die Altgrabungen gestört. Unter den Funden sind besonders große Eisenschlacken sowie eine Amphoren- und eine Tellerscherbe mit phönizischem Graffito hervorzuheben. Südlich des ›Tetre‹ wurde ein weiterer 5 m × 1,50 m großer Schnitt (P) gelegt, doch konnten auch hier nur durch die Altgrabungen umgelagerte, allerdings noch fundreiche Schichten festgestellt werden, deren chronologische Zugehörigkeit ebenso wie die Funde aus Schnitt H vom 7. Jh. v. Chr. bis zum 2. Jh. n. Chr. reichen. Die Ergebnisse der Ausgrabung bestätigen den Eindruck, dass sich die phönizischen Aktivitäten auf das Areal im Umfeld des Baitylos konzentrierten und dass ein Teil des archäologischen Geländes durch die Erosion des Meeres zerstört bzw. weggespült wurde. Parallel zu den Ausgrabungen auf Mogador fanden unterwasserarchäologische Prospektionen in der Bucht von Essaouira statt (Abb. 16). Dank der geographischen Studien (s. AA 2009/1 Beiheft, 240), die eine Rekonstruktion des antiken Verlaufs der Küste ergaben, konnten die Sondagen im Bereich der möglichen Anlegestellen sogar besonders exakt angesetzt werden. Die Sichtbarkeit war jedoch nur an einem einzigen der 30 Tage relativ gut, d. h. bis zu 50 cm möglich. Da auch zu anderen Jahreszeiten bessere Bedingungen nicht garantiert sind, wird aus diesem Pilotprojekt kein weiteres erwachsen.
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Kooperationspartner: Institut National des Sciences de l’Archéologie et du Patrimoine (INSAP), Rabat; Centro de Arqueología Subacuática de Catalunya, Girona (Spanien) • Förderung: ZF/Zahnrad Friedrichshafen und Stiel; Fritz Thyssen Stiftung (Unterwasserarchäologie) • Leitung des Projekts: D. Marzoli, A. El Khayari • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. El Bertai, G. Rabouli, A. Busching, R. Pozo Rueda, A. Kai-Browne, A. von den Driesch, H.-Ch. Küchelmann, N. Owsianowski, J. Fernández, M. Saraiva, T. Toebe, H. Trommer, I. Hödl, F. X. Nieto Prieto, R. Geli e Mauri, J. Ibañez Sanmartí, C. de Juan Fuertes, G. Vivar Lombarte sowie 13 Grabungsmitarbeiter aus Essaouira • Abbildungsnachweis: Projektarchiv Madrid/Province de Essaouira (Marokko) o. Nr. (Abb. 13); Projektarchiv Madrid, A. Kai-Browne (Abb. 14); DAI, Abteilung Madrid, J. Patterson, 2010-047 (Abb. 15 a); DAI, Abteilung Madrid, J. Patterson 2010 065 (Abb. 15 b); Projektarchiv Madrid, J. Ibañez (Abb. 16). Archäometrische Untersuchungen an archaisch-phönizischer Keramik von der Iberischen Halbinsel und Marokko Im Rahmen des interdisziplinären Projekts wurden mehr als 200 Proben von 14 verschiedenen Fundplätzen der Iberischen Halbinsel und aus Marokko untersucht. Auf diese Weise konnte erstmalig eine breite archäometrische Basis zur Identifizierung von Produktionszentren und zum Austausch phönizischer Keramik im westlichen Mittelmeerraum geschaffen werden (Abb. 17). In dieser Hinsicht haben die Untersuchungen wichtige Erkenntnisse zur Organisation und zu den Netzwerken der phönizischen Niederlassungen auf der Iberischen Halbinsel und Marokko erbracht. Als methodische Ergänzung zu den bisherigen Arbeiten wurde eine kleine Auswahl des Materials mit einer gegenüber der Neutronenaktivierungsanalyse weniger aufwendigen Methode erneut beprobt. Die mit einem handlichen Tracer ausgeführte Röntgenf luoreszenzspektroskopie hat sich dabei als kompatibel und genauso präzise wie die vorherigen Analysen erwiesen. Dies ermöglicht es, zukünftige Forschungen erheblich auszuweiten und kostengünstiger durchzuführen.
Abb. 17 Archäometrische Untersuchungen an archaisch-phönizischer Keramik von der Iberischen Halbinsel und Marokko, statistische Auswertung mittels Diskriminanzanalyse. Deutlich sind die verschiedenen und sich von einander absetzenden Gruppen zu erkennen
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Kooperationspartner: E. Pernicka (Eberhard-Karls-Universität Tübingen und Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie Mannheim); A. M. Arruda (Lissabon); M. E. Aubet (Barcelona); F. Gómez Toscanos (Huelva); A. González Prats (Alicante); E. Martín Córdoba (Vélez-Málaga); M. Morente del Monte (Málaga); D. Ruiz Mata (Cádiz), A. El Khayari (Rabat) • Förderung: Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie Mannheim; Eberhard-Karls-Universität Tübingen • Projektbearbeiter: D. P. Mielke, S. Behrendt • Abbildungsnachweis: S. Behrendt, D. P. Mielke (Abb. 17). Tharsis (Spanien) In einer Fragestellung von Zentrum und Peripherie wurde dieses Projekt im Jahr 2006 im Rahmen des Forschungsclusters 2 »Innovationen: technisch, sozial« begonnen. Ziel war es, die Partizipation der umliegenden Siedlungen Castro Cerquillo und Cerro de la Divisa an den berühmten Silberminen von Tharsis (Alosno, Provinz Huelva) zu untersuchen. Die Teilhabe liegt auf der Hand, da in diesen Siedlungen Schlacke, allerdings nur in geringer Menge, gefunden wurde, woraus zu schließen ist, dass an diesen Orten ebenfalls Silber verhüttet wurde. Angesichts der gewaltigen Silbervorkommen einerseits und der Nähe der Siedlungen zu Tharsis andererseits, konnte das verhüttete Silber nur aus Tharsis stammen, was entsprechende Untersuchungen auch bestätigt haben. Die Fragestellung enthält verschiedene Komponenten: eine technische zum Bergbau, zur Chemie usw., eine soziale zu den Bewohnern dieser umliegenden Siedlungen im Gegensatz zu den Bewohnern der Siedlung in Tharsis selbst sowie eine politische und wirtschaftliche, da die hispanischen Silbervorkommen an der Entstehung (›Erfindung‹) des Geldes im 7. Jh. v. Chr. ebenso beteiligt waren wie am Niedergang des Römischen Reiches, da Ende des 3. Jhs. n. Chr. die Minen für die Erschließung mit damaliger Technik als ausgebeutet galten. Anhand der großen Menge und des hohen Silberanteils im Erz, der seinesgleichen sucht, wird die große mittelmeerweite Bedeutung und Anziehungskraft des hispanischen Silbers deutlich. In der ersten Kampagne 2007 war bis auf die Oberkante der Versturzbzw. Zerstörungsschichten des Castro Cerquillo hinuntergegraben worden. Ziel der diesjährigen Kampagne war es, diese Schichten nun herauszunehmen und auf die Lauf horizonte zu kommen, um auf diese Weise den Zeitpunkt des Endes der Siedlung und den Charakter ihrer Aufgabe zu ergründen. Dieses Ziel wurde in Schnitt B auf der ganzen Fläche von 450 m2 erreicht. Es zeigt sich, dass auf den Lauf horizonten kaum Funde gemacht wurden. Die Feuerstellen, die 2007 auf der Oberf läche der Versturzschichten beobachtet wurden, reichen nicht bis zum Lauf horizont hinunter. Sie können also nicht mit der Ursache für den Verfallsprozess unmittelbar verbunden werden. Der Befund deutet eher darauf hin, dass die Siedlung Castro Cerquillo willentlich aufgelassen und das Inventar mitgenommen wurde. Später, nachdem die Stampf lehmmauern zerf lossen waren, war auf dem Ruinengelände gelegentlich Feuer gemacht worden, vielleicht haben sich Hirten in den zerfallenen Gebäuden kurzzeitig eingerichtet. Vereinzelte römische Scherben, die 2007 zu Tage kamen, können unter Umständen mit dieser Phase in Verbindung gebracht werden. In technischer Hinsicht erstaunt wiederum die Bautechnik der Mauern. Über einem Steinsockel aus Schieferplatten wurden zunächst ein bis zwei Schichten Lehmziegel verlegt, bevor der Stampf lehmauf bau folgte. Zu beiden Seiten wurden die Mauern mit hochkant stehenden Platten in der Art von Orthostaten verkleidet (Abb. 18). Es handelt sich hier um eine Mischtech-
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Abb. 18 Tharsis (Spanien), Castro Cerquillo. Mauertechnik aus Steinsockel, Lehmziegeln, Stampflehmaufbau und Orthostatenverkleidung Abb. 19 Tharsis (Spanien), Castro Cerquillo. Nahezu vollständige Vorratsgefäße und Amphoren in Fundlage
nik, die bisher in Hispanien nicht beobachtet worden ist und deshalb kaum indigen sein kann. Das vermehrte Auftreten von Treppen ist vielleicht ein Anzeiger für Mehrgeschossigkeit, die bei der Hanglage nicht verwundern würde. Insofern könnten die in einigen Räumen beobachteten Häufungen von relativ vollständigen Vorratsgefäßen und Amphoren (Abb. 19) als Hinweise auf die Nutzung der Räume als Vorratsräume gewertet werden. Der Wohnbereich hätte sich demnach im ersten Stock befunden. Insgesamt können die Gebäude in Schnitt B aufgrund ihrer Grundrisse und gelegentlich zu beobachtender Nutzungen eher als Residenz-, vielleicht auch als Händlerviertel angesprochen werden. Schlacken finden sich hier jedenfalls nicht in nennenswerter Menge und auch sonst fehlen Hinweise auf Verhüttung. Diese dürfte ohnehin eher am Rand der Siedlung zu suchen sein, wo die Verschüttung aufgrund der Hanglage höher ansteht und wo vor über zehn Jahren eine spanische Mannschaft gegraben hat. Kooperationspartner: Universität Huelva ( J. A. Pérez Macías) • Leitung des Projekts: T. G. Schattner • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. J. Santos, P. Fernández • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Madrid, Archiv Tharsis, M. J. Santos (Abb. 18. 19).
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Abb. 20 Cabeço das Fráguas (Portugal), Fragment eines Weihaltars
Abb. 21 a Cabeço das Fráguas (Portugal), Rundbau Abb. 21 b Cabeço das Fráguas (Portugal), Steinreihen im Inneren des Rundbaus
21 a
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Die Romanisierung einheimischer Heiligtümer im Westen der Iberischen Halbinsel I. Cabeço das Fráguas (Portugal): Auf dem Berg Cabeço das Fráguas (Guarda) wurde bisher an zwei Stellen gegraben, im Sektor A am Fuße des Berges und im Sektor B auf dem Gipfel. Trotz spärlichster Funde aus den Grabungen im Sektor A ist im Frühjahr beim Eggen das Fragment eines weiteren Altars (Abb. 20) auf einem benachbarten Acker zu Tage gekommen. Es stellt sich also erneut die Frage nach einem Heiligtum auch im Tal, am Fuß des Berges, da auch die übrigen Altäre von dort stammen (s. AA 2007/2, 286–288; AA 2008/1 Beiheft, 215–217; AA 2009/1 Beiheft, 253–255). Im Sektor B bestand das Ziel der Kampagne darin, das dort ergrabene Rundgebäude mit erheblichem Durchmesser von 7,50 m mit seinem entsprechenden Lauf- bzw. Nutzungshorizont freizulegen und zu untersuchen sowie den gesamten Platz soweit zu erfassen, so dass angesichts des möglicherweise zu Ende gehenden Projekts eine Gesamtinterpretation durchführbar würde. Der Lauf horizont wurde bald erreicht, er besteht aus Lehm, der am Ort nicht ansteht und daher eigens, wohl aus der Talaue, heraufgebracht werden musste. Diesen Horizont hat der Pf lug, der bis in die 1950er Jahre darüber ging, nur an einigen Stellen nicht erfasst. Es finden sich gelegentlich noch Placken davon und zwar interessanterweise sowohl im Inneren des Rundgebäudes (Abb. 21 a) als auch außerhalb davon. Dieses Rundgebäude hat zwei Bauphasen. Der westliche Viertelkreis ist aufgrund stratigraphischer Beobachtungen älter, der übrige Dreiviertelkreis jünger. Ein kurzes Mauerstück, das gegenüber der äußeren Mauerkontur zurückgesetzt ist, scheint die beiden Kreisabschnitte zu verbinden. Im Inneren des Rundgebäudes befindet sich ein eigenartig anmutendes Mauergeviert von etwa trapezförmigem Grundriss (Abb. 21 b), das an den Ecken seiner Schmalseite den westlichen Viertelkreis berührt, wobei die Kreismauer darüber hinwegführt, und damit stratigraphisch jünger ist. Möglicherweise handelt es sich um den Vorbau eines weiteren Rundhauses nördlich davon. Südöstlich vor dem Geviert wurden drei Aschehaufen von jeweils etwa 40 cm Durchmesser beobachtet, die in seichte Felsmulden gebettet waren. Außerhalb des Rundgebäudes finden sich besonders nach Südosten hin eine ganze Reihe von Steinen, von denen einige bewusst in eine Reihe gesetzt sind. Der Pf lug hat hier viel Schaden angerichtet. Aber auch wenn die wenigsten Reihen dieser Steinsetzungen geschlossen erhalten sind, sind sowohl eckige wie rundliche Grundrisse deutlich. In unmittelbarer Nähe befinden
21 b
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sich entweder Bodenverfärbungen, die als Pfostenlöcher gedeutet wurden, oder auch Steinkonzentrationen, die offensichtlich zum Verkeilen dienten. Wie ist der Befund nun zu deuten, für den keine Analogien bekannt sind? Durch die berühmte lusitanisch-lateinische Inschrift ist an diesem Platz ein Heiligtum dokumentiert. Die Eckdaten ihrer Datierung werden nach oben von der Einführung der Schrift in dieser Region gesetzt, die nicht vor Augustus belegt ist, und von den Keramikfunden, die nicht über das 1. Jh. n. Chr. hinabreichen. Daher kann die Inschrift zeitlich mit guten Gründen in das 1. Jh. n. Chr. gesetzt werden, vielleicht in die Mitte oder in die 2. Hälfte des 1. Jhs., da zu dieser Zeit beide Sprachen, sowohl die einheimische als auch die lateinische, gesprochen und verwendet worden sein dürften. Es stellt sich aber die Frage, ob die Inschrift ein älteres Kultgebahren an dem Platz überliefert? Der Baubefund scheint dafür zu sprechen, da das übergroße Rundgebäude seltsam genug ist, dass eine kultische Nutzung angenommen werden kann. Auch die merkwürdigen Steinreihen, die als Einfriedungen angesprochen werden können, zusammen mit den Pfostenlöchern und den Verkeilungen scheinen am ehesten kultisch erklärbar. Sie erinnern an vergleichbare Befunde, die kürzlich in Galicien auf dem Monte do Facho ergraben worden sind (s. MM 46, 2005, 135–183; MM 47, 2006, 169–192). Möglicherweise wird hier ein Typus an indigenen Heiligtümern des hispanischen Westens greif bar, der sich durch ebendiese Konstruktionen auszeichnet. Aus dem Fundmaterial, unter dem eine ganze Reihe an Artefakten aus Glaspaste hervorsticht (Abb. 22), lässt sich kein unmittelbares Argument ableiten, da dieses unauffällig ist und daher auch in einer Siedlung zu Tage gekommen sein könnte. Allerdings könnte die große Vielfalt des Keramikdekors dafür sprechen, dass der Platz von Menschen aus verschiedenen Herkunftsorten aufgesucht wurde, die ihre eigene Keramik mitbrachten (s. AA 2009/1 Beiheft, 255). Von der Inschrift selbst wurde ein Laserscan genommen (Abb. 23), der die Daten für einen Abguss liefern soll, der im Museum von Guarda aufgestellt werden soll. II. São Miguel da Mota (Portugal): Die Grabung im Heiligtum des Endovelicus geht ihrem Ende zu. In diesem Jahr war sie in erster Linie auf die abschließende Erforschung und Ausgrabung der südlichen Hügelf lanke gerichtet, wo G. Pereira auf seinem Plan von 1860 Anbauten der Kapelle verzeichnet. Schon im Jahr 2004 waren diese teilweise offengelegt, jedoch nicht näher untersucht worden. Wie sich jetzt anhand der Stratigraphie zeigt, gründen diese Anbauten auf einer Schuttschicht, die mehrheitlich römisches, aber auch rezentes Material enthielt und die zuvor planiert worden war – sicher zum Zwecke der Erbauung der Kapelle und der Anbauten. Trotz reicher Funde an römischer Keramik und Baukeramik wurden keine römischen Mauerreste angetroffen. Bei den Dachziegeln (tegulae et imbrices) sind bis zu sechs verschiedene Typen zu unterscheiden, daneben fanden sich Dolia, Amphoren, Lampen und Terra Sigillata Hispanica, die ebenso wie zwei Münzen ins fortgeschrittene 1. und das 2. Jh. n. Chr. gehören. Es kamen jedoch Überreste der frühkupferzeitlichen Maueranlage (Castro) zu Tage (Abb. 24), welche zuunterst liegt und bereits in den vergangenen Kampagnen als Mauerreste oder Fundnester von Keramik hin und wieder beobachtet worden war. Die Reste auf der Südseite werden eine Einschätzung der Größe dieser Anlage erlauben, die mit vielleicht 20 m Durchmesser sehr gering war. Insofern ist ihre Funktion vor dem Hintergrund der üblichen Größen dieser Anlagen von über einem Hektar zu erklären. Daneben traten drei bzw. vielleicht vier, aufgrund der typologischen Zuordnung wohl mittelalterliche Gräber im Bereich der erwähnten Anbau-
Abb. 22 Cabeço das Fráguas (Portugal), Glasfunde
Abb. 23 Cabeço das Fráguas (Portugal), Laserscan der Inschrift
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Abb. 24 São Miguel da Mota (Portugal), kupferzeitliche Mauerreste unter dem römischen Heiligtum Abb. 25 São Miguel da Mota (Portugal), Heiligtum des Endovelicus. Fragment des Unterteils einer Gewandstatue in situ
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ten zu Tage, von denen eines ganz erfasst wurde (Maße 1,80 m × 0,70 m). Sie dürften mit der Erbauung der Kapelle in Zusammenhang stehen. Im Ganzen ist der Schnitt nicht abgeschlossen worden. Hangabwärts zeigt die Stratigraphie deutlich, dass der Schutt von der Kuppe abgerutscht ist, wohl im Zuge der geschilderten Planierungsarbeiten. Als besondere Funde sind das Fragment einer rechten Hand sowie das Unterteil einer Gewandstatue zu erwähnen (Abb. 25). Sie haben die übliche geringe Größe, bestehen aus Marmor und wurden zu kleinen Stücken zerschlagen, sicherlich um sie im Kalkofen zu brennen. Kooperationspartner – Cabeço das Fráguas (Portugal): Universität Lissabon (C. Fabião, A. Guerra); Museum von Guarda (D. H. Pires Borges) • Förderung: Asociación de Amigos del Instituto Arqueológico Alemán de Madrid (Laserscan); Firma Noraktrad, Madrid (Laserscan) • Leitung des Projekts: T. G. Schattner, M. J. Santos • Mitarbeiter: J. Fernández, J. Patterson, Ch. Hartl-Reiter • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Madrid, D-DAI-Mad-PAT-DG-025-09-073 (Abb. 20); DAI, Abteilung Madrid, D-DAI-Mad-PAT-DG-025-09-76 (Abb. 21 a); DAI, Abteilung Madrid, D-DAI-Mad-PAT-DG-025-09-030 (Abb. 21 b); DAI, Abteilung Madrid, (a) D-DAI-Mad-PAT-DG-024-09-022; (b) D-DAI-Mad-PATDG-024-09-025; (c) D-DAI-Mad-PAT-DG-024-09-030; (d) D-DAIMad-PAT-DG-024-09-031; (e) D-DAI-Mad-PAT-DG-024-09-033; (f ) D-DAI-Mad-PAT-DG-024-09-035; (g) D-DAI-Mad-PAT-DG-024-09-026 (Abb. 22); DAI, Abteilung Madrid, D-DAI-Mad-PAT-DG-P7220090 (Abb. 23). Kooperationspartner – São Miguel da Mota (Portugal): Universität Lissabon (A. Guerra, C. Fabião) • Förderung: Instituto de Gestão do Património Arquitectónico e Arqueológico (IGESPAR) • Leitung des Projekts: T. G. Schattner • Mitarbeiter: A. Rocha, G. Saraiva • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Madrid, Archiv São Miguel da Mota (Abb. 24. 25). Heilige Plätze und ländliche Heiligtümer im indoeuropäischen Hispanien (Spanien und Portugal) Das Promotionsprojekt hat zum Ziel, die gesamten sog. Felsheiligtümer der Iberischen Halbinsel zu katalogisieren und zu dokumentieren. Neben der Erstellung eines Kataloges sowie einer Typologie sollen die Heiligtümer in einem zweiten Schritt sodann in ihrem naturräumlichen und topographi-
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schen Kontext im Hinblick auf zeitgleiche römische und indigene Siedlungen, aber besonders auch auf andere Kultplätze betrachtet werden. Diese Fundplätze, an denen indigene Kulte vermutet werden, sind immer in den blanken Fels eingehauen. Sie charakterisieren sich durch die Kumulation mehrerer Merkmale wie Stufen, generell in ungerader Anzahl, Vertiefungen bzw. Einbettungen, oft verbunden durch Kanäle, und manchmal auch durch Felsinschriften und römische Votivaltäre. Die Hauptprobleme liegen in der Bestimmung ihrer Chronologie einerseits und ihrer Funktion andererseits, was dadurch erschwert wird, dass ein archäologischer Kontext häufig fehlt oder nicht bekannt ist. Diese Ausgangssituation hat die Erforschung dieser Plätze bisher behindert, was erklärt, dass aus einem Gesamtbestand von 126 Fundplätzen, obwohl seit langem bekannt, nur einige wenige Gegenstand seriöser Studien waren und noch wenigere tatsächlich ergraben wurden. Daher spielt das Heiligtum von Panóias (Portugal), das von Wissenschaftlern des DAI schon in den 1960er Jahren untersucht wurde, eine zentrale Rolle, weil den oben geschilderten Einarbeitungen Inschriften beigegeben sind, die das heilige Geschehen gleichsam erläutern. In Panóias bezeichnen die sechs Felsinschriften, die einigen Gottheiten gewidmet sind, die Abfolge eines Ritus, durch den die seltsamen Kanäle und Einarbeitungen eine Erklärung finden. Vor diesem Hintergrund liegt das Hauptziel der Arbeit darin, zu definieren, was als ›Felsheiligtum‹ betrachtet werden kann, sowie eine verlässliche Grundlage für eine Datierung zu schaffen, die auf einer systematischen typologischen Studie gründen muss. Auf diese Weise kann eine bessere Ein-
Abb. 26 Heilige Plätze und ländliche Heiligtümer im indoeuropäischen Hispanien (Spanien und Portugal), Verbreitung der untersuchten Felsheiligtümer auf der Iberischen Halbinsel
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Abb. 27 Heilige Plätze und ländliche Heiligtümer im indoeuropäischen Hispanien (Spanien und Portugal), Mogueira (Portugal). Votivinschrift am Heiligtum (3. Jh. n. Chr.)
schätzung der Bedeutung dieser Orte innerhalb des durch die Romanisierung angeregten Wandels in den religiösen Traditionen erwartet werden. Der Katalog umfasst derzeit 126 als Felsheiligtümer bekannte Orte, die Hälfte davon konnte besucht, beschrieben und aufgenommen werden. Nahezu 40 Orte wurden als nicht zugehörig ausgeschlossen (Abb. 26). Auch konnte in diesem Jahr an dem Fundplatz Mogueira (Resende, Portugal) gegraben werden. Dort wurde der Grabungsschnitt auf dem höchsten Punkt des Berges angelegt, bei dem Felsen, der als ländlicher Altar (altar rupestre) angesprochen wurde, da sieben Stufen eingearbeitet sind. Ziel war es, eine Datierung zu erarbeiten sowie den Kontext des Felsens aufzudecken. Im gleichen Zuge wurde die Befestigung vollständig gezeichnet und das Gelände prospektiert. Wie sich zeigte, handelt es sich bei dem abgestuften Felsen um die Zugangstreppe für einen Turm der Wehrmauer. Die Anlage ist mittelalterlich. Im Zuge der Prospektion wurde zusätzlich zu den bekannten Felsinschriften eine neue gefunden, durch die ein Heiligtum an einem Bachlauf dokumentiert wird (Abb. 27). Im Gesamtbestand lassen sich drei Haupttypen unterscheiden, die offenbar eine klare morphologische Entwicklung zeigen. Als Arbeitshypothese wird eine erste Stufe angenommen, die sich durch natürliche Vertiefungen auszeichnet (Abb. 28 a. b). Diese ist vergesellschaftet mit eisenzeitlichen Oberf lächenfunden. In einer zweiten Stufe werden diesen natürlichen Vertiefungen artifizielle Vertiefungen und andere neue Elemente hinzugefügt (Abb. 29). In einer dritten Stufe erscheinen sodann orthogonale Einarbeitungen. Da dazu manchmal Inschriften und meist römische Oberf lächenfunde sowie römische Votivaltäre auftreten, dürfte es sich hierbei um die späteste Stufe handeln. Durch die bislang verfügbaren Daten erscheint es möglich, dass dieser Typus eines Heiligtums das Ergebnis einer Fusion von indigenen Traditionen mit neuen Konzepten gewesen sein könnte, eingebracht durch die Romanisierung. Sollte man dann also annehmen, was P. Lambrechts dazu sagte, nämlich dass das neue Wissen, das durch die Romanisierung eingebracht wurde, den indigenen Elementen und Traditionen eine Entwicklung ermöglichte wie nie zuvor? Vielleicht könnte dies die morphologische Entwicklung erklären.
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28 b Abb. 28 a. b Heilige Plätze und ländliche Heiligtümer im indoeuropäischen Hispanien (Spanien und Portugal), Mogueira (Portugal). Felsbild am Heiligtum mit der Darstellung einer Spirale und zwei Fußabdrücken im Zentrum
Abb. 29 Heilige Plätze und ländliche Heiligtümer im indoeuropäischen Hispanien (Spanien und Portugal), Penascrita (Portugal). Altar 29
Kooperationspartner: Institut der Schönen Künste der Universität Lissabon • Förderung: Gemeinde Mogueira • Leitung des Projekts: M. J. Santos (Betreuung: F. Marco Simon, Universität Saragossa) • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Madrid, M. J. Santos (Abb. 26–29). Mérida (Spanien), römisches Theater Das um 16/15 v. Chr. in der antiken Stadt Colonia Augusta Emerita, dem heutigen Mérida im Westen Spaniens, errichtete Theater stellt als ein Baustein des Gesamtensembles – bestehend aus Theater-Peristylkomplex und Amphitheater – eines der wichtigsten Monumente in der Entwicklungsgeschichte des römischen Theaterbaus der Iberischen Halbinsel dar. Diese Doppelanlage belegte einst eine der größten Flächen im Osten innerhalb der antiken Stadt (Abb. 30). In diesem Jahr konnten die Arbeiten zur stein- und verformungsgerechten Bauaufnahme der Gesamtanlage Theater-Peristylkomplex in Mérida abgeschlossen werden. Die Gebäudeanlage konnte komplett in fünf Grundrissebenen, einem Querschnitt sowie einem Längsschnitt durch die aditus maximi (seitliche Hauptzugänge) im M. 1 : 50 mit den Methoden des computergestützten Handaufmaßes sowie durch photogrammetrische Abwicklungen der Analemmata (Außenwand des Zuschauerraumes) und der scaenae frons (Bühnenfassade) vermessen und dokumentiert werden.
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Abb. 30 Mérida (Spanien), römisches Theater. Schematischer Stadtplan des Consorcios und des Archäologischen Instituts von Mérida. Doppelanlage TheaterAmphitheater ist in Orange hervorgehoben
Abb. 31 Mérida (Spanien), römisches Theater. Die scaenae frons des römischen Theaters von Mérida mit dahinterliegendem Peristyl
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Das Theater (Abb. 31) besitzt ein zweigeschossiges Bühnengebäude mit einer reichlich dekorierten scaenae frons sowie einer gestalteten Rückwand, die durch eine Portikus betont wird. Diese öffnet sich zu einem großen Peristyl mit einem gestalteten Garten mit Wasserspielen, der mit einer dreiseitig und einst überdachten Säulenhalle umgeben war zum Flanieren während den Pausen. Die scaenae frons besitzt eine korinthische Säulenordnung aus weißen Marmorbasen und ‑kapitellen und graugeaderten Marmorsäulen.
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Das Säulenpostament (Abb. 32) der scaenae frons besteht aus großen, einst farbig gefassten Granitquadern. Reste von Marmorverkleidungen und eine Unzahl von Dübellöchern deuten auf eine spätere Umbauphase hin. Ferner sind am Sockel in der zweiten Quaderlage von oben Abarbeitungen zu erkennen, die auf einstige angearbeitete Granitgesimse deuten, die abgeschlagen wurden, um an deren Stelle Marmorgesimse zu befestigen. Auf eine spätere Marmorisierung deuten auch die Verkleidungspaneele der Architrave, Friese und Geisa. Bauuntersuchungen, Beobachtungen von Abarbeitungsspuren und Baufugen am Gesamtkomplex sowie der stilistische und konstruktive Auf bau der sich heute darbietenden scaenae frons lassen die Schlussfolgerung zu, dass es neben vielen kleinen baulichen Änderungen zu einer großen Monumentalisierung und Erweiterung der Gesamtanlage im 1. Jh. n. Chr. kam. Diese Monumentalisierung zeichnet sich beispielsweise an einer kompletten Neugestaltung der scaenae frons ab, bei der die verstuckten Granitbauteile gegen qualitätvollen Marmor ausgetauscht wurden. Diese Granitbauteile wanderten dabei höchst wahrscheinlich hinter das Bühnenhaus in den Erweiterungsbau der Dreif lügelanlage des Peristyls. Ein weiteres Indiz für die Wiederverwendung der Granitsäulenordnung im Peristyl ist durch die Datierung der Kapitelle in die augusteische Zeit gegeben. Auf der Basis der Plandokumentation und der Bauanalyse konnte eine erste Rekonstruktion der Bühnenfassade der ersten Bauphase erstellt werden. Da jedoch nicht mehr alle Bauteile der ersten Bauphase vorhanden sind, wurde die Rekonstruktion in enger Anlehnung an das Proportionsschema von Vitruv (römischer Architekt, Ingenieur und Schriftsteller des 1. Jhs. v. Chr.) erstellt. Im Säulenumgang des Peristyls befinden sich zwei verschiedene Säulenordnungen, eine ionische und eine dorische, wobei letztere kleiner ist. Für das erste Geschoss der scaenae frons käme also von der Größe her nur die ionische in Erwägung. Die Säulen bestehen aus grob gearbeiteten Granittrommeln, besitzen eine Basis ohne Plinthe und werden von einem ionischen Kapitell bekrönt. Die Granitbauteile weisen noch Reste von teilweise übereinanderliegenden unterschiedlichen Putzschichten auf, die somit ebenfalls auf eine Wiederverwendung und Umgestaltung der Bauteile weisen. Die bisherigen Forschungen lassen eine erste eingeschossige Bühnenfassade (Abb. 33) vermuten, jedoch kann ein etwas späteres zweites Geschoss noch nicht zwingend ausgeschlossen werden.
Abb. 32 Mérida (Spanien), römisches Theater. Säulenpostament mit Abarbeitungen des Granitprofils (Pfeil) und Dübel löchern
Abb. 33 Mérida (Spanien), römisches Theater. Rekonstruktionsvorschlag für die erste Bauphase der scaenae frons mit einer ionischen Ordnung
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Demnach hätten wir in der ursprünglichen Bauausführung im ersten Geschoss eine ionische und im zweiten Geschoss eine dorische Ordnung. Kooperationspartner: Consorcio Mérida Ciudad Monumental HistóricoArtística y Arqueológica (P. Mateos Cruz); DAI, Zentrale, Architekturreferat (U. Wulf-Rheidt) • Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: N. Röring • Kodirektion: W. Trillmich • Mitarbeiter: B. Marr, J. Pf lug, H. Schroen • Abbildungsnachweis: N. Röring, nach P. Mateos Cruz aus X. Dupré Raventós (Hrsg.), Las capitales de Hispania 2. Mérida. Colonia Augusta Emerita (Rom 2004) Taf. 1 a (Abb. 30); B. Marr (Abb. 31); N. Röring (Abb. 32. 33). Römische Villen in Hispanien und Gallien – eine vergleichende Untersuchung zur Architektur und Funktion römischer Prachtvillen im Westen des Römischen Reiches Die Villa, im Sinne der römischen Autoren als ein Gutshof der römischen Oberschicht verstanden, der neben der landwirtschaftlichen Produktion als Ort aristokratischer Selbstdarstellung diente, ist Gegenstand dieser Arbeit. Während jedoch in den antiken Quellen hauptsächlich die Situation in Italien, und hier vor allem in Mittelitalien, fassbar wird, beschäftigt sich dieses Promotionsprojekt mit der Adaption und Ausgestaltung der römischen Villenkultur in den westlichen Provinzen. Im Bereich der westlichen Provinzen wiederum konzentriert sich diese Arbeit auf die Iberische Halbinsel und die gallischen Provinzen (Abb. 34). Die Pyrenäen stellen hierbei eine in der Forschung entstandene Grenze dar, die in dieser Form in der Realität nicht existierte. Zwar sind gerade die jüngsten Kolloquien und Sammelbände um eine zusammenschauende Sicht der Villen bestrebt, doch wurden die westlichen Provinzen bisher noch nicht vergleichend untersucht. Vielmehr behandeln die bisherigen Untersuchungen meist entweder einzelne Villen, die ländliche Besiedlung in einer Mikroregion oder den Villenbau innerhalb heutiger Ländergrenzen. Zwar wird auch auf Beispiele und Entwicklungen des Villenbaus in anderen Provinzen verwiesen, jedoch bleiben diese Hinweise an der Oberf läche und dienen lediglich dazu, die ›Ähnlichkeit‹ oder ›Unterschiedlichkeit‹ hervorzuheben; es findet jedoch keine tatsächliche Auseinandersetzung mit der jeweiligen regionalen Ausgestaltung der Villen statt. Vergleicht man beispielsweise das Phänomen der Monumentalisierung römischer Villen im 4. Jh., so wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass es sich hierbei um eine gleichförmige Entwicklung innerhalb der westlichen Provinzen handle. Doch fallen gerade in diesem Punkt wesentliche Unterschiede auf. So erleben die nordgallischen Villen nur vereinzelt aufwendige Baumaßnahmen wie die Peristylvillen des Südens, auch eine neue Villenausstattung mit Mosaiken kommt vor allem im Süden vor. Außerdem ist eine Sakralisierung der Anlagen durch Grabbauten oder Tempel in der Nähe des Villeneingangs, die ein wichtiger Hinweis für die Monumentalisierung der Anlagen ist, nur in den südlichen Provinzen in der Spätantike nachzuweisen, bei den nordgallischen Beispielen fehlt sie. Es ist hier also kein signifikanter Wandel erkennbar, der für eine Bedeutungssteigerung dieser Anlagen spricht. Auffallend ist des Weiteren, dass sich die in der Spätantike neu errichteten Großvillen Nordgalliens in markanter Weise um Trier konzentrieren, während sie auf der Iberischen Halbinsel und in Aquitanien über einen größeren Raum verteilt sind und in deutlich größerer Anzahl vorkommen. Dieser sog. Villenboom scheint deshalb in Nordgallien nicht die gleichen gesellschaftspolitischen Ursachen zu haben wie in Südgallien und Hispanien, sondern eng mit dem Ausbau Triers zur Kaiserresidenz zusammenzuhängen.
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Durch einen Vergleich der erhaltenen Prachtvillen im Untersuchungsgebiet sollen regionale Besonderheiten herausgearbeitet sowie der jeweilige Umgang der provinzialen Oberschicht mit ›der römischen Villa‹ analysiert werden. Leitung des Projekts: B. Brühlmann • Abbildungsnachweis: B. Brühlmann (Abb. 34).
Abb. 34 Römische Villen in Hispanien und Gallien, Verbreitungskarte spätantiker Prachtvillen in Hispanien und Gallien
Die islamischen Villen von Córdoba (Spanien) Im Rahmen eines Projekts zur islamischen Palastarchitektur im Westen konnte die Untersuchung des Landsitzes ar-Ruman¥ya fortgesetzt werden. Hierbei handelt es sich um den Sommersitz von ad-Durri, »dem Kleinen«, einem Finanzminister des Kalifen al-Hakam II. aus der Zeit um 970 n. Chr. Der auf vier Terrassen am Hang der Sierra Morena gelegene Landsitz umfasste ausgedehnte Gärten, Wohn- und Repräsentationsgebäude sowie ein großes Wasserbecken. Die Erforschung des Landsitzes soll einerseits als Beitrag zur Klärung der Frühgeschichte der islamischen Palastarchitektur auf der Iberischen Halbinsel dienen, andererseits die Grundlage für einen Vergleich zwischen römischer und islamischer Villenarchitektur schaffen. In diesem Jahr konnten die Grabungen im Umfeld des großen Wasserbeckens fortgesetzt werden. Gegenstand der Untersuchungen war ein Saal-
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Abb. 35 Córdoba (Spanien), ar-Rumanīya. Grabung im Garten des Landsitzes
Abb. 36 Córdoba (Spanien), ar-Rumanīya. Fragment einer Marmorbasis aus dem Saal am großen Wasserbecken
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bau, der über dem Staudamm des Wasserbeckens errichtet wurde und sich mit seinen Arkaden ebenso zum Wasserbecken wie zum angrenzenden Garten öffnete. Mit Hilfe von zwei Grabungsschnitten konnte der Grundriss des Saales weiter geklärt werden. Dabei erwies sich der Saal als weniger symmetrisch als bislang vermutet. In der östlichen Außenmauer des Saales wurde ein seitlicher Zugang entdeckt, auf der Westseite hingegen eine Latrine, für deren Anlage der westliche Nebenraum des Saales in seiner Größe reduziert wurde. Die Existenz weiterer Saalbauten im Umfeld des großen Wasserbeckens konnte ausgeschlossen werden. Westlich und nördlich des Beckens scheinen sich allein untergeordnete Räume befunden zu haben, die zum Becken keinen direkten Zugang besaßen. Ein weiterer Grabungsschnitt wurde im Garten direkt unterhalb des Saalbaus angelegt (Abb. 35). Der Schnitt lieferte zusätzliche Informationen zur Zerstörungsgeschichte des benachbarten Saales sowie zur Gestaltung und Nutzung des Gartens. Der Saal wurde zu Beginn des 11. Jhs. durch einen Brand zerstört, möglicherweise während des Bürgerkrieges 1010. Im Zerstörungsschutt konnten Fragmente seiner Marmordekoration (Abb. 36) sowie verkohlte Reste des Dachstuhls und Eisenbeschläge der Türen geborgen werden. Im Schutt wurde auch ein Vorhängeschloss aus Kupfer entdeckt, das wahrscheinlich als Verschluss eines Möbelstückes gedient hatte (Abb. 37). Nach der christlichen Eroberung Córdobas wurde der Saal im 13. Jh. wieder hergerichtet und bis ins 15. Jh. weiter genutzt. Aus dieser zweiten Nachnutzungsphase stammt unter anderem die Spitze eines Armbrustbolzens.
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Unterhalb des Zerstörungsschuttes wurde ein ungestörter Abschnitt der Gartenoberf läche des 10. Jhs. vorgefunden. Wohl aufgrund regelmäßiger Reinigung hatte sich im Garten keine Humusschicht gebildet. Der Bewässerung dienten einfache Gräben, die mit Wasser aus dem großen Wasserbecken versorgt wurden. Der Befund spricht für eine Nutzung des Gartens als Plantage von Obstbäumen. Im Weiteren wurden auf den drei Gartenterrassen geomorphologische Untersuchungen durchgeführt. Mit Hilfe einer Reihe von Bohrungen konnten die topographischen Verhältnisse vor dem Bau der islamischen Villa rekonstruiert werden. Dabei zeigte sich unter anderem, dass für den Bau der Villa ein Bachlauf künstlich verlegt wurde und dass die Terrassen in rudimentärer Form bereits vor dem Bau bestanden haben müssen. Für ihre architektonische Ausgestaltung wurden zunächst geologische Sedimente abgetragen, dann bis zu 3 m mächtige Erdschichten aufgeschüttet. Bei den Bohrungen wurden Proben für botanische Untersuchungen entnommen. Zusätzlich wurde das Erdreich des Gartens und der Zerstörungsschutt des Saales nach botanischen Großresten geschlämmt. Von der Untersuchung der Proben sind Informationen zur ehemaligen Bepf lanzung des Gartens zu erhoffen. Kooperationspartner: Conjunto Arqueológico de Madinat al-Zahra (A. Vallejo Triano); Universidad Autónoma de Madrid (A. Canto García) • Leitung des Projekts: F. Arnold • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: C. Camacho Cruz, D. Fritzsch, A. Heidenreich, M. Hofmann, W. Kopf, S. Müller, A. Obermann, J. Patterson, H. Thiemeyer, J. Wilhelm • Abbildungsnachweis: F. Arnold (Abb. 35); D-DAI-MAD-DG-039-2009-62, J. Patterson (Abb. 36); D-DAI-MAD-DG-40-2009-38, J. Patterson (Abb. 37).
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Hauskolloquien 17. Februar Festakt zu Ehren von Michael Blech (Leitung: Dirce Marzoli [Erste Direktorin der Abteilung Madrid], Raquel Castelo [Asociación Española de Amigos de la Arqueología, Madrid]). – Es sprachen: Dirce Marzoli, Manuel Santona, Isabel Rubio, Raquel Castelo, Thomas G. Schattner, im Anschluss wurde Herrn Blech die Festschrift (Boletín de la Asociación de Amigos de la Arqueología 45) überreicht 19. Februar Peter Zazoff (Hamburg), Kameo mit der Signatur des KAPΠOΣ (Karpos).
Abb. 37 Córdoba (Spanien), ar-Rumanīya. Vorhängeschloss aus Bronze
Tagungen 12. bis 14. März Kolloquium »La scaenae frons en la arquitectura teatral romana – Die scaenae frons in der römischen Theaterarchitektur« (in Zusammenarbeit mit dem Museo del Teatro Romano Cartagena und der Universidad de Murcia; Koordination: Sebastián F. Ramallo Asensio [Murcia], Elena Ruiz Valderas [Cartagena], Nicole Röring [Madrid], Abb. 38). – Es sprachen: Rosario Montero (Cartagena) – Juan María Vázquez Rojas (Murcia) – Sebastián F. Ramallo Asensio (Murcia) – Dirce Marzoli (Madrid), Begrüßung; Antonio Monterroso (Aix en Provence), Las Scaenae Frontes en los teatros de Roma. ¿Modelos?; Patrizio Pensabene (Rom), Frontescene rettilinee nei teatri italiani. I cassi di Ostia, Cassinum e Taormina; Heinz Beste (Rom), Il teatro di Teano (Italia) e la sua scaena frons in età Severiana; Jean Charles Moretti (Lyon) – Alain Badie (Lyon) – Dominique Tardy (Lyon), Les fronts de scène en Narbonnaise; Javier Domingo (Rom) – Ricardo Mar (Tarragona) – David Vivó (Girona) – Joaquín Ruiz de Arbulo (Lérida), La Scaenae Frons del
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Abb. 38 Plakat des Kolloquiums »La scaenae frons en la arquitectura teatral romana – Die scaenae frons in der römischen Theaterarchitektur«
Abb. 39 Die Teilnehmenden der Tagung »Aníbal de Cartago. Mito y realidad« im Garten des Madrider Instituts
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Teatro de Tarragona; Sebastián F. Ramallo Asensio (Murcia) – Elena Ruiz Valderas (Cartagena) – Antonio Murcia Muñoz (Murcia), La Scaenae Frons del Teatro de Cartagena; Manuel Martín Bueno (Zaragoza) – Carlos Sanz Preciado (Zaragoza), La Scaenae Frons del Teatro de Bilbilis; Nicole Röring (Madrid), Nuevo estudio arquitectónico de la fachada escénica del Teatro de Augusta Emerita; Miguel Ángel de la Iglesia (Valladolid) – Francecs Tuset Beltrán (Barcelona), Restitución de la Scaenae Frons del Teatro de Clunia; Arzu Öztürk (Istanbul), Die f lavische scaenae frons des Theaters in Ephesos; Corinna Rohn (Wiesbaden), Die scaenae frons von Aizanoi in Bezug zur Gesamtanlage Theater-Stadion; Klaus Stefan Freyberger (Rom), Zur Bauornamentik der scaenae frons des Theaters in Bostra; Giorgio Sobrà (Torino), La frontescena severiana del teatro di Hierapolis di Frigia. Architettura, decorazione e maestranza; Myriam Fincker (Lyon) – Jean-Charles Moretti (Lyon), Le rideau de scène dans le théâtre romain; Ricardo Mar (Tarragona), El teatro de Leptis Magna: modelos de transición en la arquitectura pública romana; Sebastián F. Ramallo Asensio (Murcia) – Elena Ruiz Valderas (Cartagena) – Nicole Röring (Madrid), Zusammenfassung und Abschlussdiskussion; José María Luzón Nogué (Madrid) – Manuel Martín Bueno (Zaragoza) – José Calvo López (Cartagena) – Miguel Ángel de la Iglesia (Valladolid), Los límites de la restauración en la arquitectura teatral romana, Podiumsdiskussion. Abbildungsnachweis: Archäologisches Institut der Universidad de Murcia (Abb. 38). 26./27. Mai Tagung »Aníbal de Cartago. Mito y realidad« (in Zusammenarbeit mit dem Consejo Superior de Investigaciones Científicas, Madrid; Koordination: Jesus Bermejo [Madrid], Fernando Prados [Alicante], Sergio Remedios [Madrid]; Schirmherrschaft: Dirce Marzoli [Madrid], Maria Paz García Bellido [Madrid], Carlos González Wagner [Madrid], Abb. 39). – Es sprachen: Dirce Marzoli (Madrid) – Maria Paz García Bellido (Madrid) – Leoncio López-Ocón Cabrera (Madrid), Einführung • Teil 1 »El mundo de Aníbal«: José Mª Blázquez Martínez (Madrid), Panorama general del Mediterráneo en época bárquida; Arturo Rey da Silva (Madrid), Mar y Guerra en el Mediterráneo Antiguo. Las Marinas Romana y Cartaginesa en el siglo III a. C.; Verónica García Coca (Madrid), La ciudad en época de Aníbal. Helenismo y orientalismo; Raquel Rodríguez Muñoz (Valencia), La religión fenicia en tiempos de los bárquidas; Fernando Prados Martínez (Alicante), La muerte en tiempos de Aníbal; Luis Alberto Ruiz Cabrero (Madrid), Testi-
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monios escritos de época Bárquida • Teil 2 »Aníbal, Estrategos«: Pedro Barceló (Potsdam), Aníbal y la helenización de la guerra en Occidente; Adolfo Domínguez Monedero (Madrid), Los otros bárquidas; Sergio Remedios Sánchez (Madrid), La campaña contra las vacceos; Pascual Jiménez (Madrid), Mercenarios de la Península Ibérica en las tropas de Aníbal; Carlos González Wagner (Madrid), El Sufetato de Aníbal • Teil 3 »Desenterrando el mito. Aníbal a través de la arqueología «: Manuel Bendala Galan (Madrid), La recuperación arqueológica de la acción de los Barca. Logros y expectativas; José Luis López Castro (Almería) – Víctor Martínez Hahnmüller (Almería), Baria en la segunda guerra romano-cartaginesa. Su papel histórico a través de la documentación literaria y arqueológica; Arturo Ruiz Rodríguez ( Jaén) – Francisco Gómez Cabeza ( Jaén) – Juan Pedro Bellón (Roma), Un escenario bélico de la Segunda Guerra Púnica. Baecula; Francisco José García Fernández (Sevilla), Cartago a las puertas: Turdetania en los albores de la II Guerra Púnica; David Montanero Vico (Barcelona), Fortificaciones y estrategia militar en época de los bárquidas: La defensa y el control territorial cartaginés en sus posesiones mediterráneas • Teil 4 »Aníbal, la Leyenda«: María Paz García-Bellido (Madrid), Aníbal y la propaganda política. La iconografía monetal; María Pérez Ruiz (Madrid), La imagen de Aníbal entre los romanos; David Álvarez Jiménez (Madrid), Aníbal vándalo. El uso del recuerdo púnico en el contexto del conf licto romano-vándalo; Helena Jiménez Vialás (Madrid), De bárbaro a príncipe. Aníbal en la cultura europea (ss. XVI–XIX); Sami Ben Tahar (Tunis), Témoignages sur la survivance de la mémoire d’Hannibal dans le pays de Carthage (Tunisie) aux époques médiévale et moderne. Abbildungsnachweis: J. Patterson (Abb. 39). 15. bis 20. Juni 4. Workshop für junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen »Keltische Archäologie (4.–1. Jh. v. Chr.)« (Leitung: Dirce Marzoli [Madrid], Pierre Moret [Toulouse], Daniel Baloup [Madrid]; Tutoren: Olivier Buchsenschutz [Paris], Daniele Vitali [Bologna], Luis Berrocal [Madrid], Otto-Herman Frey [Marburg], Gonzalo Ruiz Zapatero [Madrid], Thomas Stöllner [Bochum], Abb. 40). – Es sprachen: Olivier Buchsenschutz (Paris), Habitat et société de l’âge du Fer en Europe moyenne; Daniele Vitali (Bologna), I Celti in Italia; Luis Berrocal Rangel (Madrid), Rasgos identitarios de la Celtidad hispana; Otto-Herman Frey (Marburg), Massalia and the Keltikè; Gonzalo Ruiz Zapatero (Madrid)‚ De los enterramientos a las comunidades en la Edad del Hierro; Thomas Stöllner (Bochum), Economy of the Iron Age; Patricia Bargão Santos (Lissabon), La ocupación humana del Castro de Segóvia (Elvas-Portugal); Anne Baron (Strasbourg), Les objets en ›lignite‹ à l’âge du Fer. Recherche de provenance, utilisation, mise en œuvre et diffu-
Abb. 40 Die Teilnehmenden des vierten Workshops für junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen »Keltische Archäologie (4.–1. Jh. v. Chr.)« der Abteilung Madrid und der Casa de Velázquez (Madrid) im Garten des Madrider Instituts
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sion en Europe celtique du VIIIe au Ier siècle av. J.-C.; Javier Bermejo Meléndez (Huelva), La ciudad hispanorromana de Arucci/Turobriga. Oppida Civitas y municipium. Un modelo de implantación romana en la Baeturia Celtica; M. Christina Charro Lobato (Madrid), Paisaje, sociedad y trabajo doméstico. Un estudio de contraste entre las áreas ibéricas y vettona de la Segunda Edad del Hierro en la Península Ibérica; Sonia Díez Baranda (Madrid), El artesano del metal en la Península Ibérica durante la Edad del Hierro; Christina Farnié Lobensteiner (Madrid/Paris), Las aristocracias guerreras de la Primera Edad del Hierro en el Mediterráneo Noroccidental. La espada como instrumento de guerra y símbolo de poder; Manuel Alberto Fernández Götz (Madrid), Identidad y Poder. La Galia nororiental en la Segunda Edad del Hierro; Josephine Friederich (Frankfurt a. M.), Die Vierecksschanze von BopfingenFlochberg am Westrand des Rieses – Ein Beitrag zum jüngerlatènezeitlichen Besiedlungsgefüge im Umfeld des Ipf und zur Bedeutung der Vierecksschanzen; Jesús García Sánchez (Santander), Análisis territorial de la frontera de los Cántabros. La transición de la Segunda Edad del Hierro a partir del registro arqueológico, herramientas SIG y Arqueología del Paisaje; David González Álvarez (Madrid), Las comunidades castreñas cantábricas: La construcción de un paisaje campesino; Kirsten Hellström (Berlin), Fibeln und Fibeltracht in der Nordschwarzmeersteppe. Studien zu Typologie, Chronologie und Kulturtransfer im 2. Jh. v. – 3. Jh. n. Chr.; Gregorio Manglano Valcárcel (Madrid), Concepto, simbología y funcionalidad de la escultura zoomorfa céltica en la Península Ibérica; Pedro Reyes Moya Maleno (Madrid), Etnoarqueología y folklore aplicados a la Hispania céltica; Javier Parra Camacho (Madrid), Poblamiento celtibérico en el alto Tajuña; Caroline von Nicolai (Gießen/Paris), Sichtbare und unsichtbare Grenzen. Zur Funktion späteisenzeitlicher Befestigungsanlagen; Katja Winger (Frankfurt a. M.), Die Auswertung der Ausgrabungen auf der Südumgehung im Oppidum von Manching (1965–1971). Abbildungsnachweis: J. Patterson (Abb. 40). 24. Juni Vierte Tagung zur Geschichte der Abteilung Madrid des DAI »Historia del Instituto Arqueológico Alemán de Madrid. Sus investigaciones y la recepción de la arqueología clásica alemana (1954–2004). El Mundo romano« (Koordination: Jorge Maier [Madrid], Thomas G. Schattner [Madrid], Abb. 41). – Es sprachen: Dirce Marzoli (Madrid), Begrüßung; Emilio Crespo (Madrid) – Cesáreo Pérez (Segovia), Diskussionsleitung; José María Luzón (Madrid), Líneas de Investigación del IAA de arqueología clásica en la Península; Eva María Koppel (Tarragona), Aportaciones al estudio de la plástica y escultura hispanorromana; Ángel Ventura (Córdoba), Estudios epigráfíco-arqueológicos; José Beltrán Fortes (Sevilla), Munigua; José
Abb. 41 Die Teilnehmenden der Vierten Tagung zur Geschichte der Abteilung Madrid des DAI »Historia del Instituto Arqueológico Alemán de Madrid. Sus investigaciones y la recepción de la arqueología clásica alemana (1954–2004). El Mundo romano« im Garten des Madrider Instituts
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María Álvarez (Mérida), Mérida; Carlos Fabião (Lissabon), Investigaciones del occidente peninsular; Ricardo Mar (Tarragona), La Bauforschung alemana en Hispania; Gloria Mora (Madrid), Las Colecciones de escultura clásica como tema; Emílio Illarregui Gómez (Segovia), Arqueología militar y castramental Almudena Orejas (Madrid), La minería hispanorromana; Jaume Massó Carballido (Reus), Tarragona. Abbildungsnachweis: J. Patterson (Abb. 41). 23. September Eröffnung der Tagung »Wissensübermittlung von der Antike ins Mittelalter: Wasser« (Ort: Toledo, Real Fundación de Toledo). – Es sprachen: Fernando Valdés (Madrid), Julio Mangas (Madrid) und Dirce Marzoli (Madrid). Im Anschluss gab es einen Empfang im Garten der Real Fundación de Toledo; 24./25. September Tagung »Wissensübermittlung von der Antike ins Mittelalter: Wasser«. – Es sprachen: Juan Ignazio de Mesa (Vizepräsident der Real Fundación de Toledo) – Santiago Palomero (Präsident der Diputación Provincial de Toledo) – Gustavo Figueroa (Vizepräsident der Staatlichen Museen Spaniens) – Hans-Günter Löff ler (Leiter des Kulturreferats der Deutschen Botschaft, Madrid) – Dirce Marzoli (Erste Direktorin der Abteilung Madrid) – Fernando Valdés (Universität Autónoma, Madrid), Grußworte zur Eröffnung; Eröffnungsvortrag: Julio Mangas (Universität Complutense, Madrid), Toledo – La transmisión del saber de la Antigüedad a la Edad Media • »Sektion – Orient«: Burkhard Vogt (Bonn), Der Große Damm von Marib ( Jemen) im Bewusstsein und Gedächtnis der Südaraber; Patrick Keilholz (München), Die Entwicklung eines Wasserversorgungssystems von der hellenistischen bis zum Ende der byzantinischen Zeit dargestellt am Beispiel von Gadara; Tsvika Tsuk (Tel Aviv), The Development of Roman Water Supply Systems until the Medieval Age shown at the Example of the Roman Province of Palestine • »Sektion – Rom und Italien«: Christoph Ohlig (Wesel), Die Wasserversorgung der Villa Hadriana – Neuplanung als Ersatz eines versinterten Systems; Henning Fahlbusch (Lübeck), Römische Elemente der Hydrotechnik – Grundlage der Wasserversorgung bis zur Neuzeit • »Sektion: Iberische Halbinsel«: Fernando Aranda (Mérida), La gestión del agua, en época romana, en el ámbito urbano; Almudena Orejas (Madrid), La gestión del agua, en época romana, en el ámbito rural; Juan Murillo (Córdoba) – Alberto León (Córdoba), La continuidad de los sistemas hidráulicos en Córdoba entre el mundo romano y el mundo islámico; Felix Arnold (Madrid), Architektur und Wasser. Zu ihrem Bedeutungswandel in den Landsitzen römischer und islamischer Zeit im Umland von Córdoba; Kai Wellbrock (Lübeck), Wasserspiele und Zierbrunnen – Die Beeinf lussung des Mikroklimas durch hydrotechnische Elemente nicht nur in römischer Zeit • »Sektion: Toledo – Schriftquellen«: Jesús Morán (Toledo) – Miguel Arenillas (Toledo), Los sistemas hidráulicos de Toledo; Fernando Valdés (Madrid) – Carlos Varona (Amman), La llamada mezquita de las Tornerías, un ejemplo de fundación pía (habus) en el Toledo islámico; Patrice Cressier (Lyon), La hidráulica en al-Andalus y el Magrib al-Aqsà: ¿una nueva forma de concebir el espacio?; Helmuth Schneider (Kassel), Die spanischen Provinzen bei Diodor und Strabon; Werner Eck (Bergisch-Gladbach), Wasserbauten in den spanischen Provinzen Roms. Staatliche oder städtische Verantwortung für die Infrastruktur?; Thomas G. Schattner (Madrid), Die Realien in den Etymologiae des Isidor von Sevilla. Vorbemerkungen zu einem Archäologischen Kommentar; Barbara Sasse (Freiburg), Alte Weisheit in Gottes Hand. Klösterliche Wissensgemeinden im Umgang mit antiken Kenntnissen; Antonio Becchi (Berlin), Bauen mit Wasser, bauen fürs Wasser: Der Fall Vitruv.
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16. Dezember »Conmemoración del 75 aniversario de las investigaciones de Adolf Schulten en Bilbilis« in Calatayud (Zaragoza) (Leitung: Manuel Martín Bueno [Zaragoza]), Dirce Marzoli [Madrid]). – Es sprachen: Dirce Marzoli (Madrid) – Manuel Martin Bueno (Zaragoza) – Victor Ruiz de Diego (Bürgermeister von Calatayud) – Julia Oliva Agustín (Kulturreferentin von Calatayud/Concejala de Cultura), Einführung; Michael Blech (Bad Krotzungen)‚ Adolf Schulten y Bilbilis.
Veranstaltungen zu den Forschungsclustern des DAI
Abb. 42 Treffen der Metall-AG des Forschungsclusters 2 »Innovationen: technisch, sozial« des DAI, Los Millares (Santa Fé de Mondújar, Almería). Rekonstruktion eines Hauses mit einer Feuerstelle und Blasebalgen, von rechts nach links: Salvador Rovira und Michael Bode Abb. 43 Treffen der Metall-AG des Forschungsclusters 2 »Innovationen: technisch, sozial« des DAI, La Bastida (Totana, Murcia). Besichtigung der laufenden Ausgrabung, von rechts nach links: Selina Delgado (Erklärung der Grabung), Ignacio Montero, Barbara Helwing, Stefan Burmeister, Svend Hansen
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Treffen der Metall-AG des Forschungsclusters 2 »Innovationen: technisch, sozial« des DAI 17. bis 21. Juni Treffen der Metall-AG des Forschungsclusters 2 »Innovationen: technisch, sozial« des DAI in Almería (Spanien) (Leitung: Michael Kunst [Madrid]). – Es sprachen: Ana Navarro (Direktorin des Museums von Almería), Grußworte; Michael Kunst (Madrid), Einleitung – Zusammenfassung unserer bisherigen Arbeiten; Salvador Rovira (Madrid), On the Role of Metallurgy in Social Systems as Driving Force of Social Evolution; Barbara Helwing (Berlin), Early Metallurgy in Western Asia. Arisman in a Wider Perspective; Peter Rothenhöfer (München), Plinius n. h. 34, 164 und staatliche Eingriffe in die Metallproduktion; Svend Hansen (Berlin) Kupfer im 5. und 4. Jahrtausend; Dirk Brandherm (Belfast), Metallurgie als Katalysator sozialen Wandels zwischen Steinkupfer- und Bronzezeit in Südostspanien?; weitere Teilnehmer waren: Michael Bode (Bochum), Stefan Burmeister (Hamburg), Norbert Hanel (Köln), Florian Klimscha (Berlin), Catalina Martínez Padilla (Almería), Ignacio Montero (Madrid), Thomas G. Schattner (Madrid), Jan Schneider (Gießen) und Ángela Suárez (Almería). In den Provinzen von Almería und Murcia wurden folgende Ausgrabungsstätten besucht: Die kupferzeitliche Siedlung mit Nekropole und kleinen Höhenbefestigungen (Fortines) von Los Millares (Santa Fé de Mondújar, Almería, Abb. 42); die bronzezeitlichen Siedlungen der El Argar-Kultur von Fuente Álamo (Cuevas del Almanzora, Almería), Los Cipreses (Lorca, Murcia), La Bastida (Totana, Murcia, Abb. 43), sowie die archäologischen Museen von Lorca und Almería.
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(Mitarbeit bei Organisation und Führungen im Gelände: Francisco Alcarás [Almería], Catalina Martínez Padilla [Almería], Ana Navarro [Almería], Manuel Ramos [Almería], Ángela Suárez [Almería], Robert Risch [Barcelona], Fernando Molina [Granada], Andrés Martínez Rodríguez [Lorca], Selina Delgado [Totana]. Abbildungsnachweis: D-DAI-MAD-MK-DG-027-2009-082, M. Kunst (Abb. 42); D-DAI-MAD-MK-DG-027-2009-152, M. Kunst (Abb. 43).
Gründung einer Forschungsstelle in Lissabon
20. Mai In Lissabon wurde das Memorandum zur Einrichtung einer Forschungsstelle des DAI von dem Präsidenten des DAI Hans-Joachim Gehrke, dem Direktor des IGESPAR (Instituto de Gestão do Património Arquitectónico e Arqueológico/Portugiesisches Amt für Architektur- und Bodendenkmalpf lege) Elísio Summavielle sowie von dem Geschäftsträger der Deutschen Botschaft in Lissabon Frank Rückert, unterschrieben (Abb. 44). Das IGESPAR befindet sich momentan im Umzug. Sobald dieser abgeschlossen ist, wird die Forschungsstelle in dessen Räumlichkeiten eröffnet und ihren Betrieb aufnehmen. Im Gegenzuge wird das Institut portugiesischen Archäologen alljährlich eines seiner Stipendien einräumen. Angesichts der zahlreichen laufenden Projekte des Instituts in Portugal liegt die wissenschaftliche Rechtfertigung für die Einrichtung der Forschungsstelle auf der Hand: Zambujal, Sizandro-Alcabrichel, São Miguel da Mota, Centum Celas, Cabeço das Fráguas, Romanisierung einheimischer Heiligtümer im Westen der Iberischen Halbinsel, Heilige Plätze und ländliche Heiligtümer im indoeuropäischen Hispanien. Daneben organisiert das DAI archäologische Tagungen Abb. 44 Frank Rückert, Elísio Summavielle und Hans-Joachim Gehrke nach der Unterzeichnung des Memorandums der Gründung der Forschungsstelle des DAI in Lissabon (von links nach rechts) Abb. 45 Bei der Unterzeichnung des Memorandums zur Gründung der Forschungsstelle des DAI in Lissabon waren Hans-Joachim Gehrke, Elísio Summavielle, Frank Rückert sowie Joao Pedro Cunha Ribeiro, Manfred Schüler, Luis Raposo, José d’Encarnacao, Fernando Real, José Arnaut, Philine Kalb, Martin Höck, António Carlos Silva, Theodor Hauschild, Dirce Marzoli, Thomas G. Schattner und Michael Kunst anwesend
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und Ausstellungen und portugiesische Doktoranden arbeiten an Forschungsthemen aus Projekten des DAI. Die Forschungsstelle knüpft – nun in anderer Form – an die Präsenz des DAI in diesem Lande an, wo zwischen 1971 und 1999 bereits eine Außenstelle der Abteilung Madrid bestand. Von daher ist die Freude über die Einrichtung allseits groß. Bei der Unterzeichnung des Memorandum waren außer den oben Erwähnten folgende Kollegen anwesend: Joao Pedro Cunha Ribeiro (Subdirector Igespar, Lissabon), Manfred Schüler (Kulturabteilung der Deutschen Botschaft, Lissabon), Luis Raposo (Direktor des Museu Nacional de Arqueologia Lisboa), José d’Encarnacao (Professor em. an der Universität Coimbra), Fernando Real (Direktor des Museu de Foz Côa), José Arnaut (Vorsitzender der Asociacao dos Arqueólogos Portugueses, Lissabon), Philine Kalb (Frankfurt a. M.), Martin Höck (Universidade da Covilha), António Carlos Silva (Igespar Évora), Theodor Hauschild (em. Abteilung Madrid) sowie von Seiten der Abteilung Madrid Dirce Marzoli, Thomas G. Schattner und Michael Kunst (Abb. 45). Abbildungsnachweis: M. Kunst (Abb. 44. 45).
Forschungsreise mit dem Präsidenten
Abb. 46 Der Präsident des DAI HansJoachim Gehrke mit José Suárez Padilla, Dirce Marzoli und Cesar Leon in Los Castillejos de Alcorrín (Málaga)
Dirce Marzoli, Thomas G. Schattner und Michael Kunst begleiteten den Präsidenten des DAI Hans-Joachim Gehrke auf eine Reise durch Portugal und Spanien zur Besichtigung von Grabungsplätzen des DAI. Die Reise begann in Spanien mit dem Besuch von Mérida, führte weiter nach Portugal, wo nach einer Besichtigung der Projekte in Belmonte (Centum Celas) und Zambujal (Torres Vedras) ein Aufenthalt in Lissabon folgte, wo der Präsident das Memorandum der neuen Forschungsstelle des DAI unterzeichnete. Im Anschluss wurde die Reise in Spanien mit einem Besuch von Tharsis und Córdoba mit Besichtigung des Landsitzes ar-Ruman¥ya und der Moschee von Córdoba fortgesetzt. Weitere Stationen bestanden in den Besuchen der Projekte in Munigua bei Sevilla und Los Castillejos de Alcorrín bei Estepona (Abb. 46). Die Reise schloss mit der Rückkehr über Antequera und Toledo nach Madrid. Abbildungsnachweis: M. Kunst (Abb. 46).
Öffentlichkeitsarbeit
Abb. 47 Plakat der Ausstellung »Vaso Campaniforme. A Europa do 3º milénio antes de Cristo. Bell-Beaker. Europe at the 3rd Millennium before Christ« im portugiesischen Nationalmuseum für Archäologie in Lissabon
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Ausstellungen 15. Mai bis 15. Oktober Ausstellung »Vaso Campaniforme. A Europa do 3º milénio antes de Cristo. Bell-Beaker. Europe at the 3rd Millennium before Christ« im Museu Nacional de Arqueologia in Lissabon (Portugal) (Konzeption und wissenschaftliche Koordination: Michael Kunst [Madrid]; Design: Olga Moreira [Torres Vedras]; Adaption an den Raum des Lissaboner Nationalmuseums für Archäologie: Michael Kunst [Madrid], Ana Isabel Santos [Lissabon]; Video: Pedro Fortunato [Câmara Municipal de Torres Vedras], Michael Kunst [Madrid]; Organisation: Museu Municipal Leonel Trindade, Câmara Municipal de Torres Vedras, Museu Nacional de Arqueologia, Lissabon; Begleitheft: Michael Kunst [Madrid] und Câmara Municipal de Torres Vedras, Abb. 47). Die Ausstellung war mit 62 340 Besuchern ein großer Erfolg.
252 Jahresbericht 2009 des DAI Abb. 48 Plan der Glockenbecherausstellung in Lissabon. In den Vitrinen wurde ausgestellt: V1 Zylindrische Becher; V2 Elfenbeinfunde; V3 Verzierte Schieferplatten; V4 Glockenbecher in Portugal; V5 Funde aus Nord- und Südportugal im Vergleich zu Vila Nova de S. Pedro und Leceia; V6 Grabinventare aus Quinta do Anjo; V7 Keramik aus Fraga da Pena; V8 Fundmaterial aus der Cova da Moura und Quinta das Lapas (Torres Vedras); V9 Siedlungsfunde aus Zambujal; V10 Metallurgische Reste aus Zambujal; V11 Glockenbecher aus Zambujal
Abb. 49 Ausstellung »Vaso Campaniforme. A Europa do 3º milénio antes de Cristo. BellBeaker. Europe at the 3rd Millennium before Christ«, Blick über die Vitrine V4 auf die Schautafeln 13 und 11 (vgl. Plan in Abb. 47) 48
Es handelte sich um eine komprimierte Fassung der im Vorjahr unter Mitwirkung von 50 Prähistorikern aus verschiedenen Ländern gezeigten Ausstellung in Torres Vedras (s. AA 2009/1 Beiheft, 270. 271). Dargestellt wurde: 1) eine allgemeine Einleitung in das Thema und Definitionsfragen, 2) die Verbreitung der Glockenbecher in Europa mit ausgewählten Postern einiger Regionen (Abb. 48) als Hintergrund die Entwicklung der Transportmittel im 4. und 3. Jt. v. Chr. (Rad und Wagen, Schiff und Pferdedomestikation) sowie der Elfenbeinhandel, 3) die zylindrischen Becher als mögliche Vorgänger des Glockenbechers in Portugal, 4) die Verbreitung der Glockenbecher in Portugal mit ausgewählten Postern einiger portugiesischer Landesteile sowie zahlreichen Ausstellungsstücken (Abb. 49), 5) Zambujal als Beispiel einer befestigten Siedlung der Kupferzeit der Iberischen Halbinsel, in der neben metallurgischen Aktivitäten auch das Auf kommen der Glockenbecher schon vor der Mitte des 3. Jts. v. Chr. nachgewiesen ist. Abbildungsnachweis: Museu Nacional de Arqueologia, Lisboa (Portugal) (Abb. 47–49). 26. Juni Eröffnung der Photoausstellung »Blick – Mira!« (Abb. 50) im Archäologischen Museum von Manacor (Kooperationspartner: Museo Arqueológico Nacional de Tarragona, Museo de Manacor; Leitung: Dirce Marzoli [Madrid], Pilar Sada [Tarragona], Fransesc Tarrats [Tarragona]; Mitarbeit: Michael Kunst [Madrid], John Patterson [Madrid], Magdalena Salas [Manacor]). Es war dies der sechste Standort der erfolgreichen Wanderausstellung, die seit 2005 läuft. Bei der Eröffnung sprachen: Magdalena Salas (Direktorin des Museums von Manacor), Isabel Febrer (Stadträtin für Kultur von Manacor), Francesc Tarrats (Tarragona) sowie Michael Kunst (Madrid). Die Ausstellung war vom 26. Juni bis 27. August zu sehen, sie hatte 2 071 Besucher. Abbildungsnachweis: D-DAI-MAD-DG-027-2009-216, J. Palmer (Abb. 50).
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Abb. 50 Bei der Eröffnung der Photoausstellung »Blick – Mira!« vor dem Museum in Manacor (Mallorca), von links nach rechts: Francesc Tarrats, Magdalena Salas, Michael Kunst
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Abb. 51 Zambujal (Portugal), Filmarbeiten in Zambujal. Der Kran der Filmkamera wird durch die Barbakane geschwenkt
Filmarbeiten 14./15. Juni Filmarbeiten in Zambujal: Für eine Sendung mit dem Arbeitstitel »Tatort Eulau« über Glockenbecher wurde für die Serie Terra X des ZDF von der »Neuen Deutschen Filmgesellschaft« unter Leitung von Gernot Dahm (Hamburg) gefilmt. Der Regisseur war Michael Gregor (Berlin). Dazu hatte Michael Kunst unter Mitarbeit von Nina Lutz (Marburg) und dem Topographen Christian Hartl-Reiter (Schwerin) sowie einer Gruppe von Studierenden der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M. unter Leitung von Rüdiger Krause eine Vermessungskampagne organisiert. Der erste Drehtag fand in Zambujal während dieser Untersuchung statt (Abb. 51), der zweite in der Glockenbecherausstellung im Nationalmuseum für Archäologie in Lissabon, dessen Direktor, Luís Raposo, und dessen Konservatorin, Ana Isabel Santos, dankenswerterweise auch Filmarbeiten in der Goldkammer des Museums ermöglichten. Abbildungsnachweis: D-DAI-MAD-MK-DG-026-09-150, M. Kunst (Abb. 51).
Veröffentlichungen
Madrider Mitteilungen 50, 2009 Iberia Archaeologica 11: K. Pieper, Der mudejare Bauschmuck im mittelalterlichen Aragón am Beispiel der Stuckfenster Iberia Archaeologica 12: T. G. Schattner – F. Valdés Fernández (Hrsg.), Spolien im Umkreis der Macht – Spolia en el entorno del poder. Tagung in Toledo 2006 Iberia Archaeologica 13: S. Helas – D. Marzoli (Hrsg.), Phönizisch-punisches Städtewesen. Tagung Rom 2007
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Mitglieder der Kommission der AEK
Die Direktoren der AEK Der Präsident Kobler Martin, MD Auswärtiges Amt, Leiter der Kulturund Kommunikationsabteilung Werderscher Markt 1 D-10117 Berlin Dietz, Karlheinz, Prof. Dr. Julius-Maximilians-Universität Lehrstuhl für Alte Geschichte Residenzplatz 2, Tor A D-97070 Würzburg Eck, Werner, Prof. Dr. Dr. h. c. Universität zu Köln Historisches Seminar 1 Alte Geschichte Albertus-Magnus-Platz D-50923 Köln Funke, Peter, Prof. Dr. Westfälische-Wilhelms-Universität Seminar für Alte Geschichte, FB 7 Domplatz 20–22 D-48143 Münster Jehne, Martin, Prof. Dr. Technische Universität Lehrstuhl für Alte Geschichte Mommsenstr. 13 D-01069 Dresden Leppin, Hartmut, Prof. Dr. Johann-Wolfgang Goethe-Universität Abteilung für Alte Geschichte, Historisches Seminar, FB 08 Grüneburgplatz 1 D-60323 Frankfurt a. M. Palme, Bernhard, Prof. Dr. Universität Wien Institut für Alte Geschichte und Alter tumskunde, Papyrologie und Epigraphik Dr. Karl-Lueger-Ring 1 A-1010 Wien
Rebenich, Stefan, Prof. Dr. Universität Bern Historisches Institut Unitobler Länggassstrasse 49 CH-3000 Bern 9 Schmitz, Winfried, Prof. Dr. Rheinische-Friedrich-WilhelmsUniversität Philosophische Fakultät, Seminar für Alte Geschichte Am Hof 1 e D-53113 Bonn Wolters, Reinhard, Prof. Dr. Eberhard-Karls-Universität Institut für Klassische Archäologie Schloss Hohentübingen D-72070 Tübingen Zimmermann, Martin, Prof. Dr. Ludwig-Maximilians-Universität Abteilung Alte Geschichte, Historisches Seminar Geschwister-Scholl-Platz 1 D-80539 München Buchner, Edmund, Prof. Dr. Präsident i. R. Nadistr. 14 D-80809 München (ohne Votum)
Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik
Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik Amalienstr. 73 b D-80799 München Tel.: +49-(0)89-28 67 67-60 Fax: +49-(0)89-28 67 67-80 E-Mail: [email protected]
Direktoren PD Dr. Christof Schuler, Erster Direktor Prof. Dr. Rudolf Haensch, Wissenschaftlicher Direktor Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Jérémie Chameroy, PD Dr. Helmut Müller, Prof. Dr. Johannes Nollé, Dr. Peter Rothenhöfer Wissenschaftliche Hilfskräfte Sophia Bönisch M. A. (ab 15. 4.), Mag. phil. Roland Färber, Simone Killen M. A. (bis 31. 3.), Sandra Scheuble M. A., Stefanie Schmidt M. A. Aus Drittmitteln finanzierte Stellen Dr. Norbert Hanel (DFG, ab 1. 9.), Dr. Andreas Victor Walser (DFG)
Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik, München Forschungen
Abb. 1 Inschriften von Pergamon (Türkei), die Lage des attalidischen Forts von Yaylakale im Yünt-Dağ Gebirge zwischen Pergamon und dem Norden Lydiens
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Die Inschriften von Pergamon (Türkei), das Fort (Phrourion) von Yaylakale Seit Beginn der deutschen Ausgrabungen in Pergamon werden auch die dort gefundenen Inschriften gesammelt und zunächst zumeist in Form von Aufsätzen in wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert und dann noch einmal in umfassenden Sammelbänden geschlossen vorgelegt. Die ersten dieser Sammelbände erschienen schon 1890. Auch nach über 100 Jahren epigraphischer Forschung werden immer noch Inschriften bekannt, die unser Wissen vom hellenistischen, römischen und byzantinischen Pergamon wesentlich erweitern. Zwei solcher Inschriften wurden am Fuße des in der Nähe des Dorfes Yaylaköy gelegenen, Yaylakale genannten, schrof-
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fen Bergzackens im Nordosten des Yünt-Dağ gefunden. Der heute YüntDağ genannte Bergrücken schließt die Ebene des Kaikos (heute Bakır Cay) im Süden ab und trennt sie von der antiken Landschaft Lydien. Im 3. und 2. Jh. v. Chr. markierte der Bergrücken die Grenze zwischen zwei hellenistischen Königreichen: Das Kaikostal bildete den Kern des von der Dynastie der Attaliden regierten pergamenischen Reiches, Lydien gehörte den Seleukiden (Abb. 1). Die beiden am Fuß des Yaylakale gefundenen Inschriften berichten von einem in der Mitte des 2. Jhs. v. Chr. gegründeten Vereins von Verehrern des Asklepios, des griechischen Gottes der Heilkunst. Während die erste vergleichsweise schlecht erhaltene Inschrift die Satzung des Kultvereins überliefert, bietet die zweite eine Liste seiner Gründungsmitglieder (Abb. 2). Stifter des Kultvereins und des zugehörigen Heiligtums war ein gewisser Demetrios, Sohn des Seuthes, Phrourarch (Festungskommandant). Seinem Namen nach handelte es sich um einen Thraker. Thraker wurden sowohl von den hellenistischen Herrschern wie auch dann von den römischen Kaisern gerne in ihre Heere rekrutiert. Auch bei den Mitgliedern des neu gegründeten Vereins dürfte es sich, ihren Namen nach zu urteilen, um Söldner in attalidischen Diensten handeln. Denn in der Nähe des Fundortes der Inschriften sind auch noch Spuren des von diesem Phrouarchen kommandierten Forts zu erkennen (Abb. 3): Obwohl es bisher keine detaillierte Aufnahme der Überreste gibt, lassen sich bei einer Begehung des Geländes neben minimalen Resten einer Stütz- oder Umfassungsmauer insbesondere ein schluchtartiger Zugangszwinger sowie Felsabarbeitungen auf der Bergspitze ausmachen (Abb. 4). Dieses auf der Wasserscheide gelegene Fort mit weiter Fernsicht auf beide Siedlungskammern markierte und schützte anscheinend die Grenze des pergamenischen Herrschaftsbereiches und kontrollierte eine noch im 19. Jh. als ›Alter Postbotenweg‹ bekannte Straße vom Kaikostal nach Sardis, dem Zentrum Lydiens. Kooperationspartner: DAI, Abteilung Istanbul (F. Pirson) • Ansprechpartner: H. Müller • Abbildungsnachweis: Ausschnitt aus O. Berlet, Die pergamenische Landschaft, AvP I (Berlin 1913) Taf. 1 (Abb. 1); H. Müller (Abb. 2–4).
Abb. 3 Inschriften von Pergamon (Türkei), die Bergspitze von Yaylakale aus der Perspektive der antiken Straße
Abb. 2 Inschriften von Pergamon (Türkei), Inschriftenstele mit der Liste der Gründungsmitglieder eines von dem Kommandanten eines attalidischen Forts ins Leben gerufenen Vereins von Verehrern des Heilgottes Asklepios
Abb. 4 Inschriften von Pergamon (Türkei), in den Felsen eingehauene Turmfundamentierung auf dem Gipfel von Yaylakale mit Blick in die lydische Ebene
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Abb. 5 a. b Fundmünzen aus Pergamon (Türkei), in Pergamon 2008 gefundene 10-Cent-Münze Hongkongs (1989 geprägt)
Abb. 6 a. b Fundmünzen aus Pergamon (Türkei), in Pergamon 1988 gefundene Bronzemünze der dortigen städtischen Prägung des 2.–1. Jhs. v. Chr. Vorderseite: Asklepioskopf mit Lorbeerkranz. Rückseite: Adler auf Blitz (ein anderes Exemplar: SNG Tüb. 2450) Abb. 7 a. b Fundmünzen aus Pergamon (Türkei), in Pergamon 1988 gefundene Bronzemünze der Stadt Hermokapeleia (Lydien) aus der Zeit des Septimius Severus (193–211 n. Chr.). Vorderseite: Kaiserkopf mit Lorbeerkranz. Rückseite: Asklepios frontal stehend, die rechte Hand auf Schlangenstab (ein anderes Exemplar: SNG von Aulock 2950)
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Fundmünzen aus Pergamon (Türkei), Zusammensetzung und Umlaufdauer von Bronzegeld in Stadt und Umland Die Vielfalt der Fundmünzen aus den Grabungen in Pergamon spiegelt die Geschichte des Burgbergs über eine Zeitspanne von fast 2 500 Jahren wider. Neben antiken, byzantinischen und islamischen Prägungen tauchen z. B. auch einige neuzeitliche Münzen aus aller Welt auf, die wohl Touristen beim Besuch der antiken Stadt verloren haben (Abb. 5 a. b). Im Rahmen eines von verschiedenen Institutionen getragenen Projekts sollen die unpublizierten Fundmünzen aus der Stadtgrabung (Kampagnen 1984–1998), den Sondagen am Osthang des Burgbergs (2006–2009) sowie aus den Oberf lächenuntersuchungen auf den Gebieten der Nachbarstädte Atarneus und Elaia als elektronischer Katalog veröffentlicht und unter historischen Gesichtspunkten ausgewertet werden. Bei der Aufnahme des Fundmaterials stößt man auf grundlegende Probleme der Datierung der Bronzeprägung im Pergamon der hellenistischen Zeit. Chronologische Anhaltspunkte zu ihrer Einordnung fehlen bisher, so dass die Entwicklung der pergamenischen Bronzeprägung immer noch debattiert wird. In dieser Frage führen die Fundmünzen der neueren Grabungen weiter: Insbesondere die Untersuchung der Einzelfunde aus Atarneus, dessen Besiedlung im 2. Jh. v. Chr. endete, sowie die eines kleinen Hortfundes der frühen Kaiserzeit aus der Stadtgrabung ergeben wichtige neue Eckdaten zur Chronologie bestimmter pergamenischer Münzserien. Im hellenistischen Pergamon zirkulierten nicht nur einheimische Bronzemünzen (Abb. 6 a. b), sondern fast genauso viele auswärtige Prägungen. Diese stammen vor allem aus Mysien (Adramytteion, Gambreion, Kyzikos, Pitane), aus der Äolis (Elaia, Kyme, Myrina), seltener aus Ionien (Chios, Erythrai, Smyrna). Abgesehen von Gambreion und Sardis fällt der Beitrag der Städte des kleinasiatischen Hinterlandes relativ gering aus. Auffallenderweise ›bezog‹ Pergamon also die meisten Münzen aus Insel- und küstennahen Städten. Für die kaiserzeitlichen Bronzen ändert sich das Bild vollkommen. Über drei Viertel wurden in Pergamon selbst hergestellt, ›fremde‹ Münzen kamen vor allem aus Elaia und lydischen Städten (Akrasos, Attaleia, Hermokapeleia, Sardis, Thyateira) (Abb. 7 a. b). Dazu benutzten die Pergamener auch reichsrömische Silbermünzen: Denare im Wert von einem Drittel der in Kleinasien hergestellten Kistophoren und ab den 240er Jahren Antoniniane (Doppeldenare). Inwieweit ref lektiert die gemischte Zusammensetzung der Fundmünzen die Kontakte Pergamons mit seinem Umland und weiter entfernten Städten? Grundsätzlich gilt, dass die Fundmünzen – hauptsächlich Bronzen – nur einen kleinen Ausschnitt der Geldstücke darstellen, die in Pergamon in Gebrauch waren. So handelt es sich nur bei 1 % der Fundmünzen um Silbermünzen,
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die zudem teilweise in Pergamon selbst geprägt wurden; Goldmünzen fehlen gänzlich. Im Gegensatz zu Gold- und Silbermünzen, die zum Fernhandel geeignet waren, wurden aber Bronzemünzen eher selten über längere Distanzen transportiert. Zeichnet die Herkunft der einzeln aufgefundenen Bronzemünzen die Verkehrswege zwischen Pergamon und den anderen Städten im engeren und weiteren Umfeld nach? Auch eine solche Interpretation stößt an durch das Material vorgegebene Grenzen: Für die Zirkulation der Münzen einer benachbarten Stadt können deren Umlaufdauer sowie deren Prägetätigkeit (Prägerhythmus und ‑volumen, Wert der ausgebrachten Stücke) genauso maßgebend gewesen sein wie ihre politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Pergamon. Ein Vergleich mit dem entsprechenden Fundmaterial in anderen Städten soll helfen, partielle Verzerrungen durch solche Faktoren aufzudecken. Kooperationspartner: DAI, Abteilung Istanbul; Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz • Leitung des Projekts: Ch. Schuler • Ansprechpartner: J. Chameroy • Abbildungsnachweis: DAI, Pergamongrabung (Abb. 5 a. b); S. Steidl, RGZM (Abb. 6 a. b; 7 a. b). Pamphylische Studien, Quellencorpus zur Geschichte der Stadt Sillyon (Türkei) Auf der Basis der Sammlung und Auswertung aller verfügbaren literarischen, epigraphischen und numismatischen Zeugnisse soll eine Geschichte der pamphylischen Kleinstadt Sillyon entstehen. Der bedeutende österreichische Südkleinasienforscher K. Graf LanÏckoronski hat gegen Ende des 19. Jhs. den beeindruckenden, 230 m hohen Tafelberg von Sillyon als das Wahrzeichen Pamphyliens bezeichnet (Abb. 8). Jene Ackerbauern, die sich bereits in der frühen Bronzezeit in den Schwemmlandebenen Pamphyliens, des ›Landes aller Völker‹, angesiedelt hatten, verfügten zwar über ertragreiche Feldf luren, waren aber von der See her allzeit bedroht. Unberechenbar waren auch die kriegerischen Bergstämme, die von ihren Sitzen in den Taurusbergen immer raubgierig auf die Ebene mit ihren reichen Siedlungen hinabblickten. Deshalb wurden Aspendos, Perge und Sillyon bei oder auf Tafelbergen angelegt; die Bevölkerung von Side verschanzte sich auf einer Halbinsel. Der Tafelberg von Sillyon ist eine Dimension für sich: Sein Plateau ist so groß, dass die gesamte antike Stadt auf ihm Platz fand. Nach drei Seiten hin fällt er so steil ab, dass Befestigungen überf lüssig waren; nur die Westseite musste
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Abb. 8 Pamphylische Studien, Sillyon (Türkei). Massive Befestigungen sichern den westlichen Aufgang zum Tafelberg von Sillyon. Im Vordergrund Treibhäuser Abb. 9 Pamphylische Studien, Sillyon (Türkei). Vorgeschobener Festungsturm der Stadtmauer von Sillyon
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11 Abb. 10 Pamphylische Studien, Sillyon (Türkei). Vorderseite einer hellenistischen Bronzeprägung von Sillyon mit dem behelmten bärtigen Kopf des Ares Abb. 11 Pamphylische Studien, Sillyon (Türkei). Rückseite einer kaiserzeitlichen Bronzeprägung von Sillyon mit einer Darstellung des Ares mit Lanze und einem Schwert mit Wehrgehänge
mit Mauern und Türmen gesichert werden (Abb. 9). Die Stadt war so schwer einzunehmen, dass Alexander der Große, als er nach Pamphylien kam, auf die Eroberung der Stadt verzichtete. Angesichts dieser Wehrhaftigkeit ist es nicht verwunderlich, dass der Kriegsgott Ares zu den führenden Stadtgöttern von Sillyon gehörte. Kontinuierlich erscheint er auf ihren Münzen: Schon auf den frühesten Geprägen der Stadt – Bronzen aus dem 3. Jh. v. Chr. – ist sein behelmter Kopf abgebildet; seine Darstellung wurde während der gesamten hellenistischen Zeit mit ihren ständigen kriegerischen Verwicklungen immer wieder auf das lokale Wechselgeld von Sillyon gesetzt (Abb. 10). In den ersten zwei Jahrhunderten der römischen Kaiserzeit, als Rom im gesamten Imperium die Pax Augusta durchsetzte, erscheint er kaum noch auf den Münzen. Erst ab der Zeit des Septimius Severus, als das Militär wieder eine größere Rolle zu spielen begann, prägten die Bürger von Sillyon erneut in größerem Umfang Münzen mit Ares (Abb. 11). In der Zeit des Gallienus, als die Wehrhaftigkeit der Stadt bei der Zurückdrängung der weit nach Kleinasien hinein vorgestoßenen Perser wieder wichtig war, emittierte Sillyon eine Ares-Münze, die auf die strategische Bedeutung der Stadt hinwies. Damals bezeichnete sich die Stadt voller Stolz auf ihrem Lokalgeld als Freundin und Verbündete des Römischen Volkes. Im frühen Mittelalter war der Schutz des Tafelberges von Sillyon erneut gesucht: Wegen der Angriffe der Araber im 7. Jh. n. Chr. zog sich der Metropolit der ersten pamphylischen Kirchenprovinz von dem in der Ebene gelegenen Perge in das viel sicherere Sillyon zurück. Anscheinend gelang es den Arabern tatsächlich nie, die Stadt auf dem Berg einzunehmen. Erst die Seldschuken konnten Sillyon in ihre Hand bringen und auf dem Tafelberg selbst eine Festung anlegen. Wäre nicht sein Festungscharakter gewesen, hätte Sillyon in Pamphylien nur die Rolle eines kleinen, wenig bedeutenden Landstädtchens gespielt. Mit den großen pamphylischen Städten wie Perge, Aspendos und Side konnte es nicht konkurrieren. Es beherbergte kein überregionales religiöses Zentrum wie Perge mit seinem Artemisheiligtum und war auch keine bedeutende Handelsstadt mit weiten überseeischen Kontakten wie Aspendos und Side. Bezeichnenderweise begann Sillyon erst in hellenistischer Zeit, Münzen zu prägen, und initiierte nicht schon in klassischer Zeit wie Side und Aspendos eine umfangreiche eigene Silberprägung. Um ein möglichst umfassendes Gesamtbild der antiken Landschaft Pamphylien zu zeichnen, ist es dennoch wichtig, auch die kleineren Städte zu erforschen und Einsichten in ihre Rollen und Funktionen zu gewinnen. Kooperationspartner: Institut für Alte Geschichte der Akdeniz Üniversitesi Antalya (M. Adak, S. Şahin) • Ansprechpartner: J. Nollé • Abbildungsnachweis: J. Nollé (Abb. 8. 9); Auktion Gorny & Mosch 101, 2009, Nr. 1535 (Abb. 10); SNG von Aulock Nr. 4877 (Abb. 11). Die Finanzierung von öffentlichen Bauten in der hellenistischen Polis Für den griechischen Bürgerstaat, die Polis, bedeutete die hellenistische Epoche durch die Entstehung von neuen, wirtschaftlich und militärisch überlegenen Monarchien einen grundlegenden Wandel der politischen Rahmenbedingungen. Dennoch konnten sich viele Poleis gegenüber den neuen Mächten behaupten und ihre Institutionen und Verfassungen erhalten. Darüber hinaus breitete sich die Polis als politische Organisationsform im gesamten östlichen Mittelmeerraum bis in das Zweistromland aus und erfreute sich der Förderung der Könige. Der Hellenismus darf geradezu als eine Zeit ungebrochener Prosperität der Polis gelten. Dies zeigt sich besonders
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in Hinsicht auf die Architektur: In vielen Fällen bauten die Bürgergemeinden ihre städtischen Zentralorte massiv aus und versahen sie mit repräsentativen öffentlichen Bauten. Gebäude wie Säulenhallen, Theater, Heiligtümer, Gymnasien und Stadtmauern galten nun als unverzichtbare bauliche Merkmale einer Polis. Während die aus diesen Städten überkommene hellenistische Architektur ein zentrales Forschungsfeld der Klassischen Archäologie darstellt, hat in der Alten Geschichte die Frage, wie der ›Bauboom‹ dieser Epoche überhaupt finanziert werden konnte, bislang noch keine umfassende Behandlung erfahren. Bei der Durchführung einer solchen Untersuchung ist von vornherein zu erwarten, dass private und königliche Schenkungen zum Zwecke der Errichtung öffentlicher Bauten in unserem Quellenmaterial überrepräsentiert sein dürften, da dieses fast ausschließlich aus zum Zwecke der Repräsentation und Ehrung errichteten Inschriften besteht. Routinemäßiges Finanzieren und Unterhalten von öffentlichen Bauten durch die Polis haben dagegen deutlich weniger Spuren in der Überlieferung hinterlassen. Es ist daher besonders nach dem Stellenwert öffentlichen Bauens in Repräsentation und Selbstverständnis der städtischen Eliten zu fragen und im Kontrast dazu zu versuchen, ein schärferes Bild von der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Finanzen der griechischen Polis zu gewinnen. Neben einer detaillierten Untersuchung der verschiedenen überlieferten Formen der Finanzierung von öffentlichen Bauten – etwa durch öffentliche Kassen, Steuern und Abgaben, Anleihen und Spendenaktionen sowie Schenkungen und Stiftungen – versteht sich die Studie über spezifisch wirtschafts- und finanzgeschichtliche Fragestellungen hinaus als ein Beitrag zur Erforschung der inneren Verfasstheit der hellenistischen Polis. Dabei geht es besonders um die Frage nach dem Verhältnis von demokratischer Verfassung und der Existenz von politisch dominanten Eliten sowie nach der Bedeutung des Euergetismus für die Infrastruktur und das Funktionieren der Polis. Die Finanzierung von öffentlichen Bauten, eine zentrale Aufgabe städtischer Finanzverwaltung und Gegenstand der Verfügungsgewalt der Volksversammlung, soll dabei als ein Indikator für gesellschaftliche und politische Entwicklungen innerhalb der hellenistischen Epoche verstanden werden. Am Beispiel der Baufinanzierung zeigen sich dabei vielschichtige Interaktionsprozesse zwischen Volksversammlung und Euergeten, in denen um die Gewinnung von Mitteln zur Baufinanzierung einerseits und zugleich um die Gewährung von Privilegien andererseits gerungen wurde. Die Dominanz des Euergetismus in der Überlieferung sollte jedoch nicht als Beleg für eine strukturelle Schwäche städtischer Finanzen gewertet werden. Kooperationspartner: Ludwig-Maximilians-Universität München (M. Zimmermann) • Förderung: DFG-Schwerpunktprogramm 1209 »Die hellenistische Polis als Lebensform. Urbane Strukturen und bürgerliche Identität zwischen Tradition und Wandel« • Ansprechpartner: L. Meier. Corpus Inscriptionum Latinarum II, die lateinischen Inschriften der Iberischen Halbinsel Ein besonderes Kennzeichen der antiken Kulturen war das Ausmaß, in dem Inschriften der unterschiedlichsten Art errichtet wurden. Für die Iberische Halbinsel hat im 19. Jh. E. Hübner mehr als 6 500 lateinische Inschriften in zwei Bänden des sog. Corpus Inscriptionum Latinarum vorgelegt. Da sich seitdem die Zahl bekannter Inschriften nahezu vervierfacht hat und sich zudem bei nicht wenigen Texten herausstellte, dass deren Lesungen zu verbessern waren, entstand 1981 das Projekt einer Neuedition der etwa 23 000 lateinischen
Abb. 12 Corpus Inscriptionum Latinarum II, Neufunde sorgen für einen steten Zuwachs an Material. 2009 bei Peñaflor (Provinz Sevilla) gefundener Grabaltar des Sklaven Zosirus
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Inschriften (Abb. 12) aus den Jahrhunderten zwischen der römischen und der arabischen Eroberung der Iberischen Halbinsel (218 v. Chr. – 711 n. Chr.). An diesem wissenschaftlichen Unternehmen sind rund 45 Wissenschaftler, vorwiegend aus Spanien, Deutschland und Portugal, aber auch aus Frankreich und den USA, beteiligt. Den aktuellen Arbeitsschwerpunkt stellt die im Süden der Iberischen Halbinsel gelegene römische Provinz Baetica dar. Sie war nicht nur die reichste der drei hispanischen Provinzen, sondern auch diejenige mit der höchsten Dichte an städtischen Gemeinden (über 170). Von vielen ist durch die literarische Überlieferung gerade einmal der Name bekannt, und eine Lokalisierung muss sich – ebenso wie darauf auf bauende Fragen nach der genauen rechtlichen Stellung der Gemeinde, der Ausdehnung des Territoriums, der Zusammensetzung ihrer Bewohner und ihrer führenden Familien, dem lokalen Pantheon etc. – vor allem auf die Inschriften stützen. Für die Baetica liegen bereits die Inschriften der Gerichtsbezirke um Astigi (1998) und um Corduba (1995) vor. Aktuell in Bearbeitung befinden sich die Inschriften des sog. Conventus Hispalensis, d. h. des Gerichtsbezirks um Hispalis (Sevilla), die in zwei Faszikeln vorgelegt werden sollen. Der Faszikel Hispalensis Nord umfasst die Regionen nördlich und westlich des Flusses Guadalquivir (Baetis) bis zur Grenze mit der Provinz Lusitania. Dazu gehören z. B. die 206 v. Chr. gegründete Veteranensiedlung und spätere Kolonie Italica (bei Santiponce), die Geburtsstadt Kaiser Trajans (98–117 n. Chr.), Gemeinwesen in der Baeturia Celtica oder auch der metallreiche Minenbezirk von Riotinto in der Region Huelva. Viele Identifizierungen von Städten im aktuellen Arbeitsgebiet sind noch sehr hypothetisch. Oftmals erlaubt nur eine einzige Inschrift die Lokalisierung eines städtischen Zentralortes. Wurde z. B. das von Plinius in seiner Naturgeschichte erwähnte Arucci (3, 14) lange mit Aroche (Provinz Huelva) gleichgesetzt, so kann nun als gesichert gelten, dass Arucci wohl mit einem nur wenige Kilometer entfernten Siedlungsareal bei San Mamés gleichzusetzen ist, denn mit ziemlicher Sicherheit stammt die marmorne Basis einer Ehrenstatue, die die Civitas Aruccitana der berühmt-berüchtigten jüngeren Agrippina, der Gattin des Claudius und Mutter Neros, errichtete, von dort (Abb. 13). Die Inschrift bestätigt auch die Angabe des Plinius, nach der die Gemeinde in der Mitte des 1. Jhs. peregrinen Rechtsstatus hatte.
Abb. 13 Corpus Inscriptionum Latinarum II, Marmorbasis einer Statue der jüngeren Agrippina (gestiftet von der Gemeinde Arucci)
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Kooperationspartner: Universidad de Alcalá de Henares (H. Gimeno) • Ansprechpartner: P. Rothenhöfer • Abbildungsnachweis: Centro CIL II (Abb. 12. 13). Die römische Bleiproduktion, historisch-archäologische und naturwissenschaftliche Untersuchungen Die Meerenge zwischen Korsika und Sardinien ist wegen gefährlicher Strömungen, felsiger Untiefen und Klippen noch heute bei Seefahrern gefürchtet. Vor fast genau 2 000 Jahren wurde sie einem römischen Frachtschiff zum Verhängnis, das aus der Rhônebucht kommend in Richtung Italien, möglicherweise nach Rom, unterwegs war. Reste der Ladung und Schiffsausstattung wurden vor wenigen Jahren bei Rena Maiore (Aglientu, Sardinien) entdeckt: Dazu zählten u. a. mehrere Tonnen Blei in Form massiver Barren. Mit diesen und anderen gleichartigen Objekten beschäftigt sich ein in diesem Jahr begonnenes interdisziplinäres Projekt, das die Zusammenstellung und Auswertung sämtlicher römischer Bleibarren zum Ziel hat. Blei fand bislang in den Altertumswissenschaften nur wenig Beachtung. Es stand im Schatten der kostbaren Edelmetalle und des unter anderem als Münzmetall gebrauchten Kupfers. Dabei war Blei in römischer Zeit durchaus nicht unwichtig, wurde es doch vielf ältig eingesetzt und in gewaltigen Mengen produziert. Hiervon zeugt indirekt die Gesamtzahl der erhaltenen Barren, die mittlerweile zwischen 2 000 und 3 000 Exemplaren liegen dürfte. Von keinem anderen Metall ist aus der Antike eine auch nur annähernd so große Zahl massiver Barren erhalten und kein anderes Metall bietet ähnlich umfassende Möglichkeiten einer epigraphischen und zugleich naturwissenschaftlichen Auswertung. Denn römische Bleibarren tragen in der Regel Gussinschriften, die bei der Produktion angelegt wurden und den bzw. die Betreiber des Bergwerks nennen, zuweilen auch darüber hinausgehende Angaben wie etwa zur Herkunft des Metalls enthalten. Zudem ermöglichen naturwissenschaftliche spektrometrische Analysemethoden die Bestimmung der Bleiisotopenanteile im Metall und geben dadurch Anhaltspunkte für eine Herkunftsbestimmung durch den Vergleich mit den entsprechenden Werten von Erzen potentieller Liefergebiete (Abb. 14). Somit bietet diese Fundgruppe gute Chancen, um Fragen der Herkunft des Metalls,
Abb. 14 Die römische Bleiproduktion, Bleiisotopenmessungen und Bestimmung der Haupt- und Spurenelemente
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Abb. 15 Die römische Bleiproduktion, 30 kg schwerer und 45 cm langer Bleibarren des Produzenten Caius Aquinius Abb. 16 Die römische Bleiproduktion, Bleibarren aus der Produktion der Pachtgesellschaft (societas) des T(itus) und S(extus) Lucretius. Aus dem Meer bei Cartagena und daher stark angegriffen
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der Produktionsstrukturen oder der Verbreitung zu beleuchten und darüber hinaus unsere Kenntnisse von Größe, Dauer und Intensität der Metallgewinnung in den einzelnen Revieren zu vertiefen. Das bedeutendste Silber-/Bleibergbaurevier des republikanischen Rom (2. und 1. Jh. v. Chr.) lag auf der Iberischen Halbinsel bei Carthago Nova (Cartagena). In der Region konnten in verschiedenen Museen annähernd 100 Barren dokumentiert und beprobt werden. Die Inschriften stammen ausnahmslos von einzelnen Privatunternehmern, wie z. B. Caius Aquinius (Abb. 15), oder privaten Gesellschaften, wie sie etwa die Brüder Sextus und Titus Lucretius gebildet hatten (Abb. 16). Ein Barren aus deren Produktion fand sich auch am Rhein bei Basel, was ihre Tätigkeit auf die Zeit um bzw. nach 15 v. Chr. einschränkt. Andere Barren belegen beispielsweise, dass die römische Kolonie Carthago Nova über Bergwerksbesitz verfügte, denn Barren, die mit dem Kolonienamen gekennzeichnet waren, gelangten u. a. in den Minenbezirk von Riotinto (Huelva, Spanien). Das Blei dürfte dort bei der Verhüttung gold- und silberhaltiger Erze zugesetzt geworden sein und vereinfachte so die Extraktion der Edelmetalle. Diese Barren sind nicht zuletzt ein wichtiger Beleg dafür, dass im Römischen Reich auch Gebietskörperschaften über Bergwerksbesitz verfügen konnten. Kooperationspartner: Deutsches Bergbau-Museum Bochum (A. Hauptmann, M. Bode) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: P. Rothenhöfer • Mitarbeiter: N. Hanel • Abbildungsnachweis: Projektarchiv (Abb. 14–16).
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vorträge 9. Januar Miltiadis B. Hatzopoulos (Athen), An Urbanistic Regulation from Kyrrhos (Macedonia) 30. Januar Frank Kolb (Tübingen), Tatort »Troia«. Mythen, Geschichte, Politik und (Pseudo-)Wissenschaft 24. April Frank Bernstein (Frankfurt a. M.), Vergessen als politische Option 22. Mai Andrzej Chankowski (Lille), La jeunesse du gymnase comme communauté 19. Juni Fred K. Drogula (Providence), Roman Law and Provincial Commanders. The Lex de Provinciis Praetoriis and the Lex Porcia 10. Juli Hans Beck (Montreal), Die Bronzen von Cartoceto. Das Ende eines Enigmas 27. November Claire Sotinel (Paris), Les inscriptions des murailles de Rome et la christianisation de la cité 18. Dezember Festvortrag zum 70. Geburtstag von Michael Wörrle (Erster Direktor i. R.). – Es sprach: Erich S. Gruen (Berkeley), Jewish Appropriation of Greek Mythology. Kolloquium 12. Februar Kolloquium »Epigraphische Feldforschungen in Lykien«. – Es sprachen: Martin Zimmermann (München), Inschriften aus Tlos; Christof Schuler (München), Zwei späthellenistische Grabinschriften aus Tyberissos
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und Timiussa; Bülent İplikçioğlu (Istanbul), Zwei Briefe des Severus Alexander an Rhodiapolis; Gregor Staab (Köln), Religiöse Tendenzen im kaiserzeitlichen Oinoanda. Neufunde 2008; Jürgen Hammerstaedt (Köln), Die philosophische Inschrift des Diogenes von Oinoanda. Vorstellung der wichtigsten Neufunde von 2008. Workshop 24. März Christopher P. Jones (Harvard University), Galen’s »Peri alypias«, the Great Fire of 192 and Galen’s Experiences under Commodus 26. März Christopher P. Jones (Harvard University), The Inscription of Sapcilar. A Petition to Hadrian with the Request to Copy Imperial commentarii. Fachwissenschaftlicher Kurs 8.–10. Oktober: Helmuth Schneider (Kassel), Technik in der Antike.
Öffentlichkeitsarbeit
Vorträge von Angehörigen der Kommission für eine breitere Öffentlichkeit 16. Januar Johannes Nollé, Römischer Wein – Weinproduktion, Weinhandel und Weinkultur im römischen Italien (vor der Dante Alighieri-Gesellschaft, München) 23. Oktober Johannes Nollé, Wasser für die durstige Hauptstadt: Wasserleitungen, Thermen und Hausanschlüsse im antiken Rom (vor der Dante Alighieri-Gesellschaft, München).
Veröffentlichungen
Chiron 39, 2009 Vestigia 61: R. Haensch (Hrsg.), Selbstdarstellung und Kommunikation. Die Veröffentlichung staatlicher Urkunden auf Stein und Bronze in der römischen Welt
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Orient-Abteilung
Orient-Abteilung Podbielskiallee 69–71 D-14195 Berlin Tel.: +49-(0)3018 7711-0 Fax: +49-(0)3018 7711-189 E-Mail: [email protected]
Direktor und Direktorin Prof. Dr. Ricardo Eichmann, Erster Direktor Dr. Margarete van Ess, Wissenschaftliche Direktorin Wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Dr.-Ing. Claudia Bührig, Prof. Dr. Klaus Schmidt, Frank Voigt M. A., Dr. Bernd MüllerNeuhof (1. 4. bis 31. 8.) Wissenschaftliche Hilfskräfte Sandra Feix M. A. (bis 30. 9.), Susanne Kuprella M. A., Kristina Pfeiffer M. A. (bis 30. 5.), Anja Prust M. A. (ab 1. 7.) Aus Drittmitteln finanzierte Stellen Dr. Claudia Beuger (DFG, bis 11. 8.), Laura Dietrich M. A. (DFG, 10. 9. bis 31. 10.), Oliver Dietrich M. A. (DFG, 15. 3. bis 31. 10.), Dr. Bettina Fischer-Genz (DFG), Dr. Thomas Götzelt (DFG, bis 14. 7.), Dr. Rüdiger Gogräfe (Fritz Thyssen Stiftung, bis 31. 3.), Hanna Hamel M. A. (DFG), Dr. Arnulf Hausleiter (DFG), Dr. Andrea Intilia (DFG), Florian Klimscha M. A. (DFG), Dipl.-Ing. Jan Krumnow (DFG, bis 31. 5.), Sebastiano Lora M. A. (DFG, ab 15. 12.), Jens Notroff M. A. (DFG, ab 15. 5.), Dipl.-Ing. Ulrike Siegel (DFG), Judith Thomalsky M. A. (DFG), Holger Wienholz M. A. (DFG), Hagen Wirsing (DFG, ab 13. 2.)
Außenstellen der Orient-Abteilung Außenstelle Baghdad siehe Orient-Abteilung
Außenstelle Baghdad zurzeit nicht besetzt, daher vorübergehende Postadresse und Kontaktdaten über die Orient-Abteilung in Berlin wie oben angegeben.
Außenstelle Damaskus 8, Malki Street POB 11870 Damaskus/Syrien Tel.: +963-(0)11-374 98 12-0, 374 98 13-0 Fax: +963-(0)11-374 98 12-9, 374 98 13-9 E-Mail: [email protected]
Leiterin PD Dr. Karin Bartl
Außenstelle Sana’a c/o Embassy of the Federal Republic of Germany POB 2562 Sana’a/Republik Jemen Tel.: +967-(0)1-287 175/177-0 Fax: +967-(0)1-485 213 E-Mail: [email protected]
Leiterin Dr. Iris Gerlach
Wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Franziska Bloch Wissenschaftliche Hilfskräfte Alexander Ahrens M. A., Dörte Rokitta-Krumnow M. A., Kristina Pfeiffer M. A. (ab 1. 10.)
Aus Drittmitteln finanzierte Stellen Dr. Sarah Japp (DFG), Dipl.-Ing. Mike Schnelle (DFG)
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Orient-Abteilung Ausgrabungen und Forschungen
Baalbek (Libanon) Baalbek, in der nördlichen Beqaa-Ebene Libanons gelegen, ist berühmt für sein ab dem späten 1. Jh. v. Chr. monumental ausgebautes Heiligtum. Ziel des derzeitigen Projekts ist es, die Entwicklung der urbanen Strukturen Baalbeks vom kleinen Siedlungsort seit dem 8. Jt. v. Chr. über den Ausbau des Heiligtums und der Stadt in der römischen Zeit bis in das islamische Mittelalter zu verfolgen. Seit 2001 werden in vielen Bereichen der Stadt archäologische und bauhistorische Untersuchungen durchgeführt. Im Süden Baalbeks wurde in diesem Jahr die Dokumentation einer monumentalen Therme und des benachbarten Peristylgebäudes, vermutlich ein Podiensaal, fortgesetzt. Mit gezielten Sondagen waren in der Therme zwei römische Bauphasen nachzuweisen, die den Umbau von einer an westlichen Thermengrundrissen orientierten zu einer eher orientalischen Anlage belegen (Abb. 1). Bei der Suche nach den ursprünglichen Außenkanten wurde eine römische Vorgängerbebauung wohl eines privaten Hauses entdeckt, dessen Wände farbig bemalt und dessen Fußboden mit einem sehr fein gesetzten
Abb. 1 Baalbek (Libanon), Phasenzuweisung im Bereich der Therme
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Mosaik verziert waren (Abb. 2). Im Peristylgebäude erfolgten abschließende Untersuchungen zur Veränderung des mehrmals umfassend umgestalteten Propylons. Als historisch besonders bedeutsam für diesen Stadtbereich erwies sich zudem die Rekonstruktion einer Inschrift eines Monuments am nahe gelegenen antiken Eingang zur Stadt (Abb. 3). Südlich des monumentalen Heiligtums, im Bereich »Bustan Nassif«, ist großf lächig islamisch-mittelalterliche Wohnbebauung erhalten, von der weitere Bereiche sowie die mittelalterliche Stadtmauer dokumentiert wurden. So lassen sich mehrere Vorgänger des mittelalterlichen ›Damaskus-Tores‹ der Stadtmauer nachweisen, die bis in die Spätantike zurückreichen. Darunter liegende, römisch-kaiserzeitliche Schichten hingegen sind nicht sicher einer Toranlage zuzuweisen. Im nordwestlichen Bereich des Bustan Nassif befindet sich ein 450 m 2 großer Bau mit einer Portikus vor dem zentralen Raum mit inneren Säulenstellungen. Sekundär als Säulenbasen verwendete römische Kapitelle deuten auf eine Nutzung des Gebäudes in nachantiker Zeit. An seiner Südecke schneidet eine kleine Moschee ein, die spätestens in der ayyubidischen Zeit errichtet wurde. Das Wohnviertel im Bustan Nassif erweist sich so immer klarer als ein seit der römischen Zeit genutztes Gelände, das in der Spätantike völlig umstrukturiert wurde. Georadarmessungen auf südöstlich angrenzenden, unausgegrabenen Bereichen ergänzten die Forschungen im Bustan Nassif, an der Therme und dem Peristylgebäude. Sie erbrachten den Nachweis weiterer monumentaler Bebauung und ergänzen damit unser Wissen um die urbane Struktur Baalbeks. Zu allen Zeiten war die Wasserversorgung besonders wichtig für die Stadt Baalbek. Durch Kartierungen der erhaltenen Kanäle und Wasserrohre sowie durch hydrogeologische Analysen und Wasser-Dargebots-Messungen wurden die technischen Veränderungen der Versorgung ab der römischen Zeit erfasst (Abb. 4). Auch die topographische und archäologische Dokumentation der ca. 20 die Stadt umgebenden Steinbrüche wurde fortgesetzt, zudem die Rekonstruktion der historischen Stadtstruktur mittels Photogrammetrie. Alle in Depots auf bewahrten Fragmente antiken Bauschmucks sind inzwischen gesichtet. Knapp 1 500 der mehr als 10 000 Fragmente wurden detaillierter dokumentiert, da sie weiterführende Aussagen zur Geschichte des Baudekors und Baalbek-typischen Sonderformen zulassen. Auch die Dokumentation der stark fragmentierten Reste antiker und spätantiker Skulptur ist mit knapp 350 Fragmenten weit fortgeschritten. Weiterer Arbeitsschwerpunkt war die Konservierung und Bestimmung von Münzen aus den Sondagen, darüber hinaus die endgültige Definition von Keramikwaren, mit der die systematische typologische Bestimmung sowohl der lokalen als auch der überregionalen Keramikproduktion unterstützt wird. Kooperationspartner: Brandenburgische Technische Universität Cottbus; Direction Générale des Antiquités du Liban • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: M. van Ess, K. Rheidt • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: H. Akra, J. Binaszkiewicz, H. Hamel, J. Heine, K. Hitzl, T. Kabs, H. Wienholz, Z. Sawaya, C. Brünenberg, H. Burwitz, K. Grund, H. Lehmann, A. Riedel, C. Schreiber, I. Baecker, S. al-Dirani, F. Jahnke, S. Mady, N. Mathyschok, J. Nador, S. Schäfer, A. Schütte, J. Abdel-Massih, H. Ehrig, B. Genz, S. Baier, B. Ritter, J. Faßbinder, R. Linck, A. Pekdeğer, J. Schmidt, H.-J. Voigt, C. Krüger, I. Wagner, R. Navarro Henning • Abbildungsnachweis: C. Brünenberg (Abb. 1); DAI, Orient-Abteilung, I. Wagner (Abb. 2. 3); DAI, Orient-Abteilung, M. van Ess (Abb. 4).
Abb. 2 Baalbek (Libanon), Nordostbereich der Therme. Mosaik der Vorgängerbebauung
Abb. 3 Baalbek (Libanon), frühkaiserzeitliches Monument am Eingang zur Stadt
Abb. 4 Baalbek (Libanon), Wasserkanal von der Ain Juj-Quelle in die Stadt
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Abb. 5 Gadara/Umm Qais (Jordanien), Blick nach Südwesten auf den Siedlungshügel und die vorgelagerte Geländeterrasse mit dem Theater-Tempel-Areal
Gadara/Umm Qais (Jordanien) In der antiken Stadt Gadara, dem heutigen Umm Qais im Nordwesten Jordaniens, liegt das Theater-Tempel-Areal auf einer natürlichen Geländeterrasse, dem Siedlungshügel nordöstlich vorgelagert (Abb. 5). Gadara wurde um 200 v. Chr. als Grenzfeste zwischen dem Ptolemäerreich im Süden und dem Seleukidenreich im Norden angelegt. Der Ort behielt auch unter wechselnden Herrschern der römischen Kaiserzeit und der Spätantike sowie sich wandelnden Bevölkerungsstrukturen über die frühe Christenheit hinaus seine Bedeutung als urbanes Zentrum in der Region. Erst ein Erdbeben in der Mitte des 8. Jhs. n. Chr. unterbrach die Siedlungskontinuität in Gadara. Im Zentrum der Forschungen zur Urbanistik und zur Wasserwirtschaft Gadaras steht die Nutzung des Theater-Tempel-Areals am östlichen Stadteingang zwischen dem 2. Jh. v. Chr. bis zum 8. Jh. n. Chr. (Abb. 6). Weisen Teile des Areals, nämlich der Tempelbezirk, eine Nutzungskontinuität auf, so unterliegt das gesamte Areal von hellenistischer bis byzantinischer Zeit städtebaulich-kontextuell einem fortwährenden Wandlungsprozess. In Vorbereitung eines im kommenden Jahr geplanten Surveys im Umland von Gadara (Abb. 7) sowie im Umfeld des in gut 1,50 km Entfernung und in Sichtbeziehung zum innerstädtischen Hauptheiligtum gelegenen Höhenheiligtums al-Qab´ wurden erste Geländebegehungen durchgeführt. Mittels des Surveys sollen sowohl innerstädtische Raumbeziehungen wie auch solche zwischen Stadt und Umfeld untersucht werden. Auf den bisherigen Forschungen auf bauend erscheint eine großmaßstäbliche Analyse der ›Siedlungs- und Kulttopographie‹ sinnvoll. Das heißt, es ist die Position zu klären, die die Siedlung bzw. der sakrale Raum innerhalb des Territoriums oder einer definierten Kultlandschaft einnimmt. Der Forschungsschwerpunkt liegt auf der Zeit zwischen der Anlage der hellenistischen Kuppensiedlung um 200 v. Chr. – nach der seleukidischen Eroberung der Region – bis hin zur frühen Kaiserzeit. Gerade Gadara, Schnittstelle unterschiedlicher Kulturen des Orients, lässt erkennen, welche kulturellen Interaktionen und Transfers die Siedlungsentwicklung prägten. Als Grundlage für die Fundbearbeitung und weiterführende Untersuchungen zur Datierung des Theater-Tempel-Areals dient die archäologische Stratigraphie. Die Grabungen ließen anthropogene Schichten von hellenistischer bis byzantinischer Zeit erkennen. Die Schichtenabfolge soll in Form einer Harris-Matrix dargestellt werden. Darüber hinaus konnten unter Berück-
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Abb. 6 Gadara/Umm Qais (Jordanien), topographische Bestandskarte des TheaterTempel-Areals 2009
sichtigung der architektonischen Befunde erste Hinweise auf Nutzungs- und Zerstörungshorizonte sowie Umbauten gewonnen werden. Im Arbeitsbereich der Fundbearbeitung lag der Schwerpunkt auf naturwissenschaftlichen Analysen von Keramik und Inkrustationsmarmoren, insbesondere der Untersuchung zu deren chemischer und mineralogischer Zusammensetzung. Ziel der mit Röntgenf luoreszenzanalyse und Dünnschliffen durchgeführten Keramikuntersuchung war die Bildung von Referenzgruppen der lokal hergestellten Keramik, ferner die Herkunftsbestimmung bislang keinem Herstellungsort zuzuordnender Waren. Beprobt wurde dabei sowohl Grob- als auch Feinkeramik. Die Analysen an Inkrustationsgesteinen hatten zum Ziel, die Herkunft der im Bereich des Nordtheaters und des angrenzenden Tempels verwendeten Rohstoffe zu klären. Die Ausstattung öffentlicher Bauten mit Dekorations-
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Abb. 7 Gadara/Umm Qais (Jordanien), landwirtschaftlich genutztes Umland Abb. 8 Gadara/Umm Qais (Jordanien), Museum
marmor ist bislang nahezu unerforscht. Dieser Materialgattung kann jedoch eine wichtige Rolle bei der Bewertung des überörtlichen Handelsgeschehens beigemessen werden. Gadara liegt an einer Ost-West orientierten, überregionalen Verkehrsachse, die die Mittelmeerhäfen an die Fernhandelsrouten nach Nordosten (Seidenstraße) und nach Südosten (Weihrauchstraße) anbindet. Ende des Jahres begannen in Absprache mit der jordanischen Antikendirektion die Vorbereitungen für die Erarbeitung einer Neukonzeption des lokalen Museums in Umm Qais/Gadara (Abb. 8). Besondere Zielgruppe sollen Kinder sein, für die eine eigene Didaktik erarbeitet wird. Kooperationspartner: Staatliche Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SMB SPK); Archäologisches Institut der Universität Hamburg • Förderung: DFG (Sachbeihilfe) • Leitung des Projekts: C. Bührig, G. Schauerte • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: Ch. Hartl-Reiter, B. Liesen, A. Prust, V. Gedzeviciute, G. Pasewald, N. Benecke, K. Freitag, G. Jöhrens, H.-Ch. Noeske, G. Schneider, F. Andraschko • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, C. Bührig (Abb. 5. 7); DAI, Orient-Abteilung, C. Bührig, Ch. Hartl-Reiter (Abb. 6); G. Schauerte (Abb. 8).
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Aqaba (Jordanien) Die spätchalkolithische Siedlung von Tall HujayrŒt al-GhuzlŒn (1. Hälfte 4. Jt. v. Chr.) liegt an verkehrsgünstiger Stelle unmittelbar nördlich von Aqaba in Südjordanien. Sie ist eines der frühesten Metallproduktionszentren der Region. Der Ort wird seit 1998 im Rahmen des ASEYM-Projekts (Archaeological Survey and Excavation in the Yitim and Magass Area) der Abteilung erforscht. Nach der 7. Grabungskampagne im Vorjahr fanden in diesem Jahr keine Feldforschungen statt. Im Mittelpunkt der Arbeiten standen die Auswertung und die Veröffentlichung der bisher erzielten Ergebnisse. Die Feldforschungen werden im kommenden Jahr fortgesetzt. Kooperationspartner: University of Jordan, Amman (L. Khalil); Deutsches Bergbau-Museum Bochum (A. Hauptmann); Fachhochschule Lübeck (M. Grottker, B. Heemeier); Institute of Seismology at the Academy of Science at Bishkek, Kirgistan (A. Korjenkov); DAI, Zentrale, Naturwissenschaftliches Referat (N. Benecke, R. Neef, K.-U. Heußner); University of British Columbia, Vancouver (T. Hikade); Universität Kopenhagen (S. Kerner) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: R. Eichmann, K. Schmidt • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: U. Siegel, F. Klimscha, J. Notroff. Archäometallurgie des Sinai (Ägypten) Im Rahmen des Forschungsclusters 2 »Innovationen: technisch, sozial« des DAI wurde seit 2007 die Archäometallurgie des Sinai untersucht und in diesem Jahr abgeschlossen. Ziel war die Neubewertung der Archäometallurgie des Sinai im 4./3. Jt. v. Chr., Teile dieser Forschungen wurden in einer Dissertation ausgewertet und zusammengefasst. Im Fokus der Untersuchungen standen Fund- und Schmelzplätze sowie Lagerstätten im Südwesten und Süden des Sinai. Insgesamt wurden 26 Fundplätze mit Resten metallurgischer Aktivitäten bearbeitet, die bei den geologischen Exkursionen 2006 und 2008 festgestellt bzw. aus der Literatur einbezogen wurden. Auch bereits publizierte Fundorte wurden in die Studien aufgenommen. Das metallurgische Fundgut dieser Orte setzt sich aus Kupfererz, Kupfertröpfchen, keramischen Tiegeln, Steingeräten und Schlacke zusammen (Abb. 9). Die Überprüfung chronologischer Daten zeigte, dass die Überreste von Kupfergewinnung und -verarbeitung im Sinai bis ins 4. Jt. v. Chr. zurückreichen. Zudem konnte für diesen Zeitraum in dieser Region
Abb. 9 Archäometallurgie des Sinai (Ägypten), frühbronzezeitliche Schlackestreuung im Wadi Ifna (Südostsinai)
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die Technologie der Tiegelverhüttung nachgewiesen werden. An den Formen und Typen der sinaitischen Tiegel wird deutlich, dass die technologische Innovation aus der Levante transferiert wurde. Die neuen Ergebnisse zeigen darüber hinaus auf, dass die Tiegelverhüttung im Sinai bis ca. 3300 v. Chr. betrieben wurde, während in der Levante die Belege für Tiegelverhüttung ab 3600/3500 v. Chr. abbrechen. Es konnte weitergehend festgestellt werden, dass im Sinai bereits zum Ende des 4. Jts. v. Chr., in der späten Frühbronzezeit I (3300/3200 v. Chr.) sowie der beginnenden Frühbronzezeit II (ab 3100 v. Chr.), Windöfen zur Verwendung kamen. Die Standorte der Windöfen befinden sich an windexponierten Hängen oder in Höhenlagen. Diese frühen technologischen Veränderungen zeigen, dass der Sinai ein wesentlich höheres Innovationspotential besaß als bislang angenommen, denn ähnlich frühe Funde sind bislang weder aus Ägypten noch aus der Levante bekannt (Abb. 10). Die im Vergleich zur Levante späte Übernahme der Tiegelverhüttung und die rasche Einführung von Windöfen im Sinai deuten an, dass sich die Technologie nach Übernahme des metallurgischen Wissens in größerer Unabhängigkeit von den Entwicklungen in den Nachbarregionen ausgebildet hat als bislang angenommen. Die Bedeutung des Sinai in der überregionalen Ökonomie konnte durch die Anwendung von Provenienzstudien untersucht werden. Proben von Erzen, Schlacken und Kupfertröpfchen wurden in frühbronzezeitlichen (I a– IV) sowie spätbronze- und eisenzeitlichen Lagerstätten, Schmelzplätzen und Siedlungen genommen. Die Analyse der Zusammensetzung von Spurenelementen und Bleiisotopenverhältnisse ergab, dass für die Kupfergewinnung und -produktion die lokalen Lagerstätten genutzt wurden und keine Abhängigkeit von den großen Lagerstätten im Wadi Arabah ( Jordanien) bestand.
Abb. 10 Archäometallurgie des Sinai (Ägypten), Kartierung der untersuchten metallurgischen Befunde im südlichen Sinai mit chronologischer Einordnung
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Vereinzelte Messergebnisse deuten an, dass Erze aus dem Feinan in den Sinai gelangten und die lokale Kupferversorgung ergänzten. Entsprechende Verbindungen nach Ägypten wurden nicht nachgewiesen. Die Messergebnisse zeigten auch, dass in Tall HujayrŒt al-GhuzlŒn und Magass (Südjordanien) nahezu ausschließlich Erze aus dem Wadi Arabah verwendet wurden, während Daten aus Maadi (Unterägypten) mit Messdaten aus dem Sinai übereinstimmen. Da zurzeit keine direkten Hinweise auf Kontakte zwischen dem Sinai und Unterägypten während des 4. Jts. v. Chr. vorliegen, besteht die Möglichkeit, dass das nach Maadi verbrachte Kupfer aus sinaitischen Erzen gefertigt wurde. Das Beispiel betont die Rolle des Sinai im regionalen und überregionalen Material- und Wissenstransfer, zudem konnten Einblicke in die metallurgischen Interaktionsachsen zwischen dem Sinai, der Levante und Ägypten gewonnen werden. Kooperationspartner: DAI, Abteilung Kairo; Deutsches Bergbau-Museum Bochum; University of Cairo, Faculty of Science, Department of Geology • Leitung des Projekts: R. Eichmann, U. Hartung, K. Pfeiffer • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Hauptmann, M. Bode, R. Hartmann, M. el-Aref, A. Abdel-Motelib, A. H. El-Manawi • Abbildungsnachweis: DAI, Orientabteilung, K. Pfeiffer (Abb. 9); DAI, Orientabteilung, K. Pfeiffer nach Beit-Arieh 2003 (Abb. 10). Tayma (Saudi-Arabien) Die multidisziplinären Untersuchungen in der antiken Oasensiedlung von Tayma (Nordwestarabien), einer der bedeutendsten Karawanenstationen der sog. Weihrauchstraße, wurden in diesem Jahr fortgesetzt. Kontrollmessungen äolischer Sedimente an der äußeren Stadtmauer mittels optisch stimulierter Lumineszenz (OSL) bestätigen zusammen mit 14 C-Daten die Errichtung der Mauer im 3. Jt. v. Chr. (Besiedlungsperiode 6). Eine entsprechend frühe Besiedlung Taymas deutet sich auch im Pollenbefund und in 14C-datierten Makroresten von Kulturpf lanzen an, deren Erhaltungszustand zusammen mit rezentbotanischen Befunden beste Voraussetzungen für eine Umweltrekonstruktion der Oase und ihrer Umgebung liefern. In einem früheisenzeitlichen öffentlichen Gebäude in Areal O (12.–9. Jh. v. Chr., Besiedlungsperiode 4) wurde die konservatorische Bergung des Inventars von Raum 1 abgeschlossen. Das Bauwerk war von einer Reihe von Pfeilern umgeben, der gesamte Bereich von einer 2 m breiten Mauer eingefasst. Zahlreiche Objekte aus organischem Material (Schilf, Holz, Elfenbein) sowie Fayence gelangten vermutlich als Prestigegüter hierher. Mehrere ›Spielsteine‹ aus Elfenbein und Stein weisen Ähnlichkeiten zu Objekten aus dem neuassyrischen ›Nordwest-Palast‹ von Nimrud (Irak) auf (Abb. 11). Der Keramikbefund deutet hier auf die wiederkehrende Einnahme von Flüssigkeiten in kleinen Mengen hin. Neben Fragmenten zahlloser unbemalter Becher ist hier weiterhin die polychrom bemalte lokale Variante der Qurayyah-Keramik anzutreffen, die im nordwestlichen Hejaz und in Palästina während des 13.–12. Jhs. v. Chr. verbreitet ist. In der späten Eisenzeit (Besiedlungsperiode 3) verlagerte sich das Siedlungszentrum nach Nordosten, auf die zentrale Sandsteinerhebung der Ruine (Areale D–F), während im Gebiet von Areal O ein Friedhof angelegt wurde. Die vier im Tempel von Areal E identifizierten Fußbodenniveaus wurden vermutlich in nabatäischer Zeit und während der Dynastie von Lihyan (ca. 4.–2. Jh. v. Chr.) angelegt, wie dies der Fund einer imitierten Athenamünze des 4./3. Jhs. v. Chr. unterhalb eines dieser Fuß-
Abb. 11 Tayma (Saudi-Arabien), Areal O. Spielstein aus dem Brandschutt eines öffentlichen Gebäudes der frühen Eisenzeit
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Abb. 12 Tayma (Saudi-Arabien), Areal E. Eingangssituation des späteisenzeitlichen Tempels mit einem Wasserbecken im Westen, Treppe und zweitem Wasserbecken im Osten
bodenniveaus bestätigt. Im Eingangsbereich des Gebäudes befanden sich Installationen zur Wasserführung sowie ein weiteres großes Becken, das auf einem durch Treppen zugänglichen Plateau direkt am Gebäude stand (Abb. 12). Bei der Untersuchung des Zugangs des Tunnels an der Ostseite (früheste Phase der Bauschicht 3) wurde im Tempelinneren ein eingefass ter Zugangsschacht entdeckt, doch war der Tunnelgang unter der Außenmauer zu eng, um als regulärer Zugang genutzt worden zu sein. Die nunmehr vollständige Freilegung der Nord- und Ostseite des Gebäudes erfasste eine Abfolge von mindestens zwei Bauschichten, die ausweislich der Keramik in die frühen Jahrhunderte des 1. Jts. n. Chr. datiert werden können. Ein scheibenförmiges Objekt aus dem Schutt südlich von E-b1 passt auf die Bruchstelle eines 2006 hier gefundenen Fragments. Die erhaltenen Keilschriftzeichen nennen »das Bildnis/die Statue« des Nabonid, König von Babylon (556–539 v. Chr.), der in Tayma für zehn Jahre residierte
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Abb. 13 Tayma (Saudi-Arabien), Areal E. Fragmente eines scheibenförmigen Objekts mit der Namensnennung des Königs Nabonid von Babylon (556–539 v. Chr.) in Keilschrift Abb. 14 Tayma (Saudi-Arabien), Areal F. Wohnbebauung der Spätantike/präislamischen Zeit südlich des Tempelbereichs
(Abb. 13). Es handelt sich um die erste Erwähnung dieses Königs in Keilschrift an diesem Fundort. Die Scheibe dürfte damit vermutlich zur Basis der Bogenstele dieses Königs gehören, die 2004 hier gefunden wurde. In spätantiken/präislamischen Wohngebäuden des frühen 1. Jts. n. Chr. wurden südlich des Tempels in Areal F Rauminventare aus Keramik und Installationen zur häuslichen Nahrungszubereitung/-verarbeitung dokumentiert (Abb. 14). Der Eingangsbereich eines dieser Gebäude war einst mit einer Dachkonstruktion aus Palmholzbalken überdeckt. Die Datierung islamischer Baureste einer größeren Anlage im Norden des Tempels (Areal Z) wurde durch 14C-Daten bestätigt. Das Teilprojekt Hydrologie/Wasserbau wurde fortgesetzt, das Teilprojekt Stadtmauer/Bauforschung vorerst abgeschlossen. Kooperationspartner: Saudi Commission for Tourism and Antiquities • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: R. Eichmann • Mitarbeiter: A. Hausleiter (Ausgrabungsleitung), M. al-Najem (Vertreter der Antikenbehörde), A. Intilia, J. M. Christiansen, P. Del Vesco, K. Eskoubi, M. alHaggi, J. al-Herbi, T. Kabs, S. Lora, C. Purschwitz, A. Rajab, P. Tollkühn, F. Tourtet, F. Weigel, E. Petiti, H. Kürschner, R. Neef, N. Klasen, J. Krumnow, M. Cusin, J. Kramer, H. Wirsing, J. Breitenfeldt, M. Fielauf, G. Lindlar, S. Mahjoub; Teilprojekt Stadtmauer: G. Sperveslage; Teilpro jekt Wasserwirtschaft: M. Grottker, B. Heemeier, B. Junge, F. Mindt, M. Scheck, K. Wellbrock, A. Patzelt • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, J. Kramer (Abb. 11); DAI, Orient-Abteilung, M. Cusin (Abb. 12–14).
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Regionale Untersuchungen zu Oasensiedlungen in Nordwestarabien Im Rahmen des Forschungsclusters 2 »Innovationen: technisch, sozial« des DAI wurden hydrologische Untersuchungen und archäologische Beobachtungen in der Oase Qurayyah, nordwestlich der modernen Stadt Tabuk, durchgeführt. Der in den 1960er Jahren untersuchte Ort war nach bisherigen Erkenntnissen am Ende des 2. Jts. v. Chr. und während der nabatäischrömischen Perioden von Bedeutung. Die Ergebnisse der hydrologischen Untersuchungen bestätigten die Existenz eines groß angelegten und aufwendig zu erhaltenden WassermanagementSystems, das geeignet war, die Wasserversorgung von Siedlung, Anbau- und Weidef lächen sicherzustellen. Die damit für die Antike postulierte Bedeutung der Siedlung von Qurayyah erfährt dadurch eine Bestätigung. Im Unterschied zu den Oasen von Dumat al-Jandal und Tayma wurde Wasser in Qurayyah vor allem durch Oberf lächenwässer gewonnen. Geoelektrische Widerstandsmessungen widerlegten die Annahme, dass in Qurayyah Grundwasser mittels Qanaten genutzt wurde. Nördlich des sog. Felsplateaus hingegen könnten früher lehmhaltige, Grundwasser führende Schichten vorhanden gewesen sein, deren Wasser landwirtschaftlichen Zwecken diente. Wasser vom Felsplateau scheint dagegen nicht mit eigens dafür vorgesehenen Installationen in den Anbaubereich verbracht worden zu sein, wie dies früher vermutet wurde. Frühere Untersuchungen des archäologischen Materials führten zur chronologischen Verknüpfung der Anbauf lächen und ihrer Kanäle mit der sog. Residential Area, einem ummauerten Siedlungsbereich nordöstlich des Felsplateaus, und zu einer Datierung in die nabatäische bis römische Periode, ohne dass dies durch archäologische Ausgrabungen oder epigraphische Befunde untermauert worden wäre. Archäologische Oberf lächenuntersuchungen auf dem Felsplateau (Abb. 15) erlaubten nun, in Ergänzung zu bisherigen Beobachtungen in den 1960er Jahren (P. J. Parr), Scherben der als ›Qurayyah Painted Ware‹ bezeichneten Keramik (Abb. 16) mit architektonischen Strukturen in Verbindung zu bringen. Dazu gehören die bereits früher korrekt als Gräber bezeichneten, aus Sandsteinen gemauerten rechteckigen Strukturen (›western‹ und ›eastern graves‹) mit Resten von Menschenknochen (Abb. 17), ein Turm am Ostende des Plateaus sowie der Bereich eines möglichen Tores im westlichen Teil des Plateaus. Alle anderen Zonen des Plateaus waren an der Oberf läche frei von Keramik. Die für die Forschung so bedeutende Keramikhalde (›pottery dump‹) am nordöstlichen Fuß des Plateaus dürfte damit Keramikreste vom Plateau enthalten. Neu ist damit, dass das Vorkommen der ›Qurayyah Painted Ware‹ an dem namengebenden Fundort in erster Linie im Grabzusammenhang anzutreffen ist. An den wenigen durch Ausgrabungen erforschten, bisher etwa 50 Vergleichsfundorten Nordwestarabi-
Abb. 15 Regionale Untersuchungen zu Oasensiedlungen in Nordwestarabien, Qurayyah (Saudi-Arabien). Felsplateau mit Befestigungsanlagen (nach Osten)
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Abb. 16 Regionale Untersuchungen zu Oasensiedlungen in Nordwestarabien, Qurayyah (Saudi-Arabien). Sog. Qurayyah Painted Ware, eine mehrfarbig mit überwiegend geometrischen Motiven, z. T. mit Tierdarstellungen bemalte Keramik (etwa 13.–12. Jh. v. Chr.) Abb. 17 Regionale Untersuchungen zu Oasensiedlungen in Nordwestarabien, Qurayyah (Saudi-Arabien). Rechteckige Grabkammer auf dem Felsplateau (gestört)
ens und der Levante stammt diese Keramik indes aus Siedlungskontexten. Die neuen petrographischen Untersuchungen der Keramik aus Qurayyah werden überdies einen wichtigen Beitrag zur Provenienz andernorts identifizierter ›Qurayyah Painted Ware‹ leisten und damit eine bessere Rekonstruktion der politischen und ökonomischen Beziehungen zwischen diesen Regionen am Ende der späten Bronzezeit ermöglichen, als dies bisher der Fall ist. Hinweise auf eine lokale Keramikproduktion geben Konzentrationen von Keramikschlacken, die nördlich einer der beiden großen Höhlen unter dem Felsplateau gefunden wurden. Die chronologische Verteilung besiedelter Bereiche innerhalb Qurayyahs zeichnet sich derzeit durch eine klare Trennung der spätbronzezeitlichen und nabatäisch-römischen Bereiche aus, ein Bild, das nur durch systematische Ausgrabungen korrigiert oder bestätigt werden kann. Kooperationspartner: Saudi Commission for Tourism and Antiquities; Labor für Siedlungswasserwirtschaft der Fachhochschule Lübeck • Förderung: DFG (Wasserwirtschaft) • Leitung des Projekts: R. Eichmann, A. Hausleiter • Mitarbeiter: A. Intilia, H. Hanisch-Gräfe; Teilprojekt Wasserwirtschaft: M. Grottker, B. Heemeier, B. Junge, F. Mindt, M. Scheck,
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K. Wellbrock, A. Patzelt • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, A. Hausleiter (Abb. 15); DAI, Orient-Abteilung, J. Kramer (Abb. 16); DAI, Orient-Abteilung, A. Intilia (Abb. 17).
Abb. 18 Uruk (Irak), 3D-Rekonstruktion des Bit Resh. Rekonstruktionsvariante 1 des Aufgangs zwischen Bit Resh und Anu-Zikkurrat
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Uruk (Irak) Die antike Stadt Uruk, ihre Vororte und die umgebende Landschaft gehören zu den am besten erhaltenen archäologischen Stätten Südmesopotamiens. Die langjährigen Forschungen des DAI konnten die besondere überregionale politische Bedeutung und die Innovationskraft dieses Ortes, insbesondere in der 2. Hälfte des 4. Jts. v. Chr., belegen. Die Stadt wurde überwiegend aus Lehmziegeln errichtet. Bauwerke sind in der Regel nur in ihren Fundamenten erhalten und stark erosionsgefährdet. Das Ausgrabungsgelände in Uruk wurde daher in vielen Bereichen zum Schutz der Bauwerke verfüllt und ist damit für Besucher kaum verständlich. Im Rahmen der Aufarbeitung der seit 2003 unterbrochenen Feldforschungen hat das Projekt »Visualisierung der antiken Stadt Uruk« das Ziel, die in einer Vielzahl von detaillierten archäologischen Plänen, Photographien und Beschreibungen dokumentierten Architekturbefunde digital zu erfassen und für mehrere, historisch besonders bedeutsame Bauschichten 3D-Rekonstruktionen anzufertigen. Die 3D-Rekonstruktionen werden in das existierende digitale Geländemodell eingebunden und können so einen Eindruck der damaligen Stadtstruktur vermitteln. Die Einbeziehung der dritten Dimension führt auch zu einer erneuten und weiterführenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Bauwerken, der Raumnutzung und der Stadtstruktur in verschiedenen Perioden. So brachte die Modellierung der Gebäudekomplexe der seleukidischen Zeit in Uruk (331–141 v. Chr.) die Überarbeitung vorhandener Rekonstruktionszeichnungen mit sich und, damit einhergehend, die erneute Beschäftigung mit den Grabungsdetails. Es zeigte sich, dass die archäologischen Befunde mehrere begründete Rekonstruktionsvarianten zuließen, die bei der Visualisierung der Bauwerke zu berücksichtigen waren. So ist gegenüber der bisherigen Rekonstruktion der Südseite des Bit Resh-Tempelkomplexes (Abb. 18)
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eine Alternative aufzuzeigen. Die bisherige Rekonstruktion ging davon aus, dass die untere Stufe der Anu-Zikkurrat im Grundriss nicht quadratisch sein konnte, da eine hakenförmige Stützmauer im Übergangsbereich zwischen Tempelkomplex und Zikkurrat in das Massiv der unteren Zikkurratstufe einschneidet. Die genaue Betrachtung der Grabungsbefunde führt aber zu der Interpretation, dass diese Stützmauer auch in funktionalem Zusammenhang mit späteren Befestigungsmaßnahmen am Übergang zur parthischen Zeit gestanden haben kann. In diesem Fall wäre die ältere, seleukidische AnuZikkurrat mit quadratischem Grundriss und einer Aufgangsrampe zwischen Tempelkomplex und Zikkurrat zu rekonstruieren (Abb. 19). Die Rekonstruktion und 3D-Modellierung aller ausreichend erhaltenen seleukidischen Bauwerke (Eanna-Heiligtum, Irigal und Bit Akiti) wurden abgeschlossen. Darüber hinaus wurden alle Planunterlagen der späten UrukZeit digitalisiert, archiviert und in den für das Projekt notwendigen Teilen vektorisiert sowie die archäologische Bewertung bisheriger Rekonstruktionsversuche der komplexen spät-Uruk-zeitlichen Architektur in Uruk soweit beendet, dass mit deren 3D-Visualisierung begonnen werden konnte. Leitung des Projekts: M. van Ess • Mitarbeiter: S. Bator, F. Voigt, Fa. Artefacts • DAI, Orientabteilung, Fa. Artefacts (Abb. 18. 19).
Abb. 19 Uruk (Irak), 3D-Rekonstruktion des Bit Resh. Rekonstruktionsvariante 2 des Aufgangs zwischen Bit Resh und Anu-Zikkurrat
Wuqro (Äthiopien) Südlich der Regionalstadt Wuqro wurde das bislang südlichste Zentrum der äthio-sabäischen Epoche (8.–6. Jh. v. Chr.) am nördlichen Horn von Afrika entdeckt. Der hier in Mekaber Ga‘ewa annähernd vollständig ausgegrabene Tempel des sabäischen Mondgottes Almaqah zeigt klare Bezüge zur altsüdarabischen Sakralarchitektur. Sein außergewöhnlich gut erhaltenes Inventar lässt Innovationen aufgrund eines Kulturtransfers mit Südarabien deutlich nachvollziehen. Neben der Konsolidierung des Tempels wurden erste Vorbereitungen zum Auf bau eines Open-Air-Museums getroffen, um diesen Fundort einer breiten Öffentlichkeit nahe zu bringen. Das Heiligtum bestand nach 14C-Datierungen vom 8.–3. Jh. v. Chr., was die bisherigen paläographischen Datierungen südarabischer Belege in Äthio-
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pien bestätigt. Der Tempel befindet sich im östlichen Teil eines Temenos von 35 m × 26 m am Rande eines Kalksteinplateaus (Abb. 20). Der 13 m × 9 m messende Bau erhob sich auf dem Ruinenhügel eines früheren Gebäudes. An seiner Portikus, zu der eine breite Freitreppe empor führte, schließt sich ein einräumiger, vermutlich hypäthraler Naos mit dreigeteiltem Sanktuar an (Abb. 21). Spätere Umbauten unterteilten den Naos in drei Schiffe. Der vollständig erhaltene Libationsaltar mit der Weihinschrift des Königs W’RN blieb bis zum letzten Bauzustand, in dem kein direkter südarabischer Einf luss mehr nachweisbar ist, das liturgische Zentrum des Heiligtums. Dieser Befund korrespondiert gut mit anderen äthio-sabäischen Fundplätzen. Die podestartig erhöhte mittlere Sanktuarkammer war mit einer Verkleidung aus
Abb. 20 Wuqro (Äthiopien), Mekaber Ga’ewa. Almaqah-Tempel, schematischer Plan des Tempelbezirkes
Abb. 21 Wuqro (Äthiopien), Mekaber Ga’ewa. Almaqah-Tempel, Blick in den freigelegten östlichen Teil der Cella. Im Vordergrund der Libationsaltar mit Ablaufrinne und Auffangbecken, im Hintergrund das Sanktuar mit Betyl-Kultplatz und Votiv objekten
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Abb. 22 Wuqro (Äthiopien), Mekaber Ga’ewa. Almaqah-Tempel, Miniaturweihgaben. Von links nach rechts: Hand, Vogel, Miniaturaltar mit der Darstellung einer Frau und dem Symbol des Almaqah
Quadermauerwerk versehen und enthielt einen Betyl-Kultplatz mit mehreren natürlich geformten Kultsteinen. Diese Befunde sind in ihrer kontextuellen Vollständigkeit einmalig. Frauenfiguren, Weihrauchbrenner, Miniaturgefäße und andere Miniaturvotivgaben veranschaulichen die religiösen Anschauungen und Kultpraktiken der hier lebenden Menschen (Abb. 22). Sie attestieren dem Tempel eine große lokale Bedeutung als frequentiertes religiöses Zentrum und weisen auf eine mögliche Eigenschaft des Almaqah als Schöpfer- und Fruchtbarkeitsgott hin. Als drittes der bisher bekannten Almaqah-Heiligtümer auf dem afrikanischen Kontinent zeigt der Tempel – neben Yeha und Melazo – die weite Verbreitung des Kultes dieser sabäischen Gottheit und veranschaulicht das enge Netz religiös-politischer Beziehungen zwischen den Zentren der äthio-sabäischen Epoche. Die ikonographischen und stilistischen Übereinstimmungen zwischen der Frauenstatue aus Mekaber Ga‘ewa (Abb. 23) und derjenigen aus ‘Addi Galamo beweisen, dass die Netzwerke auch auf der regionalen Ebene sehr eng geknüpft waren. Die archäometrischen Analysen des Keramikmaterials stützen dies ebenso auf archäologischer Ebene. Sie machen wahrscheinlich, dass nur ein Teil der Keramiken vor Ort hergestellt wurde, während andere Teile des Inventars aus anderen Regionen stammen. So befand sich eines der sieben identifizierten Produktionszentren in Yeha, wo möglicherweise zwei im Tempelbezirk gefundene, amphorenartige Gefäße (torpedo-shaped jars) hergestellt worden waren, die in Altsüdarabien wie auch in Äthiopien weit verbreitet sind. In Übereinstimmung mit epigraphischen Belegen aus Yeha ist anzunehmen, dass das Kultinventar von sabäischen Handwerkern vor Ort hergestellt wurde. Unklar ist gegenwärtig noch, ob die Auftraggeber jener Handwerker akkulturierte Südaraber oder Vertreter einer indigenen Elite waren. Ein erweiterter Blick auf Nordostafrika könnte klärende Einsichten in das Phänomen des südarabischen Kulturtransfers im nördlichen Horn von Afrika ergeben. Kooperationspartner: Tigrai Culture and Tourism Agency (K. Amare); Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der FriedrichSchiller-Universität Jena, Institut für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients (N. Nebes) • Förderung: Kulturerhalt-Programm des Auswärtigen Amts (Konservierungsarbeiten und Baumaßnahmen) • Leitung des
Abb. 23 Wuqro (Äthiopien), Mekaber Ga’ewa. Almaqah-Tempel, weibliche Sitzstatue mit Sockel und an den Almaqah gerichteter Votivinschrift (Schulterhöhe 40 cm, ohne Sockel)
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Projekts: R. Eichmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: P. Wolf (Ausgrabungsleitung), B. Gebretsadik, U. Nowotnick, B. Briewig, N. Mathyschok, T. Abraham, J. Aitehew, D. Weber, C. Hof • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, P. Wolf, C. Hof (Abb. 20); DAI, Orient-Abteilung, P. Wolf (Abb. 21–23).
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vorträge 5. August Moawiyah M. Ibrahim (Irbid), Khirbet Ez-Zeiraqoun, a Town of the 3rd Millennium BC in Northern Jordan 2. September Moshe Fischer (Tel Aviv), Yavneh-Yam (Israel), Archaeology of Multicultural Encounters at the Eastern Mediterranean. Vortragsreihe »40 Jahre deutsche Forschung im Jemen« Anlässlich der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Republik Jemen und der Bundesrepublik Deutschland vor 40 Jahren fand eine von der Orient-Abteilung veranstaltete Vortragsreihe »40 Jahre deutsche Forschung im Jemen« im Besucherzentrum des Auswärtigen Amts statt (Abb. 24), unterstützt durch die Initiative Außenwissenschaftspolitik »Wissenswelten verbinden«. Das Ziel war, herausragende Themen der Archäologie und Kulturgeschichte des Jemen einer größeren Öffentlichkeit vorzustellen. 8. Juli Ueli Brunner (Zürich), Die Gärten der Königin von Saba 26. August Norbert Nebes ( Jena), Kriegsherren der Weihrauchstraße. Zur Geschichte Südarabiens im frühen 1. Jt. v. Chr. 9. September Holger Hitgen (Sana’a), Römer im Jemen? Mediterrane Kultureinf lüsse in Südarabien während der ersten Jahrhunderte n. Chr. 14. Oktober Hans-Caspar Graf von Bothmer (Saarbrücken), Überraschende Pracht. Früheste Koranhandschriften aus der Großen Moschee in Sana’a 11. November Peter Stein ( Jena), Briefe aus dem Land der Königin von Saba. Im Rahmen eines Festaktes zu diesem Jubiläum wurde am 23. November im Vorderasiatischen Museum der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz die kleine Ausstellung »Altsüdarabische Altertümer: Kunstschätze des Jemen aus der Sammlung des Vorderasiatischen Museums Berlin« eröffnet. Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, Layout, A. Altenburg (Abb. 24). Abb. 24 Einladungsflyer zur Vortragsreihe »40 Jahre deutsche Forschung im Jemen« im Besucherzentrum des Auswärtigen Amts
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Kongress 3. bis 5. Dezember Internationale Tagung »Central Places in Arabia during the Hellenistic and Roman Periods. Common Trends and Different Developments« (Organisation: Orient-Abteilung [Ricardo Eichmann, Arnulf Hausleiter] in Zusammenarbeit mit dem Winckelmann-Institut der Humboldt-Universität zu Berlin [Stephan G. Schmid] und der Zentrale des DAI [Ortwin Dally]; Förderung: Exzellenzcluster TOPOI; DFG). – Es sprachen: Ortwin Dally (Berlin), Introduction; Michael C. A. Macdonald (Oxford), How the Peninsula Became a ›Central Place‹ of the Arabs • Chair: John F. Healey (Manchester); Laïla Nehmé (Paris), Central and Secondary Places in Northwestern Arabia during the Nabataean Period; Arnulf Hausleiter (Berlin), Tayma during the Hellenistic and Nabataean Periods • Chair: Robert Wenning (Münster); Stephan G. Schmid (Berlin), Petra, A Naba-
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taean Central Place? A Showcase? A Difficult Case!; Zbigniew Fiema (Helsinki), Roman Petra – A Showcase in the Central Place; Jean-Marie Dentzer (Paris), Der sakrale Raum und seine Funktionen in den nabatäischen Siedlungen von Petra und Hegra • Chair: Stephan G. Schmid (Berlin); François Villeneuve (Paris), Dharih, Center of the Hasa Valley or Stop on the Main Road?; John P. Ohleson (Victoria), Hawara (Ancient Humayma). A Case-Study of the Spread of Water-Supply Technology in the Nabataean Kingdom; Tali Erickson-Gini ( Jerusalem), Oboda and Its Territory; Achim Lichtenberger (Münster), Jerusalem and Beyond. Central Places in the Herodian Realm • Chair: Jean-Marie Dentzer (Paris); David Graf (Miami), Jurash in the Asir, a Central Place on the Caravan Route between South Arabia and Petra; Michel Mouton (Paris), Mleiha, a Central Place in Late Pre-Islamic South-Eastern Arabia; Ricardo Eichmann (Berlin), Conclusions and Perspectives. Kolloquien 31. Januar Kolloquium »Junge Forschungen in Baalbek II« (Organisation: Hanna Hamel [Berlin]). – Es sprachen: Holger Wienholz (Berlin/Cottbus), Die Inschrift an der Säule im Garten beim Bustan el Khan; Daniel Lohmann (Aachen), Aufnahmen aus dem »50 m tiefen Spalt« im Altarhof; Holger Ehrig (Berlin), Neue Surveyergebnisse; Bettina Genz (Berlin), Buchvorstellung: Neue historische Überblickswerke »Rome in the East«. 19./20. Juni Kolloquium »Baalbek. Ergebnisse der archäologischen und bauhistorischen Untersuchungen (2001–2009)« (Organisation: Margarete van Ess [Berlin], Bettina Genz [Berlin], Hanna Hamel [Berlin]). – Es sprachen: Rainer Herd (Cottbus) – Bentje Brauns (Cottbus) – Roland Baatz (Cottbus), Der Untergrund von Baalbek. Ergebnisse der geophysikalischen Untersuchungen in und um das Jupiter-Heiligtum; Roland Linck (München), Kurzer Bericht über die geophysikalischen Untersuchungen im Frühjahr 2009; Holger Ehrig (Berlin), Eine kaiserzeitliche Abraumhalde oder wie die Heliopolitaner zum Stein kamen; Heike Lehmann (Cottbus), Urbane Transformationsprozesse in Baalbek; Margarete van Ess (Berlin), Die Vorgeschichte Baalbeks. Der Siedlungsraum und die chronostratigraphische Entwicklung des Tells; Bettina Genz (Berlin), Zwischen Steinbrüchen und Weinbergen. Die wirtschaftlichen Wechselbeziehungen von Stadt und Umland in Baalbek; Holger Wienholz (Berlin), Das römische Baalbek. Geschichte und Architektur; Daniel Lohmann (Aachen), Überlegungen zur Architektur des Jupiter-Heiligtums; Henning Burwitz (Cottbus), Der Podiensaal in Baalbek; Lars Petersen (Bochum), Deutsche Ausgrabungen in Baalbek zwischen 1898 und 1904; Asaf Pekdeğer (Berlin) – Hans-Jürgen Voigt (Cottbus), Überblick über die hydrologischen Untersuchungen; Clemens Brünenberg (Berlin), Neuer Glanz auf altem Schutt. Planung und Entwicklung des Odeions aus der Therme heraus; Jana Heine (Greifswald) – Konrad Hitzl (Greifswald), ›Fremde‹ Skulpturen in Baalbek; Małgorzata Daszkiewicz (Berlin/Warschau), Some First Results from the Laboratory Analysis of Pottery from Baalbek; Hanna Hamel (Berlin), Die Deponierung der Reste. Annäherungen an die Stadtentwicklung aus Sicht der Keramik; Julia Nádor (Berlin), Von spätantiken Säulenstraßen zu mittelalterlichen Stadtmauern; Frank Henze (Cottbus), CISAR – GIS – DMS; Agnes Schütte (Cottbus), Pufferzonen der UNESCO Welterbestätte Baalbek. 4./5. Dezember Kolloquium »Polish and German Excavations in Lebanon« (Organisation: Margarete van Ess [Berlin], Bettina Genz [Berlin], Hanna Hamel [Berlin]). – Es sprachen: Margarete van Ess (Berlin) – Klaus
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Rheidt (Cottbus), Baalbek 2001–2009. Introduction to the Project; Tomasz Waliszewski (Warschau) – Karol Juchniewicz (Warschau), Chhîm 1996– 2009. Jiyeh–Porphyreon 2004–2009. Introduction to the Projects; Mahmud el Tayeb (Warschau), Iqlîm el Kharrûb Survey 2000–2009. Introduction to the Project; Krzysztof Jakubiak (Warschau), Eshmun Valley Survey 2005–2009. Introduction to the Project; Bettina Genz (Berlin) – Holger Ehrig (Berlin), Survey of Rural Settlements around Baalbek. Introduction to the Project; Ingrid Périssé (Lyon), The Evolution of the Sanctuary at Chhîm; Daniel Lohmann (Aachen), The Evolution of the Jupiter Sanctuary in Baalbek; Friederike Hoebel (Cottbus/Freiburg), The Evolution of the Venus Sanctuary in Baalbek; Marzena Łuszczewska (Warschau), Roman Period Architectural Decoration Elements from Chhîm; Holger Wienholz (Cottbus/Berlin), Roman Period Architectural Decoration from Baalbek; Mariusz Gwiazda (Warschau), Preliminary Remarks on Doors, Windows and Communication in Chhîm and Jiyeh; Clemens Brünenberg (Berlin), Remarks on the Architectural Features of Roman Public Buildings in Baalbek; Heike Lehmann (Cottbus), The Rural Dwelling of the Beqaa in Urban Context. The »îay a§-êolú« – A Traditional Living Quarter in Baalbek; Krzysztof Dom½alski (Warschau), Hellenistic and Roman Fine Ware Pottery from Chhîm and Jiyeh; Olga Wasilewska (Warschau), Roman Lamps from Chhîm and Jiyeh; Bettina Genz (Berlin), Hellenistic and Roman Lamps from Baalbek; Tomasz Waliszewski (Warschau), Late Antique Lamps from Chhîm and Jiyeh; Marcin Wagner (Warschau), Hellenistic, Roman and Byzantine Glass Vessels from Chhîm and Jiyeh; Hanna Hamel (Berlin) – Franziska Jahnke (Berlin), Roman Glass from Baallbek; Agnieszka Szulc-Kajak (Warschau), Metal Objects from Jiyeh; Monika Karnowska (Warschau), Preliminary Remarks on the Archaeozoological Remains from Chhîm and Jiyeh; Olga Wasilewska (Warschau), Roman Necropolis in Jiyeh. Burials and Funerary Customs; Karol Juchniewicz (Warschau), Roman and Byzantine Period Water Management System in Chhîm and Jiyeh. 7./8. Dezember Forschungskolloquium »Neue Forschungen in Tayma – Projektgespräch 2009«. – Es sprachen: Andreas Reichert (Tübingen), Huber und Euting und ihre Expedition nach Tayma. Neue Dokumente zur Auffindung der Tayma-Stele; Harald Kürschner (Berlin), Vegetationsgeschichte von Tayma. Ergebnisse paläo- und rezentbotanischer Untersuchungen; Michèle Dinies (Berlin) – Reinder Neef (Berlin), Erste pollenanalytische Ergebnisse; Kai Wellbrock (Lübeck) – Matthias Grottker (Lübeck), Vorläufige Ergebnisse der hydrologischen Untersuchungen in Tayma, Qurayyah und Dumat al-Jandal; Friedrich Weigel (Berlin), Tayma. Die Befunde in Areal H/Compound A; Holger Hanisch-Gräfe (Berlin), Der archäologische Kontext zur Wasserwirtschaft in Nordwest-Arabien; Nicole Klasen (Marburg) – Max Engel (Marburg) – Andreas Ginau (Marburg) – Helmut Brückner (Marburg), Optical Dating of Aeolian Deposits at the Site of Tayma. Basics and Challenges; Gereon Lindlar (Bonn), Restaurierung in der Grabung Tayma – Auf bau und Konzeption; Michael Fielauf (Berlin), Von der Bergung bis zur adäquaten Lagerung – Aufgabenbereiche der Objektrestaurierung in Tayma; Christoph Purschwitz (Berlin), Visualizing Stratigraphy – A Proposal Based on Tayma’s Areas E-South and F; Jana Rogasch (Berlin), The Tayma Database. Concept and State of Affairs; Lara Maritan (Padua) – Mirko Giannetta (Padua) – Francelin Tourtet (Berlin), Pottery Production over about Two Millennia at Tayma (Saudi Arabia); Andrea Intilia (Berlin), Ivories from Excavations in Area O; Arnulf Hausleiter (Berlin)
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– Sebastiano Lora (Berlin), The Temple Building E-b1. Excavation, Stratigraphy and Chronology; Peter I. Schneider (Berlin) – Gunnar Sperveslage (Berlin), Stadtmauerarchäologie 2009. Die Ergebnisse der Ausgrabungen in Quadrant W41; Emmanuele Petiti (Pisa), Burial Grounds at Tayma – Results and Perspectives; Anna Breymayer (Berlin), Untersuchungen zu neolithischen Felsbildern in Saudi Arabien; Heinz Jantzen (Berlin), Eisenzeitliche Dromedarterrakotten aus Tayma, Nordwestarabien; Ricardo Eichmann (Berlin), Rastplätze zwischen Tayma und Ha’il. Workshops Herr Eichmann veranstaltete zusammen mit Graeme Lawson (Exzellenzcluster TOPOI) vier musikarchäologische Workshops im Orient-Haus (Abb. 25). 20./22. Juli Workshop »Horizons in Music Archaeology. Concerning a Future Conference on Contemporaneous Musical Phenomena in the Bronze Age of Europe, Asia and Africa, and Possible Sequels«. – Es nahmen teil: Ricardo Eichmann (Berlin), Graeme Lawson (Cambridge), Thomas Götzelt (Berlin), Alexandra von Lieven (Berlin), Cornelia Kleinitz (Berlin), Lars-Christian Koch (Berlin), Joachim Schween (Hameln), Peter Holmes (London), Stefan Hagel (Wien), Christoph Plewe (Berlin), John Purser (Isle of Skye), Maria C. O’Dwyer, Simon O’Dwyer (Crimlin Corr-na-Móna). 11./12. September Workshop »Towards a Concise Handbook of the International Study Group on Music Archaeology. Practice in Music Archaeology« Ergebnis des außerordentlich produktiven Workshops war die Ausarbeitung eines umsetzungsreifen Konzepts für ein Online-Handbuch der Musikarchäologie. An der Veranstaltung wirkten acht Personen der International Study Group on Music Archaeology mit: Adje Both (Mannheim), Ricardo Eichmann (Berlin), Stefan Hagel (Wien), Peter Holmes (London), Mark Howell (Winterville), Lars-Christian Koch (Berlin), Graeme Lawson (Berlin), Alexandra von Lieven (Berlin). 29. September Workshop »Listening to the Past. Music, Speech and Other Acoustic Behaviours and Perceptions, in Relation to Natural and Modified Space« Der Workshop befasste sich mit den klanglichen Eigenschaften natürlicher und kultureller Räume. Ergebnis des diskussionsreichen Workshops war die thematische Eingrenzung eines musikarchäologischen Symposiums, das sich mit den akustischen Merkmalen musikalischer Klänge im gesellschaftlichen, vor allem politischen und religiösen Kontext befassen soll. An der Veranstaltung wirkten acht Personen aus dem Exzellenzcluster TOPOI und seinem Umfeld (Berlin) mit: Ricardo Eichmann (Berlin), Lars-Christian Koch (Berlin), Jana Kubatzki (Berlin), Graeme Lawson (Berlin), Alexandra von Lieven (Berlin), Natalie May (Berlin), Eleftheria Paliou (Berlin), Hauke Ziemssen (Berlin). 12. November Workshop »Listening to the Past II. Music, Speech and Other Acoustic Behaviours and Perceptions, in Relation to Natural and Modified Space«. – Es sprachen: Graeme Lawson (Cambridge), Some Thoughts on Sound as Communications Medium, and on Music as Vehicle for Movement, in the Roman Countryside and Wilderness; Cornelia Kleinitz (Berlin), Retrospective on the 4 th Cataract Lithophones Project in the Sudan. Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, R. Eichmann (Abb. 25).
Abb. 25 Workshops zur Musikarchäologie, experimentelles Musizieren mit dem Nachbau einer altmesopotamischen Leier des 3. Jts. v. Chr.
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Veranstaltungen zu den Forschungsclustern des DAI
Workshop 9. März Workshop der Arbeitsgruppe »Wasserversorgung« im Forschungscluster 2 »Innovationen: technisch, sozial« des DAI. – Es sprachen: Ricardo Eichmann (Berlin), Bericht über die Plenarsitzung vom 4. bis 5. Dezember 2008; Patrick Keilholz (München), Der untere Tunnel in Gadara; Hartmut Wittenberg (Lüneburg), Gedanken zur Wasserversorgung in Hattuscha; Christoph Ohlig (Wesel), Die Wasserleitung der Colonia Ulpia Traiana (Xanten); Edgar Peltenburg (Edinburgh), New Results from the Excavation of Preceramic Neolithic Wells on Cyprus; Florian Klimscha (Berlin), Die Bedeutung von Wasser im europäischen Mesolithikum; Stefan Hauser (Konstanz), Wassernutzung in Palmyra; Hartmut Kühne (Berlin), Wassernutzung in Assyrien. Am Ende der diskussionsreichen Veranstaltung wurden organisatorische Details für die Vorbereitung der Publikation besprochen, mit der noch im Sommersemester begonnen werden soll.
Öffentlichkeitsarbeit
Herr Eichmann informierte Journalisten des In- und Auslands sowie Reiseveranstalter über Forschungsprojekte der Abteilung. Frau van Ess berichtete in mehreren Interviews und gab Hintergrundinformationen für Journalisten über die laufenden Aktivitäten zum Kulturerhalt im Irak und den Schadensbericht über Babylon. Am 29. April erläuterte sie Mitarbeitern der Deutschen Botschaft Beirut das Forschungsprojekt, am 26. Oktober führte sie die Kulturreferentin der Deutschen Botschaft durch Baalbek. Als Auftakt zur Beschilderung wichtiger archäologischer Fund- und Ausgrabungsstellen in Tayma wurde am Zentralbereich der Ruine eine Informationstafel errichtet, die Besucher über die wissenschaftlichen Arbeiten des deutsch-saudischen Kooperationsprojekts informiert. Herr Eichmann und Herr Hausleiter führten mehrere Besuchergruppen durch die Ausgrabungen von Tayma (Saudi-Arabien). Am 13. April hielt Herr Hausleiter einen öffentlichen Vortrag im Nationalmuseum Riad über die Ausgrabungsergebnisse der Frühjahrskampagne in Tayma. Im Rahmen einer vom Goethe-Institut organisierten und vom Auswärtigen Amt unterstützen Themenreise besuchte am 26. Mai eine Delegation höchster Kultur- und Antikendienstvertretern aus sechs arabischen Ländern auch die Zentrale des DAI in Berlin. Ortwin Dally, Ricardo Eichmann und Magarete van Ess begrüßten die Gäste in den historischen Räumlichkeiten des Wiegandhauses in Berlin-Dahlem. Bei den Gesprächen lobte man die fruchtbaren Kooperationen und verständigte sich auch weiterhin auf einen intensiven Austausch hinsichtlich gemeinsamer Forschungsfragen und ‑ziele. Dazu soll es im kommenden Jahr eine Folgekonferenz in ähnlicher Zusammensetzung geben. – Gäste waren: Mourad Boutef lika (Kulturministerium, Algerien), Mourad Hadaine (Kulturministerium, Algerien), Mohannad Ahmad Mohammad al-Sayani (Direktor der General Organization for Antiquities and Museums, Jemen), Rana Andari (Kulturministerium, Libanon), Abdulrahman Ghatanash Edreis Emhemed (Generaldirektor der Abteilung für archäologische Forschung und historische Archive des libyschen Antikendienstes, Libyen), Lotfi Belhouchette (Institut National du Patrimoine, Tunis).
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Im Rahmen einer vom Auswärtigen Amt und dem Goethe-Institut veranstalteten Themenreise »Kulturerhalt und kulturelles Erbe, Museumswesen« besuchten am 8. Oktober zehn Repräsentanten arabischer Museen und anderer mit Kulturerhalt befasster Institutionen das Deutsche Archäologische Institut. Ortwin Dally und Ricardo Eichmann erläuterten den Gästen die Aktivitäten des DAI in Nordafrika und im Vorderen Orient sowie die Kooperationsmöglichkeiten mit dem DAI. – Teilnehmer der Veranstaltung waren: Arwa Abdo Othman Al-Areqial (Gründerin und Direktorin des House of Folklore, Sana’a, Jemen), Budour Qassar Dar-Al-Athar Al-Islamiyyah (Exhibitions Coordinator, Kuwait City), Nadine Boksmati (Direktorin des Ministry of Culture and Information, Manama, Königreich Bahrain), Baha Eddin Muhammad Jubeh (Direktor des Center for Architectural Conservation [RWAQ], Ramallah, Palästinensische Autonomiegebiete), Mamadou Hadya Kane (Direktor des Nationalmuseums Nouakchott, Mauretanien), Anne-Marie Maila Afeiche (Archäologin am Musée National Beirut, Libanon), Makram Girgis Kamilia (Kuratorin am Coptic Museum, Kairo, Ägypten), Hassanien Farag Yahya Hassanien (Kurator am Museum Al Arissh, Kairo Ägypten), Firas Nimry (Generaldirektor des Jordanischen Nationalmuseums, Amman), Abdulrahman Ghatanash Edreis Emhemed (Département des Antiquités de Libye, Generaldirektor der Abteilung für archäologische Forschung und historische Archive des libyschen Antikendienstes, Tripolis, Libyen).
Sonstiges
Fortbildung in archäologischer Konservierung für Frauen aus Saudi-Arabien am Nationalmuseum von Riad Die Orient-Abteilung führte in Saudi Arabien erstmals ein einmonatiges Trainingsprogramm in archäologischer Konservierung für Frauen durch. Das Ausbildungsprogramm mit internationalen Lehrkräften ist ein Beitrag zur Stärkung der Kompetenz von Frauen im Bildungswesen in Saudi-Arabien, der im Rahmen des gegenwärtigen politischen Kontextes ein Element der weiteren Öffnung des Landes darstellt. Die Trainingskurse über die Restaurierung von Stein, Keramik, Metall und Glas wurden in den Werkstätten des Nationalmuseums durchgeführt. Als Unterrichtsmaterial wurden mehrere hundert Seiten Lehrmanuskripte auf Englisch zusammengestellt und in Riad ins Arabische übersetzt. Das Teilnehmerinnenfeld setzte sich aus 20 Mitarbeiterinnen des Nationalmuseums und 15 Studentinnen der King Saud Universität zusammen. Am Ende des Programms stand ein schriftlicher Test, mit dem mittelfristigen Ziel, die besten Teilnehmerinnen zu einer Fortbildung in Deutschland auszuwählen. Den Abschluss bildete ein öffentlicher Vortrag von Marta Luciani (Wien) über »The Archaeology of the Ancient Near East and the Arabian Peninsula. Present and Future Perspectives« auf Einladung der Vorsitzenden des »National Museum Advisory Committee in Riyadh«, Prinzessin Adelah bint Abdullah, und des Deutschen Botschafters in Riad, Volkmar Wenzel, in Anwesenheit der bislang einzigen Ministerin des Königreichs, Norah A. Alfaiz, sowie der führenden Archäologen des Landes. Prinzessin Adelah bint Abdullah überreichte dem DAI eine Ehrenplakette für die erworbenen Verdienste (Abb. 26). Die Weiterbildungsinitiative wird im kommenden Jahr fortgesetzt.
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Abb. 26 Ehrenplakette für das Deutsche Archäologische Institut, überreicht von Prinzessin Adelah bint Abdullah für erworbene Verdienste
Kooperationspartner: Saudi Commission for Tourism and Antiquities; National Museum Advisory Committee in Riyadh • Förderung: DAAD, Bonn; Saudi Commission for Tourism and Antiquities, Riad • Leitung des Projekts: R. Eichmann • Mitarbeiterinnen: M. Luciani, S. Beuster, P. H. Kotsiari • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, S. Lora (Abb. 26).
Persönliches
Die Union of Arab Historians verlieh Margarete van Ess und Ricardo Eichmann die Ehren-Doktorwürde.
Veröffentlichungen
Zeitschrift für Orient-Archäologie 1 (2008) Orient-Archäologie 23: L. Khalil – K. Schmidt (Hrsg.), Aqaba Orient-Archäologie 24: K. Bartl – A. Razzaq Moaz (Hrsg.), Residences, Castles, Settlements. Transformation Processes from Late Antiquity to Early Islam in Bilad al-Sham. Proceedings of the International Conference Held at Damascus, 2006 Zeitschrift für Orient-Archäologie 2 (2009)
Außenstelle Baghdad
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Die Außenstelle Baghdad blieb aufgrund der politisch unsicheren Lage im Irak auch in diesem Jahr unbesetzt. Wie in den Vorjahren wurde die Aufarbeitung der Funde und Befunde von Uruk/Warka fortgesetzt und die systematische Archivierung und Digitalisierung der Grabungsunterlagen vorangetrieben. Margarete van Ess, kommissarische Leiterin der Außenstelle, übernahm wiederum in enger Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt die Beobachtung und Durchführung von Krisenmaßnahmen für den Bereich der archäologischen Kulturarbeit. Sie war an der Strukturierung verschiedener Projekte zum Kulturerhalt im Irak beteiligt und unterstützte irakische
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Kollegen bei der Aufarbeitung älterer Ausgrabungsprojekte. Im Rahmen des »International Coordination Committee for the Safeguarding of the Cultural Heritage of Iraq« der UNESCO übernahm sie weiterhin die Aufgabe der Rapporteurin und vertrat darüber hinaus das Institut in internationalen Veranstaltungen zum Kulturerhalt. Am 9. Juli wurde in einer Pressekonferenz des UNESCO Hauptquartiers, unter Vorsitz der beigeordneten Generaldirektorin für Kultur, Françoise Rivière, der »Final Report on Damage Assessment in Babylon« der Presse vorgestellt, der auf Basis aller verfügbaren nationalen und internationalen Einzelberichte kompiliert und in einem speziellen Sub-Committee von allen beteiligten Nationen abgesegnet worden war (http://unesdoc.unesco.org/images/0018/001831/183134E.pdf ). Margarete van Ess hatte zusammen mit John Curtis (British Museum, London) im Auftrag der UNESCO die Redaktion und den Druck des Berichts übernommen. Der Bericht listet sowohl die vor dem Krieg 2003 sowie die danach entstandenen Schäden an archäologischen Strukturen in der Ruine auf, die durch nicht internationalen Standards entsprechende Restaurierung vor dem Krieg bzw. vor allem durch die militärische Nutzung der Ruine kurz vor April 2003 sowie durch die Nutzung weiter Teile der Ruine als Militärcamp bis Dezember 2004 entstanden sind. Der Bericht soll als Basis für weiterreichende Entscheidungen zur Konservierung und Präsentation des Ortes in der Zukunft dienen.
Ausgrabungen und Forschungen
Arbil (Irak – Föderale Region Kurdistan) Ende 2008/Anfang 2009 stießen Anwohner bei Erschließungsarbeiten im Stadtviertel Arab Qadim/Arab Kon der Stadt Arbil auf eine neuassyrische Grabgruft. Die Grabgruft und ihre inzwischen ins Museum verbrachten Grabbeigaben wurden gemeinsam mit dem Kooperationspartner in einer zweitägigen Unternehmung dokumentiert (Abb. 1). Die Topographie sowie örtliche Berichte ließen vermuten, dass die Grabgruft im Zusammenhang mit einer archäologischen Siedlung der neuassyrischen, eventuell auch anderer Perioden stehen könnte. Im Laufe des Jahres wurde daher ein Weiterbildungs-
Abb. 1 Arbil (Irak), neuassyrische Grabgruft (7. Jh. v. Chr.)
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Abb. 2 Arbil (Irak), Ausgrabungen im Stadtviertel Arab Qadim/Arab Kon
Abb. 3 Arbil (Irak), Grabbeigabe in einer nach-assyrischen Bestattung in Form eines Skarabäus
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projekt entwickelt, in dem irakische und deutsche Archäologen eine Fortbildung in modernen Ausgrabungsmethoden erhalten. Die Untersuchungen wurden Ende 2009 mit einer kleinen Ausgrabung fortgesetzt, die das Detailziel hatte, das direkte Umfeld der Grabgruft und das wissenschaftliche Potential des Bereiches zu untersuchen. Das Grabungsareal liegt am Rand eines modernen, aber nicht asphaltierten, städtischen Parkplatzes, so dass trotz der dichten Besiedlung ausreichend Fläche für archäologische Untersuchungen zur Verfügung steht. In einem Areal von ca. 4,50 m × 3,00 m Größe wurden ca. 2,50 m Siedlungsschichten untersucht. Neben modernen Aufschüttungen für den Parkplatz fand sich in ca. 1,00 m Tiefe unter der ursprünglichen Hügeloberkante ein Friedhof mit dichter Belegung, der offensichtlich in mehreren Phasen genutzt worden war (Abb. 2). Es handelt sich um Erdbestattungen, in der Regel ohne erkennbare Grabbeigaben. Die Bestatteten wurden sowohl als Hocker als auch in gestreckter Lage und mit unterschiedlicher Aus- und Blickrichtung beerdigt, so dass sich zunächst, vor allem vor dem Hintergrund der bislang noch nicht repräsentativ großen Anzahl von Gräbern, kein deutlicher Hinweis auf eine Datierung der Bestattungen oder eine soziale oder religiöse Zugehörigkeit erschließen lässt. Lediglich ein Bestatteter war mit persönlichem Schmuck ausgestattet, zu dem ein Skarabäus gehört, der vorerst in die Zeit zwischen dem 8. und 6. Jh. v. Chr. einzuordnen ist (Abb. 3). Ob damit auch ein Hinweis auf den Zeitpunkt der Bestattung vorliegt oder ob der Skarabäus als Antiquität in das Grab kam, ist offen. Die unterste Schicht der Gräber war in Wohnhäuser aus Lehmziegeln eingetieft, die – der Ausrichtung und ersten Analysen von Keramikscherben nach – in das zeitliche Umfeld der neuassyrischen Grabgruft gehören können. Damit kann auch der Charakter des Fundbereiches definiert werden: Spätestens in der neuassyrischer Zeit werden in diesem Bereich Wohnhäuser angelegt, unter deren Fußböden, wie zu der Zeit üblich, Grabgrüfte zu erwarten sind. In jüngerer Zeit wird das Gelände als Friedhof genutzt, der seit dem Ende des neuassyrischen Reiches bis in die Abbasidenzeit hinein belegt worden sein kann (eventuell 7./6. Jh. v. Chr. bis 13. Jh. n. Chr.). Geophysikalische Messungen auf den in der Umgebung der Grabungsstelle befindlichen Parkplätzen und Straßen ergaben weitere Hinweise auf die
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antike Wohnbebauung, so dass die Erhebung dieses Stadtviertels nun sicher als Siedlungshügel interpretiert werden kann. In Detailuntersuchungen wurde darüber hinaus die Dokumentation der Grabgruft und ihrer Funde fortgesetzt. Die Keramikbeigaben wurden einer Warenanalyse unterzogen, alle Beigaben konservatorisch gereinigt und zur weiteren Verwahrung gesichert, die Bestatteten anthropologisch untersucht sowie alle Funde und Befunde von einem Photographen erneut dokumentiert (Abb. 4). Kooperationspartner: Directorate of Antiquities, Arbil • Förderung: Official Development Assistance, Gouverneur der Provinz Arbil • Leitung des Projekts: M. van Ess, H. H. Hussein • Mitarbeiter: A. Hausleiter, N. Baroshi (örtliche Grabungsleitung), S. M. Abdulkarim, A. J. Ali, A. M. Amin, M. L. Khadir, N. H. Mustafa, A. M. Qadir, D. A. Marf Zamua, A. Intilia, F. Tourtet, J. Krumnow, E. Petiti, P. Schmidt, J. Kramer, C. Meyer • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, J. Kramer (Abb. 1–3); DAI, Orient-Abteilung, A. Hausleiter (Abb. 4).
Veranstaltungen
Unterstützt durch die Initiative »Wissenswelten verbinden« des Auswärtigen Amtes fand vom 1. bis 31. Juli unter dem Titel »Exchanging Scientific Approaches. First Iraqi-German Summer Graduate Programme in Ancient Near Eastern Studies« das erste Irakisch-Deutsche Sommer Graduate Programm für Nachwuchswissenschaftler der Fächer Vorderasiatische Archäologie und Altorientalistik in Paris und Berlin statt. Auf Einladung der Orient-Abteilung des DAI kamen der Präsident des »Arab Institute for Historians«, sechs promovierte und in der Lehre tätige irakische Wissenschaftler der Universität Baghdad sowie zwei Mitarbeiter der irakischen Antikenverwaltung nach Paris und Berlin und nahmen zusammen mit ihren deutschen Kollegen an einem, in Zusammenarbeit mit dem Institut für Altorientalistik der Freien Universität Berlin veranstalteten, umfangreichen Programm teil. Dieses wurde in Kooperation mit der Deutschen Orient-Gesellschaft und dem Vorderasiatischen Museum der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz durchgeführt (Abb. 5. 6). Das Sommer Graduate Programm startete mit einer Teilnahme an der jährlich stattfindenden Konferenz »Rencontre Assyriologique Internationale« in Paris und an der im Rahmen des Excellenzclusters TOPOI veranstalteten Konferenz »Constituent, Confederate and Conquered Space in Upper Mesopotamia. The Case of the Mitanni Transition«. Anschließend fand ein intensives Kursprogramm statt, welches sich thematisch auf die Felder »Keramik Mesopotamiens«, »Keilschrifttexte als Hauptquelle mesopotamischer Geschichte« und »Architektur und Stadtplanung in Mesopotamien« konzentrierte. Das Kursprogramm wurde abwechselnd von deutschen und irakischen Wissenschaftlern gestaltet und trug auch dadurch entscheidend dazu bei, dass das Ziel des Programms – den akademischen und wissenschaftlichen Austausch sowie Wissenschaftskontakte neu zu beleben und zu intensivieren – erreicht wurde. – Es nahmen teil: Mohammed Jassim Almashadani (Präsident des Arab Institute for Historians, Baghdad), Munthir Ali Abdel-Malik, Basima Jaleel Abed, Qusay Abbas, Sajah M. Abdullateef, Awsam Bahar Jark, Ahmed Lafta Muhsen (University of Baghdad), Ayad Kadhum Dawood (State Board of Antiquities and Heritage, Baghdad), Tawfeq Abed Mohammed (State Board of Antiquities and Heritage, Samawa), Nicole Brisch, Hagan Brunke, Eva
Abb. 4 Arbil (Irak), Keramik aus der neuassyrischen Grabgruft
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6 Abb. 5. 6 »First Iraqi-German Summer Graduate Programme in Ancient Near Eastern Studies«, irakische und deutsche Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen arbeiten im Vorderasiatischen Museum in Berlin
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Cancik-Kirschbaum, Grégory Chambon, Cale Johnson, Jörg Klinger, Hartmut Kühne (Freie Universität Berlin), Ricardo Eichmann, Margarete van Ess, Arnulf Hausleiter, Sandra Feix (DAI, Orient-Abteilung), Jutta Häser (Deutsches Evangelisches Institut, Amman), Ralf Wartke, Beate Salje (Vorderasiatisches Museum, SMB SPK), Markus Hilgert (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg), Olof Pedersén (University of Uppsala), Laith Hussein (Marburg). Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung (Abb. 5. 6). Am 26. November besuchten neun irakische Diplomaten das DAI im Rahmen des »3rd Executive Seminar for Diplomats from Iraq« (durchgeführt vom Auswärtigen Amt). Ricardo Eichmann sowie Margarete van Ess informierten über die Arbeit des Instituts und die Projekte der Außenstelle Baghdad sowie über die Besonderheiten des Kulturerbes und notwendige Maßnahmen zu seinem Schutz.
Außenstelle Damaskus
Ausgrabungen und Forschungen
Shir Die archäologischen Untersuchungen im spätneolithischen Fundplatz Shir, ca. 12 km nordwestlich der Provinzhauptstadt Hama in Westsyrien gelegen, konzentrierten sich in diesem Jahr auf die f lächige Freilegung größerer Bereiche der jüngsten Siedlungsschicht im zentralen und nordöstlichen Ortsgebiet, die etwa in den Zeitraum zwischen 6400 und 6100 v. Chr. (kalibrierte Daten) datieren. Darüber hinaus konnten die Stratigraphieuntersuchungen im südlichen Siedlungsgebiet beendet werden. Die Arbeiten an diesem herausragenden Siedlungsplatz sollen grundlegende Fragen des Siedlungslayouts, möglichen Planungsprinzipien von Gebäudestrukturen und zum Siedlungsauf bau sowie den zugrunde liegenden Sozialstrukturen im Spätneolithikum nachgehen. Die Grabungen in den nordöstlichen Siedlungsarealen waren im Vorjahr mit dem Ziel begonnen worden, einen größeren zusammenhängenden Gebäudekomplex, der sich 2006 in geophysikalischen Prospektionen abgezeichnet hatte, freizulegen. Dabei wurden zunächst die Außen- und Bin-
Abb. 1 Shir, neolithischer Siedlungsplatz. Gebäude A im nordöstlichen Siedlungs bereich, Raum mit Vorratsgefäßen
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nenmauern der Gebäude sowie die Bebauung der unmittelbaren Umgebung der Anlage geklärt. In diesem Jahr wurden die Innenräume untersucht und die Rauminhalte ermittelt. Daneben konnte die Gesamtschichtenabfolge des nordöstlichen Siedlungsgebietes bis zum gewachsenen Fels erfasst werden. Die Ergebnisse der diesjährigen Arbeiten zeigen, dass der untersuchte Gebäudekomplex zunächst aus zwei südöstlich-nordwestlich ausgerichteten Häusern bestand, von denen das östliche (A) sechs kleine Räume von jeweils etwa 2,00 m × 2,00 m und das westliche (B) zehn Räume von teilweise gleichen, teilweise etwas größeren Dimensionen aufwies. Vermutlich in der letzten Nutzungsphase wurden beide Häuser durch Haus C verbunden. Die Mauern der Gebäude A und B stehen etwa 0,80–1,20 m hoch an, das erhaltene Mauerwerk besteht aus Kalkstein in Lehmmörtel, die Fußböden aus Kalk/Lehmmörtel. Die interne Stratigraphie der Räume deutet auf zwei, teilweise drei Nutzungsphasen, in denen die Lagerung und Verarbeitung von Nahrungsmitteln offenbar vorrangig waren (Abb. 1). Das Fehlen von externen Zugängen in beiden Häusern legt die Erschließung der Räume über ein Obergeschoss nahe. Wie eine Stratigraphiesondage im Areal ergeben hat, bildet der Gebäudekomplex den mittleren Abschnitt von insgesamt fünf bis sechs Bauschichten in diesem Siedlungsbereich. Die bisher ermittelten Daten erlauben sowohl eine Rekonstruktion als zweistöckige Speicheranlage wie auch als kombiniertes Speicher-/Wohnhaus. Beide Möglichkeiten führen zu verschiedenen Hypothesen hinsichtlich Produktions-, Speicher- und Konsumptionsformen sowie des sozialen Kontextes. Insbesondere Aspekte individueller oder kollektiver bzw. kommunaler Herstellung und Lagerung von Gütern wie auch die Form des Konsums bilden wichtige Details zur Interpretation des Befundes. Im zentralen Siedlungsgebiet konnten durch Flächengrabungen direkt unter der rezenten Oberf läche zahlreiche Fußbodenreste aus Kalkmörtel zusammen mit Mauerresten, Installationen und Großgefäßen erfasst werden. Sie zeigen, dass die jüngste Siedlungsphase in diesem Bereich durch eine dichte Bebauung wahrscheinlich einzeln stehender Häuser von beträchtlicher Größe charakterisiert ist. Unter den hier gefundenen Objekten sind zwei fußförmige Steinobjekte (Abb. 2) und Amulette/Stempelsiegel (Abb. 3 a. b) hervorzuheben. Im südlichen Grabungsbereich wurde im Bereich der im letzten Jahr erfassten Mehrfachbestattung in einem Gebäude der Schicht IV eine weitere raum-
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3 b Abb. 2 Shir, neolithischer Siedlungsplatz. Fußförmiges Kalksteinobjekt aus dem zentralen Siedlungsbereich Abb. 3 a. b Shir, neolithischer Siedlungsplatz. Siegel oder Amulett aus grauem Kalkstein aus dem zentralen Siedlungs bereich, Aufsicht und Seitenansicht
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Abb. 4 Shir, neolithischer Siedlungsplatz. Gebäude der Schicht IV und darunter liegende Lehmstruktur mit Kalkmörtel verputz im südlichen Siedlungsbereich
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interne Bestattung freigelegt. Unterhalb dieses Raumkomplexes kam eine Lehmstruktur aus mehreren quadratischen, mit Kalkmörtel verputzten Behältern zu Tage, die als Speicheranlage interpretiert werden kann und etwa in den Zeitraum um 6600 v. Chr. zu datieren ist (Abb. 4). Die Daten zur komplexen Stratigraphie des südlichen Siedlungsgebietes werden gegenwärtig ausgewertet und für die Publikation vorbereitet. In den kommenden Kampagnen sollen vor allem die Flächengrabungen in den jüngeren Siedlungsschichten fortgesetzt werden. Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM) • Leitung des Projekts: K. Bartl, J. Ramadan (DGAM), W. al-Hafian (DGAM) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Ahrens, J. Duman, Z. Ecimovic, A. Forys, C. Grutsch, C. Must, A. Gubisch, F. Geitel, J. Gresky, J. Krumnow, O. Nieuwenhuyse, P. Tollkühn, K. Pfeiffer, D. Resch, J. Rogasch, D. Rokitta-Krumnow, J. Uqla, T. Urban, M. Youssef, I. Wagner, D. Wunderlich • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, T. Urban (Abb. 1. 4); DAI, Orient-Abteilung, K. Bartl (Abb. 2. 3).
Abb. 5 Hama, spätosmanischer Gouverneurspalast Qaʿr al-ʿAzm. Nord-Süd-Schnitt ˙ des westlichen Palastbereiches
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Hama-Altstadt-Survey, Bauhistorische Untersuchungen am Qa§r al->A½m Der spätosmanische Gouverneurspalast Qa§r al-
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schen ›Ajami‹-Wandvertäfelung, also vorgeblendeten Holzplatten mit bemaltem Stuckdekor, aus größeren Partien von Malereien auf dem Wandverputz, bemalten Fensterstürzen, schnitzverzierten inneren Fensterläden, Buntglasfenstern mit Gipsfassung und geschnitzten Holzdecken mit vergoldeten und bemalten Partien sowie Spiegelglaseinlagen (Abb. 6. 7). Einen späteren Einbau stellt eine der Eingangstür gegenüber liegende Nische mit reichen Holzschnitzereien und Perlmutteinlagen dar (Abb. 8). Mehrfarbige Marmor inkrustationen des Fußbodens ergänzen das Dekorationsprogramm dieses Raumes. Die hier verwendeten Farben und Materialien fügen sich trotz ihrer Verschiedenartigkeit zu einem harmonischen, den Betrachter überwältigenden Bild; die Muster gehen teilweise offenbar auf europäische Vorbilder zurück. Wie die bisherigen Recherchen gezeigt haben, ist die Ausstattung des Raumes einzigartig und ohne Parallelen. Für die von der syrischen Antikenverwaltung geplanten Restaurierungsmaßnahmen bilden die Untersuchungsergebnisse eine wichtige Grundlage zum Erhalt dieser singulären Raumausstattung des 18. Jhs. Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM) • Leitung des Projekts: K. Bartl, J. Ramadan (DGAM) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Ahmad, A. Scharrahs, T. Urban, I. Wagner • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, T. Urban (Abb. 5. 6); DAI, Orient-Abteilung, T. Urban, I. Wagner (Abb. 7. 8).
Abb. 6 Hama, spätosmanischer Gouverneurspalast Qaʿr al-ʿA˙zm. Innenausstattung eines Repräsentationsraumes Abb. 7 Hama, spätosmanischer Gouverneurspalast Qaʿr al-ʿA˙zm. Detail einer Deckenmalerei mit Vergoldung Abb. 8 Hama, spätosmanischer Gouverneurspalast Qaʿr al-ʿA˙zm. Wandnische mit Holzschnitzereien und Perlmutteinlagen
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Abb. 9 Frühislamische Wüstenschlösser, arider Landschaftsraum der Basaltsteppe bei Jabal Says. Wüstenschloss vor dem erloschenen Vulkan Abb. 10 Frühislamische Wüstenschlösser, Basaltsteppe bei Khirbet al-Bayda. Feuchtgebiet in einer Senke im Frühjahr
Abb. 11 Frühislamische Wüstenschlösser, Petroglyphe mit Jagddarstellungen am Jabal Says
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Frühislamische Wüstenschlösser, Ökologie und Subsistenzstrategien in der Steppenrandzone von Bilad ash-Sham In frühislamischer Zeit veranlassten Mitglieder der umayyadischen Herrscherdynastie (66–750 n. Chr.) die Errichtung zahlreicher peripherer, teilweise sehr aufwendig gestalteter Residenzorte. Kern dieser Siedlungsplätze sind repräsentative Profanbauten, die unter der Bezeichnung ›Wüstenschlösser‹ bekannt sind. Dieser Bautyp weist einen weitgehend standardisierten Grundriss auf, konnte in der Nutzung jedoch erheblich variieren. Beispiele finden sich konzentriert im syrisch-jordanischen Steppengebiet, einzelne Bauten wurden aber auch in anderen Landschafts- und Klimazonen und sogar in urbanem Umfeld errichtet. Die Bautengruppe scheint auf den ersten Blick eng mit der Ankunft der neuen Herrscher verbunden und ist deshalb für die Geschichte des Übergangs von der Spätantike zur islamischen Zeit im Vorderen Orient von besonderer Bedeutung. Eine Konstante der ›Wüstenschlösser‹ bildet der Umstand, dass für ihre Errichtung vielfach Standorte gewählt wurden, die bereits in byzantinischer Zeit besiedelt waren und somit offenbar ein bewusster Rückgriff auf vorislamische Siedlungspraktiken stattfand. Ausgangspunkt der geplanten Untersuchungen sind die beiden ›Wüstenschloss‹-Anlagen am Jabal Says (Abb. 9) und in Khirbet al-Bayda in der vulkanisch geprägten syrischen Basaltsteppe. Beide Orte liegen etwa 40 km voneinander entfernt und waren bereits vor längerer Zeit Gegenstand archäologischer und bauhistorischer Untersuchungen. Der aride Landschaftsraum zwischen diesen beiden Siedlungen weist mit zahlreichen Wadiläufen und abf lusslosen Becken verschiedene geomorphologische Besonderheiten auf, die für die Subsistenzgrundlagen in der Region – heute überwiegend durch nomadische Tierhaltung (Abb. 10) sowie kleinräumigen Getreideanbau charakterisiert – von grundlegender Bedeutung sind. Einen der Schwerpunkte der Landschaftsstudie, bei der Fragen des Zusammenhanges von Ökologie und Siedlungsverhalten in spätantik-frühislamischer Zeit im Mittelpunkt stehen, bildet daher die Untersuchung der geomorphologischen und hydrologischen Grundlagen. Als vorbereitende Arbeiten für künftige Prospektionen wurde zunächst auf der Basis von Satellitenaufnahmen der Bestand obertägig sichtbarer Gebäude und anderer Strukturen sowie der naturräumlichen Besonderheiten kartiert. Künftige Arbeiten haben die detaillierte Erfassung des hydrologischen Systems, potenzieller landwirtschaftlicher Nutzungsgebiete, des Wegesystems sowie des archäologischen Denkmälerbestandes (Abb. 11) in der Region zum Ziel.
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Abb. 12 Raphaneae, Georadarmessungen im Bereich der großen Peristylhäuser im Nordwesten des ›zentralen Ruinenareals‹
Die Einbeziehung des Landschaftsraumes soll die bereits bekannten Daten der genannten ›Wüstenschloss‹-Siedlungen ergänzen sowie allgemein Aussagen zu Nutzungsstrategien und Subsistenzgrundlagen arider Gebiete in spätantik-frühislamischer Zeit ermöglichen. Leitung des Projekts: F. Bloch • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, F. Bloch (Abb. 9–11). Raphaneae In beiden Vorjahren gelang es mit Hilfe f lächiger Georadaruntersuchungen, das Legionslager von dem in Mittelsyrien gelegenen Raphaneae zu lokalisieren, Teile seiner Innenbauten zu dokumentieren und einen kleinen Teil der frühkaiserzeitlichen canabae-Bebauung südlich des Legionslagers zu erfassen. In diesem Jahr wurden die Georadarmessungen im ›zentralen Ruinenareal‹ mit dem Ziel fortgesetzt, nähere Erkenntnisse zur Struktur des großen Siedlungsbereiches nördlich des Legionslagers und zum Verhältnis von Legionslager und canabae zu erhalten. In diesem von der frühen Kaiserzeit bis in das hohe Mittelalter besiedelten Bereich sind bis heute Versturzhügel und Mauerreste massiver Steingebäude oberf lächlich sichtbar. Vermutlich entwickelte sich aus diesem Teil der canabae, der zum Lager gehörigen Zivilsiedlung, das Zentrum der zivilen Stadt Raphaneae. Die 2009 untersuchten Messf lächen weisen ein lebhaftes Relief auf, das durch steile Schutthügel und zahlreiche Böschungen geprägt ist. Dies erschwerte die Messungen erheblich (Abb. 12). Da die Tiefen der Georadarmessungen jeweils auf die Oberf läche bezogen sind, wurden von den Messf lächen detaillierte digitale Geländemodelle erstellt, mit deren Hilfe die Georadardaten auf absolute Höhen bezogen werden können. Die Prospektionen konzentrierten sich auf zwei große, weitgehend zusammenhängende Flächen im Osten und Nordwesten des ›zentralen Ruinen areals‹. Zudem wurden Testmessungen in dessen nördlichem und westlichem Vorfeld und im Bereich zweier moderner Straßen durchgeführt. Die Visualisierung der Messergebnisse zeigt deutlich, dass im Zentrum der canabae und der späteren zivilen Stadt Raphaneae kein rechtwinkliges Straßennetz
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Abb. 13 Raphaneae, Georadarbefund der großen Peristylhäuser im Nordwesten des ›zentralen Ruinenareals‹ (Tiefenbereich 100–150 cm) und Oberflächenbefund des nördlich davon gelegenen Badegebäudes (M. 1 : 1 000)
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bestand. Im Südosten der untersuchten Flächen befinden sich massive Steinbauten mit Ladenzeilen, die bis in das hohe Mittelalter hinein weitgehend unverändert bestanden und parallel zur Bebauung des Legionslagers ausgerichtet sind. Die Bauten liegen in dem Bereich, in dem die nördliche Lagerumwehrung und ihr unmittelbares Vorfeld zu erwarten sind. Sie stammen daher wohl aus der Zeit nach dem Abzug der Legion. Weiter nördlich sind verschiedene Bebauungsrichtungen zu beobachten. Zum einen orientieren sich die Bauten an einer Straße, die nach Nordwesten führte und ursprünglich wohl das Nordtor des Legionslagers mit der bei der Quelle Nab < at-Tann´r gelegenen Siedlung verband. Weiter östlich ist die im Laufe der Zeit stark verdichtete Bebauung nach Norden ausgerichtet. In dieser Orientierung spie-
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gelt sich wohl der Verlauf der römischen Staatsstraße wider, die von Raphaneae nach Apamea und Antiochia führte. Beide Orientierungen laufen im Bereich des großen, an der Legionslagerbebauung ausgerichteten Baukomplexes zusammen und bieten einen ersten Hinweis auf die Lage des Nordtores des Legionslagers. Ein weiteres wichtiges Ergebnis ist, dass der Charakter der im Nordwesten des ›zentralen Ruinenareals‹ gelegenen Steinbauten geklärt werden konnte (Abb. 13; 14 a. b). Die Visualisierung der Georadarmessdaten zeigt, dass ein in diesem Bereich oberf lächlich sichtbarer großer Türsturz sowie aus großen Kalksteinquadern errichtete Mauerreste zu zwei großen, jeweils um einen Innenhof angeordneten Gebäuden gehören, deren Ausrichtung geringfügig voneinander abweicht (Abb. 14). Hinsichtlich ihrer Grundrisse lassen sich beide Gebäude gut mit reichen Stadthäusern in Apamea vergleichen. Das südliche Peristylhaus ist besser erhalten und bemerkenswert groß. Mit den beiden Bauten in Raphaneae sind erstmals Wohnhäuser der reichen städtischen Oberschicht zu fassen. Das Fragment einer spätantiken Tischplatte aus weißem Marmor (Abb. 13 a. b), das in diesem Bereich aufgelesen werden konnte, gewährt wohl einen ersten Einblick in die Ausstattung der reichen Stadthäuser. Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM) • Beteiligte Institution: Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) Wien • Leitung des Projekts: M. Gschwind, J. Ramadan (DGAM) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: S. S. Seren, E. Bayırlı, M. Stephani • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, M. Gschwind (Abb. 12); DAI, Orient-Abteilung, M. Gschwind, Zeichnung auf der Grundlage des GIS Raphaneae, Georadarbild, S. S. Seren, ZAMG Wien (Abb. 13); DAI, Orient-Abteilung, M. Gschwind, Zeichnung (Abb. 14 a); DAI, OrientAbteilung, M. Gschwind (Abb. 14 b). Shayzar/Larissa Shayzar/Larissa am mittleren Orontes ist eine der wenigen antiken Stätten in Syrien, für die schriftliche Belege eine kontinuierliche Besiedlung vom 2. Jt. v. Chr. bis in die osmanische Zeit belegen. Eine besonders wichtige Siedlungsphase bildet die hellenistische Zeit, in der der Ort unter dem Namen Larissa eine Neugründung erfährt. Die bisherige Kenntnis des Ortes beschränkte sich nahezu ausschließlich auf die oberhalb des Siedlungsgebietes gelegene mittelalterlich-arabische Burg Shayzar (Abb. 15), während die tellartige Siedlung mit ihren altorientalischen
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Abb. 14 a. b Raphaneae, Fragment einer kleinen runden Marmortischplatte profilé en bec de corbin aus dem Bereich der großen Peristylhäuser im Nordwesten des ›zentralen Ruinenareals‹. Die Tischplatte hatte ursprünglich einen Durchmesser von 55 cm (M. 1 : 3)
Abb. 15 Shayzar/Larissa, Blick von Nordwesten auf die mittelalterlich-arabische Burg. Im Vordergrund rechts die antike Tellsiedlung mit der modernen Überbauung Abb. 16 Shayzar/Larissa, Blick von Süden auf die antike Siedlung mit dem modernen Dorf. Rechts die Burganlage, im Hintergrund links der Tellbereich
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bis hellenistisch-römischen und mittelalterlichen Schichten zu einem großen Teil modern überbaut wurde (Abb. 16). Das 2007 begonnene Kooperationsprojekt hatte zunächst die Dokumentation aller obertägig sichtbaren Relikte des antiken Siedlungsplatzes und die Aufnahme von Siedlungskeramik zum Ziel. In diesem Jahr konnten die bereits 2007 eingeleiteten geophysikalischen Untersuchungen im nicht überbauten Siedlungsgebiet fortgesetzt werden, so dass sich inzwischen ein deutlicheres Bild der Siedlungsstruktur ergibt. Die ermittelten Daten zeigen in weiten Teilen ein rechtwinkliges, rasterförmiges Straßennetz sowie eine große Anzahl von Mauerzügen, deren Interpretation jedoch noch nicht abgeschlossen ist. Während an der westlichen Siedlungskante eine vermutlich mittelalterliche Stadtummauerung nachgewiesen werden konnte, ließ sich eine im Süden vermutete massive Umfassungsmauer der hellenistischrömischen Zeit nicht verifizieren. Die ermittelten Daten belegen eine dichte Bebauung im nordwestlichen Siedlungsbereich, der bisher noch weitgehend ungestört ist. Sie können als Grundlage für geplante spätere Grabungen und damit zugleich dem Schutz dieses singulären Platzes dienen, dessen Substanz momentan akut gefährdet ist. Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM) • Leitung des Projekts: M. Grawehr (Universität Basel), J. Ramadan (DGAM) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Mansur, A. Bassal, C. Meyer, D. Pilz, E. Schönherr, L. Bagdach • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, K. Bartl (Abb. 15. 16). Resafa Die spätantike Stadt Resafa-Sergiupolis mit ihren hoch anstehenden Wallfahrtskirchen und der etwa 2 km langen, in weiten Teilen erhaltenen Stadtmauer wurde immer wieder als eine der eindrucksvollsten Ruinenstätten des Vorderen Orients bezeichnet. Der Residenz des Kalifen HišŒm b.
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den Paläste gedeutet wird. Ein weiterer Schwerpunkt der Ausgrabungen war der Bereich südlich des FP 220, der aufgrund seiner Wasserversorgungsanlagen als Garten angesprochen wird. In der Mitte dieses Bereiches wurde ein umayyadischer Pavillon ergraben (Abb. 18), der von seiner Anlage dem bereits in einer Notgrabung untersuchten Pavillon FP 151 (T. Ulbert 1990) entspricht. Auf bauend auf den bisherigen Erkenntnissen und ersten eigenen Untersuchungen in Teilprojekt 3 »Untersuchung der Stadtmauer von Resafa« lässt sich der Baubeginn der Stadtmauer in die Zeit von 499–501 n. Chr. eingrenzen. Die Datierung ist nun Ausgangspunkt für zwei weitere Forschungsziele. Dies ist zum einen die zeitliche Bestimmung der Veränderungen an der Mauer, z. B. dem Einzug von Gewölben in sämtlichen Türmen. Zum anderen wird es – nach exakter Vermessung und Dokumentation des Bauwerks – erstmals möglich sein, im Lichte jener neuen Datierung des Baubeginns in eine Zeit relativer Ruhe und Prosperität, die Stadtmauer in konstruktions-
Abb. 17 Resafa, Arbeitshypothese zur Rekonstruktion des Wasserabfluss- und historischen Wasserwirtschaftssystems der Siedlung
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Abb. 18 Resafa, FP 223. Umayyadischer Gartenpavillon von Südwesten aus gesehen Abb. 19 Resafa, Stadtmauer von Südosten aus gesehen (2007)
Abb. 20 Resafa, ›Zentralbau‹. Apsis, formtreues Aufmaß auf Grundlage einer Abwicklung der durch 3D-Laserscanning erzeugten Punktwolke. Kartierung der Inkrustationsreste mit Rekonstruktions versuch des Inkrustationsschemas
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technischer und ökonomischer Hinsicht im korrekten Kontext zu bewerten (Abb. 19). Die Bemühungen um den Erhalt der Basilika A in Teilprojekt 4 »Konsolidierungs- und Restaurierungsmaßnahmen« waren durch die erstmalige Aufstellung eines Groß-Krans schon von weitem sichtbar. Ergänzt durch die Aufstellung eines Schwerlastgerüsts in der Reliquienkapelle und in der Apsis konnten gefährdete Säulenstellungen in der Reliquienkapelle und im Bereich des Obergadens gesichert sowie im östlichen Bereich des Südschiffs absturzgefährdetes Material rückgebaut werden. Die Voruntersuchungen für eine partielle Anastilosis am Zentralbau wurden fortgesetzt. Hier wurden die Spuren der ehemaligen Ausstattung mit Inkrustationen dokumentiert und das frühere Erscheinungsbild rekonstruiert; die Zeitstellung der Ausstattung konnte ziemlich sicher als einer zweiten Bauphase zugehörig eingeordnet werden (Abb. 20). Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM) • Beteiligte Institutionen: Fachgebiet Historische Bauforschung, Masterstudium Denkmalpf lege (MSD) der Technischen Universität Berlin; Fachrichtung Physische Geographie der Freien Universität Berlin;
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Institut für Orient- und Asienwissenschaften, Abteilung für Asiatische und Islamische Kunstgeschichte der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn; Institut für Geomatik der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft; Geodätisches Labor der Universität der Bundeswehr München-Neubiberg; Professur für Archäologie der römischen Provinzen der Otto-Friedrich-Universität Bamberg • Leitung des Projekts: D. Sack (Technische Universität Berlin), M. Sarhan (DGAM) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: H. Becker, B. Beckers, F. Berger, N. Erbe, J. Falkenberg, A. S. Flade, I. Frase, M. Gussone, Ch. Hamzé, H. Heister, G. Hell, D. Henker, C. Hof, T. Horn, Y. Khoury, M. Klessing, Ch. Konrad, D. Kurapkat, W. Liebl, S. Löwenstein, V. Marzinkowski, A. Mollenhauer, M. Müller-Wiener, I. Oberhollenzer, I. Salman, K. Schloder, A. Schumann, M. Schmitz, H. Shash, U. Siegel • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, B. Beckers, Ch. Konrad (Abb. 17); DAI, Orient-Abteilung, Ch. Konrad (Abb. 18); DAI, Orient-Abteilung, M. Sack (Abb. 19); DAI, Orient-Abteilung, I. Oberhollenzer, H. Shash (Abb. 20). Palmyra Im Rahmen der deutsch/österreichisch-syrischen Mission fanden in diesem Jahr zwei Kampagnen in der Oasenstadt Palmyra statt, die der weiteren Aufarbeitung des Fundmaterials aus dem Karawanenbau (›Khan‹) im Areal der hellenistischen Stadt dienten. Neben der Restaurierung einzelner Funde (Abb. 21 a. b) umfassten die Arbeiten paläozoologische Studien, abschließende Fundaufnahmen sowie die Vorbereitung der musealen Fundpräsentation. Die archäozoologische Untersuchung der Tierknochenfunde ergab erste Aufschlüsse über die Speisezubereitung. Das junge Schlachtalter und die Bevorzugung bestimmter Knochen- bzw. Fleischteile weisen auf eine ungewöhnlich hohe Qualität des verzehrten Fleisches hin. Zahlreiche Wandmalereifragmente wurden anhand maßstabsgetreuer Rekonstruktionszeichnungen zusammengefügt, restauriert bzw. konserviert und für eine permanente Präsentation im Museum montiert (Abb. 22). Alle Stuckfragmente wurden erneut gesichtet und aufgenommen. Es lassen sich mehrere Stuckfriese rekonstruieren, die einzelnen Räumen zugewiesen werden können, woraus sich – in Verbindung mit der Wandmalerei – erste Überlegungen zur Raumausstattung ergeben. Alle bisher nicht im Detail dokumentierten Kleinfunde, insbesondere Objekte aus Bein, Stein, Lehm und Terrakotta, wurden aufgenommen und analysiert. Schließlich wurde das gesamte Fundmaterial aus dem ›Khan‹ in einem Gesamtinventar zusammengeführt.
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Abb. 21 a. b Palmyra, Dosenortband nach der Restaurierung und Röntgen-Bild (3. Jh. n. Chr.)
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Abb. 22 Palmyra, Wanddekoration aus dem ›Khan‹ während der Montage (2. Jh. n. Chr.)
Gemeinsam mit der Museumsleitung wurde ein Konzept für eine permanente Präsentation der Ergebnisse der Untersuchungen im Areal der hellenistischen Stadt entworfen. Im Fokus der Ausstellung soll das archäologische Material stehen, dessen Aussagekraft insbesondere in Bezug auf Handel, Wirtschafts- und Kulturgeschichte des frühen Palmyra durch kurze Texte, Pläne und Rekonstruktionszeichnungen erläutert wird. Mit der Ausstellung im Museum und der Vorbereitung der Endpublikation soll das Projekt im kommenden Jahr abgeschlossen werden. In einem Anschlussprojekt ist geplant, in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Radar-Satellitenbilder zu erstellen, deren Auswertung als Grundlage für weitere Forschungen zur Topographie Palmyras und seines Hinterlandes dienen können. Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM); Universität Wien • Leitung des Projekts: A. SchmidtColinet, W. al-As’ad (DGAM) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: L. As’ad, U. Egger, Ch. Ertel, K. Herold, H. Jom‘a, R. Ployer, Ch. Römer-Strehl, B. Tober, A. Winkels • Abbildungsnachweis: Universität Wien, U. Egger, K. Herold (Abb. 21 a. b); Universität Wien, A. Schmidt-Colinet (Abb. 22).
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vorträge 22. März Hartmut Kühne (Berlin), Dur-Katlimmu – Der assyrische Zentralort am Habur. 30 Jahre Ausgrabung in Tell Schech Hamad 15. April Margarete van Ess (Berlin), Baalbek – Vom prähistorischen Ort zum römischen Heiligtum. Vorläufige Ergebnisse neuer deutsch-libanesischer Forschungen 24. Mai Claudia Bührig (Berlin), Gadara/Umm Qais ( Jordanien) – Von der hellenistischen Kuppelsiedlung zur linear organisierten Stadtanlage.
Außenstelle Sana’a
Ausgrabungen und Forschungen
Sirwah, archäologisch-baugeschichtliche Forschungen in der sabäischen Stadtanlage Die antike Stadtanlage und Oase von Sirwah liegt 40 km westlich der sabäischen Hauptstadt Marib am östlichen Rand des Khawlan-Gebirges und ist eines der bedeutendsten Zentren Sabas. Das heutige Erscheinungsbild der Stadt wird durch monumentale, noch bis zu 10 m hoch aufragende Sakralbauten aus dem frühen 1. Jt. v. Chr. sowie eine mächtige Befestigungsmauer
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geprägt. Die archäologisch-bauhistorischen Forschungen konzentrierten sich in diesem Jahr auf den Fünfpfeilerbau, kleinere Sondagen beim sog. Verwaltungsbau sowie auf die südlich des Almaqah-Heiligtums gelegene Fortifikation. Im Vordergrund der Arbeiten am Fünfpfeilerbau, der vom frühen 9. Jh. v. Chr. bis ins 3. Jh. n. Chr. genutzt wurde, stand die Frage nach der Funktionszuweisung dieses im nördlichen Stadtgebiet liegenden Bauwerks (Abb. 1). Kultische Installationen, die eher für eine sakrale, denn eine rein profane Nutzung des Gebäudes sprechen, fanden sich auf den Treppenstufen beim Propylon, den Treppenwangen und auch hinter dem zentralen Eingangspfeiler (Abb. 2). Es handelt sich hierbei um künstlich in die Oberseite der Steine eingetiefte Mulden, die möglicherweise der Ablage von Weihgaben oder Libationsopfern dienten. Auch waren Statuetten auf den Treppenwangen aufgestellt, wie Einlassspuren beweisen. Deren nicht systematische, sondern eher willkürliche Anordnung spricht dafür, dass es sich hierbei um suk-
Abb. 1 Sirwah, Fünfpfeilerbau (um 900 v. Chr.). Blick von Norden auf die Eingangsfront des Holz-Stein-Fachwerkbaus Abb. 2 Sirwah, Eingangsraum des Fünfpfeilerbaus (um 900 v. Chr.). In die Basis des Pfeilers sind mehrere Mulden möglicherweise für die Niederlegung von Opfergaben eingearbeitet
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Abb. 3 Sirwah, Fünfpfeilerbau (um 900 v. Chr.). Frontfassade, Rekonstruktionsskizze eines Teilbereichs der mehrstöckigen Holz-Stein-Fachwerkkonstruktion auf der Grundlage bauhistorischer Beobachtungen und terrestrischem 3D-Laserscanning
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zessiv aufgestellte Weihgaben und nicht um eine geplante Ausschmückung der Treppe handelt. Inschriften, die eine zweifelsfreie Deutung des Bauwerks ermöglichen, fanden sich bisher allerdings nicht. Auch der südlich der Eingangsfront freigelegte, mit einer Mauer eingefasste Vorhof lässt keine eindeutige Interpretation zu. So können sowohl bei Profanbauten wie Palästen oder Verwaltungssitzen als auch bei Heiligtümern Vorhöfe zum Architekturensemble gehören. Am Fünfpfeilerbau erfolgte zudem eine Untersuchung zur Bauweise der bisher ältesten Holzfachwerkarchitektur Südarabiens. Es handelt sich dabei um eine Pfosten-Riegel-Konstruktion, bei welcher lange Hölzer vermieden und stattdessen kleinere additiv mit Zapfen und Dübeln verbunden wurden (Abb. 3). Dieses Prinzip ähnelt sehr dem allerdings ins 2./3. Jh. n. Chr. datierende Chateau Royale der hadramitischen Hauptstadt Shabwa. Genese und Tradition von südarabischen Holzfachwerkbauten sind bisher nur ansatzweise erforscht worden. Durch die neuen Studien der Außenstelle lassen sich nun auch kulturübergreifende Ergebnisse zu diesem Thema formulieren. Die Technik des Fachwerks scheint dabei weder auf einen Bautyp noch auf eine Kulturlandschaft (s.auch hier S. 318–321) beschränkt gewesen zu sein. Die Ausgrabungen am sog. Verwaltungsbau dienten vor allem der Klärung seines städtebaulichen Kontextes. Dabei zeigte sich, dass man in verschiedenen Bereichen die frühsabäische Siedlungsarchitektur für die Errichtung des Podienbaus partiell abtrug und mit einer Verfüllschicht bedeckte. Selbst die ursprünglich an dieser Stelle verlaufende Stadtmauer wurde großf lächig abgerissen und durch das wie eine Bastion vorkragende Podium ersetzt. Im untersuchten östlichen Anschlussbereich erfolgte die Anbindung zur alten Stadtmauer nur wenig sorgfältig. Hier fügte man während der späten Besiedlungsphase in die Kasematten der Stadtmauer einen Raum, in dem zwei große Wasserbecken aus Kalkstein standen. Weitere Forschungen zur Stadtmauer fanden südlich des Almaqah-Heiligtums statt (Abb. 4). In diesem Abschnitt vor dem Tempelvorhof waren der exakte Stadtmauerverlauf und die Stadteingänge bislang noch nicht bekannt. Die diesjährigen Ausgrabungen legten hier einen von Westen in das Tempelgebiet führenden Durchgang frei. Zudem war an dieser Stelle eine vorgelagerte Bastion in die Stadtmauerführung eingebunden, an deren östlicher Seite sich ein weiterer Zugang zur Stadt axial zum südlichen Eingang des Tempelvorhofes befand. Ob dieser Eingang analog zu den übrigen ebenfalls mit einer Tür gesichert war, muss durch weitere Ausgrabungen geklärt werden.
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Abb. 4 Sirwah, Stadteingang südlich des Almaqah-Tempels (9./8. Jh. v. Chr.)
Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients (N. Nebes); Geographisches Institut, Physische Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (P. Kühn, D. Pietsch, T. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (R. Koch, Ch. Weiß); Department Geomatik, Labor für Instrumentenkunde der HafenCity Universität Hamburg (T. Kersten, K. Mechelke); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: S. Ardeleanu, R. Arndt, W. Brettschneider, H. Ferdinand, W. Fischer-Ohl, S. Japp, A. Krziwon, M. Manda, J. Malsch, N. Nebes, E. Peintner, A. Rentmeister, M. Schnelle, I. Wagner, Ch. Weiß • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, I. Wagner (Abb. 1. 2. 4); DAI, Außenstelle Sana’a, Rekonstruktion, M. Schnelle (Abb. 3). Sabäische Sakralarchitektur, Gestalt, Ausstattung und Rekonstruktionsversuch der Kultpraktiken Im Rahmen der projektübergreifenden Forschungen der Außenstelle zu den Heiligtümern Sabas und innerhalb des Forschungsclusters 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual. Kontinuität und Veränderung« des DAI stand in diesem Jahr neben den archäologisch-bauhistorischen Untersuchungen des Fünfpfeilerbaus von Sirwah und der Sakralarchitektur von Yeha (Äthiopien) das Thema Weihungen und Weihgaben im Mittelpunkt. Am Beispiel der Gestalt und des Tempelinventars des Almaqah-Heiligtums von Sirwah (Abb. 5) konnte das Spektrum der Weihgaben, ihr Aufstellungsort sowie der Wandel der Weihpraxis dargestellt werden. Zur Interpretation der Dedikationsanlässe und Intention der Weihungen wurden die sabäischen Widmungsinschriften systematisch ausgewertet. Während aus frühsabäischer Zeit nur wenige Weihgaben und Inschriften im Almaqah-Tempel überliefert sind, finden sich spätestens ab dem 1. Jh. v. Chr. mehrere hundert Weihungen. Ein Grund hierfür liegt in dem generellen gesellschaftlichen und religiösen Wandel, der sich ab der mittelsabäischen Zeit (1. Jh. v. Chr. bis 3. Jh. n. Chr.) vollzieht: Heiligtümer
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Abb. 5 Sirwah, Almaqah-Heiligtum. Blick von Westen in das Tempelinnere mit dem ›Heiligen Bezirk‹ zwischen den Herrscher inschriften (8.–7. Jh. v. Chr.)
öffnen sich nun größeren Bevölkerungsgruppen und die zuvor reglementierte Zugänglichkeit wird zumindest teilweise aufgehoben. Die Individualität des Einzelnen tritt gegenüber dem Gemeinschaftsgedanken in den Vordergrund. Dies spiegelt sich archäologisch besonders deutlich an einer Flut von Weihgaben wider, inschriftlich sind erstmals Widmungen mit individuellen Wünschen bekannt. Bei den Weihgaben handelt es sich z. B. um bronzene Inschriftenplatten sowie zoomorphe Figurinen und anthropomorphe Statuetten aus Alabaster, Bronze, Kalkstein, seltener aus Ton (Abb. 6). Bei den Tierdarstellungen überwiegen Steinbock und Stier, die als Symbole des Gottes Almaqah gelten. Bronzene Statuetten konnten als Appliken auf Inschriftenbasen aufgesetzt gewesen sein und weisen verschiedene Stilrichtungen auf, die von lokaler Produktion südarabischer Prägung bis zu Beispielen mit stark hellenistisch-römischer Formensprache reichen (Abb. 7). Erstmals für den südarabischen Raum ließen zudem Untersuchungen zu Licht- und Beleuchtungskonzepten neue Möglichkeiten der Interpretation der architektonischen Inszenierung sabäischer Tempelbauten zu. Licht und Schatten wurden bewusst eingesetzt, um die Monumentalität der Gebäude und ihre kultisch-religiöse Aussage zu betonen. Darüber hinaus spielte ähnlich wie in der Klassischen Antike auch die Farbigkeit eine Rolle, um die optische Wirkung zu steigern. Mit rötlichen und ockerfarbenen Farbpigmenten aus Hämatit oder mit Eisen angereicherten Tonmineralien waren dabei nicht nur die in den weißen Kalkstein gemeißelten Inschriften hinterlegt (Abb. 8), sondern es finden sich auch Farbreste an Pfeilern, Wänden und Architekturfriesen. Die Untersuchungen zur Gestalt der sabäischen Tempelanlagen fokussierten zudem auf die Frage der Zugänglichkeit der Heiligtümer für Kultteilnehmer. So zeigt der Almaqah-Tempel von Sirwah, dass die verschließbaren Tempelzugänge nur vom Inneren der Stadt betretbar waren, da vorgezogene, mit der Fortifikation verbundene hohe Mauern einen direkten Zugang von außen unmöglich machten. Der Haupteingang zum Tempel erfolgte durch ein monumentales Pfeilerpropylon. Mehrf lügelige Türen, die hölzerne Türlaibungen und ‑stürze aufwiesen und möglicherweise mit Bronzebeschlägen versehen waren, verschlossen dieses Portal. Vor dem Haupteingang lag ein großer repräsentativer Vorhof, der ebenfalls durch Mauern und Türen vom
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Abb. 6 Sirwah, Almaqah-Heiligtum. Weihgabenspektrum aus der mittelsabäischen Zeit (2. Jh. v. Chr. – 3. Jh. n. Chr.), gefunden im Tempelinneren Abb. 7 Sirwah, Almaqah-Heiligtum. Widmung eines Kalzitsinter sockels mit Inschrift, auf dem ursprünglich Bronzestatuetten aufgesetzt waren (Zeitenwende – 1. Jh. n. Chr.) Abb. 8 Sirwah, Almaqah-Heiligtum. Rot hinterlegte Kalksteininschrift der mittelsabäischen Zeit (zwischen 2. und 4. Jh. n. Chr.) 8
Stadtgebiet abgegrenzt war. Neben der Sicherung der Weihgaben und anderer Tempelschätze – Tempeldiebstahl war wie inschriftlich belegt keine Seltenheit – muss größter Wert sowohl auf die Kontrolle der Zugänglichkeit als auch auf die Einsichtigkeit ins Kultgebäude gelegt worden sein. So lässt sich der enge Abstand zwischen den Eingangspfeilern nicht nur optisch und statisch begründen, sondern erlaubte das Durchschreiten jeweils nur einzelner und zwar hintereinander gehender Personen. Größere Gruppen – seien dies die Weihenden oder auch Prozessionsteilnehmer – konnten den Tempel somit nur streng geordnet betreten. Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients (N. Nebes); Paläontologisches Institut der
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Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (R. Koch, Ch. Weiß); Department Geomatik, Labor für Instrumentenkunde der HafenCity Universität Hamburg (T. Kersten, K. Mechelke); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: S. Japp, M. Mechelke, M. Schnelle, I. Wagner, Ch. Weiß • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, J. Kramer (Abb. 5); DAI, Orient-Abteilung, I. Wagner (Abb. 6–8).
Abb. 9 Marib, Oase. Die Südschleuse des Großen Damms in der spätantiken Bauphase (vermutlich 5./6. Jh. n. Chr.)
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Oasen von Marib und Sirwah, Bewässerungsstrategien und gesellschaftspolitische Organisationsprinzipien als Voraussetzung für die Entstehung und Entwicklung der sabäischen Kultur In Südarabien ist die Entstehung großer gesellschaftlicher Systeme untrennbar mit der Nutzbarmachung natürlicher Ressourcen verbunden. So konnte in der ariden Zone Südarabiens, dem Kerngebiet Sabas, eine politische Genese nicht ohne die Entwicklung von ausgedehnten Bewässerungssystemen erfolgen. Soweit archäologisch bisher bekannt, beginnt eine intensive landwirtschaftliche Nutzung dieser Region im Gegensatz zum jemenitischen Hochland erst am Ende des 2. Jts. v. Chr. und ist an das Erscheinen der altsüdarabischen Gesellschaften gebunden. Lebensgrundlage der vorangehenden Kulturen des Neolithikums und der frühen und mittleren Bronzezeit war eine nomadische Lebensweise, die von den wesentlich günstigeren klimatischen Verhältnissen in der Region profitierte. Die Landwirtschaft der späten Bronzezeit scheint f lächenmäßig noch sehr begrenzt gewesen zu sein. Die Entstehung Sabas muss somit in direktem Zusammenhang mit der Entwicklung innovativer Bewässerungsstrategien gesehen werden (Abb. 9), die durch den Wandel zum ariden Klima überhaupt erst notwendig wurden. Der Zeitpunkt dieses Klimawandels kann für den arabischen Raum bisher nur punktuell angegeben werden, für die Wüstenrandgebiete des Jemen lagen zudem nur wenige Daten vor. Im Raum Marib wurden im Rahmen von Forschungscluster 2 »Innovationen: technisch, sozial« des DAI daher die Studien zum Paläoklima ausgeweitet und ein besonderer Schwerpunkt auf die Frühphase der Bewässerung und deren klimatologischen Grundlagen gelegt.
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Die Oasen Marib und Sirwah konnten dabei unter Einbeziehung neuer geomorphologisch-bodenkundlicher Profilaufnahmen in einen regionalen Kontext gestellt werden. Anhand der großen Anzahl der inzwischen untersuchten Paläoböden, die zwischen 8000 und 4500 v. Chr. entstanden, lässt sich erstmals das Paläoklima am jementischen Wüstenrand rekonstruieren (Abb. 10). Durch das weiträumige Vorkommen von humusreichen Böden im Sinne von ›Leithorizonten‹ wird dabei die seit den 1990er Jahren bekannte frühholozäne Feuchtphase in Südarabien bestätigt. Für die Zeit des Neolithikums charakteristisch ist, dass die Landoberf läche mit einer im Vergleich zur Trockenphase dichten Vegetation bedeckt war. Die Anreicherung organischer Substanzen und Phosphaten in den Böden sowie das Vorhandensein von Rhizolithen (verfestigte Füllungen ehemaliger Wurzelbahnen) und Phytolithen (verkieselte Pf lanzenteile), die auf einen dichten Bestand an Wermutsträuchern und Gräsern hinweisen, belegen dies. Ab 4500 v. Chr. ist dagegen eine fehlende Bodenentwicklung zu beobachten, die auf seltene und wenig andauernde Regenereignisse hinweist. Damit wird der Beginn einer bis heute anhaltenden Trockenphase markiert, deren Auswirkungen zur Entstehung von ersten Bewässerungsanlagen in der Region Marib führten. Im Rahmen der Rohstoffuntersuchungen im Raum Marib und Sirwah wurden darüber hinaus ca. 700 Dünnschliffe von Kalksteinproben angefertigt. Diese ermöglichen den direkten Vergleich von Bausteinproben mit Material aus den Steinbrüchen und die Zuordnung einzelner sabäischer Gebäude, Bauelemente und Steinobjekte zu den jeweiligen Rohstoffquellen. Daneben wurden geochemische, isotopengeochemische und mineralogische Untersuchungen durchgeführt. Die Anfertigung von Dünnschliffen des Travertins der Stadtmauer konnte verifizieren, dass dieser Baustoff aus einem heute nicht mehr erhaltenen Steinbruchgebiet stammt, der sich aber durch mikrofaziellen Vergleich im Südosten der Oase lokalisieren lässt. Geochemische und mikrofazielle Methoden ermöglichten zudem die Zuordnung von Fundobjekten aus Kalzitsinter (sog. jemenitischer Alabaster, Abb. 11) zu den 15 km nördlich von Sirwah gelegenen Steinbrüchen in Al-Makhdara und des Wadi Jufainah in der Oase von Marib. Von verschiedenen Keramikgruppen wurden Dünnschliffe angefertigt und röntgendiffraktometrische Analysen durchgeführt. Bei einem Vergleich mit lokalen Materialien konnten zwei bis drei Materialgruppen als Importware klassifiziert werden. Ein Nachbrennversuch mit Rohstoffen aus der Oase zeigte, dass die meiste Keramik bei Temperaturen zwischen 800 und 950 °C unter oxidierenden Bedingungen gefertigt wurde. Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients (N. Nebes); Geographisches Institut, Physische Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (P. Kühn, D. Pietsch, T. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (R. Koch, Ch. Weiß); Department Geomatik, Labor für Instrumentenkunde der HafenCity Universität Hamburg (T. Kersten, K. Mechelke); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: S. Japp, P. Kühn, D. Pietsch, I. Wagner, Ch. Weiß • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, I. Gerlach (Abb. 9. 11); DAI, Orient-Abteilung, D. Pietsch (Abb. 10).
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11 Abb. 10 Marib, Oase. Paläoboden, geomorphologisch-bodenkundliche Unter suchungen im Oasengebiet bestätigen eine Feuchtphase im Frühholozän Abb. 11 Sirwah, Almaqah-Heiligtum. Weihgaben aus dem Tempelinneren aus Kalzitsinter (sog. jemenitischer Alabaster)
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Abb. 12 Östliches Hochland des Jemen, Khawlan-Survey. Khawlan, bei Tanim. Blick über die westliche Berglandschaft mit ihren teilweise über 3 000 m hoch aufragenden Plateaus Abb. 13 Östliches Hochland des Jemen, Khawlan-Survey. Khawlan, Tanim. In der Moschee des modernen Ortes sind zahlreiche antike Architekturteile verbaut, darunter Weinrankenfriese, die heute als Türlaibung dienen (3./4. Jh. n. Chr.)
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Östliches Hochland des Jemen, Khawlan-Survey Der Khawlan, das östliche Hochland des Jemen, liegt zwischen den beiden sabäischen Zentren Marib und Sana’a und umfasst vom Wüstenrandgebiet im Osten bis zum über 3 000 m hohen Gebirge im Westen eine Fläche von mehr als 2 500 km² (Abb. 12). Infrastrukturell zählt das Gebiet zu den am wenigsten erschlossenen und archäologisch bislang fast völlig unerforschten Regionen des Jemen. Lediglich im südöstlichen Khawlan konnten die Untersuchungen italienischer Kollegen in den 1980er Jahren eine dichte bronzezeitliche Besiedlung aus dem 3. und 2. Jt. v. Chr. nachweisen. Aus der altsüdarabischen Epoche (1. Jt. v. Chr. bis 6. Jh. n. Chr.) waren dagegen bislang nur wenige Fundorte bekannt. Dies widerspricht der Vielzahl sabäischer Inschriften, die von einer dichten eisenzeitlichen Besiedlung dieser Region zeugen. Neben einem großf lächigen Survey zur Dokumentation aller antiken Fundorte liegt daher der Schwerpunkt der Arbeiten auf den Befunden der altsüdarabischen Zeit und den Fragen, ab wann und in welchem Umfang der Khawlan Teil des sabäischen Reiches war. Dabei ist zu klären, ob die eisenzeitlichen Befunde für eine genuin sabäische Kultur sprechen oder – wie es in der Vergangenheit zumindest für die Dhamar-Region südlich von Sana’a vermutet wurde – es sich um eigenständige, unabhängig von den Karawanenreichen entwickelte Gesellschaften handelt. Wann die Besiedlung dieser Region überhaupt begann und inwieweit sich Kontinuitäten oder Brüche in der Siedlungsgeschichte von der Prähistorie zur altsüdarabischen Zeit finden,
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sind weitere Forschungsthemen. Neben den archäologischen und epigraphischen Arbeiten sollen geomorphologische und bodenkundliche Untersuchungen die klimageschichtlichen und landwirtschaftlich relevanten Fragen klären. Die erste Phase des Surveys konzentrierte sich auf das direkt östlich der Hochebene von Sana’a angrenzende Gebiet. Hier konnten über 60 Fundplätze kartiert werden, die chronologisch von der Bronzezeit bis in die Spätantike reichen (Abb. 13). In überwiegender Zahl handelt es sich dabei um Siedlungen und Bewässerungsanlagen (Abb. 14). Friedhöfe, Grabstätten sowie Felsinschriften wurden dagegen lediglich in geringer Anzahl entdeckt. Die Fundplätze datieren vornehmlich in die Eisenzeit, nur weniger als ein Drittel in die Bronzezeit. Bei letzteren handelt es sich vor allem um kleine landwirtschaftliche Gehöfte, die meist aus nur ein bis drei Gebäuden mit ovalem Grundriss bestehen (Abb. 15). Neben der für das 3. und 2. Jt. v. Chr. typischen Keramik und Steingeräten fand sich kaum anderes Fundmaterial. Bei zwei der bronzezeitlichen Fundplätze ließen sich regelrechte Dörfer mit einem Dutzend von meist mehrräumigen Häusern, die auf niedrigen Anhöhen oberhalb der Wadis standen, beobachten. Diese Bebauung wird in einer späteren Phase von Gebäuden mit rechteckigem Grundriss überlagert. Obwohl bisher keine 14C-Datierungen vorliegen und eine eingehende Analyse der Keramik noch aussteht, scheint diese zweite Besiedlungsphase den Übergang von der Bronzezeit zur Eisenzeit im jemenitischen Hochland zu markieren (spätes 2. zum frühen 1. Jt. v. Chr.). Weitere Fundplätze, die aufgrund anderer Kriterien eindeutig in die Eisenzeit datieren, weisen eine mit der Bronzezeit noch vergleichbare Keramik auf. Diese besitzt bisher keine Verbindung zu den Karawanenreichen der Wüstenrandgebiete. Als Fazit dieser Beobachtungen lässt sich bereits formulieren, dass es parallel zu den Hochkulturen am Wüstenrand unabhängige Entwicklungen im Khawlan gegeben haben muss und diese Gesellschaften anscheinend erst im Laufe des 1. Jts. v. Chr. in den altsüdarabischen Kulturen des Wüstenrandgebietes aufgingen. Bezeugt wird dies durch das epigraphische Material und die Fundobjekte der eisenzeitlichen Siedlungen, aber auch durch typisch altsüdarabischen Architekturdekor, wie z. B. Scheinfester und Zahnschnittfriese. Lediglich die Keramikproduktion spiegelt eine lokale Eigenständigkeit wider, die sich bis weit in das 1. Jt. v. Chr. gehalten hat. Kooperationspartner: Archäologisches Institut, Faculty of Art der Sana’a University (M. al-Salami); Sana’a Branch der General Organization for Antiquities and Museums (M. al-Seijani); Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients (N. Nebes) • Leitung des
Abb. 14 Östliches Hochland des Jemen, Khawlan-Survey. Khawlan, Jabal Bayghān. Innerhalb der in über 3 200 m Höhe liegenden Bergsiedlung finden sich neben Befestigungs- und Wohnanlagen auch mehrere Zisternen, die die Wasserversorgung des strategisch wichtigen Ortes gewährleisteten (mehrere Nutzungsphasen vom 1. Jh. v. Chr. bis in die Gegenwart) Abb. 15 Östliches Hochland des Jemen, Khawlan-Survey. Khawlan, Lakamat Qays. Bronzezeitliche Siedlungsanlage mit runden und ovalen Baustrukturen (2. Jt. v. Chr.)
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Abb. 16 a. b Tigray (Äthiopien), Kultur kontakte Südarabiens. Sirwah (Saba, Jemen) und Yeha (Diʿamat, Äthiopien), die Übernahme sabäischer Motive zeigt sich unter anderem bei einem Vergleich der ursprünglich in Heiligtümern verbauten Steinbockfriese
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Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter: H. Hitgen, M. al-Salami, M. al-Seijani, A.-H. al-Hanisch • Abbildungsnachweis: DAI, Außenstelle Sana’a, H. Hitgen (Abb. 12–15). Tigray (Äthiopien), Kulturkontakte Südarabiens Seit prähistorischer Zeit bis in das 6. Jh. n. Chr. lassen sich intensive politische und kulturelle Kontakte zwischen dem nördlichen Äthiopien und dem antiken Südarabien nachweisen. Diese Kontakte werden im Rahmen des Forschungsplans der Orient-Abteilung im kulturvergleichenden Ansatz untersucht. Die Beziehungen zwischen diesen beiden Regionen verliefen nicht immer gleichartig: Während in prähistorischer Zeit wohl eher von einem gemeinsamen Kulturkreis in der Region des südlichen Roten Meeres gesprochen werden kann (bronzezeitliche ›Sabir-Kultur‹), kommt es in der 1. Hälfte des 1. Jts. v. Chr. zu einem intensiven Einf luss Südarabiens vor allem auf die Region des Tigray und Gebiete des südöstlichen Eritrea. Umgekehrt verstärkt das abessinische Reich von Axum seine Interventionen in Südarabien ab der Zeitenwende, was zu mehreren militärischen Invasionen führt. Zwar gibt es für die wechselseitigen Beziehungen zwischen Südarabien und dem äthiopischen Hochland zahlreiche archäologische und historische Indizien, doch wurden diese nie zusammenfassend betrachtet. Ziel des neuen Projekts der Außenstelle ist es daher, anhand der gerade in den letzten Jahren gewonnenen Informationen zur sabäischen Kultur in Südarabien systematische Studien in Äthiopien durchzuführen und so kulturhistorische Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede herauszuarbeiten. In Tigray finden sich zahlreiche Siedlungen, die ab dem 8. Jh. n. Chr. in Teilbereichen ihrer materiellen Kultur wie der Architektur und Kunst, aber auch ihrer Schrift, Sprache und Religion südarabische Züge tragen (Abb. 16 a. b). Bisher ist es noch nicht geklärt, aus welchem Grund und mit welcher Intensität südarabische Bevölkerungsgruppen im äthiopischen Hochland erscheinen und wie das Phänomen südarabischen Kulturtransfers zu erklären ist. Eine These bezüglich der südarabischen Präsenz in Tigray ist die Ausdehnung des sabäischen Handelsnetzes auf den afrikanischen Kontinent. Als Zentrum des neu entstehenden Reiches Di
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Neben Mekaber Ga <ewa in der Region
Abb. 17 Tigray (Äthiopien), Kulturkontakte Südarabiens. Yeha, Blick von Süden auf das rezente Dorf und den in Kalkstein errichtenen ›Großen Tempel‹ aus dem 7. Jh. v. Chr.
Yeha (Äthiopien) Yeha liegt 35 km östlich von Axum in der nordäthiopischen Provinz Tigray und gilt als Zentrum des äthio-sabäischen Reiches von Di
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Abb. 18 Yeha (Äthiopien), Eingangsfront des ›Großen Tempels‹ mit freigelegten Propylonbasen, auf denen sich ursprünglich sechs Pfeiler erhoben (7. Jh. v. Chr.)
Abb. 19 Sirwah (Jemen), Almaqah-Tempel und Yeha (Äthiopien), ›Großer Tempel‹. Identische Kalksteinberarbeitung der Außenmauerquadern bei beiden Sakralbauten (7. Jh. v. Chr.)
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Arbeitsschwerpunkt bildete die architektonische Dokumentation des größten erhaltenen Sakralbaus von Di
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Dokumentation mit einem 3D-Laserscan und Bauzeichnungen, die auch Grundlage für die Schadenskartierung und die geplanten Restaurierungsmaßnahmen bilden. Nach den bisherigen Untersuchungen weist der Tempel von Yeha in seiner Steinmetztechnik große Ähnlichkeiten mit sabäischen Sakralbauten Sabas aus dem 7. Jh. v. Chr. auf. Sowohl der Awam-Tempel in Marib als auch der Almaqah-Tempel von Sirwah besitzen nahezu identische Bearbeitungsspuren und einen vergleichbaren Steinversatz (Abb. 19). Diese Beobachtung deckt sich mit einer Inschrift aus Yeha, die von einem Steinmetz aus Marib gewidmet wurde und die Präsenz sabäischer Handwerker in Di
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Abb. 20 Yeha (Äthiopien), Grat Beal Gebri. Monumentalbau mit sechspfeiligem Propylon mit sakraler und/oder administrativer Funktion (Hauptbauphase 1. Hälfte 1. Jt. v. Chr.) Abb. 21 Yeha (Äthiopien), Friedhofsgelände von ʿAddi Abi. Bereits an der Geländeoberfläche zeichnen sich rechteckige Schachtgräber im Felsen ab
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schaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients (N. Nebes); Geographisches Institut, Physische Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (P. Kühn, D. Pietsch, T. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (R. Koch, Ch. Weiß); Department Geomatik, Labor für Instrumentenkunde der HafenCity Universität Hamburg (T. Kersten, K. Mechelke) • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: T. Abreham, M. Berhane, H. Hitgen, S. Japp, M. Lind staedt, J. Malsch, K. Mechelke, M. Schnelle, W. Smidt, R. Tesfay, I. Wagner, Ch. Weiß, F. Zibelo • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, I. Wagner (Abb. 18. 20); DAI, Orient-Abteilung, M. Schnelle (Abb. 19); DAI, Orient-Abteilung, H. Hitgen (Abb. 21). Hawelti (Äthiopien) Der Fundplatz Hawelti liegt etwa 5 km südöstlich der axumitischen Hauptstadt. Er erstreckt sich auf einem f lachen Hügel am Rande einer großen fruchtbaren Ebene, die noch heute als landwirtschaftliche Fläche genutzt wird. Am Rande der nördlichen Schmalseite des Hügels ragen etwa ein Dutzend monolithische Stelen aus dem Boden und bilden das markanteste Element des Fundplatzes (Abb. 22). Dieser Befund führte in den 1950er Jahren zu ausgedehnten Ausgrabungen durch den Franzosen H. de Contenson, denen allerdings eine nur teilweise Veröffentlichung folgte. Die mit 3 000 m 2 angegebene Ausgrabungsf läche ist heute bloß noch in Ansätzen im Gelände zu identifizieren. Abgesehen von den Stelen haben sich keine der freigelegten Strukturen erhalten. Dies gilt insbesondere für zwei kleine zweiräumige Rechteckbauten, die als Tempel identifiziert und in denen bzw. in deren unmittelbarer Nähe mehrere stilistisch südarabisch geprägte anthropomorphe Steinskulpturen sowie ein reliefierter Thron (Nationalmuseum Addis Abeba) entdeckt wurden. Ebenfalls heute nicht mehr sichtbar sind die Plattenböden, die sich um manche der Stelen erstreckten, sowie ein unterirdisches (?) Magazin, in
Abb. 22 Hawelti (Äthiopien), Stelenfeld. Um eine natürliche Vertiefung gruppieren sich Sandsteinstelen, die vermutlich als Kultmonumente in sepukralem Kontext zu deuten sind (1. Hälfte 1. Jt. v. Chr.)
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dem zahlreiche Keramiken, Terrakottafigurinen sowie Bronzegeräte zum Vorschein kamen. Mit Beginn der Arbeiten der Außenstelle erfolgte zunächst eine Dokumentation des Fundplatzes, des vorhandenen Fundmaterials sowie der Stelen, um das Potential für weitere archäologische Forschungen sowie seine Attraktivität als touristischer Besichtigungspunkt in der Region von Axum zu ermitteln (Abb. 23). Bei einem Survey wurde festgestellt, dass sich die Hauptsiedlung Haweltis vor allem über die nördliche Hügelseite erstreckte. Neben den Stelen fanden sich zwar keine oberf lächlich sichtbaren Baustrukturen, doch zeugt die hohe Konzentration von Keramikfunden von der intensiven Nutzung dieses Gebietes. Das Fehlen von Architekturresten lässt sich darauf zurückführen, dass die äthio-sabäische Profanarchitektur – soweit bisher bekannt – vor allem aus Bruchsteinmauerwerk besteht, das üblicherweise in späteren Nutzungsphasen abgetragen und zu Feldterrassenmauern aufgeschichtet wurde. Die bisher als Siedlungsplatz gedeutete Fläche umfasst einen deutlich größeren Bereich als in den 1950er Jahren vermutet. Keramik und Figurinen stammen aus der präaxumitischen Zeit. Darüber hinaus konnte das Fragment einer äthio-sabäischen Herrscherinschrift aus dem 7.–6. Jh. v. Chr. entdeckt werden, die den Bezug zum Gemeinweisen von Di
Abb. 23 Hawelti (Äthiopien), zum häufigsten Fundrepertoire des Ortes zählen Terrakottafigurinen wie dieser Kopf eines Rindes
Abb. 24 Hawelti (Äthiopien), Fragment einer äthio-sabäischen Herrscherinschrift (7.–6. Jh. v. Chr.)
Abb. 25 Hawelti (Äthiopien), die unterschiedliche Steinbearbeitung der Sandsteinstelen zeugt davon, dass diese wohl nicht gleichzeitig errichtet, auf jeden Fall aber von unterschiedlichen Steinmetzen gefertigt wurden (1. Hälfte 1. Jt. v. Chr.)
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Während des Surveys konnten in einem nahe gelegenen Tal die Sandsteinbrüche, in denen die Stelen geschlagen wurden, identifiziert werden. Im kommenden Jahr sind in Hawelti Sondagen im Umfeld einiger Stelen projektiert, die sowohl die genaue Funktion als auch deren Datierung klären sollen. Kooperationspartner: Tigrai Culture and Tourism Agency (K. Amare, F. Zibelo); Authority for Research & Conservation of Cultural Heritage ( J. Haile Mariam); Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients (N. Nebes); Geographisches Institut, Physische Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (P. Kühn, D. Pietsch, T. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (R. Koch, Ch. Weiß); Department Geomatik, Labor für Instrumentenkunde der HafenCity Universität Hamburg (T. Kersten, K. Mechelke) • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: T. Abreham, M. Berhane, H. Hitgen, S. Japp, M. Lindstaedt, J. Malsch, K. Mechelke, M. Schnelle, W. Smidt, R. Tesfay, I. Wagner, Ch. Weiß, F. Zibelo • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, M. Schnelle (Abb. 22. 25); DAI, Orient-Abteilung, S. Japp (Abb. 23); DAI, Orient-Abteilung, H. Hitgen (Abb. 24).
Abb. 26 Sirwah, Almaqah-Heiligtum. Blick auf den Vorhof des Heiligtums mit den beiden Pfeilerpropyla nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten (7. Jh. v. Chr.) Abb. 27 Sirwah, Almaqah-Heiligtum. Mit Hilfe von Edelstahlankern wurden die einzelnen Pfeiler mit ihren Basen verbunden
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Sirwah, Heiligtum des Almaqah Mit der Wiederaufstellung von sechs monumentalen Eingangspfeilern mit Hilfe eines Krans wurden die wichtigsten Restaurierungsarbeiten im Almaqah-Tempel von Sirwah abgeschlossen (Abb. 26). Die Verankerung der Basen erfolgte mit jeweils mindestens vier in die Pfeilerbasen eingelassenen Edelstahlankern (Abb. 27). Beim Pfeiler 5 des Inneren Propylons konnte der bisher fehlende Pfeilerabschluss, der bereits in der Antike als separates Teil gefertigt war und den nicht ausreichend hohen Pfeilermonolithen ergänzte, geborgen und im Rahmen der Restaurierung wieder aufgesetzt werden. Ursprünglich war dieser Aufsatz mit hölzernen oder steinernen Zapfen mit dem restlichen Pfeiler verbunden. Zu den weiteren restauratorischen Aufgaben im Heiligtum zählten die Konsolidierung des Plattenbodens und von Fehlstellen des aufgehenden Mau-
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Abb. 28 Sirwah, Fünfpfeilerbau. Das aus Akazienholz bestehende Fachwerk wurde mit Hilfe von Epoxydharz gefestigt
erwerks mit Kalkmörtel sowie die Fortsetzung der Versiegelung der Maueroberkanten der Bronzewerkstatt mit dem wasserundurchlässigen Mörtel Qadad. Der Inschriftenstein Karib’il Watars im Inneren des Tempels, der durch ein Erdbeben bereits in der Antike nur noch schräg verschoben auf seinem Podium aufsaß, wurde mit Hilfe von Edelstahlleisten auf der Oberseite statisch gesichert. Die bisherige provisorische Stütze des Steins konnte dadurch entfernt werden. Im Rahmen dieser Maßnahmen wurde die Aufsicht des etwa 7 m langen Inschriftenblocks dokumentiert, auf der sich rund 20 Einlassungen für wohl bronzene Weihgaben wie Statuetten und Figur inen erhalten haben. Diese blickten dem Tempelbesucher ursprünglich entgegen und waren ausnahmslos in Richtung des Bankettbereiches ausgerichtet. Ein Schwerpunkt der Restaurierungsarbeiten lag zudem auf den Maßnahmen beim Fünfpfeilerbau (Abb. 28). Bei diesem um 900 v. Chr. datierenden Fachwerkgebäude verbaute man in die Innen- wie Außenmauern in regelmäßigen Abständen horizontale und vertikale Holzbalken aus Akazie. Die Mauern waren mit Lehm verputzt, lediglich der Korridor wurde zwischen dem Fachwerk mit Kalksteinen verkleidet. Viele der Hölzer haben die Brandzerstörung des Gebäudes überdauert, an anderen Stellen geben Aussparungen die Lage der ehemaligen Balken an. Die Laibungen der Türen bestanden aus sorgfältig verzapften Holzbalken, deren Erhaltungszustand außergewöhnlich gut ist. Zwei sich im zentralen Korridor gegenüberliegende hölzerne Türlaibungen und ihre Anschlüsse an die direkt benachbarte tragende Holzkonstruktion des Bauwerks wurden schrittweise ausgegraben und sukzessive mit Paraloid und einem Zellulosemörtel restauriert. Nach Abschluss der Konsolidierungs- und Dokumentationsarbeiten verblieben die gefestigten Holzelemente, die sich bis zu einer Höhe von etwa 2 m erhalten haben, in situ. Für ihren Schutz wurde eine Lehmmauer vorgeblendet und der Zwischenraum mit feinem Sand verfüllt. Im Rahmen der Restaurierungsarbeiten an der etwa 200 Jahre alten Moschee innerhalb des sabäischen Stadtgebietes (Abb. 29) wurde der Innenraum zunächst vom Schutt des baufälligen Dachs gesäubert. Darunter kam ein sehr gut erhaltener Plattenboden aus sabäischen Spolien zu Tage, welcher bis auf zwei Fehlstellen kaum weiterer restauratorischer Behandlung bedarf. Der Plattenboden, der auch einen frühsabäischen Inschriftenstein
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Abb. 29 Sirwah, Moschee. Die etwa 200 Jahre alte Moschee in der antiken Stadtanlage wurde im Zuge der Restaurierungsarbeiten mit einem traditionellen LehmHolzdach neu gedeckt
aufweist, wurde photogrammetrisch dokumentiert. Es erfolgte eine Neudeckung des Daches in traditioneller Technik, d. h. die alten Deckenbalken wurden soweit möglich wieder verwendet, anschließend Knüppelholz verlegt sowie Reisig und Lehm aufgetragen. Eine Versiegelung des Daches mit Qadad ist geplant. Während der archäologischen und restauratorischen Maßnahmen in Sirwah wurden auch in diesem Jahr die bereits Ende des Vorjahres begonnenen Trainingskurse in den Bereichen Steinrestaurierung, Mörteltechniken sowie Vermessungswesen im Rahmen eines GTZ-Projekts fortgesetzt. Bei diesen von der Außenstelle betreuten Maßnahmen konnten pro Kurs jeweils 14 Personen der Region Sirwah ausgebildet werden. Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients (N. Nebes); Geographisches Institut, Physische Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (P. Kühn, D. Pietsch, T. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (R. Koch, Ch. Weiß); Department Geomatik, Labor für Instrumentenkunde der HafenCity Universität Hamburg (T. Kersten, K. Mechelke); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Förderung: Jemenitischer Social Fund for Development (SFD) (A. Dailemi); Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: W. Brettschneider, W. Fischer-Ohl, S. Japp, J. Malsch, E. Peintner, A. Rentmeister, M. Schnelle, I. Wagner, Ch. Weiß • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, I. Wagner (Abb. 26. 29); DAI, Orient-Abteilung, S. Ardeleanu (Abb. 27); DAI, Orient-Abteilung, M. Schnelle (Abb. 28). Master Plan of the Axum and Yeha Tourism Development Project,Tigray (Äthiopien) Im Rahmen der Entwicklung eines Masterplans für die touristische Erschließung von Axum und Yeha erstellte die Außenstelle erste Konzepte für eine Verbesserung der Infrastruktur und touristischen Attraktivität von Yeha und Hawelti. Neben einer Besucherbefragung in Yeha fertigte die Außenstelle einen topographischen Plan an, in dem alle bisher bekannten antiken und mit-
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Abb. 30 Yeha (Äthiopien), Markplatz. Für die touristische Erschließung von Yeha und Umgebung erstellte die Außenstelle Sana’a einen Masterplan, der auch das traditionelle Dorfleben von Yeha umfasst
telalterlichen Fundstätten markiert sind, dokumentierte die antiken Funde des Kirchenmuseums, nahm eine Photodokumentation aller relevanten Befunde vor, entwarf ein 3D-Modell von Tempel 1 und präsentierte neue touristische Attraktionen des Fundplatzes sowie seiner Umgebung. Ziel ist es dabei, das touristische Interesse in Yeha nicht ausschließlich auf ein Monument zu fokussieren, sondern den gesamten Fundplatz in den Mittelpunkt des Besuches zu stellen. Bewusst werden dabei die antiken Sehenswürdigkeiten, zu denen bisher drei Monumentalbauten, darunter mindestens zwei Tempelanlagen, Siedlungsgebiete, Kultplätze, Friedhöfe sowie Steinbrüche zählen, in ein Programm integriert, welches dem Besucher gleichzeitig die Landschaft, Tier- und Pf lanzenwelt und das traditionelle, von Handwerk und Landwirtschaft geprägte Dorf erschließt (Abb. 30). Der ›archäologische Park‹, aber auch naturräumliche Attraktivitäten sollen dabei miteinander verbunden werden. In weiteren Arbeitsschritten ist es geplant, Wege- und Informationssysteme auszuarbeiten, die sowohl den Gegebenheiten des Landes als auch den Bedürfnissen eines nachhaltigen Kulturtourismus gerecht werden. Kooperationspartner: Tigrai Culture and Tourism Agency (K. Amare, F. Zibelo); Authority for Research & Conservation of Cultural Heritage (J. Haile Mariam); Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients (N. Nebes); Geographisches Institut, Physische Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (P. Kühn, D. Pietsch, T. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (R. Koch, Ch. Weiß); Department Geomatik, Labor für Instrumentenkunde der HafenCity Universität Hamburg (T. Kersten, K. Mechelke) • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: T. Abreham, M. Berhane, H. Hitgen, S. Japp, M. Lindstaedt, J. Malsch, K. Mechelke, M. Schnelle, W. Smidt, R. Tesfay, I. Wagner, Ch. Weiß, F. Zibelo • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, I. Wagner (Abb. 30). Marib, Planung eines Provinzmuseums Im Jahr 2006 wandte sich der jemenitische Social Fund for Development – eine unabhängige jemenitische Behörde, die vor allem aus Finanzmitteln der internationalen Entwicklungszusammenarbeit Armut bekämpfende Pro-
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Abb. 31 Marib (Jemen), für die Planung des Provinzmuseums in Marib wurden Besucherumfragen im Nationalmuseum von Sana’a durchgeführt
jekte in verschiedenen Programmen umsetzt – an die Außenstelle Sana’a mit der Bitte, ein Provinzmuseum in Marib, dem Kerngebiet von Saba, zu planen. Ein Team aus verschiedenen Archäologen, Epigraphikern, Architekten, Soziologen, Museologen, Geologen, Geographen und Kunsthistorikern wurde hierfür zusammengestellt. Der vom Social Fund vorgegebene Auftrag reicht von der Erstellung eines wissenschaftlichen und museologischen Konzepts (Abb. 31) über den Architekturplan bis zur begleitenden Bauphase mit anschließender Installation der Ausstellung. Inzwischen wurde das Ausstellungskonzept mit Raumplanung abgeschlossen, ein erster an dieses Konzept angepasster Architekturentwurf sowie ein detaillierter Managementplan, der eine Neuorientierung bisheriger wenig funktionaler Museumsstrukturen bewirken soll, liegt vor. Des Weiteren erfolgte die Präsentation eines Proposals für die Phase 2 des Marib-Museumsprojekts »Realization of the Exhibition and Museum Design«, welches die Kostenplanung für den Architekturentwurf, die Statik des Gebäudes, die Haustechnik, das Ausstellungsdesign sowie die museologischen und archäologischen Studien betrifft. Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients (N. Nebes); Geographisches Institut, Physische Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (P. Kühn, D. Pietsch, T. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (R. Koch, Ch. Weiß); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir); Staatliche Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz (Vorderasiatisches Museum, Museum für Islamische Kunst, Institut für Museumsforschung) • Förderung: Jemenitischer Social Fund for Development (A. Dailemi); USAID • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: R. Arndt, U. Brunner, R. Crassard, Ch. Gerbich, D. Heiden, S. Japp, S. Kamel, N. Nebes, M. al-Qubati, M. Schnelle, W.-D. Thonhofer, M. Wachowski, Ch. Weiß • Abbildungsnachweis: DAI, Außenstelle Sana’a, Ch. Gerbich (Abb. 31).
Öffentlichkeitsarbeit
Frau Gerlach gab der jemenitischen und internationalen Presse sowie verschiedenen Fernsehsendern Interviews über die Forschungen der Außenstelle sowie die aktuellen Arbeiten in Sirwah. Sie verfasste eine englisch-deutscharabischsprachige Pressemitteilung über die im Almaqah-Tempel in Sirwah abgeschlossenen Restaurierungsarbeiten und berichtete der Presse anlässlich des 40-jährigen Jubiläums der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Republik Jemen und der Bundesrepublik Deutschland über Aufgabenstellung und Forschungsgeschichte der Außenstelle. Ausstellung »Altsüdarabische Altertümer. Kunstschätze des Jemen aus der Sammlung des Vorderasiatischen Museums in Berlin« im Vorderasiatischen Museum im Pergamonmuseum der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz 23. November bis 1. Januar 2010 Im Rahmen des 40. Jahrestages der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der Republik Jemen und der Bundesrepublik Deutschland erstellte die jemenitische Botschaft in Berlin gemeinsam mit dem Vorderasiatischen Museum des Pergamonmuseums SMB SPK und der Außenstelle Sana’a des DAI eine Ausstellung über alt-
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südarabische Altertümer (Abb. 32). Die Sammlung altsüdarabischer Objekte im Vorderasiatischen Museum, die sich vor allem aus Ankäufen von den Forschungsreisen E. Glasers Ende des 19. Jhs. und C. Rathjens in den 1920er Jahren zusammensetzt, bildet die älteste Deutschlands. Sie verfügt sowohl über kunstgeschichtlich repräsentative Objekte als auch über eine große Anzahl von Inschriften aus der altsüdarabischen Epoche (1. Jt. v. Chr. bis 6. Jh. n. Chr.). Anhand von ausgewählten Fundstücken präsentierte die Ausstellung nicht nur die Geschichte Südarabiens, sondern auch die deutsche archäologische Forschung im Jemen. Mit der Gründung der Außenstelle 1978 wird die lange deutsche Forschungstradition im Land intensiv fortgesetzt. Im Rahmen der Ausstellung übernahmen es die Außenstelle und ihre Kooperationspartner, sowohl die Ausstellungsstücke wissenschaftlich zu bearbeiten als auch fast sämtliche Begleittexte zu erstellen. Kooperationspartner: Vorderasiatisches Museum im Pergamonmuseum der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz (B. Salje); Botschaft der Republik Jemen in Berlin (S. E. M. L. Al-Eryani, A. Sholan); Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der FriedrichSchiller-Universität Jena, Institut für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients (N. Nebes) • Kuratoren: R. B. Wartke, B. Müller-Neuhof • Wissenschaftlicher Beirat/Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: S. E. M. L. AlEryani (Botschafter der Republik Jemen in Berlin), I. Gerlach, H. Hitgen, N. Nebes, I. Wagner, Grafik-Studio Kitt • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, I. Wagner (Abb. 32).
Abb. 32 Berlin, Vorderasiatisches Museum SMB SPK. Blick in die Ausstellung »Altsüd arabische Altertümer. Kunstschätze des Jemen aus der Sammlung des Vorderasiatischen Museums in Berlin«
Sonstiges
Seit 11. August kommt es in der nordjemenitischen Provinz Sadaa erneut zu schweren militärischen Auseinandersetzungen zwischen der jemenitischen Regierung und schiitischen Aufständischen (al-Houthi). Die Ausweitung der Kämpfe auf das Grenzgebiet zu Saudi Arabien führte zu einer Eskalation des Konf liktes. Gleichzeitig haben Sezessionsbewegungen im Süden eine Destabilisierung des Landes zur Folge. Angesichts dieses erhöhten Sicherheitsrisikos sowie der zunehmenden Gefahr von terroristischen Anschlägen vor allem in den östlichen und nördlichen Landesteilen wurden die archäologischen Feldforschungen in der Region Marib und Sirwah nach der Frühjahrskampagne vorerst eingestellt.
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Mitglieder der Kommission der KAAK
Die Direktoren der KAAK Der Präsident Kobler Martin, MD Auswärtiges Amt, Leiter der Kulturund Kommunikationsabteilung Werderscher Markt 1 D-10117 Berlin Bemmann, Jan, Prof. Dr. Rheinische Friedrich-WilhelmsUniversität Institut für Vor- und Frühgeschicht liche Archäologie Regina-Pacis-Weg 7 D-53113 Bonn Breunig, Peter, Prof. Dr. Johann Wolfgang Goethe-Universität Seminar für Vor- und Frühgeschichte, Archäologie Afrikas Postfach 11 19 32 D-60054 Frankfurt a. M. Fischer, Eberhard, Dr. Generalsekretär, Schweizerisch-Liech tensteinische Stiftung für Archäologi sche Forschungen im Ausland Museum Rietberg Gablerstr. 15 CH-8002 Zürich Grube, Nikolai, Prof. Dr. Rheinische Friedrich-WilhelmsUniversität Institut für Altamerikanistik und Ethnologie Römerstr. 164 D-53117 Bonn Grün, Armin, Prof. Dr. Eidgenössische Technische Hoch schule Zürich Institut für Denkmalpf lege und Bauforschung Wolfgang-Pauli-Str. 27 CH-8093 Zürich Höllmann, Thomas O., Prof. Dr. Ludwig-Maximilians-Universität Institut für Sinologie Kaulbachstr. 51 A D-80539 München
Kaulicke, Peter, Dr. Pontifícia Universidad Católica del Peru Departamento de Humanidades Apartado 1761 PE-100 Lima Mielsch, Harald, Prof. Dr. Rheinische Friedrich-WilhelmsUniversität Archäologisches Institut Am Hofgarten 21 D-53113 Bonn Reisch, Ludwig, Prof. Dr. Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Institut für Ur- und Frühgeschichte Kochstr. 4 (18) D-91054 Erlangen Sack, Dorothée, Prof. Dr.-Ing. Technische Universität Fakultät VII – Architektur. Umwelt. Gesellschaft, Fachgebiet Historische Bauforschung Straße des 17. Juni 152 D-10623 Berlin Schier, Wolfram, Prof. Dr. Dr. h. c. Freie Universität Institut für Prähistorische Archäologie (Ur- und Frühgeschichte) Altensteinstr. 15 D-14195 Berlin Stöllner, Thomas Robert, Prof. Dr. Deutsches Bergbau-Museum Fachbereich Montanarchäologie Herner Str. 45 D-44787 Bochum Weniger, Gerd-Christian, Prof. Dr. Direktor, Neanderthal Museum Talstr. 300 D-40822 Mettmann Müller-Karpe, Hermann, Prof. Dr. Erster Direktor i. R. Am Limperichsberg 30 D-53639 Königswinter (ohne Votum)
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen
Direktoren Dr. Burkhard Vogt, Erster Direktor Dr. Josef Eiwanger, Wissenschaftlicher Direktor
Dürenstr. 35–37 D-53173 Bonn Tel.: +49-(0)228 99 7712-0 Fax: +49-(0)228 99 7712-49 E-Mail: [email protected]
Wissenschaftliche Mitarbeiter Prof. Dr. Hans-Georg Hüttel, Dr. Heiko Prümers, Dr. Markus Reindel, Dr. Andreas Reinecke, Dr. Hans Joachim Weißhaar Wissenschaftliche Hilfskraft Volker Soßna M. A. (bis 31. 12.) Aus Drittmitteln finanzierte Stellen Carolina Hohmann M. A. (BMBF), Susanne Schlegel M. A. (BMBF), Denise Kupferschmidt M. A. (BMBF, 23. 7. bis 31. 12.)
Forschungsstelle der KAAK Forschungsstelle Ulaanbaatar, Mongolei Dürenstr. 35–37 D-53173 Bonn Tel.: +49-(0)228 99 7712-0 Fax: +49-(0)228 99 7712-49 E-Mail: [email protected]
Ansprechpartner: Prof. Dr. Hans-Georg Hüttel Postadresse und Kontaktdaten über die Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen in Bonn wie nebenstehend
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Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen, Bonn Ausgrabungen und Forschungen
Abb. 1 Osterinsel (Isla de Pascua/Rapa Nui), Chile. Der Zentralabschnitt des Fundplatzes mit den Resten von Wasserwirtschaftsbauten
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Osterinsel (Isla de Pascua/Rapa Nui), Chile Die seit gut tausend Jahren besiedelte Osterinsel liegt völlig isoliert in den subtropischen Breiten des südlichen Pazifiks und ist insgesamt arm an natürlichen Ressourcen. Wie sich die Rapa Nui-Kultur auf diesen Mangel einrichtete, wird seit 2007 mit einem Projekt, das sich der Nutzung von Wasser widmet, untersucht. Der Fundplatz Ava Ranga Uka A Toroke Hau liegt im Zentrum der Insel. Sein eigentlicher Kernbereich erstreckt sich entlang eines Bachlaufs in einem canyonartigen Geländeeinschnitt. Zahlreiche Strukturen stehen offenkundig in funktionalem Zusammenhang mit voreuropäischem Wasserbau (Abb. 1).
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Im Wasserbecken T1 wurde die Beckenpf lasterung entnommen, um die darunter liegende Füllung zu untersuchen (Abb. 2). Bis zum gewachsenen Fels ließ sich eine Folge von dunkelgrauen Muddeschichten nachweisen, die mit dünnen Bändern weißer Vulkanasche alternierten (Abb. 3). Diese Füllung enthielt Hunderte von glatten, blaugrauen Strandkieseln, des Weiteren zahlreiche Holz- und Pf lanzenreste, darunter Nussschalen der sog. chilenischen Honigpalme. Wider Erwarten zeigen nur wenige Nussschalen Nagespuren der von den Rapa Nui eingeführten Ratten. Vier Radiokarbonproben (Nussschalen) datieren die Beckenpf lasterung und die darüber liegende Verfüllung in das 16. Jh. (nach Korrektur). Demnach haben Honigpalmenbestände lokal auch noch nach 1500, wie bislang angenommen, existiert. Vergesellschaftet mit den organischen Resten waren zahlreiche Gerätschaften aus Obsidian, Basalt und selbst aus Holz. All dies deutet auf eine vorsätzliche Deponierung von Artefakten und Manuporten, wie es auch durch die Entdeckung von drei Petroglyphen auf dem Felsboden des Beckens (menschlicher Fußabdruck, Fisch/Delphin und Doppelrumpfkanu) nahe gelegt wird. Der in der Nähe gelegene Damm 1 war ebenfalls Gegenstand intensiver Grabungen (Abb. 4). An der Bruchstelle des Dammkörpers zeigt sich ein Profil, das mit über 3 m Höhe die bisher umfangreichste archäologische Schichtenfolge auf der Insel darstellt. Der Grabungsbefund belegt eine mit zunächst 1,50 m Höhe nur sehr klein dimensionierte Dammanlage, die in zwei Phasen auf über 3 m erhöht wurde. Der Damm und seine Erhöhungen bestehen aus einer einfachen Aufschüttung von kleineren Geröllen. Auf der Luftseite bildet eine Mauer aus großen Geröllen eine Verblendung. Das Fehlen eines Auslasses und anschließenden Kanals deutet darauf hin, dass Damm 1 sicher nicht der Bewässerung nahe gelegener Gärten oder Feldf lächen diente. Die Schichtung der Stauraumsedimente macht deutlich, dass sich die Rapa Nui mit einer schnellen Verlandung des Stauraumes konfrontiert sahen: Die grobkörnige Zusammensetzung des Sediments ist auf wiederholte größere Starkregenereignisse zurückzuführen. Zwei dünnere Bänder feinen und hellen Sediments deuten allerdings auch auf längere Phasen geringer Niederschläge und damit eines über die Zeiten geringeren Sedimenteintrages. Anstatt den Stauraum manuell zu beräumen, begegnete man der Verlandung zum einen mit der Erhöhung des Dammkörpers und damit
Abb. 2 Osterinsel (Isla de Pascua/Rapa Nui), Chile. Das Becken T1 nach Entfernen der Pflasterung Abb. 3 Osterinsel (Isla de Pascua/Rapa Nui), Chile. Schichtenfolge unter der Beckenpflasterung
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Abb. 4 Osterinsel (Isla de Pascua/Rapa Nui), Chile. Übersicht des östlichen Dammrestes mit Dammkörper (rechts) und Stauraumverfüllung
einer Vergrößerung des Stauraumes, zum anderen mit dem Einziehen von drei pf lasterartigen Stickungen, die wohl die gesamte Fläche des kleinen Tals überdeckten. Weitere Grabungen wurden auf einer Uferterrasse vor der im Stauraum zu Damm 2 gelegenen Höhle 1 durchgeführt. Der bis in die Höhle hineinreichende Suchschnitt ergab eine zweiphasige Besiedlung vielleicht während des 17./18. Jhs. (?), die wohl der Zerstörung von Damm 2 folgte. Die bisherigen Untersuchungen in Ava Ranga Uka A Toroke Hau geben erste Hinweise auf einen bislang auf der Insel unbekannten Wasserkult. Eine der wichtigsten Gottheiten im Rapa Nui-Pantheon war der Regengott Hiro, der zuständig war für die Fruchtbarkeit der Felder und Gärten. In Zeiten längerer Trockenheit ließ der König der Insel durch einen Priester als Opfergabe Korallenstücke vergraben, um Hiro dazu zu bewegen, es regnen zu lassen. Dass Regenzauberrituale in Ava Ranga Uka A Toroke Hau stattgefunden haben, könnten zahlreiche im Stauraum von Damm 1 gefundene Korallenstücke belegen. Kooperationspartner: Museo Antropológico Padre Sebastian Englert, Hanga Roa/Isla de Pascua; Department Geomatik der HafenCity Universität Hamburg • Leitung des Projekts: B. Vogt, F. Torres Hochstetter • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Cuadros Hucke, Ch. Hartl-Reiter, F. Torres Hochstetter, T. Ika, T. Kersten, S. Lopéz Atam, K. Mechelke, J. Moser, S. Nahoe, J. Soler, M. Vogt • Abbildungsnachweis: Ch. Hartl-Reiter (Abb. 1); B. Vogt (Abb. 2–4). Anden-Transekt 1 (Peru) Im südlichen Peru wurden die Arbeiten im interdisziplinären Verbundprojekt »Anden-Transekt« fortgesetzt. In einem etwa 100 km langen, von der Pazifikküste in West-Ost-Richtung über eine Vielzahl ökologischer Zonen bis ins Altiplano der Anden auf über 5 000 m Höhe verlaufenden Transekt wird das Siedlungsverhalten andiner Gesellschaften in Abhängigkeit von Klimaund Landschaftsveränderungen untersucht. Die Arbeiten konzentrierten sich in diesem Jahr auf die Dokumentation und Ausgrabung von Siedlungen im Hochland (Abb. 5. 6), in der Küstenregion wurde die Siedlung Pernil Alto ausgegraben (Abb. 7. 8).
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Abb. 5 Anden-Transekt 1 (Peru), Santa Maria. Eine der vielen Siedlungen mit ausgedehnten Anbauterrassen in der Hochlandregion des Anden-Transekts. Siedlungs- und Grabbauten befinden sich im oberen, die landwirtschaftlichen Nutzflächen im unteren Teil des Fundortes, der auf 2 800 m Höhe liegt und in die Späte Zwischenperiode datiert (1000–1400 n. Chr.)
Bei den diesjährigen Prospektionen wurden im Hochland 87 neue Fundorte registriert und zwei das Hochland mit dem Andenfuß verbindende Fernwege untersucht. Der höchste Arbeitsplatz war das auf 4 775 m Höhe liegende Bergheiligtum des Cerro Llamoca. Die Prospektion deckt nunmehr relativ gleichmäßig die gesamte Westf lanke der Anden bis zur Wasserscheide am Rand des Altiplano ab und erfasst mehr als 300 Fundorte aller wichtigen Zeitstufen. Durch eine Testgrabung in einem Abri auf 4 500 m Höhe wurden sogar Siedlungsspuren aus dem frühen 8. Jt. v. Chr. erschlossen. Mit der nahezu vollständigen Abdeckung des Untersuchungsgebietes durch die archäologische Prospektion ist eine gute Grundlage geschaffen, um langfristige Siedlungsentwicklungen im Anden-Transekt in Abhängigkeit von Klimaveränderungen zu untersuchen. Im Verbundprojekt kooperieren die Archäologen intensiv mit naturwissenschaftlichen Teilvorhaben. Eine Arbeitsgruppe Geomorphologie/Paläobotanik erzielte durch die Analyse von Bohrkernen aus einem Hochmoor interessante Ergebnisse zu wechselnden Klimaphasen, die sich durch entsprechende Datierungen mit der Siedlungsgeschichte parallelisieren lassen. Weitere aufschlussreiche Ergebnisse zur Bewegung von Bevölkerungsteilen, Rohstoffen und Handelswaren gab es durch die Arbeitsgruppen Paläogenetik, Isotopenanalyse und Rohstoffkunde. Die Ergebnisdaten aus den Teilprojekten wurden in die Datenbank des Verbundprojekts Anden-Transekt integriert, wo sie für Analysen in einem geographischen Informationssystem zur Verfügung stehen. Derzeit werden auf der Grundlage von Geodaten und den Ergebnissen des Verbundprojekts Landnutzungsmodelle erstellt, mit denen abgeschätzt werden kann, welchen Einf luss Schwankungen von klimatischen Faktoren auf die landwirtschaftliche Produktion in der Vergangenheit hatten. Einen umfangreicheren Einblick in die Siedlungsformen und Lebensumstände im sog. Archaikum erlaubt der am Andenfuß in der Nähe des Ortes Palpa liegende Fundort Pernil Alto (Abb. 7. 8). In Pernil Alto wurden inzwischen 18 in das 4. Jt. v. Chr datierende Grubenhäuser freigelegt. Die runden oder ovalen Behausungen mit Durchmessern von 2–3 m waren ca. 50 cm in den Boden eingetieft, z. T. mit Steinplatten ausgekleidet und mit Konstruk-
Abb. 6 Anden-Transekt 1 (Peru), Layuni. Grabkonstruktion aus der Späten Zwischenperiode, die in einen Felsüberhang in 3 600 m Höhe gebaut wurde. Im Untersuchungsgebiet des Anden-Transekts finden sich zahlreiche Typen von Grabkonstruktionen, darunter neben diesen Felsengräbern auch runde und rechteckige Grabhäuser mit z. T. megalithischen Ausmaßen sowie unterirdische Grabbauten unterschiedlicher Konstruktion
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Abb. 7 Anden-Transekt 1 (Peru), Pernil Alto. Plan der bisher freigelegten Teile der Siedlung, im nordöstlichen und südlichen Teil sind die Grundrisse von 18 Grubenhäusern aus dem 4. Jt. v. Chr. zu erkennen (Mat 1–18). Sie stellen die frühesten Hausformen im Andenraum dar. Die dunkelgrauen Flächen, die sich zumeist innerhalb der Grubenhäuser befinden, markieren Gräber (vgl. Abb. 8). Im zentralen Bereich konnte nicht gegraben werden, da sich dort die Gebäudereste einer Siedlung aus der Initialzeit (1500–800 v. Chr.) befinden
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Abb. 8 Anden-Transekt 1 (Peru), Pernil Alto. Blick Richtung Osten auf den nordöstlichen Teil des Grabungsplatzes. Deutlich sind die Umrisse der Grubenhäuser aus dem Archaikum (3800–300 v. Chr.) zu erkennen, dazwischen die Grab- und Speichergruben. Am rechten unteren Bildrand sind Lehmmauern der jüngeren initialzeitlichen Siedlung (1500–800 v. Chr.) zu sehen
tionen aus Holzstangen überdacht. Die Gebäude gruppierten sich offenbar um einen zentralen Platz oder ein Gebäude. Zwischen den Häusern befanden sich Aktivitätsbereiche mit Feuerstellen, Pfosten, Gruben und anderen Siedlungsbefunden. Bisher wurden 30 Bestattungen geborgen, die in Matten gewickelt und mit großen Steinen abgedeckt waren. In den meisten Fällen waren die Bestattungen in die Böden der Behausungen eingebracht. Grabbeigaben in Form von Schmuck und Werkzeugen deuten auf gewisse soziale Differenzierungen hin. Die bisher 24 Radiokohlenstoffdatierungen von Pernil Alto liegen zwischen 3800 und 3000 v. Chr. und decken somit einen größeren Zeitabschnitt des Archaikums ab. Die Mehrzahl der Datierungen gruppiert sich zu zwei deutlichen Phasen, zwischen 3500 und 3350 v. Chr. sowie zwischen 3350 und 3100 v. Chr., die sich auch im Siedlungsbefund abzeichnen. Insgesamt erscheint das archaische Pernil Alto als eine strukturierte Siedlung, die deutliche Tendenzen zur sesshaften, nahrungsmittelproduzierenden Lebensweise aufweist. Anzeichen dafür sind die dorfartige Struktur, die planhafte Anlage der Behausungen und die Konzentration von Gräbern an einem Ort sowie die Nutzung von Mahlsteinen, Mörsern und Steinschüsseln. Andererseits spielte jedoch die Jagd noch eine wichtige Rolle bei der Nahrungsbeschaffung. Fernkontakte sind durch Muscheln und Obsidian belegt. Kooperationspartner: Instituto Andino de Estudios Arqueológicos (Lima); Graduate School »Human Development in Landscapes« (Kiel); Geographisches Institut der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg; Institut für Historische Anthropologie und Humanökologie der Georg-August-Universität Göttingen; Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie München; Seminar für Geographie und ihre Didaktik der Universität zu Köln, Deutsches Bergbau-Museum Bochum; Forschungsstelle Radiometrie der Heidelberger Akademie der Wissenschaften • Förderung: Bundesministerium für Bildung und Forschung • Leitung des Projekts: M. Reindel • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: C. Hohmann, V. Soßna, S. Schlegel, D. Kupferschmidt, H. Gorbahn, J. Isla, E. Tomasto, J. Astahuaman, Y. Llimpe • Abbildungsnachweis: M. Reindel (Abb. 5. 8); C. Hohmann (Abb. 6); J. Palomino (Abb. 7).
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Llanos de Moxos (Bolivien) Die im Vorjahr begonnene Untersuchung von Ringgrabenanlagen nahe des Dorfes Bella Vista in der bolivianischen Provinz Iténez wurde fortgesetzt und gleichzeitig der Plan des Grabensystems vervollständigt, in das diese Anlagen integriert sind, sowie benachbarte Grabensysteme prospektiert. Die als BV-3 geführte Ringgrabenanlage liegt am östlichen Rand des untersuchten Grabensystems und zwar nicht innerhalb des ›Hauptgrabens‹, sondern außerhalb desselben. Das Gelände fällt dort leicht von Osten nach Westen hin ab, so dass der Hauptgraben auf der tiefer liegenden Seite der Anlage mit dieser verbunden ist (Abb. 9). Im Innenraum der Ringgrabenanlage wurde eine 150 m 2 große Fläche bis auf den sterilen Grund gegraben. Die Ergebnisse stimmen in großen Zügen mit den bei der im Vorjahr untersuchten Ringgrabenanlage gemachten Resultaten überein. So fand sich nur eine, mit 20–50 cm relativ dünne Kulturschicht, von der Abfall- und Grabgruben abgetieft waren. Die Funde setzten direkt unterhalb der Oberf läche ein und beinhalteten auch intakte Gef äße (Abb. 10). Feuerstellen und Pfostenlöcher konnten nicht beobachtet werden. Die genannten Gemeinsamkeiten spiegelten sich allerdings nicht im keramischen Fundgut, das deutliche Unterschiede aufwies. Neu sind beispielsweise halbrunde Schalen mit geometrischer Bemalung aus Liniengruppen in dreieckigen Feldern (Abb. 11). Dass diese auch in anderen Formen und Verzierungen fassbaren Wechsel chronologisch relevant sind, legen neue Radiokarbondatierungen nahe. Demnach datieren die Befunde der Ringgrabenanlage BV-3 in das 15. Jh., wohingegen die im Vorjahr untersuchte Anlage Befunde des 13./14. Jhs. erbracht hatte. Dies ist bemerkenswert, da die beiden Ringgrabenanlagen durch einen ›Hauptgraben‹ miteinander verbunden sind, also Teilbereiche eines Fundortes darstellen. Erstmals zeigt sich hier, dass diese großen Fundorte eine größere zeitliche Tiefe besitzen und dass durch Grabungen in unterschiedlichen Bereichen derselben die Erarbeitung einer ›Horizontalstratigraphie‹ möglich ist.
Abb. 9 Llanos de Moxos (Bolivien), Bella Vista. Höhenlinienplan der Kreisgrabenanlage BV-3, rot hervorgehoben die Grabungsschnitte
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340 Jahresbericht 2009 des DAI Abb. 10 Llanos de Moxos (Bolivien), Bella Vista. Bereits dicht unter der Oberfläche traten am Fundort BV-3 neben Streufunden auch intakte Gefäße zu Tage
Der die Anlage umgebende Graben war nur noch schwach ausgeprägt. Ein im Westen durch ihn gelegter Grabungsschnitt (Abb. 12) zeigte, dass die f lache Grabensohle 1,50 m unter der heutigen Oberf läche lag. Die Seitenwände stiegen steil trichterförmig an und da man den Aushub beiderseits des Grabens aufgehäuft hatte, betrug der Höhenunterschied zwischen Grabensohle und Oberkante Umwallung mehr als 2 m. Es wurde bereits erwähnt, dass die Ringgrabenanlagen keine isolierten Phänomene darstellen, sondern in große Grabensysteme integriert sind. Die Existenz dieser großen, mehrere Quadratkilometer große Areale umschließenden Grabensysteme in der Iténez-Region war bislang unbekannt. Erst die im Rahmen unseres Projekts durchgeführten Prospektions- und Vermessungsarbeiten haben deren Ausmaß gezeigt und erste Daten zu deren Verteilungsmuster geliefert. Nach bisheriger Kenntnis grenzen die Grabensysteme Anhöhen von zwischen ihnen befindlichen Geländesenken ab. Zu jedem der bislang vier in der Umgebung von Bella Vista entdeckten großen Grabensysteme gehören zwei oder drei Ringgrabenanlagen. Bei Begehungen im Inneren des östlich von Bella Vista auf dem Gelände der Estancia »Thuringia« gelegenen Grabensystems, das durch den Einsatz
Abb. 11 Llanos de Moxos (Bolivien), Bella Vista. In einer Abfallgrube gefundene Schale mit geometrischer Bemalung, das Dekor ist typisch für die letzte, ins 15. Jh. datierende Belegungsphase
Abb. 12 Llanos de Moxos (Bolivien), Bella Vista. Ansicht des durch den Graben gelegten Schnittes von Süden, BV-3
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von Planierraupen stark gestört ist, konnten über eine Distanz von 1 km hinweg Streufunde nachgewiesen werden. Auch im Dorf Bella Vista, das etwa ein Viertel der Fläche einnimmt, die von einem vorspanischen Grabensystem umschlossen ist, werden bei Bauarbeiten immer wieder Zufallsfunde gemacht. Dies scheint darauf hinzudeuten, dass von einer vorspanischen Besiedlung im gesamten von den Grabensystemen umschlossenen Gebiet auszugehen ist. Dies könnte auch erklären, warum in den Ringgrabenanlagen keine ›Siedlungsspuren‹ im engeren Sinne gefunden wurden. Möglicherweise hatten diese speziell abgegrenzten Bereiche, mit Durchmessern zwischen 100–150 m, eine Sonderfunktion. Kooperationspartner: Dirección Nacional de Arqueología (La Paz) • Leitung des Projekts: H. Prümers • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Bruno, C. Jaimes Betancourt, E. Machicado, M. Quiroga T., R. Torrico • Abbildungsnachweis: H. Prümers (Abb. 9–12). Forschungen im östlichen Rifgebirge (Marokko) Das zentrale Forschungsfeld des Kooperationsprojekts »Préhistoire et Protohistoire du Rif Oriental Marocain« ist die Erforschung des Abris Ifri n’Ammar. Die Arbeiten der letzten Jahre hatten auswertenden Charakter. Hierzu entstand eine Monographie mit dem Titel »La Grotte d’Ifri n’Ammar. Le Paléolithique Moyen«, die Anfang nächsten Jahres erscheinen wird. Die Konsequenzen aus den Datierungsserien der mittelpaläolithischen Sequenz in Ifri n’Ammar (83 ka bis 171 ka) verändern grundlegend das Bild von der Ankunft des anatomisch modernen Menschen in Nordafrika und tragen wesentlich zur Diskussion kultureller Modernität und zum zweiten »Out of Africa« bei. Ifri n’Ammar nimmt hier inzwischen für Nordafrika eine Schlüsselrolle ein. Diese Überlegungen, die Beobachtung erster Menschenreste im oberen Schichtkontext des Mittelpaläolithikums und letztlich auch die zunehmende Bedrohung der Fundstelle durch ihre schnell wachsende Bekanntheit haben zu der Entscheidung geführt, 2009 die Grabungen in Ifri n’Ammar wieder aufzunehmen. Im Zentrum des Abris wurde eine größere Grabungsf läche eröffnet, die unmittelbar an das Ostprofil der Grabungen 1997–2004 anschließt. Hier bewegte sich die diesjährige Grabung in den Schichten des Ibéromaurusien. Es wurde dabei eine Tiefe von ca. 2 m erreicht (Abb. 13). Die obersten
Abb. 13 Forschungen im östlichen Rifgebirge (Marokko), Ifri n’Ammar. Diesjährige Grabung im Zentrum des Abris
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Schichten des Mittelpaläolithikums wurden tangiert, in denen 1999 neben Menschenresten und Farbspuren durchbohrte Nassarius-Schnecken entdeckt wurden, mit 83 ka der älteste bekannte Schmuck der Menschheitsgeschichte. Das Zentrum des Abris steht gegenüber den bisher ergrabenen Randlagen in deutlichem Kontrast. Die außerordentlich zahlreichen Funde dieser Epoche erlauben eine räumliche Gliederung des Abris. Im Wandbereich fand sich erneut ein Kindergrab, das die Bestattungssitte am Rande der besiedelten Fläche bestätigt (ca. 16.–12. Jt.). Die Wandzone zeichnet sich durch hohe Konzentrationen fertiger Artefakte aus, während das Zentrum sehr viel mehr Débitage und zahlreiche Retoucheure erbringt. Bereits in früheren Jahren hatten wir hier Belege für immobile Ausstattung gefunden wie große Amboss-Steine, meist im Kontext mit Rötelspuren. Eine Studie zur räumlichen Organisation ist inzwischen in Planung. Daneben wurden in diesem Jahr im Rahmen des Forschungsclusters 1 »Von der Sesshaftigkeit zur komplexen Gesellschaft: Siedlung, Wirtschaft, Umwelt« des DAI und unter dem Projekttitel »Marokkanisches Küsten-Neolithikum« die Grabungen an der neolithischen Fundstelle von Hassi Ouenzga fortgesetzt (Abb. 14). Die Stratigraphie ist trotz der geringen Dimensionen der Fundstelle sehr komplex und umfasst Schichten des Alt-, Mittel- und Jungwie Endneolithikums. In der monographischen Bearbeitung der Grabungen 1996 und 1997 ( J. Linstädter, Zum Frühneolithikum des westlichen Mittelmeerraums – Die Keramik der Fundstelle Hassi Ouenzga, AVA-Forschungen 9 [Aichwald 2004]) ist dem Rechnung getragen. Bei den neuen Grabungen sind viele Aspekte hinzugekommen, vor allem in der diesjährigen Kampagne. Die älteren Schichten der Fundstelle zeigen nun deutlich die sehr unterschiedliche geographische Provenienz der Gruppen, die sich zeitweise hier aufgehalten haben. Es sind vor allem Belege aus dem Saharabereich hinzugekommen, so ein bisher im marokkanischen Neolithikum einzigartiges verziertes Straußenei sowie eine saharanische Pfeilspitze. Die Grabungen hier werden im kommenden Jahr abgeschlossen, eine weiter südlich, am Rande der Moulouya-Ebene liegende Höhle mit neolithischen Schichten, soll darauf folgen. Das Ziel ist ein kulturelles Profil zwischen Präsaharabereich und mediterraner Küstenzone, sehr unterschiedliche Biotope, die aber hier sehr stark komprimiert sind und sich auf kaum 100 km Distanz entfalten mit unterschiedlicher Wirtschaftsweise, Sedentarisation und kulturellem Inventar.
Abb. 14 Forschungen im östlichen Rifgebirge (Marokko), Hassi Ouenzga. Blick aus dem Abri auf die Quellen und die ismailitische Kasbah
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In diesem Jahr wurde, unter dem Eindruck der bisherigen Ergebnisse des Projekts »Rif Oriental«, eine enge Zusammenarbeit mit dem Kölner SFB 806 »Our Way to Europe« vereinbart. Eine Forschergruppe um G.-C. Weniger, der für die ›westliche Schiene‹ des SFB verantwortlich ist, wird in unserem Gebiet einschlägige Fundstellen untersuchen. Ab 2014 werden dies pleistozäne Plätze sein, 2010 wird J. Linstädter im Rahmen des SFB Ifri Odaden an der Küste westliche der Halbinsel untersuchen, eine Höhle, die er bereits 2008 sondiert hatte. Wir versprechen uns von diesen Arbeiten einen kulturellen Kontrast zu Hassi Ouenzga, das ja im Hinterland der Küste gelegen ist. Kooperationspartner: Institut National des Sciences de l’Archéologie et du Patrimoine (INSAP), Rabat; SFB 806 »Our Way to Europe« der Universität zu Köln; Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig, Bonn; Institut für Ur- und Frühgeschichte der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg • Leitung des Projekts: J. Eiwanger, A. Mikdad • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Amarir, R. Hutterer, L. Lorenz, A. Mikdad, J. Moser, M. Nami, F. Nekkali, L. Reisch, A. D. Rodriguez, H. P. Wittersheim • Abbildungsnachweis: H. P. Wittersheim (Abb. 13. 14).
Abb. 15 Tissamaharama (Sri Lanka), Pfostensetzungen der ältesten bäuerlichen Siedlung unter der Zitadelle der Stadt (5. Jh. v. Chr.)
Abb. 16 Tissamaharama (Sri Lanka), Öllampe, ergänzt mit feuchtem Lehm (4. Jh. v. Chr.)
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Tissamaharama (Sri Lanka) Seit 1992 untersucht die KAAK an mehreren Stellen die antike Zitadelle der Stadt Mahagama (heute: Tissamaharama). In diesem Jahr konnten die Feldarbeiten in der ehemaligen Hauptstadt des Königreiches Ruhuna abgeschlossen werden. Im Mittelpunkt der Grabung standen in diesem Jahr die ältesten Siedlungsspuren des Ortes. Den frühesten städtischen Strukturen ging unmittelbar eine bäuerliche Siedlung auf gewachsenem Boden voraus, die bereits im 5. Jh. v. Chr. bestand. Radiokarbondatierungen, die noch ausstehen, können hier noch für geringfügige Änderungen sorgen. Bei den Häusern handelt es sich um Rechteckbauten mit kräftigen Holzpfosten in regelmäßigen Abständen (Abb. 15). Der Mahavamsa, die große Chronik des Landes, wurde um 400 n. Chr. aufgeschrieben. Er berichtet, dass am Anfang der alt-srilankischen Kultur um 500 v. Chr. eine Zuwanderung aus Nordindien stand. Prinz Vijaya war in Ungnade gefallen und hatte sich mit großem Gefolge auf der Insel niedergelassen. Erwähnung findet eine Hauptstadt Anuradhapura, doch entstanden offenbar auch andere zentrale Orte auf der Insel, so auch Mahagama, die Hauptstadt des späteren (Vize-)Königreiches Ruhuna. Die Stadt hatte als Vorbild jene Anlagen, die um die Mitte des 1. Jts. v. Chr. in Indien gegründet wurden. Aus der Chronik wissen wir, dass der jeweilige Herrscher die Planung vorgab: zentrale Straßen, Wohnareale, öffentliche Einrichtungen und Plätze für Werkstätten. Im Falle von Mahagama soll es König Mahanaga um 270 v. Chr. gewesen sein, doch zeigen die Grabungen, dass bereits um 400 v. Chr. eine Stadt angelegt wurde. Auch sie muss auf die frühe Einwanderung unter Vijaya zurückgehen. Bekräftigt wird dies durch zahlreiche Pferde- und Eselsknochen, die aus dem Fundmaterial bestimmt werden konnten. Sie sind in den unteren Schichten auffällig und kommen im weiteren Verlauf der Stratigraphie nur noch vereinzelt vor. Im tropischen Sri Lanka sind sie nicht heimisch, wohl aber im Norden des indischen Subkontinents. Ein weiteres Indiz ist eine einfache, grob gearbeitete Öllampe, wie sie in Sri Lanka oder Südindien bisher nicht gefunden wurde (Abb. 16). Auch hier stammen die nächsten Parallelen aus dem Norden.
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Die Baustrukturen der ältesten Stadt haben Fundamente aus gebrannten Ziegeln, die mehrere Lagen hoch erhalten waren (Abb. 17). Es gab gepf lasterte Terrassen und offene Plätze und schon die ältesten Häuser hatten gebrannte Dachziegel. Sie waren breiter und schwerer als die vergleichbaren Stücke aus nachchristlicher Zeit (Abb. 18). Auch hatten sie mehr senkrechte Fingerriefen zum Ablaufen des Regenwassers als die später üblichen drei Furchen. Die Qualität der Architektur ist in der Gründungsphase der Stadt am besten. Nachfolgende Bauten wurden nachlässiger errichtet und Hausmauern zunehmend aus Stampf lehm gebaut. Erst im 4. Jh. gab es im Grabungsareal wieder ein großes Haus mit massiven Ziegelfundamenten, bevor um 500 die Zitadelle ihre Bedeutung verlor und ein großer Teil der Bevölkerung abwanderte. Kooperationspartner: Archaeological Department of Sri Lanka • Leitung des Projekts: H.-J. Weißhaar, S. Dissanayake • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf deutscher Seite: N. Benecke, A. Benecke, H.-J. Lauffer, C. PohlThiblet, H. Schenk, M. Schimmer, H.-P. Wittersheim • Abbildungsnachweis: H.-P. Wittersheim (Abb. 15–18). Prohear (Kambodscha) In diesem Jahr wurde die 2. Ausgrabungskampagne auf dem früheisenzeitlichen Gräberfeld Prohear, Provinz Prey Veng, im Südosten Kambodschas durchgeführt (Abb. 19). Ziel war die Rettung weiterer noch nicht geplünderter Bestattungen direkt unter dem 4 m breiten Hauptweg des Dorfes. Untersuchungsf läche und Gräberzahl wurden auf 116 m 2 mit 52 Gräbern in etwa verdoppelt. Bei den 52 Bestattungen handelt es sich um 47 Gräber in Erdgruben und um fünf Kinderbestattungen in kürbisgroßen Tongefäßen. Nach Kopforientierung der Toten, Beigaben und Tiefenlage der Gräber können mindestens zwei Bestattungsperioden getrennt werden. Die Gräber der älteren Periode I datieren in die Zeit von 500 bis in die 2. Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. Dazu gehören vier meist etwas tiefer entdeckte Bestattungen mit Ost- oder West-Orientierung des Kopfes und vermutlich alle fünf Gefäßgräber. Keiner dieser Bestattungen war eine Gold- oder Silberbeigabe beigegeben. Typisch sind Granatperlenschmuck und Bronze- oder Eisenarmringe. Alle übrigen 43 Gräber der Periode II vom Ende des 2. Jhs. v. Chr. bis zum 1. Jh. n. Chr. vereint eine nahezu gleiche Ausrichtung des Kopfes nach Süden bis Südwesten. Eine jüngere Zeitstufe II b lässt sich mit Bronzetrommeln, Bronzeobjekten aus dem südchinesischen Raum, mit feiner orangefarbener Keramik und einer reicheren Ausstattung mit Gold und Silber von Stufe II a abtrennen und dürfte in der 1. Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. beginnen. Obwohl ein Teil der Gräber gestört oder partiell geplündert worden war, enthielten noch 28 Komplexe Gold- und Silberfunde. Insgesamt stehen nunmehr 96 Gold- und Silberobjekte der Auswertung zur Verfügung – die größte Palette von einem vorgeschichtlichen Fundplatz in ganz Südostasien (Abb. 20). In Prohear waren die meisten Skelette nicht mehr erhalten, doch kann die Lage der Toten anhand von Ohr-, Haar- oder Armschmuck festgestellt werden. Bei verschiedenen Bestattungen wurde der Schädel der Toten in einer Bronzetrommel gefunden oder das Gesicht war mit einer Bronzeschale oder Bronzescheibe abgedeckt. Die Bestattung des Schädels in einer Bronzetrommel ist bisher nur vom Gräberfeld Kele in der südchinesischen Provinz Guizhou bekannt, etwa 1 740 km nördlich von Prohear. Eine Verbindung zwischen diesen beiden Regionen wird auch dadurch nahe gelegt, weil sich in
Abb. 17 Tissamaharama (Sri Lanka), Areal mit Wohnhäusern der ältesten Stadt (4. Jh. v. Chr.)
Abb. 18 Tissamaharama (Sri Lanka), Dachziegel des 3. und 2. Jhs. v. Chr.
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Abb. 19 Prohear (Kambodscha), diesjährige Ausgrabung. Gräber 26–51 in Unit D Abb. 20 Prohear (Kambodscha), Auswahl an Gold- und Silberfunden von verschiedenen Gräbern in Prohear. 1–7 Ohr- und Haarschmuck, 8–14 Fingerringe, darunter 9 mit Reiterdarstellung, 11 mit Abbild eines Tigers und 13 mit Darstellung eines Pferdes
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Guizhou und Yunnan die umfangreichsten Gold-, Silber- und Elektrumvorkommen des ganzen Gebietes befinden. Zu den geschlechtsspezifischen Beigaben von bis zu sechs Spinnwirteln in Frauengräbern und einem Steinstößel zwischen den Oberschenkeln von Männern kam ein weiterer interessanter Befund zu Tage: Zwischen den Beinen eines neunjährigen Kindes, dessen Gesicht mit einer Bronzescheibe abgedeckt war, fand sich eine 12 cm lange Bronzeglocke – sicherlich Kennzeichen der Bestattung eines Jungen (Abb. 21). Unter den herausragenden Funden der diesjährigen Grabungskampagne sind ein 16 g schwerer gerippter Ohrring (Abb. 20: 7) und der größte Silberfund, ein 25 g schwerer massiver Armreif aus einem Männergrab, das auch mit dem einzigen Kurzschwert aller bisherigen Gräber ausgestattet war. Über 50 Materialproben von Gold- und Silberobjekten sind in Arbeit. Die ersten 30 Analysen ergaben, dass etwa zwei Drittel aller Edelmetallobjekte mehr Silber als Gold enthalten. Von Prohear liegen vermutlich sowohl natürliches Elektrum, Silber und Gold als auch künstliche Legierungen vor. Dabei können auch alte Metalle wieder verwendet worden sein. Neben dem Gold- und Silberschmuck machen vor allem die zahlreichen Bronzetrommeln das Gräberfeld von Prohear zu einem ungewöhnlichen Fundplatz in Südostasien (Abb. 22). Es mehren sich die Hinweise, dass Prohear und das 8 km südlich gelegene, aber vollständig ausgeplünderte Gräberfeld Bit Meas zu einer Gruppe von Bestattungsplätzen gehören, auf denen sowohl Gräber der lokalen Bevölkerung als auch einer fremden Elite aus dem südchinesischen-nordvietnamesischen Raum ihren Platz fanden. Die Datierung dieser ›Elite-Gräber‹ fällt in den Zeitraum der hanchinesischen Südexpansion vom Ende des 2. Jhs. v. Chr. bis in das Jahr 43 n. Chr. Die Notbergung auf dem Gräberfeld Prohear soll 2011 fortgesetzt werden. Für 2010 sind Konservierungsarbeiten im Memot-Centre in Phnom Penh und der Auf bau einer Ausstellung im National-Museum Kambodschas geplant, eine erste Buchpublikation über Prohear wurde in diesem Jahr veröffentlicht. Kooperationspartner: Memot-Centre Phnom Penh (Vin Laychour, Seng Sonetra); S. Schlosser (Curt-Engelhorn-Zentrum für Archäometrie Mannheim); M. Schweissing (Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie der Ludwig-Maximilians-Universität München); S. E. Krais (Freiburg); N. Benecke (DAI, Zentrale, Naturwissenschaftliches Referat); A. K. Carter (Madison/Wisconsin); B. Kromer (Forschungsstelle Radiometrie am Institut für Umweltphysik der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg) • Förderung: Kulturerhalt-Programm des Auswärtigen Amts; Deutsche Botschaft in Phnom Penh • Leitung des Projekts: A. Reinecke • Abbildungsnachweis: A. Reinecke (Abb. 19–22). Karakorum (Mongolei) Im äußersten Norden der altmongolischen Hauptstadt konzentrierten sich die Ausgrabungen im Rahmen der Mongolisch-Deutschen Karakorum-Expedition auf ein kleineres vierteiliges Gebäudeensemble nahe der nördlichen Stadtmauer. Mit diesen Ausgrabungen war die Erwartung verbunden, Inventare zu erschließen, die weniger buddhistisch geprägt und weniger chinesisch bestimmt sind als die im Südwesten und in der Stadtmitte erschlossenen Komplexe. Im Norden der Stadt waren Fundstellen ›alternativer‹ Inventare am ehesten zu erwarten, denn im Norden einer mongolischen Stadt wohnten einerseits die ›normalen‹ Menschen, andererseits aber wohl auch die, die nach Herkunft und Religion nicht so recht dazugehörten wie die europäischen und syrischen Christen oder wie die uigurischen und persischen Muslime.
Abb. 21 Prohear (Kambodscha), Grab 47 mit der Bestattung eines neunjährigen Kindes. Das Gesicht ist mit einer stark fragmentierten Bronzescheibe (flache Schale?) abgedeckt, eine Bronzeglocke (L 12 cm) zwischen den Oberschenkeln deutet auf einen Jungen
Abb. 22 Prohear (Kambodscha), Bronzetrommel vom Heger-I-Typ (Dm 45 cm) aus Nordvietnam in Grab 4
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Abb. 23 Karakorum (Mongolei), Nordstadt. Osthaus, Ansicht von Südosten
Abb. 24 Karakorum (Mongolei), Nordstadt. Osthaus, Wandmalereifragment mit Schrift (13. Jh.)
Abb. 25 Karakorum (Mongolei), Nordstadt. Osthaus, Wandmalereifragment (13. Jh., uigurisch?)
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So war nach der zeitgenössischen Stadtbeschreibung W. von Rubrucks (1254/1255) das muslimische Viertel am ehesten nördlich der chinesisch dominierten Stadtmitte und der Oststadt zu suchen, dazu ganz im Norden, »am äußersten Ende der Stadt«, eine nestorianische Kirche. Tatsächlich finden sich im Norden Karakorums etliche Ost-West orientierte Baugruppen mit Häusern, für die nach dem Oberf lächenbefund eher ein Hauptzugang von Westen anzunehmen war. Das für die Grabung ausgewählte Gebäudeensemble besteht aus einem (mutmaßlichen) Torhaus im Westen, zwei Nebengebäuden im Süden und Norden sowie einem nach Osten gelegenen größeren Haupt- oder Zentralbau. Während das Nordhaus bereits 2007 vollständig ergraben werden konnte, sind die Grabungen im Osthaus (Abb. 23) erst 2009 abgeschlossen worden. Das Osthaus als der mutmaßliche Zentralbau des viergliedrigen Bauensembles kann in seiner Funktion vorläufig nicht sicher bestimmt werden. In der Ausstattung hebt sich das Osthaus in Aufwand und Qualität deutlich vom Nordhaus ab. Vor allem zahlreiche Reste von Wandmalerei (Abb. 24. 25), darunter auch solche mit Schrift (Abb. 24), relativ qualitätvolle chinesische Keramik sowie der Bauschmuck lassen auf eine besondere Bedeutung des Osthauses schließen. Zwar fanden sich im Osthaus einige ›buddhistische‹ Fundstücke wie die Plastiken von Kinnari (Abb. 26), buddhistischen Mischwesen aus Vogel und Mensch. Gegen eine Deutung als buddhistisches Heiligtum sprechen aber vorläufig noch die Westausrichtung des Gebäudes sowie der eindeutige Bezug auf das Nordhaus, dessen zahlreiche Hornzapfendeponierungen mit einem buddhistischen Heiligtum kaum vereinbar sind. Die Ausgrabungen im Osthaus konnten zwei abfolgende Bauten sichern, das untere und das obere Osthaus. Ein gepf lasterter Weg verbindet in der Zentralachse das obere Osthaus mit dem westlichen Torhaus, d. h. der Zugang erfolgte von Westen. Der jüngere etwa 14 m × 10 m messende Oberbau (Abb. 23) zeigt mit 3 × 4 Holzsäulen eine Raumgliederung aus 3 × 2 Zwischenräumen/Jochen, wie sie typisch ist für Bauten chinesischer Art, so etwa für kleinere chinesische Tempelbauten. Nicht chinesisch dagegen ist die Innenausstattung des Hauses wie die Wandmalereien, der plastische Dekor oder die figürliche Tonplastik. Die meisten Malereireste erinnern an die Malereien des zweiten (oder uigurischen) Stils aus dem ›Großen Tempel‹ (vormals irrtümlich als Palast des Ögedei identifiziert).
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Von besonderem Interesse sind die zahlreichen Wandputzfragmente mit Schrift. Etliche Schriftzeichen sind nicht eindeutig, da sie sowohl in der uigurischen als auch in der uigur-mongolischen Schrift vorkommen. Zwei kleinere Malereifragmente (Abb. 24) zeigen Schriftzeichen, die an Estrangelo, an die syrische Schrift der Nestorianer erinnern. Eine endgültige Deutung muss den Spezialisten vorbehalten bleiben. Diese Schriftfragmente sind dem Unterbau zuzuordnen. Der Unterbau (Abb. 23) besteht im Kern aus einer verplatteten Balkenkonstruktion. Auf die Holzkonstruktion ist rundum eine zweischalige Mauer aus gebrannten Ziegeln gesetzt. Das Ziegelformat ist typisch für die Frühzeit Karakorums, für die 1. Hälfte des 13. Jhs. n. Chr. Die Beziehung von Unter- und Oberbau ist noch unklar. Sicher ist nur, dass der Oberbau (stratigraphisch) jünger ist. Allerdings gehört auch der Oberbau eindeutig noch in das 13. bis 14. Jh. n. Chr. Dafür sprechen die Fundkeramik ebenso wie der Bauschmuck und die Wandmalerei. Vermutlich handelt es sich bei dem Unterbau um ein nichtbuddhistisches Heiligtum, möglicherweise die von W. von Rubruck erwähnte »nestorianische Kirche am äußersten Ende der Stadt«. Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Mongolischen Akademie der Wissenschaften (U. Erdenebat) • Leitung des Projekts: H.-G. Hüttel, U. Erdenebat • Mitarbeiter auf deutscher Seite: B. Dähne (örtliche Grabungsleitung), M.-T. Grahnert, P. Plickert, M. Riemer, A. Ungelenk; auf mongolischer Seite: T. Batbayar und Studierende der Mongolischen Staatsuniversität Ulaanbaatar • Abbildungsnachweis: DAI, KAAK, M. Riemer (Abb. 23–26).
Abb. 26 Karakorum (Mongolei), Nordstadt. Osthaus, Bruchstück einer Kinnari (Terrakotta, 13./14. Jh.)
Ein Werkstatt- und Brennofenbezirk am Orchon bei Harhorin (Mongolei) Bei ersten Testgrabungen im Vorjahr sind auf einer lang gestreckten wallartigen Anlage auf der rechten Uferterrasse des Orchon vier liegende Öfen entdeckt worden, darunter Öfen vom chinesischen Mantou-Typus mit runder gemauerter Feuergrube und Schürkanal. In einem der kleineren Öfen fanden sich noch zahlreiche Tonstützen und Abstandshalter, dazu Bruchstücke von Kinnari-Figuren. Aufgrund der erfolgreichen Testgrabung wurden die Ausgrabungen im Rahmen des Orchon-Tal-Projekts der Mongolisch-Deutschen Orchon-Expedition in diesem Jahr großf lächig fortgesetzt.
Abb. 27 Orchon-Manufaktur bei Karakorum (Mongolei), Grabungsfläche mit Brennöfen und Werkplätzen von Osten
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Abb. 28 Orchon-Manufaktur bei Karakorum (Mongolei), Phönixköpfchen (Terrakotta, 13./14. Jh.)
Dabei konnte erstmals in der Mongolei ein größerer Werkstatt- und Brennbezirk in einem repräsentativen Ausschnitt umfassend untersucht werden. Auf einer Gesamtf läche von etwa 760 m 2 wurden insgesamt 14 Öfen sowie mehrere Werkplätze festgestellt und ausgegraben (Abb. 27). Neun der gegrabenen Brennöfen waren noch nahezu komplett erhalten. In den Öfen wurden Tonfiguren gebrannt, darunter verschiedene Typen von Kinnari und Phoenix (Abb. 28–30), Dachziegel und Bauschmuck, wie z. B. Dachreiter, sowie plastischer Dekor zur Ausschmückung von Innenräumen. Zahlreiche Modelfunde zeugen für die serielle Produktion der lokalen Werkstätten. Etliche Funde aus der Nordstadt (vgl. Abb. 25) und dem ›Großen Tempel‹ von Karakorum stammen nachweislich aus diesen Werkstätten und Öfen am Orchon. Die etwa 3 km westlich der altmongolischen Hauptstadt des 13./14. Jhs. n. Chr. gelegene Orchon-Manufaktur des 13./14. Jhs. ist offensichtlich ein Teil der ›kaiserlichen Manufakturstadt‹ Karakorum. Von besonderer kunstgeschichtlicher Bedeutung sind zwei Köpfe aus gebranntem Ton (Abb. 29), mutmaßlich Köpfe von Kinnari. Machart und Stil der Köpfe lassen auf tangutische Handwerker oder Vorbilder schließen. Tangutische Einf lüsse waren bereits nachweisbar für die Kleinplastik und Wandmalerei aus Karakorum. Die Annahme liegt nahe, dass Tschinggis Qan nach der Zerstörung der tangutischen Hauptstadt Kara Khota (1227) tangutische Künstler und Handwerker als Kriegsgefangene in die Mongolei brachte, wo sie dann später vor allem in Karakorum-Werkstätten prägenden Einf luss nahmen auf die buddhistische Kunst des 13./14. Jhs. in der Mongolei. Um den Stadtorganismus Karakorum und seine Raumordnung angemessen rekonstruieren und verstehen zu können, werden künftige Untersuchungen zur Archäologie und Stadtgeschichte Karakorums darum in jedem Fall einen größeren Abschnitt des Orchon-Tals (etwa zwischen Karakorum und Karabal\assun) als Ganzes berücksichtigen müssen. Dieser Idee entspricht die
Abb. 29 Orchon-Manufaktur bei Karakorum (Mongolei), Kopf einer Kinnari (Terrakotta, 13./14. Jh.) Abb. 30 Orchon-Manufaktur bei Karakorum (Mongolei), Torso einer Kinnari (Terrakotta, 13./14. Jh.)
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Mongolisch-Deutsche Orchon-Expedition, indem sie die lokalen Forschungen der Karakorum-Expedition in den großregionalen Zusammenhang des Orchon-Tals überführt. Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Mongolischen Akademie der Wissenschaften (U. Erdenebat) • Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: H.-G. Hüttel, U. Erdenebat • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: C. Franken (örtliche Grabungsleitung), M.-T. Grahnert, J. Linden, M. Riemer, K. Streit sowie Studierende der Mongolischen Staatsuniversität Ulaanbaatar • Abbildungsnachweis: DAI, KAAK, M. Riemer (Abb. 27–30). Karabalg·assun (Mongolei) Zentrale Aufgabe des Projekts »Orchon-Tal – Karabal\assun« ist die archäologisch-historische Erforschung frühgeschichtlicher/mittelalterlicher Stadtsiedlungen im Orchon-Tal. Ein Schwerpunkt der Untersuchungen ist die frühuigurische Hauptstadt ordu balık oder Karabal\assun (schwarze Stadt oder schwarze Ruine). Die Stadtwüstung liegt auf dem linken Ufer des Orchon ca. 35 km nord-nordwestlich der altmongolischen Hauptstadt Karakorum. Gegenüber der Blütezeit der uigurischen Kultur in Ostturkestan (10.– 12. Jh. n. Chr.) ist die Archäologie der Uiguren in ihren östlichen Stammgebieten im 8. und 9. Jh. n. Chr. weitgehend unbekannt. Licht in die archäologisch noch dunkle Frühzeit der uigurischen Kultur zu bringen, ist ein Ziel der Ausgrabungen in Karabal\assun. Eine erste kurze Grabungskampagne konzentrierte sich 2009 auf zwei kleinere Siedlungshügel im Inneren der sog. Palast- oder Tempelstadt sowie auf eine Grabung in einem größeren Komplex südlich der großen Wallanlage (Abb. 31). In den Siedlungshügeln der ›Palast-/Tempelstadt‹ östlich des großen Stupa ist in zwei kleineren Schnitten partiell bis zum gewachsenen Boden gegra-
Abb. 31 Karabalġassun (Mongolei), die nordöstliche Stadt von Südwesten. Im Vordergrund rechts unten das sog. Reichshaus, in der Bildmitte die hoch umwallte sog. Palast-/Tempelstadt mit dem großen Stupa und im Hintergrund der Orchon
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Abb. 32 Karabalġassun (Mongolei), sog. Palast-/Tempelstadt. Holzkonstruktion aus einem uigurischen Haus (8./9. Jh.) von Westen
Abb. 33 Karabalġassun (Mongolei), Bruchstücke der Dreispracheninschrift von 832 n. Chr. Im Hintergrund der Zentralbau des sog. Reichshauses von Osten
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ben worden, um erste Einblicke in den Auf bau der Siedlungsschichten und Bauhorizonte zu gewinnen. Während der größere östliche Hügel offenbar aus einem mutmaßlich hallenartigen Gebäude auf einem etwa 3 m hohen Podium aus wechselnden Erd-Lehmschichten bestand, fand sich im kleineren Hügel nächst des großen Stupa ein Pfostenbau (Abb. 32) mit Holzsäulen und einer kastenartig verplatteten Holzkonstruktion auf dem Fußboden. Nach Norden war der durch ein Feuer zerstörte Bau durch eine dicke, an der nördlichen Außenseite verputzte Stampf lehmmauer begrenzt. Charakter und Funktion beider Bauten ist noch unklar. In jedem Fall aber gehören sie wohl zu den primären Bauten der Palast- oder Tempelstadt; sie sind über klare Achsenbezüge harmonisch in das Gesamtensemble integriert. Südlich der sog. Palast-/Tempelstadt und kantenparallel zu ihrer Baulinie befindet sich eine größere doppelt umwallte Anlage mit einem großen Zentralbau und kleineren Nebengebäuden. Unmittelbar hinter dem zweiten Tor finden sich in der Zentralachse der Anlage die Überreste der 832 n. Chr. datierten Dreispracheninschrift (Abb. 33). Die Inschrift feiert u. a. in chinesischer, uigurischer und sogdischer Sprache den Sieg des Manichäismus. Der finnische Turkologe G. Ramstedt nahm darum an, dass es sich bei dem Komplex mit dem Dreisprachenstein um das zentrale manichäische Heiligtum der Stadt handle. Nach den Angaben des Persers Juvaini aus dem 13. Jh. n. Chr. indes soll sich diese Inschrift vor den Toren des Palastes befunden haben. In jedem Fall kann man davon ausgehen, dass es sich um einen öffentlichen Gebäudekomplex von besonderer Bedeutung handelt, sei es um einen Palast, Tempel oder einen zentralen Verwaltungskomplex, in uigurischen Inschriften auch ›Reichshaus‹ (il äbi) genannt. Die Grabung im Areal des ›Reichshauses‹ beschränkte sich zunächst auf ein Nebengebäude am nördlichen Außenwall. Das angegrabene Gebäude war aus Holzbalken und getrockneten Lehmziegeln gebaut. Die Wände waren verputzt. Keramikfunde aus dem Nebengebäude deuten auf eine kitanzeitliche Nachnutzung (10./11. Jh. n. Chr.). Der Bau stammt nachweislich aus dem 8./9. Jh. n. Chr., wurde aber wie Kitan-Keramik aus der oberen Nutzungsschicht zeigt, im 10./11. Jh. n. Chr. nachgenutzt.
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Abb. 34 Karabalġassun (Mongolei), sog. Reichshaus. Grab eines jungen Mongolen im nordwestlichen Nebengebäude
Im westlichen Bereich dieses Gebäudes war nach seiner Auf lassung die Bestattung (Abb. 34) eines Jugendlichen eingebracht worden. Das Grab ist aufgrund der Bestattungsweise, der Ausrichtung, der charakteristischen Grabform (Nischengrab?) sowie typischer Beigaben in die altmongolische Periode (12.–16. Jh. n. Chr.) zu datieren. Das Haus ist offenbar erst nach der Bestattung endgültig verstürzt. Die eindeutig mongolische Bestattung mag zunächst als ein Indiz gegen eine altmongolische Nachbesiedlung gewertet werden: Nach dem Zeugnis des Persers Juvaini nennen die Mongolen den Ort im 13. Jh. n. Chr. »Mau baliq«, schlechte, üble Stadt. Im kommenden Jahr sollen die Grabungen im Areal des sog. Reichshauses um größere Schnitte im Bereich der Toranlagen und des Zentralbaus erweitert werden. Darüber hinaus sind großf lächige Grabungen im Bereich der ›Palast-/Tempelstadt‹ geplant. Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Mongolischen Akademie der Wissenschaften (U. Erdenebat) • Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: H.-G. Hüttel, U. Erdenebat • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf deutscher Seite: B. Dähne (örtliche Grabungsleitung), C. Franken (örtliche Grabungsleitung), M.-T. Grahnert, J. Linden, P. Plickert, M. Riemer, K. Streit, A. Ungelenk, A. Wetuschat; auf mongolischer Seite: T. Batbayar und Studierende der Mongolischen Staatsuniversität Ulaanbaatar • Abbildungsnachweis: U. Erdenebat (Abb. 31); DAI, KAAK, H.-G. Hüttel (Abb. 32–34).
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vorträge 22. Januar Markus Reindel (Bonn), Anden-Transekt. Siedlungsdynamik zwischen Küste und Altiplano der Anden in Süd-Peru 29. Oktober Sonja Magnavita (Bonn), Von der Sahara bis zum Niger – Archäologische Forschungen im Sahel. Workshop 20. November Statusworkshop des Verbundprojekts »Anden-Transekt« (Leitung: Markus Reindel [Bonn]; Förderung: Bundesministerium für Bildung
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und Forschung). – Es sprachen: Bernhard Eitel (Heidelberg) – Markus Reindel (Bonn), Begrüßung und Einführung; Bertil Mächtle (Heidelberg), Das Andentransekt unter dem Einf luss überregionaler Klimaveränderungen; Markus Forbriger (Heidelberg) – Christine Dörr (Heidelberg) – Karsten Schittek (Köln), Das Llamoca-Moor – Schlüsselarchiv präkolumbischer MenschUmwelt-Systeme. Ergebnisse der Feldkampagne 2009; Fernando Leceta Gobitz (Heidelberg), Bodenkundliche Untersuchungen in der südperuanischen Andenwestabdachung (Raum Laramate). Agrar- und landschaftsökologische Bedeutung der Schwarzerden als Grundlagen für die vorspanische Kulturentwicklung und die derzeitige Agrarwirtschaft; Markus Reindel (Bonn), Archäologische Arbeiten 2009 – Einführung und Überblick; Hermann Gorbahn (Kiel/Bonn), Untersuchungen zur archaischen Besiedlung in Pernil Alto 2009; Carolina Hohmann (Bonn), Archäologische Prospektion im Hochland von Palpa: Testgrabungen und Aufnahme weiterer Fundorte bis hin zur Wasserscheide; Volker Soßna (Bonn), Neue Daten für GIS und Datenbank; Guntram Gassmann (Bochum), Metall und Obsidian. Präkoloniale Rohstoffgewinnung in Südperu, Bericht über den Survey im Frühjahr 2009; Lars Fehren-Schmitz (Göttingen) – Johann Friedrich Blumenbach (Göttingen), Genetische Daten zur Struktur und Dynamik präkolumbischer Bevölkerungsentwicklung; Stefan Hölzl (München), Geo- und Bio-Isotope aus dem Anden-Transekt; Martin Sauerbier (Zürich), Neue Resultate aus räumlichen Analysen der Geoglyphen von Palpa und Bericht zu photogrammetrischen Arbeiten in 2009.
Öffentlichkeitsarbeit
Über das Projekt in Marokko wurde im Anschluss an eine Pressemitteilung des Institut National des Sciences de l’Archéologie et du Patrimoine (INSAP) und des marokkanischen Kulturministeriums mehrfach im marokkanischen Fernsehen berichtet. Zudem wurden die Grabungen in einen langen Dokumentarfilm über das Rif eingebettet. Es erschienen ca. 40 Zeitungs- und Zeitschriftenartikel in der marokkanischen Presse und der gesamten arabischen Welt.
Abb. 35 Anden-Transekt 1 (Peru), Palpa. Gruppenphoto nach dem Abschluss von Dreharbeiten
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Ein Filmteam der Deutschen Welle dokumentierte die deutsch-kambodschanische Ausgrabung im Februar/März 2009 in Prohear/Kambodscha. Während der Feldkampagne betreute Herr Reindel in Peru ein Team von National Geographic Television bei der Erstellung einer Dokumentation über die Nasca-Kultur (Abb. 35). Zum gleichen Thema ist ein Beitrag in National Geographic Magazine in Vorbereitung. Dokumentationen zum Projekt »Anden-Transekt« wurden auch in der Sendereihe Terra X in Arte und ZDF ausgestrahlt. Hörfunkproduktionen zum Projekt »AndenTransekt« wurden im Deutschlandfunk, im WDR5 und im Bayerischen Rundfunk gesendet. Herr Reinecke hielt Vorträge in Hongkong (13. Februar) und in Hanoi (5. Dezember). Herr Reindel hielt Vorträge über das Forschungsprojekt »Anden-Transekt« in München (13. Januar), Bonn (22. Januar), Paris (18. März), Zürich (28. Juni, 8. Juli) und Heidelberg (16. November).
Veröffentlichungen
Forschungen zur Archäologie Außereuropäischer Kulturen 7: M. F. Ugalde, Iconografía de la Cultura Tolita. Lecturas del discurso ideológico en las representaciones figurativas del Desarrollo Regional A. Reinecke – V. Laychour – S. Sonetra, The First Golden Age of Cambodia. Excavation at Prohear (englischsprachig mit einer Zusammenfassung in Khmer, Download unter )
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Eurasien-Abteilung
Eurasien-Abteilung Im Dol 2–6 D-14195 Berlin Tel.: +49-(0)3018 7711-311 Fax: +49-(0)3018 7711-313 E-Mail: [email protected]
Direktor und Direktorin Prof. Dr. Svend Hansen, Erster Direktor PD Dr. Mayke Wagner, Wissenschaftliche Direktorin Wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen PD Dr. Nikolaus Boroff ka (ab 1. 4.), Dr. Ingo Motzenbäcker, Dr. Anatoli Nagler, Dr. Udo Schlotzhauer, Dr. Erdmute Schultze Wissenschaftliche Hilfskräfte Katrin Bastert-Lamprichs M. A., Kirsten Hellström M. A. Aus Drittmitteln finanzierte Stellen Prof. Dr. Blagoje Govedarica (DFG), Ute Koprivc M. A. (DFG, ab 13. 7.), Dr. Agathe Reingruber (DFG), Dr. Sabine Reinhold (DFG, bis 14. 9.), Dr. Mike Teufer (DFG, ab 1. 8.)
Außenstellen der Eurasien-Abteilung Außenstelle Teheran 9, Khiaban-e Shahid Akbari POB 3894 Teheran-Elahiyeh/Iran
Leiterin PD Dr. Barbara Helwing
Außenstelle Peking Unit 0310, Landmark Tower 2 8 North Dongsanhuan Road Chaoyang District 100004 Peking/China
Leiterin PD Dr. Mayke Wagner
Eurasien-Abteilung Ausgrabungen und Forschungen
Pietrele (Rumänien) In der 2. Hälfte des 5. Jts. v. Chr. ist in Südrumänien und Nordbulgarien die Errichtung von Siedlungshügeln charakteristisch. M‡gura Gorgana bei Pietrele besitzt eine leicht ovale Form mit einem Umfang von ca. 255 m. Der Durchmesser in Ost-West-Richtung beträgt 96 m und in Nord-Süd-Richtung 90 m. Der Tell ist heute ca. 9 m hoch, die Schichtfolge 7 m mächtig. Der Wohnhügel bot also eine vergleichsweise kleine Siedlungsf läche, auf der höchstens 20 Gebäude gleichzeitig bestanden haben dürften (Abb. 1). Damit ist der Hügel mit anderen zeitgleichen Siedlungen vergleichbar. Durch geomagnetische Untersuchungen konnten in den vergangenen Jahren jedoch Spuren einer größeren Ansiedlung am Fuße des Siedlungshügels nachgewiesen werden. Die Untersuchungen wurden nun auf die Außensiedlung ausgedehnt. In den kommenden Jahren ist ihr Ziel, das zeitliche Verhältnis zwischen der Siedlungsabfolge auf dem Wohnhügel und der Außensiedlung zu klären und zu prüfen, ob und welche sozialen Unterschiede zwischen den Bewohnern der Außensiedlung und des Wohnhügels bestanden haben. Im nächsten Jahr soll zudem die nur 600 m entfernte Kreisgrabenanlage untersucht werden. In zwei Grabungsf lächen am Siedlungsfuß wurden überraschend gut erhaltene Siedlungsspuren nachgewiesen. In Fläche G kam eine Vielzahl von voll-
Abb. 1 Pietrele (Rumänien), der Siedlungshügel aus der Luft
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ständigen Gefäßen zu Tage, darunter ein Deckel mit eingeritztem Wirbelmotiv (Abb. 2). Dieses Motiv ist bislang im keramischen Zeichensystem an der Unteren Donau unbekannt. In Fläche G waren allerdings keine Architekturreste erkennbar. In Fläche J fand sich ein zerstörter Herd sowie eine zugehörige Lehminstallation, in der ein großer Mahlstein noch in situ lag. Darüber hinaus fanden sich mehrere große zerscherbte Gefäße (Abb. 3). Die Erhaltung war besonders gut, weil alle Gegenstände mit einer dicken Sinterschicht überzogen sind. Wegen dieser Versinterung könnte auch die Lehmarchitektur hier deutlich besser erhalten sein als auf dem Hügel. Bemerkenswert ist der Fund von Knochennadeln, deren Form aus den jüngeren Schichten durch Kupfernadeln belegt ist. Die Erforschung der Außensiedlung ist aufwendig, denn die Siedlungsschichten liegen hier unter einem bis zu 180 cm hohen Kolluvium mit Gefäßscherben älterer und jüngerer Zeitstellung. In Fläche F wurden die Arbeiten in dem Gebäude weitergeführt, das bereits ein Jahr zuvor aufgedeckt worden war (Abb. 4). Insgesamt fanden sich fast 200 Tongefäße, meist fragmentiert, aber wieder herstellbar. Es handelt sich um ein breites Typenspektrum vom kleinen Becher bis zum Vorratsgefäß. Die Erhaltung innerhalb des Hauses ist sehr unterschiedlich. Es gibt Stellen an denen das Feuer so heiß war, dass die Lehmarchitektur zu Schlacke schmolz. Nur wenig entfernt davon fanden sich wiederum gut erhaltene Reste von nur verkohlten Getreidekörnern. Bemerkenswert ist der Befund im Süden des Gebäudes – an einen großen Ofen war eine offene Lehminstallation angebaut, in der kleinere Gefäße lagen, die wohl zur Aufnahme von Mehl dienten. Ein Mahlstein lag direkt neben dieser Lehminstallation.
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Abb. 2 Pietrele (Rumänien), Deckel mit Wirbelmotiv
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Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Rumänischen Akademie der Wissenschaften (A. Vulpe, M. Toderaş) • Förderung: DFG •wLeitung des Projekts: S. Hansen • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: N. Benecke, I. Gatsov, M. Kay, F. Klimscha, U. Koprivc, P. Nedelčeva, R. Neef, D. Spânu, M. Toderaş, M. Prange, T. D. Price, A. Reingruber, T. Vachta, J. Wahl, J. Wunderlich, P. Zidarov • Abbildungsnachweis: K. Scheele (Abb. 1); S. Hansen (Abb. 2–4).
Abb. 3 Pietrele (Rumänien), Fundsituation in Fläche J, etwa 1,80 m unter der heutigen Oberfläche Abb. 4 Pietrele (Rumänien), Blick von Norden auf das verbrannte Haus
P‡nade, Kreis Alba (Rumänien) In der zweiten Kampagne an diesem Ort sollte die Fundstelle eines spätbronzezeitlichen Bronzehortes untersucht werden, der 2002 dem Muzeul Nat i^ oAA 2010/1, Beiheft
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Abb. 5 Pănade (Rumänien), eine Gruppe von drei freigelegten Bronzeobjekten in Fundlage. Das große Beil ist ca. 8 cm lang
nal al Unirii, Alba Iulia, gemeldet worden war. Im vergangenen Jahr war die genaue Lokalisierung des Haupthortes (damals ca. 40 Objekte) nicht gelungen, obwohl ein kleines Depot von drei Bronzeobjekten entdeckt wurde. Der Fundort liegt unweit der Mündung des Pârâul P‡n‡zii, der auch die Grenze zum Nachbarort Biia markiert, in die Târnava. Der Bach erregt besondere Aufmerksamkeit, da eine seiner Quellen stark salzig ist. Im Umfeld sind die Goldfunde aus Biia von Interesse, ein kaukasischer Dolch aus P‡nade, eine neolithische Siedlung an einem Bergsee oberhalb des Ortes und eine hallstattzeitliche Befestigung südlich von Şona. Unter Einsatz eines Metalldetektors gelang es in dieser Kampagne, ca. 40 weitere Bronzeobjekte (Schwertfragmente, Tüllenbeile, Sicheln, Sägen, Armringe, Nadeln etc.) zu bergen (Abb. 5). Sie gehören sicherlich zu dem ursprünglich an das Museum Alba eingelieferten Hort. Obwohl die neu aufgefundenen Gegenstände alle durch die landwirtschaftlichen Arbeiten verlagert wurden, erlaubte die Fundstreuung eine Rekonstruktion des ursprünglichen Niederlegungsortes. In einer daran ausgerichteten Ausgrabung von 15,00 m × 3,00 m wurde eine größere Grube freigelegt (Durchmesser ca. 1,20 m, Tiefe ca. 1,40 m), an deren Sohle mehrere Gefäßfragmente und Knochen großer Tiere lagen. In ihrem oberen Bereich dürften sich auch die Bronzen befunden haben, die später durch den Pf lug verstreut wurden. Die Grube scheint in einem Bereich angelegt worden zu sein, der ansonsten in der Bronzezeit nicht besiedelt war. Funde der nachrömischen Zeit (3.–4. Jh. n. Chr.), der Besiedlungsschicht über den bronzezeitlichen Befunden, konnten erneut geborgen werden, darunter Fragmente von ein oder zwei Fibeln. Östlich des Baches (zu Biia gehörig), auf der unteren Terrasse, wo im vergangenen Jahr eine mittelbronzezeitliche (Wietenberg) Siedlung vermutet worden war, konnte durch eine Sondage nachgewiesen werden, dass die Schichten in die Spätbronzezeit gehören, etwa der Zeitstellung der Horte entsprechend.
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Abb. 6 Pănade (Rumänien), Ocnişoara. Blick auf die Solquelle von Südosten mit eingesetztem Detail der Salzkristallisation (rechts unten)
Eine weitere Sondage in der Nähe der Solquelle von Ocnişoara (Abb. 6) ergab bislang nur mittelalterliche bis neuzeitliche Funde. Hier müssten zunächst geophysikalische Untersuchungen durchgeführt werden, ehe eine Fortsetzung der Grabungen sinnvoll ist. Es konnte außerdem festgestellt werden, dass die derzeit genutzte, holzgefasste Solquelle lediglich eine Tiefe von 1,40 m aufweist, das Steinsalz also wahrscheinlich in sehr geringer Tiefe erreichbar ist. Es zeichnen sich somit beiderseits des salzigen Pârâul P‡n‡zii spätbronzezeitliche Befunde ab, wobei wohl östlich, auf der größeren Terrasse, eine Siedlung gelegen haben dürfte, während westlich, auf einer deutlich kleineren Terrasse, offenbar mehrfach Bronzehorte niedergelegt wurden – derzeit liegen ein Kleindepot der Stufe Bz D und ein ca. 80 Objekte umfassendes Depot der Stufe Ha A vor. Ein Zusammenhang, sowohl der Siedlung als auch der Hortniederlegung, beide an der Mündung des Pârâul P‡n‡zii in die Târnava Mic‡ gelegen, mit der Solquelle von Ocnişoara ist als sehr wahrscheinlich anzusehen. Kooperationspartner: Muzeul Nat i^ onal al Unirii Alba • Leitung des Projekts: N. Boroff ka, H. Ciugudean • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: B. Nessel, C. Fântâneanu • Abbildungsnachweis: N. Boroff ka (Abb. 5. 6). Nordwestliches Schwarzmeergebiet während des 4. Jts. v. Chr., Košary, Berezanskij Liman und Orlovka (Ukraine/Republik Moldau) Im Abschlussjahr dieses Forschungsprojekts wurden die Untersuchungen auf folgende Schwerpunkte konzentriert: Sondagegrabungen auf der Siedlung und in der Nekropole Košary bei Odessa, geo-archäologische Untersuchungen einer alten Meeresterrasse im Berezanskij Liman bei Odessa und die archäologische Bewertung der geo-magnetischen Prospektionen im Nekropolenbereich in Orlovka bei Reni. Parallel zu den Feldarbeiten wurde in den archäologischen Institutionen von Odessa, Kiev und in Chişin‡u der Fundkatalog der alten Ausgrabungen weiter ausgearbeitet, wobei das vorhandene archäologische Material aus 22 Fundorten dokumentiert werden konnte (Abb. 7).
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Abb. 7 Nordwestliches Schwarzmeer gebiet während des 4. Jts. v. Chr. (Ukraine/ Republik Moldau), in diesem Jahr bearbeitete Fundorte: 1 Orlovka; 2 Bogatoe; 3 Utkonosovka; 4 Suvorovo; 5 Kubej; 6 Cholmskoe; 7 Baštanovka; 8 Glubokoe; 9 Liman; 10 Trapovka; 11 Belolesje; 12 Arciz; 13 Širokoe; 14 Chadžider; 15 Semenovka; 16 Pervomajsk; 17 Ternovka; 18 Krasnogorka; 19 Butor; 20 Slobodka-Romanovka; 21 Košary; 22 Berezanskij Liman
In der Nekropole von Košary wurde eine Fläche von 170 m 2 untersucht, wodurch die Grabungen von Aguljnikov und Manzura aus den Jahren 2005/2006 vervollständigt werden konnten. Es sind drei weitere Gräber freigelegt worden, so dass die Gesamtzahl 13 Bestattungen beträgt. Als besonders wichtig erwies sich das Grab 11, in dem zwei typische Usatovo-Gefäße beigegeben worden waren (Abb. 8). Durch diese bisher fehlenden Datierungselemente konnte die Nekropole der Usatovo-Kultur zugeordnet werden. Im Unterschied zur Nekropole lieferten Sondagen im benachbarten Siedlungsareal keine Hinweise auf das Bestehen einer entsprechenden Ansiedlung der Usatovo-Kultur. Das keramische Material ist weitgehend untypisch. Die drei vorgenommenen Radiokarbondatierungen ergaben eine Zeit um 2250 v. Chr., was eindeutig zugunsten einer fortgeschrittenen Etappe der Frühbronzezeit spricht, wahrscheinlich die Zeit der Katakombengrab-Kul-
Abb. 8 Nordwestliches Schwarzmeergebiet während des 4. Jts. v. Chr. (Ukraine/ Republik Moldau), Košary (Ukraine). Grab 11
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tur. Bezeichnend ist, dass die gesamten Fundumstände auf einen temporären und campartigen Charakter dieser Siedlung hinweisen. Wahrscheinlich handelt es sich um eine bisher nicht eindeutig identifizierte Siedlungsart, die für die frühe Bronzezeit im Steppengebiet typisch ist. Das waren saisonale Niederlassungen auf günstig gelegenen Plätzen, die campartig gestaltet wurden und diachron von verschiedenen frühbronzezeitlichen Gruppen immer wieder besiedelt worden sind. Bei unseren Sondagen wurde zwar nur eine während der Zeit der Katakombengrab-Kultur besiedelte Zone freigelegt, angesichts der gesicherten Nekropole kann die Existenz einer temporären Ansiedlung der Usatovo-Kultur in einem anderen Teil des Siedlungsareals jedoch nicht ausgeschlossen werden. Innerhalb der geo-archäologischen Untersuchungen im Berezanskij Liman wurden auf einer alten Meeresterrasse acht Sondagen und drei bis 10,50 m tiefe Bohrungen angelegt (Abb. 9), womit eine vollständige Geosequenz des Holozäns erreicht werden konnte. Es wurden insgesamt 100 Proben gesammelt und die gewonnene Mikro- und Makrofauna sowie geologische Funde biostratigraphisch, d. h. nach der Art der vorhandenen Flora und Fauna, klassifiziert. Diese Daten werden anhand der noch laufenden palynologischen und Radiokarbonanalysen morphologisch und chronologisch präzisiert. Damit wurde eine erste, archäologisch basierte Untersuchung zur nördlichen Küstenlinie des Schwarzen Meeres vorgenommen, mit dem Ziel eine gut fundierte Grundlage für die notwendige archäo-geographische Rekonstruktion dieses Gebietes zu schaffen. Die im Vorjahr festgestellten geo-magnetischen Anomalien in der Niederung östlich der Siedlungszitadelle von Orlovka erwiesen sich bei Grabungen als ein dicht benutzter Nekropolenbereich. Dort konnten 58 Gräber freigelegt werden. Es handelt sich überwiegend um hallstattzeitliche Bestattungen, während drei Gräber (Nr. 145, 160 und 168; Abb. 10) nach der Skelettlage und den Beigaben der spätkupferzeitlichen Cernavod‡-I-Kultur zugeordnet werden konnten. Somit erhöht sich die Zahl der kupferzeitlichen Gräber in Orlovka auf zehn. Mit diesen Feld- und Museumsarbeiten wurde die Materialsammlung innerhalb dieses Forschungsprojekts erfolgreich abgeschlossen. Die Gesamtergebnisse der durchgeführten interdisziplinären Untersuchungen werden in der Monographie »Das nordwestliche Schwarzmeergebiet während des 4. Jts. v. Chr.« ausführlich präsentiert. Kooperationspartner: Institut für Prähistorische Archäologie der Freien Universität Berlin (B. Hänsel); Higher Anthropological School Chişin‡u, Republik Moldau (I. V. Manzura); Archäologisches Museum der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine in Odessa (I. V. Brujako); Geologisch-geographische Fakultät der Universität Odessa (E. G. Konikov) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: B. Hänsel, S. Hansen • Mitarbeiter: B. Govedarica • Abbildungsnachweis: B. Govedarica (Abb. 7); D. Topal (Abb. 8); E. G. Konikov (Abb. 9); I. V. Brujako (Abb. 10).
Abb. 9 Nordwestliches Schwarzmeer gebiet während des 4. Jts. v. Chr. (Ukraine/ Republik Moldau), Berezanskij Liman (Ukraine). Geologische Bohrungsarbeiten
Abb. 10 Nordwestliches Schwarzmeer gebiet während des 4. Jts. v. Chr. (Ukraine/ Republik Moldau), Orlovka (Ukraine). Kartal, Grab 168
Fibeln und Fibeltracht in der Nordschwarzmeersteppe vom 2. Jh. v. Chr. bis 3. Jh. n. Chr. (Ukraine) Die Steppe nördlich des Schwarzen Meeres bildet den westlichen Ausläufer des eurasischen Steppengürtels. Mächtige Ströme wie Dnestr, Dnepr und Don gliedern diesen Teil der osteuropäischen Tiefebene. Seit jeher ist das Gebiet als Schmelztiegel europäischer und asiatischer Kulturen zu verstehen und als Korridor für Migration und Kulturtransfer zwischen Ost und West. Die fruchtbaren Böden der Steppen- und Küstengebiete und das gemä-
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Abb. 11 Fibeln und Fibeltracht in der Nordschwarzmeersteppe vom 2. Jh. v. Chr. bis 3. Jh. n. Chr. (Ukraine), Weihrelief aus Tanais am Don. Der Stadthalter Tryphon dargestellt als sarmatischer Soldat mit Scheibenfibel auf der rechten Schulter (2. Jh. n. Chr.) Abb. 12 Fibeln und Fibeltracht in der Nordschwarzmeersteppe vom 2. Jh. v. Chr. bis 3. Jh. n. Chr. (Ukraine), Zavetnoe (Krim). Emaillescheibenfibel aus Grab 310 (2. Jh. n. Chr.; Dm 3,90 cm) Abb. 13 Fibeln und Fibeltracht in der Nordschwarzmeersteppe vom 2. Jh. v. Chr. bis 3. Jh. n. Chr. (Ukraine), Obuchovka (mittlerer Dnepr). Zufallsfund einer Bronzefibel in Form eines Stieres (2. Jh. n. Chr.; L 5,10 cm)
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ßigte warme Klima bieten die Grundlage für verschiedene Wirtschaftsformen. Während der jüngeren vorrömischen Eisenzeit und in der römischen Kaiserzeit wurde die Region daher sowohl von einheimischen sesshaften als auch nomadisierenden Gruppen bewohnt. Die archäologische Forschung übernahm aus historischen Quellen die Namen für diese Kulturen; nämlich (Späte) »Skythen« für die Bevölkerung des Dnepr-Mündungsgebietes und der Krim und »Sarmaten« für die Bewohner des Festlandes. Die Entwicklung dieser Indigenen war in besonderem Maße gekennzeichnet vom Austausch und Zusammenleben mit den Griechen in den Handelsstädten und deren Umland, die sich an der Küste des Schwarzen Meeres etabliert hatten. Seit dem 1. Jh. n. Chr. hinterließen zudem die Römer Spuren beim Versuch, ihren Einf luss geltend zu machen. Das materielle Gut der skytho-sarmatischen Kulturgemeinschaft erhielt ihr besonderes Gepräge aber nicht nur durch die Anwesenheit von Griechen und Römern, sondern ebenso durch den Kontakt zu nahezu allen räumlich angrenzenden Kulturen wie den westpontischen Thrakern, den Kelten, den Geto-Dakern, den Trägern der latènisierten Kulturen Poineşti-Lukaševka und Zarubinec sowie den Maioten und Sindern des östlichen Schwarzmeerraumes. Schmuck aus Ägypten und Spiegel aus China zeugen von Kontakten in noch weiter entfernte Gebiete. Die Vielfalt dieser Einf lüsse und deren Adaption sind archäologisch besonders gut anhand von Trachtelementen nachvollziehbar (Abb. 11). Das Forschungsvorhaben beschäftigt sich daher mit der Übernahme und der lokalen Weiterentwicklung der Fibeln bei den Bewohnern der Nordschwarzmeersteppe zwischen dem 2. Jh. v. Chr. und dem 3. Jh. n. Chr. Inzwischen wurde die aufwendige Materialsammlung durch Funde aus mehreren unpublizierten, reich ausgestatteten Gräberfeldern der Krim während eines Forschungsaufenthaltes ergänzt. Der Schwerpunkt der Analyse lag insbesondere auf der Erarbeitung eines typologischen Schemas, die Verbreitung der einzelnen Typen wurde über das Arbeitsgebiet hinaus verfolgt. Es zeichnet sich ab, dass die Gewandschließe im Gebiet nördlich des Schwarzen Meeres zunächst im 2. Jh. v. Chr. allmählich in Mode kam. Es sind dabei zwei Kategorien von Formen zu unterscheiden: Einfache, praktische Drahtfibeln gelangten in bislang nachweislich kleiner Zahl in das Steppengebiet. Die Kartierung dieser Funde verdeutlicht eine mögliche Verhandlung entlang des Flusses Dnepr. Die besten Analogien finden sich tatsächlich am oberen Dnepr im Gebiet der Waldsteppenbewohner, der Zarubinec-Kultur. Diese innovative Idee des Gewandverschlusses kam durch einzelne Importstücke zu den Steppenbewohnern, wurde aufgegriffen und umgehend durch eine lokale Herstellung von Formen eigenen Geschmacks weiterentwickelt. Zeitgleich stehen diesen drahtförmigen Gewandspangen aufwendig gearbeitete, broschenartige Fibeln gegenüber, die nicht selten aus Edelmetall bestehen und/oder mit Halbedelsteinen besetzt sind. Solche feinen Arbeiten, die wohl in griechischen Werkstätten des Bosporanischen Reiches entstanden sind, finden sich erwartungsgemäß in reich ausgestatteten Gräbern der Eliten. Insgesamt bleibt dieses Prinzip der Übernahme und eigenen Umsetzung importierter Fibelformen innerhalb des gesamten Betrachtungszeitraumes erkennbar. In den letzten beiden Jahrhunderten v. Chr. scheinen sich die Bezugsgebiete für importierte Fibeln eher in den nördlich und nordwestlich angrenzenden latènisierten Waldsteppenkulturen zu befinden. Seit dem 1. Jh. n. Chr. wird jedoch ein deutlicher Einf luss aus den östlichen provinzialrömischen (Abb. 12) und auch aus germanischen Gebieten spürbar (Abb. 13).
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Dadurch gelingt bei der Auswertung eine Anbindung an die weitaus besser entwickelten Chronologiesysteme des übrigen Ost- und Südosteuropas. Die Analyse der nordpontischen Fibeln und ihrer Fundkontexte verfolgt das Ziel, das Typenspektrum in geordneter Form vorzustellen, die Fibel in ihrer wichtigen Funktion als chronologischer Anzeiger dieses Kulturraumes zu aktualisieren sowie auf ihre ebenso bedeutende Rolle als Indikator für die weitreichenden und wechselnden Kontakte der Nordschwarzmeerbewohner einzugehen. Leitung des Projekts: K. Hellström • Abbildungsnachweis: K. Hellström nach J. Fornasier – B. Böttger (Hrsg.), Das Bosporanische Reich (Mainz 2002) (Abb. 11); K. Hellström (Abb. 12. 13). Die Infrastruktur im Gebiet der Dnepr-Donec-Wasserscheide in spätrömischer Zeit und zu Beginn der Völkerwanderungszeit (Ukraine) Im Gebiet zwischen Dnepr und Donec sind während der ersten Jahrhunderte n. Chr. mehrere, kulturell und ethnisch unterschiedliche Bevölkerungsgruppen ansässig: Sarmaten, Träger der Černjachov- und der Kiever-Kultur. Die Besiedlung wurde von überregionalen Entwicklungen, aber auch von den örtlichen Lebensbedingungen beeinf lusst. Allgemein kennzeichnend für das Gebiet ist die Waldsteppe im Norden und die Steppe im Süden. Auf einigen Siedlungsplätzen der Waldsteppe lässt sich eine Besiedlungsabfolge für den Zeitraum von der Mitte des 3. bis zum Anfang des 5. Jhs. rekonstruieren. Einzelheiten dieser Besiedlungsvorgänge sind jedoch in der Diskussion. Der Forschungsstand basiert vor allem auf Untersuchungen an einzelnen Plätzen. Wie intensiv und ausgedehnt die Besiedlung jeweils war, welche Siedlungsbereiche bevorzugt wurden, ist dabei nur punktuell feststellbar. Im Rahmen des in diesem Jahr begonnenen Kooperationsprojekts sollen diese Fragen genauer untersucht werden, um danach festzustellen, welche Beziehungen, Kommunikations- und Austauschwege innerhalb der Siedlungsgebiete (Abb. 14), zwischen einzelnen Bereichen oder Siedlungsgruppen bestanden und welche überregionalen Verbindungswege genutzt wurden. Neben den Fluss- und Wasserläufen kommt auch ein historisch bekannter Handelsweg entlang der Dnepr-Donec-Wasserscheide, der sog. Muravskij-Šljach, als Kommunikationsweg in Betracht. Die aktuelle Datenerfassung archäologischer Fundplätze des 3.–5. Jhs. n. Chr. aus Literatur und Archivmaterialien wird durch Surveys ergänzt, um
Abb. 14 Die Infrastruktur im Gebiet der Dnepr-Donec-Wasserscheide in spätrömischer Zeit und zu Beginn der Völkerwanderungszeit (Ukraine), Fundplätze der Černjachov-Kultur an der Dnepr-DonecWasserscheide im Bereich um den seit 2004 systematisch untersuchten Fundplatz von Vojtenki
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die genaue Lage der bekannten Fundplätze zu überprüfen. Dabei wurden bereits mehrere neue Fundplätze entdeckt. Parallel dazu werden bestimmte Fundgruppen wie römische Importe, Münzfunde u. a. zusammengestellt (Abb. 15. 16). Um die Verbreitungsgrenzen für die Černjachov-Kultur zu prüfen, sind neben den Surveys kleinere Grabungen erforderlich (Abb. 17). Darüber hinaus bietet der ausgedehnte Siedlungskomplex von Vojtenki gute Voraussetzungen für die Untersuchung innerhalb einer kleineren Region. Die bereits seit 2004 dort laufende Grabung der Universität Charkov wird daher in das Projekt einbezogen. Das Arbeitsgebiet reicht nach Norden über die heutige Ukraine hinaus in die Russische Föderation (Bezirke Belgorod und Kursk), wo weitere Kooperationspartner hinzukommen werden. Für die ebenso notwendige Zusammenarbeit mit der Bodenkunde und Klimatologie wurden erste Schritte unternommen. Kooperationspartner: Historische Fakultät der V. N. Karazin-Universität Charkov (M. Ljubičev) • Leitung des Projekts: E. Schultze, M. Ljubičev • Mitarbeiterinnen: K. Myzgin, K. Varačeva • Abbildungsnachweis: K. Varačeva (Abb. 14. 16. 17); DAI, Eurasien-Abteilung, E. Schultze (Abb. 15).
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Abb. 15 Die Infrastruktur im Gebiet der Dnepr-Donec-Wasserscheide in spätrömischer Zeit und zu Beginn der Völkerwanderungszeit (Ukraine), Vojtenki. Fragment einer Amphora mit Aufschrift (Dipinti) aus der Siedlung der Černjachov-Kultur Abb. 16 Die Infrastruktur im Gebiet der Dnepr-Donec-Wasserscheide in spätrömischer Zeit und zu Beginn der Völkerwanderungszeit (Ukraine), Vojtenki. Gläserne Spielsteine aus einem Grab (4. Jh. n. Chr.) Abb. 17 Die Infrastruktur im Gebiet der Dnepr-Donec-Wasserscheide in spätrömischer Zeit und zu Beginn der Völkerwanderungszeit (Ukraine), Novoberekskoe. Hangbereich mit Siedlungsplatz der Černjachov-Kultur oberhalb einer Quelle
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Taman-Halbinsel (Russische Föderation) Das Bosporanische Reich, ein griechischer Flächenstaat im Nordpontos, ging laut antiker Schriftquellen aus Stadt- und Siedlungsgründungen kleinasiatischer Mutterstädte der 1. Hälfte des 6. Jhs. v. Chr. hervor und blieb seit der Gründung im 5. Jh. v. Chr. etwa ein Jahrtausend lang politisch eigenständig. Das Kerngebiet des antiken Reiches lag auf den beiden Halbinseln Kerč und Taman, heute Teil der Ukraine und der Russischen Föderation. Vor 2 600 Jahren allerdings existierte die Taman-Halbinsel noch nicht, sondern bestand – den jüngsten Ergebnissen der im Projekt verankerten Geowissenschaften folgend – aus einer kleinen Inselgruppe sowie den Kaukasusausläufern an der Kuban-Mündung. Mitten hindurch verlief eine Wasserstraße, der KubanBosporos, der das Asovsche (Maiotis) mit dem Schwarzen Meer verband. Mit der Entdeckung des inzwischen verlandeten Kuban-Bosporos tritt eine bisher wenig beachtete Region in das Zentrum der Forschung zur grie-
Abb. 18 Taman-Halbinsel (Russische Föderation), Golubickaja 2. Plan der Siedlung mit den Grabungsflächen 1 und 2, aus Fläche 1 stammen die Funde von Abb. 20 und 21, aus Fläche 2 die von Abb. 19
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Abb. 19 Taman-Halbinsel (Russische Föderation), Golubickaja 2. Fragment einer Tischamphora mit nordionischer TierfriesstilBemalung einer späten Stilphase der Stufe NiA I (Nordionisch Archaisch I), vermutlich aus Klazomenai (um 580–570 v. Chr.)
Abb. 20 Taman-Halbinsel (Russische Föderation), Golubickaja 2. Silbermünze aus dem letzten Viertel des 6. Jhs. v. Chr., Prägung aus der späteren Regierungsstadt des Bosporanischen Reiches Pantikapaion
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chischen Kolonisation und der Entstehung des Bosporanischen Reiches. Hier setzt das seit 2006 bestehende interdisziplinäre russisch-deutsche Gemeinschaftsprojekt an und erforscht unter landschafts- und siedlungsarchäologischen Fragestellungen die nordöstliche Taman-Halbinsel. In der Regionalstudie werden ausgesuchte Orte, deren antike Namen bisher unbekannt sind, mit angepassten Methoden exemplarisch untersucht. Die bisher erhobenen Daten stehen vielfach im Widerspruch zu existierenden Modellen der Kolonisation, der Entstehung des Bosporanischen Reiches, aber auch des Zusammenlebens von griechischen Einwanderern und indigener Bevölkerung. Nahm man bisher für die Frühzeit aufgrund fehlender Verteidigungsanlagen eine friedliche Koexistenz an, änderte sich dies jedoch grundlegend mit dem Nachweis von teils massiven Wall-Graben-Anlagen aus dem 6. Jh. v. Chr. in mehreren Siedlungen des Untersuchungsgebiets. Besonders aufschlussreich sind die Forschungen in der antiken Siedlung Golubickaja 2, die mit der gegenüberliegenden, zeitgleich angelegten Siedlung Achtanisovskaja 4 einen – vermutlich sogar den wesentlichen – Zugang von der Maiotis in den Kuban-Bosporos kontrollierte. Schon in den letzten Jahren ließen geophysikalische und geomorphologische Untersuchungen sowie Luftbildauswertung und archäologische Feldbegehungen Aussagen zum Weichbild, zur Lebenszeit und zur Lebenswelt der Siedlung zu. Dabei überraschte bereits die gemessen an existierenden Besiedlungsmodellen frühe Entstehung der Siedlung, die sich nach neuen Funden aus den Flächengrabungen zur Gewissheit erhärtet (Abb. 18). So wurde neben keramischen Gefäßfragmenten der Alltags- und einfach bemalter Ware des 2. Drittels des 6. Jhs. v. Chr. auch Symposions-Geschirr der sog. ostgriechischen Tierfrieskeramik (O[stionisch]A[rchaisch] I) aus dem 2. Viertel des 6. Jhs. v. Chr. angetroffen (Abb. 19). Ebenfalls als sehr früh darf der Fund einer Silbermünze aus dem letzten Viertel des 6. Jhs. v. Chr. eingestuft werden, der neben weiteren Bronzemünzen eine Ahnung vom intensiven monetären Handel vermittelt (Abb. 20). Die Siedler umgaben ihren Ort von Beginn an mit einer mächtigen Verteidigungsanlage, obgleich die Siedlung an der Spitze einer kleinen Insel einen natürlichen Schutz genoss (Abb. 18). Demnach liegt die Vermutung nahe, dass die strategische Lage die mehrfach erweiterte Wall-Graben-Anlage notwendig machte. Die früheste Phase des Verteidigungsgrabens enthielt einen geschlossenen Befund aus dem 3. Viertel des 6. Jhs. v. Chr., in dem sich neben griechischer Importkeramik auch handgemachte lokale Töpferware fand (Abb. 21). Damit ist eine der wenigen chronologischen Anhaltspunkte für die handgefertigte grautonige Keramik gewonnen. Inventare von Küchen, etwa Handmühlsteine, erlauben ebenso wie archäometrische Untersuchungen zur Keramik, Archäozoologie und Archäobotanik weitere Einblicke in die Lebenswelt dieser frühen Siedlung, die nach einer massiven Zerstörung in der 2. Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. aufgegeben wurde. Kooperationspartner: Staatliches Historisches Museum Moskau (D. Žuravlev, G. Kamelina, K. Firsov); Historische Fakultät der Staatlichen Universität Kasan (O. Gabelko); Archäologisches Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau (I. Zajceva); Fachbereich Geographie der Philipps-Universität Marburg (H. Brückner, D. Kelterbaum); Institut für Geowissenschaften der Christian-Albrechts-Universität Kiel (H. Stümpel, Ch. Klein); Studiengang Restaurierung und Grabungstechnik der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (K. Kohlmeyer, J. Orrin, A. Kai-Browne, B. Lischewsky); Zoologisches Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften, Abteilung St. Petersburg (M. Shablin) • Lei-
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tung des Projekts: U. Schlotzhauer, D. Žuravlev • Abbildungsnachweis: A. Kai-Browne, B. Lischewsky (Abb. 18); I. Seden’kov (Abb. 19. 21); A. KaiBrowne (Abb. 20). Kislovodsk (Russische Föderation), Siedlungen mit symmetrischem Grundriss als Phänomen einer komplexen Landschaftsnutzung während der Spätbronzeund Früheisenzeit im Nordkaukasus Die Geländeprospektion der seit 2006 untersuchten spätbronzezeitlichen Kulturlandschaft südlich des nordkaukasischen Mineralbades Kislovodsk wurde 2009 abgeschlossen. Das Gebiet erstreckt sich nun über ein Areal von rund 100 km in West-Ost- und 20–30 km in Nord-Süd-Richtung auf einer Hochplateauzone nördlich des El’brus-Massivs. Dreiviertel der entdeckten Fundorte sind Siedlungen mit massiver Steinarchitektur, hinzu kommen Fundstellen mit anderen Funktionen. Sehr klar wird in der Kartierung die Begrenzung dieses archäologischen Phänomens auf die f lachen Hochebenen der Plateaus über 1 400 m. Südlich dieser Kalksteinplateaus, wo mit dem El’brus-Massiv ein heterogenes, durch tiefe Schluchten gekennzeichnetes Gelände beginnt, finden sich zwar vereinzelt kleine ›Außenposten‹, doch keine richtigen Siedlungen. Am bedeutendsten Pass der Region oberhalb des Gumbaši-Passes wurde 2009 eine außergewöhnliche Siedlung entdeckt (Abb. 22. 23). Bemerkenswert ist ihre Lage auf einer Terrassenstufe unterhalb des eigentlichen Plateaus und direkt über der Passroute. Es handelt sich um keine Anlage mit einem zentralen Platz, sondern um eine Reihe agglutinierender, doppelräumiger Bauten. Es scheint, als ob Teile der Anlage in den Fels eingeschlagen sind oder das Terrain künstlich eingeebnet wurde. Ein erstes Indiz für die Datierung der Siedlung lieferte eine Spiralplattenkopfnadel (Abb. 24), die zu einem in der entwickelten Mittelbronzezeit (2. Viertel des 2. Jts. v. Chr.) im Nordkaukasus belegten Typus gehört.
Abb. 21 Taman-Halbinsel (Russische Föderation), Golubickaja 2. Lokaler handgeformter Napf, der aus einem geschlossenen Kontext des 3. Viertels des 6. Jhs. v. Chr. stammt
Abb. 22 Kislovodsk (Russische Föderation), Lage der Siedlung Gumbaši 1. Ausschnitt aus dem Luftbild ohne Maßstab
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Abb. 23 Kislovodsk (Russische Föderation), die Siedlung Gumbaši 1 vom Gräberfeld oberhalb auf dem Plateau
Abb. 24 Kislovodsk (Russische Föderation), Spiralplattenkopfnadel aus Gumbaši 1
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Dass das untersuchte Siedlungsphänomen vermutlich einen längeren chronologischen Zeitraum umfasst, zeigt eine Serie von Radiokarbondaten aus Anlagen, die nicht dem symmetrischen Typus entsprechen. Letzterer stand mit den Grabungen in Kabardinka 2 bislang im Zentrum der Untersuchung. Von dort stammt nun jedoch aus einer peripheren Gebäudereihe mit quadratischen Bauten ein ins 16. Jh. v. Chr. datierendes Radiokarbondatum. Bereits 2008 wurde festgestellt, dass die Keramik dort archaischer und praktisch nicht geometrisch verziert ist. Das 2006/2007 ausgegrabene, zur Hauptsiedlung mit zentralem Platz gehörende Haus 14 enthielt im Gegensatz dazu ein geometrisch verziertes Keramikspektrum und datiert ins 13.–10. Jh. v. Chr. Datierungen aus drei weiteren Siedlungen mit symmetrischem Grundriss und geometrisch verzierter Keramik bestätigen diese ersten Daten aus Kabardinka 2. Ein Radiokarbondatum aus der untersten Schicht eines Testschnittes in der symmetrischen Siedlung Zubčichinskoe 7 liegt jedoch im selben Zeitabschnitt wie das ältere Datum aus Kabardinka 2. Diese neuen Datierungen werfen nun die Frage nach der inneren Entwicklung von Fundplätzen wie Kabardinka 2 sowie der typologischen Entwicklung der Siedlungsplanung insgesamt auf – von der Reihensiedlung oder locker gruppierten Anlagen hin zu Siedlung mit zentralem Platz? Ein weiteres Ergebnis dieser Kampagne war die topographische und magnetometrische Erfassung einer ca. 300 m großen Wallanlage (Abb. 25). Der Fundplatz Ransyrt 1 – eine halbkreisförmige Anlage aus drei direkt an eine Felsabbruchkante gebauten Wällen – ist im gesamten Gebiet einzigartig. Vom östlichen Durchgang aus führt ein Weg in Serpentinen den steilen Hang hinunter. Die Magnetometrie zeigte dort neben den Kalksteinmauern, die sich im Innern der Wälle verbergen, und bislang noch ungeklärten anthropogenen Aktivitäten im Zentrum regelmäßig punktförmige Anomalien entlang der Mauern/Wälle. Ein erster Testschnitt offenbarte eine Feuerstelle und ein großes Keramikgefäß. Zudem zeigte sich dort, dass das Terrain getreppt erhöht wurde. So liegt das Gelände außerhalb der Mauer etwa 0,70–0,80 m tiefer als im Inneren. Dort konnte eine Aufschotterung und sorgfältige Pf lasterung nachgewiesen werden, auf der sich die Feuerstelle befand. Der Befund ist noch vereinzelt, doch legt ein erstes digitales Geländemodell nahe, dass tatsächlich das Gesamtareal zum Zentrum hin ansteigt. Die atypische Struktur, die Befunde des Testschnittes sowie eine seltsame Verteilung von Ober-
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f lächenfunden (Keramik und Knochen) in den beiden Räumen im Zen trum, die die intensiven Aktivitäten dort bestätigen, lassen vermuten, dass dieser Ort nicht als Siedlungsplatz genutzt wurde. Ob er eine rituelle Funktion hatte oder vielleicht als ephemerer Marktort gedient hat, müssen weitere Grabungen zeigen. Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften, in Moskau (D. S. Korobov); Denkmalpf legeorganisation »Nasledie«, Stavropol’ (A. B. Belinskij) • Förderung: DFG; Russische Stiftung für Geisteswissenschaften • Leitung des Projekts: S. Reinhold, A. B. Belinskij • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. V. Borisov, S. Peters, E. Antipina, E. Lebedeva, J. Fassbinder • Abbildungsnachweis: S. Reinhold (Abb. 22–25).
Abb. 25 Kislovodsk (Russische Föderation), Wallanlage Ransyrt 1. 1 Topographie, 2 Magnetometrie
Aruchlo (Georgien) Zu den ältesten Hinterlassenschaften von Ackerbauern gehört im Kaukasus der Siedlungshügel von Aruchlo. Er ist nur wenige 100 m nördlich der Terrassenkante einer breiten Flussaue gelegen, wo sich die aus den Bergen
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Abb. 26 Aruchlo (Georgien), Blick über die Grabung nach einem kräftigen Regen
kommenden Flüsse Chrami und Mašavera vereinigen, um weiter östlich an der georgisch-azerbaidjanischen Grenze in den Kura-Fluss zu münden, der schließlich in das Kaspische Meer f ließt. Nachdem im Vorjahr aufgrund des russisch-georgischen Kriegs in Aruchlo keine Grabungen durchgeführt wurden, konnten die Arbeiten in diesem Jahr fortgesetzt werden. Allerdings wurde die Grabung durch extrem widriges Wetter stark beeinträchtigt (Abb. 26). Während in den vergangenen Kampagnen die jüngeren Schichtpakete, welche die neolithischen Schichten überlagern, nur in wenigen Flächen untersucht werden konnten, standen mit der diesjährigen Öffnung von vier weiteren Flächen im Süden des Grabungsareals zunächst die jüngeren Zeitabschnitte im Vordergrund. Hier fanden sich nur wenige Reste von Architektur, es dominieren kleinere und größere Vorratsgruben. Aus diesem Areal stammt eisenzeitliche Keramik, darunter eine Scherbe mit eingeritzter und darum kaum lesbarer, aber vermutlich aramäischer Inschrift. Ein erstes 14C-Datum aus einer Grube in Fläche M bestätigt unsere Einordnung der oberen Schichten in die Eisenzeit. In den übrigen Flächen wurden mit dem Entfernen der Profilstege die Untersuchungen zur neolithischen Gebäudearchitektur fortgeführt. Die erstaunlich gut, bis zu 1,50 m hoch erhaltenen Mauerringe bilden ein verwirrendes Über- und Nebeneinander. Alte Mauern wurden niedergerissen, teilweise aber auch für neue Bauten wieder verwendet (Abb. 27). Bislang ist es nicht gelungen, die Struktur dieser Siedlungen zu interpretieren. Erstmals kann nun aber ein klares Bild der Baugeschichte auf einem begrenzten Areal gezeichnet werden (Abb. 28). Tatsächlich lässt sich ein besonderer Gebäudetyp herausstellen, bei dem jeweils ein kleinerer Mauerring mit ca. 2,00 m Durchmesser, durch einen größeren Mauerring von etwa 5,00–6,00 m Durchmesser ergänzt wird. Dieser Bautyp ist durch vier Komplexe ganz oder teilweise nachgewiesen. Der bislang älteste Bau (Nr. III, Abb. 28 gelb) wird von dem jüngeren Bau II (Abb. 28 grün) überlagert. Dieser besteht aus einem kleineren Ring, der bislang fast vollständig unter den Profilstegen lag, und einem größeren Mauerring. Unklar ist der Anschluss im Norden. Möglicherweise bestand ein Durchgang zu Gebäudekomplex I (Abb. 28 rot). Im Osten ist ein
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Abb. 27 Aruchlo (Georgien), Ansicht der über einen Meter hohen Lehmziegelmauern in Fläche L
Abb. 28 Aruchlo (Georgien), Plan der neolithischen Architektur mit farblicher Kennzeichnung der zusammengehörigen Mauerringe
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Abb. 29 Aruchlo (Georgien), Randscherben mit anthropomorpher Darstellung (links aus den Altgrabungen, rechts aus diesem Jahr)
weiterer Gebäudekomplex (Nr. IV, Abb. 28 blau) erst teilweise erfasst. Unter diesem Gebäudekomplex wurden erstmals Reste eines stark durch Feuer beeinträchtigten Gebäudes gefunden. In diesem Jahr konnten in Aruchlo über 6 500 Keramikscherben erfasst werden. Der überwiegende Scherbenanteil entfällt auf das Neolithikum. Diese sind alle handgeformt und weisen auf der Außen- und Innenf läche deutlich sichtbare (Bearbeitungs-)Spuren, wie z. B. Fingereindrücke, sowie Brand- und Schmauchspuren auf. Die am häufigsten auftretenden Gefäßformen sind bauchige, oben leicht geschlossene Töpfe, die im oberen Drittel mit ein oder zwei Handhaben versehen sein können, sowie kleine Näpfe und Schalen, die alle Flachböden mit einem Mattenabdruck aufweisen. Die Verzierungen bestehen hauptsächlich aus aufgesetzten Knubben, die als einfache Reihung oder als Doppelreihung knapp unterhalb des Randes oder auch senkrecht über die Gefäßwandung verlaufend vorkommen können. Seltener sind kleine aufgesetzte Halb- oder Vollkreise sowie Wellenlinien. Aus einer neolithischen Grube in Fläche G stammt eine Scherbe mit einer schematischen menschlichen Reliefdarstellung (Abb. 29). Zwei ähnliche Scherben wurden bereits in den Altgrabungen geborgen. Dank einer umfangreichen Förderung durch Agence National de Recherche und die DFG wird es in Zusammenarbeit mit B. Helwing und B. Lyonnet in den kommenden fünf Jahren möglich sein, die Landschaftsveränderungen im mittleren Kuratal auf georgischer und auf azerbaidjanischer Seite vom Neolithikum bis in die Bronzezeit detailliert zu erforschen. Kooperationspartner: »Otar-Lordkipanidze-Zentrum für Archäologische Forschung« des Staatlichen Historischen Museums von Georgien (G. Mirzchulava) • Leitung des Projekts: S. Hansen • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: K. Bastert, N. Benecke, I. Gatsov, P. Nedelčeva, R. Neef • Abbildungsnachweis: S. Hansen (Abb. 26. 27. 29); M. Ullrich (Abb. 28). Calka (Georgien) Das zum Kleinen Kaukasus gehörende Trialeti-Gebirge wurde durch Ausgrabungen in den 1930er Jahren namengebend für eine bronzezeitliche Kultur in Südkaukasien, die Trialeti-Kultur, sowie synonym für die Mittelbronzezeit (ca. 2500–1700 v. Chr.) daselbst. In diesem Jahr wurden die Möglichkeiten von feldarchäologischen Untersuchungen zur Trialeti-Kultur vor Ort überprüft. Das Trialeti-Gebirge zeichnet sich durch sein abwechslungsreiches Relief aus, das sowohl hohe Berge als auch Hochebenen umfasst. Eine größere geographische Einheit bildet hier das 1 500–1 900 m hoch gelegene Plateau von Calka, das in mehrere kleine Talkessel gegliedert ist. Der größte davon ist der Talkessel von Beštašeni, in dem sich heute der Stausee von Calka befindet. Vor dessen Verfüllung wurden in den 1930er Jahren von B. A. Kuftin Dutzende Hügelgräber (Kurgane) dokumentiert und freigelegt, darunter auch mehrere monumentale Grabhügel, die sich zudem durch ihr reiches Inventar auszeichnen, das Edelmetallgegenstände wie den bekannten, in altorientalischer Manier figürlich verzierten Silberbecher und in einigen Fällen auch vierrädrige, hölzerne Wagen enthielt. Aufgrund des Baus und der Beigaben dieser Grabfunde konnte die Trialeti-Kultur in drei chronologische Stufen gegliedert werden. Die Möglichkeiten, anhand dieser Unterschiede der Gräber auch Rückschlüsse auf die Sozialstruktur zu ziehen, wurden bislang noch nicht völlig ausgeschöpft. Aufgrund einer Senkung des Wasserspiegels in den 1990er Jahren wurden die bereits bekannten Kurgane wieder sowie bis dato unbekannte Fundstel-
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Abb. 30 Calka (Georgien), Trialeti-Gebirge. Blick von Kurgan XLVII auf dessen ›Prozes sionsstraße‹. Im Hintergrund Kurgan I
len erstmals zugänglich. Ein völliges Novum sind jedoch die gepf lasterten und exakt geosteten Straßen, die zu einigen dieser ›Grabanlagen‹ führen; in einem Fall ist diese sog. Ritual- oder Prozessionsstraße 356 m lang und bis zu ca. 6 m breit gewesen (Abb. 30). Zu diesen Bauten gehörten außer den ›Straßen‹ weitere Einrichtungen: innerhalb der Gräber aufwendige Holz- und Steineinbauten, die als ›Grabsäle‹ bezeichnet werden, und außerhalb Einfassungen aus Steinen. Es dürfte sich hier somit nicht nur um Gräber, sondern um Bauten zu Kultzwecken (Memorialanlagen, Totentempel, ›Schatzhäuser‹, Heiligtümer im weitesten Sinne) gehandelt haben. Ferner scheinen diese Anlagen bestimmte Areale zu begrenzen, somit rituelle oder sakrale Räume zu bezeichnen. Daraus ergaben sich eine Reihe von Fragen: Waren die Straßen hier der gebaute Weg von dieser Welt in jene Welt, den verstorbene Angehörige der sozialen Oberschicht zu begehen oder zu befahren hatten; handelte es sich überhaupt um Gräber im engen Sinne oder waren es vielmehr Memorial- oder Zeremonialanlagen, auf welche die umliegenden Bestattungen bezogen sind? Nach einer Geländebegehung am Westufer des Calka-Stausees wurde der Kurgan LI aufgrund seiner Lage, Größe und der zugehörigen Steinstraße als Untersuchungsobjekt ausgewählt, um hier exemplarisch den Auf bau dieser ›Ritualanlagen‹ zu dokumentieren. Da alle bislang bekannten Strukturen auf Basaltuntergrund stehen, wäre hier eine geomagnetische Prospektion ergebnislos geblieben. Daher bildete die archäologische Prospektion den Ausgangspunkt. Der Grabhügel LI sowie die zugehörige Straße wurden gesäubert, der Befund steingerecht dokumentiert und alle oberirdisch sichtbaren Strukturen erfasst. Zum Kurgan LI (Durchmesser ca. 16 m) führt exakt von Osten nach Westen eine ›Ritualstraße‹ (Breite ca. 6 m), die heute auf mindestens ca. 22 m Länge noch zu beobachten ist, bevor sie im morastigen Uferbereich des Stausees verschwindet. Es handelt sich bei dieser Konstruktion um den aus Basaltblöcken bestehenden Unterbau bzw. die Fundamentierung der eigentlichen Straße. Nach der Säuberung der Innenf läche des Kurgans zeigte sich in seiner Mitte eine rechteckige Steinansammlung (ca. 6 m × 14 m), bei der es sich um die obere verstürzte Decke der Grabkammer handelte (Abb. 31). Nach Ausräumen dieses Versturzes wurde in 1–1,50 m Tiefe weiterer Steinversturz angetroffen. An bisherigen Funden sind Gefäßscherben der mittel-
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Abb. 31 Calka (Georgien), Trialeti-Gebirge. Kurgan LI mit ›Prozessionsstraße‹ nach der Säuberung Abb. 32 Calka (Georgien), Trialeti-Gebirge. Blick nach Westen auf Kurgan XLVII und Kurgan LI. Im linken Vordergrund die große ›Prozessionsstraße‹ von Kurgan XLVII, rechts davon sind weitere Strukturen aus Stein (Gräber, Plattformen?) erkennbar
bronzezeitlichen Trialeti-Kultur sowie Obsidianf lakes zu nennen. Aufgrund der in dieser Kampagne begrenzten zeitlichen und materiellen Möglichkeiten wurde nach der Dokumentation des bisherigen Befundes die Arbeit eingestellt und das Grabungsareal konserviert. Zukünftige Aufgabe ist es zu klären, wie die ›Prozessionsstraße‹ in den Hügelauf bau eingebunden ist und wie sie sich zur Grabkammer verhält. Schließlich sind auch die neben den Straßen befindlichen Strukturen zu erfassen (Abb. 32). Kooperationspartner: Staatliches Historisches Museum von Georgien (G. Narimanišvili) • Leitung des Projekts: I. Motzenbäcker • Abbildungsnachweis: I. Motzenbäcker (Abb. 30–32). Tachti Perda (Georgien) In der letzten Feldkampagne in der mehrschichtigen prähistorischen Siedlung Tachti Perda in Kachetien (Abb. 33) konzentrierte sich die Ausgrabungstätigkeit auf den Hauptschnitt auf dem Hügel, um die Stratigraphie unterhalb der Brandschicht zu verifizieren, sowie auf die Mauersituation im Bereich des Westhanges, die im Jahre 2006 durch die georgischen Kollegen angeschnitten und als ›Toranlage‹ gedeutet worden war. Zudem wurde die Fundaufnahme abgeschlossen.
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Abb. 33 Tachti Perda (Georgien), Blick von Nordwesten auf die Nord- und Westflanke des Siedlungshügels. Sichtbar ist der große Hauptschnitt im Nordhang sowie rechts im Bild die Erhebung der möglichen Bastion im westlichen Mauerbereich
Der stratigraphische Befund bestätigte die Ergebnisse der Tiefsondage aus der Kampagne 2006: In den gewachsenen Boden eingetieft fanden sich Reste von (vermoderten) Holzpfosten in situ, die eine erste Mauer vor der Nordf lanke des Hügels belegen. Zudem war ein dahinter (!) liegender, also hangseitiger Graben zu beobachten, wonach anzunehmen ist, dass die erste ›Befestigungsphase‹ aus Wall und Graben bestand und vermutlich erst danach eine Palisade oder Holzmauer aufgestellt worden ist. Die diagnostischen Keramikfunde, überwiegend schwarzpolierte, teilweise gestempelte Ware, bestätigen den zeitlichen Ansatz in der späten Mittelbronzezeit (ca. 1700– 1500 v. Chr., Abb. 34). Danach wurde offensichtlich diese erste Mauer überschüttet und wiederum ein Wall angelegt und über diesem dann die verbrannte Holzkasten-Lehmkonstruktion der Spätbronzezeit errichtet. Die Mauer aus großen Kalksteinblöcken lässt sich derzeit nicht exakt datieren; es handelt sich bei dieser Konstruktion (wohl einer Kernmauer), aller Wahrscheinlichkeit nach im Sinne eines nicht offen liegenden Fundamentes, um die Befestigung der wahrscheinlich in der älteren Eisenzeit (ca. 10.–7. Jh. v. Chr.) oder später angelegten Terrasse im Norden des Hügels. Diese befestigte/umfriedete Anlage dürfte entweder die Akropolis oder die Fluchtburg der zeitgleichen Siedlung im nördlichen Vorgelände gewesen sein. Zu beiden Siedlungsstrukturen gehört das im Nordwesten liegende Gräberfeld; denn alle drei archäologischen Objekte wiesen identisches Fundgut (Keramik, Steingeräte, Bronzen) auf. Im Bereich des sehr steilen Westhanges des Hügels wurde die Annahme, dass sich hier ein ›Tor‹ befunden habe, überprüft. Nach exakter Dokumentation der noch in situ liegenden großen Steinblöcke und der danach erfolgten Ausräumung des Versturzes ergab sich folgendes Bild: Eine Torsituation ließ sich nicht nachweisen. An die Umfassungsmauer, die wohl zeitgleich mit der im großen Schnitt des Nordbereiches beobachteten Steinmauer anzusetzen sein dürfte, wurde im rechten Winkel zu einem späteren Zeitpunkt eine Quermauer angefügt (Abb. 35). Dieser Mauerabschnitt kann derzeit nicht genauer als eisenzeitlich (ca. 10.–7. Jh. v. Chr.) datiert werden. Vielleicht handelte es sich hierbei um den Teil einer Bastion oder einer Aussichtsplattform oder sogar um das Fundament eines Turmes. Denn von dieser Stelle aus ist eine sehr gute Fernsicht gegeben, die es ermöglicht, das gesamte Gelände nach allen Himmelsrichtungen optisch zu überwachen.
Abb. 34 Tachti Perda (Georgien), mittelbronzezeitliche schwarzpolierte Keramik (ca. 17.–15. Jh. v. Chr.) aus der ältesten Wall- und Grabenanlage
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Eurasien-Abteilung 377 Abb. 35 Tachti Perda (Georgien), älter eisenzeitlicher Mauerbefund mit Anbau (Bastion?) im Westhang
Kooperationspartner: Staatliches Historisches Museum von Georgien (K. P’ic’xelauri) • Leitung des Projekts: I. Motzenbäcker • Mitarbeiter: M. Ullrich • Abbildungsnachweis: I. Motzenbäcker (Abb. 33. 35); M. Ullrich (Abb. 34). Kamiltepe (Azerbaidjan) Kamiltepe ist ein kleiner neolithischer Ruinenhügel (Abb. 36) in der Milsteppe in Südwestazerbaidjan, am Fuß der Karabakhberge. Er war bereits in den 1950er Jahren durch die erste archäologische Expedition in der Milsteppe unter der Leitung von A. Iessen und anschließend durch I. Narimanov sondiert worden. Die damals dokumentierte Lehmziegelarchitektur und handgemachte bemalte Keramik dienten als Grundlage für eine Definition des sog. Äneolithikums in der Milsteppe. Die Fundstelle ist heute teilweise zerstört und im verbleibenden Teil von einem breiten Bulldozergraben durchzogen. Ziel der neuen Untersuchungen war eine Bestandaufnahme der Ruine und die Dokumentation einer repräsentativen Schichtabfolge sowie eine unabhängige Datierung für diesen Fundkomplex.
Abb. 36 Kamiltepe (Azerbaidjan), Blick von Süden auf den Ruinenhügel
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Die Arbeiten begannen mit einer Aufnahme der Topographie und mit Bohruntersuchungen, um die Ausdehnung der Kulturschichten festzustellen. Anschließend wurde das Westprofil im Bulldozergraben gesäubert. Dort wurde eine ungewöhnliche, 2,50 m hoch erhaltene massive Baustruktur aus handgeformten Lehmziegeln sichtbar (Abb. 37). Deshalb konzentrierten sich die folgenden Arbeiten in drei Sondagen westlich und nördlich des Bulldozergrabens auf die Klärung der Größe und Form dieses Bauwerks. In zwei Sondagen konnte seine Außenfassade erfasst werden, die senkrecht verläuft und mit Lehm glatt verputzt ist (Abb. 38). Aus den beiden in der Grabung erfassten Kantenabschnitten und aus Beobachtungen im Bulldozergraben und an der Böschung des Hügels lässt sich das Bauwerk nun vermutlich als ausgedehnte Plattform ohne weitere Gliederung auf der Innenf läche rekonstruieren, wobei im erhaltenen Teil des Hügels Außenmaße von mindestens 18 m festgestellt wurden. Zu diesem ungewöhnlichen Befund gibt es bisher keine Parallelen – aus keinem anderen neolithischen Fundort Westasiens sind bisher vergleichbare Bauwerke bekannt. Die Plattform steht auf dem gewachsenen Boden, entlang der Westfassade schließen Mauern an, die zu rechteckigen Räumen gehören. In beiden Sondagen waren im Innern der Räume und oberhalb des Plattformversturzes mächtige Ascheschichten mit Abfall von Nahrungszubereitung und -verzehr abgelagert, die vermutlich in Zusammenhang mit Aktivitäten oben auf der Plattform in Verbindung stehen. Darüber liegen in einer zweiten Phase weitere, dünnere Mauern, die ebenfalls wieder an die Fassade angesetzt sind. 15 m südwestlich der Plattform wurden weitere Hausreste unter einer 0,50 m starken Schicht Kolluvium erfasst. Neben monochromer handgemachter Grobkeramik prägen feinere Waren mit geometrischer Bemalung das Fundbild (Abb. 39). Parallelen hierzu finden sich in den neolithischen Fundorten entlang der Südküste des Kaspischen Meers und bis nach Turkmenistan sowie auf dem iranischen Hochland, während in die andere Richtung, zum nordwestlichen Azerbaidjan und Ostgeorgien, deutlich weniger Vergleiche möglich sind. Eine lithische Industrie auf der Basis von Flint und Obsidian, Knochenspitzen und Schleudergeschosse finden sich ebenfalls in der ganzen Region. Zu den besonderen Funden gehören Perlen aus Karneol und Türkis (Abb. 39). Die Plattform und die angrenzenden Schichten konnten anhand von 14 C-Daten der Mitte des 6. Jts. cal. BC zugewiesen werden. Damit sind diese
Abb. 37 Kamiltepe (Azerbaidjan), Westprofil des Bulldozergrabens. Schnitt durch die Lehmziegelplattform Abb. 38 Kamiltepe (Azerbaidjan), westliche Außenkante der Plattform und angrenzende Bebauung
Abb. 39 Kamiltepe (Azerbaidjan), oben Perlen aus Türkis und Stein (6. Jt. v. Chr.), unten geometrisch bemalte neolithische Keramik (ohne Maßstab)
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Befunde etwa 1 000 Jahre älter, als man bisher für das sog. Äneolithikum angenommen hat, und repräsentieren das Spätneolithikum in dieser Region. Dies steht in deutlichem Kontrast zur gängigen Forschungsmeinung, der zufolge die Besiedlung des östlichen Südkaukasuslandes gegenüber dem Westen zeitversetzt eingesetzt habe. Von besonderer Bedeutung ist darüber hinaus die Dokumentation einer monumentalen Lehmziegelplattform, die bisher ohne Parallelen bleibt. Kooperationspartner: Institut für Archäologie und Ethnographie der Nationalen Akademie der Wissenschaften Azerbaidjan (M. Ragimova; T. Aliyev) • Leitung des Projekts: B. Helwing, T. Aliyev • Mitarbeiter: M. Ullrich; R. Neef • Abbildungsnachweis: B. Helwing (Abb. 36–39).
Abb. 40 Ausstellung »Alexander der Große und die Öffnung der Welt«, Plakatmotiv der Ausstellung
Abb. 41 Ausstellung »Alexander der Große und die Öffnung der Welt«, die Projektleiterinnen und der stellvertretende Direktor der Reiss-Engelhorn-Museen mit Projektpartnern der Eurasien-Abteilung bei einer Recherchereise in Uzbekistan
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Ausstellung »Alexander der Große und die Öffnung der Welt« Eine einmalige Chance, die Ergebnisse archäologischer Forschungen in Mittelasien einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen, bot die Ausstellung »Alexander der Große und die Öffnung der Welt. Asiens Kulturen im Wandel«. Sie wurde vom 3. Oktober 2009 bis zum 21. Februar 2010 in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen gezeigt (Abb. 40). Die internationale Ausstellung führte die Besucher mit der Person Alexanders des Großen von Griechenland über Babylonien bis nach Baktrien. Im Mittelpunkt standen dabei die kulturellen Wandlungsprozesse, welche infolge des Alexanderzuges und der Ansiedlung von Söldnern aus dem Mittelmeerraum in Asien ausgelöst wurden und die bis in die nachchristlichen Jahrhunderte fortdauerten. Deshalb wurden neben hochrangigen Exponaten aus den großen europäischen Museen vor allem zahlreiche eindrucksvolle, größtenteils erstmals in Europa gezeigte Objekte aus Tadžikistan, Uzbekistan und Afghanistan präsentiert. An der Konzeption der Ausstellung, der Auswahl der Exponate und der Vorbereitung des Leihverkehrs hat ein Team aus Archäologen der EurasienAbteilung und der Curt-Engelhorn-Stiftung gearbeitet. Als sehr hilfreich erwiesen sich dabei die langjährigen Kontakte des Instituts zu den Kollegen in den zentralasiatischen Republiken sowie die institutionellen Verbindungen zum Auswärtigen Amt und den Botschaften vor Ort. Auf zwei Reisen durch die ehemaligen zentralasiatischen Sowjetrepubliken haben die Kuratorinnen der Ausstellung die wichtigsten Museen, Sammlungen und Grabungsstätten besucht und vorbereitende Gespräche mit den Kollegen vor Ort geführt (Abb. 41).
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Die Ausstellung und der umfangreiche Katalog boten auch die Gelegenheit, die Ausgrabungen und Forschungen der Eurasien-Abteilung in Uzbekistan und Tadžikistan zu präsentieren. Beispielsweise wurde eine auf den Grabungsergebnissen basierende Rekonstruktion der Festung Kurganzol erstellt und in einem 3D-Simulationsfilm in der Ausstellung präsentiert. Die im Süden Uzbekistans gelegene Festung, deren archäologische Erforschung im Vorjahr durchgeführt werden konnte (s. AA 2009/1 Beiheft, 396– 398), wurde höchstwahrscheinlich während des Alexanderzuges errichtet und gehört damit zu den wenigen erhaltenen alexanderzeitlichen Bauten. Um die Siedlungsstrukturen der verschiedenen antiken Perioden vor Augen zu führen, sind im Katalog der Ausstellung auch die Forschungen der Eurasien-Abteilung in der Provinz Surchandar’ ja im Süden Uzbekistans beschrieben (s. AA 2008/1 Beiheft, 351–353). In dieser Region wurden verschiedene Siedlungen erforscht, die jeweils nur in einer bestimmten Zeitspanne vom 2. Jt. v. Chr. bis ins 5. Jh. n. Chr. genutzt wurden. Die Befunde und Funde dieser Ausgrabungen können somit in idealer Weise die zeitliche Dimension der Siedlungstätigkeit in Baktrien verdeutlichen. Schließlich waren in der Ausstellung auch zahlreiche Funde aus dem OxusTempel in Takht-i Sangin zu sehen (Abb. 42). Die dortigen, in den 1970 und 1980er Jahren von einem sowjetischen Team begonnenen und heute von unserer tadžikischen Kollegin A. Drujinina fortgesetzten Ausgrabungen haben zahlreiche aufsehenerregende Funde erbracht, die im Zuge eines an die Eurasien-Abteilung gebundenen Forschungsprojekts ausgewertet werden (s. AA 2008/1 Beiheft, 353–355). Die aus der hellenistischen und der nachfolgenden Kušanzeit stammenden Objekte aus Gold, Elfenbein, Bronze, Stein und Terrakotta belegen auf sehr anschauliche Weise die Bedeutung Baktriens als Schmelztiegel kultureller Einf lüsse aus Ost und West. Kooperationspartner: Curt-Engelhorn-Stiftung für die Reiss-EngelhornMuseen • Leitung des Projekts: G. Lindström, N. Crüsemann (Reiss-Engelhorn-Museen) • Abbildungsnachweis: Reiss-Engelhorn-Museen (Abb. 40); DAI, Eurasien-Abteilung, G. Lindström (Abb. 41); Reiss-Engelhorn-Museen, G. Lindström (Abb. 42).
Abb. 42 Ausstellung »Alexander der Große und die Öffnung der Welt«, Kopf eines hellenistischen Herrschers aus dem Oxus-Tempel in Takht-i Sangin (Tadžikistan). Die aus ungebranntem Ton bestehende, etwa halblebensgroße Statue war ursprünglich vergoldet, so dass ihre Wirkung einer polierten Bronzestatue nahe kam
Bronzezeitliche und früheisenzeitliche Fundplätze in der Kuljabregion (Tadžikistan) Die in Südwesttadžikistan verbreitete bronzezeitliche Beškent-Vachš-Kultur (2. Drittel 2. Jt. v. Chr.) ist bisher fast ausschließlich aus Grabfunden bekannt. Die weitaus häufigste Grabform stellt das Katakombengrab unter einem Grabhügel dar. Einfache, nur aus Eingansschacht und Grabkammer bestehende Katakombengräber ohne Grabhügel, wie sie für Süduzbekistan und Nordafghanistan typisch sind, erscheinen eher selten. Das Vorkommen letzterer Grabform auf der 6 km nördlich von Kuljab gelegenen Nekropole Gelot, deren Ausgrabung fortgesetzt wurde (Abb. 43), unterstreicht die enge Verbindung mit den westlich und südwestlich angrenzenden Regionen. Bei den Gräbern handelt es sich um Körperbestattungen, wobei die Toten als Hocker beigesetzt waren. Daneben fanden sich auch Kenotaphe. Die in den Gräbern gefundene Keramik umfasst sowohl handgemachte als auch scheibengedrehte Formen. Mittels Bodenmagnetikmessungen war es möglich, die Größe des Gräberfeldes zu bestimmen. Neben den bronzezeitlichen Gräbern wurde im Bereich der Nekropole auch eine mongolenzeitliche Bestattung mit Waffenbeigaben freigelegt. Mit dem Ziel, die bronzezeitliche Siedlung zu lokalisieren, wurde außerdem eine geo-archäologische Prospektion durchgeführt. Bohrungen im Talbereich des Jah-Su in der Umgebung von Gelot zeigten, dass aufgrund des sehr hohen Grundwasserspiegels hier kaum mit archäologisch näher zu unter-
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Abb. 43 Kuljabregion (Tadžikistan), Grabungen auf der Nekropole von Gelot
Abb. 44 Kuljabregion (Tadžikistan), die Grabungsflächen von Učkun 2 am Fuß des Chodža Sartez. Im Hintergrund das Jah Su-Tal
Abb. 45 Kuljabregion (Tadžikistan), Hügel mit eisenzeitlicher Besiedlung bei Kuduk
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suchenden prähistorischen Siedlungen zu rechnen ist. Nur am nördlichen Rand des Jah-Su-Tales im Bereich der zweiten Flussterrasse ließ sich bei der Ortschaft Učkun (Abb. 44) unter modernen und mittelalterlichen Schichten eine achämenidenzeitlich-frühhellenistische Besiedlung nachweisen. Außerdem wurden innerhalb der modernen Ortschaft Gelot achämenidenzeitliche Siedlungsspuren entdeckt. Eine anschließende Begehung im Bereich der nördlich an das Jah-Su-Tal angrenzenden Chodža-Sartez-Hügelkette führte zur Entdeckung einer weiteren Siedlung mit bemalter Keramik der Spätbronze- bzw. Früheisenzeit in der Nähe der Ortschaft Kuduk (Abb. 45). Hier durchgeführte Grabungen zeigten eine ähnliche Siedlungsstruktur aus eingetieften Häusern und Gruben, wie sie aus dem unweit gelegenen Karim Berdy bekannt ist. Diese beiden Siedlungen sowie bronzezeitliche Lesefunde (Abb. 46) aus dem Bereich des Chodža-Sartez machen deutlich, dass mit einer vorachämenidenzeitlichen Besiedlung wohl vor allem in dieser Hügellandschaft zu rechnen ist. Eine Aufsiedlung der Ebene erfolgte somit wahrscheinlich erst in achämenidischer Zeit. Für die eisenzeitliche Siedlung von Karim Berdy wurde eine Bodenmagnetikmessung durchgeführt. Umfang und Struktur der Siedlung konnten deutlich erfasst werden. Neben zahlreichen Gruben zeichnen sich deutlich mehrere Grubenhäuser und Öfen ab. Kooperationspartner: Achmadi-Doniš-Institut für Geschichte, Archäologie und Ethnographie der Akademie der Wissenschaften Tadžikistans in Dušanbe (T. Filimonova); Institut Vostokovedenija der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau (N. Vinogradova) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: M. Teufer • Abbildungsnachweis: N. Vinogradova (Abb. 43); M. Teufer (Abb. 44–46).
Abb. 46 Kuljabregion (Tadžikistan), bronzezeitliches Steingewicht
Herat (Afghanistan), Nationalmuseum Herat Das Nationalmuseum in Herat beherbergt eine umfassende Sammlung archäologischer Objekte. Etwa 1 100 der ehemals 3 000 Objekte haben die Kriegswirren überlebt, zurzeit wächst der Bestand weiter durch Schenkungen und beschlagnahmte Konvolute aus Raubgrabungen. Die Exponate datieren in einen Zeitrahmen von der Mitte des 3. Jts. v. Chr. bis in die frühe Neuzeit, die Sammlung islamischer Kunst ist die zurzeit bedeutendste Sammlung in Afghanistan. Die Stücke sind von besonderer Bedeutung, weil sie neben qualitativ hochwertigen Objekten, wie sie bei Ausgrabungen eher selten zu Tage kommen, vor allem Gebrauchsutensilien, die ihrerseits nur selten den Weg in internationale Ausstellungen und Sammlungen finden, umfasst. Die archäologische Sammlung wird durch Handschriften und Druckwerke des Handschriftenarchivs ergänzt. Im Vorjahr begann die Katalogisierung und Schadensbegutachtung der Bestände. Dieses Jahr konnte das Projekt erweitert werden. Mit einer nach Herat geschickten Ausrüstung begann die Restaurierung der Objekte, zunächst noch in provisorischen Räumlichkeiten. Nach Fertigstellung der Bauarbeiten durch den Aga Khan Trust for Culture konnte im Juli für den zweiten Arbeitsabschnitt die neue Werkstatt bezogen und feierlich eingeweiht werden (Abb. 47). Im Herbst wurde begleitend dazu die Erfassung der Objekte im archäologischen Museum mit der Sachgruppe Keramik fortgesetzt. Bearbeitet wurden neben Objekten, die für die neue Ausstellung vorgesehen sind, auch wissenschaftlich interessante Sammlungsteile, darunter in einer Formschüssel hergestellte, mit aufwendigen Mustern und Inschriften verzierte Krüge und die große Kollektion der ›Pseudo-Prehistoric-Ware‹, einer aufwendig bemalten Keramik, die bislang nur durch einige Gefäße aus
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Abb. 47 Herat (Afghanistan), National museum. Restaurierungswerkstatt
Abb. 48 Herat (Afghanistan), National museum. Keramikgefäß mit Hexagramm, fortlaufendem Knotenmotiv und KufiSchriftband auf der Schulter (12.–15. Jh. n. Chr.) Abb. 49 Herat (Afghanistan), National museum. Zweifarbig bemalte ›pseudoprehistoric ware‹ (11.–12. Jh. n. Chr.)
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dem Kunsthandel bekannt ist (Abb. 48. 49). Auch bei der Restaurierung lag der Schwerpunkt während der Kampagne auf der Keramik. Aus dem Bestand des Department of Monuments and Sites wurden ferner zwei timuridische Grabsteine und eine Steinsäule, die in der Ausstellung gezeigt werden sollen, restauriert. Im kommenden Jahr werden die konservatorischen Arbeiten mit der Materialgruppe Metall fortgesetzt, ein weiterer Schwerpunkt wird bei der Buchkunst liegen. Parallel zu diesen Arbeitsbereichen wurde die konzeptionelle und organisatorische Planung der neuen Dauerausstellung, die nach dem Abschluss der Umbauarbeiten in der Zitadelle Ende 2010 eingerichtet werden soll, fortgesetzt und mit den involvierten Abteilungen des Kulturministeriums im Detail abgesprochen. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Katalogisierung der Sammlung abgeschlossen sein, inklusive der seit dem Vorjahr neu hinzugekommenen Konvolute. Die Restaurierungsarbeiten werden bis 2011 fortgesetzt. In der Werkstatt arbeiten außer zwei Restauratoren aus Deutschland zwei Mitarbeiter des Nationalmuseums in Kabul sowie zwei Personen aus Herat, die als Restauratoren ausgebildet werden. Die praktische Arbeit wird durch theoretische Unterrichtseinheiten vor Ort ergänzt. Dieses Ausbildungsprogramm konnte Ende des Jahres erweitert werden. Mit den Geldern werden insgesamt drei zwei- bis dreimonatige Aufenthalte in Deutschland für je zwei Personen finanziert. Die Aufenthalte alternieren mit den Arbeitskampagnen in Herat und umfassen im Wechsel Unterricht im Studiengang Restaurierung der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin und Praktika in den Werkstätten der Staatlichen Museen zu Berlin. Kooperationspartner: Museum für Islamische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz; Nationalmuseum Kabul; Ministerium für Information und Kultur, Kabul; Nationalarchiv Kabul; Studiengang Restaurierung und Grabungstechnik der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin • Förderung: Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland; Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: U. Franke • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: C. Gütschow, A. Lange, M. Müller-Wiener • Abbildungsnachweis: U. Franke (Abb. 47–49).
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Herat (Afghanistan), Areia Antiqua Nach Abschluss der Ausgrabungen 2008 im oberen Hof (Schnitt 1) und am Nordtor (Schnitt 3, Abb. 50) der Zitadelle Qala’ e Ikhtyaruddin, einer Befestigung, die als Gründung Alexanders des Großen gilt und deren erhaltene Bauwerke bis ins 13. Jh. n. Chr. zurückreichen, standen in diesem Jahr die Restaurierung der timuridischen Toranlage und die Dokumentation der Funde aus den Grabungen 2008 im Mittelpunkt der Arbeiten. Der Wiederauf bau der Türme und des Eingangsbereiches begann Ende letzten Jahres und wurde 2009 fortgesetzt (Abb. 51. 52). Das Projekt wird Anfang 2010 mit der feierlichen Übergabe an das Ministerium für Information und Kultur abgeschlossen. Die in Schnitt 3 freigelegte Architektur kann mehreren Bauphasen zugewiesen werden. Die Mauern der ältesten Phase 1 liegen direkt unterhalb der Fundamente der Toranlage (s. AA 2009/1 Beiheft, 402–404). Dieser bis zu 4 m hoch erhaltene Bau (Phase 2), der eine neue Orientierung zeigt, besteht aus zwei Türmen und einem kreuzförmigen Mittelraum, der die Türme mit
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Abb. 50 Herat (Afghanistan), Areia Antiqua. Qala’ e Ikhtyaruddin, Blick über den Bereich der Toranlage vor Beginn der Arbeiten (2007) Abb. 51 Herat (Afghanistan), Areia Antiqua. Qala’ e Ikhtyaruddin, Blick über die Toranlage nach Osten kurz vor Fertigstellung der Restaurierung (Oktober 2009) Abb. 52 Herat (Afghanistan), Areia Antiqua. Qala’ e Ikhtyaruddin, Blick auf die Toranlage nach Süden (Oktober 2009)
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den seitlichen Nebenräumen und den in die Zitadelle führenden Korridor erschloss. Diese repräsentativ gestaltete Anlage datiert in das frühe 15. Jh., also in die Regierungszeit Shah Rukhs. Deutlich später wurde an der Nordseite der Zitadelle ein Steinglacis (Phase 3 a. b) verlegt. Dieses blockierte die seitlichen Zugänge der Anlage und verdeckte Teile des Bauschmuckes der Türme. Bei einer Erneuerung wurden die Steinquader mit großformatigen Ziegeln überdeckt und die Böschung verändert. In Phase 4 erhielt das im Wassergraben liegende Mauerwerk der Türme eine massive Steinummantelung, die Brücke über den Wassergraben wurde erneuert und im Eingangsbereich zum Kreuzraum ein aufwendiger Fußboden aus behauenen Steinen und Ziegeln verlegt. In der folgenden Phase 5 wurden einige Mauern im Ostteil errichtet, jedoch liegen diese bereits auf einem wesentlich höheren Niveau. In der letzten Phase 6 wurden der Zugangsraum zu dem überwölbten Korridor verschüttet und das Spitzbogentor zugesetzt und auf dem Schutt Turm XVIII errichtet, wahrscheinlich als Teil der Erneuerung der Nordseite der Zitadelle im 18. Jh. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde die Toranlage aufgegeben und der Eingang verlegt. Bei der Rekonstruktion des Baus wurde die Hauptbauphase (Phase 2) bis auf das Fußbodenniveau erhalten, das Areal stabilisiert, die Mauern bis zu der mindestens nachweisbaren Höhe aufgemauert, einschließlich der Bögen und Gewölbe (Abb. 53). Die Wiederherstellung der Mauern und Türme diente vor allem der statischen Absicherung der Zitadellenmauer und von Turm XVIII. Die Sockelverkleidung der Türme mit Sandsteinplatten und Sägezahndekor wurde erneuert, das Ziegelversatzdekor in den erhaltenen Bereichen mit im Schutt gefundenen glasierten Originalziegeln ergänzt und mit speziell hergestellten unglasierten, aber farblich abgesetzten Ziegeln über den gesamten Außenbereich weitergeführt. Die Bausubstanz der späteren Phasen wurde konsolidiert. Die archäologisch nachgewiesene Brücke ist durch eine ebenerdige Ziegelkonstruktion angedeutet. Das Glacis wurde beidseitig der Türme auf einer Breite von ca. 10 m erneuert, im Osten das Ziegelglacis ergänzt, im Westen das ältere Steinglacis. Sicherungsmaßnahmen umfassten die Festigung von Bauteilen durch Kupfer- und Stahlnägel, die Unterfangung von Turm XVIII und anderer Mauern, die Konsolidierung der Grabungsprofile und die Drainage der gesamten Anlage.
Abb. 53 Herat (Afghanistan), Areia Antiqua. Qala’ e Ikhtyaruddin, Aufbau der Gewölbe des Kreuzraumes. Innenschale der Türme (August 2009)
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Die Entwicklung und Umsetzung eines restauratorischen Konzepts, welches denkmalpf legerische Prinzipien und statische Erfordernisse mit vor Ort vorhandenen Materialien und fachlicher Kompetenz vereinbart, gestaltete sich schwierig. Die sachgerechte und stabile bauliche Ausführung und der Übertrag des geometrischen Dekorschemas von einer zweidimensionalen Vorlage auf einen konischen Baukörper stellte hohe Anforderungen an die Maurer. Im Ergebnis stehen nun geschulte Arbeitskräfte zur Verfügung, vor allem aber ergaben sich neue Einblicke in die zeitliche Entwicklung der Anlage und in die timuridische Bautechnik. Kooperationspartner: National Institute of Archaeology in Afghanistan, Ministerium für Information und Kultur (Kabul); Department of Monuments and Sites, Ministerium für Information und Kultur (Kabul/Regionalbüro Herat); Aga Khan Trust for Culture (Regionalbüro Herat) • Förderung: Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland • Leitung des Projekts: U. Franke • Mitarbeiter: T. Urban, D. Ramin • Abbildungsnachweis: U. Franke (Abb. 50. 51); T. Urban (Abb. 52. 53). Nekropolen in der Baraba-Steppe (Russische Föderation) und Aksuat (Kazachstan) 1997 wurde seitens der Eurasien-Abteilung mit der systematischen Erforschung von großen Kurganen Eurasiens begonnen. In diesem Jahr wurden diese Arbeiten auf drei Fundplätzen durchgeführt, in Tartas 1 und auf zwei neuen Plätzen – Pogorelka und Aksuat (Abb. 54). Die Forschungen bezogen damit Fundplätze sowohl aus Russland als auch Kazachstan ein und wurden in Kooperation mit unterschiedlichen Partnern durchgeführt. Die langjährige, 2003 begonnene Grabung der bronzezeitlichen Nekropole in Tartas 1 (Oblast’-Novosibirsk) wurde fortgesetzt. Insgesamt konnten in diesem Jahr 61 Gräber der Krotovo-, Andronovo-, und Irmen’-Kultur untersucht werden. Hinzu kommen noch einige Gräber aus der Altturkzeit. Die Forschungen dieses Jahres erlauben es, nicht nur die Dynamik der Entwicklung der Nekropole, sondern auch einige Etappen der Kulturentwicklung in der Baraba-Steppe zu klären. In der Nähe des Dorfes Pogorelka (Oblast’-Novosibirsk) wurden archäologische Untersuchungen auf der früheisenzeitlichen Nekropole (skythenzeitliche Sargat-Kultur) Pogorelka 2 durchgeführt. Die Nekropole besteht aus 42 kleinen und großen Kurganen. In zwei Kurganen mit einem Durch-
Abb. 54 Nekropolen in der Baraba-Steppe (Russische Föderation) und Aksuat (Kazachstan), Karte mit den in diesem Jahr neu hinzugekommenen Fundorten Pogorelka und Aksuat sowie Tartas 1
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messer von ca. 60 m und einer Höhe von bis zu 2,50 m sind ohne Zweifel die Vertreter der Sargat-Elite bestattet (Abb. 55). Ein kleiner Kurgan (Durchmesser ca. 26 m, H 0,90 m) wurde ausgegraben. Eine vor der Grabung durchgeführte geophysikalische Prospektion lieferte wichtige Angaben über die Grenzen und die innere Struktur des Kurgans. Im Kurgan wurden sechs Gräber freigelegt. Sie bildeten eine Nordnordwest-Südsüdost orientierte Reihe im Zentrum der Anlage (Abb. 56). Zwei der Gräber waren ungestört und enthielten menschliche Skelette mit deutlichen Spuren von Verletzungen, die durch Pfeile, Schwert und Streitkeule verursacht worden sind. In einem der Gräber befand sich ein äußerst reiches Inventar aus Perlen, Keramik, einer ornamentierten Bronzeplatte und Plättchen aus Goldblech. Vergleichstücke dafür liefern die Fundplätze der Sargat-Kultur am mittleren Išim und mittleren Tobol in der Westsibirischen Steppe. An der ehemaligen Oberf läche unter der Aufschüttung kamen zahlreiche Pfostenlöcher zum Vorschein – die Reste einer komplizierten Holzkonstruktion. Des Weiteren wurden Spuren von rituellen Handlungen anhand von Feuerstellen, Knochenresten usw. festgestellt. Zeitlich gehört die Nekropole in die ersten Jahrhunderte n. Chr. Das ist die letzte, bis jetzt nicht ausreichend erforschte Entwicklungsstufe der Sargat-Kultur. In Ostkazachstan wurden archäologische Forschungen äußerst selten durchgeführt, obwohl aus diesem Gebiet sehr wichtige Denkmäler, wie z. B. Čilikty, bekannt sind. In der Nähe des Dorfes Aksuat befindet sich eine früheisenzeitliche Kurgannekropole (Abb. 57). Sie besteht aus mehr als zehn Kurganen. In diesem Jahr wurden vier von ihnen ausgegraben. Sie lieferten uns überaus ungewöhnliche neue Erkenntnisse über ihre Konstruktion. Sie wurden auf ovalen Plattformen aus gestampftem Lehm in vielen Bauetappen errichtet. Unter den Kurganen befanden sich große, tiefe Katakomben. Diese
Abb. 55 Nekropolen in der Baraba-Steppe (Russische Föderation) und Aksuat (Kazachstan), Großkurgan der Nekropole Pogorelka in Westsibirien (Russische Föderation) Abb. 56 Nekropolen in der Baraba-Steppe (Russische Föderation) und Aksuat (Kazachstan), Nekropole Pogorelka (Russische Föderation). Kurgan 8, Gräberreihe
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Abb. 57 Nekropolen in der Baraba-Steppe (Russische Föderation) und Aksuat (Kazachstan), Nekropole Aksuat (Ostkazachstan). Großkurgan
Bauweise war für die skythische Zeit in Kazachstan bisher nicht bekannt. Analogien dazu und die kulturelle Zugehörigkeit der hier Bestatteten werden daher Gegenstand weiterer Untersuchungen sein. Das in den Gräbern gefundene Inventar erlaubt es, diese Kurgane in das 1. Jh. v. Chr. zu datieren. Kooperationspartner: Institut für Archäologie und Ethnographie der Sibirischen Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften in Novosibirsk (V. I. Molodin); Institut für Archäologie der Republik Kazachstan (S. Samašev) • Leitung des Projekts: A. Nagler, V. I. Molodin, S. Samašev • Abbildungsnachweis: A. Reuter (Abb. 54); A. Nagler (Abb. 55); A. Solovjov (Abb. 56); R. Wieland (Abb. 57). Archäologische Museen als Identitätsstifter (VR China) Aufsehen erregende archäologische Entdeckungen in allen Landesteilen Chinas werden in den letzten Jahren immer häufiger an Ort und Stelle in Fundplatzmuseen konserviert und der breiten Öffentlichkeit präsentiert. Sowohl die Zentral- als auch die Provinzregierungen stellen dafür Mittel zur Verfügung und die Medien greifen diese Themen mit Interesse auf. Repräsentative Fundplatzmuseen werden in China wie in Deutschland zunehmend zu Orten anschaulicher Vermittlung und nachhaltigen Erlebens lokal-kultureller Identität. Offiziell im Jahr 2007 eröffnet, stellt das Jinsha-Museum im Herzen der Hauptstadt der zentralchinesischen Provinz Sichuan mit einer aktiven Öffentlichkeitsarbeit dafür ein herausragendes Beispiel dar. Für den Erhalt des spätbronzezeitlichen Siedlungs- und Ritualplatzes wurde ein innerstädtisches Autobahnkreuz verlegt. Vor allem
Abb. 58 Archäologische Museen als Identitätsstifter (VR China), Fundplatzmuseum Jinsha in Chengdu (Provinz Sichuan). Halle über der konservierten offenen Ausgrabung (um 1000 v. Chr.)
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Abb. 59 Archäologische Museen als Identitätsstifter (VR China), Fundplatzmuseum Sanxingdui, Kreis Guanghan (Provinz Sichuan). Bronzeplastik (Gesamthöhe: 262 cm, ca. 1500–1000 v. Chr.)
Abb. 60 Archäologische Museen als Identitätsstifter (VR China), Fundplatzmuseum Jinsha in Chengdu (Provinz Sichuan). Goldfolie mit vier Vögeln im Flug um die Sonne, die vermutlich auf einem Lackgrund aufgelegt war (Dm 12,50 cm, Gewicht: 20 g, um 1000 v. Chr.)
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Goldmasken und Skulpturen sowie Spuren von Elefantenkulten, die direkt mit den Bewohnern des Chengdu-Tales vor 3 000 Jahren in Verbindung gebracht werden, ziehen enorme Besucherströme an. An Sonn- und Feiertagen mit freiem Eintritt erlebt das Museumsgelände mit 300 000 m 2 , für dessen Anlage etwa 4 Millionen € verwandt wurden, ca. 50 000 Besucher pro Tag. Eine Halle überspannt die offen konservierte Grabungsf läche von 7 588 m 2 , über die die Besucher auf Stegen und Treppen geführt werden (Abb. 58). In der Ausstellungshalle sind Funde und Rekonstruktionen auf 5 000 m 2 Ausstellungsf läche zu besichtigen und zu erleben. Dazu gehören großformatige Landschaftsrekonstruktionen, dreidimensionale lebensgroße Szenen sowie ein 4D-Film mit physischen Effekten. Der Audio-Guide wird in sieben Sprachen angeboten, die Website in Chinesisch und Englisch. Bis Ende des Vorjahres erschienen zu Jinsha mehr als 1 000 Artikel in chinesischen Tageszeitungen und Zeitschriften und etwa 500 000 Internetlinks zu Jinsha sind registriert worden. Noch bekannter als Jinsha ist der nahe gelegene Fundplatz Sanxingdui, wo Mitte der 1980er Jahre riesige Bronzemasken und eine überlebensgroße Bronzeskulptur entdeckt wurden (Abb. 59). Sie gehörten offensichtlich zu einer reichen Tempelausstattung, die man aus unbekannten Gründen in zwei Gruben mit einer großen Menge Elefantenstoßzähnen rituell bestattet hatte. Das Museum Sanxingdui gehört mit 7 000 m 2 Ausstellungsf läche inzwischen zu den größten Fundplatzmuseen Chinas. Im medialen Auftritt beider Museen wird vor allem die Andersartigkeit im Vergleich zur zeitgenössischen nördlich benachbarten chinesischen Zivilisation betont. Und die Bewohner Sichuans identifizieren sich heute stark mit diesen Frühzeitkulturen, gerade weil sie Jahrhunderte später von der chinesischen Kulturtradition assimiliert worden sind. Welch starke Symbolkraft die chinesische Regierung dem Kulturerbe bemisst, zeigt sich auch daran, dass dem Raumschiff Shenzhou 6 eine Nachbildung des Hauptfundes aus Jinsha bei seinem Flug ins All im Jahr 2005 mitgegeben wurde. Diese Goldfolie mit vier Vögeln, die ein zentrales Sonnenrad umkreisen (Abb. 60), ist außerdem das Logo der obersten staatlichen Denkmalschutzbehörde. Die Instrumentalisierung historischer Ereignisse und lokal-spezifischer Entwicklungen zur Ausbildung von Ortsverbundenheit und Geschichtsbewusstsein stehen im Zentrum dieses Projekts. Während der ersten Studienreise in diesem Jahr wurden die Geschichte und Hintergründe des Auf baus von drei Fundplatzmuseen, ihre Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie deren Auswirkungen auf die Vermittlung von Geschichtswissen in Schul- und Kinderbüchern und im Internet untersucht und dokumentiert. Kooperationspartner: Sichuan-Universität (Huo W.); Jinsha-Museum (Zhu Zh. Y.) • Förderung: ESF, europäisch-chinesischen Netzwerk COREACH (ERA-NET) • Leitung des Projekts: M. Wagner • Mitarbeiter: P. Wertmann • Abbildungsnachweis: M. Wagner (Abb. 58. 59); Jinsha-Museum (Abb. 60). CHIME: Chinese Early Metal: Database – Analyses – Applications (VR China), Chinese Archaeology Database CHARDA-Xplore (VR China) Die räumliche Verbreitung von technischen und sozialen Neuerungen in China vom späten 3. bis zum 1. Jt. v. Chr. auf der Grundlage chinesischer Ausgrabungsberichte herauszuarbeiten, ist eines der Ziele dieses Projekts. Etwa um 2000 v. Chr. nahm die Siedlungsdichte im nord- und zentralchinesischen Raum erheblich zu und viele dieser Siedlungen wurden erstmalig stark durch Mauern befestigt. Die Bestattungsplätze zeigen eine große soziale Differenzierung mit
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Konzentrationen von speziellen Ritualgeräten wie Musikinstrumenten und Importgütern in besonders großen Grabanlagen mit mehrfachen Holzsärgen. Zeugnisse aller Gewerke wie Töpferei, Weberei und Feldbau belegen einen beispiellosen Entwicklungsschub. In dieser Zeit tauchen auch die ersten Bronzeobjekte auf. Es handelt sich dabei um Waffen und Geräte wie Messerklingen, Beile, Lanzenspitzen und Ahlen, Spiegel sowie Körperschmuck. Quantitativ waren sie nach bisherigem Kenntnisstand eher unbedeutend. Allerdings tauchen sie zuerst, d. h. vor 2000 v. Chr., in den Berg- und Steppenregionen West- und Nordchinas auf. Weil am Fundplatz Taosi auch eine kleine Bronzeglocke zu diesen frühesten Funden gehört, kann man durchaus davon sprechen, dass die Bronzezeit in China ›eingeläutet‹ wurde. Dass das Wissen vom Herstellungsprozess und den Eigenschaften der Bronze aus Zentralasien über Xinjiang, Qinghai und dem Gebiet der heutigen Inneren Mongolei nach Ostchina vermittelt wurde, steht heute außer Frage. Erst nach 2000 v. Chr. wird Bronze am Unterlauf des Gelben Flusses für die Herstellung der dort wichtigsten rituellen Paraphernalia verwendet: Gefäße für Speise- und Trankopfer. Mit dem Auf kommen von Bronze geht auch die Entstehung von Staatswesen einher, an dessen Spitze man sich gegenwärtig einen König vorstellt, der gleichzeitig als höchster Priester den staatstragenden Riten vorstand. Jedenfalls bilden Palasthallen und Tempel das Zentrum einiger untersuchter ummauerter Stadtanlagen. Eine zentrale Frage ist, ob der Zugriff auf Metall diesen drastischen allgemeinen technischen Entwicklungsschub und sozialen Differenzierungsprozess auslöste oder zumindest begünstigte oder ob dieses Wissen von den bereits sehr komplexen nordchinesischen Gesellschaften assimiliert wurde, wie anderes Wissen auch, und während einer Experimentierphase bis zur Mitte des 2. Jts. v. Chr. zunächst ohne tief greifende soziale Wirkung blieb. Um diesem Zusammenhang von Ursache und Wirkung auf die Spur zu kommen, müssen f lächendeckend archäologische Daten erhoben, klassifiziert, kartiert und miteinander verglichen werden. Im Rahmen dieses Projekts wurde mit der Datenbank CHARDA-Xplore dafür ein geeignetes Werkzeug entwickelt. Bronzefunde in Xinjiang wurden in diesem Jahr im Rahmen einer Magisterarbeit in die Datenbank eingepf legt (Abb. 61). Für Ostchina enthält die Datenbank beispielsweise 840 Fundplatzdaten für die Periode um 2000 v. Chr., die sowohl auf Google Earth und Google Maps als auch auf externen Kartierungsgrundlagen angezeigt werden können (Abb. 62. 63).
Abb. 61 CHIME: Chinese Early Metal: Database – Analyses – Applications (VR China), Auszug der in CHARDA-Xplore gespeicherten Daten zu Metallfunden in Xinjiang
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Abb. 62 CHIME: Chinese Early Metal: Database – Analyses – Applications (VR China), Direkt aus der Datenbank erzeugte Kartierung von 840 Fundplätzen der Longshan-Kultur (ca. 2600–1900 v. Chr.) auf Satellitenkarten von Google Maps
Abb. 63 CHIME: Chinese Early Metal: Database – Analyses – Applications (VR China), Kartierung von 840 Fundplätzen der Longshan-Kultur (ca. 2600–1900 v. Chr.) auf einer extern erzeugten Karte
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CHARDA-Xplore wurde in diesem Jahr mit einer dreisprachigen Oberf läche (Deutsch, Englisch, Chinesisch) partiell online gestellt. Leitung des Projekts: M. Wagner • Mitarbeiter: D. Hosner, A. Fleck, R. Ehrich, G. Leube, Ch. Roth • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, CHARDA-Xplore (Abb. 61); DAI, Eurasien-Abteilung, CHARDA-Xplore, Google Maps (Abb. 62); DAI, Eurasien-Abteilung, CHARDAXplore (Abb. 63). Minamikayabe (Japan) Die Besiedlungsgeschichte von Hokkaido, der nördlichsten Insel Japans, von ihren Anfängen um 9000 v. Chr. bis ins späte Mittelalter zu erschließen, steht im Mittelpunkt dieses langfristigen Projekts. Dabei geht es erstens darum, Grundzüge der bereits vorhandenen Forschungsergebnisse und Kenntnisse der japanischen Partner für ein internationales Publikum aufzubereiten. Ende dieses Jahres wurde der Grundstein für ein Ausstellungs- und Forschungszentrum (»Jomon Centre«) in der Fundregion Minamikayabe (Landkreis Hakodate) gelegt, in dem Funde und Studien der Öffentlichkeit präsentiert werden sollen. Das DAI begleitet den Auf bau und die Einrichtung beratend. Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 150. Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Japan und Deutschland im Jahr 2011 wird auch das Jomon Centre eröffnet. Das DAI und das Archäologische Institut Hakodate bereiten dafür ein internationales wissenschaftliches Forum und eine Publikation vor. Zweitens dienen die gegenwärtigen Fundplatzbegehungen und Materialstudien in Funddepots dazu, die Grundlagen für ein kooperatives Forschungsprojekt zu schaffen, bei dem ab 2012 durch systematische Surveys, Ausgrabungen und Analysen beispielsweise lokalspezifische Verfahren der Nutzbarmachung von natürlichen Ressourcen erforscht werden können. Auf der Insel Hokkaido spielen vor allem Ernte- und Konservierungsmethoden im Zusammenhang mit der spezifischen küstennahen maritimen Flora und Fauna eine herausragende Rolle. Zu den interessantesten Themen, die dabei erforscht werden sollen, gehört der Einf luss des saisonalen, lokal begrenzten Nahrungsangebotes und der Eigenschaften bestimmter Nahrungsmittel auf die soziale Mobilität der frühesten Siedler sowie ihre Haus- und Siedlungsbauten. Während die erste Forschungsreise im vergangenen Jahr dem Ziel diente, sich generell einen Überblick über den Charakter der Jomon-Kultur (Neolithikum) auf dem Südteil der Insel zu verschaffen, führte die diesjährige Forschungsreise in den Norden und Osten. Soweit gegenwärtig erkennbar, teilte der Süden wesentliche kulturelle Züge mit den Gemeinschaften auf der Nordspitze der Insel Honshu. Der Norden hingegen weist Züge auf, die enge kulturelle Kontakte mit den Siedlern auf der Insel Sachalin und der Festlandküste (Primor’e) belegen. Das Archäologische Institut Hokkaido mit Sitz in Sapporo hat eine Vielzahl von prähistorischen Fundplätzen prospektiert und einen umfangreichen Fundbestand dokumentiert (Abb. 64. 65). Zu den Fundregionen mit besonders hohem Erkenntnispotential gehören die Inseln Rebun und Rishiri, die Hokkaido nordwestlich vorgelagert sind und die Verbindungsstationen zum Kontinentalschelf darstellen. Für die Erforschung der frühesten Küstenschifffahrt und des Kommunikationsnetzwerks im Nordpazifik spielen sie eine besondere Rolle. Eine Vertiefung der Studien in diesem Gebiet wird deshalb angestrebt. Die erste im Kooperationsvertrag vereinbarte Teilnahme deutscher Studierenden an Ausgrabungen in Minamikayabe hat in diesem Jahr stattgefunden.
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Abb. 64 Minamikayabe (Japan), Ausstellungsraum des Archäologischen Instituts Hokkaido, in Sapporo. Im Vordergrund eine Karte von Hokkaido, auf der rote Nadeln die bereits dokumentierten neolithischen Fundplätze anzeigen
Kooperationspartner: Hakodate City Archaeological Organisation (K. Sato, Ch. Abe); Institut für Geologische Wissenschaften, Fachrichtung Paläontologie der Freien Universität Berlin (P. Tarasov); Eberhard-KarlsUniversität Tübingen • Leitung des Projekts: M. Wagner • Mitarbeiterin: M. Knopf • Abbildungsnachweis: M. Wagner (Abb. 64. 65).
Abb. 65 Minamikayabe (Japan), Keramikgefäßsammlung der mittleren Jomon-Zeit (ca. 5000–4000 v. Chr.) des Archäologischen Instituts Hokkaido
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vorträge 20. Januar Stas Vassiljev (St. Petersburg), Recent Work in Northern Armenia on Iron Age Cyclopic Fortresses 11. Februar Maria Očir-Goriaeva (Elista) – Djangar V. Ochirov (Elista) – Sanal V. Sharaldinov (Elista), Archäologische Denkmäler in der Wolga-Manyč-Steppe 25. Februar Farhod Razzakov (Tadžikistan), Bronzezeitliche Architektur in Sarazm und ihre Parallelen in Altyn-tepe, Shahr-i Sokhta und Tepe Hissar 24. März Ludmila N. Koryakova (Ekaterinburg), The Latest Research of the Bronze Age Sintašta Culture in the Southern Urals (Russian-German Project) 30. März Igor Brujako (Odessa) – Blagoje Govedarica (Berlin) – Igor Manzura (Chişin‡u), Orlovka – Kartal (ein mehrschichtiger Siedlungskomplex an der Unteren Donau in der Ukraine) 24. Juni Daniel Spânu (Bukarest), Die kaiserzeitliche Nekropole von Poienesti, Rumänien 1. Juli Sören Stark (Berlin), Eine bronze- und eisenzeitliche Sakrallandschaft im Norden Tadžikistans? 10. November Václav Furmánek (Nitra), Cinobaˇna (Slowakei). Eine weitere bedeutende Fundstelle aus der Urnenfelderzeit; Jaroslava Pavelková (Nitra), Anthropological Analysis of the Burial-Ground of the Kyjatice Culture in Cinobaˇna (Year 2008). Am 5. November wurde die 4. Thomsen-Vorlesung gehalten: Ernst Pernicka (Tübingen), Metallurgie und Kulturgeschichte – Der Einf luss von technischen Innovationen. Konferenzen 23. bis 26. März Konferenz »The Bosporan Kingdom« (in Zusammenarbeit mit dem Danish National Research Foundation’s Centre for Black Sea Studies an der Universität Aarhus; Veranstaltungsort: Sandbjerg Manor, Dänemark; Organisation: Udo Schlotzhauer [Berlin]). – Es sprachen: Vladimir Kuznetsov (Moskau), Phanagoria in the Archaic Period; Alexander Butya-
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gin (St. Petersburg), Myrmekion in the 6 th to 5th Century; Viktor Zin’ko (Kerch) – Alexey Zin’ko (Kerch), Tyritake. The City and Chora in the 6 th to the First Quarter of the 5th Century BC (to the Problem of Establishment of the Poleis at the Kimmerian Boporos); Daniel Kelterbaum (Marburg) – Udo Schlotzhauer (Berlin) – Denis Žuravlev (Moskau), From Archipelago to Peninsula. Reconstructing the Ancient Landscape of the Taman’ Peninsula: Applied Sciences, Archaeology and History; Tatjana Ilina (Moskau), The Sanctuary on the Maiskaya Mount: Problems of Dating and Interpretation; Udo Schlotzhauer (Berlin) – Denis Žuravlev (Moskau), Golubitskaya 2. A Fortified Settlement of the 6 th Century BC and the Implication for the History of Greek Colonisation and the Early Bosporan Kingdom; Galina Kamelina (Moskau), The Handmade Ceramics from the Settlement Golubitskaya 2 on the Taman’ Peninsula; Nicolai Sudarev (Moskau), Burial Rites in the Late 6 th –4th Centuries BC in the Asian Part of the Bosporan Kingdom (Recent Excavations on the Taman’ Peninsula); Alexei Zavojkin (Moskau), Were the Archaianaktids »the Kings of the Kimmerian Bosporos« (Diod. 12, 31, 1); Oleg Gabelko (Kazan), The Letter of the Unknown King from the Archive of the Koan Asklepieion. Criticism of the ›Bosporan Version‹; Marek Mielczareck (Torun), Cyzicenes, Satyros I, and the Problems of the Pontic Grain Trade; David Braund (Exeter), King Eumelus and the Pirates; Sergei Solovyov (St. Petersburg), Dynamic Variety of Local Populations at Hermonassa, Nymphaion and Akra from the Archaic to the Hellenistic Period; Stefania Gallotta (Neapel), Indigenous People and the Bosporan Kingdom. The Epigraphic Evidence; Sabine Huy (Berlin), At the Edge of Bosporan Kingdom. The Indigenous Settlement of Novo Zolotovka on the Myus-Peninsula; Alexander V. Gavrilov (Simferopol), Les tumulus de la Crimée sud-est (état d’étude, niveau d’information, perspectives de l’étude); Irina V. Tunkina (St. Petersburg), Archaeological Researches of F. Marschall von Bieberstein in the East Crimea and Taman’ Peninsula in 1793–1794; Jakob Munk Højte (Aarhus), Perspectives on the Bosporan Kingdom; Askold Ivantchik (Bordeaux), Roman Troops in the Bosporos. The Problem in the Light of a New Inscription from Tanais; Michail Ju. Treister (Bonn), On the Weapons of Sarmatian Type in the Bosporan Kingdom in the 1st and 2nd Centuries AD; Valentina I. Mordvinceva (Simferopol), The Relationship between the Bosporan Kingdom and Its Barbarian Periphery from the 3rd Century BC to the 3rd Century AD Based on Jewelry and Toreutics; Alfred Twardecki (Warschau), Evidence for Foreign Citizens in Bosporan Inscriptions; Michail G. Abramzon (Magnitogorsk), Foreign Coins in the Currency of Bosporos in the 6 th Century BC – 4th Century AD; Line Bjerg (Aarhus), The Circulation of the City Issues vs. the Royal Issues in the Second Half of the First Century BC; Claudia von Behren (Trier), Grave Reliefs as Sources for Slavery in the Bosporan Kingdom; Patric-Alexander Kreuz (Bochum), The End of Imagery. Ref lections on Medial Changes in Cultural Patterns of the Bosporan Kingdom in the Late 2nd to 3rd Century AD; Igor N. Khrapunov (Simferopol), Bosporos and the Population of the Crimean Foothills in the Late Roman Period; Evgenij Molev (Nizhni Novgorod), The Religious History of the Bosporos in the Late Roman Period (the Example of Kytai). 1. bis 3. April Konferenz »Azerbaijan – Land between East and West. Transfer of Knowledge and Technology During the ›First Globalization‹ of the VIIth –IVth Millennium BC« (Veranstaltungsort: Baku; in Zusammenarbeit mit der Nationalen Akademie der Wissenschaften Azerbaidjan und der Deutschen Botschaft Baku). – Es sprachen: Ilyas Babaev (Baku) – Yulon Gagoshidze (Tblissi) – Florian Knauss (München), Excavations in the Achaeme-
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nid Palatial Complex near the Village Karacamirli in the Shamkir Region; Mehmet Özdoğan (Istanbul), The Neolithic and the Chalcolithic of Eastern Anatolia. An Overview with a Supra-Regional Perspective; Harald Hauptmann (Heidelberg), Communal and Ceremonial Buildings in the Neolithic of the Near East; Svend Hansen (Berlin) – Guram Mirtskhulava (Tblissi) – Katrin Bastert-Lamprich (Dresden), Aruchlo. A Neolithic Settlement Mound in the Republic of Georgia; Farhad Guliev (Baku) – Fuad Gusejnov (Baku) – Hagani Almamedov (Baku), Excavations of a Neolithic Settlement at Goytepe (Azerbaijan); Tufan Akhundov (Baku) – Khagani Almamedov (Baku), South Caucasia in the Neolithic to Early Bronze Age (Central and Eastern Regions); Maisa Ragimova (Baku), The Emergence of Metall and Its Impact on the Socio-Economical Structure of Societies; Bertille Lyonnet (Paris), Surveys and Excavations in Western Azerbaijan. Settlement Changes and Relations with Surrounding Areas, from the Neolithic to the Bronze Age; Najaf Museibli (Baku), Ethnocultural Connections between the Regions of the Near East and the Caucasus in the IVth Millennium BC; Veli Bakhchaliyev (Naxiçevan) – Safar Ashurov (Baku) – Catherine Marro (Lyon), The Excavations of Ovçular Tepesi (2006–2008). First Results and New Perspectives; Barbara Helwing (Berlin), Azerbaijan in the Chalcolithic. A View from the Southwest; Idris Aliyev (Baku), The Place of Apşeron in the Prehistory of the South Caucasus; Dejush Musayev (Baku), North East Azerbaijan in the Early Bronze Age; Veli Bakhshaliyev (Naxiçevan) – Lauren Ristvet (Philadelphia) – Safar Ashurov (Baku), The Chronology of Kura-Araxes Sites. 2006 Excavations at Kültepe II and Maxta I. 5. bis 7. Juni Symposium »Gero von Merhart. Ein deutscher Archäologe in Sibirien 1914–1921« (Veranstaltungsort: Marburg; in Zusammenarbeit mit dem Vorgeschichtlichen Seminar der Philipps-Universität Marburg; Organisation: Svend Hansen [Berlin]). – Es sprachen: Hermann Parzinger (Berlin), Totenritual und Herrschaftspräsentation. Zu den Großkurganen in der sibirischen Steppe; Hermann Müller-Karpe (Königswinter), Persönliche Erinnerungen an Gero von Merhart; Nikolaus Katzer (Hamburg), Chaos und Ordnung, Überleben in Weltkrieg, Revolution und Bürgerkrieg (1914–1921); Vjačesjav I. Molodin (Novosibirsk), Die russische Vorgeschichtsforschung in Sibirien von ca. 1910 bis in die späten 1920er Jahre; Sergej Kuzminych (Moskau), Die Gesprächspartner Gero von Merharts in Kazan, Moskau und St. Petersburg. Zur Geschichte der russischen Archäologie von ca. 1910 bis in die späten 1920er Jahre; Ljudmila Kitova (Kemerovo), Das Wirken Gero von Merharts in Krasnojarsk; Hermann Parzinger (Berlin), Archäologisches in Daljóko; Anatoli Nagler (Berlin), Gero von Merhart und die Erforschung des Minusinsker Beckens; Ekaterina Detlova (Krasnojarsk), Gero von Merharts Beziehungen zu russischen Kollegen; Sergej Kuzminych (Moskau) – Timo Salminen (Helsinki), Die Probleme der ostrussischen Archäologie im Briefwechsel von A. M. Tallgren und Gero von Merhart; Svend Hansen (Berlin), Impulse durch Gero von Merharts Sibirien-Aufenthalt für die europäische Bronzezeit-Forschung; Ekaterina Detlova (Krasnojarsk), Zur heutigen Sitaution der Krasnojarsker Archäologie; Hermann Müller-Karpe (Königswinter), Sibirien in der Lehre Gero von Merharts. 30. September bis 2. Oktober Kolloquium »Zwischen Ost und West – Neue Forschungen zum antiken Zentralasien« (Veranstaltungsort: Mannheim; Organisation: Svend Hansen [Berlin], Gunvor Lindström [Berlin]). – Es sprachen: Ralf von den Hoff (Freiburg i. Br.), Porträts Alexanders des Großen; Osmund Bopearachchi (Paris), The Portrait of Alexander the Great and the Hellenistic Heritage in Central Asia; Pierre Briant (Paris); From
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Darius to Alexander. Some Thoughts on Change and Continuity; HansJoachim Gehrke (Berlin), Alexander zwischen Ost und West – Aktuelle Überlegungen; Shaul Shaked ( Jerusalem), The Archive of the Satraps of Bactria; Mike Teufer (Berlin), Grab und Haus – Zur Entstehung zoroastrischer Jenseitsvorstellungen in Mittelasien; Pierre Leriche (Paris), Alexandre le Grand et son héritage en Orient d’après les données archéologiques; Leonid Sverchkov (Taškent) – Nikolaus Boroff ka (Berlin), Alexander and His Campaigns in Bactria – An Archaeological Contribution; Claude Rapin (Paris), The Iron Gates near Derbent (Uzbekistan). New Observations on the Itinerary of Alexander in Central Asia; Peter Franz Mittag (Köln), Geschichte und Münzprägung Baktriens von den Seleukiden bis zum Ende der graeco-baktrischen Herrschaft; Askold Ivantchik (Bordeaux), Sprache und Schrift im hellenistischen Baktrien; Valery P. Nikonorov (St. Petersburg), More about Western Elements in the Armament of Hellenistic Bactria. The Case of the Warrior Terracotta from Kampyr-tepe; Lise Hannestad (Aarhus), Forms of Acculturation in Mesopotamia and Central Asia – A Comparison; Michael Alram (Wien), Das Kušanreich – Geschichte eines unbekannten Weltreiches; Markus Mode (Halle a. d. Saale), Skulpturen und Reliefs der frühen Kušanzeit – die Transformation der hellenistischen Kunst in Baktrien; Saidmurod Bobomulloev (Duschanbe), Denkmäler der Kušanzeit auf dem Territorium der Republik Tadžikistan; Anna-Monika Lauter (Düsseldorf ), Möglichkeiten zur Förderung wissenschaftlicher Projekte durch die Gerda Henkel Stiftung; Jangar Ilyasov (Taškent), Die Gürtelplatten aus Orlat; Tigran Mkrtychev (Moskau), Buddhist art of Bactria.
Veranstaltungen zu den Forschungsclustern des DAI
Workshop 10. Juni Workshop »Archäologie im Nationalsozialismus« (Organisation: Eurasien-Abteilung und Forschungscluster 5 »Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts im 20. Jahrhundert« des DAI). – Es sprachen: Thomas Spring (Chemnitz), Ein Museum der Archäologie im jüdischen Kauf haus – Eine Standortwahl mit Folgen; Ulrich Müller (Kiel), Ur- und frühgeschichtliche Forschung im Nationalsozialismus mit Blick auf die Christian-Albrechts-Universität; Judith Schachtmann (Dresden) – Michael Strobel (Dresden) – Thomas Widera (Dresden), Stand und Perspektiven systemübergreifender Fachhistoriographie in einem (abseitigen) Grenzraum. Das Beispiel Sachsen; Martin Maischberger (Berlin) – Gunnar Brands (Halle), »Lebensbilder«-Projekt; Marie Vigener (Berlin), Siegfried Fuchs – ein Archäologe in der Öffentlichkeit; Timo Saalmann ( Jena), Das Staatliche Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin in der NS-Zeit; Tom Stern (Essen), Archäologie und Film im Nationalsozialismus; Patricia Rahemipour (Berlin), Mehr als nur Patriotische Phantasien – Zur Rezeption von Archäologie in der Populärkultur 1933–1945; Martijn Eickhoff (Amsterdam), Deutsche Archäologie in besetzten Ländern.
Öffentlichkeitsarbeit
Frau Helwing gab mehrere Fernsehinterviews für azerbaidjanische Nachrichtensender, Frau Lindström und Herr Boroff ka gaben zahlreiche Interviews im Zusammenhang mit der Alexander-Ausstellung an den Reiss Engelhorn
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Museen in Mannheim für die Presse in Deutschland, Frau Lindström darüber hinaus ein Interview für das tadžikische Fernsehen. Das Interview von Herrn Boroff ka zur Tagung »Past, Present & Future« in Sankt Petersburg wurde in einem Film über das Internet verbreitet. Aydogdy Kurbanov (Turkmenistan), der sich als Georg-Forster-Forschungsstipendiat in der Abteilung auf hielt, wurde im Rahmen der »Initiative Außenwissenschaftspolitik 2009« des Auswärtigen Amts und des DAAD für eine Porträtserie ausgewählt und seine Forschungstätigkeit in der Broschüre »12 Wissenswelten/World of Knowledge« vorgestellt.
Veröffentlichungen
Eurasia Antiqua 14, 2008 Archäologische Mitteilungen aus Iran und Turan 39, 2007 Archäologische Mitteilungen aus Iran und Turan 40, 2008 Archäologie in Iran und Turan 8: P. Callmeyer, Die Reliefs der Gräber V und VI in Persepolis Azerbaijan – Land between East and West. Transfer of Knowledge and Technology during the ›First Globalization‹ of the VIIth –IVth Millennium BC (Baku 2009)
Sonstiges
Am 1. April wurde in Baku ein Kooperationsvertrag mit der Akademie der Wissenschaften Azerbaidjan unterzeichnet. Am 18. April wurde in Berlin ein Kooperationsvertrag mit der Denkmalpf legeorganisation des Kulturministeriums Stavropolskij Kraj »Nasledie« unterzeichnet. Im Juni wurde Blagoje Govedarica als Korrespondierendes Mitglied in die Akademie der Wissenschaften und Künste von Bosnien-Herzegowina aufgenommen.
Außenstelle Teheran
Ausgrabungen und Forschungen
Die für dieses Jahr vorgesehenen Rettungsgrabungen im Stauseegebiet von Simineh, Provinz Westazerbaidjan, konnten aufgrund der innenpolitischen Lage nicht stattfinden. Vorträge Anlässlich der Winckelmannfeier am 9. Dezember hielt Nikolaus Boroff ka (Berlin) in Teheran in der Residenz des deutschen Botschafters Bernd Erbel einen Festvortrag mit dem Titel »Alexander the Great in Asia – New Archaeological Data from Bactria«.
Öffentlichkeitsarbeit
Die Arbeiten des DAI in Iran und im Südkaukasus wurden am 3. Oktober bei den Feierlichkeiten anlässlich des Nationalfeiertags präsentiert.
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Am 13. November unterzeichneten der Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts Hans-Joachim Gehrke und der Direktor der Chinesischen Akademie für das Kulturerbe der Volksrepublik China Gu Yucai (Abb. 66), eine Kooperationsvereinbarung, mit der die Weichen für die Einrichtung einer Außenstelle der Eurasien-Abteilung des DAI in Peking gestellt wurden.
Bereits 1980 entstanden erste Kooperationen zwischen dem DAI und diversen chinesischen Institutionen. Mit einer Außenstelle kann das Institut diese Verbindungen nun vertiefen und erweitern. »Es soll zukünftig wie eine solide Brücke wirken, auf der Wissen in beide Richtungen und in mehreren Sprachen vermittelt wird«, sagte der deutsche Botschafter Michal Schaefer in seiner Ansprache zur Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung. Die Perspektiven sind viel versprechend: Vereinbart wurden u. a. die gemeinsame Forschung zu verschiedenen Themen der Besiedlungsgeschichte Nordchinas vom Paläolithikum bis zum Mittelalter in Bezug zu Landschafts- und Klimawandel. Die Forschungsprojekte sollen der naturwissenschaftlichen Analyse von Funden und dem Erhalt von Kulturdenkmälern in China dienen. Neuste Entdeckungen in China werden in deutscher oder englischer Sprache dem europäischen Publikum zugänglich gemacht. Dazu wurde die neue Buchreihe »Archäologie in China« ins Leben gerufen, die in enger Kooperation mit chinesischen Archäologen aktuelle archäologische Entdeckungen genauso wie überregionale Vergleiche von Einzelfunden und Kulturen sowie naturwissenschaftliche Analysen und Rekonstruktionen von Landschaften und Klima veröffentlicht. Ein Band wurde in Kooperation mit der Shandong-Universität produziert und auf der Internationalen Buchmesse Peking vorgestellt (Abb. 67). Der Inauguralband wird für die Einweihung der Außenstelle vorbereitet. Die archäologische Forschung in Europa wiederum soll in chinesischer Sprache dem lokalen Publikum vorgestellt werden. Dies geschieht in den im nächsten Jahr beginnenden »Brücken-Vorlesungen des DAI« in Peking, die nicht ausschließlich für ein wissenschaftliches Publikum gedacht sind. Beispielsweise sind spezielle Vorträge für die Deutsche Schule in Peking geplant. Das Themenspektrum wird weit gefächert sein.
Außenstelle Peking
Abb. 66 Außenstelle Peking (VR China), Unterzeichnung des Memorandum of Understanding zwischen dem Deutschen Archäologischen Institut und der Chinesischen Akademie für das Kulturerbe der Volksrepublik China (CACH) durch den Präsidenten des DAI Hans-Joachim Gehrke (vorne links) und den Direktor der CACH Gu Yucai (vorne rechts). Hintere Reihe von links: Mayke Wagner (Wissenschaftliche Direktorin der Eurasien-Abteilung), Li Peisong (stellvertretender Direktor des Staatsamtes für Kulturgüter der VR China), Chen Xingcan (stellvertretender Direktor des Instituts für Archäologie der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften), Huang Yuan (stellvertretender Direktor der Personalabteilung der CACH), Svend Hansen (Erster Direktor der Eurasien-Abteilung), Michael Schaefer (Deutscher Botschafter in Peking), Shan Jixiang (Direktor des Staatsamtes für Kulturgüter der VR China), Matthias Knaut (Dekan des Fachbereichs V der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin), Tong Mingkang (stellvertretender Direktor des Staatsamtes für Kulturgüter der VR China), Lu Qiong (stellvertretender Direktor der Abteilung für den Schutz der Altertümer sowie Archäologie-Management des Staatsamtes für Kulturgüter der VR China)
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Abb. 67 Außenstelle Peking (VR China), Umschlag von Band 2 der Reihe »Archäologie in China«
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Einen hohen Stellenwert hat die Aus- und Weiterbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Das Institut vergibt Stipendien an junge chinesische Archäologen und Archäologinnen für ein Masterstudium der Geo- und Feldarchäologie an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. In Kooperation mit dem Carl Duisberg Training Center Beijing werden die Studierenden in speziell auf die Studieninhalte ausgerichteten Deutschkursen auf ihren Aufenthalt in Berlin vorbereitet. Themen dieses Studiengangs sind Vermessungstechnik, Freilegung und Dokumentation von Funden sowie ihre sachgerechte Konservierung auf höchstem technischem Niveau. Jungen deutschen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen sollen zukünftig Möglichkeiten eröffnet werden, ihre Forschungsprojekte zur prähistorischen und historischen Archäologie Chinas an der Außenstelle anzusiedeln. Bereits Anfang dieses Jahres konnten im German Centre in Peking Büroräumlichkeiten angemietet und damit eine Infrastruktur geschaffen werden. Das DAI ist damit die erste und einzige ausländische auf Archäologie und Denkmalschutz ausgerichtete Forschungsinstitution mit fester Niederlassung in China. Kooperationspartner: Chinesische Akademie für das Kulturerbe der Volksrepublik China • Leitung der Außenstelle: M. Wagner • Mitarbeiter: Chen X. Ch. • Abbildungsnachweis: D. Hosner (Abb. 66); DAI, Eurasien-Abteilung, Außenstelle Peking (Abb. 67).
Forschungsstellen am Deutschen Evangelischen Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes (DEI) in Amman und Jerusalem
Forschungsstelle Amman c/o Deutsches Evangelisches Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes POB 183 11118 Amman/Jordanien Tel.: +962-(0)6-53 42 924 Fax: +962-(0)6-53 36 924 E-Mail: [email protected]
Forschungsstelle Jerusalem c/o Deutsches Evangelisches Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes (DEI) Auguste-Victoria-Compound POB 184 63 91184 Jerusalem/Israel Tel.: +972-(0)2-62 84 792 Fax: +972-(0)2-62 87 388 E-Mail: [email protected]
Leitender Direktor des DEI in Amman und Jerusalem Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. Dieter Vieweger Direktorin des DEI in Amman Dr. Jutta Häser Wissenschaftliche Hilfskräfte Matthias Kolbe M. A. (bis 30. 6.), Felix Höf lmayer M. A. (ab 1. 10.)
Leitender Direktor des DEI in Amman und Jerusalem Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. Dieter Vieweger Stellvertretender Direktor des DEI in Jerusalem PD Dr. Martin Vahrenhorst (seit 2006) Wissenschaftliche Hilfskräfte Constanze Röhl M. A. (bis 30. 3.) Kristina Pfeiffer M. A. (1. 6. bis 30. 9.)
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Forschungsstellen am Deutschen Evangelischen Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes (DEI) in Amman und Jerusalem
Abb. 1 Gründungsmitglieder des Fördervereins des DEI auf der Treppe des Pergamonaltars bei der Gründungsveranstaltung am 14. Juli im Berliner Pergamonmuseum
Die Gründung des Fördervereins des DEI am 14. Juli in Berlin war für das DEI neben den wissenschaftlichen Arbeiten das herausragende Ereignis des Jahres 2009. Mit 50 Gründungsmitgliedern aus allen Bereichen von Kirche, Kultur und Politik sowie 400 Gästen wurde der offizielle Festakt im Pergamonsaal des Pergamonmuseums SMP SPK in Berlin begangen (Abb. 1). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Bischof Wolfgang Huber und der Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts Hans-Joachim Gehrke übernahmen die Schirmherrschaft und bereicherten gemeinsam mit dem ersten Ehrenmitglied des Fördervereins, dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger den Festakt durch ihre Grußworte (Abb. 2). Den Festvortrag hielt der Leitende Direktor des Deutschen Evangelischen Instituts Dieter Vieweger (s. auch hier S. 54. 55).
Ausgrabungen und Forschungen
Abb. 2 Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger, erstes Ehrenmitglied des Fördervereins des DEI, während seiner Ansprache anlässlich der Gründungsveranstaltung des Vereins im Berliner Pergamonmuseum
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Tall ZirŒ‘a (Jordanien) Der Tall ZirŒ‘a befindet sich ca. 15 km südöstlich des Sees Genezareth (Abb. 3). Seine archäologische Bedeutung liegt in der Mitte des 4. Jts. v. Chr. beginnenden 5 000-jährigen kontinuierlichen Siedlungsabfolge, die nicht nur einen Vergleich wichtiger Kulturstufen, sondern selbst den Nachweis von Übergangszeiten erlaubt. Im zentralen Bereich des im Westen des Ruinenhügels liegenden Areals I wurde die spätbronzezeitliche Stadtmauer zur Freilegung der darunter liegenden älteren spätbronzezeitlichen Schichten (15.–13. Jh. v. Chr.) sowie zur Klärung des Übergangs zur mittleren Bronzezeit (um 1550 v. Chr.) abgetragen. Zum besseren Verständnis der stratigraphischen Situation der Übergänge von der spätbronzezeitlichen Befestigung über die mittelbronzezeitliche Bebauung zur frühbronzezeitlichen Stadtmauer wurden zudem bereits 2005–2006 ausgegrabene Schnitte gesäubert und deutlich erweitert. Im Norden des Areals I wurde ein Bereich von 650 m 2 neu geöffnet, in dem das repräsentative spätbronzezeitliche Gebäude nun fast vollständig erforscht werden konnte. Außerordentliche Funde wie 29 Rollsiegel und Skarabäen lassen auf einen besonderen Zweck des Gebäudes in der Stadtstruktur schließen. In Areal I zeigte sich bei der Abnahme der spätbronzezeitlichen Kasemattenmauer im mittleren Bereich des Grabungsgebietes (Abb. 4), dass sich darunter zunächst keine weiteren spätbronzezeitlichen Befestigungsanlagen befanden, sondern eine systematische Auffüllung in einer Gesamthöhe von 2,50 m. Diese reparierte offenbar die Folgen eines um 1400 v. Chr. das Zentrum und den Norden des Areals I heimsuchenden Hangrutsches, der neben der damals betroffenen spätbronzezeitlichen Bebauung noch die Fundamente zweier älterer Strata mit in die Tiefe riss. Da in der Folge Kanäle und vertikale steingemauerte Schächte zur Ableitung von Regenwasser errichtet wurden, lag die Ursache der Katastrophe wohl eher in einem Wassereinbruch als in einem Erdbeben (Abb. 4).
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Abb. 3 Tall Zirā‘a (Jordanien), Blick vom Hochplateau mit der antiken Stadt Gadara auf den Tall Zirā‘a am Ende der Frühjahrsgrabung 2009. Zu erkennen sind im Vordergrund rechts Areal I und links Areal II Abb. 4 Tall Zirā‘a (Jordanien), Blick von Norden in den ausgegrabenen Aufschüttungsbereich. Rechts im Bild und im eingesetzten Foto ist die Rückhaltemauer zu sehen. Im Hintergrund sind im Profil die sieben Auffüllschichten erkennbar. Südlich davon liegen zwei Abwasserschächte, die das anfallende Regenwasser vom Mauer bereich ableiten
Auch das große spätbronzezeitliche Gebäude im Norden von Areal I gründet – soweit momentan erkennbar – auf dieser Aufschüttung. In diesem neu geöffneten Bereich wurden bisher die Strata der umayyadischen, byzantinischen, römischen und hellenistischen Bebauung dokumentiert. Die Weiterarbeit am Stufenschnitt am Westhang des Talls ergab eine klarere Abfolge der Stratigraphie von der spätbronzezeitlichen Stadtmauer über
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5 Abb. 5 Tall Zirā‘a (Jordanien), Kernos aus dem Eisenzeit II-Stratum in Areal I. Dieses Gefäß diente als Libationsgefäß im häuslichen Kult Abb. 6 Tall Zirā‘a (Jordanien), Überblick über das vom Ballon aus photographierte Areal II. Erkennbar sind die römisch-byzantinischen, byzantinischen und byzantinischumayyadischen Architekturstrata
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drei mittelbronzezeitliche Schichten bis zur bereits erkannten frühbronzezeitlichen Stadtmauer. Die derzeit auf einer Höhe von 4 m ausgegrabene frühbronzezeitliche Befestigung wurde noch nicht bis zu ihrer Gründung freigelegt. Weitere Erkenntnisse in diesem Bereich werden erst bei der f lächigen, noch mehrere Jahre dauernden Abnahme der oberen Schichten erwartet. Verschiedene bedeutende Funde konnten 2009 gemacht und restauriert werden (Abb. 5). In Areal II wurde die Grabungsf läche zur Erfassung der Gesamtstruktur eines großen römisch-byzantinischen Gebäudes und zur Klärung der stratigraphischen Situation zu den darunter liegenden Schichten in alle Richtungen auf insgesamt 1 500 m 2 erweitert (Abb. 6). Die Grabungen dort erbrachten wie schon in den vorausgegangenen Jahren eine dichte Schichtenabfolge mit Wohnarchitektur von der umayyadischen bis in römische Zeit. Mindestens vier Mal wurde dabei die generelle Ausrichtung der Bebauung geändert. Durch die Erweiterung der Grabungsf läche konnte vor allem die Bebauungsstruktur der späten byzantinischen Zeit geklärt und in Zusammenhang mit der zeitgleichen Architektur in Areal I gebracht werden. Es zeigt sich eine kettenförmige Abfolge von fast genau Nord-Süd ausgerichteten Räumen und Höfen, an die im Osten ein langer Gang anschloss. Im Westen von Areal II breitete sich an diesem Komplex ein großer Hof aus. Nach einer größeren Zerstörung wurden beim Wiederauf bau die stehen gebliebenen Mauern z. T. wiederbenutzt und das Bebauungsmuster im Hinblick auf die Ausrichtung, aber nicht auf die Raum- bzw. Hofgrößen beibehalten. In der letzten Bebauungsphase wurde die Ausrichtung erneut vollständig geändert. Im Westen des Grabungsareals wurde ein neues, nun wieder nordwestlich-südöstlich orientiertes Gebäude aus einem großen und einem südlich anschließenden kleineren Raum errichtet. Das nördlich des größeren Raumes freigelegte massive Steinfundament könnte die Basis für einen kleinen Turm gebildet haben. Das Gebäude konnte noch nicht in seiner Gesamtheit ergraben werden. Kooperationspartner: Biblisch-Archäologisches Institut Wuppertal • Förderung: Gerda Henkel Stiftung; Evangelische Kirche in Deutschland; Freun-
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deskreis des BAI Wuppertal; Kulturerhalt-Programm des Auswärtigen Amts • Leitung des Projekts: D. Vieweger, J. Häser • Abbildungsnachweis: DEI/ BAI (Abb. 3–6). Survey im Wadi al-‘Arab (Jordanien) Die diesjährige Kampagne war zu einem großen Teil dem Survey im Wadi al-‘Arab, dessen siedlungsmäßiges Zentrum der Tall ZirŒ‘a bildete, gewidmet (Abb. 7). Bis auf wenige, sehr kurze Untersuchungen vor allem im Rahmen des Baus des Wadi al-‘Arab Staudamms (Abb. 8) und bei den Voruntersuchungen des Biblisch-Archäologischen Instituts Wuppertal in den Jahren 2001 und 2003 wurden bislang keine Geländebegehungen in diesem Gebiet durchgeführt. Ziel des auf drei Jahre ausgelegten Surveys ist die Dokumentation aller noch erhaltenen archäologischen Fundplätze im Wadi al-‘Arab und im angrenzenden Wadi az-Zahar, um die Beschreibung der Siedlungsgeschichte im Umfeld des Tall ZirŒ‘a und der antiken Stadt Gadara in ein chronologisches Raster stellen zu können. Das äußerst wasserreiche Wadi al-‘Arab entspringt mitsamt seinen Nebenwadis im Bergland westlich von Irbid und entwässert zum Jordan hin. Es verbindet das Jordantal – und damit auch die Mittelmeerküste über die Jesreelebene und Beth Shean – mit dem ostjordanischen Hochland. Der gewaltige Aufstieg von etwa –290 m NN in der Senke des Jordantals zum Gebiet um die moderne Industriestadt Irbid (ca. +560 m NN; die umgebende Hügelkette im Westen bei B·t RŒs erreicht +612 m NN) kann hier ohne hinderlich steile oder enge Passagen überwunden werden. Da sich Vergleichbares für das nördlich gelegene Jarmuktal nicht sagen lässt, erklärt sich die herausgehobene geopolitische Bedeutung des Wadis, zumal man vom IrbidRamtha-Becken auf direktem Wege nach Damaskus (im Norden), Baghdad (im Osten) oder Amman (im Süden) weiterreisen kann. In diesem Jahr wurden mehr als 80 archäologische Fundplätze kartiert und beschrieben sowie deren Fundgut systematisch gesammelt und bearbeitet. 30 der aufgenommenen Fundplätze waren zuvor nicht bekannt. Über 80 % der Fundorte waren in der hellenistischen und/oder der römisch-byzanti-
Abb. 7 Survey im Wadi al-‘Arab (Jordanien), das Surveygebiet im Wadi al-‘Arab und im Wadi az-Zahar mit dem Tall Zirā‘a im Zentrum von Norden
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Abb. 8 Survey im Wadi al-‘Arab (Jordanien), Blick über den am Ende der 1980er Jahre angelegten Stausee Wadi al-‘Arab, der direkt westlich unterhalb des Tall Zirā‘a liegt
nische Zeit bewohnt. Die restlichen 20 % entstammen der Bronze-, Eisenoder islamischen Zeit. Neben den beiden chronologisch von der frühen Bronzezeit bis zur byzantinischen Epoche besiedelten Talls im Wadi, dem Tall Ken¥se und dem Tall QŒq, sind bisher zwei direkt benachbarte Fundplätze besonders hervorzuheben, die einerseits in die mittlere Bronzezeit, andererseits in die römische Zeit datiert werden können. Der mittelbronzezeitliche Ort bezieht sich topographisch und sichtmäßig direkt auf den Tall ZirŒ‘a, der römische Fundort liegt in direkter Sichtlinie zum antiken Gadara, was bei dem bronzezeitlichen Platz nicht der Fall war. Insgesamt zeichnet sich eine Verschiebung kleinerer Siedlungen in Abhängigkeit zur Verlagerung des Siedlungszentrums in hellenistisch-römischer Zeit vom Tall ZirŒ‘a im Wadi al-‘Arab nach Gadara auf dem Hochplateau ab. Wie wichtig dieser Survey zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist, verdeutlicht sich an der Überbauung eines eisenzeitlichen Talls und der Zerstörung eines römischen Fundplatzes, die innerhalb der letzten zwei Jahre stattgefunden haben. Kooperationspartner: Biblisch-Archäologisches Institut Wuppertal • Förderung: Freundeskreis des BAI Wuppertal; Evangelische Kirche in Deutschland • Leitung des Projekts: D. Vieweger, J. Häser • Mitarbeiter: P. Leiverkus • Abbildungsnachweis: DEI/BAI (Abb. 7. 8).
Abb. 9 Archäometrisches Forschungsprojekt, farbmetrische Messungen an Keramik
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Archäometrisches Forschungsprojekt Während der Sommerkampagne wurden neben der Fundaufarbeitung besonders die archäometrischen Keramikuntersuchungen fortgesetzt. Neben neuen archäometrischen Experimenten wurde ein farbmetrisches Verfahren zur Erfassung der Farben von Keramikwarengruppen erfolgreich getestet und für die standardisierte Anwendung eingerichtet (Abb. 9). Kooperationspartner: Biblisch-Archäologisches Institut Wuppertal; Abteilung Druck- und Medientechnik der Bergischen Universität Wuppertal • Förderung: Freundeskreis des BAI Wuppertal, Dr. Werner Jackstädt-Stiftung • Leitung des Projekts: D. Vieweger, J. Häser • Mitarbeiter: W. Auge • Abbildungsnachweis: DEI/BAI (Abb. 9).
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Sanierungsarbeiten am Beit Melkawi/Umm Qais (Jordanien) Seit dem Beginn der Gadara-Ausgrabungen des DEI unter Leitung von U. Wagner-Lux wird dem DEI vom jordanischen Antikendienst ein denkmalgeschütztes osmanisches Hof haus (Beit Melkawi) in den Ruinen von Gadara zur Nutzung als Grabungshaus zur Verfügung gestellt (Abb. 10). Seit mehr als 20 Jahren nutzen auch die Grabungsmannschaften des DAI die hervorragenden Wohn- und Arbeitsbedingungen. Der Bauzustand des Hof hauses hatte sich trotz fortlaufender Erhaltungsmaßnahmen in den letzten Jahren deutlich verschlechtert. Daher musste das gesamte Objekt einer gründlichen Sanierung unterzogen werden, um es vor dem drohenden Verfall zu schützen. In diesem Jahr wurden alle aktuell gefährdeten Dächer saniert, ein Dach völlig ausgetauscht und zwei Nebengebäude baulich gesichert sowie als Wohn- bzw. Lagerraum ausgebaut (Abb. 11). Die im Hof befindliche antike Zisterne konnte vom Altputz gereinigt und wieder verwendungsfähig gemacht werden. Außerdem wurde der Hof bereich für die Erweiterung des Sanitärtraktes vorbereitet. Die Mauerfugen auf der Wetterseite des Gebäudes wurden neu verfugt. Alle Maßnahmen entsprechen den Auf lagen des jordanischen Antikendienstes und sind in das Sanierungskonzept des antiken Bestandes von Umm Qais einbezogen. Kooperationspartner: Biblisch-Archäologisches Institut Wuppertal • Förderung: Evangelische Kirche im Rheinland; Evangelische Kirche in Deutschland; Freundeskreis des BAI Wuppertal; Förderverein des DEI • Leitung des Projekts: J. Häser, D. Vieweger • Abbildungsnachweis: DEI/BAI (Abb. 10. 11).
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Abb. 10 Sanierungsarbeiten am Beit Melkawi/Umm Qais (Jordanien), osmanisches Hofhaus auf den Resten der römischen Stadtmauer der antiken Stadt Gadara. Das Beit Melkawi genannte Gebäude dient dem DEI, dem DAI und anderen deutschen Expeditionen als Grabungshaus Abb. 11 Sanierungsarbeiten am Beit Melkawi/Umm Qais (Jordanien), renovierter Raum im osmanischen Hofhaus
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Ausgrabung Erlöserkirche in der Altstadt Jerusalems (Israel) In diesem Jahr wurde in einer Vorkampagne eine Machbarkeitsstudie zur touristischen Erschließung der Altgrabung unter der Erlöserkirche Jerusalem erstellt (Abb. 12). Die dabei entwickelte Konzeption soll die bis zu 10 m tiefe archäologische Erkundung unter dem Betonfußboden der heutigen evangelischen Kirche einem weiteren Publikum zugänglich machen. Dieser in den 1970er Jahren archäologisch erforschte Ort ermöglicht fundamentale Erkenntnisse für die Stadtgeschichte des herodianischen Jerusalems, besonders zum historischen Standort von Golgatha, und erschließt die Erweiterung Jerusalems von der herodianischen über die hadrianische und byzantinische Zeit. Während des Mittelalters stand hier die Kirche St. Maria Latina (Abb. 13).
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Abb. 12 Ausgrabung Erlöserkirche in der Altstadt Jerusalems (Israel), Blick auf den Turm der Erlöserkirche in der Altstadt von Jerusalem
Die museale und touristische Erschließung der Altgrabung unter der Erlöserkirche in Jerusalem umfasst eine grundlegende Reinigung des Areals, ein unterirdisches Besucherleitsystem, 3D-Rekonstruktionen zur Verdeutlichung der hier vorfindlichen städtebaulichen Situationen und eine Dauerausstellung im Kreuzgang. Damit kann zum ersten Mal im christlichen Viertel der Altstadt die historisch gewachsene Stadt in ihren unterschiedlichen Zeitschichten real begangen und gleichzeitig deren historische wie religionsgeschichtliche Bedeutung erschlossen werden. Die Durchführung ist für den Zeitraum von 2010 bis 2012 geplant. Kooperationspartner: Fachhochschule Potsdam • Leitung des Projekts: D. Vieweger, M. Abri (Potsdam) • Mitarbeiter: Studierende des Fachbereiches Architektur und Städtebau, Fachrichtung Architektur, Restaurierung und Denkmalpf lege der Fachhochschule Potsdam • Abbildungsnachweis: DEI (Abb. 12. 13).
Abb. 13 Ausgrabung Erlöserkirche in der Altstadt Jerusalems (Israel), Ausgrabung der Jahre 1970–1974 unter der Erlöserkirche in Jerusalem mit einer byzantinischen Mauer und einem Gewölbe der kreuzfahrerzeitlichen Kirche St. Maria Latina
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vortragsreihe in Jerusalem 23. Februar Ulrich Knufinke (Braunschweig), Genuinely Jewish? On the Quest for Architectural Origins. Synagogue Architecture in Germany at the Beginning of the 20th Century 9. März Nazmi al-Jubeh (Riwaq), Traditional Palestinian Dwellings 23. März Israel Finkelstein (Tel Aviv), Jerusalem in the Persian and Early Hellenistic Periods and the Wall of Nehemiah 27. April Shimon Gibson ( Jerusalem), Early Travellers and Nineteenth Century Photography 18. Mai Stephanie Pryor ( Jerusalem), A Client Queen of the Augustan Age. A Study of the Political and Visual Program of Queen Dynamis of the Bosporus 18. Juni Felix Pirson (Istanbul), Pergamon. Eine hellenistische Residenzstadt und ihr Umland 26. Oktober Gunnar Lehmann (Beerscheba), Neue Ausgrabungen in Qubur el-Walaydah, die Kampagne 2009 16. November Aaron Burke (Los Angeles), 2009 Excavations of the Jaffa Cultural Heritage Project in Qedumim Square 9. Dezember Haim Goren (Haifa), Echt katholisch und gut deutsch. Die deutschen Katholiken und Palästina 1838–1910.
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Im Rahmen eines von Gunnar Lehmann (Ben Gurion Universität Beerscheba), Martin Peilstöcker (Israel Antiquities Authority Tel Aviv) und Dieter Vieweger (DEI, Jerusalem) am 18. Juni veranstalteten Studientages mit Felix Pirson (DAI, Abteilung Istanbul) waren Archäologen und Altertumswissenschaftler ganztägig am DEI Jerusalem eingeladen, die Anlage und Funktion antiker Hafenstädte zu diskutieren. Vortragsreihe in Amman 5. Mai Kurt Franz (Halle), When Aqaba became Frankish? The Muslims’ Loss of Spatial Connectivity and Its Restauration 4. Juni Dieter Vieweger ( Jerusalem) – Jutta Häser (Amman), Auf den Spuren einer antiken Katastrophe. Neue Ergebnisse der Ausgrabungen auf dem Tall ZirŒ‘a 9. Juni Michael Gross (Davis), The Hell on Earth.
Öffentlichkeitsarbeit
Auch in diesem Jahr wurden wieder zahlreiche Gruppen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens durch die Institute in Jerusalem und Amman, an der Institutsgrabung auf dem Tall ZirŒ‘a oder an wichtigen Fundplätzen Jordaniens, Israels und Palästinas geführt: Jürgen Richter (Institut für Urund Frühgeschichte der Universität zu Köln) und Studierende, Jean-François Salles (Institut français du Proche-Orient, Amman), Barbara A. Porter und Christopher A. Tuttle (American Center of Oriental Research), Zeidan Kafafi (Yarmouk Universität Irbid), Waji Kharasneh (Department of Antiquities Irbid), Friedrich-Dörner-Verein, Delegation der DFG, Theodor Wiegand Gesellschaft e. V., Präsident des DAI Hans-Joachim Gehrke (Abb. 14), Studiosus-Reisegruppen, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen Jürgen Rüttgers (Abb. 15), Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses Ruprecht Polenz, Präsides der Evangelischen Kirche in Westfalen Alfred Buß, Präsides der Evangelischen Kirche im Rheinland Nikolaus Schneider, Christina Rau (Berlin), Studierende der Privaten Universität Witten-Herdecke, Lehrkurs des DEI, Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin Christoph Markschies, Ministerpräsident von Brandenburg Matthias Platzeck.
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Abb. 14 Besuch des Präsidenten des DAI Hans-Joachim Gehrke auf dem Tall Zirā‘a (Jordanien), der leitende Direktor des DEI in Amman und Jerusalem Dieter Vieweger erläutert die spätbronzezeitlichen Befunde in Areal I Abb. 15 Besuch des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen Jürgen Rüttgers in Jerusalem, der leitende Direktor des DEI in Amman und Jerusalem Dieter Vieweger erläutert die Situation in der Davidstadt
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Herr Vieweger und Frau Häser gaben zahlreiche Interviews für Zeitungen (Süddeutsche Zeitung, JO-Magazin, Der Spiegel, Westdeutsche Zeitung, Bildzeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Welt, Berliner Zeitung), den Hörfunk (WDR2, WDR5) und das Fernsehen (Spiegel TV). Empfänge und andere Veranstaltungen 11. Juni DEI Amman, Empfang für die Theodor Wiegand Gesellschaft e. V. 24. Juni DEI Amman, Empfang anlässlich des Besuchs des Präsidenten des DAI Hans-Joachim Gehrke 7. September DEI Jerusalem, Empfang anlässlich des DEI-Lehrkurses für die in Israel/Palästina arbeitenden Archäologen und Archäologinnen. Im Rahmen der Konzertreihe »Sounding Jerusalem« richtete der Gesandte der Bundesrepublik Deutschland in den Palästinensischen Gebieten Klaus Burkhardt am 20. Juni ein Konzert mit 70 geladenen Gästen im Garten des DEI Jerusalem aus (Abb. 16).
Abb. 16 Konzert »Sounding Jerusalem« im Garten des DEI Jerusalem veranstaltet von der deutschen Vertretung in Ramallah
Veröffentlichungen
Jahrbuch des Deutschen Evangelischen Instituts 11: J. Häser – D. Vieweger, Das »Gadara Region Project« in Nordjordanien, Frühjahrskampagne 2005 auf dem Tall ZirŒ‘a Jahrbuch des Deutschen Evangelischen Instituts 11: C. Coenen-Marx – J. Häser – D. Vieweger, Das Deutsche Evangelische Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes, zugleich Forschungsstelle des Deutschen Archäologischen Instituts – Eine Standortbestimmung
Persönliches
Am 8. Juli verlieh der Fachbereich Geistes- und Kulturwissenschaften der Bergischen Universität Herrn Vieweger die Ehrendoktorwürde und würdigte damit u. a. seine »herausragenden Forschungsleistungen auf dem Gebiet der Vorderasiatischen und der Biblischen Archäologie«.
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Forschungscluster des DAI
Forschungscluster 1 »Von der Sesshaftigkeit zur komplexen Gesellschaft: Siedlung, Wirtschaft, Umwelt« Sprecher: N. Benecke, F. Lüth, M. Reindel, K. Schmidt Forschungscluster 2 »Innovationen: technisch, sozial« Sprecher: R. Eichmann, S. Hansen, Ch. Schuler Arbeitsgruppe »Metall« Arbeitsgruppe »Wasser« Arbeitsgruppe »Theorie« Arbeitsgruppe »Mobilität und Wissenstransfer« Forschungscluster 3 »Politische Räume« Sprecher und Sprecherin: R. Haensch, U. Wulf-Rheidt Forschungsfeld 1 »Erschließung und Nutzung« Forschungsfeld 2 »Grenzen politischer Räume« Forschungsfeld 3 »Urbane Räume« Forschungsfeld 4 »Orte der Herrschaft« Forschungscluster 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual. Kontinuität und Veränderung« Sprecher und Sprecherin: H.-J. Gehrke, I. Gerlach, W.-D. Niemeier, D. Raue, R. Senff Forschungsfeld 1 »Antike Heiligtümer: Kontinuität und Brüche« Forschungsfeld 2 »Heiligtümer im räumlichen Kontext: Landschaften und Siedlungen« Forschungsfeld 3 »Votiv und Ritual« Forschungscluster 5 »Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts im 20. Jahrhundert« Wissenschaftlicher Beirat: A. Borbein (Emeritus, Institut für Klassische Archäologie der Freien Universität Berlin), G. Brands (Seminar für Orientalische Archäologie und Kunst der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg), R. vom Bruch (Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin), O. Dally, N. Frei (Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena), H.-J. Gehrke (Vorsitz), S. Hansen, H. Haßmann (Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpf lege), Ch. Jansen (Institut für Geschichte und Kunstgeschichte der Technischen Universität Berlin), K. Junker (Institut für Klassische Archäologie der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz), M. Maischberger (Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz), S. von Schnurbein (Erster Direktor der RGK i. R.) Teilprojekt 1 »Die Zentrale des DAI in Berlin – Entscheidungsprozesse und Finanz strukturen von der Zwischen- zur Nachkriegszeit (1929–1979)« Teilprojekt 2 »Archäologie und Öffentlichkeit – Das Deutsche Archäologische Institut in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (1919–1960)« Teilprojekt 3 »Archäologie und Politik. Das Deutsche Archäologische Institut zwischen Wissenschaft, Zeitgeist und auswärtiger Kulturpolitik 1900–1980« Teilprojekt 4 »Die Geschichte der Abteilung Kairo im Spannungsfeld deutscher politischer Interessen von 1881 bis 1966« Teilprojekt 5 »Aspekte der Geschichte des DAI-Rom 1900–1979« Für weitere Informationen s.
Die Forschungscluster des DAI Ziel der fünf Forschungscluster des DAI ist eine Vernetzung der global durchgeführten Forschungsunternehmungen des Instituts unter übergeordneten Fragestellungen. Der diachrone und räumliche Vergleich weltweiter kultureller Phänomene und Prozesse führt zu bedeutenden Erkenntnissen zu den Kulturen im Mittelmeerraum, im Vorderen Orient und darüber hinaus auch in der eurasischen Steppe, in Ostasien, auf dem afrikanischen Kontinent und nicht zuletzt in Lateinamerika. An dieser Stelle sollen die diesjährigen Aktivitäten der verschiedenen Forschungscluster in einem kurzen Überblick dargestellt werden. Forschungscluster 1 »Von der Sesshaftigkeit zur komplexen Gesellschaft: Siedlung,Wirtschaft, Umwelt« Im Forschungscluster 1 werden der Übergang menschlicher Gesellschaften von der mobilen zur sesshaften Lebensweise und die Herausbildung komplexer Gesellschaftsstrukturen untersucht. Anfang des Jahres fand in diesem Zusammenhang in Istanbul ein Internationaler Workshop zur Ausbreitung der produzierenden Wirtschaftsweise in Anatolien und Südosteuropa statt (s. auch hier S. 213. 214). Die zahlreichen, die Ausgrabungen f lankierenden Detailuntersuchungen am obermesopotamischen Göbekli Tepe (Türkei) zielen auf die Erforschung der besonderen Funktion des Kultplatzes und seiner Einbindung in die Besiedlungsgeschichte der Region. Untersuchungen zur Herkunft der zur Artefaktherstellung verwendeten Gesteinsrohmaterialien ergaben in diesem Jahr Belege für die schon im 10. Jt. v. Chr. existierenden überregionalen Austauschnetzwerke. Neue Ergebnisse erbrachten auch die Arbeiten an dem Fundplatz Shir (Syrien), der nach Ausweis von Radiokarbondaten zwischen 7050 und 6200/6100 v. Chr. besiedelt war (Abb. 1). Die in diesem Jahr freigelegten Komplexe zeigen jeweils unterschiedliche Gebäudeformen, die offenbar mit verschiedenen Nutzungskonzepten zusammenhängen.
Abb. 1 Forschungscluster 1 »Von der Sesshaftigkeit zur komplexen Gesellschaft: Siedlung, Wirtschaft, Umwelt«, Shir (Syrien). Gebäudekomplex mit Speicherfunktionen im nordöstlichen Siedlungsbereich (Ende 7. Jt. v. Chr., Blick Richtung Norden)
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416 Jahresbericht 2009 des DAI
Abb. 2 Forschungscluster 1 »Von der Sesshaftigkeit zur komplexen Gesellschaft: Siedlung, Wirtschaft, Umwelt«, Aşağı Pınar (Türkei). Freilegung eines Gebäudebefundes des frühen 6. Jts. v. Chr. Gut erkennbar ist der Wandverlauf mit Pfostensetzungen eines nahezu quadratischen Raumes, der von zahlreichen jüngeren Gruben geschnitten wird
Antworten auf die vieldiskutierte Frage der Ausbreitung der Neolithisierung von Vorderasien nach Südosteuropa lieferten die aktuellen Grabungen am Fundplatz Aşağı Pınar in Türkisch-Thrakien (Abb. 2). Dort werden die frühneolithischen Schichten eines ca. 3 m hohen Tells freigelegt, die bis ins 7. Jt. v. Chr. datieren. Die Ausgrabung von Aşağı Pınar ist von elementarer Bedeutung für eine sichere Verknüpfung der chronologischen Systeme Anatoliens und Südosteuropas und das Verständnis der Entwicklung der frühesten bäuerlichen Gemeinschaften auf der Balkanhalbinsel. Die DFG-Forschergruppe SINCOS mit Beteilung der Römisch-Germanischen Kommission hat ihr Projekt zur Küstenentwicklung im westlichen Ostseeraum inzwischen abgeschlossen. Aus der Sicht der Alten Kulturen liegen die wesentlichen Ergebnisse in der Rekonstruktion des Wandels der Subsistenz: Im Spätmesolithikum standen zunächst noch Süßwasserressourcen zur Verfügung. Später stellten sich die Menschen auf die neuen, migrierenden Salzwasserressourcen um, ohne dass bis dahin eine kulturelle Veränderung festzustellen wäre. Erst mit der Neolithisierung des Hinterlandes kommt es zu Veränderungen auch bei den Küstenbewohnern. Ziel des Projekts »Marokkanisches Küsten-Neolithikum« ist ein kulturelles Profil zwischen dem Präsaharabereich und der mediterranen Küstenzone im nördlichen Afrika. Menschliche Gesellschaften praktizierten in diesem Übergangsbereich unterschiedliche Wirtschaftsweisen und durchliefen unterschiedliche Prozesse der Sesshaftwerdung. Die große geographische Breite der an der 2009 gegrabenen Fundstelle Hassi Ouenzga nachgewiesenen Gruppen von Siedlern spricht dafür, dass diese – im Gegensatz zu denjenigen von der dichter besiedelten Küste – noch hochmobile Jäger waren. In der Neuen Welt widmet sich das interdisziplinäre Verbundprojekt »Anden-Transekt« den noch wenig erforschten Prozessen der Sesshaftwerdung in Peru. In Zusammenarbeit mit Geowissenschaftlern werden die Einf lüsse von Klima- und Landschaftsveränderungen auf wichtige Umbrüche in der Siedlungsgeschichte untersucht. An dem Ort Pernil Alto wurde eine
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Forschungscluster des DAI 417
Abb. 3 Forschungscluster 1 »Von der Sesshaftigkeit zur komplexen Gesellschaft: Siedlung, Wirtschaft, Umwelt«, Pernil Alto (Peru). Ausgrabung einer Siedlung aus dem 4. Jt. v. Chr. Als Behausungen sind runde Gruben zu erkennen, über denen konische Dächer aus Holzstangen mit einer Abdeckung aus Blättern standen. Grubenhäuser dieser Art stellen die frühesten Formen von Wohnbauten sesshafter Gemeinschaften in vielen Teilen der Welt dar Abb. 4 Forschungscluster 1 »Von der Sesshaftigkeit zur komplexen Gesellschaft: Siedlung, Wirtschaft, Umwelt«, Bella Vista (Bolivien). Blick von Nordosten auf die Ringgrabenanlage BV-2 (»Granja del Padre«), die ins 13./14. Jh. n. Chr. datiert. Die von Bäumen markierte Linie links im Bild deutet den Verlauf eines weiteren Grabens an, der im Süden an die Ringgrabenanlage anschließt
der ältesten Siedlungen Südamerikas entdeckt (Abb. 3). Die Kenntnis sowohl der Siedlungs- und Wirtschaftsweise als auch der klimatischen Verhältnisse im 4. Jt. v. Chr. hat für den zentralen Andenraum eine erhebliche Bedeutung, da am Ende dieses Jahrtausends die ersten komplexen Gesellschaften in Südamerika entstehen. Mit Beginn kommenden Jahres soll im Forschungscluster 1 mit dem Thema »Frühe Monumentalisierung« den Prozessen der Entstehung komplexer Gesellschaften verstärkt Beachtung geschenkt werden. Am Beispiel Südamerika zeigt sich, dass die in der Alten Welt entwickelten Konzepte nicht unbedingt weltweit Anwendung finden können. Im Osten Boliviens konnten zum Beispiel massive Erdwerke dokumentiert werden, die als Beleg komplexer Gesellschaften in einem Gebiet angesehen werden können, welches bisher nicht zu den Entstehungsgebieten südamerikanischer Hochkulturen gezählt wurde (Abb. 4). Sprecher des Forschungsclusters 1: N. Benecke, F. Lüth, M. Reindel, K. Schmidt • Abbildungsnachweis: T. Urban (Abb. 1); H. Schwarzberg (Abb. 2); M. Reindel (Abb. 3); H. Prümers (Abb. 4). Forschungscluster 2 »Innovationen: technisch, sozial« Ein wichtiger Akzent in der Arbeit des Forschungsclusters 2 lag auf der Planung von zwei Sammelbänden zu den Themenschwerpunkten »Metallurgie« und »Wasserversorgung«, in denen Ergebnisse der bisherigen Dis-
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kussionen vorgelegt werden sollen. Die Mitglieder des Forschungsclusters verständigten sich im Rahmen mehrerer Workshops über die im Vorjahr erstellten Gliederungsentwürfe und begannen mit der Abfassung der Beiträge. Der Arbeitskreis »Wasserversorgung« traf sich Anfang des Jahres in Berlin und setzte sich anhand jüngster Befunde auf Zypern mit der frühesten Entwicklung des Brunnenbaus auseinander (s. auch hier S. 289). Ein systematischer Überblick zum europäischen Mesolithikum rundete die Beschäftigung mit frühen Formen der Wassernutzung ab. Weitere Beiträge behandelten am Beispiel von Palmyra und der assyrischen Stadt Dur Katlimu die Wasserversorgung städtischer Zentren in ariden Regionen. Erstmals vorgestellt wurde ein Projekt zur Wasserwirtschaft der hethitischen Hauptstadt ïattuša, das im Rahmen der Grabungskampagne 2008 mit einer hydrotechnischen Untersuchung der großen Teichanlagen begonnen wurde. Im Sommer traf sich der Arbeitskreis »Metallurgie« im Museo Arqueologico im südostspanischen Almería (s. auch hier S. 249. 250). Im Vordergrund des Programms stand erneut die frühe Kupfermetallurgie, die auch das zentrale Thema des geplanten Sammelbandes bilden soll. In Almería wurden die inhaltlichen und technischen Details dieser Publikation abgesprochen. Der Arbeitskreis wird mit dieser Veröffentlichung die gemeinsame Arbeit am Thema »Frühe Stadien der Metallurgie« zunächst beenden und sich in den kommenden zwei Jahren dem Silber in den prähistorischen und antiken Kulturen zuwenden. Erste Diskussionen dieses Komplexes ergaben ein erhebliches Potential für gemeinsame Fragestellungen, die von den Anf ängen der Silbergewinnung bis zur Münzprägung reichen. Exkursionen führten die Teilnehmer nach Fuente Álamo und Los Millares, zum archäologischen Park von Los Cipreses in Lorca sowie zur Ausgrabung der bronzezeitlichen Höhensiedlung von La Bastida bei Totana. Dort wurde die Gruppe fachkundig von den spanischen Kollegen und Kolleginnen betreut. Im Rahmen des Arbeitskreises »Theorie« trafen sich im Herbst S. Burmeister, N. Müller-Scheeßel, S. Hansen und B. Helwing im Museum Kalkriese. Dabei wurde ein Fragenkatalog erarbeitet, der für die geplanten Sammelbände einen gemeinsamen konzeptionellen Rahmen schaffen und zu einer ausgewogenen Berücksichtigung sowohl technischer als auch sozialer Komponenten von Innovationen beitragen soll. Dieser Fragenkatalog wurde in die Plenartagung des Forschungsclusters eingebracht, die Ende des Jahres in Berlin stattfand (s. auch hier S. 53. 54). Einen Höhepunkt bildete der Gastvortrag von A. Zgoll (Göttingen), die aus einer Neulesung des Mythos von Enlil und Ninlil die symbolische Dimension des frühen Kanalbaus im sumerischen Reich erschloss. Zwei Vorträge zur Geschichte römischer Fernwasserleitungen in der kleinasiatischen Landschaft Lykien (Abb. 5. 6) unterstrichen im Hinblick auf die Frage, wie sich Diffusionsprozesse vollziehen, das Potential von Regionalstudien. Neben weiteren Berichten und Vorträgen aus den Arbeitskreisen beschäftigte sich eine Sektion mit den Zusammenhängen zwischen Mobilität und Wissenstransfer. Bei der abschließenden Diskussion der Perspektiven des Forschungsclusters in den kommenden Jahren wurde vereinbart, die beiden bisherigen Themenschwerpunkte »Metallurgie« und »Wasserversorgung« weiterzuführen und einen zusätzlichen Arbeitskreis zum Thema »Mobilität und Wissenstransfer« einzurichten. C. von Rüden (Athen) übernahm die Aufgabe, den neuen Arbeitskreis zu koordinieren und ein Konzeptpapier zu entwerfen. Sprecher des Forschungsclusters 2: R. Eichmann, S. Hansen, Ch. Schuler • Abbildungsnachweis: Ch. Schuler (Abb. 5. 6).
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6 Abb. 5 Forschungscluster 2 »Innovationen: technisch, sozial«, Lykien (Türkei). Kaiserzeitliche Aquäduktbrücke von Patara mit Druckwasserleitung Abb. 6 Forschungscluster 2 »Innovationen: technisch, sozial«, Lykien (Türkei). Aquäduktbrücke von Patara, Durchgang mit Bauinschrift
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Forschungscluster 3 »Politische Räume« Innerhalb des sehr weiten Themenbereiches »Räume« fokussierte sich das Forschungscluster 3 auf politische Räume, also die Zusammenhänge zwischen räumlichen Strukturen und politischem Handeln. Dabei geht es nicht nur um ›klassische‹ politische Räume wie Agora oder Palast (Abb. 7), sondern allgemein um das Zusammenleben strukturierende Räume. Um den wissenschaftlichen Austausch innerhalb des Forschungsclusters zu intensivieren, wurden vier Forschungsfelder gebildet, die sich jeweils einem besonders relevanten Aspekt in ihrer Einzelarbeit und bei gemeinsamen jährlichen Workshops widmen; dem Diskussionsprozess des Gesamtclusters dient das Jahrestreffen, das 2009 im Rahmen einer zusammen mit dem Exzellenzcluster TOPOI durchgeführten Internationalen Tagung in Berlin (s. auch hier S. 52. 53) stattfand. Das Forschungsfeld 1 »Erschließung und Nutzung politischer Räume« untersucht die Rolle der Inbesitznahme und Nutzung der natürlichen Umwelt bei der Ausprägung politischer Strukturen. Dabei wird neben den Auswirkungen der menschlichen Eingriffe in die Umwelt (Abb. 8) untersucht, welche Einf lüsse Veränderungen der natürlichen Ressourcen auf Erschließung und Organisation politischer Räume hatten. Bei dem Forschungsfeldtreffen Anfang des Jahres in Berlin (s. auch hier S. 51) einigte man sich auf zwei Hauptfragen für die weitere Arbeit: Warum werden Räume erschlossen? Wie werden Räume erschlossen? Dabei sollen physische, symbolische und politisch-institutionelle Ebenen der Raumerschließung beleuchtet werden. Das Forschungsfeld 2 »Grenzen politischer Räume« untersucht Funktion, Wirkung und historische Wandlungsprozesse von Grenzen unter drei Aspekten: Die chronologische Ebene befasst sich mit der Dynamik der Grenzen. Auf der räumlichen Ebene werden Entstehung und Beziehungen von Zentren und Peripherie betrachtet. Eine dritte, funktionale Ebene betrifft den symbolischen Gehalt von Grenzen und Befestigungen. Ein so weitgehender Begriff von ›Grenze‹ entspricht der aktuellen Definition in Kultur- und Sozialwissenschaften. Beim Treffen des Forschungsfeldes in Ingolstadt in diesem Jahr (s. auch hier S. 141. 142) nahmen seine Mitglieder auf der Basis ihrer
Abb. 7 Forschungscluster 3 »Politische Räume«, Córdoba (Spanien). Thronsaal des Kalifen Abd ar-Rahman III. in Madinat al-Zahra
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9 Abb. 8 Forschungscluster 3 »Politische Räume«, Burladingen im Zollernalbkreis (Deutschland). Limesbegleitende Römerstraße, deutlich sind Fahrspuren im Schotter zu erkennen. Die seitlich der Straße verlaufenden, ungeschotterten Bankette dienten als Fuß- und Reitweg. Die weißen Pfeile kennzeichnen die Straßengräben Abb. 9 Forschungscluster 3 »Politische Räume«, Priene (Türkei). Spätantik-byzantinisches Stadtviertel südöstlich der Agora 8
Projekte zu folgenden Themen Stellung: Soziale und wirtschaftliche Konsequenzen von Grenzen; Schafft die Grenze den Raum oder der Raum die Grenze?; Grenzen zwischen ethnischen oder kulturellen Gruppen; naturräumliche Grenzen; Dynamik von Grenzen. Dabei ergaben sich vor allem für die erste und fünfte Frage weiterführende Perspektiven. Beim diesjährigen Treffen des Forschungsfeldes 3 »Urbane Räume« (Abb. 9) in Rom (s. auch hier S. 97. 98) diskutierten seine Teilnehmer und Teilnehmerinnen folgende Fragen: Wie definiert sich urbaner Raum? Wie wird er genutzt? Welche Beziehungen und Vernetzungen bestehen zwischen verschiedenen urbanen Räumen? Wie definiert sich das Verhältnis zwischen öffentlichem und privatem Bereich? Die Diskussion soll wegen ihrer Fruchtbarkeit fortgeführt werden. Das Forschungsfeld 4 »Orte der Herrschaft« untersucht, welcher Räume sich Herrschaftsorganisationen zur Ausübung, Inszenierung und Kommunikation von Macht bedienten und wie sie diese gestalteten. Das Treffen des Forschungsfeldes in Istanbul (s. auch hier S. 214) beschäftigte sich mit der »Funktionalen Ausgestaltung von Herrschaftsorten«. Erörtert wurde, welche Funktionsbereiche mit welcher Bestimmung (z. B. Repräsentation, Verwaltung, Militär, Versorgung) für Herrschaftsorte in verschiedenen Kulturen typisch waren und inwieweit diese archäologisch identifiziert werden können. Im Rahmen des oben genannten Jahrestreffen 2009 des Forschungsclusters in Berlin stellte das Forschungscluster zentrale Ergebnisse seiner bisher dreijährigen Arbeit einer internationalen wissenschaftlichen Öffentlichkeit vor und zog Bilanz. Diesen Zielen dienten insbesondere die von den Forschungsfeldern (mit)konzipierten Sektionen: Erschließung und Nutzung von Räumen, Begrenzungen und Entgrenzungen, Urbane Räume, Das Geschehen am Herrschaftsort: Schriftquellen und Archäologie (Abb. 10). Aus der internen Jahresversammlung des Forschungsclusters gingen einige organisatorische Änderungen im Hinblick auf die Leitung des Forschungsclusters
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und der Forschungsfelder hervor sowie der Beschluss, einen halbjährlichen, auch übers Internet abruf baren Rundbrief einzuführen. Sprecher und Sprecherin des Forschungsclusters 3: R. Haensch, U. WulfRheidt • Koordinator: R. Färber • Abbildungsnachweis: F. Arnold (Abb. 7); nach Imperium Romanum. Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau. Begleitband zur Ausstellung des Landes Baden-Württemberg im Kunstgebäude Stuttgart vom 1. Oktober 2005 bis 8. Januar 2006 (Stuttgart 2005) 413 Abb. 553 (Lf D Tübingen, H. Reim, mit freundlicher Genehmigung durch das Regierungspräsidium Tübingen, Archäologische Denkmalpf lege) (Abb. 8); A. Filges (Abb. 9); D-DAI-Rom 1970.1148, H. Singer (Abb. 10).
Abb. 10 Forschungscluster 3 »Politische Räume«, Rom (Italien). Linke Hälfte einer Bauinschrift (CIL VI 40803) des Stadtpräfekten Iunius Valerius Bellicius (wohl 421–423 n. Chr.) anlässlich der Restaurierung seines Amtslokals, des secretarium Tellurense
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Forschungscluster 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual. Kontinuität und Veränderung« Das Forschungscluster 4 untersucht Heiligtümer verschiedener Kulturkreise unter Berücksichtigung ihrer kulturspezifischen Hintergründe. Besonderes Augenmerk lag auf den vier Forschungsfeldern, die sich mit der »Genese und Kontinuität«, dem »Ende und Nachleben«, dem »Gestalteten Raum« sowie dem »Votiv und Ritual« beschäftigten. Um die bisherigen Ergebnisse vorzustellen und zu diskutieren, fand Anfang des Jahres eine Tagung in Kairo statt (s. auch hier S. 178. 179). Externe Vorträge aus dem Bereich der Religionsgeschichte, Althistorie und Altorientalistik stellten die archäologischen Forschungsansätze in einen größeren Zusammenhang (S. Maul, I. Forstner-Müller, P. Funke, J. Rüpke, R. Schlesier). Dabei wurde konstatiert, dass einzelne Phänomene nur dann zu vergleichen sind, wenn eine genauere gemeinsame Terminologie vorliegt. Eine Fokussierung der Fragestellungen auf Unterthemen innerhalb der Forschungsfelder, wie z. B. beim Bereich Nachleben auf das Thema »Spolien und Spolisierung«, wurde vereinbart (Abb. 11). In einem Zwischenbericht sollen alle bisherigen Ergebnisse der im Forschungscluster 4 vertretenen Projekte im kommenden Jahr veröffentlicht werden. Für die zweite Arbeitsphase wurde aufgrund der vorgeschlagenen neuen Schwerpunktsetzung eine inhaltliche Verschiebung der Forschungsfelder durch die Sprecher und Moderatoren im Frühjahr in Berlin beschlossen. Die beiden ersten Forschungsfelder werden zu einem neuen übergreifenden Forschungskomplex »Antike Heiligtümer: Kontinuität und Brüche« zusammengefasst. Beim Forschungsfeld »Gestalteter Raum« verschiebt sich der Ansatz von der reinen architektonischen Betrachtung auf »Heiligtümer im räumlichen Kontext: Landschaften und Siedlungen«. Das Forschungsfeld »Votiv und Ritual« wird um Aspekte des Totenrituals und des Heroenkults u. Ä. erweitert (Abb. 12). Da sich zahlreiche grundsätzliche Probleme zur antiken Religion und den archäologischen Quellen ergeben, wird ein Ausschuss gebildet, der für die Klärung inhaltlicher Fragen zuständig ist, also den Abgleich theoretischer und empirischer Fragestellungen leisten soll. Am Ende des Jahres wurde beim Symposium des Forschungsfeldes »Votiv und Ritual« mit dem Sonderforschungsbereich (SFB) 619 »Ritualdynamik« im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg anhand von Beispielen das Thema »Weihungen und Weihgaben in antiken Heiligtümern« zwischen Archäologen, Ritualforschern, Philologen und Historikern der altorientalischen, ägyptischen, südarabischen und altgriechischen Disziplinen fachübergreifend diskutiert. Es erfolgte dabei eine Auswertung der schriftlichen wie archäologischen Quellen im Hinblick auf kulturspezifische Eigenarten
422 Jahresbericht 2009 des DAI Abb. 11 Forschungscluster 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual. Kontinuität und Veränderung«, Olympia (Griechenland). Zur christlichen Kirche umgebaute Werkstatt des Phidias, in der die Goldelfenbeinstatue des Zeus entstand Abb. 12 Forschungscluster 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual. Kontinuität und Veränderung«, Abydos (Ägypten). Rekonstruktion des Osirisschreines des späten Mittleren Reiches (um 1700 v. Chr., zerstört im 5. Jh. n. Chr.)
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und Gemeinsamkeiten. Es zeigte sich hier deutlich, dass es zukünftig einer intensiveren Auseinandersetzung mit diesem Thema bedarf, um im interkulturellen und -religiösen Vergleich dem Phänomen Weihungen/Weihgaben gerecht zu werden. Beispiele aus bisher nicht berücksichtigten Kulturkreisen wie der römischen Antike und dem Vorderen Orient müssen mit einbezogen werden. Hierbei sollen neben der Auswertung der archäologischen Funde und Befunde die Fragestellungen auch unter historisch-philologischen Gesichtspunkten untersucht weFür die nächsten drei Jahre ist für die Kooperation mit dem SFB geplant, verschiedene neue Aspekte in den Vordergrund zu stellen. Zu denen zählen der Aufstellungsort bzw. die Deponierungen von Weihgaben (Fundumstände) (Abb. 13), das Spektrum der Weihgaben mit dem Phänomen der Standardisierung und Miniaturisierung, die Gründe für den Wandel oder Abbruch von Weihepraktiken, die Abhängigkeit der Dedikationsform vom jeweiligen gesellschaftlichen und religiösen Hintergrund einer Kultur, die Rituale des Dedikationsaktes, die Intentionen und Anlässe für Dedikationen, die Weihungen als mögliche Form von ›Propaganda‹ und gesellschaftliche Repräsentation (Abb. 14), die Weihungen von Architekturen und Bauteilen sowie Personen, Naturalien etc. und die Reglementierung und Kontrolle der Votivpraxis durch entsprechende Institutionen. Sprecher und Sprecherin des Forschungsclusters 4: H.-J. Gehrke, I. Gerlach, W.-D. Niemeier, D. Raue, R. Senff • Abbildungsnachweis: R. Senff (Abb. 11. 13); W.-D. Niemeier (Abb. 12); A. Eff land (Abb. 14).
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Abb. 13 Forschungscluster 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual. Kontinuität und Veränderung«, Kalapodi, das antike Abai (Griechenland). Baubegleitendes Opfer im spätgeometrisch-früharchaischen Südtempel, eiserner Meißel und bronzener Vogelanhänger Abb. 14 Forschungscluster 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual. Kontinuität und Veränderung«, Olympia (Griechenland). Basis der Ehrenstatue des P. Memmius Philodamos 14
Forschungscluster 5 »Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts im 20. Jahrhundert« In diesem Jahr wurden im Rahmen von Forschungscluster 5 »Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts im 20. Jahrhundert« vor allem die Arbeiten an den Teilprojekten »Die Zentrale des DAI in Berlin – Entscheidungsprozesse und Finanzstrukturen von der Zwischen- zur Nachkriegszeit« und »Archäologie, Politik und Öffentlichkeit 1919 bis 1960« fortgesetzt, beide Projekte sollen 2010 abgeschlossen werden. Im Mittelpunkt des ersten Teilprojekts stehen die Beziehungen des DAI zu den vorgesetzten staatlichen Stellen sowie Selbstverständnis, Bedeutung und Führungsstruktur der Institutsleitung. 2009 wurden besonders die unmittelbare Nachkriegszeit (Abb. 15) und die frühe Bundesrepublik, also die schwierige Wiederauf bau- und Konsolidierungsphase des Instituts unter seinen Präsidenten C. Weickert (1947–1954) und E. Boehringer (1954–1960), aufgearbeitet (Abb. 16). Dabei ging es um das Verhältnis der Institutsspitze zu verschiedenen staatlichen Ansprechpartnern (Magistrat von Berlin, Bundeskanzleramt, Bundesinnenministerium), insbesondere im Hinblick auf den rechtlichen Status des DAI, aber auch um die ›Vergangenheitsbewältigung‹ des Instituts und der deutschen Archäologie insgesamt, also um den Umgang mit der eigenen NS-Vergangenheit. Im Mittelpunkt der Archivrecherchen stand neben dem Abschluss der Arbeiten im Archiv der Zentrale des DAI eine aufwendige Recherche im Bundesarchiv Koblenz. Das zweite Teilprojekt beleuchtet die vielfältigen Beziehungen zwischen DAI, Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit im Wandel der politischen Systeme im 20. Jahrhundert. Nach der Untersuchung der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus rückte 2009 zum einen die unmittelbare
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Abb. 15 Forschungscluster 5 »Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts im 20. Jahrhundert«, Berlin. Zerstörte DAI-Zentrale nach 1945 (Maienstraße) Abb. 16 Forschungscluster 5 »Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts im 20. Jahrhundert«, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des DAI vor dem zerstörten Institut in der Maienstraße. Ganz rechts Carl Weickert, ganz links Erich Boehringer, mittig Gerda Bruns 15
Nachkriegszeit in den Vordergrund, die geprägt war von der Reorganisation und Neupositionierung des Instituts unter C. Weickert. In diesen Jahren war die Zentrale in Berlin dem Magistrat von Berlin unterstellt. Zum anderen sind auch die frühen Jahre der Bundesrepublik unter E. Boehringer von Interesse (Abb. 17), in denen das Institut zum Bund (Innenministerium) kam und die Zweigstellen wieder eröffnet werden konnten. Um diese Fragen zu bearbeiten, wurden intensive Recherchen zur Nachkriegszeit im Landesarchiv Berlin sowie im Bundesarchiv Koblenz durchgeführt. In diesem Zusammenhang entstand auch ein erster Aufsatz zur beginnenden Vergangenheitsbewältigung am Institut unter Weickert und der Neupositionierung als ›unpolitische Wissenschaft‹ gegenüber der Öffentlichkeit. Über das vierte Teilprojekt im Rahmen des Forschungsclusters 5 wird unter der Abteilung Kairo berichtet (s. auch hier S. 174. 175). In engem und produktivem Zusammenhang mit den monographischen Forschungen des Forschungsclusters 5 wurden die Erschließungsarbeiten im Archiv fortgesetzt. Anfragen und Archivbesuche von Forschern und Forscherinnen, die sich für die Institutsgeschichte interessieren, nahmen auch jenseits der Projekte des Forschungsclusters 5 in diesem Jahr wiederum zu. Weitere Teile der Altregistratur wurden erfasst und die Biographica-Sammlung, ein wichtiges Instrument zur Personengeschichte, bearbeitet. Wissenschaftlicher Beirat des Forschungsclusters 5: A. Borbein (Emeritus, Institut für Klassische Archäologie der Freien Universität Berlin), G. Brands (Seminar für Orientalische Archäologie und Kunst der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg), R. vom Bruch (Institut für Geschichtswissen-
Abb. 17 Forschungscluster 5 »Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts im 20. Jahrhundert«, Erich Boehringer (Präsident des DAI von 1954–1960)
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schaften der Humboldt-Universität zu Berlin), O. Dally, N. Frei (Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena), H.-J. Gehrke (Vorsitz), S. Hansen, H. Haßmann (Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpf lege), Ch. Jansen (Institut für Geschichte und Kunstgeschichte der Technischen Universität Berlin), K. Junker (Institut für Klassische Archäologie der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz), M. Maischberger (Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz), S. von Schnurbein (Erster Direktor der RGK i. R.) • Projektbearbeiter: Ch. Jansen (Teilprojekt 3), M. Vigener (Teilprojekt 2), F. Jagust (Teilprojekt 1) • Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, Archiv (Abb. 15–17).
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