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BRAND AM NORDHIMMEL von Axel Nord Die Sendung läuft bereits … Dr. Nelson O’Hara hat es erst nicht glauben wollen, daß einer auf den ausgefallenen Gedanken kommen könnte, von „A. P. VIII – Bermudas“ einen Tanzabend über das nordamerikanische Fernsehen auf alle Bildschirme auszustrahlen – aber als er mit Peter Schmidt eintritt, sieht er es mit eigenen Augen: Im Restaurant des Stratosphärenflughafens „A. P. VIII“ wird getanzt. 18 000 Meter über der Erdoberfläche. Von diesen Stratosphärenflughäfen – offiziell „airwaysplatform“ genannt – gibt es jetzt im Juni des bisher so gesegneten Jahres 2001 genau elf, die sich mit dreien über Nordamerika, je zweien über Südamerika, Asien – davon einem ozeanischen – und Afrika und je einem über Europa und Australien – über alle Kontinente verteilen und die Aufgabe haben, den interkontinentalen Flugverkehr reibungsloser abzuwickeln als es früher der Fall war. Vor sieben Jahren war es einem leitenden Experten des Weltamtes für Luftfahrt in der zentralen Weltbehörde zu bunt geworden, alle paar Wochen die alte Platte anhören zu müssen, die man ihm immer und immer wieder in fast allen Sprachen der Erde vorspielte: Euer interkontinentaler Verkehr geht uns an die Nerven! Die schweren Raketenmaschinen heulen Tag und Nacht über unsere Städte und Dörfer hinweg zu den großen Knotenpunkten 3
des Weltverkehrs. Es werden ihrer immer mehr, und man kann es den Millionen, die in der Nähe der großen Flughäfen wohnen, auf die Dauer nicht zumuten, diesen Spuk über ihren Häuptern als etwas Unabwendbares hinzunehmen. Schafft Abhilfe! Das Amt für Luftfahrt in Dublin reagierte jahrelang sauer auf solche Vorstellungen und begnügte sich damit, auf den jährlichen Fachkongressen die Fragen eines störungsfreien Luftverkehrs zu erörtern und die Hoffnung auszusprechen, daß es in naher oder fernerer Zukunft möglich sein werde, sie zu klären. In Wirklichkeit aber hatte dieses Problem noch eine andere Seite, und diese interessierte vorerst nur Fachkreise, wenn sie auch eng mit den lauten Klagen der Öffentlichkeit zusammenhing. Man war sich im Weltamt für Luftfahrt darüber klar, daß der gewaltige interkontinentale Luftverkehr veraltet war, wenn auch mehr in organisatorischer als in technischer Hinsicht. Mit einer boden- , oder präziser gesagt: erdgebundenen Organisation war dieses gigantische Verkehrsproblem überhaupt nicht zu lösen. Also mußte man den interkontinentalen Luftverkehr in andere Räume verlegen. Das Ergebnis dieser Überlegungen war das System der „airways-platforms“, das dann auch am 15. Mai 1994 versuchsweise und zehn Monate später endgültig eingeführt wurde. 18 000 Meter über der Erdoberfläche schwebten die Stratosphärenflughäfen, die von unten aussahen wie kreisrunde Scheiben und Durchmesser von 10 Kilometer hatten. Es waren Gebilde, die waagerecht in dieser gewaltigen Höhe schwebten und von einem um seine eigene Achse rotierenden und mit atomaren Antrieben ausgerüsteten Motorenraum in dieser Lage gehalten wurden. Sie verfügten über alle jene Einrichtungen und Bequemlichkeiten, auf die ein Fluggast der Jahrhundertwende naturgemäß nicht verzichten wollte, nur, daß es keine 4
freien Flugfelder gab – alles spielte sich in gewaltigen Räumen ab, die hermetisch von der dünnen Außenluft abgeschlossen waren. In zwei kilometerlangen Gebäudereihen waren diese Räume für Verwaltung, Abfertigung, Unterbringung und Sicherheit untergebracht. Dazwischen befanden sich die Start- und Landebahnen der interkontinentalen Maschinen, doch wer erwartete, eine Rollbahn zu sehen, wie er sie von erdgebundenen Flughäfen her gewohnt war, der blickte ziemlich verstört um sich. Seinen Augen boten sich fünf Tunnel, die sich nebeneinander auf der gelben künstlichen Ebene des Flughafens erhoben und gut vier Kilometer lang und dreihundert Meter stark waren. In sie hinein tauchten die flügellosen interkontinentalen Maschinen, die seit einigen Jahren ausschließlich atomar angetrieben und von den einzelnen Stratosphärenflughäfen über Tausende von Kilometer hinweg ferngesteuert wurden. Jede dieser mächtigen Reisemaschinen konnte 300 Passagiere fassen. Für sie war ein solcher Wurf um den Erdball eine Angelegenheit von wenigen Stunden. Sie stiegen mit einer der Zubringermaschinen von irgendeiner Großstadt der Erde zum nächsten Stratosphärenflughafen auf, gingen in 18 000 Meter Höhe an Bord einer Reisemaschine und ließen sich traumsicher und ferngesteuert um den Erdball zu der gewünschten „A. P.“ werfen. Die Vorteile dieses „A. P.“-Systems lagen offen auf der Hand: Der interkontinentale Flugverkehr hatte sein eigenes Reich. Die Zahl der Unfälle war auf weniger als zehn im Jahr zurückgegangen, und bei diesen hatte man bisher kein Todesopfer beklagen müssen. Wie gewaltige leuchtende Stäbe flogen die Reisemaschinen von Kontinent zu Kontinent. 5
* Dr. Nelson O’Hara geht über den Teppich auf die Televisionwand seiner Bibliothek zu. Peter Schmidt, der deutsche Schriftsteller, der ihn hier in seinem Landhaus an der Ostküste der Staaten besucht, bleibt neben ihm und lächelt ziemlich mitleidsvoll. „Ihr Freund scheint sich gern in Szene zu setzen, O’Hara.“ Er macht eine abrupte Kopfbewegung zu der Wand hin, auf der man in einen langgestreckten Raum des Restaurants von „A. P. VIII“ hineinsehen kann, in dem auf einer improvisierten ovalen Tanzfläche mindestens zwanzig Paare nach den knallenden Höllenrhythmen der Teddy Telly-Boys herumspringen und sich so lässig benehmen, wie sie es in New York zu tun pflegen – in Rio oder Tokio … Über ihnen, jenseits der bläulich schimmernden Kunstglaskuppel, dehnt es sich schwarz und sternenübersät. Für sie ist nur das Gefühl wichtig, die ersten zu sein, die hier an der Grenze des Weltalls tanzen. Ein Schwarm von Fluggästen, die eben aus Europa eingetroffen sind, kommt herein und verliert sich irgendwo im Hintergrund. Vorn an der Tanzfläche sitzen die geladenen Gäste dieser Veranstaltung. Auch eine junge blonde Dame ist dabei, die jeder kennt, der in der amerikanischen Society der Jahrtausendwende Bescheid weiß. Sie blickt gerade einem hochgewachsenen Kapitän der „A. P.“-Organisation entgegen, der eben zwischen den Tischen auftaucht und lächelnd nach allen Seiten grüßt. Kapitän Jay Rodigon, der Kommandant von „A. P. VIII“, ist ein hübscher Junge – und er weiß es … „Nun fühlt er sich wieder“, knurrt Nelson O’Hara bissig. „Natürlich hat er den Blödsinn inszeniert, um mal wieder zu zeigen, was er sich erlauben kann. Er glaubt bestimmt, er sei 6
so etwas wie der Adjutant des lieben Gottes. Aber er kann was und …“ Der Wissenschaftler stockt und tritt noch einen Schritt näher an die flimmernde Zauberwand heran, wobei er aufmerksam die Kunstglaskuppel betrachtet. Sie schimmert nicht mehr bläulich – hinter ihr geistert rötlich ein Glühen, das so aussieht, als käme es von weit her. Peter Schmidt sieht es ebenfalls und läßt die Zigarette sinken, die er sich eben anstecken wollte. „Was – was ist denn das?“ „Das möchte ich auch gern wissen“, preßt O’Hara atemlos hervor. „Das kommt aus dem Weltall.“ „Ein Richtfeuer vielleicht?“ „Das ist kein Richtfeuer“, sagt Dr. O’Hara hart, und sein rundes Jungangesicht mit der Bürstenfrisur ist ausdruckslos vor jäher Spannung, „das ist wie – Mann, Schmidt, sehen Sie es denn nicht?“ „Natürlich“, nickt der Schriftsteller eifrig und glotzt über die Tanzenden hinweg, die immer toller springen und schreien. Noch immer glüht es über ihren Köpfen, aber wenn man länger hinsieht, ist es, als wenn aus diesem Glühen etwas herunterkommt. „Schnee?“ schnappt Peter Schmidt. „Kann es dort oben schneien?“ „Roter Schnee, was? Unsinn! Dann schon eher Staub, aber …“ Wie von einer überirdischen Hand weggewischt verschwindet das Glühen. * 18 000 Meter über der Erdoberfläche. Hier blickt keiner nach oben. Die auf der Tanzfläche sind immer noch damit beschäftigt, sich gegenseitig Verletzungen 7
beizubringen, und auch an den Tischen hat man anderes zu tun, als sich um das zu kümmern, was jenseits der Kuppel geschieht. Was soll dort auch schon Besonderes sein! Kapitän Rodigon sitzt nun glücklich neben der Blonden, die Ethel Brown heißt und einen milliardenschweren Vater hat. Sie hat sich auf irgendeiner Party heftig in den Kapitän verliebt und treibt sich nun alle paar Wochen hier auf „A. P.VIII“ herum. Jay Rodigon kann nicht viel dagegen unternehmen, obwohl er es weiter als bis zu einem Flirt nicht kommen lassen will, doch die Brownschen Milliarden verpflichten immerhin. Ethel hat schwerwiegende Pläne. „Ich möchte einmal sehen, was in Afrika los ist“, strahlt sie ihn an. „So für drei, vier Wochen, Jay. Mit meiner Jacht! Machst du mit?“ „Ich bin leider keine Ethel Brown, die nichts anderes zu tun hat, als den Mammon ihres Vaters unter die Menschen zu bringen.“ „Fein gesagt, Junge“, lacht sie und ist gar nicht beleidigt. „Aber wenn du willst, spricht Pa mit deinem Präsidenten in Dublin und …“ „Nein!“ Er macht eine Handbewegung, die sie verstummen läßt. Die Teddy Telly-Boys lassen ihren Höllentanz in hohen schrillen Tönen ausklingen und irgendwo ruft ein eleganter Jüngling nach Sekt. Es wird wärmer. Eine Sängerin geht nach vorn. Dumpf dröhnen indianische Trommeln auf. Die TVKameras fressen die Szene … „Verschone mich bitte mit solchen Vorschlägen“, sagt er kurz. „Es ist ja ganz nett, daß sich die vielumworbene Ethel Brown so für mich armen Hund interessiert, aber …“ Er will sein Feuerzeug aufnehmen, hält aber in der Bewegung inne. Von oben herab fällt wieder ein rötlicher ferner Schein herein, wischt über den Tisch, ist nicht mehr. Jay Rodigon reißt den Kopf zurück und blickt zur Kuppel auf. In die8
sem Augenblick ertönt vor ihm am Tisch dreimal ein Summzeichen. Ohne sich noch um Ethel Brown zu kümmern, steht er auf und geht hastig hinaus. Das Dröhnen der Trommeln steigert sich … * Staub fällt. Rötlicher Staub. Aus dem Weltall, das hoch über dem Stratosphärenflughafen beginnt, rieselt er herab und bedeckt den nördlichen Teil der weiten gelben Kunststoffebene. Darüber hin geistern in regelmäßigen Intervallen die Richtfeuer „II“ und „III“. Fünf Kilometer vom Kommandoturm ab. Als Jay Rodigon den Aufgang hochkommt, der neben dem Kommandoturm auf die Ebene führt, bleibt er wie hypnotisiert stehen. Nur eine dünne Glaswand trennt noch. Er sieht Männer in blauen Schutzanzügen über die rotüberstrahlte Ebene rennen, ein schwarzer Stationswagen rast davon, dem fernen Phantom entgegen. Sie geben noch keinen offenen Alarm. Natürlich, die Passagiere sollen noch nichts merken. Die Passagiere? Tay Rodigon flucht verbissen, während seine Augen den kosmischen Niederschlag aufnehmen. Er hört, wie aus dem Gang vom Kommandoturm her zwei Männer auf ihn zugerannt kommen. Verdammt, in einigen Minuten wird die „Südstern“ aus Rio ankommen. Mit dreihundert Männern, Frauen und Kindern an Bord! Und das dort vorn sieht nicht aus wie von reiner Engelshand herbeigezaubert. Die Männer sind heran. Rodigon dreht sich nicht erst um. „Hopkins, zum Teufel …“ Der Chefingenieur atmet schwer. „Ich verstehe das nicht, 9
Rodigon! Ich und die anderen auch nicht. Es sieht aus wie Schnee, aber Traulsen meldet von drüben, das ein roter Staubregen auf sie herabrieselt, der knistert und …“ „Los!“ sagt Jay Rodigon dazwischen, leise, aber so, daß sie ihn gleich verstehen. Sie werfen sich herum, rennen in die Kammer neben dem Aufgang und legen in schweigender Hast ihre Schutzanzüge an. Noch ist um sie alles ruhig. Das Personal ist diszipliniert genug, um sich nicht gleich von einer unbekannten Naturerscheinung einschüchtern zu lassen, und unten in den Verkehrsräumen läuft der flugplanmäßige Betrieb weiter. Aber rot und drohend rieselt es aus dem Weltall herab. „Merkwürdig, daß es nur auf einen Teil unserer Scheibe runterkommt!“ „Wird irgendein kosmischer Staub sein.“ „So etwas gibt es doch gar nicht, Rodigon!“ „Es gibt viel mehr als wir denken“, knurrt Jay Rodigon und läßt den Wagen losrasen. „Wir wissen es nur nicht. Und das da vorn ist nicht geheuer! Verdammt!“ Die gelbe Ebene gleitet unter ihnen weg. Vom Südosten her nähert sich aus dem Himmelsmeer ein hellerleuchteter Flugkörper, wird rasch größer und setzt zur ersten Landungsspirale an. Die Südamerikaner sind da. Hoffentlich merken sie nicht gleich etwas! Jay Rodigon beißt die Zähne zusammen. Neben ihm hockt Hopkins und schreit etwas in ein Mikrophon. Von irgendwoher antwortet eine ferne quakende Männerstimme. Das ist Traulsen von den Werkstätten, die im Bereich des Niederschlags liegen, und es ist klar, daß er keine frommen Sprüche von sich gibt. Rodigon blickt schon wieder nach oben. Der Anblick ist so phantastisch, daß er für einige Sekunden die untergründige Furcht vergißt, die ihn gepackt hat. Wie ein mächtiger Scheinwerferstrahl schießt es aus der Schwärze der obersten Luftschichten heran und aus ihm heraus rieselt es wie feiner Pulverschnee … „Rodigon, die Jungen kommen zurück!“ 10
Der Kapitän reißt sich von dem Bild los und sieht, daß in der Niederschlagszone einer der schwarzen Stationswagen heranrast. Der Wagen schlendert, und einer springt heraus und rennt mit erhobenen Armen schräg vor ihnen weg. Rodigon lenkt den Wagen auf ihn zu. Sie sind schon im Staubregen. Spüren ein seltsames Knistern, so, als werde die dünne Luft aufgeladen. Sie achten nicht weiter darauf. Rodigon bremst scharf, und die beiden neben ihm springen schon auf die feine rötliche Staubschicht, die den Boden bedeckt, und rennen auf den Mann zu. Sie erreichen ihn nicht ganz. Der Mann bleibt plötzlich stehen, sackt in die Knie und fällt langsam vornüber. Er rührt sich nicht, als Hopkins und Kellermann bei ihm ankommen. Von rechts kommt aus dem Zwielicht der rotgepeitschten Stratosphäre der andere Wagen, und Rodigon, der auch über den fallenden Staub rennt, spürt sein Herz nicht mehr, als er sieht, daß seine Insassen wie kraftlose Puppen hin und her schlendern. „Ich glaube – der kommt nicht wieder zu sich“, hört er vor sich Hopkins’ Stimme. * Ethel Brown starrt auf die Tischplatte. Auf der Tanzfläche steht ein Schlagersänger, den alle kennen, die noch einen Hauch von Romantik in ihrem Busen spüren, und singt ihnen was von Mondscheinnächten in Spanien vor. Vor Ethel aber geistert wieder der fremde rote Schein. Ethels hübsches Gesicht wird blaß, ihre Augen weiten sich und die Zunge fährt über die trockene Unterlippe. Plötzlich wird ihr wieder bewußt, daß sie hier 18 000 Meter über der Erdoberfläche sitzt und daß von ihr und den anderen nicht viel übrigbleiben wird, wenn „A. P. VIII“ einmal überraschend einer Katastrophe zum Opfer fallen sollte. Sie springt so heftig 11
auf, daß auf dem Tisch eine Weinflasche umkippt, doch bevor man auf sie aufmerksam wird, schreit irgendwo in ihrer Nähe eine Frau so laut und anhaltend, daß der berühmte Schmachtknabe mitten im Refrain abbricht. Die jähe Stille knallt auf die Menschen herab und läßt sie zusammenfahren. Das ist der Augenblick, in dem sich der kosmische Niederschlag über den ganzen Flughafen ausdehnt. In roten winzigen Kristallen fällt er auch auf die Kuppel des Restaurants und glüht so intensiv auf, daß es blutrot und flackernd über den ganzen Zauber herfällt und die Panik auszulösen droht … Die Kameras der Television fressen das alles und werfen es auf alle Bildschirme in den Staaten. Ethel rennt los. Die Angst packt zu, die jämmerliche Angst. Sie läßt sie nach ihrem Vater schreien und nach ihrer Mutter und hemmungslos aufschluchzen. Sie rennt in einen Menschenhaufen hinein, der sich um sie schließt und mit ihr zum Ausgang drängt. Vor ihr ist ein kleiner dicker Mann, und sie muß immerzu auf seinen kahlen Kopf starren, der sich in einem lächerlichen Rhythmus hin und her bewegt. Genau 22.48 ostamerikanischer Zeit ist es nach ihrer Armbanduhr. Da brüllt am Ausgang eine Lautsprecherstimme metallen los: „Achtung! Achtung! Hier ist die Flughafenleitung! Eines der bekannten roten kosmischen Wolkenfelder zieht an uns vorbei! Es besteht keine Gefahr! Ich fordere Sie auf, meine Damen und Herren, unbedingt Ruhe zu bewahren und das Restaurant noch nicht zu verlassen! Es besteht wirklich keine Gefahr!“ Sie bleiben stehen und sehen sich verlegen an. Noch lassen sie sich bluffen – noch … *
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Die Sendung wird abgebrochen … „Wegen einer atmosphärischen Störung“, sagt der Ansager, der sich mit freundlichem Lächeln auf dem Bildschirm zeigt. Nelson O’Hara grinst, aber es sieht nicht gut aus. Er kümmert sich nicht mehr um das, was der aufgeregte Peter Schmidt fassungslos stottert; er geht in sein anliegendes Arbeitszimmer und ruft das Weltamt in Dublin an. Peter Schmidt blickt aus dem großen Fenster und sieht, wie der Himmel nach den Bermudas zu in seinen höchsten Schichten glüht. Schön sieht es aus, und man kann an Sagen und Märchen denken. Ein gewaltiger Brand wölbt sich über dem Meer. Nach Minuten kommt O’Hara zurück. „In Dublin wissen sie auch noch nicht viel. Sie erhalten von ‚A. P. VIII’ laufend Funkmeldungen, und die sind verdammt bös, mein Lieber! Das ist kosmischer Staub von einer ganz unsympathischen Art! Nach den Meldungen, die sie schon in Dublin haben, sind bisher elf Personalangehörige zusammengebrochen, die sich im Niederschlagsgebiet aufgehalten haben – und nicht nur das …“ Er schluckt und marschiert auf die Hausbar zu. Peter Schmidt erkennt, daß ihm die Hände zittern. „Was – noch, O’Hara?“ „Da ist einer zusammengebrochen und Chefingenieur Hopkins hat ihn mit leichtbehandschuhten Händen berührt, um ihm zu helfen. Hopkins hat durch diese Berührung an der rechten Hand eine Brandwunde erlitten, die so rasch weiterfrißt wie ein tollgewordenes Geschwür.“ „Also – Infektion oder so was!“ „Ja! Und darum gibt es im Augenblick verdammt wenig Aussichten für alle, die auf ‚A. P. VIII’ sind!“ „Warum?“ begehrt Schmidt auf. „Wenn man den Flughafen schleunigst räumt?“ „Das wird unter diesen Umständen kein Verantwortlicher 13
mehr riskieren!“ antwortet O’Hara hart. „Im Gegenteil! Man wird sie isolieren! Und das sofort!“ * Die Teddy Telly-Boys schweigen. Sie sprechen auch nicht mehr viel miteinander, die jungen Damen und Herren, die so vergnügt an der Grenze des Alls tanzten und sich dabei als Wundermenschen fühlten. Jetzt fühlen sie sich nicht mehr. Sie hocken an den niedrigen Tischen und schlürfen Sekt und Gin und rauchen viel. Ethel Brown ist ganz ruhig, aber sie ist es nur, weil sie sich ungeheuer zusammennimmt. Sie glaubt den Lautsprecherdurchsagen, die immer wieder kommen, nicht. Draußen geschieht etwas, was unfaßbar und furchtbar sein muß. Sie sieht noch Jay Rodigons Gesicht vor sich, als er aufstand und hastig hinausging. Der rote Staub fällt noch immer auf die Kunstglaskuppe und glüht – glüht – glüht … In dieser Minute trifft in der Flughafenzentrale ein Befehl für Kapitän Jay Rodigon ein. „,A. P. VIII’ ab sofort für den Flugverkehr gesperrt und mit Quarantäne belegt! Keiner verläßt den Flughafen! Das gilt auch für Passagiere! Weitere Anweisungen folgen! Miller – Morris!“ Es ist 0.08 am 16. Juni. * Der Morgen kommt … Nelson O’Hara geht seit Stunden vor der erloschenen Televisionwand auf und ab. Das erste Licht kriecht aus dem Meer, das nur einige hundert Meter von dem Landhaus entfernt gegen die Steinkante spült. 14
Peter Schmidt liegt in einem Nebenraum auf der Polsterbank und ist eingeschlafen. Nelson O’Hara aber wartet. Er weiß, daß sie ihn rufen werden, denn es ist klar, daß für dieses rote und bösartige kosmische Phänomen die Astrophysiker zuständig sind – und sicher ist er einer der erfolgreichsten unter ihnen. In Dublin werden sie anscheinend immer kopfloser, und über Television und Stadtrundspruch erfährt man nur in spärlichen Happen etwas von dem Drama, das sich 18 000 Meter über ihnen abspielt. Die „A.P.VIII“ ist gesperrt. Das hat man inzwischen offiziell bekanntgegeben. Es bestehe aber kein Grund zur Beunruhigung, da es sich um eine noch kaum bekannte, aber überaus harmlose kosmische Erscheinung handele. Natürlich! Nelson O’Hara wirft seine Pfeife in den Ascher und marschiert grimmig weiter. Ich möchte es nicht erleben, denkt er, was passiert, wenn die überaus harmlose kosmische Erscheinung weiter um sich greift. Dann gute Nacht, Erdenmenschheit! Das Licht aus dem Meer nimmt an Intensität zu. Um zehn nach fünf kommt ein neuer Anruf aus Dublin. Nelson O’Hara nickt erleichtert und atmet tief auf, als eine aufgeregte Stimme Fragen an ihn richtet. „Natürlich, Präsident! Ich warte doch nur darauf! Ich kann also zu ‚A. P. VIII’ aufsteigen?“ „Tun Sie, was in Ihrer Macht steht, O’Hara“, fleht der Präsident des Weltluftverkehrs, der persönlich am Apparat ist. „Zehn Ärzte werden Ihnen folgen! Es wird immer schlimmer! Das Glühen soll nachlassen, aber diese furchtbaren Infektionen greifen unter dem Personal immer mehr um sich.“ „Schon gut, Präsident!“ Nelson O’Hara verläßt mit großen Schritten die Bibliothek. Gleich darauf surrt sein Flugwagen auf. Als Peter Schmidt benommen hochfährt, findet er nur noch einen Zettel. „Nicht auf mich warten, Nelson!“ 15
* Die Weltöffentlichkeit aber wartet. Das Glühen über den Bermudas war in der Nacht bis auf 30 000 Kilometer im Umkreis zu beobachten. Kurz nach drei begann es schwächer zu werden. Wer Angehörige auf „A. P. VIII“ hat, hat eine schlaflose Nacht hinter sich. Genau 471 Personen befinden sich auf diesem Stratosphärenflughafen, über den nun der Käfig der Quarantäne fällt. Sie sitzen fest – sie können nicht mehr vorwärts und nicht mehr rückwärts. 471 Männer, Frauen und Kinder. Sie müssen ausharren. Es gibt Leute, die viel dagegen zu sagen haben, als es der Öffentlichkeit offiziell mitgeteilt wird. „Das ist unmenschlich“, empört sich eine gewisse Lichtdruckpresse. „Rettet sie doch! Bestürmt die Weltbehörde, daß sie diese Unglücklichen nicht in Not und Tod und Tränen umkommen läßt! Holt sie herunter!“ „Junge Menschen“, drückt ein anderes Blatt auf die Tränendrüse, „die gestern noch fröhlich tanzten, sind vom kosmischen Tod bedroht. Und was tut die Weltbehörde?“ Die Weltbehörde versucht alles. Sie schläft nicht. Das große Außenobservatorium der Erde, das 8000 Kilometer vor der Erde schwebt und nur von Raumschiffen erreicht werden kann, arbeitet fieberhaft daran, die Natur dieser neuen Erscheinung zu enträtseln. Darauf kommt es nämlich an, daß man sagen kann, was dieser kosmische Staub ist und woher er kommt, wie man die zersetzenden Kräfte brechen kann, die er freigibt. Das Außenobservatorium stellt fest, daß von Schwaden, die 1 300 000 Kilometer von der Erde ab fast regungslos im All verharren, ein „Staubbalken“ ausgeht, der eine Stärke von nur 25 Kilometer hat und unglücklicherweise mit einem Teil auf „A. P. VIII“ trifft. Wo der Staub keinen festen Widerstand findet, 16
löst er sich anscheinend in den mittleren Schichten der Atmosphäre auf. Damit ist aber durchaus noch keine Garantie für die Sicherheit der Erdenbewohner gegeben! Steigert sich diese Erscheinung und dringt der Staubbalken bis zur Erdoberfläche vor … Wahrhaftig, O’Hara hat recht – es wäre nicht auszudenken! Doch es scheint gut zu gehen. Um sechs Uhr geht der Staubbalken zurück und die Niederschläge auf „A. P. VIII“ hören schlagartig auf. * Kein Mensch merkt etwas von einer anderen Tragödie, zu der es in diesen Stunden im Weltall kommt. Von der interplanetarischen Verkehrsstraße Venus her stößt gegen drei Uhr ostamerikanischer Zeit ein Raumschiff in das Gebiet vor, in dem die gigantischen kosmischen Schwaden verhalten. Eine halbe Stunde später setzt es bereits SOS-Rufe ab, die aber nicht aufgefangen werden. Dann bricht das Raumschiff unvermittelt auseinander. Aus den Trümmern löst sich eine kleinere Landungsrakete, die Erdkurs nimmt. * „Mensch, Jay!“ Jay Rodigon hebt müde die Schultern und zeigt durch die lange Sichtscheibe auf die Ebene. Es ist gegen elf Uhr vormittags und Nelson O’Hara ist eben auf „A. P. VIII“ eingetroffen. Sein Coleopter steht in der Landebahn von Tunnel III und wird von drei Monteuren versorgt, die verdächtig blaß aussehen. Sie grinsen, als O’Hara sie prüfend anblickt, aber es ist klar, daß sie Angst haben. Jeder muß Angst haben, der in dieser ver17
dammten Lage ausharren muß; das ist selbstverständlich. O’Hara bietet ihnen Zigaretten an und schüttelt seinem alten Freund nochmals die Hand. „Wie geht es deinem Chefingenieur?“ „Schlecht! Ich fürchte, er hat mal einen rechten Arm gehabt! Hoffentlich können sie ihn hier oben behandeln!“ „Zehn Ärzte müssen in einer Stunde hier sein.“ „Weiß ich, Nelson! Verdammte Schweinerei, das alles!“ Sie gehen an der vertieften Landebahn entlang, die wie immer unter dem Flutlicht daliegt, das aus der Tunneldecke fällt. „Sieh dir das hier an – sonst wäre in einigen Minuten die ‚Skandinavia’ aus Europa gekommen, und nun …?“ „Ihr habt wirklich allerhand Pech gehabt, mein Lieber! So stark ist dieser Staubbalken gar nicht.“ „Schöner Trost! Und wenn ihr kein Gegengift gegen das Zeug findet, das uns hier eingedeckt hat, können wir auf ‚A. P. VIII’ alt und grau werden oder vorher das Zeitliche segnen, wie?“ Jay Rodigon fährt sich mit dem Handrücken über das Kinn und stellt erbittert fest, daß er sich noch nicht rasiert hat. „Noch halten wir sie ruhig! Die guten Leute glauben immer noch das Märchen von den niedlichen kosmischen Wolkenfeldern.“ „Du mußt ihnen bald reinen Wein einschenken“, sagt O’Hara ernst. „Dann kommt es eben darauf an! Habt ihr Waffen?“ Jay Rodigon kaut, als könne er die Frage nicht verdauen. „Fünfzig BL-Pistolen haben wir in der Kammer!“ „Das reicht! Kann ich erst einmal eure Verletzten sehen?“ Rodigon stoppt ab und schlägt dann eine andere Richtung ein. Sie gehen über eine Treppe in einen Gang, der schräg nach unten führt. „Hoffentlich hast du gute Nerven! Die Jungen sehen nicht besonders hübsch aus!“ O’Hara knurrte nur etwas und steckte sich eine Zigarette an,: 18
* 12.08. Auf dem Außenobservatorium der Erde sichten sie die herankommende Landungsrakete. Fast gleichzeitig auch vom erdnahen Kontrollschiff der Raumüberwachung aus. „Anrufen, Person! Da stimmt was nicht! Die halten ja einen ganz verrückten Kurs!“ „Haben wahrscheinlich Bruch gebaut und sind ausgestiegen. Versuchen nun, möglichst heil an die Erde heranzukommen.“ Vom Kontrollschiff aus rufen sie sie an. Die Landungsrakete antwortet nicht. Sie stößt über Indien in die Erdatmosphäre und setzt zu einer großen Bremsspirale mit Nordwestkurs an. * Fünfzig BL-Pistolen haben sie auf „A. P. VIII“. Als Jay Rodigon mit O’Hara die armen Burschen verläßt, die im Hospital liegen und eine schmerzstillende Spritze nach der anderen erhalten, weiß er, daß der Tod vor der Tür steht. Der Flughafenarzt Dr. Porel ist machtlos. Er kann sagen, daß man Hopkins in spätestens drei Stunden den rechten Arm wird amputieren müssen, daß es für den jungen Monteur Henderson keine Rettung mehr gibt und daß drei andere mindestens einen Unterarm verlieren werden. Mehr kann er nicht sagen. Jay geht schweigend in die Waffenkammer und verteilt die 50 BLPistolen an die zuverlässigsten seiner Leute. Dann lassen sie über die Lautsprecher die Fluggäste, die im Restaurant und in den Warteräumen hocken und über den bösen Zufall nachgrübeln, der sie ausgerechnet jetzt auf diese zehnmal verfluchte „A. P. VIII“ führte, in den großen Rundsaal unter dem Kommandoturm bitten. Sie kommen alle. Noch nichts wis19
send, den gütigen Zuspruch der Lautsprecherstimme noch im Ohr und doch voll böser Ahnung. Nelson O’Hara wischt sich über die Stirn, als er sie durch zwei große Rundportale hereinkommen sieht. Er ist kein weicher Knabe, aber wie diese schweigende Front der bleichen Gesichter sich um den Metallsockel schließt, auf dem sie stehen, tun ihm alle diese Menschen entsetzlich leid. Kleine Kinder sieht er, die ihre Teddys und Schlummertiere in blauen und roten Spielzeugtaschen bei sich tragen, mit großen Augen um sich sehen und die Großen nicht mehr verstehen. Der Tod steht vor der Tür. Nelson O’Hara soll sprechen, und er gäbe jetzt viel darum, unten in seinem Landhaus sitzen und sich einen albernen Tanzabend ansehen zu können. Nelson O’Hara weiß, daß er denen dort unten die ganze Wahrheit sagen muß, und die ist furchtbar. „Sie werden den Flughafen nicht verlassen können, bevor uns nicht die Natur jenes kosmischen Staubes, den Sie alle haben niedergehen sehen, bekannt ist.“ Er spricht englisch. Neben ihm und Jay Rodigon stehen vier Dolmetscher und übersetzen es in Deutsch, Französisch, Spanisch und Russisch. Eine Frau bricht lautlos zusammen und liegt verkrümmt zwischen den anderen. Männer drängen nach vorn und melden sich erregt zu Wort. Einer spricht zuerst. Ein Franzose. „Mein Name ist Giraud. Bitte, mein Herr, beantworten Sie mir klipp und klar die Frage, ob für uns alle Lebensgefahr besteht.“ „Wer den roten Staub berührt oder einatmet, ist größter Gefahr ausgesetzt und gefährdet darüber hinaus jeden, der wiederum mit ihm in Berührung kommt.“ „Glauben Sie, daß es möglich sein wird, die Natur jenes kosmischen Staubes zu ergründen?“ „Ich hoffe es, aber ich will Ihnen keine Illusionen vormachen.“ 20
„Das bedeutet also, daß wir hier oben sehr lange werden ausharren müssen.“ „Diese Möglichkeit besteht leider.“ Nur noch die beiden sprechen. Die Männer und Frauen und Kinder hängen an ihren Lippen, und es zeigt sich in diesen Minuten, wer Haltung genug aufbringt, um mit diesem Schlag fertig zu werden. Jay Rodigon ist kaltblütig genug, mit einem fast sachlichen Interesse die Reaktion der dreihundert zu beobachten. Er sieht achtzehn, die laut aufschreien und dann zusammenbrechen, eine junge Frau reißt ihr Kind hoch, wirft sich herum und will raus aus dieser Hölle, ganz einfach raus. Sie wehrt sich verbissen gegen zwei Monteure, die sie zurückhalten. Ein eleganter Südamerikaner schreit zu O’Hara Verwünschungen hinauf. Die anderen bleiben still und warten geduckt auf die nächste Frage des Franzosen. „Was kann getan werden, um uns nach Möglichkeit zu schützen?“ „Keiner von Ihnen darf mit den Verletzten im Hospital in Berührung kommen. Keiner darf die Aufenthaltsräume verlassen …“ Ein Lautsprecher bellt trocken dazwischen. „An Kommandant! Eine unbekannte Rakete nähert sich uns mit hoher Geschwindigkeit!“ * Die schlanke Landungsrakete, stößt über den Atlantik nordwest vor. Der Mann vor dem Mikrophon im Kommandoturm von „A. P. VIII“ hat nicht alles gesagt. Die Rakete hat kurz hinter Irland Feuer gefangen und donnert brennend heran. Sie hält eine Höhe von 32 000 Meter. 150 Kilometer vor den Bermudas kippt sie plötzlich mit der Schnauze nach unten und stößt auf „A. P. VIII“ zu. 21
Im Kommandoturm sehen sie das brennende Ding heranrasen. Der stellvertretende Chefingenieur Hauksen reißt instinktiv den Hebel des Alarmgebers für den Löschzug herunter, und es ist gut, daß er es tut. Jay Rodigon und Nelson O’Hara stürzen einen Aufgang hoch. Für Sekunden glauben sie, das Weltall spucke neue Dämonen aus. In Flammen gehüllt, die auf der weißen Außenhaut wie lebende Wesen hin und her rennen, landet die Rakete. Landet? Bis zu einer Höhe von 900 Meter über dem gelben Kunststoffboden ist es eine tollkühne Landung. Dann aber überschlägt sie sieh und fällt am äußersten südlichen Rand herunter. Sie stößt mit der Schnauze wie eine Granate auf und bricht auseinander. Nelson O’Hara sieht deutlich, wie aus den Flammen, die sich über die Ebene ergießen, zwei menschliche Körper hochgeworfen werden, sich überschlagen und wieder in die Hölle herabfallen. Im selben Augenblick aber packt ihn eine Riesenfaust und wirft ihn vornüber. Unter ihm bäumt sich die Ebene auf, als werde der ganze Stratosphärenflughafen aus seiner Lage herausgerissen. Die Riesenfaust hat ungeheure Kräfte. Sie knallt in die genau berechnete und verteilte Energie des atomaren Antriebes im zentralen Motorenraum. Wenn sie siegt, ist „A.P.VIII“ verloren. * Noch weiter bäumt sich die Ebene. Nelson O’Hara ist ziemlich hart mit dem Kopf aufgeschlagen, aber dieses verdammte Aufbäumen läßt ihn gleich wieder hellwach werden. Er weiß, daß sie sich gleich überschlagen und mit 500 Menschen 18 000 Meter tief abstürzen können. Links von ihm heult der Feuerlöschzug über die wildgewordene Ebene zur brennenden Rakete. Ein Mann wächst riesen22
groß neben ihm auf und rennt weg. Es ist Jay Rodigon. Er weiß so gut wie O’Hara, was das verrückte Beben zu bedeuten hat, und will zum Motorenraum. Aber dann legt sich die Ebene wieder gerade. Rodigon möchte in die Knie sinken und tausend Stoßgebete zum Himmel schicken. Eine kurze harte Explosion reißt ihn wieder herum. Der Heckantrieb der fremden Rakete fliegt auseinander. Rodigon rennt wieder los. Ist neben O’Hara, der wieder aufspringt und mit verzerrtem Gesicht zur weitabliegenden Brandstätte zeigt. „Da waren eben Menschen drin!“ schreit er fassungslos. „Menschen, verstehst du?“ Rodigon antwortet nicht. Sie hetzen nebeneinander die zwei Kilometer herunter, die noch dazwischenliegen. Der rote Staub unter ihnen hat sich in den letzten Stunden verändert. Er ist farbloser geworden und ist streckenweise kaum noch zu erkennen. Sie achten nicht darauf. Sie rennen und rennen. Nach fünf Minuten können sie deutlich sehen, wie die Asbestmänner des Löschzuges zwei Körper aus den knisternden Flammen tragen. „Die sind hin, Nelson!“ Nelson schluckt und muß wieder das Mitleid unterdrücken, das über ihn kommt. Verflucht, was ist das nur. Die armen Teufel, hämmert es in ihm, in einer brennenden Rakete! Die Asbestmänner legen die beiden in einen Wagen und nehmen vorsichtig die Panzerhauben ab, die zerdrückt und zerrissen sind. Darunter werden die durchsichtigen Schutzkugeln sichtbar. Ein in furchtbaren Qualen entstelltes Männerantlitz. Blau, aufgedunsen, mit geplatzter Haut. Der ist tot! Ja, der arme Junge hat es hinter sich. „Der hat gelitten, kann ich dir sagen!“ Sie räuspern sich und blicken zu dem anderen hin. Jay Rodigon, Nelson O’Hara und ein paar andere vom Personal kommen heran. Wieder eine Schutzkugel. Wieder ein Menschenantlitz. Ein einziger Aufschrei. 23
„Herrgott! Eine Frau!“ Sie beugen sich vor und sehen erschüttert, daß es wirklich eine Frau ist, eine junge Frau mit regelmäßigen Zügen, die nur wenig gedunsen sind, mit rotblondem Haar, das von einer silbernen Spange zusammengehalten wird. Sie liegt bewegungslos, aber ihre Augenlider zucken unaufhörlich. „Was für eine Frau“, stößt O’Hara hervor. „Sie muß ins Hospital“, sagt einer. „Rasch …“ * „A. P. VIII“ stürzt nicht ab. Die Männer von der technischen Zentralüberwachung in Dublin haben das Schwanken der riesigen Plattform in der Stratosphäre auf ihren Bildschirmen verfolgt. Sie sind noch ziemlich grün im Gesicht, als sie nach einigen Minuten feststellen können, daß wenigstens diese Gefahr gebannt ist. Diese Gefahr! Dafür meldet das Außenobservatorium, daß sich die Ausstrahlungen der kosmischen Schwaden wieder verstärken. „Das Glühen wird wieder einsetzen und sich nach unseren Berechnungen auf weitere Gebiete ausdehnen,“ Gefahr für die Erde! Gefahr für alle! Gefahr für alle! Auf „A. P. VIII“ treffen zehn Ärzte ein, die wissen, daß sie alle Brücken hinter sich abbrechen. In drei Stunden sollen weitere zehn Ärzte und Pflegepersonal folgen. Auch Wissenschaftler. „A. P. VIII“ wird zum Kampfplatz Nr. 1 der Erdenmenschheit. Beim Flughafenarzt Dr. Porel meldet sich eine junge Dame. Dr. Porel hat alle Hände voll zu tun, aber er bleibt doch stehen, als sie ihn in einem Gang bei den Baderäumen anspricht. Er sieht gleich, daß sie zu den Fluggästen gehört. „Doktor, kann ich was tun? Da sind auch noch andere, die sich als Pflegerinnen zur Verfügung stellen würden.“ 24
„Im Hospital?“ Dr. Porel hebt die Augenbrauen, und sein Blick geht prüfend über sie hin. „Ahem! Dazu gehören Nerven, Kind! Ich danke Ihnen,. aber ich weiß nicht …“ „Wir werden es schon schaffen, Doktor“, lächelt sie etwas scheu. „Aus Schokolade sind wir alle nicht.“ Der Doktor räuspert sich. „Wir sind auf jede Hilfe angewiesen, Miß …“ „Ich heiße Ethel Brown! Soll ich die anderen Mädels holen?“ Der Doktor nickt und sieht ihr einen Augenblick nach, wie sie in ihren langen schwarzen Hosen davongeht. Fixes Mädchen, denkt er. * Die weiße Tür pendelt lautlos zu. Jay Rodigon und Nelson O’Hara gehen mit zwei jungen Ärzten, die eben mit dem ersten Schub eingetroffen sind, auf das niedrige Krankenbett zu, von dessen Kissen sich ein schönes Frauengesicht abzeichnet. Dr. Porel steht neben dem Bett, beugt sich über sie, richtet sich aber auf, als sie näher kommen. „Sie fiebert“, sagt er leise und nervös hüstelnd. „Der Schock, verstehen Sie? Hat allerhand durchgemacht, das arme Menschenkind. Aber sonst ist bis auf ein paar Prellungen alles intakt …“ „Wir haben ihre Papiere durchgesehen.“ Jay Rodigon blickt auf das blasse Gesicht, auf die schmalen rissigen Hände, die sich in der Decke verkrampfen, auf die weißen schönen Zähne, die hinter den vollen Lippen schimmern, die sich immerfort bewegen. Jay Rodigon ist ein Frauenkenner, und er kann sich vorstellen, wie schön sie ist, wenn sie gesund vor einem steht. „Gloria Larsen heißt sie.“ „Was, die berühmte Weltraumfliegerin?“ Kapitän Rodigon nickt, und der Doktor weiß gleich Bescheid. Gloria Larsen ist dreimal mit zum Saturn vorgestoßen 25
und hat zu der berühmten Neptun-Expedition des chilenischen Professors Salomon gehört. Sie hat mehr Prüfungszeugnisse und Ausweise in der Tasche als jeder männliche Testpilot der irdischen Raumfahrt. Und ist doch eine schöne Frau, die sich jetzt gegen das furchtbare Gefühl wehrt, innerlich verbrennen zu müssen. „Bunny!“ stößt sie heftig, aber kaum hörbar hervor. „Bunny, der Kasten brennt ja schon! Das ist der Staub, der rote Staub, der sitzt in der Mitteldüse, hörst du …?“ Nelson O’Hara hält ihr ein Tonbandmikrophon vor, denn jedes Wort kann jetzt wichtig sein. Sein Herz ist nicht bei der Sache. Sein Herz leidet mit dieser Frau. „Bunny, du kannst noch! Du kannst noch, hörst du? Halte die B-Säule fest, sonst schmeiß ich den Kasten um! Du mußt dich zusammennehmen, Bunny! Denk an Ellen! Das schwarze Raumschiff ist auch hin! Die sind hin! Ich glaube nicht, daß sie mit dem Staub fertig geworden sind. Auch Williams war gleich tot! Ich sah noch, wie er in die Heckkammer ging und den Staub reinließ! Er wollte ihn untersuchen, dieser Narr!“ Sie stöhnt und wirft sich herum. „Das schwarze Raumschiff?“ entfährt es dem Doktor. „Was …?“ In diesem Augenblick kommt die Frau zu sich, die Gloria Larsen heißt und der Tiefe der Weltraumhölle entkommen ist. Ihr Blick trifft Nelson O’Hara. Er weiß gleich, daß er ihn nie mehr vergessen wird. Nie mehr. „Bunny!“ sagt sie ganz klar und laut und richtet ihren Oberkörper auf. „Bunny!“ „Ich bin Nelson O’Hara“, kaut der Astrophysiker hervor. „Sie sind hier im Stratosphärenflughafen ‚A. P. VIII’, Miß Larsen. Sie sind abgestürzt.“ Es hört sich rauh an, aber Nelson bringt es nicht anders heraus. Ihr fragender Blick läßt ihn nicht los. „Und Bunny? Tot?“ 26
O’Hara kann sich denken, wer Bunny gewesen ist. Er weiß auch, daß es sinnlos wäre, ihr jetzt etwas vorzumachen. Er nickt. Sie seufzt auf und legt sich wieder zurück. „Wir kamen mit kosmischem Staub in Berührung“, berichtet sie leise, ohne daß einer sie dazu auffordert. „Wir wollten das Gebiet, das uns nicht geheuer erschien, möglichst rasch durchqueren, aber Dr. Williams, unser Schiffsführer, nahm eine Kursänderung vor. Er interessierte sich für den Staub, der rot war und grell leuchtete. Und dann kam auf einmal die Explosion. Sie kam so überraschend, daß nur Bunny und ich in die Landungsrakete springen konnten, weil wir uns zufällig in ihrer Nähe aufhielten …“ „Sie sprachen vorhin von einem schwarzen Raumschiff, Miß Larsen.“ „Tat ich das?“ lächelte sie flüchtig. Es war das erstemal, daß er sie lächeln sah, und er hätte jetzt seine Hände auf ihre Schultern legen mögen. „Wir sahen ein schwarzes Raumschiff; es war nicht besonders groß und trieb anscheinend ohne Eigenfahrt am Rand des Staubgebietes. Wir sahen auch zwei menschliche Gestalten am Raumschiff hängen – ich nehme an, sie waren schon tot …“ Nelson O’Hara sieht zu Jay Rodigon hin. „Ich muß einen Funkspruch an Thomas abgeben“, sagt er entschlossen. „Ich muß raus und mir das ansehen!“ Mehr sagt er nicht, aber Jay Rodigon versteht ihn und nickt nur. * Der Südamerikaner hetzt durch den Aufgang. Er war einer der friedlichsten Bürger von Sao Paulo und keiner konnte behaupten, daß sein Lebenswerk, Kaffee anzubauen und zu verkaufen, besonders abenteuerlich wäre. Aber der 27
friedliche Bürger Sanro Montello ist in dem Augenblick gestorben, als Nelson O’Hara den Fluggästen die ganze harte Wahrheit sagen mußte. Jetzt ist Señor Montello ein zu allem entschlossenes Raubtier. Er denkt nicht daran, hier noch lange auszuharren und vielleicht umzukommen. Sanro Montello ist entschlossen, den Flughafen auf eigene Faust zu verlassen und mit einer der Zubringermaschinen, die in den Tunneln stecken, abzuhauen. Was aus den anderen wird, interessiert ihn nicht. Den Aufgang, der in den großen Vorsaal der Tunnels führt, bringt er glücklich hinter sich. Das Herz hämmert dumpf gegen die Rippen. Hier beginnt die verbotene Zone, hier ist die Grenze, die die Fluggäste nicht überschreiten dürfen. Sanro Montello bleibt stehen und sieht sich hastig um. Dann schleicht er auf Zehenspitzen zum Portal des Vorsaals weiter. Leer ist hier alles. Still. Tot. Nur ein fernes Summen. Ein Knistern irgendwo. Nichts. Doch! – Ein Mensch. Ein Posten im Vorsaal. Nur wenige Meter von ihm. Wie ein Tier springt Montello ihn hinterrücks an, mit vorgestreckten Händen, die sich um den Hals legen und nicht loslassen, die den Jungen nach hinten wegreißen, bevor er seine BL-Pistole hochhat. Der Posten knallt mit dem Hinterkopf auf harten Plattenboden. Sanro Montello reißt ihm die Pistole aus der Hand und rennt weiter. Jetzt kommt es für ihn darauf an. Er rennt durch zwei Gänge und rast in den Tunnel hinein, der sich unvermittelt wie ein gewaltiger Schlund vor ihm öffnet. Die Posten müssen verdammt dünn gesät sein. Montello freut sich, springt über ein Geländer. Weit vor sich sieht er in der Landebahn einen Coleopter stehen. Den kann er mit einem Hebelgriff in die Startlage bringen, wenn er erst einmal drin ist – und hineinkommen wird er … 28
Sanro Montello triumphiert, aber er triumphiert zu früh. Er rechnet nicht mit der grimmigen Entschlossenheit der Techniker und Verwaltungsmänner, die wissen, worum es hier geht. Neben dem Coleopter stehen zwei Posten. Sie tragen BLPistolen, und sie schießen gleichzeitig, als sie ihn heranstürmen sehen. Sanro Montello wird von der unbarmherzigen Wucht des blauen Strahls hochgerissen und gegen die Tunnelwand geschleudert. Er schreit nur ganz kurz auf. * Als sie bei ihm sind, ist er schon tot. Sie müssen sich gegen ein scheußliches Gefühl wehren, aber sie wissen auch, daß sie wieder so handeln müssen, wenn einer ausbrechen will. Und es werden mehr kommen, die sich der Zubringermaschinen bemächtigen wollen, denn der rote Strahl kommt wieder aus dem Weltall heran. Geisterhalt tastet er sich in die Erdatmosphäre hinein, diesmal breiter und mächtiger, und ab drei Uhr nachmittags rieselt es wieder herab. In Paris tritt eine Konferenz von Astronomen, Astrophysikern und Biologen zusammen. „Dr. O’Hara wird mit dem Raumschiff seines Bruders zum Staubgebiet vorstoßen, meine Herren! Ich gestehe offen – und Sie werden es sich auch schon gesagt haben – daß wir mit den uns bekannten Mitteln die zersetzenden Auswirkungen einer gigantischen Invasion kosmischen Staubes nicht aufheben können! Wir sind machtlos!“ „Dann müßte man diese Schwaden, aus denen der Staub entsteht, im Weltall vernichten oder zumindest aus dem Bereich unseres Planeten bringen.“ 29
„Der Gedanke ist richtig, Doktor Paulsen! Und das muß bald geschehen, denn ich persönlich gebe – wenn dieser kosmische Niederschlag sich ausbreitet, was nach der errechneten Stärke der Schwaden anzunehmen ist – der Erdenmenschheit nicht mehr als drei Monate. Die Katastrophe kann aber auch schon in wenigen Tagen voll über uns hereinbrechen.“ „Das wäre furchtbar!“ „Um aber, meine Herren, ein so gewaltiges Experiment zu wagen wie die Vernichtung kosmischer Schwaden, muß man ihre Substanz genau kennenlernen, und dazu braucht man Jahre …“ Dem Präsidenten des Astronomischen Weltamtes fällt es schwer, das auszusprechen, doch er führt schließlich nur einen Gedanken zu Ende, der ihnen allen bereits gekommen ist, den sie nur nicht auszusprechen wagen, weil seine letzte Konsequenz die Vernichtung der Menschheit sein wird. „Das bedeutet, daß wir einen Menschen finden müssen, der dieses uns unbekannte Phänomen bereits früher untersucht hat – oder daß ein Wunder geschehen müßte.“ „Beides ist unwahrscheinlich“, stellt ein Däne trocken fest. „Was aber wird geschehen, wenn uns dieser verdammte Staub in die Knie zwingt – möglichst präzise vorausgesagt?“ „Dasselbe, was sich bereits auf ‚A. P.VIII’ abspielt, nur in das Millionenfache übertragen. Ich fürchte, eine entsetzliche Kettenreaktion.“ Das ist Paris am 17. Juni 2001. Draußen verdämmert ein samtweicher Sammertag über der Seine. * Jay Rodigon nickt. Sie haben eben einen zweiten niederschießen müssen, einen 30
Asiaten, der es so machen wollte wie der unglückliche Sanro Montello. Wir müssen hart sein, dröhnt das Blut in Rodigons Schädel, wir müssen! Der Tod steht vor der Tür. Rodigon raucht seine Zigarette auf und sieht dabei von seinem Schreibtisch aus auf den nahen Kommandoturm und die Ebene, die dahinterliegt. Er weiß, daß sie dahinterliegt, sehen kann er nicht viel. Der Staubbalken aus dem Weltall liegt jetzt mit seiner ganzen Breite über „A. P. VIII“, und der Kapitän schätzt, daß er weit auf den Atlantik hinausragt und nach der anderen Seite zu bis nach Wilmington an der Ostküste der Staaten. Vier Stunden dauert nun schon der zweite Staubfall an. 30 Millimeter hoch liegt der Staub bereits auf „A. P. VIII“. Ein rotes Leichentuch liegt auf 500 wehrlosen Männern, Frauen und Kindern, die weiter unten hocken und nichts tun können als warten – warten … Von O’Hara liegen erst nichtssagende Meldungen vor. Es wird einige Tage dauern, bis sie zu dem Staubgebiet vorgedrungen sein werden – natürlich … * Vier Männer hat das Raumschiff „Jupiter“ an Bord. Kapitän Thomas O’Hara, Dr. Nelson O’Hara, den Funker Abramowitsch und den Ingenieur Vei. Nelson O’Hara ist vom Kontrollschiff der Erde aus zum „Jupiter“ übergestiegen. Sie halten einen Kurs, der geradewegs ins Staubgebiet führt. * Ihr rechnet noch mit Tagen? Der Tod, der sich gegen „A. P. VIII“ verschworen hat mit 31
den Dämonen des eisigen Alls, lächelt höhnisch. Roter Staub fällt herab, und ihr verkriecht euch vor ihm. Könnt ihr euch noch in Sicherheit bringen, wenn der Flughafen brennt, so hell lodernd brennt, daß sie es unten auf der Erde mit bloßem Auge sehen können? Während Jay Rodigon seine Zigarette aufraucht und ausdrückt, wählt der Tod eine neue Taktik, um schneller zu seinen Opfern zu kommen. Drei junge Techniker sehen es zuerst. Sie haben den Auftrag, die letzten Trümmerstücke der auseinandergebrochenen Landungsrakete vom Südrand des Flughafens fortzuräumen. In dichten Schutzanzügen fahren sie durch den Staubregen heran. Die Räder ihres Wagens lassen breite Spuren in der Staubschicht zurück, die aber gleich wieder zugedeckt werden. „Wenn das so weitergeht, können wir uns noch Schneebälle um die Ohren werfen“, grinst der Fahrer gezwungen. Die beiden anderen antworten nicht. Sie blicken über seine Schulter angestrengt nach vorn. Trümmer tauchen auf, ein verrückt verbogenes Stück Bordwand, das aufrecht gegen den rotleuchtenden Himmel ragt. Sie fahren in größerem Abstand daran vorbei, wenden dann und gleiten so heran, daß sie mit den Greifern am Heck des Wagens dieses traurige Trümmerstück fassen können. Sie kommen aber nicht ganz heran; einige Meter vorher bremst der Fahrer plötzlich scharf ab und zeigt auf den Boden. „Was ist denn das?“ Der Kunststoff der Ebene brennt. Vom ausgeglühten Trümmerstück frißt sich ein Brand weiter und zerstört die Materie. Stellenweise ist der Kunststoffboden einige Zentimeter tief zu Pulver zerbröckelt und fällt in sich zusammen. Die drei denken, die Hölle zaubere ihnen einen neuen Spuk vor. Aber das ist kein Spuk. Das ist viel furchtbarer – so furchtbar, daß einer der drei sich am Wagen festhalten muß und dann doch halb ohnmächtig in den Sitz taumelt. 32
Mit leisem Knistern frißt es sich vor ihnen weiter. Noch ist es so, als nage ein winziges Tier einen mächtigen Baumstamm an. Aber es ist unersättlich, wird ungeheure Kräfte bekommen und dann losrasen. Wieder zerbröckelt der Kunststoff. Wird zu grauem Staub … „Wenn das weitergeht, Jungen – dann gibt es keine Rettung mehr!“ Der Fahrer schaltet ein Mikrophon ein und schreit eine Meldung hinein. * Jay Rodigon weiß es noch nicht … Er geht mit Hauksen, dem stellvertretenden Chefingenieur und einem der jungen Ärzte in einen der großen eleganten Warteräume, in dem sie herumsitzen und Schach spielen oder Karten, in dem sich zwei Frauen über eine neue Kochmethode streiten und zwei Jungen über die nächste Weltmeisterschaft im Halbschwergewicht. Die anderen tun nichts, sie grübeln, beten … Als sie den Kapitän sehen, verstummen die Gespräche. Jay Rodigon bleibt stehen und blickt verwundert auf einige junge Mädchen, die gerade den Raum verlassen wollen. Eine von ihnen ist Ethel Brown. Ethel! Er hat sich noch nicht wieder um sie gekümmert, seit er sie im Restaurant am Tisch sitzenließ. „Hallo, Ethel!“ ruft er ihr zu. Sie lacht und winkt und geht mit den anderen. Er sieht, daß sie die weiße Tracht mit dem roten Kreuz tragen und zum Hospital wollen. „Kapitän“, sagt eine unfreundliche Männerstimme, „haben Sie uns etwas zu sagen, oder wollen Sie wieder einen Ihrer fröhlichen Tanzabende geben?“ Keiner lacht. „Ich habe Ihnen etwas zu sagen“, erwidert Jay Rodigon lang33
sam und mit einer Stimme, die dunkel und ruhig ist. „Meine Männer waren gezwungen, zwei Fluggäste zu erschießen, die den Flughafen auf eigene Faust verlassen wollten. Ich betone gleich, daß meine Männer nur ihre Pflicht taten und sie auch weiter so rigoros erfüllen werden. Sie mögen sagen, das wäre grausam – bedenken Sie aber, daß wir die ganze Menschheit gefährden, wenn auch nur einer von uns nach unten zurückkehrt, bevor die Wissenschaftler die Gefahr überwunden haben.“ Seine Worte sind schwer. Sie sehen, daß der stellvertretende Chefingenieur in der Hand eine mattglänzende große BLPistole trägt. „Ich hoffe, Sie haben mich verstanden“, beginnt Jay Rodigon noch einmal, und es ist nicht mehr der überhebliche piekfeine Kapitän der Weltluftfahrt, der das sagt. „Wir müssen doch so handeln“, ruft er beschwörend aus, „das müssen Sie doch einsehen!“ Sie antworten nicht. Keiner sagt etwas. Irgendwo weit vor ihm taucht ein Monteur auf, die BL-Pistole unter dem Arm, und winkt heftig. Draußen rast ein Feuerlöschzug über die Ebene. „A. P. VIII“ brennt. In Dublin stürzen sie schreckensbleich an die Bildschirme, aber das ganze interne System der Weltluftfahrt funktioniert nicht mehr richtig. Der rote Staub stört. Verschwommen taucht die weite Ebene von „A. P. VIII“, mit den Tunneln, die wie riesige Schlangen darüber hinkriechen, aus rotem Zwielicht auf. „Was? Der Teller brennt? Ich sehe nichts! Das ist nur der verrückte rote Staub!“ „Warte, ich verstärke im Teilquadrat!“ Aufgeregte Hände stellen. Das Bild verschiebt sich. Ein an34
deres taucht auf. Ein Mann ist zu sehen, der am Kommandoturm vorbei auf die Ebene hinausrennt und in einen Stationswagen springt. Dann wieder nur der rote Schleier, der auf dem Bildschirm geisterhaft zusammenfällt. Wieder Gestalten. Ein Löschzug, der in waghalsigem Tempo dahinjagt. 18 000 Meter über der Erdoberfläche. Verrückter Gedanke! Dahinter ein zweiter Wagen, groß, deutlich, Jay Rodigon. Dann ein Trümmerstück, das gegen den schauerlich verwandelten Himmel ragt … „Dort muß es sein“, stöhnt eine versagende Stimme. „Hol den Boden ran, Poulsen! Hol doch den Boden ran!“ Wieder die Hände, die flattern und doch sorgsam schalten müssen. Im großen Kontrollsaal des schneeweißen Gebäudes am Rande von Dublin ist die Luft zum Schneiden. Präsident Bider kommt herein, ein breitschultriger Schweizer. Keiner grüßt. Schweigend stellt er sich zu den anderen. Dann sehen sie den Boden vor dem Trümmerstück, sehen, wie sich Männer in glänzenden Schutzanzügen darüberbeugen, wie sie eine Rohrleitung legen und zurücktreten. Dann kommt Löschwasser. Ein armdicker Strahl schießt unter starkem Druck auf den berstenden Kunststoff. Etwas Unheimliches geschieht. Ein weißer Ballon steigt vom berstenden Boden auf. Wächst. Wächst. Die Männer springen noch weiter zurück. Ein Ballon? Das Löschwasser ist es, das vom Boden abgestoßen wird und sich zu einer Kugel formt. In einer heftigen Explosion zerspringt sie. Der Boden glüht und knackt weiter. „Atomarer Materialbrand“, stellt Präsident Bider mit einer Stimme fest, die wie gesprungenes Glas klingt. „Den löschen sie nicht, der frißt weiter! Der Flughafen ist verloren!“ „Und die Leute, Präsident, die Kinder, die …“ Der Präsident wendet sich ab. Er weiß darauf keine Antwort. *
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„‚A. P. VIII’ brennt!“ Nelson O’Hara blickt böse auf den Eingangsstreifen, den ihm der Funker eben gereicht hat. Er steht in der Bugkanzel des „Jupiter“ neben dem Pilotensitz, von dem aus sein Bruder das schlanke Raumschiff dem gigantischen Staubbalken entgegenjagt, den sie in großer Entfernung aus der Schwärze des Alls herabschießen sehen. Sie blicken sich an und nicken. Der Flughafen ist verloren! Die Menschen in ihm sind verloren. Man kann sie evakuieren, aber wird man das den anderen Milliarden gegenüber verantworten wollen? Nein, eine solche Verantwortung kann keiner auf sich nehmen! Nach 51 Stunden ist die „Jupiter“ am Ziel. Der Staubbalken wächst drohend wie ein leuchtender scharfgezeichneter Gebirgszug vor ihnen auf. Sie sitzen hinter strahlensicheren Schutzwänden, aber es ist ein verdammt merkwürdiges Gefühl, einfach so in diese flimmernde Hitze hineinzurasen und in ihr unterzutauchen. Die vier einsamen Männer tun es. Sie messen die Intensität der Strahlungen, sie nehmen Staubproben und untersuchen sie in einer Kammer in der Außenhaut, die sie vom Schiffsinnern aus bedienen können, sie kreuzen in dem kosmischen Staubbalken und schließlich fliegen sie in einer Richtung weiter, aus der er kommt. Sie riskieren Kopf und Kragen, aber es lohnt nicht recht. Sie stoßen in ein Feld von Schwaden hinein, das eine Ausdehnung hat, die Erde und Mond in ihrem natürlichen Abstand wohl dreißigmal verschlingen könnte. Von den Gasen, die sich hier angesammelt haben, nehmen sie Proben. Nach einigen Stunden fängt die Außenhaut des „Jupiter“ an zu knistern. „Wir werden aufgeladen“, knurrt Thomas O’Hara, als er die Kontrollinstrumente überprüft. „Wahrscheinlich fing es mit Williams Kasten auch so an! Wir müssen sehen, daß wir rauskommen.“ 36
Nelson O’Hara starrt finster vor sich hin. „Es war umsonst, Tom! Wir haben die Intensität geprüft, wir haben uns den Staub in der Mikrokammer angesehen! Nichts! Das sind S-Gase, klar, aber was sagt das schon! S-Gase sind harmlos, aber irgendein böser Zufall muß sie gewissermaßen entartet haben! Und da kommen wir nicht ran! Das dumme ist nur, daß die auf der Erde ihre letzten Hoffnungen auf uns setzen …“ „Das schwarze Raumschiff“, wirft Abramowitsch, der Funker, ein. Nelson O’Hara nickt. „Wenn wir es finden, kommen wir vielleicht einen Schritt weiter – vielleicht …“ Thomas O’Hara leitet eine Kursänderung ein. „Du möchtest dich an einen Strohhalm klammern, mein Lieber, den wir nicht mal finden werden! Such du bet diesen blödsinnigen Sichtverhältnissen ein abgewürgtes Raumschiff! Wir können es ja mal versuchen!“ „Wir müssen es aufstöbern, Tom!“ sagt Nelson scharf, und das ist ein Befehl. * Irgendwo spielt einer Akkordeon. Die sentimentale Weise schlägt Gloria Larsen entgegen, als sie am späten Abend zum erstenmal durch die drei Klubzimmer geht, die in der Flucht der Aufenthaltsräume für die Fluggäste liegen. Noch schweigt sich Jay Rodigon über den atomaren Brand aus, noch glaubt er das verantworten zu können. Gloria geht rasch durch die Räume in die halbrunde Bar neben dem Verkaufsgang, in dem sich die Läden für Zigaretten, für Andenken und süße Sachen befinden. In der Bar nehmen gerade die Teddy Telly-Boys Platz. Sie haben ihre Instrumente mitgebracht und lächeln etwas verlegen. Es gibt Leute, die ge37
tröstet sein wollen, jüngere und auch ältere. Die Bar ist übervoll; die Flaschen sind geöffnet, und einige Fluggäste sind schon nicht mehr nüchtern. Roter Staub fällt vom Himmel? Ho, ho – der rote Staub soll leben! Sie lachen – es ist ein Lachen, das sich wie unterdrücktes Schreien anhört. Unnatürlich. Krampfhaft. Es schlägt gegen Gloria Larsen, daß sie stehenbleibt und sich ziemlich fassungslos umsieht. Dann setzt sie sich auf den ersten besten Polsterhocker und läßt sich eisgekühltes Mineralwasser bringen. Sie ist immer noch sehr schwach. Keiner achtet auf sie. Sie trägt lange Hosen und ihre zerdrückte gelbe Jacke, aber das fällt nicht auf. Sollen wir tanzen, Darling? ruft ihr ein blasser Jüngling zu. Sie schüttelt den Kopf und sieht zum Eingang hin, durch den gerade eine Gruppe von Burschen kommt, die elegant sind, ohne vornehm zu sein. Sie sehen ganz harmlos, wenn auch nicht besonders erbaulich aus, und doch sollen sie eine unheimliche Kettenreaktion auslösen. Es geschieht wie aus heiterem Himmel heraus. Der eine geht auf eine gerade vorbeigehende Stewardeß zu und schlägt ihr den Servierkorb aus der Hand. Das Mädchen schreit auf. Der Aufschrei läßt alle hochfahren, und in das Durcheinander der aufspringenden Menschen hinein brüllt der Fremde: „Daß ihr es alles wißt – man will uns umkommen lassen wie die Ratten! Der Flughafen brennt!“ Gloria Larsen bekommt nicht recht mit, was sich nun abspielt; sie blickt erstarrt auf einen anderen Mann, der mit der Gruppe hereingekommen ist, sich aber etwas zurückhält. „Der Flughafen brennt! Rettet euch!“ Gloria weiß sofort, daß sie diesen Mann schon einmal gesehen hat, nur war es auf einem einsamen Versuchsfeld in Alaska, und er trug in jeder Hand einen Revolver. Vor ihm auf einem Stuhl hockte der junge Ingenieur Napp. Drei Stunden hatte die38
ser Mann mit einer leisen, freundlichen Stimme auf Napp eingesprochen. Dann war Napp weich geworden und hatte ihm alles gesagt, was er wissen wollte. Zum Dank dafür wurde er durch zwei Schüsse niedergestreckt. So einer war das. Gloria hatte es mit ansehen müssen, und sie konnte es nicht vergessen. Und nun tritt dieser Mann, den sie fürchtet und haßt, in das Geschehen auf der von Tod und Teufel umlauerten „A. P. VIII“! Mit einer fahrigen Handbewegung stößt sie ihr Glas um. Das Klirren läßt den fremden Mann herumfahren. Wenn ich nur wüßte, wer er ist, hämmert es in ihren Schläfen, wenn ich das nur wüßte. Ob er mich wiedererkennt? Ja, er stutzt und in seinen schmalen Augen blitzt es eisig auf. Mit drei, vier Schritten tritt er vor sie. Er sieht sie nur an und lächelt. Gloria sitzt wie hypnotisiert und kann sich nicht rühren, auch nicht, als dieser Mann sich plötzlich scharf abwendet und in den Verkaufsgang hinausgeht. Wer ist das nur? Mein Gott, wer ist das nur? Sie hört wieder Schüsse. Ganz in ihrer Nähe. Und einen Tumult, der ihr erst jetzt bewußt wird. Männer und Frauen sieht sie durcheinanderrasen. Ausgestreckte Hände zeigen auf die Bogentüren der Bar. Dort stehen Männer vom Flughafenpersonal mit BL-Pistolen im Anschlag. Sie feuern Warnungsschüsse über die Köpfe der Rasenden. * Für Sekunden stockt der Lärm. Aber nur für Sekunden, dann wirft ein Jüngling, der zittert und nicht sterben will, von der Bar aus einen Kristalluntersatz. Der Untersatz trifft einen der Uniformierten vor die Stirn. Der läßt seine BL-Pistole fallen und schlägt wie ein gefällter Baum hin. 39
Sein Kamerad feuert in maßlosem Zorn in die Menge. Vor ihm brechen drei, vier zusammen, aber hinter ihren tödlich getroffenen Leibern werfen sich wie auf Kommando dreißig, vierzig andere vor, packen ihn, reißen ihm die Pistole aus der Hand, würgen ihn. „Der Flughafen brennt!“ Die ersten sind im Gang, der durch die Flugkartenausgabe in die Nähe der Tunnel führt. „Der Flughafen brennt!“ In diesem Augenblick heult draußen am Kommandoturm eine Sirene auf. Es ist genau 23.48 am 18. Juni. * „Hallo, Dublin! Hallo, Dublin! Hier ‚A.P.VIII’!“ In Dublin nimmt ein Funker die Meldung auf, die unmittelbar darauf eingeht. Aufstand in der Stratosphäre! Aufstand in der Stratosphäre! Hallo, Dublin … Der Funker rennt in den zentralen Kontrollsaal. Halbdunkel umfängt ihn. Erregte Männerstimmen. Irgendwo taucht Präsident Bider auf. Vor dem großen, leichtgebogenen Bildschirm, auf dem sie seit 20 Stunden pausenlos die Vernichtung der Kunststoffebene durch den atomaren Brand verfolgen, sitzen zwanzig Herren, die rechnen und beraten, die von einem Nebenzimmer aus mit den internationalen Sicherheitsorganen lange Gespräche führen und doch nicht wissen, was sie tun sollen. Es ist eine ganz verdammte Situation. Präsident Bider nimmt die Meldung entgegen. Er ist nicht einmal sehr erschüttert. Er nickt nur schwer. „Aufstand auf ‚A. P. VIII’! Das hatte ich erwartet! Wir hätten das den armen Teufeln nicht so lange verschweigen dürfen …“ 40
„Dann hätten wir gleich evakuieren müssen“, wirft ein Abteilungsdirektor heftig ein. „Und dann hätten wir die ganze Menschheit gefährdet! Präsident, wir dürfen nicht evakuieren!“ „Rodigon wird nicht zum Mörder werden wollen“, kontert der Präsident, „und ich werde es auch nicht, mein Lieber, merken Sie es sich!“ „Wenn man die Leute wenigstens auf eine andere ‚A. P.’ bringen könnte.“ „Ich fürchte, das wäre nur ein Ausweichen vor dem Tod“, meldet sich der greise Physiker Portonello vom Bildschirm her, „aber keine Rettung vor ihm. Den Herren sind doch sicher die Eigenschaften eines atomaren Brandes bekannt …“ Präsident Bider dreht sich ihm halb zu. „Portonello …“ „Ein atomarer Brand aktiviert, wenn er unter hohen Spannungswerten ausbricht – und die herrschen augenblicklich in der Atmosphäre um ‚A. P. VIII’ – bereits alle Körper, die mit ihm in substantieller Verbindung stehen, bevor er sie ergreift. Um aber die Menschen von ‚A. P. VIII’ zu einer anderen ‚A. P.’ zu befördern, müssen diese in Maschinen gebracht werden, die sich bereits in den Tunneln von ‚A. P. VIII’ befinden oder von einem anderen Flughafen kommend mit Rodigons Teller in Berührung kommen. Diese Maschinen aber werden den atomaren Brand zu der anderen ‚A. P.’ hinübertragen – er wird dort so sicher ausbrechen wie auf „A. P. VIII“; es kann sich nur um Tage handeln …“ „Portonello, Sie sprechen das Todesurteil über 500 Unglückliche.“ „Solange nicht der kosmische Staub aus der Atmosphäre verschwindet, sehe ich keinen Hoffnungsschimmer! Ich kann nur hoffen, daß es nicht einem der armen Menschen gelingt, zur Erdoberfläche auszubrechen – neben den Krankheitskeimen würde er auch noch den atomaren Brand mit herabbringen.“ „Und – wie lange, glauben Sie, wird es dauern, bis das Feuer offen ausbricht?“ 41
„Nach meinen Beobachtungen – vielleicht noch drei Tage …“ Drei Tage! Noch drei Tage werden sie leben … * „Wir müssen in die Tunnel!“ Der Weg ist frei für die Verzweifelten! Sie haben den Gang vor sich, der den Vorsaal der Tunnel führt. Und sie haben drei BL-Pistolen. Drei Männer vom Flughafenpersonal liegen am Boden und rühren sich nicht mehr. Über sie hinweg brechen immer mehr vor. Draußen heult noch immer die Alarmsirene. Jay Rodigon hat nicht den Befehl gegeben, sie in Tätigkeit zu setzen. Keiner weiß, wer das getan hat. Aber ihr klagender Heulton dringt in alle Räume um den Kommandoturm und treibt sie hoch aus ihrem Dahindämmern, die Männer, Frauen und Kinder. Mehr als dreihundert sind schon in den Gängen. „Der Flughafen brennt!“ „Wir müssen in die Tunnel! Flieger! Sind ausgebildete Flieger unter uns?“ „Hier!“ Vier drängen sich nach vorn. Man weicht für Sekunden zurück, macht ihnen Platz. Junge, kräftige Burschen sind es. Europäer und Amerikaner. Ihre braunen Gesichter sind wie aus Stein. Sie haben Angst, aber sie verlieren nicht die Nerven – sie sind entschlossen, zunächst die Frauen und Kinder aus dieser Hölle herauszubringen … Schritte hämmern. Viele Schritte. Menschen werfen sich vorwärts. Da ist schon der Vorsaal. Eine Postenkette? Schritte hämmern. Sie machen nicht halt vor ihr. Wieder blitzen BLPistolen. Wieder fallen welche. Aber was macht das … Die rasende Menge Mensch ist nicht mehr aufzuhalten. Sie sind im Vorsaal. Männer. Frauen. Kinder. Sie wollen le42
ben. Sie wollen zurück zur Erde. Sie rasen, und in ihrer Mitte wehren sich verzweifelt die uniformierten Männer Rodigons. Wieder haben sie BL-Pistolen erbeutet. Riesengroß wachsen die Tunnel vor ihnen auf. Ein Monteur wirft sich im Vorsaal herum und rennt zurück. „Der Kapitän! Wo bleibt der Kapitän?“ Aus den Tunneln treten vierzig Mann. Die BL-Pistolen im Anschlag. „Steht! Keinen Schritt weiter!“ * Keinen Schritt weiter! Es ist, als wüßten die vier Männer, die in diesen Minuten im Raumschiff durch die Räume der kosmischen Schwaden rasen, um das, was sich vor den Tunneln von „A. P. VIII“ abspielt – sie sitzen über ihre Instrumente und Geräte gebeugt und haben nur einen Gedanken: Das schwarze Raumschiff! Nelson O’Hara hat sie damit angesteckt. Als ob dieser ominöse Kasten die Rettung bringen könnte. Die Rettung für Milliarden! Soweit sind sie schon! „Ich habe mir eben die Erde angesehen“, kommt Ingenieur Veis Stimme von Mittschiff, wo er vor der E-Optik sitzt. „Das sieht nicht gut aus, meine Herren! Der Staubbalken scheint an Mächtigkeit zuzunehmen – er dehnt sich ostwärts über den Atlantik aus und greift nach Europa über.“ „Schon gut“, knurrt O’Hara. Der hochgezüchtete Antrieb treibt den „Jupiter“ in kurzen, schwingenden Intervallen vorwärts. „Lassen Sie die Erde, Vei! Achten Sie nur auf ein fremdes Raumschiff! Es muß in diesen Planquadraten sein!“ Nelson O’Hara weiß selber nicht, warum er so scharf darauf ist. 43
* „Der Kapitän!“ Drei, vier Mann von der letzten Postenkette, die vor der heranbrandenden Menschenflut die Tunnel schützen soll, treten zur Seite. Jay Rodigon tritt neben sie und geht ohne zu zögern bis an das Geländer, das die Stufen zu einem Seitengang abschirmt. Er steht hier so, daß sie ihn alle sehen können. Er ist unbewaffnet und lächelt etwas. Das rettet ihm wahrscheinlich das Leben, denn sechs BL-Pistolen sinken herab. „Das ‚A. P. VIII’ ist kein Gefängnis und wir sind keine Mörder, meine Damen und Herren“, ruft er in den Vorsaal. „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß alles geschieht, um Sie möglichst rasch aus dieser Situation zu befreien.“ „Dann lassen Sie uns durch“, erwidert einer der jungen Flieger heftig. „Und verheimlichen Sie uns nichts mehr! Ist es wahr, daß der Flughafen brennt?“ „Am südlichen Rand ist ein Materialbrand ausgebrochen, der sich noch auf wenige Meter beschränkt.“ „Noch? Was heißt das?“ „Wir haben noch zwei Tage Zeit, um den Flughafen zu evakuieren“, sagt Jay Rodigon laut, und er ist sich klar darüber, daß ihn diese Worte vor den Weltgerichtshof bringen können. „In zwei Tagen ist ‚A. P. VIII’ geräumt! Das setzt aber voraus, daß Sie alle Disziplin wahren und mir keine unnötigen Schwierigkeiten bereiten!“ „Man wird uns zur Erdoberfläche zurückbringen?“ „Nein, das ist noch nicht möglich! Wir werden Sie zunächst zu ‚A. P. V’ über Mexiko fliegen.“ *
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Minuten später betritt er wieder sein Arbeitszimmer. Hauksen, der bisher schweigend neben ihm hergegangen ist, nimmt sich eine Zigarette aus der Schale und blickt auf die große Sichtscheibe, hinter der ohne Erbarmen der rote Staub fällt. „Wissen Sie, was Sie da gesagt haben, Kapitän?“ „Natürlich“, fährt ihn Jay Rodigon an und rennt in höchster Erregung hin und her. „Aber glauben Sie, ich will zum Mörder werden? Unten in den Zentralen werden sie sagen, ich dürfe die Menschheit nicht gefährden, um fünfhundert vor den Flammen zu retten, aber ich kann das nicht – ich – wissen Sie, Hauksen, wie das ist, wenn man vor Frauen und Kindern steht und ihnen in die Augen sehen muß …?“ „Verdammt nicht leicht“, nickt Hauksen. Die Selentür öffnet sich geräuschlos und schiebt sich mit leisem Singen wieder zu. Ein Mädchen in Weißer Tracht kommt auf Jay Rodigon zu, der ihr mit zusammengezogenen Augenbrauen entgegensieht. Es ist Ethel Brown. „Ich habe gehört, was im Vorsaal geschehen ist“, sagt sie zu ihm, und es hört sich wesentlich anders an als früher, wenn sie mit ihm „Doppelhopser“ oder ähnliche Verrücktheiten tanzen wollte. „Du willst evakuieren lassen! Darfst du denn das?“ Er winkt ab und tritt an eine weiße Fernsehsäule neben dem Schreibtisch. Seine Finger gehen über weiße Tasten. „TVVerbindung zum Präsidenten“, sagt er herrisch in ein Mikrophon. Minuten vergehen. Qualvolle Minuten, in denen sie nur ihre eigenen Herzen schlagen hören und das Brummen eines Stationswagens, der am Kommandoturm vorbeijagt. Wenn Bider nein sagt! Was dann? Endlich – verschwommen und von der rotgepeitschten Atmosphäre verzerrt – das Bild des Präsidenten auf dem mattleuchtenden Schirm. „Präsident! Ich muß evakuieren lassen! Nach ‚A. P. V’!“ 45
„Ich habe es erwartet, Rodigon“, nickt der Präsident und seine dunklen Augen, in denen es zu wetterleuchten scheint, sind starr auf Jay Rodigon gerichtet. „Aber es geht nicht!“ „Es muß gehen, Präsident! Ich habe eben in letzter Sekunde ein unvorstellbares Unglück verhindern können. Irgendwelche Burschen haben meine Fluggäste aufgepeitscht, und ich werde mich auch noch darum kümmern, warum sie es taten. Aber ‚A. P. VIII’ muß geräumt werden! Der Teller ist verloren! Wir dämmen das Feuer nicht mehr ein! Räumen sie bitte sofort ‚A. P. V’ und ziehen Sie den Flughafen aus dem Verkehr, damit wir nach dort übersetzen können!“ „Glauben Sie“, fragt der Präsident langsam, „daß die Leute dort in Sicherheit sein werden?“ „Für einige Tage, Präsident! Weiter kann ich nicht mehr vorausrechnen! Was dann geschieht, müssen wir einem Höheren überlassen! Ich hoffe immer noch auf O’Hara, aber vielleicht würgt der Staub doch bald die ganze Erde ab – er scheint sich ostwärts auszudehnen.“ „Es ist gut, Rodigon! Sie handeln richtig! Hätte ich auch getan! Ich lasse ‚A. P. V räumen!“ * „Noch immer nichts, Nelson?“ Nelson O’Hara schüttelt müde den Kopf. Vor seinen Augen flimmert es, und in den Schläfen hämmern tausend wildgewordene Teufel. Der „Jupiter“ rast mit Vollgeschwindigkeit durch das All, und die Sicht wird hier am Rande des Schwadenfeldes langsam besser. „Verdammt und …“ „Achtung!“ brüllt Ingenieur Vei von mittschiffs, und noch nie haben sie ihn so triumphieren hören. „Ich habe ihn! Ich habe ihn! Strich 317! Jetzt ist er weg – nein …“ 46
Nelson O’Hara stellt an seiner E-Optik, stellt auf 317 ein. Er sieht nichts. Sterne sind da, weltenweit, feindselig … Erst nach Minuten kann er ein winziges längliches Gebilde ausmachen. Thomas O’Hara läßt den Kasten wie wild darauflosfahren. Nach vier Stunden erkennen sie ein mittelgroßes Raumschiff, das ohne Eigenantrieb im All schwebt, nach einer weiteren sehen sie Einzelheiten. Das große Backbordluk ist geöffnet und an langen Seilen hängen drei Gestalten in Raumpanzern. „Zwei von uns müssen rüber!“ „Wer?“ „Vei und ich!“ * Der Wagen rast die Bergstraße hinauf. Die Schatten der hereinbrechenden Nacht fallen schwer von den Höhen und werden nur flüchtig von den starken Scheinwerferkegeln des Wagens zurückgeworfen. Tief unten leuchten die Fenster eines abgelegenen Dorfes auf, aber als die Bergstraße in einer scharfen Kurve die Felsen schneidet, drehen sie sich weg und verschwinden im Dunst. Im Osten glüht der dunkelnde Himmel von den Staubfällen wider, die unvermindert anhalten. Dort muß die Ostküste der Staaten liegen – aber es ist noch sehr weit ab … Der Wind kommt auf. Er biegt die Föhren. Ein Tier rennt vor dem heranbrausenden Wagen über die Straße und verschwindet im hohen Gras. Wieder Föhren, die in langer Reihe schräg von einer Höhe herab an die Straße führen. Der Wagen wird an dieser Stelle scharf abgestoppt, links herumgerissen, verläßt die Straße und klettert hinter den Föhren über nackten braunen Fels höher. Die Scheinwerfer erlöschen. Der Wagen muß für solche Bergfahrten eingerichtet sein. 47
Nach einigen hundert Metern ein spitzer Felskegel. Der Wagen stolpert um ihn herum und arbeitet sich über einen Moosteppich auf ein flaches Haus zu, das aus grauen Platten zusammengesetzt worden ist. Eine hagere lange Gestalt kommt aus einer Tür und winkt. Der Wagen hält. Drei Kerle in Ledermänteln springen heraus, die nicht besonders tugendhaft aussehen. „Der Professor ist noch auf“, meldet der Lange mit einer hohen Kinderstimme. „Er weiß es noch nicht.“ „Schadet auch nichts“, knurrt der, der den Wagen gesteuert hat. Sie treten in das Haus, in ein großes behaglich eingerichtetes Zimmer, in dem vor einem hohen Bücherregal ein älterer Mann mit feinen Gesichtszügen steht und verwundert von dem Buch aufblickt, das er in den Händen hält. „Sie, Gollins“, sagt er ohne große Freude. Auch Gollins schenkt sich einen Gruß. „Professor, wir haben eine Anweisung auszuführen! Ich muß Sie bitten, uns zu folgen!“ Das Buch wird aufreizend langsam zugeklappt und in eine Lücke zwischen anderen Büchern geschoben. Der schmale Rücken des älteren Mannes ist Gollins und seinen Kumpanen zugewandt. Dann dreht sich der Professor wieder um. Er atmet tief und verzweifelt und reißt sich den Kragen auf. „Gollins, wissen Sie, daß Ihr Chef der grausamste Verbrecher und Sadist in der Geschichte der Menschheit ist?“ „Ich bin nicht gekommen, um mich mit Ihnen zu unterhalten, Professor.“ „Natürlich nicht! Wie kann man sich auch mit Ihnen und Ihresgleichen unterhalten! Ihr Chef weiß, daß es möglich ist, über den menschenleeren Gebieten des Erdmondes …“ „Machen Sie sich fertig!“ Der Professor lächelt höhnisch. „Sie sollen mich wohl umbringen, was?“ 48
Gollins tritt einen Schritt vor. „Bitte beeilen Sie sich! Wir haben wirklich nicht lange Zeit!“ Der Professor hebt die Schultern und nimmt eine Mappe mit. * Eine halbe Stunde später brausen sie den Weg zurück. Fern im Osten wird der Staubregen stärker. In dieser Nacht auf den 20. Juni geschieht es, daß vom Außenobservatorium bei der Weltbehörde eine folgenschwere Meldung eingeht. „Der Staubbalken verändert seine Richtung. Er wird Westeuropa in einigen Stunden erreichen. Es sind Anzeichen dafür vorhanden, daß er über Westeuropa bis auf die Erdoberfläche durchstoßen wird.“ Die Weltbehörde ist auf Überraschungen eingestellt und doch trifft dieser Schock gewaltig. Sie weiß, daß sie nicht viel tun kann. Sie gibt für Westeuropa bis zur Elbe Katastrophenalarm und fordert die Bevölkerung auf, in unterirdische Räume zu gehen, in Bunker, Keller … „Der Tod greift nach Europa“, hämmern die Nachrichtendienste. „Der Tod greift nach Europa!“ Rot wächst der Balken aus dem Himmel. Schiebt sich über das Meer heran. Unbarmherzig. Wird er die Menschheit eines winzigen Planeten ausradieren? Mit der Flut kommt das Verderben heran und erreicht kurz nach vier Irland. Es gibt Tote. „200 Tote in Irland“, schreien die Lichtdruckzeitungen. In Hamburg ruht der Verkehr. In Kopenhagen. In Oslo. * „A. P. VIII“ aber wird geräumt. Während die Intensität des Staubfalles hier etwas nachläßt, treffen von „A. P. V“ drei kleinere interkontinentale Maschinen 49
ein, die zunächst die Frauen und Kinder vom brennenden Flughafen herunterbringen sollen. Jay Rodigon sieht in Gesichter, aus denen die Angst zu weichen beginnt. Einige Frauen gehen auf ihn zu und danken ihm. Er lächelt und läßt sich nicht anmerken, daß ihm das Herz noch schwerer wird. Er weiß, daß der Tod mit zu „A. P. V“ fliegen wird. * Zwei Männer gehen im Gang zum Vorsaal auf und ab. Das fällt nicht auf in dieser Stunde, da alles in Bewegung ist, da das Hämmern der Schritte über die Kunststoffplatten zu einer Geräuschkulisse wird, deren Rhythmus so aufpeitschend ist wie die ganze Stimmung vor dem Start der beiden Maschinen. „Wenn wir morgen an der Reihe sind, haben wir es geschafft.“ „Du willst mit zu ‚A.P.V.’?“ „Unsinn! Ich denke nicht daran!“ Der Mann, der das sagt, lächelt so wie vor drei Jahren, als er den jungen Ingenieur Napp in die Zange nahm. „Ich weiß schon, was ich unterwegs tue! Aber wir müssen hier erst raus sein!“ „Die Larsen …“ „Gloria Larsen habe ich vorhin gesehen! Verdammter Zufall, ihr ausgerechnet hier unter die Augen zu geraten! Aber sie kennt zum Glück nicht meinen Namen.“ „Aber andere kennen ihn! Auch die vom Nachrichtendienst ihrer Gesellschaft! Oder warum hast du damals den Flaggenwechsel vorgenommen, wie?“ Der Mann mit der leisen freundlichen Stimme beißt sich die Lippen blutig. „Glaubst du, daß sie sich die Mühe macht, in New York anzufragen? Bei der TCA? Sie kennt doch die Zusammenhänge nicht.“ „Wenn schon! Dieser Frau ist alles zuzutrauen!“ 50
* „Die sind tot …“ Nelson O’Hara und Vei unterhalten sich über Raumfunk miteinander, während sie sich von ihren Rückenaggregaten auf das düster gähnende Loch in der schwarzen Bordwand zuschießen lassen. Nelson blickt auf die regungslosen Gestalten, die an blitzenden Seilen vor dem Luk hängen. „Da ist nichts mehr zu machen, Vei. Sehen Sie sich die Ansatzstücke der Kopfhauben an; die sind undicht! Wahrscheinlich sind sie Hals über Kopf ausgestiegen! Verdammte Schlamperei! Mal sehen, was drinnen los ist …“ Mit einem Hebelgriff stoppt er sein Aggregat. Der letzte Schuß bringt ihn bis zur unteren Kante des Einstiegs. Vei folgt ihm. Sie ziehen sich an den Toten vorbei in die Schleusenkammer. Ruhig und aufmerksam prüfen sie ihre Umgebung. Die länglichen Schilder an den Wänden enthalten Anweisungen in Englisch. Neben einem chromblitzenden Ständer ein Schaltbrett mit der üblichen international genormten Tastatur. So geheimnisvoll wirkt der Kasten gar nicht, man müßte nur wissen, wem er gehört. Nelson legt den vierten Hebel zurück. Vor ihnen öffnet sich die innere Schleusenwand. Nelson O’Hara kann in den Mittelgang blicken, und es ist verständlich, daß er erschrocken zurückprallt. „Vei!“ stößt er hervor und packt den Ingenieur. „Sehen Sie …“ Im Mittelgang kriecht ein Mensch auf allen vieren. Er trägt einen Raumpanzer. Als die Schatten der beiden groß und unheimlich über ihn wegfallen, taumelt er mit einer wilden Bewegung halb hoch, fällt aber gleich wieder hin. Nelson O’Hara marschiert, so schnell er kann, auf ihn los. Er ist noch nicht bei ihm, als er sich auf den Rücken wälzt. Das sieht so traurig und erbarmungswürdig aus, daß dar Astrophysi51
ker sich zusammennehmen muß, um den Anblick ertragen zu können. Der Mann stirbt. Keiner wird ihm helfen können. O’Hara blickt zu Vei zurück, der die Schleuse zusummen läßt und auf ihn zukommt. O’Hara hockt sich nieder. Ein schmales Männergesicht unter der Haube, mit Vollbart und nicht besonders anziehend. Die Augen weit aufgerissen. O’Hara liest rasch den Sauerstoffgrad von seinem Messer ab und öffnet mit der einen Hand seine eigene Kopfhaube, mit der anderen die des Sterbenden. „Hallo“, sagt er laut und freundlich. „Ich bin Nelson O’Hara vom astrophysikalischen Weltamt! Können Sie mich verstehen?“ „Ich heiße Mike Lewis“, quält es sich über die zerrissenen Lippen des anderen. Man kann ihm ansehen, daß er um jedes Wort kämpfen muß. Wahrscheinlich ist er innerlich sehr schwer verletzt. „Haben Sie – Wasserdrops?“ O’Hara reißt schon den Reißverschluß über einer Seitentasche zurück und gibt ihm drei. Mike Lewis schließt die Augen und gibt sich dem wohligen Gefühl hin, wenigstens noch einmal seinen Durst stillen zu können. Dann sieht er Nelson wieder groß und klar an. „Sie wollen wahrscheinlich wissen, was man noch für die Erde tun kann, wie?“ Nelson O’Hara atmet tief auf. „Lewis, ich weiß nicht, wer Sie sind und was sich hier zugetragen hat, aber ich bitte Sie – denken Sie daran, daß es schwer ist, eine ganze Menschheit dem Verderben preiszugeben …“ „Sieht – es so schlimm aus?“ „Wenn nicht ein Wunder geschieht, Lewis …“ „Ein Wunder?“ lächelt der arme Bursche verzerrt. „Sie sollten nur den Professor finden …“ O’Hara beugt sich über ihn und packt seine Schultern. Lewis 52
wird leiser, aber er spricht noch. Er spricht noch elf Minuten, bis ihm das Blut aus dem Mund strömt, und auch dann noch drei Minuten. Dann ist es vorbei. * Der Mann, der vor drei Jahren Ingenieur Napp erschossen hat, kommt nicht zur Ruhe. Er spürt, wie irgend etwas auf ihn zukommt. Drohendes. Etwas, was er nicht erkennen und begreifen kann. Hände greifen aus dem Nichts nach ihm und legen sich um seinen Hals. Damned! Er bleibt stehen, mitten im Trubel von Tunnel IV, in dem eben wieder eine Maschine mit Frauen und Kindern startet. Zwei uniformierte Männer vom Personal stoßen gegen ihn und entschuldigen sich höflich. Er hört es nicht. Was habe ich nur? grübelt er. Er ist einer von denen, die sonst nichts von Ahnungen halten, doch jetzt überfällt ihn ein furchtbarer Gedanke. Sie sind mir auf der Spur. Er geht mit langen Schritten an der Tunnelwand entlang zum nächsten Ausgang. Männer drängen sich an ihm vorbei. Die nächste Maschine wird bereits Männer mitnehmen. Außerdem wird es auf einmal sehr kalt. Die Kälte breitet sich in den Tunneln aus – sie muß von außerhalb kommen. Es ist gut, daß sie nicht wissen, was diese Kälte zu bedeuten hat. Aus der Kälte heraus tasten wieder Hände vor und legen sich eisig um seinen Hals. „Mein Wort, Napp, Sie werden leben, wenn Sie mir alles sagen!“ Dann drei bellende Schüsse. Der Mann hastet weiter und atmet auf, als der Spuk wieder verschwindet. Er verläßt den Tunnel durch den nächsten Ausgang und rennt fast in den Verkaufsgang hinein, wo sein 53
Freund hinter einer Flugplansäule steht und ihn heranwinkt. Er zeigt auf eine schräg gegenüberliegende gelbe Tür mit der Leuchtschrift „Radio-Service“. Es dauert keine drei Minuten, dann gleitet diese Tür weg und läßt Gloria Larsen durch. Sie geht rasch in entgegengesetzter Richtung davon. „Das kann Zufall sein! Nehme an, sie hat mit ihrer Gesellschaft gesprochen, aber …“ „Wir müssen raus, Perkins!“ * Die Kälte nimmt zu. Sie strömt von der Stelle aus, an der der atomare Brand sich scheinbar immer noch so träge in den Kunststoff der Ebene frißt. Noch vor einigen Minuten war es dort so heiß, daß die Posten des Löschzuges beinahe irrsinnig wurden. Nun klappern sie wie am Nordpol. Sie erhalten den Befehl, sich um einige hundert Meter zurückzuziehen. In Dublin wissen sie, was diese Kälte bedeutet – aus ihr wird gleich wieder in den schauerlichen Verwandlungen der entfesselten Energien eine Hitze aufbrüllen und wie ein Sturm losrasen … In diesen Minuten aber erreicht der Staubbalken mit seiner östlichen Seite die Unterelbe. Im Weltall schießen die Rückenaggregate Nelson O’Hara und Vei zum „Jupiter“ zurück. * „Hauksen …“ „Die letzten Frauen verlassen in 30 Minuten den Flughafen“, meldet der stellvertretende Chefingenieur sachlich vor Jay Rodigon. „Ich glaube, wir schaffen das noch!“ Er zeigt nach draußen. Jay Rodigon versteht ihn. 54
„Wenn das Biest aber erst losbrüllt …“ Rodigon sieht auf die schwarze Tafel mit den Anzeigern, die seit einigen Stunden vor ihm auf dem Schreibtisch steht. An ihr kann er die Grade ablesen, die vorn an der Brandstelle herrschen. Er muß sich zwingen, nicht immer wieder hinzusehen. Verdammt, wir werden es vielleicht doch nicht schaffen. Hauksen! Er sagt aber nichts, er schiebt sich mit einer kurzen Bewegung die Pfeife zwischen die Zähne. „Dann hätten wir wenigstens die runter! Sie sind nicht verheiratet?“ „Es kommt nicht darauf an, ob ich hier noch rauskomme“, sagt Hauksen kaltblütig. „Ich habe niemand.“ Jay Rodigon murmelt etwas und wirft sich seine Asbestjacke über. „Eines will ich aber noch! Ich will die Herren kennenlernen, die mir fast eine Panik auf den Hals geschickt hätten!“ „Da steckt was dahinter!“ Jay Rodigon tritt an die Fernsehsäule und schaltet auf Stationsempfang. Nacheinander gleiten alle wichtigen Abteilungen von „A. P. VIII“ an ihm vorbei. Männer sitzen vor ihren Geräten, stellen Meßkreise ein und geben laufend der eben abgegangenen Maschine die Leitimpulse. Sie werden das bis zur letzten Minute tun … Der Kapitän wendet sich ab und will auf die Selentür zugehen, als auf dem Schreibtisch eine Klappe aufspringt und aus einer Vertiefung ein breiter Meldestreifen herausrollt. Hauksen beugt sich darüber, reißt aber gleich seinen Kopf wieder hoch. „Von O’Hara, Kapitän!“ Rodigon ist schon wieder neben ihm und reißt den Streifen ab. Ohne daß er es eigentlich will, beginnt er halblaut vorzulesen. „Haben das schwarze Raumschiff gefunden und sind an Bord gegangen. Raumschiff gehört Gangstern. Es handelt sich um die Plutobande, die vor Jahren Stützpunkte auf Venus und Eros überfiel und eigene Stützpunkte unterhält. Bande befaßt sich 55
mit Verbrechen aller Art im All, auch mit Spionage und Sabotage für unbekannte Auftraggeber …“ Die Selentür öffnet sich. Zwei Angehörige der Flughafenpolizei treten ein. In ihrer Mitte geht Gloria Larsen. Sie ist aufgeregt, und als sich hinter ihnen die Selentür wieder schließt, atmet sie ordentlich auf. Rodigon und Hauksen hören nicht, daß sie eintreten. „Vei und ich erfuhren das von einem sterbenden Bandenmitglied. Sie sollten mit Raumschiff Uranfeld 414 auf Mond angreifen und gerieten dabei in das Schwadenfeld. Nach Aussage des Bandenmitglieds sind sie schon vor Jahren mit S-Gasen in Berührung gekommen. Vor Pluto. Sie hätten damals einen Wissenschaftler an Bord gehabt, der ihr Gefangener gewesen sei und sich intensiv mit diesen Schwaden beschäftigt habe. Er habe erklärt, die Schwaden würden auch in Erdnähe geraten, aber er könnte sich denken, wie man sie dann zu bekämpfen haben werde …“ „Mein Gott!“ stöhnt Hauksen auf. „Gibt es wirklich einen solchen Mann?“ „Nur Bandenchef kennt den Namen des Wissenschaftlers“, liest Rodigon weiter ab. „Aber dieser verurteilte Wissenschaftler absichtlich zu Untätigkeit, um aus der Notlage der Menschheit seine Vorteile zu ziehen. Bandenchef heißt Bell.“ „Wie heißt er?“ schreit eine Frau auf, und das ist Gloria Larsen, die mit vorgestreckten Armen auf Rodigon zurennt und ihn an den Schultern packt. „Sagen Sie doch – heißt er wirklich Bell?“ Jay Rodigon zuckt zusammen und starrt sie verständnislos an. „Er heißt Bell – aber – woher kommen Sie und was …?“ „Bell ist hier“, stammelt sie, „er ist im Flughafen! Ich habe ihn gleich wiedererkannt und beim Nachrichtendienst meiner Gesellschaft nach seinem Namen gefragt! Wir hatten mal was mit der Plutobande, und einer hat damals seinen Namen gesagt. 56
Ich hatte ihn wieder vergessen! Aber Sie müssen ihn festnehmen – es ist Bell …“ Jay Rodigon zieht die zitternde Weltraumfliegerin, die sonst so nervenstarke, an sich heran, und seine Augen sind auf ihr Haar gerichtet, doch er sieht es nicht. „Wenn das wirklich so ist“, sagt er leise, und sie haben ihn noch nie so sprechen hören, „wenn das wirklich so ist, daß einer weiß, wie man die Menschheit vor diesem Unglück bewahren kann, und er verschweigt es, weil er meint, er hat es nicht nötig – dann – gnade ihm der Himmel …“ Sein Gesicht ist kalt. * Hoch über dem Atlantik rasen zwei Stratosphärengeschwader. Sie kommen von Westafrika und sind eben alarmiert worden. Sechs Minuten nachdem Jay Rodigon leise gesagt hat: „Dann – gnade ihm der Himmel.“ Sie haben Kurs auf die Bermudas. * „Mister Caselli?“ Der Mann mit der freundlichen leisen Stimme hält den Atem an. 164 steigen in die rotweiße Reisemaschine, die schlank und rassig in der Landebahn von Tunnel I ruht. Eine scheinbar endlose Kette von Männern. Sie blicken scheu um sich, denn es wird immer kälter, und es hat sich inzwischen herumgesprochen, was es damit auf sich hat. Noch drei vor ihm, noch zwei. Der Mann tut, als höre er nicht, daß er angesprochen wird. Aber dann fassen von hinten Hände nach ihm. Er fährt kreideweiß herum, aber diesmal sind es ganz natürliche feste Hände, und sie gehören einem der bei57
den Angehörigen der Flughafenpolizei, die hinter ihn getreten sind. „Mister Caselli? Der Kapitän läßt Sie zu sich bitten!“ „Aber das hier ist die letzte Maschine“, begehrt er auf. „Ich denke nicht daran, hier umzukommen! Sagen Sie das Ihrem Kapitän!“ „Es geht in einer halben Stunde noch eine Maschine von Tunnel III. Für das Flughafenpersonal!1“ grinst einer der beiden freundlich. „Wir wollen hier doch auch nicht umkommen, Sir! Dürfen wir bitten?“ Der Mann hebt die Schultern und klemmt sich seine Tasche fester unter den Arm. Er ist wieder ganz ruhig, und das ist seine Stärke – wenn er einer Gefahr nicht ausweichen kann, überkommt ihn eine Gelassenheit, als säße er nur am Schachbrett einem Gegner gegenüber. Was können die mir schon anhaben, denkt er. Und dann: Ich habe sie ja doch in der Hand! Gollins wird es ihnen schon zeigen. Sie gehen mit ihm durch leere Gänge. Koffer stehen hier herum. Reisetaschen. Taschentücher und Kleidungsstücke liegen verstreut. Irgendwo lehnt gegen eine Wand ein Teddybär, den ein kleiner Junge nicht mitnehmen durfte. Einer der Polizisten bleibt stehen und hebt ihn auf. „Der arme Kerl soll hier nicht verbrennen“, lacht er etwas unsicher. „Los, weiter …“ Ihre Schritte dröhnen hohl … In diesem Augenblick kommt von dem Tunnel her ein helles Singen, das ansteigt und in ein schrilles Pfeifen übergeht. Die Reisemaschine gleitet durch Tunnel I und schießt wie ein leuchtender Pfeil gegen den Himmel – verschwindet in der Stratosphäre … „Bitte, hier herein, Mister Caselli.“ 58
* Die weite Ebene des Flughafens liegt still da. Die Asbestmänner des Löschzuges sind zurückgezogen worden. Zu bewachen und zu behüten gibt es nichts mehr. Nur auf dem großen Bildschirm in Dublin und im Kommandoturm sehen sie, was in diesen Minuten an der Brandstelle geschieht. Eine unerträglich weiße und grelle Flamme steigt auf, windet sich tierhaft und bösartig in die dünne Luft der Stratosphäre vor. Löst sich von der zersetzten Materie. Schwebt einige Meter empor – dann langsam wieder zurück. – – * Jay Rodigon lacht nicht ironisch, wie es sonst seine Art ist, wenn er einen Menschen sieht, den er nicht ausstehen kann. Sein Gesicht ist kalt, als sie mit dem Mann hereinkommen, der vorgibt, Caselli zu heißen. Neben Rodigon stehen Hauksen und Gloria Larsen. „Ich nehme an, Sie wissen, was ich von Ihnen will, Mister Bell.“ „Sie scheinen sich in der Person zu irren, Kapitän“, sagt der Mann gelassen und sieht auf seine Armbanduhr. „Ich stelle fest, daß soeben die letzte Passagiermaschine den Flughafen verlassen hat! Sie sind auf dem besten Wege, sich eines Mordes schuldig zu machen.“ Jay Rodigon zuckt es in den Fäusten. „Ich weiß, daß Sie Bell heißen und der Chef der Plutobande sind, die …“ Eine schwere Erschütterung geht durch den Stratosphären59
flughafen, läßt den Boden unter ihnen wanken. Mit einem Schlag erlöschen die Flutlichtgeber. In die Dunkelheit hinein knallt die schwarze Meßtafel auf Rodigons Schreibtisch auseinander. Ein Splitter schlägt gegen Rodigons Stirn und reißt sie auf. Keiner sagt etwas. Sie können sich denken, wie es jetzt draußen aussieht; und nach wenigen Sekunden sehen sie es auch. Eine Hölle von gleißendem weißrotem Licht brandet aus der Ebene hinter dem Kommandoturm hervor, fällt über sie her. „Ich nehme an, daß wir nun noch zwei oder drei Stunden zu leben haben“, sagt Rodigon, der spürt, wie es ihm warm über das Gesicht rinnt. „Wir beide, Bell – Sie und ich! Die anderen verlassen sofort mit der letzten Maschine den Flughafen!“ Keiner rührt sich. Hauksen nicht, und auch die anderen nicht. Es ist ganz instinktiv. Sie schämen sich, jetzt abzuhauen. Hauksen will etwas sagen. Da gellt das Heulen der Sirene dazwischen. Vom Kommandoturm rufen sie das Personal in Tunnel I. Der Teller ist verloren … Rodigon steht da, etwas vornübergebeugt und mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Raus mit euch! Hauksen, das ist ein Befehl!“ Hauksen stiert ihn benommen an und kaut, wendet sich dann aber doch ab und verläßt mit Gloria Larsen und den beiden Polizisten den Raum. Rodigon will es so, aber es ist ein verdammt scheußliches Gefühl, ihn jetzt allein zu lassen … „Wir sind jetzt allein, Bell“, sagt Rodigon kalt. „Hundert Meilen von uns ab kreisen zwei Stratosphärengeschwader der Weltpolizei, die ich angefordert habe, aber sie werden nur auf ein Zeichen von mir herankommen …“ „Sie irren, Sir“, grinst der Mann und reißt einen Revolver aus der Tasche. „Sie werden hier allein sterben.“ Mit einem gewaltigen Satz fliegt Rodigon auf ihn zu. 60
* Der andere hält dem Anprall nicht stand. Jay Rodigon kann noch seine Fäuste anbringen und die Hand mit dem Revolver abwehren. Sie fallen übereinander. Rodigon hat das blasse Gesicht mit dem eingefrorenen Grinsen unter sich und möchte hineinschlagen. „Ich könnte dich umbringen, Bell! Sag rasch, wo dieser Professor steckt!“ „Kenne keinen Professor.“ „Du bist Bell, der Chef der menschenfreundlichen PlutoKiller! Hörst du, Bell – hörst du …?“ Der Brand heult mit einer Stärke heran, für die es keinen Meßwert mehr gibt. Aus der weißen Flamme ist eine Feuerfront geworden. „Hörst du, Bell?“ Der Mann unter ihm verdreht die Augen und scheint angstvoll nach der Sichtscheibe zu spähen, aber Rodigon fällt auf diesen schönen Dreh nicht herein. Er sieht, wie er den rechten Arm anzieht. „Keine Dummheiten, Bell! Ich pflege auf so etwas sauer zu reagieren! Komm hoch!“ Er steht auf, steckt Bells Revolver ein und wischt sich wieder die blutende Stirn. Der Chef der Plutogangster verzichtet auf weitere Mätzchen und stemmt sich auf. Rodigon läßt ihn zu einem Sessel gehen und sich hineinsetzen. Der Sessel steht so, daß er auf die heranrückende Feuerfront sehen muß. Jay Rodigon setzt sich ihm gegenüber; er schlägt die Beine übereinander und steckt sich gemütlich seine Pfeife an. „Es gibt jetzt für uns zwei Möglichkeiten, Bell – entweder Sie sagen mir, wo sich der Professor aufhält, der unseren schönen Stern vielleicht noch retten könnte, und wir beide werden von den Stratosflitzern an Bord genommen – oder Sie bleiben 61
stur, und wir beide werden von dem Tier da draußen gefressen! Ein schönes Tier, nicht wahr? Ein Feuertier!“ Der Mann duckt sich und möchte wegsehen, aber was nützt das – das Heulen bleibt – das scheußliche Heulen . . „Darf ich Ihnen einen Whisky anbieten, Bell?“ „Whisky pur.“ Jay Rodigon schenkt ihm einen ein und der andere ist klug genug, sich ruhig zu verhalten. Mit einem Ruck gießt er den Schnaps hinunter. Er zwingt sich, das Glas ruhig in seiner Hand zu halten. Als es ihm gelingt, wird er wieder sicherer … „Sie haben uns beide in eine schöne Situation gebracht, Rodigon“, grinst er mit schweißnassem Gesicht. „Sie wollen es wirklich darauf ankommen lassen? Nun, wenn es Ihnen Spaß macht – ich bin der, für den Sie mich halten …“ „Das bringt uns einen Schritt weiter, Bell – und nun tun Sie den zweiten.“ „Den Gefallen kann ich Ihnen nun leider nicht tun, Rodigon! Sie scheinen die Macht meiner Organisation zu unterschätzen! Ich glaube jedenfalls nicht, daß ich es sein werde, der …“ In der Wand bewegt sich die Selentür. Sie sehen es beide. Rodigon hält den Atem an und beugt sich vor. Einer muß draußen auf dem Gang sein und sie öffnen. Ein Mensch? – ausgeschlossen … Aber dann erlebt er die größte Überraschung seines Lebens. Die gelbe Türplatte gleitet weg und Ethel Brown tritt ein. Sie scheint sich nicht wohl zu fühlen, aber sie tut so, als sei es die selbstverständlichste Sache von der Welt, hier hereinzukommen. Jay Rodigon hat das Gefühl, auf der Stelle zusammengeboxt zu werden. Er bleibt sitzen, weil er Bell nicht aus den Augen lassen darf – aber es kostet ihn verdammt große Anstrengungen. . : Ethel geht auf ihn zu. Sie winkt ab, als er etwas sagen will; sie ist einfach da. Schleierhaft, wie sie es fertiggebracht hat, zurückzubleiben. 62
„Ich habe noch mit Gloria Larsen gesprochen“, sagt sie. „Sie wollte nicht, daß ich hierblieb, aber sie hat …“ „Du Kindskopf“, bricht es aus ihm hervor. „Natürlich Ethel Brown! Nichts als Dummheiten! Was hast du dir dabei gedacht?“ „Soll ich jetzt melodramatisch werden?“ Jay Rodigon erwidert nichts. Er braucht dringend einen Schnaps. Sie nimmt eine Flasche und schenkt ihm ein. Draußen erreicht die Flammenfront die Tunneleingänge. * Von den Maschinen der Stratosphärengeschwader aus sehen sie es. Sie kreisen hundert Meilen vor der brennenden „A. P. VIII“, aber deutlich können ihre Besatzungen erkennen, wie die Flammen sich in die Tunnel ergießen und sie auseinanderreißen. „Keine zwei Stunden mehr für Jay Rodigon!“ „Keine Stunde …“ * Die drei in der Hölle halten den Atem an. Sie hören, wie die Flammen in die Gänge vorpreschen, die in die unteren Räume führen. Bell sieht aus, als müsse er sich übergeben. In diesen Sekunden wankt wieder seine ganze Überheblichkeit. Jay Rodigon gießt sein Glas herunter. „Jetzt wird es warm, Bell! Innerlich und äußerlich! Das dauert nicht mehr lange, dann bricht der Brand unseren schönen Teller von unten her auseinander. Wir sind 18 000 Meter hoch, Bell! Wo kann die Weltpolizei den Professor rausholen?“ „Von mir erfahren Sie es nicht!“ „Meine Anerkennung – Sie haben Nerven …“ 63
* Über Westeuropa bricht die Katastrophe herein. Die Menschen, die in diesen Nachmittagsstunden noch auf den Straßen und Feldern sind und zum Westhimmel aufsehen, an dem es rot und fremd auf sie zukriecht, weichen erschrocken vor dem eisigen Hauch zurück, der vor diesem kosmischen Phänomen hereilt. Die Temperatur sinkt in drei Stunden bis auf minus 32 Grad. Zum Glück funktionieren noch die Klimaanlagen der meisten Häuser, aber diese grausige und unnatürliche Kälte hat zur Folge, daß Millionen panikartig die bergenden Bunker und Keller verlassen und in ihre Wohnräume zurückströmen, wo sie dem roten Staubfall schutzlos ausgeliefert sein werden. 32 Grad minus am 23. Juni 2001! Das trifft Westeuropa wie ein gewaltiger Donner, der von Horizont zu Horizont rollt, der Menschen mordet, der Häuser auseinanderreißt und Bäume krachend umstürzen läßt. Es gibt keine Rettung vor ihm. Es trifft die Ströme und Meere, die sich gegen ihn wehren mit der ganzen sommerlichen Wärme, die sie schon aufgespeichert haben. Gewaltige Dampfmassen treibt kurz darauf der rote Staubbalken vor sich her und läßt sie über dem schon vereisten Land niedergehen. Zwischen Antwerpen und Brüssel kreist ein großer Coleopter. Zwei Physiker der Weltbehörde sitzen in ihm. Die Maschine ist nichts als eines der fliegenden Laboratorien, die überall unterwegs sind. Zwei blutleere Gesichter über einem Meßstrich, der sich unruhig über den Zahlenwerten bewegt. Das nackte Entsetzen hockt neben den beiden … „Es ist gut, daß die dort unten noch nichts wissen. Sie glauben nur an Staubfall. Sehen Sie.“ 64
„Ich sehe schon. Solche Kälte kann nur ein atomarer Brand vorausschicken. Aber ist denn das möglich?“ „In zwei Tagen wird Europa verbrennen!“ * „Hören Sie, Bell!“ „Miß Brown wird so freundlich sein, mir noch einen Whisky einzuschenken“, lächelt Bell, und es soll sich freundlich und überlegen anhören, aber sein Gesicht ist eine Maske – sonst nichts … Ethel Brown sieht auf den Kapitän. Der schüttelt den Kopf. „Nun gibt es nichts mehr. Bell! Sie sollten sich schämen! Man wechselt doch nicht angeheitert in die ewigen Jagdgründe über! Hören Sie?“ Der Chef der Plutobande duckt sich wieder. Sie hören, wie sich der Rhythmus seines Atems ändert. Jay Rodigon grinst, und zum erstenmal legt sich seine Hand auf Ethels Arm, der dicht neben ihm ist. Es tut mir leid, Ethel, verdammt, es tut mir leid, daß du hier mit uns umkommen mußt. „Hören Sie es, Bell? Bell, hören Sie es, das leise Tapsen, wie von schleichenden Schritten, das Flüstern der Geister, die vor der Feuerfront hertänzeln? Der Brand ist in den Gängen, Bell, er kommt näher, darum hört es sich so an! Was wissen wir von der Natur, Bell – vielleicht sind es wirklich Geister, die aus dem Kosmos zu uns kommen?“ „Hören Sie auf!“ schreit er dazwischen, kommt hoch, wirft die Arme in die Schauer des flammengepeitschten Zwielichts und stürzt zu Boden. „Ich sage es Ihnen“, wimmert dieses Bündel Mensch, dieses gebrochene, von Grauen gepeinigte … „Wir verlassen ‚A. P. VIII’ erst, wenn der Professor frei ist. Also, Bell …“ Bells Lippen bewegen sich wieder. 65
* Jay Rodigon hört ihn einen Namen aussprechen. Und einen Ort nennt er, an dem sie den geheimnisvollen Professor gefangenhalten. Die Fernsehsäule funktioniert noch und Ethel Brown, die sich jetzt so hält, wie es nur wenige Frauen fertigbringen würden, tritt vor sie und ruft etwas in das Mikrophon. Minuten später rast das 71. Bataillon der Weltpolizei los. Es ist in Atlanta in den Staaten stationiert und verfügt über modernste Flugwagen und Strahlenwaffen. Mit heulenden Sirenen jagt es über Städte und Dörfer dahin. Hält Südwestkurs. Das Land steigt an und geht in enge Schluchten und hohe Felsen über. Captain Morrison führt das Bataillon, und er hat direkt von der Weltbehörde den Befehl erhalten, diesen Professor – der Eric Anthony Walker heißt und früher als Verfasser populärwissenschaftlicher Werke bekannt war – herauszuhauen, und zwar so, daß er „noch atmen und denken und sprechen kann“. Captain Morrison und seine Jungen wissen, daß sie nicht mehr viel Zeit haben. Westeuropa wird brennen! hämmern die Schlagzeilen in den Nachrichtensendungen der TV. Westeuropa wird brennen, weil die Geißel des Frostes es peitscht! Im angegebenen Planquadrat erhalten sie überraschend Schnellfeuer. * Gloria Larsen schüttelt viele Hände. Sie ist eben im Raumfahrtzentrum der Erde auf der westafrikanischen Insel Essauu gelandet. Man hat ihr eine Sondergenehmigung zum Verlassen von „A. P. V“ erteilt, weil die Welt66
behörde doch nicht mehr glaubt, die Katastrophe noch abwenden zu können. Schneider, Okrassa, Humberth, Anderson, Goffrey, Hansen und wie die Verantwortlichen der Raumfahrt alle heißen, stehen im Halbkreis um sie herum. Auch Kommodore Sol-Affandi kommt hinzu. „Mensch, Mädel, hast du ein Glück gehabt!“ „Ja, ich bin noch mal davongekommen“, lächelt sie untergründig. „Aber ich habe jetzt nicht lange Zeit! Ich brauche ein Schiff, meine Herren! Ist die ‚Meteor III’ frei?“ Sie verzichten darauf, mit Einwänden zu antworten, denn sie kennen Gloria Larsen zu gut. In einem hellen Rundraum, von dem aus man weit über das Meer sehen kann bis zur Kimm, an der es seit einigen Stunden seltsam rot aufglüht, treten sie vor große Projektionsflächen, an denen der Stand aller irdischen Raumschiffe abzulesen ist. Gloria Larsen betrachtet sich eingehend diese Tafeln und deutet auf einen Punkt in Mondhöhe. „Ist das der ‚Jupiter’?“ Kommodore Sol-Affandi nickt. „Ja, das ist O’Hara!“ „Dann geben Sie bitte unverzüglich dem Schiff Anweisung, den Kurs auf CH 117 zu ändern!“ sagt die junge Raumfliegerin so bestimmt, daß sie wieder keinen Einwand wagen. „Ich werde mit ‚Meteor III’ in seine Nähe kommen und übersetzen! ‚Meteor III’ ist doch frei?“ „Kannst du haben, Gloria! Aber – was soll das …?“ Neugierig und irgendwie ergriffen sehen sie, wie diese schöne rotblonde Frau schon wieder so angriffslustig vor ihnen steht, wie sie sie schon lange kennen. Sie langt in die Seitentasche ihrer zerknitterten Hose, die sie noch immer trägt, zieht einen Zettel hervor und reckt ihn Kommodore Sol-Affandi hin. „Ihr wißt doch, wie es um uns steht! Wenn uns noch einer helfen kann, dann ist es dieser Professor, den die Weltpolizei sucht …“ 67
„Haben wir eben gehört, Gloria.“ „Vielleicht gibt es diesen Professor gar nicht, oder O’Haras Mann hat in seiner Todesangst übertrieben! Wenn die Erde aber doch noch einmal Glück haben sollte, werden wir wohl mit allen verfügbaren Raumschiffen ran müssen! Ich nehme an, daß ihr diesen Wissenschaftler dann noch hier auf Essauu sehen werdet. Sol-Affandi, gib ihm dann bitte diesen Zettel!“ Dann steckt sie sich eine Zigarette an und winkt dem Kommodore. In einem Jeep rasen sie zum Startfeld der Raumschiffe hinaus. * „Da haben wir sie!“ brüllt ein junger Sergeant begeistert auf. „Runter und einschließen“, befiehlt Captain Morrison kalt und sachlich. Die 30 Flugwagen des 71. Bataillons der Weltpolizei reagieren nicht auf das heftige Abwehrfeuer der Überrumpelten, das sie aus dem Kessel erhalten, der sich vor ihnen auftut – der geschlossene Verband löst sich auf, die Flugwagen verteilen sich und landen. Mit entsicherten Strahlenwerfern springen die Weltpolizisten aus den Maschinen, rennen über Geröll und Moosfelder, werfen sich hin, als die im Kessel merken, was los ist, und nach allen Himmelsrichtungen zu feuern beginnen. Captain Morrison hockt mit seinem Stab hinter einem Felsbrocken. In der jenseitigen Felswand des Kessels sind große schwarze Tore, die aufgeschoben sind und durch die man in eine riesige Halle sehen kann, die die Plutobande in den Fels gesprengt hat. „Ein raffinierter Stützpunkt! Diesen Kessel kann man nur durch Zufall finden! Verdammtes Gesindel! Das sind mindestens hundert …“ 68
„Ob die nicht wissen, daß ihr Chef auf ‚A. P.VIII’ sein letztes Stündlein verlebt?“ „Das sieht nach einer Rückzugsschießerei aus, Captain! Die riechen schon den Braten! Den Professor kriegen wir nicht!“ Aber Morrison weiß, was für einen Befehl er in der Tasche trägt. Er will sich diesen Professor Walker nicht vor der Nase wegschnappen lassen. In dieser Stunde, da alles von diesem unbekannten Mann abhängt, nicht mehr. Ein kurzes Kommando. Dann springen sie. An kleinen ovalen Schirmen schweben sie in den Kessel hinein. In das mörderische Feuer, das sich noch rasend steigert, nach ihnen greift und die ersten Verluste verursacht … Dann schweigt es plötzlich. Sie sehen noch im Herunterschweben, wie die Gangster sich herumwerfen und im Fels verschwinden. Der Captain erkennt, daß die Tore zugleiten, und feuert blindlings darauflos. Das ist riskant, aber er hat Glück – die Tore bleiben halb offen stehen. Der Boden unter ihnen ist glatt. Sie federn auf. Wieder ist Morrison der erste. Mit vorgehaltenem Werfer rennt er in die Halle. Qualm steigt vor ihm auf, der schwarz und beißend ist, sich schnell verbreitet und alles einhüllt. Morrison flucht. Seine Augen brennen und tränen. Tief in der Halle sind Schritte, die sich entfernen. Entkommen! Verdammte Schweinerei! Entkommen! Und Westeuropa ist am Ersticken – Rodigon wartet auf „A. P. VIII“ auf den Flammentod! Wieder feuert Morrison darauflos, maßlos vor Zorn und Enttäuschung. Wieder trifft sein Schuß. Ein tierisches Brüllen ist vor ihm. Dann springt ein Mann auf und will noch davonrennen, besinnt sich aber, bleibt stehen und hebt kläglich den rechten Arm empor – der linke hängt ihm angeschossen und kraftlos herunter. „Wo ist der Professor?“ fährt Morrison auf ihn los. „Wenn du sagst, er ist tot, dann – dann …“ 69
„Professor Walker ist in der Kammer“, beteuert der Gangster hastig und zeigt in die Tiefe der Halle. „Gollins will ihn ersticken lassen …“ * Die Feuergeister toben bereits im Gang vor dem Arbeitsraum. Das sind noch gut zwanzig Meter, und was bedeuten die noch. Jay Rodigon steht vor Bell, der zusammengekrümmt im Sessel hockt, und hebt die Schultern. „Tut mir leid, Bell! Wenn Ihre Männer sich so verzweifelt wehren oder mit dem Professor noch Dummheiten vorhaben, werden wir drei hier die Konsequenzen ziehen müssen! Sehen Sie sich das Mädel an – glauben Sie, es ist für sie leicht, hier mit uns ihr Leben zu beenden?“ Bell blickt nicht auf Ethel Brown. Sie hat beide Hände auf die Fernsehsäule gelegt und hält den Kopf gesenkt. Das knisternde und tanzende Höllenlicht wischt über ihr Haar und ihre Stirn. Sie betet und wartet … Wo bleibt die erlösende Nachricht? Auf dem Bildschirm tauchen schemenhaft und verzerrt Männer auf, die heftig gestikulieren und ihnen irgend etwas zurufen, was sie nicht verstehen können. Das ist die einzige Verbindung, die sie noch mit der Außenwelt haben. New York ist das und seltsamerweise dazwischen Tokio. Dublin meldet sich nicht mehr. Präsident Bider soll tot oder verschollen sein, hat man ihnen vorhin noch signalisiert. Sie wissen nicht, ob es stimmt. Das interessiert sie jetzt auch nicht. Rodigon macht sich Gedanken um Bell, der mit seinen Kräften am Ende ist. Darf ich das noch, hämmert es in Rodigon, darf ich ihn hier noch festhalten? Dann geschieht es auch schon mit ihm. Der Bandenchef springt auf. Reißt sich mit einer einzigen 70
Bewegung das Sporthemd auf. In seinen Augen flackert es wie von ausbrechendem Wahnsinn. „Ich will raus!“ brüllt er und stürzt vor „Sofort! Ich …“ Jay Rodigon packt ihn und will ihn zwingen, hier abzuhalten wie ein Mann, wenn es nicht anders sein kann, aber an der Fernsehsäule schaltet Ethel plötzlich wie wild. Eine fremde Männerstimme schreit von weit her etwas, was Rodigon nicht versteht Die Stimme vergeht gleich wieder im Toben des Untergangs. In diesem Augenblick sackt Bell weg. Er bricht in die Knie und Rodigon kann ihn gerade noch in den Sessel legen. „Sie haben ihn!“ schreit Ethel von der Fernsehsäule her. „Sie haben ihn, Jay!“ Mit glasigen Augen richtet er sich auf. Da ist sie schon bei ihm, umschlingt ihn mit beiden Armen und drückt aufweinend ihr Gesicht gegen seine Schulter. „Die Stratos kommen schon, Jay! Die Stratos! Wir werden leben …“ * Von Essauu wird der Funkspruch an Raumschiff „Jupiter“ rausgejagt. Nelson O’Hara blickt nicht gerade sehr geistreich auf den weißen Streifen mit den schwarzen Balkenzeichen und dann auf seinen Bruder, der neben dem Pilotensitz steht und bereits mit seinem Zeigefinger über die Raumkarte geht. „C H 117? Die haben Humor.“ „Mitten im Schwadenfeld“, nickt Vei, der das Raumschiff steuert. „Das ist ein Einsatzbefehl, Tom!“ „Weiß ich“, sagt Thomas O’Hara kurz. „Denkst du, ich will mich drücken? Leg den Kasten rum, Vei! Ist das deine Gloria Larsen, die an Bord kommen will?“ 71
Nelson O’Hara nickt mechanisch, wendet sich dann aber ab und murmelt etwas verlegen, Tom solle nicht solchen Blödsinn reden, dazu sei die ganze Situation zu ernst. Im übrigen komme Gloria Larsen nicht als Frau, sondern als Weltraumfliegerin. „Ich kenne doch die Larsen“, grinst Tom begütigend, „sie kann schon was.“ Dann sieht er zu, wie Vei den großen rasenden Kasten herumreißt. Auf der Erde ist der große Wettlauf der Menschheit mit dem Tod in vollem Gange, und es sieht so aus, als werde der Tod mit großem Vorsprung durchs Ziel gehen. Die Vereisung Westeuropas nimmt zu. Der rote Staub fällt seit einigen Stunden auf Paris und gefriert zu einer teuflischen kaltleuchtenden Glätte … Die Massenflucht aus Paris ist in vollem Gange. * Die schwere Raketenmaschine rast über eine der Betonbahnen von Essauu heran. Kommodore Sol-Affandi steht mit seinen besten Raumfliegern am Rande der Betonbahn. Von dem Mann, den hohe Beamte der Weltbehörde herübergeleiten, hängt nun alles ab. Das Schicksal der Menschheit liegt in der Hand eines Kranken. Wie krank Professor Walker ist, erkennt Sol-Affandi gleich, als er vorsichtig und von zwei Offizieren gestützt die ausgefahrene Treppe heruntersteigt. Sol-Affandi möchte sich kopfschüttelnd und resignierend abwenden, bleibt aber stehen und reicht dem Professor die Hand, als der vornübergeneigt und hüstelnd vor ihn tritt. Hinter ihm marschiert eine Abteilung schwerbewaffneter Weltpolizisten auf. „Sie sind der Kommodore unserer Weltraumflieger?“ sagt der Professor zwischen kurzen, flachen Atemstößen, in denen 72
noch die Schwere der erlittenen Mißhandlungen und Demütigungen mitschwingt. „Ich danke Gott, daß die Braven mich noch herausgeholt haben!“ In seinen tiefliegenden Augen ist ein Leuchten, das SolAffandi sofort alle Zweifel vergessen läßt. Er verneigt sich und reicht ihm den Zettel der Larsen. „Das sind Notizen einer Raumfliegerin, die bereits im Staubbalken war und dort in Raumnot geriet – vielleicht gewinnen Sie dadurch Anhaltspunkte.“ Professor Walker überfliegt die flüchtig hingeworfenen Zeilen, nickt und läßt das Papier sinken. Sein Blick geht an dem Kommodore vorbei auf das Meer, das man von hier aus gut sehen kann. Der rote Streifen an der Kimm wird von Stunde zu Stunde stärker. Walker sieht lange darauf. Dann hebt er plötzlich ruckartig den Kopf. Seine Stimme wird schärfer. „Wieviel Raumschiffe hat die Erde?“ Sol-Affandi zuckt mit keiner Wimper. „263 Schiffe, die für Fernflüge in Frage kommen.“ „Können diese ferngelenkt werden?“ „Das ist möglich!“ „Wieviel von ihnen können sofort eingesetzt werden?“ Der Kommodore wendet sich an Kapitän Schneider, der kurz nachdenkt und ihm eine Zahl nennt. „251! Wir könnten diese in zwei Tagen zu einem Verband zusammenfassen!“ „Sind Sie bereit, diese Raumschiffe zu opfern?“ „Wenn es sein muß, ohne zu zögern!“ „Meine Herren“, fährt der Professor fort, und jetzt läßt sein Blick die dunklen straffen Züge des Afrikaners los und wendet sich den anderen zu, die zu dieser Gruppe von Männern gehören, die hier draußen auf Essauu eine so schwere Entscheidung zu treffen haben. „Meine Herren, es gibt kein Mittel, um diese kosmischen Strahlen zu vernichten! Geben Sie sich bitte keinen Illusionen hin! Es kann uns im günstigsten Falle nur gelingen, durch eine 73
stoßartige Energiefreisetzung diese Gasbildungen auf ihrer Bahn durch das All zu beschleunigen! Das heißt, sie zum Weiterwandern zu veranlassen, bevor sie die Menschheit vernichtet haben! Das ist nach meinen Berechnungen nur möglich durch eine ungeheure atomare Explosion. Kapitän Larsen, Ihre berühmte Kollegin, scheint einen ähnlichen Gedankengang zu verfolgen, was aus ihren Notizen hervorgeht! Bedenken Sie bitte, daß ihr Raumschiff mitten im Staubbalken aufgeladen wurde und explodierte! Schicken Sie 251 Raumschiffe hinein und beladen Sie diese noch mit den hochexplosivsten Stoffen, über die die Erdenmenschheit verfügt …“ Sol-Affandi schiebt die Hände in die Hosentaschen und beugt den Kopf und die massigen Schultern etwas vor. „Ich verstehe, Professor! Ein Spiel mit Hölle und Teufel!“ Walker zeigt auf den roten Streifen an der Kimm. „Das Spiel ist bereits in vollem Gange. Es kommt nur noch darauf an, wie es ausgeht.“ „251 Raumschiffe“, keucht Sol-Affandi benommen. „Gut, Professor! Sie sollen rein!“ * Das Rückenaggregat schießt Gloria Larsen durch das Weltall. Die „Meteor III“ liegt schon weit ab von ihr. Ihre Mannschaft hat Befehl, auf neue Direktiven zu warten. Aus der grüngleißenden Helle, die hier in der Zone vor dem Schwadengebiet herrscht, schält sich der große graue Leib des „Jupiter“ hervor. Der „Jupiter“ soll das Leitschiff der Aktion sein. Nelson O’Hare steht bereits in der Schleusenkammer. Sein Herz hämmert laut und erregt. Er hat ganz einfach Angst um die Frau, die es fertigbringt, sich über diese Abgründe schießen zu lassen. Er hört, wie ihm Thomas aus der Bugkanzel über Sprechfunk etwas zuruft, aber er achtet nicht darauf. 74
„Sie meiden, daß ‚A. P. VIII’ eben ins Meer gestürzt ist! Sie räumen die Bermudas! In Nordfrankreich brennen drei Städte!“ Nelson kniet nieder und streckt die blaugepanzerten Arme mit den Griffhaken nach der Frau aus, die wie eine Schwimmerin an der Kante des Einstiegs anschlägt und sich festhält. Nelson O’Hara wird ruhiger – er hat sie jetzt bei sich … Er hilft ihr in die Schleusenkammer. Sie hockt noch in den Knien, als sie schon an ihrem Sprechgerät stellt und die Bordfrequenz des „Jupiter“ einschaltet. „Hallo, O’Hara! Haben Sie schon Anweisungen von Essauu erhalten?“ Nelson legt einen Hebel an der Innenwand um. Das Einstiegluk gleitet an ihnen vorbei. „Walker will der Hölle 251 Raumschiffe in den Rachen schicken! Mal sehen, ob sie dann von uns weicht! Aber wie geht es Ihnen, Gloria? Verdammt, daß ausgerechnet Sie sich wieder nach vorn wagen!“ Sie nimmt ihre Kopfhaube ab und lacht. „Mir geht es wieder ausgezeichnet!“ * Die Flotte wird vor dem Kontrollschiff zusammengestellt. Sol-Affandi blutet das Herz, aber er leistet ganze Arbeit. Er holt alle Raumschiffe heran, die noch irgendwie erreichbar sind, und bringt es sogar auf 259. Über 200 davon werden mit Saturn 13 beladen. Saturn 13 wird von der Weltbehörde in einer menschenleeren Eiswüste der Antarktis aufbewahrt. Es gibt von dieser bläulichen, von hübschen gelben Kügelchen durchsetzten Flüssigkeit nur 302 Gramm auf der Erde, und diese verteilt man auf die 200 Raumschiffe. Saturn 13 wird vielleicht die Erde mit auseinanderreißen, wenn es im Schwadengebiet explodiert, aber die Menschheit 75
hat keine andere Wahl mehr – das wissen die Verantwortlichen in New York und Rio. Schon greift in Nordfrankreich der atomare Kettenbrand von Stadt zu Stadt über. Schon flammt der Atlantik um die Bermudas auf. Schon erreicht der Staubfall Italien und Nordafrika. Über Westeuropa rieselt es unaufhörlich herab. Die Menschen fliehen vor ihm, über Straßen und Ströme, die erstarrt von der eisigen Hand des nahenden Todes glatt und rot vor ihnen liegen. Viele stürzen auf der Glätte. Die meisten werden von den pausenlos im Einsatz befindlichen Rettungsstaffeln geborgen. Tausende aber finden sie nicht. Sie liegen irgendwo abseits. Der rote Staub fällt und fällt und hüllt sie ein. Die Katastrophe wird zum Chaos … Am 26. Juni um vier Uhr morgens meldet Essauu: „259 Raumschiffe klar zur Aktion! Achtung! An ‚Jupiter’ …“ * „Achtung! An ‚Jupiter’ …“ „Raumschiff ‚Jupiter’! O’Hara!“ „Einsteuern auf O-Zeit! Die Flotte wird in den nächsten fünfzig Minuten von Kontrollschiff ‚Erde’ aus gestartet! Meldet Impulse!“ „Impulse plus 2000 bei 188!“ „Meldet genaue Position!“ „Planquadrat CH 111 bis 113! Distanz bei 178 000!“ „Wir vergleichen!“ Sol-Affandi spricht vom Kontrollschiff von der Erde aus mit Nelson O’Hara, der mit Gloria Larsen vorn in dem „Jupiter“ hockt und eine kreisrunde Scheibe mit vier schrägen Zahlenreihen vor sich hat. Es sind die Zahlen 1 bis 259. Neben der Nr. 118 ist ein rotes Quadrat. Die Nr. 118 – sie trägt den Namen „Andromeda“ – ist das Kontaktschiff der Saturn-ISTräger. Soweit man diese Aktion überhaupt im voraus berech76
nen kann, ist anzunehmen, daß Nr. 118 mit mehr als 6 Gramm Saturn 13 im Bauch zuerst auseinanderfliegen wird, und dann kommt es darauf an, daß sich innerhalb 15 Sekunden diese Explosion zuerst auf die andern Saturn-13-Träger und dann auf die übrigen der todgeweihten Raumschiffe überträgt. Nelson O’Hara kann, wenn es sein muß, die Vernichtung der Nr. 118 von dem „Jupiter“ aus auslösen. „Sie kommen?“ fragt Gloria Larsen neben ihm. Er nickt nur und sieht auf ihre schönen Hände, die ruhig auf der Meßplatte vor ihnen liegen. Gloria Larsen steht aufrecht in der engen Kabine und sieht zu dem Staubbalken hin, der dreihundert Meilen von ihnen ab wie der drohende Finger eines Riesengötzen aus dem Schwadengebiet herabschießt auf einen schwach leuchtenden Ball, der schräg unter ihnen im freien Raum schwebt. Dieser Ball ist die Erde. Deutlich kann sie sehen, wie breit der Staubbalken auf die Erde trifft. Der pochende Rhythmus des vorwärts jagenden Raumschiffes stört nur wenig. Über Nordafrika tastet er sich bereits gespenstisch vor. Menschen fliehen – doch bald werden sie nicht mehr wissen, wohin. . . „Es kommt nicht auf uns an, O’Hara“, sagt sie plötzlich. „Wenn wir dabei hochgehen, kann es zum Glück sein für die dort unten …“ „Achten Sie auf die Peilkreise, Gloria.“ Er weiß, daß sie recht hat; wahrscheinlich werden sie dabei hochgehen. * Raumschiff Nr. 118 liegt an der Spitze. Dann folgen in Fünferreihen die anderen der Todesschiffe. Der Abstand zwischen ihnen beträgt nicht mehr als fünfzig Meter, 77
und die Saturn-13-Träger sind so placiert, daß jeder von ihnen mindestens zwei andere Schiffe mitvernichten wird, wenn der Kontakt von 118 kommt. In den Raumschiffen eine schauerliche Öde. Der grünzerfilterte Schein der fernen Sonne fällt auf verlassene Pilotensitze, auf nachlässig hingeworfene Raumpanzer und irgendwelche Fotos, die Besatzungsmitglieder in der Eile vergessen haben. Sie rasen der Hölle in den Rachen. In der Bugkanzel der Nr. 118 eine graue Kugel, die auf schaumweicher Unterlage ruht und in sich die 6 Gramm Saturn 13 birgt. Von der Kugel aus geht eine gelbe Leitung zur Richtantenne – das ist alles … Der Schatten der festgeklemmten Steuersäule verschiebt sich nach einigen Stunden etwas. Aus ihm heraus kriecht ein Lebewesen. Ein Insekt. Irgendein Insekt mit großen, spitz zulaufenden Flügeln und roten Augen, die sich unruhig bewegen. Über der grauen Kugel ein feines Ticken. Das Insekt spaziert über den braunen Plattenboden der verlassenen Kanzel zum Pilotensitz. Das Ticken bleibt. Keiner weiß etwas von diesem Insekt. Wahrscheinlich stammt es von einem anderen Planeten, und irgendein Raumflieger hat es mitgenommen und vergessen. In das Ticken hinein ein raschelndes Aufschwirren. Die roten Augen stoßen auf die graue Kugel zu. „Verband fliegt wie vorgesehen“, meldet unten von der Erde der Mann am Leitgerät. Eintönig und. böse das feine Ticken. Unruhig schwirrt das Insekt um die graue Kugel. Der Fühler tastet vor, wagt aber nicht, sie zu berühren. Dann wirft es sich plötzlich herum, schwirrt davon. Das Ticken bleibt und ruft den Tod. Das Insekt klebt an einer Sichtscheibe. Die roten Augen sind groß und starr auf die Sonne gerichtet, die fern ist … 78
„Verband fliegt wie vorgesehen.“ Das Ticken bleibt … * Dieses Ticken ist auf der ganzen Erde zu hören … „Achtung! Achtung!“ schreien die TV-Sprecher und die Lichtdruckzeitungen, die noch erscheinen. „Professor Walker will die Hölle schlagen! Seht in vier Stunden zum Himmel auf! 259 Raumschiffe rasen mit Saturn 13 beladen dem Tod entgegen! Fünf Helden vorn im Todesgebiet: Gloria Larsen, Nelson O’Hara, Thomas O’Hara …“ „Nelson O’Hara“, sagt der Mann halblaut und geht weiter. Bis zum Fenster kann er gehen und dann wieder zurück. Und dann wieder zum Fenster. Weiter darf er nicht. Die Quarantäne für die „A. P. VIII“’-Leute bleibt. Auch für Jay Rodigon. 18 000 Meter unter ihm liegt das Randgebirge der Sierra Madre Oriental. Fünfhundert harren hier auf „A. P. V.“ aus und warten – warten. Bell haben sie in das Hospital gebracht. Sein weiterer Lebensweg dürfte auf die Anklagebank und von dort in eine Zelle führen, in die nur Verurteilte kommen, die auf ihre Hinrichtung warten. Präsident Bider hat sich wieder gemeldet und spricht bereits von einer neuen „A. P. VIII“ über den von atomaren Stürmen gepeitschten Bermudas. Soweit wäre alles geklärt. Es fragt sich aber nur, ob die Menschheit die nächsten Stunden überleben wird. Daß Nelson O’Hara, Gloria Larsen und die anderen drei des „Jupiter“ sie überleben, ist nicht sehr wahrscheinlich. Auf dem Bildschirm noch immer das runde Gesicht des TVSprechers, der unentwegt weiterspricht. „Aus Kairo erfahren wir, daß dort unter dem Eindruck der hereinbrechenden Katastrophe …“ Leichte Schritte sind hinter Rodigon. Ethel Brown kommt 79
auf ihn zu. Sie hat ihm Zigaretten geholt, und in ihren Bewegungen, mit denen sie ihm die weiße Packung reicht, zeigt sie, daß sie ganz zu ihm gehört. Er legt seinen Arm um sie. „Unten in Mexiko warten Hunderte von Journalisten darauf, daß die Quarantäne aufgehoben wird“, berichtet sie, aber sie lächelt nicht dabei. „Sie wollen dich sprechen und Bell filmen und …“ „Sie sollten sich lieber um andere Dinge kümmern“, begehrt er auf, wird aber gleich wieder ruhig und reißt die Packung auf. „Nelson und Gloria sind vorn im Schwadengebiet. Weißt du, was das bedeutet? Sie sollen die Raumschiffe ins Ziel lenken …“ „Nelson und Gloria …?“ „Ja – und ich hocke hier herum und …“ „Du hast bereits getan, was du konntest, Jay!“ „Schön gesagt! Nelson ist mein Freund! Aber es muß ja versucht werden! Verdammt! Es ist klar, daß einer wie Nelson das tut …“ Dann packt er wütend eine Zigarette und zieht sie heraus. Seine Gedanken sind bei dem „Jupiter“. * „Verband fliegt wie vorgesehen!“ „Kontrollschiff an ‚Jupiter’! Zeitabstimmung!“ „Hier O’Hara! Zeitabstimmung fortlaufend! Noch 28 Minuten …“ Das Insekt wird wieder unruhig. Die roten Augen lösen sich von der fernen Sonne. Die Flügel beginnen zu schwirren. Wieder kurvt es in der Kanzel der Nr. 118. Nähert sich dem Ticken und der grauen Kugel. „… noch 17 Minuten …“ Die Flügel sind an der glatten Außenhaut der Kugel. Berüh80
ren sie, tasten darüber hin. Draußen wächst riesengroß das grüne Zwielicht der Schwaden aus dem Nichts, flutet zu den Sichtscheiben herein … „… noch 11 Minuten bis zur X-Minute!“ Unermüdlich tasten die durchsichtigen Flügel. Dumpf empfindet das Lebewesen, daß in der Kugel das Verderben lauert. Es verhält sich plötzlich ganz ruhig. Nur die roten Augen bewegen sich und gehen über alle Dinge, die um sie sind. Das Ticken ist zu hören und das Summen des Heckantriebes. „… … ..noch 8 Minuten …“ Es rührt sich nicht wieder. Es wartet auf den Tod, der vor ihm in der Kugel hockt, und als er kommt, erlebt es ihn still und ergeben und wie in einer großen roten Woge versinkend. „Achtung! An Kontrollschiff!“ Eine Stimme überschlägt sich fast. „Der Verband steht wie berechnet! Noch dreizehn Sekunden …“ Vor den roten Augen klafft mit einemmal ein Riß in der grauen Außenhaut der Kugel. Aus ihm bricht die Hölle hervor, die sich sekundenschnell fortpflanzt und das Weltall und die Erde erschüttert. In den Teilen der Erde, in denen es Nacht ist, sehen die Menschen in der Tiefe des Alls eine riesengroße rote Kugel aus der Schwärze wachsen und auseinanderspringen. Sol-Affandi sieht es, und er ballt in maßloser Erregung die Fäuste und richtet sie gen Himmel. In dieser Sekunde verliert die Menschheit fast ihre gesamte Raumflotte – aber sie gewinnt das Leben … Der rote Staubbalken löst sich von der Erdoberfläche und zieht sich in die Atmosphäre zurück. Schlagartig steigen in weiten Gebieten die Temperaturen. Nach vier Stunden ist die Erde frei. *
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Rettungsschiffe rasen zum „Jupiter“. Das Raumschiff hat die schauerliche Explosion der 259 Raumschiffe überstanden, aber die Besatzung meldet sich nicht. Der erste, der zu sich kommt, ist Nelson O’Hara. Er sieht Gloria neben sich verkrümmt vor der Meßtafel liegen und rüttelt sie. Als sie die Augen öffnet und sein besorgtes Gesicht Sieht, lächelt sie, wird aber gleich wieder ernst. „Was ist mit der Erde, Nelson? Bitte! Sagen Sie es doch!“ Dann sieht sie es selber. Die Erde schwebt frei und still in der Unendlichkeit. Der Staubbalken steht weitab von ihr und entfernt sich immer mehr. Lange sieht sie darauf. Ihre Arme legen sich um ihn. „Nelson! Wir leben! Und es war nicht umsonst!“ Die Erde ist frei … – Ende –
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