Ferngesteuerte Atombomben Der neueste UTOPIA-Band berichtet von einer furchtbaren Gefahr, welche die Menschheit in eine...
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Ferngesteuerte Atombomben Der neueste UTOPIA-Band berichtet von einer furchtbaren Gefahr, welche die Menschheit in einer technisch weit fortgeschrittenen Zeit bedroht: von Atombomben, die, als kleine künstliche Monde, die Erde umkreisen und durch Fernsteuerung in beliebige Ziele auf der Erdoberfläche hineingelenkt werden können. Bereits im Jahre 1947 liefen sensationelle Pressemeldungen um die Welt, die allen Ernstes behaupteten, man hätte in den USA Atombomben mit Raketenantrieb in den Weltraum geschickt, die nun die Erde mit Kreisbahngeschwindigkeit umflögen und darauf warteten, von den Amerikanern „bei Bedarf“ durch Funkkommandos wieder heruntergeholt zu werden. Bis zu 200 dieser unheimlichen Geschosse sollten in 10 000 km Höhe ständig über unseren Köpfen dahinziehen. Die Meldung erwies sich bald als eine „Zeitungsente“, die in Frankreich entstanden und von verschiedenen Blättern verbreitet worden war. Ihren Ursprung hatte sie in einem amerikanischen Raketenversuch vom 17. Dezember 1946. Damals hatte man beabsichtigt, aus dem Kopf einer V 2-Rakete heraus kleine Geschosse mit Geschwindigkeiten bis zu 16 km/sek zu verfeuern, um künstliche Meteore für Forschungszwecke zu erzeugen. Infolge eines technischen Versagers schlug der Versuch allerdings fehl. Es ist jedoch nicht undenkbar, daß ferngesteuerte Atombomben zu einer ebenso selbstverständlichen Waffe eines kommenden Krieges werden, wie es im zweiten Weltkrieg der Langstreckenbomber war. Mit dem pilotenlosen amerikanischen Düsenbomber „Matador“, der seine Atombombenlast mit 1000 Stundenki-
lometer Fluggeschwindigkeit ins Ziel tragen kann, ist bereits ein weiter Schritt auf diesem verhängnisvollen Wege getan. Nur die internationale Ächtung aller Atomwaffen und die Verwirklichung einer streng durchgeführten Atomkontrolle werden die Menschheit von dem Alpdruck erlösen können, der heute noch in Gestalt der Atom- und Wasserstoffbombe auf ihr lastet.
Von Alf Tjörnsen
„Ihr neuer Tele-Radiation-Explorer ist wirklich ein verteufeltes Gerät, Doc“, sagte Major Kimball vom Geheimdienst kopfschüttelnd. „Nur gut, daß die Gegenseite noch nicht dahintergekommen ist.“ „Es würde der Gegenseite nicht allzu viel nützen“, bemerkte der junge Gelehrte mißvergnügt. Es ärgerte ihn, daß man ihm diese Kommission des Secret Service vor die Nase gesetzt hatte, die seine Erfindung ganz für sich in Anspruch nahm und ihn keinen Augenblick mehr aus den Augen ließ. „Da bin ich aber anderer Ansicht“, rief der Major mit Überzeugung. „Die Herrschaften vom Ost-Block würden zweifellos allerhand darum geben, wenn sie mit solch einem Gerät unseren Atomforschern in die Töpfe gucken könnten.“ „Dafür wäre es zunächst einmal erforderlich, daß sie – genau wie wir – über eine künstliche Weltraumstation verfügten“, gab Hancock zu bedenken. Sie standen zu dritt im Observatorium für Erdbeobachtungen 5
der kosmischen Außenstation „Luna nova“, die wie ein riesiger Diskus die Erde in 1730 Kilometer Höhe umschwebte: Charles Hancock, Major Kimball und sein Adjutant. Die hochleistungsfähige Elektronenoptik holte die Gegend heran, die sich tief unter ihren Füßen dehnte: die östliche Nordsee, deren Beobachtung jedoch durch mächtige Wolkenmassen behindert war. „Eine merkwürdige Witterung in diesem Jahr“, sagte der Adjutant und schaltete eine stärkere Vergrößerung ein, um einen kleinen Ausschnitt des Küstengebietes durch eine Wolkenlücke noch näher heranzuholen. „Sturmfluten im Hochsommer, vernichtende Wolkenbrüche, Überschwemmungen, die ganze Länder verwüsten, wie kürzlich erst Ägypten und den Sudan. Es ist, als wären alle bösen Mächte der Natur entfesselt.“ „Sie sind es auch“, nickte Hancock grimmig. „Der Mensch hat sie selbst entfesselt – durch seine ständigen Eingriffe in den Ablauf des Naturgeschehens. Wenn dieser Irrsinn mit den XBombenversuchen nicht bald ein Ende findet, geht auf unserer alten Erde noch alles in Scherben – auch ohne, den neuen Weltkrieg, für den jetzt überall so fleißig Propaganda gemacht wird.“ Major Kimball vom. Geheimdienst liebte es nicht, wenn in seiner Gegenwart an Maßnahmen Kritik geübt wurde, die das Verteidigungsministerium für richtig hielt. Er sah in jedem, der die Atomwaffenentwicklung ablehnte, einen verkappten Saboteur oder Verräter. Geschickt wechselte er das Thema: „Sagen Sie, Doc: Welche Neuerungen weist eigentlich Ihr neuer Tele-Radiation-Explorer gegenüber dem älteren Typ auf?“ Charles Hancock gab bereitwillig Auskunft: „Mit dem älteren Typ konnten wir lediglich feststellen, ob und an welchem Punkt der Erde eine Atombombenexplosion ausgelöst wurde. Das neue Gerät erlaubt uns darüber hinaus festzustellen, ob in einer bestimmten Gegend überhaupt radioaktive Strahlen 6
vorhanden sind, und in welcher Stärke sie auftreten. Außerdem verrät es uns – durch einen besonderen Mechanismus, den ich allerdings geheimzuhalten wünsche, – genauestens die Existenz und den Lagerort einsatzbereiter X-Bomben.“ „Toll – einfach toll“, staunte Major Kimball. „Sagen Sie, Doc, gilt das etwa auch – ahem – für die amerikanischen Atombomben?“ „Selbstverständlich, Sir.“ „So, so. Nun, dann würde ich es für richtig halten, daß diese Station künftig nur noch mit Angehörigen des Geheimdienstes besetzt wird.“ „Das könnte Ihnen so passen, Monsieur.“ Henri Lasalle, der kleine, lebhafte Kommandant der Raumstation, war unbemerkt eingetreten. „,Luna nova’ untersteht dem S.A.T. * und dient ausschließlich den Interessen einer friedlichen Weltraumfahrt. Solange ich hier mitzureden habe, wird sich daran auch nichts ändern. Ich hoffe, Sie sehen nun klar, Monsieur.“ „Das Bild ist jetzt ganz klar – sehen Sie doch, Gentlemen!“ Aufgeregt winkte der Adjutant die drei Herren, die gerade im Begriff standen, in eine heftige Meinungsverschiedenheit zu geraten, an den Bildschirm des Elektronenteleskops heran. In einer Wolkenlücke erschien ein graues Stück der aufgewühlten, sturmgepeitschten See – und inmitten der entfesselten Naturgewalten eine winzige Insel, eine Hallig, eigentlich nur noch ein einzelnes Haus. Der Adjutant wählte die stärkste Vergrößerung, regulierte die Fokussierung. Für einen kurzen Augenblick erschien das Drama, das sich dort in der Tiefe abspielte, fast greifbar nahe: Die Wogen schäumten an dem Haus empor, das einsam auf der überfluteten Insel stand. Und auf das Dach dieses Hauses hatten sich drei Menschen gerettet – drei einsame Menschen in einer Wüste aus schäumendem Wasser … *
S. A.T. = Staatliches Atom-Territorium der USA
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Wolken schoben sich über das Bild. Sie verhinderten jede weitere Beobachtung. „Die armen Schlucker“, meinte Lasalle mitleidig. „Sie sind rettungslos verloren.“ * Rettungslos verloren … Die bange Ahnung des nahen Endes überkam die drei einsamen Menschen auf der Hallig Wittsand und wurde mehr und mehr zur Gewißheit. Die Flut stieg und stieg, wütend peitschte der Sturm das Meer, fegte heulend über das alte Haus und zerrte an den Körpern der Menschen, die sich auf den Dachfirst geflüchtet und sich am Kamin festgebunden hatten: der alte Uwe Henning, seine Tochter Ingrid und Ernst Hagen. Nein, das hätte sich Doktor Ernst Hagen, seines Zeichens wissenschaftlicher Assistent am Institut für Tropenkrankheiten in Hamburg, nicht träumen lassen, als er an diesem Morgen mit dem kleinen Außenbordmotorboot Wittsand anlief, um seine Freundin Ingrid übers Wochenende im väterlichen Haus zu besuchen. Fast wie ein Spiegel hatte die See unter dem sommerlich heiteren Himmel gelegen, kaum ein Windhauch hatte die Halme des Strandhafers bewegt. Die ganze Natur atmete Frieden und Sommerseligkeit. Während des Mittagessens, das Ingrid den beiden Männern in der geräumigen Diele aufgetragen hatte, war plötzlich ein Schatten auf Hallig und Meer gefallen. Der Himmel verdunkelte sich fast schlagartig, ein hohles Sausen war in der Luft, die erfüllt war von dem ängstlichen Schreien der Möwen. Die heraufkommende Flut rauschte stärker, als es sonst bei diesem Anlaß, zu geschehen pflegte. Verwundert war der alte Henning vors Haus getreten und hatte abwechselnd auf Himmel und Meer geschaut. In all den sechzig Jahren, die er nun schön auf Wittsand lebte, hatte sich 8
das Wetter nie so unbegreiflich benommen, hatte es nie in dieser Weise jede überlieferte Regel über den Haufen geworfen. Schweigend begann er, das Vieh hereinzutreiben, während Ingrid und Hagen in aller Eile Fenster und Türen verrammelten. Die Sturmflut hatte die Hallig mit hemmungsloser Gewalt angesprungen. Noch keine Stunde war vergangen, seit jener dunkle Schatten über das Meer fiel, als bereits nichts mehr von der kleinen Insel zu sehen war. Schon brach das Wasser ins Untergeschoß des alten Hauses ein. Und während das Vieh kläglich brüllend ersoff, suchten die drei Menschen ihre letzte Zuflucht auf dem Dach. In einer kleinen Pause im Heulen des Sturmes gelang es ihnen, sich mit ein paar Worten zu verständigen. „Wie lange kann das noch so weitergehen?“ fragte Ernst Hagen den Alten. „Nicht mehr lange“, kam die einsilbige Antwort. „Sie glauben also, die Macht des Sturmes sei gebrochen?“ „Das weiß allein der liebe Gott. Nein, das meinte ich nicht.“ „Dann verstehe ich nicht …“ „Sie werden es gleich verstehen lernen“, knirschte Uwe Henning erbittert, „denn es kann nur noch Augenblicke dauern, bis das Haus einstürzt.“ Tatsächlich nahm jetzt auch Ernst Hagen ein verdächtiges Knacken und Schwanken wahr. Ingrid stieß einen ängstlichen, kleinen Schrei aus. Ernst griff mit der freien Hand nach ihrem Arm. Er wollte ihr etwas Beruhigendes sagen, aber da tobte der Sturm so unvermittelt wieder los, daß ihm das Wort vom Munde gerissen wurde. Abermals verging eine endlose halbe Stunde in dieser sturmdurchtobten Hölle. Die Dachziegeln, mit denen das Haus sehr solide gedeckt war, flogen nacheinander davon. Irgendwo in der Tiefe mußte ein Teil des Mauerwerks eingestürzt sein. Das Gerippe des Dachstuhls neigte sich bedenklich. Ängstlich 9
klammerten sich die drei Menschen am Kamin fest. Sie fühlten ihre Kräfte schwinden. „Ich kann mir das ganze einfach nicht erklären“, murmelte der alte Hening, als der Sturm eine neue Pause machte. „So etwas hat es noch nicht gegeben, solange die Erde sich dreht. Der Teufel selbst muß die Hand im Spiel haben.“ „Daran zweifle ich nicht“, lachte der junge Mann böse. „Ich für mein Teil möchte wetten, daß diese verdammten XBombenversuche daran schuld sind. Sie verderben uns das ganze Klima.“ „Lange halte ich es nicht mehr aus“, stöhnte Ingrid leise. „Man wird Hilfe vom Festland schicken“, versuchte Ernst sie zu trösten, obwohl er selbst nicht an diese Möglichkeit glaubte. „Man denkt gar nicht daran“, knurrte der alte Henning, der sich nichts vormachen wollte. „Die Leute an der Küste sind nicht besser dran als wir. Es sollte mich wundern, wenn nicht schon überall die Deiche gebrochen wären. Nein, wenn der Sturm wieder einsetzt, sind wir geliefert. Es müßte schon ein Wunder geschehen …“ Manchmal geschehen Wunder – auch im Zeitalter der modernen Technik. Als das hohle Sausen wieder die Stille durchschnitt, horchte der alte Henning plötzlich auf. Deutlich klang darin ein anderer Ton mit: ein feines Singen und Surren. Erstaunt fuhren die Gesichter der drei in die Höhe. Was war das? Eine Halluzination? Eine Täuschung der überreizten Nerven? Aus den grauen, niedrig nach Osten dahinziehenden Wolken löste sich ein seltsames Fluggerät, senkte sich mit riesigen, kreisenden Flügeln langsam herab. „Ein Hubschrauber! Sie holen uns!“ Ernst Hagen schrie es erlöst und winkte mit der Hand. Senkrecht kam der große Vogel herunter. Ein Tau baumelte herab, schlug klatschend gegen die Dachsparren. Der junge Mann haschte danach. Mühsam versuchte er, es unter Ingrids 10
Armen durchzuziehen und mit seinen klammen Fingern eine Schlinge zu knüpfen. Es wollte ihm nicht gelingen. Die ersten, wütenden Stöße des wiedererwachenden Sturmes sprangen heran. Aus der Einstiegluke der Maschine winkte ein Mann, heftig und voller Ungeduld. Ernst Hagen machte eine mutlose Gebärde. Die Kraft des Sturmes wuchs. Sein Heulen erfüllte wieder die Luft. Der Hubschrauber begann zu tanzen. „Es geht nicht“, rief Ernst verzweifelt. Plötzlich turnte eine Gestalt an dem baumelnden Seil herab. Ein Körper fiel klatschend ins Wasser, kräftige Hände griffen nach den Sparren. Ein sportlicher, junger Mann mit gebräuntem Gesicht schwang sich auf den Dachfirst. Energisch packte er zu. Und seine sonore Stimme sprach: „So, Herrschaften, das hätte noch mal geklappt.“ * Als der große Düsen-Fernhubschrauber auf dem Kopenhagener Flughafen Kastrup landete, fegte der Sturm in starken Böen über die regennassen Rollbahnen. Mit einer Gruppe des Bodenpersonals kam der Flugdienstleiter herbeigeeilt, um die Gäste aus Übersee zu begrüßen. „Hallo, Kommodore Parker! Hallo, Herr Wernicke! Was haben Sie uns für ein tolles Wetter mitgebracht?“ „Das waren wir nicht“, entgegnete Fritz Wernicke treuherzig. „Bei uns, in Orion-City, herrschte strahlender Sonnenschein, als wir abflogen.“ Ein losgerissenes Transparent flatterte über den Platz und schlang sich naß und schmutzig um die beiden Freunde. Mit vereinten Kräften befreiten sie sich von der lästigen Umklammerung. „Was steht denn da drauf?“ wollte Jim Parker wissen. „Herzlich willkommen zum Ersten Internationalen Düsen11
hubschrauberwettbewerb in Kopenhagen“, entzifferte Fritz Wernicke die Aufschrift. „Nettes Willkommen, das muß man schon sagen“, lachte der Kommodore. „Wenn Sie uns nichts Besseres zu bieten haben, mein Lieber …“ „Kommen Sie, Gentlemen. Im Empfangsraum wartet ein steifer Grog auf Sie.“ Im elektrisch geheizten Empfangsraum wartete nicht nur ein steifer Grog. Es wartete auch ein Dutzend Piloten verschiedener Nationalität, das herbeigeeilt war, um mit Düsenhubschraubern der modernsten Typen an dem Wettbewerb in Dänemarks Hauptstadt teilzunehmen. „Wir danken Ihnen, daß Sie gekommen sind“, ergriff der Flugdienstleiter wieder das Wort, „doch muß ich Ihnen leider eine Enttäuschung bereiten. Ihre Reise war vergeblich, Gentlemen. Angesichts dieses Unwetters, dessen Ende noch nicht abzusehen ist, müssen wir den Wettbewerb natürlich absagen. Auch haben sich begreiflicherweise nur knapp zehn Prozent der gemeldeten Teilnehmer eingefunden.“ „Macht nichts“, meint Jim Parker gutmütig, „das war ‚höhere Gewalt’. Und ganz vergeblich war unser Flug auch wieder nicht. Kamen gerade noch zurecht, um drei nette Leutchen aus dem Wasser zu angeln, die an der friesischen Küste mit ihrer Insel abgesoffen waren. Haben sie dann in Flensburg abgesetzt. Daher auch unsere ungebührliche Verspätung.“ Während sich der ewig durstige Fritz Wernicke vor allen Dingen einmal an dem dampfenden Grog schadlos hielt, den ihr Gastgeber freigebig spendete, schüttelte der Kommodore den Piloten aus England, Deutschland, Frankreich und Holland die Hand, die ihn erfreut umringten. Manch einer war ihm bereits von früher her bekannt. „He, Chef, hast du noch was Neues für uns? Andernfalls hauen wir jetzt ab.“ Ein hagerer Mann mit klugen, flinken Augen steckte den Kopf zur Tür herein – der Wortführer einer 12
Meute von Reportern, die im Nebenraum wartete und bisher sehr wenig auf ihre Kosten gekommen war. „Haut getrost ab“, sagte der Flugdienstleiter unfreundlich. „Ich sehe euch sowieso am liebsten von hinten.“ Aber der Zeitungsmensch dachte gar nicht daran „abzuhauen“. Sein Adlerauge hatte Jim Parker erspäht. „Kommodore Parker ist da!“ brüllte er und kam hereingestürzt. Die Schar seiner Kollegen drängte ihm nach. Im Nu wimmelte der Raum von Presseleuten. Blitzlichter flammten auf, Stenogrammblöcke wurden gezückt. Jim Parker fügte sich in das Unvermeidliche und grinste verbindlich. Und dann prasselte ein Platzregen neugieriger Fragen auf ihn los: „Wie gefällt es Ihnen in Dänemark, Kommodore?“ „Ein bezauberndes Land, nur im Augenblick etwas naßkalt.“ „Glauben Sie, daß die letzten Atombombenversuche an diesen Wetterkatastrophen schuld sind?“ „Ich fürchte es – wenn sich auch die Fachgelehrten darüber noch nicht ganz einig sind.“ „Wann werden Sie zum Mars fliegen, Kommodore?“ „Das weiß allein Allah – und eventuell noch der dicke Cunningham.“ 13
„Was halten Sie von der politischen Lage, Kommodore? Wird es einen neuen Weltkrieg geben?“ Jim Parker wurde plötzlich sehr ernst. „Unsere Zivilisation hat im Zeitalter der modernen Technik eine so hohe Vollkommenheit erreicht, daß man meinen sollte, die heutigen Menschen müßten ihre Meinungsverschiedenheiten auf höherer Ebene austragen können, das heißt im Konferenzsaal, anstatt sich gegenseitig barbarisch abzuschlachten. Leider ist das nicht der Pall. Eine fehlgeleitete Atomforschung hat Massenvernichtungswaffen von einer Schrecklichkeit geliefert, die geeignet wären, die halbe Menschheit auszurotten und den Überlebenden ein primitives Dasein auf der Kulturstufe der Steinzeit zu bescheren.“ „Sehr interessant, Kommodore. Andererseits hört man jedoch von maßgeblicher Seite oft die Ansicht vertreten, daß gerade die Schrecklichkeit dieser Waffen, vor allem der XBombe, jede der beiden Parteien vor einem neuen Krieg abschrecken müßte.“ „Eine viel verbreitete Meinung, Gentlemen, aber sie beruht – wie ich fürchte – auf einem Trugschluß. Vergessen Sie nicht, daß beide Mächtegruppen unzählige Milliarden in diese verhängnisvolle Entwicklung hineingesteckt haben, und – ahem – das Geschäft soll sich ja eines Tages rentieren.“ „Sehr einleuchtend, Kommodore. Diese Seite der Angelegenheit ist tatsächlich in der Öffentlichkeit bisher viel zu wenig beachtet worden. Aber für wen wird sich dieses ‚Geschäft’ denn rentieren?“ Jim Parker zuckte die Achseln. „Für den, der die X-Bombe als erster wirft.“ „Sehen Sie keinen Weg, die Katastrophe abzuwenden?“ „Es gibt nur einen Weg, Gentlemen.“ Die Gestalt des Kommodores straffte sich, und in seine Augen trat ein stahlharter Glanz. „Die Herstellung von Atombomben müßte in aller Welt unmöglich gemacht, die vorhandenen Bestände müßten restlos 14
vernichtet werden. Eine internationale Kontrollkommission aus Vertretern aller Nationen hätte darüber zu wachen, daß der Weg der Vernichtung niemals wieder beschritten würde.“ „Und was steht dieser vernünftigen Lösung entgegen?“ „Die Unvernunft und die Verantwortungslosigkeit der beteiligten Regierungen.“ „Gegen die sich praktisch wohl kaum etwas tun ließe …“ „Irrtum – es ließe sich etwas dagegen tun.“ „Und was wäre das – Ihrer Meinung nach – Kommodore?“ „Eine einzige Bewegung des Widerstands müßte durch alle Völker gehen. Die positiven, aufbauenden Elemente unter den Menschen sollten sich zusammenschließen und dem grausamen Spuk den Garaus machen. Durch den Einsatz der X-Bombe droht der ganzen Menschheit unseres Planeten der Untergang. Warum greift die bedrohte Menschheit nicht zur berechtigten Notwehr? Warum wendet sie sich nicht entschlossen gegen ihre Verderber und zahlt ihnen mit gleicher Münze heim – wenn es sein muß: mit Gewalt?!“ Eifrig hasteten die Bleistifte der Reporter über das Papier. Das Interview des berühmten Weltraumfahrers würde die Sensation der Morgenblätter sein … Jim Parker ahnte in diesem Augenblick noch nicht, welche Wellen die Veröffentlichung seiner Gedanken schlagen würde. Aber – hätte er es gewußt – er würde sich dennoch nicht anders verhalten haben; denn sein ganzes Leben war ein einziger Kampf gegen jene finsteren Mächte, denen jede technische Errungenschaft nur dazu diente, um sie in den Dienst der Zerstörung zu stellen und den eigenen Geldbeutel dabei zu füllen. Seit den frühen Morgenstunden tagte im Pentagon hinter verschlossenen Türen eine Konferenz über die geheimsten Projekte, die je innerhalb dieser Mauern verhandelt worden waren. Unterstaatssekretär James Huxley, der Dezernent für die gesamte Atomwaffenentwicklung im amerikanischen Verteidigungsministerium, führte den Vorsitz, und in der kleinen 15
Gruppe der auserwählten Teilnehmer fielen vor allem die lange, hagere Gestalt Professor Skeletons, mit dem totenkopfähnlichen Haupt, und die düster-schweigsame Erscheinung Generalmajor Phelps’, des Chefs des Geheimdienstes, auf. Der Generalmajor hatte einen ausführlichen Bericht über die Atombombenentwicklung des Ostens vorgetragen und faßte das Wesentliche noch einmal in ein paar Sätzen zusammen: „Aus den Messungen der wissenschaftlichen Beobachtungsstationen, den Ermittlungen unserer Agenten und vor allem aus den Beobachtungen, die auf der kosmischen Außenstation mit dem Tele-Radiation-Explorer gewonnen wurden, geht demnach eindeutig hervor, daß dem Gegner nicht nur das Geheimnis der X-Bombe bekannt ist, sondern daß er auch in laufenden Versuchsreihen an ihrer Vervollkommnung arbeitet. Daneben ist bereits die Serienherstellung angelaufen, so daß der Gegner in Kürze über eine gewisse Zahl einsatzfähiger X-Bomben verfügen dürfte. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal auf die wachsende Feindschaft hinweisen, mit der die Öffentlichkeit aller möglichen Länder auf unsere Experimente reagiert. Besonders die Unwetterkatastrophen, die unserer letzten Versuchsreihe in einigen Gegenden der Nordhalbkugel folgten, haben infolge der entstandenen Schäden viel schlechte Stimmung verursacht. Leider scheinen auch Männer vom Rang eines Kommodores Jim Parker nichts Besseres zu tun zu haben, als die Öffentlichkeit gegen uns aufzuhetzen.“ Phelps zog einige Zeitungen aus seiner Aktentasche und reichte sie dem Unterstaatssekretär, der sie mit gerunzelter Stirn überflog. „Dieser Parker – unglaublich – hatte einmal gehofft, ihn in unser Programm einspannen zu können, aber der Bursche scheint unser erklärter Feind zu sein: Diesmal ist er zu weit gegangen. Seine unvorsichtigen Äußerungen in Kopenhagen werden ihm das Genick brechen. Mit einem Hochverräter, der zum offenen Aufruhr hetzt, braucht man nicht viel Federlesens 16
zu machen, selbst wenn es sich dabei um einen Mann von Parkers Popularität handelt. Ich werde die Sache unverzüglich in die Hand nehmen.“ „Eigentlich schade um ihn“, meinte der Generalmajor. „Nun, ja – aber ich bin doch heilfroh, daß er sich selbst zu Fall gebracht hat und uns künftig nicht mehr in die Quere kommen kann“, grinste James Huxley. „Doch nun zu Ihnen, Professor. Was sagen Sie zu dem Bericht des Generals?“ Professor Skeleton räusperte sich erregt: „Daß die ‚Konkurrenz’ über das Geheimnis der X-Bombe, meiner Erfindung, verfügt, überrascht mich weniger. Um so mehr müssen wir uns natürlich beeilen, unsere Serienfertigung in Gang zu bringen.“ „Sie können sich darauf verlassen, Professor“, versprach Huxley, „daß ich alles Menschenmögliche in dieser Richtung unternehmen werde.“ „Ich danke Ihnen, Herr Unterstaatssekretär. Aber zuvor müssen wir noch einige Großversuche durchführen. Zwei Superbomben liegen in Los Alamos bereit. Angesichts der unvermeidlichen Folgen und der feindseligen Reaktion der Weltöffentlichkeit fürchte ich jedoch …“ „Sie machen sich viel zu viele Gedanken, Professor“, winkte Huxley ab. „Was braucht es Sie zu kümmern, wenn ein paar vorwitzigen Fischern die Kähne absaufen? Wo gehobelt wird, fallen Späne – und es geht hier schließlich um größere Dinge. Machen Sie die Bomben einsatzbereit – und alles andere überlassen Sie getrost uns.“ * Sonnenschein lag über dem Hamburger Hafen, als Ingrid Henning an diesem Morgen an den St.-Pauli-Landungsbrücken stand und versonnen ihre Blicke über die Wasserfläche wandern ließ. Minutenlang betrachtete sie das faszinierende Bild des vielfältig-bunten, pulsierenden Schiffsverkehrs. Sie hatte Zeit. 17
Es war noch früh, und Ernst würde sie ohnehin zu dieser Stunde im Institut kaum brauchen können. Langsam wandte sie sich zum Gehen. Sie fuhr leicht zusammen, als dicht neben ihr auf dem Fahrdamm ein Wagen scharf bremste. „Verzeihen Sie, mein Fräulein“ – ein junger Mann mit braunem, scharf geschnittenem Gesicht, zu dessen Zügen die fröhlichen Augen in seltsamem Kontrast standen, schaute lächelnd aus dem Fenster des kleinen Wagens – „ich suche das Institut für Tropenkrankheiten. Soll hier irgendwo in der Nähe sein. Können Sie mir vielleicht sagen …“ „Das trifft sich ja großartig. Wir haben sogar denselben Weg.“ „Welch ein erfreulicher Zufall. Steigen Sie ein!“ Der Wagen fuhr an. „Übrigens – Fischer ist mein Name“, stellte sich der Fahrer mit einem bewundernden Seitenblick auf seine blonde Begleiterin vor. „Bin erst heute früh auf dem Luftwege von jenseits des Großen Teiches eingetroffen.“ „Und jetzt wollen Sie auf schnellstem Wege zum Institut für Tropenkrankheiten? Sie leiden doch hoffentlich nicht an Malaria, Herr Fischer?“ „Ich interessiere mich nicht im geringsten für Malaria und ähnliche Scheußlichkeiten, Fräulein …“ „Henning“, stellte sich Ingrid nun ihrerseits vor. „… Fräulein Henning! Nein, nicht im geringsten. Fühle mich auch ausgezeichnet und in keiner Weise krank. Andernfalls wäre es mir wohl kaum geglückt, meine Raketenmaschine heute nacht heil und sicher durch das Sturmtief über dem Atlantik zu steuern.“ „Sie haben die Maschine selbst gesteuert? Sind Sie denn Pilot?“ „Seit meiner frühesten Jugend – möchte ich fast sagen.“ Horst Fischer lachte jungenhaft. „Und was führt Sie nun tatsächlich ins Institut?“ fragte Ingrid neugierig. 18
„Ein besonderer Auftrag, Fräulein Henning. Da soll nämlich so ein komischer Knabe hausen – Siegfried heißt er, glaube ich. Nein – Hagen! Ich stelle mir den ‚grimmen Hagen’ finster und respekteinflößend vor, mit so einem langen, schwarzen Bart …“ Ingrid mußte lachen. Sie hatte sich ihren blonden Ernst noch nie mit einem schwarzen Bart vorgestellt. Horst Fischer fuhr fort: „Dieser Hagen soll nämlich ein tolles Präparat erfunden haben – so eine Art Salbe, mit der man den Körper garantiert sicher gegen radioaktive Strahlen schützen kann. Sie werden verstehen, daß eine Organisation, wie das Staatliche AtomTerritorium in Orion-City, an solchen Mitteln lebhaft interessiert ist.“ „Sie kommen also aus Orion-City, Herr Fischer? Und was haben Sie vor? Wollen Sie Doktor Hagens Erfindung aufkaufen?“ „Aufkaufen? Nee – den ganzen Hagen will ich einpacken und nach den USA verfrachten.“ Ingrid Henning stockte der Atem. „Halten Sie, wir sind da.“ Das war alles, was sie gerade noch herausbrachte. * „Hallo, Mister Huxley, was verschafft mir die Ehre?“ Das Gesicht Ted S. Cunninghams, des mächtigen S.A.T.Generaldirektors, war abweisend, und seine Stimme klang leicht ironisch, als er seinen prominenten Besucher zu dem runden Tisch am Fenster seines Arbeitszimmers in Orion-City geleitete und ihm Zigarren und Zigaretten hinschob. Unterstaatssekretär James Huxley spürte diese verborgene Feindschaft, der er überall, an allen Ecken und Enden der großen Atomstadt, begegnete. Jedes Kind in Orion-City wußte, daß sich hinter Huxleys Namen die Drohung unheimli19
cher Atomwaffen erhob. Orion-City aber war die Metropole der friedlichen Weltraumfahrt und der Auswertung der Atomenergie für nützliche Zwecke, zum Segen der gesamten Menschheit. James Huxley war in diesen Wochen, da das Wettrennen um die X-Bombe sein Tun und Trachten ganz erfüllte, ein vielbeschäftigter Mann, und darum steuerte er auch jetzt unmittelbar auf sein Ziel zu. „Es handelt sich um Kommodore Parker, Sir. Der Mann ist für uns untragbar geworden.“ Dem dicken „Atomboß“ klappte der Unterkiefer herab. Er war ein Bild fassungslosen Staunens. Rasch fuhr der Unterstaatssekretär fort: „Sie haben ganz richtig verstanden, Sir, Parker ist untragbar geworden. Wir verfolgen seine – äh – pazifistische Haltung schon seit längerer Zeit und lassen ihn ständig durch den Geheimdienst überwachen. Seine letzten Äußerungen vor der Presse in Kopenhagen haben dem Faß den Boden ausgeschlafen. Der Mann bedeutet eine Gefahr für unser Land. Er muß verschwinden, und zwar sofort.“ Der Atomboß musterte seinen Besucher, als hätte er es mit einem Geistesgestörten zu tun. „Sie sprachen von meinem besten Mann“, sagte er schließlich, und in seinen Augen wetterleuchtete es gefährlich. Das faltige, verkniffene Gesicht James Huxleys verzog sich zu einem säuerlichen Grinsen: „Ich weiß, Sir, ich weiß. Niemand würde es jemals wagen, Kommodore Parkers einzigartige Verdienste um das S.A.T. und um die Weltraumfahrt anzuzweifeln. Aber jetzt geht es um wichtigere Dinge. Die politische Lage ist in ein Stadium getreten, das es erforderlich macht, daß sich jeder einzelne von uns bedingungslos hinter die Maßnahmen stellt, welche die Regierung für richtig hält …“ „… sofern er es vor seinem Gewissen verantworten kann“, erklärte Cunningham mit Nachdruck. 20
„Gewissen? Seien Sie doch nicht so übertrieben zartfühlend, Cunningham. Was soll denn da Professor Skeleton sagen?“ „Skeleton muß selbst wissen, wie er seine Taten eines Tages verantworten wird“, erwiderte der Generaldirektor ernst. „Wir kommen vom Thema ab“, lenkte Huxley ein. „Was nun Kommodore Parker anbetrifft, so geht es nicht an, daß er unser Vorgehen noch länger boykottiert. Zumindest für so lange, bis die bevorstehende Auseinandersetzung beendet ist, wird er inhaftiert bleiben müssen.“ „Huxley, sind Sie verrückt geworden?“ Aufbrausend hieb Cunningham mit der Rechten auf die Tischplatte. „Ich warne Sie, Sir. Parker steht unter meinem Schutz, und ich möchte es keinem raten …“ „Ihr Schutz dürfte nur begrenzte Wirksamkeit haben“, lächelte Huxley dünn. „Er endet dort, wo sich das Innenministerium einschaltet. Bitte, seien Sie davon überzeugt, daß ich an alles gedacht habe. Der Haftbefehl, den ich vorsorglich mitgebracht habe, ist vom Herrn Minister persönlich unterzeichnet. Darf ich mich jetzt verabschieden, Sir?“ Grimmig starrte der dicke Ted S. Cunningham auf die gepolsterte Tür, durch die sein unsympathischer Besucher verschwunden war. Dann ging ein Ruck durch seine Gestalt. Er mußte Parker warnen. Jetzt, während der Mittagszeit, würde er den Kommodore in seinem Bungalow erreichen. Der Boß stürzte zum Telefon und wählte Jim Parkers Geheimnummer. Am anderen Ende meldete sich die Haushälterin des Kommodores. „Mister Parker ist noch nicht zurück, Sir. Ich weiß selbst nicht, wo er stecken könnte. Das Essen ist längst fertig …“ „Sagen Sie ihm, wenn er nach Hause kommt, er solle mich sofort im Büro anrufen. Danke.“ Seufzend legte Cunningham den Hörer auf die Gabel. Er hatte kein gutes Gefühl dabei Sollte man Parker bereits festgesetzt haben? 21
„Bemühen Sie sich nicht unnötig, Sir.“ Lautlos war die Tür aufgegangen. James Huxleys faltiges Gesicht grinste schadenfroh herein. „Ich sagte Ihnen bereits, daß ich an alles gedacht hätte. Soeben erreichte mich in Ihrem Vorzimmer die Meldung Inspektor Moosleys von der Bundeskriminalpolizei, daß er Kommodore Parker verhaftet hätte. Es geschah in der Lindbergh Avenue – selbstverständlich ganz unauffällig.“ * Doktor Ernst Hagen leitete im Institut für Tropenkrankheiten eine kleine Abteilung, die – streng genommen – tatsächlich nichts mit Malaria, Schlafkrankheit und anderen Geißeln der heißen Zonen zu tun hatte. Seine Forschungen galten einer anderen Geißel, die sich furchtbarer noch seit einigen Jahren über die Menschheit erhob: den gefährlichen Folgen nämlich, welche die bei Atombombenversuchen auftretenden radioaktiven Strahlen auf den Organismus eines jeden Menschen, der mit ihnen in Berührung kam, hervorriefen. Durch die Entwicklung der geheimnisvollen X-Bombe war die Atomforschung in ein neues, verhängnisvolles Stadium getreten. Die Wirkungen der Experimente mit dieser neuen Vernichtungswaffe übertrafen alle Berechnungen, und immer wieder kam es vor, daß selbst Unbeteiligte Opfer der leben- und gesundheitsgefährdeten Strahlungen wurden. Ernst Hagen hatte eine Salbe entwickelt, die der Haut Schutz vor radioaktiven Strahlen bieten sollte, und hatte sich mit dieser wertvollen Erfindung bereits einen Namen gemacht. „Deine Salbe taugt nichts, mein Guter“, sagte Ingrid respektlos, als sie an diesem Morgen in das Laboratorium ihres Freundes getreten war und ihn frisch und herzlich begrüßt hatte. „Sie taugt wirklich nichts. Hier, sieh dir das an.“ Mitleidig betrachtete Ernst den feuerroten Sonnenbrand auf 22
Ingrids Armen. „Armes Kind“, sagte er, „das ist fürchterlich. Aber wer hat denn auch behauptet, daß meine Salbe ein Vorbeugungsmittel gegen Sonnenbrand sei?“ „Ich dachte, sie wäre ein Strahlenschutzmittel …“ „Das ist sie auch, aber sie hält speziell die Alpha- und Gammastrahlen auf. Übrigens werden wir es bald nicht mehr nötig haben, uns mit dieser lästigen Schmiere einzureiben.“ „Fein, Ernst. Dann fällt also der drohende Atomkrieg aus, und die berühmte X-Bombe wandert ins Museum?“ Ein Schatten huschte über Ernst Hagens Gesicht. „Das wäre wohl zu schön, um wahr zu sein. Nein, so meine ich es natürlich nicht. Aber wir werden vielleicht schon in Kürze über bessere Schutzmittel verfügen. Komm, ich will dir etwas zeigen.“ Ernst führte das junge Mädchen in einen Raum, der mit Käfigen jeder Größe angefüllt war. Vor einer Gruppe abgesondert untergebrachter Versuchstiere blieb er stehen. „Aber Ernst, das ist ja das reinste Affenhaus.“ „Ist es auch. Nun, fällt dir an den Burschen nichts auf?“ Ingrid betrachtete forschend die drei kleinen Affen, die in getrennten Käfigen saßen. „Sie scheinen recht verschiedene Temperamente zu haben“, meinte sie schließlich. „Das liegt nur an dem verschiedenartigen Grad ihres Wohlbefindens“, erklärte Ernst. „Ich habe sie alle drei unter gleichen Versuchsbedingungen radioaktiver Strahlung ausgesetzt …“ „Schäme dich, Ernst. Das ist Tierquälerei.“ „Ich tue es gewiß nicht aus Roheit“, verteidigte sich der junge Forscher. „Wir brauchen aber dringend Erfahrungen aus Tierversuchen. Die Erkenntnisse, die wir daraus gewinnen, sollen einmal der ganzen Menschheit zugute kommen, wenn die X-Bombe eines Tages platzt.“ „Das verstehe ich nicht, Ernst. Verzeih, ich meinte es nicht so.“ „Das traurige Äffchen ganz links“, fuhr Ernst fort zu erklä23
ren, „war der Strahlung schutzlos ausgesetzt. Es wird bald mit ihm zu Ende gehen. Die beiden anderen wurden vorher schutzgeimpft.“ „Geimpft? Ja, wogegen denn?“ „Natürlich nicht gegen Pocken und Diphtherie, sondern gegen die biologischen Wirkungen der Atombombe. Der Affe in der Mitte wurde mit Aureomycin behandelt. Es scheint ihm ganz gut zu gehen, aber die Wirkung ist offenbar noch nicht nachhaltig genug. Auf dieser Grundlage habe ich weitergebaut und ein neues Spezialserum entwickelt. Seine Wirkung zeigt dir der freundliche Raumbewohner in dem Käfig ganz rechts.“ „Der scheint ja quietschvergnügt zu sein.“ „Es sieht so aus. Allerdings eignet sich das Serum noch nicht für den menschlichen Gebrauch. Eine Anzahl häßlicher Nebenwirkungen muß noch beseitigt werden. Es wird noch ein langer Weg sein, bis ich es zur klinischen Erprobung freigeben kann.“ Sie verließen das „Affenhaus“, wie sich Ingrid respektlos ausgedrückt hatte, und kehrten in Ernst Hagens Arbeitsraum zurück. „Sag mal, Ernst“, fragte Ingrid plötzlich, „ist dieses neue Serum der Grund, weshalb man dir den ehrenvollen Ruf nach Amerika erteilt hat?“ „Was – was weißt du denn davon? Steht es etwa schon in den Zeitungen?“ Ingrid lächelte geheimnisvoll. „Aber nein, Ernst, wo denkst du hin? Ich habe nur durch meine guten Beziehungen zum S.A.T. davon erfahren.“ Ernst Hagen war fassungslos. Er schüttelte den Kopf. „Seit wann hast du Beziehungen zum Staatlichen AtomTerritorium?“ „Seit Kommodore Parker mich auf Wittsand aus dem Wasser fischte“, lachte das junge Mädchen. „Doch Scherz beiseite: Ich lernte vorhin zufällig einen gewissen Herrn Fischer kennen. Wirst du das Angebot annehmen, Ernst?“ 24
„Ich habe mich noch nicht entschlossen. Einerseits wäre es natürlich sehr verlockend. Professor Cumberland verfügt in Orion-City über das besteingerichtete Forschungsinstitut auf diesem Gebiet. Andererseits …“ „Einerseits – andererseits … Unsinn, Ernst, was gibt es da noch viel zu überlegen? Klar, daß du nach Orion-City gehst. Du mußt einfach zusagen.“ „Und du, Ingrid?“ „Ich gehe natürlich mit. Du brauchst ja schließlich eine Assistentin.“ * Die Besichtigung der geheimen Atomforschungsstätten im Bereich von Tannu Tuwa war beendet. Die Kraftwagenkolonne mit den Regierungsvertretern und Generalstabsoffizieren hielt vor dem Portal des Verwaltungsgebäudes. Die Herren, noch ganz unter dem Eindruck des Erlebten, schickten sich an auszusteigen. „Einen Augenblick noch“, bat Lewinsky, der die Besichtigung geleitet hatte. „Wir wollen zum Abschluß noch ins Osttal fahren, wo sich der große Beobachtungsbunker befindet. Sie werden dort einer X-Bomben-Erprobung beiwohnen. Doktor Kux, unser technischer Direktor, ist bereits dort und überwacht die letzten Versuchsvorbereitungen.“ Die Kolonne setzte sich wieder in Bewegung. Es ging auf ebener Straße durch ein ödes, vollkommen menschenleeres Gelände, das nur durch eine Staffel von Beobachtungsflugzeugen belebt wurde, die in mäßiger Höhe ihre Kreise zog. Ein Kontrollposten wurde passiert – ein zweiter und dritter. Dann nahm das Osttal die Kolonne auf. Eine tiefe Senke zwischen steil aufragenden Felswänden, das schien auf den ersten Blick alles zu sein. Bei genauerem Hinsehen jedoch gewahrte man einen runden, düsteren Entlüftungskamin, der 25
unvermittelt aus dem Boden himmelwärts strebte. Und man sah auch das Gewirr seltsam geformter Antennen und Fernbeobachtungsgeräte, die hoch auf den Rändern der Felswände ragten. Durch eine Strahlenschleuse ging es in einen unterirdischen Vorraum und dann mit dem Lift noch ein Stück tiefer in den Boden hinein. Endlich standen die Besucher in dem betonierten, von Neonlicht durchfluteten Beobachtungsraum, in dem sich ein halbes Dutzend Assistenten und Mechaniker an allen möglichen Fernanzeigegeräten zu schaffen machte. Doktor Kux verbeugte sich knapp und wandte sich an Lewinsky: „Höchste Zeit, Herr Lewinski. X minus drei! Wir können bei dieser Art von Explosivstoffen nicht warten, wenn die Vorbereitungen einmal in Angriff genommen sind. Bitte, meine Herren, kommen Sie hier herüber, an die Projektionswand des Fernsehers.“ Atemlos drängten sich die Gäste heran. Kalt und ausdruckslos klang die Stimme des Doktors durch den kahlen Raum: „X minus eins. – Achtung!“ Auf dem Bildschirm war eine trostlose Wüstenlandschaft zu erkennen. Fern am Horizont ragte ein düsterer Gebirgszug. Und mitten in dieser Einöde stand ein hohes, nichtssagendes Stahlgerüst. Die ganze Bildfläche war plötzlich ein einziges, gleißendes Feuer. Als die überraschten Beobachter genauer hinschauten, konnten sie sekundenlang nichts erkennen. Eine riesige Staubwolke behinderte die Sicht. Doch als die Wolke sich ein wenig lichtete, sahen sie es alle: Eine schlanke, wirbelnde Säule stieg zum Himmel empor, gipfelte in einer mächtigen, in allen Farben leuchtenden Wolke – schoß abermals höher und bildete einen zweiten Atompilz – einen dritten … Blitze zuckten in diesen phantastischen Wolkengebilden. Feurige Asche regnete daraus hernieder. Die Luft stand ringsum in Rotglut. 26
Wie gebannt drängten sich die Besucher vor dem grausigen Bild. Sie hatten alle schon Aufnahmen von Wasserstoff- und XBombenexplosionen gesehen, aber das, was sie hier miterleben durften, übertraf ihre Vorstellungskraft. „Es handelt sich um eine Bombe kleineren Typs“, meinte Doktor Kux leichthin. „Wir experimentieren absichtlich nur mit kleinsten Mengen der neuen Transactiniden, um die Aufmerksamkeit der ausländischen Spionage nicht auf unsere Versuche zu lenken. Selbstverständlich würden wir im Ernstfall in der Lage sein, die Vernichtungswirkung der X-Bombe auf jeden gewünschten Betrag zu vergrößern.“ * „Na, sehen Sie, Doktor, ich hatte ja gewußt, daß Sie unser Angebot annehmen würden.“ Flugkapitän Horst Fischer sprach über die Schulter zurück in die kleine Kabine des Raketenflugzeugs, in der Ernst Hagen und Ingrid Hand in Hand saßen. Ein wenig verstört drückte sich das junge Mädchen an seinen Begleiter. Die ungewohnte Art des Reisens – die Maschine bohrte sich gerade mit Überschallgeschwindigkeit in die Stratosphäre hinein – bereitete Ingrid einige Beklemmungen. „Ohne mein Drängen hätte sich Ernst nie und nimmer zu diesem heroischen Entschluß durchgerungen“, sagte sie und versuchte ein Lächeln. Horst Fischer sah ihr Gesicht – mit den leuchtenden, blauen Augen und dem lockigen, blonden Haar – im Rückspiegel und mußte sich Mühe geben, sich davon loszureißen. Dieser Doktor Hagen war ein Glückspilz. Und er, Horst Fischer, schien dazu verurteilt zu sein, stets zu spät zu kommen, wenn einmal ein besonders nettes Mädel seinen Weg kreuzte. „Ingrid hat mir tatsächlich heftig zugesetzt“, gab Ernst lächelnd zu. „Aber da war auch noch das Pflichtgefühl. Das 27
Institut Professor Cumberlands bietet mir ungleich größere Möglichkeiten, mein Strahlenschutzserum zu vervollkommnen, als sie mir bislang zu Gebote standen. Und nach den letzten Pressemeldungen soll die letzte Atombombenexplosion, die irgendwo im Osten ausgelöst wurde, wieder schwere gesundheitliche Schädigungen für eine große Zahl von Fischern im nördlichen Pazifik gebracht haben. Höchste Zeit, daß wir ein wirklich sicheres Strahlenschutzmittel zustande bringen.“ „Sagen Sie bitte, Herr Fischer“, ließ sich jetzt Ingrid wieder vernehmen, „werden wir in Orion-City auch Kommodore Parker zu sehen bekommen? Wir verdanken ihm unser Leben.“ „Gewiß werden Sie ihn in der City treffen. Und der Kommodore wird bestimmt hocherfreut sein, Sie zu sehen.“ Horst Fischer sagte es mit voller Überzeugung. Er blickte auf das Armaturenbrett und stellte den Raketenmotor ab. Wie eine abgeschossene Granate flog die Maschine jetzt antriebslos in größten Höhen über den Atlantik dahin. Die Passagiere fühlten eine wunderbare Leichtigkeit. Nur langsam begannen sie, sich mit dem ungewohnten Zustand zu befreunden. „Wollen mal hören, was es Neues in der Politik gibt“, sagte Fischer und schaltete die Empfangsanlage ein. Zischen – Quietschen – abgerissene Melodien und Wortfetzen. Schließlich die Stimme des Sprechers … „Das ist die N.B.A. mit ihren Mittagsnachrichten“, erklärte Fischer, nach einem Blick auf die Skala. „Wollen Sie sie hören?“ „Meinetwegen“, entschied Ernst. Er hörte nur mit halbem Ohr auf den Sprecher, der atemlos seine Skandalmeldungen aus aller Welt herunterhaspelte. Sie drehten sich mehr oder weniger – wie hätte es auch anders sein können? – alle um die Folgen der letzten Atombomben versuche und um die ständig wachsende Kriegsgefahr. Doch dann fiel ein Name, der die drei Menschen in dem kleinen Raketenflugzeug erstaunt aufhorchen ließ: Jim Parker! 28
„Gerüchten aus Orion-City zufolge soll der berühmte Weltraumflieger, Kommodore Parker, gestern mittag spurlos verschwunden sein. Mister Parker verließ eines der Forschungslaboratorien am südlichen Stadtrand um 12.15 Uhr Mountain Time, um sich in seinem Wagen zu seiner Wohnung zu begeben. Hier ist er jedoch bis zur Stunde nicht eingetroffen. Von der Direktion des S.A.T. konnte bisher weder eine Bestätigung noch ein Dementi dieser sensationellen Nachricht erhalten werden.“ „Verdammt!“ schimpfte Horst Fischer. „Wette, daß da eine ganz große Teufelei im Gange ist.“ * „Ich bin wirklich neugierig, was das für eine Teufelei ist, die Sie sich da mit mir ausgedacht haben, Inspektor“, sagte Jim Parker im gleichen Augenblick und schaute durch das Fenster der zweimotorigen Maschine auf die kalifornische Küste hinab, die im hellen Sonnenschein in der Tiefe lag. Nahezu vierundzwanzig Stunden dauerte diese merkwürdige Luftreise nun schon, die ihn nach seiner unverhofften Festnahme kreuz und quer – allerdings mit mannigfachen Unterbrechungen – über den nordamerikanischen Kontinent geführt hatte. Anfangs war es nach Südosten gegangen, und Jim Parker hatte erwartet, daß man ihn nach Texas schaffen würde. Aber dann war man plötzlich auf einem kleinen Versuchsfeld in New Mexico gelandet und mit einer anderen Maschine mit Nordkurs bis nahe an die Grenze Kanadas geflogen. Auf einem Militärflugplatz an der Grenze von Montana und North Dakota erneutes Umsteigen, dann Nachtflug nach Osten, bis an die Atlantikküste von Maine. Im Morgengrauen ging es zurück, westwärts, mit kurzer Zwischenlandung irgendwo in Kansas. Und jetzt war man glücklich über der pazifischen Küste angelangt. 29
Jim Parker durchschaute das Manöver ganz genau. Man wollte alle Spuren verwischen, die seinen Aufenthaltsort verraten und womöglich zu seiner Befreiung führen konnten. „Ich fliege für mein Leben gern, Inspektor“, begann er wieder. „Aber wenn das noch lange so weitergeht, werde ich luftkrank.“ „Beruhigen Sie sich, Sir“, erwiderte Inspektor Moosley mit spöttischer Höflichkeit, „wir sind sofort am Ziel. Wir waren leider gezwungen, Ihnen einige Unbequemlichkeiten zu bereiten, aber Sie sehen ja selbst ein, daß es nötig war. Auf San Antonio wird selbst Ihr Freund Wernicke Sie nicht suchen.“ „San Antonio? Ist das nicht solch ein Nest in Texas?“ „Der Name wird wohl mehrfach vorkommen. In unserem Falle handelt es sich um eine einsame, kleine Insel, etwa fünfzig Seemeilen westlich von San Nicolas …“ „Du lieber Himmel, was ist denn das wieder für ein Kuhdorf?“ Der Kommodore schien ehrlich verzweifelt über seine Unkenntnis. „Offenbar habe ich in der betreffenden Geographiestunde gerade gefehlt.“ „Macht nichts“, tröstete ihn Inspektor Moosley. „Es ist ohnehin besser, wenn Sie nicht genau wissen, wo Sie sind. Seien Sie im übrigen unbesorgt, es wird Ihnen schon gefallen.“ Jim Parker lächelte verbindlich. Und während er scheinbar interessiert aus dem Kabinenfenster auf das sonnige Meer schaute, bearbeitete seine Rechte unauffällig den Taschensprecher, jenen winzigen, geheimnisvollen Apparat, der seine Besitzer in die Lage versetzte, sich auf schier unbegrenzte Entfernungen miteinander zu verständigen. Seine Finger hämmerten die Morsezeichen: „wernicke von parker – wernicke von Parker – insel san antonio – fünfzig Seemeilen westlich san nicolas vor californienküste.“ Ein dreimaliger Summton, der im Brummen der Motoren unterging, war die Antwort – das Zeichen für „verstanden“. 30
Fritz Wernicke war auf dem Posten. Zufrieden lehnte sich Jim zurück. * Der kleine Fritz Wernicke war einer X-Bombe vergleichbar, die unmittelbar vor der Detonation stand. Wehe dem Leichtsinnigen, der es gewagt hätte, in diesem Augenblick dem Wirkungsbereich solch einer Katastrophe nahezukommen! Am vergangenen Nachmittag hatte er sich für 16.30 Uhr Mountain Time mit Jim Parker auf Prüfstand XVIII verabredet, wo sie zusammen einer Triebwerkserprobung beiwohnen wollten. Der Kommodore war nicht erschienen – seltsam genug für Jim Parker, der sonst bei allen, die ihn kannten, als ein Muster an Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit galt. Um 17 Uhr erklärte der Prüfstellenleiter, leider nicht länger warten zu können. Fünf Minuten später donnerte der riesige Raketenofen los – und nach einer weiteren Minute explodierte er mit einer Gewalt, daß der Prüfstand in seinen Grundfesten erzitterte. Fritz Wernicke erlebte es schon nicht mehr. Er raste zu diesem Zeitpunkt bereits in seinem Zweisitzer über die breite Southern Cross Avenue dem Stadtkern von Orion-City zu. Und abermals vierzehn Minuten später stand er vor dem Bungalow seines Freundes, der merkwürdig still und verlassen in der Sonne des späten Nachmittags lag. Fritz Wernicke drückte auf den Klingelknopf und ließ ihn nicht eher los, bis die alte Haushälterin des Kommodores händeringend in der Tür erschien. „Wo ist Mister Parker?“ „Oh, Mister Wernicke! Ja, wenn ich das nur wüßte. Mister Parker ist verschwunden. Ganz einfach verschwunden.“ „Was soll das heißen, Madam? Schließlich kann er sich doch nicht in Gas aufgelöst haben.“ Die würdige Matrone fing an zu schluchzen. „Aber, so 31
schimpfen Sie doch nicht mit mir. Ich weiß doch selber nichts. Der Herr Generaldirektor Cunningham hat auch schon angefragt. Er schien besorgt zu sein. Ob man vielleicht lieber die Polizei …“ „Unsinn“, entschied der kleine Weltraumpilot. „Ich will die Sache mal selbst in die Hand nehmen.“ Wernickes nächster Weg war zum Hauptverwaltungsgebäude der Atomstadt. Er sauste im Lift zu den Büros des Generaldirektors hinauf und stürzte, ohne anzuklopfen, in das Vorzimmer. . „He, Shilling! Ich muß sofort den Boß sprechen.“ Der Privatsekretär des Atombosses hob bedauernd die Schultern. „Sorry – Mister Cunningham ist vor einer halben Stunde nach Washington geflogen. Ganz überraschend.“ „Damned! Haben Sie zufällig eine Ahnung, wo der Kommodore stecken könnte?“ „Nicht die geringste. Ich glaube, Mister Cunningham möchte es auch gern wissen.“ „Ist Ihnen zufällig – ahem – sonst etwas Auffälliges begegnet?“ „Der Herr Unterstaatssekretär Huxley war heute mittag hier“, erwiderte Shilling zögernd. „Es ging, glaube ich, etwas lebhaft zu.“ Fritz Wernicke pfiff durch die Zähne. „Huxley – vom Verteidigungsministerium? Dieser alte Fuchs mit dem zerknitterten Gesicht? Thank you, Shilling. So long!“ Im nächsten Augenblick raste Wernicke bereits zur Tür hinaus und fegte wie ein Amokläufer durch die Gänge, direkt zu den Diensträumen des Sicherheitschefs von Orion-City. „Halt – wohin?“ Der diensttuende Adjutant im Vorzimmer Oberst Mortimers wollte ihm den Weg versperren, aber Fritz Wernicke stieß ihn zur Seite und stand eine Sekunde später im Allerheiligsten des Abwehrchefs. 32
„Hallo, Oberst! Wissen Sie, wo Jim Parker steckt?“ Mortimer sah ärgerlich von seinen Akten auf. „Hallo, Wernicke! Woher soll ausgerechnet ich das wissen? Ich bin schließlich kein Auskunftsbüro.“ „Aber zufälligerweise sind Sie verantwortlich für die Sicherheit des S.A.T. und seiner Angehörigen. Und daß da irgend etwas mit dem Kommodore nicht stimmt, dürfte wohl inzwischen sogar biß zu Ihnen vorgedrungen sein.“ „Regen Sie sich doch nicht so auf“, nörgelte der Oberst und bot seinem erzürnten Besucher einen Stuhl an. „Gewiß – eine verdammt ärgerliche Geschichte. Man hat den Kommodore ‚interniert’ – angeblich wegen seiner etwas zu offenherzigen Äußerungen in Kopenhagen. Unterstaatssekretär Huxley hat die Aktion mit einigen Beamten der Bundespolizei persönlich durchgeführt.“ „Und Sie haben ja und amen dazu gesagt, nicht wahr?“ „Ich erfuhr erst davon, als Mister Parker bereits verhaftet und aus Orion-City fortgeschafft worden war. Außerdem sind mir in diesem Fall die Hände gebunden.“ „Nur gut, daß mir die Hände nicht gebunden sind.“ Grinsend betrachtete der kleine Wernicke seine kräftigen Pranken. „Lassen Sie lieber die Hände aus der Sache“, warnte Mortimer besorgt. „Das ist ein verteufelt heißes Eisen. Die Regierung legt größten Wert darauf, daß die Öffentlichkeit nichts davon erfährt. Wenn die Presse die Sache aufgriffe …“ Ein listiges Lächeln glitt über die zerfurchten Züge des Abwehrchefs. „Ich verstehe“, grinste Wernicke zurück und sprang auf. „Ich wußte doch, daß ich mich auf Sie verlassen konnte, Mortimer. Good-bye!“ „Weidmannsheil, Wernicke! Aber denken Sie daran: Ich weiß von nichts.“ „Selbstverständlich, Oberst! Dafür sind Sie ja auch der Boß vom Sicherheitsdienst. So long!“ 33
* „Wir stehen natürlich noch ganz in den ersten Anfängen“, erklärte Professor Cumberland höflich, als er seine jungen Mitarbeiter durch die großzügig eingerichteten Laboratorien des neuen Instituts für Strahlenschutz in Orion-City führte. „Ich verspreche mir viel von Ihrem Eintritt in unser Institut, Herr Doktor Hagen.“ „Ich freue mich aufrichtig, daß ich Ihrem Ruf gefolgt bin, Herr Professor“, erwiderte Ernst und sah sich staunend um. „Es muß ein wahrer Hochgenuß sein, unter solchen Bedingungen zu arbeiten. Für Ihre Forschungsarbeiten müssen Ihnen ja geradezu unbegrenzte Mittel zur Verfügung stehen.“ „Wir genießen jede erdenkliche Unterstützung durch die Regierung und das S.A.T.“, gab Cumberland zu. „Das ist das einzige Gute des drohenden Atomkriegs: daß er die nötigen Mittel frei werden läßt, um unsere Forschung ordentlich voranzutreiben.“ „Darf ich fragen, wie weit Sie bereits gekommen sind, Herr Professor?“ Cumberland führte Ernst und Ingrid aus den Laboratorien des Kellergeschosses ins Erdgeschoß hinauf. „Unser Institut beherbergt drei Abteilungen“, fuhr er in seinen Erklärungen fort. „Was Sie dort im Keller gesehen haben, war die sogenannte ‚Hautbank’. Ähnlich, wie es seit langer Zeit ‚Augenbanken’ gibt, oder wie man für Katastrophenfälle ‚Blutkonserven’ aufbewahrt, sollen die ‚Hautbanken’ bei den furchtbaren Strahlenverletzungen, mit denen wir es im Falle eines Atomkrieges zu tun haben werden, helfend einspringen.“ „Eine großartige Idee“, nickte Ingrid, „aber sie dient schließlich nur der Heilung. Und ist nicht Vorbeugen besser als Heilen?“ „Gewiß, Miß Henning, und damit kommen wir zur zweiten Abteilung. Hier werden verbesserte Strahlenschutzsalben 34
entwickelt – unter Verwendung unseres alten ‚Ultrasan’ und der Erfahrungen, die Sie mit Ihrer Salbe gesammelt haben, Herr Kollege.“ „Stellen Sie auch Gasmasken her, Herr Professor?“ fragte Ingrid verwundert und trat auf den Arbeitstisch zu, an dem sich einige Laboranten zu schaffen machten. „Wir stellen sie natürlich nicht her, Miß Henning. Wir bekommen die Masken fertig geliefert und präparieren lediglich die Filter mit einer Substanz, welche die radioaktive Luft in der Umgebung von Atombombenexplosionen reinigen und wieder atembar machen soll.“ „Allen diesen Mitteln“, ergriff Ernst das Wort, „haftet leider das Manko an, daß sie versagen, wenn die gefährliche Strahlung zu stark auftritt oder zu lange andauert.“ „Sehr richtig, Herr Kollege, und deshalb verspreche ich mir besonders viel von der Weiterentwicklung jenes Serums, das Sie auf der Grundlage des Aureomycin gefunden haben.“ „Von meinen ersten tastenden Vorversuchen bis zu einer wirksamen Schutzimpfung der gesamten Bevölkerung wird es allerdings noch ein langer Weg sein“, gab Ernst Hagen zu bedenken. „Das ist nicht anders zu erwarten, Herr Kollege. Der Atomkrieg droht. Wir müssen uns beeilen, wenn wir der gefährdeten Menschheit noch Mittel liefern wollen, mit denen sie sich vor seinen Folgen – wenigstens innerhalb gewisser Grenzen – schützen kann.“ „Sie haben recht, Herr Professor. Gehen wir also an die Arbeit.“ * Den Rest des Tages und die halbe Nacht hatte der unermüdliche Wernicke damit zugebracht, an verschiedenen Stellen der Atomstadt Erkundigungen einzuziehen und eine Unzahl von 35
Ferngesprächen in alle Richtungen der Windrose zu führen. Man begegnete ihm überall mit größtem Entgegenkommen. Oberst Mortimer, „der Mann, der von nichts wußte“, mußte gut vorgearbeitet haben, um ihm alle Wege zu ebnen. Der nächste Morgen fand den kleinen Steuermann bereits im Arbeitszimmer des Kommodores, wo er – auf eigene Faust – eine geheime Pressekonferenz gab. Ein paar Stunden später verkündeten es die Schlagzeilen aller Zeitungen des Kontinents, schrien es alle Rundfunksender ihren überraschten Hörern zu: „Jim Parker, der Kommodore des Weltraums, spurlos verschwunden!“ „Kommodore Parker entführt?“ „Menschenraub in Orion-City! Wer steckt hinter Jim Parkers Entführung? Was gedenkt die Regierung zu tun?“ Die Öffentlichkeit hielt den Atem an. Für einen Augenblick verblaßte neben dieser Sensation sogar die drohende Gefahr des bevorstehenden Atomkrieges. Jim Parker, der vielbewunderte Raumfahrtpionier, der Kolumbus des Weltalls, war entführt worden! Erregung brandete auf – Wut auf die unbekannten Täter. Der kleine Fritz Wernicke hatte den Kampf mit dem mächtigen Huxley aufgenommen. Er hatte alles geschickt eingefädelt und freute sich an der Wirkung auf die Öffentlichkeit … Aber so richtig froh wurde er doch erst wieder, als sich am Mittag dieses ereignisreichen Tages sein Taschensprecher meldete. „wernicke von parker – wernicke von parker – insel san antonio – fünfzig Seemeilen westlich von san nicolas vor californienküste“, summten die Morsezeichen. „Prächtig“, grinste Fritz Wernicke zufrieden und gab das „Verstanden“-Zeichen. Dann schwang er sich in seinen Zweisitzer und tobte los, um Flugkapitän Horst Fischer zu suchen. 36
* „Auf Ihre Verantwortung also, Herr Lewinski.“ Doktor Kux stand bleich und erregt vor dem lächelnden Regierungsvertreter im Befehlsbunker des Großversuchsgeländes Tannu Tuwa und warf einen scheuen Blick auf den Bildschirm des Fernsehgeräts, auf dem nichts zu erkennen war als ein Stahlgerüst, in dem eine riesige, tropfenförmige Bombe hing. Ringsum nur Wüste, die unter einer unbarmherzigen Sonne glühte, und im Hintergrund ein Gebirgszug. „Die Regierung wünscht es“, erklärte Lewinski nachdrücklich. „Wie ich Ihnen schon wiederholt sagte, lieber Doktor, will man sich endlich ein Bild von der Wirkung Ihrer vielgepriesenen Super-X-Bombe machen können.“ „Dazu bedarf es keines Experiments mit der Super-X-Bombe selbst. Wir haben genug Erfahrungen mit den kleineren Typen gewonnen, um uns vorzustellen, wie die hundertfache Menge Explosivstoff wirken würde.“ „Mag sein“, gab Lewinski zurück. „Aber die Regierung wünscht es nun einmal, und Befehl ist Befehl.“ „Wenn es sich so verhält, dann wundert es mich nur, daß man uns nicht wieder eine ganze Karawane mit Politikern und Militärs auf den Hals geschickt hat, damit sie den ‚historischen Augenblick’ miterleben kann.“ „Wir werden uns hüten“, lachte Lewinski. „Nein, dafür ist die Sache viel zu geheim. Jeder überflüssige Augenzeuge ist unerwünscht.“ „Ich mache mir ernstliche Sorgen wegen der Folgen des Versuches“, nahm Doktor Kux einen letzten Anlauf. „Wir hätten uns ein anderes Versuchsgelände aussuchen sollen, am besten den nördlichen Pazifik.“ Lewinski winkte ab. „Kommt nicht in Frage. Was uns bei diesem Versuch interessiert, ist gerade die Wirkung der Super37
X-Bombe auf Landziele. Doch fangen Sie bitte an, Doktor. Seit dem frühen Morgen liegen auf allen Beobachtungsstationen und Erdbebenwarten unseres Bereichs die Observatoren und Meßtechniker bereits auf der Lauer, um den Ablauf eines ‚Erdbebens’ genau zu registrieren. Und wir werden es sein, welche die Erde erbeben lassen.“ Alles lief jetzt reibungslos ab, wie in zahlreichen vorbereitenden Versuchen x-mal einexerziert. Bereits nach vier Minuten konnte Doktor Kux melden: „Alles klar zum Großversuch!“ Lewinski trat erwartungsvoll ganz dicht an den Bildschirm. „Gut. Dann legen Sie mal los.“ Doktor Kux bediente ein paar Hebel. Das Uhrwerk der geheimnisvollen Zündvorrichtung war jetzt eingeschaltet. Es würde genau 15 Sekunden laufen. Ein Blitzen auf dem Bildschirm, der gleich danach ein paarmal aufflackerte und dann erlosch. Ein unbeschreibliches Donnern und Scheppern aus dem Lautsprecher … Den weiteren Ablauf des Versuchs konnten die Männer im Befehlsbunker – tief unter der Erde und hundert Meilen von der Explosionsstätte entfernt – nur noch an den Fernanzeigegeräten ablesen, die wie rasend ausschlugen, soweit sie nicht schon im ersten Moment ausgefallen waren. Die Wirkung der Explosion mußte ungeheuerlich sein. Sie schien die kühnsten Erwartungen in den Schatten zu stellen … In allen Ländern der Welt registrierten die Observatorien ein außergewöhnlich starkes Beben, dessen Herd im Gebiet von Tannu Tuwa liegen mußte. Doch kaum waren seine Wellen abgeklungen, als ein zweites Beben registriert wurde. Diesmal lag sein Zentrum ohne Zweifel im Bereich der Marshall-Inseln. * 38
Über Tannu Tuwa und über Eniwetok waren fast zu gleicher Zeit zwei X-Bomben explodiert, waren ungeheure Massen radioaktiven Staubs bis in die höchsten Schichten der Stratosphäre emporgeschleudert worden. Daß sie die Luft in diesen Höhen verseuchten, war für die Erdbewohner – auf dem Grunde des Luftozeans – zunächst viel weniger tragisch, als der Umstand, daß sie Klima und Wetter auf der gesamten Erde verdarben. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel brach über nahezu alle Länder der Nordhalbkugel mitten im Spätsommer eine verheerende Kältewelle herein. Allerorts goß es tagelang in Strömen. Die Flüsse traten über ihre Ufer. In den Gebirgsgegenden fielen unvorstellbare Schneemassen. An den Küsten donnerten Sturmfluten gegen die Deiche. Aber es sollte noch schlimmer kommen. Wetterflieger, die über London, Paris und Kopenhagen mit Geiger-Zählrohren aufstiegen, stellten fest, daß die dunklen Unwetterwolken, die sich über Nordeuropa entluden, radioaktiv geladen waren. Und eines Tages fiel auch an verschiedenen Orten der USA. Schnee, der die Zählrohre zum Ansprechen brachte. In San Francisco, in Denver und Chicago fiel mitten im Sommer radioaktiver Schnee. Eine allgemeine Panik drohte. Die Menschen verlangten stürmisch nach durchgreifenden Schutzmaßnahmen. Jeder, der es sich leisten konnte, verließ fluchtartig die Städte, in denen Räumkolonnen in abenteuerlichen Strahlenschutzanzügen den Kampf gegen die gefährlichen Schneemassen führten. In Moskau überreichte der Botschafter der USA eine geharnischte Protestnote seiner Regierung. Und in Washington protestierte der Botschafter des Ostblocks im gleichen Augenblick und forderte die Einstellung der X-BombenVersuche. Jeder gab dem anderen die Schuld, und die gequälte Menschheit duckte sich tief unter der entsetzlichen Drohung des nahenden Krieges. 39
* Audi Jim Parker war nicht wenig erstaunt, als an einem heißen Sommernachmittag urplötzlich der Himmel über dem blauen Pazifik eine dunkelgraue Färbung annahm, und die Temperatur dem Gefrierpunkt zustrebte. Als dann auch noch ein wilder Schneesturm über die kleine Felseninsel San Antonio hinwegbrauste, bestand für den Kommodore kein Zweifel mehr: Irgendwo hatte man wieder mit X-Bomben experimentiert. „Ein gefährliches Spiel“, murmelte Jim Parker, als er am anderen Morgen vom Fenster seiner Unterkunft aus auf die in dieser Gegend so ungewohnte Winterlandschaft starrte. „Eines Tages geht es doch mal ins Auge. Und die Leidtragenden sind dann die armen Schlucker in aller Welt, die nichts anderes wünschen, als daß man sie in Ruhe arbeiten und leben läßt.“ Einige Soldaten aus der Wachmannschaft, die den Kommodore beaufsichtigen und eine etwaige Flucht verhindern sollte, tummelten sich auf der weißen Fläche und improvisierten eine lustige Schneeballschlacht. Jim Parker riß die Fenster auf. „He, ihr Weihnachtsmänner! Macht, daß ihr da rauskommt! Schätze, der Schnee dürfte radioaktiv verseucht sein. Ihr könnt euch den Tod holen.“ Ein paar GPs zogen sich schleunigst zurück und klopften sich ängstlich den Schnee aus den Uniformen. Die anderen gafften dumm. Ein schlaksiger Sergeant, den sie den „Roten Johnny“ nannten, zielte mit einem Schneeball auf den Gefangenen. Kopfschüttelnd schloß der Kommodore das Fenster. In diesem Augenblick meldete der Taschensprecher: Drei kurze Summtöne. Jim zog sich in den Hintergrund des primitiv möblierten Raumes zurück und holte den kleinen Apparat aus der Tasche. „Hallo, Fritz?“ 40
„Morning, Jim, alte Mondrakete! Hoffe, daß du gut geschlafen hast. Offen gesagt, beneide ich dich fast um deinen Kuraufenthalt am sonnigen Gestade dieser prächtigen Märcheninsel. Bei uns liegt nämlich Schnee.“ „Du wirst lachen, Whiskytöter: hier nämlich auch.“ „Hol’s der Teufel! Der Wettergott hat scheinbar auf den falschen Knopf gedrückt. Schätze, der Mann wird alt. Übrigens, mein Lieber, geh nur nicht zu nahe ran. Der Schnee ist radioaktiv. Eben kommen die ersten Warnungen durch den Rundfunk.“ „Habe ich mir schon gedacht. Sonst noch was Neues? Wie lange willst du mich eigentlich noch hier sitzen lassen?“ „Hm. Ich hatte eigentlich vorgehabt, die Regierung zu zwingen, dich freizulassen.“ Der Kommodore mußte herzlich lachen. „Du gefällst mir, old fellow. Fürchte nur, der Herr Innenminister würde sich nicht so leicht von deiner repräsentativen Persönlichkeit einschüchtern lassen.“ „Das ist noch gar nicht heraus, Jim.“ Der kleine Wernicke schien ehrlich gekränkt zu sein. „Ich habe nämlich die gesamte Presse der Staaten mobilgemacht, Jim.“ „Alle Achtung, Whiskytöter! Und mit welchem Erfolg?“ „Die Sache macht sich. Im Repräsentantenhaus wird es heute einige Anfragen geben, die den Bonzen da oben furchtbar peinlich sein werden. Doch so lange können wir leider nicht mehr warten. Du hast nämlich inzwischen eine sehr nette Einladung bekommen.“ „Da bin ich aber neugierig. Von wem denn?“ „Von Familie Brandner in Zürich.“ „Brandner? Ist das nicht der nette junge Mann, den wir in Ägypten aus der abgesoffenen Pyramide befreiten * ?“ „Der nämliche. Auch seine junge Frau dürfte dir ein Begriff *
Siehe UTOPIA, 31. Band: „Katastrophe am Nil“
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sein. Sie hieß damals allerdings noch Marianne Waldmeier und war die Assistentin Professor Hausers, des Saurierspezialisten, als wir sie aus den Sümpfen am Weißen Nil herausfischten.“ „Stimmt, ich erinnere mich. Und diese netten Leute haben mich eingeladen? Da wäre es doch wirklich unhöflich, sie warten zu lassen.“ „Das meine ich auch, Jim. Wann dürfen wir dich also abholen?“ „Am besten heute noch. Sagen wir, um 11 Uhr abends. Aber wie willst du mich hier herausholen? Vater Staat läßt sich die Bewachung eines so gefährlichen Schwerverbrechers ordentlich was kosten. Captain Locksmith dürfte mindestens über sechzig Mann verfügen, und auf dem Wachtturm sind Maschinenwaffen montiert.“ „Mach dir keine Sorgen, Jim. Das sind kleine Fische. Also, dann bis nachher!“ * Gegen Abend war die Macht der Kältewelle gebrochen. Der Himmel über San Antonio klarte auf, und die sommerliche Warmluft fraß den Schnee. Als die rote Sonne in die Fluten des Ozeans tauchte, bot die kleine Insel wieder das gewohnte Bild. Und doch war nicht alles wie sonst. Im Krankenrevier, in den Schlafräumen des Wachtkommandos lag der größte Teil der Mannschaft mit schweren Krankheitssymptomen in den Betten. Am schlimmsten waren der „Rote Johnny“ und seine Kameraden, die sich an der Schneeballschlacht beteiligt hatten, betroffen. Sie hatten am ganzen Körper Strahlenverbrennungen erlitten. Der Sanitätsfeldwebel, mit Krankheitsbildern dieser Art nicht vertraut, tat sein möglichstes. Aber seine Mühe war wie ein Tropfen auf heißem Stein. Captain Locksmith, der Kommandant von San Antonio, 42
wandte sich in seiner Ratlosigkeit an seinen Gefangenen. Jim Parker machte ein ernstes Gesicht, all er die Kranken sah. „Die Männer müssen unverzüglich in fachärztliche Behandlung, Captain. Sie sind sonst hoffnungslos verloren.“ „Was soll ich machen, Sir?“ fragte der Captain achselzuckend. „Wenn ich die Kranken mit der großen Barkasse zum Festland schicke, muß ich ihnen die paar letzten, die noch nicht auf der Nase liegen, als Begleitpersonal mitgeben. Ich muß zuvor den nächsten Stützpunkt anrufen und Verstärkungen anfordern.“ „Glauben Sie etwa, es sei der Garnison dieses Stützpunktes, wo immer er auch liegen mag, besser ergangen als Ihren Leuten? Nein, Captain, Sie würden nur Ihre Zeit vertun. Beeilen Sie sich lieber, Ihre Kranken fortzubekommen. Für sie kann jede Minute über Tod oder Leben entscheiden.“ Captain Locksmith konnte sich der Wirkung dieser ernsten Worte nicht länger entziehen. In aller Eile ließ er die Motorbarkasse klar machen und die Kranken verladen. Nur zwei seiner Leute blieben mit ihm und dem Gefangenen auf der Insel zurück. Der Kommodore stand auf einer Klippe und sah dem Fahrzeug lächelnd nach, das vollbeladen die kleine Hafenbucht verließ. Captain Locksmith, der ihn mißtrauisch beobachtete, wunderte sich sehr über ihn. War das Jim Parker, der kühne Weltraumpionier, dem sich bisher noch kein Gegner gewachsen gezeigt hatte? Dieser Kommodore, der da wenige Schritte vor ihm stand – er machte nicht einmal den leisesten Versuch, sich zu befreien. Man hätte sich keinen geduldigeren Häftling wünschen können. Achselzuckend wandte der Captain sich ab und schritt auf sein Unterkunftshaus zu. Hätte er auch nur für fünf Stunden in die Zukunft blicken können – er wäre nicht so sorglos gewesen. * 43
Nacht lag über der kleinen Insel San Antonio. Einförmig rauschten die Wellen des Ozeans gegen das Gestade. Am Firmament funkelten die ewigen Gestirne, doch schien ihr Glanz heute getrübt; wahrscheinlich war es eine Wirkung der Staubmassen, die noch immer in der hohen Atmosphäre schwebten. Jim Parker hatte die Lampe gelöscht und lag mit offenen Augen auf der Pritsche, die in ihrer spartanischen Einfachheit durchaus zu dem sonstigen Mobiliar seines Gefängnisses paßte. Seine Linke hielt den Taschensprecher. Die Leuchtzeiger seiner Armbanduhr zeigten auf dreiviertel elf. Plötzlich der vertraute Summton – dreimal kurz. Fritz Wernicke meldete sich: „Hallo, Jim, wie sieht’s bei euch aus?“ „Brüll doch nicht so, Whiskytöter, du machst ja die ganze Wachtmannschaft munter“, erwiderte der Kommodore gedämpft. „Wie viele von den Boys sind denn auf Posten?“ „Schlimmstenfalls ganze drei. Aber Vorsicht, mein Lieber! Sie feuert ohne Anruf.“ „Nur drei?“ Der kleine Weltraumpilot, der sich insgeheim auf eine zünftige Rauferei gefreut hatte, schien ehrlich enttäuscht. „Also, gib mal acht, großer Häuptling: Wenn der Zauber da draußen losgeht, dann schlängele dich so unauffällig wie möglich an die kleine Bucht am Ostufer heran. So long!“ Der Posten auf dem hölzernen Wachtturm fuhr zusammen. Irgendwo im Westen war plötzlich ein verdächtiges Geräusch. Hoch in den Lüften summte es. Das Geräusch kam näher, entfernte sich, kam wieder näher … Ein Flugzeug kreiste da draußen über dem Meer. Da stimmte irgend etwas nicht. Ein Druck auf den Alarmknopf. Die Sirene heulte. Unruhig fingerte der Lichtkegel des Scheinwerfers über die kleine Insel. Aus der Tür der Kommandantur kam die verschlafene Stimme des Captains: 44
„Hallo! What’s the matter?“ Auf das heftige Winken des Postens hin setzte sich der Offizier in Trab. Eilig erklomm er die Leiter des Wachtturms. Jim Parker beobachtete es durch das vergitterte Fenster. Es war so weit … Mit kräftigem Schwung schmetterte er den armseligen Schemel gegen die Tür, daß die Füllung herausbrach. In der Öffnung erschien das verdutzte Gesicht seines Wächters, der offenbar geschlafen hatte. Ehe der sich von seinem Schreck erholt hatte, landete der Kommodore einen so heftigen Kinnhaken, daß der Mann in das Reich der Träume zurücksank. Schnell verließ Jim Parker sein Gefängnis und huschte wie ein Schatten dem Ostrand der Insel zu. Auf dem Wachtturm bellte ein Maschinengewehr auf. Aber es galt nicht ihm. Man nahm wohl aufs Geratewohl den verdächtigen Düsenjäger aufs Korn, der noch immer über dem Meer im Westen seine Kunststückchen ausführte. Geduckt hastete der Kommodore weiter. Plötzlich ertönte ein leiser Pfiff. „Hier herunter, Jim. Schnell!“ Der Kommodore zuckte unwillkürlich zurück. Ein grausiges Fabelwesen starrte ihn an. Ein naßglänzender, wulstförmiger Rumpf, mit einem rechteckigen Kasten auf dem Rücken, ein mächtiger, blanker Kugelkopf, an Händen und Füßen Schwimmflossen! „Sei mir gegrüßt, großer Häuptling!“ Das Ungeheuer hatte die Sichtscheibe des Taucherhelms aufgeklappt und lachte dem Überraschten entgegen. „Mensch, Fritz, hast du mir einen Schreck eingejagt“, lachte der Kommodore. „Das ist ja das berühmte UnterwasserAggregat unseres Freundes Helling * .“ „Stimmt auffallend. Und hier, in dem Gummisack, findest du *
Siehe UTOPIA, 15. Band: „Das Rennen der Raketenfahrer“
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ein weiteres Exemplar. Steig ein, ehe diese komischen Strategen auf dem Wachtturm aufmerksam werden.“ Jim Parker riß bereits die Verschnürungen auf und schlüpfte in das Raketen-Tauchgerät. „Wohin soll’s jetzt gehen, Whiskytöter?“ „Auf schnellstem Wege an die Küste. Bis dahin wird auch Fischer mit seinem Spazierflug fertig sein und uns an Bord nehmen. Er fliegt die ‚Marco Polo’ und bringt uns im Nonstopflug direkt nach Zürich.“ * Die verheerenden Auswirkungen der letzten X-Bombenversuche sollten noch ein Nachspiel haben, mit dem ihre Veranstalter nicht gerechnet hatten. Auch der längste Geduldsfaden hat einmal ein Ende, und der Widerstand der bedrohten Menschheit gegen die X-Bombe wuchs nach den Gesetzen einer Kettenreaktion.
In Washington hagelte es Proteste. Die Farmer-Organisationen des Mittelwestens verlangten Schadenersatz für ihre verdorbene Ernte, die Fremdenverkehrsverbände von Kalifornien und Florida forderten staatliche Subventionen, da ihnen die 46
ganze Saison verregnet war. Tausende von Strahlengeschädigten appellierten an den gesunden Menschenverstand und verlangten die sofortige Einstellung der Versuche. In der allgemeinen Panikstimmung zeigten sich erste Anzeichen einer offenen Empörung. Auch von außen her kamen Proteste und Drohungen, die um so schwerer wogen, als sie aus dem Lager der Verbündeten der USA stammten. Ein Staat nach dem anderen ließ die Möglichkeit eines Abbruchs der Beziehungen durchblicken. Daß es auch im Lager des Ostblocks gefährlich im Gebälk knisterte, war nur ein schwacher Trost. Nur für die Gauner blühte der Weizen. Eine Anzahl gewissenloser Geschäftsleute überschwemmte den Markt mit völlig wirkungslosen „Strahlungsschutzmitteln“ in Gestalt von Salben, Pillen und sogar Suppositorien, und die verängstigte Menschheit kaufte sie zu Phantasiepreisen. Buchstäblich über Nacht wurden Millionengewinne erschwindelt. Als die Stimmung der Öffentlichkeit immer schlechter, die Angriffe in der Presse immer offener wurden, bequemte sich das Verteidigungsministerium zu einer offiziellen Stellungnahme. Unterstaatssekretär Huxley hielt eine Rede über alle Sender, die mit den verheißungsvollen Worten ausklang: „Wir befinden uns also in einem schwierigen Dilemma. Von Herzen gern würden wir noch heute alle Atomwaffen verschrotten oder im Meer versenken, dort, wo es am tiefsten ist. Aber damit würden wir uns jedes Schutzes nach außen hin entblößen. Solange ein angriffslustiger Gegner über die XBombe verfügt, sind wir, wohl oder übel, gezwungen, unsere Experimente fortzusetzen. Doch so viel verspreche ich euch allen: Wir werden die Versuche künftig an einem Punkt der Wasserwüste des Pazifiks durchführen, der so weit von allen bewohnten Küsten und allen Schiffahrtswegen entfernt liegt, daß keinem unserer Mitbürger mehr Schaden an Gesundheit und Besitz entstehen kann.“ 47
* James Huxley hielt Wort – er versuchte es wenigstens. Aber die X-Bombe wuchs ihm einfach über den Kopf. Ihre Wirkung war so unkontrollierbar, daß sie alle Berechnungen der Atomphysiker über den Haufen warf. Sie kümmerte sich auch verdammt wenig um die reichlich voreiligen Versprechungen des Unterstaatssekretärs. Abseits aller Inseln und Schiffahrtslinien, unter 180 Grad Länge und 40 Grad nördlicher Breite, wurde unter strengster Geheimhaltung die bisher größte X-Bombenexplosion der Vereinigten Staaten vorbereitet. Die Bombe sollte in 50 Meter Wassertiefe zur Explosion gebracht werden, und zwar unmittelbar unter dem Rumpf des Flugzeugträgers „Pennsylvania“, eines ausrangierten 60 000-Tonnen-Kolosses. Rings um das Schiff herum lag eine Flotte von sechzig ausgedienten Kriegsschiffen aller Größen und Typen vor Anker, vollgestopft mit Meßinstrumenten, Versuchstieren, Lebensmitteln, Werkstoffen, Medikamenten, Munition und Kriegsgerät, Kleidungsstücken, Kraftwagen und Flugzeugen. Von den Versuchstieren waren einige mit den neuesten Strahlenschutzmitteln präpariert worden. In respektvoller Entfernung umkreiste eine Flottille schneller Beobachtungsfahrzeuge die Versuchsstätte. Zahlreiche Flugzeuge tummelten sich scheinbar müßig in der Luft. An Bord eines mächtigen Luftkreuzers befanden sich James Huxley, Professor Skeleton und Doktor Dickens, sein Assistent. Sie trugen starke, dunkle Schutzbrillen vor den Augen. „Ich weiß nicht“, sagte Doktor Dickens und bewegte unbehaglich die Schultern, „ich habe so ein fatales Gefühl. War es nicht reichlich gewagt, den ersten Unterwasserversuch gleich mit so großen Sprengstoffmengen durchzuführen?“ Professor Skeleton, der an einem der Backbordfenster stand, fuhr herum. 48
„Seien Sie kein Hasenfuß, Dickens“, rief er scharf. „Wir sollten dankbar sein, daß die Regierung uns in so großzügiger Weise die Möglichkeit gibt, die Wirkung unserer X-Bombe in allen Einzelheiten kennenzulernen.“ „Wahrscheinlich denken Sie an die Panne, die wir damals mit Nano Loa erlebten, lieber Doktor“, lächelte der Unterstaatssekretär * . „Doch seien Sie unbesorgt: Hier gibt es weit und breit keinen Vulkan, der uns um die Ohren fliegen könnte.“ „X minus eins“, tönte eine heisere Stimme aus dem Lautsprecher. „Letzte Warnung an alle: Bei Auftreten radioaktiver Strahlungen sofort …“ Die drei Männer in der Kabine des Luftkreuzers hörten nicht hin. Sie kannten den Wortlaut dieser Warnungen in- und auswendig. Sie starrten mit angehaltenem Atem auf den grauen Rumpf der „Pennsylvania“. „Achtung!“ Die Sonne selbst brach aus der Tiefe des Ozeans hervor! In Weißglut getaucht, schwebte die riesige Masse des 60 000Tonnen-Schiffes auf einer Kugel aus Wasser, Dampf und gleißendem Feuer. Glühend, in allen Farben, wuchs diese Kugel aus dem Meer herauf, schoß rasend schnell in die Höhe. Ein furchtbarer Donner erschütterte die Maschine und übertönte den Lärm der Motoren, daß den Beobachtern schier die Ohren taub wurden. „Geben Sie Vollgas – Kurs West!“ keuchte Doktor Dickens durch die offene Tür des Führerraums dem Piloten zu. Der war instinktiv dem Befehl schon zuvorgekommen. In der Tiefe kochte das Meer. Die grauen Ungetüme der Versuchsschiffe wurden förmlich in die Luft geschleudert. Sie brachen beim Aufschlagen auseinander oder kenterten und versanken, in ein phosphoreszierendes Leuchten getaucht. Nie würde man feststellen können, was die Registrierinstrumente, *
Siehe UTOPIA, 31. Band: „Katastrophe am Nil“
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mit denen sie unter anderem befrachtet waren, verzeichnet hatten. Nie würde man die Wirkung der radioaktiven Strahlen auf die Versuchstiere erkennen, die – sofern sie den Augenblick der Explosion überlebt hatten – mit ihren schwimmenden Käfigen in die Tiefe glitten. Haushoch rollte eine Flutwelle heran. Sie stürzte sich auf die Fahrzeuge der Beobachtungsflottille, zerschmetterte die kleineren Einheiten und fegte die Decks der größeren Schiffe leer. U-Boote, die getaucht den Ablauf des Versuchs beobachten sollten, wurden emporgerissen. Sie überrollten sich in der schäumenden See und wurden manövrierunfähig hin und her geschleudert. In der Luft kämpften die Beobachtungsflugzeuge verzweifelt gegen die rasenden Wirbel und Stöße der aufgepeitschten Atmosphäre. Auch Huxleys Luftkreuzer hüpfte so wild, daß der Unterstaatssekretär glaubte, sein letztes Stündlein sei gekommen. Er krampfte sich an seinem Sitz fest und schloß die Augen. Er sah nicht, wie der Pilot – von seinem Kameraden unterstützt – mit gesträubtem Haar den Steuerknüppel umklammerte, wie Doktor Dickens über den Boden der Kabine rollte, die Hände fest vor das Gesicht gepreßt, wie Professor. Skeleton an den Fensterrahmen gekrallt stand und fasziniert auf das grausige Schauspiel starrte. Er hörte nur die Stimme des Professors, die zitternd wie aus weiter Ferne kam: „Sehen Sie doch, Dickens! Das ist abermals weit mehr, als wir erwarten durften. Die Wirkungen der X-Bombe steigen mit Potenzen von e. Wer diese Waffe besitzt, beherrscht die Welt.“ „Irrtum, Professor“, stöhnte Huxley. „Die anderen besitzen sie bekanntlich auch.“ * „Morning, Mister Hagen! Morning, Miß Henning! Nun, wie weit sind Sie mit Ihrem Serum?“ 50
Professor Cumberland kam mit wehendem Mantel in Doktor Hagens Labor gestürzt. Er schien verstört und einem Nervenzusammenbruch nahe. Ernst Hagen ahnte, was seinen Chef bedrückte. „Wir haben in den letzten Tagen gute Fortschritte erzielt, Herr Professor. Das Serum CH 112 ist frei von Giftwirkungen aller Art. Die gestrige Versuchsreihe …“ „Das würde also bedeuten, daß wir mit der klinischen Erprobung beginnen können?“ „Ich habe keine Bedenken, Herr Professor.“ Das Schrillen des Telefons klang dazwischen. Ingrid hob ab. „Herr Professor, Sie werden aus Washington verlangt. Das Gesundheitsministerium …“ Ärgerlich nahm Cumberland den Hörer. Es mußte ein unerfreuliches Gespräch gewesen sein; denn der Professor raufte sich die Haare, als er sich wieder seinen Mitarbeitern zuwandte. „Die Kerle machen mich noch verrückt mit ihrer ewigen Drängelei. Hätte man mit dieser verdammten Bombenschmeißerei nicht wenigstens so lange warten können, bis wir unsere Entwicklungen abgeschlossen hätten und der Industrie produktionsreife Präparate hätten liefern können? Nein, statt dessen wird die halbe Welt radioaktiv verpestet, und hinterher kommt man angelaufen und fordert von uns stürmisch Vorbeugungsmittel gegen Strahlenschäden. Wohin soll das noch führen? Unsere Vorräte an halbfertigen Schutzsalben hat man uns geradezu aus den Händen gerissen. Die Bestände unserer Hautbank wurden von der Regierung beschlagnahmt. Soeben kam der strenge Befehl, daß wir jeden Schutzsuchenden abzuweisen, jede eigenmächtige Hilfsaktion zu unterlassen hätten.“ „Höchste Zeit, Herr Professor“, sagte Ernst nachdenklich, „daß wir ein ebenso zuverlässiges wie leicht in ausreichender Menge herstellbares Schutzmittel herausbringen. Wenn CH 112 die klinische Erprobung besteht …“ 51
„Das Serum ist meine ganze Hoffnung, Herr Kollege“, rief der Professor und sprang auf. „Machen Sie sich bitte sofort reisefertig. Sie müssen per Sonderflugzeug nach Indianapolis fliegen. Nach den letzten Meldungen wird die Stadt von radioaktiven Wolken bedroht. Sie werden dort Schutzimpfungen vornehmen. Ich rufe gleich meinen Freund, Doktor Hawker vom Indiana Hospital, an. Er soll alles für Sie vorbereiten.“ * Als Doktor Ernst Hagen vor das Portal des Instituts trat und sich suchend nach einem Taxi umblickte, zeigte die Stadt ein ungewohntes, völlig verändertes Bild. Scheu und mit finsteren Blicken verfolgten die Passanten hastig ihren Weg. In den Straßen patrouillierten Militär und Miliz mit Stahlhelmen und schußbereiten Karabinern. Und an den Häuserwänden kündeten grellrote Plakate den Belagerungszustand an. In den frühen Morgenstunden war es in Phoenix, Salt Lake City und in den Metropolen der benachbarten Staaten zu Unruhen unter der Bevölkerung gekommen. Demonstrationszüge hatten sich spontan gebildet, und Sprechchöre und Transparente hatten die sofortige Beendigung der X-Bombenversuche gefordert. „Wir verlangen die Ächtung der Atomwaffen!“ „Schluß mit der Katastrophenpolitik der Regierung!“ „Huxley soll abtreten!“ „Skeleton an den Galgen!“ „Wir fordern Abrüstung und Völkerverständigung!“ „Nieder mit den Kriegstreibern!“ „Wir wollen Frieden!“ Als die Polizei mit Gummiknüppeln und Wasserwerfern gegen die Demonstranten vorging, arteten die Kundgebungen in wilde Tumulte aus. Steine flogen, Fensterscheiben klirrten, 52
Autos mißliebiger Politiker wurden umgeworfen, und ihre Insassen verprügelt. Die Belegschaften ganzer Betriebe traten in Proteststreiks. In ihrer Ratlosigkeit hatten sich die Gouverneure der betreffenden Staaten nach Washington gewandt. Doch die Regierung verkannte den Ernst der Lage und schien die Vorgänge im „Fernen Westen“ nicht sonderlich tragisch zu nehmen. Sie überließ es den Gouverneuren, nach eigenem Gutdünken zu handeln. So kam es, daß in den Staaten Arizona, Utah und Nevada der Belagerungszustand verhängt wurde, in anderen dagegen überhaupt nichts geschah. Überall kam es jetzt zu neuen Demonstrationen. Streiks loderten im ganzen Lande auf. Es waren noch keine zwölf Stunden seit jenen ersten Kundgebungen im Westen vergangen, als auch schon auf dem gesamten nordamerikanischen Kontinent der Verkehr zu Lande, auf dem Wasser und in der Luft zum Erliegen gekommen war. * Im großen Sitzungssaal im Palast des „Weltbundes der Freien Nationen“ zu Genf tagte die außerordentliche Vollsitzung, an der die Delegationen sämtlicher Mitgliedstaaten und auch eine Abordnung der „Vereinigten Ostblockstaaten“ in voller Stärke teilnahmen. Zur Debatte stand nur ein einziger Punkt: Die internationale Ächtung der X-Bombe und das endgültige Verbot aller Atomwaffen. Selbst die beiden großen Gegenspieler, Rußland und die USA, hatten ihre Vertreter entsandt. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, war es freilich weniger eine plötzlich erwachende Friedensliebe gewesen, welche die Regierungen der Großmächte an den Konferenztisch getrieben hatte. Vielmehr war es unter dem Druck geschehen, den die Öffentlichkeit aller Länder – nach den katastrophalen 53
Auswirkungen der letzten X-Bombenversuche – auf sie auszuüben begann. Dieser erste Konferenztag gipfelte in einem leidenschaftlichen Appell, den der Delegierte Indiens, Tungabhadra, in das Plenum schleuderte, und der mit den mahnenden Worten schloß: „Wir stehen vor der größten Wende der Menschheitsentwicklung. Nie zuvor wurde dem Menschen ein so furchtbares Machtmittel in die Hand gegeben. Nie war seine Verantwortung gegenüber seinen Brüdern, gegenüber dem Schöpfer und gegenüber der Geschichte so groß, wie in diesem Augenblick. An uns, die wir hier versammelt sind, liegt es, ob sich die Menschheit dieser Verantwortung gewachsen zeigt. Es gibt für uns nur eine einzige Möglichkeit: die X-Bombe, und mit ihr die Vernichtung aller menschlichen Kultur und das Herabsinken des Menschen auf die Stufe des Tieres – oder die Überwindung dieser furchtbarsten Waffe, die je ein krankes Hirn ersann. Die Entscheidung, meine Herren Kollegen, liegt bei Ihnen.“ Rauschender Beifall, in den wohl oder übel auch die Delegierten der streitenden Großmächte einstimmen mußten, bewies dem Redner, daß er im Sinne der überwiegenden Zahl der Abgeordneten gesprochen hatte. Als Professor O’Patrick, der amtierende Präsident des „Weltbundes“, die Abstimmung über die endgültige Ächtung der Atomwaffen durchführte, gab es nicht einen einzigen in der Versammlung, der dagegen gestimmt hätte – auch wenn es in manchen Fällen vielleicht nur geschah, um „das Gesicht zu wahren“. * „Alles in Butter, meine Herren“, freute sich Marianne Brandner. Fröhlich warf sie ihren Gästen das Extrablatt des WELT54
ECHO zu, das sie soeben erstanden hatte, und das in riesigen Lettern das Verbot der X-Bombe verkündete. „Es ist einfach nicht zu glauben“, sagte Professor Hauser und putzte mit zitternden Fingern seine Brille, um sich in die Lektüre dieser außerordentlichen Nachricht zu vertiefen. „Sollten die Politiker ausnahmsweise doch mal zu einer vernünftigen Einigung fähig sein?“ „Wenn ihnen das Wasser bis zum Kragen steht, kann so was schon vorkommen“, meinte Fritz Wernicke respektlos. Sie saßen auf der Veranda des netten Einfamilienhauses unweit des Zürichsees, das Doktor Helmut Brandner nach seiner Rückkehr aus Ägypten erstanden hatte: die Gastgeber, Helmut und Marianne Brandner, Professor Hauser, Mariannes früherer Chef, der als bedeutendster Saurierfachmann der Welt galt, Jim Parker und Fritz Wernicke. Das Gespräch hatte sich um die gemeinsam in Ägypten bestandenen Gefahren gedreht * , bis Marianne mit dem so erfreulichen Extrablatt erschien. „Mit der Ächtung allein ist die Gefahr noch nicht gebannt“, rief Jim Parker. „Es kommt darauf an, eine wirksame Methode zu finden, um jedes Experimentieren mit diesem gefährlichen Spielzeug beizeiten zu entdecken und zu unterbinden.“ „Vielleicht sollte man alle Wissenschaftler, die je an diesen Waffen gearbeitet haben, auf einer einsamen Insel internieren“, schlug Dr. Brandner vor. „Verdient hätten sie’s“, lachte Jim. „Aber – wie ich diese Brüder beurteile – würden sie über kurz oder lang einen Weg gefunden haben, um von ihrer einsamen Insel aus das ganze Sonnensystem in die Luft zu sprengen.“ „Glauben Sie nicht, daß man ein Genie, wie es Ihr Professor Skeleton zweifellos ist, auch für nützliche Zwecke einsetzen könnte?“ fragte Marianne. Jim Parker zuckte die Achseln. „Ich weiß nicht. Das Risiko *
Siehe UTOPIA, 31. Band: „Katastrophe am Nil“
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wäre zu groß. Insgeheim würde er doch weiter über seinen teuflischen Erfindungen brüten.“ „Die Katze läßt das Mausen nicht“, nickte Fritz Wernicke weise. „Von einsamen Inseln halte ich in dieser Hinsicht schon gar nichts“, schmunzelte der Kommodore. „Auch ich saß noch vor wenigen Tagen auf dem reizenden San Antonio.“ „Sie haben auch in Ihrem Freund Wernicke einen allgegenwärtigen Helfer“, lachte Brandner. „Doch was nun die XBombe und ihre tatsächliche Ausschaltung anbetrifft, so sehe ich wirklich keinen Ausweg aus diesem Dilemma.“ „Ich wüßte vielleicht einen“, sagte Jim nachdenklich. „Dann raus damit, großer Häuptling“, rief Fritz Wernicke. „Fahre nach Genf und verkünde dem Weltbund deine Weisheit! Man wird dir ewig dankbar sein.“ „Oder auch nicht. Nein, Fritz, ich habe kein Verlangen danach, den Häschern des ehrenwerten Mister Huxley wieder in die Arme zu laufen, und bin ganz froh, daß niemand meinen gegenwärtigen Aufenthaltsort kennt.“ Es klingelte. Marianne ging zur Gartentür und kam mit einem Brief zurück. „Für Sie, Mister Parker.“ Befremdet öffnete der Kommodore den Umschlag aus gelbem Pergament. Ein Briefbogen mit imposantem Kopf kam zum Vorschein. „Weltbund der Freien Nationen – Der Präsident.“ Halblaut las Jim Parker die wenigen Zeilen: „Mein lieber Parker, wie ich soeben erfuhr, halten Sie sich gegenwärtig inkognito in Zürich auf. Ich freue mich, daß die Pressemeldungen, die von Ihrem rätselhaften Verschwinden zu berichten wußten, hiermit eine so harmlose Deutung erfahren haben. Die zur Abrüstungstagung erschienenen Delegierten des ‚Weltbundes’ würden es sich als besondere Ehre anrechnen, wenn Sie an ihrer morgigen Debatte über die Ausführungsbestimmungen zur Ächtung der X-Bombe als Sachverständiger 56
teilnähmen. In der Hoffnung, daß Sie uns nicht enttäuschen werden, grüßt Sie Ihr O’Patrick, Präsident des Weltbundes der Freien Nationen.“ Eine Weile herrschte Schweigen in der kleinen Runde. Endlich blickte sich Marianne strahlend um. „Wunderbar!“ „Mir kommt nur eins an der Geschichte wunderbar vor“, sagte Jim Parker langsam und maß die anderen mit prüfenden Blicken. „Irgend jemand muß doch da nicht dichtgehalten haben.“ Alle schauten sich erstaunt an. Nur Fritz Wernicke füllte feierlich sein Glas und schien ganz in diese wichtige Beschäftigung versunken. „Vielleicht ist dieser Weltbund-Präsident allwissend“, murmelte er verlegen. „Guck mich nicht so strafend an, Jim. Prost, großer Häuptling, auf dein Wohl!“ * Jim Parker sollte recht behalten mit seiner Feststellung, daß mit der Ächtung der X-Bombe allein die Gefahr noch nicht gebannt sei. Das mußten die Delegierten in Genf zu ihrem Leidwesen erfahren, als sie am folgenden Tag die Ausführungsbestimmungen diskutierten. Es herrschte – im Gegensatz zum Vortage – eine ausgesprochen eisige Atmosphäre in dem großen Sitzungssaal. Die Vertreter Rußlands und der USA, die in der vorhergegangenen Sitzung widerwillig dem Verbot der Atomwaffen zugestimmt hatten, lehnten es heute entschieden ab, sich irgendwie in die Karten gucken zu lassen. Die Verhandlung stockte – und wie üblich schob einer dem anderen die Schuld in die Schuhe. Nach vierstündiger, fruchtloser Debatte war man nicht nur um keinen Schritt weitergekommen, sondern die Stimmung hatte sich sogar derart verschlechtert, daß die Journalisten auf 57
der Pressetribüne einmütig die Überschrift für ihre nächsten Kabelmeldungen festlegten: „Konferenz über internationale Atomkontrolle gescheitert!“ In diesem äußerst kritischen Stadium der Verhandlungen ergriff Professor O’Patrick das Wort: „Meine Herren Delegierten, ich habe mir erlaubt, eine allseits bekannte Persönlichkeit einzuladen, die wohl in der Lage sein dürfte, uns mit einigen guten Ratschlägen zu unterstützen. Ich bitte, Kommodore Parker das Wort zu erteilen.“ Wie eine Welle lief es durch die Versammlung. Die Hälse der Delegierten reckten sich. Beifallsklatschen wurde laut … … und durch den Lärm drang spitz und schrill die Stimme Mister Sweetcakes, des amerikanischen Delegationsführers: „Ich protestiere!“ Eine eisige Stille folgte dem Zwischenruf. Befremdet wandte Senhor Ferreira, der den Vorsitz führte, den Kopf. „Sie protestieren, Senhor? Darf ich fragen, warum?“ „Mister Parker gehört keiner der hier vertretenen Abordnungen an.“ „Das ist auch nicht behauptet worden“, fuhr ihm Professor O’Patrick dazwischen. „Aber das Präsidium des Weltbundes hat das Recht, jederzeit Sachverständige einzuladen und sie vor der Vollversammlung sprechen zu lassen.“ „Und ich protestiere trotzdem“, ereiferte sich Mister Sweetcake, der – wie jeder wußte – der Kriegspartei angehörte und ein intimer Freund Unterstaatssekretär Huxleys war. „Mister Parker ist gar nicht berechtigt, hier zu sein. Er ist von der Insel San Antonio, wo er sich in …“ „Ich bitte um Ruhe“, unterbrach ihn Ferreira kurz. „Ihr Verhalten ist mir unverständlich, Senhor. Sie hätten allen Grund, auf einen Landsmann, wie Kommodore Parker, stolz zu sein. Senhor Parker, darf ich bitten?“ Unter dem Beifall der Abgeordneten betrat der Kommodore elastisch die Rednertribüne. „Meine Herren! Zunächst eine 58
kurze Erklärung: Ich weilte tatsächlich als Gast der hohen Obrigkeit auf der reizvollen Insel San Antonio. Doch leider ist es mir nicht möglich, meine Zeit mit süßem Nichtstun zu verbringen, wenn so wichtige Dinge in der Welt geschehen. So nahm ich mir dann ein Sonderflugzeug und kam – ohne Ausgang zu haben – hierher.“ Die Zuhörer lachten und klatschten Beifall. Jim Parkers Züge wurden ernst, als er fortfuhr: „Was ich hier antraf, Ladys and Gentlemen, war nicht allzu ermutigend. Es geht um die brennendste Frage unserer Zeit: das Verbot der X-Bombe und eine internationale Atomkontrolle. Sie suchten bisher vergeblich nach einem gangbaren Weg. Und doch ist dieser Weg im Grunde so einfach.“ Zwischenrufe wurden laut: „Oho! – Sehr interessant!“ „Da bin ich aber neugierig.“ „Bravo – Kommodore Parker hat recht.“ Mit einer leichten Handbewegung bat der Redner um Ruhe. „Dies, Gentlemen, sind meine Vorschläge: Punkt eins: Alle vorhandenen Atombomben werden unter Aufsicht einer neutralen Kommission sofort demontiert und unbrauchbar gemacht. Punkt zwei: Eine Spezialformation der internationalen Weltpolizei wacht darüber, daß an keinem Ort der Welt jemals wieder eine Atombombe zusammengesetzt werden kann.“ „Und wie wollen Sie das verhindern, Sir?“ rief der dicke Abgeordnete Jordaniens. „Wie soll die Weltpolizei dahinterkommen, wenn irgendein Staat sich nicht an die Spielregeln hält und in aller Heimlichkeit neue Atomwaffen entwickelt?“ „Sehr richtig!“ stimmte ihm der Delegierte von Liberia zu. „Die WP kann schließlich nicht alles sehen.“ „Das kann sie – Gott sei Dank! – nicht“, lächelte der Kommodore verbindlich. „Was jedoch die Atomwaffen angeht, so existiert bereits ein ganz vorzügliches Gerät, mit dessen Hilfe die WP mühelos jede davon aufspüren kann. Es handelt sich um den Tele-Radiation-Explorer eines gewissen Doktor Charles Hancock …“ 59
„Ich protestiere“, rief Mister Sweetcake erneut dazwischen. „Das ist Verrat militärischer Geheimnisse.“ Jim Parker ließ sich nicht beirren. „Wenn die Menschheit unseres Planeten endlich zur Vernunft gekommen ist, wenn sie sich darauf besonnen hat, daß sie im Zeitalter der Astronautik zu einer Einheit zusammenwachsen muß, anstatt sich in blutigen Fehden selbst zu zerfleischen, dann werden Begriffe, wie ‚militärische Geheimnisse’ bald der Vergangenheit angehören. Doch hören Sie weiter, Gentlemen. Ich schlage vor, eine gemischte Kommission aus Vertretern des Weltbundes und des Ostblocks auf der Außenstation ‚Luna nova’ einzuquartieren. Sie könnte mit Hancocks Explorer eine allumfassende Atomkontrolle durchführen und gegebenenfalls dem Sonderkommando der Weltpolizei einen Wink geben, falls irgendwer doch noch versuchen sollte, im trüben zu fischen. Dies, Ladys and Gentlemen, dürfte wohl eine Lösung sein, die allen gerecht würde und zugleich den Vorteil hätte, leicht durchführbar zu sein.“ Der Kommodore verneigte sich und verließ die Tribüne. Brausender Beifall donnerte durch den Saal. Die Abstimmung über Jim Parkers Vorschlag war nur noch eine reine Formsache. Sein Antrag wurde einstimmig angenommen Nicht ein einziger unter den Delegierten wagte es, eine andere Meinung zu äußern. Und die Schlagzeilen der Zeitungen in allen Ländern des Erdballs verkündeten es in riesigen Lettern: „Das Ende der X-Bombe! – Die Erlösung vom schlimmsten Alpdruck aller Zeiten! – Jim Parker rettet den Frieden!“ * Unverzüglich begann in Los Alamos und Tannu Tuwa, sowie an einigen anderen Stellen, die Demontage der angehäuften XBombenvorräte. Starke Kommandos der Weltpolizei – unter persönlicher Leitung Lord Cliffords, des WP-Präsidenten, – lagen in Bereitschaft, um überall eingreifen zu können, wo sich 60
die Notwendigkeit ergeben sollte. Ein Ausschuß aus Mitgliedern von zwölf Nationen hatte sich in einem Kurier-Raumschiff zur Außenstation begeben und Major Kimball mit seinen Leuten am Tele-Radiation-Explorer abgelöst. In Los Alamos erfolgte die Entschärfung der gefährlichen Sprengkörper unter der sachkundigen Leitung Doktor Dickens’, des Assistenten Professor Skeletons. Eine Bombe nach der anderen wurde kunstgerecht in ihre Bestandteile zerlegt. Die Atomsprengstoffe wurden unter starker Bewachung nach Orion-City abtransportiert, wo sie in den Anlagen des S.A.T. nützlicheren Zwecken dienstbar gemacht werden sollten. Alle übrigen Teile wurden an Ort und Stelle vernichtet. Professor Skeleton, der „Vater der X-Bombe“, wohnte der Zerstörung seines unrühmlichen Lebenswerkes nicht bei. Als ihn die Nachricht von den Genfer Beschlüssen erreichte, war er sofort nach Washington geflogen. Er suchte Unterstaatssekretär Huxley auf und bestürmte ihn händeringend, die Demontage zu verhindern. James Huxley hätte ihm liebend gern den Gefallen getan. Aber ihm waren die Hände gebunden. Unverrichteterdinge und fest entschlossen, die Demontagetrupps notfalls mit Gewalt zu vertreiben, kehrte Skeleton am Abend dieses schwarzen Tages nach Los Alamos zurück. Vom Flugzeug aus erblickte er lange Kolonnen von Spezialfahrzeugen, die unter militärischer Bewachung das Werk verließen. Er beachtete sie nicht – er wurde erst aufmerksam, als ihm nach erfolgter Landung das rege Treiben auffiel, das auf dem kleinen Vorplatz vor den Gebäuden seiner Abteilung herrschte. Beunruhigt stürzte er hinzu. Er kam gerade noch zurecht, um zu erleben, wie sein Assistent die letzte und größte X-Bombe geschickt auseinandernahm. Die Erkenntnis, daß sein Lebenswerk vernichtet sei, traf den alten Mann wie ein Keulenschlag. Einen Augenblick stand er wie gelähmt. Dann ging ein Ruck durch seine lange, dürre 61
Gestalt. In seinen Augen, die groß und tief in dem bleichen Totenkopfgesicht lagen, loderte der Wahnsinn. Mit einem gurgelnden, unartikulierten Wutschrei stürzte sich Skeleton auf seinen Assistenten und umklammerte seine Kehle. Er rollte mit ihm auf dem Boden herum und würgte ihn mit der ganzen Kraft seines entfesselten Zorns. Es wäre um Doktor Dickens geschehen gewesen, wäre es den Umstehenden nicht im letzten Augenblick gelungen, ihn aus den Klauen des Rasenden zu befreien. Sechs kräftige Männer vermochten nur mit Mühe, den brüllenden, wild um sich schlagenden Skeleton fortzuschaffen. In ihren Abendnachrichten brachte die N.B.A. mit dürren Worten die Mitteilung, daß Professor Skeleton, der Schöpfer der X-Bombe, einen Nervenzusammenbruch erlitten hätte und in eine Privatklinik eingeliefert worden wäre. * Auch in Tannu Tuwa hatte die Demontage der angehäuften XBombenvorräte begonnen, wenn auch nur zögernd und widerwillig. Mit finsterem Gesicht überwachte Doktor Kux in der großen Werkhalle II die Arbeit. Er war sich darüber im klaren, daß dies für ihn die letzte Aufgabe in seiner Eigenschaft als Technischer Leiter der Staatlichen Atombombenentwicklung, sein würde. Draußen, auf dem Flugplatz, landete eine große Düsenmaschine. Er achtete nicht darauf. Wahrscheinlich wieder so eine internationale Horde von Schnüfflern, wie man sie ihm seit Tagen alle naselang auf den Hals hetzte. Es war schon schlimm genug, daß die Regierung sich so sang- und klanglos hatte breitschlagen lassen und das Genfer Abkommen über die Atomkontrolle unterzeichnet hatte. Doktor Kux blickte auch nicht auf, als eilige Schritte durch das offene Hallentor hereinklangen. Mürrisch wandte er sich 62
wieder seinen Ingenieuren zu. Erst die helle Stimme Lewinskis ließ ihn auffahren. „He, Doktor, warum denn so eilig? Stoppen Sie die Demontage sofort!“ „Aber wieso denn? Ich hatte doch den ausdrücklichen Befehl …“ „Der Befehl ist widerrufen worden“, lächelte der Regierungsvertreter geheimnisvoll. „Das verstehe ich nicht. Ich hatte gedacht, der allgemeine Weltfriede sei ausgebrochen?“ „Alles halb so schlimm, doch kommen Sie; wir wollen in Ihr Arbeitszimmer gehen. Lassen Sie Ihre Männer gleich hierbleiben. Es wird bald wieder Arbeit für sie geben.“ Gleichmütig legten die Ingenieure und Arbeiter das Werkzeug aus der Hand. Sie waren es gewohnt, daß Anordnungen kurzfristig umgeworfen wurden, und machten sich keine Gedanken darüber. Im Büro des Technischen Direktors bequemte sich Lewinski endlich dazu, die beiden Herren vorzustellen, die er mitgebracht hatte: „Doktor Ehrenberg, der bekannte Raketenspezialist, und Doktor Riccioli, Chef der Abteilung ‚Fernsteuerung’, beide aus dem Forschungszentrum Kaluga. Wenn es den Herren recht ist, will ich sogleich zur Sache kommen. Daß von unserem Gespräch auch nicht das kleinste Wörtchen über diese Wände hinausgetragen werden darf, versteht sich wohl von selbst.“ Die drei Herren nickten schweigend und nahmen in den Sesseln Platz, Doktor Kux bot Wodka und Zigaretten an. „Wir haben uns, wie Sie wissen, verpflichtet“, begann Herr Lewinski, „alle vorhandenen Vorräte an Atomwaffen zu vernichten und jede weitere Arbeit an der X-Bombe einzustellen. Lassen wir diesen zweiten Teil des Abkommens zunächst einmal außer Betracht, so stehen wir vor der peinlichen Aufgabe, die stärkste Waffe, die wir uns unter unendlichen Opfern geschaffen haben, selbst zu zerstören.“ 63
„Unsere Gegner befinden sich in der gleichen unangenehmen Lage“, warf Doktor Kux ein. „Gewiß – sie sind mit einem wahrhaft rührenden Eifer dabei, ihrer Verpflichtung nachzukommen und ihre kostbaren XBomben zu zerlegen.“ „Uns wird nichts anderes übrigbleiben. Seit man uns mit dem Hancockschen ‚Explorer’ von der Außenstation aus so prächtig in die Töpfe gucken kann, können wir unsere Bomben dem Auge des ‚Weltbundes’ nicht verbergen.“ „Stimmt, Doktor – wenigstens so lange nicht, wie sich die Bomben auf der Erde befinden.“ „Wie meinen Sie das? Wollen Sie die Dinger auf der Außenstation deponieren? Das S.A.T. würde sich bestimmt freuen.“ „Die Außenstation steht uns für die Durchführung unserer Pläne leider nicht zur Verfügung“, gab Lewinski bedauernd zu. „Wieviel Bomben sind im Augenblick überhaupt noch einsatzfähig?“ „Wir verfügten über fünfzig Stück, ehe die befohlene Demontage begann. Jetzt sind nur noch dreißig vorhanden, darunter unsere Super-X-Bombe, mit einem Wirkungsbereich von einer Million Quadratkilometer.“ „Das dürfte genügen. Also, hören Sie zu, meine Herren: Wir werden diese dreißig X-Bomben in aller Eile mit Raketentriebwerken und Fernsteuerung versehen und sie in den Raum hinausjagen. Dort werden sie in verschiedenen Abständen von der Erde so lange in freier Trägheitsbahn kreisen, bis wir sie eines Tages brauchen. In diesem Fall brauchten wir nur durch Funkkommando die Triebwerke wieder in Gang zu setzen und könnten die Bomben dann durch Fernsteuerung in jedes gewünschte Bodenziel lenken.“ Doktor Kux war sprachlos. „Das – wäre allerdings – eine Lösung“, stammelte er. Und – zu den Herren aus Kaluga gewandt: „Glauben Sie, daß sich dieser Plan in die Praxis umsetzen ließe?“ 64
„Triebwerksmäßig überhaupt kein Problem“, winkte Doktor Ehrenberg geringschätzig ab. „Das hätte man schon vor dreißig Jahren gekonnt. Komplikationen können höchstens bei den ‚Steuermännern’ auftreten.“ „Sie werden aber nicht auftreten“, ereiferte sich der kleine Riccioli. „Wir Hochfrequenztechniker haben in den letzten Jahren schließlich auch nicht geschlafen.“ „Davon bin ich überzeugt, lieber Doktor“, lenkte Lewinski ein. „Gehen wir also an die Arbeit, meine Herren, bevor uns der ‚Weltbund’ auf die Schliche kommt.“ * Genau auf die verabredete Minute liefen beim Präsidenten des „Weltbundes der Freien Nationen“ zu Genf die offiziellen Meldungen der Regierungen Rußlands, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten ein, wonach in ihren Ländern sämtliche Vorräte an Atombomben vernichtet und die Atomwaffenproduktion stillgelegt worden wären. Der Präsident, Professor O’Patrick, nahm die Berichte mit Genugtuung entgegen. Eine Zentnerlast war ihm vom Herzen gefallen. Es geschah nur, um der Form zu genügen, als er seinen Sekretär beauftragte, die Weltraumstation anzurufen und eine Bestätigung der Nachrichten zu erbitten. Die Antwort kam rund zwei Stunden später. Sie war vom Vorsitzenden der internationalen Kontrollkommission ausgefertigt und besagte, daß der Tele-Radiation-Explorer auf der ganzen Erde keine Strahlung registriert hätte, die auf das Vorhandensein einer Atombombe schließen ließe. Erleichtert übergab Professor O’Patrick die Neuigkeiten der Presse. Die Zeitungen aller Länder griffen sie gierig auf, brachten sie in größter Aufmachung: „Erde und Menschheit gerettet!“ „Kriegsgefahr endgültig gebannt!“ 65
„Es gibt keine X-Bombe mehr!“ Und die erlöste Menschheit jubelte. Tief atmete sie auf – von einem entsetzlichen Alpdruck befreit, unter dem sie jahrzehntelang geächzt hatte. „Es gibt keine Atombombe mehr …“ * Der Dienst auf der Weltraumstation „Luna nova“ brachte im allgemeinen wenig Abwechslung, und die Tätigkeit der Internationalen Atomkontrollkommission, die ihr Hauptquartier im Observatorium für Erdbeobachtungen der AS * aufgeschlagen hatte, machte darin keine Ausnahme. Je drei Mitglieder der Kommission versahen jeweils für drei Stunden den Dienst am Tele-Radiation-Explorer und am Elektronenteleskop. Ihre Beobachtungen hatten bisher keinerlei auffällige Resultate gezeitigt – ein Beweis dafür, daß alle Nationen der Erde sich streng an die Bestimmungen des Atombombenverbots hielten. „Das ist ja zum Verrecken langweilig“, gähnte Doktor Antonescu, ein junger Rumäne. Spielerisch drehte er an der Feineinstellung des „Explorers“. „Aber leider sehr notwendig“, belehrte ihn sein Kollege Yamamoto. „Was glauben Sie wohl, was da unten passieren würde, wenn die Kriegstreiber sich nicht mehr beobachtet fühlten? Die Menschheit wird noch viel Zeit brauchen, bis sie es gelernt hat, in Frieden miteinander auszukommen.“ „Señor Yamamoto hat recht“, meinte der Venezueler Pedro Fandango. „Aber was machen Sie denn da, Antonescu?“ Der Rumäne hatte das „Objektiv“ des Explorers von der Erdoberfläche fortgerichtet und ließ es durch die Schwärze des Weltalls schweifen. „Wo steckt eigentlich der Mars im *
AS – kosmische „Außenstation“
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Augenblick? Möchte zu gern wissen, ob die Marsmenschen auch X-Bomben haben.“ „Da werden Sie kaum Glück haben“, lachte Pedro. „Mars steht gegenwärtig hinter der Sonne.“ „Nanu? Ja, was bedeutet denn das?“ Yamamoto war hinzugetreten und blickte erstaunt auf den Apparat, der ein lautes Summen von sich gab, das Zeichen, daß er eine starke radioaktive Strahlung aufgenommen hatte. Eine grüne Signallampe flackerte und verlosch wieder. „Was für einen verdächtigen Planeten hatten Sie denn da erwischt?“ fragte nun auch der Venezueler. Antonescu war sehr erstaunt. „Gar keinen, meine Herren. Ich ließ den Apparat nur so aufs Geratewohl spazierenfahren. Die Strahlung muß direkt aus dem Weltraum gekommen sein.“ „Also ein besonders kräftiger Schauer von Höhenstrahlen?“ überlegte der Japaner zweifelnd. In diesem Augenblick summte der Explorer von neuem auf, kräftig und anhaltend. „Fixieren Sie das Gerät und geben Sie mir die Koordinaten an“, rief Fandango und machte schon die Elektronenoptik „schußbereit“. In wenigen Sekunden hatten sie das Objekt, das die verdächtige Strahlung aussandte, im Gesichtsfeld. Vorsichtig folgte Pedro seiner Bewegung mit der Feineinstellung. „Scheint ein kleines Raumschiff zu sein“, mutmaßte Antonescu. „Habe diesen Typ aber noch nie gesehen.“ „Sieht fast aus wie eine X-Bombe mit Flügeln und Raketenantrieb“, murmelte der Japaner. „Eine X-Bombe?“ Das Stichwort war gefallen. Erschrocken blickten sich die drei Männer, an. Pedro stürzte bereits zum Telephon. Zwei Minuten später drängte sich alles um die Beobachtungsgeräte: Professor Swedenborg, der Chef der Kontrollkommission, mit seinen sämtlichen Mitarbeitern, Henri Lasalle, 67
der Kommandant von „Luna nova“, und Doktor Charles Hancock. Es konnte kein Zweifel darüber bestehen: Was dort seine einsame Bahn um die Erde verfolgte, war nichts anderes, als eine ausgewachsene X-Bombe. Mochte der Teufel wissen, wie sie hierher gekommen war. Henri Lasalle rief das astronomische Observatorium der Station an. Er gab dem diensttuenden Astronomen die Koordinaten durch und beauftragte ihn, das Objekt weiter zu verfolgen und eine provisorische Bahnrechnung zu versuchen. „Sollte es wirklich die einzige sein, Gentlemen?“ Charles Hancock war es, der die unheilschwangere Frage stellte. Sofort begann ein hastiges Forschen und Suchen. Mit Unterstützung durch einen schnell herbeigeholten zweiten Explorer waren im Verlauf einer knappen halben Stunde insgesamt dreizehn X-Bomben aufgespürt worden. Sie umkreisten die Erde in sehr verschiedenen Abständen. Durch das Fenster schaute Hancock auf das mächtige Rund der Erde, das fast die Hälfte des gesamten Sichtbereiches einnahm. „Schätze, dahinter dürften noch mehr von den reizenden Vögeln herumschwirren“, sagte er. Professor Swedenborg fühlte, wie sich ihm die Haare sträubten. Weich in den Knien, stolperte er hinaus – zur Funkstation, um Geheimberichte an den Präsidenten des „Weltbundes“ und den Chef der Weltpolizei aufzugeben. * Wie eine Bombe schlug der Geheimbericht der Atomkontrollkommission im Präsidium des Weltbundes und im Hauptquartier Lord Cliffords ein. Seine Wirkung auf die Öffentlichkeit war noch verheerender, denn auf unerklärliche Art mußte etwas durchgesickert und zur Kenntnis der Presseagenturen gelangt sein. 68
Schlagartig verwandelte sich die glückliche, befreite Stimmung, welche die Menschen in aller Welt seit dem Genfer Abkommen erfüllt hatte, in tiefste Hoffnungslosigkeit. XBomben im Weltraum! Lautlos und vom Erdboden aus nicht wahrnehmbar, rasten sie dort droben über den Himmel – bereit, sich, alles vernichtend, auf die Städte der Menschen zu stürzen, wenn ihr Gebieter es wünschte. Über die Herkunft der Bomben konnte kein Zweifel bestehen, und die russische Regierung hielt es auch gar nicht für nötig, zu leugnen. Die in scharfen Worten gehaltenen Angriffe des „Weltbundes“ wies sie mit der zynischem Erklärung zurück, eine Demontage der X-Bomben auf der Erde, wie man sie in unverantwortlicher Unvorsichtigkeit in Los Alamos und an anderen Stellen durchführte, hätte leicht zu katastrophalen Unfällen führen können. Man hätte es daher für ratsam gehalten, sie auf den großen „Schuttabladeplatz Weltraum“ zu werfen. Auf den Vorwurf, die Bomben seien vorher mit Fernsteuerungsmechanismen ausgerüstet worden, wurde mit keinem Wort eingegangen. Die Welt wußte auch ohnedies, woran sie war. Aus den Großstädten, vor allem des nordamerikanischen Kontinents, ergoß sich eine Massenflucht der Einwohner in die ländlichen Bezirke. Wieder einmal wurde das ganze Leben der Nation auf das empfindlichste erschüttert. Weltuntergangsstimmung zog wie eine schwarze Wolkenwand von Osten herauf … In Genf tagte der Sicherheitsrat des „Weltbundes“ pausenlos. Man erwog Sanktionen und Vergeltungsmaßnahmen gegen den Ruhestörer – und wagte dennoch nicht einzuschreiten … … denn die ganze Welt befand sich in diesem Augenblick praktisch in seiner Hand. Er brauchte, wenn er wollte, nur „auf den Knopf zu drücken“ … 69
* „Sie hatten mir gerade noch gefehlt, Sie häßlicher Vogel!“ Es war eine nicht sehr höfliche und – einem so hohen Regierungsbeamten gegenüber – gewiß recht ungewöhnliche Art der Begrüßung, mit der Generaldirektor Cunningham Unterstaatssekretär Huxley empfing, den Shilling steif und abweisend in das Arbeitszimmer eintreten ließ. Aus einem der bequemen Ledersessel am Fenster erhob sich die endlos lange Gestalt Oberst Mortimers und verbeugte sich knapp vor dem Besucher. Mortimer hatte gerade mit dem Boß eine längere, geheime Unterredung über die Evakuierungsmaßnahmen geführt, mit denen man in Orion-City einem etwaigen X-Bombenangriff aus dem Weltraum zuvorzukommen hoffte, als die überraschende Ankunft James Huxleys gemeldet wurde. „Helfen Sie mir, Sir!“ rief der Unterstaatssekretär, der in seiner Aufregung die frostige Atmosphäre gar nicht bemerkte. „Helfen Sie mir – ich muß sofort den Kommodore sprechen.“ „Parker ist nicht hier“, erwiderte Cunningham unwirsch und deutete auf einen Sessel. Huxley ließ sich erschöpft hineinfallen. „Sie wollen ihn wohl wieder mal verhaften?“ fragte Mortimer bissig. „Aber, ich bitte Sie, Gentlemen! Der Haftbefehl ist doch längst aufgehoben. Parker hat es wirklich nicht nötig, sich zu verstecken.“ „Nee, mein Lieber“, lachte der Atomboß grimmig, „das hat er so oder so nicht nötig. Aber für Sie ist er nicht zu sprechen, solange es die Regierung nicht für nötig befunden hat, ihn in aller Form zu rehabilitieren. Teilen Sie das Ihren Auftraggebern mit und kommen Sie meinetwegen wieder vorbei, wenn Sie die Sache in Ordnung gebracht haben. – Und nun entschuldigen Sie uns bitte. Wir haben zu tun.“ „Bitte sehr. Good bye, Gentlemen!“ 70
Wie ein gehetztes Wild eilte der einst so selbstsichere Regierungsbeamte aus dem Raum. * „Zubringerrakete C 14 im Anflug auf die Station.“ Der Lautsprecher in der Befehlszentrale der Außenstation verkündete nüchtern die Meldung, der man bereits seit Stunden entgegenfieberte. Ein hörbares Aufatmen ging durch die Wartenden. „Endlich“, sagte Professor Swedenborg erleichtert. „Wenn Kommodore Parker sich einschaltet, haben wir schon halb gewonnen. Ihm wird es schon gelingen, die furchtbare Gefahr zu meistern.“ „Wir wollen nur hoffen, daß die Herrschaften da unten nicht vorzeitig Wind von der Sache bekommen und im letzten Moment doch noch auf den Knopf drücken“, gab Lasalle zu bedenken. „Hancock, lassen Sie die X-Bomben, die wir bisher festgestellt haben, durch die Observatorien ständig überwachen. Sobald bei einer von ihnen das Raketentriebwerk anspringt, ist Alarm zu geben.“ „Geht in Ordnung!“ Charles Hancock tobte hinaus. Sekunden später öffnete sich die Tür erneut, um den Kommodore einzulassen. In seiner Begleitung befunden sich Fritz Wernicke und Doktor Dickens. Parker und Wernicke trugen die schweren Weltraumschutzanzüge, hatten jedoch die Taucherhelme abgeschraubt. „How do you do, Gentlemen“, grüßte der Kommodore. „Mister Parker! Endlich! Helfen Sie uns! Was meinen Sie: Werden Sie’s schaffen?“ „Geduld, Gentlemen. Um das zu beurteilen, muß ich mir die Geschichte erst mal aus der Nähe anschauen. Hallo, Monsieur Lasalle!“ „Kommodore, seien Sie mir gegrüßt – und meinen aufrichti71
gen Glückwunsch!“ Bewegt schüttelte der kleine Stationskommandant dem Weltraumfahrer die Hand. „Glückwunsch?“ wunderte sich Jim. „Ich habe doch gar nicht Geburtstag.“ „Ich meine natürlich Ihre feierliche Rehabilitierung, Kommodore. Radio Orion-City brachte sie vor einer Viertelstunde ganz groß als Sondermeldung. Dieser Huxley wird ein furchtbar dummes Gesicht gemacht haben, als er sich bei Ihnen persönlich entschuldigen mußte.“ „Worauf Sie sich verlassen können“, lachte Jim Parker. „Im übrigen verstehe ich gar nicht, warum alle Welt so viel Geschrei um diese Lappalie macht Doch zur Sache: Wie viele X-Bomben haben Sie ermittelt?“ „Es handelt sich um dreißig Bomben aller Kaliber, darunter eine Super-X-Bombe von ganz erstaunlichem Format.“ „Hm – die wollen wir als erste aufs Korn nehmen. Sind die Bahnen bekannt?“ „Das Observatorium hat die Daten gerade her über geschickt. Sämtliche Bahnen liegen zwischen 1500 und 12 000 km Erdabstand.“ Der Kommodore rieb sich nachdenklich das Kinn. „Ein recht ausgedehntes Jagdrevier, wenn man’s genau betrachtet. Aber ich schätze, daß wir das seltsame Wild mittels Radarpeilung schon aufspüren werden.“ „Was hast du eigentlich vor, Jim?“ erkundigte sich Fritz Wernicke, der gerade eine von Lasalles berühmten Kognakflaschen entkorkte und sie mit kühnem Schwung an die Lippen setzte. „Wir verfolgen die X-Bomben mit zwei schnellen Kurierraumschiffen und steuern sie – eine nach der anderen – an. Dann fangen wir sie ein und nehmen sie in Schlepp.“ „Hört sich verdammt einfach und harmlos an, großer Häuptling. Und wo laufen wir nachher mit unserem Schleppzug ein?“ „Natürlich hier, auf der Außenstation.“ 72
„Mort de ma vie!“ rief Lasalle und rang entsetzt die Hände. „Wollen Sie uns alle unglücklich machen, Kommodore? Schaffen Sie diese Teufelsdinger – meinetwegen – wohin Sie wollen, aber nicht nach ‚Luna nova’!“ „Die Sache ist ganz ungefährlich, Sir“, mischte sich Doktor Dickens in das Gespräch. „Von selbst gehen Bomben dieser Art überhaupt nicht los. Und sobald sie hier auf der Station eintreffen, werden sie von den Spezialisten, die ich mitgebracht habe, entschärft und auseinandergenommen.“ „Auch das noch! Und das alles hier, auf meiner Station?“ „Wir haben keine andere Möglichkeit, Sir. Aber beruhigen Sie sich doch. Ich gebe Ihnen mein Wort, daß nichts passieren wird.“ Der Kommodore drängte zur Eile. „Lassen Sie zwei Raumschiffe der Serie Y klarmachen, Lasalle, und kommandieren Sie die erfahrensten Piloten, die Sie haben, zu dem Unternehmen ab. Wir bleiben während der ganzen Aktion in Funkverbindung mit Urnen. Aber Vorsicht im Sprechverkehr – bitte, schärfen Sie das Ihren Funkern ein! Es wäre fatal, wenn die Herrschaften, denen diese netten Bömbchen gehören, vorzeitig hinter unsere Absichten kämen.“ * „Achtung, Achtung! Sektor 12 Q ... Kurs Ostnordost. D gleich 6540. Ende.“ Es klang ganz harmlos. Irgendwelche belanglose Positionsmeldungen, wie sie Weltraumschiffe während der Fahrt untereinander austauschen mochten. Selbst dem mißtrauischsten Lauscher, der argwöhnisch die S.A.T.-Welle abgehorcht hätte, wäre kein Verdacht dabei gekommen. Doch der Kommodore, an Bord der Kurierrakete Y-28, und Fritz Wernicke im Führerraum der Y-30, sie verstanden wohl, was „Luna nova“ ihnen mitteilen wollte. Blitzschnell gaben sie den Piloten ihre Befehle. 73
Die Jagd auf die X-Bomben lief auf vollen Touren. Jedesmal, wenn eine neue Bombe aufgestöbert worden war, ging eines der schlanken Kurierschiffe längsseits. Eine Gestalt im Raumtaucherdreß – Jim Parker oder Fritz Wernicke – verließ das Schiff durch die Luftschleuse und schwebte zu dem gefährlichen Ziel hinüber. Ein paar Feuerstöße aus dem handlichen Atombrenner zertrennten die Heckflosse, in welche die Antenne eingebaut war. Die Bombe war jetzt fürs erste unschädlich gemacht. Mochten die dort unten, auf der Erde, Funkkommandos senden, so viel sie wollten. Weder Triebwerk noch Steuerung würden darauf ansprechen. Ohne viele Umstände wurde nun ein Drahtseil um den Bombenrumpf geschlungen. Das Raumschiff nahm Fahrt auf und steuerte in kühner Kurve die Station an, wo Doktor Dickens mit seinen Männern schon bereit stand, um die „Jagdbeute“ in Empfang zu nehmen. „Wie viele haben wir bis jetzt?“ fragte der Kommodore, als er wieder einmal seine Fracht abgeliefert hatte. „Neunundzwanzig“, erwiderte Lasalle. Er hatte über den Verlauf der ganzen Aktion peinlich genau Buch geführt. „Ist dieses Monstrum, die Super-X-Bombe, schon dabei?“ „Noch nicht, Kommodore. Wir haben sie bis zuletzt aufgespart, weil sie den größten Erdabstand hat. Monsieur Wernicke ist vor sechs Minuten gestartet, um sie einzubringen.“ „Ausgezeichnet. Der gute Fritz wird’s schon machen. Ich gehe mal rüber zu Dickens und seinen Leuten, Geben Sie mir Bescheid, Lasalle, wenn Wernicke zurück ist.“ * In Tannu Tuwa war es sehr still geworden, seit die dreißig XBomben, die der Demontage entgangen waren, in den Weltraum verschossen waren. Die Mehrzahl der Ingenieure und Arbeiter war in andere Atomwerke verschickt worden, die sich 74
mit der friedlichen Auswertung der Atomenergie beschäftigten. Nur eine Wachtabteilung und das wichtigste Stammpersonal für die Instandhaltung der Anlagen waren zurückgeblieben. Für Doktor Kux begannen ruhige Tage. Er war offiziell auf seinem Posten belassen worden, hatte aber praktisch nichts zu tun und langweilte sich tödlich.
Gemeinsam mit den Herren Ehrenberg und Riccioli, die man aus unerfindlichen Gründen ebenfalls in Tannu Tuwa belassen hatte, verbrachte er seine Zeit mit Schachpartien und endlosen wissenschaftlichen Debatten. Bis eines Tages, wie ein Wirbelwind, Herr Lewinski dazwischenfuhr und dem Idyll ein unerwartetes Ende bereitete. Am späten Nachmittag landete er mit einem Sonder-Raketenflugzeug und platzte atemlos in ein spannendes Schachturnier hinein, das Kux und Riccioli miteinander ausfochten. 75
„Alarm, meine Herren! Unsere X-Bomben …“ „Was ist mit ihnen?“ Die Figuren auf dem Schachbrett purzelten durcheinander. Erregt waren die Spieler aufgesprungen und umringten den unerwarteten Besucher. „Die X-Bomben sind verschwunden, eine nach der anderen. Unsere Radarüberwachungsstelle meldete es zuerst, daß da irgendwas nicht stimmte. Wir ließen daraufhin ein kleines Raumfahrzeug zur Beobachtung aufsteigen. Wenige Minuten später hatten wir bereits die Bestätigung für das Ungeheuerliche …“ „Ja, wofür denn, zum Teufel?“ Der Regierungsvertreter schluckte krampfhaft und mußte sich zunächst einmal setzen. „Zwei Raumschiffe kurvten da oben herum und machten regelrecht Jagd auf unsere Aggregate. Sie fingen sie ein und schleppten sie nach ‚Luna nova ab.“ „Das Vergnügen hätten wir ihnen leicht verderben können“, ärgerte sich Riccioli. „Hätten Sie uns doch nur früher benachrichtigt! Wir hätten durch Funkkommando mühelos …“ Lewinski machte eine müde Handbewegung. „Sie unterschätzen unsere Gegner. Das erste, was die fremden Piloten bei Annäherung an die Bomben taten, war, ihre Funkanlage unbrauchbar zu machen.“ „Donnerwetter“, rief Doktor Ehrenberg anerkennend. „Die Burschen sind auf Draht. Ich möchte wetten, daß es Kommodore Parker persönlich mit seinem Spießgesellen Wernicke ist, der uns diesen Streich gespielt hat.“ „Sind bereits sämtliche Aggregate außer Gefecht gesetzt?“ erkundigte sich Doktor Kux. „Nach letzten Meldungen, die ich kurz vor meiner Landung direkt von der Radarzentrale erhielt: alle, mit einziger Ausnahme der Super-X-Bombe.“ „Ja, verdammt noch mal, was stehen wir dann herum?“ brauste Doktor Kux auf. „Los, Riccioli, halten Sie keine Maulaffen feil und machen Sie Ihre Station schleunigst klar! 76
Wir müssen alles daransetzen, um die Bombe aus der Reichweite ihrer Verfolger zu bringen.“ Im nächsten Augenblick schon sah man die vier Männer über den Platz rennen, der Funkstation zu, in der Riccioli seine Geräte aufgestellt hatte. Der Hochfrequenzexperte legte einige Schalter um. Farbige Lämpchen glühten auf, ein leises Summen erfüllte den Raum. Atemlos folgten die anderen jeder seiner Bewegungen. Doktor Riccioli wandte sich plötzlich um und sah Lewinski an. „Ich gebe jetzt das Funkkommando für das Triebwerk und werde versuchen, das Aggregat in eine neue Bahn hineinzusteuern. Was aber soll geschehen, wenn das Manöver mißlingt, wenn die gegnerischen Schiffe die Bombe doch noch einholen?“ „Für diesen Fall“, erwiderte Lewinski, und seine Züge versteinten sich, „für diesen Fall verfüge ich über ganz bestimmte Sondervollmachten.“ * „Gott sei Dank – das hätten wir geschafft.“ Aufatmend richtete sich Doktor Dickens von seiner Arbeit auf und wischte sieh die Hände ab, die soeben die letzte der bisher eingebrachten X-Bomben vorsichtig und geschickt entschärft hatten. Die Montagehalle, die Lasalle auf „Luna nova“ für diesen Zweck zur Verfügung gestellt hatte, wimmelte noch vom geschäftigen Treiben der Spezialisten und Hilfsarbeiter. Die auseinandergenommenen Bombenteile warteten bereits – sicher gelagert – auf ihren Abtransport zur Erde, während alle mechanischen und elektrischen Vorrichtungen, die sachkundig aus den Aggregaten entfernt worden waren, unter Aufsicht der Kontrollkommission von kräftigen Fäusten zertrümmert wurden. „Ganz haben Sie’s noch nicht geschafft, Doc“, berichtigte 77
der Kommodore Dickens. „Der größte Brocken schwirrt dort draußen noch herum. Eigentlich müßte Wernicke längst zurück sein. Kommen Sie, Doc, wir wollen ins Observatorium gehen und mal ein wenig Ausschau halten.“ Das Observatorium lag in der „Achse“ der Weltraumstation, die wie ein riesiges Rad gebaut war. Hier herrschte absolute Gewichtslosigkeit, da die künstliche Schwere fehlte, die im rotierenden Radkranz durch Fliehkräfte hervorgerufen wurde. Die beiden Männer mußten sich erst an die veränderten Verhältnisse gewöhnen und tasteten sich vorsichtig von Wandgriff zu Wandgriff, um nicht den Halt zu verlieren und hilflos im Raum herumzuschweben. Das heftige Winken des Stationskommandanten, der mit dem diensttuenden Astronomen abwechselnd durch ein lichtstarkes Beobachtungsinstrument mit großem Gesichtsfeld schaute, trieb Parker und Dickens zur Eile. „Was gibt es, Lasalle?“ „Irgendeine Panne muß da passiert sein. Im Augenblick, als die Y-30 die Bombe erreicht hatte und längsseit ging, nahm das Biest plötzlich Fahrt auf und tobte davon. Die Y-30 natürlich hinterher – aber leider war Monsieur Wernicke bereits ausgestiegen, als der Rummel losging, und mußte erst wieder an Bord geholt werden. Dadurch bekam das Bombenaggregat natürlich einen Vorsprung.“ „Zeigen Sie her!“ Jim Parker schnallte sich auf dem Beobachtungssitz fest und blickte ins Okular. Mit der Rechten bediente er die Feinbewegung, während die Linke den Okulartrieb drehte. Jetzt war das Bild scharf, und nun erkannte Jim alle Einzelheiten: Vor dem sternenbesäten Himmelshintergrund schossen zwei Raumfahrzeuge dahin. Mit flammenden Feuerschweifen flogen sie die gewagtesten Kurven. Weit voraus der gedrungene Körper des X-Bombenaggregats, in seinem Kielwasser der sehr viel größere, schlanke Leib der Kurierrakete. 78
„Wenn das nur nicht ins Auge geht“, stöhnte Lasalle, der inzwischen ein zweites Fernrohr herangeholt hatte. Die Blicke des Kommodores verfolgten wie gebannt das Bild der rasenden Verfolgungsjagd im Weltraum. Jene Männer, die irgendwo – wahrscheinlich drunten auf der Erde – an den Fernsteuergeräten saßen und das X-Bombenaggregat die tollsten Kapriolen ausführen ließen, sie verstanden ihr Handwerk. Jim Parker mußte es mit grimmigem Lächeln zugeben. Aber auch Wernicke machte seine Sache gut – sehr gut sogar! Mit unglaublichem Einfühlungsvermögen parierte er jede Finte des unsichtbaren Gegners. Er ließ sich nicht abschütteln, holte von Sekunde zu Sekunde auf … „Er kriegt sie doch noch, Kommodore“, freute sich Lasalle, „ich wette, in spätestens fünf Minuten.“ Jim Parker schätzte Abstand und Bahngeschwindigkeiten der beiden rasenden Raketen. „Sie mögen recht haben, Lasalle. Es wird aber auch höchste Zeit. Die X-Bombe verringert ihren Abstand zur Erde immer mehr, und das macht mir Sorge.“ Kleiner wurde die Entfernung zwischen Verfolger und Verfolgtem, immer kleiner, und hastiger die Ausweichbewegungen der X-Bombe. Die seltsame kosmische Jagd schien ihrem Ende entgegenzugehen. Da unterbrach ein Aufschrei Doktor Dickens’ die atemlose Stille: „Die Bombe – sie stürzt ab!“ Ein lähmendes Entsetzen ergriff die vier Männer, die im Observatorium von „Luna nova“ saßen. Das Bombenaggregat hatte abermals den Kurs geändert und stürzte jetzt, von der äußersten Kraft seiner Raketen beschleunigt, in steiler Kurve auf die Erde zu. Die Besitzer der X-Bombe müßten das Aussichtslose ihrer Ausweichmanöver eingesehen haben. Jetzt steuerten sie das Aggregat kaltblütig in ein irdisches Ziel hinein, um ihrer Nation 79
durch einen einzigen Vernichtungsschlag die Weltherrschaft zu erobern. Sekunden tropften dahin – scheinbar endlos langsam. Augenblicke, in denen sich das Schicksal der Menschheit entschied … Und die Entscheidung schien bereits gefallen zu sein, grausam und unabänderlich. Mit rasender Geschwindigkeit stürzte die furchtbare Bombe der Erde entgegen. Doch noch mochten rund fünfhundert Kilometer sie von den äußersten Ausläufern der Erdatmosphäre trennen, als der schlanke Leib der Y-30 sich langsam und ganz dicht an ihr vorüberschob. Die Luke der Luftschleuse schwang auf. Mit Hilfe der überstarken Optik sah der Kommodore, wie eine Gestalt im Raumtaucheranzug in der Öffnung erschien und mit dem rechten Arm weit ausholte. Ein kleiner, blitzender Punkt flog zum Bombenaggregat hinüber. „Eine Atomhandgranate mit Magnethaftflächen“, rief Jim Parker. „Wernicke hat das Äußerste gewagt.“ Die Luke der Y-30 schlug zu. Der Pilot fing den rasenden Sturzflug ab, riß die Rakete in steiler Kurve hoch – fort von der Erdoberfläche … Da explodierte die Super-XX-Bombe! Grell und blendend und in gespenstischer Lautlosigkeit wuchs für einen einzigen Augenblick eine neue Sonne in der Leere des Raumes. Ungehindert durch hemmende Materie irgendwelcher Art, breiteten sich die radioaktiven Detonationsprodukte mit unglaublicher Geschwindigkeit nach allen Richtungen aus, wurden dabei dünner und dünner und immer wirkungsloser. Doch die Y-30 hatte sich in zu geringer Entfernung von der Explosionsstätte befunden. Die buntleuchtende, radioaktive Wolke erreichte das Fahrzeug fast im gleichen Augenblick. Unheimlich phosphoreszierend glühte die Schiffswand auf. Das Triebwerk setzte aus … 80
* Im Direktionszimmer des Instituts für Strahlenschutz zu OrionCity läutete das Telefon Sturm. Es war Mitternacht – doch trotz dieser späten Stunde herrschte in allen Abteilungen noch reger Betrieb. Seit die Schreckensnachricht vom Auftauchen der XBomben im Weltraum um den Erdball gerast war, hatte ein wahrer Sturm auf die viel zu geringen Bestände an Strahlenschutzmitteln eingesetzt, welche die pharmazeutische Industrie bisher zu liefern vermochte. Und unablässig erging an Professor Cumberlands Forschungsinstitut der Ruf, neue, noch wirksamere Präparate zu schaffen. Kurz entschlossen hatte der Professor alle herkömmlichen Wege verlassen und die gesamte Arbeit in den Dienst der Weiterentwicklung jenes Serums gestellt, mit dem Ernst Hagen bereits so verheißungsvolle Ergebnisse erzielt hatte. Neue Hilfskräfte waren eingestellt worden. Man arbeitete in drei Schichten. Professor Cumberland schreckte auf, als der Apparat auf seinem Schreibtisch klingelte. Er war seit sechsunddreißig Stunden nicht aus den Kleidern gekommen und schließlich auf dem Schreibtischstuhl eingenickt. Verwirrt schaute er sich um und nahm den Hörer ab: „Cumberland.“ Der Klang der wohlbekannten Stimme am anderen Ende der Leitung wischte im Nu alle Müdigkeit von ihm fort. „Hier spricht Cunningham. Professor, Sie müssen sofort Ihren Assistenten, Doktor Hagen, zur Außenstation schicken. Er soll das neue Serum mitnehmen – so viel Sie davon auf Lager haben. Sofort, sage ich. Haben Sie mich verstanden?“ „Aber das ist unmöglich, Sir. Doktor Hagen hat heute abend einen totalen Zusammenbruch erlebt. Seit seiner Rückkehr aus Indianapolis hat er ohne Unterbrechung gearbeitet und nur gearbeitet. Das muß den stärksten Mann schließlich umwerfen. Ich habe ihn in meinem Wagen nach Hause geschickt. Der Arzt 81
meint, er brauche mindestens acht Tage absolute Ruhe. – Ja, Miß Henning, was gibt es denn?“ Unbemerkt hatte Ingrid – nach mehrmaligem, vergeblichem Klopfen – das Zimmer des Chefs betreten. Ihre Züge wirkten abgespannt und sorgenvoll, als sie jetzt sprach: „Wir haben Mister Hagen nach Hause gebracht. Er schläft jetzt. Doktor Stephan meint …“ „He, Professor, mit wem reden Sie denn da?“ klang unwirsch die Stimme des Atombosses aus dem Hörer. „Mit Miß Henning, der Mitarbeiterin von Doktor Hagen.“ „Geben Sie sie mal her, Professor!“ Gelassen nahm Ingrid den Hörer, den ihr Cumberland in die Hand drückte. „Der Boß“, flüsterte er. „Also, was ist denn da bei euch los?“ fragte Cunningham ungnädig. „Ist dieser Doktor Hagen schon tot?“ „Um Himmels willen, nein!“ schrie Ingrid entsetzt. „Na also. Dann jagen Sie ihn gefälligst aus den Federn, wenn ich bitten darf. Aber ein bißchen plötzlich!“ „Ja, aber …“ „Hier gibt es kein Aber, Verehrteste. Doktor Hagen wird dringend auf ‚Luna nova’ gebraucht. Ein ganzes Raumschiff ist radioaktiv geworden, und es stecken unsere besten Männer drin – der Kommodore oder Mister Wernicke; vielleicht auch beide zusammen, ich weiß es nicht genau. Sie sind rettungslos verloren, wenn nicht schnellstens das Serum herangeschafft wird, und ein Mann, der damit umzugehen weiß.“ „Der Kommodore – Fritz Wernicke? Gut, Sir, wir kommen.“ Ein deutliches Aufatmen kam durch den Draht. „Ich danke Ihnen, Miß Henning. Holen Sie das Serum und jagen Sie Doktor Hagen hoch. Ich lasse euch beide in seiner Wohnung abholen. Sie starten in vierzig Minuten vom Zentralflugfeld mit der Zubringerrakete C 15. Flugkapitän Fischer wird Sie zur Außenstation bringen. Machen Sie’s gut – und Hals- und Beinbruch!“ 82
* Indessen verbrachte die Besatzung der Außenstation aufregende Minuten. An den Fenstern des Riesenrades drängten sich die Männer, soweit der Dienst sie nicht gerade an ihren Arbeitsplätzen festhielt. Sie waren mit atemloser Spannung der Jagd auf die Super-XX-Bombe gefolgt, sie hatten Fritz Wernickes kühnen Angriff und die gewaltige Explosion miterlebt. Und jetzt hingen ihre Augen angstvoll und gespannt an dem Rumpf der Rakete Y-30, die antrieblos, auf unbekannter Bahn, in den Raum hinaustrieb, und die über und über in einem bösartigen, grünlichen Feuer glühte. Der Kommodore raste zwischen Observatorium und Funkstation hin und her. Dort draußen – von tödlichen Strahlen bedroht – trieb hilflos Fritz Wernicke, sein bester Kamerad, mit seinen wackeren Begleitern. Und er, der vielbewunderte Kommodore des Weltraums, er konnte ihm nicht helfen; denn niemand durfte es wagen, sich der gefährlichen Strahlung zu nähern. Jeder Versuch würde völlig sicherer Selbstvernichtung gleichkommen. „Haben Sie Verbindung mit der Y-30?“ rief er dem Funker zu. „Wir tun, was wir können, Kommodore. Aber das Schiff antwortet nicht.“ „Versuchen Sie es weiter! Und rufen Sie nochmals OrionCity an. Wir brauchen das Serum dringend. Sofort!“ „Jawohl, Kommodore!“ Als Jim Parker zum dritten Mal in die Funkstation trat, winkte ihm der Funker heftig zu. „Y-30 meldet sich, Kommodore!“ Jim riß ihm das Mikrophon aus der Hand. „Hallo, Fritz! Wie sieht es bei euch aus?“ „Hallo, Jim, alte Mondrakete!“ klang Wernickes Stimme aus dem Lautsprecher. „Das war ein Schreck in der Abendstunde.“ 83
„Kann ich mir denken. Was ist los an Bord?“ „Wir leben noch.“ „Das habe ich – Gott sei Dank! – soeben auch festgestellt. Habt ihr Verletzte?“ „Bis jetzt nicht. Haben uns alle Mann in die Zentrale zurückgezogen und alles dicht gemacht. Fragt sich nur, wie lange das gut geht. Die radioaktive Strahlung steigt.“ „Was ist mit dem Triebwerk los?“ „Hinüber, großer Meister. Scheint bei der Explosion was abbekommen zu haben.“ „Bleib mit uns in Verbindung, Fritz. Ich hole euch sobald wie möglich heraus.“ Und – zu dem Funker: „Haben Sie Nachricht aus Orion-City?“ „Jawohl, Kommodore. Rakete C 15 startet in dreizehn Minuten. Bringt Serum und Fachleute mit.“ Jim Parker stürzte hinaus. „Lasalle! Ist die Y-28 betankt?“ „Y-28 ist startklar“, meldete der Stationskommandant. „Gut, Lasalle. Stellen Sie ein Freiwilligenkommando zusammen, das mich begleiten soll. Wir starten, sobald die Zubringerrakete von Orion-City eingetroffen ist.“ „Kommodore!“ Ein Läufer aus der Funkstation kam durch den Hauptgang gestürmt. „Dringender Notruf von der Y-30!“ Mit ein paar Sätzen war Jim in der Funkstation. „Was ist los, Fritz?“ Die Stimme des kleinen Steuermanns klang gehetzt: „Wir sind erledigt, Jim, wenn nicht bald Hilfe kommt. Die Radioaktivität vergrößert sich zusehends. Die Zählrohre registrieren wie verrückt.“ „Schmiert euch von Kopf bis Fuß mit Strahlenschutzkrem ein, so dick wie möglich. Und dann steigt in die Raumtaucheranzüge.“ „Soll geschehen, Jim. Können wir sonst noch was tun?“ „Moment mal – ich frage den Stationsarzt.“ Der Kommodore setzte die Personenrufanlage in Gang. Bunt 84
leuchteten die Signallampen in sämtlichen Räumen der Station. Etwas außer Atem, kam kurz darauf Doktor Feller hereingestolpert. „Sie wollen mich sprechen, Kommodore?“ „Sagen Sie, Doc, was kann man – wenn einem gerade keine besseren Mittel zur Verfügung stehen – gegen die Folgen einer Atombombenexplosion tun?“ Der Arzt rückte an seiner Brille. „Ein altes Hausmittel zur Schockbehandlung nach Atombombenexplosionen ist: mehrmals täglich ein Liter Wasser, in dem ein Teelöffel Salz und ein halber Teelöffel Backpulver verrührt sind.“ „Machen Sie keine Witze, Doc!“ „Im Ernst, Kommodore: Man soll bereits vor dreißig Jahren gelegentlich gute Erfolge damit erzielt haben.“ „Habe verstanden“, kam Wernickes Stimme aus dem Lautsprecher. Und dann – leiser: „Smith – lauf mal schnell in die Kombüse …“ Dem Kommodore sollte es nicht beschieden sein, die Wirkung der Backpulverbehandlung zu erleben; denn in diesem Augenblick kam die Meldung vom Observatorium: „Zubringerrakete C 15 im Anflug auf Station.“ „Danke.“ Jim Parker wandte sich an den Stationskommandanten: „Veranlassen Sie das Ausbooten der Passagiere, Lasalle. Und schicken Sie die Freiwilligen zur Schutzimpfung ins Krankenrevier.“ Schon wenige Minuten danach konnte der Kommodore die Helfer begrüßen, die mit dem Zubringerschiff gekommen waren. „Ich danke Ihnen, Doktor Hagen, und auch Ihnen, Miß Ingrid.“ Das junge Mädchen lächelte nur. „Dazu haben Sie gar keine Ursache, Mister Parker. Sie haben damals viel mehr für uns getan, als Sie uns aus der tobenden Nordsee retteten – Sie und Ihr Freund Wernicke.“ Ernst Hagen hatte inzwischen mit Doktor Feller die Ampullen mit dem Serum CH 112 ausgepackt und bereitete mit 85
Doktor Feller die Injektionsspritzen vor. „Es kann losgehen“, sagte er. „Sie spritzen am besten intravenös, Herr Kollege, damit die Wirkung schneller eintritt. Fangen Sie bitte gleich bei mir an.“ Der Kommodore trat als zweiter vor, gefolgt von Flugkapitän Horst Fischer. Nach ihnen streifte Ingrid den Ärmel hoch. „Halt!“ rief Jim. „Das kann ich nicht zulassen.“ Das junge Mädchen sah ihn bittend an. „Lassen Sie mich mitgehen, Mister Parker! Ich stehe tief in Ihrer Schuld.“ Lächelnd hielt sie dem Stationsarzt ihren Arm hin. Jim Parker warf ihr einen bewundernden Blick zu. Dann wandte er sich um: „Die Freiwilligen, bitte!“ Ein Haufen von rund dreißig Mann drängte sich ungestüm durch die Tür. „Halt, Jungens!“ In den Augen des Kommodores war ein frohes Leuchten. „Ich hatte es nicht anders von euch erwartet. Aber so viele faßt die Y-28 ja gar nicht. Drei, vier Mann genügen.“ Fünf Minuten später waren die letzten Vorbereitungen beendet. In vier Raumtaxis fuhren die acht Teilnehmer der Hilfsexpedition zur Y-28 hinüber, die in zweihundert Meter Abstand von der Station „vor Anker“ lag. Sie waren vorsorglich in Weltraumtaucheranzüge gehüllt, die mit einem Strahlenschutzmittel imprägniert waren. Vom Observatorium der Raumstation aus gab Henri Lasalle das Startsignal. * Für die Eingeschlossenen in der Zentrale der Y-30 dehnten sich die Minuten zu Ewigkeiten. In ihren plumpen Schutzanzügen hockten sie in der engen Kammer: Fritz Wernicke, der Pilot, der Funker, ein Matrose und zwei Maschinisten. Sie hatten die Möglichkeit, sich mittels kleiner, in den Taucherhelmen 86
eingebauter Funkanlagen zu verständigen. Aber das Gespräch war längst verstummt. Sie warteten – worauf? Auf die Rettung. Oder auf den Tod – den grausamen Strahlentod. Was würde schneller sein? In regelmäßigen Abständen meldete sich die Außenstation. Der Funker hielt sie über die Vorbereitungen zu ihrer Rettung auf dem laufenden und bemühte ‚sich, ihnen Mut zuzusprechen. „Kopf hoch, Kameraden! Soeben ist der Kommodore mit der Y-28 gestartet. Nur noch wenige Minuten, dann seid ihr gerettet.“ Neue Hoffnung belebte die Herzen der eingeschlossenen Männer. Doch da fiel Fritz Wernickes Blick auf den Geigerzähler, der dazu bestimmt war, etwaige radioaktive Strahlungen im Inneren der Zentrale zu melden. Wer nicke erschrak. Die Ziffern sprangen wie toll. Verstohlen blickte er sich um. Die anderen hatten noch nichts bemerkt. Kurz entschlossen stand er auf und zerschmetterte das Zählrohr mit einem wuchtigen Faustschlag. Sein Versuch, einer Panik vorzubeugen, war gut gemeint, aber leider gang vergebens; denn plötzlich glühten die Wände auf in einem fahlen, grünlichen Leuchten. Ein gellender Entsetzensschrei entrang sich den Männern, daß es schauerlich in den Membranen dröhnte. „Aus“, stellte Fritz resigniert fest – und sprang im nächsten Augenblick wie elektrisiert in die Höhe, Aus der gegenüberliegenden Wand sprang eine kleine, grelle Flamme, fraß sich durch das Metall und beschrieb in Sekundenschnelle einen Kreis. „Ein Atombrenner! Man holt uns – wir sind gerettet!“ Ein kreisrundes Wandstück fiel heraus. Ein plumper Taucherhelm erschien in der Öffnung. Und die männliche Stimme des Kommodores klang aus den Membranen: „Raus hier, Leute! Umsteigen – aber etwas hurtig, sonst verpaßt ihr den Anschluß.“ 87
* Die Rakete Y-28, mit Flugkapitän Horst Fischer am Steuer, strebte in eleganter Kurve der Außenstation zu. Hinter ihr explodierte ihr Schwesterschiff Y-30. Der Kommodore hatte es nicht gewagt, das hochgradig radioaktiv verseuchte Fahrzeug in Schlepp zu nehmen und zur Station zurückzubringen. Eine Sprengladung mit Zeitzünder, zwischen den Treibstoffbehältern angebracht, zerriß es in Atome. Unverzüglich hatte man die geretteten Raumschiffmatrosen aus den Schutzanzügen befreit. Ernst Hagen gab jedem vorsichtshalber eine Injektion mit CH 112, und Ingrid assistierte ihm dabei mit geschickten Handreichungen. „Du hast mir wieder mal das Leben gerettet, Jim“, sagte Fritz Wernicke gerührt, während er eine stattliche Whiskyflasche entkorkte. Der ewig Durstige hatte nach den überstandenen Gefahren die Stärkung dringend nötig. „Rede nicht so viel, Fritz“, winkte Jim Parker ab. „Trink lieber! Schätze, du hast mit deinem tollkühnen Angriff auf die Super-XX-Bombe weit mehr Menschen das Leben gerettet.“ Der kleine Weltraumpilot nahm einen herzhaften Schluck und blickte zu der Stelle, zurück, wo sich die Explosionswolke der Y-30 rasch im leeren Raum verlor. „Fast hätte sie mich dann nachträglich doch noch zur Strecke gebracht“, sagte er schaudernd. „Hoffen wir“, erklärte der Kommodore mit Nachdruck, „daß dies das letzte Mal gewesen ist, – daß niemals wieder Menschen die Atomenergie dazu mißbrauchen werden, Leben und Gut ihrer Mitmenschen zu zerstören. Möge die Vernichtung dieser letzten Atombombe der erste Schritt in eine bessere Zukunft sein!“ – Ende – 88
Sie fragen – UTOPIA antwortet
UTOPIA-Briefkasten Liebe Utopia-Freunde! Heute sind wieder drei Leser an der Reihe, deren Anfragen wir gern beantworten: Jürgen V. aus Hamburg 22 wirft die Frage auf, ob man auf einer Weltraumstation altern könne, da der Weltenraum doch zeitlos sei. Unsere Antwort: Sie berühren mit Ihrer Frage ein tiefes Problem, das wir hier ausführlich nicht behandeln können. Wir müssen aber die natürlichen Abnutzungen beachten, denen der menschliche Körper nach seinen eigenen Gesetzen unterworfen ist. Ein Mensch wird selbstverständlich auch im Weltall altern. Unserem Leser Eduard M. aus Asenheim (Kr. Pfarrkirchen) danken wir für seine freundliche Anerkennung. Auch seine Fragen beantworten wir gern. 1) Wie kommt es, daß man die Rückseite des Mondes nicht sehen kann, wo er sich doch in der Zeit, da er sich einmal um die Erde dreht, auch einmal um seine eigene Achse dreht? Unsere Antwort: Wenn der Mond sich während eines Umlaufes um die Erde auch genau einmal um seine Achse dreht, so kommt es darauf hinaus, daß stets die gleiche Hälfte seiner Oberfläche zur Erde gerichtet ist. Würde er dagegen keine Achsendrehung haben, so bekämen wir von der Erde aus während eines Umlaufes nacheinander die ganze Mondoberflä89
che zu sehen. Vielleicht gelingt es Ihnen, sich das an Hand einer kleinen Zeichnung selbst klar zu machen. 2) Vermutet man auf der Rückseite des Mondes eine Art Luftschicht? Unsere Antwort: Astronomen im vorigen Jahrhundert wiesen darauf hin, daß auf der Mondrückseite geringe atmosphärische Reste vorhanden sein könnten. Den Beweis dafür wird erst die Weltraumfahrt liefern. 3) Glaubt man, daß auf der Venus Menschen leben können? Unsere Antwort: Auch hierüber wird erst das Raumschiff Klarheit bringen. Nach gegenwärtiger Ansicht können dort nur Pflanzen gedeihen. 4) Wie könnte man mit einem anderen Planeten Verbindung (Sprechverbindung) aufnehmen? Unsere Antwort: Durch Funkwellen irgendwelcher Art. Als Verstärker müßten künstliche Raumstationen dienen. Ausführliche Berichte über andere Planeten können wir aus Platzmangel nur hin und wieder bringen. Roland B. aus Lottstetten (Südbaden) interessiert sich für die Sternenwelt. Seine Frage: Wieviel Himmelskörper konnten von der Weltraumforschung schon entdeckt werden? Wie heißen sie? Unsere Antwort: Sonne, 9 große Planeten (Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun, Pluto), rund 1600 kleine Planeten, folgende Monde: Erde 1, Mars 2, Jupiter 12, Saturn 10, Uranus 5, Neptun 2, ferner viele hundert Milliarden Fixsterne. Freundliche Grüße! Ihre UTOPIA-Schriftleitung (im PABEL-Verlag, Rastatt/Baden)
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Lesen Sie im nächsten (33.) UTOPIA-Kleinband: Eine Reihe unheimlicher Vorkommnisse beginnt, die Menschheit in Unruhe au versetzen. Vollbesetzte Riesen-Passagierflugzeuge fallen rätselhaften Katastrophen zum Opfer. Roger Vanstatten, der berühmte amerikanische Atomforscher, verschwindet spurlos. Wer verbirgt sich hinter den geheimnisvollen Anschlägen? Im Dienst der Weltpolizei macht Kommodore Parker sich auf, um Licht in das unheimliche Dunkel um die Abstürze der „Delta“-Schiffe zu bringen. Sollten Sie die vorhergehenden UTOPIA-Bände 1 bis 31 bei Ihrem Zeitschriftenhändler nicht mehr erhalten, dann wenden Sie sich bitte direkt an den Verlag Erich Pabel. Rastatt (Baden). Senden Sie dabei den Geldbetrag (je Band 50 Pf) auf das Postscheckkonto Karlsruhe 224 46 ein. Aber hierbei nicht vergessen, die gewünschten Nummern auf der Rückseite des linken Zahlkartenabschnittes anzugeben. Auch können Sie den Geldbetrag in bar sofort Ihrer Bestellung beifügen.
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Leseprobe aus dem neuen WESTERN
Jesse James von Scott Jefferson In Nordamerika geht der Bürgerkrieg zu Ende. Die Soldaten der geschlagenen Südarmee kehren in ihre Heimatorte zurück. Aber nicht für alle gibt es ein Zurück. Die Rebellen unter General Quantrell sind von der allgemeinen Amnestie ausgeschlossen; sie werden für vogelfrei und gesetzlos erklärt. Einer der mutigsten, wenn auch jüngsten Mitglieder von Quantrells „Schwarzer Garde“ versucht trotzdem die Rückkehr in das gesellschaftliche Leben. Aber die auf seinen Kopf ausgesetzte Belohnung – es sind ganze hundert Dollar – verführen einen kurzsichtigen Sheriff dazu, auf den waffenlosen Mann zu schießen. Mit diesem Schuß beginnt die Geschichte des größten Banditen aller Zeiten, des gefürchtetsten Schützen des Wilden Westens und des besten Freundes einer armen, unterdrückten Bevölkerung: Jesse James! Dieser erste Band der Trilogie erzählt, wie Jesse den ersten Bankraub plant und durchführt, seinen Überfall auf die Eisenbahn, die Flucht in das Gebiet der Indianer und seinen Kampf gegen das wirkliche Banditentum. Zusammen mit Cole Younger jagt er einen kriegerischen Komantschenstamm und vernichtet eine angreifende Kavallerietruppe, die sein Erzfeind Alan Pinkerton ihm auf den Hals geschickt hat Wir erleben die erstaunliche Entwicklung eines ruhigen jungen Mannes zum furchtbarsten Rächer aller Ungerechtigkeit, bewundern seine unglaubliche Schießkunst, mit der er jeden Gegner erledigt, und wissen – daß dies alles auf historischen Tatsachen beruht. Es gab im Wilden Westen keinen Mann, der schneller zog als Jesse James. 95
TOD DEN GUERILLAKÄMPFERN Der riesige Cottonwoodbaum am Ende der Hauptstraße zeigte die ersten Knospen. Der Frühling war endlich gekommen – aber diese Knospen waren leider auch das einzig sichtbare Anzeichen dafür. Man sah keine Männer mit Pinsel und Farbtopf auf Leitern klettern, um die Fassaden ihrer Häuser frisch zu streichen, von denen der Verputz zu bröckeln begann. Doch diese Häuser hatten wenigstens noch ein Dach und waren bewohnbar, was man allerdings von vielen Hütten, Farmen und anderen Gebäuden nicht behaupten konnte. Vier Jahre lang war der Bürgerkrieg über Missouri hin und her gewogt, hatte überall seine Spuren hinterlassen. Die Menschen hatten kaum das Geld, um Brot oder Getreide für ihre hungrigen Kinder kaufen zu können. Wovon sollten sie dann gar die Farbe bezahlen – wenn es welche gegeben hätte? Nur auf wenigen Feldern von Lexington in Missouri bemerkte man die Furchen des Pfluges und konnte ahnen, daß die Erde auf die Frühjahrssaat wartete. Vor den verbrannten Heimstätten, auf Feldern und an Straßenrändern standen schlichte Holzkreuze. Hier ruhten die Südstaatler, die jetzt eigentlich den Pflug in der Hand haben oder die Hauswände streichen tollten. Der Frühling hatte seinen Einzug in Lexington gehalten und den Frieden gebracht. Aber es war der bittere Friede des Besiegten. Mancher Blick des Hasses und der Verzweiflung traf die weißen Zelte der Unionstruppen, die sich auf der Wiese hinter dem Cottonwoodbaum breitgemacht hatten. Und manch einer spie beim Anblick der blauuniformierten Soldaten aus, die sich zwanglos zwischen dem Biwack hin und her bewegten. 96
Repressalien! Die Männer von Lexington hatten die Repressalien, die Vergeltungsmaßnahmen, noch nicht vergessen! Schon lange bevor man Fort Summter vernichtet hatte, war der Krieg zwischen Nord und Süd an der Grenze von Kansas und Missouri inoffiziell begonnen worden. Dann aber raste er über den ganzen Kontinent. Die Truppen des Nordens blieben siegreich und warfen die Soldaten des Südens weit zurück. Sie überschwemmten Missouri, das sich jedoch zu einem „gefährlichen Stachel im Fleische der Yankees“ entwickelte. Missouri war vom Feind besetzt. Aber Farmer, andere rauhe Westleute und sogar Frauen schlossen sich zu kleinen Gruppen zusammen und fügten den feindlichen Truppen jeden nur erdenklichen Schaden zu. Sie zerschnitten die Telegrafenleitungen, überfielen einzelne Gruppen des Feindes und machten sie nieder. Sie wagten sich sogar bis in die feindlichen Linien vor. Doch dann kamen die Vergeltungsmaßnahmen! Ganze Gebiete wurden verwüstet und entvölkert. Farmen wurden angezündet und verbrannt. Frauen und Kinder ohne männlichen Schutz erlitten furchtbare Demütigungen, gegen die eine Auflehnung sinnlos war. Bald war es so weit, daß die Kinder schon schrien, wenn sie nur eine blaue Uniform zu Gesicht bekamen. Doch die Herzen schlugen schneller, wenn bei Nacht der donnernde Hufschlag der Guerillakämpfer Quantrells ertönte. Diese Männer führten dann wieder einen blitzschnellen, überraschenden Angriff gegen die verhaßten Feinde, töteten sie gnadenlos, verbrannten Zelte und Ausrüstung und verschwanden wieder spurlos in der Nacht Doch dann hörte auch das auf. Missouri hatte bis zuletzt gekämpft. Aber es war keiner mehr da, der noch hätte kämpfen können. Die harten Soldatenstiefel der Unionstruppen hatten den letzten Widerstand zerstampft – 97
Major John Rogers hatte einen Vollbart und sah gar nicht so aus wie ein verhaßter Eroberer, obwohl er der Stadtkommandant von Lexington war. Er hatte sich seinen Tisch aus dem Zelt bringen lassen und saß nun unter den Zweigen des Cottonwoodbaumes. Schon lange vor dem Kriege war er Offizier gewesen, hatte manche Schlacht geschlagen und stand nun vor der unangenehmsten Aufgabe seiner ganzen Laufbahn: Stadtkommandant in Lexington zu spielen. Er sollte den besiegten Feind mit eiserner Faust in Schach halten – einen Feind, der sich aus seinen eigenen Landsleuten zusammensetzte! Aber das war bei weitem noch nicht das Schlimmste. Viel schlimmer war es, die wenigen Männer, die während des Krieges mit der Union sympathisiert hatten, von den Besiegten fernzuhalten. Nun, da die Union tatsächlich den Krieg gewonnen hatte, wollten sie sich an denen rächen, die vorher ihre Meinung nicht geteilt hatten. Hätte Rogers nicht so scharf durchgegriffen, wären die restlichen Besiegten von diesen famosen Südstaatlern noch umgebracht worden. Insgeheim haßte Major John Rogers diese sogenannten ‚Verbündeten’ noch mehr als den tapferen, geschlagenen Feind. Vor ihm auf dem Tisch lagen die Friedensverträge von Appomattox und Nashville, worin völlige Straffreiheit all denen versprochen wurde, die unter der Flagge des Südens gekämpft hatten – außer den Guerillakämpfern! Der Sonderbefehl Nr. 47 bezeichnete alle die Männer, die mit Quantrell geritten waren, als gesetzlos. Der Befehl war von Brigadier-General James Totten unterschrieben. Doch fast jeder Mann in der Umgebung von Lexington war entweder mit Quantrell geritten oder hatte ihm doch wenigstens hier und da frische Pferde geliehen, wenn er mit seinen Leuten auf der Flucht war. Oder sie hatten seine Verwundeten aufgenommen und gepflegt, hatten sie mit Informationen und mit Waffen versorgt. 98
Major John Rogers hatte Sorgen. Jene unionsfreundlichen Südstaatler hatte man als Sheriffs, Richter und Beamte eingesetzt. Die Rachsucht dürfte bei ihnen nicht so schnell nachlassen. Es war ihnen auch bekannt, daß – wenn man es so betrachtete – jeder Bewohner von Lexington und Umgebung schuldig war. Wenn das Lynchfieber erst mal um sich griff, würde es kaum noch abzubremsen sein. Aber er war sich nicht sicher – und er fühlte sich anscheinend auch nicht sicher. Seine Blicke gingen unruhig hin und her, als habe er das Gefühl, auch die Anwesenheit der blauuniformierten Soldaten könnten es vielleicht nicht verhindern, daß er plötzlich eine Kugel von irgendwoher in den Rücken bekam. Das gleiche Empfinden schien der dicke Mann zu haben, der jetzt auf den Tisch des Majors zuschritt. An seiner Brust glänzte der silberne Stern des Sheriffs. Seine Augen betrachteten aufmerksam die in der Gegend verstreuten Büsche und Häuser. Er schien Angst zu haben, einen überraschenden Überfall zu erleben. Fred Price war zu Beginn des Krieges in die Nordstaaten geflohen und hatte eine große Farm zurückgelassen. Als er wiederkam, fand er nur noch die verbrannten Trümmer der Farm vor. Seine Herden waren verschwunden. Kein Mensch wußte, wo sie geblieben waren. Als guter Republikaner hatte man ihn zum Sheriff gemacht. Andere hatten viel mehr als er gelitten. Trotzdem gab es keinen, der so darauf bedacht war, sein Eigentum doppelt und dreifach zurückzubekommen, wie er. Major Rogers mochte diesen Menschen nicht. Aber er war gezwungen, mit ihm zusammenzuarbeiten. Krampfhaft lächelte er ihm entgegen. „Major – ich habe einige gute Neuigkeiten für Sie.“ „Oh!“ Seine „guten Neuigkeiten“ waren meist sehr schlecht, vom Standpunkt irgendeines anderen Menschen betrachtet. 99
„Erinnern Sie sich, Major, wie wir den Rebellengeneral Sterling geschlagen haben, hier bei Lexington?“ „Ich war an der Schlacht nicht beteiligt“, sagte Rogers und lehnte sich zurück, jeder Zoll kühle Ablehnung gegen das Wort „wir“. „Die Männer Quantrells flohen ebenfalls. Sie wußten, daß man sie hängen würde, wenn man sie erwischte. Auch Quantrells „Schwarze Garde“ floh in Richtung Texas. – Wir wissen das so genau, weil einige von ihnen mit unseren Jungen zusammenstießen und eine Schießerei hatten.“ „Mit Bezirkssheriffs?“ fragte Rogers und hob dabei ironisch die Augenbrauen. „Nein, mit Soldaten natürlich. Auch eine Frau war dabei. Man schoß ihr die Haare vom Kopf; leider traf man sonst nichts.“ „Sie sind wirklich gut unterrichtet, Sheriff.“ „Das ist meine Pflicht, Sir. Ich habe mir geschworen, diese Killers so lange zu jagen, bis –“ „Killers?“ „Ja – Killers, Gesetzlose! Von der Straffreiheit ausgeschlossen. – Was ich Ihnen mitteilen wollte: Einer dieser Killers, der schlimmste von ihnen, ist vor zwei Tagen nach Hause gekommen, nach Clay County. Ich kann Ihnen sogar seinen Namen verraten.“ „Ja?“ Der Major versuchte erst gar nicht, seine Langeweile zu verbergen. Dies war nun mal die Sorte Mensch, mit der er zu tun hatte – zu tun haben mußte! Dieser Price machte aus einer einfachen Tatsache ein regelrechtes Drama. Ein anderer hätte einfach gesagt: Ein gesuchter Guerillakämpfer kehrte vor zwei Tagen nach Clay County zurück. Aus! Das hätte genügt. „Wollen Sie seinen Namen nicht hören?“ fragte der Sheriff, der mit Mißvergnügen feststellte, daß man seiner Sensation nicht die gebührende Aufmerksamkeit erwies. 100
„Welchen Namen?“ „Den Namen, des Gesetzlosen.“ „Ach so – den?“ Der Sheriff brachte ihn heraus, wie ein Zauberer das Kaninchen aus seinem Zylinderhut. „Haben Sie schon mal den Namen Jesse James gehört?“ Der Major zuckte nicht mit der Wimper. Nur seine Hände verkrampften sich ein ganz klein wenig, fast unmerklich. Die Fingerspitzen begannen auf den Friedensverträgen zu trommeln. Ohne auch nur einen Blick in die Berichte der Unterlagen werfen zu müssen, hätte er Jesse James’ Lebensgeschichte erzählen können. Mit 15 Jahren hätten Soldaten der Nordstaaten ihn an einen Pfahl gebunden, während man seinen Stiefvater vor seinen Augen hängte, weil er einen verwundeten Guerillakämpfer aufgenommen hatte. Seine Mütter, eine tapfere, furchtlose Frau, hatte den Mann abgeschnitten, bevor das Leben ganz entweichen konnte. Innerhalb eines Monats nach diesem Erlebnis ritt Jesse mit Quantrell, selbst noch ein Junge. Von da an bestand sein Strafregister nur noch aus einem Katalog der mutigsten und blutigsten Angriffe gegen die Reihen der vorrückenden Nordstaatler. Sein Name war der Schrecken der Soldaten, wenn sie des Nachts auf Wache standen oder Stoßtrupps in Feindesland unternahmen. Er war dabeigewesen, als einige Männer Quantrells ein ganzes Regiment der Nordstaaten vernichteten, und bei dem Blutbad in Kansas, wo ganze Kompanien in eine hinterhältige Falle gerieten und abgeschlachtet wurden. Das war Missouris Antwort auf die Vergeltungsmaßnahmen gewesen. „Wie sieht er aus, Sheriff?“ „Er trägt zwei Navy-Colts.“ „Wie er aussieht, fragte ich.“ „Keine Ahnung. Man weiß es nicht.“ 101
„Und warum kam er nach Clay County zurück?“ Schon öffnete der Sheriff den Mund, um eine lange Rede von den Ratten zu halten, die immer wieder in ihre Löcher zurückkehren, als sich die Hand des Majors langsam erhob, ihn am Ärmel packte und sanft zur Seite schob. Er benötigte keine Antwort mehr. Die Antwort kam ihnen auf müden Pferden auf der Hauptstraße entgegengeritten. Es waren fünf Reiter. Der erste war eine schlanke Gestalt in einem blauen Soldatenrock, der ihm viel zu groß war. Die Hosen hatte er in die ebenfalls au großen Stiefel gesteckt. Er trug keinen Hut „He, Jesse!“ wisperte eine Stimme hinter einer zerfallenen Hausmauer. Er hob die Hand und schien den unsichtbaren Sprecher zu grüßen. Obgleich er müde war, hatte er den Kopf stolz erhoben. Hinter ihm ritt eine Frau, ebenfalls ohne Hut. Ihr schwarzes Haar war auf der einen Seite lang und auf der anderen kurz. Man konnte deutlich sehen, daß ein Streifschuß ihr eine große Strähne weggerissen hatte. Sie war bekannt als Dick Maddox’ Frau; jetzt war sie Witwe. Aber ihre Augen funkelten trotzdem. Die Gesichter der drei anderen Reiter waren mit stoppeligen Bärten bedeckt. Aber auch ohne diese hätte man leicht erkennen können, daß sie älter als der erste Reiter waren. Neun von zehn Männern in Lexington kannten diesen jungen Mann, den legendären Held des Bürgerkrieges. Der zehnte Mann jedoch haßte ihn mit aller Kraft seiner Seele und hätte ihn mit bloßen Händen erwürgt, wenn es ihm nur möglich gewesen wäre. Es war Jesse James, im hellen Tageslicht auf seine Todfeinde zureitend, in den sicheren Tod. Ohne zu zögern, ritt Jesse James auf den Tisch des Majors zu und hielt an. Der Major blickte auf und merkte sich das Gesicht. 102
Doch als er später gefragt wurde, konnte er sich nicht mehr erinnern. Es war ein gewöhnliches, alltägliches Gesicht. Schon nach fünf Minuten hatte man es vergessen. Aber so ging es nicht nur dem Major. Während seine vier Begleiter jede seiner Bewegungen genau beobachteten, stieg er vom Pferd. Obwohl sichtlich müde und abgehetzt, straffte sich seine Gestalt, und er schritt auf den Tisch zu. Mit schnellen Bewegungen löste er seinen Gürtel und hielt ihn lose in der Hand, die beiden Waffen fast auf dem sandigen Boden schleifend. Die Anwesenden ließen sich jedoch nicht irremachen. Nur zu gut war ihnen bewußt, daß die Hände der vier anderen Guerillareiter nahe genug an den Pistolen waren, um Jesse im Notfall zu beschützen. „Major John B. Rogers?“ „Sir?“ „Man hat mich davon unterrichtet, Major, daß Sie ein liberaldenkender Mann und ein Gentleman alten Stils sein sollen.“ Der Major machte eine leichte Verbeugung, während Fred Price höhnisch grinste. Als ihn jedoch ein drohender Blick Jesse James streifte, verschwand das Grinsen sehr schnell. Aus der tiefen Tasche seines Rockes brachte Jesse ein zusammengefaltetes Stück alten Stoffes hervor, schlug es auseinander und entnahm ihm ein zerknittertes Dokument. Er glättete es sorgsam und legte es dann auf den Tisch vor den Major. Ohne hinzusehen, wußte dieser schon, was das war: ein Befehl des „Präsidenten“ der Konföderativen Südstaaten an seine Spezialsoldaten. „Major“, sagte Jesse James, „ich stelle mich hiermit freiwillig.“ Er ließ seinen Waffengürtel mit den beiden Colts auf den Tisch fallen, daß die Papiere durcheinanderflatterten. Der dicke Sheriff zuckte zusammen, als befürchte 103
er, einer der schweren Navy-Colts könne versehentlich explodieren. „Wenn Sie einer jener Männer sind, die unter den Sonderbefehl Nr. 47 fallen, muß ich Sie darauf aufmerksam machen, daß die Straffreiheit Sie nicht betrifft und –“ „Major!“ Der Sheriff konnte sich nicht mehr beherrschen. „Dies ist doch Jesse James! Jeder Mann in der Stadt weiß das. Er ritt mit Quantrell und beging während des Krieges ein Liste von Verbrechen, die länger als mein Arm wäre –“ „Sage doch gleich: Dicker als mein Bauch!“ riet Jesse ihm. Trotz der Ironie schwang eine Drohung in seinen Worten. „Davon weiß ich nichts“, sagte der Major. „Der Name James ist nicht ungewöhnlich Es liegt an Ihnen, Sheriff, zu beweisen, daß dies wirklich der Mann ist, den Sie als Jesse James bezeichnen.“ „Und dies sind noch vier Mann meiner Einheit“, fügte Jesse hinzu, mit einem Arm zurückwinkend. Der Major mußte ein Lächeln unterdrücken, als Jesse die Witwe des Mr. Maddox als „Mann“ vorstellte. Er sagte einfach: „Für sie gilt das gleiche.“ Jesse drehte sich langsam um und griff nach den Zügeln seines Pferdes. „Wenn Sie die bürokratischen Kleinigkeiten erledigt haben“, sagte er, „finden Sie mich jederzeit in Clay County, im Hause von Doc Samuels. Wenn es erforderlich sein sollte, können Sie mich ja abholen.“ Er schwang sich in den Sattel und ritt langsam die Hauptstraße zurück. Seine Begleiter folgten ihm nach einem kurzen Kopfnicken. Die letzte Bemerkung Jesse James’ steigerte die Wut des Sheriffs. Ausgerechnet Clay County! Dort befand sich das Zentrum des Widerstandes gegen die siegreichen Unionstrup104
pen. Keine Vergeltungsmaßnahme hatte das ändern können. Jeder in Qay County – und das waren an die 15 000 Bewohner – war ein Freund der James-Brüder und auch der Gebrüder Younger, Sobald Jesse erst mal dort war – Vor den Augen des Sheriffs schien ein blutroter Nebel zu entstehen. Ehe er überhaupt wußte, was er tat, war die Waffe in seiner Hand und bellte zweimal auf. Er hatte genau auf den schmalen Rücken Jesse James’ gezielt. Das erste Geschoß traf Jesse zwischen die Schulterblätter, das zweite pfiff über seinen Kopf hinweg, da der Major mit einem Fluch den Colt des Sheriffs hochgeschlagen hatte. „In den Rücken!“ brüllte er wütend. „Sie haben ihn in den Rücken geschossen, Sie Feigling!“ „Er ist gesetzlos“, verteidigte sich Price. „Ich habe jederzeit das Recht, ihn festzunehmen – ob tot oder lebendig, das ist egal.“ Jesse James war im Sattel zusammengesunken. Der Sheriff rannte hinter den fünf Reitern her. Er dachte an die kleine Belohnung, die man auf den Kopf des Gesetzlosen ausgesetzt hatte. Immerhin waren es 100 Dollar. Man erhielt sie für die Leiche wie für den lebenden Gefangenen. Aber die drei Männer und die eine Frau, die mitgekommen waren, um sich dem Feind zu stellen, warfen ihre Pferde herum und glitten an die Seite des Schwerverwundeten. Mit übermenschlicher Kraftanstrengung hob die Witwe Maddox den schlaffen Körper des Mannes aus dem Sattel, zog ihn zu sich herüber und legte ihn quer vor sich auf den Rücken des Pferdes. Dann ritten sie schießend und schreiend – wie einst bei den Angriffen mit Quantrell – aus der Stadt hinaus. Major Rogers hatte einen faden Geschmack im Mund. Im Kriege waren die Guerillakämpfer zu vogelfreien Gesetzlosen erklärt worden. Aber der Krieg war doch nun vorbei. Abraham Lincoln hatte selbst gesagt, daß es nun Aufgabe der 105
Menschen beider Seiten sei, die Wunden zu heilen, die der Kampf zwischen den Brüdern des Nordens und des Südens gerissen hatte. Major Rogers hatte ihnen eine Chance geben wollen; doch der Verrat Fred Prices hatte alles zunichte gemacht. Aber noch ahnte er nicht, welche Folgen dieser Schuß haben sollte. Der Sheriff kam langsam zurück. Er war ohne Zweifel der rechtmäßige Vertreter des Gesetzes in Lexington. Genau so zweifellos schien es auch, daß man ihn in den nächsten Tagen tot vorfand – entweder gehängt oder mit einem Schuß in den Rücken. Es gab keinen Menschen, der ein Kräfteverhältnis 1:10 auf die Dauer überleben konnte. Also tat Major Rogers seine Pflicht und befahl, daß man Sheriff Fred Price zu einem weit entfernten Ort brachte – je weiter, desto sicherer. Eine Eskorte begleitete ihn, als er des Nachts Lexington verließ. Rogers aber tat alles, um den feigen Schuß wiedergutzumachen. Als er das tat, was er tun mußte – nämlich nach Clay County reiten –, sorgte er dafür, daß dieser Schritt Wochen vorher bekannt wurde. Jesse James hatte somit Gelegenheit, an einen sicheren Ort zu fliehen. Jesse hatte die nötige Zeit Als die schlimmsten Schmerzen vorüber waren, wurden die Vorbereitungen getroffen, ihn in das Versteck zu bringen. Dann sollte das unruhige, aufregende Leben eines Gesetzlosen weitergehen, der nirgends eine Bleibe fand, ohne das Risiko einzugehen, von neuem gejagt zu werden. Doc Samuels hatte schon viele Schußwunden gesehen und auch geflickt; aber dieses Loch, das die Kugel in Jesses Lungen gerissen hatte, war in seiner bisherigen Praxis einmalig. Mit geübten Händen tat er sein Bestes, während Jesses Mutter und 106
Witwe Maddox mit kochendem Wasser und angefeuchteten Tüchern hantierten. Jesses älterer Bruder Frank saß indessen am Kamin und betrachtete sorgenvoll die schmerzverzerrten Züge seines „Jungen“, wie er Jesse heimlich nannte. Mit jedem Herzschlag schien dessen Blut unaufhaltsam aus der Wunde zu fließen – und damit auch sein Leben. Aber Jesse hatte eine ungemein zähe Natur. Als bekannt wurde, daß die „Blaujacken“ nach Clay County kommen wollten, um Jesse James abzuholen, konnte man es ruhig wagen, ihn, ohne sein Leben zu gefährden, in das vorbereitete Versteck zu transportieren. In einer leichten Kutsche wollte man ihn quer durch das Land bringen, des Nachts bei Bekannten oder in einem der vielen Schlupfwinkel schlafend, hinüber nach Nebraska, wo Jesse Verwandte hatte. Die Kutsche wurde völlig mit Stroh ausgelegt und fuhr an der Hintertür von Doc Samuels’ Haus vor. Jesse war bei Besinnung, als man ihn hinausbrachte und in das weiche Stroh legte. Witwe Maddox beugte sich über ihn. Sie liebte diesen Mann; aber wie eine Schwester ihren Bruder liebt – nicht anders. „Hast du noch einen Wunsch, mein Junge?“ fragte sie ihn, als er erleichtert aufstöhnte und endlich bequem lag. Seine Antwort bestand nur aus zwei Worten: „Meine Colts!“ * In der darauffolgenden Nacht verschwand auch Frank James aus Clay County. „Da gibt es eine Menge Dinge, die ich zu erledigen habe, Mutter“, sagte er, während er die Gurte des Sattels festzog. „So?“ 107
„Wir waren einst glücklich und wohlhabend, Mutter.“ „Ja, vor dem Kriege.“ „Die guten Zeiten werden wiederkommen!“ Leidenschaftlich griff sie nach seinen Armen. „Frank! Vergiß nie, was sie mit deinem Vater, deinem Bruder und deinen Kameraden gemacht haben! Rede nicht von guten Zeiten. Es wird keine guten Zeiten mehr geben. Verglichen mit den anderen, geht es uns noch erträglich. Die meisten hier hungern und darben.“ „Aber irgendwo muß doch das Geld geblieben sein!“ „Natürlich – in den Banken. Dort wird es auch bleiben. Die Yankees haben den Krieg gewonnen und die Dollars beschlagnahmt. Hunger für uns, und Reichtum für die Banken – das darfst du nicht vergessen, mein Junge!“ Frank ritt davon, und sie kehrte ins Haus zurück. Aus dem Wohnzimmer kam der Duft versengenden Haares, vermischt mit dem Gestank angebrannter Bohnen, die auf dem Herd in einer Pfanne brutzelten. Witwe Maddox brannte sich Locken in die Haare. Noch unter dem Eindruck des Abschiedes entriß Jesses Mutter der Frau die heiße Schere. „Dein Mann liegt gerade erst einige Wochen im Grab, und du denkst schon wieder an dein Vergnügen! Schämen solltest du dich! Gestern erst brachte man Jesse von hier weg, und heute brennst du Locken in deine Haare. Ich weiß auch genau, warum. Die Truppen geben heute abend einen Ball. Du willst mit den Offizieren tanzen – mit den gleichen Männern, die deinen Mann erschossen und Jesse James wie einen Hund umbringen wollen. Pfui!“ Witwe Maddox führte sie sanft zu einem Stuhl und drückte sie darauf nieder. Die erkaltete Brennschere nahm sie aus der leicht widerstrebenden Hand. Doch ihre Stimme klang rauh, als sie sagte: 108
„Ich habe genug gelitten, genau wie du. Und vergiß eines nicht: Frauen haben auch ihre Waffen, ebenso wie die Männer!“ Langsam überzog ein verstehendes Lächeln das Gesicht der älteren Frau. Mit diesem Lächeln sah sie zu, wie Witwe Maddox ihr begonnenes Werk in aller Ruhe vollendete, nämlich „ihre Waffen vorbereitete“. Sie schnitt sich die Haare auf der einen Seite kurz, damit die andere Seite, wo die Kugel ihre Locken weggerissen hatte, nicht mehr auffiel. Dann legte sie sie zurück, brannte erneut einige Locken hinein und betrachtete sich schließlich befriedigt im Spiegel. Sie war im Gesicht erstaunlich schmal geworden. Keinesfalls konnte man in ihr die Frau wiedererkennen, die vor einigen Tagen an der Seite der Gesetzlosen in Lexington eingeritten war. In dem bleichen Gesicht brannten ein Paar dunkle Augen. Jesses Mutter nahm sie beim Arm und führte sie auf den Speicher. In dem gemauerten Schornstein war ein loser Ziegel. Er wurde beiseite gestoßen. Ihr Arm fuhr vorsichtig in die Öffnung und kam mit einem metallisch klingenden Sack wieder hervor. Sie schüttete den Inhalt auf den Holzfußboden: Waffen aller Art. „Die Yankees haben während des Krieges unser Haus fünfmal durchsucht; aber dies hier haben sie nicht gefunden. Müssen mal wieder gereinigt werden. Nur Handfeuerwaffen und ähnliches. Suche dir etwas aus.“ Vom alten Vorderlader bis zur modernen „Smith and Wesson“ war alles vertreten. Witwe Maddox ließ die Pistolen wie liebkosend durch ihre Hände gleiten und nahm endlich einen schmalen, scharfen Dolch. Er steckte in einer kleinen Lederscheide. Langsam und doch entschlossen schob sie ihn in den Ausschnitt ihres Samtkleides. „Das ist das beste: still – und doch tödlich.“ Die alte Frau nickte zustimmend. 109
* Der an diesem Abend stattfindende Ball war eine interessante Angelegenheit. Die loyalen Republikaner – Inhaber der staatlichen Verwaltungspöstchen – erschienen in ihrer besten Sonntagskleidung. Es war ein knappes Dutzend Männer. Einige davon hatten den Mut gehabt, ihre Frauen und Töchter mitzubringen. Außerdem waren da noch etliche Frauen, die der siegreichen Armee auf den Fersen gefolgt waren. Man konnte sie nicht gerade als Ladys bezeichnen. Unverständlich erschien es den biederen Beamtenfrauen, wie diese Geschöpfe zu einer Einladung gekommen waren. Die Offiziere machten sich nicht soviel Gedanken und begrüßten dankbar die Tatsache, nicht mit sich selbst tanzen zu müssen. Natürlich waren da nun noch die Gattinnen der schon älteren Offiziere. Diese tanzten abwechselnd mit den Männern ihrer Freundinnen und betrachteten alle anderen Anwesenden als gesellschaftlich unmöglich. Somit kamen auf jede tanzende Frau ungefähr zehn Männer – eine wunderbare und einzigartige Gelegenheit für alle anwesenden Damen. Major John Rogers sah ein wenig enttäuscht aus. Dieser Ballabend war seine ureigene Idee gewesen. Er hatte ihn sich als eine Art Versöhnungsfest für die geschlagenen Demokraten von Missouri gedacht Seine Theorie ging von der Tatsache aus, daß die Männer hier knapp seien und die Mädchen sicherlich gern zu einem Tanzvergnügen kämen. Bei der Gelegenheit wäre es für sie dann leichter, ihren Haß gegen die blaue Farbe der Soldaten zu vergessen. Aber er hatte sich geirrt. Die einheimischen Mädchen waren nicht gekommen. Sie 110
wollten die Soldaten nicht öfter sehen, als es unbedingt nötig war – auch dann nicht, wenn sie nur tanzen wollten. Sie hatten zudem kein Interesse daran, mit abgeschnittenen Haaren aus der Stadt gejagt zu werden. So kam es dann, daß jede anwesende Frau mit zehn Männern tanzen mußte – nicht zugleich, aber doch immer hübsch der Reihe nach. So kam es aber dann auch, daß das Erscheinen der Witwe Maddox in dem Ballsaal eine kleine Sensation wurde, obwohl sie an sich nicht als besonders hübsch zu bezeichnen war. Selbst die Gattin des Majors machte eine anerkennende Bemerkung über die „feurigen Augen“ der unerwarteten Besucherin. Die jungen Offiziere pirschten sich vorsichtig an das neuerschienene Wild heran, von den größten Erwartungen erfüllt. Um seinen Versöhnungswillen mit der Bevölkerung besonders zu unterstreichen, hatte sich Rogers den ersten Tanz mit ihr ausgebeten. Als sie mit ernsten Gesichtern zu den Klängen eines Walzers durch den Saal schwebten, fühlte Witwe Maddox auf ihrer Brust das kleine, scharfe Messer. Wie rotglühendes Feuer brannte es gegen ihre Haut. Die Kehle des Feindes war nur wenige Zentimeter von ihr entfernt.
Fortsetzung im WESTERN Bd. 1:
Jesse James Nach dem 19. August überall im Zeitschriftenbandel oder durch den Verlag erhältlich. Preis 1.– DM.
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