KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR- UND K U LTU R K U N D LI C H E HEFTE
ERICH
BAYER
Chemie - kei...
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KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR- UND K U LTU R K U N D LI C H E HEFTE
ERICH
BAYER
Chemie - keine Hexerei Anleitung
für
einfache
chemische Experimente
VERLAG SEBASTIAN LUX M U R N A U • M Ü N C H E N • I N N S B R U C K • ÖLTEN
I DIE LEHRE VOM STOFF Da hören wir soviel von Chemie und von den chemischen Mitteln und verstehen eigentlich fast nichts davon. D a ß ein Chemiker einen weißen Mantel anhat, daß er mit Gläsern und Gläschen, mit Pulvern und Pülverchen, mit Säuren und Laugen hantiert, das wissen wir sicherlich, und daß es bei dem Chemiker nicht gerade angenehm riecht, ist selbstverständlich. Ein Witzbold behauptete auch einmal: Alles, was stinkt, ist Chemie. Nun, so schlimm ist es in Wirklichkeit nicht. Eure Eltern können beruhigt sein. Viel Gestank machen wir nicht, denn Chemie ist nicht die Lehre vom Gestank, sondern die Lehre vom Stoff. Alles, was uns umgibt: Die Luft, die Erde, das Wasser, Kohle und Holz, Haut und Knochen, all das ist für den Chemiker „Stoff". Mit solchem Stoff wollen wir nun also arbeiten. Wir wollen aus einem Stoff zwei andere machen, aus Eisen Gas gewinnen, das Gas wieder in Feuer umwandeln, und vieles andere mehr, wir wollen „experi- , mentieren". • Ein Experiment ist in der Sprache der Chemiker eine „Frage an die Natur". Wir fragen zum Beispiel die Natur, was das Wasser ist. 1 Wir untersuchen also das Wasser mit allen erdenklichen Methoden und finden zum Schluß, daß das Wasser aus Wasserstoff und Sauerstoff besteht: Die Natur hat uns geantwortet. — Doch nun einmal vorläufig Schluß mit der Theorie! Wir wollen der Natur nun selber Fragen stellen. Da diese Fragen in Experimenten bestehen, brauchen * wir für unsere Versuche zunächst einmal Handwerkszeug. Unser
Handwerkszeug
Wir sammeln Kerzenstummeln, Tablettenröhrchen, alte Glasgefäße (Tintenfässer, Medizinflaschen) und auch Schachteln. In den Schachteln und Flaschen werden wir unsere „Stoffe", die Chemikalien, aufbewahren. Die Tablettenröhrchen brauchen wir als „Probiergläser". Wenn wir ein paar richtige (feuerfeste!) Probiergläser erwischen können, ist das besser! Wir wollen unsere Probiergläser abstellen
und basteln dafür aus Holz einen Ständer. Die Zeichnung sehen wir hier. Wie man das im einzelnen macht, bleibt jedem überlassen. Aber das Ganze soll sorgfältig gearbeitet sein. Sauberkeit Dieses eine Wort schreiben wir über alle unsere Versuche. Alle unsere Gläser sind sauber! Unser Arbeitstisch wird mit einem Stück Sperrholz belegt (Papier könnte Feuer fangen!). Eine große Schüssel mit Wasser steht immer bereit. Ein paar alte Tücher zum Abtrocknen der Gefäße werden auch aufzutreiben sein. Wenn wir das alles haben, können wir anfangen. Unser erster „Stoff" In der Apotheke kaufen wir etwas Kaliumpermanganat. Viele von uns werden es schon kennen. Man gurgelt damit, um die Mundund Rachenhöhle von Krankheiten freizuhalten. Es sind kleine rotviolette Salzkristalle, die uns der Apotheker gibt. Wir füllen sie in eine Glasflasche und kleben sofort ein Schild darauf: KALIUMPERMANGANAT. Sonst könnten wir es noch am Ende mit einem anderen Stoff verwechseln. Aber nun noch etwas! Die Flasche muß immer gut verschlossen sein! Warum? Das ist unsere Frage 1 Nun, überlegen wir einmal. Wer will, kann es ausprobieren, kann die Natur um Auskunft bitten. Stellen wir nur einmal ein Schälchen mit Käliumpermanganatkristallen offen in einen feuchten Raum, z. B. in den Keller oder in die Waschküche! Dann wird uns die Natur schon Antwort geben! Für die nicht ganz so Schlauen stehen übrigens die Antworten auf unsere Fragen am Ende des Heftes. 3
Nachdem wir nun die schönen kleinen Kristalle genügend bewun den haben, füllen wir ein Probierglas mit Wasser und geben ein paar Kristalle hinein. Wir werden staunen, was wir da zu sehen be kommen. Mit dieser von uns gebrauten Brühe wollen wir nun eil Stück Papier, ein Stückchen Holz und — unseren kleinen Finger bestreichen. Was merken wir? Eine „Lösung" Von unseren Kristallen sehen wir nichts mehr: sie sind auf„gelöst". Unsere Suppe ist also eine „Lösung". Und weil Kaliumpermanganat darin gelöst ist, so ist es eine Kaliumpermanganatlösung. Von dieser Lösung heben wir uns etwas auf. Auf die Flasche kommt wieder ein Schild: KALIUMPERMANGANATLÖSUNG. Unser Tagebuch Ein richtiger Forscher führt über seine Versuche genau Buch. Für uns genügt ein kleines Heftchen. Hier werden unsere Versuche — unsere Fragen an, die Natur und ihre Antworten — genau aufgezeichnet. Also zum Beispiel: 29. Juli 1948. Versuch 1: Ich gebe in Wasser etwas Kaliumpermanganat. Es entsteht eine Lösung. Farbe der Lösung: Violett. Wirkung auf Papier: Braunfärbung des Papiers. So werden alle unsere Versuche in unserem Tagebuch schriftlicl festgehalten. Wenn wir dann später einmal ganz ohne Anleitung „forschen" wollen, werden uns diese Tagebuchaufzeichnungen bestimmt von Nutzen sein. Also: Bei uns wird nicht nur experimentiert, sondern auch geschrieben! So wollen wir nun weiterforschen. Wir haben also eine Kaliumpermanganatlösung hergestellt und ihr Aussehen und ihre Wirkung kennengelernt. Es gibt natürlich noch eine Unmenge anderer Lösungen. Wir kennen z. B. aus Mutters Küche Salz- und Zuckerlösungen. Nun wollen wir aber einmal versuchen, wie sich Sand, Schwefelblumen, Soda, Mottenpulver, kurz alles, was uns an „Stoffen" in die Hände kommt, zu Wasser verhält. Bei welchen Stoffen entsteht eine Lösung und bei welchen nicht (= welche sind „wasserunlöslich")? Das ist wieder eine schöne Aufgabe für uns. Das Ergebnis dieser Versuche wird dann gleich wieder in unser Tagebuch eingetragen. 4
Nun wird es gefährlich Wenn wir ganz vorsichtig sind, dürfen wir nur feine Versuche anstellen. Die Beschreibung ist so genau und klar, daß nichts vorkommen kann. Wir besorgen uns zuerst Salzsäure. Daß wir damit sehr vorsichtig sein müssen, ist uns ja hoffentlich bekannt. -Halten wir es damit wie mit dem Feuer, mit dem wir ja auch vorsichtig umgehen. In eines unserer Probiergläser geben wir nun eine Messerspitze (nicht mehr!) Kaliumpermanganat und schütten etwas Salzsäure darüber. Wenn wir das Ganze vorsichtig über einer Kerzenflamme erhitzen, bemerken wir bald einen gelbgrünen 'Nebel in unserm Glase: Es ist ein Gas entstanden. Und zwar eines, vor dem wir uns in acht nehmen wollen.
Chlor So nennt man es. Chlor ist giftig. Deshalb machen wir alle diese Versuche im Freien, in einer windstillen Ecke. Wir halten also nicht gleich die Nase in das Probierglas und atmen das Zeug, nicht ein (es riecht stechend und reizt zum Husten) und nehmen auf keinen Fall zur Darstellung zu viel Kaliumpermanganat. Wenn das Chlor schon uns Menschen gefährlich werden kann, dann kann es bestimmt auch kleine Lebewesen, zum Beispiel Krankheitskeime, töten. Deshalb wird dem Trinkwasser oft eine ganz winzige Menge Chlor beigegeben, um es keimfrei zu machen. Aber auch sonst kann man mit dem Chlor allerlei anfangen. Chlor als Bleichmittel Für die nun folgenden Versuche müssen wir etwas mehr Chlor herstellen (und infolgedessen noch vorsichtiger sein). Dazu bauen wir uns zuerst ein „Gasentwicklungsgerät". Wir sehen es hier auf der nachfolgenden Abbildung. Wir können hier beobachten, daß in dem Probierglas PR sich aus Salzsäure und Kaliumpermanganat Chlor bildet. Das Chlor fließt über die Leitung C, einen Gummischlauch, in das sogenannte „Auffanggefäß" A und füllt dort das Glas vom Boden her aus. Frage 2: Ist Chlor nun leichter oder schwerer als Luft? Ein Teelöffel Kaliumpermanganat wird zur Herstellung der notwendigen Menge Chlor genügen. Aber was tun wir, wenn wir zu viel Chlor bekommen und das Gefäß sozusagen überläuft? Wir 5
müssen damit doch äußerst vorsichtig sein, damit wir das Zeug nicht einatmen! Aber auch hier hat der Chemiker ein Mittel gefunden: Wir haben vielleicht bei dem Versuch, Lösungen herzustellen, auch einmal ungelöschten Kalk gelöst. (Also einmal im Tagebuch nachschauen!) Wenn nicht, dann tun wir es jetzt. Vorsicht! Niemals die Kalkbröckchen ins Wasser werfen, sondern das Wasser auf den zerkleinerten Kalk (von etwa 1 cm Korngröße) gießen. Auch dabei Obacht vor Spritzern! Wir rühren ungelöschten Kalk mit Wasser an. Die milchähnliche Flüssigkeit lassen wir dann so lange stehen, bis sie wieder klar wird und sich am Boden des Gefäßes ein weißer Satz gebildet hat. Die Flüssigkeit über dem Satz nennen wir Kalkwasser. Und nun kommt das Interessante: Wenn unser Auffanggefäß voll Chlor ist, geben wir den Verlängerungsschlauch C in dieses Kalkwasser, und siehe da: das Chlor verschwindet. Vielleicht bemerken wir, daß sich aus der Flüssigkeit ein weißliches Pulver ausscheidet. Das ist dann Chlorkalk. Er hat sich aus dem zugeleiteten Chlor und dem im Wasser gelösten Kalk gebildet. Das ist doch tadellos! So können wir also unser Chlor, wenn wir es nicht mehr brauchen, einfach verschwinden lassen und Chlorkalk daraus fabrizieren. Aber nun wieder zurück zu unserem Gefäß mit Chlor! Wir haben schon gehört, daß man mit Chlor allerlei anfangen kann. Zuerst wollen wir eine Kerzenflamme in das mit Chlor gefüllte Gefäß tauchen. Was passiert? Das ist Frage 3. 6
Wir befeuchten nun einige Blätter und Blüten, Stoffreste und Wollfäden oder mit Tinte beschriebenes Papier und tauchen sie in Chlor. Wir bemerken mit Staunen, daß diese Dinge fast alle gebleicht werden. Nur bei bestimmten, mit künstlichen Farbstoffen (Indanthrenfarbstoffen) gefärbten Textilien gelingt uns die Bleichung nicht. Das ist ein weites Versuchsfeld für uns: Wir prüfen die Bleichbarkeit von Spinnstoffen. Das Ergebnis dieser Versuche tragen wir dann gleich wieder in unser Tagebuch ein. Chlor aus anderen Stoffen Versuchen wir nun auch einmal, ob wir aus Braunstein oder aus einem Gemenge von Braunstein, einem Weichmanganerz, und Kochsalz durch Säure Chlor austreiben können. An Stelle von Salzsäure kann man auch einmal Schwefelsäure (Akkusäure) nehmen. Aber Vorsicht! Alle diese Versuche im Freien vornehmen! Das Gas nicht einatmen! Beim Erwärmen des Probierglasinhaltes die Mündung des Glases immer weg vom Gesicht! Das zu erwärmende Glas nie mit den Fingern halten, sondern mit einer Waschklammer oder einem selbstgebastelten Probierglashalter, der hier abgebildet ist. Das Probierglas nie in die Flamme selbst bringen. Sonst verrußt es und kann vielleicht auch springen. Immer das Glas über der Flamme hin und her bewegen! Und immer die hier gegebenen Vorschriften beachten, dann kann nichts vorkommen, und wir gewöhnen uns zugleich an Sorgsamkeit und Genauigkeit in der Durchführung unserer Versuche. Nun wollen wir einmal kurz zusammenfassen: Wir haben also das Verhalten eines Stoffes zu Säure gesehen. Aus Kaliumpermanganat und Säure haben wir ein Gas gewonnen: Chlor. Jetzt wollen wir in unserem (vorher gereinigten) Gasentwicklungsgerät Eierschalen oder Soda mit Salzsäure übergießen. Wir merken bald, daß auch hier ein Gas entsteht. Es riecht aber nicht und ist 7
auch nicht grün. Wir halten nun eine Kerzenflamme in das mit Gas gefüllte Gefäß. Ergebnis: Die Flamme erlischt. Welches Gas könnte das sein? Kohlendioxyd oder Sauerstoff? — Das ist unsere 4. Frage. Nun kommt es aber noch bunter! Nun nehmen wir Eisenfeilspäne, die wir uns beim Schlosser besorgen, und geben im Probierglas Salzsäure dazu. Auch hier entsteht ein Gas. Wie wir durch vorsichtiges Riechen feststellen können, riecht es nicht gerade nach Veilchen. Wasserstoff nennen wir es. Er ist — wie der Name schon sagt — ein Bestandteil des Wassers. Auch Wasserstoff ist giftig! Also: Vorsicht! Außerdem ist er leichter als Luft. Man füllt Zeppeline und Luftballons damit. Da nun der Wasserstoff sehr leicht ist, müssen wir achtgeben, daß er uns nicht entwischt. Bei Chlor war ja die Sache einfach. Chlor war schwerer als Luft und sank deswegen in unserem Gefäß zu Boden. Aber der Wasserstoff wird sich wohl gleich in die Luft „verduften", wenn wir ihm den Weg nicht versperren. Und das wollen wir tun.
Dazu verwenden wir eine sogenannte „pneumatische Wanne", in der wir das Gas auffangen. Diese pneumatische Wanne ist bei weitem nicht so umständlich wie ihr Name, der von dem griechischen Wort pneuma = Hauch, Luft, Gas, abgeleitet ist. Die Wanne besteht eigentlich nur aus einer mit Wasser gefüllten Schüssel und aus ebenfalls mit Wasser gefüllten und mit der Öffnung nach unten 8
zeigenden Probiergläsern. Auf der Zeichnung sehen wir den einfach angeordneten Apparat. Um das Probierglas mit der Öffnung nach unten in die Wanne bringen zu können, ohne daß es ausfließt, müssen wir es randvoll machen, die Öffnung mit dem Daumen verschließen, das Glas (samt dem Daumen) in das Wasser der Wanne tauchen und dann den Finger wegziehen. In eines dieser aufrecht stehenden und mit Wasser gefüllten Probiergläser führen wir den Verbindungsschlauch des Gasentwicklers ein. Dann steigt Bläschen um Bläschen im Probierglas empor und drückt das Wasser nach unten heraus und in die Wanne. Wir müssen währenddessen natürlich das Glas festhalten, daß es nicht umkippt. Also nun ans Werk und das leichte Gas einfangen! Wenn das erste Probierglas voll ist, heben wir es heraus. Bis wir mit der Nase daran sind, ist das ganze Gas aber schon entwichen. Wir sehen also, wir müssen es anders anfangen. Wir führen den Schlauch also jetzt in das zweite Glas. Sobald alles Wasser herausgedrückt ist, decken wir die Mündung gleich mit dem Daumen zu und heben das Glas mit der Mündung nach unten aus dem Wasser der Wanne, das übrigens den Namen Sperrwasser führt. (Es „sperrt" das Gas ein.) Wenn wir nun das zweite Glas —• immer noch mit der Mündung nach unten — einer Kerzenflamme nähern, so wird das Gas gleich Feuer fangen und mit einer schwachleuchtenden, blaßblauen Flamme ruhig brennen. Der Wasserstoff ist also brennbar. Doch Vorsicht! Erst die zweite Probierglasfüllung anzünden! Bei der ersten könnte es zu unliebsamen (und gefährlichen) Zwischenfällen kommen, da sich in dem Gas auch noch die Luft aus den Gläsern und der Schlauchleitung befindet! Wenn wir die Gummischlauchleitung weglassen und statt deren eine zur Spitze ausgezogene Glasröhre (z. B. einen alten Tintenfüller) oder auch ein vorn etwas zusammengeklemmtes Metallrohr (aus Aluminium oder Messing) auf das Gasentwicklungsgefäß (Abb. S. 6) passen, können wir das Gas einige Minuten nach dem Einsetzen der Gasentwicklung an der Spitze der Röhre entzünden. Nun stülpen wir über die Flamme ein kühles, weites Glas mit der Öffnung nach unten. Sieh da, es schlägt sich an seiner Innenseite Wasser nieder. Wasserstoff verbrennt also zu Wasser! Hier können wir die Verwandlung eines Stoffes in einen anderen verfolgen. Wir verbrennen Wasserstoff und bekommen Wasser; das ist ein ähnlicher Vorgang, 9
wie wir ihn beim Chlor erlebten: Wir leiteten Chlor in Kalkwasser und erhielten Chlorkalk. Das ist also, in einigen praktischen Versuchen vorgeführt, die Lehre von der Verwandlung des Stoffes. Nun noch schnell etwas über unsere drei entdeckten Gase! Das erste ist Chlor. Es hat eine gelbgrüne Farbe, einen stechenden Geruch, ist sehr giftig und ist schwerer als Luft — es sinkt zu Boden. Unser zweites Gas ist Kohlendioxyd, von dem man schon öfter einmal hört oder liest. Kohlendioxyd ist färb- und geruchlos, auch schwerer als Luft und bringt gleich dem Chlor eine Kerzenflamme zum Erlöschen. Unser drittes Gas, der Wasserstoff, ist ebenfalls farblos, riecht sehr unangenehm, ist giftig und verbrennt bei Entzündung durch eine Kerze oder dergleichen mit bläulicher Flamme zu Wasser. Er ist leichter als Luft und muß deshalb in der pneumatischen Wanne aufgefangen werden. Mit Luft gemischt explodiert er sehr leicht, weshalb wir vor der Entzündung immer erst einige Minuten lang Gas ausströmen lassen müssen, um die Luft aus den Behältern zu treiben. Wir haben nun schon gemerkt, daß man mit Säure aus vielen Stoffen Gase austreiben kann. Einige dieser Gase und ihre Eigenschaften kennen wir. Das bringt uns auf den Gedanken, zu erproben, ob sich Gase bilden, wenn wir Säure und Marmor, Säure und Zink . (aus einer Taschenlampenbatterie) oder Säure und Schneckenhäuser zusammenbringen. Welches Gas mag sich da entwickeln? Das ist unsere 5. Frage an die Natur Nachdem wir jetzt lange genug unsere Stoffe in kaltem oder warmem Wasser traktiert haben, wollen wir sie auch einmal ein wenig mit Hitze behandeln und schauen, was wir da alles mit ihnen erleben. Für diese Versuche genügt aber die Hitze einer Kerzenflamme kaum. Wir gehen deshalb lieber zum Gasherd oder an einen Spiritusbrenner. Wer keine Gelegenheit dazu hat, braucht auch nicht traurig zu sein. Er kann die Versuche und die Antworten der Natur hier nachlesen. Für diese Fragen an die Natur benötigen wir als Handwerkszeug- eine Zange und eine kleine Porzellanscherbe. Und dann geht es los! Wieder wird unser liebes, altes, uns nun schon ganz vertrautes Kaliumpermanganat in Anspruch genommen. Wir geben etwas Kaliumpermanganat auf die Porzellanscherbe und halten die Scherbe • mit der Zange über die Gasflamme. Das Kaliumpermanganat schmilzt. Mehr können wir hier nicht sehen. Halten wir aber einen glimmen10
den (nicht brennenden) Span über diese schmelzenden Kristalle, so flackert der Span hell auf. Da muß also wohl wieder ein Gas entstanden sein. Tatsächlich ist es so. Das Gas ist Sauerstoff. Sauerstoff ist als ein wesentlicher Bestandteil in der Luft enthalten. Ohne Sauerstoff gibt es keine Verbrennung (Oxydation) — auch in unserem Körper können ohne Sauerstoff die Nahrungsmittel nicht verbrannt, in die zum Leben notwendige Körperwärme und Energie übergeführt werden. Diese „Verbrennung" der Nahrungsmittel im Körper geht allerdings langsam vor sich, ähnlich wie es beim Vermodern von Holz, beim Verrotten von Mist, bei der Bildung von Humus der Fall ist, der durch die Atmung in den Körper geleitete Luftsauerstoff wird in der Lunge „verbrannt". Ohne den Sauerstoff der Luft müßten wir umkommen. Wenn nun schon der Sauerstoff der Luft trotz seiner Vermengung mit anderen Bestandteilen eine Verbrennung ermöglicht, so wird ganz reiner Sauerstoff sie gewiß noch erheblich beschleunigen. Der Versuch mit unserem glimmenden Holzspan beweist es. Jetzt stülpen wir über eine Kerzenflamme ein Einmachglas. Die Kerze erlischt, sobald der Sauerstoff im Glas aufgebraucht ist. Was aber übrigbleibt, das sind die anderen Bestandteile der Luft, und zwar in der Hauptsache Stickstoff. II • DIE T H E O R I E Nun sind wir aber schon richtig drinnen, im Reich der Chemie, im Experimentieren. Zunächst lernten wir Lösungen herstellen und Gas unter Sperrwasser auffangen, und vieles andere mehr. Aber eines fehlt uns noch, wenn wir uns nicht hoffnungslos in dem Chemiereich verlaufen wollen wie in einem Irrgarten. Es ist ein Wegbegleiter, der uns von Gebiet zu Gebiet führt und uns dabei die nötigen Erklärungen geben kann; alles, was wir da sehen und hören, wollen wir auch verstehen. Dieser Führer ist die Theorie, d. h. die Erklärung der Vorgänge, die wir erleben. Wir haben erfahren, wie Eisenfeilspäne, mit Salzsäure zusammengebracht, Wasserstoff ergeben, wir wissen auch, daß Wasserstoff leichter als Luft und brennbar ist. Aber warum ist das so? Ein Forscher muß der Sache doch auf den Grund gehen, ein Chemiker ist doch nicht zufrieden, wenn er einen schändlichen Gestank oder einen duftenden Wohlgeruch fabriziert hat. Er will dodi auch wissen, warum es stinkt oder gut riecht. Wenn er das Warum ergründet hat, kann er viel leichter forschen. 11
Zum Experimentieren gehört also tisches Wissen nicht vorankommt. So Giftküche beiseite, räumen und uns schneller Rückblick in die Geschichte leichtern. Die
Überlegung, die ohne theorewollen wir denn einmal unsere in die Theorie stürzen. Ein der Chemie soll uns das er-
„ägyptische"
Kunst
Die „Chemie" ist eigentlich schon uralt. Fragen an die Natur haben schon in allerfrühester Zeit unsere Vorfahren gestellt. Sie haben das Fleisch über dem Feuer geröstet, sie haben versucht, ob das Fleisch halbverkohlt besser schmecke, als im halbgaren Zustand, sie haben den Traubensaft gären lassen und sich daraus berauschende Getränke hergestellt. In späterer Zeit nutzte man das Feuer aus, um aus gewissen Erzen Kupfer oder Eisen herzustellen. Man .lernte den Essig zur Haltbarmachung von Nahrungsmitteln verwenden und entdeckte dieses oder jenes Mittel, um Wunden zu reinigen und zu heilen. Alles das waren Fragen an die Natur — „chemische" Experimente. Aber damals tat man das alles nur für den Tagesbedarf, die Folgerungen, die man aus diesen Versuchen zog, dienten der unmittelbaren praktischen Ausnutzung, also z. B. dem Problem, wie man die tägliche Nahrung schmackhafter, genießbarer und haltbarer machen, wie man in den Mittagstisch mehr Abwechslung bringen, wie man mit dem Wenigen mehr Menschen sättigen und wie man Rohstoffe für Waffen und Werkzeuge gewinnen könne. Viel weiter dachte man nicht, und so ist man auch nicht sehr weit damit gekommen. Dem Höhlenmenschen und dem wandernden Nomaden war die Gabe, weiterzudenken, noch nicht gegeben. Die Ägypter und Griechen jedoch haben aus ihren Erfahrungen schon „theoretische" Schlüsse gezogen und versucht, mit prüfenden Experimenten den Geheimnissen der Natur auf die Spur zu kommen. Man nimmt an, daß der alte Name für Ägypten, „Chemia" oder „Kerne", d. h. das Land mit dem schwarzen Boden (im Gegensatz zum roten Sand der Wüste), dieser Wissenschaft den Namen gegeben hat. Sie war also die „ägyptische Kunst". Freilich waren viele der vermeintlichen Erkenntnisse des Altertums falsch. Wir werden davon noch hören. Die Alchimisten In der Geschichte der „Chemie" dürfen die „Alchimisten" nicht vergessen werden. „Alchimie", d. h. die „Chemie" (al, arabisch = die) — das war in jenen Zeiten der Glaube ans Goldmachen aus un12
edlen Metallen, die Suche nach Elixieren, Zaubergetränken zur unbegrenzten Verlängerung des Lebens, und der Glaube, irgendwo existiere der „Stein der Weisen", der sozusagen alles vollbringen könne, was das Menschenherz begehrte. Ein Teil der Alchimisten gab sich dabei mit klug durchdachten Experimenten ab und manche wissenschaftliche Erkenntnis ist ihnen zu danken. Aber das waren immer nur Ergebnisse, die sie nebenbei gewannen: das Ziel ihres Destillierens, Kochens, ihrer Mischungen und Lösungen war das alles verwandelnde Allwundermittel. Die Gier, mit Hilfe dieses Zauberdinges Macht und Reichtum nach Wunsch zur Verfügung zuhaben, trieb sie zu den seltsamsten und ausgefallensten Versuchen. Manche verzichteten dabei auf Mörser, Kochtöpfe und Destilliergläser und glaubten, mit Zaubersprüchen und Beschwörungsformeln allein schon zum Ziel zu kommen. Ihr Gehaben war das der Zauberer, ihre Sprache voller Phantastik. Da wimmelte es von „grünen Drachen", „roten Löwen", „Lilienbräuten", „Wassern des Lebens", von unter- und überirdischen Geistern, Planeten, Erzengeln und Göttern. Die Zeit von 1600 bis 1700 n. Chr. war der Höhepunkt dieser Zauberalchimie. Fast fünftausend alchimistische Zauberbücher jener wundersüchtigen Zeiten sind uns erhalten geblieben. Ein bedeutender Mann dieser Zeit war es, der über seinem Experimentieren den Wasserstoff entdeckte. Es war der Arzt und Naturforscher Paracelsus (1493 bis 1541), der Begründer der eigentlichen Chemie. Ein anderer, Friedrich Böttger, der sich das Goldmachen zur Aufgabe gestellt hatte, erfand das „weiße Gold", das Porzellan (1709). Aber damals hatte die wissenschaftlich forschende „Chemie" selber sehen große Fortschritte gemacht. Um die Zeit des 30jährigen Krieges hatte sie sich zu entfalten begonnen. Seit dieser Zeit ging es mit den Naturwissenschaften — und zu ihnen zählt die Chemie — aufwärts. Chemie von heute Unsere Zeit käme ohne die Errungenschaften der chemischen Forschung nicht mehr aus. Sie erschloß uns ganz neue Welten, sie leuchtete in die Geheimnisse der Erde, des Wachstums, der Lebensvorgänge im Menschen und im Tier, der Organe. Sie ermöglichte eine Umstellung der Landwirtschaft, der Ernährung, der Gesundheitslehre, der ärztlichen Wissenschaft, den Aufbau der Metall-, Kohlenund Farbenindustrie und die Fabrikation neuer Kunststoffe. Foto und Film wären ohne sie nicht denkbar. 13
Der Umfang der chemischen Arbeitsgebiete ist so groß, daß der einzelne Chemiker sie gar nicht mehr allein übersehen und noch viel weniger beherrschen kann. Es gibt Chemiker für die Gebiete der Pflanzen-, Tier- und Menschenkunde, für die Lebens- und Bodenforschung, für die Dünger- und Tierernährungslehre, die Gewerbeforschung und Vorratspflege, für die Erderforschung, die Technik, die Farbstofflehre, für die Elektrizitäts-, Foto- und Wärmekunde, die Nahrungsmittel- und Heilmittelkunde u. a. m. Das chemische Laboratorium, das „Labor", ist heute in jedem größeren Betrieb genau so selbstverständlich wie die Buchhaltung oder irgendein anderer Betriebszweig. Der Aufbau unserer Stoffe Wir erinnern uns an den Holzbaukasten, mit dem wir als kleine Knirpse gespielt haben. Da gab es nur einige wenige Sorten von Bauklötzen: quaderförmige Klötze in verschiedenen Längen, dreieckige für die Dachkonstruktionen und vielleicht noch ein paar Rundklötze für die Säulen und einige Bogenstücke für die Torbauten und die Fenster. Das war dann aber auch alles. Doch mit diesen drei, vier oder fünf Bauklotzarten konnten wir nach Belieben die mannigfachsten Bauten errichten: Ein Schloß oder eine Brücke, einen Marktplatz, ein Dorf oder eine Kirche — alles ließ sich aus den wenigen Grundbausteinen zusammensetzen. Diesen Baukasten und die Art und Weise, wie wir mit seinen Klötzchen so vielerlei Dinge bauen konnten, wollen wir im Auge behalten, wenn wir uns jetzt den Aufbau unserer chemischen Stoffe klarmachen wollen. Da spielt sich nämlich etwas ganz Ähnliches ab. Wo wir nur hingreifen und hinsehen, haben wir Stoffe um uns. Das Wasser, die Luft, die pflanzlichen und tierischen Nahrungsmittel, das Glas, aus dem wir trinken, der Tisch, an dem wir sitzen, die Kleidung, die wir tragen, die Steine und Metalle, die Erde und die Kohle und unzählige andere mehr. In neuerer Zeit sind zu den natürlichen Stoffen noch die Kunststoffe gekommen. Der Chemiker behauptet nun, daß all diese Stoffe auf eine ganz bestimmte Anzahl von „Grundbaustoffen" zurückgeführt werden könnten, man müsse sich nur einmal gründlich mit ihnen beschäftigen. Diese Grundbaustoffe seien sozusagen wie die Klötzchen unseres Baukastens, und die tausenderlei Stoffe entsprächen demnach den Baukörpern (Häuschen, Brücken, Kirchen), die wir aus diesen Klötzchen errichtet haben. 14
Die Elemente Und wirklich! Die Chemiker haben recht. In jahrhundertelanger Forschungsarbeit haben sie herausgefunden, daß die ganze belebte und unbelebte Natur aus einer bestimmten Anzahl von „Bausteinen" aufgebaut ist. Die Sternenforschung hat uns in neuerer Zeit sogar bewiesen, daß auch die Sterne, daß das ganze Weltall aus den gleichen „Bausteinen" wie alles übrige zusammengefügt sind. Diese „Bausteine" nennt die Chemie nach dem lateinischen Wort elementum (= Grundstoff) Elemente. Wir kennen heute 98 dieser „Bauklötzch'en" des Weltalls. Viele sind altbekannt, z. B. Eisen, Aluminium, Quecksilber, Blei, Gold, Kupfer, Magnesium, Phosphor, Chrom, Jod, Nickel, Schwefel, Silber, Zink und Zinn. Von anderen hören und lesen wir oft, z. B. von Arsen, Platin, Helium, Iridium, Kohlenstoff, Mangan, Neon, Radium, Sauerstoff, Selen, Uran, Wasserstoff, Wolfram u. a. Die meisten Elemente hat man erst in den letzten zwei Jahrhunderten entdeckt. Der Gedanke, daß die mannigfaltigsten Dinge, die in der Natur vorkommen, aus einer bestimmten Anzahl von „Grundbaustoffen", eben den Elementen, bestehen müssen, ist sehr alt. Schon die Griechen ahnten so etwas. Sie behaupteten, es gebe vier Elemente: Das Feuer, das Wasser, die Luft und die Erde. Alles was existiert, sei aus diesen vier „Elementen" zusammengesetzt. Schauen wir uns diese vier eigenartigen Elemente des Altertums einmal genauer an. Merken wir nicht, daß dabei etwas nicht stimmen kann? Wir haben ja bisher so viel aus der Chemie kennengelernt, daß wir uns ein Urteil schon erlauben können. Also das ist's: Ein Element darf nicht wieder aus anderen Grundstoffen zusammengesetzt sein, sondern muß eine Einheit sein. (Wie jeder Stein im Baukasten eine Einheit ist.) Der Chemiker sagt: Ein Element ist ein. Grundstoff, der sich mit den Mitteln der Chemie nicht mehr in andere Grundstoffe zerlegen läßt. Nun ist aber Wasser, wie wir schon wissen, zusammengesetzt aus Wasserstoff und Sauerstoff; Luft besteht in der Hauptsache aus Sauerstoff, Stickstoff, Wasserdampf und Kohlendioxyd; und wenn wir die Bestandteile der Erde aufzählen sollten, könnten wir Seiten damit füllen. Daß aber Feuer überhaupt kein Stoff ist, sondern ein chemischer Vorgang, ist uns klar: Nein: Feuer, Wasser, Luft und Erde sind keine Elemente! 15
Wie wir schon vorhin festgestellt haben, ist ein Element ein auf chemischem Weg nicht mehr in andere Stoffe zerlegbarer Grundbaustoff. Das Element Wasserstoff besteht also nur aus Wasserstoff und aus nichts anderem mehr, genau so wie das Element Sauerstoff nur aus Sauerstoff besteht. Oder wie wir besser sagen: Das Element Sauerstoff besteht nur aus Sauerstoffatomen. Mit diesem Wort „Atome" haben wir uns eine weitere Türe ins Reich der Chemie aufgeschlossen. Die
Atome
Das Wort Atom kommt aus dem Griechischen. Dort heißt „atomos" unteilbar. Diese Eigenschaft kann man heute im Zeitalter der Atomzertrümmerung und Atomumwandlung dem Atom nicht mehr zusprechen. Insofern hat sich der Name Atom überholt; er wird aber weiterhin als Name für das kleinste Gebilde verwandt, mit dem es die Chemie zu tun hat. Es ist so winzig, daß wir es selbst mit den größten und besten Übermikroskopen nicht sehen können. Seine Winzigkeit ist unvorstellbar, ebenso seine Leichtigkeit. Ein Wasserstoffatom z. B. wiegt
\
0,000 000 000 000 000 000 000 001 674 g. Das ist eine Zahl mit dreiundzwanzig Nullen nach dem Komma! 600 000 Trillionen Wasserstoffatome ergeben also erst ein Gramm Wasserstoff. (1 Trillion = 1 Million X 1 Million X 1 Million.) Da kommen wir natürlich nicht mehr mit und wundern uns nur, daß man über solche Winzigkeiten oder besser Nichtigkeiten überhaupt noch etwas aussagen kann. Es reicht hier der Raum nicht, auf den inneren Aufbau eines Atoms näher einzugehen. (Damit beschäftigt sich der Chemiker -nicht mehr, für ihn ist das Atom die kleinste Einheit eines Elementes, und das genügt ihm. Den Feinbau des Atoms aufzuklären, ist Aufgabe des Atomphysikers.) Aber es genügt uns für den Augenblick vollauf, zu wissen, daß ein Atom aus einem verhältnismäßig schweren „Atomkern" und sehr leichten Elektronen besteht. Diese Elektronen kreisen fortwährend mit großer Geschwindigkeit um den Atomkern. Es ist also wie im Planetensystem der Sternenwelt. Hier kreisen um die Sonne die Wandelsterne (Planeten), dort um den Atomkern die Elektronen. 16
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Die neueste Forschung hat außer den Elektronen noch einige andere Atomteilchen ermittelt: das Proton, Neutron, Positron, Meson und das Neutrino. Aus ihnen sind alle Atome aufgebaut. Nur Gewicht und Zahl der Elektronen sind bei den einzelnen Atomen verschieden. Daraus läßt sich auch die Verschiedenartigkeit der Elemente erklären. Würde jedes Atom die gleiche Zahl von Elektronen und das gleiche Gewicht aufweisen, dann gäbe es auf der Welt nur ein einziges Element. Wie klein das Gewicht der Atome ist, das lehrte uns das Zahlenungetüm, das nötig war, um das Gewicht eines Wasserstoffatoms in Grammteilen auszudrücken. Das wäre jedoch eine umständliche Sache, wenn man ständig mit solchen Zahlen arbeiten müßte. Deshalb hat man, um die verschiedenen Atomgewichte in einfacherer Weise miteinander vergleichen zu können, das leichteste Atom als Gewichtseinheit festgelegt: es ist das Wasserstoffatom, sein Atomgewicht wurde gleich 1 gesetzt. Nun wiegt z. B. der Kohlenstoff zwölf mal soviel wie der Wasserstoff — er erhielt also das Atomgewicht 12 (Sauerstoff 16, Schwefel 32, Chlor 35,5). Ein Uranatom dagegen, das schwerste Atom, hat das Atomgewicht 238. Wir sehen, so ist die ganze Rechnerei viel einfacher geworden. Aus diesen Atomen sind also die Elemente, die Grundbaustoffe der Welt, aufgebaut. Da aber ein Atom nur in seltenen Fällen frei existieren kann, sucht es sich einen oder auch mehrere Partner. Das Ganze kettet sich zusammen und bildet ein „Molekül". Die
Moleküle
So haben sich also zwei oder drei oder auch mehr Atome der gleichen Art zusammengetan und haben ein Molekül gebildet. Und nun kommt das Wichtige: Erst dieses Molekül ist unser gesuchtes Element. Ein einzelnes Atom für sich ist meist nicht viel wert. Doch gibt es ein paar solcher Einzelgänger, die ohne jeden Partner die Rolle eines Moleküls I z u spielen verstehen. s
(
Die Moleküle der Elemente bestehen jedoch im allgemeinen aus mehreren Atomen, oft genügen zwei. Da wollen wir nun aber gleich einmal die Elemente, mit denen wir schon experimentiert haben, hernehmen und nachschauen, aus wieviel Atomen bei den einzelnen Elementen ein Molekül besteht. Wir werden staunen! So sehr viele Elemente haben wir noch gar nicht kennengelernt.
Schon jenes zweite Gas, das wir kennenlernten, der Wasserstoff, war ein Element. Ein Molekül dieses Wasserstoffes besteht immer aus zwei Wasserstoffatomen. Also nur, wenn sich zwei Wasserstoffatome verbunden haben, haben wir ein Molekül des Elementes Wasserstoff vor uns; Auch beim Sauerstoff verbinden sich immer zwei Atome zu einem Molekül des Elementes Sauerstoff. Chlor, unser giftiges grünes Gas, das wir zuerst kennenlernten, war jedoch ein Außenseiter. Da besteht einmal Chlor aus nur einem Atom, ist also einer der erwähnten Einzelgänger, und ein andermal gleich aus Molekülen mit sieben Atomen. Damit wollen wir uns gar nicht erst befassen. Also noch einmal zusammenfassend: Die Bausteine der Natur sind die E l e m e n t e . Jedes Element besteht aus Molekülen; die Moleküle wiederum bestehen aus einem oder (meistens) mehreren A t o m e n . Das Element Wasserstoff z. B. besteht demnach aus Wasserstoffmolekülen. Jedes dieser Moleküle baut sich aber wiederum aus zwei Wasserstoffatomen auf, da sich, wie wir eben gelesen haben, immer zwei Wasserstoffatome zu einem Molekül Wasserstoff vereinigen.
Die Zeichensprache Damit der Chemiker sich nicht immer beim Aussprechen der seltsamen Namen der Elemente, die aus dem Lateinischen und dem Griechischen gebildet werden, die 2unge verrenkt, hat man eine Zeichensprache erfunden. Für jedes der achtundneunzig Elemente existiert so ein Zeichen, das aus einem oder zwei Buchstaben besteht. Diese Buchstaben sind meistens die Anfangsbuchstaben des lateinischen oder griechischen Namens der Elemente. Da aber die Namen vieler Elemente mit dem gleichen Anfangsbuchstaben beginnen, hat man meist zwei Buchstaben aus dem Namen als chemische Zeichen gewählt. Gold (lat. aururn) hat das chemische Zeichen Au; ^4/uminium, das mit dem gleichen Buchstaben A beginnt, das Zeichen AI. Kohlenstoff (carboneum) heißt C, Cat/mium, das ebenfalls mit C beginnt, aber Cd, Calcium Ca, Ch/or (griech. chloros = gelbgrün) Cl, Chrom Cr, Kupfer fcaprum) Cu. So können die Zeichen nicht verwechselt werden. Der Chemiker kennt natürlich alle Elemente bei ihren abgekürzten Namen. Er kennt sie sozusagen im Schlaf. Mit den wichtigsten Elementen wollen auch wir uns vertraut machen. Sie sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt: 18
Die wichtigsten chemischen Elemente Zeichen
Atomgewicht
Aluminium Argon Arsen Blei (phimbum) Bor Brom Chlor Chrom Eisen (/errum) Gold (amam) Helium
AI Ar As Pb B Br Cl Cr Fe Au He
Jod
J
26,97 39,944 74,91 207,21 10,82 79,916 35,457 52,01 55,84 197,2 4,003 126,92 39,096 40,08 58,94 12,010 63,57 24,32 54,93 22,997 58,69 30,98 195,23 200,61 226,05 16,00 32,06 107,88 28,06 14,008 1,0081 65,38 118,70
Name des Elementes
Kalium Kalzium. Kobalt Kohlenstoff (carboneum) Kupfer (raprum) Magnesium Mangan Natrium Nickel Phosphor Platin Quecksilber (Aydrargyrum) Radium Sauerstoff (oxygenium) Schwefel (mlfur) Silber (argentum) Silizium Stickstoff (rcitrogenium) Wasserstoff (^ydrogenium) Zink Zinn (jtannum)
K Ca Co C Cu Mg Mn Na Ni P Pt Hg Ra O
sAg Si N H Zn Sn
Das wären also die wichtigsten von den 98 Elementen, aus denen ' unsere Stoffe bestehen. Diese Elemente haben eine sehr gute Eigenschaft: Sie können sich untereinander verbinden. Wohlgemerkt: Sie 19
k ö n n e n , sie müssen nicht immer. Manche Elemente sind recht verträglich und verbinden sich, von einer geheimnisvollen Binde- und Anziehungskraft bewegt, ohne weiteres, andere dagegen müssen erst der Hitze ausgesetzt werden oder unter hohem Druck stehen, bis sie geruhen, eine Verbindung einzugehen. Und andere wiederum verbinden sich überhaupt nicht, auch unter Druck und Hitze nicht.
Verbindungen Wir wollen nochmals auf Kaliumpermanganat zurückgreifen. Kaliumpermanganat ist k e i n Element. Ein Element besteht ja nur aus e i n e r Sorte von Atomen. Kaliumpermanganat besteht dagegen aus mehreren Elementen: Aus Kalium (K), Mangan (Mn) und Sauerstoff (O). Hier hat sich also aus K-, Mn- und O-Molekülen ein kleinster Teil, ein „Molekül" Kaliumpermanganat gebildet. Auch die kleinsten Stoffteile der Verbindungen heißen Moleküle. Wollen wir sie von den Molekülen eines Elementes (Elementarmolekülen) unterscheiden, so sprechen wir von zusammengesetzten Molekülen. Doch nun kommt das Sonderbare: Es ist durchaus nicht so, daß sich immer e i n Molekül mit e i n e m anderen Molekül verbindet. Es kann sich (und das geschieht sehr oft) auch ein Molekül mit m e h r e r e n anderen Molekülen verbinden. Das finden wir hier beim Kaliumpermanganat. Es besteht nämlich aus einem Molekül Kalium (K), einem Molekül Mangan (Mn) und v i e r Molekülen Sauerstoff (O). Wenn wir die chemischen Zeichen der Elemente Kalium, Mangan und Sauerstoff hintereinander schreiben (vgl. die Tabelle auf S. 19), so sieht das so aus: KMnO. Da aber vier Moleküle Sauerstoff in der Verbindung sind, schreiben wir hinten unter das O eine kleine tiefgestellte 4 = KMnÜ4. So heißt die chemische Formel für Kaliumpermanganat. Diese Formel schreiben wir nun auch gleich auf unsere Flasche, in der wir das Kaliumpermanganat aufbewahren. Die chemische Formel Salzsäure hat die chemische Formel HCl. Hier hat sich also ein Molekül H (Wasserstoff) mit einem Molekül Cl (Chlor) verbunden. Nun unsere sechste Frage: Aus wieviel Molekülen Wasserstoff und wieviel Molekülen Sauerstoff besteht Wasser? Wasser hat die chemische Formel H2O. Aus wieviel Molekülen C (Kohlenstoff) und wie20
viel Molekülen O besteht Kohlendioxyd? Kohlendioxyd hat die Formel CO2. Und nun noch etwas Neues: Wir wissen wahrscheinlich noch von der Schule her, was eine Gleichung ist. Bei einer Gleichung muß zu beiden Seiten des Gleichheitszeichens dasselbe herauskommen. Also zum Beispiel: 36 = 30 + 6 Hier sehen wir: links und rechts vom Gleichheitszeichen steht im Grunde genommen dasselbe, nur in einer anderen Form. Genau so sind auch die chemischen Gleichungen aufgebaut. Auch hier muß links und rechts dasselbe herauskommen. Zum Beispiel: (Wasser = ) H2O = zH + O Wir stellen nun selbst einmal die Gleichung für Salzsäure (HCl) auf. Das ist unsere Frage 7 Solche chemische Gleichungen kann man aber auch für jeden chemischen Vorgang aufstellen. Man kann also zum Beispiel die Bildung des Wasserstoffes aus Eisenfeilspänen und Salzsäure genau in einer Formel darstellen und aus dieser Formel sogar errechnen, wieviel Säure und wieviel Eisen wir zu einem Liter Wasserstoff brauchen. Das ist besonders für die großen chemischen Fabriken notwendig, damit ihre Chemiker genau wissen, wieviel Chemikalien zur Herstellung eines bestimmten Stoffes notwendig sind. III O R G A N I S C H E U N D A N O R G A N I S C H E CHEMIE Wir haben schon von Verbindungen gehört. Solche Verbindungen von mehreren Elementen gibt es im Reiche der Chemie Tausende. Fast alle „Stoffe", die uns umgeben, sind solche Verbindungen, nur die 98 Elemente nicht, wie zum Beispiel das Eisen, Zinn und so weiter, die auch frei und ungebunden existieren können. Nun unterscheiden wir zwei große Gruppen von Verbindungen: Die o r g a n i s c h e n und die a n o r g a n i s c h e n Verbindungen. Unter die erste Gruppe, unter die organischen Verbindungen, fallen alle „Stoffe", die wir in der belebten Natur finden: Fette, Eiweiß, Zucker, Blut, Haut, Haare, Holz, Wolle (von den Schafen) und die Lebensmittel. Diese organischen Verbindungen bestehen in der Hauptsache aus den Elementen C, O, H, N, P, S, K, Ca, Mg, Fe, Na, Cl, Si, wobei C die Hauptrolle spielt. Wir wollen gleich einmal in unserer Tabelle nach den Namen dieser Elemente schauen. Sie sind alle darin. 21
Zu den anorganischen Verbindungen zählen dann wohl die „Stoffe" aus der unbelebten Natur. Das sind also die Gesteine, Bodenbestandteile, Erze, Salze und ähnliche Stoffe. Mit dieser anorganischen (= unorganischen) Chemie wollen wir uns auf den folgenden Seiten befassen. Es gibt da verschiedene Gruppen von Verbindungen, die wir uns näher besehen wollen. Die wichtigsten Hauptgruppen dieser anorganischen Verbindungen sind: 1. 2. 3. 4.
die die die die
OXYDE SÄUREN BASEN SALZE
Diese vier Gruppen werden wir einmal etwas unter die Lupe nehmen. Wir haben zuerst nur Praxis getrieben, dann nur Theorie, doch nun wollen wir die Praxis mit der Theorie verbinden und wie richtige Forscher experimentierend und überlegend uns mit Oxyden, Säuren, Basen und Salzen befassen. Oxyde Eine Hauptgruppe dieser anorganischen Verbindungen sind also die Oxyde. Wir haben in der Tabelle der wichtigsten Elemente schon das chemische Zeichen für Sauerstoff entdeckt: Es ist O. Dieses „O" ist, wie wir aus der Tabelle ersehen, der Anfangsbuchstabe des wissenschaftlichen Namens für Sauerstoff, den der Chemiker „Oxygenium" nennt. Und von diesem Wort wird auch, wie wir wohl sofort bemerken, der Name „Oxyd" abgeleitet. Solchen Oxyden sind wir unbewußt schon oft in unserem Leben begegnet. Wo und warin, das werden wir beim Weiterlesen leicht erkennen. Bevor wir nun praktische Versuche mit diesen Oxyden anstellen, wollen wir erst die theoretischen Grundlagen erörtern. Wir müssen da weiter ausholen, damit auch alles gut verstanden wird. Wir haben zu Beginn unserer Versuche einmal in einem geschlossenen Gefäß eine Kerzenflamme brennen lassen, wir erinnern uns. Diese Kerzenflamme war aber bald erloschen, weil sich der Sauerstoff der Luft verbraucht hatte. Wir lernten bei diesem Versuch, daß zu einer Verbrennung Sauerstoff unerläßlich ist, daß der Sauerstoff aber bei dieser Verbrennung „verschwindet". Aber wohin? Als wir Chlor in Kalkwasser leiteten, „verschwand" auch das Chlor. Wir hörten damals, daß es sich mit Kalk aus dem Kalkwasser zu Chlorkalk ver22
bunden hatte. Ein Stoff kann eben nicht einfach verschwinden. Er kann sich nur umwandeln, indem er mit anderen Stoffen Verbindungen eingeht. Und das hat unser Chlor getan. — Genau so macht es der Sauerstoff. Bei der brennenden Kerzenflamme können wir das allerdings nicht so einfach beobachten und erklären; aber nehmen wir die Kohle her! "Wir verbrennen diese Kohle im Ofen. Der Ofen muß Zug (= Luft) haben, sonst brennt die Kohle nicht. Sie braucht also genau wie die Kerze den Sauerstoff der Luft zur Verbrennung. Wir sorgen also für Zug im Ofen, pusten evtl. hinein oder verstärken die Luft-(Sauerstoff-) zufuhr durch einen Blasebalg. Und was geht dann zum Schornstein hinaus? Kohlendioxyd! Aha, da haben wir schon so ein Oxyd". Wir kennen auch schon seine Formel: CO2. Dieses gasförmige Oxyd, dieses CO2 (es wird oft nicht ganz richtig als Kohlensäure bezeichnet) entsteht also bei der Verbrennung. Der Mensch und das Tier atmen es aus, weil auch in ihrem Körper durch die Atmung und Verdauung eine wenn auch nur langsame und feuerlose Verbrennung vor sich geht. Nun wollen wir aber weiter schauen: ein Stück Eisen wird im Freien bald rostig. Daran ist niemand anders als der Sauerstoff der Luft schuld. Dieser Sauerstoff geht nämlich auch mit dem Eisen Verbindungen ein. Diese nennt man dann — furchtbar einfach —„Eisenoxyde". So ein Eisenoxyd ist der Rost. Jetzt versteht man auch, warum man Eisen durch Einölen oder Einfetten vor dem Rosten schützen kann. Die ö l - oder Fettschicht läßt nämlich den Sauerstoff der Luft nicht ans Eisen herankommen. Wenn wir ein dünnes Stückchen Kupferblech oder -draht in die Gasflamme halten, so bekommen sie einen schwärzlichen Überzug: es hat sich Kupferoxyd gebildet. Diese Versuche könnte man noch beliebig vermehren, wir aber wollen weitergehen. Wie wir aus diesen wenigen Beispielen schon ersehen können, ist ein Oxyd also die Verbindung eines Elementes mit Sauerstoff. Wenn wir diese Erkenntnis in eine Gleichung setzen wollten, so sähe das so aus: ELEMENT + SAUERSTOFF = OXYD. Die Beantwortung unserer nächsten Frage darf nun nicht mehr schwierig sein. Die Frage 8: Um welche Oxyde handelt es sich bei MgO, CuO, PbO und ZnO? Wir erhitzen nun etwas PbO auf einer Porzellanscherbe über der Gasflamme. Wenn wir einen glimmenden Span darüberhalten, flackert 23
er wieder auf. Hier entweicht also Sauerstoff. Haben wir Glück, so sehen wir nun auf der Porzellanscherbe etwas reines Blei. Ein folgerichtiger Vorgang also. Das Bleioxyd hat beim Erhitzen den Sauerstoff abgegeben, und das Blei ist übriggeblieben. Hier die Gleichung: PbO = (bei Hitze) Pb + O. Wir haben nun einen Stoff in seine Bestandteile zerlegt. Der Chemiker würde sagen: "Wir haben eine „Analyse" gemacht. Analyein (griech.) heißt zu deutsch auflösen. Das Gegenteil von einer Auflösung oder Zerlegung (Analyse) wäre eine Zusammenführung. Diese Arbeitsweise nennt man Synthese. "Wir haben schon einmal eine Synthese vollzogen; nämlich als wir aus den Elementen Chlor und Kalk (im Kalkwasser) Chlorkalk herstellten. Diese zwei Begriffe merken wir uns! Nach ihnen teilt man die Chemiker in Analytiker (solche, die Stoffe nur zerlegen) und Synthetiker (= die Stoffe nur aufbauen) ein. Beide sind gleich wichtig, und beide haben in der Vergangenheit und Gegenwart große Triumphe feiern können. Säuren Die zweite große Gruppe der anorganischen Verbindungen sind die Saurer». Wenn wir das Wort Säure hören, befällt uns wohl gleich ein unangenehmes Gefühl. Denn wir wissen, Säuren können mitunter ganz gefährliche Gesellen sein. Wir müssen sehr vorsichtig mit ihnen umgehen. Vor allem müssen wir darauf achten, daß keine Säurespritzer auf Kleider, Tische, Stühle kommen, und ganz besonders müssen wir uns hüten, Säure auf die Haut zu bringen. Das gibt meist sehr schmerzhafte, schlecht heilende Wunden. Also Achtung! Säuren sind gefährlich. Vorsichtig damit umgehen! Nun zu den chemischen Eigenschaften der Säuren. Wenn wir in ein Trinkglas voll Wasser einen Tropfen (nicht mehr!) r e i n e Salzsäure geben und dann mit der Zunge ein wenig von der Flüssigkeit schmecken, so stellen wir sauren Geschmack fest. Und das ist die erste chemische Eigenschaft der Säure; sie ist also genau das, was ihr Name aussagt: sauer. Nun sind die Säuren ja bekanntlich Verbindungen, also aus verschiedenen Elementen zusammengesetzt. Hier haben wir die Formeln der wichtigsten Säuren: 24
Salzsäure = HCl Schwefelsäure = H2SO4 schweflige Säure = H2SO3 Salpetersäure = HNO3 Phosphorsäure = H3PO4 Chlorsäure = HCIO3 Da fällt uns gleich auf, daß bei jeder Säure H (Wasserstoff) anzutreffen ist. Das ist wichtig. O H N E H GIBT ES KEINE SÄURE Wie zum Brot das Mehl gehört, so gehört zur Säure H. Der Wasserstoff ist unbedingt notwendig. Man bezeichnet ihn deshalb als „Säurebildner". Was außer dem Wasserstoff noch in der Formel der Säure zu finden ist, nennen wir den Säurerest. Nehmen wir als Beispiel die Schwefelsäure her. Sie hat die Formel H2SO4. Da ist demnach also H2 der Säurebildner und SO4 der Säurerest. Wir merken uns: SÄURE = WASSERSTOFF + SÄUREREST (Beispiel:. H2SO4 = H2 + SO4) Wir haben früher einmal, indem wir Eisen und Salzsäure zusammengaben, Wasserstoff hergestellt. Jetzt sind wir in der Lage, diesen Vorgang auch theoretisch zu erklären: Das Eisen hat sich mit dem Säurerest verbunden, und der Säurebildner, eben der Wasserstoff, ist frei geworden. Was wir hier bei Eisen und Salzsäure beobachten konnten, läßt sich auch verallgemeinern: Allen Säuren kann man durch ein geeignetes Metall den Säurerest entziehen und so den Wasserstoff frei machen. Da wollen wir gleich einmal probieren, mit welchen Metallen wir aus dieser oder jener Säure den Wasserstoff frei machen können. Wir vergessen dabei unser Tagebuch nicht. Gerade die Aufzeichnungen über die Säuren können wir vielleicht später einmal gut gebrauchen. Und nun noch ein kleiner Tip: Aus schwachen Säuren bekommen wir nur mit Magnesium den Wasserstoff frei! Nun aber frisch ans Werk! Im Experiment befragen wir die Natur. Sie wird uns schon antworten. Aber: Vorsicht mit den Säuren! Basen Diese chemischen Verbindungen, die Basen, haben nichts mit unseren lieben Verwandten, den Bäschen, zu tun. Die „Base", die der Chemiker meint, kommt vielmehr aus dem Griechischen. Dort heißt BASIS die Grundlage. Basen sind feste Stoffe. Wenn wir mit einer 25
Base eine Lösung herstellen, so nennt man diese dann entstehende Lösung eine L a u g e . Was eine solche Lauge ist, wissen wir. Wir kennen ja die Waschlauge, die Mutter verwendet. Da ist also eine Base in Wasser gelöst. Wie nun in jeder Säure H (Wasserstoff) vorhanden ist, so ist auch in jeder Base ein und dieselbe Atomgruppe anzutreffen. Es ist das die sogenannte Hydroxylgruppe. Sie besteht aus Wasserstoff und Sauerstoff. Nach ihrem chemischen Zeichen nennt man sie häufig auch OH-Gruppe. Der komische Name Hydroxylgruppe wurde aus den wissenschaftlichen Bezeichnungen für Wasserstoff: Hydrogenium und für Sauerstoff: Oxygenium zusammengebraut. Hier sind nun , i die Namen und Formeln einiger wichtiger Basen: Ätznatron Ätzkali gelöschter Kalk
= = =
NaOH KOH Ca(OH)i
Wir sehen an diesen Formeln, daß außer der OH (Hydroxyl)Gruppe in jeder Base immer noch ein Metall vorhanden ist. Bei Ätznatron ist zum Beispiel das Metall Natrium (Na) vertreten. Welche Metalle sind in den Basen Ätzkali und gelöschter Kalk (Kalkhydrat) vorhanden? Frage 9. Nun wollen wir kurz zusammenfassen: Eine Base ist also eine chemische Verbindung, deren wässerige Lösung wir als Lauge bezeichnen; eine Base besteht aus der Hydroxylgruppe (OH) und einem Metall: BASE = METALL + H Y D R O X Y L G R U P P E Neutralisation Nun kommt aber etwas Eigenartiges. Wenn wir einer Säure (zum Beispiel HCl) Lauge zusetzen, so heben sich ihre Wirkungen gegenseitig auf: Sie neutralisieren einander. Neutral heißt ja „zu keinem gehörig". Diese Neutralisation können wir genau beobachten, wenn wir uns Lackmuspapier besorgen. Dieses Lackmuspapier, das blau ist, befeuchten wir mit etwas Regenwasser und tauchen es in Säure. Es färbt sich sofort rot. Tauchen wir nun dieses rote Papier, nachdem wir es wieder mit Regenwasser befeuchtet haben, in eine Lauge, so färbt es sich wieder blau. Eigenartig, nicht wahr? Lackmus ist ein aus einer Flechte hergestellter Farbstoff, der diese seltsame Eigenschaft, Säuren und Basen anzuzeigen, besitzt. Wenn wir nun Natronlauge hernehmen und unter ständigem Umrühren 26
(am besten mit einem Glasstab) Salzsäure dazutröpfeln, dann können wir bei fortgesetzter Prüfung mit rotem Lackmuspapier feststellen, daß dieses sich bald nicht mehr bläut. Nun müssen wir natürlich aufhören, weiter Säure dazuzugeben. Wir können jetzt blaues Lackmuspapier in diese Brühe eintauchen. Das Papier verfärbt sich,aber ebenfalls nicht. Die Wirkungen von Säure und Lauge sind also verschwunden, sie haben sich neutralisiert. Aber bei dieser Neutralisation hat sich etwas Eigenartiges ereignet. Wenn wir die Mischung aus Natronlauge und Salzsäure eindunsten lassen (in der Sonne in einer flachen Schale), verbleibt ein weißer Rückstand. Wenn wir vorsichtig ein wenig davon versuchen, merken wir, daß es Kochsalz ist. Da wollen wir uns aber gleich einmal die Formel dafür aufschreiben: N A T R O N L A U G E + SALZSÄURE = KOCHSALZ + WASSER NaOH + HCl = NaCl + H2O Rechnen wir einmal nach: Links und rechts stehen gleichviel und dieselben Zeichen. Das Wasser (H2O) auf der rechten Seite unserer Gleichung ist verdunstet, als wir die Brühe in die Sonne stellten. Nun versuchen wir mit anderen Säuren und mit anderen Laugen die Neutralisation. Das Wasser lassen wir dann, wie vorhin, verdunsten, und die Rückstände heben wir uns auf, Aber gleich wieder auf das Aufbewahrungsglas eine Aufschrift! Da wir allerdings die Namen dieser Stoffe, die wir durch diese Versuche gewonnen haben, noch nicht kennen, schreiben wir eben folgendes darauf: Aus Kalilauge und Salzsäure durch Neutralisation gewonnener Stoff. Und dann vergessen wir auch nicht das Tagebuch! Salze Kochsalz ist also durch die Neutralisation von Salzsäure durch Natronlauge entstanden. Aber auch andere Laugen ergeben mit anderen Säuren Salze, allerdings kein Kochsalz. Aber es gibt ja verschiedene Sorten von Salzen. Die Salze, die durch Neutralisation der Salzsäure durch eine Lauge entstehen, nennt man nach dem Säurerest Chlor der Salzsäure C h l o r i d e . Neutralisiert man Schwefelsäure, so erhält man die S u l f a t e . Das Wort Sulfate kommt von der lateinischen Bezeichnung für Schwefel.: SULFUR. Aber immer gibt: LAUGE + SÄURE = SALZ + WASSER. Nun wollen wir uns die Salze einmal näher ansehen. Hier einige häufig vorkommende Salze mit ihren Formeln: 27
Natriumchlorid (Kochsalz) Natriumsulfat Kupfersulfat (blaues Vitriol) Kaliumnitrat (Salpeter) Kalziumphosphat (als Düngesalz) Kaliumchlorat
NaCl NaaSCh CuS04 KNO3 Cas(P04)2 KClOs
Wenn wir diese Formeln genau anschauen, so bemerken wir, daß die eine Atomgruppe in diesen Formeln genau so aufgebaut ist wie ein Säurerest. So sehen wir bei Kochsalz (NaCl) gleich den Säurerest der Salzsäure (HCl), oder bei Kupfersulfat (CuSGu) den Säurerest SO4 der Schwefelsäure (H2SO4). Suchen wir doch einmal bei den anderen Salzen nach dem Säurerest; zu welcher Säure mag dieser Rest gehört haben? Was in der chemischen Formel der Salze vor dem Säurerest steht, also zum Beispiel das Na beim NaCl (Kochsalz), ist nichts anderes als ein Metall. Ein Salz besteht dann also aus einem Metall und einem Säurcrest: SALZ = METALL + SÄUREREST Nun verstehen wir auch die Bildung eines Salzes durch Neutralisation einer Säure durch eine Lauge. Also: Die Lauge besteht aus der OH-(Hydroxyl-)Gruppe und einem Metall; die Säure dagegen besteht aus Wasserstoff und dem Säurerest. Bei der Neutralisation verbindet sich nun die OH-Gruppe der L a u g e mit dem H (Wasserstoff) der S ä u r e zu Wasser (H2O). Was bleibt übrig? Das Metall der Lauge und der Säurerest der Säure. Und Metall plus Säurerest gibt bekanntlich Salz. Dieses Salz löst sich dann allerdings gleich in dem aus der OH-Gruppe und dem Wasserstoff der Säure entstandenen Wasser und kann deshalb erst durch das Verdunsten des Wassers wieder frei gemacht werden. Nun können wir aber wieder Versuche machen! Aus allen möglichen Säuren und Laugen werden wir viele Salze selbst herstellen. Aber wie gesagt, Vorsicht mit Säuren und Laugen! Und alles in das Tagebuch eintragen! Ehe wir zum Schluß kommen, die
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Antwort auf unsere Fragen Frage 1: Kaliumpermanganat ist ein Salz. Wir haben ja schon Salz durch Eindunsten einer Flüssigkeit erhalten. Wir sehen also, daß Salz J sich mit Wasser verbinden kann. Das geschieht nicht selten. Wenn j 28
wir also das Kaliumpermanganat offen stehen lassen, so kann es leicht die Luftfeuchtigkeit anziehen, und die schönen Kristalle zerfließen. Frage 2: Da das Chlor in unserem Auffanggefäß nach unten sinkt, muß es wohl schwerer als Luft sein. Alles Schwere sinkt bekanntlidi nach unten. Der Stein, der schwerer als Wasser ist, sinkt unter; das öl dagegen, das leichter als Wasser ist, bleibt an der Wasseroberfläche. Genau so ist es auch bei den Gasen, wenn sie schwerer oder leichter als Luft sind. Frage 3: Zu einer Verbrennung ist Sauerstoff erforderlich. Ohne Sauerstoff ist eine Verbrennung unmöglich. Da im Chlor kein Sauerstoff "vorhanden ist, muß die Kerzenflamme erlöschen. Frage 4: Wenn, wie wir gehört haben, Sauerstoff zur Verbrennung notwendig ist, so dürfte die Kerzenflamme nicht erlöschen, wenn das bei diesem Versuch gewonnene Gas Sauerstoff wäre. Das Gas, das wir aus Eierschalen oder Soda und Salzsäure gewonnen haben, ist also gewiß kein Sauerstoff. Es ist Kohlendioxyd, das die Flamme zum Erlöschen bringt. Die bekannten Minimax-Feuerlöscher sind mit solchem Gas gefüllt. Frage 5: Aus Marmor können wir mit Säure Kohlendioxyd austreiben, ebenso aus Schnedienhäusern. Aus Zink dagegen entsteht beim Übergießen mit Salzsäure wieder unser guter alter Wasserstoff. Frage 6: Wieviel Moleküle C (Kohlenstoff) und wieviel Moleküle O (Sauerstoff) Kohlendioxyd (CO2) hat, ist ganz leicht zu ersehen: nämlich einen Teil Kohlenstoff und zwei Teile Sauerstoff, und Wasser hat zwei Teile H und einen Teil O. Frage 7: Ganz einfach: Salzsäure besteht aus Wasserstoff (H) und Chlor (Cl). Salzsäure ist also Wasserstoff plus Chlor. Oder in der chemischen Zeichensprache ausgedrückt: HCl = H + Cl. Frage 8: MgO ist Magnesiumoxyd oder gebrannte Magnesia, CuO ist Kupferoxyd, PbO ist Bleioxyd und ZnO ist Zinkoxyd. Frage 9: In Ätzkali ist das Metall Kalium (K) und in gelöschtem Kalk das Metall Kalzium (Ca) vorhanden. Wir sehen, die Fragen waren nicht schwer zu beantworten; wenn wir hur ein wenig aufgepaßt haben, brauchten wir gar nicht erst hier nachzuschauen. 29
Die schwere Aufgabe Unser kleiner Lehrgang geht zu Ende. Nun wollen wir noch eine schwere Schlußaufgabe lösen. Wir sehen hier eine Tabelle der wichtigsten chemischen Verbindungen mit ihren chemischen Formeln. Wir kennen die vier Hauptgruppen der Verbindungen und wissen auch, woraus sie bestehen. Wenn wir unseren Geist nun ein wenig anstrengen, so werden wir bald diese Verbindungen, die hier ziemlich wahllos in der Tabelle stehen, in die Hauptgruppen Oxyde, Säuren, Basen (Laugen) und Salze eingeteilt haben. Dann schreiben wir sie schön geordnet "in unser Tagebuch ein. Wenn wir wirklich die eine oder die andere Verbindung nicht einordnen können, so befragen wir uns bei einem Bekannten, der etwas von Chemie versteht. Aluminiumoxyd Ammoniumchlorid Arsenik Ätzkali Ätznatron Blausäure Bleiglätte Bleidioxyd Borsäure Chlorkalium Chlorkalzium Chlornatrium Chlorwasserstoffsäure, Salzsäure Eisenchlorid Eisenoxyd Eisenvitriol Kalisalpeter Kaliumchlorat Kaliumnitrat Kaliumpermanganat
AI2O3 NH4CI AS2O3 KOH NaOH HCN PbO Pb02 H3BO3 KCl CaClä NaCl HCl FeCl3 Fe203 FeSC>4 KNO3 KCIO3 KNO3 KMn04
Kalk Kochsalz Magnesia Magnesiumkarbonat Magnesiumsulfat Mennige Natriumbikarbonat Natriumhydroxyd Natronsalpeter Pottasche Quecksilberchlorid. Quecksilberchlorür Quecksilberoxyd Quecksilbersulfid Salmiak Salpetersäure Soda Tonerde Zinkchlorid Zinkoxyd
CaCOs NaCl MgO MgCC>3 MgS04 PbsCu NaHCCh NaOH NaNOs K2CO3 HgCL> Hg2Cta HgO HgS NHiCl HNO3 Na ä COs AL2O3 ZnCb ZnO
Was wir hier auf dieser Tabelle sehen, sind natürlich bei weitem nicht alle anorganischen chemischen Verbindungen. Es gibt deren noch viel mehr. Aber uns werden sie vorläufig einmal genügen. Da haben wir schon zu tun, bis wir sie alle in die richtige Gruppe eingeordnet haben. Es soll aber auch nur ein Ansporn sein, auch andere Ver30
bindungen, deren Formeln wir irgendwo zu Gesicht bekommen, mit den Augen des Chemikers zu betrachten und auf diese Weise auch zu verstehen.
* Nicht wahr — die Chemie ist keine Hexerei, ist auch gar nicht so nüchtern-mathematisch, wie es der Anblick so vieler Formeln befürchten ließ. Sie ist auch keine lebensferne Wissenschaft, wie mancher glaubt, sondern steht zu unserem täglichen Leben in vielen freundlichen und nützlichen Beziehungen. Landwirtschaft und Gartenbau, Medizin und Ernährungswirtschaft und der technische Fortschritt verdanken dem forschenden Chemiker viele ihrer Erfolge. Aber auch unser Wissen um die Natur wäre ohne die Chemie ewig Bruchstück geblieben. Sie ist ja eine der Naturwissenschaften, die uns zu all den Wundern der Schöpfung erst den Zugang erschlossen haben. In dieses Wunderreich wollte auch dieses Heftchen einführen und uns eine erste Anleitung geben, damit wir uns wenigstens einigermaßen darin zurechtfinden. Nun, da die Scheu vor dem chemischen Experimentieren und der so verzwickt klingenden Formelsprache überwunden ist, wird es uns leichter sein, tiefer einzudringen, weiterzuforschen, aufmerksamer zu beobachten. So werden sich uns immer neue Fragen aufdrängen. Wenden wir uns an die Natur — sie
wird
uns
Antwort
geben.
Das Bild auf der zweiten Umschlagseite gibt uns einen Einblick in die W e r k s t a t t eines Chemikers des 16. J a h r h u n d e r t s (oben) und in das „Labor" eines modernen chemisdien Großbetriebes (unten).
Umschlaggestaltung: Karlheinz Dobsky
Lux-Lesebagen
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(Chemie)
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Sfdd im 'Bilde 6einl Heute kann es sich niemand mehr leisten, auf den Gebieten der Naturwissenschaft und der Technik nicht oder schlecht unterrichtet zu sein, weil Naturwissenschaft und Technik das Gesicht unseres Weltbildes und den Ablauf unseres Alltags weitgehend bestimmen. Wer vorwärtskommen, wer etwas erreichen will, der muß sich der Fortschritte von Technik und Wissenschaft zu bedienen wissen! Und desJialb sollten auch Sie sich in allen Fragen der Naturwissenschaft und Technik zuverlässig und regelmäßig durch den ORION unterrichten lassen.
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