Nr. 265
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Nr. 265
Brennpunkt Cherkaton Der Mondträger im Einsatz für Atlan - ein Kolonialplanet wird zum Krisenherd von Harvey Patton
Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums schwer zu schaffen machen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, deren Habgier und Korruption praktisch keine Grenzen kennen. Gegen diese inneren Feinde ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Selbst empfindliche Rückschläge entmutigen ihn nicht und hindern ihn und seine Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orbanaschol III., den Usurpator, mit aller Energie fortzusetzen. Atlans geheime Zentrale, von der aus alle Aktionen gegen Orbanaschol ihren Anfang nehmen, ist der Planet Kraumon. Mehr als 12.000 verschworene Anhänger des Kristallprinzen leben bereits dort, und Morvoner Sprangk, der Kommandant von Kraumon, sieht sich vor immer größere Schwierigkeiten gestellt, die Versorgung der dort befindlichen Arkoniden zu gewährleisten, zumal Kraumon selbst wenig an Nahrung bietet. Da geht Mekron Dermitron, der Mondträger, in den Einsatz für Atlan, um Versorgungsgüter heranzuschaffen. Das Ziel seines Raumschiffs ist der BRENNPUNKT CHERKATON …
Brennpunkt Cherkaton
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Die Hautpersonen des Romans: Mekron Dermitron - Der Mondträger geht in seinen ersten Einsatz für Atlan. Morvoner Sprangk - Kommandant des Geheimstützpunkts Kraumon. Geraban - Gouverneur von Cherkaton. Moringol - Ein Agent der POGIM auf Rekrutenfang. Letschyboa - Ein alter Bekannter Atlans.
1. Die Strukturtaster schlugen an, eine steile Amplitude zuckte über die mit ihnen gekoppelten Monitoren. In relativer Nähe von Cherkaton mußte ein Raumschiff aus der Transition gekommen sein. Schon Sekunden später griff der junge Mann vor den Geräten nach dem Knopf, der den Alarm im gesamten Siedlungsgebiet auslösen mußte. Im letzten Moment griff eine andere Hand zu und hielt seinen Arm fest. »Nicht so hastig, Junge«, sagte Ascarmon, der Leiter der Ortungszentrale. »Bisher sind die Maahks noch nie bis in diese Gegend vorgestoßen. Es wäre also voreilig, schon Alarm zu geben, solange wir noch gar nicht wissen, wer da kommt. Warten wir erst einmal die Computerauswertung ab, auf die paar Sekunden kommt es wohl kaum an.« »Sie haben doch aber selbst gesagt …«, protestierte der Jüngere, aber Ascarmon unterbrach ihn durch eine Handbewegung. »Das gilt nur, wenn du allein hier bist. Wenn ich zur Stelle bin, treffe ich die Entscheidungen. Es wäre wirklich ein Unding, die ganze Kolonie aufzuscheuchen … ah, da kommt die Auswertung schon!« Der Computer spie eine Folie aus, und die beiden Männer lasen die darauf ausgedruckten Angaben. Gleich darauf nickte Ascarmon. »Nun, was habe ich gesagt? Ein kleines Schiff in Kugelform, Durchmesser nicht mehr als fünfzig Meter. Ein Imperiumsraumer also, ein kleiner Kreuzer oder ein Privatschiff, auf keinen Fall aber ein Fahrzeug der Maahks. Kein Grund zur Beunruhigung, Junge, vermutlich wird man uns bald anru-
fen.« Er behielt auch diesmal recht, denn schon zwanzig Sekunden später leuchtete die Ruflampe des Normalfunkgeräts auf. Der Leiter schaltete den Apparat ein, die Bildfläche erhellte sich. Auf ihr erschien das Abbild eines Arkoniden in Flottenuniform. Ascarmon meldete sich und bekam sofort Antwort. »Sonderschiff TERKRAN an Raumhafen Cherkan«, sagte der Uniformierte. »Wir kommen vom Stützpunkt Sarkomier und werden in einer halben Stunde bei Ihnen landen. Informieren Sie bitte den Gouverneur, er soll sich bereithalten, um Angehörige eines Sonderkommandos zu empfangen. Erbitte Bestätigung, Ende.« »Was mag das bedeuten?« fragte der junge Techniker. Ascarmon zuckte mit den Schultern. »Woher soll ich das wissen, Junge? Ich kann auch nur raten. Vielleicht will man sich nur davon überzeugen, ob wir gut durch den Winter gekommen sind. Man hat zwar damals, als der Zwang des fremden Hypnowesens von uns genommen war, einiges für uns getan, aber doch längst nicht genug. Schon möglich, daß jetzt jemand auf Arkon sein schlechtes Gewissen plagt.« Der Jüngere stieß verächtlich die Luft aus. »Daß ich nicht lache, Ascarmon! Den Herren auf der Kristallwelt ist es doch herzlich egal, was mit einer Handvoll von Siedlern auf einem Hinterwäldlerplaneten geschieht. Die denken doch nur an sich selbst, und der Imperator …« Wieder einmal wurde er unterbrochen. Ein eisiger Blick ließ ihn verstummen, und der Stationsleiter sagte: »Du solltest deine Zunge etwas besser hüten, Junge! Nicht jeder in Cherkan denkt so wie du und ich, und Zuträger gibt es immer. Sobald der Gouver-
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Harvey Patton
neur von solchen Reden erfährt, setzt es harte Strafen, das weißt du doch. Wir können nur froh sein, daß es hier keine Leute vom Geheimdienst gibt. Anderenfalls wäre unser Gefängnis bestimmt schon überfüllt.« Er tastete ein anderes Gerät ein und stellte eine Verbindung zum Verwaltungsgebäude her. Mit knappen Worten unterrichtete er die dortige Nachrichtenzentrale und schaltete wieder ab. »So, Junge, jetzt gibt es Arbeit für uns«, meinte er. »Wir müssen einen Peilstrahl für die TERKRAN abstrahlen, der sie zu uns herleitet. Unser Siedlungsgebiet ist klein und nicht leicht zu finden, der sogenannte Hafen ein besseres Rübenfeld. In ein paar Stunden werden wir mehr wissen.«
* Auch Gouverneur Geraban wußte mit der Nachricht von der Ankunft des kleinen Schiffes nicht viel anzufangen. Wie die meisten Arkoniden war er groß und schlank, mit silberblondem Haar und rötlichen Augen. Er war ein Mann in den besten Jahren, sein schmales Gesicht zeugte von Energie und Tatkraft. Der Administrator einer jungen Kolonialwelt mußte intelligent und entschlußfreudig sein, denn es gab immer neue Probleme zu meistern. Er hatte auch sein Bestes für Cherkaton getan, als es die Folgen der langen geistigen Versklavung zu überwinden galt. Das hatten auch jene anerkannt, die dem derzeitigen Imperator nicht wohl gesinnt waren. Die Kolonie war wenige Jahre nach dem Tode Gonozals VII. gegründet worden. Damals hatten sich viele seiner Anhänger zur Auswanderung gemeldet, um dem strengen Arm des neuen Regimes zu entkommen. Geraban war zwar ein loyaler Anhänger Orbanaschols, aber unter ihm ließ es sich leben. Nun rätselte er eine Weile herum, kam damit aber auch nicht weiter. Schließlich hob er die Schultern, verständigte den Fahrzeugpark und ließ einen Gleiter bereitstellen. Er
unterrichtete seinen Stellvertreter, verließ dann das trichterförmige Zentralgebäude und flog zum Raumhafen. Ein Offizier der Polizei von Cherkan begleitete ihn. Auch er wunderte sich, konnte aber natürlich keine befriedigende Antwort erhalten. »Ich bin nicht klüger als Sie, Korschizyn«, erwiderte der Gouverneur. »Ein Sonderkommando von Sarkomier – das kann alles und nichts bedeuten. Wir müssen wohl oder übel abwarten, bis man uns eine Aufklärung gibt.« Diese erhielt er jedoch vorerst selbst noch nicht. Das Schiff landete, schleuste zehn Männer und einen großen bewaffneten Gleiter aus und startete dann sofort wieder. Die Uniformierten bestiegen das Fahrzeug und steuerten das Kontrollgebäude des Hafens an, vor dem Geraban wartete. Dann stieg ein Offizier aus und verneigte sich knapp vor dem Gouverneur. »Orbtan Larschinok, persönlicher Beauftragter des Kommandanten von Sarkomier«, stellte er sich vor. Er war offenbar ein Mischling, denn Haut und Haar waren erheblich dunkler als die eines reinrassigen Arkoniden. »Würden Sie uns bitte vorausfliegen und zu Ihrem Sitz leiten? Dort können wir dann mit unseren Gesprächen beginnen.« Er zeigte eine Legitimation vor, war jedoch sonst zu keinerlei Auskünften bereit. Geraban ärgerte sich über seine kaum verhüllte Arroganz, ließ sich aber nichts davon anmerken. Der Planet war arm und durch das verhängnisvolle Wirken des Propheten der Unwissenheit noch sehr in seiner Entwicklung zurückgeworfen worden. Sein Gouverneur konnte es sich einfach nicht leisten, jene Leute zu verärgern, von denen vielleicht die Zukunft aller Kolonisten abhing. Er behandelte sie sehr zuvorkommend und veranlaßte ihre Unterbringung in den komfortabelsten Räumen, die der Zentralbau aufzuweisen hatte. Als sie ihre Sachen untergebracht und sich erfrischt hatten, ließ er
Brennpunkt Cherkaton sie zum Mittagessen bitten. Er aß mit ihnen, aber das Tischgespräch ging über nebensächliche Dinge nicht hinaus. Larschinok hatte seine Männer angewiesen, kein Wort zuviel zu sagen, das wurde Geraban bald klar. Er selbst verstand es, aalglatt alle Fragen des Gouverneurs zu umgehen oder sie zu ignorieren. Erst nach dem Mahl zeigte er sich bereit, ihn über die Mission zu unterrichten, die das »Sonderkommando« nach Cherkaton geführt hatte. Das Gespräch fand in Gerabans Amtsräumen statt. Auf Larschinoks Wunsch hin wurde auch Korschizyn dazu hinzugezogen. Er selbst brachte einen seiner Männer mit, einen großen massigen Mann mit einem eckigen Gesicht und kalten Augen. Der Gouverneur fühlte sich nach wie vor unbehaglich, eine ungute Vorahnung erfüllte ihn. Trotzdem bemühte er sich um möglichst große Zuvorkommenheit. Er eröffnete die Unterhaltung mit einer Schilderung der Schwierigkeiten, vor die der lange Winter die Kolonisten gestellt hatte. Mangel und Hunger hatten geherrscht, etwa zweihundert meist ältere Leute waren ihnen erlegen. Doch nun war die kalte Jahreszeit vorüber, es ging auf Cherkaton wieder aufwärts, wie Geraban mit berechtigtem Stolz betonte. Larschinok hatte ihm geduldig zugehört, ein neutrales Lächeln umspielte seine Lippen. Bisher hatte er kaum etwas gesagt, doch nun beugte er sich vor, und seine blaßvioletten Augen hielten den Blick des Gouverneurs gefangen. »Wie schön für Sie, daß alles wieder in Ordnung ist«, meinte er mit einem seltsam lauernden Unterton. »Arkons Hilfe hat ja auch einen Teil dazu beigetragen, nicht wahr? Es ist dann also wohl auch nicht zuviel verlangt, wenn das Imperium nun eine kleine Gegenleistung von Ihnen erwartet. Stimmen Sie mir zu?« Geraban nickte, wenn auch widerstrebend. Er brachte es einfach nicht fertig, auf das viel zu geringe Ausmaß der Hilfe hinzuweisen. Nun ließ der »Beauftragte« die Kat-
5 ze aus dem Sack. »Gut, dann will ich Ihnen jetzt sagen, weshalb wir auf Ihre Welt gekommen sind. Die Verluste der Imperiumsflotte durch die ständigen Angriffe der Maahks erfordern einen gewissen Nachschub an geeigneten Kräften. Wir brauchen vor allem junge Männer mit guter technischer Ausbildung, möglichst bereits mit Kenntnissen der Raumfahrt. Wieviel solche Rekruten kann Cherkaton uns stellen?« Der Gouverneur fuhr zusammen, seine Haltung versteifte sich. »Ist das Ihr Ernst?« forschte er ungläubig. »Welten mit derart geringer Bevölkerungszahl sind doch von jeher von jeder Art von Rekrutierung ausgenommen worden! Gerade die von Ihnen erwähnten jungen Leute werden dringend für die Durchführung neuer Kolonisationsprojekte gebraucht. Wir müssen expandieren, jeder Stillstand kommt immer einem Rückschritt gleich.« Larschinok lächelte nun nicht mehr. »Das gilt aber nicht nur für Cherkaton, Gouverneur. Auch unsere Flotte unterliegt dem gleichen Gesetz, und die Reserven an geeignetem Personal sind auf den größeren Welten bereits weitgehend erschöpft. Deshalb hat Seine Erhabenheit Orbanaschol III. vor kurzem verfügt, daß nun auch die bisher geschonten Planten ein angemessenes Kontingent stellen müssen. Der Krieg gegen die Methans ist eine ernste Sache, vergessen Sie das nicht. Wie würde es Ihnen gefallen, wenn Ihr Planet von ihnen überfallen würde, weil die Flotte des Großen Imperiums infolge Personalmangels nicht mehr imstande wäre, ihn zu schützen?« Das war eine Suggestivfrage, vor der es kein Ausweichen gab. Geraban resignierte innerlich bereits, nahm aber trotzdem noch einen zweiten Anlauf. »Hier leben nur zwanzigtausend Leute, Orbtan, mehr als neunzig Prozent davon sind Farmer und Jäger. Der von Ihnen angesprochene Personenkreis umfaßt nicht mehr als einige hundert von ihnen. Was kann eine solche Handvoll Männer der Flotte schon nützen?«
6 Larschinoks Stimme klang seidenweich. »Sehr viel, Gouverneur. Diese jungen Männer genügen bereits, um einen großen Kreuzer zu bemannen. Und gerade dieses Schiff könnte es sein, das im Ernstfall Ihre Welt verteidigt! Ist das nichts?« Geraban warf dem Polizeioffizier einen hilfesuchenden Blick zu, doch Korschizyn wich ihm aus. Dafür ergriff nun der bisher schweigsam gebliebene Begleiter Larschinoks das Wort. »Lassen Sie die Wortfechterei, Orbtan«, sagte er so grob, wie er aussah. »Wir sind schließlich gekommen, um den Befehl des Imperators durchzuführen und nicht, um dem Gouverneur eines unbedeutenden Planeten um den Bart zu gehen. Passen Sie auf, Geraban: Mein Name ist Moringol, ich gehöre nicht der Flotte an, sondern bin ein Beamter der Politischen Geheimpolizei des Imperators! Als solcher rate ich Ihnen, keine weiteren Ausflüchte mehr zu suchen, die Zweifel an Ihrer Loyalität wecken könnten. Wir sind schon mit ganz anderen Leuten fertig geworden, und ich habe alle Vollmachten in der Tasche. Darunter auch die, Sie kurzerhand abzusetzen und als Verräter zu erschießen, um dann Ihre Stelle einzunehmen … Was ziehen Sie vor?« Das war mehr als massiv, und Geraban kapitulierte endgültig. Er beeilte sich, seine Zustimmung zu Dingen zu geben, auf die er ohnehin keinen Einfluß mehr besaß. Schon zwei Stunden später hielt er eine Ansprache über den Videofunk und sagte darin genau das, was Moringol und Larschinok von ihm erwarteten. Kein Bewohner von Cherkaton merkte ihm an, daß in ihm inzwischen der Glaube und das Vertrauen in die Person des Imperators zerbrochen war. Die Männer des »Sonderkommandos« übernahmen die wirkliche Herrschaft über seine Welt. Larschinoks Spezialisten suchten den Zentralcomputer auf und riefen aus ihm alle Daten ab, die sie benötigten. So besaßen sie bereits alle Informationen über den in Frage kommenden Personenkreis, ehe
Harvey Patton noch das Rekrutierungsbüro eröffnet wurde. Am nächsten Morgen nahm es seine Arbeit auf, und jeder wußte, daß es kein Sträuben gab.
2. Ein Gleiter landete vor dem Gebäude 17 der Stadt Gonozal-Mitte auf Kraumon, dem Geheimstützpunkt Atlans. Ihm entstieg ein schlanker, hochgewachsener Arkonide von etwa vierzig Jahren. Er bewegte sich geschmeidig, die etwas schrägstehenden Augen in dem breiten Gesicht zeugten von überdurchschnittlicher Intelligenz. Er trug eine einfache Kombination, die keine Rückschlüsse auf seine Herkunft oder Stellung ermöglichte. Mekron Dermitron befand sich erst seit wenigen Wochen auf Kraumon. Früher war er Kommandant des ImperiumsSchlachtschiffs HADESCHA gewesen und hatte es bis zum Rang eines Mondträgers gebracht. Sein Schiff war von den Maahks zusammengeschossen worden und bei einer Notlandung restlos zu Bruch gegangen. Nur er und weitere fünf Männer der Besatzung hatten diese Katastrophe überlebt. Sie waren auf dem Planeten Olkeep gesundgepflegt worden, sollten aber bald schon wieder zu einem Flottenstützpunkt gebracht werden, um in neue Einsätze zu gehen. Dem hatten sie sich bei einer günstigen Gelegenheit durch die Flucht in einem Beiboot entzogen. Sie hatten erkannt, daß der Krieg gegen die Methanatmer unter dem intriganten und unfähigen Orbanaschol nicht zu gewinnen war. Ein Zufall hatte ihnen geholfen, zum Gefolge des Kristallprinzen zu stoßen. Nun hatte Mekron vom Kommandanten Morvoner Sprangk den Befehl über den 200-Meter-Raumer MEDON erhalten und bereitete sich auf seinen ersten Einsatz für Atlan vor. Bragos Neschbar erwartete ihn bereits. Er war früher Beschaffungsmeister der Arkonflotte gewesen und nahm nun auf Kraumon
Brennpunkt Cherkaton die gleiche Stellung ein. Hier waren die Schwierigkeiten für ihn jedoch erheblich größer. Der größtenteils wüstenartige Planet kreiste um eine alte rote Sonne, weitab des Imperiums. Alles, was die zwölftausend Bewohner des Stützpunkts brauchten, mußte von weither herangeschafft werden. Nicht auf legalen Wegen, sondern heimlich. Ein besonderes Handikap für Atlans Männer war, daß sich eine gewaltsame Beschaffung der lebensnotwendigen Güter von selbst verbot. Mit voller Absicht war der Kristallprinz durch Orbanaschol in den Ruf eines Renegaten und Piraten gebracht worden. Nun mußten seine Gefolgsleute alles vermeiden, das eine Unterstützung dieser Verleumdung bedeutete. Neschbar hatte das sehr genau bedacht, als er seine Planungen traf. Er begrüßte den Mondträger herzlich. Die beiden Männer hatten sich schon früher auf einem Flottenstützpunkt kennengelernt, sich dann aber wieder aus den Augen verloren. Nun verfolgten sie beide das gleiche Ziel: Den Sturz Orbanaschols III. und die Übernahme der Macht im Großen Imperium durch Atlan, den rechtmäßigen Thronfolger. »Passen Sie auf, Mekron«, sagte der Beschaffungsmeister. »Sie haben ja inzwischen auch erfahren, welche fast unglaublichen Abenteuer Atlan im Laufe der Zeit bestanden hat. Nach dem Überfall der Maahks auf Trantagossa gelangte er – nach einem kleinen Umweg über den Mikrokosmos – auf den Planeten Cherkaton. Dorthin war der Befehlshaber Armakavor Heng mit seinem Sonderschiff SKORGON geflohen, und das vermutlich aus gutem Grund. Ein Mann wie er hätte nie eine so abgelegene und unbedeutende Welt aufgesucht, ohne damit bestimmte Zwecke zu verfolgen. Verstehen Sie, was ich meine?« Dermitron nickte ohne Zögern. »Natürlich, Bragos. Heng wird sich dort beizeiten ein geheimes Quartier für schlechte Tage geschaffen haben. Gut versteckt natürlich und aus zweckentfremdeten Vorräten der Raumflotte reich ausgestattet, daran gibt
7 es wohl keinen Zweifel. Das sollen wir nun also suchen und ausräumen?« »Vollkommen richtig, Mekron. Die Verhältnisse dort ähneln denen auf dem Planten Olkeep, den Sie ja kennengelernt haben. Auch auf Cherkaton gibt es nur ein kleines Siedlungsgebiet auf einem einzigen Kontinent. Das erleichtert Ihre Aufgabe; sie werden kaum mit Schwierigkeiten bei der Suche zu rechnen haben.« »Das bezieht sich aber wohl nur auf die Kolonisten«, korrigierte der Mondträger. »In anderer Hinsicht bin ich ausgesprochen skeptisch, Bragos. Hengs Absonderlichkeit und krankhaftes Mißtrauen waren in weiten Kreisen der Flotte bekannt. Es liegt also die logische Schlußfolgerung nahe, daß er bei seinen Planungen auf Cherkaton extrem vorsichtig gewesen ist. Mit anderen Worten: Dieser Geheimstützpunkt dürfte es in sich haben! Er wird nicht nur gut versteckt, sondern auch erstklassig abgesichert und mit einer Menge von Fallen gegen unerwünschte Eindringliche versehen sein. Doch das soll mich nicht abschrecken, ich nehme diese Herausforderung an. Wir werden die Nuß schon irgendwie knacken.« Neschbar wiegte den Kopf. »Allerdings nur ohne zu großes Risiko für Schiff und Besatzung«, warnte er. »Sie wissen ja, wie klein unsere Flotte noch ist. Wir können es uns einfach nicht leisten, die MEDON und zwanzig gute Leute zu verlieren, Mekron! Wenn Atlan einmal zur Endabrechnung gegen Orbanaschol antritt, brauchen wir jedes Schiff und jeden Mann.« Dermitron lachte leise auf. »Wir sollen also nach der Devise handeln: Wasch mich, aber mach mich nicht naß …«, bemerkte er leicht ironisch. »Gut, Bragos, ich werde das nach Möglichkeit beherzigen. Gibt es Anhaltspunkte dafür, in welcher Gegend des Planeten der Stützpunkt liegt?« »Leider nicht«, meinte der Beschaffungsmeister bedauernd. »Die SKORGON wurde damals von dem Varganen Magantilliken geflogen, nachdem Heng und Atlan durch eine Versuchswaffe der Maahks in den Mi-
8 krokosmos versetzt worden waren. Er steuerte sie nach Daten, die er in den Speichern des Bordcomputers fand. Daß der damalige Landeort in der Nähe von Hengs Station lag, ist aber stark zu bezweifeln. Dafür befand er sich zu dicht bei der Stadt Cherkan.« Mekron nickte. »Das klingt logisch, Bragos. Die krankhafte Mentalität des Befehlshabers muß bei der Wahl des Standortes eine bestimmende Rolle gespielt haben. Sein übersteigertes Sicherheitsbedürfnis läßt eher darauf schließen, daß er eine entlegene Gegend auf einem anderen Kontinent gewählt hat. Nun, irgendwie werden wir den Stützpunkt wohl trotzdem finden. Die MEDON ist auch für solche Aufgaben gut ausgerüstet.« Der Beschaffungsmeister reichte ihm einen Speicherkristall. »Darauf finden Sie die Koordinaten und auch sonst alles, was uns über Cherkaton bekannt ist. Atlan hat die Daten persönlich ergänzt, also kann es kaum Lücken geben. Seit der Erweckung seines Extrahirns auf Largamenia besitzt er ja ein fotografisches Gedächtnis, wie alle Absolventen der ARK SUMMIA. Ich beneide ihn öfters darum, wenn ich vor Arbeit nicht mehr weiß, wo mir der Kopf steht.« Dermitron legte seine Stirn in Falten. »Eine solche Gabe muß nicht unbedingt ein Vorzug sein«, bemerkte er nachdenklich. »Sie ist gewiß in vieler Hinsicht nützlich, aber längst nicht in jeder. Die Natur hat es wohl nicht umsonst so eingerichtet, daß man das Schlechte relativ leicht vergißt, während das Schöne viel länger im Geist haften bleibt. Die psychische Belastung wäre sonst für die Menschen einfach zu groß. Ich bin jedenfalls froh, daß ich vergessen kann, ich habe während dieses grausamen Krieges schon zuviel unschöne Dinge erlebt.« Er nickte Neschbar zu, verließ dann das Gebäude und flog zu seinem Haus am Stadtrand von Gonozal-Mitte zurück. Dort wohnte er mit seinen Männern von der HADESCHA zusammen, die gleich ihm darauf brannten, ihre Bewährungsprobe für Atlan
Harvey Patton zu bestehen.
* Am nächsten Morgen war die MEDON startbereit. Morvoner Sprangk und Corpkor waren auf dem Hafen erschienen, um die Bedeutung von Dermitrons Aufgabe zu unterstreichen. Sonst kümmerte sich aber kaum jemand darum. Die Männer und Frauen auf Kraumon befanden sich auf ihren Arbeitsplätzen. Nur wenige Neugierige standen am Rand des Landefelds und verfolgten das kurze und formlose Zeremoniell. Die Stimmung auf Kraumon war zwiespältig. Noch vor kurzem war sie ausgesprochen euphorisch gewesen. Damals war die ISCHTAR nach langer Abwesenheit zurückgekehrt. Zwar ohne Atlan und schwer beschädigt, aber mit Gonozal VII. an Bord. Doch schon kurz nach der Landung hatte sich gezeigt, daß der frühere Imperator kaum noch ein Schatten seiner ehemals beeindruckenden Persönlichkeit war. Er war zwar wiedererweckt worden, aber nur noch eine leere Hülle ohne Seele und Geist, praktisch ein lebender Toter. Dann hatte die Nachricht von dem sensationellen Ereignis bei den »Wahlen« im Imperium neuen Gesprächsstoff geliefert. Erstmals hatte das neue Robotgehirn auf Arkon III die Auswertungen vorgenommen, und dabei war etwas wirklich Unglaubliches passiert. Der Rechner hatte zum Schluß Orbanaschol III. als Brudermörder bezeichnet und angegeben, daß das diesmal besonders hohe »Vertrauensvotum« für ihn nur durch eine illegale Manipulation zustande gekommen sei! Und das vor aller Öffentlichkeit, denn die Videosendung war im ganzen Imperium gesehen worden … Zuerst hatte man angenommen, daß das einer direkten Aktion des Kristallprinzen zuzuschreiben sei. Der Kommandant der ISCHTAR, Helos Trubato, hatte jedoch dagegen gesprochen. Er wußte, daß Atlan gar
Brennpunkt Cherkaton nicht die Möglichkeit gehabt hatte, etwas in dieser Art zu tun. Als er der Besatzung des Schiffes den Befehl gegeben hatte, sich nach Kraumon durchzuschlagen, war er machtund willenlos. Er stand mit einer Gruppe seiner Leute unter dem geistigen Einfluß des jungen Suggestors Akon-Akon. Mit ihm zusammen waren sie durch einen Transmitter gegangen und mit unbekanntem Ziel verschwunden. Diese neue schlechte Nachricht hatte rasch die Runde gemacht. Nun war von Euphorie nirgends mehr etwas zu merken. Die Leute sorgten sich erneut um Atlan, dagegen trat alles andere in den Hintergrund. Selbst die größten Optimisten waren unsicher geworden. Auf den Gesichtern von Sprangk und Corpkor war nichts von solchen Gefühlen zu lesen. Natürlich sorgten sich beide Männer um den Prinzen, aber sie waren gewohnt, sich zu beherrschen. Wer sollte Atlans Gefolge auf Kraumon ein Beispiel geben, wenn nicht sie? Die Blicke des alten Haudegens musterten die zwanzig Männer, die sich vor dem Schiff aufgebaut hatten. Die MEDON war umgebaut worden und sollte nun vor allem dazu dienen, Bedarfsgüter für die zwölftausend Bewohner des Stützpunkts heranzuschaffen Mit voller Absicht hatte man ihre Besatzung auf das Mindestmaß reduziert. Beim Zusammentreffen mit anderen Arkoniden sollte jedes Aufsehen vermieden werden. Die Männer trugen neutrale Kombinationen ohne alle Abzeichen. Vierzehn von ihnen waren schon früher mit dem Schiff geflogen, akzeptierten aber Dermitron und seine Gefährten voll. Ein Probeflug hatte bereits ein Beispiel reibungsloser Zusammenarbeit gegeben. Sprangk nickte ihnen zu. »Machen wir es kurz«, sagte er nüchtern, wie es seine Art war. »Sie wissen um Ihre Aufgabe und ihre Bedeutung für uns alle. Tun Sie Ihr Bestes und kommen Sie heil wieder zurück.« Mekron Dermitron salutierte kurz. »Wir
9 werden es versuchen, Kommandant«, erwiderte er mit leichtem Lächeln. »Für Atlan und Arkon – auf Leben und Tod!« »Legen Sie die Betonung nach Möglichkeit auf ›Leben‹!« ergänzte Corpkor trocken. Sein Körper zeigte nur noch schwache Spuren der Eisnarben aus dem Mikrokosmos, er war wieder vollkommen gesund. »Kein Heldentum um jeden Preis, Mekron – ein lebender Feigling ist uns weit lieber als ein toter Held.« Die Männer begannen zu grinsen, selbst Morvoner Sprangk verzog amüsiert das Gesicht. Auf Kraumon gab es den innerhalb der Flotte üblichen steifen Umgangston nicht. Niemand wurde wegen Stand oder Herkunft bevorzugt, nur die Leistung galt. Das war es, was Dermitron als besonders wohltuend empfand. Was nützte das Katzbuckeln vor den »Erhabenen«, wenn sich dahinter nur Widerwillen und Verachtung verbargen? Ein letzter Gruß, dann begaben sich die Männer an Bord. Alle Vorbereitungen waren getroffen, der Kurs programmiert. Zehn Minuten später hob die MEDON mit summenden Antigravprojektoren vom Hafen ab und stieg in den rötlichen Himmel des kleinen Planeten empor. Sprangk und Corpkor sahen dem Schiff nach, bis es nur noch als matter Reflex zu erkennen war. »Hoffentlich geht es gut«, sagte der Kommandant, als sie ihren Gleiter bestiegen. »Wenn ja, wird Dermitron dann regelmäßig zu ähnlichen Unternehmen starten. Ich möchte, daß Atlan hier optimale Bedingungen vorfindet, wenn er zurückkehrt. Die Blamage, die Orbanaschol anläßlich seiner 'Wahl' erlitten hat, muß seine Autorität beträchtlich untergraben haben. Der geeignete Zeitpunkt, seinen endgültigen Sturz zu betreiben, dürfte bald gekommen sein!«
* Der Bordcomputer gab das Zeichen, die letzte Transition stand dicht bevor. Die MEDON hatte bereits vier Sprünge durchgeführt. Nun war sie nur noch zehn
10 Lichtjahre vom Cherkaton-System entfernt. Auf dem Panoramaschirm gleißte die Sternenfülle des Arkonhaufens, in dessen Randbezirke das Schiff eingedrungen war. Alle Stationen waren besetzt, die Impulsgeschütze und die Abschußanlagen für Kampfraketen feuerbereit. Erst vor kurzer Zeit mußte in dieser Gegend ein größeres Gefecht zwischen Einheiten der Imperiumsflotte und Maahkschiffen stattgefunden haben. Nach der dritten Transition hatte die Funkstation der MEDON Signale aufgefangen, die den erfahrenen Männern Hinweise darauf gegeben hatten. Es hieß also, vorsichtig zu sein. »Alles in Ordnung, Waynjoon?« fragte Dermitron, der gerade die Zentrale betrat und seinen Platz einnahm. Der Pilot, ein Mann der früheren Besatzung, sah kurz auf und nickte ihm zu. »Jawohl, Mekron. Die Transition ist so berechnet, daß wir etwa zwei Lichtstunden außerhalb des Systems herauskommen werden. Über diese Distanz hinweg kann man den Eintauchschock vom Planeten aus nicht mehr anmessen.« Der Mondträger dankte und mußte unwillkürlich lächeln. Das Gesicht Waynjoons forderte diese Reaktion geradezu heraus. Es war rundlich und rosig mit Grübchen in den Wangen, die ihm einen Ausdruck ständiger Fröhlichkeit verliehen. Es blieb auch in Minuten starker nervlicher Beanspruchung bestehen und trug dann zur Auflockerung der Atmosphäre bei. Trotzdem war es keine bloße Maske, denn Waynjoon war ein Mann, der stets zu einem Scherz aufgelegt war. Er war 32 Jahre alt und stammte von Narjoc, nur wenige Lichtjahre von Arkon entfernt. Dermitrons Blick glitt weiter. Auf dem Kopilotensitz befand sich der kleine und schmächtige Dermato, einst Pilot der HADESCHA, der sich mit Waynjoon in der Führung des Schiffes abwechselte. Vor den Ortungsgeräten saß der massige, wortkarge Ventron, als Navigator fungierte der »schöne Mann« der Besatzung Hong Olvan. Sie und der Erste Offizier Salmoon gehörten zu Mekrons alten Gefährten, ebenso wie der Mischling Berkosch, der die Position des
Harvey Patton Feuerleitoffiziers einnahm. »Noch zwanzig Sekunden bis zum Sprung«, sagte Natsyboa vom Computer her. Er war ein unauffälliger älterer Mann mit einem schmalen Gesicht und vorzeitig ergrautem Haar und der zweite Mann des alten MEDON-Teams in der Zentrale. Er redete kaum mehr als Ventron, war aber als Computerspezialist kaum zu übertreffen. Seine Berechnungen stimmten stets bis zur letzten Dezimalstelle im untersten Bereich. Träge vergingen die Sekunden. Dann lief das Sprungtriebwerk an, die MEDON wurde durch den Hyperraum gerissen und materialisierte übergangslos wieder vor dem Zielsystem. Der schwache Transitionsschock klang ab, die sekundenlang grau gewordenen Bildschirme erhellten sich wieder. Doch schon im nächsten Moment fuhren die Männer zusammen, denn die Alarmpfeifen gellten auf. »Ortung, Mekron!« rief Ventron aus. »Ein großer länglicher Körper, etwa hunderttausend Kilometer entfernt. Energieortung positiv.« »Verdammt!« sagte der Mondträger heiser. »Ein Maahkschiff, darauf könnte ich wetten … Auswertung, schnell!« Die Männer handelten bereits mit der aus jahrelanger Übung geborenen Präzision. Alle durch die Ortungen ermittelten Daten wurden über eine Verbundschaltung direkt in den Computer geleitet. Natsyboas Finger hasteten über die Bedienungselemente, er schien förmlich mit dem Rechner zu verwachsen. Dermitron hatte inzwischen den Alarm abgestellt und den Befehl gegeben, den Schutzschirm einzuschalten. Es hatte keinen Sinn, sich energetisch totzustellen, der Gegner mußte die MEDON schon beim Austritt aus dem Hyperraum angemessen haben. Dermato hatte einen der Sektorenschirme einreguliert, auf dem nun das fremde Schiff deutlich zu sehen war. Eine Walze mit stumpfem Bug und bündelförmig im Heck angeordneten Triebwerken – ein Raumer des verhaßten Feindes!
Brennpunkt Cherkaton »Ihre Befehle, Mekron?« fragte Waynjoon knapp. Sein Gesicht war jetzt ebenso starr wie die Züge der anderen, seine Hand schwebte über der Taste, durch die eine Nottransition ausgelöst werden konnte. Dermitron überlegte hastig, während die durch den Computer errechneten Daten auf einem Monitor vor seinem Sitz erschienen. Das Maahkschiff war fünfhundert Meter lang, gehörte also zur Klasse der Schweren Kreuzer. Hatte es einen Sinn, sich mit diesem überlegenen Gegner anzulegen? Er hatte die MEDON längst geortet, das bewiesen die Signale der eigenen Geräte. »Feindeinheit fährt Konverter hoch!« gab Ventron lakonisch bekannt. Ein grünliches Flimmern legte sich um den Walzenkörper und verriet, daß auch die Maahks ihren Schutzschirm aktiviert hatten. Auf normalem Wege konnte die MEDON dem Gegner nicht mehr entkommen. Er trieb mit annähernd gleicher Geschwindigkeit und fast auf derselben Höhe dahin. Was mochte das Schiff in diese Gegend geführt haben? Hatte es vielleicht den Auftrag, Cherkaton zu überfallen und die dortige Kolonie zu vernichten? Weit und breit befand sich kein anderes Ziel. Dieser Gedanke gab den Ausschlag. Der Haß auf den Feind stieg in Mekron Dermitron auf. Im Geist befand er sich plötzlich wieder in der HADESCHA! Er sah die beiden Leichten Kreuzer explodieren, in denen mit einem Schlag vierzig seiner Männer gestorben waren. Er glaubte die schweren Schläge der auftreffenden Raumminen wieder zu spüren, die aus seinem stolzen Schiff ein hilfloses Wrack gemacht und den größten Teil der Besatzung getötet hatten. Alles in ihm schrie nach Rache. »Angriff!« befahl er. »Tod den Maahks!« antworteten seine Männer im Chor. Waynjoon handelte von nun an vollkommen selbständig. Die Normaltriebwerke sprangen an, die MEDON beschleunigte und zog nach oben hin weg. Gerade noch rechtzeitig, denn schon rasten die ersten Kampf-
11 torpedos der Maahks heran und verfehlten sie nur ganz knapp. Berkosch reagierte sofort. Die unteren Strahlgeschütze feuerten und brachten die Torpedos zur Explosion, ehe ihre Suchköpfe sie auf neuen Kurs bringen konnten. Dafür schickte der Feuerleitoffizier eine Salve eigener Raketen auf den Weg, denen es aber auch nicht besser ging. Nur eine fand das Ziel, explodierte jedoch bereits am Schutzschirm, ohne Schaden anzurichten. Auch der Walzenraumer beschleunigte nun. Seine Triebwerke wurden einseitig hochgefahren, so daß er sich nach oben hin drehte, um dem zu erwartenden Angriff besser begegnen zu können. Doch seine Manöver wirkten schwerfällig, und bald hatte Mekron auch den Grund dafür erkannt. »Das Schiff ist bereits beschädigt!« rief er triumphierend aus. »Es muß bei dem letzten Gefecht etwas abbekommen haben, das gibt uns eine gute Chance. Berkosch – Punktfeuer aus allen Geschützen, sobald die Schußdistanz erreicht ist. Gleichzeitig Torpedos abfeuern, auf denselben Punkt. Wir schaffen es!« Es wurde ein hartes Gefecht. Obwohl der Gegner bereits angeschlagen war, wehrte er sich verbissen. Die Maahks kannten keine Emotionen, also auch keine Todesfurcht. Er wäre ihnen nie in den Sinn gekommen, das Feuer einzustellen und sich zu ergeben. Sie kämpften bis zum letzten. Strahlbahnen und Kampfgeschosse wurden beiderseits abgefeuert und kreuzten sich. Der Schutzschirm der MEDON leuchtete grell auf, seine Belastung stieg schlagartig bis auf fast neunzig Prozent. Ein dumpfes Dröhnen durchlief das Schiff, gemischt aus den Einschlägen der feindlichen Waffen, dem Grollen der Konverter und Transformer und dem Salventakt der eigenen Kampfkuppeln. Waynjoon hatte alle Hände voll zu tun, um durch rasche Ausweichmanöver das Schlimmste zu verhüten. Doch auch Berkosch verstand sein Handwerk. Dem schweigsamen Mann kam es zugute, daß die MEDON während des Umbaus
12 weitgehend automatisiert worden war. Rechenelemente ersetzten die Funktionen der fehlenden Männer, und sie bewährten sich voll. Ein ununterbrochener Schauer von Strahlen und Geschossen traf den Walzenraumer stets an der gleichen Stelle, und bald zeigte sich die Wirkung. Der Schutzschirm begann zu flackern, erste Strukturrisse wurden sichtbar. Kampftorpedos durchstießen diese Lücken, und dann erschütterten Explosionen das feindliche Schiff. Mekron Dermitron hörte seine Männer begeistert aufschreien und wußte nicht, daß er selbst mit ihnen schrie. Sie alle waren Deserteure und Verfemte, aber sie waren Arkoniden! Sie kämpften nicht für den Imperator, wohl aber für das Imperium. Der Pilot führte die MEDON noch näher an das Maahkschiff heran – und das wäre ihnen fast zum Verhängnis geworden. Noch immer feuerten die Methanatmer zurück, und auch sie schossen gut. Plötzlich durchfuhr das Schiff ein schwerer Schlag, die Antigravprojektoren heulten auf und setzten für einen Augenblick aus. Die Männer wurden tief in ihre Kontursitze gepreßt, der Schutzschirm begann bedenklich zu flackern. Die überlegene Bewaffnung des Walzenraumers machte sich nun drastisch bemerkbar. Der Mondträger sah erstaunt, daß Waynjoon trotzdem wieder zu lächeln begann. Gleich darauf erkannte er auch den Grund dafür: Weitere Atomgeschosse hatten den Weg durch den Schirm des Feindes gefunden. Ein halbes Dutzend von Feuerbällen glutete gleichzeitig auf, vereinigte sich zu einem einzigen – der Untergang des Maahkschiffs war besiegelt! Seine Hülle wurde mittschiffs aufgerissen, und dann brach es wie in Zeitlupe auseinander. Konverter und Atomgeschosse wurden von den Kernreaktionen erfaßt und mit in den Sprengprozeß einbezogen. Der Walzenraumer verging in einer wahrhaft gigantischen Explosion. Plötzlich wurde es fast still in der MEDON. Die Arbeitsgeräusche der Aggregate verstummten fast ganz, niemand schrie
Harvey Patton mehr. Schweigend starrten die Männer das Inferno auf den Bildschirmen an, während der Pilot sich beeilte, das Schiff aus seinem Bereich zu bringen. Schlagartig fiel die Spannung von Mekron Dermitron ab. Ja, wir haben gesiegt, dachte er müde. Wir haben einen weit überlegenen Gegner mit unserem kleinen Schiff zur Strecke gebracht – aber warum das alles? Die Maahks können nur auf Riesenplaneten mit giftiger Atmosphäre leben, sie haben gar keinen Grund, die Arkoniden zu bekämpfen. Wo bleibt da ihre angeblich so perfekte Logik …? Die Antwort wußte niemand.
3. Zehn Stunden Pause. Das Schiff wurde durchgecheckt, die an einigen Instrumenten aufgetretenen Fehler beseitigt, die Abschußkammern der Kampfgeschosse nachgefüllt. Es wurde gegessen und geschlafen, nur ein Mann hielt ständig in der Hauptzentrale Wache und beobachtete die Ortungen. Nichts geschah, in weitem Umkreis war alles ruhig. Dann nahm die MEDON wieder Fahrt auf und flog in das System ein. Dermato fungierte als Pilot und steuerte das Schiff so, daß es sich Cherkaton aus Richtung der Sonne näherte. Alle Daten über den Planeten lagen vor. Es konnte also eingerichtet werden, daß sich der bewohnte Kontinent während des Anflugs auf der Gegenseite befand. Dadurch wurde eine Ortung durch die Anlagen von Cherkan praktisch ausgeschlossen. »Früher oder später wird man uns aber doch entdecken, Mekron«, sagte Salmoon, als die MEDON in den Orbit einschwenkte. »Wir werden unsere Suche nach der Station aus größerer Höhe vornehmen müssen, sonst verlieren wir zuviel Zeit. Irgendwann werden wir also zwangsläufig auch in den Ortungsbereich des Raumhafens kommen. Und was dann?« Dermitron zuckte mit den Schultern.
Brennpunkt Cherkaton »Halb so schlimm, Salmoon. Aus Atlans Angaben geht hervor, daß der Hafen nur sehr klein ist und über keine Abwehrforts verfügt. Man kann uns also höchstens anrufen, und dann geben wir uns einfach als Prospektoren aus. Schließlich sind wir ja auch so etwas wie Schatzsucher, nicht wahr?« Cherkaton war eine Welt von mehr als zwanzigtausend Kilometer Durchmesser. Die Massendichte war jedoch relativ gering, so daß die Gravitation nur geringfügig über der Arkonnorm lag. Siebzig Prozent der Oberfläche waren von Ozeanen bedeckt, es gab drei große und zwei kleinere Kontinente. Für einen Umlauf um die große weißgelbe Sonne brauchte der Planet fast zwei Standardjahre. Auch die Tage waren entsprechend der langsamen Rotation sehr lang und dauerten mehr als achtundzwanzig Stunden. Die Arbeit begann. Die Männer setzten alle verfügbaren Instrumente ein. Die Energiemeßgeräte liefen, ebenso die Metallorter und die Hohlraumdetektoren. Mit ihrer Hilfe mußte es möglich sein, Hengs Geheimstützpunkt zu entdecken, und wenn er noch so gut versteckt war. Die ersten zehn Stunden brachten jedoch kein Ergebnis. Ein großer und ein kleiner Kontinent auf der Südhalbkugel waren durchforscht worden. Einige Male hatten Metallorter und Hohlraumtaster angesprochen, aber es war immer blinder Alarm gewesen. Die Datenanalysen durch den Computer hatten erwiesen, daß es sich um natürliche Metallvorkommen oder Höhlungen handelte. »Wir machen jetzt Pause«, bestimmte Mekron schließlich. »Bringen Sie das Schiff auf Nordkurs und schalten Sie dann den Autopiloten ein, Dermato. In drei Stunden nehmen wir uns den nächsten Kontinent vor.« Das Ergebnis war aber auch dort entmutigend. Sie suchten noch den Inselkontinent ab, der dieser Landmasse vorgelagert war, und wieder ohne Erfolg. Schließlich kratzte sich Ventron gedankenvoll im Nacken. »Sieht schlecht aus, Mekron«, meinte er knapp wie immer. »Müssen also doch in der
13 Nähe von Cherkan suchen, wie?« Der Mondträger nickte. »Etwas anderes bleibt uns kaum übrig, selbst auf die Gefahr hin, daß man uns ortet. Vorerst reicht es aber. Steuern Sie das Schiff so ein, daß wir über dieser Gegend bleiben, Dermato. Wenn wir ausgeschlafen sind, suchen wir weiter.« Die willkürlich festgesetzte »Nacht« blieb ruhig. Dieser Planet war so abgelegen, daß nicht einmal das Videoprogramm von Arkon I zu empfangen war. Vermutlich war es wegen der zwanzigtausend Kolonisten nicht die Mühe wert, eigens einen Relaissatelliten in der Nähe zu stationieren. Trotzdem wachte stets einer der Männer in der Kommandozentrale. Der Zusammenstoß mit dem Maahkschiff war ihnen Warnung genug gewesen. Dann übernahm Waynjoon die Führung des Schiffes. Die MEDON setzte sich wieder in Bewegung und steuerte in zwanzig Kilometer Höhe den Kontinent an, auf dem sich das Siedlungsgebiet befand. Das engte zwar den Suchradius der Instrumente beträchtlich ein, schob aber den Zeitpunkt der Entdeckung hinaus. Das alte Spiel begann. Die Energieortung schwieg nach wie vor, aber man stieß relativ oft auf subplanetare Hohlräume oder Metallager. Nur von Amarkavor Hengs Geheimstützpunkt fand sich keine Spur. Dann kam das, was kommen mußte: Die Ruflampe des Normalfunkgeräts flackerte auf, Amplituden auf den Monitoren zeigten an, daß sich das Schiff im Taststrahl der Ortungsgeräte von Cherkan befand. Das Versteckspiel war beendet. »Sollen wir uns einfach totstellen?« erkundigte sich der Pilot mit gewohnt fröhlicher Miene. Dermitron winkte ab. »Auf gar keinen Fall, Waynjoon. Man könnte sonst da unten auf den Gedanken kommen, uns als verdächtig einzustufen. Dann genügt ein kurzer Hyperspruch zur nächsten Flottenbasis, und in ein paar Stunden schickt man uns ein Jagdkommando auf den Hals! Das wäre so ziemlich das letzte, was wir brauchen können, also werden wir
14 uns schön folgsam melden. Nein, lassen Sie, das übernehme ich selbst.« Er griff hinter sich und stülpte sich eine abgegriffene Mütze über den Kopf, die vorsorglich bereitlag. Dann nahm er den Platz vor der Funkanlage ein und aktivierte das Gerät. Der Bildschirm flackerte auf, und auf ihm erschien das Gesicht eines älteren Arkoniden. Die im Hintergrund sichtbaren Anlagen zeigten das Innere einer primitiv anmutenden Ortungsstation. Mekron nickte ihm mit neutralem Lächeln zu. »Hier Raumhafen Cherkan«, sagte der Anrufer. »Darf ich Sie bitten, sich zu identifizieren?« Der Mondträger nickte freundlich. »Selbstverständlich, Erhabener. Hier Prospektorenschiff MEDON unter dem Kommando von Derm Mekron, lizensierter Uransucher. Ich wußte bisher nicht, daß es hier eine Kolonie und einen Raumhafen gibt. Irgend jemand bei der Lizenzbehörde muß wohl geschlafen haben, wie üblich.« Über das Gesicht auf dem Schirm flog ein Lächeln. »Es passiert selten, daß sich einmal ein fremdes Schiff bis zu uns verirrt. Ich bin übrigens ebensowenig 'erhaben' wie Sie, mein Name ist schlicht und einfach Ascarmon. Kann ich etwas für Sie tun? Sie können selbstverständlich hier bei uns landen, wenn Sie wollen, Mekron.« Dermitron winkte ab. »Vielleicht später, die Arbeit geht vor. Die Lizenz hat mich schließlich eine Menge Geld gekostet, das es wieder hereinzuholen gilt. Oder haben Sie einen Tip für mich, wo hier etwas zu finden ist? Ich wäre gern zu einer kleinen Gegenleistung bereit.« Ascarmon hob die Schultern. »Tut mir leid, damit kann ich Ihnen nicht dienen. Wir sind einfache Kolonisten, uns gehen andere Dinge vor. Falls Sie Hilfe brauchen, können Sie sich aber an Letschyboa wenden, er wohnt hier in der Stadt. Keiner kennt diesen Kontinent besser als er.« Der Kommandant dankte und unterbrach die Verbindung. Dann schwang er mit seinem Kontursitz herum und schob die ver-
Harvey Patton beulte Mütze ins Genick. »Letschyboa«, sagte er, »diesen Namen kenne ich doch! Und er kennt Atlan, wenn auch nicht als den Kristallprinzen von Arkon. Diesen Namen müssen wir uns merken …«
* Im Hospital von Cherkan herrschte Hochbetrieb. Eine lange Schlange junger Männer wartete auf den Korridoren. Alle zehn Minuten wurden sechs von ihnen aufgerufen und verschwanden dann in den Untersuchungs- und Diagnosezimmern. Die Musterung für die Flotte war in vollem Gange. Im Grunde war sie nur eine Farce. Larschinok und Moringol hatten die feste Absicht, jeden Mann in ihre »Obhut« zu nehmen, der die Voraussetzungen in technischer Hinsicht halbwegs erfüllte. Die untersuchenden Ärzte hatten Anweisung erhalten, über gesundheitliche Mängel bis zu einem gewissen Maß hinwegzusehen. Ganz gesund waren ohnehin die wenigsten Bewohner der Stadt. Die lange Zeit der vollkommenen Unterdrückung durch den Propheten der Unwissenheit hatte bei allen ihre Spuren hinterlassen. Sie hatten schwer arbeiten und dabei hungern müssen, viele ältere Leute waren damals gestorben. Die Folgen der Unterernährung waren längst noch nicht voll überwunden. Doch das kümmerte Orbanaschols Männer wenig. Sie waren fest gewillt, ihr Soll zu erfüllen, denn für jeden neuen Rekruten gab es eine Prämie. Sie selbst traten aber kaum in Erscheinung. Ihr Sprachrohr war der Gouverneur, in dessen Namen alle Anweisungen ergingen. Geraban gehorchte schweren Herzens, aber er hatte keine andere Wahl. Er wußte wohl, daß die Leute murrten, doch die Anwesenheit eines POGIM-Mannes hatte sich schnell herumgesprochen. Niemand konnte es unter diesen Vorzeichen wagen, sich offen gegen die Rekrutierung zu sträuben. Die
Brennpunkt Cherkaton Kolonisten waren nicht autark, sondern auf regelmäßigen Nachschub von Gütern angewiesen, die man auf Cherkaton nicht erzeugen konnte. Nur ein Wort Moringols an eine zuständige Stelle – und schon würden die Versorgungsschiffe ausbleiben! Die Folgen waren absehbar: Neuer Mangel und neue Entbehrungen für die zwanzigtausend Bewohner, ein erneuter Rückschlag. Es war also besser, sich zu fügen. Eine Anzahl junger Männer hatte ins unwegsame Hinterland zu fliehen versucht, als der Aufruf zur Musterung ergangen war. Sie waren jedoch nicht weit gekommen. Auch die Polizei hatte ihre Instruktionen erhalten und sie mit Hilfe ihrer schnellen Gleiter wieder eingefangen. Man hatte sie zwar nicht bestraft, dafür aber als erste dem Rekrutierungsbüro zugeführt, das in einem Untergeschoß des Zentralgebäudes eingerichtet worden war. Daß sie mit Sicherheit bei der Flotte landen würden, war nicht zu bezweifeln. Der Gouverneur war restlos deprimiert. An jedem Morgen erschienen Larschinok und Moringol bei ihm und diktierten ihm sein Verhalten. Widerstand leisten zu wollen, war für ihn vollkommen aussichtslos. An diesem Morgen hatte er schweren Herzens den Befehl weitergeben müssen, am Rand des Raumhafens ein Zeltlager einzurichten. Dorthin wurden nun all jene Männer gebracht, die als geeignet befunden wurden. Inzwischen waren fünf Männer des »Sonderkommandos« daran gegangen, rings um dieses Areal Strahlprojektoren in Stellung zu bringen. »Ausschließlich zur Sicherheit der Rekruten«, hatten ihm Moringol süffisant erklärt. »Das Gelände ist etwas abgelegen, und auch auf Cherkaton gibt es wilde Tiere. Wir können doch nicht riskieren, daß sie die zukünftigen Streiter für das Imperium anfallen und fressen, nicht wahr?« Das war natürlich blanker Hohn gewesen. Die wenigen wirklich gefährlichen Tiere in der Umgebung von Cherkan hatten längst ihre Lektion bekommen. Seit Jahren wagten
15 sie sich nicht mehr in die Nähe der Stadt. Selbst in der chaotischen Zeit des Vorjahrs hatten sie das Siedlungsgebiet gemieden, obwohl sie damals reiche Beute hätten machen können. Die Strahlensperren hatten also nur den einen Zweck, die widerwilligen Rekruten an einem Ausbruch zu hindern. Eine logische Maßnahme, denn die Handvoll Männer des Kommandos wären nie dazu imstande gewesen. Larschinok und Moringol wußten das, sie hatten auf anderen Planeten bereits entsprechende Erfahrungen gemacht. Für sie war dieses Vorgehen nur noch Routine, mehr nicht. Der Gouverneur saß an seinem Schreibtisch und starrte mutlos vor sich hin. Er fühlte sich alt und müde. Fünf Tage lang würde er diese fortgesetzten Demütigungen noch ertragen müssen. Dann sollte ein Truppentransportschiff der Imperiumsflotte eintreffen, um die jungen Männer abzuholen. Es war schon jetzt so gut wie sicher, daß nur die wenigsten von ihnen wieder zurückkehren würden. Wen der unersättliche Dämon »Krieg« einmal in den Klauen hatte, den gab er nur in den seltensten Fällen wieder her. Der Summer des Videogeräts vor ihm schlug an. Er tastete es ein, und auf der Bildfläche erschien das Gesicht Romanturs, der Chefarzt des Hospitals von Cherkan war. Er und Geraban kannten sich gut. Als es darum gegangen war, nach der Rückkehr der Geisteskräfte wieder Ordnung zu schaffen, hatten diese beiden Männer die Hauptarbeit leisten müssen. Romantur war nicht mehr jung und sonst durchweg ruhig und besonnen. Jetzt glühte sein Gesicht vor Erregung. »Bei allen Göttern: Was mutest du mir zu, Geraban?« begann er sofort. »Als verantwortungsvoller Arzt kann ich einfach nicht mehr weiter mitmachen! Gewiß, ich sehe ein, daß das Imperium Raumfahrer braucht. Du kannst doch aber nicht im Ernst von mir verlangen, daß ich nach den Richtlinien handle, die du ausgegeben hast. Mindestens ein Drittel der jungen Männer ist körperlich
16 längst noch nicht wieder auf der Höhe. Was soll die Flotte mit solchen Leuten anfangen? Ich weigere mich entschieden …« Er verstummte, denn nun war ihm aufgefallen, wie verfallen das Gesicht des Gouverneurs aussah. »Was ist mit dir?« fragte er besorgt. »Bist du krank, Geraban?« Der Administrator winkte müde ab. »Es ist nichts, was du kurieren könntest, Bauchaufschneider. Mich bedrückt dasselbe wie dich, das ist alles. Trotzdem muß ich dich bitten, dich an die Anweisungen zu halten. Es geht einfach nicht anders, verstehst du?« »Nein, das verstehe ich beim besten Willen nicht«, knurrte der Arzt. »Diesem Larschinok kann doch auch nichts daran liegen, Leute zu rekrutieren, die den Anforderungen einfach nicht gewachsen sind. Oder ist da etwas anderes im Spiel? Hat man dich unter Druck gesetzt?« Geraban nickte langsam. Mit Romantur konnte er offen reden, das wußte er. »Genau das, Bauchaufschneider. Oder sollte dir als einzigem verborgen geblieben sein, daß sich ein Mann der Politischen Geheimpolizei bei dem Rekrutierungskommando befindet? Moringol steckt hinter allem, nach seiner Pfeife muß ich tanzen, so schwer es mir auch fällt.« Das Gesicht des Mediziners verzog sich abfällig. »Warum läßt du dir so etwas bieten, Geraban? Diese zehn Figuren stellen doch kein großes Problem dar. Nur ein Befehl von dir, dann sind sie verhaftet! Wenn dann der Transporter kommt …« Er unterbrach sich, denn der Gouverneur lachte bitter auf. »Glaubst du? Wir leben nicht mehr in der Zeit deines heimlich verehrten Imperators Gonozal, Romantur! Dieser Moringol hat alle Vollmachten in der Tasche – sogar die, mich hinrichten zu lassen, wenn ich nicht gehorche. Wenn ich nach deinem Rezept handeln wollte, wäre das Hochverrat. Ich mußte mich fügen, um Repressalien gegen Cherkaton zu verhindern. Daß wir auf Hilfe von Arkon angewiesen sind, weißt du doch.«
Harvey Patton Romanturs Züge versteinerten. »So ist das also!« sagte er langsam. »Verzeih, das konnte ich wirklich nicht ahnen. Wir müssen also ein Übel akzeptieren, so sehr uns das auch widerstrebt, um unserer Welt Schlimmeres zu ersparen. Gut, ich werde mich danach richten, so schwer es mir auch fällt. In was für einer Zeit leben wir nur, Geraban? Dieser verdammte Dickwanst …« Er unterbrach die Verbindung gerade noch rechtzeitig, ehe der Name Orbanaschol über seine Lippen kommen konnte. Trotzdem wußte der Gouverneur sehr genau, wen er gemeint hatte – und im stillen gab er ihm recht. Bisher war er ein loyaler Beamter des Imperators gewesen, aber das war nun vorbei. Die Rekrutierung ging weiter. Am Nachmittag hatte Moringol sein Ziel erreicht. Mehr als vierhundert junge Männer befanden sich im Zeltlager, die Strahlensperren waren eingeschaltet. Es gab nur einen Ausgang, und der wurde von den Männern der Flotte bewacht.
4. »Diesen Amarkavor Heng sollen die Götter noch nachträglich strafen«, sagte Salmoon entmutigt. »Was sollen wir jetzt noch tun, Mekron? Wir können doch nicht mit leeren Händen nach Kraumon zurückkehren, wo man so große Erwartungen in unser Unternehmen setzt.« Nicht nur er war niedergeschlagen, sondern die ganze Besatzung der MEDON. Das Schiff hatte unermüdlich seine Kreise gezogen und den gesamten Kontinent abgesucht. Das Ergebnis war gleich Null gewesen. Man hatte lediglich die Trümmer des Blorbonenschiffs entdeckt, mit dessen Absturz damals die Leidenszeit für Cherkaton begonnen hatte. Die SKORGON Hengs befand sich natürlich nicht mehr auf dem Planeten. Atlan hatte sie den Kolonisten überlassen, damit sie Hilfe von anderen Welten herbeiholen konnten. Die Blicke der Männer richteten sich fra-
Brennpunkt Cherkaton gend auf Dermitron, als sie nun im Messeraum beim Essen zusammensaßen. Der Mondträger nahm einen Schluck Tee aus seinem Becher, seine Brauen waren überlegend zusammengekniffen. Er schwieg noch eine Weile, dann sah er auf. »Wir werden uns Rat und Hilfe in Cherkan holen müssen«, gab er zurück. »Ich nehme stark an, daß der Ausbau von Hengs Stützpunkt zwar streng geheim, aber doch nicht ganz unbemerkt vor sich gegangen ist. Zu diesem Zweck mußten Schiffe hier landen, deren Anwesenheit der Ortungsstation kaum entgangen sein kann. Vermutlich ist das schon längere Zeit her, aber man wird es wohl noch nicht vergessen haben. Wenn wir es geschickt genug anstellen, wird niemand Verdacht schöpfen. Geld, in die richtigen Hände gedrückt, dürfte auch auf dieser Welt seinen Zweck als Gedächtnishilfe nicht verfehlen.« Eine halbe Stunde später löste sich ein Beiboot von der MEDON, die in einem stationären Orbit über dem Nordteil des Kontinents blieb. Es war klein und sah mitgenommen aus, wie man es von dem Fahrzeug eines einfachen Prospektors erwarten mußte. Das war natürlich nur Tarnung, denn es besaß einen leistungsstarken Antrieb und mehrere versteckt eingebaute Waffen. Dermitron flog es selbst. In seiner Begleitung befand sich Ventron, der mit seiner massigen Gestalt und dem derb anmutenden Gesicht das Idealbild eines folgsamen, nicht übermäßig klugen Gehilfen abgab. Daß er ein ausgezeichneter Spezialist mit guter Allgemeinbildung war, sah man ihm nicht an. Beide Männer hatten entsprechende Kleidung angelegt. Schon während des Abstiegs nahm Mekron Funkverbindung mit dem Raumhafen auf. Das Gesicht des Leiters der Ortungsstation erschien auf dem Bildschirm, und er nickte ihm freundlich zu. »Ich begrüße Sie, Ascarmon: Im Augenblick bin ich mit einem Boot nach Cherkan unterwegs, Sie werden uns bald in die Ortung bekommen. Leider gibt es Schwierig-
17 keiten, wir kommen nicht so voran, wie wir das erhofft hatten. Vermutlich liegt es an den Instrumenten, unsere Ausrüstung ist nicht mehr ganz neu. Gibt es in der Stadt Leute, die sich früher schon als Prospektoren betätigt haben? Ich würde sie natürlich angemessen entlohnen.« Ascarmon wiegte den Kopf. »Es gibt ein paar, darunter auch Letschyboa, auf den ich Sie schon hingewiesen habe. Allerdings dürfte es gut sein, wenn Sie sich erst mit dem Gouverneur in Verbindung setzen. Er weiß immer gern, was in seinem Bereich vorgeht. Er ist ein Mann, der mit sich reden läßt. Sie können ihn unbesorgt aufsuchen.« »Wird das sehr teuer?« erkundigte sich Dermitron mit gewollt skeptischem Gesicht. Das Stationsleiter lächelte. »So habe ich das nicht gemeint, Mekron. Geraban ist nicht auf persönliche Bereicherung aus, keine Sorge. Sie werden lediglich die üblichen Abgaben entrichten müssen, wenn Ihre Suche Erfolg gehabt hat.« Der Mondträger dankte ihm und unterbrach die Verbindung. »Ein aufrechter Mann ohne Fehl und Tadel also«, meinte er mit leichtem Spott. »Zweifellos gut für Cherkaton – ob auch für uns, ist eine andere Frage. Beamte, die mehr eine Politik der offenen Hand betreiben, sind meist leichter zu behandeln. Sie halten zwar stets die Ohren gespitzt, aber sie drücken dafür auch gern ein Auge zu, sofern ihnen das genug einbringt.« Das Boot überquerte das Gebirge und die Wälder nördlich von Cherkan, die Stadt kam in Sicht. Die nicht sehr hohen Gebäude wirkten nüchtern, die Straßen dazwischen zogen sich streng symmetrisch angeordnet zwischen ihnen hin. Im Mittelpunkt lag der große Zentralplatz, aus seinen Grünanlagen ragte der Trichterbau der Verwaltung auf. Ein Polizeigleiter tauchte auf und gab Blinkzeichen, also hatte Ascarmon die Ankunft des Bootes weitergemeldet. Seine Insassen dirigierten Dermitrons Fahrzeug zu einem geeigneten Landeplatz. Die beiden Männer stiegen aus und machten sich zu Fuß auf den Weg zum Gouverneur.
18 »Hoffentlich geht alles glatt«, brummte Ventron besorgt. »Wenn man uns schnappt …« »Warum sollte man?« unterbrach Mekron ihn. »Wir sind offen gekommen, also wird uns niemand irgendwie verdächtigen. Im Gegenteil, man wird uns sogar sehr zuvorkommend behandeln, meine ich. Von einem Abbau von Uranerz in großem Stil würde auch die Kolonie profitieren.« Er schwieg, denn ihnen kamen Leute entgegen, die sie neugierig musterten. Das Bild der Umgebung unterschied sich kaum von dem auf anderen Siedlerplaneten. Zwar wirkten die Mienen der meisten Passanten irgendwie bedrückt, aber Dermitron schob das auf die Sorgen, die es hier zweifellos noch immer gab. Sie erreichten die Basis des Zentralgebäudes, betraten die Eingangshalle und orientierten sich an einer Hinweistafel. Es war bereits später Nachmittag, der Publikumsverkehr war nur noch gering. Ein Antigravlift brachte sie nach oben in das Stockwerk, in dem Geraban seine Amtsräume hatte. Die Folgen der Zerstörung aller Technik unter dem falschen Propheten waren längst überwunden. Ein Vorzimmer nahm sie auf, sie trugen einem freundlich lächelnden Mädchen ihr Anliegen vor. Ein kurzes Visiphongespräch, dann mußten sie warten. Doch schon zehn Minuten später ertönte ein Summer, der Weg zum Gouverneur war frei. Geraban empfing sie freundlich. »Ascarmon hat mich schon auf Ihr Kommen vorbereitet, Mekron«, erklärte er. »Das ist hier so üblich, denn fremde Besucher sind bei uns Hinterwäldlern eine Seltenheit. Darf ich Ihre Lizenz sehen?« Dermitron reichte ihm das Papier, eine hervorragende Fälschung aus den Labors von Kraumon. Der Gouverneur überflog es kurz und gab es ihm dann zurück. »In Ordnung, Mekron. Sie können sich überall auf Cherkaton frei bewegen und Helfer anwerben, wenn das nötig ist. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, er würde auch uns zugute kom-
Harvey Patton men.« Der Mondträger verneigte sich. »Ich danke Ihnen, Erhabener, und erwidere Ihre Wünsche. Es hat sich bereits bis zu uns herumgesprochen, daß Ihr Planet Schweres durchgemacht hat. Mögen die Götter Ihnen weitere Ungelegenheiten ersparen.« Eine kurze Verabschiedung, und sie verließen das Gebäude wieder. Verwundert sah Ventron die steile Falte, die sich auf der Stirn des Kommandanten gebildet hatte. »Stimmt etwas nicht, Mekron?« erkundigte er sich. »Es sieht ganz so aus«, meinte Dermitron nachdenklich. »Mir fiel die abrupte Veränderung in Gerabans Miene als Reaktion auf meine letzten Worte auf. Dieser Mann muß schwere Sorgen haben, er kann sich nur mühsam beherrschen. Irgend etwas scheint auf Cherkaton faul zu sein, Ventron. Wir sollten unsere Augen offenhalten, damit wir keine unliebsamen Überraschungen erleben.«
* Sie waren dabei, sich ihrem Gleiter zu nähern, als ein Mann direkt auf sie zukam. Er hatte auf einer Bank in den Anlagen gesessen und sie bereits beim Aussteigen beobachtet. Mekron taxierte ihn kurz und war dann sicher, daß von ihm keine Gefahr ausging. Er war schon sehr alt und humpelte auf einen Stock gestützt dahin. »Können wir etwas für Sie tun?« fragte der Mondträger, der durch ihn an seinen Vater erinnert wurde, der von Orbanaschol in die Verbannung geschickt worden war. Der Alte blieb bei ihm stehen und lachte heiser auf. »Sie für mich?« meinte er krächzend. »Im Gegenteil, junger Mann, ich will etwas für Sie tun! Ich will Sie warnen. Passen Sie nur auf, daß Sie nicht den Leuten des Rekrutierungskommandos über den Weg laufen! Sie haben unsere besten jungen Leute geholt und in ein Lager gesperrt. Dort müssen sie nun darauf warten, bis sie abtransportiert
Brennpunkt Cherkaton werden, um als Kanonenfutter gegen die Maahks zu dienen. Meinen Sie, daß es diesen Schergen etwas ausmachen würde, auch Sie mitzunehmen?« Er drehte sich mit grimmiger Miene um und humpelte davon. Sekundenlang stand Mekron Dermitron wie erstarrt da, und in seinem Gesicht arbeitete es. Dann kam wieder Leben in ihn und er schob Ventron hastig auf das Beiboot zu. »So ist das also!« sagte er tonlos, als er das Fahrzeug gestartet hatte. »Verdammt, jetzt streckt der Brudermörder auf dem Imperatorenthron seine Finger schon bis in die letzten Winkel unserer Sterneninsel aus. Kein Wunder, daß der Gouverneur aufs tiefste deprimiert ist. Cherkaton hat sich noch nicht von den Wunden erholt, die der verrückte Blorbone dieser Welt geschlagen hat. Daß man sich trotzdem nicht scheut, hier gerade die wertvollsten Kräfte wegzuholen, ist eine Schande und ein Verbrechen!« Auch Ventron war tief erschüttert. »Können wir das nicht verhindern, Mekron?« fragte er heiser. »Wir haben doch ein gutes Schiff und die nötigen Waffen. Ein kurzer Handstreich, und der ganze Spuk ist beseitigt.« Der Mondträger überlegte. »Nein, Ventron«, gab er schließlich zurück. »Ich möchte es bestimmt gern, aber übereiltes Handeln könnte hier mehr schaden als nützen. Entscheidende Informationen fehlen uns noch. Wir müssen vorerst so tun, als wüßten wir von nichts, und weitere Erkundigungen einziehen. Ob wir dann etwas unternehmen, hängt ganz von den Umständen ab. Wir haben schließlich eine fest umrissene Aufgabe, das dürfen wir nie außer acht lassen.« »Trotzdem!« beharrte der Techniker erbittert. Dermitron zuckte mit den Schultern und gab keine Antwort mehr. Letschyboas Haus lag am südlichen Stadtrand, eine Grünfläche bot ausreichend Landeplatz für das kleine Boot. Als die beiden Männer ausstiegen, trat ihnen der Hausherr bereits entgegen. Verwundert sah er die unvermuteten Besucher an.
19 Der Jäger und Prospektor stand etwa im gleichen Alter wie Mekron Dermitron. Er war auch ungefähr gleich groß, aber erschreckend mager, die rötlichen Augen lagen tief in ihren Höhlen. Es war auf den ersten Blick zu sehen, daß er noch immer schwer an den Folgen der langen Entbehrungen litt, die er als 'Prophet der Unwissenheit' hatte erdulden müssen. Ein halbes Standardjahr lang war er der geistige Sklave und das willenlose Medium des fremden Gehirnwesens gewesen. Die ganze Zeit über hatte er unter einem PsiVerstärker in einem Fragment des abgestürzten Schiffes gesessen und von dort aus Befehle an die Kolonisten übermittelt. Roboter des Blorbonen hatten ihn nur unzureichend mit dem Notwendigsten versorgt. Seine Leidenszeit war erst durch das Eingreifen Atlans und der Varganin Ischtar beendet worden. Es war fast ein Wunder, daß er geistig gesund geblieben war. Der Mondträger kannte alle Details seiner Geschichte durch Atlans Schilderungen. Erschüttert betrachtete er den Mann und fragte sich, ob er ihnen in seinem Zustand überhaupt würde helfen können. Schließlich hob er grüßend die Hand. »Derm Mekron, lizensierter Prospektor«, stellte er sich vor. »Dies ist mein Gehilfe Ventron. Wir suchen auf Cherkaton nach Uranerz, haben jedoch Schwierigkeiten, Ascarmon hat uns an Sie verwiesen. Er meinte, Sie könnten uns helfen.« Letschyboa schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, daß Sie bei mir an der falschen Adresse sind, Mekron«, sagte er mit seltsam tonloser Stimme. »Ich bin ein kranker Mann und habe bis vor sechs Wochen im Hospital gelegen. Eine Expedition in die Wildnis würde meine Kräfte bei weitem übersteigen.« Dermitron winkte ab. »Deswegen brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, Letschyboa. Ich habe ein Raumschiff und führe meine Suche von oben her durch. Unsere Instrumente sind aber nicht mehr neu. Vielleicht liegt es daran, vielleicht auch an Stö-
20 rungen durch das Magnetfeld von Cherkaton. Daß es auf diesem noch jungen Planeten kein Uranerz geben soll, kann ich einfach nicht glauben.« Nun erwachte doch das Interesse in dem ausgezehrten Mann. »Doch, hier gibt es Uran, Mekron. Ich habe zwar bisher immer nur nach Gold gesucht, weil dessen Abbau weniger aufwendig und kostspielig ist, aber ich habe oben im Norden auch unverkennbare Anzeichen für das Vorhandensein von Pechblende gefunden. Kommen Sie bitte mit ins Haus, dort können wir uns weiter unterhalten.« Drinnen trat ihnen ein zierliches, aber gutgewachsenes Mädchen entgegen. »Meine Nichte Seracia«, bemerkte Letschyboa. »Sie ist die Tochter meines Bruders Korschizyn und betreut mich geradezu rührend. Ohne sie hätte ich mir in der ersten Zeit kaum zu helfen gewußt, ich bin Junggeselle.« »Bring Wein und Gebäck für meine Gäste«, trug er ihr auf. Sie eilte hinaus, das leichte Frühjahrskleid wehte um ihre Gestalt. So, das ist also Seracia! dachte Dermitron und sah ihr neugierig nach. Auch dieses Mädchen war in Atlans Aufzeichnungen genannt worden. Sie hatte zu den weniger von der geistigen Reduzierung Betroffenen gehört und ihm geholfen. Der Kristallprinz hatte sie mehr am Rande erwähnt, aber einige Redewendungen hatten Mekron doch zu denken gegeben. Sollte Atlan vielleicht … Das geht mich nichts an, sagte sich Mekron und wandte sich wieder Letschyboa zu. Er griff in die Tasche und holte eine Schachtel mit kleinen rötlichen Kapseln hervor. »Hier habe ich etwas, das Ihnen sicher guttun wird«, sagte er. »Zwei dieser Kapseln täglich, und Sie werden schnell wieder zu Kräften kommen.« Der Prospektor nahm die Packung, und dann wurden seine Augen groß. »Das sind ja Majalla-Kapseln!« staunte er. »So etwas kennen wir hier nur vom Hörensagen, diese Schachtel muß ein kleines Vermögen kosten. Wie sind Sie daran gekommen?«
Harvey Patton Dermitron lächelte leicht. Die MajallaPflanze war ziemlich selten, ihre Wirkstoffe vollbrachten jedoch wahre Wunder an Schwachen und Kranken. Auf Kraumon fand man sie dagegen im Überfluß. Fartuloons stets wachsame Augen hatten das bemerkt und in den Labors die Produktion der heilkräftigen Kapseln aufgezogen. Das konnte er Letschyboa aber natürlich nicht sagen. »Das Geschenk eines Freundes«, wich er aus. »Sie können sie ohne Gewissensbisse nehmen, ich würde sie vermutlich doch nur irgendwo verlieren. Wenn man gesund ist, achtet man nicht sehr auf solche Dinge.« Letschyboa bedankte sich auf seine Weise. »Sie können über mich verfügen, Mekron«, sagte er. »Ich werde Ihnen behilflich sein, soweit das in meinen Kräften steht. Jetzt wollen wir aber erst einmal etwas zu uns nehmen. Anschließend können Sie mir Ihre Sorgen schildern.« Seracia hatte einen Tisch gedeckt. Auf den Tellern lagen appetitlich aussehende kleine Kuchen, in den Gläsern schimmerte goldgelber Wein. Sie aßen und tranken, es mundete den Männern ausgezeichnet. Dermitron lobte Seracias Backkunst, und das Mädchen errötete. Sie dankte mit einigen launigen Worten, räumte wieder ab und verschwand in der Küche. Nun lehnte sich der Prospektor zurück und sah Mekron an. »Sie haben sich eine schlechte Zeit für Ihr Hiersein ausgesucht«, meinte er vorsichtig. »Man hat Ihnen sicher schon von der Rekrutierung erzählt, die augenblicklich hier im Gange ist. Die Leute murren, und das zu Recht. Die Götter scheinen es in letzter Zeit nicht gut mit Cherkaton zu meinen.« Der Mondträger nickte. »Sie haben seinerzeit besonders viel mitgemacht, wie ich hörte. Würde es Ihnen etwas ausmachen, uns davon zu erzählen? Ich frage keineswegs aus Neugier, das dürfen Sie nicht denken, die Sache an sich interessiert mich.« Letschyboa winkte ab. »Keine Sorge, ich bin längst darüber hinweg. Heute erscheint mir das alles nur noch wie ein böser Traum.
Brennpunkt Cherkaton Ich war mit einem Freund zur Jagd im Gebirge. Plötzlich erschien ein feuriges Phantom am Himmel …« Er redete weiter und schilderte die Dinge von seiner Perspektive aus. Mekron hörte aufmerksam zu und verglich die Erzählung mit Atlans Version. Das meiste stimmte überein, nur der Schluß nicht. Dort trat an Atlans Stelle der Befehlshaber von Trantagossa, Amarkavor Heng. Auch Ischtar und ihr Pyramidenschiff wurden mit keinem Wort erwähnt. »Heng hat also das fremde Wesen erledigt«, griff Dermitron zum Schluß den Faden auf. »Wo ist er aber anschließend geblieben? Er mußte doch wissen, daß er sich allein in der Wildnis nicht behaupten konnte, auch wenn er geistig nicht mehr ganz in Ordnung war.« Letschyboa sah starr vor sich hin, man sah ihm an, daß ihm dieses Thema nicht behagte. Er zuckte mit den Schultern und setzte zu einer Antwort an, aber im gleichen Augenblick wurde von der Tür her ein Schluchzen hörbar. Seracia war unbemerkt dort aufgetaucht und hatte zugehört. Nun konnte sie sich nicht mehr länger beherrschen. »Alles Lüge!« stieß sie unter Tränen hervor. »Ich kann es einfach nicht mehr mitanhören, Onkel. Warum sagst du nicht, daß es Mascaren war, der uns geholfen hat? Die meisten Leute wissen es ja ohnehin.« »Schweig, Mädchen!« herrschte sie der Prospektor an. »Willst du uns alle in Teufels Küche bringen? Ich zittere ohnehin schon bei dem Gedanken, daß jemand sich gegenüber den Männern Larschinoks verrät. Dann wäre es nicht mehr weit bis zur Aufdeckung der wahren Zusammenhänge, und eine Strafexpedition wäre Cherkaton sicher …« Er verstummte erschrocken, als er bemerkte, daß er selbst auch schon zuviel gesagt hatte. Dermitron und Ventron sahen sich an, im Kopf des Mondträgers überschlugen sich die Gedanken förmlich. Nach wenigen Sekunden glaubte er klarzusehen, und er legte Letschyboa beruhigend die
21 Hand auf die Schulter. »Kein Grund zur Sorge, Freund. Von uns wird bestimmt niemand erfahren, daß es Kristallprinz Atlan war, der hier auf Cherkaton gewesen ist …!«
5. Mekron Dermitron war schon immer ein Freund schneller Entschlüsse gewesen. Als Kampfkommandant hatte er meist nur wenige Sekunden Zeit gehabt, die Lage richtig einzuschätzen, wenn die Maahks unvermutet aufgetaucht waren. Nun hatte er auch hier rein intuitiv gehandelt und alles auf eine Karte gesetzt. Für einen Moment wurde es fast geisterhaft still im Raum. Alle hielten den Atem an, auch Seracias Schluchzen war abrupt verstummt. Sie hatte beide Hände vor den Mund gepreßt, ihre Augen waren schreckvoll geweitet. Letschyboa war noch bleicher geworden als zuvor, sein Blick zeigte einen undefinierbaren Ausdruck. »So, Sie wissen es also auch«, sagte er langsam und sah dem Mondträger scharf in die Augen. »Von unseren Leuten aber ganz bestimmt nicht, das steht fest. Auch hier gibt es Spitzel, vor denen wir das Geheimnis sorgsam verbergen mußten, nachdem wir die Zusammenhänge erfaßt hatten. Deshalb jetzt meine Frage: Woher wissen Sie es, und wer sind Sie wirklich, Mekron?« Die Spannung fiel von Dermitron ab – seine Karte hatte gestochen! Er lehnte sich aufatmend zurück, ein Lächeln flog über seine Züge. »Wir sind Freunde, Letschyboa«, erwiderte er einfach und gab den Blick fest zurück. »Freunde des Prinzen und aller aufrechten Arkoniden und Gegner Orbanaschols, der sich durch Mord und Intrigen des Thrones von Arkon bemächtigt hat.« Auch der Prospektor begann nun zu lächeln. »Dann sind Sie aber nicht rein zufällig hier, nicht wahr? Hat Atlan Sie geschickt, um hier nach dem Rechten zu sehen?«
22 »Dann lebt er also und ist in Sicherheit?« fragte Seracia mit glänzenden Augen. »Wie geht es ihm, Mekron?« Dermitron wurde wieder ernst. »Ja, er lebt, aber er ist ständig irgendwo unterwegs. Auf sein Wirken waren auch die Ereignisse bei Marlackskor zurückzuführen, von denen Sie bestimmt auch gehört haben. Ich selbst habe ihn noch nicht zu Gesicht bekommen, denn ich bin mit meinen Leuten erst vor kurzem zu seinem Gefolge gestoßen. Dafür habe ich aber Gonozal VII. gesehen, der wieder zum Leben erweckt worden ist.« »Dann stimmt dieses Gerücht also auch«, meinte Letschyboa zufrieden. »Es hat hier auf Cherkaton große Hoffnungen geweckt. Die meisten hierher ausgewanderten Kolonisten waren Anhänger des alten Imperators, die sich vor dem neuen Regime in Sicherheit bringen wollten. Sie sind es auch geblieben und haben ihre Kinder in diesem Sinn erzogen. Dürfen wir hoffen, daß die Schreckensherrschaft Orbanaschols bald ihr Ende finden wird?« Mekron zuckte mit den Schultern. »Das wird nicht von heute auf morgen gehen, Letschyboa. Sehr viele Arkoniden denken so wie wir, aber es gibt noch keinen organisierten Widerstand. Auch Atlan kann keine Wunder wirken, dafür sind zu viele auf seinen Kopf aus. Immerhin gibt es Ansätze, wie letzthin die Panne bei den ›Wahlen‹ gezeigt hat.« »Mann, das war wirklich ein Ding!« freute sich der Prospektor, der nun förmlich aufzuleben schien. »Ich wette, daß Orbanaschol hier nicht mehr als tausend Stimmen von rund vierzehntausend Wahlberechtigten bekommen hat. Als dann diese Schrift plötzlich auf den Schirmen erschien, gab es einen Jubel ohnegleichen. Nur der Umstand, daß wir nach dem Chaos zu sehr von Arkon abhängig sind, hat die Leute von Unbesonnenheiten zurückgehalten. Der Gouverneur ist ein guter Mann, aber er steht zum Imperator. Er hätte einen Aufstand gewaltsam niederschlagen lassen.« Dermitron wiegte den Kopf. »Ich glaube,
Harvey Patton daß seine Gesinnung nach dem Auftreten der ›Rekrutenwerber‹ auch einen Knacks abbekommen hat. Wir waren vorhin erst bei ihm, und er schien ernsthaft bedrückt zu sein. Das rigorose Auftreten dieser Männer muß ihn sehr vor den Kopf gestoßen haben.« »Kein Wunder, einer davon ist ein Beamter der POGIM«, gab Letschyboa grimmig zurück. Dermitron zuckte zusammen. »Ist das sicher?« fragte er. »Ganz sicher«, warf Seracia ein. »Ich weiß es von meinem Vater, er ist Polizeioffizier. Er war selbst dabei, als dieser Moringol Geraban mit Absetzung und Erschießen drohte, falls er sich nicht fügen sollte.« »Dann werden wir verdammt aufpassen müssen, daß wir ihm nicht über den Weg laufen«, meldete sich Ventron zum Wort. »Dieser Mann hat bestimmt auch Fahndungslisten mitgebracht.« »Vorläufig hat er bestimmt keine Zeit, in die Stadt zu kommen«, meinte der Prospektor. »Er sitzt jetzt mit allen Männern seines Kommandos draußen beim Raumhafen, um die jungen Leute zu bewachen. Ich glaube nicht, daß er sich noch um andere Dinge kümmern wird.« »Hoffentlich bleibt es auch so«, sagte Dermitron. »Eine Frage noch, Letschyboa: Wie ist man hier eigentlich darauf gekommen, daß Atlan in Cherkan gewesen ist? Er hat sich doch immer nur Mascaren genannt.« Der hagere Mann lächelte. »Ich wußte es von vornherein, Mekron. Als ich nach dem Tode des fremden Suggestors wieder zu mir kam, unterhielt er sich mit der goldhaarigen Frau und dem Schwarzhäutigen, die bei ihm waren. Sie beachteten mich nicht weiter, aber ich konnte alles hören, war sie sagten. Die Fremde redete ihn einmal mit ›Atlan‹ an, und das genügte mir. Ich habe es jedoch niemandem verraten außer Seracia. Er war aber von vielen gesehen worden, darunter auch von dem Arzt Romantur, einem der alten Anhänger Gonozals. Von ihm ging dann das Gerücht aus und wurde bald als feststehende Tatsache angesehen. Trotzdem wäre
Brennpunkt Cherkaton nie jemand auf den Gedanken gekommen, ihn zu verraten. Dafür ist die Dankbarkeit für unsere Befreiung zu groß, die ohne ihn vielleicht zu spät gekommen wäre.« Der Mondträger wechselte das Thema. »Wann sollen die Zwangsrekrutierten abgeholt werden? Ich nehme an, daß dazu ein Transporter kommen wird, vermutlich mit Geleitschutz. Wenn er eintrifft, müssen wir schleunigst verschwinden, ehe man uns auf den Zahn fühlen kann.« Letschyboa winkte ab. »Damit eilt es noch nicht. Sie haben noch vier Tage Zeit. Jetzt habe ich aber auch eine Frage: Weshalb sind Sie eigentlich hier? Daß Atlan Sie hergeschickt hat, um nach Uranerz zu suchen, ist doch sehr unwahrscheinlich. Sie wollen meine Hilfe – wozu?« Dermitron sagte es ihm, und Letschyboa zog die Brauen hoch. »Ein kühner, aber durchaus nicht abwegiger Plan, Mekron. Es gibt genügend Anzeichen dafür, daß Heng sich hier einen Ausweichstützpunkt zugelegt hat. Vor etwa vier Jahren kam ein großer Flottenkreuzer nach Cherkaton, landete aber nicht auf dem Hafen, sondern etwa hundertfünfzig Kilometer weiter im Norden. Bald darauf kam ein hoher Offizier mit einem Gleiter in die Stadt und erklärte die dortige Gegend zum militärischen Sperrgebiet. Etwa zwei Wochen später verschwand der Kreuzer wieder, ohne daß weitere Erklärungen abgegeben wurden. Natürlich waren wir neugierig geworden, und ich habe zusammen mit ein paar Freunden dann die Gegend aufgesucht. Wir fanden zwar den Landeplatz des Schiffes in einem großen Talkassel, aber sonst nichts, obwohl wir gründlich gesucht haben. So geriet die Sache bald wieder in Vergessenheit.« »Würden Sie die Stelle wiederfinden?« erkundigte sich Mekron. Der Prospektor nickte. »Selbstverständlich, ich kenne diesen Kontinent genau. Für heute ist es allerdings zu spät, in etwa zwei Stunden wird es schon dunkel. Darf ich Sie einladen, diese Nacht in meinem Haus zu verbringen?« Dermitron sagte zu. Er nahm Funkverbin-
23 dung mit der MEDON auf und unterrichtete seine Männer über die Lage. Der Raumer blieb vorerst weiter im Orbit.
* Eine Viertelstunde später landete ein Gleiter mit drei Männern vor dem Haus. Mekron wollte sich zurückziehen, aber Letschyboa winkte ab. »Sie können ruhig bleiben, Mekron. Das ist nur mein Bruder mit zwei Freunden, alles vertrauenswürdige Leute. Korschizyn ist zwar Polizeioffizier, aber das hat nichts zu sagen. Er liebt Orbanaschol genauso wenig wie wir.« »Trotzdem bitte kein Wort über meine wahre Mission«, bat ihn der Mondträger. Der Prospektor entsprach seinem Wunsch und stellte ihn und Ventron als Berufsgenossen vor. Einige höfliche Worte wurden gewechselt, und Dermitron beobachtete die Ankömmlinge verstohlen. Er liebte es, sich sein Urteil selbst zu bilden. Korschizyn war etwas älter als sein Bruder und wesentlich kompakter, ähnelte ihm aber sehr. Velos Lekkagor war noch relativ jung, ein schmächtiger Mann mit hoher Denkerstirn und feingliedrigen Händen. Er war Arzt im Hospital, während Sofartes Chef des Energiewesens von Cherkan war. Er fiel etwas aus dem Rahmen, denn er war kein reinrassiger Arkonide und wirkte mit seiner samtbraunen Haut und dem dunklen Haar eher wie ein Akone. Alle drei betrachteten Dermitron und Ventron zwar mit unverhüllter Neugier, gaben sich aber völlig ungezwungen. Gleich darauf bat Seracia zu Tisch. Das Mahl verlief ruhig, dann zogen sich die Männer in den großen Wohnraum zurück. Korschizyn sah seinen Bruder verwundert an. »Es scheint dir heute wesentlich besser zu gehen, Letschyboa. Du wirkst längst nicht so müde und abgespannt wie sonst. Haben unsere Bauchaufschneider endlich das richtige Mittel für dich entdeckt?« Der Prospektor grinste und sah den jun-
24 gen Arzt an. »Nicht sie, aber mein Gast«, meinte er launig. »Mekron hat mir angesehen, was ich brauche, auch ohne Mediziner zu sein. Nur zwei Kapseln, und schon fühle ich mich erheblich wohler. Ich hoffe, es kränkt Sie nicht allzusehr, Velos?« Die Männer lachten, das Eis war gebrochen. Lekkagor griff nach der Schachtel, die Letschyboa auf den Tisch gelegt hatte und las die Beschriftung. Staunen trat in seinen Blick, und er wandte sich an den Mondträger. »Sie haben da ein kleines Vermögen verschenkt, Mekron! Wir haben Letschyboa behandelt, so gut wir konnten, aber für uns hier am Ende der Welt gibt es solche Dinge nicht. Haben Sie noch mehr davon? Romantur würde jeden halbwegs akzeptablen Preis bezahlen, um Majalla-Kapseln zu bekommen.« Ein Gedanke stieg in Dermitron auf, der ihm sehr beachtenswert erschien. Vielleicht konnte er später darauf zurückkommen, wenn dieses Unternehmen gut verlief und Morvoner Sprangk seine Zustimmung gab. Er lächelte und hob die Hände. »Ich habe die Packung selbst geschenkt bekommen, bisher aber noch nicht gebraucht. Daß ich sie Letschyboa gab, war im Grunde purer Eigennutz. Er soll mir helfen, Uranerz zu finden, als Kranker kann er das aber kaum. Ich habe also mit der Wurst nach dem Schinken geworfen, wie man so sagt.« Sofartes lachte dröhnend auf. »Sie gefallen mir, Mekron. Wenigstens einmal ein Mann, der nicht heuchelt, sondern ehrlich zugibt, was er denkt.« Er wurde unvermittelt ernst und schlug mit der Hand auf den Tisch, daß die Gläser tanzten. »Das ist es, was uns hier und überall fehlt! Er stände viel besser um das Imperium, wenn es nicht so viele Duckmäuser und Konformisten gäbe. Jeder geht nur den Weg des geringsten Widerstands, wenn er nur seine eigene Haut retten kann. Daß Arkon dabei langsam vor die Hunde geht, ist Nebensache. Und das mitten in einem Krieg auf Sein oder Nichtsein – es ist wirklich eine Schande!«
Harvey Patton Betretenes Schweigen folgte diesem unerwarteten Ausbruch. Das schien Sofartes noch mehr aufzubringen. Herausfordernd sah er seine Freunde an. »Habe ich etwa nicht recht? Oder hat auch nur einer von euch einen Finger gerührt, um unsere Jungen vor Larschinoks Zugriff zu bewahren?« »Du schießt über das Ziel hinaus, wie üblich«, erwiderte Korschizyn darauf. »Was du eben gesagt hast, ist reichlich inkonsequent, Freund. Diese jungen Männer sollen ja gerade mithelfen, das Imperium zu retten. Das müßte doch eigentlich ganz in deinem Sinne sein.« »Haha!« machte Sofartes sarkastisch. »Sag du ihm, Velos, was mit unseren 'Rettern' los ist. Du mußt es ja am besten wissen, du warst bei den Untersuchungen dabei. Keiner von ihnen ist ganz gesund, alle leiden noch unter den Folgen der langen Unterernährung. Die Ausbildung durch die Schleifer der Flotte wird ihnen den Rest geben, ein Teil wird ganz zusammenbrechen. Diejenigen, die es durchstehen, werden zwar auf Schiffe kommen, aber kaum vollwertige Soldaten sein. Damit sollen wir den Krieg gewinnen? Man könnte lachen, wenn es nicht so traurig wäre.« »Verdammt, was sollten wir denn tun?« fragte der junge Arzt aufgebracht. »Romantur hat beim Gouverneur protestiert, weil er deine Ansicht teilt. Geraban gab ihm recht, aber er ist machtlos, der Mann von der POGIM hat ihn massiv unter Druck gesetzt. Du warst doch dabei, nicht wahr, Korschizyn?« Dermitron verfolgte diese Erörterung mit wachsendem Interesse. Sofartes war ehrlich empört, Lekkagor deprimiert, weil er gegen sein ärztliches Gewissen handeln mußte. Doch welche Rolle spielte der Polizeioffizier in diesem Kreis? Mekron glaubte aus seinen Worten eine feine Ironie herausgehört zu haben, die den anderen entgangen war. »Ja, ich war dabei«, sagte er nun. »Hätte Geraban nicht gehorcht, wäre er jetzt bereits ein toter Mann und Moringol der Gouver-
Brennpunkt Cherkaton neur! Wir müssen kuschen, Sofartes, ob wir wollen oder nicht. Gegen direkte Befehle des Imperators kommen wir beim besten Willen nicht an.« »Gerade das ist es ja, was mir gegen den Strich geht«, knurrte der Leiter des Energiewesens. »Wie kann ein verantwortungsvoller Herrscher solche Befehle geben? Zumindest in unserem Extremfall hätte eine Ausnahme gemacht werden müssen. Doch auch auf vielen anderen Kolonialwelten wird es Rückschläge geben, wenn man neben den üblichen Freiwilligen auch noch gezielt die besten Leute wegholt. Und es wird immer so weitergehen, wenn nicht mal jemand den Anfang macht und sich dagegen auflehnt. Sind wir denn schon ganz rechtlos? Mit dem Hinweis auf den Krieg kann man vieles entschuldigen, aber nicht alles.« Nun mischte sich Letschyboa erstmals ein. »Du hast natürlich recht, Sofartes«, meinte er mit undurchdringlicher Miene. »Wie wäre es, wenn du hier den Anfang machtest? Trommle so viele Leute wie möglich zusammen und veranstalte eine Protestdemonstration! Schön friedlich natürlich, am besten wäre wohl ein Schweigemarsch, bei dem nur Transparente gezeigt werden. Die Polizei hat dann keine Handhabe, dagegen einzuschreiten. Oder doch, Korschizyn?« Plötzlich grinste der Polizeioffizier. »Endlich habt ihr es begriffen – darauf wollte ich ja hinaus! Momentan ist es aber noch zu früh dazu, das Rekrutierungskommando könnt ihr ohnehin nicht beeindrucken. Der Aufmarsch muß dann stattfinden, wenn die Schiffe gelandet sind und die Mannschaften ihn sehen können. Das wird ihnen zu denken geben, und sie werden die Nachricht davon weiterverbreiten. Sie wird auch auf anderen Planeten gelangen und den Leuten dort Mut machen, unserem Beispiel zu folgen. Kleine Ursache, große Wirkung, wie man so schön sagt.« Der Mondträger begann zu lachen. »Sie sind mir ein schöner Polizeioffizier, Korschizyn«, spöttelte er. »Den Leuten auch noch Anleitungen zum Aufruhr geben –
25 schämen Sie sich denn gar nicht?« Korschizyn wurde unvermittelt ernst. »Ich schäme mich schon seit langem, Mekron! Eigentlich habe ich es nur so lange auf meinem Posten ausgehalten, weil er mir die Möglichkeit gab, anderen zu helfen, die unter einem hundertfünfzigprozentigen Anhänger Orbanaschols in den Kerker gewandert wären. Meine einzige Hoffnung ist, daß Atlan möglichst bald zuschlägt und das ganze korrupte Regime wegfegt.« »Dann sind wir uns ja einig«, stellte Sofartes befriedigt fest. »Nur schade, daß der Kristallprinz nicht weiß, über wie viele Anhänger er hier verfügt. Schließlich war er schon einmal hier auf Cherkaton, und das werden wir ihm nie vergessen.« Dermitron fing einen auffordernden Blick Letschyboas auf. »Sie sind hier unter echten Freunden, Mekron. Es würde sie zweifellos sehr ermutigen, wenn Sie ihnen wenigstens soviel sagten, wie Sie verantworten können.« Der Mondträger gab sich einen Ruck und begann zu erzählen.
6. »Buuuh!« machte Ventron und hielt den Kopf unter den kalten Wasserstrahl. »Das war eine lange Nacht, und der Wein von Cherkaton hat es in sich. Sehen Sie den Kater auf meinen Schultern hocken?« Dermitron feixte. »Ich bin vor lauter Reden gar nicht zum Trinken gekommen Ventron. Nun, das haben Sie ja für mich besorgt, so gleicht sich alles wieder aus. Auf jeden Fall läßt sich unsere Mission hier besser an, als ich zu hoffen wagte. Kommen Sie jetzt, wir dürfen keine Zeit vertrödeln. Hengs Geheimstation wartet auf uns.« Letschyboa lebte unter der Wirkung der Majalla-Kapseln wirklich auf. Obwohl auch er nicht lange geschlafen hatte, sah er frischer und gesünder aus als bei ihrer Ankunft. Sie aßen mit gutem Appetit, Seracia erwies sich als vorzügliche Hausfrau. Ihr Anblick erinnerte Mekron an Retsa Dolisch-
26 kor, die jetzt sicher um ihn bangte. Er kam aber nicht dazu, diesen Gedanken weiter nachzuhängen. Gleich nach dem Frühstück zog ihn der Prospektor in einen Geräteraum. Dort lagen auf einem Regal mehrere kleine Instrumente, auf die er wies. »Das sind ja positronische Schlüsselgeräte«, sagte Dermitron überrascht. »Hochwertige und seltene Spezialanfertigungen sogar, wie es scheint. Wo haben Sie die her?« Über das hagere Gesicht Letschyboas flog ein Lächeln. »Sie würden es vermutlich doch nicht erraten, also will ich es Ihnen gleich sagen. Atlan war damals so freundlich, uns Hengs Schiff zu überlassen, damit wir Hilfe herbeiholen konnten. Der Antrieb der SKORGON war blockiert, und unsere Techniker haben sich gleich darauf gestürzt, nachdem sie geistig wieder dazu imstande waren. Während sie nach dem Unterbrecher suchten, den der verrückte Befehlshaber eingebaut hatte, sah ich mich in der Schiffszentrale um. In den ersten Tagen war ich noch halbwegs munter, der Zusammenbruch kam erst später. Ich fand diese Geräte in einem sorgsam verborgenen Geheimfach, das durch eine Vernichtungsschaltung abgesichert war. Es gelang mir, diese außer Betrieb zu setzen, und ich nahm den Inhalt an mich. Er erschien mir zu wertvoll, und später hätte sich ihn doch nur irgend jemand von der Flotte unter den Nagel gerissen. Meinen Sie, daß uns diese Geräte etwas nützen können?« Ventron war hinzugetreten und sah ihnen über die Schultern. »Schon möglich, daß sie auf die Anlagen im Stützpunkt abgestimmt sind«, meinte er. »Was halten Sie davon, Mekron?« Dermitron nahm eines der Geräte auf und betrachtete es von allen Seiten. Es handelte sich um Mikroausführungen, kaum größer als eine Handfläche und extrem flach. An der Oberfläche waren je vier kleine verschiedenfarbige Knöpfe angebracht, dazwischen befand sich jeweils eine winzige Os-
Harvey Patton zilloscheibe. »Codegeber sind es auf jeden Fall«, stellte er fest. »Ob sie aber das sind, was wir brauchen, ist schwer zu sagen. Wir müßten erst einmal sorgfältig alle Funktionen überprüfen, am besten mit dem Bordcomputer der MEDON.« Letschyboa winkte ab. »Das können Sie auch einfacher haben, Mekron. Ich habe einen Freund im hiesigen Rechenzentrum, der mir schon öfters geholfen hat. Wenn ich ihn darum bitte, erledigt er die Prüfungen für Sie.« Der Mondträger stimmte zu. Er führte noch ein Gespräch mit Salmoon in seinem Schiff, dann flogen die drei Männer mit dem Gleiter des Prospektors zum Rechenzentrum, das sich am jenseitigen Stadtrand befand. Es wurde eine lange und mühevolle Arbeit. Amarkavor Hengs Mißtrauen und Angst hatte auch hier seine Blüten getrieben. Selbst in diesen Geräten gab es noch Vernichtungsschaltungen, die mit den internen Energiezellen gekoppelt waren. Der erste der sieben Codegeber zerschmolz den Männern unter den Händen, von ihm blieb nur ein Häufchen Asche übrig. Dermitron zog eine Grimasse. »Das war der mit der Nummer sieben. Eins bis sechs haben wir noch, sofern sie sich nicht auch noch in Wohlgefallen auflösen. Ich habe es aber so im Gefühl, als ob gerade dieses letzte Gerät das wichtigste wäre! Vielleicht gelingt es uns, sechs Fallen zu neutralisieren, und anschließend geht die ganze Station mit uns zusammen in die Luft …« Sie arbeiteten mit äußerster Vorsicht weiter. Die Gehäuse der Geräte waren strahlenabweisend, ließen also ein Durchleuchten nicht zu. Der Kybernetiker war jedoch ein Könner auf seinem Gebiet. Innerhalb von dreißig Minuten hatte er zwei Raggan-Detektoren so modifiziert, daß unter ihrer Einwirkung eine Umgruppierung der Molekülketten der Ge-
Brennpunkt Cherkaton häuse eintrat. Er rieb sich zufrieden die Hände. »Jetzt schaffen wir es«, meinte er zuversichtlich. »Sobald ich einmal den inneren Aufbau der Codegeber kenne, kann ich davon auf die richtige Funktionsweise schließen. Dann läßt sich auch bestimmen, in welcher Reihenfolge die Schaltknöpfe gedrückt werden müssen, ohne daß die Vernichtungsschaltungen aktiviert werden. Die notwendigen Berechnungen hierfür sind ein besseres Kinderspiel.« Kaum meßbare Impulse wurden in die Apparaturen geleitet und darin je nach der Beschaffenheit des Materials mehr oder weniger absorbiert oder reflektiert. Hochempfindliche Computersensoren registrierten diese Vorgänge, und dann erschien auf einer Mattscheibe eine vergrößerte Darstellung des Geräteinnern. Farbige Symbole stellten Werte dar, mit denen Dermitron und Letschyboa beim besten Willen nichts anzufangen wußten. Der Spezialist studierte sie kurz und nickte. »Ganz schön raffiniert aufgebaut, die Dinger. Sehen Sie da die giftgrünen Linien? Das sind die Energieleiter zu den Schmelzladungen. Leider kann ich sie nicht mit einem Laserstrahl durchtrennen. Das wäre der einfachste Weg, aber die dabei auftretende Temperatursteigerung würde schon ausreichen, um die Ladungen zur Reaktion zu bringen. Vielleicht würde … nein, das geht auch nicht. Zerpulverung durch Ultrastrahl ist der einzig gangbare Weg.« Er schaltete die Meßapparatur ab und kratzte sich hinter dem Ohr. »Da haben wir noch eine verdammt zeitraubende Arbeit vor uns, Herrschaften. Wofür sind diese Dinger eigentlich konstruiert worden, Mekron? Hält Orbanaschol mit ihrer Hilfe sein Gewissen unter Verschluß?« Der Mondträger lächelte unwillkürlich, die frische Art des Mannes gefiel ihm. »Das nicht gerade, Dromartes – ich nehme an, daß er überhaupt keines hat. Nein, es handelt sich um seinen Vasallen Heng, dessen Hinterlassenschaft wir suchen. Kann ich Ihnen
27 behilflich sein? Wir haben Ultraschallprojektoren im Schiff.« Der Kybernetiker winkte ab. »Mit normalen Geräten ist da überhaupt nichts zu machen, Mekron, sie sind viel zu groß. Es wäre dasselbe, als wollte man ein Impulsgeschütz verwenden, um einen Colbisbock zu erlegen. Ich werde mich wohl oder übel daran machen müssen, einen Mini-Ultraschallgeber zu bauen. Zum Glück habe ich hier alles, was ich dazu brauche, aber es wird eine sehr langwierige Arbeit werden.« Er behielt recht. Es war bereits Mittag, als er immer noch vor der Werkbank saß, eine Lupe ins Auge geklemmt. Mekron und der Prospektor ließen ihn für einige Zeit allein. Sie flogen zu Letschyboas Haus zurück, um dort zu essen. Dort trafen sie auf Sofartes, der auf sie wartete. Der Leiter des Energiewesens grinste zufrieden. »Moringol und Larschinok tun alles, um uns den Weg zu ebnen«, sagte er. »Sie machen sich so unbeliebt wie nur möglich. Etwa ein Dutzend Angehörige der Rekruten hat sie darum gebeten, noch einmal mit den Jungen sprechen und ihnen dies oder jenes bringen zu dürfen. Man hat sie brüsk zurückgewiesen und ihnen jede Kontaktaufnahme untersagt. Der Geheimdienstler hat sogar damit gedroht, zukünftig auf jeden schießen zu lassen, der sich dem Zeltlager nähert, ohne dazu aufgefordert zu sein. Das hat sich natürlich schnell in der Stadt herumgesprochen. Die Erbitterung über diese Ungerechtigkeit steigt ständig. Sogar die meisten, die bisher loyale Anhänger des Imperators waren, schwenken jetzt um.« Letschyboa nickte. »Das wundert mich nicht sehr. Bis jetzt haben wir hier auf Cherkaton kaum etwas davon gespürt, was sich anderswo tut. Den ersten Einbruch für Orbanaschol gab es anläßlich der Wahlen, die überraschende Aussage des Robotgehirns hat viele seiner Anhänger nachdenklich gemacht. Das rüde Auftreten der 'Rekrutenwerber' gab den zweiten Anstoß. Mit den neuen rigorosen Maßnahmen zwingen sie die Leu-
28 te förmlich auf unsere Seite.« »Ich tue natürlich alles, um die Unzufriedenheit zu schüren«, gab Sofartes zurück. »Vor zwei Stunden kam ich dazu, als meine Männer im Kraftwerk über diese Dinger diskutierten. Sie waren der Meinung, daß Geraban unbedingt etwas tun müßte, um das Los der Jungen bis zu ihrem Abtransport zu erleichtern. Als ich ihnen sagte, daß der Gouverneur ein toter Mann wäre, sobald er das versuchte, gingen sie fast in die Luft. Ich hatte Mühe, ihnen Unbesonnenheiten auszureden. Dafür ist jetzt aber eine rege Flüsterpropaganda gegen Orbanaschols Männer im Gange.« Dermitron hatte bereits seine eigenen Pläne, aber er verriet noch nichts davon. »Mehr soll es auch vorläufig nicht sein, Sofartes. Geben Sie die Parole aus, daß zwar über die Dinge diskutiert, aber vorläufig nichts unternommen wird. Trauen Sie sich den nötigen Einfluß dafür zu?« »Ich denke schon, Mekron. Meine Familie ist gut angesehen, auf uns hat man immer gehört, wenn es um wichtige Dinge ging. Sind Sie auch vorangekommen?« Der Mondträger unterrichtete ihn während des Mittagessens, dem besonders Ventron eifrig zusprach. Dann brachen die vier Männer wieder auf. Sofartes flog zu seiner Dienststelle zurück, Dermitron und seine Begleiter suchten erneut die Computerzentrale auf. Der Kybernetiker hatte seine Arbeit inzwischen vollendet. Er wies stolz auf das unscheinbare Gerät, das vor ihm lag. »Damit knacken wir die Dinger, Mekron«, sagte er zuversichtlich. »Dieser Projektor erzeugt Ultraschall und bündelt ihn so stark, daß der Ausgang bis auf ein Hundertstel Millimeter Stärke komprimiert werden kann. Ich brauche jetzt aber eine kurze Pause, mein Magen knurrt ganz erbärmlich.« Er flog nach Hause, die anderen mußten notgedrungen warten. Das war etwas, das Dermitron gar nicht gefiel. Ihm brannte die Zeit unter den Nägeln, und er sah schon jetzt, daß er an diesem Tage kaum noch et-
Harvey Patton was unternehmen konnte. Er rechnete trotz der Codegeber noch mit erheblichen Schwierigkeiten bei dem Versuch, Hengs Geheimstation auszuheben. Zwei Tage konnten unter diesen Umständen schnell vergehen. Und schon am dritten Morgen war damit zu rechnen, daß die Einheiten der Flotte erschienen, um die Rekruten abzuholen! Ventron zeigte dagegen eine fast stoische Ruhe. »Was sein muß, das muß sein, Mekron«, sagte er. »Seien Sie froh, daß wir die Codegeber überhaupt haben. Ohne sie würden wir uns vielleicht gewaltig die Finger verbrennen.« Nach einer Stunde kam der Kybernetiker zurück und ging ohne große Vorrede wieder an die Arbeit. Sein eigentlicher Dienst wurde von seinen Mitarbeitern übernommen, ohne daß sie ihm Fragen stellten. Er tat es für Cherkaton, das genügte ihnen.
* Eine Stunde später zerschmolz der Codegeber Nummer vier. Dromartes wurde davon vollkommen überrascht. Er konnte später selbst nicht sagen, wie es zu dieser Panne gekommen war. Fluchend fuhr er zurück und schwenkte die angesengte linke Hand durch die Luft. Er hatte aber noch Geistesgegenwart genug, mit der Rechten den Ultraschallprojektor aus dem Bereich der jäh aufglutenden Hitze zu bringen, ehe er auch noch Schaden nehmen konnte. »So eine verdammte Gemeinheit!« fluchte er. »Die Götter sollen diesen Heng für seine Tücke noch nachträglich strafen. Dreimal ist es gutgegangen, und jetzt das …« Dermitron lächelte resigniert. »Fast die gleichen Worte hat mein Erster Offizier vor kurzem auch gebraucht. Kommen Sie, ich habe hier eine Dose mit Sprühverband. Werden Sie trotz der Verletzung weitermachen können?« Dromartes atmete auf, als sich die schützende und heilende Schicht über die ver-
Brennpunkt Cherkaton brannten Hautpartien legte. »Jetzt erst recht, Mekron. Bei den letzten beiden Geräten werde ich besonders gut aufpassen. Dafür dürfte es aber Schwierigkeiten für Sie geben, weil Ihnen nun zwei Codegeber fehlen.« Mekron zuckte mit den Schultern. »Wenn man es genau bedenkt, besteht das ganze Leben aus Schwierigkeiten, Freund. Man kann nur immer versuchen, aus allem das Beste zu machen, ungeachtet aller Widerstände.« Die beiden restlichen Geräte wurden besonders vorsichtig behandelt. Dromartes schaffte es ohne weitere Komplikationen, die Zuleitungen zu den Vernichtungsschaltungen mittels des haarfeinen Ultraschallstrahls zu durchtrennen. Erlöst atmete er auf. »Jetzt ist alles Weitere ein Kinderspiel, Mekron. Der Computer kennt bereits die Frequenzen, auf denen die Geräte arbeiten. Nur jeweils eine Probeschaltung, und er wird uns die richtige Reihenfolge der zu drückenden Knöpfe angeben. Ihrem Eindringen in Hengs Festung steht dann nichts mehr im Wege.« Eine halbe Stunde später war alles fertig. Dermitron hatte für jeden der fünf verbliebenen Codegeber die richtigen Daten. Er wollte Dromartes für seine Mühen entlohnen, aber der Kybernetiker winkte nur ab. »Wofür halten Sie mich, Mekron? Ich habe diese Arbeit für uns alle getan – für ein besseres Imperium, in dem für Leute wie Orbanaschol und Komplizen kein Platz mehr ist! Viel Glück für Sie und Ihre Männer – und für Atlan.« Als die drei Männer das Rechenzentrum verließen, stand die Sonne schon dicht über dem Horizont. Letschyboa verzog das Gesicht. »Jetzt ist es auf jeden Fall zu spät, um noch etwas unternehmen zu können. Verbringen Sie die Nacht wieder bei mir, wir brechen dann in aller Frühe auf.« Mekron Dermitron stimmte zu. Es wurde ein ruhiger Abend. Sie saßen zusammen und erzählten, Letschyboa und Seracia stellten immer neue Fragen über Atlan und Kraumon. Das Videoprogramm ein-
29 zuschalten, lohnte nicht. Der Sender Cherkan strahlte nur uralte Sendungen vom Band aus und brachte bedeutungslose Lokalnachrichten. Über das, was die Leute wirklich bewegte, fiel kein Wort. Am frühen Morgen flogen die drei Männer los. Sie benutzten das Beiboot und steuerten die MEDON an, die sich noch immer im Orbit befand. »Endlich kommen Sie!« begrüßte Salmoon sie. »Es war eklig langweilig hier oben. Geht es jetzt endlich los?« Dermitron stellte Letschyboa vor, der von den Männern aufmerksam gemustert wurde. Alle kannten die Ereignisse, die ihn und Atlan verbanden. Dann wandte sich der Mondträger an den Piloten. »Wir machen uns sofort auf den Weg«, bestimmte er. »Bringen Sie das Schiff hinunter, Dermato, Letschyboa wird Ihnen den Landeort angeben. Salmoon, lassen Sie inzwischen schon die beiden Kampfgleiter fertigmachen, damit es später keine unnützen Verzögerungen gibt.« Über dem Norden des Kontinents lag eine dichte Wolkendecke. Dermato schaltete die Teleoptiken auf Infrarot um, das diese Sichtbehinderung eliminierte. Nun dauerte es nicht mehr lange, bis der Prospektor die Stelle ausfindig gemacht hatte, an der seinerzeit der Kreuzer gelandet war. Es handelte sich um eine tiefe Talmulde zwischen zwei Bergketten, durch die sich ein schmaler Fluß wand. Noch jetzt war deutlich die Spur zu sehen, die die Triebwerke in die Vegetation gebrannt hatten. Dermato machte eine Punktlandung auf genau dem gleichen Fleck. Dann gab Mekron Hong Olvan und Ventron einen Wink. »Bestreichen Sie die gesamte Umgebung mit den Hohlraumtastern und Metallortern. Ich vermute, daß Amarkavor Heng die Station in einen der umliegenden Berge hineinbauen ließ, so daß die Felsmassen das Auffinden erschweren mußten. Aus dieser kurzen Distanz muß sie aber unbedingt auszumachen sein.« Die beiden Techniker machten sich an die Arbeit, und schon nach wenigen Minuten
30 stieß Ventron einen halblauten Ruf aus. »Da hinten müßte es sein«, sagte er und justierte einen Sektorenbildschirm auf die betreffende Stelle ein. »Dort gibt es einen Hohlraum von beträchtlichen Ausmaßen und auch deutliche Spuren von verschiedenen Metallen.« Dermitron studierte die Anzeigen der Instrumente und nickte aufatmend. »Danke, Ventron. Salmoon, übernehmen Sie solange wieder das Schiff. Fünf Männer in den einen Gleiter, den anderen steuere ich selbst. Berkosch, Olvan und Natsyboa werden mich und Letschyboa begleiten. Kampfanzüge sind anzulegen, Kombistrahler sowie Spreng- und Thermosätze werden mitgenommen. Wir müssen mit unliebsamen Überraschungen aller Art rechnen.« Eine Viertelstunde später verließen die beiden Fahrzeuge das Schiff. Sie durchquerten das Tal mit seiner üppigen Vegetation und hielten auf die Flanke eines steil aufragenden, etwa 1500 Meter hohen Berges zu. Dermitron steuerte konzentriert, jederzeit bereit, den Gleiter aus dem Kurs zu reißen. Einem Psychopathen wie Heng war es zuzutrauen, daß er seinen Geheimstützpunkt auch durch automatische Geschützstellungen abgesichert hatte. Es geschah jedoch nichts. Die beiden Fahrzeuge erreichten unbehelligt den Fuß des Berges, die zehn Männer stiegen aus. Bis auf Natsyboa hielten alle ihre Waffen schußbereit. Der Computertechniker trug die kostbaren Codegeber, an denen Dromartes kleine Folien befestigt hatte. Auf ihnen war die richtige Reihenfolge notiert, in der die Knöpfe gedrückt werden mußten. »Sie muß auf jeden Fall eingehalten werden«, schärfte der Mondträger Natsyboa ein. »Jeder falsche Griff kann zur Folge haben, daß die erwünschte Wirkung ins Gegenteil umgekehrt wird.« Die zweihundert Meter bis zur Bergflanke waren uneben und dicht bewachsen; deshalb gab Dermitron die Anordnung, den Weg fliegend zurückzulegen. Die zehn Männer aktivierten ihre Flugaggregate, stiegen über
Harvey Patton die Baumwipfel empor und schwebten dann in breiter Kette auf den Berg zu. Sie hatten noch etwa fünfzig Meter zurückzulegen, als Letschyboa plötzlich zusammenzuckte. »Was war das?« fragte er erregt in sein Funkmikrofon. Auch Mekron hatte es gespürt. Für wenige Sekundenbruchteile hatte etwas wie ein geistiger Blitz sein Gehirn durchzuckt! Das Gefühl war nicht unangenehm gewesen, aber fremd und auf eine unbestimmbare Weise beunruhigend. Der Mondträger reagierte sofort. »Augenblicklich landen und Deckung nehmen!« rief er seinen Männern zu. »Vermutlich Psychosensoren, die unsere Annäherung registriert haben. Abwarten, bis ich weitere Befehle gebe.« Innerhalb weniger Sekunden waren alle zehn Männer am Boden und warfen sich hinter Bäume und Büsche nieder. Jeder hatte den kurzen Kontakt gefühlt, aber es gab keine Panikreaktionen. Ehemalige Angehörige der Raumflotte von Arkon waren daran gewöhnt, sich blitzartig auf bedrohliche Situationen einzustellen. Doch auch der Prospektor stand ihnen nicht nach. Schweigend warteten sie und lauschten mit angespannten Sinnen. Sie hörten jedoch nichts außer dem leisen Rauschen des Morgenwindes und den schrillen Schreien einiger Vögel, die durch sie aufgescheucht worden waren. Schließlich erhob sich Dermitron vorsichtig. Seine Blicke suchten durch eine Lücke im Gebüsch die vor ihm liegenden Felsen ab, ohne daß er aber etwas Ungewöhnliches sah. Trotzdem blieb er vorsichtig. »Langsam weiter vorarbeiten, auf Deckung achten. Die Flugaggregate werden nicht mehr benutzt. Achtung, MEDON!« »Ich höre«, meldete sich Salmoon sofort. »Was ist passiert, Mekron? Wir haben nichts Verdächtiges registriert.« »Behalten Sie die fragliche Stelle scharf im Auge. Falls nötig, eröffnen Sie das Feuer, sofern wir dadurch nicht gefährdet werden.« »Verstanden«, gab der Erste Offizier zu-
Brennpunkt Cherkaton rück. Behutsam schlängelten sich die Männer zwischen Buschwerk und ersten Felsblöcken hindurch. Ihr Weg endete etwa zehn Meter vor der steil vor ihnen aufragenden Bergwand, wo die letzten niedrigen Büsche standen. Eng an den Boden gepreßt, warteten sie dort ab. »Was jetzt, Mekron?« erkundigte sich Berkosch schließlich. Dermitron setzte zu einer Antwort an, aber das Wort wurde ihm abgeschnitten. »Aufpassen!« rief Salmoon ihnen vom Schiff aus erregt zu. »In der Wand vor Ihnen tut sich eine Öffnung auf. Ein Gang wird sichtbar, er ist hell erleuchtet.« Im gleichen Moment vernahmen die zehn Männer das Geräusch. Ein dumpfes Rumpeln und Poltern war hörbar geworden, ihre Blicke suchten automatisch die betreffende Stelle. Sie lag etwa zwanzig Meter über ihnen, und der Augenschein bestätigte Salmoons Worte. In der scheinbar soliden Felswand hatte sich ein Tor oder Schott geöffnet. Es war rechteckig und so groß, daß es ein Gleiter ohne Schwierigkeiten hätte passieren können. Es gab den Blick in einen tief in den Berg führenden Gang frei, der durch eine nicht erkennbare Lichtquelle hell ausgeleuchtet wurde. Sonst tat sich nichts, alles blieb ruhig. »Merkwürdige Sache«, sagte Ventron halblaut und wieder in der meist üblichen Wortkargheit. Dermitron lachte sarkastisch auf. »Eine überaus freundliche und zuvorkommende Einladung«, meinte er. »Allerdings eine zum Selbstmord, nehme ich an!«
7. Sie warteten noch einige Minuten, aber es ereignete sich weiter nichts. Schließlich meldete sich Salmoon wieder aus der MEDON. »Ich befinde mich jetzt in der unteren Hangarschleuse«, berichtete er. »Von hier aus kann man den Gang in den Berg gut einsehen. Er führt etwa hundert Meter weit und
31 mündet dann offenbar in einen großen dunklen Raum. Wir haben auch Messungen vorgenommen, aber viel ist dabei nicht herausgekommen. Es gibt nur eine schwache energetische Streustrahlung wie von einer Speicherbank, die vermutlich die Lichtquellen versorgt.« »Danke, Salmoon«, sagte der Mondträger mit gerunzelter Stirn. »Das alles kommt mir reichlich merkwürdig vor. Es paßt so gar nicht zu der Vorstellung, die wir uns von Hengs Stützpunkt gemacht haben. Vor allem die Existenz der Codegeber ließ doch darauf schließen, daß jedem Fremden der Zugang so sehr wie möglich erschwert werden sollte. Oder stellt dieser sich automatisch öffnende Tunnel vielleicht eine besondere Raffinesse dar? Soll er Eindringlinge anlocken, damit sie später um so sicherer getötet werden können?« Trotz dieser Möglichkeit gab er schließlich doch den Befehl, in den Gang einzufliegen. Sie waren nun einmal gekommen, um die Geheimstation zu knacken und auszuräumen. Durch untätiges Warten ließ sich das Problem gewiß nicht lösen. Dermitron landete als erster im Eingang. Er hielt den Kombistrahler schußbereit, wußte jedoch, daß ihm das im Ernstfall nicht viel schützen konnte. Wenn es drinnen automatische Abwehranlagen gab, genügte ein einziger Feuerschlag, um alle zu töten, die sich in den Gang wagten. Nirgends gab es auch nur die geringste Deckungsmöglichkeit. Er schob sich weiter und machte den anderen Platz. Als alle angekommen waren, winkte er den Computerfachmann zu sich. »Kommen Sie, Natsyboa, wir gehen voraus. Halten Sie die Codegeber eins und zwei bereit, prägen Sie sich nochmals genau das Knopfdrucksystem ein. Unser Leben kann davon abhängen.« Ihre Schritte klangen in dem Tunnel seltsam hohl. Das Licht schien direkt aus den Wänden zu kommen, die mit einem matt silbrig schimmernden Überzug versehen waren. Sie hatten etwa dreißig Meter zurückge-
32 legt, als erneut ein kurzer Impuls in ihren Gehirnen aufzuckte. Unwillkürlich warfen sich beide Männer zu Boden, Natsyboa betätigte hastig die Schaltknöpfe des ersten Codegebers. Es erfolgte jedoch keinerlei wahrnehmbare Reaktion, und Mekron lachte unsicher auf. »Eine Art von Nervenkrieg, wie mir scheint, nur sehe ich keinen Sinn darin. Die Methode, zuerst jemand anzulocken und dann wieder zu verunsichern, sieht einem Mann wie Amarkavor Heng so gar nicht ähnlich. Kommen Sie, wir gehen weiter. Alle anderen bleiben vorerst beim Eingang. Es genügt, wenn wir beide unser Leben riskieren.« Als sie das Ende des Ganges erreicht hatten, war noch immer nichts geschehen. Die beiden Männer preßten sich rechts und links an die Wände und versuchten, mit ihren Blicken das vor ihnen liegende Dunkel zu durchdringen. Sie konnten jedoch nichts erkennen, und Dermitron griff nach dem Schalter seiner Brustlampe. Im gleichen Moment erhellte sich wie durch Zauberhand der vor ihnen liegende Raum. Die plötzlich aufblendende Lichtfülle zwang sie dazu, die Lider zu schließen. In diesem Augenblick waren sie vollkommen wehrlos, willkommene Zielscheiben für jeden lebenden oder mechanischen Gegner. Doch alles blieb ruhig, nur ihre schweren Atemzüge, durchbrachen die lastende Stille. Langsam öffneten sie die Augen wieder, und dann stieß Natsyboa einen Ruf der höchsten Überraschung aus. »Was ist denn das …?« Das fragte sich Mekron Dermitron auch. Sie sahen in eine große rechteckige Halle mit hoher Decke, die kuppelförmig gewölbt war. An den Wänden erstreckten sich lange Reihen von seltsam geformten, vollkommen fremdartigen Maschinenanlagen verschiedener Größe. Keine davon schien in Betrieb zu sein. Es waren keine Arbeitsgeräusche zu hören, die überall sichtbaren Kontrollanlagen waren dunkel und leblos. Dafür zog et-
Harvey Patton was anderes ihre Blicke fast magisch an. Ungefähr im Mittelpunkt des Raumes stand ein Kubus, dessen Kantenlänge mindestens zwanzig Meter betrug. Er schimmerte in einem matten, gläsern wirkenden Blau, das jedoch zunehmend heller und intensiver wurde. Verwundert starrten die Männer auf das rätselhafte Gebilde, das weder Sinn noch Zweck erkennen ließ. Dermitron zuckte schließlich mit den Schultern. »Die Götter mögen wissen, wo wir hier hineingeraten sind«, bemerkte er halblaut. »Das alles wirkt so fremd, es kann auf keinen Fall von Arkoniden gebaut worden sein. Hengs Station ist es ganz bestimmt nicht.« Schon im nächsten Moment erhielten sie die Aufklärung. Wieder stellte sich das seltsame Gefühl in ihren Hirnen ein. Diesmal blieb es jedoch, und gleich darauf vernahmen sie ein merkwürdiges Zischen und Wispern. Es kam jedoch nicht von außen, sondern schien direkt in ihren Köpfen zu entstehen. Mekron erfaßte intuitiv, daß sich hier eine fremde Lebensform darum bemühte, telepatisch Kontakt zu ihnen aufzunehmen. Hastig beruhigte er Natsyboa, der sich vor diesem Phänomen sehr zu ängstigen schien. Gleichzeitig begann der Riesenwürfel in der Mitte der Halle immer heller zu strahlen. Sein Leuchten stabilisierte sich zu einem beruhigend wirkenden Himmelblau, auf dem aber nach wenigen Sekunden dunklere Konturen erschienen. Sie nahmen allmählich vertraute Formen an, und der Computerspezialist griff nach Dermitrons Arm. »Sehen Sie nur, Mekron – das sind wir!« Tatsächlich bildete sich auf der ihnen zugewandten Seite des Würfels deutlich das Bild der beiden Männer heraus. Es handelte sich aber nicht nur um eine bloße Widerspiegelung. Dermitron und Natsyboa sahen sich selbst, vollkommen plastisch und ins Riesenhafte vergrößert. Das Wispern in ihren Hirnen nahm noch an Intensität zu, veränderte sich aber immer mehr. Schließlich vernahmen sie Worte, die auch für sie verständlich waren.
Brennpunkt Cherkaton »Seid gegrüßt, Fremdlinge! Das Volk der Tyrr spricht zu euch, über einen unvorstellbar großen Zeitraum hinweg. Ruft auch eure Gefährten herbei, damit sie an unserer Kommunikation teilnehmen können.« Der Mondträger, seit langem nur an unliebsame Überraschungen gewöhnt, blieb trotz dieser beruhigenden Worte wachsam. »Wir leben in einer unruhigen, von Kämpfen erfüllten Zeit«, gab er gedanklich zurück. »Wer bürgt uns dafür, daß euer Volk uns freundlich gesinnt ist? Wir halten nicht viel von Versprechen, die nur zu leicht gebrochen werden können.« Die Antwort war ein Seufzer auf telepathischer Ebene. »Wir sind vor langer Zeit aus ähnlichen Gründen der Welt entflohen, in der ihr euch befindet. Mächtige Gegner bedrängten uns, gegen die wir infolge unserer Mentalität wehrlos waren. Unsere Körper waren schwach, das Töten anderer Lebewesen widerstrebte uns. Sie nannten sich Varganen, waren euch zwar ähnlich, kannten jedoch kein Mitleid mit uns. Nach und nach errichteten sie immer mehr Stützpunkte auf den von uns bewohnten Planeten, verdrängten uns oder rotteten uns aus, wo sie nur konnten.« Die fremde »Stimme« war immer leiser geworden und schwieg nun ganz, wie in tiefer Erschöpfung. Dermitron überlegte kurz und rief dann über Funk auch die anderen Männer herbei. Er war zu der Erkenntnis gelangt, daß ihnen von den seltsamen Gesprächspartnern keine Gefahr drohte. Wie alle Gefolgsleute Atlans auf Kraumon wußte auch er von dem Volk aus dem Mikrokosmos, das vor langer Zeit viele Planeten der Galaxis beherrscht hatte. Was sich aber während ihrer Expansion im Makrokosmos abgespielt hatte, war so gut wie unbekannt. Jetzt zeugten nur noch Relikte auf den sogenannten »Versunkenen Welten« von ihrer einstigen Macht. Die übrigen acht Männer fanden sich ein und betrachteten gleichfalls staunend und voller Scheu den Kubus. »Wir haben alles
33 mit angehört, Mekron«, sagte Berkosch. »Von einem Volk der Tyrr ist in unserer Geschichte nichts überliefert. Wie mögen sie wohl ausgesehen haben?« Die Abbilder der Männer waren zugleich mit der Unterbrechung des Kontakts verschwunden, das Strahlen des Würfels hatte sich erheblich vermindert. Nun leuchtete er jedoch von neuem auf, und auf seiner Wandung bildeten sich andere Konturen aus. »Das waren wir!« sagte die nun wieder deutlich vernehmbare telepathische Stimme.
* Zwei Geschöpfe wurden auf der schimmernden Wandung sichtbar. Bei ihrem Anblick mußten Mekron und seine Gefährten an riesige Schmetterlinge denken. Ihre bräunlichen Körper waren länglich und grazil, die Köpfe groß und rund, mit riesigen Facettenaugen und zwei antennenartigen Fühlern. In der Mitte der Leiber gab es eine Einschnürung, unterhalb derer sich die langen mehrgelenkigen Beine befanden. Etwas unterhalb der Köpfe saßen die Armpaare mit je vier Fingern. Riesige bunt changierende Flügel spannten sich nach beiden Seiten hin aus. Sie wirkten zerbrechlich wie die Elfen in den alten Sagen der arkonidischen Völker. Das Abbild Natsyboas, das nun in ihrer Mitte erschien, zeigte, daß sie kaum anderthalb Meter groß gewesen waren. Was mochte die Varganen wohl dazu bewogen haben, die Ausrottung dieser Geschöpfe zu betreiben? Daß sie ihnen gefährlich geworden waren, erschien Dermitron höchst unwahrscheinlich. Seine Frage fand ihre Beantwortung, sobald er sie in seinen Gedanken formuliert hatte. »Wir traten ihnen in Freundschaft entgegen, doch sie wollten sie nicht. Ihre ganze Wesensart war nur aufs Herrschen ausgerichtet, sie duldeten niemand neben sich. Unbarmherzig zerstörten sie unsere Städte, Häfen und Raumschiffe. Wir konnten uns nicht wehren, weil wir keine wirksamen
34 Waffen besaßen. Wir flohen deshalb auf unbewohnte Welten, aber ihre Doppelpyramidenraumer folgten uns auch dorthin. Schließlich waren nur noch wenige Hunderttausende von uns übriggeblieben. Dieser kümmerliche Rest konnte sich auf diesem Planeten verbergen. In einer letzten großen Anstrengung bauten wir diese Anlage hier, die uns die Flucht in eine ferne Zukunft ermöglichte.« »Eine Art von Zeittransmitter also«, stellte Dermitron fest. »Warum seid ihr aber nicht längst wieder zurückgekehrt? Die Macht der Varganen ist schon seit Jahrtausenden gebrochen.« Ein telepathischer Seufzer klang in ihm auf. »Wir können nicht mehr zurück, Fremdling! Als die letzten von uns diese schlimme Zeit verlassen hatten, war die Kraft der Maschinen verbraucht. Nur dieser Block aus zeitloser Energie hält noch eine schwache Verbindung zur Vergangenheit aufrecht. Einige von uns haben stets in einer Gegenstation gewartet, um vielleicht doch noch einmal eine Nachricht über die Zeit hinweg zu erhalten. Ihr seid jedoch die ersten, mit denen eine Verbindung zustande gekommen ist. Habt ihr unsere Stadt in dem Talkessel gefunden?« »Hier gibt es keine Stadt mehr«, gab der Mondträger zurück. »Es tut mir leid, euch das berichten zu müssen, aber es ist so. Unsere Instrumente haben nicht einmal mehr Spuren davon entdeckt, nur unberührte Vegetation.« »Es braucht dir nicht leid zu tun«, lautete die Antwort. »Wir sind glücklich in der Zeit, in der wir jetzt leben. Sie liegt etwa hunderttausend Jahre in eurer Zukunft, unser Volk ist wieder groß geworden und hat sich über viele Planeten verbreitet. Auf einigen fanden wir auch Hinweise auf eure Rasse in Form von uralten Ruinen, die aber nichts mehr über euer Aussehen verrieten. Jetzt sehen wir euch in einem gleichartigen Würfel und konnten Aufzeichnungen anfertigen. Unsere Altertumsforscher werden sich freuen, ihre Wissenslücken nun ausfüllen zu können.
Harvey Patton Dürfen wir dich bitten, uns deinen Geist ganz zu öffnen? Die darin enthaltenen Informationen würden eine wertvolle Ergänzung dazu bieten.« Ehe Dermitron jedoch seine Zustimmung geben konnte, ebbte das Leuchten des Würfels erneut ab. Der Mondträger erwachte aus seiner Versunkenheit und bemerkte die flackernde Ruflampe seines Funkgeräts. Er schaltete es ein, und die besorgte Stimme Salmoons klang ihm aus dem Lautsprecher entgegen. »Endlich, Mekron! Wir rufen Sie jetzt schon seit fast zwei Stunden und waren aufs höchste besorgt. Ich war drauf und dran, Ihnen in den Stollen zu folgen, um nach Ihnen zu sehen.« Dermitron sah auf sein Armbandchrono und stellte erstaunt fest, daß während der Kommunikation über die Zeit hinweg tatsächlich eine so lange Zeitspanne verstrichen war. »Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung, Salmoon«, entgegnete er. »Wir haben zwar Hengs Station nicht gefunden, dafür aber Anlagen einer alten Rasse. Näheres erkläre ich Ihnen später. Ende.« Er schaltete wieder ab und konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf den Kubus, der wieder hell zu strahlen begann. Leise Bemerkungen der anderen Männer zeigten, daß auch sie alles hatten mit verfolgen können. Der Hauch einer unwirklichen Faszination lag über der ganzen Szene. Die Gedankenstimme klang wieder auf. »Wir bedauern diese Unterbrechung, Fremdlinge. Es ist nicht leicht, die Verbindung über die Zeit hinweg aufrecht zu erhalten, sie stellt hohe Anforderungen an unsere Geisteskräfte dar. Ist unsere Bitte noch verstanden worden?« Mekron bestätigte und erhielt die Anweisung, sich geistig vollkommen zu entspannen. Er folgte ihr willig, und Sekunden später versank die Umwelt für ihn. Er stand reglos wie eine Statue da, während die gedanklichen Fühler der Schmetterlingswesen nach seinem Erinnerungszentrum griffen und es eingehend durchforschten.
Brennpunkt Cherkaton Darüber vergingen Stunden. Die anderen Männer wurden unruhig, aber beruhigende Impulse zerstreuten ihre Bedenken. Diesmal waren sie jedoch von der Kommunikation ausgeschlossen. Sie gingen umher und durchforschten die Halle, aßen und tranken. Zwischendurch nahm Berkosch Verbindung mit der MEDON auf und berichtete in großen Zügen von dem Geschehen. Trotzdem waren alle erleichtert, als sich Dermitron endlich wieder zu regen begann. Wie erwachend rieb er sich die Augen und sah sich in dem Raum um. Dann erreichte ihn eine letzte Botschaft der Tyrr. »Wir danken dir, Mekron Dermitron. Was wir von dir erfahren haben, war faszinierend und bestürzend zugleich. Also habt auch ihr mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, eure Feinde sind ebenso unerbittlich, wie es die unseren waren. Es ist uns gelungen, alle Angaben aus deinem Gedächtnis auf Gedankenmatrizen festzuhalten, so daß nichts davon wieder verloren gehen kann. Wir bedauern sehr, daß wir dir nichts darüber mitteilen können, wie euer Krieg gegen die Maahks schließlich ausgegangen ist. Unsere Wissenschaftler haben alle Archive eingehend durchforscht, aber auch über diese Rasse fanden sich keinerlei Anhaltspunkte mehr.« Dermitron zuckte mit den Schultern. »Die Rassen kommen und vergehen, nur das Universum bleibt bestehen. Vielleicht können wir später wieder hierher zurückkehren, um euch weitere Berichte zu geben.« Ein bedauernder Impuls klang in ihm auf. »Das wird leider nicht mehr möglich sein. Wir haben alle unsere Hilfsmittel erschöpft, um die Verbindung zu dir so lange bestehen lassen zu können. Jetzt sind unsere Verstärker fast ausgebrannt, und wir haben keinen Ersatz mehr dafür. Wir können euch nur noch alles Glück wünschen, mehr nicht.« Die Gedankenverbindung über die Zeit hinweg wurde rapide schwächer. Das Leuchten des Würfels verging, die in ihm abgebildeten Gestalten verblaßten. Die letzten Worte erreichten Mekron nur noch wie ein verwehender Hauch. Gleichzeitig wurde
35 auch das Licht in der Halle immer dunkler, um schließlich ganz zu erlöschen. Die Gestalt des Mondträgers straffte sich wieder. »Schluß der Vorstellung, Männer«, sagte er leise. »Es war ein wirklich ungewöhnliches Erlebnis. Doch nun fordert die Gegenwart wieder ihren Tribut von uns; wir kehren zum Schiff zurück.«
8. »Das alles gefällt mir nicht, Mekron«, sagte Salmoon mit verkniffener Miene. »Gewiß, Sie haben ein äußerst ungewöhnliches Erlebnis gehabt. Der Nutzen für uns war jedoch Null, nur die Schmetterlinge in ferner Zukunft haben davon profitiert. Wir sind von unserem Ziel noch ebensoweit entfernt wie zuvor! Inzwischen ist es bereits Nachmittag, und noch immer haben wir keine Spur von Hengs Stützpunkt gefunden.« Der Mondträger lächelte versonnen. »Muß denn wirklich unbedingt alles, was wir tun, auch einen greifbaren Nutzen zeitigen, Salmoon? Sie waren nicht dabei, also können Sie auch die Faszination nicht ermessen, die von diesem Kontakt über einen für uns unbegreiflichen Zeitraum ausging. Eine Frage: Was haben Sie in den vergangenen Stunden noch getan, außer sich Sorgen um uns zu machen? Sie wußten ja nun, wo sich die Geheimstation mit Sicherheit nicht befand. Haben Sie versucht, durch weitere Messungen ihren Standort zu finden?« Es war äußerst ungewöhnlich, daß Dermitron gegenüber einem seiner alten Mitkämpfer einen solchen Ton anschlug. Der Erste Offizier schluckte, mußte dann aber zugeben, daß inzwischen nichts getan worden war, um die Station des fahnenflüchtigen Befehlshabers von Trantagossa zu finden. Dermitron lächelte nun nicht mehr. »Sehr schön«, bemerkte er sarkastisch. »Im Grunde fällt es also auf Sie zurück, daß diese Stunden ungenützt verstrichen sind … Gut, reden wir nicht mehr darüber. Ich werde mich für etwa eine halbe Stunde zurück-
36 ziehen, um etwas zu essen und mich zu erfrischen. Veranlassen Sie, daß inzwischen bereits mit weiteren Versuchen begonnen wird, Hengs Stützpunkt ausfindig zu machen.« Salmoon beeilte sich, diesem Befehl nachzukommen. Als der Mondträger wieder in die Kommandozentrale zurückkehrte, war das gesamte technische Instrumentarium des Schiffes voll in Betrieb. Mit angespannten Gesichtern saßen die Männer vor den Geräten, jeder Meter der Umgebung wurde wieder und wieder mit äußerster Sorgfalt abgetastet. »Nichts zu finden, Mekron«, sagte Ventron resigniert. »Ein paar natürliche Höhlen, aber alle viel zu klein. Sollte sich Letschyboa vielleicht geirrt haben?« Der Prospektor hatte diese Worte gehört und kam nun heran. »Das glaube ich nicht«, warf er ein. »Schließlich ist der Kreuzer seinerzeit genau hier gelandet, und das bestimmt nicht nur rein zufällig. Dieses Tal ist das einzige in der Umgebung, das meiner Ansicht nach für die Errichtung der Geheimstation in Frage kommt. Sie anderswo zu bauen, wäre äußerst schwierig und umständlich gewesen. Man hätte dann alles – Baumaschinen wie auch die Einrichtung – über die Berge hinweg transportieren müssen.« Dermitron überlegte eine Weile und schlug sich dann vor die Stirn. »Verdammt, das könnte es sein! Wir haben uns bis jetzt nur auf die umliegenden Bergwände konzentriert, weil wir es als selbstverständlich ansahen, daß sich die Station irgendwo zwischen den Felsmassen befinden müßte. Es gibt mir jedoch zu denken, daß Hengs Leute die Anlagen der Tyrr nicht entdeckt haben. Und warum nicht? Weil sie sich gar nicht die Mühe gemacht haben, in den Bergen nach einem geeigneten Ort zu suchen! Das läßt nur die eine Schlußfolgerung offen: Der Geheimstützpunkt muß irgendwo in den Talboden hineingebaut worden sein.« Der Ortungstechniker lachte auf. »Viel zu einfach, um logisch zu sein, nicht wahr?
Harvey Patton Gut, versuchen wir es einmal damit.« Eine kurze Verständigung, und die Männer vor den Ortungen justierten ihre Instrumente neu ein. Alle Antennen wurden nun nach unten gerichtet, der Boden der Talmulde wurde meterweise durchforscht. Die MEDON ragte zwar hoch über ihre Umgebung auf, aber es waren fast zehn Quadratkilometer, die es abzusuchen galt. Einige Male gab es falschen Alarm. Man entdeckte Risse und Spalten im Boden, die sich im Laufe der Zeit mit Humus und Geröll gefüllt hatten. Es kostete jedesmal einige Zeit, bis der Computer seine Auswertung gab und die Irrtümer aufdeckte. Schließlich winkte Olvan dem Kommandanten. »Ich habe da etwas auf dem Schirm, das mir merkwürdig erscheint, Mekron. Etwa fünfhundert Meter weiter rechts gibt es eine Stelle – da, wo die hohen Bäume stehen –, wo die Reflexion der Ortungsstrahlen so etwas wie einen ›blinden Fleck‹ auf dem Oszillo erscheinen läßt. Die Hohlraumtaster sprechen dagegen nicht an.« Dermitron strich sich über das halblange Silberhaar und betrachtete die bunten Linien, die nur einem Fachmann etwas sagten. »Hm, daran könnte etwas sein. Der Fleck durchmißt etwa fünfzig Meter und erscheint annähernd quadratisch; viel zu regelmäßig also, um natürlichen Ursprungs zu sein. Man könnte dort ein Material eingebracht haben, das Taststrahlen nicht vollkommen absorbiert, so daß die Stelle unverdächtig erscheint, solange man nicht auf den richtigen Gedanken kommt. Wir wollen sie uns einmal vormerken. Falls wir sonst nichts entdecken, sehen wir dort nach.« Eine Stunde später stand fest, daß es in der Talmulde wirklich nichts sonst gab, das als Versteck der Geheimstation in Frage kam. Der Mondträger ließ die Versuche abbrechen und rief über Interkom die Männer auf, die ihn schon bei der ersten Exkursion begleitet hatten. Wieder wurden die beiden Gleiter ausgeschleust, die zusätzlich zwei Zugstrahlprojektoren an Bord hatten. Damit sollten die Vegetation und das Erdreich ent-
Brennpunkt Cherkaton fernt werden, es war die einfachste und zeitsparendste Methode.
* Das Erdreich war zäh, von unzähligen Wurzeln und Ranken durchsetzt. Die Traktorstrahler mußten mit voller Kraft arbeiten, es ging aber trotzdem nur langsam voran. Berkosch schüttelte verwundert den Kopf. »Hier scheinen Hengs Leute aber wirklich übertrieben zu haben. Im Ernstfall hätte er erhebliche Schwierigkeiten gehabt, schnell unterzutauchen. Ich verstehe das nicht ganz, Mekron.« Dermitron zuckte mit den Schultern. »Seine SKORGON war ein Schiff mit allen Schikanen, wie Atlan berichtet hat. Er wird schon über die nötigen Mittel verfügt haben, um schnell … verdammt, wo hatte ich nur meine Gedanken! Das Erlebnis mit den Tyrr scheint mich doch erheblich strapaziert zu haben. Aufhören!« Sein Zuruf galt den beiden Männern, die die Projektoren bedienten. Sie schalteten ab, letzte Erdmassen wurden seitlich davongewirbelt und fielen zu Boden. Ein halbrunder flacher Trichter war entstanden, in der Mitte etwa zwei Meter tief. Dermitron gab den Gleiterpiloten Anweisung, die Fahrzeuge ein Stück zur Seite zu steuern. Dann winkte er Natsyboa. »Auch ein Mondträger ist kein Supermann«, bemerkte er mit einem Schuß von Selbstironie. »Nehmen Sie den Codegeber Nummer eins und drücken Sie zu. Das wird uns viel Arbeit ersparen, nehme ich an.« Verblüfft sahen die Männer, wie sich Sekunden später ein sauber abgegrenztes Quadrat von mehr als fünfzig Meter Durchmesser unter dem reißenden Geräusch starker Wurzeln langsam in die Höhe schob. Erdschollen polterten nieder und nahmen ihnen vorübergehend die Sicht. Dann erkannten sie die meterstarken hydraulischen Stempel an den vier Ecken, die sich knarrend nach oben bewegten. Sie trugen eine dicke Platte, die ungefähr drei Meter Erdreich mitsamt der
37 darauf befindlichen Vegetation mühelos trug, ohne sich durchzubiegen. »Nimmt denn das gar kein Ende?« staunte Ventron, als schon zehn Meter Höhe erreicht waren und die Aufwärtsbewegungen noch immer nicht aufhörte. Dermitron lächelte in verhaltenem Triumph. »Es hätte wenig Sinn gehabt, wenn Heng hier ohne sein Schiff untergetaucht wäre. Man hat es also so eingerichtet, das er das SKORGON ebenfalls unter dem Boden verschwinden lassen konnte. Sehen Sie sich den Schacht an, der nun zum Vorschein kommt. Das ovale Schiff war an der stärksten Stelle nicht dicker als vierzig Meter, paßte also ohne weiteres hinein.« Er behielt recht. Die Platte hob sich bis in die Höhe von fünfzig Meter und kam dann knarrend zum Stillstand. Die Anzeigen der Energiemesser wiesen aus, daß nach der Betätigung des Codegebers tief unter der Erde ein Konverter angelaufen war. Nun flammten an den Schachtwänden Leuchtflächen auf und erhellten den Zugang in die Tiefe. »Fertigmachen zum Sterben«, meinte Berkosch mit schiefem Grinsen. Mekron nickte nur kurz. »Der zweite Gleiter bleibt vorerst oben. Wir fliegen in den Schacht ein und erkunden die Gegebenheiten. Natsyboa, den zweiten Codegeber vorerst nicht gebrauchen. Ich vermute, daß er dazu dient, die Öffnung wieder zu schließen. Berkosch, Sie übernehmen das Impulsgeschütz; geschossen wird aber erst, wenn ich es befehle, klar?« Die Männer nickten, und Dermitron griff in die Kontrollen des Fahrzeugs. Er schaltete den Schutzschirm ein und ließ dann den Gleiter langsam vorwärts schweben, bis er sich über dem Schacht befand. Draußen begann es allmählich dämmerig zu werden, die Suche hatte mehr Zeit gefordert, als ursprünglich angenommen worden war. Die Männer erkannten, daß der Schacht mindestens hundert Meter tief war. Er erweiterte sich nach unten hin allmählich, bis er schließlich einen Durchmesser von rund achtzig Meter besaß. Etwa in der Hälfte öff-
38 nete er sich nach rechts hin trichterförmig. Dort zweigte ein horizontal verlaufender Stollen ab, in den Dermitron den Gleiter hineinschweben ließ. Er durchmaß etwa achtzig Meter und endete in einem Hangarraum mit gewölbter Decke, der eindeutig auf die Ausmaße von Hengs Sonderschiff zugeschnitten war. Im Hintergrund war ein schweres Panzerschott zu sehen, vor dem ein grünlich schimmernder Energievorhang lag. Die Meßgeräte zeigten, daß er so stark war, daß ihn auch der Beschuß mit einem schweren Impulsgeschütz nicht zum Zusammenbruch bringen konnte. »Reine Energieverschwendung«, meinte Ventron halblaut. »Wer hier drin ein Geschütz abfeuert, röstet sich praktisch selbst. Typisch Amarkavor Heng.« Mekron gab Natsyboa einen Wink. Der Techniker nahm den dritten Codegeber zur Hand und studierte die von Dromartes erhaltenen Angaben. Dann drückte er betont langsam auf die bunten Knöpfe. Kaum eine Sekunde später ertönte ein leises Geräusch wie von einer Implosion, und der Schutzschirm löste sich auf. Die Männer atmeten befreit auf, und der Mondträger griff nach dem Mikrophon. Er beorderte den zweiten Gleiter herunter, der nach zwanzig Sekunden ankam. »Nach links hinüber«, wies er den Piloten ein, während er das eigene Fahrzeug an die rechte Wand des Hangars dirigierte. »Wir steigen jetzt aus, in jedem Gefährt bleibt ein Mann zurück und wartet auf Befehle. Auf keinen Fall eigenmächtig handeln, falls es zu Zwischenfällen kommt, sofort die Schutzschirme einschalten. Sie sind unsere Lebensversicherung, denken Sie daran.« Die acht Männer schlossen die Helme ihrer Kampfanzüge und regulierten die Versorgungssysteme ein. Dann bewegten sie sich langsam auf das Panzerschott zu, die Kombistrahler schußbereit. Die Wandungen des Hangars waren, ebenso wie die das Schachtes, mit einer grünlichen Beschichtung versehen, die das Licht der Leuchtplat-
Harvey Patton ten nicht reflektierte. Das war offenbar das Material, das die Taster irregeführt hatte. Vermutlich waren alle Wände damit ausgekleidet. Das Schott war etwa fünf Meter breit und zehn Meter hoch und bestand aus Arkonit. »Ein ganz schöner Brocken«, meinte Berkosch. Dermitron nickte. »Wahrscheinlich wurde hier die gesamte Einrichtung hereingeschafft, deshalb die Ausmaße. Mir bereitet aber vor allem das Fehlen des vierten Codegebers Sorge. Falls er dazu bestimmt war, das Schott zu öffnen, gibt es ernstliche Schwierigkeiten. Aufbrennen können wir es nicht, höchstens sprengen, und dann besteht die Gefahr, daß der ganze Laden hier einstürzt.« Er atmete auf, als er dann an der linken Seite den Öffnungskontakt entdeckte. »Sehr gut, damit erledigt sich das Problem von selbst.« Aufmerksam beobachtete er die Anzeigen des Meßgeräts an seinem Handgelenk. »Es sieht aber ganz so aus … Tolkrysch, was tun Sie da? Zurück, Mann!« Seine Warnung kam zu spät. Tolkrysch, ein Mann der alten MEDON-Besatzung, war vorgetreten und hatte die linke Hand auf den Öffnungskontakt gelegt. Ein schrecklicher Schrei klang auf, grünliche Gluten umwaberten den Körper des jungen Mannes. Er stürzte zu Boden, zuckte noch sekundenlang konvulsivisch und lag dann still da. Das Gesicht hinter der Helmscheibe war grauenvoll verzerrt, die weit aufgerissenen Augen verdreht. Amarkavor Hengs Todesfallen hatten ihr erstes Opfer zur Strecke gebracht … Wie zum Hohn schwang nun das meterdicke Schott langsam auf und gab den Weg in den Stützpunkt frei.
* Die anderen sieben Männer waren hastig zur Seite gesprungen. Stumm vor Schreck starrten sie nun auf die Leiche des Technikers. Tolkrysch war bei allen beliebt gewesen, lustig und impulsiv – zu impulsiv, wie
Brennpunkt Cherkaton sich nun herausgestellt hatte. Dermitron machte sich heftige Vorwürfe, aber Berkosch legte ihm sanft die Hand auf den Arm. »Sie können nichts dafür, Mekron«, sagte der ältere Mann. »Sie waren mit der Ablesung der Meßdaten beschäftigt, und auch wir haben nicht damit gerechnet, daß einer unbedacht handeln würde. Menschliches Versagen, für das niemand verantwortlich ist.« In der Kehle des Mondträgers saß ein dicker Kloß. »Mit etwas in dieser Art rechnete ich«, gab er heiser zurück. »Das Meßgerät zeigte einen Stromfluß an, vermutlich Ruhespannung, die erst dann gefährlich ist, wenn ihr Fluß unterbrochen ist. Ich wollte den Ausgangspunkt lokalisieren, aber Tolkrysch kam mir zuvor.« »Kommen Sie«, forderte ihn der Feuerleitoffizier nachdrücklich auf. »An dem Geschehenen läßt sich nichts mehr ändern, in Zukunft werden sich alle vorsehen. Das Schott ist offen, die Station liegt vor uns.« Dermitron nickte, er hatte sich wieder gefangen. Sein Blick richtete sich in den weiten Korridor, der jenseits des Eingangs lag. Es war etwa fünfzig Meter lang und hell erleuchtet, an beiden Seiten waren je vier hohe Türen zu sehen. An seinem Ende befand sich ein weiteres Panzerschott, vor dem wieder ein grüner Schutzschirm lag. Alles war ruhig, nur das leise Arbeitsgeräusch des Konverters lag in der Luft. Nichts deutete auf weitere Gefahren hin, obwohl es sie mit Sicherheit gab. Der Kommandant winkte Natsyboa zu sich. »Jetzt wissen wir, wozu der vierte Codegeber bestimmt war. Wirklich raffiniert ausgedacht, in dem ganz normal erscheinenden Öffnungskontakt hätte niemand eine Falle vermutet. Doch nun ist das Schott offen, weitere Sicherungsanlagen dürften sich automatisch eingeschaltet haben. Es dürfte gut sein, das nächste Gerät zu betätigen, ehe wir den Korridor betreten.« Natsyboa nickte und ging voran. Der schmächtige Computerfachmann hielt sich ausgezeichnet, obwohl er nicht für kritische
39 Einsätze dieser Art ausgebildet war. Er wartete ab, bis zwei Männer den Toten beiseite geschafft hatten, stellte sich dann direkt in den Eingang und drückte die Knöpfe des fünften Codegebers. Von innen drang ein leises Scharren heraus. In beiden Wänden des Korridors gab es ungefähr in Hüfthöhe in regelmäßigen Abständen Öffnungen von etwa zehn Zentimeter Durchmesser. Sie wirkten vollkommen harmlos und schienen weiter nichts als Auslaßöffnungen des Belüftungssystems der Station zu sein. Nun schoben sich bisher unsichtbare Blenden vor diese Löcher, und Ventron lachte grimmig auf. »Dahinter sind mit Sicherheit ein paar nette 'Spielzeuge' verborgen! Impulsstrahler, Säurespritzen oder ähnliches Teufelszeug …« Berkosch nickte. »Die ersten Anlagen hätten wir vermutlich noch ungehindert passieren können. Zweifellos gibt es auch Detektoren, die genau registrieren, wie viele Personen eindringen, dazu einen Computer, der die Auswertung besorgt. Wir wären vielleicht bis zur Mitte des Korridors gekommen, erst dann hätte das Feuerwerk eingesetzt. Ob wir dann weiter nach vorn gelaufen wären oder uns zurückgezogen hätten, wäre gleich gewesen. Irgendeine dieser Waffen hätte uns bestimmt erwischt.« Erst jetzt erfaßte Dermitron in vollem Ausmaß, wie ungeheuer wertvoll die Codegeber für ihn und seine Männer waren. Ohne Letschyboas Voraussicht wären sie nie dazu imstande gewesen, überhaupt in diese Festung einzudringen. Jetzt waren sie drin, aber was mochte noch auf sie warten? Sie hatten nur noch ein Gerät dieser Art, das siebente und letzte existierte nicht mehr! Vielleicht war gerade sein Fehlen, das sie am Endeffekt doch noch scheitern ließ …? Er schob diese unerfreulichen Gedanken beiseite. Jetzt kam es darauf an, rasch zu handeln, denn die Zeit drängte. Es ging schließlich nicht nur allein um Hengs Station. In der Stadt Cherkan gab es auch noch
40 einige Dinge zu erledigen, ehe man kam, um die Zwangsrekrutierten zu holen! Er winkte seinen Männern und betrat dann an ihrer Spitze den Korridor nichts rührte sich, die Blenden vor den Schußöffnungen blieben geschlossen. Nur der Schutzschirm vor dem Schott im Hintergrund flimmerte leicht und ließ sie nicht vergessen, daß sie hier noch mit einigem zu rechnen hatten. Vermutlich waren die Waffen, von deren Vorhandensein sie nun wußten, gewissermaßen nur die Spitze eines Eisbergs. Es konnte noch Dutzende weiterer solcher Anlagen und heimtückische Fallen geben. Wenn sie unabhängig von den Schlüsselgeräten waren und sich plötzlich automatisch einschalteten, stand den Eindringlingen noch Schweres bevor. Dermitron hielt vor der ersten, links gelegenen Tür an und suchte sie sorgfältig mit seinen Blicken ab. Auch sie bestand aus Arkonit und saß fugendicht in einer elastischen Kunststoffüllung. In Brusthöhe gab es einen Öffnungskontakt, den die Männer äußerst skeptisch betrachteten. Mekron lächelte humorlos. »Ich glaube nicht, daß derjenige, der sich all die netten Dinge hier ausgedacht hat, zweimal mit dem gleichen Trick gearbeitet hat. Trotzdem müssen wir vorsichtig sein, man lebt dann länger. Treten Sie zurück, ich übernehme das.« Er nahm seitlich von der Tür Aufstellung, packte dann den Strahler am Lauf und drückte mit dem Kunststoffkolben auf den Kontakt. Diesmal gab es kein tödliches Feuerwerk. Nach etwa einer Sekunde ertönte ein leises Summen, und dann schwang die Tür nach außen hin auf. Leuchtflächen erhellten sich flackernd und übergossen einen großen Raum mit hellem Licht. Er war mit langen Regalen angefüllt, auf denen eine Unzahl von Kisten lag. Alle trugen die Signatur der Arkonflotte und große Aufschriften in schwarzer Farbe. Als der Mondträger die ersten gelesen hatte, pfiff er bedeutungsvoll durch die Zähne. »Waffen und Munition, so weit das Auge
Harvey Patton reicht! Nicht nur Handwaffen, sondern auch zerlegte Impulsgeschütze samt allem Zubehör, Kampfraketen, Mikrobomben und ähnliche Dinge. Mir ist nur schleierhaft, was ein einzelner Mann mit dieser Menge von Kriegsmaterial anfangen wollte. Sein krankhaft übersteigertes Sicherheitsbedürfnis scheint wirklich seltsame Blüten getrieben zu haben« »Das kann uns nur recht sein«, meinte Ventron lakonisch. »Atlan kann alles brauchen, wenn es einmal ernst wird.« Er wollte den Raum betreten, doch der Mondträger hielt ihn zurück. »Denken Sie an Tolkrysch!« warnte er und wies auf zwei kaum sichtbare Öffnungen in der Türfüllung, die sich in Meterhöhe genau gegenüberlagen. »Das sieht nach Fotozellen aus, zwischen denen ein unsichtbarer Kontaktstrahl schwingt. Es sollte mich nicht wundern, wenn dieses wertvolle Depot nicht noch zusätzlich gesichert wäre.« Wieder nahm er den Strahler zur Hilfe und hielt den Kolben in die Türöffnung. Im nächsten Moment zuckte er zurück – von oben her sauste ein stählernes Phantom herab, schlug ihm den Strahler aus der Hand und verschwand in einem Schlitz, der sich gleichzeitig auf der Schwelle geöffnet hatte! Die Waffe polterte zu Boden, und Dermitron rieb sich mit schmerzverzerrten Zügen den geprellten Arm. »Eine Art von automatischem Fallbeil«, sagte er grimmig. »Es wird ausgelöst, sobald der Strahl zwischen den Fotozellen unterbrochen wird. Wahrscheinlich warten über der Tür noch Dutzende davon, um jeden zu zerschmettern, der hineingehen will, ohne zuvor den Mechanismus abgeschaltet zu haben.« »Danke, Mekron«, sagte Ventron, dessen grobes Gesicht nur langsam seine Farbe wiederbekam. »Wenn Sie mich nicht daran gehindert hätten …« Der Mondträger winkte ab. »Ich habe nur etwas schneller und weiter gedacht als Sie, das ist alles. Jetzt wissen wir jedenfalls, woran wir sind. Wir werden uns auch die
Brennpunkt Cherkaton anderen Räume noch ansehen, sie jedoch nicht betreten. Ich nehme an, daß diese Art von Mordanlagen nur von der Zentrale aus abgeschaltet werden kann, die zweifellos hinter dem Schott am Gangende liegt. Erst wenn wir sie in der Hand haben, ist die Festung wirklich gefallen – immer vorausgesetzt, daß nicht noch Schwierigkeiten wegen des fehlenden Codegebers entstehen! Geben Sie mir Ihren Strahler, Natsyboa, meiner ist unbrauchbar geworden. Wir gehen weiter.« Auch die übrigen sieben Türen ließen sich ohne weiteres öffnen. Hinter ihnen lagen weitere Depots, deren Anblick die Herzen der Männer schneller schlagen ließ. In Hengs Station gab es all jene Dinge in Massen, an denen es auf Kraumon mangelte! Kisten und Container enthielten weitere Waffen, aber auch technische und positronische Geräte in Vielfalt, Kampfanzüge und Ersatzteile für Triebwerksanlagen. Daneben gab es riesige Mengen von konservierten Lebensmitteln, die Atlans gesamtes Gefolge für mindestens einen Monat aller Nahrungssorgen entheben würden. Berkosch schüttelte den Kopf. »Ich begreife beim besten Willen nicht, weshalb Heng hier solche Unmengen aller nur möglichen Dinge einlagern ließ, Mekron. Vermutlich hat er alle Lieferungen beiseitegeschafft, die für Schiffe bestimmt waren, die nicht mehr vom Einsatz nach Trantagossa zurückgekehrt sind. Doch wozu das? Wollte er irgendwann einen kleinen Privatkrieg anfangen?« Dermitron zuckte mit den Schultern. »Das mögen allein die Götter wissen. Wer von uns kann schon ermessen, was in dem Gehirn eines Psychopathen seiner Art vorgegangen sein mag. Kümmern wir uns nicht weiter darum – die Zentrale wartet auf uns!«
9. Die sieben Männer blieben in achtungsvoller Entfernung von dem grünen Energievorhang stehen. Ihre Nerven waren bis zum Zerreißen angespannt, denn jetzt mußte sich
41 entscheiden, ob ihr Unternehmen auch wirklich von Erfolg gekrönt sein würde. Den Einsatz radikaler Mittel erwog Mekron nur für den äußersten Notfall. Es war schließlich gut möglich, daß die ganze Station in die Luft flog, sobald größere Sprengungen oder Schmelzungen vorgenommen wurden. Daß Amarkavor Heng auch an eine als umfassende Vernichtungsschaltung gedacht hatte, war als sicher vorauszusetzen. Natsyboa war nervös geworden. Unsicher betrachtete er den letzten noch verbliebenen Codegeber, in dem schmalen Gesicht unter dem grauen Haar zuckte es. Er wandte sich zögernd zu Dermitron um. »Ob es wirklich auch diesmal gutgehen wird, Mekron? Ich habe so ein Gefühl …« Der Mondträger nahm ihm das Gerät aus der Hand. »Gehen Sie zurück in einen der Gleiter«, bestimmte er kategorisch. »Ich nehme es Ihnen in keiner Weise übel, daß Ihre Nerven dieser Belastung nicht mehr gewachsen sind. Melden Sie sich per Funk, sobald Sie draußen sind. Wir warten so lange.« Dermitron meinte auch, was er sagte. Der Computertechniker war in seiner Weise ebenso wertvoll wie alle anderen Männer seines Kommandos, nur eben keine Kämpfernatur. Als das Signal aus dem Gleiter kam, straffte sich seine Gestalt. Er konzentrierte sich voll, auf seinem breiten Gesicht zeigte sich keine Regung. Noch einmal überflog er die Anweisungen von Dromartes, dann drückte er zu. Die bunten Knöpfe rasteten leise knackend ein. Dann geschah eine endlos anmutende Zeitspanne lang nichts, bis auf die schweren Atemzüge der Männer in den Kopfhörern war alles totenstill. Es funktioniert nicht! dachte Mekron resigniert. Es wäre ja auch zu schön gewesen, um wahr zu sein … Er fuhr zusammen, als dann doch eine steile Amplitude über den kleinen Oszillo des Geräts zuckte. Einige weitere Blips folgten – dann fiel der Schutzschirm vor dem Schott wie in Zeitlupe in sich zusammen. Die Männer stöhnten unwillkürlich auf, als
42 sich gleich darauf das Tor zur Zentrale öffnete. Also hatten sie es doch noch geschafft! Dermitron steckte den Codegeber weg und nahm wieder seine Waffe in die Hand. Mit gespannter Aufmerksamkeit überflogen seine Augen den Ausschnitt des Raumes, der von seinem Standpunkt aus zu überblicken war. Vieles daran erinnerte an den Kontrollstand eines Raumschiffs. Es gab Schaltkonsolen aller Art, selbst die Wände waren mit vielfältigen Instrumenten und zahlreichen Bildschirmen verschiedener Größe versehen. Im Mittelpunkt stand jedoch ein breites, halbkreisförmiges Schaltpult, vor dem sich ein drehbarer Kontursitz befand. Dies war das Herzstück von Hengs Geheimstützpunkt, das stand fest. Doch noch waren alle Anzeigen und Bildschirme dunkel. Würden sie sich vielleicht nur aktivieren lassen, wenn auch der fehlende letzte Codegeber betätigt wurde? Keiner der Männer sagte ein Wort. Alle Blicke richteten sich nun auf den Mondträger, der allein die ganze Last der Verantwortung trug. Von seinem Handeln hing es nun ab, ob auch diese letzte entscheidende Phase noch gut verlief. Natürlich dachte er auch diesmal nicht daran, einen anderen vorzuschicken. Seine Blicke suchten die Schottfüllung ab, ohne jedoch etwas Verdächtiges zu entdecken. Entschlossen trat er vor und setzte den Fuß in den Raum, der sich gleichfalls automatisch erhellt hatte. Er hatte aber kaum die Schwelle übertreten, als auch schon ein infernalischer Lärm losbrach. Alarmpfeifen gellten auf, Sirenen schrillten, das Grollen anlaufender Konverter und Transformer wurde hörbar. Die Männer sahen sich erschrocken nach Deckung um, aber es gab keine. Im nächsten Moment kam die Stimme des Ersten Offiziers aus dem Helmradio. »Was ist passiert, Mekron? Wir messen eine plötzliche starke Energieentwicklung innerhalb der Station an. Sind Sie in Gefahr?« »Bis jetzt noch nicht«, gab Dermitron zu-
Harvey Patton rück. »Ich habe die Zentrale geöffnet und betreten, und im gleichen Augenblick war hier der Teufel los. Vermutlich gibt es hier Sensoren, die auf die Individualimpulse Hengs abgestimmt sind und mich sofort als Fremden identifiziert haben. Bisher ist aber … nein, eben geschieht etwas! Die Blenden vor den Abwehranlagen im Korridor haben sich wieder geöffnet, so daß uns der Rückweg abgeschnitten ist.« Abrupt verstummten die Alarmsignale. Dafür öffneten sich etwa fünfzehn Meter vor dem Eingang zur Zentrale plötzlich zwei bisher unsichtbare Türen auf beiden Seiten des Ganges. Die knallenden Schritte marschierender Kampfroboter wurden hörbar, und Mekron fuhr zusammen. »Hier herein!« rief er seinen Männern zu. »Die Maschinen dürften eine Sperrschaltung besitzen, die sie daran hindert, die Zentrale mit ihren wertvollen Einrichtungen zu zerstören. Das gibt uns eine Chance.« Die Männer hasteten in den Raum. Einige fanden hinter den Gehäusen von Computern und Speicherbänken Deckung, die anderen warfen sich neben dem Schott zu Boden. Die Schritte der Roboter wurden lauter, und der Mondträger überlegte einen Augenblick lang. Dann rief er nach Ventron. »Gehen Sie zum Hauptschaltpult, schnell! Dort muß es eine Schaltanlage geben, durch die sich alle internen Abwehranlagen stillegen lassen, auch die Roboter. Drücken Sie alle in Frage kommenden Knöpfe, wir wehren die Angreifer solange ab.« Der Ortungstechniker sprang auf und eilte zu dem halbkreisförmigen Pult. Im gleichen Augenblick kamen die ersten Kampfmaschinen von beiden Seiten in den Korridor. Sie glichen den Standardmodellen der Imperiumsflotte, nur die mechanischen Hände fehlten. Statt dessen besaßen sie an den Armenden starr eingebaute Waffen, je einen Impulsstrahler und Paralysator. Ehe sie sich jedoch orientieren und die Männer mit ihren Zieloptiken erfassen konnten, hatten diese bereits geschossen. Die ersten beiden Maschinen vergingen in schmetternden Explo-
Brennpunkt Cherkaton sionen, die Überreste ihrer Körper wurden nach allen Seiten fortgewirbelt. Sie trafen auch die beiden folgenden Roboter. Einer von ihnen schlug schwer zu Boden und blieb regungslos liegen. Der andere begann sich ziellos im Kreis zu drehen und löste seinen Strahler aus. Er befand sich im rechten Arm, der schräg nach oben gerichtet blieb. Die feurige Bahn brannte sich in die Kunststoffverkleidung des Ganges, gelbliche Qualmwolken stiegen auf. Dermitron erledigte ihn mit einem wohlgezielten Schuß, ehe der Strahl durch das offenstehende Schott in der Zentrale Unheil anrichten konnte. Auch dieser Automat zerbarst und riß den nachfolgenden mit ins Verderben. Eine weitere Explosion erfolgte, als Berkosch dann den Roboter traf, der von rechts kam und über den am Boden liegenden hinwegstieg. Der Korridor war nun von Rauchwolken erfüllt, Splitter sausten und jaulten nach allen Seiten. Einige wurden bis in die Zentrale gewirbelt, richteten aber dort keinen Schaden an. Sie zwangen jedoch die Männer in Deckung, und schon kamen weitere Maschinen unbeirrt nach. »Nur noch auf ihre Beine schießen!« brüllte der Mondträger, um den Nachhall der Detonationen zu übertönen. »Es genügt, wenn sie fallen, dann können sie uns nicht mehr schaden. Wie weit sind Sie, Ventron?« »Schwierige Sache«, gab dieser zurück. »Mehr als zweihundert Schalter und Sensoren, jeder mit einer anderen Funktion. Hier muß es viel mehr versteckte Waffen geben, von denen wir noch nichts ahnen. Ich tue, was ich kann.« Die neue Taktik zeitigte ihre Erfolge. Die Roboter explodierten nicht mehr, sondern fielen nur noch und bildeten bald unentwirrbare Knäuel vor den beiden Zugängen. Doch immer noch drängten weitere nach und schoben ihre Vorgänger durch Tritte ihrer stählernen Beine vor sich her. In Hengs Arsenal schien es eine ganze Armee von ihnen zu geben, und Dermitron stöhnte unterdrückt auf.
43 Die Strahler der fünf Männer waren bereits überhitzt und ließen nur noch vereinzelte Schüsse zu. So kamen schließlich doch zwei der Maschinen ungehindert zum Schuß. Sie feuerten jedoch nicht mit den Impulsstrahlern, sondern setzten lediglich ihre Paralysatoren ein. Mekron hatte also richtig vermutet, aber diese Erkenntnis erleichterte ihn kaum. Zwei der Verteidiger sackten gelähmt zusammen, nun waren nur noch drei Männer einsatzbereit. Es gelang ihnen, auch diese beiden Roboter noch zu fällen, aber dann schleuderte Berkosch seine Waffe von sich. »Es geht nicht mehr, Mekron, beim nächsten Schuß wäre das Ding explodiert! Und da kommen schon wieder die nächsten Maschinen …« Der Mondträger biß die Zähne zusammen und feuerte nochmals, obwohl die Hitze nun bereits durch die Handschuhe des Kampfanzugs drang. Diesmal hielt er absichtlich auf die Brust des Roboters, wo sich der Mikroreaktor befand. Es gab eine weitere Explosion, ein Gewirr von stählernen Körpern und Gliedern wurde durch den Gang geschleudert. Auch Letschyboa schoß nun und erzielte auf der Gegenseite denselben Effekt. Das gab für ein paar Sekunden Luft, Berkosch sprang auf und holte sich die Waffe des Paralysierten, der in seiner Nähe lag. Trotzdem war die Lage so gut wie aussichtslos. Mindestens zwanzig Kampfroboter waren nun bereits erledigt, der Korridor war ein wahres Schlachtfeld. Als es nun aber für einen Augenblick still wurde, hörte Dermitron deutlich, daß immer noch weitere nachfolgten. Der halbverrückte Amarkavor Heng hatte bei der Planung seiner Geheimstation wirklich ganze Arbeit geleistet. Nur noch Minuten, und dann … »Geschafft!« jubelte Ventron plötzlich auf. »Ich habe den zentralen Schaltknopf gefunden – der Zauber ist vorbei!« Mekron schüttelte ungläubig den Kopf, seine Augen konnten die dunklen Rauchschwaden kaum noch durchdringen. Dafür hörte er nun aber, wie die stampfenden Schritte der Kampfmaschinen schlagartig
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Harvey Patton
verstummten. Eine wohltuende Stille breitete sich aus, und langsam erhoben sich die drei Männer. Sie schlugen Ventron dankbar auf die Schultern, als er sich nun zu ihnen gesellte, ein breites Grinsen auf dem Gesicht. »Alles in Ordnung, Salmoon«, sagte der Mondträger erschöpft in sein Helmmikrophon. »Die Station gehört uns, schicken Sie alle Männer mit Antigravplattformen herunter. Wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns.«
* Seine Worte bewahrheiteten sich. Pausenlos waren die Antigravscheiben und Gleiter unterwegs, die Depots des Geheimstützpunkts wurden systematisch ausgeräumt. In den Laderäumen der MEDON stapelten sich die Kisten und Container, und noch immer kamen weitere nach. Alle neunzehn Männer beteiligten sich an der Bergung, auch die beiden Paralysierten, die inzwischen wieder zu sich gekommen waren. »Das ist eine runde Sache«, meinte Salmoon begeistert, als endlich das Ende der Aktion in Sicht war. »Bragos Neschbar wird jubeln, wenn wir mit dieser Ladung nach Kraumon kommen. Sollen wir nicht auch noch die Anlagen der Zentrale ausschlachten, Mekron? Platz dafür haben wir noch.« Dermitron trank den Becher mit einem belebenden Tee leer und lehnte sich dann entspannt zurück. »Darauf müssen wir leider verzichten, Salmoon, es würde zu lange dauern. Wir sind alle erschöpft und brauchen dringend einige Stunden Schlaf. Jetzt ist es elf Uhr Planetenzeit, der halbe Tag ist also bald vorbei. Sechs Stunden Pause, dann fliege ich mit Letschyboa nach Cherkan zurück. Sie wissen, was ich vorhabe, und ohne eine genaue Übersicht und Planung geht das nicht. Bis zum letzten Moment zu warten, wäre viel zu riskant. Wenn das Transportschiff für die Rekruten früher kommt als erwartet, wird mein ganzer Plan durchkreuzt.« Ventron kam in den Kommandoraum,
rieb sich die geröteten Lider und ließ sich schwer in einen Kontursitz fallen. »Wir sind am Ende, Mekron – mit der Station und mit den Kräften! Soll der Zugang zu den Anlagen wieder geschlossen werden?« Der Mondträger schüttelte den Kopf. »Das werden wir schön bleiben lassen, und zwar aus gutem Grund. Die Leute der Flotte sollen den Stützpunkt finden und sich ein Bild davon machen können, was wir alles herausgeholt haben. Hengs Vasallen, die ihn eingerichtet haben, waren so freundlich, eine detaillierte Aufstellung von allem zu machen und in der Zentrale zu hinterlassen. Dort habe ich sie liegen lassen – ich will einigen hohen Herren Gelegenheit geben, sich so richtig zu ärgern.« Salmoon lachte schallend auf, wurde jedoch sofort wieder ernst. »Ich muß eben an den toten Tolkrysch denken, Mekron. Sollen wir ihn hier bestatten, oder nehmen wir die Leiche mit nach Kraumon? Wir haben ihn in seiner Kabine aufgebahrt.« »Wir nehmen ihn mit«, entschied Dermitron. »Er ist für Atlan gestorben und soll in Gonozal-Mitte ein würdiges Begräbnis bekommen.« Er erhob sich und gähnte ausgiebig. »Ich ziehe mich jetzt zurück. Auch alle anderen sollen sich aufs Ohr legen, bis auf einen Mann, der in der Zentrale Wache hält.« »Das übernehme ich natürlich«, sagte der Erste Offizier. »Ich habe als einziger nicht körperlich gearbeitet und bin noch frisch. Daß es irgendwelche Zwischenfälle gibt, ist ja wohl kaum anzunehmen.« Er behielt recht. Die Ruhestunden vergingen wirklich ereignislos, dann wurde es im Schiff dafür um so lebendiger. Es gab Essen, und dann gingen die Männer daran, die »organisierten« Güter zu katalogisieren und rationeller zu stapeln. Dermitron hatte angeordnet, einen der Laderäume wieder freizumachen – für eine ganz besondere Fracht, wie er bedeutungsvoll bemerkte. Er selbst bereitete sich darauf vor, mit Letschyboa und Ventron nach Cherkan zu fliegen. Die drei Männer hatten eben ihren
Brennpunkt Cherkaton Gleiter bestiegen, als darin die Ruflampe des Funkgeräts zu flackern begann. »Ein Anruf vom Raumhafen für Sie, Mekron«, meldete Waynjoon. »Ich stelle zu Ihnen um.« Gleich darauf erschien Ascarmons Gesicht auf dem Bildschirm. Auf seinen Zügen zeichnete sich tiefe Besorgnis ab. »Sie sollen so rasch wie möglich in die Stadt kommen, Mekron. Die Leute werden immer unruhiger, ein offener Aufruhr ist nur noch eine Frage von Stunden. Vielleicht gelingt es Ihnen, sie zu zügeln, ehe sie Dummheiten begehen.« Der Mondträger, zog die Brauen hoch. »Wie kommen Sie darauf, daß ich das könnte, Ascarmon? Ein einfacher Prospektor, wie ich es bin …« Der Leiter der Ortungsstation unterbrach ihn kurzerhand. »Vor mir brauchen Sie nicht mehr Verstecken zu spielen, Mekron. Ich war immer ein Anhänger Gonozals VII. und Sofartes hat mich inzwischen über Ihre Mission aufgeklärt. Er ist es auch, der Sie bitten läßt, schleunigst zu kommen. Er befindet sich beim Gouverneur, wo gerade Kriegsrat abgehalten wird. Auch Geraban steht jetzt voll auf unserer Seite.« »Wir werden uns beeilen«, versprach ihm Dermitron. Gleich darauf schoß der Gleiter aus der Schleuse und nahm Kurs nach Süden. Letschyboa, der sich sichtlich weiter erholt hatte, verzog das Gesicht. »Sofartes hat mit seiner Agitation scheinbar etwas zuviel des Guten getan«, bemerkte er. »Er ist impulsiv und neigt leicht dazu, über das Ziel hinauszuschießen. Wir müssen auf jeden Fall verhindern, daß sich die Bevölkerung dazu hinreißen läßt, einen Gewaltakt gegen die 'Rekrutenwerber' zu starten, Mekron! Die Folgen könnten schrecklich sein.« Der Mondträger nickte. »Darin stimme ich Ihnen voll zu. Vermutlich würden es die Siedler relativ leicht schaffen, die Handvoll Leute Larschinoks zu überrennen und die jungen Männer herauszuholen. Es wäre auch für die Rekruten kein Problem, irgendwohin zu verschwinden, Cherkaton ist groß. Eben-
45 so sicher ist aber auch, daß dann bald eine Strafaktion von Flotte und POGIM folgen würde. Man würde sich nicht erst lange bemühen, einzelne Schuldige herauszupicken, sondern die gesamte Bevölkerung kollektiv als Verräter am Imperium behandeln. Soweit darf es nicht kommen.« Cherkan kam in Sicht. Die drei Männer bemerkten sofort, daß sich dort allerhand verändert hatte. Es gab keinen Fahrzeugverkehr, weder auf den Straßen noch in der Luft. Niemand schien mehr zu arbeiten, überall standen Männer und Frauen herum, und debattierten hitzig. Auch auf dem Zentralplatz wogten die Leute hin und her, aber Dermitron kümmerte sich nicht darum. Er brachte den Gleiter dicht vor dem Trichterbau zu Boden und eilte dann mit seinen Begleitern hinein.
* Die Spitzen von Cherkan hatten sich in einem Konferenzraum versammelt. Es waren etwa zwanzig Männer und Frauen, deren Mienen mehr oder weniger von Ratlosigkeit zeugten. Als Mekron den Saal betrat, sprang Sofartes auf und kam ihm mit großen Schritten entgegen. Sein Gesicht hellte sich auf. »Den Göttern sei Dank, daß Sie so schnell gekommen sind, Mekron! Wir sitzen hier gewissermaßen auf einer Bombe, die über kurz oder lang hochgehen muß. Mit solchen Folgen hatte ich nicht gerechnet, als ich die Dinge ins Rollen brachte. Jetzt gibt es hier tatsächlich niemand mehr, der auch nur eine Hand für Orbanaschol rühren würde.« Dermitron lächelte sarkastisch. »Man soll eben nie mit dem Feuer spielen, wenn man es nicht auch unter Kontrolle halten kann, Freund. Ich habe den Eindruck, daß sich in Cherkan auch jene Leute als Brandstifter betätigen, die eigentlich die Aufgabe haben sollten, die Flammen zu kontrollieren … Im Ernst, Sofartes: Ist der Gouverneur wirklich auf unserer Seite?« Diese Frage wurde im nächsten Moment von authentischer Seite beantwortet. Gera-
46 ban gesellte sich zu den Männern, seine Miene war bedrückt. »Was sollen wir nun tun, Mekron? Bis jetzt ist es der Polizei noch gelungen, die Bevölkerung von unbedachten Schritten abzuhalten. Doch selbst die Polizisten erfüllen ihre Pflicht nur noch widerwillig. Wenn der Sturm losbricht, werden sie vermutlich die ersten sein, die zum Sturm auf das Lager am Raumhafen ansetzen. Ich teile die Gefühle der Leute voll, schließlich mußte ich als erster erfahren, welcher Mittel sich das Regime ganz unverhüllt bedient. Ich sehe aber auch, was anschließend unweigerlich auf uns zukommen wird – was raten Sie mir, Mekron?« Dermitron kniff die Augen zusammen. »Die Emotionen der Leute sind nun einmal geweckt; sie ganz zu unterdrücken, dürfte so gut wie unmöglich sein. Schaffen Sie ihnen ein Ventil, durch das der überschüssige Dampf entweichen kann, ohne unnötigen Schaden anzurichten. Das geeignete Mittel dazu wäre zweifellos eine Ansprache über Video. Ich denke da an eine Mahnung zur Besonnenheit, in der sie der Bevölkerung eindringlich schildern, was sie anderenfalls erwarten würde. Das wird die Hitzköpfe soweit abkühlen, daß der Verstand wieder die Oberhand gewinnt. Zum Schluß rufen Sie dann zu einer Massendemonstration auf, die morgen in aller Frühe stattfinden soll. Dagegen kann niemand etwas einwenden, offiziell gibt es im Großem Imperium immer noch die Rede- und Versammlungsfreiheit.« Der Gouverneur wiegte den Kopf. »Alles schön und gut, Mekron, aber praktisch kaum durchführbar. Wenn ich eine Ansprache über das Videonetz halte, wird sie automatisch aufgezeichnet! Ich kann es mir einfach nicht leisten, so vorzugehen, denn …« Der Mondträger grinste breit. »Doch, das können Sie! Die Techniker der Videostation vergessen dann eben einfach die Aufzeichnung Ihrer Rede. Ihre Unterlagen sagen schlicht und einfach aus, daß am heutigen Tage das Programm völlig normal abgewickelt wurde. Nur ein paar Worte zu den richtigen Leuten, und Ihre Loyalität steht überhaupt
Harvey Patton nicht mehr zur Debatte. Die Demonstration erfolgt spontan, niemand führt irgendeine Waffe mit sich. Man zeigt lediglich Transparente, auf denen sachlich auf Cherkatons Nöte hingewiesen wird. Dagegen kann selbst der Geheimdienst nichts einzuwenden haben.« Gerabans Miene hellte sich auf. »Das müßte sich einrichten lassen, Mekron. Der Leiter des Videofunks ist zufällig ein Verwandter meiner Frau und ein Anhänger des alten Imperators. Bisher haben wir uns nicht sonderlich leiden können, aber nun hat sich ja einiges geändert. Man muß wohl erst am eigenen Leib erfahren, wie groß die Ungerechtigkeit unter Orbanaschol ist, um zur Einsicht zu kommen.« Dermitron nickte ernst. »Genauso ist es auch mir ergangen, Geraban. Zögern Sie jetzt nicht mehr, sonst spitzt sich die Lage noch mehr zu. Schicken Sie sämtliche Polizeifahrzeuge los und lassen Sie über die Lautsprecher eine Ankündigung Ihrer Ansprache verbreiten. Die Neugier wird den größten Teil der Einwohner von der Straße holen und vor die Videogeräte bringen. Alles weitere hängt dann davon ab, wie überzeugend Sie auftreten können. Und das haben Politiker ja schon immer gut gekonnt, nicht wahr?« Der Gouverneur lächelte säuerlich. »Gut, ich werde mein Bestes geben. Damit wäre dann aber lediglich erreicht, daß es nicht zu Zwischenfällen kommt, die Repressalien nach sich ziehen könnten. Doch was wird mit den jungen Leuten im Lager? Für sie ändert sich dadurch doch überhaupt nichts! Sie sitzen nach wie vor fest, bis sie schließlich an Bord des Transportschiffs getrieben werden. Sie sind schon jetzt verzweifelt und hätten längst einen Ausbruch versucht, wenn die Energiesperre nicht wäre.« »Woher wollen Sie das wissen?« fragte Mekron verwundert. »Ist inzwischen doch jemand gestattet worden, in Kontakt zu ihnen zu treten?« Sofartes schüttelte den Kopf. »Das nicht, die Wächter reagieren auf jede Annäherung
Brennpunkt Cherkaton mit gezückten Waffen. Es ist aber einem der Jungen gelungen, ein Armbandtelekom ins Lager zu schmuggeln. Er hat inzwischen mit seinen Angehörigen gesprochen und ihnen die Lage geschildert. Keiner von ihnen möchte fort, um für Orbanaschol zu kämpfen. Die Reden der Leute des Kommandos und die schlechte Behandlung haben ihnen den richtigen Vorgeschmack auf das gegeben, was sie erwartet.« Ein Gedanke durchzuckte den Mondträger. Er überlegte nur sekundenlang und fragte dann: »Läßt es sich einrichten, daß ich einmal kurz mit dem jungen Mann spreche? Ich möchte ihm einige Verhaltensregeln für morgen früh geben, die er an alle im Lager weitergeben soll. Das würde es mir vermutlich sehr erleichtern, meinen Plan so reibungslos wie möglich zur Durchführung zu bringen.« »Natürlich läßt sich das machen«, gab Sofartes zurück, aber sein Gesicht war ein einziges Fragezeichen. »Von welchem Plan sprechen Sie, Mekron? Heraus damit – wir werden Sie in jeder Weise unterstützen, wenn es uns aus diesem Dilemma hilft!« Dermitron nickte lächelnd und begann zu reden.
10. In der folgenden Nacht schliefen die meisten Bewohner von Cherkan sehr schlecht. Gerabans Ansprache hatte gewirkt und sie von einer Aktion gegen das Rekrutierungskommando zurückgehalten. Dafür brannten sie nun darauf, den verhaßten Männern Orbanaschols mit einer großen Demonstration zu zeigen, was sie dachten. Als die Morgendämmerung einsetzte, waren bereits die meisten Erwachsenen auf den Straßen. Sie formierten sich zu einem langen Zug, in dem Transparente mitgeführt wurden, deren Wortlaut sich an die Anweisungen des Gouverneurs hielt. Schweigend bewegten sie sich auf der Zufahrtsstraße zum Raumhafen dahin, den sie kurz nach Sonnenaufgang erreichten. Dann verteilten sie
47 sich und schwärmten in einem weiten Bogen um das Zeltlager aus, in dem sich ihre Jungen befanden. Polizeigleiter hingen in der Luft und überwachten die Demonstration. Die Besatzungen hatte strenge Anweisung, sofort gegen jeden einzuschreiten, der sich unbesonnen verhielt. Es war nicht ausgeschlossen, daß der eine oder andere doch eine Waffe mitgebracht hatte und sich zu ihrem Gebrauch hinreißen ließ. Moringol und Larschinok wurden durch diese Entwicklung der Dinge vollkommen überrascht. Keiner von ihnen hatte es in den vergangenen Tagen noch für nötig gefunden, sich darum zu kümmern, was in Cherkan vorging. Sie hatten das, was sie haben wollten, alles anderes interessierte sie nicht. Die Hinterwäldler waren gerade noch gut genug, ihnen jeden Tag die nötigen Lebensmittel zu liefern. Moringol hatte nur zuweilen noch Funkgespräche mit Geraban geführt, um ihn ständig unter Druck zu halten. So ahnte er auch nichts davon, daß sich seit einigen Tagen ein »Prospektorenschiff« auf Cherkaton aufhielt … Die beiden Lagerwachen alarmierten ihn und Larschinok, als sie die anrückende Menge ausgemacht hatten. Beide Anführer kleideten sich hastig an und begaben sich ins Freie. Sie erschraken beim Anblick der vielen tausend Menschen, aber der Mann vorn Geheimdienst faßte sich schnell wieder. »Das hat nicht viel zu bedeuten, Orbtan«, meinte er wegwerfend. »Diese Leute wissen sehr genau, daß es ihnen schlecht ergehen würde, wenn sie uns angreifen wollten. Die Strahlensperre können sie doch nie überwinden, und außerdem paßt ja die Polizei auf sie auf. Sollen sie also ruhig ihre lächerlichen Transparente schwingen. In einigen Stunden wird das Transportschiff ankommen, und dann ist der ganze Spuk automatisch vorbei.« Larschinok schien jedoch nicht ganz überzeugt. Hastig gab er seinen Männern den Befehl, den Gleiter zur Strukturlücke am Lagereingang zu bringen und das Impulsgeschütz feuerbereit zu machen. Dann setzte er
48 ein Fernglas an die Augen und betrachtete dadurch die Demonstranten, deren Mauer etwa hundert Meter Abstand zum Lager hielt. Plötzlich zuckte er zusammen. Er übergab Moringol das Fernglas. »Sehen Sie einmal genau hin«, knurrte er. »Sie haben doch immer wieder betont, daß der Gouverneur nichts weiter als Wachs in Ihren Händen wäre. Wie kommt es dann, daß er sich an der Spitze dieser Aufrührer befindet …?« Der Beamte der POGIM sah ihn ungläubig an, doch schon ein Blick durch das Glas bewies die Wahrheit dieser Worte. Er schüttelte den Kopf, aber dann flog ein hämisches Lächeln über seine Züge. »Dem werde ich es zeigen!« meinte er ergrimmt. Er reichte Larschinok das Glas zurück und eilte dann zu dem Gleiter. Gleich darauf schallte seine Stimme über die Außenlautsprecher zu den Demonstranten hinüber. »Moringol an Gouverneur Geraban: Ich forderte Sie auf, umgehend zu mir zu kommen, allein und unbewaffnet. Ihre Teilnahme an diesem lächerlichen Spektakel beweist deutlich, daß Sie nicht mehr loyal, sondern ein Verräter am Großen Imperium sind. Befolgen Sie meinen Befehl sofort, sonst lasse ich das Feuer auf die Leute eröffnen!« Empörtes Geschrei antwortete ihm. Auch die jungen Männer im Lager waren aus ihren Zelten gekommen und stimmten mit ein. Dann klang, durch ein Megaphon verstärkt, die Antwort des Gouverneurs auf. »Ich bin kein Verräter, Moringol! Es war uns unmöglich, mehr als zehntausend Männer und Frauen von diesem spontanen Marsch abzuhalten, ohne ein Blutbad anzurichten. Ich billige ihr Verhalten keineswegs, obwohl nach dem geltenden Recht des Imperiums Demonstrationsfreiheit besteht. Daß ich jetzt hier bin, dient allein dem Zweck, sie durch mein Beispiel von Unbesonnenheit abzuhalten. Dafür können auch Sie mir nicht den geringsten Vorwurf machen.« Seine Worte blieben ohne Eindruck, denn
Harvey Patton Moringol war fest entschlossen, ein Exempel zu statuieren. Auf vielen dieser isolierten Welten neigten die Bewohner bereits zur Aufsässigkeit gegen das System des Imperators. Man mußte ihnen beweisen, daß ihre angeblichen Rechte nichts wert waren, sobald es um höhere Interessen ging. Ein toter Gouverneur wirkte da immer! Ein kurzer Befehl, und dann jagte ein Feuerstoß aus dem Gleitergeschütz über die Köpfe der Menge hinweg. Die Wirkung entsprach voll der Absicht des POGIM-Mannes. Es gab kein Ausweichen, dafür waren die Reihen der Demonstranten zu dicht. Nur eine wohlgezielte Salve, und Hunderte von ihnen mußten sterben … Die Lage war bedrohlich, das erkannte auch Geraban. Er hatte gehofft, Moringol noch einige Zeit hinhalten zu können, aber das erwies sich nun als Trugschluß. Resigniert ergriff er erneut das Megaphon. »Ich weiche der Gewalt und komme, Moringol. Zugleich mache ich Sie aber darauf aufmerksam, daß alle Vorgänge von einem Videoteam aufgezeichnet werden. Es wird Ihnen schwerfallen, sich an höherer Stelle zu rechtfertigen, falls Sie mich töten sollten. Es gibt dann Beweise, die …« Seine restlichen Worte gingen in einem lauten Brausen und Pfeifen unter. Es kam aus dem Himmel über Cherkan und bewies, daß ein Schiff zur Landung auf dem Hafen ansetzte. Etwas zu früh für den Mann der POGIM, der nun seine Pläne vereitelt sah. Zugleich aber auch eine machtvolle Rückendeckung für ihn, gegen die es kein Aufbäumen gab. Moringol grinste und sprang aus dem Fahrzeug. »Bereiten Sie alles für eine schnelle Einschiffung der Rekruten vor«, wies er Larschinok an. »Das geht jetzt vor, aber den Gouverneur werde ich trotzdem nicht vergessen. Ihn knöpfe ich mir vor, sobald alles andere erledigt ist.« Das Geräusch des landenden Schiffes wurde leiser, der Pilot hatte die Triebwerke abgeschaltet. Er erschien als blitzender Punkt am Himmel und sank, nur noch vom
Brennpunkt Cherkaton Antigrav getragen, langsam dem Boden entgegen. Offenbar war es durch die Ortungsstation genau eingewiesen worden, denn er setzte unmittelbar hinter dem Rekrutenlager auf. Nun brüllte Larschinok seine Befehle. Die Energiesperre wurde an der rückwärtigen Seite abgeschaltet und gab den Weg zu dem Raumer frei. Er trug deutlich sichtbar den Namen MEDON, hatte allerdings nur einen Durchmesser von zweihundert Meter. Das war etwas ungewöhnlich, im allgemeinen wurden größere Schiffe für solche Aufgaben eingesetzt. Doch seine Besatzung hatte offenbar bereits erkannt, daß es hier Schwierigkeiten gab, davon zeugten die geöffneten Geschützluken. Nun konnte also wirklich nichts mehr schiefgehen. Moringol stellte befriedigt fest, daß sowohl die Bewohner von Cherkan wie auch die Rekruten resignierten. Ringsum war es totenstill geworden, nur die Rufe der Wächter waren noch zu hören. Die Rekruten machten keinen Versuch, sich ihnen zu widersetzen. Gehorsam setzten sie sich in Bewegung und trotteten auf den Raumer zu, dessen untere Polschleuse sich inzwischen geöffnet hatte. »Alles klar, Orbtan!« grinste Moringol und ging mit raschen Schritten auf das Schiff zu.
* Zwölf Soldaten mit schußbereiten Kombistrahlern eilten die Rampe hinab und schwärmten nach beiden Seiten aus. Dann kam ein hochgewachsener Offizier, auf der linken Brustseite seiner Uniform prangte ein schwarzes Mondsymbol. Seine Augen schweiften wachsam umher und hefteten sich dann auf den Mann der POGIM, der inzwischen herangekommen war. »Kommandant Mekron«, stellte er sich kurz vor. »Wir scheinen gerade zur richtigen Zeit gekommen zu sein. Machen Ihnen die Einheimischen Schwierigkeiten?« »Moringol, Sonderbeauftragter des Impe-
49 rators«, sagte der massige Mann mit dem eckigen Gesicht. »Schwierigkeiten ist wohl etwas zuviel gesagt, wir beherrschen die Lage voll. Die paar tausend Leute hier scheinen noch gewissen alten Denkweisen verhaftet zu sein, wie ihr Vorgehen beweist. Wir werden ihnen etwas Nachhilfeunterricht geben müssen, glaube ich. Doch zuvor wollen wir die Rekruten an Bord bringen, wenigstens sie scheinen vernünftig zu sein.« Der Mondträger nickte kurz und begrüßte dann auch Larschinok, der ihn neugierig musterte. Sie traten zur Seite, um die jungen Männer vorbeizulassen, dann fragte er: »Sie sind wohl noch nicht lange auf Sarkomier, Mekron? Ich erinnere mich nicht, schon von Ihnen und Ihrem Schiff gehört zu haben.« »Richtig«, bestätigte der Kommandant. »Mein Verband wurde vor einer Woche aufgerieben, nur wir und ein weiteres Schiff konnten entkommen. Sarkomier war die nächstgelegene Flottenbasis, also landeten wir dort. Man gab mir den Auftrag, nach Cherkaton zu fliegen, weil fast alle anderen Einheiten in den Kampfeinsatz gehen mußten. Die verdammten Maahks sind momentan wieder ziemlich aktiv. Ich habe Anweisung, so schnell wie möglich wieder von hier abzufliegen, die MEDON soll nach ihrer Rückkehr sofort wieder in einen Kampfverband eingegliedert werden.« Larschinoks dunkles Gesicht verzog sich. »So geht es immer wieder. Die Methans müssen endlich geschlagen werden, damit das Große Imperium seine alte Blüte wiedererlangen kann. Deshalb ich es auch so wichtig, daß der Nachschub an Rekruten nicht ins Stocken kommt. Und doch versuchen diese lausigen Kolonisten, uns dabei zu behindern, wie Sie sehen.« »Wirklich unbegreiflich«, stimmte ihm Mekron zu. »Sie sagen eben etwas von ›Nachhilfeunterricht‹, Moringol. Was gedenken Sie zu unternehmen?« Der Geheimdienstler lächelte hämisch. »Wir werden uns den Gouverneur greifen, Mondträger. Ich habe Vollmachten, die mir seine Hinrichtung ohne gerichtliche Aburtei-
50 lung erlauben. Das wird den Leuten eine wirksame Lehre für alle Zeiten sein.« Er sah den letzten Rekruten nach, die gerade die Rampe passierten und in der Schleuse verschwanden. Plötzlich nahm sein Gesicht einen nachdenklichen Ausdruck an. »Sind wir beide uns nicht früher schon einmal begegnet, Mekron? Ihr Gesicht kommt mir irgendwie bekannt vor, ich weiß nur nicht, woher.« Mekron Dermitron versteifte sich innerlich. Sein gewagter Bluff war schon so gut wie gelungen, es fehlten nur noch Minuten bis zum erfolgreichen Abschluß. Sollte es jetzt, im letzten Augenblick, doch noch Ärger geben …? Er beherrschte sich meisterhaft, obwohl alles in ihm fieberte. »Ich glaube nicht, daß wir uns irgendwie kennen, Moringol«, gab er mit ruhiger Stimme zurück. »Schließlich war ich nie zuvor auf Sarkomier, und … Ja, was gibt es, Olvan?« Der Navigator war auf ihn zugetreten und salutierte. »Die Einschiffung ist beendet, Erhabener. Der Erste Offizier läßt Ihnen bestellen, daß wir bereits in fünf Minuten abfliegen können.« Dermitron dankte kurz und wandte sich wieder um. »Ich bin dafür, daß Sie auf Ihr Strafexempel verzichten, es würde uns nur unnütz Zeit kosten. Es dürfte doch wohl genügen, wenn Sie beim Flottenkommando Meldung über die Vorfälle hier machen. Sollen es doch andere übernehmen, die renitenten Leute angemessen zu bestrafen. Rufen Sie Ihre Männer zusammen …« Er unterbrach sich, denn er sah, wie sich die Züge des Geheimdienstbeamten plötzlich verzerrten. »Jetzt weiß ich, woher ich Sie kenne!« rief Moringol aus, und seine Hand fuhr zur Waffe. »Ein Mondträger Mekron Dermitron steht auf der Fahndungsliste – Sie sind ein schmutziger Deser …« Seine Worte erstickten in einem Gurgeln, als ihn der Strahl aus Dermitrons Waffe in die Brust traf. Er hatte zuerst gezogen, aber der Mondträger war trotzdem schneller gewesen. Reaktionsschnell wirbelte er herum
Harvey Patton und feuerte nun auf Larschinok, der gleichfalls seinen Strahler gezogen hatte. Der Offizier sackte neben Moringol zusammen und hielt sich stöhnend die rechte Schulter. Von ihm drohte keine Gefahr mehr. Dafür griffen nun die anderen Männer des Rekrutierungskommandos ein. Sie hatten alles mitangehört und ihre Anführer fallen sehen. Hastig warf sich der Mondträger zu Boden, die Strahlbahnen mehrerer Waffen zuckten dicht über ihn hinweg. Er wälzte sich sofort zur Seite, gerade noch rechtzeitig, um einer weiteren Salve zu entgehen. Sein Leben und der Erfolg des gesamten Unternehmens stand auf des Messers Schneide. Doch auch seine zwölf Leute hatten nun ihre Schrecksekunde überwunden. Sie fanden hinter der Rampe Deckung und schossen von dort aus auf die Angreifer. Sie trafen gut, aber es gab trotzdem keine weiteren Opfer mehr. Ihre Kombistrahler waren auf Paralyse geschaltet und setzten die Gegner außer Gefecht, ohne sie zu töten. Innerhalb weniger Sekunden war alles vorbei. Dermitron erhob sich und sah nach Larschinok, der sich mühsam wieder halb aufgerichtet hatte. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, doch aus seinen Augen schlug dem Mondträger blanker Haß entgegen. »Sie elender Verräter!« ächzte er. »Das Imperium steht im Kampf gegen einen unerbittlichen Feind, und doch finden sich noch Subjekte wie Sie, die ihn sabotieren. Wir können Sie es mit Ihrem Gewissen vereinbaren, daß dadurch die Zahl unserer Opfer noch größer wird?« Dermitron schüttelte den Kopf. »Haben Sie es denn immer noch nicht begriffen, Larschinok? Wenn Arkon wirklich diesen Krieg verliert, ist das ausschließlich die Schuld Orbanaschols und seiner unfähigen Günstlinge! Hat er sich auch nur einmal bei der kämpfenden Flotte blicken lassen, wie früher Gonozal? Denken Sie nur einmal an Marlackskor, Kommandant, vielleicht gehen Ihnen dann die Augen auf.«
Brennpunkt Cherkaton Im nächsten Moment dröhnte Salmoons Stimme aus den Außenlautsprecher der MEDON. »Alarm, Mekron! Eben sind zwei große Schiffe aus dem Hyperraum gekommen und nehmen Kurs auf Cherkaton. Sie werden den Planeten in spätestens einer Stunde erreichen.« Das wird verdammt knapp! dachte der Mondträger. »Alle zurück ins Schiff«, befahl er hastig. »Die Kolonisten werden sich um Larschinok und seine Leute kümmern. Für uns kommt es jetzt auf jede Sekunde an.« Eine halbe Minute später hob die MEDON ab und schoß in den Morgenhimmel empor. Die guten Wünsche aller Bewohner von Cherkaton begleiteten sie und ihre Söhne, die mit ihr flogen.
* Dermitron sah besorgt auf den Ortungsschirm, auf dem zwei grüne Punkte immer deutlicher sichtbar wurden. Sie wirkten klein und unscheinbar, aber dieser Eindruck täuschte. Es handelte sich um zwei Schlachtschiffe der Arkonflotte von je achthundert Meter Durchmesser, die sich unerbittlich immer näher an die MEDON heranschoben. Sie hatten das Schiff von Kraumon sofort geortet, als es von Cherkaton aufgestiegen war. Auf Funkanrufe hatte Mekron natürlich nicht geantwortet. Daraufhin hatten sie den Anflug auf den Planeten abgebrochen und sich sofort an die Verfolgung gemacht. Ihre Triebwerke waren weit stärker als die der MEDON, und das machte sich nun unliebsam bemerkbar. »Werden wir es schaffen, Waynjoon?« fragte der Kommandant. Der Pilot zuckte mit den Schultern. Sein Gesicht war angespannt und hätte das übliche Lächeln verloren. »Schwer zu sagen, Mekron. Ich hole alles aus den Triebwerken heraus, aber die anderen sind uns um 200 km/sek überlegen.« »Ascarmon hätte sie aufhalten sollen«, warf Salmoon ein. »Vielleicht hätten sie ihm das Märchen vom Prospektorenschiff ge-
51 glaubt und uns unbehelligt gelassen.« Dermitron schüttelte den Kopf. »Er hat mir etwas Ähnliches angeboten, aber ich habe strikt abgelehnt. Er mußte alles tun, um die Kolonisten zu schützen, das habe ich ihm klargemacht. Nur eine sofortige Information über unseren 'Überfall' konnte verhindern, daß sie in den Verdacht der Kollaboration gerieten. Geraban wird ohnehin einiges zu tun haben, um sich da herauszuwinden. Er müßte es aber schaffen, ich habe ihm die nötigen Richtlinien gegeben. Daß er noch einmal umschwenkt, ist nicht zu befürchten, ihm sind die Augen aufgegangen.« Die Männer schwiegen wieder und starrten auf die Instrumente. Das Arbeitsgeräusch der überlasteten Konverter, Transformer und Triebwerke drang trotz der Isolierungen dröhnend bis in die Kommandozentrale durch. Die Verfolger waren noch mehr als eine Million Kilometer entfernt, aber die Distanz verringerte sich mit jeder Sekunde weiter. Die MEDON hatte von Null aus beschleunigen müssen, während die Schlachtschiffe bereits mit etwa einem Viertel der Lichtgeschwindigkeit geflogen waren, als die Jagd begann. »Noch zehn Minuten bis zum Erreichen der Transitionsfahrt«, meldete Waynjoon nach einer Weile. »Das wird zu knapp, Mekron! In spätestens acht Minuten werden wir in Reichweite ihrer Geschütze sein.« »Nottransition?« fragte Ventron wortkarg wie üblich. Der Mondträger winkte ab. »Nicht mit diesem überladenen Schiff, der Schock wäre zu stark. Wir könnten ihn in unseren Kontursitzen noch ertragen, zumal wir daran gewöhnt sind. Nicht aber die mehr als vierhundert jungen Männer, die unten im Laderaum zusammengepfercht sind! Nein, wir müssen es so durchstehen.« Die MEDON befand sich längst in voller Gefechtsbereitschaft. Nur der Schutzschirm war noch nicht eingeschaltet, die dafür notwendige Energie wurde mit zu den Triebwerken geleitet. Der Mondträger machte sich jedoch keine Illusionen über den Ausgang eines etwaigen Kampfes. Zwei große
52 Schlachtschiffe gegen einen Kreuzer der Mittelklasse, das war einfach zuviel. Gab es keinen Weg mehr, dieser Konfrontation aus dem Wege zu gehen? Dermitron überlegte angestrengt. Seine Augen wanderten während des Nachdenkens umher und blieben schließlich an der Ruflampe des Funkgeräts hängen, die noch immer flackerte. Rasch erhob er sich und ging auf das Funkpult zu. Salmoon sah ihn verwundert an. »Wollen Sie doch mit ihnen reden, Mekron? Das dürfte wohl ziemlich aussichtslos sein; schließlich wissen die anderen längst, mit wem sie es zu tun haben.« »Ein Versuch kann nie schaden«, sagte Mekron lakonisch und aktivierte das Gerät. »Solange man miteinander redet, wird im allgemeinen nicht geschossen. Wir haben es hier schließlich mit Arkoniden zu tun, nicht mit Maahks.« Der Bildschirm erhellte sich, das Abbild eines Arbtans der Flotte wurde sichtbar. »… an fliehendes Schiff«, sagte er gerade. »Wir fordern Sie letztmalig auf, sofort zu stoppen und sich zu ergeben, anderenfalls wird das Feuer eröffnet. Melden Sie sich!« Der Mondträger schaltete nun auch den Sendeteil ein. Er war nun auf den Schirmen der Verfolger zu sehen, und der Arbtan reagierte sofort. Er nahm eine Schaltung vor, die Bildfläche in der MEDON wurde grau. Dann erschien auf ihr das Gesicht eines älteren Mannes, und Dermitron riß verblüfft die Augen auf. »Sie, Sonnenträger Mantasch …?« sagte er fassungslos, als er seinen früheren Vorgesetzten vom 187. Jagdgeschwader sah. Gerade mit ihm hatte er sich immer gut verstanden, sie hatten auch Seite an Seite gegen die Maahks gekämpft, bis Mekrons Schiff zusammengeschossen worden war. »Sie, Dermitron …?« gab Mantasch nicht weniger verwundert zurück. »Verdammt, jetzt komme ich einfach nicht mehr mit! Sitzen denn drüben auf Cherkaton lauter Idioten? Man hat uns angerufen und etwas von einem Handstreich angeblicher Anhänger Atlans gefaselt. Dann startete Ihr Schiff, und
Harvey Patton wir haben es daraufhin natürlich verfolgt. Warum haben Sie sich nur nicht schon früher gemeldet? Es kann sich doch nur um ein Mißverständnis handeln, das schnell aus der Welt zu schaffen ist.« Das Gesicht des Sonnenträgers schien unbewegt, aber Mekron sah das kaum wahrnehmbare Blinzeln seiner Augen. Guter alter Mantasch! dachte er gerührt. Er hat natürlich längst alles begriffen, aber er hat auch die Zeiten des gemeinsamen Kampfes nicht vergessen. Jetzt will er mir eine Brücke bauen – und die ist sogar gangbar! Ich trage schließlich meine alte Flottenuniform, niemand sonst kann ahnen, daß ich nicht mehr echt bin … Er ergriff seine Chance mit beiden Händen. »Auf Cherkaton muß tatsächlich etwas Ungewöhnliches passiert sein, Sonnenträger. Wir fingen einige konfuse Funksprüche auf, konnten uns jedoch nicht darum kümmern. Wir hatten einen Geheimauftrag und die Order, uns keinesfalls blicken zu lassen. Nur deshalb sind wir überstürzt gestartet. Sie haben offenbar die Falschen verfolgt, vermutlich sitzen Atlans Piraten noch drüben auf dem Planeten, falls es sie überhaupt gibt.« Mantasch nickte langsam. »Ein Geheimauftrag also – das erklärt vieles. Man hätte uns davon unterrichten sollen, aber die Dienstwege in der Flotte sind bekanntlich lang. Gut, ich vertraue Ihrem Wort und lasse die Verfolgung einstellen. Weiterhin alles Gute, Dermitron.« »Danke, Sonnenträger!« gab Mekron unendlich erleichtert zurück. Die beiden Schlachtschiffe fielen rasch zurück, fünf Minuten später transitierte die MEDON und war in Sicherheit.
11. »Das darf doch nicht wahr sein!« sagte Morvoner Sprangk perplex. »Daß ein einzelner Mann soviel Glück hat, grenzt wirklich schon ans Unwahrscheinliche. Sie scheinen ein ganz besonderer Liebling der Götter zu sein, Dermitron.«
Brennpunkt Cherkaton Der Mondträger zuckte mit den Schultern. »Dann haben sich die Götter früher aber gut verstellt, Kommandant«, gab er sarkastisch zurück. »Sie haben schließlich zugelassen, daß Orbanaschol meine Familie ins Unglück stürzte und noch einiges mehr. Daß ich nach der Zerstörung der HADESCHA mit dem Leben davonkam, habe ich auch nur dem Geschick eines Bauchaufschneiders auf Olkeep zu verdanken.« Sprangk schüttelte den kahlen Kopf. »Ich sehe das anders«, bemerkte er in seiner nüchternen und pragmatischen Art. »Die Götter helfen nur dem Tüchtigen, wie das alte Wort sagt, auch wenn sie ihn zuvor prüfen.« Dermitron nickte lächelnd. »Gut, belassen wir es dabei. Die Götter müssen für so vieles herhalten, warum nicht auch hier? Sie haben Letschyboa auf den Gedanken gebracht, mir die Codegeber auszuhändigen, ohne die wir nie in Hengs Stützpunkt gelangt wären. Auch alles weitere haben sie geradezu vorbildlich gelenkt. Die Krönung des Ganzen war dann, daß ich im entscheidenden Augenblick ausgerechnet auf Mantasch traf, der vor ein paar Monaten noch in einem weit entfernten Raumsektor seine Einsätze flog …« Plötzlich wurde er ernst. »Sie haben recht, Kommandant, etwas scheint doch daran zu sein, wenn man es recht bedenkt. Hoffentlich helfen die Götter jetzt auch den Leuten auf Cherkaton und Mantasch, sich gut aus der Affäre zu ziehen!« Der alte Haudegen wiegte den Kopf. »Der Sonnenträger wird sich schon zu helfen wissen. Er ist jetzt Kommandant eines neuen großen Schiffes. Als solcher hat er genügend zu tun und kann sich nicht auch noch um die Fahndungslisten kümmern, die mittlerweile wohl den Umfang eines Lexikons angenommen haben dürften. Natürlich wird man ihn maßregeln, aber mehr wohl kaum, ein Sonnenträger ist nicht irgendwer. Auch um die Kolonisten sollten Sie sich keine großen Sorgen machen. Wenn sie sich an den Plan halten, den Sie für sie entworfen haben, wird
53 man ihnen nichts beweisen können. Der Gouverneur wird alles auf Sie schieben; Moringol ist tot, Larschinok und seine Männer haben praktisch von nichts gewußt. Der einzige wirkliche Bösewicht werden Sie sein.« »Ich will versuchen, es mit Fassung zutragen«, grinste Mekron. »Auf jeden Fall haben wir dem Imperator gleich zwei böse Streiche gespielt: Wir haben nicht nur Hengs Geheimstützpunkt ausgeräumt, sondern auch noch über vierhundert neue Anhänger für Atlan gewonnen! Die jungen Männer haben spontan erklärt, mit uns gegen Orbanaschol kämpfen zu wollen. Er wird toben, wenn er von den Ereignissen erfährt.« »Das wird ihm nicht mehr viel nützen«, meinte Sprangk, über dessen narbiges Gesicht ein Lächeln flog. »Dafür dürfte sich die Nachricht schnell herumsprechen, und auch das bringt uns doppelten Nutzen. Das Prestige des Dicken auf Arkon I wird weiter abgebaut, während das Atlans eine Aufwertung erfährt. Wir haben Ihnen wirklich viel zu verdanken, Dermitron.« Der Mondträger winkte ab. »Genug der Lobreden, Kommandant. Meine Männer haben auch ihr Teil dazu beigetragen, einer hat sogar sein Leben lassen müssen. Und was gibt es Neues hier auf Kraumon? Ich bin noch gar nicht dazu gekommen, mich mit anderen zu unterhalten, weil ich Ihnen umgehend Bericht erstatten wollte.« Sprangk schmunzelte. »Die Stimmung hier hat sich merklich gebessert, seit bekannt geworden ist, daß in absehbarer Zeit mit Atlans Ankunft zu rechnen ist. Er hat einen langen Irrweg hinter sich, befindet sich jetzt aber wieder im Bereich des Großen Imperiums. Die Sonnenträgerin Karmina Arthamin brachte uns diese gute Nachricht.« »Dann ist also die restliche Besatzung der ISCHTAR inzwischen zurückgekehrt?« fragte Dermitron überrascht. Der Kommandant nickte. »Alle bis auf Atlan und Fartuloon. Es ist ihnen gelungen, sich auf dem Planeten Travnor ein Schiff anzueignen und damit zu entkommen. Sie waren lange unterwegs, hatten
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Harvey Patton
allerdings nicht mit so großen Schwierigkeiten zu kämpfen, wie Trubatos in der ISCHTAR. Karmina hat übrigens auch berichtet, daß es überall im Imperium zu gären beginnt. Die Aussage des Robotgehirns anläßlich der 'Wahlen' hat den Leuten doch sehr zu denken gegeben, die fortgesetzten Übergriffe von Orbanaschols Vasallen schaffen zusätzlich böses Blut. Viele hoffen jetzt bereits auf Atlan, unter dem alles besser werden soll.« Dermitron nickte. »Es ist auch wirklich höchste Zeit, daß etwas geschieht, Kommandant. Arkons Feinde im Innern müssen ausgeschaltet werden, damit die wirklichen Feinde wirksam bekämpft werden können: die Maahks!« »Alles zu seiner Zeit«, sagte Morvoner Sprangk. »Mit den paar Schiffen, die wir besitzen, können wir beim besten Willen nichts in dieser Richtung tun. Sie werden Ihren Haß auf die Methans vorläufig noch zügeln müssen, wenn Sie nicht wie diesmal zufällig auf sie stoßen.« Der Mondträger nippte nachdenklich an seinem Glas und sah dann auf. »Das Versorgungsproblem für Kraumon ist ja nun für einige Zeit gelöst. Dafür ist mir aber auf Cherkaton eine Idee gekommen, wie ich einen neuen Einsatz mit der MEDON in Angriff nehmen könnte. Allerdings müßte ich deswegen zuerst Rücksprache mit Bragos Neschbar halten. Er wird mir sagen können, ob die nötigen Voraussetzungen gegeben sind.« Sprangk erhob sich und klopfte ihm auf
die Schulter. »Sie werden Ihren Eifer noch etwas bezähmen müssen, Mekron. Der Beschaffungsmeister wird noch Tage daran verwenden müssen, all die schönen Dinge zu registrieren und zu verteilen, die Sie uns gebracht haben. Ruhen Sie sich inzwischen richtig aus, das haben Sie und Ihre Männer verdient.«
* »Da fliegen sie ab!« sagte Sofartes, als die Silhouetten der beiden Schlachtschiffe im Himmel über Cherkan verschwanden. »Das waren wirklich böse Tage für uns, Geraban. Wie haben Sie es nur geschafft, auf die vielen Fragen der Geheimdienstler immer eine befriedigende Antwort zu finden?« Der Gouverneur lächelte tiefsinnig. »Ich habe an jene Worte gedacht, die Mekron während unserer Beratung sagte: 'Es hängt alles davon ab, wie überzeugend Sie auftreten können.' Sie haben mich angespornt, obwohl ich innerlich meist gezittert habe. Er hat mir ein Beispiel gegeben und die Augen geöffnet.« Sofartes nickte. »Er ist wirklich ein außergewöhnlicher Mann, den ich gern wiedersehen würde. Vielleicht erinnert er sich eines Tages an uns, wenn Atlan das Imperium befreit hat …«
ENDE
Lesen Sie nächste Woche ATLAN Nr. 266: Die Partisanen von Whark von Hans Kneifel Sie suchen den Weg nach Arkon – der Minenplanet soll der Ausgangspunkt sein Überall im Zeitschriften- und Bahnhofsbuchhandel erhältlich.