Doris Henne-Bruns, Bernd Kremer, Michael Dürig
Duale Reihe
Chirurgie
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Doris Henne-Bruns, Bernd Kremer, Michael Dürig
Duale Reihe
Chirurgie
Die überdurchschnittliche Ausstattung dieses Buches wurde durch die großzügige Unterstützung von einem Unternehmen ermöglicht, das sich seit Langem als Partner der Mediziner versteht.
Wir danken der
MLP Finanzdienstleistungen AG Nähere Informationen hierzu siehe am Ende des Buches.
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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Duale Reihe
Chirurgie Doris Henne-Bruns, Bernd Kremer, Michael Dürig unter Mitarbeit von: Harald Barth Maria Berend Arnd S. Böhle Felix Braun Alexander Brinkmann Dieter Bröring Hans-Dietrich Bruhn Jürgen Bruns Erol Cavus Jochen Cremer Peter Dohrmann J. Marek Doniec Michael Dürig Sylvia Engler Sandra Fraund Hinnerk Gebhardt Alexander Gerbes Horst Grimm Kunti Das Gupta Andreas Heckmann
Martin Heller Doris Henne-Bruns Stephan W. Hirt Herbert Hof Rainer Isenmann Hartmut Juhl Hans-Jürgen Kaatsch Hans-Jürgen Klomp Klaus Kramer Heike Kraemer-Hansen Bernd Kremer Thomas Kreusch Uwe Krüger Thomas Küchler Mathias Löhnert Jens Mayer Andreas Niederbichler Hans-Jörg Oestern Lutz Renders Horst Schaube
Jens Scheewe Wolfgang Schlosser Andreas Schmid Ralph Schön Jörg Schröder Wulf Seeling Marcus Spies Ludger Staib Peter Steffen Heidemarie Suger-Wiedeck Jürgen Tepel Ilka Vogel Peter M. Vogt Florian Wagner Heiner Wenk Anna Maria Wolf Fabian Wolfrum Peter Würl
3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 1900 Abbildungen, 311 Tabellen
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Begründer der Dualen Reihe und Gründungsherausgeber: Dr. med. Alexander Bob Dr. med. Konstantin Bob
Zeichnungen: Rose Baumann, Schriesheim; Barbara Gay, Stuttgart; Karin Baum, Paphos, Zypern Layout: Arne Holzwarth, Stuttgart Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe Umschlagfoto: ccvision GmbH, Freiburg Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
2001, 2008 Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14, D-70469 Stuttgart Unsere Homepage: www.thieme.de Printed in Germany 2008 Satz: Druckhaus Götz GmbH, Ludwigsburg Druck: Firmengruppe APPL, aprinta druck, Wemding ISBN 978-3-13-125293-7
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V
Vorwort Das bewährte Konzept der Dualen Reihen, den ständig zunehmenden Wissensstand übersichtlich zu vermitteln und eine schnelle und kompetente Orientierung zu ermöglichen, wurde mit der vorliegenden dritten Auflage des Lehrbuches der Chirurgie noch effektiver umgesetzt. Im neuen Layout mit vielen einprägsamen Zeichnungen, zahlreichen neuen klinischen und radiologischen Abbildungen sollen die wichtigsten Krankheitsbilder und aktuellen Behandlungsverfahren noch besser vermittelt werden. Die Integration des Repetitoriums ermöglicht darüber hinaus die bewährte rasche Wiederholung des Prüfungsstoffes. Angepasst an die aktuellen Kriterien der Approbationsordnung wurden einige Fachgebiete in der vorliegenden Auflage etwas verkürzt und andere Kapitel wie zur Adipositaschirurgie sowie zu allgemeinen Hinweisen zu operativen Eingriffen und zum Verhalten im OP aufgrund ihrer zunehmenden Bedeutung bzw. praktischen Relevanz neu in das Konzept integriert. Wir hoffen, dass das neue Layout zusammen mit der inhaltlichen Überarbeitung den gesetzten Erwartungen gerecht wird und den Studierenden einen noch einprägsameren Eindruck über das umfangreiche Gebiet der Chirurgie vermittelt. Wir hoffen darüber hinaus, dass das Buch auch dem Berufsanfänger unterschiedlicher medizinischer Disziplinen als kurzes Nachschlagewerk dienen kann. Da uns eine enge Zusammenarbeit mit den Lesern sehr wichtig ist, bitten wir Sie herzlich, regen Gebrauch von der Möglichkeit zu machen, uns Ihre Erfahrungen und konstruktive Kritik zu diesem Buch auch weiterhin mitzuteilen. Für die engagierte Mitarbeit an der neuen Auflage danken wir allen Autoren und den Mitarbeitern des Thieme-Verlages sowie Herrn Prof. Dr. H.-J. Brambs, Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum Ulm, für die Bereitstellung zahlreicher Abbildungen. Leider konnte Herr Prof. Dr. Michael Dürig das Erscheinen dieser Neuauflage, an deren Neu-Konzeption er sich sehr aktiv beteiligt hatte, nicht erleben. Herr Prof. Dürig verstarb im Juni 2004. September, 2007 Für die Herausgeber:
Prof. Dr. Doris Henne-Bruns
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Inhalt Vorwort
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Teil A 1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
1
Voraussetzungen für operative Eingriffe
1.1 1.1.1
Chirurgische Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Grundlagen der Schmerztherapie . . . . . . . . . . . . Aktuelle Anamnese – Frage nach wichtigen Leitsymptomen Persönliche Anamnese und Risikoanamnese . . . . . . . . . . . . . Familienanamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Körperliche Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Labordiagnostik und bildgebende Diagnostik . . . . . . . . . . . . Labordiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endosonographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konventionelle Röntgenuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Computertomographie (CT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magnetresonanztomographie (MRT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nuklearmedizinische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationsstellung und Beurteilung der Operabilität . . . . . . Qualitätsmanagement und Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . Indikationsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ambulante oder stationäre Operation? . . . . . . . . . . . . . . . . . Ambulante Operation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stationäre Operation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abklärung und Beurteilung der Operabilität . . . . . . . . . . . . . Lungenfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kardiovaskuläre Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nierenfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leberfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufklärung und Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalte des Aufklärungsgesprächs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umfang der Aufklärungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen für die Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anästhesiologische Betreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Präoperative Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anamnese und klinische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . Anästhesierisiko, operative Dringlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . Weiterführende Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswahl des Anästhesieverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anästhesieaufklärung und Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . Prämedikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gefäßzugänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Periphervenöser Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zentralvenöser Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeinanästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzip (Schritte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeinanästhesieverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Möglichkeiten der Beatmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eingesetzte Pharmaka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1.2 1.1.3
1.1.4 1.1.5 1.2 1.2.1 1.2.2
1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.5 1.5.1
1.5.2
1.5.3 1.5.4
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Inhalt
1.7.6
Regionalanästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückenmarknahe Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Periphere Verfahren – periphere Nervenblockaden (PNB) . . . . . Aufwachraum (AWR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fast-Track-Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumornachsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aspekte der Lebensqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Determinanten der Bewertung von Lebensqualität . . . . . . . . . . Bedeutung des Lebensqualitätskonzepts für die Chirurgie . . . . Messung von Lebensqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lebensqualitätsverläufe bei Patienten verschiedener Diagnosegruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kritische Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Der operative Eingriff
2.1 2.1.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6
Die Operationseinheit . . . . . . . . . . . . . . . Patientenvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . Richtiges Verhalten im OP . . . . . . . . . . . . Funktionskleidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgische Händedesinfektion . . . . . . . Anziehen von Kittel und Handschuhen . Richtige Handhaltung im OP . . . . . . . . . . Chirurgische Instrumente . . . . . . . . . . . . Instrumente zur Gewebedurchtrennung Fassende Instrumente mit Haltefunktion Statische Instrumente mit Haltefunktion Instrumente zur Blutstillung . . . . . . . . . . Instrumente zur Gewebevereinigung . . . Spezialinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
Perioperative Maßnahmen/Probleme
3.1 3.1.1
Perioperative Flüssigkeitstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perioperative Veränderungen des Wasser-, Elektrolyt- und SäureBasen-Haushalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veränderungen des Wasser- und Elektrolythaushalts . . . . . . . . . . Veränderungen des Säure-Basen-Haushalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perioperativer Flüssigkeitsbedarf – perioperative Infusionstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perioperative Volumentherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kristalloide Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Small Volume Resuscitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Künstliche kolloidale Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hydroxyethylstärke (HES) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gelatine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dextrane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Künstliche Sauerstoffträger (künstliches Blut) . . . . . . . . . . . . . . . Therapie mit Blutkomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen der Transfusionstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationen für eine Transfusionstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchführung einer Bluttransfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.5.5
1.5.6 1.6 1.6.1 1.6.2 1.6.3 1.7 1.7.1 1.7.2 1.7.3 1.7.4 1.7.5
3.1.2 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3
3.2.4 3.2.5
. . . . . . . . . . . . . .
35 35 36 39 41 42 42 43 43 44 44 44 47 47
.... ....
48 50
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52 53 55 55 55 56 57 58 58 60 61 61 62 63
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64
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64 64 64
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65 67 67 68 69 69 69 70 70 70 71 71 71 72
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VII
2 Der operative Eingriff
3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
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VIII
Inhalt
3.3 3.3.1 3.3.2
3.3.3
3.3.4 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3
3.4.4 3.4.5 3.4.6 3.4.7 3.4.8
3.4.9
3.5 3.5.1
3.5.2
3.5.3
Herstellung, Konservierung und Lagerung von Blutbestandteilen Zelluläre Präparate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Plasmapräparate (natürliche Kolloide) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gefahren der Bluttransfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliche Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schmerztherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Grundlagen der Schmerztherapie . . . . . . . . . . . . . . . . Analgetika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nichtopioidanalgetika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Opioidanalgetika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Koanalgetika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adjuvanzien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perioperative Schmerztherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konventionelles Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patientenkontrollierte Analgesie (PCA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumorschmerztherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komponenten der Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postaggressionsstoffwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typische Stoffwechselveränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterschiede zum Hungerstoffwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mangelernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frühe enterale Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fast-Track-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homecare-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enterale Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sondenernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zugangswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen bei der enteralen Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . Parenterale Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Infusionstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parenterale Ernährung im Postaggressionsstoffwechsel . . . . . . . . Parenterale Ernährung bei Nieren- und Leberinsuffizienz . . . . . . . Komplikationen bei der parenteralen Ernährung . . . . . . . . . . . . . . Monitoring der parenteralen Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blutgerinnung, Thrombose, Embolie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blutgerinnung und Fibrinolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathophysiologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologische Blutungsneigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Störungen der Gerinnungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Störungen des thrombozytären Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Störungen der Blutgefäße (Vasopathien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thrombose und Embolie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lungenembolie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phlegmasia coerulea dolens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paget-von-Schroetter-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Medikamentöse Prophylaxe und Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thrombininhibitoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kumarine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fibrinolysetherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thrombozytenfunktionshemmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Therapiemaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
4
Minimal-invasive Chirurgie
4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operative Prinzipien, technische und apparative Ausstattung Pathophysiologische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vor- und Nachteile, laparoskopiespezifische Komplikationen .
5
Wunde
5.1 5.1.1 5.1.2
..........................
135
. . . .
135 135 136 137
...............................................
138
5.4.3 5.4.4 5.4.5
Wundheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phasen der Wundheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formen der Wundheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Primärheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzögerte Primärheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sekundärheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regenerative Wundheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wundarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Traumatische Wunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechanische Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thermische Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzungen durch elektrischen Strom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chemische Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strahlenschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Iatrogene Wunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chronische Wunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einflussfaktoren auf die Wundheilung und Wundheilungsstörungen Wundbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipien der Wundbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wundverschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nahtmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nahttechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wundverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wunddrainage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vakuumtherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
138 138 138 139 140 140 141 142 142 142 146 147 148 148 149 149 151 153 153 154 154 156 157 158 159
6
Infektiologie
6.1 6.1.1
Asepsis, Antisepsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methoden der Asepsis und Antisepsis . . . . . . . . . . Sterilisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Desinfektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Infektiöser Hospitalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgische Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Infektionslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . Lokale versus systemische Infektionen . . . . . . . . . . Prädispositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik chirurgischer Infektionen . . . . . . . . . . . Prinzipien der Therapie chirurgischer Infektionen . Leitsymptom postoperatives Fieber . . . . . . . . . . . . Typische postoperative Infektionen . . . . . . . . . . . . Wundinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harnwegsinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Infektionen durch Venenkatheter . . . . . . . . . . . . . . Pneumonien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intraabdominelle Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . Sepsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MRSA-Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2 5.2.1
5.2.2 5.2.3 5.3 5.4 5.4.1 5.4.2
6.2 6.3 6.3.1
6.3.2
6.3.3
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161
IX 4 Minimal-invasive Chirurgie
5 Wunde
6 Infektiologie
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Inhalt
X
6.3.4
6.3.5
6.3.6
6.3.7 6.4 6.4.1
6.4.2
7 Chirurgische Onkologie
Wichtige bakterielle Infektionen . . . . . . . . . . . . . Abszess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Empyem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erysipel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phlegmone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erysipeloid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Follikulitis, Furunkel, Karbunkel . . . . . . . . . . . . . Lymphangitis, -adenitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fremdkörperinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bissverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gangrän . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gasbrand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tetanus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tuberkulose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktinomykose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nekrotisierende Fasziitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Milzbrand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wunddiphtherie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Syphilis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtige virale Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . Human Immunodeficiency Virus (HIV) . . . . . . . Hepatitis B, C und D . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tollwut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parasitäre Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Echinokokkose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Amöbiasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Askariasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pilzinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antibiotika in der Chirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biologie der Antibiotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswahlkriterien für das richtige Antibiotikum . Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prophylaxe von Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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201
7
Chirurgische Onkologie
7.1 7.1.1 7.1.2 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.3 7.3.1 7.3.2 7.4 7.5 7.5.1
Biologisches Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . Benigne Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maligne Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typisierung maligner Tumoren . . . . . . . . Karzinome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sarkome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik und Klassifikation . . . . . . . . . Tumorgrading . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumorstaging . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumormarker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumorigenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karzinogene Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . Therapiebedingte Tumoren . . . . . . . . . . . Psychische Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungsstufen bösartiger Tumoren Präkanzerosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carcinoma in situ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mikroinvasives Karzinom . . . . . . . . . . . . Tumorimmunologie . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.5.2
7.5.3
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
7.5.4 7.5.5 7.6 7.6.1 7.6.2 7.6.3 7.6.4 7.6.5 7.6.6 7.6.7 7.7 7.7.1 7.7.2
Theorie der Tumorentstehung . . Metastasierung . . . . . . . . . . . . . Therapie maligner Tumoren . . . Chirurgische Therapie . . . . . . . . Chemotherapie . . . . . . . . . . . . . . Strahlentherapie . . . . . . . . . . . . Multimodale Therapiekonzepte Palliative Therapieverfahren . . . Prognose und Therapieerfolg . . Psychische Betreuung . . . . . . . . Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
Schock
8.1 8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.3 8.3.1 8.3.2 8.3.3 8.4 8.4.1 8.4.2 8.4.3 8.4.4 8.4.5
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regulationsstörung der Makrozirkulation Regulationsstörung der Mikrozirkulation . MODS (Mehrorgandysfunktionssyndrom) Allgemeine Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . Schockdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapiemaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . Schockformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypovolämischer Schock . . . . . . . . . . . . . . Kardiogener Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . Septischer Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anaphylaktischer Schock . . . . . . . . . . . . . . Neurogener Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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211 212 213 214 215 216 217 217 219 219 220 220 220
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222
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237
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237 237 237 237 238 238 239 240 240 240 242 246 247 247 249 251 251 252 252 254
..
254
. . . . . . . . . . . . . . .
XI
8 Schock
Teil B 1 1.1 1.1.1 1.1.2
1.1.3
1.1.4 1.1.5
1.1.6
1.1.7
Viszeralchirurgie
................................... Endoskopie in der Chirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines und Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fremdkörperentfernung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art der Fremdkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spontanverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikation zur endoskopischen Entfernung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgehen bei der endoskopischen Fremdkörperentfernung . . . . . Ergebnisse der Endoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ösophagusstenosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benigne Strikturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maligne Stenosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopische Therapie des Zenker-Divertikels . . . . . . . . . . . . . . Therapie von Ösophagus- bzw. Fundusvarizen . . . . . . . . . . . . . . . Behandlungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgehen bei Varizenblutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicht varizenbedingte Blutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbereitung auf die Endoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopische Therapiemöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgehen nach endoskopischer Blutstillung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopische Mukosaresektion bzw. endoskopische submuköse Dissektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 Viszeralchirurgie
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XII
Inhalt
1.1.8
1.1.9
1.1.10
1.1.11 1.2 1.2.1
1.2.2
1.2.3
1.2.4
1.2.5
1.2.6
1.2.7
1.2.8 1.2.9
1.3 1.3.1 1.3.2
1.3.3 1.3.4 1.3.5
Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) . . . . . . . . . . . . . . . . . PEG-Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopische Therapie an der Papilla Vateri und am Gallengangsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopische Papillotomie (EPT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopische Papillektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopische Steinextraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gallengangsdrainage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopische Therapie am Pankreas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopische Papillotomie (EPT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pankreasgangdrainage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entfernung von Pankreasgangsteinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drainage von Pseudozysten und Abszessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fistelverklebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polypektomie im Gastrointestinaltrakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ösophagus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Topographische Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionelle Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Röntgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endosonographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Computer-(CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) . . . . . . . . Ösophagusmanometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . pH-Metrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Missbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ösophagusatresie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dysphagia lusoria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ösophagitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Plummer-Vinson-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motilitätsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Krikopharyngeale Achalasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Achalasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Idiopathischer Ösophagusspasmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gastroösophagealer Reflux und Kardiainsuffizienz . . . . . . . . . . . . . Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fremdkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Laugen- und Säureverätzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Divertikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zenker-Divertikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Traktionsdivertikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epiphrenales Divertikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hernien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benigne Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maligne Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwerchfell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwerchfellhernien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angeborene Hernien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hiatushernien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwerchfellruptur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Relaxatio diaphragmatica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
Inhalt
Magen und Duodenum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anatomie und Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Topographische Anatomie des Magens . . . . . . . . . . . . . . . Topographische Anatomie des Duodenums . . . . . . . . . . . Physiologie und Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.2 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Röntgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionsuntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.3 Leitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.4 Fehlbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.5 Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mallory-Weiss-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magen- und Duodenalruptur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verätzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fremdkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bezoar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.6 Gastritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezifische Gastritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unspezifische Gastritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.7 Ulkuskrankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akute Ulzera . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chronische Ulzera . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie der Ulkuskrankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.8 Magentumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benigne Magentumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gastrointestinale Stromatumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maligne Magentumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.9 Tumoren des Duodenums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benigne Duodenaltumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maligne Duodenaltumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.10 Syndrome nach Operationen am Magen . . . . . . . . . . . . . Frühdumpingsyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spätdumpingsyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postvagotomie-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlingensyndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magenstumpfkarzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rezidivulkus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulcus pepticum jejuni . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Refluxgastritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Dünndarm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physiologie und Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.2 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.3 Malassimilationssyndrom (Maldigestion/Malabsorption) Blindsacksyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurzdarmsyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strahlenenteropathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.4 Fehlbildungen und Lageanomalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.5 Dünndarmdivertikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Meckel-Divertikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.6 Divertikulose des Dünndarms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.7 Entzündungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Morbus Crohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dünndarmtuberkulose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 1.4.1
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XIV
Inhalt
1.5.8 1.5.9 1.5.10 1.5.11
1.5.12 1.5.13
1.5.14 1.5.15
1.6 1.6.1 1.6.2
1.6.3
1.7 1.7.1
1.7.2 1.7.3
1.7.4
1.7.5
1.7.6 1.7.7
1.7.8
Dünndarmulzera . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pneumatosis cystoides intestinalis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dünndarmfisteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dünndarmtumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benigne Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maligne Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gastrointestinale Stromatumoren (GIST) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karzinoid-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intestinale Ischämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stumpfe und perforierende Bauchverletzungen . . . . . . . . . . . . . . Mesenterialverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fremdkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dünndarmoperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dünndarmresektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dünndarmstomata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Laparoskopische Adhäsiolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Appendix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Appendizitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Atypische Appendizitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chronische Appendizitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Primäre maligne Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karzinoid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muzinöses Zystadenokarzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adenokarzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kolon und Rektum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinische Leitsymptome von Dickdarmerkrankungen . . . . . . . . . Diagnostische Verfahren bei Dickdarmerkrankungen . . . . . . . . . Kongenitale Fehlentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Divertikulose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Divertikulitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Colitis ulcerosa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Morbus Crohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ischämische Kolitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pseudomembranöse Kolitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dickdarmtumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kolonpolypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neoplastische Kolonpolypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kolorektales Karzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karzinoid des Rektums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intestinale Polyposis-Syndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Familiäre adenomatöse Polyposis-Syndrome . . . . . . . . . . . . . . . . Familiäre hamartomatöse Polyposis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicht familiäre gastrointestinale Polyposis . . . . . . . . . . . . . . . . . Intestinale Non-Polyposis-Syndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Kolon- und Rektumerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angiodysplasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kolonvolvulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rektumprolaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chronische Verstopfung des Erwachsenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rektumverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Laparoskopische bzw. laparoskopisch assistierte Kolonchirurgie
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Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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1.8 1.8.1 1.8.2 1.8.3
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Anus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anatomie und Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Proktologische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen des anorektalen Bereichs . . . . . . . . . . . . . . . . Hämorrhoiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perianalvenenthrombose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marisken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypertrophe Analpapillen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kondylome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündliche Erkrankungen des Analbereichs . . . . . . . . . . . Analkryptitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Analpapillitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Analfissur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Analfistel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Analabszesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sinus pilonidalis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dermoidfistel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pyodermia fistulans sinifica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fournier-Gangrän . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Proktitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezifische Proktitiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Radiogene Proktitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Venerisch induzierte Proktitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulcus recti simplex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perianaldermatitis (Analekzem) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prolaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Analprolaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rektumprolaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumoren des Analbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Analkarzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seltene Tumoren des Analbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Defäkationsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Incontinentia alvi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Obstipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anorektale Schmerzsyndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kokzygodynie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Proctalgia fugax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Analneurosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gallenblase und Gallenwege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Topographische Anatomie der Gallenblase und Gallenwege Physiologie und Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsymptom Ikterus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsymptom rechtsseitiger Oberbauchschmerz . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Labordiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildgebende Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipien der operativen Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cholezystektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Choledochotomie und Choledochusrevision . . . . . . . . . . . . . T-Drainage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biliodigestive Anastomosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopische Eingriffe an der Papille . . . . . . . . . . . . . . . . . Papillenplastik und Papillenresektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . Palliative operative Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anomalien der Gallenblase und Gallengänge . . . . . . . . . . . . Gallengangszysten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Caroli-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1.11 1.11.1 1.11.2 1.11.3 1.11.4
1.11.5 1.12 1.12.1
1.12.2
Cholezysto-/Choledocholithiasis . . . . . . . . . . . . . Ätiologie und Pathogenese der Steinbildung . . . Cholezystolithiasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Choledocholithiasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typische Folgeerkrankungen/Komplikationen . . Cholezystitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akute Cholezystitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chronische Cholezystitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Posttraumatische Cholezystitis . . . . . . . . . . . . . . Cholangitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gallengangsstrikturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Papillenstenose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumoren der Gallenblase und Gallenwege . . . . . Benigne Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maligne Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Papillentumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benigne Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maligne Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anatomie der Leber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathophysiologie der Leber . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anamnese und klinische Untersuchung . . . . . . . Labordiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildgebende Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lebertumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumorartige Läsionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benigne Lebertumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maligne Lebertumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapieverfahren an der Leber . . . . . . . . . . . . . Operative Therapieverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . Grundprinzipien der Operationstechnik . . . . . . . Palliative und adjuvante Therapieverfahren . . . . Lebertrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und Schweregrade . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezielle Komplikationen in der Leberchirurgie Pleuraerguss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abszess, Sepsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postoperative Leberinsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . Letalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Portale Hypertension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klassifikation und Pathophysiologie . . . . . . . . . . Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie bei gastroösophagealen Varizen . . . . . . Primärprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akute Varizenblutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prophylaxe der Rezidivblutung . . . . . . . . . . . . . . Therapie des Aszites . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pankreas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Topographische Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gefäßversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lymphabfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pankreasgangsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fehlbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pancreas divisum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pancreas anulare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ektopes Pankreas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
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Pankreasagenesie/Pankreashypoplasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pankreaszysten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exokrines Pankreas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endokrines Pankreas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angeborene Pankreaserkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pankreatitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akute Pankreatitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chronische Pankreatitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pankreasverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pankreastumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benigne Pankreastumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maligne Pankreastumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Milz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgische Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionelle Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen des Milzverlustes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postsplenektomiesepsis/OPSI-Syndrom (overwhelming postsplenectomy infection) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Apparative Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen der Milz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Splenomegalie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypersplenismus (Hyperspleniesyndrom) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenständige Erkrankungen der Milz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Milzruptur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Milzbeteiligung an hämatologischen Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . Idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP; Morbus Werlhof) Hämolytische Anämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maligne Lymphome, chronisch lymphatische Leukämie (CLL) und Haarzell-Leukämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationen an der Milz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Milzerhaltende Operationstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Splenektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akutes und unklares Abdomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Topographische Differenzialdiagnose des akuten Abdomens . . . . . . Notfalldiagnostik und Sofortmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anamnese und klinische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Labordiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildgebende Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Therapieprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intraabdominelle Ursachen eines akuten Abdomens . . . . . . . . . . . . . Ileus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peritonitis und Perforation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abszesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchblutungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abdominaltrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perforierendes Abdominaltrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gynäkologische Ursachen eines akuten Abdomens . . . . . . . . . . . . . . Retroperitoneale Ursachen eines akuten Abdomens . . . . . . . . . . . . . Gefäßchirurgisch bedingte Ursachen eines akuten Abdomens . . . . . Urologische Ursachen eines akuten Abdomens . . . . . . . . . . . . . . . . . Veränderungen des Lymphsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Extraabdominelle Ursachen eines akuten Abdomens . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
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Adipositaschirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition und Klassifikation der Adipositas . . . . . . . . . . . . . . . . Epidemiologie der Adipositas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ätiologie und Pathogenese der Adipositas . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationsstellung für einen adipositaschirurgischen Eingriff . . Präoperative Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magenschrittmacher – Implantable Gastric Stimulator (IGS®) . . Rein restriktive Operationsverfahren: Gastroplastik und Gastric Banding . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Restriktion mit geringer Malabsorption: Magenbypass . . . . . . . . Malabsorptionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswahl der geeigneten Methode und Nachsorge . . . . . . . . . . . . Hals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anatomie des Halses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Halsregionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Halsfaszien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eingeweidestrang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitungsbahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lymphknoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schilddrüsenerkrankungen (Struma) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Halszysten und -fisteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumoren der Halsregion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perforierende Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andere Verletzungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endokrine Chirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schilddrüse und Nebenschilddrüse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Makroanatomie der Schilddrüse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mikroanatomie und Physiologie der Schilddrüse . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Diagnostik der Schilddrüse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsymptome der Schilddrüsenerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . Krankheitsbilder der Schilddrüse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maligne Schilddrüsentumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anatomie der Nebenschilddrüse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Diagnostik der Nebenschilddrüse . . . . . . . . . . . . . . . Leitsymptome der Nebenschilddrüse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Krankheitsbilder der Nebenschilddrüse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nebenniere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anatomie der Nebenniere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nebennierenrinde (NNR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Krankheitsbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nebennierenrindenkarzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumoren des Nebennierenmarks: Phäochromozytom . . . . . . . . . Hormoninaktive Nebennierentumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Retroperitoneum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik und Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operative Zugangswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezifische Erkrankungen des Retroperitoneums . . . . . . . . . . . . Entzündliche Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Retroperitoneale Blutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Brustdrüse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildgebende Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Histopathologische Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fehlentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wachstumsbedingte Fehlentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlagebedingte Fehlentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Laktationsbedingte Entzündungen (Mastitis puerperalis) . . . . . . . Laktationsunabhängige Entzündungen (Mastitis nonpuerperalis) Gutartige Erkrankungen der weiblichen Brust . . . . . . . . . . . . . . . . Mastopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fibroadenom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hamartom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adenom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lipom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zysten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sklerosierende Adenose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Milchgangspapillom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Milchgangsektasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mammakarzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lokalisation, Häufigkeitsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologisches Erscheinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prognosefaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumorausbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . TNM-Klassifikation (UICC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rezidive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachsorgemaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen der männlichen Brust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gynäkomastie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karzinom der männlichen Brust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bauchwand (Hernien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epidemiologie, Ätiologie und Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hernien der vorderen Bauchwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nabelschnurbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nabelbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epigastrische Hernie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rektusdiastase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hernien der Leistenregion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indirekter und direkter Leistenbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schenkelhernie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seltene Bruchformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spieghel-Hernie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hernia lumbalis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hernia obturatoria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hernia ischiadica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hernia perinealis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XIX
652 652 655 656 656 659 660 660 660 660 660 661 661 661 662 663 664 664 664 665 665 665 665 665 666 667 667 668 669 671 672 674 674 680 682 684 685 685 687 688 688 689 689 689 690 691 693 693 693 693 694 695 695 702 703 703 703 703 704 704
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XX
Inhalt
Innere Hernien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Narbenhernien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weichteiltumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gastroenteropankreatische neuroendokrine Tumoren (GEP-NET) Klassifikation und Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten in der Diagnostik und Therapie . . . . . . . . . . . . . Pankreas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magen und Duodenum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jejunum und Ileum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Appendix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kolon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rektum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lebermetastasen neuroendokriner Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . 1.21.2 Weichteiltumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Primärdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sekundärdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differenzialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Histopathologische Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stadieneinteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verlauf und Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.20.5 1.20.6 1.21 1.21.1
2 Traumatologie
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
704 706 707 707 707 709 709 709 712 713 713 713 714 714 714 714 716 717 718 723 723 724 724 728
.......................................
731
2
Traumatologie
2.1 2.1.1
Allgemeine Traumatologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frakturenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frakturmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frakturformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . AO-Klassifizierung der Frakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frakturen im Kindesalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fraktursymptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begleitverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Knochenheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frakturbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Untersuchungstechniken des Bewegungsapparates Gelenkverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Knorpelverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzungen der Bandstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Luxationen (Verrenkungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gelenkerguss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Osteitis/Osteomyelitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hämatogene Osteomyelitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Posttraumatische und postoperative Osteitis . . . . . . . . . . . . . . . Gelenkinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzungen und Erkrankungen der Weichteile . . . . . . . . . . . . Verletzungen der Muskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sehnenverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schleimbeutelentzündungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezielle Traumatologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schultergürtel und Oberarm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sternoklavikulargelenkluxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klavikulafraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akromioklavikulargelenkluxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.2 2.1.3
2.1.4
2.1.5 2.1.6
2.2 2.2.1
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
2.2.2
2.2.3 2.2.4
2.2.5
2.2.6
2.2.7
2.2.8
Skapulafraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schultergelenkluxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Impingementsyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tendinitis und Ruptur der Bizepssehne . . . . . . . . . . . Humeruskopffraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kindliche proximale Oberarmfrakturen . . . . . . . . . . . Humerusschaftfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Distale Oberarmfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kindliche distale Humerusfrakturen . . . . . . . . . . . . . . Ellenbogengelenk und Unterarm . . . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ellenbogengelenkluxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epicondylitis humeri radialis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Olekranonfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Radiusköpfchenfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Radiushalsfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterarmschaftfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterarmluxationsfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Distale Radiusfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kindliche distale Unterarmfrakturen . . . . . . . . . . . . . Handgelenk und Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzungen der oberen Halswirbelsäule . . . . . . . . . Verletzungen der unteren Halswirbelsäule . . . . . . . . . Verletzungen der Brust- und Lendenwirbelsäule . . . . Neurologische Zusatzverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . Becken und Oberschenkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beckenfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplexe Beckentraumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchungstechniken am Hüftgelenk . . . . . . . . . . Hüftgelenkluxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Proximale Femurfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberschenkelschaftfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Distale Oberschenkelfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kniegelenk und Unterschenkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ligamentäre Verletzungen des Kniegelenkes . . . . . . . Kniegelenkluxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Meniskusverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patellaluxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patellafraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rupturen der Quadrizeps- und Patellarsehne . . . . . . . Unterschenkelfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprunggelenk und Fuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Achillessehnenruptur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bandverletzungen am Sprunggelenk . . . . . . . . . . . . . Talusluxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprunggelenkfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fußwurzelfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zehenfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polytrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Maßnahmen an der Unfallstelle . . . . . . . Spezielle präklinische Maßnahmen beim Polytrauma Diagnostik in der Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie in der Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XXI
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XXII
Inhalt
3 Verbrennungen
3
Verbrennungen
......................................
906
3.1 3.1.1
3.4.3
Verbrennungstiefe und Oberflächenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmung der Verbrennungstiefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbrennungen 1. Grades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbrennungen 2. Grades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbrennungen 3. Grades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberflächenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neuner-Regel nach Wallace . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handflächenregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lund-Browder-Tabelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schweregrade von Brandverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lokale Folge der Verbrennung – die Verbrennungswunde . . . . . . . . Systemische Folgen der Verbrennung – SIRS, Verbrennungskrankheit Präklinische Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sofortmaßnahmen im Rahmen der Ersten Hilfe . . . . . . . . . . . . . . . . Primärversorgung durch den Arzt bzw. Notarzt . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Versorgung des Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ambulante oder stationäre Versorgung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versorgung der Verbrennungswunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinigung der Wunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nichtoperative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinischer Verlauf und Intensivtherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
907 907 907 907 909 910 910 910 910 910 912 913 913 915 915 915 916 917 918 918 919 920 923
4
Thoraxchirurgie
4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3
Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . Topographische Anatomie der Pleurahöhle . . Topographische Anatomie des Mediastinums Lunge und Bronchialsystem . . . . . . . . . . . . . . Lobus venae azygos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gefäße und Lymphbahnen . . . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen der Lunge . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kongenitale Fehlbildungen . . . . . . . . . . . . . . . Zystisch adenomatoide Lungenfehlbildungen Bronchogene Zyste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lungensequester . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arteriovenöse Malformation . . . . . . . . . . . . . . Kongenitales lobäres Emphysem . . . . . . . . . . . Entzündliche Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . Pneumonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lungenabszess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aspergillom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parasitose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bronchiektasien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mukoviszidose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mittellappensyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lungentuberkulose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spontanpneumothorax . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung . . . Neubildungen der Lunge . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitbefund Rundherd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bronchialkarzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1.2
3.1.3 3.2 3.2.1 3.2.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.4 3.4.1 3.4.2
4 Thoraxchirurgie
4.1.4 4.2 4.2.1
4.2.2
4.2.3
4.2.4 4.2.5 4.2.6
...................................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
Inhalt
4.3 4.3.1
4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5 4.3.6
4.3.7
4.4 4.4.1
4.4.2
4.4.3 4.4.4 4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.3 4.5.4 4.5.5
4.5.6
Erkrankungen von Brustwand und Pleura Pleuraerguss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technik der Pleurapunktion . . . . . . . . . . . Technik der Bülau-Drainage . . . . . . . . . . . Monaldi-Drainage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pleurodese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pleuraempyem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hämatothorax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chylothorax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumoren der Pleura . . . . . . . . . . . . . . . . . . Malignes Pleuramesotheliom (MPM) . . . . Tumoren der Thoraxwand . . . . . . . . . . . . . Benigne Tumoren der Thoraxwand . . . . . . Maligne Tumoren der Thoraxwand . . . . . . Brustwanddeformitäten . . . . . . . . . . . . . . . Trichterbrust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kielbrust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sternumspalte und Rippenaplasie . . . . . . . Erkrankungen des Mediastinums . . . . . . . Mediastinitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akute Mediastinitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chronische Mediastinitis . . . . . . . . . . . . . . Tumoren des Mediastinums . . . . . . . . . . . Thymom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Myasthenia gravis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teratom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neurogene Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . Mediastinalemphysem . . . . . . . . . . . . . . . . Mediastinalverschiebung . . . . . . . . . . . . . . Thoraxtrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hautemphysem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mediastinalemphysem . . . . . . . . . . . . . . . . Lungenruptur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trachea- und Bronchusruptur . . . . . . . . . . Stumpfes Thoraxtrauma . . . . . . . . . . . . . . Rippenfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lungenkontusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sternumfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Penetrierendes Thoraxtrauma . . . . . . . . . . Traumatischer Pneumothorax . . . . . . . . . .
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5
Herzchirurgie
........................................
994
5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3
Grundlagen der Herzchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Präoperative Vorbereitung kardialer Eingriffe im Erwachsenenalter Prinzip der extrakorporalen Zirkulation (EKZ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Myokardprotektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kardioplegie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypothermie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Standardverfahren der EKZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zugangswege zum Herzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kanülierungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Assistierte Zirkulation und Kunstherz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intraaortale Ballongegenpulsation (IABP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) . . . . . . . . . . . . . . . . . Assist Devices . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezielle Probleme nach Herzoperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5.1.4
5.1.5
5.1.6
XXIII
5 Herzchirurgie
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XXIV
Inhalt
5.2 5.2.1
5.2.2
5.2.3
5.3 5.3.1 5.3.2
5.3.3
5.4 5.4.1 5.5 5.5.1 5.5.2 5.6 5.7 5.7.1 5.7.2 5.7.3 5.8 5.8.1
5.8.2 5.9 5.9.1
5.9.2
5.9.3
Low-Output-Syndrom (LOS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postoperative Ischämie, Myokardinfarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postoperative Hypertension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postoperative Hypotension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Respiratorische Insuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postoperative Blutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perikardtamponade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transfusionsreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herzrhythmusstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erworbene Herzklappenfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vitien der Aortenklappe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aortenklappenstenose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aortenklappeninsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vitien der Atrioventrikularklappen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitralklappenstenose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitralklappeninsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trikuspidalklappeninsuffizienz/-stenose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herzklappenoperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klappenerhaltende Operationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herzklappenersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Koronare Herzkrankheit (KHK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Krankheitsbild der KHK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationsverfahren bei KHK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzip der aortokoronaren Bypassoperation . . . . . . . . . . . . . . . . Aortokoronare Bypassoperationen mit Herz-Lungen-Maschine . Aortokoronare Bypassoperationen ohne Herz-Lungen-Maschine Chirurgisch behandelbare Komplikationen der KHK . . . . . . . . . . Herzwandaneurysmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ventrikelseptumdefekt (VSD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ventrikelperforation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionelle Papillarmuskelinsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumoren des Herzens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Myxom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen des Perikards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akute Perikarderkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chronische Perikarderkrankungen (Pericarditis constrictiva) . . . Verletzung des Herzens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thorakale Aneurysmen und Dissektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anatomie der thorakalen Aorta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aneurysma der thorakalen Aorta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aortendissektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgie bei Herzrhythmusstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herzschrittmacher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Symptomatische bradykarde Rhythmusstörungen . . . . . . . . . . . . Herzinsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operative Chirurgie von Rhythmusstörungen . . . . . . . . . . . . . . . Operative Therapie bei Vorhofflimmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angeborene Herzfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angeborene Herzfehler ohne Shunt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aortenisthmusstenose (ISTA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstrakts . . . . . . . . . . . Obstruktion des rechtsventrikulären Ausflusstrakts . . . . . . . . . . Angeborene Herzfehler mit Links-Rechts-Shunt . . . . . . . . . . . . . Ductus arteriosus persistens (PDA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorhofseptumdefekt (ASD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ventrikelseptumdefekt (VSD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angeborene Herzfehler mit Rechts-Links-Shunt . . . . . . . . . . . . . Pulmonalstenose mit VSD (Fallot-Tetralogie) . . . . . . . . . . . . . . . . Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt . . . . . . . . . . . . . . . .
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1001 1002 1002 1002 1002 1002 1003 1003 1003 1003 1003 1003 1003 1005 1006 1006 1007 1009 1010 1010 1010 1012 1012 1015 1015 1016 1016 1018 1018 1018 1019 1019 1019 1020 1020 1020 1021 1022 1022 1022 1022 1025 1028 1028 1029 1030 1031 1031 1031 1032 1032 1034 1035 1037 1037 1038 1040 1042 1042 1044
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
Inhalt
Trikuspidalatresie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionell univentrikuläre Herzfehler . . . Ebstein-Anomalie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transpositionen der großen Arterien (TGA) Double outlet right ventricle (DORV) . . . . . Truncus arteriosus communis . . . . . . . . . . . Totale Lungenvenenfehlmündung (TAPVD) Seltene komplexe Herzfehler . . . . . . . . . . .
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1044 1046 1047 1047 1050 1051 1052 1053
6
Kinderchirurgie
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1055
6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.1.5 6.1.6 6.1.7 6.1.8 6.1.9 6.1.10 6.1.11 6.1.12 6.1.13 6.1.14 6.1.15 6.1.16 6.1.17 6.1.18 6.1.19 6.1.20 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.2.5 6.2.6 6.2.7 6.2.8 6.2.9 6.2.10 6.2.11 6.2.12 6.2.13 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4 6.4.5 6.4.6 6.4.7
Angeborene Fehlbildungen und Erkrankungen des Neugeborenen . Halszysten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Halsfisteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ösophagusatresie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kongenitale Zwerchfelldefekte/-hernien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brustwanddeformitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Relaxatio diaphragmatica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angeborene Bauchwanddefekte (Omphalozele/Gastroschisis) . . . . . Lageanomalien des Magen-Darm-Traktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Duplikaturen des Magen-Darm-Traktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Duodenalatresie/-stenose, Pancreas anulare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jejunum-, Ileum- und Kolonatresien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anal- und Rektumatresie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mekoniumileus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nekrotisierende Enterokolitis (NEC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zystisches Lymphangiom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lungenhypoplasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kongenitale zystisch-adenomatoide Malformation . . . . . . . . . . . . . . Kongenitales lobäres Emphysem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bronchogene Zysten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lungensequestration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kinderchirurgische Erkrankungen des Säuglings und des Kleinkindes Hypertrophe Pylorusstenose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gastroösophagealer Reflux und Hiatushernie . . . . . . . . . . . . . . . . . . Invagination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aganglionose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistenhernie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hydrozele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nabelhernie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Supraumbilikale und epigastrische Hernien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urachusfistel, Urachuszyste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ductus omphaloentericus, Meckel-Divertikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maldescensus testis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phimose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hodentorsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Onkologie in der Kinderchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neuroblastom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nephroblastom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keimzelltumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hepatoblastom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urologie in der Kinderchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kongenitale zystische Nierenerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urethralklappen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ureterabgangsstenose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Uretermündungsstenose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Doppelniere (Doppelureter, Ureter duplex) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vesikoureteraler Reflux . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypospadie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6 Kinderchirurgie
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
XXVI
Inhalt
7 Gefäßchirurgie
7
Gefäßchirurgie
7.1 7.2 7.2.1 7.2.2
Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostische Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinisch-angiologische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Apparative und bildgebende Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicht invasive Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Invasive Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gefäßchirurgische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Medikamentöse Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Radiologisch-interventionelle Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . Chirurgische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen in der Gefäßchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Extremitätenschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beinschwellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulkus, Gangrän . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen der Arterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akuter Arterienverschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akuter Extremitätenarterienverschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . Akrale Ischämiesyndrome: Raynaud-Phänomene . . . . . . . . . Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) . . . . . . . . . . Ischämiesyndrome der Viszeralarterien . . . . . . . . . . . . . . . . . Verschlussprozesse der Nierenarterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chronische Verschlussprozesse der supraaortalen Gefäße . . Karotisstenose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subklaviastenose (Subclavian-Steal-Syndrom) . . . . . . . . . . . . Thoracic-Outlet-Syndrom (TOS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aortenbogensyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arterielle Aneurysmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezielle Aneurysmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zystische Adventitiadegeneration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Popliteales Entrapmentsyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arteriovenöse Fisteln (AV-Fisteln) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hämodialyse-Shunt (Sonderform der AV-Fistel) . . . . . . . . . . Erkrankungen der Venen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezielle phlebologische Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Varikosis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thrombophlebitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderformen der Thrombophlebitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phlebothrombose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paget-von-Schroetter-Syndrom, Phlegmasia coerulea dolens Postthrombotisches Syndrom (PTS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen der Lymphgefäße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lymphangitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lymphödem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gefäßverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzungen der Arterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzungen der Venen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzungen von Lymphgefäßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gefäßfehlbildungen und -tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angiodysplasien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angiektasien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gutartige Gefäßtumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hämangiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Semimaligne/maligne Gefäßtumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glomus caroticum Tumor (Chemodektom) . . . . . . . . . . . . . .
7.2.3
7.3
7.4 7.4.1
7.4.2
7.4.3
7.4.4
7.4.5 7.5 7.5.1 7.5.2 7.5.3 7.5.4 7.5.5 7.5.6 7.5.7 7.6 7.6.1 7.6.2 7.7 7.7.1 7.7.2 7.7.3 7.8 7.8.1 7.8.2 7.8.3 7.8.4
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Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
Inhalt
7.9 7.10 7.11
Entzündliche Gefäßerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gefäßinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herzschrittmacher, Portkatheter und Zugänge zum Gefäßsystem . .
8
Plastische Chirurgie
8.1 8.1.1 8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.3 8.3.1 8.3.2
8.6 8.6.1 8.6.2 8.6.3 8.6.4 8.6.5
Wundbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Atypische Wundheilung, Narben, Tätowierungen Keloide, hypertrophe Narbenbildung . . . . . . . . . . Narben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tätowierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Plastisch-chirurgische Techniken . . . . . . . . . . . . . . Exzisionen und Plastiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freies Hauttransplantat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spalthauttransplantate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollhauttransplantate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hautlappen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weichteillappen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fasziokutanlappen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muskellappen und myokutane Lappen . . . . . . . . . Kombinierte Lappenplastiken . . . . . . . . . . . . . . . . Insellappen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rotationslappen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewebeexpander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lokale Lappenplastiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bauchwandrekonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . Plastische Chirurgie der weiblichen Brust . . . . . . Augmentationsplastik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reduktionsplastik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brustrekonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autologe Rekonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heterologe Rekonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ästhetische Chirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blepharoplastik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rhinoplastik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otoplastik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Facelift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fettabsaugung (Liposuktion, Suction lipectomy)
9
Handchirurgie
9.1 9.1.1 9.1.2 9.1.3 9.2 9.2.1 9.2.2 9.2.3 9.2.4 9.3 9.3.1
Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Innervation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intrinsisches und extrinsisches System . . . . . . . . . . . . . Funktionelle knöcherne Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Objektivierbare Messung von Bewegungsausmaßen . . . Grob- und feinmotorische Handgriffe . . . . . . . . . . . . . . . Bildgebende radiologische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . Weiterführende apparative Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine perioperative Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . Regionalanästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitungsanästhesie im Handwurzelbereich (Handblock) Ellenbogenbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitungsanästhesie der Fingernerven nach Oberst . . . . . Plexus-brachialis-Blockade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.3.3
8.4 8.5 8.5.1 8.5.2 8.5.3
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8 Plastische Chirurgie
9 Handchirurgie
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
XXVIII
Inhalt
9.6.6
Grundlagen der Handtherapie . . . . . . . . . . Ruhigstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prophylaxe posttraumatischer Ödeme . . . Frühfunktionelle Beübung . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen im Erwachsenenalter . . . . . Angeborene Erkrankungen . . . . . . . . . . . . Lunatumnekrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lokale, erworbene Erkrankungen . . . . . . . Erkrankungen der Sehnen . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen des Bindegewebes . . . . . . . Erkrankungen der Gelenke . . . . . . . . . . . . Tumoren der Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumoren des Nervengewebes . . . . . . . . . . Nervenengpass-Syndrome . . . . . . . . . . . . . Kompressionssyndrome des N. medianus Kompressionssyndrome des N. ulnaris . . . Kompressionssyndrome des N. radialis . . Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Panaritium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handphlegmone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzungen des Hautweichteilmantels . . Schnitt- und Risswunden . . . . . . . . . . . . . Defektverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Décollement-Verletzungen . . . . . . . . . . . . Verbrennungen und Erfrierungen . . . . . . . Lappenplastiken an der Hand . . . . . . . . . . Frakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kahnbeinfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mittelhandfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phalangenfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sehnenverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzungen der Strecksehnen . . . . . . . . . Verletzungen der Beugesehnen . . . . . . . . . Nerven- und Gefäßverletzungen . . . . . . . . Nervenverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gefäßverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nagelverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subunguales Hämatom . . . . . . . . . . . . . . . Nagelbettverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Amputationsverletzungen . . . . . . . . . . . . .
10
Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie . . . . . . . . . . . . . . . 1219
9.3.2
9.4 9.4.1 9.4.2
9.4.3
9.5 9.5.1 9.5.2 9.6 9.6.1
9.6.2
9.6.3
9.6.4
9.6.5
10 Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
Entzündungen . . . . . . . . . . . . Furunkel . . . . . . . . . . . . . . . . . Odontogene Abszesse . . . . . . Osteomyelitis . . . . . . . . . . . . . Aktinomykose . . . . . . . . . . . . Speicheldrüsenentzündungen Glandula parotis . . . . . . . . . . Glandula submandibularis . . 10.2 Zysten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.1 Kieferzysten . . . . . . . . . . . . . . 10.2.2 Weichteilzysten . . . . . . . . . . . 10.3 Gutartige Tumoren . . . . . . . . 10.3.1 Weichgewebetumoren . . . . . . Lymphangiom . . . . . . . . . . . . 10.1 10.1.1 10.1.2 10.1.3 10.1.4 10.1.5
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Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
Inhalt
10.6 10.6.1 10.6.2
Hämangiom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epulis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Knochentumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odontogene Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Odontom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Osteom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Speicheldrüsentumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . Adenome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bösartige Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haut- und Schleimhauttumoren . . . . . . . . . . Leukoplakie und Mundhöhlenkarzinom . . . . Basaliome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Malignes Melanom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Speicheldrüsentumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . Knochentumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesichtsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weichteilverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesichtsschädelfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . Mittelgesichtsfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jochbeinfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Orbitabodenfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkieferfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kiefergelenkfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Notversorgung bei Gesichtsschädelfrakturen Angeborene Fehlbildungen . . . . . . . . . . . . . . Lippen-Kiefer-Gaumenspalten . . . . . . . . . . . . Pierre-Robin-Sequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
Neurochirurgie
10.3.2
10.3.3 10.4 10.4.1
10.4.2 10.4.3 10.5 10.5.1 10.5.2
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1239
11.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Leitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.1 Störungen der Bewusstseinslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Koma-Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.2 Zentrale Dysregulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.3 Pupillomotorik und Hirnstammreflexe . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.4 Meningeale Reizerscheinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.5 Krampfanfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.1 Notfalldiagnostik und Erstversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.2 Spezielle Untersuchungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lumbalpunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subokzipitalpunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intrakranielle Druckmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.3 Bildgebende Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Native Röntgenaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Computertomographie (CT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magnetresonanztomographie (MRT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transkranielle Doppler-Sonographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Myelographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zerebrale Angiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nuklearmedizinische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.4 Neurophysiologische Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektroenzephalogramm (EEG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektromyographie (EMG) und Elektroneurographie (ENG) Evozierte Potenziale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transkranielle Magnetstimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.5 Hirnbiopsie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XXIX
11 Neurochirurgie
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XXX
Inhalt
11.4 Therapieverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.1 Neurochirurgische Operationstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.2 Strahlentherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perkutane Strahlentherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interstitielle Strahlentherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.3 Chemotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.4 Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5 Intrakranielle Drucksteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5.1 Blut-Hirn-Schranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5.2 Zerebrale Perfusion und Hirndruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5.3 Hirnödem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5.4 Hirndruckwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5.5 Medikamentöse Therapie der Hirndrucksteigerung . . . . . . . . . . Glukokortikoide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Osmotherapie – Osmodiuretika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zerebroprotektive Substanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5.6 Intensivmedizinische Behandlungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . Lagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beatmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Analgosedierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5.7 Operative Therapiemöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Externe Ventrikeldrainage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dekompressive Kraniektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dekompressive Lobektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5.8 Hirntod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6 Schädel-Hirn-Trauma (SHT) und Schädel-Hirn-Verletzung (SHV) 11.6.1 Klassifikation des SHT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzungsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6.2 Vorgehen bei Verletzten mit Schädel-Hirn-Trauma . . . . . . . . . . Rettungstransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6.3 Störungen der Atemfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6.4 Kreislaufstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6.5 Traumatisch bedingte Bewusstseinsstörungen . . . . . . . . . . . . . . Durchgangssyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewusstseinstrübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewusstlosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Koma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sekundäre traumatische Hirnstammsyndrome . . . . . . . . . . . . . Apallisches Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6.6 Verletzungen der Kopfschwarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6.7 Frakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Impressionsfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schädelbasisfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6.8 Intrakranielle Hämatome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epidurales Hämatom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subduralhämatom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intrazerebrales Hämatom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6.9 Gedecktes Schädel-Hirn-Trauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Commotio cerebri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Contusio cerebri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6.10 Offenes Schädel-Hirn-Trauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schussverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.7 Rückenmarktrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.7.1 Grundlagen und Pathogenese des Rückenmarktraumas . . . . . . Offene Rückenmarkverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gedeckte Rückenmarkverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.7.2 Klinische Symptomatik bei Rückenmarktrauma . . . . . . . . . . . . 11.7.3 Diagnostik bei Rückenmarktrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinische Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Apparative Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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11.7.4 Therapie bei Rückenmarktrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.7.5 Komplikationen, Rehabilitation und Prognose . . . . . . . 11.8 Hirntumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.8.1 Klassifikation der Hirntumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Astrozytome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oligodendrogliome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ependymome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Plexuspapillome und -karzinome . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumoren der Pinealisregion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glioblastome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Primitiv-neuroektodermale Tumoren (PNET) . . . . . . . Neurinome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Meningeome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maligne Lymphome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hämangioblastome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypophysenadenome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kraniopharyngeome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hirnmetastasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spinale Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.9 11.9.1 Extradurale Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirbelmetastasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.9.2 Intradurale extramedulläre Tumoren . . . . . . . . . . . . . . 11.9.3 Intramedulläre Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.9.4 Hydrocephalus occlusus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.9.5 Hydrocephalus malresorptivus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.9.6 Normaldruckhydrozephalus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.9.7 Hydrocephalus e vacuo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.9.8 Besonderheiten des Hydrozephalus im Säuglingsalter 11.9.9 Fehlbildungen des kraniozervikalen Übergangs . . . . . . Basiläre Impression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klippel-Feil-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.9.10 Dysrhaphische Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spina bifida . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seltene Fehlbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.9.11 Kraniostenosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.9.12 Aneurysmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subarachnoidalblutung (SAB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.9.13 Arteriovenöse Angiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.9.14 Seltene Gefäßmissbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.9.15 Prognose intrazerebraler Hämatome . . . . . . . . . . . . . . 11.9.16 Neurochirurgische Verfahren in der Schmerztherapie . 11.9.17 Schmerztherapie bei Trigeminusneuralgie . . . . . . . . . . 11.9.18 Spinale radikuläre Syndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zervikaler Bandscheibenvorfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zervikale Myelopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lumbaler Bandscheibenvorfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lumbale Spinalkanalstenose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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12
Transplantation
12.1 12.1.1 12.1.2 12.1.3 12.1.4 12.1.5 12.1.6 12.1.7
Allgemeine Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lebendorganspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verstorbenenorganspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hirntod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organisation der Organspende und Organtransplantation Organspendeoperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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12 Transplantation
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Inhalt
12.1.8 12.2 12.2.1 12.2.2
12.2.3
12.2.4
12.2.5
12.2.6
12.2.7 12.3 12.3.1
12.3.2 12.3.3 12.3.4
12.3.5 12.3.6
12.3.7
12.3.8
12.3.9 12.4 12.4.1
Gewebespende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transplantationsimmunologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transplantationsantigene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Immunantwort gegen Alloantigene . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkennungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Proliferationsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zerstörungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arten der Transplantatabstoßung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hyperakute Abstoßung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akute Abstoßung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chronische Abstoßung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akute humorale Abstoßung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reverse Transplantatreaktion (GVH) . . . . . . . . . . . . . . . . . Immunsuppression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Induktionstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erhaltungstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie der Abstoßungsreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . Immunsuppressive Medikamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steroide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Calcineurin-Inhibitoren (CNI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antimetabolite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leflunomid (FK778) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . mTOR- (= mammalian Target Of Rapamycin) Inhibitoren Antikörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Toleranz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überwachung der Abstoßungsreaktionen . . . . . . . . . . . . . Präoperative Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perioperative Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postoperative Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differenzialdiagnosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nierentransplantation (NTX) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nierenersatzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maschinelle Nierenersatzbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . Peritonealdialyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationen zur Nierentransplantation (NTX) . . . . . . . . . Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbereitung auf die Nierentransplantation . . . . . . . . . . . Diagnostische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Immunologische Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbereitung auf die Operation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postoperative Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeiner Behandlungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transplantatspezifische Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . Postoperative Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ischämieschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operativ-technische Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . Lymphogene Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vaskuläre Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urologische Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Immunologische Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Medikamenteninduzierte Komplikationen . . . . . . . . . . . . Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organspende bei AB0-Blutgruppeninkompatibilität . . . . Über-Kreuz-Spende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Resultate und Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lebertransplantation (LTX) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationen zur Retransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
12.4.2 Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4.3 Zeitpunkt der Transplantation . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4.4 Operationstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Standardtechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alternative Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4.5 Postoperative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postoperativer Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Medikamentöse Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4.6 Postoperative Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5 Pankreastransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5.1 Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formen der Pankreastransplantation . . . . . . . . . . . 12.5.2 Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5.3 Spenderkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5.4 Operationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5.5 Postoperative Maßnahmen und Therapie . . . . . . . . Medikamentöse Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5.6 Postoperative Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5.7 Postoperative Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5.8 Auswirkungen der Transplantation auf diabetische Spätkomplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6 Dünndarmtransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6.1 Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurzdarmsyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6.2 Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6.3 Zeitpunkt der Transplantation . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6.4 Operationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6.5 Postoperative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6.6 Postoperative Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . 12.7 Herz-/Lungentransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.7.1 Herztransplantation (HTX) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spenderkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postoperative Therapie und Komplikationen . . . . . Immunsuppression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abstoßungsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse und Langzeiterwartungen . . . . . . . . . . . 12.7.2 Lungen- und Herz-Lungentransplantation . . . . . . . Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spenderkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organentnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postoperative Behandlung und Komplikationen . . Ergebnisse und Langzeiterwartungen . . . . . . . . . . .
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1395
Quellenverzeichnis
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1397
Sachverzeichnis
Quellenverzeichnis Sachverzeichnis
XXXIII
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XXXIV Anschriften
Anschriften Dr. med. Harald Barth Klinik für Neurochirurgie Universitätsklinikum SchleswigHostein Campus Kiel Schittenhelmstraße 10 24105 Kiel
Prof. Dr. med. J. Bruns Schwerpunkt orthopädische Chirurgie Diakonie-Klinikum Hamburg Krankenhaus „Alten Eichen“ Jütländer Allee 48 22527 Hamburg
Dr. phil. Maria Berend Referenzzentrum Lebensqualität an der Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie Universitätsklinikum SchleswigHolstein Campus Kiel Arnold-Heller-Straße 7 24105 Kiel
Dr. med. Erol Cavus Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin Universitätsklinikum Kiel Schwanenweg 21 24105 Kiel
PD Dr. med. Arnd S. Böhle Klinik für Allgemeine Chirurgie und Unfallchirurgie Klinikum Links der Weser gGmbH Senator-Weßling-Straße 1 28277 Bremen Dr. med. Felix Braun Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie Universitätsklinikum SchleswigHolstein Campus Kiel Arnold-Heller-Straße 7 24105 Kiel Prof. Dr. med. Alexander Brinkmann Abteilung Anästhesie und operative Intensivmedizin Kliniken Heidenheim Schloßhaustraße 100 89522 Heidenheim
Prof. Dr. med. Jochen Cremer Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie Universitätsklinikum SchleswigHolstein Campus Kiel Arnold-Heller-Straße 7 24105 Kiel Prof. Dr. med. Peter Dohrmann Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie Universitätsklinikum SchleswigHolstein Campus Kiel Arnold-Heller-Straße 7 24105 Kiel Dr. med. J. Marek Doniec Praxis für Proktokologie und Endoskopie Prüner Gang 15 24103 Kiel Prof. Dr. med. Michael Dürig ✝
Prof. Dr. med. Dieter Bröring Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie Universitätsklinikum SchleswigHolstein Campus Kiel Schwanenweg 20 24105 Kiel
Dr. med. Sylvia Engler Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie (Sektion Kinderchirurgie) Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Kiel Schwanenweg 20 24105 Kiel
Prof. Dr. med. Hans-Dietrich Bruhn Klinik für Allgemeine Innere Medizin Universitätsklinikum SchleswigHolstein Campus Kiel Schittenhelmstraße 12 24105 Kiel
Dr. med. Sandra Fraund Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie Universitätsklinikum SchleswigHolstein Campus Kiel Arnold-Heller-Straße 7 24105 Kiel
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Anschriften
PD Dr. med. Hinnerk Gebhardt Chirurgische Klinik Knappschafts-Krankenhaus an der Klinik 10 66280 Sulzbach/Saar Prof. Dr. med. Alexander Gerbes Medizinische Klinik und Poliklinik II Klinikum der Universität München Campus Großhadern Marchioninistraße 15 81337 München PD Dr. med. Horst Grimm Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Kiel Arnold-Heller-Straße 7 24105 Kiel Dr. med. Kunti Das Gupta Praxis für Plastische und Handchirurgie Wellsring 43a 67098 Bad Dürkheim Dr. med. Andreas Heckmann Klinik und Poliklinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie Schwerbrandverletztenzentrum Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover Prof. Dr. med. Martin Heller Klinik für Diagnostische Radiologie Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Kiel Arnold-Heller-Straße 9 24105 Kiel Prof. Dr. med. Doris Henne-Bruns Klinik für Allgemein-, Viszeralund Transplantationschirurgie Universitätsklinikum Ulm Steinhövelstraße 9 89075 Ulm PD Dr. med. Stephan W. Hirt Klinik für Herz-, Thorax- und herznahe Gefäßchirurgie Universitätsklinikum Regensburg Franz-Josef-Strauß-Allee 11 93053 Regensburg Prof. Dr. med. Herbert Hof Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene Universitätsklinikum Mannheim Theodor-Kutzer-Ufer 1-3 68167 Mannheim
XXXV
PD Dr. med. Rainer Isenmann Abteilung für Viszeral- und Transplantationschirurgie Universitätsklinikum Ulm Steinhövelstraße 9 89075 Ulm Prof. Dr. med. Hartmut Juhl Indivumed GmbH Zentrum für Krebsforschung am Israelitischen Krankenhaus Hamburg Orchideenstieg 14 22297 Hamburg Prof. Dr. med. Dr. jur. Hans-Jürgen Kaatsch Institut für Rechtsmedizin Universitätsklinikum SchleswigHolstein Campus Kiel Arnold-Heller-Straße 12 24105 Kiel PD Dr. med. Hans-Jürgen Klomp Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie Universitätsklinikum SchleswigHolstein Campus Kiel Arnold-Heller-Straße 7 24105 Kiel Dr. med. Klaus Kramer Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie Universitätsklinikum Ulm Steinhövelstraße 9 89075 Ulm Dr. med. Heike Kraemer-Hansen Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie Universitätsklinikum SchleswigHolstein Campus Kiel Arnold-Heller-Straße 7 24105 Kiel Prof. Dr. med. Bernd Kremer Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie Universitätsklinikum SchleswigHolstein Campus Kiel Arnold-Heller-Straße 7 24105 Kiel
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XXXVI
Anschriften
Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Thomas Kreusch Abteilung Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Asklepios Klinik Nord-Heidberg Tangstedter Landstraße 400 22417 Hamburg Dr. med. Uwe Krüger Chirurgische Klinik Städtisches Krankenhaus Kiel Chemnitzstraße 33 24116 Kiel Prof. Dr. phil. Thomas Küchler Referenzzentrum Lebensqualität an der Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie Universitätsklinikum SchleswigHolstein Campus Kiel Arnold-Heller-Straße 7 24105 Kiel Prof. Dr. med. Mathias Löhnert Chirurgische Klinik Städtische Kliniken Bielefeld Klinikum Rosenhöhe An der Rosenhöhe 27 33647 Bielefeld PD Dr. med. Jens Mayer Klinik für Allgemein-, Viszeralund Transplantationschirurgie Universitätsklinikum Ulm Steinhövelstraße 9 89075 Ulm Dr. med. Andreas David Niederbichler Medizinische Hochschule Hannover Klinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie Schwerbrandverletztenzentrum Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover Prof. Dr. med. Hans-Jörg Oestern Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Allgemeines Krankenhaus Celle Siemensplatz 4 29223 Celle PD Dr. med. Lutz Renders Klinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten Universitätsklinikum SchleswigHolstein Campus Kiel Schittenhelmstraße 12 24105 Kiel
Prof. Dr. med. Horst Schaube Abteilung Chirurgie KKH St. Marienberg Conringstraße 26 38350 Helmstedt Dr. med. Jens Scheewe Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie Universitätsklinikum SchleswigHolstein Campus Kiel Arnold-Heller-Straße 7 24105 Kiel PD Dr. med. Wolfgang Schlosser Klinik für Allgemein-, Viszeralund Gefäßchirurgie Paracelsus-Krankenhaus Ruit Hedelfinger Straße 166 73760 Ostfildern Dr. med. Andreas Schmid Abteilung für Allgemein-, Viszeralund Gefäßchirurgie DRK-Kliniken Mölln-Ratzeburg Röpersberg 2 23909 Ratzeburg Dr. med. Ralph Schön Klinik für Neurochirurgie Städtisches Klinikum Dessau Auenweg 38 06847 Dessau-Roßlau Prof. Dr. med. Jörg Schröder Klinik für Chirurgie Zentrum für Minimal Invasive Chirurgie Marien-Krankenhaus gGmbH Dr.-Robert-Koch-Straße 18 51465 Bergisch Gladbach Prof. Dr. med. Wulf Seeling Klinik für Anästhesiologie Universitätsklinikum Ulm Steinhövelstraße 9 89075 Ulm PD Dr. med. Marcus Spies Klinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie Schwerbrandverletztenzentrum Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover
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Anschriften
Prof. Dr. med. Ludger Staib Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Klinikum Esslingen Hirschlandstraße 97 73730 Esslingen PD Dr. med. Peter Steffen Klinik für Anästhesiologie Leiter der Sektion Schmerztherapie Universitätsklinikum Ulm Steinhövelstraße 9 89075 Ulm Prof. Dr. med. Heidemarie Suger-Wiedeck Klinik für Anästhesiologie Universitätsklinikum Ulm Steinhövelstraße 9 89075 Ulm PD Dr. med. Jürgen Tepel Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Kiel Arnold-Heller-Straße 7 24105 Kiel Prof. Dr. med. Ilka Vogel Chirurgische Klinik Städtisches Krankenhaus Kiel Chemnitzstraße 33 24116 Kiel Prof. Dr. med. Peter M. Vogt Klinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie Schwerbrandverletztenzentrum Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover
XXXVII
Dr. med. Florian Wagner Klinik für Anästhesiologie Universitätsklinikum Ulm Steinhövelstraße 9 89075 Ulm Prof. Dr. med. Heiner Wenk Allgemein-, Gefäß- und Viszeralchirurgie Zentrum für Chirurgie Klinikum Bremen Nord Hammersbecker Straße 228 28755 Bremen Dr. med. Anna Maria Wolf Klinik für Allgemein-, Viszeralund Transplantationschirurgie Universitätsklinikum Ulm Steinhövelstraße 9 89075 Ulm Dr. med. Fabian Wolfrum Abteilung für Hand-, Plastische und Mikrochirurgie Zentrum für Schwerbrandverletzte BG-Unfallkrankenhaus Hamburg Bergedorfer Straße 10 21033 Hamburg Prof. Dr. med. Peter Würl Klinik für Allgemein-, Viszeralund Transplantationschirurgie Universitätsklinikum Ulm Steinhövelstraße 9 89075 Ulm
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1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7
Voraussetzungen für operative Eingriffe . . . . . . Chirurgische Diagnostik Indikationsstellung . . . . . Abklärung und Beurteilung der Operabilität . . . Aufklärung und Einwilligung . . . . . . . . . . . Anästhesiologische Betreuung . . . . . . . . . . . . Nachsorge . . . . . . . . . . . . Aspekte der Lebensqualität . . . . . . . . . . . . . . .
. .
3 3 15
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20
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24 42
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44
52
2.1 2.2
Die Operationseinheit . . . Richtiges Verhalten im OP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgische Instrumente
52 55 58
Perioperative Maßnahmen/Probleme . .
64
3.1 3.2 3.3 3.4 3.5
Perioperative Flüssigkeitstherapie . Perioperative Volumentherapie . . . Schmerztherapie . . . Ernährung . . . . . . . . . Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
7.1 7.2
7.7
Biologisches Verhalten Typisierung maligner Tumoren . . . . . . . . . . . . . Diagnostik und Klassifikation . . . . . . . . . Tumormarker . . . . . . . . Tumorigenese . . . . . . . . Therapie maligner Tumoren . . . . . . . . . . . . . Perspektiven . . . . . . . . .
8
Schock . . . . . . . . . . . . . . . . 222
8.1 8.2 8.3 8.4
Grundlagen . . . . . . . . . . . . Pathophysiologie . . . . . . . Allgemeine Maßnahmen . Schockformen . . . . . . . . . .
17
Der operative Eingriff . . .
3
Chirurgische Onkologie . . 201
7.3
2
2.3
7
....
64
....
67 82 95
.... ....
7.4 7.5 7.6
. . 201 . . 203 . . 204 . . 206 . . 207 . . 213 . . 220
222 223 225 227
A
Allgemeine Chirurgie
. . . . 107
4
Minimal-invasive Chirurgie . . . . . . . . . . . . . . 135
4.1
Einführung . . . . . . . . . . . . . 135
5
Wunde . . . . . . . . . . . . . . . . 138
5.1 5.2 5.3
5.4
Wundheilung . . . . . . . . . . Wundarten . . . . . . . . . . . . Einflussfaktoren auf die Wundheilung und Wundheilungsstörungen . . . . . . Wundbehandlung . . . . . . .
6
Infektiologie . . . . . . . . . . . 161
6.1 6.2 6.3 6.4
Asepsis, Antisepsis . . . . . . Infektiöser Hospitalismus Chirurgische Infektionen . Antibiotika in der Chirurgie . . . . . . . . . . . . . .
138 142
151 153
161 162 163 190
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A
1.1 Chirurgische Diagnostik
1
Voraussetzungen für operative Eingriffe
1.1
Chirurgische Diagnostik
3 1
Voraussetzungen für operative Eingriffe
1.1
Chirurgische Diagnostik
Ludger Staib 왘 Merke. Keine Operation ohne Diagnose!
Eine gute chirurgische Diagnostik führt rasch und unter verantwortungsbewusstem Einsatz der Ressourcen zur richtigen Diagnose, der dann wiederum die effektive Therapie folgen kann. Nur die notwendigen Untersuchungen werden durchgeführt, auf Unwesentliches wird verzichtet. In der Ambulanz oder Spezialsprechstunde sollte ein chirurgisch erfahrener Arzt, möglichst ein Facharzt, anwesend sein. Der erfahrene Chirurg weiß, wann er ein eindeutiges Krankheitsbild vor sich hat und er weitestgehend auf Diagnostik verzichten kann. Er weiß auch, wann eine umfangreiche Abklärung erforderlich ist, vielleicht auch nur, um die Verdachtsdiagnose des einweisenden Kollegen auszuschließen.
왗 Merke Nur die wirklich notwendigen Untersuchungen werden durchgeführt, auf Unwesentliches wird verzichtet.
Beispiele: ■ Eine Leistenhernie kann durch die klinische Untersuchung schnell und eindeutig diagnostizierbar sein – hier ist lediglich die rektale Untersuchung nötig und die Überlegung, ob eine Koloskopie zum Malignomausschluss erforderlich ist. ■ Eine Raumforderung des Pankreaskopfes mit Malignitätsverdacht lässt sich nur operativ bestätigen oder ausschließen, hier reicht präoperativ eine hochwertige CT oder MRT. Allerdings ist es für die operative Strategie von Bedeutung, wenn im CT Raumforderungen der Leber präoperativ bekannt sind. 왘 Merke. Die vollständige chirurgische Diagnostik umfasst: ■
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왗 Merke
Anamnese der aktuellen Beschwerden, wesentlichen Vorerkrankungen und Operationen. Symptomorientierte und allgemeine körperliche Untersuchung. Labordiagnostik und bildgebende Diagnostik. Erhebung des Risikoprofils und Beurteilung der Operabilität für den geplanten Eingriff. Stellen der Operationsindikation.
1.1.1
Anamnese
Allgemeine Grundlagen der Schmerztherapie
1.1.1 Anamnese
Allgemeine Grundlagen der Schmerztherapie
„Der erste Eindruck“: Bereits bei der Anamnese gewinnt der Patient einen ersten Eindruck von seinem behandelnden Arzt – und natürlich auch umgekehrt. Die meisten Patienten erwarten, dass sie befragt und untersucht werden und dass man ihnen den Sachverhalt und den Behandlungsvorschlag mit für sie verständlichen Worten erklärt. Das Auftreten des Chirurgen und die Vermittlung von Menschlichkeit und Fachkompetenz prägen den ersten Eindruck ganz entscheidend.
„Der erste Eindruck“: Das Auftreten des Chirurgen und die Vermittlung von Menschlichkeit und Fachkompetenz prägen den ersten Eindruck ganz entscheidend.
Wichtige Voraussetzungen: Dem Chirurgen sollten die Vorbefunde, der Einweisungsgrund sowie Name und Anschrift des einweisenden Kollegen bekannt sein.
Wichtige Voraussetzungen: Vorbefunde, Einweisungsgrund und einweisender Kollege sollten bekannt sein.
Allgemeiner Ablauf: In nach Möglichkeit ruhiger und störungsfreier Atmosphäre sowie in einem ausreichend großen Untersuchungszimmer sollte man als Arzt
Allgemeiner Ablauf: Das Untersuchungszimmer sollte ausreichend groß sein, und
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1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
4
A
man sollte möglichst wenig gestört werden. Zunächst geht es um die aktuellen Beschwerden des Patienten, mitgebrachte Unterlagen müssen gesichtet werden. Die gesamte persönliche Anamnese, Familienanamnese und soziale Situation sind ebenfalls wichtig. Man muss offen aber zielgerichtet fragen, um zu einer Verdachtsdiagnose zu kommen.
an die vom Patienten mitgebrachten Unterlagen anknüpfen und die aktuellen Beschwerden des Patienten erfragen. Danach kann der Patient seine persönliche Anamnese (manche Patienten präsentieren hier schon einen Computerausdruck), seine Familienanamnese und seine soziale Situation schildern. Offene aber zielgerichtete Fragen führen zu einer Verdachtsdiagnose, welche durch die nachfolgende körperliche Untersuchung und den rationalen Einsatz bildgebender Diagnostik erhärtet oder ausgeschlossen wird. Bei Kindern (z. B. bei der Abklärung einer Leistenschwellung beim Säugling) oder hilfsbedürftigen Erwachsenen ist der Arzt auf die Fremdanamnese angewiesen.
왘 Merke
왘 Merke. Bei chirurgischen Erkrankungen hat es sich bewährt, sich an Leit-
symptomen zu orientieren, die der Patient als aktuelle Beschwerden schildert. Aktuelle Anamnese – Frage nach wichtigen Leitsymptomen
Aktuelle Anamnese – Frage nach wichtigen Leitsymptomen
Leitsymptom Schmerz
Leitsymptom Schmerz
Schmerzbeginn, -auslöser, -charakter, -intensität, -verlauf und -lokalisation?
Hier sollte man nach Schmerzbeginn, Schmerzauslöser, Schmerzcharakter, Schmerzintensität, Schmerzverlauf und Schmerzlokalisation fragen (Abb. A-1.1, Abb. A-1.2).
Schmerztypen: Tab. A-1.1.
Drei Schmerztypen lassen sich unterscheiden: Tab. A-1.1.
왘 Merke
A-1.1
왘 Merke. Bei abdominellen Schmerzen ist eine adäquate Analgesie indiziert. Man braucht nicht zu befürchten, dass das Krankheitsbild dadurch „verschleiert“ wird! Es ist aber sehr wichtig, dass der Erstuntersucher den von ihm erhobenen klinischen Befund sorgfältig dokumentiert. Die weitere Schmerztherapie richtet sich nach der Diagnose.
Schmerzleitungsbahnen
Von den Bauchorganen ausgehende Schmerzqualitäten sind a der viszerale Schmerz und b der somatische Folgeschmerz. Die Schleimhautentzündung des Wurmfortsatzes ist Ursache des viszeralen Oberbauchschmerzes. Erreicht die Entzündung die Serosa der Appendix, tritt über den Peritonealreiz der somatische Schmerz im rechten Unterbauch auf.
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A
A-1.2
Zuordnung der Head-Zonen zu Organen
A-1.1
Schmerztypen
1.1 Chirurgische Diagnostik
Schmerztyp
Auslöser, Ursachen
viszeraler „Anfangs“Schmerz
rasche, massive Druckerhöhung oder Ischämie in Hohlorganen, Kapselspannung parenchymatöser Organe und intensive Kontraktionen glatter Muskulatur
somatischer „Folge“Schmerz
übertragener Schmerz (referred pain)
lokale Reizung des Peritoneums oder des Mesenterialansatzes (z. B. Entzündung, Tumorinfiltration oder Verletzung) gemeinsame Verschaltung afferenter vegetativer Fasern aus den inneren Organen und afferenter somatischer Fasern aus den Dermatomen im Hinterhorn des Rückenmarks
5 A-1.2
charakteristische Merkmale ■
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wird über vegetative Nervenfasern aus Eingeweiden und Peritoneum viscerale vermittelt Beispiele: Koliken bei Gallen- oder Nierensteinen, mesenteriale Ischämie, Milzhämatom, gedeckt rupturiertes Aortenaneurysma die Schmerzempfindung ist diffus und nicht organbezogen. Vegetative Begleitsymptome sind Unruhe, Blässe, Schwitzen, Übelkeit und Erbrechen wird aus dem Peritoneum parietale und dem Mesenterialansatz fortgeleitet tritt segmental und seitengetrennt auf und ist gut zu lokalisieren mögliche Verstärkung durch Bewegung und Palpation auf entsprechende Dermatome der Haut projizierte (Head-Zonen) fälschlicherweise dort empfundene Schmerzen Beispiel: Verbrennungen unter dem rechten Rippenbogen, da der Patient die nicht erkannte Gallenkolik durch Applikation einer heißen Wärmflasche zu behandeln versuchte
Leitsymptom Blutung
Leitsymptom Blutung
Aus der Blutungsanamnese kann häufig auf die Lokalisation geschlossen werden (Abb. A-1.3).
Blutungsanamnese (Abb. A-1.3).
Formen der gastrointestinalen Blutung (GI-Blutung): ■ Obere GI-Blutung (oral des Treitz-Bandes): Häufigste Ursachen sind Gastritis, Ulkus und Tumor. ■ Untere GI-Blutung (aboral des Treitz-Bandes). Häufigste Ursachen sind Divertikulitis, Tumor und Hämorrhoiden.
Formen GI-Blutung: ■ Obere GI-Blutung: z. B. Gastritis, Ulkus und Tumor. ■ Untere GI-Blutung: z. B. Divertikulitis, Tumor und Hämorrhoiden.
Wichtige GI-Blutungstypen: S. Tab. A-1.2.
GI-Blutungstypen: Tab. A-1.2.
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A
6 A-1.3
A-1.2
1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
A-1.3
Lokalisation und Aspekt von Blutungsquellen
Blutungstypen
Typ
Charakteristika
Maßnahmen
Hämatemesis
Erbrechen frischen roten oder braunen, bereits präzipitierten Blutes („Kaffeesatzerbrechen“)
Meläna
peranaler Abgang schwarz gefärbten Blutes (Teerstuhl). Die Schwarzfärbung erklärt sich durch Zersetzung des Blutes mit charakteristischem Geruch. Die Blutungsquelle sitzt am ehesten im oberen GITrakt
Hämatochezie
peranaler Abgang frischen Blutes. Ursachen können eine untere oder eine massive obere GI-Blutung sein. Anamnestisch nicht weiter einzugrenzen
okkulte Blutung
indirekter klinischer (Anämie) oder direkter chemischer (Haemoccult-)Test zum Nachweis einer Blutung im GI-Trakt. Ursache dieses chronischen Blutverlustes ist häufig ein Kolon- oder ein Magenkarzinom, mitunter auch eine Refluxerkrankung
왘 Merke
■
■ ■ ■
Ösophagogastroduodenoskopie rektal-digitale Untersuchung Koloskopie Ösophagogastroduodenoskopie
Blutungslokalisationen im Dünndarm jenseits des Duodenums und oral des terminalen Ileums (Meckel-Divertikel, Tumoren) sind nur durch Spezialuntersuchungen zu klären, da sie der konventionellen Endoskopie nicht zugänglich sind: ■ Kapselendoskopie ■ Erythrozyten-Szintigraphie ■ ggf. Laparotomie ■ ■ ■ ■ ■
Ösophagogastroduodenoskopie Koloskopie ggf. Kapselendoskopie Erythrozyten-Szintigraphie Computertomographie
왘 Merke. Die Anamnese muss den Blutungscharakter (z. B. plötzlich, inter-
mittierend, im Schwall, Auflagerung, hell, dunkel) und die Frage nach der Einnahme nichtsteroidaler Antirheumatika mit einbeziehen.
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1.1 Chirurgische Diagnostik
7
Ursachen je nach Alter des Patienten: ■ Beim Kind muss primär an eine Invagination, ein Meckel-Divertikel oder an einen Ileus gedacht werden, ■ beim jungen Erwachsenen an einen Morbus Crohn, eine Colitis ulcerosa, an Polypen, Hämorrhoiden oder Tumoren, ■ beim älteren Erwachsenen (4 60 Jahre) an Angiodysplasien, Hämorrhoiden, eine Divertikulose, ischämische Darmerkrankung oder einen Tumor.
Ursachen je nach Alter des Patienten: ■ Kinder: v. a. Invagination, Meckel-Divertikel, Ileus ■ junge Erwachsene: v. a. Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Polypen, Hämorrhoiden, Tumoren ■ ältere Erwachsene: Angiodysplasien, Hämorrhoiden, Divertikulose, ischämische Darmerkrankung, Tumor
A
왘 Merke. Bei einer peranalen Blutung, egal ob sichtbar oder okkult, muss ein
왗 Merke
kolorektales Karzinom ausgeschlossen werden (? rektale Untersuchung, Koloskopie)! Leitsymptom Funktionsstörung
Leitsymptom Funktionsstörung
Die Funktionsstörung ist objektiv und kann das willkürliche System (Körperhaltung, Kraftübertragung) und das vegetative System betreffen, z. B. Atemstörungen (Bronchitis, Bronchialkarzinom, Struma), Dysphagie (Schluckstörung), Odynophagie (Schluckschmerz durch Struma, Ösophaguskarzinom?), Verdauungsstörungen (Divertikulitis, Dickdarmadenom, Malignom, Pankreaserkrankung), Erbrechen (Gastroenteritis, Ileus), Ikterus (Gallensteine, Hepatitis, Pankreaskarzinom), Hypertension (Nebennierentumor) oder Gewichtsabnahme (Diät, Malignom, Hyperthyreose, Depression).
Die Funktionsstörung ist objektiv und betrifft das willkürliche System (Körperhaltung, Kraftübertragung) oder das vegetative System (z. B. Atemstörungen, Dysphagie, Verdauungsstörungen, Gewichtsabnahme).
Leitsymptom Befindlichkeitsstörung
Leitsymptom Befindlichkeitsstörung
Die Störung ist subjektiv. Hierzu zählen Leistungsverlust, Antriebsarmut, Angst. Die Diagnostik zielt darauf ab, somatische Erkrankungen (z. B. eine Depression bei Hyperparathyreoidismus) von nichtsomatischen Erkrankungen (z. B. Depression, Karzinophobie) zu unterscheiden.
Die Störung ist subjektiv, z. B. Leistungsverlust, Antriebsarmut, Angst.
Persönliche Anamnese und Risikoanamnese
Persönliche Anamnese und Risikoanamnese
Persönliche Anamnese: Die Erfragung der persönlichen Anamnese dient dazu, die Operationsindikation und die Operabilität einzuschätzen. Wichtig ist die Frage nach Voroperationen, nach eventuellen Komplikationen und nach Behandlungsergebnissen. Beispiel: Klagt eine Patientin über Beschwerden, die an Verwachsungsbeschwerden denken lassen, kann man nach sorgfältiger Untersuchung die Indikation zu einer Adhäsiolyse stellen. Ergibt die persönliche Anamnese dann, dass die Patientin in den vorangegangenen fünf Jahren von fünf verschiedenen Ärzten achtmal adhäsiolysiert wurde, so wird man die Operationsindikation – wenn überhaupt – sehr zurückhaltend stellen, da keine Verbesserung der Beschwerden zu erwarten ist. Bei Voroperationen, in deren Gebiet der jetzige Eingriff erfolgen soll, sollte der Operationsbericht angefordert werden. Insbesondere bei Revisionsoperationen kann damit häufig eine aufwendige Präparation zur Klärung des Operationssitus vermieden werden.
Persönliche Anamnese: Ziel ist die Einschätzung der Operationsindikation und Operabilität.
Risikoanamnese: Persönliche Risikofaktoren wie Allergien und Blutungsdiathese müssen genau erfragt und dokumentiert werden. Bezüglich des Nikotinkonsums, der in „pack years“ (Anzahl der täglich gerauchten Zigarettenpackungen × Anzahl der Raucherjahre) ausgedrückt wird, des Drogen- oder Alkoholkonsums und einer venerischen Erkrankung sind in der Regel keine verlässlichen Auskünfte zu erhalten. Dennoch sind auch diese Fragen wichtig, um eine ätiologische Zuordnung der Krankheit treffen, nach typischen Begleitsymptomen suchen und um in der postoperativen Phase auf eine Entzugssymptomatik rasch reagieren zu können. Oft ergibt die Frage nach dem Beruf und der sozialen Stellung in dieser Richtung wertvolle Hinweise. Die Frage nach der kardiopulmonalen Belastbarkeit (Machen Sie Ihren Haushalt alleine? Wie viele Stockwerke können Sie steigen, ohne stehenzubleiben?) erlaubt eine rasche Einschätzung der generellen Operabilität (s. u.).
Risikoanamnese: Feststellung von Risikofaktoren wie Allergien, Blutungsdiathese, Nikotinkonsum, Drogen- oder Alkoholkonsum, venerische Erkrankungen.
Fragen nach Beruf und sozialer Stellung können hier weiterhelfen. Die Frage nach der kardiopulmonalen Belastbarkeit erlaubt eine Einschätzung der generellen Operabilität.
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1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
8
A
Familienanamnese
Familienanamnese
Hier sollte nach Erbkrankheiten in der Familie, kürzlich in der Familie aufgetretene Erkrankungen sowie nach Alter und Todesursachen naher Verwandter gefragt werden.
Die Familienanamnese erstreckt sich auf Erbkrankheiten in der Familie, kürzlich in der Familie aufgetretene Erkrankungen, das Alter und die Todesursachen naher Verwandter. Tritt im jugendlichen Alter ein Malignom auf, so sollte der behandelnde Arzt auch Früherkennungsmaßnahmen bei Angehörigen ansprechen.
왘 Merke
1.1.2 Körperliche Untersuchung
왘 Merke. Auch die sorgfältigste Anamneseerhebung nützt im Gesamtablauf nichts, wenn sie nicht übersichtlich und für andere Kollegen nachvollziehbar dokumentiert wurde.
1.1.2
Körperliche Untersuchung
Die körperliche Untersuchung ist wie die Anamnese von essenzieller Bedeutung, und auch die rasch zugängliche bildgebende Diagnostik sollte keinen Arzt dazu veranlassen, auf die körperliche Untersuchung zu verzichten. 왘 Merke
Die Anwesenheit von Angehörigen bzw. weiterer Personen (z. B. bei Kindern, als Dolmetscher) muss individuell entschieden werden.
왘 Merke
왘 Merke. Der Patient erwartet, dass sein Arzt ihm zuhört und ihn auch untersucht; dabei muss seine Privatsphäre respektiert werden, und er sollte sich in passender Umgebung entkleiden können.
Arzt und Patient müssen entscheiden, ob gegebenenfalls ein Angehöriger anwesend sein darf, z. B. bei onkologischen Aufklärungsgesprächen, bei ausländischen Patienten. Manchmal kann es aus forensischen Gründen sinnvoll sein, dass eine weitere Person (Pflegepersonal, Arztkollege) anwesend ist, beispielsweise bei proktologischen Erkrankungen oder bei der Untersuchung junger Patientinnen/Patienten. Bei der Untersuchung von Kindern ist es sinnvoll, einen Elternteil in der Nähe zu haben und die Untersuchung mit nicht schmerzhaften Maßnahmen zu beginnen. Bei ausländischen Patienten mit ggf. Verständigungsschwierigkeiten sollte ein guter Dolmetscher (z. B. Angehöriger, Pflegepersonal) anwesend sein. 왘 Merke. Der Arzt sollte dem Patienten alle Untersuchungen ankündigen und
deren Sinn und Ablauf in einfachen Worten erklären. Die Untersuchung orientiert sich an der Anamnese und erfolgt zunächst symptombezogen. Primär geht es um den Lokalbefund, der adäquat dokumentiert werden muss. Untersuchungsschritte: ■ Inspektion: Allgemein-/Ernährungszustand, Bewusstseinslage, Atmung, Hautkolorit, Narben, Farbe Haut, Lippen, Fingernägel, Bauchdecken (Hernien, Tumoren), Genitalien. ■ Auskultation. ■ Perkussion. ■ Palpation. ■ Messungen (z. B. Blutdruck, Atemfrequenz).
Die Untersuchungstechnik ist an der Anamnese orientiert und erfolgt zunächst symptombezogen (v. a. bei Notfallpatienten!). Dabei wird ein Lokalbefund erhoben und dokumentiert. Eine Zeichnung (z. B. von Operationsnarben) oder eine digitale Fotodokumentation ersparen oft lange Beschreibungen. Jede Untersuchung muss die Symmetrie zahlreicher Organe berücksichtigen und immer im Seitenvergleich erfolgen. Der Untersuchungsgang besteht aus folgenden Schritten: ■ Inspektion: Allgemein- und Ernährungszustand, Bewusstseinslage, Atemexkursionen, Hautkolorit (z. B. Ikterus?), Verletzungsnarben und Operationsnarben, Farbe der Lippen und Fingernägel (Zyanose, Asymmetrie), Symmetrie der Bauchdecken (Hernien, Tumoren), Genitalien, neurologische Ausfälle (z. B. Fallhand bei Radialisparese). ■ Auskultation: Lunge, Herz, Abdomen, Gefäße. ■ Perkussion: Lunge, Herz, Abdomen (Aszites). ■ Palpation: Technik bimanuell (Verschieblichkeit pathologischer Befunde gegen Umgebung oder Unterlage, Schluckakt am Hals bei Schilddrüsenveränderungen), digitale Untersuchung (Mund, Rektum [siehe Merke-Kasten], bei Bedarf Vagina). Es hat sich bewährt, zunächst vorsichtig zu palpieren, um dem Patienten nicht unnötige Schmerzen zuzufügen. Beispielsweise reicht beim Hinweis auf eine peritonitische Abwehrspannung eine vorsichtige Palpation, auf das restliche Spektrum der abdominellen Palpationszeichen kann verzichtet werden. ■ Messungen: Puls, Blutdruck, Atemfrequenz (Vitalzeichen), Temperatur, Körpermaße (Body-Mass-Index), Bauchumfang, Umfangsmessung an Extremitäten, Gelenkmessungen (S. 758).
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A
1.1 Chirurgische Diagnostik
왘 Merke. Die Unterlassung einer rektal-digitalen Untersuchung kann den
9 왗 Merke
Patienten, auch wenn er wegen einer anderen Erkrankung (z. B. Hernie) kommt, die Kontinenz oder das Leben kosten, wenn ein tief sitzendes Rektumkarzinom übersehen wird. Deshalb ist die rektal-digitale Untersuchung bei jedem Patienten obligat! Die rektale Untersuchung umfasst die Beschreibung des Sphinktertonus, der Schleimhautbeschaffenheit der Ampulle (Stuhlfüllung, Raumforderung, Blut?) und bei Männern der Prostata. Hämorrhoiden können im Gegensatz zur landläufigen Meinung nicht zuverlässig digital diagnostiziert werden! Aus der Anamnese und der klinischen Untersuchung wird nun eine Diagnose oder Verdachtsdiagnose gestellt, die sich aus der Synthese von unspezifischen Befunden (z. B. Schwellung, Hypertrophie, Krepitation, Fisteln) und spezifischen Befunden (z. B. Entzündung, Kontusion, Fraktur, Distorsion, Luxation, Tumor) ergibt. Um die Verdachtsdiagnose zu bestätigen oder auszuschließen, wird ein Ablaufplan (Prozedere) festgelegt, der die bildgebende Diagnostik einbezieht. Hierbei muss dem anfordernden Arzt klar sein, ob die gewünschte Untersuchung die Verdachtsdiagnose sichern oder erweitern und die Behandlungsstrategie beeinflussen kann. Darüber hinaus ist die Belastung des Patienten durch das jeweilige Verfahren abzuwägen und eine unnötige Strahlenbelastung (v. a. bei Kindern, Schwangeren) durch Auswahl alternativer Methoden bei gleicher Aussagekraft zu vermeiden. 왘 Merke. Für alle Untersuchungen gilt, dass sie nur dann indiziert sind, wenn
Aus der Anamnese und der klinischen Untersuchung wird eine Diagnose oder Verdachtsdiagnose gestellt.
왗 Merke
sie die klinische Behandlung beeinflussen können, denn sie belasten den Patienten und kosten Zeit und Geld.
1.1.3
Labordiagnostik und bildgebende Diagnostik
1.1.3 Labordiagnostik und bildgebende
Diagnostik
Die Labordiagnostik und bildgebende Diagnostik wird eingesetzt, um die Arbeitshypothese (Verdachtsdiagnose) zu bestätigen oder auszuschließen. Es ist aus medizinisch-ethischen und wirtschaftlichen Überlegungen sinnvoll, Doppeluntersuchungen zu vermeiden und zunächst die bereits erhobenen Befunde zu sichten. Dabei hat es sich im organisatorischen Ablauf bewährt, den Patienten schon bei der telefonischen Anmeldung zu bitten, die wesentlichen Untersuchungsbefunde und Röntgenbilder zur Vorstellung mitzubringen. Eine Miteinbeziehung auswärtig erhobener Befunde setzt voraus, dass diese qualitativ hochwertig angefertigt und befundet sind. Hier empfiehlt sich eine enge Absprache mit häufig einweisenden Ärzten. Soll beispielsweise ein Rektumkarzinom kontinenzerhaltend operiert werden, so muss heute eine starre Rektoskopie vorliegen, die den exakten Abstand zwischen Tumorunterrand und Linea anocutanea beschreibt. Des Weiteren muss eine exakte Bildgebung (Endosonographie, CT oder MRT) vorliegen, aus der mit hoher Sicherheit abgeleitet werden kann, ob eine neoadjuvante Vorbehandlung oder die sofortige Operation empfohlen wird.
Die Labordiagnostik und bildgebende Diagnostik wird eingesetzt, um die Arbeitshypothese (Verdachtsdiagnose) zu bestätigen oder auszuschließen. Doppeluntersuchungen müssen so weit wie möglich vermieden werden!
Labordiagnostik
Labordiagnostik
Der Einsatz der Labordiagnostik dient zum einen der Operationsvorbereitung (Blutbild/-gruppe, Gerinnung, Elektrolyte, Leberwerte, Nierenwerte), zum anderen der Diagnostik spezifischer Krankheitsbilder (Entzündungswerte, Cholestaseparameter, Virologie, Bakteriologie). Tumormarker (z. B. CEA beim kolorektalen Karzinom) besitzen in der Verlaufskontrolle diagnostische Wertigkeit. Zusammen mit dem Anästhesisten wird üblicherweise festgelegt, welches Laborprofil bei welchem Risikoprofil bestimmt wird, um eine Überdiagnostik zu vermeiden (Tab. A-1.3). Generell sollten nur Werte bestimmt werden, die eine klinische Relevanz besitzen.
Ziele der Labordiagnostik sind die Operationsvorbereitung und Diagnostik spezifischer Krankheitsbilder. Chirurg und Anästhesist legen üblicherweise das Laborprogramm fest, um eine Überdiagnostik zu vermeiden (Tab. A-1.3).
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1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
A
10 A-1.3
A-1.3 ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
Laboruntersuchungen vor elektiven Eingriffen
Blutbild (Hämoglobin, Hämatokrit, Leukozyten, Thrombozyten) Gerinnung (Quick/INR, PTT, Fibrinogen) Elektrolyte (Natrium, Kalium, Kalzium) Blutzucker, CK, Harnstoff, Kreatinin Bilirubin, Transaminasen, γ-GT, alkalische Phosphatase Blutgruppe Blutgasanalyse in Abhängigkeit von der Art des Eingriffs
Sonographie
Sonographie
Vorteile der Sonographie sind ihre fehlende Invasivität, ihre ubiquitäre Verfügbarkeit und ihre hohe Akzeptanz bei Patienten. Wesentliche Limitationen sind die starke Abhängigkeit vom Untersucher und Störfaktoren wie Luftüberlagerung und Adipositas.
Die Sonographie ist nicht invasiv, ubiquitär verfügbar und besitzt bei Patienten eine hohe Akzeptanz (wird eine Kokarde im Ultraschall dem Patienten als Blinddarmentzündung präsentiert, braucht der Chirurg meist wenig Überzeugungsarbeit zu leisten, um die Zustimmung zur Appendektomie zu erhalten). In der Notfalldiagnostik kann sich der Chirurg in wenigen Minuten durch vier standardisierte Schnitte (FAST-Technik; „focussed assessment with sonography for trauma“) einen Überblick über wesentliche Verletzungen verschaffen und seine Behandlungsstrategie danach ausrichten. Beginnend bei den Karotiden über die Schilddrüsendiagnostik, Gelenkuntersuchung, kardiopulmonale, abdominelle und urogenitale Ultraschalldiagnostik ist nahezu jede Körperregion der Ultraschalluntersuchung zugänglich. Sie kann mit einer Endoskopie kombiniert werden (Endosonographie, s. u.), mit der Dopplertechnik können Gefäßprozesse beurteilt werden und auch dreidimensionale Bilder mit hoher Auflösung sind mittlerweile möglich. Bei Entzündungsprozessen können durch die ultraschallgesteuerte Einlage von Drainagen – bei richtiger Indikationsstellung – operative Eingriffe vermieden werden. Wesentliche Limitationen sind die starke Abhängigkeit vom Untersucher und Störfaktoren wie Luftüberlagerung und Adipositas.
Endoskopie
Endoskopie
Die Endoskopie hat sich sehr bewährt sowohl für die Diagnostik (Sicht, Biopsien) als auch Therapie (z. B. Dilatation von Stenosen) von Krankheitsprozessen. Für eine Koloskopie sollte der Patient gut aufgeklärt werden, damit er die notwendige Darmreinigung toleriert. Der Dünndarm ist endoskopisch nur durch die Kapselendoskopie zugänglich. In der Proktologie kommt die Prokto-Rektoskopie zur Anwendung.
Die moderne Video-Endoskopie (v. a. Gastroskopie und Koloskopie) kann Krankheitsprozesse des Gastrointestinaltraktes mit hoher Trefferquote nachweisen. Biopsien können entnommen, therapeutische Dilatationen bei Stenosen durchgeführt werden. Bei guter Vorbereitung und kompetenter Durchführung ist die Komplikationsrate akzeptabel. Die Vorbereitung auf die Koloskopie (Dickdarmspiegelung) im Sinne einer Spülung des Darms wird von den Patienten meist als unkomfortabel bis belastend empfunden; hier ist eine gute Aufklärung über die vorgesehenen Maßnahmen mit schriftlicher Dokumentation hilfreich und obligat. Als Alternative zur rein diagnostischen Dickdarmspiegelung kommt bei Patienten mit Kontraindikationen (nicht passierbare Stenose, Untersuchungsangst) die CTKolonographie („virtuelle Kolonoskopie“) infrage, die bei Patienten eine hohe Akzeptanz besitzt. Nachteile: Auch hier ist bisher noch eine Darmvorbereitung erforderlich, es existiert die Strahlenbelastung eines CT, die Kosten werden von den meisten Kassen nicht übernommen und bei einem verdächtigen Befund muss dennoch endoskopiert und biopsiert oder gleich operiert werden. Der Dünndarm ist der Endoskopie durch die Kapselendoskopie zugänglich geworden. Der Patient schluckt eine kleine Kapsel, die darin integrierte Minikamera filmt die gastrointestinale Passage und sendet die Informationen zu einem außerhalb des Körpers befindlichen Empfänger. Allerdings ist die Methode noch nicht flächendeckend verfügbar, teuer (eine Einmalkapsel kostet rund 500 w) und die Auswertung zeitaufwendig. Weitere innovative Endoskopieverfahren sind in der Erprobung. In der Proktologie besitzt die Prokto-Rektoskopie einen hohen Stellenwert, denn sie ist einfach durchführbar und hat eine hohe Aussagekraft für Krankheitsprozesse, zumal sie mit der Biopsie, der Endosonographie und der Analtonometrie kombiniert eingesetzt werden kann. Der proktologisch tätige Chirurg setzt
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A
A-1.4
1.1 Chirurgische Diagnostik
Gastroskopischer Befund bei Kardiakarzinom
11 A-1.4
Gastroskopischer Befund eines 70-jährigen Patienten, der über zunehmende Schluckstörungen und 7 kg Gewichtsverlust klagte. Ursache ist ein stenosierend wachsendes, 3,5 cm durchmessendes, gering differenziertes Adenokarzinom des ösophagokardialen Übergangs Typ I nach Siewert. Behandlung durch abdominothorakale Ösophagusresektion mit Magenschlauchbildung. Histologie pT3 pN2 (9/26 Lymphknoten) M0 G3 R0. Regelrechter Heilverlauf, keine adjuvante Nachbehandlung.
sie regelmäßig ein, eine Sedierung ist in der Regel nicht erforderlich. Bei sehr schmerzhaften Prozessen (Fissur, thrombosierte Hämorrhoiden) wird die Untersuchung in Narkose durchgeführt und die Therapie sofort angeschlossen.
Endosonographie
Endosonographie
Im oberen Gastrointestinaltrakt und im Proktorektalbereich wird die Endoskopie mit der Sonographie kombiniert als Endosonographie eingesetzt. So lassen sich Tumorausdehnung und Lymphknotenbefall bei Ösophagus-, Magen- und Pankreaskarzinom weit besser als mit der konventionellen Sonographie darstellen. Das Gleiche gilt für das Staging des Rektumkarzinoms. Allerdings besteht auch hier die o.g. Untersucherabhängigkeit. Proktologische Erkrankungen wie Analfisteln und komplexe periproktitische Abszesse lassen sich endosonographisch gut darstellen (Abb. A-1.5). Die Vorbereitung entspricht derjenigen für eine endoskopische Untersuchung, viele Sonographiegeräte lassen sich mit Endosonographiesonden ausrüsten, sodass kein neues Gerät finanziert werden muss.
Der Schallkopf wird in den Körper eingebracht. Mögliche Indikationen: ■ Analfisteln, komplexe periproktitische Abszesse. ■ Darstellung von Tumorausdehnung und Lymphknotenbefall bei Ösophagus-, Magen-, Pankreas- und Rektumkarzinom.
Konventionelle Röntgenuntersuchung
Konventionelle Röntgenuntersuchung
In der Traumatologie und in der Akutdiagnostik bei thorakalen und Abdominalerkrankungen (freie Luft [Abb. A-1.6], Ileus) besitzt die konventionelle Röntgendiagnostik in digitaler Technik als Aufnahme in zwei Ebenen oder als Durchleuchtung einen wichtigen Stellenwert. Angiographische Untersuchungen
Vor allem eingesetzt in der Traumatologie und in der Akutdiagnostik bei thorakalen und Abdominalerkrankungen.
A-1.5
3D-Endosonographie
A-1.5
3D-Endosonographie eines 63-jährigen Patienten mit rezidivierenden periproktitischen Abszessen. Bei 11 Uhr (gelbe Linie) ausgedehnter intersphinktärer Abszess mit Fistel. Operative Sanierung in mehreren Sitzungen.
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12 A-1.6
1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
A-1.6
Freie Luft in Abdomen-Übersichtsaufnahme Abdomen-Übersichtsaufnahme einer 72-jährigen Patientin, die wegen einer Magenausgangsstenose gastroskopiert wurde. Man sah gastroskopisch bei schwierigen Untersuchungsbedingungen einen Tumor im distalen Duodenum kurz vor der Flexura duodenojejunalis und biopsierte diesen. Gleich danach klagte die Patientin über heftige Abdominalschmerzen, die Röntgendiagnostik zeigte massiv freie Luft intraabdominell als Zeichen der iatrogenen Duodenalperforation. Bei der Notfall-Laparotomie wurde die Perforation durch eine Y-en-Roux-Schlinge gedeckt, zweizeitig das ursächlich zugrunde liegende Duodenalkarzinom reseziert.
werden mittlerweile oft durch Sonographie, CT oder MRT ersetzt, wenn nicht eine angiographische Intervention in gleicher Sitzung erfolgen soll. 왘 Merke
왘 Merke. ■
■
Vor jeder Röntgenuntersuchung muss eine Schwangerschaft zweifelsfrei ausgeschlossen sein. Jede Röntgenuntersuchung, auch der „Routine-Thorax“ muss eine vom behandelnden Arzt gestellte Indikation aufweisen.
Computertomographie (CT)
Computertomographie (CT)
Für unterschiedliche Fragestellungen stehen unterschiedliche CT-Techniken zur Verfügung. Eventuell muss eine Untersuchung mit einer anderen Technik wiederholt werden. Der Patient muss darauf hingewiesen werden, dass es sich dann nicht um eine sinnlose Doppeluntersuchung handelt.
Die Mehrzeilen-Spiralcomputertomographie ist aus der heutigen Diagnostik nicht mehr wegzudenken. Sie bietet vielfältige Einsatzmöglichkeiten durch hohe Auflösung, gute Rekonstruktionsmöglichkeiten und kurze Untersuchungszeiten. Allerdings ist bei besonderen Fragestellungen eine genaue Absprache zwischen Chirurg und Radiologe erforderlich. Leberrundherde können beispielsweise in der 3-Phasen-Computertomographie (arteriell, venös, portalvenös) mit hoher
A-1.7
Spiral-CT bei Rektumkarzinom
b
a
40-Zeilen-Spiralcomputertomographie mit Rekonstruktion (seitlich und quer) eines 52-jährigen Patienten mit einem stenosierenden Rektumkarzinom (?), das als cT3 beurteilt wurde. Einleitung einer neoadjuvanten Radiochemotherapie nach Anlage eines Schutzileostomas. Vier Wochen nach Radiochemotherapie komplikationslose R0-Resektion des Tumors kontinenzerhaltend.
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A
1.1 Chirurgische Diagnostik
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Treffsicherheit diagnostisch zugeordnet werden, wohingegen dies mit einer konventionellen Abdomen-Computertomographie kaum gelingt. Diese feine diagnostische Differenzierung zwischen unterschiedlichen Untersuchungstechniken kann dazu führen, dass ein CT bei einem Patienten in verfeinerter Technik wiederholt werden muss. Der Patient wird dies als unnötige Doppeluntersuchung empfinden, wenn ihm der Hintergrund nicht erläutert wird.
Magnetresonanztomographie (MRT)
Magnetresonanztomographie (MRT)
Die Magnetresonanztomographie wird durch ein starkes Magnetfeld ermöglicht (cave: Herzschrittmacher, ferromagnetische Prothesen) und hat den Vorteil der fehlenden Strahlenbelastung. Insbesondere bei Strukturen, die von Fett umgeben sind, wird eine Auflösung erreicht, die einem anatomischen Präparat nahekommt. Einen hohen Stellenwert besitzt das MRT bei Erkrankungen des Gehirns, der Kopf-Hals-Weichteile, des Retroperitoneums, der Beckenorgane sowie der Gelenke aufgrund der Fett-/Wasseranteile. Als Kontrastmittel wird Gadolinium eingesetzt. Mit der MRT können verschiedene Untersuchungstechniken kombiniert werden (sog. „One-time-Shopping“), allerdings um den Preis deutlich verlängerter Untersuchungszeiten. Beispielsweise lassen sich Pankreasprozesse, Gallenwegsverhältnisse und Gefäßverläufe in einer Untersuchung getrennt abbilden und auf diese Weise CT, ERCP und Mesenteriko-Zöliakographie ersetzen. Dies setzt allerdings eine detaillierte Fragestellung voraus. Bei Platzangst im MRT-Gerät müssen die Patienten u.U. im etwas offeneren CT-Gerät untersucht werden. Für den ungeübten Betrachter mögen die unterschiedlich nach Fett- und Wasseranteil gewichteten Sequenzen zunächst verwirrend erscheinen. Mit zunehmender Erfahrung kann er der Untersuchung jedoch sehr wertvolle Informationen entnehmen.
Vorteil ist die fehlende Strahlenbelastung und die gute Darstellung von Weichteilstrukturen. Haupteinsatzgebiete sind deshalb Gehirn, Kopf-Hals-Weichteile, Retroperitoneum, Beckenorgane sowie Gelenke.
Nuklearmedizinische Verfahren
Nuklearmedizinische Verfahren
Bei der Positronen-Emissionstomographie (PET), die heute zunehmend mit einem CT kombiniert wird (PET-CT), wird radioaktiv markierte Glukose (18FDGPET) oder ein anderer Tracer intravenös verabreicht und deren Anreicherung im Gewebe mit einer Gammakamera aufgezeichnet. Indikationen in der Chirurgie sind der Nachweis oder Ausschluss von Primärtumoren und Metastasen im gesamten Körper. Das Verfahren beruht auf der Beobachtung, dass sich Glukose in stoffwechselaktiven Tumorzellen viel schneller anreichert als in Nichttumorzellen. Voraussetzungen sind ein Blutzuckerspiegel unter 130 mg/dl und das Fehlen von Entzündungsherden, wenn ein Tumornachweis erfolgen soll. Im ersten Fall würde ein falsch negativer, im zweiten Fall ein falsch positiver Befund resultieren. Außerdem sollte die PET-Diagnostik erst frühestens vier bis sechs Wochen nach einer Operation durchgeführt werden, da die postoperativen
Die Positronen-Emissionstomographie (PET) wird zunehmend mit einem CT kombiniert (PET-CT) und dient in der Chirurgie zum Nachweis oder Ausschluss von Primärtumoren und Metastasen im gesamten Körper.
A-1.8 MRT des Beckens bei Rektumkarzinom
b
a
a MRT des Beckens eines 74-jährigen Patienten, der seit drei Wochen Blut im Stuhl bemerkt hatte. Die Abklärung ergab ein bei 4 cm ab Anokutanlinie sitzendes, lokalisiertes Rektumkarzinom cT2cN0 (?). Primäre Resektion kontinenzerhaltend, Schutzileostoma für 8 Wochen. Histologie: Adenokarzinom pT2 pN0 M0 G2. b OP-Präparat (?).
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A
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Szintigraphische Verfahren: Schilddrüsendiagnostik, Diagnostik von Knochenmetastasen und Entzündungsherden, Suche nach okkulten Blutungen. 왘 Merke
Reparationsvorgänge zu falsch positiven Befunden führen können. Obwohl medizinisch eindeutige Indikationen in Konsensuskonferenzen definiert wurden, werden die recht hohen Kosten für die PET-Untersuchung nur in seltenen Fällen von den Kassen übernommen (Kosten [2007] zwischen 300 – 1200 w). Szintigraphische Verfahren werden in der Schilddrüsendiagnostik, in der Diagnostik von Knochenmetastasen und Entzündungsherden sowie bei der Suche nach okkulten Blutungen eingesetzt.
왘 Merke. ■
■
■
1.1.4 Indikationsstellung und Beurteilung
der Operabilität
1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
Jeder schriftliche radiologische Befund muss vom Chirurgen anhand der Röntgenbilder nachvollzogen werden. In Zweifelsfällen muss er sich den Befund vom Radiologen demonstrieren lassen. Bei komplexen Befunden empfiehlt sich die gemeinsame Beurteilung am Computer, da die dreidimensionale dynamische Darstellung oft besser über einen Befund Aufschluss gibt als der Folienausdruck ausgewählter Bilder. Eine tägliche gemeinsame Röntgendemonstration aktueller Befunde hat für den Chirurgen und den Radiologen einen hohen praktischen Fortbildungswert.
1.1.4
Indikationsstellung und Beurteilung der Operabilität
Indikationsstellung: zu Details s. S. 15.
Indikationsstellung: Liegen die Ergebnisse der Diagnostik komplett vor, kann die Indikation zu einer Behandlung gestellt werden. Dieser Prozess verlangt nicht nur Erfahrung, sondern auch einen regelhaften Ablauf, der im Einzelnen ab S. 15 dargestellt wird.
Beurteilung der Operabilität: zu Details s. S.17.
Beurteilung der Operabilität: Parallel zur Durchführung der bildgebenden Diagnostik erfolgt die Beurteilung der Operabilität. Diese bezieht sich auf den Lokalbefund und auf die generelle Situation des Patienten. Die Beurteilung der Operabilität sollte immer durch den Chirurgen erfolgen. Die hierbei notwendigen Kriterien und Abläufe werden ab S. 17 ausführlich erläutert.
1.1.5 Qualitätsmanagement und
Dokumentation Das übergeordnete Ziel in einer chirurgischen Klinik ist eine hohe Behandlungsqualität bei verantwortungsbewusstem Umgang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen. Voraussetzungen dafür sind eine hohe Qualität und Effizienz in der Diagnostik, Indikationsstellung und Dokumentation sowie in der Weitergabe von Informationen an Kollegen.
1.1.5
Qualitätsmanagement und Dokumentation
Das übergeordnete Ziel in einer chirurgischen Klinik ist eine hohe Behandlungsqualität bei verantwortungsbewusstem Umgang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen. Dies setzt eine hohe Qualität in der Anamneseerhebung, in der Durchführung der Diagnostik und in der Indikationsstellung voraus. Die beste Anamneseerhebung nützt dem Patienten wenig, wenn Befunde und Schlussfolgerungen nicht vom Erstuntersucher geordnet und detailliert dokumentiert wurden. Mehrfaches Nachfragen des gleichen Sachverhaltes durch verschiedene Ärzte vermittelt dem Patienten das Gefühl der Desorganisation und einer Desinformiertheit, auch wenn das objektiv nicht so ist. Ein zeitnaher guter Informationsstand jedes Mitglieds des behandelnden Teams vermittelt dem Patienten Kompetenz, Zuwendung und Sicherheit. Dies lässt sich durch lückenlose, präzise Dokumentation und Übergabe der wesentlichen neuen Informationen innerhalb des Teams erreichen. Nicht die Länge der Übergabebesprechung, sondern ihr Inhalt ist entscheidend. Eine gemeinsame Visite von Ärzten und Pflegekräften sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Mit intelligenten konventionellen und elektronischen Dokumentationssystemen lassen sich Doppeldokumentationen vermeiden und gleichzeitig Qualitätsparameter für das abteilungseigene Dokumentationssystem erfassen (Erkrankungsschwere, Risikoprofil, Komplikationsrate).
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A 1.2 Indikationsstellung
1.2
Indikationsstellung
15 1.2
Indikationsstellung
Ludger Staib
1.2.1 Grundlagen 왘 Definition. Unter einer Indikation versteht man einen Krankheitszustand, der
1.2.1 Grundlagen
왗 Definition
eine medizinische Maßnahme rechtfertigt oder erfordert. (Dagegen verbietet sich beim Vorliegen einer Kontraindikation eine solche Maßnahme.) Es muss genau definiert sein, um welchen Krankheitszustand und um welche Maßnahme es sich handelt. Es besteht in der Regel ein medizinischer und juristischer Ermessensspielraum (absolute und relative Indikationen), dessen Breite durch Leitlinien und Richtlinien eingegrenzt wird. Beispiele: ■ Vorausgegangene Oberbaucheingriffe waren lange Zeit eine Kontraindikation für eine laparoskopische Cholezystektomie, heute besteht hier eine Indikation zu einer vorgeschalteten diagnostischen Laparoskopie. Nach deren Ergebnis liegt es im Ermessen des Operateurs, ob er den Eingriff laparoskopisch oder offen fortführt. ■ Eine klinisch „stumme“ Cholezystolithiasis bietet keine Indikation für eine Cholezystektomie, während eine symptomatische Cholelithiasis eine gesicherte Operationsindikation darstellt. 왘 Merke. Eine Indikation muss immer durch einen Arzt gestellt werden.
In chirurgischen Kliniken hat es sich bewährt, die Patienten, bei denen eine Operation geplant ist, im Rahmen einer Indikationsbesprechung nach einem definierten Standard (Krankengeschichte, Bildgebung, Risikoprofil) vorzustellen und zu diskutieren. Der behandelnde Arzt muss sich bei jeder medizinischen Maßnahme (Blutabnahme, Röntgen, Endoskopie, Operation, Chemotherapie) über die Indikation im Klaren sein, sie dem Patienten erklären und dies auch dokumentieren (S. 21). 왘 Merke. Bei allen Maßnahmen müssen Risiko und Aufwand im Vergleich zu
Es muss genau definiert sein, um welchen Krankheitszustand und um welche Maßnahme es sich handelt.
왗 Merke Der behandelnde Arzt muss sich bei jeder medizinischen Maßnahme (Blutabnahme, Röntgen, Endoskopie, Operation, Chemotherapie) über die Indikation im Klaren sein, sie dem Patienten erklären und dies auch dokumentieren (S. 21).
왗 Merke
alternativen Verfahren gegeneinander abgewogen werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn durch andere Maßnahmen das spezifische Risiko des Eingriffs vermindert werden kann. Dieses Grundprinzip gilt für alle diagnostischen und operativen Eingriffe. Zu Indikationsformen siehe Tab. A-1.4, S. 22, zur operativen Dringlichkeit (Eingriffszeitpunkt) s. S. 26.
1.2.2 Ambulante oder stationäre Operation?
1.2.2 Ambulante oder stationäre
Operation?
Ambulante Operation
Ambulante Operation
Es gibt verbindliche Kataloge für Eingriffe mit einem „ambulanten Potenzial“, d. h. bei denen eine ambulante Durchführung indiziert ist.
Es gibt verbindliche Kataloge für ambulante Eingriffe.
Beispiele: ■ Leistenbruch (Lichtenstein, Kinderchirurgie). ■ Kleinere proktologische Eingriffe (Hämorrhoiden, Marisken, Fibrome). ■ Kleinere Hauttumoren. ■ Port-Implantation. ■ Diagnostische Laparoskopie.
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1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
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A
Voraussetzungen für ambulante Operationen:
Wird die Indikation für einen Eingriff gestellt, so muss sich der Chirurg entscheiden, ob die Operation ambulant oder stationär erfolgen soll. Für ambulante Eingriffe müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein: ■ Der Eingriff muss ambulant mit seinen eventuellen Konsequenzen durchführbar sein (z. B. kann eine diagnostische Laparoskopie grundsätzlich ambulant erfolgen, ist aber ambulant kontraindiziert, wenn je nach Befund danach eine Pankreasresektion erfolgen soll). ■ Unauffällige Voruntersuchungen (z. B. Gerinnungsparameter, negative Blutungsanamnese), keine Infektion im OP-Gebiet, keine Malignität im OPGebiet, keine Adipositas permagna, keine offenen Frakturen/ausgedehnte Weichteilverletzungen. ■ Der Patient muss mit der ambulanten Durchführung einverstanden sein und eine geeignete Person benennen, die ihn zu Hause direkt postoperativ betreut. ■ Der Eingriff muss komplikationslos verlaufen sein, sodass keine stationäre Überwachung des Patienten erforderlich ist. ■ Das ambulante Operieren erfordert einen gut organisierten Ablauf. Alle notwendigen Maßnahmen wie Aufklärung und Prämedikation müssen im Vorfeld erledigt werden.
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Der Eingriff muss ambulant mit seinen eventuellen Konsequenzen durchführbar sein. Unauffällige Voruntersuchungen, keine Infektion im OP-Gebiet, keine Malignität, keine Adipositas permagna, keine offenen Frakturen/ausgedehnte Weichteilverletzungen. Einverständnis des Patienten. Geeignete Person für die direkte postoperative Betreuung zu Hause. Keine stationäre Überwachung erforderlich. Aufklärung und Prämedikation im Vorfeld erledigt.
왘 Internet
왘 Internet. www.operieren.de
Stationäre Operation
Stationäre Operation
Präoperative Diagnostik: Frühzeitig muss die Entscheidung getroffen werden, ob die präoperative Diagnostik ambulant oder stationär durchgeführt werden kann bzw. muss. Wichtig ist immer eine vollständige und qualitativ hochwertige Diagnostik, um die Indikation zu einer Operation als Arzt stellen und auch verantworten zu können.
Präoperative Diagnostik: Wird die Indikation zur stationären Durchführung einer Operation gestellt, so muss im Vorfeld entschieden werden, ob noch diagnostische Maßnahmen durchgeführt werden müssen und ob diese ambulant oder stationär zu erfolgen haben. Aus Gründen der Abrechnung kann es sinnvoll sein, Maßnahmen prä- oder poststationär durchzuführen, da der stationäre Aufenthalt einschließlich aller Maßnahmen mit einer risikoadaptierten Fallpauschale vergütet wird (DRG-System). Aus medizinischen Gründen kann es dennoch notwendig sein, die Diagnostik stationär zu komplettieren, da sich eine gesicherte Indikation immer auf eine vollständige und qualitativ hochwertige Diagnostik stützt und die Indikationsstellung im Verantwortungsbereich des behandelnden Arztes liegt.
왘 Merke
왘 Merke. Eine stationäre Operation ist immer (nur) dann indiziert, wenn die Kriterien für eine ambulante Operation (s.o.) nicht erfüllt sind.
Festlegung einer Therapiestrategie: Eine komplexe Behandlungsstrategie sollte interdisziplinär besprochen werden, um das weitere Vorgehen gemeinsam festzulegen (z. B. Operation sofort oder erst nach einer Vorbehandlung). Die Besprechung wird protokolliert und richtet sich nach der individuellen Patientensituation, Leitlinien und evidenzbasierten Daten.
Festlegung einer Therapiestrategie: Es ist üblich, bei einer komplexen Behandlungsstrategie (z. B. multiviszerale Tumorresektion, Behandlung des Ösophaguskarzinoms) den Fall interdisziplinär zu besprechen (z. B. in einem sog. Tumorboard bzw. einer Tumorkonferenz: Der Fall wird in einer strukturierten Konferenz zwischen den Spezialisten der Erkrankung diskutiert: Onkologe, Chirurg, Pathologe, Strahlentherapeut, Radiologe) und gemeinsam die Strategie festzulegen. Hierbei wird auch besprochen, ob die Operation unmittelbar oder erst nach einer Vorbehandlung (z. B. neoadjuvante Radiochemotherapie) erfolgen soll und ob eine Operation einzeitig oder mehrzeitig durchgeführt werden soll (z. B. erst Resektion eines Kolonkarzinoms, dann Resektion von Lebermetastasen). Das Ergebnis wird protokolliert und richtet sich nach der individuellen Patientensituation, Leitlinien und evidenzbasierten Daten. Wenn die Therapiestrategie vom behandelnden Arzt mit dem Patienten und seinen Angehörigen ausführlich besprochen wird, wird dies auch bei komplexen Zusammenhängen als vertrauensbildend empfunden.
Second Opinion: Gerade vor größeren Eingriffen ist es üblich, eine zweite Meinung einzuholen.
Second Opinion: Bei größeren Eingriffen ist es durchaus üblich, eine zweite Meinung zu der gestellten Indikation einzuholen. Dies kann sowohl durch den Patienten selbst erfolgen, durch seinen Hausarzt oder seinen behandelnden Arzt.
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A 1.3 Abklärung und Beurteilung der Operabilität
1.3
Abklärung und Beurteilung der Operabilität
17 1.3
Abklärung und Beurteilung der Operabilität
Ludger Staib Ist die Indikation zu einer Operation gestellt und damit die Frage der lokalen Operabilität beantwortet, muss die allgemeine Operabilität abgeklärt werden. Dies bereitet in der Ausbildung manchmal mehr Schwierigkeiten als die Vermittlung manueller Operationstechniken. Dennoch ist eine sorgfältige Abklärung der allgemeinen Operabilität unverzichtbar für ein gutes Behandlungsergebnis. Begleitende pathologische Organveränderungen müssen erfasst und entsprechend der Dringlichkeit des Eingriffes zunächst behandelt werden, um das Risikoprofil des Patienten zu verbessern. Neben kaum akut beeinflussbaren allgemeinen Risikofaktoren (Adipositas, Nikotinkonsum, Immunsuppression) können organspezifische Risikofaktoren bestehen, deren Akutbehandlung sinnvoll sein kann. Hierzu zählen kardiale (z. B. Angina pectoris, abgelaufener Myokardinfarkt), pulmonale (z. B. obstruktive und restriktive Lungenveränderungen) und metabolische Risikofaktoren (Diabetes mellitus, Leberinsuffizienz). 왘 Merke. Die Abklärung und Beurteilung der Operabilität muss der Chirurg
Eine sorgfältige Abklärung der allgemeinen Operabilität ist unverzichtbar für ein gutes Behandlungsergebnis. Begleitende pathologische Organveränderungen müssen erfasst und entsprechend der Dringlichkeit des Eingriffes zunächst behandelt werden. Risikofaktoren sollten nach Möglichkeit therapiert bzw. „optimiert“ werden, um das Operationsrisiko zu senken.
왗 Merke
organisieren und überwachen. Er zieht dazu weitere Spezialisten zu Rate, z. B. Anästhesisten, Kardiologen etc. Eine pragmatische Risikoeinschätzung der Morbidität, d. h. der Wahrscheinlichkeit, Komplikationen zu entwickeln, bietet die ASA-Klassifikation (ASA= American Society of Anaesthesiologists): Siehe Tab. A-1.6 S. 26. Durch rechtzeitige präoperative Vorstellung eines Patienten, z. B. in einer Prämedikationsambulanz, kann diese Risikoeinschätzung relativ genau vorgenommen und eine präoperative Verbesserung des Zustandes eingeleitet werden (Blutdruckeinstellung, kardiale und pulmonale Vorbehandlung). Dies hat in den letzten Jahren wesentlich dazu beigetragen, die perioperative Letalität zu senken. Durch die ASA-Klassifikation gelingt es jedoch nicht, das präoperative Risiko der Art und dem Umfang des geplanten Eingriffs zuzuordnen. Beispiel: Eine schwere Leberinsuffizienz erhöht das Morbiditätsrisiko bei einer Leistenherniotomie zwar deutlich (Nachblutung, Wundinfekt), die Operation ist aber möglich. Bei einer geplanten abdominothorakalen Ösophagusresektion wegen eines Karzinoms stellt sie aber eine Kontraindikation dar; hier würde eine palliative Radiochemotherapie oder Stenteinlage anstelle der Operation durchgeführt. Deshalb werden die Organfunktionen im Einzelnen erfasst.
Eine pragmatische Risikoeinschätzung der Morbidität bietet die ASA-Klassifikation (Tab. A-1.6 S. 26).
1.3.1 Lungenfunktion
1.3.1 Lungenfunktion
Grundlagen: Die Häufigkeit pulmonaler Komplikationen beträgt, bezogen auf alle operativen Eingriffe, annähernd 5 %. Vorbestehende Erkrankungen des Respirationstraktes, thorakale Eingriffe, Operationen am oberen Gastrointestinaltrakt oder Kombinationseingriffe erhöhen die Komplikationsrate auf 30 %. Im Vordergrund stehen dabei Atelektasen, Bronchospasmen, Sekretretention und Infektionen. Deshalb muss auch ein banal erscheinender bronchopulmonaler Infekt präoperativ erkannt und behandelt werden.
Grundlagen: Pulmonale Komplikationen treten in ca. 5 % aller Operationen auf; deutlich erhöht bei Vorerkrankungen des Respirationstraktes, Operationen am Thorax oder oberen Gastrointestinaltrakt bzw. Kombinationseingriffen.
Diagnostik: Je nach Eingriffsgröße (vor Lungenresektionen obligat!) werden folgende Untersuchungen durchgeführt: ■ Blutgasanalyse bei Raumluft, d. h. PaO 2 (Grenzwert 4 70 mmHg), PaCO2 und O2-Sättigung. ■ Vitalkapazität (VC, Grenzwert = 90 %).
Diagnostik: je nach Eingriffsgröße: ■ Blutgasanalyse bei Raumluft. ■ Vitalkapazität (VC).
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1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
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A
Bei Unterschreitung der Grenzwerte ist eine Lungenfunktionsprüfung erforderlich.
Werden die Grenzwerte unterschritten, ist zur Objektivierung der Ventilationsstörung eine Lungenfunktionsprüfung erforderlich (Ganzkörperplethysmographie). Hierbei kann auch der Effekt einer medikamentösen Bronchospasmolyse mitgetestet werden.
Präoperative Maßnahmen: ■ Obstruktive Ventilationsstörungen (Asthma bronchiale, COPD): β2-Sympathomimetika, Anticholinergika, Sekretolytika, Entzündungshemmer. Lufu-Kontrolle. ■ Restriktive Ventilationsstörungen: präoperativ Einüben der Atemtechnik, die postoperativ erforderlich ist.
Präoperative Maßnahmen: ■ Obstruktive Ventilationsstörungen (Asthma bronchiale, COPD) können durch β2-Sympathomimetika und Anticholinergika in Kombination mit Sekretolytika und entzündungshemmenden Sprays behandelt werden. Der Therapieerfolg wird nach einer Woche durch erneute Lungenfunktionsuntersuchung überprüft. ■ Restriktive Ventilationsstörungen sind der Vorbehandlung kaum zugänglich. Es ist jedoch sinnvoll, bereits präoperativ die Atemtechnik anzutrainieren, die postoperativ erforderlich ist (z. B. apparative Unterstützung der Spontanatmung).
1.3.2 Kardiovaskuläre Funktion
1.3.2 Kardiovaskuläre Funktion
Grundlagen: Kardiale Vorerkrankungen sind v. a. bei älteren Patienten gefährlich. Nach einem Myokardinfarkt sollte ein Elektiveingriff möglichst erst nach 6 Monaten durchgeführt werden; frühzeitiger nur nach Absprache mit Kardiologen.
Grundlagen: Kardiale Vorerkrankungen stellen, insbesondere beim älteren Patienten, ein hohes Risiko dar. In 3 % aller operationsabhängigen Todesfälle liegt eine ischämische Herzerkrankung zugrunde. Ein postoperativer Myokardinfarkt hat eine Letalität von 25 – 30 %. Nach einem Myokardinfarkt sollte ein Elektiveingriff möglichst erst nach 6 Monaten durchgeführt werden. Nach erfolgreicher Myokardrevaskularisation kann dieser Zeitraum je nach Dringlichkeit und nach Absprache mit dem behandelnden Kardiologen unterschritten werden.
Diagnostik (bedarfsweise) bei positiver Anamnese: ■ Belastungs-EKG. ■ Langzeit-EKG. ■ Echokardiographie. ■ Herzkatheter.
Diagnostik: Bei positiver Anamnese werden bedarfsweise folgende Untersuchungen durchgeführt: ■ Belastungs-EKG (Objektivierung einer koronaren Herzerkrankung). ■ Langzeit-EKG (Herzrhythmusstörungen?). ■ Echokardiographie (Klappenfunktion, Perikarderguss?). ■ Herzkatheter (bei pathologischem EKG). Ein zusätzliches Risiko stellt die arterielle Hypertonie dar (Normwerte nach WHO systolisch ≤ 135 mmHg, diastolisch ≤ 85 mmHg). Sie ist bei 10 – 20 % aller Erwachsenen diagnostizierbar und nicht selten Ursache kardiovaskulärer Komplikationen (z. B. Myokardischämie, Schlaganfall).
Vorgehen bei bestehender Therapie mit Antikoagulanzien und/oder Thrombozytenaggregationshemmern: ■ Eine orale Antikoagulation sollte perioperativ auf eine systemische Heparinisierung umgestellt werden. In Notfallsituationen ggf. Frischplasma und Gerinnungsfaktoren (PPSB). ■ Acetylsalicylsäure sollte 5 Tage vor einem geplanten Eingriff abgesetzt werden. ■ Bei Doppel-Antikoagulation (z. B. Acetylsalicylsäure + Clopidogrel) nach Stentimplantation Vorgehen in Abstimmung mit dem Kardiologen.
Vorgehen bei bestehender Therapie mit Antikoagulanzien und/oder Thrombozytenaggregationshemmern: Die Therapie mit Antikoagulanzien bzw. Thrombozytenaggregationshemmern stellt für chirurgische Eingriffe ein zunehmend bedeutsames Risiko unserer immer älter werdenden Bevölkerung dar. Dabei können folgende Regeln formuliert werden: ■ Eine orale Antikoagulation (z. B. mit Marcumar) sollte perioperativ auf eine systemische Heparinisierung (Heparinperfusor bis 6 Stunden präoperativ) umgestellt werden. In der Notfallsituation muss die Gabe von Frischplasma und Gerinnungsfaktoren (PPSB) erwogen werden. ■ Eine Therapie mit Acetylsalicylsäure sollte 5 Tage vor einem geplanten Eingriff abgesetzt werden. ■ Bei einer Doppel-Antikoagulation (z. B. Acetylsalicylsäure + Clopidogrel) nach Stentimplantation sollte das perioperative Umsetzen der Antikoagulation in Abstimmung mit dem Kardiologen oder Angiologen erfolgen, da ansonsten die Gefahr des Stentverschlusses besteht.
Präoperative Maßnahmen: ■ Koronare Herzerkrankung (KHK): Medikation überprüfen und ggf. verbessern. Bei neu diagnostizierter KHK ggf. Revaskularisationsversuch (Dilatation, Stent, Bypass).
Präoperative Maßnahmen: ■ Die Behandlung einer koronaren Herzerkrankung (KHK) ist von vorrangiger Bedeutung. Bei bekannter KHK wird die Medikation überprüft und gegebenenfalls verbessert. Bei neu diagnostizierter KHK muss in Abhängigkeit von der Operationsdringlichkeit dem geplanten Eingriff zunächst ein Revaskulari-
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A 1.3 Abklärung und Beurteilung der Operabilität
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sationsversuch vorangestellt werden. Dieser kann interventionell (Dilatation, Stent) oder operativ (Bypass) erfolgen. Die suffiziente Behandlung einer manifesten Herzinsuffizienz oder Herzrhythmusstörung sollte durch einen Kardiologen erfolgen. Es besteht die Möglichkeit, einen perioperativen Herzschrittmacher anzulegen. Bei Herzschrittmacherpatienten sollte die Schrittmacherfunktion perioperativ überprüft werden. Falls immer möglich, sollte eine bipolare anstelle einer monopolaren Blutstillung erfolgen. Die antihypertensive Vorbehandlung von Patienten mit einem Phäochromozytom durch α-Rezeptorenblocker (Phenoxybenzamin, Halbwertszeit 18 – 24 h) und β-Rezeptorenblocker (bei begleitender Tachykardie oder Herzrhythmusstörung) sollte stationär und in enger Absprache mit Anästhesisten und Endokrinologen erfolgen.
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Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörung: suffiziente Therapie durch einen Kardiologen; ggf. perioperativer Herzschrittmacher. Herzschrittmacherpatienten: Schrittmacherfunktion überprüfen, nach Möglichkeit bipolare Blutstillung. Patienten mit Phäochromozytom: Therapie mit α- und β-Rezeptorenblockern stationär und in enger Absprache mit Anästhesisten und Endokrinologen durchführen.
1.3.3 Nierenfunktion
1.3.3 Nierenfunktion
Grundlagen: Bei einer neu diagnostizierten Niereninsuffizienz muss nach der Ursache gefahndet werden. Man unterscheidet eine prärenale (z. B. Hypovolämie, Schock), eine renale (z. B. Intoxikation, Medikamente, Infektion, Sepsis) und eine postrenale (z. B. Steine, benigne Prostatahyperplasie, Tumoren in der Blase oder im kleinen Becken, retroperitoneale Fibrose) Niereninsuffizienz.
Grundlagen: Man unterscheidet eine prärenale, renale und eine postrenale Niereninsuffizienz.
Diagnostik zur Erfassung der Nierenfunktion: ■ Kreatinin (Normwert 0,6 – 1,0 mg/dl). ■ Harnstoff (Normwert 10 – 50 mg/dl). ■ Kreatinin-Clearance (Normwert 4 40 ml/dl).
Diagnostik (Nierenfunktion): ■ Kreatinin (0,6 – 1,0 mg/dl). ■ Harnstoff (10 – 50 mg/dl). ■ Kreatinin-Clearence (4 40 ml/dl).
Zur weiterführenden Diagnostik werden Ultraschall, Ausscheidungsurographie, CT bzw. MRT oder Funktionsszintigraphie durchgeführt.
Ggf. Ultraschall, Ausscheidungsurographie, CT/MRT, Szintigraphie.
Präoperative Maßnahmen: ■ Eine akute oder chronische Niereninsuffizienz wird internistisch-nephrologisch, je nach Schwere und Genese, mit Diuretika und Eiweißrestriktion, ggf. durch Dialyse vorbehandelt. Falls der Patient keinen Shunt angelegt bekam, muss zur Dialysevorbereitung ein dicklumiger Sheldon-Katheter gelegt werden. ■ Ein bereits bestehendes Dialyseintervall kann aus operativen Gründen durch eine Kurzdialyse präoperativ modifiziert werden. Die Indikation hierzu wird nach den aktuellen Laborwerten (Kalium, Harnstoff, Kreatinin) und dem aktuellen Körpergewicht (im Vergleich zum „Trockengewicht“) gestellt. Bei einem Eingriff direkt nach der Dialyse muss mit einer erhöhten Blutungsneigung gerechnet werden. ■ Bei Patienten, die eine Peritonealdialyse durchführen, muss der Peritonealkatheter im Falle einer Laparotomie sorgfältig steril abgeklebt und geschont werden. Eine perioperative und postoperative Antibiotikatherapie ist obligat. Sorgfältige Präparationstechnik und Blutstillung sind entscheidend, da postoperative Verwachsungen die Durchführung der Dialyse unmöglich machen können. Ein dichter Bauchdeckenverschluss ist die Voraussetzung dafür, dass die Peritonealdialyse spätestens 48 Stunden nach dem Eingriff fortgesetzt werden kann. Bei der Laparotomie imponieren Peritoneum und Darmschlingen meist bräunlich verfärbt und verdickt. ■ Besteht der Verdacht, dass der Ureter durch eine Raumforderung im kleinen Becken oder durch eine Vernarbung aufgestaut ist, so sollte vor einem abdominellen Eingriff eine Schienung des Ureters durch einen Doppel-JPigtail-Katheter durchgeführt werden. Anhand des palpablen Katheters kann intraoperativ der Ureter leichter identifiziert und geschont werden. Der Katheter wird 6 Wochen postoperativ wieder entfernt.
Präoperative Maßnahmen: ■ Niereninsuffizienz: Vorbehandlung mit Diuretika, Eiweißrestriktion, ggf. Dialyse (ggf. Shuntanlage). ■ Ggf. Anpassung eines bestehenden Dialyseintervalls. ■ Bei Peritonealdialyse: Der Peritonealkatheter muss bei einer Laparotomie sorgfältig steril abgeklebt und geschont werden. Peri- und postoperative Antibiotikatherapie. Sorgfältige Präparationstechnik und Blutstillung, um Verwachsungen (Dialysehindernis) zu vermeiden. ■ Bei Verdacht auf Aufstau des Ureters im kleinen Becken sollte der Ureter vor einem abdominellen Eingriff geschient werden. Diese Schienung ermöglicht eine bessere intraoperative Schonung des Ureters.
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1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
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A
1.3.4 Leberfunktion
1.3.4 Leberfunktion
Grundlagen: Ursachen für Funktionseinschränkungen der Leber: ■ Hepatozelluläre Fehlfunktion (z. B. Hepatitis, Medikamente). ■ Überproduktion von Bilirubin (z. B. Hämolyse, Sepsis). ■ Extrahepatische biliäre Obstruktion (z. B. Choledochussteine, Pankreatitis).
Grundlagen: Funktionseinschränkungen der primär gesunden Leber sind selten (5 1 %). Sie lassen sich ätiologisch in drei Gruppen einteilen: ■ Hepatozelluläre Fehlfunktion, z. B. durch Hepatitis, total parenterale Ernährung, Medikamente. ■ Überproduktion von Bilirubin, z. B. durch Bluttransfusion, Hämolyse, Sepsis, Resorption größerer Hämatome. ■ Extrahepatische biliäre Obstruktion, z. B. durch Gallengangsverletzungen, Choledochussteine, Pankreatitis.
Diagnostik: Orientierung über aktuelle Leberfunktion: Quick-Wert (4 60 %) bzw. INR (5 2,0), Bilirubin (5 2 mg/dl), Gesamteiweiß (4 5 g/dl).
Diagnostik: Eine gute Orientierung über die aktuelle Leberfunktion geben QuickWert (4 60 %) bzw. INR = International Normalized Ratio (5 2,0), Bilirubin (5 2 mg/dl) und das Gesamteiweiß (4 5 g/dl). Bei Nachweis einer manifesten Funktionsstörung muss eine eingehende internistisch-hepatologische Abklärung einschließlich Biopsie erfolgen, denn eine vorbestehende Lebererkrankung erhöht die perioperative Morbidität und Letalität erheblich. Zu den Hauptkomplikationen gehören peri- und postoperative Blutung und Infektion.
Präoperative Maßnahmen: ■ Korrektur von Gerinnungsstörungen. ■ Verbesserung des Ernährungszustands (Gesamteiweiß). ■ Behandlung einer begleitenden Niereninsuffizienz. ■ Ausschwemmen eines bestehenden Aszites. ■ Therapie eines bestehenden Infektes.
Präoperative Maßnahmen: ■ Korrektur von Gerinnungsstörungen (z. B. Gabe von Vitamin K, FFP = fresh frozen plasma). ■ Verbesserung des Ernährungszustands (Gesamteiweiß); hierzu lassen sich Ernährungs-Scores bestimmen, anhand derer die Effektivität der Maßnahmen kontrolliert werden kann (z. B. Nutritional Risk Screening, Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin). ■ Behandlung einer begleitenden Niereninsuffizienz. ■ Ausschwemmen eines bestehenden Aszites. ■ Therapie eines bestehenden Infektes.
1.4
Aufklärung und Einwilligung
1.4
Aufklärung und Einwilligung Hans-Jürgen Kaatsch
Ein ärztlicher Eingriff ist gemäß der Rechtsprechung als rechtswidrige Körperverletzung anzusehen, wenn die Einwilligung des Patienten nicht vorliegt.
왘 Merke
Trotz mancher Kritik hält die Rechtsprechung daran fest, dass der ärztliche Eingriff, egal ob zu therapeutischen oder diagnostischen Zwecken, als rechtswidrige Körperverletzung anzusehen ist. Zum ärztlichen Eingriff in diesem Sinne gehören alle Maßnahmen, die die körperliche Integrität des Patienten verletzen, also nicht nur Operationen, sondern z. B. auch Injektionen, Gewebeentnahmen, Bestrahlungen und die Applikation von Medikamenten. 왘 Merke. Rechtmäßig ist die Körperverletzung nur dann, wenn der Patient in
die Behandlung eingewilligt hat und über die Tragweite seiner Entscheidung ausreichend informiert wurde.
1.4.1 Inhalte des Aufklärungsgesprächs
왘 Merke
1.4.1 Inhalte des Aufklärungsgesprächs 왘 Merke. Die Aufklärung ist eine ärztliche Pflichtaufgabe und kann nicht z. B.
auf Assistenzpersonal delegiert werden! Inhalte des Aufklärungsgesprächs: ■ Über den Befund und die möglichen Konsequenzen unterrichten. ■ Gründe für den geplanten Eingriff. ■ Hinweis auf alternative Therapie-/Diagnoseverfahren.
Das Aufklärungsgespräch sollte folgende Punkte umfassen: Der Arzt muss den Patienten über den Befund unterrichten und erläutern, was dieser für die Zukunft des Betroffenen bedeutet oder bedeuten kann. ■ Die Gründe für den geplanten Eingriff müssen erörtert werden, inwieweit er also ggf. notwendige diagnostische Erkenntnisse ermöglicht bzw. eine Heilung oder Besserung des Leidens erwarten lässt. ■ Auf erprobte alternative Therapien oder Diagnoseverfahren ist hinzuweisen. ■
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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1.4 Aufklärung und Einwilligung
Die Technik des Eingriffs muss in groben Zügen erläutert werden (es müssen nicht alle Einzelheiten dargelegt werden). Eine ganz herausragende Bedeutung hat die Aufklärung über die sicheren und möglichen Folgen der ärztlichen Maßnahme sowie über die typischen und speziell mit diesem Eingriff an gerade diesem Patienten verbundenen Risiken, wobei an den Umfang der Aufklärungspflicht unterschiedliche Anforderungen gestellt werden (s. u.). Cave: Typische Folgen müssen auch schon bei einer Wahrscheinlichkeit von 0,5 % erwähnt werden. Auch belastende Begleitumstände des Eingriffs sollten dem Patienten genannt werden, so etwa der Aufenthalt auf einer Intensivstation, die Intubation, der längerdauernde Anschluss an Infusionsgeräte oder Monitore, Schmerzen und andere Missbefindlichkeiten, vorübergehende Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten. Auch auf die Prognose der Erkrankung bei Spontanverlauf bzw. unter konservativer Therapie ist hinzuweisen. Ist der Therapieerfolg vom weiteren Verhalten des Patienten nach dem Eingriff abhängig, muss dies als sog. Sicherungsaufklärung deutlich angemahnt werden. Ist nur andeutungsweise bei einem Eingriff eine mögliche Operationserweiterung denkbar, ist dies im Vorfeld zu besprechen und mit in die Einwilligungserklärung aufzunehmen. Sollte sich völlig überraschend intraoperativ eine indizierte Erweiterung als nötig herausstellen, kann diese unter dem Aspekt der mutmaßlichen Zustimmung des Patienten durchgeführt werden, wenn ein Aufschub des Eingriffs medizinisch nicht verantwortbar wäre. Letztlich wird eine Aufklärung über die wirtschaftlichen Folgen der Behandlung verlangt, insbesondere darüber, dass Kosten vom Patienten selbst getragen werden müssen, wenn diese nicht von der Krankenversicherung gezahlt werden. 왘 Merke. Will der Patient ausdrücklich auf eine Aufklärung verzichten, kann
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Technik des Eingriffs grob erläutern. Erläuterung der sicheren und möglichen Folgen des Eingriffs sowie der typischen und speziell bei diesem Patienten möglichen Risiken. Nennung belastender Begleitumstände, z. B. Intensivstationaufenthalt, Intubation, Schmerzen. Prognose bei Spontanverlauf bzw. konservativer Therapie. Sog. Sicherungsaufklärung durchführen, wenn der Therapieerfolg vom weiteren Verhalten des Patienten nach dem Eingriff abhängt. Notwendigkeit einer eventuellen Operationserweiterung besprechen. Besprechung von wirtschaftlichen Folgen der Therapie, z. B. notwendige Eigenbeteiligung des Patienten.
왗 Merke
er dies; der Arzt sollte sich dies in einem persönlichen Gespräch bestätigen lassen und mit entsprechender Dokumentation absichern.
1.4.2 Umfang der Aufklärungspflicht
1.4.2 Umfang der Aufklärungspflicht
An den Umfang der Aufklärungspflicht werden, in Abhängigkeit der vorliegenden Indikationsstufe, unterschiedliche Anforderungen gestellt (Tab. A-1.4): Die Spannweite liegt zwischen der kosmetischen Operation auf der einen und der absoluten (vitalen) Indikation auf der anderen Seite.
Der Umfang der Aufklärungspflicht hängt ab von der vorliegenden Indikationsstufe (Tab. A-1.4).
왘 Merke. Grundsätzlich gilt für den Umfang der Aufklärung: Je dringlicher der
왗 Merke
Eingriff, desto entbehrlicher die Aufklärung bzw. je elektiver der Eingriff, desto ausführlicher die Aufklärung. Bei kosmetischen Operationen werden die strengsten Maßstäbe angelegt. Selbst entfernteste Gefahren des Misslingens und die seltensten Risiken sind dem Patienten aufzuzeigen. Ähnliches gilt bei diagnostischen Eingriffen – auch hier stellt die Rechtsprechung höchste Anforderungen an die Hinweise auf Risiken und Komplikationen. Bei angezeigten, aber zu diesem Zeitpunkt nicht unmittelbar notwendigen ärztlichen Eingriffen sinkt zwar die Anforderungsschwelle. Trotzdem muss der Umfang der Aufklärung so bemessen sein, dass der Patient selbst entscheiden kann, ob er die gesundheitliche Beeinträchtigung weiterhin in Kauf nehmen oder sie trotz bestehender Risiken beseitigen lassen will. Eingriffe mit absoluter oder vitaler Indikation – Fälle also, in denen dem Patienten keine echte Wahlmöglichkeit verbleibt – grenzen die Aufklärungspflicht weiter ein.
Bei kosmetischen und diagnostischen Eingriffen werden die strengsten Maßstäbe angelegt. Bei angezeigten, aber zu diesem Zeitpunkt nicht unmittelbar notwendigen ärztlichen Eingriffen sinkt die Anforderungsschwelle an die Aufklärung, muss aber so erfolgen, dass der Patient entscheiden kann. Bei Eingriffen mit absoluter oder vitaler Indikation ist die Aufklärungspflicht niedriger.
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A
22 A-1.4
1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
Indikationen für operative Eingriffe
Indikationsstufe
Umfang
Beispiel
absolute Indikation absolut sofort absolut dringlich
vitale Gefährdung, Notfälle
■
relative Indikation (= elektiv)
Wahleingriff (es bestehen mehrere alternative Behandlungsmöglichkeiten)
Bypass-Operation, Koronardilatation, endoskopische Eingriffe
■
palliative Indikation
symptomatische Therapie ohne direkte Behandlung des Grundleidens (lebensverlängernde Maßnahme), Linderung der Beschwerden
Resektion eines Bronchialkarzinoms bei Luftnot durch Bronchuskompression
■
prophylaktische Indikation
operativer Eingriff vor Beginn einer Symptomatik
Kolektomie bei familiärer Polyposis coli
■
diagnostische Indikation
operativer Eingriff zu Diagnosezwecken
explorative Laparoskopie
■
kosmetische Indikation
operative Beseitigung subjektiv störender Befunde
Mamma-Silikon-Implantat
■ ■ ■
■
■
왘 Merke
sofort: SHT, Aneurysmaruptur, Spannungspneumothorax dringlich: Fraktur 3. Grades
왘 Merke. Missverstandene oder in ihrer Bedeutung nicht erfasste medizinische Fachausdrücke oder Zusammenhänge können die Einverständniserklärung unwirksam machen. Das Aufklärungsgespräch muss deshalb dem Bildungsstand des Patienten angepasst sein, und der Arzt muss sich ständig vergewissern, dass der Patient den Gesprächsinhalten folgen kann.
Zeitpunkt der Aufklärung – stationär: ■ Eine Aufklärung unmittelbar vor dem Eingriff oder am Vorabend ist nicht ausreichend! ■ Aufklärung am Vortag: ausreichend für einfache, risikoarme Eingriffe.
Auch der Zeitpunkt der Aufklärung hat Einfluss auf die Wirksamkeit der Einwilligung. Feste, insbesondere schriftlich fixierte Regeln über den für die Risikoaufklärung zu wählenden Termin gibt es nicht. Der sehr umfangreichen Rechtsprechung können bezüglich stationärer Eingriffe folgende Grundsätze entnommen werden: ■ Nicht ausreichend ist eine Aufklärung unmittelbar vor dem Eingriff oder am Vorabend. (Hingegen ist die Aufklärung über Narkoserisiken durch den Anästhesisten am Vorabend zulässig.) ■ Eine Aufklärung am Vortag ist noch rechtzeitig, wenn es sich um einen einfachen Eingriff oder um einen Eingriff mit geringen bzw. weniger einschneidenden Risiken handelt. Gleiches gilt für Notoperationen und Eingriffe, bei denen die für die Operationsindikation entscheidenden Voruntersuchungen nicht früher vorliegen.
Mit der Aufklärung muss nicht bis zur Aufnahme des Patienten ins Krankenhaus zu dem vorbestimmten Termin gewartet werden.
Soll ein Patient einem Arzt gegenüber definitiv seine Bereitschaft erklären, sich bei ihm zu einem genau festgelegten und in absehbarer Zeit liegenden Termin einem bestimmten operativen Eingriff zu unterziehen, ohne dass dies noch von den Ergebnissen weiterer wichtiger Untersuchungen abhängig gemacht wird, hat die Risikoaufklärung zu diesem Zeitpunkt zu erfolgen; es sind keine medizinischen Interessen erkennbar, die es generell geboten erscheinen lassen, mit der Aufklärung etwa bis zur Aufnahme des Patienten ins Krankenhaus zu dem vorbestimmten Termin zu warten.
Zeitpunkt der Aufklärung – ambulant: Die Aufklärung kann am Tag des Eingriffs erfolgen, wenn der zeitliche Abstand zur OP so bemessen ist, dass der Patient nach reiflicher Überlegung seine Entscheidung noch ändern kann.
Bei ambulanten Eingriffen ist das Aufklärungsgespräch am Tag des Eingriffs zulässig, wenn die Operation mit deutlichem zeitlichem Abstand erfolgt. Der zeitliche Abstand soll so bemessen sein, dass der Patient nach reiflicher Überlegung seine Entscheidung noch ändern kann. Bei schwierigeren, risikoreicheren Eingriffen muss das Gespräch bereits vorher, am besten bei Festlegung des Operationstermins geführt werden.
왘 Merke
왘 Merke. Im Regelfall muss dem Patienten also eine ausreichende Überlegungsfrist eingeräumt werden, die ihm Gelegenheit geben muss, das Für und Wider, Nutzen und Risiken des Eingriffs in Ruhe abzuwägen, sich mit Menschen seines Vertrauens zu beraten und Erkundigungen einzuholen.
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1.4 Aufklärung und Einwilligung
23
Aufklärungsformulare: Vorgefertigte Aufklärungsformulare können das Aufklärungsgespräch wertvoll unterstützen. Dem Patienten wird zunächst der Aufklärungsbogen zum Studium ausgehändigt, nach angemessener Zeit werden im persönlichen Gespräch die wesentlichen Inhalte der Aufklärung besprochen und der Patient unterschreibt die Einwilligungserklärung im Beisein des Arztes (sog. Stufenaufklärung).
Aufklärungsformulare können eine wertvolle Unterstützung darstellen. Zunächst liest der Patient den Bogen in Ruhe durch, danach erfolgt das Gespräch mit dem Arzt.
1.4.3 Voraussetzungen für die Einwilligung
1.4.3 Voraussetzungen für die Einwilligung
Volljährige Patienten: Wirksam einwilligen kann nur, wer bewusstseinsklar uneingeschränkt einsichts- und urteilsfähig ist.
Volljährige Patienten müssen bewusstseinsklar und uneingeschränkt einsichtsund urteilsfähig sein.
A
A-1.9 Beispiel für einen Aufklärungsbogen
왘 Merke. Vital indizierte Eingriffe gegen den erklärten Willen eines bewusst-
왗 Merke
seinsklaren und geschäftsfähigen Patienten sind als rechtswidrige Körperverletzung strafbar und können zu Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldansprüchen wegen Verletzung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten führen.
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1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
24
A
Minderjährige Patienten zwischen 14 und 18 Jahren können einwilligungsfähig sein, wenn sie die Tragweite ihrer Entscheidung erfassen können.
Minderjährige Patienten zwischen 14 und 18 Jahren: Die oben genannten Voraussetzungen erfüllt in vielen Fällen auch der nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften nicht voll geschäftsfähige minderjährige Patient im Alter zwischen 14 und 18 Jahren, wenn er einwilligungsfähig ist, also die Tragweite seiner Entscheidung erfassen kann. Hier geht seine Entscheidung vor, ein anders lautender Wille der gesetzlichen Vertreter müsste nicht beachtet werden. Deren Zustimmung ist aber in Zweifelsfällen einzuholen.
Minderjährige (5 14 Jahre): Die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter ist zwingend erforderlich.
Minderjährige Patienten unter 14 Jahren: Hier muss die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter eingeholt werden.
왘 Merke
In Konfliktfällen muss ggf. das Vormundschaftsgericht eingeschaltet werden.
왘 Klinische Fälle
1.5
Anästhesiologische Betreuung
왘 Merke. Da das elterliche Sorgerecht nach dem Gesetz prinzipiell beiden Elternteilen zusteht, ist also in der Regel die Einholung der Zustimmung beider Elternteile erforderlich.
Schwierigkeiten treten auf, wenn ein Sorgeberechtigter aus Uneinsichtigkeit oder weltanschaulichen bzw. religiösen Gründen dem Eingriff nicht zustimmen will. Hier kommt als Ultima Ratio die Einschaltung des Vormundschaftsgerichts in Betracht. 왘 Klinische Fälle. Fall 1: Nach Verkehrsunfall wird ein 8-jähriges Kind mit offensichtlich erheblichen inneren Verletzungen stationär aufgenommen. Die anwesenden Eltern verweigern strikt die Einwilligung in jede ärztliche Behandlungsmaßnahme mit der Begründung, wenn es Gottes Wille sei, werde das Kind auch ohne medizinische Hilfe überleben; andernfalls sei sich seiner Entscheidung zu beugen. Ist der Patient ohne Bewusstsein oder einwilligungsunfähig, rechtfertigt sich ein Eingriff prinzipiell unter dem Gesichtspunkt der mutmaßlichen Einwilligung. Dieser Rechtfertigungsgrund greift ein, wenn die Würdigung der Sachlage die Annahme zulässt, dass der Rechtsgutinhaber (das verletzte Kind) seine Zustimmung erteilt hätte, wenn er dies gekonnt hätte. Dies gilt natürlich auch für ein einwilligungsunfähiges Kind. Hier wird man also unterstellen können, dass das Kind behandelt werden möchte, wenn es sich äußern könnte. Allerdings sind zunächst die anwesenden gesetzlichen Vertreter (also die Eltern) vertretungsberechtigt und müssten die Zustimmung zur Behandlung erteilen. Die hier erfolgte Ablehnung der Eltern stellt aber eine missbräuchliche Ausübung des elterlichen Sorgerechts dar, was durch Einschaltung des Vormundschaftsrichters behoben werden könnte. Im Notfall könnte man das Kind auch gegen den Willen der Eltern behandeln und nachträglich das Vormundschaftsgericht in Kenntnis setzen. Bei vorher klar geäußertem, entgegenstehendem Willen eines Einwilligungsfähigen ist die Berufung auf die mutmaßliche Einwilligung aber ausgeschlossen. Fall 2: Ein Tumorpatient erklärt, er wünsche keine palliativen oder kurzfristig lebensverlängernden Maßnahmen, wenn sich bei seiner geplanten Operation die Inkurabilität des Karzinoms herausstellen sollte. Hier ist der Arzt intraoperativ an einem entsprechenden Vorgehen gehindert, da er den entgegenstehenden Willen des Patienten kennt. Anders liegt der Fall bei einem bewusstlos eingelieferten Suizidanten, insbesondere, wenn man nur eingeschränkte Kenntnisse von den Umständen hat. Hier könnte nach Meinung der Rechtsprechung ein ursprünglich durchaus ernsthafter Selbsttötungswille nach Beendigung des Suizidversuchs aufgegeben worden sein, nur sei der bewusstlose (vermeintlich) Lebensmüde nun nicht mehr in der Lage, seinen geänderten Willen durchzusetzen. Hier muss man also davon ausgehen, dass der Patient seinen Willen geändert hat und seine Rettung wünscht.
1.5
Anästhesiologische Betreuung Alexander Brinkmann, Peter Steffen, Florian Wagner
왘 Merke
왘 Merke. Die anästhesiologische Betreuung vor, während und unmittelbar nach einer Operation stellt einen integralen Bestandteil eines erfolgreichen chirurgischen Eingriffs dar.
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A
1.5 Anästhesiologische Betreuung
25
Die folgenden Kapitel geben einen Überblick zur präoperativen Beurteilung und postoperativen Betreuung durch den Anästhesisten und stellen die Grundlagen und wichtigsten Aspekte einer Allgemein- („Vollnarkose“) und Regionalanästhesie („Teilnarkose“) vor.
1.5.1 Präoperative Vorbereitung
1.5.1 Präoperative Vorbereitung
Anamnese und klinische Untersuchung
Anamnese und klinische Untersuchung
Anamnese: Die Erhebung der anästhesierelevanten Anamnese umfasst neben bekannten Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahme und Allergien vor allem Fragen zu früheren Operationen, Narkosen sowie Besonderheiten und Komplikationen im Rahmen dieser Narkosen.
Anamnese: Vorerkrankungen, Medikamente, Allergien, frühere Operationen und Narkosen.
왘 Merke. Bei geplanten Eingriffen sollte eine präoperative Nüchternheit von 6 Stunden (für geringe Mengen klarer Flüssigkeiten [ohne Partikel, Fett und Alkohol] bis 2 Stunden) eingehalten werden, um Regurgitation und Aspiration bei der Narkoseeinleitung zu verhindern.
Die klinische Untersuchung gliedert sich nach Organsystemen und setzt sich aus Inspektion, Palpation, Perkussion und Auskultation zusammen. Der körperliche Untersuchungsbefund schließt die Messung des Blutdrucks, der Herzfrequenz, der Sauerstoffsättigung, den Ausschluss von Beinödemen und die Inspektion potenzieller Einstichstellen bei geplanter Regionalanästhesie mit ein. Herz-, Kreislauf- und Lungenerkrankungen sind von besonderer Bedeutung. ■ Herz, Kreislauf: Die myokardiale Situation sollte in Anlehnung an die Klassifikation der Herzinsuffizienz nach der New York Heart Association (NYHA) beurteilt werden (Tab. A-1.5). In Bezug auf Herz und Kreislauf sollte darüber hinaus auf das Vorliegen von Hypertonie, Hypotonie, koronarer Herzkrankheit, Herzinfarkt, Rhythmusstörungen, Herzvitien und Myokarditis geachtet werden. ■ Atmungsorgane: Rezidivierende Infekte, chronische Bronchitis, Asthma bronchiale, Lungenemphysem, Lungenfibrose, Pneumonie, Tuberkulose und Tumorerkrankungen? ■ Nervensystem: Besonders bei einem geplanten regionalen Anästhesieverfahren sollte ein bereits präoperativ vorliegendes neurologisches Defizit dokumentiert sein. Auch zerebrale Gefäßerkrankungen, Zustand nach Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma, Hirntumoren, Epilepsie und Erkrankungen des Rückenmarks sind als anästhesierelevant einzustufen. ■ Stoffwechsel, Gastrointestinaltrakt, Niere: Aus dem Bereich der endokrinmetabolischen Krankheitsbilder kommt der Adipositas und der Refluxkrankheit eine besondere Bedeutung zu. Darüber hinaus sollte auf Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz, Leber- und Nebennierenerkrankungen geachtet werden. ■ Neuromuskulär, muskulär: Myasthenia gravis, Myopathien (familienanamnestisch)? ■ Kopf-Hals-Region: Für den Anästhesisten ist diese Region von unverzichtbarer Bedeutung, weil sich daraus Hinweise auf eine möglicherweise erschwerte Maskenbeatmung und Intubation ableiten können! Im Rahmen der Inspektion müssen Malformationen (kleiner Unterkiefer, fliehendes Kinn), Tumoren oder das Vorliegen einer großen Struma erkannt und dokumentiert werden.
A-1.5
NYHA NYHA NYHA NYHA
I II III IV
NYHA-Klassifikation der Herzinsuffizienz
왗 Merke
Die klinische Untersuchung gliedert sich nach Organsystemen und umfasst Inspektion, Palpation, Perkussion, Auskultation. ■ Herz, Kreislauf: Zur Anamnese der myokardialen Situation dient die NYHA-Klassifikation der Herzinsuffizienz (Tab. A-1.5). Auf Vorerkankungen sollte geachtet werden (Hypertonie, Hypotonie, KHK, Myokardinfarkt, Herzvitien, Rhythmusstörungen, Myokarditis).
■
■
Atmungsorgane: COPD, Asthma, Pneumonie, Tuberkulose, Tumorerkrankungen? Nervensystem: zerebrovaskuläre Erkrankungen, Schädel-Hirn-Trauma, Tumoren, Epilepsie, Rückenmarkserkrankungen?
Stoffwechsel, Gastrointestinaltrakt, Niere: Adipositas, Diabetes mellitus, Refluxkrankheit, Niereninsuffizienz, Leberinsuffizienz?
Neuromuskulär, muskulär: Myasthenia gravis, Myopathien (familienanamnestisch)? Kopf-Hals-Region: Hinweise für eine schwierige Intubation sind: ■ Eingeschränkte Mundöffnung und Reklination. ■ Kurzer, dicker Hals. ■ Mallampati III (Abb. A-1.10).
A-1.5
keine Beschwerden bei großer Belastung Beschwerden bei höheren Belastungen (4 1 Stockwerk) Beschwerden bereits bei leichteren Belastungen (5 1 Stockwerk) Beschwerden in Ruhe
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A
26 A-1.10
■ ■ ■ ■
1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
Klassifikation nach Mallampati
Desolater Zahnstatus. Malformationen der Kiefer. Große Zunge. Vollbart.
Bei adipösen Patienten und Trägern eines Vollbartes kann bereits die Maskenbeatmung erheblich erschwert sein. Eine Einschränkung der Reklination in der HWS und der Mundöffnung (5 4 cm ist kritisch) wie z. B. bei Ankylose des Kiefergelenkes oder Abszessen im Mundbereich kann die Intubation u.U. erheblich beeinträchtigen. Die Untersuchung des Mund- und Rachenraumes schließt den Zahnstatus (Prothesen, lockere Zähne), die Größe und Beweglichkeit der Zunge (Makroglossie) sowie den hinteren Rachenraum mit ein. Die Klassifikation nach Mallampati (Abb. A-1.10) erlaubt ergänzende Hinweise auf einen potenziell erschwerten Intubationssitus.
Anästhesierisiko, operative Dringlichkeit
Anästhesierisiko, operative Dringlichkeit
Beurteilung anhand der ASA-Risikoklassifikation (Tab. A-1.6).
Mithilfe des Schemas der American Society of Anesthesiologists (ASA-Klassifikation) kann das Anästhesierisiko beurteilt werden: siehe Tab. A-1.6. Die Dringlichkeit eines operativen Eingriffs bestimmt die Zeit, die verbleibt, um einen Patienten auf die Operation vorzubereiten: siehe Tab. A-1.7.
Zur Dringlichkeit des operativen Eingriffs: Tab. A-1.7.
A-1.6
A-1.6
ASA
Risikoeinschätzung
ASA I ASA II
gesunder Patient (außer der aktuellen chirurgischen Erkrankung) leichte Systemerkrankung (z. B. gut eingestellter Diabetes mellitus, Hypertonie) schwere Systemerkrankung mit Leistungseinschränkung (z. B. KHK, COPD) schwerste Systemerkrankung mit konstanter Lebensbedrohung (z. B. Polytrauma, Schock) moribunder Patient, der mit oder ohne Operation die nächsten 24 Stunden voraussichtlich nicht überlebt (z. B. fulminante Lungenembolie)
ASA III ASA IV ASA V
A-1.7
ASA-Klassifikation zur Risikoeinschätzung
A-1.7
Operative Dringlichkeit
Eingriff
Vorbereitungszeit
elektiv
Wochen bis Monate (Zeitpunkt der Operation kann frei gewählt werden)
geplant, bedingt dringlich (z. B. Malignome)
Tage
dringlich, organerhaltend (z. B. Ileus)
Stunden
Notfall- bzw. Soforteingriff (z. B. schwere Blutung)
Minuten
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A
1.5 Anästhesiologische Betreuung
왘 Merke. Das perioperative Risiko wird nicht nur durch Begleiterkrankungen, sondern wesentlich auch durch die zugrunde liegende und zum operativen Eingriff führende Erkrankung bestimmt.
27 왗 Merke
Weiterführende Untersuchungen
Weiterführende Untersuchungen
Allgemeines Schema bei unauffälliger Anamnese, keinem wesentlichen pathologischen Untersuchungsbefund (ASA I–II): ■ Alter < 45: keine weiterführenden Untersuchungen notwendig. ■ Alter > 45 (Männer), > 55 Jahre (Frauen): 12-Kanal-Ruhe-EKG.
Allgemeines Schema bei unauffälliger Anamnese und klinischer Untersuchung (ASA I–II): ■ Alter < 45 Jahre: keine weiteren Untersuchungen. ■ Alter > 45 Jahre (Männer), > 55 Jahre (Frauen): EKG. Weitere apparative und/oder Laboruntersuchungen hängen ab von Vorerkrankungen und der geplanten Operation.
Die Notwendigkeit für weitere apparative Untersuchungen (z. B. RöntgenThorax, Spirometrie, BGA, Belastungs-EKG, Echokardiographie, Koronarangiographie) sowie Laboranalysen (z. B. Blutbild, Blutgruppe, Kreuzblut, Natrium, Kalium, Kreatinin, Quick/INR, PTT) ergeben sich durch spezifische Vorerkrankungen sowie durch die Art und den Umfang der geplanten Operation. Zum Vorgehen bei bestehender Antikoagulation bzw. Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern oder bei Doppelantikoagulation nach Stentimplantation (z. B. ASS + Clopidogrel) s. S. 18.
Auswahl des Anästhesieverfahrens
Auswahl des Anästhesieverfahrens
Bei nicht nüchternen Patienten, Laparotomien, Thorakotomien, Adipositas permagna und Bauchlagerungen kann auf eine Allgemeinanästhesie mit endotrachealer Intubation nicht verzichtet werden. Bei anderen Operationen ist unter Umständen eine Gesichtsmaske (OP-Dauer 5 30 Minuten) oder eine Kehlkopfmaske ausreichend. Traumatologische und orthopädische Eingriffe werden häufig in rückenmarknaher oder peripherer Regionalanästhesie durchgeführt. Bei großen thorakalen und abdominellen Operationen kommen heute auch Kombinationsnarkosen (Allgemeinanästhesie und thorakale Peridualanästhesie) zum Einsatz.
Anästhesieaufklärung und Einwilligung Nicht nüchterne Patienten, Laparotomien, Thorakotomien, Adipositas permagna, Bauchlagerung: Allgemeinanästhesie mit endotrachealer Intubation ■ Andere Operationen: u.U. Gesichtsmaske (OP-Dauer 5 30 Minuten) oder Kehlkopfmaske. ■ Traumatologische und orthopädische Eingriffe: ggf. rückenmarknahe oder periphere Regionalanästhesie. Anästhesieaufklärung und Einwilligung
Anästhesieaufklärung und Einwilligung 왘 Merke. Eine Einwilligung zur Narkose ist zwingend erforderlich, da ansons-
■
왗 Merke
ten strafrechtlich der Tatbestand der Körperverletzung erfüllt ist. Das Aufklärungsgespräch, das zwingend dokumentiert werden muss (meist in Form von Aufklärungsbögen), sollte folgende Punkte beinhalten: ■ Ablauf des Anästhesieverfahrens. ■ Erläuterung alternativer Verfahren (Vor- und Nachteile). ■ Erklärung typischer Risiken und Komplikationen. ■ Ergänzende Information und Verhaltensmaßregeln (Nahrungskarenz bei Erwachsenen mindestens 6 Stunden, Nikotinkarenz, medikamentöse Prämedikation, Maßnahmen in der Einleitung, Transfusion von Blutprodukten, postoperative Maßnahmen im Aufwachraum, Schmerztherapie, ggf. Nachbeatmung und Intensivbehandlung).
Inhalte des Aufklärungsgesprächs (dokumentieren!): ■ Ablauf. ■ Alternativen. ■ Risiken/Komplikationen. ■ Verhaltensmaßregeln (z. B. Nüchternheitsgebot) und ergänzende Infos (z. B. Transfusion von Blutprodukten, postoperative Betreuung).
Prämedikation
Prämedikation
왘 Definition. Die Prämedikation bezeichnet die medikamentöse Vorbereitung des Patienten auf die Anästhesie und Operation.
Vorrangiges Ziel ist die Anxiolyse und Stressreduktion. Das kann mit einer Sedierung verbunden sein, die unter bestimmten Bedingungen aber vermieden werden sollte (z. B. bei Schlaf-Apnoe-Syndrom, respiratorischer Globalinsuffizienz, Myasthenia gravis, Schwangerschaft 1. Trimenon, bei Säuglingen 5 6 Monaten, komatösen und verwirrten Patienten).
왗 Definition
Ziel ist die Anxiolyse und Stressreduktion. Wegen der evtl. damit verbundenen Sedierung muss auf Kontraindikationen geachtet werden (z. B. respiratorische Globalinsuffizienz). Meist werden Benzodiazepine verwendet.
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A
1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
Die zur Prämedikation am häufigsten verwandte Substanzgruppe sind die Benzodiazepine. Man teilt diese Substanzklasse nach ihrer Wirkdauer ein: ■ Kurz wirksame (HWZ 1 – 4 h), z. B. Midazolam. ■ Mittellang wirksame (10 – 18 h), z. B. Lorazepam. ■ Lang wirksame (20 – 40 h), z. B. Flunitrazepam. ■ Ultralang wirksame (40 – 100 h), z. B. Dikaliumclorazepat. Die Prämedikation wird überwiegend oral appliziert. 1.5.2 Gefäßzugänge
왘 Merke
1.5.2 Gefäßzugänge 왘 Merke. Die Anlage eines sicheren Venenzugangs ist eine unerlässliche Voraussetzung für die Durchführung einer Narkose.
Periphervenöser Zugang
Periphervenöser Zugang
Platzierung meist an Handrücken, Unterarm oder in der Ellenbeuge.
Abhängig von den anatomischen Verhältnissen erfolgt die Anlage einer Venenverweilkanüle im Bereich des Handrückens, des Unterarms oder der Ellenbeuge (V. basilica, V. cephalica). In bestimmten Situationen werden die V. jugularis externa oder Venen am Fußrücken bzw. im Knöchelbereich (z. B. Säuglinge, Kleinkinder) punktiert.
왘 Merke
왘 Merke. Infusionslösungen mit einer Osmolalität über 800 mosmol/l sollten
nicht über eine periphere Vene appliziert werden, um Venenreizungen und Thrombophlebitiden zu vermeiden. Zentralvenöser Zugang 왘 Synonym
Zentralvenöser Zugang 왘 Synonym. Zentraler Venenkatheter (ZVK).
Indikationen: bei Gefahr von größeren Flüssigkeits-/Blutverlusten, Schock, Osmolalität der Infusion 4 800 mosmol/l.
Indikationen: Chirurgische Eingriffe, bei denen mit größeren Flüssigkeits- bzw. Blutverlusten gerechnet werden muss, Notfallpatienten im Schock, Osmolalität der Infusionslösung über 800 mosmol/l.
Prinzip: Platzierung der Katheterspitze in V. cava sup.; zur ZVD-Messung, BGA, zu Infusionen (langfristig, hochkalorische Ernährung, kontinuierliche Katecholamintherapie).
Prinzip: Über unterschiedliche Zugangswege (Abb. A-1.11) wird die Katheterspitze in die V. cava superior platziert. Der ZVK ermöglicht die Messung des zentralen Venendrucks, zentralvenöse Blutgasanalysen, eine kontinuierliche Katecholamintherapie, eine langfristige Infusionstherapie und hochkalorische parenterale Ernährung. Um eine Infektion im Bereich des Punktionsortes sowie eine lebensbedrohliche Keimverschleppung über den Katheter in die Blutbahn zu verhindern, sollte die Anlage eines ZVKs grundsätzlich unter strengen, sterilen Kautelen (Desinfektion, steriler Kittel, Handschuhe, Haube und Mundschutz) erfolgen. Die Lagekontrolle erfolgt üblicherweise mit einer intraatrialen EKG-Ableitung (Abb. A-1.12). Bei einem unsicheren Ergebnis oder einer Punktion der V. subclavia (Pneumothoraxgefahr) sollte eine radiologische Lagekontrolle durchgeführt werden.
Wichtig ist die ZVK-Anlage unter sterilen Bedingungen. Die korrekte Lage wird meist mit einer intraatrialen EKG-Ableitung (Abb. A-1.12) geprüft, bei Unsicherheit oder Punktion der V. subclavia (Pneumothoraxgefahr) radiologische Lagekontrolle.
Komplikationen: ■ Blutung, Hämatom. ■ Pneumothorax. ■ Nervenverletzung. ■ Katheterfehllage. ■ Schlingenbildung. ■ Katheterinfektion. ■ Thrombenbildung.
Komplikationen: Punktions- oder katheterbedingt können folgende Komplikationen nach Anlage eines ZVKs auftreten: ■ Blutungen und Hämatome (besonders nach akzidenteller arterieller Punktion). ■ Pneumothorax (v. a. bei Punktion der V. subclavia). ■ Nervenverletzungen (Plexus brachialis, Ganglion stellatum, N. phrenicus). ■ Katheterfehllagen (intravasal, extravasal, intrakardial). ■ Schlingenbildung. ■ Katheterinfektion (per continuitatem oder hämatogen, Gefahr der Sepsis). ■ Thrombenbildung (Embolie, Gefäßverschluss).
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A
1.5 Anästhesiologische Betreuung
A-1.11
Unterschiedliche Zugangswege für einen zentralvenösen Katheter
A-1.12
Intraatriale EKG-Ableitung
29 A-1.11
a Die Katheterspitze befindet sich im rechten Vorhof, angezeigt durch überhöhte P-Wellen. b Die Katheterspitze wurde aus dem rechten Vorhof zurückgezogen, die P-Wellen haben sich dementsprechend normalisiert. c Anschließendes Zurückziehen um weitere 2 – 3 cm führt zur korrekten Position.
1.5.3 Monitoring 왘 Merke. Trotz aller apparativen Hilfsmittel – die klinische Überwachung
1.5.3 Monitoring
왗 Merke
mithilfe von Inspektion, Palpation, Perkussion und Auskultation ist die Grundlage der Einschätzung der Narkose und des Patienten. Das Basismonitoring für jede Form der Anästhesie umfasst: ■ EKG (Ableitung II). ■ Nichtinvasive Blutdruckmessung (in der Regel automatisiert). ■ Die transkutane Messung der Sauerstoffsättigung mithilfe der Pulsoxymetrie (Kombination aus spektrophotometrischer Oxymetrie und Plethysmographie).
Basismonitoring: ■ EKG. ■ Blutdruckmessung. ■ O -Sättigung transkutan. 2
Bei Durchführung einer Allgemeinanästhesie mithilfe eines Narkosebeatmungsgerätes werden zusätzlich der endtidale PCO2 (Kapnometrie, Infrarotabsorptionstechnik) und weitere Beatmungsparameter (inspiratorische Sauerstoffkonzentration, Atemvolumina, Atemwegsdrücke, Compliance, inspiratorische und endtidale Messung der Anästhesiegaskonzentration) registriert.
Zusätzlich bei Allgemeinanästhesie: endtidaler PCO2, inspiratorische O2-Konzentration, Atemvolumina, Atemwegsdrücke, Compliance, inspiratorische und endtidale Messung der Anästhesiegaskonzentration. Bei relaxierten Patienten sollte eine Relaxometrie durchgeführt werden.
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30 A-1.8
A
1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
A-1.8
Ergänzendes Monitoring
allgemein
■
■
■
zerebral
■ ■ ■
kardiozirkulatorisch
■ ■
■ ■
Körpertemperaturmessung (Haut-, Kern- [oral, ösophageal, rektal] und Bluttemperatur) Laboruntersuchungen (z. B. Blutbild, Na+, K+, Ca2+, Mg2+, Leber- und Nierenwerte, Quick/INR, PTT, Blutgasanalyse [arteriell, gemischtvenös]) Diurese (Dauerkatheter, Sammelsystem) EEG (BIS = bispectral analysis), evozierte Potenziale zerebrovenöse O2-Sättigung zerebrale Durchblutung (spezielle Katheter, transkranielle DopplerSonographie) EKG-V5-Ableitung (ST-Streckenanalyse, Arrhythmieüberwachung) invasive Blutdruckmessung (arterielle Kanüle in A. radialis oder A. femoralis) zentraler Venendruck (ZVD) pulmonalarterielle Drücke, Herzzeitvolumen (via Rechtsherzkatheter), Herzvolumina und Kontraktilität (TEE = transösophageale Echokardiographie)
Bei jedem relaxierten Patienten in Allgemeinanästhesie sollte eine Relaxometrie (wiederholte elektrische Reizung eines peripheren gemischten Nervs [z. B. N. ulnaris, N. facialis] und Registrierung der motorischen Reizantwort) durchgeführt werden. Ergänzendes Monitoring: Tab. A-1.8.
Ergänzendes Monitoring: In Abhängigkeit vom Gesundheitszustand des Patienten, der Invasivität und Dauer des operativen Eingriffs und der zu erwartenden Flüssigkeits- und Volumenverschiebungen wird ein ergänzendes apparatives Monitoring etabliert (Tab. A-1.8).
1.5.4 Allgemeinanästhesie
1.5.4 Allgemeinanästhesie
왘 Definition
왘 Definition. Die Allgemeinanästhesie (AA) oder Narkose ist ein medikamentös herbeigeführter, kontrollierter Zustand der Bewusstlossigkeit. Nach Bedarf können die drei zentralen Komponenten einer AA (1. Bewusstlosigkeit [reversibles „Koma“], 2. Analgesie, 3. Muskelrelaxation) medikamentös gesteuert werden.
Prinzip (Schritte)
Prinzip (Schritte)
Vorbereitung: Anlegen des Monitorings, i. v. Zugang, Elektrolytinfusion, Präoxygenierung.
Vorbereitung: Der prämedizierte Patient liegt in Rückenlage und nach Anlegen des Monitorings sowie eines i. v. Zugangs und Infusion einer Elektrolytlösung wird mit der Präoxygenierung begonnen, um die Sauerstoffreserve des Patienten zu erhöhen.
Induktion: Injektion eines Hypnotikums. Nach Bewusstseinsverlust muss eine sichere Beatmung gewährleistet sein.
Induktion: Die Narkose wird im Anschluss an die Gabe eines Opiats durch Injektion eines Hypnotikums induziert. Nach Eintreten des Bewusstseinsverlusts und erloschener Spontanatmung wird eine Maskenbeatmung durchgeführt. Die weitere Beatmung kann nun über die Gesichtsmaske, über eine Larynxmaske oder über einen Endotrachealtubus fortgeführt werden. Für eine Intubation wird dabei zusätzlich ein Muskelrelaxans injiziert, um eine Erschlaffung der Kehlkopf- und Stimmbandmuskulatur zu erreichen.
Narkoseaufrechterhaltung durch kontinuierliche Zufuhr eines Inhalationsanästhetikums bzw. eines Hypnotikums.
Narkoseaufrechterhaltung: Während des operativen Eingriffs wird die erforderliche Narkosetiefe durch kontinuierliche Zufuhr eines Inhalationsanästhetikums bzw. eines Hypnotikums aufrechterhalten. Die kardiorespiratorischen Messwerte sowie ein evtl. verwendetes EEG-Monitoring geben Aufschluss über die Narkosetiefe. Dosierung und Nachinjektion der Opiate und Muskelrelaxanzien erfolgen nach Bedarf.
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A
1.5 Anästhesiologische Betreuung
31
Narkoseausleitung: Zum Ende der Operation wird die vollständige Erholung der Muskelrelaxation mittels Relaxometrie überprüft. Bereits vor Beendigung des operativen Eingriffs wird die Narkose durch Reduktion des Inhalationsanästhetikums bzw. Hypnotikums abgeflacht. Nach Wiederkehr des Bewusstseins und ausreichender Spontanatmung kann unter Überwachung der Vitalfunktionen die Extubation erfolgen. Der kardiorespiratorisch stabile Patient kann in den Aufwachraum verlegt werden.
Narkoseausleitung: bei Erholung der Muskelrelaxation, Wiederkehr von Bewusstsein, Schutzreflexen, Spontanatmung.
Allgemeinanästhesieverfahren
Allgemeinanästhesieverfahren
Neben den Risikofaktoren und Vorerkrankungen des Patienten beeinflusst die Dauer, die Lokalisation und das Ausmaß des operativen Eingriffs die Auswahl des Narkoseverfahrens. Es werden folgende Arten der Vollnarkose unterschieden: ■ Inhalationsanästhesie: Die Aufrechterhaltung der Narkose erfolgt mit einem Inhalationsanästhetikum. Dieses Verfahren eignet sich für kurze, nicht schmerzhafte Eingriffe, wird heutzutage allerdings selten eingesetzt. ■ Total intravenöse Anästhesie (TIVA): Bei diesem Narkoseverfahren werden ausschließlich intravenöse Anästhetika, wie Propofol in Kombination mit einem Opioid und Muskelrelaxans verwendet. Die TIVA wird v. a. bei Patienten mit PONV (postoperative nausea and vomiting), Disposition zur malignen Hyperthermie sowie bei laparoskopischen und intrathorakalen Eigriffen eingesetzt. ■ Balancierte Anästhesie: Darunter versteht man die Kombination einer Inhalationsanästhesie mit der Gabe eines Opiats zur Analgesie. ■ Kombinationsanästhesie: Kombination von Regionalanästhesie, wie z. B. einer Periduralanästhesie oder einer peripheren Nervenblockade, mit einer Vollnarkose.
Möglichkeiten der Beatmung
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Inhalationsanästhesie: Einleitung und Aufrechterhaltung durch Inhalationsanästhetikum. Gut für für kurze, nicht schmerzhafte Eingriffe. Total intravenöse Anästhesie (TIVA): nur i. v. Anästhetika werden verwendet. Anwendung v. a. bei Patienten mit PONV, Disposition zur malignen Hyperthermie sowie bei laparoskopischen und intrathorakalen Eigriffen. Balancierte Anästhesie: Inhalationsanästhesie + Opiat zur Analgesie. Kombinationsanästhesie: Regionalanästhesie + eine Vollnarkose.
Möglichkeiten der Beatmung
Maske
Maske
Eine Maskennarkose ist nur geeignet für kurze Eingriffe (5 30 Minuten) und nüchterne Patienten. Der Vorteil einer Maskennarkose ist eine geringere Invasivität, die Möglichkeit der Spontanatmung des Patienten sowie der Verzicht auf eine Muskelrelaxation. Ungünstig ist dagegen der fehlende Aspirationsschutz.
Geeignet für kurze Eingriffe (5 30 Minuten) bei nüchternen Patienten. Vorteil: geringere Invasivität, Spontanatmung des Patienten, Verzicht auf Muskelrelaxation. Ungünstig: fehlender Aspirationsschutz.
Larynxmaske (LAMA)
Larynxmaske (LAMA)
Die LAMA stellt eine supraglottische Atemwegshilfe dar und bietet gegenüber der konventionellen Maske folgende Vorteile: Die Maske muss nicht gehalten werden, sie hat eine höhere Dichtigkeit und erlaubt längere Narkosezeiten bis etwa 90 Minuten. Durch die Verwendung einer LAMA wird ein höherer Aspirationsschutz als bei einer Maskennarkose gewährleistet (der höchste Aspirationsschutz kann allerdings nur durch eine Intubation mittels Endotrachealtubus erreicht werden). Das Einführen der LAMA erfolgt oral nach Präoxygenierung in tiefer Narkose und unter Reklination des Kopfes. Die korrekte Platzierung ist in Abb. A-1.13 dargestellt.
Vorteile gegenüber der konventionellen Maske: kein Halten nötig, höhere Dichtigkeit, Narkosen bis 90 min möglich, höherer Aspirationsschutz. Zur korrektren Platzierung siehe Abb. A-1.13.
Intubation
Intubation
Bei einer Intubationsnarkose (ITN) erfolgt die Beatmung während der Anästhesie über einen Endotrachealtubus. Der Tubus bietet den höchsten Schutz vor Aspiration und wird deshalb bei aspirationsgefährdeten Patienten (z. B. bei nicht nüchternen Patienten) eingesetzt. Darüber hinaus stellen u. a. längere operative Eingriffe, Eingriffe in Seiten- oder Bauchlage sowie Operationen, die eine Körperhöhle, den Kopf- oder den Halsbereich umfassen, eine Indikation für eine ITN dar. Wesentliche Nachteile dieser Technik sind die erforderliche Muskelrelaxation zur Intubation sowie eine mögliche Zahn-, Kehlkopf- und Stimmbandverletzung im Rahmen der Intubation. Nach Präoxygenierung erfolgt die orotracheale Intubation beim relaxierten Patienten in tiefer Narkose unter Lagerung des Kopfes in „Schnüffelstellung“
Der Tubus bietet den höchsten Aspirationsschutz (? zwingend bei fehlender Nüchternheit). Weitere Indikationen: längere Eingriffe, Seiten- oder Bauchlage, Operationen an Körperhöhlen, Kopf- oder Halsbereich. Nachteile: erforderliche Muskelrelaxation, Gefahr von Zahn-, Kehlkopf- und Stimmbandverletzungen.
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A
32 A-1.13
1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
A-1.13
Korrekt platzierte Larynxmaske Die Form der Larynxmaske ist an das unflexible Kehlkopfgerüst adaptiert (Ansicht von dorsal).
A-1.14
Direkte Laryngoskopie
a Laryngoskopie mit gebogenem Spatel nach Macintosh: Die Spatelspitze wird in die Plica glossoepiglottica, d. h. vor die Epiglottis geführt, sodass diese sichtbar (*) bleibt (siehe c). b Laryngoskopie mit geradem Spatel nach Miller/Foregger: Die Epiglottis wird vom geraden Spatel aufgeladen. c Laryngoskopischer Blick auf die Stimmritze.
(verbesserte Jackson-Position) durch direkte Laryngoskopie (Abb. A-1.14). Bei adäquater Sicht auf die Stimmbandebene wird der Tubus behutsam in die Trachea eingeführt und der Cuff geblockt. Eingesetzte Pharmaka
Eingesetzte Pharmaka
Inhalationsanästhetika
Inhalationsanästhetika
Substanzen: N2O, Xenon, Halothan, Enfluran, Isofluran, Desfluran und Sevofluran.
Substanzen: Zu den Inhalationsanästhetika zählen die gasförmigen Substanzen N2O und Xenon sowie die volatilen (flüchtigen) halogenierten Anästhetika Halothan, Enfluran, Isofluran, Desfluran und Sevofluran.
Prinzip: Inhalationsanästhetika passieren die Alveolarschranke, lösen sich im Blut und gelangen so ins ZNS, wo sie zur Reduktion der Aktivität der Zellen v. a. in der Formatio reticularis führen.
Prinzip: Inhalationsanästhetika passieren die Alveolarschranke der Lunge, lösen sich im Blut und verteilen sich von dort aus in die Körpergewebe. Durch Reduktion der Aktivität der Zellen im ZNS, v. a. in der Formatio reticularis, kommt es zum Zustand der Allgemeinanästhesie. Die Tiefe einer Inhalations-
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A
1.5 Anästhesiologische Betreuung
33
narkose wird von der Konzentration der Anästhetika im ZNS bestimmt; diese ist wiederum abhängig von der Blutkonzentration des Narkotikums bzw. von seinem Partialdruck in den Alveolen. Die Narkosetiefe lässt sich also über die Veränderung der Konzentration des Narkotikums in den Alveolen und damit in der inspirierten Luft steuern. Steuerbarkeit: Die verschiedenen Inhalationsanästhetika lassen sich anhand der Steuerbarkeit und der Wirkstärke unterscheiden. Maßgebend für die Steuerbarkeit ist die Löslichkeit der Anästhetika, die durch den Blut-Gas-Verteilungskoeffizienten beschrieben werden kann. Zwischen der Wirkstärke eines Anästhetikums und der Fettlöslichkeit besteht ein linearer Zusammenhang: 왘 Merke. Je besser die Fettlöslichkeit, desto potenter ist das Inhalationsanäs-
Steuerbarkeit: Das Maß hierfür ist die Löslichkeit der Anästhestika.
왗 Merke
thetikum und desto geringer ist die alveoläre Konzentration, die für das Erreichen einer definierten Narkosetiefe notwendig ist. Der sogenannte MAC-Wert (minimale alveoläre Konzentration) charakterisiert die anästhetische Potenz der Inhalationsanästhetika. Er bezeichnet diejenige Konzentration des Gases, bei der 50 % aller Patienten auf eine Hautinzision nicht mehr mit einer Abwehrreaktion reagieren. Aufgrund ihrer guten Steuerbarkeit werden heutzutage v. a. Desfluran und Sevofluran in der Anästhesie verwendet. Sevofluran hat gegenüber den anderen modernen Inhalationsanästhetika den Vorteil der fehlenden Atemwegsreizung und kann deshalb auch zur inhalativen Narkoseeinleitung v. a. bei Kindern verwendet werden. 왘 Merke. Alle Inhalationsanästhetika stellen einen Trigger für die maligne Hyperthermie (MH) dar, und sollten deshalb bei Disposition zur MH nicht angewendet werden. Des Weiteren können sie Auslöser für postoperative Übelkeit (Nausea) und Erbrechen (Vomitus) („PONV“) sein.
Aufgrund ihrer guten Steuerbarkeit werden v. a. Desfluran und Sevofluran in der Anästhesie verwendet.
왗 Merke
Hypnotika
Hypnotika
Anwendung: Zur Sedierung, Narkoseeinleitung und als Komponente der total intravenösen Anästhesie (TIVA).
Anwendung: Sedierung, Narkoseeinleitung, TIVA-Komponente.
Propofol: Propofol ist ein in Sojaöl gelöstes Phenolderivat und stellt das am häufigsten verwendete Einleitungshypnotikum dar. Des Weiteren wird es zur Sedierung sowie aufgrund seiner guten Steuerbarkeit als hypnotische Komponente der TIVA verwendet. Dosierung: ■ Einleitung: altersabhängig 1 – 2 mg/kg KG (Bolus) bzw. Plasma-/Effektkonzentration 2 – 5 µg/ml (TCI). ■ Aufrechterhaltung: 2 – 6 mg/kg KG/h (Perfusor) bzw. Plasma-/Effektkonzentration 2 – 5 µg/ml (TCI = target controlled infusion).
Propofol: Induktionshypnotikum, Komponente der TIVA.
Thiopental: Thiopental zählt zu den Barbituraten und zeichnet sich durch den schnellsten Wirkbeginn unter den Hypnotika aus. Aus diesem Grund wird es zur sogenannten „Rapid Sequence Induction“ (RSI) bei Patienten mit erhöhter Aspirationsgefahr (z. B. Ileus) verwendet. Dosierung zur Einleitung: altersabhängig 5 mg/kg KG. Thiopental wird aufgrund starker Kumulation nicht zur Narkoseaufrechterhaltung verwendet.
Thiopental: Induktionshypnotikum mit schnellstem Wirkbeginn, deshalb Verwendung bei der „Rapid Sequence Induction“.
Etomidat: Etomidat ist ein in Sojaöl gelöstes Imidazolderivat und zeichnet sich im Vergleich zu den anderen Hypnotika durch seine geringe kreislaufdepressive Wirkung aus und findet deshalb bei Patienten mit höhergradiger myokardialer Insuffizienz oder Schockzuständen Anwendung. Dosierung zur Einleitung: 0,2 – 0,3 mg/kg KG. Aufgrund einer Störung der Cortisolsynthese ist das Medikament nicht zur Narkoseaufrechterhaltung geeignet.
Etomidat: geringe Kreislaufdepression, deshalb Verwendung bei Patienten mit höhergradiger myokardialer Insuffizienz oder Schockzustand.
S-Ketamin: S-Ketamin ist ein Phenzyklidinderivat, wirkt als Antagonist am NMDA-Rezeptor und besitzt eine nur mäßig hypnotische Wirkung. Allerdings
S-Ketamin: mäßige hypnotische Wirkung; zusätzlich analgetische Wirkung ohne Atemdepression; sympathomimetische Wirkung.
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34
A
1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
zeichnet sich Ketamin durch eine zusätzlich analgetische Wirkung und eine sympathomimetische Wirkung aus. Die analgetische Wirkung führt im Vergleich zu den Opioiden nicht zu einer Atemdepression. In Kombination mit Benzodiazepinen wie Midazolam kann S-Ketamin für Kurznarkosen beim spontan atmenden Patienten eingesetzt werden. Des Weiteren kann es zur Reduktion der anderen Hypnotika und wegen seiner positiven kardiovaskulären Eigenschaften als zusätzliches Medikament zur Narkoseeinleitung kardiovaskulärer Risikopatienten verwendet werden. Dosierung: ■ Einleitung: 0,5 – 1 mg/kg KG. ■ Analgesie: 0,125 – 0,25 mg/kg KG. Opioide
Opioide
Prinzip: Die in der Anästhesie verwendeten Opioide wirken als Agonisten bevorzugt am µ-Rezeptor. Sie unterscheiden sich durch ihre unterschiedliche Rezeptoraffinität und Pharmakokinetik (Tab. A-1.9).
Prinzip: Opioide vermitteln ihre Wirkung durch Interaktion mit spezifischen Opioidrezeptoren. Die in der Anästhesie verwendeten Opioide wirken als Agonisten bevorzugt am µ-Rezeptor. Die einzelnen Opioide unterscheiden sich durch unterschiedliche Rezeptoraffinität und pharmakodynamische Eigenschaften (Tab. A-1.9). Neben den gewünschten analgetischen und sedierenden Eigenschaften werden auch die unerwünschten Nebenwirkungen über die Opioidrezeptoren vermittelt.
Nebenwirkungen: Atemdepression, Vagusstimulation, Übelkeit, Erbrechen, Muskelrigidität, Bronchokonstriktion.
Die wichtigsten Nebenwirkungen sind: Zentrale Atemdepression, zentrale Vagusstimulation, Auslösung von Übelkeit und Erbrechen, Muskelrigidität, Bronchokonstriktion.
Wirkstoffe, Anwendung: ■ Alfentanil: schnelle Anschlagzeit, für kurze Eingriffe. ■ Sufentanil: höchste analgetische Potenz. ■ Fentanyl: am häufigsten verwendet. ■ Remifentanil: ultrakurz wirksam. ■ Morphin: in der Anästhesie kaum noch verwendet.
Wirkstoffe, Anwendung: ■ Alfentanil wird v. a. für kürzere Eingriffe verwendet und zeichnet sich durch eine schnelle Anschlagszeit aus. ■ Sufentanil hat die höchste analgetische Potenz. ■ Fentanyl ist das am häufigsten verwendete Opiat in der Anästhesie, allerdings kommt es bei repetitiver Gabe zu einer ausgeprägten Kumulation, was in einem steilen Anstieg der kontextsensitiven HWZ zum Ausdruck kommt. (Die kontextsensitive HWZ ist die Zeit, die benötigt wird, um einen 50 %igen Abfall der Substanzkonzentration nach Beendigung einer kontinuierlichen Infusion zu erreichen). ■ Remifentanil dagegen verfügt aufgrund seiner speziellen Metabolisierung durch unspezifische Esterasen über die kürzeste kontextsensitive HWZ. Die Wirkdauer dieses ultrakurz wirksamen Opiats ist unabhängig von der Infusionsdauer und wird heutzutage in Kombination mit den anderen Opiaten v. a. am OP-Ende verwendet, um bis zur Hautnaht eine adäquate Analgesie ohne anschließende Atemdepression zu gewährleisten. ■ Morphin findet aufgrund seiner langen Anschlagszeit kaum Anwendung in der heutigen Anästhesie.
Muskelrelaxanzien
Muskelrelaxanzien
Prinzip: Muskelrelaxanzien führen zu einer Blockade der neuromuskulären Übertragung ? reversible Lähmung.
Prinzip: Hauptwirkort der Muskelrelaxanzien ist die motorische Endplatte mit Acetylcholinrezeptoren. Sie führen zu einer Blockade der neuromuskulären Übertragung und bewirken damit eine reversible Lähmung der Skelettmuskulatur.
Depolarisierende Muskelrelaxanzien – Succinylcholin: schnellste Anschlagszeit, deshalb Verwendung bei Rapid Sequence Induction.
Depolarisierende Muskelrelaxanzien (dMR) – Succinylcholin: Succinylcholin bewirkt beim Besetzen des ACh-Rezeptors eine Muskelkontraktion, eine Kalium-Freisetzung und hält den Rezeptor bis zum Abbau besetzt und kann damit nicht antagonisiert werden. Vorteile von Succinylcholin sind die schnelle Anschlagszeit von 40 – 60 s und die kürzeste Wirkdauer von 7 – 12 min. Damit wird es vor allem zur sogenannten Rapid Sequence Induction (RSI) bei Patienten mit erhöhter Aspirationsgefahr, wie z. B. Patienten mit hohem Dünndarm-Ileus eingesetzt. Die wichtigsten Nebenwirkungen von Succinylcholin sind Hyperkaliämie, Bradykardie, verlängerte Wirkung bei atypischer Cholinesterase oder Pseudocholinesterase-Mangel, Trigger für maligne Hyperthermie.
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A
A-1.9
1.5 Anästhesiologische Betreuung
Pharmakodynamische Eigenschaften von Opioid-Analgetika (nach Kochs et al.)
Opioid
relative analgetische Wirkstärke
Anschlagszeit (min)
maximale analgetische Wirkung (min)
Morphin Fentanyl Alfentanil Sufentanil Remifentanil
1 100 25 700 – 1000 100
3–7 1–2 0,75 1 0,5 – 0,75
8 – 25 3–5 1–2 2–3 1–2
A-1.10
Nicht depolarisierende Muskelrelaxanzien
Einteilung nach chemischer Struktur ■
■
■
Steroidderivate: z. B. Rocuronium, Pancuronium, Vecuronium Benzylisochinolinderivate: z. B. Atracurium, Mivacurium Toxiferinderivat: Alcuronium
35 A-1.9
A-1.10
Einteilung nach Wirkdauer ■ ■
■
kurz wirksam (5 – 10 min): z. B. Mivacurium mittellang wirksam (30 – 45 min): Atracurium, Rocuronium, Alcuronium, Vecuronium lang wirksam (60 – 90 min): z. B. Pancuronium
왘 Merke. Aufgrund dieser ungünstigen Eigenschaften von Succinylcholin werden heutzutage außer zur Ileus-Einleitung und ggf. bei schwierigem Atemweg vor allem die nicht depolarisierenden Muskelrelaxanzien in der Anästhesie eingesetzt.
왗 Merke
Nicht depolarisierende Muskelrelaxanzien (ndMR): s. Tab. A-1.10. Die einzelnen nicht depolarisierenden Muskelrelaxanzien unterscheiden sich neben der chemischen Struktur und Wirkdauer durch eine unterschiedliche Anschlagszeit und Metabolisierung. Aus diesem Grund muss bei der Auswahl des Muskelrelaxans eine eventuelle Nieren- oder Leberfunktionsstörung des Patienten berücksichtigt werden. Darüber hinaus spielt die Dauer des operativen Eingriffs eine entscheidende Rolle bei der Wahl des Muskelrelaxans.
Nicht depolarisierende Muskelrelaxanzien: Tab. A-1.10.
1.5.5 Regionalanästhesie
1.5.5 Regionalanästhesie
Grundlagen
Grundlagen
Prinzip
Prinzip
Im Gegensatz zur Allgemeinanästhesie wird bei der Regionalanästhesie durch die gezielte Applikation von membranstabilisierenden Lokalanästhetika die Fortleitung von Nervenaktionspotenzialen vorübergehend unterbunden. Man unterscheidet prinzipiell rückenmarknahe Verfahren und periphere Nervenblockaden. Diese Methoden finden sowohl für die eigentliche Anästhesie im OP als auch für die postoperative Schmerztherapie Anwendung und werden als Single-Shot-Blockade oder Katheterverfahren durchgeführt.
Bei der Regionalanästhesie wird durch die gezielte Applikation von Lokalanästhestika die Fortleitung von Nervenaktionspotenzialen vorübergehend unterbunden. Man unterscheidet rückenmarknahe Verfahren und periphere Nervenblockaden.
Pharmakologie der Lokalanästhetika
Pharmakologie der Lokalanästhetika
Lokalanästhetika (LA) führen über eine reversible Blockade der Natriumkanäle zu einer Stabilisierung des Ruhemembranpotenzials. Eine Depolarisation und Impulsfortleitung wird damit verhindert. Dieser Mechanismus bewirkt bei Aδ(schwach myelinisiert) und C-Nervenfasern (nicht myelinisiert), die für die Vermittlung von Schmerz und Temperatur verantwortlich sind, eine analgetische Wirkung. Beispiele für Lokalanästhetika mit unterschiedlicher Wirkdauer und analgetischer Potenz sind in Tab. A-1.11 dargestellt. Die Wirkorte für eine reversible Blockade der Nervenleitung sind:
Lokalanästhetika (LA) führen über eine reversible Blockade der Natriumkanäle zu einer Stabilisierung des Ruhemembranpotenzials (Tab. A-1.11).
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A
A-1.11
1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
A-1.11
Substanzen
■
■ ■
Lokalanästhetika mit kurzer bis mittellanger bzw. langer Wirkdauer Potenz in vitro
Proteinbindung
Koeffizient Öl/Wasser
Wirkdauer in Minuten
kurze bis mittellange Wirkdauer Mepivacain 4 75 Prilocain 4 55 Lidocain 4 64
0,8 0,9 2,9
120 90 – 120 120
lange Wirkdauer Bupivacain 16 Ropivacain 14 – 16
27,5 9,0
360 – 840 180 – 720
96 95
Nervenendigungen in der Haut und Schleimhaut (Infiltrations-, Oberflächenanästhesie), Nerven und Nervenbündel (Nerven-, Plexusblockade), Rückenmark, Nervenwurzeln (Spinal-, Epiduralanästhesie).
Physikochemische Eigenschaften: Lokalanästhetika sind schwach basische, aromatische Amine. Sie liegen in wässriger Lösung in protonierter (Kation; Wirkform am Natriumkanal) und ungeladener Form (freie Base, membrangängige Transportform) vor.
Physikochemische Eigenschaften: Bei Lokalanästhetika handelt es sich um schwach basische, aromatische Amine. Sie liegen in wässriger Lösung in protonierter Form (Kation; Wirkform am Natriumkanal) und als ungeladene Form (freie Base, membrangängige Transportform) vor. Der Anteil beider Formen wird durch den pH-Wert der Lösung sowie durch den pka-Wert (ist der pH-Wert, bei dem Base und Kation im Verhältnis 1:1 vorliegen, substanzspezifisch) des Lokalanästhetikums bestimmt. Je niedriger der pka-Wert, desto höher ist der Anteil der Base und somit die Penetration durch das Gewebe (schnelle Anschlagszeit). Darüber hinaus determiniert die Lipidlöslichkeit das Penetrationsvermögen und die Wirkstärke eines Lokalanästhetikums.
Nebenwirkungen: Unruhe und Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Euphorie, Muskelzittern, Krampfanfall, Koma (bis zum zentralen Atemstillstand), Blutdruckabfall, Bradykardie, Rhythmusstörungen (bis zum Herzstillstand).
Nebenwirkungen: Lokalanästhetika wirken ubiquitär im Körper als Natriumkanalblocker und können somit vor allem in besonders empfindlichen Organsystemen wie dem ZNS und dem Reizleitungssystem des Herzens zu toxischen Reaktionen führen. ■ Zentralnervöse Reaktionen: Unruhe und Schwindel, Übelkeit und Erbrechen, Euphorie, Muskelzittern, Krampfanfall, Koma (bis zum zentralen Atemstillstand). ■ Kardiozirkulatorische Nebenwirkungen: Blutdruckabfall, Bradykardie, Rhythmusstörungen bis hin zum Herzstillstand. ■ Allergische Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock sind bei den heute gebräuchlichen Amid-Lokalanästhetika eher selten.
Rückenmarknahe Verfahren
Rückenmarknahe Verfahren
Spinalanästhesie (SPA)
Spinalanästhesie (SPA)
Prinzip: Das LA wird unterhalb des Conus medullaris meistens auf Höhe L3/4 direkt an die Spinalnerven appliziert (Abb. A-1.16). Geringe LA-Mengen (3 – 4 ml einer 0,5 – 2 %igen LA-Lösung) ermöglichen eine schnelle und effektive motorische und sensible Blockade.
Prinzip: Bei der Spinalanästhesie wird das Lokalanästhetikum unterhalb des Conus medullaris meistens auf Höhe L3/L4 direkt an die Spinalnerven herangebracht. Mit atraumatischen, Mandrin-armierten Nadeln (z. B. Sprotte 24G) werden Haut, Bandapparat des Zwischenwirbelraumes, Dura mater sowie die Arachnoidea durchstochen (Abb. A-1.16). Der Liquorfluss über die Punktionsnadel zeigt die richtige Lage im Subarachnoidalraum an. Mit geringen Lokalanästhetikummengen (3 – 4 ml einer 0,5 – 2 %igen Lokalanästhetikumlösung) wird eine schnelle und effektive motorische und sensible Blockade erreicht. Mithilfe der Lokalanästhetikummenge, der Konzentration und der Applikationsgeschwindigkeit lässt sich die kraniale Ausbreitung der Anästhesie beeinflussen.
Anatomische Orientierungspunkte: Mamille (Th4), Xyphoid (Th6), Rippenbogen (Th8), Nabel (Th10) und Leiste (Th12/L1).
Anatomische Orientierungspunkte der segmentalen Innervation sind: Mamille (Th4), Xyphoid (Th6), Rippenbogen (Th8), Nabel (Th10) und Leiste (Th12/L1): s. Abb. A-1.15.
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A
A-1.15
1.5 Anästhesiologische Betreuung
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Verteilung der Dermatome auf die Körperoberfläche
Schema der segmentalen Innervation (sog. Dermatome) und peripheren Innervation. Die erste Nervenwurzel ist rein motorisch. Die in Klammern gesetzten Nerven bezeichnen den Nervenstamm der jeweiligen Hautäste.
A-1.16
Spinalanästhesie
A-1.16
Während für Eingriffe, bei denen das Peritoneum tangiert wird (kleinere Mitteloder Unterbaucheingriffe, Sectio caesarea), eine Anästhesieausbreitung bis Th4 angestrebt werden sollte, reicht bei Operationen im Bereich des Beckens und der unteren Extremität meistens eine Ausbreitung unterhalb von Th10.
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1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
38
A
Periduralanästhesie (PDA)
Periduralanästhesie (PDA)
Prinzip: Bei der PDA wird das LA (ca. 10 – 30 ml) in den Periduralraum appliziert (Abb. A-1.17). Um an die Wurzeln der Spinalnerven zu gelangen, muss das LA durch die Dura mater diffundieren ? im Vergleich zur SPA verzögerter Wirkeintritt (ca. 20 – 30 min). Je nach Indikation können thorakale, lumbale und sakrale Segmente anästhesiert werden.
Prinzip: Im Gegensatz zur Spinalanästhesie wird bei der Periduralanästhesie das Lokalanästhetikum in den Periduralraum appliziert. Um an den Hauptwirkort (Wurzeln der Spinalnerven) zu gelangen, muss das Lokalanästhetikum zunächst durch die Dura mater diffundieren. Deshalb kommt es bei der PDA im Vergleich zur SPA zu einem verzögerten Wirkeintritt (ca. 20 – 30 min). Je nach Indikation können mit der PDA thorakale, lumbale und sakrale Segmente anästhesiert werden. Für die PDA werden größere LA-Mengen benötigt (10 – 30 ml). In der Regel wird eine sogenannte Kathetertechnik durchgeführt. Dabei wird ein dünner Katheter über eine spezielle Nadel (z. B. Tuohy 18G) in den PD-Raum eingebracht. Über einen solchen Katheter kann ein Lokalanästhetikum kontinuierlich oder als Bolus zugeführt werden. Nach lokaler Betäubung des gewünschten Zwischenwirbelraumes wird die Nadel zunächst mit Mandrin bis zum Lig. interspinale (ca. 2 – 3 cm) vorgeschoben. Danach wird eine Kochsalzspritze aufgesetzt. Mit leichtem Druck auf den Spritzenkolben wird die Nadel weiter vorgeschoben bis ein stärkerer Widerstand (Lig. flavum) zu spüren ist. Nach Durchdringen dieser Struktur kann das Kochsalz leicht injiziert werden (Abb. A-1.17). Der Katheter wird ca. 3 – 5 cm in den Periduralraum gelegt. Anschließend wird überprüft, ob u.U. Liquor bzw. Blut über den Katheter aspiriert werden kann. Dieses deutet auf eine intrathekale oder intravasale Fehllage des Katheters hin. Vor der Applikation der gewünschten Lokalanästhetikum-Gesamtmenge, die immer fraktioniert erfolgt, muss eine Testdosis (2 – 3 ml Lokalanästhetikum) injiziert werden. Sollte der Katheter die Dura perforiert haben, wird es innerhalb weniger Minuten zu einer typischen SPA kommen.
Indikationen: Geburtshilfe, intra- und postoperative Analgesie bei Eingriffen im Brustund/oder Bauchraum und im Bereich der unteren Extremität.
Indikationen: Die Hauptanwendungsgebiete sind heute die Geburtshilfe sowie die intra- und postoperative Analgesie bei Eingriffen im Brust- und/oder Bauchraum und Bereich der unteren Extremität.
Kontraindikationen und Komplikationen
Kontraindikationen und Komplikationen
Siehe Tab. A-1.12.
Siehe Tab. A-1.12.
A-1.17
A-1.17
Periduralpunktion Anatomie des Periduralraums mit Tuohy-Nadel und Periduralkatheter.
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A
A-1.12
■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
39
Kontraindikationen und mögliche Komplikationen von rückenmarknahen Verfahren
Kontraindikationen ■
1.5 Anästhesiologische Betreuung
Gerinnungsstörungen (Quick 5 45 %, PTT 4 45 s, Thrombozyten 5 100 000 Giga/l) therapeutische Antikoagulation Schock Sepsis Hirndruck Infektionen im Bereich der Einstichstelle Allergie gegen Lokalanästhetika fehlendes Einverständnis des Patienten
mögliche Komplikationen ■ ■
■ ■ ■ ■
Ateminsuffizienz (Anästhesieausdehnung oberhalb von Th1) Kreislaufinsuffizienz (Hypotonie durch Sympathikolyse, Bradykardie durch Blockade der Nn. accelerantes) Infektionen (epiduraler Abszess, Arachnoiditis) Hämatome (epidurales Hämatom) Nervenverletzungen bis zur Querschnittsymptomatik postspinaler Kopfschmerz (lagerungsabhängiger Kopfschmerz nach Duraperforation)
Periphere Verfahren – periphere Nervenblockaden (PNB) 왘 Definition. Unter peripheren Nervenblockaden (PNB) versteht man die geziel-
Periphere Verfahren – periphere Nervenblockaden (PNB) 왗 Definition
te Ausschaltung der neuronalen Impulsweiterleitung im Bereich eines peripheren Nervs bzw. eines Nervengeflechtes (Plexus) mit Lokalanästhetika. Prinzip: Zum gezielten Aufsuchen der Nervenstruktur (wichtig für den Blockadeerfolg und um Verletzungen zu vermeiden!) wird eine spezielle Stimulationskanüle und ein Nervenstimulator verwendet. Dabei zeigen Muskelkontraktionen im Kennmuskel des zu blockierenden gemischten Nervengeflechtes die unmittelbare Nähe der Kanülenspitze zum Nerv an. Heutzutage wird auch vermehrt die Sonographie zum Aufsuchen von Nervenstrukturen verwendet. In der Regel werden ca. 20 – 40 ml Lokalanästhetikum benötigt, um eine ausreichende Nervenblockade im Bereich der oberen oder unteren Extremität zu erreichen. Bis auf wenige verfahrensspezifische Ausnahmen sind die Komplikationen und Kontraindikationen wie bei rückenmarksnahen Verfahren einzuschätzen (Tab. A-1.12).
Prinzip: Mithilfe einer speziellen Stimulationskanüle und eines Nervenstimulators wird die Nervenstruktur aufgesucht. An diese Stelle wird dann das LA appliziert.
Plexus brachialis
Plexus brachialis
Die sensible und motorische Versorgung von Schulter, Arm und Hand wird durch den Plexus brachialis sichergestellt (Abb. A-1.18). Dieser wird aus den Rr. ventralis der Spinalnerven von C5 –Th1 gebildet. Die Blockade kann interska-
Die sensible und motorische Versorgung von Schulter, Arm und Hand wird durch den Plexus brachialis sichergestellt (Abb. A-1.18). Dieser wird aus den Rr. ventralis der Spinalnerven von C5 –Th1 gebildet.
A-1.18
Anatomie des Plexus brachialis
A-1.18
Nerven, die aus demselben Faszikel hervorgehen, sind farblich einheitlich hinterlegt.
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A
40 A-1.19
1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
A-1.19
Anatomie des Plexus lumbosacralis
Aus dem Plexus lumbalis (Th12 –L4) hervorgehende Nerven sind gelb hinterlegt. Aus dem Plexus sacralis (L5 –S4) hervorgehende Nerven sind grün hinterlegt.
lenär im Bereich des Halses, infraklavikulär und axillär erfolgen. Die Hauptnerven der oberen Extremität sind: ■ N. axillaris (C5): M. deltoideus. ■ N. radialis (C5 –Th1): Strecken im Ellenbogen- und Handgelenk, Strecken der Finger, Supination. ■ N. musculocutaneus (C5/6): M. biceps brachii. ■ N. medianus (C6 –Th1): Unterarmbeuger; Pronation. ■ N. ulnaris (C8 –Th1): Ulnarflexion, Fingerbeugung 3 – 5. Plexus lumbosacralis
Plexus lumbosacralis
Die sensible und motorische Versorgung des Beines und Fußes erfolgt über den Plexus lumbosacralis (Th12/L1 –S3/4), der den Ursprung der großen Beinnerven darstellt. Die Hauptnerven sind der N. femoralis (L2/4, M. quadriceps) und der N. ischiadicus, der sich aus N. peronaeus (L4 –S2, Dorsalextension und Eversion am Fuß) und dem N. tibialis (L4 –S3, Plantarflexion, Inversion) zusammensetzt.
Die sensible und motorische Versorgung des Beines und Fußes erfolgt über den Plexus lumbosacralis (Th12/L1 –S3/4), der den Ursprung der großen Beinnerven darstellt (Abb. A-1.19). Der Plexus lumbalis wird aus den ventralen Wurzeln der oberen 4 Lumbalnerven gebildet (ca. 50 % plus Th12): N. femoralis (Hauptnerv, L2/4, M. quadriceps), N. obturatorius (L2/4, Adduktorengruppe), N. cutaneus femoris lateralis (L2/3, rein sensibel).
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A
1.5 Anästhesiologische Betreuung
41
Der Plexus sacralis setzt sich zusammen aus Fasern des 4. und 5. Lumbalnervs und den sakralen Segmenten 1 – 4: ■ N. ischiadicus (Hauptnerv): Er setzt sich aus dem N. peroneus (L4 –S2, Dorsalextension und Eversion am Fuß) und dem N. tibialis (L4 –S3, Plantarflexion, Inversion) zusammen. Man unterscheidet proximale (transgluteal, anterior und subtrochantär) und distale (oberhalb und unterhalb des Kniegelenkes) Zugangswege. ■ N. femoralis: Er wird in der Regel unterhalb des Leistenbandes aufgesucht.
1.5.6 Aufwachraum (AWR) 왘 Definition. Der Aufwachraum stellt das Bindeglied zwischen OP-Bereich und Allgemein- oder Intensivstation bzw. ambulanter Tageschirurgie dar. Im Aufwachraum sollten alle Überwachungs- und Behandlungsmodalitäten der Intensivmedizin gewährleistet werden, bis die körpereigenen Regulationsmechanismen wieder vollständig hergestellt sind.
1.5.6 Aufwachraum (AWR)
왗 Definition
Aufgaben: ■ Klinische, apparative und laborchemische Überwachung der Patienten. ■ Prophylaxe von Komplikationen (z. B. Übelkeit und Erbrechen, Schmerzen usw.). ■ Therapie von Komplikationen (z. B. kardiozirkulatorische und respiratorische Komplikationen).
Aufgaben: ■ Klinische, apparative und laborchemische Überwachung der Patienten. ■ Prophylaxe von Komplikationen. ■ Therapie von Komplikationen.
Notwendige Informationen: Daten zur Person, erfolgter Eingriff und Narkose, ggf. intraoperative Komplikationen, Vorerkrankungen, spezielle Risiken, postoperative Medikation (z. B. Analgesie, antiemetische Therapie).
Notwendige Informationen: Daten zu Person, Eingriff, Narkose, OP-Komplikationen, Vorerkrankungen, spezielle Risiken, postoperative Medikation. Maßnahmen: Überwachung, O2-Applikation, Lagerung, Infusionstherapie, medikamentöse Therapie, Wärmeapplikation, Bilanzierung, Ableitung von Körperflüssigkeiten, Verlaufsdokumentation.
Maßnahmen: Überwachung der Vitalfunktionen, Sauerstoffapplikation, Lagerung, Infusionstherapie, Blutwiedergewinnung und Aufarbeitung, Bluttransfusion, medikamentöse Therapie, Wärmeapplikation, Bilanzierung, Ableitung von Körperflüssigkeiten (Drainagen, Magensonde, Urinkatheter) und Verlaufsdokumentation. Häufige Probleme und Komplikationen: Tab. A-1.13.
A-1.13
Häufige Probleme und Komplikationen: Tab. A-1.13.
Probleme im Aufwachraum und deren Therapie
Problem
Ursache
Therapie
zerebrale und respiratorische Probleme
häufig Überhang von Narkosemedikamenten
O2-Applikation, Atemwegssicherung, ggf. Reintubation und Beatmung
kardiozirkulatorische Komplikationen
meistens im Zusammenhang mit Schmerzen, Unterkühlung, Hypoxämie, Hyperkapnie und Imbalancen des Blut- und Plasmavolumens
Flüssigkeitssubstitution, Bluttransfusion, Katecholamintherapie
Hypo- und Hyperthermie mit oder ohne Muskelzittern
Störungen der Wärmehomöostase treten nahezu regelhaft nach großen, langdauernden Eingriffen auf. Muskelzittern tritt bei Hypothermie, aber auch bei normothermen Patienten nach Inhalationsanästhesien auf
Pethidin bzw. Clonidin
Übelkeit und Erbrechen (bei 20 – 40 % der Patienten)
Stimulation des Brechzentrums in der Medulla oblongata durch Anästhetika, Opioide, Schmerzen, aber auch durch den operativen Eingriff
z. B. Metoclopramid, Serotoninantagonisten (5-HT-3-Antagonisten), Dimenhydrinat, Kortison
Schmerzen (relevante Schmerzen bei ca. 1/3 der Patienten)
operativer Eingriff
Schmerztherapie s. S. 82 ff.
Kriterien zur Verlegung aus dem AWR: Stabile Vitalfunktionen, wacher und kooperativer Patient, Schmerzfreiheit, keine Nachblutung, keine ungeklärten Komplikationen, rückläufige Regionalanästhesie.
Kriterien für die Verlegung des Patienten aus dem AWR: Patient wach und kooperativ, Vitalfunktionen stabil, Schmerzfreiheit, keine Nachblutung, keine unklaren Komplikationen, Regionalanästhesie rückläufig.
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42 왘 Klinischer Fall
1.6
Nachsorge
A
1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
왘 Klinischer Fall. Ein 60-jähriger Patient wird von der allgemeinchirurgischen Abteilung mit einem Pankreaskopfkarzinom mit Duodenalstenose zur Narkosevorbereitung für eine geplante pp-Whipple-Operation (pp = pylorus preserving) in der Anästhesieambulanz vorgestellt. Der Patient klagt neben rezidivierenden Oberbauchschmerzen und Gewichtsabnahme über Übelkeit und Refluxbeschwerden. Das Körpergewicht beträgt 70 kg bei einer Körpergröße von 178 cm. Der Patient gibt einen unter β-Blocker-Therapie gut eingestellten arteriellen Hypertonus an. Die körperliche Untersuchung zeigt einen unauffälligen Herz-Lungen-Auskultationsbefund. Die mitgebrachten kardiologischen Befunde ergeben eine normale linksventrikuläre Funktion, keine Herzvitien in der Ruhe-Echokardiographie, unauffälliges Ruhe-EKG sowie eine gute Belastbarkeit in der Ergometrie. Außer einer Transaminasenerhöhung ist das Routinelabor unauffällig. Der Patient wird für eine Kombinationsanästhesie, d. h. eine Intubationsnarkose mit Rapid Sequence Induction (RSI) kombiniert mit einer thorakalen Periduralkatheteranlage (PDK), eine invasive Blutdruckmessung sowie eine ZVK-Anlage und den damit verbundenen Risiken und Komplikationen aufgeklärt. Am Vorabend der OP erhält der Patient 20 mg Dikaliumclorazepat sowie 40 mg Pantoprazol, am OP-Morgen den β-Blocker in gewohnter Dosierung, 7,5 mg Midazolam und 40 mg Pantoprazol. Im Narkoseeinleitungsraum erfolgt nach Anlegen des Monitorings sowie Infusion von 500 ml Kristalloidlösung die Anlage des PDK in Höhe Th 7/8. Nach unauffälliger Testdosis mit 3 ml Mepivacain 1 % wird die PDA schrittweise mit weiteren 12 ml Mepivacain 1 % aufgespritzt. Nach ausreichender Präoxygenierung über 3 min, anschließender Präcurarisierung mit 5 mg Rocuronium erfolgt die Narkoseeinleitung als RSI (wegen Aspirationsgefahr) mit 25 mg S-Ketamin, 350 mg Thiopental und 100 mg Succinylcholin. Nach 40 s wird der Patient ohne Maskenbeatmung durch direkte Laryngoskopie intubiert und eine Magensonde eingelegt. Im Anschluss erfolgt die Anlage der arteriellen Kanüle, des ZVK sowie eines Blasenkatheters. Das oben beschriebene Anästhesieverfahren ermöglicht, trotz der Invasivität des großen Oberbaucheingriffes, ein zeitgerechtes und unbelastetes Erwachen aus der Narkose. Die Periduralanästhesie gewährleistet eine perfekte intra- und postoperative Analgesie. Dadurch kann auf die Applikation von nebenwirkungsreichen Opioiden intra- und postoperativ überwiegend verzichtet werden.
1.6
Nachsorge Ludger Staib
1.6.1 Allgemeines
1.6.1 Allgemeines
Der Behandlungsauftrag verpflichtet den Chirurgen, auch nach dem Eingriff den postoperativen Verlauf zu überwachen.
Mit der Übernahme des Behandlungsauftrages verpflichtet sich der Chirurg, nicht nur eine indizierte operative Maßnahme durchzuführen, sondern auch nach dem Eingriff den postoperativen Verlauf zu überwachen. Sie dient dazu, den Patienten bei seinem Genesungsprozess zu unterstützen, auftretende Komplikationen rechtzeitig zu erkennen und langfristig eine hohe Behandlungsqualität zu sichern. Eine Sonderform der Nachsorge ist die Tumornachsorge (s. u.). Eine gute Nachsorge beginnt mit einem gut strukturierten Arztbrief und einem ausführlichen Entlassungsgespräch: ■ Der Arztbrief sollte nicht nur detaillierte Informationen über Hauptdiagnose und Nebendiagnosen, durchgeführte Maßnahmen und den stationären Verlauf (Komplikationen!) enthalten. Er sollte auch den Aufklärungsstand des Patienten (über Diagnose und Prognose) und das weitere Prozedere beinhalten (z. B. Ernährungshinweise, Belastbarkeit, eingeleitete Rehabilitations- oder Palliativmaßnahmen, erforderliche Kontrollen, Stomaversorgung, Nachsorgeschema). ■ Im Entlassungsgespräch, das nicht „in letzter Minute“, sondern in ruhiger Atmosphäre durchgeführt werden sollte, stellt der Arzt sicher, dass der Patient die bei ihm durchgeführten Maßnahmen verstanden hat und die weitere Betreuung außerhalb der Klinik gesichert ist. Merkblätter mit gut verständlichen Hinweisen zur Ernährung, zur Belastbarkeit und zum Verhalten zu Hause sind wertvoll, da Patienten in der Anspannungssituation des Krankenhausaufenthaltes schnell mitgeteilte Einzelheiten vergessen. Die Anwesenheit eines Angehörigen kann hier sinnvoll sein. Man sollte sich vor Augen halten, dass nicht nur der erste, sondern auch der letzte Eindruck aus dem Krankenhaus dem Patienten in Erinnerung bleibt und nach außen getragen wird.
Elemente einer guten Nachsorge: ■ Arztbrief mit detaillierten Informationen über Hauptdiagnose und Nebendiagnosen, durchgeführte Maßnahmen, stationärem Verlauf, Aufklärungsstand des Patienten, weiteres Vorgehen.
■
Entlassungsgespräch: Der Patient sollte die bei ihm durchgeführten Maßnahmen verstanden haben, und die weitere Betreuung außerhalb der Klinik sollte gesichert sein. Gegebenenfalls können Merkblätter mit Hinweisen z. B. zur Ernährung, Belastbarkeit dem Patienten mitgegeben werden.
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A 1.6 Nachsorge
43
1.6.2 „Fast-Track“-Patienten
1.6.2 „Fast-Track“-Patienten
Unter dem „Fast-Track“-Konzept versteht man ein in den letzten Jahren in der elektiven Kolonchirurgie entwickeltes Konzept, das zu einer beschleunigten Rehabilitation und Genesung führt. Dies beinhaltet eine umfassende Aufklärung über alle Maßnahmen, eine Reihe operativer und perioperativer Maßnahmen einschließlich Schmerzkonzept, Verzicht auf Drainagen und Sonden sowie frühe Mobilisation und beschleunigten Kostaufbau. Bestenfalls ist bereits am dritten postoperativen Tag eine Entlassung möglich. Dies bedeutet, dass die chirurgische Nachsorge reibungslos funktionieren muss. Ein Patient, der nach Entlassung eine Atonie, einen Wundinfekt oder eine Blutung entwickelt, muss rasch erkannt und wieder stationär aufgenommen werden. Dies kann nur in enger Zusammenarbeit mit dem Hausarzt durchgeführt werden, der zu dieser Mehrleistung bereit sein muss.
Ein in der elektiven Kolonchirurgie entwickeltes Konzept mit dem Ziel einer beschleunigten Rehabilitation und Genesung. Inhalte: Umfassende Aufklärung, Schmerzkonzept, Verzicht auf Drainagen und Sonden, frühe Mobilisation, beschleunigter Kostaufbau. Bei frühzeitiger Entlassung muss die chirurgische Nachsorge reibungslos funktionieren.
1.6.3 Tumornachsorge
1.6.3 Tumornachsorge
Die Tumornachsorge erfüllt schon lange nicht mehr nur die Funktion der alleinigen Rezidiverkennung. Sie ist Teil der chirurgischen Rehabilitation, bietet Hilfestellung in Fragen der Ernährung, Stomaversorgung, adjuvanten Therapiemaßnahmen und beruflichen Wiedereingliederung. Nicht zuletzt können durch die Nachsorge auch behandlungswürdige Begleiterkrankungen frühzeitig erkannt und behandelt werden. Nachsorgeprogramme wurden seit 1999 in Form von Leitlinien von Expertenkomissionen (Koordination durch ISTO, Informationszentrum für Standards in der Onkologie) für den Großteil der Tumorentitäten formuliert. Sie sind im Internet (Deutsche Krebsgesellschaft e.V., www.krebsgesellschaft.de) oder über lokale Tumorzentren oder onkologische Schwerpunkte (OSP) abrufbar. Nachsorgeprogramme sind heute am Rezidivrisiko und an besonderen individuellen Situationen (z. B. lokale Therapiemaßnahme, familiäre Erkrankung, Zweitkarzinom) orientiert und haben reinen Empfehlungscharakter. Vor Entlassung sollte mit dem Patienten geklärt werden, ob er an einem Nachsorgeprogramm teilnehmen möchte und wer die Nachsorge koordinieren soll. Der Patient sollte eine Kopie des von der Klinik empfohlenen Nachsorgeprogramms erhalten. Eine programmierte Nachsorge sollte nur durchgeführt werden, wenn eine gute Compliance des Patienten besteht und eine frühe Rezidiverkennung auch eine therapeutische Relevanz besitzt. Dies ist in der Regel bei älteren Patienten (ab 75 – 80 Jahren) und Patienten mit hoher Komorbidität (Schlaganfall, schwere kardiopulmonale oder renale Begleiterkrankungen) nicht der Fall. Hier kann eine „symptomorientierte“ Nachsorge ohne festgelegtes Nachsorgeschema empfohlen werden. Ein Überlebensvorteil intensiv nachgesorgter Patienten gegenüber nicht nachgesorgten Patienten konnte beim kolorektalen Karzinom lediglich in Metaanalysen nachgewiesen werden. Er liegt um 5 – 7 %. In den wenigen existierenden, europäischen randomisierten Studien konnte kein Überlebensvorteil nachgesorgter Patienten gefunden werden. Allerdings waren die Fallzahlen gegenüber den Metaanalysen deutlich geringer, sodass Konsens besteht, die oben genannte Nachsorgeempfehlung durchzuführen.
Die Tumornachsorge ist Teil der chirurgischen Rehabilitation, bietet Hilfestellung in Fragen der Ernährung, Stomaversorgung, adjuvanten Therapiemaßnahmen und beruflichen Wiedereingliederung. Behandlungswürdige Begleiterkrankungen können frühzeitig erkannt und behandelt werden. Nachsorgeprogramme orientieren sich am Rezidivrisiko und an besonderen individuellen Situationen. Eine programmierte Nachsorge sollte nur durchgeführt werden, wenn eine gute Compliance des Patienten besteht und eine frühe Rezidiverkennung auch eine therapeutische Relevanz besitzt.
왘 Merke. Tumornachsorge ist sinnvoll, wenn sie sich an den Leitlinienstan-
왗 Merke
dards orientiert, der Patient eine gute Compliance aufweist und eine Rezidiverkennung auch eine therapeutische Konsequenz hat.
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A
44 1.7
Aspekte der Lebensqualität
1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
Aspekte der Lebensqualität
1.7
Thomas Küchler, Maria Berend
Begriffsbestimmung
1.7.1 Begriffsbestimmung
1.7.1
Lebensqualität ist ein philosophischer, ein politischer, ein ökonomischer, ein sozialwissenschaftlicher und auch ein medizinischer Begriff.
Der Begriff Lebensqualität oder „Quality of Life“ hat in den letzten Jahren in der Medizin eine erstaunliche Karriere gemacht. Erstaunlich insofern, als ihm jegliche wissenschaftliche Präzision fehlt, umgekehrt hingegen die mit dem Begriff verbundenen Assoziationsmöglichkeiten nahezu unbegrenzt sind. Anders ausgedrückt: Lebensqualität ist ein philosophischer, ein politischer, ein ökonomischer, ein sozialwissenschaftlicher und neuerdings eben auch ein medizinischer Begriff und hat eine somatische, eine psychische, eine interpersonelle, eine sozioökonomische und eine spirituelle Dimension. Diese Dimensionen sind im subjektiven Erleben konditional miteinander verbunden.
왘 Merke
왘 Merke. ■
■
1.7.2 Determinanten der Bewertung von
Lebensqualität
Lebensqualität bedeutet für Kranke etwas grundsätzlich anderes als für Gesunde. Die Bedeutung (Bewertung) einzelner Aspekte von Lebensqualität ist individuell höchst unterschiedlich.
1.7.2 Determinanten der Bewertung von Lebensqualität
Erlebensdimensionen
Erlebensdimensionen
Lebensqualität besteht aus (mindestens) 5 Dimensionen, die im Erleben konditional verbunden sind (Abb. A-1.20).
Entsprechend dem eingangs erwähnten Grundkonsens bestimmt sich Lebensqualität aus (mindestens) 5 Erlebensdimensionen: Somatisch, psychisch, interpersonell, sozioökonomisch und spirituell (Abb. A-1.20).
A-1.20
A-1.20
Dimensionen der Lebensqualität im Modell
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A
1.7 Aspekte der Lebensqualität
Somatische Erlebensdimension Funktioneller Status: z. B. mit dem Karnofsky-Index abgebildet und häufig (zu Unrecht) mit Lebensqualität gleichgesetzt. Allgemeine körperliche Beschwerden: z. B. Leistungsknick, Müdigkeit, Kurzatmigkeit, Verdauungsbeschwerden usw. Diagnosespezifische Symptome: z. B. Gelbfärbung von Augen und Haut beim Gallenwegstumor oder die Schluckbeschwerden beim Ösophaguskarzinom. Therapiebedingte Symptome: z. B. Übelkeit, Diarrhö. Schmerzen: die wohl wichtigste erlebbare Einschränkung der Lebensqualität. Geistige Leistungsfähigkeit: z. B. eingeschränkt durch die Nebenwirkungen der Schmerztherapie. Sexualität im Sinne sexueller Funktionsfähigkeit; z. B. eingeschränkt durch das generelle Krankheitserleben oder durch spezifische Therapiemaßnahmen, z. B. nach Rektumoperation.
45 Somatische Erlebensdimension ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
Funktioneller Status. Allgemein körperliche Beschwerden. Diagnosespezifische Symptome. Therapiebedingte Symptome. Schmerzen. Geistige Leistungsfähigkeit. Sexualität.
Psychische Erlebensdimension
Psychische Erlebensdimension
Verhaltensmuster im Sinne von Anpassungsmöglichkeiten („Coping“) an sich verändernde Lebensumstände. Wahrnehmungsmuster im Sinne von mehr oder weniger eingeschränkter „AnErkennung“ von Realität (z. B. verzerrt unter Stressbedingungen wie „Diagnoseschock“). Emotionales Erleben, z. B. von Freude, Ärger/Wut, Angst, Trauer bzw. Depression. Kognitive Fähigkeiten: Begabung, erlernte Fähigkeiten. Motivation, z. B. als Wunsch und Wille, den Heilungsprozess aktiv mitzubestimmen, bzw. bei fehlender Motivation resignatives Sichfügen. Kommunikative Kompetenz als Möglichkeit, sich anderen verständlich zu machen, ebenso wie andere zu verstehen.
Interpersonelle Erlebensdimension ■ Verhaltensmuster. ■ Wahrnehmungsmuster. ■ Emotionales Erleben. ■ Kognitive Fähigkeiten. ■ Motivation. ■ Kommunikative Kompetenz.
왘 Merke. Gerade in der Chirurgie wird der psychischen Dimension von Lebensqualität häufig zu wenig Aufmerksamkeit zuteil.
왗 Merke
Interpersonelle Erlebensdimension
Interpersonelle Erlebensdimension
Die interpersonelle Dimension bildet nicht nur die erlebte Qualität der signifikanten Beziehungen (also zu Ehepartnern, Eltern, eigenen Kindern und guten Freunden) ab, sondern auch die erlebten Beziehungen zum behandelnden Team. Deshalb sind vereinfachende „Psychodiagnosen“ wie „ist depressiv“, „lässt sich hängen“ usw. häufig kontraproduktiv. Gleichzeitig sind gerade die interpersonellen Aspekte in der chirurgischen Gesamtbehandlung von größter Bedeutung für die Behandlungszufriedenheit der betroffenen Patienten, teilweise sogar für den letztendlichen Behandlungserfolg.
Diese umfasst: ■ die erlebte Qualität der signifikanten Beziehungen ■ die erlebte eigene Fähigkeit, Beziehungen herzustellen ■ die erlebten Beziehungsstrukturen ■ das übergreifende Netzwerk sozialer Kontakte.
왘 Merke. Gerade die psychische und die interpersonelle Dimension beein-
왗 Merke
flussen die Arzt-Patient-Interaktion und damit letztlich den Behandlungserfolg in erheblichem Maße. Sozioökonomische Erlebensdimension Arbeit und Leistung (häufig als Maß der Rehabilitation und als indirektes Kriterium für Lebensqualität verwandt). Finanzielle Situation. Umwelt (als ökologischer Lebensraum). Wohnverhältnisse. Freizeitmöglichkeiten usw. Es ist jedoch in aller Deutlichkeit darauf hinzuweisen, dass der politische und sozioökonomische Hintergrund (Abb. A-1.20, Bezugsdimension), der sich in den letzten Jahren für alle westlichen Gesundheitssysteme dramatisch verändert hat, sich ebenfalls auf dieser Dimension abbildet.
Sozioökonomische Erlebensdimension ■ ■ ■ ■ ■
Arbeit und Leistung. Finanzen. Umwelt. Wohnverhältnisse. Freizeitmöglichkeiten.
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1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
46
A
Spirituelle Erlebensdimension
Spirituelle Erlebensdimension
Diese umfasst Bereiche wie Religiosität, Lebenssinn, Umweltbewusstsein sowie ethisch motivierte Haltungen und Wertvorstellungen.
Hier finden Bereiche wie Religiosität, Lebenssinn, Umweltbewusstsein sowie ethisch motivierte Haltungen und Wertvorstellungen ihren Platz, die in unserem säkularisierten Zeitalter oft stellvertretend die stabilisierende Funktion von Religion übernehmen oder ergänzen. Umweltbewusstsein wird hier verstanden als eigenständige Werthaltung im Sinne einer über den engen persönlichen Lebensrahmen hinausgehenden Verantwortlichkeit. Die faktisch vorgegebenen Umweltbedingungen und ihre Einflüsse auf die Lebensqualität, z. B. Asbestexposition, sind eher der sozioökonomischen Dimension zuzurechnen. Die Bedeutung dieser Dimension stellt sich in der täglichen psychosozialen Betreuung von Tumorpatienten immer wieder dar: Die Diagnose Krebs konfrontiert die Betroffenen mit der Endlichkeit ihres Lebens. Dies stellt die Fragen nach Lebenssinn in den Vordergrund. Der wohl häufigste Satz, der in Gesprächen von Krebspatienten geäußert wird, lautet: „Warum gerade ich?“.
왘 Merke
왘 Merke. Glauben und persönliche Wert- und Sinnvorstellungen werden
durch den mit der Krebsdiagnose verbundenen „Sturz aus der normalen Wirklichkeit“ (Gerdes 1986) infrage gestellt und lassen sich nicht mit dem Hinweis auf statistische Befunde beantworten. Die individuelle Qualität dieser Frage lässt sich nicht mit dem Hinweis auf Statistiken, also Zufallswahrscheinlichkeiten beantworten. Vielmehr ist eben diese spirituelle Dimension von Lebensqualität angesprochen. Gerade Schwerstkranke setzen sich oftmals intensiv mit Fragen des Lebenssinns, der persönlichen Lebensbilanz usw. auseinander. Gleichzeitig kann eine gelungene Neuorientierung in Fragen des Lebenssinns nicht zu unterschätzende Selbstheilungskräfte mobilisieren, in jedem Fall aber die Lebensqualität insgesamt verbessern. 왘 Merke
Zeitdimension und Bezugsdimension
왘 Merke. Diese hier überblickartig skizzierten Erlebnisdimensionen beeinflussen sich gegenseitig: Sichere religiöse Überzeugung und stabile zwischenmenschliche Beziehungen können sich ebenso wie eine gelungene berufliche Rehabilitation positiv auf die psychische Verfassung auswirken.
Zeitdimension und Bezugsdimension Die Subjektivität des Erlebens von Lebensqualität wird zusätzlich durch die Zeitdimension sowie die Bezugsdimension beeinflusst.
Die Zeitdimension von Lebensqualität verweist auf die individuelle Lebensgeschichte (Vergangenheit), die den gegenwärtigen Status bestimmt und die Erwartungen an die nahe wie an die fernere Zukunft mitbestimmt.
Zeitdimension: Die aktuelle Lebensqualität in der Gegenwart bestimmt sich durch die Gesamtheit der persönlichen Erfahrungen, letztlich der Lebensgeschichte. Die Unterscheidung in nahe und fernere Zukunft ist allein schon deshalb wichtig, weil sie bei der Therapieindikation und der entsprechenden Aufklärung des Patienten eine wichtige Rolle spielt: Bei fehlender kurativer Therapiemöglichkeit steht die Linderung (Palliation) der akuten und/oder kurzfristig zu erwartenden Symptome im Vordergrund. Ist hingegen langfristig eine echte Heilungschance gegeben, so sind Patienten natürlich eher bereit, kurzfristig erhebliche Einbußen ihrer Lebensqualität hinzunehmen.
Zur Bezugsdimension von Lebensqualität gehört nicht nur das Individuum, sondern die Familie, die soziale Gruppe sowie der politische und kulturelle Hintergrund.
Bezugsdimension: Lebensqualität ist aber natürlich nicht nur vom Individuum abhängig, sondern auch von der Familie und der sozialen Gruppe, in der dieser Mensch lebt; und letztlich auch von kulturellen und politischen Rahmenbedingungen. Das sozialpsychologische Großexperiment der deutschen Wiedervereinigung hat hierfür positive wie negative Beispiele im Übermaß mit sich gebracht.
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A
1.7 Aspekte der Lebensqualität
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1.7.3 Bedeutung des Lebensqualitätskonzepts für die Chirurgie
1.7.3 Bedeutung des Lebensqualitäts-
Für den Chirurgen ist die Abschätzung der Operationsfolgen im Hinblick auf die Lebensqualität der Patienten Alltag: Neben den immer vorrangigen Überlegungen zum Überleben des Kranken zielen operative Maßnahmen vor allem auf die Erhaltung, Wiederherstellung und Verbesserung von Funktionen und damit auf einen zentralen Aspekt von Lebensqualität.
Für den Chirurgen ist die Abschätzung der Operationsfolgen im Hinblick auf die Lebensqualität Alltag. Erhaltung, Wiederherstellung und Verbesserung von Funktionen sind zentrale Aspekte von Lebensqualität.
왘 Merke. Dabei sollte es immer um die Erweiterung des Blickfeldes über den
konzepts für die Chirurgie
왗 Merke
funktionalen Status hinaus gehen. Auch der naturwissenschaftlich orientierte Arzt muss erkennen, dass, bei aller Anerkennung medizinischer Fortschritte, menschliche Existenz nicht nur in Labordaten, bildgebenden Verfahren, Operationsberichten und auch nicht nur in der Dauer von Überlebenszeiten reflektiert wird. Heute bilden 3 wesentliche Tendenzen der Medizin den Hintergrund für das neu belebte Interesse an Lebensqualitätsfragen: ■ Überlebensqualität: Die insgesamt eher stagnierenden, wenngleich auch z. T. beachtlich besser werdenden kurativen Erfolge in der Krebsbehandlung rücken im Zusammenhang mit dem Ziel der bestmöglichen kurativen oder palliativen Behandlung die Frage nach den Folgen einer Therapie (oder deren Unterlassung!) in den Vordergrund – nicht nur für die Überlebenszeit, sondern eben auch für die Qualität dieses Überlebens. ■ Psychosoziale Aspekte: Als Folge der ambivalenten Haltung der Öffentlichkeit gegenüber einer modernen Hochleistungsmedizin (mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der von der Medizin eine Garantie für uneingeschränkte „Reparatur“ aller nur denkbarer Leiden erwartet wird, wird ihre Praxis oft genug als inhuman beklagt) werden psychosoziale Aspekte in der Medizin nicht mehr als „Gefühlsduselei“ abgetan, sondern als qualitative Merkmale betrachtet. ■ Kosten-Nutzen-Analyse: Vor dem Hintergrund der sog. Kostenexplosion im Gesundheitswesen richtet sich der kritische Blick auf Fragen nach dem Nutzen des medizinischen Fortschritts und damit auch auf die systematische Erfassung von kurz-, mittel- und langfristigen Folgen therapeutischer Maßnahmen auf die Lebensqualität.
Hintergründe für das neue Interesse an Lebensqualitätsfragen: ■ Überlebensqualität: Die Frage nach den Folgen einer Therapie nicht nur für die Überlebenszeit, sondern auch für die Qualität dieses Überlebens rückt in den Vordergrund. ■ Psychosoziale Aspekte: Ihre Beachtung im Rahmen der medizinischen Behandlung wird heute als Qualitätsmerkmal angesehen. ■ Kosten-Nutzen-Analyse: Vor dem Hintergrund der sog. Kostenexplosion im Gesundheitswesen richtet sich der kritische Blick auf Fragen nach dem Nutzen des medizinischen Fortschritts.
1.7.4 Messung von Lebensqualität
1.7.4 Messung von Lebensqualität
Es gibt verschiedene Instrumente zur Messung der Lebensqualität. Dabei handelt es sich meist um Fragebögen zur Fremd- oder Selbsteinschätzung (s. u.). Aber: Die Messung darf kein Selbstzweck sein, sondern ihre Ergebnisse müssen mit entsprechenden Konsequenzen in den Alltag der klinischen Betreuung des Patienten einfließen! Bei der Messung der Lebensqualität geht es in einem ersten Schritt darum, mehr über die kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen der chirurgischen, aber natürlich auch der internistischen, bei z. B. Malignomen also meist chemotherapeutischen, und radiologischen Therapie auf den ganzen Menschen, also nicht nur auf seine Krankheit zu lernen. Langfristig sollten auch die sog. alternativen Therapieformen mit einbezogen werden. In einem nächsten Schritt werden dann Lebensqualitätsaspekte in die Therapieentscheidung mit einbezogen. Solche Überlegungen sind heute vor allem dem Engagement des behandelnden Arztes überlassen.
Die Messung von Lebensqualität ist kein Selbstzweck! Es geht darum, im 1. Schritt mehr über die kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen der chirurgischen und meist chemotherapeutischen und radiologischen Krebstherapie auf den ganzen Menschen zu lernen. Der nächste Schritt ist dann die regelrechte Einbeziehung von Lebensqualitätsaspekten in die Therapieentscheidung.
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1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
Daraus ist der nächste und gleichzeitig schwierigste und verantwortungsvollste Schritt konsequent abzuleiten: 왘 Merke
왘 Merke. Es gilt, im Rahmen der Therapieentscheidung im Dialog mit dem Patienten die prognostisch zu erwartende Überlebenszeit in ein sinnvolles Verhältnis zur prognostizierbaren Qualität dieses Überlebens zu setzen.
Zu betonen ist dabei, dass es nicht darum gehen wird, im Sinne einer „Allesoder-nichts-Entscheidung“ sich für oder gegen eine Therapie zu entscheiden. Es ist jedoch vorstellbar, dass – bei annähernder Gleichheit der zu erwartenden Überlebenszeit – die Fähigkeit und Bereitschaft des Patienten, zu erwartende Einschränkungen seiner Lebensqualität in Kauf zu nehmen stärker als bisher und vor allem auf der Basis gesicherter Daten in die Therapieentscheidung einbezogen wird. Je weniger Zeit sich der Arzt im Rahmen der modernen Hochleistungsmedizin für das über die angemessene Diagnostik hinausgehende persönliche Gespräch mit dem Patienten nimmt, desto wichtiger wird hierfür die (Weiter-) Entwicklung von validen und klinisch handhabbaren Messinstrumenten. Messinstrumente: Man unterscheidet bei der Erhebung der Lebensqualität zwischen Selbsteinschätzung (durch den Patienten selbst) und Fremdeinschätzung (durch den Arzt oder dem Patienten nahe stehende Personen). ■ Der SF-36: für Gesunde und nicht chronisch Kranke. ■ Der FACT: nordamerikanischer Standardfragebogen in der Onkologie. ■ Der EORTC QLQ C30: europäisches Standardinstrument in der Onkologie zur krebsdiagnoseübergreifenden Messung der Lebensqualität.
1.7.5 Lebensqualitätsverläufe bei Patienten
verschiedener Diagnosegruppen Mit Lebensqualitätsfragebögen lassen sich Verlaufsprofile von Patienten unterschiedlicher Diagnosegruppen vergleichen. Sowohl Darstellung als auch Rezeption von Lebensqualitätergebnissen sind aufgrund der Mehrdimensionalität aufwendig. Hohe Werte in den Funktionsskalen bedeuten eine gute Lebensqualität, hohe Werte in den Symptomskalen bedeuten eine eingeschränkte Lebensqualität.
Messinstrumente: Für die Praxis der Messung von Lebensqualität ist methodisch zwischen Fremdeinschätzung (z. B. durch den Arzt) und der Selbsteinschätzung (durch den Patienten) zu unterscheiden. Keine von beiden Methoden ist per se besser oder schlechter, manchmal ist jedoch die eine Form realistischer als die andere: Schmerz lässt sich nur sehr eingeschränkt von „außen“ beurteilen, Partialfunktionen der Leber können sich einer validen Selbsteinschätzung durch den Patienten entziehen. Sinnvollerweise kommen beide Arten der Messung zusammen und ergänzen sich. ■ Bei Gesunden oder nicht chronisch Kranken wird am häufigsten der LQFragebogen SF-36 eingesetzt, der den Vorteil von an Gesunden erhobenen Normwerten besitzt. Gleichzeitig hat sich dieser Fragebogen z. B. bei Tumorpatienten als wenig änderungssensitiv erwiesen, sodass ein direkter Vergleich von Schwerkranken und Gesunden nicht nur aus den eingangs genannten, sondern auch aus „messtechnischen“ Gründen wenig aussagekräftig ist. ■ Der FACT (Functional Assessment of Cancer Therapies) stellt gegenwärtig das nordamerikanische Standardinstrument in der Onkologie dar, ist aber auch nur in diesem Kulturkreis anwendbar. Eine europäische Version ist derzeit in Entwicklung. ■ Für Europa hat sich der EORTC QLQ C30, der von einer internationalen Arbeitsgruppe speziell im Hinblick auf onkologische Erkrankungen und die entsprechenden Therapien entwickelt wurde, als Standardinstrument durchgesetzt.
1.7.5 Lebensqualitätsverläufe bei Patienten verschiedener Diagnosegruppen Die systematische Anwendung z. B. des EORTC QLQ C30 erlaubt die Evaluation und Darstellung von LQ-Verlaufsprofilen von Patienten unterschiedlicher Diagnosegruppen ebenso wie den Vergleich z. B. verschiedener operativer Verfahren. Gleichzeitig ist aufgrund der Mehrdimensionalität der Fragebögen die Ergebnisdarstellung (und die entsprechende Rezeption beim Leser) aufwendig, z. T. unübersichtlich. Dies lässt sich am Beispiel eines Vergleichs der postoperativen LQ-Verläufe z. B. von Patienten mit kolorektalen Karzinomen und solchen mit Magenkarzinomen zeigen. Dabei zeigen hohe Werte bei den Funktionsskalen eine gute Lebensqualität an, hohe Werte bei den Symptomskalen bedeuten hingegen eine schlechtere Lebensqualität. Verlaufsprofile bei kolorektalen Karzinomen: s. Abb. A-1.21.
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A
A-1.21
1.7 Aspekte der Lebensqualität
Lebensqualität bei Patienten mit kolorektalem Karzinom
a Funktionsskalen (EORTC QLQ-C30).
A-1.22
49
b Symptomskalen (EORTC QLQ-C30).
Lebensqualität bei Patienten mit Magenkarzinom
a Funktionsskalen (EORTC QLQ-C30).
b Symptomskalen (EORTC QLQ-C30).
Der postoperative Verlauf von Patienten mit kolorektalen Karzinomen (N = 380, keine Differenzierung nach TNM- oder R-Stadium!) zeigt, dass sich diese nach einem relativ kurzen Einbruch ihrer Lebensqualität nach 6 Monaten wieder erholt haben und nach zwei Jahren teilweise bessere Werte (global health, emotional functioning, diarrhoea) angeben als präoperativ. Gleichzeitig ist festzustellen, dass Einschränkungen in der körperlichen Leistungsfähigkeit insgesamt (physical functioning) sowie aufgrund des Fatigue-Syndroms bestehen bleiben.
Patienten mit kolorektalem Karzinom und nach chirurgischer Intervention zeigen 2 Jahre nach OP in einigen Skalen bessere Werte als präoperativ und haben insgesamt eine gute Lebensqualität.
Verlaufsprofile bei Magenkarzinomen: Gänzlich anders stellen sich die Verläufe bei Patienten mit Magenkarzinomen (N = 119, höhere TNM-Stadien, keine Differenzierung nach R-Stadium!) dar: S. Abb. A-1.22.
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50
In keiner Skala erreichen diese Patienten im postoperativen Verlauf den präoperativen Ausgangswert.
Bei der Bewertung von LQ-Verlaufsprofilen ist die Überlebensrate unbedingt zu beachten, da es sonst zu einer Überschätzung der LQErgebnisse kommen kann.
A
1 Voraussetzungen für operative Eingriffe
Patienten mit Magenkarzinom und höheren TNM-Stadien erreichen zu keinem Messzeitpunkt präoperative Werte. Bei insgesamt eher schlechter Lebensqualität sind v. a. die – im Vergleich zu anderen Diagnosegruppen – niedrigen Skalenwerte im Bereich „emotional Functioning“ (Angst und Depression), „role Functioning“ (Arbeitsfähigkeit) und „social Functioning“ zu beachten. Postoperativ imponieren die – wiederum im Vergleich zu anderen Diagnosegruppen – sehr hohen Fatigue-Werte (Müdigkeit, Abgeschlagenheit). In keiner Skala erreichen diese Patienten im postoperativen Verlauf den präoperativen Ausgangswert, das LQ-Profil wird von persistierender Fatigue, von Appetitlosigkeit, Schmerzen und Diarrhöen bestimmt, entsprechend schlechter wird die Lebensqualität insgesamt (gobal health) und die körperliche Leistungsfähigkeit (physical functioning) eingeschätzt. Gleichzeitig macht die Darstellung auf ein weiteres methodisches Problem aufmerksam: Kollektive, bei denen unterschiedliche Sterberaten vorliegen, lassen sich hinsichtlich ihrer Lebensqualitätsergebnisse kaum vergleichen. Bezogen auf das gewählte Beispiel: Während in der Gruppe der Patienten mit kolorektalem Karzinom nach zwei Jahren noch fast 80 % der Patienten am Leben sind, trifft dies für das (für diese Darstellung gewählte) Kollektiv der Magenkarzinompatienten nur zu ca. 60 % zu. Um die beiden Kollektive wirklich vergleichen zu können, müssten den verstorbenen Patienten Lebensqualitätswerte zugeordnet werden. Dieses Problem ist derzeit international weder auf methodischer noch philosophischer Ebene gelöst.
1.7.6 Kritische Anmerkungen
1.7.6 Kritische Anmerkungen
Es besteht die Gefahr der zu starken Orientierung am Normalitätsbegriff. Lebensqualität hat Gegenstand ärztlicher Kommunikation, nicht allein Gegenstand der Messung zu sein.
In dem Ausmaß, in dem Lebensqualität messbar wird, ist auch eine kritische Auseinandersetzung mit Konzept und Praxis notwendig. Das Konzept selbst orientiert sich am Gesunden, am sogenannten „Normalen“, und mag somit dem betroffenen Patienten indirekt, aber umso schmerzlicher bewusst machen, wie weit er sich durch seine Krankheit von den Normen unserer Gesellschaft entfernt. Diese Kritik ist berechtigt, wenn als Lebensqualität in Forschung und medizinischer Praxis lediglich die körperlichen Aspekte in den Blick genommen werden. Wird der Patient z. B. auch im Stadium der fortgeschrittenen Metastasierung nicht allein gelassen, sondern seine Verzweiflung, seine Wut, seine Zweifel und seine sich immer wieder neu konstituierende Hoffnung im Dialog mit dem behandelnden Arzt angenommen, verliert die Kritik an Substanz, wenn auch nicht an ihrer grundsätzlichen Berechtigung. Ein weiterer Kritikpunkt ergibt sich dadurch, dass mit der „Vermessung“ des Kranken seine Verfügbarkeit und letztlich auch Manipulierbarkeit disponiert wird. Lebensqualitätsdaten sind intime Daten und unterliegen somit einer besonderen Aufmerksamkeit hinsichtlich Datenschutz und Schweigepflicht. Solche Daten sind für den behandelnden Arzt eine zusätzliche Möglichkeit, seinen Patienten besser zu verstehen, eben in seiner realen Ganzheit (s.o.). Sie eignen sich ebenso wenig für eine neue Katalogisierung wie sie sich – aus umgekehrtem Blickwinkel – für eine am Ende juristisch einklagbare Fremdbeurteilung chirurgischer Leistungen eignen!
Lebensqualitätsdaten sind datenschutzrechtlich sensible Daten! Lebensqualitätsdaten sind subjektive Daten!
왘 Merke
왘 Merke. Die eigentliche Gefahr liegt in der Schlagworthaftigkeit des Begriffes
Lebensqualität selbst. Wird er nur oberflächlich in die Konvention gehoben und nicht inhaltlich gefüllt, wird er gar als Alibifunktion in ein sonst ungebrochen technizistisches Medizinverständnis übernommen, dann wird er mehr Schaden als irgendjemandem Nutzen bringen, am wenigsten den betroffenen Patienten.
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A
1.7 Aspekte der Lebensqualität
Trotz aller Bedenken bezüglich der Schlagworthaftigkeit des Begriffes „Lebensqualität“ kann seine Integration in den medizinischen Alltag nutzbringend sein, sei es auch nur dadurch, dass die Aufmerksamkeit für alte Selbstverständlichkeiten wieder neue Gewichtungen erhält. Die mit „Lebensqualität“ verbundenen Konzepte bieten die Möglichkeit, nicht nur in der Chirurgie neben den somatischen auch psychische und soziale Aspekte beim Patienten in den Blick zu nehmen. Im optimalen Fall kann der Begriff auch das gemeinsame Dach bieten, unter dem wirkliche Interdisziplinarität, deren Notwendigkeit heute ja kaum noch jemand infrage stellt, zum Besten des Patienten praktiziert wird. Lebensqualität in der modernen Medizin ist in keinem Fall ein optionaler „Luxusbegriff“, sondern verweist auf die reale Ganzheit des Menschen. Dies ist gewiss nicht neu, aber vielleicht doch im Hinblick auf die Attraktivität des technisch Machbaren in der modernen Hochleistungsmedizin wieder neu zu betonen.
51
Im optimalen Fall kann der Begriff auch das gemeinsame Dach bieten, unter dem wirkliche Interdisziplinarität zum Besten des Patienten praktiziert wird.
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52 2
Der operative Eingriff
A
2 Der operative Eingriff
Der operative Eingriff
2
Fabian Wolfrum Mitglieder des OP-Teams: ■ Chirurg ■ Ärztliche Mitarbeiter ■ Operationstechnischer Assistent (OTA) ■ Anästhesist ■ Anästhesiepfleger
2.1
Die Operationseinheit
Bei einem operativen Eingriff trägt das Operations-Team (OP-Team) eine unmittelbare und situative Verantwortung für den Patienten. Theoretische Kenntnisse, manuelles Geschick sowie Konzentrations- und Improvisationsfähigkeit sind Voraussetzungen für den Erfolg eines operativen Eingriffs. Das OP-Team setzt sich aus einem Chirurgen und seinen ärztlichen Mitarbeitern, dem operationstechnischen Assistenten (OTA), dem Anästhesisten und Anästhesiepfleger zusammen. Die Operationsdauer sollte möglichst kurz gehalten werden, um das perioperative Risiko für den Patienten zu minimieren. Außerdem dient eine effektive OP-Planung und -Durchführung der Kostenreduzierung und somit der Erfüllung ökonomischer Anforderungen an ein zeitgemäßes OP-Management.
2.1
Die Operationseinheit
In modernen Krankenhäusern sind die Operationseinheiten der einzelnen chirurgischen Disziplinen idealerweise in einer zentralen Operationsabteilung zusammengefasst (Abb. A-2.1).
A-2.1
A-2.1
Beispiel einer Operationseinheit
Nach dem Einschleusen in den OP-Bereich wird der Patient über einen (fernsteuerbaren) Lagerungstisch in den Einleitungsraum (grauer Pfeil) gebracht. Im Anschluss an die Narkoseeinleitung durch den Anästhesisten und den Anästhesiepfleger wird der Patient in den OP gefahren. Im grün markierten Bereich ist das Anästhesieteam tätig und durch Abdecktücher vom Operationsteam getrennt („unsteril/steril“). So entsteht ein steriler Operationsbereich mit der Möglichkeit für den Anästhesisten, gleichzeitig den Patienten zu versorgen, ohne die Sterilität zu gefährden. Der blau markierte sterile Bereich stellt das Arbeitsfeld des Operateurs mit seinen Assistenten (gelb), eines OTA (rot) und eines Springers (pink) dar. Die Aufgaben des Springers sind u. a. Nahtmaterialien und Zusatzinstrumentarium anzureichen oder ein Präparat vom OP-Tisch anzunehmen. Am Ende einer Operation prüft der Springer zusammen mit dem instrumentierenden OTA Bauchtücher, Kompressen und Instrumente auf Vollständigkeit, um einen Verbleib von OP-Materialien und -Instrumentarium im Operationssitus und damit verbundene Komplikationen zu vermeiden. Nach Beendigung der Operation wird der Patient zur postoperativen Überwachung über die Ausleitung in den Aufwachraum oder auf die Intensivstation verlegt.
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A
2.1 Die Operationseinheit
왘 Definition. Eine Operationseinheit besteht in der Regel aus dem Operations-
53 왗 Definition
saal (OP), einem Raum zur Durchführung der Narkoseeinleitung, einem Vorraum für die Händedesinfektion des OP-Personals und einem separaten Ausgang für die Ausleitung des Patienten (Abb. A-2.1). Diese Untereinheiten sind durch unterschiedliche Schleusensysteme für Patienten, medizinisches Personal und Material vom übrigen Teil der Klinik getrennt. Operationsassistenz: Je nach chirurgischem Fachgebiet und Eingriff wird der Operateur durch ein oder zwei Assistenten unterstützt. Eine klare Aufgabenverteilung hilft, Missverständnisse im Operationsablauf zu vermeiden. Daher ist genau festgelegt, wer die 1. und 2. Operationsassistenz übernimmt. Die Aufgabe des 1. Assistenten ist es, die einzelnen Operationsschritte z. B. durch Blutstillung, Bedienung von Klemmen etc. zu unterstützen, während der 2. Assistent u. a. Wundhaken hält, um das OP-Gebiet zugänglich zu machen und Fäden abschneidet etc. Je besser die theoretischen und praktischen Kenntnisse eines Assistenten über die einzelnen Operationsschritte sind, umso reibungsloser gestaltet sich der Operationsablauf. Teamfähigkeit, Flexibilität, Konzentrationsvermögen und Disziplin sind wichtige Anforderungen an einen operativ tätigen Arzt.
2.1.1
Patientenvorbereitung
Die präoperative Vorbereitung des Patienten beginnt bereits auf der Station: Der Operationsbereich wird rasiert, falls notwendig der Bauchnabel gereinigt (zum Teil bereits am Tag vor der Operation), ggf. Nagellack entfernt (Gefahr verfälschter Werte im Rahmen der perioperativen Pulsoxymetrie!), Schmuck abgelegt und spezielle Unterwäsche, ein Hemd und eine Haube angezogen (am OP-Tag). Nach dem Anschluss des Patienten an die Überwachungsmonitore erfolgt die Narkoseeinleitung über einen zuvor gelegten intravenösen Zugang. Dann wird der Patient durch den zuständigen Operateur entsprechend des vorgesehenen Eingriffs im Operationssaal gelagert (Tab. A-2.1). Aus rechtsmedizinischer Sicht ist die Lagerung bereits Bestandteil der Operation, weshalb bei Regressansprüchen die Verantwortung der jeweils zuständige Chirurg trägt. 왘 Merke. Bei der Lagerung des Patienten ist Folgendes zu beachten: ■ ■
■ ■
■
Operationsassistenz: Abhängig vom chirurgischen Fachgebiet und dem Eingriff wird der Operateur durch ein oder zwei Assistenten unterstützt. Aufgaben der Assistenten sind v. a.: Bedienen von Instrumenten, Abschneiden von Nahtmaterial oder Halten von Wundhaken.
2.1.1 Patientenvorbereitung
Maßnahmen zur Vorbereitung des Patienten auf die OP: ■ Rasur des OP-Bereichs. ■ Ablegen von Schmuck. ■ OP-Kleidung und -Haube. ■ Anschluss an Überwachungsmonitore. ■ Narkoseeinleitung (i. v. Zugang). ■ Lagerung (Tab. A-2.1).
왗 Merke
Optimale Einsehbarkeit und Zugänglichkeit des Operationsgebiets. Erreichbarkeit aller notwendigen Instrumente, Geräte und Zugänge (auch für die Anästhesie). Polsterung prädisponierter Stellen zur Vermeidung von Lagerungsschäden. Lagerung des Arms mit dem venösen Zugang auf einer gepolsterten Schiene, da die Gefahr einer N.-ulnaris-Läsion in seinem Sulkus besteht, wenn der Ellenbogen ungepolstert auf einer harten Unterlage aufliegt. Cave: Dabei den Arm nicht über 90 ° abduzieren wegen der Gefahr einer Überdehnung des Plexus brachialis mit vorübergehenden oder dauerhaften Nervenläsionen! Stabile Fixierung des Patienten in der gewünschten Lagerung mittels Gurten und Stützen.
Im Anschluss wird das Operationsgebiet desinfiziert. Dies erfolgt in mehreren Schritten. Dabei ist es wichtig, von innen nach außen vorzugehen und beim zweiten bzw. dritten Durchgang einen Sicherheitsabstand zum Rand der vormaligen Desinfektionsfläche zu belassen, um die erreichte Desinfektion nicht zu gefährden. Nach dem Trocknen des Desinfektionsmittels wird der Patient unter Aussparung des Operationsgebietes mit sterilen Tüchern abgedeckt.
Anschließend erfolgt die Desinfektion des Operationsgebiets in mehreren Schritten. Sobald das Desinfektionsmittel getrocknet ist wird der Patient mit sterilen Tüchern abgedeckt.
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A
54 A-2.1
2 Der operative Eingriff
Operationslagerungen
Lagerungsform
Operation
Rückenlagerung
■
■
Standardlagerung für viszeralchirurgische Eingriffe Mamma-Operationen
Wichtig ■ ■
■
zu starke Reklination des Kopfes vermeiden ? Polsterung auf fester Unterlage Lagerung der Arme: – am Körper ? korrekte Platzierung zur Vermeidung von Kompressionsschäden – im rechten Winkel ausgelagert ? Überstreckung vermeiden (s.o.) Cave: Abnahme der funktionellen Residualkapazität durch Kranialverschiebung des Zwerchfells durch Baucheingeweide ? ggf. Oxygenierungsprobleme
mögliche Varianten ■
Kopftieflagerung („Trendelenburg-Position“)
■
■
■
Fußtieflagerung
■
■
■
Strumalagerung
■
■
Seitenlagerung
■
■
Variante: ■ Flankenlagerung Bauchlagerung
■
■
■
■
Steinschnittlagerung
■
■
Sitzende Position
■
Eingriffe am Unterbauch Eingriffe im kleinen Becken
Eingriffe am Oberbauch Thrombektomie bei tiefer Beinvenenthrombose
■
■
Beine über Herzniveau: Zunahme des venösen Rückstroms ? Vorlasterhöhung ? Gefahr der myokardialen Volumenüberlastung bei Herzinsuffizienz
Verminderung des venösen Rückstroms (venöses „Pooling“) ? ggf. Blutdruckabfall
■ Eingriffe an Schilddrüse ■ und Nebenschilddrüse Mediastinoskopie
Lagerung mit erhöhtem Oberkörper ? Gefahr der Luftembolie bei Verletzung der V. jugularis starke Reklination des Kopfes ? besserer Zugang zu Halsweichteilen. Cave: vorbestehende Veränderungen der HWS!
Eingriffe an Niere und Nebenniere Thoraxeingriffe (z. B. lat. Thorakotomie)
Schonung der Nervenplexus ? Polsterung der dem Tisch aufliegenden Axilla Aufhängung des oberen Armes ? Vermeiden von Zug- und Kompressionsschäden Vermeiden von Druckläsionen ? Kissen zwischen übereinanderliegende Beine achsengerechte Position der HWS ? Kopflagerung auf Kissen Cave: Veränderung des Ventilations-/Perfusionsverhältnisses ? bei Lagerung auf schlechter Lungenhälfte ? Minderung der Oxygenierung
■ ■
■ ■ ■
bei Niereneingriffen ■ WirbelsäulenOP OP im Iliosakralbereich, ■ Rectotomia posterior OP gluteal (z. B. DekubitusOP) oder an dorsalen Extremitäten
flache oder im Becken abgeknickte Lagerung ? Gefahr: – Verminderung des venösen Rückstroms durch Kompression intraabdomineller Gefäße – eingeschränkte Zwerchfellexkursionen durch Druck auf die Bauchdecke Polsterung von Becken und Kopf, dabei Gesicht und Augen frei lassen
perineale und perianale Eingriffe Eingriffe am Rektum
Lagerungsvariante mit kardiorespiratorischen Veränderungen: Abnahme des Verhältnisses FRC/thorakale Compliance Cave: Gefahr von Druckläsionen durch Verlauf des N. peroneus hinter dem Fibulaköpfchen ? Polsterung der Beinschiene! bei sehr langen Eingriffen: Gefahr des Kompartmentsyndroms ? ggf. Mangeldurchblutung mit Nekrosen
bei bestimmten intrakraniellen Eingriffen
■
■
■
■
risikoreiche Lagerung v. a. aus zwei Gründen: – Verminderung des Herzzeitvolumens und ggf. Blutdruckabfall wegen Abnahme des venösen Rückstroms – Gefahr der Luftembolie (OP-Gebiet liegt über dem Herzniveau ? Negativierung des Drucks in den intrakraniellen Venen und Durasinus)
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A 2.2 Richtiges Verhalten im OP
2.2
Richtiges Verhalten im OP
55 2.2
Richtiges Verhalten im OP
Unerlässlich für den reibungslosen Ablauf einer Operation ist das pünktliche Erscheinen aller Beteiligten. Da das sterile Ankleiden immer zu Beginn einer Operation stattfindet und erst danach die Zuordnung der Instrumententische und des Personals am OP-Tisch erfolgen kann, führt Unpünktlichkeit eines Einzelnen automatisch zu einer Verzögerung des OP-Verlaufes. Zur besseren zeitlichen und örtlichen Orientierung im OP-Trakt steht der OP-Plan zur Verfügung. Im OP angekommen, sollte man sich vorstellen, um Missverständnisse zu vermeiden.
Alle an einer Operation beteiligten Personen sollten pünktlich erscheinen, damit es nicht zu unnötigen Verzögerungen kommt.
Risikominimierung von postoperativen Infektionen: Das hygienische Gesamtkonzept einer operativen Einheit sichert die Risikominimierung postoperativer Komplikationen. Spezielle klima- und raumlufttechnische Anlagen sind technische Voraussetzungen für die Einhaltung hygienischer Standards. Abhängig von der hygienischen Reihenfolge der operativen Eingriffe werden die Operationen ggf. in getrennten aseptischen und septischen Räumlichkeiten durchgeführt. Auch das Personal trägt durch Wechseln der Kleidung in der Personalschleuse vor dem Betreten oder Verlassen der Operationseinheit und durch gründliche Händedesinfektion (s. u.) Verantwortung für die Hygiene.
Risikominimierung von postoperativen Infektionen: Durch spezielle klima- und raumlufttechnische Anlagen können hygienische Standards eingehalten werden. Abhängig von der Art der Operation können diese ggf. in getrennten aseptischen und septischen Operationssälen durchgeführt werden. In Schleusen wird vor Betreten oder Verlassen der Operationseinheit die Kleidung gewechselt, darüber hinaus erfolgt eine gründliche Händedesinfektion.
2.2.1 Funktionskleidung
2.2.1 Funktionskleidung
Die Umkleide zu einem Operationssaal (sog. Personalschleuse) ist in einen „unreinen“ und einen „reinen“ Bereich unterteilt. Um zu vermeiden, dass mit unsachgemäßer Kleidung der OP-Trakt oder versehentlich der reine Teil der Umkleide betreten wird, können die Türen nur von der „richtigen“ Seite aus geöffnet werden. Im „unreinen“ Bereich zieht man Alltagskleidung, Armbanduhren sowie sämtliche Schmuckstücke an Händen und Unterarmen aus (Brillen und Ohrringe können getragen werden), im „reinen“ Bereich die Funktionskleidung an. Diese meist farbig gekennzeichnete Operationskleidung besteht aus der Hose, dem Oberteil (sog. Kasak = Schlupfhemd), den OP-Schuhen, dem Mund-Nasenschutz und der OP-Haube (Es gibt unterschiedliche Modelle. Wichtig: Aus hygienischen Gründen müssen alle Haare, also auch Barthaare bedeckt werden. Für Bartträger steht ein Vollbartschutz zur Verfügung).
Die spezielle Funktionskleidung wird in der Umkleide zum Operationssaal angelegt („Personalschleuse“). Schmuck an Händen und Unterarmen muss entfernt, sämtliche Haare müssen abgedeckt werden (auch Bärte).
2.2.2 Chirurgische Händedesinfektion
2.2.2 Chirurgische Händedesinfektion
Die chirurgische Händedesinfektion ist als grundlegende Hygienemaßnahme für das gesamte OP-Personal hinsichtlich der Risikominimierung nosokomialer Infektionen von großer Bedeutung. Im Vorraum zum OP werden die Hände zur Reduktion der transienten und weitgehend auch der residenten Hautflora gewaschen und desinfiziert. Die Desinfektion dauert insgesamt je nach Desinfektionsmittel ca. 3 – 5 Minuten an, wobei zwischen den einzelnen Desinfektionsschritten jeweils abgewartet werden sollte, bis eine Trocknung erreicht ist (ca. 30 Sekunden nach den einzelnen Schritten). Vor dem ersten operativen Eingriff werden die Fingernägel mithilfe einer Bürste, Wasser und Seife gründlich gereinigt und anschließend die Hände und im Weiteren auch die Unterarme bis zum Ellenbogen gewaschen (Cave: Hände nicht bürsten wegen der Entstehungsgefahr von Mikrotraumen!). Danach folgt das gründliche Abtrocknen mit einem Einmalhandtuch. Zum korrekten Vorgehen bei der chirurgischen Händedesinfektion siehe Abb. A-2.2 a – d.
Die chirurgische Händedesinfektion ist zur Vermeidung nosokomialer Infektionen von großer Bedeutung. Im Vorraum zum OP werden die Hände und Unterarme zur Reduktion der Hautflora gewaschen (Wasser und Seife, Fingernägel zusätzlich mit Bürste) und anschließend mehrmals desinfiziert (Abb. A-2.2).
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56 A-2.2
2 Der operative Eingriff
Händedesinfektion
a
b
c (II)
c (I) Bei der Desinfektion der Hände ist es wichtig, den Hebel des Desinfektionsspenders mit dem Ellenbogen zu betätigen (a), um eine Kontamination der bereits gereinigten Hände zu vermeiden. Die Desinfektion erfolgt in mehreren Schritten, zwischen denen jeweils das Trocknen des Desinfektionsmittels abgewartet werden muss: Zuerst werden die Hände und die gesamten Unterarme desinfiziert (b), danach die Hände und die unteren 2/3 der Unterarme und zuletzt nur noch die Hände sowie das untere 1/3 der Unterarme (c). Dabei ist darauf zu achten, dass die desinfizierten Hände über Ellenbogenniveau und vom Körper weg gehalten werden (d). Mithilfe einer Türautomatik betritt man den OP, ohne die Tür mit der Hand zu berühren und hält die Hände mit ausreichendem Abstand vor dem Körper.
d
2.2.3 Anziehen von Kittel und
2.2.3 Anziehen von Kittel und Handschuhen
Handschuhen Zum korrekten Anziehen des Kitttels s. Abb. A-2.3.
Im Operationssaal wird durch einen OTA ein Kittel angereicht. Unmittelbar nach dem Überstreifen des Kittels bindet ihn der Springer hinten (Abb. A-2.3 a – c), nach dem Anziehen der Handschuhe wird er vorn gebunden. Hierfür gibt man ein Ende des Gürtels dem OTA und dreht sich um die eigene Achse, während man das andere Gürtelende festhält (Abb. A-2.3 d, e).
Sterile Handschuhe dienen gleichermaßen dem Schutz vor einer Erregerübertragung vom Patienten auf das OP-Personal und umgekehrt. Bei Beschädigung müssen sie sofort und bei längeren Eingriffen nach ca. 120 Minuten gewechselt werden.
Sterile Handschuhe dienen gleichermaßen dem Schutz des Patienten vor einer Infektion durch den Chirurgen bzw. das OP-Personal und umgekehrt. Sterile Handschuhe sind in unterschiedlichen Größen verfügbar und sollten nicht zu eng sein, keine Unregelmäßigkeiten aufweisen aber auch nicht rutschen. Bei risikoreichen Eingriffen mit hoher Infektionsgefahr werden die Handschuhe doppelt getragen. Um eine Mikroperforation zu vermeiden, sollten die Handschuhe bei längeren Operationen nach ca. 120 Minuten oder bei einer sichtbaren Beschädigung umgehend gewechselt werden. Beim Anziehen der sterilen Handschuhe ist Folgendes zu beachten (Abb. A-2.4 a, b):
A-2.3
Anziehen des OP-Kittels
a Anreichen des Kittels durch einen OTA.
b Anziehen des Kittels.
c Zubinden des Kittels hinten.
d, e Zubinden des Kittels vorn.
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A 2.2 Richtiges Verhalten im OP
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A-2.4 Anziehen der sterilen Handschuhe
a (I)
a (II)
b (I)
b (II)
a Rechter Handschuh: Dieser wird mit der linken Hand von innen gefasst und festgehalten, um beim Anziehen eine Kontamination der sterilen Außenseite zu vermeiden. b Linker Handschuh: Man fasst mit dem sterilen rechten Handschuh von außen unter den linken Handschuhrand, um das Anziehen durch Aufdehnen zu erleichtern.
2.2.4 Richtige Handhaltung im OP
2.2.4 Richtige Handhaltung im OP
왘 Tipp. Im OP ist es aus Sterilitätsgründen erforderlich, die Hände vor dem Körper in einem Bereich zwischen Brust und Bauchnabel zu halten (Abb. A-2.5 a). Am Operationstisch legt man zu Beginn eines Eingriffs die Hände auf den desinfizierten und steril abgedeckten Bereich des Patienten (Abb. A-2.5 b).
왗 Tipp
A-2.5 Handhaltung im OP
a Im OP. b Am OP-Tisch. c Falsche Handhaltung: c I zu tief, c II zu hoch.
a
b
c (I)
c (II)
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2 Der operative Eingriff
Einige Verhaltensregeln im OP können durchaus dogmatisch erscheinen. Im Rahmen der Teamarbeit ist es jedoch wichtig, als „Neuling“ im OP Ratschläge von ärztlichen Kollegen und OTA zu befolgen. Zum Beispiel sollte auf keinen Fall eigenständig ein scharfer Wundhaken umgesetzt werden, da dies zu folgenschweren Verletzungen und Komplikationen führen kann.
2.3
Chirurgische Instrumente
Einteilung nach Funktion: ■ zur Gewebedurchtrennung (s. u.). ■ mit Haltefunktion: fassend (S. 60), statisch (S. 61). ■ zur Blutstillung (S. 61). ■ zur Gewebevereinigung (S. 62). 2.3.1 Instrumente zur
Gewebedurchtrennung
2.3
Chirurgische Instrumente
Die große Anzahl der unterschiedlichen chirurgischen Instrumente lässt sich zusammenfassend nach der Funktion einteilen in: ■ Instrumente zur Gewebedurchtrennung (s. u.). ■ Instrumente mit Haltefunktion: fassend (S. 60), statisch (S. 61). ■ Instrumente zur Blutstillung (S. 61). ■ Instrumente zur Gewebevereinigung (S. 62).
2.3.1 Instrumente zur Gewebedurchtrennung Die wichtigsten Vertreter dieser Gruppe sind Scheren und Skalpelle. Elektrische Hochfrequenzmesser und -scheren sowie Ultraschalldissektoren gewinnen in der modernen Chirurgie aufgrund ihrer speziellen Eigenschaften zunehmend an Bedeutung. Sägen, Schneidezangen und Knochenmeißel werden zur Durchtrennung harter Gewebestrukturen oder von Operations-Materialien (z. B. Kirschnerdrähte) verwendet.
Scheren: Sie dienen der kontrollierten Gewebedurchtrennung; mit Scheren kann Gewebe auch stumpf auseinandergedrängt werden. Zu Scheren-Modellen s. Abb. A-2.6.
Scheren: Diese dienen der kontrollierten Durchtrennung von Gewebe. Darüber hinaus kann durch vorsichtiges Spreizen der Schere Gewebe stumpf auseinandergedrängt werden. Für die unterschiedlichen Einsatzgebiete steht eine große Anzahl verschiedener Scheren-Modelle zur Auswahl (Abb. A-2.6).
Skalpelle: Mit Skalpellen (Einmalskalpelle oder Einmalklingen) erfolgt die scharfe Durchtrennung von Gewebe. Dabei darf das für die Hautinzision verwendete Messer wegen möglicher bakterieller Kontamination nicht für tiefere Gewebeschichten verwendet werden. Zu Klingenformen s. Abb. A-2.6.
Skalpelle: Mit Skalpellen erfolgt die scharfe Durchtrennung von Gewebe. Wichtig ist hierbei, dass das für die Hautinzision verwendete Messer wegen der Gefahr der potenziellen bakteriellen Kontamination nicht für tiefere Gewebeschichten verwendet wird. Aus Sicherheits- und Verschleißgründen werden entweder Einmalskalpelle oder sterilisierbare Griffe mit Einmalklingen verwendet. Die Skalpellklingen unterscheiden sich in der Form und werden fortlaufend nummeriert (10 – 42). Spitze Klingen (Abb. A-2.6 h) werden für Stichinzisionen, bauchige (Abb. A-2.6 i) z. B. für Inzisionen von Haut, Subkutis oder Faszien sowie Gewebeexzisionen und gekrümmte (Abb. A-2.6 j) zum Durchtrennen von Nahtmaterial eingesetzt. Amputationsmesser werden z. B. zur Abtrennung von Extremitätenweichteilen verwendet.
Elektrische Hochfrequenzmesser und Scheren (Diathermie): Durch Hochfrequenzstrom und Proteindenaturierung können Gewebe blutsparend durchtrennt oder Gefäße koaguliert werden.
Elektrische Hochfrequenzmesser und Scheren (Diathermie): Durch Applikation von Hochfrequenzstrom mittels Messern oder Scheren wird durch Proteindenaturierung die gewebeschonende Durchtrennung von Subkutis, Muskulatur, Faszien und Parenchym (Elektrotomie) bei gleichzeitigem Verschluss kleiner Blutgefäße (Elektrokoagulation) ermöglicht. Man unterscheidet monopolare von bipolarer Diathermie. Eingesetzt werden diese Methoden sowohl in der offenen als auch in der minimal-invasiven Chirurgie. ■ Monopolare Diathermie (Abb. A-2.7): Hier wird hochfrequenter Strom über eine sog. Aktivelektrode (elektrisches Messer) an Gewebe appliziert und fließt dann durch den Patienten hindurch an eine Neutralelektrode, welche vor Beginn der Operation auf die trockene Haut des Patienten geklebt wird. Durch die Wahl der entsprechenden Frequenzen kann sowohl eine dissezierende als auch eine koagulierende Wirkung hervorgerufen werden.
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Monopolare Diathermie (Abb. A-2.7): Hochfrequenter Strom wird über eine sog. Aktivelektrode an Gewebe appliziert und fließt dann durch den Patienten hindurch an eine Neutralelektrode, welche vor Beginn der Operation auf die trockene Haut des Patienten geklebt wird. Bipolare Diathermie: Der Strom fließt nicht durch den Patienten, sondern von der einen in die andere Branche der Schere oder Pinzette.
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Bipolare Diathermie: Hier fließt der Strom nicht durch den Körper des Patienten, sondern von der einen in die andere Branche der Schere oder Pinzette. Die Koagulationswirkung ist sehr präzise, beim Durchtrennen des Gewebes mit der Schere wird das Gewebe gleichzeitig koaguliert.
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A
2.3 Chirurgische Instrumente
59
A-2.6 Schneidende chirurgische Instrumente
a Cooper-Schere (gebogen oder gerade): Durch den kräftigen Bau bietet sie sich zum Schneiden von festen Materialien (z. B. festere Nähte oder Drainagen) an. b, c Präparierschere nach Metzenbaum (b), nach Lexer (c): In der feinen Variante wird sie als Präparierschere zum Schneiden und Spreizen, in der kräftigen zum Abschneiden von Nahtmaterialien oder derberem Gewebe verwendet. d Pott-Schere: Dieses spitze und nach vorn gewinkelte Modell eignet sich zur Längsinzision von Gefäßen. e Mikro- und Federscheren: Diese feinen Instrumente werden z. B. für mikrochirurgische Eingriffe an Gefäßen und Nerven eingesetzt. f Rippenschere: Aufgrund des kräftigen Baus und der gewinkelten Form eignet sich dieses Modell für die Durchtrennung von Rippen. g Rektum-Schere: Durch die seitlich gewinkelte Form erleichtert sie das Absetzen eines Rektumpräparates im kleinen Becken. h 11er Klinge i 20er Klinge j 12er Klinge
Ultraschalldissektoren: Bei der Ultraschalldissektion wird eine Klinge in Schwingung versetzt und dadurch mechanische Energie erzeugt. Im Gegensatz zur Diathermie werden Proteine durch Aufspaltung von Wasserstoffbrückenbindungen und nicht durch Hitze denaturiert. Hierdurch wird v. a. weiches Gewebe wie Parenchym und Fett zerstört, ohne jedoch kanalikuläre Strukturen wie Gefäße oder z. B. Gallengänge zu verletzen. Unter kontinuierlicher Spülung werden die entstandenen Gewebetrümmer durch Sog entfernt. Ultraschalldissektoren werden in der offenen Chirurgie u. a. bei Leberresektionen zur Parenchymdurchtrennung und bei minimal-invasiven Eingriffen (S. 135) z. B. in der Antirefluxchirurgie (Präparation der Vasa gastricae breves) sowie bei Kolonresektionen (Durchtrennung des gefäßtragenden Mesenteriums) verwendet.
Ultraschalldissektoren: Eine in Schwingung versetzte Klinge denaturiert Gewebeproteine durch Aufspaltung von Wasserstoffbrückenbindungen und nicht durch Hitze. Parenchym und Fett wird zerstört, kanalikuläre Strukturen werden erhalten. Einsatz in der Leberchirurgie, bei minimal-invasiven Eingriffen und Kolonresektionen.
Sägen und Meißel: Zur Durchtrennung von festem Gewebe wie z. B. Knochen stehen verschiedene Sägetypen (z. B. Gigli-Säge, oszillierende Säge) und Meißel zur Verfügung. Meißel dienen u. a. dazu Knochen abzusetzen, Gelenkflächen zu resezieren und Transplantate aus dem Beckenkamm zu gewinnen.
Sägen und Meißel: zur Durchtrennung von festem Gewebe, z. B. Knochen.
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A
60 A-2.7
2 Der operative Eingriff
A-2.7
Monopolare Diathermie Der elektrochirurgische Effekt entsteht durch Energiebündelung im Bereich der Berührungsfläche mit der punktförmigen Aktivelektrode. Fasst man ein Blutgefäß mit der Pinzette und berührt diese mit der nicht isolierten Spitze des Diathermiehandgriffes, so wird das Gefäß durch Weiterleitung der Hitze an die Pinzettenspitze koaguliert.
2.3.2 Fassende Instrumente mit
Haltefunktion
2.3.2 Fassende Instrumente mit Haltefunktion Zu den fassenden Instrumenten gehören Pinzetten, Zangen und Klemmen.
Pinzetten: chirurgische, anatomische, atraumatische (Abb. A-2.8 Ia – c).
Pinzetten: Abhängig von den Instrumentenspitzen werden chirurgische (Abb. A-2.8 Ia), anatomische (Abb. A-2.8 Ib) und atraumatische Pinzetten (Abb. A-2.8 Ic) unterschieden. Sie sind entsprechend des Einsatzgebietes unterschiedlich kräftig, lang oder breit.
Zangen: Abb. A-2.8 (IIa – c).
Zangen: Diese dienen der vorübergehenden Fixierung eines Repositionsergebnisses im Rahmen einer Osteosynthese oder dem Abtragen von Knochenanteilen, Knorpel und anderem festen Gewebe (Abb. A-2.8 II).
A-2.8
Pinzetten und Zangen I Pinzetten: a Chirurgische Pinzette mit verzahntem Hakenmaul zum Halten von festem Gewebe (z. B. Haut). b Anatomische Pinzette mit stumpfer Spitze und flacher oder geriffelter Endfläche zum Halten von vulnerablem Gewebe (z. B. Parenchym, Darm und Gefäße). c Atraumatische Pinzette mit stumpfer Spitze und flacher oder kreuzkarierter Endfläche zum Halten von festerem Gewebe (z. B. Bindegewebe). II Zangen: a Repositions- und Knochenhaltezangen (am Beispiel einer Knochenhaltezange [Verbrugge]): Zum vorübergehenden Halten von Knochen im Rahmen einer Osteosynthese b, c Hohlmeißel- (b) und Knochensplitterzangen (c) zum Abtragen von Knorpel- und Knochenanteilen
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2.3 Chirurgische Instrumente
61
Klemmen: Diese werden bei verschiedenen Operationsschritten eingesetzt. Entsprechend der Funktion sind die Enden gerade oder gebogen, spitz oder stumpf. Sie werden zur Durchtrennung (Ligatur) oder zum Halten von Gewebe bzw. Bauchtüchern oder zum Abklemmen von Gefäßen genutzt (Abb. A-2.9). Die Darmklemme z. B. verschließt den Darm bei der Erstellung von Anastomosen, um eine Stuhlkontamination der Bauchhöhle zu vermeiden (sie ist zur Schonung des Gewebes an der Seite zum verbleibenden Darmabschnitt weich und bezogen).
Klemmen: Sie werden zur Durchtrennung (Ligatur) oder zum Halten von Gewebe bzw. Bauchtüchern oder zum Abklemmen von Gefäßen genutzt (Abb. A-2.9).
A
2.3.3 Statische Instrumente mit Haltefunktion
2.3.3 Statische Instrumente mit
Haltefunktion
Die Kenntnis dieser Instrumente ist von Bedeutung für den Studenten, denn spätestens im Praktischen Jahr muss jeder einmal „Haken halten“. Um Schichten der Bauchdecke oder Organe zurückzuhalten und damit eine direkte Sicht auf den Operationssitus zu schaffen bzw. einen Zugang zum Operationsgebiet zu ermöglichen, werden unterschiedliche Halteinstrumente eingesetzt. Nähere Informationen hierzu siehe Abb. A-2.10.
Eine Übersicht bietet Abb. A-2.10.
2.3.4 Instrumente zur Blutstillung
2.3.4 Instrumente zur Blutstillung
Zur temporären bzw. definitiven Blutstillung stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Mithilfe von Fäden können Ligaturen um Klemmenspitzen herum oder Durchstechungsligaturen mittels Nadel und Faden vorgenommen werden. Zudem kommen Clips zum Abklemmen von Gefäßen oder duktalen Strukturen zum Einsatz (s. u.). Kleinere Gefäße werden (mono- oder bipolar) koaguliert (S. 58). Parenchym kann mit einem Hochfrequenzmesser oder z. B. mit einem Ultraschalldissektor blutsparend durchtrennt werden. Nähere Informationen hierzu siehe Kapitel „Wunde“ S. 138.
Mögliche Verfahren: ■ Faden-Ligaturen um Klemmenspitzen herum oder Durchstechungsligaturen. ■ Clips (zur Abklemmung). ■ Mono-/bipolare Koagulation (S. 58). ■ Hochfrequenzmesser oder Ultraschalldissektor.
A-2.9 Klemmen
a Overholt-Klemme (mit atraumatisch gebogener Spitze) zur Gewebedurchtrennung oder zum Fassen von Gefäßen bei Ligaturen. b, c Kocher-Klemme (b) mit verzahnter Spitze und Pean-Klemme (c) mit atraumatischer Spitze zum Halten von Gewebe oder Fadenenden d Allis-Klemme zum Halten von vulnerablem Gewebe (z. B. Darm) e Backhausklemme z. B. zum Halten von Bauchtüchern f Mikuliczklemme zum Halten von Faszien g Gefäßklemmen (am Beispiel der Bulldog-Klemmen) zum schonenden Halten und Abklemmen von Gefäßen. Durch die atraumatische Oberfläche sollen Verletzungen vermieden werden.
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62 A-2.10
2 Der operative Eingriff
Halter und Retraktoren
a Bauchdeckenhalter: kontinuierliches Offenhalten des OP-Situs. b Thoraxsperrer: Erweiterung und Offenhalten des interkostalen Zugangs. c Bauchdeckenhaken (Fritsch): flexibles Offenhalten des Operationsgebietes bei Laparotomie. d Leberhaken (Kelly): meist zur Schonung des Gewebes mit sterilem Stoff bezogen. e Langenbeckhaken: universell einsetzbar zum Halten von Weichgewebe (häufige Verwendung in der Strumachirurgie). f Rouxhaken: überwiegend zum Halten von Haut und Subkutis. g Scharfer Haken (Volkmann): mit 1 – 6 Zähnen: für Haut und Subkutis. h Kocherhaken: universell einsetzbar zum intraoperativen Halten von Gewebe (z. B. Faszien).
2.3.5 Instrumente zur Gewebevereinigung
2.3.5 Instrumente zur Gewebevereinigung
Mit der Clipzange können Gefäße und duktale Strukturen verschlossen werden. Klammernahtgeräte (sog. Stapler) bewirken den Verschluss von Gewebe durch Einsetzen von Klammermagazinen – je nach Anordnung der Klammern linear oder zirkulär. Mittels integrierter Schneidevorrichtungen kann umgebendes Gewebe nach der Adaptation durchtrennt werden. Auch in schwer zugänglichen Regionen sind auf diese Weise Eingriffe (Anastomosen, Resektionen) möglich (Abb. A-2.11).
Die Clipzange als einfachste Variante eines Klammergerätes wird z. B. zum Verschluss des Ductus cysticus oder der Arteria cystica im Rahmen einer laparoskopischen Cholezystektomie verwendet. Klammernahtgeräte (sog. Stapler) bewirken den Verschluss von Gewebe durch Einsetzen von Klammermagazinen. Der Wundverschluss durch den Stapler kann je nach Anordnung der Klammern linear oder zirkulär erfolgen. Zum Teil sind die Geräte mit Schneidevorrichtungen kombiniert, sodass das umgebende Gewebe unmittelbar nach dem Verschluss der Klammern mit einem integrierten Skalpell durchtrennt wird. So werden auch in schwer zugänglichen Körperregionen Anastomosen und Resektionen ermöglicht. Dank dieser Methode kann z. T. auf belastende und komplikationsträchtige Zweihöhleneingriffe verzichtet werden. Eingriffe im kleinen Becken können onkologisch korrekt und dennoch kontinenzerhaltend durchgeführt werden (Abb. A-2.11).
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A-2.11
a b c d e
2.3 Chirurgische Instrumente
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Klammergeräte
Clipzange zum Verschluss von Gefäßen oder duktalen Strukturen. Klammergerät zum Hautverschluss. Linearcutter zur Durchtrennung z. B. von gastrointestinalen Organen und Lunge. Linearstapler zum Absetzen z. B. von Rektum oder eines Bronchus. Zirkularstapler wird z. B. bei Ösophago-Jejunostomie oder Kolo-/Pouchileo-Rektostomie eingesetzt.
2.3.6 Spezialinstrumente
2.3.6 Spezialinstrumente
Entsprechend der unterschiedlichen Fachgebiete wurden im Lauf der Zeit zahlreiche unterschiedliche Instrumentensortimente mit spezieller Funktion entwickelt. So wird z. B. in der Traumatologie, der Gynäkologie, der Urologie und der Neurochirurgie häufig Spezialinstrumentarium verwendet. Zudem kommt u. a. in der plastisch-rekonstruktiven Chirurgie sog. Mikroinstrumentarium zum Einsatz.
Im Lauf der Zeit wurden entsprechend der unterschiedlichen Fachgebiete Spezialinstrumentarien entwickelt.
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64
3
Perioperative Maßnahmen/Probleme
3.1
Perioperative Flüssigkeitstherapie
A
3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
3
Perioperative Maßnahmen/ Probleme
3.1
Perioperative Flüssigkeitstherapie Erol Cavus
Die gängige klinische Praxis ist – mit Ausnahme der Thoraxchirurgie – vorwiegend durch eine liberale Flüssigkeitstherapie geprägt. Gerade in der Abdominal- und Gefäßchirurgie kann dies in einer erheblichen Flüssigkeitszufuhr resultieren, wobei eine postoperative Gewichtszunahme von 3 – 6 kg nicht ungewöhnlich ist. Inwieweit derartig große Flüssigkeitsmengen zu einer Verschlechterung von kardialer und pulmonaler Funktion, Gewebeoxygenierung, chirurgischer Wundheilung, Blutgerinnung und postoperativer Darmmotilität führen können, ist noch Gegenstand der aktuellen Diskussion. 3.1.1 Perioperative Veränderungen des
Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
3.1.1
Perioperative Veränderungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
Die pathophysiologischen Veränderungen des Stoffwechsels nach chirurgischen Eingriffen oder Traumata sind heute weitgehend bekannt. Durch eine intensivierte präoperative Vorbereitung können somit viele intra- bzw. postoperative Komplikationen vermieden werden. Veränderungen des Wasser- und Elektrolythaushalts Perioperativ kommt es zu erheblichen Verteilungsänderungen der Körperflüssigkeiten: Retention von Natrium und Wasser, vermehrte Kaliumausscheidung. ■
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Präoperativ: Aldosteronfreisetzung durch Erbrechen oder Durchfälle (? Hyponatriämie und Hypovolämie). Intraoperativ: Der operative Stress führt zu einer Stimulation des sympathoadrenergen Systems mit konsekutiv gesteigerter Renin- und Aldosteronsekretion sowie vermehrter Kapillarpermeabilität. Durch eine erhöhte Kortisolsekretion werden diese Effekte abgemildert.
Postoperativ: Flüssigkeitsverluste durch Drainagen und Fisteln können zu erhöhter Aldosteron- und ADH-Sekretion führen.
Veränderungen des Wasser- und Elektrolythaushalts Durch verschiedene Hormone (v. a. ADH, Aldosteron) kommt es perioperativ zu erheblichen Verteilungsänderungen der Körperflüssigkeiten im Sinne einer Retention von Natrium und Wasser sowie einer vermehrten Kaliumausscheidung. In den jeweiligen Phasen gibt es dafür unterschiedliche Ursachen: ■ Präoperativ: Erbrechen oder Durchfälle können über eine entstehende Hyponatriämie und Hypovolämie zu einer vermehrten Aldosteronfreisetzung führen. ■ Intraoperativ: Die Operation ruft eine sogenannte „Stressantwort“ des Organismus mit inflammatorischer und endokriner Komponente hervor. Auch Schmerzreize, Narkose oder Blut- und Flüssigkeitsverluste können über eine Stimulation des sympathikoadrenergen Systems zu vermehrter Renin- und Aldosteronsekretion führen. Darüber hinaus kommt es zu einer erhöhten Kapillarpermeabilität mit Flüssigkeitsverschiebungen von intravasal nach interstitiell. Die Infusion kristalloider Lösungen kann dies noch verstärken. Dem entgegen wirkt die erhöhte Kortisolsekretion, die einerseits durch Aufrechterhaltung der Kapillarintegrität für die Flüssigkeitshomöostase eine wichtige Rolle einnimmt, andererseits zu einer Abmilderung der generalisierten Entzündungsreaktion des Körpers führt. ■ Postoperativ können z. B. Verluste durch Drainagen und Fisteln Ursache für einen Hyperaldosteronismus und Erhöhung der ADH-Sekretion sein. Durch die Natrium- und Wasserretention und die Infusionstherapie kommt es dann zur Ausbildung von Ödemen. Kalium und Magnesium werden vermehrt im Urin ausgeschieden (führt ggf. zu Hypokaliämie und -magnesiämie).
Veränderungen des Säure-Basen-Haushalts
Veränderungen des Säure-Basen-Haushalts
Metabolisch: Azidose durch Postaggressionsstoffwechsel mit verminderter Glukoseverwertung, gesteigertem Fettabbau und Steigerung des Proteinabbaus (saure Stoffwechselprodukte ↑).
In der perioperativen Phase sind sowohl metabolische als auch respiratorische Veränderungen des Säure-Basen-Haushalts zu beobachten. Metabolisch steht eine Azidose im Vordergrund, die durch den Postaggressionsstoffwechsel mit verminderter Glukoseverwertung, gesteigertem Fettabbau und Steigerung des Proteinabbaus und somit vermehrtem Anfall saurer Stoffwechselprodukte ausgelöst wird. Typische Befunde der Blutgasanalyse sind: PH 5 7,37, Basendefizit (BE = base excess) 5 – 2,5 mmol/l, Standardbikarbonat 5 22 mmol/l, PaCO2 normal bzw. bei Kompensation vermindert.
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3.1 Perioperative Flüssigkeitstherapie
65
Therapeutisch steht die Behandlung der Ursache im Vordergrund. In Notfallsituationen kann eine Pufferung mit Natriumbikarbonat oder Trometamol (organische Base mit der Fähigkeit, H+-Ionen aufzunehmen, danach renale Elimination des ionisierten Anteils) erfolgen. Die Berechnung der zu applizierenden Menge erfolgt nach folgenden Formeln: Basendefizit (BE) (mmol H+-Äquivalent) × kg KG × 0,3 = ml der molaren Lösung (z. B. NaHCO3 8,4 %) oder Basendefizit (BE) × kg KG = ml der 0,3-molaren Lösung Trometamol.
Therapeutisch sollte v. a. die Ursache behandelt werden, ggf. (im Notfall!) Pufferung mit Natriumbikarbonat oder Trometamol.
A
왘 Merke. Zunächst sollte nur die Hälfte des errechneten Basendefizites ersetzt
왗 Merke
werden, da eine metabolische Alkalose für die Zellen ungünstiger ist. Die Applikation muss langsam erfolgen (maximal 1,5 mmol/kg KG). Trometamol ist bei Niereninsuffizienz kontraindiziert. Respiratorische Veränderungen können sowohl zur Azidose als auch zur Alkalose führen. Eine Azidose kann ausgelöst werden durch einen Überhang von Sedativa, Analgetika und Muskelrelaxanzien. Wundschmerzen, besonders bei chirurgischen Eingriffen im Oberbauch oder Thorax, können Ursache einer Hypoventilation sein. Typische Befunde der Blutgasanalyse sind: pH 5 7,37, PaCO2 erhöht, Base Excess und Standardbikarbonat in der Norm, bei renaler Kompensation durch erhöhte Bikarbonatrückresorption und vermehrte H+Ionenabgabe auch erhöht. Die Behandlung der respiratorischen Störung steht im Vordergrund (z. B. künstliche Beatmung). Alkalotische Stoffwechselveränderungen treten z. B. bei postoperativen Angstzuständen mit Hyperventilation auf. Typische Befunde der Blutgasanalyse sind: pH 4 7,42, PaCO2 erniedrigt, Standardbikarbonat und BE zunächst normal, nach Kompensation erniedrigt. Die Therapie erfolgt kausal, z. B. Sedierung bei Hyperventilation durch Übererregbarkeit des Atemzentrums, oder Adaptation der künstlichen Beatmung.
3.1.2 Perioperativer Flüssigkeitsbedarf – perioperative Infusionstherapie
Respiratorisch: ■ Azidose durch Medikamente (z. B. Sedativa) oder Hypoventilation. BGA: pH 5 7,37, PaCO2 ↑, BE und Standardbikarbonat im Normbereich. Wichtig ist die Therapie der respiratorischen Störung. ■ Alkalose z. B. bei Hyperventilation. BGA: pH 4 7,42, PaCO2 ↓, Standardbikarbonat und BE zunächst normal. Therapie nach Möglichkeit kausal.
3.1.2 Perioperativer Flüssigkeitsbedarf –
perioperative Infusionstherapie
Der perioperative Flüssigkeitsbedarf setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen: ■ Erhaltungsbedarf. ■ Präoperatives Defizit. ■ Verluste durch den operativen Eingriff. ■ Postoperativer Flüssigkeitsbedarf.
Perioperativer Flüssigkeitsbedarf = Erhaltungsbedarf + präoperatives Defizit + Verlust durch OP + postoperativer Flüssigkeitsbedarf.
Der Erhaltungsbedarf dient der Deckung des normalen täglichen Bedarfs an Wasser, Elektrolyten, Spurenelementen, Vitaminen und einem Minimum an Nährstoffen. Er berücksichtigt den physiologischen Verlust durch Urin, Stuhl und Perspiratio insensibilis. ■ Basisflüssigkeitsbedarf (Erwachsene): 2 ml/kg KG/h. ■ Tagesbasisbedarf Elektrolyte: Natrium 2 mmol/kg KG, Kalium 1 mmol/kg KG, Kalzium 0,1 – 0,2 mmol/kg KG, Magnesium 0,1 – 0,2 mmol/kg KG, Phosphat 0,2 – 0,5 mmol/kg KG.
Erhaltungsbedarf: ■ Basisflüssigkeitsbedarf (Erwachsene): 2 ml/kg KG/h. ■ Tagesbasisbedarf Elektrolyte: Natrium 2 mmol/kg KG, Kalium 1 mmol/kg KG, Kalzium 0,1 – 0,2 mmol/kg KG, Magnesium 0,1 – 0,2 mmol/kg KG, Phosphat 0,2 – 0,5 mmol/kg KG.
Komponenten des präoperativen Defizits: Nüchternheitsdefizit: Bei 10-stündiger Nahrungskarenz und 70 kg Körpergewicht ca. 1400 ml. ■ Ggf. Defizit infolge der Erkrankung (z. B. konsumierendes Tumorleiden, Ileuskrankheit). ■ Ggf. Defizit durch eine präoperative Darmreinigung.
Präoperatives Defizit: ■ Nüchternheitsdefizit: Bei 10-stündiger Nahrungskarenz und 70 kg Körpergewicht ca. 1400 ml. ■ Ggf. Defizit infolge der Erkrankung (z. B. konsumierendes Tumorleiden, Ileuskrankheit). ■ Ggf. Defizit durch eine präoperative Darmreinigung.
■
Das Flüssigkeitsdefizit kann rasch mehrere Liter betragen, die Abschätzung ist im Einzelfall schwierig. Ziel der präoperativen Vorbereitung des Patienten sollte
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A
3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
sein, eine bestmögliche Optimierung von intravasalem Volumen und Wasserhaushalt, Säure-Basen-Haushalt, Elektrolythaushalt sowie Ernährungsstatus, ggf. durch parenterale Ernährung, zu erreichen. Bei Patienten ohne Zeichen einer Malnutrition oder pathologischer Befunde im Wasser-, Elektrolyt- oder Säure-Basen-Haushalt, die jedoch nicht essen dürfen oder können, wie z. B. vor Ösophagusresektionen, ist durch die präoperative Infusionstherapie das Entstehen pathologischer Zustände (wie z. B. Malnutrition) zu vermeiden. Ein moderner Ansatz (sog. Fast-Track-Methode) versucht z. B. in der Darmchirurgie das präoperative Flüssigkeitsdefizit zu minimieren (keine Darmspülung, kürzere Flüssigkeitskarenz). 왘 Merke
Ersatzbehandlung zum Ausgleich intraoperativer Flüssigkeitsverluste:
■
■
Konventioneller Ansatz: Bilanzierung der Summe der Flüssigkeitsverluste und kontinuierlicher, sofortiger Ausgleich. Dabei gibt es Richtwerte für unterschiedliche Schweregrade durch das operative Trauma.
Moderner Ansatz: Die Therapie orientiert sich an individuellen Zielwerten mit Optimierung von HZV und zellulären Blutbestandteilen, um die optimale O2-Versorgung der Organe zu erreichen.
Postoperative Flüssigkeitstherapie: Ziel ist der frühestmögliche enterale Kostaufbau, ggf. ist aber (zunächst) eine ausschließlich parenterale Infusionstherapie erforderlich. Hierbei muss eine Hyperhydratation vermieden werden!
왘 Merke. Die präoperative Korrektivbehandlung spielt für die Vorbereitung eines Patienten zur Operation eine entscheidende Rolle.
Die Ersatzbehandlung (intraoperative Flüssigkeitstherapie) soll zusätzliche durch den operativen Eingriff bedingte Flüssigkeitsverluste, die über den Erhaltungsbedarf hinausgehen, decken und das zirkulierende Blutvolumen sichern. Mögliche Flüssigkeitsverluste können sich aus Blut- und Plasmaverlusten, Sequestration von intravasaler Flüssigkeit ins Interstitium („third space losses“), Verdunstung aus dem Operationsgebiet und gesteigerte Perspiratio, z. B. durch mangelnde Atemgasklimatisierung, ergeben. Ziel der intraoperativen Flüssigkeitstherapie muss es sein, eine adäquate Sauerstoffzufuhr zu den Geweben sowie einen normalen Elektrolyt- und Glukosehaushalt sicherzustellen. ■ Konventioneller Ansatz: Bilanzierung der Summe der Flüssigkeitsverluste und kontinuierlicher, sofortiger Ausgleich; dabei Orientierung an sog. Richtwerten, die vom Schweregrad des operativen Traumas – Maß hierfür ist die Wundfläche – abhängen: leichtes Trauma (z. B. Appendektomie): 4 ml/kg KG/h; mäßiges Trauma (z. B. Darmteilresektion): 6 ml/kg KG/h; schweres Trauma (z. B. großer Oberbaucheingriff wie z. B. Whipple-Operation): 8 ml/kg KG/h – jeweils zuzüglich 2 ml/kg KG/h Erhaltungsbedarf und Ersatz von Blutund Plasmaverlusten. Dieser relativ liberale Flüssigkeitsersatz kann aber, je nach intravaskulärer Verweildauer, auch zu Ödemen führen, was sich chirurgisch ungünstig (Darmanastomosen, Leberchirurgie) auswirken kann. ■ Moderner Ansatz: Bei Eingriffen mit größerem operativem Trauma erfolgt eine Therapie orientiert an individuellen Zielwerten („goal-directed therapy“). Bei diesem Ansatz wird versucht, über eine frühestmögliche Optimierung von Herzzeitvolumen (HZV) und zellulären Blutbestandteilen das Sauerstoffangebot an die Organe zu verbessern. Eine Messung des HZV kann direkt invasiv erfolgen (Pulmonaliskatheter, transpulmonale Thermodilution) oder indirekt minimal-invasiv (partielle CO2-Rückatmung) erfolgen. Regelmäßige Blutgasanalysen zur Bestimmung von Hämoglobingehalt, Laktat, Elektrolyten und gemischt- bzw. zentralvenöser Sättigung sind hierbei zielführend. Neben obligaten globalen hämodynamischen Parametern (arterieller Blutdruck, zentraler Venendruck, Diurese) können auch klinische Zeichen, wie z. B. trockene Schleimhäute oder aber periphere Ödeme, weitere Anhaltspunkte zur Einschätzung des Volumenstatus geben. Zu beachten ist jedoch, dass alle zuletzt genannten Parameter zusätzlichen Einflüssen (z. B. Lagerung, Herzfunktion) unterliegen, die die Aussagekraft deutlich einschränken können. Die postoperative Flüssigkeitstherapie basiert auf dem frühestmöglichen enteralen Kostaufbau (oral oder über Ernährungssonde) und dem Ersatz postoperativ anfallender Flüssigkeitsverluste (Wunddrainageverluste, Magensaftverluste, Diarrhö). Ist aufgrund der Operation oder des Zustands des Patienten eine längere orale oder Sondenzufuhr von Flüssigkeit und fester Nahrung nicht möglich (z. B. nach Ösophagusresektion), kann eine ausschließlich parenterale Infusionstherapie notwendig sein. Die Gefahr der postoperativen Infusionstherapie liegt in der Entstehung einer Hyperhydratation.
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3.2 Perioperative Volumentherapie
왘 Merke. Postoperative Antidiurese und Katabolie können eine Überdosierung der postoperativen Infusionsmenge verstärken und so zu Ödemen (z. B. Lungenödem) führen.
Der Tagesbedarf an Flüssigkeit am 0. und 1. postoperativen Tag beträgt bei vorbestehender Normovolämie (Ersatzbedarf ausgenommen) 40 ml/kg KG, wobei Lösungen mit nur geringem Wasserüberschuss eingesetzt werden. Durch die Katabolie anfallende Stoffwechselprodukte können so auch bei leicht eingeschränkter Nierenfunktion eliminiert werden. Eine stufenweise dem Postaggressionssyndrom angepasste Ernährung erfolgt dann in den nächsten postoperativen Tagen (S. 97). 왘 Merke. Beispiel für die perioperative Flüssigkeitstherapie bei einem 70 kg
67 왗 Merke
Der Tagesbedarf an Flüssigkeit am 0. und 1. postoperativen Tag beträgt bei vorbestehender Normovolämie (Ersatzbedarf ausgenommen) 40 ml/kg KG.
왗 Merke
schweren Patienten: ■ Präoperativ: Basisflüssigkeitsbedarf 2 ml/kg KG/h + präoperatives Defizit (durch 10-stündige Nüchternheit): 1400 ml (auf ggf. weitere Defizite achten!) ■ Intraoperativ: Flüssigkeitsverluste (4 – 8 ml/kg KG/h) + Basisbedarf (2 ml/kg KG/h) ■ Postoperativ: Flüssigkeitstherapie: Ca. 1,7 ml/kg KG/h bzw. 40 ml/kg KG Tagesbedarf am 0. und 1. postoperativen Tag.
3.2
Perioperative Volumentherapie
3.2
Perioperative Volumentherapie
3.2.1 Grundlagen
3.2.1 Grundlagen
Das Blutvolumen (Plasma- + Erythrozytenvolumen) macht ca. 6 % der Körpermasse eines erwachsenen Menschen aus. Anhand von Diagrammen kann mithilfe der Größe, des Gewichts und somit der Körperoberfläche das Sollblutvolumen relativ genau bestimmt werden (Abb. A-3.1). Eine vereinfachte Formel zur Berechnung des Blutvolumens lautet: 67 ml/kg KG für Frauen und 77 ml/kg KG für Männer (? Frau mit 60 kg: Ca. 4000 ml, Mann mit 80 kg: 6000 ml). Zur Volumentherapie stehen folgende Optionen zur Verfügung (Tab. A-3.1): ■ Kristalloide: z. B. Ringer-Lösung. ■ Natürliche Kolloide: Humanalbumin, Plasmaproteinlösung. ■ Künstliche Kolloide: Dextrane, Gelatine, Hydroxyethylstärke. ■ Blutkomponenten: Dabei soll nur das ersetzt werden, was „wirklich gebraucht“ wird.
Das Sollblutvolumen eines Erwachsenen kann mittels eines Nomogramms relativ genau bestimmt werden (Abb. A-3.1).
왘 Merke. Trotz der jahrzehntelangen Erfahrungen in der Infusionstherapie
Optionen zur Volumentherapie (Tab. A-3.1): ■ Kristalloide. ■ Natürliche Kolloide. ■ Künstliche Kolloide. ■ Blutkomponenten.
왗 Merke
konnte bis heute kein Vorteil einer bestimmten Infusionslösung (kristalloider oder kolloidaler Art) im Sinne der evidenzbasierten Medizin herausgearbeitet werden.
A-3.1
Vorgehen in Abhängigkeit vom Ausmaß eines Blutverlusts
Blutverlust (in % des SV)
Vorgehen, Substitution
bis 20 % bis 40 % 4 65 %
Kristalloide, künstliche Kolloide Erythrozytenkonzentrate Frischplasma (zur Substitution von Gerinnungsfaktoren) Ersatz von Thrombozyten
4 75 %
A-3.1
SV = Sollblutvolumen
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A
68 A-3.1
3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
Nomogramm zur Ermittlung des Sollblutvolumens in ml bei Erwachsenen
Eine direkte Verbindung zwischen Gewicht und Größe ergibt die Körperoberfläche (KOF), waagerecht wird dann eine Verbindung zum Sollblutvolumen (SV) des Mannes (<) bzw. der Frau (,) hergestellt. Beispiel: Im Nomogramm eingezeichnet ist das Beispiel eines 170 cm großen und 70 kg schweren Menschen. Die Körperoberfläche beträgt 1,8 m2, das Sollblutvolumen einer Frau ca. 4 l, das eines Mannes ca. 4,8 l.
3.2.2 Kristalloide Lösungen
왘 Definition
3.2.2 Kristalloide Lösungen 왘 Definition. Kristalloide sind Elektrolytlösungen, die sich in ihrer Osmolalität
(isoton, hyperton, hypoton) und ihrem Elektrolytgehalt (Voll-, Eindrittel- und Zweidrittel-Elektrolytlösungen) unterscheiden. Indikationen: Deckung des Erhaltungsbedarfs, Ausgleich interstitieller Defizite.
왘 Merke
Indikationen: Kristalloide sind unverzichtbar zur Deckung des physiologischen Erhaltungsbedarfs und zum Ausgleich interstitieller Flüssigkeitsdefizite. Intraoperative Volumenverluste bis zu 1000 ml können bei präoperativ normalem Hämatokrit mit Vollelektrolytlösung (z. B. Ringer-Laktat) ersetzt werden. 왘 Merke. Durch den Verlust von Plasma und Erythrozyten kommt es intrava-
sal zu einer Absenkung des kolloidosmotischen Drucks (KOD ? sog. onkotisches Defizit), welche durch die alleinige Gabe kristalloider Lösungen nicht verhindert werden kann. Die kristalloide Lösung tritt rasch in den extravasalen Raum aus und wird renal eliminiert. Beispiele: 1 ml Plasmaverlust muss mit ca. 3 ml, bei größeren Blutverlusten aufgrund des erniedrigten KODs mit bis zu 10 ml einer isotonen kristalloiden Lösung ersetzt werden.
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A
3.2 Perioperative Volumentherapie
69
Deshalb hat sich die Verwendung künstlicher Kolloide in Kombination mit kristalloiden Lösungen im Verhältnis ein Drittel zu zwei Drittel bewährt. Beispiele für kristalloide Infusionslösungen: ■ Balanciert (d. h. weitgehend physiologische Elektrolytlösung): Ringer-Lösung, Ringer-Laktat-Lösung (cave = hypoton), Ringer-Acetat-Lösung. ■ Nicht balanciert: isotone Kochsalzlösung (0,9 % NaCl), hypotone Glukose-5 %Lösung (Glukose 5 % ist allerdings als Volumenersatz völlig ungeeignet, da nach Metabolisierung der Glukose sich das verbleibende freie Wasser im Gesamtkörperwasser verteilt und zu intrazellulärer Ödembildung führt).
Small Volume Resuscitation
Small Volume Resuscitation
Prinzip: Insbesondere in der Akutphase größerer Blutverluste werden kleine Volumina einer hyperosmolar-hyperonkotischen Lösung verabreicht (hypertone Kochsalzlösung kombiniert mit einem Kolloid, s. u.), um eine schnelle Kreislaufstabilisierung zu erreichen.
Prinzip: Verabreichung kleiner Volumina einer hyperosmolar-hyperonkotischen Lösung in der Frühphase größerer Blutverluste zur raschen Kreislaufstabilisierung.
Wirkmechanismen: ■ Der osmotische Druck des Plasmas wird erhöht, es kommt zu einer Verschiebung von Flüssigkeit aus dem extra- in den intravasalen Raum. ■ Durch den intravasalen Zustrom und die damit erzielte Hämodilution kommt es zu einer verbesserten Kapillardurchblutung. ■ Der Anstieg der Plasmaosmolarität hat einen positiv inotropen Effekt auf das Herz. ■ Relaxation der glatten Gefäßmuskulatur.
Wirkmechanismen: ■ Osmotischer Druck (Plasma) ↑ ? Einstrom von Flüssigkeit. ■ Hierdurch verbesserte Kapillardurchblutung. ■ Erhöhte Osmolarität wirkt positiv inotrop. ■ Relaxation der glatten Gefäßmuskulatur.
Im Anschluss an eine Small Volume Resuscitation muss eine bilanzierte Volumentherapie folgen.
3.2.3 Künstliche kolloidale Lösungen
3.2.3 Künstliche kolloidale Lösungen
Der Abfluss von Kristalloiden aus dem intravasalen Raum in das Interstitium kann durch die Gabe kolloidal wirksamer Makromoleküle vermieden werden. Während Dextranlösungen aufgrund ihrer bekannten Nebenwirkungen (s. u.) zunehmend seltener eingesetzt werden, sind Gelatinelösungen und vor allem die neueren HES-Präparationen weit verbreitet. HES ist das derzeit in Deutschland klar bevorzugte künstliche Kolloid.
Der Abfluss von Kristalloiden aus dem intravasalen Raum in das Interstitium kann durch die Gabe kolloidal wirksamer Makromoleküle vermieden werden.
Hydroxyethylstärke (HES)
Hydroxyethylstärke (HES)
Hydroxyethylstärke besteht aus hochverzweigten kugeligen Stärkemolekülen mit einer Masse von 130 000 – 450 000 Dalton. Entsprechend werden die HESPräparationen mit jeweils einer Zahl für die Kolloidkonzentration, der Molekülmasse und für den Substitutionsgrad (z. B. 6 % HES 200/0,5) bezeichnet. Die α-Amylase in der Blutbahn spaltet die HES-Moleküle, die Elimination erfolgt dann über die Nieren. HES-Moleküle werden auch im RES gespeichert und können sich in Hepatozyten und Tubuluszellen der Niere befinden. Negative Auswirkungen auf das RES konnten bis jetzt jedoch nicht nachgewiesen werden.
Hydroxyethylstärke besteht aus hochverzweigten Stärkemolekülen. Der Abbau erfolgt über die α-Amylase, die Ausscheidung renal.
Anwendung: Volumenersatztherapie (der volumenexpandierende Effekt von HES liegt bei 1,3 – 1,4), notfallmäßige Kreislauftherapie als Small Volume Resuscitation (in Kombination mit einer hyperosmolaren Kochsalzlösung).
Anwendung: Volumenersatztherapie, Komponente einer Small Volume Resuscitation.
Nebenwirkungen: HES weist die geringste Nebenwirkungsrate der künstlichen Kolloide auf, sie ist bei den niedermolekularen HES-Präparationen am geringsten ausgeprägt. Unverträglichkeitsreaktionen sind selten und erreichen nie den Schweregrad wie bei den Dextranen; nach langdauernder Therapie kann es zu Juckreiz durch Ansammlung von hochmolekularen HES-Molekülen in der Haut kommen; Einflüsse auf Gerinnung und Nierenfunktion (gilt v. a. für hochmolekulare HES-Präparationen).
Nebenwirkungen: insgesamt gering und geringste Nebenwirkungsrate aller künstlichen Kolloide.
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3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
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Gelatine
Gelatine
Gelatinelösungen bestehen aus Peptidketten und sind isoonkotisch (? keine Volumenexpansion). Überwiegend renale Ausscheidung.
Gelatinelösungen bestehen aus Peptidketten mit unterschiedlicher Vernetzung. Die mittlere Molekülmasse beträgt 30 000 – 35 000 Dalton. Die Lösungen werden 3 – 5 %ig hergestellt, sind isoonkotisch und besitzen somit keinen volumenexpandierenden Effekt. Die Elimination erfolgt vorwiegend renal, ein kleiner Teil wird über den Darm ausgeschieden oder durch Peptidasen abgebaut. Die intravasale Persistenz ist mit 2 – 3 Stunden kürzer als bei anderen künstlichen Kolloiden.
Anwendung: moderater Volumenmangel.
Anwendung: Aufgrund des kurzfristigen und maximal isovolämischen Volumeneffekts primär zur Therapie des moderaten Volumenmangels geeignet.
Nebenwirkungen: selten schwere Unverträglichkeitsreaktionen, Senkung von HK und Plasmaviskosität.
Nebenwirkungen: Schwere Unverträglichkeitsreaktionen durch Histaminfreisetzung und Gelatineantikörper sind beschrieben worden; eine Vorbehandlung mit H1- und H2-Blockern kann die Reaktion vermindern. Hämatokrit und Plasmaviskosität werden gesenkt, die Nierenfunktion wird nicht beeinflusst. Kein Einfluss auf das Gerinnungssystem.
Dextrane
Dextrane
Dextrane bestehen aus Glukosemolekülen und sind hyperonkotisch. Die Ausscheidung hängt ab vom Molekulargewicht.
Dextrane bestehen aus Glukosemolekülen in kettenartiger Verbindung mit Molekülmassen zwischen 40 000 und 200 000 Dalton. Die Lösungen sind hyperonkotisch. Die Ausscheidung erfolgt bis zu 50 000 Dalton über die Nieren, der Rest wird in Leber und Milz abgebaut. Nach ca. 10 Tagen sind 90 % eliminiert. Die Volumenwirkung hängt vom kolloidosmotischen Druck und dem Wasserbindungsvermögen der Lösung ab. 1 g Dextran bindet ca. 25 ml Wasser. Der Volumenfülleffekt beträgt für Dextran 60 ca. 1,0 und für Dextran 40 ca. 1,35 im Verhältnis zum zugeführten Volumen. Dextran 60 hat jedoch aufgrund der höheren Molekülgröße einen länger anhaltenden Volumeneffekt mit ca. 5 Stunden im Gegensatz zum Dextran 40 mit 3,5 Stunden.
Anwendung: wegen Gerinnungsstörungen nicht zur perioperativen Volumentherapie geeignet.
Anwendung: Wegen negativer Beeinflussung des Gerinnungssystems eignen sie sich nicht für die perioperative Volumentherapie.
Nebenwirkungen: Gerinnungsstörungen, Nierenfunktionsstörungen, Anaphylaxie (bis zu 4,7 % der Fälle!).
Nebenwirkungen: Einfluss auf Gerinnung (Thrombozytenaggregationshemmung, Reduktion der Freisetzung des Plättchenfaktors 3, Einfluss auf plasmatische Gerinnung), Nierenfunktionsstörungen, anaphylaktische Reaktion (bis zu 4,7 % der Fälle!). Diese Antigen-Antikörper-Reaktionen können durch vorherige Gabe von 20 ml eines monovalenten Haptens (z. B. Promit) verhindert oder abgeschwächt werden. Die Bindungsstellen möglicher Antikörper werden dabei blockiert.
3.2.4 Künstliche Sauerstoffträger
(künstliches Blut)
3.2.4 Künstliche Sauerstoffträger (künstliches Blut)
Ziele: sicherer, effektiver, nicht toxischer, temperaturstabiler, universell kompatibler und ohne Einschränkung verfügbarer Erythrozytenersatz.
Ziele: Sicherer, effektiver, nicht toxischer, temperaturstabiler, universell kompatibler und ohne Einschränkung verfügbarer Erythrozytenersatz, der Sauerstoff und Kohlendioxid transportieren kann und eine lange intravasale Verweildauer besitzt.
Substanzen in Erprobung: ■ Hämoglobinbasierte Sauerstoffträger. ■ Perfluorocarbone.
Substanzen in Erprobung: ■ Hämoglobinbasierte Sauerstoffträger, z. B. polymerisiertes Rinder-Hämoglobin (polymerized bovine haemoglobin-based O2 carrier [HBOC-201]), human polymerized Haemoglobin (PolyHeme) und „Haemoglobin Raffimer“ (Hemolink). Problem: Bereits nach Gabe geringer Mengen kann es zu einem massiven Anstieg des systemischen Gefäßwiderstandes kommen. ■ Perfluorocarbone sind inerte Stoffe mit einer guten Gaslöslichkeit für Sauerstoff und Kohlendioxid. Aufgrund der schlechten Wasserlöslichkeit muss eine intravenöse Applikation in emulgierter Form erfolgen. In Erprobung ist z. B. „perflubron emulsion“ (Oxygent). Problem: Es sind hohe inspiratorische Sauerstoffkonzentrationen erforderlich.
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3.2 Perioperative Volumentherapie
3.2.5 Therapie mit Blutkomponenten
71 3.2.5 Therapie mit Blutkomponenten
왘 Merke. Grundlage für die Vorbereitung und Durchführung der Therapie mit
왗 Merke
Blutkomponenten sind die „Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie)“ (Novelle 2005) sowie die „Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten“, aufgestellt vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer (2003; http://www.bundesaerztekammer.de).
Grundlagen der Transfusionstherapie
Grundlagen der Transfusionstherapie
AB0- und Rhesussystem: Blutgruppen werden durch Alloantigene auf den roten Blutkörperchen bestimmt. Sie sind mit spezifischen Antikörpern nachweisbar. Die für die Transfusion wichtigsten Systeme sind das AB0- und das Rhesussystem. Im AB0-System können mit spezifischen Antiseren 4 Blutgruppen unterschieden werden: Tab. A-3.2.
AB0- und Rhesussystem: Im AB0-System werden 4 Blutgruppen unterschieden (Tab. A-3.2).
A-3.2
Blutgruppen im AB0-System
A-3.2
Blutgruppe (Häufigkeit in Mitteleuropa)
Anti-A-Serum
Anti-B-Serum
A (44 %) B (14 %) 0 (36 %) AB (6 %)
+ – – +
– + – +
+ = Agglutination; – = keine Agglutination
Im Rhesussystem liegen mehrere Merkmale vor, die über 3 gekoppelte Genorte gesteuert sind. Das Merkmal D ist wegen seiner starken Immunität von größter klinischer Bedeutung. Bei Vorliegen von D oder der schwachen Variante Du (weak D pos.) wird der Patient als „rhesuspositiv“ („rh-positiv“) bezeichnet, andernfalls als „rhesusnegativ“ („rh-negativ“). 83 % der Mitteleuropäer sind Rhpositiv, 17 % rh-negativ. Auf weitere Systeme wie Kell, Duffy oder Kidd soll in diesem Rahmen nicht näher eingegangen werden. 왘 Merke. Bluttransfusionen müssen AB0- und Rhesus-D-identisch durch-
Im Rhesussystem ist das Merkmal D von größter klinischer Bedeutung (Vorliegen von D = rhesuspositiv).
왗 Merke
geführt werden. Bei den Empfängern sollte zusätzlich ein Antikörpersuchtest (indirekter Coombs-Test) durchgeführt werden, da Antikörper der Klassen IgM und IgG gegen Blutgruppenmerkmale existieren. Vor der Bereitstellung von Erythrozytenkonzentraten (EK) wird eine serologische Verträglichkeitsprobe (sog. „Kreuzprobe“) zwischen Spendererythrozytenkonzentrat und Empfängerblut durchgeführt.
Indikationen für eine Transfusionstherapie 왘 Merke. Blut- und Blutbestandteilkonserven sind verschreibungspflichtige
Indikationen für eine Transfusionstherapie 왗 Merke
Arzneimittel. Aufgrund der möglichen Nebenwirkungen und Risiken ist die Indikation zur Transfusion kritisch zu stellen. Unter Berücksichtigung der physiologischen Kompensationsmechanismen einer Anämie wurden für Patienten unter Ruhebedingungen, Normothermie, Normoxie und Normovolämie sowie ohne kardiovaskuläre Erkrankungen Richtwerte für eine zu tolerierende Hämoglobinkonzentration vereinbart (sog. Transfusionstrigger). Dabei gilt ein Hämoglobingehalt unter 6 g/dl als „fast immer“, einer von über 10 g/dl als „fast nie“ transfusionsbedürftig. Jüngere Patienten ohne kardiale Vorerkrankungen tolerieren sogar Blutverluste von 30 % oder mehr (d. h. ca. 1000 – 2000 ml), ohne dass ein Blutersatz notwendig ist. Zu Details siehe S. 73.
Hämoglobin: Ein Hb-Gehalt unter 6 g/dl gilt als „fast immer“, einer von über 10 g/dl als „fast nie“ transfusionsbedürftig. Gerinnungsfaktoren: Eine 35 %ige Aktivität sollte aufrechterhalten werden. Thrombozyten: Ziel sind mindestens 50 000/µl Blut.
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3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
Ergänzend sollte eine 35 %ige Aktivität der Gerinnungsfaktoren aufrechterhalten werden und, besonders bei Operationen mit flächenhaften Sickerblutungen, eine Thrombozytenzahl von mindestens 50 000/µl Blut. 왘 Merke
왘 Merke. Die Indikation für eine Transfusion muss bei jedem Patienten individuell gestellt werden, um eine Gewebehypoxie zu vermeiden. Dabei ist entscheidend, dass die Komponententherapie dem einzelnen Patienten individuell angepasst werden muss.
Trotz der jahrzehntelangen Erfahrungen in der Infusionstherapie konnte bis heute kein Vorteil eines bestimmten Infusionskonzeptes oder einer Infusionslösung im Sinne der evidenzbasierten Medizin herausgearbeitet werden. Durchführung einer Bluttransfusion
Durchführung einer Bluttransfusion
Vor einer Bluttransfusion muss der Patient aufgeklärt werden. Durchführung und Überwachung der Transfusion werden vom transfundierenden Arzt verantwortet.
Der Patient muss über die Möglichkeit und die Risiken einer Bluttransfusion aufgeklärt werden. Wie viele Blutkomponenten für eine Operation bereitgestellt werden sollen, entscheiden Anästhesist und Chirurg gemeinsam. Besteht keine Einigkeit, wird die größere Anzahl der Blutkomponenten bereitgestellt. Durchführung und Überwachung einer Transfusion fallen in den Verantwortungsbereich des transfundierenden Arztes. Die Identität von Empfänger, Blutprobe und Konserve muss stets eindeutig und gesichert sein. Verwechslungen, besonders auf der Station bei Entnahme des Blutes zur Blutgruppenbestimmung oder des Kreuzblutes, sind eine der häufigsten Ursachen von Komplikationen bei Transfusionen.
Vorgehen: ■ AB0- und Rhesusidentitätstest (BedsideTest; Abb. A-3.2). ■ Überprüfung der Übereinstimmung von Konservennummer, Blutgruppe, Patientendaten. ■ Überprüfung von Verfallsdatum und Beschaffenheit der Konserve. ■ Ggf. Erwärmung der Konserve. ■ Transfusion über Transfusionsbesteck. ■ Aufbewahrung des Blutbehälters über 24 h.
Vorgehen: ■ AB0und Rhesusidentitätstest (Bedside-Test) am Empfänger durch den verantwortlichen Arzt. Hier stehen spezielle Testkarten zur Verfügung (Abb. A-3.2). AB0- und Rhesusmerkmale des Empfängers werden damit erneut bestätigt. ■ Überprüfung der Übereinstimmung von Konservennummer, Blutgruppe und Patientendaten auf dem Konservenbegleitschein und dem Kreuzprobenbericht. ■ Überprüfung des Verfallsdatums und der Beschaffenheit der Konserve: Die Konserve darf nicht hämolytisch sein, eine violette Plasmaverfärbung weist auf mögliche bakterielle Kontamination hin. ■ Gegebenenfalls Erwärmung der Konserve (elektrische Blutwärmer, nicht über 38 °C): Einzelne Erythrozytenkonzentrate sollten wegen evtl. Schädigungen der Erythrozyten durch Hämolyse und Eiweißdenaturierung nicht angewärmt werden. Die schnelle Gabe mehrerer EK macht jedoch eine Anwärmung notwendig, da sonst mit einer Unterkühlung des Patienten zu rechnen ist. ■ Beginn der Transfusion über ein Transfusionsbesteck (dieses enthält einen Filter zur Ausfilterung von Mikroaggregaten aus Fibrin, Leukozyten, Thrombozyten und Erythrozyten, die während der Lagerung entstehen können). Die Einleitung der Transfusion erfolgt wegen evtl. Transfusionsreaktionen durch einen Arzt. ■ Aufbewahrung des Blutbehälters für 24 Stunden.
왘 Merke
왘 Merke. Alle Blutbestandteilkonserven sowie alle Präparate, die aus Blut
hergestellt werden, unterliegen der Chargendokumentationspflicht. Eine patienten- und produktbezogene Dokumentation ist erforderlich (Name des Präparates, Unternehmen, Chargenbezeichnung, Name des Empfängers, Dosis und Datum der Applikation). Herstellung, Konservierung und Lagerung von Blutbestandteilen
Herstellung, Konservierung und Lagerung von Blutbestandteilen Die Herstellung erfolgt entweder aus Vollblut oder über Hämapherese. Letztere ermöglicht die Auftrennung von Blut in verschiedene Bestandteile unmittelbar am Spender; die nicht benötigten Blutbestandteile werden dem Spender sofort wieder zugeführt.
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3.2 Perioperative Volumentherapie
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A-3.2 AB0-Bedside-Test
Das Blut wird zunächst in einen ACD/CPD-Beutel (Zitronensäure, Zitrat, Phosphat, Dextrose) gefüllt, danach werden die Erythrozyten durch Zentrifugation so weit wie möglich von Plasma, Leukozyten und Thrombozyten (Buffycoat) getrennt und in einer Stabilisatorlösung suspendiert. Mit den heutigen Methoden konnte die Hämolyserate nach 6 Wochen Lagerung auf weniger als 1 % reduziert werden. Die 24-Stunden-Überlebenszeit der Erythrozyten konnte auf über 75 % verlängert werden. Lagerung: Wichtig ist, dass die Kühlkette bei Blutkonserven nicht unterbrochen werden darf. Die Kühlschränke zur Aufbewahrung der Präparate müssen schüttelfrei sein. Das freie Hämoglobin steigt nach 4 Wochen an, somit beträgt die Haltbarkeit je nach verwendeter Additivlösung bis maximal 49 Tage bei +4 °C ± 2 °C. Auf die Möglichkeit der Tiefkühlkonservierung wird bei den EK (S. 74) eingegangen.
Lagerung: Die Kühlkette darf nicht unterbrochen werden. Haltbarkeit maximal 49 Tage bei +4 °C ± 2 °C.
Zelluläre Präparate
Zelluläre Präparate
Tab. A-3.3 gibt einen Überblick über die heute gängigen Präparationen der einzelnen Blutkomponenten mit Lagerung, Haltbarkeit sowie den notwendigen Transfusionskompatibilitäten.
Überblick: Tab. A-3.3.
왘 Merke. Vollblut, Frischblut, Warmblut. Die Transfusion von Vollblut, Frisch-
왗 Merke
blut und Warmblut ist in Deutschland obsolet. Die Therapie mit Einzelbestandteilen ist gezielter und risikoärmer. Erythrozytenkonzentrate (EK)
Erythrozytenkonzentrate (EK)
Bezüglich der Indikationsstellung gibt es keine universell anwendbaren unteren Grenzwerte für Hämoglobin (Hb) oder Hämatokrit (HK). Bei akutem Blutverlust, z. B. während Operationen, hat die Aufrechterhaltung des Sollblutvolumens (Normovolämie) erste Priorität. Bis zu einem HK von 30 % (Hb 10,5 – 9,5 g/dl) ist in aller Regel eine Transfusion von EK nicht erforderlich, hier genügt die Volumensubstitution mit kristalloiden und kolloidalen Lösungen. Bei größeren Blutverlusten mit Absinken des HK unter 30 % sind die Dynamik des Blutverlustes und der klinische Zustand des Patienten besonders zu beachten. ■ Bei Gesunden wird unter normovolämischen Bedingungen ein Abfall des HK bis ca. 20 % (Hb-Wert 5 – 6 g/dl) gut toleriert. ■ Bei kritisch Kranken liegt der kritische Hb-Wert bei ca. 7 g/dl und das Therapieziel eines Hb-Werts zwischen 7 g/dl und 9 g/dl ist hier gut belegt. ■ Kardiovaskulär vorgeschädigte Patienten, besonders solche mit instabiler koronarer Herzkrankheit und/oder Myokardinfarkt, profitieren von einer Transfusion bereits ab einem HK von 30 % (Hb 4 9,5 g/dl).
Es gibt keine allgemeingültigen Grenzwerte für Hb und HK, die eine Therapie mit EK notwendig machen. Bis zu einem HK von 30 % ist in der Regel keine EK-Substitution erforderlich. Bei HK-Werten unter 30 % muss individuell entschieden werden.
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74 A-3.3
3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
Übersicht über Präparationen der einzelnen Blutkomponenten
Präparat
Volumen (ml)
HK (%)
Leukozytenreduktion (%)
Lagerungsfähigkeit, Lagerungstemperatur
Kompatibilität
Indikationen
leukozytendepletiertes EK in additiver Lösung
250 – 350
50 – 70
4 99
28 – 49 Tage +2 – +6 °C
AB0 und Rh
immunsupprimierte, CMV-negative Patienten, in der Transplantationschirurgie
bestrahltes leukozytendepletiertes EK
250 – 350
50 – 70
4 99
28 Tage
AB0 und Rh
immunsupprimierte Patienten, z. B. Stammzell-/Knochenmarktransplantation (zur Vermeidung einer Graft-versus-Host-Reaktion)
200 – 300 gewaschenes EK (Entfernung restlicher Plasmaproteine, Leukozyten und Thrombozyten)
50 – 70
4 95
keine +2 – +6 °C
AB0 und Rh
Plasmaproteinunverträglichkeit, besonders bei Patienten mit IgAMangel durch Reaktion mit AntiIgA und bei paroxysmal nächtlicher Hämolyse (PNH)
kryokonserviertes EK
200 – 300
50 – 70
4 99
10 Jahre 5 – 80 °C
AB0 und Rh
seltene Genotypformeln, autologes Blut für Empfänger mit ubiquitären Antikörpern, Bereithaltung von 0-Universalblut im Katastrophenfall, evtl. Eigenblutspende
Thrombozytenkonzentrat (TK) aus Einzelspende
ca. 50
–
Leukozytenzahl 5 0,2 ×109 pro TK
5 Tage 22 ± 2 °C
AB0 und, wenn möglich, auch Rh
Thrombozytopenien, Thrombozytopathien
Thrombozytenkonzentrat (TK) durch Pherese
bis zu 300
–
Leukozytenzahl 0,1 – 5 ×108 pro TK
5 Tage 22 ± 2 °C
AB0 und, wenn möglich, auch Rh
gepooltes TK (4 – 6 blutgruppengleiche Buffycoats)
200 – 300
–
5 Tage 22 ± 2 °C
AB0 und, wenn möglich, auch Rh
Granulozytenkonzentrat (GK)
–
–
keine 22 ± 2 °C
AB0 und Rh und, wenn möglich, auch HLA
Granulozytopenien
Frischplasma (FFP)
50 – 300
–
3 Jahre 5 – 30 °C
AB0
Gerinnungsdefekte (z. B. DIC), Faktorenmangel (nicht durch Konzentrate behebbar), Massivtransfusion
Humanalbumin
50 – 500 ml
–
3 – 5 Jahre +2 – + 20 °C
AB0
nach Ausschöpfung der Möglichkeiten eines eiweißfreien Volumenersatzes
5 500/µl
Für die Indikation zur Transfusion mit EK ist jedoch immer auch die klinische Beurteilung des Einzelfalles zu berücksichtigen, z. B. tolerieren niereninsuffiziente Patienten durch einen 2,3-DPG-Anstieg wesentlich niedrigere Hb- und Hkt-Werte. 왘 Merke
왘 Merke. Ein Hämatokrit von 15 % (Hämoglobinwert 5,0 – 4,5 g/dl) gilt als
kritischer Grenzwert der absoluten Indikation zur Substitution mit EK.
Zu den einzelnen EK s. Tab. A-3.3.
Trotzdem haben Patienten, die z. B. aus Glaubensgründen die Transfusion verweigern, Hb-Werte von 2 – 3 g/dl mithilfe der modernen Intensivmedizin (z. B. künstliche Beatmung) überlebt. Zu den einzelnen Formen von Erythrozytenkonzentraten s. Tab. A-3.3.
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3.2 Perioperative Volumentherapie
Thrombozytenkonzentrate (TK)
75 Thrombozytenkonzentrate (TK)
200 – 400 ×109
Thrombozyten in ca. Thrombozytenkonzentrate enthalten ca. 200 – 300 ml Plasma und gelten als leukozytendepletiert. Die Lagerung (max. 5 Tage!) erfolgt bei Raumtemperatur und leichter Bewegung in PVC-Beuteln mit erhöhter Durchlässigkeit für O2 und CO2. Zu den einzelnen Formen der TK siehe Tab. A-3.3. Die Indikation für die Gabe von TK umfasst Thrombozytopenien (z. B. durch primäre oder sekundäre Knochenmarkinsuffizienz, nach Zytostatikabehandlung) und Thrombozytopathien (z. B. durch Thrombasthenie, Thrombozytenaggregationshemmer). Als untere Grenzwerte sind im internistischen Bereich 10 000/µl Plasma, im chirurgischen Bereich 50 000 Thrombozyten/µl Plasma anzusehen. Die Konzentrate sollten AB0-kompatibel transfundiert werden, da diese Antigene auf der Thrombozytenoberfläche vorhanden sind. Wegen einer geringen Erythrozytenzahl im TK sollte zusätzlich auf Rhesusfaktor-Kompatibilität geachtet werden. 왘 Merke. ■
■
Indikation: Thrombozytopenien und Thrombozytopathien. Untere Grenzwerte: im internistischen Bereich 10 000/µl Plasma, im chirurgischen Bereich 50 000 Thrombozyten/µl Plasma.
Die Konzentrate sollten AB0-kompatibel und nach Möglichkeit auch rhesuskompatibel transfundiert werden.
왗 Merke
Besteht kein erhöhter Umsatz von Thrombozyten, so rechnet man bei einem Patienten mit 70 kg Körpergewicht bei der Gabe eines TK mit einem Anstieg der Thrombozytenzahl um ca. 30 000/µl 1 Stunde nach Substitution. Steigt die Thrombozytenzahl 1 Stunde nach Applikation eines Pherese-TK bzw. Pool-TK nicht um 20 000 – 30 000/µl an, muss mit einem erhöhten Umsatz oder einer HLA-Immunisierung gerechnet werden. Dann müssen HLA-gekreuzte TK transfundiert werden.
Granulozytenkonzentrate (GK)
Granulozytenkonzentrate (GK)
GK sind zur unverzüglichen Transfusion (AB0- und Rh-kompatibel, falls möglich auch HLA-kompatibel) bestimmt, die maximale Lagerungsdauer beträgt 24 Stunden; bis dahin sollen sie bei Raumtemperatur aufbewahrt werden. Granulozyten müssen vor der Anwendung mit einer mittleren Dosis von 30 Gy bestrahlt werden. Der Herstellungsaufwand ist beträchtlich.
GK sollten AB0-, Rh- und nach Möglichkeit auch HLA-kompatibel transfundiert werden. Cave: die Herstellung ist aufwendig, die GK sind nur kurz lagerungsfähig!
Als Indikation gelten heute nur Granulozytopenien mit weniger als 500 Zellen/µl durch reversible Bildungsstörungen, z. B. nach Chemotherapie oder bei Leukämie, wenn trotz optimaler Antibiotika-/Antimykotikatherapie lebensgefährliche Infekte bestehen. Da die Granulozyten im Empfänger nur eine biologische Halbwertszeit von 5 – 9 Stunden haben, wird der Wert einer Gabe von GK zur Zeit sehr kritisch beurteilt.
Indikation: Granulozytopenien mit weniger als 500 Zellen/µl durch reversible Bildungsstörungen.
Plasmapräparate (natürliche Kolloide)
Plasmapräparate (natürliche Kolloide)
Gefrorenes Frischplasma („fresh frozen plasma“, FFP) kann unterhalb minus 30 °C bis zu 36 Monate gelagert werden. Es darf erst nach 4 Monaten Quarantänelagerung angewendet werden (erneute Suche nach transfusionsrelevanten Infektionsmarkern [HIV, Hepatitis usw.] beim Spender)= „Quarantäneplasma“. Nach dem Auftauen muss Plasma sofort AB0-kompatibel (der Rhesusfaktor kann vernachlässigt werden) transfundiert werden. Frischplasma enthält alle Plasmaproteine (Immunglobuline, Kolloide, Gerinnungsfaktoren) und Elektrolyte, die Faktorenaktivität liegt bei mindestens 70 %.
Gefrorenes Frischplasma („fresh frozen plasma“, FFP): Anwendung nach Quarantänelagerung (wegen potenzieller Infektiosität). Die Transfusion muss AB0-kompatibel erfolgen. Gerinnungsfaktorenaktivität mindestens 70 %.
왘 Merke. Da bei der Gabe von FFP mit dem Auftreten von Transfusionsreaktionen gerechnet werden muss und bei allen Präparaten ein geringes Restrisiko einer Infektion vorhanden ist, sollte die Indikation zur Applikation sehr eng gestellt werden. Auf keinen Fall ist die Gabe von FFP als reine kolloidale Volumentherapie oder als Proteinnahrung gerechtfertigt.
왗 Merke
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3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
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A
Indikationen: globale Gerinnungsdefekte (z. B. DIC), Faktorenmangel, Massivtransfusion.
Indikationen sind globale Gerinnungsdefekte (z. B. DIC) oder ein Faktorenmangel, der nicht durch Konzentrate behoben werden kann (Faktor XI oder V) sowie eine Massivtransfusion im Rahmen der gezielten Komponententherapie. Aber: Eine rasche und klinisch effektive Normalisierung der plasmatischen Gerinnung kann mit der FFP-Therapie allerdings nicht erreicht werden, da hierfür in Abhängigkeit vom Körpergewicht exzessive Volumengaben (meist mehr als 2 – 3 Liter Plasma) notwendig wären. Faustregel zur Dosierung von FFP: 1 ml FFP/kg KG erhöht den Faktoren- und Inaktivatorengehalt im Patienten um etwa 1 – 2 %; näherungsweise gilt dies auch für das Anheben des Quick-Werts in %.
Virussichere Plasmapräparate – sie enthalten keine Blutzellen bzw. entsprechende Fragmente.
Virussichere Plasmapräparate: Diese Präparate sind frei von Blutzellen und -fragmenten und verhindern mit hoher Sicherheit die Übertragung von lipidumhüllten Viren, wie z. B. Hepatitis-B-(HBV), -C-(HCV) und HI-Viren. Zur Detektion nicht lipidumhüllter Viren (z. B. Parvovirus B19, Hepatitis A) werden molekulargenetische Verfahren wie z. B. Polymerasekettenreaktion (PCR) eingesetzt.
Humanalbumin:
Humanalbumin (5 %, 20 %): Humanalbuminlösungen bestehen aus Albuminen mit einem Reinheitsgrad von 96 %; alle Moleküle besitzen die gleiche Masse und Eigenschaften.
왘 Merke
왘 Merke. Albumine sind zu 70 % Träger des kolloidosmotischen Druckes und üben wichtige Transportfunktionen für Hormone, Vitamine und Arzneimittel aus.
Humanalbumin erhöht das Plasmavolumen und senkt die Blutviskosität.
Humanalbuminlösungen expandieren das Plasmavolumen und senken die Viskosität des Blutes. Die Präparate sind blutgruppenunspezifisch und nach heutigem Kenntnisstand durch spezielle Reinigungsverfahren virussicher. Die Lagerung sollte bei +2 – +20 °C erfolgen, die Haltbarkeit beträgt 3 – 5 Jahre.
Indikationen: Volumenersatz – jedoch nur dann, wenn Möglichkeiten eines eiweißfreien Volumenersatzes (künstliche Kolloide) ausgeschöpft sind.
Indikationen: Im perioperativen Einsatz sind Humanalbuminlösungen bis auf wenige Sonderfälle (z. B. Volumenersatz bei Säuglingen) durch die künstlichen Kolloide Dextran, Gelatine und HES weitgehend verdrängt. Sie sollten zum Volumenersatz nur noch eingesetzt werden, wenn die Möglichkeiten eines eiweißfreien Volumenersatzes ausgeschöpft sind.
Gefahren der Bluttransfusion
Gefahren der Bluttransfusion
Transfusionsreaktionen lassen sich in immunologisch ausgelöste und nicht immunologisch bedingte Reaktionen einteilen.
Die Zeichen unerwünschter Ereignisse/Nebenwirkungen nach Anwendung von Blutprodukten sind vielgestaltig und oft uncharakteristisch. Sie erfordern eine differenzierte Diagnostik, Ursachenermittlung und ggf. Therapie. Transfusionsreaktionen lassen sich in immunologisch ausgelöste und nicht immunologisch bedingte Reaktionen einteilen.
Immunologisch ausgelöste Transfusionsreaktionen Hämolytische Transfusionsreaktionen vom Soforttyp (meist durch Zuordnungsfehler): ■ Klinik (unspezifisch): Wärmegefühl, Blässe, Frösteln, Kopf-/Brustschmerz, Atemnot, Brechreiz, Unruhe, Tachykardie, Blutdruckabfall (evtl. letaler Schock); Hb ↓, K+ ↑, LDH ↑, Bilirubin ↑, Hämoglobinurie. ■ Therapie: Transfusion sofort abbrechen, Schocktherapie.
Immunologisch ausgelöste Transfusionsreaktionen Hämolytische Transfusionsreaktionen vom Soforttyp (Häufigkeit 1:104 – 1:105) durch reguläre IgM-Antikörper gegen A und B sind zu 80 % auf Zuordnungsfehler (Verwechslung von Kreuzblut oder Konserven) zurückzuführen. Klinik: unspezifisch wie Wärmegefühl, Hautblässe, Frösteln mit Temperaturanstieg, Kreuzund Kopfschmerz, Brustschmerz, Atemnot, Brechreiz, Unruhe, Tachykardie, Blutdruckabfall, evtl. Schock und letaler Ausgang. Es kommt durch Hämolyse zum Abfall der Hb-Konzentration mit Hämoglobinurie, Freiwerden von Kalium und LDH sowie Bilirubinämie. Verbrauchskoagulopathie und Nierenversagen sind mögliche Folgen. Therapie: Nach dem sofortigen Abstellen der Transfusion und dem Asservieren von Blut zur Labordiagnostik (Testung von Patienten- und Konservenblut mit Frage der Verwechslung) steht die Behandlung des Schocks (S. 226) und der metabolischen Azidose im Vordergrund. Eine Heparinisierung bei beginnender Verbrauchskoagulopathie wird ebenso empfohlen wie ein Versuch der Diuresesteigerung durch Furosemid oder Mannitol. Ist dies nicht möglich, sollte eine Hämofiltration oder Hämodialyse durchgeführt werden. Die Therapie richtet sich dabei nach der Schwere der Symptome.
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A
3.2 Perioperative Volumentherapie
77
Die verzögerten hämolytischen Transfusionsreaktionen (Häufigkeit 1:104– 1:105) werden ausgelöst durch irreguläre Antikörper der IgG-Klasse und treten im Verlauf von ca. 3 – 8 Tagen nach der Transfusion auf. Klinik: Fieber, Hämoglobinabfall, leichter Ikterus. Ein akutes Nierenversagen tritt selten auf, der Verlauf endet sehr selten letal. Therapie: nur selten erforderlich (Labordiagnostik zur Antikörperbestimmung).
Verzögerte hämolytische Transfusionsreaktionen: ■ Klinik: Fieber, Hämoglobinabfall, leichter Ikterus. ■ Therapie: nur selten erforderlich.
Allergische Transfusionsreaktionen (1 – 3 %!) durch Alloantikörper gegen Plasmaproteine oder andere Plasmabestandteile. Klinik: entspricht der anderer anaphylaktischer Reaktionen. Therapie: Die Transfusion ist zu unterbrechen und die Behandlung der allergischen Reaktion nach üblichen Maßstäben einzuleiten (H1-, H2-Antagonisten, Kortikosteroide, evtl. Schocktherapie mit Adrenalin).
Allergische Transfusionsreaktionen: ■ Klinik: anaphylaktoide Reaktion. ■ Therapie: Transfusion abbrechen, symptomatische Therapie.
Die febrile, nicht hämolytische Reaktion wird durch leukozytäre Inhaltsstoffe oder Alloantikörper gegen Empfängerleukozyten ausgelöst. Klinik: Innerhalb von 2 Stunden nach Transfusionsbeginn kommt es zu einem plötzlichen Temperaturanstieg um mindestens 1 °C. Therapie: Die Transfusion muss sofort unterbrochen werden. Zwischenfälle mit Hämolyse oder bakterieller Kontamination sind auszuschließen. Das Fieber spricht gewöhnlich gut auf die Gabe von Antipyretika an. Seit Einführung der allgemeinen Leukozytendepletion sind febrile Transfusionsreaktionen selten.
Febrile, nicht hämolytische Reaktion: ■ Klinik: plötzlicher Temperaturanstieg. ■ Therapie: Transfusion abbrechen, Hämolyse oder bakterielle Kontamination ausschließen, Antipyretika.
Graft-versus-Host-Disease (GvHD) durch Übertragung proliferationsfähiger TLymphozyten des Spenders auf einen (immuninkompetenten) Empfänger. Sie wird etwa 4 – 30 Tage nach Transfusion symptomatisch, ist sehr selten (1: 4 – 12 ×105), aber meist tödlich. Klinik: Fieber, Hautausschläge, Hepatitis, Darmkrämpfe, allergieartige Erscheinungen, Infekte. Diagnostik: Nachweis von Spenderlymphozyten im Empfänger über genetische Marker (v. a. indiziert bei Immundefekten). Prophylaxe: Gamma-Bestrahlung aller zellhaltigen Blutkomponenten mit 30 Gy.
Graft-versus-Host-Disease (GvHD): ■ Klinik: Fieber, Hautausschlag, Hepatitis, Darmkrämpfe, allergieartige Erscheinungen, Infekte. ■ Diagnostik: Nachweis von Spenderlymphozyten. ■ Prophylaxe: Gamma-Bestrahlung.
TRALI-Syndrom (Transfusion-related acute Lung Injury): Selten (1:104 – 1:105), aber meist tödlich. Ausgelöst wird dieses Syndrom durch leukozytäre Antikörper im Spender-(Empfänger-)plasma. Der genaue Mechanismus ist noch nicht geklärt, eine Beteiligung neutrophiler Granulozyten und des Komplementsystems wird derzeit diskutiert. Klinik: Husten, Dyspnoe, Fieber, respiratorische Insuffizienz mit Lungenödem. Therapie: Abbruch der Transfusion, Sicherung der Vitalfunktionen, Beatmung, eine Kortikoidtherapie ist umstritten. Sehr selten posttransfusionelle Purpura (PTP) durch thrombozytenspezifische Alloantikörper im Empfängerserum innerhalb einer Woche nach Transfusion thrombozytenhaltiger Präparate. Klinik: akute Thrombozytopenie mit Blutung. Therapie: hochdosierte IgG-Gabe oder Plasmapherese.
TRALI-Syndrom: selten, aber meist tödlich! ■ Klinik: Husten, Dyspnoe, Fieber, respiratorische Insuffizienz mit Lungenödem. ■ Therapie: Abbruch der Transfusion, Intensivtherapie.
Nicht immunologisch ausgelöste Transfusionsreaktionen
Posttransfusionelle Purpura (PTP): ■ Klinik: akute Thrombozytopenie mit Blutung. ■ Therapie: IgG-Gabe oder Plasmapherese. Nicht immunologisch ausgelöste Transfusionsreaktionen
Bakterielle Kontaminationen von Blutderivaten mit Endotoxinen und gramnegativen Keimen. Sie sind selten, können aber ähnlich einer allergischen Reaktion vom Soforttyp ablaufen. Sterile Kautelen (Hände waschen und desinfizieren!) und vorschriftsmäßige Lagerung der Blutkonserven sind die wichtigsten Präventionen.
Bakterielle Kontamination von Blutderivaten mit Toxinen, gramnegativen Keimen kann zu anaphylaktoiden Reaktionen führen.
Übertragung von Mikroorganismen (Bakterien, Viren, Protozoen): ■ Sowohl die Übertragung seltener Erreger spezifischer bakterieller Erkrankungen (Treponemen, Borrelien) als auch parasitärer Erreger (Malariaplasmodien, Toxoplasmen) ist eine Rarität. ■ Ursache viraler Kontaminationen sind Virämien des Spenders, die sich trotz hochempfindlicher Testverfahren im Prüflabor nicht nachweisen lassen. Die Übertragung von Viren, auch bisher unbekannter Natur, ist nicht völlig auszuschließen. Dies gilt auch für HIV, HBV und HCV. Insbesondere bei frischen HBV- bzw. HCV-Infektionen sind die Blutspender bereits einige Tage bis Wochen kontagiös, bevor der Nachweis der Antikörper gelingt. Es besteht also eine sog. „diagnostische Lücke“. Durch die Leukozytendepletion von
Übertragung von Mikroorganismen: ■ Seltene Bakterien, Parasiten: sehr selten. ■ Viren: trotz aller Testverfahren möglich, da „diagnostische Lücke“ zwischen Infektion und messbarer Antikörperbildung.
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3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentraten werden zellständige Viren, wie z. B. CMV gefiltert. Nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand ist die Leukozytendepletion zur Prävention der transfusionsassoziierten CMVInfektion der Testung von Blutspenden gleichwertig. Trotzdem sollten Risikogruppen wie z. B. auch CMV-negative Transplantatempfänger nur CMV-negative Konserven erhalten. 왘 Merke
■
Prionen: möglich, aber bisher nicht beschrieben.
Weitere Transfusionsreaktionen: ■ Physikalische und chemische Reaktionen. ■ Zitratintoxikation. ■ Transfusionshämosiderose. ■ Toxische Reaktionen durch Weichmacher der Blutbeutel.
왘 Merke
왘 Merke. Das Restrisiko einer transfusionsassoziierten Infektion mit heutigen Verfahren liegt für HIV bei 5 1:106, für HCV bei 5 1:106, für HBV bei 1: 5 ×105 – 1: 106, die Inzidenz einer möglichen Posttransfusionshepatitis (PTH) variiert zwischen 0,2 % und 20 % und ist in ca. 90 % Folge einer HCV-Übertragung. ■
Die Übertragbarkeit von Prionen (Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, CJK) durch Bluttransfusionen wurde in tierexperimentellen Untersuchungen gezeigt. Es liegen jedoch bislang keine Fallberichte einer durch Transfusion erworbenen neuen Variante der CJK beim Menschen vor. Eine Risikoabschätzung ist deshalb zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich.
Weitere Transfusionsreaktionen: ■ Physikalische und chemische Reaktionen nach Transfusionen wie z. B. Hypervolämie nach zu schneller Transfusion, Detritus-Mikroembolien sowie Hämolysen. ■ Zitratintoxikation durch Senkung des verfügbaren ionisierten Kalziums (kann bei Massivtransfusionen auftreten). ■ Transfusionshämosiderose bei Patienten mit chronischem Erythrozyten-Transfusionsbedarf (z. B. bei aplastischen Anämien). ■ Außerdem wird der im Plastikmaterial der Blutbeutel vorhandene Weichmacher für toxische Reaktionen verantwortlich gemacht. 왘 Merke. Vor Freigabe einer Blutspende müssen nach aktuellen Empfehlungen folgende Laboruntersuchungen durchgeführt worden sein: Siehe Tab. A-3.4.
Sonderformen
Sonderformen
Massivtransfusion
Massivtransfusion
왘 Definition
왘 Definition. Bei einer Massivtransfusion wird innerhalb von 24 Stunden das
1,5-fache des körpereigenen Blutvolumens übertragen. Mögliche Indikationen: größere Blutverluste.
Mögliche Indikationen: Größere Blutverluste z. B. im Rahmen von Verletzungen (z. B. Polytrauma), perioperativ bei Operationen an großen Gefäßen oder postoperative Störungen der Gerinnung.
Nebenwirkungen: Tab. A-3.5.
Nebenwirkungen: Trotz der heute durchgeführten Komponententherapie kann eine Massivtransfusion mit erheblichen Folgeschäden für den Patienten
A-3.4
A-3.4
Empfohlene Laboruntersuchungen vor der Blutspende
Parameter
Anforderungen
Blutgruppe: AB0, Rhesus Anti-HIV1/2-AK Anti-HCV-AK HBs-Antigen HCV-Genom (NAT) HIV-1-Genom (NAT) AK gegen Treponema pallidum Antikörpersuchtest
bestimmt negativ negativ negativ negativ negativ negativ keine klinisch relevanten AK nachweisbar
AK = Antikörper
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A
A-3.5
3.2 Perioperative Volumentherapie
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Mögliche Nebenwirkungen einer Massivtransfusion
Nebenwirkung
Ursache
Abfall der Körpertemperatur
(gekühlte) Lagerung der einzelnen Komponenten; sie sollten deshalb nach Möglichkeit angewärmt werden
passagere Zitratintoxikation mit Hypokalzämie und Hypomagnesiämie
den Blutkomponenten beigefügte Stabilisatoren
Zunahme der Sauerstoffaffinität des Hämoglobins (Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve)
Abnahme des 2,3-DPG-Gehalts der Erythrozyten (lagerungsbedingt)
Azidose
anaerobe Stoffwechselreaktion des Blutes
Freisetzung von Mediatoren (z. B. Histamin, Serotonin, ADP, Leukotriene), Entstehung eines endothelialen Lecks der Lunge und der Kapillarstrombahn
zunehmende Aggregationsbereitschaft und Zellzerfall von Leukozyten, Thrombozyten und Erythrozyten
Herzrhythmusstörungen
Hyperkaliämie (als Folge des Zellzerfalls)
Nierenfunktionsstörungen
Hämolyse und Mediatorenfreisetzung kombiniert mit der schockbedingten Minderperfusion
TRALI-Syndrom (Transfusion-Related Acute Lung Injury)
leukozytäre Antikörper (S. 77)
verbunden sein (Tab. A-3.5, vgl. S. 76). Die Ursache der Massivtransfusion mit Art und Ausdehnung der Gewebeverletzung, die Schockphase und die Funktion der vitalen Organe sind dabei von entscheidender Bedeutung. Notfalltransfusion
Notfalltransfusion
Es wird ca. 1 Stunde benötigt, um Erythrozytenkonzentrate für einen Patienten bereitzustellen, von dem weder Blutgruppe noch Testblut für die Kreuzung der Konserven verfügbar sind. 왘 Merke. Ist die Blutgruppe eines Patienten nicht bekannt und können im
왗 Merke
Notfall vor einer Transfusion das Ergebnis der Blutgruppenbestimmung und die Kreuzprobe nicht abgewartet werden, sind Erythrozytenkonzentrate der Gruppe 0 rh-negativ zu transfundieren. Chirurgische Kliniken ohne eigenes Blutgruppendepot sollten auf alle Fälle Erythrozytenkonzentrate der Blutgruppe 0 rh-negativ auf Vorrat halten. Autologe Transfusion
Autologe Transfusion
Ziel: Reduktion der Risiken, die bei der Transfusion von Fremdblutkomponenten bestehen (S. 76).
Ziel: Reduktion der Risiken durch die Transfusion von Fremdblutkomponenten.
Formen: Präoperative isovolämische Hämodilution, Plasmapherese, Eigenblutspende, maschinelle Autotransfusion, präoperative Erhöhung des Hämoglobins mithilfe von Erythropoetin.
Formen: präoperative isovolämische Hämodilution, Plasmapherese, Eigenblutspende, maschinelle Autotransfusion, Erythropoetin.
Kontraindikationen: Tab. A-3.6.
Kontraindikationen: Tab. A-3.6.
A-3.6 ■ ■ ■ ■ ■ ■
■ ■ ■ ■
Kontraindikationen für alle Formen der autologen Transfusion
A-3.6
vorbestehende Anämie (Hb 5 11 g/dl), Hypovolämie akute Infektionen mit der Möglichkeit der hämatogenen Streuung Verdacht auf infektiöse Magen-Darm-Erkrankungen akute Erkrankungen ungeklärter Genese frischer Herzinfarkt (≤ 3 Monate) Einschränkung der Koronarreserve (instabile Angina pectoris, koronare Hauptstammstenose) klinisch wirksame Aortenstenose dekompensierte Herzinsuffizienz Synkopen unklarer Genese Verdacht auf fokale Infektionen
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3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
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Präoperative isovolämische Hämodilution: Während der Narkoseeinleitung wird Blut entnommen und durch kolloidale Lösungen ersetzt. Das Blut steht dann max. 6 h für eine eventuell erforderliche Transfusion zur Verfügung.
Präoperative isovolämische Hämodilution: Im Rahmen der Narkoseeinleitung werden 500 – 1500 ml Warmblut in einen mit Stabilisatorlösung vorgefüllten Eigenblutbeutel gefüllt. Der Volumenverlust wird mit künstlichen kolloidalen Lösungen (S. 69) bis zur Normovolämie vollständig ersetzt. Die Vorteile dieser Methode sind neben einer Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes und einer verbesserten O2-Utilisation ein vermindertes Thromboembolierisiko. Da das gewonnene Vollblut nicht lagerungsfähig ist, muss es innerhalb von 6 Stunden nach Beginn der Entnahme transfundiert werden. Die isovolämische Hämodilution kommt für Patienten mit hochnormalen präoperativen HK-/Hb-Werten infrage, bei denen ein intraoperativer Blutverlust von 4 50 % des Blutvolumens zu erwarten ist, und die aufgrund ihres Gesamtzustandes eine Verdünnungsanämie tolerieren können. Da der maximale Einspareffekt 1 – 1,5 homologe Erythrozytenkonzentrate ausmacht, konnte bisher eine sichere Reduktion der Transfusion von allogenen Erythrozytenkonzentraten nicht nachgewiesen werden und wird deshalb im Rahmen der RisikenNutzen-Abwägung (z. B. Verwechslung, Kontamination, Lagerung) zunehmend kritisch beurteilt.
Plasmapherese: Mindestens 10 Tage vor dem Eingriff wird eine Plasmapherese durchgeführt, das Plasma wird am OP-Ende transfundiert.
Plasmapherese: Im Abstand von mindestens 10 Tagen wird eine Plasmapherese durchgeführt (max. 900 ml pro Sitzung), wobei das mit Antikoagulans versetzte Plasma sofort schockgefroren und wie FFP bei – 30 °C gelagert wird. Am Operationsende wird das so gewonnene Plasma retransfundiert. Vorteile dieser Methode sind in der kompletten Substitution von Gerinnungsfaktoren und der Gabe von Immunglobulinen zu sehen. Durch die längere Haltbarkeit dieser Präparate bis zu 1 Jahr ist die Terminplanung einfacher zu gestalten als bei der Eigenblutspende.
Eigenblutspende: Etwa 5 – 6 Wochen vor dem geplanten Eingriff wird Blut entnommen, in Komponenten aufgeteilt und gelagert.
Eigenblutspende: Bei chirurgischen Wahleingriffen mit einem zu erwartenden Blutverlust von 4 1000 ml (bzw. einer Transfusionswahrscheinlichkeit 4 10 %) ist die Indikation für eine Eigenblutspende gegeben, wenn der Operationstermin 5 – 6 Wochen im Voraus festzulegen ist. Der technische Ablauf entspricht einer normalen Blutspende. Je nach zu erwartendem perioperativem Blutverlust werden im Abstand von mindestens 1 Woche 450 ml Eigenblut entnommen und in Komponenten (Erythrozytenkonzentrate und FFP) aufgeteilt. Nach der 1. Blutspende wird ein Eisenpräparat verabreicht. Auch Eigenblutkonserven durchlaufen die an jeder Blutkonserve routinemäßig durchgeführten Untersuchungen. Die Erythrozytenkonzentrate sind nur 35 Tage haltbar. Starre Altersgrenzen existieren nicht. Auch bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) kann mithilfe besonderer Überwachungsmethoden auch Eigenblut entnommen werden. Gravidität und Tumorleiden mit schnellem Wachstum bedürfen ebenso wie Hypertonie, zerebrale Durchblutungsstörungen, Herzrhythmusstörungen und Asthma bronchiale einer strengen Risiko-NutzenAbwägung (Fremdblut versus Eigenblut). Der Nutzen der Eigenbluttransfusion liegt in einer Reduzierung von Infektionsrisiko und Antigen-Antikörper-Reaktion und in einer Stimulation der Erythropoese. Risiken sind vasovagaler Kollaps (Letalität 1 : 107 Spenden) und die Verwechslung der Konserven.
Es gibt keine starren Altersgrenzen, wichtig ist eine individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung.
왘 Merke
왘 Merke. ■
■
Maschinelle Autotransfusion (MAT): Intraund/oder postoperativ steril gesammeltes Wundblut wird als gewaschene Erythrozytensuspension innerhalb von 6 Stunden re-
Die hierfür geeigneten Patienten müssen auf die Möglichkeit einer Eigenblutspende hingewiesen werden. Der organisatorische Ablauf, die Koordination zwischen Spende und Operation, ist sehr personalintensiv und besonders in größeren Häusern mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.
Maschinelle Autotransfusion (MAT): Bei der maschinellen Autotransfusion wird intra- und/oder postoperativ steril gesammeltes Wundblut als gewaschene Erythrozytensuspension innerhalb von 6 Stunden retransfundiert. Vorteile sind
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3.2 Perioperative Volumentherapie
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in der schnellen Verfügbarkeit, z. B. bei Polytraumen oder Aortenaneurysmen, und dem Ausschluss von Verwechslungen neben den sonstigen Vorteilen der autologen Transfusion zu sehen. Die MAT darf nicht angewendet werden, wenn der Verdacht einer bakteriellen Kontamination des abgesaugten Wundblutes besteht (z. B. Magen-Darm-Chirurgie), da durch den Waschvorgang und die Filtration bei der Aufarbeitung des Blutes die Bakterien nicht eliminiert werden. Bei Tumorpatienten wird für die Verwendung von Wundblut zur Retransfusion eine Bestrahlung mit 50 Gy empfohlen.
transfundiert. Bei V.a. bakterielle Kontamination ist eine MAT kontraindiziert, bei Tumorpatienten sollte das Blut vor der Retransfusion bestrahlt werden.
Gabe von Erythropoetin: Die Indikation zur Gabe von Erythropoetin (früher Behandlung der Anämie bei Niereninsuffizienz) ist auf die schnellere Anhebung des Hämoglobins bei Eigenblutspende und zur Vermeidung von Transfusionen bei größeren Operationen erweitert worden. Diese Möglichkeit wird besonders von den Zeugen Jehovas präoperativ genutzt. Die Behandlung ist jedoch kostenintensiv und nicht risikolos. Hypertonus, sensomotorische Störungen und eine Thrombozytose können die Folge sein.
Gabe von Erythropoetin: Ziel ist die schnellere Anhebung des Hämoglobins bei Eigenblutspende (häufig von Zeugen Jehovas genutzt).
Blutersatz bei Tumorpatienten
Blutersatz bei Tumorpatienten
Nicht nur die Anästhesie und die Operation selbst, sondern auch die Gabe homologen Blutes soll eine perioperative Immunsuppression verursachen und somit das Metastasierungsrisiko erhöhen (durch eine vermehrte Gabe von Antigenen?). Zum Teil werden deshalb Leukozytenfilter empfohlen. Auch die maschinelle intraoperative Autotransfusion wird diskutiert, weil bei ihr zusammen mit dem Blut abgesaugte Zellen nicht vollständig zurückgehalten werden und über das Schicksal retransfundierter Tumorzellen und deren Metastasierungspotenzial noch wenig bekannt ist. Evtl. könnte die Retransfusion lebensfähiger maligner Zellen durch γ-Bestrahlung (50 Gy) der Erythrozytenkonzentrate und den Einsatz geeigneter Filtersysteme (z. B. Leukozytenfilter) verhindert werden.
Möglicherweise erhöhtes Metastasierungsrisiko (Immunsupression bei homologer Transfusion, Streuung bei Autotransfusion). Evtl. Bestrahlung hilfreich.
Blutersatz bei Transplantationen
Blutersatz bei Transplantationen
Es gibt Hinweise, dass homologe Bluttransfusionen zu einer günstigeren Transplantatfunktion führen als autologe Transfusionen (bedingt durch immunsuppressive Effekte). Aufgrund der verbesserten immunsuppressiven Therapie ist dennoch die autologe Transfusion nach Möglichkeit vorzuziehen. Kontraindiziert ist die maschinelle Autotransfusion bei immunsupprimierten transplantierten Karzinompatienten.
Wegen der begleitenden immunsuppressiven Therapie sollten autologe Transfusionen durchgeführt werden.
Rechtliche Probleme
Rechtliche Probleme
Für die vorsorgliche Bereitstellung von Blutkomponenten vor Operationen sowie die Aufklärung des Patienten über Risiken einer Transfusion sind Chirurg und Anästhesist gleichermaßen verantwortlich. Sofern chirurgisch eine Eigenblutspende in Frage kommt, sollte diese dem Patienten rechtzeitig vor einer Operation durch den Fachvertreter der primär behandelnden Fachdisziplin (im Allgemeinen also dem Chirurgen) erörtert werden. In diesem Zusammenhang muss der Patient auf die Grenzen der Eigenblutspende und auf die Möglichkeit, dass dennoch eine Fremdbluttransfusion erforderlich werden könnte, aufmerksam gemacht werden. Der primär behandelnde Fachvertreter (Chirurg) muss dann die Eigenblutspende veranlassen und dafür sorgen, dass die Information über verfügbares Eigenblut anderen Fachdisziplinen, soweit sie im Krankheitsverlauf hinzugezogen werden (z. B. Anästhesiologie), rechtzeitig und auf geeignete Weise zur Kenntnis gelangen. Intraoperativ entscheidet der Anästhesist, ob und zu welchem Zeitpunkt eine Bluttransfusion angezeigt ist. In der postoperativen Phase ist die Zuständigkeit davon abhängig, ob der Patient im Aufwachraum, auf der Intensivstation oder der chirurgischen Bettenstation liegt. Sofern der Wunsch einer Eigenblutspende erst gegenüber dem Anästhesisten im Rahmen der unmittelbaren anästhesiologischen Vorbereitung einer Allgemeinoder Regionalanästhesie geäußert wird, muss der Patient darauf hingewiesen werden, dass diesem Wunsch nicht entsprochen werden kann, ohne die
Die Aufklärung über die Risiken einer Transfusion erfolgt durch Chirurgen und Anästhesisten. Die Möglichkeit einer Eigenblutspende muss rechtzeitig mit dem Patienten besprochen werden, und im behandelnden Krankenhaus muss bekannt sein, dass eine Eigenblutspende zur Verfügung steht. Intraoperativ entscheidet der Anästhesist, ob und zu welchem Zeitpunkt eine Bluttransfusion angezeigt ist.
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3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
Operation aufzuschieben. Wünscht der Patient die Operation dennoch zum geplanten Zeitpunkt, ist die Einwilligung zu einer Transfusion von Fremdblut im anästhesiologischen Aufklärungsbogen ausdrücklich zu vermerken. Sollte der Patient dagegen wegen unterbliebener Eigenblutspende nicht in eine Fremdbluttransfusion einwilligen, so ist die Operation aufzuschieben. 왘 Merke
왘 Merke. Wird jegliche Bluttransfusion vom Patienten abgelehnt, so ist diese
Ablehnung selbst dann für alle an der Behandlung beteiligten Ärzte bindend, wenn sie aus rational nicht nachvollziehbaren Gründen geschieht (wie etwa bei Zeugen Jehovas). Steht es außerhalb jedes vernünftigen Zweifels fest, dass intra- oder postoperativ ein Blutverlust eintreten wird, der ohne Bluttransfusion tödlich ist, so muss die Operation unterbleiben, wenn der Patient trotz eingehender Belehrung auf seiner Verweigerung der Bluttransfusion beharrt. Dies gilt auch dann, wenn die Operation vital indiziert und dringend ist. Regeln zum Vorgehen bei Ablehnung eines Blutersatzes durch volljährige Patienten: ■ Ein Eingriff kann durchgeführt werden, wenn die Chance besteht, den Blutersatz vermeiden zu können. Alle an der OP beteiligten Vertreter der Fachgebiete müssen zustimmen. ■ Eingriffe mit zwingendem Transfusionsbedarf können nicht durchgeführt werden. ■ Bei Zeugen Jehovas muss vor Operationen ggf. das Einverständnis des Patienten zur Retransfusion mittels maschineller Autotransfusion schriftlich erteilt werden.
Regeln zum Vorgehen bei Ablehnung eines Blutersatzes durch volljährige Patienten: ■ Soll eine Operation durchgeführt werden, die zwar im Allgemeinen Blutersatz erfordert, bei der jedoch im konkreten Fall die Aussicht besteht, unter dem Vorbehalt gewisser Risiken eine Transfusion vermeiden zu können, so kann die Operation durchgeführt werden, sofern darüber Einvernehmen zwischen den an der Operation beteiligten Fachgebieten, z. B. dem Chirurgen und dem Anästhesisten, besteht. Dieses Einvernehmen ist von der primär behandelnden Fachdisziplin rechtzeitig herbeizuführen. ■ Auf Eingriffe, bei denen eine Bluttransfusion zwingend notwendig ist, muss der Arzt verzichten. ■ Manche Zeugen Jehovas tolerieren die autologe Transfusion, falls das Blut innerhalb eines geschlossenen Kreislaufes retransfundiert wird. In einem solchen Fall ist vor Operationen das Einverständnis des Patienten zur Retransfusion mittels maschineller Autotransfusion schriftlich festzuhalten.
Regeln zum Vorgehen bei Ablehnung eines Blutersatzes bei minderjährigen Patienten: ■ Bei Verweigerung der Erziehungsberechtigten muss ggf. das Vormundschaftsgericht eingeschaltet werden. ■ Jugendliche sollten in der Lage sein, selbst eine Entscheidung zu treffen.
Regeln zum Vorgehen bei Ablehnung eines Blutersatzes bei minderjährigen Patienten: ■ Bei Minderjährigen (oder bei fehlender geistiger Reife) ist bei Verweigerung der Erziehungsberechtigten in lebensgefährdenden Situationen das Vormundschaftsgericht einzuschalten. ■ Jugendliche (14.– 18. Lebensjahr) können bei normaler geistiger Konstitution und entsprechender Darlegung des Sachverhaltes selbst eine Entscheidung treffen.
왘 Cave
왘 Cave. Die rechtlichen Probleme des Bluttransfusionswesens sind inzwi-
schen so vielschichtig, dass ihre Aufarbeitung einer sehr viel umfassenderen Darstellung vorbehalten bleiben muss.
3.3
Schmerztherapie
3.3
Schmerztherapie Peter Steffen, Alexander Brinkmann, Wulf Seeling
3.3.1 Allgemeine Grundlagen
der Schmerztherapie Die Schmerztherapie hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Jeder in der Klinik tätige Kollege und jede Kollegin sollte in der Lage sein, Schmerzen und deren Behandlungsbedürftigkeit zu erkennen und erste therapeutische Schritte einzuleiten.
3.3.1 Allgemeine Grundlagen der Schmerztherapie Die Schmerztherapie hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen, ist aber nicht nur die Aufgabe einiger „Spezialisten“, sondern jede klinisch tätige Kollegin und jeder Kollege sollte in der Lage sein, Schmerzen in gewissem Umfang zu therapieren. Hierbei ist nicht gefordert, dass das gesamte Repertoire der Schmerztherapie ausgeschöpft werden kann, vielmehr geht es darum, Schmerzen und deren Behandlungsbedürftigkeit zu erkennen und erste therapeutische Schritte einzuleiten. Hierzu bedarf es Kenntnisse über Schmerz-
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A
3.3 Schmerztherapie
83
entstehung, Analgetika und andere zur Schmerzlinderung eingesetzte Medikamente (Koanalgetika, Adjuvanzien) sowie über eine Reihe bestimmter Schmerzsyndrome. Bei komplexen Schmerzzuständen sowie multimorbiden Patienten kann es ratsam sein spezialisierte Schmerztherapeuten hinzuzuziehen. Schmerzanalyse
Schmerzanalyse
Um eine adäquate und effektive Schmerztherapie durchführen zu können, muss zunächst eine Analyse des Schmerzes erfolgen: Akuter Schmerz? hält Sekunden bis einige Wochen an und wird durch äußere oder innere schädigende Reize hervorgerufen, hat zunächst in der Regel „Warnfunktion“, kann bei ungünstigem Verlauf in eine Chronifizierung übergehen. Chronischer Schmerz? dauert Wochen, Monate, Jahre oder Jahrzehnte, oder kehrt immer wieder (rezidivierend). Schädigende Faktoren können vorhanden sein (z. B. degenerative Veränderungen, chronische Entzündung, Tumor, Ischämie), oft erklären diese das Ausmaß des Schmerzes nicht oder nicht ausreichend. Welche Schmerzart? (Tab. A-3.7).
Zur Durchführung einer adäquaten und effektiven Schmerztherapie muss zunächst eine Schmerzanalyse erfolgen: ■ Akuter Schmerz? ■ Chronischer Schmerz? ■ Welche Schmerzart? (Tab. A-3.7).
Schmerzmessung
Schmerzmessung
Unverzichtbare Voraussetzung für die Therapie von Schmerzen ist die Erhebung und die Dokumentation der unterschiedlichen Schmerzangaben des Patienten. Da das Schmerzempfinden und die Reaktion auf Standarddosierungen von Analgetika einer großen Streubreite unterliegen, benötigt letztlich jeder Patient eine individuelle Analgetikadosierung.
Unverzichtbare Voraussetzung für die Therapie von Schmerzen ist die Erhebung und die Dokumentation der unterschiedlichen Schmerzangaben des Patienten, da jeder Patient eine individuelle Analgetikadosierung benötigt.
Postoperative Schmerzen: Durch eine geeignete Dokumentation der Schmerzangaben, z. B. ähnlich der Temperatur- oder Pulskurve in der Patientenkurve kann bei den ärztlichen Visiten im Rahmen der postoperativen Schmerztherapie der Therapieerfolg konsequent verfolgt und gegebenenfalls die Medikation modifiziert werden. Zur Schmerzmessung haben sich verschiedene Schmerzskalen etabliert: ■ NRS (numerische Rating-Skala): Die aktuell empfundene Schmerzstärke wird auf einer Skala von 0 – 10 an der entsprechenden Stelle markiert, (0 = kein Schmerz und 10 = unerträglich starke Schmerzen). ■ VAS (visuelle Analogskala): Der Patient kennzeichnet ein „Schmerzlineal“. ■ VRS (verbale Rating-Skala): Beschreibung der empfundenen Schmerzen in Worten (kein, mäßig, mittelstark, starker und stärkster vorstellbarer Schmerz). ■ Smileyskala: Abbildungen mit unterschiedlichen Gesichtsausdrücken zur Schmerzmessung bei Kindern.
Postoperative Schmerzen: Zur Kontrolle des Therapieerfolges werden die Schmerzangaben in der Patientenkurve dokumentiert. Die individuell empfundene Schmerzstärke wird mithilfe von unterschiedlichen Skalen erhoben: ■ NRS = numerische Rating-Skala. ■ VAS = visuelle Analogskala. ■ VRS = verbale Rating-Skala. ■ Smileyskala= graphische Darstellung von Gesichtsausdrücken zur Schmerzmessung bei Kindern.
A-3.7
Schmerzarten und Therapieoptionen
Schmerzart
Symptomatik
Schmerzauslöser
Therapieoptionen
nozizeptiver Schmerz
zunächst heller, brennender, relativ gut lokalisierbarer Schmerz, im Verlauf eher dumpfer Schmerz
postoperativ, posttraumatisch, nach Fehlbelastungen, bei Erkrankungen
grundsätzlich nach Schmerzintensität: primär Nichtopioidanalgetika, zusätzlich Opioide
neuropathischer Schmerz
anfallsweise einschießender, ziehender, elektrisierender, brennender Schmerz
Schädigung und Kompression von Nervenstrukturen, Polyneuropathie, Trigeminusneuralgie
Antikonvulsiva, Antidepressiva, Opioide (Nichtopioidanalgetika gelten als nicht wirksam)
somatoformer Schmerz (Schmerzstörung)
Unterschiedlichste Schmerzen (von lokalisiert bis Ganzkörperschmerz), organische Befunde fehlen oder erklären das Schmerzausmaß nicht
Störung der körpereigenen Schmerzkontrolle, häufig spielen psychische Faktoren in Verbindung mit medizinischen Faktoren eine entscheidende Rolle
multimodale Therapie: Psychologische Verhaltenstherapie, Antidepressiva, Antikonvulsiva. (Nichtopioidanalgetika und/ oder Opioide sind nicht generell verboten, nützen aber meist wenig)
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3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
84
A
Die Schmerzstärke muss mehrmals täglich und auch unter Belastung erfasst werden. Zusätzlich sollte immer nach Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Obstipation etc. gefragt werden.
Wichtig ist hierbei, die Schmerzstärke mehrmals täglich und nicht nur in Ruhe, sondern auch unter Belastung zu erfassen (Husten, Mobilisation). Außerdem sollte immer nach unerwünschten Begleiteffekten wie z. B. Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Obstipationsneigung gefragt werden. Als Behandlungsrichtlinie wird der sog. Ruheschmerzscore mithilfe standardisierter Fragebögen ermittelt (Behandlungsziel ist ein Scoreniveau ≤ 3). Die routinemäßige Schmerzmessung kann durch das Pflegepersonal erfolgen, ärztliche Aufgabe ist es, diese Angaben zu realisieren und therapeutisch zu berücksichtigen.
Chronische Schmerzen: Hier hat sich der Einsatz spezieller Schmerztagebücher (z. B. Kopfschmerzkalender) etabliert.
Chronische Schmerzen: Hier hat sich der Einsatz spezieller Schmerztagebücher (z. B. Kopfschmerzkalender) etabliert. Der Patient hat die Möglichkeit, über Wochen oder gar Monate hinweg Häufigkeit, Stärke und Ausprägung der Schmerzen, sowie Begleiteffekte, die Wirksamkeit der analgetischen Behandlung und das Medikamenteneinnahmeverhalten zu dokumentieren.
Ziele und Maßnahmen der perioperativen Schmerztherapie
Ziele und Maßnahmen der perioperativen Schmerztherapie
Zur positiven Beeinflussung bzw. Vermeidung von postoperativen Schmerzen sind folgende schmerzmodifizierende Faktoren zu beachten: ■ Art der Operation, möglichst schonende Operationstechnik ■ geeignetes Anästhesieverfahren ■ ausreichende intraoperative Muskelrelaxation ■ sorgfältige präoperative Aufklärung.
Jeder operative Eingriff führt zu einer lokalen Gewebeschädigung und dadurch zu einer Freisetzung von Entzündungsmediatoren (z. B. Prostaglandine, Bradykinin, Histamin und Substanz P). Daher leidet nahezu jeder chirurgische Patient unter postoperativen Schmerzen. Um diese Schmerzen möglichst positiv zu beeinflussen oder sogar zu vermeiden, sind folgende wichtige schmerzmodifizierende Faktoren zu beachten: ■ Art der Operation, möglichst schonende Operationstechnik ■ geeignetes Anästhesieverfahren ■ ausreichende intraoperative Muskelrelaxation ■ sorgfältige präoperative Aufklärung.
Grundlegende Ziele im Rahmen der perioperativen Schmerztherapie sind: ■ Reduktion potenziell schädigender kardiovaskulärer, respiratorischer, gastrointestinaler, endokriner und/oder psychischer Folgereaktionen ■ möglichst rasche Mobilisierung ■ Vorbeugung einer Chronifizierung.
Im Rahmen der perioperativen Schmerztherapie lassen sich folgende grundlegende Ziele formulieren: ■ Reduktion potenziell schädigender kardiovaskulärer, respiratorischer, gastrointestinaler, endokriner und/oder psychischer Folgereaktionen (z. B. Pneumonieprophylaxe: Schmerzreduktion ermöglicht besseres Durchatmen und Abhusten ■ möglichst rasche Mobilisierung (Ergänzung zur Thrombosepropyhlaxe) ■ Vorbeugung einer Chronifizierung der Schmerzen (deutschlandweit leiden immerhin ca. 5 Millionen Menschen an chronischen Schmerzen). Als allgemeine Richtlinie für die Behandlungsstrategie in der Schmerztherapie gilt:
왘 Merke
왘 Merke. Akute Schmerzen werden bevorzugt mit schnell wirkenden parenteral applizierbaren Substanzen behandelt. In der chronischen Schmerztherapie hingegen werden als „Basisanalgetika“ lang wirkende retardierte Präparate bevorzugt, welche bei Bedarf durch schnell wirkende Medikamente supplementiert werden.
3.3.2 Analgetika
3.3.2 Analgetika
Die Akuttherapie postoperativer Schmerzen erfolgt durch: ■ Nichtopioidanalgetika (Tab. A-3.8) ■ Opioidanalgetika ■ Koanalgetika ■ Adjuvanzien ■ zusätzlich Anwendung physikalischer Verfahren.
Die Akuttherapie postoperativer Schmerzen erfolgt in erster Linie durch die Applikation sog. klassischer Analgetika, den Nichtopioiden (Tab. A-3.8) und Opioiden (S. 88). Sie werden je nach Indikation und Schmerzintensität einzeln oder in Kombination verabreicht. Bei Bedarf können diese sog. klassischen Analgetika durch Koanalgetika (S. 90) ergänzt werden, welche nicht der Gruppe der Analgetika im engeren Sinn angehören, aber bei bestimmten Schmerzzuständen in Kombination mit Opioiden und Nichtopioiden schmerzreduzierend wirken können. Durch den zusätzlichen Einsatz sog. Adjuvanzien (S. 91) können substanzspezifische Nebenwirkungen vermieden bzw. kontrolliert werden. Ergänzend zur medikamentösen Schmerztherapie wird zusätzlich die Anwendung physikalischer Verfahren (S. 92) empfohlen.
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A
3.3 Schmerztherapie
85
Nichtopioidanalgetika
Nichtopioidanalgetika
Bei der Gruppe der Nichtopioidanalgetika handelt es sich um eine heterogene Gruppe verschiedener Substanzen, den nichtsteroidalen Antiphlogistika (nichtselektive Zyklooxygenase-Hemmer), den selektiven Zyklooxygenase-Hemmern, den Pyrazolonderivaten, den Anilinderivaten und den Pyridinderivaten.
Heterogene Gruppe unterschiedlicher Substanzen.
Wirkprinzip: Die nichtsteroidalen Antiphlogistika und die selektiven Zyklooxygenase-Hemmer bewirken durch Hemmung der Zyklooxygenase 1 und/oder 2 eine Reduktion der Prostaglandinsynthese und dadurch in unterschiedlicher Ausprägung analgetische, antiphlogistische und antipyretische Effekte. Die nichtsteroidalen Antiphlogistika und der Zyklooxygenase 2-Hemmer Lumiracoxib sind Derivate organischer Säuren, die sich bevorzugt im sauren Milieu entzündlich veränderten Gewebes anreichern. Dem Pyrazolonderivat Metamizol wird sowohl ein zentraler Wirkansatz (Verstärkung der körpereigenen absteigenden Schmerzhemmung) als auch ein peripherer Wirkansatz (Hemmung der Zyklooxygenase 1 und 2 durch Metamizolmetabolite) zugeschrieben. Beim Anilinderivat Paracetamol wird die Hemmung der zentralen Prostaglandinsynthese angenommen. Der Wirkansatz des Pyridins Flupirtin ist bisher nicht geklärt.
Wirkprinzip: Nichtselektive und selektive Zyklooxygenase-Hemmer wirken über eine Hemmung der Zyklooxygenase 1 und/oder 2. Sie Hemmen die Prostaglandinsynthese und wirken in unterschiedlicher Ausprägung analgetisch, antiphlogistisch und antipyretisch.
Indikation: Nichtselektive und selektive Zyklooxygenase-Hemmer sind v. a. zur Behandlung akuter und postoperativer Schmerzen mit entzündlicher Komponente (z. B. im Rahmen unfallchirurgischer, orthopädischer Eingriffe, bei Patienten mit degenerativen Wirbelsäulen- oder Gelenkerkrankungen bzw. im Bereich der Tumorschmerztherapie bei Knochenmetastasen) indiziert. Metamizol wird aufgrund seiner spasmolytischen Wirkkomponente bevorzugt bei viszeralen Schmerzen (z. B. nach viszeralchirurgischen Eingriffen, bei Koliken, Peritonealkarzinose) bevorzugt eingesetzt. Paracetamol besitzt keinen ausgesprochenen Wirkungsschwerpunkt. Es zeichnet sich durch sein (bei korrekter Dosierung) günstiges Wirkungs-/Nebenwirkungsprofil aus. Flupirtin besitzt neben der analgetischen Wirkung muskelrelaxierende Eigenschaften. Nach größeren Operationen und bei stärkeren Schmerzen werden die erwähnten Substanzen gemäß WHO-Stufenschema (Tab. A-3.13, S. 92) in Kombination mit Opioiden zur Erweiterung des Wirkspektrums eingesetzt.
Indikation: v. a. zur Behandlung akuter und postoperativer Schmerzen mit entzündlicher Komponente. Das Pyrazolonderivat Metamizol besitzt zentrale (Verstärkung der körpereigenen absteigenden Schmerzhemmung) und periphere Wirkansätze (Hemmung der Zyklooxygenase 1 und 2 durch Metamizolmetabolite). Indikation: Viszerale Schmerzen (postoperative Schmerzen mit krampfartigem Charakter), Peritonealkarzinose. Das Anilinderivat Paracetamol wirkt wahrscheinlich über eine zentrale Prostaglandinsynthesehemmung. Bei korrekter Dosierung günstiges Wirkungs-/Nebenwirkungsprofil. Der Wirkansatz des Pyridinderivates Flupirtin ist bisher nicht geklärt. Es besitzt neben der analgetischen Wirkung muskelrelaxierende Effekte. Applikation: überwiegend oral oder rektal. Perioperativ intravenös als Bolus oder Kurzinfusion (schnellerer und zuverlässigerer Wirkeintritt). Die für die Einzelsubstanzen vorgesehenen Applikationswege müssen berücksichtigt werden.
Applikation: Im Allgemeinen werden Nichtopioidanalgetika überwiegend oral oder rektal appliziert. In der perioperativen Phase kann es aufgrund des schnelleren und zuverlässigeren Wirkeintritts sinnvoll sein, die Substanzen intravenös zu verabreichen. (Wahl des Applikationsweges ist abhängig von der substanzspezifischen Zulassung.) A-3.8
Wirkspektrum von Nichtopioidanalgetika
Substanz
antipyretische Wirkung
analgetische Wirkung
antiphlogistische Wirkung
Wirkungsweise
Salicylate (z. B. Acetylsalicylsäure)
mäßig
stark
stark
Hemmung der Prostaglandin-Synthese durch Hemmung der Zyklooxygenase 1 und 2
Anilinderivat (z. B. Paracetamol)
mäßig
mäßig
gering
nicht genau geklärt (diskutiert wird ein zentraler Wirkansatz)
Pyrazolonderivat (z. B. Metamizol)
stark
sehr stark (viszeraler Schmerz)
gering
geringe periphere zyklooxygenasehemmende Effekte, daher geringe gastrointestinale, renale und kardiale Toxizität
nichtselektive COXInhibitoren (z. B. Ibuprofen, Diclofenac, Naproxen)
mäßig
stark
stark
Hemmung der Prostaglandin-Synthese durch Hemmung der Zyklooxygenase 1 und 2
selektive COX-2-Inhibitoren (z. B. Parecoxib, Celecoxib, Etoricoxib, Lumiracoxib)
mäßig
mäßig bis stark
stark
selektive Hemmung der Zyklooxygenase 2
Flupirtin
keine
mäßig
keine
bisher nicht geklärt
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A
86 A-3.9
3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
Wichtige unerwünschte Wirkungen von Nichtopioidanalgetika
Organ
Nebenwirkungen
Gastrointestinaltrakt
Nichtselektive COX-Inhibitoren: Magenbeschwerden, Erosionen und Ulzera durch Minderung der Magensaftsekretion und Zytoprotektion ? in der chronischen Schmerztherapie immer in Kombination mit Magenschutzpräparaten verordnen, Diarrhö durch Störung der Darmmotilität, Blutungen. Selektive COX-2-Inhibitoren: Inzidenz gastroinestinaler Nebenwirkungen ist signifikant geringer als bei nichtselektiven COX-Inhibitoren.
Respirationstrakt
Bronchokonstriktion: Bei Hemmung des Enzyms Zyklooxygenase kommt es zur verstärkten alternativen Verstoffwechslung durch das Enzym Lipoxygenase. Die dabei entstehenden Leukotriene wirken bronchokonstriktorisch ? „Aspirin-Asthma“.
Blut, Gefäßsystem
Thrombozytenaggregationshemmung: durch nichtselektive COX-Inhibitoren reversible Hemmung, durch Acetylsalicylsäure irreversible Hemmung! Paracetamol und Parecoxib beeinflussen die Thrombozytenaggregation nicht. Agranulozytose: gefürchtete, aber sehr seltene NW. (Inzidenz bei Metamizol: 1 – 6/Million Anwendungen, kommt prinzipiell auch bei anderen Substanzen vor z. B. Antibiotika, ACE-Hemmer, Neuroleptika, nichtsteroidale Antiphlogistika, u. a.). Vasodilatation: bei zu schneller intravenöser Gabe von Metamizol ? Hypotonien (intravenöse Applikation möglichst immer als Kurzinfusion über ca. 15 min).
Niere
Nichtselektive und selektive COX-Inhibitoren: Natrium- und Wasserretention ? Ödeme ? Hyperkaliämie, Diureseminderung bis zum akuten Nierenversagen durch gestörte Durchblutungsregulation.
Herz – Kreislauf
Nichtselektive und selektive COX-Inhibitoren: Blutdruckanstiege, Herzinsuffizienzen. Metamizol: Hypotonien (besonders bei zu schneller i. v. Applikation).
ZNS
Kopfschmerzen, Schwindel, Hör- und Sehstörungen: prinzipiell durch alle Nichtopioide möglich, besonders häufig bei COX-Inhibitoren und Flupirtin.
Beim Einsatz der Nichtopioidanalgetika sind v. a. die Kontra- und Differenzialindikationen zu beachten.
A-3.10
Übersicht über Nichtopioidanalgetika
Die im Folgenden angegebenen Dosierungen beziehen sich auf Erwachsene, beim Einsatz bei Kindern sowie bei schwangeren oder stillenden Frauen vor Therapie Fachinformationen einsehen! Substanz
Dosierung
Indikationen
Kontraindikationen Anwendungsbeschränkungen
Antipyretische Analgetika Salicylate Acetylsalicylsäure (ASS)
■
max. 3 g/d
■
leichte bis mäßig starke Schmerzen wie Kopf- Zahn oder Regelschmerzen, Fieber
■
■
Allergie gegen nichtsteroidale Antiphlogistika, Leber- und Nierenversagen, höhergeradige Herzinsuffizienz Cave: irreversible Thrombozytenaggregationshemmung!
Pyrazolonderivat Metamizol (z. B. Novalgin®, Novaminsulfon®)
■
■ ■ ■
p. o.: 4 × 500 – 1000 mg/d (keine Retardpräparate verfügbar) rektal: 4 ×1000 mg/d i. v.: 4 ×1000 mg/d Kurzinfusion: z. B. 1 g Metamizol in 100 ml NaCl 0,9 % über 20 min (Gefahr kritischer Blutdruckabfälle bei zu schneller i. v. Gabe!)
■
■
■
starke, akute, insbesondere viszerale Schmerzen wegen ausgeprägter und schnell einsetzender spasmolytischer Wirkung (z. B. bei Koliken, nach abdominalchirurgischen, urologischen und gynäkologischen Eingriffen) Tumorschmerzen (z. B. bei Peritonealkarzinose) therapieresistentes hohes Fieber
■
■
■
■
Überempfindlichkeit gegen Pyrazolone und Pyrazolidine akute intermittierende hepatische Porphyrie, angeborener Glukose-6Phosphat-Dehydrogenasemangel (Hämolysegefahr), Störungen der Knochenmarksfunktion und Erkrankungen des hämatopoetischen Systems Fortsetzung "
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3.3 Schmerztherapie
A
A-3.10
87
Übersicht über Nichtopioidanalgetika (Fortsetzung)
Substanz
Dosierung
Indikationen
Kontraindikationen Anwendungsbeschränkungen
Anilinderivat Paracetamol (z. B. ben-u ron®, Enelfa®, Perfalgan®)
■
■ ■
■
p. o.: 4 × 500 – 1000 mg/d (keine Retardpräparate verfügbar) rektal: 4 ×1000 mg/d i. v.: 4 ×1000 mg/d (als Infusionslösung, wenn postoperativ enterale Gabe nicht möglich) max. 50 – 60 mg/kg KG/d
leichte bis mäßig starke Schmerzen, Fieber
■
■
■
Leberfunktionsstörungen, z. B. chronischer Alkoholmissbrauch, Leberentzündungen (cave: Entstehung lebertoxischer Metabolite bei Metabolisierung!) vorgeschädigte Niere, GilbertMeulengracht-Syndrom
Pyridinderivat Flupirtinmaleat (Katadolon®, Katadolon S long®)
■ ■
p. o.: 3 ×100 – 200 mg/d p. o. Retardpräparat: 1 ×400 mg/d
akute und chronische Schmerzen, die mit Muskelverspannungen einhergehen
■
■
Myasthenia gravis, Cholestase, hepatische Enzephalopathie (auch in der Vergangenheit)
Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID = non steroidal antiinflammatory Drugs, NSAR = nichtsteroidale Antirheumatika) nichtselektive COX-Inhibitoren (Substanzen/Präparate sind beispielhaft genannt) Diclofenac (z. B. Diclac®, Voltaren®)
■
■
■ ■
Ibuprofen (z. B. Dolgit®, Ibuflam®)
■ ■ ■
■
Naproxen (z. B. Proxen®, Aleve®)
■
■
■
p. o.: 3 × 50 mg/d oder 2 ×75 mg/d retardiert rektal: 1 ×100 mg/d, bei Bedarf zusätzlich 1 ×50 mg/d Supp. i. m./s.c.: 2 × 75 mg/d max. 150 mg/d p. o.: 3 × 400 – 800 mg/d rektal: 1 – 4 × 600 mg/d i. m./s.c.: einmalige Anwendung (Näheres s. Fachinformation) max. 2400 mg/d p. o.: 500 – 1250 mg/d verteilt auf 2 – 3 Einzelgaben rektal: 500 – 1250 mg/d verteilt auf 2 – 3 Einzelgaben max. 1250 mg/d
■
■
■
■ ■
Allgemein: alle Schmerzen mit begleitender entzündlicher Komponente Trauma- und Operationsschmerzen (z. B. bei unfallchirurgischen und orthopädischen Eingriffen, ZahnMund-Kiefer-Chirurgie), Muskel- und Gelenkschmerzen (bei degenerativen Wirbelsäulen- oder Gelenkerkrankungen), akute und chronische Arthritiden, rheumatoide Arthritis, Tumorschmerzen, Zahn- und Kopfschmerzen
■
■ ■ ■ ■ ■
■
Nieren- und höhergradige Herzinsuffizienz schwere arterielle Hypertonie Magen- oder Darmulzera Blutbildungsstörungen Unverträglichkeit Schwangerschaft im letzten Trimenon, strenge Indikationsstellung im 1. und 2. Trimenon Cave: strenge Indikationsstellung bei älteren bzw. multimorbiden Patienten, bei Ulkusanamnese sowie bei Komedikation mit Glukokortikoiden, ASS, Diuretika und antihypertensiven Substanzen!
selektive COX-2 Inhibitoren (Coxibe, selektive COX-2-Hemmer) Parecoxib (Dynastat®)
■ ■ ■
Celecoxib (Celebrex®) Etoricoxib (Arcoxia®)
■ ■
■
■
i. v.: 2 × 20 – 40 mg/d i. m.: 2 × 20 – 40 mg/d max. 80 mg/d p. o.: 1 – 2 ×100 – 200 mg/d max. 400 mg/d
■
■
p. o.: 1 ×60 – 120 mg/d (indikationsabhängig) max. 120 mg/d ■
Lumiracoxib (Prexige®)
■ ■
p. o.: 1 ×100 mg/d max. 100 mg/d
■
Indikation im Allgemeinen vergleichbar wie bei nichtsteroidalen Antiphlogistika Parecoxib: ausschließlich zur Behandlung postoperativer Schmerzen zugelassen. Die Thrombozytenaggregation bleibt unbeeinflusst (kein Risiko einer erhöhten Blutungsneigung) alle anderen: bevorzugt bei positiver gastrointestinaler Anamnese (wegen selektiver Hemmung der Zyklooxygenase 2 geringere gastrointestinale Toxizität)
■
■ ■ ■ ■ ■ ■
■
aktive peptische Ulzera oder gastrointestinale Blutungen, entzündliche Darmerkrankungen, Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz, schwere arterielle Hypertonie, schwere Leberfunktionsstörung, 3. Trimenon der Schwangerschaft und Stillzeit, strenge Indikationsstellung im 1. und 2. Trimenon Parecoxib und Celcoxib zusätzlich: Sulfonamidallergie
Gonarthrose
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3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
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A
Opioidanalgetika
Opioidanalgetika
Opioide sind Substanzen, deren gemeinsame Eigenschaft die Bindung an Opioidrezeptoren darstellt. Man unterscheidet niederpotente und hochpotente Opioide, reine Agonisten, Partialagonisten und Antagonisten. Zur Bedarfstherapie werden nichtretardierte Präparate und zur Basisschmerztherapie retardierte Präparate eingesetzt. Die Gefahr einer Abhängigkeitsentwicklung ist bei der Therapie akuter Schmerzen so gut wie nicht gegeben. Die größte Gefahr in der Akutanwendung ist die Atemdepression. Nach abruptem Absetzen einer Opioiddauertherapie treten regelhaft Entzugssymptome auf, daher stufenweise abdosieren! Bei Überdosierung können Opioide durch Naloxon antagonisiert werden.
Opioide sind natürliche, halbsynthetische oder synthetische Stoffe, deren gemeinsame Eigenschaft die Bindung an Opioidrezeptoren darstellt. Opioidrezeptoren (eingeteilt in µ-, κ-, und δ-Rezeptoren) finden sich auf Neuronen des zentralen und peripheren Nervensystems, auf Immunzellen und anderen Orten im Organismus. Man unterscheidet niederpotente und hochpotente Opioide. Zusätzlich lassen sich die Opioide aufgrund der unterschiedlichen intrinsischen Opioidrezeptoraktivitäten sowie ihrer Rezeptoraffinitäten in reine Agonisten (z. B. Morphin, Piritramid, Hydromorphon, Oxycodon, Levomethadon, u. A.), Partialagonisten (z. B. Buprenorphin) und Antagonisten (z. B. Naloxon) einteilen. In der Akutschmerztherapie kommen bevorzugt schnell wirkende parenteral applizierbare nichtretardierte Substanzen zum Einsatz (Bedarfstherapie). In der chronischen Schmerztherapie werden dagegen retardierte Präparate bevorzugt eingesetzt, die allerdings bei Schmerzspitzen, den sogenannten „Durchbruchsschmerzen“ durch die Gabe von schnell verfügbaren Applikationen supplementiert werden. Bei der Therapie akuter Schmerzen ist die Gefahr einer Abhängigkeitsentwicklung so gut wie nicht gegeben. Die Atemdepression stellt die größte Gefahr der Akutanwendung dar. Nach abruptem Absetzen einer längerfristigen Opioidtherapie treten regelhaft Entzugssymptome in unterschiedlicher Ausprägung auf (z. B. Unruhe, Angst, Übelkeit, Schwitzen, Schlaflosigkeit, Tränenfluss, Mydriasis, Krämpfe, Zittern, Blutdruck- und Pulsanstieg, Schmerzen), weshalb sie langsam, stufenweise abdosiert werden. Im Fall einer Überdosierung können Opioide durch Naloxon (im Notfall: 0,1 – 0,4 mg i. v. fraktioniert, ggf. Wiederholung nach klinischer Notwendigkeit, z. B. nach 3 – 5 min. Cave: unsichere Wirkung bei Buprenorphin aufgrund dessen hoher Rezeptoraffinität!) antagonisiert werden. Anschließend ist wegen der kurzen Wirkdauer des Naloxons eine engmaschige Überwachung des Patienten erforderlich (z. B. auf einer Überwachungsstation). Neben der Analgesie sind weitere typische opioidbedingte Effekte Tab. A-3.11 zu entnehmen.
A-3.11
zentral
peripher
Opioidbedingte „Nebenwirkungen“ Wirkung, Nebenwirkung
praktische Hinweise
Übelkeit, Erbrechen (Früheffekt, meist nur zu Beginn der Behandlung wegen Toleranzentwicklung)
prophylaktisch Kombination mit Antiemetika, z. B. Metoclopramid (3 × 30 Tropfen/d) oder Haloperidol (3 × 5 – 10 Tropfen/d)
Atemdepression
klinisch manifeste Atemdepression ist bei indikationsgerechter Gabe und Patientenüberwachung selten (Atemdepression in der Regel bei Überdosierung oder Kombination mit anderen atemdepressiven Medikamenten, z. B. Benzodiazepinen) Cave: Vigilanzminderung und Abfall der AF 5 10/min sind deutliche Warnzeichen!
Sedierung und Anxiolyse
keine Fahrtüchtigkeit!
Hustendämpfung
Einsatz als Antitussivum z. B. Codein.
Euphorie, Dysphorie, psychotrope Effekte (z. B. Albträume)
Albträume können durchaus ein Grund sein das Opioid zu wechseln.
Abhängigkeit und Toleranz
bei Therapie akuter Schmerzen geringe Abhängigkeitsgefahr, jedoch bei Langzeittherapie möglich.
Miosis Obstipationsneigung durch Bindung an Opioidrezeptoren des Plexus myentericus des Darms
begleitend Laxanziengabe (meist dauerhaft nötig)
Histaminliberation
generalisierter Juckreiz
spasmogene Wirkung auf glatte Muskulatur: spastische Obstipation, Harnverhalt, Gallenwegsspasmen)
wird immer wieder diskutiert, die klinische Relevanz ist letztlich unklar
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A
A-3.12
3.3 Schmerztherapie
89
Übersicht über Opioidanalgetika
Substanz
Dosierung
Potenz zu Morphin
Indikationen
Bemerkungen
Die im Folgenden angegebenen Dosierungen beziehen sich auf Erwachsene, beim Einsatz bei Kindern sowie bei schwangeren oder stillenden Frauen vor Therapie Fachinformationen einsehen! niederpotente Opioide (nicht BtM-rezeptpflichtig) Tramadol (z. B. Tramal®, Tramundin®)
i. v./i. m.: Einzeldosierungen 50 – 100 mg p. o./rektal: Einzeldosierungen 50 – 100 mg Wirkdauer nichtretardierter Präparate 4 – 6 h, retardierte Präparate 8 – 12 h max. 600 mg/d
1 : 10 bezogen auf die orale Applikation
Tilidin + Naloxon (z. B. Valoron N®, Andolor®)
p. o.: Einzeldosierungen 50 – 100 mg Wirkdauer nichtretardierter Präparate 4 – 6 h, retardierte Präparate 8 – 12 h max. 600 mg/d
1 : 10 bezogen auf die orale Applikation
s. o.
Zusatz von Naloxon (Antagonist) wegen Missbrauchsgefahr
Dihydrocodein (z. B. DHC Rettbl®, Tiamon®)
p. o.: 60/90/120 mg max. 240 mg/d
1 : 5 bis 1 : 2 bezogen auf die orale Applikation
s. o.
ausgeprägte Obstipationsneigung
akute und chronische Schmerzen, d. h. sowohl postoperative posttraumatische Schmerzen, Tumorschmerzen, als auch chronische nichtmaligne Schmerzen
■
■
zusätzliche Wirkung über noradrenerge und serotinerge Mechanismen, relativ stark emetogen Würzburger Schmerztropf: wird in verschiedenen Modifikationen angewendet, z. B. 400 mg Tramadol in Kombination mit 5 g Metamizol und ggf. zusätzlich ein Antiemetikum, kontinuierliche i. v. Gabe. mithilfe programmierbarer Infusionspumpen
hochpotente Opioide (BtM-rezeptpflichtig, Ausnahme: Notfallverordnungen; in diesem Fall muss ein BtM-Rezept nachgereicht werden!) Morphin (z. B. Capros®, MST®, Sevredol®)
p. o./rektal: ab 10 mg i. v.: 1 – 2 mg als PCA (patientenkontrollierte Analgesie); ab 3 – 5 mg als Kurzinfusion i. m./s.c.: ab 5 mg max.: Eine medizinisch begründete Höchstdosis ist nicht definiert, sie richtet sich nach Wirkung und Nebenwirkungen des Präparates beim individuellen Patienten
Hydromorphon (Dilaudid®, Palladon®, Jurnista®)
p. o.: 1,3 – 64 mg i. v., i. m. s.c.: 1 mg max.: Eine medizinisch begründete Höchstdosis ist nicht definiert, sie richtet sich nach Wirkung und Nebenwirkungen des Präparates beim individuellen Patienten
ca. 5 – 7: 1 bezogen auf die orale Applikation
s. Morphin
Oxycodon (Oxygesic®) Oxycodon/ Naloxon (Targin®)
p. o.: ab 10 mg bzw. 10/5 mg Oxycodon: Eine medizinisch begründete Höchstdosis ist nicht definiert, sie richtet sich nach Wirkung und Nebenwirkungen des Präparates beim individuellen Patienten Oxycodon/Naloxon: Auf Grund des Naloxonanteils Dosisbegrenzung bei 2 × 20 mg, bei der medizinischen Notwendigkeit höherer Dosierungen, Kombination mit Oxycodon
2:1 bezogen auf die orale Applikation
s. Morphin
starke Schmerzen, d. h. sowohl postoperative posttraumatische Schmerzen, Tumorschmerzen, als auch chronische nichtmaligne Schmerzen, bei denen das Stufenschema III der WHO angewendet wird.
■
■
Kumulation aktiver Metabolite bei Niereninsuffizienz orale Bioverfügbarkeit 30 %, d. h. Dosis enteral : i. v.= 3 : 1
keine aktiven Metabolite, daher bei Leber- und Niereninsuffizienz eher geeignet als Morphin
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der Naloxonanteil im Oxycodon/Naloxon soll die opioidbedingte Obstipation reduzieren (lokale Bindung an µ-Rezeptoren im Plexus myentericus des Darmes). bei Umstellung von Oxycodon auf Oxycodon/Naloxon sind Durchfälle möglich. Fortsetzung "
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A
90 A-3.12
3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
Übersicht über Opioidanalgetika (Fortsetzung)
Substanz
Dosierung
Potenz zu Morphin
Indikationen
Bemerkungen
Piritramid (Dipidolor®)
nach Wirkung i. v.: 1 – 2 mg als PCA (patientenkontrollierte Analgesie); ab 3 – 5 mg als Kurzinfusion i. m./s.c.: ab 5 mg max.: Eine medizinisch begründete Höchstdosis ist nicht definiert, sie richtet sich nach Wirkung und Nebenwirkungen des Präparates beim individuellen Patienten
0,7: 1
s. Morphin
nur parenteral verfügbar, gute Verträglichkeit, relativ geringe emetische Wirkung
Fentanyl (z. B. Actiq® Lutschtabletten, Durogesic SMAT®, Fentanyl Pflaster Generika)
transdermal (Membranpflaster): beginnend ab 12 µg/h transmukosal: ab 200 µg/Einzeldosis Die intravenöse Applikation von Fentanyl erfolgt innerhalb der Narkoseführung bzw. in der Intensivmedizin. Die Dosierung erfolgt auch hier bedarfsadaptiert (s. Lehrbücher der Anästhesie bzw. Intensivmedizin) max.: Eine medizinisch begründete Höchstdosis ist nicht definiert, sie richtet sich nach Wirkung und Nebenwirkungen des Präparates beim individuellen Patienten
i. v. 125 : 1
s. Morphin
Buprenorphin (z. B. Transtec PRO®, Temgesic s.l.®)
i. v.: 20 – 30 µg als PCA (patientenkontrollierte Analgesie); 0,1 – 0,3 mg bei langsamer Injektion s.l.: ab 0,2 mg transdermal: ab 35 µg/h
30 – 40 : 1
Pethidin (z. B. Dolantin®)
i. v.: 25 – 50 mg bei langsamer Injektion s.c./i. m.: 25 – 150 mg rektal: 100 mg max. 500 mg/d
0,1 – 0,2 : 1
Koanalgetika 왘 Definition
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s. Morphin
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s. Morphin
25 µg/h Pflaster entspricht ca. 60 – 90 mg Morphin oral Pflasterwechsel 3-tägig (vereinzelt 2-tägig)
Partialagonist! Zurückhaltende Kombination mit reinen Agonisten. Pflasterwechsel 3,5-tägig
25 mg i. v. beendet i.d.R. das kältebedingte Muskelzittern in der direkten postoperativen Phase.
Koanalgetika 왘 Definition. Es handelt sich um Substanzen, die selbst antinozizeptiv wirken
ohne selbst „klassische“ Analgetika zu sein. Sie werden im Rahmen des WHOStufenschemas mit Nichtopioiden und Opioiden kombiniert und wirken additiv zu diesen.
Antidepressiva werden bevorzugt zur Therapie chronischer Schmerzen wie z. B. bei neuropathischen Schmerzen, chronischen Spannungskopfschmerzen, Rückenschmerzen und Fibromyalgie eingesetzt.
In dieser Gruppe sind vorrangig die Antidepressiva und Antiepileptika zu nennen. Antidepressiva werden bevorzugt zur Therapie chronischer Schmerzen (z. B. bei neuropathischen Schmerzen, chronischen Spannungskopfschmerzen, Rückenschmerzen und Fibromyalgie) eingesetzt. Als Wirkmechanismus wird eine Aktivierung des körpereigenen absteigenden schmerzhemmenden serotonergen/noradrenergen Systems angenommen. Nach aktuellen Studien sind neben den nichtselektiven Wiederaufnahmehemmern (z. B. Amitriptylin) Substanzen wie Mirtazepin analgetisch am wirksamsten. Bei Einsatz von Antidepressiva unter analgetischen Gesichtspunkten ist zu beachten, dass die analgetisch wirksame Dosierung i.d.R. deutlich unterhalb der antidepressiven Dosis liegt. Die Patienten müssen darüber informiert werden, dass die schmerzreduzierende Wirkung erst nach mehreren Tagen eintritt.
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3.3 Schmerztherapie
91
Antiepileptika (z. B. Gabapentin, Pregabalin, Carbamazepin, Oxcarbazepin) erhöhen durch eine Blockade neuronaler Kalzium- und Natriumkanäle die Reizschwelle der Nerven und werden v. a. zur Behandlung neuropathischer Schmerzen (wie z. B. Trigeminusneuralgie, Phantomschmerzen, Nervenläsionen und postzosterischer Neuralgie) eingesetzt. Auch bei dieser Substanzklasse müssen die Patienten darüber informiert werden, dass die schmerzreduzierende Wirkung erst nach mehreren Tagen eintritt.
Antiepileptika werden v. a. zur Behandlung neuropathischer Schmerzen eingesetzt. Die Patienten müssen bei beiden Substanzklassen darüber informiert werden, dass die schmerzreduzierende Wirkung erst nach mehreren Tagen eintritt.
A
왘 Merke. Da zu Beginn der Therapie mit Koanalgetika häufig Müdigkeit und
왗 Merke
Sedierung auftreten, sollten diese immer einschleichend dosiert werden.
Adjuvanzien 왘 Definition. Hierbei handelt es sich um nicht analgetische Medikamente, die
Adjuvanzien 왗 Definition
bei den meisten Patienten im Rahmen einer medikamentösen Schmerztherapie benötigt werden, um substanzspezifische Begleiteffekte zu reduzieren bzw. zu verhindern. Bei längerfristigem Einsatz von nichtsteroidalen Antiphlogistika sollten zur Vermeidung von gastrointestinalen Nebenwirkungen (z. B. Entzündungen des oberen Gastrointestinaltraktes) entsprechende Magenschutzpräparate eingesetzt werden. Bei Verordnung von Coxiben wird zwar eine verminderte Inzidenz unerwünschter gastrointestinaler Effekte beobachtet, im Einzelfall können diese aber nicht ganz verhindert werden. Protonenpumpenhemmer (z. B. Omeprazol, Pantoprazol, etc.) sowie das synthetische Prostaglandin Misoprostol werden als wirksamste Substanzen eingestuft. Über häufige Begleiterscheinungen einer Opioidtherapie wie anfängliche Übelkeit und anhaltende Obstipationsneigung sollten die Patienten zu Beginn der Therapie aufgeklärt werden. Außerdem sollten bereits prophylaktisch Antiemetika (Metoclopramid, Domperidon) und Laxanzien (z. B. Bisacodyl, Laktulose) verordnet werden. Während die antiemetische Behandlung häufig nach einigen Wochen beendet werden kann, benötigen die meisten Patienten die zusätzliche Gabe von Laxanzien dauerhaft.
Bei längerfristigem Einsatz von nichtsteroidalen Antiphlogistika sollten ergänzend Magenschutzpräparate (bevorzugt Protonenpumpenhemmer und Misoprostol) gegeben werden.
Bei Opioidtherapie sollten Antiemetika und Laxanzien bereits prophylaktisch verordnet werden.
3.3.3 Perioperative Schmerztherapie
3.3.3 Perioperative Schmerztherapie
Konventionelles Vorgehen
Konventionelles Vorgehen
Das übliche Verfahren zur Behandlung perioperativer Schmerzen ist die nichtinvasive systemische Kombinations-Schmerztherapie, d. h. unabhängig von Pumpen oder Katheterverfahren. Analog der Therapie von tumorbedingten Schmerzen wird gemäß des dreistufigen WHO-Schemas die Gabe von Nichtopioidanalgetika als Basismedikation empfohlen (Prüfung von Kontraindikationen!), welche bei Bedarf mit Opioiden unterschiedlicher Wirkstärke kombiniert werden (Tab. A-3.13).
Üblicherweise erfolgt die Behandlung perioperativer Schmerzen durch eine nichtinvasive systemische Kombinationsschmerztherapie aus Nichtopioiden und Opioiden angelehnt an das Stufenkonzept der WHO (Tab. A-3.13).
왘 Merke. Um einen optimalen Behandlungserfolg zu erzielen, sollten die Nichtopioidanalgetika grundsätzlich nach einem festen Zeitschema mit fixierten Dosisintervallen verabreicht werden. Opioide werden zusätzlich abhängig vom Schmerzniveau (evtl. anfangs nach Zeitschema, später bei Bedarf) appliziert.
Die Therapie mit Nichtopioidanalgetika im Rahmen der „prophylaktischen Analgesie“ sollte zu einem möglichst frühen Zeitpunkt beginnen (im Idealfall erwacht der Patient bereits mit einem ausreichenden Analgetikum-Wirkspiegel aus der Anästhesie). Geeignete, intravenös verfügbare Analgetika zur parenteralen Applikation sind z. B. Metamizol, Parecoxib und Paracetamol. Alternativ kann die prophylaktische Analgetikagabe auch präoperativ unter Beachtung der
왗 Merke
Falls möglich, sollten im Rahmen der „prophylaktischen Analgesie“ Nichtopioide möglichst frühzeitig appliziert werden. Postoperativ werden diese durch die Gabe von Opioiden nach dem Prinzip der Titration supplementiert.
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92 A-3.13
A
3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
A-3.13
Richtlinien zur postoperativen Schmerztherapie gemäß WHO-Schema
Basisanalgesie bei leichten Schmerzen (= WHO-Stufe I) Knochen- und Nichtopioidanalgetika: Weichteiloperationen 1. Wahl: Ibuprofen oder Diclofenac 2. Wahl: Metamizol 3. Wahl: Paracetamol Viszeral- und Retroperitonealoperationen
Nichtopioidanalgetika: 1. Wahl: Metamizol 2. Wahl: Ibuprofen oder Diclofenac 3. Wahl: Paracetamol
zusätzlich bei stärkeren Schmerzen (= WHO-Stufe II) Knochen- und niederpotentes Opioid (z. B. Tramadol, Tilidin/ Weichteiloperationen Naloxon). Das Nichtopioidanalgetikum wird gemäß WHO Stufe I weiter gegeben (s.o.). Viszeral- und Retroperitonealoperationen anstatt des niederpotenten Opioides bei stärksten Schmerzen (= WHO-Stufe III) Knochen- und hochpotentes Opioid (z. B. Piritramid). Das NichtWeichteiloperationen opioidanalgetikum wird gemäß WHO Stufe I weiter gegeben (s.o.). Viszeral- und Retroperitonealoperationen
Kontraindikationen enteral, d. h. oral oder rektal erfolgen. Postoperativ werden Opioide nach dem Prinzip der Titration supplementiert, d. h. die Gabe erfolgt nach Bedarf repetitiv in kleinen Opioidboli. 왘 Merke
Ergänzend zur medikamentösen Therapie wird die Anwendung physikalischer Verfahren empfohlen. 왘 Merke
왘 Merke. Bei der präoperativen Gabe von NSAID sind zwingend die Kontraindikationen zu beachten, da beispielsweise bei einem Patienten mit vorbestehender kompensierter Niereninsuffizienz eine perioperative Hypovolämie unter gleichzeitiger analgetikabedingter Prostaglandinsynthesehemmung die renale Situation folgenschwer verschlechtern kann.
Ergänzend zur medikamentösen Therapie wird die Anwendung physikalischer Verfahren wie Ruhigstellung sowie Kälte-, Wärmeapplikation und transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) empfohlen. 왘 Merke. Die „klassischen Schmerzpflaster“ sind nicht für die postoperative
Analgesie geeignet, da die Zeit bis zum vollen Wirkeintritt dieser Systeme mit 12 – 18 Stunden zu lang ist und die abgegebene Opioiddosis zur Therapie akuter Schmerzen fest vorbestimmt ist. Unter- bzw. Überdosierungen sind damit wahrscheinlich (abhängig vom individuellen Schmerzniveau). Patientenkontrollierte Analgesie (PCA) 왘 Definition
Die PCA ist inzwischen weit verbreitet zur postoperativen Schmerzkontrolle bei Patienten mit hohem Opioidbedarf. Sie wird häufig nach größeren abdominellen, thorakalen oder muskuloskelettalen Eingriffen oder auch in der Onkologie eingesetzt. Zu Applikationsformen siehe Tab. A-3.14.
Patientenkontrollierte Analgesie (PCA) 왘 Definition. Der Patient bestimmt (als selbst Betroffener) selbst, wann er ein Analgetikum benötigt und kann sich dieses in vorgegebenen Dosisgrenzen eigenständig zuführen. Im klinischen Alltag erfolgt dies mithilfe eines computergesteuerten programmierbaren Infusionsgerätes. Die Grenzen werden hierbei vor Therapiebeginn programmiert.
Dieses effektive Verfahren zur postoperativen Schmerzkontrolle bei Patienten mit hohem Opioidbedarf ist inzwischen weit verbreitet. Die PCA wird häufig z. B. nach größeren abdominellen, thorakalen oder muskuloskelettalen Eingriffen oder auch in der Onkologie eingesetzt. Zu Applikationsformen siehe Tab. A-3.14.
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A
A-3.14
3.3 Schmerztherapie
Applikationsformen bei patientenkontrollierter Analgesie (PCA)
Applikationsform
Indikationen
Medikamente
intravenöse PCA (PCIA)
nach größeren abdominal-, thoraxchirurgischen oder muskuloskelettalen Operationen, in der Onkologie
meist Opioide: Piritramid oder Morphin
epidurale PCA (PCEA – über Periduralkatheter)
Mischung aus Lokalanästhetikum und lipophilem Opioid (z. B. Ropivacain und Sufentanil)
über periphere Regionalanästhesie-Katheter
im Rahmen von Extremitäteneingriffen
93 A-3.14
Lokalanästhetikum kontinuierlich + Lokalanästhetikaboli bei Bedarf
Obwohl die gefürchtete Gefahr einer opioidbedingten Atemdepression gering ist, muss der Patient darüber aufgeklärt werden und eine engmaschige Überwachung gewährleistet sein, um mögliche Komplikationen frühzeitig kontrollieren und die Therapie ggf. modifizieren zu können. Daher sollte der Patient zur Erhebung der aktuellen Schmerzstärke, zur Dokumentation des Medikamentenverbrauchs und zur Kontrolle der adäquaten Bedienung des Gerätes mindestens zweimal täglich visitiert werden. Als Neuerung gibt es seit kurzer Zeit die Möglichkeit iontophoretische Pflaster einzusetzen, bei denen der Patient sich entsprechend des Prinzips der patientenkontrollierten Analgesie durch Betätigung eines Knopfes aus dem Pflaster Opioidboli (Fentanyl) anfordern kann. Diese Pflaster wurden speziell für den perioperativen Einsatz konzipiert, über die „Anforderungstaste“ ist eine dem individuellen Schmerzniveau angepasste Dosierung möglich.
Die Therapie sollte im Idealfall durch einen spezialisierten Akutschmerzdienst (mehrere Visiten täglich) engmaschig überwacht werden.
3.3.4 Tumorschmerztherapie
3.3.4 Tumorschmerztherapie
Im Laufe einer Tumorerkrankung leiden bis zu 90 % der Patienten an Schmerzen. Die möglichen Schmerzursachen zeigt Tab. A-3.15:
Schmerzursachen (Tab. A-3.15).
A-3.15
Schmerzursachen bei Tumorerkrankungen
Ursachen
Beispiele
tumorbedingt
Tumorinfiltration in Weichteile, Knochen, Nervengewebe, pathologische Fraktur, Peritonealkarzinose
therapiebedingt
Polyneuropathie nach Chemotherapie/Radiatio, Strahlenfibrose, Mukositis, postoperative Schmerzen, Stumpf- und Phantomschmerzen nach Amputationen
tumorassoziiert
Herpes zoster und postherpetische Neuralgie, Lymphödem, Dekubitus,
tumorunabhängig
vorbestehende Schmerzen aller Art
Allgemeine Richtlinien zur Behandlung von Tumorschmerzen: ■ Basisanalgesie nach festgelegtem Behandlungsplan kombiniert mit Bedarfsmedikation bei Schmerzspitzen (sog. Durchbruchschmerzen). ■ ausreichend hohe Dosierung, Verordnung möglichst lang wirkender retardierter Präparate als Basisanalgetika sowie schnell wirkender Analgetika als Bedarfsmedikation. ■ bevorzugt orale, rektale oder transdermale Applikation (Patient bleibt unabhängiger). ■ zusätzlich Adjuvanzien und ggf. Koanalgetika. ■ regelmäßige Kontrollen von Wirkungen und möglichen Nebenwirkungen. ■ möglichst exakte Einnahmeanleitung.
Eine Neuerung stellen die iontophoretischen Fentanylpflaster dar, bei denen der Patient per Knopfdruck aus dem Pflaster Opioidboli anfordern kann.
A-3.15
Allgemeine Richtlinien zur Behandlung von Tumorschmerzen: ■ Basisanalgesie nach Zeitplan, Bedarfsmedikation bei Schmerzspitzen. ■ ausreichend hohe Dosierung möglichst retardierter Präparate + schnell wirkende Substanzen bei Schmerzspitzen. ■ bevorzugt orale, rektale oder transdermale Applikation. ■ zusätzlich Adjuvanzien und ggf. Koanalgetika. ■ regelmäßige Kontrollen von Wirkungen und möglichen Nebenwirkungen. ■ möglichst exakte Einnahmeanleitung.
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3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
94
A
Die medikamentöse Therapie erfolgt entsprechend des WHO-Stufenschemas zur Behandlung von Tumorschmerzen (Tab. A-3.13). Zusätzlich sollten Adjuvanzien (Magenschutzpräparate, Antiemetika, Laxanzien) und Koanalgetika (Antiepileptika und Antidepressiva) gegeben werden (S. 90).
Die medikamentöse Behandlung tumorbedingter chronischer Schmerzen orientiert sich an dem Stufenschema der Weltgesundheitsorganisation (WHO) (Tab. A-3.13, S. 92). In der Praxis der Tumorschmerztherapie ist es üblich, die Basisanalgesie zur Kontrolle unerwarteter Schmerzspitzen (sog. Durchbruchschmerzen) durch nichtretardierte schnell wirksame Opioide als Bedarfsmedikation zu supplementieren (z. B. nichtretardiertes Morphin, Morphintropfen, und -tabletten, Hydromorphonkapseln, Fentanyllutschtabletten oder Buprenorphin-Sublingualtabletten) (s.o.). Zusätzlich darf der Einsatz von Adjuvanzien (z. B. Magenschutzpräparate, Antiemetika, Laxanzien) und Koanalgetika (z. B. Antiepileptika und Antidepressiva) nicht vergessen werden (S. 90).
왘 Merke
왘 Merke. In Stufe II und III die Nichtopioide in Kombination mit mittel- und
hochpotenten Opioiden weitergeben! Diese dürfen nicht, wie es häufig praktiziert wird, abgesetzt werden, da sich die spezifischen Wirkcharakteristika beider Analgetikagruppen gut ergänzen und für eine erfolgreiche Therapie unerlässlich sind. Die Medikamente sollten bevorzugt oral, transdermal oder rektal verabreicht werden. Die subkutane Opioidgabe ist indiziert, wenn die enterale Zufuhr nicht mehr möglich ist. Dies ist meist bei hochpalliativen Patienten mit nur noch sehr begrenzter Lebenserwartung der Fall. Rückenmarksnahe Analgesieverfahren (subarachnoidal, peridural) sind bei Patienten mit konventionell schwer therapierbaren Schmerzen (z. B. intraabdominellen Tumoren, bzw. Tumoren im kleinen Becken) geeignet.
Vorteilhaft ist die Möglichkeit der Reduktion der Opioiddosis. Zusätzlich können weitere Substanzen (Lokalanästhetika, Clonidin) gegeben werden. Ein neues Verfahren ist die Blockade von Kalziumkanälen auf nozizeptiven Neuronen durch Ziconotid. Nachteilig ist die Kosten- und Organisationsintensität bei der Betreuung von Patienten mit diesen technisch aufwendigen Verfahren. Zusätzlich sollten strahlentherapeutische, nuklearmedizinische, operative und chemotherapeutische Methoden zur Analgesie genutzt werden.
Die Applikation der Medikamente sollte nach Möglichkeit oral, transdermal (Buprenorphin und Fentanyl) oder rektal erfolgen, um die Autonomie des Patienten möglichst weitgehend aufrechtzuerhalten. Alternativ kann die Schmerztherapie subkutan (z. B. über eine extern tragbare Medikamentenpumpe) erfolgen, wenn die enterale Zufuhr nicht möglich ist. Die subkutane Opioidgabe ist v. a. bei hochpalliativen Patienten mit nur noch sehr begrenzter Lebenserwartung indiziert, da so die Analgetikadosis bedarfsorientiert und gut steuerbar titriert werden kann. Bei Patienten mit Tumoren im Abdominalbereich (z. B. Sigma- oder Ovarialkarzinom) besteht häufig neben einem hohen Analgetikabedarf zusätzlich eine gastrointestinale Passagestörung (z. B. Subileus bei Peritonealkarzinose) oder bei Tumoren im kleinen Becken eine Infiltration des Plexus lumbosacralis. Hier bietet sich im Einzelfall bei i.d.R. schwer therapierbaren Schmerzen ein rückenmarksnahes Verfahren zur Analgetikagabe, z. B. subarachnoidal, seltener peridural an. Der Vorteil besteht darin, dass sich die benötigte Opioiddosis (i.d.R. Morphin) so auf ca. 1 % (bei subarachnoidaler Gabe) der oralen Dosis reduzieren lässt. Zusätzlich können bei der rückenmarksnahen Therapie Lokalanästhetika oder Clonidin verabreicht werden. Clonidin aktiviert im Hinterhorn des Rückenmarks α2-Rezeptoren, wodurch letztlich die Erregbarkeit des zweiten nozizeptiven Neurons gehemmt wird. Als neue Methode der spinalen Schmerzkontrolle ermöglicht ein subarachnoidal implantierter Katheter auch die Anwendung des Kalziumkanalblockers Ziconotid (Prialt®). Dieser blockiert spezifisch Kalziumkanäle auf nozizeptiven Neuronen. Nachteilig ist die Kosten- und Organisationsintensität bei der Betreuung von Patienten mit diesen technisch aufwendigen Verfahren (z. B. „rund um die UhrBetreuung“ durch geschulte Hausärzte, Hausbetreuungsdienste). Neben der medikamentösen Schmerztherapie sollte immer auch die zusätzliche Anwendung strahlentherapeutischer, nuklearmedizinischer, operativer oder chemotherapeutischer Verfahren zur Schmerzreduktion erwogen werden. Ebenso dient die operative Versorgung pathologischer Frakturen sowie die Bestrahlung und Behandlung von Knochenmetastasen mit Radioisotopen neben einer Stabilisierung des Bewegungsapparates der Linderung von Schmerzen.
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A
3.4
3.4 Ernährung
95
Ernährung
3.4
Ernährung
Jörg Schröder
3.4.1 Grundlagen
3.4.1 Grundlagen
Das Prinzip der postoperativen Ernährung besteht in einer an die Stoffwechselsituation angepassten Zufuhr der Komponenten des täglichen Nahrungsbedarfs mit dem Ziel einer anabolen Stoffwechsellage. Nach Dudrick (1971) ist eine künstliche Ernährung dann indiziert, wenn der Patient nicht essen kann, darf oder will. Primär erfolgt die Nahrungszufuhr nach schweren Verletzungen und großen Operationen als physiologische Form der Ernährung auf enteralem Weg. Nur wenige Indikationen erfordern eine parenterale Verabreichung der Nahrung.
Das Prinzip der postoperativen Ernährung besteht in einer an die Stoffwechselsituation angepassten Zufuhr der Komponenten des täglichen Nahrungsbedarfs und erfolgt primär auf dem physiologischen enteralen Weg.
Indikationen zur parenteralen Ernährung (S. 104) sind: ■ nicht funktionsfähiger Gastrointestinaltrakt, ■ Störung der Nahrungspassage mit Unmöglichkeit der oralen Ernährung (z. B. bei Stenosen, Verätzungen des Ösophagus).
Indikationen zur parenteralen Ernährung (S.104) sind: ■ nicht funktionsfähiger Gastrointestinaltrakt, ■ Störung der Nahrungspassage.
3.4.2 Komponenten der Ernährung
3.4.2 Komponenten der Ernährung
Die unterschiedlichen Komponenten der Ernährung werden in Abhängigkeit vom klinischen Zustand des Patienten gewählt (z. B. nach Operation oder Trauma, bei Leber- oder Niereninsuffizienz). Dabei muss die Zusammensetzung des Nährstoffangebotes an die Art und das Ausmaß der vorhandenen Stoffwechselveränderung angepasst werden (bedarfsadaptierte Ernährung). Zu wichtigen substanzspezifischen und ernährungstherapeutisch wichtigen Aspekten, s. Tab. A-3.16.
Die unterschiedlichen Nahrungskomponenten werden in Abhängigkeit vom klinischen Zustand des Patienten gewählt. Die Zusammensetzung der Nährstoffe muss an die Art und das Ausmaß der vorhandenen Stoffwechselveränderung angepasst werden (Tab. A-3.16).
A-3.16
Komponenten der Ernährung
Einzelkomponenten
substanzspezifische physiologische Aspekte
ernährungstherapeutisch relevante Aspekte
siehe Kapitel „Volumentherapie“ (S. 67)
■
siehe Kapitel „Volumentherapie“ (S. 67)
■
Flüssigkeit hyper-, iso-, hypoosmolare Flüssigkeit
Tagesbedarf: ca. 30 – 40 ml/kg KG/d
Elektrolyte Natrium, Kalium, Kalzium, Magnesium, Phosphat
Tagesbedarf (orientierend): Natrium (1,5 mmol/kg KG/d), Kalium (1 mmol/kg KG/d), Kalzium (0,1 mmol/kg KG/d), Magnesium (0,1 mmol/kg KG/d), Phosphat (0,2 mmol/kg KG/d)
Nährstoffe Kohlenhydrate Glukose
■
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Nichtglukosehaltige Kohlenhydrate
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wichtigstes und am schnellsten verfügbares Substrat im Energiehaushalt unter normalen Bedingungen Hauptenergielieferant für Zentralnervensystem, Blutzellen und Nieren (partiell) stimuliert die Insulinfreisetzung und wirkt unter normalen Stoffwechselbedingungen katabol alternative Energielieferanten (partieller Ersatz für Glukose) Effekt einer niedrigeren Katabolierate insulinunabhängige Verstoffwechslung
■ ■
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Tagesbedarf: 3 – 4 g/kg KG/d (1 g = 4 kcal) Gabe in Form von Glukoselösungen oder Glukoseaustauschstoffen Präparate: 5-, 10-, 20-, 40-, 50 %ige Glukoselösung (4 10 %ige Lösungen über ZVK infundieren!) unter bestimmten Stoffwechselveränderungen (z. B. im Postaggressionsstoffwechsel, s. u.) Verabreichung in Kombination mit Glukose Fortsetzung "
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A
96 A-3.16
3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
Komponenten der Ernährung (Fortsetzung)
Einzelkomponenten
substanzspezifische physiologische Aspekte
ernährungstherapeutisch relevante Aspekte
Nichtglukosehaltige Kohlenhydrate Fruktose
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Sorbit
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Xylit
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Aminosäuren (AS)
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essenzielle AS: Histidin, Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan, Valin bedingt essenzielle AS: Arginin, Cystein, Glutamin, Serin, Tyrosin nicht essenzielle AS: Alanin, Asparagin, Asparaginsäure, Glutaminsäure, Glycin, Prolin
Fette ■ mittel- und langkettige Fettsäuren (Anzahl der Kohlenstoffatome)
■
gesättigte und ungesättigte Fettsäuren (Anzahl der Doppelbindungen zwischen den Kohlenstoffatomen)
täglicher Nahrungsbestandteil als Bestandteil des Rohrzuckers
■
im Organismus Umwandlung in Fruktose mit anschließender Oxidation über Zitratzyklus und Atmungskette als Zwischenprodukt des Pentosephosphat-Zyklus Bestandteil der Glykolyse
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wesentliche Bestandteile von Strukturproteinen (z. B. Zellwandproteine, Kollagen), Hormonen, Mediatoren, Enzymen und von Transportproteinen können vom Körper nicht selbst synthetisiert werden
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können vom Körper synthetisiert werden
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können bei Gesunden vom Körper synthetisiert werden. Unter pathologischen Bedingungen ist jedoch häufig die endogene Synthese gestört und sehr energieaufwendig
sehr ergiebige Energieträger (hoher Brennwert: 9 kcal/g), auf die vor allem Skelett- und Herzmuskulatur sowie die Leber angewiesen sind Transportform: Liposomen (bestehend aus Triglyzeridkern und Phospholipidhülle) vorwiegend aus Sojaöl gewonnen
■
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Cave: Fruktose und Sorbit sind bei bekannter Fruktoseintoleranz und bei bewusstlosen Patienten mit einer möglicherweise bestehenden Intoleranz kontraindiziert (schwerwiegende Nebenwirkungen wie fulminantes Leber- und Nierenversagen!)
Tagesbedarf: 1 g/kg KG (1 g = 4 kcal) (in Kombination mit Kohlenhydraten) müssen zugeführt werden
müssen im Säuglingsalter, bei bestimmten Erkrankungen oder Mangelernährung zugeführt werden unter pathologischen Bedingungen immer auch nichtessenzielle Aminosäuren substituieren!
Tagesbedarf: 1 – 2 g/kg KG (1 g = 9,3 kcal) wichtig sowohl für die parenterale als auch für die enterale Ernährung (durch die hohe Energiedichte wird die Zufuhr großer Energiemengen pro verabreichtem Volumen ermöglicht) Applikation mit Ei- oder Sojaphosphatidemulgatoren als Emulsion kommerziell erhältliche Fettemulsionen unterscheiden sich prinzipiell in der Zusammensetzung hinsichtlich: Fettkonzentration (10 oder 20 %), Grundsubstanz, Fettsäuren sowie Art und Menge des Emulgators (20 %ige Fettemulsion besser geeignet, da günstigeres Emulgator-Fett-Verhältnis als 10 %ige Emulsion)
Vitamine ■
■
■
■
wasserlösliche Vitamine fettlösliche Vitamine
wichtige organische Verbindungen, die der Körper nicht oder nur unzureichend selbst synthetisieren kann wichtige Koenzyme oder Kofaktoren für die Synthese einer Vielzahl von Steuer- oder Regelstoffen (s. u.)
■
B-Komplex und Vit. C, Folsäure, Pantothensäure, Biotin
■
Vit. A, D, E, K
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Deckung des Tagesbedarfs durch Fertiglösungen (Kombinationspräparate) bei parenteraler oder enteraler Ernährung immer von Beginn an substituieren! (Lang andauernde Mangelzustände können zu irreversiblen und schweren Störungen führen!)
Spurenelemente Arsen, Chrom, Kobalt, Kupfer, Fluor, Eisen, Jod, Mangan, Molybdän, Nickel, Selen, Silizium, Vanadium, Zink und Zinn
■
wichtige Koenzyme oder Kofaktoren für die Synthese verschiedener Steuer- oder Regelstoffe (z. B. Zink für RNAund DNA-Polymerase, alkalische Phosphatase etc.)
■
bei parenteraler Langzeiternährung (4 7 d) Substitution durch Kombinationspräparate
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A
3.4 Ernährung
3.4.3 Postaggressionsstoffwechsel 왘 Definition. Der sog. Postaggressionsstoffwechsel stellt eine allgemeine Reak-
97 3.4.3 Postaggressionsstoffwechsel
왗 Definition
tion des Organismus auf extreme Belastungssituationen (z. B. nach größeren Unfällen oder Operationen, nach Verbrennungen, Sepsis oder anderen schweren Erkrankungen) mit der Folge einer hypermetabolischen Stoffwechselsituation dar. Die Stoffwechselreaktionen nach extremen Belastungssituationen verlaufen typischerweise in mehreren Phasen: ■ Akut- oder Stressphase: initial, einige Stunden andauernd, ■ Postaggressions- oder adrenerg-kortikoide Phase: 1. bis 3. Tag (kann bei Komplikationen wie z. B. bei postoperativer Anastomoseninsuffizienz oder Pneumonie bis zu mehrere Wochen andauern), ■ anabole Phase: schließt sich zwischen dem 4. und 10. Tag an.
Der Postaggressionsstoffwechsel verläuft in mehreren Phasen: ■ Akut- oder Stressphase, ■ Postaggressions- oder adrenerg-kortikoide Phase, ■ anabole Phase.
Zur Sicherung der Vitalfunktionen und zur größtmöglichen Energiebereitstellung für den Organismus wird über neuroendokrine und mediatorvermittelte Regulationsmechanismen eine stressbedingt erhöhte Sympathikusaktivität in Gang gesetzt. Durch die vermehrte Freisetzung antiinsulinerger sog. kataboler Hormone (S. 98) kommt es zu charakteristischen metabolischen Veränderungen, die von einem erhöhten Sauerstoffbedarf des Organismus begleitet sind.
Stressbedingt erhöhte Sympathikusaktivität sichert die Vitalfunktionen.
Umstellung auf katabolen Stoffwechsel führt zu einem erhöhten Sauerstoffbedarf.
Typische Stoffwechselveränderungen
Typische Stoffwechselveränderungen
Im Postaggressionsstoffwechsel wird der Energiebedarf vorwiegend durch Fettoxidation gedeckt, die Glukoneogenese aus z. B. Laktat oder Aminosäuren gesteigert und über eine verminderte Insulinwirksamkeit der Verbrauch an Glukose, welche für die oben genannten Organe wesentlich ist, gebremst (Tab. A-3.17).
Der Glukosespiegel steigt und die Lipolyse zur Energiegewinnung wird gesteigert (Tab. A-3.17).
Hormone
Hormone
In der Postaggressionsphase kommt es typischerweise zur vermehrten Freisetzung kataboler Hormone (STH, ACTH, Glukagon, Katecholamine, Thyroxin) mit Auswirkungen auf den Kohlenhydrat-, Fett- und Eiweißstoffwechsel. Weiterhin bewirkt eine vermehrte Aktivität des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems Auswirkungen auf den Wasser- und Elektrolythaushalt.
Es werden katabole (STH, ACTH, Glukagon, Kathecholamine) Hormone vermehrt ausgeschüttet und die Aktivität des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems gesteigert.
Stresshormone und Insulin Ein Konzentrationsanstieg von Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol (über einen Anstieg von ACTH) ist bereits intraoperativ messbar und dient durch erhöhte Glykogenolyse, Glukoneogenese, Lipolyse und Proteolyse der Energiebereitstellung von Glukose, Fettsäuren und Aminosäuren. Eine reaktiv gesteigerte Insulininkretion (s. u.) wirkt sich v. a. auf den Kohlenhydratstoffwechsel aus.
Stresshormone und Insulin Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol führen über Glykogenolyse, Glukoneogenese, Lipolyse und Proteolyse zur Energiebereitstellung. Die erhöhten Katecholaminkonzentrationen normalisieren sich meist innerhalb eines Tages. Der Kortisolspiegel kann mehrere Tage hoch bleiben.
A-3.17
Stoffwechselveränderungen im Postaggressionsstoffwechsel
Glukoseverwertungsstörung
gesteigerte Glukoneogenese mit Hyperglykämie und Glukosurie, verminderte Insulinwirksamkeit
Proteinstoffwechselstörung
vermehrte Harnstoffbildung, Stickstoffverluste, Eiweißkatabolie
Fettstoffwechselstörung
vermehrte Lipolyse, Zunahme an freien Fettsäuren, Ketonkörperbildung mit Ketonämie bis zur Ketoazidose bei insuffizienter Fettsäureoxidation
Veränderungen im Elektrolythaushalt
Wasser- und Natriumretention, vermehrte Kaliumausscheidung
A-3.17
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98
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3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
Die erhöhten Katecholaminkonzentrationen normalisieren sich meist innerhalb eines Tages, während die ACTH- und damit die Kortisolproduktion mehrere Tage (z. B. 2 – 4 Tage nach Magenresektion) andauern können. Renin-Angiotensin-Aldosteron-System Erhöhte Freisetzung von Renin, Angiotensin II, Aldosteron und ADH führt zur Natriumund Wasserretention bei vermehrter Kaliumausscheidung Auswirkungen auf den Kohlenhydratstoffwechsel Adrenalin, Kortisol und Glukagon führen zum Konzentrationsanstieg von Glukose und zur Lipolyse. Es kommt dadurch zu einer Hyperglykämie mit reaktiver Hyperinsulinämie. Über den Einfluss der antiinsulinergen Faktoren (Katecholamine, Kortisol oder Glukagon) und der vermehrt anfallenden Fettsäuren wird die Wirkung von Insulin jedoch antagonisiert und die Glukose kann nicht verwertet werden (periphere Insulinresistenz).
왘 Merke
Renin-Angiotensin-Aldosteron-System Im Postaggressionsstoffwechsel ist die Freisetzung von Renin und dadurch von Angiotensin II sowie die von Aldosteron und ADH gesteigert. Diese Mechanismen dienen der Natrium- und Wasserretention bei vermehrter Kaliumausscheidung (siehe auch Kapitel Volumenersatz S. 67). Auswirkungen auf den Kohlenhydratstoffwechsel Adrenalin wirkt durch eine Steigerung der Glykogenolyse wie auch der Lipolyse (s. u.) ebenso antiinsulinerg wie Kortisol, welches neben der Beeinflussung des Eiweißstoffwechsels (s. u.) auch auf den Kohlenhydratstoffwechsel wirkt. Glukagon bewirkt durch Glykogenolyse, Glukoneogenese und Lipolyse einen Konzentrationsanstieg von Glukose. Durch eine gesteigerte Glykogenolyse und Glukoneogenese mit Einschränkung der Glukoseverwertung kommt es zu einer Hyperglykämie mit reaktiver Hyperinsulinämie. Die Aufnahme von Glukose durch die Organe ist ungestört, Ursache der veränderten Glukoseverwertung ist die Antagonisierung der vorhandenen Insulinmenge durch den Einfluss der antiinsulinergen Faktoren (Adrenalin, Noradrenalin, Glukokortikoide oder Glukagon) vor allem in der Muskulatur. Vermehrt zirkulierende Fettsäuren bewirken zudem eine verminderte Insulinwirksamkeit. Trotz Hyperinsulinämie besteht eine zelluläre Glukoseverwertungsstörung durch eine verminderte periphere Insulinwirkung (periphere Insulinresistenz). 왘 Merke. Im Postaggressionsstoffwechsel kann trotz exogener Glukosezufuhr
die Glukosebildung aus glukoneogenetischen Aminosäuren nicht verhindert werden, da Glukose aufgrund der peripheren Insulinresistenz nicht energetisch im Gewebe verstoffwechselt wird. So führt eine erhöhte Glukosezufuhr zur Leberverfettung, besonders unter gesteigerter externer Gabe von Insulin. Auswirkungen auf den Fettstoffwechsel
Auswirkungen auf den Fettstoffwechsel
Der Energiebedarf wird zunehmend durch Verwertung der Fette gedeckt. Das führt zu Ketoazidose, Ketonämie und Anstieg der freien Fettsäuren im Blut.
Im Postaggressionsstoffwechsel wird die Energieversorgung des Organismus zunehmend auf die Verwertung von Substraten aus dem Fettstoffwechsel umgestellt. Dies bewirkt eine Zunahme der freien Fettsäuren, die in der Leber die Bildung von Ketonkörpern mit der Folge der Ketonämie und Ketoazidose induzieren.
Auswirkungen auf den Eiweißstoffwechsel
Auswirkungen auf den Eiweißstoffwechsel
Über die Wirkung von Glukagon und Glukokortikoiden kommt es zum Muskel- bzw. Proteinabbau. Als Maß dieses Eiweißkatabolismus dient dabei die Stickstoffausscheidung im Urin.
Der Energieumsatz im Eiweißstoffwechsel ist von der Schwere einer Operation bzw. Verletzung oder Erkrankung abhängig und lässt sich mithilfe der Stickstoffausscheidung im Urin als Maß des Eiweißkatabolismus messen (bei kleinen Eingriffen beträgt die Ausscheidung 5 – 10 g/d und nach schweren Eingriffen mehr als 15 g/d). Verantwortlich für den Proteinkatabolismus sind vor allem Glukagon und Glukokortikoide. Sie inhibieren die Proteinsynthese in der Muskulatur und bewirken durch die katabole Wirkung je nach Dauer und Ausmaß der Postaggressionsveränderungen einen z. T. erheblichen Muskelschwund.
Unterschiede zum Hungerstoffwechsel
Unterschiede zum Hungerstoffwechsel
Der Hungerstoffwechsel zeichnet sich im Vergleich zum Postaggressionsstoffwechsel durch Reduktion des Stoffwechsels mit verminderter Blutzucker- und Harnstoffproduktion sowie einer erhöhten Ketonkörperbildung aus (Tab. A-3.18).
Charakteristisch für den Hungerstoffwechsel ist das Fehlen oder die unzureichende Zufuhr von Energie und Nahrungsbestandteilen. Damit unterscheidet sich der Hungerstoffwechsel grundlegend vom Postaggressionsstoffwechsel. Zur Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen wird der Metabolismus durch folgende Vorgänge reduziert: verminderte Blutzucker- und Harnstoffproduktion, erhöhte Ketonkörperbildung sowie Absenken der Körpertemperatur, des Muskeltonus und der Herzleistung (s. Tab. A-3.18).
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A-3.18
3.4 Ernährung
Unterschiede zwischen Postaggressions- und Hungerstoffwechsel Postaggressionsstoffwechsel
Hungerstoffwechsel
Kohlenhydrate Blutzucker Harnzucker Ketonkörper
+ + +/–
– +/– +
Proteine Harnstoffproduktion Kurzlebige Proteine
+ –
– –
Fette Triglyzeride Freie Fettsäuren
– +
– –
3.4.4 Mangelernährung 왘 Definition. Ein einfaches Kriterium der Mangelernährung ist ein ungewollter
99 A-3.18
3.4.4 Mangelernährung
왗 Definition
Gewichtsverlust von mehr als 10 % des Körpergewichtes innerhalb der letzten sechs Monate (wird bei 20 bis 60 % aller internistischen Patienten und bei 30 bis 50 % der chirurgischen Patienten bei der stationären Aufnahme beobachtet). Diagnostisch hilfreich sind weiterhin Ernährungsscores oder biochemische Parameter wie die Serumalbuminkonzentration. Mangelernährte Patienten, z. B. Karzinompatienten, weisen häufig Stoffwechselveränderungen (Hungerstoffwechsel, S. 98) sowie Gewichtsabnahme, eine verminderte Kreatininausscheidung und erniedrigte Konzentrationen von Funktionsproteinen (z. B. Albumin) auf, was häufig zu einer perioperativ erhöhten Komplikationsrate führt (z. B. Wundheilungsstörungen, Pneumonien oder intraabdominelle Infektionen). Die Komplikationsrate bei mangelernährten Patienten kann durch eine präoperative parenterale Ernährung nicht gesenkt werden. Allenfalls gelingt es, das Ausmaß der Stoffwechselveränderungen wie z. B. eine ausgeprägte Hypalbuminämie zu reduzieren.
Eine Mangelernährung mit Veränderungen des Hungerstoffwechsels ist mit einer erhöhten Komplikationsrate verbunden.
3.4.5 Frühe enterale Ernährung
3.4.5 Frühe enterale Ernährung
Studien zeigten, dass eine (wenn auch nur partielle) möglichst frühzeitige enterale Ernährung als natürliche Art der Nahrungsaufnahme gegenüber der totalen parenteralen Ernährung (s. u.) eine Reduktion der Komplikationsrate aufweist. Bei schwer verletzten oder polytraumatisierten Patienten konnten ebenso wie postoperativ nach großen Oberbaucheingriffen (z. B. Ösophagus-, Magen- und Pankreasresektionen) oder nach Operationen an Kolon und Rektum folgende Resultate erzielt werden: ■ Reduktion des Hypermetabolismus im Postaggressionsstoffwechsel, ■ Erhalt der normalen Darmschleimhaut und dadurch Verhinderung einer Mukosaatrophie, ■ Senkung der Rate postoperativer Infektionen.
Eine frühzeitige enterale Ernährung ist verbunden mit einer Reduktion der Komplikationsrate: ■ reduziert den Hypermetabolismus im Postaggressionsstoffwechsel, ■ erhält die normale Darmschleimhaut aufrecht, ■ verhindert dadurch eine Mukosaatrophie und kann die Rate postoperativer Infektionen senken.
Daher beginnt man nach Möglichkeit bei den o.g. Indikationen mit einer frühen enteralen Ernährung schrittweise frühpostoperativ (d. h. 6 – 8 h nach der OP) oder ab dem 1. postoperativen oder posttraumatischen Tag. Neben der regulären oralen Nahrungsaufnahme bietet sich nach großen Oberbaucheingriffen als Zugangsweg auch eine Katheterjejunostomie (S. 103) an. Ein zusätzlicher positiver Effekt kann durch den Zusatz von immunstimulierenden Substanzen wie Arginin, Ribonukleinsäure oder Ω-3-Fettsäuren erzielt werden (s. Kap. 3.4.8, S. 101).
Bei den o.g. Indikationen wird möglichst frühpostoperativ oder ab dem 1. postoperativen oder -traumatischen Tag mit einer frühen enteralen Ernährung begonnen.
Eine präoperative parenterale Ernährung ist nicht in der Lage, die Komplikationsrate zu senken. Allenfalls gelingt es, das Ausmaß der Stoffwechselveränderungen zu reduzieren.
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3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
100
A
3.4.6 Fast-Track-Konzept
3.4.6 Fast-Track-Konzept
왘 Definition
왘 Definition. Das Fast-Track-Konzept stellt eine spezielle Form der Vor- und Nachbehandlung bei Operationen dar, welche einen raschen postoperativen Kostaufbau ermöglicht. Es wurde zur schnelleren Genesung der Patienten und zur Reduktion allgemeiner Komplikationen entwickelt.
Grundlage dieses Rehabilitationskonzeptes ist die Annahme, dass ein Großteil der postoperativen pathophysiologischen Veränderungen und Komplikationen iatrogen bedingt und dadurch beeinflussbar sind.
Grundlage dieses Rehabilitationskonzeptes ist die Annahme, dass ein Großteil der postoperativen pathophysiologischen Veränderungen und Komplikationen (z. B. Darmatonie) iatrogen bedingt und dadurch beeinflussbar sind. Das Hauptziel ist, die stationären Aufenthalte nach Operationen zu verkürzen (auf z. B. 2 – 5 Tage nach kolorektalen Eingriffen). Das Fast-Track-Konzept beinhaltet neben den im Rahmen der Ernährung relevanten Maßnahmen noch weitere Bestandteile.
Inhalte des Fast-Track-Konzeptes: ■ Ernährungsbezogene Maßnahmen: – kürzeste mögliche präoperative Nahrungskarenz, – frühzeitige enterale Ernährung (Trinken und enteraler Kostaufbau noch am OPTag). ■ Weitere Maßnahmen: – thorakale Katheter-Epiduralanalgesie (KEDA) oder Periduralanalgesie (PDA), – Verwendung einer systemischen, nichtopioidhaltigen Basisanalgesie, – minimal-invasive Operationstechniken, – frühzeitige Entfernung von Drainagen und rasche postoperative Mobilisierung.
Inhalte des Fast-Track-Konzeptes: ■ Ernährungsbezogene Maßnahmen: – kürzeste mögliche präoperative Nahrungskarenz, – frühzeitige enterale Ernährung (Trinken und enteraler Kostaufbau noch am OP-Tag). ■ Weitere Maßnahmen: – thorakale Katheter-Epiduralanalgesie (K-EDA) oder Periduralananalgesie (PDA), – Verwendung einer systemischen, nichtopioidhaltigen Basisanalgesie (Verzicht auf systemische Gabe von Opiaten wegen verstärkendem Effekt auf postoperative Darmatonie), – minimal-invasive Operationstechniken (Reduktion des Operationstraumas), – frühzeitige Entfernung von Drainagen und rasche postoperative Mobilisierung. Dieses Konzept kann auf alle chirurgischen Fachgebiete mit ihren spezifischen Besonderheiten angewandt werden. Beispielhaft ist ein vereinfacht dargestelltes Fast-Track-Konzept mit ärztlichen und pflegerischen Maßnahmen anhand der Kolonchirurgie in Tab. A-3.19 dargestellt.
A-3.19
Fast-Track-Kolonchirurgie
Zeitpunkt
Maßnahme
präoperativ
Kohlenhydrat- bzw. Energiedrinks, Nüchternphase ab zwei Stunden präoperativ
intraoperativ
thorakale Katheter-Epiduralanalgesie (K-EDA) bzw. Periduralanästhesie (PDA), schonende OP-Technik (Laparoskopie oder quere bzw. gebogene Laparotomie), möglichst keine Drainage, Magensonde bei Extubation entfernen
am OP-Tag
bei komplikationslosem Verlauf: Verlegung auf Normalstation, 500 ml Ringer-Lösung als Infusion, PDA und adäquate Schmerztherapie (S. 82), Tee, Kohlenhydrat- bzw. Energiedrinks, Mobilisation aus dem Bett (z. B. Laufen über den Stationsflur)
1. postoperativer Tag
kontinuierliche PDA, Basisschmerzmedikation (S. 84), Basisdiät, Kohlenhydrat- bzw. Energiedrinks, Trinkmenge 4 1500 ml, Blasenkatheter entfernen, Mobilisation für 2 – 8 h
2. oder 3. postoperativer Tag
Entfernung von PDK und zentralem Zugang, Schmerzmedikation, Basisdiät, Kohlenhydrat- bzw. Energiedrinks, Trinkmenge 4 1500 ml, vollständige Mobilisation
8. postoperativer Tag
ambulante Wiedervorstellung, Fadenentfernung, ggf. Besprechung des histologischen Befundes und ggf. Planung einer adjuvanten Therapie
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3.4 Ernährung
101
3.4.7 Homecare-Konzept
3.4.7 Homecare-Konzept
Homecare-Konzepte ermöglichen es, Patienten mit einer parenteralen oder enteralen Ernährung in die häusliche Umgebung oder in Rehabilitations- oder Pflegeeinrichtungen zu entlassen. So können der Krankenhausaufenthalt verkürzt, die Lebensqualität der Patienten verbessert und die Krankheitskosten reduziert werden. Die Mehrzahl dieser Patienten (85 %) leidet entweder an einem malignen Tumor mit Dysphagie oder an einer (nerval oder muskulär bedingten) Schluckstörung. Als Standardverfahren für die künstliche heimenterale Ernährung stehen die perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) oder Jejunostomie (PEJ) zur Verfügung. Zur Langzeiternährung geeignete Substanzen sind nährstoffdefinierte oder hochmolekulare Diäten mit einem variablen Anteil an Proteinen (15 – 20 %), Fetten (25 – 30 %) und Kohlenhydraten (50 – 60 %). Auf parenteralem Weg kann eine Langzeiternährung über subkutan gelegene Port-Systeme (s. u.) appliziert werden. In ihrer Zusammensetzung weisen diese eine vergleichbare Relation der Energieträger auf.
Um den Krankenhausaufenthalt zu verkürzen, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern und die Krankheitskosten zu reduzieren, wird über das sogenannte Homecare-Konzept eine frühzeitige Entlassung der Patienten angestrebt.
3.4.8 Enterale Ernährung
3.4.8 Enterale Ernährung
Indikationen
Indikationen
Bei einem funktionsfähigen Gastrointestinaltrakt sollte grundsätzlich immer eine enterale Ernährung bevorzugt werden, da sie im Vergleich zur parenteralen Ernährung die physiologische Form darstellt. Ebenso hält die enterale Nahrungszufuhr die natürlichen Vorgänge der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme im Gastrointestinaltrakt weitgehend aufrecht.
Bei funktionsfähigem Gastrointestinaltrakt sollte grundsätzlich immer eine enterale Ernährung bevorzugt werden.
왘 Merke. Eine enterale Sondenernährung ist immer dann indiziert, wenn eine
Zur enteralen Ernährung wird standardmäßig die perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) oder Jejunostomie (PEJ) eingesetzt. Zur Langzeiternährung werden nährstoffdefinierte oder hochmolekulare Diäten parenteral über subkutan gelegene Port-Systeme appliziert.
왗 Merke
normale Nahrungszufuhr nicht möglich ist und keine Kontraindikationen vorliegen. Therapieziele sind hierbei: Verbesserung des Wohlbefindens und der Lebensqualität des Patienten, Verringerung der Mortalität und Morbidität, Verringerung der Krankenhausverweildauer aufgrund geringerer Komplikationsraten. Indikationen zur enteralen Sondenernährung sind gegeben bei: ■ Erkrankungen, bei denen der normale Schluckvorgang nicht möglich ist oder vermieden werden soll (z. B. postoperativ nach Ösophagusresektionen, nach Polytrauma, bei Bewusstseinsstörungen, bei Langzeitbeatmung, neurologischen Erkrankungen wie multipler Sklerose, Apoplex), Intensivpatienten (s.o.), ■ bei mechanischen Passagestörungen im oberen GI-Trakt (z. B. bei inoperablen Tumoren des Pharynx, Ösophagus oder Magens), ■ bei reduziertem Allgemeinzustand aufgrund allgemeiner Schwäche, eines Tumorleidens oder Kachexie.
Therapieziele der enteralen Ernährung sind Verbesserung der Lebensqualität und Verringerung der Mortalität und Morbidität des Patienten. Indikationen zur enteralen Ernährung: ■ Einschränkung des normalen Schluckvorganges (z. B. postoperativ nach großen Operationen oder posttraumatisch), ■ Störungen der Nahrungspassage (z. B. bei inoperablen Tumoren des Pharynx, Ösophagus oder Magens), ■ bei reduziertem Allgemeinzustand.
Bei der frühenteralen Ernährung wird nicht eine möglichst schnelle voll bilanzierte Ernährung angestrebt – vielmehr ist es das Ziel, den Darm kontinuierlich mit geringen Mengen an Substraten zu versorgen, um die Integrität der Schleimhautbarriere zu erhalten und Komplikationen wie z. B bakterieller Translokation und Multiorganversagen entgegenzuwirken.
Bei der frühenteralen Ernährung wird der Darm kontinuierlich mit geringen Mengen an Substraten versorgt. So wird die Schleimhautbarriere erhalten und ein Bakterienübertritt vom Darm ins Blut verhindert.
Indikationen zur frühenteralen Sondenernährung sind gegeben: ■ bei sofortigem und/oder erhöhtem postoperativem Nahrungsbedarf bei großen Eingriffen oder schlechtem präoperativem Allgemein- und Ernährungszustand, ■ zur postoperativen Entlastung von Organen (z. B. Magen-, Darm- oder Pankreasfisteln, bei akuter Pankreatitis), ■ bei Sepsis (sog. Mukosaernährung: Die Mukosa wird mit Substraten zur Verhinderung einer Mukosaatrophie versorgt, die Mukosaernährung trägt jedoch nur in geringem Maß zur Energieversorgung des Organismus bei).
Indikationen zur frühenteralen Sondenernährung: ■ bei sofortigem u./o. erhöhtem postoperativem Nahrungsbedarf bei großen Eingriffen, ■ zur postoperativen Entlastung von Organen, ■ bei Sepsis.
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3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
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Kontraindikationen: z. B. Obstruktion des Darmes, Ileus, therapieresistentes Erbrechen, schwere Diarrhö, massive GIT-Blutung.
Kontraindikationen sind z. B. Obstruktion des Darmes, Ileus, therapieresistentes Erbrechen, schwere Diarrhö, extrem reduzierte Resorptionsfläche (z. B. bei Kurzdarmsyndrom) oder massive gastrointestinale Blutung.
Sondenernährung
Sondenernährung
Unterschiedliche Formen der Sondenkost sind:
Im Rahmen der künstlichen Ernährung wird industriell hergestellte Sondennahrung über eine Ernährungssonde direkt in den Magen-Darm-Trakt appliziert. Grundsätzlich unterscheidet man folgende Formen der Sondenkost: ■ Chemisch definierte Sondenkost: Hier handelt es sich um eine chemisch definierte Diät aus Oligopeptiden, monomolekularen Kohlenhydraten, essenziellen Fettsäuren, Vitaminen und Mineralstoffen. Diese Diäten sind niedermolekular. Vorteilhaft ist, dass bei ballaststofffreier Zusammensetzung die einzelnen Bausteine unabhängig von Verdauungsfermenten in den oberen Dünndarmabschnitten absorbiert werden können. ■ Nährstoffdefinierte Sondenkost: Diese Nahrungsgemische sind geeignet bei normaler Digestion und Absorption. Sie enthalten intakte Nährstoffe wie Proteine, Fette oder Kohlenhydrate in optimaler Relation, sind hochmolekular und werden mit oder ohne Ballaststoffe hergestellt. Vitamine und Mineralien sind nicht enthalten, müssen also bei Bedarf hinzugefügt werden. Durch den Zusatz von Geschmackskomponenten ist diese Art der Sondenkost auch zur oralen Applikation geeignet. Zur Vermeidung von Diarrhöen sollte sie in isoosmolarer Form gegeben werden.
■
■
Chemisch definierte Sondenkost besteht aus Oligopeptiden, monomolekularen Kohlenhydraten, essenziellen Fettsäuren, Vitaminen und Mineralstoffen. Sie ist niedermolekular und kann im oberen Dünndarm absorbiert werden (ballaststofffreie Zusammensetzung). Nährstoffdefinierte Sondenkost: enthält Proteine, Fette oder Kohlenhydrate in optimaler Relation, ist hochmolekular und in ballaststofffreier oder -haltiger Form erhältlich.
Zur Verbesserung der Immunlage bei kritisch Kranken können zusätzlich immunmodulierende Substanzen gegeben werden.
Zur Verbesserung der Immunlage bei kritisch Kranken können zusätzlich immunmodulierende Substanzen (z. B. Glutamin, Arginin, Selen, Nukleotide, Ω-3-Fettsäuren und kurzkettige Fettsäuren) gegeben werden. Diese Nahrungszusätze sollen auch einen positiven Effekt auf das Zellwachstum und die Darmdurchblutung bewirken.
Zugangswege
Zugangswege
Unterschiedliche Applikationswege sind: ■ nasogastral, ■ nasoduodenal oder –jejunal, ■ perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG), ■ (Feinnadel)Katheterjejunostomie.
Die Applikationswege unterscheiden sich nach Indikation und Dauer der künstlichen Ernährung: ■ nasogastral (zur kurzfristigen postoperativen Ernährung), ■ nasoduodenal, -jejunal (bei gestörter Magenmotilität und/oder erhöhtem Aspirationsrisiko), ■ perkutane-endoskopische Gastrostomie = PEG (zur längerfristigen Ernährung 4 6 Wochen), ■ (Feinnadel)Katheterjejunostomie (zur längerfristigen Ernährung nach abdominalchirurgischen Eingriffen). Verwendet werden Sonden aus Polyurethan oder Silikonkautschuk, die unter endoskopischer oder röntgenologischer Kontrolle bzw. intraoperativ gelegt werden.
Nasoenterale Ernährungssonden 왘 Merke
Nasoenterale Ernährungssonden 왘 Merke. Diese Art der Sondenernährung sollte nur bei wachen und nicht
bewusstseinsgetrübten Patienten durchgeführt werden, da regelrechte laryngeale Reflexe eine Aspiration verhindern. Das distale Ende nasoenteraler Sonden kann im Magen, Duodenum oder Jejunum platziert werden. V.a. postoperativ und bei Intensivpatienten besteht aufgrund einer Pylorusdysfunktion Aspirationsgefahr (Prophylaxe: postpylorische Positionierung der Sonden, aufblasbare Ballons). Die gastrale Sondenernährung erfolgt diskontinuierlich als Bolusgabe, während
Das distale Ende nasoenteraler Sonden kann im Magen, Duodenum oder Jejunum platziert werden. Postoperativ oder bei Intensivpatienten führt häufig eine Pylorusdysfunktion zum Problem des Erbrechens mit Aspirationsgefahr. Durch die endoskopische postpylorische Positionierung der Sonden oder durch aufblasbare Ballons, die mithilfe der Peristaltik vorwandern, kann dieses Problem gemindert werden. Die gastrale Sondenernährung erfolgt diskontinuierlich als Bolusgabe mit oder ohne Infusionspumpen, da der Magen als Speisereservoir erhalten ist. Dagegen
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3.4 Ernährung
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A-3.3 Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG)
Unter endoskopischer Sicht wird der Magen perkutan punktiert und von außen ein Faden eingeführt, der vom Endoskop gefasst wird. Im Anschluss wird dieser herausgezogen und darüber der Gastrostomiekatheter eingeführt, welcher vom Magen durch die Bauchdecke nach außen geführt und an der Haut fixiert wird.
wird die Nahrung über duodenale oder jejunale Ernährungssonden kontinuierlich mithilfe von Infusionspumpen verabreicht, welche mit einem konstanten oder pulsatilen Pumpflusssystem arbeiten. 왘 Merke. Die Lage der Sonden sollte immer röntgenologisch kontrolliert und
duodenale oder jejunale Sondenernährung mithilfe von Infusionspumpen kontinuierlich gegeben wird. 왗 Merke
dokumentiert werden, um frühzeitig eine Fehllage (z. B. endotracheal) zu erkennen und Komplikationen zu vermeiden. Perkutane endoskopische Gastrostomie
Perkutane endoskopische Gastrostomie
Die beste Technik zur langfristigen enteralen Ernährung ist die in Lokalanästhesie durchführbare Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG). Zur Anlage einer PEG siehe Abb. A-3.3. Bei Beachtung der Kontraindikationen (Gerinnungsstörungen, Peritonitis, Ileus, Anorexia nervosa) treten selten Komplikationen auf (s. u.).
Die beste Technik zur langfristigen enteralen Ernährung ist die PEG.
Katheterjejunostomie
Katheterjejunostomie
Diese Technik ist sowohl für eine längerfristige Ernährung geeignet als auch für die frühe postoperative enterale Ernährung (z. B. nach Ösophagusresektionen oder bei polytraumatisierten Patienten, die laparotomiert wurden). Sie ist nur im Rahmen einer Laparotomie möglich, um den Katheter durch einen etwa 10 cm langen, submukösen Tunnel im Jejunum platzieren zu können. Durch die Anwendung dieser Technik werden die komplikationsträchtigen Risiken der Fehllage und der intraperitonealen Leckage minimiert.
Sie wird zur längerfristigen oder frühen postoperativen enteralen Ernährung verwendet. Sie ist nur im Rahmen einer Laparotomie durchführbar. Durch diese Technik können Komplikationen (Fehllage und intraperitoneale Leckage) minimiert werden.
Bei Beachtung der Kontraindikationen sind Komplikationen selten.
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3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
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Komplikationen bei der enteralen Ernährung
Komplikationen bei der enteralen Ernährung
Es werden sondenbedingte und sondenkostassoziierte Komplikationen unterschieden. Sondenbedingte Komplikationen: ■ enterale Sonden: Reflux in den Magen, ■ gastrale Sonden: Säurereflux bei Kardiainsuffizienz, ■ Retention der Kost im Magen, Regurgitation, Erbrechen mit Aspirationsgefahr, ■ Sondenperforation.
Man unterscheidet sondenbedingte und sondenkostassoziierte Komplikationen.
Sondenkostassoziierte Komplikationen: ■ Durchfälle oder Flüssigkeitsverluste in den Darm, ■ Flüssigkeitsverluste in den Darm durch konzentrierte Sondenkost.
Sondenkostassoziierte Komplikationen: ■ Durchfälle (durch osmotischen Reiz z. B. bei chemisch definierten Diäten oder durch mangelnde Verträglichkeit der Bestandteile), ■ hyperosmolar oder hyponatriämisch wirkende Flüssigkeitsverluste in den Darm durch konzentrierte Sondenkost.
Komplikationen anderer Ursache: Infektionen, Blutungen.
Komplikationen anderer Ursache: Infektionen, Blutungen.
3.4.9 Parenterale Ernährung
3.4.9 Parenterale Ernährung
Grundlagen
Grundlagen
왘 Merke
Sondenbedingte Komplikationen: enterale Sonden: Reflux in den Magen, ■ gastrale Sonden: Säurereflux bei Kardiainsuffizienz, ■ Retention der Kost im Magen, Regurgitation, Erbrechen mit Aspirationsgefahr, ■ Sondenperforation, ■ bei PEG: Lokale Infektionen (3 bis 15 %) oder Schmerzen (10 %) häufiger, Blutungen oder Fisteln sehr selten. ■ Oft ist für wache Patienten ein Fremdkörpergefühl im Rachen störend. ■
왘 Merke. Grundsätzlich sollte eine parenterale Ernährung nur dann erfolgen,
wenn eine perorale oder enterale Ernährung nicht möglich oder weniger effektiv ist. Bei dieser Ernährungsform werden v. a. bei unzureichender enteraler Substratzufuhr Nährstoffe in Form von Infusionslösungen direkt in die Blutbahn verabreicht. Indikationen: ■ unzureichende Absorptionsfähigkeit des Darmes, ■ schwerer Hypermetabolismus (Stoffwechselsteigerung) postoperativ, ■ Sepsis. Kontraindikationen: Schock, Multiorganversagen, schwere metabolische Entgleisungen.
왘 Merke
Die parenterale Ernährung wird v. a. bei unzureichender enteraler Substratzufuhr als supplementierende Ernährungsstrategie eingesetzt. Hierbei werden lebenswichtige Nährstoffe unter Umgehung des Magen-Darm-Traktes in Form von Infusionslösungen direkt in die Blutbahn appliziert. Indikationen für eine parenterale Ernährung: unzureichende Absorptionsfähigkeit des Darmes (z. B. bei Kurzdarm- und Malabsorptionssyndrom), ■ schwerer Hypermetabolismus (posttraumatisch, postoperativ), ■ Sepsis (in Kombination mit enteraler Ernährung als sog. Mukosaernährung (S. 101). ■
Kontraindikationen: ■ Schockzustände, schwere metabolische Entgleisungen, dekompensiertes Multiorganversagen. ■ Cave: In der Phase 1 des Postaggressionsstoffwechsels (24 h postoperativ, S. 97) ist die Gabe von hochkalorischer parenteraler Ernährung kontraindiziert! 왘 Merke. Falls eine längerfristige parenterale Ernährung notwendig ist, sollte
die pro Tag verabreichte Nährstoffmenge stufenweise appliziert werden. Infusionstechnik
Infusionstechnik
Die Infusioslösungen können über periphervenöse oder zentralvenöse Katheter verabreicht werden. Zur längerfristigen Ernährung oder zur Verabreichung hochkalorischer Lösungen bei kompletter parenteraler Ernährung werden zentralvenöse Katheter (ZVK) verwendet. Die Wahl der Punktionsstelle für die ZVK-Anlage erfolgt nach fol-
Die Infusionslösungen können periphervenös oder zentralvenös appliziert werden. Für die kurzfristige Infusions- und Ernährungstherapie zur Applikation niederkalorischer Lösungen werden Venenverweilkanülen aus Kunststoff verwendet, welche überwiegend in peripheren Venen des distalen Arms oder auf dem Handrücken angebracht werden. Für die Gabe langfristiger Infusionstherapien oder zur kompletten parenteralen Ernährung (hochkalorische Lösungen) werden bevorzugt zentralvenöse Katheter eingesetzt. Die Wahl der Punktions-
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3.4 Ernährung
105
stelle für die ZVK-Anlage erfolgt nach folgender Empfehlung: 1. V. jugularis externa, 2. V. jugularis interna, 3. Vena subclavia, 4. V. basilica. Die Katheter müssen regelmäßig kontrolliert werden, um katheterbedingte Infektionen (s. Kap. Chirurgische Infektionen S. 163) frühzeitig zu erkennen. Die Infusion sollte pumpengesteuert kontinuierlich über 24 Stunden erfolgen.
gender Empfehlung: 1. V. jugularis externa, 2. V. jugularis interna, 3. V. subclavia, 4. V. basilica.
A
Parenterale Ernährung im Postaggressionsstoffwechsel Bei einer kurzfristigen oralen Nahrungskarenz von bis zu wenigen Stunden (z. B. nach Leistenhernien-, Schilddrüsen- oder Mammaoperationen, nach kleinen gefäßchirurgischen oder unfallchirurgischen Eingriffen) ist die Substitution von Wasser und Elektrolyten (s. Kapitel Volumenersatz S. 67) ausreichend. Eine orale Flüssigkeitszufuhr ist bei den aufgeführten Operationen zum Teil bereits am Operationstag oder oft am 1. postoperativen Tag möglich (s. Fast-Track-Konzept). Selten ist heute bei einer über 3 bis 5 Tage andauernden Nahrungskarenz bei größeren operativen Eingriffen (z. B. bei Magenteilresektion) noch eine niederkalorische parenterale Ernährung notwendig, die periphervenös appliziert werden kann. Niedrigkalorische Infusionslösungen sind dem speziellen postoperativen Kohlenhydrat-, Aminosäuren- und Elektrolytbedarf angepasst und werden periphervenös appliziert. In der täglichen Praxis stehen 2- und 3-LiterKombinationslösungen zur Verfügung, mit denen der postoperative Bedarf eines 60 – 70 kg schweren Patienten gedeckt werden kann. Die Verwendung des Zuckeraustauschstoffes Xylit anstelle von Glukose bietet sich an, um glukoseinduzierte Stoffwechselveränderungen (im Sinne eines erhöhten Blutzuckerspiegels) zu verhindern. Bei der niedrigkalorischen Ernährung werden 1 – 1,5 g Aminosäuren/kg KG/d und 150 –max. 200 g Kohlenhydrate/d in Kombination mit Elektrolyten appliziert. Der restliche Kalorienbedarf wird aus körpereigenen Fettdepots gedeckt.
왘 Definition. Unter totaler parenteraler Ernährung (TPE) versteht man die par-
Parenterale Ernährung im Postaggressionsstoffwechsel Bei einer kurzfristigen oralen Nahrungskarenz ist ein Wasser- und Elektrolytersatz ausreichend.
Bei einer über 3 – 5 Tage andauernden Nahrungskarenz sollte nur in Ausnahmefällen eine parenterale niedrigkalorische Ernährung mit Lösungen (2- oder 3-Liter-Lösungen) erfolgen. Diese decken den Bedarf an Kohlenhydraten, Aminosäuren und Elekrolyten.
Bei der niedrigkalorischen Ernährung werden 1 – 1,5 g Aminosäuren/kg KG/d und 150 – 200 g Kohlenhydrate/d in Kombination mit Elektrolyten appliziert. 왗 Definition
enterale Zufuhr aller für den Organismus notwendigen Nahrungsbestandteile, sodass keine Mangelerscheinungen auftreten. Eine bis zu einer Woche und länger andauernde Nahrungskarenz erfordert eine totale parenterale Ernährung (TPE), wenn keine enterale Ernährung möglich ist. Mit dieser sollte nach Beendigung der Postaggressionsphase begonnen werden (2 – 4 Tage nach Trauma oder OP, wenn der Organismus die angebotene Nahrung ausreichend verstoffwechseln kann). Zur standardisierten TPE stehen industriell gefertigte Komplettlösungen mit einer fixen Kombination von Kohlenhydraten, Aminosäuren und Elektrolyten zur Verfügung. Die bilanzierte TPE wird zur bedarfsadaptierten Substratzufuhr verwendet. Bei der Applikation der Einzelkomponenten gilt eine Relation der Energieträger Eiweiß : Fett : Kohlenhydrate von 20 : 30 : 50 als optimal.
Eine bis zu einer Woche und länger andauernde Nahrungskarenz erfordert eine totale parenterale Ernährung (TPE).
Die folgenden Maximaldosen sollten dabei nicht überschritten werden (die Mengenangaben beziehen sich auf die Gesamtemulsion): ■ Glukose: 4 – 6 g/kg KG/d (Gefahr der kohlenhydratinduzierten Fettleber bei Applikation größerer Mengen), ■ Fett: 1 – 2 g/kg KG/d (entspricht etwa 30 – 40 % der Nichteiweißkalorien) als weiterer Energieträger, ■ Aminosäuren: 1 – 1,5 g/kg KG/d (zum Erreichen einer ausgeglichenen Stickstoffbilanz).
Maximal sollten ■ 4 – 6 g/kg KG/d Glukose, ■ 1 – 2 g/kg KG/d Fett und ■ 1 – 1,5 g/kg KG/d Aminosäuren zugeführt werden.
Zusätzlich müssen immer Elektrolyte, Vitamine und Spurenelemente substituiert werden.
Zusätzlich müssen immer Elektrolyte, Vitamine und Spurenelemente substituiert werden.
Man unterscheidet standardisierte und bilanzierte TPE. Die totale parenterale Ernährung sollte eine Relation der Energieträger Eiweiß : Fett : Kohlenhydrate von 20 : 30 : 50 aufweisen.
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3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
106
A
Parenterale Ernährung bei Nieren- und Leberinsuffizienz
Parenterale Ernährung bei Nieren- und Leberinsuffizienz
Niereninsuffizienz
Niereninsuffizienz
Die Energiezufuhr im akuten Nierenversagen sollte 35 – 45 kcal/kg KG/d mit bis zu 6 g Glukose, 1 – 1,5 g Aminosäuren und 1 – 2 g Fett/kg KG/d betragen.
Beim akuten Nierenversagen muss der erhöhte Energiebedarf des Organismus (35 – 45 kcal/kg KG/d) durch die ausreichende Gabe von Substraten gedeckt werden (normal: 25 kcal/kg KG/d, z. B. bei einer 70 kg schweren Person in Ruhe: 1750 kcal/kg KG/d). Bei Patienten, die eine Hämofiltration als Nierenersatzverfahren in der akuten Phase erhalten, ist eine komplette parenterale Ernährung indiziert. Hierbei dient Glukose als Hauptenergieträger. In Abhängigkeit vom Blutzuckerspiegel kann bis zu 6 g/kg KG/d Glukose appliziert werden.
왘 Merke
왘 Merke. Im Gegensatz zur chronischen Niereninsuffizienz ist bei der akuten
Niereninsuffizienz keine Reduktion der Aminosäuren bzw. von Eiweiß notwendig! Neben essenziellen Aminosäuren sollten auch Arginin, Glycin, Serin und Tyrosin gegeben werden. (Empfohlene Mengen: 1 – 1,5 g/kg KG/d Aminosäuren, 1 – 2 g/kg KG/d Fett.)
Vorteilhaft ist die Gabe von Aminosäurelösungen, die neben essenziellen Aminosäuren, Arginin, Glycin, Serin und Tyrosin enthalten, da der Organismus auch unspezifische Stickstoffträger benötigt. (Empfohlene Mengen: 1 – 1,5 g/kg KG/d Aminosäuren, 1 – 2 g/kg KG/d Fett.)
Leberinsuffizienz
Leberinsuffizienz
Bei Leberinsuffizienz beträgt der Energiebedarf 30 – 35 kcal/kg KG/d. Spezifische Leberlösungen mit einem hohen Anteil verzweigtkettiger und einem niedrigen Anteil aromatischer Aminosäuren scheinen einen günstigen Einfluss auf die hepatische Enzephalopathie zu haben. Empfohlene Tagesdosen bei normalem Ammoniakspiegel: ■ 0,8 – 1,3 g/kg KG Aminosäuren, ■ 2 – 4 g/kg KG Glukose, ■ 0,5 – 1 g/kg KG Fett.
Der Energiebedarf bei Patienten mit Lebererkrankungen beträgt 30 – 35 kcal/kg KG/d. Die Umsatzkapazitäten für Xylit und Fett sind unverändert erhalten, sodass diese Substrate zur Energiegewinnung genutzt werden sollten. Bei chronischer Leberinsuffizienz tritt häufig eine Imbalance des Aminosäurengleichgewichtes auf. Diese ist gekennzeichnet durch einen Konzentrationsabfall der verzweigtkettigen und einen -anstieg der aromatischen Aminosäuren (z. B. Phenylalanin, Tyrosin), die in der Leber verstoffwechselt werden. Spezifische Leberlösungen mit einem hohen Anteil verzweigtkettiger und einem niedrigen Anteil aromatischer Aminosäuren scheinen einen günstigen Einfluss auf die hepatische Enzephalopathie zu haben. Bei normalem Ammoniakspiegel sind 0,8 – 1,3 g Aminosäuren/kg KG/d empfehlenswert. Ferner sollte die Glukosemenge auf 2 – 4 g/kg KG/d und die Applikation von Fett auf 0,5 – 1 g/kg KG/d reduziert werden.
Komplikationen bei der parenteralen Ernährung Zu Komplikationen s. Tab. A-3.20.
Komplikationen bei der parenteralen Ernährung Man unterscheidet katheterbedingte von nichtkatheterbedingten Komplikationen (Tab. A-3.20):
A-3.20
A-3.20
Komplikationen bei der parenteralen Ernährung
katheterbedingte Komplikationen
nichtkatheterbedingte Komplikationen
■
Fehllagen
■
■
Thrombosen
■
■
Infektionen, arterielle Blutungen, Pneumothorax (bei der Anlage des Katheters)
■
■
■
mikrobielle Kontamination der Lösungen Inkompatibilitäten von Medikamenten und Infusionslösungen metabolische Komplikationen: Flüssigkeitsbelastung (z. B. bei Niereninsuffizienz), Elekrolytentgleisungen (bei Störung des Säure-Basen-Haushaltes), Hyperosmolarität (bei erhöhtem Blutzuckerspiegel), Hyperglykämie (durch veränderte Insulinwirkung im Postaggressionsstoffwechsel und erhöhte Glukosezufuhr), Harnstoffbelastung (bei zu rascher Aminosäurezufuhr), Hypertriglyzeridämie (bei zu rascher Fettapplikation), Mangelsymptome (z. B. Aminosäuren, Vitamine, Spurenelemente) Cholestase (durch fehlende orale Nahrungsaufnahme, toxische Aminosäurewirkung bei Imbalancen oder überhöhtem Fettanteil der Ernährung) Fettleber (bei inadäquater Glukosezufuhr z. B. im Postaggressionsstoffwechsel)
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A
3.5 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
107
Monitoring der parenteralen Ernährung
Monitoring der parenteralen Ernährung
Das sorgfältige Monitoring bei der parenteralen Ernährung erhöht die Effizienz der Infusionsbehandlung und vermindert die Komplikationsrate.
Das sorgfältige Monitoring erhöht die Effizienz der Infusionsbehandlung und vermindert die Komplikationsrate.
Hierbei sollten folgende Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden (Tab. A-3.21):
Hierbei sollten folgende Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden (Tab. A-3.21):
A-3.21
Maßnahmen zur Kontrolle der parenteralen Ernährung
Parameter
Untersuchungen
ZVK
Röntgen-Thorax
Flüssigkeitshaushalt
Körpergewicht, Blutbild (Hämatokrit), kolloidosmotischer Druck und Natriumspiegel im Serum
Kreislaufsituation
Puls, Blutdruck, Körpertemperatur, zentralvenöser Druck (ZVD)
unmittelbarer postoperativer Ernährungszustand
regelmäßige Kontrolle von Blutzucker und Elektrolyten (Natrium, Kalium, Kalzium, Magnesium und Phosphat) sowie Kontrolle der Triglyzeridkonzentrationen (bis 300 mg/dl) vor der Verabreichung von Fett
Effektivität der Proteinzufuhr
Bestimmung der Stickstoffbilanz (Harnstoff, Kreatinin, 24 h-Urin) und des Verhaltens kurzlebiger Proteine wie z. B. Transferrin und Prothrombin
Stoffwechselsituation
BGA, Harnstoff, Kreatinin, Laktat, Harnstoffausscheidung im 24 h-Sammelurin (wöchentlich)
Leberfunktion
GOT, GPT, γ-GT, Transferrin, Albumin, Präalbumin
3.5
Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
A-3.21
3.5
Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
Hans-Dietrich Bruhn
3.5.1 Blutgerinnung und Fibrinolyse
3.5.1 Blutgerinnung und Fibrinolyse
Physiologie
Physiologie
Unter physiologischen Bedingungen garantiert ein gut funktionierendes Gerinnungssystem eine rasche und wirkungsvolle Blutungsstillung nach Verletzungen. (Nähere Informationen hierzu siehe Lehrbücher der Physiologie.)
Unter physiologischen Bedingungen garantiert das Gerinnungssystem eine rasche Blutungsstillung nach Verletzungen. (Nähere Informationen hierzu siehe Lehrbücher der Physiologie.)
Pathophysiologische Grundlagen
Pathophysiologische Grundlagen
Bei einer Gleichgewichtsstörung der hämostaseologischen Regulation kann sowohl eine Blutungsneigung (hämorrhagische Diathese) als auch eine Thromboseneigung (thrombotische Diathese) resultieren. Als Auslöser sowohl für eine Blutungs- als auch Thromboseneigung können krankhafte Veränderungen des Thrombozytensystems, der Gerinnungsfaktoren, der Gefäßwand sowie des Fibrinolysesystems verantwortlich sein (Tab. A-3.22). Auch Einflüsse des Herz-Kreislauf-Systems (z. B. bei verlangsamter Blutströmung) und der Blutviskosität (z. B. Thromboseneigung bei krankhaft erhöhter Erythrozytenzahl, beispielsweise auf dem Boden einer Polycythaemia vera) können für eine Thromboseneigung verantwortlich sein. Nähere Informationen hierzu sowie zu Risikofaktoren siehe Kap. 3.5.2 „Thrombose und Embolie“, S. 116.
Bei einer Störung des Gleichgewichts der Hämostase kann sowohl eine Blutungs- als auch eine Thromboseneigung resultieren. Auslöser können Störungen des Thrombozytensystems, der Gerinnungsfaktoren, Gefäßwandstörungen und krankhafte Veränderungen des Fibrinolysesystems sein (Tab. A-3.22). Auch Einflüsse des Herz-Kreislauf-Systems und der Blutviskosität können für eine Thromboseneigung verantwortlich sein.
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A
108 A-3.22
3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
Ursachen einer Blutungs- und Thromboseneigung
Blutungsneigung ■
■
■
■
■
Einflussfaktoren
Thromboseneigung
verminderte Thrombozytenzahl oder -funktion
Thrombozyten
■
Koagulopathien durch verminderte oder nicht funktionierende Gerinnungsfaktoren: – Synthesestörung (angeboren = Defektkoagulopathie oder erworben, z. B. bei Störungen der Leberfunktion) – Umsatzstörung (DIC) – Immunkoagulopathien Vasopathien
Gerinnungsfaktoren
■
Gefäßwand
■
Hyperfibrinolyse (z. B. bei Prostatakarzinom, Leberzirrhose) Zunahme von Gerinnungshemmkörpern (z. B. im Rahmen einer Heparin-Therapie oder Autoimmunerkrankung)
Fibrinolyse
■
thrombogene Gefäßwandfunktion (Arteriosklerose, Endangiitis) Hypofibrinolyse (angeboren oder erworben)
■
Blutströmungsverlangsamung
Blutströmungsgeschwindigkeit Viskosität
■
erhöhte Thrombozytenzahl oder -funktion erhöhte Gerinnungsfaktorenkonzentration oder Faktorenaktivierung
Viskositätsanstieg (z. B. bei Polyglobulie, Polycythaemia vera, Diuretikaeinnahme, bei starken Rauchern mit vermehrter Erythropoetinausschüttung)
Pathologische Blutungsneigung
Pathologische Blutungsneigung
Koagulopathien entstehen durch angeborene und erworbene Synthesestörungen von Gerinnungsfaktoren. Auch kann es bei einer Umsatzstörung, z. B. im Rahmen einer Sepsis zu einem Mangel an Gerinnungsfaktoren kommen. Die Aktivierung und der Zerfall der Blutplättchen führen besonders im Kapillarbereich zu einer generalisierten Gerinnung im Sinne einer disseminierten intravaskulären Koagulation (= DIC).
Ein Gerinnungsfaktorenmangel mit konsekutiv erhöhter Blutungsneigung kann durch Synthesestörungen bedingt sein. Hierbei werden angeborene Synthesestörungen (Defektkoagulopathien) von erworbenen (z. B. Störungen der Leberfunktion) unterschieden. Von diesen muss ein Gerinnungsfaktorenmangel als Folge einer Umsatzstörung abgegrenzt werden. Infolge einer Sepsis kann beispielsweise eine verstärkte Aktivierung des Gerinnungssystems resultieren. Durch Aktivierung und Zerfall der Thrombozyten kommt es besonders im Bereich der Kapillaren zu einer generalisierten Gerinnung im Sinne einer disseminierten intravaskulären Koagulation (= DIC). Nähere Informationen hierzu siehe S. 112.
왘 Merke
Abklärung einer pathologischen Blutungsneigung: Grundsätzlich muss vor jedem operativen Eingriff immer eine Blutungsanamnese erhoben werden.
왘 Merke. Besonders in der Chirurgie muss bei einer Blutungsneigung in jedem Einzelfall die Ursache exakt differenziert werden. So ist zu klären, ob es sich um eine Blutung auf dem Boden einer lokalen Blutungsursache (z. B. aus einem operativ eröffneten Blutgefäß), oder um eine systemische Blutungsneigung (z. B. durch einen Mangel an Gerinnungsfaktoren oder Thrombozyten oder durch eine gesteigerte fibrinolytische Aktivität bei Hyperfibrinolyse) handelt. Weiterhin ist eine Blutung durch Gefäßwandschäden auszuschließen.
Abklärung einer pathologischen Blutungsneigung: Grundsätzlich ist vor jedem chirurgischen Eingriff die Erhebung der Blutungsvorgeschichte des Patienten unverzichtbar. Falls keine Unterlagen vorliegen (bei Hämophilie A und B ist jedoch häufig ein Ausweis des Patienten vorhanden), muss die entsprechende Labordiagnostik durchgeführt werden. Weiterhin muss zur Verhinderung einer intraoperativen Blutung präoperativ eine systemische Blutungsneigung zuverlässig ausgeschlossen werden!
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3.5 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
109
Dies erfolgt durch die Ermittlung des sog. kleinen Gerinnungsstatus: ■ Quickwert bzw. INR (S. 111) zur Bestimmung der Thromboplastinzeit (Analyse des exogenen Gerinnungssystems) ■ PTT (= partielle Thromboplastinzeit) zur Erfassung des endogenen Gerinnungssystems ■ Fibrinogenspiegel ■ Thrombozytenzahl im Blut.
Mit dem sog. kleinen Gerinnungsstatus (Quickwert, PTT, Thrombozytenzahl, Fibrinogenspiegel) wird präoperativ die Frage einer systemischen Blutungsursache geklärt.
A
Auf diese Weise können die wichtigsten Blutungsursachen vor, während und nach einer Operation erfasst werden, sodass bei perioperativen Blutungen die Ursache geklärt werden kann (Tab. A-3.22). Nicht erfasst werden mit dem kleinen Gerinnungsstatus die folgenden Blutungsursachen: Faktor-XIII-Mangel (Mangel an fibrinstabilisierendem Faktor, FSF), Störungen der Gefäßwandfunktion, bestimmte Thrombozytenfunktionsstörungen (z. B. Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom bedingt durch Mangel an Faktor-VIII-assoziiertem Protein). In diesen Fällen sind zusätzliche Analysen in einem spezialisierten Gerinnungslaboratorium erforderlich! Eine sorgfältige Erhebung der Vorgeschichte kann dabei wegweisend sein! 왘 Klinischer Fall. Bei einem 18-jährigen Patienten wird eine Tonsillektomie wegen chronisch rezidivierender Tonsillitiden mit chronisch entzündlichen Veränderungen der Tonsillen durchgeführt. Die Blutstillung ist zunächst intraoperativ problemlos und scheinbar unauffällig. Postoperativ kommt es zu einer erheblichen Nachblutung. Eine zunächst befürchtete operative Eröffnung eines arteriellen Gefäßes der Nachbarschaft kann angiographisch ausgeschlossen werden. Der Gerinnungsstatus (Quick/INR, PTT, Thrombinzeit und Fibrinogen) ist unauffällig, eine genauere Befragung ergibt jedoch eine Neigung zu Nachblutungen, auch nach Bagatellverletzungen. Der Vater und ein Bruder des Patienten hatten bei vergleichbaren operativen Eingriffen schwerste Blutverluste erlitten. Mithilfe einer speziellen Gerinnungsanalyse wird ein Faktor-XIII-Mangel von 5 % der Norm diagnostiziert, der durch den normalen Gerinnungsstatus nicht erfasst worden war. Eine bessere Erhebung der Blutungsvorgeschichte hätte zweifellos zu einer genaueren präoperativen Analyse des Gerinnungsstatus geführt. Typisch für den Faktor-XIII-Mangel ist intraoperativ eine zunächst scheinbar regelrechte Blutstillung, auf die dann jedoch erhebliche Nachblutungen folgen. Therapeutisch ist die Substitution von FaktorXIII-Konzentraten, die bereits präoperativ verabreicht werden, jederzeit möglich. Darüber hinaus können auch zusätzlich Fibrinolysehemmer eingesetzt werden.
왘 Merke. Grundsätzlich gilt als oberste Regel vor geplanten operativen Ein-
Nicht erfasst werden mit dem kleinen Gerinnungsstatus: ■ Faktor-XIII-Mangel ■ Störungen der Gefäßwandfunktion ■ Thrombozytenfunktionsstörungen (z. B. Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom).
왗 Klinischer Fall
왗 Merke
griffen die genaue Befragung des Patienten hinsichtlich einer bestehenden Blutungsneigung. Wichtig ist hierbei, ob der Patient schon bei Bagatellverletzungen oder sogar spontan geblutet hat, ob bereits bei früheren Operationen eine unerwünschte verstärkte Blutungsneigung beobachtet wurde oder ob diese bei Familienmitgliedern des Patienten bekannt ist. Im Rahmen von Notfällen mit starkem Blutverlust (z. B. offene schwere Oberschenkelfraktur oder traumatologische Patienten nach schweren Unfällen) ist bei der Klinikaufnahme unverzüglich parallel zur Blutgruppe und zum Blutbild auch der Gerinnungsstatus zu analysieren. Nach Möglichkeit sollte auch die Blutungsvorgeschichte erfragt werden (bei Bewusstlosen müssen Angaben der Angehörigen und die Ergebnisse des Gerinnungsstatus verwertet werden). Wichtig ist hierbei zu beachten, dass in den ersten Stunden nach einem starken Blutverlust Hb- und Hkt-Wert keine verlässlichen Werte zur Beurteilung des tatsächlichen Blutungsausmaßes darstellen. 왘 Merke. Nach der derzeitigen Rechtsprechung ist sowohl für den Chirurgen als auch für den Anästhesisten die Analyse des Gerinnungsstatus integraler Bestandteil der präoperativen Analysen zur Feststellung der Operabilität eines Patienten!
Bei Blutungsnotfällen ist bei Klinikaufnahme des Patienten parallel zur Blutgruppe und zum Blutbild unverzüglich auch der Gerinnungsstatus zu analysieren.
왗 Merke
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3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
110
A
Bei intra- oder postoperativen Blutungen mit Komplikationen (z. B. Schock) als Folge einer bis dahin nicht erkannten Blutungsneigung trägt der Operateur juristisch die Verantwortung.
Im Falle einer intra- oder postoperativ entstehenden schweren Blutung mit Komplikationen (z. B. Schocksyndrom) als Folge einer bis dahin nicht erkannten Blutungsneigung wird dem Operateur das Fehlen entsprechender präoperativer Analysen zur Last gelegt werden.
Nach dem Ausschluss der lokalen Blutungsursachen müssen die Ursachen einer systemischen Blutungsneigung in Erwägung gezogen werden (Tab. A-3.22, S.108).
Nach dem Ausschluss einer lokalen Blutungsursache müssen jeweils differenzialdiagnostisch die unterschiedlichen Ursachen einer systemischen Blutungsneigung in Erwägung gezogen werden (Tab. A-3.22, S. 108).
Störungen der Gerinnungsfaktoren
Störungen der Gerinnungsfaktoren
Angeborene Defektkoagulopathien
Angeborene Defektkoagulopathien
Angeborene Mangelzustände an einem Gerinnungsfaktor z. B. Hämophilie A (= Mangel an Faktor VIII), Hämophilie B (= Mangel an Faktor IX) und Hämophilie C (= Mangel an Faktor X) sind durch die Vorgeschichte des Patienten (Blutungsneigung in frühester Jugend) und durch die Familienvorgeschichte zu erfassen. Charakteristisch für den Blutungstyp bei Hämophilie sind Gelenkblutungen, intraperitoneale Blutungen, Blutungen im Mund- und Nierenbereich sowie zerebrale Blutungen etc. Auch alle anderen Gerinnungsfaktoren können von Geburt an stark vermindert sein oder fehlen (Fibrinogen, Faktor II, V, VII sowie die Faktoren XI, XII und XIII).
Angeborene Mangelzustände an einem Gerinnungsfaktor verursachen die Hämophilie A (Mangel an Faktor VIII), die Hämophilie B (Mangel an Faktor IX) und die Hämophilie C (Mangel an Faktor X). Als Suchtest für diese Hämophilien kann die partielle Thromboplastinzeit (PTT) zum Einsatz kommen. Bei deutlicher Verlängerung der PTT muss dann die jeweilige Einzelfaktorenanalyse (FaktorVIII-Aktivität, Faktor-IX-Aktivität, Faktor-X-Aktivität) folgen. Im Allgemeinen gibt die individuelle Vorgeschichte des Patienten (z. B. Blutungsneigung in frühester Jugend) oder die Familienvorgeschichte häufig wichtige Hinweise auf eine angeborene Blutungsneigung bei diesen Hämophilien. Typisch für den Blutungstyp bei Hämophilie A und B sind vor allem Gelenkblutungen, aber auch intraperitoneale Blutungen (Differenzialdiagnose des akuten Abdomens), Blutungen im Mund- und Nierenbereich sowie zerebrale Blutungen etc. Grundsätzlich können aber auch alle anderen Gerinnungsfaktoren von Geburt an stark vermindert sein oder sogar fehlen (Fibrinogen, Faktor II, V, VII sowie die Faktoren XI, XII und XIII). Hervorzuheben ist, dass der Faktor-XIII-Mangel durch die üblichen Suchtests des kleinen Gerinnungsstatus nicht erfasst wird, da dieser hier normal ausfällt! Eine weitere wichtige Defektkoagulopathie ist das Von-Willebrand-JürgensSyndrom. Hierbei handelt es sich um eine aus pathogenetischer Sicht uneinheitliche Blutungsneigung aufgrund des Fehlens oder einer fehlerhaften Struktur des Von-Willebrand-Faktors (des Faktor-VIII-assoziierten Proteins). Die Symptomatik ist durch eine Kombination des hämophilen mit dem petechialen Blutungstyp charakterisiert. Präoperativ und bei Blutungskomplikationen ist bei Patienten mit Hämophilie A, B oder C eine adäquate Substitution des fehlenden Gerinnungsfaktors durchzuführen. Die Dosierung erfolgt in Einheiten (wobei eine Einheit der mittleren Aktivität von 1 ml Normalplasma entspricht). Die angemessene Substitution eines fehlenden Gerinnungsfaktors z. B. bei einer Hämophilie orientiert sich am Körpergewicht des Patienten und an der für die Durchführung einer Operation als notwendig erachteten Anhebung der Faktorenaktivität im Patientenplasma bzw. -blut (Tab. A-3.23). Parallel zur Substitution sind Kontrollen der Faktoren-Blutspiegel bzw. der partiellen Thromboplastinzeit erforderlich. Dies gilt auch für die seltene Hämophilie C, bei der mit einem Prothrombinkonzentrat der erforderliche Faktor X substituiert wird.
Das Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom ist durch Fehlen des Faktor-VIII-assoziierten Proteins charakterisiert. Die Symptomatik ist durch Kombination des hämophilen mit dem petechialen Blutungstyp gekennzeichnet.
Präoperativ und bei Komplikationen muss bei Hämophilie-Patienten eine adäquate Substitution des fehlenden Gerinnungsfaktors erfolgen. Die Dosierung orientiert sich am Körpergewicht des Patienten und an der für die Durchführung einer Operation als notwendig erachteten Anhebung der Faktorenaktivität im Patientenplasma bzw. -blut (Tab. A-3.23). Parallel zur Substitution der Gerinnungsfaktoren müssen der Blutspiegel bzw. die partielle Thromboplastinzeit kontrolliert werden.
A-3.23
A-3.23
Dosierung bei Substitution von Gerinnungsfaktoren
Initialdosis ■
Formel: A x G x F, wobei
A= gewünschter Anstieg in Einheiten G = Körpergewicht in kg F = 0,6 (Hämophilie A) oder 1,0 (Hämophilie B)
Erhaltungsdosis ■
■
Hämophilie A: Hälfte der Initialdosis alle 6 – 12 h Hämophilie B: Hälfte der Initialdosis alle 12 – 14 h (Intervall unterscheidet sich bedingt durch unterschiedliche Halbwertszeiten der verabreichten Gerinnungsfaktoren)
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A
A-3.24
3.5 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
Therapeutische Zielwerte der Faktorenaktivität bei Hämophilie A oder B
Indikation ■ ■
■
■
bei Gelenkblutungen und kleinen Hämatomen bei kleinen chirurgischen Eingriffen und Zahnextraktionen (1 – 2 Zähne) (Optimierung im Hinblick auf das Blutungsrisiko auch durch zusätzlichen Einsatz eines Antifibrinolytikums, z. B. Tranexamsäure; s. S. 133) bei Mundhöhlenblutungen, gastrointestinalen Blutungen sowie bei Schädeltraumata bei großen chirurgischen Eingriffen
111 A-3.24
Faktor-VIII- bzw. -IXAktivität in % 5 – 15 % 30 – 40 %
50 – 80 % 100 %
왘 Merke. Dabei dürfen nur geeignete virusinaktivierte Substitutionspräparate
왗 Merke
verwendet werden, um die Übertragung der Hepatitis B und C sowie der HIV-Infektion durch infektiöse Faktor-VIII- bzw. Faktor-IX-Präparate auf jeden Fall zu vermeiden. Erworbene Defektkoagulopathien
Erworbene Defektkoagulopathien
Diese müssen von den angeborenen Defektkoagulopathien abgegrenzt werden. Durch Störungen der Leberfunktion werden Blutungen vom Hämophilie-Typ verursacht. Diese führen in Abhängigkeit von ihrem Schweregrad zu komplexen Gerinnungsstörungen. Am empfindlichsten reagieren bei gestörter Leberfunktion die Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren VII, IX, X und II (Merkhilfe: 1972) sowie Protein C und S, sodass aus dem Verhalten dieser Gerinnungsfaktoren Rückschlüsse auf die Intensität der Leberschädigung gezogen werden können. Bei schweren Leberparenchymschäden finden sich auch Verminderungen der übrigen Gerinnungsfaktoren, insbesondere der Faktoren V und/oder Antithrombin III, gelegentlich auch von Fibrinogen. Bei niedrigen AT-III-Werten (Normwert 70 – 120 %) besteht ein erhöhtes Thromboserisiko, weshalb in diesen Fällen AT III substituiert werden sollte. Auch Heparin benötigt zur Entfaltung einer antithrombotischen Wirkung AT III als Kofaktor (s. u.). Mithilfe des Quickwertes bzw. INR erfolgt die Kontrolle des Plasmaspiegels der Faktoren II, V, VII und X. Der Faktor-IX- und Faktor-X-Mangel wird auch anhand der PTT-Verlängerung empfindlich erfasst. Ein Vitamin-K-Mangel kann zu vergleichbaren Mangelzuständen der Faktoren II, VII, IX und X führen. Alimentäre oder antibiotikabedingte Ursachen hierfür können sein: Eine totale parenterale Ernährung, gestörte Resorption, heftige Durchfälle, Malabsorptionssyndrome jeder Genese, Gallengangsverschluss und Änderungen der Darmflora durch Antibiotika. Hier sollte zunächst eine orale Substitution mit Vitamin K (10 – 20 mg) versucht werden.
Diese müssen von angeborenen Defektkoagulopathien abgegrenzt werden. Blutungen vom Hämophilie-Typ werden durch Störungen der Leberfunktion verursacht.
왘 Merke. Die intravenöse Vitamin-K-Applikation (Konakion) kann zu schwe-
Bei schweren Leberschäden resultiert eine Verminderung der Gerinnungsfaktoren II, V, VII, IX und X sowie ein Abfall von Antithrombin III, gelegentlich auch von Fibrinogen.
Mithilfe des Quickwertes bzw. INR wird der Plasmaspiegel der Faktoren II, V, VII und X erfasst. Eine PTT-Verlängerung ist ein empfindlicher Indikator für den Faktor-IX- und Faktor-X-Mangel. Ein alimentärer oder antibiotikabedingter Vitamin-K-Mangel führt zum Abfall der Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X.
왗 Merke
ren allergischen Reaktionen führen und sollte daher Notfällen sowie Intensivpatienten mit totaler parenteraler Ernährung vorbehalten bleiben. Die Injektion erfolgt langsam unter Bereithaltung von Antihistaminika, Kortison und Notfallmedikamenten. Vitamin-K-Antagonisten (Kumarinderivate wie z. B. Marcumar) blockieren die Vitamin-K-abhängige Carboxylierung der Faktoren II, VII, IX und X in der Leber und führen zum Absinken dieser Faktoren im Plasma (Abb. A-3.4). Die orale Antikoagulation mittels oraler Kumarinapplikation kann also auch durch den Quickwert/INR überwacht werden (Tab. A-3.29, S. 128).
Vitamin-K-Antagonisten (Kumarinderivate) führen zur Abnahme der Funktionsfähigkeit der Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X im Plasma (Kontrolle durch Quickwertanalyse) (Tab. A-3.29, S.128 und Abb. A-3.4).
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112 A-3.4
A
3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
A-3.4
Hämatombildung bei Kumarinlangzeitbehandlung Hämatombildung am Oberschenkel nach Bagatelltrauma bei Langzeitbehandlung mit Kumarinen (Quickwert des Patienten zum Zeitpunkt der Traumatisierung 12 %).
Immunkoagulopathien
Immunkoagulopathien
Immunkoagulopathien entstehen durch Antikörper gegen Gerinnungsfaktoren oder Thrombozyten bei Autoimmunerkrankungen (LE, rheumatoide Arthritis). Diese sog. Hemmkörperhämophilien werden mit Prednisolon oder Cyclophosphamid, ggf. auch durch Plasmapherese behandelt.
Immunkoagulopathien werden durch Antikörper (IgG oder IgM) verursacht. Diese inaktivieren entweder Gerinnungsfaktoren oder gerinnungsfaktorwirksame Rezeptoren an der Thrombozytenmembran. Häufige Ursachen sind Autoimmunerkrankungen wie z. B. Lupus erythematodes (LE) und rheumatoide Arthritis. Bei Patienten mit Hämophilie A oder B können insbesondere nach längerer Substitution mit Faktor-VIII- oder -IX-Konzentraten Hemmkörper mit der Folge einer Blutungsneigung entstehen. Diese sogenannten Hemmkörperhämophilien werden mit Prednisolon oder Cyclophosphamid, in schweren Fällen auch durch Plasmapherese behandelt.
Verbrauchskoagulopathie, disseminierte intravaskuläre Koagulation (DIC) 왘 Definition
Verbrauchskoagulopathie, disseminierte intravaskuläre Koagulation (DIC) 왘 Definition. Im Rahmen einer Verbrauchskoagulopathie kommt es durch einen erhöhten Umsatz an Gerinnungsfaktoren aufgrund einer intravasalen Gerinnungsaktivierung zu einer generalisierten Thrombose- und Blutungsneigung. Die Ausbildung von Mikrothromben und Mikrozirkulationsstörungen führt konsekutiv zu Organnekrosen und einem Schocksyndrom.
Ätiologie: In der Chirurgie kommt eine DIC insbesondere nach schweren Unfällen und im Rahmen einer Sepsis vor.
Ätiologie: Insbesondere bei traumatologischen Patienten nach schweren Unfällen und im Rahmen einer Sepsis treten in der Chirurgie charakteristische Verbrauchskoagulopathien auf. Große chirurgische Eingriffe sind heutzutage aufgrund der generellen Heparinprophylaxe nur noch selten Ursache für die Entstehung einer Verbrauchskoagulopathie.
Pathogenese: Bei schweren Autounfällen kann es durch Muskelquetschungen und Zerreißungen parenchymatöser Organe zur Freisetzung von Thromboplastin kommen. Dies führt zur Ausbildung einer DIC. Bei einer Sepsis schädigen die Erreger die Thrombozyten, wodurch diese ihr gerinnungsaktives Material wie Plättchenfaktor 3 (PF 3) freisetzen, und eine DIC resultiert (Abb. A-3.6).
Pathogenese: Bei schweren Autounfällen führt z. B. eine Freisetzung von Thromboplastin durch Muskelquetschungen und Zerreißungen parenchymatöser Organe zu einer generalisierten Gerinnungsaktivierung. Daraus resultiert die Ausbildung einer Verbrauchskoagulopathie mit dem klinischen Bild einer disseminierten intravaskulären Koagulation (DIC, s. u.). Im Rahmen einer Sepsis (z. B. infolge eines schweren eitrigen Prozesses) können Eitererreger (z. B. Staphylokokken) die zirkulierenden Thrombozyten schädigen, sodass diese ihr gerinnungsaktives Material, z. B. Phospholipide wie Plättchenfaktor 3 (= PF 3) freisetzen. Folge davon ist eine generalisierte Gerinnungsaktivierung mit schwerer Verbrauchskoagulopathie (Abb. A-3.6).
Klinik: Typische klinische Merkmale einer DIC sind Blutungszeichen in Kombination mit Thrombosen der kleinen Gefäße (z. B. Nierenperfusionsschäden)
Klinik: Die klinischen Symptome sind durch hämorrhagische Diathese und gleichzeitig bestehende Mikrozirkulationsstörungen gekennzeichnet. Blutungszeichen in Kombination mit Thrombosen der kleinen Gefäße (z. B. Nierenperfusionsschäden) sind typische Zeichen einer DIC.
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A
3.5 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
113
Diagnostik: Ein rascher Abfall (innerhalb weniger Stunden) von Thrombozytenzahl, Antithrombin III und ggf. auch des Fibrinogenspiegels bei gleichzeitigem Anstieg der Thrombinmarker (Fibrinopeptid A, Thrombin-Antithrombin-IIIKomplexe [= TAT] und Fibrinmonomere [= Fibrinspaltprodukte]) sind diagnostisch wegweisend. Diese sog. Thrombinmarker, mit denen die Anwesenheit von Thrombin sehr sensitiv nachgewiesen werden kann, gelten heutzutage als die empfindlichsten Parameter zum Nachweis einer Verbrauchskoagulopathie (Abb. A-3.5). Anstelle der Fibrinmonomere können auch die D-Dimere (Fibrinabbauprodukte) bestimmt werden. Diese werden als Folge einer reaktiven Fibrinolyse aus Fibrinpräzipitaten freigesetzt.
Diagnostik: Wichtige diagnostische Hinweise sind ein rascher Abfall von Thrombozytenzahl, AT III und Fibrinogenspiegel bei gleichzeitigem Anstieg der Thrombinmarker und Fibrinmonomere (= Fibrinspaltprodukte) (Abb. A-3.5).
Therapie: Die beste Therapiemöglichkeit zur Behandlung einer Verbrauchskoagulopathie ist die Beseitigung der Ursache. Wird z. B. eine Sepsis durch entsprechende Antibiotikabehandlung oder Operation (z. B. einer vereiterten Gallenblase bei Cholezystolithiasis) erfolgreich therapiert, so verschwinden die Symptome der Verbrauchskoagulopathie, und der Gerinnungsstatus normalisiert sich. Auch durch die vollständige operative Entfernung eines bösartigen Tumors (z. B. eines Kolonkarzinoms) kann eine chronische Verbrauchskoagulopathie auf dem Boden des Karzinoms erfolgreich behandelt werden. Neben der Beseitigung der Ursache sind zusätzliche symptomatische Therapiemaßnahmen für den Behandlungserfolg von entscheidender Bedeutung. So kann z. B. die Substitution von Antithrombin III und Protein C bei gleichzeitiger niedrig dosierter Heparingabe zur Normalisierung des Gerinnungsstatus führen. Auch kann eine Fibrinolysetherapie zur Beseitigung vorhandener Mikrothrombosen, z. B. im Lungenbereich bei schwerer Schocklunge erfolgreich sein. Aktuell wird bei schweren Sepsisfällen die Gabe von Protein C als lebensrettende Maßnahme favorisiert.
Therapie: Die beste Therapiemöglichkeit stellt die Beseitigung der Ursache dar. Eine durch Sepsis hervorgerufene DIC kann z. B. durch eine Antibiotikatherapie oder operative Entfernung des Streuherdes erfolgreich behandelt werden. Auch die operative Entfernung eines bösartigen Tumors kann eine chronische Verbrauchskoagulopathie positiv beeinflussen.
Prophylaxe: Zur Prophylaxe einer Verbrauchskoagulopathie ist eine möglichst rechtzeitige Heparingabe anzustreben. Bei Abfall von Antithrombin III (= Kofaktor von Heparin) und gleichzeitigem Anstieg der Thrombinmarker als Ausdruck der Thrombinämie muss Antithrombin III und ggf. auch Protein C substituiert werden. Abb. A-3.6 zeigt Mikrothromben im Bereich der Niere, die auf dem Boden einer Staphylokokkensepsis entstanden sind (Mikrothrombosen und Verbrauchskoagulopathie).
Prophylaxe: Die Prophylaxe der Verbrauchskoagulopathie erfolgt durch rechtzeitige Heparingabe, ggf. durch Substitution von Antithrombin III und Protein C.
A-3.5
Diagnostische Hinweise auf eine DIC
Zusätzliche symptomatische Therapiemaßnahmen wie die Substitution von AT III und Protein C in Kombination mit Heparin können zur Normalisierung des Gerinnungsstatus führen. Eine Fibrinolysetherapie zur Beseitigung vorhandener Mikrothrombosen der Lunge bei ARDS kann erfolgreich sein.
A-3.5
Für das Vorliegen einer Verbrauchskoagulopathie (DIC = disseminierte intravasale Koagulation) ist das sog. „Kreuzungsphänomen“ charakteristisch: ■ Abfall: Thrombozytenzahl, Fibrinogen- und Antithrombin-III-Konzentration ■ Anstieg: Thrombinmarker (Fibrinopeptid A, Fibrinmonomere, Thrombin-Antithrombin-III-Komplexe = TAT) als Hinweis auf das generalisierte intravaskuläre Gerinnungsgeschehen, D-Dimere als Hinweis auf eine reaktive Fibrinolyse nach Fibrinbildung (Anstieg im Sinne eines Thrombin-Markers).
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114 A-3.6
A
3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
A-3.6
Mikrothromben in der Niere bei Staphylokokkensepsis mit Verbrauchskoagulopathie
23-jährige Patientin nach septischem Abort mit Staphylokokkensepsis: Die im Rahmen der disseminierten intravasalen Koagulation (DIC) entstandenen Mikrothromben befinden sich in den Glomerulumkapillaren. Durch HE-Färbung (Hämatoxylin-Eosin) wurde das thrombotische Material rot angefärbt.
Chronische Verbrauchskoagulopathie Diese findet sich bei malignen Tumoren und kann durch Operationen, Strahlen- und Chemotherapie akzentuiert werden.
왘 Merke
Chronische Verbrauchskoagulopathie Diese findet sich bei malignen Tumoren und kann durch operative Eingriffe, Strahlen- und Chemotherapie akzentuiert werden. Auch hier sind die Thrombinmarker eine sehr empfindliche Nachweismethode und können zur Dokumentation dieses Zustandsbildes eingesetzt werden. Die Bedeutung einer prophylaktischen Heparingabe wird abhängig von der jeweiligen Tumorart und dem Krankheitsverlauf unterschiedlich beurteilt. 왘 Merke. Gelegentlich kann es auf dem Boden einer Verbrauchskoagulopathie
durch spezielle biochemische Mechanismen (z. B. über das Kontaktsystem der Blutgerinnung mit dem Faktor XII) zur Aktivierung des Fibrinolysesystems mit einer Hyperfibrinolyse kommen. Hyperfibrinolysen finden sich z. B. beim Prostatakarzinom. Operation oder Chemotherapie des Prostatakarzinoms können die DIC günstig beeinflussen.
Ein Beispiel hierfür ist eine durch chronische Verbrauchskoagulopathie ausgelöste Hyperfibrinolyse bei metastasierendem Prostatakarzinom. In diesem Fall muss die Ursache der Verbrauchskoagulopathie behandelt werden, also eine Operation oder Chemotherapie des Prostatakarzinoms erfolgen. Die Gabe von Fibrinolysehemmern ist nicht erfolgversprechend und kann sogar eine gefährliche Verstärkung der Verbrauchskoagulopathie hervorrufen. Heparin kann in niedriger Dosierung indiziert sein.
Hyperfibrinolyse
Hyperfibrinolyse
Die induzierte Hyperfibrinolyse beim therapeutischen Einsatz von Urokinase, Streptokinase oder von rt-PA führt zur Blutungsneigung. Bei akut notwendiger Operation unter laufender Fibrinolysetherapie kann die fibrinolytische Wirkung durch Gabe von Inhibitoren (z. B. Aprotinin) unterbrochen werden.
Bei therapeutischem Einsatz von Urokinase, Streptokinase oder Gewebsplasminogenaktivator (rt-PA= recombinant tissue plasminogen activator) im Rahmen einer Lysetherapie kann eine z. T. erhebliche Blutungsneigung resultieren. Diese induzierte Hyperfibrinolyse kann beispielsweise bei postoperativem Einsatz einer Fibrinolysetherapie zur Behandlung einer Beinvenenthrombose oder Lungenarterienembolie auftreten. Nach operativen Eingriffen ist daher eine Fibrinolysetherapie, z. B. zur Beseitigung einer Beinvenenthrombose in den ersten 12 postoperativen Tagen nicht möglich. Bei akut notwendiger Operation unter laufender Fibrinolysetherapie müssen zunächst Fibrinolyseinhibitoren verabreicht werden (z. B. Tranexamsäure; Aprotinin). Gegebenenfalls ist auch eine Faktorensubstitution durchzuführen. Darüber hinaus können Hyperfibrinolysen auch auf dem Boden einer Verbrauchskoagulopathie (S. 112) entstehen.
Hyperfibrinolysen können auch auf dem Boden einer Verbrauchskoagulopathie (S.112) entstehen.
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3.5 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
115
Störungen des thrombozytären Systems
Störungen des thrombozytären Systems
Eine Blutungsneigung kann bedingt sein durch: ■ Thrombozytopenien: Verminderung der Thrombozytenzahl auf 5 50 000 Thrombozyten/µl Blut ■ Thrombozytopathien: Funktionsstörungen der Thrombozyten (Abb. A-3.7). ■ Thrombozytose: z. B. durch hämatologische Erkrankungen mit einer Vermehrung der Thrombozytenzahl (z. B. Thrombocythaemia haemorrhagica; selten) bei gleichzeitiger Störung der Thrombozytenfunktion.
Mögliche Ursachen für eine Blutungsneigung sind: ■ Thrombozytopenien (Verminderung der Thrombozytenzahl 5 50 000/µl Blut) sowie ■ Thrombozytopathien (Funktionsstörungen der Thrombozyten) (Abb. A-3.7) ■ Thrombozytose: Hämatologische Erkrankungen (z. B. Thrombocythaemia haemorrhagica) bei gleichzeitiger Störung der Thrombozytenfunktion
왘 Merke. Wichtig ist, dass auch bei normaler Thrombozytenzahl eine Blu-
왗 Merke
tungsneigung auf dem Boden einer ausschließlichen Thrombozytenfunktionsstörung zustande kommen kann. Hierbei sind nicht nur angeborene Thrombozytopathien und immunologisch ausgelöste Störungen der Thrombozytenfunktion zu berücksichtigen, sondern auch iatrogen induzierte Funktionsstörungen der Blutplättchen (Abb. A-3.7). In diesem Zusammenhang ist insbesondere die durch Acetylsalicylsäure (ASS) induzierte Thrombozytenfunktionsstörung hervorzuheben. Die ASS-Wirkung auf die Thrombozytenfunktion kann auch bei Operationen zu einer verstärkten Blutungsneigung führen! Auch nach Absetzen von ASS hält die dadurch ausgelöste Thrombozytenfunktionsstörung noch mindestens 5 Tage an. 왘 Merke. Daher sollte ASS möglichst 5 Tage vor einem geplanten operativen
Auch eine durch Acetylsalicylsäure (ASS) induzierte Thrombozytenfunktionsstörung führt zur Blutungsneigung.
왗 Merke
Eingriff abgesetzt werden.
Störungen der Blutgefäße (Vasopathien)
Störungen der Blutgefäße (Vasopathien)
Vasopathien beruhen entweder auf umschriebenen morphologischen Veränderungen der Gefäßwand oder auf generalisierten Veränderungen der Gefäßpermeabilität und -fragilität. Diese können angeboren oder erworben sein. In diesen Fällen liegt häufig ein petechialer Blutungstyp (Purpura) an Haut, Schleimhäuten und Serosa vor.
Vasopathien beruhen entweder auf umschriebenen morphologischen Veränderungen der Gefäßwand oder auf generalisierten Störungen der Gefäßpermeabilität. Diese können angeboren oder erworben sein.
A-3.7
Thrombozytopenische Purpura
A-3.7
Punktförmige Blutungen bei einem 54-jährigen Patienten nach Einnahme des Antiarrhythmikums Chinidin (medikamentös-toxisch induzierte Thrombozytopenie).
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116
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A-3.8
3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
A-3.8
Morbus Osler Charakteristischer Befund bei einem 49-jährigen Patienten mit Teleangiektasien (stecknadelkopfgroße, flache, rote, petechienähnliche, aber wegdrückbare Läsionen) im Bereich der Lippe und Wangenhaut. Es handelt sich hier um umschriebene Ausweitungen der Kapillaren und Arteriolen.
Ätiologie: Gefäßwandfunktionsstörungen finden sich als Vasopathien angeboren (z. B. Morbus Osler, Abb. A-3.8) oder erworben nach Streptokokkeninfekten (Purpura Schoenlein-Henoch) meist vom petechialen Blutungstyp (= punktförmige Hautblutungen) oder gelegentlich medikamentös bedingt. Auch bei Ehlers-Danlos-Syndrom und bei Marfan-Syndrom ist aufgrund einer möglichen gefäßbedingten Blutungsneigung bei Operationen Vorsicht geboten.
Ätiologie: ■ Angeborene Vasopathien sind selten. Bei Morbus Osler (Synonym: Hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie) finden sich vorwiegend an Mund, Lippe (Abb. A-3.8) und Nase petechienähnliche blutende Läsionen, Magen- und Lungenblutungen sowie Hämaturien. Eine Blutungsneigung findet sich auch beim Ehlers-Danlos-Syndrom sowie beim Marfan-Syndrom. Bei diesen Erkrankungen kann eine schwere Blutungsneigung vorliegen, bei Operationen ist besondere Vorsicht geboten. ■ Erworbene Vasopathien sind gelegentlich medikamentös und infektiöstoxisch bedingte Vaskulitiden, aber auch bei Dys- und Paraproteinämien kann es zu entsprechenden vergleichbaren petechialen Blutungen kommen. Die Purpura Schoenlein-Henoch ist eine akute allergische Vaskulitis von Kapillaren und Arteriolen mit erhöhter Permeabilität und Blutungsneigung nach Streptokokkeninfekten der oberen Luftwege, aber auch nach Viruserkrankungen, bei Nahrungs- und Arzneimittelallergien. Im akuten Stadium des Streptokokkeninfekts können Penicillin und Glukokortikoide helfen.
Auch die thrombotische Mikroangiopathie Typ Moschcowitz (thrombotisch-thrombozytopenische Purpura) und das hämolytischurämische Syndrom (HUS) können petechiale Blutungen induzieren.
Auch die thrombotische Mikroangiopathie Typ Moschcowitz (thrombotischthrombozytopenische Purpura) und das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) können petechiale Blutungen induzieren.
Differenzialdiagnose: Verbrauchskoagulopathien, erworbene Vasopathien durch Vitamin-C-Mangel (Skorbut) und Alterungsprozesse (Purpura senilis) müssen ausgeschlossen werden.
Differenzialdiagnose: Eine Verbrauchskoagulopathie ist ebenso auszuschließen wie erworbene Vasopathien durch Vitamin-C-Mangel (Skorbut) oder durch Alterungsprozesse (Purpura senilis).
3.5.2 Thrombose und Embolie
왘 Definition
3.5.2 Thrombose und Embolie 왘 Definition. ■
■
Unter einer Thrombose versteht man die intravitale Ausbildung eines Blutpfropfes in der Blutstrombahn. Nach dem Ort der Entstehung unterscheidet man arterielle, venöse, intrakardiale und kapillare Thrombosen (z. B. bei Verbrauchskoagulopathie, S. 112). Die teilweise vollständige Verlegung des Gefäßlumens durch einen Thrombus behindert die Blutzirkulation. Das Ausmaß der Strömungsbehinderung und die organbezogene Lokalisation des thrombotischen Gefäßverschlusses bestimmen Art und Schwere der klinischen Symptomatik. Eine Embolie ist definiert als plötzlicher Verschluss einer Gefäßlichtung durch thrombotisches Material, das über die Blutbahn verschleppt wurde und aus einer anderen Körper- bzw. Organregion stammt.
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A-3.25
3.5 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
Häufigkeit venöser Thrombosen bei fehlender Thromboseprophylaxe
Fachgebiet Chirurgie
A-3.25
Häufigkeit in % ■ ■ ■ ■
■ ■
Innere Medizin
117
■ ■
Abdominalchirurgie Thoraxchirurgie Gynäkologie Prostataoperationen – transurethral – transvesikal Hüftgelenksendoprothetik Schenkelhalsfraktur
3 – 51 20 – 45 7 – 45 7 – 10 29 – 51 30 – 65 40 – 49
Myokardinfarkt zerebraler Insult mit Hemiplegie
10 – 38 33 – 53
Klinisch wichtige Beispiele: Lungenarterienembolie bei venöser Thrombose der unteren Extremität, arterielle Thromboembolien bei Verschleppung kardialer Thromben in zerebrale Arterien (kardiogene Hirnembolien), Verschleppung von Thromben im Bereich arteriosklerotischer Wandläsionen (z. B. der Aorta in die unteren Extremitäten).
Klinisch wichtige Beispiele: Lungenembolie bei tiefer Beinvenenthrombose, arterielle Embolien (z. B. kardiogene Hirnembolien), Verschleppung von Thromben im Bereich arteriosklerotischer Wandläsionen.
Epidemiologie: Venöse Thrombosen (insbesondere der unteren Extremitäten) und daraus resultierende Lungenarterienembolien gehören zu den häufigsten und sehr gefürchteten postoperativen Komplikationen in der Chirurgie (Tab. A-3.25). Arterielle Thromboembolien sind ebenfalls von großer praktischer Bedeutung (v. a. in der Inneren Medizin): 36 % der Bundesbürger sterben am Myokardinfarkt, d. h. an einer Koronarthrombose, 12 % an einer zerebralen Zirkulationsstörung (Hirninfarkt).
Epidemiologie: Venöse Thrombosen und Lungenarterienembolien gehören zu den häufigsten und sehr gefürchteten postoperativen Komplikationen (Tab. A-3.25).
Pathogenese (Virchow-Trias): Eine Störung der Blutströmung, eine Gefäßwandschädigung und eine Änderung der Blutzusammensetzung führen zu einer unerwünschten intravitalen Gerinnselbildung, das heißt zu einer „Blutstillung am falschen Orte“. Die häufigsten Ursachen und Risikofaktoren für die Entstehung venöser Thrombosen sind in Tab. A-3.26 aufgeführt.
Pathogenese: Die Entstehung venöser und arterieller Thrombosen und Embolien folgt den Gesetzen der Virchow-Trias: ■ Störung der Blutströmung ■ Gefäßwandschädigung ■ veränderte Blutzusammensetzung.
왘 Merke. Alle Patienten mit den in Tab. A-3.26 genannten Risikofaktoren für
Arterielle Thromboembolien (z. B. Herzinfarkte, Hirninfarkte) sind von großer praktischer Bedeutung.
왗 Merke
eine erhöhte Neigung zu venösen Thrombosen müssen einer konsequenten perioperativen Thromboseprophylaxe unterzogen werden. Die häufigste angeborene Ursache für venöse Thromboembolien stellt die Resistenz des durch Mutation veränderten Gerinnungsfaktors V (= Faktor-VMutation) gegenüber seinem Hemmkörper Protein C dar. Man nennt diese Resistenz auch abgekürzt APC-Resistenz oder nach dem Ort der Entdeckung (Stadt Leiden in Holland) auch Faktor-V-Leiden-Mutation. Die Inzidenz entspricht mit 6 – 7 % der Bevölkerung der Inzidenz des Diabetes mellitus! Zu Ursachen und Risikofaktoren für eine Thromboseneigung siehe Tab. A-3.26. Klinik: Ein akuter (thrombotischer oder embolischer) arterieller Verschluss der oberen oder unteren Extremität führt zu einem akuten Schmerzereignis, begleitet von ausgeprägter Blässe der Extremität distal des Verschlusses, einem Fehlen tastbarer Pulse sowie einer palpablen Abkühlung der nicht mehr durchbluteten Hautpartien.
왘 Merke. Eine komplette peripher-arterielle Ischämie ist gekennzeichnet durch die „6 P’s“: Schmerz (Pain), Blässe (Paleness), Gefühlsstörungen (Paraesthesia), Pulsverlust (Pulslessness), Bewegungsverlust (Paralysis) und Schock/Erschöpfung (Prostration) (s. Kapitel „Gefäßchirurgie“, S. 1100).
Die häufigste angeborene Ursache für venöse Thromboembolien stellt die Resistenz des durch Mutation veränderten Faktors V gegenüber seinem Hemmkörper Protein C dar (APC-Resistenz). 6 – 7 % der Bevölkerung haben eine solche APC-Resistenz! Zu Ursachen und Risikofaktoren für eine Thromboseneigung siehe Tab. A-3.26. Klinik: Ein akuter (thrombotischer oder embolischer) arterieller Verschluss der Extremitäten führt zu einem akuten Schmerzereignis mit Blässe der Extremität distal vom Verschluss sowie zum Fehlen tastbarer Pulse und Abkühlung der minderperfundierten Hautparien. 왗 Merke
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118 A-3.26
Ursachen und Risikofaktoren für die Entstehung venöser Thrombosen
Blutströmungsverlangsamung
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erhöhte Blutviskosität
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Gefäßwandschädigung
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weitere Ursachen
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Bettlägerigkeit, Immobilisation, hohes Lebensalter Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz, bradykarde Herzrhythmusstörungen lokale Ursachen (Aneurysmata, Beckenvenensporn) erhöhter Hämatokritwert (z. B. bei Polyglobulie, Polycythaemia vera, durch Einnahme von Diuretika) u./o. Fibrinogenspiegel (z. B. bei Entzündungsprozessen) Malignome (Freisetzung von Tumorzellen-Thromboplastinen) angeborener Inhibitorenmangel: Mangel an Protein C, Protein S, AT III (führt zu Thromboseneigung auch bei jüngeren Erwachsenen, d. h. bereits vor dem 30. Lebensjahr) APC-Resistenz (= Faktor-V-Leiden-Mutation, s. u.) Endothelveränderungen (verminderte Synthese von heparinähnlichen Substanzen), verminderte Freisetzung des Fibrinolyseaktivators Arteriosklerose Endangiitis „Übergerinnbarkeit“ (Hyperkoagulabilität) als Ursache venöser und arterieller Thrombosen Lupus-Antikoagulans Hyperhomocysteinämie Aktivierung der thrombozytären Funktion (z. B. bei viralen oder bakteriellen Infektionen) Zunahme bzw. Aktivierung von Gerinnungsfaktoren Hypofibrinolyse (verminderte Freisetzung des Fibrinolyseaktivators aus dem Venenendothel, Mangel an Faktor XII, erhöhte Aktivität/Anzahl von Fibrinolysehemmkörpern) Freisetzung gerinnungsaktiver Substanzen bei Operationen v. a. im Bereich besonders gerinnungsaktiver Gewebe (z. B. bei Lungenoperationen, in der Kolonchirurgie) sowie durch Traumata und Verbrennungen Adipositas Gravidität, Wochenbett vorbestehende Venenerkrankungen (z. B. Varikosis), Z.n. venösen Thrombosen bzw. Thromboembolien (Rezidivgefahr) Einnahme hormonaler Kontrazeptiva (v. a. in Kombination mit Nikotinkonsum!) durch Erhöhung von Fibrinogen und Faktor-VIII-Aktivität
Zerebrale Embolien verursachen Schlaganfälle, Mesenterialarterienembolien Abdominalschmerzen mit blutigen Diarrhöen.
Venöse Thrombosen verursachen eine Blauverfärbung, Umfangsvermehrung und ein Schwere- oder Spannungsgefühl im Arm oder Bein (Abb. A-3.9).
Diagnostik: Arteriographie bzw. Phlebographie gelten als Referenzmethoden der
A-3.9
3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
Zerebrale Embolien durch Verschleppung eines Embolus in die hirnversorgenden Arterien (z. B. ausgehend von krankhaft veränderten Herzklappen oder von Thrombosen der Herzhöhlen) führen zu plötzlichen neurologischen Ausfällen (z. B. Paresen). Mesenterialarterienembolien können zu heftigen Abdominalschmerzen mit blutigen Diarrhöen führen (S. 1127). Venöse Thrombosen der oberen oder unteren Extremität führen zur charakteristischen lividen Verfärbung bei gleichzeitiger Umfangszunahme der betroffenen Extremität. Die Patienten klagen über ein Schwere- oder Spannungsgefühl. Gelegentlich treten oberflächliche Venen als Ausdruck eines sich ausbildenden Kollateralkreislaufs hervor (Abb. A-3.9). Diagnostik: Die Arteriographie bzw. Phlebographie gilt als Referenzmethode der Thrombosediagnostik. Sie erlaubt neben dem Thrombusnachweis eine exakte A-3.9
Beinvenenthrombose links Verschluss der V. iliaca und V. femoralis links bei einer 43-jährigen Patientin mit Zustand nach Bandscheibenoperation L4/5 8 Tage zuvor. Die übliche perioperative Prophylaxe mit niedrig dosiertem Heparin war durchgeführt worden; die Gerinnungsanalyse ergab einen AT-III-Mangel von 50 %. Familienanamnestisch konnte eine Häufung venöser Thrombosen (Mutter und Schwester der Patientin) eruiert werden.
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3.5 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
119
Beurteilung der Lokalisation und Ausdehnung des Thrombus. Für die Planung und Durchführung eines aktiven therapeutischen Vorgehens wie Operationen (Thrombektomie) oder Fibrinolysetherapie ist diese Methode in der Regel unerlässlich. Als nichtinvasives und beliebig wiederholbares Verfahren gewinnt die Kompressionssonographie zum Nachweis von Thrombosen (optimal zur Erfassung von Beinvenenthrombosen) und Embolien zunehmend an Bedeutung (Realtime-Sonographie, Duplex- bzw. Farbduplexsonographie). Mit der DopplerSonographie werden funktionelle Auswirkungen von Stenosen der Halsarterien (z. B. A. carotis) oder eines Abflusshindernisses im arteriellen oder venösen Blutstrom und damit hämodynamisch wirksame Thrombosen erfasst.
Thrombosediagnostik. Die Kompressionssonographie ist als nichtinvasives Verfahren weniger belastend und beliebig oft wiederholbar.
Therapie: Bei arteriellen Thrombosen und Embolien muss sofort fibrinolysiert, operiert oder interventionell (Lysetherapie über liegenden Katheter) behandelt werden (S. 1108). Venöse Thrombosen können unbehandelt in späteren Jahren zu einem postthrombotischen Syndrom mit chronischer Schwellungsneigung des betroffenen Beines und zur Ausbildung eines Ulcus cruris führen. Daher ist zur Vermeidung derartiger Folgezustände in den meisten Fällen eine Fibrinolysetherapie (S. 130) indiziert. Diese hat nach Entstehung einer Becken-Beinvenenthrombose den besten Erfolg in den ersten 5 bis maximal 7 Tagen. Bei Kontraindikationen gegen eine Fibrinolysetherapie (z. B. bei Schlaganfall oder während einer Gravidität) ist der venösen Thrombektomie der Vorzug zu geben. Alternativ kann auch eine konservative Therapie mit niedermolekularem Heparin erfolgen.
Therapie: Bei arteriellen Thrombosen und Embolien muss sofort fibrinolysiert, operiert oder interventionell (Lysetherapie über liegenden Katheter) behandelt werden (S.1108). Venöse Thrombosen können später zu einem postthrombotischen Syndrom führen. Zu dessen Vermeidung ist in den meisten Fällen eine Fibrinolysetherapie (S.130) indiziert.
Lungenembolie
Lungenembolie
A
왘 Synonym. Lungenarterienembolie
왗 Synonym
왘 Definition. Unter einer Lungenembolie versteht man den akuten Verschluss
왗 Definition
einer Lungenarterie durch embolisch verschlepptes (venös-thrombotisches) Material. Ätiologie: Der Embolus besteht dabei meist aus losgelösten venösen Thromben der unteren Extremität und des Beckens, seltener aus dem rechten Herzen. Weiterhin können auch verschleppte Luft oder Fett zu einer Lungenembolie führen.
Ätiologie: Eine Lungenembolie entsteht durch verschleppte Thromben, meist aus den unteren Extremitäten und des Beckens.
Epidemiologie: Pulmonale Thromboembolien sind sehr häufig: Bei 64 % der Sektionenwerden kleinere und ältere Embolien nachgewiesen. Es ist anzunehmen, dass ca. 80 % aller Lungenarterienembolien klinisch unerkannt bleiben, da sie symptomlos verlaufen bzw. die Symptome verkannt werden. Bei ca. 2 – 15 % aller Verstorbenen ist eine Lungenarterienembolie als Todesursache anzunehmen.
Epidemiologie: Pulmonale Thromboembolien sind sehr häufig: Bei 64 % der Sektionen werden kleinere und ältere Embolien nachgewiesen. Oft wird eine Lungenembolie klinisch nicht erkannt.
Prädisposition: Zu Risikofaktoren siehe Tab. A-3.26. Weitere prädisponierende Faktoren sind langes Sitzen (z. B. bei Langstreckenflügen) durch Abknicken der V. poplitea, plötzliche körperliche Anstrengung und Defäkation.
Prädisposition: Zu Risikofaktoren siehe Tab. A-3.26. Weitere prädisponierende Faktoren sind langes Sitzen und plötzliche körperliche Anstrengung sowie Defäkation.
왘 Klinischer Fall. Eine 20-jährige Patientin gerät aus vollem Wohlbefinden heraus in einen
왗 Klinischer Fall
Schockzustand und wird reanimationspflichtig. Aufgrund des begleitenden Bewusstseinsverlustes wird zunächst eine Intoxikation als Ursache in Erwägung gezogen, welche nach einer Analyse der Medikamentenspiegel im Blut ausgeschlossen werden kann. Trotz intensivmedizinischer Therapie verstirbt die Patientin im Kreislaufschock. Bei der Sektion finden sich mehrere Thrombosen in den Beckenvenenplexus, die jedoch nicht zu einer venös-thrombotischen Beinschwellung geführt hatten. Todesursache waren mehrere Lungenembolien. Die nachträglich aus dem venös entnommenen Zitratblut durchgeführte Protein-C-Analyse ergab einen Protein-C-Mangel als Thromboseursache. Zusätzlich wurde der thrombogene Effekt dieses Protein-C-Mangels durch die Einnahme oraler Kontrazeptiva verstärkt. Die orale Kontrazeption wurde der Patientin verordnet, obwohl bei ihrer Mutter und einer Schwester der Mutter ebenfalls im mittleren Lebensalter Beinvenenthrombosen aufgetreten waren (wahrscheinlich auch auf dem Boden eines Protein-C-Mangels). Eine verantwortungsvolle Erhebung der Familienanamnese vor Verordnung der oralen Kontrazeptiva hätte das familiäre Thromboserisiko aufgedeckt und zu einer Gerinnungsanalyse mit entsprechenden Konsequenzen geführt.
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120 왘 Merke
왘 Klinischer Fall
왘 Merke
A
3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
왘 Merke. Lungenembolien können aus vollem Wohlbefinden heraus, d. h. auch ohne vorangehende Symptomatik einer Bein-/Beckenvenenthrombose auftreten. Die Verordnung von Kontrazeptiva erfordert stets eine sorgfältige Erhebung der Eigen- und Familienanamnese im Hinblick auf das Thromboembolierisiko. Hierbei sollte eine komplette Gerinnungsanalyse durchgeführt werden (einschließlich der Bestimmung der APC-Resistenz, des Protein C und Protein S sowie des Antithrombin III, ggf. auch der gleichzeitige Nachweis einer Mutation im Faktor-V- oder Faktor-II-Gen). Auch die Hyperhomocysteinämie (Nachweis aus EDTA-Blut) wurde als Risikofaktor für das Auftreten venöser Thromboembolien identifiziert und ist daher Analysebestandteil des kompletten Status bei Thromboseneigung.
왘 Klinischer Fall. Ein 42-jähriger Mann erkrankt akut mit einem rechtsseitigen Brustkorbschmerz. Die Lungenszintigraphie ergibt die Diagnose einer akuten Lungenembolie. Aus der Patientenvorgeschichte geht hervor, dass er 4 Wochen zuvor eine Fußgelenkprellung mit Bänderanriss erlitten hatte und daher eine Immobilisierung des betroffenen Beines durch einen entsprechenden Stützverband durchgeführt werden musste. Eine Thromboseprophylaxe mit Heparin war bei dem Patienten nicht durchgeführt worden.
왘 Merke. Auch bei sog. Bagatelltraumen wie z. B. Sprunggelenksdistorsionen sollte immer eine Thromboseprophylaxe (z. B. mit niedrig dosiertem Heparin) erfolgen, da die Notwendigkeit besteht, immobilisierende Verbände anzulegen! So kann die Entwicklung einer Ober- oder Unterschenkelvenenthrombose mit der Gefahr einer nachfolgenden Lungenembolie verhindert werden.
Klinik: Ein häufig auftretendes Leitsymptom ist akut auftretende Atemnot, begleitet von atemabhängigen Thoraxschmerzen (Entwicklung einer Pleuritis), Husten, Hämoptyse, Zyanose, Hypotonie, Tachykardie und Tachypnoe sowie Zeichen der akuten Rechtsherzbelastung in Kombination mit vegetativer Symptomatik. Akutes Rechtsherzversagen kann bei protrahiertem Verlauf zum plötzlichen Tod führen. Zur Einteilung der Lungenembolie in Schweregrade siehe Tab. A-3.27.
Klinik: Cave: Kleine Lungenembolien werden oft nicht diagnostiziert, da sie häufig klinisch unauffällig sind! Ein häufiges Leitsymptom ist akut auftretende Atemnot, begleitet von atemabhängigen Thoraxschmerzen durch die Entwicklung einer Pleuritis. Weitere mögliche Symptome sind Husten, Hämoptyse und Zyanose. Im Allgemeinen entwickeln sich eine Hypotonie sowie Tachykardie und Tachypnoe in Kombination mit vegetativen Symptomen. V. a. rezidivierende kleine Lungenembolien äußern sich in Form von Belastungsdyspnoe, rezidivierenden Synkopen (v. a. unter Belastung) und Schock. Eine akute Rechtsherzbelastung (mit Kaltschweißigkeit, gestauten Hals- und Zungengrundvenen, ggf. Pleuraerguss) kann bei protrahiertem Verlauf zum akuten Rechtsherzversagen mit plötzlichem Tod führen. Die Schweregrade der Lungenembolie sind in Tab. A-3.27 dargestellt.
Basisdiagnostik: Bei Verdacht auf eine akute Lungenembolie erfolgt die Basisdiagnostik durch EKG (s. u.), Echokardiographie, Spiral-CT und Analyse der Biomarker Troponin T und BNP (= brain natriuretic peptide) (Tab. A-3.28). Ggf. sind ergänzend Lungenszintigraphie und Pulmonalisangiographie indiziert.
Basisdiagnostik: Von entscheidender Bedeutung für die Prognose ist eine rasche Diagnose mit Risikostratifizierung zur Senkung der Mortalitätsrate. Bei Verdacht auf eine akute Lungenembolie erfolgt die Basisdiagnostik durch EKG (s. u.), Echokardiographie, Spiral-CT und Analyse der Biomarker Troponin T und BNP (= brain natriuretic peptide; steigt durch erhöhte rechtsventrikuläre Wandspannung an). Bei Bedarf können ergänzend Lungenszintigraphie und Pulmonalisangiographie durchgeführt werden. Weitere diagnostische Maßnahmen sind: ■ Anamnese (Frage nach Prädispositionsfaktoren, s.o.) und klinische Untersuchung ■ EKG: P-pulmonale (Tab. A-3.28) und Rechtsachsenabweichung (Rechtstyp)
Weitere diagnostische Maßnahmen sind: ■ Anamnese (Prädispositionsfaktoren?, s.o.) und klinische Untersuchung ■ EKG: P-pulmonale (Tab. A-3.28) und Rechtsachsenabweichung (Rechtstyp). 왘 Merke
왘 Merke. Ein normales EKG schließt eine Lungenembolie jedoch keineswegs aus!
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A
A-3.27
Schweregrade der Lungenembolie (nach Grosser) klein I
submassiv II
massiv III
fulminant IV
Blockade der Lungenstrohmbahn
5 25 %
25 – 50 %
50 – 80 %
4 80 %
Klinik
unauffällig, ggf. Dyspnoe, thorakaler Schmerz
Angst, ggf. Dyspnoe, Tachypnoe, Tachykardie, thorakaler Schmerz, Hyperventilation
wie II, zusätzlich Kollaps
wie III, zusätzlich Schock
systemischer arterieller Druck
normal
normal oder leicht erniedrigt
erniedrigt
stark erniedrigt (bis Kreislauf-Stillstand)
pulmonalarterieller Druck
normal
normal oder leicht erhöht
25 – 30 mmHg
4 30 mmHg
PO2 (Raumluft)
normal
∼ 80 mmHg
5 70 mmHg
5 60 mmHg
PCO2 (Raumluft)
normal
5 35 mmHg
5 30 mmHg
5 30 mmHg
Score nach Miller (Erfassung der klinischen Schweregrade)
5 10
10 – 16
17 – 24
4 24
Spontanprognose
nicht tödlich: ohne Reduktion der kardiopulmonalen Reserven
nicht tödlich: mit Reduktion der kardiopulmonalen Reserven
tödlich: protrahiertes Rechtsherzversagen
tödlich: akutes Rechtsherzversagen
■
■
Mögliche EKG-Befunde bei akutem Cor pulmonale
Zeichen der akuten Rechtsherzbelastung
■ ■
■ ■ ■
■
■ ■
A-3.28
EKG immer im Vergleich mit Vor-EKG hinsichtlich neu aufgetretener Befunde auswerten!
■
■
121
Schweregrad
A-3.28
■
3.5 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
Sinustachykardie SI-QIII-Typ (McGinn-White-Syndrom) ST-Hebung mit terminal negativem T in III P-dextroatriale (= P-pulmonale) Rechtsschenkelblock T-Inversion in V1–V3
Echokardiographie: Goldstandard zur Beurteilung der Rechtsherzbelastung. Hier finden sich ein vergrößerter und dilatierter rechter Vorhof und Ventrikel sowie paradoxe Septumbewegungen. Darüber hinaus kann die Dilatation des Pulmonalarterienhauptstammes und der Pulmonalarterien erfasst werden. Blutgasanalyse: Charakteristisch ist ein gleichzeitiger Abfall von PO2 und PCO2 (normale Blutgase schließen eine Lungenembolie jedoch nicht aus!). Labor: Kardiale Biomarker Troponin T, BNP (s.o.), D-Dimere (= Fibrin-Abbauprodukt; erhöht); Cave: postoperativ sind die D-Dimere immer erhöht und daher als Diagnosekriterium bei postoperativer Lungenembolie obsolet. ZVD: Anstieg durch Rückstau im Venensystem. Röntgen-Thorax: Dieses ist bei der Lungenembolie wenig aussagekräftig! Charakteristischerweise kann eine keilförmige Verschattung basal auftreten, meist können jedoch nur wenig aussagekräftige basale Belüftungsstörungen, Pleuraergussbildungen und evtl. auch ein Zwerchfellhochstand auf der betroffenen Seite dokumentiert werden.
Weiterführende Diagnostik (zum Nachweis des Embolus): ■ Thorax-Spiral-CT (Goldstandard) od. MRT-Angiographie zur morphologischen Objektivierung und damit Diagnosesicherung einer Lungenembolie (Abb. A-3.10). ■ Perfusionsszintigraphie mit 99mTechnetium-markierten Humanalbuminmikrosphären zum Nachweis der Verteilungsstörungen (beweisend). Die Dignität
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Echokardiographie: Sie ist das Verfahren der Wahl zur Beurteilung der Rechtsherzbelastung. Charakteristisch sind ein vergrößerter und dilatierter rechter Vorhof und Ventrikel sowie paradoxe Septumbewegungen. Blutgasanalyse: gleichzeitiger Abfall von PO2 und PCO2. Labor: Troponin T, BNP (s.o.), D-Dimere (= Fibrin-Abbauprodukt; erhöht); Cave: postoperativ sind D-Dimere immer erhöht! ZVD: Anstieg durch Rückstau im Venensystem. Röntgen-Thorax: bei Lungenembolie insgesamt wenig aussagekräftig! Charakteristisch ist eine keilförmige Verschattung basal.
Weiterführende Diagnostik (zum Nachweis des Embolus): ■ Thorax-Spiral-CT (Goldstandard) und MRT-Angiographie (Diagnosesicherung) ■ Perfusionsszintigraphie beweist Verteilungsstörungen. Ggf. Kombination mit einem Ventilationsszintigramm.
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A
122 A-3.10
3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
CT-Darstellung einer massiven Lungenembolie
a
Massive Lungenembolie links mit vollständiger Verlegung der Hauptstrombahn (?).
■
■
Digitale Subtraktionsangiographie (DSA): kann bei Patienten im Schock entscheidend für raschen Behandlungsbeginn sein. Mithilfe der Pulmonalisangiographie erfolgt die Diagnosesicherung einer Lungenembolie.
■
■
b
der Perfusionsausfälle kann durch die Kombination mit einem Ventilationsszintigramm erhöht werden. Digitale Subtraktionsangiographie (DSA): Diese kann bei Patienten mit schwerer klinischer Symptomatik (Schock!) im Hinblick auf die rasche Einleitung therapeutischer Schritte entscheidend sein. Pulmonalisangiographie mit Kontrastmittel zur Darstellung von Füllungsdefekten und Gefäßabbrüchen. Da diese Methode aufwendig und langwierig ist, wird die Durchführung nur bei unklarem Befund und therapeutischen Konsequenzen (z. B. Einbringen eines Cavaschirmes oder Katheteranlage zur Lyse) empfohlen.
Differenzialdiagnosen: Myokardinfarkt, Pneumonie, Pneumothorax, schwerer Asthmaanfall, andere Formen der Lungenembolie (Fettembolie, Fruchtwasserembolie, Luftembolie).
Differenzialdiagnosen: Von der Lungenembolie abzugrenzen sind: Myokardinfarkt, Pneumonie, Pneumothorax, schwerer Asthmaanfall, andere Formen der Lungenembolie (Fettembolie, Fruchtwasserembolie, Luftembolie).
Therapie: Diese erfolgt je nach Schweregrad: ■ Bei kleiner Lungenembolie (Stadium I) (Tab. A-3.27, S. 121) ist in der Regel eine Heparinisierung die Therapie der Wahl. Initial verabreicht man einen Bolus von 5000 – 10 000 IE Heparin, dem eine Dauerinfusion mit 30 000 – 50 000 IE/24 Std folgt. Ziele der Heparinisierung sind: Verhinderung eines appositonellen Wachstums der in die Lungenstrohmbahn verschleppten Embolien sowie Rezidivprophylaxe neuer Thromben.
Therapie: Diese richtet sich nach dem Schweregrad: ■ Bei kleiner Lungenembolie (Stadium I) (Tab. A-3.27, S. 121) mit stabilen Kreislaufverhältnissen und Blutgasen im Normbereich ist in der Regel eine Antikoagulanzientherapie mit Heparin als Therapie der Wahl anzusehen: Nach einem intravenösen Bolus von 5000 – 10 000 IE Heparin folgt eine Dauerinfusion mit 30 000 – 50 000 IE/24 Std. Zur Kontrolle der Heparintherapie dient die partielle Thromboplastinzeit (PTT) – diese sollte auf das 1,5fache des Ausgangswertes verlängert sein. Folgende Ziele werden durch die Applikation von Heparin verfolgt: Verhinderung eines appositonellen Wachstums der in die Lungenstrombahn verschleppten Embolien sowie Rezidivprophylaxe durch Verhinderung einer Neuentstehung venöser Thromben. Nähere Informationen zur Heparintherapie siehe S. 124. ■ Bei mittelschwerer Embolie (Stadium II) wird im Allgemeinen bei fehlenden Kontraindikationen eine systemische Fibrinolysetherapie mit Streptokinase, Urokinase oder rt-PA bevorzugt (ggf. auch lokale Katheterlyse).
■
■
Bei mittelschwerer Embolie (Stadium II) wird bei fehlenden Kontraindikationen in der Regel eine systemische Fibrinolysetherapie durchgeführt. Bei massiver bzw. fulminanter Lungenarterienembolie (Stadium III oder IV) muss dringend eine Desobliteration der Lungenarterie erfolgen. Dies kann durch eine systemische oder lokale Thrombolysetherapie oder als Ultima ratio im Rahmen einer chirurgischen Therapie (z. B. Trendelenburg-Operation, S.123) erfolgen.
■
Bei massiver bzw. fulminanter Lungenarterienembolie (Stadium III oder IV) besteht eine dringliche Indikation zur raschen Desobliteration der verlegten Lungenarterie. Dies kann durch eine systemische oder lokale Thrombolysetherapie oder als Ultima ratio im Rahmen einer chirurgischen Therapie (z. B. Trendelenburg-Operation, S. 123) erfolgen. Bei der lokalen Fibrinolysetherapie wird das Fibrinolytikum (z. B. Streptokinase, Urokinase oder rt-PA, S. 130) über einen lokal vor dem Embolus platzierten Katheter appliziert.
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A
3.5 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
왘 Merke. Eine Fibrinolysetherapie ist kontraindiziert bei: aktiven inneren
123 왗 Merke
bzw. vorangegangenen spontanen intrakraniellen Blutungen bei hämorrhagischer Diathese, chirurgischen Eingriffen innerhalb der letzten 10 Tage vor Fibrinolysetherapie, schlecht eingestellter arterieller Hypertonie, zerebrovaskulärem Insult innerhalb der letzten 3 Monate, schwerer Leber- und Niereninsuffizienz, Gravidität, frischer bakterieller Endokarditis und proliferativer diabetischer Retinopathie. Bei therapierefraktärer Verschlechterung des Zustandes oder bei Kontraindikationen für eine Fibrinolysetherapie ist die Embolusfragmentation (sogenannte Katheterfragmentation) als interventionelle Technik mit anschließender Entfernung der Fragmente durch Pulmonalarterien-Saugkatheter (von der V. femoralis ausgehend) indiziert. Als Ultima ratio stehen unterschiedliche OPVerfahren für die chirurgische Embolektomie mit und ohne Einsatz der HerzLungen-Maschine zur Verfügung. Die pulmonale Embolektomie (nach Möglichkeit unter extrakorporaler Zirkulation) stellt bei foudroyanter Lungenembolie mit Kreislaufschock eine lebensrettende Notfallmaßnahme dar (insbesondere bei Kontraindikationen für eine medikamentöse Thrombolyse). Ein Beispiel hierfür stellt die Trendelenburg-Operation zur Entfernung der embolischen Massen aus der A. pulmonalis dar. Nach kurzzeitigem Abklemmen des Truncus pulmonalis wird die betroffene Arterie zum Absaugen bzw. zur Entfernung des Embolus eröffnet. Zur Prophylaxe bei rezidivierenden Embolien bzw. auch bei akuter OP kann das Durchströmen thrombotischen Materials von der unteren Extremität in die Lungenstrombahn den Einsatz von V.-cava-Schirmchen oder -Doppelklemmen (von außen unterhalb der Nierenvenen) verhindert werden. Indikationen zur transvenösen Insertion eines Schirmfilters sind v. a. Lungenembolien bei adäquater Antikoagulation und das Vorliegen absoluter Kontraindikationen gegen Antikoagulanzien bei emboliegefährdeten Patienten mit akuter Phlebothrombose.
Bei therapierefraktärer Verschlechterung des Zustandes oder bei Kontraindikationen ist die Embolusfragmentation als interventionelle Technik indiziert. Als Ultima ratio stehen operative Verfahren zur chirurgischen Embolektomie zur Verfügung, z. B. die Trendelenburg-Operation zur Entfernung der embolischen Massen aus der A. pulmonalis.
Komplikationen: Die akute Lungenembolie kann durch ein akutes Rechtsherzversagen zum Exitus letalis führen. Bei Überleben kann in der Folge eine chronische Rechtsherzbelastung (chronisches Cor pulmonale) resultieren.
Komplikationen: Tod durch akutes Rechtsherzversagen oder bei Überleben der Lungenembolie chronische Rechtsherzbelastung. Prognose: Diese hängt vom Schweregrad der Lungenembolie und vorbestehenden HerzKreislauf-Erkrankungen ab. Eine chronische Rechtsherzinsuffizienz nach Überleben einer Lungenembolie ist Folge der pulmonalen Hypertonie.
Prognose: Die Prognose der akuten Lungenembolie hängt vom Schweregrad des Krankheitsbildes sowie von zusätzlich vorbestehenden Erkrankungen des kardiopulmonalen Systems ab. Lungenembolien mit Schocksymptomatik und schweren respiratorischen Störungen (stark herabgesetzter PO2) haben eine schlechte Prognose. Nach Überleben einer Lungenembolie kann die Entwicklung einer chronischen Rechtsherzbelastung resultieren evtl. auch mit Übergang in eine chronische Rechtsherzinsuffizienz aufgrund einer pulmonalen Hypertonie.
Phlegmasia coerulea dolens 왘 Definition. Eine besonders dramatische Verlaufsform der tiefen Bein- und
Zur Prophylaxe bei rezidivierenden Embolien bzw. auch bei akuter OP kann durch den Einsatz von V.-cava-Schirmchen oder -Doppelklemmen verhindert werden, dass thrombotisches Material von der unteren Extremität in die Lungenstrombahn gelangt.
Phlegmasia coerulea dolens 왗 Definition
Beckenvenenthrombose ist die Phlegmasia coerulea dolens mit akutem thrombotischem Verschluss der gesamten venösen Abflussbahn eines Beines. Klinik: Das klinische Bild ist durch ein bretthartes Ödem, eine ausgeprägte Zyanose und persistierende Schmerzen charakterisiert. Zusätzlich treten aufgrund von Gefäßspasmen und -kompression Zeichen der arteriellen Ischämie auf. Folge hiervon ist eine distale Nekrose, die sogenannte venöse Gangrän. Das Krankheitsbild kann durch eine hypovolämische Schocksymptomatik (Blutversacken, Flüssigkeitsextravasation) kompliziert sein.
Klinik: Bretthartes Ödem, ausgeprägte Zyanose, persistierende Schmerzen und Zeichen der arteriellen Ischämie.
Therapie: Bei diesem Krankheitsbild ist eine absolute und dringliche Indikation zur venösen Thrombektomie gegeben (hohe Letalitäts- und Amputationsrate). Bei Kontraindikationen stellt die Fibrinolysetherapie eine adäquate Alternative dar.
Therapie: Aufgrund einer hohen Letalitätsund Amputationsrate ist eine absolute, dringliche Indikation zur venösen Thrombektomie gegeben.
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3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
124
A
Paget-von-Schroetter-Syndrom
Paget-von-Schroetter-Syndrom
왘 Synonym
왘 Synonym. Axillar-Subklaviavenen-Thrombose
왘 Definition
왘 Definition. Hierbei handelt es sich um die tiefe Venenthrombose der oberen Extremität (im Vergleich zur tiefen Bein-Beckenvenenthrombose selten).
Ätiologie: Ursächlich sind Tumorerkrankungen, Schultergürtelkompressionssyndrom und katheterinduzierte Phlebitis in Betracht zu ziehen.
Ätiologie: Ursächlich sind z. B. Tumorerkrankungen (durch lokale Kompression und/oder paraneoplastische Thromboseneigung), ein Schultergürtelkompressionssyndrom und mit zunehmender Häufigkeit eine katheterinduzierte Phlebitis in Betracht zu ziehen. Anamnestisch besteht häufig ein Zusammenhang mit Tätigkeiten in Provokationsstellung der Arme (wie z. B. Über-KopfArbeiten).
Klinik: Schwellung, Schweregefühl, evtl. Schmerz und Zyanose in der Arm- und Schulterregion.
Klinik: Die klinische Symptomatik ist oft wenig eindrucksvoll. Schwellung, Schweregefühl, ggf. Schmerz und Zyanose in der Arm- und Schulterregion sind hinweisende Symptome. Bei bereits länger bestehenden Thrombosen sind oberflächliche venöse Kollateralen im Schulter-, Brust- und Halsbereich erkennbar.
Diagnostik: Doppler- und/oder RealtimeSonographie, ggf. Phlebographie.
Diagnostik: Doppler- und/oder Realtime-Sonographie ggf. Phlebographie des Armes dienen der Diagnosesicherung. Die Realtime-Kompressionssonographie als nicht belastendes und beliebig wiederholbares Verfahren hat sowohl die Phlebographie als auch die weniger aussagefähige Doppler-Sonographie im Venenbereich weitgehend ersetzt.
Komplikationen: Selten kommt es zu Lungenembolien und postthrombotischen Spätschäden. Therapie: initial kurzfristige Ruhigstellung, Hochlagerung, Kompressionsverband mit anschließender Heparin-Antikoagulation, danach orale Antikoagulation für 3 – 6 Monate.
Komplikationen: Selten treten Lungenarterienembolien und schwere postthrombotische Spätschäden auf.
Fibrinolysetherapie kann nur ausnahmsweise bei jüngeren Patienten mit frischer Thrombose und starker Symptomatik angezeigt sein.
3.5.3 Medikamentöse Prophylaxe
und Therapie
Therapie: Im Allgemeinen erfolgt initial eine Heparin-Antikoagulation mit anschließender kurzfristiger Ruhigstellung und Hochlagerung der betroffenen Extremität sowie das Anlegen elastischer Kompressionsverbände. Die HeparinTherapie wird durch orale Antikoagulation mit Kumarinderivaten (S. 127) für 3 – 6 Monate fortgesetzt. Eine Fibrinolysetherapie ist nur ausnahmsweise bei jüngeren Patienten mit frischer Thrombose und starker Symptomatik indiziert. Nach erfolgreicher Rekanalisation und bei Nachweis eines Schultergürtelkompressionssyndroms ist zur Rezidivprophylaxe die Resektion einer Halsrippe bzw. der 1. Rippe zu erwägen.
3.5.3 Medikamentöse Prophylaxe und Therapie
Thrombininhibitoren
Thrombininhibitoren
Grundlagen
Grundlagen
Besonders geeignet zur Prophylaxe und Therapie von Thromboembolien sind die sog. Thrombininhibitoren Heparin und Hirudin. Heparin übt seine gerinnungshemmende Wirkung nach Bindung an einen Plasmaeiweißkörper (AT III) aus.
Besonders geeignet zur Prophylaxe und Therapie der Thromboembolien sind die sog. Thrombininhibitoren wie z. B. Heparin und Hirudin.
Unfraktioniertes Standard-Heparin wirkt v. a. auf Thrombin, fraktioniertes niedermolekulares Heparin hemmt überwiegend den Faktor Xa. Kontrollmethode für unfraktioniertes Heparin ist die PTT, für niedermolekulares Heparin die Analyse des Faktors Xa.
Heparin: Dieses bildet zusammen mit dem im menschlichen Blutplasma enthaltenen Gerinnungsinhibitor Antithrombin III (AT III = Eiweißkörper) den Heparin-Antithrombin-III-Komplex, der sowohl auf das Gerinnungsenzym Thrombin als auch auf die einzelnen Gerinnungsfaktoren XII, XI, X, IX eine antithrombotische Wirkung ausübt. Für den klinischen Gebrauch stehen unfraktioniertes (hochmolekulares) Standard-Heparin (Molekulargewicht 10 000 – 20 000 Dalton) und fraktioniertes (niedermolekulares) Heparin (MG 4000 – 9000 Dalton) zur Verfügung. Das unfraktionierte Standard-Heparin wirkt v. a. auf Thrombin, das niedermolekulare Heparin hemmt überwiegend den Faktor Xa (d. h. den aktivierten Faktor X). Daher ist bei Gabe von unfraktioniertem Heparin v. a. die PTT verlängert. Die Kontrollmethode der Wahl bei Gabe von niedermolekularem Heparin ist die Analyse des Faktors Xa.
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
3.5 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
125
Hirudin: Die Wirkung des aus Blutegeln (Hirudo medicinalis) stammenden Thrombininhibitors Hirudin wird ebenfalls durch Analyse der PTT (oder der Thrombin- sowie der Ecarinzeit) kontrolliert.
Hirudin hemmt Thrombin selektiv (ohne sich an Antithrombin III zu binden). Die Wirkung wird durch Analyse der PTT kontrolliert.
A
왘 Merke. Hirudin hemmt Thrombin selektiv ohne Bindung an Antithrombin III. Im Gegensatz zu Heparin, für dessen optimale Wirkung ein normaler Antithrombin-III-Spiegel im Plasma (70 – 120 %) Vorraussetzung ist, erfolgt die Thrombin-Hemmung durch Hirudin unabhängig vom Antithrombin-III-Spiegel im Blut.
왗 Merke
Dosierung von Heparin
Dosierung von Heparin
Prophylaktische Dosierung: Hochmolekulares (unfraktioniertes) Standard-Heparin wird in einer täglichen Dosierung von 3 × 5000 IE s.c. (d. h. 8-stündlich) bzw. von 2 ×7500 IE s.c. (d. h. 12-stündlich) appliziert. Die Empfehlung für die prophylaktische Gabe von niedermolekularem (fraktioniertem) Heparin ist eine 1-malige Dosis von 2500 IE (Anti-Xa-Einheiten) s.c. täglich. Dabei sind bei den niedermolekularen Heparinen unterschiedliche Molekulargewichte und Dosierungen zu beachten! Durch eine niedrig dosierte Heparinprophylaxe (Low-doseHeparin) kann in der Chirurgie eine erfolgreiche Reduzierung postoperativ auftretender tiefer Beinvenenthrombosen von 24,9 % auf 6,4 % erreicht werden, in der Gynäkologie von 23,8 % auf 2,5 % sowie in der Inneren Medizin von 30,5 % auf 6,2 %. Bei Hüftgelenksoperationen sind wegen einer erhöhten Thromboemboliegefahr 3 ×7500 IE unfraktioniertes Heparin täglich subkutan erforderlich. Damit kann das Auftreten tiefer Venenthrombosen von 60 % in der Kontrollgruppe auf 10,5 % in der Prophylaxegruppe reduziert werden (mit niedermolekularem Heparin teilweise noch günstigere Ergebnisse).
Prophylaktische Dosierung: Hochmolekulares (unfraktioniertes) Standard-Heparin: 3 × 5000 IE s.c. (8-stündlich) oder 2 ×7500 IE s.c. (12-stündlich), niedermolekulares (fraktioniertes) Heparin: 1 ×2500 IE s.c.
Therapeutische Dosierung: Die therapeutische Heparindosierung beträgt täglich ca. 30 000 – 50 000 IE (high-dose). Sie erfolgt im Allgemeinen als intravenöse Dauerinfusion über Perfusor, kann jedoch auch in 3 Dosen subkutan appliziert werden. Zielwert ist dabei eine Verlängerung der partiellen Thromboplastinzeit (PTT) auf das 1,5 – 2-fache. Bei einer derartigen Verlängerung der PTT ist von einer effizienten antithrombotischen Therapie auszugehen. Indikationen für eine solche therapeutische Dosierung sind: ■ akute Becken-Beinvenenthrombose ■ akute Lungenarterienembolie ■ akuter Myokardinfarkt.
Therapeutische Dosierung: Die therapeutische Dosis beträgt täglich ca. 30 000 – 50 000 IE (high-dose). Sie erfolgt im Allgemeinen als i. v. Dauerinfusion über Perfusor. Kontrollmethode zum Nachweis einer effizienten Heparinisierung ist die partielle Thromboplastinzeit (PTT), die 1,5 – 2-fach verlängert sein sollte.
Nebenwirkungen von Heparin
Nebenwirkungen von Heparin
Blutungskomplikationen: Auch bei prophylaktischer Dosierung der angeführten Thrombininhibitoren kann jederzeit eine vorhandene hämorrhagische Diathese erheblich verstärkt werden, sodass es zu gefährlichen Blutungskomplikationen kommen kann. Für die therapeutische Dosierung gilt diese Aussage in noch stärkerem Maße. Insofern sind sowohl bei der prophylaktischen als auch bei der therapeutischen Heparinapplikation die jeweils geltenden Kontraindikationen streng zu beachten! (S. 126). Vor Therapiebeginn muss immer eine Analyse des Gerinnungsstatus erfolgen, um eine etwa schon vor Therapiebeginn vorhandene Blutungsneigung auszuschließen.
Blutungskomplikationen: Heparin und Hirudin können eine bereits vorhandene hämorrhagische Diathese verstärken, sodass gefährliche Blutungskomplikationen resultieren können. Die Kontraindikationen (S.126) sind daher immer streng zu beachten!
Heparininduzierte Thrombozytopenien: Näheres hierzu siehe S. 126.
Heparininduzierte Thrombozytopenien: Näheres hierzu siehe S. 126
Weitere Nebenwirkungen: Eine harmlose Nebenwirkung nach längerer Heparinbehandlung ist ein temporärer, immer reversibler und meist gering ausgeprägter Haarausfall (bei 5 – 40 % der Patienten). Selten sind gelegentliche Temperaturanstiege und Urtikaria, abdominelle Beschwerden sowie Bronchospastik oder Quincke-Ödem während einer Heparinbehandlung zu beobachten. Weiterhin können Kopfschmerzen, Übelkeit, vegetative Sensationen, Pruritus und rheumatoide Schmerzen auftreten.
Weitere Nebenwirkungen: ■ reversibler Haarausfall ■ Temperaturanstieg ■ Urtikaria ■ abdominelle Beschwerden ■ Bronchospastik ■ Quincke-Ödem ■ Osteoporose
Durch eine niedrig dosierte Heparinprophylaxe kann das Risiko postoperativ auftretender tiefer Beinvenenthrombosen signifikant reduziert werden.
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Kopfschmerzen Übelkeit vegetative Sensationen Pruritus rheumatoide Schmerzen.
Kontraindikationen für die Behandlung mit Thrombininhibitoren 왘 Merke
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3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
Eine hochdosierte Heparinbehandlung über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten kann Knochenveränderungen im Sinne einer Osteoporose herbeiführen. Diese Problematik ist insbesondere bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz und Hämodialyse von Bedeutung, da bereits die Niereninsuffizienz eine Osteopathie hervorrufen kann. Kontraindikationen für die Behandlung mit Thrombininhibitoren 왘 Merke. Besonders im chirurgischen Bereich sind manifeste lokale Blutungsquellen bei Einleitung einer Behandlung mit Thrombininhibitoren auszuschließen, weil es sonst zu unerwünschten schweren Blutungskomplikationen kommen kann!
Kontraindikationen sind: ■ hämorrhagische Diathese ■ blutende Magen-Darm-Ulzera ■ schwere Hypertonie ■ bakterielle Endokarditis ■ unmittelbar vorangegangene Operationen an Gehirn oder Rückenmark bei bestehender Blutungsneigung.
Als Kontraindikationen gelten: ■ manifeste hämorrhagische Diathese ■ blutende Magen-Darm-Ulzera ■ manifeste schwere Hypertonie (v. a. bei hypertoner Enzephalopathie und Blutungen des Augenhintergrunds) ■ bakterielle Endokarditis ■ unmittelbar vorangegangene operative Eingriffe an Gehirn oder Rückenmark bei gleichzeitig bestehender signifikanter Blutungsneigung.
Antagonisierung
Antagonisierung
Als Antidot gegen Heparin wird bei einer Herarinbehandlung Protaminhydrochlorid i. v. verabreicht. Dieses wird bei einer gefährlichen Blutung eingesetzt und inaktiviert das zirkulierende Heparin. Die Heparinwirkung erkennt man an der Verlängerung der PTT und der Thrombinzeit.
Bei allen gefährlichen oder gar lebensbedrohlichen Blutungskomplikationen während einer Heparinbehandlung (nach s.c. und i. v. Gabe) ist diese sofort abzubrechen und das zirkulierende Heparin durch intravenöse Gabe von Protaminhydrochlorid zu inaktivieren. Die Heparinwirkung wird anhand der Verlängerung der Thrombinzeit und der partiellen Thromboplastinzeit (PTT) erkannt. Nach Neutralisation durch Protaminhydrochlorid erfolgt eine Normalisierung dieser beiden Parameter. Grundsätzlich wird durch Protaminhydrochlorid die Wirkung sowohl von hochmolekularem als auch von niedermolekularem Heparin antagonisiert!
Dosierung: 1000 IE Protaminhydrochlorid neutralisieren 1000 IE Heparin. Bei sofortiger Antagonisierung nach i. v. Gabe wird Protaminhydrochlorid entsprechend 100 % der Heparindosis gegeben, nach 60 Minuten 50 %, nach 120 Minuten 25 % der i. v. Heparindosis. Nach subkutaner Heparingabe wird 50 % der letzten verabreichten Heparindosis als Protaminhydrochlorid gegeben.
Dosierung: 1000 IE Protaminhydrochlorid neutralisieren 1000 IE Heparin. Bei sofortiger Antagonisierung nach i. v. Gabe wird Protaminhydrochlorid entsprechend 100 % der Heparindosis verabreicht, nach 60 Minuten werden 50 %, nach 120 Minuten 25 % der i. v. Heparindosis gegeben. Nach subkutaner Heparingabe wird 50 % der letzten verabreichten Heparindosis als Protaminhydrochlorid gegeben.
Protaminchlorid kann auch als Antidot von niedermolekularem Heparin dienen. Bei hirudininduzierten Blutungen wird die Gabe von Prothrombinkonzentraten empfohlen (Halbwertszeit von Hirudin beachten: durchschnittlich zwischen 1,6 – 2,6 Stunden). Als notfalltherapeutische Maßnahme bei Überdosierung kann Hirudin durch Hämodialyse kurzfristig aus dem Blut eliminiert werden. Bei Patienten mit Niereninsuffizienz ist die aufgrund der renalen Elimination verlängerte Halbwertszeit zu beachten.
Auch bei Einsatz von niedermolekularem Heparin kann Protaminhydrochlorid als Antidot verwendet werden. Bei hirudininduzierten Blutungen wird die Gabe von Prothrombinkonzentraten empfohlen. Dabei ist zu beachten, dass die Halbwertszeit von Hirudin durchschnittlich zwischen 1,6 – 2,6 Stunden beträgt. Im Rahmen einer Notfalltherapie bei Hirudinüberdosierung mit Blutungsfolgen kann Hirudin auch kurzfristig durch Hämodialyse aus dem zirkulierenden Blut eliminiert werden. Je nach Körpergewicht und PTT-Verlängerung sollten in diesem Fall mindestens 4 – 6 Prothrombinkonzentrate (zu jeweils 500 IE Gerinnungsfaktorenaktivität) intravenös appliziert werden. Bei Patienten mit Niereninsuffizienz ist zu beachten, dass Hirudin aufgrund der renalen Elimination eine deutlich verlängerte Halbwertszeit hat.
Heparininduzierte Thrombozytopenien (HIT I und II)
Heparininduzierte Thrombozytopenien (HIT I und II)
Epidemiologie: Da niedermolekulare Heparine seltener zu heparininduzierten Thrombozytopenien führen, sollten sie bei Risikopatienten bevorzugt therapeutisch eingesetzt werden.
Epidemiologie: Niedermolekulare Heparine führen seltener (0,5 %) als unfraktionierte Standardheparine (2,5 %) zu derartigen heparininduzierten Thrombozytopenien. Daher sollten bei Risikopatienten (z. B. im Schock oder bei Sepsis) bevorzugt niedermolekulare Heparine oder Hirudin (welches ebenfalls zur subkutanen Applikation zugelassen ist) therapeutisch eingesetzt werden.
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A
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3.5 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
Die heparininduzierte Thrombozytopenie Typ I ist die harmlosere Variante, weil sie kurzfristig reversibel ist und sich unter laufender Heparinbehandlung wieder normalisiert. Mechanismus dieser Thrombozytopenie Typ I ist eine heparininduzierte Aktivierung des cAMP der Thrombozyten. Die Plättchen fallen nicht unter 100 000/µl Blut ab! Die heparininduzierte Thrombozytopenie Typ II ist klinisch relevanter und kann für den Patienten gefährlich werden: Eine immunologisch ausgelöste Plättchen-Zerfallsreaktion bewirkt das Ablaufen von Gerinnungsprozessen, d. h. die Thrombozytopenie wird begleitet von venösen Thrombosen, Lungenembolien, Extremitätenischämie sowie Fieber durch antikörperbedingte Bildung von Thrombozytenaggregaten (white clot syndrome). Auch arterielle Komplikationen wie Herzinfarkte und Schlaganfälle sind möglich. Die Plättchen fallen auf 5 60 000/µl ab. 왘 Merke. Die heparininduzierte Thrombozytopenie Typ II kann durch einen ELISA-Test nachgewiesen werden und sollte zum sofortigen Absetzen des Heparins Anlass geben!
Wenn im Vorfeld eine Thrombozytose bestand, kann das Krankheitsbild auch bei scheinbar normalen Thrombozytenzahlen auftreten.
왘 Merke. Aufgrund der gefährlichen Komplikationen bei HIT II sollte bei Heparintherapie die Thrombozytenzahl regelmäßig kontrolliert werden (mindestens 2 × wöchentlich)!
Therapie: Bei Diagnose einer HIT II muss das Heparin sofort abgesetzt und alternativ eine Hirudininfusion verabreicht werden.
왘 Merke. Da Hirudin hauptsächlich renal eliminiert wird, ist während der Therapie mit Hirudin ein Monitoring der Nierenfunktion unerlässlich! Bei Patienten mit Niereninsuffizienz muss die Dosis angepasst werden.
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Heparininduzierte Thrombozytopenie Typ I: Dies ist die harmlosere Form, sie ist kurzfristig reversibel und normalisiert sich unter Heparinbehandlung. Die Plättchen fallen nicht unter 100 000/µl Blut ab! Heparininduzierte Thrombozytopenie Typ II: Bei dieser klinisch relevanteren Form bewirkt eine Plättchen-Zerfallsreaktion das Ablaufen von Gerinnungsprozessen mit der Folge von venösen Thrombosen, Lungenembolien, Extremitätenischämie und Fieber. Auch arterielle Komplikationen sind möglich. Die Plättchen fallen auf 5 60 000/µl ab.
왗 Merke
Bei im Vorfeld bestehender Thrombozytose kann das Krankheitsbild auch bei scheinbar normalen Thrombozytenzahlen auftreten. 왗 Merke
Therapie: Bei Diagnose einer HIT II muss Heparin sofort abgesetzt und eine Hirudininfusion verabreicht werden. 왗 Merke
Alternativ zu Hirudin kann bei HIT II auch Orgaran R eingesetzt werden. Die Dosierung erfolgt abhängig vom Körpergewicht und Risiko der Thromboseausdehnung.
Alternativ zu Hirudin kann bei HIT II auch Orgaran R eingesetzt werden.
Kumarine
Kumarine
Bei schweren Verletzungen bzw. akuten Blutungsnotfällen während einer oralen Antikoagulation mit Kumarinderivaten ist die sofortige Normalisierung des Gerinnungsstatus notwendig. Hierzu werden entsprechende Faktorenkonzentrate intravenös appliziert, welche die verminderten Faktoren II, VII, IX und X in ausreichender Menge enthalten (z. B. PPSB = Prothrombin, Proconvertin, StuartFaktor B). Der Substitutionseffekt muss anhand des Faktoranstiegs, idealerweise durch Analyse des Quickwertes, kontrolliert werden.
Bei schweren Verletzungen bzw. Blutungen während einer oralen Antikoagulation mit Kumarinderivaten ist die sofortige Normalisierung des Gerinnungsstatus durch Substitution der Faktoren II, VII, IX und X (z. B. PPSB) notwendig.
왘 Merke. Vor einer geplanten Operation muss die Kumarinbehandlung so
왗 Merke
rechtzeitig abgesetzt werden, dass am Operationstag ein Quickwert von mindestens 40 % erreicht wird. Sicherheitshalber wird präoperativ niedermolekulares Heparin gegeben (0,4 – 0,8 IU/ml), wobei die letzte Injektion 24 Stunden vor Operationsbeginn erfolgen sollte. Am OP-Tag darf kein niedermolekulares Heparin verabreicht werden. Die Kontrolle des Anti-Xa-Spiegels erfolgt eine Stunde vor der Operation. Alternativ kann überlappend niedrig dosiert Heparin appliziert werden (prophylaktische Dosierung: Ca. 15 000 – 20 000 Einheiten i. v. als Dauerinfusion). Eine Steuerung dieser überlappenden Heparinprophylaxe mithilfe der partiellen Thromboplastinzeit (PTT) ist unverzichtbar.
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3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
A
A-3.29
A-3.29
Empfehlungen zu den verschiedenen indikationsabhängigen therapeutischen Bereichen der oralen Antikoagulation
Indikation
INR
Quick-Wert (Thromborel S)
primäre venöse Thromboembolieprophylaxe (z. B. perioperativ) sekundäre venöse Thromboembolieprophylaxe, Herzklappenbioprothesen (nichtrheumatisches Vorhofflimmern) kardiale und arterielle Thromboembolieprophylaxe (z. B. mechanische Herzklappen)
1,5 – 2,5
ca. 30 – 40 %
2,0 – 3,0
ca. 25 – 35 %
3,0 – 4,5
ca. 15 – 25 %
Kumarinderivate verdrängen Vitamin K aus den Leberzellen und führen dadurch zu einer Synthesestörung der Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X. Dadurch fällt der Quickwert ab, mit dessen Hilfe die Kumarinwirkung kontrolliert wird. Alternativ zum Quickwert wird häufig die INR angegeben.
Kumarinderivate wie z. B. Phenprocoumon (Marcumar) verdrängen Vitamin K aus den Leberzellen und führen dadurch zu einer Synthesestörung der VitaminK-abhängigen Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X. Durch den Mangel an Vitamin K wird die Carboxylierung von Glutaminsäureresten der genannten Gerinnungsfaktoren nicht mehr katalysiert, sodass diese Gerinnungsfaktoren ihre Funktionsfähigkeit einbüßen. Dies bewirkt einen messbaren Abfall der Aktivität der Faktoren II, VII, IX und X im Plasma. Dies bewirkt einen Abfall des Quickwertes (Erfassung der Thromboplastinzeit), mit dem die Kumarinwirkung kontrolliert wird. Alternativ wird häufig die INR (International Normalized Ratio) angegeben.
Dosierung
Dosierung
Abhängig von der Indikation sind unterschiedliche therapeutische Bereiche (QuickWerte) der Kumarintherapie anzustreben (Tab. A-3.29).
Abhängig von der Indikation sind unterschiedliche therapeutische Bereiche der Kumarintherapie anzustreben (Tab. A-3.29). Bei normalem Quickwert bzw. INR (als Ausgangswert) kann bei Erwachsenen die Dosierung z. B. nach folgendem Schema erfolgen (Marcumar, 1 Tbl.= 3 mg): ■ 1. Behandlungstag: 4 Tabletten (12 mg) ■ 2. Behandlungstag: 3 Tabletten (9 mg) ■ 3. Behandlungstag: Dosierung nach Quickwert oder INR.
Überlappend ist eine Heparintherapie bis zur erfolgreichen Einstellung notwendig.
Bis zur erfolgreichen Einstellung des Quickwertes ist überlappend eine Heparintherapie notwendig.
Interaktionen
Interaktionen
Bei der oralen Antikoagulation mit Kumarinderivaten sind Interaktionen mit anderen Medikamenten möglich (Tab. A-3.30).
30 % der mit oralen Antikoagulanzien behandelten Patienten nehmen aufgrund anderer Indikationen interferierende Medikamente ein. Hierbei sind folgende Interaktionen zu berücksichtigen (Tab. A-3.30):
A-3.30
A-3.30
Interaktionen der Kumarine
Wirkungssteigerung ■
■
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왘 Merke
NSAR (Verdrängung aus der Eiweißbindung) Antibiotika (verminderte enterale VitaminK-Bildung und Resorption) Thrombozytenaggregationshemmer Heparin Pyrazolderivate Clofibrat Cimetidin Lokalanästhetika
Wirkungsminderung ■
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Barbiturate, Antiepileptika, Rifampicin (Enzyminduktion in der Leber) Digitalis Diuretika Kortikosteroide Vitamin-K-reiche Ernährung
왘 Merke. Durch eine regelmäßige Quickwertanalyse ist eine Kontrolle der Kumarinwirkung (Über- oder Unterdosierung) sowie die Erfassung unerwünschter Interaktionen mit anderen Medikamenten möglich.
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A-3.31
3.5 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
Kontraindikationen und Nebenwirkungen bei Kumarintherapie
Kontraindikationen ■ ■ ■
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■ ■ ■ ■
129
Nebenwirkungen
manifeste hämorrhagische Diathesen manifeste Magen-Darm-Ulzera mit aktueller Blutungsneigung Lebererkrankungen mit signifikanter Faktorensynthesestörung (Faktoren II, VII, IX und X) manifeste, schwere, therapieresistente Hypertonie (Abb. A-3.11) wenige Wochen zurückliegender zerebraler Insult intrazerebrale Metastasen blutende Nephrolithiasis Gravidität (vor allem in den ersten Monaten wegen der Gefahr von Missbildungen) blutende Hämorrhoiden Malabsorptionssyndrome kavernöse und ggf. blutende Lungentuberkulose Retinopathie mit Fundusblutungen bakterielle Endokarditis traumatische Blutungen oder chirurgische Eingriffe am ZNS (innerhalb der ersten 8 – 10 Tage) mangelnde Mitarbeit des Patienten (Debilität) Dauerkatheter mit Blutungsneigung schwerer Alkoholismus Leukämien.
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Reversibler Haarausfall Blutungen (Anstieg der Blutungsgefahr mit steigender Tagesdosis und Verlängerung der Gerinnungsparameter, d. h. Quick/INR) Kumarin-Nekrosen v. a. an Haut und subkutanem Fettgewebe (selten)
Kontraindikationen und Nebenwirkungen
Kontraindikationen und Nebenwirkungen
(s. Tab. A-3.31)
(s. Tab. A-3.31)
Antagonisierung
Antagonisierung
Durch Vitamin-K-Gabe kann die Wirkung der Kumarinderivate aufgehoben bzw. weitgehend reduziert werden.
Vitamin K wirkt der Wirkung der Kumarinderivate entgegen.
왘 Merke. Vitamin K hat jedoch keinen Soforteffekt! Nach oraler Vitamin-
왗 Merke
K-Gabe sind erst nach ca. 36 Stunden relevante Erhöhungen des Quickwertes zu verzeichnen. Die intravenöse Gabe wurde vom Hersteller aufgrund von Nebenwirkungen als gefährlich eingestuft (angeblich wurden nach intravenöser Vitamin-K-Applikation Schockzustände beobachtet). 왘 Merke. Bei Blutungen unter Kumarintherapie mit zu niedrigen Quick-Wer-
Die i. v. Gabe von Vitamin K stufte der Hersteller als gefährlich ein, weil danach Schockzustände aufgetreten sein sollen. 왗 Merke
ten ist als einzige Sofortmaßnahme die Applikation von Prothrombinkonzentraten anzusehen.
A-3.11
Linkshirnige Massenblutung unter oraler Antikoagulation
A-3.11
Pathologisch-anatomisches Hirnpräparat einer 74-jährigen Patientin mit makroskopisch sichtbarer Massenblutung als Folge einer schlecht eingestellten arteriellen Hypertonie.
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3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
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Dosierung von PPSB: Substitutionseinheiten (= aktueller Quickwert – gewünschter Quickwert) × kg KG. Beispiel: Bei einem 70 kg schweren Patienten sind 1400 IE PPSB notwendig, um eine Erhöhung des Quickwertes um 20 % zu erreichen.
Dosierung von PPSB: Substitutionseinheiten (= aktueller Quickwert – gewünschter Quickwert) × kg KG. Beispiel: Um bei einem 70 kg schweren Patienten eine Erhöhung des Quickwertes um 20 % zu erreichen, sind 1400 IE PPSB notwendig. Diese sollten langsam über 5 Minuten intravenös appliziert werden.
Fibrinolysetherapie
Fibrinolysetherapie
Prinzip: Durch die Fibrinolyseaktivatoren Streptokinase, Urokinase und rt-PA kann Plasminogen in Plasmin umwandelt werden, welches Fibrinthromben proteolytisch abbaut.
Prinzip: Durch die Fibrinolyseaktivatoren Streptokinase, Urokinase oder rt-PA (= recombinant tissue plasminogen activator, Fibrinolyseaktivator aus Gewebszellen) kann das Proenzym Plasminogen (das im menschlichen Blut bzw. Plasma enthalten ist) in Plasmin, seine aktive Enzymform, umgewandelt werden. Plasmin löst Fibrinthromben proteolytisch auf und kann daher therapeutisch wirksam werden (z. B. bei akuter Becken- und Beinvenenthrombose, bei Lungenarterienembolie sowie bei akutem thrombotischem oder embolischem arteriellen Verschluss und bei Herzinfarkt). Wichtig ist ein möglichst frühzeitiger Beginn der fibrinolytischen Therapie, da unnötige Verzögerungen den therapeutischen Erfolg verhindern können.
Voraussetzung: Wichtigste Voraussetzung ist die sofortige Diagnosestellung bei akutem Herzinfarkt (Abb. A-3.12), akuter Becken-Beinvenenthrombose, Lungenembolie und akutem arteriellem Verschluss.
Voraussetzung: Wichtigste Voraussetzung zur Durchführung einer Thrombolysetherapie ist die sofortige Diagnosestellung nach Auftreten der ersten Symptome (z. B. bei o.g. Krankheitsbildern). Diese ist von großer praktischer Bedeutung, da das Ausmaß akuter ischämischer Organschäden bei arteriellen Verschlüssen (z. B. Myokardnekrose bei Herzinfarkt, siehe Abb. A-3.12) durch eine sofort einsetzende Fibrinolysetherapie z. B. schon präklinisch im Notarztwagen signifikant gesenkt werden kann. Bei venösen Becken-Beinvenenthrombosen ist eine rasch einsetzende Thrombolysetherapie wesentlich, da mit zunehmender Organisation des Thrombus durch einwachsende Fibroblasten der Erfolg einer Lysetherapie erschwert bzw. unmöglich wird.
Bei venösen Becken-Beinvenenthrombosen ist eine rasche Thrombolysetherapie wesentlich, da mit zunehmender Organisation des Thrombus eine Lysetherapie erschwert bzw. unmöglich wird. 왘 Merke
왘 Merke. Die Prognose ist abhängig vom Zeitpunkt des Behandlungsbeginns.
Bei Beginn einer Thrombolysetherapie erst nach dem 5. Tag nach Entstehung einer Beinvenenthrombose, ist die Prognose hinsichtlich des Therapieerfolges eingeschränkt im Vergleich zu einem sofortigen Behandlungsbeginn. Dies gilt auch für die alternativ zur Verfügung stehende chirurgische Methode der venösen Thrombektomie. Bei arteriellen Thromben ist ein sofortiger Therapiebeginn erforderlich!
A-3.12
Lokale Fibrinolysetherapie bei Hinterwandinfarkt
a Koronarangiographisch dargestellter Verschluss (?) der A. coronaria dextra.
b Z.n. lokaler koronarer Fibrinolyse über liegenden Koronarkatheter mit Wiedereröffnung der A. coronaria dextra.
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A-3.13
3.5 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
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Fibrinolysetherapie bei Beinvenenthrombose rechts
48-jährige Patientin mit Z.n. 2-wöchiger Immobilisation aufgrund eines grippalen Infekts. a Frische rechtsseitige venöse Thrombosierung der V. femoralis und V. saphena magna.
b Nach 3-tägiger Fibrinolysetherapie mit Streptokinase teilweise Wiedereröffnung der V. saphena, jedoch nicht der V. femoralis.
c Nach 6-tägiger Fibrinolysetherapie vollständige Wiedereröffnung der V. saphena und V. femoralis; phlebographische Dokumentation der intakten Venenklappen.
Klinik und Diagnostik: Da die charakteristische Symptomatik (Schwellung, Blauverfärbung, Druckschmerz im Verlauf der betroffenen Vene) nur in ca. 50 % zu beobachten ist, sollte bereits im Verdachtsfall stets eine Duplexsonographie zur Diagnosestellung bzw. Dokumentation von Lokalisation und Größe des Thrombus durchgeführt werden. Zusätzlich kann der Einsatz der Phlebographie erfolgen.
Klinik und Diagnostik: Die rasche Diagnosestellung bei venösen Becken-Beinvenenthrombosen erfolgt mittels Duplexsonographie oder Phlebographie.
Technik: ■ systemische Fibrinolyse ■ lokale Fibrinolyse mittels eines vor den Thrombus bzw. Embolus platzierten Katheters (Abb. A-3.13). ■ perkutane transluminale Angioplastie (PTA) in Kombination mit einer lokalen Fibrinolysetherapie. Diese gewinnt zunehmend bei der Therapie der chronisch-arteriellen Verschlusskrankheit an Bedeutung. Eine lokale intraarterielle Fibrinolyse hirnversorgender Arterien befindet sich noch im Stadium der experimentellen Therapie. Erste Erfolge konnten bei vertebrobasilären Verschlüssen, Verschlüssen im Karotisstromgebiet und Zentralarterien- oder Zentralarterienastverschlüssen erzielt werden.
Technik: ■ systemische Fibrinolyse ■ lokale Fibrinolyse (Abb. A-3.13) ■ PTA in Kombination mit lokaler Fibrinolysetherapie.
Systemische Fibrinolysetherapie bei Becken-Beinvenenthrombose: ■ konventionelle Streptokinase-Therapie: initial 250 000 IE/20 – 30 Minuten i. v., dann Erhaltungsdosis von 100 000 IE/h i. v. über 3 – 6 Tage ■ alternativ: ultrahochdosierte Streptokinase-Therapie: 1,5 Mio. IE/h i. v. in 1 – 3 Zyklen über 6 Stunden ■ konventionelle Urokinase-Therapie: Initial 500 000 IE/20 Minuten, dann Erhaltungsdosis von 100 000 IE/h i. v. über 7 – 14 Tage. ■ Lysetherapie mit rt-PA: Initial 5 – 15 mg/1 – 2 Minuten, dann Erhaltungsdosis von ca. 0,3 – 0,5 mg/kg KG/d über 7 Tage.
Systemische Fibrinolysetherapie bei Becken-Beinvenenthrombose: ■ konventionelle Streptokinase-Therapie ■ alternativ: ultrahochdosierte Streptokinase-Therapie ■ konventionelle Urokinase-Therapie ■ Lysetherapie mit rt-PA.
Lokale Fibrinolysetherapie bei Becken-Beinvenenthrombose: Nach Sicherung der Diagnose erhalten alle Patienten sofort Heparin intravenös (30 000 IE/24 Std.), eine Kompressionstherapie (Thrombosestrümpfe) sowie eine
Lokale Fibrinolysetherapie bei BeckenBeinvenenthrombose: Initial erfolgen die i. v. Applikation von Heparin, eine Kompressionstherapie und Hochlagerung der Extremität.
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3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
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Um das Fibrinolytikum am Wirkort der phlebographisch lokalisierten Thrombose zu konzentrieren, werden am Bein verschiedene „Staustufen“ mit unterschiedlichen Druckmanschetten und unterschiedlichen Drücken eingerichtet.
Hochlagerung der betroffenen Extremität. Um das Fibrinolytikum am Wirkort der phlebographisch lokalisierten Thrombose zu konzentrieren, werden am Bein mithilfe unterschiedlicher Druckmanschetten und Drücke verschiedene „Staustufen“ eingerichtet, wobei der proximale Abfluss zumindest teilweise offen sein muss, da ein freier Blutfluss eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Lysetherapie darstellt. So kommen bei einer Oberschenkelvenenthrombose drei verschiedene Stauebenen in Frage (wobei Kinder-, Normal- und Großmanschetten eingesetzt werden): auf der Höhe des Knöchels, der Boyd- und der Dodd-Perforansvenen. Die Patienten erhalten pro Lysezyklus innerhalb von 8 Stunden 20 mg Alteplase zusammen mit 8000 IE Heparin über einen venösen Zugang am Fuß- bzw. Handrücken. Zwischen den einzelnen Zyklen wird Heparin intravenös in einer Dosis von ca. 1500 – 2000 IE pro Stunde gegeben, bzw. anhand der Verlängerung der PTT gesteuert, bis diese auf das 1,5- bis 2-fache der Norm verlängert ist. Nach dem ersten Behandlungszyklus wird die Therapie am nächsten Tag wiederholt, danach erfolgt eine phlebographische Kontrolle. Bleibt der Lyseerfolg aus, so folgen weitere Zyklen, bei denen die rt-PA-Dosis auf 40 mg pro Zyklus erhöht werden kann.
Pro Lysezyklus werden Alteplase und Heparin über einen venösen Zugang am Fuß- bzw. Handrücken appliziert. Zwischen den Zyklen wird Heparin PTT-gesteuert verabreicht.
Therapiekontrolle: Die Kontrolle der Fibrinolysetherapie erfolgt durch Messung der Fibrinspaltprodukte und der Thrombinzeit unter gleichzeitiger Kontrolle der PTT und des Quick- bzw. INR-Wertes. Fibrinolytischer Effekt und Heparinwirkung können durch die parallele Bestimmung von Thrombinzeit und Reptilasezeit voneinander abgegrenzt werden. Nachbehandlung: ■ Z.n. venöser Thrombose: Kumarinderivat ■ Z.n. Lungenembolie: Kumarinderivat.
Therapiekontrolle: Die Kontrolle der Fibrinolysetherapie erfolgt durch Messung der Fibrinspaltprodukte und der Thrombinzeit (Ziel: 2 – 3-fache Erhöhung gegenüber dem Ausgangswert) unter gleichzeitiger Kontrolle der PTT (Ziel: 1,5 – 2-fache Erhöhung gegenüber dem Ausgangswert) und des Quick- bzw. INRWertes. Bei gleichzeitiger Gabe von Fibrinolytika und Heparin können fibrinolytischer Effekt und Heparinwirkung durch die parallele Bestimmung von Thrombinzeit und Reptilasezeit voneinander abgegrenzt werden: Heparin verlängert die Thrombinzeit, nicht jedoch die Reptilasezeit, während Fibrinolytika sowohl Thrombinzeit als auch die Reptilasezeit verlängern. Nach fibrinolytischer Behandlung venöser Thrombosen, v. a. im Bein-Beckenvenenbereich, wird anschließend eine mindestens 3-monatige Kumarintherapie empfohlen. Bei schlechtem Erfolg der Fibrinolyse mit noch bestehenden Thrombosen kann eine Kumarintherapie von bis zu mehreren Jahren notwendig werden. Die Gabe von ASS ist hier wirkungslos! Auch nach einer Lungenembolie erfolgt die Durchführung einer Kumarinprophylaxe für 3 – 6 Monate.
Kontraindikationen: ■ Absolute Kontraindikationen sind: hämorrhagische Diathese, gastroduodenale Ulzera, Hämaturie, manifeste Hypertonie, Retinopathia diabetica III–IV, vorausgegangene enzephalomalazische Insulte, Mitralvitien mit nachgewiesenen Vorhofthromben, Z.n. frischen operativen Eingriffen, Z.n. konventioneller Arteriographie, Gravidität im 1. Trimenon. ■ Relative Kontraindikation ist eine intramuskuläre Injektion während der zurückliegenden 7 Tage.
Kontraindikationen: Entscheidend für den Erfolg einer fibrinolytischen Therapie ist auch die Beachtung der Kontraindikationen, die für alle Fibrinolytika gelten. ■ Absolute Kontraindikationen sind: hämorrhagische Diathese, gastroduodenale Ulzera, Hämaturie, manifeste Hypertonie (fixierte diastolische Werte 4 110 mmHg oder Fundus hypertonicus III–IV), Retinopathia diabetica III–IV, vorausgegangene enzephalomalazische Insulte, Mitralvitien mit nachgewiesenen Vorhofthromben, Z.n. frischen operativen Eingriffen (in Abhängigkeit von Art und Dauer; Fibrinolyse meist erst nach 12 Tagen möglich), Z.n. konventioneller Arteriographie (Fibrinolyse nach 7 Tagen möglich), Gravidität im 1. Trimenon (Gefahr eines Aborts). ■ Zu den relativen, wenig beachteten Kontraindikationen gehören intramuskuläre Injektionen während der zurückliegenden 7 Tage, wobei in diesen Fällen individuell über das Vorgehen entschieden werden muss.
Therapeutische Defibrinogenierung
Therapeutische Defibrinogenierung
Ziel der Therapie mit Ancrod und Batroxobin ist die langsame Senkung des Fibrinogenspiegels und damit Senkung der Blutviskosität zur Behandlung peripherer arterieller Verschlüsse der unteren Extremitäten.
Die aus Schlangengiften gewonnenen Fraktionen Ancrod (Arwin) und Batroxobin (Defibrase) wirken prokoagulatorisch, indem sie nur das Fibrinopeptid A vom Fibrinogen abspalten. Dadurch entstehen leicht lösliche Fibrinmonomere, die jedoch vom körpereigenen fibrinolytischen Potenzial rasch wieder eliminiert werden. Ziel der Therapie ist die langsame Senkung des Fibrinogenspiegels und damit der Blutviskosität (Plasmaviskosität) mit entsprechender Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes durch subkutane Injektionen. Diese Therapie wird vor allem zur Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit eingesetzt. Zur Verlaufskontrolle dient hier die Fibrinogenbestimmung oder die Messung der Blut- bzw. Plasmaviskosität.
Diese Therapie wird vor allem bei der Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit eingesetzt.
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A
3.5 Blutgerinnung, Thrombose, Embolie
133
Thrombozytenfunktionshemmer
Thrombozytenfunktionshemmer
Eine pathologisch gesteigerte Thrombozytenfunktion kann wesentlich zur Thromboseneigung, besonders im Bereich des arteriellen Gefäßsystems beitragen. Thrombozytenfunktionshemmer sind also in der Lage, die dadurch ausgelöste Thromboseneigung antithrombotisch zu beeinflussen.
Sie wirken der Thromboseneigung durch gesteigerte Thrombozytenfunktion, besonders im arteriellen Gefäßsystem, entgegen.
Acetylsalicylsäure (ASS)
Acetylsalicylsäure (ASS)
Das bekannteste und weltweit am besten untersuchte Beispiel ist hierbei die Acetylsalicylsäure (ASS). Acetylsalicylsäure (ASS) bewirkt einen antithrombotischen Effekt durch die Hemmung der Zyklooxygenase, sodass die Bildung der thrombosefördernden Substanz Thromboxan reduziert wird. Zwischenzeitlich konnte in großen klinischen Studien nachgewiesen werden, dass die tägliche Gabe von 100 mg Acetylsalicylsäure einen wirksamen Schutz gegen das Auftreten einer zerebralen Zirkulationsstörung oder eines Herzinfarktes darstellt. Auch nach der Operation peripherer Gefäße wird Acetylsalicylsäure als Rezidivprophylaxe verabreicht. Im venösen Bereich ist die Acetylsalicylsäure allerdings weniger wirksam und sollte daher in der Prophylaxe venöser Thrombosen nicht eingesetzt werden (hierbei sind Heparin und Kumarine deutlich überlegen).
Das bekannteste und weltweit am besten untersuchte Beispiel ist die Acetylsalicylsäure (ASS). Tägliche Gaben von 100 mg ASS bieten einen wirksamen Schutz vor zerebralen Durchblutungsstörungen und Herzinfarkt. Auch als Rezidivprophylaxe nach Operationen peripherer arterieller Gefäße wird ASS verabreicht. Zur Prophylaxe venöser Thrombosen ist ASS jedoch nicht geeignet.
Nebenwirkungen: ASS kann zu einer erosiven (hämorrhagischen) Gastritis führen. Auch in anderen Bereichen (z. B. Darm) können Blutungskomplikationen auftreten, jedoch deutlich seltener als bei Heparin- oder Kumarintherapie. Bei prädisponierten Patienten können Bronchospasmen im Sinne einer asthmoiden Überempfindlichkeitsreaktion ausgelöst werden.
Nebenwirkungen: ASS kann zu einer erosiven (hämorrhagischen) Gastritis führen. Bei prädisponierten Patienten kann ein Bronchospasmus im Sinne einer asthmoiden Überempfindlichkeitsreaktion ausgelöst werden.
왘 Merke. ASS sollte 5 Tage vor operativen Eingriffen abgesetzt werden, da die
왗 Merke
ASS-induzierte Blutungsneigung nach Absetzen noch mindestens 5 Tage andauert.
Weitere Therapiemaßnahmen
Weitere Therapiemaßnahmen
Inhibitorentherapie bei Hyperfibrinolyse
Inhibitorentherapie bei Hyperfibrinolyse
Fibrinolytische Blutungen können mittels Antifibrinolytika zum Stehen gebracht werden. Im Bereich der Chirurgie sind vor allem hyperfibrinolytische Blutungen nach Einsatz der Herz-Lungen-Maschine eine Indikation zum Einsatz der Fibrinolysehemmer Aprotinin (z. B. Trasylol), ein Serinproteaseninhibitor, und Tranexamsäure (z. B. Ugurol). Aprotinin wird wegen seiner gleichzeitig plättchenstabilisierenden Wirkung seit einigen Jahren vermehrt bei Operationen, insbesondere in der Thoraxchirurgie, eingesetzt.
Indikation zur Verabreichung von Aprotinin oder Tranexamsäure ist vor allem die hyperfibrinolytische Blutung, z. B. nach Einsatz der Herz-Lungen-Maschine.
Substitution von Gerinnungsinhibitoren bei Inhibitorenmangel Besonders bei vorangegangenen Verbrauchskoagulopathien oder Leberschäden kann ein Antithrombin-III-Mangel (5 70 %) resultieren, der wiederum eine vermehrte Thrombosegefahr bewirken kann. Um einen solchen Inhibitorenmangel und die daraus resultierende Thromboseneigung zu verhindern, ist eine Antithrombin-III-Substitution möglich. Hierbei bewirkt die Antithrombin-IIISubstitution (z. B. mit Kypernin) von 1 IE/kg KG eine Anhebung des AT-IIISpiegels um 1 %. In gleicher Weise können auch andere Gerinnungsinhibitoren, deren Mangel (angeboren oder bei Leberschaden) zu einer Thromboseneigung führt (z. B. Protein-C-, Protein-S-Mangel), durch entsprechende therapeutische Präparate substituiert werden. Die jeweilige Indikationsstellung sollte sich an entsprechenden Spezialanalysen orientieren.
Substitution von Gerinnungsinhibitoren bei Inhibitorenmangel Einer durch Verbrauchskoagulopathie oder Leberschaden induzierten Thromboseneigung durch AT-III-Mangel kann durch AT-IIISubstitution entgegengewirkt werden.
Auch bei Protein-C- oder Protein-S-Mangel kann eine entsprechende Substitution die Entstehung einer Thrombose verhindern.
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3 Perioperative Maßnahmen/Probleme
134
A
Neuere Thrombozytenfunktionshemmer
Neuere Thrombozytenfunktionshemmer
Der Einsatz der neueren Plättchenfunktionshemmer erfolgt aktuell v. a. im kardiologischen Bereich. Studien signalisieren positive Ergebnisse für den Einsatz im kardiovaskulären Bereich (Abb. A-3.14).
Der Einsatz der neueren Plättchenfunktionshemmer erfolgt aktuell v. a. im kardiologischen Bereich. In absehbarer Zeit wird sich die Therapie mit diesen neueren Thrombozytenfunktionshemmern auch im kardiovaskulären chirurgischen Bereich durchsetzen (z. B. nach Stent-Implantationen, nach Einsatz von Gefäßprothesen usw.), wobei erste Studien positive Ergebnisse signalisieren (Abb. A-3.14).
A-3.14
Sequenzielle Schritte der Plättchenaktivierung und ihre pharmakologische Beeinflussung durch Acetylsalicylsäure (ASS), Thienopyridine (Ticlopidin, Clopidogrel) und GP-IIb-IIIa-Antagonisten (Abciximab, Integrilin, Tirofiban) GP = Glykoprotein vWF = von-Willebrand-Faktor ADP = Adenosindiphosphat TXA2= Thromboxan A2.
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A 4.1 Einführung
Minimal-invasive Chirurgie
4
135 4
Minimal-invasive Chirurgie
4.1
Einführung
Hinnerk Gebhardt
4.1
Einführung
Die ersten Berichte über die diagnostische Laparoskopie stammen von Jakobeus (1901) und Kelling (1902). Erst der technische Fortschritt der letzten Jahre mit Verkleinerung der Optiken, Einsatz der Video-Bildtechnik und Entwicklung des erforderlichen Instrumentariums ermöglichte die operative Laparoskopie. 1981 (Semm) konnte die erste Appendektomie und 1987 (Mouret) die erste Cholezystektomie laparoskopisch durchgeführt werden. Seitdem hat diese Chirurgie einen immer breiteren Einsatz erfahren. So können jetzt eine Vielzahl abdominalchirurgischer Operationen laparoskopisch durchgeführt werden.
4.1.1
Operative Prinzipien, technische und apparative Ausstattung
Die Grundausstattung zur operativen Laparoskopie (Abb. A-4.1) besteht in: dem CO2-Insufflator ■ einer Kamera mit Videogerät und Monitor ■ einer Thermo- oder Elektrokoagulationseinheit ■ einer Lichtquelle für die Optik ■ einer Saug-Spül-Einrichtung. ■
Jede laparoskopische Operation beginnt mit dem Aufbau des CO2-Pneumoperitoneums. Dafür wird die Abdominalhöhle mit einer Nadel punktiert und mit 3 – 5 l CO2 bis zu einem intraabdominalen Druck von 12 – 15 mmHg aufgefüllt. Die Bauchdecken heben sich an, es wird Raum im Abdomen geschaffen. A-4.1
Grundausstattung zur operativen Laparotomie
1981 (Semm) wurde die erste Appendektomie, 1987 (Mouret) die erste Cholezystektomie laparoskopisch durchgeführt. Eine Vielzahl abdominalchirurgischer Eingriffe können mittlerweile laparoskopisch durchgeführt werden.
4.1.1 Operative Prinzipien, technische und
apparative Ausstattung Die Grundausstattung zur operativen Laparoskopie (Abb. A-4.1) besteht in: ■ dem CO -lnsufflator 2 ■ einer Kamera mit Videogerät und Monitor ■ einer Thermo- oder Elektrokoagulationseinheit ■ einer Lichtquelle für die Optik ■ einer Saug-Spül-Einrichtung. Zu Beginn wird das Abdomen mit 3 – 5 l CO2 bei einem Druck von 12 – 15 mmHg aufgefüllt. Die Bauchdecken heben sich an, es wird Raum zur Operation geschaffen.
A-4.1
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4 Minimal-invasive Chirurgie
136
A
Anschließend werden Trokare in das Abdomen vorgeschoben, über die Optik und Instrumente eingebracht werden können (Abb. A-4.2).
Nach Aufbau des Pneumoperitoneums wird ein Trokar (Durchmesser meist 10 mm) durch die Bauchdecken in die Bauchhöhle vorgeschoben. Der Trokar besteht aus einem zentralen Dorn und einer äußeren Hülse. Nach Platzierung des Trokars wird der Dorn unter Belassen der Hülse entfernt. Diese ist mit einem Ventil versehen, sodass das CO2 nicht entweichen kann und Instrumente durch die Hülse in den Bauchraum vorgeschoben werden können. Nach Einbringen einer Optik werden unter Sicht weitere Trokare in den Bauchraum eingebracht, über die die Instrumente zur Operation vorgeschoben werden (Abb. A-4.2). Die starren Instrumente für die laparoskopische Chirurgie entsprechen dem Instrumentarium der offenen Chirurgie, weisen jedoch einen geringeren Durchmesser auf und sind wesentlich länger (Abb. A-4.3). Es handelt sich um Modifikationen von Fasszangen, Scheren, Sauger und Nadelhalter sowie um Neuentwicklungen von Kombinationsinstrumenten wie z. B. Koagulationshaken mit Sauger. Titan- oder resorbierbare Clips stehen zum Verschluss von Gangstrukturen (z. B. Gefäße) zur Verfügung.
Die Instrumente entsprechen dem Instrumentarium der offenen Chirurgie, weisen jedoch einen geringeren Durchmesser auf und sind wesentlich länger (Abb. A-4.3).
4.1.2 Pathophysiologische Aspekte
4.1.2 Pathophysiologische Aspekte
Zur Anlage des Pneumoperitoneums hat sich CO2 wegen der guten Blutlöslichkeit und pulmonalen Elimination durchgesetzt.
Für die operative Laparoskopie hat sich CO2 zur Anlage des Pneumoperitoneums gegen N2O und Helium durchgesetzt. Da in Blut gelöstes CO2 pulmonal abgeatmet wird, ist das Risiko einer Gasembolie bei akzidenteller intravasaler
A-4.2
Trokar und Optik
A-4.3
Auswahl verschiedener Instrumente für die laparoskopische Chirurgie
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A 4.1 Einführung
Insufflation gering. CO2-induzierte Emphyseme bilden sich schneller als durch andere Gase induzierte zurück. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Gas nicht entflammbar ist. Da eingebrachtes CO2 transperitoneal resorbiert wird, kann es, bei eingeschränkter pulmonaler Elimination, zu Störungen im Säure-BasenHaushalt kommen. Das Pneumoperitoneum führt zu typischen hämodynamischen und ventilatorischen Veränderungen. Der erhöhte intraabdominale Druck komprimiert die V. cava inferior und die basalen Thoraxanteile. Der venöse Rückfluss und die Compliance der Thoraxwand werden dadurch reduziert. Gleichzeitig wird der arterielle Gefäßwiderstand, u. a. durch Kompression der intraabdominellen arteriellen Gefäße, erhöht. Diese Veränderungen der kardialen Vor- und Nachlast können zu einer Reduktion des Herzzeitvolumens führen.
137 Die Gefahr der Gasembolie ist so reduziert, Emphyseme bilden sich schnell zurück. Durch transperitoneale CO2-Resorption können Störungen im Säure-Basen-Haushalt auftreten. Das CO2-Pneumoperitoneum reduziert die Vorlast, die Nachlast ist erhöht. Dies kann zu einer Reduktion des Herzzeitvolumens führen.
4.1.3 Vor- und Nachteile, laparoskopiespezifische Komplikationen
4.1.3 Vor- und Nachteile,
Ein Vorteil der laparoskopischen Chirurgie liegt in der Verkleinerung der Bauchdeckenwunde. Aus diesem Grunde wird diese Technik auch „minimalinvasive Chirurgie“ genannt. Die intraabdominelle Wundfläche hingegen ist identisch mit der offenen Chirurgie, da laparoskopische Eingriffe nach den gleichen Kriterien wie offene durchgeführt werden. Hieraus ergeben sich folgende Vor- und Nachteile (Tab. A-4.1): Die laparoskopische Operation ist, bei rein betriebswirtschaftlicher Betrachtung, mit höheren Kosten verbunden. Demgegenüber steht die frühere Arbeitsfähigkeit und kürzere Krankenhausverweildauer. Diese volkswirtschaftlichen Aspekte werden aber bei der Beurteilung der Kosten-Nutzen-Relation noch nicht ausreichend berücksichtigt. Bei der Evaluierung der laparoskopischen Chirurgie sind folgende laparoskopiespezifische Komplikationen zu berücksichtigen: ■ Verletzung intraabdominaler Strukturen beim Einbringen der Trokare (z. B. Gefäße, Darm) ■ ein- oder beidseitiger Pneumothorax ■ Mediastinal-, Haut- oder Omentumemphysem ■ Hämatome, Impfmetastasen oder Darminkarzeration in den Trokareinstichstellen ■ postoperativer Schulterschmerz.
Ein Vorteil ist die Verkleinerung der Bauchdeckenwunde (Tab. A-4.1). Die intraabdominelle Wundfläche hingegen ist identisch mit der offenen Chirurgie.
Die Morbidität und Letalität dieser Komplikationen liegt, in Abhängigkeit vom Alter der Patienten, der Indikation und der Erfahrung des Operateurs, zwischen 0,1 – 0,3 %.
Die Morbidität und Letalität dieser Komplikationen liegt zwischen 0,1 – 0,3 %.
A-4.1
Vor- und Nachteile der laparoskopischen Chirurgie
Vorteile ■
■ ■
■
Reduktion der postoperativen Schmerzen, dadurch bedingt: – frühere Mobilisation und Abnahme der Thrombose- und Embolierate – Reduktion pulmonaler Ventilationsstörungen und der Pneumonierate – verkürzte Krankenhausverweildauer – geringerer Analgetikaverbrauch Infektionsrisiko der Hautwunde geringer postoperative Darmatonie verkürzt, orale Belastung früher möglich günstigeres kosmetisches Ergebnis
laparoskopiespezifische Komplikationen
Die laparoskopische Chirurgie ist mit höheren Kosten verbunden. Dagegen stehen die frühere Arbeitsfähigkeit und kürzere Krankenhausverweildauer. Zu beachten sind folgende Komplikationen: ■ Verletzungen intraabdominaler Strukturen ■ Pneumothorax ■ Emphyseme ■ Hämatome, Impfmetastasen, Darminkarzeration ■ postoperativer Schulterschmerz.
A-4.1
Nachteile ■
■ ■ ■ ■
■
Tastsinn und Inspektion der Bauchhöhle eingeschränkt Blutstillung und Naht schwieriger lediglich zweidimensionales Bild evtl. längere Operationsdauer Bergen größerer Resektate (z. B. Kolon) ohne Hilfsschnitt kaum möglich deutlich höhere Kosten und höherer technischer Aufwand
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138 5
Wunde
A
5 Wunde
5
Wunde Uwe Krüger, Fabian Wolfrum
왘 Definition
왘 Definition. Die Wunde ist ein pathologischer Zustand, bei dem Gewebe mit
mehr oder minder ausgeprägtem Substanzverlust und entsprechender Funktionseinschränkung voneinander getrennt oder zerstört ist.
5.1
Wundheilung
왘 Definition
Außer den Zähnen sind alle Gewebearten zur Wundheilung fähig. Sie erfolgt durch zwei Mechanismen: Regeneration ist der gewebespezifische Ersatz (vollständig im Bereich der Epidermis und der Schleimhäute, eingeschränkt bei parenchymatösen Organen). Während der Reparationsphase wird defektes oder fehlendes Gewebe durch unspezifisches Binde- bzw. Stützgewebe ersetzt, welches dann vernarbt (Sonderstellung Knochen).
5.1
Wundheilung
왘 Definition. Die Wundheilung ist der Defektverschluss durch vernarbendes Bindegewebe und Epithelregeneration.
Jeder Organismus ist bestrebt, eine Wunde so schnell wie möglich zu verschließen, um die Funktion des Gewebes wiederherzustellen. Außer den Zähnen sind alle Gewebearten zur Wundheilung fähig. Sie erfolgt durch zwei Mechanismen: ■ Regeneration: Unter Regeneration versteht man den gewebespezifischen Ersatz, der bei Säugetieren und insbesondere beim Menschen im Bereich der Epithelien vollständig (Epidermis, Schleimhäute des Magen-Darm- und Urogenitaltraktes) und in parenchymatösen Organen eingeschränkt möglich ist. ■ Reparation: Während der Reparationsphase wird defektes oder fehlendes Gewebe durch unspezifisches Binde- bzw. Stützgewebe ersetzt, welches dann vernarbt. Die Knochenheilung nimmt insofern eine Sonderstellung ein, als die bindegewebige Matrix später gewebespezifisch (Knochenneubildung) umgebaut wird.
Phasen der Wundheilung
5.1.1 Phasen der Wundheilung
5.1.1
Exsudationsphase (ca. 4 Tage): Im Wundbereich sind Blut- und Lymphgefäße eröffnet. Durch Blutgerinnung und Vasokonstriktion wird der Blutaustritt gestoppt. Fibrin verklebt die Wunde. Granulozyten und Histiozyten phagozytieren abgestorbenes Gewebe und Keime.
Exsudationsphase: Im Bereich einer Wunde sind kleine Blut- und Lymphgefäße eröffnet. Austretendes Blut und Gewebewasser füllen die Wundlücke auf. Durch Einsetzen von Blutgerinnung und Vasokonstriktion wird der Blutaustritt gestoppt. Fibrin verklebt die Wunde. In die Wunde eingetragene Keime und abgestorbenes Gewebe werden durch weiße Blutzellen (Granulozyten) und Bindegewebezellen (Histiozyten) phagozytiert. Die Exsudationsphase dauert ca. 4 Tage.
Proliferationsphase (einige Tage): Einsprießen von Kapillaren. Ortsständige Fibroblasten produzieren Kollagenfasern. Myofibroblasten enthalten kontraktile Elemente, welche zu einer Verkleinerung des Wunddurchmessers beitragen.
Proliferationsphase: Aus dem Wundrand sprießen Kapillaren in das Wundbett ein. Ortsständige Fibroblasten proliferieren und produzieren Proteoglykane und wasserunlösliche Kollagenfasern als Grundsubstanz des Bindegewebes. Ein Teil der Fibroblasten wandelt sich in Myofibroblasten um, welche kontraktile Elemente enthalten. Durch diese kann der Wunddurchmesser täglich bis zu 2 mm verkleinert werden. Die Proliferationsphase dauert einige Tage.
Regenerationsphase: Vernetzung und Stabilisierung der Kollagenfasern. Die Wundoberfläche verschließt sich durch Epithelisation, Hautanhangsgebilde fehlen. Die maximale Belastbarkeit ist nach ca. 3 Monaten erreicht.
Regenerationsphase: In der Regenerationsphase werden die Kollagenfasern vernetzt und stabilisiert. Die Wundoberfläche verschließt sich durch Epithelisation. In der resultierenden Narbe fehlen die Hautanhangsgebilde. Die maximale Belastbarkeit einer Narbe ist nach ca. 3 Monaten erreicht.
5.1.2 Formen der Wundheilung
5.1.2 Formen der Wundheilung
Gewebeneubildung, Kontraktion und Epithelisation sind abhängig von Schwere und Zustand des Defektes.
Alle Wunden heilen nach den beschriebenen Gesetzmäßigkeiten. Gewebeneubildung, Kontraktion und Epithelisation sind abhängig von Schwere und Zustand des Defektes.
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5.1 Wundheilung
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Man unterscheidet 4 Formen der Wundheilung: ■ Primärheilung (Sanatio per primam intentionem = p.p.-Heilung). ■ Verzögerte Primärheilung (S. 140). ■ Sekundärheilung (Sanatio per secundam intentionem = p.s.-Heilung, S. 140). ■ Regenerative Heilung oberflächlicher Wunden (S. 141).
Formen der Wundheilung: ■ Primär-(p.p.-)Heilung. ■ Verzögerte Primärheilung (S.140). ■ Sekundär-(p.s.-)Heilung (S. 140). ■ Regenerative Heilung oberflächlicher Wunden (S.141).
Primärheilung
Primärheilung
왘 Definition. Bei der Primärheilung werden die adaptierten Wundränder durch
왗 Definition
sehr wenig Bindegewebe miteinander verbunden. Das Ergebnis ist eine schmale, strichförmige, oft kaum sichtbare Narbe (Abb. A-5.1). Primärheilung ist zu erwarten bei: ■ Glatten Wundrändern, die eng aneinanderliegen. ■ Sauberen Wunden ohne Fremdkörper, Keime oder Nekrosen. ■ Guter Durchblutung des Wundgebietes. Die Primärheilung ist die Regel bei chirurgisch gesetzten, wie überhaupt bei allen Wunden, die durch saubere, scharfkantige Gegenstände verursacht werden. Bei zerklüfteten oder nekrotischen Wunden kann durch eine operative Versorgung die Voraussetzung zur Primärheilung geschaffen werden, indem die Wundränder 1 – 2 mm im gut durchbluteten Gewebe en bloc ausgeschnitten werden (Abb. A-5.2 a). Unter entsprechenden Wundverhältnissen reicht eine „Anfrischung“ der Wundränder (Débridement) aus (Abb. A-5.2 b), um die Voraussetzung für eine Primärheilung zu schaffen. Nach Mobilisation der Haut auf oberflächlichen Faszien ist ein spannungsfreier Wundverschluss möglich. A-5.1
Primär heilende Wunde
Primärheilung bei: ■ Glatten, eng aneinander liegenden Wundrändern. ■ Sauberen Wunden. ■ Guter Durchblutung. ■ Chirurgischen Wunden. ■ Verletzungen durch scharfkantige Gegenstände. Bei zerklüfteten oder nekrotischen Wunden wird die Voraussetzung für eine Primärheilung durch Wundausschneidung oder Débridement geschaffen (Abb. A-5.2). Die Wunde wird spannungsfrei verschlossen. Ist die Wunde älter als 6 – 8 Stunden, erfolgt die offene Wundbehandlung.
A-5.1
A-5.2 Operative Versorgung von zerklüfteten oder nekrotischen Wunden
a Wundausschneidung en bloc. In der Wunde vorhandene Erreger können sich im umgebenden gesunden Gewebe ausbreiten. Um ein nahezu keimfreies Wundgebiet zu gewährleisten, sollte der Zeitraum von 6 – 8 Stunden für die Wundausschneidung eingehalten werden. b Débridement ist das sorgfältige gewebeschonende Ausschneiden einer Wunde.
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140
A
A-5.3
5 Wunde
A-5.3
Verzögerte Primärheilung Wunde mit verzögerter Primärheilung (Wunde mit feuchter Kompresse aufgefüllt).
Diese Methode kommt wegen zu erwartender Keimbesiedlung nur innerhalb von 6 – 8 Stunden nach Verletzung in Betracht. Ältere Wunden werden daher offen behandelt. Kontraindikationen: tiefe Schnittwunden, Bisswunden, stark verschmutzte Wunden, Wunden mit Fremdkörpern.
왘 Merke
Kontraindikationen für einen primären Wundverschluss sind: Tiefe Schnittwunden, Bisswunden, stark verschmutzte Wunden, infizierte Wunden und Wunden mit Fremdkörpern. Für die Bereiche des Gesichts und der Gelenke ist bei Wundausschneidung und Débridement stets zu bedenken, dass diese Eingriffe zu Veränderungen der Physiognomie bzw. zu Bewegungsbeeinträchtigungen führen können. Eine Reduktion des Hautgewebes wird deshalb gar nicht oder allenfalls äußerst sparsam durchgeführt, ggf. sollte ein Spezialist (plastischer Chirurg) hinzugezogen werden. 왘 Merke. ■
■
Verzögerte Primärheilung 왘 Definition
Größere, tief reichende Defekte müssen schichtweise in gewebeschonender Weise revidiert werden. Nach der chirurgischen Versorgung der Wunde sollte diese erst verschlossen werden, wenn keine Infektion zu erwarten ist.
Verzögerte Primärheilung 왘 Definition. Bei Verdacht auf Kontamination wird die Wunde nicht sofort ver-
schlossen, sondern mit feuchter Gaze offen gehalten. Die Nähte werden bereits vorgelegt (Abb. A-5.3). Bleiben Hinweise auf eine Infektion aus, können die Wundränder nach 2 – 3 Tagen adaptiert werden. Die Wundheilung erfolgt primär. Bei Infektion nach Wundverschluss müssen die Nähte wieder geöffnet werden. Die Heilung erfolgt dann sekundär (s. u.). Sekundärheilung 왘 Definition
Kommt es nach Wundverschluss zu einer Infektion, müssen die Nähte wieder entfernt werden. Die Heilung erfolgt dann sekundär (s. u.).
Sekundärheilung 왘 Definition. Wunden mit großen Gewebedefekten heilen auch ohne mecha-
nischen Verschluss spontan. Der Defekt wird durch Granulationsgewebe aufgefüllt, welches sich in Narbengewebe umdifferenziert. Hat der Wundgrund nach unterschiedlich langer Zeit das Hautniveau erreicht, schließt sich der verbleibende Defekt durch Epithelisation (Abb. A-5.4). Kontraktion führt zur Wundverkleinerung (kosmetisch unbefriedigend und funktionell störend in Gelenkbereichen).
Diese Art der Wundheilung führt meist zu großflächigen, kosmetisch unbefriedigenden Narben, die insbesondere in Gelenkbereichen funktionelle Störungen verursachen können.
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5.1 Wundheilung
141
A-5.4 Sekundär heilende Wunde (nach Exzision eines malignen Melanoms)
a Operationssitus.
b Nach 2 Tagen ist am Wundgrund Granulationsgewebe auszumachen.
c Am 21. Tag hat sich die Wundfläche durch Kontraktion deutlich verkleinert.
d Nach 2 Jahren ist die Wunde verschlossen und epithelisiert. Die auf den Wundmittelpunkt zulaufenden, durch Kontraktion verursachten Spannungsstreifen sind gut zu erkennen.
Indikationen (= Verzicht auf primären Wundverschluss): ■ Wundränder klaffen fetzig weit und lassen sich nicht anfrischen. ■ Großer Gewebedefekt. Bei fehlender Möglichkeit der Hauttransplantation lassen sich die Wundränder nicht spannungsfrei adaptieren. ■ Trophische Störungen, z. B. Ulcus cruris. ■ Stark eiternder Defekt. ■ Verschmutzung mit Fremdkörpern. ■ Infektion der primär verschlossenen Wunde. ■ Befriedigenderes funktionelles und/oder kosmetisches Ergebnis zu erwarten (z. B. kleiner Defekt an der Fingerkuppe).
Indikationen: ■ Zerfetzte, klaffende Wunden. ■ Großer Gewebedefekt. ■ Trophische Störungen. ■ Stark eiternde Wunden. ■ Verschmutzung mit Fremdkörpern. ■ Primär verschlossene, infizierte Wunden. ■ Bei funktionell und kosmetisch zu erwartenden besseren Ergebnissen.
Regenerative Wundheilung
Regenerative Wundheilung
Bei oberflächlichen Hautwunden, z. B. Schürfungen, werden nur die Epidermis und geringe Anteile der Lederhaut beschädigt. Bleiben die Basalzellen intakt, kann sich die Epidermis vollständig regenerieren (Abb. A-5.5). Dieser Vorgang entspricht der Epithelisation. Das Regenerat unterscheidet sich kaum vom umgebenden Gewebe.
Oberflächliche Wunden heilen durch Regeneration des Epithels von der Basalzellschicht aus (Abb. A-5.5). Sie sind vom umgebenden Gewebe kaum zu unterscheiden.
Heilung unter Schorf
Heilung unter Schorf
Heilung unter Schorf kommt bei primär und sekundär heilenden Wunden und bei Epithelisation vor. Die schützende Schorfbildung ist erwünscht bei oberflächlichen Schürfungen, bei denen sich die Kruste nach Wiederherstellung
Sie kommt vor bei primär und sekundär heilenden Wunden und bei Epithelisation.
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142 A-5.5
A
5 Wunde
A-5.5
Epithelisation Oberflächliche Wunde, die durch Epithelisation heilt.
des Epithels spontan ablöst. Probleme bereitet der Schorf bei sekundär heilenden Wunden, da er die Bildung des Granulationsgewebes und den Sekretabfluss behindern und damit die Heilung verzögern kann.
5.2
Wundarten
5.2
Wundarten
3 große Gruppen von Wunden: ■ traumatische Wunden, ■ iatrogene Wunden, ■ chronische Wunden.
Nach ihrer Entstehungsursache werden 3 große Gruppen von Wunden unterschieden: ■ traumatische, unfallbedingte Wunden, ■ iatrogene, z. B. operative Wunden, ■ chronische Wunden, z. B. Dekubitalulzera.
5.2.1 Traumatische Wunden
5.2.1 Traumatische Wunden
Zur Klassifikation s. Tab. A-5.1 und Tab. A-5.2.
Traumatische Wunden lassen sich nach morphologischen (Tab. A-5.1) und ätiologischen (Tab. A-5.2) Kriterien klassifizieren.
Mechanische Verletzungen
Mechanische Verletzungen Wunden durch äußere Gewalteinwirkung stellen den Großteil aller Unfallverletzungen dar. Eine adäquate Versorgung setzt die Kenntnis der Entstehungsursache voraus, um z. B. das Kontaminationsrisiko abschätzen zu können.
Schürfwunden
Schürfwunden
Sie entstehen durch Entlangstreifen eines rauen Gegenstandes an der Haut, wobei die Epidermis abgerissen wird. Die Abheilung erfolgt narbenlos.
Schürfwunden entstehen durch Entlangstreifen eines rauen Gegenstandes an der Haut, wobei die Epidermis weggerissen wird. Die Lederhaut (Corium) und die Subkutis bleiben unverletzt. Durch in die Epidermis vorspringende Kapillaren entstehen punktförmige Blutungen.
A-5.1
A-5.1
Morphologische Einteilung traumatischer Wunden
offene Verletzung
geschlossene Verletzung
Ablederung (Décollement) Abtrennung (Amputation)
Durchtrennung der Haut durch äußere Einwirkung ■ oberflächlich: auf die Epidermis beschränkt ■ penetrierend: in die Tiefe reichend, Eröffnung von Körperhöhlen ■ kompliziert: Mitverletzung von Nerven, Sehnen, Muskeln, Knochen Folge stumpfer Gewalt. Verletzung von Gefäßen, Nerven und/oder darunterliegenden Geweben bei weitgehend intakter Haut. Es resultieren Hämatome, Schwellungen und starke Schmerzen Ablösung ganzer Hautlappen durch flache, tangentiale Gewalt. Abtrennung eines Körpergliedes.
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A
A-5.2
5.2 Wundarten
Ätiologische Einteilung traumatischer Wunden
mechanische Verletzungen ■ Pfählungs■ Schürfungen ■ Blasen verletzungen ■ Risswunden ■ Schnittwunden ■ Kratzwunden ■ Hiebwunden ■ Stichwunden
■
■
Prellungen und Quetschungen Quetsch- und Platzwunden
■ ■
■
Bisswunden Insektenstiche Schusswunden
143 A-5.2
■
■
Ablederungen Amputationen
thermische Verletzungen: ■ Verbrennungen/Verbrühungen ■ Erfrierungen Verletzungen durch elektrischen Strom chemische Verletzungen: ■ Säureverätzungen ■ Laugenverätzungen Strahlenschäden
Therapie: Nach sorgfältiger Reinigung heilen Schürfungen unter dem Schorf narbenlos ab.
Therapie: Reinigung, narbenlose Abheilung.
Blasen
Blasen
Blasen entstehen durch das gleichzeitige Einwirken von Druck und Reibung. In dem sich zwischen Epidermis und Corium bildenden Hohlraum sammelt sich Gewebeflüssigkeit, manchmal auch Blut. Therapie: Eine Blase wird unter sterilen Bedingungen eröffnet und anschließend steril abgedeckt. Sie heilt in der Regel folgenlos ab.
Sie entwickeln sich unter gleichzeitiger Einwirkung von Druck und Reibung. Die Epidermis hebt sich ab, darunter sammelt sich Gewebeflüssigkeit. Therapie: steril eröffnen und abdecken. Folgenlose Abheilung.
Schnitt- und Hiebwunden
Schnitt- und Hiebwunden
Schnittwunden: Sie treten beim Eindringen scharfer, schneidender Gegenstände in die Haut auf. Meist liegen klaffende, oft stark blutende Wunden mit glatten Rändern vor. Sind, in Abhängigkeit von der Eindringtiefe, Gefäße, Nerven, Muskeln oder Sehnen mitbetroffen, spricht man von komplizierten Schnittverletzungen.
Schnittwunden: Eindringen scharfer, schneidender Gegenstände in die Haut. Ggf. Verletzung von Gefäßen, Nerven, Muskeln oder Sehnen.
Hiebwunden: Verletzungen durch scharfes Werkzeug führen zu schnittwundenartigen Verletzungen, meistens mit Knochenbrüchen. Bei stumpfer Gewalt imponieren häufig Impressionsfrakturen.
Hiebwunden: Hiebwunden durch scharfes Werkzeug führen zu schnittwundenartigen Verletzungen, meistens mit Knochenbrüchen. Therapie: nach Adaptation der glatten Wundränder in der Regel primäre Heilung.
Therapie: Bei Schnittwunden liegt im Regelfall kein wesentlicher Hautsubstanzverlust vor, sodass Schnittwunden nach Adaptation der Wundränder überwiegend primär heilen. Die Therapie der Hiebwunden richtet sich nach den zusätzlich vorliegenden Verletzungen, wie z. B. einer offenen Fraktur, deren Versorgung im Vordergrund steht. Der entstandene Weichteilschaden ist mitzuversorgen. Stichwunden, Pfählungsverletzungen
Stichwunden, Pfählungsverletzungen
Stichwunden werden durch tief in die Haut eindringende Gegenstände verursacht. Je nach Länge und Lokalisation des Stichkanals können innere Organe mitverletzt sein. Pfählungsverletzungen stellen eine Sonderform der Stichverletzung dar (Abb. A-5.6). Sie entstehen, wenn ein pfahlartiger Gegenstand in den Körper eindringt. In der Regel gehen diese Unfälle mit einer Verletzung innerer Organe einher.
Stichwunden werden durch in die Haut eindringende Gegenstände verursacht. Möglicherweise Mitverletzung innerer Organe. Eine Sonderform stellt die Pfählungsverletzung dar (Abb. A-5.6). Meist sind innere Organe mitverletzt.
Therapie: Bei tiefen Stichwunden sowie bei Verdacht der Kontamination muss der Stichkanal exzidiert werden; Fremdkörper sind ggf. zu entfernen. Bei Stichverletzungen in Gelenknähe kommt zur Unterstützung der Heilung die Ruhigstellung der betroffenen Extremität in Betracht. Pfählungsverletzungen bedürfen immer der operativen Versorgung.
Therapie: Exzision bei tiefem Stichkanal und Kontamination. Bei Stichverletzung in Gelenknähe Ruhigstellung. Pfählungsverletzungen müssen operativ versorgt werden.
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144 A-5.6
왘 Merke
A
5 Wunde
A-5.6
Pfählungsverletzung
왘 Merke. Trotz eines äußerlich harmlos aussehenden Defekts kann durch in den Stichkanal gelangte Keime ein hohes Infektionsrisiko bestehen. Bei Stich- und Pfählungsverletzungen sollte der Verletzungsgegenstand erst in der versorgenden Klinik entfernt werden, sofern dies technisch möglich ist.
Risswunden, Kratzwunden
Risswunden, Kratzwunden
Risswunden sind charakterisiert durch starke Blutungen und zerfetzte Wundränder. Kratzwunden entsprechen oberflächlichen Risswunden.
Risswunden bluten häufig stark und sind durch zerfetzte Wundränder, die beim Aufreißen der Haut und der darunterliegenden Weichteile entstehen, charakterisiert. Kratzwunden werden überwiegend von Tieren verursacht und entsprechen oberflächlichen Risswunden.
Therapie: Oberflächliche Risse heilen durch Epithelisation, tiefere aufgrund des Substanzdefektes sekundär.
Therapie: Oberflächliche Risswunden heilen durch Epithelisation, tiefere nach Débridement in Abhängigkeit von Kontamination und Substanzverlust primär, verzögert primär oder sekundär.
Prellungen und Quetschungen
Prellungen und Quetschungen
Geschlossene Wunden, bei denen die Haut äußerlich intakt erscheint. Folgen stumpfer Gewalt sind Hämatom, Ödem und Schmerz.
Prellungen und Quetschungen sind geschlossene Verletzungen durch stumpfe Gewalt, wobei die Haut äußerlich intakt bleibt. Bei Prellungen erfolgt die Gewalteinwirkung senkrecht zur Haut, bei Quetschungen hingegen wirkt die Gewalt aus zwei entgegengesetzten Richtungen auf die Haut ein. Blutungen und Flüssigkeitsaustritt ins Gewebe führen zu Schwellungen. Zugleich treten starke Schmerzen auf, die aus der Mitverletzung von Nerven und Nervenendigungen resultieren.
Therapie: Die Therapie besteht in Ruhigstellung, Hochlagerung und Kälteanwendung.
Therapie: Die Abheilung lässt sich durch Ruhigstellung, Hochlagerung und Kälteanwendung günstig beeinflussen.
왘 Merke
왘 Merke. Bei Prellungen im Rumpfbereich muss stets die Mitbeteiligung innerer Organe abgeklärt werden z. B. Pneumothorax bei Thoraxprellung, Milzruptur bei stumpfem Bauchtrauma.
Quetsch- und Platzwunden
Quetsch- und Platzwunden
Sie entstehen wie Prellungen. Im Zentrum der Gewalteinwirkung platzt die Haut auf (Abb. A-5.7); tiefer gelegene Strukturen werden gequetscht und zerrissen.
Quetsch- und Platzwunden entstehen wie Prellungen, jedoch wird die Elastizitätsgrenze der Haut überschritten. Das Gewebe platzt im Zentrum der Gewalteinwirkung auf (Abb. A-5.7). Die Umgebung von Quetschwunden ist
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A
A-5.7
5.2 Wundarten
Lippenplatzwunde
145 A-5.7
häufig durch zusätzliche Hautabschürfungen charakterisiert; in der Tiefe können Gefäße, Nerven, Muskeln, Sehnen und Faszien mitbetroffen sein. Platzwunden sind meist dort lokalisiert, wo die Haut ohne Weichteilpolster dem Knochen aufliegt wie z. B. am Schädel und Schienbein.
Platzwunden sind meist dort lokalisiert, wo die Haut ohne Weichteilpolster dem Knochen aufliegt (Schädel, Schienbein).
Therapie: Quetsch- und Platzwunden bedürfen wegen der unregelmäßigen Wundränder überwiegend der operativen Versorgung (Wundausschneidung und Adaptation der Wundränder).
Therapie: Überwiegend ist eine operative Versorgung notwendig.
Bisswunden
Bisswunden
Bisswunden durch spitze Zähne können wie Riss- oder Stichwunden imponieren, Bisse durch Mahlzähne wie Quetschwunden.
Sie können wie Stich- oder Quetschverletzungen imponieren.
왘 Merke. Bei Bissverletzungen, auch durch Menschen, besteht stets eine hohe
왗 Merke
Infektionsgefahr durch hochvirulente Keime des Speichels, die in die Tiefe des Gewebes eingebracht werden. Bei Schlangenbissen steht eher die lebensbedrohende Intoxikation im Vordergrund. Therapie: Bisswunden sollten, wenn möglich, exzidiert werden. Nach Verschluss heilen sie oft primär, oberflächliche und nicht revidierbare Wunden sekundär. Wegen der erhöhten Infektionsgefahr ist bei allen Bisswunden eine engmaschige Kontrolle unverzichtbar. Wie bei allen Wunden ist insbesondere bei Bisswunden auf einen ausreichenden Tetanusschutz zu achten. Des Weiteren muss an die Möglichkeit einer Tollwutübertragung gedacht und ggf. entsprechende prophylaktische Maßnahmen eingeleitet werden. Bei infizierten Bisswunden sollte eine Antibiotikatherapie (nach Antibiogramm) durchgeführt werden. Der betroffene Körperteil muss ruhig gestellt und hoch gelagert werden, sofern dies möglich ist. Infiziert sich eine primär verschlossene Bisswunde, muss diese wieder eröffnet werden.
Therapie: Nach Exzision und Verschluss heilen die Wunden überwiegend primär. Engmaschige Kontrollen sind unverzichtbar. Der Tetanusschutz muss gewährleistet sein. Die Möglichkeit einer Tollwutübertragung ist zu bedenken. Bei Wundinfektion sind Antibiotikatherapie, Ruhigstellung und Hochlagerung notwendig. Bei Infektion primär verschlossener Bisswunden sind diese wieder zu eröffnen.
Insektenstiche
Insektenstiche
Insektenstiche sind in der Regel Bagatellverletzungen, sie können jedoch chirurgisch relevant werden, wenn der Stachel in der Haut verbleibt und lokale Entzündungen verursacht. Neben Inflammation können jedoch auch schwere allergische Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock durch Insektengifte auftreten.
Meist Bagatellverletzungen. Verbleibende Stachel können lokale Entzündungen, Insektengifte allergische Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock auslösen.
Schusswunden
Schusswunden
Bei Schusswunden handelt es sich in der Regel um komplizierte Verletzungen, deren Beschaffenheit von der Schussentfernung sowie von Kaliber, Art und Geschwindigkeit des Geschosses abhängt. Man unterscheidet Streif-, Durch- und Steckschüsse. Besondere Sorgfalt ist der Frage nach dem Verletzungsausmaß innerer Organe zu widmen, insbesondere können mehrere Organe bzw. Körperhöhlen betroffen sein. Das Infektionsrisiko ist deutlich erhöht, da das Projektil häufig weiteres Fremdmaterial (z. B. Bekleidungsfetzen) mit sich führt.
Schussverletzungen sind komplizierte Verletzungen. Man unterscheidet Streif-, Durchund Steckschüsse. Es besteht ein erhebliches Infektionsrisiko. Stets chirurgische Versorgung, da mit dem Projektil meist weiteres Fremdmaterial eindringt.
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146 A-5.8
A
5 Wunde
A-5.8
Décollement Ausgedehntes Décollement am Bein nach einem Motorradunfall.
Therapie: Nahezu immer Operation. 왘 Merke
Therapie: In nahezu allen Fällen ist eine operative Revision notwendig. 왘 Merke. Aufgefundene Projektile (auch Teile davon) müssen aufbewahrt und
den Strafverfolgungsbehörden übergeben werden. Ablederungen
Ablederungen
Die Ablederung (Décollement) entsteht durch tangentiale Quetschung. Die Haut wird von der Faszie abgerissen (Abb. A-5.8). Sonderformen sind die Aushülsungs- und Skalpierungsverletzungen.
Eine Ablederung (Décollement) entsteht durch starke tangentiale Quetschung der Haut, wobei das subkutane Fettgewebe von der Faszie abgerissen wird (Abb. A-5.8). Sonderformen der Ablederung sind die Aushülsungsverletzungen an den Fingern, die meist durch Hängenbleiben mit Ringen entstehen, oder Skalpierungsverletzungen.
Therapie: Replantation in Abhängigkeit von der Durchblutungssituation
Therapie: Eine Replantation ist anzustreben; ihre Durchführbarkeit hängt von der Durchblutungssituation der Haut ab.
Amputationen
Amputationen
Totale oder subtotale Abtrennung von Gliedmaßen.
Amputationen sind totale oder subtotale Abtrennungen ganzer Körperteile.
Therapie: Replantation, wenn möglich.
Therapie: Unter bestimmten Bedingungen ist eine Replantation möglich.
왘 Merke
왘 Merke. Traumatisch amputierte Gliedmaßen sollten immer, auch wenn sie verschmutzt sind, steril verpackt und möglichst unter Kühlung in die erstversorgende Klinik mitgegeben werden. Für die Kühlung ist zu beachten, dass kein direkter Gewebekontakt zu dem Kühlmittel besteht. Eine Replantation erfolgt in entsprechenden Spezialabteilungen.
Thermische Verletzungen
Thermische Verletzungen
Verbrennungen
Verbrennungen
Zu Details s. S. 906.
Bei ca. +56 °C beginnt die Gewebeschädigung durch die Denaturierung von Eiweißen. Es resultiert eine Verbrennung. Wegen ihrer Bedeutung werden die Verbrennungen gesondert behandelt (S. 906).
Erfrierungen
Erfrierungen
Bei tiefen Temperaturen führen Durchblutungsstörungen zu Gewebenekrosen (Abb. A-5.9). Schweregrade und Therapie s. Tab. A-5.3.
Sind Körperteile längere Zeit tiefen Temperaturen ausgesetzt, mindert sich in diesen Bereichen die Durchblutung und eine Nekrose/Erfrierung des Gewebes ist die Folge (Abb. A-5.9). Schweregrade und Therapie s. Tab. A-5.3. Diese Einteilung betrifft nur die Tiefe der Verletzung, nicht ihre Ausdehnung. Für die Prognose sind beide Kriterien entscheidend.
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A
A-5.3
Kennzeichen
Grad 1
■ ■ ■
■ ■ ■ ■
Grad 3
147
Einteilung von Erfrierungen
Schweregrad
Grad 2
5.2 Wundarten
■ ■ ■ ■
Therapie
Entstehung durch kurzzeitige Kälteeinwirkung von ca. 1 h Blässe durch Minderdurchblutung nach Wiedererwärmung Lösen des Gefäßspasmus und Hyperämie, Schwellung
schonende Erwärmung
Kapillarpermeabilität ↑ Wasser- oder Blutblasen auf Epidermis beschränkt Abheilung ohne Narbenbildung
Eröffnen der Blasen unter sterilen Bedingungen
betrifft Haut und darunterliegende Weichteilschichten Narbenbildung Nekrose infolge Minderdurchblutung im Verlauf von Wochen Demarkierung vom gesunden Gewebe
wenn möglich Stadium der trockenen Gangrän (Mumifizierung) abwarten, da hierdurch eine limitierte Resektion (sog. Grenzzonenamputation) ermöglicht wird
A-5.9 Erfrierungen
a
b a Erfrierungen 2. Grades durch eine defekte Kältespraydose. b Erfrierung 2. Grades: Die enorme Wasserblase wurde abgetragen. c Erfrierung 3. Grades: Teile der Finger sind aufgrund der Gefäßschädigung und der damit einhergehenden Unterversorgung abgestorben.
c
왘 Merke. Bei gleichzeitiger Unterkühlung hat die Sicherung der Vitalfunktionen und die zentrale Erwärmung Vorrang vor jeder lokalen Maßnahme.
왗 Merke
Verletzungen durch elektrischen Strom
Verletzungen durch elektrischen Strom
Die Gefährlichkeit des Stroms hängt von verschiedenen Faktoren wie Stromspannung, Stromstärke, Stromart, Widerstand, Kontaktdauer, Stromdichte, Stromfrequenz und Stromweg ab. Man unterscheidet Unfälle im Hochspannungsbereich (> 1000 V) und Niederspannungsbereich (< 1000 V). Typisch für die Mehrzahl aller Unfälle (4/5) im Niederspannungsbereich sind die charakteristischen Strommarken an den Stromein- und -austrittsstellen (kleine, kreisrunde, grauweiße bis gelbliche Hautstellen).
Einflussfaktoren auf den Schweregrad der Verletzung sind Stromspannung, Stromstärke, Stromart, Widerstand, Kontaktdauer, Stromdichte, Stromfrequenz, Stromweg.
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5 Wunde
148
A
Hochspannungsunfall: Verbrennungen, Verkochungen.
Bei Unfällen im Hochspannungsbereich stehen die Folgen der elektrothermischen Wirkungen im Vordergrund (Verbrennungen, Verkochungen in der Tiefe). Es können auch Begleitverletzungen durch die enorme Druckwelle auftreten. Der Stromfluss ist meist von sehr kurzer Dauer. Bei Drehstrom- und Hochspannungsunfällen kommt es zu einem Lichtbogen, der durch einen explosionsartigen Kurzschluss entsteht. Bei Hochspannungsleitungen reicht zum Auslösen eines Lichtbogens das Annähern auf einen Meter. Beim Blitzschlag beträgt die nur einige Mikrosekunden einwirkende Spannung mehrere Kilovolt. Im Niederspannungsbereich überwiegen die spezifischen Wirkungen auf die Funktionen der Atmung und des Herzens (Muskelkontraktionen unter Einbeziehung der Atemmuskulatur, Herzrhythmusstörungen). Ausgeprägte Muskelkontraktionen können zu Muskel-, Sehnen- und Kapselrissen, Luxationen und Frakturen führen.
Niederspannungsunfall: Atemlähmung, Herzrhythmusstörungen.
Therapie: Sicherung der Vitalfunktionen, EKG-Monitoring. Weiteres Vorgehen in Abhängigkeit vom Verletzungsmuster. 왘 Merke
Therapie: Bei der Akutbehandlung steht die Sicherstellung der Vitalfunktionen im Vordergrund. Besondere Aufmerksamkeit benötigt das EKG-Monitoring. Das weitere therapeutische Vorgehen ist von der Art der Verletzungen abhängig. 왘 Merke. Bei einem Elektrounfall hat der Eigenschutz der Retter absoluten Vorrang.
Chemische Verletzungen
Chemische Verletzungen
Die Einwirkung von Säuren oder Laugen auf die Haut führt zu Hautverätzungen.
Säuren und Laugen verursachen durch Zerstörung von Eiweißen mehr oder minder schwere Hautverätzungen, deren Umfang von der Konzentration und Einwirkzeit der Substanz abhängt.
Säuren verursachen Koagulationsnekrosen, Laugen Kolliquationsnekrosen.
Säuren führen zu einer Koagulationsnekrose. Die Proteine werden denaturiert, das betroffene Gewebe stirbt ab und bildet einen festen, trockenen Schorf. Laugen verursachen eine Kolliquationsnekrose. Hier verflüssigt sich das Gewebe und bildet schließlich einen weichen, weißen Schorf. Verätzungen werden wie Verbrennungen in 3 Schweregrade unterteilt (S. 907).
Einteilung in 3 Schweregrade (S. 907). Therapie: als Erstmaßnahme Neutralisation, sofern die einwirkende Chemikalie bekannt ist; andernfalls mit reichlich Wasser spülen. Die Wundheilung erfolgt sekundär.
Therapie: Verätzungen werden ähnlich wie Verbrennungen behandelt. Allerdings steht an erster Stelle die Neutralisation, wofür aber die einwirkende Chemikalie bekannt sein muss. Ist sie nicht bekannt, sollte auf jeden Fall mit reichlich Wasser gespült werden, um ein weiteres Eindringen in die Tiefe zu verhindern. Die Wundheilung erfolgt sekundär.
Strahlenschäden
Strahlenschäden
Je nach Strahlenexposition werden 4 Schweregrade unterschieden (Tab. A-5.4).
Strahlenschäden werden durch ionisierende Strahlen wie Röntgen-, α-, β- oder γ-Strahlen hervorgerufen. Diese verändern die chemische Struktur der Zellbestandteile so, dass das betroffene Gewebe zugrunde geht. Klinisch unterscheidet man 4 Schweregrade (Tab. A-5.4):
A-5.4
A-5.4
Schweregradeinteilung von Strahlenschäden
Grad
Strahlendosis (Richtwerte)
Kennzeichen
Grad 1
5 6 Gy
Früherythem mit Hautrötung, Abschuppung, lokalem Haarausfall. Vollständig reversibel.
6 – 8 Gy
Dermatitis erythematodes mit akuter Dermatitis und passagerem Haarausfall.
Grad 2
8 – 10 Gy
Dermatitis bullosa mit Verbrennungen 2. Grades, irreversiblem Haarausfall und Untergang der Talgdrüsen.
Grad 3
4 10 Gy
Dermatits gangraenosa mit schwer heilendem Strahlenulkus, das Ausgangspunkt maligner Entartung sein kann.
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A
5.2 Wundarten
149
Die Strahlenschäden können sowohl bei einmaliger als auch fraktionierter Exposition auftreten. Des Weiteren spielen auch individuelle Faktoren, wie z. B. Hauttyp, Vorschädigungen und Medikamenteninteraktionen bei der Schwere des Strahlenschadens eine Rolle. Therapie: Strahlenschäden werden im Prinzip wie Verbrennungen behandelt (S. 918)
Therapie: wie bei Verbrennungen (S. 918).
5.2.2 Iatrogene Wunden
5.2.2 Iatrogene Wunden
Zu den ärztlich verursachten Wunden gehören Inzisionen, Punktionen, Maßnahmen mit dem Laser, Ätzungen mit „Höllenstein“, Spalthautentnahmen und therapeutische Amputationen.
Z. B. Inzisionen, Punktionen, Laserungen, Ätzungen, Spalthautentnahmen und Amputationen.
5.2.3 Chronische Wunden
5.2.3 Chronische Wunden
왘 Definition. Heilt eine Wunde nach mehreren Wochen unter adäquater Thera-
왗 Definition
pie nicht ab, spricht man von einer chronischen Wunde. Ursache: Mangelversorgung auf dem Boden einer Durchblutungsstörung, die zu einer Nekrose führt.
Ursache: Durchblutungsstörung mit Nekrosebildung.
Gangrän: Die Durchblutungsstörung ist vaskulärer Genese. Meistens liegt eine arteriosklerotische oder diabetische Angiopathie vor. Sie ist häufig an der unteren Extremität lokalisiert. Man unterscheidet: ■ Trockene, nicht infizierte Gangrän. ■ Feuchte, infizierte Gangrän.
Gangrän: ■ Trocken, nicht infiziert. ■ Feucht, infiziert.
Dekubitus: Anhaltender, lokaler Druck führt an der Haut oder Schleimhaut zu einer Nekrose. Ein solcher Dekubitus tritt bevorzugt bei immobilen Patienten auf (bei bettlägerigen Patienten an den Aufliegestellen wie z. B. Steißbein, Wirbelsäule oder Fersen, bei Rollstuhlfahrern am Steißbein). Dekubitalgeschwüre sind häufig infiziert (Abb. A-5.10 a).
Dekubitus: Druckgeschwür von Haut oder Schleimhaut bei immobilen Patienten (Abb. A-5.10).
Ulcus cruris venosum: Das Ulcus cruris venosum ist Folge einer chronisch venösen Insuffizienz, welche in 3 Stadien eingeteilt wird. Ulzera entstehen im Stadium 3 (Abb. A-5.11).
Ulcus cruris venosum: Folge einer chronisch venösen Insuffizienz (Abb. A-5.11).
Therapie: Allgemein: Eine chronische Wunde muss entsprechend den üblichen Regeln der Wundbehandlung gesäubert werden. Dies kann chirurgisch (Débridement S. 139), autolytisch (S. 157), physikalisch (Vakuumversiegelung, S. 159), durch Antiseptika und chemisch-enzymatisch erfolgen. Eine weitere Option stellt der
Therapie: zunächst Wunde säubern: ■ Chirurgisch. ■ Autolytisch. ■ Physikalisch. ■ Antiseptisch. ■ Chemisch-enzymatisch. ■ Biologisch.
A-5.10
Dekubitalulkus
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A
150 A-5.11
5 Wunde
Ulcus cruris. Deckung mit Spalthaut
c
a b
e
d
f
a Befund vor Behandlungsbeginn. b Befund nach Behandlung mit Okklusivverbänden (Cutinova®). c Zur Vorbereitung des Transplantationsbettes gehört die Anfrischung der Wundränder mit dem Skalpell. d „Aufrauen“ des Wundgrundes mit einem hochtourigen Schleifgerät. e Danach wird die Spalthaut eingepasst, zirkulär durch Einzelnähte fixiert und für den ungehinderten Sekretabfluss skarifiziert. f Heilungsergebnis nach 3 Monaten.
Wundauflage (s. S.157) je nach Erfordernis.
Bei einer Gangrän ist Nekroseabtragung häufig gleichbedeutend mit Amputation.
Wichtigste Maßnahme beim Dekubitus ist die Druckentlastung. Beim Ulcus cruris muss neben der Wunde das Grundleiden behandelt werden.
Einsatz von Goldfliegenlarven dar (biologisch). Die Larven sezernieren proteolytische Verdauungssekrete, welche abgestorbenes Gewebe verflüssigen. Dieses wird von den Larven wieder aufgenommen. Weiterhin entsteht ein mikrobizides Milieu und es kommt zu einer Stimulation des Granulationsgewebes. Nach dem Reinigen wird die Wunde abgedeckt. Die Wahl der Wundauflage sollte auf die Wundverhältnisse abgestimmt werden (S. 157). Ziel der Wundbehandlung ist die Unterbrechung der pathologischen Vorgänge und die Förderung physiologischer Heilungsprozesse. Speziell: Bei einer Gangrän muss die Nekrose entfernt werden, im Regelfall erfolgt eine Amputation. Die Amputationsgrenze soll in gut durchblutetem Gewebe liegen. Eventuell muss zuvor eine Angiographie zur Festlegung der Amputationshöhe durchgeführt werden. Bei Vorliegen eines Dekubitus ist die Druckentlastung, z.B durch häufiges Umlagern des Patienten, die wichtigste Maßnahme. Bei der Ulcus-cruris-Therapie muss neben der Behandlung der Defektwunde die Therapie des Grundleidens erfolgen. Im Regelfall wird versucht, durch gefäßchirurgische Eingriffe wieder normale Blutströmungsverhältnisse herzustellen. Ist die Wunde nach konsequenter Behandlung sauber und liegt ein gut durchbluteter Granulationsrasen vor, lässt sich der Heilungsverlauf in vielen Fällen durch plastische Eingriffe verkürzen (Abb. A-5.10 b) (Abb. A-5.11 c–f). Beim Ulcus cruris kann auch die Vakuumtherapie zum Einsatz kommen (s. S. 159).
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A
5.3
5.3 Einflussfaktoren auf die Wundheilung und Wundheilungsstörungen
Einflussfaktoren auf die Wundheilung und Wundheilungsstörungen
Der Heilungsverlauf einer Wunde hängt im Wesentlichen von ihrem Zustand und der Art der Verletzung ab. Er kann durch ganz unterschiedliche Faktoren beeinflusst werden (Tab. A-5.5).
A-5.5
151 5.3
Einflussfaktoren auf die Wundheilung und Wundheilungsstörungen
s. Tab. A-5.5
Einflussfaktoren auf die Wundheilung
Zustand der Wunde
■ ■
■ ■
■
Alter des Patienten
■ ■
■
Art, Tiefe und Ausdehnung: bestimmen notwendige Maßnahmen und Dauer der Wundheilung Lokalisation: Gesichtswunden heilen schnell, da gute Durchblutung. Heilung ist auch von Gewebeart abhängig. Bradytrophe Gewebe (Sehnen, Faszien) haben langsame Heilungstendenz. Verschmutzungsgrad: Durch Fremdkörper verursachte Infektionen können die Heilung verzögern Beschaffenheit des umliegenden Gewebes: Eingeschränkter Blut- und Nährstofftransport durch Nekrosen, Ödeme und Schorf verzögern die Wundheilung. Chirurgische Revision (Abtragung von Nekrosen und Schorf) erwägen. Lagerungsmaßnahmen (Druckentlastung bei Dekubitus) durchführen. Durchblutung des Wundegebietes: Alle reparativen und regenerativen Vorgänge hängen von der Durchblutung (Sauerstoff, Nährstoffe) ab. Verzögerte immunologische Reaktionen. Verminderte Fibroblastenaktivität und Kollagensynthese führen zu Störungen der Wundkontraktion und Epithelisation Arteriosklerose und Stoffwechselerkrankungen beeinträchtigen die Wundheilung.
Ernährungszustand des Patienten
Bei kachektischen Patienten heilen Wunden aufgrund der katabolen Stoffwechsellage in der Regel schlechter. Auch der Mangel an nur einer essenziellen Substanz kann Wundheilungsstörungen bedingen.
Begleiterkrankungen
Gewebehypoxie, wie bei Diabetes mellitus, Arteriosklerose, chronischer Veneninsuffizienz, wirkt sich negativ auf die Wundheilung aus. Verzögerte zelluläre Immunantwort und Mikroangiopathie (Diabetes mellitus) beeinträchtigen Heilungsvorgänge und lokale Infektabwehr. Die Inzidenz einer Wundinfektion ist beim Diabetiker 5-mal höher als beim Stoffwechselgesunden.
Medikamente
Vornehmlich 4 Medikamentengruppen beeinflussen die Wundheilung: Immunsuppressiva: Gefahr für Wundinfektionen durch Unterdrückung der körpereigenen Immunabwehr. Hemmung der Zellproliferation und -differenzierung mit der Folge verzögerter Wundheilung. Zytostatika blockieren die Zellteilung in proliferierenden Geweben. Ähnlicher wundheilungsverzögernder Effekt wie Immunsuppressiva. Antiphlogistika, insbesondere Glukokortikoide (Beeinflussung der Fibroblastenaktivität) und nichtsteroidale Antirheumatika (Hemmung der Prostaglandinsynthese), haben eine entzündungshemmende Wirkung und können die Wundheilung stören. Antikoagulanzien (Kumarine, Heparine) haben durch ihre gerinnungshemmende Wirkung Einfluss auf die Wundheilung.
Nikotin, Drogen
Schwächung des Allgemeinzustandes, Mangelernährung, Vasokonstriktion und Arteriosklerose beeinträchtigen die Wundheilung.
Wundinfektion
Eine kontaminierte Wunde muss sich nicht in jedem Fall infizieren. Entscheidend sind Anzahl, Art und Virulenz der eingedrungenen Keime, die Beschaffenheit der Wunde und der Immunstatus des Patienten. Ursächlich für eine Wundinfektion können Bakterien, Viren und Pilze sein: ■ Bakterien: – Pyogene Wundinfektionen – starke Eiterbildung, überwiegend Kokken (Abb. A-5.12 a). – Putride Wundinfektionen – Fäulniserreger zersetzen Körperzellen. Faulig übelriechende Gase und klinisches Bild einer feuchten Gangrän. – Anaerobe Wundinfektionen entstehen unter Sauerstoffausschluss, bevorzugt in Wunden mit ausgedehnten Nekrosen, können aber auch unter aeroben Bedingungen bei Mischinfektionen auftreten. Zu lebensbedrohlichen Krankheitsbildern können die ubiquitär vorkommenden Erreger des Gasbrandes (Clostridium perfringens) und des Wundstarrkrampfes (Clostridium tetani) führen (S.175). ■ Viren und Pilzen kommt eine untergeordnete Bedeutung zu. Die bei den Pilzen gelegentlich genannten Aktinomyzeten sind Bakterien.
Hämatom und Serom
Hämatome (Trauma, unzulängliche Blutstillung) und Serome können die Wundheilung beeinträchtigen, da sie die Wundränder bis hin zur Wundruptur auseinanderdrängen (Abb. A-5.12 b). Sie stellen einen guten Nährboden für Keime dar. Alle Operationswunden, bei denen sich ein Hämatom bilden kann, sollten deshalb mit Saugdrainagen versorgt werden. Fortsetzung "
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A
152 A-5.5
Einflussfaktoren auf die Wundheilung (Fortsetzung)
Gestörte Gewebeneubildung
A-5.12
5 Wunde
Wulstförmige, kosmetisch unbefriedigende Narben entstehen meist, wenn starke Zugkräfte auf das sich neu bildende Gewebe einwirken. Die Gefahr der Narbenhypertrophie lässt sich reduzieren, wenn bei Operationen die Schnittführung parallel zu den Langer-Linien gewählt wird (Abb. A-5.13). Bei ausgedehnten Verbrennungen kann ein maßgefertigter Kompressionsverband eine Narbenwucherung reduzieren. Bei der Keloidbildung greifen die Narbenwucherungen auf benachbartes, gesundes Gewebe über (Abb. A-5.12 c). Vermutlich liegt in diesen Fällen eine Kollagensynthesestörung vor, bei der sich die Kollagenfasern kaum vernetzen und sich in das lösliche Kollagen vermehrt Wasser einlagert. Junge Patienten und Farbige sind deutlich häufiger betroffen als Weiße. Die chirurgische Korrektur solcher Keloide ist mit einer hohen Rezidivrate behaftet. Großflächige Defektwunden, oft nach Verbrennungen, heilen unter Einziehung des Gewebes. Kosmetische Probleme und auch Kontrakturen im Gelenkbereich sind die Folge (Abb. A-5.12 d). Bei Korrekturoperationen ist ebenfalls mit einer hohen Rezidivrate zu rechnen. Plastische Eingriffe in Form von Hauttransplantationen gehören in die Hand des Spezialisten.
Wundheilungsstörungen
a
b
c
d
a b c d
Eiternde Wunde. Postoperatives Hämatom. Behindert die Wundheilung durch Auseinanderdrücken der Wundränder. Narbenwucherungen. Kontraktur im Fingermittelgelenk durch flächige Narbe nach Verbrennung.
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A
A-5.13
5.4 Wundbehandlung
153
Verlauf der Langer-Spaltlinien 1 Kocher-Kragenschnitt: Schilddrüseneingriffe, kollaterale Mediastinotomie. 2 Laterale Thorakotomie: Lunge, Ösophagus, Mediastinum. Meist im 5. ICR. 3 Quere Oberbauchlaparotomie: Ggf. mit medianer Erweiterung zum Xiphoid (Mercedessternschnitt). 4 Rippenbogenrandschnitt (rechts – offene Cholezystektomie, links – Splenektomie). 5 Flankenschnitt (z. B. Nephrektomie). 6 Mediane Laparotomie mit Linksumschneidung des Nabels. 7 Rechtsseitige Unterbauchlaparotomie (offene Appendektomie). Meist als Wechselschnitt (die Haut wird entlang den Spaltlinien durchtrennt, die Muskeln entsprechend dem Faserverlauf). 8 Pfannenstielschnitt. 9 Anteriorer Zugang Schulter. 10 Anterior-lateraler Zugang Oberarm. 11 Dorsaler Zugang Oberarm. 12 Posteriorer Zugang Beckenkamm. 13 Lateraler Zugang Hüfte (Watson-Jones). 14 Lateraler Zugang Oberschenkel. 15 Dorsolateraler Zugang Ellenbogen. 16 Radialer Zugang Ellenbogen. 17 Palmarer Zugang distaler Radius. 18 Anteriorer Zugang Kniegelenk (Payr). 19 Patellarer Zugang. 20 Anteriorer Zugang Unterschenkel.
5.4
Wundbehandlung
5.4
Wundbehandlung
Ziel der Wundbehandlung ist die Vermeidung einer Wundinfektion und die Schaffung guter Voraussetzungen für eine primäre Wundheilung. Dadurch sollen funktionell und kosmetisch akzeptable Ergebnisse erzielt werden.
Ziel ist die Vermeidung einer Wundinfektion und eine primäre Wundheilung.
5.4.1 Prinzipien der Wundbehandlung
5.4.1 Prinzipien der Wundbehandlung
Alle Wundversorgungen müssen unter sterilen Bedingungen, möglichst in einem Operationssaal erfolgen. Die bei der Erste-Hilfe-Maßnahme angelegten Schutzverbände sollten erst vor der endgültigen Versorgung entfernt werden. Grundsätzlich richtet sich der Umfang der chirurgischen Maßnahmen nach der Verletzungsart und -ausdehnung, ggf. hat die Versorgung von Begleitverletzungen zu erfolgen, wie z. B. Frakturen oder innere Verletzungen.
Alle Wundversorgungen müssen unter sterilen Bedingungen erfolgen. Der Umfang der chirurgischen Maßnahmen richtet sich nach Verletzungsart und -ausdehnung.
Anästhesie: Bei einfachen Wunden ist nach Desinfektion die Applikation einer Infiltrationsanästhesie oft ausreichend. Bei komplizierten Wunden, beispielsweise an den Extremitäten, können Leitungsanästhesien (z. B. Oberst an den Fingern) angewandt werden. Bei Verletzungen am Thorax oder Abdomen, wie auch bei kindlichen Verletzungen muss die Wundversorgung oft in Allgemeinanästhesie erfolgen.
Anästhesie: Bei einfachen Wunden reicht eine Infiltrationsanästhesie. Bei komplizierten Wunden erfolgt eine Leitungsanästhesie oder eine Allgemeinanästhesie.
Wundvorbereitung: An erster Stelle steht die Wundreinigung durch Waschen und Ausspülen mit physiologischer NaCl-Lösung, Ringer-Lösung oder H2O2. Anschließend folgt die Hautdesinfektion und Maßnahmen zur Blutstillung, um eine gute Übersicht zu erlangen.
Wundvorbereitung: Zunächst Wundreinigung mit physiologischer NaCl-Lösung, Ringer-Lösung oder H2O2, anschließend Hautdesinfektion und Blutstillung.
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5 Wunde
154
A
Bei Wunden an Extremitäten kann die chirurgische Versorgung in Blutleere oder Blutsperre erfolgen.
Bei Wunden an den Extremitäten kann die chirurgische Versorgung in Blutleere oder Blutsperre durchgeführt werden. Bei der Blutleere wird die Extremität peripher beginnend mit einer Gummibinde ausgewickelt und proximal der Wunde eine Manschette mit einem Druck von 300 mmHg am Oberarm oder 500 mmHg am Oberschenkel angelegt. Die Blutleere sollte nicht länger als 1,5 Stunden bestehen. Bei der Blutsperre wird die betroffene Extremität 2 min hochgehalten und dann die Manschette angelegt.
Wundausschneidung: vor der Wundnaht immer Exzision oder Débridement (s. S.139).
Wundausschneidung: Vor der Naht der Wunde muss die Exzision oder das Débridement erfolgen. Im Gesicht und an den Händen darf die großzügige keilförmige Wundexzision wegen der anatomischen Verhältnisse nicht durchgeführt werden. Hier ist eine sparsame chirurgische Säuberung und Glättung der Wundränder durchzuführen. In Abhängigkeit von den Wundverhältnissen muss eine verzögerte primäre oder sekundäre Wundheilung angestrebt werden (s. S. 139).
5.4.2 Wundverschluss
5.4.2 Wundverschluss
왘 Merke
왘 Merke. Bei jedem Wundverschluss sollten die Wundränder spannungsfrei adaptiert werden.
Nahtmaterial
Nahtmaterial
Es gibt Fäden, Klammern und Klebstoffe.
Für den Wundverschluss stehen Fäden, Klammern und Klebstoffe zur Verfügung.
Fäden
Fäden
Resorbierbare Fäden: ■ synthetische Fäden, ■ Katgut, ■ Chromkatgut.
Resorbierbare Fäden: Es gibt sie gefärbt oder ungefärbt. Natürlich resorbierbare Materialien sind Katgut und Chromkatgut. Wegen häufig auftretender entzündlicher Reaktionen um das Fadenmaterial werden diese zunehmend durch hydrolytisch spaltbare, synthetische Fäden ersetzt. Die Halbwertszeit, d. h. die Zeit, nach der nur noch 50 % der ursprünglichen Reißfestigkeit besteht, reicht von wenigen Tagen bis über einen Monat.
Nichtresorbierbare Fäden: ■ synthetische Fäden, ■ Seide, ■ Zwirn, ■ Metall.
Nichtresorbierbare Fäden: Sie können aus Seide, Zwirn, Metall oder synthetischen Stoffen bestehen. Mit Ausnahme von Seide wird heute fast ausschließlich synthetisches Material verwendet.
Fadenaufbau: ■ einfach (monofil): guter Gewebedurchzug, schlechte Knoteneigenschaften, ■ geflochten oder ineinandergedreht (polyfil): traumatischer, aber besserer Knotensitz.
Fadenaufbau: Es gibt einfache (= monofile), geflochtene oder ineinandergedrehte (= polyfile) Fäden. Die aus einer Faser bestehenden monofilen Fäden haben durch die glatte Oberfläche einen guten Gewebedurchzug, dafür aber schlechtere Knoteneigenschaften. Bei den polyfilen Fäden ist der Knotensitz durch die raue Oberfläche sicherer, aber der Zug durch das Gewebe traumatischer.
Fadenstärke: gibt den Fadendurchmesser an (Tab. A-5.6).
Fadenstärke: Sie gibt den Durchmesser des jeweiligen Materials an. Es gibt unterschiedliche Einteilungen (Tab. A-5.6).
Anwendung: ■ Hautnaht: nichtresorbierbarer, monofiler Faden. ■ Subkutangewebe: resorbierbarer, geflochtener Faden. ■ Corium: resorbierbare monofile oder geflochtene Fäden. ■ Kleine und oberflächliche Wunden: Verschluss mit Gewebekleber.
Anwendung: ■ Hautnaht: in der Regel nichtresorbierbares, monofiles Nahtmaterial. ■ Subkutangewebe: meistens resorbierbares, geflochtenes Nahtmaterial. ■ Corium: resorbierbare monofile oder resorbierbare geflochtene Fäden. ■ Kleine und oberflächliche Wunden: Sie können mit Gewebekleber verschlossen werden.
Nadeln
Nadeln
Man unterscheidet gerade Nadeln, gebogene Nadeln, Rundkörpernadeln und schneidende Nadeln mit dreieckigem Querschnitt (Abb. A-5.14).
Ist der Faden im Nadelschaft versenkt, spricht man von atraumatischem Nahtmaterial. Man unterscheidet weiterhin gerade und gebogene Nadeln. Je weniger Platz für die Naht ist, umso gebogener sollte die Nadel sein. Für festes
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A
A-5.6
5.4 Wundbehandlung
Europäische Pharmakopöe
A-5.6
Metrisch (= 1/10 mm)
USP (amerikanische Pharmakopöe)
Durchmesser in mm
0,01 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,7 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 5 6 7 8 9
12 – 0 11 – 0 10 – 0 9–0 8–0 7–0 6–0 5–0 4–0 3–0 2–0 2–0 0 1 2 3 5 6 7
0,001 – 0,009 0,010 – 0,019 0,020 – 0,029 0,030 – 0,039 0,040 – 0,049 0,050 – 0,069 0,070 – 0,099 0,100 – 0,149 0,150 – 0,199 0,200 – 0,249 0,250 – 0,299 0,300 – 0,349 0,350 – 0,399 0,400 – 0,499 0,500 – 0,599 0,600 – 0,699 0,700 – 0,799 0,800 – 0,899 0,900 – 0,999
A-5.14
155
Beispiele für unterschiedliche Nadeln
Gewebe gibt es schneidende Nadeln mit dreieckigem Querschnitt, für weiche Gewebearten stehen Rundkörpernadeln mit schlanker Nadelspitze zur Verfügung. Rundkörpernadeln können zudem mit dreieckiger, flacher oder stumpfer Spitze versehen und damit für verschiedene Einsatzgebiete geeignet sein (Abb. A-5.14). Als praktische Grundregel gilt, dass die Nadel für ein gutes Handling im Verhältnis von 2/3 zu 1/3 und am Ende des Nadelhalters eingespannt sein sollte. 왘 Merke. Um zusätzliche Schäden an den Einstichstellen zu vermeiden, sollte
왗 Merke
für Haut und vulnerables Gewebe atraumatisches Nahtmaterial verwendet werden. Klammern
Klammern
Der Hautverschluss ist auch mittels Metallklammern möglich, wobei sich nicht immer befriedigende kosmetische Resultate erzielen lassen. Der Druck auf die gefasste Haut ist nicht so gut kontrollierbar wie bei einer atraumatischen Naht.
Klammernähte evtl. mit unbefriedigendem kosmetischem Ergebnis.
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A
156
5 Wunde
Die Klammern werden zur Entfernung mit einem Klammernahtentferner aufgebogen. Zur Verwendung von Nahtapparaten bei Operationen und anderen Geweben s. S. 154. 왘 Merke
왘 Merke. Klammern nie im Gesicht verwenden.
Klebstoffe
Klebstoffe
Steristrips und Klebstoffe für nahtlosen Wundverschluss, besonders bei Kindern und kleinen Wunden.
Für nahtlose Wundverschlüsse stehen sog. Steristrips und spezielle Klebstoffe zur Verfügung. Steristrips werden quer über die Wundränder auf die trockene Haut geklebt und eignen sich insbesondere bei kleinen oder oberflächlichen Wunden und bei Kindern. Gewebekleber, z. B. Histoacryl®, bilden durch Polymerisation eine wasserfeste Brücke, die den Wundspalt überbrückt. Nach exakter Adaptation der sauberen und trockenen Wundränder wird der Kleber oberflächlich aufgetragen.
Nahttechniken
Nahttechniken
Alle genannten Nahttechniken können als Einzel- oder fortlaufende Naht durchgeführt werden (Abb. A-5.15).
Alle Nähte sind in fortlaufender Form ausführbar (Abb. A-5.15). Die Wahl der Nahttechnik richtet sich nach der Wunde und ihrer Lokalisation. ■ Intrakutan- und Coriumnaht: um ansprechende kosmetische Ergebnisse an exponierten Körperstellen (Gesicht, Hals, plastisch-rekonstruktive Chirurgie) zu erzielen. ■ Einzelknopfnaht: kommt bei dünnen Haut-Weichteil-Verhältnissen, z. B. an den Fingern, zum Einsatz. ■ Rückstichtechnik: bietet eine gute Adaptation des gesamten Hautquerschnittes.
Der Zeitpunkt der Nahtentfernung ist je nach Lokalisation unterschiedlich (Tab. A-5.7).
Wenn die Hautnaht mit nichtresorbierbarem Nahtmaterial durchgeführt wurde, hängt der Zeitpunkt der Nahtentfernung von der Lokalisation ab (Tab. A-5.7).
A-5.15
Nahttechniken
a Knopfnaht: Einstich von außen unter Mitnahme des Coriums und der Epidermis, Ausstich auf der Gegenseite in umgekehrter Reihenfolge. b Rückstichnaht nach Donati: Einstich wie Knopfnaht, Rückstich auf der Gegenseite unter Mitnahme nur des Coriums. c Rückstichnaht nach Allgöwer: Einstich wie bei Knopfnaht, Rückstich auf der Gegenseite intradermal. Diese Methode zeitigt sehr zufriedenstellende kosmetische Ergebnisse, da die Wundränder sich gut adaptieren und Schnürfurchen auf der Haut nur einseitig auftreten. d Coriumnaht: mit versenkten Fadenenden. e Intrakutannaht nach Halsted: Einstich und Rückstich gegenüberliegend, intrakutan (u.U. resorbierbares Nahtmaterial).
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A
A-5.7
5.4 Wundbehandlung
Richtzeiten der Hautnahtentfernung in Abhängigkeit von der Lokalisation
Lokalisation
Richtzeit der Nahtentfernung
Hals (Kocher-Kragenschnitt) Kopf Leiste (Hernien) mediane Laparotomie Rippenbogenrandschnitt Thorakotomie Extremitäten Gelenknah Hand
3 – 5 Tage 6 – 9 Tage 5 – 7 Tage 10 – 12 Tage 8 Tage 12 Tage 12 Tage 14 Tage 8 – 12 Tage
157 A-5.7
5.4.3 Wundverbände
5.4.3 Wundverbände
Frische Gelegenheitswunden und primär heilende Wunden: Sie werden mit einem sterilen Schutzverband (Pflaster oder Kompressen mit Pflasterfolie) bedeckt. Nach 24 Stunden sind nicht kontaminierte Wunden verklebt und somit gegen Infektionen geschützt (der Patient darf z. B. duschen und die Wunde anschließend mit einem Handtuch abtupfen). Schutzverbände müssen täglich gewechselt werden. Ebenso muss täglich eine Wundkontrolle durchgeführt werden, um Komplikationen der Wundheilung rechtzeitig zu erkennen. Um bei bestimmten Wunden, die z. B. über Gelenken liegen, eine primäre Wundheilung zu erreichen, kann es notwendig sein, eine Ruhigstellung der Extremität mittels einer Gipsschiene vorzunehmen.
Frische Gelegenheitswunden und primär heilende Wunden: Sie werden mit einem sterilen Schutzverband bedeckt. Schutzverbände müssen täglich gewechselt und ärztlich kontrolliert werden.
Sekundär heilende Wunden: Für eine erfolgreiche Behandlung muss die Wunde sauber sein und die Granulation des Gewebes gefördert werden. Diese Voraussetzungen können – je nach Befund – durch ein chirurgisches Débridement (s. S. 139), mittels Anlage eines versiegelten Vakuumverbandes (Folie, Schwamm und Pumpe, s. S. 159) oder durch Ausspülen bzw. selbsttätiges Ausduschen der Wunde erreicht werden. Es stehen unterschiedliche Verbandsmaterialien zur Verfügung, so z. B.: ■ Alginate: Sie eignen sich für stark sezernierende, verschmutzte und bakteriell infizierte Wunden. Sie wandeln sich mit Wundsekret und Blut in ein hydrophiles Gel um, welches Zelldetritus und Keime einschließt. Ein Verbandswechsel sollte alle 1 – 4 Tage erfolgen. ■ Hydrogele: Sie werden in Gelform oder als Gelkompressen angeboten. Das Gel wird nach dem Auftragen mit einer semipermeablen Folie abgedeckt. Gelkompressen oder Gelplatten sind bereits mit einer Folie versehen. Sie werden bei trockenen Wunden auch in Kombination mit anderen Wundauflagen und zum autolytischen Débridement verwendet. Ein Wechsel erfolgt alle 1 – 3 Tage. ■ Hydrokolloide: Sie eignen sich zum Ablösen fibrinöser Wundbeläge und Förderung der Granulation. Sie werden bei leicht bis mittelstark sezernierenden Wunden eingesetzt. Ein Wechsel erfolgt alle 1 – 5 Tage, wenn sich eine Blase in Größe der Wunde gebildet hat. ■ Hydropolymere: Sie werden bei schwach bis mäßig sezernierendern Wunden angewendet. Sie erzeugen durch eine semipermeable Polyurethandeckschicht ein physiologisches Wundmilieu. ■ Imprägnierte Gazen: Sie sind mit Fett, Salbe oder Silikon beschichtet und können zur Abdeckung von Schürf- und Verbrennungswunden oder Spalthautentnahmestellen verwendet werden. Sie verhindern ein Verkleben mit der Wunde und können bei Bedarf ein Antiseptikum enthalten.
Um im Bereich von Gelenken eine primäre Wundheilung zu erreichen, können Gipsschienen oder Gipsverbände notwendig sein. Sekundär heilende Wunden: Eine saubere Wunde und Granulationsgewebe sind Voraussetzungen für eine sekundäre Wundheilung (s. S. 140).
Für sekundär heilende Wunden stehen unterschiedliche Wundauflagen zur Verfügung, z. B.: ■ Alginate: stark sezernierende, infizierte Wunden. ■ Hydrogele: trockene Wunden und in Kombination mit anderen Wundauflagen. Zum autolytischen Débridement. ■ Hydrokolloide: leicht bis mittelstark sezernierende Wunden. Ablösen fibrinöser Beläge. ■ Hydropolymere: bei schwach bis mäßig sezernierenden Wunden. ■ Imprägnierte Gazen: verhindern ein Verkleben mit der Wunde.
Mögliche Alternativen in der Zukunft stellen lokal applizierte Wachstumsfaktoren, Hautersatzverfahren (tissue engineering) und gentherapeutische Methoden dar.
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5 Wunde
158
A
5.4.4 Wunddrainage
5.4.4 Wunddrainage
Für die unterschiedlichen Körperkompartimente gibt es verschiedene Drainagesysteme zum Ableiten von Wundsekreten (Abb. A-5.16 a–g). ■ Gummilasche (Penrose). ■ Redondrainage: geschlossenes System für Subkutis und Muskellogen. ■ Drainagen aus Silikon: Abdominalhöhle. ■ Easy-Flow-Drainage: viszerale Anastomosen. ■ Robinson-Drainage: viszerale Anastomosen. ■ Spül-Saug-Drainagen. ■ Bülau-Drainage: Pleurahöhle.
Drainagen können das Operationsgebiet durch Ableitung von Sekreten entlasten (Vermeidung eines Seroms) und frühzeitig Hinweise auf Komplikationen geben. Die Sekretqualität (serös, hämorrhagisch, trüb, riechend) und -quantität (Menge pro definiertem Zeitraum) lässt Rückschlüsse auf eine postoperative Komplikation wie eine Blutung, eine Anastomoseninsuffizienz oder ein infektiöses Geschehen zu. Aber jede Drainage stellt einen Fremdkörper dar, der zu einer Arrosion von Organen oder Gefäßen führen und darüber hinaus selbst als Infektionsquelle fungieren kann. Für verschiedene Kompartimente des Körpers stehen unterschiedliche Drainagesysteme zur Verfügung: ■ Die einfachste Form der Drainage stellt eine Gummilasche (z. B. Penrose) dar, welche den vollständigen Wundverschluss verhindert und so einen Sekretabfluss gewährleistet. ■ Redondrainagen (Abb. A-5.16 a–c) leiten Flüssigkeiten über ein geschlossenes System in sterile Unterdruckflaschen ab und sind für Subkutis und Muskellogen geeignet. Sie werden mithilfe eines Spießes extravulnär durch die Hautweichteile ausgeleitet und mit einem Faden oder Pflaster fixiert. ■ In die Abdominalhöhle werden Drainagen aus elastischem Silikon gelegt. Die flexible Beschaffenheit und glatte Oberfläche soll mechanische Komplikationen vermeiden. Easy-Flow-Drainagen (Abb. A-5.16 d) werden zur Vermeidung einer Retraktion im Hautniveau fixiert. Sie sammeln über Kapillarwirkung das Sekret in einem Auffangbeutel, welcher breitflächig auf der Bauchdecke aufgeklebt wird. Robinsondrainagen (Abb. A-5.16 e) werden mit einem Ablaufbeutel verbunden und stellen ein geschlossenes System dar. Sie können in Kombination mit einem zusätzlichen Ablauf über eine weitere Drainage auch als Spüldrainage verwendet werden. ■ Falls im Verlauf einer operativen Revision eine Spül-Saug-Drainage eingelegt werden soll (z. B. zur kontinuierlichen Spülung einer Abszesshöhle), stehen dafür spezielle Systeme zur Verfügung. Grundsätzlich können diese auch interventionell-perkutan mithilfe zusätzlicher Bildgebungsverfahren (Sonographie, CT) eingelegt werden.
A-5.16
a
d
g
Drainagen
b
c
e
f
a, b, c Redondrainage. d Easy-Flow-Drainage. e Robinson-Drainage. f, g Bülau-Drainage.
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A
5.4 Wundbehandlung
159
Zur Drainage der Pleurahöhle stehen gerade und gebogene Bülau-Drainagen (A-5.16 f, g) zur Verfügung. Sie werden nach Einlage (S. 963) über Schläuche mit einem Wasserschloss und ggf. einem kontrollierten Sog (z. B. bei Pneumothorax) verbunden, um die wechselnden Druckverhältnisse im Pleuraspalt auszugleichen und eine Lungenentfaltung zu ermöglichen.
■
왘 Merke. Eine Drainage, die nicht fördert, kann auch verstopft oder abgeknickt sein.
왗 Merke
5.4.5 Vakuumtherapie
5.4.5 Vakuumtherapie
Prinzip: Mittels eines offenporigen, der Wundkontur angepassten Schwammes wird eine umschriebene Sogwirkung flächig auf die gesamte Wunde aufgebracht. Die Wunde wird hermetisch durch eine luftdichte, wasserdampfdurchlässige, transparente und keimdichte Polyurethanklebefolie abgedichtet. Über ein kleines, in die Folie eingebrachtes und abgedichtetes Loch wird der Drainageschlauch ausgeleitet und an eine Vakuumpumpe angeschlossen (Abb. A-5.17).
Prinzip: Aufbringen eines Sogs auf die Wundfläche mittels eines Schwammes. Der Schwamm wird mit Polyurethanfolie verklebt. Der Drainageschlauch wird durch die Folie ausgeleitet (Abb. A-5.17).
A-5.17
Vakuumtherapie
a
b
c
d
a Nekrotisierende Fasziitis nach chirurgischem Débridement. b Vakuumtherapie. c, d Befund nach ca. 10 Tagen Vakuumtherapie.
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5 Wunde
160
A
Effekte an der Wunde: ■ Verkleinerung der Wundfläche.
Die Effekte an der Wunde: ■ Verkleinerung der Wundfläche durch Unterdruck, der zu einer Wundretraktion führt. ■ Anregung zur Bildung von Granulationsgewebe in einem ideal-feuchten Milieu. Auch über bradytrophem Gewebe, Knochen und Metallimplantaten anwendbar. ■ Effektive Wundreinigung durch Absaugen kleiner Gewebetrümmer (nach ausreichendem chirurgischem Primär-Débridement). ■ Kontinuierlicher Abtransport von Wundsekret in einem geschlossenen System (Wechsel nur alle 3 – 4 Tage notwendig). ■ Druckbedingte Minderung eines interstitiellen Ödems mit konsekutiver Verbesserung der Mikrozirkulation.
■
Anregung zur Gewebeneubildung.
■
Wundreinigung.
■
Abtransport von Wundsekret.
■
Verbesserung der Mikrozirkulation durch Ödemreduktion.
Indikationen und Kontraindikationen: Tab. A-5.8.
Indikationen und Kontraindikationen: Die Vakuumtherapie hat sich als Methode zur Behandlung von akuten und chronischen Wunden etabliert (s. Tab. A-5.8).
A-5.8
A-5.8
Indikationen und Kontraindikationen der Vakuumtherapie
Indikationen ■ ■
■ ■
■ ■
große Weichteildefekte infizierte Wunden (nach chirurgischem Débridement) Verbrennungen chronische Wunden (Dekubitus; Ulcus cruris) Fixierung von Hauttransplantaten temporärer Verschluss eines offenen Abdomens (mit einer speziellen Folie zum Abdecken des Darms)
Kontraindikationen ■
■
■ ■ ■
Gerinnungsstörungen und Blutungen im Bereich der Wunde freiliegende Gefäße und Gefäßanastomosen, die durch den Unterdruck alteriert oder geschädigt werden können nekrotischer Wundgrund nicht behandelte Osteomyelitis Wunden in neoplastischem Gewebe
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A
6.1 Asepsis, Antisepsis
161
6
Infektiologie
6
Infektiologie
6.1
Asepsis, Antisepsis
6.1
Asepsis, Antisepsis
Uwe Krüger 왘 Definition. Asepsis bedeutet durch Sterilisation erzielte Keimfreiheit. Sie ver-
왗 Definition
hindert mikrobielle Kontamination durch asepsisgerechtes Verhalten. Antisepsis bedeutet lediglich das Unschädlichmachen der Krankheitserreger durch Desinfektion.
6.1.1
Methoden der Asepsis und Antisepsis
6.1.1 Methoden der Asepsis und Antisepsis
Sterilisation
Sterilisation
왘 Definition. Sterilisation bedeutet Abtötung aller lebenden Substanzen einschließlich Bakteriensporen.
왗 Definition
Verfahren: Die Wahl des Sterilisationsverfahrens (Tab. A-6.1) hängt von dem zu sterilisierenden Material ab.
Verfahren: Die Wahl des Sterilisationsverfahrens hängt vom Material ab (Tab. A-6.1).
Desinfektion
Desinfektion
왘 Definition. Desinfektion bedeutet das Unschädlichmachen von Krankheits-
왗 Definition
erregern. Sie erzielt keine Keimfreiheit, schädigt die Mikroorganismen aber so, dass sie nicht mehr infizieren können. Desinfektion kommt in Betracht, wenn Sterilisation nicht möglich ist, z. B. Händedesinfektion des Chirurgen, Hautdesinfektion beim Patienten. Außerdem stellt sie die erste Maßnahme bei der Aufbereitung mikrobiell kontaminierter Instrumente, Geräte und Materialien dar. Flächen, Fußböden und Container müssen nach Gebrauch, ggf. nach Bedarf, desinfiziert werden.
A-6.1
Desinfektion kommt in Betracht, wenn Sterilisation nicht möglich ist (Hände, Hautoberflächen des Patienten).
Sterilisationsverfahren
Methoden
Anwendungsbereich
Einwirkungstemperatur
Einwirkungsdruck
Einwirkungszeit
Bemerkungen
Dampf (strömender, gesättigter und gespannter Wasserdampf mit maximal 10 % Luft)
thermostabile Materialien
134 °C 134 °C 121 °C
2,9 bar 2,9 bar 1,9 bar
5 min 10 min 25 min
für chirurgische Instrumente, Wäsche, Gummi, Glas, Kunststoff usw. Die unterschiedlichen Thermoresistenzstufen der Erreger müssen beachtet werden
Heißluft
thermostabile Materialien
180 °C 160 °C
normaler atmosphärischer Druck
30 min 200 min
aufgrund der höheren Temperaturen nicht für alle Materialien geeignet
Gas Ethylenoxyd (EO)
thermolabile Materialien
55 °C bzw. 37 °C
normaler atmosphärischer Druck
60 min bzw. 180 min
60 °C
4,5 bar
120 min
Niederdruck (100 % EO); zur Gasentfernung ist eine Absaugung oder Entlüftung 4 24 h erforderlich (cave, sonst drohen Schädigungen des Patienten, z. B. Schleimhautnekrosen bei gassterilisierten Beatmungsschläuchen). Hochdruck (6 % EO, 94 % CO2)
60 °C
200 bar
120 min
alternierendes Vorvakuum
Formaldehyd
thermolabile Materialien
Kathodenstrahlung
thermolabile Materialien
findet nur in der Industrie bei bestimmten Pharmazeutika, Einweg- und Nahtmaterial Anwendung
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6 Infektiologie
162
A
Physikalische Desinfektion durch Auskochen ist geeignet für Instrumente, Geschirr und Wäsche.
Physikalische Desinfektion: Sie erfolgt durch mindestens 15-minütiges Auskochen mit Wasser unter Zusatz von 0,5 % Soda. Das Verfahren eignet sich für Instrumente, Geschirr und kochbare Wäsche.
Für die Desinfektion von Flächen, Instrumenten, Wäsche und Ausscheidungen verwendet man Phenol-, Formaldehyd- oder Chlorverbindungen. Verdünnungsvorschriften und Einwirkzeiten sind strikt einzuhalten. Bei der Sprühdesinfektion ist auf vollständige Benetzung aller Flächen zu achten.
Chemische Desinfektion: Je nach Einsatz (Material oder Haut) werden unterschiedliche Mittel eingesetzt. Für die Flächendesinfektion und die Desinfektion von Instrumenten, Wäsche, Ausscheidungen usw. verwendet man Phenol-, Formaldehyd- oder Chlorverbindungen in wässriger Lösung. Die vorgeschriebenen Verdünnungen und Einwirkzeiten sind strikt einzuhalten. Bei der Sprühdesinfektion ist auf eine vollständige Benetzung aller Flächen zu achten. Zur Hände- und Operationsfelddesinfektion werden vorwiegend Präparate auf alkoholischer Basis oder mit organisch gebundenem Jod (Polyvidon-Jod) verwendet. Bei den Händen gibt es die hygienische und chirurgische Desinfektion. Die hygienische Händedesinfektion beseitigt die hautfremden und vermindert die Zahl der hauteigenen Keime, während Letztere bei der chirurgischen Händedesinfektion ebenfalls weitgehend eliminiert werden. Die Raumluft„desinfektion“ tötet Keime nicht ab, sondern reduziert durch horizontalen und vertikalen Flow lediglich ihre Zahl.
Hände- und Operationsfelddesinfektion erfolgen mit Präparaten auf alkoholischer Basis oder mit organisch gebundenem Jod. Die hygienische Händedesinfektion reduziert, chirurgische beseitigt die hauteigenen Keime fast vollständig. Die Raumluft„desinfektion“ vermindert die Keimzahl durch horizontalen und vertikalen Flow.
6.2
Infektiöser Hospitalismus
왘 Definition
6.2
Infektiöser Hospitalismus
왘 Definition. Infektiöser Hospitalismus ist die Bezeichnung für alle in Kranken-
häusern, Arztpraxen und anderen Behandlungseinrichtungen erworbenen Infektionen. Ursachen: Erreger werden direkt durch Hände, Narkosetuben, Katheter usw. und aerogen durch Staub oder Sekrettröpfchen beim Husten, Niesen und Sprechen übertragen. Ursachen für eine Kontamination können auch beim Patienten selbst liegen.
Ursachen sind nicht so sehr in mangelhafter Asepsis und Antisepsis zu suchen, als eher im allzu reichlichen und teilweise sorglos unbedachten Einsatz von Antibiotika. Die Erreger werden auf dem Wege der direkten mikrobiellen Kontamination durch Hände, Narkosetuben, Katheter, Kathetergleitmittel usw. und aerogen durch Staub oder beim Husten, Niesen oder Sprechen freigesetzte Sekrettröpfchen auf das Essen und insbesondere das Krankenhauspersonal übertragen. Die Ursache kann aber auch beim Patienten liegen, z. B. durch Schmierinfektion, wenn Darmkeime in eine Wunde gelangen, bei der traumatischen Eröffnung keimhaltiger Hohlorgane, durch Schwächung der Immunabwehr bei Tumorpatienten oder Organtransplantierten, bei Durchwanderung von Darmkeimen im Rahmen einer Ileussituation.
Typische Hospitalkeime sind Staphylococcus aureus und epidermidis, Pseudomonas aeruginosa, Proteus-Bakterien, aber auch Klebsiellen und Legionellen.
Erregerreservoire sind u. a. Ausgüsse, Waschbecken, Abfalleimer, Urinflaschen, Katheter.
Typische Hospitalkeime: Häufigste Erreger von Hospitalinfektionen sind grampositive Kokken, z. B. Staphylococcus aureus und epidermidis. Eine nicht unbedeutende Rolle spielen auch gramnegative Keime, vorwiegend Enterobakterien wie Klebsiellen und Proteus-Bakterien. Pseudomonas aeruginosa ist wegen seiner leichten Übertragbarkeit ein besonders gefürchteter Infektionserreger. Bei kontaminiertem Wasser (Dusch- und Klimaanlagen) kann auch Legionella pneumophila epidemisch zu einem Hospitalkeim werden. Zur Prophylaxe sollte bei Wasserleitungen eine Vorlauftemperatur von 80 °C herrschen, weiterhin sollten Filteranlagen installiert sein. Allgemeine weitere Erregerreservoire in Kliniken sind u. a. Ausgüsse, Waschbecken, Abfalleimer, Urinflaschen, Katheter, medizintechnische Geräte und Feuchtkammern.
Vermeidung von Infektionen: ■ Hygienemaßnahmen im Krankenhaus bzw. am Personal: Der zurückhaltende und gezielte Einsatz von Antibiotika hat einen hohen Stellenwert. Bei der Patientenversorgung sollte mit Schutzkleidung
Vermeidung von Infektionen: ■ Durch Hygienemaßnahmen im Krankenhaus bzw. am Personal: Zu den vorbeugenden Maßnahmen gehören die bakteriologische Kontrolle des Krankenhauspersonals, die regelmäßige gründliche Desinfektion der Fußböden und Flächen sowie der Betten und Wäsche. Ein besonderer
Zur Prophylaxe von Legionellen im Brauchwasser sollten die Vorlauftemperatur 80 °C betragen und Filteranlagen installiert sein.
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A 6.3 Chirurgische Infektionen
■
Stellenwert kommt der Einschränkung im Gebrauch der Antibiotika zu (nur zurückhaltende und gezielte Anwendung!). Ein großes und zunehmendes Problem liegt in einer zunehmenden Zahl von Infektionen mit antibiotikaresistenten Keimen (z. B. MRSA). Die hygienische Händedesinfektion ist unerlässlich. Außerdem sollte bei der Patientenversorgung konsequent mit Schutzkleidung und Handschuhen gearbeitet werden (auch zum Schutz des Personals, insbesondere im Hinblick auf Hepatitis- und HIV-Infektion). In Operationssälen, auf Intensiv- und Dialysestationen sind ggf. Kopfbedeckung und Mundschutz zu benutzen. Sämtliche Mitarbeiter sind mit diesen Regeln vertraut zu machen, und ihre Einhaltung ist fortlaufend zu überwachen (Hygienebeauftragter). Adäquate Vorbereitung des Patienten auf die Operation: Ausschluss bzw. Behandlung von bestehenden Infektionen der Haut, der Atem- und der ableitenden Harnwege. Perioperativ soll kurzzeitig eine Antibiotikaprophylaxe betrieben werden („single shot“, bei länger dauernden Operationen Wiederholung nach 3 Stunden). Die Wahl des Präparates richtet sich nach der Operation. Körperreinigung und Enthaarung des Operationsgebietes gehören zu den Maßnahmen, die unmittelbar vor dem Eingriff zu erfolgen haben.
6.3
Chirurgische Infektionen
163 und Handschuhen gearbeitet werden, in Operationssälen mit Kopfbedeckung und Mundschutz. Die Einhaltung aseptischer und antiseptischer Regeln wird durch Hygienebeauftragte überwacht.
■
Vorbereitung des Patienten auf die Operation: Infektsanierung, kurzzeitige Antibiotikaprophylaxe perioperativ, unmittelbar vor dem Eingriff Körperreinigung und Enthaarung des Operationsgebietes.
6.3
Chirurgische Infektionen
Jörg Schröder 왘 Definition. ■
■
Infektion allgemein (lat. inficere: anstecken, vergiften): Anhaftung, Eindringen sowie Vermehrung von Mikroorganismen in einem auf die Infektion reagierenden Makroorganismus. Chirurgische Infektion: Infektion, die in der Mehrzahl der Fälle chirurgisch behandelt wird, die inzidiert oder drainiert werden muss (z. B. Abszesse, Empyeme), die nicht vaskularisiertes Gewebe betrifft (z. B. Gasbrand) oder die als Folge einer Operation (z. B. postoperative Wundinfektionen) auftritt.
6.3.1 Allgemeine Infektionslehre 왘 Definition. ■
■
■
■
왗 Definition
6.3.1 Allgemeine Infektionslehre
왗 Definition
Primärinfektion: Entstehung einer Infektion ohne erkennbare Ursache nach (Mikro-)Verletzung. Sekundärinfektion: Infektion nach akzidentell entstandener oder iatrogen gesetzter Wunde. Mischinfektion: Eine Mischinfektion wird durch mehrere gleichzeitig im Organismus auftretende Erreger verursacht. Pyogene Infektion: eine durch sogenannte Eitererreger ausgelöste Entzündung. Ein schädigendes Agens, wie z. B. ein Bakterium, wird von phagozytierenden Leukozyten aufgenommen, die selbst zugrunde gehen und Eiter bilden.
Allgemeine Pathophysiologie
Allgemeine Pathophysiologie
Eine Entzündung ist eine komplexe Abwehrreaktion des Organismus auf verschiedene gewebeschädigende Reize allergischer, physikalischer (z. B. Verbrennungen), chemischer (z. B. durch Säuren und Laugen) oder biologischer (Mikroorganismen und ihre Produkte) Natur. Das schädigende Agens löst die Entzündungsreaktion nicht unmittelbar aus, sondern wirkt über Mediatoren, die von den geschädigten Zellen produziert werden.
Entzündungsreize können allergischer, physikalischer, chemischer oder biologischer Natur sein. Die Entzündungsreaktion wird indirekt durch Mediatoren ausgelöst.
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164
A
6 Infektiologie
Wichtige Mediatoren: ■ Amine, z. B. das vasodilatierende und permeabilitätssteigernd wirkende Histamin. ■ Kinine, z. B. Bradykinin mit ebenfalls gefäßerweiternder Wirkung und Steigerung der Permeabilität. ■ Proteasen, z. B. Plasmin, Kallikrein, die bei der Bildung der Kinine mitwirken. ■ Zytokine, wie z. B. der Tumor-Nekrose-Faktor (TNF) oder verschiedene Interleukine (IL) wie IL-1, -6 und -8, die lokal und systemisch eine komplexe Abwehrreaktion hervorrufen. Mikroorganismen können Exotoxine, Endotoxine und extrazelluläre Enzyme produzieren.
Die folgenden, von Mikroorganismen gebildeten Produkte beeinflussen wesentlich eine Entzündung: ■ Exotoxine: hitzelabile Proteine, welche die Bakterienzelle durch die Zellmembran in die Umgebung abgibt. ■ Endotoxine: hitzestabile komplexe Moleküle, die nach Zerstörung der Bakterienzelle bei gramnegativen Bakterien aus der Zellwand freigesetzt werden. ■ Extrazelluläre Enzyme: Zu dieser Gruppe gehört z. B. die von Staphylokokken gebildete Koagulase, welche gerinnungsaktivierend wirkt, die Fibrinbildung um Staphylokokken fördert und somit die Bakterien schützt.
Der Organismus besitzt eine Vielzahl innerer und äußerer Schutzmechanismen gegen Infektionen durch Bakterien, Viren und Parasiten.
Der menschliche Organismus besitzt eine Vielzahl von äußeren und inneren Schutzmechanismen gegen Infektionen durch Bakterien, Viren und Parasiten. ■ Äußere Schutzmechanismen: z. B. die Gewebedurchblutung, die unverletzte Haut, Schleimhäute (z. B. Nase, Rachen) mit Flimmerhärchen, die physiologische Bakterienflora, die Bakterizidie des sauren Magensaftes und Sphinkterfunktionen. ■ Innere Schutzmechanismen: unspezifische zelluläre und spezifische humorale Abwehr. Die unspezifische Immunität, die die Phagozytose durch Makrophagen und Granulozyten beinhaltet, dient als eine der ersten Maßnahmen zur Bekämpfung abszessformierender und nekrotisierender Infektionen. Funktion der spezifischen humoralen Abwehr ist die Synthese spezifischer Antikörper durch B-Lymphozyten nach Antigenpräsentation durch Makrophagen und Stimulation durch T-Lymphozyten. Diese Antikörper vernichten Bakterien und Viren, bevor sie in Zellen eindringen.
Lokale versus systemische Infektionen
Lokale versus systemische Infektionen
Lokale Infektionen sind durch die natürliche Gewebearchitektur begrenzt. Klassische Symptome lokaler Infektionen sind Rubor, Calor, Tumor, Dolor und Functio laesa.
Lokale Infektionen sind durch die natürliche Gewebearchitektur begrenzte Infektionen. Die Entzündungsreaktion stellt die biochemische und morphologische Antwort auf einen Entzündungsreiz dar. Klassische Kardinalsymptome sind Rubor (Rötung), Calor (Überwärmung), Tumor (Schwellung), Dolor (Schmerz) und Functio laesa (eingeschränkte Funktion). Darüber hinaus können allgemeine Reaktionen des Organismus wie Erhöhung der Körpertemperatur, Fieber, Leukozytose, Anstieg der BSG und eine Aktivierung des Stoffwechsels auftreten.
Systemische Infektionen sind durch die lebensbedrohliche Dysfunktion eines oder mehrerer Organsysteme gekennzeichnet.
Systemische Infektionen sind durch eine lebensbedrohliche Reaktion des Organismus mit Dysfunktion oder Versagen eines oder mehrerer Organsysteme (Lunge, Niere, Herz/Kreislauf, Leber etc.) charakterisiert. Das Organversagen wird durch die vermehrte, systemische Freisetzung verschiedener Zytokine wie z. B. Tumornekrosefaktor oder Interleukin-1 und -6 hervorgerufen. Auslösende Faktoren können bei bakteriellen Infektionen Endotoxine (z. B. diffuse Peritonitis), große Gewebetraumen (Verbrennungen, Polytrauma) oder eine abakterielle schwere Pankreatitis sein.
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A 6.3 Chirurgische Infektionen
165
Der Verlauf lokalisierter und systemischer Infektionen ist im Wesentlichen von drei Faktoren abhängig: ■ Art und Virulenz der Erreger: Bestimmte Erreger können charakteristische Infektionen hervorrufen, wie z. B. Streptokokken ein Erysipel. In Mischinfektionen können verschiedene Erreger ihre virulente Wirkung, d. h. den Grad der Aggressivität gegenüber dem Makroorganismus, potenzieren. ■ Keimzahl: Größere Erregerzahlen erhöhen die Schwere der Infektionen und beschleunigen den Verlauf. ■ Lokale und systemische Immunität des Patienten: Periphere Durchblutungsstörungen, Hämatome, postoperative Schwellungen oder Kontusionen können lokalisierte, Diabetes mellitus, Alkoholabusus, Malignome, Bestrahlung, Steroid- und Zytostatikatherapie können lokale und systemische Infektionen begünstigen.
Der Verlauf lokaler und systemischer Infektionen ist von der Art, Zahl und Virulenz der Erreger sowie von der Abwehrlage der Patienten abhängig.
Lokalisierte Infektionen können sich durch verschiedene Mechanismen zu einer systemischen Infektion ausweiten, die dem Krankheitsbild der Sepsis (S. 170) entsprechen: ■ Nekrotisierende Infektionen können sich in anatomisch präformierten Wegen ausbreiten. Die Myonekrose des Gasbrandes breitet sich durch eine zunehmende Muskelnekrose und die nekrotisierende Fasziitis entlang der minderperfundierten Faszie und des Subkutangewebes aus. Toxine der Erreger können eine systemische Reaktion hervorrufen. ■ Phlegmone und oberflächliche Entzündungen der Haut können sich nicht nur durch Nekrosen sondern auch durch Metastasen ausbreiten. ■ Abszesse, die nicht rechtzeitig drainiert werden, können sich vergrößern, ihre Begrenzungen (Abszessmembran) überschreiten und z. B. Blutgefäße penetrieren. ■ Infektionen durch Streptokokken und manche Staphylokokkeninfektionen können sich entlang der Lymphabflusswege (Lymphangitis und Lymphadenitis) ausbreiten und somit Anschluss an den systemischen Kreislauf finden.
Die Ausweitung lokalisierter Infektionen zu systemischen Entzündungen kann durch nekrotisierende Infektionen, Abszesse, eine Ausbreitung über das Lymphsystem oder die Blutbahn (Bakteriämie) erfolgen.
Prädispositionen
Prädispositionen
Das Risiko einer postoperativen Infektion ist neben intraoperativen und perioperativen Faktoren von einigen Patientenfaktoren abhängig (Tab. A-6.2).
Eine Vielzahl operativer, perioperativer und patientenbedingter Faktoren erhöht das postoperative Infektionsrisiko (Tab. A-6.2). Diagnostik chirurgischer Infektionen
Diagnostik chirurgischer Infektionen Grundlage der Therapie chirurgischer Infektionen ist die Diagnostik der auslösenden bakteriellen, viralen, parasitären Entzündungen oder der Pilzerkrankungen. Die richtige Probenentnahme, das richtige Transportmedium und vor allem die Kooperation mit dem mikrobiologischen Labor sind Voraussetzungen für eine effektive Behandlung.
Grundlage der Therapie chirurgischer Infektionen ist die Diagnostik mit richtiger Probenentnahme, dem richtigen Transportmedium und Kooperation mit einem mikrobiologischen Labor.
Blutkulturen: Blutkulturen sind bei Fieber unklarer Genese (z. B. Sepsis, infizierte Verbrennungen oder postoperativ) möglichst vor der Antibiotikagabe indiziert. Unter aseptischen Bedingungen sollten venös zwei Entnahmen, eine für eine aerobe und eine für eine anaerobe Bebrütung, in kommerziell erhältlichen Blutkulturflaschen erfolgen. Optimale Erfolgsaussichten zum Nachweis von Erregern in einer Blutkultur bestehen im Fieberanstieg zwischen 37 °C und 39 °C.
Blutkulturen: sie sind bei Fieber unklarer Genese indiziert.
A-6.2
Risikofaktoren für postoperative Infektionen
Patientenfaktoren ■ ■ ■ ■
Alter Übergewicht Immunsuppression Diabetes mellitus, Wunddrainage
perioperative Faktoren ■ ■
lange Hospitalisation Antibiotikatherapie
A-6.2
intraoperative Faktoren ■ ■ ■ ■
vorhergehende Kontamination Dauer der OP Fremdmaterial intraoperative Hypotonie, massive Transfusion
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166
A
6 Infektiologie
Cave: Erreger wie Mykobakterien oder Mykoplasmen werden in konventionellen Blutkulturen nicht erfasst. Material aus dem Respirationstrakt: Rachenabstriche, Sputum, Tracheal- oder Aspirationssekret.
Material aus dem Respirationstrakt: Aus dem oberen Respirationstrakt können nach Mundspülung mit NaCl oder Wasser Rachenabstriche entnommen und in dem vorgesehenen Transportmedium versandt werden. Material aus dem unteren Respirationstrakt sind Sputum, Trachealsekret oder Aspirationssekret, welches durch Bronchiallavage oder Bronchoskopie gewonnen wird.
Wunden, Abszesse: Gewebe, Flüssigkeit oder originärer Eiter aus einer Wunde oder einem Abszess sind optimale Materialien zur Erregerbestimmung.
Wunden, Abszesse: Aus Nekrosematerial, Flüssigkeit oder Eiter können die verursachenden Erreger von Wundinfektionen oder Abszessen isoliert werden. Nekrosematerial und Flüssigkeit können auf Medium gebracht und Eiter im sterilen Reagenzglas transportiert werden.
Urin: Mittelstrahlurin, ggf. suprapubisches Blasenpunktat und in Ausnahmefällen eine Einmalkatheterprobe sind Materialien zur Urinuntersuchung.
Urin: Zur mikrobiologischen Untersuchung sind Mittelstrahlurin, ggf. suprapubisches Blasenpunktat (nach sorgfältiger Hautdesinfektion) und in Ausnahmefällen (z. B. Querschnittlähmung) die Einmalkatheterurinprobe geeignet. Aufgrund der Gefahr der Keiminvasion in die Blase sollte die Einmalkatheterprobe die Ausnahme sein.
Liquor: Nach Punktion Liquor in einem sterilen Röhrchen einsenden.
Liquor: Liquor kann nach Punktion unter streng aseptischen Bedingungen in einem sterilen Röhrchen eingesandt werden.
Intravenöse Katheter: Bei unklarem Fieber und liegendem intravenösem Katheter Katheterspitzen einsenden.
Intravenöse Katheter: Katheterspitzen werden nach aseptischer Entfernung eines intravenösen Katheters abgetrennt und in einem sterilen Behälter eingesandt.
Stuhlproben: Bei Verdacht auf eine bakterielle Darmerkrankung sind Stuhlproben einzusenden.
Stuhlproben: Bei Verdacht auf eine bakterielle Darmerkrankung (z. B. Salmonella, Shigella, Yersinia, Clostridium difficile) oder bei Darmparasiten wird eine Stuhlprobe in einem Stuhlröhrchen eingesandt.
Serologische Diagnostik: Ein Antikörpernachweis im Serum kann bei Verdacht einer Legionellose, Mykoplasmen- oder Chlamydieninfektion, Hepatitis, HIV-Infektion oder bei systemischen Mykosen erfolgen.
Serologische Diagnostik: Ein Antikörpernachweis im Serum kann durchgeführt werden, wenn bei bakteriellen (z. B. Legionellose, Erkrankungen durch Mykoplasmen oder Chlamydien), bei viralen (Hepatitis oder HIV) oder bei systemischen Mykosen (Candida und Aspergillus) kein direkter Erregernachweis möglich ist.
Prinzipien der Therapie chirurgischer Infektionen
Prinzipien der Therapie chirurgischer Infektionen
Die Mehrzahl der chirurgischen Infektionen erfordert eine chirurgische Sanierung mit z. B. Drainage eines Abszesses oder dem Débridement devitalisierten Gewebes.
Chirurgische Therapie: Die Mehrzahl der chirurgischen Infektionen erfordert eine chirurgische Therapie mit Sanierung eines Fokus (z. B. Darmperforation und Peritonitis), die Drainage eines Abszesses (z. B. intraabdominell oder subkutan) oder das Débridement devitalisierten Gewebes. Eine Abszessdrainage kann chirurgisch (via z. B. Laparotomie oder Hautinzision) erfolgen oder durch eine sonographisch oder CT-gesteuerte Platzierung eines großlumigen Spülkatheters in einen Abszess.
Antibiotika sind bei systemischer Reaktion oder bei sich ausdehnenden bzw. persistierenden Infektionen angezeigt.
Antibiotische Therapie: Chirurgische Infektionen, die durch eine Inzision oder Drainage ausreichend therapiert sind (z. B. Furunkel, unkomplizierte Wundinfektion) benötigen keine Antibiotikatherapie. Sich ausbreitende Infektionen oder solche, die persistieren, müssen zusätzlich antibiotisch therapiert werden, um entweder die lymphatische Ausbreitung oder die Bakteriämie zu verhindern. Zu weiteren Details s. S. 190.
Die Ruhigstellung eines entzündeten Körperteils unterstützt die oben genannten Maßnahmen.
Ruhigstellung: Die Therapie chirurgischer Infektionen beinhaltet neben der lokalen und antibiotischen Therapie die Ruhigstellung eines entzündeten Körperteils.
Leitsymptom postoperatives Fieber
Leitsymptom postoperatives Fieber
왘 Merke
왘 Merke. Fieber ohne Allgemeinsymptome tritt häufig in der unmittelbaren postoperativen Phase auf und gibt keinen Anlass zur Therapie!
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A 6.3 Chirurgische Infektionen
167
Fieber mit Allgemeinsymptomen kann folgende Ursachen haben: ■ Während der ersten 2 postoperativen Tage: Atelektase und Pneumonie, Wundinfektionen (z. B. Streptokokken), Sepsis, Reaktion auf Medikamente. ■ Nach dem 2. postoperativen Tag auftretendes Fieber: Wundinfektionen (z. B. durch Staphylokokken), Pneumonien, katheterbedingte Infektionen (zentrale Katheter, Blasenkatheter), Anastomoseninsuffizienzen, Sepsis oder Abszesse, aber auch Phlebitiden, eine Cholezystitis, Kolitis, Sinusitis oder Meningitis, Reaktion auf Medikamente.
Ursachen von Fieber mit Allgemeinsymptomen: ■ Erste 2 Tage: Atelektase oder Pneumonie, Wundinfektionen oder Sepsis, Medikamente. ■ Später: Wundinfektion, Pneumonie, katheterbedingt, Anastomoseninsuffizienz, Abszess, Phlebitis. Cholezystitis, Kolitis, Sinusitis, Meningitis, Medikamente.
6.3.2 Typische postoperative Infektionen
6.3.2 Typische postoperative Infektionen
Der Chirurg wird mit zwei Kategorien von Infektionen konfrontiert: ■ Infektionen bei Aufnahme des Patienten. ■ Infektionen, die sich nach Notfall- oder Elektivoperationen entwickeln (im Krankenhaus erworbene= nosokomiale Infektionen) sind vorwiegend Wundinfektionen, Harnwegsinfekte, Infektionen durch Venenkatheter, Pneumonien, intraabdominelle Infektionen, Sepsis. Sie werden unten im Detail beschrieben. Die Rate an nosokomialen Infektionen ist auf Intensivstationen 5- bis 10-mal höher als auf chirurgischen Normalstationen. Risiken bei Intensivpatienten sind die Abwehrschwäche bei schwerer Grunderkrankung (z. B. Pankreatitis, schweres Polytrauma, Verbrennungen) und invasive intensivmedizinische Maßnahmen wie Beatmung, intravenöse bzw. intraarterielle Katheter oder Harnwegskatheter.
Zu den postoperativen, nosokomialen Infektionen zählen Wundinfektionen, Harnwegsinfekte, Pneumonien, intraabdominelle Entzündungen und die Sepsis.
왘 Merke. Die häufigsten Erreger nosokomialer Infektionen sind gramnegative
왗 Merke
Enterobakterien (z. B. E. coli, Klebsiella), Staphylokokken, Pseudomonas aeruginosa und Enterokokken. Bis zu 10 % sind durch Pilze und etwa 1 % durch Viren verursacht.
Wundinfektionen
Wundinfektionen
Klinik: Wundinfektionen manifestieren sich meist zwischen dem 5. und 7. postoperativen Tag. Postoperatives Fieber zu dem genannten Zeitpunkt macht eine Kontrolle der Wunde erforderlich. Schmerzen, eine Wundrötung, Fluktuation (Abszess!) und ein Ödem sind weitere mögliche Zeichen der Wundinfektion.
Klinik: Wundinfektionen treten meist zwischen dem 5. und 7. postoperativen Tag auf. Typisch sind Fieber, Schmerzen, Rötung, Fluktuation, Ödem.
Ursachen, Prophylaxe: Postoperative Wundinfektionen resultieren aus einer bakteriellen Kontamination während oder nach einer Operation. Sie bleiben trotz aseptischer und atraumatischer Techniken ein ernsthaftes Problem und sind abhängig von der Klassifikation operativer Wunden. Das Wundinfektionsrisiko steigt entsprechend der Klassifikation der Wunden an und kann durch eine perioperative Antibiotikaprophylaxe deutlich gesenkt werden (Tab. A-6.3).
Ursachen, Prophylaxe: Wundinfektionen sind Folge der bakteriellen Kontamination der Wunde (Tab. A-6.3).
왘 Merke. Die Antibiotikaprophylaxe mit der nachgewiesenen Wirksamkeit,
왗 Merke
die Wundinfektionsrate zu verringern, kann eine saubere chirurgische Technik, eine strenge Asepsis und eine optimale Patientenvorbereitung nicht ersetzen. Therapie der Wahl ist die Eröffnung der Wunde und Einleitung einer offenen Wundbehandlung. Antibiotika sind nur bei einer systemischen Ausbreitung erforderlich.
Therapie: Wunderöffnung.
Harnwegsinfektionen
Harnwegsinfektionen
Ätiologie: Harnwegsinfektionen sind die häufigste nosokomiale Infektion (30 – 40 %) die gut therapierbar ist, abgesehen von Fällen mit Obstruktionen der Harnwege. Die Infektionsrate (Bakteriurie 4 10/5 Keime) weist eine eindeutige Relation zur Liegedauer eines Harnwegekatheters auf, bereits nach einer Woche
Ätiologie: am häufigsten durch E. coli und andere gramnegative Bakterien. Je länger ein Harnwegekatheter liegt, desto höher ist die Rate an Harnwegsinfektionen.
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A
168 A-6.3
6 Infektiologie
Klassifikation operativer Wunden
Art der Wunde
Kriterien
Wundinfektionsrate
Antibiotikaprophylaxe
aseptische Wunden
nichttraumatische, nichtinfizierte Wunden; elektive Operation ohne Eröffnung des Respirations-, des Harnweg-/Genital- oder des Gastrointestinaltraktes (z. B. Leistenhernie, Struma)
52%
nein (Ausnahmen: Prothesenimplantationen; alte, adipöse, immunsupprimierte Patienten)
bedingt aseptische Wunden
Notfalloperation, die ansonsten sauber ist; Operation mit Eröffnung des nichtinfizierten Respirations-, Harnweg-/Genital- oder des oberen Gastrointestinaltraktes (z. B. Cholezystektomie)
5 10 %
ja (Senkung der Infektionsrate auf 5 5 %)
kontaminierte Wunden
offene, frische traumatische Wunden; Eröffnung der Harnwege, der Gallenwege bei infiziertem Urin bzw. infizierter Galle; akute, nichtpurulente Entzündung (z. B. akute, nichtgangränöse und nichtperforierte Appendizitis)
20 %
ja (Senkung der Infektionsrate auf 5 10 %)
septische Wunden
traumatische Wunden mit devitalisiertem Gewebe, Fremdkörpern, fäkaler Kontamination oder Dreck; Perforation des Gastrointestinaltraktes; purulente Entzündungen; Abszesse (z. B. perforierte Appendizitis mit Abszess)
40 %
nein, aber länger dauernde antibiotische Therapie
steigt die Infektionsrate deutlich an. Ausgangspunkt der Bakteriurie sind die Perianal- und Periurethralregion. E. coli und andere gramnegative Bakterien sind die häufigsten Erreger. Klinik: Schmerzen beim (häufigen) Wasserlassen, kleine Harnmengen, Verfärbung/Ausflockung im Katheter.
Klinik: ■ Schmerzen, Brennen beim Wasserlassen. ■ Häufiges Wasserlassen mit kleinen Harnmengen. ■ Verfärbung, Ausflockung des Urins im Katheter.
Therapie: gegebenenfalls suprapubische Harnableitung. Kalkulierte bzw. gezielte Antibiotikatherapie.
Therapie: Die Behandlung einer Bakteriurie erfolgt durch eine kalkulierte Antibiotikatherapie bzw. bei Problemkeimen durch eine gezielte Behandlung nach Antibiogramm. Bei unkomplizierten Harnwegsinfekten bietet sich eine orale Therapie mit z. B. Cotrimoxazol, Amoxicillin (+ Clavulansäure) oder Quinolonen (z. B. Ciprofloxacin) an.
Prophylaxe: Antibiotikagabe zur Verzögerung bzw. Verschiebung des Erregerspektrums, die Infektion wird aber nicht verhindert. Bei suprapubischer Harnableitung deutlich niedrigere Inzidenz von Harnwegsinfektionen.
Prophylaxe: Die systemische Antibiotikagabe verzögert das Auftreten der katheterassoziierten Harnwegsinfekte oder verschiebt das Erregerspektrum, verhindert die Infektion jedoch nicht. Bei suprapubischer Harnableitung als Alternative zum Harnwegekatheter ist die Inzidenz von Infektionen deutlich geringer.
Infektionen durch Venenkatheter
Infektionen durch Venenkatheter
Die Erreger können intraluminal oder entlang des Katheters in die Blutbahn gelangen.
Venenkatheter sind vor allem auf Intensivstationen ein wesentlicher Bestandteil der therapeutischen Maßnahmen (z. B. parenterale Ernährung, Messung des ZVD oder Hämodialyse). Mikroorganismen können intraluminal oder entlang der Katheteraußenseite in die Blutbahn gelangen und eine systemische Reaktion hervorrufen.
왘 Merke
Klinik: Fieber und Leukozytose sind erste Zeichen der systemischen Reaktion.
왘 Merke. Katheterassoziierte Infektionen werden in über 50 % der Fälle durch gramnegative Erreger, vor allem Enterobacteriaceae verursacht. Grampositive Erreger wie Enterokokken und Staphylokokken machen etwa ein Drittel und Pilze ca. 10 % der Infektionen aus.
Klinik: Bei fehlendem Nachweis anderer Infektionen weisen hohes Fieber und eine Leukozytose auf eine katheterbedingte Infektion hin.
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A 6.3 Chirurgische Infektionen
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Therapie, Prophylaxe: Die wirkungsvollste Maßnahme ist die Entfernung des Katheters (Katheterspitze zur mikrobiologischen Untersuchung einsenden!). Fieberrückgang nach Entfernung bestätigt den Verdacht der katheterbedingten Infektion.
Therapie, Prophylaxe: Durch Entfernung des Katheters gehen die Symptome schnell zurück.
왘 Merke. Eine klare Indikationsstellung, gute Desinfektion der Insertionsstelle
왗 Merke
bzw. aseptisches Vorgehen beim Legen und der Pflege der zentralen Katheter, regelmäßige Kontrolle der Insertion und eine befristete Liegedauer sind wirkungsvolle Maßnahmen, um katheterbedingten Infektionen vorzubeugen.
Pneumonien
Pneumonien
Pneumonien gehören zu den schweren nosokomialen Infektionen, die isoliert oder mit anderen Infektionen nach 2 bis 3 Tagen Krankenhausaufenthalt auftreten können.
Nosokomiale Pneumonien können nach 2 bis 3 Tagen auftreten.
Ätiologie: Die Entstehung wird u. a. durch Hypoventilation, Atelektasen oder vorbestehende Lungenerkrankungen begünstigt. Die nosokomiale Pneumonie ist nach den Wund- und Harnwegsinfektionen die häufigste der im Krankenhaus erworbenen Infektionen. Nosokomiale Pneumonien erweisen sich als eine zunehmende Komplikation, verbunden mit einer Letalität von 20 bis 40 %. Betroffen sind vor allem ältere Patienten mit chirurgisch behandelbaren Erkrankungen, die an Störungen der Immunabwehr leiden oder der apparativen Intensivmedizin bedürfen.
Ätiologie: Begünstigend sind Hypoventilation, Atelektasen oder ein chronisches Lungenleiden. Häufigste Erreger sind Pseudomonas, Enterobakterien und Staphylokokken.
Häufigste Erreger: Pseudomonas aeruginosa, E. coli, Enterobacter und Klebsiella pneumoniae sind die häufigsten gramnegativen, Staphylococcus aureus, Streptokokken und Pneumokokken die häufigsten grampositiven Erreger nosokomialer Pneumonien. Sogenannte atypische Pneumonien und Pilzpneumonien als nosokomiale Pneumonien spielen vor allem auf chirurgischen Intensivstationen eine zunehmende Rolle. Die bedeutendsten Erreger sind Legionella pneumophilia, Mycoplasma pneumoniae oder Chlamydia pneumoniae. Als Erreger von Pilzpneumonien kommen Hefepilze wie Candida albicans oder glabrata, selten Candida parapsilosis, Cryptococcus oder Schimmelpilze wie Aspergillus in Betracht. 왘 Merke. Bei Patienten mit unklaren Lungenprozessen, die auf die übliche
왗 Merke
Antibiotikabehandlung nicht reagieren, sind Legionellen, Mykoplasmen, Chlamydien und Pilze ätiologisch in Betracht zu ziehen. Diagnostik: Neben einer Röntgenthoraxaufnahme erfolgt die Diagnose durch den Erregernachweis im Sputum oder in der bronchoalveolären Lavage.
A-6.1
Pneumonie
Diagnostik: Röntgenthorax, Erregernachweis im Sputum oder in der bronchoalveolären Lavage. A-6.1
Lingulapneumonie links mit deutlich sichtbarem Infiltrat (?)
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6 Infektiologie
170
A
Therapie: antibiotisch.
Therapie: Sie erfolgt antibiotisch mit Breitspektrumpenicillinen (+ Betalaktamaseinhibitor) oder -cephalosporinen, die bei schweren Verläufen oder Therapieresistenz mit Aminoglykosiden kombiniert werden können. Pseudomonaswirksam sind z. B. Piperacillin oder Ceftazidim (+ Aminoglykosid). Als Reserveantibiotika stehen Imipenem, Meronem oder Cephalosporine der 4. Generation zur Verfügung. Bei Aspirationspneumonien ist Clindamycin indiziert. Zu Therapieoptionen bei Pilzpneumonien s. S. 189.
Intraabdominelle Infektionen
Intraabdominelle Infektionen
Intraabdominelle Infektionen als postoperative Komplikationen umfassen Abszesse, Anastomoseninsuffizienzen bzw. die postoperative Peritonitis.
Diese Kategorie umfasst postoperative Komplikationen wie Abszesse, Nahtinsuffizienzen bzw. die postoperative Peritonitis. Insbesondere die postoperative Peritonitis ist wie die nosokomiale Pneumonie eine schwere Infektion, die mit einer hohen Letalität einhergeht.
Therapie: chirurgische Intervention und Behandlung mit Breitspektrumantibiotika und anaerob wirksamen Antibiotika.
Therapie: Neben der chirurgischen Therapie erfolgt eine Behandlung mit Breitspektrumantibiotika (z. B. Breitspektrumcephalosporine (in Kombination mit Aminoglykosiden) in Kombination mit Metronidazol oder Clindamycin.
Sepsis
Sepsis
왘 Definition
왘 Definition. Sepsis: Mindestens 2 der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein: ■ Hyperthermie 4 38,0 °C oder Hypothermie 5 36,0 °C, ■ Tachykardie ≥ 90/min, ■ Tachypnoe (Atemfrequenz 4 20/min oder pCO 2 5 32 mmHg), ■ Leukozytose 4 12 000/µl oder Leukopenie 5 4000/µl oder ≥ 10 % unreife Formen.
Schwere Sepsis: Sepsis (s.o.) + Insuffizienz von mindestens 2 Organsystemen (z. B. Lunge, Niere, Herz-/Kreislaufsystem, Leber). Septischer Schock: Sepsis (s.o.) + systolischer Blutdruck 5 90 mmHg (Schock). Klinik: Kennzeichnend für eine Sepsis ist das Versagen oder die Dysfunktion mehrerer Organsysteme.
Klinik: Siehe die in der Definition genannten Kriterien. Charakteristisch für die (schwere) Sepsis ist das Versagen oder die Dysfunktion mehrerer Organsysteme, verbunden mit einer hohen Letalität.
Therapie: antibiotische Therapie und ggf. chirurgische Intervention. Intensivmedizinische Betreuung.
Therapie: Bei Nachweis einer infektiösen Ursache erfolgt die chirurgische Intervention (z. B. Behandlung einer Anastomoseninsuffizienz) und/oder eine unterstützende intensivmedizinische und antibiotische Behandlung. Die gezielte antibiotische Behandlung ist häufig problematisch, da Blutkulturen nur in bis zu 30 % der Fälle einen positiven Befund (Bakteriämie) liefern. Bei bekanntem Erregerspektrum der jeweiligen Intensivstation erfolgt vor der Erregerisolierung eine kalkulierte Antibiotikatherapie.
6.3.3 MRSA-Infektionen
6.3.3 MRSA-Infektionen
왘 Synonym Epidemiologie: Methicillinresistente Staphylococcus aureus (MRSA) zeigen eine zunehmende Inzidenz in Deutschland.
왘 Merke Pathogenese: Die Oxacillin- bzw. MethicillinResistenz wird durch eine Veränderung des penicillinbindenden Proteins PBP 2a auf dem mecA-Gen bedingt.
왘 Synonym. Oxacillinresistente Staphylococcus aureus (ORSA).
Epidemiologie: Methicillinresistente Staphylococcus aureus (MRSA) wurden erstmals in den 60er Jahren isoliert und zeigen eine zunehmende Inzidenz, die in Nordeuropa und den Niederlanden unter 1 % und in Südeuropa bei über 30 % liegt. Die MRSA-Häufigkeit steigt in Deutschland kontinuierlich an und liegt bei ca. 15 % aller durch Staphylokokken hervorgerufenen Krankenhausinfektionen. 왘 Merke. MRSA stellt für gesunde Menschen keine Gefahr dar!
Pathogenese: Die Oxacillin- bzw. Methicillin-Resistenz wird durch eine Veränderung des penicillinbindenden Proteins PBP 2a auf dem mecA-Gen bedingt.
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A 6.3 Chirurgische Infektionen
171
Der Nasenvorhof ist das natürliche Reservoir für Staphylococcus aureus und bildet den Ausgangspunkt für die Besiedlung anderer Körperregionen, u. a. perineal und inguinal. 왘 Merke. MRSA-Infektionen sind zu einer der größten Herausforderungen der Chirurgie geworden und weisen zahlreiche Risikofaktoren auf: ■ Schwer kranke und alte Patienten. ■ Häufige Krankenhausaufenthalte, längere Krankenhausverweildauer. ■ Antibiotikatherapie, insbesondere mit Fluorchinolonen. ■ MRSA-Nachweis bei früheren Krankenhausaufenthalten. ■ Aufenthalt in Langzeitpflegeeinrichtungen. ■ Langzeitverwendung von perkutanen Venen- oder Blasenkathetern. ■ Chirurgische Wundbehandlung.
Hygienemaßnahmen: Der wichtigste Übertragungsweg ist der direkte Kontakt mit den Händen, während die aerogene Übertragung eine untergeordnete Rolle spielt. Deshalb ist die Händedesinfektion vor und nach jedem Patientenkontakt die wichtigste Hygienemaßnahme. Unerlässlich ist die Kontaktisolierung in einem Einzelzimmer oder eine Kohortenisolierung mehrerer MRSA-Patienten. Bei engem Kontakt mit dem Patienten müssen Handschuhe getragen werden, unter Umständen sind zusätzlich Kittel und Mundschutz zu tragen. Transporte sollten nur bei strenger medizinischer Indikation erfolgen, der Patient darf aber auch mit einem Mund- und Nasenschutz das Zimmer verlassen, wenn keine Katheter oder Drainagen vorhanden sind und keine offenen Wunden vorliegen. Geschirr, Wäsche und Abfall werden im Zimmer gesammelt und normal entsorgt. 왘 Merke. Die wichtigste Maßnahme zur Kontrolle der Ausbreitung von MRSA ist das gezielte Screening von Risikopatienten mit Nasen-, Perineal- und Inguinalabstrichen sowie Einzelzimmerisolation.
Dekolonisation: Bei nasaler Besiedlung wird Mupirocin-Nasensalbe oder – bei Versagen – octenidinhaltige Salbe empfohlen. Als unterstützende Maßnahme erfolgt eine tägliche Waschung mit antiseptischer Seife (PVP-Jod oder Octenidin) für einige Tage. Die Isolierung der Patienten kann aufgehoben werden, wenn 3 negative Abstriche von allen zuvor positiven Lokalisationen im Abstand von mindestens 24 Stunden vorliegen.
왗 Merke
Hygienemaßnahmen: Händedesinfektion und Kontaktisolierung sind die wichtigsten Maßnahmen, um eine Ausbreitung von MRSA zu vermeiden.
왗 Merke
Dekolonisation: Eine Dekolonisation erfolgt mit Nasensalben und durch Waschungen mit antiseptischer Seife. Bei drei negativen Abstrichen innerhalb von mindestens 24 Stunden kann die Isolierung aufgehoben werden.
Therapie: Es stehen zur Therapie von MRSA-Infektionen nur wenige Substanzen zur Verfügung: ■ Die Glycopeptide Vancomycin und Teicoplanin. ■ Quinupristin/Dalfopristin (Synercid®). ■ Linezolid (Zyvox®). 왘 Merke. Diese Substanzen dürfen nur zur Therapie einer Infektion eingesetzt
왗 Merke
werden und nicht zur Dekolonisation bei Besiedlung von Nase oder Körperoberfläche mit MRSA. Mit Antibiotika lässt sich keine Kolonisation beseitigen! Dies führt nur zu Resistenzen, die auch schon für Quinupristin/Dalfopristin und Linezolid bekannt sind. Die große Gefahr bei ungezielter Therapie mit Vancomycin und Teicoplanin besteht in der Selektion vancomycin- und teicoplaninresistenter Enterokokken. Aufgrund der Oto- und Nephrotoxizität von Vancomycin sollte ein DrugMonitoring mit Spiegelbestimmungen durchgeführt werden. Vancomycin penetriert nur ungenügend in für MRSA-Infektionen relevantes Gewebe. Wesentlich wirksamer ist Linezolid, welches die bakterielle Proteinsynthese hemmt.
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6 Infektiologie
172
A
6.3.4 Wichtige bakterielle Infektionen
6.3.4 Wichtige bakterielle Infektionen
Abszess
Abszess
왘 Definition
왘 Definition. Ansammlung von Eiter in einem durch Gewebezerfall entstandenen Hohlraum. Das geschädigte Gewebe wird durch bakterielle und körpereigene Enzyme eingeschmolzen und grenzt sich durch eine Abszessmembran gegenüber dem gesunden Gewebe ab. Die stark reduzierte Sauerstoffversorgung schafft gute Wachstumsbedingungen für anaerobe Bakterien.
Beispiele: Schweißdrüsenabszess, periproktitischer Abszess, intraabdominelle Abszesse. Therapie: Inzision oder Drainage.
Therapie: Die Therapie der Wahl ist die Inzision bzw. Drainage und Spülung des Abszesses. Eine antibiotische Behandlung ist primär nicht erforderlich (Ubi pus, ibi evacua), sie kann hingegen systemische Reaktionen kupieren. Die Therapie von Abszessen sollte möglichst in Allgemeinanästhesie erfolgen, da regionale Anästhesieverfahren zu einer Verschleppung in gesundes Gewebe führen können.
Empyem
Empyem
왘 Definition
왘 Definition. Eiteransammlung in einer präformierten, geschlossenen Höhle ohne Abflussmöglichkeit des infizierten Materials.
Beispiele: Pleuraempyem, Gallenblasenempyem, Gelenkempyem. Therapie: Drainage, Cholezystektomie bei Gallenblasenempyem, Gelenkspülung. Antibiotika.
Therapie: Entfernung des Eiters durch eine Drainage (z. B. Bülau-Drainage bei Pleuraempyem), Cholezystektomie bei Gallenblasenempyem, Spülung eines Gelenks. Antibiotische Therapie, z. B. Clindamycin oder Breitspektrumpenicilline oder -cephalosporine in Kombination mit Metronidazol.
Erysipel
Erysipel
왘 Definition
왘 Definition. Das Erysipel ist eine scharf begrenzte, schmerzhafte intrakutane
Entzündung der Lymphbahnen durch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (Abb. A-6.2).
A-6.2
Erysipel
b
a
a Beginnendes Erysipel mit mäßig ausgeprägtem entzündlichem Erythem ohne wesentliche Schwellung. b Fortgeschrittenes Erysipel des gesamten Unterschenkels.
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A 6.3 Chirurgische Infektionen
173
Klinik: Eintrittspforten sind meist kleine Ulzera, kleinste Hautverletzungen (Rhagaden, Schürfwunden), Mazerierungen der Haut (z. B. bei Interdigitalmykose). Besonders betroffen sind Gesicht, Beine und Hände. Das Erysipel kann bei Patienten mit einer Abwehrschwäche oder Diabetes mellitus mit einer Blasenund Nekrosenbildung einhergehen. Bei hohem Fieber und Beteiligung der regionalen Lymphknoten besteht eine ausgeprägte Allgemeinsymptomatik und die Gefahr einer systemischen Manifestation mit Streptokokkensepsis und Endokarditis. Ein unbehandeltes Erysipel besitzt eine hohe Letalität. Bei Formen mit Lymphödem durch Obliteration der Lymphgefäße besteht eine hohe Rezidivrate (etwa 30 %).
Klinik: Eintrittspforten sind meist kleine Ulzera und/oder kleinste Hautverletzungen.
Therapie: Konsequente Ruhigstellung und hochdosierte systemische Antibiotikagabe (Mittel der Wahl: Penicillin G oder V).
Therapie: Ruhigstellung, Antibiotika.
Phlegmone
Phlegmone
왘 Definition. Fortschreitende Ausbreitung einer Infektion, begleitet von einer Zellnekrose.
왗 Definition
Ätiologie: Ursächliche Erreger sind vorwiegend hämolysierende Streptokokken, seltener Staphylokokken.
Ätiologie: Ursächliche Erreger sind meist hämolysierende Streptokokken.
Klinik: Die Phlegmone ist durch die unscharfe Abgrenzung gegenüber der Umgebung gekennzeichnet. Die Ausbreitung erfolgt bevorzugt im lockeren Bindegewebe der Subkutis, zwischen Muskeln, unter dem Periost und im Knochenmark. Beispiele: Hohlhandphlegmone, Beugesehnenphlegmone (Abb. A-6.3).
Klinik: Unscharfe Abgrenzung gegenüber der Umgebung mit Ausbreitung v. a. subkutan, zwischen Muskeln, unter dem Periost und im Knochenmark. Beispiele: Hohlhandphlegmone, Beugesehnenphlegmone (Abb. A-6.3).
Therapie: konsequente Ruhigstellung und systemische Antibiotikatherapie (Penicilline).
Therapie: Ruhigstellung, Antibiotika.
Erysipeloid
Erysipeloid
왘 Definition. Das Erysipeloid ist eine scharf begrenzte violett-rote Verfärbung
왗 Definition
der Haut mit Schwellung an den Fingern und der Hand (Schweine-Rotlauf) vorwiegend bei Schlachtern, Landwirten, Arbeitern der Fischindustrie und Tierärzten.
A-6.3
Beugesehnenphlegmone mit Schwellung des Armes und unscharfer Begrenzung der Hautrötung
A-6.3
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6 Infektiologie
174
A
Ätiologie: Erreger ist Erysipelothrix rhusiopathiae. Die Infektion beim Menschen erfolgt über Hautläsionen im Umgang mit infiziertem Tiermaterial.
Ätiologie: Der Erreger ist Erysipelothrix rhusiopathiae, ein grampositives aerobes Stäbchen. Dieser Keim ruft bei Schweinen, Geflügel, Wild oder Fisch eine systemische Infektion hervor. Die Infektion beim Menschen erfolgt über Hautläsionen im Umgang mit infiziertem Tiermaterial, geht mit leichtem Fieber einher (im Gegensatz zum Erysipel) und zeigt selten systemische Manifestationen.
Therapie: Ruhigstellung, Antibiotika. Keine Inzision!
Therapie: Ruhigstellung und Antibiotika (Mittel der Wahl: Penicillin V). Bei einer Penicillin-Allergie können Tetrazyklin oder Erythromycin gegeben werden. Inzision und Drainage sind kontraindiziert und können den Verlauf verlängern.
Follikulitis, Furunkel, Karbunkel
Follikulitis, Furunkel, Karbunkel
왘 Definition
왘 Definition. ■ ■ ■
■
Follikulitis: Entzündung der Talgdrüsen. Furunkel: Entzündung von Haarbalg und zugehöriger Talgdrüse. Karbunkel: Konfluierende Furunkel mit ausgedehnter epifaszialer Nekrosenbildung. Furunkulose: Gleichzeitiges und rezidivierendes Auftreten von Furunkeln.
Ätiologie: häufig bei Abwehrschwäche (z. B. Diabetes mellitus) oder mangelnder Hygiene.
Ätiologie: Häufig besteht eine Abwehrschwäche (z. B. Diabetes mellitus) oder eine mangelnde Hygiene (Autoinfektionen). Die Furunkulose bei Jugendlichen ist durch hormonelle Veränderungen mit einer verminderten Hautabwehrfunktion bedingt.
Therapie: chirurgische Inzision bei Abszessen und Lymphangitis. Exzision des Karbunkels.
Therapie: bei Einschmelzung und lokaler Ausbreitung (Abszesse, Lymphangitis) chirurgische Inzision. Beim Karbunkel Exzision in toto bis auf die Faszie der Muskulatur.
Lymphangitis, -adenitis
Lymphangitis, -adenitis
Eine Entzündung an den Extremitäten im Verlauf der Hauptlymphgefäße wird als Lymphangitis, ein Befall der regionären Lymphknoten als Lymphadenitis bezeichnet.
Als Komplikation einer lokalen Entzündung an den Extremitäten kann sich ein charakteristischer roter Streifen (im Volksmund „Blutvergiftung“) im Verlauf der Hauptlymphgefäße entwickeln, eine Lymphangitis. Schreitet die Entzündung fort und erreicht die regionalen Lymphknoten, die dann druckdolent anschwellen, handelt es sich um eine Lymphadenitis. Erreger sind vorwiegend Streptokokken, aber auch Staphylokokken. Eintrittspforten sind kleine Verletzungen, Insektenstiche, Bissverletzungen an den Extremitäten, Entzündungen des Nagelwalles oder -bettes.
Therapie: Ruhigstellung der betroffenen Extremität, feuchte Verbände und Behandlung der auslösenden Entzündung. Bei Lymphadenitis Antibiotikum, bei Abszessen Inzision.
Therapie: Im Vordergrund steht die Behandlung der auslösenden Entzündung. Die Therapie der Lymphangitis erfolgt durch Ruhigstellung der betroffenen Extremität. Bei Allgemeinsymptomen als Zeichen der systemischen Beteiligung, z. B. der Lymphadenitis, sollte ein Antibiotikum parenteral appliziert werden (Mittel der Wahl Penicillin), um eine Sepsis zu vermeiden. Bei Einschmelzung und Abszedierung sind chirurgische Maßnahmen indiziert.
Fremdkörperinfektionen
Fremdkörperinfektionen
Fremdkörper verursachen lokale Infektionen.
Fremdkörper führen zu einer lokalen entzündlichen Reaktion, die sich als Lymphangitis und Lymphadenitis ausbreiten kann.
Therapie: Wundrevision, Tetanusprophylaxe.
Therapie: Revision der Wunde. Eine Tetanusprophylaxe ist obligat.
Bissverletzungen
Bissverletzungen
Siehe S.145.
Siehe S. 145.
Gangrän
Gangrän
Eine Verflüssigung oder Verjauchung von Nekrosen kennzeichnet die feuchte Gangrän im Gegensatz zur trockenen Gangrän.
Eine trockene Gangrän ist eine Nekrose des Gewebes ohne Verflüssigung bzw. Verjauchung. Die trockene Nekrose kann durch eine bakterielle Besiedlung in eine feuchte Gangrän übergehen. Kennzeichnend für eine feuchte Gangrän sind der faulige, süßliche Geruch und die grau-grün-schwarze Verfärbung von nekrotischem Gewebe. Durch Kontamination mit Erregern wie Staphylokokken,
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A 6.3 Chirurgische Infektionen
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aeroben und anaeroben Streptokokken, Clostridien und gramnegativen Keimen (z. B. Bacteroides, Proteus, Pseudomonas aeruginosa) tritt eine Verflüssigung oder Verjauchung des nekrotischen Gewebes auf. Therapie: ■ Trockene Gangrän: Hier kann bis zur Demarkierung der Nekrosen abgewartet werden, die dann belassen oder oberflächlich abgetragen werden, da sich darunter Granulationsgewebe gebildet hat. ■ Feuchte Gangrän: Hier ist die Abtragung der Nekrosen bis in gut durchblutetes Gewebe die Therapie der Wahl. Die Anwendung moderner Wundtherapie mit maximaler Ausnutzung der Therapieoptionen wie Hydrokolloid und Vacuseal kann die Amputationsrate möglichst gering halten. Eine Amputation bei zudem bestehender Arteriosklerose erfordert aufgrund der Gefahr einer Gasbrandinfektion (s. u.) eine perioperative Antibiotikaprophylaxe.
Therapie: ■ Trockene Gangrän: Abwarten der Demarkierung. ■ Feuchte Gangrän: Abtragung der Nekrosen bis in gesundes Gewebe, ggf. Amputation.
Gasbrand
Gasbrand
왘 Synonym. Gasgangrän.
왗 Synonym
왘 Definition. Clostridien-Infektion mit Nekrose der Muskulatur, die sich diffus
왗 Definition
ausbreitet. Erreger: Mehr als 90 % aller Gasbrandfälle werden durch Clostridium perfringens verursacht (Abb. A-6.4). Seltene Erreger sind Clostridium novyi, septicum, histolyticum, haemolyticum, oedematiens. Clostridien sind obligat anaerobe, grampositive Sporenbildner, die ubiquitär vorkommen (die erkrankte Gallenblase und das Kolon enthalten eine große Zahl von Clostridien, ebenso die Perianalregion bei 40 % gesunder Individuen). Etwa 75 % der Gasbranderkrankungen sind jedoch multimikrobielle Infektionen mit C. perfringens als Haupterreger und häufig E. coli, Bacteroides, Streptococcus faecalis und weiteren Enterobakterien.
Erreger: Clostridium perfringens ist bei mehr als 90 % Erreger des Gasbrands (Abb. A-6.4).
Pathogenese: Die Erreger des Gasbrands benötigen anaerobe Bedingungen und bilden verschiedene Exotoxine, die eine aggressive, enzymatisch zersetzende Wirkung gegenüber dem betroffenen Gewebe aufweisen. Das aggressivste der mehr als 20 Exotoxine ist das Alpha-Toxin, eine Lecithinase, die die Gewebenekrose und Hämolyse durch Zerstörung von Zellmembranen von z. B. Endotheloder Blutzellen hervorruft. Ein optimales Milieu bieten tiefe, zerfetzte und verschmutzte Wunden. Kleine Wunden oder Laparotomiewunden nach Darmresektionen oder in der Gallenwegschirurgie können ebenfalls Ausgangspunkt eines Gasbrands sein. Die Mehrzahl der Fälle (etwa 50 %) tritt nach einem Trauma, etwa ein Drittel postoperativ und ein geringer Teil ohne erkennbare Ursache auf. Risikopatienten sind solche nach Amputation aufgrund einer peripheren Verschlusskrankheit.
Pathogenese: Anaerobe Bedingungen bieten ein optimales Milieu für die Erreger des Gasbrands. Tiefe, zerfetzte, verdreckte und nekrotische Wunden sind prädisponierend. Etwa 50 % der Infektionen treten posttraumatisch auf.
A-6.4
Gasgangrän
A-6.4
Hautnekrose einer posttraumatischen Gasgangrän am Oberschenkel bei Monoinfektion mit Clostridium perfringens.
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A
6 Infektiologie
Bei Patienten mit Diabetes mellitus, Durchblutungsstörungen oder Neoplasma kann sich der Gasbrand spontan als primäre Infektion entwickeln. Klinik: ■ Starke Wundschmerzen. ■ Entleerung von Exsudat. ■ Fieber, Tachykardie, Desorientiertheit. ■ Kupfer- oder bronzefarbene Haut, süßlich riechendes Wundsekret. ■ Krepitation der Haut. ■ Organinsuffizienz.
Klinik: Die Inkubationszeit des Gasbrands ist mit weniger als drei Tagen, meist weniger als 24 Stunden kurz. Eines der ersten Symptome sind starke Wundschmerzen, die im Gegensatz zu einer unauffälligen Wunde stehen. Kurze Zeit später wird die Wunde ödematös und es entleert sich ein seröses, manchmal blutig tingiertes Exsudat. Zu diesem Zeitpunkt ist der Patient bereits desorientiert, tachykard und hat Fieber bis über 40 °C. Im weiteren Verlauf wird die Haut kupfer- oder bronzefarben, es können sich Blasen entwickeln, es entleert sich Wundsekret mit einem sehr charakteristischen süßlichen Geruch. Ein spätes Zeichen sind Krepitationen der Haut durch Gasbildung. Es bestehen lebensbedrohliche Symptome mit Ateminsuffizienz, Hypotonie, später Anurie, Anämie und Ikterus als Folge der Hämolyse.
Sonderformen: ■ Lokalisierte Clostridien-Myonekrose. ■ Toxische Clostridien-Zellulitis. ■ Nichttoxische Clostridien-Zellulitis.
Sonderformen: ■ Lokalisierte Clostridien-Myonekrose: Das betroffene Muskelgewebe wird nekrotisch wie beim Gasbrand, es fehlen jedoch die systemischen Zeichen der Entzündung. ■ Toxische Clostridien-Zellulitis: Das subkutane Gewebe einschließlich der Faszie ist nekrotisch, während die Muskulatur nicht betroffen ist. Eine Gasbildung tritt frühzeitig auf und die systemisch-toxischen Reaktionen gleichen dem Gasbrand. ■ Nichttoxische Clostridien-Zellulitis: Die Zellulitis ist lokalisiert ohne systemisch-toxische Reaktionen.
Diagnostik: Die Diagnose der Gasgangrän/ Gasbrand wird in erster Linie klinisch gestellt.
Diagnostik: In erster Linie gründet sich die Diagnose auf das beschriebene klinische Bild mit seinen lokalen und systemischen Symptomen. Der bakteriologische Nachweis gelingt durch eine Gram-Färbung aus dem Wundsekret oder aus Pusteln/Bullae oder aus Probeexzisionen der betroffenen Muskulatur. Die Gasbildung führt im Röntgenbild zur typischen Muskelfiederung.
Differenzialdiagnose: Auch E.coli, Peptostreptokokken und Bacteroides spec. können subkutan Gas bilden. Zu differenzieren sind: ■ Nekrotisierende Fasziitis. ■ Anaerobe Streptokokken-Myositis. ■ β-hämolysierende StreptokokkenGangrän. ■ Meleney-Gangrän.
Differenzialdiagnose: Eine Vielzahl von gasbildenden Infektionen ähneln dem Gasbrand. Der Nachweis von subkutanem Gas durch Palpation oder radiologisch ist längst nicht immer mit einer Clostridien-Infektion gleichzusetzen. Auch E. coli, Peptostreptokokken und Bacteroides spec. bilden unter entsprechenden metabolischen Bedingungen Gas. Differenzialdiagnostisch kommen folgende Infektionen in Frage, die sich durch den Nachweis des jeweiligen Erregers differenzieren lassen: ■ Nekrotisierende Fasziitis (S. 180). ■ Anaerobe Streptokokken-Myositis. ■ β-hämolysierende Streptokokken-Gangrän. ■ Meleney-Gangrän (anaerobe Streptokokken im Synergismus mit Staphylokokken).
Therapie: ■ Gasgangrän/Gasbrand: Chirurgie, Antibiotika, Intensivmedizin und Therapie mit hyperbarem Sauerstoff. ■ Lokalisierte Clostridien-Myonekrose: Exzision der betroffenen Muskulatur und Antibiotika. ■ Toxische Clostridien-Zellulitis: wie bei eigentlicher Gasgangrän (s.o.). ■ Nichttoxische Clostridien-Zellulitis: Inzision, Drainage und Antibiotika.
Therapie: ■ Gasbrand: Die heute geltende Behandlung besteht aus der chirurgischen Therapie, der antibiotischen Behandlung, der intensivmedizinischen Therapie und der Behandlung mit hyperbarem Sauerstoff. Das wichtigste chirurgische Ziel ist die breite Freilegung der Infektion (z. B. durch Fasziotomie an den Extremitäten) und die Entfernung der Nekrosen. Eine Amputation der betroffenen Extremitäten ist bei Ausbreitung der Infektion manchmal unumgänglich. Das Problem sind jedoch die schweren systemischen Reaktionen, die intensivmedizinisch behandelt werden müssen und die schnell fortschreitende Phlegmone, die mit hyperbarem Sauerstoff zu behandeln ist. Die Wirkung des hyperbaren Sauerstoffs beruht auf der Bildung freier Sauerstoffradikalen, die die Toxinproduktion der Clostridien stoppen. Penicillin ist das Mittel der Wahl bei der Clostridium-perfringens-Monoinfektion. Bei Mischinfektionen (s.o.) sollten die applizierten Antibiotika gegen anaerobe und aerobe Bakterien empfindlich sein. Mittel sind u. a. Clindamycin, Metronidazol, Gentamicin oder Tobramycin.
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A 6.3 Chirurgische Infektionen
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Lokalisierte Clostridien-Myonekrose: Die lokalisierte Exzision der betroffenen Muskulatur unter der antibiotischen Therapie ist ausreichend. Toxische Clostridien-Zellulitis: Die Behandlung entspricht der eigentlichen Gasgangrän. Nichttoxische Clostridien-Zellulitis: Inzision, Drainage und Antibiotikatherapie sind ausreichende Maßnahmen.
Tetanus
Tetanus
Erreger: Der Erreger des Tetanus, Clostridium tetani, ist ein anaerob wachsendes, grampositives und sporenbildendes Stäbchenbakterium, welches ubiquitär im Erdreich, aber auch im menschlichen Darm zu finden ist.
Erreger: Clostridium tetani, anaerob wachsendes, grampositives und sporenbildendes Stäbchenbakterium.
왘 Merke. Die Mehrzahl der Infektionen tritt aufgrund einer unzureichenden protektiven Immunität bei Patienten über 50 Jahre auf. Der unzureichende Impfschutz trifft für 25 % der Bevölkerung in Mitteleuropa zu. Neben dem Alter der Patienten sind intravenöse Drogenabhängigkeit und Diabetes mellitus weitere Risikofaktoren. In Afrika liegt die Prävalenzrate einer Tetanusinfektion bei knapp 20 %.
Pathogenese: Sporen des ubiquitär vorkommenden Erregers gelangen über kontaminierte Wunden in den menschlichen Organismus. Weitere Eintrittspforten können Laparotomiewunden, Verbrennungen, Hautulzerationen, Otitis media oder Zahninfektionen sein. Sonderformen sind der Nabelschnurtetanus und der Tetanus post abortum. Tetanusinfektionen treten gehäuft nach Bagatelltraumen (z. B. Schnitt- oder Splitterverletzungen) auf. In 10 bis 20 % der Fälle ist sogar eine Ursache nicht nachweisbar. 왘 Merke. Jede Wunde ist tetanusgefährdet.
왗 Merke
Pathogenese: Kontaminierte Wunden sind die häufigste Eintrittspforte des ubiquitär vorkommenden Erregers.
왗 Merke
Clostridium tetani bildet mehrere Exotoxine, wobei das Tetanospasmin das eigentliche Tetanustoxin darstellt und neurotoxisch wirkt. Die Toxinproduktion in Wunden wird durch Nekrosen, Fremdkörper und aerobe Mischinfektionen, die Sauerstoff verbrauchen und anaerobe Bedingungen schaffen, begünstigt. Das Tetanustoxin bindet mit hoher Affinität an Nervenzellen, wandert entlang der Nervenbahnen zu den Vorderhörnern des Rückenmarks und hemmt die Freisetzung inhibitorisch wirkender Transmitter. Klinik: Erregende Impulse durch Hemmung der inhibitorisch wirkenden Transmitter führen innerhalb von 24 bis 72 Stunden zu den typischen klinischen Symptomen mit einem tonischen Krampf der Kiefer- und Zungenmuskulatur, einer kontrahierten Massetermuskulatur (Trimus), einem scharf ausgezogenen Mundwinkel (Teufelslachen oder Risus sardonicus) und Krämpfen der Nacken-, Rücken- und Bauchmuskulatur (Opisthotonus). Tonische Kontraktionen der Atemmuskulatur führen zur Hypoxie und Ateminsuffizienz. Bereits leichte akustische oder optische Reize können schmerzhafte Krämpfe auslösen. Schwere Formen des Tetanus (bei etwa einem Drittel der Patienten) sind durch eine Instabilität der Herz- und Kreislauffunktion sowie pulmonale Komplikationen gekennzeichnet.
Klinik: Erhöhung der Muskelrigidität, Krampf der Kiefer- und Zungenmuskulatur, Kontraktion des M. masseter (Trismus), scharf ausgezogene Mundwinkel (Risus sardonicus), Krämpfe der Nacken-, Rücken- und Bauchmuskulatur (Ophistotonus), Ateminsuffizienz. Schwere Verläufe sind durch eine Herz-/ Kreislaufinstabilität und pulmonale Komplikationen gekennzeichnet.
Diagnostik: Die Diagnose der Tetanusinfektion wird klinisch anhand der typischen Symptomatik gestellt. Der kulturelle Nachweis von Clostridium tetani ist ebenso wie der Tierversuch mit Gewebeproben oder Serum zweitrangig.
Diagnostik: Die Diagnose wird klinisch gestellt.
Therapie: Die primäre Therapiemaßnahme besteht in der chirurgischen Behandlung der verursachenden Läsionen, der Entfernung von Nekrosen, von Fremdkörpern oder in der Drainage von Abszessen. Zur Neutralisation des zirkulierenden Toxins sind 500 IE humanes Tetanus-Immunglobulin in einmaliger Anwendung ausreichend.
Therapie: chirurgische Behandlung, Beatmung/Tracheotomie, Sedierung, Muskelrelaxierung, Neutralisation zirkulierender Toxine durch humanes Tetanus-Immunglobulin, Antibiotikatherapie, Intensivmedizin.
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6 Infektiologie
Die Therapie mit Antibiotika wie Penicillin, alternativ Cephalosporine bzw. Doxycyclin oder mit Metronidazol kann die Nachproduktion von Tetanustoxin durch Abtötung der Erreger verhindern. Bei Hypoxie und Ateminsuffizienz ist eine Beatmung notwendig. Um den Effekt sensorischer Stimuli zu verringern, sollte neben der Sedierung eine Muskelrelaxierung erfolgen. Die kardialen Komplikationen werden durch eine erhöhte Katecholaminfreisetzung hervorgerufen, die erfolgreich mit hochdosierter Gabe von Magnesium zu therapieren ist. 왘 Tetanusprophylaxe
왘 Tetanusprophylaxe: ■
■
■
Grundimmunisierung: 3 i. m. Gaben von je 0,5 ml Tetanus-Toxoid (Tetanol) in einem 4-Wochen-Abstand bzw. 1-Jahres-Abstand. Auffrischimpfungen sollten mindestens alle 10 Jahre vorgenommen werden. Im Verletzungsfall: Bei vollständig vorimmunisierten Patienten, deren Impfung länger als 1 Jahr zurückliegt, erfolgt eine Auffrischimpfung mit Tetanus-Toxoid bei verschmutzten oder zerfetzten Wunden und stets bei verspäteter Versorgung. Bei fehlender oder unvollständiger Grundimmunisierung wird regelhaft eine Simultanimpfung mit humanem Tetanus-Hyperimmunglobulin (250 IE Tetagam) und mit 0,5 ml Tetanus-Toxoid i. m. an kontralateralen Körperstellen durchgeführt. Nach 2 – 4 Wochen und nach 1 Jahr ist die aktive Impfung mit Tetanol zu wiederholen. Kontraindikationen gegen eine prophylaktische (aktive) Grundimmunisierung bestehen bei eitrigen Hauterkrankungen und bei vorausgegangener Impfung gegen Gelbfieber oder Pocken. Das Impfintervall sollte hier mindestens 4 Wochen betragen. Kontraindikationen gegen eine passive Immunisierung sind nicht bekannt.
Tuberkulose
Tuberkulose
Erreger: Mycobacterium tuberculosis ist der häufigste Erreger, M. bovis und M. africanum treten vereinzelt und regional auf.
Erreger: Mycobacterium tuberculosis ist für die Mehrzahl aller Erkrankungen in den Industrieländern verantwortlich. Mycobacterium bovis ruft in diesen Ländern vereinzelt, in Ländern mit Rinderdurchseuchung häufig Tuberkulose hervor. Mycobacterium africanum kommt in einigen Ländern Afrikas als Erreger in Frage.
Epidemiologie: Die Zahl der Tuberkuloseerkrankungen ist seit 1980 wieder beträchtlich angestiegen. Ursachen sind eine zunehmende Zahl von immunsupprimierten Patienten, u. a. mit HIV-Infektionen. Mehrfachresistenzen der Erreger kommen komplizierend hinzu.
Epidemiologie: Nach deutlichem Rückgang der Tuberkulose in den Industrieländern durch den Einsatz effektiver Antituberkulostatika in den 60er und 70er Jahren hat die Zahl der Erkrankungen seit 1980 wieder beträchtlich zugenommen. In Deutschland beträgt die Inzidenz 9 pro 100 000 Einwohner. Ursachen sind eine zunehmende Zahl von Einwanderern aus Ländern mit einer hohen Tuberkuloseprävalenz, die ansteigende Zahl von Patienten mit HIV-Infektionen, von Immunsupprimierten anderer Genese (z. B. Alkohol- oder Drogenabhängigkeit, verbunden mit einem schlechten Ernährungszustand), die zunehmende Armut, Obdachlosigkeit und die Zahl alter und gebrechlicher Menschen. Verschärft wird die Situation durch eine rasche Zunahme von resistenten Erregerstämmen.
Pathogenese: Die Lunge ist in der Mehrzahl der Fälle Erstmanifestationsort der Tuberkulose. Die Erreger persistieren bei intakter Abwehr lange im Organismus. Knochen- und Gelenktuberkulose oder eine Peritonealtuberkulose können durch eine lymphogene oder hämatogene Aussaat entstehen.
Pathogenese: Die Lunge stellt in den meisten Fällen (80 %) die Eintrittspforte und den Manifestationsort der Tuberkulose dar. Innerhalb einiger Wochen bilden sich kleine Granulome oder Tuberkulome (Primärkomplex) aus, von denen aus lymphogen die regionären Lymphknoten befallen werden. Ein Gleichgewicht zwischen Abwehrkräften und Persistenz der Mykobakterien kann über Jahre bestehen bleiben. Bei einer Schwächung des Immunsystems wird die Tuberkulose klinisch apparent. Eine lymphogene oder hämatogene Streuung von Tuberkelbakterien kann zu einer Knochen- und Gelenktuberkulose oder zur Peritonealtuberkulose führen.
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A 6.3 Chirurgische Infektionen
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Das Krankheitsbild der gastrointestinalen Tuberkulose wird in den meisten Fällen durch Ingestion von Mycobacterium tuberculosis verursacht. Häufigster Manifestationsort ist die Ileozökalregion, Jejunum, Kolon, Magen und Duodenum sind weniger häufig befallen.
Die gastrointestinale Tuberkulose wird meist durch Ingestion von Mycobacterium tuberculosis verursacht. Der häufigste Manifestationsort ist die Ileozökalregion.
Klinik: Bei einer Schwächung des Immunsystems, insbesondere des spezifischen Systems, kann die Erkrankung auch Jahre nach der Infektion ausbrechen. Bei Immunsupprimierten (z. B. HIV-Infektionen) hingegen liegen Infektion und Erkrankung zeitlich eng zusammen. Die Initialsymptome sowohl der Lungen- als auch der gastrointestinalen Tuberkulose sind unspezifisch mit Fieber, Husten, Bauchschmerzen oder einem tastbaren Bauchtumor. Die pulmonale Form kann sich als Pneumonie, Pleuritis, als lokalisierte Kaverne oder generalisiert als Miliartuberkulose, die gastrointestinale, ulzerierende Form mit Blutungen, häufig mit aktiver Lungentuberkulose vergesellschaftet, die hypertrophische Form mit Stenosen, Obstruktionen oder Perforationen äußern. Nicht selten findet sich auch als Erstmanifestation einer Wirbelsäulen- oder Urogenitaltuberkulose ein Senkungsabszess entlang des M. psoas.
Klinik: Die Symptomatik der Tuberkulose ist unspezifisch und macht die Diagnose bei vielfältiger Differenzialdiagnose schwierig. Bei einer Schwächung der Immunabwehr kann die Erkrankung klinisch apparent werden. Die pulmonale Form der Tuberkulose kann sich als Pneumonie, Pleuritis, Kaverne oder Miliartuberkulose äußern. Die gastrointestinale Form kann Komplikationen durch Blutungen, Stenosen, Obstruktionen oder Perforationen hervorrufen. Ein Senkungsabszess kann Erstmanifestation einer Wirbelsäulen- oder Urogenitaltuberkulose sein.
Diagnostik: Die mikroskopische Diagnose einer Tuberkulose erfolgt durch Nachweis säurefester Stäbchen (Ziehl-Neelsen-Färbung) im Wundsekret, im Speichel, im Magensaft oder histologisch durch Nachweis spezifischer Granulome. Der Tuberkulintest hat in den Ländern mit hoher Tuberkulosedurchseuchung bezüglich der Diagnose einer aktiven Form wenig Aussagekraft. Bei pulmonaler Tuberkulose kann die Rate falsch negativer Reaktionen 20 bis 25 % betragen. Der Nachweis auf Spezialnährböden oder im Tierversuch sind weitere diagnostische Möglichkeiten. Die röntgenologische Kolonuntersuchung ist für die Lokalisation unentbehrlich, Biopsien können durch Endoskopie, Laparoskopie oder operative Verfahren gewonnen werden.
Diagnostik: Der Nachweis säurefester Stäbchen oder der histologische Nachweis spezifischer Granulome sichern die Diagnose.
Therapie: ■ Chirurgie: Die Kausaltherapie der Tuberkulose erfolgt medikamentös. Zum differenzialdiagnostischen Ausschluss eines Malignoms kommen sowohl Lungenteil- als auch Darmteilresektionen in Frage. Bei pulmonalen oder gastrointestinalen Blutungen sind endoskopische und operative Verfahren möglich. Bei Stenosen oder Obstruktionen sind Resektionen des betroffenen Darmabschnittes Mittel der Wahl. Abszesse werden operativ oder sonographisch- bzw. CT-gesteuert drainiert und Fisteln operativ saniert. ■ Chemotherapie: Bei einer hohen Spontanresistenz gegen Tuberkulostatika werden bei einer Monotherapie Mutanten selektioniert. Bei einer langfristigen (6 bis 12 Monate) Dreifach- oder Vierfachtherapie ist die Gefahr der Resistenzentwicklung gering. Die wichtigsten Antituberkulostatika sind Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid, Streptomycin, Ethambutol.
Therapie: ■ Chirurgie: Operative Verfahren sind Teilresektionen von Lunge oder Darm. Blutungen können endoskopisch oder operativ gestillt werden, Abszesse werden drainiert und Fisteln operativ saniert. ■ Chemotherapie: Die kausale Therapie der Tuberkulose erfolgt medikamentös mit einer Drei- oder Vierfachtherapie.
Prophylaxe (BCG-Impfung): Eine Impfung mit dem Bacillus-Calmette-Guérin(BCG-)Lebendimpfstoff kann bei geringen Nebenwirkungen bereits im Säuglingsalter durchgeführt werden. Die Infektion kann durch die Impfung nicht verhindert werden, das Risiko einer Tuberkulose wird jedoch um 50 % gesenkt, die Mortalität und schwere extrapulmonale Verläufe verringert.
Prophylaxe (BCG-Impfung): Die BCG-Impfung dämmt den Erreger ein, begünstigt den Verlauf und verhindert die Ausbreitung, beseitigt den Erreger jedoch nicht gänzlich.
Aktinomykose
Aktinomykose
Erreger ist Actinomyces Wolff-Israel, ein grampositives, anaerobes Bakterium (kein Pilz!). Der Keim kommt ubiquitär auf den Schleimhäuten des Mund-, Nasen- und Rachenraumes, der Luftwege sowie des Verdauungstraktes vor.
Erreger: Bakterium Actinomyces WolffIsrael (kein Pilz).
Pathogenese: Die Aktinomykose ist eine chronisch verlaufende, mit Nekrosen und Fisteln einhergehende Entzündung. Die Infektion manifestiert sich zu 60 % orofaszial und zervikal, zu 20 % in der Lunge und zu weiteren 20 % im Gastrointestinaltrakt.
Pathogenese: Die Infektion manifestiert sich am häufigsten orofaszial und zervikal, seltener in der Lunge und im Gastrointestinaltrakt.
Der Tuberkulintest hat eine hohe Rate falsch negativer Reaktionen. Röntgenologische Untersuchungen und Biopsien sind weitere diagnostische Hilfsmittel.
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A
6 Infektiologie
Voraussetzung einer Infektion sind z. B. Mundschleimhautverletzungen, Zahnfleischtaschen mit Periodontitis oder Läsionen nach Zahnextraktion. Im Verdauungstrakt können Ulzera oder Divertikel Ursachen der Infektion sein. Die häufigste Lokalisation im Verdauungstrakt ist die Zökalregion. Bei Frauen mit einem Intrauterinpessar können auch die Beckenorgane betroffen sein. Klinik: Die Entzündung verläuft chronisch, indurierend, drusenbildend und wächst tumorähnlich. Gesicht/Hals: Es entstehen knotige Infiltrate, die meist aus einer Tonsillitis oder aus Infektionen der Zähne bzw. des Zahnfleisches entstehen. Lunge: Unspezifische Symptome sind u. a. Husten, Fieber, Hämoptysen und Pleuritis. Abdomen: Die häufigste Lokalisation ist die Ileozökalregion.
왘 Merke
Klinik: Die Entzündung verläuft chronisch, indurierend, tumorähnlich, drusenbildend mit Tendenz zu Abszess- und Fistelbildung. Charakteristisch sind brettharte Infiltrate, livide Verfärbung der Haut und zahlreiche Fisteln. Im Gesicht und den Halsweichteilen entstehen harte, knotige Infiltrate, die meist per continuitatem durch eine Infektion der Tonsillen, der Zähne oder des Zahnfleisches entstehen. Die thorakale Form kann Symptome wie Husten, Fieber, Gewichtsverlust, Hämoptysen und Pleuritis hervorrufen. Rippen werden bei einer lokalen Ausbreitung infiltriert und chronische Fisteln können sich ausbilden. Die abdominelle Aktinomykose entwickelt sich häufig nach Appendektomien, bei perityphlitischen Abszessen oder nach traumatischen Perforationen des Darmes. 왘 Merke. Bei chronischen Fisteln sollte man immer auch eine Aktinomykose mit in Betracht zu ziehen.
Diagnostik: Die Diagnose erfolgt histologisch oder mikrobiologisch.
Diagnostik: Die Diagnose erfolgt histologisch durch den Nachweis von gelblichen Granula im Eiter (Drusen) oder den mikrobiologischen Erregernachweis.
Therapie: Erst Penicillin intravenös für 4 bis 6 Wochen und anschließend für 2 bis 6 Monate oral. Bei Mischinfektionen Kombination mit anderen Antibiotika.
Therapie: Penicillin G (i. v.) über 4 bis 6 Wochen, dann Penicillin V (p. o.) für mindestens 2 bis 6 Monate. Bei Mischinfektionen mit anderen Anaerobiern ist z. B. Penicillin zusammen mit Metronidazol, Flucloxacillin, Clindamycin oder bei Penicillinallergie Doxycyclin empfehlenswert.
Differenzialdiagnose: Bei Therapieversagen kommt die klinisch und mikroskopisch ähnliche Nokardiose differenzialdiagnostisch in Betracht.
Differenzialdiagnose: Bei Versagen der Therapie muss an die sehr seltene Nokardiose gedacht werden, die klinisch und mikroskopisch ähnlich ist. Die Therapie der Nokardiose wird mit Sulfonamiden, Co-Trimoxazol und selten auch mit Imipenem durchgeführt.
Nekrotisierende Fasziitis
Nekrotisierende Fasziitis
Erreger: Streptokokken der Gruppe A.
Erreger: Bei den Erregern handelt es sich um Streptokokken der Gruppe A. Meist (80 % der Fälle) handelt es sich um polymikrobielle Mischinfektionen, Monoinfektionen sind selten.
Pathogenese: Die nekrotisierende Fasziitis ist eine schwere Weichteilinfektion mit hoher Letalität, die durch eine Nekrose der Faszie ohne primäre Muskelbeteiligung charakterisiert ist.
Pathogenese: Die nekrotisierende Fasziitis ist eine schwere Weichteilinfektion mit einer Letalität von 30 bis 35 %. Die häufigste Lokalisation ist in zwei Drittel der Fälle perineal und in einem Drittel an den Extremitäten. Die Prognose nimmt bei Ausdehnung der Nekrose auf die Faszien des Abdomens und Retroperitoneums deutlich ab. Hauptcharakteristika: ■ Extensive Nekrose der oberflächlichen Faszie mit Ausdehnung auf die angrenzende Haut ohne primäre Muskelbeteiligung (Abb. A-6.5). ■ Mittlere bis schwere systemische Beteiligung des Organismus. Auslösend können eine chirurgische Wunde, ein banales Trauma, Insektenstiche, Abschürfungen oder Kontusionen sein.
Klinik: Eine schmerzhafte Rötung der Haut mit Ödem, die bis zur Gangrän fortschreitet ist das initiale Symptom. Die Patienten sind schwer krank mit hohem Fieber. Schmerzlosigkeit ist ein Zeichen der fortgeschrittenen Entzündung.
Klinik: Die klinischen Zeichen der nekrotisierenden Fasziitis sind eine charakteristische schmerzhafte Rötung der Haut ohne Randsaum, Ödem und Induration, eine livide landkartenartige Mangeldurchblutung der Haut bis zur Gangrän, hohes Fieber und eine Leukozytose. Eine schmerzlose Entzündung ist Zeichen der fortgeschrittenen Nekrose mit Zerstörung der sensiblen Neurone. In diesem Stadium dominieren septische Komplikationen mit Bewusstseinstrübung und Organversagen.
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A 6.3 Chirurgische Infektionen
A-6.5
Nekrotisierende Fasziitis
181 A-6.5
Bläulich livide Verfärbung als pathognomonisches Zeichen einer nekrotisierenden Fasziitis; sie erfordert eine sofortige operative Revision.
Diagnostik: Die nekrotisierende Fasziitis ist eine klinische Diagnose. Die intraoperativ festgestellte Nekrose der Faszie beweist die Diagnose. Differenzialdiagnose: Abzugrenzen sind die progressive bakterielle Gangrän, eine langsam fortschreitende Mischinfektion, die die Haut und Subkutis, aber nie die tiefen Faszien betrifft. Die nekrotisierende Fasziitis befällt primär nicht die Muskulatur, sodass die Unterscheidung zur Myonekrose (z. B. Gasbrand) eindeutig ist. Eine Sonderform der nekrotisierenden Fasziitis stellt die Fournier-Gangrän dar, die als Fasziitis des Perineums und der Genitalorgane definiert ist (die die Faszien des Hodens betrifft). Die Fournier-Gangrän stellt eine synergistische Infektion durch aerobe und anaerobe Erreger mit einer Sterblichkeit bis 67 % dar. Prädisponierende Faktoren in über der Hälfte der Fälle sind Diabetes mellitus, Alkoholabusus, Paraplegie und Niereninsuffizienz. Therapie: Die unverzügliche operative Therapie mit konsequenter Exzision des nekrotischen Gewebes ist die Therapie der Wahl.
왘 Merke. Eine Verzögerung der chirurgischen Therapie resultiert im septi-
Diagnostik: Die nekrotisierende Fasziitis ist eine klinische Diagnose, die bei Fasziennekrose beweisend ist. Differenzialdiagnose: Die progressive bakterielle Gangrän betrifft nie die Faszien, die Myonekrose (z. B. Gasbrand) weist eine primäre Muskelbeteiligung auf. Die Fournier-Gangrän ist eine Sonderform der nekrotisierenden Fasziitis mit Beteiligung der Hodenfaszien.
Therapie: unverzügliche Operation und radikale Exzision der nekrotischen Faszie und Weichteile. 왗 Merke
schen Schock mit Organversagen und Tod. Unterstützend zur chirurgischen Behandlung erfolgt die intensivmedizinische Behandlung und Antibiotikatherapie, die in erster Linie Streptokokken eliminieren muss (z. B. durch Penicilline oder Clindamycin). Innerhalb von 24 Stunden sollte das betroffene Infektionsgebiet in Narkose revidiert werden, um ein Fortschreiten frühzeitig zu therapieren. Amputationen sind bei rechtzeitiger Therapie die Ausnahme, Weichteildefekte können sekundär plastisch gedeckt werden.
Milzbrand
Milzbrand
Erreger: Der grampositive aerobe Sporenbildner Bacillus anthracis findet sich bei Rind, Ziege, Pferd und Schwein. Gefährdet sind daher in erster Linie Veterinäre, Landwirte und Arbeiter in der tierverarbeitenden Industrie (z. B. Schlachthof).
Erreger: Der grampositive aerobe Sporenbildner Bacillus anthracis ist der Erreger des Milzbrandes.
Pathogenese: Die Infektionswege sind oberflächliche Hautverletzungen oder die Inhalation von sporenhaltigem Staub.
Pathogenese: Infektion meist durch oberflächliche Hautverletzungen und Staubinhalation.
Klinik: In über 95 % manifestiert sich der Milzbrand an der Haut mit Pusteln, deren zentrales Bläschen bläulich-schwarz verschorft (Abb. A-6.6). Pusteln oder auch kleine Knötchen breiten sich schnell zu einer hämorrhagisch-nekrotisierenden Läsion mit Satellitenbläschen aus (Pustula maligna), begleitet von einer Lymphangitis und -adenitis. Bei systemischer Infektion mit Fieber, Schüttelfrost bis hin zur seltenen Sepsis können das ZNS (Meningitis) und die Lunge befallen sein. Die Erkrankung ist in Deutschland selten und bei Auftreten meldepflichtig.
Klinik: Die Haut ist Hauptmanifestationsort mit Pusteln und einem bläulich-schwarzen zentralen Bläschen (Abb. A-6.6).
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A
182 A-6.6
6 Infektiologie
Milzbrand
a Beginnendes Milzbrandkarbunkel mit zentraler Ulzeration und schwärzlicher Schorfbildung, die von einem konfluierenden Pustelsaum umgeben ist.
b Schwarze, fest haftende tiefe Nekrose, von einem noch teilweise erkennbaren Pustelsaum sowie einer Rötung und Schwellung umgeben.
In Endemiegebieten wie Peru kann sich bei 5 % der Patienten eine Meningoenzephalitis entwickeln. Bei Verwendung des aerolisierten Bacillus als bioterroristische Waffe gilt eine frühzeitige Erkennung als wesentlich. Klinische Prädiktoren sind eine Verbreiterung des Mediastinums in Verbindung mit Pleuraergüssen. Eine Impfung post expositionem sowie die antibiotische Therapie gelten als effizient. Diagnostik: Der Erregernachweis erfolgt mikroskopisch oder kulturell.
Diagnostik: Der Erregernachweis erfolgt mikroskopisch und kulturell in Wundsekret, Blutkultur, Liquor oder Sputum.
Therapie: Isolation im Krankenhaus, ruhig stellende Verbände und Penicilline. Inzisionen sind kontraindiziert.
Therapie: Patienten sind im Krankenhaus zu isolieren. Ein chirurgisches Vorgehen kann zur Ausbreitung der Infektion führen. Die Behandlung besteht in der Ruhigstellung der betroffenen Region und einer antibiotischen Behandlung mit Penicillinen. Inzisionen sind kontraindiziert und können den Verlauf verlängern.
Wunddiphtherie
Wunddiphtherie
Schmutzig-graue Beläge und Nekrosen auf schlecht heilenden Wunden sind charakteristisch. Erreger ist Corynebacterium diphtheriae.
Die durch Corynebacterium diphtheriae verursachte Wundinfektion ist heute extrem selten. Schmutzig-graue Beläge und eine tief reichende Nekrose bei schlecht heilenden Wunden sind charakteristisch. Der Erreger kann mittels Abstrich nachgewiesen werden. Die Therapie besteht in der Gabe von Antitoxinen und Antibiotika bei Ruhigstellung der betroffenen Region.
Syphilis
Syphilis
왘 Synonym
왘 Synonym. Lues, harter Schanker.
Erreger: Treponema pallidum.
Erreger der Syphilis ist Treponema pallidum.
Pathogenese: Die Infektion entsteht durch Kontakt mit erregerhaltigen Läsionen über Haut- oder Schleimhautverletzungen.
Pathogenese: Die Infektion wird meist sexuell übertragen und entsteht durch direkten Kontakt mit erregerhaltigen Läsionen über feine Verletzungen der Haut oder Schleimhaut.
Klinik: Im Primärstadium Ulcus durum im Gesicht, an den Genitalien und am Anus. Im Sekundärstadium sind vielgestaltige Hautausschläge (Syphilide) charakteristisch. Im Tertiärstadium manifestieren sich kutane Syphilide und Gummen an den Organen.
Klinik: Im Primärstadium (Lues I) entsteht 2 bis 4 Wochen nach der Infektion eine derbe, indolente, bald geschwürig zerfallende Infiltration, das Ulcus durum (harter Schanker). Häufige Lokalisationen sind das Gesicht, die Genitalien und der Anus. 4 bis 8 Wochen nach Auftreten des Primäraffektes beginnt das Sekundärstadium (Lues II) mit u. a. Fieber, Gliederschmerzen, Lymphadenopathie, Splenomegalie und typischen, vielgestaltigen Hautausschlägen (sogenannte Syphilide). Das Sekundärstadium erstreckt sich mit erscheinungsfreien Intervallen über Monate bis Jahre.
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A 6.3 Chirurgische Infektionen
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Das Tertiärstadium (Lues III) kann sich an Haut und Schleimhäuten sowie an fast allen Organen manifestieren. Typisch ist das kutane Syphilid. Ferner können sich an der Haut, Subkutis, Muskulatur, Knochen und an inneren Organen (z. B. Mesaortitis luetica mit Manifestation an Aorta ascendens und Aortenbogen) Granulome, sogenannte Gummen, manifestieren. Diagnostik: Die Diagnose wird durch den mikroskopischen Nachweis der Treponemen (Dunkelfeldmikroskopie) sowie durch Bestimmung von Antikörpern vor allem im Sekundär- und Tertiärstadium gestellt. Therapie: Das Antibiotikum der Wahl ist in jedem Stadium Penicillin G. Alternativen bei Penicillinallergie sind Cephalosporine, Tetracycline oder Erythromycin. Die Syphilis ist selten eine chirurgisch zu behandelnde Infektion (Ausnahme Mesaortitis luetica).
Diagnostik: mikroskopischer Nachweis der Treponemen im Dunkelfeldmikroskop; ggf. Antikörpernachweis im Sekundär- und Tertiärstadium. Therapie: Die antibiotische Therapie der Wahl ist die intravenöse Penicillingabe.
6.3.5 Wichtige virale Infektionen
6.3.5 Wichtige virale Infektionen
Human Immunodeficiency Virus (HIV)
Human Immunodeficiency Virus (HIV)
Erreger: Die Infektion erfolgt mit dem humanen Immundefizienz-Virus (HIV), einem RNS-Virus aus der Gruppe der Retroviren. Unterschieden werden HIV-1und -2-Viren. Die meisten Erkrankungen werden durch HIV-1 verursacht, während HIV-2-Infektionen selten sind. Die Zunahme an HIV-Infektionen und Manifestation von AIDS (Acquired Immunodeficiency Syndrome) konfrontiert Chirurgen in zunehmenden Maße mit HIV-positiven Patienten und mit AIDS-spezifischen Komplikationen, wie z. B. Organperforationen. Infektionen mit HIV und AIDS werden in folgende Kategorien eingeteilt (Tab. A-6.4): Wochen nach Ansteckung kann sich ein Krankheitsbild ausbilden, welches einer Mononukleose, selten einer aseptischen Meningitis ähnelt. Nach einem asymptomatischen Stadium entwickelt sich bei den meisten Patienten ein Lymphadenopathie-Syndrom (LAS) mit Fieber, Lymphknotenschwellung, Schwächegefühl und bereits opportunistischen Infektionen (z. B. Mundsoor, Zoster, Pneumonien mit üblichen Erregern). In der schweren Ausprägung wird dieses Krankheitsbild als AIDS-related Complex (ARC) bezeichnet. Fortgeschrittene HIV-Infektionen, die durch opportunistische und neurologische Erkrankungen charakterisiert sind, werden als AIDS bezeichnet.
Erreger: humanes Immundefizienzvirus (HIV), ein RNS-Virus (Gruppe der Retroviren). Es gibt HIV-1- und -2-Viren; Erkrankungen durch HIV-1 überwiegen.
A-6.4
Stadien: Tab. A-6.4.
Klinische Kategorien bei HIV-Infektion
Kategorie Kategorie A = akute Infektion
Kriterien ■
■ ■
Kategorie B = symptomatisches Stadium, jedoch keine AIDS-definierenden Erkrankungen Kategorie C = AIDS-definierende Erkrankungen
■ ■ ■ ■ ■ ■
■ ■ ■ ■
akute HIV-Krankheit: grippeähnlich (Fieber, Schwitzen, Glieder-/Muskelschmerzen, Erbrechen, Durchfälle, Kopfschmerzen, makulöses Exanthem), mononukleoseähnlich Lymphadenopathiesyndrom (LAS): persistierende generalisierte Lymphknotenschwellung Latenzphase: Patient ist meist beschwerdefrei Fieber 4 38,5 °C, Diarrhö 4 1 Monat oropharyngeale/vulvovaginale Candida-Infektion zervikale Dysplasien/Carcinoma in situ orale Haarzellleukoplakie Herpes zoster mehrerer Dermatome idiopathische thrombozytopenische Purpura, Listeriose, Entzündungen im Bereich des kleinen Beckens, periphere Neuropathie Wasting-Syndrom HIV-Enzephalopathie Tumoren: Zervixkarzinom; Kaposi-Sarkom opportunistische Infektionen: Candida-Infektion von Ösophagus, Trachea, Bronchien, Lungen; chronische Herpes-simplex-Virus-bedingte Ulzera/Bronchitis/Pneumonie/Ösophagitis; Histoplasmose; Isopsoridiasis; Kokzidioidomykose; Kryptokokkose; Kryptosporidiose; Lymphome; Infektionen mit atypischen Mykobakterien; Tuberkulose; Pneumocystis-carinii-(jiroveci-)Pneumonie; rezidivierende Pneumonien; progressive multifokale Leukenzephalopathie; rezidivierende Salmonellen-Septikämie; ZNS-Toxoplasmose; CMV-Infektion (generalisiert, Retinitis)
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6 Infektiologie
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Risikogruppen: v. a. homo- und bisexuelle Männer, Promiskuitive und Drogenabhängige. Kinder infizierter Mütter, heterosexuelle Partner besitzen ein erhöhtes Infektionsrisiko.
Risikogruppen: Homosexuelle oder bisexuelle Männer, promiskuitive Männer und Frauen und Drogenabhängige stellen zurzeit 80 bis 90 % aller HIV-Infizierten dar, Frauen etwa 10 %. Kinder von infizierten Müttern, heterosexuelle Partner stellen Gruppen mit erhöhtem Infektionsrisiko dar.
Infektionsmodus: Die Infektion erfolgt durch infiziertes Blut oder Körperflüssigkeiten. Die Latenzzeit bis zum Auftreten von Symptomen kann Monate bis Jahre betragen.
Infektionsmodus: Das Virus kann bei infizierten Patienten aus Blut und Körperflüssigkeiten isoliert und durch diese übertragen werden. Die Zeit zwischen Infektion und dem Auftreten von Antikörpern beträgt im Allgemeinen 6 bis 12 Wochen. Die Latenzzeit bis zur Ausbildung des klinischen Bildes von AIDS kann Monate bis Jahre betragen.
Relevanz in der Chirurgie: ■ Gefährdung eines Patienten durch Blut, Blutbestandteile, kontaminierte Sekrete, Organtransplantate. ■ Gefährdung des Chirurgen bzw. medizinischen Personals durch Blut, Blutbestandteile, kontaminierte Sekrete und durch Verletzungen mit scharfen oder spitzen Instrumenten. ■ AIDS-Manifestationen in der Chirurgie: z. B. akute Cholezystitis, Splenomegalie, akute Appendizitis (s. Therapie).
Relevanz in der Chirurgie: ■ Gefährdung eines Patienten durch Blut, Blutbestandteile, kontaminierte Sekrete, Organtransplantate. (Der sicherste Weg des Patienten, sich vor dem Infektionsrisiko durch Blutkonserven zu schützen, ist die Eigenblutspende.) ■ Gefährdung des Chirurgen bzw. medizinischen Personals ebenfalls durch Blut, Blutbestandteile, kontaminierte Sekrete und durch Verletzungen mit scharfen oder spitzen Instrumenten (z. B. Skalpellen, Nadeln, scharfe Haken). Biopsien, operativ entnommene Probeexzisionen, die Anlage zentralvenöser Katheter sind einige der chirurgischen Maßnahmen bei Patienten mit HIV-Infektionen. Das Infektionsrisiko für medizinisches Personal ist gering, jedoch nicht zu vernachlässigen. 0,4 % aller registrierten Nadelstich- und Schnittverletzungen mit HIV-kontaminiertem Material führten zu einer Infektion. ■ AIDS-Manifestationen in der Chirurgie: Klinische Krankheitsbilder im Endstadium (AIDS) spielen in der Chirurgie eine vorrangige Rolle, z. B. die akute Cholezystitis, die Splenomegalie, die akute Appendizitis, Hohlorganperforationen und Lymphome.
Chirurgische Therapie: Die häufigsten Erkrankungen und Indikationen zur Operation sind: ■ Akute Cholezystitis ■ Splenomegalie ■ Akute Appendizitis ■ Perforationen im Gastrointestinaltrakt ■ Tumorobstruktion mit Ileus oder Ikterus ■ Tumorblutungen ■ Dünn- und Dickdarmblutungen, hämorrhagische Nekrosen mit Perforation, toxisches Megakolon ■ Perianale Fisteln, Abszesse, Fisteln, Analfissuren, Condylomata ■ Pneumothorax ■ Bronchialfisteln
Chirurgische Therapie: Eine chirurgische Intervention ist angezeigt, wenn z. B. ein Kaposi-Sarkom zur Obstruktion des Dünn- oder Dickdarmes mit mechanischem Ileus führt. Kaposi-Sarkome verlegen gelegentlich die Gallengänge mit konsekutivem Ikterus. Tumorblutungen aus Lymphomen des Magens, Ileums und rechtsseitigen Hemikolon sowie aus Kaposi-Sarkomen können zu Komplikationen führen, die eine chirurgische Therapie erfordern. Eine Indikation zur Splenektomie kann bei einer therapierefraktären Thrombozytopenie bestehen. Cytomegalie-Virus (CMV) induzierte Ulzerationen vorwiegend im Ileum und rechten Hemikolon können Massenblutungen, hämorrhagische Nekrosen, ein toxisches Megakolon oder Hohlorganperforationen auslösen, die akut chirurgisch behandelt werden müssen. Mycobacterium avium oder tuberculosis, Cryptococcus neoformans können ebenfalls eine Perforation mit Peritonitis hervorrufen. Zirkulationsstörungen und/oder eine Obstruktion der Appendix mit gangränöser Appendizitis erfordern eine Appendektomie. Eine Cholezystitis ohne Konkremente durch z. B. Candida oder CMV kann eine Indikation zur Cholezystektomie sein. Die Inzidenz anorektaler Manifestationen wie perianale Abszesse, Fisteln, Proktitis, Analfissuren, Condylomata und Karzinome liegt bei etwa einem Drittel. Die Komplikationsrate ist mit etwa 90 % Wundheilungsstörungen und einer Letalität von 20 % ausgesprochen hoch. HIV-positive homosexuelle Männer haben ein hohes Risiko ein Analkarzinom zu entwickeln. Asymptomatische homosexuelle Männer weisen bei Screeninguntersuchungen in 80 % der Fälle zytologisch Dysplasien oder intraepitheliale Neoplasien in Schleimhautveränderungen auf. Im Rahmen der bei 2/3 der AIDS-Patienten vertretenen pulmonalen Affektionen können z. B. Pneumocystis-carinii-Pneumonie (frühere Bezeichnung, jetzt: Pneumocystis-jiroveci-Pneumonie) induzierten Pneumothoraces oder der Verschluss persistierender Bronchialfisteln chirurgische Maßnahmen sein.
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A 6.3 Chirurgische Infektionen
왘 Merke. Chirurgische Maßnahmen sind mit einer hohen Komplikationsrate und Krankenhausletalität von 30 bis 70 % assoziiert (Ausnahmen: Cholezystektomie, Appendektomie und Splenektomie mit einer Letalität unter 20 %). Dieses sollte bei Notfalloperationen Anlass zu dem kleinstmöglichen Eingriff sein und Elektivoperationen sollten nur in Ausnahmefällen vorgenommen werden.
185 왗 Merke
Prophylaxe: Die Aufklärung des Personals und ein eingespieltes Operationsteam sind neben den folgenden Maßnahmen im Umgang mit HIV-infizierten Patienten eine wesentliche Voraussetzung, das Risiko einer Kontamination gering zu halten: ■ Beim Umgang mit Schleimhäuten, Sekreten und Blut Handschuhe tragen. ■ Tragen eines Mundschutzes und Schutzbrille bei Kontaminationsgefahr durch Aerosole. ■ Vorsichtiger Umgang mit Skalpellen, Nadeln und anderen scharfen oder spitzen Instrumenten. Nach Gebrauch müssen scharfe Instrumente in verletzungssicheren Behältern gesammelt werden (Injektionsnadeln nach Verwendung nicht wieder mit der Schutzkappe versehen!). ■ Intraoperativ doppelte Handschuhe, Schutzmasken und wasserdichte Operationskleidung verwenden. ■ Kein Einsatz bei Eingriffen an HIV-infizierten Patienten oder in der Patientenversorgung, wenn offene Hautläsionen oder Dermatitiden des medizinischen Personals vorliegen.
Prophylaxe: Maßnahmen und Voraussetzungen, um ein Kontaminationsrisiko gering zu halten: ■ Handschuhe tragen. ■ Ggf. Mundschutz und Schutzbrille tragen. ■ Vorsichtiger Umgang mit Skalpellen, Nadeln und anderen scharfen oder spitzen Instrumenten. ■ Intraoperativ doppelte Handschuhe, Schutzmasken und wasserdichte Operationskleidung verwenden. ■ Kein Einsatz bei HIV-infizierten Patienten, wenn offene Hautläsionen oder Dermatitiden des medizinischen Personals vorliegen.
Vorgehen bei Stichverletzung: ■ Die Tätigkeit sofort unterbrechen. ■ Den Stichkanal und die Wunde zum Bluten bringen. ■ Die Wunde reinigen und spülen. ■ Mit den üblichen Desinfektionsmitteln desinfizieren. ■ Bei fehlendem Impfschutz Hepatitis-B-Impfung durchführen. ■ HIV-Infektionsstatus durchführen und nach 6 Wochen, 3 und 6 Monaten wiederholen. ■ Die Verletzung als Arbeitsunfall aufnehmen lassen (D-Arztbericht). ■ Antiretrovirale Medikation bei nachgewiesener Infektion oder hochgradigem Verdacht.
Vorgehen bei Stichverletzung: ■ Tätigkeit unterbrechen. ■ Stichkanal und Wunde zum Bluten bringen. ■ Desinfizieren. ■ D-Arztbericht veranlassen.
왘 Merke. Im Gegensatz zu dem relativ geringen Risiko der HIV-Infektion von
왗 Merke
0,4 % ist das Risiko einer Hepatitisinfektion für medizinisches Personal mit 10 bis 30 % deutlich höher. (Die genannten Hygienemaßnahmen gelten auch zum Schutz vor Hepatitisinfektionen.)
Hepatitis B, C und D
Hepatitis B, C und D
Hepatitis B und C (früher auch als Non-A-Non-B-Hepatitis bezeichnet) können durch Transfusionen, Applikation von Blutprodukten oder nach Hautverletzungen mit einem virusverunreinigten Instrument, z. B. intraoperativ, oder beim Umgang mit infiziertem Material übertragen werden. Eine weitere durch Blut übertragbare Form ist die wesentlich seltenere Hepatitis D, die bei 5 % der Hepatitis-B-Träger als Ko- oder als Superinfektion auftritt.
Ein Infektionsrisiko besteht bei Bluttransfusionen, Applikation von Blutprodukten und bei Verletzungen mit infiziertem Material oder bei infizierten Patienten.
Hepatitis B: Sie wird durch ein DNA-Virus verursacht, das serologisch nachgewiesen werden kann. Weltweit werden 350 Millionen Träger des Hepatitis-B-Virus geschätzt. 90 % der Infektionen heilen spontan aus. Ein wirksamer Impfstoff ist vorhanden.
Hepatitis B heilt in 90 % der Fälle spontan aus.
Hepatitis C: Erreger ist das Hepatitis-C-Virus (HCV), ein RNA-Virus, welches sich ebenfalls serologisch nachweisen lässt. 30 bis 70 % der Infektionen sind durch chronische Verläufe gekennzeichnet, die häufig asymptomatisch verlaufen. Ein Drittel dieser Patienten entwickelt über 20 bis 30 Jahre eine Fibrose oder
Hepatitis C verläuft in 30 bis 70 % der Infektionen chronisch.
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186
A
6 Infektiologie
Zirrhose der Leber. In der Leberzirrhose ist die Inzidenz eines hepatozellulären Karzinoms 2 bis 5 % pro Jahr. Koinfektionen von HCV und HIV sind aufgrund der gemeinsamen Übertragungswege häufig. Hepatitis D weist in Koinfektion mit Hepatitis B vermehrt chronische und fulminante Verläufe auf.
Hepatitis D: Koinfektionen des serologisch nachweisbaren Hepatitis-D-Virus mit Hepatitis B verlaufen in bis zu 30 % der Infektionen als fulminante Hepatitis. Chronische Formen sind ebenfalls beschrieben.
Prophylaxe: Bei Exposition kann eine passive Immunisierung mit einem Hepatitis-B-Immunglobulin erfolgen. Eine aktive Immunisierung zur Induktion protektiver Antikörper sollte bei medizinischem Personal erfolgen. Die Antikörperproduktion kann serologisch kontrolliert werden.
Prophylaxe (Hepatitis B): Bei Stichverletzungen oder Schleimhautkontakt mit virushaltigem Material (z. B. Blut) sollte innerhalb von 12 (maximal 36) Stunden eine passive Immunisierung mit einem Hepatitis-B-Immunglobulin erfolgen. Eine Impfung mit inaktivierten, hochgereinigten Partikeln des Hepatitis-BAntigens (H-B Vax) oder mit einem Impfstoff, der aus rekombinanter DNS hergestellt wird, induziert protektive Antikörper. Eine Impfung und ein ausreichender Impfschutz sollten Personen mit erhöhtem Risiko der Infektion, bei ärztlichem und Pflegepersonal selbstverständlich sein. Die Impfung besteht aus drei Injektionen, wobei die erste Impfung nach 1 und 6 Monaten wiederholt werden muss. Der ausreichende Impfschutz kann serologisch durch Bestimmung der Antikörperspiegel überprüft werden. Gegen die Hepatitis C gibt es derzeit (noch) keine wirksame Impfung.
Tollwut
Tollwut
왘 Synonym
왘 Synonym. Rabies.
Erreger: Rabies-Virus.
Erreger ist ein Rabies-Virus aus der Gruppe der Rhabdoviren.
Epidemiologie: Die Tollwut ist eine sehr seltene Infektionskrankheit und verläuft nach Ausbruch tödlich.
Epidemiologie: Zwischen 1977 und 1992 sind in den alten und neuen Bundesländern vier Todesfälle dieser seltenen Infektion aufgetreten. Die Tollwut verläuft nach Beginn klinischer Symptome tödlich. Im Sommer 2004 war in den USA der erste Fall einer Übertragung von Rabiesviren auf Organempfänger beschrieben worden, die alle an den Folgen der Infektion verstarben. Im Jahr 2005 übertrug eine Organspenderin das Virus auf Empfänger nach Nieren- und Lebertransplantation in Deutschland. Die Spenderin hatte sich in Indien aufgehalten, wo es jährlich 50 000 Tollwuttote gibt.
Pathogenese: Erregerreservoir sind Wildtiere. Eintrittspforten für den Menschen sind Läsionen der Haut, z. B. durch Bissverletzungen.
Pathogenese: Erregerreservoir sind Wildtiere, insbesondere Füchse, aber in Endemiegebieten auch Haustiere wie Katzen und Hunde. Bei infizierten Tieren befindet sich der Erreger im zentralen Nervensystem, im Speichel, Urin oder auch in der Milch. Die Pathogenität ist für den Menschen geringer als für die Tiere. Eintrittspforte können Verletzungen der Haut, z. B. Bissverletzungen, aber auch intakte Schleimhäute sein. Das Virus tritt nach Befall in die Nervenbahnen über und verursacht eine akute Entzündung. Bei der aggressiven Form ist vornehmlich das Gehirn, bei der paralytischen (stillen) Form ist das Rückenmark befallen.
Klinik: Nach unspezifischen Symptomen treten Wesensveränderungen (u. a. Speichelfluss, Schluckstörungen, Hydrophobie, Lähmungen) auf.
Klinik: Die Inkubationszeit beträgt 10 Tage bis zu 1 Jahr, meistens 1 bis 3 Monate. Nach unspezifischen Reaktionen an der Verletzung mit Schmerzen, Fieber und einer Leukozytose treten Wesensveränderungen wie Nervosität, Depression, Speichelfluss, Schluckstörungen, Hydrophobie und Lähmungen auf.
Diagnostik: Die Diagnose der Tollwut erfolgt klinisch. Ein Antikörpernachweis ist nach Krankheitsbeginn erst verzögert möglich.
Diagnostik: Die Diagnose der Tollwut erfolgt nach Krankheitsbeginn anhand des klinischen Bildes. Bei anfänglich unspezifischen Symptomen ist die Diagnose schwierig. Bei Patienten mit Aufenthalten in einem Endemiegebiet sollte bei verdächtigen neurologischen Symptomen die Tollwut differenzialdiagnostisch bedacht werden. Bei klinisch manifester Infektion besteht die Möglichkeit des spezifischen Nachweises von Antikörpern im Serum und Liquor. Antikörper sind jedoch erst verzögert 7 bis 10 Tage nach Krankheitsbeginn nachweisbar. Haustiere sollten bei Verdacht 10 Tage unter tierärztlicher Überwachung und Quarantäne beobachtet werden. Bei klinischen Zeichen der Tollwut müssen die Tiere getötet werden und das Rabies-Antigen im Hirn nachgewiesen werden.
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A 6.3 Chirurgische Infektionen
187
Therapie, Prophylaxe: Es ist bislang nicht möglich, den Tod nach Beginn der klinischen Symptome zu verhindern, sodass die beste Therapie in einer konsequenten Tollwutprophylaxe besteht. Wunden müssen gründlich versorgt werden, gereinigt und bei Bissverletzungen offen behandelt werden. Die Impfung mit einem inaktivierten Tollwutimpfstoff induziert schnell und zuverlässig hohe Titer neutralisierender Antikörper. Die Impfung kann postexponentiell als Simultanimpfung mit einem Tollwut-Immunglobulin und dem Tollwutimpfstoff (Wiederholung am 3., 7., 14., 30. und 90. Tag) oder bei gefährdeten Personen (u. a. Tierärzte, Jäger, Metzger) auch präexponentiell (3 Injektionen des Impfstoffes in wöchentlichem Abstand und nach 1 Jahr) erfolgen.
Therapie, Prophylaxe: Die beste Therapie der Tollwut besteht in der konsequenten Prophylaxe bei einer möglichen Infektionsgefahr.
6.3.6 Parasitäre Infektionen
6.3.6 Parasitäre Infektionen
Echinokokkose
Echinokokkose
Erkrankungen, Erreger und Merkmale: Tab. A-6.5.
Erkrankungen, Erreger und Merkmale: Tab. A-6.5.
A-6.5
Echinokokkose
Erkrankung
Erreger
alveoläre Echinokokkose
Eier des kleinen Fuchsbandwurms (Echinococcus multilocularis/alveolaris)
A-6.5
klinische Merkmale ■
■ ■
zystische Echinokokkose
Hundebandwurm (Echinococcus granulosus/cysticus/unilocularis)
■
■
schwammartige, bläschenreiche Wucherung mit tumorähnlichem Wachstum, primär in der Leber Inkubationszeit von über zehn Jahren v. a. in Süddeutschland bzw. Alpenländern scharf begrenzte, zystische Raumforderung (zystische E.) v. a. in Mittelmeerländern
Pathogenese: Der Erreger lebt im Darm von Hunden, Katzen und Füchsen. Die Finnen von E. multilocularis bzw. granulosus entwickeln sich im Darm ihres Wirtes zum Adultwurm. Über den Kot gelangen Eier, vom Wurm abgestoßene Endglieder, oder ganze Würmer in den Verdauungstrakt des Zwischenwirtes (Mensch, Schaf, Schwein, Rind). Die freigesetzten Onkosphären, die Larvenform des Parasiten, durchdringen die Darmwand und gelangen via Portalvene in die Leber, selten auch in Gehirn, Milz, Niere, Knochen oder Brustdrüse. In der Leber erfolgt die Differenzierung zur flüssigkeitsgefüllten Hydatide. Im Inneren der Bläschen entwickeln sich Kopfanlagen, sogenannte Protoscolices (Vorköpfe), die die Strukturen des Adultwurmes erkennen lassen.
Pathogenese: Über den Kot des Wirts (Hunde, Katzen, Füchse) gelangen Eier, vom Wurm abgestoßene Endglieder, oder ganze Würmer in den Zwischenwirt (Mensch, Schaf, Schwein, Rind). Sog. Onkosphären durchdringen die Darmwand und gelangen v. a. in die Leber ? Differenzierung zur Hydatide.
Klinik: Ein Drittel der Patienten klagen über uncharakteristische Oberbauchschmerzen, Appetitverlust und Gewichtsabnahme bzw. bei pulmonalem Befall über Husten, Dyspnoe, Hämoptoe oder Thoraxschmerzen. Ein weiteres Drittel weist Cholestasezeichen mit oder ohne Ikterus bei Lokalisation der Tumoren im Leberhilus auf. Bei dem restlichen Drittel der Patienten ist die Diagnose zufällig. Zysten können bei Größenzunahme lokale Schmerzen verursachen.
Klinik: Ein 1/3 der Patienten klagt über uncharakteristische Oberbauchschmerzen, 1/ weist Cholestasezeichen mit und ohne 3 Ikterus auf und bei dem restlichen 1/3 der Patienten ist die Diagnose zufällig. Ggf. Symptome der Raumforderung durch die Zysten.
Diagnostik: Verkalkungen, Fibrosen sowie Zerfallshöhlen ergeben ein uni- oder multizystisches Bild bei der alveolären E., welches nicht mit der zystischen E. zu verwechseln ist. Die Ultraschalldiagnostik lässt frühzeitig überwiegend echoreiche Veränderungen mit echoarmem Randsaum erkennen. Die Abgrenzung vom gesunden Lebergewebe ist schwer, Gefäße können infiltriert und die Gallenwege komprimiert sein. Zur Abgrenzung infiltrativer oder organüberschreitender Prozesse stellt das CT mit Kontrastmittel die Methode der Wahl dar. Serologische Untersuchungsmethoden wie der Hämagglutinationstest oder die Komplementbindungsreaktion sind weitere diagnostische Maßnahmen.
Diagnostik: Die Diagnose kann durch das typische morphologische Bild mittels Sonographie oder CT gestellt werden.
Ein serologischer Antikörpernachweis ergänzt die diagnostischen Maßnahmen.
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188 A-6.7
A
6 Infektiologie
A-6.7
Echinokokkuszyste Intraoperatives Bild einer Echinokokkuszyste der linken Leber bei Echinococcus-granulosusInfektion.
Therapie: ■ Alveoläre Echinokokkose. Die operative Entfernung durch eine Resektion ist die einzige kurative Maßnahme. Durch die Kombination mit einer medikamentösen Dauertherapie konnte die Prognose deutlich verbessert werden. ■ Zystische Echinokokkose. Die Entfernung der Hydatide empfiehlt sich bei zystischen Raumforderungen (Abb. A-6.7).
Therapie: ■ Alveoläre Echinokokkose: Die radikale operative En-bloc-Resektion der Parasitengeschwulst mit Sicherheitsabstand, entsprechend einer onkologischkurativen Entfernung, stellt die erste Wahl als kurative Maßnahme dar (S. 496). Unterstützend erfolgt vor der Operation und mindestens zwei Jahre danach eine medikamentöse Therapie in erster Linie mit Albendazol oder Mebendazol, was die Prognose deutlich verbessert. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt über 90 %. ■ Zystische Echinokokkose: Bis auf wenige Ausnahmen empfiehlt sich die vollständige Entfernung der Hydatide (Abb. A-6.7) durch Zystektomie, Perizystektomie oder Resektion, wobei der Zysteninhalt nicht ins OP-Gebiet austreten darf (Kontamination!). Bei großen Zysten kann nach Entfernung des Inhalts und Zystendesinfektion (z. B. 20 % NaCl) die Perizystektomie erfolgen.
Amöbiasis
Amöbiasis
Erreger: Entamoeba histolytica.
Erreger: Entamoeba histolytica.
Pathogenese: Die Infektion mit Entamoeba histolytica erfolgt fäkal-oral, insbesondere in (sub-)tropischen Ländern (Urlaubsreise!).
Pathogenese: Die besonders in Regionen mit mangelhafter Hygiene verbreiteten Parasiten gelangen auf fäkal-oralem Weg in den menschlichen Darm. Die Amöbiasis ist in Deutschland selten. Insbesondere Urlauber infizieren sich in (sub-)tropischen Ländern und stellen sich mit dem Krankheitsbild hier vor.
Klinik: Invasive Formen rufen Ulzera und Diarrhöen (Amöbenruhr) hervor. Bei Ausbreitung über die Pfortader können sich Leberabszesse bilden.
Klinik: Nach der Infektion kommt es in einem Teil der Fälle zur Bildung invasiver Formen, die in die Dickdarmwand eindringen, Ulzera bzw. eine Kolitis hervorrufen und Diarrhöen (Amöbenruhr) auslösen können. Als Komplikation kann sich bei Ausbreitung über die Pfortader ein Leberabszess (5 10 % der Patienten mit Amöbenruhr; bei 90 % im rechten Leberlappen) ausbilden, bei schwerer Kolitis können Perforationen mit Peritonitis entstehen. Bei Befall eines Darmsegmentes, gewöhnlich Zökum oder Sigma, können Stenosen bei granulomatösen Massen auftreten.
Diagnostik: unspezifische Symptome, anamnestisch Urlaubsreise bieten Hinweise, Serologie, Sonographie oder CT (Abb. A-6.8) können die Erkrankung bestätigen.
Diagnostik: Die Symptome sind meist unspezifisch mit Fieber, Leukozytose und rechtsseitigen Oberbauchschmerzen. Ein Aufenthalt in den Tropen ist ein wichtiger anamnestischer Hinweis. Die Serologie (85 bis 100 % positiv bei einem Leberabszess), Stuhluntersuchungen (frischer Stuhl, der zum Nachweis der invasiven Form innerhalb einer Stunde untersucht werden muss), Abdomensonographie oder CT (Abb. A-6.8) können die Diagnose erhärten.
Therapie: in der Mehrzahl medikamentös (Mittel der Wahl ist Metronidazol), bei großen Abszessen Punktion, bei Therapieresistenz operative Freilegung.
Therapie: Die Mehrzahl der Abszesse kann medikamentös behandelt werden. Mittel der Wahl ist Metronidazol. Alternativen sind Tinidazol oder bei Unverträglichkeit bzw. Therapieversagen Resochin oder Paromomycin. Bei großen Abszessen ist eine perkutane Entlastung mittels Drainage sinnvoll. Bei Ruptur können sich (rechts) thorakale, peritoneale oder perikardiale Fisteln ausbilden. Ein operativer Eingriff kann bei medikamentöser Therapieresistenz notwendig werden (S. 497).
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A 6.3 Chirurgische Infektionen
A-6.8
Amöbenabszess
189 A-6.8
Mehrkammeriger Amöbenabszess des rechten Leberlappens im CT
Askariasis
Askariasis
Der Spulwurm Ascaris lumbricoides kann zum sogenannten Askaridenileus führen oder selten zur Verlegung der Gallenwege mit Ikterus. Beim Ileus und Ikterus besteht die Therapie in der Notfall-Laparotomie und Ausstreichen des Darmes bzw. der Gallenwege. Konservativ wird mit Anthelminthika behandelt.
Ascaris lumbricoides kann selten zum Askaridenileus oder -ikterus führen.
6.3.7 Pilzinfektionen
6.3.7 Pilzinfektionen
Erreger: Die Erreger sind primär apathogene saprophytäre Keime. Die häufigsten Pilzerreger, die bei einer systemischen Infektion im Blut identifiziert werden, sind in der Chirurgie Candida albicans, Candida glabrata, Candida parapsilosis, Candida tropicalis, selten sind Aspergillus (Aspergillus fumigatus) und Cryptococcus (Cryptococcus neoformans).
Erreger: Die häufigsten Erreger sind Candida species, selten verursachen Aspergillus fumigatus oder Cryptococcus neoformans eine Infektion.
Epidemiologie: Die Inzidenz von Pilzinfektionen nimmt in der Chirurgie zu, wobei Infektionen im allgemeinen chirurgischen Patientengut seltener sind als bei abwehrgeschwächten Patienten bzw. Patienten auf Intensivstationen (ca. 10 % der Patienten). Die Letalität ist jedoch in beiden Gruppen, wenn eine systemische Infektion vorliegt, mit 40 bis 80 % sehr hoch.
Epidemiologie: Die Inzidenz der Pilzinfektionen nimmt in der Chirurgie besonders bei Patienten mit einer Abwehrschwäche zu.
Pathogenese: Der Übertritt von Pilzen durch die Darmwand in die portale Zirkulation (Translokation) und in den systemischen Kreislauf bei insuffizienter Filterung in der Leber führt bei schwer kranken Patienten zu einer Fungämie. Prädisponierende Faktoren einer Pilzinfektion sind eine großzügige Therapie mit Breitspektrumantibiotika (diese führt zu einer Überwucherung von Pilzen im Darm durch Suppression der normalen bakteriellen Flora), Diabetes mellitus, Steroidtherapie, Neoplasma, Alter (4 50 Jahre), intensivmedizinische Therapie, intravaskuläre Katheter, Alkoholabusus, Organtransplantation, Operationen des Gastrointestinaltrakts.
Pathogenese: Fungämie nach Translokation von Pilzen in die portale Zirkulation und unzureichender Filterung in der Leber. Ein wesentlicher prädisponierender Faktor ist eine lang andauernde Therapie mit Breitspektrumantibiotika. Intravaskuläre Katheterinfektionen sind häufig Ursache einer Pilzinfektion.
Klinik: ■ Candida-Infektionen: Candidainfektionen manifestieren sich in einer mukokutanen Form mit Beteiligung von Haut- und Schleimhäuten (z. B. Mundsoor, Soorvaginitis, Soorbalanitis, Kolonisation des Ösophagus oder des Tracheostomas bei Intensivpatienten). Diese Form zeigt keinen Hinweis auf eine Allgemeinerkrankung, im Gegensatz zu der systemischen Form, die sich als Candidasepsis, Meningitis, Leberabszess, Pneumonie oder Augenfundusbefall äußern kann. Candida albicans lässt sich mit einer Prävalenz von 20 % in Abstrichen verschiedener Körpersekrete nachweisen. Dabei handelt es sich um eine reine Kolonisation ohne Krankheitszeichen.
Klinik: ■ Candida-Infektionen: Klar unterschieden werden müssen mukokutane Formen und Kolonisationen von systemischen, invasiven Infektionen.
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190 ■
■
Aspergillus-Infektionen: Seltene Aspergillus-Infektionen können sich als Aspergillom, Pneumonie oder Sepsis äußern. Cryptococcus-Infektionen: Ebenfalls selten als Pneumonie oder Meningitis, vor allem bei Immunsuppression (z. B. AIDS).
Diagnostik: Nachweis von Pilzen in zwei Blutkulturen innerhalb von 24 h, bei Pilznachweis in einem Organ oder in einer primär sterilen Körperhöhle wird eine systemische Infektion angenommen.
왘 Merke
A
■
■
6 Infektiologie
Aspergillus-Infektionen: Bei ausgeprägter Abwehrschwäche können Aspergillus-Pneumonien oder eine Aspergillus-Sepsis vorkommen. Ein Aspergillom ist keiner Chemotherapie zugänglich und muss operiert werden. Cryptococcus-Infektionen: Die häufigsten Formen der seltenen CryptococcusInfektionen sind Pneumonien und Meningitis. Als opportunistische Infektion bei AIDS sind diese Formen häufig zu finden.
Diagnostik: Die Grenzen zwischen Kolonisation und Infektion sind nicht immer scharf zu trennen, sodass eine sichere Diagnose nach wie vor schwierig ist. Die folgenden Bedingungen werden heute für die Diagnose einer systemischen Mykose, im Speziellen der Candidiasis, gefordert: ■ 2 positive Blutkulturen innerhalb von 24 Stunden. ■ Pilznachweis in einem Organparenchym (z. B. Leber). ■ Nachweis in einer primär sterilen Körperhöhle (z. B. Blase). 왘 Merke. Eine positive Blutkultur hat immer Krankheitswert und darf nicht als transiente Fungämie verharmlost werden.
Die serologische Diagnostik mit Nachweis von Antigen oder Antikörper weist eine hohe Fehlerquote auf.
Die serologische Diagnostik mit Nachweis eines Antikörpertiters ist für die Diagnose einer systemischen Infektion und Differenzierung gegenüber einer Kolonisation unzureichend. Der Antigentiter hat ebenfalls eine hohe Fehlerquote, ist jedoch aussagekräftiger als der Antikörpernachweis.
Therapie: Standardtherapie ist die Kombination von Amphotericin B mit Flucytosin. Fluconazol besitzt eine nachgewiesene Wirkung bei mukokutanen Formen und in der kontrovers diskutierten Prophylaxe. Bei katheterassoziierter Infektion reicht die Katheterentfernung oft aus.
Therapie: Die medikamentöse Standardtherapie der Pilzinfektionen ist die systemische Gabe von Amphotericin B. Die Kombination mit Flucytosin vermindert die Rate der Nebenwirkungen (v. a. die der Nephrotoxizität) und zeigt einen Synergismus mit einer verbesserten therapeutischen Wirkung. Fluconazol hat eine nachgewiesene Wirkung bei der mukokutanen Form der Candida-Infektionen und wird in der kontrovers diskutierten Prophylaxe bei Immunsupprimierten (z. B. Organtransplantationen) verwendet. Bei nichtimmunsupprimierten Patienten scheinen Fluconazol (mit geringeren Nebenwirkungen) und Amphotericin B gleichwertig. Bei invasiver Aspergillose kommt Caspofungin in Frage, bei Aspergillose, schwerer Candida-Infektion bzw. Resistenzentwicklung gegen Fluconazol auch Voriconazol. Bei katheterassoziierten Candidainfektionen ist die Entfernung des Katheters häufig als Therapie ausreichend.
6.4
Antibiotika in der Chirurgie
6.4
Antibiotika in der Chirurgie Herbert Hof
Die antibakterielle Therapie mit Antibiotika ist im Allgemeinen sehr effizient. Dem Arzt steht eine Vielzahl von verschiedenen Wirkstoffen aus wenigen Gruppen zur Verfügung.
Die Zahl antiviraler Substanzen, die in der Medizin zum Einsatz kommen, ist noch begrenzt und auch ihre Effizienz nicht wirklich befriedigend. Dies gilt auch für antimykotische und antiparasitäre Medikamente. Die antimikrobielle Chemotherapie gegen Bakterien mittels Antibiotika dagegen kann sehr erfolgreich sein. Bei richtigem Einsatz erzielt man damit eine recht hohe Erfolgsquote, denn mit einer solchen kausalen Therapie können bis zu 80 bis 90 % der Patienten vollständig geheilt werden, vorausgesetzt, dass die chirurgische Behandlung erfolgreich und die körpereigene Abwehr funktionstüchtig ist. Ein Arzt hat heute die Qual der Wahl unter mehr als 500 verschiedenen antibiotischen Präparaten im Handel, worunter allerdings viele Kopien sind. Die Anzahl der Wirksubstanzen ist geringer und auch davon sind jeweils noch viele Varianten mit geringen Unterschieden im Hinblick auf ihre direkte antimikrobielle Wirkung; zumindest einige unterscheiden sich aber erheblich in ihren pharmakologischen Eigenschaften.
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A 6.4 Antibiotika in der Chirurgie
A-6.6 ■ ■ ■ ■ ■
Auswahlkriterien für ein Antibiotikum
191 A-6.6
Empfindlichkeit der Erreger. Pharmakologische Eigenschaften des Antibiotikums. Nebenwirkungen (Toxizität) und Interaktionen mit anderen Medikamenten. Spätfolgen (Färbung der Zähne, Änderungen der Darmflora, Allergisierung). Praktikabilität (Compliance; once daily; oral) und Ökonomie (Preis, Zusatzkosten für etwaige Spiegelbestimmungen).
Bei der Auswahl eines Antibiotikums muss man noch weitere Aspekte beachten (Tab. A-6.6).
6.4.1 Grundlagen
6.4.1 Grundlagen
Biologie der Antibiotika
Biologie der Antibiotika
Die Angriffspunkte und die Wirkmechanismen der verschiedenen Antibiotika sind recht unterschiedlich. Manche, wie etwa die Betalaktame und die Glykopeptide bewirken eine Hemmung der Zellwandsynthese der Bakterien, andere, wie Makrolide, Aminoglykoside und Tetrazykline hemmen die Proteinsynthese, Trimethoprim-Sulfamethoxazole hemmen die Bildung der Vorstufen der Nukleinsäuresynthese, Oxazolidinone blockieren die RNS-Bildung, die Chinolone hemmen die Spiralisierung der DNS und bewirken deletäre Strangbrüche, Nitroimidazole attackieren die DNS direkt und zerstören den genetischen Code. Die Folgen für das Bakterium sind entsprechend unterschiedlich (Abb. A-6.9). Wenn erst einmal Aminoglykoside, Nitroimidazole und Chinolone an ihrem „Target“ ankommen, so bewirken sie innerhalb von wenigen Minuten
Die Antibiotika greifen spezifisch an verschiedenen Strukturen und Prozessen der Bakterien an. Manche Antibiotika töten die Bakterien rasch ab (Bakterizidie) andere hemmen nur deren Wachstum (Bakteriostase).
A-6.9
Angriffspunkte von diversen Antibiotika am Bakterium
A-6.9
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A
192
6 Infektiologie
eine irreversible Störung, was dann rasch zum Tod der Bakterien führt. Betalaktame sind im Prinzip ebenfalls bakterizid, aber sie erreichen dieses Ziel erst nach vielen Stunden. Dagegen wirken Makrolide und Tetrazykline nur bakteriostatisch, d. h. sie hemmen deren Vermehrung und nur unter der Mitwirkung der körpereigenen Infektabwehr gelingt letztendlich deren Eliminierung. Auswahlkriterien für das richtige Antibiotikum Direkte antibakterielle Aktivität: Die Empfindlichkeit mancher Keime ist mehr oder weniger zuverlässig vorhersehbar (Abb. A-6.10; Tab. A-6.7).
A-6.10
Auswahlkriterien für das richtige Antibiotikum Direkte antibakterielle Aktivität: Die Erfahrung lehrt, dass die Empfindlichkeit mancher Keime mehr oder weniger zuverlässig vorhersehbar ist (Abb. A-6.10; Tab. A-6.7). Für einzelne Keime gibt es geradezu Mittel der 1. Wahl. Für eine Wundinfektion mit Streptococcus pyogenes, also für die Behandlung eines klassischen Erysipels, ist Penicillin G (hochdosiert und mindestens 4-mal pro Tag) immer noch die beste Lösung. Einzelne Antibiotika haben ein breites Wirkspektrum, wie etwa Peneme, dagegen haben andere nur ein schmales Spektrum. Im Einzelfalle kann jedoch auch eine außergewöhnliche Situation bestehen, je nach Vorgeschichte des Patienten oder je nach Klinik. Mobile genetische Elemente der Bakterien, wie etwa Plasmide oder Transposons, können der Grund sein, dass sich Resistenzen explosionsartig verbreiten, wobei diese Eigenschaften sich innerhalb einer Bakterienart ausbreiten, aber oft auch über die Speziesgrenzen hinweg andere Bakterienarten erfassen. So entstehen
Empfehlungen zur richtigen Antibiotikawahl aufgrund von mikrobiologischen Überlegungen
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A 6.4 Antibiotika in der Chirurgie
A-6.7
193
Kurzcharakterisierung der wichtigsten Gruppen von Antibiotika
Gruppe
Handelsnamen (Beispiele)
Wirkspektrum
Penicilline
Penicillin, Isocillin
grampositive (außer: Enterokokken, MRSA/ORSA)
Betalaktamasefeste Penicilline
Staphylex
penicillinresistente Staphylokokken
Aminopenicilline
Binotal, Amoxicillin
grampositive und einige gramnegative (außer: Betalakatamaseproduzenten)
Ureidopenicilline
Baypen, Pipril
grampositive und noch besser als Aminopenicilline gegen einige gramnegative
Betalaktamase-Inhibitoren (Clavulansäure, Sulbactam, Tazobactam)
Augmentan, Unacid, Tazobac
diese Betalaktame haben selbst keine ausreichende Wirkung, sie hemmen jedoch manche Betalaktamasen; somit können sie in Kombination mit einem Penicillin dessen Wirksamkeit schützen
1. Generation
Basocef
gut gegen grampositive und auch gegen einige gramnegative
2. Generation
Zinacef
weniger gut gegen grampositive, dafür besser bei den gramnegativen
3. Generation
Claforan, Rocephin
noch besser gegen gramnegative, aber noch weniger bei den grampositiven
4. Generation
Maxipime
so gut wie 1. Generation gegen grampositive und gegen gramnegative mindest so gut wie 3. Generation
Peneme
Zienam, Meronem
ganz breit inklusive Anaerobier (nur wenige Lücken, z. B. einzelne Stämme von P. aeruginosa; alle Xanthomonas maltophilia)
Monobactame
Azactam
nur gramnegative; aber da nur wenige Ausnahmen
Makrolide/Lincosamide
Erythrocin, Rulid, Klacid, Zithromax, Sobelin
hauptsächlich grampositive (immer einzelne resistente Stämme) nur wenige gramnegative
Chinolone
Ciprobay, Tavanic, Avalox
hauptsächlich gramnegative, die neueren Derivate wirken auch recht gut gegen grampositive
Aminoglykoside
Refobacin, Biklin
breites Spektrum gegen grampositive und gramnegative (einzelne resistente Stämme); gegen Enterokokken nur in Kombination mit Betalaktamen; unwirksam gegen Anaerobier
Tetrazykline
Vibramycin
breites Spektrum (resistente Stämme)
TrimethoprimSulfamethoxazol
Cotrim, Eusaprim
breites Spektrum (resistente Stämme) (recht gut gegen Staphylokokken)
Glykopeptide
Vancomycin
nur grampositive; kaum resistente Stämme
Oxazolidinone
Zyvoxid
nur grampositive; bislang keine resistenten Stämme
Nitroimidazole
Clont
nur Anaerobier; aber fast alle
Betalaktame
Cephalosporine
typische, sogar multiresistente Hospitalkeime. Deswegen muss im Einzelfall versucht werden, die Erregerart genau zu bestimmen und auch ein individuelles Antibiogramm zu erstellen. Die Interpretation der Antibiogramme beruht auf Konventionen über sog. Breakpoints, die sich auf die Erreichbarkeit von Wirkspiegeln im Serum beziehen. Also nur unter Vorbehalt sind solche Schlussfolgerungen auch auf die Wirksamkeit von parenchymalen Infektionen anzuwenden. Auch bei lokaler Applikation der Antibiotika gelten ganz andere Überlegungen. Kombinationen von Antibiotika sind manchmal wirklich sinnvoll (Tab. A-6.8). Jedoch sollte man dies rational begründen; oft wird nur aus Unkenntnis und Angst, etwas zu versäumen, eine Mehrfachkombination verabreicht.
Kombinationen von verschiedenen Antibiotika können sinnvoll sein; im Einzelfall sollte dies aber immer rational begründet sein.
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194 A-6.8
A
6 Infektiologie
A-6.8
Überlegungen zu Antibiotikakombinationen
Gründe für Antibiotikakombinationen
■
■ ■
Gründe gegen Antibiotikakombinationen
■ ■ ■
■
왘 Merke
Pharmakologie: Der therapeutische Einsatz von Antibiotika hängt auch von dem jeweils unterschiedlichen pharmakologischen, pharmakodynamischen Verhalten ab. Die Bioverfügbarkeit, die Gewebeverteilung, die Penetrationsfähigkeit, der Ausscheidungsweg und der Stoffwechsel beeinflussen das therapeutische Ergebnis.
왘 Klinischer Fall
Mischinfektion durch verschiedene Bakterien mit jeweils unterschiedlicher Empfindlichkeit Synergismus Verhinderung der Entwicklung von Resistenzen Antagonismus zusätzliche Toxizität die Wahrscheinlichkeit von Interaktionen mit anderen Medikamenten steigt Kosten
왘 Merke. Wenn einem Patienten ein ganzer Cocktail von Antibiotika verabreicht wird, so meist nur irrational aus Mangel an Fakten. Dann sollte man mit Fachleuten Rücksprache nehmen.
Pharmakologie: Auch Unterschiede in ihren pharmakologischen und pharmakodynamischen Eigenschaften können den Stellenwert in bestimmten klinischen Situationen bestimmen. Beispielsweise wird Ceftriaxon über die Galle eliminiert und erreicht im Darm hohe Konzentrationen, was ein Vorteil beim Einsatz in der Bauchchirurgie sein kann, wogegen Cefotaxim renal ausgeschieden wird und also bei einer Harnwegsinfektion vorzuziehen ist. Bei quasi identischen antibakteriellen Eigenschaften ist die Indikation je nach Lokalisation einer Infektion unterschiedlich. Die Chinolone werden über Sekrete ausgeschieden und erscheinen deshalb in hoher Konzentration in Schweiß und der Epithelial Lining Fluid (ELF). Individuell variiert die Bioverfügbarkeit je nach Körpergewicht, nach Alter, nach Nieren- bzw. Leberfunktion. Für manche Antibiotika, wie etwa Aminoglykoside, gibt es individuelle Verstoffwechselungsraten und somit ganz unterschiedliche Wirkspiegel bei gleicher Dosierung. Folglich muss man eine Wirkspiegelbestimmung anfordern. Die Wahl eines Antibiotikums nach dem Antibiogramm beruht auf der künstlichen Annahme, dass die Erreger direkt im Serum zu attackieren wären. Aber meistens handelt es sich ja um Infektionen im Gewebe, das von einer mehr oder weniger dichten Barriere, etwa der Kapillarwand oder der Blut-HirnSchranke, vom Blut getrennt ist. Die Penetrationsfähigkeit einer Substanz ist also entscheidend für die Gewebeverteilung. Je nach Lokalisation einer Infektion muss man also das geeignete Medikament wählen. Zusätzlich zu den natürlichen Hindernissen besteht die Besonderheit, dass in Nekrosen und Abszessen die Bakterien durch eine schwer überwindliche Wand aus Fibrin und totem, nicht durchblutetem Gewebe vor dem Zutritt der Antibiotika (und der körpereigenen Abwehr) geschützt sind. 왘 Klinischer Fall. Bei einem Patienten mit einer chronischen Osteomyelitis des Unterkiefers durch MRSA wurde zunächst Vancomycin als Therapie eingesetzt, weil dieses Antibiotikum nach Antibiogramm nominell gut wirksam war. Als jedoch auch nach 14-tägiger i. v. Gabe immer noch keine Besserung erreicht war, wurde auf Oxazolidinon oral umgestellt, und schon innerhalb einer Woche kam es zu einer deutlichen Verbesserung der klinischen Situation.
Toxizität: Die Antibiotika haben einen selektiven Wirkmechanismus auf das Bakterium; Nebenwirkungen auf den Organismus des Patienten sind gelegentlich möglich, darunter speziell ototoxische, nephrotoxische und kardiotoxische.
Toxizität: Manche Antibiotika wirken toxisch auf bestimmte Organe, z. B. wirken Aminoglykoside und Vancomycin nephro- und ototoxisch, was sich vor allem bei Kombinationen noch deutlich verstärkt. Makrolide und auch manche Chinolone verlängern die QT-Zeit bzw. den Herzrhythmus. Gelegentlich kommt es zu Transaminasenerhöhungen durch Makrolide, Tetrazykline und Chinolone. Andere, wie Cotrimoxazol, Chloramphenicol und einige Betalaktame haben Störungen der Blutbildung und Blutgerinnung zur Folge. Solche Manifestationen werden bei schon vorher bestehenden Organschäden oft noch gravierender.
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A 6.4 Antibiotika in der Chirurgie
195
Interaktionen mit Begleitmedikation: Der große Vorteil der Antibiotikatherapie besteht darin, dass diese Substanzen sehr spezifische „Targets“ am Bakterium angreifen, die wegen der geringen Verwandtschaft von menschlichen und bakteriellen Zellen ganz unterschiedlich sind. Ein ideales Antibiotikum hat also ein „Target“, das ausschließlich nur beim Bakterium auftritt. Somit wäre es im Prinzip nebenwirkungsfrei. Die chemische Natur der diversen Antibiotika zieht aber zwangsweise auch eine Beeinträchtigung anderer Medikamente nach sich; deren Resorption, Bindung an Serumeiweiße und Metabolisierung bzw. Ausscheidung können betroffen sein.
Interaktionen mit Begleitmedikation: kommen vor, z. B. können die Resorption, Bindung an Serumeiweiße und Metabolisierung bzw. Ausscheidung betroffen sein.
Allergie: Die chemische Natur einiger Antibiotika hat auch einen antigenen Charakter und bedingt eine Reaktion des Immunsystems des behandelten Patienten. Vor allem Sulfonamide, weniger die Penicilline, Cephalosporine und Makrolide, sind allergisierend.
Allergie: Manche Antibiotika, wie Sulfonamide und Penicilline, können Allergien auslösen.
Akzeptanz: Nicht nur Geschmack („bittere Arznei“), sondern auch die anderen subjektiv empfundenen Folgen wie Appetitlosigkeit, Übelkeit, Magenschmerzen und Durchfall hemmen den rationalen Gebrauch.
Akzeptanz: Subjektive Beschwerden können von einzelnen Antibiotika induziert werden.
Spätfolgen: Leicht übersehen werden Nebenwirkungen, die sich erst spät oder auf ganz andere Art bemerkbar machen. Durch Ablagerungen von Tetrazyklin in Zähnen und Knochen von Kleinkindern, kommt es erst viele Monate später dort zu Konsequenzen. Als „Kollateralschaden“ vieler Antibiotika, vor allem solcher, die in hoher Konzentration über die Galle und den Darm ausgeschieden werden, z. B. Ceftriaxon, kommt es zu einer Verminderung der normalen Standortflora, was dann eine Fehlbesiedelung mit Hospitalkeimen oder mit Hefepilzen nach sich zieht.
Spätfolgen: Neben den direkten, unmittelbaren Schäden können auch Langzeitfolgen und „Kollateralschäden“ auftreten.
Ökonomie: Manche Antibiotika gehören zu den teuersten Medikamenten (Abb. A-6.10). Vor allem, wenn chronische Infektionen zu behandeln sind, können sie ein vorhandenes Budget sprengen.
Ökonomie: Antibiotika verursachen hohe Kosten.
6.4.2 Praxis
6.4.2 Praxis
Für den Einsatz von Antibiotika in der Chirurgie gibt es zwei ganz unterschiedliche Ansätze: nämlich zur Prophylaxe oder zur Therapie von bestehenden Infektionen.
Prophylaxe von Infektionen
Prophylaxe von Infektionen
Prophylaxe von Wundinfektionen: Wenn erfahrungsgemäß eine Verletzung der natürlichen Barrieren den Eintritt von Keimen der körpereigenen Flora oder von Umweltkeimen ermöglicht (Tab. A-6.9), so ist eine vorsorgliche Gabe von Antibiotika sinnvoll, um den Beginn einer Infektion zu unterbinden.
Prophylaxe von Wundinfektionen: Antibiotika können bereits appliziert werden, wenn noch keine Infektion besteht aber mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit einer solchen gerechnet werden kann. Zur Auswahl s. Tab. A-6.9.
Perioperative Prophylaxe: Ziel dieser Maßnahme ist es, die von außen in das OPGebiet eingeschleppten Keime zu vernichten, noch bevor sie eine Sekundärinfektion erzeugen. Die beste Maßnahme, Infektionen zu verhindern, ist natürlich eine gute Operationstechnik und eine strenge Asepsis. Eine generelle Prophylaxe mit Antibiotika bei Operationen ist abzulehnen. Anderseits ist eine perioperative Prophylaxe durchaus in bestimmten Situationen mit einem erhöhten Infektionsrisiko indiziert, um Sekundärinfektionen zu verhindern (Tab. A-6.10).
Perioperative Prophylaxe: Nur bei manchen Operationen ist eine perioperative Antibiotikaprophylaxe sinnvoll (Tab. A-6.10).
왘 Merke. In der Chirurgie werden die meisten Antibiotika nicht dazu verwen-
왗 Merke
det, Infektionen zu behandeln, sondern sie zu verhindern! Dies ist also eine Gratwanderung zwischen unsinniger Ausgabe und sinnvoller Prävention. Man muss jedes Mal sehr sorgfältig das Für und Wider überdenken. Bei der Auswahl des Medikaments spielt das vermutliche Erregerspektrum eine Rolle, aber auch die Dosierung, die Halbwertszeit des Medikaments und seine
Die Wahl richtet sich nach Art und Dauer des Eingriffes und des zu erwartenden Keim-
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196 A-6.9
A-6.10
A
6 Infektiologie
A-6.9
Prophylaktischer Einsatz von Antibiotika in der Chirurgie
Indikation
Gefahren
Antibiotika
stark verschmutzte Wunden, verspätete Wundversorgung
Mischinfektion grampositiv und gramnegativ, aerob und anaerob
Amoxicillin + Clavulansäure (oral)
Offene Frakturen; traumatische Eröffnung von Gelenken und Körperhöhlen
Mischinfektion grampositiv und gramnegativ, aerob und anaerob
Imipenem (i. v.)
Schuss- und Stichverletzungen
Mischinfektion grampositiv und gramnegativ, aerob und anaerob
Amoxcillin + Clavulansäure (oral)
Bissverletzungen
Mischinfektion grampositiv und gramnegativ, aerob und anaerob, Pasteurella multocida
Amoxicillin + Clavulansäure (oral)
A-6.10
Einige Indikationen zur perioperativen Antibiotikaprophylaxe
Indikation
Gefahren
Antibiotikum
OP in stark kontaminiertem Gebiet (Mund, Ösophagus, Rektum, Kolon)
Mischinfektion möglich
Ceftriaxon + Metronidazol
Hysterektomie
Anaerobier und gramnegative Stäbchen
Cefotaxim + Clont
Gallengang-OP
gramnegative Stäbchen
Ceftriaxon
Amputation bei Gangrän
Gasbrand
Ausräumung von Abszessen bzw. osteomyelitischen Herden
grampositive Kokken
Penicillin + Metronidazol Cefazolin
„unsaubere“ Operationen
„saubere“ Operationen, bei denen aber eine Infektion eine schwerwiegende Komplikation wäre
spektrums. Wichtig ist, dass diese Maßnahme nicht übermäßig, z. B. über mehrere Tage danach, ausgedehnt wird (Kurzzeitprophylaxe).
Implantation von Kunststoffen und Metallen
Fremdkörper, der Infektionen begünstigt; Staphylokokken
Cefazolin, Cefuroxim
Herzoperationen
Staphylokokken
Cefazolin
Transplantationen
Staphylokokken
Cefazolin
Neurochirurgische Eingriffe
diverse Bakterien
Ceftriaxon
Gewebeverteilung. Am besten erfolgt die Injektion des Antibiotikums gleichzeitig mit der Einleitung der Narkose, damit schon bei Beginn der Operation ein Antibiotikum vor Ort ist und ggf. die Erreger noch vor deren Einnistung ins Gewebe attackiert werden, wenn die Bakterien also noch leicht zugänglich und noch nicht durch Fibrinfäden oder Eiter geschützt sind. Das Medikament sollte während der gesamten Operationszeit vorhanden sein, d. h. dass bei einem längeren Eingriff ggf. eine zweite Injektion erfolgen muss (je nach Halbwertszeit). Darüber hinaus sollte jedoch zum Ziel der Prophylaxe keine weitere Antibiotikumgabe erfolgen. Diese Kurzzeitprophylaxe ist wenig belastend und hat kaum Auswirkung auf die Resistenzlage der Keime bei einem Patienten. Wenn es notwendig erscheint, eine Antibiotikatherapie bei Anzeichen einer Infektion fortzuführen, so wäre dies ja schon eine Therapie, wofür ganz andere Überlegungen gelten. Man muss zumindest gut begründen, warum man dann im Anschluss an eine perioperative Prophylaxe mit demselben Medikament
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A 6.4 Antibiotika in der Chirurgie
197
weiter behandelt, wo doch offensichtlich die Prophylaxe versagt hat. Besser wäre dann eine andere, vielleicht gezieltere Wahl. 왘 Klinischer Fall. Bei einem 56-jährigen Diabetiker, der schon mehrfach wegen einer AVK des rechten Beines in diversen Kliniken war, wurde in der Gefäßchirurgie ein pedaler Bypass der Arteria dorsalis pedis angelegt. Als perioperative Prophylaxe wurde gemäß dem Standard 1 g Cefazolin i. v. bei Einleitung der Narkose gegeben. Dieses Antibiotikum wurde auch nach Verlegung auf die Aufwachstation, wo der Patient noch über 12 Stunden lag, noch 2-mal verabreicht. Auch als der Patient dann auf die Station zurückverlegt wurde, wurde diese Behandlung noch für 3 Tage fortgesetzt, nicht zuletzt, weil der Patient Fieber entwickelte. Als sich der Zustand des Patienten verschlimmerte und eine Infektion des Gefäßimplantats vermutet wurde, erfolgte eine Revision, wobei im Eiter grampositive Bakterien gefunden wurden, die dann als MRSA charakterisiert wurden, die eben auch gegen Cefazolin resistent waren. Kommentar: Wenn die Besiedelung des Patienten nach den vielfachen Krankenhausaufenthalten mit MRSA bekannt gewesen wäre, hätte man gleich ein wirksames Präparat einsetzen sollen. Die Gabe von Cefazolin hätte spätestens nach Rückverlegung auf die Station überdacht werden müssen.
왗 Klinischer Fall
Lokale Prophylaxe: Unter der Vorstellung, dass über einen längeren Zeitraum hinweg ein Operationsgebiet mit erhöhter Anfälligkeit gegen Infektionserreger mittels Antibiotika geschützt werden könnte, werden manchmal Antibiotikadepots (in Form von Ketten oder Zusätzen zu Knochenzement) gebildet, aus denen dann protrahiert lokal recht hohe Antibiotikamengen in die unmittelbare Umgebung abgegeben werden.
Lokale Prophylaxe: Die Wirkung lokal applizierter Antibiotika ist nur beschränkt.
Selektive Dekontamination von Darm bzw. Atemwegen: Da manche Schleimhäute regelmäßig mit einer komplexen Flora besiedelt sind, geht davon eine mögliche Verschleppung von Keimen aus. Um dies zu verhindern, wird versucht, die Standortflora durch lokale Antibiotikainstillation zu reduzieren. Einerseits werden dafür häufig Aminoglykoside verwendet und andererseits wird die Anaerobierflora, z. B. durch Metronidazol, attackiert.
Selektive Dekontamination von Darm bzw. Atemwegen: Die Reduktion der Standortflora mittels Antibiotika kann die Gefahr reduzieren, dass von solchen Quellen später eine Infektion ausgeht.
Therapie
Therapie
Indikation
Indikation
Eine Therapie mit Antibiotika ersetzt niemals die geeignete chirurgische Therapie, sondern ist allenfalls eine supportive Maßnahme. Die Indikation für eine Antibiotikagabe (Tab. A-6.11) ist sorgfältig zu stellen.
Antibiotika können eine gute Op-Technik nicht wettmachen.
왘 Merke. Antibiotika sollten nicht als Antipyretika verwendet werden.
Prinzipiell lassen sich 2 Situationen trennen: ■ Die Erreger der Infektion sind unbekannt: Dann muss eine kalkulierte (empirische) Therapie beginnen. Die Erfahrung zeigt, dass man je nach Art und Entstehung der Infektion mit jeweils unterschiedlichen Erregern rechnen muss. Entsprechend ungewiss ist die Wahl und muss möglichst breit sein. Auch die ortsspezifische Resistenzlage muss berücksichtigt werden. Wenn innerhalb von 3 – 4 Tagen keine wesentliche Besserung erzielt wird, muss die Indikation und die Wahl des Antibiotikums überprüft werden. ■ Die Erreger der Infektion sind bekannt: Dann kann man eine gezielte Therapie, z. B. nach Antibiogramm, durchführen. Allerdings muss man bedenken, dass womöglich die gezüchteten Keime gar nicht die eigentlichen Verursacher sind, sondern nur eine falsche Fährte verfolgt wird; evtl. sind auch noch weitere Keime beteiligt, die einfach nur nicht gezüchtet wurden. 왘 Klinischer Fall. Bei einem 18-jährigen Patienten mit perforierter Appendizitis wurde die entstandene Peritonitis unter der Annahme einer Mischinfektion mit diversen Aerobiern und Anaerobiern mit einer Kombination von Ceftriaxon und Clont behandelt. Bei einer Revision nach 4 Tagen wurde im Eiter eine Reinkultur von Enterocccus faecalis gefunden; typisch ist eben die Enterokokkenlücke der Cephalosporine.
왗 Merke 2 Situationen: ■ Die Erreger der Infektion sind unbekannt: Bei der kalkulierten/empirischen Antibiotikatherapie sollte man die zu erwartenden Keimarten und evtl. standortspezifische Resistenzen berücksichtigen. ■ Die Erreger der Infektion sind bekannt: Eine gezielte Therapie anhand von Antibiogrammen ist anzustreben.
왗 Klinischer Fall
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198 A-6.11
Applikation
Eine lokale Gabe ist nur selten erfolgreich, weil die Antibiotika meist nicht an den eigentlichen Ort der Keiminvasion herankommen.
Die Art der Applikation ist von der chemischen Struktur des Antibiotikums sowie von der klinischen Situation abhängig. In manchen Fällen ist die Bestimmung von Serumspiegeln sinnvoll, da die Effektivität von der erreichten Konzentration im Serum bzw. im Gewebe abhängt.
Die Halbwertszeit der Antibiotika hat Einfluss auf die Applikationsintervalle.
A
6 Infektiologie
A-6.11
Grundfragen vor jeder Antibiotikatherapie
Frage
Begründung
liegt überhaupt eine Infektion vor?
Antibiotika sind keine Antipyretika
welche Keime können als Erreger vermutet werden?
unterschiedliche Prognose; unterschiedliche Strategie
ist die Erregernatur bekannt?
kalkulierte Therapie möglich
ist das Antibiogramm bekannt?
Resistenzen können berücksichtigt werden
wo ist die Infektion lokalisiert?
Gewebegängigkeit der Antibiotika
lokale oder systemische Applikation?
topische Präparate haben nur ganz geringe Gewebepenetration
oral oder parenteral?
je nach Bioverfügbarkeit
welche Dosierung?
Wirkkonzentrationen im Serum/Gewebe sollten über der MHK der Keime liegen
welche Applikationsintervalle?
abhängig von der Halbwertszeit; Betalaktame müssen oft appliziert werden, damit die Serumwerte immer über der MHK der Erreger liegen; andere Antibiotika, wie Aminoglykoside und Chinolone, müssen wegen einem lang anhaltenden Post-antibiotic Effect nur 1 – 2-mal pro Tag verabreicht werden
Deeskalation?
bei klinischer Besserung kann man auf andere Präparate bzw. Dosierungen umsteigen
wie lange?
wenn man zu lange therapiert, steigert das Kosten und das Risiko einer Resistenzentstehung. Wenn man zu kurz behandelt, droht die Gefahr einer Exazerbation. Fazit: bis 2 – 3 Tage nach Entfieberung
Applikation Von der chemischen Struktur eines Antibiotikums hängt es ab, ob eine Substanz topisch, oral oder parenteral appliziert werden kann. Eine lokale Gabe ist nur selten wirklich erfolgreich, da die Antibiotika zumeist gar nicht an den eigentlichen Ort der Keiminvasion herankommen, weil die Diffusionsstrecke durch Gewebedebris zu lang ist. Auch steigt dadurch die Gefahr der Allergisierung. Eine Ausnahme ist die Behandlung einer pseudomembranösen Kolitis durch Clostridium difficile. In dieser Situation, wo sich die Erreger nur im Darmlumen befinden, können sie durch nichtresorbierbares Vancomycin – oral verabreicht – direkt attackiert werden. Folglich muss eine Antibiotikatherapie fast immer systemisch verteilt werden, um dann vom Kapillarbett aus in die Infektionsgebiete zu diffundieren. Das Problem des Drug Targeting mit dem Ziel, dass eine Substanz nur dorthin kommt, wo sie gebraucht wird, ist noch nicht gelöst. Einzelne Antibiotikagruppen, wie etwa die Makrolide und die Chinolone, werden in den Granulozyten vielfach akkumuliert; wenn diese Vehikel dann in den Infektionsherd invadieren, können sie ihre Antibiotikalast dort abladen, sodass vor Ort hohe Konzentrationen auftreten. Im Allgemeinen bewirkt eine parenterale Injektion von Antibiotika einen schnellen Anstieg und hohe Serumspiegel, während bei oraler Verabreichung selbst bei guter Bioverfügbarkeit eine Verzögerung und eine Erniedrigung der Spitzenwerte erfolgt. Weiterhin wird die Resorption aus dem Darm auch noch
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A 6.4 Antibiotika in der Chirurgie
199
durch andere Faktoren, wie begleitende Nahrungsmittel, Alter und Grundkrankheit beeinflusst. Eine optimale antimikrobielle Wirkung hängt bei Aminoglykosiden und Chinolonen von den erreichten Spitzenwerten ab, wogegen bei Betalaktamen und Makroliden zwar eine Mindestgrenze überschritten sein muss, d. h. die Talspiegel müssen über einem Minimum liegen, aber entscheidend ist, dass dieser Wert über lange Zeit besteht. Praktisch bedeutet dies, dass einige Antibiotika nur einmal oder zweimal pro Tag appliziert werden müssen, während bei anderen die Gesamtdosis besser mehrfach über den Tag verteilt wird. Für die Applikationsintervalle entscheidend ist auch noch die Halbwertszeit einer Substanz, die nur einige Stunden (Cefazolin) bis zu mehreren Tagen (Azithromycin) betragen kann. 왘 Merke. Bei der Wahl des richtigen Antibiotikums sind neben der direkten
왗 Merke
antimikrobiellen Aktivität noch die pharmakologischen und pharmakodynamischen Eigenschaften des Medikaments zu beachten. Bei guter Gewebepenetration, wie z. B. von Oxazolidinonen, kann der Gewebespiegel, der ja eigentlich für den Erfolg entscheidend ist, parallel zum Serumspiegel verlaufen. Aber bei manchen Antibiotika, etwa Vancomycin, das ein sehr sperriges Molekül ist und nur schlecht Barrieren überschreitet, ist der therapeutische Erfolg bei parenchymalen Infektionen geringer als erwartet. Solange die Entzündung offensichtlich noch anhält, muss eine Antibiotikatherapie fortgeführt werden. Bei einer Besserung kann man ggf. von einer parenteralen Applikation auf eine orale Sequenztherapie umsteigen oder vielleicht auch sogar deeskalieren, d. h. ein einfacheres, besser verträgliches bzw. billigeres Medikament auswählen. Das Festsetzen des Endes der Therapie ist nicht banal; ganz feste Regeln gibt es nicht. Sicherheitshalber sollte man mit der Behandlung noch wenige Tage (z. B. 3 Tage) nach Entfieberung bzw. deutlicher Besserung fortfahren.
Die Dauer der Therapie richtet sich nach dem klinischen Erfolg. Manchmal kann man schon vor einem endgültigen Erfolg auf eine orale Sequenztherapie oder eine Deeskalation umsteigen.
Konsequenzen
Konsequenzen
Nicht nur der hohe Preis mancher Antibiotika belastet das Budget, vor allem dann, wenn die Therapie über eine längere Zeit notwendig ist. Die Resistenzlage in einer Klinik erfordert eine Anpassung der Auswahl der Antibiotika für Prophylaxe bzw. Therapie. Die jeweiligen Strategien sollten nicht starr und schematisch umgesetzt werden, sondern nach gewissen Abständen wieder modifiziert werden, damit nicht ein Selektionsdruck die Etablierung von Hospitalkeimen begünstigt.
Antibiotikaregime sollten regelmäßig überprüft und auch geändert werden, damit kein Selektionsdruck entsteht.
Häufige Fehler
Häufige Fehler
Manche Fehler werden immer wieder gemacht: Tab. A-6.12.
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200 A-6.12
A
6 Infektiologie
A-6.12
Häufige Fehler beim Einsatz von Antibiotika
falsche Indikation
■ ■ ■
■
falsches Medikament
■ ■
■
falsche Dosierung
falsche Applikationsintervalle
falsche Dauer der Medikation
■
■
■
■
falsche Kombinationen ständiger Wechsel von Antibiotika
■
■
unzureichende Diagnostik Therapie, obwohl gar keine bakterielle Infektion vorliegt Prophylaxe, obwohl die Wahrscheinlichkeit einer infektiösen Komplikation sehr gering ist Kombinationen nur aus Angst, etwas zu versäumen Keim ist resistent Keim liegt an einer für dieses Medikament unzugänglichen Stelle Unverträglichkeit (Allergie; Interaktionen) die individuelle Dosis muss je nach Schwere der Krankheit, Gewicht, Alter, Vorkrankheiten und ggf. nach Wirkspiegelbestimmung erfolgen bei manchen Antibiotika ist das Wirkungsoptimum abhängig von der Spitzenkonzentration, bei anderen von den Talkonzentrationen. Je nach Halbwertszeit sind die Abstände einzuhalten eine perioperative Prophylaxe sollte nur kurzzeitig verabreicht werden eine Therapie sollte so lange (und etwas darüber hinaus) gegeben werden, so lange die Infektion anhält wilde Kombinationen sind teuer und nutzlos trotz hervorragender antimikrobieller Wirkung der meisten Antibiotika ist oft erst innerhalb von wenigen Tagen mit einer Besserung zu rechnen
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A
7
7.1 Biologisches Verhalten
Chirurgische Onkologie
201 7
Chirurgische Onkologie
Hartmut Juhl 왘 Definition. Als Tumor bezeichnet man jede umschriebene Volumenzunahme eines Gewebes. Je nach biologischem Verhalten unterscheidet man gutartige (= benigne) und bösartige (= maligne) Tumoren.
왗 Definition
Die chirurgische Onkologie befasst sich mit der Entwicklung, dem Wachstum sowie der chirurgischen Therapie von Tumoren.
7.1
Biologisches Verhalten
7.1
7.1.1
Benigne Tumoren
7.1.1 Benigne Tumoren
왘 Definition. Benigne Tumoren wachsen verdrängend und nicht infiltrativ. Sie
Biologisches Verhalten
왗 Definition
sind in der Regel von einer bindegewebigen Kapsel umgeben, respektieren Organgrenzen und metastasieren nicht. Eine Gefährdung des Patienten kann eintreten, wenn Organe (z. B. Gehirn) durch Verdrängung in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. In den meisten Fällen können benigne Tumoren chirurgisch entfernt werden. In der Praxis am häufigsten anzutreffen sind: ■ Papillome (Warzen), ■ Lipome, ■ Fibroadenome (z. B. Mamma) und ■ Adenome im Kolon (Polypen).
Gefahr der Verdrängung benachbarter Strukturen. Häufigste benigne Tumoren: ■ Papillome (Warzen), ■ Lipome, ■ Fibroadenome (z. B. Mamma), ■ Adenome im Kolon (Polypen).
Manche benigne Tumoren entwickeln sich nach einer gewissen Zeit und in Abhängigkeit vom histologischen Typ zu malignen Tumoren.
Eine maligne Entartung ist möglich.
7.1.2
Maligne Tumoren
7.1.2 Maligne Tumoren
왘 Synonym. maligner Tumor, Malignom, Neoplasie
왗 Synonym
왘 Definition. Maligne Tumoren wachsen invasiv und destruktiv in das umge-
왗 Definition
bende Gewebe. Sie respektieren keine Organgrenzen und metastasieren. Die Metastasierung kann entweder über Lymphbahnen in Lymphknoten (lymphogene Metastasierung) oder über Blutgefäße in andere Organe (hämatogene Metastasierung) erfolgen. Von den malignen Tumoren werden die semi-malignen Tumoren abgegrenzt. 왘 Definition. Semi-maligne Tumoren wachsen invasiv und destruktiv, aber sie
왗 Definition
metastasieren nicht oder zumindest sehr selten und spät (z. B. Basaliom). Histologische Merkmale maligner Tumoren: ■ Durchbrechen der Basalmembran = invasives Wachstum. ■ Erhöhte Mitoserate. ■ Zellpolymorphie (wechselnde Zellgrößen und Zellformen). ■ Kernpolymorphie (abnorme, stark wechselnde Kerngrößen).
Histologische Merkmale: ■ Invasives Wachstum. ■ Erhöhte Mitoserate. ■ Zellpolymorphie. ■ Kernpolymorphie.
Klinik: Maligne Tumoren können eine Reihe von Begleiterscheinungen hervorrufen. Man unterscheidet unspezifische Allgemeinsymptome und paraneoplastische Syndrome.
Klinik: Man unterscheidet unspezifische Allgemeinsymptome und paraneoplastische Syndrome.
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202 ■
■
Unspezifische Allgemeinsymtome: Lokal (z. B. Kompression) und systemisch.
Paraneoplastisches Syndrom: An Vorhandensein eines Tumors gebunden. Kann nach Tumorentfernung verschwinden (Tab. A-7.1).
A
■
■
7 Chirurgische Onkologie
Unspezifische Allgemeinsymptome: Die unspezifischen Symptome können nochmals in lokale und systemische Komplikationen unterteilt werden. Zu den lokalen Wirkungen zählen Kompression der Umgebung, Gefäßarrosion (= Thrombose, Blutung), Tumornekrose, Ileus, Peritonitis und Organfunktionsstörungen. Zu den systemischen Komplikationen zählen Leistungsschwäche, Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Fieber und Schwitzen. Paraneoplastisches Syndrom: Es handelt sich um Effekte, die durch das lokale Wachstum eines Tumors nicht erklärt werden können. Da sie aber an das Vorhandensein eines Tumors gebunden sind, können sie sich nach Tumorentfernung wieder zurückbilden. Sie können in kutane, endokrine, hämatologische und neuromuskuläre Paraneoplasien eingeteilt werden.
In Tab. A-7.1 sind die häufigsten paraneoplastischen Syndrome zusammengestellt.
A-7.1
A-7.1
Paraneoplastische Syndrome
Syndrom
Tumor
Cushing-Syndrom
■ ■ ■
Schwartz-BartterSyndrom Gynäkomastie, Hyperthyreose
■ ■
■
■
■
Hyperglykämie
■ ■ ■
Thrombozytose
■ ■ ■
Thrombopenie Hämorrhagie
■
■ ■ ■
Hyperkoagulation (Thrombosen)
■ ■ ■ ■
Nephrotisches Syndrom Renale Insuffizienz Pigmentierungen Keratosen
Flush
Lungenkarzinom (kleinzellig) Karzinoid Phäochromozytom Neuroblastom Lungenkarzinom (kleinzellig) Kleinzellige Pankreaskarzinome Trophoblastentumoren Keimzelltumoren (Hoden/Ovar) Lungenkarzinome (großzellig) Adenokarzinome Hepatome Mesotheliome Adrenale Karzinome Karzinome Leukämien Lymphome Chronisch lymphatische Leukämie (CLL) Morbus Hodgkin Lymphome verschiedene Karzinome Pankreaskarzinome Karzinome der Lunge Ovarialkarzinom Prostatakarzinom
■
Morbus Hodgkin verschiedene Karzinome Lymphome
■
Myelom
■ ■
■
abdominale Karzinome Lymphome verschiedene Karzinome
■
Karzinoide
■ ■
Ursache ■
ACTH Prohormone
■
ADH
■
Gonadotropine
■
Insulin
■
Thrombopoetin
■
■
■ ■
idiopathische thrombozytopenische Purpura
Thrombophlebitis migrans disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) mit Verbrauchskoagulopathie
■
Lipoidnephrose Immunkomplexnephritis
■
Amyloidose
■
■
■
■ ■
Acanthosis nigricans (TGF-α) Leser-Trelat-Syndrom (TGF-α) Serotonin vasoaktive Peptide Fortsetzung "
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A 7.2 Typisierung maligner Tumoren
A-7.1
203
Paraneoplastische Syndrome (Fortsetzung)
Syndrom
Tumor
Erythrozytose
■ ■ ■
Granulozytose
■ ■ ■ ■ ■
Anorexie-KachexieSyndrom
■
Hypernephrom Hepatome Hämangioblastome Lungenkarzinom Magenkarzinom Pankreaskarzinom Melanom u. a. zahlreiche Tumoren bei großer Tumormasse
A-7.1
Ursache ■ ■
■
■
■ ■
Erythropoetin Prostaglandine Colony Stimulating Factor (CSF) Interleukin-1 und -3
TNF-α Interleukin-1β
Letztendlich führen häufig Infekte, Thrombosen, Embolien, Sepsis oder Blutungen zum Tod.
7.2
Typisierung maligner Tumoren
7.2
Typisierung maligner Tumoren
Nichtsolide Tumoren: Systemische autonome Zellproliferation einzelner Zellen (z. B. Leukämien).
Nichtsolide Tumoren: Einzelzellen (z. B. Leukämien).
Solide Tumoren: Fest umschriebene Tumoren. Nach ihrem Ursprungsgewebe werden sie unterteilt in: ■ Karzinome (epithelialer Ursprung). ■ Sarkome (mesenchymaler Ursprung). ■ Sonderformen.
Solide Tumoren: ■ Karzinome. ■ Sarkome. ■ Sonderformen.
7.2.1 Karzinome
7.2.1 Karzinome
왘 Definition. Karzinome sind von Epithelzellen ausgehende, bösartige Tumoren.
왗 Definition
Epidemiologie: 90 % aller Malignome sind Karzinome. Bei Frauen werden z.Z. am häufigsten Mammakarzinome (32 %), Lungenkarzinome (12 %) und Dickdarmkarzinome (11 %), bei Männern hingegen Prostatakarzinome (33 %), Lungenkarzinome (13 %) sowie Dickdarmkarzinome (10 %) beobachtet. Untersuchungen zeigen eine kontinuierliche Zunahme des Lungenkarzinoms, wobei immer häufiger Frauen betroffen sind, da sich deren Rauchgewohnheiten denen der Männer angeglichen haben. An Häufigkeit zugenommen haben weiterhin das maligne Melanom, das Kolonkarzinom und das Pankreaskarzinom. Hingegen treten Magen- und Zervixkarzinome mit abnehmender Inzidenz auf.
Epidemiologie: 90 % der malignen Tumoren sind Karzinome.
7.2.2 Sarkome
7.2.2 Sarkome
왘 Definition. Zu den Sarkomen zählen sämtliche Tumoren mesenchymaler Her-
Lungenkarzinome, maligne Melanome, Kolonkarzinome und Pankreaskarzinome nehmen zu, Magen- und Zervixkarzinome nehmen ab.
왗 Definition
kunft, d. h. Malignome, die sich von Bindegewebe, Muskulatur oder Knochengewebe herleiten. Insgesamt sind weniger als 10 % aller Malignome Sarkome. Sie werden nach ihrem Ursprungsgewebe unterteilt in: ■ Weichteilsarkome (u. a. Leiomyosarkome, Rhabdomyosarkome oder Liposarkome) (s. S. 715). ■ Sarkome, die vom Knochen ausgehen (z. B. Osteosarkom).
Entsprechend dem Ursprungsgewebe unterscheidet man: ■
Weichteilsarkome (s. S. 715).
■
Sarkome der Knochen.
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7 Chirurgische Onkologie
204
A
7.2.3 Sonderformen
7.2.3 Sonderformen
Teratome: Sie entstehen aus pluripotenten Zellen und treten vor allem in Keimdrüsen auf.
Teratome: Zu den Sonderformen gehören Teratome, die vor allem in den Keimdrüsen auftreten. Sie entstehen aus pluripotenten Zellen, sodass sich häufig gleichzeitig Anteile verschiedener Gewebetypen (z. B. Weichteile, Haare, Zähne) in einem Tumor finden.
Embryonale Tumoren entstehen aus nicht differenzierten Zellen: ■ Nephroblastom (Wilms-Tumor). ■ Neuroblastom. ■ Medulloblastom. ■ Retinoblastom. ■ Hepatoblastom. ■ Embryonales Rhabdomyosarkom.
Embryonale Tumoren: Embryonale Tumoren entstehen aus nicht differenzierten Zellen einer Organanlage und treten meist im frühen Kindesalter (bis 5 Jahre) klinisch in Erscheinung. Die häufigsten Tumoren dieser Gruppe sind: ■ Nephroblastom (Wilms-Tumor), vom Nierenblastem ausgehend. Enthält epitheliale und mesenchymale Anteile. ■ Neuroblastom, leitet sich vom Nebennierenmark oder Grenzstrang her. ■ Medulloblastom (Gehirn). ■ Retinoblastom (Retina). ■ Hepatoblastom (Leber). ■ Embryonales Rhabdomyosarkom (Urogenitaltrakt und Augenbereich).
7.3
Diagnostik und Klassifikation
Vor jeder Therapie muss die Diagnostik stehen. ■ ■ ■ ■ ■
Anamnese und körperliche Untersuchung. Gewebeprobe. Endoskopie. Bildgebung. Labor (u. a. Tumormarker, s. S. 206).
7.3.1 Tumorgrading
왘 Definition
7.3
Diagnostik und Klassifikation
Vor einer Therapie ist eine umfassende Diagnostik zur genauen Beurteilung und Klassifikation des Tumors (Typ, Ausdehnung, Metastasierung) erforderlich: ■ Anamnese und körperliche Untersuchung. ■ Gewebeprobe: Sie dient dem Nachweis maligner Zellen und der genauen histologischen Beurteilung. Gewebe kann mittels Probeexzision (PE) oder Punktion gewonnen werden. Wenn unabhängig vom histologischen Typ eine Operationsindikation besteht (z. B. stenosierender Kolonprozess mit Ileusgefahr), kann präoperativ auf eine Gewebeprobe verzichtet werden. ■ Endoskopie: Gastroskopie, Koloskopie, Endosonographie, ERCP (endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie). ■ Bildgebung: Sonographie, Röntgen (ggf. mit Kontrastmittel), Computertomographie, Magnetresonanztomographie, nuklearmedizinische Techniken (Szintigraphie, Immunszintigraphie). ■ Labor: Je nach Tumor können sich Veränderungen ganz unterschiedlicher Parameter zeigen (z. B. Hb – Tumoranämie, AP – Knochenmetastasen, primäres Leberzellkarzinom, Lebermetastasen). Zusätzlich lassen sich bei bestimmten Tumoren spezifische Tumormarker nachweisen. Diese können zur Verlaufskontrolle herangezogen werden s. S. 206
7.3.1 Tumorgrading 왘 Definition. Das Grading (G) beschreibt den histopathologischen Differenzie-
rungsgrad von Karzinomen und Sarkomen. ■ ■ ■ ■
G1: G2: G3: G4:
Hoch differenziert. Mittelgradig differenziert. Niedrig differenziert. Entdifferenziert.
왘 Merke
Hohe Mitoserate = aggressives Tumorwachstum.
■ ■ ■ ■
G1: Hoch differenziert. G2: Mittelgradig differenziert. G3: Niedrig differenziert. G4: Entdifferenziert. Das Herkunftsgewebe ist morphologisch nicht mehr zu erkennen.
왘 Merke. Die Prognose korreliert bei den meisten Tumoren mit dem Differenzierungsgrad und nimmt mit zunehmender Entdifferenzierung ab.
Zusätzlich wird bei bestimmten Tumoren (z. B. Sarkome) die Mitoserate beurteilt. Eine hohe Mitoserate spricht für ein schnelles, aggressives Wachstum, was mit einer schlechten Prognose einhergeht.
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A 7.3 Diagnostik und Klassifikation
205
7.3.2 Tumorstaging
7.3.2 Tumorstaging
TNM-Klassifikation: Das TNM-System ist ein international einheitliches Verfahren und wird regelmäßig von einer Kommission der UICC (Union international contre le cancer) überarbeitet (Internet: http://www.uicc.org). Beurteilt werden: ■ Die Tumorgröße (T). ■ Die Streuung in die Nodi lymphoidei (N). ■ Die Bildung von Metastasen (M).
TNM-Klassifikation: international einheitliches Verfahren zur Beurteilung von: ■ Tumorgröße (T). ■ Lymphknotenbefall (N). ■ Metastase (M).
왘 Merke. Die Untersuchungsmethode, auf der die Klassifikation beruht, wird durch einen kleinen Buchstaben angegeben: S. Abb. A-7.1.
왗 Merke
Zur besseren Prognoseeinschätzung werden manche Tumoren noch weiter unterteilt in T1a, T1b, usw. UICC-Stadien: Tumoren verschiedener TNM-Klassifikation, aber vergleichbarer Prognose werden in Stadien (I–V) zusammengefasst. Diese Stadien werden zur genaueren Prognoseabschätzung zusätzlich in a und b unterteilt (Tab. A-7.2).
UICC-Stadien: Einteilung von Tumoren vergleichbarer Prognose in 4 Stadien.
Andere Einteilungsformen: Es gibt eine Reihe weiterer Klassifikationen. So werden kolorektale Tumoren z. B. auch nach der Dukes-Klassifikation eingeteilt (Tab. A-7.2).
Andere Einteilungsformen: z. B. DukesKlassifikation kolorektaler Tumoren (Tab. A-7.2).
왘 Klinischer Fall. Ein Patient wird an einem Sigmakarzinom operiert. Die präoperative Diagnostik ergab keine Hinweise auf eine Metastasierung, bei der Endosonographie reicht der Tumor bis in die Serosa (cT3N0M0). Intraoperativ können ebenfalls keine Fernmetastasen gefunden werden, ein Lymphknoten am Tumor ist pathologisch vergrößert, der Tumor wächst nicht in die Umgebung ein (sT3N1M0). Die histologische Aufarbeitung des Präparates zeigt, dass der Tumor die Serosa der Darmwand durchbrochen hat. Weiterhin finden sich in 6 der untersuchten Lymphknoten Metastasen. TNM-Klassifikation: pT3N2M0, Stadium IIIc (Abb. A-7.1, Tab. A-7.2).
왗 Klinischer Fall
A-7.1 TNM-Klassifikation (UICC 2002)
Die Untersuchungsmethoden, auf denen die Klassifikation beruht, werden durch einen kleinen Buchstaben angegeben: klinische Diagnose: c (clinical) intraoperativer Befund: s (surgery) histologische Untersuchung: p (pathology)
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206 A-7.2
7.4
Tumormarker
왘 Definition
Hormone oder tumorassoziierte Antigene können als Tumormarker fungieren. Erhöhte Werte können auch bei Gesunden auftreten (Tab. A-7.3).
A
7 Chirurgische Onkologie
A-7.2
7.4
Stadieneinteilung am Beispiel des kolorektalen Karzinoms
Tumormarker
왘 Definition. Als Tumormarker werden im Serum nachweisbare Substanzen bezeichnet, die von Tumorzellen produziert werden.
Es kann sich dabei um Hormone handeln (z. B. HCG beim Hodentumor oder ACTH beim Bronchialkarzinom). Diese Hormone können paraneoplastische Syndrome auslösen (S. 202). Als Tumormarker im engeren Sinne bezeichnet man tumorassoziierte Antigene (TAA), die von malignen Zellen exprimiert und sezerniert werden. Je nach Ursprungsgewebe treten unterschiedliche Marker auf (Tab. A-7.3). Tumormarker können auch in geringem Umfang von nichtmalignen Zellen produziert werden und auch bei gesunden Menschen erhöht sein. So kann das CEA bei Rauchern oder bei verschiedenen entzündlichen Erkrankungen erhöht sein.
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A
A-7.3
7.5 Tumorigenese
207
Tumormarker
A-7.3
Organ
Tumormarker
Bronchialkarzinom Magenkarzinom Dickdarmkarzinom Pankreaskarzinom Leberzellkarzinom Mammakarzinom Ovarialkarzinom Prostatakarzinom
CEA, NSE, SCC CEA, CA-19 – 9, CA-50 CEA, Ca 19 – 9, CA-50 CA-19 – 9, CEA, CA-50 AFP CA-15 – 3, CEA Ca-12 – 5, CEA PSA
왘 Merke. Ein niedriger Tumormarkerwert schließt das Vorliegen einer malig-
왗 Merke
nen Erkrankung nicht aus. Aufgrund der geringen Sensitivität und Spezifität ist die Bestimmung der Tumormarker weder zur Krebsvorsorge noch zur primären Diagnostik eines Karzinoms sinnvoll. Einen hohen Nutzen hat die Bestimmung der Tumormarker im Rahmen der Verlaufskontrolle tumormarkerpositiver Patienten zur frühzeitigen Diagnostik eines Tumorrezidivs.
7.5
Tumorigenese
7.5
Tumorigenese
Grundlage der Entstehung bösartiger Tumoren sind Veränderungen der DNA, die in einer Deregulation des Zellwachstums münden (maligne Transformation). Zahlreiche Substanzen und Faktoren können die Inzidenz maligner Tumoren erhöhen. Es sind vielfältige Karzinogene bekannt.
Deregulation des Zellwachstums durch maligne Transformation der DNA.
7.5.1 Karzinogene Faktoren
7.5.1 Karzinogene Faktoren
Chemische Karzinogene: Eine Reihe chemischer Substanzen kann an der Tumorentstehung beteiligt sein (Tab. A-7.4). Zu ihnen gehören auch natürlich vorkommende Stoffe wie Mykotoxine und Pyrrolizidine (Pflanzeninhaltsstoffe). Ihre Identifikation erfolgt mithilfe von epidemiologischen Studien, Tierversuchen und an Zellkulturen.
Chemische Karzinogene: Tab. A-7.4.
Physikalische Karzinogene: Die physikalischen Noxen können unterteilt werden in: ■ Ionisierende Strahlung: Durch die Entdeckung und den Umgang mit Radium wurde in den 20er Jahren die krebsauslösende Wirkung radioaktiver Strahlen entdeckt. Sie können verschiedenartige Tumoren verursachen (Tab. A-7.4).
A-7.4
Tumoren und korrespondierende Karzinogene
Chemische Karzinogene
Tumorlokalisation
aromatische Amine (β-Naphthylamin) Benzol Teer, Tabak Petroleum, Paraffinöl, Teer Mykotoxine, z. B. Aflatoxine Pyrrolizidine
Harnwege Blut/lymphatisches Gewebe Haut, Larynx, Bronchien Haut Magen/Darm Leberzellkarzinom
Physikalische Karzinogene ionisierende Strahlen UV-Strahlen
Haut, Schilddrüse, Zunge, Tonsillen, Knochen, Blut Haut
Fremdkörper Asbest
Lunge, Pleura
Physikalische Karzinogene (Tab. A-7.4): Ionisierende Strahlung. ■ UV-Strahlung. ■ Fremdkörper. ■
A-7.4
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208
A
■
■
7 Chirurgische Onkologie
UV-Strahlung: Sie kann Hauttumoren, wie z. B. das maligne Melanom, hervorrufen. Dessen Inzidenz ist bei Nord- und Mitteleuropäern, korrelierend mit dem Massentourismus in südliche Regionen und der damit verbundenen vermehrten Sonnenexposition, angestiegen. Durch das an Größe zunehmende Ozonloch wird die schädigende Wirkung der UV-Strahlung, wie Untersuchungen in Australien zeigen, weiter an Bedeutung zunehmen (Tab. A-7.4). Fremdkörper: Bestimmte Fremdkörper können, z. B. durch die Unterhaltung einer chronischen Entzündung, langfristig zur malignen Transformation führen. Ein Beispiel hierfür ist Asbest. Es handelt sich dabei um eine Gruppe verschiedener, natürlich vorkommender Silikatminerale, die aus feinsten Fasern bestehen. Nach dem Einatmen lagern sich die Fasern im Lungengewebe ab und führen über eine chronische Entzündung zu einem narbigen Umbau (Asbestose). Langfristig kommt es zur Entwicklung eines Lungenkarzinoms oder Pleuramesothelioms (Tab. A-7.4).
Viren: Ein Zusammenhang zwischen Infektion und Malignomentstehung zeigt sich für: ■ Epstein-Barr-Virus (Burkitt-Lymphom, Nasopharynxkarzinom). ■ Hepatitis-B-Virus (Leberzellkarzinom). ■ Humanes T-Zell-Leukämie-Virus (T-ZellLeukämie, -Lymphom).
Viren: Es gibt Viren, die Genabschnitte, welche sie für ihre eigene Replikation benötigen, in die DNA humaner Zellen einbauen. Erfolgt dies in der Nähe humaner, wachstumsregulierender Gene, kann deren Funktion beeinträchtigt werden. Malignes Wachstum kann die Folge sein. Ferner gibt es onkogene Viren, deren DNA direkt eine maligne Transformation der Zelle bewirkt. Ein Zusammenhang zwischen Infektion und Malignomentstehung konnte gezeigt werden für: ■ Epstein-Barr-Virus – Burkitt-Lymphom, Nasopharynxkarzinom. ■ Hepatitis-B-Virus – Leberzellkarzinom. ■ Humanes T-Zell-Leukämie-Virus (T-Zell-Leukämie und -Lymphom).
Familiäre Disposition: Ursächlich finden sich: ■ DNA-Defekte. ■ Enzymschäden im DNA-Reparatursystem. ■ Schädigungen des Immunsystems.
Familiäre Disposition: Für bestimmte Malignome konnte eine familiäre Disposition nachgewiesen werden. Verantwortlich für diese hereditären (angeborenen) Erkrankungen sind insbesondere: ■ DNA-Defekte, die direkt zu einer malignen Transformation von Zellen führen. ■ Enzymschäden des DNA-Reparatursystems. ■ Schädigung des Immunsystems.
Beispiele hereditärer und familiär gehäuft auftretender Erkrankungen sind in Tab. A-7.5, Tab. A-7.6 und Tab. A-7.7 dargestellt.
Zusätzliche exogene Faktoren (UV-Strahlen, Karzinogene in der Nahrung, ionisierende Strahlen) ermöglichen oder beschleunigen bei diesen Patienten die Krebsentstehung. Um eine genetische Prädisposition annehmen zu können, müssen bei bestimmten Tumoren verschiedene Faktoren erfüllt sein. So wird z. B. ein HNPCCSyndrom anhand der „Amsterdam-Kriterien“ diagnostiziert (Tab. A-7.5). Man unterscheidet zwischen regelhaft vererbten Syndromen, die mit großer Häufigkeit zur Malignombildung führen (Tab. A-7.6) und malignen Erkrankungen (z. B. Mammakarzinome und Kolonkarzinome), die zwar familiär gehäuft, aber nicht regelhaft auftreten, sodass neben angeborenen Gendefekten exogenen Komponenten eine größere Bedeutung zuzuschreiben ist (Tab. A-7.7). So beträgt beim familiär auftretenden Mammakarzinom das relative Risiko 2,2 und beim familiär auftretenden Kolonkarzinom 3,4.
A-7.5
A-7.5
Amsterdam-Kriterien
Mindestens drei Familienangehörige mit HNPCC-assoziiertem Karzinom. Einer davon Verwandter ersten Grades der beiden anderen. Erkrankungen in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Generationen. Mindestens ein Patient mit der Diagnose eines kolorektalen Karzinoms vor dem 50. Lebensjahr.
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A
A-7.6
7.5 Tumorigenese
Regelhaft vererbte Syndrome
A-7.6
Syndrom
Tumorlokalisation
familiäre Polyposis coli
Kolon
HNPCC-Syndrom (hereditäres, nichtpolypöses Kolonkarzinom-Syndrom)
Kolon Endometrium Magen ableitende Harnwege Mamma Ovar
multiple endokrine Neoplasie Typ 1 (MEN 1)
Hypophyse Nebenschilddrüse Pankreas-Inselzellen Nebennierenrinde
multiple endokrine Neoplasie Typ 2 (MEN 2)
C-Zellen der Schilddrüse Nebennierenmark
von-Hippel-Lindau-Syndrom
Niere Hämangioblastom des Kleinhirns Nebennierenmark
Basalzell-Nävus-Syndrom
Haut Gehirn (Medulloblastom)
Retinoblastom
Retina Knochen (Osteosarkom)
Neurofibromatosis Typ 1 (NF-1)
Schwann-Zellen Glia
Neurofibromatosis Typ 2 (NF-2)
Schwann-Zellen des VIII. Hirnnervs Meningen
A-7.7
209
Tumoren mit familiärer Häufung
A-7.7
Tumorlokalisation
relatives Risiko
Mamma Ovarien Endometrium Melanom Lunge Kolon Magen
2,2 3,0 2,7 2,5 2,7 3,4 2,6
Therapiebedingte Tumoren 왘 Merke. Die meisten in der Krebsbehandlung verwendeten Therapeutika
Therapiebedingte Tumoren 왗 Merke
(Zytostatika, ionisierende Strahlen) schädigen die DNA und wirken damit potenziell karzinogen. Dies zeigt sich z. B. durch die hohe Inzidenz von Lymphomen bei Erwachsenen, die als Kind wegen einer Leukämie behandelt worden sind. Angesichts fehlender therapeutischer Alternativen kann gegenwärtig nur eine engmaschige Nachsorge helfen, diese Folgeerkrankungen rechtzeitig zu erkennen. Auch in der Transplantationsmedizin wird eine Zunahme der Inzidenz maligner Erkrankungen beobachtet. Eine effektive Immunsuppression stellt einen wesentlichen Bestandteil der Behandlung dar. Dadurch ist das Immunsystem in seiner Fähigkeit, Tumorzellen frühzeitig zu identifizieren und zu eliminieren, beeinträchtigt.
Diesem Nebeneffekt kommt große Bedeutung bei der Krebsbehandlung von Kindern zu, die langfristig engmaschig nachuntersucht werden müssen. Die in der Transplantationsmedizin notwendige immunsuppressive Therapie führt zu einer erhöhten Inzidenz von Malignomerkrankungen.
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7 Chirurgische Onkologie
210
A
Psychische Faktoren
Psychische Faktoren
Durch die Interaktion der Psyche mit dem Immunsystem ist ein Einfluss im Rahmen der Karzinogenese vorstellbar.
Der Einfluss psychischer Faktoren bei der Tumorentstehung ist mittels Studien schwer nachweisbar. Man muss aber vermuten, dass ein solcher Einfluss besteht, der u. a. über die Interaktion der Psyche mit dem Immunsystem erklärt werden kann.
7.5.2 Entwicklungsstufen bösartiger
Tumoren Präkanzerosen 왘 Definition
7.5.2 Entwicklungsstufen bösartiger Tumoren Präkanzerosen 왘 Definition. Gewebeveränderungen mit einem statistisch erhöhten Entartungs-
risiko werden als Präkanzerosen bezeichnet. ■ ■ ■ ■ ■ ■
Leukoplakie atrophische Gastritis Dysplasien der Zervix Barrett-Ösophagus Polypen im Magen-/Darmtrakt Colitis ulcerosa
■ ■ ■ ■ ■ ■
왘 Merke
Leukoplakie atrophische Gastritis Dysplasien der Zervix Barrett-Ösophagus Polypen im Magen- und Darmtrakt Colitis ulcerosa
왘 Merke. Um einer Malignombildung vorzubeugen, ist die Behandlung oder
die regelmäßige Überwachung von Präkanzerosen obligat. Carcinoma in situ 왘 Definition
Mikroinvasives Karzinom 왘 Definition
Carcinoma in situ 왘 Definition. Ein zellulär bösartiger, aber örtlich begrenzter Tumor, der die natürlichen Gewebegrenzen nicht überschritten hat (Basalmembran intakt) und keinen Anschluss an das Blutgefäßsystem hat. Nach der chirurgischen Tumorentfernung können die Patienten als geheilt angesehen werden.
Mikroinvasives Karzinom 왘 Definition. Einzelne Zellgruppen haben die Basalmembran durchbrochen. Der Tumor ist noch klein und hat nur zu einer geringgradigen Invasion von umgebendem Gewebe geführt.
7.5.3 Tumorimmunologie
7.5.3 Tumorimmunologie
Das Immunsystem kann Karzinome, die Fremdantigene exprimieren, eliminieren. Die Aktivierung des Immunsystems verläuft in mehreren Schritten: Abb. A-7.2.
Obwohl täglich in jedem gesunden Organismus Tausende maligner Zellen entstehen, stellt die Entwicklung eines Karzinoms die Ausnahme dar. Dies ist u. a. dem Immunsystem zu verdanken, das Tumorzellen aufgrund der Expression von körperfremden Antigenen erkennen und eliminieren kann. Mit der Expression von Fremdantigenen wird das Immunsystem über mehrere Schritte aktiviert: Abb. A-7.2. Tumorzellen können sich mithilfe verschiedener Mechanismen dem Zugriff des Immunsystems entziehen (Tab. A-7.8).
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A
7.5 Tumorigenese
211
A-7.2 Tumorimmunologie
1. Tumorzellen (TU) werden von Makrophagen (M) und natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) phagozytiert. 2. Die Makrophagen präsentieren die Tumorantigene auf ihrer Oberfläche. T-Lymphozyten binden an die Antigene und werden durch Zytokine aktiviert. Sie produzieren ihrerseits Zytokine. 3. Es erfolgt eine Selbststimulierung und eine Stimulierung anderer T-Lymphozyten (T-Helfer [T-H]- und T-Killerzellen [T-K]). 4. Die T-Helferzellen aktivieren spezifische B-Lymphozyten (B), die eine Antikörperproduktion einleiten. 5. Nach Bindung der Antikörper an die Tumorzelle kommt es über eine Komplementaktivierung zur Lyse der Tumorzelle (complement-dependent cytotoxicity = CDC). 6. Die gebundenen Antikörper können auch eine zelluläre Tumorzellelimination (antibody-dependent cellular cytotoxicity) durch natürliche Killerzellen (NK), Makrophagen und T-Lymphozyten induzieren. 7. Zytotoxische T-Killerzellen können auch unabhängig von einer Antikörperbindung Tumorzellen eliminieren (Abb. A-7.2).
A-7.8
Mechansimen, mit denen sich Tumorzellen dem Zugriff des Immumsystems entziehen
Die Tumorzellen exprimieren kein Fremdantigen. Die Tumorzellen weisen eine verringerte Expression von MHC-I-Antigen (major histocompatibility complex I) an der Zellmembran auf.
T-Lymphozyten können nur durch das kombinierte Erkennen von MHC-I und Fremdantigen an Tumorzellen binden.
Geringe Antigendichte.
Eine Immunantwort kann nicht ausgelöst werden.
Antigene sind durch andere Oberflächenstrukturen maskiert.
Erkennung durch das Immunsystem ist nicht möglich.
Tumorzellen sind in der Lage, durch Antigenmodulation ihre Oberflächenantigene zu verändern.
Es kann eine Subpopulation von Zellen entstehen, die durch das Immunsystem nicht erkannt werden.
Die Zellteilungsrate liegt höher als die Eliminationsrate des Abwehrsystems.
Zellen mit geringer Antigenität können hierdurch dem Immunsystem entgehen und als solide und damit schwerer angreifbare Zellformation die Grundlage für einen Tumor bilden.
Antikörper ohne Effektorfunktion blockieren die Fremdantigene.
Keine Erkennung durch das Immunsystem.
7.5.4 Theorie der Tumorentstehung 왘 Merke. Damit es zur Malignombildung kommt, müssen zunächst verschie-
7.5.4 Theorie der Tumorentstehung
왗 Merke
dene, sich ergänzende DNA-Schäden auftreten. Diese dürfen durch Reparaturenzyme nicht korrigiert werden. Die maligne transformierte Zelle muss dem Immunsystem entgehen und schließlich in der Lage sein, ihr eigenes Gefäßsystem (Angiogenese) aufzubauen. Ein Schema zur Tumorentstehung und Metastasierung zeigt Abb. A-7.3.
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7 Chirurgische Onkologie
212
A
Molekulare Grundlagen:
Molekulare Grundlagen: 2 verschiedene Gentypen sind für die Wachstumsregulation von Zellen und damit auch für die Tumorentstehung von entscheidender Bedeutung: ■ Protoonkogene – über 100 verschiedene Protoonkogene und deren Genprodukte steuern die Zellvermehrung und deren Interaktion mit der Umgebung, indem sie z. B. die Produktion von Wachstumsfaktoren oder deren Rezeptoren kodieren. Ein Protoonkogen kann durch karzinogene Faktoren (s.o.) oder Replikationsfehler im Zellzyklus mutieren. Bewirkt das mutierte Gen eine maligne Transformation, wird es als Onkogen bezeichnet. ■ Tumorsuppressorgene – die ebenfalls zahlreichen Tumorsuppressorgene bewirken die Bildung von Regulationsproteinen oder Enzymen, die Zellteilungsvorgänge hemmen. Dem p53-Tumorsuppressorgen kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Dessen Aktivierung bewirkt entweder einen Zellzyklusarrest in der G1- bzw. G2-Phase oder postmitotisch. Dadurch werden Reparationsvorgänge der DNA zur Elimination von Gendefekten ermöglicht. Kann ein DNA-Defekt nicht behoben werden, so kommt p53 eine wesentliche Rolle bei der Einleitung des programmierten Zelltodes (Apoptose) zu. Bevor eine maligne Zelle und ein Karzinom entstehen, müssen mehrere verschiedene und sich ergänzende Mutationen in Protoonkogenen und Tumorsuppressorgenen aufgetreten sein. Hieraus erklärt sich, warum die meisten Malignome erst im höheren Alter, nach einer langen Latenzzeit, entstehen.
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Protoonkogene steuern die Zellvermehrung und die Interaktion mit der Umgebung. Ein mutiertes Protoonkogen, das zu einer malignen Transformation führt, wird als Onkogen bezeichnet.
Tumorsuppressorgene hemmen die Zellteilung. Das p53-Gen ist an Reparationsvorgängen der DNA und am programmierten Zelltod (Apoptose) beteiligt. Der Entstehung von malignen Zellen gehen mehrere, sich ergänzende Mutationen in Protoonkogenen und Tumorsuppressorgenen voraus.
Angiogenese: Die Nährstoffdiffusion ist bis zu einer Tumorgröße von 2 mm möglich. Bei größeren Tumoren ist eine Gefäßneubildung für eine autarke Versorgung nötig. Die hämatogene Metastasierung wird durch die Angiogenese erleichtert.
Angiogenese: Bis zu einer Größe von 2 mm können sich Tumoren über Diffusion von Nährstoffen ernähren. Zu einem weiteren Größenwachstum bedarf es einer autarken Nährstoffversorgung, die durch Induktion einer Gefäßneubildung (Angiogenese) erreicht wird. Die Endothelproliferation und Angiogenese wird durch Angiogenesefaktoren vermittelt (u. a. b-FGF [basic-fibroblast growth factor], VEGF [vascular endothelial growth factor]), die entweder direkt von den Tumorzellen oder (über die Sezernierung von Mediatoren) von umgebenden Stromazellen freigesetzt werden. Durch die Angiogenese wird die hämatogene Metastasierung des Tumors wesentlich erleichtert.
Tumor-Stroma-Interaktion: Es bestehen enge Wechselbeziehungen zwischen Tumorzellen und Stroma. Dieser Synergismus könnte die Organpräferenz bei der Metastasierung bestimmter Malignome erklären.
Tumor-Stroma-Interaktion: Zwischen Tumorzellen und dem sie umgebenden Stroma (extrazelluläre Matrix, Bindegewebszellen, Lymphbahnen, Gefäße, Entzündungszellen etc.) besteht eine enge Wechselbeziehung. Tumorzellen beeinflussen dabei nicht nur ihre Umgebung, sondern können auch vom Stroma Proliferationsreize erhalten. Möglicherweise besteht in diesem Synergismus von Tumorzellen und Stroma ein Zusammenhang mit der Organpräferenz bei der Metastasierung. So metastasieren z. B. Mamma- und Bronchialkarzinome am häufigsten in die Knochen oder das Gehirn.
7.5.5 Metastasierung
7.5.5 Metastasierung
Mutationen führen zur Bildung einer metastatischen Zellsubpopulation, die zur Metastasierung fähig ist. Metastatische Zellen können sich vom Zellverband lösen.
Durch DNA-Schäden (u. a. Mutationen an Protoonkogenen und dem p53Tumorsuppressorgen) entsteht innerhalb eines Primärtumors eine Zellsubpopulation, die zur Metastasierung fähig ist. Diese Zellen nutzen für die Lösung und Wanderung aus dem Zellverband physiologischerweise vorkommende Mechanismen. Zunächst exprimieren sie Rezeptoren, mit denen sie selektiv an das umgebende Stroma binden. Ausgelöst durch diese Bindung sezernieren sie verschiedene proteolytische Enzyme, die die Basalmembran und Teile der extrazellulären Matrix lysieren und dadurch passierbar machen. Gleichzeitig verlieren sie andere Oberflächenstrukturen, die für die Einbindung in das Stroma von Bedeutung sind (Adhäsionsmoleküle, CAM = cellular adhesion molecule). Die Zellen wandern bzw. ziehen sich durch das Stroma, indem sie Pseudopodien oder entsprechende Veränderungen im Zytoskelett ausbilden (Lokomotion), und gelangen in Lymph- oder Gefäßbahnen.
Sie gelangen über Lymph- und Blutgefäße in andere Organe.
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A 7.6 Therapie maligner Tumoren
213
A-7.3 Tumorentstehung und Metastasierung
Grundlage der fortschreitenden Kaskade bilden Mutationen insbesondere der Protoonkogene und Tumorsuppressorgene, die zunächst zu einer Deregulation und Proliferation der Zellen führen (1). Das maligne Wachstum erkennt man am Durchbrechen der Basalmembran (2). Eine Größenzunahme über 2 mm erfolgt durch eine Angiogenese, die durch die Freisetzung von Angiogenesefaktoren (AF) induziert wird (3). Hierdurch kann eine Subpopulation metastatischer Zellen in den Blutstrom gelangen und metastasieren (4). Die Translokation in das Gewebe des Zielorgans erfolgt über die Expression bestimmter Adhäsionsmoleküle (z. B. CD44), die auch von Leukozyten zur Wanderung aus dem Gefäßsystem benötigt werden (5). Durch die Interaktion mit dem Stroma im Zielorgan kann es zur Proliferation, Angiogenese (6) und erneuten Metastasierung kommen (7).
Mithilfe spezifischer Rezeptoren können Tumorzellen im Kapillarsystem an Endothelzellen haften (Adhäsion) und durch die Gefäßwand in das Stroma des Zielorgans gelangen (Translokation). Können diese Zellen zusätzlich eine Angiogenese induzieren, entwickeln sich aus den Mikrometastasen (Zellhaufen 5 2 mm) Metastasen. Tierversuche haben gezeigt, dass nur ca. 0,01 % der metastatischen Zellen eines Primärtumors sämtliche Metastasierungsschritte durchlaufen können. Ein großer Teil der Zellen wird im Gefäßsystem durch Scherkräfte und das Immunsystem zerstört. Die zellbiologischen Prozesse der Metastasierung ähneln sehr stark denen, die bei der Wanderung von Zellen des Immunsystems auftreten (z. B. Lokomotion und Translokation) (Abb. A-7.3).
7.6
Therapie maligner Tumoren
왘 Merke. Anhand der mittels ausführlicher Diagnostik gewonnenen Befunde
Durch Angiogenese entwickeln sich aus Mikrometastasen (Zellhaufen 5 2 mm) Metastasen. Nur ca. 0,01 % der metastatischen Zellen eines Primärtumors können alle Metastasierungsschritte durchlaufen.
Stärke Ähnlichkeiten von Metastasierungsvorgängen und Wanderung von Zellen des Immunsystems.
7.6
Therapie maligner Tumoren
왗 Merke
sollte in enger Zusammenarbeit mit Onkologen und Strahlentherapeuten eine individuelle Behandlungsstrategie festegelegt werden. Chirurgische Tumorentfernung, Strahlentherapie und medikamentöse Therapie werden häufig kombiniert angewendet.
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7 Chirurgische Onkologie
214
A
7.6.1 Chirurgische Therapie
7.6.1 Chirurgische Therapie In der Behandlung solider Tumoren kommt der Chirurgie die größte Bedeutung zu.
Grundprinzipien: ■ Resektionsgrenzen: Sie richten sich nach den anatomischen Gegebenheiten, der Tumorart und Lokalisation und liegen mit einem Sicherheitsabstand im gesunden Gewebe. Natürliche anatomische Grenzen (Bindegewebssepten) können als Resektionsgrenze dienen. Fehlen anatomische Grenzen (Kolon), erfolgt die Orientierung an dem Lymph- und Blutabflussgebiet.
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Eine radikale Lymphadenektomie wird bei den meisten onkologischen Operationen durchgeführt. Sie soll die Prognose verbessern und dient dem Staging (Indikationsstellung für eine postoperative, adjuvante Chemo-/Strahlentherapie).
No-touch-Technik: evtl. Prognoseverschlechterung durch Zellausschwemmung nach Manipulation am Tumor. Intraoperative Tumoreröffnung kann über Zellfreisetzung zum Frührezidiv führen.
Blutverlust: so gering wie möglich. Bluttransfusionen können über Immunsuppression Metastasenbildung begünstigen.
Grundprinzipien: ■ Resektionsgrenzen: Ziel der chirurgisch-onkologischen Therapie ist die vollständige Entfernung eines malignen Tumors. Um dies zu erreichen, muss die Resektion mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand im Gesunden durchgeführt werden. Die Resektionsgrenze richtet sich nach den anatomischen Gegebenheiten, der Tumorart und Lokalisation. Wenn möglich orientiert man sich an natürlichen anatomischen Grenzen: Die Begrenzungen eines Organs oder Organteils (z. B. Bindegewebssepten zwischen Lungensegmenten, Muskelfaszien) werden von Tumoren meist lange Zeit respektiert. Sofern das Malignom nicht zu nahe an der Grenzschicht liegt, können sie als Resektionsgrenze dienen. Liegen keine anatomischen Grenzen vor, wie z. B. beim Kolonkarzinom, richtet sich die Resektionsgrenze nach dem Verlauf der Lymph- und Blutgefäße. ■ Radikale Lymphadenektomie: Sie wird bei den meisten onkologischen Operationen durchgeführt und beinhaltet die Entfernung sämtlicher regionärer Lymphknoten. Einerseits soll die Prognose des Tumorleidens durch Entfernen potenziell vorliegender Lymphknotenmetastasen verbessert werden. Andererseits dient sie dem Staging im Rahmen multimodaler Therapieverfahren. So ist der Tumorbefall regionärer Lymphknoten, z. B. beim Mammaoder Kolonkarzinom, ein entscheidendes Kriterium für die Indikation zur postoperativen, adjuvanten Chemotherapie oder Bestrahlung. ■ No-touch-Technik: In der onkologischen Chirurgie wird das Prinzip des schonenden Operierens („No-touch-Technik“) seit Generationen propagiert. Ob hierdurch tatsächlich eine für die Prognose relevante Ausschwemmung von Tumorzellen verhindert werden kann, ist angesichts der aktuellen Ergebnisse der Metastasierungsforschung fraglich. Gesichert ist, dass durch die intraoperative Eröffnung eines Tumors Karzinomzellen freigesetzt werden, die zu Frührezidiven führen können. ■ Blutverlust: Bei onkologischen Eingriffen sollte darauf geachtet werden, dass der Blutverlust so niedrig wie möglich gehalten wird, da Untersuchungen zeigen, dass Fremdbluttransfusionen zu einer passageren Immunsuppression führen. Diese Immunsuppression begünstigt möglicherweise die Entwicklung von Metastasen.
R-Klassifikation: ■ R0-Resektion = vollständige Tumorexstirpation („kurative Resektion“). ■ R1-Resektion = mikroskopisch nachweisbare Tumorreste. ■ R2-Resektion = makroskopische Tumorreste.
R-Klassifikation (R = Resttumor): Sie dient postoperativ (nach Vorliegen des histologischen Ergebnisses) der Beurteilung von Qualität bzw. Radikalität der Tumorresektion. ■ R0-Resektion= makroskopisch und histologisch vollständige Tumorexstirpation („kurative Resektion“). ■ R1-Resektion= mikroskopisch nachweisbare Tumorreste (z. B. Infiltration des peripankreatischen Fettgewebes bei einem Pankreaskarzinom). ■ R2-Resektion= makroskopische Tumorreste.
Metastasenchirurgie: In Ausnahmefällen können Metastasen chirurgisch kurativ behandelt werden.
Metastasenchirurgie: Das Auftreten von Metastasen bedeutet in den meisten Fällen eine chirurgisch nicht mehr beeinflussbare Generalisierung des Tumorleidens. Einige Tumoren und deren Metastasen bilden hiervon eine Ausnahme. So kann die Resektion einzelner Lungen- oder Lebermetastasen eines kolorektalen Karzinoms bei 20 % der Patienten zu einer Heilung führen (rezidivfreie 5-JahresHeilung). Leider treten solitäre Metastasen selten auf und machen bei den kolorektalen Karzinomen weniger als 5 % aller metastasierenden Tumoren aus. Mit zunehmender Metastasenzahl nimmt die Heilungswahrscheinlichkeit ab.
Heilung durch chirurgische Entfernung solitärer Leber- oder Lungenmetastasen bei 20 % der Patienten mit kolorektalen Karzinomen. Mit zunehmender Metastasenzahl nimmt die Heilungsrate ab. Die Metastasenresektion erfordert einen ausreichenden Sicherheitsabstand, da die alleinige Enukleation die Überlebenszeit nicht verlängert.
Außer aus rein palliativen Gründen sollte die Indikation zur Metastasenresektion nur dann gestellt werden, wenn bei der Resektion ein ausreichender Sicherheitsabstand eingehalten werden kann. Untersuchungen bei der Behandlung von Lebermetastasen haben gezeigt, dass deren alleinige Enukleation die Überlebenszeit nicht verlängert.
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A 7.6 Therapie maligner Tumoren
215
7.6.2 Chemotherapie
7.6.2 Chemotherapie
Wirkmechanismus: ■ Hemmung von Zellstoffwechsel und Replikation: Tumoren verfügen über eine hohe Zellteilungsrate, wodurch sie sich von den meisten Normalgeweben unterscheiden. Diesen Unterschied im Wachstumsverhalten macht man sich bei der Behandlung mit Zytostatika zunutze. Tab. A-7.9 gibt einen Überblick über verschiedene Substanzgruppen und einige der verwendeten Zytostatika. ■ Blockade wachstumsregulierender Membranrezeptoren: Tumorspezifische Signalwege werden gehemmt. So kommt z. B. bei östrogenrezeptorpositiven Mammakarzinomen das Antiöstrogen Tamoxifen zum Einsatz. Ebenfalls beim Mammakarzinom kann die Blockade des HER-2 Rezeptors durch einen monoklonalen Antikörper (Herceptin®) eine Alternative sein. ■ Blockade der Gefäßneubildung: Bei Lungen- und Darmkarzinomen kann der für die Angiogenese wichtige Wachstumsfaktor VEGF blockiert werden (Avastin®).
Wirkmechanismus: ■ Hemmung von Zellstoffwechsel und Replikation: Die hohe Zellteilungsrate von Tumorzellen stellt den Ansatzpunkt für eine Zytostatikatherapie dar (Tab. A-7.9).
왘 Merke. In den meisten Fällen erfolgt eine Kombinationsbehandlung mit unterschiedlich wirkenden Substanzen. Hierdurch werden die Nebenwirkungen der einzelnen Präparate gesenkt und durch Synergieeffekte eine Steigerung der Ansprechrate erreicht. Zugleich wird die Gefahr der Resistenzentwicklung vermindert.
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Blockade wachstumsregulierender Membranrezeptoren.
Blockade der Gefäßneubildung.
왗 Merke
Applikation: Zytostatika werden ebenso wie Medikamente zur Blockade wachstumsregulierender Rezeptoren oder der Angiogenese meistens intravenös verabreicht. Eine weitere Art der Applikation ist das Einbringen der Medikamente direkt in Gefäße des Tumors (intraarterielle Perfusion). So können hohe lokale Wirkspiegel erzielt werden. Mithilfe dieser Methode kann man z. B. die Remissionsrate bei Lebermetastasen von kolorektalen Karzinomen erhöhen.
Applikation: Durch die intraarterielle Perfusion mit Zytostatika können hohe lokale Wirkspiegel im Tumor erreicht werden
Nebenwirkungen und Komplikationen: Zytostatika greifen auch Normalzellen mit hoher Zellteilungsrate an, wie Blut bildende Zellen, Darmepithelien, Haarfollikel u. a. Hierdurch erklären sich auch die häufigsten Nebenwirkungen wie Veränderungen des Blutbildes mit Beeinträchtigung des Immunsystems, Übelkeit, Durchfall, Haarausfall. Die toxische Wirkung auf Knochenmarkzellen steht dabei im Vordergrund. Um hohe (effektivere) Dosierungen applizieren zu können, wird deswegen auch eine Knochenmarktransplantation als Bestandteil einer onkologischen Therapie solider Tumoren (z. B. Neuroblastom, Mammakarzinom) diskutiert. Die Nebenwirkungen der Medikamente zur Blockade wachstumsregulierender Rezeptoren und der Angiogenese variieren stark und hängen von der Spezifität des Wirkstoffs für einen bestimmten Rezeptor und dem beeinflussten Signalweg ab. Handelt es sich um Antikörper, besteht ein erhöhtes Risiko allergischer Reaktionen. Zu den schweren Nebenwirkungen gehört eine potenziell letale Kardiomyopathie, die in seltenen Fällen z. B. bei Gabe von Herceptin® beobachtet wird.
Nebenwirkungen und Komplikationen: Die Nebenwirkungen der Zytostatika betreffen besonders Blut bildende Zellen, Darmepithelien und Haarfollikel. Die Nebenwirkungen der Medikamente zur Blockade wachstumsregulierender Rezeptoren und der Angiogenese hängen von der Spezifität des Wirkstoffs ab.
A-7.9
Zytostatika
A-7.9
Antibiotika Bleomycin Doxorubicin/Adriamycin Mitomycin
Antimetabolite 5-Fluorouracil (5-FU) Methotrexat Dacarbacin
andere Carboplatin Cisplatin Etoposid Procarbazid
Vincaalkaloide Vincristin
Alkylanzien Cyclophosphamid Chlorambucil Lomustin
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7 Chirurgische Onkologie
216
A
7.6.3 Strahlentherapie
7.6.3 Strahlentherapie
Wirkmechanismus: Ionisierende Strahlen schädigen direkt oder über die Bildung von Radikalen biologisch aktive Moleküle. Stoffwechselaktive und sich teilende Zellen werden vermehrt geschädigt.
Wirkmechanismus: Physikalische Grundlage der Strahlentherapie ist die Fähigkeit energiereicher Strahlen, durch Ionisation und Anregung von Atomen und Molekülen, Energie auf biologisches Gewebe zu übertragen. Hierdurch werden biologisch aktive Moleküle wie die DNA, Enzyme und Membranbestandteile direkt oder über die Entstehung von Radikalen geschädigt. Zellen mit hoher Teilungsrate und Stoffwechselaktivität werden dabei vermehrt angegriffen.
Strahlenarten: ■ Röntgenstrahlen. ■ Photonenstrahlen. ■ „High-LET-Strahlen“ (z. B. Neutronenstrahlen). ■ Radioaktive Isotope.
Strahlenarten: ■ Röntgenstrahlen, die nur noch bei einigen Hauttumoren Anwendung finden. ■ Photonenstrahlen, die überwiegend mithilfe eines Linearbeschleunigers erzeugt werden und für die perkutane, externe Bestrahlung (Teletherapie) verwendet werden. Zunehmend seltener werden natürliche Isotopen (z. B. Co60) zur Bestrahlung genutzt. ■ „High-LET-Strahlen“ (LET = linear energy transfer), z. B. Neutronenstrahlen, für deren Einsatz eine Indikation bei Speicheldrüsentumoren, einigen Weichteiltumoren und Knochentumoren besteht. ■ Radioaktive Isotope können bei einigen Tumorformen eingesetzt werden. So können papilläre und follikuläre Schilddrüsenkarzinome durch intravenöse Gabe von Jod-131, in einigen Fällen auch im metastasierten Stadium, geheilt werden. Radioaktive Isotope können auch in Körperhöhlen (Brachytherapie) z. B. bei einer Pleurakarzinose appliziert werden, um so eine hohe lokale Wirkung zu erzielen.
Applikationsart: ■ Teletherapie: häufigste Form. Die Strahlenquelle ist etwa 100 cm vom Tumor entfernt. Hochenergetische Strahlen werden in der Tumorregion konzentriert. ■ Brachytherapie: Die Strahlenquelle wird in unmittelbarer Nähe des Tumors oder im Tumor platziert. Hierbei können die Oberflächenapplikation, die interstitielle und die intrakavitäre Brachytherapie unterschieden werden.
Applikationsart: Die Mehrzahl der Patienten erhält eine Teletherapie (gr. Tele: Fern, in der Ferne), bei der die Strahlenquelle etwa 100 cm vom Tumor entfernt positioniert wird. Es werden normalerweise Linearbeschleuniger verwendet, in denen hochenergetische Strahlen (Elektronen und Photonen) verschiedener Energieniveaus erzeugt werden. Mithilfe spezieller Kollimationssysteme und individueller, fokussierter Abschirmblöcke können die Photonen aus verschiedenen Einstrahlrichtungen in der Tumorregion konzentriert werden. Dies gilt für jede beliebige Körpertiefe. Die Strahlenbelastung des umliegenden Normalgewebes kann mit diesem Verfahren niedrig gehalten werden. Bei der Brachytherapie wird die Strahlenquelle in unmittelbarer Nähe des Tumors oder direkt im Tumor platziert. Dadurch kann eine sehr hohe lokale Dosierung mit geringer Schädigung des umgebenden Gewebes erreicht werden. Man unterscheidet drei Formen: ■ Oberflächenapplikation: Eine gekapselte Strahlenquelle wird auf die Haut aufoder in die Haut eingebracht (z. B. bei Hauttumoren). ■ Interstitielle Brachytherapie: Eine gekapselte Strahlenquelle wird in Körpergewebe eingebracht (z. B. ausgedehntes Prostatakarzinom). ■ Intrakavitäre Brachytherapie: Eine gekapselte Strahlenquelle wird in eine vorhandene Körperöffnung eingeführt (z. B. Uterus).
Nebenwirkungen und Komplikationen. Man unterscheidet Frühkomplikationen (nach 4 – 6 Wochen abgeklungen) und Spätkomplikationen (treten erst nach Monaten oder Jahren auf).
Nebenwirkungen und Komplikationen: Sie treten in allen Geweben auf, die im Strahlenfeld liegen und eine hohe Zellteilungsrate besitzen. Man unterscheidet akute Nebenwirkungen (Abklingen innerhalb von 4 – 6 Wochen nach Ende der Therapie) von chronischen Nebenwirkungen. Sie treten erst Monate oder Jahre nach der Therapie auf. ■ Haut – hier finden sich z. B. Dermatitiden und Ulzerationen. ■ Bauchraum – Bestrahlungen können Komplikationen, wie eine Entzündung des Darmepithels (z. B. Kolitis), Fisteln (z. B. Rektum-Blasen-Fistel) oder Adhäsionen (Darmmotilitätsstörungen, Ileusentwicklung), zur Folge haben. ■ Thorax – es sind vor allem Pneumonien und die Entwicklung von Lungenfibrosen als wesentliche Nebenwirkungen zu nennen. ■ Lymphgefäße – hier kann es durch den fibrotischen Umbau des Gewebes zu Lymphabflussstörungen und einem Lymphödem kommen.
Nebenwirkungen finden sich häufig an: ■ Haut. ■ Darmepithel. ■ Lunge. ■ Lymphgefäßen.
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A 7.6 Therapie maligner Tumoren
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Die Nebenwirkungen können durch eine computerunterstützte, individuelle Therapieplanung, die Mehrfelderbestrahlung (Verteilung der Dosis im gesunden Gewebe durch Applikation über mehrere Strahlenfelder) und durch eine fraktionierte Bestrahlung (Applikation der Gesamtdosis über mehrere Wochen in kleinen Einzeldosierungen) reduziert werden. Im Rahmen der externen Bestrahlung ist bei einer Gesamtdosis von 60 – 70 Gy die Toleranzgrenze der Haut und des Gefäßbindegewebes erreicht, sodass diese Dosis nicht überschritten werden sollte.
Reduzierung der Nebenwirkungen durch computerunterstützte Therapieplanung, mehrere Strahlenfelder, fraktionierte Bestrahlung. Die Gesamtdosis sollte 60 – 70 Gy nicht überschreiten (Toleranzgrenze der Haut und des Gefäßbindegewebes).
7.6.4 Multimodale Therapiekonzepte
7.6.4 Multimodale Therapiekonzepte
왘 Definition. Unter dem multimodalen Konzept in der Behandlung maligner Tumoren versteht man die zusätzliche (additive) Anwendung weiterer Therapieverfahren vor, während oder nach einem operativen Eingriff.
왗 Definition
Adjuvante Therapie: Unter adjuvanter Therapie versteht man eine unterstützende Behandlung als Ergänzung einer potenziell kurativen Operation. Diesem Ansatz kommt in der Krebstherapie zunehmende Bedeutung zu, da die chirurgische Entfernung des Primärtumors oder auch einzelner Metastasen nur selten ein Problem darstellt. Ziel der adjuvanten Therapie ist die Elimination disseminierter Tumorzellen, bevor diese zu einer Metastasenbildung führen. Eine etablierte adjuvante Therapie ist die postoperative Kombinationsbehandlung mit 5-Fluorouracil (5-FU) und Folinsäure bei Patienten mit einem Kolonkarzinom Stadium III sowie die postoperativ durchgeführte kombinierte Radio-/Chemotherapie bei Rektumkarzinompatienten (Stadium III). Für die meisten Tumoren gibt es bisher keine effektive adjuvante Chemotherapie. Dies erklärt sich durch das Verhalten mikrometastatischer Zellen, die sich häufig im ruhenden Stadium befinden („dormant cells“) und deswegen durch Zytostatika und Strahlen nicht angegriffen werden. Immuntherapeutische Ansätze (s. u.) bieten die Aussicht auf neue adjuvante Behandlungsformen.
Adjuvante Therapie: unterstützende Maßnahmen nach einer potenziell kurativen Operation zur Elimination disseminierter Tumorzellen.
Neoadjuvante Therapie: Unter einer neoadjuvanten Therapie versteht man eine unterstützende Behandlung vor einer Operation. Bei fortgeschrittenen Tumoren kann so evtl. die Voraussetzung für einen kurativen Eingriff geschaffen werden. Ösophaguskarzinome können z. B. chemotherapeutisch verkleinert und Lymphknotenmetastasen eliminiert werden, sodass eine Ösophagusresektion möglich wird.
Neoadjuvante Therapie: Behandlung vor einer Operation, um evtl. die Voraussetzung für eine kurative Operation zu schaffen.
Interventionelle Radiologie: Hierbei handelt es sich um minimal-invasive, bildgesteuerte Eingriffe. Angiographische Techniken ermöglichen es dem Radiologen, Tumorgefäße selektiv über einen Katheter darzustellen und zu embolisieren. Mit dieser Technik können insbesondere inoperable Lebertumoren, wie z. B. ein Leberzellkarzinom in einer zirrhotischen Leber, palliativ behandelt werden (Abb. A-7.4). Die Embolisation kann auch zur partiellen Tumorverkleinerung genutzt werden, wodurch evtl. eine Resektabilität erzielt wird.
Interventionelle Radiologie: selektive Embolisation von Tumorgefäßen zur Tumorverkleinerung oder Ermöglichung einer palliativen Therapie.
7.6.5 Palliative Therapieverfahren
7.6.5 Palliative Therapieverfahren
왘 Definition. Therapieverfahren zur Linderung von Beschwerden und Symptomen bei nicht heilbaren Tumoren.
Schmerztherapie: Die Schmerztherapie hat einen hohen Stellenwert in der palliativen Behandlung maligner Tumoren, da das Tumorwachstum zu erheblichen Schmerzen führen kann (z. B. Pleura- oder Periostinfiltration, Leberkapselspannung etc.). Mit einer adäquaten Therapie können Schmerzen bei Tumorerkrankungen vermieden oder zumindest auf ein erträgliches Maß
Mikrometastatische Zellen, die sich häufig in einem ruhenden Stadium befinden, werden durch Chemo- und Strahlentherapie nicht angegriffen.
왗 Definition
Schmerztherapie: Sehr wichtig im Rahmen palliativer Maßnahmen. Zu Details s. S. 93.
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218 A-7.4
A
7 Chirurgische Onkologie
A-7.4
Angiographie eines Lebertumors Über den Katheter (?) kann eine Embolisation der Tumorgefäße erfolgen.
reduziert werden. Hierfür stehen in schwierigen Fällen auch spezialisierte „Schmerzkliniken“ zur Verfügung (vgl. S. 93). Endoskopische Verfahren: Platzierung von Stents und Tuben, Bougierung, Laserung und Kryotherapie.
Endoskopische Verfahren: Endoskopische Verfahren werden insbesondere bei Tumoren des Gastrointestinaltraktes eingesetzt. Um Stenosen zu erweitern oder zu überbrücken, können Tuben oder Stents eingelegt werden (z. B. in den Ösophagus bei Ösophaguskarzinom oder in den Gallengang bei Pankreaskopfoder Gallengangskarzinom). Eine Erweiterung von Stenosen kann ebenfalls durch Bougierung oder durch eine partielle Tumorabtragung mithilfe eines Lasers erfolgen. Bei der Behandlung eines stenosierenden, inoperablen Rektumkarzinoms ermöglicht die Kryotherapie eine Tumorverkleinerung durch Vereisung. Diese erfolgt über einen lokal platzierten Stab, der auf – 180 °C abgekühlt wird.
Chemotherapie/Strahlentherapie: Tumorverkleinerung zur Erhaltung/Wiederherstellung der Passage bei Stenosen, Schmerzlinderung, Blutstillung.
Chemotherapie/Strahlentherapie: Eine Chemo- oder Strahlentherapie kann zu einer Tumorverkleinerung führen. Diese Wirkung kann genutzt werden, um z. B. die Nahrungspassage bei gastrointestinalen Karzinomen (z. B. Ösophaguskarzinom) zu erhalten. Schmerzen infolge einer Leberkapselspannung oder einer Periostinfiltration können gelindert werden. Tumorblutungen können durch eine lokale Bestrahlung gestoppt werden. Dieser Effekt tritt allerdings erst einige Tage bis Wochen später auf.
Chirurgische Verfahren: Ihr Ziel ist die Minderung lokaler Auswirkungen des Tumors. ■ Absolute OP-Indiaktion: z. B. drohender Ileus, u. a. ■ Relative OP-Indiaktion: Der Nutzen für den Patienten muss das Risiko überwiegen (Tab. A-7.10).
Chirurgische Verfahren: Sie haben in der Palliativmedizin das Ziel, lokale Auswirkungen des Tumorwachstums zu vermindern. Dabei werden absolute und relative Operationsindikationen unterschieden: ■ Absolute OP-Indikation: Sie besteht beispielsweise bei einem drohenden Ileus. Umgehungsanastomosen an Magen bzw. Darm, oder die Anlage eines künstlichen Darmausganges stellen in diesem Zusammenhang typische palliativ-chirurgische Operationsverfahren dar. ■ Relative OP-Indikation: Der Nutzen für den Patienten, auch in Anbetracht seiner begrenzten Lebenserwartung, muss größer sein als die mit dem Eingriff verbundenen Risiken und Einschränkungen (Tab. A-7.10).
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A 7.6 Therapie maligner Tumoren
A-7.10
Palliativoperationen mit relativer Indikation
Eingriff
erzielbare Verbesserungen
Gastrektomie bei Magenkarzinom
verbesserte Nahrungspassage, weniger Schmerzen, weniger Tumorblutungen
Resektion von Knochenmetastasen
Verringerung von Schmerzen, Frakturrisiko und Blutungen
Operative Stabilisierung von Wirbelkörpern
Vermeidung von Frakturen und den Folgeerscheinungen, z. B. Querschnittslähmung
219 A-7.10
7.6.6 Prognose und Therapieerfolg
7.6.6 Prognose und Therapieerfolg
Der Erfolg einer onkologischen Therapie wird anhand des rezidivfreien Überlebens beurteilt. Bei den meisten Malignomen treten Rezidive bzw. Metastasen innerhalb der ersten 5 Jahre auf, sodass Patienten nach diesem Zeitraum in der Regel als geheilt gelten (5-Jahres-Heilungsrate). Bestimmte Tumoren (z. B. Mammakarzinom, malignes Melanom) entwickeln so spät Metastasen, dass man bei ihnen, wenn überhaupt, erst nach 10 Jahren von einer Heilung sprechen kann (10-Jahres-Heilungsrate). Den Erfolg einer palliativen Tumortherapie beurteilt man nach dem Ausmaß der Tumorverkleinerung (Remission). Bei einer vollständigen Remission sind mit den üblichen klinischen Untersuchungen keine Tumorreste oder Krankheitszeichen mehr nachweisbar. Als partielle Remission wird die Tumorverkleinerung um wenigstens 50 % bezeichnet.
Bei den meisten Tumoren wird eine Heilung nach 5 Jahren Rezidivfreiheit angenommen. Bestimmte Tumoren gelten erst nach 10 Jahren Rezidivfreiheit als geheilt (z. B. Mammakarzinom, Melanom). Vollständige Remission = keine Tumorreste nachweisbar. Partielle Remission = Tumorvolumen um mindestens 50 % verkleinert.
7.6.7 Psychische Betreuung
7.6.7 Psychische Betreuung
Die Diagnose „Krebs“ konfrontiert die meisten Menschen zum ersten Mal mit der Endlichkeit des eigenen Lebens und mit Gedanken an Tod und Sterben unabhängig von der persönlichen Prognose. Dieser „Sturz aus der normalen Wirklichkeit“, wie es der Soziologe Gerdes ausdrückte, führt zu individuell höchst unterschiedlichen psychischen Reaktionen. Sie sind bedingt durch die Persönlichkeit des Patienten, seine Erfahrungen mit Krebspatienten und seiner Lebensperspektive. Gemeinsam ist aber allen Patienten, dass neue Wege des Umgangs mit der Lebenskrise „Krebs“ gefunden werden müssen, denn Verdrängung ist, zumindest für die Zeit der Behandlung, nicht mehr möglich. Wichtig sind soziale (familiäre) Unterstützung und Möglichkeiten, über (auch unrealistische) Ängste sprechen zu können. Es gehört daher heute zum Standard ärztlicher Gesprächsführung, dass der Patient nicht nur angemessen aufgeklärt wird, sondern auch Raum erhält, über seine psychische Befindlichkeit zu sprechen. Es finden sich Phasen von Aggression und Depression. Insbesondere in diesen Zeiten benötigt der Patient eine intensive Zuwendung, die schwierig sein kann, da die Patienten einem häufig ablehnend und verschlossen gegenüberstehen (s. S. 44). Die hiermit verknüpfte Krisenbewältigung sollte, sofern die Möglichkeit besteht, in Zusammenarbeit mit speziell geschulten Psychologen erfolgen. Bei der Aufklärung des Patienten sollten Angehörige mit einbezogen und ihnen auch die psychischen Konflikte des Patienten vermittelt werden. Es sollte eine wahrheitsgemäße Information über das Tumorleiden erfolgen. Allerdings muss auch in scheinbar aussichtslosen Situationen Raum für Hoffnung bleiben, da die Situation für den Patienten und die Angehörigen sonst unerträglich wird.
Krebs bringt die Konfrontation mit der eigenen Sterblichkeit. Der Umgang mit der Krankheit muss erlernt werden. Verdrängung ist während der Therapie nicht möglich. Wichtig ist das Einbeziehen der Familie in die Aufklärung. Es treten Phasen der Aggression und Depression auf, wodurch der Kontakt zum Patient erschwert wird (s. S. 44).
Wichtig sind die ärztliche Gesprächsführung, Raum für Gespräche, auch über psychische Befindlichkeiten, und die Zusammenarbeit mit Psychologen.
Die Aufklärung sollte wahrheitsgemäß erfolgen, aber Raum für Hoffnung belassen.
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220 7.7
Perspektiven
Neue Diagnose- und Therapieverfahren basieren auf dem wachsenden Verständnis molekularer Veränderungen. Wirkstoffe der Zukunft können sein: Inhibitoren der Angiogenese, von Wachstumsfaktoren/Rezeptoren, von Adhäsionsmolekülen und proteolytischen Enzymen. Im Verstehen der molekularen Heterogenität von Tumoren und der gezielten Anwendung der Wirkstoffe liegt die größte Herausforderung für die klinische Einführung dieser Wirkstoffe.
A
7 Chirurgische Onkologie
7.7
Perspektiven
Die derzeitigen onkologischen Therapieformen sind an ihre Grenzen gestoßen. Eine weitere Senkung der Morbidität und Mortalität kann erreicht werden durch verstärkte Präventionsmaßnahmen, neuartige und frühzeitig eingesetzte Diagnoseverfahren und neue Therapieansätze. Bei der Prävention sind Aufklärung der Bevölkerung (z. B. Antiraucherkampagne) und Arbeitsschutzmaßnahmen wichtig. Eine Infektion mit onkogenen Viren kann zur Tumorentstehung beitragen. So liegt beim Gebärmutterhalskrebs in den meisten Fällen eine Infektion mit humanen Papillomviren (insbesondere HPV-16 und -18) vor. Mit der Möglichkeit der Impfung gegen bestimmte HPV-Typen steht erstmals ein Impfstoff zur Krebsprävention zur Verfügung. Die Entwicklung neuer Diagnoseverfahren und Wirkstoffe basiert auf dem stark gewachsenen Verständnis molekularer Veränderungen bei Tumorerkrankungen. Gegenwärtig stehen mehr als 400 unterschiedliche Wirkstoffe für die klinische Prüfung zur Verfügung. Hierzu gehören eine Vielzahl verschiedener Inhibitoren der Angiogenese, von Wachstumsfaktoren/Rezeptoren und von Adhäsionsmolekülen bzw. proteolytischen Enzymen, die in der Metastasierung eine große Rolle spielen. Für eine erfolgreiche Einführung in die Klinik ist es allerdings essenziell, dass die molekulare Heterogenität von Tumoren verstanden wird. Diese besteht nicht nur interindividuell bei Tumoren des gleichen histologischen Typs, sondern auch innerhalb ein und desselben Tumors. Hier stehen wir erst am Anfang der molekularen und klinischen Forschung und hier liegen auch die größten Herausforderungen für die Entwicklung und Einführung neuer molekularer Wirkstoffe.
Diagnostik
7.7.1 Diagnostik
7.7.1
Molekulare Diagnostik wird durch neue Messtechniken und bioinformatische Analyseverfahren ermöglicht.
Durch hochsensitive Messtechniken und komplexe bioinformatische Analyseverfahren haben sich die Möglichkeiten einer molekularen Diagnostik erheblich verbessert. Veränderungen der DNA, der RNA und der Proteine lassen sich aufzeigen. Die Aktivität von Signal- und Stoffwechselwegen lässt sich darstellen. Mittels PCR-Techniken lassen sich vom Tumor ins Blut sezernierte DNA und Mutationsmuster von Karzinomen detektieren. Somit kommt der molekularen Diagnostik bei zukünftigen Therapieverfahren eine zentrale Rolle zu.
7.7.2 Therapie
7.7.2 Therapie
Individuell zugeschnittene Methoden können gegen spezifische Veränderungen eingesetzt werden.
Wie die Diagnostik werden auch zukünftige Therapieverfahren auf dem schnell wachsenden molekularen Verständnis aufbauen. Somit werden Wirkstoffe, die sich gegen spezifische Veränderungen von Krebszellen richten (z. B. durch Inhibition wachstumsregulierender Prozesse), möglich. Solche selektiven Methoden sind individuell zugeschnitten und gezielt einsetzbar.
Intraoperative Szintigraphie und Sonographie: Identifizierung makroskopisch nicht sichtbarer Tumorzellansammlungen.
Intraoperative Szintigraphie und Sonographie: Mithilfe dieser Verfahren lassen sich makroskopisch nicht sichtbare Tumorherde oder Metastasen identifizieren. Eine Sonderform stellt die Immunszintigraphie dar, bei welcher radioaktiv markierte Antikörper zum Einsatz kommen.
Immuntherapie: Der Hauptanwendungsbereich immuntherapeutischer Ansätze liegt konzeptionell in der adjuvanten, postoperativen Therapie nach R0- oder R1-Resektion.
Immuntherapie: Seit langem wird versucht, Tumoren durch eine Aktivierung des Immunsystems zu behandeln. Bereits die seit Jahrhunderten angewandte Misteltherapie basiert auf diesem Mechanismus. Aber erst die Erkenntnisse der immunologischen Forschung der letzten 20 Jahre haben die Voraussetzungen für eine rationale Immuntherapie geschaffen. Gegenwärtig werden verschiedene Formen der Immuntherapie entwickelt und angewendet, so z.B das BCG (Bacille Calmette-Guérin) zur lokalen Behandlung des Blasenkarzinoms. Die Indikation für immuntherapeutische Ansätze liegt konzeptionell in der adjuvanten, postoperativen Therapie nach R0- oder R1-Resektion, da bei diesen Patienten nur kleine Zellmengen eliminiert werden müssen. Gleichzeitig werden
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A
7.7 Perspektiven
auch Tumorzellen angegriffen, die sich in einem ruhenden Stadium befinden und deswegen der konventionellen Chemotherapie entgehen. ■ Monoklonale Antikörper: Sie können mit hoher Spezifität zwischen Tumorzellen und Normalzellen unterscheiden. Über die Aktivierung des Immunsystems eliminieren sie Tumorzellen (z. B. T-Zell- und Komplementaktivierung). Sie können gegen wachstumsrelevante Rezeptoren gerichtet werden und ggf. zusätzlich Signalwege blockieren. Weiterhin können sie mit Toxinen („Immunotoxine“) oder radioaktiven Isotopen gekoppelt werden, deren toxische Wirkung sie als „Carrier-Moleküle“ selektiv zu den Tumorzellen tragen. ■ Immunisierung: Dem Patienten werden postoperativ seine eigenen Tumorzellen injiziert. Diese werden zuvor durch Bestrahlung abgetötet und mit einem Immunstimulans behandelt. Spezifischer ist die Immunisierung mit isolierten Tumorantigenen, sog. „Peptidvakzinierung“. Um einen stärkeren Effekt zu erzielen, wird sie meist mit verschiedenen Zytokinen kombiniert. ■ Zytokine: Ihr immunmodulatorischer Effekt wird ausgenutzt, um eine Immunantwort zu steigern. Insbesondere Interleukin-2 und α-Interferon werden klinisch bereits eingesetzt (u. a. bei Haarzell-Leukämie, Melanom und Hypernephrom). ■ Lymphokinaktivierte Killerzellen (LAK): Aus dem resezierten Primärtumor werden gegen ihn gerichtete T-Lymphozyten isoliert und durch Zugabe von Interleukin-2 aktiviert. Die so hergestellten LAK-Zellen werden dem Patienten zur Elimination verbliebener Tumorzellen injiziert. Gentherapie: Verschiedene Ansätze zur Gentherapie maligner Tumoren werden derzeit bezüglich einer klinischen Einsetzbarkeit erforscht: ■ Aktivierung des Immunsystems: Tumorinfiltrierende T-Lymphozyten können aus einem Tumorresektat isoliert und mit einem Gen versehen werden, welches eine Interleukin-2-Bildung bewirkt. Werden diese Zellen reinjiziert, greifen sie verbliebene Tumorzellen über eine verstärkte Immunantwort an. ■ Manipulation von Onkogenen oder Tumorsuppressorgenen: Dieser therapeutische Ansatz zielt auf eine kausale Krebstherapie, indem versucht wird, die Wirkung von Onkogenen oder mutierten Tumorsuppressorgenen aufzuheben. In Zellkulturversuchen ist es bereits gelungen, durch Genmanipulation maligne Zellen in einen benignen Phänotyp zurückzuführen. ■ Suizidgene: In Tumorzellen wird ein Gen eingeschleust, welches in Normalzellen nicht vorhanden ist. Dieses Gen kodiert ein Enzym, welches z. B. das Virustatikum Ganciclovir in eine toxisch wirkende Substanz umsetzt. Durch die Behandlung mit Ganciclovir werden auf diese Weise selektiv Tumorzellen eliminiert. 왘 Merke. Ein Hauptproblem in der Anwendung der Gentherapie stellt die unspezifische Transfektion dar, wodurch die verwendeten Gene auch in Normalzellen und insbesondere Keimzellen gelangen können. Hieraus ergeben sich ethische Bedenken gegen diese Therapieformen.
221
■
■
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■
Monoklonale Antikörper: Eliminieren über Aktivierung des Immunsystems Tumorzellen. Hohe Spezifität. Einsatz als selektive „Carrier-Moleküle“.
Immunisierung: postoperative Injektion eigener, abgetöteter Tumorzellen oder isolierter Tumorantigene (Peptidvakzinierung). Zytokine: Immunmodulation. Interleukin-2 und α-Interferon werden klinisch bereits eingesetzt. Lymphokinaktivierte Killerzellen (LAK): Isolierung aus dem Tumor und Aktivierung durch IL-2.
Gentherapie: ■
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Aktivierung des Immunsystems.
Manipulation von Onkogenen und Tumorsuppressorgenen.
Suizidgene.
왗 Merke
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A
222 8
8 Schock
8
Schock
Schock Heidemarie Suger-Wiedeck
8.1
8.1
Grundlagen
왘 Definition
Grundlagen
왘 Definition. Als Schock wird eine akute, generalisierte Minderversorgung lebenswichtiger Körpergewebe mit Sauerstoff bezeichnet. Diese basiert auf einem Ungleichgewicht von Sauerstoffangebot durch das Herz-Kreislauf-System auf der einen und Sauerstoffbedarf der einzelnen Gewebe auf der anderen Seite.
Störungen der Mikrozirkulation führen langfristig zu einer irreversiblen Schädigung des Gewebes. Der Schock führt unbehandelt zum Multiorganversagen und zum Tod.
왘 Merke
Konsekutiv bewirkt eine Verminderung der Mikrozirkulation funktionelle, metabolische und strukturelle Gewebeveränderungen mit zunächst reversiblen, im Endstadium jedoch irreversiblen Folgen. Das Vollbild des Schocks geht mit einer Sauerstoff- und Substratminderversorgung des Organismus einher und führt unbehandelt, unabhängig von der Ursache, zum Mehrorganversagen und zum Tod. 왘 Merke. Eine entscheidende Rolle für die Entwicklung des Schockgeschehens
(reversibel, irreversibel oder therapieresistent mit Multiorganversagen) spielt der Zeitpunkt von Diagnose und Therapiebeginn. Je früher ein Schockgeschehen erkannt und adäquat behandelt wird, umso günstiger ist die Prognose. Durch Versäumnisse zu Beginn der Therapie werden die Morbidität und Mortalität erhöht. Ätiologie: Zu den Ursachen der unterschiedlichen Schockformen s. Tab. A-8.1.
Ätiologie: S. Tab. A-8.1.
A-8.1
Ursachen und Klinik der unterschiedlichen Schockformen
Schockform/Pathopysiologie
Ursachen
Volumenmangelschock (häufigste Form)
hämorrhagisch (äußere oder innere Blutung): ■ traumatisch: Polytrauma mit Mehrfachfrakturen, Ruptur innerer Organe (z. B. Leber, Milz), Gefäßverletzung (z. B. Ruptur eines thorakalen Aortenaneurysmas) ■ nichttraumatisch: gastrointestinale Blutung (z. B. Blutung aus Ösophagusvarizen oder Ulzera), Gefäßruptur, gynäkologische Blutung
Klinik ■
■
Patient auffällig ruhig mit kalter, blasser Haut, atmet flach und schnell Abgrenzung zum kardiogenen Schock: kollabierte Halsvenen.
nichthämorrhagisch: ■ Wasser-/Elektrolytverluste: Diarrhö, prolongiertes Erbrechen, Hyperthermie, Ileus, Aszitesbildung, Polyurie bei akutem Nierenversagen ■ Plasmaverluste: Verbrennungen, akute Pankreatitis, Peritonitis ■ Eiweißverluste: Verbrennungen kardiogener Schock
kardial: myogen: Myokardinfarkt (häufigste Ursache: 5 – 15 %), Kardiomyopathie, septisch-toxische Myokarddepression ■ mechanisch: akute Klappeninsuffizienz, Ruptur von Ventrikelseptum oder Papillarmuskel ■ rhythmogen: Tachy-, Bradykardie
■
■
■
kaltschweißiger Patient, meist in sitzender Position mit blasser und zyanotischer Haut, gestaute Halsund Zungengrundvenen auskultatorisch: Rasselgeräusche über der Lunge (Zeichen eines Lungenödems), ggf. Herzrhythmusstörungen
extrakardial: ■ obstruktiv: Herzbeuteltamponade, Lungenembolie, Perikarditis, Spannungspneumothorax Fortsetzung "
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A 8.2 Pathophysiologie
A-8.1
223
Ursachen und Klinik der unterschiedlichen Schockformen (Fortsetzung)
Schockform/Pathopysiologie
Ursachen
Klinik
septischer Schock
häufig: Einschwemmung von bakteriellen Endo- bzw. Exotoxinen in die Blutbahn (Folge: Verteilungsstörung des zirkulierenden Blutvolumens) seltener: Einschwemmung von Pilzen, Viren oder Parasiten (Folge: Verteilungsstörung des zirkulierenden Blutvolumens) Sonderform: Toxic-shock-syndrome durch bestimmte Staphylococcus-aureus-Stämme
Vigilanzstörungen (meistens erstes klinisches Symptom), Hyperthermie, ggf. Schüttelfrost, ausgeprägte Hypotonie mit Zeichen des SIRS (S. 898), Hautsymptome (z. B. Nekrosen, Einblutungen). Wichtig: Haut zunächst trocken und warm (hyperdyname Phase), später zyanotisch und kühl (hypodyname Phase)
anaphylaktischer Schock
anaphylaktische Reaktion (IgE-vermittelte Typ-I-Allergie): Antibiotika (v. a. Penicilline und Sulfonamide), Impfstoffe, Nahrungsmittel, Insekten- und Schlangengifte, Seren anaphylaktoide Reaktion auf Pseudoallergene (perakuter und generalisierter Ablauf): (Lokal)anästhetika, Röntgenkontrastmittel, ASS, Opioide
Juckreiz, Atemnot, unterschiedliche Hautsymptome (z. B. Urtikaria, Erythem) und unspezifische Beschwerden (z. B. Kopfschmerzen, Übelkeit)
neurogener Schock
Störung des Vasomotorenzentrums in der Medulla oblongata durch: Blutungen, Subarachnoidalblutung (Ischämie durch Vasospasmen), infratentorielles Ödem bei SchädelHirn-Traumen oder Tumoren, entzündliche Hirnstammprozesse, totale Spinal- oder Periduralanästhesie
warme, trockene Haut, Blutdruckabfall ohne wesentlichen Anstieg der Herzfrequenz, Vigilanzstörung bis zum Bewusstseinsverlust
endokriner Schock
Funktionsausfall einzelner endokriner Organe: akute Hypopyhsenvorderlappeninsuffizienz, akute Nebenniereninsuffizienz (Addison-Krise), akutes Cushing-Syndrom, Coma diabeticum (ketoazidotisch, hyperosmolar), thyreotoxische Krise, hyperkalziämische Krise, akuter Hypoparathyreoidismus
ausgeprägte Hypovolämie und metabolische Veränderungen
Intoxikationsschock
Intoxikation: z. B. durch Medikamente, Gifte etc.
abhängig vom jeweiligen Toxin
8.2
Pathophysiologie
8.2
Pathophysiologie
Im Schock liegt ein im Verhältnis zum Bedarf vermindertes Herzminutenvolumen vor. Dieses ist pathophysiologisch durch das Versagen mindestens einer der folgenden drei Regelgrößen zu erklären: ■ absolutes Versagen oder relativ verminderte Pumpleistung des Herzens ■ quantitative und/oder qualitative Verminderung des intravasalen Volumens und/oder ■ Veränderung des Gefäßtonus.
Im Schock liegt ein im Verhältnis zum Bedarf vermindertes Herzminutenvolumen vor. Dies wird verursacht durch: ■ verringerte Pumpleistung des Herzens ■ verringertes Blutvolumen und/oder ■ Verringerung des Gefäßtonus.
Diese Faktoren führen in unterschiedlichem Ausmaß zu Regulationsstörungen der Makro- und Mikrozirkulation.
Diese Faktoren führen zu Regulationsstörungen der Makro- und Mikrozirkulation.
8.2.1 Regulationsstörung der Makrozirkulation Um zunächst die Durchblutung lebenswichtiger Organe zu gewährleisten reagiert der Organismus auf die Hypotension und Verminderung des Herzzeitvolumens mit folgenden Regulationsmechanismen: Die Abnahme des intravasalen Volumens bewirkt eine rasche und ausgeprägte sympathoadrenerge Gegenregulation mit Freisetzung von Noradrenalin und Adrenalin aus dem Nebennierenmark sowie der Ausschüttung weiterer Stresshormone wie ADH (antidiuretisches Hormon), ACTH (adrenokortikotropes Hormon) und Kortisol. Im Rahmen dieser Zentralisation wird die Durchblutung insbesondere von Haut, Muskulatur, Splanchnikusgebiet und Nieren zugunsten der Gehirn- und Myokarddurchblutung gedrosselt. Darüber hinaus kommt es infolge des verminderten intravasalen Volumens zur Aktivierung des Renin-AngiotensinAldosteron-Systems. Die gesteigerte Reninaktivität bewirkt eine vermehrte Bildung von Angiotensin I und II mit konsekutiver Vasokonstriktion. Infolge
8.2.1 Regulationsstörung der
Makrozirkulation Zur Aufrechterhaltung der Durchblutung lebenswichtiger Organe reagiert der Körper mit den folgenden Regulationsmechanismen: Die Abnahme des intravasalen Volumens bewirkt über eine sympathoadrenerge Gegenreaktion eine Zentralisation, um die Durchblutung von ZNS und Myokard zu sichern. Die Blutversorgung der Haut, des Splanchnikusgebietes, der Muskulatur und der Nieren wird zugunsten der Gehirn- und Myokarddurchblutung gedrosselt. Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems wird infolge des verminderten intravasalen Volumens mit konsekutiver Vasokonstriktion aktiviert.
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A
224
8 Schock
einer über Volumen- und Osmorezeptoren vermittelten erhöhten Sekretion von ADH werden vermehrt Wasser und Natrium retiniert. Über diese Mechanismen kann ein Volumenverlust bis zu 20 % kompensiert werden. 8.2.2 Regulationsstörung der
Mikrozirkulation Die Störungen der Mikrozirkulation führen zu einer metabolischen Azidose mit Anfall hoher Laktatmengen, zellulären Permeabilitätsstörungen mit Ausbildung eines interstitiellen Ödems und zur Stase des Blutflusses im Kapillargebiet mit Kapillarthrombosen. Selbst nach Wiederherstellung der Makrozirkulation kann keine Durchblutung mehr stattfinden. Diese Phase des Schocks ist irreversibel.
A-8.1
8.2.2 Regulationsstörung der Mikrozirkulation Durch prä- und postkapillare Vasokonstriktion kommt es zu einer drastischen Einschränkung der Kapillardurchblutung, die bei persistierendem Schockgeschehen zu einer zunehmenden Minderversorgung der Zellen mit Sauerstoff und Substraten führt. Aus Ischämie und Hypoxämie resultiert eine anaerobe Stoffwechsellage, welche zu einem Anfall hoher Laktatmengen und schließlich zur metabolischen Azidose führen. Durch die hypoxische Endothelschädigung wird die Zellpermeabilität erhöht, was zu einem Austritt von Flüssigkeit, Elektrolyten und Eiweiß ins Interstitium führt. Die Zellhypoxie wird durch dieses interstitielle Ödem zusätzlich verstärkt. Durch Aggregation von Erythrozyten und Leukozyten kommt es zur Stase des Blutflusses im Kapillargebiet mit Kapillarthrombosen, sodass selbst nach Wiederherstellung der Makrozirkulation keine Durchblutung mehr stattfinden kann. Diese Phase des Schocks stellt einen irreversiblen Zustand dar.
Regulationsstörung der Makro- und Mikrozirkulation im Schock
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A
A-8.2
8.3 Allgemeine Maßnahmen
225
Mehrorgandysfunktionssyndrom
Organsystem
Folgen
Lunge
diffuses interstitielles und alveoläres Lungenödem (Röntgen-Thorax: „weiße Lunge“ in der ausgeprägtesten Form), deutliche arterielle Hypoxie
Niere
deutliche Reduktion der Urinausscheidung bei renaler Minderperfusion, Möglichkeit der Entwicklung eines dialysepflichtigen akuten Nierenversagens bei protrahiertem Schockgeschehen
Leber
eingeschränkte plasmatische Gerinnung, bei anhaltendem Schockgeschehen Ikterus
Gastrointestinaltrakt
Subileussymptomatik durch Darmwandödem als Folge der Mikrozirkulationsstörung, potenziell Verstärkung einer bestehenden Hypovolämie durch große Flüssigkeitsverschiebungen ins Darmlumen
Schockmediatoren: Bei Versagen der Kompensationsmechanismen führt die Störung der Mikrozirkulation mit Gewebehypoxie zur Aktivierung von Gerinnungs-, Fibrinolyse- und Komplement-System mit Freisetzung zahlreicher Mediatoren, denen eine zentrale Rolle in der Entstehung schockbedingter Organfunktionsstörungen zukommt.
8.2.3 MODS (Mehrorgandysfunktionssyndrom) 왘 Definition. Im Rahmen eines Schockereignisses ist die Funktion vieler Organe
Schockmediatoren: Versagen der Kompensationsmechanismen, führt zur Aktivierung von Gerinnungs-, Fibrinolyse- und Komplement-System mit Freisetzung zahlreicher Mediatoren. Diese spielen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung schockbedingter Organfunktionsstörungen. 8.2.3 MODS
(Mehrorgandysfunktionssyndrom) 왗 Definition
und Organsysteme beeinträchtigt. Dies wird als Mehrorgandysfunktionssyndrom (MODS) bezeichnet. Die Auswirkungen der Makro- und Mikrozirkulationsstörungen auf die unterschiedlichen Organsysteme betreffen v. a. Lunge, Nieren, Leber und Gastrointestinaltrakt (Tab. A-8.2). Ob es zu einer nur vorübergehenden Funktionseinschränkung oder zu einem irreversiblen Organversagen kommt, hängt in erster Linie von einer frühzeitigen Diagnosestellung und einer suffizienten Therapie des Schocks ab.
8.3
Allgemeine Maßnahmen
8.3.1 Schockdiagnostik 왘 Merke. Entscheidend für die frühzeitige Diagnose eines Schocks ist die klinische Untersuchung und Interpretation der klinischen Zeichen.
Die klinischen Zeichen sind bei allen Schockformen mit Ausnahme des kardialen Schocks identisch: ■ Veränderte Bewusstseinslage (Unruhe, Angst, Apathie, Somnolenz, Koma) ■ Tachykardie (4 100/min.) ■ Blutdruckabfall (systolische Blutdruckwerte 5 90 mmHg bzw. bei vorbestehendem Hypertonus evtl. „normaler Blutdruck“). 왘 Merke. Der Schockindex stellt ein wichtiges diagnostisches Hilfsmittel dar:
Die Funktionseinschränkungen nach einem Schockereignis betreffen vor allem Lunge, Nieren, Leber und Gastrointestinaltrakt (Tab. A-8.2).
8.3
Allgemeine Maßnahmen
8.3.1 Schockdiagnostik
왗 Merke
Die klinischen Zeichen sind bei allen Schockformen identisch (Ausnahme: kardialer Schock): ■ Veränderte Bewusstseinslage (Unruhe, Angst, Apathie, Somnolenz, Koma) ■ Tachykardie (4 100/min.) ■ Blutdruckabfall (syst. 5 90 mmHg). 왗 Merke
Pulsfrequenz/syst. Blutdruck 4 1 bedeutet Schockgefahr! (physiologisch= 0,5) ■
■
Zentralisation (kalte, feuchte und blasse Extremitäten) (Cave: in der hyperdynamen Phase des septischen Schocks sind die Extremitäten warm und gerötet!). Hyperventilation/Tachypnoe, Dyspnoe (bei metabolischer Azidose).
Parallel zur klinischen Beobachtung des Patienten gibt die Eigen- oder Fremdanamnese Hinweise auf die Schockursache. Zu allgemeinen diagnostischen Maßnahmen bei einem Schockgeschehen siehe Tab. A-8.3, S. 226.
■
■
Zentralisation (kalte, feuchte und blasse Extremitäten) Hyperventilation/Tachypnoe, Dyspnoe (bei metabolischer Azidose)
Hinweise auf die Schockursache geben die Eigen- oder Fremdanamnese. Zur allgemeinen Diagnostik siehe Tab. A-8.3, S. 226.
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A
226 A-8.3
8 Schock
Allgemeine Diagnostik bei Schock
diagnostische Maßnahmen apparative Diagnostik (richtet sich nach der Verdachtsdiagnose und dient der Abklärung der Schockursache)
Fragestellung (Beispiele) ■ ■ ■ ■
■ ■
Labordiagnostik (zur Einschätzung des Schweregrades des Schockgeschehens bis zu 4-mal tgl)
EKG Echokardiographie Röntgen-Thorax Abdomen-Sonographie
■
Röntgen-Abdomen Computertomographie
■
■ ■ ■
■
■
Blutbild Blutgasanalyse (arteriell oder venös) Gerinnungsparameter
■
■
Stoffwechselparameter
■
■ ■
■ ■
■ ■ ■
Elektrolyte Organfunktionsparameter (möglichst innerhalb der ersten 12 – 24 Stunden)
8.3.2 Monitoring
왘 Merke
■ ■
Herzinfarkt, -rhythmusstörungen, Lungenembolie Lungenarterienembolie, Aortendissektion, Herzbeuteltamponade Hämatothorax, Pneumothorax, Lungenödem freie Flüssigkeit (bei Leber- oder Milzverletzungen, rupturiertem Aortenaneurysma) freie Luft (bei Hohlorganperforation) bei intrakraniellen Blutungen, bei akut nekrotisierender Pankreatitis Hämatokrit, Hämoglobin, Thrombozytenzahl pH, pO2, pCO2, SO2 (Sauerstoffsättigung), HCO3-(Standardbikarbonat), BE (Basenüberschuss) Quick/INR, PTT (im Verlauf ggf.: Thrombozytenzahl, Fibrinogen, AT III, Fibrinogenspaltprodukte = FSP als Hinweis auf Verbrauchskoagulopathie) Laktat Blutzucker nach Verdachtsdiagnose: Na+, K+, Ca2+, Mg2+, ClTroponin T (Herz), Kreatinin, Harnstoff (Niere), Transaminasen, Bilirubin (Leber), Lipase (Pankreas), Myoglobin/CK (bei ausgedehnten Weichteilverletzungen)
8.3.2 Monitoring 왘 Merke. Bei allen Schockformen ist eine intensivmedizinische Überwachung nötig!
Zur Überwachung im Schock ist ein Monitoring der Organfunktionen notwendig: ■ Herz/Kreislauf: EKG-Monitor mit Messung von Blutdruck, arterieller O2-Sättigung und zentralvenösem Druck. ■ Zur besseren Differenzierung der hämodynamischen Veränderungen einzelner Schockformen können zusätzlich ein Pulmonalarterienkatheter oder ein PICCOSystem angelegt werden. ■ Niere: Überwachung der Urinausscheidung ■ ZNS/Vigilanz: Überwachung von Bewusstsein und Pupillenreaktion ■ Klinische Kontrolle ■ Laborkontrollen
Zur Überwachung im Schock ist ein Monitoring der Organfunktionen notwendig, welches im Allgemeinen folgende Parameter umfasst: ■ Herz/Kreislauf: EKG-Monitor mit nichtinvasiver/invasiver Blutdruckmessung, Pulsoxymetrie zur Überwachung der arteriellen O2-Sättigung, Messung des zentralvenösen Drucks (= ZVD). ■ Zur besseren Differenzierung der hämodynamischen Veränderungen einzelner Schockformen können zusätzlich ein Pulmonalarterienkatheter oder ein PICCO-System (nähere Informationen hierzu siehe Lehrbücher der Intensivmedizin) angelegt werden. ■ Niere: Überwachung der Urinausscheidung (? Blasenkatheter, Flüssigkeitsbilanzierung) ■ ZNS/Vigilanz: regelmäßige Kontrollen der Bewusstseinslage und der Pupillenreaktion. ■ Klinische Kontrolle: Auskultation von Herz und Lunge, Auskultation (Darmgeräusche) und Palpation des Abdomens (Druckschmerz, Peritonismus), Pulsstatus der Extremitäten, weiterhin auf Ödeme und Hautkolorit achten! ■ Laborkontrollen (s. Tab. A-8.3)
8.3.3 Therapiemaßnahmen
8.3.3 Therapiemaßnahmen
Ziel bei der Schockbehandlung ist die rasche Beseitigung der auslösenden Ursache und die Wiederherstellung suffizienter Kreislaufverhältnisse.
Das Ziel jeder Schockbehandlung ist die rasche Beseitigung der auslösenden Ursache und die Wiederherstellung suffizienter Kreislaufverhältnisse.
왘 Merke
왘 Merke. Als Zielgrößen anzustreben sind folgende Werte: ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
mittlerer arterieller Druck: 4 70 mmHg zentralvenöser Druck: 8 – 12 mmHg Hämoglobinkonzentration: 10 – 12 g/dl arterielle Sauerstoffsättigung:= 96 % zentralvenöse Sauerstoffsättigung = 70 % Laktatspiegel im Blut: 5 1,8 mmol/l Urinausscheidung: 4 1 ml/kg KG/h
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8.4 Schockformen
227
Um dies zu erreichen, sind unabhängig von der Ursache folgende Therapiemaßnahmen zu ergreifen: ■ Analgosedierung: suffiziente Analgesie (z. B. Opiate) und Stressabschirmung durch Sedativa (z. B. Benzodiazepine) ■ Sauerstoffgabe: Über Maske bzw. Nasensonde (8 – 12 l/min.). Bei anhaltender Hypoxie frühzeitige Intubation und Beatmung (arterielle Sauerstoffsättigung = 96 %) ■ Schocklagerung: Patient flach lagern mit 15 ° angewinkelten Beinen (Cave: bei kardiogenem Schock sitzende Haltung) ■ Volumentherapie: Über großlumige periphere Venenverweilkanülen werden kristalloide (z. B. Ringer-Lösung) und kolloidale Volumenersatzmittel (z. B. HAES 6 % oder Gelatine) verabreicht. Bei Bedarf (ab 1,5 l Blutverlust) z. B. im hämorrhagischen Schock ist die Transfusion von Blut und Blutprodukten indiziert (Zielwert: mittlerer arterieller Druck 4 70 mmHg). Cave: Beim kardiogenen Schock ist eine Volumentherapie in der Regel nicht angezeigt! ■ Katecholamine: Noradrenalin, Adrenalin, Dobutamin und Dopamin müssen eingesetzt werden, wenn die Kreislaufsituation durch Volumengabe nicht stabilisiert werden kann. ■ Azidoseausgleich: Eine metabolische Azidose sollte nur bei trotz Therapie fortbestehender Kreislaufinsuffizienz korrigiert werden (Ziel – pH 7,3).
Therapiemaßnahmen: ■ suffiziente Analgesie und Stressabschirmung durch Sedativa ■ Sauerstoffgabe über Maske bzw. Nasensonde (8 – 12 l/min.). Bei anhaltender Hypoxie frühzeitige Intubation und Beatmung ■ Schocklagerung (Cave: bei kardiogenem Schock sitzende Haltung) ■ Volumentherapie: kristalloide und kolloidale Volumenersatzmittel, bei großen Blutverlusten (= 1,5 l) Transfusion von Blut oder Blutprodukten. ■ Katecholamine (Noradrenalin, Adrenalin, Dobutamin, Dopamin) ■ Azidoseausgleich: nur bei therapieresistenter Kreislaufinsuffizienz Korrektur einer metabolischen Azidose.
A
왘 Merke. Eine schnelle ursächliche Therapie ist entscheidend für die Prognose. Zur spezifischen Therapie der unterschiedlichen Schockformen s. u.
8.4
Schockformen
Man unterscheidet je nach Ätiologie und zugrunde liegender Pathophysiologie folgende Schockformen (s. auch Tab. A-8.1, S. 222): ■ Volumenmangelschock: – hämorrhagischer Schock – hypovolämischer Schock – traumatisch-hämorrhagischer Schock – Verbrennungsschock ■ kardiogener Schock ■ septischer Schock ■ anaphylaktischer Schock ■ neurogener Schock ■ endokriner Schock ■ Intoxikationsschock.
8.4.1 Hypovolämischer Schock 왘 Definition. Der hypovolämische Schock ist gekennzeichnet durch einen intra-
왗 Merke
8.4 ■
■ ■ ■ ■ ■ ■
Schockformen
Volumenmangelschock: – hämorrhagischer Schock – hypovolämischer Schock – traumatisch-hämorrhagischer Schock – Verbrennungsschock kardiogener Schock septischer Schock anaphylaktischer Schock neurogener Schock endokriner Schock Intoxikationsschock
8.4.1 Hypovolämischer Schock
왗 Definition
vasalen Volumenmangel mit kritisch verminderter kardialer Vorlast, welcher zu einer unzureichenden Durchblutung vitaler Organe mit einem konsekutiven Missverhältnis von Sauerstoffangebot und -verbrauch führt. Ätiologie: Ursachen sind hämorrhagische (traumatische/nichttraumatische äußere oder innere Blutungen) oder nichthämorrhagische Flüssigkeitsverluste (Wasser-/Elektrolyt-, Plasma-, Eiweißverluste) (nähere Informationen s. Tab. A-8.1, S. 222).
Ätiologie: Zugrunde liegen hämorrhagische (Blutungen) oder nichthämorrhagische Flüssigkeitsverluste (z. B. Elektrolyt- oder Plasmaverluste).
Pathopysiologie: Allgemein: Bei allen Formen des hypovolämischen Schocks beruht das Missverhältnis von Sauerstoffangebot und -bedarf auf der kritischen Abnahme des zirkulierenden Blutvolumens mit konsekutiver Gewebehypoxie, wobei der akute Volumenmangel die beschriebenen pathophysiologischen Veränderun-
Pathophysiologie: ■ Allgemein: Die kritische Abnahme des zirkulierenden Blutvolumens führt zu Gewebehypoxie und Veränderungen der Makro- und Mikrozirkulation
■
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228 ■
Besonderheiten beim Verbrennungsschock: Typische pathophysiologische Veränderungen sind: lokale Effekte wie Hypovolämie mit Anstieg von Hämatokrit und Blutviskosität, Beeinträchtigung der Thermoregulation, Verlust der kutanen Schrankenfunktion sowie Permeabilitätsveränderungen.
A
■
8 Schock
gen der Makro- und Mikrozirkulation und somit den Gewebestoffwechsel und das Immunsystem beeinträchtigt. Besonderheiten beim Verbrennungsschock: Hier beruht das Missverhältnis von Sauerstoffangebot und -bedarf sowohl auf dem direkten Gewebetrauma mit Freisetzung von Entzündungsmediatoren als auch auf der kritischen Abnahme des zirkulierenden Plasmavolumens mit konsekutiver Gewebehypoxie. Die induzierte inflammatorische Reaktion führt zu generalisierten Endothelschäden mit nachfolgenden Organfunktionseinschränkungen, die unter dem Begriff SIRS (systemic inflammatory response syndrome, S. 898) zusammengefasst werden. Lokale Effekte wie Hypovolämie mit Anstieg von Hämatokrit und Blutviskosität, Beeinträchtigung der Thermoregulation und systemische Effekte durch Aktivierung von Mediatoren, die zu einem generalisierten Ödem mit Beeinträchtigung der Gewebeoxygenation führen, sind typische pathophysiologische Veränderungen.
Klinik: ■ Allgemein: Die Symptomatik wird durch den intravasalen Volumenmangel und die dadurch bedingte Zentralisation bestimmt. ■ Bei traumatisch-hämorrhagischem und -hypovolämischem Schock: Zusätzlich durch Verletzungsmuster bestimmte Schmerzen mit entsprechenden Funktionsausfällen.
Klinik: ■ Allgemein: Die Symptomatik wird durch den intravasalen Volumenmangel und die dadurch initiierte Zentralisation bestimmt. Zusätzlich zu den allgemeinen klinischen Symptomen (S. 225) können als besondere Zeichen auftreten: verminderter Hautturgor mit stehenden Hautfalten, schwere Elektrolytstörungen (insbesondere Hypokaliämie und Hypernatriämie). ■ Bei traumatisch-hämorrhagisch und -hypovolämisch bedingtem Schock: Zusätzlich zu den o.g. Symptomen prägen durch das Verletzungsmuster bestimmte Schmerzen mit entsprechenden Funktionsausfällen das klinische Bild.
Diagnostik: S. „Allgemeine Diagnostik“, S. 225
Diagnostik: s. „Allgemeine Diagnostik“, S. 225
Therapie: möglichst rasche Beseitigung der jeweils auslösenden Ursache. Zur Stabilisierung des Patienten Einsatz allgemeiner therapeutischer Maßnahmen (S. 226).
Therapie: Bei allen Schockformen ist die wichtigste therapeutische Maßname die möglichst rasche Beseitigung der jeweils auslösenden Ursache. Zur Stabilisierung des Patienten kommen die allgemeinen therapeutischen Maßnahmen zum Einsatz (S. 226).
왘 Klinischer Fall
왘 Klinischer Fall. Eine 64-jährige Patientin wird, nachdem sie zu Hause plötzlich kollabiert ist, mit dem Notarzt spontan atmend ins Heimatkrankenhaus eingeliefert. Anamnestisch bekannt sind ein nicht behandelter arterieller Hypertonus bei Adipositas permagna (Größe 165 cm, Gewicht 110 kg). Da die Patientin bei der Ankunft im Krankenhaus trotz Volumensubstitution kreislaufinstabil ist (systolische Blutdruckwerte 50 – 60 mmHg, Herzfrequenz 110/min.), wird eine Katecholamintherapie mit 0,06 µg/kg KG/min Noradrenalin initiiert. Im danach durchgeführten CT des Abdomens zeigt sich ein gedeckt rupturiertes infrarenales Aortenaneurysma mit deutlichem retroperitonealem Hämatom. Daraufhin wird die Patientin mit dem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus der Maximalversorgung verlegt. Zum Transport wird die Patientin intubiert und beatmet und die Katecholaminzufuhr unter fortlaufender Volumensubstitution bei weiter bestehender Kreislaufinsuffizienz deutlich gesteigert. Bei Ankunft in der Klinik ist die Patientin im hämorrhagischen Schock (Hämatokrit 20 %), unter hochdosierter Noradrenalinzufuhr kreislaufinstabil und oligo-anurisch mit deutlicher metabolischer Azidose (pH 7,29 PaO2 70 mmHg bei 100 % Sauerstoffbeatmung, PaCO2 45 mmHg, BE – 8 mmol/l). Im OP erfolgen eine stentgestützte Ausschaltung des Bauchaortenaneurysmas sowie die Anlage eines femorofemoralen Cross-over-Bypasses. Intraoperativ erhält die Patientin insgesamt 8000 ml Volumen (20 Einheiten Blut, 10 Einheiten Frischplasma, 8 Einheiten Thrombozytenkonzentrate, 2000 ml kolloidalen und 1500 ml kristalloiden Volumenersatz). Postoperativ bleibt nach Stabilisierung des Kreislaufs die pulmonale Insuffizienz – nach hämorrhagischem Schock und Massentransfusion – klinisch führend. Erst nach 4 Tagen lässt sich die Sauerstoffkonzentration auf 50 % unter kontrollierter Beatmung reduzieren, sodass die Patientin im weiteren Verlauf langsam vom Beatmungsgerät entwöhnt und 2 Wochen nach Aufnahme extubiert werden kann. Die postoperativ eingeschränkte Nierenfunktion erholt sich ebenfalls. Nach 6-wöchiger Intensivtherapie kann die Patientin ohne Organfunktionseinschränkung auf die Normalstation verlegt werden.
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A
8.4 Schockformen
8.4.2 Kardiogener Schock 왘 Definition. Komplettes Herz-Kreislauf-Versagen, das infolge einer schwerwie-
229 8.4.2 Kardiogener Schock
왗 Definition
genden, meist akuten Herzerkrankung entsteht. Ätiologie: Der akute Myokardinfarkt ist die häufigste myogene Ursache des kardiogenen Schocks. Weiterhin führen mechanische (z. B. akute Klappeninsuffizienz, Herzwandaneurysma, Ventrikelseptum- oder Papillarmuskelruptur) oder extrakardial-obstruktive Ursachen (z. B. Perikarditis, Lungenembolie, Herzbeuteltamponade) zu dieser Schockform (Tab. A-8.1, S. 222).
Ätiologie: Die häufigste Ursache ist der akute Myokardinfarkt. Seltenere Auslöser sind mechanische und extrakardial-obstruktive Ursachen.
Pathophysiologie: Die Pumpfunktion des Herzens wird durch 3 Faktoren determiniert: Intrinsische Kontraktilität des Myokards, Vorlast und Nachlast. Die Folge des kardiogenen Schocks ist eine abrupte Abnahme der Kontraktilität. Dies führt sowohl zu einem Vorwärtsversagen mit Minderdurchblutung lebenswichtiger Organe als auch zu einem Rückwärtsversagen mit Lungenödem.
Pathophysiologie: Die Folge eines kardiogenen Schocks ist eine plötzliche Abnahme der Kontraktilität, die sowohl zu einem Vorwärts- als auch zu einem Rückwärtsversagen führt.
Klinik: Das klinische Bild wird geprägt durch Tachykardie, Hypotonie, Zentralisation, Blässe, Kaltschweißigkeit sowie Dyspnoe und Zyanose, ggf. auskultatorisch feuchte Rasselgeräusche als Zeichen eines Lungenödems.
Klinik: Symptome eines kardiogenen Schocks sind u. a. Tachykardie, Hypotonie, Blässe, Kaltschweißigkeit, Dyspnoe und Zyanose. Diagnostik: s. „Allgemeine Diagnostik“ S. 225. Therapie: Im kardiogenen Schock ist eine primäre Volumentherapie in der Regel kontraindiziert. Es werden Vasodilatatoren, Inodilatatoren und Antiarrhythmika verabreicht, um die rasche Besserung der Pumpfunktion wiederherzustellen.
Diagnostik: S. „Allgemeine Diagnostik“ S. 225 Therapie: Eine primäre Volumentherapie ist beim kardiogenen Schock in der Regel kontraindiziert. Grundsätzlich wird eine möglichst rasche Wiederherstellung bzw. Unterstützung der kardialen Pumpfunktion des Herzens angestrebt. Neben den allgemeinen therapeutischen Maßnahmen können Vasodilatatoren (z. B. Nitrate), PDE-Hemmer (= Phosphodiesterase-Hemmer; z. B. Milrinon: vorteilhaft ist ein gleichzeitig positiv inotroper und vasodilatatorischer Effekt) sowie Antiarrhythmika indiziert sein.
8.4.3 Septischer Schock 왘 Definition. Der septische Schock entsteht durch eine Verteilungsstörung des
8.4.3 Septischer Schock
왗 Definition
zirkulierenden Blutvolumens. Er ist Folge einer Invasion durch pathogene Mikroorganismen oder deren Toxine. Nähere Informationen zu SIRS siehe S. 898. Ätiologie: Siehe Tab. A-8.1, S. 223.
Ätiologie: Tab. A-8.1, S. 223.
Pathophysiologie: Die mit der Entzündungsantwort einhergehende Dysregulation beeinträchtigt sowohl die Gefäßregulation im Sinne einer generalisierten Dilatation arterieller und venöser Gefäße als auch die Endothelfunktion. Dies führt zu einer Verteilungsstörung im Bereich der Makro- und Mikrozirkulation. Man unterscheidet beim septischen Schock eine hyper- und hypodyname Form. Die hyperdyname Form ist durch ein erhöhtes Herzzeitvolumen und einen durch Vasoplegie (d. h. Verlust des Vasomotorentonus) deutlich erniedrigten peripheren Gefäßwiderstand gekennzeichnet. Eine zunehmende Myokarddepression und transkapillarer Volumenverlust führen zur hypodynamen Form des septischen Schocks mit erniedrigtem Herzzeitvolumen und erhöhtem peripheren Gefäßwiderstand mit extrem schlechter Prognose. Trotz eines – zumindest in der Anfangsphase – erhöhten Sauerstoffangebotes kommt es im Verlauf durch eine verminderte Utilisation zu einem reduzierten Sauerstoffverbrauch und in der Folge zur Hypoxie einzelner Organe. Im Bereich der Mikrozirkulation führen rheologische Störungen sowie eine gesteigerte transkapillare Flüssigkeitssequestration zu interstitiellen Ödemen und dadurch zu einer Abnahme des intravasalen Volumens.
Pathophysiologie: Über eine generalisierte Dilatation arterieller und venöser Gefäße kommt es zu einer Verteilungsstörung im Bereich der Makro- und Mikrozirkulation. Die hyperdyname Form ist durch erhöhtes Herzzeitvolumen und erniedrigten peripheren Gefäßwiderstand gekennzeichnet. Die hypodyname Form geht mit erniedrigtem Herzzeitvolumen und erhöhtem peripheren Gefäßwiderstand einher. Hypoxie einzelner Organe ist die Folge des septischen Schocks. Transkapillare Flüssigkeitssequestration führt zu interstitiellen Ödemen und einer Abnahme des intravasalen Volumens.
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230 왘 Merke
Organminderperfusion, Zellhypoxie und ein intrazelluläres Energiedefizit können über eine Organdysfunktion zu einem Organversagen führen. Klinik: Erstes klinisches Symptom ist häufig eine Vigilanzstörung. Durch die generelle Vasodilatation ist die Haut – in der hyperdynamen Phase des Schocks – warm.
왘 Merke
A
8 Schock
왘 Merke. Trotz Volumensubstitution und deutlich gesteigertem Herzzeitvolumen (hyperdyname Phase des septischen Schocks) kann der durch Vasodilatation, Maldistribution und gestörte Sauerstoffverwertung beeinträchtigte Zellstoffwechsel nicht gesichert werden.
Organminderperfusion, Zellhypoxie und ein intrazelluläres Energiedefizit sind die gemeinsame pathogenetische Endstrecke der Organdysfunktion und damit die Hauptfaktoren für die Entwicklung eines Mehrorganversagens (s.o.). Klinik: Neben allgemeinen Schocksymptomen (S. 225) wird das klinische Bild geprägt durch: Vigilanzstörung (häufig erstes klinisches Symptom), Hyperthermie und Schüttelfrost, warme, gerötete Haut (durch generelle Vasodilatation in der hyperdynamen Phase), Leukozytose (4 12 000/µl oder -penie 5 4 000/µl). Neben der im Vordergrund stehenden Kreislaufinsuffizienz kommt es im Rahmen eines MODS = Multi-Organ-Dysfunktions-Syndrom zu Funktionsstörungen weiterer Organsysteme (S. 225). 왘 Merke. Ein septischer Schock geht trotz adäquater Volumensubstitution mit
einer Hypotension und den klinischen Zeichen einer Organfunktionsstörung einher. Diagnostik: s. „Allgemeine Diagnostik“ S. 225.
Diagnostik: S. „Allgemeine Diagnostik“ S. 225.
Therapie: Die wichtigste therapeutische Maßnahme ist die Herdsanierung sowie eine erregerspezifische antimikrobielle Therapie.
Therapie: Die Herdsanierung ist beim septischen Schock die wichtigste therapeutische Maßnahme. Darüber hinaus ist eine erregerspezifische – bei bekanntem Keim –, ansonsten eine kalkulierte antimikrobielle Therapie von entscheidender Bedeutung für den klinischen Verlauf.
왘 Klinischer Fall
왘 Klinischer Fall. Ein 8-jähriger Junge stürzt beim Fußballspielen auf die linke Schulter. In der chirurgischen Ambulanz des Heimatkrankenhauses wird radiologisch eine Fraktur ausgeschlossen, äußerlich ist keine Verletzung erkennbar. Vier Tage später wird das Kind bei persistierenden Schmerzen und jetzt geröteter und geschwollener Schulter erneut in der Ambulanz vorgestellt, und bei Temperaturen bis 39 °C stationär aufgenommen. Am nächsten Tag wird ein Abszess am linken Oberarm gespalten und eine antibiotische Therapie mit einem Cephalosporin begonnen. Zur Überwachung wird das Kind postoperativ spontan atmend, wach und ansprechbar auf die Intensivstation verlegt. Im Verlauf der nächsten Stunden verschlechtert sich jedoch der Zustand. Bei hohen Temperaturen (39,5 °C) ist das Kind tachypnoisch, mit Sauerstoffsättigungen von 93 %, tachykard und hypotensiv. Im Röntgen-Thorax-Bild zeigt sich eine diffuse interstitielle Zeichnung beidseits im Sinne eines beginnenden ARDS und das Kind wird intubiert und beatmet zur weiteren Behandlung in die Universitätsklinik verlegt. In den folgenden Stunden steigen die Temperaturen auf 40 °C, die pulmonale Funktion verschlechtert sich dramatisch, sodass eine 100 %ige Sauerstoffbeatmung notwendig wird. Bei zunehmender Kreislaufinsuffizienz müssen Katecholamine in hoher Dosierung verabreicht werden. Bei einer erneuten operativen Revision der linken Schulter entleeren sich ca. 100 ml Eiter, aus dem Staphylococcus aureus nachgewiesen wird. Da sich in allen abgenommenen Blutkulturen und im Trachealsekret ebenfalls Staphylococcus aureus nachweisen lässt, geht man von einer Staphylokokkensepsis aus. Daraufhin wird die antibiotische Therapie um ein weiteres staphylokokkenwirksames Antibiotikum erweitert. Bei weiter bestehender Sepsis mit massiv eingeschränkter pulmonaler Funktion unter druckkontrollierter Beatmung wird eine Computertomographie des Thorax durchgeführt, die eine disseminierte abszedierende Pneumonie beidseits mit abgekapselten Pneumothoraces zeigt. Nach Einlage von Thoraxdrainagen, Fortführung der antibiotischen Therapie und Lagerungstherapie (Bauchlage/Rückenlage/Seitenlage rechts, links im Wechsel) bessert sich die pulmonale Funktion langsam. Am zehnten Tag nach Aufnahme kann die Katecholamintherapie beendet werden und das Kind unter nachlassender Sedierung langsam vom Beatmungsgerät entwöhnt werden. Drei Wochen nach Krankheitsbeginn wird das Kind erfolgreich extubiert. Vor Verlegung auf die Kinderstation wird ein Kontroll-CT des Thorax durchgeführt, welches einen deutlich gebesserten Befund zeigt. Drei Wochen später wird das Kind ohne Einschränkung einer Organfunktion nach Hause entlassen.
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A
8.4 Schockformen
231
A-8.2 Röntgen-Thorax-Aufnahmen (a) und Thorax-CT (b) im Verlauf bei septischem Schock
a (I)
a (II) a Röntgen-Thorax-Aufnahmen: I. Bei Aufnahme des Kindes im septischen Schock: massive infiltrative Veränderungen (Pfeilspitze) (v. a. im rechten Hemithorax). II. Nach 15 Tagen: Die Verschattung ist deutlich rückläufig, die Lungenstruktur aber immer noch stark verändert. Zur Entlastung eines Pneumothorax liegt rechts eine Thoraxdrainage (?). b CT: 24 h nach der Aufnahme des Kindes: Nur noch wenige belüftete Lungenanteile. Die rechte Lungenseite ist fast vollständig verschattet mit einem deutlichen positiven Aerobronchogramm (Pfeilspitze). Durch interstitiell eingelagerte Flüssigkeit (im Rö-Thorax weiß) grenzen sich die luftgefüllten Bronchien (im Rö-Thorax schwarz) ab.
b
8.4.4 Anaphylaktischer Schock 왘 Definition. Es besteht eine akut lebensbedrohliche systemische Reaktion des Organismus, typischerweise hervorgerufen durch eine IgE-vermittelte Mastzelldegranulation oder als Reaktion auf Pseudoallergene. Anaphylaxie bezeichnet die ausgeprägteste Form einer anaphylaktoiden Sofortreaktion, bei der letztlich alle Organe und Organsysteme mitbetroffen sind.
8.4.4 Anaphylaktischer Schock
왗 Definition
Ätiologie: Siehe Tab. A-8.1, S. 223.
Ätiologie: Tab. A-8.1, S. 223.
Pathophysiologie: IgE-spezifische Effektorzellen (v. a. Mastzellen und Basophile) sezernieren nach Stimulation Mediatoren, in erster Linie Histamin und Prostaglandine, die das typische Bild der Anaphylaxie hervorrufen.
Pathophysiologie: IgE-spezifische Effektorzellen sezernieren nach Stimulation Mediatoren (z. B. Histamin, Prostaglandine).
Klinik: Man unterscheidet 4 Schweregrade der anaphylaktischen Sofortreaktion. Die unterschiedlichen Schweregrade mit den entsprechenden Symptomen sowie therapeutische Sofortmaßnahmen und Überwachungsmaßnahmen sind in Tab. A-8.4 dargestellt.
Klinik: Tab. A-8.4.
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A
232 A-8.4
8 Schock
Schweregrade und Behandlung der anaphylaktischen Reaktionen
Schweregrad I Haut- und Schleimhautreaktionen
Klinik ■
■ ■ ■
II ausgeprägte, aber nicht unmittelbar bedrohliche Allgemeinreaktion, v. a. des Atemund Kreislaufsystems
■ ■
Maßnahmen
Juckreiz, Urtikaria, Exanthem, Flush Rhinitis, Konjunktivitis Kopfschmerzen, Unruhe ggf. Temperaturanstieg, Erbrechen, Nausea Dyspnoe, Bronchospasmus Tachykardie, ggf. Arrythmie, Hypotonie
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III unmittelbar lebensbedrohliche Allgemeinreaktion
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schwere Hypotension (ggf. nicht messbarer Blutdruck) Bronchospasmus mit bedrohlicher Dyspnoe Bewusstseinstrübung EKG-Veränderungen (Ischämiezeichen) Larynx-, Angioödem Konvulsionen, Schock ggf. Erbrechen, Stuhl- und/oder Urinabgang
IV Organversagen mit Kreislauf- und/oder Atemstillstand
■
■ ■ ■
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왘 Merke
kühlende Umschläge (mit Zusatz gegen Juckreiz, z. B. Polidocanol) Antihistaminikum i. v. (z. B. Clemastin 1 – 2 × 2 mg = 1 – 2Amp.) oder p. o. darüber hinaus: ggf. O2 nasal, Infusionsstopp, H2-Rezeptorantagonisten, Antazida i. v. Zugang mit Venenverweilkanüle O2 nasal Volumensubstitution (0,9 %ige NaClLösung) oder Humanalbumin 5 % Antihistaminikum in Kombination mit Kortikosteroid i. v. (z. B. Hydrokortison 1 – 2 × 500 mg oder Prednisolon 1 – 2 Amp. zu 250 mg) Cave: Kreislaufunterstützende Medikamente bereithalten! Adrenalin 0,1 – 0,3 mg i. v. (1 ml-Ampulle der 1:1000-Lösung 1:9 mit NaCl verdünnen), 1 – 3 ml i. v., mehrfach wiederholbar (immer Puls- und Blutdruckkontrolle!) Kortikosteroid i. v. (siehe II) Volumengabe: Humanalbumin 5 % ggf. Intubation und Beatmung
Adrenalin i. v. (bis zu 1,0 mg) zusätzlich kreislaufwirksame Maßnahmen (Volumen- und Sauerstoffgabe, Schocktherapie) ggf. Reanimation
Überwachung ■
■
■ ■
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■
■
Blutdruck, Puls, Atmung, Bewusstseinslage; cave: Aspirationsgefahr! mindestens 30 Minuten Kontrolle
wie I mindestens 1 Stunde Kontrolle
wie I und II, zusätzlich: EKG, Blutgasanalyse, Thrombozyten, freies Hämoglobin, Hämatokrit, Diurese mindestens 24 h Kontrolle von Atmung und Kreislauf
wie III, kardiopulmonales Monitoring (fortlaufend)
왘 Merke. Der anaphylaktische Schock ist typischerweise ein „warmer“
Schockzustand. Der durch Vasodilatation verursachte Blutdruckabfall kann mit Urtikaria, Erythem, Larynx-/Quincke-Ödem und Bronchospasmus einhergehen. Diagnostik: Allergenkontakt? Plötzliches Einsetzen der Symptome.
Diagnostik: Anamnestisch Hinweise auf Kontakt mit Allergenen sowie plötzliches Einsetzen der Symptome.
Therapie: siehe Tab. A-8.4.
Therapie: Die Therapie richtet sich nach dem Schweregrad der anaphylaktischen Reaktion. Siehe Tab. A-8.4.
8.4.5 Neurogener Schock
8.4.5 Neurogener Schock
왘 Definition
왘 Definition. Der neurogene Schock beruht auf einer generalisierten und aus-
gedehnten Vasodilatation mit relativer Hypovolämie infolge einer sympathischen und parasympathischen Dysregulation der glatten Gefäßmuskulatur. Eine Sonderform des neurogenen Schocks ist der spinale Schock bei kompletter Schädigung des Rückenmarks durch Sympathikusdenervation distal der Myelonläsion. Ätiologie: Tab. A-8.1, S. 223.
Ätiologie: Siehe Tab. A-8.1, S. 223.
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8.4 Schockformen
233
Pathophysiologie: Der neurogene Schock tritt bei schweren neurologischen und neurochirurgischen Krankheitsbildern auf. Auslösende Ursachen für die Funktionsstörung des Vasomotorenzentrums in der Medulla oblongata können Ischämien bei SAB (= Subarachnoidalblutung), Blutungen oder Tumoren sein.
Pathophysiologie: Der neurogene Schock beruht auf einer Funktionsstörung des Vasomotorenzentrums in der Medulla oblongata.
Klinik: Das klinische Bild ist geprägt durch Blutdruckabfall infolge der Vasodilatation mit Reduktion des Herzminutenvolumens ohne wesentlichen Anstieg der Herzfrequenz, Bewusstseinseinschränkung bis zum Bewusstseinsverlust, warme, trockene Haut sowie Verlust spinaler Reflexe und Sensibilität bei hoher medullärer Läsion.
Klinik: u. a. Bewusstseinsstörungen bis zum Koma mit begleitender Hypotension, warme und trockene Haut sowie Verlust spinaler Reflexe und der Sensibilität bei hoher medullärer Läsion.
Diagnostik: Neben der für alle Schockformen beschriebenen Basisdiagnostik (S. 225) sind folgende Maßnahmen indiziert: Gründliche und differenzierte neurologische Anamnese, Vigilanzbeurteilung, neurologischer Status, Liquordiagnostik bei entzündlichen Erkrankungen (Wichtig: bei erhöhtem Hirndruck ist eine Lumbalpunktion kontraindiziert!), bildgebende Diagnostik in Abhängigkeit von der zugrunde liegenden Erkrankung.
Diagnostik: siehe „Basisdiagnostik“ S. 225.
A
왘 Merke. Die klinisch neurologische Überwachung des Bewusstseinszustan-
Die spezielle Diagnostik umfasst neben der neurologischen Anamnese eine Untersuchung des Liquors bei entzündlichen Erkrankungen (Wichtig: bei erhöhtem Hirndruck ist eine Lumbalpunktion kontraindiziert), ggf. bildgebende Diagnostik. 왗 Merke
des und der Pupillenreaktion muss in kurzen zeitlichen Abständen erfolgen. Therapie: Indiziert sind folgende Maßnahmen: Osmotherapie (z. B. mit Mannitol 20 %) bei akuter infratentorieller Druckerhöhung, Gabe vasoaktiver Sustanzen (zur Aufrechterhaltung eines adäquaten mittleren arteriellen Drucks) sowie neurochirurgische Dekompression durch osteoklastische Trepanation (z. B. bei Kleinhirnblutungen oder raumfordernden Infarkten). Weitere therapeutische Maßnahmen entsprechen denen der Therapie des Schocks im Allgemeinen (S. 226).
Therapie: Die therapeutischen Maßnahmen umfassen Osmotherapie bei erhöhtem Hirndruck sowie Gabe vasoaktiver Substanzen und eventuelle neurochirurgische Maßnahmen. Weitere Therapiemaßnahmen entsprechen denen der Schocktherapie im Allgemeinen (S. 226).
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1
Viszeralchirurgie . . . . . . .
1.1
1.15 1.16 1.17 1.18 1.19 1.20 1.21
Endoskopie in der Chirurgie . . . . . . . . . . . . Ösophagus . . . . . . . . . . . Zwerchfell . . . . . . . . . . . Magen und Duodenum Dünndarm . . . . . . . . . . . Appendix . . . . . . . . . . . . Kolon und Rektum . . . . Anus . . . . . . . . . . . . . . . . Gallenblase und Gallenwege . . . . . . . . . . Leber . . . . . . . . . . . . . . . . Portale Hypertension . Pankreas . . . . . . . . . . . . . Milz . . . . . . . . . . . . . . . . . Akutes und unklares Abdomen . . . . . . . . . . . . Adipositaschirurgie . . . Hals . . . . . . . . . . . . . . . . . Endokrine Chirurgie . . . Retroperitoneum . . . . . Brustdrüse . . . . . . . . . . Bauchwand (Hernien) Weichteiltumoren . . . .
.
563 592 599 611 648 652 688 707
2
Traumatologie . . . . . . . . .
731
3
Verbrennungen . . . . . . . .
906
4
Thoraxchirurgie . . . . . . . .
926
5
Herzchirurgie . . . . . . . . .
994
6
Kinderchirurgie . . . . . . . . 1055
7
Gefäßchirurgie . . . . . . . . 1100
8
Plastische Chirurgie . . . . 1167
9
Handchirurgie . . . . . . . . . 1188
10
Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie . . . . . . 1219
11
Neurochirurgie . . . . . . . . 1239
12
Transplantation . . . . . . . . 1341
1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.10 1.11 1.12 1.13 1.14
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
237 237 270 295 304 345 368 378 419 450 487 513 526 549
B
Spezielle Chirurgie
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B 1.1 Endoskopie in der Chirurgie
237
1
Viszeralchirurgie
1
Viszeralchirurgie
1.1
Endoskopie in der Chirurgie
1.1
Endoskopie in der Chirurgie
Horst Grimm, J. Marek Doniec
1.1.1
Allgemeines und Indikationen
Neben den diagnostischen Aufgaben der Endoskopie im unteren und oberen Gastrointestinaltrakt sowie am pankreatobiliären System ist die therapeutische Endoskopie das Verfahren der Wahl bei der Behandlung zahlreicher Erkrankungen im Gastrointestinaltrakt. Mögliche Indikationen der therapeutischen Endoskopie zeigt Tab. B-1.1. Voraussetzung für den Erfolg der therapeutischen Endoskopie ist neben der Beherrschung der endoskopischen Techniken die korrekte Deutung der endoskopischen Befunde. Zudem muss für jeden einzelnen Eingriff das technisch Machbare, die potenziellen Risiken des endoskopischen Eingriffes und vor allem der zu erwartende Nutzen für den Patienten abgewogen werden. Der endoskopierende Arzt muss bei der Durchführung endoskopisch-therapeutischer Eingriffe auch in der Lage sein, mögliche Komplikationen sofort zu erkennen, korrekt zu deuten und nach den geltenden Qualitätsstandards zu behandeln.
B-1.1 ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
■
Indikationen zur therapeutischen Endoskopie
1.1.1 Allgemeines und Indikationen
Neben den diagnostischen Aufgaben der Endoskopie (Gastrointestinaltrakt und pankreatobiliäres System) ist die therapeutische Endoskopie das Verfahren der Wahl bei der Behandlung zahlreicher Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts (Tab. B-1.1).
B-1.1
Fremdkörperextraktion Hämostase bei Varizen und bei nicht varizenbedingten gastrointestinalen Blutungen Polypektomie Tumorpalliation Steinextraktion aus Gallen- oder Pankreasgang endoskopische Behandlung der chronischen Pankreatitis Drainage von Pseudozysten und Abszessen Drainage des Gallengangs bei malignen und benignen Stenosen und bei iatrogenen Läsionen Platzierung von Sonden (z. B. perkutan-endoskopische Gastrostomie [PEG])
Kontraindikationen der Endoskopie sind schwere Gerinnungsstörungen, Schock, schwere respiratorische Insuffizienz und drohende Aspirationsgefahr. In solchen Fällen darf die Endoskopie nur bei gleichzeitiger Stabilisierung der Grundproblematik und ggf. nach Intubation des Patienten erfolgen.
1.1.2
Fremdkörperentfernung
Kontraindikationen: Schwere Gerinnungsstörungen, Schock, schwere respiratorische Insuffizienz, drohende Aspirationsgefahr.
1.1.2 Fremdkörperentfernung
Art der Fremdkörper
Art der Fremdkörper
Unterschiedlichste Fremdkörper können versehentlich oder absichtlich in den Gastrointestinaltrakt gelangen. ■ Versehentlich: bei Kindern (z. B. Münzen, Spielzeugteile, Spielzeugbatterien), bei Erwachsenen durch zu hastiges Essen (z. B. große Fleischstücke ? Block-house-Syndrom, Knochen, Rollmopsspieß), beruflich bedingt (z. B. Näherin ? Nadeln; Handwerker ? Nägel, Schrauben), beim Versuch mittels Gegenständen Erbrechen auszulösen (z. B. Löffel), bei der Zahnarztbehandlung (Kronen, Bohrer). ■ Absichtlich: Bei Betrunkenen (z. B. Wettsituationen), Schmuggler (mit Drogen gefüllte Kondome – die sogenannten „Body-Packer“), psychisch Kranke (z. B. Besteck, Autoantennen), bei Gefangenen zur Hafterleichterung (z. B. Besteck, Rasierklingen) (Abb. B-1.1).
Unterschiedlichste Fremdkörper können versehentlich oder absichtlich in den Gastrointestinaltrakt gelangen. ■ Fremdkörper im oberen Gastrointestinaltrakt: Münzen, Batterien, Spielzeug, große Fleischstücke, Nadeln oder Löffel (Abb. B-1.1). ■ Fremdkörper im unteren Gastrointestinaltrakt: Flaschen, Gläser, Kerzen.
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238 B-1.1
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.1
Fremdkörper im Magen Abdomenleeraufnahme mit einem Löffel im Magen.
Fremdkörper im unteren Gastrointestinaltrakt sind in der Regel auf ungewöhnliche sexuelle Praktiken zurückzuführen (z. B. Flaschen, Kerzen, Deodorant- und Sprühsahnebehälter, Toilettenbürsten). Spontanverlauf
Spontanverlauf
60 – 80 % aller verschluckten Fremdkörper passieren den Gastrointestinaltrakt innerhalb eines Monats. Durchschnittliche Passagezeit: Ca. 6 Tage.
60 – 80 % aller verschluckten Fremdkörper passieren den Gastrointestinaltrakt spontan innerhalb eines Monats. Die durchschnittliche Passagezeit beträgt ca. 6 Tage.
왘 Merke
왘 Merke. Bei einer Länge bis bzw. unter 5 cm und einem Durchmesser bis zu
2 cm ist die spontane Passage des Gastrointestinaltrakts die Regel, bei einer Länge über 5 cm und einem Durchmesser über 2 cm ist die Passage des Pylorus unwahrscheinlich. Häufigste Komplikationen sind Obstruktion und Perforation, die bei spitzen Gegenständen bis in 40 % der Fälle auftreten können. Am häufigsten treten die Komplikationen im unteren und oberen Ösophagussphinkter und an der Bauhin-Klappe auf.
Häufigste Komplikationen sind Obstruktion und Perforation, die bei spitzen Gegenständen bis in 40 % der Fälle auftreten können. Allerdings werden derartige Fremdkörper in der Regel aufgrund des „Wandrückzugreflexes“ im Gastrointestinaltrakt mit der stumpfen Seite voraus transportiert. Am häufigsten treten die Komplikationen im unteren und oberen Ösophagussphinkter und an der Bauhin-Klappe auf. Weitere Bereiche mit relativen anatomischen Engen des Gastrointestinaltraktes sind Pylorus, Treitzsches-Band, rektosigmoidaler Übergang und Anus.
Indikation zur endoskopischen Entfernung
Indikation zur endoskopischen Entfernung
Die Fremdkörper, die potenziell zu Vergiftungen bzw. anderen schwerwiegenden Komplikationen führen können, sollten umgehend endoskopisch entfernt werden (z. B. Batterien, scharfe und spitze Fremdkörper und Fremdkörper 4 5 × 3 cm). Im Ösophagus impaktierte Fremdkörper können bei Kindern wochenlang unbemerkt bleiben (trotz tiefer Nekrosen) oder zu respiratorischen Symptomen führen. Fremdkörper, die nach 1 Woche nicht spontan abgegangen sind, sollten entfernt werden.
Die Indikation muss, abhängig von mehreren Faktoren, im Einzelfall überprüft werden: ■ Form, Größe und Beschaffenheit des Fremdkörpers: Spitze, kantige und scharfe Gegenstände, Fremdkörper aus bzw. mit resorbierbaren Schwermetallen bzw. anderen giftigen Chemikalien und Fremdkörper 4 5 × 3 cm sollten sofort entfernt werden. ■ Bei Schmerz- oder Obstruktionssymptomatik bzw. im Ösophagus verkeilten Fremdkörpern. ■ Bei vorliegenden Stenosen (z. B. Ösophagusstenose, Magenausgangstenose) oder funktionellen Störungen (Achalasie) ■ Alter des Patienten: Bei Säuglingen und Kleinkindern können impaktierte Fremdkörper im Ösophagus wochenlang unbemerkt bleiben. Bereits kleine Münzen können zu erheblichen Drucknekrosen des Ösophagus und respiratorischen Symptomen durch Kompression der Trachea führen.
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B 1.1 Endoskopie in der Chirurgie
■
239
Verweildauer: Nach 1 Woche ist die Wahrscheinlichkeit eines Spontanabgangs gering, spätestens dann sollten verbliebene Fremdkörper entfernt werden. 왘 Merke. Es gibt keine speziellen Kontraindikationen – Möglichkeiten und
왗 Merke
Grenzen der Endoskopie sollten jedoch zuvor sorgfältig überprüft werden.
Vorgehen bei der endoskopischen Fremdkörperentfernung Zunächst sollte durch eine ausführliche Anamnese die Art des Fremdkörpers geklärt werden. Symptombezogene Röntgenleeraufnahmen von Thorax bzw. Abdomen geben einen orientierenden Überblick. Danach sollte die Endoskopie durchgeführt werden. Eine Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel vor einer geplanten Endoskopie sollte nur bei Verdacht auf endoskopisch nicht mehr erreichbare Fremdkörper oder bei dringendem Verdacht auf eine Perforation durchgeführt werden. Die Endoskopie wird bei Kindern grundsätzlich und bei Erwachsenen je nach Bedarf (erhöhte Aspirationsgefahr, z. B. bei älteren und bei geistig verwirrten Patienten) in Vollnarkose durchgeführt. Bei verschluckten Fremdkörpern nach vorausgegangener Mahlzeit wird in der Regel die Magenentleerung abgewartet. Zur endoskopischen Entfernung stehen Fasszangen, Metallschlingen, Greifer und Dormia-Körbchen zur Verfügung (Abb. B-1.2). Bei scharfen und spitzen Fremdkörpern wird ein Kunststoffschlauch über das Endoskop geschoben (Overtube). Der gefasste Fremdkörper wird unter Sicht durch den Schlauch gezogen, ohne die Gefahr, die Ösophaguswand zu verletzen (Abb. B-1.3). Aufgrund des geringeren Perforationsrisikos und der geringeren Belastung für den Patienten wird die Endoskopie mit flexiblen Geräten bevorzugt. Starre Geräte (Vollnarkose erforderlich) sollten nur im Ausnahmefall eingesetzt werden, z. B. bei sperrigen bzw. verkeilten Fremdkörpern, die mit der flexiblen Endoskopie nicht extrahierbar sind, oder bei größeren Fremdkörpern, die durch starre Endoskope mit Spezialzangen zerkleinert werden können (z. B. Knochen). Auf die endoskopische Entfernung von mit Drogen gefüllten Kondomen sollte wegen der Gefahr der Ruptur verzichtet werden. Die Indikation von Abführmaßnahmen in diesen Fällen wird kontrovers diskutiert, nach 48 Stunden Beobachtungszeit ist ggf. die chirurgische Entfernung der Fremdkörper angezeigt. Für die endoskopische Entfernung von Phyto- und Trichobezoaren sind häufig mehrere Sitzungen erforderlich. Da das Gerät pro Untersuchung mehrmals eingeführt werden muss, empfiehlt sich grundsätzlich die Nutzung eines Overtubes.
B-1.2
Fremdkörperentfernung mit dem Dormia-Körbchen
Vorgehen bei der endoskopischen Fremdkörperentfernung Zunächst sollte durch eine ausführliche Anamnese die Art des Fremdkörpers geklärt werden. Symptombezogene Röntgenleeraufnahmen von Thorax bzw. Abdomen geben einen orientierenden Überblick. Danach sollte die Endoskopie durchgeführt werden.
Zur endoskopischen Entfernung stehen Fasszangen, Metallschlingen, Greifer und Dormia-Körbchen zur Verfügung (Abb. B-1.2).
Bei scharfen und spitzen Fremdkörpern wird ein Kunststoffschlauch über das Endoskop geschoben (Overtube). Der gefasste Fremdkörper wird unter Sicht durch den Schlauch gezogen, ohne die Gefahr, die Ösophaguswand zu verletzen (Abb. B-1.3). Aufgrund des geringeren Perforationsrisikos und der geringeren Belastung für den Patienten wird die Endoskopie mit flexiblen Geräten bevorzugt. Auf die endoskopische Entfernung von mit Drogen gefüllten Kondomen sollte wegen der Gefahr der Ruptur verzichtet werden. Gegebenenfalls ist die chirurgische Entfernung der Fremdkörper angezeigt.
B-1.2
Endoskopische Entfernung einer Schraubenmutter mit dem Dormia-Körbchen.
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240 B-1.3
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.3
Fremdkörperextraktion mithilfe eines Overtubes
Ergebnisse der Endoskopie
Ergebnisse der Endoskopie
Ca. 90 % der Fremdkörper können endoskopisch entfernt werden. Ösophagusperforationsrate: 1 – 5 % für die flexible und 10 – 12 % für die starre Endoskopie.
Die meisten Fremdkörper (ca. 90 %) können endoskopisch entfernt werden. Die Perforationsrate des Ösophagus bei der Fremdkörperentfernung wird mit 10 – 12 % für die starre und mit 1 – 5 % für die flexible Endoskopie angegeben.
1.1.3 Ösophagusstenosen
1.1.3
Benigne Strikturen
Benigne Strikturen
Ätiologie: Häufigste Ursachen benigner Strikturen sind die Ösophagitis und Verätzungen.
Ätiologie: Benigne Strikturen sind am häufigsten Folge der Refluxkrankheit (S. 278) oder Verätzung der Speiseröhre (S. 284). Sie können aber auch iatrogen (z. B. postchirurgisch, nach Ösophagusvarizenverödung, infolge einer Bestrahlung) bedingt sein.
Therapie: Lokalisierte, ringartige Narben können mit Diathermie geschlitzt oder durch Koagulation behandelt werden.
Therapie: Lokalisierte, ringartige Narben bzw. flache Membranen, die in das Lumen des Ösophagus hineinragen, können durch Schlitzung mit einer Diathermieschlinge oder durch Koagulation mit Laser oder Argonbeamer erfolgreich behandelt werden. Bei wanddurchgreifenden Vernarbungen sind diese Verfahren erfolglos oder nur von kurzer Dauer. Bei den meisten benignen Strikturen ist die Dehnung angezeigt, wobei nach der eigenen Erfahrung die Weitung mit Bougies gegenüber der pneumatischen Dilatation bevorzugt wird. Zur Bougierung werden heute in der Regel die flexiblen Kunststoff-Bougies mit verjüngter Spitze nach Savary-Gilliard eingesetzt (Abb. B-1.4). ■ Bougierung: Zunächst sollte eine genaue endoskopische Abklärung erfolgen, d. h. Feststellung der Länge und Ausmaß der Striktur als auch evtl. zusätzliche Veränderungen der Ösophaguswand (z. B. Nekrosen, Fisteln, brüchige Wand nach Bestrahlung). Die Platzierung eines Führungsdrahts durch die Stenose in den Magen erfolgt unter endoskopischer Sicht, sofern die Stenose endoskopisch passierbar ist, ansonsten unter endoskopischer und röntgenologischer Kontrolle (Durchleuchtung).
Bei den meisten benignen Strikturen ist die Dehnung angezeigt. Zur Bougierung werden heute in der Regel flexible Kunststoff-Bougies eingesetzt (Abb. B-1.4). ■
Technik der Bougierung: Die Dilatation erfolgt stufenweise über einen endoskopisch bzw. endoskopisch-röntgenologisch platzierten Führungsdraht (Abb. B-1.5).
왘 Merke Die Bougierung erfolgt schrittweise mit ansteigendem Kaliber der Bougies.
Ösophagusstenosen
왘 Merke. Führungsdraht wegen der Perforationsgefahr nie blind vorschieben.
Nach Entfernung des Endoskops erfolgt die Bougierung durch Vorschieben der Bougies durch die Stenose über den liegenden Führungsdraht (Abb. B-1.5). Das Vorgehen erfolgt schrittweise mit ansteigendem Kaliber der Bougies.
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B 1.1 Endoskopie in der Chirurgie
B-1.4
241
Savary-Gilliard-Bougies mit Führungsdraht
B-1.4
B-1.5 Ösophagusstenose und Dehnungsmöglichkeit
a Tumorbedingte Ösophagusstenose vor Bougierung.
b Bougierung mit dem Savary-Gilliard-Bougie unter Durchleuchtung.
Die Kontrolle des Bougierungsvorgangs unter Durchleuchtung ist nicht obligat, sie ist jedoch bei extrem harten und komplizierten Stenosen zur Vermeidung einer extremen Stauchung bzw. Knickung der Bougies im Ösophagus mit der Gefahr der Wandläsion zu empfehlen. Es gelten die allgemeinen Kontraindikationen für die Endoskopie. Wichtigste Komplikation ist die Perforation (unter 0,5 %). 왘 Merke. Die Perforationsgefahr ist besonders groß bei Verätzungen und
Es gelten die allgemeinen Kontraindikationen für die Endoskopie. Wichtigste Komplikation ist die Perforation (unter 0,5 %).
왗 Merke
Strahlenschäden des Ösophagus. ■
Pneumatische bzw. hydrostatische Dilatation bei Achalasie (S. 275): Sie erfolgt durch einen Ballon, der über einen endoskopisch eingelegten Führungsdraht eingeführt wird. Die Platzierung des Ballons im Bereich der Kardia erfolgt unter endoskopischer Sicht oder unter Durchleuchtung. Die pneumatische Dilatation erfolgt durch Aufblasen des Ballons bis auf einen Druck von 250 – 300 mmHg. Nach der Dehnung erfolgt die endoskopische und bei Verdacht der tiefen Wandläsion bzw. Perforation ggf. auch die radiologische Kontrolle mit Kontrastmittel. Komplikationen: Schwerwiegendste Komplikation ist die Perforation, die in der einschlägigen Literatur mit 3,5 % angegeben wird. Weitere Komplikationen sind Blutungen und Aspirationen.
■
Pneumatische bzw. hydrostatische Dilatation bei Achalasie: Die Ballon-Platzierung unter endoskopischer Sicht oder Durchleuchtung vereinfacht und verkürzt den endoskopischen Eingriff. Nach der Dehnung erfolgt die endoskopische Kontrolle. Komplikationen: Häufigste Komplikation ist mit 3,5 % die Perforation. Seltener sind Blutungen und Aspiration.
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242
B 1 Viszeralchirurgie
Maligne Stenosen
Maligne Stenosen
Ziele der endoskopischen Therapie: ■ Wiederherstellung der Passage ■ Vorbeugung der Aspiration.
Ziel der endoskopischen Therapie bei tumorbedingten Stenosen des Ösophagus bzw. der Kardia ist die Wiederherstellung der Passage und/oder der Verschluss einer ösophagotrachealen bzw. -bronchialen Fistel zur Vorbeugung der Aspiration. Diese Stenosen können durch Ösophagus- bzw. Kardiakarzinome (S. 333), aber auch durch andere Primärtumoren verursacht werden, die sekundär den Ösophagus komprimieren bzw. infiltrieren. Die Wiederherstellung der Passage kann durch Zerstörung des Tumorgewebes (z. B. Laser oder andere Koagulationsverfahren wie Argonbeamer) oder durch Einlage von Tuben oder Stents erzielt werden.
Dies kann durch Zerstörung des Tumorgewebes durch Koagulationsverfahren wie Laser oder durch Einlage von Tuben oder Stents erzielt werden.
Lasertherapie
Lasertherapie
Die Indikation zur Lasertherapie ist vorwiegend bei kurzstreckigen Stenosen mit überwiegend polypösen Tumoranteilen gegeben.
Die Komplikationsrate beträgt ca. 4 %. Häufigste Komplikation ist die Perforation (ca. 2 %).
Die Indikationen für die Durchführung einer Lasertherapie sind bei kurzstreckigen Tumoren und bei vorwiegend polypös wachsenden, in das Lumen hineinragenden Tumoren gegeben. Bei gleichzeitiger Fistelbildung und bei langstreckigen, vorwiegend infiltrierenden Tumoren mit Achsenabknickung des Lumens ist eine Lasertherapie kontraindiziert. Der wesentliche Vorteil dieser Behandlung ist die geringere Morbidität des Patienten. Aufgrund der Progredienz der zugrunde liegenden Erkrankung muss die Lasertherapie jedoch häufig wiederholt werden. Die Komplikationsrate beträgt ca. 4 %. Häufigste Komplikation ist die Perforation (ca. 2 %). Die eingriffsbedingte Letalität wird in Sammelstatistiken älteren Datums mit ca. 1 % angegeben.
Endoprothesen (Kunststofftuben)
Endoprothesen (Kunststofftuben)
Die Tuben (z. B. Celestin) werden unter radiologischer oder endoskopischer Kontrolle im Bereich der Tumorstenose platziert.
Die Tuben (z. B. Celestin, Atkinson, Medoc, Wilson-Cook) werden unter radiologischer oder endoskopischer Kontrolle im Bereich der Tumorstenose platziert.
Einführungstechnik: Zu Beginn ist eine genaue endoskopische Abklärung der Stenose erforderlich.
Einführungstechnik: Zunächst erfolgt die endoskopische Abklärung der Stenose. Dabei ist vor allem auf die kraniokaudale Ausdehnung und das Ausmaß der Stenose zu achten. Die Entfernung der kranialen Tumorgrenze zum Ösophagusmund und das Vorliegen und ggf. die Größe und Lokalisation einer Fistelbildung müssen vorab bestimmt werden. Wichtig ist auch die Abklärung einer Beteiligung der oberen Luftwege durch Endosonographie (EUS) und/oder Bronchoskopie zur Vermeidung einer Verlagerung der Luftwege durch den Tubus bzw. Stent. Bei der Dilatation der Stenose ist zu beachten, dass das Ausmaß der erforderlichen Bougierung sowohl vom Durchmesser des vorhandenen Lumens als auch vom Widerstand bei der Passage (Tumorkonsistenz) abhängt. Die Dilatation erfolgt in der Regel mit den Savary-Gilliard-Bougies (s. o.). Hilfreich ist dabei die Markierung des proximalen und distalen Endes der Tumorstenose, z. B. durch Metallplättchen (die unter Durchleuchtung auf der Haut des Patienten platziert werden) bzw. durch Kontrastmittelinjektion oder mittels Clips in der Wand des Ösophagus. Die Einführung des Tubus kann über ein feinkalibriges Endoskop oder über einen zuvor eingelegten bougieartigen Stab (der wiederum über einen endoskopisch platzierten Führungsdraht eingeführt wurde) mithilfe eines Vorschiebeschlauchs (Pusher) erfolgen (Abb. B-1.6).
Der wesentliche Vorteil dieser Behandlung ist die geringere Morbidität.
Vor Einführung des Tubus ist eine ausreichende Bougierung der Tumorstenose durchzuführen. Hilfreich ist die Markierung des proximalen und distalen Endes der Tumorstenose (Metallplättchen, Clips).
Die Einführung des Tubus erfolgt über ein feinkalibriges Endoskop oder über einen bougieartigen Stab, der über einen zunächst endoskopisch platzierten Führungsdraht eingeführt wird (Abb. B-1.6). Erfolgsaussicht: Meist möglich bei passierbarer bzw. bougierbarer Stenose.
Erfolgsaussicht: Sofern die Tumorstenose passierbar bzw. bougierungsfähig ist, kann in der Regel eine Endoprothese eingeführt werden.
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B 1.1 Endoskopie in der Chirurgie
243
B-1.6 Ösophagobronchiale Fistel bei Ösophaguskarzinom
a
b
c
Ösophagobronchiale Fistel bei Ösophaguskarzinom mit Passagestörung und deren Therapiemöglichkeit mittels Tubuseinlage. a Radiologische Darstellung der ösophagobronchialen Fistel (?) b Wiederherstellung der Passage und Abdichtung der Fistel durch Einlage eines Celestintubus. c Endoskopisches Bild der Tubustulpe.
Kontraindikationen: ■ moribunder Patient ■ Infiltration des Ösophagusmundes durch den Tumor ■ Verlagerung bzw. Stenosierung der Trachea durch die Endoprothese.
Kontraindikationen: Moribunder Patient, Tumorinfiltration des Ösophagusmundes, Verlagerung bzw. Stenosierung der Trachea durch die Endoprothese.
Komplikationen: ■ Perforation: bis 10 % in großen Sammelstatistiken. Durch schrittweises Vorgehen mit Vorbougierung ggf. in mehreren Sitzungen kann die Perforationsrate auf 5 5 % gesenkt werden. ■ Mediastinitis ohne erkennbare Perforation aber mit Wandeinrissen im Tumorbereich. ■ Eine relevante eingriffsbedingte Blutung ist selten. Sie kann eher später durch Drucknekrosen auftreten. ■ Die Tubusdislokation tritt in 10 – 25 % der Fälle auf. ■ Die Verstopfung des Tubus ist die häufigste Spätstörung. Sie ist meistens durch einen Bolus bedingt, kann jedoch auch durch Tumorüberwuchs verursacht werden. ■ Die eingriffsbedingte Letalität wurde in älteren Sammelstatistiken mit 2 – 5 % angegeben. Durch schrittweises Vorgehen und individuelle Wahl der Endoprothese wurde neuerdings über eine eingriffsbedingte Letalität von 0 % berichtet.
Komplikationen: Schwerwiegendste Komplikation ist die Perforation (bis 10 %), die durch Vorbougierung auf 5 5 % gesenkt werden kann. Häufigste Spätkomplikationen sind Mediastinitis, Dislokation des Tubus (10 – 25 %), Tubusverstopfung. Die eingriffsbedingte Letalität beträgt ca. 2 – 5 %, nach neueren Berichten sogar 0 %.
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B 1 Viszeralchirurgie
244 B-1.7
Selbstexpandierender Metallstent bei maligner Ösophagusstenose
a Markierung der proximalen und distalen Tumorgrenze.
Selbstexpandierende Metallstents 왘 Definition
b Überbrückung der Tumorstenose mit einem Esophacoil.
c Unbehinderte Kontrastmittelpassage durch den Stent.
Selbstexpandierende Metallstents 왘 Definition. Selbstexpandierende Metallstents sind maschendraht- (WallStent, Ultraflex-Stent, Gian-Turco-Stent) oder spiralartige Endoprothesen (Esophacoile), die in zusammengefaltetem Zustand auf ein Trägersystem fixiert bzw. aufgewickelt sind und sich erst nach Freisetzung im Stenosebereich entfalten und ihren vollen Durchmesser annehmen (Abb. B-1.7).
Vor- und Nachteile: Zur Einlage von Metallstents muss die Stenose weniger bougiert werden als bei Tuben. Dadurch können die durch Bougierung und kraftvolles Durchschieben der Endoprothesen auftretenden Komplikationen vermieden bzw. verringert werden. Stents mit Kunststoffummantelung reduzieren die Gefahr des Tumordurchwuchses.
Vor- und Nachteile: Da aufgrund des relativ kleinen Durchmessers dieser Systeme eine maximale Bougierung der Stenose zur Einführung nicht erforderlich ist, können die durch Bougierung und kraftvolles Durchschieben der Endoprothesen durch die Tumorstenose auftretenden Komplikationen vermieden werden. Darüber hinaus wird durch den großen Durchmesser dieser Stents eine gute Palliation erreicht. Ein wesentlicher Nachteil dieser Stents ist der Durchwuchs des Tumors (ausgenommen die InStents), deshalb gibt es jetzt auch Stents mit Kunststoffummantelung.
Einführungstechnik: ■ Nach mäßiger Bougierung und Markierung der Tumorgrenze erfolgt die Stenteinlage unter Röntgenkontrolle. ■ Eine falsche Einschätzung der Stentverkürzung während dessen Entfaltung kann zur Fehlpositionierung führen. ■ Nach Entfernung des Trägersystems erfolgt die endoskopische und röntgenologische Abschlusskontrolle.
Einführungstechnik: ■ Zunächst erfolgt eine mäßige Bougierung der Stenose, um die Passage des Trägersystems und eine schnellere Entfaltung des Stents zu erzielen. Nach Markierung der proximalen und distalen Tumorgrenze wird die Einlage eines Führungsdrahts unter endoskopischer Sicht vorgenommen. Die Einführung und Platzierung des Stents über den liegenden Führungsdraht erfolgt unter Durchleuchtung. Die technischen Einzelheiten der Freisetzung sind stentspezifisch. ■ Bei der Platzierung muss vor allem die Verkürzung, die bei den meisten Stents während der Entfaltung stattfindet (ausgenommen die Gian-Turco-Stents) berücksichtigt werden. Eine falsche Einschätzung der Stentverkürzung kann zur Fehlpositionierung führen. ■ Anschließend erfolgt die Entfernung des Trägersystems und die endoskopische und röntgenologische Abschlusskontrolle.
왘 Merke
왘 Merke. ■
■
Die vollständige Entfaltung des Stents kann abhängig von der Tumorkonsistenz, Schweregrad der Stenose und Ausmaß der vorausgegangenen Bougierung erst nach 24 – 48 Stunden erreicht werden. Die Entfernung eines entfalteten Stents ist meistens technisch und zeitlich sehr aufwendig und im Einzelfall gar nicht möglich.
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B 1.1 Endoskopie in der Chirurgie
245
Komplikationen: Eingriffsbedingte Komplikationen sind insgesamt geringer als bei den Kunststoffendoprothesen (Perforation 0 – 2,5 %, Blutung 0 – 2,5 %). Eine Verstopfung durch Tumoreinwuchs bei nicht beschichteten Stents tritt in bis zu ca. 60 % aller Fälle auf. Die eingriffsbedingte Letalität beträgt nach den meisten Angaben in der Literatur 0 %, es wurde aber auch über eine eingriffsbedingte Letalität bis ca. 3 % berichtet.
Komplikationen: Eingriffsbedingte Komplikationen sind insgesamt geringer als bei den Kunststoffendoprothesen: Perforation (0 – 2,5 %), Blutung (0 – 2,5 %), Letalität (0 – 3 %).
Besondere Situationen
Besondere Situationen
Probleme bereiten Tumorstenosen mit sehr weit kranial liegender Tumorgrenze: Bei Infiltration des Ösophagusmundes ist die Palliation mit Tuben bzw. Stents in der Regel nicht möglich. Bei knapp unterhalb des Ösophagusmunds endenden Tumorinfiltrationen kann eine entsprechende Palliation durch dünne Tuben mit kurzer Glocke erzielt werden. Selbstexpandierende Metallstents, die sich während der Entfaltung nicht verkürzen, haben sich für diese Problemfälle besonders gut bewährt, da sie exakt platziert werden können (z. B. Gian-Turco-Stents). Ebenfalls problematisch sind ösophagotracheale oder bronchiale Fisteln bei Tumoren ohne nennenswerte Lumenstenose. In solchen Fällen stellt sich das Problem der Dislokation dar. Kunststoffendoprothesen können nur durch eine transnasale Fixierung in situ gehalten werden (z. B. durch einen an der Glocke des Tubus und transnasal herausgeleiteten dünnen Teflonschlauch). Gut bewährt haben sich bei dieser Problematik die großlumigen und ummantelten selbstexpandierenden Metallstents. Damit entfällt auch die Belastung für den Patienten, die durch die transnasale Fixierung verursacht wird. Anastomosenleckagen durch Nahtinsuffizienz (Abb. B-1.8 a und b) können durch die Einlage von Kunststoff-Prothesen oder kunststoffummantelte, selbstexpandierende Metallstents abgedichtet werden (Abb. B-1.9). Die Dislokation dieser Stents kann zunächst z. B. durch die Fixierung des kranialen Randes des Stents an die Ösophagusschleimhaut durch Clips erzielt werden. Später dient der Schleimhautdurchwuchs durch das kurze, nicht ummantelte Segmentteil des Stents im proximalen und distalen Ende der Stentfixierung.
Besondere Probleme bereiten Tumoren im proximalen Ösophagus direkt unterhalb bzw. mit Infiltration des Ösophagusmundes.
B-1.8
Insuffizienz nach Gastrektomie
Selbstexpandierende Metallstents ohne Verkürzung haben sich für diese Problemfälle besonders gut bewährt. Ebenfalls problematisch sind ösophagotracheale oder -bronchiale Fisteln bei Tumoren ohne nennenswerte Lumenstenose.
Dieses Problem kann durch großlumige und ummantelte, selbstexpandierende Metallstents gut gelöst werden. Anastomosenleckagen durch Nahtinsuffizienz (Abb. B-1.8 a und b) können durch die Einlage von Kunststoff-Prothesen oder kunststoffummantelte, selbstexpandierende Metallstents abgedichtet werden (Abb. B-1.9).
B-1.8
a Das endoskopische Bild zeigt oben links eine relativ große Insuffizienz nach Gastrektomie. b Unter Durchleuchtung ist der Austritt von Kontrastmittel deutlich erkennbar.
a
b
B-1.9
Metallstent in situ
B-1.9
a Ein zur Abdichtung eines Lecks eingeführter, mit Kunststoff ummantelter Metallstent b Das Röntgenbild zeigt die Abdichtung durch den Stent und Abfluss von KM in den Dünndarm. a
b
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246
B 1 Viszeralchirurgie
Ursachen für eine nicht vollständige Abdichtung ist meistens die nicht zirkuläre Schleimhauthyperplasie durch den nicht ummantelten Teil des Stents. Bei Ösophagogastrostomien kann der relativ große Durchmesser des Lumens im angrenzenden Magen die Ursache für eine unvollständige Abdichtung sein. In diesen Fällen kann Mageninhalt retrograd neben den Stent durch das Anastomosenleck fließen. Sinnvoll ist es, die Einlage eines Stents mit der Einführung z. B. einer Trilumensonde durch den Stent zu ergänzen. Damit kann der Inhalt aus dem Magen bzw. dem Stent abgeleitet und dem Übertritt von Flüssigkeit über eine durch den Stent nicht vollständige abgedichtete Leckage entgegengewirkt werden. Die Trilumensonde ermöglicht gleichzeitig die enterale Ernährung des Patienten. Die Entfernung bestimmter ummantelter Metallstents ist in der Regel möglich. Wegen des Schleimhautdurchwuchses durch den nicht ummantelten Teil ist sie häufig jedoch sehr schwierig. 1.1.4 Endoskopische Therapie des
Zenker-Divertikels
1.1.4
Endoskopische Therapie des Zenker-Divertikels
Neben der chirurgischen Behandlung des Zenker Divertikels und der intraluminalen Schlitzung des Divertikelseptums mit einem rigiden Endoskop, wurde im Jahre 1995 erstmals über die endoskopische Behandlung des Zenker-Divertikels mit einem flexiblen Endoskop berichtet. Ziel: Abflachung des Divertikels und die Erweiterung des Ösophagusmundes.
Ziel: Ziel der endoskopischen Behandlung ist die Abflachung des Divertikels und die Erweiterung des Ösophagusmundes, das durch die Durchtrennung des Divertikelseptums erreicht wird. Mit der Schlitzung des Septums kommt es zur Durchtrennung des Musculus cricopharyngeus. Das Divertikel ist am Ende der Therapie, abhängig von der Höhe des Restseptums, nicht mehr oder nur noch als kleine, nicht relevante Ausbuchtung nachweisbar (Abb. B-1.10).
Technik: Voraussetzung ist die optimale Darstellung des Divertikelseptums und des Ösophaguslumens bzw. der Ösophaguswand.
Technik: Der endoskopische Eingriff erfolgt mit einem dem heutigen Qualitätsstandard entsprechenden Video-Gastroskop. Voraussetzung bei dem endoskopischen Eingriff ist die optimale Darstellung des Divertikelseptums und des Ösophaguslumens bzw. der Ösophaguswand. Dafür wird meistens eine Magensonde eingeführt und während des endoskopischen Eingriffes in situ belassen (Abb. B-1.11 a). Die endoskopische Septotomie erfolgt in der Regel von proximal nach distal und wird zum Beispiel mit einem Nadelpapillotom durchgeführt (Abb. B-1.11 b). Andere Autoren befürworten die Trennung des Divertikelseptums durch Koagulation mit Argon-Plasma. Bei nicht optimaler Darstellung des Divertikelseptums aufgrund örtlicher anatomischer Verhältnisse, kann durch die Anwendung einer durchsichtigen Kappe an der Spitze des Endoskops die Einstellung des Divertikelseptums und die Abgrenzung von der Ösophaguswand verbessert werden.
Abhängig von den örtlichen anatomischen Verhältnissen und dem klinischen Verlauf wird die endoskopische Therapie in 2 – 3 Sitzungen durchgeführt.
B-1.10
B-1.10
Zenker-Divertikel vor und nach endoskopischer Therapie
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B 1.1 Endoskopie in der Chirurgie
B-1.11
Endoskopisches Bild bei Zenker-Divertikel
a Das endoskopische Bild zeigt oben die Magensonde im Ösophaguslumen; unten die Divertikelöffnung.
247 B-1.11
b Das endoskopische Bild zeigt die Schlitzung des Divertikelseptums mit dem Nadelpapillotom.
Um das Komplikationsrisiko zu minimieren wird empfohlen, keine vollständige Durchtrennung des Septums in einer Sitzung durchzuführen. Abhängig von den anatomischen Verhältnissen und dem klinischen Verlauf wird die endoskopische Therapie in 2 – 3 Sitzungen durchgeführt. Ergebnisse: Nach den bisher vorliegenden Daten in der Literatur war die endoskopische Behandlung bei allen dafür vorgesehenen Patienten technisch möglich. Über Beseitigung bzw. deutliche Besserung der Dysphagie wurde in bis zu 97 % der Fälle berichtet. Schlechtere Ergebnisse sind wahrscheinlich auf die Persistenz von relativ großen Septen zurückzuführen.
Ergebnisse: Meist deutliche Besserung der Dysphagie.
Komplikationen: Mit bis zu 5 % ist die Blutung die häufigste Komplikation, die jedoch in der Regel endoskopisch beherrscht werden kann. Das subkutane Emphysem wird mit ca. 3 – 13 % als zweithäufigste Komplikation angegeben; es bildet sich in der Regel unter konservativer Behandlung nach 48 bis 72 Stunden zurück.
Komplikationen: Blutung (bis zu 5 %), subkutanes Emphysem (3 – 13 %).
1.1.5 Therapie von Ösophagus- bzw. Fundusvarizen
1.1.5 Therapie von Ösophagus- bzw.
Fundusvarizen
Ziel der endoskopischen Therapie sollte immer die Eradikation der Varizen sein. Die Behandlung der Ösophagus- bzw. Fundusvarizen kann in der akuten Blutung, im blutungsfreien Intervall oder prophylaktisch erfolgen.
Ziel der endoskopischen Therapie ist die Eradikation der Varizen.
Behandlungsverfahren
Behandlungsverfahren
Für die endoskopische Therapie von Ösophagus- und Fundusvarizen stehen heute vorwiegend die Sklerosierung, die Gummibandligatur und die Obliteration mit Gewebeklebern zur Verfügung.
Es stehen die Sklerosierung, die Gummibandligatur und die Obliteration mit Gewebeklebern zur Verfügung.
Sklerosierung
Sklerosierung
Die endoskopische Sklerosierung erfolgt durch die submuköse Injektion eines Verödungsmittels, wobei in Deutschland hauptsächlich das Polidocanol 1 % eingesetzt wird. Dadurch kommt es zu einer Entzündungsreaktion mit Nekrosenbildung (Nekrosen sind bei der Sklerosierung daher nicht per se als Komplikation anzusehen), Thrombosierung und letztendlich zur Beseitigung der Ösophagusvarizen. Darüber hinaus wird durch die Sklerosierung eine Fibrose der inneren Schichten der Ösophaguswand verursacht, was zur Vermeidung von Rezidiven von Bedeutung ist (Abb. B-1.12). Die besten Ergebnisse werden mit der kombinierten peri- und intravasalen Sklerosierung erzielt (Abb. B-1.13).
Die endoskopische Sklerosierung erfolgt durch die submuköse Injektion eines Verödungsmittels. Dadurch kommt es zur Nekrosenbildung und zur Sklerosierung der Gefäße (Abb. B-1.12).
Die besten Ergebnisse werden mit der kombinierten peri- und intravasalen Sklerosierung erzielt (Abb. B-1.13).
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B 1 Viszeralchirurgie
248 B-1.12
B-1.12
a
Ösophagusvarizensklerosierung
b
c
d a Verschwollene Varizen nach kombinierter peri- und intravasaler Sklerosetherapie: b Nekrosenbildung nach Sklerosierung. c Thrombosen sklerosierter Ösophagusvarizen. d Glatte Ösophagusinnenwand mit Narben nach abgeschlossener Sklerosierung.
B-1.13
Schematische Darstellung der kombinierten peri- und intravasalen Sklerosierung
Durch die perivasale submuköse Injektion wird eine Kompression des Gefäßes erzielt, die intravasale Injektion erfolgt in die Wand der Varize. p perivasale Sklerosierung i intravasale Sklerosierung 1 Endoskop 2 Sklerosierungsnadel 3 Varize (im Instrumentierkanal) 4 Kardia
Obliteration mit Gewebekleber
Obliteration mit Gewebekleber
Der strikt intravasal/intraluminal eingespritzte Gewebekleber bildet einen harten Ausguss in der Varize mit Unterbrechung des Blutflusses.
Der flüssige Gewebekleber (meistens in einer Mischung mit Lipiodol, ein öliges Kontrastmittel) wird so nah wie möglich an der Rupturstelle strikt intravasal/ intraluminal in die blutende Varize injiziert. Der Kontakt mit Blut führt zu einer sofortigen Verhärtung des Klebers mit Obliteration der Rupturstelle, Ausfüllung der blutenden Krampfader mit einer soliden Masse und entsprechende Unterbrechung des Blutflusses. Einige Tage später kommt es zur Nekrose der überliegenden Schleimhaut und einige Wochen danach zur vollständigen Abstoßung des Gewebeklebers (Abb. B-1.14).
Einige Tage später kommt es zur Nekrose der Schleimhaut und danach zur Abstoßung des Gewebeklebers (Abb. B-1.14).
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B 1.1 Endoskopie in der Chirurgie
B-1.14
249
Endoskopische Obliteration mit Gewebeklebern
a Fundusvarizenobliteration mit Histo-Acryl®.
b Schleimhautnekrosen über den obliterierten Fundusvarizen mit beginnender Abstoßung des Histo-Acryl®.
c Subkardiale Vernarbung nach Abstoßung des Histo-Acryl® ohne Nachweis der Fundusvarizen.
Ligatur
Ligatur
Das Behandlungsprinzip ist die Unterbrechung des Blutflusses mit nachfolgender Eradikation der Varizen durch Ligatur mittels endoskopisch platzierter Gummiringe. Auf dem distalen Ende des Endoskops wird eine Kunststoffkappe bzw. ein Kunststoffzylinder (Trägersystem) angebracht, auf dem wiederum die Gummibänder montiert sind. Die zu behandelnde Varize wird in die Kappe eingesaugt und anschließend das Gummiband durch Zug über einen an den Kunststoffzylinder befestigten und über den Arbeitskanal des Endoskops herausgeleiteten Auslösedraht freigesetzt. Das freigesetzte Gummiband stülpt sich über die in die Kappe eingesaugte Varize und unterbricht somit den Blutfluss (Abb. B-1.15).
Die Gummibandligatur unterbricht örtlich den Blutfluss durch die Varize. Nach Ansaugen der Varize in eine Kappe (Endoskop) erfolgt die Ligatur der Varize durch ein Gummibändchen (Abb. B-1.15).
Vorgehen bei Varizenblutung
Vorgehen bei Varizenblutung
Bei 25 – 35 % aller Patienten mit Ösophagusvarizen kommt es zu einer Varizenblutung.
Bei jedem 3.– 4. Patient mit Ösophagusvarizen kommt es zu einer Varizenblutung.
B-1.15
Prinzip der Ösophagusvarizenligatur
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250 B-1.16
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.16
Endoskopisches Bild bei Ösophagusvarizenligatur
a Ösophagusvarizen nach Setzen von Gummibandligaturen
왘 Merke
Therapie bei akuter Blutung: Beim Verdacht einer Ösophagusvarizenblutung ist die Notfallendoskopie angezeigt. Das Ziel der Endoskopie ist die Sicherung der Diagnose und die endoskopische Blutstillung. 왘 Merke
Die Obliteration erfolgt mit Gewebekleber oder Gummibandligatur, wobei die Obliteration mit einem Gewebekleber die effektivste endoskopische Methode zur Behandlung der akuten Varizenblutung ist.
Eine Verbesserung des Therapieergebnisses durch zusätzliche medikamentöse Therapie konnte bisher nicht ausreichend belegt werden.
Therapie im blutungsfreien Intervall: Nach vorausgegangener Varizenblutung wird die endoskopische Eradikation der Varizen angestrebt um eine Rezidivblutung zu vermeiden. Die besten Ergebnisse bei der Behandlung von Fundusvarizen werden durch Obliteration mit Gewebekleber erzielt.
Prophylaktische Therapie: Die prophylaktische Ösophagusvarizenbehandlung sollte nur bei hohem Blutungsrisiko durchgeführt werden.
b Die Gummiligaturen sind in Abstoßung begriffen. Distal ein flaches Ulkus nach Abgang der Ligatur
왘 Merke. Ösophagusvarizenblutungen haben eine Letalitätsrate von 30 – 50 %. Das Risiko für eine Rezidivblutung beträgt ca. 30 % in den ersten 6 Wochen und ca. 70 % im ersten Jahr nach der ersten Hämorrhagie.
Therapie bei akuter Blutung: Bei Verdacht auf eine Ösophagusvarizenblutung ist die Notfallendoskopie angezeigt. Das Ziel der Endoskopie ist die Sicherung der Diagnose (bei nicht wenigen Patienten mit Varizen und akuter oberer gastrointestinaler Blutung liegen andere Blutungsquellen vor) und die sofortige endoskopische Blutstillung. 왘 Merke. Die Behandlung akut blutender Varizen sollte durch die Obliteration mit Gewebekleber oder die Gummibandligatur erfolgen. Medikamentöse Therapie und Ballonsonden sind kein Ersatz für die endoskopische Therapie: Sie werden eingesetzt, sofern die Möglichkeit der endoskopischen Blutstillung nach den heute zu fordernden Standards nicht gegeben ist.
Durch Anwendung des Gewebeklebers kann eine 100 %ige initiale Blutstillung und eine deutliche Reduktion (ca. 2/3) der Anzahl der frühen Rezidivblutungen erzielt werden. Mit der Varizenligatur wird über initiale Blutstillungsraten von 94 %, allerdings aber auch über eine Letalitätsrate von 5 % durch nicht beherrschbare Blutungen berichtet. Bei akut blutenden Fundusvarizen ist nach den vorliegenden Ergebnissen die Obliteration durch Gewebekleber vorzuziehen. Die Verbesserung des Therapieergebnisses durch eine zusätzliche medikamentöse Therapie (Senkung des portalen Drucks) nach erfolgreicher endoskopischer Blutstillung konnte bisher nicht ausreichend belegt werden. Therapie im blutungsfreien Intervall: Nach vorausgegangener Varizenblutung wird die endoskopische Eradikation der Varizen angestrebt, um eine Rezidivblutung zu vermeiden. Dieses Ziel kann sowohl durch Sklerosierung als auch durch Gummibandligatur erreicht werden. Die langfristigen Ergebnisse der Ligatur verglichen mit der Sklerosierung und die der Kombination beider Methoden werden z.Z. in prospektiven Studien untersucht. Die besten Ergebnisse bei der Behandlung von Fundusvarizen werden durch Obliteration mit Gewebekleber erzielt. Prophylaktische Therapie: Die Indikation zur Behandlung von Ösophagusvarizen, die bisher nicht geblutet haben, ist wegen der z. T. widersprüchlichen Ergebnisse problematisch. Abgesehen von den Patienten, die im Rahmen
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B 1.1 Endoskopie in der Chirurgie
251
prospektiver Studienprotokolle behandelt werden, erfolgt sie bei Patienten, die aufgrund des Ausmaßes und der Morphologie der Varizen ein deutlich höheres Blutungsrisiko aufweisen. Komplikationen: ■ Sklerosierung: Schwerwiegende Komplikationen sind die Perforation (ca. 0,3 %), die Blutung aus Nekrosen oder noch nicht verschlossenen Varizen bei noch nicht abgeschlossener Therapie (10 – 13 %) und Stenosen, die in ca. 4 % der Fälle auftreten (schwere Stenosen in ca. 2 %). Aspiration, Fieber, Infektion und systemische Nebenerscheinungen sind selten. Die meisten Komplikationen der Sklerosierungstherapie sind durch eine korrekte Sklerosierungstechnik, adäquates Behandlungsprotokoll und frühzeitige Erkennung und Behandlung von Stenosen (wöchentliche endoskopische Kontrolle bis zur Abheilung der Nekrosen und ggf. 1 – 3-mal wöchentliche Bougierungen bei Stenosierung) zu vermeiden. ■ Ligatur: Die häufigsten Komplikationen sind: Infektionen (ca. 3 %) und Blutungen (ca. 2 %). Perforationen und Stenosen treten in unter 1 % der Fälle auf. Verglichen mit der Sklerosierung ist bei der Varizenligatur eine größere Varizenrezidivrate zu verzeichnen. ■ Die Komplikationen der Obliteration mit Gewebeklebern entsprechen denen der Sklerosierung. Vereinzelt wurden Embolien beschrieben. Kontraindikationen bestehen bei moribunden Patienten und bei therapeutisch nicht beherrschbaren, schweren Gerinnungsstörungen.
1.1.6
Nicht varizenbedingte Blutungen
Komplikationen: ■ Sklerosierung: Schwerwiegende Komplikationen sind Perforation (ca. 0,3 %), Blutung (10 – 13 %), Stenosen (ca. 4 %). Die meisten Komplikationen der Sklerosierung sind auf eine fehlerhafte Sklerosierungstechnik zurückzuführen.
■
■
Perforationen und Stenosen treten in 5 1 % der Fälle auf.
Komplikationen der Obliteration entsprechen denen der Sklerosierung.
Kontraindikationen: moribunde Patienten, therapeutisch nicht beherrschbare Gerinnungsstörungen. 1.1.6 Nicht varizenbedingte Blutungen
Grundlagen
Grundlagen
Allgemeines: Die Letalität der oberen gastrointestinalen Blutung hängt von mehreren Faktoren ab (wie Stärke und Dauer der Blutung, Art der Läsion, Alter des Patienten und Nebenerkrankungen) und liegt allgemein bei ca. 10 %. Die Letalität steigt auf ca. 40 % an, wenn besonders schwierige Fälle mit zusätzlichen Komplikationen auftreten, mehrfache Bluttransfusionen notwendig werden, schwerwiegende Begleiterkrankungen vorliegen oder eine zusätzliche chirurgische Therapie bei endoskopisch nicht beherrschbarer Blutung erforderlich wird.
Allgemeines: Die Letalität der akuten Blutung im oberen Gastrointestinaltrakt beträgt 10 – 40 %.
Klinik: Zu den häufigsten Symptomen der oberen gastrointestinalen Blutung gehören Hämatemesis und/oder Meläna bzw. Hämatochezie bei sehr starken postpylorischen Blutungen. Erstmanifestation können aber auch auf den Blutverlust zurückzuführende Symptome sein.
Klinik: Häufigste Symptome einer akuten oberen gastrointestinalen Blutung sind Hämatemesis, Meläna und Hämatochezie.
Indikation: Die Indikation zur endoskopischen Abklärung einer oberen gastrointestinalen Blutung ist grundsätzlich immer gegeben. Ein Großteil der Blutungen des oberen GI-Trakts kommt zwar spontan zum Stillstand, die Indikation zur Notfallendoskopie steht jedoch bei aktiven bzw. Hb- oder kreislaufwirksamen Hämorrhagien außer Frage.
Indikation: Die Indikation zur endoskopischen Abklärung einer oberen gastrointestinalen Blutung ist grundsätzlich immer gegeben.
Vorbereitung auf die Endoskopie
Vorbereitung auf die Endoskopie
Der Patient muss in einem endoskopiefähigen Zustand sein, daher sollte ggf. zunächst eine Stabilisierung des Kreislaufs erfolgen. Bei schweren aktiven Blutungen müssen allgemeine Maßnahmen zur Behandlung der Hypovolämie bzw. des Schocks und die Endoskopie ggf. zeitgleich erfolgen. Die Spülung des Magens muss nicht grundsätzlich durchgeführt werden, die meisten Blutungen können endoskopisch ohne vorherige Spülung lokalisiert bzw. behandelt werden. Bei Indikation zur Spülung (Austamponierung des Magens durch Koagel) sollte ein Spülschlauch mit einem Durchmesser von mindestens 30 French benutzt werden.
Der Patient muss in einem endoskopiefähigen Zustand sein, daher sollte ggf. zunächst eine Stabilisierung des Kreislaufs, Behandlung der Hypovolämie bzw. des Schocks erfolgen. Die Spülung des Magens vor einer Notfallendoskopie ist nicht grundsätzlich erforderlich. Die Spülung über eine einfache Magensonde ist zwecklos. Sie sollte mit einem dicklumigen Spülschlauch erfolgen.
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252
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.2
B-1.2
Nicht varizenbedingte obere gastrointestinale Blutung
häufigere Ursachen ■ ■ ■ ■
Ulcera ventriculi Ulcera duodeni Erosionen Mallory-Weiss-Syndrom
seltenere Ursachen ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
B-1.3
B-1.3
Ösophagitis Angiodysplasien maligne Tumoren benigne Tumoren Blutungen aus dem biliopankreatischen System rupturierte Aortenaneurysmen aortoenterische Fisteln
Klassifikation nach Forrest (nicht varizenbedingte Blutungen)
Forrest I
aktive Blutung
Forrest II
inaktive Blutung
Forrest III
Läsion ohne Blutungszeichen
Ia: Ib: IIa: IIb: IIc:
spritzende arterielle Blutung sickernde Blutung Läsion mit Gefäßstumpf koagelbedeckte Läsion hämatinbelegte Läsion
Neuerdings stehen weitlumige Endoskope zur Verfügung, mit denen die Absaugung großer Koagel möglich ist. 왘 Merke
왘 Merke. Wegen der Aspirationsgefahr sollte die Spiegelung ohne oder nur mit leichter Sedierung durchgeführt werden.
Ggf. muss die Endoskopie in Intubationsnarkose durchgeführt werden.
Bei Patienten in sehr schlechtem Allgemeinzustand bzw. wenn eine tiefe Sedierung erforderlich ist, muss die Endoskopie ggf. in Intubationsnarkose durchgeführt werden.
Endoskopische Befunde
Endoskopische Befunde
Die endoskopisch am häufigsten nachgewiesenen Läsionen als Ursache einer oberen gastrointestinalen Blutung sind in Tab. B-1.2 aufgeführt.
Die endoskopisch am häufigsten nachgewiesenen Läsionen als Ursache einer oberen gastrointestinalen Blutung sind in Tab. B-1.2 aufgeführt. Die relative Häufigkeit hängt selbstverständlich von dem jeweils betreuten Patientenkollektiv ab. Je nach Blutungsaktivität werden die Läsionen endoskopisch nach der ForrestKlassifikation eingeteilt (Tab. B-1.3).
Je nach Blutungsaktivität werden die Läsionen endoskopisch nach der Forrest-Klassifikation eingeteilt (Tab. B-1.3). Endoskopische Therapiemöglichkeiten In bis zu 15 % der Fälle kann die Blutung endoskopisch nicht definitiv gestillt werden. Häufigste Ursachen sind sehr große bzw. sehr tiefe Ulzera und nicht lokalisierbare Blutungsquellen. Die chirurgische Behandlung ist angezeigt bei tiefen Ulzera an der Bulbushinterwand und kleinen Kurvatur des Magens mit Verdacht auf Arrosion einer Arterie und Blutungsquellen, die wegen Hämorrhagie nicht erreichbar oder lokalisierbar sind. Der endoskopische Doppler ermöglicht eine genauere Differenzierung der Forrest-II-Läsionen. Zur endoskopischen Blutstillung stehen thermische und nicht thermische Verfahren zur Verfügung (Tab. B-1.4). Am häufigsten wird die Injektionsmethode angewandt (Abb. B-1.17).
Endoskopische Therapiemöglichkeiten Bis zu 15 % aller nicht varizenbedingten Blutungen, die einer aktiven Blutstillung bedürfen, können endoskopisch nicht ausreichend therapiert werden. Häufigste Ursachen sind sehr große bzw. sehr tiefe Ulzera mit dickem Gefäßstumpf (vor allem an der kleinen Kurvatur des Magens und im Bulbus an der Hinterwand) und Blutungsquellen, die aufgrund einer massiven Hämorrhagie nicht erreichbar bzw. nicht zu lokalisieren sind. In solchen Fällen ist primär die chirurgische Behandlung angezeigt. Die objektive Festlegung entsprechender Ausschlusskriterien für die Endoskopie ist jedoch problematisch. Deshalb kann die Frage nach der Indikation und Möglichkeiten der endoskopischen Therapie im Einzelfall nur durch einen erfahrenen Endoskopiker beantwortet werden. Eine genauere Abgrenzung der Forrest-II-Läsionen mit hohem Blutungsrisiko ist mit dem endoskopischen Doppler möglich. Zur endoskopischen Blutstillung stehen thermische und nicht thermische Verfahren zur Verfügung (Tab. B-1.4). Aufgrund ihrer hohen Blutstillungsrate, der relativ niedrigen Kosten und ihrer einfachen Handhabung wird die Injektionsmethode weltweit eingesetzt (Abb. B-1.17).
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B 1.1 Endoskopie in der Chirurgie
B-1.4
Endoskopische Blutstillung
B-1.4
thermische Verfahren ■ ■ ■ ■ ■ ■
Laser Bicap Argonbeamer Mikrowellen Elektro-Hydro-Thermo-Sonde Koagulation monopolar
B-1.17
253
nicht thermische Verfahren Injektion von: ■ Alkohol ■ Adrenalin + Äthoxysklerol ■ Adrenalin ■ Fibrin Hemoclips
Schematische Darstellung der Injektionsmethode
Die Injektion mit Adrenalin (1:10 000 bzw. 1:20 000) und anschließend mit Äthoxysklerol 1 % hat sich bewährt. 왘 Merke. Voraussetzung für eine erfolgreiche endoskopische Therapie ist die
Die Unterspritzung erfolgt meistens mit Adrenalin 1:20 000 und Äthoxysklerol 1 %. 왗 Merke
exakte Lokalisation der Blutungsquelle. Die initiale Blutstillung durch Injektion der Adrenalinlösung wird durch mechanische Kompression und vasokonstriktiven Effekt der Adrenalinlösung erreicht, wobei anschließend zur definitiven Blutstillung Äthoxysklerol 1 % injiziert wird. Bei entsprechender Selektion der Patienten (ca. 15 % der Patienten werden primär chirurgisch therapiert) kann mit dieser Methode eine initiale bzw. definitive Blutstillungsrate von 100 % bzw. 99 % erzielt werden. Die Unterspritzung mit Fibrinkleber ist eine hilfreiche Alternative z. B. bei Gerinnungsstörungen, Läsionen mit nekrotischem Grund, sehr tiefen Ulzera mit Perforationsgefahr oder bei iatrogenen Blutungen z. B. nach endoskopischer Papillektomie, wenn das Setzen von Hemoclips nicht gelingt, oder nach endoskopischer Ektomie submuköser Tumoren mit diffuser Sickerblutung. Die generelle Anwendung der Fibrininjektion als Erstmaßnahme zur endoskopischen Blutstillung ist nicht erforderlich. Die Behandlung mit Hemoclips ist ein effektives Verfahren zur endoskopischen Blutstillung und bei iatrogenen Blutungen die Methode der Wahl. Durch die Anwendung von Hemoclips können die potenziellen Komplikationen der Unterspritzung wie Nekrosen und ggf. Perforation vermieden werden (Abb. B-1.18). Nach einer eigenen prospektiven Untersuchung gelingt die initiale bzw. definitive Hämostase aktiver Blutungen durch Hemoclips in 97 % bzw. 92 % der Fälle, sofern die Hemoclips platzierbar waren. Bei insgesamt 15 % aller Patienten war das Setzen der Hemoclips jedoch technisch nicht möglich (z. B. derber Ulkusgrund, narbige Deformierungen des Antrums bzw. Duodenums). Unter Berücksichtigung aller Patienten mit Ausnahme der primär operierten (3 %) gelang eine definitive Blutstillung durch Hemoclips bzw. in Kombination mit anderen endoskopischen Verfahren in 94 % der Fälle.
Die initiale Hämostase wird durch einen mechanischen (Kompression) und einen chemischen (Vasokonstriktion) Effekt erzielt. Die Injektion von Äthoxysklerol dient der definitiven Blutstillung.
Die Unterspritzung mit Fibrinkleber ist effektiv, in Einzelfällen die Methode der Wahl, aber nicht prinzipiell erforderlich.
Die Behandlung mit Hemoclips ist ein effektives Verfahren zur endoskopischen Blutstillung und bei iatrogenen Blutungen die Methode der Wahl. Ihre Anwendung stellt eine Alternative zur Injektionstherapie dar (Abb. B-1.18). In ca. 15 % der Fälle mit nicht iatrogener Blutung ist das Setzen von Hemoclips nicht möglich.
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B 1 Viszeralchirurgie
254 B-1.18
Schematische Darstellung der Blutstillung mit Hemoclips
Thermische Verfahren werden vorwiegend bei diffusen Sickerblutungen eingesetzt. 왘 Merke
Komplikationen: Die Komplikationsrate liegt bei ca. 1 %. Vorgehen nach endoskopischer Blutstillung Nach der endoskopischen Therapie ist bei entsprechenden Läsionen die konsequente Behandlung mit Protonenpumpenhemmern angezeigt. Bei entsprechender Selektion der Patienten ist die grundsätzliche elektive chirurgische Therapie nach erfolgreicher endoskopischer Blutstillung nicht gerechtfertigt.
왘 Merke
1.1.7 Endoskopische Mukosaresektion bzw.
endoskopische submuköse Dissektion
왘 Definition
Thermische Verfahren werden von uns vorwiegend bei diffusen Sickerblutungen (z. B. maligne Tumoren) eingesetzt, wobei der Argonbeamer bevorzugt wird. 왘 Merke. Das Verfahren zur endoskopischen Blutstillung sollte individuell gewählt werden, nicht selten ist eine Kombination unterschiedlicher Methoden sinnvoll.
Komplikationen: Die Komplikationsrate liegt bei ca. 1 %. Vereinzelt wurde über Perforation bei Anwendung der Injektionsmethode berichtet.
Vorgehen nach endoskopischer Blutstillung Nach der endoskopischen Therapie ist bei entsprechenden Läsionen die konsequente Behandlung mit Protonenpumpenhemmern angezeigt. Die grundsätzliche chirurgische Therapie im blutungsfreien Intervall nach erfolgreicher endoskopischer Blutstillung ist nicht gerechtfertigt. Ebenso ist ein Blutungsrezidiv nicht per se eine Indikation für die chirurgische Behandlung. Allerdings darf eine Fehleinschätzung durch die Endoskopie nicht zu einer unnötigen oder gar lebensbedrohlichen Verzögerung des chirurgischen Eingriffs führen. 왘 Merke. Beim Verdacht auf eine Rezidivblutung ist die sofortige endoskopische Befundkontrolle durch einen erfahrenen Endoskopiker und die kritische Überprüfung des Weiteren therapeutischen Vorgehens dringend erforderlich.
1.1.7
왘 Definition. ■
■
Technik: ■ Vor der endoskopischen Mukosaresektion werden die Ränder der Läsion mit Sicherheitsabstand markiert. Die Muskosektomie kann durch einfache Resektion mit der Diathermieschlinge erfolgen (Abb. B-1.20 a) oder mit einem Greifer durch die offene Diathermieschlinge (Abb. B-1.20 b).
Endoskopische Mukosaresektion bzw. endoskopische submuköse Dissektion
Bei der endoskopischen Mukosaresektion (EMR) (= endoskopische Mukosektomie) werden Mukosa und große Teile der Submukosa endoskopisch abgetragen. Meistens reicht die Abtragung bis auf die Ebene der Muscularis propria (Abb. B-1.19). Bei der endoskopischen submukösen Dissektion (ESD) können durch unterschiedliche Techniken im Vergleich zur EMR größere Schleimhautareale „en bloc“ reseziert werden. Das Ziel ist es, eine genauere histologische Beurteilung des endoskopischen Resektates zu ermöglichen.
Technik: ■ Vor der endoskopischen Mukosaresektion wird unabhängig von der angewandten Technik die Markierung der Ränder der Läsion mit einem entsprechenden Sicherheitsabstand durchgeführt. Die Mukosektomie kann durch einfache Resektion mit der Diathermieschlinge erfolgen (Abb. B-1.20 a) oder durch Anhebung der abzutragenden Schleimhaut mit einem Greifer durch die offene Diathermieschlinge (Abb. B-1.20 b). Für diese zweite Variante ist ein
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B 1.1 Endoskopie in der Chirurgie
B-1.19
Endoskopische Mukosektomie
a Ösophaguskarzinom.
B-1.20
■
255 B-1.19
b Endoskopisches Bild nach breitflächiger Mukosektomie. Die Muscularis propria ist deutlich erkennbar.
Darstellung der verschiedenen Techniken der endoskopischen Mukosektomie
zweitlumiges Endoskop erforderlich. Sehr häufig angewandt, vor allem im Ösophagus, ist die sogenannte Suck-and-cut-Technik: Dabei wird am distalen Ende des Endoskops eine durchsichtige Kunststoffkappe aufgesetzt. Die abzutragende Läsion wird in dieser Kappe eingesaugt. Die eingesaugte Schleimhaut kann sofort mit einer Diathermieschlinge, die bereits in einer am distalen Ende der Kappe vorhandenen Rille platziert wurde, abgetragen werden (Abb. B-1.20 c). Alternativ kann die eingesaugte Schleimhaut ähnlich wie bei der Ösophagusvarizenligatur mit Gummibändern, die auf der Kappe montiert sind, eingeschnürt werden. Anschließend erfolgt die Abtragung mit der Diathermieschlinge (Abb. B-1.20 d). Alle erwähnten Verfahren werden meistens nach vorheriger Unterspritzung der Schleimhautläsion mit unterschiedlichen Lösungen (z. B. Adrenalin 1 : 20 000) durchgeführt. Die Unterspritzung soll durch Anhebung der Schleimhaut das Risiko der Perforation minimieren. Die Ergebnisse der endoskopischen Mukosektomie ohne vorherige Unterspritzung zeigen jedoch keine höhere Komplikationsrate. Bei der endoskopischen submukösen Dissektion werden relativ große Schleimhautareale von den tieferen Wandschichten „en bloc“ abgetrennt. Die Schleimhautdissektion erfolgt nach Unterspritzung der abzutragenden Schleimhaut mit z. B. Hyaluronsäure. Damit soll ein schnelles Abfließen der Unterspritzungsflüssigkeit verhindert und eine längere Anhebung der Schleimhaut gewährleistet werden. Die eigentliche Abtrennung der Schleimhaut erfolgt mit unterschiedlichen dafür entwickelten Instrumenten, die durch ihre besondere Form (z. B. hook knife, triangle knife) oder durch Isolierung der Spitze (it-knife) die Verletzung der tieferen Schichten bzw. die Perforation durch die Diathermie verhindern sollen.
Indikationen: Die beschriebenen Methoden werden vorwiegend im oberen Gastrointestinaltrakt eingesetzt. Während bei hochgradigen Dysplasien und In-situ-Karzinomen die endoskopische Mukosektomie kurativ ist, muss bei pT1-Tumoren eine genaue Selektion der Patienten erfolgen. Die Grenzen der EMR werden vorwiegend durch die Eindringtiefe und histologische Differenzie-
V. a. im Ösophagus wird die sogenannte suck-and-cut-Technik häufig angewandt (Abb. B-1.20 c). Alternativ kann die eingesaugte Schleimhaut zunächst mit Gummibändern eingeschnürt und anschließend mit einer Diathermieschlinge abgetragen werden.
■
Bei der endoskopischen submukösen Dissektion werden relativ große Schleimhautareale von tieferen Wandschichten „en bloc“ abgetrennt. Die Schleimhautdissektion erfolgt nach Unterspritzung der abzutragenden Schleimhaut mit z. B. Hyaluronsäure.
Indikationen: Einstz der beschriebenen Methoden vorwiegend im oberen Gastrointestinaltrakt.
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256
Allgemein akzeptierte Kriterien für den Einsatz der EMR im oberen Gastrointestinaltrakt sind: ■
■
■
Plattenepithelkarzinome des Ösophagus G1 –G2 mit Infiltration der Lamina propria und ohne Hinweise auf Infiltration von Venen oder Lymphgefäßen.
Adenokarzinome des Magens G1 –G2 auf die Mukosa begrenzt und ohne Hinweise auf eine Infiltration von Venen bzw. Lymphgefäßen. Barrettkarzinom: Auf Mukosa begrenzte Läsionen mit G1 –G2-Differenzierung und ohne Hinweise auf venöse bzw. lymphatische Infiltration sind geeignet für die kurative endoskopische Therapie.
B 1 Viszeralchirurgie
rung der Tumoren und der damit verbundenen Gefahr der Lymphknotenmetastasierung bestimmt. Allgemein akzeptierte Kriterien für den Einsatz der EMR im oberen Gastrointestinaltrakt als eine Alternative zur kurativen Chirurgie sind: ■ Plattenepithelkarzinome des Ösophagus G1 –G2 mit Infiltration der Lamina propria, aber nicht der Muscularis mucosae und ohne Hinweise auf Infiltration von Venen oder Lymphgefäßen. Das Ausmaß der Flächen- bzw. zirkulären Ausdehnung wird nicht mehr als limitierender Faktor berücksichtigt. Allerdings wird in der Regel auf die endoskopische Therapie der zirkulären Läsionen wegen der Gefahr der anschließenden narbigen Stenosierung verzichtet. ■ Adenokarzinome des Magens G1 –G2 auf die Mukosa begrenzt, bis 2 cm Durchmesser bei dem Typ IIa und bis 1 cm Durchmesser bei Läsionen IIb oder IIc und ohne Ulkus bzw. Ulkusnarbe und ohne Hinweise auf eine Infiltration von Venen bzw. Lymphgefäßen. ■ Beim Barrettkarzinom werden auf die Mukosa begrenzte Läsionen mit Differenzierung G1 –G2 und ohne Hinweise auf venöse bzw. lymphatische Infiltration als geeignet für die kurative endoskopische Therapie eingeordnet. Die Flächenausdehnung bleibt unberücksichtigt. Zahlreiche Untersuchungen befassen sich mit der Frage, ob unter Berücksichtigung der verschiedenen Risikofaktoren dieser Karzinome die Einschlusskriterien für die kurative endoskopische Therapie erweitert werden können.
Komplikationen: Häufigste Komplikation ist die Blutung. Perforationen treten in 5 1 % der Fälle auf.
1.1.8 Perkutane endoskopische
Gastrostomie (PEG) Grundlagen 왘 Definition
Komplikationen: Häufigste Komplikation ist die Blutung. Bei den sehr unterschiedlichen Angaben (1,5 bis zu 22 %) spielen dabei sicher auch Definitionskriterien eine Rolle. Blutungen können in der Regel endoskopisch behandelt werden. Perforationen treten in 5 1 % der Fälle auf. Während kleinere Perforationen endoskopisch behandelt werden, bedürfen größere Wandläsionen der chirurgischen Therapie: Bei endoskopischen Mukosektomien im Ösophagus und Pylorus muss mit der Entwicklung von Stenosen gerechnet werden, wenn die Mukosaresektion 4 50 % der Zirkumferenz betrifft. Bei der ESD werden eingriffsbedingte Blutungen bis in 7 % und Perforationen bis in 4 % der Fälle berichtet, wobei beide Komplikationen meistens endoskopisch behandelt werden können. Bei der ESD dürfte durch zunehmende Erfahrung und Verbesserung der Technik in Zukunft mit einer deutlich geringeren Komplikationsrate zu rechnen sein.
1.1.8
Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG)
Grundlagen 왘 Definition. Die perkutane endoskopische Gastrostomie bezeichnet die perkutane Einlage einer Sonde in den Magen unter endoskopischer Kontrolle. Ziel ist die Wiederherstellung der enteralen Ernährung, wenn eine orale Nahrungszufuhr gar nicht oder nicht in ausreichendem Maße möglich ist.
Vorteile: Damit kann die parenterale Ernährung ersetzt und die Langzeitanwendung von transnasalen Ernährungssonden vermieden werden.
Vorteile: Mit einer PEG kann die parenterale Ernährung ersetzt und die Langzeitanwendung von transnasalen Ernährungssonden vermieden werden. Letztere werden vom Patienten als belästigend empfunden, darüber hinaus bergen sie langfristig die Gefahr einer Ösophagitis.
Indikationen: ■ Stenosen in Mund, Rachen, Ösophagus und Kardia. ■ Zustände nach onkologischer Chirurgie bzw. Strahlentherapie im Mund-/Rachen-/ Halsbereich. ■ Schluckstörungen bei neurologischen Erkrankungen. ■ langzeitbeatmete und komatöse Patienten.
Indikationen: ■ Tumorstenosen in Mund und Rachen, Ösophagus und Kardia. ■ Zustände nach ausgedehnter onkologischer Chirurgie bzw. nach Strahlentherapie im Mund-/Rachen- und Halsbereich (die PEG sollte vor den erwähnten Therapiemaßnahmen angelegt werden). ■ neurologische oder psychiatrische Erkrankungen, die langfristig mit schweren Schluckstörungen oder Verweigerung einer oralen Ernährung einhergehen, zur Vorbeugung einer Ernährungsstörung.
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B 1.1 Endoskopie in der Chirurgie
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langzeitbeatmete und komatöse Patienten Patienten mit Anorexia nervosa gastrointestinale Dekompression bei Obstruktion durch Peritonealkarzinomatose (umstrittene Indikation).
257 ■ ■
Anorexia nervosa. gastrointestinale Dekompression bei Obstruktion durch Peritonealkarzinomatose (umstrittene Indikation).
Kontraindikationen: Gerinnungsstörungen oder eine vorhandene Peritonitis sind Kontraindikationen.
Kontraindikationen: ■ Peritonitis ■ Gerinnungsstörungen ■ fehlende Diaphanoskopie.
PEG-Techniken
PEG-Techniken
Es kann die „Pull-Technik“ oder die „Push-Technik“ angewandt werden. Folgende begleitende Maßnahmen kommen bei beiden Techniken infrage: ■ Die Gabe einer Antibiotikaprophylaxe sollte individuell abgewogen werden. Die routinemäßige Antibiotikagabe gilt derzeit als umstritten. ■ Ggf. ist eine Rachenanästhesie mit Xylocain-Rachenspray durchzuführen. ■ Die Sedierung kann z. B. mit Midazolam bzw. Diazepam i. v. erfolgen. ■ In den ersten 24 Stunden nach Anlage einer PEG sollte der Patient parenteral ernährt werden.
Man unterscheidet die „Pull-Technik“ und die „Push-Technik“. Begleitende Maßnahmen: ■ Antibiotikaprophylaxe (umstritten). ■ ggf. Rachenanästhesie. ■ i. v. Sedierung. ■ parenterale Ernährung in den ersten 24 Stunden nach PEG-Anlage.
Pull-Technik
Pull-Technik
Die Einführung des Gerätes erfolgt in Linksseitenlage des Patienten. Nach Absaugung des Mageninhalts zur Vorbeugung einer Aspiration wird der Patient auf den Rücken gelagert und kontinuierlich Luft in den Magen insuffliert. So bekommt die Magenwand Kontakt mit der vorderen Bauchdecke. Unter Diaphanoskopie erfolgt die Bestimmung der Punktionsstelle auf der Bauchhaut, die dann lokal anästhesiert wird. Die perkutane Punktion des Magens mit einer Punktionsnadel erfolgt mit aufgesetzter Kunststoffkanüle unter endoskopischer Kontrolle. Die Punktionsnadel wird entfernt, die Kunststoffhülle belassen, über die die Einführung eines Fadens in den Magen erfolgt. Der Faden wird endoskopisch mit einer Zange peroral extrahiert und das orale Fadenende mit der PEG-Sonde extrakorporal fixiert. Durch den Zug am distalen Ende des Fadens (pull) wird der Katheter in den Magen bzw. durch die Punktionsstelle gezogen, bis die am gastralen Ende der PEG-Sonde angebrachte Anpressplatte der Magenwand anliegt. Unter mäßigem Zug am extrakorporalen Ende des Katheters erfolgt seine Sicherung durch eine weitere Kunststoffscheibe, um eine Dislokation nach innen zu verhindern.
Die PEG-Sonde wird via Mund/Ösophagus in den Magen und anschließend durch die Magen-/Bauchwand gezogen (pull).
Variante: Die Technik unterscheidet sich von der oben beschriebenen durch Vorschieben der PEG-Sonde über einen Führungsdraht durch den Magen bzw. durch die Punktionsstelle.
Variante: Hierbei erfolgt das Vorschieben der PEG-Sonde über einen Führungsdraht.
왘 Merke. Bei fehlender Diaphanoskopie, d. h. wenn die Magenwand nicht an der Bauchwand anliegt, sollte der Eingriff unterbleiben.
왗 Merke
Push-Technik
Push-Technik
Die direkte Platzierung einer Sonde über eine auseinandernehmbare Punktionskanüle wird seltener angewandt. Die Einlage kann unter endoskopischer Kontrolle erfolgen, wobei in seltenen Fällen, wenn z. B. die Einführung eines Endoskops in den Magen gar nicht möglich ist, die Sondenplatzierung auch ohne endoskopische Hilfe unter sonographischer Kontrolle erfolgen kann.
Die Sonde wird direkt über eine auseinandernehmbare Punktionskanüle platziert. Im Gegensatz zur Pull-Technik kann die Sonde im Einzelfall auch nur unter sonographischer Kontrolle gelegt werden (Push).
Komplikationen
Komplikationen
Bei strikter Beachtung der Kontraindikationen (s.o.) werden Komplikationen selten beobachtet.
Bei strikter Beachtung der Kontraindikationen sind Komplikationen sehr selten.
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258
B 1 Viszeralchirurgie
Nachblutungen, Peritonitis, Fisteln oder Aspiration treten in 3 – 9 % der Fälle auf.
Schwere Komplikationen wie Peritonitis, nekrotisierende Fasziitis der Bauchdecke, schwere Blutung an der Einstichstelle am Magen, gastrokolische und enterokolische Fisteln oder auch Aspiration werden in 3 – 9 % der Fälle angegeben. Leichte peritoneale Reizungen mit oder ohne freie Luft im Abdomen sollten zunächst nur beobachtet bzw. konservativ behandelt werden. Spätere Komplikationen wie z. B. Entzündung an der Hauteinstichstelle oder Dislokation durch die Haut, sind in der Regel auf unzureichende Hygiene bzw. unsachgemäße Handhabung der PEG-Sonde zurückzuführen.
1.1.9 Endoskopische Therapie an der
Papilla Vateri und am Gallengangsystem Endoskopische Papillotomie (EPT) 왘 Definition
1.1.9
Endoskopische Therapie an der Papilla Vateri und am Gallengangsystem
Endoskopische Papillotomie (EPT) 왘 Definition. Die endoskopische Papillotomie (EPT) ist eine Spaltung der Papille mit einem Papillotom (eine Spezialsonde, die mit einem Schneidedraht versehen ist, der Verbindung zu einer Diathermiequelle hat) unter endoskopischer Sicht (Abb. B-1.21).
Indikationen: Man unterscheidet diagnostische und therapeutische Indikationen (Tab. B-1.5). Die häufigste Indikation ist die Choledocholithiasis (S. 467). Kontraindikationen: Schwere Gerinnungsstörungen und fehlende Erfolgsaussicht.
Indikationen: Man unterscheidet diagnostische und therapeutische Indikationen (Tab. B-1.5). Die häufigste Indikation zur Papillotomie ist die Choledocholithiasis (S. 467).
Komplikationen: Häufigste Komplikation ist die Pankreatitis (1 – 3 %), Blutung (1 – 2 %) und Perforation (ca. 1 %). Die Letalität beträgt ca. 0,5 %.
Komplikationen: Die Komplikationsrate weist abhängig von der Erfahrung des Untersuchers und der angewandten Technik eine große Schwankungsbreite auf
Kontraindikationen: Schwere Gerinnungsstörungen, keine Aussicht auf Erfolg (z. B. Papille aus anatomischen Gründen nicht erreichbar, bei nicht biliärer Pankreatitis).
B-1.5
B-1.5
Indikationen zur endoskopischen Papillotomie
diagnostische Indikationen ■
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B-1.21
V.a. endophytisch wachsendes Adenom der Papille V.a. retropapillärer Tumor (Biopsien aus der Schnittfläche der EPT bzw. transpapilläre Biopsien) Zugang zum Gallengang (schwierige Fälle wo die ERC nicht gelingt) perorale Cholangioskopie
B-1.21
therapeutische Indikationen ■ ■
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eingeklemmter Stein Papillenstenose (entzündlich oder neoplastisch) erster Schritt für weitere Eingriffe am biliopankreatischen System (z. B.: Steinextraktion aus Gallen- bzw. Pankreasgang, Endoprothetik von Gallen- und Pankreasgang)
Endoskopische Papillotomie (EPT) Spaltung der Papille mit einem Papillotom.
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B 1.1 Endoskopie in der Chirurgie
259
(5 – 10 %). Wichtigste Komplikationen sind Pankreatitis (1 – 3 %), Blutung (1 – 2 %) und Perforation (ca. 1 %). Die Letalität liegt bei ca. 0,5 % (in multizentrischer Untersuchung neueren Datums).
Endoskopische Papillektomie
Endoskopische Papillektomie
왘 Definition. Endoskopische Abtragung der Papille mit einer Diathermieschlinge
왗 Definition
zur Entfernung von Papillenadenomen (Abb. B-1.22). Zum Ausschluss eines zur Tiefe hin bereits invasiv wachsenden Karzinoms (z. B. bei histologisch nachgewiesenen hochgradigen Dysplasien oder nicht eindeutigen Befunden) ist die Endosonographie (EUS) die Methode der Wahl (Abb. B-1.23). Der endoskopische Ultraschall ermöglicht darüber hinaus eine Beurteilung des distalen Gallengangs. Bei Verdacht einer intraduktalen Ausbreitung des Adenoms ist zur weiteren Planung der Therapie die perorale Cholangioskopie indiziert.
B-1.22
Endoskopische Abtragung von Papillenadenomen
a Papillenadenom (?) – endoskopische Abtragung.
B-1.23
Vor der Papillektomie sollte zum Ausschluss eines invasiven Karzinoms eine Endosonographie (EUS) durchgeführt werden (Abb. B-1.23). Die EUS ermöglicht darüber hinaus eine Beurteilung des distalen Gallengangs. Bei Verdacht auf intraduktale Adenomausbreitung ist die perorale Cholangioskopie indiziert.
B-1.22
b Mündung von Ductus choledochus (1) und Ductus Wirsungianus (2) (Ductus pancreaticus) nach endoskopischer Papillektomie.
Endosonographie der Papilla Vateri
a Papillenadenom (1 = Mukosa, 2 = Submukosa, 3 = Muscularis propria, 4 = Adenom).
b Papillenkarzinom mit Infiltration der Submukosa (1 = Mukosa, 2 = Submukosa, 3 = Karzinom).
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260
B 1 Viszeralchirurgie
Kontraindikationen: Siehe Kontraindikationen der EPT (s.o.), Nachweis eines bereits invasiven Karzinoms.
Kontraindikationen: Siehe die Kontraindikationen der endoskopischen Papillotomie (EPT, s.o.), darüber hinaus Nachweis eines bereits invasiven Karzinoms. Bei nicht eindeutigen Befunden kann abhängig vom Alter des Patienten und Operationsrisiko das weitere Vorgehen von der Histologie des endoskopischen Resektates abhängig gemacht werden.
Komplikationen: Pankreatitis und Blutung (2 – 8 %).
Komplikationen: Häufigste Komplikationen sind vorwiegend die Pankreatitis und die Blutung, die in der Literatur mit 2 – 8 % angegeben werden.
왘 Merke
Endoskopische Steinextraktion 왘 Merke
왘 Merke. Aufgrund der Möglichkeit eines Rezidivs sind regelmäßige endoskopische und ggf. endosonographische Kontrollen angezeigt.
Endoskopische Steinextraktion 왘 Merke. Die endoskopische Therapie ist aufgrund ihrer Effektivität und geringen Morbidität die Methode der Wahl für die Behandlung der Choledocholithiasis sowohl beim akuten Gallengangsverschluss als auch elektiv.
Dasselbe gilt bei Vorliegen einer gleichzeitigen Cholezysto-/Choledocholithiasis.
Bei gleichzeitiger Cholezysto-/Choledocholithiasis ist aufgrund der geringeren Morbidität ebenfalls die endoskopische Extraktion der Gallengangssteine vor der Cholezystektomie angezeigt.
Technik: Die Steinextraktion erfolgt nach EPT mit einem Dormia-Körbchen oder Ballonkatheter (Abb. B-1.24).
Technik: Die Steinextraktion erfolgt nach EPT (S. 258) mit einem Dormia-Körbchen oder Ballonkatheter (Abb. B-1.24). Konkremente, die aufgrund ihrer Größe nicht extrahierbar sind, können mit einem Körbchen, das über eine Metallsonde verfügt oder einen Metallschlauch, der über das Dormia-Körbchen nach Entfernung des Endoskops eingeführt wird, mechanisch zertrümmert werden (Abb. B-1.25). Bei Steinen, die im Gallengang eingeklemmt sind (Dormia-Körbchen kann nicht geöffnet werden) oder die wegen ihres Durchmessers mit dem Körbchen nicht fassbar sind, kann die intraduktale Steinzertrümmerung mittels EHL (elektrohydraulische Lithotripsie) oder Laserlithotripsie eingesetzt werden. Die intraduktale Lithotripsie mit EHL oder Laser wird unter endoskopischer Sicht über ein Cholangioskop (Babyskop) durchgeführt (Abb. B-1.26). Das Babyskop wird über den Arbeitskanal eines speziellen Endoskops (Motherskop) unter Sicht in den Gallengang eingeführt (der Laser mit Steinerken-
Bei sehr großen oder im Gallengang eingeklemmten Steinen kann eine intraduktale Steinzertrümmerung z. B. mit EHL oder Laser unter endoskopischer Sicht über ein Cholangioskop (Babyskop) durchgeführt werden (Abb. B-1.26).
B-1.24
B-1.24
Steinextraktion mit Dormia-Körbchen Endoskopische Steinextraktion mit Dormia-Körbchen (?) bei Choledocholithiasis.
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B 1.1 Endoskopie in der Chirurgie
B-1.25
Mechanische Lithotripsie
a Mechanischer Lithotriptor zur transendoskopischen Anwendung.
B-1.26
261
b Mechanische Lithotripsie nach vorheriger Entfernung des Endoskops (1 = Stein, 2 = Dormia-Körbchen, 3 = Metallsonde des mechanischen Lithotriptors).
Intraduktale Lithotripsie
B-1.26
Intraduktale EHL-Lithotripsie unter endoskopischer Sicht durch perorale Cholangioskopie. 1 = Motherskop, 2 = Babyskop, der Choledochusstein (3) ist bereits partiell zertrümmert.
nungssystem kann auch ohne endoskopische Kontrolle im Gallengang eingesetzt werden). Die extrakorporale Stoßwellen-Lithotripsie (ESWL) wird bei endoskopisch nicht erreichbaren Steinen (intrahepatisch gelegen) oder als Alternative zur intraduktalen endoskopischen Therapie angewandt.
Endoskopisch nicht erreichbare Steine können durch ESWL erfolgreich behandelt werden.
Ergebnisse: Abhängig vom Patientenkollektiv können bis zu 99 % der Gallengangssteine endoskopisch entfernt werden, wobei in den meisten Fällen (ca. 85 %) die Extraktion mit dem Dormia-Körbchen bzw. der Ballonsonde möglich ist. In einigen Fällen ist die endoskopische Steinextraktion nicht durchführbar (z. B. Papille nicht erreichbar bei vorausgegangenen Operationen am GI-Trakt, Gallengangsstrikturen mit proximal gelegenen Steinen).
Ergebnisse: Fast alle Patienten mit Gallengangssteinen können endoskopisch erfolgreich behandelt werden. In den meisten Fällen gelingt die Extraktion mit dem Dormia-Körbchen bzw. der Ballonsonde.
Komplikationen: Sie entsprechen im Wesentlichen denen der EPT (s.o.). Die Cholangitis durch Steineinklemmung bzw. unzureichender Drainage ist aufgrund der verschiedenen Lithotripsieverfahren und Möglichkeiten der endoskopischen Gallengangsdrainage inzwischen eine seltene Komplikation.
Komplikationen: Die Cholangitis durch Steineinklemmung bzw. unzureichende Drainage ist mittlerweile selten.
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262
B 1 Viszeralchirurgie
Gallengangsdrainage
Gallengangsdrainage Bei einer Drainage des Gallengangs kann es sich um eine vorübergehende oder definitive therapeutische Maßnahme handeln.
Indikationen: ■ Maligne Gallengangsstrikturen bei Pankreaskopf- bzw. Gallengangskarzinomen. ■ Benigne Stenosen, z. B. bei chronischer Pankreatitis. ■ iatrogene Leckagen (z. B. nach Cholezystektomie).
Indikationen: ■ Maligne Gallengangsstrikturen, z. B. Pankreaskopfkarzinom, Papillenkarzinom, Gallengangs- oder Gallenblasenkarzinom oder Strikturen durch Metastasen. ■ Benigne Gallengangsstenosen, z. B. bei chronischer Pankreatitis, bei primär sklerosierender Cholangitis, iatrogenen Strikturen nach Gallengangschirurgie oder nach Lebertransplantation. ■ Gallengangsleckagen, die iatrogen nach chirurgischen Eingriffen (z. B. Cholezystektomie, Leberteilresektion) oder traumatisch entstanden sind.
Technik: Sowohl die Kunststoffprothesen als auch die Metallstents werden nach Seldinger-Technik über einen zuvor platzierten Führungsdraht unter endoskopischer und radiologischer Kontrolle eingeführt (Abb. B-1.27).
Technik: Die Drainage kann durch nasobiliäre Sonden, Endoprothesen oder Metallstents erfolgen. Vor einer Gallengangsdrainage erfolgt in der Regel eine sparsame endoskopische Papillotomie (EPT). Anschließend erfolgt die Platzierung eines Führungsdrahts, der mithilfe eines Dilatators (verjüngter French-7-Kunststoffkatheter) eingeführt wird. Je nach Bedarf wird eine Bougierung der Stenose mit Ballon oder Dilatator durchgeführt. Danach wird die Drainage über den liegenden Führungsdraht ggf. mithilfe eines Schiebekatheters („Pusher“ bei Endoprothesen) eingeführt (Abb. B-1.27).
Nasobiliäre Sonde: Hierbei wird eine Sonde transpapillär in den Gallengang eingeführt und über den Magen transnasal abgeleitet (Abb. B-1.28, „Pigtail“).
Nasobiliäre Sonde: ■ Ein ca. 200 cm langer und 7 French dicker Kunststoffschlauch wird transpapillär unter endoskopischer Sicht und radiologischer Kontrolle in den Gallengang eingeführt und über den Magen transnasal abgeleitet (externe Drainage). Zur Vermeidung einer Dislokation ist das Gallengangsende der Sonde gekrümmt („Pigtail“; Abb. B-1.28). ■ Indikationen: Kurzfristige, passagere Gallengangsdrainage bei Verschlussikterus (vgl. S. 454), eitrige Cholangitis (mit der Möglichkeit der Gallengangsspülung), chemische Litholyse (Steinauflösung), Lithotripsie durch EHL. ■ Kontraindikationen und Komplikationen: Siehe EPT (S. 258).
■
■
Indikationen: v. a. zur kurzfristigen, passageren Gallengangsdrainage bei Verschlussikterus. Kontraindikationen und Komplikationen: Siehe EPT. B-1.27
Gallengangsdrainage
a Abbruch des Gallengangs bei Gallengangskarzinom. Die Stenose wurde mit Führungsdraht und Dilatator passiert.
b Darstellung des Gallengangssystems proximal der Stenose.
c Endoprothese in situ.
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B 1.1 Endoskopie in der Chirurgie
B-1.28
263
Gallengangsdrainage mit nasobiliärer Sonde
B-1.28
Endoprothesen werden zur langfristigen Drainage des Gallengangs (innere Drainage) eingesetzt. Es stehen verschiedene Modelle von Endoprothesen unterschiedlichen Durchmessers (meistens French 7, 10 bzw. 12) und Materials (meistens Polyethylen oder Teflon) zur Verfügung. ■ Indikationen: Sie werden eingesetzt zur definitiven Palliation beim malignen Verschlussikterus oder auch zur langfristigen bzw. mittelfristigen Drainage des Gallengangs bei benignen Stenosen bzw. Leckagen (s.o.).
Endoprothesen werden zur langfristigen Drainage des Gallenganges eingesetzt.
Selbstexpandierende Metallstents: Indikationen: sie kommen vor allem bei malignen Stenosen zur definitiven Palliation zum Einsatz. Da die meisten dieser Stents nicht oder nur unter Inkaufnahme erheblicher Gallengangsverletzungen entfernt werden können, ist die Anwendung bei benignen Stenosen z.Z. nicht zu empfehlen. ■ Formen, Technik: Es stehen unterschiedliche Metallstents zur Verfügung. Diese werden in nicht entfaltetem Zustand, montiert auf ein Trägersystem (unterschiedliche Kunststoffkatheter) über einen zunächst gelegten Führungsdraht in den Gallengang eingeführt. Nach exakter Platzierung und unter Berücksichtigung der Verkürzung, die bei den meisten dieser Stents bei der Entfaltung stattfindet, wird der Metallstent freigesetzt (Abb. B-1.29).
Selbstexpandierende Metallstents: ■ Indikationen: v. a. maligne Stenosen zur definitiven Palliation.
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B-1.29
Selbstexpandierender Metallstent
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Indikationen: maligner Verschlussikterus, benigne Stenosen.
Formen, Technik: Die Stents werden in nicht entfaltetem Zustand an einem Trägersystem über einen Führungsdraht in den Gallengang eingeführt. Nach Platzierung wird der Metallstent freigesetzt (Abb. B-1.29).
B-1.29
Drainage des Gallengangssystems mit einem selbstexpandierenden Metallstent (Endo-Coil).
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B 1 Viszeralchirurgie
Ergebnisse: Die endoskopische Gallengangsdrainage ist bei Patienten mit malignen Stenosen in ca. 85 % möglich.
Ergebnisse: Der Erfolg der endoskopischen Gallengangsdrainage hängt vom Erfolg der Gallengangsintubation und Lokalisation bzw. dem Schweregrad der Stenose ab. In ca. 85 % aller Fälle ist eine endoskopische Gallengangsdrainage möglich, wobei der Erfolg des endoskopischen Eingriffes von der Lokalisation der Stenose abhängt.
Kontraindikationen: Bei intrahepatischer Tumorausdehnung bzw. beim Befall mehrerer intrahepatischer Gänge ist keine nennenswerte Besserung zu erwarten.
Kontraindikationen: Siehe EPT (S. 258). Wenn aufgrund der intrahepatischen Tumorausdehnung bzw. dem Befall mehrerer intrahepatischer Gänge keine nennenswerte Besserung zu erwarten bzw. das Risiko einer Verschlechterung der Verschlusssymptomatik relativ groß ist, sollte die Gallengangsdrainage unterbleiben.
Komplikationen: Die eingriffsbedingte Komplikationsrate der Gallengangsdrainage mit Kunststoffendoprothesen beträgt ca. 4 %, die Letalität 5 1 %. Schwerwiegendste Komplikationen sind die Pankreatitis, Blutungen und die Perforation durch Papillotomie und seltener durch den Führungsdraht. Häufigste Langzeitkomplikation ist die Dislokation und die Verstopfung der Prothese mit nachfolgender Cholestase bzw. Cholangitis.
Komplikationen: Die eingriffsbedingte Komplikationsrate der Gallengangsdrainage mit Kunststoffendoprothesen beträgt ca. 4 %, die Letalität 5 1 %. Ähnliche Komplikationsraten bestehen für selbstexpandierende Metallstents. Schwerwiegendste Komplikationen sind die Pankreatitis, Blutungen und die Perforation durch Papillotomie und seltener durch den Führungsdraht. Häufigste Langzeitkomplikation ist die Dislokation (kaum bei Metallstents) und die Verstopfung der Endoprothesen mit nachfolgender Cholangitis; die Verstopfung der Stents ist vorwiegend auf den Tumoreinwuchs durch den Maschendraht des Stents zurückzuführen. Um diesem Problem entgegenzutreten, stehen neuerdings mit Kunststoff ummantelte Stents zur Verfügung. Seltener sind Verletzungen der Duodenalwand durch das distale Ende der Endoprothesen.
Endoprothese oder Stent? Die Entscheidung zwischen Stents und Endoprothesen muss neben der zu erwartenden Überlebenszeit des Patienten (bei Karzinomen) und der Neigung zur Verstopfung auch unter Berücksichtigung der Kosten individuell getroffen werden.
Endoprothese oder Stent? Stents gewährleisten signifikant länger als Endoprothesen den gewünschten Drainageeffekt. Es wurde jedoch über ähnlich gute Ergebnisse durch Anwendung von sogenannten „Tannenbaumendoprothesen“ berichtet (nicht verjüngte Teflonendoprothesen ohne Seitenlöcher). Endoprothesen sind z.Z. um ein Vielfaches kostengünstiger als Stents. Kunststoffprothesen werden in der Regel bevorzugt, wobei die Entscheidung im Einzelfall vor allem unter Berücksichtigung der Langzeitprognose des Patienten getroffen werden muss.
1.1.10 Endoskopische Therapie am
Pankreas
1.1.10 Endoskopische Therapie am Pankreas
Grundlagen
Grundlagen
Indikationen: Häufigste Indikationen für eine endoskopische Behandlung am Pankreas sind Obstruktionen des Pankreasgangs (Stenosen oder Steine), Pseudozysten- und Fistelbildung.
Indikationen: Häufigste Indikationen für eine endoskopische Behandlung am Pankreas sind Obstruktionen des Pankreasgangs (Stenosen oder Steine), Pseudozysten- und Fistelbildung. Wichtigste Eingriffe sind daher die endoskopische Papillotomie (EPT) des Pankreassphinkters, Gangdrainage bei Stenosen, Steinextraktion, Drainage von Pseudozysten und Verklebung von Fisteln. Die Indikation zur endoskopischen Pankreasgangdrainage ist gegeben, sofern aufgrund der Pankreasgangveränderungen anzunehmen ist, dass die Obstruktion eine wesentliche Rolle in der Pathogenese der Schmerzen und bei Rezidivschüben spielt.
Eine Pankreasgangdrainage sollte durchgeführt werden, wenn die Obstruktion eine wesentliche Rolle in der Pathogenese der Schmerzen und bei Rezidivschüben spielt. Ziele: Behandlung von Pseudozysten und Fisteln, Beseitigung der Schmerzen, Vermeidung von Rezidivschüben bei der chronischen Pankreatitis.
Ziel der endoskopischen Therapie ist abgesehen von der Behandlung von Pseudozysten und Fisteln die Beseitigung der Schmerzen und die Vermeidung von Rezidivschüben bei der chronischen Pankreatitis.
Endoskopische Papillotomie (EPT)
Endoskopische Papillotomie (EPT)
Die EPT ist in der Regel der erste Schritt bei der Drainage des Pankreasganges bzw. bei der Behandlung von Pankreasgangsteinen. Die EPT als alleinige Maßnahme bei Stenosen, die auf den Papillenbereich begrenzt sind, ist nur selten indiziert (z. B. Pancreas divisum).
Die endoskopische Inzision der Pankreasgangmündung ist in der Regel der erste Schritt bei der Drainage des Pankreasganges bzw. bei der Behandlung von Pankreasgangsteinen (S. 265). Die EPT als alleinige Maßnahme bei Stenosen, die auf den Papillenbereich begrenzt sind, ist nur selten indiziert (z. B. Pancreas divisum).
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B 1.1 Endoskopie in der Chirurgie
Pankreasgangdrainage
265 Pankreasgangdrainage
왘 Definition. Zur Überbrückung der Pankreasgangstenosen und Wiederherstel-
왗 Definition
lung bzw. Verbesserung des Pankreassaftabflusses mit entsprechender Druckminderung im Pankreasgangsystem werden Kunststoffendoprothesen in den Pankreasgang eingeführt. Technik: Bei der Drainage über die Papilla major wird in der Regel zunächst eine endoskopische Papillotomie (EPT) der Pankreasgangmündung durchgeführt. Anschließend erfolgt die Einführung eines Führungsdrahts, der mithilfe eines an der Spitze verjüngten Katheters (Dilatator) über die Stenose hinaus in den Pankreasgang platziert wird. Über diesen liegenden Führungsdraht wird nun die Endoprothese in der Regel mit einem French 7 bzw. 10 Durchmesser und multiplen Seitenlöchern wie die Gallengangsendoprothesen transpapillär eingeführt (Abb. B-1.30). Die Drainage von benignen Pankreasgangstenosen mit selbstexpandierenden Metallstents kann wegen noch unzureichender klinischer Erfahrung z.Z. nicht empfohlen werden.
Technik: Über einen Führungsdraht erfolgt die Einführung eines dünnen Plastikkatheters mit multiplen Seitenlöchern, um den Abfluss des Pankreassaftes zu erleichtern (Abb. B-1.30).
Ergebnisse: Die Erfolgsrate aus endoskopisch-technischer Sicht beträgt 87 – 94 % wobei mit einem initialen klinischen Erfolg von ca. 75 – 90 % zu rechnen ist. Die in der Literatur angegebenen Raten bezüglich der langfristigen Besserung der Schmerzsymptomatik schwanken zwischen 50 – 80 %.
Ergebnisse: Langfristige Besserung der Schmerzsymptomatik wird bei 50 – 80 % der Patienten erreicht.
Komplikationen: Wichtigste eingriffsbedingte Komplikation ist die Pankreatitis. Die eingriffsbedingte Morbidität liegt meistens 5 10 %, wobei Angaben bis 18 % vorliegen. Langfristig ist die Verstopfung der Endoprothesen ein bisher nicht gelöstes Problem.
Komplikationen: Wichtigste eingriffsbedingte Komplikation ist die Pankreatitis. Problematisch bleibt die Verstopfung der Endoprothesen.
Entfernung von Pankreasgangsteinen
Entfernung von Pankreasgangsteinen
Technik: Die Steinextraktion aus dem Pankreasgang kann mit dem DormiaKörbchen nach vorheriger EPT erfolgen. Dabei ergeben sich jedoch meistens erhebliche technische Schwierigkeiten aufgrund der Größe und Konsistenz der Steine bzw. von Stenosen am Pankreasgang.
Technik: ESWL nach EPT der Pankreasgangmündung ist das übliche Vorgehen bei der nicht chirurgischen Therapie der Pankreasgangsteine.
B-1.30
Pankreasgangdrainage bei chronischer obstruktiver Pankreatitis
a Endoskopische transpapilläre Platzierung eines Führungsdrahts in den deutlich dilatierten Pankreasgang.
b Endoprothese in dem dilatierten Pankreasgang.
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B 1 Viszeralchirurgie
266 Die kleinen Fragmente gehen spontan ab oder werden bei der Kontroll-ERP endoskopisch entfernt. Eine weitere Möglichkeit ist die pankreatikoskopische Zertrümmerung mit Laser.
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Kleine, solitäre Pankreassteine können nach Papillotomie endoskopisch extrahiert werden. Bei großen, impaktierten bzw. multiplen Steinen wird in der Regel die ESWL-Therapie nach vorheriger EPT des Pankreasganges eingesetzt. Eine weitere Möglichkeit der Lithotripsie, die jedoch nur selten eingesetzt wird, ist die pankreatikoskopische Zertrümmerung mit Laser.
Die Pankreatikoskopie kann vielmehr aus diagnostischen Gründen erforderlich sein (Pankreasstein vs. intraduktaler Tumor). Ergebnisse: Die vollständige Steinbeseitigung durch ESWL beträgt ca. 52 – 90 %.
Ergebnisse: Die Fragmentationsrate durch die ESWL wird mit 88 – 100 % angegeben, wobei die unterschiedlichen Angaben bezüglich der vollständigen Steinbeseitigung aus dem Gang zwischen 52 – 90 % sowohl von der Technik der ESWL-Behandlung als auch von der Patientenselektion abhängen dürfte.
Komplikationen: Es sind keine nennenswerten Komplikationen bekannt.
Komplikationen: Nennenswerte Komplikationen durch die ESWL-Therapie der Pankreasgangsteine sind nicht bekannt.
Drainage von Pseudozysten und Abszessen
Drainage von Pseudozysten und Abszessen
Nach Bildung eines flüssigkeitsgefüllten Hohlraums im Pankreas wird empfohlen, 6 – 8 Wochen bis zur Drainage verstreichen zu lassen. In dieser Zeit kommt es häufig zu einer spontanen Rückbildung bzw. zur besseren Abkapselung der Pseudozyste.
Nach Bildung eines flüssigkeitsgefüllten Hohlraums im Pankreas wird empfohlen, 6 – 8 Wochen bis zur Drainage verstreichen zu lassen. In dieser Zeit kommt es häufig zu einer spontanen Rückbildung bzw. zur besseren Abkapselung der Pseudozyste. Nach dieser Zeit ist ein deutlicher Anstieg der durch die Pseudozysten verursachten Komplikationen zu verzeichnen (S. 538). Der Zeitpunkt des Eingriffs sollte individuell je nach klinischem Verlauf und den Befunden bildgebender Verfahren (Sonographie, Computertomographie und ggf. Endosonographie), ggf. auch vor Ablauf der oben angegebenen Zeitspanne, bestimmt werden.
Technik: Die endoskopische Zystendrainage kann transgastral, transduodenal und transpapillär erfolgen.
Technik: Die Drainage kann transgastral bzw. -duodenal oder transpapillär erfolgen und wird nach dem Seldinger-Prinzip durch Einlage einer Endoprothese bzw. nasozystischen Sonde durchgeführt, die ähnlich einer nasobiliären Sonde über den Magen durch die Nase herausgeleitet wird (Abb. B-1.31). ■ Die transpapilläre Drainage erfolgt nach vorheriger EPT der Pankreasgangmündung. Voraussetzung ist eine durch die ERP nachgewiesene Verbindung zwischen Pseudozyste und Ductus pancreaticus. Sie ist besonders bei gleichzeitiger Obstruktion des Pankreasgangs angezeigt. ■ Bei der transgastralen bzw. transduodenalen Drainage wird die Punktionsstelle endoskopisch festgelegt, was bei entsprechender Vorwölbung der Wand des Gastrointestinaltrakts durch Impression der Pseudozyste relativ unproblematisch ist. Die Punktion kann z. B. mit einem Fistulotom oder einem Nadelpapillotom erfolgen.
Die endoskopische Pseudozystendrainage erfolgt durch Ableitung über eine Endoprothese und/oder nasozystische Sonde (Abb. B-1.31).
B-1.31
Drainage einer Pankreaspseudozyste
a Röntgenologische Darstellung einer Pankreaspseudozyste nach transgastraler Punktion (?).
b Drainage der Pseudozyste durch eine French10-Endoprothese (?) plus French 7 nasozystische Sonde.
c Darstellung einer kleinen Resthöhle nach 2 Wochen (?).
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B 1.1 Endoskopie in der Chirurgie
267
Danach wird die Drainage nach dem Seldinger-Prinzip durchgeführt. Pseudozysten mit klarem Zysteninhalt können durch Einlage von Endoprothesen meistens ausreichend drainiert werden. Bei infizierten Pseudozysten oder Zysteninhalt mit nekrotischem Material ist die Entlastung mit einer nasozystischen Sonde und wenn möglich mit zusätzlicher Endoprothese zu empfehlen. Damit kann die Spülung der Zystenhöhle sichergestellt werden. Bei ausgedehnten Nekrosen ist die endoskopische transgastrische/-duodenale Nekrosenentfernung nach Erweiterung der Drainagestelle empfehlenswert.
Bei infizierten Pseudozysten ist die Einlage einer zusätzlichen Endoprothese zur Spülung angezeigt.
Rolle der Endosonographie (EUS): Durch die EUS ist eine zuverlässige Aussage zur Lokalisation der Zyste und Beziehung zur Wand des GI-Trakts möglich. Durch ihre Anwendung kann der Durchmesser des Pankreasgangs exakt bestimmt und evtl. Verbindungen zwischen Ductus Wirsungianus (pancreaticus) und Zystenhöhle nachgewiesen werden (wichtig zur Klärung der Frage, ob ggf. eine zusätzliche Drainage des Pankreasgangs erforderlich ist). Bei Vorliegen eines Kollateralkreislaufs können gestaute Gefäße sowohl zwischen Pseudozyste und Magenwand als auch in der Magenwand endosonographisch frühzeitig erfasst werden (der Nachweis von Magenwandvarizen gelingt mit der EUS früher als mit der Endoskopie allein). Pseudozysten, die zwar der Wand des GI-Trakts anliegen, jedoch keine endoskopisch nachweisbare Wandvorwölbung verursachen, können auch bei gleichzeitig vorliegendem Kollateralkreislauf mit Beteiligung der Magenwand heute durch die Anwendung der EUS endoskopisch drainiert werden.
Rolle der Endosonographie (EUS): Durch die EUS sind zuverlässige Aussagen möglich über Lokalisation der Zyste, Verbindung mit dem Pankreasgang und das Vorhandensein eines Kollateralkreislaufs.
Ergebnisse: Die endoskopische Drainage von Pseudozysten gelingt in 95 % der Fälle (Daten aus der Zeit ohne Anwendung der EUS). Eine definitive Beseitigung der Zysten gelingt in ca. 65 – 86 % der Fälle. Bei persistierender Zyste trotz ausreichender Drainage bzw. frühzeitigem Rezidiv muss der Verdacht auf eine Verbindung zwischen Zystenhöhle und Pankreasgangsystem bei obstruktiver Pankreatitis erhoben und die Pankreasgangdrainage diskutiert werden.
Ergebnisse: Die definitive Zystenbeseitigung gelingt durch Endoskopie in 65 – 86 % der Fälle.
Komplikationen: Wichtigste eingriffsbedingte Komplikationen sind Blutung, Infektion und Perforation. Die in der Literatur angegebenen Komplikationsraten liegen zwischen 11 – 16 %, wobei in Zukunft durch Anwendung der EUS mit einer geringeren Komplikationsrate gerechnet werden kann.
Komplikationen: Wichtigste eingriffsbedingte Komplikationen sind Blutung, Infektion und Perforation.
왘 Merke. Wichtigste mittel- und langfristige Komplikation ist die Infektion
Durch die EUS ist die endoskopische Drainage von Pseudozysten ohne Impression der Magen- bzw. Duodenalwand möglich.
Bei persistierender Zyste ist eine Verbindung mit dem Pankreasgang wahrscheinlich, daher sollte die Drainage des Wirsungianus erwogen werden.
왗 Merke
durch Verstopfung der Endoprothese. Daher sind wöchentliche, bei entsprechender Symptomatik auch kurzfristigere endoskopische Kontrollen erforderlich. Kontraindikationen: Pseudozysten, die der Wand des GI-Trakts nicht anliegen und keine Verbindung zum Pankreasgangsystem zeigen. ■ Diffuse intraabdominelle Nekrosen. ■ Eine ausgedehnte Kammerung der Zystenhöhlen kann ebenfalls eine relative Kontraindikation darstellen.
Kontraindikationen: ■ Pseudozysten, die der Wand des GI-Trakts nicht anliegen und keine Verbindung zum Pankreasgangsystem zeigen. ■ Diffuse intraabdominelle Nekrosen. ■ Ausgedehnte Kammerung.
Fistelverklebung
Fistelverklebung
Eine Verklebung von Fistelgängen wird durch gezielte Einbringung von Fibrinkleber in den Fistelgang erreicht. Die Fistelverklebung kann transpapillär oder perkutan (bei kutanen Fisteln) erfolgen, wobei – bei entsprechender Öffnung von Fistelgängen in diesen Organen – ggf. auch der transgastrale oder transduodenale Weg gewählt werden kann.
Eine Verklebung von Fistelgängen wird durch gezielte Einbringung von Fibrinkleber in den Fistelgang erreicht.
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268
B 1 Viszeralchirurgie
Mögliche Indikationen: chronische Pankreatitis, Verletzungen des Pankreasgangsystems.
Die Indikation kann sich bei chronischer Pankreatitis (S. 535), nach unfallbedingten Verletzungen des Pankreasgangsystems und nach chirurgischen Eingriffen ergeben. Vor Behandlung einer Fistel muss grundsätzlich geklärt werden, ob ggf. eine Obstruktion am Pankreasgang vorliegt (ggf. gleichzeitige Therapie durch Drainage des Pankreasgangsystems). Drainagebedürftige Pseudozysten, die durch die Fistelverklebung beeinflusst werden könnten (Infektionsgefahr), sollten ausgeschlossen bzw. zunächst entsprechend therapiert werden.
Vor Verklebung einer Pankreasgangfistel sollte man eine Obstruktion am Pankreasgang ausschließen. Ggf. Fistelverklebung mit Drainage des Pankreasgangs kombinieren.
1.1.11 Polypektomie im
Gastrointestinaltrakt 왘 Definition
1.1.11 Polypektomie im Gastrointestinaltrakt 왘 Definition. Polypen sind erhabene Schleimhautveränderungen, die in das
Lumen hineinragen. Sie können entzündlicher oder neoplastischer Natur sein und treten im gesamten GI-Trakt auf, am häufigsten jedoch im Kolon und Rektum. Die genaue Histologie ist nur anhand der Aufarbeitung des gesamten Polypen möglich. 왘 Merke
Die histologische Differenzierung und die Feststellung der Dignität ist nur anhand der Aufarbeitung des gesamten Polypen zuverlässig möglich.
왘 Merke. ■
■
Die Polypektomie ist sowohl ein diagnostischer als auch therapeutischer Eingriff. Alle bei einer Koloskopie festgestellten Polypen sollten gleichzeitig vollständig entfernt werden.
Technik: Die endoskopische Polypenabtragung erfolgt mit einer Diathermieschlinge (Abb. B-1.32, Abb. B-1.33). Der abgetragene Polyp wird mit der Schlinge, durch Ansaugen mit dem Endoskop oder mit Greifern geborgen.
Technik: Die endoskopische Polypenabtragung erfolgt mit einer Diathermieschlinge, wobei die Schlingenwahl von der Art (breitbasig oder gestielt) und Größe des Polypen abhängt (Abb. B-1.32, Abb. B-1.33). Die Bergung des abgetragenen Polypen kann mit derselben Schlinge, durch Ansaugung mit dem Endoskop oder mit verschiedenen Greifern erfolgen.
Große (4 3 cm), nicht gestielte Polypen können nach der sog. Salami-Technik abgetragen werden.
Große (4 3 cm Durchmesser), nicht gestielte (breitbasige) Polypen können bei entsprechender Erfahrung des Untersuchers mit geringem Risiko schrittweise nach der sog. Salami-Technik abgetragen werden, d. h. Abtragung in kleinen Scheibchen. Kleinere Polypen werden bei der Abtragung häufig vollständig koaguliert. Polypenknospen könnten daher auch mit der „Hot-biopsy“-Zange entfernt oder nach vorheriger Biopsie koaguliert werden.
Kleinere Polypen werden häufig vollständig koaguliert. Polypenknospen könnten auch mit der „Hot-biopsy“-Zange entfernt oder nach Biopsie koaguliert werden. B-1.32
B-1.32
Polypektomie
a Gestielter Kolonpolyp.
b Polypektomie mit der Diathermieschlinge.
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B 1.1 Endoskopie in der Chirurgie
B-1.33
269
Polypektomie mit einer Diathermieschlinge
Blutungsprophylaxe: ■ Bei dickgestielten und flachen, breitbasigen Polypen kann die Injektion des Stiels bzw. der Polypenbasis mit einer Lösung von Adrenalin 1 : 20 000 und zusätzlich Äthoxysklerol 1 % erfolgen. Durch die damit erzielte Schwellung an der Basis breitbasiger Polypen kann die Polypektomie erleichtert werden (künstlicher Stiel). ■ Weitere Möglichkeiten der Blutungsprophylaxe sind der „Endo Loop“ (der Polypenstiel wird durch eine Kunststoffschlinge, die in situ verbleibt, eingeschnürt) und „Hemoclips“ (s. gastrointestinale Blutung).
Blutungsprophylaxe: ■ Injektion des Stiels mit Adrenalin und Äthoxysklerol. ■ Endo Loop, Hemoclips.
Indikation: Alle Polypen sollten abgetragen werden.
Indikation: Alle Polypen sollten abgetragen werden.
Kontraindikationen: Neben den allgemeinen Kontraindikationen (z. B. Gerinnungsstörungen) werden die Grenzen der endoskopischen Polypektomie (die allerdings in hohem Maße erfahrungsabhängig ist) vom Durchmesser und Lokalisation der Polypen bestimmt. Während bei entsprechender Erfahrung breitbasige Polypen ≤ 10 cm Durchmesser im Rektum endoskopisch mit der Schlinge entfernbar sind, wird ein solcher Polyp am Zökalpol in der Regel primär chirurgisch therapiert werden.
Kontraindikationen: Die Grenzen der endoskopischen Polypektomie werden vom Durchmesser und der Lokalisation der Polypen bestimmt.
Komplikationen: ■ Häufigste Komplikation ist die Nachblutung, die in größeren Sammelstatistiken global mit 1,4 % und bei großen Polypen mit 5 – 8 % angegeben wird. Sie kann in der Regel endoskopisch beherrscht werden. Unter den verschiedenen endoskopischen Methoden zur Blutstillung kommt dabei den Hemoclips wegen der hohen Effektivität bei iatrogenen Blutungen eine große Bedeutung zu. ■ Schwerwiegendste Komplikation ist die Perforation, die in der Literatur global mit 0,3 % angegeben wird und bei großen Polypen bis in 1,5 % der Fälle zu verzeichnen ist. Sie wird in der Regel chirurgisch behandelt. Winzige Perforationsstellen können nach erfolgreicher Versorgung mit Clips unter enger chirurgischer Überwachung konservativ mit parenteraler Ernährung und Antibiotika behandelt werden. ■ Bei abdominellen Beschwerden nach Polypektomie erfolgt eine AbdomenLeeraufnahme und eine engmaschige klinische Überwachung.
Komplikationen: ■ Häufigste Komplikation ist die Nachblutung (1,4 %). Sie kann in der Regel endoskopisch beherrscht werden.
Therapeutisches Vorgehen: ■ Bei Adenomen ohne und mit hochgradiger Dysplasie bzw. Carcinoma in situ ist die Polypektomie allein ausreichend. ■ Bei Adenomen mit invasivem Karzinom ist die Polypektomie allein ausreichend, sofern eine gute Differenzierung des Tumors vorliegt und die Abtragungsstelle frei ist von Tumorinfiltration und keine Gefäßinvasion im Polypenstiel vorliegt. Ansonsten wird eine chirurgische Nachresektion empfohlen.
Therapeutisches Vorgehen: ■ Adenome ohne und mit hochgradiger Dysplasie bzw. Carcinoma in situ: alleinige Polypektomie ausreichend. ■ Adenome mit invasivem Karzinom (gut differenziert, Abtragungsstelle frei von Tumorinfiltrat und ohne Gefäßinvasion im Polypenstiel): alleinige Polypektomie ausreichend; ansonsten Nachresektion.
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Schwerwiegendste Komplikation ist die Perforation (0,3 – 1,5 %). Sie wird in der Regel chirurgisch behandelt.
Bei abdominellen Beschwerden erfolgt eine Abdomen-Leeraufnahme und klinische Überwachung.
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Invasives Karzinom im breitbasigen Polypen, der nach der „Salami-Technik“ abgetragen wurde: i.d.R. chirurgische Nachresektion.
B 1 Viszeralchirurgie
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Bei Nachweis eines invasiven Karzinoms in einem breitbasigen Polypen, der nach der „Salami-Technik“ abgetragen worden ist, sollte trotz nicht nachweisbarer Tumorinfiltration in der Resektionsebene die chirurgische Nachresektion empfohlen werden.
Bei hohem Alter bzw. erhöhtem Op-Risiko kann im Einzelfall als Alternative die engmaschige endoskopische und ggf. auch endosonographische Kontrolle diskutiert werden. 왘 Merke
Nachsorge: Nach kompletter Abtragung von Adenomen ist eine Kontrollkoloskopie nach 3 Jahren empfehlenswert.
1.2
Ösophagus
왘 Merke. Das therapeutische Vorgehen nach Polypektomie ist abhängig von der Histologie.
Nachsorge: Nach kompletter Abtragung von Adenomen ist, unabhängig vom Dysplasiegrad und der Anzahl der Polypen, nach 3 Jahren eine Kontrollkoloskopie empfehlenswert. Bei endoskopisch kompletter Abtragung großer Polypen in piecemeal-Technik sollte die Abtragungsstelle innerhalb von 3 – 6 Monaten endoskopisch kontrolliert werden.
1.2
Ösophagus Peter Würl, Mathias Löhnert, Horst Schaube, Hinnerk Gebhardt, Doris Henne-Bruns
1.2.1 Anatomie
1.2.1 Anatomie
Topographische Anatomie
Topographische Anatomie
Der Ösophagus ist 25 – 30 cm lang und wird in 3 Abschnitte unterteilt: 1. Pars cervicalis 2. Pars thoracica 3. Pars abdominalis.
Der Ösophagus beginnt distal des Krikoidknorpels und ist 25 – 30 cm lang. Er wird in 3 Abschnitte unterteilt: Pars cervicalis, das sich vom oberen Ösophagussphinkter (OÖS) bis zum Oberrand des Sternums erstreckt, Pars thoracica vom Sternumoberrand bis zum Hiatus oesophagei im Zwerchfell und Pars abdominalis, vom Hiatus bis zur Einmündung in den Magen. Der thorakale Abschnitt wird zusätzlich in einen proximalen und distalen Bereich geteilt. Grenzstruktur ist hier die Trachealbifurkation. In jedem Ösophagusdrittel finden sich umschriebene Einengungen des Lumens, die auch Ösophagusengen genannt werden. Die obere Ösophagusenge (Ösophagusmund) stellt die engste Stelle der Speiseröhre überhaupt dar, das Lumen kann hier einen maximalen Durchmesser von 1,5 cm erreichen. Die mittlere Ösophagusenge befindet sich in Höhe der Bifurkation der Trachea und ist durch die Überkreuzung von linkem Hauptbronchus und Aortenbogen bedingt. Die untere Ösophagusenge entsteht beim Durchtritt der Speiseröhre durch das Zwerchfell.
In jedem Ösophagusdrittel finden sich umschriebene Einengungen des Lumens: 1. obere Ösophagusenge (= Ösophagusmund; Ösophagussphinkter) 2. mittlere Ösophagusenge (Überkreuzung von linkem Hauptbronchus und Aortenbogen) 3. untere Ösophagusenge (Durchtritt durch den Hiatus oesophagei). Man findet im Ösophagus die für den gesamten Rumpfdarm typische Wandschichtung: Lumenwärts gelegen findet sich die Mukosa, daran anschließend liegt die Submukosa, gefolgt von der Muskularis. Außen schließt sich die Adventitia oder Subserosa an. Eine Serosa fehlt. Die Z-Linie ist die Übergangszone zwischen dem Plattenepithel des Ösophagus und dem Zylinderepithel des Magens. Die arterielle Gefäßversorgung der Speiseröhre erfolgt über Rr. oesophageales aus der A. thyreoidea inferior, der Aorta thoracica und aus der A. gastrica sinistra. Der venöse Abfluss geschieht über einen venösen Plexus mit Drainage in die V. azygos und Verbindung zu den Magenvenen (portokavale Anastomose).
Wie bei dem gesamten Rumpfdarm unterscheidet man beim Ösophagus eine typische Wandschichtung: Lumenwärts gelegen findet sich die Mukosa mit der Lamina epithelialis mucosae, der Lamina propria mucosae und der Lamina muscularis mucosae. Daran anschließend liegt die Submukosa gefolgt von der Muskularis, die in ein innen liegendes Stratum circulare und ein außen liegendes Stratum longitudinale unterteilt wird. Außen schließt sich die Adventitia oder Subserosa an. Eine Serosa fehlt. Die Speiseröhre ist von mehrschichtigem unverhornten Plattenepithel ausgekleidet. Im Bereich des unteren Ösophagussphinkters geht dieses in das Zylinderepithel des Magens über und bildet dabei die sogenannte Z-Linie. Die arterielle Gefäßversorgung der Speiseröhre erfolgt über Rr. oesophageales im proximalen Drittel aus Ästen der A. thyreoidea inferior, im mittleren Drittel direkt aus der Aorta thoracica und im abdominellen Abschnitt aus der A. gastrica sinistra. Der venöse Abfluss geschieht über einen ausgedehnten intra- und submukös gelegenen venösen Plexus, der über die Vv. oesophageales in die V. azygos abfließt und durch den Venenplexus Verbindung zu den Magenvenen hat (portokavale Anastomose).
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B 1.2 Ösophagus
271
Die Lymphgefäße des Ösophagus bilden in der gesamten Wand ein engmaschiges, langgestrecktes Netz mit reichlich Queranastomosen. Dies begünstigt im Falle einer malignen Erkrankung der Speiseröhre die Absiedlung von Lymphknotenmetastasen auch in tumorferne Lymphknoten. Der Lymphabfluss erfolgt im oberen Drittel über zervikale, mediastinale, bronchiale und subklavikuläre Lymphknoten. Im mittleren und distalen Drittel drainieren sich die Lymphgefäße in Lymphknoten des Mediastinums (paraösophageale, tracheobronchiale, paraaortale) und entlang der A. gastrica sinistra und des Truncus coeliacus. Die Innervation der Speiseröhre wird im proximalen Drittel durch Rr. oesophagei aus dem N. laryngeus recurrens beidseits vorgenommen. Im übrigen Ösophagus wird die nervale Steuerung durch den Plexus oesophageus übernommen, in den beide Nn. vagi einstrahlen.
Die Art der Lymphversorgung des Ösophagus begünstigt die Absiedlung von Lymphknotenmetastasen auch in tumorferne Lymphknoten. Der Lymphabfluss erfolgt dabei in zervikale, mediastinale, bronchiale und subklavikuläre Lymphknoten und in Lymphknoten entlang der A. gastrica sinistra und des Truncus coeliacus. Die Innervation der Speiseröhre erfolgt im proximalen Drittel durch den N. laryngeus recurrens beidseits, distal durch den Plexus oesophageus, in den beide Nn. vagi einstrahlen.
Funktionelle Anatomie
Funktionelle Anatomie
Die Muskulatur der Speiseröhre besteht aus einer inneren quer verlaufenden und einer äußeren längs verlaufenden Schicht mit einem apolaren Schraubensystem. Die obere Begrenzung wird durch den oberen Ösophagussphinkter (Bereich des M. cricopharyngeus und kurz darunter) gebildet. Oberhalb des M. cricopharyngeus, dem sich nach unten die eigentliche Ösophagusmuskulatur anschließt, befindet sich ein Bereich relativer Muskelschwäche, das sog. KillianDreieck. Es ist die Durchtrittsstelle des Zenker-Divertikels. Die untere Begrenzung stellt der untere Ösophagussphinkter, der sich direkt vor der Kardia des Magens befindet, dar. Der untere Ösophagussphinkter (UÖS) entsteht durch eine spiralförmige, sich überkreuzende Anordnung der Muskelzüge der Längsmuskelschicht unmittelbar kranial des ösophagogastrischen Überganges, ohne Ausbildung einer eigentlichen Sphinktermuskulatur. Er besitzt in Ruhe einen Tonus von ca. 20 mmHg und verhindert so, dass saurer Mageninhalt in ständigen Kontakt mit der säureempfindlichen Ösophagusschleimhaut gelangt. Der Schluckakt stellt einen Akt höchst komplexer neurogener Steuerung dar. Viele neurologische Erkrankungen führen deshalb auch zu Schluckstörungen. Besonders relevant sind diese, wenn sich der OÖS nach einer passagebedingten Erschlaffung nicht sofort wieder mit ausreichendem Druck verschließt, da hieraus Aspirationen unterschiedlichen Ausmaßes resultieren. Kommt es im Rahmen eines Schluckaktes zu einer propulsiven Welle im Ösophagus, so entsteht eine nach distal wandernde Hochdruckzone von bis zu 60 mmHg. Gleichzeitig erfolgt eine schluckreflektorische Erschlaffung der Sphinkteren. Diese Propulsionsmotorik wird zusammen mit der reflektorischen Sphinktererschlaffung auch als primäre Peristaltik bezeichnet. Unter einer sekundären Peristaltik versteht man propulsive Kontraktionen, die durch lokale Dehnungsreize im Ösophagus ausgelöst werden. Die tertiäre Peristaltik besteht aus ungeordneten, nicht propulsiven Kontraktionen der Ösophaguswand.
Die Ösophagusmuskulatur bildet ein apolares Schraubensystem, welches durch den oberen Ösophagussphinkter sowie den unteren Ösophagussphinkter begrenzt wird. Oberhalb des OÖS liegt dorsal das KillianDreieck als Areal relativer Muskelschwäche und Durchtrittsstelle für das Zenker-Divertikel.
1.2.2 Diagnostik
1.2.2 Diagnostik
Anamnese
Anamnese
Wie bei allen Krankheiten ist auch bei Erkrankungen des Ösophagus die Anamnese mit genauer Erfassung der typischen Beschwerden für die richtige Weichenstellung zur invasiven Diagnostik von ausschlaggebender Bedeutung.
Die Anamnese ist für die richtige Weichenstellung zur invasiven Diagnostik der Ösophaguserkrankungen von ausschlaggebender Bedeutung.
Das Leitsymptom von Erkrankungen des Ösophagus ist die Dysphagie (schmerzlose Passagehemmung geschluckter Nahrung) oder seltener die Odynophagie (schmerzhafte Dysphagie) bedingt durch die Passagebehinderung der Speisen. Die Patienten haben das Gefühl, die Speisen würden während des Schluckens stecken bleiben.
Wichtige Leitsymptome: Dysphagie (schmerzlose Passagehemmung) oder Odynophagie (schmerzhafte Dysphagie), Sodbrennen, Erbrechen und Aspiration sowie retrosternaler Schmerz und Foetor ex ore.
왘 Merke. Jede Dysphagie muss diagnostisch weiter abgeklärt werden (Röntgen, Endoskopie).
Unter primärer Peristaltik versteht man Propulsivmotorik im Ösophagus mit gleichzeitiger schluckreflektorischer Erschlaffung der Sphinkteren, während die sekundäre Peristaltik propulsive Kontraktionen sind, die durch lokale Dehnungsreize im Ösophagus ausgelöst werden. Tertiäre Peristaltik besteht aus ungeordneten, nicht propulsiven Kontraktionen der Ösophaguswand.
왗 Merke
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B 1 Viszeralchirurgie
272 B-1.6
Leitsymptome von Ösophaguserkrankungen und deren wichtigste Differenzialdiagnosen mit möglicher weiterführender Diagnostik
Symptom
Differenzialdiagnosen
Diagnostik zur Abklärung zusätzlich zu Endoskopie und Röntgen
Kollagenosen Plummer-Vinson-Syndrom
Manometrie, rheumatologische Abklärung Manometrie, Vitamin- und Eisenspiegel
Dysphagie systemisch zentral
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zervikal
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thorakal
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abdominal
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Husten
Amyothophe Lateralsklerose Multiple Sklerose Morbus Parkinson Tumoren des Hirnstammes Neurosen/Psychosen
neurologische und psychiatrische Diagnostik
Tumoren des Halsbereiches Tumoren des Ösophagus Struma Zenker-Divertikel HWS-Veränderungen
Sonographie, CT, ggf. MRT (bei Struma)
Ösophagustumoren Mediastinaltumoren Bronchialtumoren Gefäßkompression (A. lusoria, Aneurysmata) Traktionsdivertikel Epiphrenisches Divertikel Verätzungsnarben
Endosonographie, CT/MRT, Bronchoskopie, Mediastinoskopie
Peptische Stenosen Kardiakarzinom Ösophaguskarzinom Achalasie
Endosonographie, CT/MRT, Manometrie, pH-Metrie
Aspiration durch ■ ösophagogastralen Reflux ■ neurologische Erkrankungen
Manometrie, pH-Metrie, neurologische Diagnostik
Aspiration bei: ■ Dysphagie ■ Regurgitation
s.o.
Ösophagotracheale Fistel
Bronchoskopie, CT
Divertikel Tumoren ■ Ösophagus ■ Kardia ■ Mediastinum ■ Bronchialsystem
CT Endosonographie, -CT, -Bronchoskopie, Mediastinoskopie
peptische Stenosen Stenosen nach Verätzungen Achalasie
Manometrie, -pH-Metrie, Endosonographie
Sodbrennen
gastroösophagealer Reflux
Manometrie, pH-Metrie
retrosternaler Schmerz
Ösophagitis Ösophagusperforation Divertikel Veränderungen der Aorta Herzerkrankungen ausgedehnte mediastinale Tumorerkrankungen
pH-Metrie, -Manometrie CT
Regurgitation
Foetor
Divertikel Ösophagitis Karzinome ■ Pharynx ■ Ösophagus ■ Kardia Erkrankungen des Gebisses
CT kardiologische Diagnostik CT, -Bronchoskopie, Mediastinoskopie CT pH-Metrie, -Manometrie Endosonographie, CT
stomatologische Diagnostik
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B 1.2 Ösophagus
273
Weitere Symptome ösophagealer Erkrankungen sind retrosternaler Schmerz oder Druckgefühl, Sodbrennen, Regurgitation von Nahrung und seltener Husten (z. B. bei Aspiration oder Fisteln zum Trachealsystem), Foetor ex ore. Jedes dieser Symptome sollte den behandelnden Arzt an eine Erkrankung des Ösophagus denken und diese durch weitergehende Diagnostik ausschließen lassen.
Röntgen
Röntgen
Die Röntgenkontrastuntersuchung des Ösophagus vereint die Möglichkeit einer morphologischen mit einer funktionellen Darstellung. Sie erlaubt Aussagen über die Peristaltik, Schleimhautveränderungen und Stenosen sowie die Lage. Für die Erzielung einer optimalen Bildaussage verwendet man zur Kontrastierung Bariumsulfatbrei. Keine Aussage liefert die Röntgenuntersuchung zur Beschaffenheit der unter dem Epithel gelegenen Wandanteile.
Die Röntgenuntersuchung des Ösophagus erfolgt idealerweise mit Bariumsulfatbrei. Bei Verdacht auf eine Erkrankung mit Aspirationsgefahr oder auf eine Perforation, sollte die Untersuchung mit wasserlöslichem Kontrastmittel durchgeführt werden.
왘 Merke. Besteht der geringste Verdacht auf eine Ösophagusperforation oder
왗 Merke
eine ösophagotracheale Fistel bzw. besteht die Gefahr einer Aspiration, darf kein Bariumsulfat verwendet werden (dann Ersatz durch wasserlösliches Kontrastmittel)!
Endoskopie
Endoskopie
Der Vorteil der Endoskopie liegt in der Möglichkeit, die Schleimhaut direkt zu beurteilen und ggf. Biopsien zu entnehmen. Die Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) ist ein einfaches und in den Händen eines erfahrenen Untersuchers komplikationsarmes diagnostisches Verfahren. Die flexible Endoskopie des oberen Gastrointestinaltraktes (GIT) dient nicht nur der Diagnostik der ösophagealen Erkrankungen, sondern auch deren Therapie: Hierzu gehört z. B. die Blutstillung bei Ösophagusvarizenblutungen, Blutungen bei Mallory-Weiss-Syndrom oder bei Magenulzera. Die Blutstillung wird dabei durch Obliteration von frisch blutenden Varizen mit Histoacryl-Gewebekleber, Sklerosierung von blutenden Gefäßen im Ösophagus oder Magen durch Injektion von Polidocanol (z. B. Äthoxysklerol®) mit Induktion einer Fibrosierung, Unterspritzung von Ulzera (z. B. mit Suprarenin, Thrombin oder Fibrin) oder Klippung von Gefäßstümpfen mittels speziell hierfür entwickelter Clips durchgeführt. Endoskopische Techniken werden ferner zur Bougierung von Ösophagusstenosen, zur palliativen Einlage von Tuben bei malignen Stenosen, zur palliativen Lasertherapie bei Ösophaguskarzinomen und zur pneumatischen Dilatation bei Achalasie eingesetzt. Schleimhautveränderungen insbesondere beim Barrett-Ösophagus lassen sich durch Mukosektomie entfernen.
Der Vorteil der Endoskopie liegt in der Möglichkeit, die Schleimhaut direkt zu beurteilen und ggf. Biopsien zu entnehmen. Die Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖCD) stellt eine einfache und komplikationsarme Untersuchung dar. Therapeutische Ansätze in der flexiblen Endoskopie sind z. B. die Primärbehandlung akuter Blutungen (durch Obliteration, Sklerosierung, Gummiligatur, Unterspritzung und Klippung), die Bougierung von Stenosen, Einlage von Tuben, Lasertherapie und die pneumatische Dilatation bei Achalasie sowie die Mukosektomie.
Endosonographie
Endosonographie
Die Endosonographie des Ösophagus wird mit flexiblen Endoskopen durchgeführt, an deren Gerätekopf zusätzlich ein Ultraschallscanner angebracht ist (endoskopische Ultraschalluntersuchung = EUS). Die Schallwandler (Scanner) arbeiten mit Frequenzen zwischen 12 und 20 MHz und ermöglichen so eine sehr genaue Darstellung der Ösophaguswand und deren Umgebung. Während der Ultraschalluntersuchung kann der Untersucher gleichzeitig die korrekte Lage des Schallkopfes mit der Glasfaseroptik kontrollieren und ggf. das Endoskop unter Sicht durch Stenosen lenken.
Die Endosonographie des Ösophagus wird mit Endoskopen durchgeführt, an deren Spitze zusätzlich ein Ultraschallscanner angebracht ist (endoskopische Ultraschalluntersuchung = EUS). Die Schallwandler ermöglichen eine sehr genaue Darstellung der Ösophaguswand und deren Umgebung. Der Untersucher kann die korrekte Lage des Schallkopfes jederzeit mit der Glasfaseroptik kontrollieren.
왘 Merke. Mit der EUS lassen sich Ösophagustumoren genauer als mit jeder
왗 Merke
anderen bildgebenden Untersuchung orientiert an der TNM-Klassifikation in Tumorstadien einteilen, Lymphknotenmetastasen entdecken und Infiltrationen in Nachbarorgane darstellen.
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274
B 1 Viszeralchirurgie
Computer-(CT) und Magnetresonanztomographie (MRT)
Computer-(CT) und Magnetresonanztomographie (MRT)
Die CT und MRT erlauben die Darstellung größerer Tumoren der Ösophaguswand und deren Beziehung zur Umgebung sowie extraluminaler Lymphknoten und Tumoren ab ca. 0,5 cm Größe. Beim Tumorstaging nach dem TNM-System liegt die Genauigkeit nur wenig hinter der Endosonographie.
Die Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT, NMR, MRI) erlauben die Darstellung größerer Tumoren der Speiseröhrenwand und deren Beziehung zu umgebenden Organen sowie die Unterscheidung auf die Ösophaguswand begrenzter und die Wand überschreitender Tumoren. Außerdem können diese bildgebenden Verfahren extraluminale Lymphknoten und Tumoren ab einer Größe von ca. 1 cm nachweisen. Sowohl CT als auch MRT liegen beim Tumorstaging nach dem TNM-System in ihrer Genauigkeit nur wenig hinter der Endosonographie.
Ösophagusmanometrie
Ösophagusmanometrie
Bei der Perfusionsmanometrie der Speiseröhre unterscheidet man die ■ stationäre Manometrie (funktionelle und qualitative Aussagen über die Ösophagusmotilität) und die ■ Durchzugsmanometrie (Lokalisation und Funktionsmessung des unteren Ösophagussphinkters).
Bei der Manometrie des Ösophagus werden Katheter verwendet, die mit einer definierten Flüssigkeitsmenge je Zeiteinheit perfundiert werden (Perfusionsmanometrie).
Indikationen für die Ösophagusmanometrie ergeben sich bei Verdacht auf funktionelle Erkrankungen der Speiseröhre (Achalasie) und bei Refluxkrankheit.
Indikationen für die Ösophagusmanometrie ergeben sich somit bei Verdacht auf funktionelle Erkrankungen der Speiseröhre (z. B. Achalasie) und bei Refluxkrankheit.
pH-Metrie
pH-Metrie
Die pH-Metrie erfolgt am sinnvollsten im Rahmen einer 24-Stunden-pH-Metrie. Sie bietet die Möglichkeit, den gastroösophagealen Reflux direkt zu erfassen und somit subjektive Refluxbeschwerden, die endoskopisch kein organpathologisches Korrelat zeigen, zu verifizieren. Als Reflux wertet man einen pH-Wert unter 4 (saurer Reflux) und über 7 (alkalischer Reflux).
Die Bestimmung des pH-Wertes in der Speiseröhre erfolgt am sinnvollsten im Rahmen einer 24-Stunden-pH-Metrie, bei der über einen in den Ösophagus eingelegten Sondenkatheter über 24 Stunden der pH-Wert im Ösophagus gemessen und aufgezeichnet wird. Die 24-Stunden-pH-Metrie bietet die Möglichkeit, den gastroösophagealen Reflux direkt zu erfassen und somit subjektive Refluxbeschwerden, die endoskopisch kein organpathologisches Korrelat zeigen, zu verifizieren. Als Reflux wertet man einen pH-Wert unter 4 (saurer Reflux) und über 7 (alkalischer Reflux). Die Refluxdauer (Zeit außerhalb des pH-Bereiches von 4 bis 7) sollte 7 % der Messzeit nicht überschreiten. Die Zahl der Refluxereignisse sollte unter 50 in 24 h liegen. Normal sind wiederholte Refluxepisoden in der ersten Nachthälfte sowie kurz nach Mahlzeiten.
1.2.3 Missbildungen
1.2.3 Missbildungen
Ösophagusatresie
Ösophagusatresie
Siehe S.1055
Siehe S. 1055 im Kinderchirurgie-Kapitel.
Dysphagia lusoria
Dysphagia lusoria
왘 Definition
Formen: ■ Stationäre Manometrie: Der Katheter bleibt an einer bestimmten Stelle im Ösophagus liegen. Sie ermöglicht funktionelle und qualitative Aussagen über die Ösophagusmotilität. ■ Durchzugsmanometrie: Der Katheter wird mit einer definierten Geschwindigkeit im Ösophagus zurückgezogen. Mit ihr kann der untere Ösophagussphinkter lokalisiert, dessen Länge gemessen und seine Funktion analysiert werden.
왘 Definition. Lumeneinengung des Ösophagus im oberen Drittel durch Kom-
pression von außen durch eine Gefäßanomalie (z. B. doppelter Aortenbogen, aberrierende A. subclavia dextra). Klinik: Es kann zu Schluckstörungen und seltener auch Atembeschwerden kommen.
Klinik: Durch die Kompression kann es zu Schluckstörungen und seltener auch Atembeschwerden kommen.
Diagnostik: Röntgenbreischluck, Endoskopie und MRT.
Diagnostik: Die Diagnose lässt sich durch einen Röntgenbreischluck, Endoskopie und MRT stellen.
Therapie: Gefäßchirurgische Korrektur.
Therapie: Gefäßchirurgische Korrektur der Anomalie (Gefäßligatur, Gefäßplastik oder -transposition).
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B 1.2 Ösophagus
1.2.4 Entzündungen 왘 Merke. Die häufigste Form der Ösophagitis ist die Refluxösophagitis
275 1.2.4 Entzündungen
왗 Merke
(S. 278).
Ösophagitis
Ösophagitis
Nach der Refluxösophagitis ist die Soorösophagitis die häufigste Entzündung, die in der Speiseröhre angetroffen wird. Sie tritt bei immunsupprimierten Patienten sowie nach Antibiotikatherapie, Zytostatikagabe und Behandlung mit Steroiden auf. Weitere Formen sind Entzündungen im Rahmen von Tuberkulose, Herpes, Diphtherie und Lues. Die Therapie richtet sich jeweils nach der Grunderkrankung.
Nach der Refluxösophagitis ist die Soorösophagitis die häufigste Entzündung. Weitere Formen sind Entzündungen im Rahmen von Tuberkulose, Herpes, Diphtherie und Lues. Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung.
Plummer-Vinson-Syndrom
Plummer-Vinson-Syndrom
왘 Definition. Erkrankung unbekannter Ätiologie bei Eisenmangelanämie mit
왗 Definition
Ausbildung von fibrinösen Membranen am Ösophaguseingang, begleitet von einer Glossitis. Epidemiologie: Überwiegend Frauen älter als 40 Jahre sind betroffen. Klinik: Klinisch imponiert eine Dysphagie.
Epidemiologie: Betroffen sind besonders Frauen über 40 Jahre. Klinik: Dysphagie.
Komplikationen: Bei ca. 10 % der Patienten ist eine karzinomatöse Entartung zu erwarten.
Komplikationen: Entartungsrisiko von ca. 10 %.
Therapie: Die klinischen Beschwerden bessern sich nach Eisen-Substitution.
Therapie: Eisen-Substitution.
1.2.5 Motilitätsstörungen
1.2.5 Motilitätsstörungen
Krikopharyngeale Achalasie
Krikopharyngeale Achalasie
왘 Synonym. Hohe Achalasie
왗 Synonym
왘 Definition. Der krikopharyngealen Achalasie liegt eine Funktionsstörung der
왗 Definition
Muskulatur am oberen Ösophagussphinkter (OÖS) zugrunde. Beim Übertritt von Nahrung im Rahmen des Schluckaktes aus dem Schlund in den Ösophagus erschlafft die Muskulatur des OÖS nicht, sodass die Passage des Nahrungsbreies durch den Ösophagusmund erschwert wird (Öffnungslähmung).
왘 Merke. Hierbei liegt kein Spasmus (= Tonuserhöhung) der Sphinktermusku-
왗 Merke
latur vor, es fehlt lediglich die physiologische Relaxierung des OÖS. Formen: Man unterscheidet dabei eine primäre Form (idiopathische Innervationsstörung) von einer sekundären Form (im Rahmen genereller neuromuskulärer Erkrankungen, z. B. bei Morbus Parkinson, multipler Sklerose), die oft mit einem Zenker-Divertikel (S. 286) vergesellschaftet ist.
Formen: ■ primäre Form: idiopathische Innervationsstörung. ■ sekundäre Form: bei neuromuskulären Erkrankungen (z. B. Morbus Parkinson), oft vergesellschaftet mit Zenker-Divertikel.
Klinik: Die Patienten klagen über Schluckstörungen und Globusgefühl, oft werden anamnestisch rezidivierende Hustenanfälle oder Bronchopneumonien als Ausdruck rezidivierender Aspiration angegeben.
Klinik: Typische Symptome sind Schluckstörungen, Globusgefühl und rezidivierende Aspirationen.
Diagnostik: Sie wird radiologisch durch die Kinematographie oder mittels der Ösophagusmanometrie gestellt. Differenzialdiagnostisch müssen zervikale Bandscheibenvorfälle ausgeschlossen werden.
Diagnostik: Röntgenkinematographie oder Manometrie; Ausschluss eines zervikalen Bandscheibenprolaps.
Therapie: Therapeutisch wird – wie bei einem Zenker-Divertikel – eine Myotomie des OÖS durchgeführt. Soweit möglich muss zudem die Therapie der Grunderkrankung optimiert werden.
Therapie: Therapeutisch wird eine Myotonie des OÖS durchgeführt.
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276
B 1 Viszeralchirurgie
Achalasie
Achalasie
왘 Definition
왘 Definition. Die Achalasie entsteht durch eine Degeneration des Plexus myentericus Auerbach der glatten Muskulatur des Ösophagus. Deren Ursachen sind nicht vollständig geklärt. Durch diese Degeneration kommt es zu einer ungeordneten Propulsivmotorik der Ösophagusmuskulatur und einer gestörten schluckreflektorischen Erschlaffung des unteren Ösophagussphinkters (UÖS).
왘 Merke
왘 Merke. Bei der Achalasie handelt es sich somit, genau wie bei der krikopharyngealen Achalasie, nicht um einen Spasmus, sondern um eine Öffnungslähmung der Sphinktermuskulatur.
Die Achalasie ist eine Öffnungslähmung des UÖS. Sekundär kommt es zu einem Megaösophagus.
Durch den Rückstau der Nahrung, die den nicht erschlafften Sphinkter nicht passieren kann, kommt es sekundär zu einem Megaösophagus, der sich radiologisch in der typischen Weitstellung vor einer trichterförmigen distalen Einengung des Ösophagus manifestiert.
Ätiologie: Psychische, immunologische und infektiöse Faktoren sowie Störungen im autonomen Nervensystem werden als Ursache diskutiert.
Ätiologie: Sie ist im Wesentlichen unklar. Psychische, immunologische und infektiöse Faktoren spielen eine Rolle. Selten ergibt sich eine hereditäre Genese. Eine symptomatische Form der Achalasie ist im Rahmen der Chagas-Krankheit beschrieben.
Klinik: Die Achalasie wird besonders im 3.– 6. Lebensjahrzehnt mit dem Leitsymptom Dysphagie beobachtet, oft in Verbindung mit Regurgitation, Aspiration und pulmonalen Komplikationen sowie retrosternalen Schmerzen. Bei langfristigem Bestehen ggf. Untergewicht, Zeichen einer Mangelernährung, erhöhtes Karzinomrisiko.
Klinik: Die Achalasie kann in jedem Alter auftreten, wird aber gehäuft im 3.– 6. Lebensjahrzehnt beobachtet. Das Leitsymptom stellt die Dysphagie dar, oft in Verbindung mit Regurgitation direkt nach dem Essen (Tab. B-1.7). Durch die Regurgitationen und Aspiration kann es zu rezidivierenden Atemwegsinfekten bis hin zu chronischen Bronchopneumonien kommen. Postprandial klagen die Patienten über retrosternale Schmerzen. Bei langfristigem Bestehen sind Untergewicht und Zeichen einer Mangelernährung möglich.
Diagnostik: Die ÖGD zeigt einen Megaösophagus, oft auch eine Retentionsösophagitis. Die Stenose selbst ist mit dem Gerät problemlos zu passieren. Mit Stufenbiopsien sollte ein malignes Geschehen ausgeschlossen werden. In der Röntgen-Breischluckdarstellung fällt die typische trichterförmige Verengung im Bereich des distalen Ösophagus auf, die sich nach Glukagongabe erweitert. Die Manometrie zeigt die Öffnungslähmung im Bereich des UÖS und differenziert je nach Peristaltik in eine hypo-, eine hyper- und eine amotile Achalasieform (Tab. B-1.8).
Diagnostik: Mittels einer Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) lässt sich der Megaösophagus, oft mit einer Retentionsösophagitis durch die retinierten Speisereste vergesellschaftet, diagnostizieren. Die Stenose selbst kann als funktionelle Enge problemlos mit dem flexiblen Gerät passiert werden. Durch sog. Stufenbiopsien sollte ein malignes Geschehen ausgeschlossen werden. Bei der Röntgen-Breischluckdarstellung fällt die typische trichterförmige Verengung im Bereich des distalen Ösophagus auf, während der oral davon gelegene Ösophagus dilatiert ist. Nach Gabe von 1 ml Glukagon i. v. lässt sich unter Durchleuchtung eine Erweiterung des engen Segmentes erkennen und eine organische Stenose ausschließen. Die Manometrie zeigt die Öffnungslähmung im Bereich des UÖS. Je nach Peristaltik im dilatierten Ösophagus werden durch die Manometrie eine hyper-, eine hypo- und eine amotile Achalasieform unterschieden (Tab. B-1.8).
Differenzialdiagnostik: Malignom, ChagasKrankheit und idiopathischer Ösophagusspasmus.
Differenzialdiagnostik: Ein Malignom, eine Chagas-Krankheit und ein idiopathischer Ösophagusspasmus müssen ausgeschlossen werden.
B-1.7
B-1.7
Symptome der Achalasie und deren Häufigkeit
Symptom Dysphagie
Häufigkeit ■ ■
Regurgitation
■ ■
Retrosternalschmerz
feste Nahrung flüssige Nahrung
nahezu 100 % 60 – 70 %
aktiv passiv
60 – 70 % 10 – 20 % 60 – 70 %
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B 1.2 Ösophagus
B-1.8
Formen bzw. Stadien der Achalasie
B-1.8
Parameter
hypermotil = Grad I
hypomotil = Grad II
amotil = Grad III
Dilatation des tubulären Abschittes
keine
deutlich
hochgradig (Megaösophagus)
Motilität des tubulären Abschnittes
erhöht
spärlich
keine
Tonus unterer Sphinkter
erhöht
erhöht
normal
Erschlaffung unterer Sphinkter
unkoordiniert
unmöglich
unmöglich
B-1.35
Kontrastmittelpassage des Ösophagus und Magens
a Kontrastmittelpassage des Ösophagus und Magens bei einer 76-jährigen Patientin mit Achalasie. Erkennbar ist die massive Dilatation des Ösophagus über der Stenose des gastroösophagealen Überganges (?).
277
B-1.35
b Dieselbe Patientin nach Platzierung einer Ballonsonde im Stenosebereich zur Dilatation (der längliche Ballon wurde bereits gefüllt) (?).
Therapie: Da die Ursache der Achalasie nicht bekannt ist, gibt es auch keine kausalen Therapieansätze. Die Dysphagiebeschwerden lassen sich symptomatisch durch Medikamente bessern, die relaxierend auf die glatte Muskulatur wirken (Nifedipin, Nitroglycerin, Amylnitrit). Die hypermotilen Formen sprechen oft gut auf eine Behandlung mit Nifedipin an, während hypo- oder amotile Formen medikamentös schlechter zu behandeln sind. Lässt sich medikamentös kein oder eine nur unzureichende Beschwerdebesserung erreichen, so ist eine endoskopische pneumatische Dilatation indiziert. Bei dieser Behandlung wird der UÖS durch einen Ballon unter endoskopischer oder radiologischer Kontrolle so dilatiert, dass die Sphinktermuskulatur nur noch niedrige Ruhedrücke aufrechterhalten kann. Bei erneuten Beschwerden ist eine Wiederholung der Dilatation möglich (Details s. S. 241). Führt die pneumatische Dilatation nicht oder nur für kurze Zeit zu einer Besserung, ist die Operation angezeigt. Als Verfahren der Wahl hat sich die transabdominelle extramuköse Ösophagokardiomyotomie nach Heller bewährt, die jedoch zunehmend durch das laparoskopische Vorgehen verdrängt wird. Bei dieser Operation wird die Muskulatur des UÖS in Längsrichtung ohne Eröffnung des Lumens von außen gespalten. Da in ca. 20 % der Fälle postoperativ eine Refluxösophagitis beobachtet wurde, sollte in gleicher Sitzung eine Antirefluxplastik durchgeführt werden (S. 282).
Therapie: Die symptomatische medikamentöse Therapie erfolgt mit Medikamenten, die relaxierend auf die glatte Muskulatur wirken (Nitroglycerin, Amylnitrit, Nifedipin). Hypermotile Formen der Achalasie sprechen hierauf am besten an, hypo- oder amotile Formen sind medikamentös schlechter zu behandeln. Lässt sich medikamentös keine oder eine nur unzureichende Beschwerdebesserung erreichen, so ist eine endoskopische pneumatische Dilatation indiziert (S. 241). Bei Versagen der pneumatischen Dilatation ist eine transabdominelle extramuköse Ösophagokardiomyotomie nach Heller in Kombination mit einer Antirefluxplastik (s. S. 282) durchzuführen.
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278
B 1 Viszeralchirurgie
Idiopathischer Ösophagusspasmus
Idiopathischer Ösophagusspasmus
왘 Synonym
왘 Synonym. Diffuser Ösophagusspasmus.
왘 Definition
왘 Definition. Bei einem idiopathischen Ösophagusspasmus liegt eine unkoor-
dinierte spastische Kontraktion des Ösophagus nach einem Schluckakt vor (tertiäre Peristaltik). Ätiologie: Unklar.
Ätiologie: Unklar.
Klinik: Im Vordergrund steht die Dysphagie mit retrosternalen Schmerzen.
Klinik: Auch bei dieser Form der Motilitätsstörung der Speiseröhre, die meist Patienten im höheren Alter betrifft, steht die Dysphagie mit retrosternalen Schmerzen im Vordergrund. Die klinischen Beschwerden beginnen ohne nachweisbaren auslösenden Reiz oder z. B. nach Nahrungsaufnahme.
Diagnostik: Radiologisch zeigt sich eine typische korkenzieherartige Veränderung der Speiseröhre. Manometrisch finden sich tertiäre Kontraktionen bei normalem Ruhedruck im UÖS.
Diagnostik: Bei der Röntgen-Breischluckaufnahme zeigt sich eine typische korkenzieherartige Veränderung der Speiseröhre und eine Hyperperistaltik, die aber auch fehlen kann. Manometrisch finden sich tertiäre Kontraktionen bei normalem Ruhedruck im unteren Ösophagussphinkter (UÖS).
Therapie: Primär konservative Behandlung mit Spasmolytika, Nitroglycerin und Sedativa. Chirurgische Maßnahmen (Myotomie, Antireflux-OP) sind unbefriedigend.
Therapie: Die konservative Behandlung mit Spasmolytika, Nitroglycerin und Sedativa steht im Vordergrund des Behandlungskonzeptes. Die chirurgische Myotomie des gesamten mittleren und distalen Ösophagus in Kombination mit einer Antireflux-Operation sollte für Patienten mit stärksten Beschwerden vorbehalten bleiben, da die Ergebnisse sonst unbefriedigend sind.
Gastroösophagealer Reflux und Kardiainsuffizienz 왘 Definition
Gastroösophagealer Reflux und Kardiainsuffizienz 왘 Definition. ■
■
왘 Merke
Als Kardiainsuffizienz wird der mangelhafte Verschluss des Magens gegen den Ösophagus bezeichnet. Aufgrund des insuffizienten Verschlusses der distalen Speiseröhre kommt es zu einem übermäßigen gastroösophagealen Reflux, wodurch die Ösophagusschleimhaut verstärkt mit Mageninhalt in Kontakt kommt. Entstehen durch diese vermehrte Exposition klinische Beschwerden (meist durch die so induzierte Refluxösophagitis ausgelöst), so spricht man von Refluxkrankheit.
왘 Merke. Die Unterscheidung zwischen gastroösophagealem Reflux und Re-
fluxkrankheit ist von großer Bedeutung, da ein Reflux in gewissem Ausmaß physiologisch, das Auftreten von Symptomen (Refluxkrankheit) jedoch stets pathologisch und somit behandlungsbedürftig ist. Pathogenese: Der Ösophagus kann den physiologischen gelegentlich auftretenden Reflux von Mageninhalt wieder ausgleichen (Selbstreinigungsfunktion, Clearance). Dieser Mechanismus ist bei verstärktem Reflux aufgrund einer Kardiainsuffizienz überfordert. Physiologischerweise wird der vermehrte Übertritt von Mageninhalt in die Speiseröhre durch eine vom UÖS erzeugte Hochdruckzone verhindert. Darüber hinaus helfen folgende Faktoren bei der Refluxprävention: ■
His-Winkel: Der spitze Winkel zwischen distalem Ösophagus und Magenfundus bewirkt wie ein Ventilmechanismus einen zusätzlichen Verschluss der Speiseröhre. Erschlafft der Bandapparat, so stumpft dieser Winkel ab und die Ventilklappenfunktion erlischt.
Pathogenese: Der Ösophagus ist durch seine Propulsivmotorik in der Lage, den physiologischerweise gelegentlich auftretenden sauren Reflux von Mageninhalt im Sinne einer Selbstreinigungsfunktion (Clearance) wieder auszugleichen, bevor Schleimhautschäden in der Speiseröhre manifest werden. Dieser Mechanismus ist bei verstärktem Reflux aufgrund einer Kardiainsuffizienz überfordert. Bei physiologischem Verschluss der Kardia wird der vermehrte Übertritt von saurem Mageninhalt in die Speiseröhre durch eine Hochdruckzone verhindert, die von dem unteren Ösophagussphinkter (UÖS) erzeugt wird (Ruhetonus von ca. 20 mmHg). Neben diesem rein muskulären Verschlussmechanismus wird eine Refluxprävention durch folgende Faktoren gewährleistet: ■ His-Winkel: Bei einer intakten Aufhängung der Kardia und des Ösophagus entsteht ein spitzer Winkel zwischen distalem Ösophagus und Magenfundus, der His-Winkel. Er bewirkt wie ein Ventilmechanismus einen zusätzlichen Verschluss der Speiseröhre – analog zum Puborektalwinkel beim Verschluss des Analkanals. Erschlafft der Bandapparat (z. B. bei ausgeprägter Adipositas oder raschen Gewichtsänderungen), so stumpft dieser Winkel ab und die Ventilklappenfunktion erlischt.
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B 1.2 Ösophagus
■
Positiver intraabdomineller Druck: Einen zusätzlichen Verschlussmechanismus bewirkt der positive intraabdominelle Druck, der auf den intraabdominellen Teil des Ösophagus einwirkt und so im Vergleich zum intrathorakal gelegenen Ösophagus mit seinen negativen Druckverhältnissen die muskulär bedingte Hochdruckzone im distalen Speiseröhrenanteil unterstützt.
Als Brachyösophagus wird eine Verkürzung der Speiseröhre mit all ihren Wandschichten bezeichnet, wodurch der gastroösophageale Übergang nicht intraabdominell, sondern intrathorakal im Sinne einer Hiatushernie zu liegen kommt. Durch die Verlagerung des UÖS nach intrathorakal und Aufhebung des His-Winkels kommt es meist zu einer Kardiainsuffizienz. Am häufigsten kommt dieser sekundäre oder erworbene Brachyösophagus im Rahmen rezidivierender Refluxösophagitiden vor. Er ist von dem endogenen Brachyösophagus (S. 290) abzugrenzen. 왘 Merke. Als Synonym des Brachyösophagus spricht man auch vom Barrett-
279 ■
Positiv intraabdomineller Druck: unterstützt die muskulär bedingte Hochdruckzone im distalen Speiseröhrenanteil.
Als Brachyösophagus wird eine Verkürzung der Speiseröhre mit all ihren Wandschichten bezeichnet, in deren Folge es zur Ausbildung einer Hiatushernie mit Kardiainsuffizienz kommt. Am häufigsten kommt der sekundäre oder erworbene Brachyösophagus vor, meist im Rahmen rezidivierender Refluxösophagitiden.
왗 Merke
Ösophagus: Im engeren Sinne wird damit aber die Umwandlung des Plattenepithels in Zylinderepithel bezeichnet (sog. Barrett-Schleimhaut). Der Begriff des Barrett-Syndroms definiert dagegen das Vorliegen von Metaplasien innerhalb des Zylinderepithels, was mit einem erhöhten Malignitätsrisiko verbunden ist. Als Faustregel zur Definition der Risiken kann die sogenannte 10-er-Regel gelten: ■ 10 % aller Patienten mit axialer Hiatushernie haben eine Refluxkrankheit. ■ 10 % der Patienten mit Refluxkrankheit entwickeln eine Refluxösophagitis. ■ 10 % der Patienten mit Refluxösophagitis entwicklen eine Barrett-Syndrom (Metaplasien des Zylinderepithels). ■ bis zu 10 % der Patienten mit ausgeprägten Metaplasien entwicklen ein Adenokarzinom des Ösophagus. 왘 Merke. Bei einem Brachyösophagus sind auch bei klinisch blandem Verlauf
왗 Merke
jährliche endoskopische Kontrollen mit Biopsien wegen der Entartungsgefahr indiziert. Ätiologie: Liegt eine axiale Hiatushernie vor, so findet man bei 40 % der Patienten eine Kardiainsuffizienz, jedoch nur bei ca. 25 % der Fälle eine Refluxkrankheit, Prädisponierend wirken außerdem Adipositas, starker Alkohol- und Nikotingenuss, heftiges Betätigen der Bauchpresse oder Gravidität. Entgegen früheren Erwartungen konnte kein Zusammenhang zwischen einer Refluxkrankheit und einer Hyperazidität oder Hypersekretion von Magensaft beobachtet werden.
Ätiologie: Bei 40 % der Patienten mit Hiatushernie findet man eine Kardiainsuffizienz, jedoch nur bei ca. 25 % der Fälle eine Refluxkrankheit. Prädisponierend wirken Adipositas, starker Alkohol- und Nikotingenuss, heftiges Betätigen der Bauchpresse oder Gravidität.
Klinik: Die Refluxkrankheit kann in jedem Lebensalter auftreten und kommt bei Männern häufiger als bei Frauen vor. Die Refluxkrankheit beginnt typischerweise mit Sodbrennen, das besonders nach reichhaltigen Mahlzeiten oder im Liegen auftritt. Durch die fortschreitende Entzündung kann es zur Ausbildung einer Anämie kommen. Später treten retrosternale Schmerzen und Dysphagie hinzu. Es findet sich dabei aber keine Korrelation zwischen der Stärke der Beschwerden und der Ausprägung der endoskopischen Befunde.
Klinik: Die Refluxkrankheit tritt in jedem Lebensalter auf, bei Männern häufiger als bei Frauen. Typische Symptome der Refluxkrankheit sind: Sodbrennen, retrosternale Schmerzen, Dysphagie und Anämie.
왘 Merke. Das Leitsymptom der Refluxkrankheit ist Sodbrennen, welches sich
왗 Merke
im Liegen verstärkt. Diagnostik: Die Diagnose der Refluxkrankheit erfolgt klinisch: Das Auftreten der typischen Refluxbeschwerden berechtigt zur Diagnosestellung, da auch Symptome ohne organpathologisches Korrelat auftreten können (Stadium 0 der Refluxkrankheit). Die Diagnosestellung der Refluxösophagitis erfolgt jedoch erst durch die Endoskopie. Sie alleine ist in der Lage, die Stadieneinteilung und Differenzialdiagnose (Stenose durch ein Karzinom?) vorzunehmen.
Diagnostik: Die Diagnose der Refluxkrankheit erfolgt klinisch: Die Diagnosestellung der Refluxösophagitis erfolgt jedoch erst durch die Endoskopie, die in der Lage ist, die Stadieneinteilung und Differenzialdiagnose vorzunehmen.
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280 B-1.9
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.9
Stadien der Refluxösophagitis
Stadium 0
Refluxbeschwerden ohne organopathologisches Korrelat
Stadium I
oberflächliche Schleimhauterosionen, die nicht konfluieren
Stadium II
konfluierende oberflächliche Schleimhautläsionen, die aber nicht zirkulär vorliegen
Stadium III
zirkulärer Befall des Ösophagus durch Erosionen
Stadium IV
a Ulzera bei gleichzeitiger Striktur der gesamten Zirkumferenz oder longitudinale Verkürzung und/oder Zylinderepithelmetaplasien
b peptische Striktur ohne Läsionen im betroffenen Bereich (Narbenstadium)
왘 Merke
왘 Merke. „Refluxkrankheit“ ist eine klinische Diagnose, „Refluxösophagitis“
eine endoskopische. Die Refluxkrankheit wird je nach endoskopischem Befund in 5 Stadien mit fortschreitenden entzündlichen Veränderungen der Speiseröhre eingeteilt (Tab. B-1.9). Radiologisch ist der Nachweis eines Refluxes in Kopftieflage möglich. Bei der Ösophagusmanometrie findet sich als Zeichen der Kardiainsuffizienz ein verkürzter UÖS und/oder eine im Druckniveau reduzierte Hochdruckzone im Bereich des UÖS.
Die 24-Stunden-pH-Metrie zeichnet alle Refluxepisoden über 24 Stunden auf und ermöglicht so die Differenzierung zwischen physiologischem und pathologischem Reflux. Therapie: Die Therapie der Refluxkrankheit sollte stadienorientiert durchgeführt werden. Konservative Behandlungsansätze sind Verzicht auf Alkohol, Nikotin, Gewichtsreduktion, Vermeidung von stark gewürzten Speisen und engen Kleidungsstücken sowie Schlafen mit erhöhtem Oberkörper.
Bei Therapieresistenz sollten Protonenpumpenhemmer (z. B. Omeprazol) eingesetzt werden.
왘 Merke
Das endoskopische Bild der klinischen Diagnose „Refluxkrankheit“ ist geprägt durch die Refluxösophagitis. Entsprechend werden die Stadien der Refluxkrankheit nach dem endoskopischen Befund eingeteilt (Tab. B-1.9). Bei den Stadien I–III kann bei entsprechender Therapie noch eine Restitutio ad integrum eintreten, bei Stadium IV dagegen nicht mehr. Bei fehlenden endoskopischen Zeichen einer Refluxösophagitis lassen sich die klinischen Beschwerden der Refluxkrankheit durch den radiologischen Nachweis eines Reflux in Kopftieflage verifizieren. Da ein gastroösophagealer Reflux auch physiologisch auftritt, ist dieses radiologische Kriterium aber kein pathognomonisches Zeichen der Refluxkrankheit. Eine größere diagnostische Sicherheit bietet die Ösophagusmanometrie. Sie kann durch den Nachweis eines verkürzten UÖS und/oder einer im Druckniveau reduzierten Hochdruckzone im Bereich des UÖS die Kardiainsuffizienz reproduzierbar belegen, nicht aber den erhöhten pathologischen Reflux beweisen. Der sichere Nachweis eines pathologischen gastroösophagealen Refluxes gelingt nur durch die 24-Stunden-pH-Metrie. Sie zeichnet alle Refluxepisoden über 24 Stunden auf und ermöglicht so die Differenzierung zwischen physiologischen und pathologischen Refluxepisoden. Therapie: Die Therapie der Refluxkrankheit wird stadienorientiert durchgeführt, wobei primär konservative Maßnahmen wie eine Umstellung bisheriger Lebensund Ernährungsgewohnheiten erwogen werden sollte. Hierzu gehört der Verzicht auf Alkohol und Nikotin, um zum einen eine direkte toxische Wirkung auf die Schleimhaut zu reduzieren und zum anderen die den Sphinkterdruck reduzierende Wirkung des Nikotins zu vermeiden. Bei Adipositas ist eine Gewichtsreduktion anzustreben, auf stark gewürzte oder scharfe Nahrungsmittel sollte verzichtet werden. Die Nahrungsaufnahme direkt vor dem Zubettgehen ist zu unterlassen. Ferner sollte der Patient beim Schlafen mit erhöhtem Oberkörper liegen und keine beengenden Kleidungsstücke wie Gürtel oder Mieder tragen. Kann mit diesen Änderungen der Lebensführung keine ausreichende Besserung der Symptome erreicht werden, sollten Protonenpumpenhemmer (PPI, z. B. Omeprazol) eingesetzt werden. Unter diesen heilen bis dahin therapieresistente Ösophagitiden aus, sodass auch in den Stadien III und IV ein konservativer Therapieversuch indiziert ist. Die vor der Einführung der PPI häufig eingesetzten Antazida, Schleimhautprotektiva oder H2-Antagonisten spielen nur noch eine sehr untergeordnete Rolle. 왘 Merke. Nach der Einführung von Protonenpumpenhemmern ist eine Ope-
ration Patienten mit rezidivierenden Ösophagitiden und den Fällen vorbehalten, bei denen mit der konservativen Therapie keine Besserung zu erreichen ist.
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B 1.2 Ösophagus
Die Operationsindikation hängt letztendlich von verschiedenen Faktoren wie ■ Leidensdruck, ■ Komplikationen der Ösophagitis, ■ Misserfolg der konservativen Therapie, ■ Inkompetenz des unteren Ösophagussphinkters, ■ Zustand des Patienten ab. Zu berücksichtigen ist außerdem (insbesondere bei jüngeren Patienten), ob eine ggf. lebenslange Therapie mit Protonenpumpenhemmern sinnvoll ist. Die klassische Operationsmethode ist die Fundoplikation nach Nissen mit plastischer Einengung des erweiterten Hiatus (Hiatoplastik) durch Naht, bei der zunächst die axiale Hernie reponiert wird. Anschließend erfolgt die Bildung einer Manschette aus dem Magenfundus um den distalen Ösophagus herum. Die Operation erfolgt heute zunehmend in laparoskopischer Technik (S. 282). Kommt es im Rahmen von Narbenbildungen zu peptischen Stenosen, so sind diese meist durch endoskopische Bougierung zu behandeln (S. 240). Lediglich Stenosen, die endoskopisch nicht oder nicht ausreichend bougiert oder offen gehalten werden können, müssen operativ behandelt werden. Wegen des Entartungsrisikos werden Bezirke mit Zylinderepithel, besonders wenn bereits Metaplasien vorliegen, durch endoskopische Laserbehandlung verschorft oder durch Mukosektomie abgetragen. Zudem muss eine engmaschige endoskopische Kontrolle mit regelmäßigen Stufenbiopsien erfolgen. Prognose: Die Operationsletalität liegt weit unter 1 % für die Fundoplikation und steigt geringfügig an, wenn intraoperativ die Milz verletzt und eine Splenektomie notwendig wird. Bei bis zu 80 % der operierten Patienten ist das Operationsergebnis zufriedenstellend, das heißt, die Patienten sind subjektiv beschwerdefrei. In ca. 10 % der Fälle treten postoperative Rezidive der Refluxkrankheit auf, meistens ausgelöst durch Lockerung oder Abgleiten der Fundusmanschette (Teleskopphänomen). Je nach Operationstechnik kann postoperativ in bis zu 10 % der Fälle der Operationen ein Symptomenkomplex entstehen, der klinisch dem RoemheldSyndrom ähnelt und Postfundoplikationssyndrom (Denervationssyndrom) genannt wird. Es entsteht durch die intraoperative Verletzung des N. vagus. Klinisch typisch sind Diarrhöen gepaart mit vermehrten Blähungen.
B-1.36
Gastrographinschluck vor und nach Fundoplikation
a Große Hiatushernie mit partieller Verlagerung des Magen intrathorakal.
281 Bei rezidivierenden oder gegenüber der konservativen Therapie resistenten Ösophagitiden ist die operative Korrektur indiziert. Das klassische Verfahren ist die Fundoplikation nach Nissen zur Rekonstruktion des HisWinkels. Zusätzlich kann eine Fixierung des Magens durch eine Lig.-teres-Plastik vorgenommen werden. Das Operationsverfahren erfolgt heute zunehmend in laparoskopischer Technik (S. 282).
Bei peptischen Stenosen erfolgt eine endoskopische Bougierung. Lediglich Stenosen, die endoskopisch nicht oder nicht ausreichend bougiert oder offen gehalten werden können, müssen operativ behandelt werden.
Prognose: Die Operationsletalität liegt weit unter 1 %, bei zusätzlicher Splenektomie etwas höher. Bis zu 80 % der Patienten sind postoperativ subjektiv beschwerdefrei. Bei 10 % der Fälle treten postoperativ Rezidive der Refluxkrankheit auf. Je nach Operationstechnik wird postoperativ in bis zu 10 % der Fälle das Postfundoplikationssyndrom beobachtet, ein dem Roemheld-Syndrom ähnlicher Symptomenkomplex. Es entsteht durch die intraoperative Verletzung des N. vagus (Denervationssyndrom) und äußert sich in Diarrhöen gepaart mit Blähungen. B-1.36
b Postoperative Kontrolle mit normaler Passage.
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282
B 1 Viszeralchirurgie
Das „Gas-bloat“-Phänomen ist ein Symptomenkomplex, bei dem Patienten präoperativ zum Ausgleich des Refluxes viel Luft schlucken und diese Angewohnheit postoperativ beibehalten. Da die Luft jedoch nicht mehr durch Aufstoßen entweichen kann, können Magenbeschwerden, epigastrisches und retrosternales Druckgefühl, Nausea, Stenokardien und Herzrhythmusstörungen auftreten.
Hiervon ist das „Gas-bloat“-Phänomen abzugrenzen. Zu diesem Symptomenkomplex kommt es, wenn Patienten präoperativ zum Ausgleich des Refluxes reflektorisch viel Luft geschluckt haben und diese Angewohnheit postoperativ beibehalten. Da der Magenverschluss zum Ösophagus postoperativ jedoch suffizient ist, kann es zu einer Ansammlung der geschluckten Luft im Magen und oberen Dünndarm kommen, da die Luft nicht mehr durch Aufstoßen entweichen kann. Klinisch äußert sich das „Gas-bloat“-Phänomen durch Magenbeschwerden, epigastrisches und retrosternales Druckgefühl, Nausea und bei extremen Formen gelegentlich auftretende Stenokardien und Herzrhythmusstörungen. Ein „Gas-bloat“-Phänomen ist in jedem Fall Ausdruck einer Überkorrektur, da die korrekt weite und richtig sitzende Fundusmanschette ein Aufstoßen zulassen soll.
Laparoskopische Antirefluxchirurgie
Laparoskopische Antirefluxchirurgie
Zu beachten ist, dass fortgeschrittene Krankheitsbilder aus anatomisch-technischen Gründen schwierig zu operieren sind.
Laparoskopische Operationsverfahren können bei der chirurgischen Therapie der gastrointestinalen Refluxkrankheit eingesetzt werden. Zu beachten ist, dass die fortgeschrittenen Krankheitsbilder mit z. B. ausgeprägter periösophagealer Entzündung aus anatomischen und technischen Gründen laparoskopisch schwieriger zu operieren sind.
Diagnostik: Präoperativ sollten ein Brachyösophagus und Malignome ausgeschlossen werden.
Diagnostik: Vor der laparoskopischen Antirefluxoperation sollten ein Brachyösophagus und Malignome ausgeschlossen werden. Sehr adipösen Patienten wird Gewichtsreduktion empfohlen.
Indikationen, Kontraindikationen: Refluxerkrankungen im Frühstadium scheinen gegenwärtig am besten geeignet. Abzuwarten bleibt, inwieweit die laparoskopischen Methoden eine Alternative zur konservativen Behandlung darstellen.
Indikationen, Kontraindikationen: Patienten mit Refluxerkrankung im Frühstadium scheinen, nach erfolgloser konservativer Therapie, gegenwärtig am besten geeignet. Abzuwarten bleibt, inwieweit die laparoskopischen Methoden eine Alternative zur langzeitmedikamentösen Behandlung darstellen.
Operatives Vorgehen: Es werden anatomische Rekonstruktionen und Valvuloplastiken sowie die Einlage einer Antirefluxprothese laparoskopisch durchgeführt. Die NissenFundoplikation ist z.Z. die häufigste laparoskopische Operation.
Operatives Vorgehen: In Abhängigkeit der zugrunde liegenden pathophysiologischen Veränderungen können anatomische Rekonstruktionen, wie Hiatoplastik, Fundopexie und Lig.-teres-Plastik, Valvuloplastiken, wie Hemi- und komplette Fundoplikationen, aber auch die Einlage einer Antirefluxprothese, laparoskopisch erfolgen. Die Nissen-Fundoplikation ist z. Z. die häufigste laparoskopische Antirefluxoperation und wird im Folgenden beschrieben. Nach Aufbau des Pneumoperitoneums werden meist 5 Trokare in den Oberbauch eingebracht. Unter Kamerasicht wird das linkslaterale Lebersegment weggehalten, die phrenikoösophageale Membran und die Vagusanteile vom Ösophagus abpräpariert, dieser dann zirkulär umfahren und nach proximal aus den Zwerchfellschenkeln freigelegt. Die Vasa gastricae breves werden am Magenfundus abgesetzt. Die Hinterwand des Fundus wird dann dorsal und die Vorderwand ventral um den Ösophagus gezogen. Die Fundoplikation wird durch eine Naht zwischen Vorder- und Hinterwand erzeugt. Der Eingriff kann mit einer Hiatoplastik kombiniert werden. Hierfür werden dorsal oder ventral des Ösophagus die Zwerchfellschenkel mit einer Naht gerafft.
Nach Aufbau des Pneumoperitoneums werden die phrenikoösophageale Membran und Vagusanteile vom Ösophagus abpräpariert und die Vasa gastricae breves am Magenfundus abgesetzt. Hinter- und Vorderwand des Fundus werden um den Ösophagus gelegt und die Plikation durch Naht erzeugt.
Komplikationen: Sie entsprechen, bis auf das Mediastinalemphysem und den Pneumothorax, denen nach offener Operation. Eine erneute Operation bei missglückter Fundoplikation ist nach laparoskopischer Operation weniger komplikationsträchtig als nach offener Operation (Verwachsungen!).
Komplikationen: Häufigkeit und Art postoperativer Komplikationen entsprechen, bis auf das Mediastinalemphysem und den Pneumothorax, denen nach offener Operation. Die erneute Operation bei missglückter Fundoplikation kann nach primär offener Operation aufgrund von Verwachsungen komplikationsträchtig sein. Dies ist nach laparoskopischer Operation nicht in vergleichbarem Umfang zu erwarten.
1.2.6 Verletzungen
1.2.6 Verletzungen
Allgemeine Grundlagen
Allgemeine Grundlagen
Die klinischen Symptome, diagnostischen Schritte und therapeutischen Maßnahmen bei perforierenden Verletzungen des Ösophagus sind, unabhängig von der Ätiologie, ähnlich.
Verletzungen der Speiseröhre entstehen überwiegend iatrogen (meist endoskopisch). Man unterscheidet penetrierende von nicht penetrierenden Verletzungen (Verätzungen). Die Diagnostik und Therapie erfordert ein hohes Maß an
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B 1.2 Ösophagus
283
Individualisierung. Die Prognose hängt vor allem von der Perforationshöhe, der Perforationsausdehnung, dem Vorliegen weiterer Veränderungen (z. B. Ösophaguskarzinom), dem Allgemeinzustand des Patienten sowie dem Intervall zwischen Ereignis und Therapiebeginn ab. Perforierende Verletzungen
Perforierende Verletzungen
Bei perforierenden Verletzungen sind unabhängig von der Ätiologie ähnliche diagnostische und therapeutische Schritte erforderlich. Klinik: Die ersten Symptome sind retrosternaler Schmerz und Dysphagie. Treten nach einer Endoskopie entsprechende Beschwerden auf, muss, insbesondere wenn die Untersuchung komplizierter war, umgehend eine Perforation ausgeschlossen werden. Wenn Fieber, Tachykardie und Hypotension aufreten ist höchste Eile geboten, da dies bereits Vorboten der Ausbildung des Vollbildes eines septischen Schocks sind und eindeutig eine Infektion des Gebietes um die Perforation anzeigen. Neben der Anamnese (z. B. heftiges Erbrechen, Alkoholabusus, verschluckter Fremdkörper, vorhergehende Endoskopie) führt der plötzlich auftretende Schmerz im Thoraxraum und Epigastrium zur Verdachtsdiagnose. Zusätzliche klinische Anzeichen sind ein Hautemphysem im Bereich des Jugulums als Zeichen des Mediastinalemphysems. Entwickelt sich bei Pleurabeteiligung ein Pneumothorax, so tritt eine Dyspnoe auf. Im weiteren Krankheitsverlauf entwickelt sich eine Mediastinitis.
Klinik: Die Hauptsymptome sind retrosternale Schmerzen, Fieber, Tachykardie und Hypotension. Diese Beschwerden können sich bis zum Vollbild des septischen Schocks entwickeln. Weitere Symptome sind: Hautemphysem im Bereich des Jugulums bei Mediastinalemphysem. Bei Ausbildung eines Pneumothorax kommt es zur Dyspnoe.
Diagnostik: Bei der notfallmäßig durchgeführten Thoraxübersichtsaufnahme zeigt sich evtl. ein Pneumothorax und/oder ein Mediastinalemphysem. Mittels einer Kontrastmitteldarstellung der Speiseröhre, die nur mit wasserlöslichem Kontrastmittel durchgeführt werden darf (cave: Gefahr einer Mediastinitis), kann der Kontrastmittelaustritt an der Rupturstelle ins Mediastinum nachgewiesen werden. Bei tiefen, subdiaphragmalen Perforationen lässt sich freie Luft unter den Zwerchfellkuppen im Stehen nachweisen. Zur Objektivierung der lokalen und systemischen entzündlichen Reaktion sowie zu deren Verlaufskontrolle erfolgt eine CT-Untersuchung sowie eine entsprechende Labordiagnostik (Leukozyten, CRP).
Diagnostik: In der Thoraxübersichtsaufnahme zeigt sich evtl. ein Pneumothorax und/oder ein Mediastinalemphysem, bei der Kontrastmitteldarstellung mit wasserlöslichem Kontrastmittel der Austritt des Kontrastmittels nach mediastinal. Außerdem erfolgt eine CT- und Labordiagnostik.
Therapie: Grundsätzliche Optionen: ■ Konservative Therapie mit breiter antibiotischer Abdeckung und engmaschiger Kontrolle (z. B. kleine Verletzungen mit geringer Umgebungsreaktion). ■ Drainage des Gebietes um die Perforation, die selbst unberührt bleibt, in Kombination mit Breitbandantibiose (z. B. ältere Perforationen – Intervall über 24 h). ■ Primäre Übernähung der Läsion mit Drainage und antibiotische Therapie (z. B. frische Verletzungen bis max. 24 h). ■ Ösophagusresektion mit ein- oder zweizeitiger Rekonstruktion und Drainage sowie Antibiose (z. B. Perforation bei Tumorerkrankung).
Therapie: Optionen: ■ Konservative Therapie mit antibiotischer Abdeckung. ■ Drainage des Gebiets um die Perforation. ■ Primäre Übernähung und antibiotische Therapie. ■ Ösophagusresektion und Antibiose.
Welche diagnostisch-therapeutischen Maßnahmen angewendet werden, ist stets eine individuelle Entscheidung eines entsprechend kompetenten Teams, die während des Krankheitsverlaufes ständig zu überprüfen ist. Immer erfolgt jedoch eine parenterale Ernährung und eine breite antibiotische Abdeckung.
Das therapeutische Vorgehen muss stets individuell entschieden und während des Krankheitsverlaufes ständig überprüft werden. Eine Antibiotikatherapie und parenterale Ernährung ist aber in jedem Fall notwendig.
Prognose: Bei frühzeitiger Diagnosestellung und Therapiebeginn ist die Prognose gut. Liegen bereits Zeichen der fortgeschrittenen Entzündung (Schock, Mediastinitis, Pleuraaempyem, Sepsis) vor, so wird die Prognose ernst. In solchen Fällen liegt die Letalität der Ösophagusperforation bei 50 % und mehr.
Prognose: Bei frühzeitiger Diagnosestellung ist die Prognose gut, bei spätem Therapiebeginn liegt die Letalität bei 50 % und mehr.
Spontane Ösophagusperforation: (Boerhaave-Syndrom, postemetische Ösophagusperforation) Nach heftigem Würgen, Erbrechen (besonders nach Alkoholexzessen) oder Hustenanfällen kommt es ohne vorbestehende Ösophaguserkrankungen zur spontanen Ruptur aller Wandschichten der Speiseröhre. Die Rupturstelle liegt fast immer im distalen Ösophagusdrittel posterolateral links. Seltener tritt sie im mittleren Drittel in Höhe des V. azygos rechts lateral
Spontane Ösophagusperforation (Boerhaave-Syndrom): Perforation nach heftigem Würgen, Erbrechen (besonders nach Alkoholexzessen) oder Hustenanfällen. Die Ruptur liegt fast immer im distalen Ösophagusdrittel posterolateral links, seltener im mittleren Drittel in Höhe der V. azygos rechts lateral.
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284 B-1.37
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.37
Ösophagusperforation/Verätzung
a Thorax-CT bei Ösophagusperforation. Paraösophageale Luft im Mediastinum, Kontrastmittel im Ösophagus (?).
Traumatische Perforation: Nach Einwirken eines von außen (extrakorporal) oder innen (intraluminal) auftretenden Traumas. Die häufigste Ursache der traumatischen Ösophagusperforation ist die endoskopische Perforation nach diagnostischer oder therapeutischer Manipulation. Instrumentelle Läsionen durch in den Ösophagus eingebrachte Sonden sind ebenfalls möglich.
Fremdkörper 왘 Definition
b Endoskopie bei Laugenverätzung: Ausgedehnte Schleimhautnekrosen
auf. Die genaue Ursache ist noch ungeklärt, jedoch wird vermutet, dass die Perforation durch extreme intraluminale Druckerhöhungen im distalen Ösophagus ausgelöst wird. Traumatische Perforation werden Verletzungen genannt, die nach Einwirken eines von außen (extrakorporal) oder innen (intraluminal) auftretenden Traumas die gesamte Wand des Ösophagus rupturieren. Ursächlich kommen Schuss-, Stich- und Akzelerationsverletzungen sowie iatrogene Traumata infrage. Die iatrogene Ösophagusperforation durch endoskopische (diagnostische und therapeutische) Manipulationen ist heutzutage die häufigste Ursache traumatischer Speiseröhrenverletzungen. Endoskopische Perforationen sind meist im distalen Drittel an der dorsalen Zirkumferenz gelegen, die übrigen Perforationen finden sich meist im krikopharyngealen Bereich.
Fremdkörper 왘 Definition. Das Verschlucken von Fremdkörpern kann akzidentell oder in suizidaler Absicht erfolgen. Am häufigsten geschieht dies durch Kinder oder geistig behinderte Personen. Münzen, Gebissteile, Spielzeug, Knochen und Gräten stellen die häufigsten Corpora aliena im Ösophagus dar. Bei suizidalen Patienten muss auch mit scharfen Gegenständen wie Rasierklingen oder Nadeln gerechnet werden.
Diagnostik, Therapie: Die Endoskopie nach Röntgenaufnahmen (Thorax-, Abdomenübersicht) dient der Diagnosesicherung und endoskopischen Entfernung (S. 239).
Diagnostik, Therapie: Bei dem Verdacht auf Ingestion eines Fremdkörpers ist neben einer Röntgen-Thorax- und Abdomenübersichtsaufnahme eine sofortige Endoskopie indiziert. Im Rahmen dieser Untersuchung kann auch die endoskopische Bergung des Fremdkörpers erfolgen (S. 239).
Komplikationen: Druckulzera, Bolusverschluss, Perforation und Fistelbildung sind typische Komplikationen.
Komplikationen: Kann der Fremdkörper nicht entfernt werden, drohen Druckulzera, Bolusverschluss, Perforation und Fistelbildung zum Tracheobronchialsystem.
Laugen- und Säureverätzungen
Laugen- und Säureverätzungen
왘 Definition
왘 Definition. Als Verätzungen bezeichnet man die Verletzung der Speiseröhre durch Säuren und Laugen. Während die Säuren zu Koagulationsnekrosen führen, erzeugen Laugen Kolliquationsnekrosen, die tiefer in die Wand eindringen.
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B 1.2 Ösophagus
285
Zusätzlich wird bei Laugenverätzungen durch den stark alkalischen pH reflektorisch ein Kardiaspasmus ausgelöst, der zu einer verlängerten Verweildauer der Lauge in der Speiseröhre führt. Die Schädigung der Ösophaguswand durch die chemische Noxe ist im Bereich der physiologischen Ösophagusengen am größten.
Bei Laugenverätzungen entsteht durch den alkalischen pH zusätzlich ein Kardiaspasmus mit einer verlängerten Verweildauer in der Speiseröhre. Die 3 physiologischen Ösophagusengen werden meist am stärksten geschädigt.
Schweregrade: ■ Grad I: Schleimhauthyperämie und Ödem. ■ Grad II: Ulzerationen mit Fibrinbelägen. ■ Grad III: Ulzerationen und Nekrosen, die alle Wandschichten durchdringen und Perforationen. Verätzungen Grad III heilen aufgrund der Narben, die die gesamte Ösophaguswand durchziehen und somit durch narbige Schrumpfung Strikturen erzeugen, unter Ausbildung von Stenosen aus.
Schweregrade: ■ Grad I: Hyperämie und Ödem. ■ Grad II: Ulzeration mit Fibrinbelägen. ■ Grad III: Ulzerationen und Nekrosen, die alle Wandschichten durchdringen und Perforationen.
Klinik: Typisch sind Brennen und stärkste Schmerzen im Rachen, Schlund und retrosternal sowie Ätzwunden an Lippen, Zunge und Mundschleimhaut.
Klinik: Brennen und stärkste Schmerzen im Rachen, Schlund und retrosternal, Ätzwunden an Lippen, Zunge, Mundschleimhaut. Diagnostik, Therapie: Sofort nach Stellung der Verdachtsdiagnose ist eine Notfallendoskopie zur Beurteilung der Wandschädigung, Absaugung von Laugen-, bzw. Säureresten und gezielten Spülung mit Wasser einzuleiten. Falls keine Notfallendoskopie durchführbar ist und radiologisch eine Perforation oder Fistel ausgeschlossen werden konnte, ist alternativ die vorsichtige Gabe von Wasser zur Verdünnung und das Absaugen der ingestierten Flüssigkeit über eine Magensonde möglich.
Diagnostik, Therapie: Sofort nach Stellung der Verdachtsdiagnose ist eine Notfallendoskopie einzuleiten. Sie ermöglicht zum einen die genaue Beurteilung des Ausmaßes der Schleimhautschädigung sowie die Erkennung von Perforationen und zum anderen die gezielte Absaugung von Säure- bzw. Laugenresten und die gezielte Spülung über das Endoskop. Steht keine Einheit zur Notfallendoskopie zur Verfügung, so kann nach Ausschluss einer freien Perforation oder einer ösophagobronchialen oder -trachealen Fistel durch eine Röntgenuntersuchung mit wasserlöslichem Kontrastmittel der Versuch unternommen werden, mit großen Mengen an Wasser die ätzenden Flüssigkeiten zu verdünnen und sie über eine Magensonde (cave: Gefahr einer iatrogenen Perforation!) abzusaugen. 왘 Merke. Bei dem Versuch, blind eine Sonde zum Absaugen von Mageninhalt
왗 Merke
in den Magen vorzuschieben, besteht die große Gefahr einer iatrogenen Ösophagusperforation, die die Prognose schlagartig drastisch verschlechtert. Die gezielte endoskopische Therapie ist in jedem Fall vorzuziehen. Parallel dazu ist eine sofortige Schockprophylaxe mit konsequenter Analgesie einzuleiten und eine parenterale Breitbandantibiotikagabe zu beginnen. Der Patient muss intensivmedizinisch betreut werden, um die oft instabilen Vitalfunktionen kontrollieren und stabilisieren zu können. Eine parenterale Ernährung ist durchzuführen. In allen Fällen sollte bereits frühzeitig mit endoskopischen Kontrollen begonnen werden (ab dem 3. Tag), um tiefergehende Nekrosebildungen zu erkennen. Zusätzlich wird durch die frühzeitig einsetzende Endoskopiekontrolle einer Strikturbildung im Sinne einer Frühbougierung vorgebeugt. Durch die Gerätepassage im Rahmen dieser endoskopischen Kontrollen erfolgt eine Dehnung der Speiseröhre mit deutlich geringerer Perforationsgefahr als bei blinden Bougierungen. Bei schweren, konservativ nicht beherrschbaren Verätzungen ist eine operative Intervention mit Thorakotomie und ggf. auch Laparotomie notwendig. Ist die Wand der Speiseröhre nicht mehr ausreichend durchblutet, so muss der entsprechende Ösophagusabschnitt reseziert werden, evtl. mit temporärer kollarer Ausleitung des proximalen Ösophagusstumpfes und Anlage einer Witzel-Fistel zum Magen. Die Rekonstruktion erfolgt nach klinischer Stabilisierung durch Magenhochzug oder ein Koloninterponat.
Parallel dazu ist eine Schockprophylaxe mit konsequenter Analgesie und Breitbandantibiotikagabe und eine intensivmedizinische Betreuung mit parenteraler Ernährung einzuleiten. Endoskopische Frühkontrollen (ab dem 3. Tag) reduzieren durch gezielte Bougierung die Gefahr einer Strikturentstehung.
Komplikationen: Typische Frühkomplikationen der Ösophagusverätzung sind Blutungen, Perforationen mit Mediastinitis und ösophagotracheale Fisteln. Ist das akute Krankheitsbild überwunden, so kann es zu Spätkomplikationen im Sinne von narbigen Strikturen kommen. Nach 10 – 20 Jahren ist die Gefahr der Entstehung eines Narbenkarzinoms gegeben. Aus diesem Grund sind regelmäßige endoskopische Kontrollen angezeigt.
Komplikationen: Frühkomplikationen sind die Blutung, Peforationen und Fisteln. Nach Ausheilung kann es zur Ausbildung von Strikturen kommen. Nach 10 – 20 Jahren ist die Gefahr der Entstehung eines Narbenkarzinoms gegeben.
Bei schwersten Verätzungen ist eine operative Intervention mit Resektion des nicht durchbluteten Ösophagusabschnittes indiziert, evtl. mit temporärer kollarer Ausleitung und Anlage einer Witzel-Fistel zum Magen. Die Rekonstruktion erfolgt nach klinischer Stabilisierung durch Magenhochzug oder ein Koloninterponat.
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B 1 Viszeralchirurgie
Prognose: Die Letalität der akuten Verätzung liegt – abhängig von Konzentration und Einwirkzeit der Chemikalie – bei ca. 10 %. Bei 10 – 15 % persistieren behandlungsbedürftige narbige Strikturen. Bei therapieresistenten Strikturen oder Narbenkarzinomen ist die späte Ösophagusresektion indiziert.
Prognose: Die Letalität der akuten Verätzung ist von der Konzentration der chemischen Substanz und der Einwirkdauer abhängig. Im Mittel liegt die Letalität bei 10 %. Bei 5 – 10 % aller Ösophagusverätzungen entstehen behandlungsbedürftige narbige Strikturen, die teilweise lebenslang regelmäßig endoskopische Bougierungen notwendig machen. Bei therapieresistenten Strikturen oder Narbenkarzinomen ist die späte Ösophagusresektion indiziert.
1.2.7 Divertikel
1.2.7 Divertikel
왘 Definition
왘 Definition. Als Divertikel wird die Ausstülpung umschriebener Wandanteile
von Hohlorganen bezeichnet. ■
■
■
■
Zenker-Divertikel 왘 Synonym
B-1.38
Echte Divertikel: sie bestehen aus allen Wandschichten des betreffenden Hohlorganes einschließlich der Muskelschicht. Falsche Divertikel: die Mukosa und Submukosa des Hohlorganes stülpt sich durch eine muskuläre Lücke nach außen vor (Abb. B-1.38). Pulsionsdivertikel: Dabei handelt es sich um Wandausstülpungen, die durch erhöhten intraluminalen Druck bei angeborener oder erworbener lokaler Muskelschwäche entstehen und zu einer Schleimhautvorwölbung durch die Muskellücke hindurchführen (falsche Divertikel). Traktionsdivertikel: sie werden durch eine Ausziehung sämtlicher Wandschichten nach außen gebildet, meist durch Adhäsionen bei entzündlichen oder postentzündlichen Vorgängen in der Umgebung, z. B. bei Lymphknotentuberkulose im Hilusbereich (echte Divertikel).
Zenker-Divertikel 왘 Synonym. Pharyngoösophageales Divertikel, Grenzdivertikel
B-1.38
Schematische Darstellung der Ösophagusdivertikel
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B 1.2 Ösophagus
왘 Definition. Beim Zenker-Divertikel handelt es sich um ein falsches (Pulsions-) Divertikel, das sich durch eine muskuläre Schwachstelle im Bereich der Pars horizontalis des M. cricopharyngeus (Killian-Muskellücke) am Obergang von willkürlicher Pharynxmuskulatur zur unwillkürlichen Ösophagusmuskulatur nach dorsal vorwölbt (Abb. B-1.39 b).
287 왗 Definition
Ätiopathogenese: Ursächlich liegt eine Koordinationsstörung des oberen Ösophagussphinkters (OÖS) vor. Aufgrund einer intraluminalen Druckerhöhung im Bereich des OÖS kann es im Bereich der Killian-Muskellücke zu einer Ausstülpung von Mukosa und Submukosa durch diese Lücke hindurch, meist nach links dorsal paravertebral kommen.
Ätiopathogenese: Die Ursache liegt in einer Koordinationsstörung des oberen Ösophagussphinkters (OÖS), die zu einer intraluminalen Druckerhöhung und so zu einer Ausstülpung von Mukosa und Submukosa führt.
Klinik: Das Leitsymptom des Zenker-Divertikels ist die Dysphagie. Je nach Größe des Divertikels können Druckschmerzen, Globusgefühl, gurgelnde Geräusche beim Trinken und durch Zersetzung von retinierten Speiseresten ein Foetor ex ore auftreten. Eine Regurgitation von Speisen, die im Divertikel verblieben sind, kann zur Aspiration mit Hustenreiz oder Ausbildung einer Pneumonie führen. Durch die Nahrungsretention ist die Ausbildung einer Entzündung möglich, die dann Schmerzsymptome auslösen kann.
Klinik: Das Leitsymptom ist die Dysphagie. Zusätzlich können Druckschmerzen, Globusgefühl, gurgelnde Geräusche beim Trinken, Hustenreiz oder Pneumonien durch Aspiration nach Regurgitation und ein Foetor ex ore auftreten. Bei einer Entzündung aufgrund der Nahrungsretention kann es zu Schmerzen kommen.
Diagnostik: Die Diagnose wird meist im Rahmen einer ÖsophagusbreischluckUntersuchung mit wasserlöslichem Kontrastmittel gestellt (Abb. B-1.39 a). Hierbei zeigt sich ein Divertikelsack, der links paravertebral gelegen ist. Bei der Endoskopie besteht die Gefahr der Perforation aufgrund der dünnen Divertikelwandung. Durch eine Manometrie des oberen Ösophagussphinkters kann die Fehlfunktion des OÖS nachgewiesen werden. Dies hat jedoch auf die Operationsindikation keinen Einfluss.
Diagnostik: Zur Diagnosesicherung kann eine Ösophagusbreischluck-Untersuchung (Abb. B-1.39 a) oder eine Endoskopie (cave: Perforationsgefahr!) durchgeführt werden. Die Manometrie des oberen Sphinkters zeigt Fehlfunktionen des OÖS.
Therapie: Aufgrund der Komplikationsmöglichkeiten (Entzündung, Perforation, Blutung) ist die Indikation zur Operation gegeben. Operativ wird eine kollare Freilegung des Divertikels von links mit anschließender Divertikelabtragung und Myotomie des OÖS durchgeführt. Zum minimal-invasiven Vorgehen s. S. 246.
Therapie: Um Komplikationen zu vermeiden, wird eine kollare Freilegung mit Divertikelabtragung und Myotomie des OÖS durchgeführt. Minimal-invasives Vorgehen s. S. 246.
B-1.39
Zenker-Pulsionsdivertikel
b
a
a Radiologische Darstellung: Das Divertikel füllt sich direkt unterhalb des Kehlkopfes mit Kontrastmittel. b Intraoperativer Situs: Armierung des Divertikels mit einer Organfasszange und Luxation nach lateral. c Endoskopie bei Zenker-Divertikel: D = großes Divertikel in typischer Position links laterodorsal, Ö = Ösophagus.
c
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288
B 1 Viszeralchirurgie
Traktionsdivertikel
Traktionsdivertikel
왘 Definition
왘 Definition. Traktionsdivertikel sind echte Divertikel, die fast ausschließlich im mittleren Ösophagusdrittel lokalisiert sind. Sie entstehen durch narbigen oder entzündlichen Zug von paratrachealen oder bifurkalen Lymphknoten und bilden so einen zipfeligen Auszug der gesamten Ösophaguswand.
Klinik: Traktionsdivertikel finden sich meist bei Männern und Frauen, die älter als 40 sind. Sie sind meist asymptomatisch. Kommt es zu Entzündungen, so kann es durch die Fixierung der Trachea oder Bronchien zu Hustenanfällen oder Dysphagie kommen. Perforation und Fistelbildung sind selten.
Klinik: Traktionsdivertikel sind meist kleiner als Zenker-Divertikel oder epiphrenale Divertikel und finden sich am häufigsten bei Männern und Frauen bevorzugt jenseits des 40. Lebensjahres. Sie sind meist asymptomatisch und bilden oft einen Zufallsbefund bei der Röntgendarstellung des Ösophagus. Kommt es zu Entzündungen, so kann es durch die Fixierung der Trachea oder Bronchien zu Hustenanfällen oder Dysphagie kommen. Perforation und Fistelbildung sind selten.
Diagnostik: Durch die Röntgenbreischluckuntersuchung wird – meist als Zufallsbefund – die Diagnose gestellt. Endoskopie und CT schließen andere Ursachen oder Begleiterkrankungen aus.
Diagnostik: Im Röntgenbreischluck finden sich zipfelige Ausziehungen der Speiseröhre. Durch die Endoskopie werden Tumoren oder andere Speiseröhrenerkrankungen ausgeschlossen. Eine Computertomographie des Thorax hilft bei der differenzialdiagnostischen Abklärung, ob extraluminal entzündliche oder tumoröse Geschehen das Divertikel verursacht haben.
Therapie: Bei Komplikationen (Fistelbildung, Perforation, Dysphagie, rezidivierende Hustenanfälle) ist die Divertikelabtragung indiziert.
Therapie: Traktionsdivertikel, die keine Beschwerden verursachen, werden nicht therapiert. Bei Komplikationen (Fistelbildung, Perforation, Dysphagie, rezidivierende Hustenanfälle) ist die Divertikelabtragung und ggf. Fistelgangsexstirpation über eine rechtsseitige Thorakotomie indiziert.
B-1.40
a
d
g
Traktionsdivertikel
b
c
e
f
a und b Traktionsdivertikel in verschiedenen Höhen im CT c Röntgendarstellung des gleichen Befundes mit Aufnahmen aus unterschiedlichen Richtungen d Endoskopie bei Traktionsdivertikel (TD) im mittleren Ösophagus (Ö) nach rechts ziehend e nach Thorakotomie rechts mit subpleuraler Vorwölbung des Divertikels f Divertikel ist freipräpariert und aufgespannt, der Ösophagus oral (links) und aboral angeschlungen g Resektat
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B 1.2 Ösophagus
Epiphrenales Divertikel
289 Epiphrenales Divertikel
왘 Definition. Epiphrenale Divertikel liegen im distalen Ösophagusdrittel, in den
왗 Definition
meisten Fällen direkt oberhalb des Zwerchfelles. Sie sind (falsche) Pulsionsdivertikel und entstehen auf dem Boden einer Funktionsstörung des unteren Ösophagussphinkters (UÖS), besonders im Rahmen einer Achalasie oder einer axialen Hiatusgleithernie. Diese Divertikel haben ihre Basis meist an der rechten Ösophaguswand. Klinik: Das klinische Beschwerdebild der epiphrenalen Divertikel ist untypisch. Es kann von völliger Symptomfreiheit über Dysphagie und retrosternalem Druckgefühl, das besonders nachts auftritt, bis hin zu Oberbauchbeschwerden reichen.
Klinik: Die klinischen Symptome können von Symptomfreiheit über Dysphagie und retrosternalem Druckgefühl bis hin zu Oberbauchbeschwerden reichen.
Therapie: Eine Behandlung von epiphrenalen Divertikeln ist nur indiziert, wenn sie klinisch Beschwerden verursachen, die eindeutig auf das Divertikel zurückgeführt werden können. Als operativer Eingriff kommt die Thorakotomie oder Laparotomie mit Divertikelabtragung infrage.
Therapie: Bei Beschwerden ist eine Thorakotomie oder Laparotomie mit Divertikelabtragung indiziert.
1.2.8 Hernien
1.2.8 Hernien
Zu Details siehe Kapitel Zwerchfell ab S. 296
Siehe S. 296
1.2.9 Tumoren
1.2.9 Tumoren
Benigne Tumoren
Benigne Tumoren
왘 Definition. Die gutartigen Tumoren des Ösophagus sind – mit absteigender
왗 Definition
Häufigkeit aufgezählt – Leiomyome, enterogene Zysten, Adenome, Hamartome, Lipome oder Fibrome. Sie stellen insgesamt nur ca. 2 % der Neubildungen im Ösophagus dar und werden bei Männern etwa doppelt so häufig wie bei Frauen beobachtet. Klinik: Bei der Hälfte aller Patienten mit benignen Ösophagusneoplasien ist der Tumor symptomlos. Er tritt besonders im unteren und mittleren Drittel der Speiseröhre auf. Kommt es dagegen zu klinischen Beschwerden, so stehen Dysphagie und seltener Schmerzen im Vordergrund.
B-1.41
a
Klinik: Die benignen Tumoren treten besonders im mittleren und unteren Drittel auf und sind in 50 % symptomlos. Ansonsten werden Dysphagie und Schmerzen beobachtet.
Leiomyom des Ösophagus im CT
b
c a Leiomyom des Ösophagus im CT. b Derselbe Befund intraoperativ vor Beginn der Resektion und c Nach der Resektion im Sinne einer Ausschälung mit Readaptation der auseinandergedrängten Muskulatur. d Unfixiertes Resektat. L= Lunge, H = Haken
d
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290
B 1 Viszeralchirurgie
Diagnostik: Die Endoskopie stellt vor der Röntgenuntersuchung die Untersuchungsmethode der ersten Wahl dar, da sie auch die Entnahme einer Biopsie zur Dignitätsbeurteilung ermöglicht. Durch die Endosonographie lassen sich intramurale Befunde den Wandschichten zuordnen.
Diagnostik: Die Endoskopie ist nicht nur in der Lage, die Lokalisation des Befundes zu beschreiben, sondern ermöglicht in gleicher Sitzung die Entnahme einer Biopsie zur Dignitätsbeurteilung. Ist die Schleimhaut über dem Tumor intakt, sollte die Biopsie unterbleiben, da die Trefferquote dann sehr gering ist und der Tumor ohnehin entfernt werden muss. Aus diesem Grunde stellt sie vor der Röntgenbreischluckuntersuchung die Untersuchungsmethode der Wahl dar. Die Endosonographie ermöglicht darüber hinaus bei intramuralen Prozessen die exakte Zuordnung des Tumors zu den einzelnen Wandschichten.
Therapie: Die Entfernung des Tumors ist zur sicheren Abgrenzung zu Malignomen stets indiziert. Wenn möglich, sollte eine endoskopische Abtragung angestrebt werden. Ist diese nicht möglich, erfolgt eine Ausschälung des Tumors über eine Thorakotomie oder Thorakoskopie.
Therapie: Die Entfernung des Tumors ist stets indiziert, da nur durch die histologische Untersuchung des gesamten Tumors eine sichere Abgrenzung zu malignen Veränderungen möglich ist. Wenn möglich, sollte eine endoskopische Abtragung angestrebt werden. Ist diese nicht zu realisieren, so lässt der Tumor sich in den meisten Fällen über eine Thorakotomie oder Thorakoskopie ohne Eröffnung der Mukosa ausschälen.
Maligne Tumoren
Maligne Tumoren
Verteilung: Etwa 15 % sind im oberen, 50 % im mittleren und 35 % im unteren Ösophagusdrittel lokalisiert. Meist sind es Plattenepithel- oder entdifferenzierte Karzinome. Im distalen Drittel finden sich in ca. 30 % Adenokarzinome.
Verteilung: Ca. 5 % aller Malignome des Gastrointestinaltraktes sind im Ösophagus gelegen. Davon finden sich etwa 15 % im oberen, 50 % im mittleren und 35 % im unteren Drittel. Es handelt sich dabei meist um Plattenepithel- oder entdifferenzierte Karzinome, sehr selten um Sarkome. Im distalen Drittel finden sich in ca. 30 % Adenokarzinome.
Epidemiologie: Malignome der Speiseröhre treten bei Männern ca. 3-mal häufiger auf als bei Frauen, besonders im Alter von 50 – 60 Jahren. In China, Japan, Skandinavien, Russland und bei der schwarzen Bevölkerung Südafrikas kommen sie häufiger vor als in Mitteleuropa.
Epidemiologie: Maligne Tumoren der Speiseröhre treten bei Männern 2 – 3-mal häufiger als bei Frauen auf. Das Prädilektionsalter liegt bei 50 – 60 Jahren, wobei geographische Inzidenzunterschiede beobachtet werden können: Ösophaguskarzinome werden in China, Japan, Skandinavien, Russland und bei der schwarzen Bevölkerung Südafrikas deutlich häufiger entdeckt als z. B. in Mitteleuropa. Die Ursache für diese Unterschiede ist noch nicht geklärt.
Ätiopathogenese: Die Ätiologie des Ösophaguskarzinoms ist unbekannt. Exogene Faktoren sind Tabakabusus, der Genuss von hochprozentigen Alkoholika, heiße Getränke und kanzerogene Nahrungsbestandteile.
Ätiopathogenese: Die Ätiologie des Ösophaguskarzinoms ist unbekannt. Als exogene Faktoren, die die Entstehung eines Ösophaguskarzinoms fördern können, werden Tabakabusus, der Genuss von hochprozentigen Alkoholika, heiße Getränke und kanzerogene Nahrungsbestandteile wie z. B. Nitrosamine genannt. Chronische Refluxösophagitiden mit Endobrachyösophagusbildung, Verätzungsstrikturen, das Plummer-Vinson-Syndrom und die Achalasie stellen Präkanzerosen für das Ösophaguskarzinom dar. Besonders bemerkenswert ist, dass die Inzidenz des noch vor 30 Jahren eine Rarität darstellenden Adenokarzinoms des Ösophagus ständig steigt und aktuell die des Plattenepithelkarzinoms nahezu erreicht hat. Ursächlich wird dies im Zusammenhang mit der zivilisationsbedingten Zunahme des Barrett-Syndroms gesehen (S. 279). Das Ösophaguskarzinom wächst typischerweise zunächst innerhalb der Speiseröhrenwand und breitet sich besonders in longitudinaler Richtung intramural aus. Aufgrund der engmaschigen Versorgung der Speiseröhre mit Lymphwegen, die ebenfalls vorwiegend in Längsrichtung verlaufen, erfolgt oft frühzeitig die lymphogene Metastasierung in die zervikalen, paraösophagealen, mediastinalen und parapankreatischen Lymphknoten. Bei hämatogener Metastasierung sind meist Leber, Lunge und Skelett befallen. Zum Diagnosezeitpunkt liegen oft auch in Frühstadien des Ösophaguskarzinoms bereits Lymphknotenmetastasen vor.
Chronische Refluxösophagitiden, Verätzungsstrikturen, das Plummer-Vinson-Syndrom und die Achalasie stellen Präkanzerosen dar. Die Inzidenz des Adenokarzinoms zeigt einen anhaltenden Anstieg.
Das Ösophaguskarzinom breitet sich besonders in longitudinaler Richtung intramural aus. Es erfolgt oft frühzeitig die lymphogene Metastasierung in die paraösophagealen, mediastinalen, zöliakalen und parapankreatischen Lymphknoten. Bei hämatogener Metastasierung sind meist Leber, Lunge und Skelett befallen. Klinik: Das klassische Symptom des Ösophaguskarzinoms ist die Dysphagie, zunächst mit Schluckstörungen für feste Speisen, später auch für Flüssigkeiten. 왘 Merke
Klinik: Das klassische Symptom des Ösophaguskarzinoms ist die zunehmende Dysphagie, zunächst mit Schluckstörungen für feste Speisen, später auch für Flüssigkeiten. Die Dysphagie wird als Spätsymptom gewertet, auch wenn sie meist das erste Symptom überhaupt darstellt. 왘 Merke. Dysphagie ist meist schon ein Spätsymptom des Ösophaguskarzi-
noms, da bereits eine Infiltration der muskulären Ösophaguswand vorliegt.
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B 1.2 Ösophagus
B-1.10
TNM-Klassifikation des Ösophaguskarzinoms
Einteilung
Definition
Tis T1 T2 T3 T4 N0 N1 M0 M1
Carcinoma in situ Tumor infiltriert Lamina propria oder Submukosa Tumor infiltriert Muscularis propria Tumor infiltriert Adventitia Tumorinfiltration von Nachbarstrukturen kein Lymphknotenbefall Befall regionaler Lymphknoten keine Fernmetastasen Fernmetastasen (auch zervikale oder zöliakale Lymphknoten)
왘 Klinischer Fall. In der Sprechstunde erscheint ein 48 Jahre alter Mann mit deutlich redu-
291 B-1.10
왗 Klinischer Fall
ziertem Allgemein- und Ernährungszustand. Er gibt an, seit kurzem nicht mehr richtig essen zu können, die Speise würde nach kurzer Zeit wieder regurgitiert, ohne dass dabei ein saurer Geschmack im Mund auffällt. Bei genauer Anamneseerhebung stellt sich heraus, dass bereits 1 Jahr zuvor das Schlucken von Fleisch nicht mehr möglich war und der Patient auf passierte Kost umgestiegen war. Seit mehreren Monaten ernähre er sich nur noch von Suppen, habe aber seit kurzem auch Schwierigkeiten, diese zu schlucken. Schmerzen werden verneint, lediglich nach dem Essen würde ein vorübergehendes Druckgefühl retrosternal auftreten. Die daraufhin durchgeführte Ösophagoskopie ergibt ein stenosierendes Ösophaguskarzinom im mittleren Drittel.
Diagnostik: Die diagnostische Methode der Wahl ist die Endoskopie (Abb. B-1.42). Durch Stufenbiopsien im Rahmen der diagnostischen Endoskopie lassen sich intramuköse Tumoranteile, die auch durch intakte Schleimhaut von der Haupttumormasse getrennt sein können und der radiologischen Diagnostik entgehen, erkannt werden. Ist der Ösophagustumor endoskopisch noch passierbar, so ist die Endosonographie zur Beurteilung der intra- und extramuralen Tumorausdehnung sowie zur Darstellung paraösophagealer Lymphknoten die aussagefähigste diagnostische Methode (Abb. B-1.42). Sie ist in der Lage, den Tumor im Rahmen des präoperativen Stagings mit hoher Genauigkeit nach dem TNM-System einzuteilen. Die Suche nach lymphogenen und hämatogenen Fernmetastasen sollte durch Computertomographie von Thorax und Oberbauch erfolgen. Besteht der Verdacht, dass das Tracheobronchialsystem infiltriert ist, so muss zusätzlich eine Bronchoskopie durchgeführt werden.
Diagnostik: Die Endoskopie ist die Methode der Wahl (Abb. B-1.42). Durch Stufenbiopsien können intramuköse Tumoranteile, die von der Haupttumormasse getrennt sind und der radiologischen Diagnostik entgehen, erkannt werden. Die Endosonographie dient zur Beurteilung der lokalen Tumorausdehnung und des Lymphknotenbefalls (Abb. B-1.42). Durch die Computertomographie werden dagegen lymphogene und hämatogene Fernmetastasen gesucht. Besteht der Verdacht, dass das Tracheobronchialsystem infiltriert ist, so ist zusätzlich eine Bronchoskopie vorzunehmen.
Therapie – Allgemeines: Das Ziel jeder therapeutischen Bemühung sollte in erster Linie die Heilung des Patienten sein. In zweiter Linie ist die rasche Wiederherstellung der Schluckfähigkeit des Patienten anzustreben, um eine weitgehend normale Ernährung zu gewährleisten, selbst wenn eine Heilung nicht mehr möglich erscheint. Im Prinzip besteht bei jedem Patienten mit einem Ösophaguskarzinom die Indikation zu einer radikalen operativen Therapie (Abb. B-1.42). Keine Indikation zur operativen Behandlung sehen die meisten Zentren bei Infiltrationen in Nachbarorgane (T4-Stadien) und diffuser Fernmetastasierung (M1-Stadien), da in diesen Fällen eine Ösophagusresektion nicht mehr in kurativer Intention durchgeführt werden kann. Zusätzlich ist der Eingriff als reine palliative Operation eine zu große Belastung/Risiko in Bezug auf die zu erwartende kurze Überlebenszeit der Patienten. In diesen Fällen wird palliativ eine Radiochemotherapie durchgeführt.
Therapie – Allgemeines: Primäres Ziel jeder Therapie sollte die Heilung des Patienten sein. In zweiter Linie ist die rasche Wiederherstellung der Schluckfähigkeit des Patienten anzustreben. Kann keine kurative Resektion erreicht werden, ist auf die Operation zu verzichten und eine Radiochemotherapie durchzuführen (Abb. B-1.42).
Kurative Therapie: Operative Therapie: Da sich das Ösophaguskarzinom intramural besonders in longitudinaler Richtung ausbreitet, ist für eine radikale Resektion ein Sicherheitsabstand von mindestens 6 – 10 cm notwendig. Daraus ergibt sich, dass heute der Ösophagus praktisch immer subtotal reseziert wird. Wegen der häufig auch schon bei frühen Tumorstadien vorliegenden Lymphknotenmetastasen wird in gleicher Sitzung eine radikale Lymphadenektomie vorgenommen. Die Kontinuität der Speisepassage wird dabei durch
Kurative Therapie: ■ Operative Therapie: Zur Kuration eines Ösophaguskarzinoms muss eine Resektion mit einem Sicherheitsabstand von mindestens 6 – 10 cm durchgeführt werden. Deshalb wird der Ösophagus praktisch immer subtotal reseziert. In gleicher Sitzung erfolgt eine radikale Lymphadenektomie. Die Kontinuität wird durch einen
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B 1 Viszeralchirurgie
292 B-1.42
Plattenepithelkarzinom des Ösophagus
c
b
a
a T2-Plattenepithelkarzinom des Ösophagus mit einer Stärke von 1,2 cm in der Endosonographie (↔). b Endoskopiebild eines distalen Ösophaguskarzinoms (K) mit leichter Blutung. c Ösophaguskarzinom: intrathorakale Mobilisation und Lymphadenektomie mit Freilegung der Aorta (A). d Magenschlauch von abdominell vor dem Hochzug zum Ersatz des resezierten Ösophagus. e Ösophagusresektat mit anhängenden Lymphknoten (L) sowie dem kleinkurvaturseitigen proximalen Magen.
d
e
Magenhochzug oder eine Koloninterposition (selten) mit intrathorakaler oder kollarer Anastomose erreicht (Abb. B-1.43). Der Ösophagusersatz lässt sich im Thorakalbereich im ehemaligen Ösophagusbett, retrosternal oder prästernal-subkutan positionieren. Der Verlauf außerhalb des ehemaligen Ösophagusbettes soll die Gefahr einer erneuten Speisepassagebehinderung durch einen Rezidivtumor reduzieren. Um eine Magenentleerungsstörung nach trunkulärer Vagotomie zu vermeiden, sollte eine Pyloroplastik durchgeführt werden. ■
Adjuvante oder neoadjuvante Therapie: Zusätzlich zur operativen Therapie kann neoadjuvant oder adjuvant eine Radiooder Radiochemotherapie durchgeführt werden.
Palliative Therapie: Bei weit fortgeschrittenem Tumorstadium oder deutlich reduziertem Allgemeinzustand ist eine radikale Ösophagusresektion mit Lymphadenektomie nicht mehr möglich. Dann sollte die Wiederherstellung der Nahrungspassage oder – falls
■
Magenhochzug nach Bildung eines Magenschlauches mit intrathorakaler oder kollarer Anastomose oder eine Koloninterposition (selten) mit Anastomosen im zervikalen Anteil der Speiseröhre (kollare Anastomose) sowie am distalen Magenrest erreicht (Abb. B-1.43). Der Ösophagusersatz lässt sich an unterschiedlichen Stellen im Thorakalbereich positionieren. Die beste Lokalisation ist die Lage im ehemaligen Ösophagusbett. Um die Möglichkeit einer Passagebehinderung durch einen Rezidivtumor, der aus verbliebenen befallenen Lymphknoten im ehemaligen Ösophagusbett hervorgeht und sekundär erneut in den Ösophagusersatz einwachsen kann, zu reduzieren, kann in einigen Fällen die Indikation zur retrosternalen oder prästernal-subkutanen Platzierung der Ersatzspeiseröhre gestellt werden. Funktionell ist dies jedoch relativ ungünstig. Da mit der Ösophagusresektion eine trunkuläre Vagotomie durchgeführt wird, resultiert eine Magenentleerungsstörung. Aus diesem Grund sollte die Ösophagektomie immer mit einer Pyloroplastik kombiniert werden. Adjuvante oder neoadjuvante Therapie: Zusätzlich zur operativen Therapie kann neoadjuvant eine Radio- und/oder Radiochemotherapie erwogen werden. Sie sollte jedoch nur innerhalb von Studien erfolgen, da sie wegen der Datenlage nicht als Standard empfohlen werden kann. Die adjuvante Therapie soll Mikrometastasen, die bereits zum Operationszeitpunkt bestehen, eliminieren. Ob es durch solche multimodalen Behandlungskonzepte jedoch zu einer Steigerung der Heilungsrate kommt, konnte bis jetzt noch nicht eindeutig nachgewiesen werden. Aus diesem Grunde werden adjuvante Therapiekonzepte bisher nicht routinemäßig, sondern nur im Rahmen von Studienprotokollen durchgeführt.
Palliative Therapie: Bei Infiltrationen in Nachbarorgane oder diffuser Fernmetastasierung ist eine radikale Ösophagusresektion mit Lymphadenektomie mit dem Ziel der vollständigen Entfernung des Tumors nicht mehr möglich. In diesen Fällen stehen, ebenso wie bei Patienten mit deutlich reduziertem Allgemeinzustand, palliative Behandlungskonzepte zur Verfügung. Ziel dieser
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B 1.2 Ösophagus
B-1.43
Ösophagusersatzoperationen
B-1.44
Platzierungsmöglichkeiten des Ösophagusersatzes
a Platzierung des Ösophagusersatzes im Ösophagusbett.
b Retrosternale Platzierung des Ösophagusersatzes.
Verfahren ist die Wiederherstellung der Nahrungspassage oder – falls dies nicht mehr möglich ist – die Ermöglichung einer enteralen Sondenernährung zur Verbesserung der Lebensqualität. ■ Radiotherapie: Während das Adenokarzinom im distalen Ösophagus weniger strahlensensibel ist, lässt sich durch die Strahlentherapie oft eine Remission eines Plattenepithelkarzinoms erreichen.
293
c Prästernale Platzierung des Ösophagusersatzes.
nicht mehr möglich – die Ermöglichung einer enteralen Ernährung zur Verbesserung der Lebensqualität angestrebt werden. ■
Radiotherapie: Das Adenokarzinom ist weniger strahlensensibel. Bei Plattenepithelkarzinomen lassen sich jedoch Remissionen erzielen. Die Bestrahlung kann per-
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294
B 1 Viszeralchirurgie
kutan oder in Form einer lokalen Applikation (Afterloading) durchgeführt werden (jedoch in wenigen Zentren).
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Endoskopische Lasertherapie: Hierdurch lassen sich Tumorstenosen vorübergehend beseitigen. Aufgrund von erneutem Tumorwachstum sind jedoch erneute Laserbehandlungen in regelmäßigen Intervallen notwendig (S. 242). Endoskopische Implantation von Tuben: selbstexpandierende Tuben (S. 244). Sicherstellung der enteralen Ernährung: Bei weit fortgeschrittenen Tumoren Anlage einer gastralen Ernährungsfistel (= Gastrostoma oder Witzel-Fistel) oder eines Jejunostomas, alternativ einer PEG.
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Für die Strahlentherapie stehen 2 Verfahren zur Verfügung: Die perkutane oder lokale Applikation der Strahlung, die aber auch kombiniert angewandt werden können. Besonders die perkutane Applikation von schnellen Neutronen oder die Bestrahlung in Form von einem endoluminalen Afterloading (Einführung einer Afterloadingsonde in den Ösophagus und Bestrahlung von innen; wenige Zentren) erbringen mitunter gute Remissionsergebnisse: Endoskopische Lasertherapie: Durch eine endoskopische Lasertherapie (Abtragung von stenosierenden Tumoranteilen unter endoskopischer Sicht mittels eines Lasers) lassen sich Tumorstenosen vorübergehend partiell beseitigen. Ein Nachteil dieses Verfahrens ist die Tatsache, dass es aufgrund von neuem Tumorwachstum zu Rezidivstenosen kommt, sodass die Laserbehandlungen in regelmäßigen Intervallen wiederholt werden müssen (S. 242). Endoskopische Implantation von Tuben in maligne Ösophagusstenosen (s. selbstexpandierende Tuben, die aus einem Gitterdrahtgeflecht bestehen [S. 244] und das Lumen offen halten). Sicherstellung der enteralen Ernährung: Bei weit fortgeschrittenen Tumoren durch Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG), durch operative Anlage einer gastralen Ernährungsfistel (= Gastrostoma oder WitzelFistel) oder eines Jejunostomas.
Chemotherapie: Die Chemotherapie wird neoadjuvant zur präoperativen Tumorverkleinerung und adjuvant zur Eliminierung von Mikrometastasen oder zur Optimierung der Strahlentherapie angewandt.
Chemotherapie: Die Chemotherapie wird neoadjuvant zur präoperativen Tumorverkleinerung und adjuvant zur Eliminierung von Mikrometastasen oder zur Zellsynchronisation angewandt. Ziel dieses adjuvanten Ansatzes ist es, möglichst viele Tumorzellen gleichzeitig in strahlensensible Zellzyklusstadien zu transferieren, um den Erfolg der Strahlentherapie zu optimieren.
Komplikationen: Typische Frühkomplikationen sind die Anastomoseninsuffizienz und Interponatnekrose, evtl. mit Ausbildung enterokutaner oder enterotrachealer Fisteln, Mediastinitis und Bronchopneumonie.
Komplikationen: Durch Zirkulationsstörungen kann eine Anastomoseninsuffizienz auftreten, die zur Ausbildung von enterokutanen oder enterotrachealen Fisteln und Mediastinitis führen kann. Im weiteren Verlauf kann eine Bronchopneumonie entstehen. Erfolgt die Anastomosierung nicht spannungsfrei oder ist die Gefäßversorgung des Interponats gestört, so kann es zu einer Interponatnekrose mit Mediastinitis, Peritonitis und Sepsis kommen. Die Anastomosenstenose – sowohl durch narbige Schrumpfung als auch nach Bestrahlung oder Anastomoseninsuffizienz – ist eine typische Spätkomplikation der Ösophagusresektion, die meist mittels endoskopischer Bougierung behandelt wird.
Die Anastomosenstenose ist eine typische Spätkomplikation.
Prognose: Die mittlere Überlebenszeit von Patienten mit Ösophaguskarzinom ohne Therapie liegt bei etwa 6 – 12 Monaten nach Diagnosestellung. Nach radikaler Operation beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate nur 10 – 15 %. Die Letalität einer radikalen Ösophagusresektion ist im Bereich von 10 – 15 % anzusiedeln.
Prognose: Die spontane mittlere Überlebenszeit von Patienten mit Ösophaguskarzinom liegt ohne Therapie bei etwa 6 – 12 Monaten nach Diagnosestellung. Da die meisten Karzinome jedoch erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert werden, liegt selbst bei radikaler Tumorentfernung die 5-Jahres-Überlebensrate nur bei ca. 10 – 15 %. Die Letalität einer radikalen Ösophagusresektion ist an Zentren in einem Bereich von ca. 5 % anzusiedeln. Eine Verbesserung der Prognose lässt sich momentan nur durch eine verbesserte Früherkennung erhoffen, sodass mehr Patienten bereits im symptomfreien Stadium erfasst und therapiert werden können.
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B 1.3 Zwerchfell
1.3
Zwerchfell
295 1.3
Zwerchfell
Horst Schaube, Mathias Löhnert
1.3.1 Anatomie
1.3.1 Anatomie
왘 Definition. Das kuppelförmige Zwerchfell trennt Thorax und Abdomen in
왗 Definition
funktionell und räumlich abgegrenzte Einheiten. Durch präformierte Lücken treten Gefäße, Nerven und Organe hindurch. Das Zwerchfell besteht aus einer Muskelsehnenplatte, die am Rippenbogen (Pars costalis), den ersten 3 Lendenwirbelkörpern (Pars lumbalis) und dem Brustbein (Pars sternalis) ansetzt und im Zentrum auf beiden Seiten des Zwerchfells in eine Sehnenplatte – auch Centrum tendineum genannt – übergeht. Die motorische Innervation erfolgt über den N. phrenicus. Direkt prävertebral in der Pars lumbalis befindet sich eine muskelfreie Lücke als Durchtrittspforte für die Aorta (Hiatus aorticus) und den Ductus thoracicus. Dieser Aortenschlitz ist von einem Sehnenbogen (Lig. arcuatum medianum) umrandet, damit bei Zwerchfellkontraktionen das Aortenlumen nicht eingeengt werden kann. Ventral des Hiatus aorticus tritt der Ösophagus zusammen mit den Vagusstämmen durch den Hiatus oesophageus in das Abdomen über, während die V. cava im Centrum tendineum rechts paramedian im Foramen v. cavae verläuft. Die V. cava wird dabei durch Sehnenbündel, die zum Foramen ziehen, so aufgespannt, dass das Gefäßlumen dauernd offen gehalten wird. Die Durchtrittsstellen der einzelnen Nerven, Gefäße und Organe durch das Diaphragma sind aus Tab. B-1.11 ersichtlich.
B-1.11
Durchtrittsstellen durch das Zwerchfell mit den dazugehörigen Strukturen
Zwerchfelldurchtritt
Strukturen
Foramen venae cavae
V. cava inferior, R. phrenicoabdominalis des rechten N. phrenicus
Hiatus oesophageus
Ösophagus, R. phrenicoabdominalis des linken N. phrenicus, Trunci vagales anterior et posterior
Hiatus aorticus
Aorta, Ductus thoracicus
medialer Zwerchfellschenkel
V. azygos, N. splanchnicus major
Übergang zwischen medialem und lateralem Zwerchfellschenkel
Truncus sympathicus und N. splanchnicus minor
B-1.45
Anatomie des Zwerchfells
Der Hiatus aorticus wird von einem Sehnenbogen umrandet, der bei Zwerchfellkontraktionen eine Einengung des Aortenlumens verhindert. Durch den Hiatus oesophageus zieht der Ösophagus zusammen mit den Vagusstämmen in das Abdomen. Die V. cava durchtritt das Centrum tendineum rechts paramedian im Foramen v. cavae. Die Durchtrittsstellen der einzelnen Nerven, Gefäße und Organe durch das Diaphragma sind aus Tab. B-1.11 ersichtlich.
B-1.11
B-1.45
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296
Am Übergang von der Pars lumbalis zur Pars costalis liegt das Bochdalek-Dreieck. Das muskelfreie Areal am Übergang von Pars costalis zur Pars sternalis wird Larrey-Spalte genannt (Abb. B-1.45).
B 1 Viszeralchirurgie
Zwischen den Ansatzstellen der einzelnen muskulären Zwerchfellschenkel bestehen muskelfreie Areale, die nur durch bindegewebige Platten verschlossen sind und als Locus minoris resistentiae Prädilektionsstellen für Zwerchfellhernien darstellen. Eine dieser bindegewebigen Platten befindet sich beidseits am Übergang von der Pars lumbalis zur Pars costalis und wird als Bochdalek-Dreieck bezeichnet. Das Bochdaleck-Dreieck grenzt distal direkt an den oberen Nierenpol. Am Übergang von Pars costalis zur Pars sternalis entsteht ebenfalls auf beiden Seiten ein muskelfreies Areal, das Larrey-Spalte genannt wird (Abb. B-1.45).
1.3.2 Zwerchfellhernien
1.3.2 Zwerchfellhernien
Bei den Zwerchfellhernien werden angeborene, die aufgrund von Hemmungsmissbildungen, Anlageanomalien oder durch angeborene Loci minores resistentiae entstehen, von den erworbenen Formen unterschieden.
Bei den Hernienbildungen des Zwerchfells werden die Hernien, die aufgrund von Anlageanomalien oder Hemmungsmissbildungen oder durch angeborene Loci minores resistentiae entstehen (angeborene Hernien), von den erworbenen Formen unterschieden.
Angeborene Hernien
Angeborene Hernien
Angeborene Zwerchfellhernie
Angeborene Zwerchfellhernie
왘 Definition
Die Zwerchfellhernie tritt am häufigsten als lumbokostale Hernie (Bochdalek-Hernie) linksseitig auf. Die Prognose der angeborenen Hernie wird von dem Ausmaß der begleitenden Lungenhypoplasie bestimmt.
왘 Definition. Bei der angeborenen Zwerchfellhernie des Neugeborenen handelt es sich um eine Hemmungsmissbildung, die während der 8.– 10. Schwangerschaftswoche auftritt und die vollständige räumliche Abtrennung von Thoraxraum und Abdominalhöhle verhindert.
Am häufigsten ist die lumbokostale Hernie, die auch als Bochdalek-Hernie bezeichnet wird, da sie dort auftritt, wo sich bei normal ausgebildetem Zwerchfell das Bochdalek-Dreieck befindet. Sie tritt fast immer links auf, da auf der rechten Seite die Leber eine Herniation in den Thorax verhindert. Durch die Muskellücke kann es zum Durchtritt von Magen, Milz, Dünn- und Dickdarm kommen. Die angeborenen Hernien gehen oft mit einer Lungenhypoplasie einher, für deren Entstehung es z.Z. drei Theorien gibt: ■ Die Organe, die sich durch die Hernie in den Thoraxraum verlagern, komprimieren die Lunge und führen so zur Lungenhypoplasie. ■ Die Lungenhypoplasie ist eine eigenständige, synchron auftretende Fehlbildung. ■ Die Lungenhypoplasie resultiert aus einer frühen Lageveränderung der embryonalen Leberanlage. Die Prognose der angeborenen Hernie wird vom Ausmaß der begleitenden Lungenhypoplasie bestimmt.
Klinik: Das Neugeborene fällt durch Dyspnoe und Zyanose – oft schon kurz nach der Geburt beginnend – auf. Der Zustand verschlechtert sich rasch.
Klinik: Das Neugeborene fällt durch Dyspnoe und Zyanose kurz nach der Geburt auf. Der Zustand verschlechtert sich rasch, da durch das Schreien des Kindes Magen und Dünndarm zunehmend mit Luft angefüllt werden, was zu einer verstärkten Kompression der Thoraxorgane führt.
Therapie: Das Neugeborene wird auf die betroffene Seite gelagert, durch eine Magensonde wird die Luft aus dem oberen Gastrointestinaltrakt abgelassen, das Kind wird intubiert (keine Maskenbeatmung!). Anschließend sollte schnellstens der transabdominelle Bruchlückenverschluss angestrebt werden.
Therapie: Bei Verdacht auf eine angeborene Zwerchfellhernie ist das Neugeborene auf die betreffende Seite zu lagern und als Erstes eine Magensonde zu legen, um die Luft aus dem oberen Gastrointestinaltrakt ablassen zu können. Weiter vorrangige Maßnahme ist die endotracheale Intubation. Es darf keinesfalls eine Maskenbeatmung durchgeführt werden. Nach Ausgleich der Azidose sollte schnellstens der transabdominelle Bruchlückenverschluss angestrebt werden (vgl. S. 1057).
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B 1.3 Zwerchfell
Bochdalek-Hernie
297 Bochdalek-Hernie
왘 Synonym. Lumbokostale Hernie
왗 Synonym
왘 Definition. Bei dieser Form der Bochdalek-Hernie handelt es sich um eine Hernienbildung meist durch das linke Trigonum lumbocostale, die jedoch im Gegensatz zur Neugeborenen-Form kleiner ist und sich auf das Bochdalek-Dreieck beschränkt. Sie tritt meist erst im späteren Kindes- oder auch im Erwachsenenalter auf.
왗 Definition
Je nach Größe der Bruchlücken kommt es zu Einklemmungsbeschwerden oder Tachykardie und Dyspnoe durch Kompression der Thoraxorgane. Therapie: Operativer Bruchlückenverschluss bei insgesamt guter Prognose:
Typisch sind Einklemmungsbeschwerden oder Tachykardie und Dyspnoe durch Kompression der Thoraxorgane. Therapie: Operativer Bruchlückenverschluss.
Morgagni-Hernie
Morgagni-Hernie
왘 Synonym. Larrey-Hernie, parasternale Hernie, retrosternale Hernie
왗 Synonym
왘 Definition. Die Morgagni-Hernie entsteht durch eine Erweiterung des muskelfreien Larrey-Dreiecks zur Bruchpforte, durch die Abdominalorgane in den Thorax eintreten können. Sie tritt meistens im Erwachsenenalter auf, Frauen sind häufiger als Männer betroffen.
왗 Definition
Klinik: Die klinischen Beschwerden bestehen aus retrosternalem Druckgefühl oder entsprechen denen der Bochdalek-Hernie (s.o.). Therapie: Auch bei dieser Form der Zwerchfellhernie ist der operative Bruchpfortenverschluss die Therapie der Wahl.
Klinik: Retrosternales Druckgefühl oder die Beschwerden entsprechen denen der Bochdalek-Hernie (s.o.). Therapie: Operativer Bruchpfortenverschluss.
Hiatushernien
Hiatushernien
Die Hiatushernien stellen mit ca. 90 % die häufigste Form aller Zwerchfellhernien dar. Es werden dabei 3 Formen unterschieden: ■ Axiale Gleithernie. ■ Paraösophageale Hernie. ■ Mischformen.
Die Hiatushernien stellen die häufigste Form aller Zwerchfellhernien dar. Man unterscheidet: ■ Axiale Gleithernie. ■ Paraösophageale Hernie. ■ Mischformen.
In Abb. B-1.46 wird zur Verdeutlichung der anatomischen Beziehungen der jeweilige Zustand schematisch dargestellt.
Siehe auch Abb. B-1.46.
B-1.46
Normalbefund und Formen der Hiatushernie
B-1.46
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298
B 1 Viszeralchirurgie
Axiale Hiatushernie
Axiale Hiatushernie
왘 Definition
왘 Definition. Die axiale Hernie bildet etwa 80 % aller Hiatushernien. Sie ist ein typischer Gleitbruch, das heißt, die Kardia stellt nicht einen Bruchsackinhalt, sondern einen Teil der Bruchsackwand dar. Sie entsteht durch eine Lockerung der Kardiaaufhängung, die ein Eintreten der oberen Magenanteile in das hintere Mediastinum ermöglicht.
Die kardiofundale Fehllage ist eine Vorstufe der axialen Hernie, bei der der His-Winkel größer als 90 ° wird (Abb. B-1.46).
Als kardiofundale Fehllage wird eine Vorstufe der axialen Hernie bezeichnet, die durch eine beginnende Insuffizienz der ligamentären Kardiafixierung zu einem stumpfen His-Winkel (4 90 °) führt (Abb. B-1.46). Als His-Winkel wird dabei der Winkel zwischen dem intraabdominellen Abschnitt des Ösophagus und des Magenfundus bezeichnet.
Epidemiologie: Meist bei Patienten älter als 50 Jahre und meist bei Frauen. Als begünstigend werden eine Adipositas und Emphysemerkrankungen angesehen.
Epidemiologie: Die meisten axialen Hiatushernien finden sich bei Patienten älter als 50 Jahre, und bei Frauen. Als begünstigend werden eine Adipositas und Emphysemerkrankungen angesehen, da hierdurch die Lockerung der Kardiaaufhängung im Bereich des Hiatus oesophageus verstärkt wird.
Klinik: 60 – 70 % der Patienten mit nachgewiesener axialer Hiatusgleithernie sind asymptomatisch. Bei ca. 20 % treten Sodbrennen, retrosternale Schmerzen, Dysphagie, Anämie und Schmerzzunahme im Liegen als Zeichen einer Refluxkrankheit auf. In 10 % der Fälle bestehen retrosternale Beschwerden durch mechanische Reizung. Bei 30 – 40 % der Patienten besteht eine Koinzidenz von Cholelithiasis und axialer Hiatusgleithernie.
Klinik: 60 – 70 % der Patienten mit endoskopisch oder radiologisch nachgewiesener axialer Hiatusgleithernie sind asymptomatisch. Bei 20 % werden die klinisch führenden Symptome (Sodbrennen, retrosternale Schmerzen, Dysphagie, Anämie und Schmerzzunahme im Liegen) durch eine Refluxkrankheit ausgelöst (S. 278). Bei diesen Patienten lässt sich im Rahmen einer Ösophagusmanometrie oder einer pH-Metrie eine Insuffizienz des unteren Ösophagussphinkters und ein gastroösophagealer Reflux nachweisen. In 10 % der Fälle treten retrosternale Beschwerden, die im Rahmen einer mechanischen Reizung durch die im Mediastinum befindliche unphysiologische Raumforderung ausgelöst werden, in den Vordergrund. Bei 30 – 40 % der Patienten besteht eine Koinzidenz von Cholelithiasis und axialer Hiatusgleithernie.
Diagnostik: Diagnosesicherung durch Gastroskopie oder Röntgenkontrastmitteluntersuchung des oberen Magen-DarmTraktes. Therapie: Asymptomatische Hernien sind nicht therapiebedürftig. Bei Refluxbeschwerden ist ein konservativer Therapieversuch indiziert (S. 280).
Diagnostik: Axiale Hiatushernien und deren Komplikationen (Refluxösophagitis, mechanische Irritation) lassen sich durch eine Gastroskopie oder eine Röntgenkontrastmitteluntersuchung des oberen Magen-Darm-Traktes nachweisen.
왘 Merke
왘 Merke. Da nur 30 – 40 % aller Hiatushernien klinische Beschwerden verursachen, ist auch nur bei jeder 3.– 4. Hiatushernie eine Therapie indiziert.
Als operative Verfahren kommen bei Therapieversagern oder rezidivierenden mechanischen Irritationen die Fundoplikation oder die Hiatoplastik mit Fundopexie infrage.
B-1.47
Therapie: Asymptomatische Hernien sind nicht therapiebedürftig. Treten refluxbedingte Beschwerden auf, so sollte zunächst wie bei der Refluxkrankheit ein konservativer Therapieversuch unternommen werden (S. 280).
Bei therapieresistenten Refluxbeschwerden oder rezidivierend auftretenden mechanischen Irritationen ist eine operative Intervention im Sinne einer Fundoplikation (S. 281) oder eine operative Einengung des vergrößerten Hiatus oesophageus (Hiatoplastik) zusammen mit einer Rekonstruktion des His-Winkels (Fundopexie) sinnvoll.
Endoskopisches Bild einer rein axialen Hernie a Endoskopisches Bild einer rein axialen Hernie (H) b Normale Z-Linie am Oesophagogastralen Übergang c Zungenförmig nach oral vorwachsende Barrett-Schleimhaut
a
b
c
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B 1.3 Zwerchfell
Paraösophageale Hernie
299 Paraösophageale Hernie
왘 Definition. Bei der paraösophagealen Hernie handelt es sich um einen echten
왗 Definition
Bruch, da es zur Ausbildung eines Bruchsacks mit Peritonealüberzug kommt. Die Kardia befindet sich bei dieser Hernienform an regelrechter Stelle, ihre Fixierung und somit auch der His-Winkel sind intakt. Der Bruch wird von Magenanteilen – meist dem Fundus – gebildet, die zusammen mit dem peritonealen Überzug neben dem Ösophagus in die Thoraxhöhle prolabieren (Abb. B-1.46, Abb. B-1.48). In seltenen Fällen gelangen durch die Bruchpforte auch die Milz, Teile vom Kolon, Dünndarm oder Netz in den Thoraxraum. Eine besondere Form der paraösophagealen Hernie stellt der Thoraxmagen (Upside-down-Stomach) dar. Hier handelt es sich um eine Extremvariante, bei der der Magen um seine Längsachse rotiert ist und vollständig in den Thoraxraum verlagert ist. Lediglich die Kardia befindet sich noch intraabdominell (Abb. B-1.46, Abb. B-1.49), der übrige Magenrest steht kopfüber („upsidedown“) in der Thoraxhöhle. Meistens werden paraösophageale Hernien als Zufallsbefund entdeckt. Sie sind häufig asymptomatisch und fallen oft erst durch eintretende Komplikationen auf.
Bei dem Upside-down-Stomach handelt es sich um eine Extremvariante, bei der der Magen um seine Längsachse rotiert ist und vollständig in den Thoraxraum verlagert ist. Lediglich die Kardia befindet sich noch intraabdominell (Abb. B-1.46, Abb. B-1.49). Paraösophageale Hernien sind häufig asymptomatisch und fallen oft erst durch eintretende Komplikationen auf.
Klinik: Bei komplikationslosem Verlauf können ein retrosternales Druckgefühl, das nach dem Essen zunimmt, Herzbeschwerden, ausgelöst durch die direkt mechanische Kompression des Herzens durch den Bruchsackinhalt, Dysphagiesymptome und vermehrtes Aufstoßen ein erster Hinweis auf das Vorliegen einer paraösophagealen Hernie sein.
Klinik: Typische Symptome sind: ■ retrosternales Druckgefühl ■ Herzbeschwerden ■ Dysphagiesymptome ■ vermehrtes Aufstoßen.
Komplikationen: Typische, wenn auch relativ seltene Komplikationen sind Schleimhauterosionen des Magens bis hin zur Ulkusentstehung im Bereich des Schnürringes im Durchtrittsbereich durch den Hiatus oesophageus, die Inkarzeration von Bruchsackinhalten, die Strangulation von hernierten Magen-DarmAbschnitten, sowie das Vollbild eines Ileus, der im Rahmen einer Strangulation entstehen kann. Im Falle von Komplikationen nehmen die klinischen Beschwerden zu, der Zustand kann sich bis zum Vollbild eines akuten Abdomens ausweiten.
Komplikationen: Falls Komplikationen eintreten (Ulkus, Inkarzeration, Strangulation, Ileus), so können sich die Beschwerden bis zum Vollbild eines akuten Abdomens ausweiten.
B-1.48
Paraösophageale Hernie
B-1.48
Röntgenkontrastmitteldarstellung des Ösophagus bei paraösophagealer Hernie: Das Kontrastmittel bildet im intrathorakalen Magenfundus einen Spiegel (?). a a.-p. b Seitlich. Z = Zwerchfell
a
b
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B 1 Viszeralchirurgie
300 B-1.49
Upside-down-Stomach
a p.-a. Thoraxaufnahme: luftgefüllte Magenblase links lateral des Herzschattens im Recessus costodiaphragmaticus (?).
b Seitliche Thoraxaufnahme: retrokardial gelegener Magen mit Spiegelbildung über flüssigem Mageninhalt (?).
Diagnostik: Beim Röntgen-Thorax kann der Verdacht bereits wegen der intrathorakalen Luftblase gestellt werden und durch eine Röntgenkontrastuntersuchung oder eine Endoskopie gesichert werden.
Diagnostik: Bei der Röntgenuntersuchung des Thorax kann die Verdachtsdiagnose bereits aufgrund der intrathorakal gelegenen Luftblase gestellt werden. Eine Diagnosesicherung erfolgt durch die Röntgenkontrastuntersuchung oder eine Endoskopie, die die intrathorakal gelegenen Magen-Darm-Abschnitte darstellen.
Therapie: Bei jeder, auch der komplikationsund beschwerdefreien paraösophagealen Hernie ist eine Operationsindikation gegeben, da auch bei unauffälligem Verlauf jederzeit die Gefahr einer schweren Komplikation besteht. Die Therapie besteht in einer ventralen Fundo- oder Gastropexie.
Therapie: Bei jeder, auch der komplikations- und beschwerdefreien paraösophagealen Hernie ist eine Operationsindikation gegeben, da auch bei unauffälligem Verlauf jederzeit die Gefahr einer schweren Komplikation besteht. Als einfachste und risikoärmste operative Vorgehensweise ist die transabdominelle Fixierung des Magens an der vorderen Bauchwand (ventrale Fundo- oder Gastropexie) zu nennen. Das Risiko eines Hernierezidives liegt bei etwa 20 %.
Mischformen
Mischformen
왘 Definition
왘 Definition. Bei den Mischformen der Hiatushernien handelt es sich um das gleichzeitige Vorliegen einer axialen Gleithernie und einer paraösophagealen Hernie (Abb. B-1.46). Die Kardia befindet sich aufgrund einer Insuffizienz ihrer Haltestrukturen intrathorakal, der His-Winkel ist stumpf.
Gleichzeitig sind neben der Kardia weitere Anteile des Magens oder andere intraabdominelle Organe durch den Hiatus in den Thoraxraum eingetreten. Therapie: Mischformen müssen operiert werden. Das operative Vorgehen entspricht einer Kombination aus dem Vorgehen bei Gleithernien und paraösophagealen Hernien.
Therapie: Alle Mischformen der Hiatushernien stellen eine Indikation zur operativen Intervention dar, da durch den paraösophagealen Hernienanteil eine Inkarzerationsgefahr gegeben ist. Die operative Therapie entspricht der kombinierten Vorgehensweise wie beim Vorliegen von Gleithernien und paraösophagealen Hernien.
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B 1.3 Zwerchfell
B-1.50
301
Hiatushernien
c
b
a
a b c d
d
B-1.51
a
c
Röntgendarstellung der Endoskopposition in Inversion, endoskopischer Befund bei: axialer Hiatushernie (A): die Kardia umschließt nicht vollständig das Endoskop axialer und paraösophagealer Hernie (PÖ) Röntgendarstellung des Befundes (Schirmbildaufnahme deshalb Kontrastumkehr (H = Hernie)
Laparoskopische Fundoplikatio
b
a Durchzug des Fundus dorsal des Ösophagus b Bildung der Manschette mit Einzelknopfnähten um den distalen Ösophagus c hintere Hiatoplastik: Adaptation der Zwerchfellschenkel
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302
B 1 Viszeralchirurgie
1.3.3 Zwerchfellruptur
1.3.3 Zwerchfellruptur
왘 Definition
왘 Definition. Eine plötzlich auftretende abrupte intraabdominelle Druckerhö-
hung kann zur Ruptur des Zwerchfells und zu einem Prolaps von Baucheingeweiden durch die so entstandene Lücke in den Thorax hinein führen. Ätiologie: Die häufigste Ursache ist ein stumpfes Bauchtrauma. Seltener kommen perforierende oder penetrierende Verletzungen oder stumpfe Thoraxtraumen als Auslöser infrage.
Ätiologie: Die häufigste Ursache solcher Druckerhöhungen ist ein stumpfes Bauchtrauma. Seltener kommen perforierende oder penetrierende Verletzungen wie etwa durch Schuss- oder Stichverletzungen oder stumpfe Thoraxtraumen als Auslöser infrage.
Pathogenese: Die traumatische Zwerchfellruptur tritt in 95 % der Fälle links auf. Eine beidseitige Ruptur ist extrem selten. Die Rupturstelle liegt meist im Centrum tendineum oder am Übergang vom muskulären zum sehnigen Anteil der Zwerchfellplatte. Aufgrund des negativen intrathorakalen Drucks kommt es zum Vorfall von Bauchorganen (Milz, Magen, Netz, Dünndarm, Kolon, selten auch von Leberanteilen) in die Thoraxhöhle.
Pathogenese: Die traumatische Zwerchfellruptur tritt in 95 % der Fälle links auf, da die Leber bei stumpfen Traumen stoßdämpfend wirkt. Eine beidseitige Ruptur ist extrem selten. Die Rupturstelle liegt dort, wo der Widerstand gegen die Druckerhöhung am geringsten ist (Locus minoris resistentiae), im Centrum tendineum oder am Übergang vom muskulären zum sehnigen Anteil der Zwerchfellplatte. Aufgrund des negativen intrathorakalen Drucks kommt es zum Vorfall von Bauchorganen (Milz, Magen, Netz, Dünndarm, Kolon, selten auch von Leberanteilen) in die Thoraxhöhle. Da bei der Zwerchfellruptur nicht nur der muskuläre und sehnige Anteil des Zwerchfells zerreißt, sondern auch der Peritonealüberzug zerstört wird, liegt hierbei keine Hernie sondern ein Prolaps vor. Die traumatische Zwerchfellruptur gehört zu den Unfallfolgen, die am häufigsten übersehen werden. Als Ursache hierfür können zwei Umstände angeführt werden: Zum einen kann die Ruptur selbst symptomarm verlaufen und der Prolaps von Bauchorganen sich erst langsam entwickeln. Zum anderen stehen bei den meist polytraumatisierten Patienten andere Verletzungen im Vordergrund, sodass die Zwerchfellruptur in der primären Notfalldiagnostik nicht erkannt wird.
Die traumatische Zwerchfellruptur gehört zu den Unfallfolgen, die am häufigsten übersehen werden, da die Ruptur selbst symptomarm verlaufen kann und sich der Prolaps von Bauchorganen langsam entwickelt. Die Symptomatik wird zudem meist durch schwere Begleitverletzungen überlagert.
왘 Merke
왘 Merke. Bei Patienten, die ein schweres linksseitiges abdominelles, thorakales oder thorakoabdominelles Trauma erlitten haben, muss stets eine Zwerchfellruptur ausgeschlossen werden.
Klinik: Der Organprolaps entsteht innerhalb von wenigen Minuten bis hin zu mehreren Tagen nach dem Trauma. Akute klinische Beschwerden, die als Komplikation auftreten können, sind: ■ kardiale Arrhythmien ■ Dyspnoe ■ intraabdominelle Blutungen ■ Ileus ■ gastrointestinale Blutungen.
Klinik: Der Organprolaps entsteht innerhalb von wenigen Minuten bis hin zu mehreren Tagen nach dem Trauma. Akute klinische Beschwerden werden meist durch die Verdrängung von Cor oder Pulmo in Form von Arrhythmien oder Dyspnoe ausgelöst. Außerdem kann es durch das Trauma zu Verletzungen von Milz, Mesenterialgefäßen oder Leber, die in den Thorax prolabieren, bzw. zu intraabdominellen Blutungen kommen. Seltener tritt durch eine Inkarzeration der prolabierten Organe ein Ileus oder eine gastrointestinale Blutung ein.
Bei übersehenen Zwerchfellrupturen kommt es zu uncharakteristischen Beschwerden (Schmerzen, Völlegefühl, Dyspnoe).
Primär übersehene Zwerchfellrupturen manifestieren sich in Form von uncharakteristischen Beschwerden wie retrosternalen Schmerzen, Völlegefühl oder Dyspnoe.
Diagnostik: Ein tympanitischer (luftgefüllter Magen oder Kolon) oder gedämpfter Klopfschall, Darmgeräusche im Thorax sowie abgeschwächte Atemgeräusche können erste Hinweise auf eine Zwerchfellruptur geben.
Diagnostik: Bereits die gründliche klinische Untersuchung kann erste Hinweise auf eine Zwerchfellruptur geben: Bei der Perkussion des Thorax kann es je nach prolabiertem Organ zu einem tympanitischen (luftgefüllter Magen oder Kolon) oder gedämpften Klopfschall (Milz, Leber) kommen. Auskultatorisch können evtl. Darmgeräusche im Thorax oder abgeschwächte Atemgeräusche wahrgenommen werden. In der Röntgenuntersuchung des Thorax fällt eine unscharfe Begrenzung der betroffenen Zwerchfellkuppe auf. Zusätzlich können basale Verschattungen oder intrathorakale Dünndarmspiegel zu sehen sein (Abb. B-1.52). Die Diagnose eines Enterothorax kann durch eine Kontrastmittelröntgenuntersuchung (MDP) verifiziert werden, während Verlagerungen von Milz oder Leber oft sonographisch darstellbar sind. Die Computertomographie (CT) bringt in unklaren Fällen eine Klärung.
In der Röntgenübersicht des Thorax fällt eine unscharfe Begrenzung der betroffenen Zwerchfellkuppe auf, begleitet von basalen Verschattungen oder intrathorakalen Dünndarmspiegeln (Abb. B-1.52). Eine MDP, Sonographie oder eine CT sichern die Diagnostik:
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B 1.3 Zwerchfell
B-1.52
Zwerchfellruptur mit Enterothorax
303 B-1.52
Raumforderung ohne Lungenparenchymzeichnung in der linken Thoraxhöhle nach stumpfem Bauchtrauma. M = Magenfundus
Therapie: Bei der Behandlung der zumeist polytraumatisierten Patienten steht zuerst die Schockbekämpfung im Vordergrund. Zur Vermeidung einer zunehmenden Kompression von Herz und Lunge durch Luft, die durch die Beatmung in den Magen gelangen kann, ist eine Dekompression mit einer Magensonde angezeigt. 왘 Merke. Bei Thoraxverletzungen sollte eine blinde Pleurapunktion oder Bülau-Drainage nur bei Verdacht auf einen Spannungspneumothorax durchgeführt werden, ehe durch eine Röntgen-Thoraxübersichtsaufnahme eine Zwerchfellruptur ausgeschlossen ist. Nur so lässt sich eine iatrogene Perforation von in den Thorax prolabierten Magen-Darm-Anteilen sicher vermeiden.
Therapie: Bei der Behandlung der zumeist polytraumatisierten Patienten steht zuerst die Schockbekämpfung und Dekompression des luftgefüllten Magens durch eine Magensonde im Vordergrund. 왗 Merke
Ist der klinische Verdacht auf eine Zwerchfellruptur durch weitere Untersuchungen erhärtet worden, so ist nach Kreislaufstabilisierung eine Explorativlaparotomie indiziert. Neben der Reposition der prolabierten Organe und Verschluss der Ruptur durch primäre Naht ist eine Exploration des gesamten Abdomens zur Erkennung und Behandlung weiterer intraabdomineller Verletzungen notwendig.
Die operative Therapie besteht in einer Explorativlaparotomie mit Reposition der prolabierten Organe, Verschluss der Ruptur und Exploration des gesamten Abdomens.
1.3.4 Relaxatio diaphragmatica
1.3.4 Relaxatio diaphragmatica
왘 Definition. Unter einer Relaxatio diaphragmatica versteht man die extreme
왗 Definition
Erschlaffung einer Zwerchfellhälfte mit konsekutivem hochgradigem Zwerchfellhochstand. Die angeborene Form lässt sich auf eine Defektmissbildung meist des N. phrenicus zurückführen. Die erworbenen Formen beruhen auf einer – wahrscheinlich degenerativen – Gefügedilatation des Zwerchfells mit einem bis zur Aufhebung der Kontraktilität reichenden Muskeltonusverlust des Zwerchfells. Dieses führt zu einer massiven Überdehnung und paradoxen Zwerchfellatmungsbewegungen. Bei der Relaxation ist der Zwerchfellhochstand meist ausgeprägter als bei einer gleichseitigen Phrenikusparese, da bei der Parese die Zwerchfellmuskulatur noch ihren Eigentonus behält. Die Relaxatio diaphragmatica tritt überwiegend auf der linken Seite auf.
Die angeborene Form lässt sich auf eine Defektmissbildung, die erworbenen Formen auf eine Gefügedilatation des Zwerchfells zurückführen. Bei der Relaxation ist der Zwerchfellhochstand meist ausgeprägter als bei einer gleichseitigen Phrenikusparese, da bei der Parese die Zwerchfellmuskulatur noch ihren Eigentonus behält. Die Relaxatio diaphragmatica tritt überwiegend auf der linken Seite auf.
Klinik: Ca. 50 % aller Patienten sind klinisch beschwerdefrei. Als führende Symptome treten Dyspnoe, Tachypnoe, rezidivierende einseitige Pneumonien und Herzrhythmusstörungen auf. In schweren Fällen kommt es zu einer vollständigen Ausfüllung einer Pleurahöhle durch die Relaxatio, was eine Mediastinalverdrängung mit akuter kardiorespiratorischer Insuffizienz bewirken kann.
Klinik: Als führende Symptome treten auf: ■ Dyspnoe ■ Tachypnoe ■ rezidivierende einseitige Pneumonien ■ Herzrhythmusstörungen.
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304
B 1 Viszeralchirurgie
In schweren Fällen kommt es zu einer Mediastinalverdrängung mit akuter kardiorespiratorischer Insuffizienz. Durch den extremen Zwerchfellhochstand der linken Zwerchfellseite kann es zu einer übermäßigen Luftansammlung im Magen mit Überblähung der Magenblase und der linken Kolonflexur kommen. Die Relaxatio diaphragmatica ist differenzialdiagnostisch oft schwer von Zwerchfellrupturen zu trennen. Therapie: Operation (Zwerchfellraffung oder Implantation von alloplastischem Material), wenn kardiopulmonale Komplikationen auftreten oder das subjektive Wohlbefinden des Patienten gestört ist. Rezidive sind nicht selten.
Durch den extremen Zwerchfellhochstand der (meist) linken Zwerchfellseite kann es zu einer übermäßigen Luftansammlung im Magen mit Überblähung der Magenblase und der linken Kolonflexur – ähnlich einem Roemheld-Syndrom – kommen. Im Gegensatz zum Roemheld-Syndrom ist in diesem Fall der Zwerchfellhochstand Ursache und nicht Resultat des Oberbauchmeteorismus. Die Relaxatio diaphragmatica ist differenzialdiagnostisch oft schwer von Zwerchfellrupturen zu trennen. Eine genaue Differenzierung ist meistens erst intraoperativ möglich. Therapie: Die Indikation zur Operation ist dann gegeben, wenn kardiopulmonale Komplikationen auftreten oder das subjektive Wohlbefinden des Patienten tiefgreifend gestört ist. Rezidive sind nicht selten. Als operative Verfahren kommen die transthorakale oder transabdominelle Zwerchfellraffung oder bei zu ausgedünntem Zwerchfell eine zusätzliche Verstärkung mit alloplastischem Material infrage.
1.3.5 Tumoren
1.3.5 Tumoren
Die häufigsten Tumoren des Zwerchfells sind Malignome der Nachbarorgane oder Metastasen. Die primären Zwerchfelltumoren sind sehr selten.
Die häufigsten Tumoren des Zwerchfells sind Malignome der Nachbarorgane, die das Zwerchfell per continuitatem mit einbeziehen oder Metastasen von entfernt gelegenen Tumoren. Primäre Zwerchfelltumoren sind sehr selten, wobei Malignome (Sarkome) und benigne Tumoren (Lipome, Angiome, Fibrome) in etwa gleich häufig vorkommen.
Klinik, Therapie: Die Symptome sind unspezifisch. Bei unklarer Artdiagnose erfolgt eine Explorativlaparotomie und – soweit chirurgisch radikal möglich – eine Exzision zur histologischen Abklärung.
Klinik, Therapie: Die Symptome, die von Zwerchfelltumoren hervorgerufen werden, sind unabhängig vom Tumortyp unspezifisch. So wird die Diagnose in den meisten Fällen als Zufallsbefund gestellt. Bei einem generalisierten Tumorleiden wird meistens auf eine Therapie verzichtet, während bei unklarer Artdiagnose eine Explorativlaparotomie und – soweit chirurgisch radikal möglich – eine Exzision zur histologischen Abklärung vorgenommen wird. Die Prognose ist abhängig von der Histologie und dem Tumorstadium.
1.4
Magen und Duodenum
1.4
Magen und Duodenum Peter Würl, Mathias Löhnert, Horst Schaube, Hinnerk Gebhardt
1.4.1 Anatomie und Physiologie
1.4.1 Anatomie und Physiologie
Topographische Anatomie des Magens
Topographische Anatomie des Magens
Der Magen besteht aus Kardia, Fundus, Korpus, Antrum und Pylorus (Abb. B-1.53). Die Wand baut sich aus Serosa, Muscularis propria, Submukosa und Mukosa auf. Im Fundus und Korpus finden sich Beleg- und Hauptzellen, in der Kardia und im Antrum Nebenzellen, im Antrum auch G-Zellen. Arterien: Der Magen wird an der kleinen Kurvatur aus den Aa. gastricae sinistra et dextra, an der großen Kurvatur über die Aa. gastroepiploicae sinistra et dextra versorgt. Venen: Der Blutabfluss erfolgt über gleichnamige Venen in die V. portae. Über die Rr. gastrici breves besteht an den proximalen Abschnitten der großen Kurvatur eine Verbindung zur V. lienalis. Über die Venen der Magenwand besteht die Verbindung zu den Venen des Ösophagus.
Der Magen wird anatomisch/funktionell in 5 Abschnitte eingeteilt: Kardia, Fundus, Korpus, Antrum und Pylorus (Abb. B-1.53). Die Magenwand besteht – von außen nach innen – aus Serosa, Muscularis propria, Submukosa und Mukosa. Im Fundus und Korpus finden sich in der Mukosa Belegzellen und Hauptzellen, in der Kardiaregion und dem Antrum Nebenzellen und im Antrum zusätzlich G-Zellen. Arterielle Blutversorgung: Sie erfolgt an der kleinen Kurvatur über die Aa. gastricae sinistra et dextra, an der großen Kurvatur über die Aa. gastroepiploicae sinistra et dextra. Venöser Blutabfluss: Dieser wird über gleichnamige Venen hauptsächlich in die V. portae gewährleistet. An den proximalen Abschnitten der großen Kurvatur erfolgt der Abfluss über die Rr. gastrici breves zur V. lienalis. Über die Venen der Magenwand besteht die Verbindung zu den Venen des Ösophagus. Hierdurch kann es bei portaler Hypertension zur Ausbildung von sog. Fundusvarizen kommen, die ebenso wie Ösophagusvarizen ein Zeichen der venösen Druckerhöhung sind.
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B 1.4 Magen und Duodenum
305
Lymphabfluss: Er erfolgt zunächst über subserös gelegene Lymphbahnen, die sich in 4 magennahe Lymphknotengruppen drainieren: ■ Lymphknoten an der proximalen kleinen Kurvatur und Kardia. ■ Lymphknoten an der distalen kleinen Kurvatur. ■ Lymphknoten an der unteren großen Kurvatur. ■ Lymphknoten an der oberen großen Kurvatur.
Lymphabfluss: Die regionären Lymphknoten des Magens werden in 4 Gruppen zusammengefasst: ■ Proximale kleine Kurvatur. ■ Distale kleine Kurvatur. ■ Distale große Kurvatur mit Pylorus. ■ Proximale große Kurvatur mit Milzhilus.
B-1.53
Anatomie von Magen und Duodenum
Von hier aus bestehen innige Verbindungen zu zöliakalen, hepatischen, suprapankreatischen, linealen, paraaortalen, mesenterialen und mediastinalen Lymphknotenstationen.
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306
B 1 Viszeralchirurgie
Nervale Versorgung: Sie erfolgt sympathisch über das Ganglion coeliacum, parasympathisch direkt über den N. vagus. Die Trunci vagales treten durch den Hiatus oesophagei in den Bauchraum ein und geben die Rr. hepatici und Rr. antrales (Latarjet) ab.
Nervale Versorgung: Sie erfolgt sympathisch über das Ganglion coeliacum. Parasympathisch wird der Magen direkt vom N. vagus stimuliert, wobei eine Vagusstimulation eine vermehrte Sekretion von Magensaft und Motorik des Magen- und Darmtrakts auslöst. Der Vagus tritt dabei aufgeteilt in seine Trunci vagales durch den Hiatus oesophagei in den Bauchraum ein. Nach Abgabe der Rr. hepatici und Rr. antrales (Latarjet) teilen sich die Vagusäste in die sekretorischen Fasern an der Magenvorder- und Hinterwand auf.
Topographische Anatomie des Duodenums
Topographische Anatomie des Duodenums
Das Duodenum wird in Pars superior, Pars descendens, Pars horizontalis und Pars ascendens eingeteilt. In der Pars descendens münden Pankreas-und Gallengang in das Duodenum. Die Wand besteht aus Serosa, M. propria, Submukosa und Mukosa. In der Mukosa liegen die Brunner-Drüsen, die das Duodenalsekret produzieren.
Das Duodenum beginnt direkt hinter dem Pylorus mit der Pars superior, an die sich die Pars descendens anschließt. Am duodenalen Knie folgt die Pars horizontalis. Die Pars ascendens mündet am Treitz-Band (Flexura duodenojejunalis) in das Jejunum. Bis auf die Pars superior liegt das Duodenum retroperitoneal. An der Hinterwand der Pars descendens münden Pankreas-und Gallengang in das Duodenum ein. Die Wand des Duodenums ist ebenso wie die Magenwand aus einer Serosa, Muscularis propria, Submukosa und Mukosa aufgebaut. Im Gegensatz zur Magenschleimhaut gibt es hier Brunner-Drüsen in der Schleimhaut, die das Duodenalsekret produzieren.
Blutversorgung: Arteriell durch die Aa. gastroduodenalis, pancreaticoduodenalis und supraduodenalis. Der venöse Blutabfluss erfolgt über gleichnamige Venen in die V. porta.
Blutversorgung: Sie erfolgt arteriell durch die A. gastroduodenalis, die A. pancreaticoduodenalis und die A. supraduodenalis, die aus dem Truncus coeliacus und der A. mesenterica superior entspringen. Der venöse Blutabstrom wird durch gleichnamige Venen in das portale Stromgebiet gewährleistet.
Nervale Versorgung: Sympathisch über den Plexus coeliacus, parasympathisch über den N. vagus. Physiologie und Pathophysiologie
Nervale Versorgung: Wie beim Magen sympathisch über den Plexus coeliacus und parasympathisch über den N. vagus.
Transport- und Reservoirfunktion
Transport- und Reservoirfunktion
Der Magen hat die Aufgabe, aufgenommene Speisen zu speichern und zu durchmischen, um diese dann zeitgerecht an die nachfolgenden Abschnitte des Verdauungstraktes weitergeben zu können. Hierzu besitzt er an Ein- und Ausgang Ventilmechanismen (unterer Ösophagussphinkter [UÖS] und Pylorus).
Der Magen hat die Aufgabe, aufgenommene Speisen zu speichern und zu durchmischen, um diese dann zeitgerecht und portionsweise an die nachfolgenden Abschnitte des Verdauungstraktes weitergeben zu können. Um zum einen sowohl den Zeitpunkt der Nahrungsweitergabe festlegen zu können, zum anderen auch eine Transportrichtung nach aboral vorgeben zu können, besitzt der Magen am Eingang, der Kardia, und am Ausgang, dem Pylorus, Verschlusssegmente, die Ventilfunktionen übernehmen. Das orale Ventil wird durch den unteren Ösophagussphinkter (UÖS) gebildet, der einen gastroösophagealen Reflux verhindert (S. 278). Der distale Verschluss wird durch den Pylorus erreicht, der so seinerseits einen duodenogastralen Reflux verhindert. Die motorische Steuerung von Pendel-(Durchmisch-) und Propulsiv-(Transport-)Peristaltik erfolgt über die sympathische und parasympathische Innervation. Eine Vagusreizung führt zur Kontraktion der Wandmuskulatur und Steigerung der Propulsivmotorik, während der Sympathikus eine Erschlaffung und somit Dilatation von Magen und Duodenum bewirkt und gleichzeitig die Pendelperistaltik fördert.
Eine Vagusreizung führt zur Kontraktion der Wandmuskulatur und Steigerung der Propulsivmotorik, während der Sympathikus eine Erschlaffung und somit Dilatation von Magen und Duodenum bewirkt und gleichzeitig die Pendelperistaltik fördert.
Physiologie und Pathophysiologie
Sekretionsfunktion
Sekretionsfunktion
Der Magen sezerniert ungefähr 1500 – 3000 ml Sekret am Tag, 70 – 80 % davon allein in Korpus und Fundus. Der Schutz vor Autodigestion wird durch eine intakte Sekretionsregulation und normale Regenerationsfähigkeit des Epithels gewährleistet. Sekretionsorte im Magen: ■ Belegzellen (Fundus, Korpus): HCl, Intrinsic factor. ■ Hauptzellen (Fundus, Korpus): Pepsinogen und Kathepsin. ■ Nebenzellen (Kardia, Pylorus): Magenschleim. ■ G-Zellen (Antrum): Gastrin. ■ D-Zellen (Antrum): Somatostatin.
Der Magen sezerniert ungefähr 1500 – 3000 ml Sekret täglich, wobei 70 – 80 % dieser Menge von der Schleimhaut des Korpus und Fundus gebildet wird. Der Schutz der Schleimhaut von Magen und Zwölffingerdarm vor Autodigestion ist maßgeblich von einer intakten neurohumoralen Steuerung der Sekretion und Motorik und einer ungestörten Regenerationsfähigkeit des Oberflächenepithels abhängig. Die Sekretionsleistung des Magens wird von spezialisierten Zellen der Mukosa übernommen: ■ Belegzellen (Fundus- und Korpusregion): Salzsäure und Intrinsic factor. ■ Hauptzellen (Fundus- und Korpusregion): Pepsinogen und Kathepsin. ■ Nebenzellen (Kardia- und Pylorusbereich): Magenschleim. ■ G-Zellen (Antrum): Gastrin. ■ D-Zellen (Antrum): Somatostatin.
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B 1.4 Magen und Duodenum
Die Säureproduktion und die Zahl der Belegzellen korrelieren positiv miteinander, wobei die Salzsäure in einer Konzentration von ca. 0,1mol/l (pH-Wert 1 – 2) in das Magenlumen sezerniert wird. Um den Konzentrationsunterschied dieser Ionen zwischen Magenlumen und Serum aufrechtzuerhalten, werden aktive (Ionenaustausch) und passive (Kittleisten-Schleimschicht) Schutzmechanismen benötigt. Diese ergeben zusammen die sog. Magenschleimhautbarriere. Wird sie z. B. durch chemische Substanzen (sog. „barrier breakers“) zerstört, so kann es zur Entstehung von Magenschleimhautschäden kommen. Zu diesen „barrier breakers“ gehören Acetylsalicylsäure, nichtsteroidale Antiphlogistika, Detergenzien, Alkohol und Gallensäuren und Lysolecithin aus dem Duodenalsekret. Der Intrinsic factor ist ein Mukoprotein (MG 55 000) und wird von den Belegzellen im Fundus gebildet. Er bildet mit Vitamin B12 einen Komplex, der die intestinale Resorption von Vitamin B12 im distalen Ileum erst ermöglicht. Die Protease Pepsin entsteht im sauren Magenmilieu aus dem von den Hauptzellen sezernierten Pepsinogen. Pepsin stellt einen wichtigen Initiator der Proteolyse dar. Gastrin wird vorwiegend in den G-Zellen des Antrums synthetisiert, aber auch extragastral (z. B. in duodenalen Zellen) gebildet. Es handelt sich hierbei um ein sekretorisch wirksames Polypeptid, dessen Freisetzung durch mechanische Antrumdehnung, Vagusstimulation oder chemische Reize ausgelöst wird. Besonders Aminosäuren, Alkohol, Acetylcholin und Gallensäuren führen eine Sekretionssteigerung von Gastrin herbei. Das synthetisch hergestellte Pentagastrin (Gastrodiagnost®) wird für diagnostische Zwecke, z. B. im Rahmen der Magensaftanalyse verwendet (S. 309). Die Regulation der Magensaftsekretion erfolgt über einen Regelkreis mit sekretionshemmenden und -stimulierenden Einflussgrößen mechanischer, chemischer, nervaler und hormoneller Natur. Der wichtigste physiologische Stimulus zur Magensaftsekretion ist die Aufnahme einer Mahlzeit, wobei sich nervale (Vagusreizung) und hormonale (Gastrinfreisetzung durch Antrumdehnung) Faktoren potenzieren.
B-1.54
Vereinfachtes Schema der Phasen der Magensekretion
307 Die Säureproduktion und die Zahl der Belegzellen korrelieren positiv miteinander. Um den Konzentrationsunterschied der Wasserstoffionen aufrechtzuerhalten, werden aktive und passive Schutzmechanismen benötigt (Magenschleimhautbarriere). Sogenannte „barrier breakers“ (ASS, nichtsteroidale Antiphlogistika, Detergenzien, Alkohol, Gallensäuren und Lysolecithin aus dem Duodenalsekret) können die Magenschleimhautbarriere zerstören. Der Intrinsic factor bildet mit Vitamin B12 einen Komplex, der die intestinale Resorption von Vitamin B12 im distalen lleum erst ermöglicht. Die Protease Pepsin entsteht aus Pepsinogen. Sie stellt einen wichtigen Initiator der Proteolyse dar. Gastrin ist ein sekretorisch wirksames Polypeptid, dessen Freisetzung durch mechanische Antrumdehnung, Vagusstimulation oder chemische Reize (Aminosäuren, Alkohol, Acetylcholin und Gallensäuren) ausgelöst wird. Das synthetisch hergestellte Pentagastrin (Gastrodiagnost®) wird für diagnostische Zwecke verwendet (S. 309). Die Regulation der Magensaftsekretion erfolgt über einen Regelkreis mit mechanischen, chemischen, nervalen und hormonellen Einflussgrößen.
B-1.54
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308
B 1 Viszeralchirurgie
Phasen der Verdauung: ■ Interdigestivphase. ■ Verdauungsphase: Zephale, gastrale, intestinale Phase.
Bei der mit der Nahrungsaufnahme eingeleiteten Verdauung werden folgende Phasen unterschieden: ■ Nüchtern- oder Interdigestivphase zwischen vollständiger Magenentleerung und erneuter Magenfüllung. ■ Verdauungsphase, die nach Nahrungsaufnahme in eine zephale, gastrale und intestinale Phase unterteilt wird.
Interdigestivphase
Interdigestivphase
Nüchternzustand der Magensekretion. Eine pathologisch gesteigerte Sekretion findet man beim Zollinger-Ellison-Syndrom und bei hypersekretorischen Formen des Ulcus duodeni.
Sie entspricht dem Nüchternzustand der Magensekretion mit basaler Säure- und Fermentproduktion. Pathologisch gesteigerte Sekretionswerte in der Nüchternphase findet man beim Zollinger-Ellison-Syndrom und bei den hypersekretorischen Formen des Ulcus duodeni.
Verdauungsphase
Verdauungsphase
Zephale Phase: Sensorischer Nahrungskontakt (Sehen, Riechen, Schmecken) führt über eine Stimulation des Zwischenhirns zur Vagusreizung und Stimulation der Belegzellen und C-Zellen. Der Effekt beginnt ca. 5 Minuten nach sensorischem Nahrungskontakt und hält ca. 180 Minuten an. Er ist durch den Insulin-Test oder mit 2-Desoxyglukose (2-DOG) experimentell simulierbar.
Zephale Phase: Durch sensorischen Nahrungskontakt (Sehen, Riechen, Schmecken) erfolgt eine Stimulation des Zwischenhirns, wodurch eine Vagusreizung mit konsekutiver Stimulation der Belegzellen und G-Zellen ausgelöst wird. Diese wiederum führt mit einer Latenz von ca. 5 Minuten nach sensorischem Nahrungskontakt zu einer Freisetzung von Wasserstoffionen und Gastrin. Die Dauer der zephalen Stimulation beträgt ca. 180 Minuten. Der Effekt der zephalen Phase lässt sich mittels Insulin-Test (insulinbedingte Hypoglykämie) oder durch Applikation von 2-Desoxyglukose (2-DOG) experimentell simulieren.
Gastrale Phase: Chemischer, mechanischer und thermischer Kontakt der Nahrung mit antraler Schleimhaut führt zur Gastrinfreisetzung mit verstärkter Stimulation der Belegzellen (ca. 20 – 240 Minuten postprandial).
Gastrale Phase: Der chemische, mechanische und thermische Kontakt der Nahrung mit der antralen Schleimhaut bewirkt eine vermehrte Freisetzung von Gastrin. Dies führt wiederum zur verstärkten Stimulation von Belegzellen mit Steigerung der Säureproduktion. Die gastrale Phase beginnt ca. 20 Minuten nach Nahrungsaufnahme und dauert bis zu 240 Minuten.
Intestinale Phase: Ca. 2 – 3 Stunden postprandial kommt es durch Freisetzung intestinalen Gastrins erneut zu einem Anstieg der Sekretion.
Intestinale Phase: Etwa 2 – 3 Stunden postprandial kommt es durch Freisetzung intestinalen Gastrins aus der Dünndarmschleimhaut erneut zu einem Anstieg der Sekretion des Magens. Im Duodenum kommt es zur Durchmischung des Nahrungsbreis mit Galle- und Pankreassekret.
1.4.2 Diagnostik
1.4.2 Diagnostik
Bei der Anamneseerhebung ist insbesondere auf Nahrungsunverträglichkeiten, genaue Differenzierung des Beschwerdebilds, seiner Lokalisation und den zeitlichen Kontext zu achten.
Bei der Anamneseerhebung ist insbesondere auf Nahrungsunverträglichkeiten (Kaffee, Alkohol, scharfe Gewürze, Widerwillen gegen Fleisch) zu achten. Die vom Patienten geklagten Beschwerden sollten genau differenziert (Völlegefühl, Übelkeit, Erbrechen, Schmerzen, Lokalisation) und wenn möglich im zeitlichen Kontext zur Nahrungsaufnahme erfasst werden (Regelmäßigkeit, Nüchternschmerz, postprandialer Schmerz).
왘 Merke
왘 Merke. Wie bei jeder ärztlichen Untersuchung ist eine exakte Anamnese-
erhebung und gewissenhafte körperliche Untersuchung die Voraussetzung für eine korrekte Verdachtsdiagnosestellung. Endoskopie
Endoskopie
Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD): Die ÖGD ermöglicht neben der direkten optischen Beurteilung auch die gezielte Entnahme von Biopsien zur histologischen Abklärung des Befundes und stellt somit die diagnostische Methode der Wahl für Erkrankungen des oberen Gastrointestinaltraktes dar (vgl. S. 240).
Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD): Die Spiegelung von Speiseröhre, Magen und proximalem Duodenum stellt bei Erkrankungen des oberen Gastrointestinaltraktes die Untersuchungsmethode der Wahl dar. Sie ermöglicht nicht nur die direkte optische Beurteilung von Schleimhautbefunden, sondern auch die gezielte Entnahme von Biopsien zur histologischen Abklärung des Befundes. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, endoskopisch therapeutisch tätig zu werden (z. B. Bougierung von Stenosen, Lasertherapie, S. 240).
Endosonographie: Sie dient der Beurteilung von Wandveränderungwen insbesondere der Festlegung des T-Stadiums von Karzinomen.
Endosonographie: Sie erfolgt mit kleinen Ultraschallsonden, die in ein Endoskop integriert sind. Bei Schallfrequenzen zwischen 12 und 20 Mhz kann die Wand in ihre einzelnen Schichten aufgelöst werden, sodass intramurale Veränderungen
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B 1.4 Magen und Duodenum
sehr genau beurteilbar sind. Bei Malignomen ist dadurch eine gute Beurteilung des T-Stadiums sowie eine Bewertung perigastraler Lymphknoten möglich. Da auch die Endosonographie eine dynamische Untersuchung darstellt, kann mit ihr auch eine relativ exakte Differenzierung bei fraglicher Tumorinfiltration von Nachbarorganen erfolgen. Laparoskopie: Die Laparoskopie kann beim Staging zur Erfassung extramuraler Tumoranteile oder einer peritonealen Tumoraussaat sowie Metastasierung besonders im Rahmen multimodaler Therapiekonzepte eingesetzt werden.
309
Laparoskopie: Die Laparoskopie kann zur Erfassung extramuraler Tumoranteile oder einer peritonealen Tumoraussaat sowie Metastasierung eingesetzt werden.
Röntgen
Röntgen
Die Abdomenübersichtsaufnahme a.-p. oder in Linksseitenlage ermöglicht im Rahmen der Notfalldiagnostik den Nachweis freier Luft unter dem Zwerchfell, was für eine freie Perforation spricht. Im Rahmen der Magen-Darm-Passage (MDP) erfolgt die Darstellung des Magens mit Kontrastmittelbrei. Liegt klinisch der Verdacht auf einen stenosierenden Prozess, einen perforierenden oder penetrierenden Prozess vor, so sollte diese Untersuchung mit wasserlöslichem und somit resorbierbarem Kontrastmittel erfolgen. Als pathologische Korrelate lassen sich Ulkusnischen, Wanddefekte, Stenosen oder Lageanomalien des Magens darstellen. Zudem erlaubt die MDP eine Beurteilung der Funktion (Peristaltik, Entleerung, Wandstarre), was insbesondere nach Eingriffen im Oberbauch oder am Magen selbst bedeutsam ist. Die Doppelkontrastdarstellung des Magens durch zusätzliche Luftapplikation erlaubt eine verbesserte Darstellung des Schleimhautreliefs und somit eine subtilere Diagnostik: Die Computertomographie (CT) des Oberbauchs ermöglicht die Darstellung eines Tumors und gegebenenfalls den Nachweis von Infiltrationen in Nachbarorgane. Die CT wird außerdem zur Beurteilung der Lymphknotenstationen und zum Nachweis von Fernmetastasen, insbesondere der Leber und der Lunge, eingesetzt. Bei der Beurteilung der abdominellen Hohlorgane ist der Stellenwert der Kernspintomographie (MRT) gering. Für die Beantwortung ganz spezieller Fragen im Rahmen des Stagings kann die MRT in Ausnahmefällen bedeutsam sein.
Die Abdomenübersichtsaufnahme a.-p. oder in Linksseitenlage ermöglicht im Rahmen der Notfalldiagnostik den Nachweis freier Luft. Im Rahmen der Magen-Darm-Passage (MDP) erfolgt die Darstellung des Magens mit Kontrastmittelbrei (cave: Bei Stenose-, Perforations- oder Penetrationsverdacht nur mit wasserlöslichen Kontrastmitteln). Es lassen sich Ulkusnischen, Wanddefekte, Stenosen oder Lageanomalien des Magens darstellen. Die Doppelkontrastdarstellung des Magens erlaubt eine verbesserte Darstellung des Schleimhautreliefs.
Die CT ermöglicht die Darstellung großer Tumoren, den Nachweis von Infiltrationen in Nachbarorgane, die Beurteilung der Lymphknotenstationen und den Nachweis von Fernmetastasen (v. a. in Leber und Lunge). Bei der Beurteilung der abdominellen Hohlorgane ist der Stellenwert der MRT gering.
Sonographie
Sonographie
Die (perkutane) Sonographie stellt eine wichtige diagnostische Methode im Rahmen des Stagings bzw. der Metastasensuche bei Magenkarzinomen oder dem Ausschluss differenzialdiagnostisch infrage kommender Erkrankungen bei unklaren Oberbauchbeschwerden dar.
Wichtig bei der Metastasensuche und zum differenzialdiagnostischen Ausschluss anderer Erkrankungen bei unklaren Oberbauchbeschwerden.
Funktionsuntersuchungen
Funktionsuntersuchungen
Die Funktionsuntersuchungen des Magens sind nur noch von geringer Bedeutung. Sie bestehen in der Testung der Sekretionsleistung in Ruhe (basal acid output, BAO) und nach Stimulation (maximal acid Output, MAO). Sie sind für die Routinediagnostik nur selten notwendig, da sich lediglich beim Nachweis eines Zollinger-Ellison-Syndroms therapeutische Konsequenzen ergeben. ■ Pentagastrintest: Der Pentagastrintest dient der Erfassung der Sekretionsleistung des Magens. Über eine Magensonde wird nach einer mindestens 12-stündigen Nahrungskarenz der Magen vollständig von Magensekret entleert. Anschließend werden 4 Portionen Magensaft gesammelt, die sich in jeweils 15 Minuten gebildet haben. Dies entspricht der basalen Magensekretion (BAO, Normalwert: ≤ 15mval/h). Nach s.c. Injektion von 6 µg/kg KG Pentagastrin werden 4 weitere Portionen (MAO) gesammelt und anschließend titriert. ■ Der Peak acid Output (PAO) errechnet sich aus den 2 konsekutiven Maximalwerten der Stimulationsphase. Der Quotient aus BAO zu MAO lässt Rückschlüsse auf das Vorliegen eines Hypersekretionssyndroms zu (Normalwert: 0,1 – 0,2; Hyperazidität z. B. bei Ulcus duodeni: 0,2 – 0,4; bei Zollinger-EllisonSyndrom 4 0,6).
Die Funktionsuntersuchungen des Magens bestehen in der Testung der Sekretionsleistung in Ruhe (basal acid output, BAO) und nach Stimulation (maximal acid output, MAO). ■
■
Pentagastrintest: Er dient zur Erfassung der Sekretionsleistung des Magens. Hierzu werden die Magensekretmengen jeweils über eine Stunde ohne und mit Pentagastrinstimulation gesammelt und titriert. Aus diesen Messwerten ergeben sich der BAO und MAO.
Der Peak acid output (PAO) lässt sich aus Maximalwerten der Stimulationsphase errechnen. Der Quotient aus BAO zu MAO erlaubt Rückschlüsse auf das Vorliegen eines Hypersekretionssyndroms.
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Insulintest: Der Insulintest überprüft die Vollständigkeit einer Vagotomie. Der Test beruht auf der zentralen Auslösung eines Sekretionsreizes auf den Magen durch den N. vagus, sobald eine Hypoglykämie auftritt.
B 1 Viszeralchirurgie
■
Insulintest: Durch den Insulintest lässt sich postoperativ die Vollständigkeit einer Vagotomie überprüfen. Der Test beruht auf der zentralen Auslösung eines Sekretionsreizes auf den Magen durch den N. vagus, sobald eine Hypoglykämie auftritt. Bei vollständig durchgeführter Vagotomie bleibt somit diese Reaktion aus. Da heute kaum noch vagotomiert wird, hat auch der Test an Bedeutung verloren.
1.4.3 Leitsymptome
1.4.3 Leitsymptome
Wichtigstes Leitsymptom ist der in Qualität, Intensität und Zeitmuster diagnoseabhängig variierende Schmerz im Epigastrium mit oder ohne Ausstrahlung in andere Regionen.
Wichtigstes Leitsymptom ist der in Qualität, Intensität und Zeitmuster diagnoseabhängig variierende Schmerz im Epigastrium mit oder ohne Ausstrahlung in andere Regionen. Praktisch alle Erkrankungen des Magens und Duodenums können mit diesem Leitsymptom einhergehen – bzw. umgekehrt: Bei epigastrischem Schmerz liegt meist eine Erkrankung des Magens oder Duodenums vor. Weitere Symptome wie Abneigung gegenüber Fleisch (beim Magenkarzinom) oder Nüchternschmerz (beim Ulcus duodeni) dienen lediglich der weiteren Differenzierung, sind jedoch ohne Einfluss auf die notwendige Diagnostik:
왘 Merke
왘 Merke. Wegen der nahezu altersabhängig immer bestehenden Differenzial-
diagnose eines Magenkarzinoms ist bei jeder Form epigastrischer Schmerzen oder Beschwerden eine Gastroskopie indiziert. Meist ergibt sich aus ihr bereits die definitive Diagnose.
1.4.4 Fehlbildungen
1.4.4 Fehlbildungen
Fehlbildungen des Magens sind insgesamt selten.
Fehlbildungen des Magens sind insgesamt selten. Agastrie, Mikrogastrie, Gastromegalie und Doppelbildungen sind nur vereinzelt beschrieben worden. Häufiger sind dagegen die hypertrophe Pylorusstenose, Magenvolvulus oder Duodenalatresien, -stenosen oder -divertikel zu finden. Die dazugehörigen Krankheitsbilder sind im kinderchirurgischen Kapitel (s. S. 1062) näher ausgeführt.
1.4.5 Verletzungen
1.4.5 Verletzungen
Mallory-Weiss-Syndrom
Mallory-Weiss-Syndrom
왘 Definition
Klinik, Diagnostik: Nach heftigem Erbrechen kommt es zur akuten oberen gastrointestinalen Blutung. Notfallmäßige Gastroskopie erforderlich. Therapie: Endoskopische Blutstillung, ggf. Ballontamponade oder Gastrotomie mit Umstechung.
왘 Definition. Es handelt sich um Schleimhauteinrisse am ösophagokardialen Übergang, welche durch forciertes Erbrechen hervorgerufen werden. Das Mallory-Weiss-Syndrom stellt die Vorstufe des Boerhaave-Syndroms dar.
Klinik, Diagnostik: Nach heftigem Erbrechen kommt es zu einer akut auftretenden oberen gastrointestinalen Blutung. Zur Diagnosesicherung muss eine sofortige Gastroskopie durchgeführt werden (Notfallendoskopie). Therapie: Therapie der Wahl ist die endoskopische Blutstillung mit Clips oder die Injektion von vasoaktiven Substanzen (z. B. Suprarenin 1:10 000) oder Fibrin. Hierdurch lässt sich regelmäßig eine definitive Blutstillung erreichen (S. 251). Wenn eine primäre endoskopische Blutstillung nicht gelingt, kann kurzfristig durch eine Kompression mittels einer Ballonsonde die Stabilisation des Patienten erreicht werden, um eine Verlegung in ein endoskopisches Zentrum oder als Ultima ratio eine Umstechung über eine Gastrotomie zu ermöglichen. Die Kompression durch eine Ballonsonde darf auf keinen Fall als Therapie an sich angesehen werden, da nach Kompressionszeiten von mehreren Stunden bis Tagen bei gefülltem oder geblocktem Ballon Durchblutungsstörungen des Ösophagus auftreten, die Ulzerationen mit noch schwereren Blutungen oder gar Perforationen induzieren können.
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B 1.4 Magen und Duodenum
왘 Merke. Die Blutstillung durch Kompression mittels einer Ballonsonde darf nur kurzfristig bei frustranem endoskopischen Blutstillungsversuch bis zur definitiven (endoskopischen oder operativen) Versorgung erfolgen!
311 왗 Merke
Magen- und Duodenalruptur
Magen- und Duodenalruptur
Eine Ruptur oder Berstung kann nach stumpfem Bauchtrauma, bei Insufflation von Luft unter Druck in den Magen (Fehlintubation, Maskenbeatmung) oder bei direkter Gewalteinwirkung auftreten (perforierende Schuss- und Stichverletzungen). Eine Magenruptur nach stumpfem Bauchtrauma ist selten und wird fast ausschließlich bei prall gefülltem Magen beobachtet. Beim Duodenum sind meist die Pars descendens oder horizontalis betroffen. Abzugrenzen von diesen zu einer sofortigen Perforation führenden Verletzungsmechanismen sind Quetsch- oder Prelltraumen, die zu der Ausbildung eines intramuralen Hämatoms führen. Im Bereich des Hämatoms kann es sekundär durch eine Drucknekrose zur Spätperforation (typisch: symptomfreies mehrtägiges Intervall) oder bei narbiger Ausheilung zur Narbenstriktur des Duodenums kommen.
Die Ruptur oder Berstung tritt nach stumpfem Bauchtrauma, bei Insufflation von Luft unter Druck in den Magen (Fehlintubation, Maskenbeatmung) oder bei direkter Gewalteinwirkung auf (perforierende Schuss- und Stichverletzungen).
Klinik: Wenn die Rupturstelle des Magens oder Duodenums intraperitoneal gelegen ist (freie Ruptur), gleicht die Symptomatik der der frischen Magenperforation: Vernichtungsschmerz im Oberbauch, Abwehrspannung und Schocksymptomatik bestimmen das klinische Bild. Bei extra- oder retroperitonealer (gedeckter) Ruptur entwickelt sich langsam ein Beschwerdebild, das von uncharakteristischen Schmerzen im Oberbauch und Fieber bestimmt wird.
Klinik: Bei intraperitonealen Rupturen (freie Ruptur) bestimmen Vernichtungsschmerz, Abwehrspannung und Schocksymptomatik das klinische Bild. Extra- oder retroperitoneale Rupturen (gedeckte Ruptur) äußern sich in uncharakteristischen Schmerzen im Oberbauch und Fieber.
Diagnostik: Bei Patienten mit isolierter freier Ruptur findet der Untersucher als Zeichen der Peritonitis eine Abwehrspannung, die zunächst lokal auf den Oberbauch beschränkt ist, bei länger zurückliegender Ruptur jedoch diffus ausgebildet sein kann. Die Patienten zeigen die Symptome eines Schocks (Blässe, Tachykardie, Hypotonie, Kaltschweißigkeit), im Blutbild findet sich eine Leukozytose. In einer Abdomenübersicht in Linksseitenlage finden sich freie intraperitoneale Luftansammlungen. Die Kombination mit anderen Oberbauchverletzungen wird häufiger als die isolierte Ruptur beobachtet. In diesen Fällen führen die übrigen Verletzungen das klinische Beschwerdebild an. Liegt der sehr seltene Fall einer gedeckten Ruptur vor, so ist die Diagnosefindung schwieriger. Sie wird am häufigsten bei iatrogenen Perforationen – etwa nach einer ERCP – beobachtet. Beweisend ist hier freie Luft im Retroperitoneum, die sich aufgrund der oft geringen Menge meist nur im CT nachweisen lässt. Wird das CT mit oraler Kontrastierung durchgeführt, kommt häufig ein Kontrastmittelaustritt in das Retroperitoneum zur Darstellung. Dieser kann jedoch fehlen, sodass nur die Luft als wegweisender Befund vorliegt.
Diagnostik: Bei freier Ruptur liegt als Zeichen der Peritonitis eine Abwehrspannung vor. Zusätzlich finden sich die Symptome eines Schocks (Blässe, Tachykardie, Hypotonie, Kaltschweißigkeit), im Blutbild eine Leukozytose. Die Abdomenübersicht im Stehen oder Linksseitenlage zeigt freie intraperitoneale Luft.
Therapie: Die Therapie der Magen- oder Duodenalruptur besteht in der sofortigen Laparotomie und Übernähung oder Resektion des Defektes und einer
Therapie: Übernähung oder Resektion des Defektes mit Drainage, Antibiotikatherapie und parenteraler Ernährung.
B-1.55
Bei Quetsch- oder Prelltraumen kommt es zur Ausbildung von intramuralen Hämatomen. Diese können sekundär perforieren (typisch: symptomfreies mehrtägiges Intervall) oder mit einer narbigen Striktur ausheilen.
Eine gedeckte Ruptur (selten) kann durch den Nachweis von Luft im Retroperitoneum mittels CT bewiesen werden.
Magenruptur Abdomen- und Thoraxübersicht: freie Luft unter dem Zwerchfell bei Magenperforation
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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B 1 Viszeralchirurgie
Drainage. Zusätzlich ist eine Antibiotikatherapie einzuleiten und der Patient parenteral zu ernähren. Verätzungen 왘 Definition
Verätzungen 왘 Definition. Es handelt sich hierbei um eine Magen- eventuell auch Duode-
nalwandschädigung durch versehentlich oder absichtlich (suizidal) oral zugeführte Laugen oder Säuren. Die Verätzung des Magens oder Duodenums tritt meist zusammen mit schweren Ösophagusverätzungen auf (S. 284), die auch das klinische Bild und die Prognose bestimmen. Laugenverätzungen sind potenziell gefährlicher, da sie durch die Ausbildung einer Kolliquationsnekrose eine größere Tiefenwirkung erreichen als die Säureverätzung mit Bildung einer Koagulationsnekrose. Klinik: Brennen in Mund und Rachen. Bei kompletter Nekrose der Magen- oder Duodenalwand klinisches Bild einer Magen- oder Duodenalruptur (s.o.). Diagnostik: Die Inspektion des Rachens zeigt Rötungen, weißliche Beläge oder Nekrosen der Schleimhaut. Eine Abdomenübersichtsaufnahme zeigt freie intraabdominelle Luft bei Perforation. Mit einer Notfallendoskopie wird das Ausmaß der Schleimhautschäden beurteilt und Säure- oder Laugenreste abgesaugt. 왘 Merke
Klinik: Der Patient klagt über Brennen in Mund und Rachen. Bei kompletter Nekrose der Magen- oder Duodenalwand entsteht das klinische Bild wie bei einer Magen- oder Duodenalruptur. Diagnostik: Die Inspektion des Rachens zeigt je nach Verätzungsgrad Rötungen, weißliche Beläge oder Nekrosen der Schleimhaut. Eine Abdomenübersichtsaufnahme soll freie intraabdominelle Luft als Zeichen einer Perforation ausschließen. Liegt keine Perforation vor, so ist in jedem Fall eine Notfallendoskopie durchzuführen, um das Ausmaß der Schleimhautschäden beurteilen und verbliebene Säure- oder Laugenreste absaugen zu können.
왘 Merke. Blinde Sondierungsversuche nach Laugen- oder Säureverätzungen sind aufgrund der hohen Perforationsgefahr kontraindiziert.
Therapie: Im Rahmen der endoskopischen Untersuchung wird die Schleimhaut mit Wasser gespült. Zusätzlich ist eine breitgefächerte Antibiotikatherapie, parenterale Ernährung und evtl. systemische Kortikoidgabe einzuleiten. Magensonden sollten wegen der Gefahr von Drucknekrosen vermieden werden. Bei Perforation ist eine operative Intervention mit Drainage und/oder Resektion des Defektes durchzuführen.
Therapie: Bei oberflächlichen Schleimhautschäden wird bei der endoskopischen Untersuchung die Schleimhaut gezielt mit Wasser gespült, um durch die Verdünnung des chemischen Agens weitere Schädigungen der Schleimhaut zu reduzieren. Zusätzlich ist eine breitgefächerte Antibiotikatherapie einzuleiten und der Patient parenteral zu ernähren. Bei schweren Schleimhautschäden kann die systemische Gabe von Kortikosteroiden diskutiert werden. Magensonden sollten wegen der Gefahr von Drucknekrosen vermieden werden. Liegt eine Perforation vor, so ist unverzüglich eine operative Intervention mit Drainage und Resektion des Defektes wenn möglich durchzuführen.
Komplikationen: Frühkomplikationen sind Wandnekrose und Perforation, Spätkomplikationen Strikturbildung und Magenausgangsstenosen. Therapie ist die operative Intervention.
Komplikationen: Frühkomplikationen der Verätzung sind Wandnekrose und Perforation. Als Spätkomplikationen sind Strikturbildung und darauffolgende Magenausgangsstenosen anzuführen. Die Therapie aller Komplikationen ist in erster Linie die operative Intervention.
Fremdkörper
Fremdkörper
왘 Synonym
왘 Synonym. Corpora aliena
Klinik: Verschluckte Fremdkörper verursachen klinische Symptome meist nur bei Komplikationen (Obstruktion, Perforation, Blutung). Größere, sperrige Gegenstände können über längere Zeit hinweg im Magen verbleiben, ohne Beschwerden zu bereiten.
Klinik: Fremdkörper, die den Ösophagus passieren, verursachen in der Regel keine Beschwerden, klinische Symptome entstehen meist nur bei den Komplikationen (Obstruktion, Perforation oder Blutung). Bei größeren oder sperrigen Gegenständen kann die Passage durch den Pylorus behindert sein, sodass diese im Magen über längere Zeit hinweg verbleiben können, ohne Beschwerden zu bereiten. Weitere Prädilektionsstellen des Gastrointestinaltraktes, die ein Passagehindernis darstellen können, sind Ileozökalklappe, Treitz-Band, rektosigmoidaler Übergang und Anus.
Diagnostik: Eine Abdomenübersichtsaufnahme kann röntgendichte Corpora aliena lokalisieren oder Perforationen durch den Nachweis freier intraabdomineller Luft beweisen. Bei nicht schattengebenden Gegenständen ist eine ÖGD durchzuführen.
Diagnostik: Besteht anamnestisch der Verdacht, dass ein Fremdkörper verschluckt wurde, so sollte eine Abdomenübersichtsaufnahme im Stehen durchgeführt werden. Sie ist in der Lage, röntgendichte Corpora aliena zu lokalisieren. Bei entsprechender klinischer Symptomatik kann eine Perforation durch den Nachweis freier intraabdomineller Luft bewiesen werden. Bei nicht schatten-
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B 1.4 Magen und Duodenum
B-1.56
Fremdkörper im Magen
313 B-1.56
Bild einer endoskopischen Extraktion einer Münze mit der Fasszange aus dem Magen eines 3-jährigen Kindes.
gebenden Gegenständen ist eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) durchzuführen. Therapie: Befindet sich der verschluckte Gegenstand noch in endoskopischer Reichweite, sollte er endoskopisch entfernt werden. Hat er den Magen verlassen und das Duodenum passiert, so kann eine Passage per vias naturales abgewartet werden. Zur Sicherstellung der Ausscheidung des Fremdkörpers ist der Stuhlgang bis zum Nachweis des Fremdkörperabgangs zu untersuchen. Unterstützend kann schlackenreiche Kost (z. B. Sauerkraut) gegeben werden. Zusätzlich sind der klinische Zustand des Patienten täglich zu kontrollieren und bei röntgendichten Gegenständen radiologische Kontrollen durchzuführen.
Therapie: Ist der verschluckte Gegenstand endoskopisch erreichbar, sollte er entfernt werden. Anderenfalls kann eine Passage per vias naturales abgewartet werden. Der Stuhlgang ist bis zum Nachweis des Fremdkörperabganges zu untersuchen, der Patient klinisch und radiologisch zu überwachen. Unterstützend kann schlackenreiche Kost (z. B. Sauerkraut) gegeben werden.
Komplikationen: Durch Verlegung des Pylorus kann es zur Behinderung der Nahrungspassage mit Ausbildung einer Magenektasie kommen. Diese äußert sich klinisch durch Druck- und Völlegefühl im Oberbauch mit saurem Erbrechen kurz nach der Mahlzeit. Zu den häufigsten Komplikationen nach Fremdkörperingestion zählen die Obstruktion und Perforation. Durch spitze oder scharfe Fremdkörper kommt es bei der Perforation zu einer tiefer gehenden Verletzung der Magen- und Duodenalwand mit den typischen Symptomen wie akut einsetzender Oberbauchschmerz, Übelkeit, Abwehrspannung und Schock. Die Therapie der Wahl ist die sofortige operative Revision mit Entfernung des Fremdkörpers und Übernähung mit Drainage. Seltener führen spitze Fremdkörper zu oberflächlichen Verletzungen der Magenwand, die zur Blutung führen können. Die Blutung kann sich je nach Stärke durch Teerstühle, Hb-Abfall mit Schocksymptomatik oder Bluterbrechen klinisch bemerkbar machen. Die Behandlung besteht in der endoskopischen Entfernung des Fremdkörpers und endoskopischer Blutstillung (S. 239).
Komplikationen: Bei Behinderung der Passage entsteht eine Magenektasie, die klinisch durch Druck- und Völlegefühl mit saurem Erbrechen kurz nach der Mahlzeit imponiert. Spitze oder scharfe Fremdkörper können die Magenwand verletzen. Oberflächliche Verletzungen führen zur Blutung (Teerstühle, Hb-Abfall mit Schocksymptomatik oder Bluterbrechen), tiefer gehende zur häufiger auftretenden Perforation (Oberbauchschmerz, Übelkeit, Abwehrspannung und Schock). Die Blutung wird endoskopisch durch Fremdkörperentfernung und Blutstillung (S. 239), die Perforation durch Übernähung/Resektion mit Drainage behandelt.
Bezoar
Bezoar
왘 Definition. Der Bezoar ist ein Fremdkörper im Magen, der aus Faserbestand-
왗 Definition
teilen besteht. Je nach Bestandteilen unterscheidet man Tricho-(Haar), Myko(Pilz), Phyto- und kombinierte Bezoare. Pathogenese: Bezoare entstehen durch Störungen der Nahrungsaufnahme, der Verdauung und des Ernährungsverhaltens. So kann durch unzureichende Zerkleinerung faserreicher Kost (unzureichendes Kauen), durch Hypoazidität, Fermentmangel oder psychopathologischer Auffälligkeiten (Trichophagie) die Entstehung begünstigt werden.
Pathogenese: Bezoare entstehen durch Störungen der Nahrungsaufnahme (unzureichendes Kauen), der Verdauung (Hypoazidität) und des Ernährungsverhaltens (Trichophagie).
Klinik: Die meisten Patienten sind beschwerdefrei, der Bezoar wird als Zufallsbefund oder bei gezielter Ausschlussdiagnostik bei entsprechenden psychopathologischen Auffälligkeiten diagnostiziert. Bei sehr großen Bezoaren kann es postprandial zu Völlegefühl, Druckgefühl oder Oberbauchschmerz durch intermittierende Passagebehinderung kommen.
Klinik: Die meist beschwerdefreien Patienten können bei sehr großen Bezoaren postprandial Völlegefühl, Druckgefühl oder Oberbauchschmerzen entwickeln.
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314
B 1 Viszeralchirurgie
Diagnostik: Der Bezoar kann als Raumforderung auf der Röntgenübersicht des Abdomens gesehen werden. Die Diagnose lässt sich durch die ÖGD sichern. Therapie: Die Methode der Wahl ist die endoskopische Entfernung des Bezoars. Eine Gastrotomie und Ausräumung ist heutzutage nur noch selten indiziert.
Diagnostik: Oft ist der Bezoar bereits als Raumforderung im Oberbauch auf der Röntgenübersichtsaufnahme des Abdomens zu sehen. Die Diagnose lässt sich durch die Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) sichern.
1.4.6 Gastritis
왘 Definition
Therapie: In den meisten Fällen lässt sich der Bezoar endoskopisch entfernen. Bei großen Bezoaren muss die Endoskopie gegebenenfalls mehrfach bis zur vollständigen Entfernung wiederholt werden. Eine Gastrotomie und Ausräumung ist heute nur noch selten indiziert.
1.4.6 Gastritis 왘 Definition. Bei der Gastritis handelt es sich um eine Entzündungsreaktion der
Magenschleimhaut, wobei je nach Ursache spezifische und unspezifische Gastritiden unterschieden werden. Spezifische Gastritis 왘 Definition
Spezifische Gastritis 왘 Definition. Spezifische Gastritiden sind selten. Unter einer spezifischen Gast-
ritis versteht man die stets gleiche (spezifische) Entzündungsreaktion der Magenschleimhaut auf ein bestimmtes die Entzündung auslösendes Agens oder eine Grunderkrankung. Als Ursache kommen die Tuberkulose, Lues, Aktinomykose, Histoplasmose und der Morbus Crohn infrage. Klinik: Je nach Ursache treten Schmerzen, gastrointestinale Blutungen (Teerstuhl, Bluterbrechen, Hb-Abfall, Schock), Ulzera, Stenosen oder Fisteln auf.
Klinik: Je nach Grunderkrankung, Lokalisation und Ausprägung der Entzündung treten die klinischen Beschwerden in Form von Ober- und Mittelbauchschmerzen, gastrointestinaler Blutung (Teerstuhl, Bluterbrechen, Hb-Abfall, Schock), Ulkusentstehung, Stenosierung oder Fistelbildung auf.
Diagnostik: Die ÖGD mit Biopsie ist die Untersuchungsmethode der Wahl. Im Rahmen der Crohn-Diagnostik ist eine MDP (Fistelbildung?) oder eine hypotone Dünndarmdarstellung (weitere Crohn-Läsionen?) indiziert.
Diagnostik: Die Untersuchungsmethode der Wahl stellt die Ösophago-GastroDuodenoskopie (ÖGD) mit Biopsie zur histologischen und gegebenenfalls auch mikrobiologischen Untersuchung dar. Im Rahmen der Crohn-Diagnostik ist die Durchführung einer MDP mit wasserlöslichem Kontrastmittel (Fistelbildung?), einer hypotonen Dünndarmdarstellung oder eines CT’s (weitere Crohn-Läsionen?) indiziert.
Therapie: Sie richtet sich nach der Grunderkrankung.
Therapie: Diese richtet sich nach der Grunderkrankung.
Unspezifische Gastritis
Unspezifische Gastritis
Erosive Gastritis
Erosive Gastritis
Ätiologie: Ursache ist meist die Besiedlung mit Helicobacter pylori und eine Minderdurchblutung der Schleimhaut, z. B. bei Schock, Polytrauma, Verbrennungen, Sepsis. Gefahr des Übergangs in Stressulzera.
Ätiologie: Die erosive Gastritis ist die häufigste akute Entzündung des Magens. Als Ursache wird heute im Wesentlichen eine Besiedlung mit Helicobacter pylori angesehen, der insbesondere bei einer Antritis regelmäßig nachweisbar ist. Daneben kann ursächlich die Einnahme bestimmter Medikamente (z. B. NSAR) eine Minderdurchblutung der Schleimhaut, ausgelöst durch ein Schockgeschehen, ein Polytrauma, schwere Verbrennungen oder eine Sepsis vorliegen. Bei unzureichender Therapie besteht die Gefahr des Übergangs in Stressulzera.
Klinik: Erosive Gastritiden zeigen oft unspezifische Symptome und können eine obere gastrointestinale Blutung erzeugen. Sie werden durch eine ÖGD und Helicobactertest diagnostiziert (Abb. B-1.57).
Klinik: Erosive Gastritiden zeigen oft unspezifische Symptome wie Übelkeit, Schmerzen und Druckbeschwerden im Oberbauch. Sie können auch Ursache einer oberen gastrointestinalen Blutung sein, die je nach Ausmaß durch Blutbeimengungen in der Magensonde, Blut- oder Kaffeesatzerbrechen, HbAbfall oder Teerstuhl auffallen kann.
Diagnostik: ÖGD (multiple oberflächliche Schleimhautdefekte, meist im Antrum!) und Helicobactertest.
Diagnostik: Sie werden durch eine ÖGD (multiple, punktförmige oberflächliche Schleimhautdefekte – Erosionen –, die meist im Antrum lokalisiert sind) und Durchführung eines Helicobactertests diagnostiziert (Abb. B-1.57).
Therapie: Bei umschriebener Blutung erfolgt die gezielte endoskopische Therapie, sonst die Gabe von Protonenpumpenhemmern, Schleimhautprotektiva oder alternativ von
Therapie: Bei stärkerer umschriebener Blutung erfolgt die gezielte endoskopische Therapie (S. 251), sonst ist die Gabe von Protonenpumpenhemmern, Schleimhautprotektiva oder alternativ von H2-Rezeptorenantagonisten und
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B 1.4 Magen und Duodenum
B-1.57
315
Massiv gerötete Antrumschleimhaut bei Antrumgastritis
a
b
c
Im Rahmen der Diagnostik erfolgt die Entnahme von Probeexzisionen (der Pylorus ist jeweils leicht geöffnet): a Endoskopiebild mit fleckförmiger Rötung b geöffnete Biopsiezange c geschlossene Biopsiezange und PE-Entnahme
Antazida indiziert. Bei Nachweis einer Helicobacterbesiedlung ist wie beim Ulcus ventriculi oder duodeni eine Eradikation indiziert (s. u.). Sehr selten ist bei endoskopisch nicht beherrschbarer Blutung eine Laparotomie mit Ulkusumstechung notwendig. Da in den meisten Fällen die kausale Therapie in der Eradikation der Helicobacterinfektion besteht, stellt die Indikation zur Vagotomie bzw. Magen(teil)resektion heute eine seltene Ausnahme dar.
H2-Rezeptorenblockern und Antazida. Bei nachgewiesener Helicobacterbesiedlung ist eine Eradikation indiziert (s. u.).
Chronisch atrophische Gastritis
Chronisch atrophische Gastritis
Hierbei handelt es sich um eine chronische Atrophie der Magendrüsen mit zunehmender Achlorhydrie. Ätiologie: Als Ursache werden Autoimmunprozesse, Überwucherung mit Helicobacter pylori, ein vermehrter duodenogastraler Reflux und ein Fortfall des trophischen Gastrineffektes nach Magenresektionen diskutiert.
Ätiologie: Autoimmunprozesse, Helicobacterinfektion, Alterungsvorgänge, vermehrter duodenogastraler Reflux und fehlender Gastrineffekt nach Magenresektionen werden diskutiert.
Klinik: Die chronisch atrophische Gastritis verläuft in den meisten Fällen symptomarm. Es können Dyspepsie, Völlegefühl, Inappetenz und eine perniziöse Anämie bei Vitamin-B12-Mangel auftreten.
Klinik: Die chronisch atrophische Gastritis ist meist symptomfrei, es können aber Dyspepsie, Völlegefühl, Inappetenz und perniziöse Anämie auftreten. Diagnostik: ÖGD mit Biopsie. Jährliche Kontrollen sind wegen des erhöhten Karzinomrisikos notwendig.
Diagnostik: Die Diagnose wird endoskopisch gestellt, wobei aufgrund des erhöhten Karzinomrisikos Biopsien entnommen werden müssen und jährliche Kontrollen durchgeführt werden sollten. 왘 Merke. Bei der chronisch atrophischen Gastritis ist ein erhöhtes Karzinom-
왗 Merke
risiko gegeben. Jährliche endoskopische Kontrollen! Therapie: Sie ist konservativ symptomatisch. Bei Nachweis von schweren Zellatypien bei endoskopischen Kontrolluntersuchungen ist eine Gastrektomie zu erwägen.
Therapie: Sie ist konservativ symptomatisch. Bei Zellatypien ggf. Gastrektomie.
1.4.7 Ulkuskrankheit
1.4.7 Ulkuskrankheit
왘 Definition. ■
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왗 Definition
Erosion: Oberflächliche, ausschließlich auf die Mukosa beschränkte Nekrose (intakte Muscularis mucosae). Ulkus: Tiefergehende Nekrose der Wand, die die Muscularis mucosa überschreitet und alle Wandschichten betreffen kann. Kallöses Ulkus: Chronisches Ulkus mit fibrinösem Randwall und derbem Ulkusgrund, meist alle Wandschichten betreffend. Kissing ulcus: 2 einander gegenüberliegende Ulzera, z. B. an Vorder- und Hinterwand von Antrum oder Bulbus duodeni. Peptisches Ulkus: Alle Ulzerationen im oberen Gastrointestinaltrakt, an deren Entstehung Salzsäure und Pepsin beteiligt sind.
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316 왘 Merke
B 1 Viszeralchirurgie
왘 Merke – Stellenwert der Chirurgie: Die Ulkuskrankheit umfasst die häufigsten pathologischen Veränderungen des oberen Gastrointestinaltraktes. Während früher die Ulkuschirurgie mit resezierenden und nichtresezierenden Verfahren die Therapie der Ulkuskrankheit bestimmte, sind seit der Einführung der H2-Rezeptorantagonisten konservative Therapieansätze in den Vordergrund getreten. Diese Entwicklung wurde durch Protonenpumpenhemmer und die (antibiotische) Eradikation des Helicobacter pylori weiter verstärkt, sodass sich die Chirurgie der Ulkuskrankheit heute im Wesentlichen auf die operative Behandlung der Ulkuskomplikationen beschränkt.
Pathogenese
Pathogenese
Die gesunde Magen- und Duodenalschleimhaut ist durch protektive Faktoren vor einer Autodigestion durch aggressive Faktoren geschützt. Bei mechanischen Schleimhautverletzungen stehen beträchtliche Kompensationsmechanismen zur Verfügung, die eine Heilung ermöglichen.
Die gesunde Magen- und Duodenalschleimhaut ist durch protektive Faktoren vor einer Autodigestion durch aggressive Faktoren geschützt. Die Intaktheit und ungestörte Regenerationsfähigkeit des Epithels ist dabei von einem Gleichgewicht zwischen den aggressiven und protektiven Faktoren abhängig, wobei selbst bei mechanischer Schleimhautläsion beträchtliche Kompensationsmechanismen zur Verfügung stehen. So heilen postbioptische Schleimhautläsionen normalerweise innerhalb von einer Woche folgenlos aus.
Aggressive Faktoren: ■ endogen (Salzsäure, proteolytische Enzyme, z. B. Pepsin) ■ exogen (Nikotin, Steroide, nichtsteroidale Antirheumatika, Stress, Infektion mit Helicobacter pylori).
Die aggressiven Faktoren werden je nach ihrer Ursache in endogene und exogene unterteilt. Endogene Aggressionsfaktoren sind die Salzsäure und proteolytischen Enzyme (insbesondere das Pepsin), die vom Organismus selbst produziert werden. Exogene Aggressionsfaktoren werden von außen zugeführt. Hier sind in erster Linie Nikotin, Steroide, nichtsteroidale Antirheumatika, Stress und eine Infektion des Magens mit Helicobacter pylori zu nennen. H. pylori kann bei 60 – 75 % aller Patienten mit einem Ulcus ventriculi und bei 90 – 100 % der Patienten mit einem Ulcus duodeni nachgewiesen werden. Bei Patienten mit Ulcus duodeni, bei denen H. pylori eliminiert wurde, ist die Rezidivrate signifikant niedriger als bei Patienten ohne eine Helicobactereradikation. Ein duodeno-gastraler Reflux vom Gallensäure- und Pankreassekret stellt einen weiteren aggressiven Faktor dar.
Bei Patienten mit Ulcus duodeni, bei denen H. pylori eliminiert wurde, ist die Rezidivrate signifikant niedriger als bei Patienten ohne Helicobactereradikation.
Protektive Faktoren: ■ Schleimschicht. ■ Zellmauserung. ■ Bikarbonatsekretion. ■ Gute Blutversorgung. ■ Duodenale Säureneutralisation.
Protektive Faktoren: Die die Schleimhaut schützenden Faktoren sind die Schleimschicht, die eine direkte Einwirkung der Salzsäure und des Pepsins auf das Epithel verhindert, die hohe Zellmauserungsrate, die lokale Bikarbonatsekretion zur Neutralisierung der Salzsäure, die ungewöhnlich gute Blutversorgung und die duodenale Säureneutralisation durch Sekretin und Enterogastron.
Vorübergehende Störungen des Gleichgewichts der protektiven und aggressiven Faktoren führen zur Entstehung von akuten Magen- oder Duodenalschleimhautnekrosen. Besteht ein persistierendes Ungleichgewicht, so können mechanische Läsionen nicht ausheilen, bzw. es kommt zur Entstehung chronischer Ulcera ventriculi/duodeni (Ulkuskrankheit).
Vorübergehende Störungen des Gleichgewichts durch Abnahme der protektiven Faktoren und/oder Zunahme der aggressiven Faktoren können zur Entstehung von akuten Magen- oder Duodenalschleimhautnekrosen führen. Die akuten Ursachen können im Rahmen einer anderen Erkrankung auftreten (Stressulkus bei Intensivpatienten), anatomisch verursacht sein (Gefäßanomalie bei dem Ulcus Dieulafoy) oder chemisch induziert sein (Arzneimittelulkus). Besteht ein persistierendes Ungleichgewicht, so können mechanische Läsionen nicht ausheilen, bzw. es kommt zur Entstehung chronischer Ulcera ventriculi/duodeni. Das Krankheitsbild, das auf einem persistierenden Missverhälnis von Schutzund Aggressionsfaktoren beruht, wird auch als Ulkuskrankheit bezeichnet.
Akute Ulzera
Akute Ulzera
Ulcus Dieulafoy
Ulcus Dieulafoy
왘 Synonym
왘 Synonym. Exulceratio simplex
왘 Definition
왘 Definition. Bei dem Ulcus Dieulafoy handelt es sich um eine oberflächliche Schleimhautläsion, die meist in proximalen Magenabschnitten lokalisiert ist. Am Boden dieser Läsion findet sich als Gefäßfehlanlage eine submukös gelegene dicklumige Arterie, die bei Arrosion zu heftigen arteriellen, lebensbedrohenden Blutungen führen kann.
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B 1.4 Magen und Duodenum
317
Klinik: Das Ulcus Dieulafoy macht sich durch akute Blutung mit Teerstühlen, Hämatin- oder Bluterbrechen mit Hb-Abfall bis hin zur Schocksymptomatik bemerkbar.
Klinik: Das Ulcus Dieulafoy macht sich durch die Symptome einer akuten Blutung bemerkbar.
Diagnostik, Therapie: Die Diagnostik besteht – wie bei jeder akuten oberen Gastrointestinalblutung – in einer Notfallendoskopie, bei der auch gleichzeitig die Therapie mittels endoskopischer Blutstillung (z. B. durch Hämoclips oder Unterspritzung, s. S. 251) erfolgen kann. Gelingt dies nicht, muss notfallmäßig operiert und offen umstochen werden.
Diagnostik, Therapie: Die Diagnose wird im Rahmen einer Notfallendoskopie gestellt. In gleicher Sitzung erfolgt die endoskopische Blutstillung (S. 251).
Arzneimittelulkus
Arzneimittelulkus 왗 Definition
왘 Definition. Unter einem Arzneimittelulkus versteht man eine Schleimhautlä-
sion, deren Entstehung durch ulzerogene Medikamente (Tab. B-1.12) begünstigt wird. Diese Medikamente führen für die Dauer ihrer Einnahme zu einem Ungleichgewicht zwischen protektiven und aggressiven Faktoren im Magen. Klinik: Das Beschwerdebild, das von Arzneimittelulzera ausgelöst werden kann, ist vielgestaltig. Es gibt Verläufe, die ohne wesentliche klinische Symptome erfolgen, über unspezifische Oberbauchbeschwerden (Druckgefühl, Völlegefühl, vermehrtes Aufstoßen), Appetitlosigkeit und Oberbauchschmerzen bis hin zu den Symptomen der Ulkuskomplikationen (s. u., z. B. Blutung, Perforation).
Klinik: Das Beschwerdebild ist geprägt von Verläufen ohne wesentliche klinische Symptome über Oberbauchbeschwerden, Appetitlosigkeit bis hin zu Symptomen der Ulkuskomplikationen (s. u.).
Diagnostik, Therapie: Bei dem klinischen Verdacht auf ein Arzneimittelulkus ist eine ÖGD mit Biopsieentnahme und Durchführung eines Helicobactertests durchzuführen. Die Therapie erfolgt in erster Linie konservativ (S. 321).
Diagnostik, Therapie: Diagnostisch ist eine ÖGD mit Biopsieentnahme und Helicobactertest durchzuführen. Die Therapie erfolgt konservativ (S. 321).
Stressulkus
Stressulkus 왗 Definition
왘 Definition. Das Stressulkus entsteht im Rahmen außergewöhnlicher Belas-
tungssituationen (z. B. Operation), schwerer Verletzungen oder schwerer Schockzustände durch eine Mikrozirkulationsstörung im Bereich der Magenschleimhaut mit Zusammenbruch des Stoffwechsels der Mukosabarriere und gleichzeitig erhöhtem duodenogastralem Reflux sowie erhöhter Säureproduktion.
B-1.12
Wirkmechanismus und Beispiele unterschiedlicher ulzerogener Medikamente
Wirkmechanismus Veränderung der Beschaffenheit und/ oder Menge des Magenschleims
Stoffgruppe ■ ■ ■ ■ ■
Änderung der Exfoliationsrate des Epithels
■ ■ ■
erhöhte H+-Ionenanreicherung im Epithel durch gesteigerte Rückdiffusion
■ ■ ■
Thrombozytenfunktionsstörung Hypersekretion von Säure (sehr selten) durch Gastrinfreisetzung oder gastrinähnliche Wirkung
■
■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
„barrier breakers“ Alkohol nichtsteroidale Antiphlogistika Gallensäuren Lysolezithin Kortikoide Chemotherapeutika Immunsuppressiva „barrier breakers“ Alkohol nichtsteroidale Antiphlogistika Thrombozytenaggregationshemmer Parasympathomimetika Alkohol Gallensäuren Kortikoide ACTH Androgene Reserpin
pharmakologische Beispiele ■ ■ ■ ■
■ ■ ■
Acetylsalicylsäure Phenylbutazon Indometacin Detergenzien Dexamethason Mitomycin C Azathioprin
■
Acetylsalicylsäure Phenylbutazon Indometacin Detergenzien
■
Acetylsalicylsäure
■ ■ ■
■ ■ ■ ■
Acetylcholin Pentagastrin STH Dexamethason
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B 1 Viszeralchirurgie
Häufig betroffen sind Patienten mit Sepsis, Peritonitis, Ileus, Polytrauma, hämorrhagischem Schockgeschehen, renaler, hepatischer oder respiratorischer Insuffizienz oder nach großen operativen Eingriffen. Bei unzureichender Ulkusprophylaxe ist die Gefahr einer akuten Blutung oder Perforation groß.
Trotz der heute üblichen medikamentösen Stressulkusprophylaxe sind Patienten mit Sepsis, Peritonitis, Ileus, Polytrauma, hämorrhagischem Schockgeschehen, renaler, hepatischer oder respiratorischer Insuffizienz oder nach großen operativen Eingriffen – also alle Patienten einer chirurgischen Intensivstation – hochgradig gefährdet, ein Stressulkus auszubilden. Ungefähr 80 % dieser Patienten zeigen bei endoskopischen Untersuchungen innerhalb der ersten 24 Stunden zahlreiche Erosionen und Ulzerationen, meist in den proximalen Magenanteilen. Wird die Ulkusprophylaxe nicht konsequent durchgeführt, ist die Gefahr einer akuten Blutung oder Perforation groß.
왘 Merke
왘 Merke. Bei Patienten der chirurgischen Intensivstation muss eine kon-
sequente Stressulkusprophylaxe erfolgen. Klinik: Stressulzera werden in den meisten Fällen erst durch das Auftreten von akuten Blutungen oder Perforationen bemerkt. Hämatinbeimengungen in der Magensonde sind Vorboten einer akuten Blutung.
Klinik: Stressulzera werden in den meisten Fällen erst durch das Auftreten von Komplikationen bemerkt. Im Vordergrund steht die akute Blutung, die sich bisweilen durch Hämatinbeimengungen in der Magensonde ankündigen kann. Bei einer Perforation entsteht ein akutes Abdomen mit rasch progredientem Verlauf.
Diagnostik, Therapie: Zur Prophylaxe sollten Protonenpumpenhemmer oder H2-Rezeptorantagonisten gegeben werden. Bei Blutungen endoskopische Blutstillung, bei Perforationen Laparotomie mit Ulkusexzision, evtl. Magenteilresektion (s.a. S. 326).
Diagnostik, Therapie: Zur Prophylaxe empfiehlt sich die Verabreichung von Protonenpumpenhemmern oder H2-Rezeptorantagonisten. Bei Blutungen ist die endoskopische Blutstillung, bei Perforation die Laparotomie mit Ulkusexzision und evtl. Magenteilresektion indiziert (zur Diagnostik und Therapie von Ulkuskomplikationen s.a. S. 326).
Chronische Ulzera
Chronische Ulzera
Chronische Ulzera treten häufiger als die akuten Geschwüre auf. In Deutschland sind ca. 10 % der Bevölkerung, davon Männer 3 – 4-mal häufiger als Frauen von der Ulkuskrankheit betroffen. Ulcera duodeni haben eine 3 – 4-fach höhere Inzidenz als Ulcera ventriculi. Nicht eine Säureüberproduktion, sondern vielmehr ein Missverhältnis zwischen Säure und Schutzmechanismen entscheidet über eine Ulkusentstehung.
Die chronischen Ulzerationen des oberen Gastrointestinaltrakts unterscheiden sich von den akuten Ulzera durch die persistierende Disposition zur Ulkusbildung. Sie treten häufiger als die akuten Geschwüre auf. In Deutschland sind ca. 10 % der Bevölkerung, davon Männer 3 – 4-mal häufiger als Frauen von der Ulkuskrankheit betroffen. Ulcera duodeni haben eine 3 – 4-fach höhere Inzidenz als Ulcera ventriculi. Die alte Feststellung „Ohne Säure kein Ulkus“ muss heute unter dem pathogenetischen Faktor „Helicobacter pylori“ relativiert werden. So ist nach modernen Erkenntnissen festzustellen, dass nicht immer eine Säureüberproduktion die Ulkusgenese auslöst, sondern vielmehr das Missverhältnis zwischen vorhandener Säure und Schutzmechanismen über eine Ulkusentstehung entscheidet.
Ulcera ventriculi
Ulcera ventriculi
Ulkustypen nach Johnson:
Nach Johnson lassen sich 3 Typen von Magenulzera differenzieren, die sich jeweils in ihrer Lokalisation und Grad der Säuresekretion unterscheiden: ■ Ulcus ventriculi Typ I: Hierbei handelt es sich um ein Ulkus, das typischerweise an der kleinen Kurvatur oberhalb der Incisura angularis gelegen ist. Ca. 90 % dieser Geschwüre liegen an der Antrum-Korpus-Grenze, die sich mit zunehmendem Alter nach oral hin verschiebt. Dadurch kommt es zur Reduktion der säureproduzierenden Belegzellen und somit zur Abnahme der Säuresekretion im Magen.
■
Ulcus ventriculi Typ I: Meist an der kleinen Kurvatur an der Antrum-Korpus-Grenze, die sich mit zunehmendem Alter nach oral verschiebt ? Säurereduktion durch Verminderung der Belegzellen bedingt eine Abnahme der Säuresekretion (Hypoazidität).
왘 Merke
Das Magenulkus Typ I macht insgesamt ca. 60 % aller gastralen Geschwüre aus. Ursachen sind Helicobacterbesiedlung, Mikrozirkulationsstörungen mit Veränderung des protektiven Magenschleims und Störung der Zellregeneration sowie ein erhöhter duodenogastraler Reflux.
왘 Merke. Je höher das Ulkus im Magen gelegen ist, desto weniger Säuresekretion besteht im Magen.
Das Magenulkus Typ I macht insgesamt ca. 60 % aller gastralen Geschwüre aus. Beim Säuresekretionstest ergibt sich typischerweise eine Hypoazidität. Als Ursache werden Helicobacterbesiedlung, Mikrozirkulationsstörungen der Schleimhaut mit Veränderung der Zusammensetzung des protektiven Magenschleimes und Störung der Zellregeneration sowie ein erhöhter alkalischer duodenogastraler Reflux von Gallensäuren und Lysolezithin angegeben.
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
B 1.4 Magen und Duodenum
319
B-1.58
Einteilung der Magenulzera nach Johnson und Darstellung eines typischen Ulcus duodeni
B-1.59
Kontrastmitteldarstellung eines präpylorischen Ulcus ventriculi
B-1.59
Radiologische Darstellung eines Ulcus ventriculi an der großen Kurvatur. Das Ulkus zeigt sich als kontrastmittelgefüllte Vertiefung (Depot). Charakteristisch ist der target-förmige weiße Wall (Kontrastmittelaussparung des Ulkusrandwalls) mit zentraler Kontrastmittelansammlung (?).
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Ulcus ventriculi Typ II: Der Ulkus-Typ II zeichnet sich durch das gleichzeitige Vorliegen von einem Magen- und einem Duodenalgeschwür aus (20 % aller Ulcera ventriculi). Zur Pathogenese wird der „Dragstedt-Mechanismus“ diskutiert: Durch eine antrale Stase im Magen (z. B. bei Magenausgangsstenose) kommt es zu einer Magenektasie und somit zu einer erhöhten Gastrinfreisetzung mit konsekutiver Säuresekretionssteigerung. So kann ein primär vorliegendes Ulcus duodeni durch ödematöse Schwellung eine Magenausgangsstenose hervorrufen und über Aktivierung des Dragstedt-Mechanismus die Entstehung eines Ulcus ventriculi induzieren. Entsprechend findet man bei diesem Ulkustyp normale bis erhöhte Sekretionswerte für die Magensäure. Ulcus ventriculi Typ III: Ulkus im prä- oder intrapylorischen Bereich (Abb. B-1.59). Es entsteht durch eine Hypersekretion mit Hyperazidität, evtl. auf dem Boden einer gastralen Stase.
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Ulcus ventriculi Typ II: Gleichzeitiges Magen- und Duodenalgeschwür (20 % aller Ulcera ventriculi). Als Ursache wird der „Dragstedt-Mechanismus“ diskutiert (antrale Stase im Magen ? Ektasie und erhöhte Gastrinfreisetzung ? Säuresekretion ↑). Entsprechend findet man bei diesem Ulkustyp normale bis erhöhte Sekretionswerte für die Magensäure.
Ulcus ventriculi Typ III: Ulkus im prä- oder intrapylorischen Bereich durch Hypersekretion mit Hyperazidität.
Klinik: Ulcera ventriculi treten am häufigsten zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr auf. Diese Altersverteilung entspricht der des Magenkarzinoms, das auch die wichtigste Differenzialdiagnose des Magenulkus darstellt. Die Patienten klagen über Oberbauchschmerzen, Inappetenz, Völlegefühl, seltener über Erbrechen oder Gewichtsabnahme. Der Schmerzcharakter schwankt zwischen Sofortschmerz nach Nahrungsaufnahme und nahrungsunabhängigem Schmerz.
Klinik: Ulcera ventriculi treten meist zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr auf (analog Magenkarzinom = wichtigste DD) mit Oberbauchschmerz, Inappetenz, Völlegefühl, seltener Erbrechen oder Gewichtsabnahme. Der Schmerzcharakter variiert zwischen Sofortschmerz nach Nahrungsaufnahme und nahrungsabhängigem Schmerz.
Diagnostik: Das wichtigste Untersuchungsverfahren bei klinischem Verdacht auf ein Ulkus stellt die ÖGD dar. Sie ermöglicht neben der endoskopisch gestellten Diagnose auch die Entnahme von Biopsien, zum einem, um ein Malignom
Diagnostik: Die ÖGD ermöglicht die Diagnosestellung und -sicherung durch Biopsien, zum einen zum Malignomausschluss, zum anderen zum Nachweis einer Helicobacterbesiedlung.
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B 1 Viszeralchirurgie
B-1.60
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Ulcus ventriculi a Frisches Ulcus ventriculi mit Hämatinbelag an der kleinen Kurvatur (?) b Derselbe Befund nach 2 Wochen konservativer Therapie, Abheilung und Ausbildung einer Narbe (?)
a
b
auszuschließen, zum anderen, um durch Schnelltests und Histologie eine Helicobacterbesiedlung zu erkennen. 왘 Merke
왘 Merke. Wird im Rahmen eines ÖGD ein Ulcus ventriculi gefunden, so ist in
jedem Fall ein Karzinom bioptisch auszuschließen. Zur Klärung der Dignität müssen mehrere Biopsien (bis zu 10) vom Ulkusrand entnommen werden. Differenzialdiagnostisch sind neben dem Magenkarzinom Magendivertikel, Refluxösophagitis, Cholelithiasis, Pankreatitis oder eine Nephropathie oder -lithiasis auszuschließen.
Differenzialdiagnostisch sind neben dem Magenkarzinom Erkrankungen auszuschließen, bei denen der Oberbauchschmerz ebenfalls im Vordergrund der klinischen Beschwerden steht (Cholelithiasis, Refluxösophagitis, Pankreatitis, Nephropathie oder -lithiasis). Sind die klinischen Beschwerden durch den Befund der ÖGD nicht ausreichend erklärt, so sind im Rahmen der Umfelddiagnostik eine Oberbauchsonographie (Gallensteine, Pankreasveränderungen, Nierenerkrankungen), Bestimmung der Pankreas- und Cholestaseparameter und Untersuchung des Urinsedimentes anzuschließen.
Therapie: Primär ist eine konservative Therapie durchzuführen (S. 321). Bei suffizienter Behandlung 4 6 Wochen ohne Erfolg oder chronisch rezidivierenden Ulzera sollte operiert werden. Das Verfahren der Wahl ist die Magenresektion (s. u.).
Therapie: Nachdem endoskopisch-bioptisch ein Magenkarzinom ausgeschlossen wurde, ist primär eine konservative Therapie durchzuführen (S. 321). Erst bei Therapieversagern (suffiziente Behandlung > 6 Wochen ohne Ansprechen) oder chronisch rezidivierenden Ulcera ventriculi erscheint die operative Behandlung indiziert. Das Verfahren der Wahl ist die Magenresektion unter Einschluss des Geschwürs und Wiederherstellung der Kontinuität nach Billroth I, Billroth II oder Roux-Y (S. 325). Man kann aber heute davon ausgehen, dass bei Ausschöpfung aller konservativen Therapiemöglichkeiten (Senkung der Säuresekretion, H.-pylori-Eradikation) 90 – 98 % aller Ulzera ausheilen. Bei H.-pylori-Nachweis ist die Eradikation schon beim ersten Therapiezyklus indiziert, da Ausheilungs- und Rezidivraten eradizierter Patienten deutlich über denen der nicht eradizierten liegen.
Ulcus duodeni
Ulcus duodeni
왘 Definition
왘 Definition. Das Ulcus duodeni ist die häufigste Manifestationsform der Ulkus-
krankheit. Es tritt in der Regel im Bulbus duodeni auf und hat einen Altersgipfel zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Männer sind 4 × häufiger als Frauen betroffen. Pathogenese: Die Ursache eines duodenalen Ulkus liegt in einer relativen Hypersekretion von Salzsäure im Magen oder einer reduzierten Defensivkapazität des Duodenums. Meistens ist die Ursache ein gesteigerter Vagotonus, eine größere Zahl und erhöhte Ansprechbarkeit von Belegzellen, eine ver-
Pathogenese: Die Ursache eines duodenalen Ulkus liegt in einer relativen Hypersekretion von Salzsäure im Magen. Dabei muss nicht eine absolute Hyperazidität bestehen, ebenso kann die Ulkusgenese durch eine reduzierte Defensivkapazität des Duodenums bei normaler Säuresekretion induziert werden. Meistens liegt bei Patienten mit einem Ulcus duodeni jedoch eine gastral bedingte Hyperazidität auf dem Boden eines gesteigerten Vagotonus,
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B 1.4 Magen und Duodenum
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einer größeren Zahl und erhöhten Ansprechbarkeit von Belegzellen, einer vermehrten Gastrinfreisetzung oder eines Versagens von sekretorischen Hemmmechanismen vor. Ein Ulcus duodeni ist meist mit einer Helicobacterbesiedlung assoziiert. In seltenen Fällen liegt eine extragastral induzierte Ulzerogenese vor: Beim Zollinger-Ellison-Syndrom führt ein meist intrapankreatisch gelegenes Gastrinom (G-Zell-Tumor) über eine extragastrale Gastrinproduktion zu einer vermehrten Säuresekretion im Magen (typische Trias: Exzessive gastrale Hypersekretion, rezidivierende Ulzera, Hypergastrinämie). Bei den Sekretintests findet man einen maximal stimulierten BAO. Andere extragastrale Erkrankungen, die die Ulkusentstehung begünstigen, sind ein Hyperparathyreoidismus, der Morbus Cushing oder ein Cushing-Syndrom, die Akromegalie, die Tuberkulose und Leberzirrhose. Auch Patienten mit Immundefekten sowie Patienten nach portosystemischen Shuntoperationen haben ein erhöhtes Risiko, Ulcera duodeni zu entwickeln.
mehrte Gastrinfreisetzung oder ein Versagen von sekretorischen Hemmmechanismen. Falsche Ernährungsgewohnheiten können die Ulkusentstehung begünstigen. Eine Helicobacterbesiedlung liegt häufig vor. Eine extragastral induzierte Ulzerogenese findet man beim Zollinger-Ellison-Syndrom, bei dem ein Gastrinom über eine extragastrale Gastrinproduktion zu einer vermehrten Säuresekretion im Magen führt (typische Trias: Exzessive gastrale Hypersekretion, rezidivierende Ulzera, Hypergastrinämie). Andere extragastrale Faktoren, die die Ulkusentstehung begünstigen, sind Hyperparathyreoidismus, Morbus Cushing, Akromegalie, Tuberkulose, Leberzirrhose, Immundefekte oder portosystemische Shuntoperationen.
Klinik: Die führenden Beschwerden von Patienten mit Ulcera duodeni sind epigastrische Schmerzen, die besonders nachts oder als Nüchternschmerz auftreten. Es findet sich eine jahreszeitliche Beschwerdehäufung im Frühjahr und Herbst. Weiterhin können Völlegefühl, vermehrtes Aufstoßen, Meteorismus und seltener Erbrechen, Gewichtsabnahme oder Dyspepsie Beschwerden machen. Vielfach wird von den Patienten angegeben, dass bei Nikotin- oder Kaffeegenuss oder bei psychischer Belastung die Beschwerden zunehmen, wahrscheinlich induziert durch eine vermehrte Säurestimulation.
Klinik: Typisch sind epigastrische Schmerzen nachts oder Nüchternschmerz sowie Völlegefühl, Aufstoßen, Meteorismus, Erbrechen, Gewichtsabnahme oder Dyspepsie. Nikotin oder Kaffee führen wie psychische Belastung oft zur Beschwerdezunahme. Es findet sich eine jahreszeitliche Häufung im Frühjahr und Herbst.
Diagnostik: Die ÖGD stellt auch hier die Methode der Wahl zur Diagnosesicherung dar. Jedoch ist bei endoskopisch nicht suspekten Ulzerationen im Duodenum eine Biopsie zum Karzinomausschluss erst nach fehlender Ausheilung unter suffizienter Therapie innerhalb von 4 – 6 Wochen notwendig. Eine Helicobacterbesiedlung muss ausgeschlossen werden. Bei chronisch rezidivierenden oder therapieresistenten Ulcera duodeni ist nach Ausschluss eines Karzinoms (selten!) die Durchführung eines Funktionstests zur Erkennung eines Zollinger-Ellison-Syndroms sinnvoll. Differenzialdiagnostisch sollte bei einem Ulcus duodeni wie beim Ulcus ventriculi eine Refluxösophagitis, eine Cholelithiasis, eine Pankreatitis oder eine Nierenerkrankung ausgeschlossen werden.
Diagnostik: Die ÖGD stellt die Untersuchungsmethode der Wahl dar. Biopsien müssen bei therapieresistenten oder chronisch rezidivierenden Ulcera duodeni zum Karzinomausschluss oder Helicobacternachweis entnommen werden. Bei diesen ist auch ein Funktionstest zur Erkennung eines Zollinger-Ellison-Syndroms sinnvoll. Differenzialdiagnostisch ist an eine Refluxösophagitis, eine Cholelithiasis, eine Pankreatitis oder eine Nierenerkrankung zu denken.
Therapie: Ulcera duodeni sind stets primär konservativ zu behandeln. Erst bei Versagen der konservativen Therapie, wenn der Patient nach Absetzen der Medikamente stets Ulkusrezidive erleidet oder Komplikationen (Blutung, Perforation, Penetration) auftreten, ist die Indikation zur operativen Intervention gegeben.
Therapie: Ulcera duodeni müssen immer primär konservativ behandelt werden. Bei Therapieversagen, Ulkusrezidiven nach Absetzen der Medikamente oder Komplikationen ist die Indikation zur operativen Intervention gegeben.
Therapie der Ulkuskrankheit
Therapie der Ulkuskrankheit
Die Ulkuschirurgie war bis in die 1970er Jahre mit ihren resektiven und nichtresektiven Verfahren für viele Patienten die Behandlungsmethode, mit der die höchste Erfolgsrate bei der Therapie chronischer Verläufe oder akuter Komplikationen der Ulkuskrankheit erzielt werden konnte.
Bis in die 1970er-Jahre war die Ulkuschirurgie oft die einzige Behandlungsmethode mit guten Erfolgen für Ulkuspatienten.
왘 Merke. Durch die Einführung der H2-Rezeptorantagonisten und vor allem
왗 Merke
der Protonenpumpenhemmer änderte sich die Erfolgsquote der konservativen Behandlung so grundlegend, dass heute die operative Therapie den therapieresistenten Fällen, chronisch rezidivierenden Verläufen und schweren Komplikationen der Ulkuskrankheit vorbehalten bleibt. Konservative Therapie
Konservative Therapie
Die konservativen Therapieansätze der Behandlung von Magen- und Duodenalgeschwüren haben zum Ziel, die ursächliche Imbalance zwischen aggressiven und protektiven Faktoren auszugleichen. So beruht der Wirkmechanismus der verwendeten Medikamente zum einen auf der Reduktion der Magensäure als
Die konservativen Therapieansätze haben zum Ziel, die ursächliche Imbalance zwischen aggressiven und protektiven Faktoren durch Reduktion der Magensäure oder Unterstützung oder Substitution der protektiven Faktoren auszugleichen.
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B 1 Viszeralchirurgie
wichtigstem aggressiven Faktor, zum anderen auf der Unterstützung oder Substitution der protektiven Faktoren (Durchblutung, Magenschleim). Protonenpumpenhemmer: Diese Medikamente (z. B. Omeprazol) blockieren die Protonenpumpe in den Belegzellen. Mit ihnen ist eine Anhebung des Magen-pH auf neutrale Werte möglich. 왘 Merke
Protonenpumpenhemmer: Diese Medikamente (z. B. Omeprazol, Pantoprazol) blockieren die Protonenpumpe in den Belegzellen, sodass unabhängig von der Stimulation der Belegzellen von außen die aktive Säuresekretion vollständig unterdrückt werden kann. Mit diesen Medikamenten ist eine Anhebung des Magen-pH auf neutrale Werte möglich. 왘 Merke. Merke: Protonenpumpenhemmer (PPI) sind erste Wahl bei einem konservativen Therapieversuch der Ulkuskrankheit. Alle anderen medikamentösen Optionen (s. u.) sind nur von untergeordneter Bedeutung.
Weitere Therapieoptionen zur Säurereduktion: ■ H -Rezeptorantagonisten. 2 ■ Anticholinergika. ■ Antazida.
Weitere Therapieoptionen zur Säurereduktion: ■ H -Rezeptorenantagonisten: Reduktion der Säureausschüttung durch Blocka2 de der Histamin2-Rezeptoren (z. B. Cimetidin, Ranitidin, Famitidin). ■ Anticholinergika: Reduktion der Säuresekretion durch Vagusreizung während der zephalen Phase. ■ Antazida neutralisieren die freigesetzte Magensäure.
Motilitätsfördernde Medikamente: Bei einer funktionellen gastralen Stase mit Stauungsgastritis oder Ulzerationen kann durch Medikamente, die die Magenentleerung fördern, das Beschwerdebild gebessert werden. Diese Medikamente dürfen nicht bei organischen Stenosen verwendet werden.
Motilitätsfördernde Medikamente: Kommt es aufgrund einer gastralen Stase zu einer vermehrten Gastrinfreisetzung und somit zu einer Stauungsgastritis oder Entstehung von Ulzerationen, so kann durch die Applikation von Medikamenten, die die Magenentleerung fördern, das Beschwerdebild gebessert werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die Stase nicht durch eine organische Stenose hervorgerufen wird, sondern funktionelle Ursachen hat. Als ein Medikament dieser Gruppe ist in erster Linie Metoclopramid zu nennen.
Antibiotika: Bei positivem Helicobacternachweis ist die Eliminierung dieses Keimes zu fordern. Standardtherapie stellt dabei die Kombination von Protonenpumpenhemmern mit Clarithromycin und Amoxicillin dar. Bei fehlendem Ansprechen ist auf eine Quadripeltherapie umzusteigen (zusätzliche Wismutgabe).
Antibiotika: Seitdem Helicobacter pylori als eine der Ursachen für die Ulkusentstehung und die gesteigerte Rezidivneigung vieler Patienten identifiziert wurde, wird bei Ulkuspatienten mit positivem Helicobacternachweis die Eliminierung dieses Keimes gefordert. Die Standardtherapie stellt dabei die Kombination von Protonenpumpenhemmern (für 4 Wochen), Clarithromycin und Amoxicillin für 7 Tage dar. Gelingt hierunter nicht die Elimination der Keime (gastroskopischbioptische Kontrollen!), so ist auf eine Quadripeltherapie mit zusätzlicher Gabe von Wismutpräparaten umzusteigen oder eine Umstellung auf Wismut in Kombination mit Tetrazyklinen und Protonenpumpenhemmern vorzunehmen.
Indikationsstellung in der Ulkuschirurgie
Indikationsstellung in der Ulkuschirurgie
Unkomplizierte Ulcera ventriculi sive duodeni sind primär konservativ zu behandeln und endoskopisch zu kontrollieren. Bei Persistenz eines Ulcus ventriculi unter suffizienter Therapie oder bei narbiger Magenausgangsstenose ist die Indikation zur Resektion gegeben. Chronisch rezidivierende Duodenalulzera können mit einer SPV oder Resektion behandelt werden. Operationen sind heute wegen der suffizienten konservativen Therapie die Ausnahme.
Bei unkomplizierten Ulcera ventriculi sive duodeni ist der konservativen, endoskopisch kontrollierten Therapie der Vorzug zu geben. Ist ein Ulcus ventriculi jedoch auch nach mehrfacher suffizient durchgeführter konservativer Therapie nicht abgeheilt (Ulkuspersistenz) oder besteht eine narbige Magenausgangsstenose, so ist die Indikation zur Resektion gegeben. Bei chronisch rezidivierenden Duodenalulzera, die unter Medikation ausheilen, nach Absetzen der Medikamente aber regelmäßig wieder auftreten, ist in Abhängigkeit vom subjektiven Leidensdruck, Ausprägung der medikamentös induzierten Nebenwirkungen und sozialem Umfeld des Patienten die Indikation zur selektiven proximalen Vagotomie (SPV) oder zur Resektion zu erwägen und mit dem Patienten zu besprechen. Aufgrund der enorm suffizienten konservativen Therapieoptionen stellt die operative Behandlungsnotwendigkeit inzwischen die seltene Ausnahme dar. Die Indikationsstellung erfolgt immer in enger interdisziplinärer Absprache zwischen Internisten und Chirurgen.
Operative Therapie
Operative Therapie
Die elektive operative Behandlung der Ulkuskrankheit soll die Säuresekretion reduzieren und Magenulzera im gleichen Eingriff mitentfernen. Bei der Behandlung von Komplikationen steht die Abwendung vital bedrohlicher Komplikationen im Vordergrund.
Die elektive operative Behandlung der Ulkuskrankheit hat zum Ziel, die Säuresekretion zu reduzieren und bei gastralen Ulzera das Ulkus im gleichen Eingriff mitzuentfernen. Dabei sollte die Magenfunktion nicht oder nur möglichst gering beeinträchtigt werden. Bei der Behandlung von akuten
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B 1.4 Magen und Duodenum
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Komplikationen steht die Abwendung vital bedrohlicher Komplikationen, wie bei der endoskopisch nicht beherrschbaren Blutung oder der Perforation, im Vordergrund. Grundsätzlich werden dabei in der Magenchirurge resezierende von nichtresezierenden Verfahren unterschieden. Nichtresezierende Verfahren: Zu den nichtresezierenden Operationsverfahren zählen dabei die Übernähung eines frisch perforierten Ulkus, Umstechungsligaturen bei endoskopisch nicht beherrschbaren Blutungen aus Arterien (meist A. gastroduodenalis bei Arrosionsblutungen an der Bulbushinterwand) und die Vagotomieverfahren mit und ohne Pyloroplastik.
Nichtresezierende Verfahren: ■ Ulkusübernähung ■ Umstechung ■ Vagotomie.
Ulkusübernähung: Wenn ein Ulkus perforiert (S. 326) ist, ist die sofortige Laparotomie indiziert. Der Zugang erfolgt über eine mediane Oberbauchlaparotomie. Das perforierte Ulkus ist längsovalär zu exzidieren und histologisch zu untersuchen. Anschließend wird der Defekt mit Einzelknopfnähten quer verschlossen. An die Perforationsstelle ist eine Drainage einzulegen. Befindet sich das Ulkus im Bereich des Pylorus und liegt bereits eine Magenausgangsstenose vor, so sollte die Ulkusexzision in den Bereich des Pylorus hineingezogen und der Eingriff im Sinne einer Pyloroplastik zur Magenausgangserweiterung beendet werden. Neben der Therapie der Perforation sind deren Folgen, in der Regel eine verschieden ausgeprägte Peritonitis, dem Befund entsprechend zu behandeln.
Ulkusübernähung: Über eine mediane Oberbauchlaparotomie wird das perforierte Ulkus längsovalär exzidiert und mit Einzelknopfnähten quer verschlossen und drainiert. Bei Vorliegen einer Magenausgangsstenose kann die Ulkusexzision in den Bereich des Pylorus hineingezogen und der Eingriff im Sinne einer Pyloroplastik zur Magenausgangserweiterung beendet werden.
Umstechung: Ist endoskopisch die Stillung einer Ulkusblutung nicht möglich, so erfolgt die Umstechung der Blutungsquelle über eine Gastrotomie. Sichtbare Gefäßstümpfe werden direkt umstochen. Findet sich kein sichtbares Gefäß oder aktuell keine aktive Blutungsquelle, erfolgt eine sogenannte Quadrantenumstechung, bei der an allen 4 Seiten des Ulkus eine durchgreifende Ligatur gesetzt wird. Bei Ulzera der Bulbushinterwand bluten in der Regel größere Äste der A. gastroduodenalis oder das Stammgefäß selbst. In diesen Fällen empfiehlt es sich, die Arterie proximal und distal der Unterkreuzung des Duodenums durch Umstechung zu verschließen.
Umstechung: Sichtbare Gefäßstümpfe werden direkt umstochen. Ist die Blutung diffus oder kein Gefäßstumpf sichtbar, erfolgt eine Quadrantenumstechung. Bei Blutungen in der Bulbushinterwand muss auch die A. gastroduodenalis verschlossen werden.
Vagotomie: Das Ziel jeder Vagotomie ist, so viel Säureproduktion wie möglich auszuschalten und dabei so viel Magenfunktion wie möglich zu erhalten. Durch Unterbrechung der vagalen Innervierung der Belegzellen des Magens wird der BAO um ca. 60 % reduziert, was bei der Behandlung eines Ulcus duodeni in 85 – 90 % der Fälle ausreicht, um ein Ulkusrezidiv zu verhindern. Es werden 3 Vagotomieverfahren unterschieden, die hinsichtlich der Höhe der Unterbrechung der vagalen Fasern differieren. Da Ulkuschirurgie heute fast nur noch zur Beherrschung von Komplikationen durchgeführt wird, spielt auch die Vagotomie kaum noch eine Rolle. ■ Trunkuläre Vagotomie (TV): Bei der trunkulären Vagotomie (TV) werden sämtliche Vagusfasern subdiaphragmal durchtrennt. Hierdurch kommt es zur Ausschaltung der sekretorischen und motorischen gastralen Vagusäste, aber auch der extragastralen Äste zu Leber, Pankreas, Intestinum und Kolon. Daraus ergeben sich die vielfältigen Nebenwirkungen dieses Eingriffs (Cholelithiasis, Diarrhö, exokrine Pankreasinsuffizienz). Die Durchtrennung der motorischen Magenfasern führt zu einer zusätzlichen Hemmung der Magenperistaltik und des Magentonus, sowie zu einer Öffnungslähmung des Pylorus. Aus diesem Grund muss eine TV stets mit einer Pyloroplastik kombiniert werden. Bei der Pyloroplastik nach Heineke-Mikulicz wird nach Längsinzision über der Pylorusregion der Pylorus durch eine quere Naht plastisch erweitert. Aufgrund der Nebenwirkungen sollte eine TV nur bei Rezidivulzera nach Vagotomie und/oder anderen Magenvoroperationen durchgeführt werden. ■ Selektive totale Vagotomie (STV): Die selektive totale Vagotomie (STV, auch selektive gastrale Vagotomie, SGV genannt) unterscheidet sich von der TV dadurch, dass die extragastralen Vagusfasern geschont werden und nur die zum Magen ziehenden Vagusnerven durchtrennt werden. Da auch bei diesem
Vagotomie: Durch Unterbrechung der vagalen Innervierung der Belegzellen wird der BAO um ca. 60 % reduziert, (85 – 90 % Rezidivfreiheit beim Ulcus duodeni). Es werden 3 Vagotomieverfahren unterschieden, die hinsichtlich der Höhe der Unterbrechung der vagalen Fasern differieren:
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Trunkuläre Vagotomie (TV): Bei der TV werden alle Vagusfasern subdiaphragmal durchtrennt. Durch Unterbindung der extragastralen Äste zu Leber, Pankreas, Intestinum und Kolon kann es zu einer Cholelithiasis, Diarrhö oder exokrinen Pankreasinsuffizienz kommen. Die Durchtrennung der motorischen Magenfasern führt zu einer Hemmung der Magenperistaltik und des Magentonus sowie zu einer Öffnungslähmung des Pylorus und muss mit einer Pyloroplastik kombiniert werden. Deshalb sollte eine TV nur bei Rezidivulzera nach Vagotomie durchgeführt werden. Selektive totale Vagotomie (STV): Im Rahmen der STV (auch selektive gastrale Vagotomie, SGV, genannt) werden nur die zum Magen ziehenden Vagusnerven
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B 1 Viszeralchirurgie
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Formen der Vagotomie
a Trunkuläre Vagotomie und Pyloroplastik.
b Selektive totale Vagotomie und Pyloroplastik.
durchtrennt. Auch hier ist die Kombination mit der Pyloroplastik obligat. Eine STV ist dann indiziert, wenn eine SPV technisch nicht möglich ist oder eine Magenausgangsstenose vorliegt. ■
Selektive proximale Vagotomie (SPV): Die SPV schont die motorischen antralen Äste und denerviert ausschließlich die sekretorischen Vagusäste. Die SPV gilt heute als Standardverfahren in der operativen Therapie des Ulcus duodeni.
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c Selektive proximale Vagotomie.
Operationsverfahren die motorischen antralen Äste (N. Latarjet) durchtrennt werden, ist auch hier die Kombination mit der Pyloroplastik obligat. Eine STV ist dann indiziert, wenn eine SPV technisch nicht möglich ist oder eine Magenausgangsstenose vorliegt, bei der eine Pyloroplastik ohnehin indiziert ist. Selektive proximale Vagotomie (SPV): Die selektive proximale Vagotomie (SPV) schont die motorischen antralen Äste, da ausschließlich die sekretorischen Vagusäste des proximalen Magens (belegzelltragende Fundus- und Korpusregion) denerviert werden. Somit ist die Kombination mit einer Pyloroplastik nicht notwendig. Die SPV gilt heute als Standardverfahren in der operativen Therapie des Ulcus duodeni.
Typische Komplikationen sind Motilitätsstörungen, Diarrhöen, Milzverletzungen, Ösophagusperforation und Rezidivulzera. Die Letalität des Eingriffs liegt im Bereich von 0 – 0,5 %.
Als typische Komplikationen der Vagotomieoperationen sind Motilitätsstörungen, Diarrhöen, Milzverletzungen (ca. 2 %), Ösophagusperforation (1 – 2 %) und das Rezidivulkus (10 – 15 %) zu nennen. Die Letalität des konventionell durchgeführten Eingriffes liegt im Bereich von 0 – 0,5 %.
Laparoskopische Vagotomie: Die trunkuläre oder selektiv-proximale Vagotomie kann laparoskopisch erfolgen.
Laparoskopische Vagotomie: Die trunkuläre oder selektiv-proximale Vagotomie kann bei chronischen Ulzera duodeni in geeigneten Fällen laparoskopisch erfolgen. ■ Präoperative Diagnostik: Eine funktionelle bzw. anatomische Pylorus- oder Duodenalstenose ist auszuschließen. ■ Indikationen, Kontraindikationen: Patienten mit therapieresistentem, unkompliziertem Ulcus duodeni scheinen am besten geeignet. Abzuwarten bleibt, ob laparoskopische Methoden auch eine Alternative zur langzeitmedikamentösen Behandlung darstellen. Fortgeschrittene Erkrankungen oder eine gleichzeitig erforderliche Pyloroplastik sind als relative Kontraindikationen anzusehen. ■ Operatives Vorgehen: Nach Einbringen der Trokare erfolgen unter Kamerasicht die gleichen Operationsschritte wie bei der offenen Chirurgie. Unter Schonung des N. Latarjet wird die kleine Kurvatur des Magens skelettiert und die Rr. gastrici anteriores und posteriores n. vagi magenwandnah abgesetzt. Kardia, Ösophagus und Funduskuppe werden dann unter Schonung des vorderen und hinteren Vagus skelettiert. Anschließend wird die kleine Kurvatur durch Naht reserosiert. Das Darstellen und Absetzen der Rr. gastrici posteriores n. vagi ist sehr aufwendig. Die laparoskopische Operation wird daher auch als trunkuläre Vagotomie des hinteren und selektiv-proximale Vagotomie des vorderen Vagusastes durchgeführt. ■ Komplikationen: Häufigkeit und Art postoperativer Komplikationen entsprechen, bis auf das Mediastinalemphysem und den Pneumothorax, der offenen Operation. Da die intraoperative Kontrolle der Pylorusweite und einer Restfunktion evtl. verbliebener vagaler Äste entfällt, muss eine postoperative Kontrolle der Magenfunktion erfolgen.
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Präoperative Diagnostik. Eine Pylorusoder Duodenalstenose ist auszuschließen. Indikationen, Kontraindikationen: Patienten mit therapieresistentem, unkompliziertem Ulcus duodeni scheinen am besten geeignet. Fortgeschrittene Erkrankungen oder eine gleichzeitig erforderliche Pyloroplastik stellen relative Kontraindikationen dar. Operatives Vorgehen: Bei der laparoskopischen Operation erfolgen die gleichen Operationsschritte wie bei der offenen selektiv-proximalen Vagotomie. Das Absetzen der Rr. gastrici posteriores n. vagi kann aufwendig sein. Die Operation wird daher auch als trunkuläre Vagotomie des hinteren Vagusastes und selektiv-proximale Vagotomie des vorderen Astes durchgeführt.
Komplikationen: Die Komplikationen entsprechen, bis auf das Mediastinalemphysem und den Pneumothorax, der offenen Operation. Postoperativ sollte die Magenfunktion kontrolliert werden.
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B 1.4 Magen und Duodenum
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Resezierende Verfahren: Bei den resezierenden Verfahren wird der distale Anteil des Magens entfernt, sodass mit dem Antrum die G-Zellen (Reduktion der Gastrinproduktion) und mit den resezierten Korpusanteilen auch die Zahl der Belegzellen (Reduktion der Säuresekretion) vermindert wird. Das Resektionsausmaß ist an der Lokalisation des Ulkus zu orientieren, da dieses mit entfernt werden muss. Die Reduktion der Säuresekretion durch eine Magenteilresektion ist mit einer Verminderung des BAO um ca. 80 % höher als bei den Vagotomieverfahren. Als Operationsverfahren für das Magenulkus haben sich die Antrektomie in Kombination mit einer Vagotomie, die distale 2/3-Resektion mit Rekonstruktion nach Billroth I oder II mit Roux-Y-Anastomose etabliert.
Resezierende Verfahren: ■ Antrektomie mit Vagotomie. ■ Billroth-I-Resektion. ■ Billroth-II-Resektion. ■ Roux-Y-Gastroenterostomie.
Antrektomie mit selektiver gastraler Vagotomie: Es erfolgt die Resektion des Antrums mit den Gastrin bildenden G-Zellen. Die Kontinuitätswiederherstellung des Gastrointestinaltrakts wird meist mit einer Gastroduodenostomie erreicht. Zur weiteren Reduktion der Säurebildung wird in gleicher Sitzung eine selektive Vagotomie durchgeführt. Die Antrektomie mit selektiver Vagotomie hat von allen operativen Verfahren, die in der Ulkuschirurgie zur Anwendung kommen, die geringste Ulkusrezidivrate.
Antrektomie mit selektiver gastraler Vagotomie: Es erfolgt die Resektion des Antrums und die Durchführung einer Gastroduodenostomie. Zur weiteren Reduktion der Säurebildung wird eine selektive Vagotomie durchgeführt. Die Antrektomie mit selektiver Vagotomie hat die geringste Ulkusrezidivrate.
Billroth-I-Resektion: Es handelt sich hierbei um eine Resektion der distalen 2/3 des Magens mit einer terminoterminalen (End-zu-End-) oder terminolateralen (End-zu-Seit-) Anastomose von Magen und Duodenum (Gastroduodenostomie, Abb. B-1.62 a, b). Der Vorteil dieser Operationsmethode liegt im Erhalt der physiologischen duodenalen Speisepassage. Komplikationen sind Verletzungen der Gallenwege bei der Präparation, Ausbildung von Dumping-Syndromen (S. 341) oder Refluxösophagitiden durch erhöhten Gallereflux.
Billroth-I-Resektion: Es handelt sich um eine distale 2/3-Resektion des Magens mit Gastroduodenostomie (Abb. B-1.62 a, b), wodurch die physiologische duodenale Passage erhalten bleibt. Komplikationen sind Verletzungen der Gallenwege, Ausbildung von Dumping-Syndromen (S. 341) oder Refluxösophagitiden.
Billroth-II-Resektion: Im Gegensatz zur Billroth-I-Resektion wird das Duodenum blind verschlossen und eine Gastrojejunostomie vorgenommen. Dabei kann die erste Jejunalschlinge, die zur Anastomosierung verwendet wird entweder durch einen Schlitz im Mesocolon transversum zum Magen hochgeführt werden (retrokolisch) oder vor dem Mesocolon transversum in den Oberbauch verlagert werden (antekolisch). Um einen fortwährenden Kontakt der Gallen- und Duodenalsekrete mit Magenschleimhaut im Bereich der Gastrojejunostomie zu vermeiden, sollte eine Enteroenteroanastomose nach Braun (Braun-Fußpunktanastomose) an der Basis der ersten Schlinge oder besser eine Roux-Y-Rekonstruktion vorgenommen werden (Abb. B-1.62 c, d). Der Vorteil der B-II-Resektion liegt in der geringen Rate an Rezidivulzera. Operativ bedingte Komplikationen sind die Duodenalstumpfinsuffizienz, Anastomosendehiszenzen und Verletzungen der Gallenwege. Außerdem treten nach Billroth-II-Resektionen typische Folgekrankheiten wie das Dumping-Syndrom oder das Schlingen- oder Blind-loop-Syndrom in bis zu 5 % auf (s. S. 341 f.). Zusätzlich besteht die Möglichkeit der Ausbildung einer Refluxösophagitis, sowie eines Anastomosenulkus. Ebenfalls relevant ist die Ausbildung eines Magenstumpfkarzinoms, das sich 15 – 20 Jahre nach Billroth-II-Resektion entwickeln kann. Die Rekonstruktionstechnik nach Billroth II mit Ω-Anastomose ist weitgehend durch die Roux-Y-Technik abgelöst worden.
Billroth-II-Resektion: Das Duodenum wird blind verschlossen und eine Gastrojejunostomie mit retro- oder antekolischer Verlagerung der ersten Jejunalschlinge in den Oberbauch durchgeführt. Zur Vermeidung von ständigem Kontakt der Gallen- und Duodenalsekrete mit Magenschleimhaut sollte eine Enteroenteroanastomose nach Braun (Braun-Fußpunktanastomose) vorgenommen werden (Abb. B-1.62 c, d).
Roux-Y-Rekonstruktion: Auch bei diesem Operationsverfahren erfolgt eine Resektion der distalen 2/3 des Magens unter Ausschaltung des Duodenums aus der physiologischen Nahrungspassage analog zur Billroth-II-Operation. Allerdings wird das auf das Duodenum folgende Jejunalsegment (Abb. B-1.62 e-I) Y-förmig an ein zum Magen hochgezogenes Jejunumsegment (Abb. B-1.62 e-II) anastomosiert. Der Abstand zwischen der im Nahrungsweg proximal gelegenen Gastroenteroanastomose und der distalen Enteroenteroanastomose sollte 30 – 40 cm betragen. So kann zuverlässig durch die in diesem Segment herrschende orthograde Peristaltik ein Reflux von Gallen- und Duodenalsekret in den Magen verhindert und somit u. a. das Risiko für ein Magenstumpfkarzinom minimiert werden (Abb. B-1.62 e).
Roux-Y-Rekonstruktion: Nach distaler des Magens analog zur Billroth-II-Operation erfolgt die Wiederherstellung der Nahrungspassage durch eine Y-förmig ausgeschaltete Jejunumschlinge. Diese wird ca. 30 – 40 cm distal mit dem auf das Duodenum folgenden Jejunalsegment anastomosiert. Durch die in diesem Segment herrschende orthograde Peristaltik wird ein Reflux von Gallen- und Duodenalsekret in den Magen verhindert (Abb. B-1.62 e).
Der Vorteil der Billroth-II-Resektion liegt in der geringen Rate an Rezidivulzera. Komplikationen sind die Duodenalstumpfinsuffizienz, Anastomosendehiszenzen, Verletzungen der Gallenwege, Dumping-Syndrom, Schlingen- oder Blind-loop-Syndrom und die Ausbildung einer Refluxösophagitis, eines Anastomosenulkus oder eines Magenstumpfkarzinoms.
2/ -Resektion 3
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B 1 Viszeralchirurgie
326 B-1.62
Magenresektionsverfahren
Die Operationsrisiken bestehen in einer Duodenalstumpfinsuffizienz und Verletzung der Gallenwege. Folgeerkrankungen sind das Dumping-Syndrom und das Ulcus pepticum jejuni.
Die spezifischen Operationsrisiken der Magenresektion nach Roux-Y bestehen in einer Duodenalstumpfinsuffizienz und einer Verletzung der Gallenwege. Als Folgeerkrankungen sind die Entwicklung eines Dumping-Syndroms oder Ausbildung eines Ulcus pepticum jejuni bekannt, weshalb beim Ulkus Typ Johnson II eine gleichzeitige Vagotomie notwendig ist.
Komplikationen
Komplikationen
Blutung und Perforation sowie deren Folgezustände sind die wichtigste Ulkuskomplikation. Eine weitere Komplikation ist die Stenosenbildung. Die Entartung des Ulcus ventriculi wird als syntrope, d. h. gleichzeitig auftretende Erkrankung diskutiert (ca. 3 % der Fälle). Die Entartung des Ulcus duodeni ist extrem selten.
Komplikationen des Ulkusleidens sind vor allem die akute Blutung, die Penetration und die freie Perforation mit Schock und Sepsis als Folgezuständen. Eine weitere Ulkuskomplikation stellt die Magenausgangsstenose dar. Die karzinomatöse Entartung des Ulcus ventriculi wird als syntrope, d. h. gleichzeitiges Auftreten von 2 Erkrankungen diskutiert. Sie tritt in ca. 3 % der Fälle auf. Die karzinomatöse Entartung des Ulcus duodeni ist extrem selten.
Perforation
Perforation
왘 Definition
왘 Definition. Durchsetzt ein Ulcus ventriculi oder duodeni alle Wandschichten in einem intraperitoneal gelegenen Bereich, so kommt es zum Austritt von Luft, Magen- bzw. Duodenalsekret in die freie Bauchhöhle mit Kontamination des Peritoneums und Ausbildung einer Peritonitis.
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B 1.4 Magen und Duodenum
327
Klinik: Der akute Beginn mit plötzlich einsetzenden, stechenden Schmerzen im Oberbauch und einem akuten Abdomen ist typisch. Es kann Übelkeit verbunden mit Brechreiz bestehen. Wenn die Perforationsstelle durch Verklebungen von der freien Bauchhöhle getrennt ist (gedeckte Perforation), kann das klinische Bild weniger eindeutig erscheinen (z. B. das Vorliegen von freier intraabdomineller Luft im Röntgenbild bei klinisch eher weichem Palpationsbefund). Liegt der Perforationszeitpunkt zeitlich etwas zurück, so kann durch am Colon ascendens nach distal gelaufenen Magensaft eine lokale Peritonitis im rechten Unterbauch erzeugt werden. Dies kann das klinische Bild einer akuten Appendizitis vorspiegeln. Bei größerem zeitlichen Abstand zur Perforation entwickelt sich eine diffuse Peritonitis mit dem klinischen Bild eines akuten Abdomens.
Klinik: Der akute Beginn mit plötzlich einsetzenden, stechenden Schmerzen im Oberbauch, evtl. mit Übelkeit und Erbrechen ist typisch. Bei gedeckter Perforation kann das klinische Bild verschleiert sein. Ist Magensaft am Colon ascendens nach distal gelaufen, kann durch eine lokale Peritonitis im rechten Unterbauch eine akute Appendizitis vorgetäuscht werden. Später entwickelt sich eine diffuse Peritonitis mit dem Bild eines akuten Abdomens.
Diagnostik: Bei Verdacht auf eine Ulkusperforation ist eine Übersichtsaufnahme des Abdomens in Linksseitenlage oder – falls möglich – im Stehen anzufertigen. Auf ihr sieht man die freie intraabdominelle Luft zwischen Leber und seitlicher Bauchwand bzw. der Zwerchfellkuppe.
Diagnostik: Die Übersichtsaufnahme des Abdomens in Linksseitenlage oder im Stehen zeigt freie intraabdominelle Luft zwischen Leber und seitlicher Bauchwand bzw. der Zwerchfellkuppe.
왘 Merke. Bei ca. 20 % aller gastroduodenalen Perforationen lässt sich radio-
왗 Merke
logisch keine freie intraabdominelle Luft nachweisen. Somit ist fehlende freie Luft kein Ausschlusskriterium für eine Ulkusperforation! Ihr Nachweis ist jedoch absolut beweisend für eine freie Perforation und stellt somit immer eine OP-Indikation dar (Ausnahme: Patient kurz postoperativ oder nach endoskopischer PEG-Anlage). Ist die Beurteilung anhand der nativen Abdomenübersichtsaufnahme nicht sicher möglich, kann über eine Magensonde Luft in den Magen insuffliert werden und die Röntgenuntersuchung anschließend wiederholt werden. Alternativ ist eine Endoskopie möglich, die entweder direkt den Wanddefekt darstellen kann oder indirekt durch Nachweis der insufflierten Luft in der freien Bauchhöhle in einer erneuten Röntgenkontrolle die Ulkusperforation belegen kann.
Mittels Insufflation von Luft über eine Magensonde oder einer im Rahmen einer Endoskopie (direkter Nachweis des Ulkus oder indirekt durch Nachweis der freien insufflierten Luft bei erneuter Röntgenkontrolle) kann die Ulkusperforation in Zweifelsfällen belegt werden.
Therapie: Die Diagnose „Ulkusperforation“ stellt eine absolute Operationsindikation dar. Therapie der Wahl ist die Exzision und Übernähung, bei langer Ulkusanamnese ggf. in Kombination mit einer Vagotomie oder einer Resektion (S. 322). Liegt eine schwere Peritonitis vor, so ist ausschließlich eine Übernähung zum Verschluss des Wanddefektes mit Drainage und eine breitgefächerte Antibiotikatherapie indiziert. Postoperativ ist eine parenterale Ernährung durchzuführen und eine medikamentöse Ulkustherapie einzuleiten (S. 321).
Therapie: Die Diagnose „Ulkusperforation“ stellt eine absolute Operationsindikation dar. Therapie der Wahl ist die Exzision und Übernähung, evtl. mit einer Vagotomie kombiniert (S. 322).
Prognose: Die Prognose korreliert direkt mit dem Alter der Patienten und dem Zeitraum zwischen der Perforation und operativer Versorgung. Die Letalität liegt im Durchschnitt unter 10 %. Ungefähr ein Drittel der Patienten, die ausschließlich mit einer Exzision und Übernähung ohne Vagotomie versorgt wurden, sind
Prognose: Die Prognose korreliert mit dem Alter der Patienten und dem Zeitraum zwischen der Perforation und Operation bei einer Letalität von unter 10 %.
B-1.63
Perforiertes Ulcus duodeni
B-1.63
Ca. 0,5 cm messende Duodenalperforation am oberen Duodenalknie (?)
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328 B-1.64
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.64
Penetration Situs eines in das Pankreas penetrierten Ulcus duodeni nach Freipräparation der Penetrationsstelle (?). P = Pankreas
postoperativ zeitlebens beschwerdefrei, ein Drittel bedarf konservativer Therapie und ein weiteres Drittel muss sich einer Nachoperation unterziehen. Penetration 왘 Definition
Penetration 왘 Definition. Unter einer Penetration versteht man den Durchbruch eines Ulkus
in einen extraperitoneal gelegenen Bereich, in benachbarte Organe oder Gewebe ohne freie Kommunikation zur Bauchhöhle. Hierdurch kann es zur Entstehung von großen entzündlichen Konglomerattumoren oder zur Ausbildung von Fisteln zu anderen Hohlorganen (Jejunum, Kolon) kommen. Am häufigsten sind Pankreas, Kolon oder die Leberpforte betroffen. Klinik: Typisch sind heftige, therapieresistente Schmerzen, evtl. in den Rücken ausstrahlend (Begleitpankreatitis!). Bei gastrokolischen Fisteln kommt es zur Beschleunigung der gastrointestinalen Passagezeit mit Diarrhöen, Malabsorptionssyndrom und Gewichtsverlust.
Klinik: Typisch, aber nicht zwingend vorliegend sind heftige, therapieresistente Schmerzen im Epigastrium. Der Schmerz strahlt oft in den Rücken aus, insbesondere, wenn durch eine Penetration in das Pankreas eine Begleitpankreatitis aufgetreten ist. Bei gastrokolischen oder gastrojejunalen Fisteln kommt es zur abnormen Beschleunigung der gastrointestinalen Passagezeit mit Diarrhöen und ggf. Malabsorptionssyndromen und Gewichtsverlust.
Diagnostik: Eine Abdomenübersicht schließt freie Luft im Abdomen aus. Die Diagnose wird durch eine ÖGD gestellt, Fisteln können durch eine MPD dargestellt werden.
Diagnostik: Eine Abdomenübersicht schließt freie Luft im Abdomen aus. Sie kann außerdem evtl. Verkalkungen im Pankreasbereich als Zeichen der chronischen Pankreatitis darstellen. Die Diagnose wird durch eine Ösophago-GastroDuodenoskopie (ÖGD) gestellt, Fisteln können durch eine Magen-Darm-Passage (MDP) dargestellt werden.
Therapie: Grundsätzlich ist die Indikation zur Resektion nach Billroth I gegeben. Fisteln werden durch Teilresektion des Magens und des fisteltragenden Kolon- oder Jejunumsegments behandelt.
Therapie: Liegt keine Kontraindikation vor, so ist die Indikation zur Resektion gegeben, wobei die Rekonstruktion nach Billroth I bevorzugt wird. Bei Fisteln wird neben der Magenresektion das fisteltragende Segment von Kolon oder Jejunum reseziert. Die Letalität liegt unter 10 %.
Blutung
Blutung
왘 Definition
Einteilung der Ulkusblutung nach Forrest: Siehe Tab. B-1.3 S. 252.
왘 Definition. Die Blutung aus einem Ulcus duodeni oder ventriculi stellt die häufigste Komplikation des Ulkusleidens dar und ist gleichzeitig häufigste Ursache einer oberen gastrointestinalen Blutung. Bezogen auf alle diagnostisch gesicherten Ulzera erreicht sie eine Inzidenz von 3 – 5 %. Wenn durch das Ulkus größere Gefäße wie etwa die A. gastroduodenalis oder seltener die A. gastrica dextra oder sinistra arrodiert werden, kann es zu lebensbedrohlichen arteriellen Blutungen in den oberen Gastrointestinaltrakt kommen.
Ulkusblutungen werden entsprechend ihrem endoskopischen Befund nach Forrest in 3 Stadien eingeteilt: Siehe Tab. B-1.3 S. 252.
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B 1.4 Magen und Duodenum
329
Klinik: Je nach Stärke der Blutung kommt es zu einer Anämie, Teerstühlen, Hämatemesis oder Ausbildung eines hämorrhagischen Schocks.
Klinik: Es können Anämie, Teerstühle, Hämatemesis oder Schocksymptome auftreten.
Diagnostik: Bei Verdacht auf eine akute obere gastrointestinale Blutung ist eine Notfallendoskopie indiziert, nach Möglichkeit nach Stabilisation des Kreislaufs durch parenterale Gabe von Plasmaexpandern oder gegebenenfalls Bluttransfusionen. Erlaubt es der Allgemeinzustand des Patienten, so kann vor der Endoskopie der Magen über eine großlumige Magensonde von Koageln freigespült werden. Die Endoskopie ermöglicht es, die Differenzialdiagnose der akuten Gastrointestinalblutung abzuklären und zugleich therapeutisch tätig zu werden. Differenzialdiagnostisch sind vor allem Blutungen aus Ösophagusvarizen, ein Mallory-Weiss-Syndrom, ein Ulcus Dieulafoy, seltener eine aortointestinale Fistel (besonders bei Zustand nach Implantation einer Y-Prothese als Aortenersatz) oder eine Blutung aus der Papilla Vateri abzugrenzen.
Diagnostik: Die Notfallendoskopie dient zur Diagnosesicherung und gleichzeitigen Therapie, möglichst nach Stabilisation des Kreislaufs. Bei gutem Allgemeinzustand kann vor der Endoskopie der Magen über eine Magensonde freigespült werden.
Therapie: Zur sofortigen Schockprophylaxe oder -bekämpfung ist eine Volumensubstitution durchzuführen. Die Notfallendoskopie zur Blutstillung sollte so schnell wie möglich durchgeführt werden. Sie gilt heute als Therapieverfahren der Wahl zur Behandlung von Magen- und Darmblutungen. Bei der endoskopischen Blutstillung kommen unterschiedliche Verfahren zum Einsatz: Die Umspritzung der blutenden Ulzera mit vasoaktiven Substanzen (z. B. Adrenalin), mit gerinnungsaktivierenden Substanzen (Thrombin, Fibrin), die endoskopische Applikation von Clips und die Lasertherapie (S. 251). Ist die Blutung endoskopisch nicht beherrschbar oder werden zur Kreislaufstabilisierung des Patienten nach wiederholten endoskopischen Blutstillungen 4 4 – 6 Konserven am Tag benötigt, so ist die Indikation zur Operation gegeben. Wenn das Ulkus an der Hinterwand von Antrum oder Bulbus duodeni gelegen ist, so ist mit Arrosionsblutungen aus größeren Gefäßen zu rechnen und die Op-Indikation großzügiger zu stellen. Das Ziel der operativen Intervention stellt die definitive Blutstillung durch Umstechung dar.
Therapie: Nach Volumensubstitution erfolgt die Notfallendoskopie zur Blutstillung als Verfahren der Wahl zur Behandlung von Magen-Darm-Blutungen. Es kommen dabei die Umspritzung der blutenden Ulzera mit vasoaktiven Substanzen, mit Sklerosierungsmitteln oder gerinnungsaktivierenden Substanzen, Applikation von Clips und die Lasertherapie (S. 251) zur Anwendung. Bei endoskopisch nicht beherrschbarer Blutung ist die Indikation zur Operation mit dem Ziel der definitiven Blutstillung gegeben.
Prognose: Die Letalität der akuten Ulkusblutung liegt unter 10 %. Sie korreliert eng mit dem Ausmaß des Blutverlustes, der Zahl der substituierten Konserven, dem Alter der Patienten, den Begleiterkrankungen und der Dauer und Ausprägung des hämorrhagischen Schocks.
Prognose: Die Letalität liegt bei ca. 10 %.
Stenose
Stenose
Ätiologie: Am häufigsten kommt es zur Stenosierung des Pylorus durch chronische oder rezidivierende prä-, intra- oder postpylorisch gelegene Ulzera, die zu einer narbigen Schrumpfung oder entzündlichen Stenose führen können. Durch die Magenausgangsstenose kommt es zu einer Magenektasie, die über den Dragstedt-Mechanismus zur Entstehung weiterer Ulzera führen kann (s. S. 318).
Ätiologie: Chronische oder rezidivierende prä-, intra- oder postpylorisch gelegene Ulzera führen zu einer narbigen Schrumpfung oder entzündlichen Stenose mit Magenektasie, die zur Entstehung weiterer Ulzera führen kann (S. 318).
Klinik: Aufgrund einer fortgeschrittenen Magenausgangsstenose tritt ein protrahiertes Erbrechen auf, das zur hypochlorämischen Alkalose führen kann. Durch das häufige Erbrechen und die permanente Magenfüllung besteht die Gefahr einer Aspiration oder Refluxösophagitis.
Klinik: Häufiges Erbrechen führt zur hypochlorämischen Alkalose. Es besteht die Gefahr der Aspiration oder Refluxösophagitis.
Diagnostik: In der Röntgenübersichtsaufnahme des Abdomens fällt der ektatisch überdehnte Magen auf, der bis in das kleine Becken hinunter reichen kann. Die Magen-Darm-Passage (MDP) zeigt den ektatischen Magen sowie die Magenausgangsstenose. Die Endoskopie besitzt im Vergleich zur Röntgenuntersuchung den Vorteil, dass in gleicher Sitzung Biopsien zum Ausschluss eines Malignoms aus der Stenose entnommen werden können. Weiterhin kann der Versuch einer Bougierung unternommen werden.
Diagnostik: In der Abdomenübersicht fällt der ektatisch überdehnte Magen auf. Die MDP zeigt den ektatischen Magen sowie die Magenausgangsstenose. Die Endoskopie kann zusätzlich durch Biopsien ein Malignom ausschließen und ermöglicht den Versuch einer Bougierung.
Therapie: Zunächst erfolgt die Entlastung des Magens über eine Magensonde. Hierdurch lässt sich der Magen dekomprimieren und gleichzeitig eine Aspiration vermeiden. Die definitive Therapie besteht in der Durchführung einer Pyloroplastik mit oder ohne SPV. Alternativ ist eine Antrektomie mit oder ohne Vagotomie möglich.
Therapie: Eine Magensonde dekomprimiert den Magen und verhindert eine Aspiration. Die definitive Therapie erfolgt durch eine SPV in Kombination mit einer Pyloroplastik oder durch eine Antrektomie mit oder ohne Vagotomie.
Differenzialdlagnostisch sind Ösophagusvarizenblutungen, ein Mallory-Weiss-Syndrom, ein Ulcus Dieulafoy, eine aortointestinale Fistel oder eine Blutung aus der Papilla Vateri abzugrenzen.
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330
B 1 Viszeralchirurgie
1.4.8 Magentumoren
1.4.8 Magentumoren
Benigne Magentumoren
Benigne Magentumoren
Morbus Ménétrier
Morbus Ménétrier
왘 Synonym
왘 Synonym. Gastritis polyposa, Riesenfaltengastritis
왘 Definition
왘 Definition. Bei dem seltenen Morbus Ménétrier kommt es durch eine foveoläre Hyperplasie der Magenschleimhaut zur Ausbildung von Riesenfalten. Die Ursache ist unbekannt.
Klinik: Es entsteht ein Eiweißverlustsyndrom bis hin zur Hypoproteinämie und Ödembildung (exsudative Gastroenteropathie).
Klinik: Durch die vermehrte Schleimproduktion entsteht ein Eiweißverlustsyndrom, das bis zur Hypoproteinämie und Ausbildung von Ödemen führen kann. Entsprechend wird der Morbus Ménétrier auch den Erkrankungen zugeordnet, die unter dem Begriff exsudative Gastroenteropathie subsumiert werden.
Diagnostik: Uncharakteristische Oberbauchbeschwerden. Labor: Serumeiweiß, Serumelektrophorese ? Hypoproteinämie; ÖGD (mit Biopsie) oder MDP bestätigen die Diagnose.
Diagnostik: Es bestehen uncharakteristische Oberbauchbeschwerden, ähnlich wie bei einer Gastritis. Die Verdachtsdiagnose wird meist nach Bestimmung des Serumeiweißes und Anfertigung einer Serumelektrophorese gestellt und durch die Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) bestätigt.
왘 Merke
왘 Merke. Beim Morbus Ménétrier besteht ein erhöhtes Entartungsrisiko. Des-
halb sollten stets Biopsien entnommen werden. Therapie: Symptomatisch werden Antazida und/oder H2-Rezeptorenblocker und Protonenpumpeninhibitoren verordnet. Jährliche endoskopische Kontrollen mit Biopsien, bei Atypien ggf. prophylaktische Gastrektomie.
Therapie: Die symptomatische Therapie erfolgt durch die Gabe von Antazida und/oder H2-Rezeptorenblockern und Protonenpumpenhemmern. Wegen des Entartungsrisikos sind jährliche endoskopische Kontrollen mit Biopsien indiziert, bei zunehmenden Atypien ist eine prophylaktische Gastrektomie zu diskutieren.
Benigne Neoplasien des Magens
Benigne Neoplasien des Magens
Benigne Neoplasien können von allen Wandschichten des Magens ausgehen. Die häufigsten gutartigen Geschwülste sind Polypen der Schleimhaut, Leiomyome, Lipome, Neurofibrome und Angiome.
Benigne Neoplasien machen 5 – 10 % aller Magentumoren aus, sie können von allen Wandschichten des Magens ausgehen. Dementsprechend finden sich Tumoren unterschiedlicher histologischer Genese und Differenzierung. Die häufigsten gutartigen Geschwülste sind Polypen der Schleimhaut, z. B. im Rahmen einer generalisierten Polypose bei dem Peutz-Jeghers-Syndrom. Außerdem kommen Leiomyome, Lipome, Neurofibrome und Angiome vor.
Klinik: Es kommen je nach Größe und Lokalisation Symptomfreiheit, Völlegefühl, Magenentleerungsstörungen, Bauchschmerzen und gastrointestinale Blutungen vor. Diagnostik: Die Diagnose wird durch eine ÖGD mit Biopsie gestellt. Die Endosonographie erlaubt eine Beurteilung der lokalen Tumorausdehnung.
Klinik: Die klinischen Beschwerden schwanken je nach Größe und Lokalisation zwischen völliger Symptomfreiheit und Völlegefühl, Magenentleerungsstörungen, Oberbauchschmerzen und gastrointestinalen Blutungen.
Therapie: Schleimhautprozesse wie Polypen und submuköse Tumoren können endoskopisch entfernt werden (histologische Abklärung obligat) (S. 268). Bei intramuskulär gelegenen Befunden ist die Entfernung des Tumors durch eine lokale Exzision oder Magen(teil)resektion indiziert. Eine ausgedehnte Polypose des Magens kann u.U. auch eine Gastrektomie notwendig machen. Die Malignitätspotenz hängt vom histologischen Typ ab.
Therapie: Schleimhautprozesse wie Polypen und submuköse Tumoren können endoskopisch mit der Schlinge, der Peace-meal-Technik oder der Strip-offTechnik entfernt werden, die histologische Abklärung ist obligat (S. 268). Sind intramurale Prozesse vorwiegend in der Muscularis propria lokalisiert, so ist die endoskopische Entfernung mit einem zu großen Perforationsrisiko verbunden. Aus diesem Grunde ist hier die Entfernung des Tumors durch eine lokale transabdominelle Exzision, bei größeren Prozessen auch durch Magen(teil)resektion indiziert. Bei einer ausgedehnten Polypose des Magens kann unter Umständen auch eine Gastrektomie indiziert sein. Je nach histologischem Typ besteht eine unterschiedliche Malignitätspotenz.
Diagnostik: Die Diagnose wird durch eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) mit Biopsie gestellt. Die Endosonographie erlaubt eine Beurteilung der lokalen Tumorausdehnung. Dies ist notwendig, da die Differenzierung einer rein submukösen von einer intramuskulären Lage des Prozesses durch die Endosonographie das Risiko der endoskopischen Perforation abschätzbar macht.
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B 1.4 Magen und Duodenum
B-1.65
331
Gutartige Polypen des Magens mit unterschiedlicher Form
a Clipmarkierung eines gestielten, fast kugeligen Polypen.
b Polyzyklischer Polyp mit breiter Basis.
Gastrointestinale Stromatumoren
Gastrointestinale Stromatumoren
Ätiopathogenese: Gastrointestinale Stromatumoren (GIST) leiten sich von den sogenannten „Cajalzellen“, den Schrittmacherzellen des Gastrointestinaltraktes, ab. Pathognomonisch ist der Nachweis einer Überexpression von CD117 (C-Kit), einer Typ-III-Rezeptor-Tyrosinkinase, der in aller Regel auf einer Mutation beruht. Bei der Mehrzahl der vor der Nachweismöglichkeit einer CD117-Überexpression diagnostizierten Leiomyome und Leiomyosarkome des Magens hat es sich, wie histologische Reevaluierungen zeigten, um GIST gehandelt.
Ätiopathogenese: GIST leiten sich von den Cajalzellen ab und entstehen zu 50 % im Magen. Sie sind durch eine C-Kit-Überexpression gekennzeichnet.
Biologisches Verhalten: GIST sind in ihrem biologischen Verhalten sehr variabel. Als Kriterien für eine Einschätzung wird neben der Proliferationsrate der größte Tumordurchmesser herangezogen. 5 cm bilden dabei einen Grenzwert. Je größer also ein Tumor und je höher seine Proliferationsrate, umso maligner ist sein biologisches Verhalten – und umgekehrt. Kleine GIST mit sehr niedriger Proliferationsrate verhalten sich somit wie benigne Tumoren. Eine gestaffelte Einschätzung erlaubt die Risikoklassifikation von Fletcher (Tab. B-1.13).
Biologisches Verhalten: Je größer ein GIST und je höher seine Proliferationsrate, umso maligner ist sein biologisches Verhalten – und umgekehrt. Zur Risikoklassifikation nach Fletcher s. Tab. B-1.13.
Epidemiologie: Ihre Inzidenz beträgt etwa 2 je 100 000 Einwohner und Jahr. Der Altersgipfel liegt bei 55 bis 65 Jahren. Die Mehrzahl der GIST entsteht im Magen (50 %), gefolgt von Duodenum und Dünndarm. Etwa 1/3 aller GIST des Magens wird durch eine Blutung aus dem Tumor erstmals auffällig.
Epidemiologie: Ihre Inzidenz beträgt etwa 2 je 100 000 Einwohner und Jahr. Der Altersgipfel liegt bei 55 bis 65 Jahren.
Klinik: Die Klinik der Patienten hängt von der Tumorgröße, der exakten Lokalisation und der Proliferationsrate ab (hoch proliferierende Tumoren bluten eher als langsam wachsende). Ungefähr 1/3 der Tumoren wird zufällig bei diagnostischen Maßnahmen (Endoskopie, Sonographie) oder operativen Eingriffen entdeckt. Etwa 1/3 der Patienten klagt über Schmerzen, ein weiteres 1/3 kommt über Komplikationen (Blutung) zur Abklärung.
Klinik: 1/3 wird im Rahmen der Klärung unspezifischer Oberbauchbeschwerden, 1/ wird als Zufallsbefund und 1/ im Rahmen 3 3 einer oberen GI-Blutung diagnostiziert.
B-1.13
Risikoklassifikation von GIST nach Fletcher
B-1.13
Risikostufe
Tumorgröße
Mitosezahl
sehr gering
5 2 cm
5 5/50 HPF
niedrig
2 – 5 cm
5 5/50 HPF
intermediär
5 5 cm 5 – 10 cm
6 – 10/50 HPF 5 5/50 HPF
hoch
4 5 cm 4 10 cm jede Größe
4 5/50 HPF jede Zahl 4 10/50 HPF
HPF = high power fields = definiertes Gesichtsfeld in der Mikroskopie
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B 1 Viszeralchirurgie
332 B-1.66
GIST-Arten
a
c
b
e
d
f
g
a, b GIST in der Endosonographie (a) und im OP-Situs (b), welcher eher nach extraluminal wächst. c, d, e Eher nach intraluminal wachsender GIST in der Endosonographie (c), der Endoskopie (d) und im OP-Situs (e) f, g GIST vom Hochrisikotyp im CT (f) und im OP-Situs (g), der Befund entsprach einem GIST mit hohem Risiko (hohe Vaskularisierung, fleischiges Aussehen, polyzyklisches Wachstum sind makroskopische Hinweise) T = Tumor Diagnostik: Wichtig sind vor allem die Endoskopie und die Endosonographie. Die CT kommt zur Abklärung von möglichen Absiedlungen im übrigen Abdomen, der Leber oder der Lunge zum Einsatz. Die präoperative bioptische Sicherung ist anzustreben.
Diagnostik: Wichtigste Verfahren sind hier die Endoskopie und die Endosonographie. Die CT kommt im Rahmen der Abklärung wegen Absiedlungen im übrigen Abdomen, der Leber oder der Lunge zum Einsatz. Die präoperative bioptische Sicherung ist anzustreben, gelingt aber aufgrund des intramuralen Wachstums, besonders wenn die Schleimhaut über dem Tumor intakt ist, nicht immer.
Therapie: Die kurative Therapie besteht in der Resektion. Für die palliative Therapie kommt der Tyrosinkinaseinhibitor Imatinib zum Einsatz.
Therapie: Die einzige Therapie mit kurativem Ansatz ist die Entfernung des Tumors mit einem Sicherheitsabstand in der Wand von mindestens 2 cm ohne Spannung. Liegen Absiedlungen vor, sollten auch diese, wenn möglich, chirurgisch entfernt werden. Kann keine R0-Situation erreicht werden, wird mit Imatinib, einem oral applizierbaren kompetitiven Blocker der ATP-Bindungsstelle von Tyrosinkinasen (auch C-Kit), behandelt. Der Effekt der mutationsbedingten C-Kit-Überexpression auf die Tumorproliferation wird durch das Ansprechen auf Imatinib bestätigt.
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B 1.4 Magen und Duodenum
333
Maligne Magentumoren
Maligne Magentumoren
Lymphome und Sarkome des Magens
Lymphome und Sarkome des Magens
Die malignen nicht epithelialen Tumoren des Magens kommen mit einer Häufigkeit von ca. 1 – 5 % aller Malignome des Magens vor. Die häufigsten histologischen Typen sind Non-Hodgkin-Lymphome mit der Untergruppe der MALT-Lymphome (mucosa associated lymphoid tissue). Leiomyosarkome, Lymphosarkome und Neurosarkome sind sehr selten. MALT-Lymphome entstehen i. d. R. auf dem Boden einer H.-p.-Gastritis.
Die malignen nicht epithelialen Tumoren des Magens haben eine Häufigkeit von ca. 1 – 5 %. Die häufigsten Typen sind Non-HodgkinLymphome. Leiomyosarkome, Lymphosarkome und Neurosarkome sind sehr selten.
Klinik: Die häufigsten klinischen Beschwerden sind Oberbauchschmerzen, Völlegefühl und Zeichen der gastrointestinalen Blutung, insbesondere bei Non-Hodgkin-Lymphomen. Die Patienten sind auffallend oft in einem guten Allgemeinzustand, verglichen mit Patienten, die an einem Magenkarzinom mit gleicher Tumorausdehnung erkrankt sind.
Klinik: Die häufigsten Beschwerden sind Schmerz, Völlegefühl und Blutung, insbesondere bei Non-Hodgkin-Lymphomen.
왘 Merke. Ein Magentumor, der an der großen Kurvatur lokalisiert ist, Zeichen
왗 Merke
der Blutung zeigt sowie klinisch Oberbauchschmerzen erzeugt, ist hochgradig verdächtig auf ein Lymphom. Diagnostik: Die Diagnosestellung erfolgt durch eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) mit Biopsie. Zum Ausschluss einer Lymphknotenmetastasierung ist eine perkutane Sonographie und ein Oberbauch-CT indiziert. Die lokale Tumorausdehnung wird am besten durch die Endosonographie beurteilt.
Diagnostik: Die Diagnose wird durch eine ÖGD mit Biopsie gestellt. Sonographie und CT schließen Lymphknotenmetastasen aus. Die Endosonographie ermöglicht die beste Beurteilung der lokalen Tumorausdehnung.
Therapie: Lymphome des Magens werden stadienabhängig bestrahlt und/oder chemotherapiert. Beim MALT-Lymphom ist die H.-p.-Infektsanierung wichtiger Therapiebestandteil. Bei Komplikationen, die endoskopisch nicht beherrschbar sind (Blutung, Perforation, Stenose) ist eine Resektion indiziert. Tumoren anderer Histologie werden operativ, d. h. durch eine Resektion, ggf. einer Gastrektomie behandelt. Je nach Histologie ist eine adjuvante Chemo- und/oder Strahlentherapie angezeigt.
Therapie: Bei endoskopisch nicht beherrschbaren Komplikationen ist eine Resektion indiziert. Tumoren anderer Histologie werden operativ, ggf. durch Gastrektomie und/oder Radio-Chemotherapie behandelt.
Magenkarzinom
Magenkarzinom
Epidemiologie: Die Inzidenz des Magenkarzinoms ist insgesamt weltweit rückläufig. Trotzdem stellt das Magenkarzinom in der Bundesrepublik Deutschland die dritt- bis vierthäufigste Todesursache dar. Es tritt typischerweise in der 2. Lebenshälfte auf, bei Männern besonders in der 6. Dekade, bei Frauen in der 5. 10 % aller Magenkarzinome werden bei Patienten beobachtet, die jünger als 40 Jahre alt sind. Männer sind doppelt so häufig wie Frauen betroffen.
Epidemiologie: Die Inzidenz ist rückläufig. Trotzdem stellt das Magen-Ca in Deutschland die dritt- bis vierthäufigste Todesursache dar. Es tritt gehäuft bei Männern in der 6., bei Frauen in der 5. Dekade auf. 10 % treten unter 40 Jahre auf. Männer sind doppelt so häufig betroffen wie Frauen.
Lokalisation: Während früher Magenkarzinome vorwiegend im Antrum lokalisiert waren und nur ca. 14 % im Korpus auftraten, ist eine Verlagerung des Haupttumors nach oral hin zu beobachten. So sind in neueren Untersuchungen bis zu 24 % Korpuskarzinome und nur noch 20 % mit Tumorlokalisation im Antrum beschrieben worden. In ca. 10 % der Fälle findet sich ein multilokuläres Wachstum. Unter dem Begriff Kardiakarzinom werden verschiedene Entitäten zusammengefasst, sodass diese Tumorlokalisation gesondert betrachtet werden sollte.
Lokalisation: Während früher Magenkarzinome vorwiegend im Antrum lokalisiert waren, ist heute eine Verlagerung des Haupttumors nach oral hin zu beobachten. In ca. 10 % der Fälle findet sich ein multilokuläres Wachstum.
왘 Definition. Als Kardiakarzinome werden alle Adenokarzinome bezeichnet, die
Kardiakarzinome stellen eine Sonderform dar. 왗 Definition
in dem Bereich 5 cm oral oder 5 cm aboral der gastroösophagealen Schleimhautgrenze auftreten. Ist die Schleimhautgrenze – wie z. B. bei Endobrachyösophagus – verschoben, so wird die anatomische Kardia (Übergang der zweischichtigen Ösophagusmuskulatur in die dreischichtige Muskulatur der Magenwand) als Bezugspunkt genommen. Nach dieser Definition werden 3 Subtypen von Karzinomen unter dem Überbegriff Kardiakarzinom subsumiert: ■ Typ-I-Kardiakarzinom (Synonym: Barrett-Karzinom): Das Adenokarzinom bei Endobrachyösophagus.
Kardiakarzinom-Subtypen: ■ Typ-I-Kardiakarzinom (= Barrett-Karzinom): Adenokarzinom bei Endobrachyösophagus.
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B 1 Viszeralchirurgie
334 ■
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Typ-II-Kardiakarzinom: Von der Kardiaschleimhaut ausgehendes Adenokarzinom. Typ-III-Kardiakarzinom: Subkardial gelegenes Funduskarzinom mit Infiltration des Ösophagus.
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Typ-II-Kardiakarzinom: Eigentliches, von der Kardiaschleimhaut ausgehendes Adenokarzinom des Magens. Typ-III-Kardiakarzinom: Subkardial gelegenes Magenkarzinom oder Funduskarzinom, das den distalen Ösophagus infiltriert. Die Infiltration des Ösophagus durch Typ-III-Karzinome erfolgt meist submukös, die orale Tumorgrenze entgeht so oft der endoskopischen Beurteilung.
Ätiopathogenese: Risikofaktoren: Genetische Prädisposition, Umwelteinflüsse (z. B. Ernährung), chronisch atrophische Gastritis, chronisches Ulcus ventriculi, perniziöse Anämie, Resektionsmagen, Adenome, Helicobacterbesiedlung.
Ätiopathogenese: Für das Magenkarzinom werden neben einer genetischen Prädisposition und verschiedenen Umwelteinflüssen (z. B. Ernährung) mehrere Risikoerkrankungen diskutiert: Die chronisch atrophische Gastritis, das chronische Ulcus ventriculi, die perniziöse Anämie, ein vermehrter duodenogastraler Reflux nach Magenresektionen und primär benigne Adenome der Magenschleimhaut. Nach jüngeren Forschungsergebnissen muss davon ausgegangen werden, dass eine Helicobacterbesiedlung des Magens das Risiko für die Entstehung eines Magenkarzinoms wesentlich erhöht.
Klassifikation: Magenkarzinome sind in mehr als 90 % der Fälle Adenokarzinome. Es gibt 3 gebräuchliche Klassifikationen.
Klassifikation: Magenkarzinome sind überwiegend Adenokarzinome (5 90 %), die in 3 verschiedene, gebräuchliche Klassifikationen eingeteilt werden können.
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Nach Borrmann: Klinisch werden die Malignome anhand der Wachstumsform in 4 Untergruppen unterteilt (Typ I – IV).
Nach Laurén: Diffuser (infiltrativer) und intestinaler (polypöser) Typ. Die TNM-Klassifikation der UICC ermöglicht einen internationalen Vergleich stadienabhängiger Überlebensraten (Abb. B-1.67, Tab. B-1.14).
Ausbreitung: Neben lokal infiltrierender, lymphogener und hämatogener Ausbreitung kann es beim Magenkarzinom zur intraperitonealen Metastasierung mit Abtropfmetastasierung kommen (z. B. KrukenbergTumor). 왘 Merke
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Nach Borrmann werden die Malignome klinisch anhand der Wachstumsform in 4 Untergruppen unterteilt: Bei Typ I (35 % der Magenkarzinome) handelt es sich um einen exophytisch wachsenden polypoiden Magentumor. Typ II (35 – 40 %) wächst ebenfalls polypös, aber lokal exulzerierend, Typ III (20 %) lokal exulzerierend. Typ IV ist gekennzeichnet durch ein diffus infiltrierend wachsendes Magenkarzinom (10 %). Nach Laurén unterscheidet man Karzinome vom diffusen oder infiltrativen Typ von intestinalen oder polypösen Tumoren. Klassifikation der UICC nach dem T(umor) N(oduli lymphatici) M(etastasen)Schema (TNM): Sie ermöglicht einen internationalen Vergleich der stadienabhängigen Überlebensrate bei unterschiedlichen Therapieverfahren (Abb. B-1.67, Tab. B-1.14).
Ausbreitung: Neben den bekannten Ausbreitungswegen eines intestinalen Karzinoms (lokal infiltrierend, lymphogen und hämatogen) kann es beim Magenkarzinom zur intraperitonealen Ausbreitung mit Abtropfmetastasierung an Netz, Mesenterium, Peritoneum und Ovarien (Krukenberg-Tumor) kommen.
왘 Merke. Prognostisch besondere Bedeutung hat das Frühkarzinom des Ma-
gens (early cancer). Es handelt sich dabei um ein Karzinom, das auf Mukosa oder Submukosa begrenzt ist, aber bereits Lymphknotenmetastasen gesetzt haben kann (Mukosa-Typ 0 bis 3 %, Submukosa-Typ bis 13 %). Die Prognose des Frühkarzinoms liegt im Gegensatz zu den übrigen Magenkarzinomen bei einer 5-Jahres-Überlebensrate von ca. 90 %.
B-1.67
T-Klassifikation des Magen-Ca
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B 1.4 Magen und Duodenum
B-1.14
335
UICC-Klassifikation der Magenkarzinome nach dem TNM-System (2002)
T-Stadium
N-Stadium
M-Stadium
Tx
Primärtumor kann nicht beurteilt werden
Nx
regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
Mx
Das Vorliegen von Metastasen kann nicht beurteilt werden
T0
kein Anhalt für Primärtumor
N0
keine regionären Lymphknotenmetastasen
M0
keine Fernmetastasen
Tis
Carcinoma in situ
T1
Tumor infiltriert die Lamina popria oder Submukosa
N1
Metastasen in 1 – 6 regionären Lymphknoten
M1
Fernmetastasen
T21
Tumor infiltriert die Muscularis propria oder Subserosa
N2
Metastasen in 7 – 15 regionären Lymphknoten
T32
Tumor penetriert die Serosa, infiltriert aber nicht benachbarte Organe
N3
Metastasen in mehr als 15 regionären Lymphknoten
T43
Tumor infiltriert benachbarte Organe
1
2 3
T2: Ausbreitung eines in der Muscularis propria gelegenen Tumors über das Lig. hepatogastricum oder in das große oder kleine Netz ohne Durchbruch durch das viszerale Peritoneum. T3: Penetration in diesen Bereichen durch die Serosa hindurch. T4: Infiltration in Milz, Colon transversum, Leber, Zwerchfell, Pankreas, Bauchwand, Nebennieren, Niere, Dünndarm oder Retroperitoneum
Klinik: Im Vordergrund der klinischen Beschwerden stehen uncharakteristische Oberbauchschmerzen, häufig in Verbindung mit Völlegefühl. 왘 Merke. Chronische Oberbauchbeschwerden sind bis zum Beweis des Gegenteils dringend verdächtig auf ein Magenkarzinom. Eine endoskopische Abklärung ist obligat.
Klinik: Typisch sind uncharakteristische Oberbauchschmerzen, oft mit Völlegefühl. 왗 Merke
Zu diesen Beschwerden kommen zunehmende Inappetenz mit Gewichtsverlust, epigastrisches Druckgefühl und später ein Leistungsknick dazu. Patienten mit Magenkarzinomen klagen gehäuft über eine Aversion gegen Fleisch. Durch Blutungen aus dem Tumor kann es zur Entwicklung einer Anämie oder zum Auftreten von Teerstühlen kommen.
Hinzu kommen Inappetenz mit Gewichtsverlust, epigastrisches Druckgefühl, Aversion gegen Fleisch und später ein Leistungsknick. Durch Blutungen kann es zur Anämie oder zum Auftreten von Teerstühlen kommen.
Diagnostik: Bei anhaltenden Oberbauchbeschwerden oder dem klinischen Verdacht auf einen Magentumor ist eine endoskopische Untersuchung mit Biopsieentnahme indiziert. Bei einem Magenkarzinom kann eine Endosonographie zur Beurteilung der lokalen Tumorausdehnung und zur Erfassung perigastraler Lymphknoten durchgeführt werden. Eine abdominelle Sonographie dient wie die Computertomographie (CT) zum Nachweis eines Befalls weiter vom Magen entfernter Lymphknoten sowie einer Lebermetastasierung. Lungenfiliae werden durch eine Thoraxröntgenaufnahme in zwei Ebenen, evtl. ergänzt durch ein Thorax-CT ausgeschlossen.
Diagnostik: Bei anhaltenden Oberbauchbeschwerden oder dem klinischen Verdacht auf einen Magentumor ist eine endoskopische Untersuchung mit Biopsieentnahme indiziert. Die Endosonographie erlaubt die Beurteilung der lokalen Tumorausdehnung. Computertomographisch kann der Befall von intraabdominellen Lymphknoten sowie eine Lebermetastasierung oder Lungenmetastasierung bei sonographischem oder radiologischem Verdacht erhärtet werden. Operative Therapie: Die mittlere Überlebenszeit eines Patienten mit Magenkarzinom beträgt unbehandelt 1 Jahr. Der chirurgischen Resektion kommt eine zentrale Bedeutung für die Prognose zu.
Operative Therapie: Unbehandelt beträgt die mittlere Überlebenszeit eines Patienten mit Magenkarzinom 1 Jahr. Da die chirurgische Therapie zur Zeit die einzige Therapieform ist, mit der eine kurative Therapie eines Magenkarzinoms möglich ist, kommt der Art der Operation für die Prognose eine zentrale Bedeutung zu. Die Gastrektomie gilt für alle T-Stadien ohne Fernmetastasierung als Operation der Wahl. Ausnahme hiervon bilden Frühkarzinome und Carcinomata in situ, die subtotal (nach Billroth I, II mit Roux-Y) reseziert werden können. Liegt ein T1-Tumor vom diffusen Typ nach der Laurén-Klassifikation vor, so ist aus Radikalitätsgründen eine Gastrektomie zu bevorzugen. Für Karzinome, die im Antrum gelegen sind, wird alternativ zur Gastrektomie eine distale 2/3 – 4/5-Resektion des Magens mit Roux-Y als adäquate Therapieform akzeptiert, wenn eine
Die Gastrektomie ist für alle T-Stadien ohne Fernmetastasierung die Operation der Wahl. Ausgenommen sind Frühkarzinome und Carcinomata in situ. Auch T1-Tumoren vom diffusen Typ (Laurén-Klassifikation) sollten mit einer Gastrektomie behandelt werden. Antrumkarzinome können alternativ mit distaler 2/3 – 4/5-Resektion therapiert werden.
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B 1 Viszeralchirurgie
336 B-1.68
Kardiakarzinom a Endoskopiebefund eines Kardiakarzinoms (K). b Resektat einer Gastrektomie mit dem Magen, dem großen Netz (N), der Milz (M), dem abdominellen Ösophagus und den entsprechenden Lymphknoten.
a
b
B-1.69
a
d
Magenkarzinom
b
c
e
f
Endoskopie (a) und Endosonographie (b) bei zirrhösem Magenkarzinom. Man erkennt deutlich die zirkuläre Wandverdickung mit massiver Vergröberung des Reliefs der Schleimhautfalten bei gleichzeitig intakter Mukosa. Bild c zeigt die Wandverdickung am Resektat. d Großes Karzinom (K) mit schlüsselförmiger zentraler Ulzeration e Großes Karzinom (K) mit ausgedehnter zentraler Nekrose f CT: Großes Magenkarzinom kleinkurvaturseitig intraluminal
Zusätzlich muss eine radikale Lymphadenektomie der Kompartments I und II durchgeführt werden (außer bei Carcinoma in situ). Besonders Patienten mit Tumoren der Stadien II und III profitieren von einer systematischen Lymphadenektomie. Ab Tumorstadium T3 sollte bei proximalen Magenkarzinomen eine Splenektomie oder Milzhiluslymphadenektomie durchgeführt werden. Patienten mit T4-M0-Stadien können durch regionale Gastrektomie (mit Resektion der per continuitatem infiltrierten Strukturen)
systematische Lymphadenektomie wie bei der Gastrektomie durchgeführt wird, ein T1- oder T2-Karzinom vorliegt und dieses histologisch einen intestinalen Typ repräsentiert. Von entscheidender Bedeutung für die Kuration ist die Entfernung des Omentum majus mit radikaler Lymphadenektomie der Kompartments I (Lymphknoten entlang der großen und kleinen Kurvatur supra- und retropylorisch und an der Kardia) und II (Lymphknoten im Bereich des Pankreaskopfes und Duodenums, des Truncus coeliacus, des Lig. hepatoduodenale und der Milz). Von der radikalen Lymphadenektomie wird lediglich das Carcinoma in situ ausgenommen, da hier noch keine Lymphinvasion durch den Tumor stattgefunden haben kann. Nach neueren Studien profitieren besonders Patienten mit Tumoren der Stadien II und III von einer systematischen Lymphadenektomie.
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B 1.4 Magen und Duodenum
Zur Erhöhung der lokalen Radikalität ist die Splenektomie oder Milzhiluslymphadenektomie ab Tumorstadium T3 bei proximalen Magenkarzinomen als obligat anzusehen. Patienten, bei denen lokal fortgeschrittene Tumoren ohne Fernmetastasierung vorliegen (T4-M0-Stadien), können durch eine erweiterte Gastrektomie (Gastrektomie mit Resektion der per continuitatem infiltrierten Strukturen) mit radikaler Lymphadenektomie und ggf. adjuvanter Chemotherapie behandelt werden, sofern es der Allgemeinzustand der Patienten erlaubt. Auch bei fortgeschrittenen Tumoren lässt sich durch die radikale Operation die Lebensqualität durch Reduktion der tumorbedingten Symptome wie etwa einer Obstruktion oder chronischer Sickerblutungen mit Anämie verbessern. Liegt ein Kardiakarzinom vor, so muss die Wahl des Operationsverfahrens von der Art des Kardiatumors abhängig gemacht werden. Bei Typ-I-Kardiakarzinomen ist die Therapie der Wahl die abdominozervikale oder thorakoabdominale subtotale Ösophagektomie mit proximaler Gastrektomie (Fundektomie) und thorakaler Lymphadenektomie sowie Lymphadenektomie des Kompartments II. Die Wiederherstellung der Passage erfolgt durch Bildung eines Magenschlauchs, der zervikal oder intrathorakal mit dem verbliebenen Ösophagus anastomosiert wird. Typ-II- und -III-Kardiakarzinome werden durch Gastrektomie mit distaler Ösophagusresektion und Lymphadenektomie der Kompartments I und II behandelt. Die Kontinuität der Nahrungspassage wird durch Interposition eines Roux-Y-Jejunumsegmentes erreicht (Abb. B-1.70). Rekonstruktionstechniken nach Gastrektomie: Ziel der Rekonstruktionen nach Gastrektomie ist es, die Kontinuität der gastrointestinalen Passage wiederherzustellen. Zusätzlich werden 2 Rekonstruktionsprinzipien diskutiert, die die funktionellen Ergebnisse verbessern sollen: ■ Rekonstruktion mit Erhalt der gastroduodenalen Passage und/oder ■ Schaffung eines Reservoirs als Magenersatz.
337 mit radikaler Lymphadenektomie und ggf. adjuvanter Chemotherapie behandelt werden. Auch bei fortgeschrittenen Tumoren lässt sich durch die radikale Operation die Lebensqualität verbessern.
Kardiakarzinome: Bei Typ-I-Kardiakarzinomen erfolgt die abdominozervikale oder thorakoabdominale subtotale Ösophagektomie mit proximaler Gastrektomie (Fundektomie), Lymphadenektomie und Bildung eines Magenschlauchs zur Wiederherstellung der Passage. Typ-II- und -III-Kardiakarzinome werden mit einer totalen Gastrektomie mit distaler Ösophagusresektion und Lymphadenektomie behandelt. Die Kontinuität der Nahrungspassage wird durch eine Interposition einer Jejunumschlinge oder eines Koloninterponats erreicht (Abb. B-1.70). Rekonstruktionstechniken nach Gastrektomie: Ziel der Operation ist es, die Kontinuität der gastrointestinalen Passage wiederherzustellen. Rekonstruktionsprinzipien: ■ Rekonstruktion mit Erhalt der gastroduodenalen Passage. ■ Schaffung eines Reservoirs als Magenersatz.
Hieraus ergeben sich unterschiedliche Operationsverfahren, die in der Magenkarzinomchirurgie mit geringen technischen Variationen zur Anwendung kommen.
B-1.70
Rekonstruktionsverfahren nach Gastrektomie
a Ösophagoduodenale Jejunuminterposition.
b Ösophagojejunostomie mit Roux-Y-Schlinge.
c Ösophagojejunostomie mit Roux-Y-Schlinge und Pouchbildung.
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338
B 1 Viszeralchirurgie
Die Ösophagojejunostomie mittels RouxY-Schlingenbildung (Abb. B-1.70 b) stellt die Kontinuität durch eine nach Roux-Y isolierte Jejunumschlinge unter Aufhebung der duodenalen Speisepassage wieder her.
Die Ösophagojejunostomie mittels Roux-Y-Schlingenbildung (Abb. B-1.70 b) gilt als technisch einfachstes Verfahren zur Rekonstruktion nach Gastrektomie. Die Kontinuität wird durch eine nach Roux-Y isolierte Jejunumschlinge unter Aufhebung der duodenalen Speisepassage wiederhergestellt. Sie lässt sich mit oder ohne Bildung eines Ersatzmagens (Pouch) durchführen (Abb. B-1.70 c) und ist das in Deutschland am häufigsten durchgeführte Rekonstruktionsverfahren nach Gastrektomie. Ein alternatives Rekonstruktionsprinzip ist die ösophagoduodenale Jejunuminterposition (Abb. B-1.70 a), die die duodenale Passage aufrechterhält. Sie kann ebenfalls mit oder ohne Bildung eines Pouchs durchgeführt werden.
Ein alternatives Rekonstruktionsprinzip ist die ösophagoduodenale Jejunuminterposition (Abb. B-1.70 a), die die duodenale Passage aufrechterhält. Beide Verfahren sind mit oder ohne Bildung eines Ersatzmagens (Pouch) durchführbar. Durch eine erhaltene Duodenalpassage soll die nutritive Adaptation, durch Ersatzmagenbildung die funktionelle Adaptation des Patienten an die normale Nahrungsaufnahme vereinfacht werden. Dies konnte bisher weder in klinischen noch experimentellen Studien eindeutig bestätigt werden.
왘 Merke
Operationsverfahren, die die Duodenalpassage erlauben, sollen die nutritive Adaptation, Verfahren, die die Bildung eines Ersatzmagens ermöglichen, die funktionelle Adaptation des Patienten an die normale Nahrungsaufnahme nach der Operation vereinfachen. Bisher konnte jedoch der tatsächliche Nutzen dieser theoretischen Ansätze, die zur Entwicklung solcher Rekonstruktionsprinzipien führten, weder in klinischen noch experimentellen Studien eindeutig nachgewiesen werden. 왘 Merke. Bei jedem gastrektomierten Patienten fehlt – unabhängig vom Rekonstruktionsverfahren – postoperativ die Produktion von Intrinsic factor und Salzsäure. Deswegen bedürfen diese Patienten oft der oralen Substitution von Pankreasfermenten und immer der lebenslangen Substitution von Vitamin B12.
Komplikationen der operativen Therapie: Postoperativ kann es zur Entwicklung einer Anastomoseninsuffizienz besonders an der Ösophagojejunostomie oder zu einer Duodenalstumpfinsuffizienz kommen. Beide Komplikationen müssen ggf. operativ oder interventionell behandelt werden. Frühzeitige Anastomosenengen sind meist ödembedingt und entwickeln sich spontan zurück. Narbige Stenosen können meist endoskopisch bougiert werden.
Komplikationen der operativen Therapie: Postoperativ kann es im Rahmen von Durchblutungsstörungen im Anastomosenbereich zur Entwicklung von Anastomoseninsuffizienzen, besonders an der Ösophagojejunostomie kommen. Bei Verfahren nach Roux-Y ist die Ausbildung einer Duodenalstumpfinsuffizienz möglich. Beide Komplikationen müssen operativ oder interventionell (z. B. Platzierung eines Sonnenberg-Katheters zur Abszessdrainage und Spülung) behandelt werden. Durch ödematöse Schwellung im Anastomosenbereich kann sich eine vorübergehende Anastomosenenge entwickeln. Entsteht eine Anastomosenstenose durch narbige Schrumpfung, so sollte primär eine endoskopische Bougierungsbehandlung eingeleitet werden.
Palliative Verfahren. Lokal operable Tumoren mit diffuser Fernmetastasierung sollten in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand reseziert werden. Bei lokal inoperablen Tumoren oder Patienten in schlechtem Allgemeinzustand kann die enterale Ernährung durch Anlage einer Gastroenterostomie ermöglicht werden (Abb. B-1.72).
Palliative Verfahren: Liegt ein lokal operables Magenkarzinom mit diffuser Fernmetastasierung vor, so ist in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand des Patienten die Resektion zu diskutieren, da durch die Entfernung des Magentumors die Lebensqualität verbessert werden kann (Vermeidung von Obstruktion oder chronischen Blutverlusten). Ist der Tumor jedoch lokal inoperabel oder der Patient in einem zu schlechten Allgemeinzustand für eine Gastrektomie, so kann die enterale Ernährung gegebenenfalls durch die Anlage einer Gastroenterostomie proximal der Tumorstenose gewährleistet werden (Abb. B-1.72).
B-1.71
Magen-Darm-Passage zur Kontrolle der Ösophagojejunostomie nach Gastrektomie a Unauffälliger Befund. b Kleines klinisch inapparentes Leck nach rechts lateral. c Kleine Leckage nach links lateral, welche zur Ausbildung eines mit Kontrastmittel gefüllten Verhaltes führte, der über ein Drain (D) nach links entlastet wird.
? = Anastomose * = Leckage
a
b
c
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B 1.4 Magen und Duodenum
B-1.72
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Gastroenterostomie als Palliativverfahren
a Hintere antekolische Gastroenterostomie mit Braun-FußpunktAnastomose.
b Hintere retrokolische Gastroenterostomie mit Braun-FußpunktAnastomose.
Durch die Gastroenterostomie kann die Tumorstenose umgangen und eine enterale Ernährung ermöglicht werden.
Alternativ hierzu ist die endoskopische Verkleinerung der Tumormasse durch endoskopische Laser- oder Schlingenabtragung möglich. Bei Kardiatumoren, die den Mageneingang stenosieren oder zu stenosieren drohen, kann außerdem die endoskopische Platzierung von endoösophagealen Tuben, selbstexpandierender Stents oder die Einlage einer Ernährungssonde durch die Bauchhaut in den Magen erwogen werden. Während diese Ernährungssonden früher operativ gelegt wurden (Witzel-Fistel), wird heute die endoskopische Applikation in Form einer PEG (perkutan-endoskopische Gastrostomie) bevorzugt (S. 256). Bei irresektablen Tumoren kann im Einzelfall ein Versuch indiziert sein, die Tumorprogredienz durch eine Polychemotherapie und/oder Antikörperbehandlung zu verlangsamen.
Alternativ zur Gastroenterostomie ist die endoskopische Tumorverkleinerung möglich. Bei Kardiatumoren, die den Mageneingang stenosieren, kann außerdem die endoskopische Platzierung von endoösophagealen Tuben, die Anlage einer PEC oder als Ultima ratio einer Witzel-Fistel erwogen werden (S. 256). Bei irresektablen Tumoren kann in Einzelfällen erwogen werden, die Tumorprogredienz durch eine Polychemotherapie/Antikörpertherapie zu verlangsamen.
Prognose: Die perioperative Letalität einer subtotalen Magenresektion liegt bei unter 5 %, die einer Gastrektomie unter 10 %. Bei dauerhafter Tumorfreiheit, adäquater diätetischer Beratung und entsprechender Umstellung der Essgewohnheiten ist auch für Patienten, die sich einer Gastrektomie unterziehen mussten, eine soziale und berufliche Reintegration möglich. Die 5-Jahres-Überlebensrate von Patienten mit Magenkarzinomen korreliert eng mit der lokalen Tumorausdehnung, dem Lymphknotenbefall und der Fernmetastasierung. Liegt ein Frühkarzinom vor, so beträgt die mittlere 5-Jahres-Überlebensrate 90 %, bei auf die Mukosa beschränkten Tumoren sogar 100 %. Patienten mit fortgeschrittenen Tumoren sind zum Zeitpunkt der Diagnose in nur noch 45 – 50 % der Fälle mit kurativer Intention operabel. Nur ca. 10 – 15 % überleben die Diagnosestellung 5 Jahre.
Prognose: Die perioperative Letalität der subtotalen Magenresektion beträgt unter 5 %, die einer Gastrektomie unter 10 %. Auch nach Gastrektomie ist eine soziale wie berufliche Reintegration in das Alltagsleben möglich. Die 5-Jahres-Überlebensrate von Patienten mit Magenkarzinomen korreliert eng mit dem TNM-Stadium. Liegt ein Frühkarzinom vor, beträgt die mittlere 5-JahresÜberlebensrate 90 %, bei auf die Mukosa beschränkten Tumoren sogar 100 %. Bei fortgeschrittenen Tumoren nur ca. 10 – 15 %.
왘 Merke. Nur durch frühzeitige Diagnosestellung ist die Zahl der kurativ
왗 Merke
behandelten Patienten mit Magenkarzinom deutlich zu erhöhen. Ziel der Bemühungen muss es sein, das Intervall zwischen Auftreten der ersten Symptome und der Diagnosestellung durch zielgerichtete, frühzeitig einsetzende Diagnostik (Gastroskopie) zu verkürzen!
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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B 1 Viszeralchirurgie
1.4.9 Tumoren des Duodenums
1.4.9 Tumoren des Duodenums
Benigne Duodenaltumoren
Benigne Duodenaltumoren
Gutartige Tumoren des Duodenums sind Raritäten. Es handelt sich dabei um Brunnerinome, Adenome, Myome, Myofibrome und Gastrinome. Klinik: Typisch sind Blutungen, kolikartige Schmerzen oder eine Cholestase.
Gutartige Tumoren des Duodenums sind Raritäten. Es handelt sich dabei um Brunnerinome, Adenome, Myome, Myofibrome und Gastrinome, die als versprengte Pankreasgewebsanteile vorkommen können.
Diagnostik: Eine ÖGD sichert die Diagnostik:
Diagnostik: Zur Diagnosestellung erfolgt eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD), bei der gegebenenfalls in gleicher Sitzung die endoskopische Abtragung vorgenommen wird.
Therapie: Therapie der Wahl ist die endoskopische Abtragung, sonst erfolgt nach Duodenotomie die Exzision oder Papillektomie und Gangneuimplantation. Eine Duodenopankreatektomie ist nur bei Tumoren mit erheblicher Ausdehnung sowie fraglicher Dignität indiziert.
Therapie: Ist der Prozess endoskopisch nicht entfernbar und macht klinisch relevante Beschwerden, so sollte er mittels einer Duodenotomie und Exzision oder in Papillennähe durch Papillektomie und Neuimplantation von Gallen- und Pankreasgang entfernt werden. Eine Duodenopankreatektomie ist nur bei großen Tumoren und erheblicher klinischer Symptomatik sowie fraglicher Dignität (z. B. bei großen villösen Adenomen) indiziert.
Maligne Duodenaltumoren
Maligne Duodenaltumoren
Primäre maligne Tumoren des Duodenums sind sehr selten. Häufiger werden Infiltrationen durch Pankreaskopfkarzinome beobachtet.
Primäre maligne Tumoren (Karzinome, Sarkome oder neuroendokrine Tumoren/ Karzinome (NET) des Duodenums sind ebenfalls sehr selten. Häufiger werden Infiltrationen der duodenalen Hinterwand durch Pankreaskopfkarzinome beobachtet.
Klinik: Es kann zur Magenausgangsstenose, Cholestase oder Pankreatitis kommen.
Klinik: Bei vorwiegend intraluminärem Wachstum kann es zur Magenausgangsstenose mit typischem rezidivierendem Erbrechen kurz nach der Nahrungsaufnahme kommen. Liegt der Tumor in Papillennähe, ist die Ausbildung einer Cholestase oder Pankreatitis durch Gallengang- oder Pankreasgangobstruktion möglich. Bei NET bestimmen die ausgeschütteten Hormonie die Symptome.
Diagnostik: Sie wird durch eine ÖGD gestellt und durch die Biopsie gesichert. Bei Tumoren der Papillenregion sollte eine ERCP zum Ausschluss eines Pankreaskopftumors erfolgen. Endosonographie oder CT ermöglichen die Beurteilung der Tumorausdehnung und der Lymphknoteninvasion.
Diagnostik: Die Diagnose wird durch eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) gestellt und durch die Biopsie gesichert. Bei Tumoren in der Papillenregion sollte eine ERCP zum Ausschluss eines Pankreaskopftumors durchgeführt werden. Endosonographisch oder durch Oberbauch-CT kann die extramurale Tumorausdehnung und Lymphknoteninvasion beurteilt werden.
Therapie: Bei proximaler Lokalisation erfolgt eine partielle Duodenopankreatektomie, bei distaler eine Segmentresektion (S. 540). Bei Inoperabilität sollte eine Drainage des Ductus choledochus und/oder Ductus pancreaticus durch einen Stent mittels einer ERCP oder PTCD veranlasst werden. Alternativ ist die Anlage einer biliodigestiven Anastomose in Kombination mit einer Gastroenterostomie möglich.
Therapie: Ist der Tumor im proximalen Duodenum lokalisiert, erfolgt eine partielle Duodenopankreatektomie nach Whipple. Liegt er nahe an der Flexura duodenojejunalis, kann evtl. eine Segmentresektion durchgeführt werden (S. 540). Bei Inoperabilität kann eine Cholestase oder Pankreatitis durch die Einlage von Kathetern in den Ductus choledochus und/oder Ductus pancreaticus im Rahmen einer ERCP behandelt werden. Ist die Papille bei der ERCP nicht mehr sondierbar und liegt ein Ikterus vor, ist die operative Anlage einer biliodigestiven Anastomose, dann in Kombination mit einer Gastroenterostomie zur Prophylaxe einer Magenausgangsstenose möglich. Alternativ kann eine PTCD (perkutane transhepatische Choledochus-Drainage) vorgenommen werden.
Prognose: Die Letalität der partiellen Duodenopankreatektomie liegt bei 5 % bei einer 5-Jahres-Heilung von 10 – 20 %.
Prognose: Die perioperative Letalität der partiellen Duodenopankreatektomie liegt in Zentren bei 55 %, wobei nur in 10 – 20 % der Fälle eine 5-Jahres-Heilung erreicht werden kann.
1.4.10 Syndrome nach
Operationen am Magen Operative Eingriffe am Magen führen stets zu grundlegenden Änderungen in der Physiologie und Anatomie des oberen Gastrointestinaltraktes. In ca. 70 – 90 % der Fälle tritt nach einer vorübergehenden Adaptationsphase
Klinik: Typisch sind Blutungen, kolikartige Schmerzen oder eine Cholestase durch Obstruktion der Papilla Vateri.
1.4.10 Syndrome nach Operationen am Magen Operative Eingriffe am Magen führen stets zu grundlegenden Änderungen in der Physiologie und nach Resektionen auch in der Anatomie des oberen Gastrointestinaltrakts. In ca. 70 – 90 % der Fälle tritt nach Vagotomie oder Magenteilresektion nach einer vorübergehenden Adaptationsphase eine subjektive
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B 1.4 Magen und Duodenum
341
klinische Beschwerdefreiheit ein. Bei 10 – 20 % der operierten Patienten kommt es zu einer Persistenz von leichten Beschwerden, die auch episodenhaft auftreten können. Zu diesen leichten Symptomen zählen Völlegefühl, Diarrhöen, Gewichtsverlust, Steatorrhöe, Anämie oder Kalziumstoffwechselstörungen. Bis zu 10 % der Patienten klagen postoperativ über erhebliche Störungen des Wohlbefindens. Die Krankheitsbilder werden unter dem Überbegriff „Syndrome des operierten Magens“ subsumiert.
ein Zustand ohne subjektive Beschwerden ein. Bei 10 – 20 % kommt es zu einer Persistenz von leichten Beschwerden wie Völlegefühl, Diarrhöen, Gewichtsverlust, Steatorrhö, Anämie oder Stoffwechselstörungen. Bis zu 10 % der Patienten klagen über erhebliche Störungen.
Frühdumpingsyndrom
Frühdumpingsyndrom
Pathogenese: Nach Magenteilresektionen, insbesondere nach Billroth II oder Roux-Y, kommt es aufgrund des fehlenden Verschlussmechanismus zum Intestinum zu einem raschen Übertritt von unverdünntem und somit hyperosmolarem Speisebrei in das Jejunum. Durch das Konzentrationsgefälle zum Blut erfolgt zum Konzentrationsausgleich der Übertritt von Flüssigkeit aus dem Intravasalraum in das Darmlumen. Hierdurch kann dem Organismus bis zu 20 % des zirkulierenden Plasmavolumens entzogen werden. Dies kann zu einem orthostatischen Kreislaufkollaps führen.
Pathogenese: Nach Magenteilresektionen, insbesondere nach Billroth II oder Roux-Y kommt es zu einem raschen Übertritt von unverdünntem hyperosmolarem Speisebrei in das Jejunum. Zum Konzentrationsausgleich erfolgt der Übertritt von Flüssigkeit in das Darmlumen. Dies kann zu einem orthostatischen Kollaps führen.
Klinik: Innerhalb 30 Minuten nach Nahrungsaufnahme (besonders bei hyperosmolaren Lösungen wie Süßspeisen, Bouillon, Zucker, Milch) kommt es zu Übelkeit und vermehrtem Schwitzen, bis hin zum Kollaps.
Klinik: Innerhalb von 30 min nach Nahrungsaufnahme kommt es zu Übelkeit und vermehrtem Schwitzen, bis hin zum Kollaps.
Diagnostik: Eine Gastroskopie dient zum Ausschluss anderer Erkrankungen als Ursache der geklagten Beschwerden. Der Beweis für das Vorliegen eines Frühdumping erfolgt durch eine Magen-Darm-Passage (MDP) oder einer isotopenmarkierten Testmahlzeit, bei denen die Magenentleerungszeit bestimmt wird.
Diagnostik: Nach Gastroskopie zum Ausschluss anderer Erkrankungen wird die Diagnose durch eine MDP oder eine Isotopen-Testmahlzeit mit Bestimmung der Magenentleerungszeit gestellt.
Therapie: Primär sollte ein Therapieversuch mit Umstellung der Ernährungsgewohnheiten durchgeführt werden. Dabei sind Süßigkeiten und stark zuckerhaltige Speisen ebenso wie Milchprodukte zu vermeiden. Die Nahrungsaufnahme sollte in Form häufigerer kleinerer Mahlzeiten unter Trennung von fester und flüssiger Nahrungsaufnahme erfolgen. Gelingt es hiermit nicht, eine deutliche Besserung zu erreichen, so ist die operative Umwandlung in ein Rekonstruktionsverfahren nach Billroth I durchzuführen. Die Umwandlung eines Billroth-II-Magens in einen Billroth-I-Magen ist allerdings technisch oft nicht durchführbar, weshalb als Ausweichverfahren die Interposition von Jejunum (Gastro-Jejuno-Duodenostomie) oder die Reservoirbildung bei nach Roux-Y operierten Mägen zur Verfügung stehen.
Therapie: Primär sollten Süßigkeiten und stark zuckerhaltige Speisen ebenso wie Milchprodukte vermieden werden und in Form häufigerer kleinerer Mahlzeiten mit Trennung von fester und flüssiger Nahrungsaufnahme erfolgen. Ansonsten ist die operative Umwandlung in ein Rekonstruktionsverfahren nach Billroth I vorzunehmen, oder alternativ eine Jejunuminterposition oder eine Reservoirbildung durchzuführen.
Spätdumpingsyndrom
Spätdumpingsyndrom
Pathogenese: Da die Speise aus dem Restmagen in größeren Mengen schneller an den nachfolgenden Dünndarm weitergegeben wird, als es bei einem funktionierenden Pylorus der Fall wäre, wird aus dem Dünndarm proportional mehr Glukose je Zeiteinheit in das portale Blutsystem aufgenommen. Die hierdurch ausgelöste vermehrte Insulinausschüttung führt ca. 2 – 3 Stunden nach Nahrungsaufnahme zu einer Hyperinsulinämie, die zu extremen Blutzuckerschwankungen führt. Anfänglich treten Hyperglykämien auf, auf die hypoglykämische Phasen folgen.
Pathogenese: Aus dem Dünndarm wird proportional mehr Glukose je Zeiteinheit in das portale Blutsystem aufgenommen, was zur vermehrten Insulinausschüttung führt. Daraus resultiert eine Hyperinsulinämie, gefolgt von extremen Blutzuckerschwankungen mit anfänglichen Hyperglykämien und anschließenden Hypoglykämien.
Klinik: Typisch für das Spätdumping sind Übelkeit, Herzrasen, Schwindel und Synkopen 2 – 3 Stunden postprandial.
Klinik: Typisch sind Übelkeit, Herzrasen, Schwindel und Synkopen 2 – 3 h postprandial.
Diagnostik: Die Diagnose wird durch die Bestimmung der Blutzuckerwerte im Rahmen eines Glukosebelastungstestes gestellt.
Diagnostik: Blutzuckerbestimmung.
Therapie: Die Behandlung erfolgt in erster Linie analog zum Frühdumping diätetisch. Bei Beschwerdenpersistenz ist auch hier die Umwandlungsoperation angezeigt.
Therapie: Primär analog zum Frühdumping diätetisch, bei Beschwerdepersistenz operativ.
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B 1 Viszeralchirurgie
Postvagotomie-Syndrom
Postvagotomie-Syndrom
Pathogenese: Durch die Denervierung des Magens bei einer SPV kommt es postoperativ zu einer Funktionsstörung der Kardia mit Motilitätsverlust.
Pathogenese: Durch die Denervierung des Magens im Rahmen einer selektivproximalen Vagotomie (SPV), besonders in Verbindung mit einer zirkulären Myotomie des Ösophagus, kommt es unmittelbar postoperativ zu einer Funktionsstörung der Kardia mit Motilitätsverlust. Weiterhin können Magenentleerungsstörungen auftreten, besonders bei iatrogener zu weit nach distal geführter Vagotomie.
Klinik: Meist vorübergehend können Dysphagie- und Refluxbeschwerden auftreten. Nach trunkulärer Vagotomie kann durch Störung der parasympathischen Innervation eine Beschleunigung der Darmpassage, Störung des Gallensäurenstoffwechsels und Änderung der Bakterienflora auftreten. Dies kann zu persistierenden Diarrhöen mit Gewichtsverlusten führen. Bei Patienten mit selektiv gastraler Vagotomie sind diese Beschwerden seltener. Diagnostik: Ausschluss anderer Ursachen durch Gastroskopie und MDP.
Klinik: Es kann – meist vorübergehend – zur Ausbildung von Dysphagie- und Refluxbeschwerden kommen. Wurde eine trunkuläre Vagotomie durchgeführt, ist zusätzlich die parasympathische Innervation des Dünndarms und der Leber unterbrochen, sodass es zu einer Beschleunigung der Darmpassage evtl. in Kombination mit einer Störung des Gallensäurenstoffwechsels und Änderung der intestinalen Bakterienflora kommt. Dies führt bei 20 – 30 % der Patienten nach trunkulärer Vagotomie zu persistierenden Diarrhöen mit Gewichtsverlusten. Bei Patienten mit selektiv gastraler Vagotomie sind diese Beschwerden wesentlich seltener.
Therapie: Primär symptomatische Maßnahmen wie Ernährungsumstellung, Gabe von Loperamid oder bei chologenen Diarrhöen Colestyramin.
Therapie: Einen kausalen Therapieansatz gibt es nicht. Im Vordergrund stehen symptomatische Maßnahmen wie Ernährungsumstellung und Gabe von Loperamid oder bei chologenen Diarrhöen Colestyramin zur Reduktion der Diarrhö.
Schlingensyndrome
Schlingensyndrome
Bei den Schlingensyndromen handelt es sich um spezifische Folgeerkrankungen nach Billroth-II-Resektion.
Bei den Schlingensyndromen handelt es sich um spezifische Folgeerkrankungen nach Billroth-II-Resektion. Es werden das Syndrom der zuführenden Schlinge von dem der abführenden Schlinge unterschieden.
Syndrom der zuführenden Schlinge
Syndrom der zuführenden Schlinge
Pathogenese: Durch eine Stenosierung der zuführenden Schlinge im Bereich der Gastrojejunostomie kommt es zur Stase und Abflussbehinderung mit Keimbesiedlung. Tritt nur nach B-II-Rekonstruktion ohne Braun-Fußpunktanastomose auf.
Pathogenese: Durch eine meist technisch-operativ bedingte Stenosierung der zuführenden Schlinge im Bereich der Gastrojejunostomie, seltener durch Motilitätsstörungen kommt es zur Stase und Abflussbehinderung. Darauf pfropft sich eine Keimbesiedlung des keimarmen Darmsegments auf. Das Syndrom kann nur bei einer Billroth-II-Rekonstruktion ohne Braun-Fußpunktanastomose auftreten.
Klinik: Typisch sind Inappetenz, Völlegefühl, plötzliches Erbrechen und Diarrhöen.
Klinik: Das Syndrom der zuführenden Schlinge ist heute selten, da die distale 2/ -Resektion mit Rekonstruktion nach Billroth II heute kaum noch durchgeführt 3 wird. Die Patienten klagen über zunehmende Inappetenz, Völlegefühl, plötzliches Erbrechen und Diarrhöen.
Diagnostik: Die Diagnose wird durch Gastroskopie gesichert.
Diagnostik: Durch die Gastroskopie kann die Diagnose gesichert werden.
Therapie: Die Umwandlungsoperation von Billroth II nach Roux-Y oder Billroth I ist die Methode der Wahl. Bei Risikopatienten kann alternativ eine Braun-Fußpunktanastomose als minimale Behandlungsmethode angelegt werden.
Therapie: Die Methode der Wahl ist die Umwandlung des nach Billroth II operierten Magens in eine Rekonstruktion nach Roux-Y oder Billroth I. Ist dies technisch nicht möglich oder ist der Patient ein Risikopatient, der einen längeren Eingriff nicht ohne erhebliche Gefährdung überstehen würde, so ist die Anlage einer Braun-Fußpunktanastomose als minimale Behandlungsmethode möglich.
Syndrom der abführenden Schlinge
Syndrom der abführenden Schlinge
Pathogenese: Hier liegt eine Abknickung, Anastomosenstenose oder Invagination mit Entleerungsstörung des Restmagens zugrunde.
Pathogenese: Diesem postoperativen Syndrom liegen eine Abknickung, Anastomosenstenose oder selten auch Invagination zugrunde. Sie führen zu einer Entleerungsstörung des Restmagens.
Klinik: Die klinischen Erscheinungen ähneln denen des Syndroms der zuführenden Schlinge.
Klinik: Die klinischen Erscheinungen ähneln mit Völlegefühl, Appetitlosigkeit, Inappetenz und Erbrechen denen des Syndroms der zuführenden Schlinge.
Diagnostik: Da das Postvagotomie-Syndrom eine Ausschlussdiagnose darstellt, sollten durch eine Gastroskopie und Magen-Darm-Passage (MDP) andere postoperative Syndrome als Ursachen der geklagten Beschwerden ausgeschlossen werden.
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B 1.4 Magen und Duodenum
343
Diagnostik: Durch Endoskopie und Magen-Darm-Passage (MDP) (radiologisch typisch: Magenektasie) lässt sich die Diagnose einfach stellen.
Diagnostik: Durch Endoskopie und MDP lässt sich die Diagnose einfach stellen.
Therapie: Die Umwandlung des Billroth-II-Magens in einen nach Roux-Y oder Billroth I rekonstruierten Magen stellt die beste Behandlungsmethode dar. Alternativ kann bei Risikopatienten der Versuch der endoskopischen Bougierung der Stenose unternommen werden.
Therapie: Die Umwandlung des Billroth-II- in einen Billroth-I-Magen stellt die beste Behandlungsmethode dar. Bei Risikopatienten ist die endoskopische Bougierung möglich.
Magenstumpfkarzinom
Magenstumpfkarzinom
왘 Definition. Ein Karzinom, das Jahre nach einer Magenteilresektion nach Bill-
왗 Definition
roth II wegen eines primär gutartigen Leidens im distalen Magenrest entsteht, wird als Magenstumpf- oder Anastomosenkarzinom bezeichnet. Pathogenese: Vergleicht man die Disposition für die Entstehung eines Magenkarzinoms einer Normalpopulation mit der von magenteilresezierten Patienten, so zeigt sich eine erhöhte Inzidenz der Magenkarzinome bei den Magenresezierten. Bei nach Billroth II operierten Patienten ist die Inzidenz von Magenkarzinomen z. B. um das 3-fache erhöht. Dies wird durch chronische Schleimhautveränderungen, vermehrten Gallereflux, veränderte bakterielle Besiedlung und Anazidität erklärt, wobei der genaue pathogenetische Zusammenhang noch nicht vollständig aufgeklärt ist.
Pathogenese: Magenteilresezierte Patienten haben eine höhere Disposition zur Entwicklung eines Magenkarzinoms als die Normalpopulation. Als Ursache werden chronische Schleimhautveränderungen, vermehrter Gallereflux, veränderte bakterielle Besiedelung und Anazidität diskutiert.
Klinik: Die Symptome ähneln denen des Magenkarzinoms. Typischerweise treten Stumpfkarzinome erst 15 – 20 Jahre nach der Magenteilresektion auf, weshalb Patienten nach Magenteilresektion ab dem 15. Jahr post operationem jährlich gastroskopiert werden sollten. Nur so ist ein Stumpfkarzinom frühzeitig diagnostizierbar und somit kurabel.
Klinik: Die Symptome ähneln denen des Magenkarzinoms und treten typischerweise 15 – 20 Jahre nach der Magenteilresektion auf. Deshalb sollten Patienten nach Magenteilresektion ab dem 15. Jahr post operationem jährlich gastroskopiert werden.
Diagnostik: Sie entspricht der bei primären Magenkarzinomen.
Diagnostik: Sie entspricht der bei primären Magenkarzinomen.
Therapie: Ist der Tumor operabel und der Patient in einem operablen Allgemeinzustand, sollte eine Restgastrektomie mit radikaler Lymphadenektomie angestrebt werden. Wenn diese nicht durchführbar ist, können palliative Maßnahmen wie beim Magenkarzinom angewandt werden.
Therapie: Bei operablem Befund sollte eine Gastrektomie mit radikaler Lymphadenektomie angestrebt werden. Alternativ können palliative Maßnahmen angewandt werden.
Rezidivulkus
Rezidivulkus
왘 Definition. Bei einem Rezidivulkus handelt es sich um das Wiederauftreten
왗 Definition
des Geschwürleidens im postoperativen Verlauf nach einer Ulkusoperation. Die Häufigkeit von Rezidivulzera ist abhängig von der Primärlokalisation des Ulkus und der Art der operativen Ulkustherapie: So sind Ulkusrezidive bei Duodenalulzera häufiger als nach Ulcera ventriculi und treten nach Vagotomie häufiger wieder auf als nach Magenresektionen.
Ulkusrezidive sind bei Duodenalulzera häufiger als nach Ulcera ventriculi und treten nach Vagotomie häufiger wieder auf als nach Magenresektionen.
Pathogenese: Als Ursachen für Rezidivulzera werden mangelhafte Reduktion der Säuresekretion durch inkomplette Vagotomie oder ein unzureichendes Resektionsausmaß mit zu großem verbliebenem Restmagen angeführt. Außerdem können Stenosierungen an der Anastomose durch narbige Schrumpfung oder technische Fehler auftreten. Ein anderer Pathomechanismus wird durch am Duodenalstumpf belassene Antrumreste in Gang gesetzt. Die Antrumschleimhaut trägt G-Zellen, die ungehemmt Gastrin freisetzen und so zur Entstehung von Rezidivulzera führen können.
Pathogenese: Ursachen sind mangelhafte Reduktion der Säuresekretion durch inkomplette Vagotomie, ein zu großer Restmagen, Stenosierungen oder am Duodenalstumpf belassene Antrumreste.
Klinik: Die klinischen Beschwerden ähneln im Wesentlichen denen des primären Ulkus (Oberbauchschmerz, Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsabnahme).
Klinik: Die klinischen Beschwerden ähneln denen des primären Ulkus.
Diagnostik: Die Diagnose wird durch eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) mit Biopsie gestellt.
Diagnostik: Sie wird durch eine ÖGD mit Biopsie gestellt.
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B 1 Viszeralchirurgie
Bei jedem Rezidivulkus sind extragastrale Ursachen (Zollinger-Ellison-Syndrom, Hyperparathyreoidismus, Nebennierenrindentumoren) auszuschließen.
Wird ein Rezidivulkus diagnostiziert, so ist in jedem Fall eine extragastrale Ursache auszuschließen. Hier kommen in erster Linie das Zollinger-EllisonSyndrom, ein Hyperparathyreoidismus oder Nebennierenrindentumoren infrage.
Therapie: Die konservative Therapie führt zur Ausheilung von ca. 50 % aller Rezidivulzera. Bei Therapieresistenz oder Komplikationen ist eine operative Reintervention indiziert.
Therapie: Durch konservative Behandlungsmaßnahmen lassen sich ca. 50 % aller Rezidivulzera zur Ausheilung bringen. Deshalb ist ein konservativer Therapieversuch angezeigt, sofern keine narbigen Stenosen mit der Symptomatik einer Magenausgangsstenose vorliegen. Lediglich bei Therapieresistenz oder dem Auftreten von Komplikationen (Stenose, Blutung, Perforation, Penetration, Fistelung) ist eine operative Reintervention indiziert.
Ulcus pepticum jejuni
Ulcus pepticum jejuni
Pathogenese: Bei unzureichender Säurereduktion nach Billroth-II- oder Roux-Y-Resektion kommt es zur vermehrten Säurebelastung der jejunalen Schleimhaut mit Ausbildung eines peptischen Ulkus an der Anastomose.
Pathogenese: Wenn bei einem Billroth-II-Magen oder Roux-Y-Magen die Säuresekretion nicht ausreichend reduziert wurde (zu großer Restmagen), kommt es zum ständigen Kontakt des sauren Magensekrets mit jejunaler Schleimhaut. Dadurch kann es zur Schädigung dieser Schleimhaut mit Ausbildung eines peptischen Ulkus – typischerweise an der Anastomose – kommen.
Klinik: Das Ulcus pepticum jejuni erzeugt Beschwerden wie ein primäres Magenulkus. Komplikationen sind Magenentleerungsstörungen, Bluterbrechen, Teerstühle und Diarrhöen. Bei kurz nach der Mahlzeit auftretenden Durchfällen muss an eine gastrojejunokolische Fistel gedacht werden.
Klinik: Das Ulcus pepticum jejuni erzeugt ähnliche Beschwerden wie ein primäres Magenulkus oder ein Rezidivulkus. Komplikationen sind Magenentleerungsstörungen, Bluterbrechen, Teerstühle und auch Diarrhöen. Bei kurz nach der Mahlzeit auftretenden Durchfällen, evtl. gepaart mit der Ausscheidung nicht oder nur unzureichend verdauter Nahrung, muss an das Vorliegen einer gastrojejunokolischen Fistel gedacht werden.
Diagnostik: Das Ulkus wird endoskopisch, eine Fistel wird durch eine MDP dargestellt.
Diagnostik: Das Ulkus kann endoskopisch erkannt und bioptisch gesichert werden, eine Fistel wird durch eine Magen-Darm-Passage (MDP) dargestellt.
Therapie: Nachresektion mit proximaler gastraler Vagotomie.
Therapie: Liegen keine Kontraindikationen vor, ist eine Nachresektion mit proximaler gastraler Vagotomie indiziert.
Refluxgastritis
Refluxgastritis
Pathogenese: Durch Funktionsverlust des Pylorus kommt es zu einem verstärkten duodenogastralen Reflux. Die akute Schädigung führt zu einer erythemartigen oberflächlichen Gastritis. Die chronische Einwirkung wird u. a. für die Entstehung der chronisch atrophen Gastritis des Restmagens oder des Stumpfkarzinoms verantwortlich gemacht.
Pathogenese: Nach resektiven Mageneingriffen ist die Refluxbarriere „Pylorus“ für den alkalischen Duodenalsaft verloren. Dadurch kommt es zu einem verstärkten duodenogastralen Reflux, der zu einer Steigerung der Exposition der Magenschleimhaut mit Gallensäuren und Lysolezithin führt. Die akute Schädigung erzeugt im Restmagen eine erythemartige oberflächliche Gastritis, die in den meisten Fällen nur endoskopisch nachweisbar ist. Die chronische Einwirkung dieser Noxen wird u. a. mit für die Entstehung der chronisch atrophen Gastritis des Restmagens oder des Stumpfkarzinoms verantwortlich gemacht.
Klinik: Die Refluxgastritis ist meist asymptomatisch, kann sich aber auch in Form von Völlegefühl, galligem Erbrechen und Inappetenz äußern. Diagnostik: Zur Diagnosestellung ist eine ÖGD, MDP und evtl. eine biochemische Analyse des Magensafts erforderlich.
Klinik: Die klinischen Beschwerden der Refluxgastritis sind uncharakteristisch. Sie ist meist asymptomatisch, kann sich aber auch in Form von Völlegefühl, galligem Erbrechen und Inappetenz äußern.
Therapie: Die konservative Therapie erfolgt mit Medikamenten, die die propulsive Magenperistaltik und somit die antegrade Magenentleerung fördern oder mit Antazida, die den alkalischen Reflux neutralisieren können. Bei Versagen der konservativen Therapie kann durch Roux-Y-Gastroenterostomie der Kontakt des Duodenalsafts mit der Magenschleimhaut weitgehend vermieden werden.
Therapie: Zuerst sollte ein Therapieversuch mit Medikamenten durchgeführt werden, die die propulsive Magenperistaltik und somit die antegrade Magenentleerung fördern. Zu diesen Medikamenten gehört z. B. das Metoclopramid. Gelingt es medikamentös nicht, eine Besserung zu erreichen, kann durch die Roux-Y-Gastroenterostomie der Kontakt des Duodenalsafts mit der Magenschleimhaut weitgehend vermieden werden.
Diagnostik: Zur Diagnosestellung ist eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD), Magen-Darm-Passage (MDP) und eine biochemische Analyse des Magensafts und pH-Metrie möglich.
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B 1.5 Dünndarm
1.5
Dünndarm
345 1.5
Dünndarm
Rainer Isenmann, Michael Dürig, Hinnerk Gebhardt
1.5.1 Grundlagen
1.5.1 Grundlagen
Anatomie
Anatomie
Der Dünndarm erstreckt sich von der Flexura duodenojejunalis im linken Oberbauch bis zum Zökum im rechten unteren Quadranten. Die arterielle Versorgung erfolgt über die A. mesenterica superior und die venöse Drainage über die V. mesenterica superior in das portale System. Seine Länge beträgt in vivo je nach Kontraktionszustand 4 – 5 Meter. Hiervon fallen ca. 40 % auf das Jejunum und 60 % auf das Ileum.
40 % des Dünndarms entfallen ca. auf das Jejunum. Der Rest von 60 % wird dem Ileum zugeordnet. Die arterielle Versorgung erfolgt über die A. mesenterica superior, die venöse Drainage über die V. mesenterica superior in das portale System. Die Gesamtlänge in vivo beträgt 4 – 5 Meter.
Physiologie und Pathophysiologie
Physiologie und Pathophysiologie
Die wesentliche Funktion des Dünndarms besteht in dem Transport und der Resorption von Energieträgern, Wasser, Elektrolyten, Gallensäuren, Vitaminen und Schwermetallen (Abb. B-1.73). Der proximale Dünndarm gilt hierbei als Hauptort der Resorption. Allerdings ist auch das Ileum zur Resorption aller Substanzen befähigt. Es wird jedoch erst dann beansprucht, wenn das proximale Transportsystem abgesättigt oder das proximale System krankhaft verändert ist. Das Ileum ist demzufolge als funktionelle Reserve zu betrachten. Es ist darüber hinaus der einzige Ort der aktiven Gallen- und Vitamin-B12-Resorption. Aus diesem Grund ist der funktionelle Ausfall des Ileums klinisch bedeutsamer als der Verlust des proximalen Jejunums. Voraussetzung der Resorption ist die enzymatische Spaltung der 3 Energieträger Kohlehydrate, Eiweiße und Fette. Diese Spaltung wird vornehmlich durch die Sekrete von Speicheldrüsen, Magen, Bauchspeicheldrüse und Leber (Galle) induziert. Niedermolekulare Substanzen wie Disaccharide werden teilweise vom Dünndarmepithel selbst gespalten. Den Gesamtvorgang nennt man Verdauung oder Digestion. Störungen der Resorption werden als Malabsorption bezeichnet. Ein mangelhafter Nahrungsaufschluss wird hingegen Maldigestion genannt. Beide Funktionsstörungen werden als Malassimilation zusammengefasst.
Die wesentliche Funktion des Dünndarms besteht in dem Transport und der Resorption von Energieträgern, Wasser, Elektrolyten, Gallensäuren, Vitaminen und Schwermetallen (Abb. B-1.73). Das Ileum ist der einzige Ort der aktiven Gallen- und VitaminB12-Resorption. Aus diesem Grund ist der funktionelle Ausfall des Ileums klinisch bedeutsamer als der Verlust des proximalen Jejunums, zumal es alle Aufgaben des Jejunums übernehmen kann. Störungen der Resorption werden als Malabsorption, ein mangelhafter Nahrungsaufschluss als Maldigestion bezeichnet. Beide Funktionsstörungen werden als Malassimilation zusammengefasst.
B-1.73
Transport und Resorption im Gastrointestinaltrakt
B-1.73
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B 1 Viszeralchirurgie
346 B-1.15
Sekretion gastrointestinal regulatorischer Peptide im Dünndarm
Sekretionsort Duodenum oder Jejunum
Peptid
Funktion
■
Motilin
■
■
Cholezystokinin
■ ■ ■ ■ ■
■
Sekretin
■ ■ ■
Ileum
■
Enteroglukagon Neurotensin
■
Peptid YY
■
■ ■ ■ ■ ■
Im Dünndarm erfolgt auch eine Sekretion gastrointestinaler Hormone (Tab. B-1.15). Eine IgA-Produktion durch Plasmazellen in die Dünndarmzotten spricht für eine zusätzliche immunologische Aufgabe des Dünndarms.
1.5.2 Diagnostik
왘 Merke
Steigerung der Darmmotilität Steigerung der Pankreassekretion Stimulation der Gallenblasenkontraktion Relaxation des Sphincter Oddi Hemmung der Magenmotorik Stimulation der Duodenalmotorik Stimulation der Bikarbonatproduktion in Pankreas und Leber Stimulation der Galleproduktion in der Leber Hemmung der gastrinstimulierten Magensekretion und -motilität Hemmung der Magensäureproduktion Regulation der Fettresorption intestinale Vasodilatation Hemmung der Pankreassekretion Hemmung von Säuresekretion und Magenentleerung
Neben der Resorption und Transportfunktion erfolgt auch im Dünndarm die Sekretion von gastrointestinalen Hormonen unterschiedlicher biologischer Wirkung (Tab. B-1.15). Der Nachweis einer IgA-Produktion durch Plasmazellen in den Dünndarmzotten spricht für eine zusätzliche immunologische Aktivität, zumal IgA sowohl in das Darmlumen, als auch in die Blutbahn entlassen wird. Es ist bekannt, dass IgA den alternativen Komplementweg über C3b im humanen Abwehrsystem aktivieren kann. Die vollständige immunologische Aufgabe ist jedoch noch nicht geklärt.
1.5.2 Diagnostik 왘 Merke. Der Dünndarm ist der bildgebenden, insbesondere der endoskopischen Diagnostik schwer zugänglich.
Röntgen-Abdomenleeraufnahme: Grobe pathologische Befunde erkennbar, z. B. subphrenische freie Luft (bei Holhlorganperforation), Flüssigkeitsspiegel (bei Ileus).
Auf der Röntgen-Abdomenleeraufnahme lassen sich grobe pathologische Befunde erkennen, wie z. B. subphrenische freie Luft als Ausdruck einer Holhlorganperforation oder Flüssigkeitsspiegel als Ausdruck eines Ileus.
Gastrographin-Passage: Aussage über wesentliche pathologische Befunde wie z. B. hochgradige Dünndarmstenose mit Passagehindernis. Röntgenkontrastuntersuchung: Ermöglicht die Differenzierung anatomischer Besonderheiten (z. B. jejunale Divertikulose, Strikturen bei Morbus Crohn, Strahlenenteritis).
Die Gastrographin-Passage ermöglicht eine Aussage über das Vorhandensein wesentlicher pathologischer Befunde wie z. B. einer hochgradigen Dünndarmstenose mit Passagehindernis.
Kernspintomographie: Ermöglicht ebenfalls Doppelkontrastdarstellung des Dünndarmes (MR-Sellink). Computertomographie: Ergänzende Untersuchung zur Erkennung gleichzeitiger Erkrankungen von Gallenblase, Leber, Pankreas, Dünndarmtumoren. Sonographie: Geeignet bei entzündlich proliferativ verdickten Darmsegmenten wie bei Morbus Crohn.
Röntgenkontrastuntersuchung: Der Kontrastmitteluntersuchung, vorzugsweise über eine nasoduodenale Sonde, muss eine exakte Fragestellung zugrunde liegen. Sie gestattet die Differenzierung anatomischer Besonderheiten wie jejunale Divertikulose, Strikturen beim Morbus Crohn, Strahlenenteritis, Dünndarmischämie und intestinale Tumoren (Abb. B-1.77). Die dynamische Untersuchung erlaubt gleichzeitig eine Aussage über Motilitätsstörungen. Die Kernspintomographie ermöglicht ebenfalls eine Doppelkontrastdarstellung des Dünndarms im Sinne eines MR-Sellink (Abb. B-1.75). Die Computertomographie kann eine ergänzende Untersuchung darstellen und gestattet eine Aussage über gleichzeitige Erkrankungen von Gallenblase, Leber und Pankreas, sowie die topographischen Beziehungen unterschiedlicher Dünndarmtumoren (Abb. B-1.74). Für die Sonographie gibt es eine Reihe von Indikationen und klinischen Situationen, die eine diagnoseweisende therapeutisch relevante morphologische Aussage erlauben. Hierzu gehören entzündlich proliferativ verdickte Darmsegmente wie bei Morbus Crohn mit einer Spezifität von 88 % und einer Sensitivität von 76 %.
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B 1.5 Dünndarm
347
Neuere bildgebende Verfahren sind die Panendoskopie sowie die Kapselendoskopie, die sich gegenwärtig noch in klinischer Erprobung befinden (Abb. B-1.76).
Neuere Verfahren wie die Panendoskopie und Kapselendoskopie sind in klinischer Erprobung.
B-1.74
Abdomen-CT eines 63-jährigen Patienten mit Dünndarmileus bei Volvulus
B-1.74
Die transversale Schicht zeigt die Transitionszone (Pfeil); auf den koronaren Schichten zeigen sich prästenotisch dilatierte Dünndarmschlingen (*) sowie die Transitionszone (Pfeil). Daran schließt sich ein kollabierter Dünndarmanteil an (-).
B-1.75
MR-Sellink eines 50-jährigen Patienten mit Morbus Crohn und einer Stenose des terminalen Ileums
Auf der transversalen Schicht ist die entzündliche Verdickung der Darmwand zu erkennen (Pfeil). Die koronare Aufnahme zeigt die prästenotische Dilatation der vorgeschalteten Dünndarmschlingen (*).
B-1.76
Kapselendoskopisches Bild des Dünndarms
B-1.76
Man sieht einen kleinen Dünndarmpolypen (Kreis), darüber eine Stuhlverunreinigung, ansonsten normale Dünndarmschleimhaut (mit freundlicher Genehmigung von Priv.-Doz. Dr. Christian von Tirpitz, Universität Ulm).
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348
B 1 Viszeralchirurgie
1.5.3 Malassimilationssyndrom
1.5.3 Malassimilationssyndrom (Maldigestion/Malabsorption)
(Maldigestion/Malabsorption) 왘 Definition
왘 Definition. ■
■
Das Maldigestionssyndrom ist definiert als eine Störung der Verdauungsfunktion infolge Krankheit oder Anomalie, bei der die Aktivität pankreatischer Verdauungsenzyme, die Gallensäurekonzentration oder die Aktivität digestiver Dünndarmenzyme vermindert ist oder fehlt. Beim Malabsorptionssyndrom liegt eine Resorptionsstörung der Nahrungsendprodukte durch eine defekte Membranfunktion der Enterozyten ohne morphologische Veränderungen (primäre Malabsorption) der Mukosa vor. Andererseits kann die Malabsorption durch eine Verminderung des Resorptionsepithels bei gleichzeitigen morphologischen Veränderungen der Mukosa (sekundäre Malabsorption) oder durch eine Abflussbehinderung (z. B. innere Fistelbildung) bedingt sein.
Ätiologie: S. Tab. B-1.16.
Ätiologie: Bei den zahlreichen Ursachen der Malassimilation sollen in der Tab. B-1.16 nur diejenigen erwähnt werden, die von chirurgischer Bedeutung sind oder werden können.
Klinik: Das Leitsymptom Gewichtsverlust beim Malassimilationssyndrom wird durch eine Fehlresorption, eine bewusst verminderte Nahrungsaufnahme zur Vermeidung von Symptomen als auch einen gesteigerten enteralen Verlust (Albumin) bestimmt. In Abhängigkeit von der Dauer der Malabsorption können Mangelsymptome auftreten: Hyperkeratose, Ekchymosen (Vitamin-A-Mangel), Hämaturie (VitaminK-Mangel), Parästhesien, Tetanie, Knochenschmerzen (verminderte Resorption von Vitamin D und Kalzium), Glossitis, Cheilosis, Dermatitis, periphere Neuropathie (Malabsorption von B-Vitaminen), Anämie (Malabsorption von Eisen, Folsäure, Vitamin B12), Ödeme und Aszites (vermehrter enteraler Eiweißverlust), Fettstühle (Malabsorption von Gallensäuren). Zusätzliche Symptome des Malassimilationssyndroms sind Anorexie, Flatulenz, Meteorismus, Muskelschwund und Borborygmen.
Klinik: Das Leitsymptom Gewichtsverlust beim Malassimilationssyndrom wird sowohl durch eine Fehlresorption, eine bewusst verminderte Nahrungsaufnahme zur Vermeidung von Symptomen als auch einen gesteigerten enteralen Verlust (Albumin) bestimmt. In Abhängigkeit von der Dauer der Malabsorption können Mangelsymptome auftreten, die teils klinisch und teilweise labormedizinisch erfassbar sind. Der Mangel an fettlöslichem Vitamin A führt zu einer Hyperkeratose und Ekchymosen. Eine Blutungsneigung (z. B. Hämaturie) ist durch Vitamin-K-Mangel bedingt und Parästhesien, Tetanie und Knochenschmerzen finden ihre Ursache in einer verminderten Resorption von Vitamin D und Kalzium. Die Malabsorption von wasserlöslichen B-Vitaminen kann zu Glossitis, Cheilosis, Dermatitis und peripherer Neuropathie führen. Eine Anämie ist vorwiegend durch die Malabsorption von Eisen und Folsäure und weniger von Vitamin B12 zu beobachten. Ödeme und Aszites sind Folge eines gesteigerten enteralen Verlustes von Eiweiß. Die Malabsorption von Gallensäuren muss durch eine entsprechende Mehrsynthese der Leber kompensiert werden. Übersteigt der Verlust von Gallensäuren den Kompensationsmechanismus kommt es zur Störung der Emulgierung von Fetten durch Galle und damit zur chronischen Diarrhö mit oft voluminösen Fettstühlen (Steatorrhö). Zusätzlich ist das Malassimilationssyndrom durch folgende Symptome Anorexie, Flatulenz, Meteorismus und Muskelschwund und Borborygmen (Geräusche des mit Gas gemischten Darminhaltes als Folge der peristaltischen Bewegung) gekennzeichnet.
Diagnostik der Malabsorption: Laboruntersuchungen s. Tab. B-1.17.
Diagnostik der Malabsorption: Das Ziel der Diagnostik ist es, die Ursache und den Schweregrad der Erkrankung zu definieren. Die erforderlichen Laborunter-
B-1.16
B-1.16
Mögliche Ursachen eines Malassimilationssyndroms
Maldigestion ■ ■ ■
■ ■
Cholestase Pankreasinsuffizienz ungenügende Nahrungsdurchmischung bakterielle Überwucherung Medikamente
Malabsorption ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
Zöliakie tropische Sprue Infektionen Strahlenschäden mesenteriale Ischämie Enzymdefekte Morbus Crohn Morbus Whipple Kurzdarmsyndrom stark beschleunigte Darmpassage
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B 1.5 Dünndarm
B-1.17
Diagnostik bei Verdacht auf ein Malabsorptionssyndrom
Funktionsdiagnostik direktes Verfahren ■ Bilanzuntersuchung (titrimetrische Erfassung der Fettsäure)
349 B-1.17
morphologische Diagnostik ■ ■
Dünndarmbiopsie Bakteriologie
indirekte Verfahren ■ D-Xylose-Test ■ Schilling-Test ■ 14C-Glykocholat-Exhalationstest ■ 51Cr-Albumin-Ausscheidung
B-1.77
Röntgenkontrastuntersuchung nach Sellink bei Malabsorption und Operationsbefund
a Sellink-Passage mit pathologischem Befund (? Tumor).
b OP-Befund des Tumors. Histologisch wurde ein Leiomyom des Dünndarms nachgewiesen.
suchungen zur Bestimmung des Schweregrades sind in Tab. B-1.17 zusammengefasst. Der Nachweis einer Malabsorption für Fett und damit der Vitamine A, D, E und K bei normalen Serumkonzentrationen für Eisen und Folsäure spricht eher für eine pankreatogene Ätiologie als für einen Mukosaschaden. Die Diagnose kann mit einem D-Xylose-Test verifiziert werden, da dieser Test mit einer hohen Spezifität und Sensitivität einen Mukosaschaden beweisen lässt.
Der Nachweis einer Malabsorption für Fett bei normaler Serumkonzentration für Eisen und Folsäure spricht für eine pankreatogene Ätiologie: Mit dem D-Xylose-Test lässt sich mit hoher Spezifität und Sensitivität ein Mukosaschaden beweisen.
Die Dünndarmbiopsie gestattet eine sichere Aussage über die Ursachen der Erkrankung. Sie ist wesentlich für die Diagnose der Zöliakie, der tropischen Sprue, der intestinalen Lymphangiektasie des Morbus Whipple und der Amyloidose.
Dünndarmbiopsie: zur Diagnose von Zöliakie, tropischer Sprue, intestinaler Lymphangiektasie, Morbus Whipple und Amyloidose.
Blindsacksyndrom
Blindsacksyndrom
왘 Synonym. Syndrom der blinden Schlinge
왗 Synonym
왘 Definition. Beim Blindsacksyndrom handelt es sich um eine stasebedingte
왗 Definition
bakterielle Übersiedlung durch eine quantitative und qualitative Veränderung der Bakterienflora. Dadurch kommt es zur Malassimilation von Nahrungsbestandteilen, insbesondere von Nahrungsfetten und Vitamin B12.
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B 1 Viszeralchirurgie
350 B-1.78
Blindsacksyndrom
Stenosen (a), Divertikel, blind endende Darmschlingen (b) (Seit-Seit-Anastomosen) und End-Seit-Anastomosen (c) können zu einer Beeinträchtigung der Darmmotilität mit Stase führen. Hierdurch werden die Voraussetzungen für eine bakterielle Übersiedlung geschaffen.
Ätiologie: Nach jedem Abdominaleingriff kann es durch Adhäsionen und Strikturen zur Stase des Dünndarminhalts mit bakterieller Überwucherung kommen. Bevorzugt tritt dieser Zustand nach resezierenden Darmoperationen auf (Abb. B-1.78). Das klassische Krankheitsbild der pathologischen Keimbesiedlung liegt bei der Divertikulose des Jejunums vor.
Ätiologie: Generell kann nach jedem Abdominaleingriff durch Adhäsionen und Strikturen eine Stase des Dünndarminhalts mit bakterieller Überwucherung auftreten. Bevorzugt sind jedoch Zustände nach resezierenden Darmoperationen. Hierzu gehören der Verlust der Ileozökalklappe, Enterokolostomien, Dünndarmdivertikel und ausgedehnte Dünndarmresektionen. Laterolaterale sowie terminolaterale Darmanastomosen sind ebenfalls betroffen (Abb. B-1.78). Andererseits besteht beim komplizierten Morbus Crohn bereits präoperativ eine vermehrte intestinale Keimproliferation aufgrund einer vorhandenen Stase, Inkompetenz der Ileozökalklappe mit Reflux oder Fistelbildung. Das klassische Krankheitsbild der pathologischen Keimbesiedlung liegt bei der Divertikulose des Jejunums vor.
Therapie: Primär steht die Substitutionsbehandlung der Malabsorption im Vordergrund.
Therapie: Die therapeutischen Maßnahmen bestehen primär in einer Substitutionsbehandlung der Malabsorption. Sind anatomische Veränderungen für die Malabsorption verantwortlich, ist eine operative Korrektur mit Wiederherstellung der Darmkontinuität oder einer Fokusbeseitigung angezeigt.
Kurzdarmsyndrom
Kurzdarmsyndrom
왘 Definition
왘 Definition. Das Kurzdarmsyndrom ist beim Erwachsenen meistens Folge aus-
gedehnter Dünndarmresektionen im Rahmen eines Mesenterialinfarktes oder wiederholter Darmresektionen bei Morbus Crohn. Es ist definiert durch folgende Merkmale: ■ Inadäquate Darmlänge. ■ Diarrhöen. ■ Fettstühle. ■ Gewichtsverlust. ■ Unterernährung. ■ Beschleunigter gastrointestinaler Transit. ■ Hypergastrinämie. ■ Elektrolytverlust. Ätiologie: Ursache ist die Verminderung der resorptionsfähigen Oberfläche. Die Resektion von 50 % des Dünndarms ist ohne Folgen für die Resorption möglich. Unterschreitet die verbliebene Dünndarmlänge 1 Meter, wird eine lebenslange Substitutionstherapie erforderlich. Die mangelhafte Resorption von Gallesalzen führt zu einer vermehrten Gallensteinbildung. Die Resorption von ungebundenen Oxalaten führt zur Oxalatsteinbildung in den ableitenden Harnwegen.
Ätiologie: Als Ursache der Malabsorption ist die Verminderung der resorptionsfähigen Oberfläche zu betrachten. Es gilt allgemein, dass 50 % des Dünndarms ohne schwerwiegende Resorptionsstörungen reseziert werden können. Eine darüber hinausgehende Verkürzung hat proportional zum Dünndarmverlust eine progrediente Malabsorption zur Folge. Das postoperative Unterschreiten von 1 Meter Dünndarm verlangt eine lebenslange Substitutionstherapie: Infolge des Kurzdarmsyndroms kommt es bei verminderter oder fehlender Resorption von Gallesalzen zu einer vermehrten Gallensteinbildung. Durch die Präzipitation von Kalzium mit den nicht resorbierten Fettsäuren werden Oxalate ungebunden resorbiert und führen zu einer Zunahme der Oxalatsteinbildung in den ableitenden Harnwegen.
Klinik: Siehe Definition.
Klinik: Siehe Definition.
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B 1.5 Dünndarm
351
Therapie: In Abhängigkeit der resezierten Darmanteile kann es im Verlauf von Monaten bis zu 2 Jahren zur Adaptation des Restdarms kommen, wobei dieser Prozess eher bei einem vorhandenen Ileum nach proximaler Resektion als bei verbliebenem Jejunum zu erwarten ist. Unter enteraler und intermittierender parenteraler Ernährung weist eine Abnahme der Diarrhöen und eine Zunahme des Körpergewichts auf diesen Vorgang hin. Bleibt eine Adaptation aus, sind diese Patienten auf eine lebenslange parenterale Ernährung angewiesen. Antiperistaltische Medikamente (z. B. Loperamid) sind unerlässlich, um die Passagezeit und damit die Kontaktzeit zwischen Darminhalt und Mukosa zu verlängern. Liegt eine Ileumresektion mit einer Gallesalzdiarrhö vor, ist die Bindung der Gallesalze durch Colestyramin angezeigt. Unter dieser Medikation kann es jedoch zu einer Vermehrung der Fettstühle kommen. Die operativen Therapiemöglichkeiten sind eingeschränkt und haben bisher zu keiner überzeugenden Beeinflussung des Krankheitsbildes geführt, sodass die Hoffnungen weiterhin auf die Dünndarmtransplantation ausgerichtet sind.
Therapie: Eine Adaptation des verbliebenen Dünndarms ist über Monate hinaus möglich. Unter gleichzeitiger enteraler und parenteraler Ernährung weist eine Abnahme der Diarrhöen und eine Zunahme des Körpergewichts darauf hin. Bei Ausbleiben einer Adaptation wird eine lebenslange parenterale Substitution erforderlich. Antiperistaltische Medikamente (z. B. Loperamid) können die Passagezeit und somit die Resorption verbessern.
Strahlenenteropathie
Strahlenenteropathie
Operative Maßnahmen sind in der Behandlung des Kurzdarmsyndroms wenig erfolgreich. Eine Heilung kann nur von der Dünndarmtransplantation erhofft werden.
왘 Synonym. Aktinische Darmschäden.
왗 Synonym
왘 Definition. Die Strahlenenteropathie ist ein durch Bestrahlung eingetretener
왗 Definition
Verlust an Mukosazellen mit konsekutiver Malabsorption von Fett, Bikarbonat, Eiweiß und Gallesalzen. Ätiologie: Zu Strahlenschäden des Darms kommt es durch die unvermeidliche Mitbestrahlung benachbarter Darmabschnitte im Rahmen einer Radiotherapie abdominaler Tumoren und Tumormetastasen. Klinik: Es treten Früh- und Spätreaktionen mit definierten klinischen Verläufen auf. In Abhängigkeit von Strahlendosis, Strahlenfeld und Fraktionierung wird die Inzidenz zwischen 4 – 29 % angegeben. ■ Akute Darmschäden: Als Frühreaktion beginnt wenige Stunden nach der ersten Bestrahlung die Hyperämie mit Ödembildung und entzündlicher Veränderung der Darmschleimhaut, der schließlich ein Verlust an Mukosazellen mit konsekutiver Malabsorption von Fett, Bikarbonat, Eiweiß und Gallesalzen folgt. Das Krankheitsbild ist durch Übelkeit, Tenesmen und wässrige bis blutige Diarrhöen charakterisiert und erstreckt sich in der Regel nur über die Dauer der Bestrahlung. ■ Spätschäden: Zu den Spätfolgen gehören Obstruktion mit rezidivierender Ileussymptomatik, Perforation, Blutung, Malabsorption und Fisteln. Die aktinischen Fisteln können sich mit Vagina, Harnblase, Haut, Kolon und Rektum verbinden.
Ätiologie: Zu Strahlenschäden kommt es durch die unvermeidliche Mitbestrahlung benachbarter Darmabschnitte bei einer abdominellen Radiotherapie: Klinik: Es treten Früh- und Spätreaktionen mit einer Inzidenz von 4 – 29 % auf. ■
■
Akute Darmschäden: Übelkeit, Tenesmen und wässrige bis blutige Diarrhöen bestehen in der Regel bis Ende der Strahlentherapie:
Spätschäden: Obstruktion mit Ileussymptomatik, Perforation, Blutung, Malabsorption, Fisteln (ggf. in Vagina, Harnblase, Haut, Kolon, Rektum).
Therapie: Akute Darmschäden können therapeutisch meist medikamentös durch Spasmolytika und diätetisch durch Elementardiäten mit frühzeitiger Resorption im Darmtrakt beherrscht werden. Spätschäden am Dünndarm zwingen häufig zur chirurgischen Intervention. Als Operationsverfahren bieten sich an: ■ die Resektion umschriebener Dünndarmsegmente mit primärer Reanastomosierung, ■ die Umgehung (innerer Bypass) des geschädigten Dünndarmanteils mit enteroenteraler oder enterokolischer Anastomose, ■ die Ausschaltung des befallenen Darmsegments durch ein passageres oder definitives Ileostoma.
Therapie: Akute Darmschäden lassen sich medikamentös mit Spasmolytika, diätetisch durch Elementardiäten mit frühzeitiger Resorption im Darmtrakt therapieren. Spätschäden am Dünndarm zwingen häufig zur chirurgischen Intervention.
Komplikationen: Die operativen Eingriffe am aktinisch geschädigten Dünndarm sind mit einer hohen Komplikationsrate belastet. Die Letalität wird nach derartigen Eingriffen zwischen 15 – 37 % angegeben. Die Nahtinsuffizienz kann
Komplikationen: Die operativen Eingriffe am aktinisch geschädigten Dünndarm sind mit einer hohen Komplikationsrate belastet (Letalität 15 – 37 %, Nahtinsuffizienz bis 50 %). Hohe Morbidität durch intraabdominale Infekte und Wundheilungsstörungen.
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352
B 1 Viszeralchirurgie
bis zu 50 % erreichen. Intraabdominale Infekte und Wundheilungsstörungen im strahlengeschädigten Bereich bestimmen die Morbidität des postoperativen Verlaufs. Prophylaxe: Es gibt verschiedene chirurgische Maßnahmen, den Dünndarm möglichst aus dem Strahlenfeld herauszuhalten (z. B. durch Implantation resorbierbarer Netze).
Prophylaxe: Zu den chirurgischen Maßnahmen, den Dünndarm möglichst aus dem Strahlenfeld herauszuhalten, gehören die Implantation resorbierbarer Netze (z. B. Dexon®, Vicryl®, die sich innerhalb von 6 – 8 Wochen auflösen und die vollständige Motilität des Dünndarms wieder freigeben), die Einlage raumfüllender Materialien (z. B. Silikonkissen), die gestielte Netzplombe mit dem Omentum majus und die Zystopexie.
1.5.4 Fehlbildungen und Lageanomalien
1.5.4 Fehlbildungen und Lageanomalien
Siehe S.1062.
Siehe S. 1062.
1.5.5 Dünndarmdivertikel
1.5.5 Dünndarmdivertikel
Meckel-Divertikel
Meckel-Divertikel
왘 Definition
왘 Definition. Das Meckel-Divertikel ist ein kongenitales Divertikel, das aus Res-
ten des Ductus omphaloentericus besteht. Es gilt als häufigste Anomalie des Gastrointestinaltrakts. Die Inzidenz beträgt 0,5 – 3 %. Es wird am häufigsten bis zu 1 Meter antimesenterial und oral der Ileozökalklappe vorgefunden. Das Divertikel kann ektope Magen- (30 – 50 %) und Pankreasschleimhaut (5 %) beinhalten (Abb. B-1.79).
In 90 % der Fälle wird es innerhalb eines Meters antimesenterial und oral der Ileozökalklappe gefunden. Die Blutversorgung erfolgt unabhängig vom angrenzenden Ileum. Das Divertikel kann ektope Schleimhaut enthalten. In 30 – 50 % wird Magenschleimhaut beobachtet, seltener ektopes Pankreasgewebe (5 %). Der Rest verteilt sich auf Kolon-, Jejunum- und Duodenalschleimhaut (Abb. B-1.79).
Klinik: Das Meckel-Divertikel wird erst bei Auftreten von Komplikationen symptomatisch. Das klinische Bild kann jede intraabdominale Erkrankung vortäuschen.
Klinik: Das Meckel-Divertikel bleibt meist symptomlos und wird erst bei Auftreten von Komplikationen (s. u.) symptomatisch. Das klinische Bild kann jede intraabdominale Erkrankung vortäuschen. Hierzu gehören die atypische Appendizitis, die akute gastrointestinale Blutung und selten die Ulkusperforation mit einer Peritonitis.
Komplikationen: Ulzeration, Blutung, Perforation, Invagination, Darmverschluss, Divertikulitis, maligne Entartung.
Komplikationen: Ulzeration, Blutung, Perforation, Invagination, Darmverschluss durch Adhäsion, Divertikulitis, maligne Entartung.
Diagnostik: Im Kindesalter kann die Diagnose mit hoher Sensitivität und Spezifität mit der Na-99mTc-Pertechnetat-Szintigraphie gesichert werden. Dieses Verfahren ist jedoch beim Erwachsenen weniger zuverlässig.
Diagnostik: Sie wird selten präoperativ gestellt. Bei einer gastrointestinalen Blutung, insbesondere bei Kindern, mit Verdacht auf eine ektope Ulzeration kann die Diagnose mit hoher Sensitivität und Spezifität mit der Na-99mTcPertechnetat-Szintigraphie gesichert werden, da sich das Na-Pertechnetat in der
B-1.79
B-1.79
Meckel-Divertikel
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B 1.5 Dünndarm
B-1.80
Therapie des Meckel-Divertikels
353 B-1.80
Die Therapie des symptomatischen Meckel-Divertikels besteht in der Resektion. Hierbei wird nach Ligatur der eigenständigen Gefäßversorgung die Basis reseziert und das Darmlumen wieder quer vernäht. Bei sehr großen Divertikeln kann eine Dünndarmsegmentresektion erforderlich werden.
Magenschleimhaut anreichert. Dieses Verfahren ist jedoch beim Erwachsenen weniger zuverlässig. Therapie: Das symptomatische Divertikel wird operativ entfernt. Es wird in seiner Basis längs exzidiert und der Darm anschließend wieder quer verschlossen. Große Divertikel können eine Segmentresektion erforderlich machen (Abb. B-1.80). 왘 Merke. In Kenntnis der Komplikationsmöglichkeiten sollten auch inziden-
Therapie: Die Therapie besteht in der Resektion des Divertikels (Abb. B-1.80).
왗 Merke
tell vorgefundene Divertikel entfernt werden.
1.5.6 Divertikulose des Dünndarms 왘 Definition. Im Gegensatz zum Meckel-Divertikel sind Dünndarmdivertikel
1.5.6 Divertikulose des Dünndarms
왗 Definition
erworben. Sie erstrecken sich entlang der Mesenterialgrenze und sind in 80 – 90 % am Jejunum zu finden. In der Regel fehlt die Muskularis (falsche Divertikel). Ätiologie: Ätiologisch sollen Störungen der intestinalen Motilität für die Divertikulose verantwortlich sein, wobei eine intraluminale Drucksteigerung an Schwachpunkten des Lumens zu den Pulsionsdivertikeln führen (Abb. B-1.81). Die Inzidenz beträgt 0,2 – 4,6 %. Das Auftreten dieser Divertikel ist jenseits der 7. Lebensdekade am häufigsten und ist bei 1/3 der Patienten mit anderen Divertikeln des Gastrointestinaltraktes vergesellschaftet.
Ätiologie: Durch intraluminale Drucksteigerung kommt es an Schwachpunkten des Lumens zu den Pulsionsdivertikeln (Abb. B-1.81).
Klinik, Diagnostik: Im Gegensatz zum Meckel-Divertikel wird die Diagnose der Dünndarmdivertikulose und ihrer Komplikationen häufiger gestellt. Die Trias von Anämie, epigastrischen Schmerzen und kleinen Flüssigkeitsspiegeln in der Abdomenleeraufnahme kann auf die Diagnose hinweisen.
Klinik, Diagnostik: Die Trias von Anämie, epigastrischen Schmerzen und kleinen Flüssigkeitsspiegeln in der Abdomenleeraufnahme kann auf die Diagnose hinweisen.
Therapie, Komplikationen: Dünndarmdivertikel werden nur operiert, um die Folgen von Komplikationen zu beseitigen. In diesen Fällen beschränkt sich der Eingriff auf eine Segmentresektion. Zu den pathologischen Folgen der Dünndarmdivertikulose gehören: ■ Divertikulitis: Die Pathogenese der Dünndarmdivertikulitis entspricht der des Kolons (S. 382). Als Beschwerden werden Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, septische Zeichen und Peritonismus beobachtet. Bei gedeckter Perforation ist gelegentlich eine Resistenz palpabel. Die Diagnose wird kaum präoperativ gestellt. Eine kurative Behandlung kann durch die Resektion des befallenen Darmabschnitts erzielt werden.
Therapie, Komplikationen: Dünndarmdivertikel werden nur operiert, um die Folgen von Komplikationen zu beseitigen. Zu den Folgen gehören: ■ Divertikulitis: Die Pathogenese entspricht der des Kolons (S. 382). Klinik: Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, septische Zeichen und Peritonismus. Bei gedeckter Perforation ggf. palpable Resistenz. Therapie: Resektion.
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B 1 Viszeralchirurgie
B-1.81
B-1.81
Dünndarmdivertikel
b
Symptomatische Dünndarmdivertikel (?) in der Dünndarmpassage nach Sellink (a) und im Operationssitus (b).
a
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Obstruktion: Folge einer Divertikulitis mit Verwachsungen anliegender Dünndarmschlingen. Therapie der Wahl ist die Resektion (Abb. B-1.90).
Blutung: Divertikelblutungen präsentieren sich bei mehr als 60 % der Patienten als rektale Blutungen. Malabsorption: S. 348.
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■
Obstruktion: Die Obstruktion ist Folge einer Divertikulitis mit Verwachsungen anliegender Dünndarmschlingen. Im Gegensatz dazu wird die Pseudoobstruktion durch Motilitätsstörungen im divertikeltragenden Darmbereich hervorgerufen. Pathomorphologisch finden sich in situ eine verdickte Darmwand im Bereich der Divertikel, der ein dilatiertes Segment vorgeschaltet ist. Auch hier ist die Resektion die Therapie der Wahl (Abb. B-1.90). Blutung: Divertikelblutungen präsentieren sich bei mehr als 60 % der Patienten als rektale Blutungen, die gelegentlich von Hämatemesis begleitet werden. Malabsorption: S. 348.
1.5.7 Entzündungen
1.5.7 Entzündungen
Morbus Crohn
Morbus Crohn
왘 Synonyme
왘 Synonyme. Enteritis regionalis, Ileitis terminalis
왘 Definition
왘 Definition. Der Morbus Crohn ist eine chronisch rezidivierende transmurale entzündliche Erkrankung unbekannter Ätiologie, die vom Mund bis zum Analkanal jeden Abschnitt des Gastrointestinaltrakts befallen kann. Die häufigste Manifestation ist jedoch am terminalen Ileum zu beobachten.
Epidemiologie: Der Befall ist segmental, wobei Dünn- und/oder Dickdarm betroffen sind. Meist manifestiert sich die Erkrankung zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr.
Epidemiologie: Der Befall ist immer segmental. Bei 40 % der Patienten ist ausschließlich der Dünndarm, bei 30 % sind sowohl Dünn- als auch Dickdarm und bei weiteren 30 % nur der Dickdarm erkrankt. Obwohl alle Altersstufen betroffen werden können, manifestiert sich die Erkrankung meist zwischen dem 20.– 40. Lebensjahr, wobei Männer und Frauen gleichermaßen erkranken.
Pathologie: Makroskopisch ist das befallene Darmsegment durch Ödem und Fibrose verdickt (Abb. B-1.82).
Pathologie: Makroskopisch ist das befallene Darmsegment durch Ödem und Fibrose verdickt, zeigt eine vermehrte Gefäßinjektion der Serosa und ein Übergreifen des mesenterialen Fettgewebes auf den Darm (creeping fat, Abb. B-1.82). Die entzündliche Mukosa weist Fissuren und Ulzerationen auf, die zwischen der geschwollenen Schleimhaut liegen und der Oberfläche das charakteristische Pflastersteinrelief verleihen. Bei transmuralem Verlauf finden sich Granulombildungen auf der Serosa. Diese Veränderungen können zu Strikturen oder aber Fistelbildungen führen.
Die entzündete Mukosa weist Fissuren und Ulzerationen auf, die zwischen der geschwollenen Schleimhaut liegen und der Oberfläche das charakteristische Pflastersteinrelief verleihen. Bei transmuralem Verlauf finden sich Granulombildungen auf der Serosa.
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B 1.5 Dünndarm
B-1.82
355
Morbus Crohn
a Creeping fat bei Morbus Crohn (mittlerer Dünndarmbereich) b M. Crohn des terminalen Ileums mit Beteiligung der Ileozökalklappe
Klinik: Sie sind weitestgehend die Folge der chronisch transmuralen Entzündung. Da das terminale Ileum am häufigsten betroffen ist, finden sich rezidivierende Schmerzen im rechten unteren Quadranten, Diarrhö, manchmal verbunden mit Fieber und einer palpablen Resistenz, sodass das klinische Bild einer akuten Appendizitis vorgetäuscht werden kann. In 30 % wird die richtige Diagnose erst während einer Laparotomie bei Verdacht auf Appendizitis gestellt. Diarrhö ist bei 90 % der Patienten eines der Hauptsymptome bei florider Erkrankung. Hierfür werden sowohl eine bakterielle Überwucherung bei Stenosen als auch eine gestörte Resorption verantwortlich gemacht. Die Diarrhö, Anorexie und die Nahrungsverweigerung aus Angst vor Schmerzen führt bei 20 % der Patienten zu Gewichtsverlust. Nicht selten sind die Symptome mit einer Anämie vergesellschaftet. Die Anämie kann auf einem Vitamin-B12-Mangel beruhen, da Blutungen nur in 1 – 2 % auftreten. ■ Intestinale Manifestation: Obstruierende Lumeneinengungen gehören zu den Charakteristika des Krankheitsverlaufs. Diese Obstruktionen werden durch das Schleimhautödem und Spasmen hervorgerufen und bewirken postprandiale Schmerzen. Im Verlauf der Erkrankung können sich durch Fibrosierung dieser Bezirke Strikturen ausbilden (s. Abb. B-1.85). Wenn der transmurale Entzündungsprozess die Serosa durchbricht, kann es zu Fistelbildungen kommen. Diese können blind enden, einen Abszess intra- oder retroperitoneal verursachen oder eine entzündliche Kommunikation mit Nachbarorganen aufnehmen. Penetrieren sie in benachbarte Darmschlingen, bilden sich enteroenterale oder enterokolische Fisteln aus, die ihrerseits relativ asymptomatisch bleiben und meist nur zufällig entdeckt werden (Abb. B-1.83). Zu den symptomatischen Fisteln mit organbezogener Klinik gehören die enterovesikale, enterovaginale und die enterokutane Fistel. ■ Extraintestinale Manifestation: Unabhängig von der Aktivität der Erkrankung kann sich der Morbus Crohn auch extraintestinal präsentieren (Abb. B-1.84). Zu den Hautveränderungen gehört das Erythema nodosum, während das Pyoderma gangraenosum vermehrt bei der Colitis ulcerosa beobachtet wird. Eine seltene kutane Beteiligung, die nur bei Morbus Crohn zu beobachten ist, stellt die Form der kutanen Vaskulitis mit peripherer Gangrän oder Hautnekrosen dar. Die Augen- (Iritis, Uveitis) und Gelenkentzündungen ähneln denen bei Colitis ulcerosa (S. 386). Zu den weiteren extraintestinalen Manifestationen gehören die Folgen der Malabsorption (S. 348).
Klinik: Es finden sich rezidivierende Schmerzen im rechten Unterbauch. Im akuten Schub kommt es bei 90 % zur Diarrhö, manchmal mit Fieber und einer palpablen Resistenz im rechten Unterbauch einhergehend (DD: Appendizitis). Malabsorption und die Nahrungsverweigerung aus Angst vor Schmerzen führt bei 20 % der Patienten zu Gewichtsverlust. Nicht selten sind die Symptome mit einer Anämie vergesellschaftet (Vitamin-B12-Mangel). Blutungen treten nur in 1 – 2 % der Fälle auf.
Diagnostik: Obwohl die Diagnose durch die Anamnese und das klinische Bild vermutet werden kann, muss sie für das weitere Vorgehen gesichert werden. Die selektive Bariumpassage ist heute im Wesentlichen durch die MRT-Sellink ersetzt. Mit dieser Methode können sowohl Befunde im Darm als auch extraluminale Befunde nachgewiesen werden (Abb. B-1.83).
Diagnostik: Die selektive Bariumdünndarmpassage ist heute im Wesentlichen durch die MRT-Sellink ersetzt (Abb. B-1.83).
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Intestinale Manifestation: Die Obstruktion wird durch das Ödem und die Spasmen hervorgerufen. Durch Fibrosierung dieser Bezirke können sich Strikturen ausbilden (s. Abb. B-1.85). Wenn der transmurale Entzündungsprozess die Serosa durchbricht, kann es zu Fistelbildungen kommen. Es können sich Abszesse, enteroenterale oder enterokolische Fisteln bilden (Abb. B-1.83), die meist asymptomatisch bleiben. Zu den symptomatischen Fisteln gehören enterovesikale, enterovaginale und enterokutane Fisteln. Extraintestinale Manifestation (s. Abb. B-1.84): Zu den Hautveränderungen gehört das Erythema nodosum. Die Augen- (Iritis, Uveitis) und Gelenkentzündungen ähneln denen bei Colitis ulcerosa (S. 386). Zu den weiteren extraintestinalen Manifestationen gehören die Folgen der Malabsorption (S. 348).
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B 1 Viszeralchirurgie
356 B-1.83
Fistelbildung bei Morbus Crohn MRT: a Entzündlicher Konglomerattumor im rechten Unterbauch mit Einbeziehung der Blase. b Stenose mit prästenotischer Dilatation c Fistel zur vorderen Bauchwand
b
c
a
B-1.84
Die Endoskopie ist für die Diagnostik der Dünndarmerkrankung keine wesentliche Hilfe, da sie nur Zugang zum oberen Gastrointestinaltrakt und dem terminalen Ileum gestattet. Die Sonographie dient zum Nachweis von Abszessen sowie der Verlaufskontrolle einer medikamentösen Therapie: Die Höhe des
B-1.84
Mögliche extraintestinale Manifestationen bei Morbus Crohn
Die Endoskopie ist für die Diagnostik der Dünndarmerkrankung keine wesentliche Hilfe, da sie nur Zugang zum oberen Gastrointestinaltrakt und dem terminalen Ileum gestattet. Sie erlaubt jedoch in diesen Bereichen die bioptische Bestätigung der Schleimhautveränderungen und gegebenenfalls die Diagnosesicherung, wobei der Nachweis von Granulomen nur in 10 – 25 % gelingt. Der Einsatz der Sonographie ist beim Morbus Crohn ebenfalls begrenzt. Sein Schwerpunkt liegt in der Diagnostik von Abszessbildungen und der Verlaufskontrolle einer medikamentösen Therapie:
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B 1.5 Dünndarm
357
Unter den Laboruntersuchungen der klinischen Routine korreliert die Höhe des C-reaktiven Proteins (CRP) am ehesten mit dem Schweregrad der Erkrankung.
CRP korreliert am ehesten mit dem Schweregrad der Erkrankung.
Medikamentöse Therapie: Grundsätzlich steht beim Morbus Crohn die medikamentöse Behandlung im Vordergrund. Eine Heilung ist zur Zeit jedoch nicht möglich. Die Behandlung stützt sich auf entzündungshemmende Substanzen wie 5-Amino-Salicylsäure (5-ASA; z. B. Salofalk®, Asacol®, Pentasa®) und Kortikosteroide. Immunsuppressiva wie Azathioprin, Methotrexat und Ciclosporin können bei einem schweren Krankheitsverlauf zusätzlich eingesetzt werden, setzen jedoch eine entsprechende Erfahrung in der Therapie voraus. Die Wertigkeit von neuen Substanzen, wie z. B. dem TNF-α-Antikörper Infliximab ist Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion. Bei Patienten mit enteroenteraler Fistelbildung und bakterieller Überwucherung des Dünndarms hat sich die antibiotische Behandlung mit Metronidazol bewährt, wobei auch Breitspektrumantibiotika indiziert sein können. Eine gleichzeitige Behandlung mit Elementardiäten kann in der akuten Krankheitsphase die Remission beschleunigen. Zwischen einer enteralen und parenteralen Ernährung besteht therapeutisch kein Unterschied. Dass die Ernährungsweise und die Restriktion bestimmter Nahrungsstoffe den Krankheitsverlauf beeinflusst, ist heute nicht bewiesen.
Medikamentöse Therapie: Grundsätzlich steht beim Morbus Crohn die medikamentöse Behandlung mit entzündungshemmenden Substanzen (5-Amino-SalicylsäureDerivate [5-ASA], Kortikosteroide) und bei schwerem Krankheitsverlauf mit Immunsupressiva (Azathioprin, Methotrexat und Ciclosporin) im Vordergrund. Antibiotika haben sich bei enteroenteralen Fisteln und bakterieller Überwucherung bewährt. Elementardiäten begünstigen die Remission unter medikamentöser Therapie:
Chirurgische Therapie: Bei der Chirurgie des Morbus Crohn handelt es sich um Palliativmaßnahmen zur Beeinflussung der Symptome und Behandlung der Komplikationen wie Fisteln, Abszesse und Stenosen. Eine Heilung ist chirurgisch nicht möglich. Auch das Versagen medikamentöser Maßnahmen stellt eine Indikation zur Operation dar. Das chirurgische Therapiekonzept besteht in einem organerhaltenden Vorgehen. Es kann nicht standardisiert, sondern nur auf den Einzelfall ausgerichtet werden. Während sich bei der freien Perforation und Fisteln die Resektion einzelner Dünndarmsegmente nicht vermeiden lassen wird, können Strikturen mit unterschiedlichen Operationsverfahren erweitert werden. Diese Strikturplastiken erfolgen durch antimesenteriale Längsinzision über der Verengung, um sie dann wieder quer zu vernähen (Abb. B-1.85).
Chirurgische Therapie: Bei der Chirurgie des Morbus Crohn handelt es sich um Palliativmaßnahmen zur Beeinflussung der Symptome und Behandlung der Komplikationen wie Fisteln, Abszesse und Stenosen. Eine Heilung ist chirurgisch nicht möglich. Das chirurgische Therapiekonzept besteht in einem organerhaltenden Vorgehen (Abb. B-1.85).
Prognose: Der Morbus Crohn ist eine Erkrankung mit hoher Morbidität, jedoch geringer Mortalität. Die Wahrscheinlichkeit, dass im Verlauf der Erkrankung ein operativer Eingriff erforderlich wird, steigt in Abhängigkeit von der Krankheitsdauer bis auf 80 %. Die Operation kann das Rezidiv nicht beeinflussen, jedoch das Zeitintervall zwischen den einzelnen Rezidiven verlängern.
Prognose: Die Erkrankung ist durch eine hohe Morbidität und eine geringe Mortalität gekennzeichnet. In Abhängigkeit von der Krankheitsdauer steigt die Wahrscheinlichkeit eines operativen Eingriffs auf 80 %.
왘 Merke. Bei Befall des Kolons und bei langer Krankheitsdauer besteht ein erhöhtes Risiko für die Ausbildung eines kolorektalen Karzinoms.
왗 Merke
Dünndarmtuberkulose
Dünndarmtuberkulose
Epidemiologie: Die Darmtuberkulose war lange Zeit von untergeordneter Bedeutung und auf Endemiegebiete beschränkt. In Verbindung mit der AIDSInfektion kann jedoch wieder eine Zunahme der Darmtuberkulose beobachtet werden. So entwickelten über 36 % der AIDS-Patienten diese Erkrankung, die extrapulmonal abläuft.
Epidemiologie: Sie hat seit der HIV-Infektion an Bedeutung gewonnen. 36 % der an AIDS erkrankten Patienten entwickeln im Verlauf der Erkrankung eine extrapulmonale, tuberkulöse Manifestation.
Klinik: Sie sind unspezifisch. Bei Auftreten von Ulzera ist Diarrhö ggf. mit Blutbeimengungen am häufigsten. Strikturen führen zum Ileus. Abdominalschmerzen beherrschen bei 67 % der befallenen Patienten das klinische Bild. Aszites kann bei 50 % der Patienten nachgewiesen werden.
Klinik: Die Symptome sind unspezifisch. Am häufigsten zeigen sich Dünndarmulzera mit blutigen Durchfällen. Aszites tritt in 50 % der Fälle auf.
Komplikationen: Zu ihnen gehören in 30 % die chronische Obstruktion durch Strikturen, die Perforation (5 %), die enteroenterale und die enterokutane Fistelbildung (2 – 20 %).
Komplikationen: Chronische Obstruktion (30 %), Perforation (5 %), Fistelbildungen (2 – 20 %).
Differenzialdiagnose: Hier müssen neben dem Morbus Crohn Infektionen mit Yersinia enterocolica (Lymphadenitis mesenterica), Herpes, Zytomegalievirus,
Differenzialdiagnose: Neben dem Morbus Crohn müssen Infektionen mit Yersinien, Amöben, die Aktinomykose und Histoplasmose ausgeschlossen werden.
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B 1 Viszeralchirurgie
358 B-1.85
Dünndarmstrikturen bei Morbus Crohn und Strikturplastik
Radiologisch gesicherte Crohn-Stenose im Bereich des terminalen Ileums (?).
Bei multiplen Verengungen des Dünndarms (a) kann das Auffinden der Stenosen mit einem in das Lumen eingeführten Harnblasenkatheter erleichtert werden (b). Kommt es bei gleicher Füllung des Ballons zu einem Widerstand (c) wird die Striktur mit der Diathermie längs eröffnet und zur Erweiterung wieder quer vernäht (d–g).
Amöben (Perforationsgefahr am Ileum), die Aktinomykose (in 30 % chronische enterokutane Fistelbildung) und Histoplasmose erörtert werden. Therapie: Die Behandlung erfolgt in erster Linie medikamentös.
Therapie: Die Behandlung erfolgt in erster Linie medikamentös. Die Chirurgie ist den Komplikationen vorbehalten. Operationen im akuten Stadium sind mit einer hohen Mortalitätsrate behaftet.
1.5.8 Dünndarmulzera
1.5.8 Dünndarmulzera Bei Ulzerationen des Dünndarms wird das solitäre vom multifokal auftretenden Ulkus unterschieden.
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B 1.5 Dünndarm
359
Ätiologie: Die Ätiologie ist beim Ulcus simplex jejuni ungeklärt. In 57 % kann eine Beziehung zur peroralen Kaliumchloridlangzeitapplikation gefunden werden. Das Ulkus tritt jedoch auch in Inseln ektoper Magenschleimhaut und bei Gastrinomen (Zollinger-Ellison-Syndrom) auf. Multiple, nicht maligne Ulzerationen des Dünndarms sind ebenfalls unspezifisch und dominieren im Jejunum. Sie stellen eine ungewöhnliche Komplikation sowohl der Sprue als auch der Zöliakie dar, können aber auch beim Malabsorptionssyndrom auftreten.
Ätiologie: Die Ätiologie der Ulzera ist unbekannt. Das Ulcus simplex jejuni tritt jedoch auch in Inseln ektoper Magenschleimhaut und bei Gastrinomen (Zollinger-Ellison-Syndrom) auf. Multiple, nicht maligne Ulzerationen stellen eine ungewöhnliche Komplikation sowohl der Sprue als auch der Zöliakie dar.
Klinik: Bei unklarer Symptomatik wird die Diagnose meist erst nach Eintreten einer Komplikation (Blutung, Perforation) gesichert. Therapie: Die Behandlung erfolgt, wenn immer möglich, durch die Beeinflussung des Grundleidens oder aber durch Segmentresektion des betroffenen Darmabschnitts.
Therapie: Sie besteht in einer Behandlung des Grundleidens oder in einer Segmentresektion.
1.5.9 Pneumatosis cystoides intestinalis
1.5.9 Pneumatosis cystoides intestinalis
왘 Definition. Die Pneumatosis cystoides intestinalis ist durch submuköse oder
왗 Definition
subseröse Gasblasen unterschiedlichen Durchmessers charakterisiert. Epidemiologie: Sie ist eine seltene Erkrankung unklarer Ätiologie und tritt vornehmlich bei Männern zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr auf. Bei 85 % der Patienten ist sie mit anderen Darmerkrankungen wie Duodenalulzera oder Pylorusstenosen und chronischen Lungenerkrankungen vergesellschaftet.
Epidemiologie: v. a. bei Männern (30.– 50. Lebensjahr), meist assoziiert mit anderen Darmerkrankungen.
Klinik: Klinisch bleibt die Pneumatosis cystoides intestinalis meist asymptomatisch und wird als Zufallsbefund erhoben.
Klinik: Der Verlauf ist zumeist asymptomatisch.
Diagnostik: Sie wird bei einem Dünndarmbefall in der Abdomenübersichtsaufnahme radiologisch gestellt. Bei einer Kolonbeteiligung ist die Sigmoidoskopie mit einer Biopsie beweisend.
Diagnostik: Sie wird radiologisch in der Abdomenübersicht gestellt. Die Biopsie ist beweisend.
Komplikationen: Zu den seltenen Komplikationen gehören der Ileus durch große Zysten oder Verwachsungen, der Dünndarmvolvulus oder die Invagination. Spontanperforationen der Zysten in das Darmlumen können zu Blutungen und Perforationen in die Peritonealhöhle und zu freier Luft unter dem Zwerchfell führen. Auch der Nachweis von Luft im portalvenösen Blut kann von der Erkrankung verursacht sein. Es muss jedoch beachtet werden, dass derartige Luftansammlungen pathognomonisch für die ischämische Darmwandnekrose sind und hier ein prognostisch ungünstiges Zeichen darstellen.
Komplikationen: Zu den seltenen Komplikationen gehören der Ileus durch große Zysten oder Verwachsungen, der Dünndarmvolvulus oder die Invagination.
Therapie: Die Mehrzahl der Patienten bedarf neben der Behandlung des Grundleidens keiner spezifischen Therapie: Die Gasansammlung kann spontan resorbiert werden. Da es sich hauptsächlich um Stickstoff handelt, kann auch eine Sauerstofftherapie eingeleitet werden. Eine genaue Diagnose verhindert eine unnötige Operation.
Therapie: Eine spezifische Behandlung ist nicht erforderlich.
1.5.10 Dünndarmfisteln
1.5.10 Dünndarmfisteln
왘 Definition. Eine Fistel ist eine abnorme Kommunikation eines Hohlorgans mit anderen Organen oder Strukturen einschließlich der Haut. Persistiert diese Kommunikation längere Zeit, entsteht unausweichlich eine klinische Problematik.
Klassifikation: Sie erfolgt einerseits deskriptiv nach Ursprungs- und Erfolgsorgan (z. B. ileovesikal) und andererseits nach inneren und äußeren Verbindungen. ■ Die innere Fistel umfasst z. B. die ileokolische und ileoileale Fistel. ■ Eine äußere Fistel ist die ileovaginale oder die ileokutane Fistel.
왗 Definition
Klassifikation: Sie erfolgt nach ihrem Ursprungs- und Erfolgsorgan (z. B. ileovesikal) und nach inneren und äußeren Verbindungen.
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360
B 1 Viszeralchirurgie
Von praktischer Bedeutung ist die Einteilung nach der Menge der Fistelproduktion: ■ 5 200 ml/Tag. ■ 4 200 ml/Tag.
Von praktischer Bedeutung ist die Einteilung nach der Menge der Fistelproduktion: ■ Eine Fistel mit einer Sekretion unter 200 ml täglich wird als „Low-output“-Fistel bezeichnet. ■ Eine Fistel mit einer Sekretion über 200 ml täglich wird als „High-output“-Fistel bezeichnet. Schließlich kann es sinnvoll sein, Fisteln nach Ausgang von einem gesunden oder einem erkrankten Dünndarm (wie z. B. beim Morbus Crohn oder bei aktinischen Schäden) zu differenzieren.
Ätiologie: Die meisten Fisteln entstehen als Frühkomplikation nach chirurgischen Eingriffen. Weitere Ursachen sind Fremdkörper (nicht resorbierbare Netze und Nahtmaterialien) und Rezidive entzündlicher Darmerkrankungen oder Tumoren.
Ätiologie: Die Ursache der meisten Fisteln basiert auf einer Frühkomplikation nach chirurgischen Eingriffen. Sie können einerseits Folgen technischer Fehler bei der Anastomosierung von Darmanteilen und andererseits von einem Abszess im Anastomosengebiet ausgehen. Sie drainieren über die Inzisionswunde unter dem Bild einer spontanen Abszessentleerung und führen sekundär zu einer Fistelbildung. Weitere Ursachen für externe Fistelbildungen über eine alte Operationsnarbe sind Fremdkörper, in der Regel nicht resorbierbare Netze oder Nahtmaterialien, die zur Deckung von Fasziendefekten benötigt wurden, Rezidive entzündlicher Darmerkrankungen oder Tumoren.
Low-output-Fisteln: Diese Fisteln drainieren 5 200 ml/d und sind meist Folge geringfügiger Darmverletzungen oder kleiner Anastomoseninsuffizienzen. Durch eine hinreichende Drainage ist mit einer Spontanheilung zu rechnen.
Low-output-Fisteln: Diese Fisteln drainieren weniger als 200 ml täglich. Akut auftretende Fisteln sind meist Folge geringfügiger Darmverletzungen, wie sie beim Bauchdeckenverschluss entstehen können oder kleine Insuffizienzen einer Anastomose. Sie verheilen meist spontan. Die Heilung kann durch eine gute lokale Drainage und parenterale Flüssigkeitszufuhr unterstützt werden. Die Persistenz einer derartigen Fistel deutet auf einen Fremdkörper oder eine morphologische Veränderung im Bereich des defekten Darms hin. Bei unklarer Genese gestattet der geringe Verlust intestinaler Flüssigkeit eine genaue Abklärung des vor und hinter der Fistel liegenden Darms. Liegt einer Fistel ein Morbus Crohn, eine andere Entzündung, eine Strahlenenteritis oder Tumoren zugrunde, wird die Behandlung der Grunderkrankung durch eine Fistel nicht beeinträchtigt. In allen anderen Fällen ohne Spontanverschluss ist eine operative Intervention unumgänglich.
High-output-Fisteln: Durch eine Drainage von 4 200 ml/d sind diese Fisteln durch einen hohen Elektrolyt- und Flüssigkeitsverlust charakterisiert. Hier ist ein Ausgleich des Wasser- und Elektrolytverlustes und eine operative Sanierung der Fisteln notwendig.
High-output-Fisteln: Derartige Fisteln sind durch einen hohen Flüssigkeits(4 200 ml/Tag) und damit Elektrolytverlust charakterisiert. Ursache ist entweder eine große Dehiszenz im Dünndarmbereich oder eine sehr weit oral gelegene Fistel, der in den meisten Fällen ein aboral gelegener subtotaler oder totaler Verschluss folgt. In Abhängigkeit von der Sekretionsmenge steigt die Gefahr der Malassimilation, der Wunddehiszenz und der Sepsis. Primäres Behandlungsziel muss die Korrektur des Wasser- und Elektrolytverlustes sein. Da diese Fisteln nur selten spontan heilen, muss in einem stabilen Zustand des Patienten die Kontinuität des Dünndarms operativ wiederhergestellt werden. Ein lokaler Fistelverschluss bleibt in der Regel erfolglos.
Innere Fisteln: Perforation und Abszessbildungen führen zu einer Kommunikation mit benachbarten Darmschlingen oder Hohlorganen. Obstruktion, eine septische Symptomatik, Fisteln zur Harnblase oder anderen Teilen des Urogenitaltrakts sind eine absolute Operationsindikation.
Innere Fisteln: Sie werden meistens durch chronische Entzündungen des Darms verursacht. Perforation und Abszessbildungen führen zu einer Kommunikation mit benachbarten Darmschlingen oder Hohlorganen. Ileoileale und ileokolische Fisteln sind relativ harmlos und bleiben oft asymptomatisch. Erst eine Obstruktion oder septische Symptomatik führen zur Operation. Fisteln zur Harnblase oder anderen Teilen des Urogenitaltrakts können zur rezidivierenden Urosepsis führen und sind eine absolute Operationsindikation.
1.5.11 Dünndarmtumoren
1.5.11 Dünndarmtumoren
Grundlagen
Grundlagen
Epidemiologie: Lediglich 1 – 5 % der gesamten GIT-Tumoren betreffen den Dünndarm. Die Inzidenz bezogen auf die Gesamtbevölkerung beträgt 0,1 – 0,8 %.
Epidemiologie: Von den gesamten Tumoren des Gastrointestinaltrakts fallen lediglich 1 – 5 % auf den Dünndarm. Die Inzidenz bezogen auf die Gesamtbevölkerung beträgt 0,1 – 0,8 %. Der größte Teil dieser Tumoren bleibt klinisch asymptomatisch (ca. 90 %).
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
B 1.5 Dünndarm
361
Klinik: Treten Symptome auf, können sie sich auf eine unspezifische Klinik beschränken. Bei 40 – 70 % der Patienten finden sich jedoch Zeichen eines rezidivierenden inkompletten oder eines vollständigen Darmverschlusses. Hierbei ist die Invagination das häufigste Ereignis. Blutungen, die bei 20 – 50 % der Patienten auftreten, bleiben okkult und präsentieren sich in einer Anämie. Klinisch manifeste Blutungen mit Meläna und Hämatemesis sind selten. Gelegentlich können Hautpigmentationen (Peutz-Jeghers-Syndrom), oder Caféau-lait-Flecken (Neurofibromatose) auf Tumoren des Dünndarms hinweisen.
Klinik: Der größte Teil verläuft asymptomatisch (ca. 90 %). In 40 – 70 % finden sich Zeichen eines Darmverschlusses. Blutungen bleiben in 20 – 50 % okkult und führen zu einer Anämie.
Benigne Tumoren
Benigne Tumoren
Insgesamt überwiegen die gutartigen Tumoren des Dünndarms die Malignome um ein 10-faches. Adenome, Leiomyome und Lipome sind die drei häufigsten Tumoren des Dünndarms. Ihnen folgen die Hamartome, Fibrome, Angiome und neurogene Tumoren. Bei unspezifischer Symptomatik werden diese Tumoren meist zufällig entdeckt. Die Therapie der Wahl ist die Resektion des betroffenen Darmanteils. Das Peutz-Jeghers-Syndrom ist bei den Polyposis-Syndromen einzuordnen (S. 409).
Sie dominieren vor den Malignomen um ein 10-faches. Adenome, Leiomyome, und Lipome sind die häufigsten Tumoren des Dünndarms. Bei Diagnosestellung ist die Resektion die Therapie der Wahl.
Maligne Tumoren
Maligne Tumoren
Klinik: Im Gegensatz zu den benignen Tumoren sind die malignen Tumoren generell symptomatisch und werden im Verlauf des Tumorwachstums diagnostiziert (z. B. durch Blutung oder Ileus). Allerdings sind bei 77 % der Patienten bei der Diagnosestellung bereits durchschnittlich 12 Monate vergangen, das heißt, dass der Zeitpunkt für ein radikales Vorgehen verstrichen und mit Metastasen zu rechnen ist.
Klinik: Maligne Tumoren werden im Krankheitsverlauf immer symptomatisch (z. B. Blutung, Ileus). Bei 77 % der Patienten sind bei Diagnosestellung bereits durchschnittlich 12 Monate verstrichen. Ein radikales Vorgehen ist meist nicht mehr möglich.
Histologie, Lokalisation: Anders als die benignen Tumoren scheinen die bösartigen Veränderungen einem histologischen Verteilungsmuster zu folgen. Hierbei treten die Adenokarzinome im proximalen Bereich des Dünndarms, Leiomyosarkome im Jejunum oder Ileum und das Karzinoid sowie Lymphome im gesamten Dünndarm auf, wobei das Karzinoid das Ileum bevorzugt befällt.
Histologie, Lokalisation: Adenokarzinome (proximaler Dünndarm), Leiomyosarkome (Jejunum oder Ileum), Karzinoid und Lymphome (gesamter Dünndarm, Karzinoid bevorzugt im Ileum).
Diagnostik: Sie wird mit der selektiven Darmpassage oder der Angiographie gestellt. Da selten ein gezielter Verdacht besteht, bleibt die Diagnose meist dem Zufall überlassen, sodass die meisten Tumoren erst perioperativ gesichert werden. Besteht ein begründeter Verdacht auf einen intestinalen Dünndarmtumor, kann neben den erwähnten Untersuchungen auch die Computertomographie (CT) oder die Laparoskopie zum Tumorstaging eingesetzt werden.
Diagnostik: Selektive Dünndarmpassage, Angiographie, CT und Laparoskopie zum Tumorstaging. Die Diagnose ist meist ein Zufallsbefund.
Therapie: Die Behandlung besteht in der vollständigen Entfernung des betroffenen Darmabschnitts mit dem Ziel einer R0-Resektion.
Therapie: Sie besteht in einer vollständigen Entfernung des betroffenen Darmabschnitts.
Prognose: Da bei Diagnosestellung bereits ein fortgeschrittenes Tumorstadium vorliegt, haben maligne Tumoren des Dünndarms eine schlechte Prognose: Allgemein kann nur mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 20 % gerechnet werden.
Prognose: Allgemein kann nur mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 20 % gerechnet werden.
Gastrointestinale Stromatumoren (GIST)
Gastrointestinale Stromatumoren
Grundlagen: Der Dünndarm ist eine der Hauptlokalisationen von Gastrointestinalen Stromatumoren (GIST). Sie bilden eine spezielle Entität mesenchymaler Tumoren, die in allen Teilen des tubulären Gastrointestinaltraktes auftreten können und durch den Nachweis von CD117 (c-kit) auf der Zelloberfläche definiert werden. Die erst vor wenigen Jahren erfolgte molekulargenetische GIST-Definition hat dazu geführt, dass diese zunehmend häufiger beobachtet werden; zuvor wurden sie den glattmuskulären Tumoren (Leiomyomen und Leiomyosarkomen) zugeordnet. Hauptlokalisation von GIST sind Magen, Duodenum und Dünndarm. GIST besitzen grundsätzlich ein Potenzial zur malignen Entartung und müssen deshalb den Borderline-Tumoren zugeordnet werden. Dabei scheint das Risiko einer malignen Entartung mit der Tumorgröße zu wachsen.
Grundlagen: Gastrointestinale Stromatumoren können in allen Teilen des tubulären Gastrointestinaltraktes auftreten, v. a. in Magen, Duodenum und Dünndarm. Sie werden durch den Nachweis von CD117 (c-kit) auf der Zelloberfläche definiert. Es besteht ein Potenzial zur malignen Entartung.
Zu Peutz-Jeghers-Syndrom s. S. 409.
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B 1 Viszeralchirurgie
362 B-1.86
Gastrointestinaler Stromatumor im Jejunum Im CT-Abdomen Nachweis eines Dünndarmtumors im Jejunum (Pfeile)
Therapie: Für kleine Tumoren (5 3 cm) ist die Resektion mit Sicherheitsabstand ausreichend. Bei inoperablem GIST kann eine Therapie mit dem Tyrokinase-Inhibitor Imantinib versucht werden.
Therapie: Für kleine Tumoren (5 3 cm) ist die Resektion mit Sicherheitsabstand ausreichend. Ob es bei größeren Tumoren sinnvoll ist, das Lymphabflussgebiet mit zu resezieren wird diskutiert, da Lymphknotenmetastasen nur selten vorkommen. Der Tyrosinkinase-Inhibitor Imantinib (Glivec®) hemmt die Aktivität von c-kit und bietet eine therapeutische Option bei nicht resektablen GIST.
Prognose: Abhängig von der Dignität, peritoneale Aussaat oder Fernmetastasen sind im Verlauf möglich.
Prognose: Die Prognose ist abhängig von der Dignität des Tumors und seiner Ausdehnung. Auch zunächst begrenzte GIST scheinen häufiger im späteren Verlauf zu Fernmetastasen oder zu einer peritonealen Aussaat zu führen.
Karzinoid-Syndrom
Karzinoid-Syndrom
왘 Definition
왘 Definition. Das Karzinoid-Syndrom ist Ausdruck einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung, wobei das klinische Erscheinungsbild in direkter Relation zur Tumorgröße und seinem Anschluss an die systemische Zirkulation steht.
Karzinoide sind semimaligne Tumoren, die den chromaffinen Zellen des APUD-Systems entstammen und vornehmlich im Gastrointestinaltrakt auftreten. Sie finden sich hauptsächlich in: ■ Appendix (45 %) ■ Ileum (20 %) ■ Rektum(15 %). 30 % der Karzinoide werden klinisch symptomatisch. Das Auftreten von Metastasen ist proportional zur Tumorgröße (4 2 cm). Solitäre Tumoren bleiben aufgrund ihres langsamen Wachstums und der Inaktivierung von 5-HTA in der Leber asymptomatisch. Unkontrolliertes Tumorwachstum mit Metastasierung in die Leber führt infolge der 5-Hydroxytryptamin-(Serotonin-)Freisetzung in die systemische Zirkulation unter Umgehung des Leberkreislaufs (Inaktivierung von Serotonin in der Leber) zum klinischen Bild des Karzinoid-Syndroms. Dies gilt nicht für Dickdarm-Karzinoide, da diese kein 5-HTA bilden.
Karzinoide entstammen den chromaffinen Zellen des APUD-Systems (Amin Precursor Uptake and Decarboxylation). Es handelt sich um semimaligne Tumoren, die sich mit Ausnahme der Speiseröhre vornehmlich im Gastrointestinaltrakt finden. Sie verteilen sich mit 45 % auf die Appendix (S. ), mit 20 % auf das Ileum und mit 15 % auf das Rektum. Extraintestinal findet sich das Karzinoid u. a. im Bronchialsystem (~ 10 %). Andere Lokalisationen sind selten. Karzinoide des Dünndarms zeigen eine Dominanz im terminalen Ileum, wobei ein multizentrisches Auftreten zu beobachten ist. Lediglich 30 % der Karzinoide werden klinisch manifest. Das Auftreten von Metastasen ist proportional zur Größe des Tumors (4 2 cm). Solitäre Tumoren bleiben aufgrund ihres langsamen Wachstums und der Inaktivierung von 5-Hydroxytryptamin (5-HTA) in der Leber asymptomatisch, es sei denn sie führen zur Obstruktion oder Invagination. Erst das unkontrollierte Wachstum mit Metastasierung in die Leber führt infolge der 5-HTA-(Serotonin-)Freisetzung in die systemische Zirkulation unter Umgehung des Leberkreislaufs (Inaktivierung von Serotonin in der Leber) zum klinischen Bild des Karzinoid-Syndroms. Dies kann beim Karzinoid des Ovars, der Bronchien und bei retroperitonealen Metastasen auftreten. Es wird fast immer bei Lebermetastasen manifest, da die vasoaktiven Substanzen direkt in die Lebervenen gelangen. Im Unterschied zu den Dünndarmkarzinoiden bilden Karzinoide des Dickdarms kein 5-HTA, sodass kein Karzinoid-Syndrom entstehen kann.
Klinik: Das klinische Bild des Syndroms zeigt sich in Flush (Hautrötung), Diarrhö und Bronchuskonstriktion (Asthmaanfälle). Spätkomplikation ist die Endokardfibrose.
Klinik: Das klinische Bild des Syndroms zeigt sich in Flush (Hautrötung), Diarrhö und Bronchuskonstriktion (Asthmaanfälle). Obwohl die Diarrhö das häufigste Symptom ist, kann sie aufgrund der zahlreichen Ursachen klinisch nur schlecht
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B 1.5 Dünndarm
363
verwertet werden. Das charakteristischste Erscheinungsbild ist der Flush in Gesicht, Nacken und oberem Thorax. Auslösendes Moment können alle Situationen oder Agenzien sein, die den Gefäßtonus beeinflussen. Eine Bronchuskonstriktion kann im Verlauf der Erkrankung zu Asthmaanfällen führen. Eine späte Komplikation ist die Herzerkrankung. Sie ist auf das Endokard beschränkt und führt zur Trikuspidal- und Pulmonalstenose. Diagnostik: Die Diagnose kann durch den Nachweis von 5-Hydroxyindolessigsäure im 24-Stunden-Urin erstellt werden. Hierbei ist zu beachten, dass durch eine exzessive Aufnahme von Walnüssen, Bananen, Ananas und Tomaten in Grenzbereichen falsch positive Ergebnisse erzielt werden. Werte über 20 mg sind jedoch sicher pathologisch.
Diagnostik: Sie kann durch Nachweis von 5-Hydroxyindolessigsäure im 24-StundenUrin gestellt werden.
Therapie, Prognose: Das langsame Wachstum des Tumors und die relativ günstige Prognose mit einer 5-Jahres-Überlebenszeit von 20 % berechtigen zu einem eher aggressiven chirurgischen Vorgehen. Neben der Entfernung des Primärtumors sind wiederholte Eingriffe zur Metastasenentfernung angezeigt. Hierdurch können die Symptome beeinflusst und die Rezidivintervalle verlängert werden. Eine palliative Beeinflussung der Symptomatik kann mit Octreotid (Sandostatin®) erreicht werden.
Therapie, Prognose: Bei relativ günstiger Prognose und langsamem Tumorwachstum erfolgt eine Resektion von Primärtumor und Metastasen. Eine palliative Beeinflussung der Symptomatik kann mit Octreotid (Sandostatin®) erreicht werden.
1.5.12 Intestinale Ischämie (vgl. S. 1126)
1.5.12 Intestinale Ischämie
Die intestinale Ischämie kann sich akut und chronisch manifestieren und sowohl arteriellen als auch venösen Ursprungs sein. Während die chronische Form keine Gefahr für den Dünndarm darstellt, sondern die Blutversorgung nicht mehr den funktionellen Anforderungen entspricht, ist er bei der akuten Ischämie vital gefährdet. Für die chronische Ischämie mit dem klinischen Bild der mesenterialen Angina werden arteriosklerotische Veränderungen und sich langsam entwickelnde venöse Thrombosen verantwortlich gemacht. Häufiger ist die akute arterielle mesenteriale Ischämie mit vollständiger Unterbrechung der Blutversorgung des gesamten Dünndarms oder einzelner Abschnitte. Hierzu gehören die arterielle Embolie, die nicht okklusive arterielle Ischämie, die Thrombose der A. mesenterica superior und die fokale, segmentale Ischämie (Abb. B-1.87). Die akute Mesenterialvenenthrombose und die segmentale Ischämie, hervorgerufen durch Strangulation und Obstruktion gehören zur venösen Form der akuten mesenterialen Ischämie.
Die intestinale Ischämie kann sich akut und chronisch manifestieren und sowohl arteriellen als auch venösen Ursprungs sein. Bei der akuten Ischämie ist der Dünndarm vital gefährdet. Für die chronische Ischämie mit dem klinischen Bild der mesenterialen Angina sind arteriosklerotische Veränderungen und venöse Thrombosen verantwortlich. Bei der akuten arteriellen mesenterialen Ischämie handelt es sich um eine vollständige Unterbrechung der Blutversorgung. Die akute Mesenterialvenenthrombose und die segmentale Ischämie werden durch Strangulation und Obstruktion hervorgerufen.
B-1.87
Kontrastmittel-CT bei Dünndarmischämie
B-1.87
Regelrecht durchblutete Dünndarmschlingen werden vom intravenös gegebenen Kontrastmittel perfundiert (+). Diese Perfusion ist bei miderdurchbluteten Schlingen nicht vorhanden (-).
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B 1 Viszeralchirurgie
1.5.13 Verletzungen
1.5.13 Verletzungen
Stumpfe und perforierende Bauchverletzungen
Stumpfe und perforierende Bauchverletzungen (vgl. S. 586)
Häufigste Ursache intestinaler Verletzungen ist das stumpfe Bauchtrauma. Es kann isoliert oder im Rahmen eines Polytraumas vorliegen.
Die häufigste Ursache intestinaler Verletzungen ist das stumpfe Bauchtrauma. Es kann sowohl isoliert (Sicherheitsgurte) als auch im Rahmen eines Polytraumas vorliegen. In 30 – 50 % muss bei einem stumpfen Bauchtrauma mit Organverletzungen gerechnet werden.
Klinik: Die Klinik wird durch das zugrunde liegende Geschehen wie Blutung (Peritonismus, evtl. Schock) oder Organperforation (Peritonitis, evtl. Fieber und Sepsis) bestimmt.
Klinik: Sie sind primär unspezifisch und bilden sich ggf. nach der dominanten Verletzung aus. Hierbei kann entweder die intraperitoneale Blutung oder die Folge einer Organperforation im Vordergrund stehen. Liegt eine Blutung vor, ist neben Schmerzen ein Peritonismus nachweisbar und je nach Intensität der Blutung stellen sich Schockzeichen ein. Bei einer intraperitonealen Kontamination mit Darminhalt bei einer Darmperforation entwickelt sich der Peritonismus zu einer Peritonitis. Eine verspätete Diagnose kann in diesen Fällen zu Fieber und Sepsis führen.
Diagnostik:
Diagnostik:
왘 Merke
Dies gilt insbesondere für den bewusstseinsgetrübten Patienten nach einem SchädelHirn-Trauma.
왘 Merke
왘 Merke. Bei jedem Verdacht auf ein stumpfes Bauchtrauma muss zum Ausschluss einer Organverletzung oder freier intraabdominaler Flüssigkeit eine Ultraschalluntersuchung des Abdomens vorgenommen werden.
Dies gilt insbesondere für den bewusstseinsgetrübten Patienten nach einem Schädel-Hirn-Trauma. Die früher angewandte Möglichkeit der diagnostischen Peritoneallavage ist weitgehend durch die Ultraschalluntersuchung abgelöst worden. 왘 Merke. Betrifft das Verletzungsmuster Thorax und untere Extremitäten ohne klinische Zeichen einer Abdominalverletzung, dann muss diese trotzdem diagnostisch ausgeschlossen werden.
Die penetrierende Abdominalverletzung entspricht im diagnostischen Vorgehen dem des stumpfen Bauchtraumas.
Die penetrierende Abdominalverletzung entspricht im diagnostischen Vorgehen dem des stumpfen Bauchtraumas. Je nach Art der Verletzung wird die sofortige Laparotomie indiziert sein. Erlaubt es das klinische Bild, kann eine diagnostische Laparoskopie evtl. in therapeutischer Intention vorgenommen werden.
Mesenterialverletzungen
Mesenterialverletzungen
Mesenterialverletzungen ereignen sich sowohl nach penetrierenden als auch nach stumpfen Bauchtraumen. Es kann zu Hämatomen, Mesenterialeinrissen und einem Mesenterialabriss kommen (Abb. B-1.88).
Mesenterialverletzungen ereignen sich in 18 % der penetrierenden und 5 % der stumpfen Abdominaltraumen als Folge intraabdomineller Scherkräfte, die auf die Darmaufhängung wirken. Hierbei kann es zu intramesenterialen Hämatomen, Mesenterialeinrissen mit Blutungen und dem Mesenterialabriss mit Devaskularisation ganzer Darmabschnitte mit Nekrose und Perforation kommen (Abb. B-1.88).
Klinik: Es kommt zu Blutverlust mit Blutdruckabfall, Peritonismus und sinkendem Hämatokrit bei gleichzeitiger Distension des Dünndarms.
Klinik: Das klinische Bild richtet sich nach Ausmaß und Lokalisation der Verletzung. Liegt ein blutender Mesenterialeinriss vor, steht der Blutverlust mit Blutdruckabfall, Peritonismus und sinkendem Hämatokrit bei gleichzeitiger Distension des Dünndarms im Vordergrund. Dominiert der Abdominalschmerz, muss an eine intestinale Ischämie gedacht werden.
Diagnostik: Sie kann anhand des klinischen Bildes vermutet und mit dem Ultraschall oder der Peritoneallavage meistens gesichert werden.
Diagnostik: Die Diagnose kann anhand des klinischen Bildes vermutet und mit dem Ultraschall oder der Peritoneallavage meistens gesichert werden. Im Zweifelsfall muss die explorative Laparotomie erfolgen. Bei stabilen Kreislaufverhältnissen darf auch eine Laparoskopie vorgenommen werden.
Therapie: Das Mesenterialhämatom bedarf bei vitalem Dünndarm keiner Maßnahmen.
Therapie: Das nicht expandierende Mesenterialhämatom bedarf bei vitalem Dünndarm keiner weiteren Maßnahmen. Kommt es jedoch zu einer Größenzunahme des Hämatoms mit Gefährdung der Darmperfusion, ist eine Exploration angezeigt.
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B 1.5 Dünndarm
B-1.88
Mesenterialabriss
365 B-1.88
Mesenterialabriss mit Nekrose des angeschlossenen Dünndarmsegments.
Mesenterialeinrisse führen zu Blutungen unterschiedlicher Intensität und erfordern die Laparotomie mit Blutstillung und Defektverschluss. Beim Mesenterialabriss kommt es zur Unterbrechung der arteriellen Arkaden oder größerer Gefäße des Dünndarms mit Blutung und Ischämie der betroffenen Darmabschnitte. Bei diesen Patienten ist nach der Blutstillung die Resektion des ischämischen Darmbereichs erforderlich.
Bei Mesenterialeinriss oder -abriss erfolgt die chirurgische Revision.
Komplikationen: Zu den Komplikationen der Mesenterialverletzungen zählen die Nachblutung, der Ileus durch Verwachsungen oder durch Herniation von Dünndarm durch einen übersehenen oder nicht verschlossenen Mesenterialeinriss und eine fortschreitende Ischämie in einem Anastomosenbereich nach einer Resektion.
Komplikationen: Nachblutung, Ileus, Herniation und Ischämie im Anastomosengebiet zählen zu den Komplikationen:
1.5.14 Fremdkörper
1.5.14 Fremdkörper
Haben verschluckte Fremdkörper den Magen verlassen, so werden sie beim Erwachsenen in über 80 % innerhalb eines Monats auf natürlichem Wege ausgeschieden. Beim Kind nimmt die Dünndarmpassage durchschnittlich 5 Tage in Anspruch.
Verschluckte Fremdkörper werden nach Verlassen des Magens beim Erwachsenen in 80 % innerhalb eines Monats auf natürlichem Wege ausgeschieden.
Klinik: Die Klinik verläuft in der Regel asymptomatisch. Symptome sind erst beim Auftreten von Komplikationen zu beobachten.
Klinik: Sie sind erst beim Auftreten von Komplikationen zu beobachten.
Komplikationen: Zu den Komplikationen intestinaler Fremdkörper, die eine chirurgische Intervention verlangen, gehören der Darmverschluss, die Perforation und die Blutung. Nur 1 – 2 % aller Darmverschlüsse werden jedoch durch Fremdkörper verursacht. Bevorzugte Lokalisationen der Fremdkörperobstruktion sind das terminale Ileum, die Ileozökalklappe oder vorbestehende Engen durch entzündliche Strukturen, Tumoren oder Divertikel. Eine Perforation kann in seltenen Fällen zu einer generalisierten Peritonitis führen, beschränkt sich jedoch meist auf eine lokale Abszess- oder Fistelbildung in benachbarte Organe.
Komplikationen: Zu den Komplikationen intestinaler Fremdkörper, die eine chirurgische Intervention verlangen, gehören der Darmverschluss, die Perforation und die Blutung.
Weniger häufig ist die Blutung durch Drucknekrosen und Ulzerationen der Schleimhaut. Diagnostik: Sie wird primär durch die Anamnese gestellt und kann bei röntgendichten Materialien durch die Abdomenübersichtsaufnahme gesichert werden. Die Fremdkörperingestion findet sich vornehmlich bei Kindern, psychiatrischen Patienten, Alkoholikern und Gefängnisinsassen (Abb. B-1.89).
Diagnostik: Sie wird primär durch die Anamnese gestellt und kann bei röntgendichten Materialien durch die Abdomenübersichtsaufnahme gesichert werden (Abb. B-1.89).
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366 B-1.89
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.89
Fremdkörper im Darm (Nägel) Fremdkörperingestion (Nägel) eines Gefängnisinsassen. Therapeutisch wurde ausschließlich konservativ vorgegangen.
Therapie: Der Spontanabgang wird abgewartet. Erst beim Auftreten von Komplikationen wird der Fremdkörper operativ entfernt.
Therapie: Wegen der Wahrscheinlichkeit eines Spontanabgangs des Fremdkörpers besteht die Behandlung in erster Linie in konservativen Maßnahmen mit faserreicher und eindickender Kost (z. B. Sauerkraut, Kartoffelbrei). Erst beim Auftreten von Komplikationen mit Zeichen des Peritonismus oder der Obstruktion muss der Fremdkörper operativ entfernt werden.
1.5.15 Dünndarmoperationen
1.5.15 Dünndarmoperationen
Dünndarmresektion
Dünndarmresektion
Indikationen: Irreparable Schäden von Darmwand oder Mesenterialwurzel, z. B. bei Perforation, Penetration, Blutung.
Indikationen: Morphologische Veränderungen des Dünndarms mit irreparablen Schäden von Darmwand oder Mesenterialwurzel machen eine Resektion der betroffenen Darmanteile erforderlich. Hierzu gehören z. B. Perforation, Penetration, Blutung, Fistelbildung, Gangrän, Verschlüsse und Tumoren.
Ausmaß der Resektion: Bei gutartigen Erkrankungen Resektion nur der erkrankten oder veränderten Darmabschnitte; bei malignen Tumoren Mitnahme der mesenterialen Lymphknoten (Abb. B-1.90).
Ausmaß der Resektion: Im Rahmen gutartiger Erkrankungen sollte die Resektion auf den erkrankten oder veränderten Darmabschnitt unter Erhalt des Mesenteriums begrenzt bleiben oder lediglich exzidiert werden. Bei malignen Tumoren ist die Mitnahme der mesenterialen Lymphknoten erforderlich (Abb. B-1.90).
Anastomosen: Wiedervereinigung der Darmenden nach Möglichkeit durch End-zuEnd-Anastomose. Bei tumorösen Veränderungen von Nachbarorganen evtl.
Anastomosen: Die Wiedervereinigung der Darmenden sollte, wenn immer möglich im Sinne einer End-zu-End-Anastomose vorgenommen werden. Ergreifen tumoröse Veränderungen Nachbarorgane, kann es zur Wiederherstellung
B-1.90
B-1.90
Segmentresektion am Dünndarm Dünndarmsegmentresektion am Beispiel der Divertikulose. Bei gutartiger Erkrankung erfolgt die darmnahe Resektion. Bei malignen Tumoren ist demgegenüber die Mitnahme der mesenterialen Lymphknoten erforderlich.
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B 1.5 Dünndarm
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der Kontinuität erforderlich werden, durch Seit-zu-Seit-Anastomosen Darmschlingen funktionell auszuschließen. Funktionell kann sich jedoch hierdurch ein Blindsacksyndrom (Abb. B-1.78) ausbilden. Bei diesem Vorgehen handelt es sich um Palliativoperationen.
Seit-zu-Seit-Anastomose mit funktionellem Ausschluss von Darmschlingen (Palliativoperationen).
Komplikationen: Sie orientieren sich an der Grundkrankheit. In seltenen Fällen kann trotz regelrechter Operationstechnik ein Nahtbruch auftreten. Zur Vermeidung von Anastomoseninsuffizienzen ist darauf zu achten, dass der Naht keine Stenosen nachgeschaltet sind (z. B. Strikturen beim Morbus Crohn).
Komplikationen: Nahtbruch, Anastomoseninsuffizienz.
Dünndarmstomata
Dünndarmstomata
Durch Verlagerung von Darmquerschnitten vor die Bauchwand kann eine vollständige Deviation des Darminhalts erreicht werden. Die Stomaanlage kann protektiv, palliativ oder kurativ erforderlich werden. Am Dünndarm handelt es sich ausschließlich um Ileostomien. Als Standardverfahren der Dünndarmdeviation gilt heute die prominente Ileostomie nach Brooke (Abb. B-1.91). Sie wird sowohl als endständiges Stoma nach z. B. Proktokolektomie als auch zunehmend als doppelläufiges, protektives Stoma nach Dickdarmeingriffen eingesetzt.
Durch Verlagerung von Darmquerschnitten vor die Bauchwand kann eine vollständige Deviation des Darminhalts erreicht werden. Die Stomaanlage kann protektiv, palliativ oder kurativ erforderlich werden. Standardverfahren der Dünndarmdeviation ist die prominente Ileostomie (Brooke) (Abb. B-1.91).
Laparoskopische Adhäsiolyse
Laparoskopische Adhäsiolyse
Bei charakteristischer Anamnese und klinischer Symptomatik stellt das operative Lösen der intraabdominalen Verwachsungen die einzige kausale Therapie dar. Vorteil der laparoskopischen Adhäsiolyse ist, dass erneute Verwachsungen mit der Bauchwand aufgrund der kleineren Bauchdeckenwunde wahrscheinlich seltener auftreten. Ein Nachteil ist, dass nur Adhäsionen des Darms mit der Bauchdecke gelöst werden können. Beim Durchtrennen der Verwachsungen zwischen den Darmschlingen ist das Risiko der iatrogenen Darmperforation zu hoch.
Vorteil der laparoskopischen Adhäsiolyse ist, dass erneute Verwachsungen wahrscheinlich seltener auftreten. Nachteil ist, dass nur Adhäsionen des Darms mit der Bauchdecke gelöst werden können. Beim Durchtrennen der Verwachsungen zwischen den Darmschlingen ist das Risiko der iatrogenen Darmperforation zu hoch.
Diagnostik: Die präoperative Diagnostik wird analog zur konventionellen Operation durchgeführt.
Diagnostik: Wie bei konventioneller Operation.
Indikation, Kontraindikation: Geeignet sind Patienten mit lokalisierbaren, zirkumskripten Verwachsungsarealen. Die Indikation zur laparoskopischen Adhäsiolyse sollte insgesamt streng gestellt werden. Bei größeren Arealen und beim Ileus ist eine Laparoskopie nicht indiziert.
Indikation, Kontraindikation: Geeignet sind Patienten mit lokalisierbaren, zirkumskripten Verwachsungsarealen.
Operatives Vorgehen: Nach Anlegen des Pneumoperitoneums im vermuteten verwachsungsfreien Areal spannen sich die Verwachsungen zwischen Bauch-
Operatives Vorgehen: Nach Anlegen des Pneumoperitoneums spannen sich die Adhäsionen auf und werden durchtrennt.
B-1.91
Prominente Ileostomie nach Brooke
B-1.91
Inkontinente Ileostomie: durch Bildung eines Nippels wird der Dünndarminhalt ohne Hautkontakt in den Ileostomiebeutel geleitet.
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B 1 Viszeralchirurgie
decke und Darm auf und können mit Schere oder Elektrokoagulation durchtrennt werden. Komplikationen: Läsionen an intraabdominalen Organen können im Verwachsungsbauch eher auftreten. Blutungen müssen mitunter erneut operativ versorgt werden. Darmperforationen können unbemerkt bleiben.
1.6
Appendix
Komplikationen: Die Läsion intraabdominaler Organe beim Einbringen der Trokare treten im Verwachsungsbauch häufiger auf. Blutungen aus abgetragenen Adhäsionen führen mitunter zur erneuten Operation. Da die Sicht bei der Revision des Abdomens bei ausgedehnten Befunden eingeschränkt ist, können Darmperforationen unbemerkt bleiben und innerhalb kürzester Zeit zu einer diffusen Peritonitis führen.
1.6
Appendix Rainer Isenmann, Michael Dürig, Hinnerk Gebhardt
1.6.1 Anatomie
1.6.1 Anatomie
Siehe Abb. B-1.92.
Die Appendix weist zahlreiche anatomische Lagevarianten auf, deren Kenntnis von klinisch-diagnostischer Bedeutung ist (Abb. B-1.92).
1.6.2 Appendizitis
1.6.2 Appendizitis
Grundlagen
Grundlagen
Epidemiologie: 7 – 12 % der Bevölkerung erkranken in den ersten 3 Lebensdekaden an einer Appendizitis. Es kann jedoch jede Altersstufe betroffen sein.
Epidemiologie: Die Appendizitis gehört zu den häufigsten Ursachen des akuten Abdomens. 7 – 12 % der Bevölkerung erkranken innerhalb der ersten 3 Lebensdekaden, wobei jedoch jede Altersstufe betroffen sein kann. Die Inzidenz zeigt insgesamt eine abnehmende Tendenz.
Pathogenese: Bei 60 % der Patienten beginnt die Appendizitis mit einem Verschluss des Lumens durch Koprolithen oder Schleim.
Pathogenese: Bei 60 % aller Patienten beginnt die Entzündung mit einem Verschluss des Lumens. Die fortschreitende Sekretion der Mukosa führt zu einem intraluminalen Druckanstieg, der den venösen Druck überschreitet und
B-1.92
B-1.92
a 1 regulär 2 Varianten: 2a parazökal 2b retrozökal
Anatomische Lagevarianten der Appendix
b 1 regulär 2 Varianten: 2a Zökumtiefstand im kleinen Becken 2b Zökumhochstand 2c in freier Bauchhöhle bei mobilem Zökum, inkompletter Drehung oder linksseitig bei Situs inversus (sehr selten)
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B 1.6 Appendix
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zur Hypoxie führt. Nach Ulzeration der Mukosa können Bakterien in die Wand eindringen. Durch die Infektion kommt es zur Thrombose intraluminaler Gefäße mit einer Zunahme von Schwellung und Ischämie. Eine Gangrän und Perforation entwickeln sich in der Regel innerhalb von 24 – 36 Stunden. Der Zeitablauf ist jedoch variabel und hängt von der Lokalisation der Obstruktion ab. Bei einem Verschluss der Appendixspitze ist eine Perforation eher zu erwarten als bei einem Verschluss der Basis. Als Obstruktionsursache gelten bei 35 % der akuten Appendizitis Koprolithen oder visköser Stuhl. Zu den seltenen Ursachen gehören Tumoren, Parasiten und Fremdkörper.
Tumoren, Parasiten und Fremdkörper sind seltene Ursachen. Durch intraluminalen Druckanstieg kommt es zu Hypoxie, Ulzerationen der Mukosa, Bakterieninvasion und Ischämie. Eine Gangrän und Perforation entwickeln sich innerhalb von 24 – 36 Stunden.
Klinik: Die ersten klinischen Zeichen äußern sich in einem unklaren, kolikartigen Abdominalschmerz im Epigastrium oder periumbilikal (viszeraler Schmerz). Dieser Schmerz verlagert sich in durchschnittlich 4 Stunden in den rechten unteren Quadranten, wo er als Dauerschmerz persistiert (somatischer Schmerz). Nach Einsetzen der Schmerzen beklagen die meisten Patienten Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen. Die klinischen Zeichen werden von einer mäßiggradigen Temperaturerhöhung begleitet. Nach einer Episode von Wind- und Stuhlverhalt kann es in seltenen Fällen zu Diarrhöen kommen, die dann mit einer Gastroenteritis verwechselt werden. Beim Mann können zusätzlich Schmerzen im Hoden oder ein Hodenhochstand auftreten. Ursache ist die gleiche Innervation von Appendix und Hoden aus dem 10. Thorakalsegment. Zur Abwehrspannung kommt es bei Beteiligung des parietalen Peritoneums (= lokale Peritonitis). Eine spontane Schmerzentlastung mit beginnenden peritonitischen Zeichen deutet auf eine Perforation der Appendix hin. Vor der klinischen Untersuchung sollte der Patient aufgefordert werden, nach einem Hustenstoß den Schmerzpunkt selbst zu lokalisieren, um ihn dann durch vorsichtige Palpation zu objektivieren. Zu charakteristischen Schmerz- und Druckpunkten s. Tab. B-1.18 und Abb. B-1.93.
Klinik: Als erste klinische Zeichen zeigen sich unklare kolikartige Schmerzen im Epigastrium oder periumbilikal (viszeraler Schmerz). Es folgt eine Verlagerung der Beschwerden in den rechten Unterbauch, der sich zu einem Dauerschmerz entwickelt (somatischer Schmerz). Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen können folgen, begleitet von einem mäßiggradigen Temperaturanstieg. Beim Mann können Schmerzen im Hoden oder ein Hodenhochstand auftreten. Eine spontane Schmerzentlastung deutet auf eine Perforation hin. Zu charakteristischen Schmerz- und Druckpunkten s. Tab. B-1.18 und Abb. B-1.93.
왘 Merke. Die Schmerzangaben der Patienten sind grundsätzlich von der Lage
왗 Merke
der Appendix abhängig, sodass nicht alle Druckpunkte positiv sein müssen. Diagnostik: Die Diagnose der typischen, akuten Appendizitis ist bei sorgfältiger Anamneseerhebung und Untersuchung einfach und erfolgt ausschließlich nach klinischen Gesichtspunkten. Leitbefund ist der Druckschmerz im rechten Unterbauch mit Maximum am McBurney- und/oder Lanz-Punkt. Weniger charakteristische Befunde erfordern die wiederholte Untersuchung und differenzialdiagnostische Abgrenzungen (s. u.).
B-1.18
Charakteristische Schmerz- und Druckpunkte bei Appendizitis
McBurney
Mitte der Verbindungslinie zwischen Nabel und Spina iliaca anterior superior (Druckschmerz)
Blumberg
bei Druck und plötzlichem Loslassen im linken unteren Quadranten entstehen Schmerzen im Bereich der Appendix (Loslassschmerz)
Lanz
äußeres und mittleres Drittel rechts in der Verbindung beider Spinae (Druckschmerz)
Rovsing
retrogrades Ausstreichen des linksseitigen Dickdarms führt zu Schmerzen im Colon ascendens und Zökum
Douglas-Schmerz (bei der Frau)
bei rektaler oder vaginaler Untersuchung rechtsseitige Schmerzangabe
Psoaszeichen
bei retrozökaler Lage der Appendix und schmerzhafter Reizung der Psoasfaszie verstärkt sich der Schmerz beim Strecken des Beins oberhalb des Leistenbands (Dehnungsschmerz)
Diagnostik: Die Diagnose der akuten Appendizitis erfolgt ausschließlich nach klinischen Gesichtspunkten.
B-1.18
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370
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.93
B-1.93
Druck- und Schmerzpunkte zur Diagnose akuter Appendizitis a McBurney-Punkt b Blumberg-Zeichen c Lanz-Punkt d Rovsing-Zeichen e Douglas-Schmerz
왘 Merke
왘 Merke. Bei Fieber ist die oft festgestellte axillar-rektale Temperaturdifferenz
von 0,8 °C kein zuverlässiger diagnostischer Parameter. ■
Labordiagnostik: Eine Erhöhung der Leukozytenzahl ist sehr sensitiv, sie hängt jedoch vom Stadium der Entzündung ab. Nicht selten ist eine Erhöhung der Leukozyten über 10 000/µl mit Linksverschiebung zu beobachten. Die größte Sensitivität zeigt die Kombination einer Leukozytose mit Linksverschiebung.
왘 Merke
Eine Erythro- und Leukozyturie darf nicht von der Verdachtsdiagnose einer akuten Appendizitis ablenken, da bei retrozökaler Lage der Appendix der Ureter mitentzündet sein kann.
■
Bildgebende Diagnostik: Das Verfahren der Wahl ist die Ultraschalluntersuchung. Die Treffsicherheit beträgt in Abhängigkeit vom Untersucher 87 – 96 % (Abb. B-1.94).
왘 Merke
■
Labordiagnostik: Eine Erhöhung der Leukozytenzahl ist sehr sensitiv für das Vorliegen einer Appendizitis. Ihre Spezifität ist jedoch gering. Nicht selten ist eine Erhöhung der Leukozyten über 10 000/µl mit Linksverschiebung zu beobachten, wobei die Zellzahl vom Stadium der Entzündung abhängt. Die Serumwerte des C-reaktiven Proteins (CRP) sind 12 Stunden nach Einsetzen der Erkrankung bei nahezu allen Patienten erhöht. Die Aussage ist jedoch eingeschränkt, da bei fast allen akuten Abdominalerkrankungen die CRP-Konzentration erhöht ist. Die größte Sensitivität zeigt die Kombination einer Leukozytose mit Linksverschiebung.
왘 Merke. Eine fehlende Leukozytose schließt eine akute Appendizitis nicht aus.
Bei ca. 25 % der Patienten mit einer akuten Appendizitis sind Erythro- und Leukozyten im Urin zu beobachten. Als Ursache kann eine retrozökale Appendizitis vorliegen, bei der durch die ureternahe Lage der Ureter mitentzündet sein kann. Eine Erythrozyturie oder Leukozyturie darf deshalb nicht von der Verdachtsdiagnose einer akuten Appendizitis ablenken. ■ Bildgebende Diagnostik: Der Stellenwert radiologischer Diagnostik beschränkt sich auf atypische Verläufe und extreme Altersgruppen. Eine Ausnahme bildet die Ultraschalluntersuchung. In Abhängigkeit vom Untersucher kann eine Treffsicherheit 87 – 96 % erzielt werden (Abb. B-1.94). Die Interpretation des Untersuchungsergebnisses sollte jedoch nur in Kombination mit der klinischen Symptomatik erfolgen. 왘 Merke. Bei negativer Sonographie entscheidet der klinische Befund über das weitere Vorgehen.
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B 1.6 Appendix
B-1.94
Sonographischer Nachweis einer akuten Appendizitis
371 B-1.94
a
b a Akute Appendizitis mit Dilatation des Lumens und Wandödem der Appendix (?). b Perforierte Appendizitis: Querschnitt einer Appendix mit perityphlitischem Abszess (?).
Differenzialdiagnose: Bei den differenzialdiagnostischen (Tab. B-1.19) Erwägungen muss daran gedacht werden, dass die Appendizitis jeden akuten Zustand des Abdomens vortäuschen kann.
Differenzialdiagnose: Die Appendizitis kann jeden akuten Zustand des Abdomens vortäuschen (Tab. B-1.19).
Therapie: Die Therapie der akuten Appendizitis besteht in der Appendektomie. Sie kann entweder offen oder laparoskopisch durchgeführt werden.
Therapie: Therapie der akuten Appendizitis ist die Appendektomie. Sie kann offen (Abb. B-1.95) oder laparoskopisch vorgenommen werden (s. u.).
Offene Appendektomie: Die Laparotomie erfolgt durch Wechselschnitt (Eröffnung der Gewebeschichten entlang den Hautspalten und dem Faserverlauf) im rechten Unterbauch. Nach Eröffnung des Peritoneums wird die Appendix gegebenenfalls entlang der Taenia libera des Zökums aufgesucht. Die Gefäße des Mesenteriolums werden unterbunden und durchtrennt. Ligatur der Appendixbasis und nach Abtragen der Appendix Versenkung des Appendixstumpfs mit einer Tabaksbeutel- oder Z-Naht (Abb. B-1.95). Anschließend erfolgt der schichtweise Bauchdeckenverschluss.
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372
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.95
B-1.95
Appendektomie
B-1.19
B-1.19
Differenzialdiagnose der akuten Appendizitis
mit Operationsindikation ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
B-1.20
Kolonkarzinom rechts Divertikulitis Sigmadivertikulitis Meckel-Divertikulitis perforiertes Duodenalulkus Extrauteringravidität stielgedrehte Ovarialzyste Cholezystitis
B-1.20
■ ■ ■
Laparoskopische Appendektomie: Sie ist möglich im Frühstadium der Erkrankung und erlaubt bei chronischen Unterbauchbeschwerden die diagnostische Abklärung.
■
■
Kontraindikationen: Tab. B-1.20. Operatives Vorgehen. Nach Einbringen der Trokare wird die Appendixspitze gefasst, das Mesenteriolum aufgespannt und die Appendix skelettiert. Diese wird dann abgesetzt und durch den Trokar herausgezogen (Abb. B-1.96). Das Mesenteriolum kann zusammen mit der Appendix auch mit einem Stapler abgesetzt werden.
■ ■ ■ ■
entzündliche Beckenerkrankungen rupturierte Follikelzyste bakterielle/virale Gastroenteritis akute Ileitis Crohn Dysmenorrhö
Kontraindikationen der laparoskopischen Appendektomie
relativ ■
ohne primäre Operationsindikation ■
perityphlitischer Abszess Adhäsionen Abszedierung im kleinen Becken phlegmonös-gangränöse Appendizitis
absolut ■ ■ ■
Perforation der Appendixbasis Zökumwandphlegmone Appendix- oder Zökumkarzinom, Karzinoid
Laparoskopische Appendektomie: Die Laparoskopie ermöglicht bei unklaren Unterbauchbeschwerden eine diagnostische Abklärung bzw. therapeutische Intervention ohne wesentliche Traumatisierung. Sie stellt im Frühstadium der Erkrankung und bei chronischer Appendizitis eine Alternative zum konventionellen Vorgehen dar. Da die Komplikationsrate proportional zum Schweregrad der Appendizitis steigt, ist der Nutzen dieses Verfahrens bei ausgeprägter Entzündung noch nicht gesichert. ■ Kontraindikationen: Derzeit können folgende Kontraindikationen als von den meisten Chirurgen akzeptiert angesehen werden (Tab. B-1.20). ■ Operatives Vorgehen: Die Patienten sollten einen Blasenkatheter erhalten, um eine Sichtbehinderung und Harnblasenverletzungen zu vermeiden. Bei angelegtem Pneumoperitoneum wird umbilikal und in den linken bzw. rechten Unterbauch je ein Trokar eingebracht (Abb. B-1.96 a). Die Appendixspitze wird gefasst und das Mesenteriolum aufgespannt (Abb. B-1.96 b). Mesenteriolum mit A. appendicularis werden mit Elektrokoagulation oder Ligaturen abgesetzt. Nach Erreichen der Appendixbasis erfolgt das Absetzen der Appendix zwischen Ligaturen oder nach Elektrokoagulation der Basis mit Hochfrequenzstrom. Die Appendix wird dann durch den Trokar im rechten Unterbauch geborgen (Abb. B-1.96 c, d). Auf die Suche nach einem MeckelDivertikel muss aus operationstechnischen Gründen mitunter verzichtet werden.
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B 1.6 Appendix
■ ■ ■ ■
■
B-1.96
Laparoskopische Appendektomie
B-1.21
Postoperative Komplikationen der laparoskopischen Appendektomie
373
B-1.21
intraabdominelle Abszesse (s. u.) Bauchdeckenabszess Insuffizienz des Appendixstumpfverschlusses Läsion der A. oder V. iliaca beim Einbringen der Trokare
Abweichend von diesem Vorgehen kann die Appendix mit Mesenteriolum auch komplett in einem Schritt abgesetzt werden. Dafür wird der Linearstapler eingesetzt. Dieser weist in Längsrichtung mehrere versetzt und parallel zueinander verlaufende Klammerreihen auf. Nach Fassen des Gewebes wird dieses zwischen den Klammerreihen durchtrennt. Komplikationen: Unter Berücksichtigung der Kontraindikationen ist die Komplikationsrate (Tab. B-1.21) vergleichbar der nach konventioneller Operation.
■
Komplikationen: Die Komplikationsrate ist (Tab. B-1.21) vergleichbar mit der nach offener Operation.
Bei Vorliegen eines perityphlitischen Abszesses (Abb. B-1.97) wird heute die Abszessdrainage einschließlich der Appendektomie vorgenommen. Bestehen Kontraindikationen zur Laparotomie, kann in Ausnahmefällen eine Ultraschalloder CT-geführte Drainage und nach 6 Wochen – 3 Monaten die Appendektomie vorgenommen werden.
Bei Vorliegen eines perityphlitischen Abszesses (Abb. B-1.97) wird heute die Abszessdrainage einschließlich der Appendektomie vorgenommen.
Prognose: Die Letalität der Appendizitis ist eine Letalität der Verzögerung und beträgt zwischen 0 – 0,3 %. Nach einer Perforation beträgt die Morbidität zwischen 15 – 60 %, während die Letalität auf 1 % ansteigt.
Prognose: Die Letalität der Appendizitis (0 – 0,3 %) ist eine Letalität der Verzögerung. Nach einer Perforation beträgt die Letalität 1 %.
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374 B-1.97
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.97
Perityphlitischer Abszess Perityphlitischer Abszess mit Lufteinschlüssen (?) im CT 8 Wochen nach einem „akuten Ereignis“ im rechten Unterbauch.
Atypische Appendizitis
Atypische Appendizitis Die akute Appendizitis kann aufgrund der Lage der Appendix, des Alters des Patienten, einer Schwangerschaft oder durch eine bestehende Immunsuppression einen atypischen Verlauf annehmen.
Abnorme Lagevariante
Abnorme Lagevariante
Retrozökale, retroileale und subhepatische Appendizitis: Diese können durch den fehlenden Kontakt zum parietalen Peritoneum und M. psoas mit einer geringen Schmerzintensität einhergehen. Reizungen des Ureters führen zu Miktionsdrang. Appendizitis bei verlagertem Zökum (in rechten Oberbauch oder durch Malrotation nach links verlagert): Kann erhebliche diagnostische Schwierigkeiten bereiten. Das Gleiche gilt für die Beckenappendizitis.
Retrozökale, retroileale und subhepatische Appendizitis: Diese kann in ihrer Symptomatik erheblich vom typischen Verlauf abweichen (Abb. B-1.92). Durch den fehlenden Kontakt zum parietalen Peritoneum oder M. psoas sind die Schmerzangaben weniger intensiv. Angaben über eine Schmerzverlagerung vom Epigastrium in den rechten Unterbauch fehlen. Eine Reizung des rechten Ureters kann zu Angaben einer gesteigerten Miktionstendenz führen.
Appendizitis bei Kleinkindern
Appendizitis bei Kleinkindern
Hinweiszeichen bei Kindern: ■ Das rechte Hüftgelenk wird in Rückenlage gebeugt gehalten. ■ Der rechte untere Bauchdeckenreflex ist abgeschwächt. ■ Die Bauchatmung ist zugunsten der Brustatmung vermindert.
Zahlreiche Infektionen können beim Kleinkind mit den gleichen Symptomen einhergehen. Da sich das Kind gegen jede Untersuchung wehren wird, ist die Diagnostik erschwert, zumal Kinder den Schmerz nur mangelhaft lokalisieren können. Folgende Hinweiszeichen sind zu beachten: ■ Das rechte Hüftgelenk wird in Rückenlage spontan gebeugt gehalten. ■ Der rechte untere Bauchdeckenreflex ist abgeschwächt. ■ Die Bauchatmung ist zugunsten der Brustatmung vermindert.
왘 Merke
Appendizitis bei verlagertem Zökum: Erhebliche diagnostische Schwierigkeiten bereitet das in den rechten oberen Quadranten oder durch Malrotation nach links verlagerte Zökum. Beckenappendizitis: Diese ist ebenfalls nicht unproblematisch. Obwohl der Schmerz im Epigastrium beginnen kann, kommt es zu einer raschen Verlagerung in das kleine Becken, wobei hier der Schmerz linksseitig angegeben wird. Bei Harn- und Stuhldrang werden Dysurie und Diarrhö beklagt.
왘 Merke. Eine rektale Untersuchung ist auch beim Kind unabdingbar.
Appendizitis im höheren Alter
Appendizitis im höheren Alter
Ungeachtet des Entzündungsstadiums kann die Appendizitis beim älteren Patienten auffallend symptomlos verlaufen. Bereits die Verdachtsdiagnose rechtfertigt die Appendektomie.
Die Appendizitis beim älteren Patienten ist besonders gefährlich, da die Symptomatik nicht immer dem pathomorphologischen Befund entspricht. Der Schmerz ist nicht selten minimal und die Temperatur auch in fortgeschrittenen Stadien nur gering erhöht. Bereits bei der Verdachtsdiagnose einer Appendizitis ist bei diesen Patienten die Appendektomie angezeigt.
Appendizitis in der Schwangerschaft
Appendizitis in der Schwangerschaft
Durch Vergrößerung des Uterus kommt es während der Schwangerschaft zu einer Verlagerung von Zökum und Appendix in den
Sie stellt im ersten Trimenon kein diagnostisches Problem dar. Mit fortschreitender Vergrößerung des Uterus und der damit verbundenen Verlagerung
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B 1.6 Appendix
B-1.98
Appendixverlagerung während der Gravidität in Abhängigkeit vom Uterushochstand
375 B-1.98
von Zökum und Appendix in den rechten oberen Quadranten müssen alle differenzialdiagnostischen Möglichkeiten erörtert werden (Abb. B-1.98). Die Zahl der Leukozyten ist während einer Schwangerschaft ohne Aussagewert, da eine physiologische Leukozytose vorliegt. Kann eine Appendizitis nicht ausgeschlossen werden, muss eine Laparotomie erfolgen.
rechten oberen Quadranten (Abb. B-1.98). Die Diagnose wird hierdurch erschwert. Eine Leukozytose ist während der Schwangerschaft physiologisch und diagnostisch nicht verwertbar.
Appendizitis Crohn
Appendizitis Crohn
Die isolierte Appendizitis Crohn ist äußerst selten. Liegen keine begleitenden morphologischen Veränderungen von terminalem Ileum oder Zökum vor, kann die Appendix problemlos entfernt werden. Bei korrektem Vorgehen ist nicht mit einer Fistelbildung zu rechnen. Zeigt sich jedoch eine morphologisch weitergehende Erkrankung, empfiehlt es sich, die Appendix zu belassen um den Patienten nach entsprechender Aufklärung über die Erkrankung primär einer konservativen Behandlung zuzuführen (Gefahr der Fistelbildung).
Die isolierte Appendizitis Crohn ist sehr selten. Liegen keine begleitenden morphologischen Veränderungen von terminalem Ileum oder Zökum vor, kann die Appendix entfernt werden. Zeigt sich eine weitergehende Erkrankung empfiehlt es sich, die Appendix zu belassen und konservativ (medikamentös) vorzugehen (Gefahr der Fistelbildung).
Appendizitis bei Immunsuppression
Appendizitis bei Immunsuppression
Sowohl iatrogene Immunsuppression als auch AIDS können bei fehlenden Schmerzen und Fieber sowie normalen Leukozyten die Diagnose verschleiern. Nicht selten kommt es zur verzögerten Operation.
Iatrogene Immunsuppression als auch AIDS können bei fehlenden Schmerzen und Fieber sowie normalen Leukozyten die Diagnose verschleiern.
Neurogene Appendikopathie
Neurogene Appendikopathie
Sie verursacht meist rezidivierende Schmerzen im rechten Unterbauch. Entzündungszeichen fehlen. Als Ursache gilt eine vermehrte Proliferation des Plexus submucosus.
Meist rezidivierende Unterbauchschmerzen rechts ohne Entzündungszeichen. Ursache: Vermehrte Proliferation des Plexus submucosus.
Komplikationen
Komplikationen
Perforation
Perforation
Die häufigste Komplikation der akuten Appendizitis ist die gedeckte oder freie Perforation. Das Risiko einer Perforation steigt 24 Stunden nach Diagnosestellung. Die Inzidenz wird nach dieser Zeit mit 10 – 30 % angegeben, wobei die Perforationsrate 5 2. Lebensjahr und im hohen Alter am höchsten ist. Bei einer Anamnesedauer von mehr als 36 Stunden und einem eindeutigen Peritonismus bereitet die Diagnosestellung nur selten Schwierigkeiten. Liegt eine gedeckte Perforation vor, kann es in Abhängigkeit von der anatomischen Lage der Appendix zu Abszessbildungen unterschiedlicher Lokalisation kommen (perityphlitischer oder Ileoinguinalabszess, Douglas-Abszess oder Abszess im kleinen Becken, Lumbalabszess, subphrenischer Abszess).
Die Inzidenz wird nach 24 Stunden mit 10 – 30 % angegeben, wobei die Perforationsrate 5 2. Lebensjahr und im hohen Alter am höchsten ist.
Die gedeckte Perforation kann in Abhängigkeit von der Lage der Appendix zu Abszessbildungen führen (perityphlitischer Abszess, Ileoinguinalabszess, Abszess im kleinen Becken, Lumbalabszess, subphrenischer Abszess).
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376
B 1 Viszeralchirurgie
Die freie Perforation führt immer zu einer Peritonitis.
Die freie Perforation führt zu einer ausgeprägten Peritonitis mit einem toxischen Krankheitsbild. Radiologisch kann hier freie Luft im Abdomen gesichert werden.
Pylephlebitis
Pylephlebitis
Sie ist eine septische Thrombophlebitis im portalvenösen System. Fieber, Schüttelfrost und Ikterus sind charakteristisch. Das Krankheitsbild muss primär dem hepatobiliären System zugeordnet werden. Bei gleichzeitigem Verdacht auf eine akute Appendizitis muss daran gedacht werden.
Eine sehr seltene Komplikation ist die Pylephlebitis, die septische Thrombophlebitis, im portalvenösen System. Sie ist durch hohes Fieber mit Schüttelfrost und Ikterus charakterisiert. Obwohl das Krankheitsbild zuerst dem hepatobiliären System zugeordnet werden sollte, muss bei gleichzeitig bestehendem Verdacht auf eine akute Appendizitis daran gedacht werden.
Postoperative Komplikationen
Postoperative Komplikationen
Wundinfektionen: ■ Bauchdeckenabszess (10 – 30 %). ■ Douglas-Abszess und die Abszessbildung im kleinen Becken (2 – 5 %). Durch Adhäsionen können bereits frühzeitig Passagestörungen (Frühileus) auftreten. In 1 – 4 % der Patienten stellt sich noch nach Jahren durch Bridenbildung ein Spätileus ein.
Wundinfektionen: ■ Bauchdeckenabszess (10 – 30 %), und ■ intraabdominelle Abszesse wie der Douglas-Abszess und die Abszessbildung im kleinen Becken (2 – 5 %). Der Douglas-Abszess kann bei der Frau entweder transrektal oder transvaginal drainiert werden. Beim Mann wird die Abszedierung im kleinen Becken transrektal oder wenn erforderlich ultraschallgeführt perkutan evakuiert. Durch Adhäsionen können bereits frühzeitig Passagestörungen (Frühileus) auftreten. In 1 – 4 % der Patienten stellt sich noch nach Jahren durch Bridenbildung ein Spätileus ein.
Weitere Komplikationen: Protrahierte postoperative Darmparalyse, Kotfistel (bei Stumpfinsuffizienz oder bei Morbus Crohn).
Weitere Komplikationen sind die protrahierte postoperative Darmparalyse bei eitriger Appendizitis und Peritonitis und die Ausbildung einer Kotfistel. Die Kotfistel bildet sich gelegentlich durch eine Stumpfinsuffizienz (1 – 2 %), häufiger bei Morbus Crohn.
Chronische Appendizitis
Chronische Appendizitis
Es bestehen rezidivierende rechtsseitige Unterbauchbeschwerden ohne eindeutig klinisches Substrat. Die Appendektomie ist häufig eine Verlegenheitslösung, die meisten Patienten sind postoperativ aber beschwerdefrei.
Bei der chronischen Appendizitis handelt es sich um rezidivierende rechtsseitige Unterbauchbeschwerden, denen kein eindeutiges klinisches Substrat entspricht. Pathologisch-anatomisch zeigen sich Vernarbungen und periappendizitische Verwachsungen. Die Operation ist häufig als Verlegenheitslösung zu betrachten, wobei die meisten Patienten postoperativ beschwerdefrei sind.
1.6.3 Primäre maligne Tumoren
1.6.3 Primäre maligne Tumoren
Primäre maligne Tumoren der Appendix sind selten und machen nur 0,5 % der gastrointestinalen Malignome aus. Sie werden selten präoperativ diagnostiziert.
Obwohl primäre maligne Tumoren der Appendix nur 0,5 % der gastrointestinalen Malignome ausmachen sind sie erwähnenswert, weil sie selten prä- oder intraoperativ diagnostiziert werden. Hierzu gehören das Karzinoid, das muzinöse Zystadenokarzinom, das Adenokarzinom und das Adenokarzinoid. Lymphosarkom, Paragangliom und der Granulosazelltumor sind sehr selten anzutreffen.
Karzinoid
Karzinoid
Karzinoide machen insgesamt 85 % der malignen Appendixtumoren aus.
Trotz meist gutartigen Verhaltens gehört das Karzinoid aufgrund seiner Fähigkeit des invasiven Wachstums und der Tendenz zu metastasieren zu den bösartigen Tumoren. Karzinoide können in 0,5 % der Appendektomiepräparate beobachtet werden und machen insgesamt 85 % der malignen Appendixtumoren aus.
Therapie: Für die Behandlung des Karzinoids ist die Tumorgröße in vivo entscheidend. Fernmetastasen treten in der Regel nur bei jenen Patienten auf, bei denen der Tumordurchmesser 2 cm überschritten hat (Tab. B-1.22). Eine symptomatische Therapie kann durch die Applikation von 5-Hydroxytryptamin-(Serotonin-)Antagonisten (Octreotid®) erreicht werden.
Therapie: Für die Behandlung des Karzinoids ist die Tumorgröße in vivo entscheidend. Fernmetastasen treten in der Regel nur bei jenen Patienten auf, bei denen der Tumordurchmesser 2 cm überschritten hat (1,5 cm am fixierten Präparat, da durch die Fixation eine Schrumpfung um 35 % eintreten kann; Tab. B-1.22). Liegen bereits Fernmetastasen mit klinischer Symptomatik (Karzinoid-Syndrom, S. 362) vor, so kann diese entweder durch eine operative Tumorreduktion oder angioradiologische Embolisation beeinflusst werden. Eine symptomatische Therapie kann durch die Applikation von 5-Hydroxytryptamin(Serotonin-)Antagonisten (Sandostatin®) erreicht werden.
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B 1.6 Appendix
B-1.22
Therapie der Karzinoid-Tumoren
Größe*
Häufigkeit in % (bezogen auf Gesamtvorkommen)
Therapie
≤ 1 cm
70
Appendektomie
1,0 – 2,0
15
Metastasen in Mesenteriolum und Lymphknoten negativ: Appendektomie
377 B-1.22
Metastasen in Mesenteriolum und Lymphknoten positiv: Hemikolektomie rechts ≥ 2 cm
15
Hemikolektomie rechts
* 2,0 cm nativ = 1,5 cm am fixierten Präparat
Prognose: Sie hängt von der intraoperativ vorgefundenen Tumorausbreitung ab. Mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 99 % ist sie sehr gut. Rezidive sind nur bei Patienten mit großen Tumoren oder bereits vorhandener Lymphknotenmetastasierung zu finden. Wenn möglich sollten entweder bei der Erstoperation oder bei einem Rezidiveingriff alle Tumormanifestationen operativ beseitigt werden. Hierdurch kann immer noch eine 5-Jahres-Überlebensrate von 75 % erzielt werden.
Prognose: Sie hängt von der Tumorausbreitung ab. Mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 99 % ist sie sehr gut. Selbst bei großen Tumoren oder vorhandener Lymphknotenmetastasierung kann noch eine 5-JahresÜberlebensrate von 75 % erzielt werden.
Muzinöses Zystadenokarzinom
Muzinöses Zystadenokarzinom
Obwohl das muzinöse Zystadenokarzinom generell in die Adenokarzinome eingereiht wird, unterscheidet es sich von diesen in seinem Verhalten. Es wird fast immer unter den klinischen Zeichen einer Appendizitis symptomatisch. Bei Diagnosestellung haben bereits 50 % der Patienten intraabdominale Metastasen, einen malignen Aszites, intestinale Obstruktionen oder ein Pseudomyxoma peritonei. Bei kontinuierlicher Schleimproduktion kommt es zu einer Wandverdünnung der Appendix mit Ulzerationen und Kalkeinlagerungen. Die Perforation führt zu Schleimaustritt in die freie Bauchhöhle.
Das muzinöse Zystadenokarzinom wird immer als Appendizitis symptomatisch. Bei Diagnosestellung haben bereits 50 % der Patienten intraabdominale Metastasen, einen malignen Aszites, intestinale Obstruktionen oder ein Pseudomyxoma peritonei.
Differenzialdiagnostisch ist die Ursache der Schleimproduktion vom muzinösen Zystadenom abzugrenzen. Während sich beim Zystadenom histologisch atypische Drüsen in der Appendixwand zeigen, finden sich beim Zystadenokarzinom Epithelzellen im Mukos, die für eine persistierende Schleimhautproduktion verantwortlich sind. In 33 % der Fälle ist das Pseudomyxoma peritonei auf ein Zystadenom oder Zystadenokarzinom zurückzuführen.
Differenzialdiagnose: Muzinöses Zystadenom.
Therapie: Die Therapie des Zystadenoms besteht in einer einfachen Appendektomie. Das Zystadenokarzinom verlangt hingegen eine rechtsseitige Hemikolektomie mit einer Reduktion evtl. vorhandenen Tumorgewebes.
Therapie: Beim Zystadenom Appendektomie; beim Zystadenokarzinom rechtsseitige Hemikolektomie mit Reduktion evtl. vorhandenen Tumorgewebes. Prognose: Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt beim Zystadenokarzinom 70 %.
Prognose: Das muzinöse Zystadenokarzinom wächst nur langsam progredient und weist eine 5-Jahres-Überlebensrate von 70 % auf. Auch bei vorliegendem Pseudomyxoma peritonei beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate noch 50 %.
In 33 % der Fälle ist das Pseudomyxoma peritonei auf ein Zystadenom oder Zystadenokarzinom zurückzuführen.
Adenokarzinom
Adenokarzinom
Das Adenokarzinom der Appendix unterliegt mit einer rechtsseitigen Hemikolektomie den gleichen Behandlungsprinzipien wie das Zökumkarzinom. Wurde das Karzinom erst sekundär nach Appendektomie diagnostiziert, muss die Hemikolektomie nachgeholt werden.
Das Adenokarzinom der Appendix unterliegt mit einer rechtsseitigen Hemikolektomie den gleichen Behandlungsprinzipien wie das Zökumkarzinom.
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378 1.7
Kolon und Rektum
B 1 Viszeralchirurgie
1.7
Kolon und Rektum Rainer Isenmann, Michael Dürig, Hinnerk Gebhardt
Grundlagen
1.7.1 Grundlagen
1.7.1
Anatomie
Anatomie
Der Dickdarm umspannt als Rahmen den Peritonealraum im Uhrzeigersinn. Colon ascendens und descendens sind retroperitoneal fixiert, während das Colon transversum und das Colon sigmoideum mesenterial gestielt sind. Im Bereich der peritonealen Umschlagfalte geht das Colon sigmoideum in den Mastdarm über, der ausschließlich extraperitoneal gelegen ist.
Der Dickdarm umspannt als Rahmen den Peritonealraum im Uhrzeigersinn. Colon ascendens und descendens sind retroperitoneal fixiert, während das Colon transversum und das Colon sigmoideum mesenterial gestielt sind. Im Bereich der peritonealen Umschlagfalte geht das Colon sigmoideum in den Mastdarm über, der ausschließlich extraperitoneal gelegen ist. Im Bereich des Beckenbodens durchdringt das Rektum das muskuläre Diaphragma mit einem starken Knick, der durch einen Verstärkungszug des M. levator ani, der Puborektalisschlinge, verursacht wird. In Höhe der Linea dentata geht der Mastdarm in den Analkanal über. Die Muskulatur des Dickdarms ist longitudinal in drei Längsbändern, den Tänien angeordnet. Von der Lage am Colon transversum ausgehend werden sie als Taenia mesocolica, omentalis und libera bezeichnet. Am Colon sigmoideum gehen die Längsmuskelbänder in eine einheitliche longitudinale Muskelschicht auf das Rektum über. Die arterielle Blutversorgung entstammt den Aa. mesentericae superior und inferior. Die A. mesenterica superior versorgt das Zökum, Colon ascendens und Colon transversum, die A. mesenterica inferior das Colon descendens, Colon sigmoideum und teilweise das obere Rektum. Die A. mesenterica superior entlässt die Aa. ileocolica und colica media. Die A. colica dextra kann sowohl der A. mesenterica superior als auch der A. ileocolica entspringen.
Die arterielle Blutversorgung entstammt den Aa. mesentericae superior und inferior. Die A. mesenterica superior versorgt das Zökum, Colon ascendens und Colon transversum, die Mesenterica inferior das Colon descendens, Colon sigmoideum und teilweise das obere Rektum. Durch Anastomosen der Endäste der A. colica sinistra mit der A. mesenterica superior entsteht die sog. Riolan-Anastomose, die bei akuten Verschlüssen einer der beiden Arterien von vitaler Bedeutung ist.
Rektum: A. rectalis superior und inferior. Die venöse Drainage erfolgt v. a. entlang der Arterien in die Vv. mesentericae superior und inferior.
Aus der A. mesenterica inferior entspringt die A. colica sinistra und gibt gleichzeitig die Aa. sigmoideae und die A. rectalis superior ab. Durch Anastomosen der Endäste der A. colica sinistra mit der A. mesenterica superior entsteht die sog. Riolan-Anastomose, die bei akuten Verschlüssen einer der beiden Arterien von vitaler Bedeutung ist. Allerdings ist diese Verbindung nicht immer ausgebildet. Das Rektum wird neben der A. rectalis superior über Zuflüsse durch die Aa. haemorrhoidales media und inferior aus der A. iliaca interna versorgt. Die venöse Drainage erfolgt im Wesentlichen entlang der Arterien in die Vv. mesentericae superior und inferior.
Die Lymphgefäße des Dickdarms folgen den großen Blutgefäßen, wobei vornehmlich eine segmentale Drainage erfolgt. Das untere Rektum drainiert zusätzlich über die parailiakalen Lympknoten und inguinalen Lymphbahnen (Abb. B-1.99).
Die Lymphgefäße des Dickdarms erreichen zunächst regionäre Lymphknoten in der Darmwand und folgen dann den großen Blutgefäßen, wobei vornehmlich eine segmentale Drainage erfolgt. Das untere Rektum drainiert entlang der Gefäße zusätzlich über die parailiakalen Lymphknoten und findet Anschluss an die inguinalen Lymphbahnen (Abb. B-1.99).
Physiologie
Physiologie
Eine der wichtigsten Aufgaben des Dickdarms ist die Regulation des Volumens und der Elektrolytzusammensetzung des Stuhls. Sie wird durch eine Resorption von Natrium, Chlorid und Wasser sowie eine Sekretion von Kalium und Bikarbonat erreicht.
Eine der wichtigsten Aufgaben des Dickdarms ist die Regulation des Volumens und der Elektrolytzusammensetzung des Stuhls. Sie wird durch eine Resorption von Natrium, Chlorid und Wasser sowie eine Sekretion von Kalium und Bikarbonat erreicht. Daneben obliegt dem Dickdarm die Aufgabe, kurzkettige Fettsäuren wie Essig-, Proprion- und Buttersäure zu resorbieren. Sie entstehen durch den bakteriellen fermentativen Abbau von Kohlenhydraten, die nicht im Dünndarm resorbiert wurden. Die Intensität dieser Resorptions- und Sekretionsvorgänge nimmt vom proximalen zum distalen Kolon ab. Die Resorptionskapazität für Wasser beträgt 2 – 5 Liter in 24 Stunden.
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B 1.7 Kolon und Rektum
B-1.99
379
Anatomie der Lymphgefäße (I) und Diagnostik (II) bei Dickdarmerkrankungen
I Lymphdrainage aus den Gebieten von Rektum und Anus
II Diagnostik bei Dickdamerkrankungen
a Endoskopisches Bild eines Kolonpolypen
b Kontrastmittel-CT eines stenosierenden Karzinoms im Sigma (?)
c MRT eines tiefsitzenden, semizirkulär wachsenden Rektumkarzinoms (?). Der Tumor infiltriert die mesorektrale Faszie (*).
Die Regulation erfolgt durch das enterische Nervensystem, Hormone wie Aldosteron oder Hydrokortison, lokale Mediatoren und intraluminale Substanzen (z. B. Gallensäuren). Die Motilität des Dickdarms besteht aus lokalen Einzelkontraktionen und propulsiven Massenbewegungen. Die Bewegungsvorgänge und die Muskeleigentätigkeit werden durch das enterische Nervensystem koordiniert. Neben den Neurotransmittern Acetylcholin und Noradrenalin spielen im enterischen Nervensystem auch zahlreiche regulatorische Peptide als nervale Transmitter eine Rolle. Die Stimulierung der Motilität im Rektosigmoid durch orale Nahrungszufuhr, der sog. gastrokolische Reflex, wird über cholinerge und Opiatrezeptoren vermittelt. Die Bewegungsvorgänge werden zusätzlich durch den Dickdarminhalt beeinflusst. Schlackenarme Kost erhöht die Verweildauer der Fäzes im Kolon, während schlackenreiche Kost (z. B. Kleie) die Passagezeit verkürzt. Die vermehrte Füllung bedingt hierbei durch Dehnung der Kolonmuskulatur eine verbesserte Koordination der Kolonmotorik.
Die Motilität des Dickdarms besteht aus lokalen Einzelkontraktionen und propulsiven Massenbewegungen. Die Bewegungsvorgänge und die Muskeleigentätigkeit werden durch das enterische Nervensystem koordiniert. Hierbei haben parasympathische Nerven eine kontraktionsfördernde und sympathische Nerven überwiegend eine kontraktionshemmende Wirkung. Die Bewegungsvorgänge werden zusätzlich durch den Dickdarminhalt beeinflusst. Die Kolonflora wird durch die anaeroben Bakterien der Bacteroidesgruppe bestimmt. Ihre Aufgabe besteht in dem Abbau zuvor nicht resorbierter Kohlenhydrate sowie in der
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380
B 1 Viszeralchirurgie
Vermeidung einer Überwucherung mit potenziell pathogenen Kleimen (z. B. Clostridien).
Die Kolonflora wird durch die anaeroben Bakterien der Bacteroidesgruppe bestimmt. Ihre Aufgabe besteht in dem Abbau zuvor nicht resorbierter Kohlenhydrate sowie in der Vermeidung einer Überwucherung mit potenziell pathogenen Keimen (z. B. Clostridien).
Klinische Leitsymptome von Dickdarmerkrankungen ■ ■ ■ ■
■ ■ ■ ■ ■ ■
Wechsel der Stuhlgewohnheiten Verstopfung (Obstipation) Durchfall (Diarrhö) Wechsel Verstopfung/Durchfall (sog. paradoxe Diarrhö) anale Blut- und Schleimabgänge Schmerzen Krämpfe Dehnungsschmerz bei Ileus entzündliche Darmwandprozesse Durchblutungsstörungen
Klinische Leitsymptome von Dickdarmerkrankungen ■ ■ ■ ■
■ ■ ■ ■ ■ ■
왘 Merke
Wechsel der Stuhlgewohnheiten über eine längere Zeitspanne Verstopfung (Obstipation) Durchfall (Diarrhö) Wechsel von Verstopfung und Durchfall (meist bei Stenosen als sog. paradoxe Diarrhö) Anale Blut- und Schleimabgänge Schmerzen Krämpfe bei bestehendem Passagehindernis Dehnungsschmerz bei Ileus Entzündliche Darmwandprozesse Durchblutungsstörungen
왘 Merke. Jede persistierende Änderung der Stuhlgewohnheiten deutet auf eine Dickdarmerkrankung hin. Ein Kolonkarzinom muss ausgeschlossen werden.
Diagnostische Verfahren bei Dickdarmerkrankungen
Diagnostische Verfahren bei Dickdarmerkrankungen
Endoskopie
Endoskopie
Diagnostische Standard zur Abklärung von Kolonerkrankungen ist die komplette Koloskopie. Die starre Rektoskopie dient der speziellen Diagnostik des Rektums.
Die komplette Koloskopie bis ins terminale Ileum ist heute der diagnostische Standard zur Abklärung von Kolonerkrankungen. Zur speziellen Abklärung des Rektums steht die starre Rektoskopie zur Verfügung. Endoskopische Verfahren bieten ergänzend zur Diagnostik auch die Möglichkeit der Therapie, z. B. zur Abtragung von Kolonpolypen (Abb. B-1.99 II a).
Bildgebende Verfahren
Bildgebende Verfahren
Kolon-Kontrasteinlauf: Dieser ist indiziert, wenn die Koloskopie nicht durchführbar ist.
Kolon-Kontrasteinlauf: Dieser ist heute in der Kolondiagnostik weitgehend von der Koloskopie verdrängt worden. Er bietet sich jedoch immer dann an, wenn die Koloskopie nicht durchführtbar ist, z. B. zur Restkolonabklärung bei koloskopiesch nicht passierbaren Stenosen des Dickdams.
Kontrastmittel-CT: Es liefert Informationen über Tumorgröße, Infiltration von Nachbarorganen und Vorliegen von Fernmetastasen.
Kontrastmittel-CT: Dieses ist ein wichtiges bildgebendes Verfahren und liefert z. B. beim Kolonkarzinom Informationen über die Größe des Tumors, über die Infiltration von Nachbarorganen und über das Vorliegen von Fernmetastasen (Abb. B-1.99 II b).
Magnetresonanztomographie (MRT): Zum Staging bei Rektumkarzinom ist eine MRTAufnahme des kleinen Beckens dem CT überlegen.
Magnetresonanztomographie (MRT): Zum Staging des Rektumkarzinoms ist eine MRT-Aufnahme des kleinen Beckens sinnvoll (Lymphknotenmetastasen?, Infiltration von Nachbarorganen?) und bei dieser Indikation dem CT überlegen (Abb. B-1.99 II c).
Endosonographie: Sie dient dem Staging beim Rektumkarzinom.
Sonographische Untersuchungen des Kolons: Im Wesentlichen beschränken sich diese auf die Endosonographie zum Staging des Rektumkarzinoms.
Zusatzuntersuchungen
Zusatzuntersuchungen
Zur Diagnostik der Sphinkterinsuffizienz können die Manometrie oder Elektromyographie sinnvoll sein.
Bei speziellen Fragestellungen kann die Anwendung spezieller Untersuchungstechniken, wie die anale Manometrie oder Elektromyographie zur Diagnostik der Sphinkterinsuffizienz sinnvoll sein.
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B 1.7 Kolon und Rektum
1.7.2 Kongenitale Fehlentwicklungen (S. 1064) ■ ■ ■
Duplikaturen des Gastrointestinaltrakts. Anorektale Atresie. Morbus Hirschsprung.
381 1.7.2 Kongenitale Fehlentwicklungen ■ ■ ■
Duplikaturen des Gastrointestinaltrakts. Anorektale Atresie. Morbus Hirschsprung.
1.7.3 Entzündungen
1.7.3 Entzündungen
Divertikulose
Divertikulose
왘 Definition. Divertikel des Intestinaltrakts sind Lumenausstülpungen der
왗 Definition
Darmwand. ■
■
Echte Divertikel: Protrusion aller Wandschichten (Serosa, Muskularis, Mukosa). Sie sind kongenital angelegt Falsche Divertikel = Pseudodivertikel: Muskularis fehlt. Sie sind erworben.
Lokalisation: Obwohl Divertikel in allen Darmabschnitten beobachtet werden können, treten sie mit 95 % gehäuft im Colon sigmoideum auf. Diese Divertikulose ist oft ein Zufallsbefund und bleibt asymptomatisch, wenn keine Entzündung eintritt. 왘 Merke. Entzünden sich derartige Divertikel, kommt es zum Krankheitsbild
Lokalisation: Divertikel treten in allen Darmabschnitten, mit 95 % jedoch gehäuft im Colon sigmoideum auf (Divertikulose).
왗 Merke
der Divertikulitis. Ätiologie: Wenigstens 3 Faktoren spielen eine entscheidende Rolle: ■ Altersbedingte, verminderte Resistenz der Darmwand. ■ Transmuraler Druckgradient zwischen Darmlumen und der Bauchhöhle. ■ Ballaststoffarme Ernährung. Muskuläre Schwachstellen bilden sich insbesondere an den Durchtrittsstellen der mesenterialen Gefäße aus (Abb. B-1.100). Die bevorzugte Lokalisation von Divertikeln im Colon sigmoideum beruht darauf, dass es bei relativ kleinem Lumen im Vergleich zum restlichen Kolon einen maximalen Eigendruck aufbauen kann.
Ätiologie: Eine verminderte Resistenz der Darmwand und ein transmuraler Druckgradient zwischen Darmlumen und Bauchhöhle sind für die Entstehung der Divertikel von Bedeutung. Bevorzugte Lokalisation ist die Durchtrittsstelle von Gefäßen (Abb. B-1.100).
Epidemiologie: Die Inzidenz beträgt nach dem 50. Lebensjahr 5 % und erreicht im 85. Lebensjahr ca. 70 %.
Epidemiologie: Die Inzidenz steigt von 5 % im 50. Lebensjahr auf 70 % im 85. Lebensjahr an.
Klinik: Das klinische Bild der unkomplizierten Divertikulose ist bei 80 % der betroffenen Patienten asymptomatisch. Bei den restlichen Patienten wird die Divertikulose symptomatisch. Hierzu gehören krampfartige Schmerzen unterschiedlicher Intensität im linken unteren Quadranten, die nach Nahrungsaufnahme aggravieren können. Gleichzeitig können Diarrhöen im Wechsel mit Zeichen der Obstipation auftreten.
Klinik: In 80 % bleibt die Divertikulose asymptomatisch. Sie kann aber auch krampfartige Schmerzen im linken Unterbauch verursachen. Es können Diarrhöen im Wechsel mit Obstipation auftreten.
B-1.100
Divertikelbildung und Beziehung zum Gefäßsystem
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382
B 1 Viszeralchirurgie
Komplikationen: Divertikelblutung (10 – 30 %), Divertikulitis (s. u.).
Komplikationen: Zu den Komplikationen der Divertikulose gehören die Blutung und die Divertikulitis (s. u.). Die Inzidenz der Blutung beträgt 10 – 30 %. Sie tritt vornehmlich bei der Divertikulose und sehr selten bei der Divertikulitis auf.
Therapie: Wichtigste Maßnahmen sind faserreiche Kost und Verminderung der Stuhlkonsistenz.
Therapie: Die Therapie der Divertikulose besteht in der Beeinflussung der Symptome und Vermeidung von Komplikationen: Hierzu gehören in erster Linie diätetische Maßnahmen mit einem hohen Anteil faserreicher Kost und das Bestreben, die Stuhlkonsistenz zu vermindern.
왘 Merke
왘 Merke. Bei der Gabe von Analgetika ist Morphin zu vermeiden, da es den intraluminalen Druck im Kolon erhöht.
Bei 5 % der Patienten kommt es zur massiven Blutung, die operativ angegangen werden muss. Die Sicherung der Blutungsquelle erfolgt angiographisch/CT-angiographisch. Ist eine massive Blutung nicht lokalisierbar, kann bei einem Notfalleingriff die subtotale Kolektomie mit einer ileorektalen Anastomose erforderlich werden. Die Operationsletalität beträgt hierbei 10 %.
Die massive Blutung ist bei 5 % der Patienten eine Indikation zur Operation. Differenzialdiagnostisch können die Angiodysplasie oder die ischämische Kolitis irreführend sein. Bei der Diagnostik ist die Koloskopie nur selten hilfreich und der selektiven Angiographie der A. mesenterica superior und inferior unterlegen. Die Blutungsquelle kann hiermit indentifiziert werden, wenn die Blutung 0,5 ml/Minute beträgt. Eine gleiche bis höhere Sensitivität besitzt heute die CT-Angiographie, die gleichzeitig eine Umfelddiagnostik ermöglicht. Wird eine Blutstillung erreicht, entspricht die weitere Behandlung der der chronischen Divertikulose. Die unkontrollierbare Blutung oder die Rezidivblutung verlangen eine chirurgische Intervention. Ist der Ort der Blutung lokalisiert, ist die Segmentresektion mit einer primären Anastomose die Therapie der Wahl. Ist eine massive Blutung nicht lokalisierbar, kann bei einem Notfalleingriff die subtotale Kolektomie mit einer ileorektalen Anastomose erforderlich werden. Die Operationsletalität beträgt hierbei 10 %.
Divertikulitis
Divertikulitis
왘 Definition
왘 Definition. Die Infektion der mit Darminhalt gefüllten Divertikel führt zur Divertikulitis. Das Krankheitsbild kann sich akut oder chronisch manifestieren.
Epidemiologie: 15 – 25 % aller Divertikelträger.
Epidemiologie: Etwa 15 – 25 % der Divertikelträger sind betroffen.
Lokalisation: In 95 % Colon sigmoideum, in 1 % Colon transversum, in je 2 % Zökum und Colon ascendens.
Lokalisation: In 95 % der Fälle ist das Colon sigmoideum, in 1 % das Colon transversum und in jeweils 2 % sind Zökum und Colon ascendens betroffen.
Klinik: Häufig findet sich ein akuter Schmerzbeginn im linken Unterbauch („Linksappendizitis“), oft mit Ausstrahlung in den Rücken. Es kommt zu Fieber, Übelkeit, Erbrechen und Veränderung der Stuhlgewohnheiten von Diarrhö bis zur Obstipation.
Klinik: Das klinische Bild präsentiert sich mit einem akuten Schmerzbeginn im linken Unterbauch („Linksappendizitis“), der oft in den Rücken ausstrahlt. Bei elongiertem Sigma mit Verlagerung nach rechts, können die Beschwerden auch suprapubisch oder rechtsseitig auftreten und eine Appendizitis vortäuschen. Die Schmerzsymptomatik kann von Fieber, Übelkeit und Erbrechen begleitet werden. Veränderungen der Stuhlgewohnheiten von Diarrhö bis zur Obstipation sind nicht selten. Dysurie und Polyurie weisen auf eine Beteiligung der Harnblase hin.
왘 Merke
왘 Merke. Beim geriatrischen Patienten oder Patienten, die unter einer immunsuppressiven Therapie stehen, kann die akute Symptomatik fehlen und das Krankheitsbild atypisch verlaufen.
Bei der chronischen Verlaufsform steht die Symptomatik der spastischen Stenose im Vordergrund.
Bei der chronischen Verlaufsform steht die Symptomatik der spastischen Stenose und gegebenenfalls die Lumeneinengung durch einen entzündlichen Tumor im Vordergrund. Hinter einer Lumeneinengung kann sich jedoch immer ein Karzinom verbergen.
Komplikationen: Zu den Komplikationen der Divertikulitis (Abb. B-1.101) gehören der intraabdominelle Abszess, die gedeckte oder freie Perforation, Blutungen, Fisteln und der Darmverschluss.
Komplikationen: Zu den Komplikationen der Divertikulitis (Abb. B-1.101) gehören der intraabdominelle Abszess, die gedeckte oder freie Perforation, Blutungen, Fisteln und der Darmverschluss.
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B 1.7 Kolon und Rektum
B-1.101
Komplikationen der Divertikulitis
383 B-1.101
Die Abszessbildung (39 %) ist meist Folge einer gedeckten Perforation (36 %) eines Divertikels nach retroperitoneal oder in das Mesenterium. Klinisch finden sich persistierende Temperaturen u.U. mit Schüttelfrost und eine palpable, schmerzhafte Resistenz im Unterbauch. Zur Fistelbildung kommt es, wenn entweder ein Abszess oder seltener ein Divertikel in benachbarte Hohlorgane perforiert. Am häufigsten ist die kolovesikale Fistel zwischen Colon sigmoideum und der Blasenhinterwand beim Mann zu beobachten (3 %). Sie manifestiert sich in rezidivierenden Harnwegsinfekten, Pneumaturie und Fäkalurie. Bei 30 % der Fistelbildungen geht keine klinische Symptomatik voraus. Enterokolische Fisteln bleiben asymptomatisch. Die entzündlichen Veränderungen in der Umgebung oder in der Kolonwand können zu einem inkompletten oder kompletten Darmverschluss (14 %) führen. Ergreift der entzündliche Prozess benachbarte Dünndarmschlingen, so kann es auch hier zu einem Ileus kommen. Die retroperitoneale Entzündung kann zusätzlich den Harnleiter erfassen und zu einer Dysurie und Ureterstenosen führen. Bei der freien Perforation kommt es zur Kontamination der Peritonealhöhle mit Darminhalt. Die kotige Peritonitis führt zu einem septischen Krankheitsbild.
Die Abzessbildung (39 %) ist meist Folge einer gedeckten Perforation (36 %) eines Divertikels. Symptome sind persistierendes Fieber und eine palpable schmerzhafte Resistenz im Unterbauch. Die Perforation in ein benachbartes Hohlorgan führt zur Fistelbildung. Mit 3 % ist die kolovesikale Fistel beim Mann am häufigsten. Sie manifestiert sich in rezidivierenden Harnwegsinfekten, Pneumaturie und Fäkalurie. Die entzündlichen Veränderungen können zum Darmverschluss führen (14 %).
Diagnostik: In den Laboruntersuchungen zeigen sich eine ausgeprägte Leukozytose und ein Anstieg des CRP. Bei einer Beteiligung von Harnblase oder Ureter finden sich in der Urinanalyse Leuko- und Erythrozyten. Bei der Divertikelerkrankung des Kolons ist die Röntgenuntersuchung das Verfahren der Wahl. Bereits die Abdomenleeraufnahme kann auf eine intestinale Obstruktion und intraperitoneale (Übersicht in Linksseitenlage) oder retroperitoneale freie Luft hinweisen. Den Nachweis der Divertikelerkrankung erbringt schließlich die Kolonkontrastuntersuchung. Sie kann Stenosen, Fisteln und extraluminale Lumeneinengungen (Divertikulitistumor) nachweisen (Abb. B-1.102).
Diagnostik: Laborchemisch findet sich eine Leukozytose und ein Anstieg des CRP. Die Abdomenleeraufnahme zeigt die intestinale Obstruktion und freie intra- und retroperitoneale Luft. Durch die Kolonkontrastuntersuchung lassen sich Stenosen, Fisteln und Lumeneinengungen nachweisen (Abb. B-1.102).
왘 Merke. Bei Perforationsverdacht ist die Verwendung von Barium kontrain-
왗 Merke
diziert, da Bariumaustritt in die freie Bauchhöhle zu einer schwer behandelbaren Bariumperitonitis führen kann. Hier darf nur wasserlösliches Kontrastmittel (Gastrographin®, Peritrast®) angewandt werden. Die Computertomographie (CT) kann die Abklärung erweitern. Neben der Darstellung von Divertikeln gestattet sie eine Aussage über Abszessbildungen, die Beteiligung von Nachbarorganen und extraluminale Verdrängungen. Es handelt sich um Darstellungen, die teilweise auch durch die Sonographie erzielt werden können. Die Koloskopie hat bei der akuten Divertikulitis begrenzten Aussagewert, da Spasmen im Sigma die Untersuchungsmöglichkeit einschränken können. Sie
Die Computertomographie erlaubt Aussagen über Abszessbildungen und Beteiligung von Nachbarorganen.
Die Koloskopie hat bei der akuten Divertikulitis begrenzten Aussagewert.
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384 B-1.102
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.102
Akute Divertikulitis Akute Divertikulitis mit divertikulitischer Stenose (?) im Kolonkontrasteinlauf.
kann jedoch für die Erkennung zusätzlicher pathologischer Veränderungen wie Polypen, einer Kolitis oder eines Karzinoms von Nutzen sein. 왘 Merke
왘 Merke. Liegt der Verdacht einer Perforation vor, ist die Koloskopie kontraindiziert, da Luftinsufflation in das Darmlumen Darminhalt in die Peritonealhöhle pressen kann.
Konservative Therapie: Bei einem ersten unkomplizierten Schub genügen konservative Maßnahmen (Nahrungskarenz, parenterale Flüssigkeits- und Antibiotikazufuhr).
Konservative Therapie: Bei einem ersten Schub einer unkomplizierten Divertikulitis ist die konservative Behandlung mit Nahrungskarenz, parenteraler Flüssigkeits- und Antibiotikazufuhr berechtigt. 65 % der so behandelten Patienten benötigen keine weitere Maßnahmen.
Operative Therapie: Absolute Operationsindikationen sind die freie Perforation mit und ohne Peritonitis, Abszess, Stenose, Ileus und Fistelbildung. Liegt eine gedeckte Perforation mit Abszessbildung vor, kann das betroffene Darmstück reseziert und primär End-zu-End anastomosiert werden. Bei schlechtem Allgemeinzustand kann alternativ eine perkutane Drainage vorgenommen und nach 7 – 10 Tagen das befallene Darmsegment mit primärer Anastomose entfernt werden.
Operative Therapie: Als absolute Operationsindikation gelten freie Perforation mit und ohne Peritonitis, Abszess, Stenose, Ileus, Fistelbildung zur Harnblase, Vagina, zum Ovar, Rektum und zu den Bauchdecken. Ist 12 – 24 Stunden nach dem Versuch einer konservativen Behandlung eine Persistenz der klinischen Symptomatik zu beobachten, muss die operative Intervention erörtert werden. Liegt eine gedeckte Perforation mit Abszessbildung im Mesenterium oder gegen die Bauchdecke vor, kann das betroffene Darmstück reseziert und End-zu-End anastomosiert werden. Lässt der Allgemeinzustand des Patienten vorübergehend keine Operation zu, kann alternativ eine CT- oder Ultraschall-geführte perkutane Drainage vorgenommen werden. Das befallene Dickdarmsegment wird dann nach 7 – 10 Tagen mit primärer Anastomose entfernt. Bei 40 % der Patienten, die sich wegen einer Divertikulitis einer Operation unterziehen müssen, wird eine Abszessbildung beobachtet. Die Letalität beträgt 2,5 %. Die freie Perforation mit kotiger Peritonitis ist meist im Rahmen der Sepsis mit instabilen Kreislaufverhältnissen verbunden. Nach Stabilisierung der Hämodynamik muss die Resektion des perforierten Darms mit einer ausgiebigen Lavage der Peritonealhöhle erfolgen. In dieser Situation wird der Darm oral der Resektion als terminales Kolostoma ausgeleitet. Der aborale Darmabschnitt wird blind verschlossen (Hartmann-Operation/Diskontinuitätsresektion) (Abb. B-1.103). Bei besonders schwerer Kontamination kann eine programmierte Abdominallavage nach dem Ersteingriff erforderlich werden. Eine Wiederher-
Die freie Perforation mit kotiger Peritonitis ist meist im Rahmen der Sepsis mit instabilen Kreislaufverhältnissen verbunden. Nach Stabilisierung der Hämodynamik muss die Resektion des perforierten Darmes mit einer ausgiebigen Lavage der Peritonealhöhle erfolgen. In dieser Situation wird der Darm oral der Resektion als terminales Kolostoma ausgeleitet. Der aborale Darmabschnitt wird
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B 1.7 Kolon und Rektum
B-1.103
385
Diskontinuitätsresektion nach Hartmann
Blinder Verschluss des Rektums und Anlage eines endständigen Stomas des Colon descendens. Dieses Verfahren findet sowohl bei der perforierten Sigmadivertikulitis als auch als Palliativverfahren beim irresektablen Rektumkarzinom Anwendung.
stellung der Kontinuität kann bei einem blanden Verlauf nach frühestens 12 – 16 Wochen erfolgen. Es muss jedoch festgehalten werden, dass auch bei diesen Patienten der Trend zur primären Anastomose besteht. Die Entscheidung hierüber setzt allerdings eine erhebliche operative Erfahrung voraus und darf nicht als Standardverfahren betrachtet werden. Fisteln als Spätmanifestation einer spontanen Abszessdrainage in benachbarte Organe oder durch die Haut unterliegen den Bedingungen der Elektivoperation. Hierbei werden der fistelbildende Darmanteil einschließlich der Fistel reseziert und der Darm primär anastomosiert. Die Operationsletalität liegt unter 1 %. Der Darmverschluss kann durch narbige Verwachsungen chronisch verlaufen. Die Operation besteht in einer Adhäsiolyse des adhärenten Dünndarms und einer Resektion des entzündeten Dickdarmsegmentes (Tab. B-1.23).
B-1.23
Therapeutische Vorgehensweise bei Divertikulitis und deren Komplikationen
Befund
Therapie
akute Divertikulitis 1. Schub
■ ■ ■
Persistenz 4 24 h Rezidiv Divertikulitis-Komplikation gedeckte Perforation
■ ■
■ ■
freie Perforation (mit kotiger Peritonitis)
■ ■ ■ ■
Fisteln
■ ■
Darmverschluss
■ ■
blind verschlossen (Hartmann-Operation/ Diskontinuitätsresektion) (Abb. B-1.103). Eine Wiederherstellung der Kontinuität kann nach blandem Verlauf nach 12 – 16 Wochen erfolgen. Die primäre Anastomose wird auch hier angestrebt, stellt aber kein Standardverfahren dar. Bei Fisteln wird der fistelbildende Darmanteil samt Fistel reseziert und der Darm primär anastomosiert. Die Operationsletalität liegt 5 1 %. Beim Darmverschluss wird eine Adhäsiolyse und eine Resektion des entzündeten Dickdarmsegmentes durchgeführt (Tab. B-1.23).
B-1.23
konservativ Nahrungskarenz parenterale Flüssigkeits- und Antibiotikazufuhr Elektivoperation End-zu-End-Anastomose sofortige Operation End-zu-End-Anastomose sofortige Operation Diskontinuitätsresektion nach Hartmann Wiederanschlussoperation nach 6 – 12 Wochen evtl. Etappenlavage Elektivoperation primäre Anastomose sofortige Operation Adhäsiolyse und Resektion des entzündlichen Darmabschnittes
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386
B 1 Viszeralchirurgie
Colitis ulcerosa
Colitis ulcerosa
Grundlagen
Grundlagen
왘 Definition
왘 Definition. Die Colitis ulcerosa ist eine unspezifische Entzündung unklarer Ätiologie, die ausschließlich die Dickdarmmukosa befällt und sich beginnend vom Rektum nach proximal ausbreitet.
Epidemiologie: Beginn meist zwischen 15. und 40. Lebensjahr. Schubförmiger Verlauf.
Epidemiologie: Die Erkrankung wird zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr manifest, kann jedoch in jedem Alter beobachtet werden. Sie verläuft in akuten Schüben, die sich mit Remissionen abwechseln.
Klinik: Bei ca. 50 % bleibt die Erkrankung auf das Rektum und Rektosigmoid beschränkt, bei 20 % ist das gesamte Kolon betroffen.
Klinik: Bei 20 % der Patienten ist das gesamte Kolon betroffen, bei 30 – 40 % liegt ein Befall über das Sigma bis zum angrenzenden Colon descendens vor und bei 40 – 50 % bleibt die Erkrankung auf das Rektum und Rektosigmoid beschränkt. Das morphologische Bild ist durch eine hyperäme, ödematöse Mukosa geprägt. In Abhängigkeit vom Schweregrad treten Ulzerationen auf, die entlang der Tänien verlaufen können. Als Zeichen der Epithelregeneration treten nach längerem Krankheitsverlauf entzündliche Polypen oder Pseudopolypen (Abb. B-1.104) auf.
Das morphologische Bild ist durch eine hyperäme, ödematöse Mukosa geprägt. Es treten Ulzerationen auf. Als Zeichen der Epithelregeneration treten nach längerem Krankheitsverlauf entzündliche Polypen oder Pseudopolypen auf (Abb. B-1.104). 왘 Merke
왘 Merke. Die Colitis ulcerosa ist 10 – 15 Jahre nach Diagnosestellung mit einem deutlich erhöhten Karzinomrisiko behaftet. Das absolute Risiko beträgt 35 Jahre nach Ausbruch der Erkrankung 30 % und steigt auf 49 %, wenn die Diagnose vor dem 15. Lebensjahr gestellt wurde.
Die Hauptsymptome der Colitis ulcerosa sind: ■ rektale Blutabgänge ■ Diarrhö ■ Abdominalschmerzen.
Die Hauptsymptome der Colitis ulcerosa sind rektale Blutabgänge, Durchfälle und Abdominalschmerzen: ■ Rektaler Blutabgang kann bei der hämorrhagischen Proktitis (isolierter Rektumbefall) beobachtet werden. Hierbei handelt es sich im Gegensatz zu einem das Rektum überschreitenden Befall um Frischblut, das leicht mit einer Hämorrhoidalblutung verwechselt werden kann. Hat die Erkrankung das Rektum überschritten, stellen sich blutig-schleimige Durchfälle ein. ■ Diarrhö tritt, insbesondere postprandial, bei den meisten Patienten mit einer aktiven Erkrankung auf. Nicht selten vermittelt das stark entzündete Rektum das Gefühl der inkompletten Entleerung. Pathophysiologisch liegt die Ursache der Durchfälle in erster Linie in einer verminderten Resorption für Salz und Wasser durch die Kolonschleimhaut. In Abhängigkeit vom Krankheitsverlauf nimmt die Frequenz der Darmentleerungen zu. ■ Abdominalschmerzen gehören nicht zu den beherrschenden Symptomen und können außerhalb eines akuten Schubes unspezifisch sein.
Mögliche extraintestinale Manifestationen s. Tab. B-1.24.
Je nach Aktivitätsgrad der Erkrankung sind extraintestinale Manifestationen zu beobachten, die sich bei einer Remission wieder zurückbilden (Tab. B-1.24).
B-1.104
B-1.104
Pseudopolypen bei Colitis ulcerosa
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B 1.7 Kolon und Rektum
B-1.24
Extraintestinale Manifestationen der Colitis ulcerosa
in Beziehung zum Aktivitätsgrad der Erkrankung
■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
ohne Beziehung zur Aktivität der Erkrankung
■ ■ ■
Selten
■ ■
387 B-1.24
periphere Arthropathie Erythema nodosum Episkleritis Ulzerationen des Mundes Fettleber Pyoderma gangraenosum Uveitis Sakroiliitis ankylosierende Spondylitis primär sklerosierende Cholangitis Perikarditis, akute febrile neutrophile Dermatose Amyloidose
Diagnostik: Durch Stuhlproben sollte eine spezifische Entzündung ausgeschlossen werden (z. B. Salmonellen, Campylobacter, Clostridium difficile, Amöben). Beim immunsupprimierten Patienten (Chemotherapie, nach Transplantation oder bei AIDS) müssen opportunistische Infektionen des Kolons in Erwägung gezogen werden. Zur Sicherung der Diagnose ist die Sigmoidoskopie ausreichend. Bei starker Entzündung ist jedoch eine übermäßige Luftinsufflation zu vermeiden. Die Koloskopie ist gewöhnlich für die Erhebung der Diagnose nicht erforderlich. Sie ist jedoch für die Erfassung der Krankheitsausdehnung mit histologischer Sicherung notwendig und wird erforderlich, wenn eine Diskrepanz zwischen den Beschwerden des Patienten und einem normalen Röntgenbefund (bis zu 14 %) besteht. Für die Karzinomvorsorge ist sie unerlässlich. Die Röntgenuntersuchung gestattet bei bekannter Diagnose bereits in der Abdomenleeraufnahme eine Aussage über die Ausdehnung des Kolonbefalls. Entzündeter Dickdarm enthält selten Stuhl. Bei Befall des gesamten Kolons ist deshalb ein leerer Kolonrahmen zu erwarten. Ist lediglich das linke Kolon betroffen, zeigt sich proximal eine Stuhlsäule. Obwohl der Kolonkontrasteinlauf mit Barium ebenfalls die Ausdehnung der Erkrankung demonstrieren kann, ist er der Koloskopie unterlegen und bei Dilatation des Kolons kontraindiziert (Abb. B-1.105).
Diagnostik: Zur Sicherung der Diagnose ist die Sigmoidoskopie ausreichend. Bei starker Entzündung ist eine übermäßige Luftinsufflation zu vermeiden. Die Koloskopie ist für die Erfassung der Krankheitsausdehnung mit histologischer Sicherung notwendig, für die Karzinomvorsorge ist sie unerlässlich.
Komplikationen: Im Rahmen einer akuten Exazerbation kann es zu massiven Blutungen kommen. Diese Blutungen können normalerweise mit Transfusionen und einer gleichzeitigen medikamentösen Behandlung beherrscht werden. Sind 6 – 8 Einheiten Blut innerhalb von 24 – 48 Stunden erforderlich, muss die Notfallkolektomie erwogen werden.
Komplikationen: Im Rahmen einer akuten Exazerbation kann es zu massiven Blutungen kommen. Sind 6 – 8 Einheiten Blut innerhalb von 24 – 48 Stunden erforderlich, muss die Notfallkolektomie erwogen werden.
B-1.105
Röntgenbefund bei Colitis ulcerosa mit zahlreichen sog. „Kragenknopfulzera“ (?)
Die Röntgenuntersuchung erlaubt eine Aussage über die Ausdehnung des Kolonbefalls (Abb. B-1.105).
B-1.105
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388
B 1 Viszeralchirurgie
Die gefährlichste Komplikation ist die Perforation. Eine Bestätigung der Diagnose wird immer mit einer Abdomenleeraufnahme durch den Nachweis freier Luft in der Peritonealhöhle zu erbringen sein. Die Behandlung besteht primär in der Korrektur von Stoffwechselentgleisungen und der anschließenden Kolektomie. Beim toxischen Megakolon (akute Dilatation) handelt es sich um eine massive Dilatation des Kolons während eines Kolitisschubes (10 % der Patienten). Kommt es unter medikamentösen Maßnahmen zu keiner Besserung, muss die Kolektomie erörtert werden (Gefahr der Perforation, Letalität 50 %).
Die gefährlichste Komplikation ist die Perforation. Sie kann unabhängig vom Dilatationszustand des Kolons eintreten. Hierbei können die Zeichen der Peritonitis durch Steroidgaben verschleiert sein, sodass reduziertes Allgemeinbefinden, Tachykardie und der Verlust der Darmmotilität als einzige klinische Hinweise verwertbar sind. Eine Bestätigung der Diagnose wird immer mit einer Abdomenleeraufnahme durch den Nachweis freier Luft in der Peritonealhöhle zu erbringen sein. Die Behandlung besteht primär in der Korrektur von Stoffwechselentgleisungen und der anschließenden Kolektomie. Beim toxischen Megakolon (akute Dilatation) handelt es sich um eine massive Dilatation des Kolons während eines akuten Kolitisschubes. Es kann bei 10 % der erkrankten Patienten beobachtet werden und birgt die potenzielle Gefahr der Perforation in sich. Das toxische Megakolon ist mit einer Letalität bis zu 50 % behaftet. Kommt es innerhalb von 48 – 72 Stunden unter medikamentösen Maßnahmen zu keiner Besserung des Patienten, muss die Kolektomie erörtert werden.
Konservative Therapie
Konservative Therapie
Die Therapie erstreckt sich auf diätetische Maßnahmen, Kortikosteroide, Sulfasalazine, Mesalazine (5-Aminosalicylsäure), Azathioprine und Antibiotika (Metronidazol).
Die Behandlung der unkomplizierten Colitis ulcerosa erfolgt medikamentös mit dem Ziel, die Entzündung einzudämmen, Schmerzen zu beseitigen, den Durchfall zu beeinflussen und somit eine Remission zu erreichen. Die Therapie erstreckt sich auf diätetische Maßnahmen, Kortikosteroide, Sulfasalazine, Mesalazine (5-Aminosalicylsäure), Azathioprine (bei Therapieresistenz zur Reduktion der Kortikosteroide; cave Nebenwirkungen) und Antibiotika (Metronidazol).
왘 Merke
왘 Merke. Die symptomatische Behandlung zur Verminderung der Stuhlfre-
quenz und damit der Wasser- und Elektrolytverluste mit Loperamid, und Codeinphosphat ist nicht empfehlenswert, da einerseits die Zeichen eines akuten Schubes verschleiert werden können und andererseits die Provokation einer toxischen Dilatation möglich ist. Operative Therapie
Operative Therapie
Indikationen: Bei einem ausgedehnten Befall des Kolons müssen sich im Verlauf der Erkrankung 33 % der Patienten einer Operation unterziehen, während bei einer distalen Colitis ulcerosa nur in 2 % eine Operation erforderlich wird. Die Hauptindikation für operative Eingriffe ist die chronische Erkrankung mit schlechtem Ansprechen auf konservative Therapiemaßnahmen oder eine zunehmende Dysplasierate. Bei der Indikationsstellung sollte die physische, soziale und berufliche Beeinträchtigung sowie das Alter des Patienten und die Dauer der Erkrankung berücksichtigt werden.
Indikationen: Bei einem ausgedehnten Befall des Kolons müssen sich im Verlauf der Erkrankung 33 % der Patienten einer Operation unterziehen, während bei einer distalen Colitis ulcerosa nur in 2 % eine Operation erforderlich wird. Die akute Colitis ulcerosa ist durch eine erhöhte Frequenz blutiger Stühle in Verbindung mit systemischen Zeichen einschließlich Tachykardie, Fieber und Hypalbuminämie charakterisiert. Unter einer medikamentösen Therapie kann das Krankheitsbild bei 75 % der Patienten beherrscht werden. Kommt es unter dieser Behandlung innerhalb von 24 Stunden zu keiner Besserung des Allgemeinzustands, wird ein operativer Eingriff erforderlich. Die Hauptindikation für operative Eingriffe ist entweder die chronische Erkrankung mit schlechtem Ansprechen auf konservative Therapiemaßnahmen oder der Nachweis koloskopisch entnommener höhergradiger Dysplasien, welche als Präkanzerose zu werten sind. Bei der Indikationsstellung sollte die physische, soziale und berufliche Beeinträchtigung sowie das Alter des Patienten und die Dauer der Erkrankung berücksichtigt werden.
Operationsverfahren: ■ Proktokolektomie mit Anlage eines terminalen lleostomas
Gebräuchliche Operationsverfahren: ■ Proktokolektomie mit Anlage eines terminalen Ileostomas: Die Proktokolektomie beinhaltet die Entfernung von erkranktem Kolon und dem befallenen Rektum. Die Stuhlableitung erfolgt über eine terminale Ileostomie. ■ Kolektomie mit ileorektaler Anastomose: Die Kolektomie mit ileorektaler Anastomose ist ein Operationsverfahren, das gute funktionelle Resultate erwarten lässt. Es ist jedoch im Hinblick auf die maligne Entartung im verbliebenen Rektumstumpf mit einem Restrisiko von 15 – 20 % umstritten. Eine Indikation für dieses Vorgehen besteht bei ausgeprägter portaler Hypertension, die eine Dissektion der Rektumschleimhaut wegen des hohen
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Kolektomie mit ileorektaler Anastomose: Dieses Operationsverfahren ist umstritten, da das Gewebe im verbliebenen Rektumstumpf entarten kann (15 – 20 %). Indikationen sind die ausgeprägte portale Hypertension und bei Kindern die Stomavermeidung während des Wachstums.
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B 1.7 Kolon und Rektum
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Blutverlustes riskant macht. Eine weitere Indikation besteht bei Kindern zur Vermeidung eines Stomas während des Wachstumsalters oder bis der Zeitpunkt zu einer Pouchanlage gegeben ist. Das Operationsverfahren verlangt jedoch in jedem Falle eine lebenslange Nachsorge des Patienten. Totale Kolektomie mit Proktomukosektomie und Anlage eines ileoanalen Pouches: Als Verfahren der Wahl gilt heute bei einer Pancolitis ulcerosa die totale Kolektomie mit Proktomukosektomie und Anlage eines ileoanalen Reservoirs (ileoanaler Pouch). Ziel der Operation ist es, unter Vermeidung eines Stomas die persönliche Integrität zu erhalten und die psychosoziale Integration des Patienten zu erleichtern. Als Kontraindikation gelten eine Sphinkterinsuffizienz, ein tiefsitzendes Rektumkarzinom und ein Morbus Crohn.
389
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Totale Kolektomie mit Proktomukosektomie und Anlage eines ileoanalen Pouches: Verfahren der Wahl bei der Pancolitis ulcerosa. Kontraindikationen sind Sphinkterinsuffizienz, ein tiefsitzendes Rektumkarzinom und ein Morbus Crohn.
Prinzipien des operativen Vorgehens: ■ Dissektionsebene: Die Mehrzahl der Patienten mit einer Colitis ulcerosa sind jung und sexuell aktiv. Aus diesem Grund ist es von herausragender Bedeutung, die Nerven des Beckens durch ein sehr rektumnahes Vorgehen zu schonen. Auf diese Weise kann die Impotenzrate unter 0,5 % gehalten werden. ■ Pouchgestaltung: Unter den zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten des Reservoirs, die sich funktionell unwesentlich unterscheiden, hat sich als Standardvorgehen der J-Pouch durchgesetzt. Trotzdem kann bei unzureichender Länge des Dünndarmmesenteriums oder bei Sekundäreingriffen (z. B. nach Diskontinuitätsresektion) eine alternative Pouchgestaltung erforderlich werden (Abb. B-1.106). Die Naht des Reservoirs kann entweder mit der Hand oder aber mit Klammernahtgeräten vorgenommen werden. ■ Proktomukosektomie: Bei dem verbliebenen Rektumschlauch, dessen Länge für die postoperative Funktion unwesentlich ist, kommt es darauf an, die gesamte erkrankte Mukosa zur Vermeidung einer malignen Entartung zu entfernen.
Prinzipien des operativen Vorgehens: ■ Dissektionsebene ■ Pouchgestaltung (Abb. B-1.106) ■ Proktomukosektomie.
Nachbehandlung: Die Anlage eines protektiven Ileostomas wird kontrovers diskutiert. Dadurch soll ein Schutz der Anastomose erreicht werden und die Zahl der postoperativen Notfalleingriffe wegen Anastomoseninsuffizienzen reduziert werden. Bei Nachweis suffizienter Anastomosenverhältnisse und unbehinderter Motilität kann die perorale Nahrungszufuhr begonnen werden. Zur Vermeidung von Hautmazerationen durch den anfänglich sehr aggressiven Dünndarmsaft sollte die perianale Region mit deckenden Salben geschützt werden.
Nachbehandlung: Bei Nachweis suffizienter Anastomosenverhältnisse und unbehinderter Motilität kann die perorale Nahrungszufuhr begonnen werden.
B-1.106
Pouchgestaltung bei der restorativen Kolektomie mit Proktomukosektomie und Anlage eines ileoanalen Reservoirs
B-1.106
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390
B 1 Viszeralchirurgie
Durch medikamentöse Verminderung der Dünndarmmotilität und flüssigkeitsabsorbierende Nahrung kann die anfänglich hohe Stuhlfrequenz beeinflusst werden.
Die anfänglich hohe Stuhlfrequenz kann durch medikamentöse Verminderung der Dünndarmmotilität (z. B. Loperamid) bei gleichzeitiger Zufuhr von flüssigkeitabsorbierender Nahrung beeinflusst werden. Der Patient muss darauf hingewiesen werden, dass der definitive Zustand nach einer derartigen Operation erst nach 1 Jahr erreicht wird und in dieser Zeit weiterhin mit abnehmender Frequenz extraintestinale Symptome der Grundkrankheit auftreten können.
Komplikationen: Bei ca. 8 % der operierten Patienten kommt es zu einer Anastomosenstriktur. Sie kann für ungeklärte Diarrhöen verantwortlich sein und kann in der Regel durch einfache Dilatationen behoben werden. In 10 – 20 % der Pouches ist eine akute Entzündung mit Diarrhöen und Fieber, die sog. Pouchitis zu beobachten. Eine Stase des Pouchinhaltes mit gleichzeitiger bakterieller Übersiedelung dürfte ein wesentlicher Faktor der Pathogenese sein.
Komplikationen: Neben den bekannten Komplikationen großer Abdominaleingriffe (Anastomoseninsuffizienz, Nachblutung, intraabdominale Sepsis, postoperativer Ileus) sind als spezifische Spätkomplikationen die Anastomosenstriktur und die Pouchitis erwähnenswert. Bei ca. 8 % der operierten Patienten kommt es zu einer Anastomosenstriktur. Sie kann für ungeklärte Diarrhöen verantwortlich sein, bedarf jedoch keiner operativen Intervention, da sie in der Regel durch einfache Dilatationen behoben werden kann. In 10 – 20 % der Pouches ist eine akute Entzündung mit Diarrhö und Fieber, die sog. Pouchitis, zu beobachten. Die Ursache ist bisher ungeklärt. Eine Stase des Pouchinhaltes mit gleichzeitiger bakterieller Übersiedelung dürfte ein wesentlicher Faktor der Pathogenese sein. Steht bei der Symptomatik die Diarrhö im Vordergrund, ist in der Regel eine symptomatische Behandlung ausreichend. Liegt ein ausgeprägtes Krankheitsbild mit Fieber und einer Leukozytose vor, besteht die Therapie der Pouchitis in der systemischen Gabe anaerob wirkender Antibiotika (z. B. Metronidazol) gegebenenfalls in Kombination mit 5-ASA-Einläufen (ASA= Aminosalicylsäure). Mit einer Abheilung ist zu rechnen. Rezidive sind jedoch möglich.
Steht die Diarrhö im Vordergrund, ist in der Regel eine symptomatische Behandlung ausreichend. Liegt ein ausgeprägtes Krankheitsbild mit Fieber und einer Leukozytose vor, besteht die Therapie in der systemischen Gabe anaerob wirkender Antibiotika (z. B. Metronidazol) gegebenenfalls in Kombination mit 5-ASA-Einläufen. Morbus Crohn 왘 Synonym
Morbus Crohn (S. 352) 왘 Synonym. Enterocolitis regionalis granulomatosa, Ile(ocol)itis regionalis (ter-
minalis), Colitis Crohn
왘 Definition
왘 Definition. Der Morbus Crohn ist eine chronische, alle Wandschichten des Darms ergreifende granulomatöse Entzündung mit bevorzugter Lokalisation im terminalen Ileum (Ileitis terminalis). Bei diskontinuierlichem Befall kann der gesamte Gastrointestinaltrakt von der Zunge bis zum Anus befallen werden.
Ätiologie: Bis heute ungeklärt.
Ätiologie: Die Ursache des Morbus Crohn ist bis heute ungeklärt.
Klinik: Die Krankheit wird durch blutige Diarrhöen und häufigen Stuhldrang, ähnlich der Colitis ulcerosa, symptomatisch. Fisteln zu Nachbarorganen können die einzige Manifestation darstellen. Eine besondere Manifestationsform ist die perianale Erkrankung mit Bildung von Abszessen, Fisteln und Fissuren.
Klinik: Das Kolon kann morphologisch sowohl segmental als auch total befallen sein. Die Krankheit wird durch blutige Diarrhöen und häufigen Stuhldrang, ähnlich der Colitis ulcerosa, symptomatisch. Bei segmentalen oder langstreckigen Stenosen stehen Durchfälle ohne Blutbeimengungen im Vordergrund, während Fisteln zu Nachbarorganen (z. B. kolovesikal, rektovaginal) einzige Manifestationen darstellen können. Eine besondere Manifestationsform ist die perianale Erkrankung mit Bildung von Abszessen, Fisteln und Fissuren, die andererseits erste Zeichen der Erkrankung sein können.
Diagnostik: Die Diagnostik entspricht dem Vorgehen wie bei der Colitis ulcerosa.
Diagnostik: Sie entspricht dem Vorgehen bei der Colitis ulcerosa, wobei die Differenzierung nicht selten schwierig ist und oft die histologisch klassischen Epitheloidgranulome fehlen. Nachgewiesene Stenosen, die möglicherweise nicht mehr mit dem Koloskop passierbar sind, müssen sorgfältig untersucht werden, da gleichzeitig ein okkultes Karzinom verborgen sein kann. Hier können Kontrastmitteleinläufe das Ausmaß des Befalls radiologisch dokumentieren (Abb. B-1.107).
Kontrastmitteleinläufe können das Ausmaß des Befalls radiologisch dokumentieren (Abb. B-1.107).
Differenzialdiagnose: Tab. B-1.25.
Differenzialdiagnose: Zur Abgrenzung von der Colitis ulcerosa s. Tab. B-1.25.
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B 1.7 Kolon und Rektum
B-1.107
Kolonkontrasteinlauf bei Morbus Crohn
a Befall des linksseitigen Kolons mit Stenosierung (?) des Colon transversum und Ausbildung einer gastrokolischen Fistel (Doppelpfeil).
B-1.25
391
b „Fahrradschlauchphänomen“ bei Fibrose des gesamten Kolons mit Verlust der Haustrierung.
Differenzialdiagnose zwischen Colitis ulcerosa und Morbus Crohn
Klinik
Colitis ulcerosa
Stuhl
■ ■
Diarrhö, häufig Blut in 100 %
Morbus Crohn ■ ■
Diarrhö, häufig Blut in ca. 20 % (meist nur gering)
Schmerz
selten
Abdominalschmerz häufig
Fisteln/Analläsionen
selten
häufig
Fisteln perianal
selten
häufig, ca. 30 %
Fieber
selten
häufig
Befall
■
■ ■
kontinuierlicher Befall von aboral nach oral nur Kolon Rektum immer befallen
B-1.25
■
■
■
in ca. 85 % diskontinuierlicher Befall gesamter Gastrointestinaltrakt kann betroffen sein Rektum in ca. 75 % frei
tastbarer Tumor Stenosen Mukosa
nur bei Karzinom bei Karzinomen ■ diffuser Befall ■ gesteigerte Vulnerabilität ■ petechiale Blutungen ■ Hyperämie und Ödem ■ Erosionen/Ulzerationen ■ Kryptenabszesse ■ Schleimhautatrophie ■ Pseudopolypen ■ Becherzellverlust
häufig rechter Unterbauch häufig ■ fleckförmiger Befall ■ selten Kontaktblutungen ■ fleckförmige Rötung ■ aphthoide Läsionen ■ unauffällige Schleimhautareale (skip areas) ■ Pflastersteinrelief ■ solitäre Längsulzerationen ■ Fissuren ■ Becherzellen normal
Submukosa
frei
befallen
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392
B 1 Viszeralchirurgie
Therapie: Auch hier ist primär eine medikamentöse Therapie angezeigt. Die chirurgische Behandlung bleibt auf die Komplikationen beschränkt.
Therapie: Für den Morbus Crohn des Dickdarms gilt therapeutisch das gleiche Vorgehen wie bei der Dünndarmerkrankung (S. 357) mit einer primären medikamentösen Therapie: Die chirurgische Behandlung bleibt auch hier auf die Komplikationen beschränkt, wobei auch am Kolon zum Erhalt resorptionsfähiger Schleimhaut (Resorption von Wasser und kurzkettigen Fettsäuren) so organerhaltend wie möglich vorgegangen werden sollte. Auch wenn sich der Morbus Crohn ähnlich wie die Colitis ulcerosa verhält, unterscheidet sich die chirurgische Behandlung wesentlich. Eine Notfallindikation ist die fulminante Colitis Crohn mit akuter Blutung, die toxische Dilatation oder die Perforation. Hierbei ist es wichtig zu wissen, dass sich die Perforation auch ohne vorhergehende Dilatation ereignen kann. Bei diesen Komplikationen kann die notfallmäßige subtotale Kolektomie erforderlich werden. Segmentale Komplikationen wie Strikturen, Fisteln oder Abszesse bleiben der elektiven Chirurgie mit organerhaltender Intention vorbehalten. Hierzu gehören Strikturoplastiken, auch langstreckiger Stenosen, Fistelexzisionen oder die Segmentresektion. Die Reoperationsrate des organerhaltenden Vorgehens entspricht innerhalb von 10 Jahren derjenigen der subtotalen Kolektomie.
Eine Notfallindikation ist die fulminante Colitis Crohn mit akuter Blutung, die toxische Dilatation oder die Perforation. Bei diesen Komplikationen kann die subtotale Kolektomie mit ileorektaler Anastomose erforderlich werden. Segmentale Komplikationen wie Strikturen, Fisteln oder Abszesse bleiben der elektiven Chirurgie vorbehalten.
Ischämische Kolitis 왘 Definition
Ischämische Kolitis 왘 Definition. Bei der ischämischen Kolitis handelt es sich um eine entzündliche Veränderung der Kolonschleimhaut aufgrund einer Mangeldurchblutung.
Ätiologie und Pathogenese: Die ischämische Kolitis kann durch den Verschluss größerer Arterien, Gefäßerkrankungen, venöse Thrombose, Darmverschluss mit Erhöhung des intraluminalen Drucks und „Lowflow“-Zustände verursacht werden. Die Veränderungen finden sich vornehmlich am linken Kolon, da sich hier die Versorgungsgebiete der A. mesenterica superior und der A. mesenterica inferior trennen. Beide Versorgungsgebiete sind in der Regel durch die Riolan-Arkade miteinander verbunden. Diese Anastomose kann jedoch so schwach entwickelt sein, dass eine eingeschränkte Perfusion in einem der Versorgungsgebiete zur Ischämie führt.
Ätiologie und Pathogenese: Die ischämische Kolitis kann durch den Verschluss größerer Arterien, Gefäßerkrankungen, venöse Thrombose, Darmverschluss mit Erhöhung des intraluminalen Drucks und „Low-flow“-Zuständen (z. B. Hypovolämie, kardiale Dekompensation) verursacht werden. Grundsätzlich sind Mukosa und Submukosa betroffen. Durch Auflockerung der Mukosa gelangen pathogene Keime in die Darmwand und verursachen entzündliche Ulzerationen. Je nach Perfusion des Darms können sich diese Veränderungen vollständig zurückbilden. Bleibt die Perfusion eingeschränkt, kommt es zur Fibrose der Darmwand mit Ausbildung von Strikturen. Eine nekrotisierende Kolitis ist selten. Obwohl jeder Abschnitt des Kolons betroffen sein kann, finden sich derartige Veränderungen vornehmlich am linken Kolon, da sich im Bereich der linken Flexur die Versorgungsgebiete der A. mesenterica superior zum Colon transversum und der A. mesenterica inferior zum Colon descendens trennen. Beide Versorgungsgebiete sind in der Regel durch die Riolan-Arkade miteinander verbunden. Diese Anastomose kann jedoch fehlen oder so schwach entwickelt sein, dass eine eingeschränkte Perfusion in einem der Versorgungsgebiete zur Ischämie führt. Von klinischer Bedeutung ist die Riolan-Arkade bei Eingriffen an der Aorta oder in der kolorektalen Chirurgie, wo mit der Ligatur der A. mesenterica inferior gerechnet werden muss. Insbesondere bei Eingriffen an der Aorta können schwerwiegende Komplikationen vermieden werden, wenn bei fehlender Anastomose der Versorgungsgebiete die A. mesenterica inferior in einen evtl. Gefäßersatz der Aorta replantiert wird.
Klinik: Bei meist chronischem Verlauf kommt es zu krampfartigen, linksseitigen Abdominalschmerzen mit rezidivierenden Durchfällen, denen charakteristischerweise altes Blut beigemengt ist. Das betroffene Kolon kann schmerzhaft und gegebenenfalls palpabel sein.
Klinik: Bei meist chronischem Verlauf kommt es zu krampfartigen, linksseitigen Abdominalschmerzen mit rezidivierenden Durchfällen, denen charakteristischerweise altes Blut beigemengt ist. Da es sich vornehmlich um Veränderungen der Mukosa handelt, sind keine systemischen Auswirkungen außer einem leichten Temperaturanstieg mit Tachykardie zu erwarten. Bei der klinischen Untersuchung kann das betroffene Kolon schmerzhaft und gegebenenfalls palpabel sein.
Diagnostik: Sie erfolgt durch Abdomenübersichtsaufnahme, Koloskopie und Kolonkontrastuntersuchung. Pathognomonisch sind die „thumbprints“ (Abb. B-1.108). Mit fortschreitender Erkrankungsdauer kann das radiologische Bild dem der Colitis ulcerosa oder des Morbus Crohn ähneln. Hier
Diagnostik: Die Abdomenübersicht, die Koloskopie und die Kolonkontrastuntersuchung werden die ersten Untersuchungen zur Sicherung der Diagnose sein. Pathognomonisch sind die „thumbprints“, die sich meistens in der linken Flexur infolge des submukösen Ödems ab dem 3. Tag nach Beginn der Ischämie nachweisen lassen (Abb. B-1.108).
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B 1.7 Kolon und Rektum
B-1.108
Röntgendarstellung einer ischämischen Kolitis
393 B-1.108
Ausgedehnte „thumbprints“ (?) des Colon ascendens und transversum.
Mit fortschreitender Erkrankungsdauer kann das radiologische Bild differenzialdiagnostisch dem der Colitis ulcerosa oder des Morbus Crohn ähneln. Hier kann die Endoskopie mit Biopsie zu einer Differenzierung führen.
kann die Endoskopie mit Biopsie zu einer Differenzierung führen.
Therapie: Die Behandlung der ischämischen Kolitis richtet sich im Wesentlichen nach dem klinischen Bild, wobei grundsätzlich ein konservatives Vorgehen angestrebt wird. Dieses besteht in Flüssigkeitssubstitution und bei Zeichen eines Infektes der Gabe von Breitbandantibiotika, obwohl deren Nutzen bisher nicht nachgewiesen werden konnte. Bei einer vorübergehenden Ischämie ist mit einer Restitutio ad integrum zu rechnen. Bei ausgedehnten Ischämien kann es neben langstreckigen, funktionell wirksamen Stenosen und selten zur Gangrän oder Perforation kommen. In diesen Fällen ist die Indikation zur Resektion des betroffenen Kolonanteils gegeben. Ist ein Karzinom ausgeschlossen, kann die Resektion auf den Bezirk der Ischämie begrenzt bleiben.
Therapie: Die Behandlung der ischämischen Kolitis richtet sich nach dem klinischen Bild, wobei ein konservatives Vorgehen angestrebt wird (Flüssigkeitssubstitution und bei Zeichen eines Infektes Gabe von Breitbandantibiotika, obwohl der Nutzen bisher nicht nachgewiesen werden konnte). Bei einer vorübergehenden Ischämie ist mit einer Restitutio ad integrum zu rechnen. Kommt es zu funktionell wirksamen Stenosen, einer Gangrän oder Perforation, ist der operative Eingriff indiziert.
Pseudomembranöse Kolitis
Pseudomembranöse Kolitis
왘 Definition. Bei der pseudomembranösen Kolitis handelt es sich um eine anti-
왗 Definition
biotikainduzierte Durchfallerkrankung, die durch ein Zytotoxin des Clostridium difficile ausgelöst wird. Ätiologie: C. difficile ist ein grampositives, anaerobes und sporenbildendes Bakterium, das nicht der normalen Darmflora zugerechnet wird. Infektionen können durch alle Antibiotika ausgelöst werden, im Vordergrund stehen jedoch Lincomycin, Clindamycin, Ampicillin, Tetrazyklin und Cephalosporine. Bevorzugt betroffen sind Patienten mit verminderter Resistenz. 왘 Merke. Alle Antibiotika können eine pseudomembranöse Kolitis auslösen.
Ätiologie: C. difficile gehört nicht zur normalen Darmflora. Infektionen können durch alle Antibiotika ausgelöst werden. Bevorzugt betroffen sind Patienten mit verminderter Resistenz. 왗 Merke
Klinik: Die Krankheit präsentiert sich mit wässrigen Durchfällen unterschiedlicher Schweregrade, Abdominalkrämpfen und Temperaturerhöhung. Der Krankheitsbeginn liegt 2 Tage – 3 Wochen nach einer Antibiotikaexposition, einschließlich einer perioperativen Antibiotikaprophylaxe. Zu den Komplikationen zählen Schock, Kolonperforation und das toxische Megakolon.
Klinik: 2 Tage – 3 Wochen nach einer Antibiotikaexposition kommt es zu wässrigen Durchfällen, Abdominalkrämpfen und Temperaturerhöhung.
Diagnostik: Die Diagnose wird durch den Toxinnachweis von C. difficile gesichert. Koloskopisch zeigen sich entzündliche Plaques zwischen normaler Dickdarmmukosa.
Diagnostik: Die Diagnose wird durch den Toxinnachweis von C. difficile gesichert. Koloskopisch zeigen sich entzündliche Plaques zwischen normaler Dickdarmmukosa. Differenzialdiagnose s. Tab. B-1.26.
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394 B-1.26
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.26
Differenzialdiagnosen bei Verdacht auf pseudomembranöse Kolitis
unspezifische entzündliche Darmerkrankungen
■ ■
spezifische entzündliche Darmerkrankungen
■ ■ ■
Colitis ulcerosa Morbus Crohn Salmonellen Shigellen Campylobacter
Ischämie
Ist der Erreger in Stuhlproben kultivierbar, ohne dass eine nennenswerte Toxinproduktion nachweisbar wird, müssen Alternativdiagnosen erörtert werden (Tab. B-1.26). Therapie: Bei positivem Toxinnachweis ist grundsätzlich eine konservative Behandlung angezeigt. Neben Flüssigkeits- und Elektrolytersatz sollten alle Antibiotika abgesetzt werden. Evtl. ist eine Therapie mit Metronidazol oder Vancomycin notwendig.
왘 Merke
Therapie: Stehen nicht das mögliche toxische Megakolon oder eine Kolonperforation im Vordergrund, ist bei positivem Toxinnachweis grundsätzlich eine konservative Behandlung angezeigt. Neben dem Flüssigkeits- und Elektrolytersatz sollten alle Antibiotika abgesetzt werden. Kommt es nicht innerhalb von 48 Stunden zu einer spontanen Rückbildung der Symptome, ist die spezifische antibiotische Behandlung mit Metronidazol oder Vancomycin empfehlenswert. 왘 Merke. Wegen der hohen Kontagiosität der Erreger ist eine Isolierung des
erkrankten Patienten erforderlich. Die mechanische Reinigung von Händen und Oberflächen hat einen hohen Stellenwert.
1.7.4 Dickdarmtumoren
1.7.4 Dickdarmtumoren
Kolonpolypen
Kolonpolypen
Gastrointestinale Polypen sind kleine Gewebevorwölbungen, die entweder gestielt (Abb. B-1.109) oder breitbasig über das Niveau der Schleimhaut hinausragen (Tab. B-1.27).
Gastrointestinale Polypen sind kleine Gewebevorwölbungen, die entweder gestielt (Abb. B-1.109) oder breitbasig über das Niveau der Schleimhaut hinausragen. Der Bezeichnung liegt eine klinische Beurteilung zugrunde, die nach ätiologischen und morphologischen Gesichtspunkten unterteilt wird (Tab. B-1.27).
B-1.27
B-1.27
Klassifikation kolorektaler Polypen
neoplastische Polypen
benigne
■ ■ ■
maligne
■ ■ ■ ■
nichtneoplastische Polypen
■ ■ ■ ■ ■
submuköse Läsionen
■ ■ ■ ■ ■
tubuläres Adenom tubulovillöses Adenom villöses Adenom nicht invasive Karzinome Carcinoma in situ intramuköses Karzinom invasives Karzinom (Muscularis mucosae durchbrochen) hyperplastische (= metaplastische) Polypen hamartomatöse Polypen juvenile Polyposis Peutz-Jeghers-Syndrom entzündliche Polypen (z. B. Colitis ulcerosa) Pneumatosis cystoides intestinalis Lipome Karzinoid metastatische Veränderungen andere seltene Läsionen
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B 1.7 Kolon und Rektum
B-1.109
395
Gestielter Rektumpolyp in der virtuellen Koloskopie a Darstellung eines gestielten Polyps im Rektum. b CT: virtuelle Koloskopie
a
b
Neoplastische Kolonpolypen 왘 Synonym. Adenome.
Neoplastische Kolonpolypen 왗 Synonym
Einteilung: Entsprechend der Morphologie werden die Adenome in tubuläre, villöse, tubulovillöse und flache Adenome (flat adenomas) unterteilt: ■ Tubuläre Adenome (75 %) sind meist gestielt, gut differenziert und in der Regel 5 2 cm groß. Die Entartungswahrscheinlichkeit ist mit ca. 5 % eher gering. ■ Villöse Adenome (10 %) sitzen flächiger auf, haben eine zottige Oberfläche und sind meist 4 2 cm. Das Entartungsrisiko ist mit im Mittel 15 % relativ hoch. ■ Tubulo-villöse Adenome (25 %) stellen eine Mischform dar.
Einteilung: ■ Tubuläre Adenome (75 %): Entartungsrisiko ca. 5 %. ■ Villöse Adenome (10 %): Entartungsrisiko ca. 15 %. ■ Tubulo-villöse Adenome (25 %): Mischform.
Die Adenome sind durch umschriebenes Auftreten von Epithel mit Zeichen der Dysplasie gekennzeichnet. Beim Dysplasiegrad wird heute unterschieden zwischen einer low-grade und einer high-grade intraepithelialen Neoplasie. Das Vorliegen einer high-grade Neoplasie verpflichtet zu engmaschigen endoskopischen Kontrollen mit Nachbiopsien bzw. zur kompletten endoskopischen Abtragung des Befundes.
Die Adenome sind durch umschriebenes Auftreten von Epithel mit den Dysplasiezeichen gekennzeichnet.
왘 Definition. Dysplasie bezeichnet alle Formen einer zweifelsfrei neoplastischen
왗 Definition
Epithelproliferation ohne invasives Wachstum, entsprechend einer intraepithelialen Neoplasie. Die Epithelveränderungen sind gekennzeichnet durch eine ■ Zellatypie, ■ abweichende Differenzierung, ■ gestörte Mikroarchitektur.
왘 Merke. Die Hauptgefahr der Adenome für den Patienten liegt in der Möglichkeit, maligne zu entarten. Die Entartungstendenz korreliert hierbei mit der Größe des Polypen, dem histologischen Typ und dem Grad der Dysplasie.
왗 Merke
Klinik: Die Adenome bleiben klinisch oft stumm. Größere Polypen und Schleimhauterosionen können zu Blutungen führen. Analnah gelegene Polypen können prolabieren.
Klinik: Adenome bleiben klinisch oft stumm. Größere Polypen können zu Blutungen führen.
Diagnostik: Die Diagnose wird endoskopisch gestellt.
Diagnostik: Sie wird endoskopisch gestellt.
Therapie: Kleine Adenome (5 3 cm) können in toto peranal oder endoskopisch abgetragen werden. Größere Adenome bedürfen in der Regel einer chirurgischen Resektion. In Abhängigkeit von der Histologie (Schnellschnittuntersuchung) kann eine Radikaloperation erforderlich werden.
Therapie: Kleine Adenome (5 3 cm) können peranal oder endoskopisch in toto abgetragen werden. Größere Adenome bedürfen i.d.R. einer chirurgischen Resektion.
왘 Merke. Adenome sollen nicht biopsiert, sondern stets vollständig abgetragen werden.
왗 Merke
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396 B-1.28
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.28
Risikofaktoren für ein kolorektales Karzinom
Exogene Faktoren
■
fettreiche, ballaststoffarme Ernährung
Endogene Faktoren Eigenanamnese
■ ■
Familienanamnese
■ ■
entzündliche Darmerkrankungen
■ ■
kolorektale Adenome (synchron oder metachron) kolorektales Karzinom Polyposis- und Non-Polyposis-Syndrome gehäuftes Vorkommen familiärer Kolonkarzinome Colitis ulcerosa, insbesondere bei hochgradiger Dysplasie Morbus Crohn
Kolorektales Karzinom
Kolorektales Karzinom
Die meisten Kolonkarzinome entwickeln sich nach 5 – 10 Jahren aus primär benignen Adenomen. Da die Dysplasie alle neoplastischen Epithelveränderungen ohne invasives Wachstum erfasst, muss das invasive Tumorwachstum als ein weiteres Entwicklungsstadium der Dysplasie verstanden werden. In diesem Sinne ist die Pathogenese des Karzinoms als Adenom-(Dysplasie-)Karzinom-Sequenz zu erklären.
Es ist allgemein anerkannt, dass die meisten Kolonkarzinome primär benignen Adenomen entstammen und sich 5 – 10 Jahre nach der Entstehung des Adenoms entwickeln. Eine Ausnahme bildet die Colitis ulcerosa, bei der das Karzinom durch die alleinige Dysplasie entstehen kann. Da die Dysplasie alle neoplastischen Epithelveränderungen ohne invasives Wachstum erfasst, muss das invasive Tumorwachstum als ein weiteres Entwicklungsstadium der Dysplasie verstanden werden. In diesem Sinne ist die Pathogenese des Karzinoms als Adenom-(Dysplasie-)Karzinom-Sequenz zu erklären.
Ätiologie und Risikofaktoren
Ätiologie und Risikofaktoren
Die Tumorentstehung unterliegt sowohl einem exogenen als auch endogenen genetischen Einfluss.
Die Ätiologie kolorektaler Karzinome ist noch nicht geklärt. Sicher erscheint jedoch, dass die Tumorentstehung sowohl einem exogenen als auch endogenen, genetischen Einfluss unterliegt (Tab. B-1.28). Unter den exogenen Faktoren kommt der Nahrung und ihren Abbauprodukten eine wesentliche Bedeutung zu. Es gibt zahlreiche Hinweise dafür, dass fettreiche Nahrung mit einer hohen Inzidenz von Kolontumoren verbunden ist. Der hohe Fettgehalt bewirkt neben einer Erhöhung der Cholesterinwerte auch eine vermehrte Gallesäuresynthese in der Leber und eine entsprechende Sekretion in den Darm. Unter dem Einfluss der Darmbakterien kommt es zur Bildung von sekundären Gallesäuren, Cholesterinmetaboliten und anderen toxischen Stoffwechselprodukten, die durch direkte topische Einwirkung einerseits zu einer Schädigung des Epithels führen und andererseits einen Proliferationsreiz auf die Schleimhaut ausüben. Eine faserreiche und ballaststoffreiche Ernährung soll hingegen das Karzinomrisiko vermindern. Zu den endogenen Faktoren gehören die Polyposis- und Non-Polyposis-Syndrome (s.a. S. 407, 411). Auch die Colitis ulcerosa ist nach 10-jähriger Krankheitsdauer mit einem erhöhten Karzinomrisiko behaftet. Jede weitere Dekade erhöht das Risiko um 10 % und erreicht nach 25 Jahren annähernd 30 %. Eine Karzinogenese nach chirurgischen Eingriffen wird der Cholezystektomie und Eingriffen am Magen angelastet. Nach beiden Eingriffen kommt es zu einer vermehrten Abgabe von Gallesäuren in das Kolon. Die Ableitung der Harnwege in den Dickdarm (Ureterosigmoidostomie) ist eindeutig mit einem erhöhten Karzinomrisiko verbunden. Als Ursache kommen harnpflichtige Substanzen wie Phenole und Kresole als Bestandteil des Zigarettenrauchs infrage.
Unter den exogenen Faktoren kommt der Nahrung eine wesentliche Bedeutung zu (Tab. B-1.28).
Zu den endogenen Faktoren gehören die Polyposis- und Non-Polyposis-Syndrome (s.a. S. 407, 411). Auch die Colitis ulcerosa ist nach 10-jähriger Krankheitsdauer mit einem erhöhten Karzinomrisiko behaftet (nach 25 Jahren annähernd 30 %). Eine Karzinogenese nach chirurgischen Eingriffen wird der Cholezystektomie und Eingriffen am Magen angelastet. Nach beiden Eingriffen kommt es zu einer vermehrten Abgabe von Gallesäuren in das Kolon. Auch die Ureterosigmoidostomie ist mit einem deutlich erhöhten Karzinomrisiko verbunden. Pathologische Erscheinungsform und Metastasierung
Pathologische Erscheinungsform und Metastasierung
Das kolorektale Karzinom kann makroskopisch imponieren: ■ polypös (ca. 25 %) ■ ulzerös (55 – 60 %) ■ szirrhös als diffuse Wandverdickung (ca. 1 %).
Das morphologische Erscheinungsbild des kolorektalen Karzinoms kann makroskopisch imponieren: ■ polypös (ca. 25 %)) ■ ulzerös (55 – 60 %) ■ szirrhös als diffuse Wandverdickung (ca. 1 %).
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B 1.7 Kolon und Rektum
397
Zu den möglichen pathologisch-anatomischen Komplikationen gehören mit ca. 10 % der Obstruktionsileus und die Darmperforation, die in 2 – 5 % der Fälle zu beobachten ist. Histologisch unterscheidet man das Adenokarzinom mit einem Anteil von 85 – 90 % und unterschiedlichen Differenzierungsgraden, das muzinöse Adenokarzinom mit extrazellulärer Schleimbildung (ca. 10 %) und das Siegelringkarzinom (ca. 1 %) mit intrazellulärer Schleimbildung. Der Differenzierungsgrad („grading“) wird nach Kriterien wie Drüsenbildung, Kernpolymorphien und Mitosen semiquantitativ bestimmt und erlaubt eine Aussage über die „Malignität“. Eine genaue Beschreibung der Tumorausbreitung und damit der Prognose erfolgt durch die Stadieneinteilung des TNM-Systems (Tab. B-1.29) oder der Dukes-Klassifikation (Abb. B-1.110). Im Stadium Dukes A beträgt die 5-JahresÜberlebensrate 90 %. Sie reduziert sich im Stadium B auf 50 % und erreicht im Stadium C 20 – 30 %. Im Stadium D ist die 5-Jahres-Überlebensrate 5 1 %.
Zu den möglichen pathologisch-anatomischen Komplikationen gehören mit ca. 10 % der Obstruktionsileus und die Darmperforation, die in 2 – 5 % der Fälle zu beobachten ist. Histologisch unterscheidet man das Adenokarzinom (85 – 90 %), das muzinöse Adenokarzinom (ca. 10 %) und das Siegelringkarzinom (ca. 1 %).
B-1.29
TNM-Klassifikation des Kolonkarzinoms (2002)
Eine genaue Beschreibung der Tumorausbreitung erfolgt durch die Stadieneinteilung des TNM-Systems (Tab. B-1.29), das auch heute noch den wichtigsten Prognoseindikator darstellt.
B-1.29
TNM – klinische Klassifikation T – Primärtumor Tx Primärtumor kann nicht beurteilt werden T0 kein Anhalt für Primärtumor Tis Carcinoma in situ T1 Tumor infiltriert Submukosa T2 Tumor infiltriert Muscularis propria T3 Tumor infiltriert durch die Muscularis propria in die Subserosa oder in nicht peritonealisiertes perikolisches oder perirektales Gewebe T4 Tumor perforiert das viszerale Peritoneum oder infiltriert direkt in andere Organe oder Strukturen Anmerkung: Direkte Ausbreitung in T4 schließt auch die Infiltration anderer Segmente des Kolorektums auf dem Weg über die Serosa ein, z. B. die Infiltration des Sigmas durch ein Zökalkarzinom. N – regionäre Lymphknoten regionäre Lymphknoten sind die perikolischen und perirektalen Lymphknoten und jene entlang den Aa. ileocolica, colica dextra, colica media, colica sinistra, mesenterica inferior und rectalis (haemorrhoidalis) superior. Nx N0 N1 N2
regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden regionäre Lymphknotenmetastasen Metastasen in 1 – 3 perikolischen bzw. perirektalen Lymphknoten Metastasen in 4 oder mehr perikolischen bzw. perirektalen Lymphknoten
M – Fernmetastasen Mx das Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden M0 keine Fernmetastasen M1 Fernmetastasen Die Kategorien M1 und pM1 können wie folgt spezifiziert werden: Lunge (PUL) Knochenmark (MAR) Knochen (OSS) Pleura (PLE) Leber (HEP) Peritoneum (PER) Gehirn (BRA) Haut (SKI) Lymphknoten (LYM) andere Organe (OTH) pTNM – pathologische Klassifikation Die pT-, pN- und pM-Kategorien entsprechen den T-, N- und M-Kategorien. G – histopathologisches Grading Gx Differenzierungsgrad kann nicht bestimmt werden G1 gut differenziert G2 mäßig differenziert G3 schlecht differenziert G4 undifferenziert
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B 1 Viszeralchirurgie
398 B-1.110
Dukes-Stadien des kolorektalen Karzinoms (veraltete Klassifikation)
Die Tumorklassifikation nach Dukes zeigt Abb. B-1.110. Fernmetastasen gelangen über die Leber in die Lunge. Bei tiefsitzendem Karzinom Metastasierung auch direkt via V. portae in die Lunge möglich.
Die Tumorklassifikation nach Dukes darf heute als obsolet betrachtet werden. Sie wird der Vollständigkeit halber erwähnt, da sie zur Zeit noch in der Literatur berücksichtigt wird. Die hämatogene Metastasierung erfolgt über die Leber und das Peritoneum in die Lunge, relativ häufig kommt es auch zu Hirnmetastasen. Beim tiefsitzenden Rektumkarzinom kann eine Metastasierung über die V. cava direkt in die Lunge erfolgen.
Klinische Symptomatik
Klinische Symptomatik
Die Adenokarzinome von Kolon und Rektum wachsen langsam. Bis zum Auftreten erster Symptome können annähernd 5 Jahre vergehen. Symptome werden vom Sitz des Primärtumors bestimmt. 60 % der Tumoren liegen jenseits der linken Flexur. Von diesen liegen wiederum 55 % am rektosigmoidalen Übergang oder im Rektum selbst (Abb. B-1.111). Karzinome im proximalen Kolon erreichen eine erheblichere Größe als es linksseitig der Fall ist, bevor sie symptomatisch werden. Das linksseitige Kolon hat ein engeres Lumen, sodass der Tumor im Colon descendens und sigmoideum häufig die gesamte Zir-
Die Adenokarzinome von Kolon und Rektum wachsen langsam. Bis zum Auftreten erster Symptome können annähernd 5 Jahre vergehen. Allerdings ist bei asymptomatischen Patienten häufig ein okkulter Blutverlust nachweisbar, wobei der Blutverlust mit der Größe des Tumors oder der Ulzeration zunimmt. Ein Teil der Symptome werden vom Sitz des Primärtumors bestimmt. Die Tumorlokalisation ist ungleich über den gesamten Dickdarm verteilt. Das Zökum und das rechte Kolon werden in 25 % betroffen, während sich 60 % der Tumoren jenseits der linken Flexur befinden. Von diesen liegen wiederum 55 % am rektosigmoidalen Übergang oder im Rektum selbst (Abb. B-1.111). Karzinome im proximalen Kolon erreichen eine erheblichere Größe als es linksseitig der Fall ist, bevor sie symptomatisch werden. Während des Tumorwachstums entstehen nur unspezifische Beschwerden oder aber der Tumor wird
B-1.111
B-1.111
Häufigkeitsverteilung kolorektaler Karzinome
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B 1.7 Kolon und Rektum
B-1.112
399
Radiologische Darstellung bei Kolonkarzinom mit Tumorstenose
a Subtotales stenosierendes Sigmakarzinom (?) im Kolonkontrasteinlauf.
b Subtotale Tumorstenose (?) eines Kolonkarzinoms.
ohne Beschwerden als palpable Masse bemerkbar. Aufgrund des Durchmessers von Zökum und Colon ascendens kommt es selten zur Obstruktion. Das linksseitige Kolon hat ein engeres Lumen, sodass der Tumor im Colon descendens und sigmoideum häufig die gesamte Zirkumferenz erfasst und zum Darmverschluss führt (Abb. B-1.112). Klinisch präsentiert sich das fortgeschrittene Tumorstadium mit postprandialen Schmerzen, Abdominalkrämpfen und gegebenenfalls Durchfällen, die der passageren Obstipation folgen (Überlaufstuhl). Gleichzeitig sind gehäuft Frischblutauflagerungen auf dem Stuhl zu beobachten. Obwohl das Rektumkarzinom aufgrund seiner Lage zugänglich und gut diagnostizierbar sein sollte, wird die Diagnose nicht selten verzögert, indem die Symptome Hämorrhoiden oder Analfissuren zugeordnet werden. In späteren Stadien kann es ebenfalls mit Obstruktion und veränderten Stuhlgewohnheiten wie Durchfällen und Tenesmen einhergehen. Bei Tenesmen handelt es sich um einen kontinuierlichen Stuhldrang, ausgelöst durch rektales Völlegefühl bei einem großen Tumor. Entleerung von „Bleistiftstühlen“ und Windabgänge mit Schleimentleerung können weitere typische Zeichen des Rektumkarzinoms sein. Analschmerzen, die initial mit der Defäkation auftreten und schließlich in einen Dauerschmerz übergehen, deuten auf die tumoröse Invasion des Analkanals hin. Eine Zerstörung des Sphinkters durch den Tumor äußert sich in einer Stuhlinkontinenz. Durch Invasion der Harnblase, Vaginalwand oder des Os sacrum können zusätzlich perineale oder sakrale Schmerzen auftreten. 왘 Merke. Die Symptomatik des kolorektalen Karzinoms wird häufig verkannt und gutartigen Erkrankungen zugeschrieben (z. B. der Divertikulose, dem irritablen Kolon oder Hämorrhoiden). Bei allen Blutabgängen per anum und Änderungen des Stuhlverhaltens über 2 – 3 Wochen muss so lange eine maligne Grunderkrankung angenommen werden, bis das Gegenteil bewiesen ist.
kumferenz erfasst und zum Darmverschluss führt (Abb. B-1.112). Klinisch präsentiert sich das fortgeschrittene Tumorstadium mit postprandialen Schmerzen, Abdominalkrämpfen und gegebenenfalls Durchfällen, die der passageren Obstipation folgen (Überlaufstuhl). Gleichzeitig sind gehäuft Frischblutauflagerungen auf dem Stuhl zu beobachten. Das Rektumkarzinom kann mit Obstruktion und veränderten Stuhlgewohnheiten wie Durchfällen und Tenesmen einhergehen. Es können „Bleistiftstühle“ und Windabgänge mit Schleimentleerung auftreten.
Analschmerzen deuten auf die tumoröse Invasion des Analkanals hin. Durch Invasion der Harnblase, Vaginalwand oder des Os sacrum können zusätzlich perineale oder sakrale Schmerzen auftreten.
왗 Merke
Diagnostik
Diagnostik
Neben der sorgfältigen Anamneseerhebung ist die rektale digitale Untersuchung ein unerlässlicher Bestandteil der klinischen Diagnostik: Bei der apparativen Diagnostik nimmt die totale Koloskopie bis ins terminale Ileum den ersten Stellenwert ein, da sie es gestattet, Veränderungen 5 0,5 cm darzustellen (Abb. B-1.113). Sie wird gefolgt vom Kolonkontrasteinlauf (KKE) (Abb. B-1.112).
Die rektale digitale Untersuchung ist neben der Anamnese ein unerlässlicher Bestandteil der klinischen Diagnostik: Bei der apparativen Diagnostik steht die Koloskopie an erster Stelle, da sie es gestattet, Veränderungen unter 0,5 cm darzustellen (Abb. B-1.113). An zweiter Stelle folgt der Kolonkontrasteinlauf (KKE) (Abb. B-1.112).
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400
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.113
B-1.113
Endoskopische Darstellung eines Kolonkarzinoms
B-1.114
B-1.114
Endosonographische Darstellung eines Rektumtumors Endoluminaler Ultraschall bei einem zirkulär wachsenden Rektumtumor (?) mit Infiltration der Muscularis propria (Doppelpfeil), die jedoch nicht überschritten wird (T2-Tumor).
B-1.115
B-1.115
Computertomographie bei Rektumkarzinom
Ausgedehnter Rektumtumor.
Der endorektalen Sonographie kommt die wichtigste Bedeutung beim präoperativen Staging des Rektumkarzinoms mit Erfassung der Eindringtiefe des Tumors in die Rektumwand und verdächtiger Lymphknoten zu (Abb. B-1.114).
Der endorektalen Sonographie kommt die wichtigste Bedeutung beim präoperativen Staging des Rektumkarzinoms mit Erfassung der Eindringtiefe des Tumors in die Rektumwand und verdächtiger Lymphknoten zu (Abb. B-1.114). Diese Information ist dann wesentlich, wenn zwischen einer lokalen Behandlung für das Rektumkarzinom, einer abdominoperinealen Exzision oder einer tiefen anterioren Resektion (s. u.) mit Kontinenzerhaltung entschieden werden muss. Eine Kernspintomographie des Beckens ermöglicht neben der Endosonographie das präoperative Staging eines Rektumkarzinoms und zeigt neben etwa vorhandenen Lymphknotenmetastasen auch Infiltrationen in Nachbarorgane.
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B 1.7 Kolon und Rektum
Ist die Diagnose des Karzinoms gesichert, wird für das weitere Vorgehen die Abklärung der sekundären Tumorausbreitung erforderlich. Verfahren der Wahl zur Identifikation von Metastasen ist die abdominelle Ultraschalluntersuchung, die bei begründeter Indikation durch eine Computertomographie (CT) ergänzt werden kann. Tumormarker wie das CA 19-9 und das CEA (karzinoembryonales Antigen) sind diagnostisch von untergeordneter Bedeutung. Ihr Wert liegt allenfalls in der Früherkennung des Tumorrezidivs im Rahmen der Nachsorge.
Therapie
401 Verfahren der Wahl zur Identifikation von Metastasen ist die abdominelle Ultraschalluntersuchung.
Tumormarker wie das CA 19-9 und das CEA (karzinoembryonales Antigen) sind diagnostisch von untergeordneter Bedeutung. Ihr Wert liegt allenfalls in der Früherkennung des Tumorrezidivs im Rahmen der Nachsorge. Therapie
왘 Merke. Für die meisten kolorektalen Karzinome ist die operative Behandlung das Verfahren der Wahl. Ziel der Operation ist die großzügige Resektion des befallenen Darmanteils mit gleichzeitiger Entfernung seiner Lymphdrainage. Das Resektionsausmaß wird von der Blutversorgung und der Verteilung der regionalen Lymphknoten bestimmt. Auch das inkurable Kolonkarzinom sollte zur Vermeidung eines Ileus, einer Blutung mit Anämie und Tumorschmerzen palliativ reseziert werden. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass das Alter des betroffenen Patienten allein keine Kontraindikation darstellt.
왗 Merke
Erfasst ein resektabler Tumor Nachbarorgane, müssen alle Strukturen zur Vermeidung einer Tumoraussaat mit dem Tumor en bloc reseziert werden. Insgesamt beträgt die Resektionsrate beim Kolonkarzinom, bei einer Operationsletalität von 3 %, 90 % und darf in ca. 80 % als kurativ betrachtet werden. Beim Rektumkarzinom wird das Vorgehen von der Lokalisation des Tumors bestimmt, wobei heute über 50 % der Rektumtumoren einer sphinktererhaltenden Therapie zugeführt werden können, ohne dass eine Zunahme der Rezidivrate zu beobachten ist. Gegenwärtig wird in Studien untersucht, ob Patienten mit fortgeschrittenen Rektumkarzinomen (z. B. mit Lymphknotenmetastasen oder Infiltration von Nachbarorganen) von einer neoadjuvanten Chemo-/Strahlentherapie bezüglich der Lokalrezidivrate bzw. dem Langzeitüberleben profitieren.
Beim Rektumkarzinom wird das Vorgehen von der Lokalisation des Tumors bestimmt, wobei heute über 50 % der Rektumtumoren einer sphinktererhaltenden Therapie zugeführt werden können, ohne dass eine Zunahme der Rezidivrate zu beobachten ist.
Darmvorbereitung: Sowohl vor diagnostischen als auch operativen Eingriffen hat sich die orthograde Darmspülung mit trinkbarer, schwer resorbierbarer Flüssigkeit (z. B. Golytely®, Clean-Prep®) zur quantitativen Reduktion des Stuhls und damit der Keimbesiedlung durchgesetzt. Ist durch Obstruktion oder Perforation keine Vorbereitung möglich, kann intraoperativ nach Resektion des Tumors eine antegrade Lavage des Kolons vorgenommen werden. Neben der Darmspülung gehört die perioperative Antibiotikaprophylaxe als Kurzzeitprophylaxe gegen aerobe und anaerobe Organismen zum Standard.
Darmvorbereitung: Neben der Darmspülung gehört die perioperative Antibiotikaprophylaxe zum Standard.
Operationstaktik: Die Operationstaktik beim Kolonkarzinom ist in Tab. B-1.30 dargestellt.
Operationstaktik: Tab. B-1.30.
B-1.30 ■ ■ ■ ■
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Operationstaktik beim Kolonkarzinom
B-1.30
Antibiotikaprophylaxe (Einmalgabe) mediane Laparotomie/Diagnosesicherung klinische Stadiendefiniton (Metastasen) mechanische Exklusion proximal und distal des Tumors (No-touch-isolation-Technik) radikuläres Absetzen des Stammgefäßes Mobilisation und Resektion en bloc termino-terminale Anastomose Verschluss des Mesenteriums/fakultativ Zieldrainage Bauchdeckenverschluss
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402
B 1 Viszeralchirurgie
Standard-Resektionsverfahren am Kolon sind die ■ Hemikolektomie rechts (Abb. B-1.116 a) ■ Transversumresektion (Abb. B-1.116 b) ■ Hemikolektomie links (Abb. B-1.116 c) ■ Sigmaresektion (Abb. B-1.116 d).
Standard-Resektionsverfahren am Kolon. ■ Hemikolektomie rechts (Abb. B-1.116 a): Resektion von Zökum und aufsteigendem Kolon im Versorgungsgebiet der Aa. ileocolica und colica dextra. ■ Transversumresektion (Abb. B-1.116 b): Die lymphatische Drainage des Colon transversum erfolgt entlang dem Versorgungsgebiet der A. colica media bis zum Abgang der A. mesenterica superior. Aus diesem Grund muss die Resektion des entsprechenden Versorgungsgebietes erfolgen. Bei unzureichender Ausbildung der Gefäßarkaden kann die zusätzliche Resektion der linken Kolonflexur erforderlich werden. Das Omentum majus wird en bloc mit dem tumortragenden Dickdarm entfernt. Bei entsprechender Tumorinvasion kann eine partielle Resektion von Magen und Jejunum erforderlich werden. ■ Hemikolektomie links (Abb. B-1.116 c): Hierbei handelt es sich um die Resektion des Versorgungsgebietes der A. colica sinistra einschließlich der linken Kolonflexur, da mit einer ungenügend ausgebildeten Arkade zu rechnen ist. Der distale Resektionsrand erstreckt sich in das Colon sigmoideum. ■ Sigmaresektion (Abb. B-1.116 d): Ist der Tumor auf das Colon sigmoideum begrenzt, wird die arterielle Versorgung aus der A. mesenterica inferior unter Schonung der A. colica sinistra unterbunden. Sind bereits die proximalen, mesenterialen Lymphknoten beteiligt, wird mit Ligatur der A. mesenterica inferior eine Hemikolektomie links erforderlich. Nicht selten ist die En-blocResektion benachbarter Organe notwendig.
Zu Resektionsverfahren je nach Tumorlokalisation s. Tab. B-1.31.
Eine Zusammenfassung der Resektionsverfahren in Abhängigkeit von der Tumorlokalisation zeigt (Tab. B-1.31).
B-1.116
Standardoperationsverfahren beim Kolonkarzinom
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B 1.7 Kolon und Rektum
B-1.31
Resektionsverfahren des Kolonkarzinoms in Abhängigkeit von der Tumorlokalisation
Tumorlokalisation
Regeloperation/ Kolonresektion
Lymphabflussgebiet
Zökum und Colon ascendens
Hemikolektomie rechts
A. ileocolica A. colica dextra
rechte Kolonflexur und prox. Colon transversum
erweiterte Hemikolektomie rechts
A. A. A. A.
Colon transversum
Transversumresektion
A. colica media
linke Kolonflexur
erweiterte Hemikolektomie links
A. colica media A. colica sinistra
Colon descendens und proximales Sigma
Hemikolektomie links
A. colica sinistra
mittleres und distales Sigma
Sigmaresektion
A. mesenterica inferior
B-1.31
ileocolica colica dextra colica media gastroepiploica dextra
Resektionsverfahren am Rektum: Über 25 % der Dickdarmkarzinome entstehen im Rektum. Ihre Behandlung ist primär chirurgisch. Für die Entfernung des Primärtumors stehen folgende Operationsverfahren zur Verfügung (Abb. B-1.117, Abb. B-1.118): ■ Anteriore Rektumresektion mit Wiederherstellung der Darmkontinuität ■ Totale mesorektale Rektumresektion mit koloanaler Anastomose (Abb. B-1.117) ■ Abdominoperineale Rektumresektion mit der definitiven Anlage eines Kolostomas (endständiger Anus praeter) (Abb. B-1.118) ■ Diskontinuitätsresektion nach Hartmann ■ Eingeschränkt radikale Verfahren wie die posteriore Resektion und die transanale Karzinomexstirpation. Die Wahl des Verfahrens wird durch die Lokalisationshöhe, das Tumorstadium und die Tumorgröße bestimmt. Während das Alter des Patienten das operative Vorgehen nicht beeinflusst, sollten Risikoerkrankungen bei der Wahl des Operationsverfahrens berücksichtigt werden. Bei einem Karzinom im oberen Rektumdrittel ist in der Regel eine anteriore und im mittleren oder unteren Drittel eine tiefe anteriore Rektumresektion die Therapie der Wahl, wenn ein ausreichender Sicherheitsabstand nach distal eingehalten werden kann. Hierbei kann eine direkte Anastomose mit dem Sphincter ani internus erforderlich werden. Mögliche Kontinenzstörungen bilden sich in der Regel zwischen 8 – 16 Monaten zurück. Alternativ ist die
B-1.117
403
Resektionsverfahren am Rektum: Über 25 % der Dickdarmkarzinome entstehen im Rektum. Ihre Behandlung ist primär chirurgisch. Für die Entfernung des Primärtumors stehen folgende Operationsverfahren zur Verfügung: ■ anteriore Rektumresektion mit Wiederherstellung der Darmkontinuität ■ totale mesorektale Rektumresektion mit koloanaler Anastomose (Abb. B-1.117) ■ abdominoperineale Rektumresektion mit der definitiven Anlage eines Kolostomas (endständiger Anus praeter) (Abb. B-1.118) ■ Diskontinuitätsresektion nach Hartmann (s. u.) ■ eingeschränkt radikale Verfahren wie die posteriore Resektion und die transanale Karzinomexstirpation (s. u.). Die Wahl des Verfahrens wird durch die Lokalisationshöhe, das Tumorstadium und die Tumorgröße bestimmt. Risikoerkrankungen sind bei der Wahl des Operationsverfahrens zu berücksichtigen. Bei Karzinomen im oberen Rektumdrittel wird in der Regel eine anteriore, bei solchen im mittleren oder unteren Drittel eine tiefe anteriore Rektumresektion vorgenommen (Abb. B-1.117).
Anteriore und totale mesorektale Rektumresektion mit Kontinenzerhaltung
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B 1 Viszeralchirurgie
404 B-1.118
B-1.119
B-1.118
Abdominoperineale Rektumresektion mit Anlage eines definitiven Anus praeter
Totale mesorektale Exzision eines Rektumkarzinoms
Das Rektum wird mit dem kompletten Mesorektum und den darin enthaltenen Lymphknoten entfernt (Abb. J). Am aufgeschnittenen Präparat zeigt sich ein tiefsitzendes Rektumkarzinom (Abb. K). Die vor dem Os sacrum verlaufenden Bünde der Nn. hypogastrici werden bei der Präparation geschont (Pfeile in Abb. L).
Der Sicherheitsabstand hängt von der Wachstumsform und dem Differenzierungsgrad des Tumors ab und ist nach distal mit 2 cm am nicht angespannten Resektat ausreichend. Gleichzeitig muss das mesorektale Gewebe vollständig entfernt werden können. Ist dieser Sicherheitsabstand nicht erfüllt, erfolgt eine abdominoperineale Rektumresektion. Die Diskontinuitätsresektion nach Hartmann ist dem Notfall oder Patienten mit hohem Operationsrisiko vorbehalten.
operative Bildung eines koloanalen Reservoirs (Kolonpouch) möglich (Abb. B-1.117). Die Anlage eines protektiven Kolo- oder Ileostomas ist bei guter Darmvorbereitung und spannungsfreier Anastomose nicht erforderlich. Die Entscheidung bleibt dem Operateur vorbehalten. Die Präparation des Rektums erfolgt als totale mesorektale Exzision (TME), bei der das komplette Rektum inklusive des Mesorektums aus dem kleinen Becken präpariert werden. Diese Technik ermöglicht die Schonung der Nn. hypogastrici und des Plexus hypogastricus inferior, die für eine ungestörte postoperative Blasen- und Sexualfunktion verantwortlich sind. Der Sicherheitsabstand hängt von der Wachstumsform und dem Differenzierungsgrad des Tumors ab und ist nach distal mit 2 cm am nicht angespannten Resektat ausreichend. Gleichzeitig muss sichergestellt sein, dass das mesorektale Gewebe vollständig entfernt werden kann. Ist dieser Sicherheitsabstand nicht erfüllt, sollte eine abdominoperineale Rektumresektion erfolgen. Bei Verdacht auf eine Tumorinfiltration angrenzender Strukturen wie weibliches Genitale oder Harnblase sollten diese unter kurativer Zielsetzung en bloc mitreseziert werden. Bei der Diskontinuitätsresektion nach Hartmann wird nach der Entfernung des pathologischen Befundes (z. B. Tumorstenose oder Perforation) der orale Teil des Dickdarms als Kolostoma aus der Bauchdecke ausgeleitet und das Rektum blind
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B 1.7 Kolon und Rektum
verschlossen. Sie ist dem Notfall oder dem Patienten mit einem hohen Operationsrisiko vorbehalten. Die Kontinuität kann in einem sekundären Eingriff wiederhergestellt werden. Auch die lokale Tumorexzision kann bei T1-Tumoren durch eine Vollwandresektion kurativ sein. Der Eingriff setzt jedoch ein endosonographisches Tumorstaging voraus, wobei metastatische Lymphknoten ausgeschlossen werden müssen.
405
Auch eine lokale Tumorexzision kann bei T1-Tumoren kurativ sein.
Lymphknotenresektion: Neben der kompletten Entfernung der pararektalen Lymphknoten (TME) gehört die Dissektion der Lymphknoten entlang der A. rectalis superior bis an die Aortenbifurkation zum Standard jeder Tumoroperation des Rektums.
Lymphknotenresektion: Die komplette Entfernung der pararektalen Lymphknoten (TME) und die Lymphknotendissektion sind Standard.
Palliativeingriffe: Unter palliativen Eingriffen werden tumorresezierende Operationen verstanden, bei denen durch die fortgeschrittene Tumorerkrankung bösartiges Restgewebe belassen werden muss (Abb. B-1.120). Durch Reduktion der Tumormasse wird versucht, sowohl Komplikationen zu beseitigen als auch die Lebenserwartung des Patienten zu verlängern. Die Überlebensrate nach palliativer Resektion beträgt bei 20 – 40 % der Patienten 3 Jahre und bei 5 – 10 % der Patienten 5 Jahre, sodass ein Palliativeingriff seine Berechtigung findet, wenn damit keine wesentliche Einschränkung der Lebensqualität verbunden ist.
Palliativeingriffe: Durch Reduktion der Tumormasse wird versucht, sowohl Komplikationen zu beseitigen als auch die Lebenserwartung des Patienten zu verlängern.
Postoperative Mortalität und Morbidität: Bei etwa 10 – 15 % aller radikal operierten Patienten ist mit einem Tumorrückfall zu rechnen, wobei sich im Spätverlauf in ca. 50 % der Fälle Fernmetastasen manifestieren. Die postoperative Mortalität differiert in Abhängigkeit vom Operationsverfahren zwischen 4 – 11 %. Als Ursache gelten vornehmlich kardiopulmonale und septische Komplikationen: Auch die postoperative Morbidität variiert in Abhängigkeit vom Operationsverfahren zwischen 26 – 52 %, wobei die septischen Komplikationen dominant sind und oft ihre Ursache in einem Nahtbruch finden. Bei tiefen Eingriffen kann es zu neurogenen Blasen- und Potenzstörungen beim Mann kommen.
Postoperative Mortalität und Morbidität: Bei etwa 10 – 15 % aller radikal operierten Patienten ist mit einem Tumorrückfall zu rechnen, wobei sich im Spätverlauf in ca. 50 % der Fälle Fernmetastasen manifestieren. Die postoperative Mortalität differiert in Abhängigkeit vom Operationsverfahren zwischen 4 – 11 %. Die postoperative Morbidität wird durch septische Komplikationen durch Nahtbruch verursacht (26 – 50 %).
Prognose
Prognose
Die Prognose wird durch folgende Faktoren bestimmt: Das Stadium der Erkrankung, das die Infiltrationstiefe, den Lymphknoten- und Organbefall nach den Regeln des TNM-Systems klassifiziert. ■ Den Differenzierungsgrad und histologischen Typ des Karzinoms, die das biologische Verhalten des Tumors widerspiegeln. ■ Beim Rektumkarzinom durch die Höhenlokalisation aufgrund unterschiedlicher Metastasierungswege und der unterschiedlichen Möglichkeiten der Ausbreitung per continuitatem auf die umliegenden Organe.
Die Prognose wird durch folgende Faktoren bestimmt: ■ Das Stadium der Erkrankung. ■ Den Differenzierungsgrad und den histologischen Typ des Karzinoms. ■ Beim Rektumkarzinom durch die Höhenlokalisation aufgrund unterschiedlicher Metastasierungswege.
■
B-1.120
Palliativoperationen an Kolon und Rektum
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B 1 Viszeralchirurgie
Die 5-Jahres-Überlebensrate nach radikalen R0-Resektionen konnte bis auf 70 % verbessert werden.
Die 5-Jahres-Überlebensrate nach radikalen R0-Resektionen konnte bis auf 70 % verbessert werden. Hierbei fallen auf das Tumorstadium T1 80 – 98 %, das Stadium T2 60 – 85 % und auf das Stadium T3 noch 40 – 70 %. Diese Ergebnisse vermindern sich bei einem nicht selektionierten Krankengut auf durchschnittlich 40 %. Der wesentliche Anteil der Tumorrezidive wird innerhalb der ersten 18 Monate nach dem Ersteingriff diagnostiziert. Nur 15 % treten erst 3 Jahre nach dem Eingriff auf. Hierbei handelt es sich vornehmlich um Lebermetastasen. Einem überproportionalen Risiko der Tumorneubildung (metachrone Multiplizität 1 – 5 %) sind Patienten mit einem Polyposissyndrom oder einer familiären Karzinombelastung ausgesetzt.
Tumorrezidive werden meist in den ersten 18 Monaten nach Ersteingriff diagnostiziert. Ein überproportionales Risiko (metachrone Multiplizität 1 – 5 %) zeigen Patienten mit Polyposissyndrom oder familiärer Karzinombelastung. Nachsorge
Nachsorge
Sie dient der Rezidivfrüherkennung und der Erfassung von Komplikationen nach Ersttherapie:
Die Nachsorge dient einerseits der frühen Rezidiverkennung und andererseits der Erfassung und ggf. Behandlung von Folgen der Ersttherapie (z. B. Hernien, Stomaprobleme). Hierfür werden differenzierte, risikoabhängige Empfehlungen formuliert. Bei Patienten mit einem frühen Tumorstadium (UICC I) und R0-Resektion ist durch regelmäßige Nachkontrollen kein prognostischer Gewinn zu erwarten. Eine Koloskopie 2 und 5 Jahre nach dem Eingriff dient der Früherkennung von Zweittumoren. Abweichungen können durch erhöhtes Risiko (z. B. intraoperative Tumorperforation) angezeigt sein. Eine regelmäßige Nachsorge ist bei den Tumorstadien II und III (UICC) bei gleichzeitiger R0-Resektion angezeigt. Nach palliativer Tumorresektion empfiehlt sich eine auf den Einzelfall ausgerichtete symptomorientierte Nachbetreuung. Risikopatienten (HNPCC, FAP, S. 408) bedürfen der lebenslangen Nachkontrolle um Rezidive, metachrone Zweittumoren des Kolons und extrakolische Tumoren zu erkennen.
Im Stadium UICC I und bei R0-Resektion ist zur Früherkennung von Zweittumoren 2 und 5 Jahre post operationem eine Koloskopie indiziert. Im Stadium UICC II und III und bei R0-Resektion erfolgen regelmäßige Nachsorgen. Risikopatienten (HNPCC, FAP) bedürfen der lebenslangen Nachkontrolle.
B-1.32
Programmierte Untersuchungen im Rahmen der Nachsorge bei kolorektalem Karzinom UICC II oder III
(nach: Leitlinie „Kolorektales Karzinom“ der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, Stand 9/2004. Verfügbar und aktualisiert unter: www.awmf-online.de) Untersuchung
Monate 3
6
9
12
18 X
21
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60
X
X
X
X
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Anamnese, körperliche Untersuchung, CEA
X
Koloskopie
X1
Abdomensonographie3
X
X
X
X
Sigmoidoskopie (Rektoskopie)4
X
X
X
X
Spiralcomputertomographie5
X
15
X2 X
X
Röntgen Thorax (kein Konsens) 1 2 3
4 5
wenn keine vollständige Koloskopie präoperativ erfolgt ist bei unauffälligem Befund (kein Adenom, kein Karzinom) nächste Koloskopie nach 5 Jahren eine Metaanalyse ergab einen Vorteil für ein bildgebendes Verfahren zum Nachweis von Lebermetastasen in der Nachsorge. Aus diesem Grund entschied sich die Expertenkommission, das einfachste und kostengünstigste Verfahren anzuwenden. nur beim Rektumkarzinom ohne neoadjuvante oder adjuvante Radiochemotherapie nur beim Rektumkarzinom 3 Monate nach Abschluss der tumorspezifischen Therapie (Operation bzw. adjuvante Strahlen-/ Chemotherapie) als Ausgangsbefund.
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
B 1.7 Kolon und Rektum
407
Karzinoid des Rektums
Karzinoid des Rektums
Nahezu alle Karzinoide des Rektums entstehen in einer Zone zwischen 4 und 13 cm oberhalb der Linea dentata. Die Metastasierung steht in einer direkten Beziehung zur Größe des Tumors. Während Karzinoide 5 1 cm fast nie metastasieren, erfolgt bei Tumoren 4 2 cm immer eine Tumorstreuung. Bei fehlender Serotoninproduktion kommt es auch bei hepatischen Metastasen eines Rektumkarzinoids zu keinem Karzinoidsyndrom. Die Therapie besteht in der großzügigen Exzision bzw. der Rektumresektion.
Sie entstehen meist 4 – 13 cm oberhalb der Linea dentata. Ihre Metastasierungstendenz ist größenabhängig. Die Therapie besteht in der großzügigen Exzision bzw. der Rektumresektion.
1.7.5 Intestinale Polyposis-Syndrome
1.7.5 Intestinale Polyposis-Syndrome
Das Polyposis-Syndrom ist durch das Verteilungsmuster und die Anzahl von Polypen im Gastrointestinaltrakt charakterisiert und wird in die familiäre und die nicht familiäre Erscheinungsform unterteilt. ■ Die familiäre Form ist autosomal dominant vererblich und kann ihrerseits einer adenomatösen oder hamartomatösen Gruppe zugeordnet werden. Sie sind charakterisiert durch die multiplen Adenome im Kolon. Die einzelnen Syndrome unterscheiden sich klinisch untereinander durch die Manifestationsform außerhalb des Kolons (Tab. B-1.33, Tab. B-1.34). ■ Bei der nicht familiären Form des Polyposis-Syndroms können die Polypen über den gesamten Gastrointestinaltrakt verteilt sein.
Das Polyposis-Syndrom kann in die familiäre und die nicht familiäre Erscheinungsform unterteilt werden. Die familiäre Form ist autosomal dominant vererblich und kann ihrerseits einer adenomatösen oder hamartomatösen Gruppe zugeordnet werden. Die einzelnen Syndrome unterscheiden sich klinisch durch ihre Manifestationsform außerhalb des Kolons (Tab. B-1.33, Tab. B-1.34).
B-1.33
Familiäre adenomatöse Polyposis-Syndrome
Syndrom
intestinale Adenomlokalisation
familiäre adenomatöse Polyposis (FAP)
■
Kolon (multipel) Duodenum (periampullär) Magenfundus (Drüsenhyperplasie) terminales Ileum (selten)
■
wie FAP, eher weniger Kolonadenome
■ ■ ■
Gardner-Syndrom
extraintestinale Manifestation ■ ■
■ ■ ■ ■ ■ ■
Turçot-Syndrom
B-1.34
■
Kolon
■
Unterkieferosteome Anomalien der Zahnentwicklung
Osteome: Unterkiefer, Gesichtsschädel, lange Röhrenknochen Epidermoidzysten Lipome Fibrome Desmoidtumoren Schilddrüsen-, Nebennieren-, Gallengang-, Lebertumoren bösartige Hirntumoren bei Kindern und Heranwachsenden (Glioblastoma multiforme)
Familiäre hamartomatöse Polyposis-Syndrome
Syndrom
intestinale Hamartomlokalisation
Peutz-Jeghers-Syndrom
■ ■ ■
juvenile Polyposis
■ ■ ■
Neurofibromatose
■ ■
Cowden-Syndrom
■ ■
Dünndarm Magen (selten) Kolon (selten) Kolon Dünndarm Magen Magen Dünndarm Magen Kolon
extraintestinale Manifestation
■
Hautpigmente an Mund, Hand und Füßen Polypen: Nase, Bronchien, Harnblase, Gallenblase Ovarialtumoren Sertoli-Tumoren des Hodens
■
Pankreaskarzinom (selten)
■
generalisierte Neurofibromatose
■ ■ ■
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Hauteffloreszenzen orale Papillome Mammakarzinom Schilddrüsenkarzinom
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408
B 1 Viszeralchirurgie
Allgemeine Diagnostik: Die familiären Formen können durch eine molekulargenetische Diagnostik bei erkrankten Patienten gesichert werden.
Allgemeine Diagnostik: Für alle familiären Erscheinungsformen gilt, dass heute durch molekulargenetische Diagnostik bei erkrankten Patienten die Diagnosesicherung möglich ist und Familienangehörige prädiktiv getestet werden können. Neben einem erhöhten Risiko für kolorektale Karzinome haben alle Patienten und Risikopersonen dieser Gruppe ein zusätzlich erhöhtes Risiko extrakolischer Neoplasien. Aufgrund des autosomal-dominanten Erbganges haben erstgradig Verwandte von Betroffenen ein 50 %iges Risiko, diese genetische Disposition ebenfalls geerbt zu haben. Eine prädiktive genetische Testung bei diesen gesunden Risikopersonen muss den Richtlinien entsprechend an eine genetische Beratung gebunden sein.
Familiäre adenomatöse Polyposis-Syndrome
Familiäre adenomatöse Polyposis-Syndrome
Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP)
Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP)
Ätiologie: Für die Erkrankung wird ein defektes APC-Gen am Chromosom 5q21 verantwortlich gemacht. Die Karzinomentwicklung ist obligat.
Ätiologie: Für die Ätiologie kann eine genetische Disposition mit Definition des defekten Gens verantwortlich gemacht werden. Es handelt sich um das sogenannte APC-Gen (adenomatous polyposis coli) am Chromosom 5q21. Die Entwicklung eines Karzinoms ist obligat. Sie tritt in der Regel 20 Jahre früher als das sporadische Kolonkarzinom ein.
Klinik: Die multiplen im Kolon verstreuten Polypen treten durchschnittlich im 25. Lebensjahr auf und werden in der 4. Lebensdekade symptomatisch. Es kommt zu Blut- und Schleimabgängen, Durchfällen und Abdominalschmerzen. Polypen finden sich auch im Magen, Duodenum und selten im terminalen Ileum. Duodenalpolypen haben ein erhöhtes Karzinomrisiko. Bei 90 % der Patienten sind radiologisch zusätzlich Osteome am Gesichtsschädel nachweisbar.
Klinik: Die multiplen im Kolon verstreuten Polypen treten durchschnittlich im 25. Lebensjahr auf, werden jedoch erst in der 4. Lebensdekade symptomatisch. Zu diesem Zeitpunkt kann auch mit der Entstehung eines Kolonkarzinoms gerechnet werden. Die Symptome sind mit peranalen Blut- und Schleimabgängen, Durchfällen und Abdominalschmerzen primär unspezifisch. Polypöse Veränderungen finden sich darüber hinaus in Magen, Duodenum und selten im terminalen Ileum. Während die gastralen Polypen keine Entartungstendenz zeigen, besteht bei einem duodenalen Befall ein deutlich erhöhtes Karzinomrisiko. Bei 90 % der Patienten sind radiologisch zusätzlich Osteome am Gesichtsschädel nachweisbar. Ein ähnliches Bild ist beim Gardner-Syndrom (s. u.) zu finden.
Diagnostik: Familienanamnese und Koloskopie bzw. Kontrasteinlauf (Abb. B-1.122) führen zur Diagnose.
Diagnostik: Der Schlüssel zur Diagnose ist beim symptomlosen Patienten die Familienanamnese. Bestätigung oder Ausschluss der Diagnose erfolgen durch die Koloskopie oder einen Bariumkontrasteinlauf (Abb. B-1.122).
Therapie: Als chirurgische Verfahren stehen die totale Kolektomie (Abb. B-1.121) mit Proktomukosektomie und Anlage eines ileoanalen Reservoirs oder die subtotale Kolektomie mit ileorektaler Anastomose (Restkarzinomrisiko im Rektum 10 %), zur Verfügung. Durch eine zusätzliche medikamentöse Therapie kann eine Regression verbliebener Rektumpolypen erzielt werden.
Therapie: Nach Diagnosestellung besteht die Therapie in erster Linie in chirurgischen Maßnahmen. Als Verfahren stehen die totale Kolektomie (Abb. B-1.121) mit Proktomukosektomie und Anlage eines ileoanalen Reservoirs oder die subtotale Kolektomie mit ileorektaler Anastomose zur Verfügung. Die Wahl der Operationsmethode richtet sich nach dem Alter des Patienten, der Ausdehnung des Rektumbefalls und der Kontinenz. Bei jüngeren Patienten ist die Proktomukosektomie mit ileoanaler Anastomose vorzuziehen, da die subtotale Kolektomie mit einem 10 %igen Risiko eines Rektumkarzinoms behaftet ist. Eine zusätzliche medikamentöse Behandlungsmöglichkeit deutet
B-1.121
B-1.121
Resektat nach totaler Kolektomie Zustand nach totaler Kolektomie bei FAP. Ausbildung multipler Polypen unterschiedlicher Dysplasiegrade.
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B 1.7 Kolon und Rektum
B-1.122
Familiäre Polyposis coli
409 B-1.122
Zahlreiche kleine und größere sessile oder gering gestielte Polypen bedecken die gesamte Kolonwand. a Colon ascendens. b Flexura lienalis und proximales Colon descendens (Aufnahme im Stehen).
a
b
sich mit Sulindac (300 – 400 mg/d, nichtsteroidal, antiinflammatorisch) an. Unter dieser Therapie konnte eine Regression verbliebener Rektumpolypen beobachtet werden. Gardner-Syndrom
Gardner-Syndrom
Das Gardner-Syndrom ist wie die FAP autosomal dominant vererblich und dem APC-Gen zuzuordnen. Im Vordergrund steht ebenfalls die gastrointestinale Polyposis mit Dominanz im Kolon. Es wird von zahlreichen extraintestinalen Manifestationen begleitet, die klinisch eine Differenzierung zur FAP ermöglichen. Hierzu gehören Osteome im Unterkiefer, Gesichtsschädel und den langen Röhrenknochen, Exostosen, Anomalien der Zähne, Epidermoidzysten, Fibrome, Lipome und mesenteriale Fibrose (Desmoidtumoren). Werden vor der Pubertät multiple Epidermoidzysten oder eine Hypertrophie des Pigmentepithels der Retina beobachtet, kann dies der Vorläufer einer Polyposis sein. Selten sind dem Syndrom Neoplasien der Schilddrüse, Nebennieren, Gallengänge und Leber assoziiert.
Es ist wie die FAP autosomal dominant vererblich. Im Vordergrund steht ebenfalls die gastrointestinale Polyposis mit Dominanz im Kolon. Es gibt zahlreiche extraintestinale Manifestationen (Osteome an Unterkiefer, Gesichtsschädel und langen Röhrenknochen, Exostosen, Anomalien der Zähne und Epidermoidzysten usw.). Selten sind dem Syndrom Neoplasien der Schilddrüse, Nebennieren, Gallengänge und Leber assoziiert.
Turçot-Syndrom
Turçot-Syndrom
Hierbei handelt es sich um die Kombination einer kongenitalen adenomatösen Polyposis mit Hirntumoren (meist Glioblastoma multiforme) bei jungen Patienten. Die Erkrankung wird vermutlich autosomal rezessiv vererbt. Die intestinale Polyposis ist im Vergleich zur FAP weniger ausgeprägt.
Hierbei handelt es sich um die Kombination einer kongenitalen adenomatösen Polyposis mit Hirntumoren. Sie ist vermutlich autosomal rezessiv vererbt.
Familiäre hamartomatöse Polyposis
Familiäre hamartomatöse Polyposis
Peutz-Jeghers-Syndrom
Peutz-Jeghers-Syndrom
왘 Definition. Das Peutz-Jeghers-Syndrom wird autosomal dominant vererbt und zeichnet sich durch eine Pigmentierung von Kutis und Mukosa in Kombination mit einer gastrointestinalen Polyposis aus.
Klinik: Es wird durch die Melaninablagerungen an Mund, Wangenschleimhaut, Nase, Lippen, Händen, Füßen und gelegentlich perianal oder genital geprägt. Differenzialdiagnostisch treten andere Pigmentablagerungen nie an der Wangenschleimhaut auf. Die Pigmentierung kann in der Pubertät mit Ausnahme der Pigmente an der Wangenschleimhaut abblassen. Polypen können in Magen, Dünndarm und Kolon gefunden werden. Der Dünndarm ist jedoch die bevorzugte Lokalisation. Als reine Hamartome sind die Polypen primär gutartig, können jedoch an Größe zunehmen und symptomatisch werden und in seltenen Fällen maligne entarten. Die intestinalen Karzinome entstehen aus adenomatösen Schleimhautinseln in den Hamartomen oder aus synchronen Adenomen.
왗 Definition
Klinik: Es kommt zu Melaninablagerungen an Mund, Wangenschleimhaut, Lippen usw. Differenzialdiagnostisch treten andere Pigmentablagerungen nie an der Wangenschleimhaut auf. Die Polypen im Gastrointestinaltrakt sind primär gutartig, können in seltenen Fällen aber maligne entarten. Symptome verursachen die akute oder chronische Blutung, die intestinale Obstruktion und Invagination.
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410
Extraintestinale Manifestationen sind gutartige Polypen in Nase, Bronchien, Harnblase, Gallenblase und Gallengang. Ovarialzysten und -tumoren kommen bei 5 – 12 % der Frauen vor. Mamma-, Pankreas-, Gallenblasen- und Gallengangskarzinome können auftreten.
B 1 Viszeralchirurgie
Symptome sind die akute oder chronische Blutung, die intestinale Obstruktion und die Invagination. Als extraintestinale Manifestation finden sich gutartige Polypen in Nase, Bronchien, Harnblase, Gallenblase und Gallengang. Ovarialzysten und -tumoren werden bei 5 – 12 % der Frauen beobachtet, bei Männern können sich Hodentumoren entwickeln. Weiterhin können Mammakarzinome, meist beidseits, und Karzinome von Pankreas, Gallengängen oder Gallenblase auftreten.
Diagnostik: Koloskopie, selektive Dünndarmpassage und Sonographie werden zur Diagnose eingesetzt.
Diagnostik: Die Diagnose und Verlaufskontrolle erstreckt sich bei Indexfamilien auf die Koloskopie, die selektive Dünndarmpassage, die Sonographie des weiblichen Genitales und eine sorgfältige Untersuchung der Gonaden beim Mann.
Therapie: Beseitigung der Symptome durch selektive Entfernung der symptomatischen Hamartome.
Therapie: Die Therapie beschränkt sich auf eine Beseitigung der Klinik: Obstruierende oder invaginierende Hamartome werden durch Eröffnung des Darms lokal entfernt. Wegen der Multiplizität der Polypen ist eine Resektion von Darmabschnitten nicht indiziert.
Prognose:
Prognose:
왘 Merke
Juvenile Polyposis 왘 Definition
왘 Merke. Obwohl es sich grundsätzlich um eine gutartige Erkrankung handelt, entwickeln 50 % der Patienten durchschnittlich im 50. Lebensjahr intestinale oder extraintestinale Karzinome.
Juvenile Polyposis 왘 Definition. Bei der juvenilen Polyposis handelt es sich um eine autosomal dominant vererbliche Erkrankung von Kindern und selten Erwachsenen. Es können folgende Erscheinungsformen unterschieden werden: ■ familiäre juvenile Polyposis coli mit Beschränkung des Polypenwachstums auf das Kolon ■ familiäre juvenile Polyposis des Magens ■ generalisierte juvenile Polyposis mit Polypen im gesamten Gastrointestinaltrakt.
Trotz genetischer Disposition ist der Proteindefekt bisher nicht bekannt. Klinik: Bei Kindern treten dem PeutzJeghers-Syndrom ähnliche Symptome auf.
Klinik: Die Symptome entsprechen denen des Peutz-Jeghers-Syndroms mit dem Unterschied, dass sie charakteristischerweise bei Kindern auftreten. Es wird beschrieben, dass bei diesen Patienten Magen-, Pankreas- und Duodenalkarzinome häufiger auftreten.
Prognose: Es besteht ein erhöhtes Karzinomrisiko.
Prognose: Prognostisch besteht bei der familiären juvenilen Polyposis ein erhöhtes Risiko eines Kolonkarzinoms.
Therapie: Es erfolgt eine operative oder koloskopische Polypenentfernung in Abhängigkeit der Symptome, Anzahl und Ausdehnung der Polypen. Die Operationsverfahren entsprechen denen der FAP.
Therapie: Die Therapie richtet sich neben den Symptomen nach Anzahl und Ausdehnung der Polypen. Ist eine endoskopische Kontrolle nicht mit ausreichender Sicherheit möglich, muss die operative Entfernung der Polypen oder des befallenen Darmanteils erörtert werden. Die technischen Optionen entsprechen denen der FAP.
Cowden-Syndrom
Cowden-Syndrom
왘 Definition
왘 Definition. Die Erkrankung wird autosomal dominant vererbt und ist durch
multiple Hamartome ektodermalen, mesodermalen und endodermalen Ursprungs charakterisiert. Die Polypen unterschiedlichster histologischer Erscheinungsformen können im gesamten Gastrointestinaltrakt gefunden werden und sind immer gutartig.
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B 1.7 Kolon und Rektum
Eine lokale Entartungstendenz besteht nicht. Als extraintestinale Manifestationen zeigen sich neben Hautveränderungen im Gesicht und an den Akren orale Papillome. Bei 50 % der Patienten sind zystische Veränderungen der Brust oder Mammakarzinome zu beobachten. In 10 – 15 % finden sich eine euthyreote Struma oder ein Schilddrüsenkarzinom.
Neurofibromatose (Morbus von Recklinghausen)
411 Extraintestinale Manifestationen zeigen sich in Hautveränderungen an den Akren und oralen Papillomen. Es kann zu Mammakarzinomen oder Schilddrüsenkarzinomen kommen. Neurofibromatose (Morbus von Recklinghausen)
Die Neurofibromatose kann sich in submukösen Neurofibromen im Gastrointestinaltrakt manifestieren. Durch Dyspepsie, Abdominalschmerzen und Blutungen kann sie symptomatisch werden. Eine Entartung in ein Neurofibrosarkom ist möglich.
Man findet submuköse Fibrome, die symptomatisch werden können. Eine maligne Entartung ist möglich.
Nicht familiäre gastrointestinale Polyposis
Nicht familiäre gastrointestinale Polyposis
Cronkhite-Canada-Syndrom
Cronkhite-Canada-Syndrom
Das Krankheitsbild ist durch eine diffuse gastrointestinale Polyposis, Dystrophie (Onycholysis) der Fingernägel, Haarausfall, Hyperpigmentation der Haut, Gewichtsverlust, Abdominalschmerzen, Diarrhöen und ein Malabsorptionssyndrom gekennzeichnet. Ursache des Durchfalls sind multiple Läsionen der Dünndarmmukosa und eine bakterielle Überwucherung. In 52 – 96 % der Patienten erstrecken sich die Polypen vom Magen bis zum Rektum. Diese Polypen sind histologisch Hamartome. Vereinzelte Adenome erhöhen jedoch das Karzinomrisiko. Das Malabsorptionssyndrom ist progredient und bestimmt die Prognose der Erkrankung. Therapeutisch steht die Behandlung der Malabsorption im Vordergrund.
Es handelt sich um eine diffuse gastrointestinale Polyposis vom Magen bis zum Rektum. Begleitend kommt es zur Dystrophie der Fingernägel, Haarausfall und Hyperpigmentation der Haut. Im Vordergrund steht ein Malabsorptionssyndrom, das auch die Prognose und Therapie bestimmt. Therapeutisch steht die Behandlung der Malabsorption im Vordergrund.
1.7.6 Intestinale Non-Polyposis-Syndrome
1.7.6 Intestinale Non-Polyposis-Syndrome
Hereditäres Kolonkarzinom
Hereditäres Kolonkarzinom
왘 Synonym. HNPCC – Hereditary nonpolyposis colorectal cancer
왗 Synonym
왘 Definition. Hierbei handelt es sich um eine autosomal dominant vererbliche Disposition für das kolorektale Karzinom.
왗 Definition
Ätiologie: Die Anlageträger für ein HNPCC haben Mutationen in sog. Mismatch Repair-Genen. Die Diagnose HNPCC kann gestellt werden, wenn in der Familie des Patienten die sogenannten Amsterdam-Kriterien erfüllt sind: ■ Mindestens drei Familienangehörige mit HNPCC-assoziiertem Karzinom (Kolon/Rektum, Endometrium, Dünndarm, Nierenbecken/Ureter). ■ Einer der Betroffenen ist ein Verwandter ersten Grades der beiden anderen. ■ Erkrankungen treten in mindestens zwei aufeinander folgenden Generationen auf. ■ Mindestens ein Patient mit der Diagnose eines Karzinoms vor dem 50. Lebensjahr. ■ Ausschluss einer familiären adenomatösen Polyposis (FAP).
Ätiologie: Die Anlageträger für ein HNPCC haben Mutationen in sog. Mismatch RepairGenen. Die Diagnose HNPCC kann gestellt werden, wenn in der Familie des Patienten die sogenannten Amsterdam-Kriterien erfüllt sind: ■ mindestens 3 Familienangehörige mit HNPCC-assoziiertem Karzinom. ■ Einer davon Verwandter 1. Grades der beiden anderen. ■ Erkrankungen in mindestens 2 aufeinander folgenden Generationen. ■ Mindestens ein Fall eines Karzinoms vor dem 50. Lebensjahr. ■ Ausschluss einer FAP.
Epidemiologie, Lokalisation: Die Inzidenz wird kontrovers zwischen 4 – 15 % angegeben. Die Entstehung der Karzinome wird durchschnittlich im 40. Lebensjahr beobachtet. Ihnen ist die proximale Lage im Kolon, das Vorhandensein von synchronen und metachronen Kolonkarzinomen und die histologische Typisierung in meist schleimbildende, wenig differenzierte Karzinome gemeinsam.
Epidemiologie, Lokalisation: Die Inzidenz wird zwischen 4 – 15 % angegeben. Entstehung durchschnittlich im 40. Lebensjahr. Typisch ist die proximale Lage im Kolon.
Präsentationsformen: ■ Das Lynch-Syndrom I (HNPCC I) beschreibt die hereditäre Disposition ohne den Nachweis multipler Polypen.
Präsentationsformen: ■ Lynch-Syndrom I (HNPCC I) ist die heriditäre Disposition ohne Nachweis von Polypen.
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Lynch-Syndrom II (HNPCC II): Wie I, jedoch häufig mit extrakolischen Adenokarzinomen wie Endometrium- oder Ovarialkarzinom vergesellschaftet.
왘 Merke
Diagnostik: Die Diagnose stützt sich ausschließlich auf die Familienanamnese. Siehe auch S. 399. 왘 Merke
B 1 Viszeralchirurgie
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Das Lynch-Syndrom II (HNPCC II) betrifft das Risiko des Kolonkarzinoms auf autosomal dominant vererbtem Weg. Häufig ist es mit extrakolischen Adenokarzinomen vergesellschaftet. Im Vordergrund stehen hierbei das Endometrium- und das Ovarialkarzinom. Es werden jedoch auch andere Karzinome an Hals, Brust und dem Gastrointestinaltrakt beobachtet.
왘 Merke. Ein Lynch-Syndrom darf dann angenommen werden, wenn das Kolonkarzinom wenigstens 2 Generationen erfasst hat und ein oder mehr Fälle von kolorektalen Karzinomen in einer Familie vor dem 50. Lebensjahr diagnostiziert wurden.
Diagnostik: Die Diagnose stützt sich ausschließlich auf die Familienanamnese. Weitere Diagnostik s. S. 399.
왘 Merke. Risikopersonen ist ab dem 18. Lebensjahr eine genetische Beratung
zu empfehlen. Sobald die krankheitsverursachende Mutation in der betreffenden Familie bekannt ist, sollte diese bei den Risikopersonen untersucht werden. Risikopersonen für ein HNPCC sollten ab dem 25. Lebensjahr jährlich komplett koloskopiert werden, in jedem Fall 5 Jahre vor dem niedrigsten Erkrankungsalter in der Familie. Bei weiblichen Risikopersonen und Mutationsträgerinnen sollte ab dem 25. Lebensjahr zusätzlich zur jährlichen gynäkologischen Untersuchung ein transvaginaler Ultraschall im Hinblick auf Endometrium- und Ovarialkarzinome durchgeführt werden. 1.7.7 Weitere Kolon- und
Rektumerkrankungen Angiodysplasie 왘 Definition
1.7.7 Weitere Kolon- und Rektumerkrankungen Angiodysplasie 왘 Definition. Die Angiodysplasie ist eine erworbene, submukös gelegene arteriovenöse Fehlbildung, die insbesondere beim älteren Patienten zu unteren gastrointestinalen Blutungen führen kann. Die typische angiodysplastische Läsion hat einen Durchmesser von 0,5 – 1 cm und ist von einem sehr dünnen Epithel überdeckt. Obwohl die Veränderungen im ganzen Kolon gefunden werden können, treten sie zu 70 – 90 % im rechten Kolon auf.
Klinik: Die einzige klinische Manifestation besteht in einer gastrointestinalen Blutung bei Patienten, die das 60. Lebensjahr überschritten haben.
Klinik: Die einzige klinische Manifestation besteht in einer gastrointestinalen Blutung bei Patienten, die gewöhnlich das 60. Lebensjahr überschritten haben. Massive, kreislaufwirksame Blutabgänge wie bei der Divertikelblutung sind ungewöhnlich, da es sich um kapillare und damit selbstlimitierende Blutungen handelt. Sie sind jedoch chronisch rezidivierend.
Diagnostik: Die Endoskopie ist pathognomonisch (Diagnosesicherung in 80 – 90 %) (Abb. B-1.123).
Diagnostik: Das endoskopische Erscheinungsbild ist pathognomonisch und kann in 80 – 90 % die Diagnose sichern (Abb. B-1.123).
Therapie: Die Therapie der Wahl besteht in der endoskopischen Laserkoagulation. Die chirurgische Resektion ist dann angezeigt, wenn die arteriovenösen Veränderungen sehr groß und zahlreich sind.
Therapie: Eine Behandlung ist nach der ersten nachgewiesenen Blutung und dem sicheren Ausschluss anderer Blutungsquellen angezeigt. Die Therapie der Wahl besteht in der endoskopischen Laserkoagulation. Die chirurgische Resektion ist dann angezeigt, wenn die arteriovenösen Veränderungen sehr groß und zahlreich sind. In diesen Fällen beträgt die Gefahr der Rezidivblutung aufgrund übersehener Veränderungen in anderen Darmanteilen 15 – 25 %.
Kolonvolvulus
Kolonvolvulus
Unter der akuten Obstruktion des Kolons ist der Volvulus mit 5 % beteiligt. Hierbei rangiert der Sigmoid- mit 65 % vor dem Zökumvolvulus mit 33 %.
Unter der akuten Obstruktion des Kolons ist der Volvulus mit 5 % beteiligt. Hierbei rangiert der Sigmoid- mit 65 % vor dem Zökumvolvulus mit 33 %. Als Ursache ist eine lange und mobile mesenteriale Aufhängung zu betrachten, über die der Darm rotieren kann.
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
B 1.7 Kolon und Rektum
B-1.123
Endoskopische Präsentation einer Angiodysplasie
413 B-1.123
a Vor Koagulation. b Nach Koagulation.
a
b
Sigmavolvulus
Sigmavolvulus
Für den Sigmavolvulus werden faserreiche Kost, ein ungewöhnlich langes Kolon, ein erworbenes Megakolon, chronische Verstopfung und eine schmale mesenteriale Aufhängung verantwortlich gemacht. Er betrifft vornehmlich den älteren Patienten nach dem 70. Lebensjahr.
Für den Sigmavolvulus werden faserreiche Kost, ein ungewöhnlich langes Kolon und chronische Verstopfung verantwortlich gemacht. Er betrifft vornehmlich ältere Patienten nach dem 70. Lebensjahr.
Klinik: Der Volvulus tritt mit einem akuten Abdominalschmerz auf und ist in 50 % mit einem Dickdarmileus vergesellschaftet. Bei der Untersuchung findet sich ein distendiertes Abdomen mit tympanitischem Klopfschall. Ein Peritonismus ist Zeichen des Infarktes oder der Gangrän.
Klinik: Der Volvulus tritt mit einem akuten Abdominalschmerz auf und ist in 50 % mit einem Dickdarmileus vergesellschaftet. Ein Peritonismus ist Zeichen des Infarktes oder der Gangrän.
Diagnostik: Bei Verdacht auf einen Sigmavolvulus erbringt die Abdomenübersichtsaufnahme bei 70 – 80 % Patienten bereits die Diagnostik: Das typische Bild zeigt eine extrem gedehnte Dickdarmschlinge, die sich bei Verlust der Haustrierung gegen das Zwerchfell vorwölbt (Abb. B-1.124). Ein Kontrastmitteleinlauf wird die Diagnose in 90 % sichern, wobei bei Verdacht auf eine Gangrän nur wasserlösliches Kontrastmittel angewandt werden darf.
Diagnostik: Die Abdomenübersichtsaufnahme, die typischerweise eine extrem gedehnte Dickdarmschlinge, die sich bei Verlust der Haustrierung gegen das Zwerchfell vorwölbt, zeigt, erbringt bei 70 – 80 % die Diagnose (Abb. B-1.124). Ein Kontrastmitteleinlauf sichert die Diagnose in 90 %.
Therapie: Die Therapie besteht im Wesentlichen in der operativen Derotation bzw. bei Durchblutungsstörungen in der Sigmaresektion.
Therapie: Operative Derotation bzw. Resektion.
B-1.124
Sigmavolvulus
B-1.124
Sigmavolvulus mit spitzwinkliger Abknickung im Torsionsbereich (?), Aufhebung der Haustrierung und Überblähung der proximalen Kolonanteile.
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B 1 Viszeralchirurgie
Zökumvolvulus
Zökumvolvulus
Ätiologie: Als Ursache ist ein mobiles Zökum bei gemeinsamer Mesenterialwurzel mit dem terminalen Ileum zu betrachten (Abb. B-1.125). Der Zökumvolvulus ist selten.
Ätiologie: Als Ursache ist ein mobiles Zökum bei gemeinsamer Mesenterialwurzel mit dem terminalen Ileum zu betrachten. Auf diese Weise wird dem Zökum eine Rotation im Uhrzeigersinn ermöglicht (Abb. B-1.125). Der Zökumvolvulus ist selten. Seine Mortalität beträgt 20 %.
Klinik: Es sind vornehmlich Frauen im Alter zwischen 30 und 40 Jahren betroffen. Die Symptome Abdominalschmerzen, Verstopfung, Übelkeit und Erbrechen sind unspezifisch.
Klinik: Das Krankheitsbild präsentiert sich entweder als Strangulation infolge der vorausgegangenen Torsion mit einem akuten Abdomen oder weniger dramatisch unter dem Bild eines Ileus. Es werden vornehmlich Frauen im Alter zwischen 30 – 40 Jahren betroffen. Die Symptome sind für gewöhnlich mit Abdominalschmerzen, Verstopfung, Übelkeit und Erbrechen unspezifisch.
Diagnostik: Auf der Abdomenleeraufnahme findet sich im rechten oberen Quadranten die Gasblase des hochgeschlagenen Zökums (Abb. B-1.126).
Diagnostik: Wie beim Sigmoidvolvulus ist der Schlüssel zur Diagnose die Abdomenleeraufnahme. Während der rechte untere Quadrant radiologisch „leer“ erscheint, findet sich im rechten oberen Quadranten die Gasblase des hochgeschlagenen Zökums (Abb. B-1.126).
Therapie: Die Behandlung der ersten Wahl besteht in der Resektion des torquierten Zökums.
Therapie: Die Behandlung der ersten Wahl besteht in der Resektion des torquierten Zökums.
B-1.125
B-1.125
Schematische Darstellung des Zökumvolvulus
B-1.126
B-1.126
Zökumvolvulus in der Abdomenleeraufnahme Bei leerem rechten unteren Quadranten (Doppelpfeil) ist die Gasblase (?) des Zökums nach kranial geschlagen.
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B 1.7 Kolon und Rektum
Rektumprolaps
415 Rektumprolaps
왘 Definition. Unter einem Rektumprolaps wird der Vorfall des Rektums in seiner
왗 Definition
gesamten Zirkumferenz durch den Anus verstanden. Ist nur die Rektummukosa betroffen, spricht man von einem inkompletten Prolaps oder Mukosaprolaps. Ein interner Rektumprolaps oder Intussuszeption (Invagination) liegt dann vor, wenn das obere Rektumdrittel in den unteren Bereich des Rektums prolabiert, ohne den Analkanal zu erreichen. Ätiologie und Pathogenese: Er ist fast immer vergesellschaftet mit einer Sphinkter- und/oder globalen Beckenbodeninsuffizienz, die die begleitend auftretenden Inkontinenzerscheinungen erklären. Diese werden durch sensible Ausfälle, ausgelöst durch intramurale Nervenkompression im Rahmen des Prolapsgeschehens, verstärkt.
Ätiologie und Pathogenese: Der Rektumprolaps ist fast immer mit einer globalen Beckenbodeninsuffizienz vergesellschaftet.
Als prädisponierende Faktoren sind folgende Punkte zu nennen: Chronische Obstipation, Descensus perinei, Enteroptose und muskuläre Beckenbodeninsuffizienz. Durch die ständige mechanische Alteration des prolabierten Darms kann es zu Ulzera auf dem Prolaps, Blutungen und Granulationsgewebswucherungen kommen. Von diesen Formen des Rektumprolaps, der durch Insuffizienzen der physiologischen Haltestrukturen des Beckenbodens entsteht, ist der kindliche Rektumprolaps abzugrenzen. Er wird durch eine noch mangelnde Reifung, die zu einer fehlenden oder noch nicht ausreichenden Angulation des Rektums führt, ausgelöst. Der Pressdruck des Kindes wird so direkt auf den Sphinkterapparat übertragen und das noch nicht ausreichend fixierte Rektum durch die intakte Beckenboden- und Schließmuskulatur hindurchgepresst.
Prädisponierende Faktoren: ■ chronische Obstipation ■ Descensus perinei ■ Enteroptose ■ Beckenbodeninsuffizienz.
Klinik: Das klinische Bild wird durch die Ausstülpung des Mastdarms bei intraabdominaler Druckzunahme oder postdefäkal bestimmt. Diese Ausstülpung kann bei zunehmender Beckenbodeninsuffizienz auch beim Husten, Heben und später spontan erfolgen. Gleichzeitig besteht eine anale Inkontinenz mit zeitweiligen Schleimhautblutungen und starken Schleimabgängen (Abb. B-1.127). Es kann zu Blutungen, Inkontinenz, Nässen, Juckreiz und Schmerzen kommen. Als Komplikationen sind die Inkarzeration und Nekrose anzuführen.
Klinik: Es kommt zur Ausstülpung des Mastdarms (Abb. B-1.127) bei intraabdominaler Druckzunahme. Gleichzeitig besteht eine anale Inkontinenz mit zeitweiligen Schleimhautblutungen und starken Schleimabgängen. Nässen, Juckreiz und Schmerzen sind möglich.
Diagnostik: Der Patient wird aufgefordert, stark zu pressen. Beim Pressakt lässt sich ein Vorfall von zirkulär gefältelter, dunkelroter Schleimhaut mit starker Schleimsekretion erkennen. Zur Komplettierung der Diagnostik sind eine
Diagnostik: Beim Pressen ist ein Vorfall von zirkulär gefältelter dunkelroter Schleimhaut mit Schleimsekretion erkennbar. Eine Kolo-
B-1.127
Vollständiger Rektumprolaps
Der kindliche Rektumprolaps wird durch eine mangelnde Fixierung und Angulation des Rektums bei noch nicht abgeschlossener Reifung erklärt.
B-1.127
Der Rektumprolaps ist an der typischen zirkulären Schleimhautfältelung zu erkennen.
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416
B 1 Viszeralchirurgie
skopie ist zum Ausschluss oder Bestätigung eines Tumors notwendig (Obstipation als Folge einer Tumorstenose).
Koloskopie (Ausschluss oder Bestätigung eines Tumors, der als Stenose eine Obstipation bedingen kann), eine Sphinktermanometrie und Defäkographie (zur Beurteilung der Kontinenzleistung) notwendig.
Therapie: Der kindliche Rektumprolaps sollte primär konservativ behandelt werden (Reposition, Stuhlregulation). Nur bei großen, rezidivierenden Vorfällen ist eine Operation indiziert.
Therapie: Der kindliche Rektumprolaps sollte primär konservativ mit Reposition und Stuhlregulation behandelt werden, da sich mit abgeschlossener Maturation des Beckenbodens der Prolaps meist spontan gibt. Nur bei großen, rezidivierenden Vorfällen ist eine Operation indiziert. Bei Komplikationen ist selbstverständlich eine operative Intervention angezeigt. Unter den therapeutischen Optionen beim Erwachsenen variieren zahlreiche operative Behandlungsmethoden, die sich nach dem perinealen, sakralen oder abdominalen Vorgehen unterscheiden. Hierbei zeigen die abdominalen Eingriffe die besten Ergebnisse mit der geringsten Rezidivrate. Grundsätzlich richtet sich das einzuschlagende Operationsverfahren jedoch nach dem Alter und dem Allgemeinzustand des Patienten.
Bei Erwachsenen stehen zahlreiche operative Behandlungsmethoden zur Verfügung. Hierbei zeigen die abdominalen Eingriffe die besten Ergebnisse mit der geringsten Rezidivrate.
Laparoskopisches Vorgehen: ■ Indikationen, Kontraindikationen: Alle Stadien können laparoskopisch operiert werden.
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Operatives Vorgehen: Zu den Prinzipien der Sigmaresektion s. S. 402. Zunächst laparoskopische Rektopexie, dann Beckenbodenplastik post-anal durch Raffnähte und präkokzygeal (Abb. B-1.128 a). Nach Streckung des Rektums Fixierung eines Polypropylenenetzes präsakral (Abb. B-1.128 b) und daran Fixierung des Rektums (Abb. B-1.128 c).
Komplikationen: Bis auf die laparoskopiespezifischen entsprechen sie denen nach konventioneller Operation.
B-1.128
Laparoskopisches Vorgehen: ■ Indikationen, Kontraindikationen: Es können alle Stadien laparoskopisch operiert werden. Alternativ kann die laparoskopische Sigmaresektion oder Rektopexie, je nach postoperativer Entwicklung der Insuffizienzbeschwerden, mit einer zweizeitigen perinealen Beckenbodenraffung kombiniert werden. Bei Patienten mit hohen kardiopulmonalen Risikofaktoren sollte einem extraabdominalen Vorgehen der Vorzug gegeben werden. ■ Operatives Vorgehen: Die Prinzipien der Sigmaresektion sind ab S. 402 beschrieben. Für die laparoskopische Rektopexie und Beckenbodenplastik wird das Mesorektum beginnend am Promontorium präsakral gelöst. Das so bis über die Steißbeinspitze mobilisierte Rektum bringt den Beckenboden zur Darstellung. Es wird dann die Beckenbodenplastik post-anal durch Raffnähte der Levatoren und präkokzygeal angelegt (Abb. B-1.128 a). Lässt sich nach kompletter Mobilisation eine ausreichende Streckung des Rektums erreichen, wird ein Polypropylenenetz präsakral eingelegt und fixiert (Abb. B-1.128 b). Das nach intraabdominal gestreckte Rektum wird dann an dem Netz lateral mit Naht befestigt (Abb. B-1.128 c). ■ Komplikationen: Häufigkeit und Art postoperativer Komplikationen entsprechen, bis auf die laparoskopiespezifischen, denen nach konventioneller Operation.
Laparoskopische Rektopexie
a Situation nach Mobilisation und Anheben des Rektums und Darstellung des Beckenbodens.
b Präsakrale Einlage und Fixierung des Netzes mit Clips.
c Befund nach Annähen des Rektums an das Netz.
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B 1.7 Kolon und Rektum
Chronische Verstopfung des Erwachsenen Bei der chronischen Verstopfung des Erwachsenen kann die Symptomatik nicht präzise definiert werden. Hierbei erfordern unterschiedliche Ursachen ein differenziertes diagnostisches und therapeutisches Vorgehen. Zu den Ursachen gehören: ■ Morbus Hirschsprung (des Erwachsenen): Die Erkrankung manifestiert sich hier erst beim Adoleszenten oder Erwachsenen. Als Ursache kann auch in diesen Fällen das Fehlen von Ganglienzellen im Plexus myentericus nachgewiesen werden. Die späte Manifestation ist nicht geklärt (s.a. S. 1077). ■ Idiopathisches Megarektum und Megakolon: Aus unbekannter Ursache kommt es bei dieser Erkrankung zu einer Dilatation des Rektums, die sich bis auf das Colon sigmoideum erstrecken kann. Die Behandlung erfolgt primär konservativ mit abführenden Maßnahmen. Bleibt diese erfolglos, ist die Indikation zur Operation gegeben. Eine weitestgehende Beschwerdefreiheit kann mit der totalen Kolektomie und einer Anastomose zwischen terminalem Ileum und Rektum (Ileorektostomie) erreicht werden. ■ Idiopathische Erhöhung der Transitzeit: Jenseits der Pubertät kommt es bei ungestörter Innervation des Darms zu einer progredienten Abnahme der Stuhlfrequenz. Es sind im Wesentlichen Frauen betroffen. Die Behandlung verlangt ebenfalls primär laxative Maßnahmen. Die Zufuhr von faserreicher Kost kann zu einer Verschlechterung des Krankheitsbildes führen. Bei Versagen der konservativen Therapie ist auch hier die Indikation zur Operation gegeben, wobei die Kolektomie mit Ileorektostomie das gebräuchlichste Operationsverfahren ist. ■ Chronisch idiopathische Pseudoobstruktion (Ogilvie-Syndrom): Hierbei handelt es sich um eine rasch progrediente, massive Blähung vornehmlich des rechten Kolons bei meist vorbestehenden chronischen Erkrankungen, die unbehandelt zur Perforation führen kann. Radiologisch erkennt man ein massiv überblähtes Colon ascendens und transversum ohne erkennbares Hindernis. Die Behandlung erfolgt primär in einer endoskopischen Entlastung mit nachfolgender medikamentöser Motilitätsbeeinflussung. Eine Operation ist nur dann indiziert, wenn die konservativen Maßnahmen misslingen oder aber eine Perforation des Zökums eingetreten ist. ■ Entleerungsstörungen: Für dieses Krankheitsbild ist es charakteristisch, dass der Patient trotz normalen Stuhldrangs nicht in der Lage ist, eine normale Entleerung vorzunehmen. Laxanzienabusus ist ein typischer Bestandteil der Anamnese. Die Ursache ist nicht vollständig geklärt; es scheint jedoch ein Zusammenspiel multipler anatomischer Probleme von der Beckenbodeninsuffizienz bis zum inneren Rektumprolaps mit Siphonbildung durch den rektosigmoidalen Übergang hierfür verantwortlich zu sein. Der diagnostische Nachweis kann ausschließlich durch ein Defäkogramm erbracht werden (Abb. B-1.129). Die Behandlung erfolgt bei Nachweis einer pathologisch-anatomischen Entleerungsstörung chirurgisch, wobei die einzelnen Ursachen korrigiert werden müssen (z. B. Wiederherstellung des anorektalen Winkels, Rektopexie bei Rektumprolaps, Sigmaresektion bei Sigma elongatum).
417 Chronische Verstopfung des Erwachsenen
Zu den Ursachen gehören: ■ Morbus Hirschsprung (des Erwachsenen): Die Erkrankung manifestiert sich hier erst beim Adoleszenten oder Erwachsenen (s.a. S. 1077). ■
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Idiopathisches Megarektum und Megakolon: Aus unbekannter Ursache kommt es bei dieser Erkrankung zu einer Dilatation des Rektums, die sich bis auf das Colon sigmoideum erstrecken kann. Die Behandlung erfolgt primär konservativ mit abführenden Maßnahmen. Bei Therapieversagen besteht Operationsindikation. Idiopathische Erhöhung der Transitzeit: Jenseits der Pubertät kommt es bei ungestörter Innervation des Darms zu einer progredienten Abnahme der Stuhlfrequenz. Es sind im Wesentlichen Frauen betroffen. Die Behandlung verlangt primär laxative Maßnahmen. Bei Therapieversagen erfolgt die Operation. Chronisch idiopathische Pseudoobstruktion (Ogilvie-Syndrom): Rasch progrediente, massive Blähung vornehmlich des rechten Kolons bei meist vorbestehenden chronischen Erkrankungen, die unbehandelt zur Perforation führen kann. Radiologisch erkennt man ein massiv überblähtes Kolon ohne erkennbares Hindernis. Die Behandlung erfolgt primär in einer endoskopischen Entlastung. Entleerungsstörungen: Der Patient ist trotz normalen Stuhldrangs nicht in der Lage, eine normale Entleerung vorzunehmen. Laxanzienabusus ist ein typischer Bestandteil der Anamnese. Die Ursache ist nicht vollständig geklärt. Der diagnostische Nachweis kann ausschließlich durch ein Defäkogramm erbracht werden (Abb. B-1.129). Die Behandlung erfolgt bei Nachweis einer pathologisch-anatomischen Entleerungsstörung chirurgisch.
Rektumverletzungen
Rektumverletzungen
Ätiologie, Diagnostik: Verletzungen von Kolon und Rektum sind seltener Folgen stumpfer Gewalteinwirkung, sondern werden meist durch eingeführte oder eingedrungene Fremdkörper verursacht. Ausdehnung und Lokalisation der Verletzung kann durch einen Kontrasteinlauf mit wasserlöslichen Kontrastmitteln erfasst werden.
Ätiologie, Diagnostik: Verletzungen von Kolon und Rektum werden meist durch Fremdkörper verursacht. Ausdehnung und Lokalisation der Verletzung kann durch einen Kontrasteinlauf mit wasserlöslichen Kontrastmitteln erfasst werden.
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418 B-1.129
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.129
Defäkogramm bei chronischer Entleerungsstörung Chronische Entleerungsstörung bei einer 45-jährigen Patientin. Bei vorliegender Beckenbodeninsuffizienz mit einer Rektozele (1) bildet das mobile Sigma beim Pressen einen Siphon (2), der die Entleerung des Rektums verhindert.
Therapie: ■ Nicht perforierende Verletzungen bedürfen in der Regel keiner operativen Therapie. ■ Liegt eine Perforation in das freie Abdomen vor, ist eine operative Revision erforderlich. ■ Perforierende Verletzungen im Analkanal und distalen Rektum: Bei fehlenden Entzündungszeichen kann eine Spontanheilung möglich sein. ■ Pfählungsverletzungen führen oft zu einer Zerstörung des Schließmuskels. Hier sollte unter dem Schutz der Kolostomie die primäre Rekonstruktion des Sphinkters erfolgen.
1.7.8 Laparoskopische bzw. laparoskopisch
assistierte Kolonchirurgie Die laparoskopische Kolonchirurgie erfordert bei malignen Erkrankungen das Einhalten onkologischer Radikalitätsprinzipien. Diese Kriterien können z. B. bei der laparoskopischen Hemikolektomie nicht immer eingehalten werden. Dies gilt nicht für die Rektumexstirpation.
Bei benignen Erkrankungen und bei rein palliativen Operationen werden hingegen zunehmend Indikationen zum laparoskopischen Vorgehen gesehen.
Therapie: ■ Nicht perforierende Verletzungen bedürfen in der Regel keiner operativen Therapie. ■ Bei einer Perforation in das freie Abdomen ist eine operative Revision erforderlich, wobei in Abhängigkeit des verstrichenen Zeitintervalls eine Naht mit oder ohne entlastende Kolostomie erfolgen muss. Hierbei kann unter Berücksichtigung der Versorgungsprioritäten des Traumapatienten die Verletzung selbst als Stoma vorverlagert werden. ■ Perforierende Verletzungen im Analkanal und distalen Rektum: Bei fehlenden Entzündungszeichen kann eine Spontanheilung möglich sein. Große Perforationen oder posttraumatische entzündliche Veränderungen erfordern demgegenüber eine primär vorgeschaltete Stuhlableitung. ■ Pfählungsverletzungen des Rektums haben in der Regel eine Zerstörung des Schließmuskels zur Folge. In diesen Fällen sollte unter dem Schutz einer Kolostomie die primäre Rekonstruktion des Sphinkters erfolgen.
1.7.8 Laparoskopische bzw. laparoskopisch assistierte Kolonchirurgie Die laparoskopische Kolonchirurgie erfordert bei malignen Erkrankungen das Einhalten onkologischer Radikalitätsprinzipien wie z. B. die ausreichende Lymphknotendissektion. Es bleibt abzuwarten, inwieweit diese Kriterien bei der laparoskopischen Hemikolektomie, der Transversum- oder Sigmaresektion aus anatomisch-technischen Gründen eingehalten werden können. Insbesondere die sachgerechte, eine histologische Aufarbeitung erlaubende Präparatebergung ist schwierig. Die abdominoperitoneale Rektumexstirpation hingegen scheint bei kleineren Tumoren laparoskopisch durchführbar. Bei benignen Erkrankungen und bei rein palliativen Operationen werden zunehmend Indikationen zum laparoskopischen Vorgehen gesehen. Zur Präparatebergung und Anastomosierung ist häufig eine zusätzliche, kleine Laparotomie erforderlich. Diese Operationsmethode wird daher auch „laparoskopisch assistiert“ genannt.
Präoperative Diagnostik: Siehe hierzu die zugehörigen Kapitel.
Präoperative Diagnostik: Auf Ätiologie, Anamnese und Diagnostik ist in den Kapiteln, die die der Operation zugrunde liegende Erkrankung beschreiben, bereits eingegangen worden.
Indikationen, Kontraindikationen: Für die Sigmaresektion und Rektumexstirpation sind folgende Indikationen und Kontraindikationen zu nennen (Tab. B-1.35).
Indikationen, Kontraindikationen: Für die laparoskopische Sigmaresektion und die abdominoperitoneale Rektumexstirpation sind gegenwärtig folgende Indikationen und Kontraindikationen zu nennen (Tab. B-1.35).
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B 1.8 Anus
B-1.35
419
Indikationen und Kontraindikationen der laparoskopischen Sigmaresektion und abdominoperitonealen Rektumexstirpation
Indikationen ■ entzündliche Stenosen des Sigmas ■ Endometriose ■ segmentale Colitis ulcerosa ■ endoskopisch nicht sanierbare Adenome mit Epitheldysplasien ■ palliative Resektion bei diffus metastasiertem Karzinom ■ T1-, T2-, N0-, M0-Tumor
B-1.35
Kontraindikationen Subileus, Ileus ■ Kolonfisteln ■
왘 Merke. Die onkologischen laparoskopischen kolorektalen Operationen müs-
왗 Merke
sen nach den gleichen Radikalitätsprinzipien wie die offenen Operationen durchgeführt werden. Operatives Vorgehen: Der häufigste am Kolon laparoskopisch durchgeführte Eingriff ist die Sigmaresektion. Diese wird, nach Anlage des Pneumoperitoneums und Platzierung von 4 Trokaren in den Unter- und Mittelbauch, analog der offenen Chirurgie durchgeführt. Das Sigma wird aus den lateralen Verwachsungen mit der Bauchwand gelöst. Nach Festlegen der Resektionsränder wird das Mesosigma skelettiert und dabei mit Clips, Ligatur oder langstreckigen Klammernahtgeräten zusammen mit den Gefäßen abgesetzt. Anschließend wird das Präparat distal am Rektum abgesetzt und über eine Hilfslaparotomie im linken Unterbauch geborgen. Die Anastomose kann intraabdominal mit einem Klammernahtgerät angelegt werden. Abschließend werden die Trokare entfernt und die Wunden verschlossen.
Operatives Vorgehen: Der häufigste am Kolon laparoskopisch durchgeführte Eingriff ist die Sigmaresektion. Hierbei wird das Sigma aus den lateralen Verwachsungen gelöst, dann das Mesosigma skelettiert und der Darm zusammen mit den Gefäßen abgesetzt. Das Präparat wird über eine Hilfslaparotomie geborgen. Die Anastomose kann intraabdominell mit einem Klammernahtgerät angelegt werden.
Komplikationen: Die Komplikationen entsprechen, bis auf die laparoskopiespezifischen, denen der offenen Chirurgie. Der Stellenwert der laparoskopischen Kolonchirurgie bleibt aber offen, bis weitere Ergebnisse vorliegen. Die technische Entwicklung könnte die Indikationen erweitern und den Hilfsschnitt überflüssig werden lassen.
Komplikationen: Die Komplikationen entsprechen, bis auf die laparoskopiespezifischen, denen der offenen Chirurgie.
1.8
Anus
1.8
Anus
Mathias Löhnert
1.8.1 Anatomie und Physiologie
1.8.1 Anatomie und Physiologie
Der Anus bildet zusammen mit der Rektumampulle das Kontinenzorgan und steht so mit dem distalen Rektum in enger anatomischer und funktioneller Verbindung. Der Übergang zwischen ektodermalem Anus, der mit einem verhornten Plattenepithel ausgekleidet ist, und dem entodermalen Rektum mit Kolonschleimhautepithel stellt die Linea dentata dar, die durch taschen(Krypten) und leistenartige (Papillen) Verwerfungen des Epithels entsteht (Abb. B-1.130). Das Kontinenzorgan besteht aus unterschiedlichen anatomischen Strukturen (Kontinenzfaktoren). Nur durch ein intaktes Zusammenspiel aller Kontinenzfaktoren ist eine Kontrolle der Stuhlausscheidung gewährleistet. Eine zentrale Rolle für die Kontinenz nehmen der M. sphincter ani internus und der willkürliche M. sphincter ani externus ein, ergänzt durch die muskulären Strukturen des Beckenbodens (Mm. levator ani und puborectalis). Sie gewährleisten den muskulären Abschluss des Analkanals.
Der Anus bildet zusammen mit der Rektumampulle das Kontinenzorgan. Der Übergang zwischen ektodermalem Anus (Plattenepithel) und dem entodermalen Rektum (Schleimhautepithel) stellt die Linea dentata dar (Abb. B-1.130).
Das Kontinenzorgan besteht aus unterschiedlichen anatomischen Strukturen, die durch ihr geregeltes Zusammenspiel eine intakte Kontinenz garantieren: ■ Muskuläre Kontinenzfaktoren: (Mm. sphincter ani internus und sphincter ani externus, Mm. levator ani und puborectalis.) Sie gewährleisten den muskulären Abschluss des Analkanals.
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420 B-1.130
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Nervale Kontinenzfaktoren: Sie werden von Dehnungsrezeptoren in der Wand der Rektumampulle und sensiblen Rezeptoren im Analkanal gebildet. Die Dehnungsrezeptoren bewirken bei zunehmender Füllung der Ampulle über die Nn. splanchnici eine Erschlaffung des inneren Schließmuskels. Die sensiblen Rezeptoren an der Linea dentata steuern den Tonus der Sphinktermuskulatur. Gefäßstrukturen: Das Corpus cavernosum recti füllt sich bei Kontraktion des Sphincter ani internus und bildet den Plexus haemorrhoidalis. Erschlafft der innere Schließmuskel bei der Defäkation, entleert sich das Korpus. Rektumampulle: Sie hat die Fähigkeit zu erschlaffen (Reservoirfunktion), sodass erst nach einer gewissen Stuhlmenge der Druck auf den Analkanal einen Stuhldrang auslöst.
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.130
Anatomischer Längsschnitt durch den Analkanal
Die nervalen Kontinenzfaktoren werden von Dehnungsrezeptoren in der Wand der Rektumampulle und sensiblen Rezeptoren im Analkanal gebildet. Die Dehnungsrezeptoren in der Ampullenwand bewirken bei zunehmender Füllung der Ampulle mit Stuhl über die Nn. splanchnici durch Auslösung des Relaxationsreflexes eine Erschlaffung des inneren Schließmuskels. An der Linea dentata sind die sensiblen Rezeptoren des Analkanals konzentriert. Sie ermöglichen hier eine Erfassung der Stuhlkonsistenz und steuern somit den Tonus der Sphinktermuskulatur. Der Feinabschluss des Analkanals gegen das Rektum wird durch das Corpus cavernosum recti ermöglicht. Bei Kontraktion des Sphincter ani internus füllt es sich über direkte Zuflüsse aus der A. rectalis superior und bildet so den Plexus haemorrhoidalis. Wenn der innere Schließmuskel im Rahmen einer Defäkation erschlafft, entleert sich das Korpus und ermöglicht eine freie Passage des Stuhls. Die Rektumampulle selbst spielt ebenfalls eine wichtige Rolle im Rahmen der Kontinenz. Durch die Fähigkeit der Rektumwandmuskulatur zu erschlaffen (Reservoirfunktion), ist eine Ansammlung von Stuhl in der Ampulle möglich, sodass erst ab einer gewissen Füllmenge der Druck auf den Analkanal einen Stuhldrang auslöst und nicht jede große Kolonbewegung eine Defäkation erzwingt.
1.8.2 Proktologische Untersuchung
1.8.2 Proktologische Untersuchung
Eine vollständige proktologische Untersuchung besteht aus: 1. Einer vollständigen Anamnese, die insbesondere Änderungen der Stuhlgewohnheiten, Schmerzen im Analbereich, Pruritus ani, Prolapserscheinungen und peranale Blutungen gezielt erfragen muss.
Ein Großteil aller proktologischen Erkrankungen lassen sich bereits durch eine sorgfältige Anamneseerhebung, Inspektion und digitale Untersuchung diagnostizieren. Im Rahmen der Anamnese ist dabei insbesondere auf Änderungen der Stuhlgangsgewohnheiten, Schmerzen im Analbereich und deren etwaigen zeitlichen Bezug zur Defäkation, Pruritus ani, Prolapserscheinungen und peranale Blutungen zu achten. Bei dem Symptom „Blutung“ sollte zwischen hellroten Blutspuren am Toilettenpapier und hellroten oder dunkelroten Blutbeimengungen oder -auflagerungen zum Stuhlgang unterschieden werden. Die proktologische Untersuchung selber lässt sich sowohl in Knie-EllenbogenLage, Links-Seitenlage oder Steinschnittlage durchführen. Unabhängig von der Lagerung werden palpatorische oder endoskopische Befunde stets in ihrer Lage in Bezug auf die Steinschnittlagerung (SSL) angegeben (Unterteilung des Anus/Lumens in Stunden entsprechend einer Analoguhr in Uhrzeigerrichtung). Zusätzlich muss bei jedem erhobenen Befund die Tiefe sowohl der aboralen als auch der oralen Grenze des Befundes im Analkanal/Rektum in Zentimetern angegeben werden. Als Bezugspunkte dienen dabei entweder die Linea dentata oder die Anokutangrenze.
Die Beschreibung eines Befundes berücksichtigt die Tiefe der oralen und aboralen Befundgrenze, sowie die Ausdehnung in Uhrzeigerrichtung in Bezug auf die Steinschnittlagerung (SSL). 2. Der Inspektion, bei der auf Hautveränderungen, äußere Fistelostien, Prolapserscheinungen und tumoröse Veränderungen geachtet werden muss.
Inspektion: Hier ist auf mögliche Hautveränderungen, äußere Fistelostien, Prolapserscheinungen – auch unter Provokation durch Pressen – und tumoröse Veränderungen zu achten. Fistelostien können gegebenenfalls vorsichtig sondiert oder mit NaCl-Lösung angespült werden.
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B 1.8 Anus
421
Digitale Untersuchung: Die meisten pathologischen Befunde im Analkanal lassen sich durch die digitale Palpation genauso gut oder sogar besser erkennen als durch eine Prokto- oder Rektoskopie, weshalb der Finger auch „das Auge des Proktologen“ genannt wird. Die digitale Untersuchung schließt nicht nur die Austastung des distalen Anteils der Rektumampulle ein (je nach Untersuchungslage und Fingerlänge des Untersuchers 6 – 10 cm), sondern erfordert auch eine gründliche Untersuchung des Analkanals. Hierbei ist auf Raumforderungen ebenso wie auf ulzeröse oder fistelartige Veränderungen zu achten. Die Konsistenz der Tastbefunde kann wie deren Verschieblichkeit auf oder mit der Umgebung erste Hinweise über Dignität oder Ausdehnung geben. Endoskopie: Nach der digitalen Untersuchung schließt sich die Proktoskopie und gegebenenfalls eine Rektoskopie an. Die Proktoskopie lässt sich mit röhrenförmigen Geräten mit Seit- oder Geradeausoptik sowie mit spreizbaren Spekula (meist zur operativen Therapie) durchführen. Bei der Prokto- oder Rektoskopie muss unbedingt eine gezielte Biopsie aus allen unklaren oder suspekten Befunden zur Diagnosesicherung genommen werden.
3. Der digitalen Untersuchung, die es ermöglicht, Raumforderungen, ulzeröse und fistelartige Veränderungen im distalen Anteil der Rektumampulle und im Analkanal zu erfassen. Der Finger ist „das Auge des Proktologen“ und somit sein wichtigstes Untersuchungsinstrument.
왘 Tipp. Falls die Untersuchung oder Probeentnahme zu schmerzhaft ist, lässt
4. Die endoskopischen Untersuchung besteht aus einer Proktoskopie und gegebenenfalls einer Rektoskopie. Suspekte Befunde müssen gezielt biopsiert werden.
왗 Tipp
sich unter einer lokalen Infiltrationsanästhesie meist ausreichende Beschwerdefreiheit für die diagnostische Untersuchung erreichen.
왘 Merke. Bei allen Patienten mit peranaler Blutung als Symptom muss selbst
왗 Merke
bei einer eindeutigen Blutungsquelle im Rektum eine totale Koloskopie durchgeführt werden, um eine zweite Blutungsquelle (Entzündung, Polypen, Karzinome) weiter oral auszuschließen. Endosonographie: Die Endosonographie ermöglicht bei Karzinomen im Analkanal ein Staging mit einer von anderen bildgebenden Methoden nicht erreichbaren Genauigkeit von bis zu 90 %, ähnlich wie im Rektum. Außerdem lassen sich die muskulären Strukturen des Beckenbodens endosonographisch genau darstellen (Abb. B-1.131), was eine Lage- und Verlaufsdiagnostik von Fisteln und Abszessen, sowie die Erkennung von Sphinkterläsionen nach Traumata möglich macht. Durch die dynamische Endosonographie mit einem longitudinalen Scanner lassen sich funktionelle Untersuchungen durchführen, die analog zur Defäkographie eine Beurteilung der Funktion der Beckenbodenmuskulatur qualitativ und quantitativ ermöglichen. Manometrie: Im Rahmen der Inkontinenzdiagnostik stellt die Sphinktermanometrie ein unverzichtbares Instrument dar (Abb. B-1.132). Außerdem ist sie bei Verdacht auf einen Morbus Hirschsprung indiziert, bei Reflexstörungen im Anal-
B-1.131
Endosonographische Darstellung der Beckenbodenmuskulatur
Ergänzende Untersuchungen: Die Endosonographie (Abb. B-1.131), die bei Karzinomen im Analkanal ein exaktes Staging ermöglicht. Außerdem ist sie in der Lage, die Lokalisations- und Verlaufsdiagnostik von Fisteln und Abszessen sowie die Erkennung von Sphinkterläsionen nach Traumata bereits präoperativ durchzuführen.
Die Manometrie (Abb. B-1.132), erfasst und quantifiziert die Funktionsfähigkeit von innerem und äußerem Schließmuskel und die Elastizität der Rektumampulle.
B-1.131
Endosonographische Darstellung der Beckenbodenmuskulatur in einem Transversalschnitt (analog zur Schnittebene in einer CT). Der mit Wasser gefüllte Ballon umgibt den Ultraschallscanner im Bildzentrum. Daran schließt sich die Rektumwand an, die außen durch ein ventral offenes U des M. puborectalis umrundet wird.
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422 B-1.132
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.132
Perfusionsmanometrie des Rektums und Analkanals
Schematische Darstellung einer Perfusionsmanometrie des Rektums und Analkanals mit simultaner EMC-Registrierung. Ein Messkatheter wird im Analkanal, ein weiterer in der Rektumampulle positioniert, zusätzlich wird ein Ballon zur Rektumdistension in die Ampulle eingebracht. Zur simultanen EMG-Ableitung wird eine Nadelelektrode in den äußeren Schließmuskel eingestochen.
Sie wird bei Inkontinenzverdacht, Morbus Hirschsprung und analen Reflexstörungen durchgeführt.
Die Elektromyographie sollte erfahrenen Untersuchern zur Diagnose und Verlaufsbeobachtung neurogener und myogener Muskelschäden vorbehalten sein, da die gegenüber der Ableitung mittels Oberflächenelektroden aussagefähigere EMG-Ableitung mittels einer Nadelelektromyographie (Abb. B-1.154) eine invasive, für den Patienten unangenehme bis schmerzhafte Untersuchung ist.
Die Defäkographie (Abb. B-1.134), ermöglicht die Erkennung eines Rektumprolapses, einer Zelenbildung, eines Descensus perinei und einer Schwäche der Beckenbodenmuskulatur.
MRT: Das MRT stellt eine weitere Möglichkeit dar, die anatomischen Strukturen des kleinen Beckens zu untersuchen. Durch ein dynamisches MRT ist auch die Anfertigung einer MR-Defäkographie möglich, die neben der morphologischen auch eine funktionelle Beurteilung erlaubt.
und Sphinkterbereich (z. B. im Rahmen von chronischer Obstipation) und zunehmend auch aus forensischen Gründen vor und nach proktologischen Operationen und transanalen Eingriffen. Durch die Manometrie lassen sich neben der Sphinkterlänge auch die Funktionsfähigkeit von innerem und äußerem Schließmuskel und die Elastizität der Rektumampulle erfassen und quantifizieren. Elektromyographie: Zur Anwendung kommen zum einen die Ableitung eines Summenaktionspotenzials mittels Oberflächenelektroden, die an der perianalen Haut oder im Analkanal platziert werden. Sie leiten Potenziale der gesamten quergestreiften Beckenboden-, Sphinkter- und Glutäalmuskulatur ab. Aus diesem Grund ist eine Abgrenzung der insuffizienten Muskeln von den intakten Beckenbodenmuskeln nicht sicher möglich, weshalb eine exakte Ursache für die muskuläre Beckenbodenschwäche nicht ermittelt werden kann. Deshalb wird ihre Aussagekraft für die Inkontinenzdiagnostik unterschiedlich beurteilt. Genauere Aussagen über die Funktion der einzelnen Muskelgruppen lässt sich durch eine Ableitung mittels uni- oder bipolarer Nadelelektroden aus dem M. puborectalis, dem M. sphincter ani externus (Abb. B-1.154), oder in speziellen Fällen auch aus dem inneren Schließmuskel erreichen, am besten mit simultaner Registrierung einer Manometrie. Da diese Form einer EMG-Ableitung eine invasive, für den Patienten unangenehme bis schmerzhafte Untersuchung ist, sollte sie erfahrenen Untersuchern für ganz spezielle Indikationen vorbehalten bleiben. Defäkographie: Die radiologische Darstellung eines Defäkationsvorgangs nach Installation von Barium (Abb. B-1.134) in die Rektumampulle ermöglicht die Erkennung eines Vorfalls des Rektums im Sinne eines Rektumprolapses, eines inneren Prolapses (Intussuszeption), einer Zelenbildung (Entero-, Vesiko-, Ureterozele), eines Descensus perinei und einer Schwäche der Beckenbodenmuskulatur, insbesondere des M. puborectalis. MRT: Die Kernspintomographie hat sich in den letzten Jahren zunehmend von einer rein morphologischen Untersuchungstechnik zu einer funktionellen diagnostischen Methode im anorektalen Bereich gewandelt. Die klassische MRT-Untersuchung erlaubt eine gute anatomische Übersicht über die Organe des kleinen Beckens. So ist zum einen die Beurteilung von Rektumtumoren mit
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B 1.8 Anus
B-1.133
423
Schematische Darstellung der Manometrie in 4 Phasen (Normalbefund)
Die Manometrie wird typischerweise in 4 Schritten vorgenommen: Dem Ruhedurchzug zur Ermittlung der Analkanallänge und des Ruhedruckes im Analkanal, der Ermittlung der maximalen Kontraktionsdruckwerte, der Überprüfung der Reservoirfunktion der Rektumampulle und des anorektalen Reflexes nach Gowers durch Distension der Rektumampulle mit einem Ballon, der mit 60 ml Luft gefüllt wird und zuletzt der Kontrolle der Stresskontinenz durch simultane Druckerfassung in Rektumampulle und Analkanal beim Husten. In der Abbildung ist in der 1. Ableitung ein simultan zur Manometrie registriertes EMG zu sehen, Ableitung 2 erfasst den Druck im Analkanal und Ableitung 3 den Druck in der Rektumampulle.
Erfassung eines organübergreifenden Wachstums zur Planung eines neoadjuvanten Ansatzes beim Rektumkarzinom möglich. Aber auch in der Diagnostik bei Analfisteln und Abszessen kann das MRT Befunde liefern, die dem CT deutlich überlegen sind. Bei Verwendung einer intraanalen Spule zur Anfertigung der MRT-Aufnahmen erreicht die Auflösung der Kernspintomographie die Genauigkeit der endorektalen Sonographie. Weitergehende diagnostische Erkenntnisse sind durch die Durchführung einer sogenannten dynamischen MRT-Untersuchung, die die Anfertigung von Filmsequenzen ermöglicht, erzielbar. So kann mit einem Untersuchungsgang eine sogenannte MR-Defäkographie angefertigt werden, die neben der morphologischen Beurteilung die Funktion Levatormuskulatur überprüfen kann.
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424 B-1.134
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.134
Darstellung einer Defäkographie
Das distale Ende des Analkanals ist mit einem Marker (weißer Punkt) markiert, zwischen Os pubis (Op) und Os coccygeum (Oc) wird eine Verbindungslinie konstruiert, die für die Bestimmung des Descensus perinei beim Pressen als Messgrundlage verwendet wird. Zusätzlich lässt sich der Anorektalwinkel zwischen einer Tangente an der Rektumhinterwand (R) und dem Analkanal (A) bestimmen. Der Anorektalwinkel kann als quantitatives Maß für die Beckenbodeninsuffizienz herangezogen werden.
B-1.135
1.8.3 Erkrankungen des anorektalen
Bereichs
B-1.135
Darstellung einer supralevatorischen Fistel im MRT (Pfeil)
1.8.3 Erkrankungen des anorektalen Bereichs Die Erkrankungen des anorektalen Bereichs können sich in unterschiedlichen Symptomen manifestieren, wobei bestimmte Veränderungen der Anorektalregion erst durch das Auftreten von Symptomen Krankheitswert gewinnen und damit therapiebedürftig werden.
왘 Merke
Klinik proktologischer Erkrankungen: ■ Pruritus ani ■ transanale Blutungen ■ Schmerzen ■ Prolaps ■ Defäkationsstörungen ■ Sekretion ■ Fremdkörpergefühl.
왘 Merke. Nicht jeder Befund, der bei einer proktologischen Untersuchung gefunden wird, ist auch therapiebedürftig. Nur organische Veränderungen, die auch den Patienten belastende Symptome zeigen oder zur Progression neigen, müssen therapiert werden.
Klinik proktologischer Erkrankungen: Die klassischen Symptome anorektaler Erkrankungen sind der Pruritus ani (Pruritus = Jucken), transanale Blutungen, Schmerzen am After, Prolapserscheinungen, Defäkationsstörungen (im Sinne einer Inkontinenz genauso wie als akute oder chronische Obstipation), Sekretion (z. B. aus Fistelostien) und Fremdkörpergefühl durch peri- oder intraanale
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B 1.8 Anus
425
tumorartige Veränderungen. Einzelne Analerkrankungen können dabei unterschiedliche Symptome genauso wie ein buntes Mischbild aus diesen Beschwerden zeigen. Für eine bessere Übersicht sind in Tab. B-1.36 und Tab. B-1.37 die Ursachen der häufigsten Analbeschwerden aufgeführt. In der Tab. B-1.37 sind die gängigsten Ursachen von anorektalen schmerzhaften Missempfindungen aufgeführt. Durch die differenzierte Erfragung der Schmerzqualität und der Lokalisierbarkeit der Schmerzen – hier in der entsprechenden Spalte die häufigsten Charakterisierungen des Schmerzcharakters durch Patienten – lässt sich häufig die jeweilige Verdachtsdiagnose bereits durch die Anamnese stellen. Bei einigen Krankheitsbildern lässt sich ein zeitlicher Bezug zur Defäkation oder anderen Gegebenheiten festmachen. Diese Zusammenhänge werden in der Spalte „zeitlicher Bezug“ berücksichtigt.
Hämorrhoiden
Hämorrhoiden 왗 Definition
왘 Definition. Das Corpus cavernosum recti (Plexus haemorrhoidalis) ist eine
physiologische anatomische arteriovenöse Shuntverbindung am oralen Ende des Analkanals, die zum Feinabschluss gegenüber der Rektumampulle dient. Hämorrhoiden sind somit normal. Lediglich eine Vergrößerung, die dann klinische Symptome hervorrufen kann und als Hämorrhoidalleiden bezeichnet wird, besitzt Krankheitswert und ist therapiebedürftig. Ätiologie und Pathogenese: Die häufigste Ursache einer Vergrößerung des Plexus haemorrhoidalis ist verstärktes Pressen bei der Defäkation, meist ausgelöst durch eine chronische Obstipation im Rahmen einer verkehrten (ballaststoff- und flüssigkeitsarmen) Ernährung. Außerdem kommt eine Behinderung des transsphinkteren Blutabflusses durch eine Gravidität, Sphinktersklerose oder Sphinkterspasmus des inneren Schließmuskels bei einer anderen proktologischen Grunderkrankung als Auslöser infrage. In seltenen Fällen wird eine Flussumkehr im Gebiet der V. mesenterica im Rahmen eines portalen Hypertonus (analog zur Entstehung von Ösophagusvarizen) als Ursache einer Abflussbehinderung und somit einer Hämorrhoidenausbildung diskutiert. Die Entstehung von Hämorrhoiden wird zudem durch hohes Lebensalter, eine sitzende Lebensweise und Adipositas begünstigt. Die Hämorrhoiden werden je nach Ausprägung der Hyperplasie des Plexus haemorrhoidalis in 4 Stadien eingeteilt: Tab. B-1.38 und Abb. B-1.133 bzw. Abb. B-1.137).
B-1.36
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Hämorrhoiden werden in Abhängigkeit von ihrer Prolapsneigung in 4 Schweregrade eingeteilt: Tab. B-1.38, Abb. B-1.133, Abb. B-1.137.
Gängigste Ursachen des Pruritus ani
systemische Erkrankungen ■
Ätiologie und Pathogenese: Die häufigste Ursache einer Vergrößerung des Plexus haemorrhoidalis ist verstärktes Pressen bei der Defäkation. Außerdem kommt eine Behinderung des transsphinkteren Blutabflusses infolge Gravidität, Sphinkterosklerose oder -spasmus und ein portaler Hypertonus als Auslöser infrage. Begünstigend wirken zudem hohes Lebensalter, sitzende Lebensweise und Adipositas.
Parasitosen (z. B. Oxyuren) Tuberkulose Lues Diabetes mellitus Gicht Leukämie Diarrhö (z. B. Morbus Crohn, Colitis ulcerosa) Ikterus
lokalisierte anorektale Erkrankungen ■ ■ ■ ■ ■
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Hämorrhoiden Analfisteln Analfissuren Marisken Condylomata acuminata Condylomata lata Analkarzinome Morbus Paget Morbus Bowen Anal- oder Rektumprolaps radiogene Proktitis/ Anitis
Dermatosen ■ ■ ■ ■
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Hyperhidrosis Mykosen Erythrasma Psoriasis (isomorpher Reizeffekt) toxisches Exanthem (z. B. Seife) langdauernde lokale Kortikoidtherapie
Allergien ■
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Arzneimittel (z. B. Laxanzien, Salben, Heroin) Nahrungsmittel (z. B. Gewürze, Süßigkeiten) Genussmittel (z. B. Alkohol, Nikotin, Koffein) Parfümstoffe (z. B. Intimspray, Toilettenpapier)
psychische Erkrankungen ■ ■ ■ ■
Depressionen Hysterie Anorektalphobie Analneurose
Besonderheiten ■
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Unterwäsche aus Wolle Trichteranus
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B 1 Viszeralchirurgie
426 B-1.37
Ursachen analer Schmerzen
Diagnose
Schmerzqualität
Schmerzlokalisation
zeitlicher Bezug
Analfissur
scharf, schneidend
exakt möglich
bei oder nach Defäkation
Analfistel
brennend, stechend
exakt möglich
Dauerschmerz, Intensität schwankend
Analabszess
brennend, stechend, dumpfer Druck
periproktitisch: exakt perirektal: diffus
Dauerschmerz, je nach Lokalisation schwankend in der Schmerzintensität
Analkryptitis
brennend, stechend
exakt möglich
Dauerschmerz, nach Stuhlgang verstärkt
Analpapillitis
brennend, stechend
exakt möglich
Dauerschmerz, meist langsam beginnend, nach Stuhlgang zunehmend
infizierter Sinus pilonidalis
brennend, drückend
exakt möglich
Dauerschmerz, stuhlgangsunabhängig
inkarzerierter Hämorrhoidalprolaps
brennend, stechend
exakt möglich
Dauerschmerz, meist nach stärkerem Pressakt (Geburtswehen)
Perianalthrombose
stechend
exakt möglich
Dauerschmerz, oft nach stärkerem Pressakt (Geburtswehen)
Proktitis
dumpf, vermehrter Stuhlgang
diffus, ausstrahlend ins Perineum
Dauerschmerz, vor Stuhlgang zunehmend, nach Defäkation Linderung
inkarzerierter Rektumprolaps
stechend, Druckgefühl
diffus bis exakt lokalisierbar
Dauerschmerz, nach Reposition rasche Besserung
Tumoren im Analkanal
wechselnde Schmerzqualität
von exakt lokalisierbar bis diffus
wechselnd, von stuhlgangsabhängigen Schmerzen bis Dauerschmerz
Prostatitis
dumpf, vermehrter Harn-/Stuhldrang
diffus, Ausstrahlung in Perineum/Hoden
wechselnd, nur selten stuhlgangsassoziiert
Endometriosis recti
dumpf bis drückend
diffus
menstruationsabhängige Schmerzen
Sphinktersklerose
stechend
exakt möglich
Monate – Jahre nach Radiotherapie, bei und nach der Defäkation auftretend
Kokzygodynie
spitz, stechend, scharf
diffus, ins Perineum ausstrahlend
anfallsweise auftretend
Proctalgia fugax
Tenesmen, krampfartig, oft Stuhldrang
diffus
nachts auftretend, nach wenigen Minuten spontan nachlassend
Analneurose
wechselnd, untypische Symptome
diffus
kein konstanter Zusammenhang zu Defäkation eruierbar
B-1.136
Schematische Darstellung der unterschiedlichen Grade des Hämorrhoidalleidens
Die Einteilung erfolgt orientiert am Prolapsgrad: a Hämorrhoiden 1. Grades prolabieren nur in das Proktoskop, b bei zweitgradigen Hämorrhoiden prolabiert der Hämorrhoidalplexus beim Pressen nach außen, reponiert sich aber spontan nach Beendigung des Pressvorganges, während er (c) bei drittgradigen Hämorrhoiden auch nach Beendigung des Pressens nicht spontan reponiert, mit dem Finger aber reponibel ist (rechts im Bild). Links in c ist ein viertgradiges Hämorrhoidalleiden mit außen fixiertem, nicht reponiblem Prolaps dargestellt.
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B 1.8 Anus
B-1.137
Klinische Darstellung der unterschiedlichen Grade des Hämorrhoidalleidens
a
b
c
d
427 B-1.137
a Erstgradiger Hämorrhoidalprolaps in ein Proktoskop. b Zweitgradiger Hämorrhoidalprolaps, der sich nach Beendigung der Bauchpresse spontan reponiert. c Drittgradiger Hämorrhoidalprolaps, der mit dem Finger reponiert werden muss. d Viertgradiger Hämorrhoidalprolaps, der nicht mehr reponibel ist.
Klinik: Während im Stadium 1 die schmerzlose hellrote Blutung (auch als Blutauflagerung am Toilettenpapier) überwiegt, kommt es mit zunehmender Größe der Hämorrhoidalknoten zu Juckreiz, oft begleitet von ausgeprägten perianalen Ekzemen. Als Ursache hierfür wird die verstärkte Schleimsekretion des prolabierten Schwellkörpers genannt. Nicht thrombosierte oder inkarzerierte Hämorrhoidalknoten sind für den tastenden Finger nicht palpabel. Ab Stadium III tritt die Blutung als Symptom in den Hintergrund, dafür kommt es zunehmend zu Thrombosierungen oder Inkarzerationen der prolabierten Knoten, die zu erheblichen Schmerzen führen können. Seltener treten Infektionen auf, die im Extremfall zu einer Fistelbildung oder Abszessentstehung führen können.
Klinik: Die typischen Symptome von erstund zweitgradigen Hämorrhoiden sind die schmerzlose hellrote Blutung, Juckreiz, oft begleitet von ausgeprägten perianalen Ekzemen und Fremdkörpergefühl, ausgelöst durch den Prolaps des Hämorrhoidalgewebes. Ab Stadium III tritt die Blutung in den Hintergrund und es kommt zunehmend zu Thrombosierungen oder Inkarzerationen der prolabierten Knoten, die zu erheblichen Schmerzen führen können.
Therapie: Eine ausreichende Aufklärung der Patienten über eine diätetische Einstellung auf weichen Stuhlgang (ballaststoffreiche Kost mit ausreichender Flüssigkeitszufuhr) und Vermeidung von übermäßigem Pressen bei der Defäkation stellt die unabdingbare Voraussetzung für eine suffiziente Therapie und gleichzeitig eine Rezidivprophylaxe bei Hämorrhoiden dar. ■ Der vergrößerte Hämorrhoidalplexus selbst kann bei erstgradigen Hämorrhoiden mit einer Infrarotkoagulationsbehandlung oder einer Sklerosierungstherapie (Abb. B-1.138; Polidocanol, Chininlösung oder Phenolerdnussöl) zur Rückbildung gebracht werden.
Therapie (Tab. B-1.38): Wichtige therapeutische Maßnahmen sind: ■ Stuhlgangsregulation durch ballaststoffreiche Kost und ausreichende Flüssigkeitszufuhr ■ Grad 1: Infrarottherapie oder Sklerosierung (Abb. B-1.138). ■ Grad 2 und 3: meist Gummibandligaturtherapie (Abb. B-1.139). ■ Grad 4: Operation. Bei der Hämorrhoidektomie werden die Knoten segmental exzidiert und die zuführenden Arterien ligiert.
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428
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.138
B-1.138
Sklerosierungstherapie von Hämorrhoiden Durch die submuköse Injektion sklerosierender Agenzien (z. B. Polidocanol oder Chininlösung) kommt es zu einer Fibrose, die zum einen eine Retraktion des prolabierten Gewebes und zum anderen eine Drosselung der arteriellen Blutzufuhr in den Hämorrhoidalplexus bewirken kann.
B-1.139
B-1.139
■
■
Zusätzlich kann eine Analdehnerbehandlung erfolgen.
왘 Merke
Gummibandligaturbehandlung von Hämorrhoiden
Bei zweit- und drittgradigen Hämorrhoiden wird meist eine Gummibandligaturbehandlung (Abb. B-1.139) notwendig. Hämorrhoiden 4. Grades sollten einer Operation (z. B. nach Milligan-Morgan, Parks oder Longo) zugeführt werden. Das Grundprinzip der Operation besteht in einer segmentären Ausschälung der Hämorrhoidalknoten an den typischen Lokalisationen (3, 7 und 11 Uhr in Steinschnittlage) und Ligatur der zuführenden Arterien. Dabei werden möglichst breite Anodermbrücken belassen, von denen aus die Überhäutung des Defekts erfolgen kann.
Die stadienorientierten Therapieformen sind in Tab. B-1.38 aufgeführt. Unterstützend kann eine Analdehnerbehandlung eingeleitet werden. Hierdurch soll der Patient wieder lernen, den Schließmuskelapparat zu entspannen, um den erhöhten Ruhetonus des inneren Schließmuskels wieder zu normalisieren. 왘 Merke. Weit verbreitet ist die medikamentöse Therapie auf Kortikoidbasis, meist mit Lokalanästhetika-Zusätzen. Diese Therapie basiert auf dem Prinzip der antiphlogistischen und adstringierenden Wirkung. Dabei besteht allerdings die Gefahr der unkritischen Daueranwendung (mögliche Folgen: Steroiddermatose, Mykosen). Deshalb sollte die medikamentöse Therapie immer nur eine Überbrückungsmaßnahme darstellen.
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B 1.8 Anus
B-1.38
Stadien der Hämorrhoidenkrankheit mit klinischen Befunden und Therapieansätzen
Stadium
Befund
Therapie
Grad 1
Hämorrhoiden prolabieren ins Proktoskop
Stuhlgangsregulation, Infrarottherapie, Sklerosierung
Grad 2
Hämorrhoiden prolabieren beim Pressen, reponieren sich aber spontan
Sklerosierungstherapie, Gummiligaturen
Grad 3
Hämorrhoiden prolabieren beim Pressen, keine spontane, aber digitale Reposition möglich
Gummiligaturen, evtl. Operation
Grad 4
Hämorrhoiden sind vor dem Anus fixiert, eine Reposition ist nicht mehr möglich
Operation
Perianalvenenthrombose
429 B-1.38
Perianalvenenthrombose
왘 Definition. Die Thrombose der perianal gelegenen Venen (früher auch fälsch-
왗 Definition
licherweise äußere Hämorrhoiden genannt) zeichnet sich durch eine plötzlich einsetzende livide Schwellung im perianalen Bereich aus. Ätiologie und Klinik: In Abb. B-1.140 ist bei 4.00 Uhr Steinschnittlage (SSL) eine frische Perianalvenenthrombose zu sehen. Diese Schwellung ist meist sehr schmerzhaft, da sie typischerweise im Bereich des hochsensiblen Anoderms lokalisiert ist. Ausgelöst wird diese meist durch einen starken Pressakt (Geburtsvorgang!) oder körperliche Anstrengung. Perianalvenenthrombosen (Abb. B-1.141) können auch gehäuft bei Patienten mit einem stark vergrößerten Plexus haemorrhoidalis oder nach Exposition mit feuchter Kälte beobachtet werden (Segler und Surfer).
Ätiologie und Klinik (Abb. B-1.140, Abb. B-1.141): Eine frische Perianalvenenthrombose ist meist sehr schmerzhaft, da sie typischerweise im Bereich des hochsensiblen Anoderms lokalisiert ist. Ausgelöst wird diese meist durch einen starken Pressakt (Geburtsvorgang!) oder körperliche Anstrengung, aber auch nach Exposition mit feuchter Kälte.
Therapie: Alle Perianalthrombosen heilen spontan aus. Die Art der Therapie sollte jedoch vom Leidensdruck der Patienten abhängig gemacht werden. Besteht ein heftiges Krankheitsgefühl bei einer frischen Thrombose, so erscheint die Exzision in Lokalanästhesie die Methode der Wahl zu sein, wie sie schematisch in Abb. B-1.142 dargestellt wird. Der postoperative Wundschmerz wird von den Patienten in der Regel als deutlich geringer als der Schmerz, der durch die Thrombose unterhalten wurde, empfunden. Postoperativ sind Sitz- oder Duschbäder und eine Stuhlregulation bis zur vollständigen Wundheilung angezeigt. Ist der Leidensdruck nicht zu groß oder überwiegt die Angst des Patienten vor der operativen Intervention, so ist eine konservative Therapie mit Stuhlgangsregulation und gegebenenfalls lokal antiphlogistischen Maßnahmen (kühlende
Therapie: Alle Perianalthrombosen heilen spontan aus. Besteht jedoch ein heftiges Krankheitsgefühl, so ist eine komplette Exzision in Lokalanästhesie durchzuführen (Abb. B-1.142).
B-1.140
Frische Perianalvenenthrombose
Postoperativ sind Sitz- oder Duschbäder und eine Stuhlgangsregulation angezeigt.
Nach vollständiger Rückbildung (ca. 2 – 3 Wochen), verbleibt als Residuum eine Mariske.
B-1.140
Typisch ist die bläuliche Verfärbung der angespannten Perianalhaut.
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B 1 Viszeralchirurgie
430 B-1.141
B-1.141
Alte Perianalvenenthrombose Zirkuläre, mehrere Tage alte Perianalvenenthrombose mit ausgeprägtem Begleitödem.
B-1.142
Exzision einer Perianalvenenthrombose
a Exzision des Knotens.
b Spontanes Vortreten des Blutgerinnsels aus der Exzisionsöffnung.
und/oder lokalanästhesierende Salben und Zäpfchen, feuchte Vorlagen) möglich. Nach vollständiger Rückbildung, meist innerhalb von 2 – 3 Wochen, verbleibt als Residuum eine Mariske. Marisken 왘 Definition
Klinik: Marisken können die Analhygiene beeinträchtigen oder durch Sekretstau eine bakteriell oder pilzbedingte perianale Dermatitis unterhalten. Die Differenzierung gegenüber prolabierten Hämorrhoidalknoten gelingt durch Pressen. Nur Hämorrhoidalknoten schwellen dabei an. Condylomata lata oder acuminata und Vorpostenfalten sind abzugrenzen. Therapie: Bei Beeinträchtigung der Analhygiene oder persistierendem Juckreiz ist die elektrochirurgische Exzision in Lokalanästhesie indiziert.
Marisken 왘 Definition. Als Marisken bezeichnet man schlaffe perianale Hautfältchen (Abb. B-1.143).
Klinik: Marisken machen selbst keine Beschwerden. Sie können jedoch die Analhygiene beeinträchtigen oder durch Sekretstau eine bakteriell oder pilzbedingte perianale Dermatitis unterhalten. In diesen Fällen steht ein perianaler Juckreiz oder Brennen im Vordergrund. Die Differenzierung gegenüber prolabierten Hämorrhoidalknoten lässt sich durch die Aufforderung zum Pressen erreichen. Die Marisken füllen sich nicht, prolabierte Hämorrhoidalknoten schwellen durch die zunehmende Blutmenge an. Außerdem müssen differenzialdiagnostisch Condylomata lata oder acuminata und Vorpostenfalten bei chronischen Analfissuren ausgeschlossen werden. Therapie: Eine Therapie erscheint nur dann indiziert, wenn die Analhygiene durch die Marisken erschwert wird oder durch Retention von Flüssigkeits- und Schleimresten in den Falten zwischen Marisken eine chronische Ekzementstehung oder persistierender Juckreiz ausgelöst werden. Hier kommt in erster Linie die elektrochirurgische Exzision in Lokalanästhesie infrage.
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B 1.8 Anus
B-1.143
Perianale Mariske
431 B-1.143
Hypertrophe Analpapillen
Hypertrophe Analpapillen
왘 Synonym. Analpolyp, Analfibrom, Mäusezahn
왗 Synonym
왘 Definition. Bei den hypertrophen Analpapillen handelt es sich um eine Vergrößerung von Resten der Proktodealmembran, die der embryonalen Afterverschlussmembran entspricht.
왗 Definition
Diese imponieren als hellrosa bis weißliche Prozesse an der Linea dentata, die als kleine weiße Tumoren („Mäusezahn“) (Abb. B-1.144) ebenso wie als gestielter Polyp (Analpolyp) mit Ursprung distal der Linea dentata auftreten können. Sie stellen keine echten Neoplasien dar, können daher auch nicht entarten.
Sie imponieren an der Linea dentata als kleine weiße Tumoren („Mäusezahn“) (Abb. B-1.144) ebenso wie als gestielte Polypen (Ursprung distal der Linea dentata) („Analpolyp“). Sie zeigen keine Entartungstendenz.
Therapie: Das Auftreten von hypertrophen Analpapillen ist vergesellschaftet mit vergrößerten Hämorrhoiden. Dementsprechend besteht die Therapie in erster Linie aus einer Therapie der Hämorrhoiden. Nur bei großen Papillen ist eine Exzision in Lokalanästhesie indiziert.
Therapie: Die Therapie besteht in erster Linie aus einer Behandlung der Hämorrhoiden. Nur bei großen Papillen ist eine Exzision in Lokalanästhesie indiziert.
B-1.144
Hypertrophe Analpapille
B-1.144
Proktoskopische Ansicht einer hypertrophen Analpapille an der Linea dentata.
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432
B 1 Viszeralchirurgie
Kondylome
Kondylome
Formen: ■ Die Condylomata lata treten auf bei Lues II (Abb. B-1.145). Die Therapie entspricht der der Lues und führt zur Rückbildung der Kondylome.
Formen: ■ Condylomata lata: Sie sind ein Ausdruck der Lues II. Es handelt sich dabei um relativ glatt begrenzte, lappenartig aussehende perianale Veränderungen (Abb. B-1.145). Die Therapie entspricht der der Lues und führt zur Rückbildung der Kondylome. ■ Condylomata acuminata: Diese virusbedingte Papillomatose kann sowohl intra- wie auch perianal auftreten und neigt ausgeprägt zu Rezidiven. Die Kondylome haben makroskopisch eine unregelmäßige, fast blumenkohlartige Oberfläche (Abb. B-1.146).
■
Die virusbedingten Condylomata acuminata neigen zu Rezidiven. Sie haben eine unregelmäßige, fast blumenkohlartige Oberfläche (Abb. B-1.146).
왘 Merke
왘 Merke. Bei dem Nachweis von perianalen Condylomata acuminata muss
unbedingt eine Proktoskopie durchgeführt werden, um mit der Therapie auch intraanale Herde zu erfassen, da von diesen die Rezidive ausgehen können. Therapie: Bei perianalen Kondylomen ist die lokale Applikation von Podophyllin, die Exzision und die Kryo- oder Lasertherapie möglich. Intraanale Kondylome sollten exzidiert oder mit Kryo- oder Lasertherapie behandelt werden.
Entzündliche Erkrankungen des Analbereichs Die entzündlichen Erkrankungen des Analbereiches lassen sich in 2 Gruppen einteilen: ■ Erkrankungen, die ihren Ausgang von den Proktodealdrüsen, Krypten und deren Anhangsgebilden nehmen. B-1.145
Therapie: Bei perianalen Kondylomen ist die lokale Behandlung mit Podophyllin möglich, wobei die gesunde Haut um das Kondylom herum sorgfältig geschützt werden muss. Die intraanale Anwendung von Podophyllin verbietet sich, da der Kontakt mit der gesunden Analkanalhaut hier nicht vermieden werden kann. Um größere perianale oder intraanal gelegene Herde zu entfernen ist die Exzision mit dem Skalpell oder alternativ eine kryochirurgische oder laserchirurgische Abtragung möglich. Posttherapeutisch sind engmaschige Kontrollen angezeigt.
Entzündliche Erkrankungen des Analbereichs Die entzündlichen Erkrankungen des Analbereichs lassen sich in 2 Gruppen einteilen: ■ Die Erkrankungen, die ihren Ausgang von den Proktodealdrüsen, Krypten und deren Anhangsgebilden nehmen (kryptoglanduläre Infektionen) und nach
B-1.145
Condylomata lata Perianale Condylomata lata bei Lues II.
B-1.146
B-1.146
Condylomata acuminata Konfluierende perianale Condylomata acuminata. Typisch ist der Abklatschcharakter der Erkrankung mit kontralateraler Beteiligung.
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B 1.8 Anus
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einigen Autoren nur unterschiedliche Stadien desselben Krankheitsbildes darstellen (Analkryptitis, Analpapillitis, Analfissur, Analfistel, Analabszess) und Entzündungen, deren Ursprung nicht im Bereich der Linea dentata und den dort lokalisierten Drüsen und Krypten liegt (Sinus pilonidalis, Dermoidfistel, Pyodermia fistulans sinificans und Fournier-Gangrän).
Analkryptitis
433
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Entzündungen, deren Ursprung nicht im Bereich der Linea dentata und den dort lokalisierten Drüsen und Krypten liegt.
Analkryptitis
왘 Synonym. inkomplette Analfistel
왗 Synonym
왘 Definition. Bei der Analkryptitis handelt es sich um eine Entzündung der Morgagni-Krypten im Bereich der Linea dentata. Sie entsteht meist durch Verlegung der Kryptenöffnung durch Kot oder Fremdkörper.
왗 Definition
Klinik: Die Patienten klagen über einen heftigen Schmerz im Analbereich, meist unmittelbar bei oder nach der Defäkation, der in einen dauerhaften brennenden Schmerz übergehen kann. Der Schmerzpunkt ist von den Patienten in den meisten Fällen exakt zu lokalisieren.
Klinik: Die Patienten klagen über einen heftigen Schmerz im Analbereich, der in den meisten Fällen durch den Patienten exakt zu lokalisieren ist.
Diagnostik: Bereits bei der digitalen Untersuchung fällt im Bereich der Linea dentata ein druckdolentes Grübchen auf. Der Sphinktertonus ist oft schmerzbedingt reflektorisch erhöht. Bei der Proktoskopie lässt sich mit einer Häkchensonde eine Tasche sondieren, aus der sich nicht selten Pus entleert.
Diagnostik: Bei der digitalen Untersuchung fällt ein druckdolentes Grübchen auf. Evtl. entleert sich Pus.
Therapie: Als Therapie der Wahl gilt die Spaltung (Kryptotomie) oder die Exzision der Krypte (Kryptektomie) in Lokalanästhesie oder Intubationsnarkose. Sollte sich der Patient nicht für eine operative Intervention entscheiden können, so ist ein temporär begrenzter Versuch mit antiphlogistischen und adstringierenden Analtampons oder kortikoidhaltigen Suppositorien, lokalanästhesierenden Salben, Analdehner und Stuhlgangsregulation möglich.
Therapie: Als Therapie empfiehlt sich die Kryptotomie oder Kryptektomie. Alternativ kommen konservative Methoden (antiphlogistische und adstringierende Analtampons oder kortikoidhaltige Suppositorien) zur Anwendung.
Analpapillitis
Analpapillitis
Die Papillitis stellt eine Entzündung einer hypertrophen Analpapille dar. Die Papille stellt sich dabei gerötet und evtl. kontaktblutend dar. Sie kann zu Schmerzen oder dem Gefühl der unvollständigen Entleerung führen. In diesem Falle ist eine Abtragung indiziert.
Die Papillitis ist eine Entzündung einer hypertrophen Analpapille. Sie kann zu Schmerzen oder dem Gefühl der unvollständigen Entleerung führen. Dann ist eine Abtragung indiziert.
Analfissur
Analfissur
왘 Definition. Die Analfissur (Abb. B-1.147 und Abb. B-1.148) ist ein longitudinales Ulkus der Analkanalhaut. Sie ist meist bei 6, seltener bei 12 Uhr Steinschnittlage (SSL) lokalisiert. Ursächlich werden Einrisse der Analkanalhaut durch harte Stuhlballen oder spontan rupturierte Kryptitiden diskutiert.
왘 Merke. Andere Lokalisationen sind stets verdächtig für spezifische Erkrankungen (Analkarzinom, Morbus Crohn, venerische Infektionen).
Klinik: Bei der akuten Analfissur (Abb. B-1.147) steht ganz der stechende, massive Schmerz bei oder direkt nach der Defäkation im Vordergrund. Der Schmerz flaut nach einem krampfartigen Nachschmerz (Sphinkterspasmus) langsam ab, der Patient unterdrückt aus Angst vor Schmerzen die nächste Defäkation. Bisweilen berichten die Patienten von hellroten Blutauflagerungen auf Stuhl oder Toilettenpapier. Bei der chronischen Analfissur (Abb. B-1.148) tritt der Schmerz in den Hintergrund. Die Patienten klagen über eine anale Enge und nur geringe Schmerzen. Als führendes Symptom sind Blutauflagerungen auf dem Stuhlgang zu verzeichnen.
왗 Definition
왗 Merke
Klinik: Bei der akuten Analfissur steht ganz der stechende, massive Schmerz bei oder direkt nach der Defäkation im Vordergrund. Manchmal finden sich hellrote Blutauflagerungen auf Stuhl oder Toilettenpapier.
Bei der chronischen Analfissur (Abb. B-1.148) klagen Patienten nur über geringe Schmerzen. Als führendes Symptom sind Blutauflagerungen auf dem Stuhlgang zu verzeichnen.
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434 B-1.147
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.147
Akute Analfissur Akute Analfissur an typischer Stelle bei 6 Uhr Steinschnittlage (Doppelpfeil). Die Läsion reicht bis an die Linea dentata (?) heran.
B-1.148
B-1.148
Chronische Analfissur Chronische Analfissur mit inkompletter innerer Fistelbildung. Teile der Fissur sind bereits narbig ausgeheilt, während die perforierte Analkrypte (1) an der Basis der stark reaktiv vergrößerten Analpapille als Ursache der Fissurpersistenz zu erkennen ist. Typisch ist auch die Ausbildung einer Vorpostenfalte (2) an der hinteren Kommissur.
Diagnostik: Bei akuten Fissuren findet man beim vorsichtigen Spreizen der Afteröffnung einen hellroten Hauteinriss. Die chronische Fissur fällt durch eine Vorpostenfalte auf, die oft als Mariske fehlinterpretiert wird (Abb. B-1.148).
왘 Merke
Diagnostik: Die Diagnose lässt sich in den meisten Fällen bereits aus Anamnese und Inspektion stellen. Bei akuten Fissuren findet man beim vorsichtigen Spreizen der Afteröffnung einen hellroten Hauteinriss. Die chronische Fissur fällt durch eine Vorpostenfalte auf, die oft als Mariske fehlinterpretiert wird. Bei chronischen Fissuren ist das Ulkus in einem derben Grund eingebettet, oft liegt der M. sphincter ani internus am Fissurgrund frei. Ein typisches Beispiel hierfür ist auf Abb. B-1.148 zu sehen. 왘 Merke. Falls eine Proktoskopie durchgeführt wird, so ist auf versteckte
Fistelostien im Fissurgrund zu achten, da diese eine Abheilung ohne Operation unmöglich machen. Therapie: Sämtliche therapeutischen Ansätze der akuten Analfissur zielen auf unterschiedliche Konzepte. 1. Ausschalten des lokalen Schmerzes 2. Reduktion des erhöhten Ruhetonus durch – Lokalanästhetika – adstringierende Lokaltherapeutika – Analdehner – Stuhlgangsregulation und – bei Versagen: Sphinkterotomie.
Therapie: Sämtliche therapeutischen Ansätze der akuten Analfissur zielen auf unterschiedliche Konzepte. Zum einen die Reduktion des erhöhten Sphinktertonus, der durch eine Minderdurchblutung der Fissur 1. zu einer Chronifizierung und 2. zur Schmerzzunahme führen kann. Zum anderen ist eine Ausschaltung des lokalen Schmerzes sinnvoll, da hierdurch reflektorisch der Sphinktertonus sinkt und die Wahrscheinlichkeit der spontanen Ausheilung steigt. Eine Reduzierung des analen Ruhedrucks erreicht man durch die Verwendung von Analdehnern, die der Patient selber mehrfach täglich benutzen sollte oder operativ mit der Sphinkterdehnung in Intubationsnarkose oder der Sphinkterotomie. Zusätzlich können adstringierende und antiphlogistische Substanzen lokal angewendet werden. Zur Schmerzbekämpfung ist eine Applikation von Lokalanästhetika (in Form von Salben, Suppositorien oder einer Unterspritzung) sinnvoll. Zusätzlich sollte eine
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B 1.8 Anus
Stuhlgangsregulation durchgeführt werden. Bewährt haben sich dazu die Verordnung von Ballaststoffkonzentraten. Akute Analfissuren heilen meist unter einer konservativen Therapie innerhalb von 2 – 3 Wochen aus. Nur im Fall eines Therapieversagers erscheint eine operative Intervention sinnvoll. Bei chronischen Analfissuren ist jedoch die Wahrscheinlichkeit, eine Abheilung konservativ zu induzieren, geringer. Trotzdem ist ein konservativer Therapieversuch über 1 – 2 Wochen sinnvoll. Kommt es in diesem Zeitraum nicht zur Ausheilung, so sollte eine vollständige Exzision der Fissur und der sie umgebenden Narbe einschließlich der Vorpostenfalte vorgenommen werden. Eine Sphinkterdehnung oder Sphinkterotomie ist nur bei einem vorbestehenden erhöhten Ruhedruck sinnvoll.
Analfistel
435
Akute Analfissuren heilen meist unter konservativer Therapie innerhalb von 2 – 3 Wochen aus. Bei chronischen Analfissuren ist die Wahrscheinlichkeit, eine Abheilung konservativ zu induzieren geringer, bei konservativem Misserfolg sollte eine vollständige Exzision der Fissur erfolgen.
Analfistel
왘 Definition. Als typische Analfisteln bezeichnet man eine Fistel, die im Rahmen
왗 Definition
einer kryptoglandulären Erkrankung (Entzündung einer Proktodealdrüse, z. B. bei einer Kryptitis oder Fissur) entsteht. Dabei ist der Analabszess das akute, die Fistel das chronische Stadium der kryptoglandulären Entzündung.
왘 Merke. Die typischen Analfisteln haben stets an der Linea dentata ihren
왗 Merke
Ursprung. Fisteln, die oberhalb der Linea dentata münden, sind hochgradig verdächtig auf einen Morbus Crohn. Als komplett wird eine Fistel mit innerem und äußerem Ostium, als inkomplett eine Fistel mit nur einem Ostium bezeichnet (Abb. B-1.149). Die typischen Analfisteln werden dabei nach ihrem Verlauf in Beziehung zum Sphinkterapparat eingeteilt (Abb. B-1.150): ■ Marginale Analfistel (Abb. B-1.150 a1; Synonym: Subkutane Analfistel; 5 – 10 % aller Analfisteln): Der Fistelgang nimmt seinen Ursprung an einer entzündeten Krypte und verläuft direkt unterhalb der Analkanalhaut zu seinem äußeren Ostium, ohne dabei Sphinktermuskulatur zu durchbohren. ■ Submuköse Analfistel: Der Fistelgang steigt unter der Schleimhaut in das Rektum auf. Die submuköse Analfistel gehört zu den atypischen Fisteln im Rahmen eines Morbus Crohn, und wird hier der Vollständigkeit halber aufgeführt. B-1.149
Einteilung der Analfisteln
Komplette Fisteln haben ein inneres und ein äußeres Ostium, inkomplette nur ein Ostium (Abb. B-1.149). Die typischen Analfisteln werden dabei nach ihrem Verlauf in Beziehung zum Sphinkterapparat eingeteilt (Abb. B-1.150). Die marginale Analfistel (ca. 5 – 10 %) verläuft direkt unterhalb der Analkanalhaut zu ihrem äußeren Ostium, ohne dabei Sphinktermuskulatur zu durchbohren. Die submuköse Analfistel steigt unter der Schleimhaut in das Rektum auf und gehört zu den Morbus-Crohn-assoziierten Fisteln.
B-1.149
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B 1 Viszeralchirurgie
B-1.150
B-1.150
Verlauf von Analfisteln in Bezug zu den muskulären Organen des Beckenbodens
Die marginale (subkutane) Analfistel durchbohrt in ihrem Verlauf keine muskulären Anteile des Sphinkterapparates (a1). Die intersphinktere Analfistel (a2) tritt durch den Internus in den Intersphinkterspalt ein und verläuft in diesem bis zum perianalen äußeren Ostium, während die transsphinktere Analfistel (b3) beide Sphinkteren durchtritt. Die suprasphinktere Analfistel (b4) verläuft oberhalb der Sphinkteren durch den M. levator ani hindurch zum Perineum. Sie hat häufig ihren Ursprung nicht in kryptoglandulären Infektionen, sondern in einem Morbus Crohn.
Die intersphinktere Analfistel (ca. 50 %) durchbohrt den inneren Schließmuskel und verläuft zwischen den Schließmuskeln. Die transsphinktere Analfistel (ca. 30 – 40 %) durchbohrt sowohl den inneren als auch den äußeren Schließmuskel, bevor sie zu ihrem äußeren Ostium zieht (Abb. B-1.151).
Die suprasphinktere Analfistel (ca. 5 %) durchbohrt den Levatormuskel, bevor sie in die Fossa ischiorectalis und von dort in die Perinealhaut mit dem äußeren Ostium eintritt. Atypische Analfisteln sind Fisteln, die nicht von der Linea dentata ausgehen. Sie kommen besonders häufig bei einem Morbus Crohn, bei Karzinomen oder Leukosen, nach Bestrahlung, Verletzungen oder venerischen Infektionen vor und werden nach ihrem Verlauf in extrasphinktere und rektoorganische Fisteln unterteilt.
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Intersphinktere Analfistel (Abb. B-1.150 a2; ca. 50 % aller Analfisteln): Die Fistel durchbohrt den inneren Schließmuskel und verläuft zwischen den Schließmuskeln zu ihrem äußeren Ostium am Perineum, ohne den M. sphincter ani externus zu durchziehen. Transsphinktere Analfistel (Abb. B-1.150 b3; ca. 30 – 40 % aller Analfisteln): Die Fistel durchbohrt sowohl den inneren als auch den äußeren Schließmuskel, bevor sie zu ihrem äußeren Ostium zieht (Abb. B-1.151). Je nach Durchtrittsstelle durch den äußeren Schließmuskel unterscheidet man die hohe (Durchtrittsstelle in der oralen Hälfte des äußeren Schließmuskels) und die tiefe (Durchtrittsstelle in der aboralen Hälfte des äußeren Schließmuskels) transsphinktere Analfistel. Suprasphinktere Analfistel (Abb. B-1.150 b4; ca. 5 % aller Analfisteln): Die Fistel zieht entweder vor oder nach dem Durchtritt durch den inneren Schließmuskel nach oral und durchbohrt den Levatormuskel, bevor sie in die Fossa ischiorectalis und von dort in die Perinealhaut mit dem äußeren Ostium eintritt. Atypische Analfistel; ca. 5 % aller Analfisteln: Fisteln, die nicht von der Linea dentata her ihren Ursprung haben, werden als atypisch bezeichnet. Sie kommen besonders häufig bei einem Morbus Crohn, bei Karzinomen oder Leukosen, nach Bestrahlung, Verletzungen oder venerischen Infektionen vor. Sie werden nach ihrem Verlauf in extrasphinktere (inneres Ostium im Rektum oder Sigma, die Fistel durchbohrt den Levator) und rektoorganische Fisteln (meist zur Scheide oder Blase, seltener zur Prostata, Harnröhre oder Harnleiter) unterteilt.
Klinik: Eine Analfistel (Abb. B-1.152) verursacht typischerweise eine Sekretion, Juckreiz, Blutung, und prädisponiert zur Ausbildung von Ekzemen. Bei Verschluss eines Ostiums kann es zu Druckgefühlen und Schmerzen bis zu dem Beschwerdevollbild eines Abszesses kommen.
Klinik: Neben einem nach außen sichtbaren Fistelostium – wie in Abb. B-1.152 bei 3:00 Uhr SSL zu sehen – stehen die Sekretion mit konsekutivem Juckreiz und seltenen Blutabsonderungen im Vordergrund des Beschwerdebilds. Durch das ständige Nässen kann es zu chronischen Ekzemen kommen. Bei großen Fisteln ist ein Kotabgang über das äußere Ostium möglich. Bei Verschluss eines Ostiums kann es zu Druckgefühlen und Schmerzen bis zu dem Beschwerdevollbild eines Abszesses kommen.
Diagnostik: Sie lässt sich meist durch die Inspektion (äußeres Ostium) und digitale Austastung (inneres Ostium) stellen.
Diagnostik: Die Diagnose lässt sich meist durch die Inspektion (äußeres Ostium) und digitale Austastung (inneres Ostium = Einziehung der glatten Analkanaloder Rektumoberfläche, evtl. mit Druckschmerz in diesem Bereich) stellen.
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B 1.8 Anus
B-1.151
Transsphinktere Analfistel
437 B-1.151
Intraoperativer Situs einer transsphinkteren Analfistel bei eingeführtem Analspreizer. Der Fistelgang ist mit einer Sonde markiert, in der Umgebung des äußeren Ostiums sind narbige Veränderungen nach Spaltung eines periproktitischen Abszesses zu sehen.
B-1.152
Analfistel und Analfissur
B-1.152
Befund bei einem Mann mit analem Morbus Crohn. Es zeigt sich bei 12 Uhr SSL (im Bild unten) eine Analfissur mit Vorpostenfalte und ein äußeres Fistelostium bei 3 Uhr SSL.
왘 Merke. Eine Sondierung der Fistel ist stets mit größter Vorsicht durchzuführen, um eine iatrogene Erzeugung von Nebengängen oder Neoostien zu vermeiden!
왗 Merke
Durch die Prokto- und Rektoskopie sind Begleiterkrankungen auszuschließen. Bei komplizierten Fistelverläufen kann eine Fistulographie oder besser endorektale und endoanale Sonographie Klarheit über den Fistelverlauf und evtl. bestehende Begleitabszesse geben.
Durch Prokto- und Rektoskopie sollten Begleiterkrankungen ausgeschlossen werden. Fistulographie oder Endosonographie ergeben Klarheit über den Fistelverlauf.
Therapie: Der Nachweis einer Analfistel stellt in jedem Fall eine Operationsindikation dar, da zum einen durch ein Fortschreiten der Entzündung die Kontinenz auf Dauer gefährdet sein kann. Zum anderen besteht stets die Gefahr, dass sich nach der Verklebung eines Ostiums ein Abszess ausbildet. Nach jahrelangen konservativen Behandlungen von Fisteln sind außerdem vereinzelt Fistelgangskarzinome beschrieben worden. Marginale, intersphinktere und tiefe transsphinktere Analfisteln können unter Durchtrennung der aboral vom Fistelgang gelegenen Muskelanteile gespalten werden, ohne dass die Kontinenzleistung beeinträchtigt wird. Bei den hohen transsphinkteren, suprasphinkteren und atypischen Fisteln bestände aufgrund der Höhe und Lokalisation zum M. puborectalis bei diesem Vorgehen die Gefahr der dauernden Inkontinenz, weshalb sich die Fistelspaltung hier verbietet. Als Alternativmethode ist die Fistulektomie anzusehen. Nach perineal und ischiorektal bleibt die Wunde zur Drainage weit offen. Alternativ ist auch der Verschluss der Perinealwunde nach Einlage eines antibiotikahaltigen resorbierbaren Implantats möglich.
Therapie: Der Nachweis einer Analfistel ist stets eine Operationsindikation. Komplikationen der Analfistel können sein ■ Abszessbildung ■ Inkontinenz ■ Fistelgangskarzinom. Marginale, intersphinktere und tiefe transsphinktere Analfisteln können primär gespalten werden, bei hohen transsphinkteren, suprasphinkteren und atypischen Fisteln erfolgt eine Fistulektomie.
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B 1 Viszeralchirurgie
Atypische Fisteln erfordern meist auch ein atypisches, das heißt flexibles chirurgisches Vorgehen, wie z. B. Resektion des fisteltragenden Darmteils oder Vorschaltung eines temporären Anus praeter.
Atypische Fisteln erfordern meist auch ein atypisches, das heißt flexibles chirurgisches Vorgehen. Es kann bei komplizierten Fisteln notwendig werden, den fisteltragenden Darmteil zu resezieren oder gar einen temporären Anus praeter vorzuschalten, da atypische Fisteln unter dem Anus-praeter-Schutz meist spontan ausheilen und somit keine Gefährdung für den Sphinkterapparat durch eine Durchtrennung gegeben ist.
왘 Merke
Analabszesse 왘 Definition
왘 Merke. Hauptziel der Fisteloperation ist die Sanierung des Proktodealdrüseninfektes, da es ansonsten zu Rezidiven kommt. Der Fistelnachweis bedeutet eine Operationsindikation.
Analabszesse 왘 Definition. Die Analabszesse entstehen durch Fisteln, die keinen Durchbruch nach außen erreicht haben, und somit blind münden. Je nach Lokalisation der Abszesshöhle unterscheidet man subkutane, intersphinktere, periproktitische (Abb. B-1.153), ischiorektale, supralevatorische (= pelvirektal) und submuköse Abszesse. Zur genaueren Darstellung s. Abb. B-1.136.
Klinik, Diagnostik: Anorektale Abszesse führen zu erheblichen Schmerzen, Fieber und Leukozytose. Die Diagnose lässt sich durch den Nachweis einer druckdolenten Rötung und Schwellung einfach stellen. Bei hoch gelegenen Abszessen liegt jedoch oft ein dumpfer, nicht genau lokalisierbarer Schmerz vor. In solchen Fällen kann eine Endosonographie entscheidend zur Diagnosefindung beitragen.
Klinik, Diagnostik: Allen Abszessen ist gemein, dass sie zu erheblichen Schmerzen, Fieber und Leukozytose führen. Während bei subkutanen, intersphinkteren und periproktitischen Abszessen die Lokalisierbarkeit des Schmerzpunktes und der Nachweis einer druckdolenten Rötung und Schwellung die Diagnose einfach machen, treten bei den hoch gelegenen Abszessen oft differenzialdiagnostische Schwierigkeiten auf. In diesen Fällen liegt oft ein dumpfer, nicht genau lokalisierbarer Schmerz vor, Fluktuationen sind bisweilen nicht zu tasten. Hierbei kann eine Endosonographie entscheidend zur Diagnosefindung beitragen.
Therapie: Analabszesse müssen entweder durch eine Freilegung oder Drainagetherapie behandelt werden.
Therapie: Abszesse, die unterhalb der Levatormuskulatur lokalisiert sind, müssen operativ freigelegt werden. Dabei ist eine einfache Stichinzision meist nicht ausreichend, stattdessen ist eine lanzettförmige Abszessentdeckelung, evtl. unter gleichzeitiger Spaltung einer Fistel, anzustreben. Bei Abszessen, die oberhalb der Levatormuskulatur – also intrapelvin – liegen, besteht bei einer großzügigen Freilegung die Gefahr einer dauerhaften Sphinkterschädigung. Aus diesem Grunde ist, sofern technisch durchführbar, eine suffiziente Drainagebehandlung von perineal her eine gangbare therapeutische Alternative. Bei schwierig zu lokalisierenden Abszessen ist die endosonographisch gesteuerte Lokalisierung und anschließende Drainageeinlage in Lokalanästhesie möglich.
B-1.153
B-1.153
Periproktitischer Abszess Periproktitischer Abszess mit typischer Rötung, Schwellung, Überwärmung und Druckschmerz, kurz vor der spontanen Perforation.
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B 1.8 Anus
B-1.154
Schematische Darstellung der Analabszesse und ihre Lokalisation in Bezug zu den muskulären Organen des Beckenbodens
439 B-1.154
Der submuköse Abszess (1) liegt oberhalb der Linea dentata unter der Rektumschleimhaut, während sich der subanodermale oder auch subkutane Abszess (2) unter dem Anoderm des Analkanals ausbreitet. Davon ist der periproktitische Abszess abzugrenzen, der unter der Haut des Perianalraumes liegt (6). Abszesse, die zwischen den Analsphinkteren im Intersphinkterspalt liegen, werden intersphinktere Abszesse genannt (3) und haben ihre Ursache meist in chronischen Analkryptitiden. Liegt der Abszess extramural oberhalb des M. levator ani (4), so wird er als supralevatorischer oder auch pelvirektaler Abszess bezeichnet. Bei Lokalisation unterhalb des M. levator ani in der Fossa ischiorectalis wird er ischiorektaler Abszess genannt (5).
Sinus pilonidalis
Sinus pilonidalis
왘 Synonym. Haarnestgrübchen, Steißbeinfistel, Rekrutenabszess und Jeep’s
왗 Synonym
disease
왘 Definition. Es handelt sich dabei um einen persistierenden Neuroporus (Primäröffnung) im Bereich der Medianlinie der Rima ani oberhalb des Sakrokokzygealgelenks.
Aus dem Neuroporus herauswachsende Haare brechen meist ab. Die schrägen Bruchflächen können, durch Roll- und Scherbewegungen der Gesäßbacken zueinander, in die gegenüberliegende Haut eindringen. In dem Bereich des Grübchens kommt es daher, besonders bei Patienten mit starkem Behaarungstyp, zum Einwachsen von Haare in die gegenübergelegene Haut (Abb. B-1.155). Durch ein fettreiches Gesäß, starkes Schwitzen oder mangelhafte Analhygiene wird eine Infektion im Bereich der nach subkutan eingetriebenen Haare begünstigt (infizierter Sinus pilonidalis, oft auch als Dermoidzyste bezeichnet). Diese Infektion kann sich chronifizieren oder akut
B-1.155
Sinus pilonidalis
왗 Definition
Aus dem Neuroporus wachsende Haare zeigen meist schräge Bruchflächen. In dem Bereich des Grübchens kommt es daher, besonders bei Patienten mit starkem Behaarungstyp, zum Einwachsen von Haaren in die gegenübergelegene Haut (Abb. B-1.155). Durch ein fettreiches Gesäß, starkes Schwitzen oder mangelhafte Analhygiene wird eine Infektion im Bereich der nach subkutan eingetriebenen Haare begünstigt (infizierter Sinus pilonidalis, oft auch als Dermoidzyste bezeichnet). B-1.155
Die multiplen feinen Primäröffnungen in der Rima ani zeigen die Lokalisation der Neuropori an, die sich infizieren können. Am oberen Ende der Rima ani ist ein solch infizierter Herd spontan rupturiert und hat zu einer etwas exzentrisch gelegenen Sekundäröffnung geführt.
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B 1 Viszeralchirurgie
Diese Infektion kann sich chronifizieren oder akut zu einem Abszess führen.
in einen Abszess einmünden, der oft spontan auch außerhalb der Medianlinie perforiert.
Therapie: Eine gute Analhygiene sowie eine sorgfältige Rasur der Haare in der Rima ani beugen einer Infektion vor. Ein infizierter Sinus pilonidalis (Dermoidzyste) muss in toto exzidiert werden.
Therapie: Bei einem bekannten, nicht infizierten Sinus ermöglicht eine gute Analhygiene sowie eine sorgfältige Rasur der Haare in der Rima ani einer Infektion vorzubeugen. Ist der Sinus bereits infiziert, so ist die breite Exzision in toto indiziert. Die aus der sekundären Wundheilung entstehende Narbenplatte ist haarfrei und somit die Rezidivgefahr minimal.
Dermoidfistel
Dermoidfistel
Die Dermoidfistel geht aus anlagebedingten echten Dermoiden hervor und ist median oberhalb des Sakrums oder parakokzygeal gelegen. Sie wird in toto exzidiert.
Die Dermoidfistel stellt ein Fistelgangsystem dar, das median oberhalb des Sakrums oder parakokzygeal liegt und aus echten, sehr seltenen Dermoiden hervorgeht. Es besteht die Gefahr einer Infektion mit Abszedierung, weshalb eine Exzision in toto, meist unter Mitnahme des Steißbeins indiziert ist.
Pyodermia fistulans sinifica
Pyodermia fistulans sinifica
왘 Definition
왘 Definition. Hier handelt es sich um die perianale Manifestation einer gene-
rellen Dermatose, die auch in den Leisten, Genitalbereich, Axilla, Kinn, Bauchund Brustfalten beobachtet wird. Prädisponierende Faktoren sind starke Behaarung, fettreiches Subkutangewebe, mangelnde Hygiene und Stoffwechselerkrankungen. Klinik: Es kommt zur Ausbildung eines die Subkutis durchsetzenden Fistelgangsystems, das im Rahmen einer bakteriellen Invasion zu Abszessbildung neigt (Abb. B-1.156).
Klinik: Man findet Verwerfungsanomalien der Haut, die zur Bildung von Retentionstaschen führen, die sich im Rahmen einer bakteriellen Invasion mit einer Mischflora entzünden und zu einem abszedierenden und fistelnden Geschehen führen. Es kommt zur Ausbildung eines die Subkutis wie ein Fuchsbau durchsetzenden Fistelgangssystems, das zu Abszessbildung neigt. Durch die rezidivierenden chronischen Entzündungen ist die Haut in den befallenen Arealen derb und livide verfärbt (Abb. B-1.156).
Therapie: Die entzündlich veränderten Hautareale müssen zusammen mit den Gangsystemen exzidiert und die Abszesse eröffnet werden.
Therapie: Die entzündlich veränderten Hautareale müssen zusammen mit den Gangsystemen exzidiert und die Abszesse eröffnet werden. Im Randbereich der sanierten Areale kann es zu Rezidiven kommen.
Fournier-Gangrän
Fournier-Gangrän
왘 Definition
왘 Definition. Hierbei handelt es sich um eine fulminant verlaufende bakterielle
perianale Sepsis, die auf die Glutäalregion und das Genitale übergreifen kann. Ätiologie: Als Ursache werden kleinste Hautläsionen im Analbereich als bakterielle Eintrittspforte diskutiert.
B-1.156
Ätiologie: Als Ursache werden kleinste Hautläsionen im Analbereich als bakterielle Eintrittspforte diskutiert, z. B. nach Hämorrhoidensklerosierung. Die Erkrankung wird durch Anaerobier unterhalten, meist findet sich jedoch eine bakterielle Mischflora.
B-1.156
Pyodermia fistulans sinifica Chronische Pyodermia fistulans sinifica mit teilweise narbig ausgeheilten zentralen Arealen und langsam fortschreitenden randständigen Arealen rechts glutäal und am rechten Oberschenkel.
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B 1.8 Anus
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Klinik: Bei dem Patienten treten plötzlich heftige Schmerzen im Analbereich auf, die Entzündungsparameter sind erhöht. Innerhalb von Stunden kann es zur Nekrose der befallenen, zunächst phlegmonös veränderten Hautareale mit rascher Ausbreitungstendenz kommen.
Klinik: Bei dem Patienten treten plötzlich heftige Schmerzen im Analbereich auf. Innerhalb von Stunden kann es zur Nekrose der befallenen Hautareale kommen.
Therapie: Eine großzügige Nekrosektomie, breite Eröffnung und Drainage vorhandener Abszesse ist unverzüglich nach Diagnosestellung durchzuführen. Zusätzlich ist die Einleitung einer systemischen, hochdosierten und breitgefächerten Antibiotikatherapie indiziert.
Therapie: Neben systemischer Antibiotikagabe ist eine großzügige Nekrosektomie und Drainage vorhandener Abszesse durchzuführen.
1.8.4 Proktitis
1.8.4 Proktitis
왘 Definition. Als Proktitis bezeichnet man die entzündliche Erkrankung des
왗 Definition
Proktons, also die des unteren Rektumanteils. Je nach Ätiologie werden unterschiedliche Proktitisformen unterschieden:
Spezifische Proktitiden
Spezifische Proktitiden
Morbus Crohn (S. 390): Im Rahmen einer Enteritis regionalis granulomatosa Crohn kann ein isolierter Rektumbefall möglich sein. Die Diagnose wird durch die endoskopische Untersuchung, Histologie, Mikrobiologie und den klinischen Verlauf verifiziert. Treten zu einer Proktitis mit Fissuren auch atypisch verlaufende Fisteln hinzu, so ist in erster Linie an eine Crohn-Proktitis zu denken. Die Therapie entspricht der des intestinalen Morbus Crohn, ergänzt durch lokale Applikation der Wirkstoffe in Form von Klysmen. Colitis ulcerosa (S. 386): Die abortive Verlaufsform der Colitis ulcerosa kann sich durch einen auf das Rektum beschränkten Kolonbefall manifestieren. Die Diagnostik und Therapie entsprechen denen des weiter fortgeschrittenen Kolonbefalls.
Morbus Crohn: Es kann im Rahmen eines Morbus Crohn auch zu einem isolierten Rektumbefall kommen. Dieser zeichnet sich durch eine Proktitis mit Fissuren und atypisch verlaufenden Fisteln aus.
Colitis ulcerosa: Die abortive Verlaufsform der Colitis ulcerosa kann sich durch einen auf das Rektum beschränkten Kolonbefall manifestieren.
Radiogene Proktitis
Radiogene Proktitis
Ätiologie: Nach einer Strahlentherapie von anorektalen Tumoren oder Erkrankungen in der Nachbarschaft des Rektums kommt es in 10 – 20 % der Fälle zu einer entzündlichen Mitreaktion der Rektumschleimhaut. Im einfachsten Fall treten Teleangiektasien auf, die zu Berührungsblutungen führen können. In schwereren Fällen entstehen Schleimhautödeme, Ulzerationen oder Nekrosen der Schleimhaut.
Ätiologie: In 10 – 20 % der Bestrahlungen nach Tumoren des Analkanals, des Rektums oder der Nachbarorgane im kleinen Becken kommt es zu einer entzündlichen Mitreaktion der Rektumschleimhaut. In schwereren Fällen entstehen Schleimhautödeme, Ulzerationen oder Nekrosen der Schleimhaut.
Klinik: Je nach Schweregrad klagen die Patienten über schmerzlose transanale Blutungen bis hin zu tenesmenartigen Schmerzen und starken Blutverlusten durch die transanalen Blutungen. Das endoskopische Bild einer hämorrhagischulzerierenden Proktitis mit scharfer Begrenzung nach oral und einer Strahlentherapie in der Anamnese reichen meist zur Diagnosesicherung. In Zweifelsfällen kann eine Biopsie zur histologischen und mikrobiologischen Untersuchung (Abgrenzung zu infektiösen Proktitiden) entnommen werden.
Klinik: Je nach Schweregrad klagen die Patienten über schmerzlose transanale Blutungen bis hin zu tenesmenartigen Schmerzen und schweren Blutverlusten durch die transanalen Blutungen.
Therapie: Bei leichten Fällen bringen Lebertranzäpfchen (Unguentolansuppositorien) oft eine rasche Besserung. Bei schwereren Verläufen ist eine lokale, oder bei therapieresistenten Verläufen auch selten eine systemische Kortisontherapie indiziert, ggf. kurzfristig durch ballaststofffreie oder parenterale Ernährung unterstützt. Bei therapierefraktären Verläufen ist die Anlage eines doppelläufigen Anus praeter sigmoideus oder ein Ileostoma bis zur Abheilung in Betracht zu ziehen.
Therapie: In leichten Fällen bringen Lebertransuppositorien rasche Besserung. Bei schweren Verlaufsformen kann eine lokale oder systemische Kortikoidgabe und eine ballaststofffreie oder parenterale Ernährung indiziert sein.
Venerisch induzierte Proktitis
Venerisch induzierte Proktitis
Lues (Erreger: Treponema pallidum): Im Rahmen der Lues I kommt es im Analund Rektumbereich zur Ausbildung derber, atypischer Ulzera (Ulcus durum), die druckdolent sind. Außerdem findet sich eine inguinale Lymphknotenbeteiligung. Bei der Lues II werden Condylomata lata (s.o.) beobachtet, bei der Lues III
Lues (Erreger: Treponema pallidum): Bei Lues I kommt es zum Ulcus durum, bei Lues II zu Condylomata lata und bei Lues III zu Gummen. Therapie: Hochdosierte systemische Penicillingabe
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B 1 Viszeralchirurgie
ulzerierte Gummen, die nach Abheilung zur hochgradigen Stenose durch Strikturen führen können. Therapeutisch steht nach wie vor die hochdosierte systemische Penicillingabe im Vordergrund. Gonorrhö (Erreger: Neisseria gonorrhoeae): Man findet eine putride Proktitis mit ausgeprägtem Ekzem. Therapie: Systemische Penicillingabe.
Gonorrhö (Erreger: Neisseria gonorrhoeae): Bei der anorektalen Gonorrhö findet man eine putride Proktitis, die in schweren Verlaufsformen zu Ulzera und Abszedierungen führen kann. Begleitend liegt oft ein ausgeprägtes Ekzem mit Pruritus vor. Zur Therapie ist die systemische Penicillingabe angezeigt.
Ulcus molle (Erreger: Haemophilus ducreyi): Hier kommt es zu weichen, schmerzhaften Ulzera. Therapie: Sulfonamid oder Cotrimoxazol systemisch.
Ulcus molle (Erreger: Haemophilus ducreyi): Diese weichen, extrem schmerzhaften Ulzera sind heute in ihrer Häufigkeit deutlich rückläufig. Der Erreger ist Haemophilus ducreyi. Hier ist eine systemische Sulfonamidgabe oder Therapie mit Cotrimoxazol indiziert.
Granuloma venereum (Erreger: Donovani granulomatis): Meist genitoinguinal finden sich Papeln und Pusteln. Therapie: Cotrimoxazol.
Granuloma venereum (Erreger: Donovani granulomatis): Diese in unseren Breiten seltene Tropenkrankheit äußert sich meist in genitoinguinalen, seltener perianalen Papeln und Pusteln, die leicht bluten und eine sehr übel riechende Sekretion haben. Die Therapie erfolgt mit Cotrimoxazol über 2 – 4 Wochen.
Lymphogranuloma inguinale (Erreger: Chlamydia lymphogranulomatosis): Es kann zur Ausmauerung des kleinen Beckens mit einem weitläufigen Fistelsystem kommen. Therapie: Sulfonamide oder Tetrazykline, operative Entfernung von Abszessen und Fisteln.
Lymphogranuloma inguinale (Erreger: Chlamydia lymphogranulomatosis, ein Bakterium, das früher als Virus fehlgedeutet wurde): Die anale Manifestation ist sehr selten. Durch Ausmauerung des kleinen Beckens mit einem weitläufigen Fistelsystem kann es zu Wulstbildungen mit ausgeprägter Strikturneigung kommen. Therapeutisch kommen neben der operativen Beseitigung von Abszessen und Fisteln Sulfonamide oder Tetrazykline für 4 Wochen zur Anwendung.
AIDS: Das Erscheinungsbild ähnelt dem anorektalen Morbus-Crohn-Befall. Bisweilen finden sich durch ein Kaposi-Sarkom ausgelöste tumoröse Neoplasien.
AIDS: Makroskopisch imponieren die HIV-assoziierten Erkrankungen des Anorektums oft wie ein anorektaler Morbus-Crohn-Befall. Es kommt zu nicht oder nur verzögert abheilenden Ulzerationen mit Lymphknotenschwellungen. Bisweilen finden sich tumoröse Neoplasien, die durch ein Kaposi-Sarkom ausgelöst werden. Bei unklaren Befunden, insbesondere bei Patienten aus den bekannten HIV-Risikogruppen, sollte stets ein HIV-Test veranlasst werden.
Ulcus recti simplex
Ulcus recti simplex
Das Ulcus recti simplex tritt meist an der Rektumvorderwand als scharf begrenztes Ulkus mit starker vaskulärer Injektion in der Umgebung auf (Abb. B-1.157). Die Ätiologie ist unklar.
Das Ulcus recti simplex tritt meist an der Rektumvorderwand als scharf begrenztes Ulkus mit starker vaskulärer Injektion in der Umgebung auf (Abb. B-1.157). Die Ätiologie ist unklar, diskutiert werden eine vaskuläre Genese (Ischämienekrose), eine mechanische Schleimhautalteration in Verbindung mit dem oft gleichzeitig beobachteten Rektumschleimhautprolaps (Drucknekrose) oder eine traumatische Genese, z. B. durch anale Manipulationen (Verletzungen der Schleimhaut durch Fieberthermometer beim rektalen Fiebermessen).
Therapie: Die Therapie besteht in der transanalen Exzision mit primärer Naht.
Therapie: Die Therapie besteht in der transanalen Exzision mit primärer Naht.
B-1.157
B-1.157
Ulcus recti simplex Es zeigt sich ein typisches, landkartenförmig imponierendes flaches Ulkus, meist an der Rektumvorderwand auf einer Schleimhautfalte gelegen. In den Randbereichen können oft hyperämische Reaktionen beobachtet werden. Selten kommt es zu hypertrophen Varianten durch pseudopolypöse Schleimhautregenerate.
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B 1.8 Anus
B-1.158
Perianale Mykose
443 B-1.158
Perianale Mykose mit typischer scharfer Begrenzung und kleinen „metastatischen“ Herdbildungen in der Nachbarschaft.
1.8.5 Perianaldermatitis (Analekzem) 왘 Definition. Dermatitis durch Irritation der Perianalhaut, am häufigsten als Symptom einer anderweitigen Erkrankung des Anus oder des Rektums.
1.8.5 Perianaldermatitis (Analekzem)
왗 Definition
Akutes Ekzem: Die Haut um die Anokutangrenze herum ist entzündlich gerötet, oft feucht und mit multiplen Rhagaden und Kratzspuren durchsetzt. Sekundär kommt es nicht selten zur Superinfektion, besonders durch Pilze (Abb. B-1.158). Bei einer Schuppung ist an eine Psoriasis vulgaris zu denken. Chronisches Ekzem: Als Zeichen einer Lichenifikation kommt es zu einer Verdickung und atrophischen Umwandlung der perianalen Haut. Die Kutis ist weiß und haarlos, es kann zur Ausbildung tiefer Rhagaden oder Ulzera kommen. Als Differenzialdiagnosen kommen das Analkarzinom, der Morbus Paget sowie ein Morbus Bowen in Betracht.
Bei einem akuten Ekzem ist die Haut um die Anokutangrenze herum entzündlich gerötet, häufig vergesellschaftet mit einer Superinfektion (Abb. B-1.158).
Therapie: Im Vordergrund steht die Behandlung des Grundleidens. Zusätzlich sollten die Patienten in die Analhygiene genau eingewiesen werden (Anus trocken und sauber halten, möglichst wenig anale Manipulationen) und Reizstoffe in der Ernährung meiden (Alkohol, Nikotin, scharfe Gewürze, Koffein). Diese Therapie kann symptomatisch durch adstringierende Externa (Tannosynt®-Sitzbäder), kurzfristige lokale Kortikoidapplikation, Pinselung mit Farbstofflösungen (Solutio castellani, Malachitgrün) oder bei Pilz- oder Bakteriennachweis mit fungiziden oder desinfizierenden Salben unterstützt werden.
Therapie: Im Vordergrund steht die Behandlung des Grundleidens. Die Patienten sollten die Analhygiene optimieren, adstringierende Externa oder kurzfristige lokale Kortikoidgaben sowie lokal desinfizierende Maßnahmen durchführen.
1.8.6 Prolaps
1.8.6 Prolaps
Analprolaps
Analprolaps
왘 Definition. Als Analprolaps wird der Vorfall von Anoderm vor die Anokutan-
Die Verdickung und atrophische Umwandlung der perianalen Haut ist ein Hinweis auf ein chronisches Ekzem. Es können tiefe Rhagaden und Ulzera entstehen. Als Differenzialdiagnose kommen das Analkarzinom, der Morbus Paget sowie ein Morbus Bowen in Betracht.
왗 Definition
grenze bezeichnet. Er tritt meistens bei Hämorrhoiden 3. oder 4. Grades auf und ist differenzialdiagnostisch von einem Mukosaprolaps, prolabierten Polypen, hypertrophen und prolabierten Analpapillen oder einem Rektum- oder Analkarzinom abzugrenzen (Abb. B-1.159). Diagnostik: Im Rahmen der Inspektion fällt das typische radiäre Faltenmuster mit rosa bis weißlicher Analkanalhaut auf (im Gegensatz dazu: Zirkuläres Faltenmuster von roter, feuchter Rektumschleimhaut beim Rektumprolaps). Durch eine Prokto- und Rektoskopie werden die differenzialdiagnostisch zu erwägenden Erkrankungen (Anal- oder Rektumkarzinom, prolabierende Polypen oder hypertrophe, prolabierte Analpapillen) ausgeschlossen.
Diagnostik: Im Rahmen der Inspektion fällt das typische radiäre Faltenmuster mit rosa bis weißlicher Analkanalhaut auf. Differenzialdiagnostisch ist der Rektumprolaps mit dem typischen zirkulären Faltenverlauf auszuschließen.
Therapie: Der Analprolaps wird wie Hämorrhoiden 3. oder 4. Grades durch eine Sklerosierungstherapie, eine Gummiligaturbehandlung oder eine Operation mit oder ohne plastische Analkanalrekonstruktion behandelt.
Therapie: Der Analprolaps wird wie Hämorrhoiden 3. oder 4. Grades mit Sklerosierungstherapie, Gummiligaturbehandlung oder Operation behandelt.
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444
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.159
B-1.159
Analprolaps Analprolaps bei Hämorrhoiden 3. Grades. Die Linea dentata ist zusammen mit dem Anoderm und dem Plexus haemorrhoidalis zwischen 6 und 12 Uhr Steinschnittlage vor den Analkanal prolabiert und gleitet nicht mehr spontan zurück.
Rektumprolaps
Rektumprolaps
Siehe S. 415.
Siehe S. 415.
1.8.7 Tumoren des Analbereichs
1.8.7 Tumoren des Analbereichs
Analkarzinom
Analkarzinom
왘 Definition
왘 Definition. Das Analkarzinom ist ein seltener Tumor des Gastrointestinal-
trakts. Seine Häufigkeit liegt bei 5 % aller kolorektalen Tumoren. Es wird nach seiner Lokalisation in Analrand- und Analkanalkarzinome unterschieden (Abb. B-1.160). Histologisch erfolgt eine Unterteilung in Plattenepithelkarzinome (am häufigsten), kloakogene (= basaloide) Karzinome und Adenokarzinome, die von den Proktodealdrüsen ausgehen. Das Analkarzinom streut lymphogen in die Leisten-, Iliakal- und Mesenteriallymphknoten.
Da dieser Tumor im Analbereich wächst, ist eine lymphogene Ausbreitung in die Leistenlymphknoten genauso wie in die Iliakal- und Mesenterialregion als erste Lymphknotenstationen möglich.
Klinik: Patienten klagen über Blutungen, Pruritus, Kontinenzstörungen und verschmierte Unterwäsche.
Klinik: Die häufigsten Beschwerden sind Blutungen, Pruritus, Kontinenzstörungen, verschmierte Unterwäsche und anale Missempfindungen.
Diagnostik: Inspektion und Palpation führen meist zur Verdachtsdiagnostik: Ergänzend ist eine Biopsie zur Sicherung der Diagnose notwendig.
Diagnostik: Die Inspektion und Palpation führen in den meisten Fällen bereits zur Verdachtsdiagnose, die durch eine Biopsie im Rahmen einer Rektoskopie gesichert wird. In Abb. B-1.160 a ist ein Analkarzinom mit Infiltration des Introitus vaginae (T4) dargestellt.
B-1.160
B-1.160
Analkarzinom
b
a
a Plattenepithelkarzinom des Analrandes mit Infiltration des Introitus vaginae. b Fortgeschrittenes Stadium eines Analkanalkarzinoms mit zentraler Ulzeration.
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B 1.8 Anus
445
Im Weiteren sind eine totale Koloskopie, Palpation der Leisten, Sonographie der Leisten und des Abdomens, eine Röntgenuntersuchung der Lunge und ggf. eine Computertomographie (CT) (Lymphknoten- oder Fernmetastasen?) notwendig.
Zum Ausschluss von Fernmetastasen sind eine Koloskopie, Sonographie, Röntgen-Thoraxuntersuchungen und ggf. eine CT indiziert. Therapie: Adenokarzinome des Analkanals werden wie Rektumkarzinome behandelt. Die Therapie des plattenepithelialen oder kloakogenen Analkanalkarzinoms ist primär nicht chirurgisch. Als Therapie der Wahl gilt die Radiotherapie, ggf. optimiert durch eine Afterloading-Behandlung. Eine Rektumamputation wird meist nur noch bei Tumorrest eines Analkarzinoms oder Tumorrezidiven durchgeführt. Analrandkarzinome können lokal reseziert werden, wenn dies ohne Gefährdung der Kontinenz möglich ist.
Therapie: Die Therapie des plattenepithelialen oder kloakogenen Analkanalkarzinoms ist primär nicht chirurgisch. Als Therapie der Wahl gilt die Radiotherapie, ggf. optimiert durch eine Afterloading-Behandlung. Bei weiter fortgeschrittenem Stadium ist eine adjuvante Chemotherapie mit 5-Fluorouracil und Mitomycin C notwendig, da nach neueren Untersuchungen hiermit die Lebensqualität und tumorfreie Zeit erhöht werden können. Lediglich bei Resttumoren nach Abschluss der Bestrahlung, Adenokarzinomen des Analkanals oder bei Rezidivtumoren ist eine Rektumamputation indiziert. Analrandkarzinome können dann lokal reseziert werden, wenn dies mit einem Sicherheitsabstand von 1 – 2 cm ohne Gefährdung der Kontinenz möglich ist. Sonst ist ein Vorgehen analog zum Analkanalkarzinom vorzuziehen. Prognose: Die 5-Jahres-Überlebensrate nach radikaler Therapie – ohne nachweisbaren Resttumor – beträgt heute ca. 80 %. Bei ca. 20 – 30 % der Patienten liegen zum Diagnosezeitpunkt bereits Metastasen vor, die aber mittlerweile bei ca. 30 % heilbar sind. Die „Heilungsrate“ aller Analkarzinompatienten ist somit von 30 % vor zehn Jahren auf heute 80 % angestiegen.
Prognose: Die „Heilungsrate“ aller Analkarzinome beträgt ca. 80 %.
Seltene Tumoren des Analbereichs
Seltene Tumoren des Analbereichs
Differenzialdiagnostisch sind der Morbus Paget und der Morbus Bowen vom Analkarzinom abzugrenzen. Sie stellen sich als ekzemähnliche perianale Veränderungen dar, die eine schuppende Oberfläche haben. Eine maligne Entartung ist besonders im Bereich von Ulzerationen möglich. Die Diagnose lässt sich nur histologisch verifizieren. Sarkome und Melanome der Analregion sind sehr seltene Malignome mit ausgesprochen schlechter Prognose: Sie fallen durch eine ähnliche Klinik wie Analkarzinome auf.
Differenzialdiagnostisch zum Analkarzinom sind folgende Tumoren abzugrenzen: ■ Morbus Paget ■ Morbus Bowen ■ Sarkome ■ maligne Melanome. Eine maligne Entartung ist besonders im Bereich von Ulzerationen möglich.
1.8.8 Defäkationsstörungen
1.8.8 Defäkationsstörungen
왘 Definition. Als Defäkationsstörung bezeichnet man die Unfähigkeit, Ort und Umstände der Stuhlentleerung zu kontrollieren, also willentlich herbeizuführen oder zu unterdrücken. Somit fallen sowohl die Inkontinenz wie auch die chronische Obstipation unter diese Definition.
Physiologie der Defäkation: Durch eine große Kolonbewegung wird Stuhlgang in die Rektumampulle befördert. Dies führt zu einer mechanischen Dehnung der Ampulle (Distension), die reflektorisch eine Relaxierung des inneren Schließmuskels auslöst. Die Dehnung der Rektumampulle und die Internusrelaxierung werden subjektiv als Stuhldranggefühl wahrgenommen, was zum einen zu einer Zunahme der Kolonpropulsivmotorik und zum anderen zu einem bewussten Entscheidungsmechanismus führt. Soll eine Defäkation eingeleitet werden, so findet eine willkürliche Erschlaffung der quergestreiften Externus- und Levatormuskulatur statt, sodass durch Betätigung der Bauchpresse die Stuhlsäule ausgetrieben werden kann. Soll eine Defäkation vermieden werden, so wird zentral gesteuert eine Tonuszunahme von Levator- und Externusmuskulatur eingeleitet. Außerdem findet eine reflektorische Tonussenkung der glatten Muskulatur der Rektumampullenwand statt (Adaptationsreflex), die zu einer vermehrten Aufnahmekapazität der Ampulle führt. Durch die Stuhlgangsretention kommt es zu einer Stuhleindickung, die wiederum zu einer intraluminären Druckzunahme führt (Abb. B-1.161).
왗 Definition
Physiologie der Defäkation: Ein Druckanstieg in der Rektumampulle führt reflektorisch zu einer Relaxierung des inneren Schließmuskels und konsekutiv zu einer verminderten Füllung des Corpus cavernosum. Hierdurch tritt Stuhl in den oralen sensiblen Bereich des Analkanals ein, sodass eine Diskriminierung erfolgen kann (Probierreflex). Ist eine Defäkation zum gegebenen Zeitpunkt nicht erwünscht, so wird der Tonus von äußerem Schließmuskel und Beckenbodenmuskulator erhöht, was sich chronifizieren und somit zur habituellen Obstipation führen kann. Durch willentliche Entspannung von der äußeren Schließmuskulatur und Beckenbodenmuskulatur erfolgt die Einleitung der Defäkation (Abb. B-1.161).
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446 B-1.161
Incontinentia alvi 왘 Definition
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.161
Regelkreis zur Physiologie des Defäkationsmechanismus
Incontinentia alvi 왘 Definition. Die Incontinentia alvi wird als Unfähigkeit bezeichnet, den Stuhl
willentlich zurückzuhalten. Besteht diese Unfähigkeit aufgrund einer Schwäche oder Ausfall eines oder mehrerer Bestandteile des Kontinenzorgans, so wird dies als Inkontinenz im engeren Sinne bezeichnet. Ätiologie, Pathogenese: Symptomatische Inkontinenz entsteht durch eine momentane Überlastung des sonst intakten Kontinenzorgans. Die Ursachen hierfür können starke Diarrhöen (Überforderung durch die anfallende Stuhlmenge), Obstipation (Überlaufenkopresis) und neurologische Störungen sein. Bei der Inkontinenz im engeren Sinne liegt eine Störung eines Bestandteiles des Kontinenzorgans vor, z. B. bei einer Schädigung des muskulären Sphinkter- und Beckenbodenapparates, einer Störung der anorektalen Sensibilität oder einem Verlust der Reservoirfunktion (Tab. B-1.39, Tab. B-1.42).
Ätiologie, Pathogenese: Eine Inkontinenz, die durch eine momentane Überlastung des sonst intakten Kontinenzorgans entsteht, nennt man symptomatische Inkontinenz. Ursachen hierfür können sein: starke Diarrhöen (Reservoirfunktion ist durch die anfallende Stuhlmenge überfordert), Obstipation (Überlaufenkopresis) und neurologische Störungen, die eine Funktionsstörung bei sonst intaktem Kontinenzorgan bewirken können. Bei der Inkontinenz im engeren Sinne liegt eine Störung eines Bestandteils des Kontinenzorgans vor. Es kann sich dabei um eine Schädigung des muskulären Sphinkter- und Beckenbodenapparates, um eine Störung der anorektalen Sensibilität, um einen Verlust der Reservoirfunktion, eine Störung des mechanischen Analkanalverschlusses oder um idiopathische Veränderungen (Tab. B-1.39, Tab. B-1.42) handeln. Eine Störung der sensorischen Kontinenz (Tab. B-1.39) kann durch Verlust des Erfolgsorgans (Anodermverlust), durch Behinderung der Reizübermittlung (neurogene Sensibilitätsstörung) oder durch mechanische Behinderung der Sensation bei intaktem Sensorium (Behinderung der anorektalen Sensorik) erfolgen. Die zugrunde liegenden Ursachen müssen differenzialdiagnostisch genau abgeklärt werden. Bei der myogenen Inkontinenz (Tab. B-1.40) werden neben rein mechanischen, nur Teile des Sphinkterapparates betreffenden Defekten auch Störungen der Funktion ganzer Muskelgruppen unterschieden. So trennt man die isolierte Analsphinkterinsuffizienz von der generalisierten Beckenbodenmuskulaturschwäche und der neurogen verursachten motorischen Inkontinenz. Als mechanische Inkontinenz (Tab. B-1.41) werden die Inkontinenzformen bezeichnet, bei denen ein intakter Sphinkterapparat und ein intaktes Sensorium
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B 1.8 Anus
447
vorliegen, es aber trotzdem zu einer klinischen Inkontinenz kommt. Als Ursache hierfür können einerseits Stuhldrainagerinnen dienen, die Stuhlgang zwischen den Sphinkteren in narbigen Falten nach außen gelangen lassen (Schlüssellocheffekt). Ein Verlust des Anorektalwinkels führt zu einem verstärkten Druck der
B-1.39
Ursachen der sensorischen Inkontinenz
B-1.39
Ursache
Diagnosen
Untersuchungen
Sensibilitätsstörung
Polyneuropathie, radikuläre Syndrome, vertebraler Diskusprolaps, Querschnittssyndrom
neurologische Untersuchung, EMC, NLG
Anodermverlust
Analatresie, proktologische Voroperationen (Whitehead-Op), Tumordestruktion
Anamnese, Ano- und Proktoskopie
Behinderung der anorektalen Sensorik
Hämorrhoiden, Proktitis, exophytisch wachsende Tumoren, Prolaps
Prokto- und Rektoskopie, Defäkogramm, Pressversuch
B-1.40
Ursachen der myogenen Inkontinenz
B-1.40
Ursache
Diagnosen
Untersuchungen
Sphinkterläsionen
proktologische Voroperationen, Pfählungstraumata, Episiotomie, Dammriss
Ano-/Proktoskopie, Manometrie, EMC, Endosonographie
isolierte Analsphinkterinsuffizienz
Sphinkterläsionen, (idiopathische) Altersinvolution, Prolaps
Manometrie, EMC, Defäkogramm, Endosonographie
generalisierte Beckenbodeninsuffizienz
Prolaps, Descending-perineumSyndrom (DPS)
Manometrie, EMC, Defäkogramm, Pressversuch
neurogene motorische Sphinkterinsuffizienz
DPS, Polyneuropathie, radikuläre Syndrome, vertebraler Diskusprolaps, Querschnittssyndrom
neurologische Untersuchung, Manometrie, EMC, Defäkogramm
Sphinkteragenesie
Analatresie
Ano-/Proktoskopie, Manometrie, EMC, Endosonographie
B-1.41
Ursachen der mechanischen Inkontinenz
B-1.41
Ursache
Diagnosen
Untersuchungen
Drainagerinnen
proktologische Voroperationen (Schlüssellocheffekt)
Anamnese, Inspektion, Ano-/Rektoskopie
Verlust des Anorektalwinkels
Descending-perineum-Syndrom (DPS), Rektumprolaps, tiefe Resektion
Defäkographie, Pressversuch
absoluter Rektumreservoirfunktionsverlust
Rektumoperationen, Proktitis, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, extramurale Tumoren
Manometrie, Defäkographie, Endosonographie
relativer Rektumreservoirfunktionsverlust
Diarrhö, enterokotische Fisteln
Koloskopie, hypotone Dünndarmdarstellung
Sphinkterbypass
rektokutane oder rektovaginale Fisteln (z. B. Morbus Crohn, radiogene Fisteln)
Proktoskopie, Endosonographie, Fistulographie, Defäkographie
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448 B-1.42
Man unterscheidet eine Feinkontinenzstörung (Inkontinenz für Winde und flüssigen Stuhl) von einer Grobkontinenzstörung (Inkontinenz auch für festen Stuhl).
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.42
Ursachen der neurogenen Inkontinenz
Ursache
Diagnosen
Untersuchungen
periphere Nervenläsion
Plexus-/Nervus-pudendus-Läsion
neurologische Untersuchung, EMG, NLG
rückenmarknahe Nervenläsion
Konus-Kauda-Syndrom
neurologische Untersuchung, EMC, NLG, evtl. CT/MRT
zentrale Nervenläsion
Apoplex, zentrale Einblutungen, Altersinkontinenz, HOPS, Demenz
neurologische Untersuchung, psychiatrische Untersuchung, evtl. CCT
Stuhlsäule auf die Sphinktermuskulatur und kann so bei intraabdomineller Druckerhöhung zu einer Überschreitung der Kompensationsreserve der Schließmuskulatur und somit zu einem Stuhlaustritt führen. Bei einer Reduzierung des Volumens, das die Rektumampulle fassen kann – sei es durch intra- oder extraluminäre Narben oder Raumforderungen – spricht man von einem absoluten Rektumreservoirfunktionsverlust. Wenn durch einen vermehrten Anfall von Stuhlbrei das an sich normale Fassungsvermögen der Rektumampulle und die Reservoirfunktion überfordert wird und es so zum Stuhlgangsaustritt kommt, so wird dies relativer Rektumreservoirfunktionsverlust genannt. Eine weitere Ursache für Stuhlabgang bei intaktem Kontinenzorgan sind Fisteln, die den Stuhl wie ein Bypass an den Sphinkteren vorbei nach außen gelangen lassen. Bei neurogenen Störungen (Tab. B-1.42) muss zwischen peripheren, rückenmarksnahen und zentralen Störungen unterschieden werden. Die Incontinentia alvi wird in 2 Schweregrade eingeteilt: Die Feinkontinenzstörung mit der Unfähigkeit, Winde und flüssigen Stuhl zu kontrollieren, und die Grobkontinenzstörung, bei der auch fester Stuhlgang nicht mehr zurückgehalten werden kann.
Diagnostik: ■ Anamnese ■ proktologische Untersuchung ■ Manometrie ■ EMC ■ Endosonographie ■ Defäkographie.
Diagnostik: Bei Patienten mit Inkontinenzproblemen ist neben der vollständigen Anamneseerhebung und proktologischen Untersuchung – zur Erkennung organischer Ursachen einer symptomatischen Inkontinenz – eine Sphinktermanometrie zur Erfassung der Sphinkterfunktion und Reservoirfunktion ggf. ergänzt durch eine Elektromyographie (EMG) indiziert. Zusätzlich kann eine Endosonographie zur Feststellung von Sphinkterläsionen und eine Defäkographie zur Beurteilung der Beckenbodenfunktion durchgeführt werden.
Therapie: ■ Stuhlgangsregulation ■ Beckenbodentraining ■ Elektrostimulation ■ Biofeedback ■ operative Rekonstruktionsverfahren ■ Sphinkterplastiken.
Therapie: Die Therapie der Inkontinenz richtet sich nach ihrer Ursache. Zunächst müssen organische Ursachen (Tumoren, Prolaps) beseitigt werden. Eine Stuhlgangsregulation und Beckenbodentraining, evtl. durch Biofeedback oder Elektrostimulationsbehandlungen unterstützt, bilden in jedem Fall eine unabdingbare Voraussetzung für einen Therapieerfolg. Bei nachgewiesener Sphinkter- oder Beckenbodenstörungen sind operative Rekonstruktionsverfahren oder Sphinkterplastiken möglich. Letztendlich gelingt in den meisten Fällen jedoch nur eine Verbesserung der Kontinenzleistung, ohne eine vollständige Wiederherstellung des Analverschlusses zu gewährleisten. Neuere Verfahren zur Therapie der schweren Stuhlinkontinenz sind die Sakralnervenstimulation und die Implantation eines künstlichen Schließmuskels. Beide Therapieprinzipien befinden sich noch in der Evaluationsphase und werden nur an spezialisierten koloproktologischen Zentren unter Studienbedingungen angeboten. Als Ultima ratio verbleibt bei schwerer Stuhlinkontinenz immer noch die Anlage eines Anus praeter naturalis, der häufig die Lebensqualität entscheidend verbessern kann.
Obstipation
Obstipation
Ätiologie: ■ Störung der Darmmotilität ■ mechanische Passagebehinderung ■ Störung des Defäkationsmechanismus.
Ätiologie: Die chronische Obstipation kann sowohl durch eine Störung der Darmmotilität und mechanische Passagebehinderungen als auch durch eine Störung des Defäkationsvorgangs selbst hervorgerufen werden.
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B 1.8 Anus
449
Der häufigste Grund für eine chronische Obstipation ist eine Kombination aus einer funktionellen Störung der Defäkation und einem chronischen diätetischen Fehler, der zu einer Stuhlverhärtung führt. Diagnostik: Störungen des Defäkationsvorgangs werden durch die gleichen Untersuchungen wie bei der Inkontinenzdiagnostik ausgeschlossen. Stenosen im Kolon werden durch eine Koloskopie oder Kolondoppelkontrasteinlauf erkannt. Die Ermittlung der Kolonpassagezeit mittels röntgendichter Marker dient zur Erkennung von Kolonmotilitätsstörungen. Die sehr seltenen Dünndarmmotilitätsstörungen lassen sich durch die Ermittlung der oralanalen Passagezeit erkennen. 왘 Merke. Die ausführliche Aufklärung über Ernährung und Stuhlgangs-
Diagnostik: ■ Inkontinenzdiagnostik ■ Koloskopie ■ Kolonpassagezeit ■ oral-anale Passagezeit.
왗 Merke
gewohnheiten (1 Stuhlgang in der Woche kann ebenso wie 2 – 3 Stühle täglich normal sein, wenn keine klinischen Beschwerden bestehen!) ist absolute Voraussetzung für jeden Therapieversuch. Therapie: Bei funktionellen Störungen des Beckenbodens erscheint die Biofeedback-Behandlung sehr vielversprechend. Liegen organische Ursachen wie Stenosen vor, so müssen diese beseitigt werden. Im Falle von segmentalen Darmmotilitätsstörungen im Sinne von Dysganglionosen ist in seltenen Fällen auch eine Resektion angezeigt.
Therapie: Bei funktionellen Störungen des Beckenbodens erscheint die BiofeedbackBehandlung sehr vielversprechend. Organische Ursachen müssen operativ beseitigt werden.
1.8.9 Anorektale Schmerzsyndrome
1.8.9 Anorektale Schmerzsyndrome
Kokzygodynie
Kokzygodynie
Bei der Kokzygodynie treten anfallsweise heftige Schmerzen im Bereich des Steißbeins, seltener am Übergang zum Kreuzbein auf. Anamnestisch wird oft ein Sturz auf das Sakrum/Kokzygeum angegeben Bei der Untersuchung lässt sich bei einem Teil der Patienten ein in Richtung Rektum abgewinkeltes Steißbein tasten. Endosonographisch ist der Abstand zwischen der Spitze des Os coccygeums und der äußeren Rektumwand deutlich verkleinert (4 3 mm). Die Kokzygodynie tritt gehäuft bei Frauen im mittleren Alter auf und wird von neurotischen Krankheitszügen begleitet.
Bei der Kokzygodynie treten anfallsweise heftige Schmerzen im Bereich des Steißbeins, seltener am Übergang zum Kreuzbein auf. Bisweilen findet sich ein in Richtung Rektum abgewinkeltes Steißbein.
Therapie: Die therapeutischen Bemühungen führen in nur 50 % der Fälle zu einer Beschwerdelinderung, eine Heilung wird extrem selten erreicht, sodass die meisten Patienten oft langwierige Leidensverläufe haben. Zur Anwendung kommen digitale Einrenkungsversuche des Steißbeins von rektal, lokale Applikationen von Lokalanästhetika, Akupunktur, Röntgenreizbestrahlung, systemisch Antiphlogistikagaben und als Ultima ratio die systemische Gabe von trizyklischen Antidepressiva. Die Exstirpation des Steißbeines gilt als überholt, da die Beschwerden hierdurch nicht beeinflusst oder sogar gesteigert werden können.
Therapie: Die therapeutischen Bemühungen führen in nur ca. 50 % der Fälle zu einer Beschwerdelinderung. Zur Anwendung kommen digitale Einrenkungsversuche, Lokalanästhetika, Akupunktur, Röntgenreizbestrahlung und systemische Antiphlogistikagaben.
Proctalgia fugax
Proctalgia fugax
왘 Synonym. Proctalgia nocturna
왗 Synonym
Die Proctalgia fugax wird auch Proctalgia nocturna genannt, da sie typischerweise nachts mit krampfartigen Schmerzen im Mastdarmbereich auftritt, oft mit Stuhldranggefühl gepaart. Dieses anfallsartig auftretende und nach wenigen Minuten spontan nachlassende Geschehen wird besonders bei Männern in Kombination mit psychovegetativen und -somatischen Veränderungen oder im Rahmen anderer pelviner Syndrome (Prostatitis) beobachtet.
Die Proctalgia fugax tritt anfallsartig typischerweise nachts mit krampfartigen Schmerzen im Mastdarmbereich auf. Sie tritt häufig zusammen mit psychovegetativen und -somatischen Erkrankungen auf.
Therapie: Die Behandlung mit warmen Sitzbädern, Spasmolytika und Tranquilizern führt nur selten zu einer Besserung. Besteht gleichzeitig ein proktologisches Leiden (z. B. vergrößerte Hämorrhoiden), so tritt nach Behandlung dieser Erkrankung bisweilen eine Besserung auf. Neuere Therapieversuche mit
Therapie: Als therapeutische Ansätze werden Sitzbäder, Spasmolytika, Nitropräparate und Tranquilizer verwendet.
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450
B 1 Viszeralchirurgie
Nitroglycerinpräparaten zeigen aber bessere Erfolge, als die bisher üblichen Methoden. Analneurosen 왘 Definition
Analneurosen 왘 Definition. Die krankhafte Fixierung auf anale Missempfindungen bei fehlendem oder nur inadäquatem organpathologischem Korrelat bezeichnet man als Analneurose.
Diese Patienten zeigen fast immer ein buntes Bild von proktologischen Therapieversuchen bis hin zu mehrfachen Operationen.
In der Vorgeschichte zeigen diese Patienten fast immer ein buntes Bild von proktologischen Therapieversuchen bis hin zu mehrfachen Operationen bei unterschiedlichsten Ärzten, ohne jemals eine anhaltende Besserung erlebt zu haben. Im psychotherapeutischen Sprachgut werden solche Patienten auch als „Expertkiller“ bezeichnet, da sie Spezialist um Spezialist konsultieren, ohne dass jemals eine Ursache für ihre Beschwerden gefunden wird. Über den psychologischen Hintergrund besteht noch keine eindeutige Klarheit, es werden aber neurotische Persönlichkeitsstrukturen wie etwa Zwangscharaktere gehäuft bei solchen Patienten beschrieben.
Therapie: Somatische Behandlungen bergen die Gefahr, den Patienten weiter auf seine Probleme zu fixieren. Eine Befundbesserung lässt sich am ehesten durch eine psychosomatische Gesprächstherapie erzielen.
Therapie: Somatische Behandlungen bergen die Gefahr, den Patienten weiter auf seine Probleme zu fixieren. Ein Ausreden der Beschwerden ist nicht möglich, sodass ein Eingehen auf den Patienten mit klärenden Gesprächen ohne Bagatellisierungstendenz mit dem Ziel, eine Akzeptanz der Beschwerden durch den Patienten zu erreichen, am sinnvollsten erscheint. Dies lässt sich konsequenterweise am ehesten durch eine psychosomatische Gesprächstherapie erzielen.
1.9
Gallenblase und Gallenwege
1.9
Gallenblase und Gallenwege Wolfgang Schlosser, Doris Henne-Bruns, Hinnerk Gebhardt
1.9.1 Grundlagen
1.9.1 Grundlagen
Topographische Anatomie der Gallenblase und Gallenwege
Topographische Anatomie der Gallenblase und Gallenwege
Die Gallenblase (Vesica fellea) befindet sich an der Leberunterfläche (Segment V). Sie speichert Gallensekret und konzentriert dieses durch Wasserreabsorption. Das konzentrierte Gallensekret wird für die Fettabsorption benötigt. Die Gallenblase wird in Fundus, Korpus und Kollum unterteilt.
Nach Bildung der Galle in den Hepatozyten gelangt diese über die intrahepatischen Gallengänge, den rechten und linken Ductus hepaticus in den Ductus hepaticus communis. Nach Einmündung des D. cysticus der Gallenblase wird dieser D. choledochus genannt. Nach Unterkreuzung des Duodenums mündet er mit dem D. pancreaticus an der Papilla duodeni major (Papilla Vateri) in das Duodenum. Varianten s. Abb. B-1.162.
Die Gallenblase (Vesica fellea) ist ein birnenförmiges Hohlorgan und befindet sich bei normaler Lage in einer Grube an der Leberunterfläche des rechten Leberlappens im Bereich des Segments V (S. 487). Sie speichert das Gallensekret und führt zu einer Konzentration des Sekretes durch Wasserreabsorption. Dadurch kann das Gallensekret hoch konzentriert werden, wie es für die Absorption von Fetten benötigt wird. Die Gallenblase wird in Fundus, Korpus und Kollum unterteilt. Der Fundus überragt in der Regel den ventralen Leberrand um 1 – 1,5 cm. Bis auf die Verwachsungsfläche mit der Leber wird die Gallenblase von Peritoneum überzogen. Die Gallenblase wird von einer Mukosa ausgekleidet, die multipel gefaltet ist und aus säulenförmigen epithelialen Zellen besteht. Sie ist für die Konzentration des Gallensekretes (Wasserreabsorption) von Bedeutung. Die Gallenblasenwand besteht aus Mukosa, Lamina propria, Tunica muscularis und Tunica serosa. Tubuloalveoläre Drüsen finden sich im Gallenblasenhals und spielen bei der Produktion von Muzinen eine Rolle. Das Gallensekret wird in den Hepatozyten gebildet und gelangt über die intrahepatischen Gallengänge in den rechten und linken Ductus hepaticus, welche sich im Bereich der Leberpforte zum Ductus hepaticus communis vereinigen. Die Gallenblase ist im Nebenschluss über den Ductus cysticus mit dem Hauptgallengang verbunden, der ab der Eintrittstelle des Ductus cysticus Ductus choledochus genannt wird. Nachdem der Ductus choledochus das Duodenum unterkreuzt hat, mündet er in etwa 80 – 90 % der Fälle gemeinsam mit dem Ductus pancreaticus an der Papilla duodeni major (Papilla Vateri),
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B 1.9 Gallenblase und Gallenwege
B-1.162
Verlaufs- und Mündungsvarianten des Ductus cysticus und Ductus hepaticus communis
welche sich im mittleren Teil des absteigenden Duodenums unmittelbar im Porus papillae vereinigen oder auch getrennt einmünden. Varianten s. Abb. B-1.162. Die arterielle Versorgung der Gallenblase erfolgt im Normalfall durch die A. cystica, einem Ast der A. hepatica dextra. Für die chirurgische Präparation ist zu beachten, dass die Blutversorgung einer großen Variation von Ursprung, Anzahl und Lage der Gefäße unterliegt (in etwa der Hälfte der Fälle Abweichung von der Norm) (Abb. B-1.163).
B-1.163
451
Die arterielle Versorung der Gallenblase erfolgt durch die A. cystica, einem Ast der A. hepatica dextra. die Blutversorgung unterliegt einer großen Variationsbreite (Abb. B-1.163).
Ursprungs- und Verlaufsvarianten der A. cystica
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452
B 1 Viszeralchirurgie
Physiologie und Pathophysiologie
Physiologie und Pathophysiologie
Das Gallensekret ist eine wässrige isoosmotische Lösung aus Wasser, Elektrolyten, Gallensäuren, Cholesterin, Biliverdin und Bilirubin. Gallensäuren und Gallenfarbstoff unterliegen einem enterohepatischen Kreislauf (Rückresorption von 80 – 90 %).
Das Gallensekret ist eine wässrige, isoosmotische Lösung, bestehend aus Wasser, Elektrolyten und organischen Bestandteilen, wie Gallensäuren, Cholesterin, Bilirubin und Biliverdin. Das Gallensekret ist essenziell für die Exkretion bestimmter endogener Abbauprodukte wie z. B. Bilirubin, Biliverdin (Abbauprodukte des Hämoglobins), aber auch für die Sekretion von Immunglobulin A und vieler Medikamente und Toxine. Gallensäuren und Gallenfarbstoffe werden ausschließlich in der Leber gebildet und nach ihrer Sekretion über das Gallengangsystem in den Darm von dort zu etwa 80 – 90 % rückresorbiert (enterohepatischer Kreislauf). Die Gallensäuren, ein Endprodukt des Cholesterinstoffwechsels, spielen als Detergenzien für die Emulgierung und damit für die Verdauung ingestierter Fette eine wichtige Rolle. Sie bilden mit Monoglyzeriden und den fettlöslichen Vitaminen (A, D, E, K) wasserlösliche Komplexe, sog. Mizellen, und ermöglichen dadurch ihre Resorption. Innerhalb von 24 Stunden werden etwa 500 – 1500 ml Galle in das Duodenum sezerniert, wobei die Abgabe über die im Duodenum gebildeten Peptidhormone Sekretin und Cholezystokinin reguliert wird. Sekretin erhöht den Gallenfluss. Cholezystokinin bewirkt eine Kontraktion der Gallenblase und gleichzeitig eine Erschlaffung des Sphincter Oddi. Das Hormon wird durch die im Speisebrei enthaltenen Lipide und Proteine freigesetzt. Daneben wird die Gallenblasenund Sphinkterkinetik noch durch weitere Enterohormone (Gastrin, vasoaktives intestinales Polypeptid [VIP], Somatostatin) und den N. vagus beeinflusst.
Die Gallensäuren emulgieren ingestierte Fette im Darm. Sie bilden mit Monoglyzeriden, Fettsäuren und den fettlöslichen Vitaminen (A, D, E, K) wasserlösliche Komplexe, sog. Mizellen und ermöglichen dadurch ihre Resorption. Es werden täglich 500 – 1500 ml Gallensekret in das Duodenum sezerniert. Die Abgabe wird durch Sekretin, Cholezystokinin, Gastrin, VIP, Somatostatin und den N. vagus beeinflusst.
1.9.2 Leitsymptome
1.9.2 Leitsymptome
Leitsymptom Ikterus
Leitsymptom Ikterus
왘 Definition
왘 Definition. Unter einem Ikterus versteht man die Gelbfärbung von Haut, Schleimhäuten und Skleren durch Bilirubineinlagerungen in das Gewebe bei erhöhten Bilirubinwerten im Serum (4 2,0 mg/dl).
Klinik: Bei erhöhter Serumkonzentration von Bilirubin (4 2 mg/dl) kommt es durch Einlagerung von Bilirubin zum Ikterus. Ab einer Serumkonzentration des Bilirubins von etwa 2 mg/dl wird eine Gelbverfärbung der Skleren sichtbar (Sklerenikterus). Weitere Symptome sind die Dunkelfärbung des Urins und die Entfärbung des Stuhls.
Klinik: Unter physiologischen Bedingungen beträgt die Bilirubinkonzentration im Serum 0,3 – 1,0 mg/dl. Ab einer Serumkonzentration des Bilirubins von etwa 2 mg/dl wird eine Gelbverfärbung der Skleren sichtbar (Sklerenikterus). Die im Blut erhöhten Gallenfarbstoffe werden z. T. mit dem Urin ausgeschieden, wodurch es zu einer Dunkelfärbung des Urins kommt („bierbrauner Urin“). Im Gegensatz hierzu fehlen die im Darm sekundär aus dem Bilirubin entstehenden Umwandlungsprodukte (Urobilinogen, Urobilin) fast völlig, sodass eine Entfärbung des Stuhls resultiert („acholischer Stuhl“).
Ätiologie: Neben einer Vielzahl von Ursachen (Tab. B-1.43) sind chirurgisch die Formen des Ikterus bedeutsam, die durch eine Obstruktion verursacht werden (Tab. B-1.44).
Ätiologie: Die Ursachen für einen Ikterus sind vielfältig und lassen sich hinsichtlich der Lokalisation der Störung im physiologischen Bilirubinstoffwechsel differenzieren (Tab. B-1.43). Chirurgisch bedeutsam sind vor allem die Formen des Ikterus, die durch eine mechanische Obstruktion der Gallenwege verursacht sind. Die Choledocholithiasis ist die häufigste Ursache einer extrahepatischen Cholestase durch partielle oder vollständige Verlegung der Gallenwege mit Gallenkonkrementen. Weitere Ursachen stellen benigne oder maligne Erkrankungen des hepatobiliären Systems dar (Tab. B-1.44).
Einteilung: Die Klassifizierung der verschiedenen Ikterusformen erfolgt anhand klinisch-therapeutischer und pathophysiologischer Kriterien.
Einteilung: Die Einteilung der Ikterusformen erfolgt nach klinisch-therapeutischen und pathophysiologischen Gesichtspunkten, jedoch wird parallel dazu noch die früher übliche Unterteilung in prä-, intra- und posthepatischen Ikterus verwendet.
Hämolytischer Ikterus (prähepatisch)
Hämolytischer Ikterus (prähepatisch)
Der hämolytische Ikterus wird durch einen über die Norm erhöhten Hämoglobinabbau
Ein hämolytischer Ikterus kann bei allen Erkrankungen entstehen, die mit einem erhöhten Blut- bzw. Hämoglobinabbau einhergehen, wie z. B. bei hämolytischen
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B 1.9 Gallenblase und Gallenwege
Häufige Ikterus-Ursachen
B-1.43
B-1.43
Lokalisation
Diagnose
Laborkonstellation
prähepatisch
Hämolyse
Indirektes Bilirubin +++, LDH +++
hepatozellulär
Akuter Schub einer Hepatitis, Leberzirrhose
Direktes und indirektes Bilirubin +++, Transaminasen +++, γ-GT +++
Drogen, Intoxikation
Direktes und indirektes Bilirubin +++, Transaminasen +++
Morbus Meulengracht
indirektes Bilirubin +++
Cholestatische Verlaufsform einer Hepatitis, Leberzirrhose, ZieveSyndrom, Fettleber-Cholestase
Direktes und indirektes Bilirubin +++, Transaminasen +++, γ-GT +++, Albumin –, CHE –
Rotorsyndrom
Direktes Bilirubin +++
Schwangerschaft
Direktes und indirektes Bilirubin +++, γ-GT +++
Primär biliäre Zirrhose
Direktes und indirektes Bilirubin +++
Gallenwegsobstruktion
Direktes Bilirubin +++, AP +++, γ-GT +++
intrahepatischcholestatisch
posthepatischcholestatisch
B-1.44
453
Ursachen des posthepatischen Ikterus (Verschlussikterus)
Gallensteine
Choledocholithiasis, Mirizzi-Syndrom
benigne Ursachen
Pankreatitis, Pankreaspseudozyste, Duodenalulkus, sklerosierende Cholangitis, primär biliäre Zirrhose, Leberabszess, Papillenstenose, juxtapapilläres Duodenaldivertikel, Choledochuszyste, Parasiten
maligne Ursachen
Gallengangskarzinom, Gallenblasenkarzinom, Pankreaskopfkarzinom, Papillenkarzinom, hepatozelluläres Karzinom, Lebermetastasen
B-1.44
Anämien, ausgedehnten Traumen, Hämatomen bzw. einer ineffizienten Erythropoese. Laborchemisch findet sich eine Erhöhung des unkonjugierten Bilirubins bei gleichzeitiger Erhöhung der LDH und einem erniedrigten Hämoglobin (Hämolyseparameter).
(Hämolyse durch Anämien, ausgedehntes Trauma mit Hämatom) hervorgerufen. Labor: unkonjugiertes Bilirubin ↑, LDH ↑, Hb ↓.
Hepatozellulärer Ikterus (intrahepatisch)
Hepatozellulärer Ikterus (intrahepatisch)
Der hepatozelluläre Ikterus („intrahepatischer Ikterus“) ist Ausdruck einer Schädigung der Hepatozyten infolge einer Entzündung (z. B. Virushepatitis) oder Toxineinwirkung (z. B. Medikamente, Drogen, Alkohol). Weitere Ursachen für eine Leberzellschädigung können Stoffwechsel- und Speicherkrankheiten sowie eine durch Rechtsherzinsuffizienz hervorgerufene Stauungsleber sein (Tab. B-1.43). Für die Hyperbilirubinämie können sowohl die gestörte Bilirubinaufnahme und -konjugation durch die geschädigte Leberzelle als auch die herabgesetzte Fähigkeit zur Exkretion des konjugierten Bilirubins verantwortlich sein. Eine eigene Gruppe bilden die angeborenen Störungen des Bilirubinstoffwechsels mit Störung des intrazellulären Bilirubintransportes (Morbus Gilbert-Meulengracht, Crigler-Najjar-Syndrom u. a.).
Die Ursachen des hepatozellulären Ikterus liegen in einer Schädigung des Leberparenchyms, etwa durch Virushepatitis, Drogen, Medikamente und andere Noxen, sowie einer Stauungsleber im Rahmen einer Rechtsherzinsuffizienz (Tab. B-1.43).
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454
B 1 Viszeralchirurgie
Cholestatischer Ikterus
Cholestatischer Ikterus Beim cholestatischen Ikterus ist zwischen einer intrahepatischen (Störung der Sekretion von konjugiertem Bilirubin) und extrahepatischen Cholestase (Störung des freien Abflusses des konjugierten Bilirubins) zu differenzieren.
Intrahepatische Cholestase: Entsteht durch hepatozelluläre Sekretionsstörungen, z. B. Hepatitiden oder durch eine Abflussbehinderung des konjugierten Bilirubins in den intrahepatischen Gallengängen.
Intrahepatische Cholestase: Sie entsteht infolge behinderter Gallensekretion in der Leber, deren Ursache in den Leberzellen oder Gallenkapillaren (z. B. bei Hepatitis) oder im Bereich der Ductuli bzw. größerer intrahepatischer Gallengänge liegen kann, etwa bei primärer biliärer Zirrhose, sklerosierender Cholangitis oder Cholangiokarzinom.
Extrahepatische Cholestase: Der eigentliche „posthepatische“ Ikterus (= Verschlussikterus) wird meist durch intraduktale Konkremente verursacht (Choledocholithiasis), des Weiteren durch Strikturen, Tumoren, Parasiten; darüber hinaus kommt eine extrakanalikuläre Obstruktion infrage, z. B. bei Pankreaskarzinom, Pankreatitis, Leberabszess oder Mirizzi-Syndrom (S. 473).
Extrahepatische Cholestase: Häufigste Ursache ist die Choledocholithiasis mit einem partiellen oder totalen Verschluss der extrahepatischen Gallenwege. Er wird auch „posthepatischer“ oder Verschlussikterus bezeichnet. Auch Karzinome des Pankreaskopfes oder der Papille, der Gallengänge und der Gallenblase können einen Verschlussikterus hervorrufen. Weitere Ursachen sind entzündliche Veränderungen des Pankreaskopfes oder der Gallenwege, Verschluss des Gallenganges durch Parasiten (Askariden, Echinokokken) und Gangkompression von außen durch Tumoren, Abszesse oder im Rahmen eines Mirizzi-Syndroms (S. 473).
B-1.45
Differenzialdiagnose des rechtsseitigen Oberbauchschmerzes
Differenzialdiagnose
Symptome und klinischer Befund
Diagnostik
Cholezystitis
Druckschmerz rechter Oberbauch, ggf. Abwehrspannung
Labor: Leukozytose, CRP-Erhöhung Sonograpie: Wandverdickung
Cholezystolithiasis
kolikartig auftretende Beschwerden, häufig postprandial, Beginn häufig im Epigastrium und Verlagerung in den rechten Oberbauch, spontanes Abklingen
Labor: evtl. AP, γ-GT, leichte Leukozytose, Bilirubinerhöhung bei Choledocholithiasis Sonographie: Steinnachweis
Ulcus ventriculi und duodeni
konstant oder zunehmender Schmerz ohne beschwerdefreies Intervall, Ulkusanamnese
Ösophago-Gastro-Duodenoskopie
Refluxösophagitis
Schmerzen häufig nachts und im Liegen sowie beim Bücken
Ösophago-Gastro-Duodenoskopie
akute und chronische Pankreatitis
epigastrische, gürtelförmig ausstrahlende Schmerzen, häufig durch Alkohol ausgelöst
Labor: Lipaseerhöhung, ggf. Leukozytose, CRP-Erhöhung
Nieren- und Ureterkolik
kolikartig auftretende Beschwerden im Harnleiterverlauf häufig mit klopfschmerzhaftem Nierenlager
Erythrozytennachweis im Urin Sonographie: Harnleiterstauung, ggfs. Nierenbeckenerweiterung
akute und chronische Appendizitis
Schmerzen im Oberbauch bei retrozökaler Lage der Appendix und besonders in der Schwangerschaft
Labor: Leukozytose, CRP-Erhöhung Sonographie: Kokardenphänomen
epigastrische Hernien und Nabelhernien
lokalisierbarer Druckschmerz bei Palpation der Bruchlücke
evtl. sonographischer Nachweis der Bruchpforte mit Bruchsackinhalt
Herzinfarkt
Symptomatik insbesondere beim Hinterwandinfarkt
Labor (Troponin, CK, CK-MB, LDH) EKG
Pneumonie
vorwiegend bei rechtsbasaler Pneumonie mit Pleuritis, atemabhängige Schmerzen
Labor: Leukozytose, CRP-Erhöhung Rö-Thorax Pleurasono
Lungenembolie
Akutschmerz bei Embolie, in der Folge Infarktpneumonie mit -pleuritis möglich
Labor, art. BGA, EKG Szintigraphie, Angio-CT
Hepatitis, Leberabszesse, Stauungsleber
durch Kapselspannung hervorgerufener dumpfer Oberbauchschmerz
Labor, Sonographie, CT
akute intermittierende Pophyrie
akut auftretende kolikartige Abdominalschmerzen, häufig mit Polyneuropathie
Porphobilinogen im Urin
akute mesenteriale Ischämie
akut auftretende heftigste Abdominalschmerzen
Labor (Leukozytose, Lactat), Angio-CT
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B 1.9 Gallenblase und Gallenwege
455
Klinik: Typische klinische Erscheinungen sind neben der Gelbfärbung der Skleren und der Haut der helle (acholische) Stuhl sowie die bräunliche Verfärbung des Urins. Durch Einlagerung von Bilirubin in die Haut entwickelt sich zunehmend Juckreiz (Pruritus). Der Mangel an Gallensäuren im Darm führt zu einer Störung der Fettverdauung und zu einer Resorptionsstörung fettlöslicher Vitamine. Bei langandauernder Störung der Gallensekretion kommt es zu einem Absinken der Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren (II, VII, IX, X) mit Erniedrigung der Prothrombinzeit (Quick).
Klinik: Typische klinische Erscheinungen sind der helle (acholische) Stuhl sowie die bräunliche Verfärbung des Urins. Der Mangel an Gallensäuren im Darm führt zu einer Resorptionsstörung fettlöslicher Vitamine.
Leitsymptom rechtsseitiger Oberbauchschmerz
Leitsymptom rechtsseitiger Oberbauchschmerz
Klinik: Rechtsseitige Oberbauchschmerzen sind ein weiteres Leitsymptom bei Erkrankungen der Gallenblase, insbesondere bei Steinleiden und Entzündungen der Gallenblase. Sie können als Koliken (Gallensteine) oder Dauerschmerzen (Cholezystitis) auftreten. Typischerweise können diese Schmerzen in die rechte Flanke und die rechte Schulter ausstrahlen.
Klinik: Leitsymptome bei Gallenblasenerkrankungen sind rechtsseitige Oberbauchschmerzen.
Diagnostik: Neben Anamnese und klinischer Untersuchung stellen die gezielte Labordiagnostik und die Oberbauchsonographie die obligaten Untersuchungsmethoden dar.
Diagnostik: Labordiagnostik und Oberbauchsonographie sind die wichtigsten aparativen Untersuchungsmethoden.
Differenzialdiagnostisch kommen bei rechtsseitigen Oberbauchschmerzen eine Reihe verschiedener Erkrankungen in Betracht. Neben Erkrankungen und Störungen der viszeralen Oberbauchorgane können auch extraabdominelle Erkrankungen wie Herzinfarkt und Pneumonie oder Systemerkrankungen wie die Porphyrie eine ähnliche Symptomatik verursachen (Tab. B-1.45).
Differenzialdiagnose: Neben Erkrankungen viszeraler Oberbauchorgane können auch Herzinfarkt oder Pneumonie oder Stoffwechselstörungen eine Schmerzsymptomatik hervorrufen (Tab. B-1.45).
1.9.3 Diagnostik
1.9.3 Diagnostik
Labordiagnostik
Labordiagnostik
Während bei der unkomplizierten Cholezystolithiasis in aller Regel keine Laborauffälligkeiten zu erwarten sind, finden bei einer Stauung des Ductus choledochus eine Erhöhung der sog. Cholestaseparameter, der alkalischen Phosphatase (AP), Gamma-Glutamyltransferase (γ-GT) sowie des Bilirubins statt. Gelegentlich kommt es zu einer Erhöhung der Transaminasen (AST, ALT) sowie der Pankreasenzyme (Amylase, Lipase). Eine Entzündung der Gallenblase führt zu einer Leukozytose und einem Anstieg der Akut-Phase-Proteine (C-reaktives Protein, CRP).
Bei Stauung des Gallenabflusses (Cholestase) kommt es zu einer Erhöhung der sog. Cholestase-Parameter, der alkalische Phosphatase (AP), Gamma-Glutamyltransferase (γ-GT) sowie des Bilirubins.
Bildgebende Verfahren
Bildgebende Verfahren
Sonographie
Sonographie
Die Sonographie ist das Verfahren der ersten Wahl in der Diagnostik von Leberund Gallenwegserkrankungen, da sie nicht invasiv ist, keine Strahlenbelastung beinhaltet und daher beliebig wiederholbar ist. Ein weiterer Vorteil der Sonographie besteht darin, dass dieses Verfahren heute praktisch flächendeckend verfügbar ist. Für den Nachweis von Gallenblasensteinen und Gallenblasengries (Sludge) ist die Ultraschalluntersuchung die sensitivste Untersuchungsmethode (90 – 95 % Sensitivität). Gallenblasensteine sind ab einer Größe von 2 – 3 mm als intraluminäre echodichte Reflexe mit Schallschatten zu erkennen (Abb. B-1.164). Als Korrelat für eine Cholezystitis gilt eine Wandverdickung der Gallenblase sowie ein entzündlicher Flüssigkeitssaum um die Gallenblase. Der Nachweis von Choledochuskonkrementen ist schwieriger und gelingt nur in 50 – 55 %. Bei adipösen Patienten oder Darmgasüberlagerung kann die Interpretation schwierig sein. Neben Konkrementen lassen sich auch Raumforderungen der Gallenblase (Polyp, Karzinom) und Wandverdickungen (z. B. bei Cholezystitis) sonographisch nachweisen.
Die Sonographie ist das Verfahren der ersten Wahl in der Diagnostik von Leber- und Gallenwegserkrankungen. Für den Nachweis von Gallenblasensteinen und Gallenblasengries (Sludge) ist die Ultraschalluntersuchung die sensitivste Untersuchungsmethode (90 – 95 % Sensitivität). Gallenblasensteine sind ab einer Größe von 2 – 3 mm als intraluminäre echodichte Reflexe mit Schallschatten zu erkennen (Abb. B-1.164). Wandverdickung und entzündlicher Flüssigkeitssaum um die Gallenblase sind typisch für eine Cholezystitis.
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456 B-1.164
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.164
Sonographische Darstellung der Gallenblase
ERCP und PTC
ERCP und PTC
ERCP (endoskopische retrograde Cholangio-Pankreatikographie): Darstellung der extra- und intrahepatischen Gallengänge sowie des Pankreasganges.
ERCP (endoskopische retrograde Cholangio-Pankreatikographie) (Abb. B-1.165): Mit dieser Methode können die extra- und intrahepatischen Gallengänge sowie der Pankreasgang dargestellt werden. Hierdurch lässt sich neben der Ursache der Gallenwegsobstruktion eine exakte Höhenlokalisation der Einengung des Gallenganges feststellen und ggf. in gleicher Sitzung die Therapie durchführen (z. B. Papillotomie, Steinextraktion bei Choledocholithiasis, Biopsie, Stent-Einlage). Als Komplikationen können Blutungen, aszendierende Cholangitiden, Pankreatitis, duodenale Perforation oder eine Kontrastmittelunverträglichkeit auftreten.
PTC (perkutane transhepatische Cholangiographie): Alternatives Verfahren zur ERCP. Die Gallenwege werden antegrad über die direkte Funktion und mit Kontrastmittelapplikation perkutan dargestellt.
PTC (perkutane transhepatische Cholangiographie) (Abb. B-1.166): Bei gestauten, intraheptischem Gallengangsystem und Nicht-Durchführbarkeit einer ERCP können die Gallenwege antegrad über die direkte Funktion und mit Kontrastmittelapplikation perkutan dargestellt werden. Bei erheblicher Erweiterung der Gallenwege besteht ferner die Möglichkeit, das Gallensekret mittels Drainage (PTCD) nach außen abzuleiten. Eine fiberendoskopische Untersuchung des intrahepatischen Gallenwegssystems ist heuzutage ebenfalls über einen perkutanen Zugang bei zuvor eingelegter Drainage möglich.
Computertomographie
Computertomographie
Die Computertomographie ist indiziert bei Tumoren, Raumforderungen im Leberhilusbereich, Abszedierungen und intrahepatischen Prozessen.
Die Computertomographie ist diagnostisches Verfahren der ersten Wahl bei Tumoren, Raumforderungen im Leberhilusbereich, Abszedierungen und intrahepatischen Prozessen. Aufgrund der hohen Auflösung der modernen SpiralCT-Geräte können auch dreidimensionale Rekonstruktionen aller Strukturen in
B-1.165
B-1.165
Endoskopische retrograde Cholangio-Pankreatikographie (ERCP) GB = Gallenblase, DHC = Ductus hepatocholedochus, DP = Ductus pancreaticus
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B 1.9 Gallenblase und Gallenwege
B-1.166
Perkutane transhepatische Cholangiographie (PTC)
457 B-1.166
einer Untersuchung erfolgen, die weitere aufwändigere Untersuchungen überflüssig machen. Magnetresonanztomographie (MRT)
Magnetresonanztomographie (MRT)
Als Alternative zu der invasiven ERCP wird zunehmend die MRT mit Rekonstruktion des Gallen- und Pankreasgangsystems (MRCP) durchgeführt, insbesondere, wenn nicht steinbedingte Ursachen wie benigne oder maligne Prozesse als Ursache der Cholestase vermutet werden, die keine Intervention erforderlich machen. Die Vorteile der MRCP sind, dass es sich um ein nichtinvasives Verfahren ohne Strahlenbelastung handelt und dass gleichzeitig auch eine Schnittbilddiagnostik der gesamten Region erfolgt (Abb. B-1.167).
Die MRT mit Rekonstruktion des Gallen- und Pankreasgangsystems (MRCP) wird als nichtinvasive Methode als Alternative zur diagnostischen ERCP eingesetzt.
Abdomenübersichtsaufnahme
Abdomenübersichtsaufnahme
Die Abdomenübersichtsaufnahme hat zur Diagnosesicherung aufgrund der geringen Sensitivität und Spezifität keine Bedeutung. Sie hat nur einen Stellenwert bei Verdacht auf Ileus oder Hohlorganperforation.
Die Abdomenübersichtsaufnahme hat nur einen Stellenwert bei Verdacht auf Ileus oder Hohlorganperforation.
Cholangiographie
Cholangiographie
Die früher gebräuchliche Cholangiographie hat im klinischen Alltag keine Bedeutung mehr. Sie ist durch die hohe Sensitivität der Sonographie wie auch durch die erweiterten diagnostischen Möglichkeiten von ERCP, CT und MRT nicht mehr erforderlich und weist zudem eine Reihe von erheblichen Nebenwirkungen (anaphylaktoide Reaktionen, jodinduzierte Hyperthyreose) und Kontraindikationen (Jodallergie, Hyperthyreose, Leber-Niereninsuffizienz) auf.
Die hohe Sensitivität der Sonographie und die diagnostischen Möglichkeiten der ERCP, CT und MRT haben dazu geführt, dass die Cholangiographie heute praktisch nicht mehr durchgeführt wird.
B-1.167
Magnetresonanztomographie mit Rekonstruktion des Gallen- und Pankreasgangsystems (MRCP)
B-1.167
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B 1 Viszeralchirurgie
1.9.4 Prinzipien der operativen Therapie
1.9.4 Prinzipien der operativen Therapie
Cholezystektomie
Cholezystektomie
Indikationen: Tab. B-1.46.
Indikationen: Die Cholezystolithiasis gilt als Hauptoperationsindikation für die Cholezystektomie. Zu weiteren Indikationen s. Tab. B-1.46.
B-1.46
B-1.46
OP-Indikationen zur Cholezystektomie
absolute Indikationen ■ ■ ■ ■ ■ ■
relative Indikationen
freie Gallenblasenperforation Gallenblasenempyem Gallensteinileus akute Cholezystitis biliodigestive Fisteln Gallengangssteinverschluss mit Ikterus bei nicht erfolgreicher endoskopischer Therapie
■ ■ ■ ■ ■ ■
jede symptomatische Cholelithiasis Gallenblasenpolypen Gallenblasenpapillomatosen Gallenblasendyskinesien Z.n. chologener Pankreatitis Typhusdauerausscheider
Laparoskopische Cholezystektomie
Laparoskopische Cholezystektomie
Die laparoskopische Cholezystektomie ist heute das Standardverfahren bei der symptomatischen Cholezystolithiasis und akuten Cholezystitis.
Die laparoskopische Cholezystektomie ist heute das Standardverfahren sowohl bei der symptomatischen Cholezystolithiasis als auch bei der akuten Cholezystitis. Nach Einführung der laparoskopischen Technik Ende der 80er Jahre werden heute über 80 % aller Cholezystektomien laparoskopisch durchgeführt.
Vorteile der laparoskopischen Technik: ■ geringere postoperative Schmerzen ■ kürzere Krankenhausliegezeit ■ schnellere Rekonvaleszenz ■ kürzere Arbeitsunfähigkeit ■ besseres kosmetisches Ergebnis (Narben).
Vorteile der laparoskopischen Technik: ■ geringere postoperative Schmerzen ■ kürzere Krankenhausliegezeit ■ schnellere Rekonvaleszenz ■ kürzere Arbeitsunfähigkeit ■ besseres kosmetisches Ergebnis (Narben)
Operationsdauer und Komplikationsrate steigen jedoch proportional zum Schweregrad der Erkrankung.
Da Operationsdauer und Komplikationsrate proportional zum Schweregrad der Erkrankung steigen, ist bei Diagnostik und Indikationsstellung Folgendes zu berücksichtigen:
Anamnese, präoperative Diagnostik: S. Tab. B-1.47.
Anamnese, präoperative Diagnostik: Speziell für die laparoskopische Cholezystektomie sind folgende Aspekte zu beachten (Tab. B-1.47). Ergibt sich aus diesen Befunden der Hinweis für ein Gallenabflusshindernis, so ist als weitere Diagnostik eine endoskopische retrograde Cholangiographie (ERC) durchzuführen. Diese kann bei Nachweis eines Choledochuskonkrements mit dem therapeutischen Verfahren der Steinextraktion kombiniert werden.
Bei Hinweisen für ein Gallenabflusshindernis ist als weitere Diagnostik eine ERC durchzuführen.
Indikationen, Kontraindikationen: Fortgeschrittene Befunde sind mit höherer Komplikations- und Umsteigerate verbunden. Es ergeben sich folgende Kontraindikationen (Tab. B-1.48).
Indikationen, Kontraindikationen: Die ausgedehnten entzündlichen Erkrankungen sind mit einer deutlich höheren Umsteigerate zur Laparotomie verbunden bzw. zeigen bei laparoskopischer Operation eine wesentlich höhere Komplikationsrate. Hieraus ergeben sich folgende Kontraindikationen (Tab. B-1.48).
Operatives Vorgehen: Nach Einbringen der Trokare wird die Gallenblase gefasst und nach subdiaphragmal gezogen.
Operatives Vorgehen (Abb. B-1.168): Nach Aufbau des Pneumoperitoneums wird ein Trokar im Nabelbereich in das Abdomen eingebracht und die Optik
B-1.47
B-1.47
Diagnostische Aspekte vor laparoskopischer Cholezystektomie
anamnestische Faktoren ■
■
■
lange Anamnese mit rezidivierenden Koliken gürtelförmige Schmerzen und passagerer Ikterus schmerzloser Ikterus, Courvoisier-Zeichen
sonographische Befunde ■
■
■
Gallenblasenwandverdickung, Schrumpfgallenblase Veränderungen am Pankreaskopf und Gallengang Gallengangsstenose, tumoröse Gallenblasenwand
laborchemische Befunde ■
■
deutlich erhöhte γ-GT, AP und Leukozytose pathologische Werte für Amylase, Lipase und Bilirubin
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B 1.9 Gallenblase und Gallenwege
B-1.48
Relative und absolute Kontraindikationen der laparoskopischen Cholezystektomie
relative ■ ■
■
459 B-1.48
absolute
Gallenblasenempyem Schrumpfgallenblase, Vernarbung nach chronisch-rezidivierender Cholezystitis endoskopisch nicht entfernbare Gallengangskonkremente
■
■ ■ ■
■
gangränöse Cholezystitis, Gallenblasenperforation, Mirizzi-Syndrom Gallengangs- oder Gallenblasenkarzinom Pankreatitis unklare, narbige Verhältnisse am Lig. hepatoduodenale dekompensierte Herzinsuffizienz, Schock, chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen im fortgeschrittenen Stadium
vorgeschoben. Unter Sicht werden dann Arbeitstrokare im Oberbauch und unterhalb des rechten Rippenbogens platziert, über die die erforderlichen Instrumente eingebracht werden. Der Gallenblasenfundus wird gefasst und die Gallenblase nach rechts oben subdiaphragmal gezogen. Dadurch spannt sich das vom Ductus choledochus, der A. cystica und dem Ductus cysticus gebildete Calot-Dreieck auf. Die A. cystica und der D. cysticus werden freipräpariert. Beide Strukturen werden ligiert oder mit Clips versorgt und durchtrennt. Die Präparation und Identifikation dieser Strukturen kann bei entzündlich veränderten Gallenblasen erheblich erschwert sein. Nach Absetzen von A. cystica und Ductus cysticus wird die Gallenblase aus dem Leberbett präpariert. Dann wird die Gallenblase am Infundibulum gefasst und so weit wie möglich in den umbilikal gelegenen Trokar gezogen und mit diesem aus dem Abdomen entfernt. Bei großen Gallensteinen kann vorher die intraabdominelle Zertrümmerung der Konkremente erforderlich werden. Die Gallenblase wird dann in einen Bergebeutel gelegt und in diesem mit dem umbilikal gelegenen Trokar aus dem Abdomen entfernt.
Das Calot-Dreieck spannt sich auf. A. cystica und Ductus cysticus werden freipräpariert und abgesetzt. Dies kann bei entzündlichen Veränderungen erschwert sein. Die Gallenblase wird dann aus dem Leberbett präpariert und mit dem umbilikalen Trokar aus dem Abdomen entfernt.
Komplikationen: Häufigkeit, aber nicht Art der Komplikationen sind vergleichbar mit denen nach konventioneller Operation. Folgende Komplikationen sind zu beachten (Tab. B-1.49). Da das Calot-Dreieck durch Zug an der Gallenblase aufgespannt wird, können die Läsionen im Dreieck ausgedehnter als nach der konventionellen Cholezystektomie sein. Die laparoskopische Cholezystektomie weist aber, bei entsprechender Patientenselektion, rechtzeitiger Erweiterung des Eingriffs zur Laparotomie und Berücksichtigung der Kontraindikationen, eine Letalität (5 0,1 %) wie die konventionelle Cholezystektomie auf.
Komplikationen: Folgende Komplikationen sind zu beachten (Tab. B-1.49).
B-1.49 ■ ■ ■ ■ ■
Mögliche Komplikationen der laparoskopischen Cholezystektomie
Die laparoskopische Cholezystektomie weist, unter Berücksichtigung der Kontraindikationen, eine Letalität (5 0,1 %) wie die konventionelle Cholezystektomie auf.
B-1.49
Zystikusstumpfinsuffizienz Gallefistel aus dem Leberbett Residualstein im Ductus choledochus oder intraabdominal Läsion des Ductus choledochus oder Ductus hepaticus bzw. deren Durchtrennung Läsion der A. hepatica
Konventionelle Cholezystektomie
Konventionelle Cholezystektomie
Zugangswege: Als universeller Zugang für alle Eingriffe am Gallensystem gilt der rechtsseitige Rippenbogenrandschnitt, der, je nach intraoperativem Befund nach rechts lateral sowie nach links erweitert werden kann. Weitere Zugangswege s. Abb. B-1.169.
Zugangswege: Als universeller Zugang für alle Eingriffe am Gallensystem gelten der rechtsseitige Rippenbogenrandschnitt (Abb. B-1.169).
Operationsschritte: Zunächst erfolgt die Identifizierung des Ductus choledochus und des Ductus hepaticus communis, des Ductus cysticus und der A. cystica im Lig. hepatoduodenale. Dann wird der Ductus cysticus durchtrennt, im Anschluss
Operationsschritte: Nach Identifizierung der anatomischen Strukturen erfolgt die Durchtrennung von Ductus cysticus und A. cystica. Danach erfolgt das Ausschälen der Gallenblase aus dem Leberbett.
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B 1 Viszeralchirurgie
460 B-1.168
Operatives Vorgehen bei laparoskopischer Cholezystektomie
a
b
c
d
e
f
a Laparoskopische Sicht bei chronischer Cholezystitis bei Cholezystolithiasis. Die Gallenblase ist deutlich chronisch entzündlich verändert und ragt weit über den Leberunterrand hinaus. b Nach Fassen der Gallenblase am Gallenblasenfundus wird das Calot-Dreieck aufgespannt. c Nach Identifikation werden D. cysticus und A. cystica mit Clips verschlossen. d Nachdem D. cysticus und A. cystica verschlossen sind, werden beide Strukturen mit der Schere durchtrennt. e Anschließend wird die Gallenblase aus dem Leberbett herausgelöst. f Entfernen der Gallenblase aus der Bauchhöhle über einen 20 mm-Bergetrokar
daran die A. cystica. Die Gallenblase wird entweder antegrad oder retrograd subserös aus dem Leberbett exstirpiert. Ggf. kann eine Reserosierung des Leberbettes erfolgen. Dann erfolgt ggf. die Einlage von Drainagen und der schichtweise Bauchdeckenverschluss. Komplikationen: Die Komplikationsrate ist gering und umfasst Nachblutungen, Abszesse und Gallenfisteln.
Komplikationen: Die postoperative Letalität liegt bei Patienten mit einem unkomplizierten Gallensteinleiden bei ca. 0,1 %. Nachblutungen, Abszesse und Gallenfisteln treten bei weniger als 0,1 % der Patienten auf.
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B 1.9 Gallenblase und Gallenwege
B-1.169
Schnittführung für Eingriffe am Gallensystem
Choledochotomie und Choledochusrevision
461 B-1.169
Choledochotomie und Choledochusrevision
Indikationen: In Kombination mit der laparoskopischen Cholezystektomie wird das Konzept des sog. „therapeutischen Splittings“ durchgeführt, d. h. die endoskopische Sanierung (ERCP) der Gallenwege erfolgt vor der laparoskopischen Cholezystektomie. Die Indikation zur Choledochusrevision besteht nur bei nachgewiesener Choledocholithiasis und nicht durchführbarer oder erfolgloser endoskopischer Therapie: Die laparoskopische Choledochusrevision im Rahmen der laparoskopischen Cholezystektomie ist zwar prinzipiell möglich, wird jedoch aufgrund der technischen Schwierigkeit nur in wenigen Einrichtungen durchgeführt. Die Notwendigkeit der Choledochusrevision stellt damit meist eine Indikation zur offenen Cholezystektomie dar.
Indikationen: Bei Choledocholithiasis wird nach endoskopischer Steinextraktion aus dem Gallengang (ERCP) laparoskopisch die Gallenblase entfernt („therapeutisches Splitting“).
Technik: Die Inzision erfolgt in Längsrichtung, wobei bei ausgeprägter Freipräparation die Gefahr einer ischämischen Läsion besteht. Vielfach gelingt es, ein solitäres Konkrement zu entfernen, ggf. mithilfe von speziellen Gallensteinfasszangen oder einem Fogarty-Katheter zur Mobilisation der Steine. Weiterhin kann man den Gallengang anspülen, um dadurch vor allem multiple kleine Konkremente schonend zu entfernen. Abschließend muss eine Sondierung und ggf. Bougierung der Papille erfolgen, um einen Abfluss ins Duodenum sicherzustellen. Der Verschluss des Gallenganges erfolgt über einem eingelegten T-Drain (s. u.). Danach wird eine Drainage in das Operationsgebiet eingelegt und der Bauchdeckenverschluss durchgeführt.
Technik: Nach Inzision des Gallenganges können mithilfe multipler Instrumente die im Gallengang vorliegenden Konkremente entfernt werden.
Komplikationen: Als Komplikation der Choledochotomie kann es zum Auftreten von Blutungen sowie Leckagen an der Inzisionsstelle kommen. Als Spätfolge kann eine narbige Striktur auftreten.
Komplikationen: Blutungen, Leckagen und alle Spätfolgen narbiger Strikturen.
T-Drainage
T-Drainage
Indikationen: T-Drainagen werden nach Eingriffen an den Gallengängen (z. B. Gallengangsrevisionen, End-zu-End-Anastomose nach Gallengangsstrikturen oder Gallengangsresektionen) in den Gallengang eingelegt, um eine Ableitung des Gallensekretes nach außen zu gewährleisten und eine Entlastung der Anastomosenregion herbeizuführen. Nach den Manipulationen ist das Gallengangsepithel häufig erodiert und der Sphincter Oddi spastisch kontrahiert, sodass ein Abfluss ins Duodenum nicht gewährleistet ist.
Indikationen: T-Drainagen werden nach Eingriffen an den Gallengängen in den Gallengang eingelegt, um mit Ableitung des Gallensekretes nach außen eine Entlastung der Anastomosenregion herbeizuführen.
Technik: Nach entsprechendem Zuschneiden wird der T-Drain in den eröffneten Gallengang eingelegt (Abb. B-1.170). Mit der Naht des Gallenganges erfolgt gleichzeitig eine Fixierung der T-Drainage. Nach einigen Tagen erfolgt der radiologische Nachweis des freien Gallenabflusses. In Abhängigkeit von der Indikation zur Einlage der T-Drainage und der vorliegenden Veränderungen wird der T-Drain daraufhin entweder entfernt oder
Technik: Nach entsprechendem Zuschneiden wird der T-Drain in den eröffneten Gallengang eingelegt (Abb. B-1.170).
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462 B-1.170
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.170
Gallengangsrevision: Einlage eines T-Drains
ggf. noch belassen. Erst nach Entfernung der T-Drainage wird die Drainage des Operationsgebietes entfernt, damit auftretende Leckagen nach außen abgeleitet werden können. Komplikationen: Es kann zu einer vorzeitigen Dislokation mit Gallenleckage kommen.
Komplikationen: Bei fehlender oder sistierender Gallensekretion muss an eine Dislokation gedacht werden.
Biliodigestive Anastomosen
Biliodigestive Anastomosen
Indikationen: Häufigste Indikation sind alle nicht mehr resektablen Tumorverschlüsse der Gallenwege und der Papille. Weitere Indikationen bestehen bei postpankreatischen Stenosen, nicht zu beseitigenden Strikturen oder Stenosen des distalen Gallengangsabschnittes und der Papille sowie bei akzidentellen Choledochusverletzungen.
Indikationen: Die häufigste Indikation für eine biliodigestive Anastomose sind Umgehungsanastomosen bei allen nicht mehr radikal resektablen Tumorverschlüssen der Gallenwege und der Papille. Hierdurch wird ein leberwärts der Abflussbehinderung gelegener Gallengangsabschnitt mit dem Magen-DarmTrakt verbunden. Konkurrierend bestehen endoskopische Verfahren in Form transpapillärer oder perkutaner transhepatischer Gallengangsdrainagen. Eine Indikation zur biliodigestiven Anastomose kann ebenfalls gegeben sein bei postpankreatischen Stenosen, nicht zu beseitigenden Strikturen oder Stenosen des distalen Gallengangsabschnittes einschließlich der Papille sowie nach akzidentellen Choledochusverletzungen, sofern eine endoskopische Therapie nicht möglich ist.
Technik: Folgende Verfahren sind möglich: ■ Hepatiko-(Choledocho-)Jejunostomie (häufigste Form) (Abb. B-1.171) ■ Hepatiko-(Choledocho-)Duodenostomie (End-zu-End; End-zu-Seit) (selten indiziert) ■ Cholezysto-Duodeno-Jejunostomie ■ transpapilläre Endoprothesen ■ transhepatische Drainagen
Technik: Folgende Verfahren sind möglich: ■ Hepatiko-(Choledocho-)Jejunostomie (häufigste Form) (Abb. B-1.171) ■ Hepatiko-(Choledocho-)Duodenostomie (End-zu-End; End-zu-Seit) (selten indiziert) ■ Cholezysto-Duodeno-Jejunostomie (sehr selten indiziert) ■ transpapilläre Endoprothesen (meist endoskopisch) ■ transhepatische Drainagen
Bei der Hepatiko-Jejunostomie wird eine 40 cm lange, aus der Passage ausgeschaltete obere Jejunumschlinge verwendet, die in Roux-Y-Technik anastomosiert wird (Abb. B-1.171).
Bei der am häufigsten durchgeführten Hepatikojejunostomie wird das Jejunum ca. 20 – 30 cm distal der Flexura duodenojejunalis (Treitz-Band) durchtrennt, ebenso wie das dazugehörige Mesenterium unter Berücksichtigung der Durchblutung. Das aborale Ende wird verschlossen und retrokolisch in den Oberbauch verlagert. Das orale Ende des Dünndarms wird ca. 40 cm vom verschlossenen Ende entfernt End-zu-Seit mit dem Dünndarm anastomosiert (Roux-Y-Technik) (Abb. B-1.171). Zur Anlage der Hepatikojejunostomie wird kurz vor dem verschlossenen Ende der Dünndarm längsseitig eröffnet und dann der Gallengang in diese Öffnung End-zu-Seit eingenäht (Abb. B-1.172).
Zur Anlage der Hepatikojejunostomie wird der Gallengang End-zu-Seit am Dünndarm eingenäht (Abb. B-1.172). Komplikationen: Blutungen, Nahtdehiszenz mit Gallenleck. Als Spätkomplikation kann es zu einer Stenose kommen.
Komplikationen: Als Komplikationen können auftreten: Blutungen und Nahtdehiszenz mit Gallenleck. Als Spätkomplikation kann eine Stenose an der Anastomose auftreten, die sich auch noch nach Jahren unter dem Zeichen der intermittierenden Cholangitis manifestieren kann.
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B 1.9 Gallenblase und Gallenwege
463
B-1.171
Hepatikojejunostomie nach der Roux-Y-Technik
B-1.171
B-1.172
Anlage der Hepatikojejunostomie
B-1.172
Endoskopische Eingriffe an der Papille
Endoskopische Eingriffe an der Papille
Siehe S. 258.
Siehe S. 258.
Papillenplastik und Papillenresektion
Papillenplastik und Papillenresektion
Indikationen: Bei großen, endoskopisch nicht abtragbaren Adenomen sowie bei nachgewiesener Papillenstenose, wenn eine endoskopische Papillotomie nicht möglich ist (z. B. nach Billroth-Magenresektion) besteht eventuell die Indikation zur Papillenplastik (selten).
Indikationen: Die Indikation ist bei großen, endoskopisch nicht abtragbaren Adenomen sowie bei endoskopisch nicht therapierbarer Papillenstenose gegeben.
Technik: Die Therapie umfasst die Adenomabtragung oder die Entfernung des transampullären Septums. Das Duodenum wird an der Vorderwand auf Höhe der Einmündungsstelle der Papille inzidiert. Hierdurch kommen das Adenom an der Papille oder das Septum zwischen Gallengang und Ductus Wirsungianus zur Darstellung. Das Adenom kann nach Identifikation des Pankreasganges entfernt werden.
Technik: Die Therapie umfasst die transduodenale Sphinkteroplastik. Nach Duodenotomie wird die Vorderwand der Papille inzidiert und der Gallengang neu in das Duodenum eingenäht.
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464
B 1 Viszeralchirurgie
Komplikationen: Es kann zu einer Verletzung von Ductus Wirsungianus und/oder Choledochus kommen mit narbigen Strikturen sowie zu Pankreatitiden und Cholangitiden.
Komplikationen: Als Komplikationen der operativen Intervention kann es zu einer Verletzung von Ductus Wirsungianus und/oder Choledochus kommen, welche meist zum Auftreten narbiger Strikturen führt. Begleitend findet man Pankreatitiden und Cholangitiden.
Palliative operative Maßnahmen
Palliative operative Maßnahmen
왘 Merke
왘 Merke. Bei allen nicht mehr radikal operablen Tumorverschlüssen der Gal-
lenwege und endoskopisch nicht drainierbaren Tumoren kommen palliativ operative Maßnahmen zum Tragen. Palliative Hepatojejunostomie
Palliative Hepatojejunostomie
Ein ausgeschaltetes Dünndarmsegment wird an den Ductus hepaticus anastomosiert.
Bei distalen nicht resektablen Gallengangs-, Pankreas- und Papillentumoren wird, wenn möglich, an den Ductus hepaticus ein ausgeschaltetes Dünndarmsegment anastomosiert. Das Dünndarmsegment ist durch Roux-Anastomose aus der Darmpassage ausgeschaltet.
Perkutane transhepatische Drainage
Perkutane transhepatische Drainage
Nur als Ultima ratio zu betrachten.
Nur als Ultima ratio zu betrachten. Diese Methode dient nur der Ableitung des Gallensekretes nach außen über eine perkutane Punktion der Leber und Einlage einer Drainage.
1.9.5 Anomalien der Gallenblase und
Gallengänge
1.9.5 Anomalien der Gallenblase und Gallengänge
Anomalien des Gallengangssystems können zu Störungen des Gallenflusses führen. Die häufigsten angeborenen Varianten sind: ■ Gallengangsatresie ■ Gallengangszysten ■ Caroli-Syndrom.
Fehlt die Gallenblase komplett, findet man gehäuft auch Atresien der extrahepatischen Gallenwege. Formvarianten der Gallenblase entstehen durch inkomplette Vakuolisierung der entodermalen Ausstülpung – Strikturen, Septierungen (z. B. Sanduhrgallenblase, phrygische Mütze). Diese haben meist keine pathologische Bedeutung. Angeborene Anomalien des Gallengangsystems entstehen durch einen Defekt in der Ontogenese. Ihre Häufigkeit liegt bei 1:10 000 – 1:70 000 Geburten. Die häufigsten angeborenen Varianten (Fehlbildungen), die eine chirurgische Intervention erforderlich machen sind: ■ Gallengangsatresie (1:10 000) ■ Gallengangszysten (1:13 000 – 1:15 000) (s. u.) ■ Caroli-Syndrom (selten) (S. 466.)
Gallengangszysten
Gallengangszysten
왘 Definition
왘 Definition. Zystische Fehlbildungen im Gallenwegssystem kommen intra- und
extrahepatisch vor. Sie sind außerordentlich selten (Häufigkeit: 1: 14 000) und werden den kongenitalen Anomalien mit autosomal rezessiven Erbgang zugeordnet. Ihre häufigste Manifestationsform ist extrahepatisch. Einteilung nach Todani et al. (Abb. B-1.173).
Einteilung nach Todani et al.: Abb. B-1.173.
Pathogenese: Die Ätiologie ist unklar. Häufig kommt es zur entzündlichen Obstruktion des Gallenganges distal der Zyste.
Pathogenese: Die Ätiologie ist unklar. Häufig kommt es durch die Gallengangszysten zu einer kompletten, entzündlichen Obstruktion des terminalen Anteiles des Gallenganges.
Klinik: Meist findet man einen cholestatischen Ikterus, acholische Stühle sowie eine Hepatomegalie.
Klinik: Bei 80 % der Patienten findet man einen cholestatischen Ikterus und acholische Stühle. Meist besteht eine Hepatomegalie.
Diagnostik: Sie wird mittels Ultraschall gesichert, die ERCP/MRCP liefert detailliertere Informationen.
Diagnostik: Zunächst muss eine Abgrenzung zu anderen hepatobiliären Erkrankungen des Neugeborenen erfolgen, insbesondere zur biliären Atresie. Zur Diagnosesicherung ist die Ultraschalluntersuchung am besten geeignet. Die ERCP/MRCP kann zusätzlich eine detaillierte Information über die pankreatikobiliäre Situation geben.
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B 1.9 Gallenblase und Gallenwege
B-1.173
465
Einteilung der Gallengangszysten nach Todani et al.
Therapie: Es besteht eine absolute Operationsindikation. Die Zysten werden, wenn möglich, entfernt und das extrahepatische Gallengangssystem rekonstruiert. In den meisten Fällen erfolgt die Gallenableitung durch Anlage einer biliodigestiven Anastomose in Y-Roux-Technik (S. 462). Auch in den Fällen, bei denen eine Choledochuszyste asymptomatisch geblieben ist und diese erst im Erwachsenenalter diagnostiziert wird, muss eine Resektion der Zyste angestrebt werden, da ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Karzinoms besteht.
Therapie: Die Zysten werden entfernt und das extrahepatische Gallengangssystem rekonstruiert (absolute Operationsindikation). Auch bei asymptomatischem Verlauf ist die Resektion der Zyste anzustreben, da ein erhöhtes Risiko der Karzinomentstehung besteht.
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466
B 1 Viszeralchirurgie
Caroli-Syndrom
Caroli-Syndrom
왘 Definition
왘 Definition. Das Caroli-Syndrom ist charakterisiert durch eine segmentale Erweiterung intrahepatischer Gallengänge, lokalisiert oder diffus, mit sackförmig, fingerförmig oder perlschnurartig angeordneten Gallengangsveränderungen (Abb. B-1.174).
Ätiologie: Vererbungsmodus wahrscheinlich autosomal rezessiv. Ca. 75 % sind männlich.
Ätiologie: Ungefähr 75 % der Patienten sind männlich. Der Vererbungsmodus ist nicht genau bekannt, am ehesten aber autosomal rezessiv.
Pathogenese: Mikroskopisch zeigen sich ektatische Gallengänge, umgeben von vermehrtem Bindegewebe. Als Folge rezidivierender Cholangitiden zeigt sich eine ausgeprägte periportale Fibrose mit entzündlichen Infiltraten.
Pathogenese: Mikroskopisch zeigen sich ektatische Gallengänge, Gallengangsepithel, mit gelegentlichen Epithelvorstülpungen, umgeben von vermehrtem Bindegewebe. Die Zysten können eingedickte Galle, Kalk und/oder putrides Material enthalten. Als Folge rezidivierender Cholangitiden zeigt sich eine ausgeprägte periportale Fibrose mit entzündlichen Infiltraten.
Klinik: Die Symptomatik wird von der Lokalisation und dem Ausmaß der Gallengangsmissbildung bestimmt. Meist kommt es zur Hepatomegalie und abdominellen Beschwerden. Rekurrierende Cholangitiden, gelegentlich Sepsis und Leberabszesse sind typisch.
Klinik: Die klinische Symptomatik wird im Wesentlichen von der Lokalisation und dem Ausmaß der Gallengangsmissbildung, d. h. vor allem durch die biliäre Abflussbehinderung bestimmt. Meist zeigen sich klinisch eine Hepatomegalie und abdominelle Beschwerden. Bei Vorliegen einer bakteriellen Cholangitis treten Fieber und ein intermittierender Ikterus hinzu. Rekurrierende Cholangitisepisoden sind häufig. Es kann zum Auftreten einer Sepsis oder zu Leberabszessen kommen.
Diagnostik: Sonographie und CT.
Diagnostik: Durch Ultraschall und CT können die zystischen Aufweitungen der intrahepatischen Gallengänge nachgewiesen werden.
Therapie: Konkremente können einen chirurgischen oder endoskopischen Eingriff indizieren. Als Spätkomplikation entsteht eine sekundär biliäre Zirrhose, die eine Lebertransplantation zur Folge haben kann.
Therapie: Das Auftreten von Konkrementen ist häufig und kann eine chirurgische oder endoskopische Therapie erforderlich machen. Als Spätkomplikation entsteht eine sekundär biliäre Zirrhose. Bei Befall nur eines Leberlappens und einer rezidivierenden Symptomatik ist eine Leberteilresektion indiziert. Bei einem ausgedehnten Befall und dem Auftreten häufiger Komplikationen kann die Indikation zur Lebertransplantation gestellt werden. Bei älteren Patienten kann sich ein Cholangiokarzinom entwickeln.
B-1.174
B-1.174
ERC bei Caroli-Syndrom Deutliche Dilatation der intrahepatischen Gallengänge mit Kontrastmittelaussparungen (?) bedingt durch Konkremente.
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B 1.9 Gallenblase und Gallenwege
467
1.9.6 Cholezysto-/Choledocholithiasis
1.9.6 Cholezysto-/Choledocholithiasis
Ätiologie und Pathogenese der Steinbildung
Ätiologie und Pathogenese der Steinbildung
Die Übersättigung der Galle mit einzelnen Gallenbestandteilen, die sog. lithogene Galle, ist die wichtigste Voraussetzung für die Bildung von Gallensteinen. Unterschieden werden nach ihrer Beschaffenheit reine Cholesterinsteine (ca. 20 %), Bilirubin-Pigmentsteine (ca. 10 %) und gemischte Steine (etwa 70 %). Neben hereditären Ursachen treten Cholesterinsteine gehäuft bei Frauen (w : m = 3 : 1) auf. Ihre Inzidenz steigt mit zunehmendem Lebensalter, nach mehreren Schwangerschaften (4 3), bei Adipositas, Diabetes mellitus und Cholesterinstoffwechselstörungen (Typ-IV- und Typ-IIb-Hyperlipoproteinämie). Die Ursachen der Cholesterinsteinbildung liegen in einer Übersättigung der Galle mit Cholesterin. Physiologischerweise wird das wasserunlösliche Cholesterin durch Gallensäuren und Lecithin in der Galle unter Bildung von gemischten Mizellen in Lösung gehalten. Ist der Anteil des Cholesterins im Verhältnis zum Gallensäuren- und Lecithinanteil zu hoch, kann das Cholesterin auskristallisieren, wodurch die Voraussetzung für die Steinentstehung gegeben ist. So wird verständlich, dass Störungen des enterohepatischen Kreislaufes der Gallensäuren mit erhöhtem intestinalen Gallensäurenverlust (z. B. Erkrankungen des terminalen Ileums oder bei Ileumresektion) eine Konkrementbildung begünstigen. Als weitere Faktoren für die Steinbildung werden Erkrankungen oder eine Funktionsstörung der Gallenblase (z. B. als Folge der zystischen Fibrose, entzündliche Veränderungen im Bereich des Gallenwegssystems) sowie Medikamentenwirkung (z. B. Ovulationshemmer, Clofibrat) vermutet.
Die Übersättigung der Galle mit einzelnen Gallenbestandteilen, die sog. lithogene Galle, ist die wichtigste Voraussetzung für die Bildung von Gallensteinen. Unterschieden werden reine Cholesterinsteine, Bilirubin-Pigmentsteine und gemischte Steine. Cholesterinsteine treten neben hereditären Ursachen gehäuft bei Frauen mit zunehmendem Lebensalter, nach mehreren Schwangerschaften (4 3), bei Adipositas, Diabetes mellitus und Cholesterinstoffwechselstörungen auf. Die Ursachen der Cholesterinsteinbildung liegen in einer Übersättigung der Galle mit Cholesterin. ist der Anteil des Cholesterins im Verhältnis zum Gallensäuren- und Lecithinanteil zu hoch, kann das Cholesterin auskristallisieren. Störungen des enterohepatischen Kreislaufes der Gallensäuren (z. B. Erkrankungen des terminalen Ileums) begünstigen eine Konkrementbildung ebenso wie Funktionsstörungen und Erkrankungen der Gallenblase sowie Medikamentenwirkung.
Bilirubin-Pigmentsteine finden sich besonders bei Patienten mit chronischer Hämolyse (z. B. Thalassämie, Sichelzellanämie, hereditäre Sphärozytose), Z.n. Herzklappenoperation (mechanische Hämolyse), chronischen Lebererkrankungen (z. B. Leberzirrhose) sowie bei Infektionen und Abflussstörungen im Bereich der Gallenwege. Die Konkremente entstehen durch eine Übersättigung der Galle mit unkonjugiertem Bilirubin oder schlecht wasserlöslichen Bilirubinkonjugaten entweder als Folge einer bakteriellen Kontamination oder endogen gebildeter dekonjugierender Enzyme, die zu einer Erniedrigung der mizellenbildenden konjugierten Gallensalze führen.
Bilirubin-Pigmentsteine finden sich bei chronischen Hämolysen oder chronischen Lebererkrankungen und gehäuft in Kombination mit Infektion und Abflussstörungen im Bereich der Gallenwege.
Cholezystolithiasis
Cholezystolithiasis
왘 Definition. Unter Cholezystolithiasis versteht man das Voliegen von Konkre-
왗 Definition
menten in der Gallenblase. Führen die vorhandenen Konkremente zu keinen Beschwerden – weder in der Vorgeschichte noch aktuell – so handelt es sich um eine asymptomatische Cholezystolithiasis. Treten, bei vorhandenen Konkrementen einmalige, wiederholte oder anhaltende Beschwerden unterschiedlicher Stärke auf, so spricht man von einer symptomatischen Cholezystolithiasis.
B-1.175
Cholezystolithiasis
B-1.175
Operationspräparat einer steingefüllten Gallenblase mit chronischer Entzündung der Gallenblasenwand.
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468
B 1 Viszeralchirurgie
Ätiologie: Die individuelle Prädisposition ist charakterisiert durch die 6-F-Regel: Female – fat – forty – fertile – flatulent – fair.
Ätiologie: Die Prävalenz der Cholelithiasis liegt in Mitteleuropa bei ca. 20 %. Die individuelle Prädisposition ist charakterisiert durch die 6 F-Regel: Female – fat – forty – fertile –flatulent – fair.
Klinik: Durch plötzliche Einklemmung des Konkrements in den ableitenden Gallenwegen tritt der charakteristische Kolikschmerz auf. Das Schmerzmaximum liegt im rechten Oberbauch mit Ausstrahlung in die rechte Flanke und die rechte Schulter, häufig hervorgerufen durch fettreiche Mahlzeiten. Als Folge einer chronischen Entzündung der Gallenblase kann sich eine „Porzellangallenblase“ entwickeln (Abb. B-1.176). Diese ist nicht mehr kontraktionsfähig.
Klinik: Durch eine plötzliche Einklemmung des Konkrements in den ableitenden Gallenwegen (Infundibulum, Ductus cysticus) tritt der charakteristische Kolikschmerz auf. Das Schmerzmaximum liegt im rechten Oberbauch, gelegentlich auch im Epigastrium, mit Ausstrahlung in die rechte Flanke und die rechte Schulter. ein dumpfes Druck- oder Völlegefühl im rechten Oberbauch geht der Kolik häufig voraus. Hervorgerufen werden derartige Koliken oft durch fettreiche Mahlzeiten. Bei Aufhebung des Abflusshindernisses lässt der Schmerz unmittelbar nach. Im Falle einer chronischen Überdehnung der Gallenblase durch langzeitig persistierende Konkremente kann sich, als Folge der chronischen Entzündung, eine Verkalkung der Gallenblasenwand, die „Porzellangallenblase“ entwickeln. Diese ist nicht mehr kontraktionsfähig und verursacht nur noch geringgradige Beschwerden (Abb. B-1.176).
Diagnostik: Bei der charakteristischen Schmerzanamnese, aber auch bei intermittierend auftretenden unspezifischen Schmerzen im rechten Oberbauch sollte an eine Cholezystolithiasis gedacht werden (Abb. B-1.178). Bei der symptomatischen Cholezystolithiasis reicht das Spektrum von komplett unauffälligen Laborbefunden bis zu einer Erhöhung von Leukozyten, CRP, BSG, AP und LAP. Die Diagnosesicherung erfolgt durch die Oberbauchsonographie (Abb. B-1.177).
Diagnostik: Bei der charakteristischen Schmerzanamnese, aber auch bei intermittierend auftretenden unspezifischen Schmerzen im rechten Oberbauch sollte an eine Cholezystolithiasis gedacht werden (Abb. B-1.178). Bei der asymptomatischen Cholezystolithiasis reicht das Spektrum von komplett unauffälligen Laborbefunden bis zu einer Erhöhung von: Leukozyten, CRP, BSG, alkalischer Phosphatase (AP) und Leucinaminopeptidase (LAP). Die Diagnosesicherung erfolgt primär durch die Oberbauchsonographie (Abb. B-1.177). Die weitere diagnostische Abklärung ist in Abb. B-1.178 dargestellt.
B-1.176
B-1.176
Porzellangallenblase Operationspräparat
B-1.177
B-1.177
Sonographie bei Cholezystolithiasis Sonographische Darstellung einer Gallenblase (GB) mit einem Solitärkonkrement (K).
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B 1.9 Gallenblase und Gallenwege
B-1.178
Präoperative Diagnostik bei Cholezystolithiasis
469 B-1.178
Schematische Darstellung des präoperativen Vorgehens zur Abgrenzung einer alleinigen Cholezystolithiasis von einer Cholezysto-/Choledocholithiasis. Aus der Anamnese und den Labor- bzw. Untersuchungsbefunden (linke Spalte) ergibt sich jeweils ein Befund, der bei pathologischer Veränderung eine Folgeuntersuchung/Therapie (rechte Spalte) bedingt.
Therapie: Die Behandlungsmethode der ersten Wahl ist die laparoskopische Cholezystektomie (S. 458). Falls Kontraindikationen für das laparoskopische Vorgehen bestehen oder wenn sich der Eingriff technisch laparoskopisch nicht durchführen lässt, wird zum offenen Verfahren gewechselt. Aufgrund der Verbesserung der operativen Technik sowie der peri- und postoperativen Therapie stellt die allgemeine Inoperabilität eine absolute Seltenheit dar. Aufgrund der geringen Morbidität der laparoskopischen Cholezystektomie sowie der kurzen Behandlungsdauer haben die früher angewendeten Lysetherapieverfahren (chemische Litholyse) und die extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL) heute praktisch keine Bedeutung mehr. 왘 Merke. Die Therapie der Wahl bei der symptomatischen Cholezystolithiasis
Therapie: Die laparoskopische Cholezystektomie ist das Verfahren der Wahl. Lysetherapieverfahren (chemische Litholyse) und die extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL) haben heute praktisch keine Bedeutung mehr.
왗 Merke
stellt die laparoskopische Cholezystektomie dar. Sie weist im Vergleich zu konservativen Verfahren eine hohe Erfolgsrate und geringe Rezidivrate bei niedriger Morbidität auf. Alle nicht-chirurgischen Verfahren weisen durch Belassen der Gallenblase als Ort der Steinbildung eine erheblich höhere Rezidivrate auf und haben den Nachteil einer langwierigen Behandlung mit einer Erfolgsrate von nur 70 – 80 %. Komplikationen: Tab. B-1.50. B-1.50 ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
Komplikationen der Cholezystolithiasis
Komplikationen: Tab. B-1.50. B-1.50
Choledocholithiasis Cholangitis Gallenblasenhydrops Gallenblasenempyem Gangrän der Gallenblase Perforation der Gallenblase cholezystoenterische Fistel Mirizzi-Syndrom Gallensteinileus chronische Cholezystitis
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B 1 Viszeralchirurgie
Choledocholithiasis
Choledocholithiasis
왘 Definition
왘 Definition. Unter einer Choledocholithiasis versteht man das Vorliegen von
Konkrementen in den Gallenwegen. Je nach Lokalisation der Gallengangskonkremente unterscheidet man: Intrahepatische Steine, Hepatikus- und Choledochuskonkremente, präpapilläre Steine und Papillenkonkremente. Pathogenese: Die Mehrzahl der Gallengangskonkremente entstammt der Gallenblase und gelangt via Ductus cysticus in den Gallengang. Den primären, im Gallengang gebildeten Steinen liegt meist ein Abflusshindernis zugrunde. Seltenere Ursachen sind: zu langer Zystikusstumpf, chronisch-hämolytische Anämien, Infektion der Galle oder Parasiten.
Pathogenese: Die überwiegende Mehrzahl der Gallengangskonkremente entstammt der Gallenblase. Diese sog. sekundären Gallengangssteine gelangen via Ductus cysticus in den Gallengang. Sie sitzen meistens präpapillär (physiologische Enge). Ca. 15 % der Patienten mit Gallenblasensteinen haben auch Konkremente im Gallengang. Den primären, im Gallengang gebildeten Steinen liegt meist ein Abflusshindernis zugrunde (z. B. Caroli-Syndrom, Papillenstenose, pankreatitische Choledochusstenose, iatrogene Gallengangsstriktur, sklerosierende Cholangitis). Auch ein zu langer Zystikusstumpf nach Cholezystektomie wird als Nukleationszentrum für Rezidivsteine diskutiert, häufiger gilt er jedoch als Reservoir verbliebener Gallensteine. Seltenere Ursachen sind eine pathologische Zusammensetzung der Galle bei chronisch-hämolytischen Anämien oder Infektion der Galle (Salmonellen oder Parasiten).
Klinik: Der Steinabgang aus der Gallenblase ist oft mit Koliken verbunden. Als Folge entsteht ein inkompletter oder kompletter Verschluss mit dem klinischen Bild eines schmerzhaften Ikterus. Sekundär kann sich eine Cholangitis oder Pankreatitis entwickeln.
Klinik: Der Steinabgang aus der Gallenblase oder dem zentralen Gallengang ist oft mit Koliken verbunden. Als Folge kann ein inkompletter oder kompletter Verschluss mit dem klinischen Bild eines schmerzhaften Ikterus entstehen. Sekundär kann sich eine Cholangitis oder Pankreatitis entwickeln. Der akute Verschluss des Gallenganges verursacht meistens Koliken verbunden mit einem Ikterus; die sich langsam entwickelnde Obstruktion manifestiert sich häufig nur durch Pruritus oder schmerzlosen Ikterus.
Diagnostik: Es findet sich eine Erhöhung von konjugiertem Bilirubin, Gallengangsenzymen (AP, LAP) sowie γ-GT. Ein Anstieg der Transaminasen weist auf eine Cholangitis hin.
Diagnostik: Laborchemisch findet man ein erhöhtes konjugiertes Bilirubin und eine Erhöhung der Cholestaseparameter (AP, LAP, γ-GT). Ein begleitender Anstieg der Transaminasen findet sich bei Vorliegen einer Cholangitis. Das Vorliegen einer erhöhten Serumamylase und/oder Lipase weist auf eine begleitende Pankreatitis hin. Zum Nachweis von Gallensteinen und erweiterten intra- und/oder extrahepatischen Gallenwegen ist die Sonographie das Verfahren der ersten Wahl. Ihre Sensitivität hinsichtlich des Nachweises von Gallengangssteinen liegt jedoch nur bei ca. 50 %. Bei fraglichem Nachweis einer Choledocholithiasis kann als weitere Diagnostik eine Magnetresonanz-Cholangiographie (MRC) erfolgen. Bei Bestätigung der Verdachtsdiagnose der Choledocholithiasis ist die ERC mit EPT zur Steinextraktion indiziert (Abb. B-1.179).
Zum Nachweis von Gallensteinen ist die Sonographie das Verfahren der ersten Wahl. Bei Unsicherheit kann eine MagnetresonanzCholangiographie (MRC) erfolgen (Abb. B-1.179).
Differenzialdiagnose: In Betracht gezogen werden müssen: ■ stenosierende Tumoren des extrahepatischen Gallengangssystems, der Papille, des Pankreaskopfes und des Duodenums ■ zentrale Lebertumoren ■ Parasiten ■ AIDS-Cholangiopathie und -Papillenstenose ■ Mirizzi-Syndrom.
Differenzialdiagnose: Differenzialdiagnostisch müssen zur Abklärung eines Verschlussikterus immer auch stenosierende Tumoren des extrahepatischen Gallengangssystems, der Papille, des Pankreaskopfes und des Duodenums sowie zentrale Lebertumoren in Betracht gezogen werden. Des Weiteren können Parasiten im Ductus choledochus (Echinokokkus, Lamblien) oder eine AIDSCholangiopathie und AIDS-induzierte Papillenstenose zu einem Verschlussikterus führen. Eine seltene Ursache ist das Mirizzi-Syndrom.
Therapie: Eine diagnostizierte Choledocholithiasis muss saniert werden. Ist eine endoskopische Behandlung nicht möglich, so ist das operative Verfahren der Wahl die Choledochusrevision.
Therapie: Eine einmal diagnostizierte Choledocholithiasis sollte immer saniert werden, da konsekutiv Komplikationen wie Cholangitis mit Sepsis sowie eine biliäre Pankreatitis drohen. Bei der isolierten Choledocholithiasis ist heute die endoskopische Steinextraktion das Verfahren der ersten Wahl. Bei gleichzeitigem Vorliegen einer Cholezystolithiasis streben die meisten Zentren, wenn möglich, die endoskopische Steinextraktion vor der Cholezystektomie an. Die operative Intervention der Choledocholithiasis bleibt heute nur noch den Patienten vorbehalten, die endoskopisch nicht behandelbar sind (S. 461).
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B 1.9 Gallenblase und Gallenwege
B-1.179
ERC, MRT und CT bei Choledocholithiasis
a
c
471 B-1.179
b
a ERC mit Nachweis eines intraduktalen Konkrementes im Gallengang b MRT mit Nachweis eines Konkrementes im D. choledochus (?) c CT bei Pankreaskopfpankreatitis: Ausgeprägte Stauung des Ductus choledochus und des Ductus Wirsungianus.
Komplikationen: Die Morbidität der Choledocholithiasis wird prinzipiell durch die biliäre Obstruktion bestimmt. Häufig kommt es begleitend zu einer akuten Pankreatitis. Bei Vorliegen eines Verschlussikterus besteht die Gefahr des Auftretens einer bakteriellen Cholangitis, die sich durch Temperaturerhöhung und häufig dumpfe Dauerschmerzen manifestiert. Hierdurch kann es zum Auftreten von disseminierten, intrahepatischen Abszessen kommen sowie, in seltenen Fällen, zur Choledochusperforation mit Fistelbildung. Eine chronischbiliäre Pankreatitis ist eine mögliche Spätkomplikation. Als Folge der Cholestase mit rezidivierenden bakteriellen Cholangitiden kann eine sekundäre biliäre Zirrhose entstehen.
Komplikationen: Die Morbidität der Choledocholithiasis wird prinzipiell durch die biliäre Obstruktion bestimmt. Häufig kommt es begleitend zu einer akuten Pankreatitis. Weitere Komplikationen sind das Auftreten einer bakteriellen Cholangitis, disseminierte, intrahepatische Abszesse und selten eine Choledochusperforation.
Typische Folgeerkrankungen/Komplikationen
Typische Folgeerkrankungen/ Komplikationen
Gallenblasenhydrops
Gallenblasenhydrops
Die irreversible Steineinklemmung im Ductus cysticus führt zu einem Stau des Gallensekretes in der Gallenblase, da dieses nicht in den Ductus choledochus abfließen kann. Daraus resultiert ein Gallenblasenhydrops.
Bei Verschluss des Ductus cysticus kommt es zu einer stark schmerzhaften, meist tastbaren Vergrößerung der Gallenblase. Die Diagnosesicherung erfolgt durch Sonographie. Therapie der Wahl ist die laparoskopische Cholezystektomie.
Klinik: Durch den raschen Druckanstieg entstehen starke, dauerhafte Schmerzen. Die gestaute, druckdolente Gallenblase ist ggf. durch die Bauchdecke zu tasten. Diagnostik: Die Diagnose kann durch die Sonographie einfach bestätigt werden (Abb. B-1.180). Therapie: Die laparoskopische Cholezystektomie ist die Therapie der Wahl. Gallenblasenempyem
Gallenblasenempyem
Durch eine Infektion der Gallenblase bei bestehendem Hydrops entsteht das Gallenblasenempyem.
Entsteht durch Entzündung und Infektion eines Gallenblasenhydrops. Symptome: Fieber, Allgemeinreaktionen, Leukozytose, CRPErhöhung, Abwehrspannung im rechten Oberbauch. (cave: Gallenblasengangrän). Die
Klinik, Diagnostik: Hierbei kommt es zum Auftreten von Fieber, Allgemeinreaktionen wie Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen sowie Laborverände-
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472 B-1.180
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.180
Sonographie bei Gallenblasenhydrops Sonographische Darstellung bei Zystikuskonkrement mit Gallenblasenhydrops und beginnender Cholezystitis.
sofortige laparoskopische Cholezystektomie gegebenenfalls mit Konversion zur offenen Cholezystektomie ist die Therapie der Wahl.
rungen (Leukozytose, CRP-Erhöhung) und einer zunehmenden Abwehrspannung im rechten Oberbauch. Komplikationen: Gangrän der Gallenblase; intra- oder extrahepatische Perforation und Sepsis. Therapie: Die sofortige laparoskopische Cholezystektomie gegebenenfalls mit Konversion zur offenen Cholezystektomie ist die Therapie der Wahl.
Gallenblasenperforation
Gallenblasenperforation
Infolge von Entzündung, Wandgangrän oder lokalen Drucknekrosen, vor allem durch Cholezystolithiasis bedingt, kann eine Perforation der Gallenblase auftreten. Die Symptomatik ist mit der eines Gallenblasenempyems vergleichbar.
Infolge von Entzündung, Wandgangrän oder lokalen Drucknekrosen, vor allem durch eine Cholezystolithiasis bedingt, kann eine Perforation der Gallenblase auftreten (Perforation in Duodenum, Magen, Jejunum, Kolon).
Therapie: sofortige Cholezystektomie.
B-1.181
Klinik: Die Symptomatik ist mit der eines Gallenblasenempyems vergleichbar. Charakteristisch ist ein kurzes, schmerzfreies Intervall zum Zeitpunkt der Perforation, wenn der Druck in der Gallenblase nachlässt. Bei freier Perforation kann ein akutes Abdomen mit generalisierter Abwehrspannung auftreten. Bei Perforation eines Gallenblasensteins in den Gastrointestinaltrakt ist die Symptomatik meist durch die aszendierende Cholezystitis bestimmt. Therapie: Sofortige Cholezystektomie. Bei der operativen Therapie erfolgt die Cholezystektomie sowie die Übernähung der entstandenen Fistelöffnung. Bei der Gallenblasengangrän sowie vor allem bei der Gallenblasenperforation ist häufig eine primär offene Cholezystektomie erforderlich, ggf. kann je nach klinischer Einschätzung zunächst laparoskopisch begonnen werden (Abb. B-1.181).
B-1.181
Gallenblasengangrän Operationssitus einer akuten Cholezystitis mit Gangrän des Fundus der Gallenblase
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B 1.9 Gallenblase und Gallenwege
B-1.182
Mirizzi-Syndrom
473 B-1.182
Mirizzi-Syndrom
Mirizzi-Syndrom
Unter einem Mirizzi-Syndrom versteht man eine benigne, mechanische Stenose des Ductus hepaticus oder Ductus choledochus mit Auftreten eines Verschlussikterus. Die Stenose wird durch Einklemmung eines Steines im Ductus cysticus oder Gallenblaseninfundibulum verursacht (Abb. B-1.182 a). Die Häufigkeit liegt bei 0,6 – 6 %.
Benigne, mechanische Stenose des Ductus hepaticus oder Ductus choledochus mit Auftreten eines Verschlussikterus. Die Stenose wird durch Einklemmung eines Steines im Ductus cysticus oder Gallenblaseninfundibulum verursacht (Abb. B-1.182 a). Die Häufigkeit liegt bei 0,6 – 6 %. Differenzialdiagnostisch kommen Kompression des D. hepatocholedochus von außen durch Tumoren, Gallenwegskarzinome oder -strikturen in Betracht. Das klinische Beschwerdebild bei Verschlussikterus ist uneinheitlich. Laborchemisch findet sich eine Erhöhung der Cholestaseparameter (AP, LAP, Bilirubin). Zur Diagnose sind Sonographie und meist ERC erforderlich. Die Therapie der Wahl ist die Cholezystektomie mit Gallengangsrevision.
Klinik, Diagnostik: Klinisch und laborchemisch besteht das Bild eines Verschlussikterus. Das klinische Beschwerdebild ist uneinheitlich und reicht von schmerzlosem Ikterus bis zur septischen Cholangitis. Laborchemisch findet sich eine Erhöhung der Cholestaseparameter (AP, LAP, Bilirubin). Zur weiteren Abklärung sollte nach der Abdomensonographie eine ERC erfolgen. Häufig kann die Diagnose erst intraoperativ gestellt werden. Differenzialdiagnostisch sind in Betracht zu ziehen: Kompression des Ductus hepatocholedochus von außen durch Tumoren, Gallenwegskarzinome oder ggf. Strikturen als Folge von Voroperationen an den Gallenwegen. Therapie: Therapie der Wahl ist nach wie vor die offene Cholezystektomie mit Gallengangsrevision, ggf. mit Rekonstruktion der ableitenden Gallenwege. Lediglich in einzelnen spezialisierten Zentren wird auch bei Vorliegen eines Mirizzi-Syndroms regelhaft die laparoskopische Cholezystektomie durchgeführt. Gallensteinileus
Gallensteinileus
Der Gallensteinileus ist eine seltene Komplikation der Gallenblasenperforation. Durch die Perforation der Gallenblase in den Dünndarm oder die rechte Kolonflexur (Ausbildung einer cholezystointestinalen Fistel) kann steinbedingt ein mechanischer Ileus entstehen. Er kommt dadurch zustande, dass ein relativ großes Konkrement eine der physiologischen Engpässe des Magen-Darm-Traktes, z. B. Ileozökalklappe, nicht passieren kann.
Durch die Perforation der Gallenblase in den Dünndarm oder die rechte Flexur (Ausbildung einer cholezystointestinalen Fistel) kann steinbedingt ein mechanischer Ileus entstehen. Klinisch besteht Übelkeit, Erbrechen, ein aufgetriebenes Abdomen mit Hyperperistaltik bis hin zum akuten Abdomen. Die Abdomenleeraufnahme zeigt Spiegel im Dünn- und/oder Dickdarm, eine Aerobilie, evtl. auch den Gallenstein in der Region der Ileozökalklappe. Die Therapie umfasst die Exploration des Abdomens zur Beseitigung der mechanischen Stenose, Cholezystektomie und Übernähung der Perforationsstelle.
Klinisch zeigen die Patienten die Zeichen eines mechanischen Ileus mit Übelkeit, Erbrechen, einem aufgetriebenen Abdomen, auskultatorisch Hyperperistaltik sowie einen Druckschmerz im rechten Oberbauch. Es entwickelt sich immer das klinische Bild eines akuten Abdomens. Diagnostik: Auf der Abdomenleeraufnahme sieht man erweiterte Darmschlingen, z. T. luft- z. T. flüssigkeitsgefüllt (Spiegel) in Dünn- und/oder Dickdarm (Ileusbild), eine Aerobilie (Luft in den Gallenwegen; Abb. B-1.183) und evtl. auch den Gallenstein (Kalk) in der Region der Ileozökalklappe.
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474
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.183
B-1.183
Gallensteinileus Aerobilie (A) bei Perforation in das Duodenum, Obstruktion im terminalen Ileum (O).
Die Therapie umfasst die Exploration des Abdomens mit Beseitigung der mechanischen Stenose, die Cholezystektomie sowie die Übernähung der Perforationsstelle (Fistel) am Darmlumen. Gallensäureverlustsyndrom
Gallensäureverlustsyndrom
Das Gallensäureverlustsyndrom tritt bei cholezystokolischen Fisteln sowie nach ausgedehnten Dünndarm- bzw. Ileumresektionen auf. Die Gallensäuren, die normalerweise zu 95 % im Ileum rückresorbiert werden, gelangen zum Großteil direkt ins Kolon und führen zu schweren Durchfällen und Fettresorptionsstörungen.
Ein Gallensäureverlustsyndrom kann z. B. bei Vorliegen einer cholezystokolischen Fistel (selten) sowie nach ausgedehnten Dünndarm- bzw. Ileumresektionen auftreten. Ursächlich liegt diesem Syndrom zugrunde, dass die Gallensäuren, die normalerweise zu 95 % im Ileum rückresorbiert werden, überwiegend direkt ins Kolon gelangen. Hier werden sie durch Darmbakterien zu Dehydroxygallensäuren abgebaut. Infolge der toxischen Wirkung auf die Darmmukosa treten schwere Durchfälle auf. Der erhebliche Verlust an Gallensäuren führt des Weiteren zu Fettresorptionsstörungen.
Weitere
Weitere
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Cholezystitis: s. u. Cholangitis: S. 477.
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Cholezystitis: s. u. Cholangitis: S. 477.
1.9.7 Cholezystitis
1.9.7 Cholezystitis
Akute Cholezystitis
Akute Cholezystitis
왘 Definition
왘 Definition. Unter einer akuten Cholezystitis versteht man die Entzündung der Gallenblasenwand verknüpft mit einem klinischen Bild bestehend aus: Abdominalschmerzen, Abwehrspannung im rechten Oberbauch, Fieber und Leukozytose.
Ätiologie: Die Ätiologie ist unbekannt. In 90 % besteht gleichzeitig eine Cholelithiasis.
Ätiologie: Die Ätiologie der akuten Cholezystitis ist unbekannt. 90 % der akuten Cholezystitiden sind mit einer Cholelithiasis vergesellschaftet.
Pathogenese: Primär beruht die akute Cholezystitis nicht auf infektiösen Vorgängen, jedoch liegt ihr in 95 % der Fälle eine gestörte Entleerung aufgrund einer Obstruktion durch Gallensteine zugrunde. Die Obstruktion führt zu einer direkten Schädigung der Gallenblasenmukosa mit Freisetzung von intrazellulären Enzymen und Aktivierung einer Kaskade von Entzündungsmediatoren. Sekundär können dann bakterielle Infektionen hinzutreten.
Pathogenese: Als Auslöser der akuten Cholezystitis vermutet man in den meisten Fällen eine Gallensekretstase als Folge einer gestörten Entleerung durch eine Obstruktion des Ductus cysticus. In seltenen Fällen können eine Infektion oder Ischämie auslösend sein für die akute Cholezystitis. Möglicherweise kommt es durch die mechanische Überdehnung der Gallenblasenwand zu einer Beeinträchtigung der Blutversorgung. Zusätzlich vermutet man eine direkte Schädigung der Gallenblasenmukosa durch die steinbedingte Obstruktion. Hierdurch kommt es zu einer Freisetzung von intrazellulären Enzymen und der Aktivierung einer Kaskade von Entzündungsmediatoren, z. B. Prostaglandinen. Weiterhin wirken die Gallensäuren der gestauten Galle
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B 1.9 Gallenblase und Gallenwege
schädigend auf die Mukosa der Gallenblase. Sekundär können dann bakterielle Infektionen hinzutreten. Sie sind jedoch nicht als Auslöser der akuten Cholezystitis zu betrachten. Seltener führen die Obstruktion des Ductus cysticus durch Torsion, Abknickung, lokale, nicht entzündliche Veränderungen in der Schleimhaut, Parasiten (z. B. Ascaris lumbricoides, Salmonellen) und weiterhin virale Infektionen (AIDS), Hungerzustände, vollständige parenterale Ernährung oder Kompression durch entzündliche Prozesse benachbarter Organe oder Tumoren zur akuten Cholezystitis.
475
Selten führen Torsion oder Abknickung des Ductus cysticus, lokale, nicht entzündliche Veränderungen in der Schleimhaut, Parasiten oder Kompression von außen zur akuten Cholezystitis.
Klinik: Im Vordergrund des klinischen Bildes stehen akut auftretende Oberbauchschmerzen mit lokaler Abwehrspannung, die dumpf, andauernd oder auch kolikartig sein können und in die rechte Schulter und den Rücken ausstrahlen können. Bei älteren Patienten kann der Schmerzcharakter z. T. auch sehr gering ausgeprägt sein. Übelkeit, Erbrechen treten häufig begleitend auf. Das sog. „Murphy“-Zeichen bedeutet einen akut auslösbaren Schmerz im rechten Oberbauch in Verbindung mit einem kurzen respiratorischen Arrest bei Palpation des Abdomens. In 20 – 40 % der Patienten ist ein Ikterus apparent, vermutlich entstanden durch ein entzündliches Ödem der Gallengänge oder einer Mitbeteiligung der Leber durch die Entzündung. Bei Fieberanstieg mit Schüttelfrost besteht der Verdacht auf ein Gallenblasenempyem. Meteorismus bis hin zum paralytischen Ileus wird häufig als Begleitreaktion beobachtet.
Klinik: Führend sind Oberbauchschmerzen mit lokaler Abwehrspannung, die kolikartig sein können und in die rechte Schulter und den Rücken ausstrahlen. Übelkeit und Erbrechen sind häufig. Das sog. „Murphy“-Zeichen ist meist positiv. Fieber und Schüttelfrost weisen auf ein Empyem hin. Gelegentlich tritt ein Ikterus auf. Häufige Begleitreaktionen sind Meteorismus bis hin zum paralytischen Ileus.
Diagnostik: Neben dem klinischen Bild findet sich eine Erhöhung der Entzündungsparameter (Leukozyten, CRP, BSG). Die alkalische Phosphatase (AP), LAP, γ-GT, Transaminasen und ggf. das Bilirubin können ebenfalls erhöht sein. Die Abdomensonographie ist die wichtigste Untersuchung, da hierdurch z. B. das Vorliegen von Gallensteinen, pathologische Veränderungen der Gallenblasenwand (Verdickung auf 4 3 mm) oder eine pericholezystitische Flüssigkeitsansammlung nachweisbar sind. Bei gleichzeitig bestehendem Ikterus sollte zur weiteren Abklärung eine ERCP durchgeführt werden. Bei gleichzeitig bestehendem Ikterus sollte zur weiteren Abklärung eine MRC oder ERCP erfolgen.
Diagnostik: Laborchemisch zeigt sich eine Erhöhung der Entzündungsparameter (Leukozyten, CRP) sowie möglicherweise der AP, LAP, γ-GT, Transaminasen und ggf. des Bilirubins. Die Abdomensonographie sichert die Diagnose, ggf. ist eine ERCP erforderlich.
Therapie: Zunächst sollte sofort eine systemische Behandlung mit Analgetika, Antibiotika und Nahrungskarenz erfolgen. Die antibiotische Therapie sollte auf jeden Fall gramnegative Darmbakterien mit einschließen (z. B. Aminopenicillin + Metronidazol, Cephalosporin der 2. Generation + Metronidazol oder Fluorchinolone). Prinzipiell besteht die Indikation zur Cholezystektomie. Über den optimalen Zeitpunkt (sofort oder im Intervall nach 6 – 8 Wochen) gibt es keine einheitliche Vorgehensweise, wobei in den meisten Kliniken die Operation innerhalb 72 Stunden nach Auftreten der Symptomatik favorisiert wird. Auch bei akuter Cholezystitis wird primär die laparoskopische Cholezystektomie durchgeführt,
Therapie: Es sollte sofort eine systemische antibiotische Therapie eingeleitet werden. Die Operation sollte innerhalb 72 Stunden erfolgen oder im Intervall nach 6 – 8 Wochen. In der Regel ist Cholezystektomie auch bei Cholezystitis laparoskopisch möglich.
B-1.184
Akute Cholezystitis
B-1.184
Operationspräparat einer akuten Cholezystitis bei multiplen Konkrementen in der Gallenblase.
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B 1 Viszeralchirurgie
wobei jedoch bei schwerer Entzündung die Rate der Konversion zur offenen Cholezystektomie erhöht ist. Komplikationen: Die wichtigsten Komplikationen sind: Gallenblasenempyem, Gangrän der Gallenblase und die Perforation mit Ausbildung eines pericholezystitischen oder subphrenischen Abszesses, einer cholezystoenterischen Fistel oder einer diffusen Peritonitis.
Komplikationen: Die wichtigsten Komplikationen der akuten Cholezystitis sind: Gallenblasenempyem (20 %), Gangrän der Gallenblase (6 %) und die Perforation (8 – 14 %) mit Ausbildung eines percholezystitischen, intra- oder subhepatischen oder subphrenischen Abszesses, einer cholezystoenterischen Fistel (Duodenum, Kolon, Dünndarm, Magen) oder einer diffusen Peritonitis.
Chronische Cholezystitis
Chronische Cholezystitis
왘 Definition
왘 Definition. Die chronische Cholezystitis ist in über 90 % der Fälle die Folge
einer chronischen Entzündung der Gallenblasenwand bei Cholelithiasis (Abb. B-1.185). Pathophysiologie, Pathogenese: Durch die chronische Entzündung kommt es zur Atrophie der Gallenblasenwand mit Aufhebung der Motilität, wodurch eine Konkrementbildung begünstigt wird. Bei zusätzlichen Kalkeinlagerungen entsteht eine Porzellangallenblase (Abb. B-1.176).
Pathophysiologie, Pathogenese: Die chronische Entzündung entsteht durch chemische und mechanische Irritation, hervorgerufen durch die lithogene Galle bzw. die Konkremente. Die chronisch-entzündlich veränderte Gallenblasenwand führt zu einer Rückresorption und damit Abbau von Gallensäuren und begünstigt so die Cholesterinbildung. Mikroskopisch imponieren Atrophie und bindegewebige Durchbauung der Tunica muscularis. Dieses resultiert letztlich in der Aufhebung der Gallenblasenmotilität und prädisponiert zur Konkrementbildung. Bei zusätzlichen Kalkeinlagerungen entsteht eine Porzellangallenblase (Abb. B-1.176).
Klinik: Die Symptome der chronischen Cholezystitis sind oft uncharakteristisch mit Schmerzen im rechten Oberbauch, Fettunverträglichkeit und Übelkeit. Im akuten Schub gleicht das Bild einer akuten Cholezystitis. Die Gallenblase ist meist verkleinert. Sie kann als Schrumpfgallenblase fast vollständig als Sack um einen oft solitären Tonnenstein obliteriert sein.
Klinik: Die Symptome der chronischen Cholezystitis sind oft atypisch. Im Vordergrund stehen ein Druckgefühl und Schmerzen im rechten Oberbauch, gelegentlich auch im Epigastrium oder linken Oberbauch, Meteorismus, Unverträglichkeit von fetten oder gebratenen Speisen, Übelkeit und Erbrechen. Die kolikartigen Schmerzen persistieren für einen erheblich kürzeren Zeitraum als bei der akuten Cholezystitis. Zwischen den Schmerzattacken können Wochen, Monate oder sogar Jahre liegen. Im akuten Schub gleicht das Bild einer akuten Cholezystitis. Die Gallenblase ist meist verkleinert. Sie kann als Schrumpfgallenblase fast vollständig als Sack um einen oft solitären Tonnenstein obliteriert sein. Daneben gibt es chronische Cholezystitiden bei einer steinfreien Gallenblase. Ursächlich diskutiert werden die Dyskinesie der Gallenwege, toxische, vaskuläre und allergische Faktoren sowie aszendierende Infektionen durch Bakterien (z. B. Salmonellen, Shigellen), Viren (z. B. Zytomegalie) und Parasiten (Giardia lamblia, Askariden).
Diagnostik: Die klinische Untersuchung ist meist unauffällig. Es gibt keine charakteristischen Laborparameter. Führend in der Diagnostik ist die Sonographie des Abdomens.
Diagnostik: Bei der klinischen Untersuchung kann man gelegentlich eine Abwehrspannung im rechten Oberbauch nachweisen, meist jedoch ist die klinische Untersuchung unauffällig. Laborchemisch gibt es keine typische Konstellation. Führend in der Diagnostik ist die Sonographie des Abdomens,
B-1.185
B-1.185
Chronische Cholezystitis Operationspräparat bei chronischer Cholezystitis mit deutlich verdickter Gallenblasenwand und multiplen Gallenblasenkonkrementen.
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B 1.9 Gallenblase und Gallenwege
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die eine Sensitivität von 90 – 95 % und eine Spezifität von 95 – 100 % erreicht. Der Nachweis von Gallensteinen, am besten zu sehen bei nüchternen Patienten, gelingt bis zu einer Größe von 1 – 2 mm und bestätigt die Diagnose Cholezystolithiasis. Der sonographische Nachweis einer verdickten, dreigeschichteten Gallenblasenwand gilt als spezifisches Zeichen der chronischen Cholezystitis. Die CT dient im Wesentlichen zur Abklärung klinisch vermuteter Komplikationen wie z. B. Abszess oder Pankreatitis.
Die CT dient im Wesentlichen zur Abklärung klinisch vermuteter Komplikationen wie z. B. Abszess oder Pankreatitis.
Therapie: Die Therapie der Wahl ist die operative Entfernung der Gallenblase. In Anbetracht der minimal-invasiven Operationstechnik sind die nicht operativen Behandlungsmaßnahmen stark in den Hintergrund getreten.
Therapie: Die Therapie der Wahl ist die operative Entfernung der Gallenblase.
Posttraumatische Cholezystitis
Posttraumatische Cholezystitis
왘 Definition. Nach schweren Traumen, chirurgischen Eingriffen und nach Ver-
왗 Definition
brennungen kann es zum Auftreten einer akuten Cholezystitis ohne Nachweis von Konkrementen kommen. Ätiologie: Als prädisponierende Faktoren gelten lange Nüchternheit (dadurch keine Gallenblasenentleerung), Immobilität und hämodynamische Instabilität. Als zugrunde liegende Ursachen werden ischämische/chemische Schädigungen des Gallenblasenepitheliums diskutiert.
Ätiologie: Prädisponierende Faktoren sind lange Nüchternheit, Immobilität und hämodynamische Instabilität.
Klinik: Das klinische Bild zeigt häufig nur unklare Temperaturerhöhungen.
Klinik: Unklare Temperaturerhöhungen.
Diagnostik: Durch das häufige Auftreten unter intensivmedizinischen Bedingungen kann die Diagnosestellung erschwert sein. Sonographisch gelten als Hinweis: Verdickte und vergrößerte Gallenblase, Abwehrspannung im rechten Oberbauch bei der Untersuchung (Murphy-Zeichen) und pericholezystitische Flüssigkeitsansammlung. Da die klinischen Zeichen häufig uncharakteristisch sind, ist eine CT u.U. indiziert, zumal hierdurch andere zugrunde liegende Ursachen ausgeschlossen werden können.
Diagnostik: Sonographisch verdickte, vergrößerte Gallenblase, pericholezystitische Flüssigkeitsansammlung. Ggf. klinisch positives Murphy-Zeichen.
Therapie: Cholezystektomie.
Therapie: Cholezystektomie.
1.9.8 Cholangitis
1.9.8 Cholangitis
왘 Definition. Als Cholangitis wird die bakterielle Infektion der Gallenwege auf
왗 Definition
dem Boden eines Verschlusses der extrahepatischen Gallenwege durch Konkremente oder Strikturen bezeichnet. es können sowohl die intra- wie extrahepatischen Gallenwege betroffen sein. Einteilung: Man unterscheidet akute und chronisch rezidivierende Cholangitiden.
Einteilung: Man unterscheidet akute und chronisch rezidivierende Cholangitiden.
Ätiologie und Pathogenese: Häufiger auslösender Faktor einer bakteriellen Entzündung der Gallenwege ist eine Behinderung des Gallenabflusses, vor allem hervorgerufen durch intraduktale Konkremente oder eine Striktur. Andere Ursachen sind Cholestase infolge Papillenerkrankungen, Pankreatitis, Pankreaskarzinom und andere Tumoren im Bereich der Gallenwege sowie kongenitale Anomalien (z. B. Choledochuszyste) und die sklerosierende Cholangitis. Eine Abflussbehinderung und Infektion durch Parasitenbefall (Askariden, Lamblien) kommt ebenfalls in Betracht. Eine aszendierende Cholangitis kann sich nach Operationen oder Manipulationen an der Papille oder den distalen Gallengängen entwickeln. Durch eine breite Verbindung zwischen Ductus choledochus und Darm (Spaltung der Papille im Rahmen einer ERCP oder biliodigestiven Anastomose) können Darmkeime in die Gallengänge gelangen. Die Entzündung kann sich kanalikulär, hämatogen oder lymphogen ausbreiten. Das gesamte Gallenwegssystem einschließlich des Leberparenchyms kann involviert sein.
Ätiologie und Pathogenese: Häufig entsteht eine bakterielle Infektion der Gallenwege bei Abflussbehinderung infolge von Choledochussteinen oder Strikturen; seltener durch Pankreatitis, Karzinome, Papillenerkrankungen, Parasiten oder kongenitale Anomalien.
Durch eine breite Verbindung zwischen Ductus choledochus und Darm, etwa nach Eingriffen an der Papille oder den distalen Gallengängen (z. B. ERCP, biliodigestive Anastomose) kann sich eine aszendierende Cholangitis entwickeln. Die Infektionsausbreitung erfolgt kanalikulär, hämatogen oder lymphogen. Als Erreger werden bevorzugt Bakterien der Darmflora angetroffen.
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B 1 Viszeralchirurgie
Die wichtigsten Erreger umfassen die gramnegative Koli-Gruppe, Mischinfektion mit Enterokokken, Streptokokken, Proteus, Klebsiellen u. a. Bevorzugt betroffen sind Frauen, ältere Menschen und Patienten nach operativen Eingriffen an den Gallenwegen. Klinik: Kolikartige Schmerzen im rechten Oberbauch, intermittierendes Fieber (Schüttelfrost) und Ikterus, die sog. Charcot-Trias, sind die Leitsymptome der akuten Cholangitis.
Klinik: Kolikartige Schmerzen im rechten Oberbauch, intermittierendes Fieber (Schüttelfrost) und Ikterus, die sog. Charcot-Trias, sind die Leitsymptome der akuten Cholangitis. Diese Symptome sind unterschiedlich ausgeprägt, z. B. können Schmerzen ganz fehlen.
Diagnostik: Leukozytose, BSG- und CRP-Erhöhung sowie Cholestase unterschiedlicher Ausprägung mit Anstieg von Bilirubin, AP, LAP, γ-GT und u.U. der Transaminasen.
Diagnostik: Die Leber ist bei den meist ikterischen Patienten vergrößert und druckdolent. Laborchemisch weisen eine starke BSG-Beschleunigung, Leukozytose mit Linksverschiebung und Erhöhung des CRP auf eine bakterielle Entzündung hin. Die Cholestase ist unterschiedlich stark ausgeprägt und führt neben erhöhten Bilirubinwerten zu einem Anstieg cholestaseanzeigender Enzyme (AP, LAP, γ-GT). Als Ausdruck einer Leberparenchymschädigung können die Transaminasen ansteigen. Der Nachweis erweiterter Gallengänge gelingt meist durch eine Sonographie. Bei unklarem Befund schließt sich eine MRC an. Bei Nachweis einer Choledocholithiasis kann dann therapeutisch mittels ERCP eine Steinextraktion erfolgen. Bei Verdacht auf eine intra- oder extrahepatische Raumforderung wird man eine Computertomographie oder eine Kernspintomographie durchführen.
Nachweis eines Abflusshindernisses durch Sonographie, ggf. MRC oder ERCP. Bei Tumorverdacht erfolgt die weitere Abklärung durch CT oder MRT.
Differenzialdiagnose: Hepatitis, Leberzirrhose, Verschlussikterus anderer Genese.
Differenzialdiagnose: In Betracht gezogen werden müssen eine Hepatitis eine Leberzirrhose sowie ein Verschlussikterus anderer Genese.
Therapie: Vordringlich ist neben einer antibiotischen Therapie die Beseitigung des Abflusshindernisses durch endoskopische Steinextraktion oder Papillotomie bzw. chirurgische Sanierung des Gallenganges. Es sollte die antibiotische Therapie eingeleitet werden, ggf. ergänzt durch parenterale Ernährung, Analgetika und Spasmolytika.
Therapie: Vordringlich ist – als kurative Therapie – die Beseitigung der mechanischen Ursache zur Wiederherstellung des freien Gallenabflusses (z. B. endoskopische Steinextraktion mit Papillotomie, chirurgische Sanierung des Gallenganges), weil nur so Rezidive der Cholangitis vermieden werden können. Mild bis moderat verlaufende Fälle sprechen gut auf eine Monotherapie an (z. B. Fluorchinolone, Aminopenicillin). In schwereren Fällen muss eine Kombinationsbehandlung erfolgen (z. B. Aminopenicillin oder Cephalosporin der 2. Generation und Metronidazol) sowie begleitend eine parenterale Ernährung. Ggf. ist die Gabe von Analgetika und Spasmolytika erforderlich.
Prognose: Mit Beseitigung des Abflusshindernisses tritt meistens Besserung ein. Bei Persistenz der Obstruktion können sich Sepsis und Leberabszesse entwickeln. Bei längerem Bestehen ist ein Übergang in eine chronisch rezidivierende Cholangitis möglich. Daraus kann schließlich eine sekundäre biliäre Zirrhose entstehen.
Prognose: Kann die Ursache der Cholangitis beseitigt werden, tritt meistens eine schnelle Besserung ein. Bleibt das Abflusshindernis bestehen, ist eine Ausbreitung der Entzündung innerhalb der Leber bis in die Ductuli möglich, was zu einer Sepsis mit ihren Folgen und zu Leberabszessen führen kann. Bei persistierender Cholestase und rezidivierenden Entzündungsschüben ist ein Übergang in eine chronisch rezidivierende Cholangitis möglich. Bei längerem Bestehen kann sich hieraus schließlich eine sekundäre biliäre Zirrhose entwickeln.
1.9.9 Gallengangsstrikturen
1.9.9 Gallengangsstrikturen
왘 Definition
왘 Definition. Gallengangsstrikturen sind Verengungen im Bereich des Gallen-
gangssystems und entstehen am häufigsten als Folge einer iatrogenen Verletzung des Gallenganges bei einer Cholezystektomie. Ätiopathogenese: Als Ursache liegt meistens eine iatrogene Verletzung des Gallenganges vor (Gallengangsrevision, Gallengangsanastomosen), des Weiteren rezidivierende bakterielle Cholangitiden, sklerosierende Cholangitis, chronische Pankreatitis.
Ätiopathogenese: Ca. 90 % entstehen als Folge einer Verletzung während der Operation am Gallengangssystem und ca. 10 % hiervon sind die Folge einer Gallengangsrevision oder -anastomose. Das Risiko einer Gallengangsverletzung besteht besonders bei entzündlichen Veränderungen der Gallenblase und daraus resultierenden unklaren anatomischen Verhältnissen bei der Durchführung einer Cholezystektomie, bei bestehenden Anomalien des Gallengangssystems oder durch Verletzung bei Operationen benachbarter Organe. Weitere Ursachen umfassen die rezidivierende bakterielle Cholangitis, sklerosierende Cholangitis und chronische Pankreatitis, Traumata und Choledocholithiasis.
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B 1.9 Gallenblase und Gallenwege
왘 Merke. Bis zum Beweis des Gegenteils hat jede Gallengangsstenose als maligne zu gelten.
479 왗 Merke
Das Gallensekret besitzt eine fibrosierende Wirkung auf normales Gewebe. Kommt es bei Verletzung des Gallengangssystems zum Austritt von Gallensekret, so wird dadurch eine ausgeprägte Narbenbildung induziert, die zu einer Striktur oder Stenosierung führen kann. Weitere Faktoren, wie lokale Ischämie (z. B. als Folge operativer Manipulationen) werden diskutiert.
Durch Verletzungen des Gallengangssystems kommt es zum Austritt von Gallensekret, das eine fibrosierende Wirkung auf Gewebe besitzt. Dadurch wird eine ausgeprägte Narbenbildung induziert.
Klinik: Als Symptome treten in Abhängigkeit vom Stenosierungsgrad ein Ikterus, evtl. mit begleitender Cholangitis (Fieber) und/oder rechtsseitigen Oberbauchschmerzen auf.
Klinik: Ikterus, ggf. mit Fieber (Cholangitis), Oberbauchschmerzen.
Diagnostik: Laborchemisch findet sich in der Regel eine Hyperbilirubinämie mit Erhöhung der γ-GT, AP und LAP, bei bestehender Cholangitis vergesellschaftet mit Leukozytose und Transaminasenerhöhung. Bei segmentaler Obstruktion kann auch nur eine anikterische Cholestase bestehen. Wegweisend ist meist die Anamnese mit vorausgegangener Operation an den Gallenwegen. Die Diagnosesicherung erfolgt primär durch die Sonographie, um die aufgeweiteten Gallengänge nachzuweisen, des Weiteren durch ERCP. Die wichtigste Information zur Planung des chirurgischen Vorgehens ist die Darstellung der proximalen Ausdehnung der Striktur.
Diagnostik: Es finden sich eine Hyperbilirubinämie, Erhöhung der γ-GT, AP und LAP, bei bestehender Cholangitis auch eine Leukozytose und Transaminasenerhöhung. Bei segmentaler Obstruktion kann eine anikterische Cholestase bestehen. Die Diagnose wird durch die Sonographie und ERCP gestellt.
Therapie: Die Behandlung biliärer Strikturen beginnt mit der Prävention derselben. Ist es zur Ausbildung einer Striktur gekommen, sollte diese primär beseitigt werden. Bei operationsbedingten Strikturen kann versucht werden, durch endoskopische Einlage eines Stents eine Dilatation der Striktur zu erreichen. Bei erfolgloser Dilatation und kurzstreckigen Stenosen kann eine Resektion der Stenose und direkte End-zu-End-Anastomosierung beider Teile des Gallenganges möglich sein. Befindet sich die Stenose im Bereich der Hepatikusgabel, so ist die Anlage einer biliodigestiven Anastomose erforderlich (s. S. 462). Zu beachten ist hierbei die komplette Drainage aller Segmentgallengänge. Langstreckige Stenosen erfordern ebenfalls eine biliodigestive Anastomose.
Therapie: Bei Ausbildung einer Striktur sollte diese frühestmöglich beseitigt werden, entweder durch Einlage eines Stents, durch Resektion der Striktur oder durch Anlage einer biliodigestiven Anastomose.
Komplikationen: Unbehandelt führt eine prolongierte biliäre Obstruktion zum Auftreten einer sekundären biliären Zirrhose und damit zur Leberinsuffizienz. Auch nach Anlage einer biliodigestiven Anastomose kann es zum wiederholten Auftreten von aszendierenden Cholangitiden kommen. Ferner kann sich bedingt durch die Narbenbildung eine erneute Stenose entwickeln.
Komplikationen: Es kann sich eine sekundäre biliäre Zirrhose entwickeln.
1.9.10 Papillenstenose
1.9.10 Papillenstenose
왘 Definition. Die Papillenstenose ist eine Verengung der Papilla Vateri.
왗 Definition
Ätiopathogenese: Papillenstenosen können entweder idiopathischer Genese (Papillensklerose, Adenomyomatose) sein oder durch chronisch entzündliche Veränderungen sekundär hervorgerufen werden: Wie z. B. Steinabgang, Pankreatitis oder peptisches Ulkus. Z. T. ist die Papillenstenose assoziiert mit rekurrierender Pankreatitis oder aszendierender Cholangitis. Diskutiert wird auch das Auftreten von Papillenstenosen nach vorausgegangener chirurgischer Bougierung der Papille im Rahmen einer Choledochusrevision.
Ätiopathogenese: Unterschieden werden Papillenstenosen idiopathischer Genese von sekundär durch chronisch entzündliche Veränderungen hervorgerufenen Papillenstenosen.
Klinik: Charakteristischerweise findet man bei den Patienten rekurrierend auftretende Episoden starker, rechtsseitiger Oberbauchschmerzen, häufig vergesellschaftet mit subfebrilen Temperaturen und eine tastbare Resistenz im rechten Oberbauch. Die Klinik ist der des distalen Choledochusverschlusses vergleichbar, oft besteht eine begleitende Pankreatitis.
Klinik: Man findet rekurrierende Episoden mit starken Oberbauchschmerzen, häufig subfebrile Temperaturen und eine tastbare Resistenz im rechten Oberbauch.
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480
B 1 Viszeralchirurgie
Diagnostik: Die Laborparameter, ebenso wie Abdomensonographie und CT, sind häufig unauffällig. Die Diagnosestellung erfolgt durch ERCP und durch Ausschluss anderer Erkrankungen.
Diagnostik: Nur in 20 % findet man eine Erhöhung der Leber- und Pankreasenzyme, assoziiert mit den Schmerzattacken. Ein Ikterus kann vorliegen. In 15 % ist eine Erweiterung des Gallen- und/oder Pankreasganges nachweisbar. Häufig zeigen Abdomensonographie und CT keine Erweiterung des Gallen- und Pankreasganges. Die Diagnosestellung erfolgt durch ERCP.
Therapie: Endoskopische Papillotomie (S. 258).
Therapie: Die Therapie der Papillenstenose ist die primär endoskopische Papillotomie (S. 258).
Komplikationen: Narbige Veränderungen, Pankreatitiden, Cholangitiden.
Komplikationen: Als Komplikationen kann es zum Wiederauftreten narbiger Strikturen kommen. Des Weiteren können Pankreatitiden und Cholangitiden auftreten.
1.9.11 Tumoren der Gallenblase und
Gallenwege Benigne Tumoren 왘 Definition
1.9.11 Tumoren der Gallenblase und Gallenwege Benigne Tumoren 왘 Definition. Benigne Tumoren der Gallenblase und Gallenwege sind sehr sel-
ten. Meistens handelt es sich um tubulovillöse Adenome (Papillome), gefolgt von Adenomyomen oder Myoblastomen. Die Adenome können in Karzinome übergehen (Abb. B-1.186). Klinik: Benigne Gallenblasentumoren werden meistens zufällig bei Ultraschalluntersuchungen entdeckt. Selten verursachen sie eine Symptomatik. Gallengangstumoren manifestieren sich durch das Auftreten eines Ikterus.
Klinik: Die benignen Tumoren der Gallenblase verursachen selten eine Symptomatik. Sie werden fast immer als Zufallsbefund im Rahmen einer Ultraschalluntersuchung des Oberbauches entdeckt. Benigne Tumoren der Gallenwege manifestieren sich erst bei obstruierendem Wachstum durch das Auftreten eines Ikterus.
Diagnostik: Sie umfasst ERC, Sonographie, CT und ggf. MRT.
Diagnostik: Die wichtigste Untersuchung ist die ERC, die das Ausmaß der Tumorausdehnung und seine Lokalisation innerhalb des Gallenwegssystems nachweist. Zur weiteren Abklärung erfolgt präoperativ die Durchführung einer CT sowie ggf. MRT (S. 456).
Therapie: Bei Gallenblasentumoren erfolgt die Cholezystektomie, bei Gallengangstumoren die vollständige Resektion des betroffenen Gangabschnittes.
Therapie: Die Therapie der Wahl ist bei den gutartigen Neubildungen der Gallenblase die Cholezystektomie, die insbesondere dann angezeigt ist, wenn nach einer dreimonatigen sonographischen Kontrolle eine Größenzunahme des Befundes nachweisbar ist. Benigne Tumoren der Gallenwege müssen vollständig reseziert werden, wobei die Resektionsverfahren abhängig von der Lokalisation sind und dem Vorgehen bei Malignomen entsprechen.
Prognose: Bei vollständiger Entfernung des betroffenen Gangabschnittes ist die Prognose gut.
Prognose: Die Prognose ist bei vollständiger Entfernung des betroffenen Gallengangsabschnittes gut, bei unvollständiger Entfernung besteht die Gefahr des Auftretens eines Rezidives mit erneuter Obstruktion sowie die Möglichkeit der Entwicklung eines Karzinoms.
B-1.186
B-1.186
Papillomatose Ausgedehnte Papillomatose der Gallenblase.
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B 1.9 Gallenblase und Gallenwege
Maligne Tumoren 왘 Definition. Adenokarzinome machen über 95 % der Tumoren der extrahepati-
481 Maligne Tumoren 왗 Definition
schen Gallenwege aus. Während Gallenblasenkarzinome hauptsächlich bei weiblichen Patienten älter als 50 Jahre (w:m = 3:1) beobachtet werden, finden sich Gallengangskarzinome etwas häufiger bei Männern (w:m = 1:1,2). Eine gleichzeitig vorliegende Cholelithiasis kann bei Gallenblasenkarzinomen in 70 – 98 % und bei Gallengangskarzinomen in 26 – 50 % der Fälle nachgewiesen werden. Ätiopathogenese: Kausale Faktoren, die die Entstehung eines Gallenwegskarzinoms begünstigen, sind bisher nicht nachgewiesen. Die enge Assoziation zwischen Gallenblasensteinen und Gallenblasenkarzinom lässt allerdings vermuten, dass Gallensteine die Entwicklung von Tumoren begünstigen. Einige Erkrankungen (z. B. Choledochuszyste) stellen Risikofaktoren für die Entwicklung von Gallenwegskarzinomen dar. Äußerst selten ist die Entwicklung von atypischen papillären Epithelproliferationen im extra- und intrahepatischen Gangsystem (diffuse, biliäre Papillomatose).
Ätiopathogenese: Kausale Faktoren, die die Entstehung eines Gallenwegskarzinoms begünstigen, sind bisher nicht nachgewiesen.
Klinik: Klinisch manifestieren sich die extrahepatischen Gallenwegskarzinome meist erst im fortgeschrittenen Stadium. Bei Patienten mit Gallenblasenkarzinomen stehen dann unspezifische Symptome (Oberbauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsverlust) im Vordergrund. Ein Ikterus tritt erst bei Tumorinfiltration und Verschluss des Ductus choledochus auf. Frühe Stadien des Gallenblasenkarzinoms werden nur inzidenziell entdeckt, wenn im Rahmen einer Cholezystektomie wegen symptomatischer Cholelithiasis die histologische Untersuchung des Präparates ein Karzinom nachweist. Bei den extrahepatischen Gallenwegskarzinomen ist der progrediente schmerzlose Ikterus das Leitsymptom, welches insbesondere bei Karzinomen der Hepatikusgabel (sog. Klatskin-Tumoren) mit Tumorwachstum sowohl im Bereich des rechten wie linken Gallenganges/Leber häufig auf ein fortgeschrittenes Stadium hinweist.
Klinik: Klinisch manifestieren sich Gallenwegskarzinome meist erst im fortgeschrittenen Stadium. Bei Gallenblasentumoren stehen unspezifische Oberbauchsymptome im Vordergrund, bei Gallengangstumoren das Auftreten eines schmerzlosen Ikterus.
Gallenblasenkarzinom
Gallenblasenkarzinom
Diagnostik: Bei allen Patienten mit einem vermuteten Gallenblasenkarzinom muss eine Ultraschall- und computertomographische Untersuchung des Abdomens erfolgen, um die Tumorausdehnung zu bestimmen. Lässt sich mit diesen Untersuchungen eine Tumorinfiltration/Metastasierung in beiden Leberlappen nachweisen, so liegt ein nicht resektables Tumorstadium vor (Abb. B-1.187).
Diagnostik: Oberbauchsonographie und CT dienen der Bestimmung der Tumorausdehnung bzw. Metastasierung (Abb. B-1.187).
B-1.187
Gallenblasenkarzinom
a CT. b Intraoperativer Befund. Ausgedehntes Gallenblasenkarzinom mit Leberinfiltration und peritumorösen Metastasen (?).
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482
B 1 Viszeralchirurgie
Eine ERC wird zum Nachweis/Ausschluss einer Gallengangsbeteiligung durchgeführt.
In allen anderen Fällen sollte vor der chirurgischen Resektion eine ERC durchgeführt werden, um eine Gallengangsbeteiligung zu erfassen.
Therapie: Frühe Tumorstadien (T1 und T2) werden durch Cholezystektomie, Resektion der angrenzenden Leberabschnitte und Lymphadenektomie des Lig. hepatoduodenale therapiert.
Therapie: Das Ausmaß der chirurgischen Resektion richtet sich nach dem Tumorstadium. Bei allen T1- und T2-Tumoren (meist Zufallsbefunde nach Cholezystektomie, Infiltration der Mukosa/Submukosa bzw. Subserosa/Serosa) sollte eine Nachresektion erfolgen, bei der bei T1-Tumoren 2 – 3 cm des die Gallenblase umgebenden Lebergewebes entfernt werden bzw. bei T2-Tumoren eine vollständige Resektion der Lebersegmente IV und V erfolgt. In beiden Fällen sollte eine Lymphadenektomie des Lig. hepatoduodenale ggf. bis zum Truncus coeliacus durchgeführt werden. Fortgeschrittene Tumorstadien (T3- bzw. T4-Tumoren mit Infiltration der Leber oder anderer Organe) weisen meist schon eine Lymphknotenmetastasierung auf. Die Therapie besteht bei auf den rechten Leberlappen beschränktem Wachstum in einer Leberteilresektion und Lymphadenektomie, ggf. in Kombination mit der Resektion infiltrierter Organe (z. B. rechte Kolonflexur).
Bei fortgeschrittenem Tumorwachstum (T3 und T4) erfolgt eine ausgedehnte Leberresektion und ggf. die Resektion infiltrierter Organe (z. B. rechte Kolonflexur).
Prognose: Da sich die Tumoren spät manifestieren und keine adjuvanten Therapieverfahren zur Verfügung stehen, ist die Prognose schlecht. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt in größeren Statistiken bei 5 %.
Prognose: Wegen der zumeist späten Manifestation ist die Prognose des Gallenblasenkarzinoms schlecht. Die allgemeine kurative Resektionsrate liegt bei 10 – 20 %; in weiteren 20 – 30 % kann eine palliative Resektion erfolgen. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt in größeren Statistiken bei 5 %. Adjuvante Therapieverfahren (Chemo-/Strahlentherapie) haben bisher keinen Stellenwert in der Behandlung des Gallenblasenkarzinoms.
Gallenwegskarzinome
Gallenwegskarzinome
Klassifikation: Entsprechend ihrer Lokalisation unterscheidet man Tumoren des oberen, mittleren und unteren Drittels (Abb. B-1.188).
Klassifikation: Nach der anatomischen Lokalisation und dem sich daraus ergebenden Resektionsverfahren unterteilt man die Gallenwegskarzinome in (Abb. B-1.188): ■ Tumoren des oberen Drittels (Hepatikusgabel-Einmündung Ductus cysticus = Klatskin-Karzinom) ■ Tumoren des mittleren Drittels (Einmündung des Ductus cysticus – Oberkante Duodenum) und ■ Tumoren des unteren Drittels (Oberkante des Duodenums – Papille).
Diagnostik: Mittels ERC kann die Tumorausdehnung bestimmt werden; bei vollständigem Verschluss des Ganges muss zusätzlich eine PTC durchgeführt werden (Abb. B-1.189).
Diagnostik: Die wichtigste Untersuchung zur Beurteilung der Tumorausdehnung ist die ERC, die bei vollständigem, nicht passierbarem Verschluss der Gallenwege mit einer PTC (perkutane transhepatische Cholangiographie) kombiniert werden muss, um die Ausdehnung des Tumors nach proximal zu bestimmen (Abb. B-1.189). Wenn möglich, sollte die ERC sofort mit der Einlage einer Pigtaildrainage zur Wiederherstellung des Gallenabflusses kombiniert werden. Bei distal lokalisierten Tumoren kann ferner eine Biopsie aus dem tumorösen Bereich entnommen werden, bei proximal lokalisierten Befunden kann die Entnahme einer Bürstenzytologie versucht werden.
Die ERC sollte in gleicher Sitzung mit der Implantation einer Pigtaildrainage und Gewinnung einer Gewebeprobe/Zytologie kombiniert werden.
B-1.188
B-1.188
Einteilung der Gallenwegskarzinome (Drittelaufteilung)
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B 1.9 Gallenblase und Gallenwege
B-1.189
ERC bei zentralem Gallenwegskarzinom
a Langstreckige Stenose des linken Ductus hepaticus (?) und kurzstreckiger Befall des rechten Ductus hepaticus und der Hepatiskusgabel.
B-1.190
483
b Abbruch des Kontrastmittels (?) im Leberhilus bei nicht passierbarer Stenose und fehlender Darstellung des intrahepatischen Gallenwegssystems.
c Nach PTC Darstellung des dilatierten rechten Gallenwegssystems bei ausgeprägter tumorbedingter Destruktion der zentralen Gallenwege (Darstellung lediglich des Katheters).
MRCP: Zentraler Gallenwegstumor
a
b
c
d
a Fehlende Darstellung der Gallenwege linksbetont im Leberhilus b MRT: Hyperintense Raumforderung im linken Leberlappen bis zur Leberpforte reichend c MRC bei zentralem Gallenwegskarzinom: Kurzstreckige Stenose direkt distal der Hepatikusgabel d MRT: Kleine Raumforderung unterhalb der Hepatikusgabel
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B 1 Viszeralchirurgie
484 B-1.191
Operationssitus bei Gallenwegstumor
a Zentraler Gallengangstumor: D. Choledochus am Duodenum abgesetzt, Arteria hepatica (blaue Zügel) freigelegt, Pfortader lymphadenektomiert (P).
b Nach zentralem Absetzen des Gallenganges werden die 5 Segmentgallengänge vor der Anastomosierung mit einer Dünndarmschlinge mit dünnen Schläuchen markiert.
Computertomographie und Magnetresonanztomographie erfassen die Tumorausdehnung über das Gallenwegssystem hinaus und dienen gleichzeitig dem Nachweis oder Ausschluss von Metastasen. Sowohl computertomographisch als auch mittels Magnetresonanzangiographie (MRA) lassen sich die Gefäße des Truncus coeliacus, (insbesondere die A. hepatica) und die Pfortader darstellen. Wird hier eine Gefäßinfiltration nachgewiesen, bedeutet dies in den meisten Fällen Irresektabilität. Die Magnetresonanztomographie als MRT, MRCP und MRA ist derzeitig das aussagekräftigste Untersuchungsverfahren. Therapie: Tumoren des proximalen und mittleren Drittels werden durch Resektion der extrahepatischen Gallengänge (ggf. inkl. Leberresektion), Tumoren des distalen Drittels durch partielle Duodenopankreatektomie (Whipple-Op) entfernt.
Als palliative Maßnahme kann eine lokale Bestrahlung als Afterloadingtherapie durchgeführt werden.
Zur palliativen Gallenwegsdrainage stehen Pigtailkatheter bzw. die PTD zur Verfügung.
왘 Merke
Therapie: Bei Tumoren des proximalen und mittleren Drittels wird eine vollständige Resektion der extrahepatischen Gallenwege mit ausgedehnter Lymphadenektomie des Lig. hepatoduodenale und Cholezystektomie durchgeführt. Hat ein proximal wachsender Tumor bereits die Leber infiltriert, so wird der Eingriff um eine rechts- oder linksseitige Leberresektion bzw. eine zentrale Leberresektion erweitert. Die Rekonstruktion erfolgt meist über eine Y-Roux-Schlinge, die mit dem/den proximalen Gallenwegsstümpfen anastomosiert wird. Bei distalen Gallenwegskarzinomen wird eine partielle Duodenopankreatektomie mit Lymphadenektomie durchgeführt (Whipple-Op). Als palliative Maßnahme kann bei nicht resektablen Karzinomen eine Afterloadingtherapie versucht werden. Hierzu wird operativ oder perkutan ein/mehrere Führungskatheter in den Gallengang eingelegt, über den später die lokale Bestrahlung mit der Strahlenquelle (Iridium) erfolgt. Hierdurch kann in einigen Fällen der Gallenabfluss temporär wiederhergestellt werden. In jedem Fall sollte eine Entlastung der gestauten Gallenwege angestrebt werden. Dieses ist entweder endoskopisch über eine Pigtaildrainage oder perkutan möglich. Perkutan gelegte Drainagen können entweder nach außen abgeleitet oder über die Stenose bis in den Dünndarm vorgeschoben werden, sodass eine innere Gallenableitung erfolgt. Ein neues (palliatives) Therapieverfahren ist die photodynamische Therapie (PDT), bei der ein Photosensitizer i. v. appliziert wird, der sich in den malignen Zellen anreichert. Via ERCP erfolgt dann über einen speziellen Lichtleiter die Photoaktivierung, wodurch eine Tumorzellnekrose induziert wird. Das Verfahren wird mit einer Stenteinlage kombiniert und muss alle 3 – 6 Monate wiederholt werden. 왘 Merke. Der in den meisten Fällen extreme, therapieresistente Juckreiz ist nur durch Ableitung der Galle zu lindern. Wegen der schweren Beeinträchtigung der Lebensqualität ist dies die vordringlichste Palliativmaßnahme.
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B 1.9 Gallenblase und Gallenwege
485
Prognose: Da zentrale Gallenwegskarzinome zum Zeitpunkt ihrer Manifestation (Ikterus) häufig bereits beide Ductus hepatici, das umgebende Leberparenchym, die Pfortader und die A. hepatica infiltriert haben, liegt die Resektabilitätsrate bei 30 – 50 %, die 5-Jahres-Überlebensrate bei 10 – 20 %. Tumoren des mittleren und distalen Drittels weisen eine etwas bessere Resektabilitätsrate sowie Überlebensrate auf. Adjuvante Therapieverfahren wie Chemo- oder perkutane Bestrahlungstherapie können die Prognose bisher nicht beeinflussen.
Prognose: Da häufig zum Zeitpunkt der Manifestation bereits ein infiltrierendes Wachstum, besonders bei zentralen Tumoren, vorliegt, ist die Prognose insgesamt schlecht. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei 10 – 20 %.
1.9.12 Papillentumoren
1.9.12 Papillentumoren
Benigne Tumoren
Benigne Tumoren
왘 Definition. Die benignen Tumoren der Papille (Papilla Vateri) sind tubuläre
왗 Definition
oder tubulovillöse Adenome. Sie werden gelegentlich als Zufallsbefund im Rahmen einer Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) entdeckt. Klinik: Große Adenome können bei Verlegung der Papille einen Ikterus verursachen bzw. bei Obstruktion des Duodenums die Symptome einer Magenausgangsstenose hervorrufen.
Klinik: Große Tumoren können einen Ikterus bzw. Symptome einer Magenausgangsstenose bedingen.
Diagnostik: Die wichtigste Untersuchung ist die ÖGD, bei der aus dem tumorösen Bereich sofort Biopsien entnommen werden sollten bzw. das Adenom sofort vollständig abgetragen wird. Eine ERCP muss zum Ausschluss/Nachweis einer Beteiligung des Gallengangsund Pankreasgangssystems erfolgen, wobei bei ikterischen Patienten in gleicher Sitzung die Entlastung des Gallengangs durch Implantation eines Pigtailkatheters erfolgt.
Diagnostik: Die Diagnostik umfasst eine ■ ÖGD mit Biopsien (ggf. vollständige Abtragung des Tumors) ■ ERCP und ■ Endosonographie.
B-1.192
a
c
Papillenadenome
b
a Z.n. Duodenotomie und Choledochotomie mit Sondierung des Gallenganges und der Papille bei großem Adenom peripapillär. b Z.n. Duodenotomie und Resektion eines großen Papillenadenoms. Pigtailkatheter sind noch im D. choledochus (grün) und D. pancreaticus (weiß) belassen, vor Anastomosierung der Gänge mit der Duodenalwand. c Kontrollendoskopie 6 Monate nach Resektion eines Papillenadenoms und Reimplantation des D. choledochus und D. pancreaticus.
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486
B 1 Viszeralchirurgie
Bei großen Befunden sollte zum Ausschluss eines invasiven Wachstums eine Endosonographie durchgeführt werden (S. 259). Therapie: Kleine Adenome können endoskopisch abgetragen werden. Bei großen Adenomen erfolgt die lokale Resektion über eine Duodenotomie (Abb. B-1.192).
Therapie: Kleinere Adenome können endoskopisch abgetragen werden. Bei großen Adenomen erfolgt die chirurgische Resektion, wobei die Papillenregion über eine Längsduodenotomie erreicht wird. Hilfreich ist es, wenn zuvor endoskopisch der Gallen- und Pankreasgang mit Pigtailkathetern geschient wurde (Abb. B-1.192). Das Adenom wird dann vollständig reseziert, die beiden Gänge in die Duodenalwand reimplantiert und die Duodenotomie verschlossen. Das Präparat wird zur intraoperativen Schnellschnittuntersuchung eingesandt, da im Falle einer malignen Entartung der Eingriff als partielle Duodenopankreatektomie fortgeführt werden muss.
Prognose: Bei vollständiger Entfernung gut.
Prognose: Bei vollständiger Entfernung ist die Prognose gut, ansonsten muss mit einem Rezidiv gerechnet werden.
Maligne Tumoren
Maligne Tumoren
왘 Definition
왘 Definition. Der weitaus häufigste Tumor der Papille ist das Adenokarzinom. Dieses kann auch aus einem Adenom hervorgehen. Aufgrund der früh auftretenden Verschlusssymptomatik (Ikterus) sind die Malignome in den meisten Fällen resektabel.
Diagnostik: ■ ERCP und Biopsie (Abb. B-1.193). ■ Endosonographie. ■ Oberbauchsonographie und CT. ■ MRC (alternativ).
Diagnostik: ■ Eine ERCP zur Beurteilung der Ausdehnung des Tumors im Bereich des distalen Gallen- und Pankreasganges (Abb. B-1.193) kombiniert mit einer Biopsie zur Verifizierung der Verdachtsdiagnostik: Beim ikterischen Patienten wird der Gallengang in gleicher Sitzung mittels Pigtaildrainage entlastet. ■ Eine Endosonographie kann zur Bestimmung der Invasionstiefe (S. 259) durchgeführt werden. ■ Oberbauchsonographie und CT dienen dem Ausschluss einer Metastasierung. ■ Mittels MRC können alternativ Veränderungen an den Gallengängen nachgewiesen werden.
Therapie: Bei resektablen Tumoren erfolgt eine partielle Duodenopankreatektomie mit Lymphadenektomie, bei nicht resektablen Tumoren die Anlage einer biliodigestiven Anastomose und Gastroenterostomie.
Therapie: Bei allen nicht metastasierten Tumoren wird eine partielle Duodenopankreatektomie mit radikaler Lymphadenektomie durchgeführt. Als palliative Maßnahme bei nicht resektablen Tumoren erfolgt eine Gallenableitung durch Anlage einer biliodigestiven Anastomose kombiniert mit der Anlage einer Gastroenterostomie (GE). Bei allgemeiner Inoperabilität ist die alleinige Pigtaildrainage zur Wiederherstellung des Gallenabflusses indiziert. Adjuvante Therapien (Chemo-Strahlentherapie) haben keinen Stellenwert in der Behandlung des Papillenkarzinoms.
B-1.193
B-1.193
ERCP zur Tumordiagnostik ERCP mit Nachweis einer papillennahen Stenose des Gallen- und Pankreasganges (?) mit Dilatation beider Gangsysteme.
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B 1.10 Leber
B-1.194
487
MRCP: Gestaute Gallenwege bei kurzstreckiger präpapillärer Stenose ohne Aufstau des Pankreasganges
Prognose: Aufgrund der meistens frühen Manifestation liegt die Resektabilitätsrate der Papillenkarzinome mit ca. 75 % deutlich höher als die der Gallengangsund Pankreaskopfkarzinome. Bei kurativer Resektion (partielle Duodenopankreatektomie) wird eine 5-JahresÜberlebensrate von ca. 40 % erreicht.
1.10 Leber
B-1.194
Prognose: Die Resektabilitätsrate liegt bei 75 %, die 5-Jahres-Überlebensrate bei 40 %.
1.10
Leber
Felix Braun, Dieter Bröring, Martin Heller, Bernd Kremer
1.10.1 Anatomie der Leber
1.10.1 Anatomie der Leber
Die Leber als größtes parenchymatöses Organ des Menschen macht bei der Geburt etwa 5 % und beim Erwachsenen 2,5 % des Körpergewichtes aus. Ihr Gewicht beträgt beim Erwachsenen durchschnittlich 1,5 kg. Größe. Die geschützte Lage im rechten Subphrenium und die potenzielle Regenerationsfähigkeit unterstreichen ihre lebenswichtige Funktion. Der intraabdominelle Druck sowie die Ligg. coronaria (Umschlag des parietalen zum viszeralen Peritonealblatt der Leber) fixieren die Leber im rechten Oberbauch, dabei projiziert sich ventral die rechte Leberkuppe auf den proximalen Rand der V. Rippe und der proximale Rand des linken Leberlappens auf die VI. Rippe. Die Ligg. coronaria sind beidseits im Bereich des lateralen Umschlags von der ventralen zur viszeralen Seite der Leber verstärkt und bilden hier die Ligg. triangularia dexter und sinister. Das Lig. falciforme trennt anatomisch den rechten vom linken Leberlappen, zieht ventral zur Bauchdecke und bildet sich kranial aus der Zwerchfellaufhängung der Ligg. coronaria und geht kaudal in das Lig. teres hepatis über, welches sich mit der Chorda venae umbilicalis bis zum Nabel erstreckt. Entwicklungsgeschichtlich beinhaltet das Ligamentum teres hepatis die Umbilikalvene. Diese kann bei portaler Hypertension rekanalisiert werden, wobei diese aus dem linken Pfortaderast gespeist wird. Bei einer medianen Laparotomie sollte der Nabel deshalb immer linksseitig umschnitten werden. Die Blutversorgung der Leber erfolgt zum einen aus der A. hepatica und zum anderen aus der Pfortader. Der Anteil der arteriellen Durchblutung macht beim Gesunden etwa 1/3 und der Anteil der portalen Blutversorgung etwas 2/3 des Gesamtblutdurchflusses von ca. 25 % des Herzzeitvolumens (1500 ml/min) aus. Der venöse Abfluss der Leber erfolgt über den rechten, medianen und linken Lebervenenstamm subdiaphragmal direkt in die V. cava inferior. Neben den 3 großen Lebervenen existiert eine variable Anzahl kleiner Lebervenen, über die insbesondere der Lobus caudatus in die V. cava drainiert.
Das Gewicht der Leber entspricht bei der Geburt 5 % und im Erwachsenenalter 2,5 % des Körpergewichtes.
Die Fixation der Leber im rechten Oberbauch erfolgt durch die Ligg. coronaria (= peritonealer Umschlag), die Ligg. triangularia, das Lig. falciforme und das Lig. teres sowie den intraabdominellen Druck.
Die Blutversorgung der Leber erfolgt zu über die A. hepatica und zu 2/3 über die Pfortader. Unmittelbar subphrenisch drainieren die rechte, mediane und linke Lebervene direkt in die V. cava inferior. 1/ 3
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488
B 1 Viszeralchirurgie
Nach Couinaud werden an der Leber 8 Segmente unterschieden, die je von einem separaten Gallengang, Arterien- und Pfortadersegmentast und einer Segmentvene versorgt bzw. drainiert werden. Entsprechend ihrer Versorgung durch die rechte oder linke Leberarterie bzw. den rechten oder linken Pfortaderstammast werden die Segmente I–IV der linken Leberhälfte und die Segmente V–VIII der rechten Leberhälfte zugerechnet.
Entsprechend der segmentalen Versorgung durch je einen Gallengang, Pfortader- und Arterienast werden nach Couinaud an der Leber 8 Segmente unterschieden (Abb. B-1.195). Die Segmente I–IV bilden die linke Leberhälfte und werden von der linken Leberarterie und dem linken Pfortaderstammast versorgt. Entsprechend werden die Lebersegmente V–VIII, die die rechte Leberhälfte bilden, von der rechten Leberarterie und dem rechten Pfortaderstammast versorgt. Die Galledrainage des linken Leberlappens erfolgt über den linken Hauptgallengang und entsprechend die des rechten Leberlappens über den rechten Hauptgallengang. Das Lebersegment IV kann aufgrund seiner Gefäßversorgung und Gallenwegsdrainage in ein oberes und unteres Subsegment (Segment IVa und IVb) unterteilt werden. Es sei jedoch auf anatomische Variationen der Leberarterien und Gallenwege hingewiesen, die bei leberchirurgischen Eingriffen entsprechend berücksichtigt werden müssen. Die Grenze zwischen rechter und linker Leberhälfte bildet der Sulcus medialis, welcher vom Gallenblasenbett zum rechten Rand der V. cava zieht und auch als Cantlie-Linie bezeichnet wird (Abb. B-1.196).
B-1.195
B-1.196
Segmentale Aufteilung der Leber nach Couinaud
B-1.196
Anatomische und chirurgische Lebergrenzen zur Definition der Leberresektion
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B 1.10 Leber
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1.10.2 Pathophysiologie der Leber
1.10.2 Pathophysiologie der Leber
Die Leber repräsentiert das zentrale Stoffwechselorgan des Organismus. Die wesentlichen Leberfunktionen können wie folgt zusammengefasst werden: ■ Speicherfunktion: In der Leber werden Glykogen und Fett (Glukoneogenese, Fettsäureoxidation), Vitamine sowie andere Substanzen wie z. B. für die Blutbildung oder Regeneration gespeichert. ■ Syntheseleistung/Metabolismus: Die Leber synthetisiert Plasmaproteine (Albumin, Gerinnungsfaktoren, Cholinesterase, Transferrin), Cholesterin, Gallensäuren und Harnstoff. Eng verbunden mit dieser Syntheseleistung sind metabolische Stoffwechselleistungen wie Proteolyse und Lipolyse sowie ein der Entgiftung dienender Metabolismus. ■ Entgiftungsfunktion: Giftstoffe werden in der Leber durch Oxidierung und Glukuronierung metabolisiert und in wasserlöslicher Form (z. B. Koppelung an Sulfat = Steroidhormone) in der Galle ausgeschieden. Weiterhin werden Schadstoffe dem Blut durch die Phagozytose der KupfferSternzellen entzogen. ■ Exkretionsfunktion: Die Leber produziert täglich 500 – 1500 ml Galle, die über die Gallenwege ausgeschieden wird. Die Galle enthält Gallensäuren, Bilirubin, Cholesterin, Phospholipide, Medikamente und Metabolite.
Wesentliche Funktionen: ■ Speicherfunktion: Speicherung von Glykogen, Fett, Vitaminen und anderen Substanzen (z. B. für Blutbildung und Regeneration). ■ Synthese/Metabolismus: Bildung von Plasmaproteinen, Cholesterin, Gallensäuren und Harnstoff. Eng damit verknüpft sind metabolische Leistungen wie Proteolyse und Lipolyse. ■ Entgiftungsfunktion: Giftstoffe werden metabolisiert (Oxidierung, Glukuronierung), in eine wasserlösliche Form überführt und mit der Galle ausgeschieden. ■ Exkretion: 500 – 1500 ml Galle/d. Sie enthält Gallensäuren, Bilirubin, Cholesterin, Phospholipide, Medikamente, Metabolite.
Aufgrund der Komplexität und Heterogenität der Leberfunktionen kann ihre Funktion von keinem anderen Organ kompensatorisch übernommen werden. Der komplette Funktionsausfall führt unbehandelt (ohne Lebertransplantation) zwangsläufig zum Tode. Der partielle, komplette oder nahezu komplette Ausfall der Leberfunktion (z. B. bei der fulminant verlaufenden HBV-Infektion, beim primären Transplantatversagen nach Lebertransplantation oder auch nach ausgedehnten Leberresektionen) ist deshalb ein gefürchtetes, immer lebensbedrohliches Krankheitsbild. Aus der Funktion der Leber können das klinische Bild und der Verlauf des Leberausfalls mit Hypoglykämie, Absinken des Harnstoffspiegels und der Cholinesterase, Anstieg des Bilirubins und Ammoniaks, zunehmender Blutgerinnungsstörung bei Abnahme der „leberabhängigen“ Gerinnungsfaktoren abgeleitet werden. Die terminale Situation der persistierenden Leberinsuffizienz ist gekennzeichnet von Niereninsuffizienz (hepatorenales Syndrom), respiratorischer und kardialer Insuffizienz und Hypothermie. Durch supportive Therapie der Einzelfunktionen wie Gabe von Frischplasma und Gerinnungsfaktoren, „titrierter“ Glukosezufuhr, Hämofiltration, Leber-AlbuminDialyse, Beatmung und medikamentöser Kreislaufunterstützung kann ein Funktionsausfall der Leber auf Zeit überbrückt werden, bis sich entweder die Funktion durch Regeneration des Leberparenchyms erholt oder der Patient im Rahmen eines Transplantationsprogramms lebertransplantiert werden kann. Künstliche Leberersatzverfahren wie die Leber-Albumin-Dialyse (z. B. MARSoder Prometheus-Verfahren) können unterstützend zur Entgiftung eingesetzt werden. Bislang existiert jedoch noch kein Leberersatzverfahren welches gleichzeitig die Synthese- und Entgiftungsfunktion der Leber ersetzt.
Die Funktion der Leber ist vital essenziell und kann von keinem anderen Organ kompensiert werden. Ein partieller oder totaler Funktionsausfall der Leber ist immer lebensbedrohlich. Die klinische Symptomatik der Leberinsuffizienz ergibt sich aus der physiologischen Funktion: Abfall von: ■ Blutzucker ■ Harnstoff ■ Gerinnungsfaktoren ■ Cholinesterase. Anstieg von: ■ Ammoniak ■ Bilirubin ■ Endotoxinen. Terminales Stadium: ■ Niereninsuffizienz ■ respiratorische Insuffizienz ■ Herzinsuffizienz ■ Hypothermie. Therapie: Unterstützung der Einzelfunktionen: Frischplasma, Gerinnungsfaktoren, adaptierte Glukosezufuhr, Hämofiltration, Leber-Albumin-Dialyse (z. B. MARS- oder Prometheus-Verfahren), Beatmung, Katecholamine. Falls die Regeneration der Eigenleber ausbleibt, ist eine Lebertransplantation indiziert.
1.10.3 Diagnostik
1.10.3 Diagnostik
Anamnese und klinische Untersuchung
Anamnese und klinische Untersuchung
Anamnese: Um eine gründliche Anamnese erheben zu können, muss der Untersucher das Spektrum möglicher Erkrankungen und deren Ursachen vor Augen haben, da gerade in der Diagnostik von Lebererkrankungen richtig gestellte Fragen zu wegweisenden Hinweisen führen können:
Um bei der Anamneseerhebung zielgerichtete Fragen stellen zu können, muss der Untersucher das Spektrum möglicher Lebererkrankungen vor Augen haben.
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490
B 1 Viszeralchirurgie
Verdachtsdiagnose: Virushepatitis, Leberzirrhose oder Verschlussikterus ? Fragen nach: Müdigkeit, Leistungsknick, Übelkeit, Juckreiz, Ikterus, Dunkelfärbung des Urins, Hellfärbung des Stuhls, Alkoholkonsum, Kontakt zu Personen mit infektiöser Hepatitis, Auslandsreisen, Schmerzen und Bluterbrechen. Verdachtsdiagnose: primäre oder sekundäre Lebertumoren ? Fragen nach: Druckgefühl, Schmerzen im rechten Oberbauch, schnellem Völlegefühl nach dem Essen, bekannter Leberzirrhose, vorausgegangenen Operationen, Kontrazeptiva.
Verdachtsdiagnose: Virushepatitis, Leberzirrhose, Verschlussikterus ? Fragen nach: Müdigkeit und Leistungsknick, Übelkeit und Juckreiz, Ikterus, Verfärbung von Stuhl (hell) und Urin (dunkel), Alkoholkonsum, Kontakt zu Patienten mit infektiöser Hepatitis, Auslandsreisen in Länder mit erhöhtem Infektionsrisiko, Schmerzen in Verbindung mit dem Auftreten des Ikterus (DD: Stein/Tumor), Bluterbrechen bei Ösophagusvarizen. Verdachtsdiagnose: Primäre und sekundäre Lebertumoren ? Fragen nach: Druckgefühl oder Schmerzen im rechten Oberbauch (nur wenn die Raumforderung in der Leber so groß ist, dass die Leberkapsel unter Spannung gerät), frühem Völlegefühl nach dem Essen (Raumforderung besonders in der linken Leber mit Verdrängung des Magens), Alkoholkonsum oder durchgemachter HBV-/HCV-Infektion mit bekannter Leberzirrhose (erhöhtes HCC-Risiko), vorausgegangenen Operationen (z. B. Z.n. Operation eines intestinalen Malignoms mit möglicher sekundärer Lebermetastasierung), Kontrazeptivaeinnahme (FNH, Adenom).
Klinische Untersuchung – auf eine Lebererkrankung hinweisende Symptome/Befunde: ■ Inspektion: Foetor ex ore, Ikterus, Kratzspuren der Haut, Spider naevi, Palmarerythem, Caput medusae, Aszites, fehlende Körperbehaarung und Muskelatrophie. ■ Palpation: Größe, Konsistenz und Oberflächenbeschaffenheit der Leber (Leberrand glatt u. scharf oder grobknotig bzw. druckschmerzhaft). ■ Perkussion: Bestimmung der Lebergröße („Leberdämpfung“).
Klinische Untersuchung: Unter der Verdachtsdiagnose einer Lebererkrankung sind folgende Symptome bzw. Befunde besonders zu berücksichtigen: ■ Inspektion: Foetor ex ore, Farbe von Haut und Skleren (Ikterus?), Kratzspuren besonders an den Extremitäten, Vorhandensein von Spider naevi und Palmarerythem, Zeichen eines Umgehungskreislaufes (Caput medusae), Aszites, fehlende Körperbehaarung, Muskelatrophie. ■ Bei der Palpation entspricht der distale Leberrand normalerweise dem Rippenbogen, bei tiefer Inspiration wird der Leberrand unter dem rechten Rippenbogen tastbar und beurteilbar, das heißt: Glatt und scharf = normal; fein- oder grobknotig mit Verplumpung des Randes= Leberzirrhose; Druckschmerzhaftigkeit = Verdacht auf entzündliche Veränderungen oder auch einen Lebertumor. ■ Durch die Perkussion („Leberdämpfung“) wird die Größenbestimmung des Organs vervollständigt.
Labordiagnostik
Labordiagnostik
Die in der Routinelabordiagnostik erfassten Parameter spiegeln im Sinne eines Rasters die wesentlichen Funktionen der Leber wider, wodurch Rückschlüsse auf die Ursachen einer gestörten Funktion möglich sind.
Entsprechend der vielfältigen Funktionen der Leber können „leberspezifische“ Laborparameter Hinweise auf eine z. B. gestörte Exkretions- oder Synthesefunktion geben oder auch den Grad einer entzündungsbedingten Leberzellschädigung widerspiegeln. Die in der Routinelabordiagnostik erfassten Parameter können den verschiedenen grundsätzlichen Leberfunktionen zugeordnet werden und Abweichungen von Normalwerten auf eine Störung dieser speziellen Funktion hindeuten: ■ Speicherfunktion: Für diese Funktion gibt es in der Routinediagnostik keine verwertbaren Parameter. ■ Syntheseleistung: Erniedrigte Werte für Serumalbumin, Cholinesterase (CHE) und Cholesterin, insbesondere in Verbindung mit erniedrigten Werten der „leberabhängigen Gerinnungsfaktoren“ (besonders Faktor II und V und VII weisen auf eine Synthesestörung hin. Der Quickwert (bzw. INR-Wert) als orientierender Parameter lässt bei Ausschluss eines Vitamin-K-Mangels wegen seiner kurzen Halbwertszeit von wenigen Stunden auch kurzfristige Änderungen der Syntheseleistung der Leber erkennen. ■ Entgiftungsfunktion: Bei Verdacht auf eine hier gestörte Funktion (z. B. somnolenter/komatöser Patient) sollte der Ammoniakspiegel bestimmt werden. ■ Exkretionsfunktion: Eine Hyperbilirubinämie in Verbindung mit erhöhten Werten der alkalischen Phosphatase (AP) und der Gamma-Glutamyl-Transpeptidase (γ-GT) kann auf eine gestörte Exkretionsfunktion hinweisen.
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Speicherfunktion: Die Routinediagnostik bietet keine verwertbaren Parameter. Syntheseleistung: Serumalbumin, CHE, Cholesterin und die „leberabhängigen Gerinnungsfaktoren“ mit kurzer Halbwertszeit spiegeln die aktuelle Syntheseleistung der Leber wider.
Entgiftungsfunktion: Eine Störung wird durch den Ammoniakspiegel charakterisiert. Exkretionsfunktion: Erhöhte Bilirubinwerte, in Verbindung mit erhöhten AP und γ-GT weisen auf eine gestörte Funktion hin.
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B 1.10 Leber
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Weitere spezifische Hinweise: – Eine Erhöhung „leberspezifischer“ Enzyme wie der Glutamat-OxalazetatTransaminase (GOT; angloamerikanisches Schrifttum: AST) und der Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT; angloamerikanisches Schrifttum: ALT) weisen auf eine Störung der zellulären Integrität der Leberzelle hin. – Eine Erhöhung der Glutamat-Dehydrogenase (GLDH) im Serum ist hinsichtlich des vorliegenden Zellschadens schwerwiegender einzustufen als ein Anstieg der GOT/GPT. Ein GLDH-Anstieg ist meist Ausdruck einer schweren hypoxischen Leberschädigung mit Zellnekrosen, da das Enzym ausschließlich in den Mitochondrien der Hepatozyten vorkommt.
491 ■
Weitere Hinweise: Pathologische Werte „leberspezifischer“ Enzyme (GOT = AST; GPT = ALT) sind Ausdruck einer gestörten zellulären Integrität der Hepatozyten. Da die GLDH zellulär in den Mitochondrien lokalisiert ist, spiegelt eine Serum-GLDHErhöhung eine schwerwiegende Zellschädigung wider.
Bildgebende Verfahren
Bildgebende Verfahren
Als „Basisuntersuchung“ eignet sich die Sonographie. Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) sind die wichtigsten Verfahren zur Abklärung von Raumforderungen in der Leber. Durch Kontrastmittelgabe kann die Aussagkraft von CT und MRT erhöht werden. Szintigraphische Verfahren (hepatobiliäre Sequenzszintigraphie, Blutpool-Szintigraphie) sind heute von untergeordneter Bedeutung. Die explorative Laparoskopie aufgrund eines diagnostisch nicht klärbaren Leberbefundes ist heute eine Rarität.
Bildgebende Verfahren sind: ■ Sonographie ■ CT ■ MRT. Szintigraphische Verfahren haben eine untergeordnete Bedeutung. Die explorative Laparoskopie ist eine Rarität.
Sonographie
Sonographie
왘 Merke. Die Sonographie der Leber ist das Verfahren der Wahl zur orientie-
왗 Merke
renden Abklärung – ohne Strahlenbelastung und jederzeit wiederholbar. Der Einsatzbereich der Sonographie umfasst die Beurteilung der Lebergröße (z. B. Hepatomegalie), des Leberparenchyms (Raumforderungen, Steatose, Fibrose, Zirrhose), der intra- und extrahepatischen Gallenwege (Cholestase, Gallengangszysten, Choledocholithiasis, Hepatolithiasis) und der Gallenblase (Cholezystolithiasis, Cholezystitis). Der Nachweis freier intraabdomineller Flüssigkeit (Aszites) erfolgt ebenfalls sonographisch. Weiterhin hat die Sonographie die Peritoneallavage als Untersuchungsverfahren der ersten Wahl beim stumpfen Bauchtrauma mit Verdacht auf eine Leberverletzung abgelöst, da sie z. B. eine Leberruptur direkt oder frisches Blut um die Leber herum nachweisen kann. Die Sicherheit von Punktionen (Aszites) und Drainagen (Abszess) kann durch ultraschallkontrolliertes Einführen der Punktionsnadel erhöht werden. Die farbkodierte Duplex-/Doppler-Sonographie (FKDS) der Leber erlaubt eine Beurteilung der arteriellen Perfusion, des quantitativen und qualitativen (hepatofugal vs. hepatopedal) Pfortaderflusses und der Durchgängigkeit der Lebervenen. Die Flusssignale der FKDS können durch intravenöse Gabe von Kontrastmittel verstärkt werden, welches der besseren Differenzierung von hepatischen Raumforderungen dient. Hepatozelluläre Karzinome zeigen oft eine kräftige arterielle Perfusion bei der kontrastmittelverstärkten FKDS.
Beurteilt werden können: ■ Lebergröße ■ Leberparenchym (Steatose, Raumforderung) ■ intra- und extrahepatische Gallenwege (Cholestase) ■ Gallenblase (Steine) ■ freie Flüssigkeit intraabdominell (Trauma, Aszites).
Computertomographie (CT)
Computertomographie (CT)
Der diagnostische Schwerpunkt der CT ist die Abklärung primärer und sekundärer Lebertumoren. Im Rahmen der (Poly-) Traumadiagnostik ist die CT zum Nachweis oder Ausschluss von Organverletzungen wie z. B. einer Leberruptur ebenfalls indiziert. Bei den genannten Indikationen ist die intravenöse Gabe von Röntgenkontrastmittel obligat. Sie erfolgt als maschinell applizierter Bolus. Je nach Fragestellung sind die arterielle und/oder die portalvenöse Phase zu analysieren, da sich aus dem Perfusionsmuster Rückschlüsse auf einen Tumor ziehen lassen. Gelegentlich sind ergänzende Spätaufnahmen zur differenzialdiagnostischen Ergänzung erforderlich. Mit der CT-Angiographie gelingt darüber hinaus eine Aussage zur topographischen Beziehung eines Tumors zu den großen Gefäßen der Leber (Abb. B-1.197) und damit zur Operabilität bzw. zur Operations- oder Therapieplanung. (z. B. Embolisation vor Operation).
Der wesentliche diagnostische Indikationsbereich der CT betrifft die primären und sekundären Lebertumoren. Neben dem topographischen Nachweis eines Tumors erlaubt das CT bei „klassischem Befund“ auch Rückschlüsse auf die Genese. Die Verbindung mit einem arteriellen oder portalen Kontrastmittel-Bolus lässt Aussagen zur Lagebeziehung eines Tumors zu den großen Gefäßen der Leber zu. Eine weitere Indikation ist die Polytraumadiagnostik zur Erfassung von Parenchymverletzungen der Leber.
Die Sicherheit von Punktionen (Aszites) und Drainagen von Abszessen wird durch ultraschallkontrolliertes Einführen der Punktionsnadel erhöht. Die farbkodierte Duplex-/Doppler-Sonographie (FKDS) dient zur Beurteilung von: ■ Leberarterie ■ Pfortaderfluss ■ Lebervenenfluss. Kontrastmittel erhöhen die Aussagekraft.
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492 B-1.197
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.197
CT der Leber Der zentrale Lebertumor ummauert die Pfortaderaufzweigung.
Magnetresonanztomographie (MRT)
Magnetresonanztomographie (MRT)
Ein wesentlicher Vorteil der MRT ist die fehlende Strahlenexposition. Der diagnostische Indikationsbereich überschneidet sich teilweise mit dem der CT. Durch Veränderung der Untersuchungsparameter und den Einsatz paramagnetischer Kontrastmittel nehmen die Sensitivität und Spezifität der Untersuchung pathologischer Leberbefunde zu.
Die Entwicklungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Magnetresonanztomographie in der Diagnostik pathologischer Befunde der Leber einen ähnlichen Stellenwert einnimmt wie die Computertomographie. Der Vorteil der MRT ist die nicht vorhandene Strahlenexposition. Weiterhin ergeben sich durch spezielle Techniken (T1/T2-Relaxationszeiten) und den Einsatz paramagnetischer Kontrastmittel Möglichkeiten, die Relaxationszeiten zwischen z. B. Tumorgewebe und normalem Lebergewebe so zu verändern, dass eine bessere Kontrastierung resultiert. So können unter bestimmten Voraussetzungen auch Aussagen über die Art einer tumorösen Veränderung in der Leber (z. B. Hämangiom) gemacht werden, sodass sich CT und MRT entsprechend der Fragestellung und Verdachtsdiagnose komplementär ergänzen.
Angiographie
Angiographie
Methoden: ■ Katheterangiographie in Form der digitalen Subtraktionsangiographie (DSA) ■ CT- und MR-Angiographie (CT-A, MR-A).
Folgende Methoden sind zur Darstellung der Lebergefäße verfügbar: ■ Katheterangiographie in Form der digitalen Subtraktionsangiographie (DSA) und ■ CT- und MR-Angiographie (CT-A, MR-A). ■ (Auch mittels Ultraschall lassen sich die Gefäße der Leber abbilden.)
Grundsätzlich ist die Darstellung der arteriellen Strombahn von der des portalen Stromgebietes (indirekte Splenoporto- und Mesenterikoportographie) zu unterscheiden.
Während bei der klassischen Angiographie mittels eines Katheters der Truncus coeliacus, die A. hepatica und andere Arterien zur direkten Kontrastmittelinjektion sondiert werden, lässt sich mit der CT- oder MR-Angiographie die Gefäßsituation nichtinvasiv mit einer intravenösen Kontrastmittelgabe darstellen. Grundsätzlich ist die Darstellung der arteriellen Strombahn von der Darstellung des portalvenösen Gefäßsystems (indirekte Splenoporto- oder Mesenterikoportographie) zu unterscheiden. Die Indikation zur Angiographie der Leber ist immer dann zu stellen, wenn folgende Fragen zu klären sind: ■ Ausmaß und topographische Zuordnung der Blutversorgung eines Lebertumors zu einem Gefäßterritorium. ■ Lage eines Leberherdes zum Gefäßsystem, besonders bei Tumoren im Bereich des Leberhilus oder der Lebervenen (Abb. B-1.198). ■ Abklärung alternativer oder adjuvanter Therapieverfahren wie der lokoregionären Chemotherapie oder Embolisation.
Die Indikation zur Angiographie der Leber ist zur Klärung folgender Fragestellungen geeignet: ■ Ausmaß und topographische Zuordnung der Blutversorgung eines Lebertumors zu einem Gefäßterritorium ■ Beziehung eines Lebertumors zum Gefäßsystem oder Leberhilus (Abb. B-1.198) ■ Abklärung alternativer oder adjuvanter Therapieverfahren. Es besteht jedoch keine Notwendigkeit zur Angiographie vor einem chirurgischen Eingriff an der Leber.
Eine grundsätzliche Indikation zur diagnostischen Angiographie vor einem leberchirurgischen Eingriff zur Abklärung der variablen Gefäßanatomie besteht nicht, da diese durch entsprechende intraoperative Präparation immer dargestellt werden kann.
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B 1.10 Leber
B-1.198
493
Angiographie der Leber
B-1.198
Darstellung eines zentralen, von der rechten Leberarterie versorgten, gut vaskularisierten Tumors (HCC).
Leberszintigraphie
Leberszintigraphie
Die Leberszintigraphie spielt heute für die Diagnostik von Lebertumoren keine Rolle mehr. Mittels sehr aufwändiger Verfahren können zwar in der Regel primäre von sekundären, und überwiegend auch benigne von malignen Lebertumoren differenziert werden, dies gelingt jedoch besser mittels der vorgestellten Verfahren, CT, MRT und Sonographie unter Einsatz der heute verfügbaren Kontrastmittel (intravasale, interstitielle oder sich im RES anreichernde KM). Darüber hinaus sind die anatomisch-topographischen Informationen der Schnittbildverfahren denen der Nuklearmedizin weit überlegen.
Sonographie, CT, MRT, CT-A und MR-A ersetzen heute in Verbindung mit modernen Kontrastmitteln die Rolle der Szintigraphie in der Diagnostik von Lebertumoren.
Positronemissionstomographie (PET)
Positronemissionstomographie (PET)
Die Fluordeoxyglukose-Positronemissonstomographie (18-FDG-PET) kann zum Nachweis von kolorektalen Lebermetastasen eingesetzt werden. Bei der Darstellung intrahepatischer Raumforderungen ist sie der MRT und CT unterlegen. Die 18-FDG-PET eignet sich jedoch zur extrahepatischen Tumorsuche. Eine Tumorlokalisation ist durch Kombination der PET- und CT-Technik möglich (PET-CT).
Die 18-FDG-PET dient zum Nachweis von kolorektalen Lebermetastasen. Die Tumorlokalisation kann durch Kombination von FDGPET und CT erfolgen.
1.10.4 Lebertumoren
1.10.4 Lebertumoren
Tumorartige Läsionen
Tumorartige Läsionen
Kongenitale Leberzysten
Kongenitale Leberzysten
Solitäre Zysten
Solitäre Zysten
왘 Definition. Solitäre Zysten werden in sonographischen oder autoptischen Un-
왗 Definition
tersuchungen bei etwa 1 % der Erwachsenen gefunden. Der Zysteninhalt besteht in der Regel aus seröser Flüssigkeit. ■
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Ätiologie: Da die Zysten von einem einschichtigen kubischen Epithel ausgekleidet werden, geht man ätiologisch von einer kongenitalen Malformation des Gallengangssystems aus. Bei symptomatischen Leberzysten dominiert das weibliche Geschlecht (m:w = 1:9). Bei der Hälfte der Patienten sind derartige Zysten solitär, bei den übrigen Patienten sind weitere Zysten im Parenchym festzustellen. Klinik: Leberzysten sind in der Regel asymptomatisch. In seltenen Fällen werden sie so groß, dass sie zu einer Atrophie des betroffenen meist rechten Leberlappens mit kompensatorischer Hypertrophie des gegenseitigen Leberlappens führen und Druck- oder Völlegefühl als Symptomatik verursachen.
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Ätiologie: Kongenitale Malformation des Gallengangssystems. Bei symptomatischen Leberzysten überwiegt das weibliche Geschlecht (9:1). Bei der Hälfte der Patienten sind die Zysten solitär, bei den übrigen kommen weitere Zysten vor. Klinik: In der Regel sind die Zysten asymptomatisch. Bei entsprechender Größe kann es in seltenen Fällen zur Atrophie des betroffenen Leberlappens kommen.
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Differenzialdiagnose: Ausschluss von Abszessen und parasitären Zysten. Therapie: Eine Indikation zur Resektion oder eröffnenden partiellen Resektion der Zyste mit Einbringen einer Netzplombe besteht nur bei symptomatischen Zysten, wenn die bestehende Symptomatik ursächlich auf die Zyste zurückzuführen ist.
Zystenleber 왘 Definition
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Klinik: Druckgefühl und Schmerzen im rechten Oberbauch. Palpable oder sichtbare Masse unter dem rechten Rippenbogen, selten Immobilisation (Abb. B-1.199). Therapie: Wenn möglich erfolgt eine dekompressive, atypische Resektion von zystischen Arealen mit multipler Fenestration der verbleibenden Zysten. In besonders schweren Einzelfällen kann eine Lebertransplantation indiziert sein.
B-1.199
B 1 Viszeralchirurgie
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Differenzialdiagnose: Parasitäre Zysten und Abszesse sind auszuschließen. Therapie: Ein Therapiebedarf besteht nur bei symptomatischen Zysten, wobei immer abzuklären ist, ob eine bestehende Symptomatik wirklich durch die gefundene Leberzyste erklärt wird oder ob die Zyste nicht nur einen an sich asymptomatischen Zufallsbefund bei einer anderen die Symptome hervorrufenden Erkrankung darstellt. Als Therapie kommen die Resektion der Zyste oder die eröffnende partielle Resektion der oberflächlichen Zystenanteile mit Einbringen einer Netzplombe infrage. Da das letztgenannte Operationsverfahren fast immer laparoskopisch durchführbar ist, stellt es heute wegen des kleineren Operationstraumas das Verfahren der ersten Wahl dar.
Zystenleber 왘 Definition. Als Zystenleber wird ein diffuser polyzystischer Befall des gesamten Leberparenchyms bezeichnet (höchster Grad der dysontogenetisch-zystischen Fehlbildungen), der sich praktisch immer im Zusammenhang mit einer autosomal dominant vererbten polyzystischen Nierendegeneration vom adulten Typ findet. ■
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Klinik: Morphologisch gleicht die einzelne Zyste bei der Zystenleber der solitären Leberzyste, allerdings führen Zunahme an Zahl und Volumen zu erheblichen Beschwerden mit Druckgefühl, Schmerzen und einem häufig sichtbaren oder palpablen Tumor im rechten Oberbauch (Abb. B-1.199). In seltenen Fällen ist aufgrund der Lebergröße eine Immobilisation möglich. Therapie: Ein Therapiewunsch wird von vielen Patienten geäußert, was zu meist frustranen multiplen sonographisch gesteuerten Punktionen der Zysten mit Absaugen des meist klaren Zysteninhaltes und Instillation verschiedener Sklerosierungsmittel führt. Bei entsprechender Symptomatik kann eine dekompressive atypische Resektion eines Teils der Zysten und die multiple Fenestration der verbleibenden Zysten indiziert sein, da nach der Resektion mit Einsetzen der Leberregeneration sich nicht zwangsläufig neue Zysten bilden, sondern das entlastete verbliebene Parenchym hypertrophieren kann. In Einzelfällen (z. B. Immobilisation durch Zystenleber) kann eine Lebertransplantation indiziert sein.
B-1.199
Zystenleber
a CT-Befund einer Patientin mit Zystenleber und Zystennieren.
b Intraoperativer Befund der massiv vergrößerten Zystenleber.
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B 1.10 Leber
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Erworbene Leberzysten
Erworbene Leberzysten
Echinokokkuszysten
Echinokokkuszysten
왘 Definition. Echinokokkuszysten sind Folge einer Infektion entweder durch
왗 Definition
den Echinococcus granulosus (Hundebandwurm) oder den Echinococcus multilocularis (Fuchsbandwurm). Relevante Endemiegebiete gibt es in Südamerika, Australien, Alaska, Kanada, Iran, Irak, Griechenland, Italien, Spanien, Frankreich, Süddeutschland, der Schweiz und den Balkanstaaten. ■
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Pathogenese: Im Wirtstier Hund, Fuchs, Wolf usw. entwickelt sich aus der mit der Nahrung aufgenommenen Finne der Bandwurm, dessen Eier mit dem Kot ausgeschieden werden. Fast alle Warmblüter und der Mensch dienen als Zwischenwirt für die Entwicklung vom Ei zur Finne. Nach oraler Aufnahme der Eier durch verunreinigte Nahrung oder auch durch Kontakt mit infizierten Hunden wird die Eihülle im oberen Gastrointestinaltrakt durch Galle und Pankreassaft unter Freisetzung der „Sechshaken-Larven“ zerstört. Diese durchbohren die Darmwand und gelangen überwiegend über die Pfortader in die Leber. Sie können aber auch über den Ductus thoracicus direkt in die Zirkulation gelangen, sodass Hydatiden praktisch in allen Organen wie Lunge, Milz, Gehirn und Nieren auftreten können. Beim E. granulosus entwickelt sich aus der Larve die Hydatide, deren Hülle aus 3 Schichten besteht: – Die äußere adventitielle Schicht besteht aus fibrösem Gewebe als Reaktion des Wirtsgewebes auf den Parasiten. – Die Außenschicht der Hydatide besteht überwiegend aus Mukopolysacchariden des Parasiten (= Kutikula). – Die Innenauskleidung der Hydatide entspricht der Keimschicht, von der die infektiösen Scolices (4 100/cm3) gebildet werden. Durch Ablösen der Schichten voneinander bilden sich Tochterzysten. Bei zunehmendem Wachstum der Hydatiden können diese dem Weg des geringsten Widerstandes folgend in das Gallengangssystem einbrechen (bei ca. 15 % aller Fälle) oder auch durch das Zwerchfell in den Thorax perforieren. Wegen des differenten Wandaufbaus des E. multilocularis bildet dieser im Gegensatz zum E. granulosis Blasen zur Außenseite hin mit infiltrativem Wachstum in das Wirtsgewebe. Klinik: „In der Regel“ treten über lange Zeit hinweg keine oder nur sehr unspezifische, vorübergehende Symptome auf. Etwa 60 % der Patienten haben gelegentlich ein Druckgefühl im rechten Oberbauch oder Schmerzen im Bereich des rechten Rippenbogens. Bei ca. 1/4 der Patienten wird die Echinokokkuszyste als Zufallsbefund entdeckt. Bei bis zu 15 % der Patienten sind ikterische Episoden anamnestisch zu erheben (Kompression des Gallengangssystems oder Einbruch der Hydatide in einen Gallengang). Seltener sind Fieberschübe bei Infektion der Zyste oder Cholangitis beim Gallengangsbefall. Bis zu 10 % der Patienten sind akut als Notfälle therapiebedürftig, entweder wegen anaphylaktoider Reaktionen und Kollaps, Ikterus, Cholangitis oder spontaner Zystenruptur. Diagnostik: Sowohl im Ultraschall als auch in der CT sind Echinokokkuszysten in einem sehr hohen Prozentsatz wegen ihres charakteristischen Erscheinungsbildes ohne weitere Maßnahmen zu diagnostizieren. Typischerweise sind die Scolices in der Zyste sichtbar oder eine membranöse Binnenstruktur der Zyste oder typische Kalkeinlagerungen in der Zystenwand sind Anlass der Verdachtsdiagnose Echinokokkuszyste (Abb. B-1.200). 왘 Merke. Eine Probepunktion eines unklaren Leberbefundes mit der Ver-
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Pathogenese: Das Wirtstier (Hund, Fuchs usw.) nimmt die Finne mit der Nahrung auf. Im Gastrointestinaltrakt entwickelt sich der Bandwurm, dessen Eier vom Wirt ausgeschieden werden. Beim Zwischenwirt (Mensch, Warmblüter) gelangen die Eier nach Kontaktkontamination in den oberen Gastrointestinaltrakt. Durch Verdauung der Eihülle werden die „Sechshaken-Larven“ freigesetzt. Diese durchbohren die Darmwand und gelangen z. B. über die Pfortader in die Leber oder über den D. thoracicus in andere Organe (z. B. Gehirn, Lunge). Aus der Larve entwickelt sich beim E. granulosus dann die Hydatide. Die Wand der Hydatide besteht aus 3 Schichten. Beim E. multilocularis ist im Gegensatz zum E. granulosus ein infiltratives Wachstum charakteristisch.
Klinik: „In der Regel“ unspezifisch und vorübergehend: – ca. 15 % haben anamnestisch ikterische Episoden – selten kommen Fieberschübe bei Infektion der Zyste oder eine Cholangitis durch Gallengangseinbruch vor – ca. 10 % sind wegen anaphylaktoider Rekationen, Ikterus, Cholangitis oder spontaner Zystenruptur akut therapiebedürftig. Diagnostik: Sonographie und CT sind geeignet, den Nachweis von Scolices, membranösen Binnenstrukturen oder Verkalkungen der Zystenwand zu erbringen (Abb. B-1.200).
왗 Merke
dachtsdiagnose Echinokokkuszyste ist wegen der möglichen Verschleppung infektiösen Materials kontraindiziert.
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B 1 Viszeralchirurgie
496 B-1.200
Intrahepatische Echinokokkuszyste
a Typischer CT-Befund.
Zur weiteren Sicherung der Diagnose dienen serologische Tests (indirekte Immunfluoreszenz, ELISA).
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Therapie: – E. granulosus: Ziel ist die kontrollierte Abtötung der Scolices z. B. mit hypertoner Glukose- oder NaCl-Lösung. Als Operation sind die Entfernung der Keimschicht unter Belassen der Kutikula (Zystektomie) oder die Entfernung mit ganzer Kutikula (Perizystektomie) möglich.
– E. multilocularis: Eine Perizystektomie ist aufgrund des infiltrativen Wachstums nicht möglich. Erforderlich ist eine Leberteilresektion wie beim Malignom. ■
Prognose: Bei Vermeidung jeder Kontamination gut. Bei Rezidivoperation oder Gallengangseinbruch antiparasitäre Therapie mit z. B. Mebendazol.
Leberabszesse 왘 Definition
b Aufgeschnittenes Resektionspräparat.
Zu Erhärtung der Diagnose sollten serologische Tests (indirekte Immunfluoreszenz, ELISA etc.) angeschlossen werden. In seltenen Fällen weisen ein erhöhtes Bilirubin oder eine erhöhte alkalische Phosphatase (AP) auf eine Kompression zentraler Gallengangsabschnitte oder auf einen Einbruch in das Gallenwegssystem hin. In diesen Fällen ist eine präoperative MRC (ggf. ERC) essenziell. ■ Therapie: – Echinococcus granulosus: Ziel der chirurgischen Therapie ist die kontrollierte Abtötung und Entfernung aller Erreger unter sorgfältiger Vermeidung jeglicher Verschleppung infektiösen Materials. Die Abtötung der Scolices ist durch Instillation hyperosmolarer Lösungen (Glukose 50 %, NaCl 20 %) möglich. Das Operationsgebiet sollte nach vollständiger Mobilisation der Leber komplett gegen die übrige Peritonealhöhle und die Operationswunde abgeschottet werden. Als Operation kommen die Entfernung der Keimschicht nach Eröffnung der Kutikula (Zystektomie) oder die Entfernung der Zyste mit Kutikula (Perizystektomie) infrage. – Echinococcus multilocularis: Wegen des infiltrativen Wachstums besteht die chirurgische Therapie wie beim Malignom in einer Leberresektion mit einem mindestens 1 cm breiten Saum gesunden Leberparenchyms zwischen Befund und Resektionsfläche. ■ Prognose: Gut bei suffizienter intraoperativer Vermeidung jeglicher Kontamination. Bei Einbruch in das Gallengangssystem oder bei Rezidivoperationen sollte eine antiparasitäre Langzeittherapie (derzeit empfohlener Zeitraum: 0,5 – 2 Jahre) mit z. B. Mebendazol angeschlossen werden. Leberabszesse 왘 Definition. Man unterscheidet primäre Leberabszesse (z. B. parasitär, hämatogen oder Aszension von Keimen verursacht) von sekundären Abszessen (z. B. durch Infektion einer dysontogenetischen Leberzyste).
Ätiologie: Die Mehrzahl der Abszesse entsteht hämatogen aus dem Pfortaderstromgebiet (z. B. Divertikulitis, Amöbiasis) oder durch Aszension bei eitriger Cholezystitis oder Cholangitis. Nicht immer ist ein extrahepatischer Herd eruierbar.
Ätiologie: Die Mehrzahl der Leberabszesse entsteht hämatogen aus dem Pfortaderstromgebiet (z. B. Divertikulitis, Appendizitis, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Amöbenabszess) oder infolge einer aszendierenden Cholangitis (z. B. eitrige Cholezystitis oder Cholangitis, Caroli-Syndrom). Häufig manifestieren sich Leberabszesse mit einem deutlichen Intervall zur auslösenden Primärerkrankung. In einigen Fällen kann eine primäre Ursache nicht mehr eruiert werden.
Klinik: Erhebliches Krankheitsgefühl, hohe septische Temperaturen, Druckschmerz im rechten Oberbauch bei Parenchymschwellung.
Klinik: Auffälliges Krankheitsgefühl mit hohem septischen Fieber und oft deutlichem Druckschmerz im rechten Oberbauch auf dem Boden der Parenchymschwellung. Überwiegend ist die rechte Leber betroffen.
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B 1.10 Leber
B-1.201
497
Intrahepatischer Leberabszess
a CT-Befund.
b Gleicher Patient nach interventioneller Platzierung eines Spüldrainagekatheters (?).
Diagnostik: Sonographie und CT können den Befund lokalisieren und ermöglichen eine gesteuerte Punktion des Herdes zur Sicherung der Diagnose und bakteriologischen Abklärung. Bei etwa der Hälfte der Patienten findet sich eine positive Blutkultur. Die Thoraxaufnahme zeigt häufig (sympathische) Pleuraergüsse bei rechtsseitigem Zwerchfellhochstand.
Diagnostik: Sonographie- oder CT-gesteuerte Lokalisation und Punktion des Abszesses zur Diagnosesicherung und bakteriologischen Abklärung. Im Röntgenbild zeigen sich häufig Pleuraergüsse.
Therapie: Bei pyogenen solitären, nicht gekammerten Abszessen ist die interventionelle Einlage eines Spüldrainagekatheters das Therapieverfahren der Wahl (Abb. B-1.201). Bei ausgedehnten, gekammerten Abszessen und bei Patienten mit persistierender oder zunehmender klinischer Symptomatik nach interventioneller Drainage ist die operative Revision mit Eröffnung, Débridement, Spülung und Einbringen eines Spüldrainagesystems indiziert. In seltenen Fällen muss eine Resektion des betroffenen Leberanteiles erfolgen (Cave: Leberinsuffizienz beim septischen Patienten). Kann ein extrahepatischer Streuherd identifiziert werden, so ist dieser unbedingt zu sanieren. Ein Amöbenabszess wird im Gegensatz zum pyogenen Leberabszess im Allgemeinen medikamentös behandelt.
Therapie: Beim pyogenen, nicht gekammerten Abszess erfolgt die interventionell gesteuerte Einlage eines Spüldrainagesystems (Abb. B-1.201). Operative Sanierung mit Débridement, Spülung und Drainage bei großen, gekammerten Abszessen oder bei Persistenz oder Zunahme der klinischen Symptome nach interventioneller Drainage. Selten ist eine Leberresektion notwendig. Sanierung extrahepatischer Streuherde.
Benigne Lebertumoren
Benigne Lebertumoren
Hämangiom
Hämangiom
왘 Definition. Hämangiome repräsentieren abgesehen von Leberzysten den häu-
왗 Definition
figsten benignen Lebertumor mit einer Inzidenz in Autopsieserien von 0,4 – 7,3 %. Man kann zwei Typen unterscheiden: Die häufigen kleinen (5 4 cm) kapillaren und die seltenen großen (4 4 cm) kavernösen Hämangiome. Epidemiologie, Ätiologie: Kavernöse Hämangiome werden in der Regel bei Erwachsenen zwischen dem 30. und 70. Lebensjahr diagnostiziert. Eine Schwangerschaft bzw. Östrogene können das Wachstum von Hämangiomen begünstigen.
Epidemiologie, Ätiologie: Meist zwischen dem 30. und 70. Lebensjahr. Eine Schwangerschaft bzw. Östrogene können das Wachstum begünstigen.
Histologie: Mikroskopisch bestehen Hämangiome aus kavernös erweiterten Sinus, ausgekleidet mit Endothel, die von fibrösen Septen unterschiedlicher Dicke begrenzt werden. Teilthrombosierungen sind die Regel. Die Tumoren sind gut begrenzt.
Histologie: Mikroskopisch sind Hämangiome aus fibrösen Septen und kavernös erweiterten Sinus mit Endothelauskleidung aufgebaut und gut gegen das übrige Lebergewebe begrenzt.
Klinik: Die überwiegende Zahl der Hämangiome ist asymptomatisch. Die Häufigkeit von auftretenden Symptomen korreliert mit der Größe der Hämangiome. Es kommt zum Druck- und Völlegefühl bei linksseitiger Lokalisation sowie bei Größenzunahme und/oder Einblutung zu Schmerzen aufgrund der Kapselspannung. Freie Rupturen sind eine Rarität. Eine maligne Entartung wurde bisher nicht dokumentiert.
Klinik: Die Mehrzahl der Patienten ist asymptomatisch. Bei entsprechender Größe oder Einblutung treten Druckgefühl oder Schmerzen im rechten Oberbauch auf. Freie Rupturen sind eine Rarität.
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B 1 Viszeralchirurgie
498 B-1.202
Intrahepatisches Hämangiom
a Angiographischer Befund eines großen, rechts intrahepatisch lokalisierten Hämangioms (?) mit typischer Kontrastmittelretention in den kavernös erweiterten Sinus.
b Intraoperativer Befund eines rechts lateral der Gallenblase liegenden Hämangioms.
Diagnostik: Aufgrund der hämangiomtypischen Strömungsverhältnisse und Kontrastmittelretention zeigen alle bildgebenden Verfahren einen charakteristischen Befund (Abb. B-1.202).
Diagnostik: Die richtige Verdachtsdiagnose kann aufgrund der Strömungscharakteristika und der Kontrastmittelretention von Hämagiomen mit fast jedem bildgebenden Verfahren gestellt werden (Abb. B-1.202). Die MRT stellt diagnostisch den Goldstandard dar. Die Duplexsonographie und CT können die Verdachtsdiagnose erhärten. Zusätzlich sollte ein Blutbild zur Abklärung einer Thrombozytopenie erfolgen. Die operative Exploration eines Hämagioms zur alleinigen Diagnosesicherung sollte die Ausnahme darstellen.
Therapie: ■ Resektion bei großen oder symptomatischen Hämangiomen. ■ Interventionelle Embolisation bei multimorbiden Patienten oder ungünstiger sehr zentraler Lokalisation meist in mehreren Sitzungen. ■ Sehr selten Lebertransplantation bei riesigen, symptomatischen Hämangiomen, die nicht resektabel sind.
Therapie: ■ Kleine Hämangiome werden meist zufällig im Rahmen der Abklärung anders begründeter Beschwerden entdeckt und sollten allenfalls kontrolliert werden. ■ Symptomatische oder große kavernöse Hämagiome sollten primär reseziert oder bei erhöhtem operativem Risiko interventionell embolisiert werden. ■ Riesige, fast den ganzen Bauchraum ausfüllende Hämagiome können bei entsprechendem Leidensdruck des Patienten eine Indikation zur Lebertransplantation sein.
Fokal noduläre Hyperplasie (FNH)
Fokal noduläre Hyperplasie (FNH)
왘 Definition
Anmerkung. Das Kasabach-Merritt-Syndrom stellt eine Sonderform der Riesenzellhämangiome (Hämangiomatosis) dar, bei dem es zu einer Thrombozytopenie durch Thrombozytensequestration, Thrombosierung der Hämangiome und nachfolgender Ruptur kommen kann.
왘 Definition. Die fokal noduläre Hyperplasie (FNH) der Leber imponiert makro-
skopisch als relativ fester rötlich bis gelblich brauner Tumor mit fibrösen Septen, die meist von einer zentralen fibrösen Narbe radiär nach außen verlaufen. In 20 % der Fälle sind multiple Herde nachweisbar. Epidemiologie: Zweithäufigster Lebertumor, v. a. bei Frauen (w:m = 8:1) mit einer langjährigen Kontrazeptivaanamnese. Histologie: Die FNH besteht aus Hepatozyten, Kupffer-Zellen, hyperplastischen Gallengängen sowie wandverdickten Blutgefäßen. Der septierte noduläre Aufbau gleicht einer „lokalen Leberzirrhose“ (Abb. B-1.203).
Epidemiologie: Die FNH ist der zweithäufigste Lebertumor, der überwiegend bei Frauen (w:m = 8:1) mit einer langjährigen Kontrazeptivaanamnese auftritt.
Ätiologie: Wahrscheinlich Folge einer arteriovenösen Fehlbildung. Histologisch nicht neoplastisch, sondern reaktiv (Kontrazeptiva scheinen das Wachstum zu fördern).
Ätiologie: Da das histologische Bild mehr einem reaktiven Vorgang als einer Neoplasie gleicht, wird ätiologisch eine arteriovenöse Fehlbildung diskutiert. Die Läsion ist keine Präkanzerose und eine maligne Transformation ist bislang nicht bekannt. Kontrazeptiva scheinen das Wachstum zu fördern.
Histologie: Mikroskopisch besteht die FNH aus Hepatozyten, Kupffer-Zellen und hyperplastischen Gallengängen sowie wandverdickten Blutgefäßen. Durch den septierten nodulären Aufbau gleicht sie einer „lokalen Leberzirrhose“ (Abb. B-1.203).
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B 1.10 Leber
B-1.203
Fokal noduläre Hyperplasie
499 B-1.203
Intraoperativer Befund einer im linken Leberlappen lokalisierten FNH mit typischer Farbe und Gefäßzeichnung.
Klinik: Die FNH wird häufig zufällig diagnostiziert. Bei entsprechender Größe können ein Druckgefühl oder rechtsseitige Oberbauchschmerzen auftreten. Spontane Rupturen und Einblutungen sind beschrieben.
Klinik: Die FNH sind meist asymptomatisch. Druckgefühl bei großen Herden.
Diagnostik: Farbkodierte Duplexsonographie, CT und MRT sind für die initiale Diagnostik geeignet. Die Diagnose basiert auf dem Nachweis einer zentralen Narbe in der Raumforderung. Eine sichere Diagnose ist jedoch mit den bildgebenden Verfahren nicht möglich, da zum einen bei ca. 20 % der FNH keine zentrale Narbe vorhanden ist und zum anderen einige maligne Lebertumoren ebenfalls eine zentrale Narbe aufweisen können (fibrolamelläres HCC, Leberzelladenom, intrahepatisches Cholangiokarzinom). Der Nachweis einer solitären Zentralarterie mittels CT ohne portalvenöse Flusssignale ist typisch für die FNH und somit ein wichtiges differenzialdiagnostisches Kriterium zur Differenzierung von anderen Lebertumoren.
Diagnostik: Nachweis einer zentralen Narbe durch farbkodierte Duplexsonographie, CT oder MRT. Zur Differenzierung von anderen malignen Lebertumoren Nachweis einer für die FNH typischen Zentralarterie ohne portalvenöse Flusssignale mit der Multidetektor-CT.
Therapie: Bei symptomlosen Patienten sollte nur bei Größenzunahme unter Kontrolle die Indikation zur Resektion gestellt werden. Bei symptomatischen Patienten oder unklarem Befund ist die Indikation zur explorativen Laparotomie zu stellen, bei der dann in jedem Falle der Herd vollständig entfernt werden sollte. Hormonelle Kontrazeptiva sollten bei Frauen mit Nachweis einer FNH vermieden werden.
Therapie: Bei asymptomatischen Patienten sollte der Befund nur kontrolliert werden. Hormonelle Kontrazeptiva sollten abgesetzt werden. Bei Größenzunahme oder unklarem Befund ist eine vollständiger Resektion indiziert.
왘 Klinischer Fall. Eine 44-jährige Patientin stellt sich mit seit einem 3/4 Jahr zunehmenden Druckbeschwerden im Epigastrium vor. Es bestehen keine Vorerkrankungen. Die Medikamentenanamnese ergibt nur eine 15-jährige Einnahme von Kontrazeptiva. Die Gastroskopie ist unauffällig, in der Sonographie ist eine Raumforderung von ca. 8 cm im Durchmesser im linken Leberlappen feststellbar. Das daraufhin angefertigte CT ergibt die Diagnose FNH, wobei mit 100 %iger Sicherheit ein Adenom nicht ausgeschlossen werden kann. Aufgrund der in den letzten Monaten zunehmenden Symptomatik wird trotz fehlendem Ausschluss eines Adenoms die Indikation zur Operation gestellt. Intraoperativ zeigt sich, dass der Tumor den gesamten linken Leberlappen einnimmt, sodass eine Lobektomie links (Segment II und III) durchgeführt wird. Der postoperative Verlauf ist komplikationslos und die Patientin beschwerdefrei. Die histologische Aufarbeitung des bei der Operation entnommenen Präparates ergibt eindeutig eine FNH.
Hepatozelluläres Adenom (HCA, Leberzelladenom) 왘 Definition. Im Gegensatz zur FNH hat das Leberzelladenom (HCA) eine „leberähnliche“ Konsistenz, eine mehr gelblich braune Farbe und keine Septierungen (Abb. B-1.204).
왗 Klinischer Fall
Hepatozelluläres Adenom (HCA, Leberzelladenom) 왗 Definition
Mikroskopisch ist das HCA aus normalen Hepatozyten aufgebaut, Portalfelder fehlen, die Gefäße sind dünnwandig.
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500 B-1.204
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.204
Leberzelladenom Intraoperativer Aspekt eines Leberadenoms rechts lateral der Gallenblase.
Ätiologie: Eine erhöhte Inzidenz besteht bei Frauen in Verbindung mit der Einnahme oraler Kontrazeptiva, aber auch bei Patienten mit Diabetes mellitus, Glykogenspeicherkrankheit, Hämochromatose und Akromegalie sowie bei Männern, die anabole Steroide einnehmen.
Ätiologie: Schon vor den ersten Publikationen über den Zusammenhang zwischen Einnahme hormoneller Kontrazeptiva (ca. 1973) und dem Auftreten von Leberzell- und Funktionsveränderungen sowie Leberzelladenomen war eine ätiologisch-hormonelle Komponente aus den Erfahrungen mit Androgentherapien postuliert worden. Die Korrelation zwischen oraler Kontrazeption und Auftreten eines HCA ist nahezu 100 %. Die HCA-Inzidenz bei Frauen, die über einen langen Zeitraum Kontrazeptiva einnehmen, beträgt 4:100 000 Einwohner gegenüber 1:100 000 bei Frauen, die keine oder 5 2 Jahre Kontrazeptiva eingenommen haben. Eine erhöhte Inzidenz wurde auch bei Patienten mit Diabetes mellitus, Glykogenspeicherkrankheit, Hämochromatose und Akromegalie sowie bei Männern, die anabole Steroide einnehmen, beobachtet.
Klinik: Kleine HCA unter 1 cm sind klinisch häufig inapparent, ab einer Größe von 8 cm werden sie klinisch symptomatisch. Die HCA treten in 20 % multipel und in 80 % solitär auf. 2/ der Patienten werden im Verlauf der 3 Erkrankung schwerwiegend symptomatisch. Bis zu 1/3 der Patienten haben eine spontane Ruptur und Blutung in die freie Bauchhöhle mit akuter Lebensbedrohung. Einblutungen des HCA verursachen Schmerzen und Druckgefühl im Oberbauch.
Klinik: Kleine HCA unter 1 cm sind klinisch häufig stumm und werden zufällig entdeckt. Ab einer Größe von 8 cm kommt es meist zu klinischen Symptomen. HCA treten in 80 % der Fälle solitär und in 20 % multipel auf. Im Gegensatz zur FNH werden 2/3 der Patienten mit einem Leberzelladenom im Verlauf der Erkrankung symptomatisch. Bis zu 1/3 der Patienten mit großen Adenomen haben eine spontane Ruptur und Blutung in die freie Bauchhöhle mit einem akut lebensbedrohlichen Krankheitsbild. Da das HCA in der Regel sehr viel größer ist als die FNH, führen auch schon kleinere Einblutungen zu erheblichen Schmerzen. Meist bestehen aber schon vorher uncharakteristische rezidivierende Oberbauchschmerzen oder ein Druckgefühl.
Diagnostik: Die Kombination aus multiphasischer CT und gadoliniumverstärkter MRT mit gleichzeitigem Nachweis eines arteriellen Enhancement, von Fett und Hämorrhagie ist unspezifisch charakteristisch. Die Abgrenzung zum HCC ist oftmals schwierig. Auf eine Leberbiopsie sollte wegen eines potenziell falsch negativen Ergebnisses, des Blutungsrisikos und der möglichen Tumorzellverschleppung (HCC) verzichtet werden.
Diagnostik: Geeignet für die Diagnostik ist eine Kombination aus multiphasischer CT und gadoliniumverstärkter MRT. Ein arterielles Enhancement mit gleichzeitigem Vorliegen von Fett und Hämorrhagie ist unspezifisch charakteristisch für das HCA, sodass die Differenzialdiagnose zwischen HCA und hochdifferenziertem hepatozellulären Karzinom (HCC) oftmals schwierig bleibt. Da in Leberzelladenomen maligne Herde im Sinne des HCC diagnostiziert werden, ist von der Möglichkeit einer malignen Transformation auszugehen. In der Differenzialdiagnose von Lebertumoren sollte auf eine Leberbiopsie verzichtet werden, da diese falsch negativ ausfallen kann, ein Blutungsrisiko aufweist und zur Tumorzellverschleppung führen kann.
Therapie: Aufgrund der möglichen Komplikationen (z. B. Blutung) besteht die Indikation zur Resektion. Eine Lebertransplantation ist sehr selten bei multiplen Adenomen indiziert.
Therapie: Bei hepato-zellulären Adenomen 4 6 cm besteht aufgrund der möglichen Spontanblutung die Indikation zur Resektion. Beim Vorliegen multipler Leberzelladenome kann in seltenen Fällen eine Lebertransplantation indiziert sein.
Regenerative noduläre Hyperplasie (RNH)
Regenerative noduläre Hyperplasie (RNH)
왘 Definition
왘 Definition. Die hepatozellulären Regeneratknoten können über die gesamte Leber verteilt sein. Charakteristisch ist das Fehlen fibröser Septen zwischen den Knoten. Eine präneoplastische Komponente wird für das HCC bei nichtzirrhotischen Patienten vermutet, da bei 42 % der Patienten mit RNH dysplastische Hepatozyten gefunden wurden.
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B 1.10 Leber
501
Epidemiologie: Die Prävalenz der RNH in einer Autopsieserie wird mit 2,6 % angegeben. Die Inzidenz liegt bei 0,34/100 000 Patienten.
Epidemiologie: Prävalenz ca. 2,6 %, Inzidenz ca. 0,34/100 000 Patienten.
Ätiologie: Die Obliteration kleiner Portalvenenäste lässt eine vaskuläre Genese vermuten. Bei der Hälfte der Patienten liegt eine prothrombotische Erkrankung vor. Eine RNH tritt gehäuft bei Patienten mit Pfortaderthrombose auf und sie ist oft mit Autoimmunerkrankungen assoziiert. Außerdem wird ein gehäuftes Auftreten nach Nierentransplantationen, bei hämatologischen Erkrankungen, Malignomen, rheumatischen Erkrankungen, Sarkoidose und bei Einnahme hepatotoxischer Medikamente (z. B. Azathioprin) festgestellt.
Ätiologie: Eine vaskuläre Genese wird vermutet. Es besteht eine Assoziation zu Autoimmunerkrankungen. Die RNH wird gehäuft nach Nierentransplantationen, bei hämatologischen Erkrankungen, Malignomen, rheumatischen Erkrankungen, Sarkoidose und Einnahme hepatotoxischer Medikamente (z. B. Azathioprin) festgestellt.
Klinik: Je nach Schweregrad kann die RNH zu einer portalen Hypertension führen, ohne dass eine Leberzirrhose vorliegt.
Klinik: Je nach Schweregrad treten Symptome der portalen Hypertension auf.
Diagnostik: Laborchemisch fallen die Patienten meist durch eine Erhöhung der Cholestaseparameter auf, eventuell begleitet von einem mäßigen Transaminasenanstieg. Im Ultraschall fallen die knotigen Leberparenchymveränderungen auf, die oftmals als Zirrhose und Pseudotumor interpretiert werden. Die Pseudotumoren lassen sich auch MR-morphologisch nachweisen. Bei den meisten Patienten liegen Antiphospholipidantikörper vor, deren Bedeutung für das Krankheitsbild jedoch noch unklar ist.
Diagnostik: Meist sind die Cholestaseparameter erhöht. Sonographisch sind knotige Veränderungen des Leberparenchyms feststellbar.
Therapie: Die Therapie richtet sich hauptsächlich nach den Symptomen der portalen Hypertension und umfasst die Gabe von Betablockern, endoskopische Interventionen (Sklerotherapie, Gummibandligatur von Ösophagusvarizen), chirurgische Shunts und TIPS. Eine Splenektomie sollte wegen der erhöhten Gefahr einer Pfortaderthrombose vermieden werden. In seltenen Fällen kann aufgrund einer spontanen akuten Dekompensation eine Lebertransplantation indiziert sein. Bei Patienten mit nachgewiesener Koagulopathie kann eine lebenslange Antikoagulation notwendig sein.
Therapie: Sie richtet sich hauptsächlich nach den Symptomen der portalen Hypertension. Bei einer nachgewiesenen Koagulopathie kann eine lebenslange Antikoagulation notwendig sein.
Maligne Lebertumoren
Maligne Lebertumoren
In der Systematik der Lebermalignome werden grundsätzlich zwei Gruppen unterschieden: ■ Primäre Lebermalignome: Im Wesentlichen das hepatozelluläre Karzinom und das cholangiozelluläre Karzinom (als weitere primäre Lebermalignome sind das Hepatoblastom und sehr seltene mesenchymale Malignome wie das Angiosarkom zu erwähnen). ■ Metastatische, sekundäre Lebermalignome.
Primäre Malignome der Leber sind definitionsgemäß aus leberspezifischen Zellen entstanden (z. B. hepatozelluläres Karzinom = HCC; cholangiozelluläres Karzinom = CCC, Hepatoblastom, Angiosarkom). Als sekundäre Malignome werden alle in der Leber vorkommenden Metastasen definiert.
Hepatozelluläres Karzinom (HCC)
Hepatozelluläres Karzinom (HCC)
Epidemiologie: Die Inzidenz des hepatozellulären Karzinom (HCC) variiert weltweit erheblich und erreicht in Asien und Afrika Inzidenzen zwischen 20 – 100 Fälle/100 000 Einwohner, während in Westeuropa 1 – 2 Fälle/100 000 Einwohner registriert werden. Bei etwa 70 % der Patienten entwickelt sich das HCC nach einer bestehenden Leberzirrhose, wobei erhebliche regionale Unterschiede mit Angaben zwischen 40 – 85 % bestehen (Abb. B-1.205).
Epidemiologie: Die Inzidenz variiert weltweit erheblich, sie ist in Asien und Afrika hoch, in Westeuropa wesentlich niedriger. Bei ca. 70 % der Patienten besteht vor dem HCC eine Leberzirrhose (Abb. B-1.205).
Ätiologie: An einem Zusammenhang zwischen einer Hepatitis-B-Infektion und der Entstehung eines HCC bestehen kaum Zweifel. In Regionen mit hoher HCC-Inzidenz sind bis zu 15 % der Bewohner HBsAg-positiv, in Westeuropa dagegen nur 1 % der Bevölkerung. Sowohl bei „lebergesunden“ Virusträgern als auch im HCC-Gewebe kann nachgewiesen werden, dass Virus-DNA-Sequenzen in das Wirtsgenom integriert werden. Es wird vermutet, dass diese eingebauten DNA-Sequenzen Promotoren einer ungeregelten Proliferation sind. Neben der Hepatitis-B-Infektion werden weitere disponierende und zum Teil genetisch fixierte Faktoren untersucht. Es sind dies das HCC-Risiko der verschiedenen Leberzirrhosen, die 3 – 8-fache Prävalenz des männlichen Geschlechtes und die bei einer vergleichbar weißen/schwarzen Bevölkerung bis zu 8-fach höhere Inzidenz in der schwarzen Bevölkerung. Weitere hormonelle und toxische Risikofaktoren werden diskutiert.
Ätiologie: Ein Zusammenhang zwischen einer Hepatitis-B-Infektion und der Entwicklung eines HCC ist ziemlich sicher, da eine eindeutige Korrelation zwischen regionaler Inzidenz des HCC und prozentualem Anteil HBsAG-positiver Virusträger in der Bevölkerung nachgewiesen ist. Virus-DNA-Sequenzen werden in das Wirtsgenom eingebaut und könnten Promotoren einer dysregulierten Zellproliferation sein. Weitere genetische, ethnische sowie hormonelle und toxische Faktoren werden hinsichtlich ihrer ätiologischen Bedeutung diskutiert. Männer sind 3 – 8-mal häufiger betroffen.
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502
B 1 Viszeralchirurgie
Klinik: Die meisten Patienten kommen mit Spätsymptomen wie tastbarer Tumor, Schmerzen oder zunehmender Leberinsuffizienz zur Diagnostik.
Klinik: Mit Ausnahme der Patienten, die z. B. wegen einer bekannten Leberzirrhose fortlaufend betreut werden (Sonographie, α-Fetoprotein), kommen Patienten mit einem HCC in der Regel erst mit Spätsymptomen wie tastbarem Tumor, Schmerzen im rechten Oberbauch oder Zeichen der zunehmenden Leberinsuffizienz zur Diagnostik.
Diagnostik: ■ Sonographie (Abb. B-1.206), CT und MRT ■ Angiographie oder Angio-CT bei zentraler Tumorlokalisation. ■ Labor: α-Fetoproteinerhöhung, kann auch bei Leberzirrhose mit Regeneratknoten erhöht sein. ■ Ermittlung von Leberfunktion und Restlebervolumen bei potenziell resektablen Tumoren, insbesondere bei Koinzidenz einer Leberzirrhose zur Abschätzung der Funktionsreserve.
Diagnostik: Die Befundlokalisation erfolgt sonographisch und/oder mit der CT oder MRT sowie Laborparametern (Tab. B-1.51 und Tab. B-1.52, Abb. B-1.206). Der Nachweis von Hepatozyten im Herdbereich kann szintigraphisch erfolgen (S. 493), bei undifferenzierten Tumoren allerdings auch misslingen. Ein erhöhtes α-Fetoprotein sichert die Diagnose eines HCC als Tumormarker weiter ab, kann aber auch bei Zirrhotikern mit Regeneratknoten erhöht gefunden werden. Die Indikation zur Feinnadelbiopsie sollte individuell gestellt werden. Gleiches gilt für die Angiographie, die nur bei zentral lokalisierten Tumoren dringlich indiziert ist (Resektabilität? Pfortaderbeteiligung?). Liegt ein potenziell resektables HCC vor, muss zur Indikationsstellung die funktionelle Reserve der Leber besonders bei Patienten mit einem HCC in einer zirrhotischen Leber evaluiert werden (Syntheseparameter, Exkretionsfunktion, Aszitesbildung etc; S. 490).
B-1.51
B-1.51 ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
B-1.52
Hinweise auf eine pathologische Leberfunktion
Serum-Bilirubin 4 1,5 mg/dl Quick 5 50 % Faktor II 5 50 % Faktor V 5 50 % CHE im Serum 5 2000 U/l Serum-Cholesterin 5 100 mg/dl Serum-Albumin 5 2,5 g/l Aszites ++
Bildgebende Diagnostik von Lebertumoren
Raumforderung
Ultraschall (FKDS)
CT (nativ, KM)
MRT
Labor
Zyste
echofrei, scharfrandig
nativ: hypodens, scharfrandig
T1: hypointens T2: hyperintens
unauffällig
Echinokokkuszyste
echoarm
nativ: hypodens
T2: hyperintens
KBR
Abszess
echoreich, verdickte Randstruktur
nativ: hypodens KM: hyperdenser Rand
T1: hypointens T2: hyperintens
unauffällig
Hämangiom
echoreich, homogen, scharfrandig
Irisblendenphänomen nach KM-Gabe
T2: hyperintens
Leukozytose, CRP
fokal noduläre Hyperplasie (FNH)
variabel, vermehrt arterielle Signale
nativ: iso-/hyperdens KM: frühe KM-Anreicherung, spät zentrale Narbe
T1: isointens T2: iso-/hyperintens zentrale Narbe
unauffällig
Adenom
echogleich/-arm, unscharfer Rand
nativ: isodens KM: wie FNH ohne zentrale Narbe
T1: variabel T2: iso-/hyperintens
unauffällig
hepatozelluläres Karzinom (HCC)
echoarm, vermehrt arterielle Signale
KM: frühe KM Anreicherung
T2: hyperintens
AFP
cholangiozelluläres Karzinom (CCC)
echoarm
KM: keine frühe KM-Anreicherung
T2: fokale Cholestase
CA19-9, CEA
Metastase
echoarm
nativ: hypodens KM: perifokale Anreicherung
T1: hypointens T2: hyperintens
Tumormarker Primärtumor
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B 1.10 Leber
B-1.205
Hepatozelluläres Karzinom
503 B-1.205
Intraoperativer Aspekt eines primären HCC in einer nicht zirrhotischen Leber.
B-1.206
CT-Befund eines hepatozellulären Karzinoms
B-1.206
CT-Befund eines kleinen HCC im rechten Leberlappen (?) einer zirrhotischen Leber. Der bestehende Aszites weist bei technischer Resektabilität auf eine eingeschränkte Funktionsreserve hin. Splenomegalie, kontrastierter Magen.
Therapie: Das Therapieverfahren der Wahl mit kurativer Intention ist die Resektion des Tumors (Abb. B-1.205). Diese kann wegen einer Funktionseinschränkung, z. B. auf dem Boden einer bestehenden Leberzirrhose, trotz technischer Resektabilität oftmals kontraindiziert sein (Abb. B-1.206). In diesen Fällen kann die Indikation zur Lebertransplantation gestellt werden, wenn folgende Kriterien erfüllt sind: ■ Milan-Kriterien: 2 – 3 Raumforderungen 5 3 cm oder eine Raumforderung 5 5 cm) oder ■ San-Francisco-Kriterien: 1 Raumforderung 5 6,5 cm oder 2 – 3 Raumforderungen 5 4,5 cm mit einem Gesamtdurchmesser 5 8 cm. Bei nicht resektablen Tumoren können als palliative Therapieverfahren die transarterielle Chemoembolisation (TACE), die perkutane Alkoholinjektion (PAI) und ablative Verfahren, z. B. Radiofrequenzablation (RFA), laser-induzierte Thermotherapie (LITT) eingesetzt werden. Prognose: Unbehandelt führt die Erkrankung innerhalb kurzer Zeit (2 – 4 Monate) nach Diagnosestellung zum Tode. Die Resektion verbessert die mediane Überlebenszeit etwa um den Faktor 6, wobei verschiedene prognostische Faktoren wie Tumorgröße, Existenz einer Kapsel, Gefäßeinbruch, Differenzierungsgrad und Resektionsausmaß eine Rolle spielen. Entsprechend breit streuen die 5-Jahres-Überlebensraten von 10 – 60 %. Hinsichtlich der Prognose nimmt das fibrolamelläre hepatozelluläre Karzinom eine Sonderstellung ein. Da die Patienten überwiegend jünger als 40 Jahre sind und keine Leberzirrhose haben, ist die Resektabilitätsrate und Prognose in fast allen Serien deutlich besser. Eine Resektion sollte deshalb unbedingt angestrebt werden.
Therapie: ■ Kurative Therapie: – Leberresektion ist Therapie der Wahl mit kurativer Intention. – Bei vorbestehender Funktionseinschränkung und kleinem Tumor Indikation zur Lebertransplantation ■ Palliative Therapie: – Transarterielle Chemoembolisation (TACE) – Perkutane Alkoholinjektion (PAI) – Ablative Verfahren wie Radiofrequenztherapie (RFA), laser-induzierte Thermotherapie (LITT)
Prognose: Der Spontanverlauf führt ab Diagnosestellung innerhalb von 2 – 4 Monaten zum Tode. Die Resektion verbessert die medianen Überlebenschancen etwa um den Faktor 6. Die 5-Jahres-Überlebensraten liegen breit gestreut zwischen 10 – 60 %. Das fibrolamelläre HCC wird in der Regel bei jungen Patienten unter 40 Jahren und ohne Leberzirrhose diagnostiziert. Resektionsraten und Prognose scheinen deutlich besser zu sein.
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504
B 1 Viszeralchirurgie
Cholangiozelluläres Karzinom (CCC)
Cholangiozelluläres Karzinom (CCC)
왘 Definition
왘 Definition. Der Ursprung geht vom Gallengangsepithel aus, sodass es sich histologisch um ein meist muzinöses Adenokarzinom handelt. Wegen der unterschiedlichen therapeutischen Konsequenzen und einem unterschiedlichen Wachstumsverhalten wird es von den Gallengangskarzinomen und dem Gallenblasenkarzinom (S. 481) abgegrenzt. Den Tumoren gemeinsam ist eine ausgesprochen fibröse Komponente, wobei sich das CCC charakteristischerweise gegen das gesunde Leberparenchym wesentlich schlechter abgrenzen lässt.
Die Differenzialdiagnose zur Metastase eines Adenokarzinoms kann schwierig bis unmöglich sein. Ätiologie: Sie ist unbekannt, unterscheidet sich aber von der des HCC. In Regionen mit hoher HCC-Inzidenz kommen eher weniger CCC vor und umgekehrt. Ein parasitärer Gallengangsbefall, angeborene Gallengangsdilatation, kongenitale Gallengangszysten und angeborene Leberfibrose scheinen mit einem erhöhten CCC-Risiko vergesellschaftet zu sein.
Ätiologie: Die Ätiologie des CCC ist unbekannt, unterscheidet sich aber in jedem Falle von der des HCC. In Regionen mit hoher HCC-Inzidenz ist die Inzidenz des CCC eher niedrig und umgekehrt. Insgesamt macht das CCC 25 – 30 % aller primären Leberkarzinome aus. Die Geschlechtsverteilung ist fast ausgeglichen. Verschiedene Beobachtungen deuten darauf hin, dass parasitärer Gallengangsbefall, angeborene Gallengangsdilatation und Gallengangszysten sowie die kongenitale Leberfibrose ein erhöhtes Risiko für die Entstehung eines cholangiozellulären Karzinoms beinhalten.
Klinik: Bei zentraler Lokalisation ist der Ikterus das führende Symptom, als Spätsymptome treten Druckgefühl und Schmerzen auf. Diagnostik: Der Tumornachweis erfolgt sonographisch oder durch CT (Abb. B-1.207)/ MRT. Bei dem Leitsymptom Ikterus kann eine MRC oder ERC indiziert sein.
Klinik: Je zentraler die Lokalisation, desto eher tritt als führendes Symptom ein Ikterus auf. Bei peripherer Lage treten Druckgefühl oder Schmerzen wie beim HCC erst als Spätsymptome auf.
Therapie: Es ist die Resektion in kurativer Intention anzustreben. In seltenen Fällen besteht die Indikation zur Lebertransplantation.
Therapie: Wenn möglich, sollte der Tumor reseziert werden. Wegen der im Gegensatz zum HCC nicht vorhandenen Assoziation zur Leberzirrhose ist die Resektabilitätsrate höher und die Prognose besser. In seltenen Fällen besteht die Indikation zur Lebertransplantation.
Sekundäre Lebertumoren – Lebermetastasen In Europa sind Lebermetastasen die häufigsten Malignome (50 – 80 % der Indikationen zu leberchirurgischen Eingriffen). Die Lebermetastasierung kann portal, arteriell und per continuitatem erfolgen. Der Nutzen der Resektion von Lebermetastasen ist beim kolorektalen Primärkarzinom (portaler Metastasierungsweg) durch Langzeitergebnisse belegt. Die 5-Jahres-Überlebensraten liegen zwischen 20 und 45 %. B-1.207
Diagnostik: Der Tumornachweis erfolgt sonographisch oder durch CT/MRT (Abb. B-1.207). Bei dem Leitsymptom Ikterus kann eine MRC oder ERC indiziert sein. Die schwierige Differenzialdiagnose zur Metastase kann eine erheblich aufwendige Primärtumorsuche erforderlich machen, da die Diagnose auch durch Biopsie nicht eindeutig zu stellen sein kann (s. u.).
Sekundäre Lebertumoren – Lebermetastasen Lebermetastasen sind in Europa mit weitem Abstand die häufigsten Lebermalignome und machen 50 – 80 % der Indikationen zu leberchirurgischen Eingriffen aus. Die Metastasierung in die Leber kann portal, arteriell, lymphogen oder per continuitatem erfolgen. Deshalb scheint die Resektion von Lebermetastasen prognostisch günstiger, wenn Metastasen des portalen Metastasierungsweges reseziert werden, da hier die Leber den ersten Filter darstellt.
B-1.207
Cholangiozelluläres Karzinom (CCC) CT nach i.v.-KM-Gabe: Von Leberhilus ausgehend hypodense Raumforderung der Segmente VIII und IVa. Es handelt sich um ein cholangiozelluläres Karzinom zentral im rechten Leberlappen (?), Metastase im linken Leberlappen (? ?).
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B 1.10 Leber
505
Bei Patienten mit Lebermetastasen kolorektaler Primärkarzinome liegen Langzeiterfahrungen über mehrere Jahrzehnte über den therapeutischen Nutzen der Resektion von Metastasen vor. Je nach Indikationsstellung (Selektion!) liegen die 5-Jahres-Überlebensraten der leberresezierten Patienten zwischen 20 und 45 %. Klinik: Nur ausnahmsweise führen synchrone Lebermetastasen eines unbekannten Primärtumors mit Druckgefühl oder Schmerzen im rechten Oberbauch zur Abklärung und Primärtumorsuche. Meist ist das primäre kolorektale Karzinom symptomführend, sodass synchron bestehende Lebermetastasen im Rahmen des Primärtumor-Stagings gefunden werden, bzw. nachfolgend auftretende Metastasen in der Nachsorge diagnostiziert werden.
Klinik: In der Regel wird die Symptomatik eines Patienten vom Primärtumor und nicht von der Lebermetastase verursacht.
Diagnostik: Meistens werden Lebermetastasen im Rahmen der Nachsorgeuntersuchungen einer Karzinomerkrankung sonographisch oder computertomographisch diagnostiziert. Die szintigraphischen Möglichkeiten sind auf S. 493 dargestellt. Vor der Indikationsstellung für eine Behandlung, z. B. ein resezierendes Therapieverfahren, hat die Diagnostik folgende Fragen zu klären: ■ Ausschluss eines Lokalrezidivs des Primärkarzinoms (z. B. durch Koloskopie, MRT des kleinen Beckens) ■ Ausschluss einer extrahepatischen, metastatischen Tumormanifestation (z. B. Lungen-CT, Knochenszintigramm) und ■ Feststellung der lokalen Resektabilität (z. B. CT, MRT).
Diagnostik: Lebermetastasen werden meist im Rahmen der Tumornachsorge (sonographisch oder computertomographisch) festgestellt. Zu den szintigraphischen Möglichkeiten siehe S. 493. Für die Indikation zur Resektion von Lebermetastasen sind folgende Fragen zu klären: ■ Ausschluss eines Lokalrezidivs des Primärkarzinoms ■ Ausschluss einer extrahepatischen, metastatischen Tumormanifestation ■ Feststellung der lokalen Resektabilität.
Therapie: Die Indikationsstellung zur Resektion von Lebermetastasen ist beim kolorektalen Primärkarzinom durch Langzeitergebnisse abgesichert, bei anderen Primärkarzinomen wie z. B. beim Mammakarzinom nicht. Prognostisch günstig sind Solitärmetastasen (Abb. B-1.208) oder bis zu 3 Metastasen, unabhängig ob diese auf eine Leberhälfte beschränkt sind oder sich auf beide Seiten verteilen (z. B. erforderliche Operation: Bisegmentektomie rechts + Monosegmentektomie links). Bei synchroner Lebermetastasierung sollte die Resektion des kolorektalen Primärkarzinoms mit der Resektion der Lebermetastasen gleichzeitig vorgenommen werden. Für das früher geübte 2-zeitige Vorgehen – erst Kolonresektion, dann Leberresektion – sprechen angesichts der niedrigen Komplikationsraten beim Kombinationseingriff kaum noch Argumente. Bei Irresektabilität z. B. aufgrund multipler Lebermetastasen werden palliativ die systemische und lokoregionale Chemotherapie (S. 509) sowie die Chemoembolisation eingesetzt.
Therapie: Das Therapieverfahren der Wahl bei Lebermetastasen ist die Resektion. Abgesichert ist diese Aussage nur für das kolorektale Primärkarzinom. Prognostisch günstig sind Solitärmetastasen (Abb. B-1.208) oder bis zu 3 Metastasen.
B-1.208
Bei synchroner Lebermetastasierung sollte die Resektion des kolorektalen Primärkarzinoms mit der Resektion der Lebermetastasen gleichzeitig vorgenommen werden. Als Palliativmaßnahmen bei Irresektabilität kommen systemische und lokoregionale Chemotherapie zum Einsatz.
Lebermetastasen
a CT-Befund einer großen solitären Lebermetastase im rechten Leberlappen mit zentraler Tumornekrose (?) und Hypertrophie der Restleber, zusätzlich 2 kleine Zysten im linken Leberlappen.
b Intraoperativer Befund einer großen Lebermetastase im rechten Leberlappen mit typischer zentraler Einziehung infolge der Tumornekrose.
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506
B 1 Viszeralchirurgie
1.10.5 Therapieverfahren an der Leber
1.10.5 Therapieverfahren an der Leber
Operative Therapieverfahren
Operative Therapieverfahren
Die Regenerationsfähigkeit der Leber unterscheidet die Leberresektion grundsätzlich von allen anderen Resektionen an parenchymatösen Organen. Die Operationsverfahren werden in anatomische und nichtanatomische Resektionen eingeteilt. Anatomische Resektionen orientieren sich am segmentalen Aufbau der Leber. Sie sind das Verfahren der Wahl bei der Resektion maligner Tumoren. Gefordert wird dabei ein Sicherheitsabstand von mindestens 0,5 – 1 cm. Nichtanatomische Resektionen kommen bei benignen Tumoren, diagnostischen Eingriffen und beim Lebertrauma zur Anwendung. Die Resektion beim Malignom verlangt bei kurativer Intention einen Sicherheitsabstand von mind. 1 cm (Abb. B-1.209). Ist bei einer geplanten Resektion das residuale Lebervolumen zu klein, kann durch eine präoperative Unterbindung des Pfortaderflusses des tumorständigen Leberlappens eine Hypertrophie des residualen Lebergewebes erreicht werden. Standardverfahren der Leberresektion sind:
Die Leberresektion unterscheidet sich grundsätzlich von der Resektion anderer Anteile parenchymatöser Organe, da sie von einer schrittweisen Regeneration des verbliebenen Lebergewebes gefolgt ist (Ausnahme: Leberzirrhose!). Über die ersten Leberresektionen wurde schon Ende des 19. Jahrhunderts berichtet. So führte Langenbuch 5 Jahre nach seiner erstmaligen Cholezystektomie 1882 die erste Resektion eines linken Leberlappens durch. Grundsätzlich werden heute bei den Operationsverfahren an der Leber anatomische von nichtanatomischen Resektionen unterschieden. Anatomische Resektionen orientieren sich am segmentalen Aufbau der Leber, der über das arterioportale und biliäre System einerseits und den venösen Abstrom zur V. cava inferior andererseits definiert ist. Nichtanatomische Resektionen werden überwiegend nur bei gutartigen Tumoren, bei diagnostischen Keilresektionen kleiner Tumoren oder zum Débridement bei schweren Leberverletzungen durchgeführt. Die Resektion beim Malignom verlangt bei kurativer Intention einen definierten Mantel gesunden Lebergewebes von mindestens 1 cm Dicke (Abb. B-1.209; keine Enukleationsresektionen!), sodass hier meist anatomische Resektionen mit klar definierten Resektionsgrenzen zur Anwendung kommen. Falls das residuale Lebervolumen einer geplanten Resektion zu klein wäre, kann durch eine präoperative Unterbindung des Pfortaderflusses (z. B. Ligatur oder Embolisation) des tumorständigen Leberlappens eine Hypertrophie des residualen Lebergewebes erreicht werden, welches anschließend eine Resektion ermöglichen kann. Folgende operative Verfahren der Leberresektion werden unterschieden:
Segmentektomie
Segmentektomie
Nach Anzahl entfernter Segmente werden Mono-, Bi- und Multisegmentektomien unterschieden und durch Angabe der Segmentzahl I–VIII spezifiziert.
Entsprechend der Zahl der entfernten Segmente werden Mono-, Bi- und Multisegmentektomien unter Angabe der Zahlenbezeichnungen der entfernten Segmente klassifiziert. Inkonsequent ist der im englischen Sprachgebrauch übliche Ausdruck „Trisegmentektomie“, der als erweiterte Hemihepatektomie definiert ist und nicht eine „Dreisegmentresektion“ beschreibt.
Hemihepatektomie
Hemihepatektomie
Entsprechend der arterioportalen Versorgung wird die Resektion der rechten Segmente V–VIII als Hemihepatektomie rechts (Entfernung von etwas 60 % Parenchymvolumen) und die der linken Segmente I–IV als Hemihepatektomie links definiert (Entfernung von etwa 40 % Parenchymvolumen).
Die Resektion der Segmente V–VIII wird als rechte, die der Segmente I–IV als linke Hemihepatektomie (cave: engl. Lobectomy) definiert. Die Definition orientiert sich am Versorgungsgebiet der rechten bzw. linken arterioportalen Strombahn. Die transparenchymatöse Resektionsebene folgt einer Linie, die vom Gallenblasenbett ausgeht und zur rechten Lebervene und der retrohepatischen V. cava führt. Bei der Hemihepatektomie rechts werden etwa 60 % des Parenchymvolumens entfernt, bei der Hemihepatektomie links ca. 40 % (Abb. B-1.196, S. 487).
B-1.209
B-1.209
Segmentektomie bei Lebermetastasen Aufgeschnittenes Präparat einer durch Segmentektomie entfernten Lebermetastase mit 4 1 cm Abstand gesunden Lebergewebes zum Resektionsrand.
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B 1.10 Leber
507
Erweiterte Hemihepatektomie
Erweiterte Hemihepatektomie
Bei einer erweiterten rechten Hemihepatektomie werden zusätzlich die beiden medianen, rechts des Lig. falciforme lokalisierten und zum linken Versorgungsgebiet gehörigen Segmente IVa und IVb entfernt (im engl. Sprachgebrauch: „extended hepatectomy“ oder „trisegmentectomy“). Diese Resektion entfernt 75 – 80 % des verfügbaren Leberparenchyms und ist die ausgedehntest mögliche. Voraussetzung ist die Normalfunktion und Regenerationsfähigkeit des Restparenchyms. Als Ausdruck der vorübergehenden Leberinsuffizienz tritt häufig ein postoperativer Ikterus auf. Bei der erweiterten linksseitigen Hemihepatektomie wird zusätzlich das anteriore mediane rechte Segment V reseziert.
Die Hemihepatektomie rechts mit zusätzlicher Resektion der medianen linken Segmente IVa und IVb wird als erweiterte Hemihepatektomie rechts bezeichnet (ca. 75 – 80 % des Leberparenchyms). Voraussetzung ist die Normalfunktion des Restparenchyms. Bei der erweiterten linken Hemihepatektomie wird zusätzlich das anteriore mediane rechte Segment V reseziert.
Lobektomie
Lobektomie
Der im deutschen Sprachgebrauch gelegentlich benutzte Begriff orientiert sich am Lig. falciforme, sodass eine rechtsseitige Lobektomie einer erweiterten Hemihepatektomie rechts entspricht und eine linkseitige Lobektomie nur eine linkslaterale Bisegmentektomie II und III darstellt. Da sich der Begriff der Lobektomie nicht an den wesentlichen anatomischen Strukturen orientiert und im Zusammenhang mit dem englischen Begriff „lobectomy“ zur Begriffsverwirrung führt, sollte er nicht mehr verwendet werden.
Der im deutschen Sprachraum noch übliche Begriff orientiert sich am Lig. falciforme. Wegen der zu Verwirrungen führenden Begriffsüberschneidungen mit dem engl. Begriff „lobectomy“ für eine Hemihepatektomie sollte der deutsche Begriff Lobektomie nicht mehr gebraucht werden.
Grundprinzipien der Operationstechnik
Grundprinzipien der Operationstechnik
Leberchirurgische Eingriffe haben heute einen hohen Grad an Standardisierung und Sicherheit erreicht, sodass in Abhängigkeit von der Grunderkrankung das Letalitätsrisiko zwischen 0 und 15 % liegt. Voraussetzungen zur Minimierung des Operationsrisikos sind eine angemessene präoperative Diagnostik mit Erfassung allgemeiner, insbesondere aber auch potenziell operationstechnischer Risiken wie sie in Abb. B-1.197 (S. 489) am Beispiel einer Tumorummauerung der Pfortaderaufzweigung dargestellt sind. Ein wesentlicher operationstechnischer Sicherheitsfaktor bei allen Leberresektionen ist die grundsätzlich vollständige Mobilisation der Leber, um jederzeit alle versorgenden Gefäße und die infra- und suprahepatische V. cava kontrollieren zu können. Für eine Hemihepatektomie werden dann alle Strukturen im L. hepatoduodenale (A. hepatica communis, A. hepatica propria, rechte und linke Leberarterie, Gallengang mit Hepatikusgabel, Pfortader mit Pfortadergabel (Abb. B-1.210) dargestellt. Im ersten Präparationsschritt werden meist der Ductus cysticus und die A. cystica durchtrennt und die Gallenblase entfernt. Anschließend werden die Leberarterie und der zentrale Pfortaderstammast der zu entfernenden Seite unterbunden. Als Folge verfärbt sich das Parenchym der unterbundenen Seite livide und gibt so schon die vom Gallenblasenbett zur rechten Lebervene und zur V. cava verlaufende transparenchymatöse Resektionsebene vor (Abb. B-1.210). Die Präparation durch das Lebergewebe erfolgt stumpf mit feinen Klemmen, wobei in kleinen Portionen Gefäße und Gallengänge gefasst und ligiert werden. Während der Resektion kann der arterioportale Zufluss zur gesunden, verbleibenden Leberseite durch Okklusion des Lig. hepatoduodenale unterbrochen werden. Dieses „Pringle-Manöver“ (s. S. 511) genannte Verfahren reduziert erheblich den potenziellen Blutverlust und wird von gesundem Leberparenchym unter den Bedingungen der warmen Ischämie bis zu 60 Minuten bei intermittierender Anwendung toleriert. Die Ischämietoleranz der Leber kann durch eine ischämische Präkonditionierung erhöht werden. Hierbei wird das Lig. hepatoduodenale vor Beginn der Resektion 2 – 3-mal intermittierend für 10 Minuten ausgeklemmt. Dieses führt über die Freisetzung von Hitze-SchockProteinen zu einer Stabilisierung der sinusoidalen Endothelzellen. Die Resektionsfläche bleibt nach vervollständigter Blutstillung entweder offen oder wird mit einer Netzplombe, Fibrinkleber oder Kollagen etc. abgeklebt.
Ein hoher Grad an Standardisierung hat in der Leberchirurgie zur erheblichen Risikominderung geführt, sodass sich die operationsbedingte Letalität je nach Grunderkrankung zwischen 0 und 15 % bewegt. Die präoperative Diagnostik zeigt potenziell operationstechnische Risiken auf.
Für eine Hemihepatektomie werden im Lig. hepatoduodenale die Aa. hepatica dextra und sinistra, die Pfortadergabel (Abb. B-1.210) und der Gallengang mit Hepatikusgabel präpariert. Die Gallenblase wird entfernt. Arterie und Pfortaderstammast der zu resezierenden Seite werden unterbunden mit konsekutiver livider Verfärbung des nicht mehr durchbluteten Parenchyms (Abb. B-1.210). Zur Reduktion des Blutverlustes kann eine komplette Unterbrechung des Blutflusses erfolgen (= Pringle-Manöver). Die dadurch verursachte warme Ischämie wird von gesundem Leberparenchym bis zu 60 Minuten toleriert. Die Ischämietoleranz der Leber kann durch eine ischämische Präkonditionierung erhöht werden. Hierbei wird das Lig. hepatoduodenale vor Beginn der Resektion 2 – 3-mal intermittierend für 10 Minuten ausgeklemmt. Die Resektionsfläche bleibt offen oder wird abgeklebt.
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B 1 Viszeralchirurgie
508 B-1.210
Linksseitige (a) bzw. rechsseitige (b) Hemihepatektomie
a Intraoperativer Befund vor einer linksseitigen Hemihepatektomie; Präparation der Strukturen im Lig. hepatoduodenale (gelbe Zügel = D. choledochus und linker D. hepaticus; roter Zügel = Aa. hepatica propria und dextra; blauer Zügel = linker Pfortaderstammast).
Palliative und adjuvante Therapieverfahren
b Intraoperativer Befund bei einer rechtsseitigen Hemihepatektomie zur Resektion einer großen Lebermetastase. Livide Verfärbung des Parenchyms nach Durchtrennung der rechten Leberarterie und des rechten Pfortaderstammastes.
Palliative und adjuvante Therapieverfahren
Palliative Therapieverfahren kommen bei irresektablen malignen Lebertumoren infrage: ■ perkutane Alkoholinjektion (PAI) ■ lokal ablative Verfahren ■ transarterielle Chemoembolisation (TACE) ■ systemische Chemotherapie ■ lokoregionäre Chemotherapie.
Palliative Therapieverfahren kommen bei irresektablen primären und sekundären malignen Tumoren der Leber infrage. Neben der systemischen Chemotherapie liegen nennenswerte Erfahrungen mit der perkutanen Alkoholinjektion (PAI) beim HCC, den lokal ablativen Verfahren bei primären und sekundären Lebertumoren, der Chemoembolisation beim HCC und bei Lebermetastasen eines Karzinoids vor sowie mit der lokoregionären Chemotherapie bei Metastasen kolorektaler Primärkarzinome. Außerdem gibt es noch die transarterielle Chemoembolisation (TACE). Diese Verfahren sollen im Folgenden nur prinzipiell dargestellt werden.
Perkutane Alkoholinjektion (PAI)
Perkutane Alkoholinjektion (PAI)
Die perkutane Alkoholinjektion in das Tumorzentrum ist eine palliative Therapie beim HCC.
Die perkutane Alkoholinjektion kann palliativ beim HCC eingesetzt werden. Die Injektion von Alkohol in das Zentrum des Tumors erfolgt unter der Kontrolle von Ultraschall.
Lokal ablative Verfahren
Lokal ablative Verfahren
Lokal ablative Verfahren zerstören über eine in das Zentrum der Raumforderung eingebrachte Sonde lokal Gewebe durch applizierte Kälte oder Wärme. Die Platzierung der Sonde erfolgt unter Kontrolle eines bildgebenden Verfahrens (Sono, MR, CT) oder intraoperativ. Verfahren sind: ■ Kryotherapie ■ Radiofrequenzablation (RFA) ■ Laser-induzierte interstitielle Thermotherapie (LITT). Die induzierte Nekrose führt post interventionell oftmals zu einer Zytokinfreisetzung mit Fieber und erhöhten Leberwerten, die innerhalb von 1 – 2 Tagen rückläufig ist.
Die ablativen Verfahren ermöglichen eine lokale Tumordestruktion und werden fast ausschließlich palliativ eingesetzt. Das Prinzip der Ablation basiert auf einer Tumordestruktion durch lokale Anwendung von Kälte (Kryo) oder Wärme (RFA, LITT). Hierzu wird eine Sonde in das Zentrum der zu abladierenden Raumforderung eingeführt, an deren Spitze die Energie freigesetzt wird. Bei der Kryotherapie erfolgt eine Vereisung des Tumorgewebes, die zur Nekrose führt. Bei der Radiofrequenzablation (RFA) versetzen die Radiofrequenzwellen die umgebenden Moleküle in Schwingung und die dadurch entstehende Wärme zerstört das umgrenzende Gewebe. Bei der Laser-induzierten interstitiellen Thermotherapie (LITT) erfolgt die Gewebezerstörung durch die Lichtenergie des Lasers. Die präzise Platzierung der Sonde erfolgt Ultraschall-gestützt intraoperativ oder perkutan, CT-gestützt perkutan oder MR-gestützt perkutan. Bei größeren Raumforderungen kann bei der RFA eine Sonde mit mehreren Köpfen verwendet werden, wodurch Raumforderungen bis 5 cm Durchmesser abladiert werden können. Die induzierte Nekrose führt post interventionell oftmals zu einer Zytokinfreisetzung mit Fieber und erhöhten Leberwerten, die innerhalb von 1 – 2 Tagen rückläufig ist.
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B 1.10 Leber
509
Transarterielle Chemoembolisation (TACE)
Transarterielle Chemoembolisation (TACE)
Die transarterielle Chemoembolisation vereinigt zwei therapeutische Prinzipien. Das erste, die Embolisation, hat das Ziel, die Sauerstoffversorgung des Tumors möglichst vollständig zu unterbinden. Dabei kommt dem Verfahren das Phänomen zu Hilfe, dass Tumoren der Leber im Gegensatz zur normalen Blutversorgung der Leberzelle überwiegend arteriell und weniger portal venös versorgt werden. Eine arterielle Embolisation schädigt deshalb die Tumorzelle mehr als die im selben Segment befindlichen Hepatozyten. Das zweite, ein arteriell appliziertes Chemotherapeutikum soll gleichzeitig in höherer Dosis und damit effektiver die Tumorzelle erreichen als bei einer systemischen Verabreichung. Die Kombination beider Verfahren drängt sich fast zwingend auf, sodass mit verschiedenen Trägersubstanzen versucht wird, einerseits eine Embolisation auf Zeit zu erreichen und andererseits beim Auflösen des Embolisats (z. B. Zellulosepartikel) ein Chemotherapeutikum in hoher Konzentration lokal freizusetzen.
Bei der Chemoembolisation werden 2 therapeutische Verfahren synchron eingesetzt. Die Embolisation soll die Sauerstoffversorgung des Tumors unterbrechen. Begünstigt wird dieses Verfahren durch die überwiegende arterielle Versorgung der Tumoren. Gleichzeitig soll ein arteriell appliziertes Chemotherapeutikum im Tumorgebiet wirksam werden.
Lokoregionäre Chemotherapie
Lokoregionäre Chemotherapie
Die lokoregionäre Chemotherapie versucht das duale arterio-portale Versorgungssystem der Leber zu nutzen. Als Indikation werden nicht resektable Metastasen kolorektaler Primärkarzinome und irresektable primäre Leberzellkarzinome angesehen. Besonders geeignet sind Patienten, bei denen angiographisch eine überwiegend arterielle Blutversorgung der Metastasen oder des Karzinoms besteht. Hier kann ein Verweilkatheter in die A. gastroduodenalis implantiert werden, welcher mit einem in einer subkutanen Tasche fixierten Port- oder Pumpensystem konnektiert wird (Abb. B-1.211). Über das direkt punktierbare System können Chemotherapeutika kontinuierlich oder sequenziell appliziert werden. Der Vorteil der lokoregionalen Chemotherapie liegt einerseits in der Höhe der erreichbaren Zytostatikakonzentration und andererseits in der Tatsache, dass ein Teil der Zytostatika schon bei der ersten Leberpassage metabolisiert wird, was zu einer Reduktion der Nebenwirkungen im Vergleich zur systemischen Applikation führt. Bei Lebermetastasen kolorektaler Karzinome werden in 30 – 70 % der Fälle Remissionen oder ein Krankheitsstillstand beobachtet, bei 1/3 der Patienten ist der Krankheitsverlauf weiter progredient. Ob die lokoregionäre Chemotherapie im Vergleich zur systemischen Applikation einen Vorteil hinsichtlich einer Lebensverlängerung bietet, konnte bisher keine Studie sicher klären.
Bei der lokoregionären Chemotherapie wird ein Kathetersystem in die A. gastroduodenalis so implantiert, dass ein Chemotherapeutikum kontinuierlich oder intermittierend direkt über die Leberarterie die Lebermetastasen oder das Karzinom in hoher Konzentration erreicht (Abb. B-1.211).
B-1.211
Da ein Teil der applizierten Zytostatika schon bei der ersten Leberpassage metabolisiert wird, sind die Nebenwirkungen der lokoregionalen Chemotherapie vergleichsweise geringer als bei der systemischen Applikation. In etwa je 1/3 werden unter der regionalen Chemotherapie Remissionen, ein stabiler Krankheitsverlauf bzw. Progredienz beobachtet. Bisher nicht geklärt ist, ob die regionale Chemotherapie gegenüber der systemischen einen Überlebensvorteil bietet.
Lokoregionäre Chemotherapie
a Implantation eines Kathetersystems in die A. gastroduodenalis. Nach Injektion von Methylenblau färben sich Lebergewebe und ein Segment des Duodenums homogen. Die ebenfalls angefärbte Gallenblase wird zur Vermeidung therapiebedingter entzündlicher Komplikationen entfernt.
b Das Portsystem wird subkutan platziert und kann leicht punktiert werden.
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510
B 1 Viszeralchirurgie
1.10.6 Lebertrauma
1.10.6 Lebertrauma
Einteilung und Schweregrade
Einteilung und Schweregrade
Je nach Ursache werden die Leberverletzungen eingeteilt in: ■ perforierende Schuss- und Stichverletzungen ■ Parenchymberstungen nach stumpfem Bauchtrauma ■ Dezelerationstraumen mit Ausriss der Leber aus dem Halteapparat. Die Letalität des Lebertraumas lag noch Mitte des vergangenen Jahrhunderts bei ca. 65 % und liegt heute dank verbesserter Techniken zur Kontrolle von Blutungen bei 10 %. Ein Vergleich der Ergebnisse ist aber nur unter Berücksichtigung der Schweregrade einer Leberverletzung möglich (Tab. B-1.53).
Ausgehend von den Ursachen einer Leberverletzung sind perforierende Schussund Stichverletzungen von Leberparenchymberstungen infolge eines stumpfen Bauchtraumas sowie Dezelerationstraumata (Sprung aus großer Höhe, Auffahrunfall) mit Ausriss der Leber aus den Aufhängebändern zu unterscheiden. Bei der Einschätzung einer Schussverletzung muss berücksichtigt werden, dass der Grad der Parenchymverletzung von der Größe und Splitterwirkung sowie der Geschwindigkeit des Geschosses abhängt. Noch Mitte dieses Jahrhunderts lag die Letalität des Lebertraumas bei etwa 65 %. Mit zunehmender Erfahrung in der resezierenden Leberchirurgie sowie der Lebertransplantation stieg die Zahl technischer Möglichkeiten zur Kontrolle und Versorgung von Blutungen der Leber und die Zahl damit vertrauter Chirurgen. Die Folge war eine erhebliche Verbesserung der Ergebnisse auch bei schweren Leberverletzungen mit einer mittleren Letalität, die heute bei etwa 10 % liegt. Um aber wirklich Resultate vergleichen zu können, bedarf es einer auf die einzelnen Schweregrade (Tab. B-1.53) bezogenen Analyse der Ergebnisse.
Komplikationen: Siehe Tab. B-1.54.
Komplikationen: Typische Komplikationen, die nach einem schweren Lebertrauma (Grad III–IV) auftreten können, sind in Tab. B-1.54 aufgeführt.
Diagnostik: S. 491.
Diagnostik: Siehe die auf S. 491 beschriebenen Methoden.
Therapie
Therapie
70 – 80 % aller Leberverletzungen nach einem stumpfen Bauchtrauma gehören der Schweregradkategorie I und II an und bedürfen zur Versorgung keiner speziellen leberchirurgischen Erfahrung.
Leberverletzungen als Folge eines stumpfen Bauchtraumas gehören zu 70 – 80 % der Schweregradkategorie I und II an. Damit erfordert ihre Versorgung keine spezielle leberchirurgische Erfahrung. Meist sind temporäre Kompression und einzelne Kapselnähte ausreichend, um oberflächliche Lazerationen und Parenchymeinrisse definitiv zu versorgen. Da derartige Verletzungen häufig bei der Exploration schon spontan nicht mehr bluten, wird heute zunehmend dazu übergegangen, diese Patienten bei kreislaufstabiler Ausgangssituation intensivmedizinisch zu beobachten und im Verlauf eine sonographisch festgestellte intraabdominelle Blutansammlung kurzfristig zu kontrollieren. Bei Zunahme der Flüssigkeitsmenge oder größerem Flüssigkeitsbedarf des Patienten zur Stabilisierung sollte allerdings dann die Indikation zur Exploration gestellt werden. Leberverletzungen der Schweregrade III–V bedürfen speziellerer Erfahrung und Techniken zur vorläufigen oder definitiven Versorgung. Im Folgenden seien nur die Wichtigsten kurz aufgezählt und erklärt.
Zunehmend werden derartige Patienten bei stabiler Ausgangssituation nur noch intensivmedizinisch überwacht und sonographisch kurzfristig kontrolliert. Bei Zunahme der intraabdominellen Flüssigkeit oder beginnender Kreislaufinstabilität besteht die Indikation zur Exploration. Patienten mit Leberverletzungen der Schweregrade III–V bedürfen zur Versorgung meist spezieller Techniken, die im Folgenden kurz dargestellt werden sollen.
B-1.53
B-1.53
Einteilung des Lebertraumas nach Schweregraden
Schweregrad
Art der Leberverletzung
I
■ ■
II
■ ■ ■
III
■ ■ ■
IV
■ ■
V
■ ■
Kapselriss/Kapseldefekt Parenchymriss 5 1 cm Tiefe Parenchymriss 1 – 3 cm Tiefe subkapsuläres Hämatom 5 10 cm penetrierende Verletzung peripher Parenchymriss 4 3 cm Tiefe subkapsuläres Hämatom 4 10 cm penetrierende Verletzung zentral Parenchymzerreißung eines Lappens expandierendes, zentrales Hämatom Verletzung der retrohepatischen V. cava ausgedehnte Lappenzerstörung beidseits
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B 1.10 Leber
B-1.54 ■ ■ ■ ■ ■
■
Komplikationen nach schwerem Lebertrauma (Grad III–V)
511 B-1.54
Blutung Gallenleckage und Fistel subhrenischer, subhepatischer oder intrahepatischer Abszess Zeichen der Leberinsuffizienz (z. B. Ikterus, mangelhafte Syntheseleistung) Hämobilie (Falschverbindung vom Gefäßsystem zum Gallengangssystem führt zur Blutung aus der Papille) Bilhämie (Falschverbindung von Gallengangssystem zu den Lebervenen führt zur exzessiven Bilirubinerhöhung)
B-1.212
Pringle-Manöver
B-1.212
Pringle-Manöver
Pringle-Manöver
Die Okklusion des Lig. hepatoduodenale (Abb. B-1.212) und damit des arterioportalen Zuflusses der Leber ermöglicht eine kontrollierte Revision z. B. eines tiefen Parenchymrisses mit Naht zerrissener Blutgefäße und Gallengänge. Auch beim Lebertrauma wird meist eine warme Ischämie von 30 – 45 Minuten toleriert.
Die Okklusion des Lig. hepatoduodenale (Abb. B-1.212) unterbricht den arterioportalen Zufluss zur Leber und ermöglicht so die Exploration tiefer Parenchymverletzungen mit Naht zerstörter Gefäße oder Gallengänge.
왘 Merke. Eine Milzverletzung muss zuerst versorgt sein, da sie sonst bei
왗 Merke
einem Pringle-Manöver wegen der Stauung heftig bluten kann. Tamponade der Leber („Packing“)
Tamponade der Leber („Packing“)
Die temporäre perihepatische Tamponade mit Bauchtüchern oder Jodoformstreifen stellt die technisch einfachste und nicht selten auch effektivste Maßnahme zur Kontrolle der Blutung bei einer schweren Leberverletzung dar (Abb. B-1.213). Für den Fall, dass die Verletzung bei der Primärversorgung nicht definitiv versorgt werden kann, ist damit fast immer der Transport in ein Zentrum möglich.
Die temporäre perihepatische Tamponade mit Tüchern stellt die einfachste Methode der Blutstillung dar (Abb. B-1.213) bzw. es wird dadurch der Transport des Patienten in ein Zentrum fast immer möglich.
Vollständige vaskuläre Exklusion
Vollständige vaskuläre Exklusion
Besonders Dezelerationstraumen können zu einem Ausriss einer oder mehrerer Lebervenen aus der V. cava führen. Als Folge kann mit dem Pringle-Manöver keine wesentliche Reduktion der oft primär schwer zu lokalisierenden heftigen Blutung erreicht werden. Erst die vollständige Mobilisation der Leber aus ihren Aufhängebändern mit Okklusion der V. cava infra- und suprahepatisch führt in Kombination mit einem Pringle-Manöver zur Kontrolle der Blutung. Selten muss das Zwerchfell über der V cava gespalten werden, um die V cava auf Höhe des rechten Vorhofes kontrollieren zu können.
Dezelerationsverletzungen der Leber können zu Ein-/Ausrissen der Lebervenen an der Einmündung in die V. cava führen. Erst die vollständige Mobilisation der Leber aus dem Halteapparat mit Okklusion der V. cava proximal und distal der Leber bei gleichzeitigem Pringle-Manöver ermöglicht die Kontrolle der Blutung.
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512 B-1.213
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.213
Perihepatische Tamponade der Leber Bei der perihepatischen Tamponade der Leber werden die Tücher zur Blutstillung überwiegend subhepatisch platziert, um eine Stauung der Lebervenen zu vermeiden.
Atypische Leberresektion
Atypische Leberresektion
Da anatomische Leberresektionen bei schweren Leberverletzungen eine hohe Letalität aufweisen, sollte bei vollständiger Zerstörung von Parenchymanteilen nur ein möglichst sparsames Débridement als nicht anatomische Resektion durchgeführt werden.
Bei völliger Parenchymzerreißung eines Leberanteiles sollte dieser im Sinne eines Débridements entfernt werden. Anatomische größere Resektionen haben beim Lebertrauma eine sehr hohe Letalität und sollten deshalb zugunsten nichtanatomischer, Parenchym sparender Débridements unterlassen werden. Da schwere Leberverletzungen meist nie isoliert, sondern fast immer im Rahmen eines Polytrauma auftreten, benötigt der Patient zur Bewältigung von Schock, Massentransfusionen und möglichen septischen Komplikationen viel Leberparenchym.
Hepatotomie
Hepatotomie
Unter der Hepatotomie ist die Erweiterung eines Parenchymrisses oder die Spaltung des Gewebes über einem Schusskanal zur Versorgung verletzter Strukturen zu verstehen.
Als Hepatotomie wird die Erweiterung eines Parenchymrisses bezeichnet, um an verletzte Strukturen in der Tiefe besser herankommen zu können. Weiterhin wird darunter auch die Spaltung gesunden Parenchyms über einem Schusskanal zu dessen Versorgung verstanden.
Hepatostomie
Hepatostomie
Die Hepatostomie wird von amerikanischen Chirurgen zur Versorgung von Schussverletzungen der Leber beschrieben. Dabei wird ein Schlauchdrain in den Kanal eingebracht und transkutan ausgeleitet. Die Drainage komprimiert einerseits verletztes Gewebe und drainiert andererseits Blut und Galle nach außen.
Alternativ zur Hepatotomie wird in der Versorgung von Schusskanälen von amerikanischen Chirurgen die Hepatostomie als weiteres Verfahren beschrieben, bei dem eine schlauchförmige Drainage mit vielen Drainagelöchern in den Schusskanal eingebracht und transkutan ausgeleitet wird. Der Effekt besteht zum einen in der Kompression des verletzten Parenchyms um den Kanal herum und zum anderen in der gleichzeitigen Drainage von Blut und Galle nach außen.
1.10.7 Spezielle Komplikationen in der
Leberchirurgie
1.10.7 Spezielle Komplikationen in der Leberchirurgie
Neben den allgemeinen Risiken chirurgischer Eingriffe gibt es nach leberchirurgischen Eingriffen typische Komplikationen, die nachfolgend kurz beschrieben werden.
Jeder größere leberchirurgische Eingriff birgt alle allgemeinen Risiken postoperativer Komplikationen, wie sie für abdominalchirurgische Operationen in einem bestimmten Prozentsatz beschrieben werden, wie Nachblutungen, Infektionen der Bauchhöhle oder Wunde sowie thromboembolische Komplikationsmöglichkeiten. Bei einigen leberchirurgischen Eingriffen ist dieses Risiko deutlich erhöht und wird zusätzlich durch sehr typische Komplikationen charakterisiert, die im Folgenden kurz beschrieben werden.
Pleuraerguss
Pleuraerguss
Ein rechtsseitiger Pleuraerguss wird nach Leberresektionen in bis zu 20 % der Fälle beobachtet.
In bis zu 20 % der Fälle ist besonders nach ausgedehnteren resezierenden Eingriffen an der Leber ein rechtsseitiger Pleuraerguss zu beobachten und evtl.
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B 1.11 Portale Hypertension
513
zu therapieren. Die Ursache kann einerseits die Mobilisation der rechten Leber mit Durchtrennung der Verwachsungen mit der Zwerchfellkuppe sein und andererseits bei erweiterten Resektionen eine vorübergehende Leberinsuffizienz mit Ausbildung eines Aszites und Pleuratranssudates. Entsprechend benötigen die Patienten eine entwässernde Therapie und evtl. eine Pleurapunktion oder -drainage.
Die Therapie besteht aus Diuretika und Pleuradrainage oder -punktion.
Abszess, Sepsis
Abszess, Sepsis
Die häufigste Ursache von postoperativen meist subphrenisch oder subhepatisch gelegenen Abszessbildungen ist in einer technisch nicht optimal versorgten Resektionsfläche der Leber zu suchen. Leckagen aus nicht ausreichend umstochenen kleinsten Gallengängen oder zu weitgreifende Umstechungen mit Ischämie und Nekrose von Lebergewebe sind die Wegbereiter der zuerst meist lokalen Infektion. Die Therapie besteht in der Regel in der interventionell eingebrachten Spüldrainage des Infektionsherdes. Eine endoskopische Papillotomie und vorübergehende Pigtaildrainage des Gallenganges führt meist zum spontanen Verschluss der Gallenfistel.
Meist subphrenisch oder subhepatisch gelegene Abszesse sind die Folge von Galleleckagen oder Gewebenekrosen an der Resektionsfläche der Leber. Als Therapie der Wahl ist die interventionell eingebrachte Spüldrainage des Infektionsherdes anzusehen. Die endoskopische Papillotomie und evtl. auch Pigtaildrainage des Gallenganges führt meist zum spontanen Verschluss der Gallenfistel.
Septische Komplikationen werden bei ausgedehnten Leberresektionen durch den zeitweiligen Verschluss der Pfortader (Pringle-Manöver) und die Reduktion des portalen Gefäßbettes (z. B. Resektion des rechten Pfortaderstammastes) begünstigt. Aus dem Krankheitsbild der akuten Pfortaderthrombose hat man lernen müssen, dass die mit dem portalen Verschluss verbundene akute venöse Kongestion im Abstromgebiet des Darmes zu einer massiven Translokation von Bakterien in die Blutbahn führen kann. Bei entsprechend positiver Blutkultur besteht die Therapie in der Applikation ausgetesteter Antibiotika.
Septische Komplikationen werden durch den zeitweiligen Verschluss der Pfortader (Pringle-Manöver) und die Reduktion des portalen Gefäßquerschnittes (z. B. Resektion des rechten Pfortaderstammastes) begünstigt. Analog zur akuten Pfortaderthrombose führt die portale Stauung zur erhöhten Translokation von Darmbakterien in die Blutbahn. Die Therapie besteht in der gezielten Antibiotikagabe.
Postoperative Leberinsuffizienz
Postoperative Leberinsuffizienz
Bei Fehleinschätzung der funktionellen Reserven des Restparenchyms der Leber können schon kleine Segmentresektionen, z. B. bei Patienten mit einer Leberzirrhose, zu postoperativer lebensbedrohlicher Leberinsuffizienz mit steigenden Bilirubinwerten und grenzwertiger Syntheseleistung, z. B. von Gerinnungsfaktoren führen. Als supportive Therapie kann eine Albumin-Dialyse zur Detoxifikation durchgeführt werden. Da ansonsten eine kausale Therapie mit Ausnahme einer meist nicht indizierten Notfall-Lebertransplantation nicht möglich ist, kann nur versucht werden, durch Aussetzung jeglicher lebertoxischer Medikation und intensivmedizinische Maßnahmen die Funktion zu stabilisieren.
Durch Fehleinschätzungen der Funktionsreserven des Leberparenchyms können schon nach Segmentresektionen lebensbedrohliche Zeichen der Leberinsuffizienz mit Bilirubinanstieg und Abfall der Gerinnungsfaktoren auftreten. Als supportive Therapie kann eine AlbuminDialyse zur Detoxifikation durchgeführt werden. Ist eine kausale Therapie nicht möglich, können zur Funktionsstabilisierung nur intensivmedizinische Maßnahmen erfolgen.
Letalität
Letalität
Die Letalität der Leberresektion wird in großen Serien mit 0 – 15 % angegeben. Das Risiko ist sehr gering bei Resektionen von Lebermetastasen und steigt erheblich bei der Resektion von Leberzellkarzinomen bei Patienten mit einer Leberzirrhose, da bei diesen Patienten das hohe Risiko der eingeschränkten Funktionsreserve zum Tragen kommt.
Die Letalität der Leberresektion schwankt in Korrelation zur Grunderkrankung und damit evtl. verbundener Vorschädigung des Leberparenchyms zwischen 0 und 15 %.
1.11 Portale Hypertension
1.11
Portale Hypertension
Alexander Gerbes
1.11.1 Klassifikation und Pathophysiologie 왘 Definition. Als portale Hypertension oder Pfortaderhochdruck wird eine Er-
1.11.1 Klassifikation und Pathophysiologie
왗 Definition
höhung des Druckgradienten zwischen der Pfortader und der unteren Hohlvene bezeichnet.
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B 1 Viszeralchirurgie
B-1.55
B-1.55 ■
Portale Hypertension – Klassifikation und Beispiele für deren Ursachen
postsinusoidal (intra- bis posthepatisch)
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Budd-Chiari-Syndrom Venenverschlusskrankheit Zirrhose
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sinusoidal (intrahepatisch)
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präsinusoidal (intrahepatisch)
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Pfortader (prähepatisch)
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Schistosomiasis kongenitale hepatische Fibrose
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Pfortaderthrombose
Einteilung und Ätiologie (Tab. B-1.55): In Deutschland ist die Leberzirrhose häufigste Ursache der portalen Hypertension.
Einteilung und Ätiologie: Die portale Hypertension wird nach dem Ort der Widerstandserhöhung in prähepatisch, intrahepatisch und posthepatisch unterteilt (Tab. B-1.55). Während weltweit die Schistosomiasis die häufigste Ursache der portalen Hypertension darstellt, ist in unseren Breiten meist eine Leberzirrhose verantwortlich.
Pathophysiologie: Bei der Leberzirrhose führt eine Erhöhung des intrahepatischen Gefäßwiderstandes durch den zirrhotischen Umbau der Leber und eine hyperdyname Zirkulation zur portalen Hypertension (Abb. B-1.214).
Pathophysiologie: Der Druck in einem Gefäßsystem berechnet sich als das Produkt aus Widerstand und Fluss (U = R × I). Durch die Pfortader wird das venöse Blut des Bauchraums der Leber zugeführt. Beim Gesunden wird die Leber von etwa 1200 ml pro Minute venösem Zufluss sowie 400 ml pro Minute aus der Leberarterie durchströmt. Der Blutdruck in der Pfortader selbst beträgt etwa 7 – 12 mmHg, ist aber von physiologischen Variablen beeinflusst (z. B. Nahrungsaufnahme mit nachfolgender Hyperämie). Deshalb wird zur Charakterisierung des Pfortaderdrucks häufig der Druckgradient zwischen Pfortader und unterer Hohlvene verwandt. Dieser portalvenöse Druckgradient beträgt beim Gesunden etwa 3 – 6 mmHg. Bei der Leberzirrhose führt nicht nur eine Erhöhung des intrahepatischen Gefäßwiderstands durch den zirrhotischen Umbau der Leber und die Kompression und Konstriktion der Sinusoide zur Erhöhung des Pfortaderdrucks. Endogene Faktoren induzieren eine arterielle Vasodilatation und eine hyperdyname Zirkulation mit Erhöhung des Herzminutenvolumens. Somit ist auch ein erhöhter portaler Zustrom für die portale Hypertension bei Zirrhose mit verantwortlich. Diese hämodynamischen Veränderungen induzieren zusammen mit einer Verminderung des kolloidosmotischen Drucks durch verminderte Albuminsynthese eine vermehrte Extravasation im Splanchnikusgebiet und damit eine Verminderung des zentral effektiven Blutvolumens (Abb. B-1.214). Hierunter versteht man das Blutvolumen in Herz, Lunge und großen Gefäßen, das auf die Volumen- und Barorezeptoren wirkt. Die Verminderung des effektiven Blutvolumens aktiviert über diese Rezeptoren das Renin-Angiotensin-AldosteronSystem und das sympathische Nervensystem. Diese bewirken eine renale
Hämodynamische Veränderungen und Verminderung des kolloidosmotischen Drucks führen über Verminderung des zentral effektiven Blutvolumens zur Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems. Dieses und das sympathische Nervensystem bewirken eine renale Vasokonstriktion, Verminderung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) und Natriumretention. Hierdurch kommt es zu einer Erhöhung des Gesamtblutvolumens. B-1.214
B-1.214
Pathophysiologie der Leberzirrhose
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B 1.11 Portale Hypertension
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Vasokonstriktion, Verminderung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) und Natriumretention. Hierdurch kommt es zu einer Erhöhung des Gesamtblutvolumens. Aufgrund der pathophysiologischen Veränderungen kann jedoch keine dauerhafte Wiederauffüllung des zentralen Blutvolumens erzielt werden. Die Perpetuierung dieser Vorgänge führt schließlich zur Bildung von Kollateralkreisläufen und gastroösophagealen Varizen und nach Überschreitung der resorbierenden Kapazität der Lymphgefäße zur intraabdominellen Flüssigkeitsansammlung, dem Aszites.
Dadurch kommt es zur Bildung von Kollateralkreisläufen und gastroösophagealen Varizen und nach Überschreitung der resorbierenden Kapazität der Lymphgefäße zur intraabdominellen Flüssigkeitsansammlung, dem Aszites.
1.11.2 Symptome
1.11.2 Symptome
Es bildet sich bei portaler Hypertension ein venöser Kollateralkreislauf über Gefäße geringeren Widerstands (z. B. Umbilikalvene, Magenvene). Dies führt zu einer verminderten venösen Durchblutung der Leber und damit einem gewissen Bypass von abdominellem venösem Blut. Hierdurch wird der Leber ein Teil des von ihr normalerweise „entgifteten“ Blutes entzogen, es kann zu erhöhten peripheren Ammoniakkonzentrationen und zur Enzephalopathie kommen. Von besonderer klinischer Relevanz ist die Kollateralbildung in Form von gastroösophagealen Varizen (Abb. B-1.215). Wenn die Wandspannung der Varizen einen kritischen Schwellenwert überschreitet kommt es zur Varizenblutung. Die Varizenblutung stellt eine der häufigsten und gefährlichsten Komplikationen der portalen Hypertension dar. Über 2/3 der Patienten mit Zirrhose entwickeln im Laufe ihres Lebens Varizen, 1/3 erleiden eine Blutung. Bis zu 50 % der Patienten versterben nach einer gastroösophagealen Varizenblutung. Bei der Mehrzahl der Patienten kommt es nach einer stattgehabten Blutung wieder zu einer oder mehreren Rezidivblutungen. Die Ausbildung von Bauchwasser (Aszites) ist häufig für die Patienten belastend. Massiver Aszites führt zu Dyspnoe und Nabelhernien und kann zu einer verschlechterten Nierenfunktion beitragen. Mit einer hohen Letalität belastet ist die klinisch häufig inapparente Infektion des Aszites (spontane bakterielle Peritonitis, oft Monoinfektion mit einem Erreger).
Die verminderte venöse Durchblutung der Leber führt zu erhöhten peripheren Ammoniakkonzentrationen und zur Enzephalopathie. Von besonderer klinischer Relevanz ist die Kollateralbildung in Form von gastroösophagealen Varizen (Abb. B-1.215) aufgrund der häufig auftretenden Varizenblutung. Varizenblutungen sind mit einer hohen Mortalität verbunden und ziehen Rezidivblutungen nach sich.
왘 Merke. Hepatische Enzephalopathie, vor allem aber Aszites und gastroöso-
Aszites kann zu weiteren klinischen Komplikationen führen, z. B. zur spontanen bakteriellen Peritonitis.
왗 Merke
phageale Varizen stellen die wesentlichen Komplikationen der portalen Hypertension bei Zirrhose dar.
B-1.215
Kollateralkreislauf bei portaler Hypertension
B-1.215
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B 1 Viszeralchirurgie
1.11.3 Diagnostik
1.11.3 Diagnostik
Ziel der Diagnostik ist die Feststellung der Grundkrankheit bzw. von Schweregrad und Komplikationen.
Wenn eine der oben genannten Komplikationen die erste Manifestation der portalen Hypertension ist, wird man zunächst Wert auf die Diagnose der Grundkrankheit legen. Ist diese bereits bekannt, so wird sich das klinische Interesse darauf konzentrieren, Schweregrad und mögliche Komplikationen der portalen Hypertension zu erfassen.
Anamnese und klinische Untersuchung: Wichtig sind Fragen nach chronischer Lebererkrankung, Gelbsucht (Ikterus), Alkoholkonsum, Hepatitis und anderen Infektionen, Thrombosen, Herzinsuffizienz und der Medikamentenanamnese.
Anamnese und klinische Untersuchung: Gründliche Anamnese und klinische Untersuchung sind das Fundament der Diagnostik. Besondere Aufmerksamkeit ist dabei auf folgende Fragen zu richten: Chronische Lebererkrankung, Gelbsucht (Ikterus), Alkoholkonsum, Hepatitis und andere Infektionen, Thrombosen, Herzinsuffizienz und Medikamentenanamnese (Kontrazeptiva, hepatotoxische Substanzen). Bei der körperlichen Untersuchung ist auf Leber- und Milzgröße, Leberhautzeichen, Kollateralen der Bauchwand, Aszites (Abb. B-1.216), Beinödeme und eine hepatische Enzephalopathie zu achten.
Bei der körperlichen Untersuchung ist auf Leber- und Milzgröße, Leberhautzeichen, Kollateralen der Bauchwand, Aszites (Abb. B-1.216), Beinödeme, hepatische Enzephalopathie zu achten. Eine Enzephalopathie kann sich klinisch in verschiedenen Schweregraden manifestieren. Zur Diagnose einer subklinischen Enzephalopathie dienen psychometrische Tests, z. B. der Zahlenverbindungstest.
Zur Graduierung der Schwere der Leberfunktionseinschränkung ist die Child-Pugh-Klassifikation etabliert (Tab. B-1.56), als Alternative gibt es den MELD-Score. Serologische Diagnostik: Zur ätiologischen Klassifizierung von der portalen Hypertension zugrunde liegenden Erkrankungen werden verschiedene serologische Untersuchungen eingesetzt. B-1.216
Eine Enzephalopathie kann sich klinisch als Konzentrationsschwäche und vermehrte Müdigkeit (Grad 1), gelegentliche Verwirrtheit und Desorientierung (Grad 2), kontinuierliche Schläfrigkeit, aber noch Erweckbarkeit (Grad 3) bis hin zum Koma (Grad 4) manifestieren. Zur Diagnose einer subklinischen Enzephalopathie sind verschiedene psychometrische Tests entwickelt worden. Hierunter hat wohl der Zahlenverbindungstest (number connection test, nct) die größte Verbreitung erlangt. Nachdem der Patient anhand eines Testbogens das Prinzip erfasst hat, wird die Zeit gemessen, die er benötigt, um die nach dem Zufallsprinzip auf einem Blatt Papier verteilten Zahlen von 1 bis 25 der Reihenfolge nach durch Striche zu verbinden. Hierbei wird eine Zeit von unter 40 Sekunden als unauffällig, von über 1 Minute als pathologisch betrachtet. Insbesondere zur Diagnose einer subklinischen HE scheint die Flimmerfrequenzanalyse (Minimalfrequenz, bei der ein optisches Signal aufgelöst werden kann) geeignet. Zur Graduierung der Schwere der Leberfunktionseinschränkung ist die ChildPugh-Klassifikation etabliert (Tab. B-1.56), alternativ wird der MELD-Score vorgeschlagen. Serologische Diagnostik: Zur ätiologischen Klassifizierung von der portalen Hypertension zugrunde liegenden Erkrankungen werden serologische Untersuchungen eingesetzt. Sie liefern Hinweise auf infektiöse (z. B. Hepatitis) oder
B-1.216
Massiver Aszites Neben dem Aszites mit Bauchwandhernie (Kreis) weist der Patient auch Kollateralgefäße in der Bauchwand (Doppelpfeil) und Spider-Naevi (Pfeil) als Leberhautzeichen auf.
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B 1.11 Portale Hypertension
B-1.56
■ ■ ■ ■ ■
Child-Pugh-Klassifikation
Albumin (g/dl) Bilirubin (mg/dl) Quick (%) Aszites Enzephalopathie
517 B-1.56
1 Punkt
2 Punkte
3 Punkte
4 3,5 5 2,0 4 70 kein keine
2,8 – 3,5 2,0 – 3,0 40 – 70 mäßig–viel Grad 1 – 2
5 2,8 4 3,0 5 40 massiv 4 Grad 2
Child A= 5 – 6 Punkte, Child B = 7 – 9 Punkte und Child C = 10 – 15 Punkte
autoimmune (z. B. antinukleäre Antikörper) Ursachen der Lebererkrankung. Metabolische, angeborene Leberkrankheiten (Morbus Wilson, Hämochromatose, α1-Antitrypsinmangel usw.) können durch entsprechend veränderte Serumparameter oder genetische Analysen bestätigt werden. Leberpunktion: Die wichtigste diagnostische Methode einer Lebererkrankung bei portaler Hypertension ist die perkutane Leberpunktion. Bei schlechter Gerinnung oder massivem Aszites kann Lebergewebe auch über einen transjugulären Zugang und Katheterisierung einer Lebervene gewonnen werden.
Leberpunktion: Die Leberpunktion kann bei Gerinnungsstörungen oder Aszites transjugulär erfolgen.
Diagnostik von Aszites: Zum Nachweis von Aszites bei der körperlichen Untersuchung empfiehlt sich die Perkussion der Flankendämpfung als zuverlässigste und einfachste Methode (Abb. B-1.217). Bei Seitenlagerung des Patienten steigt die Dämpfungsgrenze beim Vorhandensein von Aszites an. Aber auch diese Untersuchungsmethode weist einen beträchtlichen Anteil falsch positiver Ergebnisse auf. Daher gilt heute als sicherste Methode die Ultraschalluntersuchung des Abdomens. Hiermit lassen sich bereits kleine Mengen von Aszites (ab ca. 300 ml) feststellen.
Diagnostik von Aszites: Als beste klinische Methode zum Nachweis von Aszites empfiehlt sich die Perkussion der Flankendämpfung vor und nach Seitenlagerung des Patienten (Abb. B-1.217). Die Ultraschalluntersuchung ist die sicherste Methode zum Aszitesnachweis.
왘 Merke. Alle Formen der portalen Hypertension können mit einer Spleno-
왗 Merke
megalie einhergehen. Zur Aszitesbildung kommt es aber nur bei erhöhtem Druck in den Lebersinusoiden, also nicht bei prähepatischer portaler Hypertension. Wenn Aszites nachgewiesen ist, sollte eine Differenzierung maligner bzw. nichtmaligner Grunderkrankungen und die Diagnose einer evtl. Infektion des Aszites vorgenommen werden. Da die zytologische Untersuchung maligne Zellen in bis zur Hälfte der Fälle nicht erkennt, wird sie durch andere Parameter ergänzt. Eine Erhöhung der Konzentration des Gesamteiweißes im Aszites von 4 3 g/100 ml bzw. des Cholesterins von 4 45 mg/100 ml weisen ebenso wie eine erhöhte Konzentration des karzinoembryonalen Antigens (CEA) auf einen malignen Aszites hin. Zur Diagnose eines entzündlichen Aszites gelingt der Keimnachweis besser mit 10 ml frisch entnommenem Aszites als durch
B-1.217
Perkussion der Flankendämpfung bei Aszites
Bei Aszites weisen erhöhte Konzentrationen des Gesamteiweißes im Aszites von 4 3 g/100 ml bzw. des Cholesterins von 4 45 mg/100 ml und des karzioembryonalen Antigens (CEA) auf einen malignen Aszites hin.
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518
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.57
B-1.57 ■ ■ ■ ■ ■ ■
Der Nachweis von 4 250 Granulozyten pro µl Aszites kann als beweisend für eine Infektion angesehen werden. Für die klinische Routine empfiehlt sich die Untersuchung der in Tab. B-1.57 aufgeführten Parameter.
왘 Merke
Bildgebende Verfahren: In der Oberbauchsonographie finden sich typische Zeichen der portalen Hypertension. Die DuplexDoppler-Sonographie kann den portohepatischen Blutfluss näher charakterisieren.
Bei speziellen Fragestellungen können auch radiologische Verfahren wie Computertomographie, Kernspintomographie oder Angiographie zur Anwendung kommen. Endoskopie: Der endoskopische Nachweis von blutungsgefährdeten gastroösophagealen Varizen hat große Bedeutung bei portaler Hypertension. Varizengröße, „red color sign“ (Abb. B-1.218) und Fundusvarizen sind Risikofaktoren für eine Varizenblutung.
B-1.218
Untersuchung von Aszites
Zellzahl und Differenzierung (Grenzwert 250 Granulozyten/mm3) zytologische Untersuchung (maligne Zellen) Gesamteiweiß (Grenzwert 3 g/100 ml) Cholesterin (Grenzwert 45 mg/100 ml) CEA (Grenzwert 2,5 ng/ml) bakteriologische Untersuchung mit Inokulation von aeroben und anaeroben Blutkulturflaschen
konventionelle bakteriologische Untersuchungen. Aufgrund der Kosten der mikrobiologischen Untersuchung, der Latenz bis zum Eintreffen des Ergebnisses und limitierter Sensitivität wird die Konzentration von Leukozyten, insbesondere von Granulozyten zur Diagnose einer spontanen bakteriellen Peritonitis (SBP) verwendet. Der Nachweis von 4 250 Granulozyten pro µl Aszites kann als beweisend für eine Infektion angesehen werden. Für die klinische Routine empfiehlt sich die Untersuchung der in Tab. B-1.57 aufgeführten Parameter. 왘 Merke. Bei Erstdiagnose oder Neuaufnahme eines Patienten mit Aszites muss eine diagnostische Punktion vorgenommen werden.
Bildgebende Verfahren: In erster Linie findet hier die konventionelle Oberbauchsonographie Verwendung. Neben zirrhosetypischen Veränderungen der Leber kommen als wichtigste Zeichen der portalen Hypertension eine erweiterte und reduziert atemvariable Pfortader, erweiterte Milzgefäße, Splenomegalie und gegebenenfalls Aszites zur Darstellung. Mit der Duplex-Doppler-Sonographie kann durch Messung von Richtung und Geschwindigkeit des intravasalen Blutflusses die portohepatische Durchblutung näher charakterisiert und Kollateralgefäße nachgewiesen werden. Typische Zeichen der portalen Hypertension sind eine verminderte Fließgeschwindigkeit oder Umkehrung der Flussrichtung in der Pfortader. Bei speziellen Fragestellungen können auch radiologische Verfahren wie Computertomographie, Kernspintomographie oder Angiographie zur Anwendung kommen. Endoskopie: Angesichts der hohen Mortalität einer Blutung hat der endoskopische Nachweis von blutungsgefährdeten gastroösophagealen Varizen große Bedeutung bei portaler Hypertension. Hierbei sind als Risikofaktoren für eine Blutung folgende endoskopische Kriterien etabliert: Varizengröße (4 5 mm), „red color sign“ und das Vorkommen von Varizen im Magenfundus. Unter „red color sign“ versteht man charakteristische Oberflächenveränderungen von Varizen, wie z. B. longitudinal auf den Varizen verlaufende Ektasien (Abb. B-1.218).
B-1.218
Ösophagusvarizen Endoskopischer Befund bei multiplen Ösophagusvarizen. Die longitudinal auf den Varizen verlaufenden Ektasien werden als „red color sign“ bezeichnet.
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B 1.11 Portale Hypertension
왘 Merke. Beim Verdacht auf portale Hypertension sollte eine Ösophagogastroduodenoskopie durchgeführt werden.
1.11.4 Therapie bei gastroösophagealen Varizen
519 왗 Merke
1.11.4 Therapie bei gastroösophagealen
Varizen
Primärprophylaxe
Primärprophylaxe
Angesichts der hohen Letalität einer Varizenblutung wird für Patienten mit hohem Blutungsrisiko eine prophylaktische Therapie zur Verhinderung der ersten Varizenblutung empfohlen. Hierzu wird im Allgemeinen ein nicht selektiver β-Rezeptorenblocker (Propranolol) gegeben. Die Verminderung des Herzminutenvolumens und verminderte Durchblutung der Splanchnikusgefäße nach β-Blockade senkt den portalvenösen Druck. Zur Dosisfindung bei interindividuell unterschiedlichem Ansprechen auf β-Blockade wird empfohlen, eine Anfangsdosis von ca. 40 mg/d so lange zu erhöhen, bis die Herzfrequenz um 25 % reduziert ist. Als Kontraindikation müssen ausgeprägte systemische Hypotonie, Asthma, Diabetes mellitus und Herzinsuffizienz in erster Linie beachtet werden. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass durch Gabe von β-Blockern bei Patienten mit ausgeprägten Varizen die Häufigkeit einer Varizenblutung und die blutungsbedingte Mortalität signifikant (um ca. 40 %) vermindert werden kann. Für Patienten mit Kontraindikationen für oder Unverträglichkeit von β-Blockern wird die endoskopische Ligatur empfohlen.
Die prophylaktische Behandlung wird wegen der hohen Letalität einer Varizenblutung empfohlen. Durch Gabe von β-Rezeptorenblockern kann bei Patienten mit ausgeprägten Varizen die Häufigkeit einer Blutung vermindert werden (Senkung des portalvenösen Drucks). Als Kontraindikationen müssen z. B. Hypotonie, Asthma und Diabetes mellitus beachtet werden. Beim Vorliegen von Kontraindikationen oder einer Unverträglichkeit von β-Blockern wird die endoskopische Ligatur empfohlen.
Akute Varizenblutung
Akute Varizenblutung
Eine akute Varizenblutung äußert sich meist in Bluterbrechen oder Teerstuhl, häufig verbunden mit Zeichen eines Schocks. Bei Verdacht auf eine akute Varizenblutung sollten unverzüglich eine pharmakologische Therapie mit Glycylpressin oder Somatostatin eingeleitet und eine Endoskopie durchgeführt werden. Außerdem muss der Patient intensivmedizinisch betreut werden. Therapie der Wahl zur lokalen Behandlung der blutenden Varize sind die endoskopischen Behandlungsverfahren (Sklerosierung, Obliteration mit Gewebeklebern und Gummibandligatur; S. 249).
Bei Verdacht auf eine akute Varizenblutung (Bluterbrechen oder Teerstuhl, häufig verbunden mit Schockzeichen) sollten unverzüglich eine pharmakologische Therapie (Glycylpressin oder Somatostatin) eingeleitet und eine Endoskopie durchgeführt werden. Der Patient ist intensivmedizinisch zu betreuen. Zu den endoskopischen Behandlungsverfahren (Gummibandligatur, Sklerosierung, Obliteration mit Gewebeklebern; S. 249). Ballontamponade
Ballontamponade Wenn eine Varizenblutung trotz endoskopischer und pharmakologischer Behandlung nicht beherrschbar ist, kommt die Ballontamponade zur Anwendung. Durch Kompression der gastroösophagealen Varizen soll eine Verminderung des Blutflusses erzielt werden. Hierzu werden im Allgemeinen die SengstakenBlakemore-Sonde für Ösophagus- und die Linton-Nachlas-Sonde für Fundusvarizen verwendet (Abb. B-1.219). Zur Vermeidung von Schleimhautnekrosen müssen die Ballons nach ca. 12 Stunden vorübergehend entblockt werden.
B-1.219
Ballontamponaden
Die Ballontamponade wirkt durch Verminderung des Blutflusses in den gastroösophagealen Varizen. Sie kommt bei massiver, endoskopisch nicht beherrschbarer Blutung zur Anwendung, bis eine definitive Versorgung möglich ist. Hierzu werden im Allgemeinen die Sengstaken-Blakemore-Sonde für Ösophagus- und die Linton-Nachlas-Sonde für Fundusvarizen verwendet (Abb. B-1.219). B-1.219
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B 1 Viszeralchirurgie
520
Danach bzw. nach Entfernung der Ballonsonde sind oft Rezidivblutungen zu verzeichnen. Bei Ballontamponade sind nicht selten ernste Komplikationen (z. B. Perforation) zu beobachten. Daher ist die Ballontamponade ein Reserveverfahren, das erfahrenen Zentren vorbehalten ist. Pharmakologische Vasokonstriktion
Pharmakologische Vasokonstriktion
Durch intravenöse Gabe von Vasopressinoder Somatostatinanaloga werden die splanchnischen Arterien verengt und die portale Hypertension reduziert. Die frühe pharmakologische Therapie wird noch vor oder in Kombination mit endoskopischen Verfahren empfohlen.
Eine pharmakologische Konstriktion der splanchnischen Arterien reduziert den Zufluss in die Pfortader und führt damit zu einem Rückgang der portalen Hypertension. Zur Anwendung kommen hier vor allem Vasopressinanaloga (Triglycylvasopressin), Somatostatin und Somatostatinanaloga. Diese Substanzen weisen alle eine recht kurze Halbwertszeit auf und wirken daher meist nur während ihrer intravenösen Applikation, wobei die Varizenblutung nahezu so effektiv beherrscht werden kann wie durch endoskopische Verfahren. Daher wird eine frühe pharmakologische Therapie, noch vor oder in Kombination mit endoskopischen Verfahren, empfohlen.
Notfalltherapie der konservativ nicht beherrschbaren Blutung Chirurgische Verfahren bei konservativ nicht beherrschbarer Blutung sind Transsektion des Ösophagus, ggf. mit Devaskularisation und Splenektomie (Abb. B-1.220) und portokavale Shuntoperationen (Abb. B-1.221).
Unter den portosystemischen Shuntoperationen (Tab. B-1.58) sind zu nennen: ■ portokavaler Seit-zu-Seit-Shunt ■ mesenterikokavaler Shunt ■ distaler splenorenaler Shunt. Die Mortalität dieser Eingriffe in der Akutsituation liegt im Allgemeinen 4 50 %. Operative Eingriffe an Gefäßen des Leberhilus können eine spätere Lebertransplantation erB-1.220
Notfalltherapie der konservativ nicht beherrschbaren Blutung Bei konsequentem Einsatz der oben genannten Maßnahmen ist eine aktive Varizenblutung in 4 90 % zu stillen. Wenn dies nicht möglich ist oder wenn mehrere frühe (innerhalb von 5 Tagen) Rezidivblutungen auftreten, müssen alternative Verfahren verwendet werden. In der Vergangenheit waren das vor allem chirurgische Maßnahmen wie die Transsektion des Ösophagus, ggf. mit Devaskularisation und Splenektomie (Abb. B-1.220) und portokavale Shuntoperationen. Bei der Transsektion, bei der sämtliche Varizen durchtrennt werden, ist auch in erfahrenen Händen eine Letalität von bis zu 50 % zu erwarten. Unter den zahlreichen Variationen der portosystemischen Shuntoperationen (Tab. B-1.58) haben sich vor allem der portokavale Seit-zu-Seit-Shunt (Abb. B-1.221), der mesenterikokavale Shunt und der distale splenorenale Shunt durchgesetzt. Die Anlage dieser Shunts erfordert eine mehrstündige Operation mit einem nicht geringen Transfusionsbedarf. Die Mortalität dieser Eingriffe in der Akutsituation liegt im Allgemeinen 4 50 %. Die Druckentlastung des Portal-
Chirurgische Interventionen bei unbeherrschbaren Varizenblutungen
a, b Ösophagustranssektion. Das zirkuläre Klammernahtgerät wird über eine kleine Gastrostomie eingeführt und in den Ösophagus vorgeschoben. Der distale Ösophagus wird mit einer Ligatur zwischen den geöffneten Andruckplatten fixiert. Nach Verschluss der Andruckplatten und Auslösen des Klammernaht-/Schneidemechanismus erhält man eine zirkuläre Anastomose. Nach Entfernung des Gerätes und Verschluss des Magens kann das resezierte Gewebe des Ösophagus geborgen werden.
c Ösophagustranssektion mit Devaskularisierung und Splenektomie. Ausmaß der Skelettierung des Magens und Ösophagus zur Reduktion des venösen Abflusses (hier mit zusätzlicher Splenektomie) bei portaler Hypertension.
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B 1.11 Portale Hypertension
B-1.221
B-1.58
Portokavaler Seit-zu-Seit-Shunt
■
■
B-1.221
Portosystemische Shunts bei portaler Hypertension infolge Leberzirrhose
Totaler Shunt portokavale Shunts End-zu-Seit
Selektive Shunts ■ ■ ■
■
TIPS (nichtoperativer Shunt) Seit-zu-Seit distaler splenorenaler Shunt (Warren) proximaler splenorenaler Shunt (Linton)
521
B-1.58
Sonderformen ■
■
mesenterikokavaler Shunt (H-Shunt) portokavaler Shunt mit Arterialisation der Leber
systems ist intraoperativ kaum graduierbar. Operative Eingriffe an Gefäßen des Leberhilus können eine spätere Lebertransplantation erschweren. Diese Nachteile operativer Verfahren erklären die Popularität eines nichtoperativen portosystemischen Shunts, des TIPS (transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt). Die Rate der offenen Operationen hat sich dadurch drastisch reduziert. Transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt (TIPS) Zur Anlage eines TIPS wird nach Punktion der V. jugularis unter radiologischer Kontrolle eine Lebervene sondiert und durch das Leberparenchym hindurch ein intrahepatischer Pfortaderast punktiert. Die so geschaffene Verbindung wird mit einem Ballonkatheter dilatiert und durch Einsatz eines Metallstents (TIPS, Abb. B-1.222) offen gehalten. Bei diesem nichtoperativen Vorgehen kann während der Anlage des Shunts der portalvenöse Druckgradient gemessen und stufenweise gesenkt werden. Sollte trotz Absenkung des portalen Drucks eine Perfusion der blutenden Varizen persistieren, können diese unter radiologischer Kontrolle embolisiert werden. Daher ist bei den meisten Patienten auch nach Versagen endoskopischer und pharmakologischer Maßnahmen mit TIPS eine Blutstillung zu erzielen. Wegen des schlechten Allgemeinzustands dieser Patienten (häufig Child-Pugh-Klasse C) und den nach mehreren Blutungen und Interventionen häufig zu beobachtenden Multiorganstörungen muss mit einer hohen Letalität gerechnet werden. Bei TIPS als Notfallmaßnahme ist eine 30-Tage-Mortalität von etwa 30 – 40 % zu verzeichnen. Da nach Anlage eines TIPS im Allgemeinen auch die venöse Leberperfusion abnimmt, ist eine schwere Einschränkung der Leberfunktion eine Kontraindikation zur TIPS-Anlage. In der Elektivsituation wird ein Grenzwert der SerumBilirubinkonzentration von 4 3 – 5 mg/100 ml angenommen. Auch frühere Episoden von Enzephalopathie oder eine ausgeprägte Herzinsuffizienz, Leber-
schweren. Daher wird weitgehend ein nichtoperativer portosystemischer Shunt, der TIPS (transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt) eingesetzt.
Transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt (TIPS) Nach Sondierung einer Lebervene kann unter radiologischer Kontrolle die Pfortader punktiert werden. Durch Einsatz eines Metallstents (TIPS, Abb. B-1.222) kann danach der portalvenöse Druckgradient kontrolliert gesenkt werden. TIPS ist eine effektive Therapie konservativ nicht beherrschbarer Blutungen.
Schwere Einschränkungen der Leberfunktion, eine frühere Enzephalopathie, eine ausgeprägte Herzinsuffizienz oder Lebertumoren bzw. eine thrombosierte kavernöse Transformation der Pfortader stellen die
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522 B-1.222
wichtigsten Kontraindikationen zur TIPSAnlage dar sowie ein Child-Pugh-Score von über 12 Punkten bei der therapierefraktären akuten Varizenblutung. 왘 Merke
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.222
Transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt (TIPS)
tumoren oder eine thrombosierte kavernöse Transformation der Pfortader gelten als klinische bzw. technische Kontraindikationen. Bei der therapierefraktären akuten Varizenblutung gilt ein Child-Pugh-Score von über 12 Punkten als Ausschlusskriterium. 왘 Merke. Die akute Varizenblutung kann in etwa 90 % durch endoskopische Verfahren und medikamentöse Reduktion des portalen Blutflusses gestillt werden. Bei konservativ nicht beherrschbaren Blutungen hat der TIPS Vorteile im Vergleich zu Notfalloperationen.
Prophylaxe der Rezidivblutung
Prophylaxe der Rezidivblutung
Zur Prophylaxe der Rezidivblutung werden vor allem die endoskopische Varizenligatur und β-Rezeptorenblocker eingesetzt.
Etwa 2/3 der Patienten erleiden nach einer Erstblutung eine oder mehrere Rezidivblutungen. Zur Rezidivblutungsprophylaxe haben sich vor allem die endoskopische Varizenobliteration und die Gabe von β-Rezeptorenblockern bewährt. Durch endoskopische Sklerosierung der Varizen wird die Rezidivblutungshäufigkeit signifikant verringert (von ca. 60 % auf 45 % innerhalb eines Jahres nach Erstblutung). Die Mortalität wird dadurch ebenfalls verringert. Diese Effekte sind nach Gabe von β-Blockern etwas weniger deutlich (Senkung des Blutungsrisikos auf 50 %). Eine Fortentwicklung endoskopischer Maßnahmen zur Rezidivblutungsprophylaxe stellt die Ligatur von Varizen (Banding) dar. Hierbei werden Varizen ähnlich dem Vorgehen bei Hämorrhoiden endoskopisch mit einem Gummiband abgebunden (S. 248). Im Vergleich zur Sklerosierung ist die Ligatur weniger komplikationsbehaftet und effektiver zur Beseitigung von Varizen. Die Ligatur führt auch zu einer deutlicheren Verminderung der Rezidivblutungshäufigkeit und besserem Überleben im Vergleich zur Sklerosierung. Portokavale Shunts sind außerordentlich effektiv zur Senkung des Pfortaderhochdrucks und Vermeidung von Rezidivblutungen. Durch die starke Verminderung der venösen Leberperfusion kommt es jedoch häufig zu einer extremen Einschränkung der Leberfunktion und zu therapierefraktärer Enzephalopathie. Daher haben sich portokavale Shunts zur Rezidivblutungsprophylaxe nicht durchgesetzt.
Die Ligatur von Varizen (Banding) stellt die endoskopische Methode der Wahl zur Rezidivblutungsprophylaxe dar.
Portokavale Shunts senken den Pfortaderhochdruck und vermeiden Rezidivblutungen. Es kommt jedoch aufgrund der Verminderung der venösen Leberperfusion zur starken Einschränkung der Leberfunktion und zu therapierefraktärer Enzephalopathie, weshalb sie sich zur Rezidivblutungsprophylaxe nicht durchgesetzt haben.
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B 1.11 Portale Hypertension
B-1.223
523
Therapeutisches Vorgehen bei Varizenblutung
Nach TIPS wurden Rezidivblutungsraten von nur ca. 20 % beobachtet. Häufig kommt es einige Monate nach Anlage des Stents zu einer Stenosierung, was eine Redilatation des TIPS erfordert. Die Wertigkeit des TIPS zur Rezidivblutungsprophylaxe wurde in verschiedenen kontrollierten Untersuchungen mit endoskopischen Verfahren verglichen: Trotz Reduktion der Rezidivblutungshäufigkeit wird die Letalität nicht gesenkt. TIPS ist damit ein Reserveverfahren zur Rezidivblutungsprophylaxe. Abb. B-1.223 stellt eine Möglichkeit des therapeutischen Vorgehens bei Varizenblutung dar. 왘 Klinischer Fall. Ein 46-jähriger Patient mit bekannter alkoholischer Leberzirrhose sucht die
TIPS ist hinsichtlich Rezidivblutung und Mortalität der Ligatur nicht überlegen und damit ein Reserveverfahren. Abb. B-1.223 stellt eine Möglichkeit des therapeutischen Vorgehens bei Varizenblutung dar.
왗 Klinischer Fall
Notaufnahme des Krankenhauses auf. Er klagt über Schwindel und Schwächegefühl und berichtet über kurz zurückliegendes Absetzen von Teerstuhl. Bei der körperlichen Untersuchung des blassen Patienten wird ein systolischer Blutdruck von 70 mmHg bei einer Herzfrequenz von 120 Schlägen pro Minute festgestellt. Der Patient wird unverzüglich mit zwei großvolumigen periphervenösen Zugängen versehen und unter dem Verdacht eines durch gastrointestinale Blutung ausgelösten Schocks auf die Intensivstation verlegt. Nach i. v. Gabe von 500 µg Somatostatin wird eine Infusion von 250 µg/h Somatostatin gegeben. Bei einer Hämoglobinkonzentration von 6,2 g/100 ml wird mit der Transfusion von Erythrozytenkonzentraten begonnen. Bei der Endoskopie werden ausgeprägte Ösophagusvarizen mit „red spots“ gefunden. Der Magenfundus ist mit Blutkoageln ausgefüllt, die Schleimhaut des Restmagens ist hämatinbelegt, das Duodenum unauffällig. Im Ösophagus ist bei teilweise hellroten Blutspuren keine aktive Blutungsquelle eruierbar, allerdings zeigt sich ein Fibrinnippel als Hinweis auf eine stattgefundene Blutung auf der prominentesten Varize nahe der Kardia. Daraufhin werden die Varizen mit insgesamt 6 Gummibändern ligiert. Vor dem Ende der Endoskopie instilliert der Untersucher über den Instrumentierkanal 100 ml Laktulose zur Prophylaxe einer Enzephalopathie. Nach weiterer Stabilisierung des Kreislaufs wird der Patient nach 2 Tagen auf eine Allgemeinstation verlegt.
1.11.5 Therapie des Aszites
1.11.5 Therapie des Aszites
Zur Therapie des Aszites wird ein sequenzielles Vorgehen empfohlen (Abb. B-1.224). Eine Einschränkung der diätetischen Kochsalzzufuhr auf etwa 3 – 5 g täglich und Erhöhung des zentral effektiven Blutvolumens durch Bettruhe können nur bei etwa 10 % der Patienten zur Mobilisierung des Aszites führen. Daher wird zusätzlich ein Aldosteronantagonist (Spironolacton in ansteigender Dosierung bis ca. 300 mg täglich) gegeben, was die Ansprechrate auf ca. 65 % steigert. Durch die zusätzliche Gabe eines Schleifendiuretikums (etabliert ist hier Furosemid in ansteigender Dosierung bis ca. 120 mg täglich) kann der Aszites bei ca. 85 % der Patienten beherrscht werden.
Aszites wird üblicherweise nach einem Stufenschema (Abb. B-1.224) behandelt mit: ■ Reduktion der Kochsalzzufuhr ■ Gabe eines Aldosteronantagonisten ■ zusätzlich Schleifendiuretika.
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524 B-1.224
Etwa 15 % der Patienten weisen einen diuretikarefraktären oder rezidivierenden Aszites auf.
왘 Merke
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.224
Stufenschema der Aszitestherapie
Es verbleiben ca. 15 % von diuretikarefraktärem oder rezidivierendem Aszites, d. h. Aszites, der entweder auf die diuretische Behandlung nicht genügend anspricht oder aufgrund der Nebenwirkungen der Diuretikatherapie (Enzephalopathie, Elektrolytstörungen, Einschränkung der Nierenfunktion) nicht ausreichend behandelt werden kann. 왘 Merke. Unter rezidivierendem Aszites versteht man das häufige Wiederauf-
treten (mindestens 3 × innerhalb eines Jahres) von deutlichem Aszites trotz diuretischer Behandlung.
왘 Merke
왘 Merke. Bei deutlich eingeschränkter Nierenfunktion (Serumkreatinin
4 1,5 mg/100 ml oder Kreatinin-Clearance 5 40 ml/min) und Ausschluss einer organischen Nierenerkrankung handelt es sich im Allgemeinen um eine prärenal bedingte Störung. Diese beruht auf einer Verminderung des zentral effektiven Blutvolumens und kann durch Gabe von Diuretika induziert worden sein. Der Versuch, bei schon reduzierter Nierenfunktion durch massive Erhöhung der Diuretikadosis (z.B. Furosemid 500 – 1000 mg täglich) eine Steigerung der Natriurese zu erzwingen, kann die Nierenfunktion weiter verschlechtern. Vor dieser immer wieder zu beobachtenden iatrogenen Komplikation muss ausdrücklich gewarnt werden. Kontrolle der Therapie
Kontrolle der Therapie
Zur Kontrolle des therapeutischen Ansprechens müssen regelmäßig Körpergewicht und Urinausscheidung gemessen werden. Zur Vermeidung von Nebenwirkungen sollte eine tägliche Reduktion des Körpergewichts von 700 g nicht überschritten werden.
Bei der Überwachung der Therapie sind Parameter des therapeutischen Ansprechens und mögliche Nebenwirkungen zu beachten. Zu empfehlen ist die regelmäßige (zunächst mindestens jeden 2. Tag) Messung von Körpergewicht und 24-h-Urin (Natrium, Kreatinin-Clearance). Kommt es nach Beginn der diuretischen Therapie zu einer deutlichen Zunahme der Natriumausscheidung im Urin ohne begleitende Abnahme des Körpergewichts, kann dies ein Hinweis auf mangelnde diätetische Compliance des Patienten sein. Bestehen periphere Ödeme, können 1 – 2 l Flüssigkeit täglich diuretisch mobilisiert werden, ohne dass es zu einer Beeinträchtigung des effektiven Blutvolumens kommt. Beim Fehlen peripherer Ödeme, oder nachdem diese unter diuretischer Behandlung verschwunden sind, sollte eine tägliche Reduktion des Körpergewichts von 300 – 500 ml angestrebt, von 500 – 700 ml aus oben genannten Gründe nicht überschritten werden. Mögliche Nebenwirkungen sind Tachykardie, Enzephalopathie oder Verminderung der Kreatinin-Clearance als Zeichen des zunehmenden Volumenmangels, sowie Elektrolytstörungen. Zu ungenügendem Ansprechen auf die diuretische Behandlung führen neben der Noncompliance vor allem das Vorliegen einer
Mögliche Nebenwirkungen sind Tachykardie, Enzephalopathie oder Verminderung der Kreatinin-Clearance als Zeichen des zunehmenden Volumenmangels sowie Elektrolytstörungen.
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B 1.11 Portale Hypertension
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spontanen bakteriellen Peritonitis, eine gastrointestinale Blutung als Ursache eines Volumenmangels und schließlich auch nichtsteroidale Antiphlogistika (Verschlechterung der Nierenfunktion). Massiver Aszites
Massiver Aszites
Verschiedene Studien Mitte bis Ende der 1980er Jahre haben die therapeutische Aszitespunktion zur Behandlung des massiven Aszites wieder etabliert. Dieses Verfahren war aufgrund von Nebenwirkungen (Infektion, Niereninsuffizienz, Enzephalopathie) in den 1960er Jahren nach Entwicklung moderner Diuretika weitgehend verlassen worden. Verschiedene Studien konnten jedoch zeigen, dass die begleitende Gabe von Albumin (6 – 8 g/l Aszites) dem sonst nach großvolumiger Punktion häufig zu beobachtenden intravasalen Volumenmangel vorbeugt.
Massiver Aszites kann durch tägliche Punktion von 4 – 6 Litern und gleichzeitig intravenöse Albumininfusion (6 – 8 g/l Aszites) behandelt werden.
왘 Merke. Beim Fehlen von Kontraindikationen (Prothrombinzeit 5 40 %,
왗 Merke
Thrombozyten 5 40 000/µl, Serumkreatinin 4 3 mg/100 ml) können Punktionen von über 6 l Aszites mit Albuminsubstitution (8 g/l Aszites) zur Erzielung einer raschen Aszitesfreiheit empfohlen werden. Diuretikarefraktärer oder rezidivierender Aszites Zur Behandlung des diuretikarefraktären oder rezidivierenden Aszites waren in den 1970er Jahren peritoneovenöse Shunts entwickelt worden. Diese subkutan zu implantierenden Silikonschlauchsysteme (Abb. B-1.225) sollten eine kontinuierliche Entlastung des Aszites durch Drainage der Flüssigkeit in die obere V. cava (via V. jugularis) und gleichzeitig eine intravenöse Reinfusion ermöglichen. Die Shunts waren jedoch häufig durch Okklusion, Infektion und andere Komplikationen beeinträchtigt. Eine vergleichende Untersuchung zeigte, dass therapeutische Aszitespunktionen der Implantation eines peritoneovenösen Shunts zumindest ebenbürtig sind. Die Ergebnisse waren jedoch hinsichtlich der Rekurrenz des Aszites mit beiden Verfahren unbefriedigend. Bei den vorhandenen Möglichkeiten der diuretischen/konservativen Aszitestherapie ist ein peritoneovenöser Shunt heute als obsolet zu betrachten. Daher fand die Beobachtung großes Interesse, dass bei Patienten, die zur Rezidivblutungsprophylaxe einen TIPS erhielten, häufig ein Rückgang des Aszites zu verzeichnen war. Bei 2/3 der Patienten mit diuretikarefraktärem oder rezidivierendem Aszites wurde nach TIPS-Anlage eine weitgehende Mobilisation des Aszites erzielt. Mehrere prospektiv-randomisierte Studien zum Vergleich von TIPS und Aszitespunktion haben ergeben, dass mit einer TIPS-Anlage eine bessere Aszitesfreiheit und eine Tendenz zu verringerter Mortalität erreicht wird.
Diuretikarefraktärer oder rezidivierender Aszites Zur Behandlung des diuretikarefraktären oder rezidivierenden Aszites waren in den 1970er Jahren peritoneovenöse Shunts entwickelt worden. Diese subkutan zu implantierenden Silikonschlauchsysteme (Abb. B-1.225) sollten eine kontinuierliche Entlastung des Aszites durch Drainage in die obere V. cava (via V. jugularis) und gleichzeitige intravenöse Reinfusion ermöglichen. Die Shunts waren jedoch häufig durch Okklusion, Infektion und andere Komplikationen beeinträchtigt und sind heute als obsolet zu betrachten. Bei Beachtung der Kontraindikationen ist TIPS der wiederholten Punktion hinsichtlich Aszitesfreiheit und Mortalität überlegen.
Schlussfolgerung für die Praxis: Aszites kann mit einer Kombination aus Aldosteronantagonisten und Schleifendiuretika bei ca. 80 – 90 % der Patienten beherrscht werden. Massiver Aszites wird durch großvolumige Punktion
B-1.225
Peritoneovenöser Shunt
B-1.225
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B 1 Viszeralchirurgie
entlastet (begleitet von intravenöser Albuminsubstitution). Der TIPS ist für Patienten mit refraktärem oder rezidivierendem Aszites und fehlenden Kontraindikationen (Bilirubin 4 5 mg/dl, Enzephalopathie) der wiederholten Punktion überlegen. 왘 Merke
왘 Merke. Patienten mit einer chronischen Lebererkrankung sollten frühzeitig
in einem hepatologisch erfahrenen Zentrum vorgestellt werden. Dort kann auch rechtzeitig die Indikation zur Lebertransplantation diskutiert werden.
왘 Klinischer Fall
왘 Merke
1.12
Pankreas
왘 Klinischer Fall. Ein 53-jähriger Patient mit Leberzirrhose Child-Pugh-Klasse C bei chronischer Hepatitis C und massivem Aszites wird vom erstbetreuenden Krankenhaus zur Evaluation einer Lebertransplantation zugewiesen. Der Patient wiegt bei massivem Aszites 54 kg bei 1,78 m Körpergröße und ist kachektisch. Er berichtet von einer deutlichen Verminderung der Leistungsfähigkeit seit ca. einem Jahr. Seitdem sei auch massiver Aszites aufgetreten, der durch Diuretika nicht befriedigend zu behandeln gewesen sei. Daher sind seit 1 Jahr therapeutische Punktionen in mehrwöchigen Abständen erforderlich gewesen. Vor 3 Monaten sei erstmals und nochmals vor 2 Monaten eine Varizenblutung aufgetreten, weswegen er ligiert worden sei. Die Möglichkeit einer Lebertransplantation sei mit ihm erstmalig vor 2 Wochen besprochen worden. Bei der Untersuchung des Patienten wird im rechten Leberlappen hilusnah eine Raumforderung mit einem Durchmesser von etwa 7 cm gefunden. Die Serumkonzentration des α-Fetoproteins ist auf über das 100-fache des Normwerts erhöht. Somit besteht ein hochgradiger Verdacht auf das Vorliegen eines hepatozellulären Karzinoms. Aufgrund des schlechten Allgemeinzustandes des Patienten und des großen hepatozellulären Karzinoms wird eine Lebertransplantation abgelehnt.
왘 Merke. Spätestens nach dem Auftreten der ersten Komplikation der portalen Hypertonie (Enzephalopathie, Aszites, Varizenblutung) sollte die Indikation einer Lebertransplantation diskutiert werden. Zahlreiche Patienten kommen erst in einem weit fortgeschrittenen Stadium ihrer Lebererkrankung und mit Kontraindikationen für eine Lebertransplantation zur erstmaligen Evaluation.
1.12 Pankreas Doris Henne-Bruns
1.12.1 Topographische Anatomie
1.12.1 Topographische Anatomie
Die Bauchspeicheldrüse liegt im Retroperitoneum in Höhe LWK 1 und 2. Sie besteht aus dem Kopf-, Korpus- und Schwanzbereich. Der Processus uncinatus ist ein Teil des Pankreaskopfs. Der Körper des Pankreas beginnt in Höhe der A. und V. mesenterica superior, erstreckt sich in Richtung Milzhilus, wo er ohne Abgrenzung in den Schwanzbereich übergeht (Abb. B-1.226).
Die Bauchspeicheldrüse liegt im Retroperitoneum in Höhe des 1. und 2. Lendenwirbelkörpers an der dorsalen Wand der Bursa omentalis. Man unterscheidet an dem Organ Kopf- (Caput), Körper- (Corpus) und Schwanz(Cauda)bereich. Der Kopf der Bauchspeicheldrüse liegt rechts paravertebral innerhalb des duodenalen „C“ und erstreckt sich nach kaudal als Processus uncinatus. Der längliche Körper der Bauchspeicheldrüse beginnt in Höhe der Überkreuzung mit der A. und V. mesenterica superior und erstreckt sich in Richtung Milzhilus, wo er ohne anatomische Abgrenzung in den Schwanzbereich übergeht (Abb. B-1.226).
Gefäßversorgung
Gefäßversorgung
Die Blutversorgung erfolgt über den Truncus coeliacus und die A. mesenterica superior. Der venöse Abstrom erfolgt über die V. lienalis, die V. mesenterica superior bzw. die V. porta (Abb. B-1.226).
Die arterielle Versorgung der Bauchspeicheldrüse entspringt sowohl aus dem Truncus coeliacus und seinen Hauptstämmen (A. hepatica communis, A. splenica, A. gastrica sinistra) als auch aus der A. mesenterica superior. Der venöse Abstrom erfolgt über die V. lienalis und die V. mesenterica superior sowie über die aus beiden Gefäßen dorsal des Caput-Corpus-Übergangs hervorgehende V. porta (Abb. B-1.226).
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B 1.12 Pankreas
B-1.226
Anatomie der Bauchspeicheldrüse
527 B-1.226
Lymphabfluss
Lymphabfluss
Die Lymphgefäße des Pankreas verlaufen parallel zu den großen Blutgefäßen. Die wichtigsten Lymphknotenstationen sind als peripankreatische Lymphknoten die Nodi lymphatici pancreaticoduodenales, pancreatici und splenici sowie als Sammellymphknoten die Nodi lymphatici hepatici, coeliaci, mesenterici superiores, aortici laterales und lumbales intermedii (Abb. B-1.227).
Die wichtigsten peripankreatischen und Sammellymphknotengruppen sind: Nodi lymphatici pancreaticoduodenales, pancreatici, splenici, hepatici, coeliaci, mesenterici superiores, aortici laterales und lumbales intermedii (Abb. B-1.227).
Pankreasgangsystem
Pankreasgangsystem
Bedingt durch die embryologische Entwicklung aus einer dorsalen und ventralen Anlage besitzt die Bauchspeicheldrüse 2 Ausführungsgänge. Der wichtigste Ausführungsgang ist der Ductus pancreaticus (Ductus Wirsungianus), der gemeinsam mit dem Ductus choledochus in das Duodenum einmündet, wobei die Vereinigung der beiden Gänge auf unterschiedlicher Höhe vor der Einmündung erfolgen kann (Abb. B-1.228). Die Eintrittsstelle in das Duodenum wird als Papilla duodeni major (Papilla Vateri) bezeichnet.
Das Pankreas besitzt 2 Ausführungsgänge. Der Ductus pancreaticus mündet gemeinsam mit dem Ductus choledochus an der Papilla duodeni major (Papilla Vateri) in das Duodenum ein (Abb. B-1.228). Verlauf und Mündungsstelle des Ductus pancreaticus accessorius sind variabel.
B-1.227
Lymphabflusswege der Bauchspeicheldrüse
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B 1 Viszeralchirurgie
528 B-1.228
Anatomie des Pankreasgangsystems
Der Verlauf des zweiten Ausführungsgangs (Ductus pancreaticus accessorius bzw. Ductus Santorini) unterliegt zahlreichen Variationen und mündet in der Papilla duodeni minor in das Duodenum. 1.12.2 Fehlbildungen
1.12.2 Fehlbildungen
Die Bauchspeicheldrüse entsteht aus einer ventralen und einer dorsalen Anlage. Im 2.– 3. Schwangerschaftsmonat kommt es zu einer Fusion beider Anlagen mit Ausbildung eines Hauptgangs und Rückbildung der 2. Ganganlage (Ductus Santorini) (Abb. B-1.229 a).
Die Bauchspeicheldrüse entsteht aus einer ventralen und einer dorsalen Anlage. Aus der ventralen Anlage entwickeln sich das Gallengangssystem und der Processus uncinatus, aus der dorsalen Anlage das übrige Pankreas. Infolge der Drehung des Gastrointestinaltraktes im 2.– 3. Schwangerschaftsmonat kommt es normalerweise zu einer Fusion der ventralen und dorsalen Anlage. Hierbei vereinigt sich der Gang der ventralen Anlage mit dem der dorsalen Anlage und bildet den späteren Hauptgang, während sich der auf die Papilla duodeni minor zulaufende Pankreasganganteil (Ductus Santorini) zurückentwickelt (Abb. B-1.229 a). Kommt es zu keiner Verschmelzung der beiden Ganganlagen, entsteht ein Pancreas divisum (Abb. B-1.229 b). Ein Pancreas anulare liegt vor, wenn ein Ausläufer der Bauchspeicheldrüse (oft nur noch als rudimentäres Band) das Duodenum zirkulär umfasst (Abb. B-1.229 c).
Bleibt die Verschmelzung der beiden Ganganlagen aus, liegt ein Pancreas divisum vor (Abb. B-1.229 b). Bei einem Pancreas anulare umfasst ein Ausläufer des Pankreas das Duodenum zirkulär (Abb. B-1.229 c).
B-1.229
Fehlbildungen des Pankreas
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B 1.12 Pankreas
529
Pancreas divisum
Pancreas divisum
Ein Pancreas divisum verursacht primär keine klinische Symptomatik. Durch zunehmenden Einsatz endoskopischer (ERCP = endoskopisch retrograde Cholangio-Pankreatikographie) Verfahren wird ein Pancreas divisum bei bis zu 10 % der untersuchten Personen diagnostiziert, wobei nur wenige dieser Patienten an einer Pankreatitis erkranken. Unklar ist, ob die Fehlanlage des Gangsystems (überwiegende Drainage des Pankreassekretes über die Minorpapille) eine Ursache der obstruktiven Pankreatitis sein könnte (Abb. B-1.229 a, b). Bei symptomatischer Abflussbehinderung ist eine endoskopische Spaltung (Erweiterung der Minorpapille) indiziert.
Ein Pancreas divisum muss keine klinische Symptomatik hervorrufen. Es wird im Rahmen endoskopischer Untersuchungen häufig als Zufallsbefund entdeckt. Gelegentlich liegt bei obstruktiver Pankreatitis ein Pancreas divisum vor (Abb. B-1.229 a, b). Bei symptomatischer Abflussbehinderung kann die Minorpapille endoskopisch gespalten werden.
Pancreas anulare
Pancreas anulare
Diese Normvariante lagert sich ringförmig um das Duodenum und kann zu Passagebehinderungen im Zwölffingerdarm führen. Zirka 85 % der durch ein Pancreas anulare verursachten Stenosen sind im Bereich der Pars descendens des Duodenums lokalisiert (Abb. B-1.229 c).
Die zirkuläre Einengung des Duodenums (Abb. B-1.229 c) kann zur Passagebehinderung führen (85 % der Stenosen in der Pars descendens des Duodenums).
Klinik: Nur bei Obstruktion des Duodenums kommt es zu manifesten klinischen Symptomen, die sich im Säuglingsalter in Form postprandialen Erbrechens äußern. Im Erwachsenenalter wird ein Pancreas anulare meist zufällig bei Operationen oder Autopsien gefunden.
Klinik: Sie treten nur bei Obstruktion des Duodenums auf und manifestieren sich meist im Säuglingsalter mit postprandialem Erbrechen.
Therapie: Symptomatische Pancreas-anulare-Formen werden durch eine BypassOperation überbrückt (Abb. B-1.230). Die einfache Spaltung des stenotischen Bereichs ist meist nicht indiziert, da in dem ringförmig das Duodenum einengenden Pankreasabschnitt ein größerer Pankreasgang verlaufen könnte und ggf. verletzt würde.
Therapie: Symptomatische Formen werden durch eine Bypass-Operation behandelt (Abb. B-1.230); bei alleiniger Spaltung des stenosierenden Bereichs könnte ein drainierender Gang verletzt werden.
Ektopes Pankreas
Ektopes Pankreas
Akzessorisches oder ektopes Pankreasgewebe findet sich bei Autopsien relativ häufig (0,55 – 13,7 %). Hauptlokalisation ist der Magen, das Duodenum und Jejunum. Ferner wurde ektopes Pankreasgewebe in Meckel-Divertikeln, Ileum, Ductus choledochus, Gallenblase, Milzhilus, perigastral und periduodenal nachgewiesen. Ektopes Pankreasgewebe wird gelegentlich bei Operationen als Zufallsbefund entdeckt, ohne dass je eine klinische Symptomatik bestand.
Ektopes Pankreasgewebe kann in Magen, Duodenum, Jejunum, Meckel-Divertikeln, Ileum, Ductus choledochus, Gallenblase, Milzhilus, perigastral oder periduodenal gefunden werden.
Pankreasagenesie/Pankreashypoplasie
Pankreasagenesie/Pankreashypoplasie
Eine Pankreasagenesie ist sehr selten und kann isoliert oder in Kombination mit weiteren Fehlbildungen auftreten. Kinder mit einer Pankreasagenesie versterben meist kurz nach der Geburt.
Die seltene Pankreasagenesie kann das gesamte Pankreas oder isoliert die ventrale oder dorsale Pankreasanlage betreffen.
B-1.230
Operative Therapie des Pancreas anulare
B-1.230
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530
Bei der Pankreashypoplasie sind die großen Pankreasgänge und Inseln normal, die kleineren Gänge reduziert und es besteht eine Differenzierungsstörung des terminalen Gangsystems.
B 1 Viszeralchirurgie
Neben der vollständigen lassen sich auch isolierte Agenesien der ventralen oder dorsalen Pankreasanlage beobachten. Bei der ebenfalls seltenen Pankreashypoplasie sind die größeren Pankreasgänge und -inseln normal ausgebildet, die Anzahl der kleineren Gänge ist jedoch reduziert und es besteht eine Differenzierungsstörung im Bereich des terminalen Gangsystems.
Pankreaszysten
Pankreaszysten
Echte Zysten des Pankreas werden nur bei einer polyzystischen Organdegeneration beobachtet. Prognose und Therapie werden durch Ausmaß der polyzystischen Umwandlung von Nieren und Leber bestimmt. Echte Zysten sind im Gegensatz zu Pseudozysten mit Epithel ausgekleidet und mit seröser Flüssigkeit gefüllt.
Echte Zysten des Pankreas werden nur bei einer polyzystischen Organdegeneration beobachtet. Von dieser embryologischen Entwicklungsstörung sind hauptsächlich die Leber und die Nieren betroffen. Die Prognose und Therapie dieses Krankheitsbilds werden durch das Ausmaß der polyzystischen Umwandlung innerhalb der Nieren und der Leber bestimmt. Im Gegensatz zu den Pseudozysten weisen echte Zysten eine Epithelauskleidung auf und sind mit seröser Flüssigkeit gefüllt.
1.12.3 Pathophysiologie
1.12.3 Pathophysiologie
Die Bauchspeicheldrüse ist sowohl eine exokrine wie endokrine Drüse.
Die Bauchspeicheldrüse ist ein sowohl exokrines wie endokrines Organ. Der exokrine Anteil (ca. 80 %) besteht aus dem Azinuszell- und Pankreasgangsystem, der endokrine Anteil (ca. 2 %) aus den Langerhans-Inseln.
Exokrines Pankreas
Exokrines Pankreas
Aufgaben des exokrinen Pankreas sind: Produktion von Verdauungsenzymen und Neutralisation des Speisebreis.
Die Aufgabe des exokrinen Pankreas besteht in der Produktion und Abgabe von Verdauungsenzymen sowie der Abgabe von Ionen (Bikarbonate) zur Neutralisation des sauren Speisebreis im Duodenum.
Pankreassekretzusammensetzung: ■ Wasser ■ Elektrolyte ■ Verdauungsenzyme – proteolytische – Stärke spaltende – lipolytische – Nukleasen – andere.
Zusammensetzung des Pankreassekrets: ■ Wasser (bis zu 2,5 l/d) ■ Elektrolyte (Na, K, Cl, HCO , Ca, Mg, Zn, PO , SO 3 4 4 ■ Verdauungsenzyme: – proteolytische Enzyme: Trypsinogen, Chymotrypsinogen, Proelastase, Procarboxypeptidase – Stärke spaltendes Enzym: Amylase – lipolytische Enzyme: Lipase, Phospholipase – Nukleasen: DNAse, RNAse – andere: Procolipase, Trypsininhibitor.
Endokrines Pankreas
Endokrines Pankreas
Die Hauptaufgabe des endokrinen Pankreas besteht in der Aufrechterhaltung der Glukosehomöostase. Innerhalb der Langerhans-Inseln unterscheidet man folgende Zelltypen: ■ B-Zellen (Insulin) ■ A-Zellen (Glukagon) ■ D-Zellen (Somatostatin) ■ F-Zellen (pankreatisches Polypeptid). ■ D1-Zellen (VIP) ■ G-Zellen (Gastrin).
Die Hauptaufgabe des endokrinen Pankreas besteht in der Aufrechterhaltung der Glukosehomöostase. Ferner werden von dem endokrinen Organ gastrointestinale Hormone synthetisiert. Innerhalb der Langerhans-Inseln werden verschiedene Zelltypen unterschieden, die folgende Hormone produzieren: ■ B-Zellen: Insulin (50 – 80 % des Inselvolumens) ■ A-Zellen: Glukagon (5 – 20 % des Inselvolumens) ■ D-Zellen: Somatostatin (ca. 5 % des Inselvolumens) ■ F-Zellen: Pankreatisches Polypeptid (10 – 35 % des Inselvolumens) ■ D1-Zellen: Vasoaktives intestinales Peptid (VIP) ■ G-Zellen: Gastrin.
1.12.4 Angeborene Pankreaserkrankungen
1.12.4 Angeborene Pankreaserkrankungen
Angeborene Erkrankungen des exokrinen Pankreas bedingen entweder eine exogene Pankreasinsuffizienz oder eine Pankreatitis. Das häufigste chirurgisch relevante Krankheitsbild ist der Mekoniumileus bei zystischer Pankreasfibrose (S.1069).
Angeborene Erkrankungen des exokrinen Pankreas bedingen entweder eine exokrine Pankreasinsuffizienz (z. B. zystische Pankreasfibrose, isolierte Enzymdefizienz für z. B. Lipase, Trypsin usw.) oder eine Pankreatitis, deren Ursache hereditär oder metabolisch (Hyperlipämie, Hyperparathyreoidismus, α1-Antitrypsinmangel) sein kann. Das häufigste chirurgisch relevante Krankheitsbild ist der Mekoniumileus bei zystischer Pankreasfibrose (S. 1069).
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B 1.12 Pankreas
531
1.12.5 Pankreatitis
1.12.5 Pankreatitis
Die Einteilung der entzündlichen Pankreaserkrankungen erfolgt in die akute und die chronische Pankreatitis. Beide Formen unterscheiden sich in der Pathogenese und dem Verlauf.
Die akute Pankreatitis unterscheidet sich in Pathogenese und Verlauf von der chronischen.
Akute Pankreatitis
Akute Pankreatitis
왘 Definition. Die akute Pankreatitis ist ein autodigestiver Prozess der Bauch-
왗 Definition
speicheldrüse, der in verschiedenen Schweregraden (leicht bis nekrotisierend), unterschiedlichen Episoden (singuläres oder rezidivierendes Auftreten), mit und ohne lokale oder systemische Komplikationen auftreten kann (Tab. B-1.59).
왘 Merke. Nach abgelaufener akuter Pankreatitis kann sowohl eine komplette
왗 Merke
Restitutio ad integrum als auch eine Defektheilung beobachtet werden. Ätiologie: Die kausalen Faktoren, die eine Reihe von enzymatischen Reaktionen auslösen und dadurch eine akute Pankreatitis induzieren, sind bisher nicht bekannt, wenngleich in der Klinik die akute Pankreatitis häufig unter „typischen Bedingungen“ beobachtet wird. Diese sind: Gallensteine, Alkoholabusus, Medikamenteneinnahme, Stoffwechselstörungen (z. B. Hyperlipidämie, Urämie), endokrine Erkrankungen (z. B. Hyperparathyreoidismus, Morbus Cushing), Virusinfektionen (z. B. Mumps, Coxsackie-Virus, Hepatitis-B-Virus) usw.
Ätiologie: Kausale Faktoren, die über Aktivierung enzymatischer Reaktionen eine akute Pankreatitis induzieren, sind bisher nicht bekannt. Es werden jedoch „typische Bedingungen“ beobachtet.
Pathogenese: Zur Pathogenese der akuten Pankreatitis werden u. a. folgende Hypothesen diskutiert: ■ Obstruktion des Gangsystems ■ Reflux von Duodenalsaft in das Gangsystem ■ Gallenreflux in das Gangsystem ■ Veränderungen der Pankreasmembranpermeabilität ■ vorzeitige Enzymaktivierung ■ toxische Schädigung (z. B. Alkohol, Medikamente) ■ weitere Mechanismen wie Stoffwechselstörungen, endokrine Erkrankungen, Virusinfektionen.
Pathogenese: Folgende Hypothesen werden diskutiert: ■ Gangobstruktion ■ Reflux von Duodenalsekret oder Galle ■ Veränderungen der Membranpermeabilität ■ vorzeitige Enzymaktivierung ■ toxische Schädigung durch Alkohol, Medikamente ■ andere Ursachen wie Stoffwechselstörungen, endokrine Erkrankungen, Virusinfektionen.
Ursächlich für die akute Pankreatitis ist in jedem Fall eine Aktivierung von Pankreasenzymen, wodurch der autodigestive Prozess eingeleitet wird. Bedingt durch die Freisetzung zahlreicher Substanzen (z. B. vasoaktive Peptide wie Bradykinin, Kallidin) aus zerstörten Pankreaszellen, entwickelt sich das klinische Bild.
Die Ursache ist eine Aktivierung der Pankreasenzyme, durch die der autodigestive Prozess eingeleitet wird.
Klinik: Ein dumpfer Oberbauchschmerz im Epigastrium oder linken oberen Quadranten mit z. T. gürtelförmiger Ausstrahlung in den Rücken ist charakteristisch. Begleitend können Übelkeit, Erbrechen, Darmparalyse, Fieber, Tachykardie sowie Kreislaufinstabilität bis hin zum hypovolämischen Schock bestehen. Schwere Verlaufsformen gehen mit Nierenfunktionseinschränkung/Nierenversagen sowie pulmonaler Insuffizienz mit Beatmungspflichtigkeit einher. Abhängig vom Zeitpunkt der Untersuchung und dem Schweregrad der Pankreatitis findet man palpatorisch einen mäßigen Druckschmerz im Oberbauch mit elastischer Bauchdecke oder auch eine diffuse Abwehrspannung des gesamten Abdomens. In seltenen Fällen lässt sich eine zyanotische Verfärbung der Flanken- (GreyTurner-Zeichen) oder Nabelregion (Cullen-Zeichen), die durch peripankreatische Einblutungen und deren Diffusion in die Subkutis verursacht sind, beobachten.
Klinik: Klinisch besteht dumpfer Oberbauchschmerz mit z. T. gürtelförmiger Ausstrahlung in den Rücken. Weitere Symptome sind: Übelkeit, Erbrechen, Darmparalyse, Tachykardie, Kreislaufinstabilität und pulmonale Insuffizienz.
Komplikationen: Es können lokale und systemische Komplikationen auftreten, die in Tab. B-1.59 zusammengefasst sind. Die schwerwiegendste Komplikation der nekrotisierenden Pankreatitis ist die lokale bakterielle Infektion der Nekrosen durch enterische Bakterien. Sie tritt bei
Abhängig vom Schweregrad der Pankreatitis findet sich ein druckdolentes elastisches bis bretthartes Abdomen. Selten werden das Grey-Turner- oder das Cullen-Zeichen beobachtet.
Komplikationen: siehe Tab. B-1.59. Schwerwiegendste Komplikation der nekrotisierenden Pankreatitis ist die lokale bakterielle Infektion der Nekrosen durch enterische Bakterien.
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532
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.59
B-1.59
Mögliche Komplikationen der akuten Pankreatitis
lokale Komplikationen ■ ■ ■
■ ■ ■
bakteriell infizierte Pankreasnekrosen Pankreasabszess Arrosion benachbarter Strukturen (dadurch z. B. Blutung, Fistelbildung) Pleuraerguss Milzvenen- und Pfortaderthrombose postakute Pankreaspseudozysten
systemische Komplikationen ■ ■ ■ ■ ■
Sepsis paralytischer Ileus, Peritonitis Schocklunge (ARDS) akutes Nierenversagen Diabetes mellitus
20 – 40 % aller Patienten mit nekrotisierender Pankreatitis auf und ist mit einer außerordentlich hohen Letalität assoziiert. Diagnostik: 왘 Merke
■
■
Labordiagnostik: Mit akuter Schädigung von Pankreasgewebe kommt es zu einem ausgeprägten Übertritt von Lipase und Amylase ins Blut. Dadurch Nachweismöglichkeit im Serum und Urin. Lipase und Amylase sind nicht völlig organspezifisch. Erhöhte Serumamylasewerte können ihren Ursprung in einer Schädigung der Speicheldrüsen, der Tuben oder der Lunge haben. Lipase kann freigesetzt werden aus Lunge, Ösophagus, Magen, Duodenum oder Leber. Die Höhe der Serumwerte beider Enzyme muss nicht notwendigerweise mit dem Schweregrad oder dem Verlauf der Erkrankung korrelieren. Prognostisch ungünstige Zeichen der akuten Pankreatitis s. Tab. B-1.60.
Ultraschalldiagnostik: Sie ist rasch durchführbar, risikofrei und besonders für die Verlaufsbeobachtung geeignet.
B-1.60
Diagnostik: 왘 Merke. Bei jedem Patienten, der über akute Oberbauchbeschwerden klagt oder eine unklare Schocksymptomatik aufweist, ist unbedingt eine akute Pankreatitis in Betracht zu ziehen. ■
■
Labordiagnostik: Mit akuter Schädigung von Pankreasgewebe kommt es zu einem ausgeprägten Übertritt von Lipase und Amylase ins Blut, wobei folgende Abstufung in der diagnostischen Sensitivität besteht: Serumlipase 4 Serumamylase 4 Harnamylase. Lipase und Amylase sind nicht völlig organspezifisch. Erhöhte Serumamylasewerte können ihren Ursprung in einer Schädigung der Speicheldrüsen, der Tuben oder der Lunge haben. Lipase kann freigesetzt werden aus Lunge, Ösophagus, Magen, Duodenum oder Leber. Bei Aktivitäten über dem 3-fachen der Norm hat die Lipase eine sehr hohe Sensitivität (ca. 100 %) und in der Abgrenzung einer Lipaseerhöhung nicht pankreatogenen Ursprungs eine Spezifität von ca. 98 %. Die Höhe der Serumwerte beider Enzyme muss nicht notwendigerweise mit dem Schweregrad oder dem Verlauf der Erkrankung korrelieren. Eine gleichzeitige Schädigung der Inselzellen kann zu einem Diabetes mellitus führen. Erhöhte Serumwerte für Bilirubin, alkalische Phosphatase, γ-GT, Transaminasen und LDH können Aufschluss über die Ätiologie der Erkrankung (z. B. biliäre Ursache) geben. Die Bestimmung der genannten Parameter ist jedoch auch zur Erkennung von Komplikationen notwendig. Eine sich 2 – 3 Tage nach Beginn der Erkrankung entwickelnde Hypokalziämie gilt als prognostisch ungünstiges Zeichen (nekrotisierende Verlaufsform). Prognostisch ungünstige Zeichen der akuten Pankreatitis sind in Tab. B-1.60 aufgelistet. Ultraschalldiagnostik: Sie ist rasch durchführbar, zuverlässig, risikofrei und besonders für die Verlaufsbeobachtung geeignet. Die Untersuchungsmethode kann Hinweise auf die Ätiologie der Erkrankung (Cholelithiasis) geben und Komplikationen aufdecken (Aszites, Pleuraerguss, Pseudozysten). Reichlich Darmgasgehalt bei Paralyse schränkt die Beurteilbarkeit der Pankreasstrukturen ein.
B-1.60
Prognostisch ungünstige Zeichen der akuten Pankreatitis
bei Aufnahme
nach 48 Stunden
Alter 4 55 Jahre Glukosekonzentration 4 200 mg/dl Leukozytose 4 16 000/µl LDH 4 350 U/l GOT 4 120 U/l
Abfall des Hämatokrits Serumkalziumkonzentration 5 2,0 mmol/l Basendefizit 4 4,0 mmol/l Anstieg von Harnstoff-N arterieller PO2 5 60 mmHg Flüssigkeitsdefizit 4 6 l
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B 1.12 Pankreas
■
Radiologische Diagnostik: Eine Abdomenübersichtsaufnahme kann das Ausmaß der Darmparalyse (Ileus) dokumentieren; sie hat jedoch keine Relevanz für die Beurteilung des Schweregrads der akuten Pankreatitis. Der Nachweis von Kalkeinlagerungen in der Bauchspeicheldrüse spricht für rezidivierend abgelaufene Entzündungsprozesse. Die wichtigste Untersuchung zur Verifizierung des Ausmaßes einer akuten Pankreatitis ist die abdominelle computertomographische Untersuchung. Sie erlaubt die Beurteilung der gesamten Bauchspeicheldrüse. Bei zusätzlicher i. v. Applikation von Kontrastmittel (KM) lassen sich Pseudozysten, Nekrosen und Abszedierungen (KM-Aussparung) von frischen Einblutungen (KM-Anreicherung) differenzieren; gleichzeitig lassen sich die Durchgängigkeit der Milzvene und Pfortader beurteilen (Abb. B-1.231, Abb. B-1.232, Abb. B-1.233). Die seltene Arrosionsblutung, die sich z. B. als obere gastrointestinale Blutung (endoskopisch gesicherte Blutungsquelle aus der Papille) manifestieren kann, erfordert eine sofortige Angiographie (Mesenterikographie). Hierbei kann zum einen zwischen einer arteriellen und venösen Blutung (Milzvene/Pfortader) differenziert werden und zum anderen eine arterielle Blutungsquelle mittels Embolisation therapiert werden.
Therapie: Eine spezifische Therapie, welche den autodigestiven Prozess akuten Pankreatitis zum Stillstand bringt, ist bisher nicht möglich. ■ Konservative Therapie: Das Ziel der konservativen Therapie ist es, Synthese und Sekretion der Pankreasenzyme zu reduzieren. Außerdem die Flüssigkeits- und Elektrolythomöostase wiederhergestellt, der Ausfall Organfunktionen (z. B. Glukosehomöostase) ersetzt und der Entwicklung
der die soll von von
533 ■
Radiologische Diagnostik: Eine Abdomenübersichtsaufnahme kann das Ausmaß der Darmparalyse dokumentieren. Kalkeinlagerungen im Pankreas sprechen für rezidivierend abgelaufene Pankreatitiden. Die wichtigste Untersuchung ist die abdominelle Computertomographie. Zusätzliche i. v. Kontrastmittelgabe erlaubt die Abgrenzung von schlecht durchbluteten Arealen, Einblutungen, Nachweis einer Thrombose etc. Im Falle einer Arrosionsblutung kann mittels Angiographie eine Differenzierung zwischen arterieller und venöser Blutungsursache erfolgen und eine arterielle Blutung ggf. mittels Embolisation therapiert werden.
Therapie: Eine spezifische Therapie zur Unterbindung des autodigestiven Prozesses gibt es bisher nicht. ■ Konservative Therapie: Ziel ist die Synthese und Sekretion der Enzyme zu reduzieren, die Flüssigkeits- und
B-1.231
CT bei akuter Pankreatitis: Ausgedehnte peripankreatische Flüssigkeitsansammlungen (?)
B-1.231
B-1.232
Infizierte Nekrosen bei akuter Pankreatitis: Lufteinschlüsse innerhalb der peripankreatischen Flüssigkeit (?)
B-1.232
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534
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.233
B-1.233
B-1.61
B-1.61
Akute Pankreatitis: ausgeprägte Aszitesbildung (?)
Therapie der akuten Pankreatitis
allgemeine Therapieprinzipien: ■ Nahrungskarenz, parenterale Ernährung, Magensonde zur Ableitung des Magensekrets ■ Ulkusprophylaxe ■ Volumen- und Elektrolytsubstitution ■ Glukosehomöostase ■ Schmerzbekämpfung (cave: Opiate – Spasmus des Sphincter Oddi) ■ Intensivüberwachung spezifische therapeutische Maßnahmen: ■ Beseitigung ätiologischer Faktoren (z. B. endoskopische Papillotomie) ■ Verminderung des Sekretionsdrucks und Hemmung der Pankreassekretion (Somatostatin) ■ Einsatz von Enzyminhibitoren (Proteaseinhibitoren) ■ ggf. chirurgische Intervention
Elektrolythomöostase wiederherzustellen und ausgefallene Organfunktionen zu ersetzen (Tab. B-1.61). ■
Chirurgische Therapie: Sie ist bei Verschlechterung des Krankheitsverlaufes, dem Auftreten von Komplikationen (Abszesse, Niereninsuffizienz, ARDS) sowie bei bakteriell infizierten Pankreasnekrosen angezeigt. Therapieprinzip: Ausräumung von Nekrosen, Ableitung und Spülung von Abszessen. Abhängig von Ausdehnung der Nekrosen und Abszesse werden offene bzw. geschlossene Verfahren angewendet. Beim offenen Verfahren wird das Abdomen nicht verschlossen, sondern lediglich mit sterilem Material abgedeckt. Die tägliche Revision erfolgt, bis saubere Wundverhältnisse vorliegen und ein Verschluss der Bauchdecke möglich ist. Beim geschlossenen Verfahren werden nach einmaliger Nekrosenausräumung Spül- und Ableitungsdrainagen eingebracht, worüber die lokale Spülbehandlung fortgeführt werden kann (Abb. B-1.234). Als temporärer Verschluss kann ein Reißverschluss in die Bauchdecke eingenäht werden, der nach Abschluss der Spülbehandlung entfernt wird (Abb. B-1.235).
■
Komplikationen vorgebeugt werden (Tab. B-1.61). Die prophylaktische Gabe von Antibiotika zur Verhinderung einer Nekroseinfektion wird teilweise empfohlen. Chirurgische Therapie: Die Indikation zur chirurgischen Intervention ist jeweils aus dem Verlauf der Erkrankung zu stellen. In der Regel ist eine chirurgische Therapie bei Verschlechterung des Krankheitsverlaufs trotz intensivmedizinischer Maßnahmen oder bei Auftreten von Komplikationen (Abszesse, Niereninsuffizienz, ARDS) angezeigt. Bakteriell infizierte Pankreasnekrosen sind ebenfalls eine Indikation zur operativen Revision im Sinne einer Sanierung des septischen Fokus. Das Therapieprinzip besteht in der Ausräumung nekrotisierten Gewebes, Ableitung von Flüssigkeitsansammlungen nach außen und Reinigung/Spülung von Abszessen bzw. infiziertem Gewebe. Abhängig von der Ausdehnung der Nekrosen, Größe der Abszedierungen und begleitenden Peritonitis kommen sog. offene bzw. geschlossene Verfahren zur Anwendung. Beim offenen Verfahren (beatmeter und relaxierter Patient) wird das Abdomen nach der ersten Operation lediglich mit sterilem Material (z. B. Folien) abgedeckt, um einen möglichst raschen Zugang für die erneute Intervention zu gewährleisten. In der Folge werden dann wiederholte Spülungen (= Etappenlavage) der Bauchhöhle und Nekrosenausräumungen vorgenommen, bis saubere Wundflächen resultieren und eine Adaptation und ein Verschluss der Bauchdecke möglich ist. Beim geschlossenen Verfahren wird nach einmaliger Nekroseausräumung und Spülbehandlung das Abdomen nach Einbringen von Spül- sowie Ableitungsdrainagen verschlossen und eine lokale Spülbehandlung zur Entfernung der
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B 1.12 Pankreas
B-1.234
Geschlossene Peritoneallavage
B-1.235
Intraoperativer Befund bei akuter Pankreatitis
a Beginn der Etappenlavage mit ausgedehnten Nekrosen.
535 B-1.234
b Saubere Wundverhältnisse am Therapieende.
Restnekrosen über die liegenden Drainagen fortgeführt. Dieses ist nur möglich, wenn die Nekroseareale lokal (z. B. nur linker Oberbauch oder nur Bursa omentalis) begrenzt sind (Abb. B-1.234). Als Variante des offenen Verfahrens kann bei diffuser Beteiligung des Peritoneums ein temporärer Bauchdeckenverschluss (Einnähen eines Reißverschlusses in die Bauchdecke) vorgenommen werden. Er ermöglicht – wie bei der offenen Behandlung – eine rasche tägliche oder 2-tägliche Revision (= Etappenlavage), bis saubere Wundverhältnisse einen definitiven Verschluss erlauben (Abb. B-1.235). Prognose: Die Letalität bei akuter Pankreatitis ist abhängig von dem Schweregrad der Erkrankung. Bei der ödematösen Pankreatitis (Veränderungen auf das Pankreas beschränkt, Kapsel erhalten, Restitutio ad integrum wahrscheinlich) liegt sie bei 3 %. Bei einer partiellen Pankreasnekrose (Fettgewebenekrosen außerhalb der Drüse im Abdomen, Multiorganversagen selten) beträgt die Letalität ca. 15 %. Kommt es zu einer nekrotisierenden Pankreatitis, so ist die Letalität abhängig vom Ausmaß der Nekrotisierung und von der Infektion der Nekrosen. Bei infizierten Nekrosen beträgt sie bis zu über 30 %. Die nekrotisierende Pankreatitis ohne bakterielle Infektion weist eine niedrigere Letalität von 10 – 15 % auf.
Prognose: Sie ist abhängig vom Schweregrad der Erkrankung. Die Letalität bei der ödematösen Pankreatitis liegt bei 3 %, bei der partiellen Pankreasnekrose bei ca. 15 %. Bei der nekrotisierenden Pankreatitis hängt die Letalität vom Ausmaß der Nekrotisierung und der Infektion der Nekrosen ab: Ohne Infektion beträgt sie 10 – 15 %, mit Infektion über 30 %.
Chronische Pankreatitis
Chronische Pankreatitis
왘 Definition. Die chronische Pankreatitis ist ein überwiegend chronisch ent-
왗 Definition
zündlicher Prozess, dem nach Destruktion und Fibrosierung eine zunehmende Einschränkung der exokrinen Pankreasfunktion und im Spätstadium auch ein Verlust der endokrinen Drüsenfunktion folgt.
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536
B 1 Viszeralchirurgie
Ätiologie: Die Pathogenese ist nach wie vor unbekannt. Hauptauslöser: ■ Alkoholabusus (ca. 70 %) ■ idiopathische Form (ca. 25 %) ■ seltene Ursachen (ca. 5 %), z. B. Heredität, Medikamente.
Ätiologie: Die Pathogenese der chronischen Pankreatitis ist nach wie vor unbekannt. Hauptauslöser der chronisch fibrosierenden Erkrankung ist in Europa und USA der Alkoholabusus (ca. 70 %). In ca. 25 % der Fälle geht man von einer idiopathischen Genese aus (juvenile und senile Form). In ca. 5 % der Fälle liegen seltene Ursachen wie z. B. Heredität, Hyperparathyreoidismus, Obstruktion, Analgetikaabusus, Trauma oder ein Pancreas divisum vor.
Klinik: Leitsymptom der chronischen Pankreatitis ist der Schmerz.
Klinik: Leitsymptom der chronischen Pankreatitis ist der Schmerz (90 %). Er wird als dumpf bohrend bis scharf, eher als Dauerschmerz als kolikförmig, meist im Epigastrium, aber auch rechts wie links subkostal, oft mit Ausstrahlung in den Rücken (65 %) oder in die linke Schulter (5 %) angegeben. Die Schmerzattacken können anfallsweise, in Abhängigkeit von Nahrungsaufnahme, aber auch nahrungsunabhängig auftreten sowie Stunden, Tage und mehrere Wochen andauern. Neben den Schmerzen werden häufig uncharakteristische Beschwerden wie Meteorismus, Nahrungsmittelunverträglichkeit, Übelkeit, Erbrechen, Völlegefühl oder Diarrhöen angegeben. Viele Patienten verspüren Schmerzerleichterung in vorgebeugt sitzender Position oder durch Wärmeapplikation (Abb. B-1.236). Zirka 10 – 20 % benötigen starke Schmerzmittel, deshalb muss gelegentlich nach Jahren mit einer Schmerzmittelabhängigkeit gerechnet werden. Gewichtsabnahme, Steatorrhö, Diabetes mellitus, Ödeme, Aszites und Fehlen von Schmerzschüben sind für das Endstadium der chronischen Pankreatitis typisch.
Neben anfallsweisen Schmerzattacken können mehrwöchige Dauerschmerzzustände bestehen. Wärmeapplikation verschafft Schmerzerleichterung (Abb. B-1.236). Zirka 10 – 20 % der Patienten benötigen starke Schmerzmittel.
Gewichtsabnahme, Steatorrhö, Diabetes mellitus, Ödeme, Aszites und fehlende Schmerzen sind für das Endstadium typisch. Diagnostik: ■
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Labordiagnostik: Serumamylase- und -lipasespiegel können im Normbereich liegen. Pathologische Blutzuckerspiegel weisen auf einen bestehenden Diabetes mellitus hin.
Radiologische Diagnostik: Bei 30 % der Patienten finden sich in der Abdomenübersichtsaufnahme diffuse oder fokale Kalkablagerungen in der Pankreasregion (Abb. B-1.237).
Ultraschall und Computertomographie (Abb. B-1.238): Diese bildgebenden Verfahren sind insbesondere für die klinische Verlaufskontrolle geeignet.
B-1.236
Diagnostik: Bei der körperlichen Untersuchung lassen sich häufig keine spezifischen Befunde erheben. ■ Labordiagnostik: Die Laboruntersuchungen entsprechen denen bei akuter Pankreatitis. Serumamylase und -lipase können während der Schmerzepisoden im Normbereich liegen. Pathologische Blutzuckerspiegel weisen auf einen bestehenden Diabetes mellitus hin. Erhöhtes Bilirubin und Konzentrationsanstieg der cholestaseanzeigenden Enzyme finden sich bei Ausbildung einer papillennahen Pankreasgangstenose. ■ Radiologische Diagnostik: Die einfachste Untersuchung ist die Abdomenübersichtsaufnahme, wenn möglich, im Stehen. Bei ca. 30 % der Patienten finden sich diffuse oder fokale Kalkablagerungen innerhalb des Drüsenparenchyms oder des Gangsystems (Abb. B-1.237). Beim akuten Schub einer chronischen Pankreatitis ist eine Thoraxaufnahme (Pleuraergüsse, Atelektasen, etc.) erforderlich. ■ Ultraschall und Computertomographie (Abb. B-1.238): Diese bildgebenden Verfahren dienen vorwiegend der klinischen Verlaufskontrolle. Insbesondere der Ultraschall gestattet neben dem Nachweis von Gallensteinen und Pankreaskalk die Beurteilung über Entwicklung bzw. Rückbildung von Pseudozysten und Abszessen.
B-1.236
Erythema ab igne bei chronischer Pankreatitis Hyperpigmentation der Haut (Erythema ab igne) nach häufiger Wärmeapplikation bei chronischer Pankreatitis.
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B 1.12 Pankreas
B-1.237
Verkalkungen bei chronischer Pankreatitis
a Die Computertomographie des Abdomens zeigt ausgedehnte Verkalkungen des Organs (?) sowie Zysten im Pankreaskopf.
B-1.238
537
b Die Abdomenübersicht zeigt multiple verkalkte Konkremente innerhalb des Gangsystems (?).
Chronische Pankreaskopfpankreatitis
a CT-Befund: deutliche Dilatation des Pankreasganges im Korpus-Schwanz-Bereich (?).
b CT-Befund: vergrößerter Pankreaskopf mit kleinen Zysten (?).
St = Stent im Ductus choledochus
■
Angiographie: Eine Arteriographie mit indirekter Splenoportographie ist bei Verdacht auf Milzarterienaneurysma oder Milzvenen- oder Pfortaderthrombose indiziert.
Endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP): Bei einer Vielzahl der Patienten lassen sich Veränderungen des Gangsystems (Stenosierungen, Dilatationen) im Bereich des gesamten Drüsenkörpers oder einzelner Abschnitte nachweisen (Abb. B-1.239, Abb. B-1.240) ■ Bei bestehendem Cholestasesyndrom kann gleichzeitig bei Veränderungen im Papillenbereich eine Papillotomie durchgeführt werden (S. 258). ■ Cholangio-MRT: Bei entsprechender Qualität kann heute das Cholangio-MRT (nichtinvasiv, keine Strahlenbelastung!) die sonst nur mit der Angiographie und ERCP zu klärenden diagnostischen Fragen in einem Untersuchungsgang abklären. Prognose: Die Prognose der chronischen Pankreatitis hängt im Wesentlichen vom Schweregrad, der Häufigkeit der Schmerzepisoden und der nachfolgend genannten Komplikationen ab. Die Letalität liegt innerhalb von 10 Jahren zwischen ca. 20 – 30 %.
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Angiographie: Sie ist indiziert bei Verdacht auf Milzvenen- oder Pfortaderthrombose. ERCP: Durch die ERCP lassen sich pathologische Gangveränderungen (Stenosen, Dilatationen) nachweisen (Abb. B-1.239, B-1.240).
Cholangio-MRT: Das Cholangio-MRT kann heute diagnostisch oft die ERCP und Angiographie ersetzen.
Prognose: Die Prognose ist im Wesentlichen abhängig vom Schweregrad der chronischen Pankreatitis. Die Letalität liegt innerhalb von 10 Jahren bei ca. 20 – 30 %.
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B 1 Viszeralchirurgie
538 B-1.239
Chronische Pankreatitis mit Stenosierung im Pankreaskopf-Bereich und Dilatation des Gangsystems
a ERCP-Befund: Dilatierter Pankreasgang (?).
B-1.240
b MRCP-Befund: Dilatierter Pankreasgang, kleine Pseudozyste (Z).
ERCP bzw. nasobiliäre Sonde bei chronischer Pankreatitis
a Deutliche Destruktion des Gangsystems im Kopfbereich (?).
b Massive Dilatation des Gangsystems (?) distal der Stenose im Kopfbereich.
Komplikationen: ■ Pankreaspseudozysten: Pankreaspseudozysten sind abgekapselte Flüssigkeitsansammlungen, die häufig mit dem Pankreasgangsystem in Verbindung stehen. Pankreaspseudozysten können solitär oder multipel auftreten (Abb. B-1.241).
Komplikationen: ■ Pankreaspseudozysten: Pankreaspseudozysten sind abgekapselte Flüssigkeitsansammlungen mit hohem Pankreasenzymgehalt, die häufig mit dem Pankreasgangsystem in Verbindung stehen und im Gegensatz zu echten Zysten keine Epithelauskleidung besitzen. Pankreaspseudozysten können solitär oder multipel auftreten und eine geringe bis extreme Größenausdehnung aufweisen (Abb. B-1.241).
Sie entwickeln sich nach einem akuten Entzündungsschub infolge von Parenchymnekrosen. Je nach Ausdehnung und Lokalisation bestehen diffuse Oberbauchbeschwerden. Gelegentlich bestehen sog. Kompressionssyndrome des Magenausgangs oder der Gallenwege (Abb. B-1.242). Eine spontane Zystenrückbildung ist möglich, jedoch mit einer abnehmenden Wahrscheinlichkeit ab einer Größe > 6 cm.
Sie entwickeln sich gelegentlich nach einem akuten Schub einer Pankreatitis infolge der Einschmelzung des Drüsenparenchyms. Durch entzündliche Umgebungsreaktion bilden sich mehr oder weniger dicke Pseudozystenwände aus. Entsprechend ihrer Ausdehnung und Lokalisation werden diffuse Oberbauchdruckbeschwerden angegeben; gelegentlich bestehen sog. Kompressionssyndrome des Magenausgangs oder der Gallenwege (Abb. B-1.242). Bei untergewichtigen Patienten lässt sich häufig eine prallelastische Resistenz tasten. Eine spontane Rückbildung der Zysten ist möglich. Die Wahrscheinlichkeit nimmt jedoch mit einer Größe 4 6 cm im Durchmesser und der Persistenz 4 6 Wochen deutlich ab. Als Komplikation der Pankreaspseudozysten kann deren Infektion mit Abszessentwicklung und Fieber bis zur Ausbildung einer Sepsis auftreten. Ruptur der Zysten in die freie Bauchhöhle führt zur Peritonitis. Die seltene Penetration der Zysten in den Gastrointestinaltrakt oder eine Arrosion größerer Gefäße (z. B. A. splenica, A. gastroduodenalis, A. mesenterica superior) führt meist zu einer massiven Blutung. Bei einer Blutung in die freie Bauchhöhle entwickelt sich rasch eine hämorrhagische Schocksymptomatik.
Komplikationen von Pankreaspseudozysten sind: ■ Infektion ■ Ruptur ■ Peritonitis ■ Penetration ■ Gefäßarrosion.
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B 1.12 Pankreas
B-1.241
539
Pankreaspseudozysten
a Destruktion des Pankreas durch zwei große Pseudozysten (Z). b Entwicklung einer Pseudozyste bei akuter Pankreatitis.
B-1.242
ERCP bei großer Pankreaskopfzyste a Filiforme Stenose des distalen Ductus choledochus (?). b Deutliche Dilatation des intrahepatischen Gallengangssystems (?).
a
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b
Peptische Ulzera: Peptische Ulzera werden bei ca. 6 – 20 % aller Patienten mit chronischer Pankreatitis gefunden. Eine mögliche Ursache könnte in dem reduzierten Bikarbonatgehalt des Pankreassekrets zu suchen sein. Aszites/Pleuraerguss: Beide Komplikationen finden sich häufig bei der akuten Pankreatitis, entwickeln sich jedoch in bis zu ca. 5 % auch bei chronischer Pankreatitis. Der Aszites kann Folge eines persistierenden Lecks aus einer Pankreaspseudozyste oder eines eröffneten Pankreasgangs sein. Hier besteht die Gefahr einer Fehldeutung als zirrhosebedingt, da der pankreatogene Aszites besonders bei alkoholinduzierter chronischer Pankreatitis zu beobachten ist. Milzvenen-/Pfortaderthrombose: In seltenen Fällen können sich aufgrund der Entzündungsreaktion, der fibrotischen Umwandlung der Bauchspeicheldrüse oder bei Kompression der V. splenica oder der V. portae durch Pseudozysten Thrombosen dieser Gefäße entwickeln. Eine derartige Thrombose bedingt eine venöse Stauung der Milz und Ausbildung eines Kollateralkreislaufs über die V. gastricae breves (Ausbildung von Fundusvarizen). Als nachfolgende Komplikationen können sich sowohl ein Hypersplenismus als auch eine obere gastrointestinale Blutung (Fundusvarizen) entwickeln. Stenosen: Bei 5 – 20 % aller Patienten mit chronischer Pankreatitis entwickelt sich eine Stenose des intrapankreatisch verlaufenden Gallengangsabschnitts, welche sich bei zunehmender Obstruktion durch das Auftreten eines Ikterus manifestiert. Der Nachweis der Gallenwegsstenose erfolgt mittels ERCP oder MRT. Eine weitere Komplikation stellt die Magenausgangsstenose bei Kompression des Duodenums dar, die sich als Magenentleerungsstörung manifestiert.
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Peptische Ulzera: Etwa 6 – 20 % aller Patienten mit chronischer Pankreatitis haben peptische Ulzera. Aszites/Pleuraerguss: Beide finden sich bevorzugt bei der akuten Pankreatitis, kommen jedoch in bis zu 5 % auch bei chronischer Pankreatitis vor.
Milzvenen-/Pfortaderthrombose: In seltenen Fällen führt die chronische Pankreatitis zur Ausbildung einer Milzvenen-/ Pfortaderthrombose. In der Folge können ein Hypersplenismus sowie gastrointestinale Blutungen (Fundusvarizen) auftreten.
Stenosen: Bei 5 – 20 % der Patienten entwickelt sich eine distale Gallenwegsstenose (ggf. Ikterus), die mittels ERCP oder MRT nachweisbar ist.
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540
B 1 Viszeralchirurgie
Therapie: Die Therapie der chronischen Pankreatitis besteht in konservativen Maßnahmen. Eine Indikation zur chirurgischen Intervention besteht nur bei folgenden Komplikationen/ Folgezuständen: ■ Karzinomverdacht ■ chronische Schmerzen ■ Stenosen ■ Pseudozysten ■ Milzvenenthrombose. Vorgehen bei chronischen Schmerzzuständen: Eine Operation kann bei gestautem Pankreasgangsystem zur Entlastung/Drainage indiziert sein.
Therapie: Die Therapie der unkomplizierten, chronischen Pankreatitis besteht in der Schmerzbekämpfung, Substitution von Verdauungsenzymen, Ernährungseinstellung, Alkoholkarenz und ggf. Behandlung des Diabetes mellitus. Eine Indikation zur chirurgischen Intervention kann gegeben sein bei Karzinomverdacht, chronischen Schmerzzuständen durch Pankreasgangstenosen mit Dilatation vorgeschaltener Gangabschnitte, Pankreaspseudozysten, pankreatogenem Aszites, Gallenwegsstenose, Magenausgangsstenose oder Milzvenenthrombose.
Bei kurzstreckiger Stenose im Pankreaskopfbereich kann durch endoskopische Kathetereinlage ein gestauter Pankreasgang entlastet werden. Bei langstreckiger Stenose und Dilatation des Ganges im Korpus-Schwanz-Bereich wird eine Pankreatikojejunostomie (Drainageoperation nach Puestow) durchgeführt (Abb. B-1.243). Ggf. kann die Resektion des Pankreasschwanzes und Anlage einer Pankreatikojejunostomie indiziert sein (Abb. B-1.244).
Die Resektion des Pankreasschwanzes erfordert oft die gleichzeitige Milzentfernung. Ist der Entzündungsprozess hauptsächlich im Pankreaskopf lokalisiert, so kann eine Resektion entweder als duodenumerhaltende Pankreaskopfresektion (Abb. B-1.244 b),
B-1.243
Vorgehen bei chronischen Schmerzzuständen: Bei chronischen Schmerzen kann eine Indikation zur Operation bestehen, wenn sich durch den Eingriff eine Entlastung gestauter Pankreasgangabschnitte erzielen lässt. Unabdingbare Voraussetzung für die Operationsplanung ist eine ERCP zur Beurteilung des Pankreasgangsystems. Bei einer kurzstreckigen Stenose im Pankreaskopfbereich ist vielfach eine Entlastung der peripher gestauten Gangabschnitte durch endoskopische Einlage eines Katheters in den Pankreasgang zu erreichen. Bei längerstreckiger Stenose im Pankreaskopfbereich und deutlicher Dilatation des Gangsystems im Pankreaskorpus-/-schwanzbereich kommt eine Drainageoperation nach Puestow (longitudinale Pankreatikojejunostomie) in Betracht. Hierbei wird der Pankreasgang im dilatierten Bereich der Länge nach eröffnet und eine Jejunalschlinge (Roux-Y-Technik) mit dem Gangsystem anastomosiert, sodass ein guter Abfluss in den Dünndarm gewährleistet ist (Abb. B-1.243). Findet sich eine Destruktion des Gangsystems im Pankreasschwanzbereich, ist eine Drainage des mittleren Bauchspeicheldrüsenabschnittes auch durch Pankreasschwanzresektion und Anastomosierung der Schnittfläche mit einer Jejunalschlinge (Roux-Y-Technik, Pankreatikojejunostomie) möglich (Abb. B-1.244). Bei Anlage einer derartigen distalen Pankreatikojejunostomie muss meistens die Milz mitentfernt werden, da es während der Freilegung der in der derb veränderten Drüse verlaufenden Milzgefäße häufig zu deren Verletzung kommt. Ist der chronisch entzündliche Prozess hauptsächlich im Pankreaskopf lokalisiert, kann eine Resektion entsprechend der lokalen Situation entweder als duodenumerhaltende Resektion des Pankreaskopfes oder als partielle Duodenopankreatektomie (= Whipple-Operation) notwendig sein.
Pankreatikojejunostomie
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B 1.12 Pankreas
541
B-1.244
Distale Pankreatikojejunostomie nach Pankreasschwanzresektion (a) und duodenumerhaltende Pankreaskopfresektion (b)
B-1.245
Partielle Duodenopankreatektomie (= Whipple-Operation)
Bei der duodenumerhaltenden Resektion (Abb. B-1.244 b) wird der Kopfbereich bis auf einen schmalen Rest im Bereich des duodenalen „C“ unter Erhaltung der Gefäßversorgung des Duodenums entfernt. Der Schwanz und ein Teil des Korpus bleiben erhalten und werden über eine Y-Roux-Schlinge drainiert. Bei der partiellen Duodenopankreatektomie (Abb. B-1.245) wird das duodenale „C“ einschließlich der distalen Gallenwege mitentfernt. Die dabei ebenfalls durchgeführte distale Magenresektion dient der Säurereduktion vor Anastomosierung des Magens mit dem Dünndarm (Vermeidung peptischer Ulzera). Als technische Variante kann die pyloruserhaltende partielle Duodenopankreatektomie (Abb. B-1.246) durchgeführt werden, bei der keine Verkleinerung des Magens erfolgt, sondern die Einleitung des sauren Speisebreis erst hinter der Anastomose des Pankreas und der Gallenwege erfolgt. Die pyloruserhaltende partielle Duodenopankreatektomie hat sich als Verfahren in den letzten Jahren zunehmend etabliert.
als partielle Duodenopankreatektomie (= Whipple-Operation) (Abb. B-1.245) oder als pyloruserhaltende partielle Duodenopankreatektomie angezeigt sein.
Zunehmend etablierte sich die pyloruserhaltende partielle Duodenopankreatektomie (Abb. B-1.246), bei der die Einleitung des sauren Speisebreis erst hinter der Anastomose des Pankreas und der Gallenwege erfolgt.
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B 1 Viszeralchirurgie
542 B-1.246
Pyloruserhaltende partielle Duodenopankreatektomie (= Whipple-Operation)
왘 Merke
왘 Merke. Eine Resektion von > 50 % des Parenchyms zwingt zur Aufklärung
des Patienten über einen postoperativ auftretenden Diabetes mellitus und eine exokrine Pankreasinsuffizienz. Vorgehen bei Pankreaspseudozysten: Pankreaspseudozysten sollten frühestens 6 – 8 Wochen nach ihrer Entstehung drainiert werden. Zysten mit einem Durchmesser 4 6 cm sollten operativ drainiert werden. Eine Pseudozystendrainage kann endoskopisch oder operativ durchgeführt werden (Roux-Y-Technik, Abb. B-1.247).
Die Verfahrenswahl ist von Größe und Lokalisation, Erfahrung und endoskopisch-technischen Möglichkeiten abhängig. Vorgehen bei pankreatogenem Aszites: Absolute Nahrungskarenz ist zwingend. Tritt keine Aszitesrückbildung ein, erfolgt die Lokalisation der Leckage durch ERCP. Operativ kommt eine Pankreasteilresektion oder Anlage einer Ableitung in Betracht. Gallenwegsstenose/Magenausgangsstenose: Eine Gallenwegsstenose wird endoskopisch oder operativ durch Anlage einer Choledochojejunostomie therapiert. Bei gleichzeitiger Magenausgangsstenose wird zusätzlich eine Gastroenterostomie angelegt. Bei Patienten mit kombinierter Gallenwegsund Magenausgangsstenose ist die Indikation zur Pankreaskopfresektion zu prüfen.
Vorgehen bei Pankreaspseudozysten: Eine Drainage von Pankreaspseudozysten sollte frühestens 6 – 8 Wochen nach deren Entstehung erfolgen. Bis zu diesem Zeitpunkt besteht spontane Rückbildungstendenz. Außerdem ist die Zystenwand neu entstandener Pseudozysten meist noch nicht dick genug, um als Nahtlager zu dienen. Zysten mit einem Durchmesser 4 6 cm sollten operativ drainiert werden, da sie nur eine geringe Tendenz zur spontanen Rückbildung zeigen und möglichen Zystenkomplikationen (Arrosionsblutung, Abszedierung, Zystenruptur) vorgebeugt werden soll. Mögliche Drainageverfahren sind z. B. die endoskopische, transgastrale Eröffnung der Zyste und deren Ableitung in den Magen oder die operative Anlage einer Zystojejunostomie (Roux-Y-Technik, Abb. B-1.247). Die Wahl zwischen den vorgenannten Verfahren hängt neben Erfahrungen und endoskopisch-technischen Möglichkeiten auch von Lage und Größe der Zyste(n) ab, da insbesondere bei großen Zysten die Ableitung des Sekrets am tiefsten Punkt erfolgen sollte, um eine gute Entleerung zu gewährleisten. Vorgehen bei pankreatogenem Aszites: Zwingend ist die absolute Nahrungskarenz (parenterale Ernährung). Tritt keine Reduktion des Aszites ein, wird eine ERCP durchgeführt, um die Leckage aus dem Gangsystem zu lokalisieren. Chirurgisch können die Entfernung des betroffenen Pankreasabschnittes (z. B. Pankreasschwanzresektion) und/oder die Ableitung in eine Roux-Y-Schlinge in Betracht kommen. Gallenwegsstenose/Magenausgangsstenose: Eine isolierte Gallenwegsstenose wird meist primär endoskopisch therapiert (S. 262), bei Versagen kann die Anlage einer Choledochojejunostomie in Erwägung gezogen (S. 462) werden. Bei gleichzeitigem Vorliegen einer Magenausgangsstenose erfolgt die operative Intervention mit Anlage sowohl einer Gastroenterostomie (Wiederherstellung der Magenentleerung) als auch Choledochojejunostomie. In den meisten Fällen mit kombinierter Gallenwegs- und Magenausgangsstenose ist die Indikationsstellung zur Pankreaskopfresektion zu überprüfen, da hierdurch nicht nur die Stenosen, sondern auch der auslösende entzündliche Prozess
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B 1.12 Pankreas
B-1.247
Pankreaspseudozystendrainage
543 B-1.247
entfernt würde. Weiterhin kann oft das zur Differenzialdiagnose anstehende Pankreaskopfkarzinom ohne Resektion nicht ausgeschlossen werden. Vorgehen bei Milzvenenthrombose: Eine isolierte Milzvenenthrombose kann bei Hypersplenismus und/oder rezidivierenden Fundusvarizenblutungen eine Indikation zur Splenektomie darstellen (Ausschluss anderer Ursachen der portalen Hypertension!). 왘 Klinischer Fall. Eine 45-jährige Patientin mit chronischem Alkoholabusus berichtet über immer wiederkehrende in der Intensität und Dauer unterschiedliche Oberbauchbeschwerden, die z. T. in den Rücken ausstrahlen. Während der Schmerzzustände besteht Appetitlosigkeit. Die Patientin gibt eine regelmäßige Schmerzmitteleinnahme an. Die Untersuchung zeigt eine vorgealterte Patientin in deutlich reduziertem Allgemeinzustand mit leichtem Sklerenikterus. In der Oberbauchsonographie findet sich eine deutliche Vergrößerung des Pankreaskopfes. Die Cholestaseparameter sind ebenso wie die Amylasewerte leicht erhöht. Die ERCP zeigt eine subtotale Stenose des terminalen Ductus choledochus sowie eine Rarefizierung der Gänge im Pankreaskopfbereich. Endoskopisch wird in gleicher Sitzung ein Pigtailkatheter in den Ductus choledochus eingebracht. Unter Alkoholkarenz kommt es zu einer Rückbildung des akuten Schubes der chronischen Pankreatitis. 2 Monate später wird der Pigtailkatheter entfernt. Die Patientin ist unter der Zusammenarbeit mit den Anonymen Alkoholikern abstinent. 1 Jahr später stellt sie sich erneut mit den Zeichen einer Magenausgangsstenose vor. Nach Abschluss der Diagnostik wird eine partielle Duodenopankreatektomie durchgeführt. Die Patientin ist danach beschwerdefrei.
Vorgehen bei Milzvenenthrombose: Hypersplenismus oder rezidivierende Fundusvarizenblutungen stellen eine Indikation zur Splenektomie dar. 왗 Klinischer Fall
1.12.6 Pankreasverletzungen
1.12.6 Pankreasverletzungen
Von Verletzungen der Bauchspeicheldrüse ist zunächst bei allen schweren stumpfen oder scharfen Oberbauchtraumen auszugehen, obwohl sie nur bei ca. 1 – 3 % gefunden werden. Die Mortalität ist aufgrund der häufig erheblichen Begleitverletzungen und oft verzögerten Diagnosestellung hoch (ca. 90 %). Im Kindesalter dagegen stellt das abdominelle Trauma die häufigste Ursache der akuten Pankreatitis dar; das Pankreas ist im Kindesalter sehr vulnerabel. Nach Ausmaß der Verletzung werden 4 Schweregrade unterschieden: 1. Oberflächliche Kontusion mit geringer Parenchymverletzung ohne Eröffnung des Gangsystems. 2. Tiefer Pankreaseinriss mit Verletzung des Ductus pancreaticus im Körper-/ Schwanzbereich.
Pankreasverletzungen entstehen meist nach schweren Oberbauchtraumen als Kombinationsverletzungen mit hoher Mortalität. Im Kindesalter ist ein abdominelles Trauma die häufigste Ursache der akuten Pankreatitis. Die Verletzung des Pankreas wird je nach Ausmaß in 4 Schweregrade eingeteilt.
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B 1 Viszeralchirurgie
544
3. Tiefer Parenchymeinriss mit Verletzung des Ductus pancreaticus im Kopfbereich. 4. Verletzung wie 3. mit zusätzlicher Ruptur des Duodenums und/oder des Ductus choledochus. Die Diagnose einer Bauchspeicheldrüsenverletzung erfolgt enzymatisch, durch Ultraschall, CT oder ERCP im Rahmen der abdominellen Diagnostik des Verletzten oder erst während der explorativen Laparotomie. Das operative Vorgehen wird vom Ausmaß der Pankreasverletzung sowie den Begleitverletzungen bestimmt.
Die Diagnose einer Bauchspeicheldrüsenverletzung wird durch Ultraschall oder Computertomographie gestellt, die im Rahmen der abdominellen Diagnostik des Verletzten erfolgen. Die Bestimmung der Pankrasenzyme sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Mittels ERCP können gegebenenfalls Gangverletzungen nachgewiesen werden. Überwiegend wird die Beteiligung des Pankreas jedoch erst während der explorativen Laparotomie festgestellt. Aus Lokalisation und Schweregrad sowie dem Ausmaß der Begleitverletzungen bestimmt sich das operative Vorgehen, welches sich von alleiniger Drainage eines Kontusionsbereichs bis hin zu ausgedehnten Resektionen mit Rekonstruktionen (z. B. der Pfortader im Kopf-Korpus-Übergang) erstrecken kann. Ziel der Operation muss sein, eine nekrotisierende Pankreatitis bzw. die Ausbildung von Fisteln, Pseudozysten oder Abszessen zu verhindern.
1.12.7 Pankreastumoren
1.12.7 Pankreastumoren
Benigne wie maligne Tumoren können vom exokrinen wie endokrinen Pankreas ausgehen. Benigne Pankreastumoren
Benigne wie maligne Tumoren der Bauchspeicheldrüse können sowohl vom exokrinen wie endokrinen Anteil des Organs ausgehen.
Die häufigsten benignen Tumoren sind Zystadenome und Adenome.
Die häufigsten benignen Tumoren des exokrinen Pankreas sind das Pankreaszystadenom und das Pankreasadenom, wobei beide sehr selten sind.
왘 Merke
Benigne Pankreastumoren
왘 Merke. Bei der Mehrzahl der Pankreasadenome sollte die Diagnose „benig-
ner Tumor“ nur sehr zurückhaltend gestellt werden, da ein Low-grade-Karzinom nicht mit Sicherheit auszuschließen ist, und sich die Dignität (benigne) erst aus dem klinischen Verlauf ergibt. Klinik: Zystadenome manifestieren sich häufig erst aufgrund ihrer Größe.
Klinik: Zystadenome, in denen häufig Zystadenokarzinome nachgewiesen werden, manifestieren sich hauptsächlich durch Schmerzen, Gewichtsverlust, Übelkeit und Erbrechen sowie einen bereits palpablen Oberbauchtumor.
Diagnostik: Die wichtigsten Untersuchungen sind: Sonographie, CT (Abb. B-1.248 bis B-1.250), ERCP, MRT und Angiographie.
Diagnostik: Diagnostisch werden die Tumoren durch Sonographie, Computertomographie (Abb. B-1.248, B-1.249, B-1.250), ERCP, MRT und ggf. Angiographie erfasst.
B-1.248
Zystadenom des Pankreasschwanzes
a CT bei großem Pankreasschwanztumor (?).
b Resektat en bloc mit Milz und Sicherheitsabstand am gesunden Pankreas, histologisch: Zystadenom.
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B 1.12 Pankreas
B-1.249
Großes Zystadenom von Pankreaskorpus- und -schwanz
a Großes muzinöses Zystadenom, welches primär als „Pankreaspseudozyste“ mittels Anlage einer Ableitung in eine Dünndarmschlinge (Y-RouxSchlinge) therapiert wurde.
B-1.250
545
b En-bloc-Resektat des Pankreaskorpus-/-schwanztumors inkl. Milz und Omentum majus sowie der drainierenden Y-Roux-Schlinge.
Großer zystischer Pankreaskorpus-/-schwanztumor
a CT: Großer zystischer Pankreaskorpus-/ -schwanztumor.
b Intraoperativer Befund vor En-bloc-Resektion von Pankreaskorpus und -schwanz inkl. Milz. Histologisch ergab sich ein Spindelzellsarkom.
Therapie: Sie besteht in der radikalen Resektion des tumortragenden Pankreasabschnitts (partielle Duodenopankreatektomie, Pankreaskorpus-, -schwanzresektion, subtotale Pankreatektomie). Eine kurative Resektion ist bei allen zystischen Tumoren des Pankreas anzustreben (Abb. B-1.248, B-1.249, B-1.250). Die Überlebensrate nach radikaler Resektion auch großer Zystadenokarzinome ist deutlich höher als bei Pankreaskarzinomen. Beim histologisch gesicherten benignen Tumor ist die Prognose auf jeden Fall gut.
Therapie: Sie besteht in der radikalen Resektion des Tumors (Abb. B-1.248 bis B-1.250).
Maligne Pankreastumoren
Maligne Pankreastumoren
왘 Definition. Das Pankreaskarzinom ist nach dem Dickdarm- und Magenkarzi-
왗 Definition
nom der dritthäufigste gastrointestinale Tumor. Die Mortalität liegt in den alten Bundesländern bei 10/100 000 Einwohnern. Männer sind häufiger als Frauen betroffen (1,5:1). In den meisten Fällen (4 75 %) handelt es sich um vom Gangepithel ausgehende verschiedenartig differenzierte Adenokarzinome. Ätiologie: Die Ätiologie des Pankreaskarzinoms ist unbekannt. Als Risikofaktoren gelten erhöhter Alkoholkonsum, Rauchen sowie berufliche Exposition mit z. B. β-Naphthylin.
Ätiologie: Sie ist unbekannt.
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546
B 1 Viszeralchirurgie
65 % der Tumoren sind im Pankreaskopf, 35 % im Korpus- und Schwanzbereich lokalisiert.
In 65 % der Fälle ist der Tumor im Bereich des Pankreaskopfes, in 30 % im Pankreaskorpus-/-schwanzbereich und in 5 % isoliert im Schwanzbereich lokalisiert. Aufgrund der meist spät auftretenden Symptomatik ist bei 85 % der Patienten bei Diagnosestellung bereits ein organüberschreitendes Wachstum nachweisbar. Dementsprechend sind nur 5 – 10 % aller Pankreaskarzinome und lediglich bis zu 25 % der Pankreaskopfkarzinome resektabel.
Aufgrund der sehr spät auftretenden Symptomatik sind die meisten Tumoren zum Zeitpunkt der Diagnostik nicht mehr resektabel.
Klinik: Pankreaskopftumoren verursachen: Gewichtsverlust, epigastrische Schmerzen, Ikterus (evtl. positives Courvoisier-Zeichen). Tumoren im Korpus-/Schwanzbereich manifestieren sich häufig erst bei organüberschreitendem Wachstum mit Rückenschmerzen. Tumorbedingte rezidivierende Thrombosen sind möglich. Diagnostik: Laborchemisch finden sich nur beim Ikterus typische Veränderungen. Als spezifischer Tumormarker gilt CA 19 – 9. Der Nachweis des Tumors und die Bestimmung seiner Ausdehnung erfolgt mittels: ■ Sonographie ■ CT (Abb. B-1.253) ■ ERCP (Abb. B-1.251) ■ ggf. Endosonographie ■ ggf. MRT ■ ggf. Angiographie ■ ggf. Feinnadelpunktion.
Therapie: Nur ca. 10 – 20 % aller diagnostizierten Pankreaskarzinome sind resektabel.
Tumoren im Kopfbereich werden durch eine partielle Duodenopankreatektomie, Tumoren des Korpus-/Schwanzbereichs durch eine Linksresektion entfernt. Eine ausgedehnte intra- und retroperitoneale Lymphadenektomie (Abb. B-1.252) scheint die Langzeitergebnisse zu verbessern.
Klinik: Die häufigsten Symptome sind bei Tumoren im Kopfbereich: Gewichtsverlust, Übelkeit, abdominelle, meist epigastrische Schmerzen sowie das Auftreten eines Ikterus. Ein positives Courvoisier-Zeichen (palpable Gallenblase bei schmerzlosem Ikterus) kann in bis zu 50 % der Fälle auftreten. Bei Tumoren im Korpus-/Schwanzbereich sind starke Rückenschmerzen in Verbindung mit Gewichtsverlust häufig ein spätes Leitsymptom. Zusätzlich können uncharakteristische Beschwerden wie Obstipation und Diarrhö sowie Thrombophlebitiden bestehen. Weiterhin kann es zu tumorbedingten rezidivierenden Thrombosen kommen. Diagnostik: Laborchemisch sind in der Regel keine typischen Veränderungen erfassbar. Gelegentlich findet sich eine Erhöhung der Pankreasenzyme sowie ein Anstieg der Cholestaseparameter auch beim nichtikterischen Patienten. Als spezifischer Tumormarker gilt das CA 19 – 9, welcher bei fortgeschrittenen Stadien der Tumorerkrankung in 80 % der Fälle erhöht ist. Bei unklaren Oberbauchschmerzen ist die Sonographie das primäre Screeningverfahren. Mittels Computertomographie (CT) ist eine bessere Beurteilung insbesondere der Schwanzregion möglich sowie ein organüberschreitendes Wachstum und Lymphknotenvergrößerungen erkennbar (Abb. B-1.253). Beide Untersuchungen sollen ferner Aufschluss über eine mögliche Metastasierung geben. Die ERCP ist die wichtigste Untersuchung in der Diagnostik der Pankreaskarzinome (Abb. B-1.251). Typische Befunde maligner Tumoren sind Unregelmäßigkeiten, Stenosen und Abbrüche des Pankreasgangsystems. Die endosonographische Untersuchung ermöglicht die direkteste Beurteilung des Pankreas. Ein organüberschreitendes Wachstum, Lymphknotenvergrößerungen sowie eine Infiltration der Pfortader sowie der V. splenica können von einem erfahrenen Untersucher erfasst werden. In Fällen mit resektabel erscheinenden Tumoren kann die präoperative Diagnostik zur Beurteilung der arteriellen und portalvenösen Gefäßverhältnisse durch eine Angiographie mit indirekter Splenoportographie komplettiert werden, da der Nachweis einer Gefäßinfiltration Irresektabilität bedeuten kann. Die Magnetresonanztomographie (MRT) kombiniert mit einer Cholangio-MRT bietet als neuestes Verfahren die Möglichkeit der kombinierten Darstellung des Gefäßstatus, der Gallengänge und der parenchymatösen Organstrukturen in einer einzigen Untersuchung. Da alle genannten Untersuchungen keine sichere Aussage zur Dignität des Pankreasprozesses erlauben, wird von einigen Untersuchern eine Feinnadelpunktion gefordert, wobei die Frage des Risikos der möglichen Tumorzellverschleppung noch kontrovers diskutiert wird, zumal ein negativer Punktionsbefund das Karzinom nicht ausschließt. Therapie: Häufig ist die exakte Beurteilung der Tumorausdehnung und Frage der Resektabilität erst durch eine Laparotomie zu klären. Eine kurative Therapie des Pankreaskarzinoms kann nur chirurgisch erfolgen, wobei die Resektabilitätsrate bei 10 – 20 % liegt. Tumoren im Kopfbereich werden durch eine partielle Duodenopankreatektomie oder pyloruserhaltende partielle Duodenopankreatektomie entfernt. Bei Tumoren im Korpus-/Schwanzbereich ist die Pankreaslinksresektion mit Splenektomie das Standardverfahren. Etwas verbesserte Langzeitergebnisse konnten in den letzten Jahren durch die Erweiterung der Operation um eine ausgedehnte intra- und retroperitoneale Lymphadenektomie (Abb. B-1.252) erzielt werden.
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B 1.12 Pankreas
B-1.251
547
ERCP bei Pankreaskarzinomen
a
b
a Pankreaskopfkarzinom mit typischer Stenose des Ductus choledochus und des Ductus pancreaticus (?) ca. 3 cm vor der Papillenregion (? ?). b Papillenkarzinom mit einer Stenose im Bereich der Papille (?) und Dilatation beider Gänge. c Gangabbruch (?) im Pankreaskorpus bei Korpuskarzinom.
c
B-1.252
Duodenopankreatektomie
B-1.252
Duodenopankreatektomie und radikale Lymphadenektomie mit Freilegung aller größeren Oberbauchgefäße. VMS = V. mesenterica superior AMS = A. mesenterica superior TC = Truncus coeliacus A = Aorta VC = V. cava VP = V. porta P = Pankreasrest AH = A. hepatica
Bei nicht resektablen Tumoren, vorhandener oder drohender Magenausgangsstenose und gleichzeitig bestehendem Verschlussikterus ist die Anlage einer Gastroenterostomie und biliodigestiven Anastomose (Hepatiko-, Choledochooder Cholezystojejunostomie) indiziert. Alternativ ist bei freier duodenaler Passage die endoskopische Entlastung des Ductus choledochus mittels Pigtailkatheter in Erwägung zu ziehen. Zur Palliation gehört in vielen Fällen eine suffiziente Schmerztherapie, die bei Versagen hochdosierter Analgetikagaben auch eine CT-gesteuerte Truncus-coeliacus-Blockade bzw. die Implantation eines Periduralkatheters oder eine lokale Bestrahlungstherapie beinhalten kann.
Als palliatives Verfahren kann die Anlage einer Gastroenterostomie und biliodigestiven Anastomose oder die alleinige Pigtaildrainage indiziert sein.
Zur Palliation gehört in allen Fällen eine suffiziente Schmerztherapie.
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B 1 Viszeralchirurgie
548 B-1.253
Pankreaskarzinom
a
b (I)
b (II)
왘 Klinischer Fall
c (I)
c (II)
d
a Große Retentionszyste durch Pankreasgangverschluss bei Pankreaskarzinom (Z) b CT-Befund bei Pankreaskopfkarzinom mit Infiltration der V. mesenterica superior/V. lienalis (? = Tumorlokalisationen) (M = Lebermetastase) c PET-CT bei Pankreaskopfkarzinom d CT: Ausgedehnte tumoröse Infiltration des Retroperitoneums durch ein Pankreaskopfkarzinom (?).
왘 Klinischer Fall. Ein 53-jähriger Maurer leidet seit 4 Wochen unter zunehmenden Rückenschmerzen. Die Röntgenaufnahme der BWS/LWS zeigt erhebliche degenerative Veränderungen. Unter physikalischer Therapie kommt es zu keiner Besserung der Symptome, vielmehr fällt ein zunehmender Gewichtsverlust auf. Eine abdominelle Sonographie zeigt eine deutlich unscharf begrenzte Vergrößerung des Pankreaskorpus-/-schwanzbereichs. Die CT-Untersuchung weist eine Raumforderung in diesem Bereich nach. In der ERCP ist ein Gangabbruch im Pankreaskorpusbereich zu sehen. Bei der Operation findet sich ein infiltrierend in das Retroperitoneum wachsender Tumor mit Infiltration des Truncus coeliacus und der Mesenterialwurzel sowie bis zu 3 mm durchmessende Metastasen in der Leber, sodass der Eingriff bei Irresektabilität als explorative Laparotomie beendet werden muss.
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B 1.13 Milz
1.13 Milz
549 1.13
Milz
Jürgen Tepel, Michael Dürig
1.13.1 Anatomie
1.13.1 Anatomie
Chirurgische Anatomie
Chirurgische Anatomie
Die Milz liegt im linken oberen Quadranten in Höhe der 9.– 11. Rippe. Ihr Gewicht beträgt beim gesunden Erwachsenen in Abhängigkeit vom Füllungsvolumen durchschnittlich 150 – 200 g. Ihre Fixation gegen die Umgebung erfolgt durch die Ligg. lienorenale, phrenicosplenicum und gastrosplenicum. Enge topographische Beziehungen bestehen zum Zwerchfell, Magen, Pankreasschwanz, zur linken Niere und linken Kolonflexur. Die arterielle Gefäßversorgung erfolgt aus dem Truncus coeliacus über die A. splenica (früher: A. lienalis), die sich im Milzhilum in segmentale Endarterien aufgliedert. Zwischen den Segmenten sind keine echten Anastomosen ausgebildet. Eine zusätzliche arterielle Verbindung besteht über A. gastroepiploica sinistra und die Aa. gastricae breves zur A. gastroepiploica dextra, die als Ast der A. gastroduodenalis ebenfalls dem Truncus coeliacus entspringt. Die venöse Drainage erfolgt über die V. splenica, die mit der V. mesenterica superior in die V. portae mündet (Abb. B-1.254). Die V. splenica trägt 30 % zum portalen Blutfluss bei.
Die Milz ist in Höhe der 9.– 11. Rippe im linken oberen Quadranten lokalisiert.
왘 Merke. Die segmentale, arterielle und venöse Gefäßarchitektur bildet die
Enge topographische Beziehungen bestehen zum Zwerchfell, Magen, Pankreasschwanz, zur linken Niere und linken Kolonflexur. Die arterielle Gefäßversorgung erfolgt aus dem Truncus coeliacus über die A. splenica. Sie zweigt sich im Milzhilus in segmentale Endarterien auf. Die V. splenica drainiert 30 % des Blutes des portalen Systems (Abb. B-1.254).
왗 Merke
Grundlage für die chirurgische Segmentresektion. Lageanomalien
Lageanomalien
Nebenmilzen finden sich bei 14 – 30 % aller Individuen, von denen 75 % in der Nähe des Milzhilums lokalisiert sind (Abb. B-1.255). In seltenen Fällen ist ektopes Milzgewebe mit kardialen Fehlbildungen oder Situsfehlbildungen unterschiedlichen Schweregrades verbunden.
Nebenmilzen finden sich bei 14 – 30 % aller Individuen (Abb. B-1.255).
왘 Merke. Nebenmilzen sind bei der chirurgischen Therapie hämatologischer
왗 Merke
Erkrankungen von Bedeutung, da der Operationserfolg von der Entfernung des gesamten Milzgewebes abhängig ist.
B-1.254
Topographische Lage der Milz
B-1.254
Topographische Lage der Milz nach Eröffnung des Lig. gastrosplenicum.
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550 B-1.255
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.255
Lagevarianten von Nebenmilzen
Funktionelle Anatomie
Funktionelle Anatomie
25 % des lymphatischen Gewebes werden der Milz zugeordnet. Die Durchblutung beträgt 4 % des HMV.
Mit 25 % des gesamten lymphatischen Gewebes nimmt die Milz eine entscheidende Stellung im humanen Abwehrsystem ein. Die Durchblutung beträgt 4 % des gesamten Herzminutenvolumens (HMV). Funktionell wird die Milz in 2 Kompartments, die rote und die weiße Pulpa, unterteilt. Die rote Pulpa nimmt mit 75 % den größten Volumenanteil der Milz ein. An der Grenze zwischen der roten und weißen Pulpa liegt die Marginalzone, die aus einem weitmaschigen Netz von Sinusoiden gebildet wird. Der Grundaufbau wird verständlich, wenn man die einzelnen Gefäßabschnitte in Flussrichtung des Blutes verfolgt (Abb. B-1.256). In den Trabekeln verlaufen die großen Arterien gemeinsam mit den Venen. Von diesen zweigen rechtwinklig die Zentralarterien (ZA) ab, die von Lymphozyten umgeben sind. Die Zentralarterien entlassen arterielle Kapillaren (AK), die in das Sinussystem (S) der Marginalzone (MZ) münden. Hier kommt es zu einer Zunahme des Gesamtdurchmessers aller Sinus, was zu einer Verlangsamung des Blutflusses führt. Durch diese Verminderung der Strömungsgeschwindigkeit wird die Filtration von Partikeln und Antigenen sowie die Auswanderung von Lymphozyten aus dem Gefäßbett erleichtert. Die Sinus stehen ihrerseits wieder mit den Pulpavenen (V) in Verbindung. Die weiße Pulpa setzt sich aus den Lymphfollikeln und den periarteriolären lymphatischen Begleitscheiden zusammen, die durch die Marginalzone zur roten Pulpa begrenzt wird. Beide Kompartments beinhalten funktionell unterschiedliche Makrophagen und Lymphozyten. Die Lymphozyten verlassen nach ca. 30 Minuten die Blutbahn in der Milz, von wo aus sie nach einer gewissen Verweildauer wieder in die Peripherie entlassen werden. Dieses Phänomen erklärt den Lymphozytenanstieg im peripheren Blut nach einer vollständigen Entfernung der Milz.
Die Milz wird funktionell in 2 Kompartments, die rote und die weiße Pulpa, unterteilt. An der Grenze zwischen der roten und weißen Pulpa liegt die Marginalzone, die aus einem weitmaschigen Netz von Sinusoiden gebildet wird. In den Milzsinus erfolgt die Filtration von pathologischen Zellen, Zellbestandteilen und Antigenen. Der Grundaufbau ist in (Abb. B-1.256) dargestellt.
Nach einer Milzentfernung ist die Rezirkulation der Lymphozyten gestört. Als Folge tritt ein Anstieg der Lymphozytenzahl im peripheren Blut auf.
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B 1.13 Milz
B-1.256
Funktionelle Anatomie der Milz
551 B-1.256
1.13.2 Physiologie
1.13.2 Physiologie
Neben der Speicherfunktion für Thrombozyten (40 %) und Lymphozyten hat die Milz die Aufgabe, überalterte Erythrozyten und pathologische Zellformen des roten Blutbildes zu filtrieren. Ferner eliminiert sie Zelleinschlüsse aus den Erythrozyten wie die Howell-Jolly-Körper (Kernreste), Heinz-Körper (denaturiertes Hämoglobin) oder Pappenheimer-Körper (Eisengranula) („pitting function“). Die Milz ist außerdem in der Lage, intrazelluläre Parasiten wie den Malariaerreger mit dem Erythrozyten zu entfernen und diese der Phagozytose zuzuführen (Abb. B-1.257). Neben der Produktion von Immunglobulin M, dem natürlichen Antikörper der ersten Abwehrphase, besteht die immunologische Aufgabe primär darin, Antigene zu filtrieren und sie in geeigneter Form zu verarbeiten. Hierbei ist eine spezifische Antikörpermarkierung (Opsonisierung) nicht erforderlich. Die Phagozytose ist jedoch von einem engen Kontakt zwischen Antigen und Phagozyten abhängig. Unter den Mechanismen, die einen derartigen Kontakt vermitteln, ist die Bindung durch spezifische Antikörper besonders wirksam. Diesem Mechanismus können sich kapseltragende Bakterien wie Pneumokokken auch in Anwesenheit von Antikörper vorübergehend entziehen. Durch die Sekretion des Kapselpolysaccharids wird der Kontakt zum Phagozyten verhindert und gleichzeitig Antikörper gebunden. Aufgrund der spezifischen Struktur der Milz ist diese als einziges Organ in der Lage, durch unterschiedliche Flussgeschwindigkeiten nichtopsonisierte pathogene Organismen in einen zeitlich ausreichenden Kontakt mit den Makrophagen der Milz zu bringen. Hierbei fällt den venösen Sinusoiden eine besondere Rolle
Neben der Speicherfunktion für Thrombo(40 %) und Lymphozyten hat die Milz die Aufgabe, überalterte Erythrozyten und pathologische Zellformen des roten Blutbildes zu filtrieren. Ferner eliminiert sie Zelleinschlüsse und ist in der Lage, intrazelluläre Parasiten der Phagozytose zuzuführen (Abb. B-1.257). Die Milz ist in der Lage, pathogene Organismen ohne vorherige Opsonisierung (Markierung mit spezifischen Antikörpern) der Phagozytose zuzuleiten.
Durch Autoregulation können die Füllungsund Entleerungsphasen der Sinus verändert werden. Dadurch gelingt es, nichtopsonierte, pathogene Organismen in zeitlich ausreichenden Kontakt mit den Makrophagen der Milz zu bringen.
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552 B-1.257
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.257
Sequestration eines Erythrozyten in einen Milzsinus Einblick in einen Milzsinus mit dem Rasterelektronenmikroskop. Erythrozyten werden bei der Passage durch die Endothelfenster „ausgemolken“. Pathologische Zellen und Zellbestandteile werden phagozytiert (Abb. B-1.256).
zu. Durch Autoregulation können sie Füllungs- und Entleerungsphasen erzeugen, die sich zwischen extrem schneller Entleerung und stundenlanger Füllung erstrecken. Auf diese Weise ist z. B. die Anpassung an die Duplikationszeit der Pneumokokken von 20 – 30 Minuten möglich. Folgen des Milzverlustes
Folgen des Milzverlustes
Im peripheren Blut finden sich Abnormalitäten der Erythrozyten wie Howell-Jolly-Körper (Kernreste), Heinz-Innenkörper und Defekte der Erythrozytenmembran. Diese weisen auf eine Asplenie oder eine Fehlfunktion der Milz hin.
Der Verlust der lienalen Sequestrationsleistung und der Speicherfunktion für bestimmte Zellen reflektiert sich im peripheren Blut. Es finden sich morphologische und chemische Abnormalitäten in den Erythrozyten. Die Oberflächenmembranen sind sichtbar geschädigt. Das kann bis zu 50 % der Erythrozyten betreffen. Daneben finden sich pathologische Zellformen wie Akanthozyten, Mikrosphärozyten, Target-Zellen und Zellbestandteile in Form der Howell-JollyKörper oder Heinz-Innenkörper. Die Howell-Jolly-Körper gelten als einfacher Parameter für fehlendes oder funktionell eingeschränktes Milzgewebe. Gleichzeitig ist nach einem Milzverlust eine Thrombozytose zu beobachten. Dieser Thrombozytenanstieg ist jedoch passager und normalisiert sich innerhalb weniger Wochen. Es gibt Hinweise dafür, dass die Speicherfunktion der Milz für Thrombozyten (20 – 40 % der gesamten zirkulierenden Zellen) anderenorts übernommen wird. Ein Anstieg der Thrombozyten macht eine Thromboseprophylaxe erforderlich. Diese ist unter stationären Bedingungen mit täglichen Heparingaben gewährleistet. Im ambulanten Bereich kann bis zum Erreichen einer Thrombozytenzahl unter 500 000/mm3 eine perorale Thromboseprophylaxe durchgeführt werden. Im weißen Blutbild dominiert eine persistierende Leukozytose, die ihren Ursprung in einer Vermehrung der Lympho- und Monozyten findet. Die Lymphozytose wird durch einen Anstieg sowohl der B- als auch T-Zellen bestimmt. Beide Zelllinien sind an zahlreichen Abwehrreaktionen beteiligt. Der Milzverlust hat eine zeitweilige Verminderung des Serumimmunglobulins zur Folge. Eine Persistenz dieser Verminderung ist jedoch nur bei 25 % der splenektomierten Patienten zu beobachten, wenn keine maligne Systemerkrankung zugrunde liegt.
Der Milzverlust hat eine passagere Thrombozytose zur Folge. Thrombozytenzahlen über 500 000/mm3 bedürfen einer Thromboseprophylaxe mit Heparin oder Acetylsalicylsäure.
Durch Zellverschiebungen des weißen Blutbildes führt der Milzverlust zu einer persistierenden Leukozytose (Mono- und Lymphozytose). Diese Leukozytose erschwert differenzialdiagnostisch die Abgrenzung zu einer postoperativen Infektion. Weiterhin kommt es zu einer zeitweiligen Verminderung der Serumimmunglobuline.
왘 Merke
왘 Merke. Die Splenektomie führt zu einem lebenslang erhöhten Infektions-
risiko des Patienten. Diese ist im Kindes- und Jugendalter besonders ausgeprägt und nimmt mit zunehmendem Alter ab. Über das erhöhte Infektionsrisiko muss der Patient aufgeklärt werden. Nach einer Splenektomie liegt nur noch eine bedingte Tropentauglichkeit vor.
Die Infektionen können sowohl durch Bakterien, Viren als auch Protozoen (z. B. Plasmodium malariae) verursacht werden. Beim milzlosen Patienten besteht deshalb grundsätzlich nur eine bedingte Tropentauglichkeit.
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
B 1.13 Milz
553 Postsplenektomiesepsis/OPSI-Syndrom (overwhelming postsplenectomy infection)
Postsplenektomiesepsis/OPSI-Syndrom (overwhelming postsplenectomy infection) 왘 Definition. Fulminante Bakteriämie, meist ohne Nachweis eines septischen Fokus, mit rascher Bewusstlosigkeit, septischem Schock und intravasaler Gerinnung.
왗 Definition
Sie ist die am meisten gefürchtete Komplikation bei einem asplenen Patienten. Gleichzeitig kann es zu Nebennierenblutungen (Waterhouse-Friderichsen-Syndrom) kommen. Ursache ist ein massiver hämorrhagischer Infarkt der Nebenniere im Rahmen der Sepsis.
Das OPSI-Syndrom ist die schwerste Komplikation nach Splenektomie.
Epidemiologie: Obwohl das Auftreten einer Postsplenektomiesepsis bis zu 30 Jahre nach einer Splenektomie beschrieben wird, tritt sie in den ersten 3 Jahren nach der Operation am häufigsten auf und betrifft alle Altersstufen. Die Inzidenz nach einer posttraumatischen Milzentfernung liegt bei 1 %. Das Risiko, an einer Postsplenektomiesepsis zu erkranken, steigt jedoch bei Kindern und bei Patienten, die sich wegen einer kongenitalen Anämie, einer portalen Hypertension oder einer lymphoretikulären Systemerkrankung der Splenektomie unterziehen mussten bis auf 5 % an. Die Mortalitätsangaben schwanken zwischen 25 und 75 %.
Epidemiologie: Kann alle Altersstufen betreffen, tritt jedoch in den ersten 3 Jahren nach der Operation am häufigsten auf. Die Inzidenz nach einer posttraumatischen Splenektomie liegt bei 1 %. Sie steigt bei Kindern und bei Patienten, die wegen einer kongenitalen Anämie, portalen Hypertension oder lymphoretikulären Systemerkrankung splenektomiert wurden, auf 5 % an. Die Angaben zur Mortalität liegen zwischen 25 und 75 %. Erreger: Streptococcus pneumoniae, Neisseria meningitidis, Haemophilus influenzae, selten andere Keime.
Erreger: Kapseltragende Bakterien wie Streptococcus pneumoniae (50 %), Neisseria meningitidis (12 – 15 %), Haemophilus influenza (8 – 12 %), andere Streptokokken (ca. 7 %) und selten andere Keime wie Escherichia coli. Prophylaktische Maßnahmen: Zur Prophylaxe einer Pneumokokkeninfektion steht ein Impfstoff aus 23 Pneumokokkenpolysacchariden (Pneumovax®) zur Verfügung. Bei Kindern unter 2 Jahren wird zusätzlich die Haemophilus-InfluenzaB-(HIB-)Impfung angeraten. Nach dem 2. Lebensjahr kann darüber hinaus die Meningokokkenimpfung angeboten werden. Bei Kindern unter dem 10. Lebensjahr muss in Abhängigkeit von der Grunderkrankung eine Langzeitantibiotikaprophylaxe mit Penicillin V für mindestens 2 Jahre erörtert werden (Tab. B-1.62).
Prophylaktische Maßnahmen: Zur Prophylaxe der Pneumokokkeninfektion steht ein Impfstoff (Pneumovax®) zur Verfügung. Bei Kindern unter 2 Jahren wird zusätzlich die Haemophilus-Influenza-Impfung, bei Kindern über 2 Jahren die Meningokokkenimpfung empfohlen (Tab. B-1.62).
1.13.3 Apparative Diagnostik
1.13.3 Apparative Diagnostik
Bereits die Abdomenübersichtsaufnahme kann bei einer Milzvergrößerung Auskunft durch einen möglichen Zwerchfellhochstand und eine Verdrängung der Nachbarorgane wie Magen und linker Kolonflexur geben. Unter den zahlreichen bildgebenden Verfahren nimmt die Sonographie den wichtigsten Stellenwert in der Diagnostik von Milzerkrankungen ein. Sie gestattet jederzeit eine Beurteilung von Größe, Lage und Binnenstruktur. Die Möglichkeit, gleichzeitig freie Flüssigkeit im linken oberen Quadranten nachzuweisen, erhebt die Sonographie zur apparativen Diagnostik der ersten Wahl beim stumpfen Bauchtrauma.
In der Abdomenübersichtsaufnahme können ein Zwerchfellhochstand und die Verdrängung der Nachbarorgane auf eine Milzvergrößerung hinweisen. Die Sonographie ist das diagnostische Hilfsmittel der ersten Wahl beim stumpfen Bauchtrauma.
B-1.62
Impf- und Antibiotikaprophylaxe nach Splenektomie bei Kindern
Indikation zur Splenektomie ■
■
Impfstoff Pneumovax®
+ HIB-Impfstoff
posttraumatisch
5 2 Jahre:
hämatologische Erkrankung
4 2 Jahre: evtl. zusätzlich tetravalenter Meningokokken-Impfstoff Pneumovax-Auffrischimpfung nach 3 – 5 Jahren, titerabhängig Meningokokken-Auffrischimpfung nach 2 – 3 Jahren, falls Erstimpfung 5 4 Jahren
Zeitpunkt der Impfung
Antibiotikaprophylaxe
2 – 4 Wochen postoperativ
mindestens 2 Jahre Penicillin V oral (Depotpenicillin in Ausnahmefällen
2 – 4 Wochen präoperativ
benigne: ca. 5 Jahre Penicillin V maligne: ca. 5 – 10 Jahre Penicillin V
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554
B 1 Viszeralchirurgie
Mit der CT können im Rahmen lymphatischer Systemerkrankungen oder anderer maligner Prozesse ergänzende Informationen gewonnen werden. Die MRT hat in der Diagnostik der Milzerkrankungen bisher keine Bedeutung erlangt. Mit der Szintigraphie kann die Funktion der Milz dargestellt und Nebenmilzen lokalisiert werden. Die Identifikation ektopen Milzgewebes ist für den Operationserfolg der Splenektomie aus hämatologischer Indikation entscheidend, da Nebenmilzen die Funktion einer gesunden Milz übernehmen können. Nur deren gleichzeitige Entfernung kann die Grundkrankheit beeinflussen.
Während die Computertomographie (CT) eine ergänzende Information im Rahmen lymphatischer Systemerkrankungen oder anderer maligner Prozesse liefern kann, hat die Kernspintomographie (MRT) bislang noch keine Bedeutung in der Diagnostik von Milzerkrankungen gewonnen. Die Szintigraphie gibt einerseits Auskunft über die Funktion der Milz im Hinblick auf die Sequestrationsleistung und dient andererseits zur Lokalisation von Nebenmilzen. Die Identifikation von Nebenmilzen ist für den Operationserfolg der Splenektomie aus hämatologischer Indikation entscheidend, da Nebenmilzen die Funktion einer gesunden Milz übernehmen können und nur deren gleichzeitige Entfernung die Grunderkrankung beeinflusst. Die szintigraphische Darstellung von Milzgewebe erfolgt mit isotopenmarkierten, hitzealterierten Erythrozyten, Kolloiden oder Mikrosphären. Funktionell wird hierbei die Filtrations- und Sequestrationsleistung des intakten Milzgewebes ausgenutzt. Das Verfahren dient gleichzeitig zur Diagnostik bei zahlreichen hämatologischen Erkrankungen, um die Überlebenszeit und Abbaugeschwindigkeit von Erythrozyten und Thrombozyten zu erfassen.
1.13.4 Erkrankungen der Milz
1.13.4 Erkrankungen der Milz
Splenomegalie
Splenomegalie
Bei der Splenomegalie (Abb. B-1.258) handelt es sich um eine akute oder chronische Vergrößerung der Milz, die bei zahlreichen Krankheitsbildern anzutreffen ist (Tab. B-1.63).
Bei der Splenomegalie (Abb. B-1.258) handelt es sich um eine akute oder chronische Vergrößerung der Milz, die bei zahlreichen Krankheitsbildern anzutreffen ist (Tab. B-1.63). Das klinische Bild wird in der Regel von den Leitsymptomen der Grunderkrankung bestimmt.
Hypersplenismus (Hyperspleniesyndrom)
Hypersplenismus (Hyperspleniesyndrom)
왘 Definition
Es kann zur Anämie, Neutropenie und Thrombozytopenie kommen. Zahlreiche Ursachen kommen in Betracht (Tab. B-1.64). Durch eine Splenektomie kann eine Normalisierung oder Besserung des Zellbildes erreicht werden. Indikation zur Milzentfernung besteht bei hohem Transfusionsbedarf, wenn durch die Thrombozytopenie rezidivierende Blutungen auftreten oder die Leukopenie keine sichere Infektabwehr mehr gewährleistet sowie bei Milzvenenthrombose. B-1.258
왘 Definition. Das Hyperspleniesyndrom ist gekennzeichnet durch eine Splenomegalie, eine Reduktion einer oder mehrerer Zellreihen im peripheren Blut (Zytopenie) und eine normale oder verstärkte Zellreihe im Knochenmark, die als Kompensation des verstärkten Zellabbaus in der Milz zu betrachten ist.
Es kann zur Anämie, Neutropenie und Thrombozytopenie kommen, wobei diese Zellveränderungen allein oder in jeder Kombination auftreten können. Durch eine Splenektomie kann eine Normalisierung oder Besserung des Zellbildes erreicht werden. Der Hypersplenismus ist ein klinisches Syndrom, dem zahlreiche Ursachen zugrunde liegen können (Tab. B-1.64). Die Indikation zur Milzentfernung ist immer dann gegeben, wenn je nach vorherrschender Symptomatik ein hoher Transfusionsbedarf vorliegt, aufgrund der Thrombozytopenie rezidivierende Blutungen auftreten oder die Leukopenie keine sichere Infektabwehr mehr gewährleistet.
B-1.258
CT einer 3 kg schweren Milz bei einer chronisch lymphatischen Leukämie Zur Vermeidung eines hohen intraoperativen Blutverlustes wurde die Milz 48 Stunden vor dem Eingriff embolisiert.
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B 1.13 Milz
B-1.63
Ursachen der Splenomegalie
Systemerkrankungen ■ hämatologisch/onkologisch
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kardial
Herzinsuffizienz Pericarditis constrictiva Leberzirrhose
portale Hypertension
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Speicherkrankheiten
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Infektionen
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lokale Erkrankungen
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B-1.64 ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
B-1.63
chronische lymphatische Leukämie (CLL) akute lymphatische Leukämie (ALL) Non-Hodgkin-Lymphome Morbus Hodgkin Osteomyelosklerose idiopathische thrombozytopenische Purpura (Morbus Werlhof; S. 559) hämolytische Anämie, Sichelzellanämie, Thalassämie Polycythaemia vera Milzvenenthrombose
■
■
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■
555
Morbus Gaucher Niemann-Pick-Erkrankung infektiöse Mononukleose Malaria Kala-Azar (viszerale Leishmaniose) Milzabszess Milzzysten primäre Milztumoren
Ursachen des Hypersplenismus
B-1.64
Lymphome (Morbus Hodgkin, Non-Hodgkin-Lymphom) chronisch lymphatische Leukämie (CLL) Haarzell-Leukämie portale Hypertension (Banti-Syndrom) rheumatoide Arthritis (Felty-Syndrom) Infektionen (Malaria, Kala-Azar) infiltrative Erkrankungen (Sarkoidose) Lipid-Speicherkrankheiten (Niemann-Pick-Krankheit, Morbus Gaucher)
Die Behandlung des Hypersplenismus bei portaler Hypertension erfolgt durch eine Entlastung der Milzvene durch einen portosystemischen Shunt (S. 521). Bei einer Milzvenenthrombose muss die Milz entfernt werden.
Eigenständige Erkrankungen der Milz
Eigenständige Erkrankungen der Milz
Eigenständige Erkrankungen der Milz sind selten. In erster Linie handelt es sich um Milzzysten. Milzzysten Hierbei werden primäre oder echte Zysten von Pseudozysten unterschieden. ■ Echte Zysten sind mit Epithel (Dermoidzysten) oder Endothel (Lymphzysten) ausgekleidet. ■ Pseudozysten (sekundäre oder falsche Zysten) haben keine zelluläre Auskleidung der Zystenwand. Pseudozysten entstehen überwiegend posttraumatisch und selten nach einem Milzinfarkt im Rahmen chronisch myeloproliferativer Erkrankungen oder thromboembolischen Ereignissen wie bei der Sichelzellanämie oder der Thalassämie. Die häufigste Zystenbildung ist parasitär bedingt und wird vornehmlich durch Echinokokken verursacht (Abb. B-1.259).
Milzzysten ■
■
Echte Zysten sind mit Epithel (Dermoidzysten) oder Endothel (Lymphzysten) ausgekleidet. Sekundären oder falschen Zysten (Pseudozysten) fehlt eine zelluläre Auskleidung.
Parasitäre Zysten werden vornehmlich durch Echinokokken verursacht (Abb. B-1.259).
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556
B 1 Viszeralchirurgie
Therapie nur bei Beschwerden durch Verdrängung von Nachbarorganen.
Therapiert werden sowohl echte als auch Pseudozysten nur dann, wenn Beschwerden durch Verdrängung von Nachbarorganen auftreten. Parasitäre Zysten können enukleiert werden. Bei chirurgischen Maßnahmen muss eine Marsupialisation, Enukleation oder eine Segmentresektion des zystisch veränderten Milzparenchyms angestrebt werden.
Abszesse
Abszesse
Abszesse (Abb. B-1.260) entstehen im Rahmen einer Bakteriämie oder einer Sepsis. Therapeutisch kann primär radiologisch eine perkutane Drainage angelegt werden.
Abszesse der Milz entstehen im Rahmen einer Bakteriämie oder einer Sepsis. Die Häufigkeit beträgt 0,2 – 0,7 %. Sie sind differenzialdiagnostisch von Hämatomen und nekrotischen Metastasierungen abzugrenzen. Bei Milzabszessen kann primär radiologisch eine perkutane Drainage angelegt werden (Abb. B-1.260).
B-1.259
Lienale Echinokokkuszyste im CT und in situ a Computertomographie einer Echinokokkuszyste der Milz mit deutlichen Verkalkungen an den Zystenrändern. b Operationssitus des gleichen Patienten mit einer 21 cm im Durchmesser messenden Echinokokkuszyste vor Zystenenukleation.
a
b
B-1.260
a
c
Milzabszess
b
a, b Metastatischer Milzabszess bei Tuboovarialabszess mit deutlicher Luftansammlung als Hinweis auf eine anaerobe Kontamination (?). c Perkutane Drainage des Abszesses mit Kontrastmittelfüllung der ehemaligen Abszesshöhle. Durch die radiologisch invasive Evakuation des Abszesses mit Einlage einer Spüldrainage konnte die Splenektomie vermieden werden.
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B 1.13 Milz
557
Tumoren
Tumoren
Als sehr seltene maligne Tumoren der Milz werden das Lymphosarkom, das Fibrosarkom und das Angiosarkom beschrieben. Als gutartige Tumoren treten Hamartome und Hämangiome auf. Benigne Tumoren werden nur dann operiert, wenn Beschwerden durch Verdrängung von Nachbarorganen auftreten. Bei malignen Tumoren muss eine Splenektomie erfolgen.
Als maligne Tumoren kommen das Lymphosarkom, Fibrosarkom und Angiosarkom vor, als gutartige Tumoren Hamartome und Hämangiome. Benigne Tumoren werden bei Beschwerden durch Verdrängung von Nachbarorganen operiert. Bei malignen Tumoren muss eine Splenektomie erfolgen.
1.13.5 Verletzungen
1.13.5 Verletzungen
Milzruptur
Milzruptur
Verletzungsmechanismen: Verletzungen der Milz ereignen sich entweder durch direkte penetrierende oder stumpfe, geschlossene Gewalteinwirkung auf das Abdomen oder den linken, unteren Thorax. Beim stumpfen Bauchtrauma ist bei 25 – 60 % der Patienten mit einer Milzbeteiligung zu rechnen. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass auch indirekte Gewalteinwirkungen auf das Organ Rupturen zur Folge haben können. So kann bei einem Akzelerationstrauma (z. B. Abfangen des Oberkörpers durch Sicherheitsgurte) die Milz aus ihrem ligamentären Halteapparat herausgerissen und verletzt werden. Andererseits kann es durch einen intraabdominellen Druckanstieg zu Organberstungen senkrecht zur Milzachse kommen.
Verletzungsmechanismen: Beim stumpfen Bauchtrauma ist bei 25 – 60 % der Patienten mit einer Milzbeteiligung zu rechnen. Auch indirekte Gewalteinwirkungen (z. B. stumpfes Thoraxtrauma, Lenkrad) und ein intraabdomineller Druckanstieg können zu Milzverletzungen führen.
Formen: ■ Akute, einzeitige Milzverletzung: Bei Vorliegen eines kompletten ParenchymKapselrisses. ■ Zweizeitige Milzruptur: Sie setzt nach einem Milztrauma ein symptomfreies Intervall von mindestens 48 Stunden bis zur akuten Blutung voraus. Als Ursache gelten Parenchym- oder subkapsuläre Blutungen, denen die Milzkapsel primär standgehalten hat und erst durch ein Bagatellereignis mit intraabdominaler Druckerhöhung rupturiert. ■ Okkulte oder chronische Milzruptur: Sie kann als Sonderform der zweizeitigen Milzruptur betrachtet werden. Der chronische Verlauf wird durch Adhäsionen und Verwachsungen mit der Umgebung bestimmt. Eine Blutung kann Wochen oder Jahre nach dem initialen Trauma auftreten. Unter Vortäuschung vielfacher Krankheitsbilder wie Herzinfarkt, Lungenembolie mit Pleuraergüssen, akuter Pankreatitis oder maligner Tumoren im linken Oberbauch entzieht sie sich lange der klinischen Diagnostik. Alte Rippenfrakturen im Bereich des linken Thorax können diagnostisch richtungweisend sein. ■ Die Spontanruptur der Milz ereignet sich ausnahmslos an einem vorgeschädigten Organ. Sie ist als Komplikation der Malaria und häufiger der Mononukleose (Pfeiffer-Drüsenfieber) zu beobachten. Spontanrupturen sind jedoch auch bei malignen Systemerkrankungen mit vollständigem Milzbefall bekannt. In der Mehrzahl dieser Fälle ist die Indikation zur Splenektomie gegeben.
Formen: ■ Akute, einzeitige Milzverletzung. ■ Zweizeitige Milzruptur: Sie setzt nach einem Milztrauma ein symptomfreies Intervall von mindestens 48 Stunden bis zur akuten Blutung voraus. ■ Die okkulte oder chronische Milzruptur kann als Sonderform der zweizeitigen Milzruptur betrachtet werden. Der chronische Verlauf wird durch Adhäsionen und Verwachsungen mit der Umgebung bestimmt. Eine Blutung kann Wochen oder Jahre nach dem initialen Trauma auftreten. ■ Die Spontanruptur der Milz ereignet sich ausnahmslos an einem vorgeschädigten Organ. Sie tritt als Komplikation bei Malaria oder Mononukleose (Pfeiffer-Drüsenfieber) auf oder bei malignen Systemerkrankungen mit vollständigem Milzbefall. In diesen Fällen besteht meist die Indikation zur Splenektomie.
Schweregrade: Nach Art der Verletzung und dem daraus resultierenden Therapieverfahren werden die Milzverletzungen in 5 Schweregrade eingeteilt (Abb. B-1.261).
Schweregrade: Abb. B-1.261.
Klinik: Die Symptomatik des isolierten Milztraumas ist inkonstant und hängt wesentlich von der Menge des Blutverlustes ab. Sie schwankt zwischen leichten Schmerzen im linken oberen Quadranten bei kreislaufstabilen Patienten bis zum Oberbauchperitonismus mit Zeichen des hypovolämischen Schocks. Ausstrahlende Schmerzen in die linke Schulter entstehen durch eine Phrenikusreizung bei intraabdominellem Hämatom (Kehr-Zeichen) und weisen bereits auf eine intraabdominelle Blutung hin. Das Kehr-Zeichen kann durch Kopftieflagerung beim liegenden Patienten provoziert werden.
Klinik: Die Symptomatik schwankt zwischen leichten Schmerzen im linken oberen Quadranten bei kreislaufstabilen Patienten bis zum Oberbauchperitonismus mit Zeichen des hypovolämischen Schocks. Ausstrahlende Schmerzen in die linke Schulter (Kehr-Zeichen) weisen bereits auf eine intraabdominelle Blutung hin.
Diagnostik: Bei Verdacht auf eine intraabdominelle Blutung besteht die primäre Diagnostik in einer Ultraschalluntersuchung des Abdomens. Weitergehende apparative Untersuchungen sind beim isolierten Milztrauma wegen des Zell-
Diagnostik: Die primäre Diagnostik besteht in einer Ultraschalluntersuchung. Laborparameter sind für die Diagnose unzuverlässig.
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B 1 Viszeralchirurgie
558 B-1.261
Schweregrade der Milzverletzungen
B-1.262
B-1.262
Differenzialtherapie beim Milztrauma
verlustes durch notwendige Transporte von untergeordneter Bedeutung. Laborparameter sind für die Diagnose unzuverlässig. Therapie: Die Behandlung verlangt ein differenziertes Vorgehen (Abb. B-1.262). Primäres Ziel ist es, funktionstüchtiges Milzgewebe zu erhalten. Bei Milzrupturen mit fehlendem Nachweis einer aktiven Blutung kann konservativ vorgegangen werden. Die Überwachung muss unter regelmäßiger Kontrolle von Kreislauf, Laborparametern sowie klinischen und sonographischen Befunden auf der Intensivstation erfolgen. Bei Anzeichen der Kreislaufdekompensation erfolgt die Laparotomie zur Blutstillung. Die organerhaltenden Maßnahmen richten sich nach dem Schweregrad der Verletzung (s. Abb. B-1.261). Eine Milzerhaltung sollte nicht erzwungen werden.
Therapie: Die Behandlung richtet sich nach dem Ausmaß der Verletzung und der Höhe des Blutverlustes. Grundsätzlich sind organerhaltende Maßnahmen durch ein differenziertes Vorgehen unter Berücksichtigung von Alter und Zustand des Patienten anzustreben (Abb. B-1.262). Bei Milzrupturen mit fehlendem Nachweis einer aktiven Blutung kann, insbesondere bei bewusstseinsklaren Kindern und Jugendlichen, konservativ vorgegangen werden. Dies setzt allerdings stabile Kreislaufverhältnisse und eine konstante oder abklingende Symptomatik voraus. Die Überwachung muss unter regelmäßiger Kontrolle von Kreislauf, Laborparametern sowie klinischen und sonographischen Befunden auf der Intensivstation erfolgen. Der Substitutionsbedarf an Blut sollte 2 Erythrozytenkonzentrate nicht überschreiten. Bei Anzeichen der Kreislaufdekompensation muss die Laparotomie zur Blutstillung vorgenommen werden. Die organerhaltenden Maßnahmen richten sich nach dem Schweregrad der Verletzung (s. Abb. B-1.261), sodass durchschnittlich eine Erhaltungsquote von 70 % erreicht wird. Auf keinen Fall darf jedoch die Milzerhaltung erzwungen werden.
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B 1.13 Milz
559
Prognose: Die Prognose der isolierten Milzverletzung wird durch das Alter des Patienten und den erfolgten Blutverlust bestimmt. Die Angaben über die Mortalität schwanken zwischen 0 und 8 %. Bei einem mehrfach verletzten Patienten hängt die Prognose von den Begleitverletzungen ab.
Prognose: Sie wird bei der isolierten Milzverletzung vom Alter des Patienten und dem Blutverlust bestimmt.
1.13.6 Milzbeteiligung an hämatologischen Erkrankungen 왘 Merke. Bei zahlreichen hämatologischen Erkrankungen kann das Krank-
1.13.6 Milzbeteiligung an hämatologischen
Erkrankungen 왗 Merke
heitsbild durch eine Splenektomie beeinflusst werden, ohne dass die Milz in einem kausalen Zusammenhang zur Grunderkrankung steht.
Idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP; Morbus Werlhof) 왘 Definition. Die idiopathische thrombozytopenische Purpura ist eine Autoimmunerkrankung, bei der plättchenassoziierte IgG- und IgM-Antikörper sowie freie thrombozytäre Antikörper nachweisbar sind. Die mit Antikörpern beladenen Thrombozyten werden vornehmlich in der Milz abgebaut. Dadurch kommt es zu einer Thrombozytopenie. Der klinische Verlauf ist oft intermittierend und chronisch.
Idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP; Morbus Werlhof) 왗 Definition
Epidemiologie: Die ITP befällt vornehmlich Frauen zwischen dem 15. und 50. Lebensjahr. Therapie: Die Standardtherapie besteht in der Gabe von Prednison (1 – 2 mg/kg KG/d). Diese Therapie führt bei ca. 80 % der Patienten zur Remission. Bei Therapieresistenz oder bei Rezidiven ist die Splenektomie angezeigt, wobei es bei etwa 50 % der Patienten zu einer andauernden Normalisierung der Thrombozytenzahl auf subnormale Werte kommt. Bei diesen Patienten ist mit einem Rezidiv zu rechnen. In 10 – 20 % der Fälle bleibt die Splenektomie ohne Auswirkungen. Präoperativ kann die Thrombozytenzahl durch die Gabe von 7S-Immunglobulinen (0,4 g/kg KG/d über 5 Tage) angehoben werden. Hierdurch werden vermutlich die Fc-Rezeptoren der linealen Makrophagen blockiert und die Elimination der Thrombozyten verzögert.
Therapie: Die Standardtherapie besteht in der Gabe von Prednison. Diese Therapie führt bei ca. 80 % der Patienten zur Remission. Bei Therapieresistenz oder bei Rezidiven ist die Splenektomie angezeigt, wobei es bei etwa 50 % der Patienten zu einer andauernden Normalisierung der Thrombozytenzahl kommt.
Hämolytische Anämien
Hämolytische Anämien
Angeborene hämolytische Anämien
Angeborene hämolytische Anämien
Unter den angeborenen hämolytischen Anämien kommt der Kugelzellanämie (kongenitale Sphärozytose) die größte Bedeutung zu. Es handelt sich um eine autosomal dominant vererbbare Erkrankung, bei der die Erythrozyten eine Kugelzellform annehmen. Pathophysiologisch liegt der Erkrankung ein Membrandefekt der Erythrozyten zugrunde. Die verminderte Verformbarkeit führt zu einem gesteigerten Abbau in der Milz. Die Splenektomie beseitigt den Ort des Abbaus und führt zu einer klinischen Heilung, wobei der Membrandefekt der Erythrozyten weiter bestehen bleibt. Auch bei der Elliptozytose führt die Splenektomie oft zu einer Besserung der Anämie. Bei der Thalassaemia major ist die Splenektomie nur dann indiziert, wenn bei erhöhter lienaler Erythrozytendestruktion postoperativ eine Reduktion des Transfusionsbedarfs erwartet werden kann.
Die autosomal dominant vererbbare Kugelzellanämie (kongenitale Sphärozytose) hat die größte Bedeutung. Die Erythrozyten nehmen eine Kugelzellform an (Membrandefekt). Die verminderte Verformbarkeit führt zum gesteigerten Abbau in der Milz. Die Splenektomie beseitigt den Ort des Abbaus und führt somit zur klinischen Heilung, wobei der Membrandefekt bestehen bleibt. Die Splenektomie führt bei der Elliptozytose oft zur Besserung der Anämie, bei der Thalassaemia major ist sie nur selten indiziert.
Erworbene hämolytische Anämien
Erworbene hämolytische Anämien
Bei den erworbenen autoimmunhämolytischen Anämien liegen bei 80 % der Patienten Wärmeantikörper vor. Diese Erkrankungen treten entweder primär (idiopathisch) oder sekundär im Rahmen lymphoproliferativer Erkrankungen, insbesondere malignen Lymphomen, Infektionen und Autoimmunerkrankungen auf. Der gesteigerte Erythrozytenabbau findet in der Milz statt. Die Milzentfernung führt bei 60 % der Patienten zu einer Besserung des Krankheitsbildes. Allerdings ist die Rezidivrate hoch.
Bei 80 % der Patienten liegen Wärmeantikörper vor. Die Erkrankungen treten entweder primär (idiopathisch) oder sekundär bei lymphoproliferativen Erkrankungen auf. Der gesteigerte Erythrozytenabbau findet in der Milz statt. Die Splenektomie führt bei 60 % der Patienten zur Besserung der Krankheit mit hoher Rezidivrate.
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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B 1 Viszeralchirurgie
Maligne Lymphome, chronisch lymphatische Leukämie (CLL) und Haarzell-Leukämie
Maligne Lymphome, chronisch lymphatische Leukämie (CLL) und Haarzell-Leukämie
Bei vorliegendem Hypersplenismus mit peripherer Zytopenie besteht die Indikation zur Splenektomie. Ziel ist die Beseitigung der Symptome der Splenomegalie und die Korrektur der peripheren Zytopenie im Hinblick auf eine einzuleitende Chemotherapie, die bei 80 – 90 % aller Patienten gelingt.
Eine weitere Indikation zur Splenektomie bei vorliegendem Hypersplenismus mit peripherer Zytopenie sind die malignen Lymphome, die chronisch lymphatische Leukämie (CLL) und die Haarzell-Leukämie. Neben der Beseitigung der Symptome durch die Splenomegalie ist es Ziel der Operation, die periphere Zytopenie im Hinblick auf eine einzuleitende Chemotherapie zu korrigieren. Diese Korrektur gelingt bei 80 – 90 % aller Patienten. Liegt bei einer HaarzellLeukämie keine Splenomegalie vor oder besteht eine Kontraindikation zur Splenektomie, wird primär eine Behandlung mit α-Interferon durchgeführt.
Staging-Laparotomie
Staging-Laparotomie
Der Wandel der bildgebenden Diagnostik und der Behandlungskonzepte hat die Bedeutung der Staging-Laparotomie erheblich eingeschränkt. Bei malignen Lymphomen, wie dem Morbus Hodgkin, wird zunehmend, auch bei frühen Stadien, eine Chemomit einer Strahlentherapie kombiniert. Die Chemotherapie beseitigt in einem hohen Prozentsatz einen gleichzeitig vorhandenen Milzbefall. Die explorative Laparotomie mit Splenektomie im Rahmen einer Staging-Untersuchung ist nur noch beim Fehlen von Risikofaktoren indiziert. Risikofaktoren sind: Großer Mediastinaltumor, extranodaler Befall, massiver Milzbefall und Befall von mehr als 3 Lymphknotenarealen.
Bei den Non-Hodgkin-Lymphomen liegt meist bei Diagnosestellung ein fortgeschrittenes Stadium (III und IV) vor. Bei 50 % dieser Patienten besteht ein Milzbefall mit einer Splenomegalie. Chemotherapie und Bestrahlung können einen Milzbefall beseitigen. Die explorative Laparotomie hat deshalb keine Bedeutung mehr.
Bei malignen Lymphomen, wie dem Morbus Hodgkin, ist die Staging-Laparotomie mit Splenektomie, Leberbiopsie, parailikaler, paraaortaler und mesenterialer Lymphknotenbiopsie für das einzuschlagende Therapieverfahren richtungsweisend. Ganz allgemein werden die Stadien I und IIA mit einer lokalen Strahlentherapie der befallenen Lymphknoten behandelt. Demgegenüber erfolgt die Behandlung der Stadien III und IV mit einer systemischen Chemotherapie, evtl. kombiniert mit einer Radiotherapie: Der Wandel der bildgebenden Diagnostik und der Behandlungskonzepte hat die Bedeutung der Staging-Laparotomie erheblich eingeschränkt. Es wird zunehmend, auch bei frühen Stadien, eine Chemotherapie in Kombination mit einer Strahlentherapie durchgeführt. Die Chemotherapie beseitigt in einem hohen Prozentsatz einen gleichzeitig vorhandenen Milzbefall. Die explorative Laparotomie mit Splenektomie im Rahmen einer Staging-Untersuchung ist nur noch beim Fehlen von Risikofaktoren indiziert. Risikofaktoren sind ein großer Mediastinaltumor, ein extranodaler Befall, ein massiver Milzbefall und der Befall von mehr als 3 Lymphknotenarealen. Nur in den Stadien IA und IIA ohne Risikofaktoren hätte ein nicht erkannter Milzbefall negative Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf. Bei den Non-Hodgkin-Lymphomen liegt meist bei Diagosestellung ein fortgeschrittenes Stadium (III und IV) vor. Bei 50 % dieser Patienten besteht gleichzeitig ein Milzbefall mit einer Splenomegalie. Da das therapeutische Konzept mit einer Chemotherapie und einer Bestrahlung der befallenen Lymphknotenregionen ebenso erfolgreich ist wie beim Morbus Hodgkin und auch einen Milzbefall zu beseitigen vermag, hat die explorative Laparotomie bei diesem Krankheitsbild keinen Stellenwert.
1.13.7 Operationen an der Milz
1.13.7 Operationen an der Milz
Milzerhaltende Operationstechniken
Milzerhaltende Operationstechniken
Bei oberflächlichen Verletzungen (z. B. Grad I–II): ■ Infrarotkoagulation ■ Laserkoagulation Unterstützend wirken lokale Hämostyptika: Fibrinkleber, Kollagenvlies, oxidierte, regenerierte Zellulose. Bei Verletzungen III. Grades: ■ direkte Naht ■ resorbierbares Netz ■ Radiofrequenzkoagulation. Bei Verletzungen IV. Grades: ■ Segmentresektion gemäß den anatomischen Gefäßgrenzen ■ Klammernahtresektion ■ Radiofrequenzkoagulation (Abb. B-1.263).
Angesichts der drohenden Folgen des Milzverlustes ist die Blutstillung unter Erhalt funktionstüchtigen Milzgewebes anzustreben. Bei oberflächlichen Verletzungen (z. B. Grad I–II) kann durch Infrarot- oder Laserkoagulation eine Blutstillung erreicht werden. Diese Maßnahmen können durch lokale Hämostyptika wie Fibrinkleber, Kollagenvlies oder oxidierte, regenerierte Zellulose unterstützt werden. Bei Verletzungen III. Grades erfolgt die Versorgung mit direkten Parenchymnähten oder durch Kompression mit einem resorbierbaren Netz. Außerdem ist auch die Anwendung der Radiofrequenzkoagulation möglich. Bei Verletzungen IV. Grades kann in vielen Fällen ein Organerhalt durch Milzteilresektion erfolgen. Segmentresektionen sind dabei als anatomische Resektion anzusehen. Sie orientieren sich an der segmentartigen Gefäßversorgung der Milz (s.o.) und erfordern eine sorgfältige Darstellung und Versorgung der segmentalen Gefäßäste im Milzhilus. Teilresektionen können auch unter Verwendung von Klammernahtgeräten oder der Radiofrequenzkoagulation erfolgen (Abb. B-1.263).
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B 1.13 Milz
B-1.263
561
Radiofrequenzkoagulation
a Milzteilentfernung mit Radiofrequenzkoagulation der Resektionsebene.
b Operationspräparat.
Splenektomie
Splenektomie
Das operativ taktische Vorgehen der Splenektomie wird wesentlich durch die Indikation beeinflusst. Als Elektiveingriff wird sie bei hämatologisch-onkologischen Erkrankungen mit einer therapeutischen Zielsetzung durchgeführt. Dem Eingriff sollte eine Vakzination mit Pneumokokkenpolysaccharid 3 – 4 Wochen vorausgehen. Bei einer gigantischen Splenomegalie mit einem zu erwartenden hohen Blutverlust kann präoperativ radiologisch-invasiv eine Embolisation der A. splenica erörtert werden. Eine ausgeprägte Anämie muss korrigiert werden, da eine vergrößerte Milz allein 30 – 50 % des Erythrozytenvolumens speichern kann und somit trotz schonender Operationstechnik ein größerer Blutverlust als erwartet auftritt. Der Ersatz von Thrombozyten bei Erkrankungen mit einer Thrombozytopenie und hämorrhagischer Diathese muss präoperativ gesichert sein. Hierbei gilt zu berücksichtigen, dass gegebenenfalls eine Vorbehandlung der Zellen erforderlich ist. Myeloproliferative Erkrankungen können mit einer Thrombozytose einhergehen, die durch den postoperativen Thrombozytenanstieg potenziert werden kann. Als Folge sind thromboembolische und evtl. hämorrhagische Komplikationen zu beobachten. In diesen Fällen empfiehlt sich eine präoperative Senkung der Thrombozyten, ggf. mit Zytostatika. Die Notfallindikation liegt bei ausgedehnten Milzverletzungen vor, wenn ein milzerhaltendes Vorgehen technisch nicht möglich ist oder eine zeitliche Verzögerung hinsichtlich lebensbedrohlicher Begleitverletzungen nicht toleriert werden kann.
Als Elektiveingriff wird sie bei hämatologisch-onkologischen Erkrankungen mit therapeutischer Zielsetzung durchgeführt. Dem Eingriff sollte eine Vakzination mit Pneumokokkenpolysaccharid 3 – 4 Wochen vorausgehen. Eine ausgeprägte Anämie muss korrigiert werden, da eine vergrößerte Milz allein 30 – 50 % des Erythrozytenvolumens speichern kann.
Offene Operationstechnik: Bei der offenen Operationstechnik dienen die mediane Laparotomie, der Subkostalschnitt links sowie der linke Kostoumbilikalschnitt als Zugang zum Abdomen. Die mediane Laparotomie gewährleistet in allen Notfallsituationen den besten Überblick über mögliche Zusatzverletzungen und erlaubt bei zugrunde liegender hämorrhagischer Diathese bei hämatologischen Erkrankungen die sicherste Kontrolle der Blutstillung im Bereich des Zuganges. Der linksseitige Subkostalschnitt gilt als Standardzugang bei allen elektiven Milzeingriffen im Rahmen gutartiger Erkrankungen. Der Kostoumbilikalschnitt gestattet bei extremer Splenomegalie eine gute Übersicht und die Möglichkeit der Verlängerung in den rechten unteren Quadranten. Die Präparation der Milz erfolgt unter Berücksichtigung der engen Lagebeziehungen zu Magen, Pankreas, Kolon und Nebenniere. Nach Eröffnen der Bursa omentalis wird am Pankreasoberrand die A. splenica aufgesucht und ligiert (Abb. B-1.264 a). Erst nach dieser Ligatur sollte gegebenenfalls ein Thrombozytenersatz erfolgen, da eine Sequestration der Zellen durch die Milz ausgeschlos-
Offene Operationstechnik: Als Zugang zum Abdomen dienen die mediane Laparotomie, der Subkostalschnitt links sowie der linke Kostoumbilikalschnitt. Das operationstechnische Vorgehen zeigt Abb. B-1.264. Eine Drainage der Milzloge ist nur zu diagnostischen Zwecken bei hämorrhagischer Diathese oder bei Verletzungen des Pankreasschwanzes indiziert.
Notfallindikationen: Ausgedehnte Milzverletzungen, milzerhaltendes Vorgehen technisch nicht möglich, zeitliche Verzögerung nicht tolerabel.
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562 B-1.264
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.264
Operationstechnik offene Splenektomie
a Verschluss der A. splenica am Oberrand des Pankreas.
b Durchtrennung des Lig. splenocolicum (1) mit Präparation der linken Kolonflexur. Anschließend Eröffnung des Lig. phrenicosplenicum mit stumpfer Mobilisation von Milz und Pankreasschwanz. Nach Durchtrennung des Lig. gastrosplenicum (2) mit den Vasa gastrica brevia ist die Eventration der Milz möglich.
sen ist. Anschließend erfolgt die Durchtrennung des Lig. splenocolicum mit Präparation der linken Kolonflexur und danach die Eröffnung des Lig. phrenicosplenicum mit stumpfer Mobilisation von Milz und Pankreasschwanz (Abb. B-1.264 b). Nach Durchtrennung des Lig. gastrosplenicum mit den Vasa gastrica brevia ist die Eventration der Milz möglich. Bedeutung erlangt dieser Schritt am resezierten Magen, da die Durchblutung des Restmagens nur noch durch diese Gefäße gewährleistet ist. Nach der Eventration können milzerhaltende Eingriffe, Segmentresektionen oder aber die schrittweise Splenektomie durchgeführt werden. Eine Drainage der Milzloge ist nur zu diagnostischen Zwecken bei hämorrhagischer Diathese zum Ausschluss von Nachblutungen oder bei Verletzungen des Pankreasschwanzes indiziert. Laparoskopische Operationstechnik: Für die elektive Splenektomie (benigne und maligne Erkrankungen) wird zunehmend die laparoskopische Operationstechnik angewendet (Abb. B-1.265).
Laparoskopische Operationstechnik: Für die elektive Splenektomie (benigne und maligne Erkrankungen) hat sich die laparoskopische Operationstechnik in den vergangenen Jahren zunehmend etabliert (Abb. B-1.265). Die Gefäße am Hilus werden hierbei entweder mit einem Klammernahtgerät (Stapler) (Abb. B-1.265 b), Clips (Abb. B-1.265 c) oder der Hochfrequenzdiathermie verschlossen. Sehr große Organe werden intraoperativ in einem Bergebeutel zerkleinert (morcelliert) und danach durch eine Trokarinzision aus der Peritonealhöhle entfernt. Neben einem besseren kosmetischen Ergebnis (Abb. B-1.265 d) ist dieses Operationsverfahren in der Regel mit einer Verkürzung der stationären Behandlungsdauer verbunden.
Komplikationen: Neben den Risiken der Laparotomie zählen hierzu Atelektasen, Pneumonie, Pleuraerguss und subphrenischer Abszess. In seltenen Fällen führen Verletzungen der Nachbarorgane (z. B. Magen, Pankreas) zu Fistelbildungen.
Komplikationen: Neben den allgemeinen Risiken der Laparotomie gehören Beeinträchtigungen des Respirationstraktes (Atelektasen, Pneumonie, Pleuraerguss) und zahlreiche Infektionen einschließlich des subphrenischen Abszesses zu den häufigsten Komplikationen. Verletzungen der Nachbarorgane wie Magen, Pankreas und linker Kolonflexur können in seltenen Fällen zu Fistelbildungen führen. Die Letalität wird von der Grunderkrankung oder den Begleitverletzungen bestimmt. Sie beträgt für die elektive Splenektomie 1 – 5 % und beläuft sich bei Sepsis und Trauma auf 10 – 15 %. Nach einer Splenektomie können als unspezifische Symptome eine postoperative Leukozytose und ein unklarer Fieberanstieg (Milzfieber) auftreten und die
Die Letalität beträgt für die elektive Splenektomie 1 – 5 % und bei Sepsis und Trauma 10 – 15 %. Postoperativ können eine Leukozytose und ein unklarer Fieberanstieg auftreten.
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B 1.14 Akutes und unklares Abdomen
B-1.265
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Laparoskopische Splenektomie
a
b
c
d
a Laparoskopischer Blick auf die Milz. b Verschluss der Hilusgefäße mit Klammernahtgerät. c Verschluss der Hilusgefäße mit Clips. d Gutes kosmetisches Ergebnis.
Differenzialdiagnose einer postoperativen Infektion erheblich erschweren. Die Folge sind oft unnötige Relaparotomien. Bei Fehlen eines pathologischen Korrelats kommt es zur Spontanremission. Zu den Spätkomplikationen gehört die Postsplenektomiesepsis. Gegen Pneumokokken, Haemophilus influenzae und Meningokokken steht eine Vakzine zur Verfügung (S. 553).
1.14 Akutes und unklares Abdomen
Zu den Spätkomplikationen gehört die Postsplenektomiesepsis.
1.14
Akutes und unklares Abdomen
Ludger Staib
1.14.1 Allgemeine Grundlagen
1.14.1 Allgemeine Grundlagen
Eine Vielzahl von Erkrankungen können einen Symptomenkomplex verursachen, der unter dem Begriff „Akutes bzw. unklares Abdomen“ subsumiert wird. 왘 Merke. Charakteristisch für das akute Abdomen ist eine Situation mit po-
왗 Merke
tenzieller Lebensbedrohung, die typischerweise – aber nicht immer – mit plötzlich auftretenden starken Bauchschmerzen einhergeht und eine sofortige diagnostische Abklärung und schnelles therapeutisches Handeln (meist chirurgisch) erfordert. Das akute Abdomen stellt kein eigenes Krankheitsbild dar, sondern ist eine Reaktion des Organismus auf Veränderungen mit hohem Krankheitswert. Läsionen des Abdomens mit eindeutigem Befund und primär sicherer Diagnose,
Das akute Abdomen ist eine Reaktion des Organismus auf Veränderungen mit hohem Krankheitswert und stellt im engeren Sinne kein eigenes Krankheitsbild dar.
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564
B 1 Viszeralchirurgie
wie z. B. akute Appendizitis, Uretersteinkolik oder akute gastrointestinale Blutung gehören streng genommen nicht zum Symptomenkomplex des akuten Abdomens. 왘 Merke
왘 Merke. Vom akuten Abdomen muss das unklare Abdomen abgegrenzt werden, welches ein abdominelles Krankheitsbild ohne potenzielle Lebensgefahr darstellt.
Wichtig ist eine exakte Diagnosestellung, um die angemessene Therapie einleiten zu können. Beispiele: banale Gastroenteritis, Schmerzen bei Verwachsungen.
Wichtig ist eine diagnostische Abklärung dieser Arbeitshypothese mit dem Ziel einer exakten Diagnosestellung als Voraussetzung für eine angemessene Therapie. Beispiele sind Abdominalschmerzen bei Verwachsungsbeschwerden oder einem bis dahin unbekannten Tumor oder eine banale Gastroenteritis.
Ätiologie: Ursächlich wird der Intraperitonealraum zugeordnet (Ileus, Blutungen, Perforation/Peritonitis, Durchblutungsstörungen und Traumen). Gefäßchirurgische, urologische Erkrankungen und Veränderungen des Lymphsystems sind mögliche retroperitoneale Ursachen.
Ätiologie: Anatomisch-topographisch werden die Ursachen des akuten oder unklaren Abdomens hauptsächlich dem Intraperitonealraum zugeordnet. Die fünf wichtigsten intraperitonealen Ursachen des akuten Abdomens sind Ileus, Blutungen, Perforation/Peritonitis, Durchblutungsstörungen und Traumen. Mögliche retroperitoneale Ursachen sind gefäßchirurgische und urologische Erkrankungen sowie Lymphsystemveränderungen.
Extraperitoneal können kardiale, pulmonale Erkrankungen und Stoffwechselerkrankungen sowie Veränderungen der Bauchdecken und Intoxikationen zu einem akuten Abdomen führen. Diese sind jedoch bei nur vorgetäuschter Symptomatik als „pseudo-akutes/ unklares Abdomen“ zu bezeichnen.
Zu den extraperitonealen Ursachen zählen kardiale, pulmonale Erkrankungen und Stoffwechselerkrankungen sowie Intoxikationen und Veränderungen der Bauchdecken. Extraperitoneale Ursachen täuschen allerdings nur die Symptome eines akuten Abdomens vor, daher handelt es sich hier um ein „pseudo-akutes/ unklares Abdomen“. Ein typisches Beispiel hierfür ist der Hinterwandinfarkt oder die basale Penumonie.
Klinik: Die Symptome sind sehr vielfältig. Als unterschiedlich stark ausgeprägte und lokalisierte Leitsymptome gelten Schmerzen, Peristaltikstörungen und vegetative Begleitsymptome.
Klinik: Die Symptome eines akuten Abdomens gestalten sich so vielfältig wie dessen Ursachen. Als Leitsymptome gelten Schmerzen, Peristaltikstörungen und vegetative Begleitsymptome. Diese können beinahe immer auftreten, aber je nach Ätiologie der Erkrankung unterschiedlich stark ausgeprägt und lokalisiert sein.
B-1.65
B-1.65
Ursachen eines akuten bzw. unklaren Abdomens (nach Häufigkeit)
Lokalisation intraperitoneal
jüngere Patienten ■
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retroperitoneal
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extraperitoneal
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Entzündungen: Appendizitis, (Gastro)enteritis, Adnexitis, Cholezystitis Ulcus ventriculi/duodeni bzw. Ulkusperforation inkarzerierte Hernie Trauma intraabdominelle Blutung Ileus Tumor Perforation gynäkologische Erkrankungen: Extrauteringravidität, Ruptur/Torsion von Ovarialzysten Pankreatitis urologische Erkrankungen (z. B. Nierenbecken- und Ureterkoliken, Zystitis) lymphatische Erkrankungen gefäßchirurgische Erkrankungen (z. B. Mesenterialinfarkt/-venenthrombose) pulmonale Erkrankungen (z. B. Pleuritis) Intoxikationen Stoffwechselerkrankungen (z. B. Pseudoperitonitis bei diabetischer Ketoazidose) kardiale Erkrankungen (z. B. akuter Myokardinfarkt, v. a. Hinterwandinfarkt, instabile Angina pectoris)
ältere Patienten ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
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Divertikulitis Cholezystitis Perforation, Ulkus Inkarzerierte Hernie Ileus/Verwachsungen Tumor Mesenterialinfarkt (Gastro)enteritis Blutung Appendizitis Trauma
gefäßchirurgische Erkrankungen urologische Erkrankungen lymphatische Erkrankungen kardiale Erkrankungen pulmonale Erkrankungen Stoffwechselerkrankungen Intoxikationen
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B 1.14 Akutes und unklares Abdomen
565
Bei einem akuten Abdomen dominieren fast ausnahmslos Schmerzen. Im Abdominalbereich ist hierbei der sogenannte viszerale vom somatischen Schmerz zu unterscheiden: ■ Viszeraler Schmerz: Ein dumpfer, drückender und zugleich schwer lokalisierbarer Schmerz spricht für Schmerzen, die von parenchymatösen Organen ausgehen. Von Hohlorganen ausgehende Schmerzen sind charakteristischerweise wellenförmig, krampfartig, rhythmisch, stark und bei Obstruktion kolikartig. ■ Somatischer Schmerz: Dieser ist häufig genau lokalisierbar. Die Schmerzen nehmen kontinuierlich zu, sind stark, stechend, scharf oder brennend und können in andere Körperregionen ausstrahlen.
Unterscheidung von Abdominalschmerzen: ■ Viszeraler Schmerz: Von parenchymatösen Organen ausgehende Schmerzen; dumpf, drückend und schwer lokalisierbar. Wellenförmig, krampfartig, rhythmisch und ggf. kolikartig bei Hohlorganen. ■ Somatischer Schmerz: Häufig genau lokalisierbar. Schmerzen nehmen kontinuierlich zu, sind stark, scharf oder brennend und können in andere Körperregionen ausstrahlen.
Topographische Differenzialdiagnose des akuten Abdomens Bezüglich der Schmerzlokalisation von abdominellen Läsionen lassen sich diese entsprechend der topographischen Lage der intraabdominellen Organe verschiedenen Regionen zuordnen. Das Abdomen wird in 4 Quadranten eingeteilt, zusätzlich wird noch ein Bereich des mittleren Abdomens (periumbilikal) berücksichtigt. In den rechten Oberbauch werden Schmerzen bedingt durch Duodenalläsionen, Erkrankungen der Gallenwege oder Leberaffektionen, Pfortaderthrombosen oder entzündliche Nierenerkrankungen rechts projiziert; in den linken Oberbauch Schmerzen durch Abszesse, Milzerkrankungen oder durch Nierenaffektionen links; in den rechten Unterbauch Schmerzen durch eine Appendizitis, Adnexitis oder andere rechtsseitige Adnexveränderungen und inkarzerierte Leistenhernien rechts; in den linken Unterbauch Sigmaveränderungen und Erkrankungen der linken Adnexe und der linken Leiste; schließlich werden in den Mittelbauch (periumbilikal) Veränderungen des Pankreas und der intra- und retroperitonealen Gefäße projiziert (Abb. B-1.266).
B-1.266
Topographische Differenzialdiagnose des akuten Abdomens Abdominelle Läsionen können entsprechend der topographischen Lage der intraabdominellen Organe verschiedenen Regionen zugeteilt werden. Das Abdomen wird in 4 Quadranten eingeteilt: ■ rechter Oberbauch ■ linker Oberbauch ■ rechter Unterbauch ■ linker Unterbauch ■ mittleres Abdomen (periumbilikal) (Abb. B-1.266).
Zuordnung der intraabdominellen Schmerzangaben nach dem „Quadrantenschema“
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B 1 Viszeralchirurgie
566 1.14.2 Notfalldiagnostik und
Sofortmaßnahmen 왘 Merke
1.14.2 Notfalldiagnostik und Sofortmaßnahmen 왘 Merke. Das akute Abdomen stellt immer eine Notfallsituation dar und muss
so schnell wie möglich diagnostisch abgeklärt werden! Die Diagnose des akuten Abdomens wird v. a. klinisch gestellt.
Die Diagnose des akuten Abdomens kann durch den erfahrenen Untersucher mithilfe weniger Fragen und Hilfsmittel gestellt werden. Ausschlaggebend für die Diagnosestellung (Cave: Viele kleine „versteckte“ Hinweise!) sind die Klinik und der Aspekt des Kranken.
Anamnese und klinische Untersuchung
Anamnese und klinische Untersuchung
Anamnese: Im Rahmen einer zielgerichteten und exakten Anamnese ist v. a. die Dauer der Symptome und Intensität sowie Charakteristik der Schmerzen zu erfragen.
Anamnese: Vor der klinischen Untersuchung eines Patienten mit einem akuten Abdomen wird eine zielgerichtete Anamnese erhoben. Häufig kann so bereits die Ursache des akuten Abdomens eruiert werden. Insbesondere müssen folgende Punkte beachtet werden: Schmerzbeginn und -verlauf, Schmerzlokalisation und ggf. -ausstrahlung, Schmerzcharakter und ggf. Beeinflussbarkeit der Schmerzen sowie ein Zusammenhang der Schmerzen mit der Nahrungsaufnahme. Dabei ist die Dauer der Symptome sowie die Intensität und Charakteristik der Schmerzen zu erfragen (Tab. B-1.66). Die Schmerzqualität kann Aufschluss über die Erkrankungsursache geben. Folgende Angaben liefern weitere wertvolle anamnestische Hinweise auf das auslösende Krankheitsbild: Begleitsymptome (z. B. Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Fieber, Bewusstseinsverlust, Stuhl- oder Windverhalt als Hinweis auf Obstruktion, Durchfall, Miktionsschmerz), Vor- und Grunderkrankungen, bei Frauen immer Regelanamnese, Medikamenteneinnahme (z. B. nichtsteroidale Antirheumatika!), Voroperationen sowie vorangegangene Episoden abdomineller Ereignisse oder Krankenhausaufenthalte.
Folgende Angaben liefern weitere wertvolle anamnestische Hinweise auf das auslösende Krankheitsbild: Begleitsymptome, Vorund Grunderkrankungen, Regelanamnese, Medikamenteneinnahme, Voroperationen sowie vorangegangene Episoden abdomineller Ereignisse oder Krankenhausaufenthalte. Klinische Untersuchung: ■ Inspektion: Insbesondere auf Haltung, Haut- und Zungenfarbe bzw. -beschaffenheit sowie bei Pankreatitis auf Vorwölbungen, z. B. der Flanken oder Blaufärbung um den Nabel achten. ■
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Palpation: Vorsichtig zum Schmerzzentrum hin tasten, weiterhin auf Peritonitisund Asziteszeichen sowie Zeichen einer Appendizitis (S. 368) achten. Abtasten potenzieller Bruchpforten sowie der Harnblase (akuter Harnverhalt?). Perkussion: Insbesondere auf intraabdominelle Flüssigkeit und Meteorismus achten. B-1.66
Klinische Untersuchung: ■ Inspektion: Insbesondere ist auf die Haltung (z. B. Schonhaltung?) des Patienten, die Hautfarbe (Blässe, Ikterus?), die Zungenfarbe bzw. -beschaffenheit (häufig trockene, bräunliche, rissige Zunge als Exsikkose-Zeichen) sowie auf Vorwölbungen, z. B. der Flanken bei Pankreatitis (= Grey-TurnerZeichen) oder Blaufärbung um den Nabel (= Cullen-Phänomen) achten. ■ Palpation: Der Untersucher sollte vorsichtig zum Schmerzzentrum hin tasten. Weiterhin ist auf Zeichen peritonealer Reizung und Asziteszeichen sowie Zeichen einer Appendizitis (S. 368) zu achten. Potenzielle Bruchpforten sollten abgetastet sowie die Harnblase im Hinblick auf einen akuten Harnverhalt untersucht werden. ■
Perkussion: Thorax (Perkussion und Auskultation von Herz und Lunge). Hier ist insbesondere auf intraabdominelle Flüssigkeit und Meteorismus zu achten.
Schmerzcharakter und -verlauf bei akutem/unklarem Abdomen
Schmerzcharakter
mögliche auslösende Ursachen
kolikartige Schmerzen (mit schmerzfreien Intervallen)
Gallensteinkolik, mechanischer Ileus, Uretersteinkolik
Entzündungsschmerz (kontinuierlich zunehmend)
Appendizitis, Pankreatitis, Cholezystitis, Divertikulitis,
Perforationsschmerz (perakuter Beginn mit Peritonitiszeichen)
Ulkusperforation (z. B. Magen- oder Duodenalulkus)
Darmischämieschmerz (phasenhafter Verlauf: akuter Beginn, anschließend relative Schmerzbesserung („fauler Friede“), später Peritonitiszeichen
Mesenterialinfarkt, Volvulus, Strangulation (z. B. einer Dünndarmschlinge)
Ausstrahlung von Schmerzen (in sog. Head-Zonen)
Rücken (bei Pankreatitis und perforiertem Bauchaortenaneurysma), rechte Schulter (bei Cholezystitis und Extrauteringravidität), Skrotum, Penis und Labien bei Ureterstein
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B 1.14 Akutes und unklares Abdomen
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Auskultation: Diese ermöglicht neben der Beurteilung von Herz und Lunge zum Ausschluss thorakaler Differenzialdiagnosen eine Diagnostik der Darmperistaltik. So finden sich z. B. bei mechanischem Ileus hochgestellte klingende Darmgeräusche, eine Hypoperistaltik lässt an einen entzündlichen Herd im Abdominalbereich denken und eine „Grabesstille“ bei aufgehobener Peristaltik kennzeichnet den paralytischen Ileus. Der bei der Auskultation erhaltene Eindruck einer Hypo- oder Hyperperistaltik unterliegt der individuellen Erfahrung des Untersuchers. Zwar lassen sich peristaltische Kontraktionen apparativ definieren und dokumentieren, im klinischen Alltag ist jedoch die Erfahrung des Untersuchers für die Diagnose mit ausreichender Sicherheit zur Beschreibung einer nicht „normalen“ Peristaltik ausschlaggebend. Rektal-digitale Untersuchung: Im Rahmen der Notfalldiagnostik ist diese unerlässlich. Hierbei müssen v. a. der Douglas-Raum, der Füllungszustand der Ampulla recti und ggf. tastbare Resistenzen beachtet werden.
567 ■
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Auskultation: Sie erlaubt eine Beurteilung der Darmperistaltik (neben dem Ausschluss thorakaler Differenzialdiagnosen von Herz und Lunge). So finden sich bei mechanischem Ileus hochgestellte klingende Darmgeräusche, eine Hypoperistaltik spricht für ein entzündliches Geschehen, die sog. „Grabesstille“ im Abdomen kennzeichnet den paralytischen Ileus. Das Ergebnis der Auskultation ist erfahrungsabhängig. Unerlässlich ist die rektal-digitale Untersuchung, insbesondere unter Beachtung des Douglas-Raumes, dem Füllungszustand der Ampulla recti und evtl. tastbarer Resistenzen.
Differenzialdiagnostik: Sowohl die Möglichkeit eines Harnverhaltes als auch eine massive Koprostase müssen ausgeschlossen werden (Cave: Diese Krankheitsbilder können ein akutes/unklares Abdomen vortäuschen!). Bei eingeschränkter Dringlichkeit der operativen Therapie aufgrund der klinischen Untersuchung werden apparative diagnostische Maßnahmen angewandt.
Differenzialdiagnostik: V.a. müssen ein akuter Harnverhalt sowie eine massive Koprostase ausgeschlossen werden.
Labordiagnostik
Labordiagnostik
Die notfallmäßige laborchemische Diagnostik umfasst die Bestimmung folgender Parameter: Hämoglobin- und Hämatokritwert (Blutung?), Leukozytenzahl, CRP (Entzündung? Cave: Die Leukozytenzahl korreliert nicht notwendigerweise mit dem Schweregrad der Erkrankung!), Elektrolyte (Kontrolle des Flüssigkeitsund Säure-Basen-Haushalts, ggf. Substitution?), Gerinnungsstatus (Blutungsneigung?), Transaminasen (Gallenleiden, Leberaffektion?), Nierenwerte (Insuffizienz?) und Lipase (Pankreatitis?). Blutzucker und Laktat (Mesenterialinfarkt?) sind falladaptiert zu bestimmen. Da die Grenzbereiche zwischen den verschiedenen Laboren variieren, empfiehlt sich die Kenntnis der hausinternen Grenzwerte.
Die notfallmäßige laborchemische Diagnostik umfasst die Bestimmung von: ■ Hb/Hkt (Blutung?) ■ Leukozyten (Entzündung?) ■ Elektrolyte (Substitution?) ■ Gerinnungsstatus (Blutungsneigung?) ■ Lipase (Pankreatitis?).
Bildgebende Verfahren
Bildgebende Verfahren
Bildgebende Verfahren sind heute in der Diagnostik akuter Zustände nicht mehr wegzudenken. Mit den zur Verfügung stehenden Verfahren können mit geringem apparativem Aufwand ergänzend zur klinischen Untersuchung aussagekräftige Informationen gewonnen werden. Folgende Verfahren kommen (nach der Häufigkeit ihrer Anwendung) zum Einsatz: Die Sonographie stellt als wichtigstes bildgebendes diagnostisches Verfahren eine rasche und nahezu überall verfügbare Untersuchungstechnik dar. Insbesondere zur Diagnostik freier Flüssigkeit im Abdomen (Aszites oder Blut) besitzt diese Methode einen hohen Stellenwert für die rasche Beurteilung eines Notfall-Abdomens. Zusätzlich liefert die Sonographie organspezifische Informationen (z. B. Abszess, Raumforderung). Im Rahmen der Ileusdiagnostik kann zwischen einem mechanischen und einem paralytischen Ileus (s. u.) differenziert werden. Unklare Prozesse können mithilfe der Sonographie punktiert oder mit einer Drainage versorgt werden. Bei Patienten mit Meteorismus sowie bei sehr adipösen Patienten ist die Aussagekraft der sonografischen Befunde jedoch eingeschränkt. Neben der Sonographie gelten die Röntgen-Thorax- und die Abdomenübersichtsaufnahme als Standarddiagnostik bei Vorliegen eines akuten Abdomens (Ausnahme: Bei Kindern wird in der Regel auf die Röntgenuntersuchung des Abdomens aus Strahlenschutzgründen verzichtet). Bei der Abdomenübersichtsaufnahme ist insbesondere auf „freie Luft“ (subphrenische Luftsichel) als Zeichen einer Perforation oder auf stehende Schlingen (Dick-, Dünndarmspiegel) bei Ileus zu achten. Abhängig vom Zustand des Patienten werden die Aufnahmen
Mit verhältnismäßig einfachem apparativem Aufwand können bildgebende Verfahren ergänzend zur klinischen Untersuchung aussagekräftige Informationen liefern. Die Sonographie hat eine große Bedeutung, weil sie rasch durchführbar und ubiquitär anwendbar ist. Besonders für die Diagnostik freier Flüssigkeit im Abdomen besitzt sie einen hohen Stellenwert. Die Sonographie ermöglicht eine Organdiagnostik, die jedoch bei adipösen Patienten eingeschränkt ist. Im Rahmen der Ileusdiagnostik erlaubt sie ggf. die Differenzierung zwischen einem mechanischen und einem paralytischen Darmverschluss. Neben der Sonographie sind bei Vorliegen eines akuten Abdomens die Röntgenthoraxund Abdomenübersichtsaufnahme Standard. Wird bei Verdacht auf Perforation eines lufthaltigen Hohlorgans freie Luft im Abdomen gesucht, lässt sich diese im Abdomenbild des auf der linken Seite liegenden Patienten in geringeren Mengen nachweisen als beim stehenden Patienten.
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B 1 Viszeralchirurgie
Sollen röntgenologische Zeichen eines Ileus (S. 572) dokumentiert werden, ist eine Darstellung des Abdomens in Rechtsseitenlage aussagekräftig.
im Liegen oder Stehen angefertigt. Steinschatten (z. B. bei Gallensteinen) und Luft in den Gallenwegen (Aerobilie) können ebenso diagnostiziert werden wie die Perforation eines lufthaltigen Hohlorgans. Hier ist eine Aufnahme in Linksseitenlage indiziert, da sich freie Luft im Abdomenbild des auf der linken Seite liegenden Patienten bereits in geringeren Mengen und daher leichter nachweisen lässt als beim stehenden Patienten. Dies liegt daran, dass die für den röntgenologischen Nachweis nötige freie Luftmenge unter den Zwerchfellkuppen größer sein muss als die freie Luftmenge zwischen Leberkuppe und lateraler Bauchdecke. Zur Dokumentation röntgenologischer Zeichen eines Ileus (z. B. Spiegelbildung, S. 572) ist eine Abdomendarstellung in Rechtsseitenlage aussagekräftig. Durch eine Thoraxübersichtsaufnahme (möglichst im Stehen oder Sitzen in 2 Ebenen) können pathologische Veränderungen der Thoraxorgane oder Erkrankungen, die sich in den Thorax projizieren (z. B. Enterothorax, Abb. B-1.267) diagnostiziert werden. Insbesondere bei traumatisiertem Abdomen kann eine thorakale oder abdominelle Röntgenaufnahme Hinweise für eine unfallbedingte intraabdominelle Schädigung liefern. Bei basalen Rippenfrakturen kann eine Milz- oder Leberruptur vorliegen; bei Zwerchfellhochstand, obliteriertem Zwerchfellwinkel oder einer nach kranial verlagerten Magenblase eine Zwerchfellruptur; freie Luft intra- oder retroperitoneal ist ein Hinweis auf eine Hohlorganperforation (Tab. B-1.67). Weiterhin können mit der Thoraxübersichtsaufnahme Pleuraerguss, Pneumonie und Zwerchfellhochstand bei subphrenischem Abszess sowie eine subphrenische Luftsichel bei freier intraabdomineller Luft diagnostiziert werden.
Durch eine Thoraxübersichtsaufnahme lassen sich Veränderungen erkennen, die in den Thoraxorganen selbst liegen oder sich in den Thorax projizieren, wie z. B. der Enterothorax (Abb. B-1.267). Die Röntgenaufnahme des Thorax oder Abdomens kann Hinweise auf intraabdominelle Schädigungen liefern (Tab. B-1.67).
왘 Merke
왘 Merke. Zur Dokumentation der Durchgängigkeit oder bei V. a. Perforation eines Hohlorgans darf die Röntgendarstellung nur mit wasserlöslichem Kontrastmittel (z. B. Gastrografin) vorgenommen werden. Die Verwendung von Barium ist bei unklarem Abdomen kontraindiziert, da Barium im Falle einer Hohlorganperforation intensiv auf dem Peritoneum haftet und dadurch die gefürchtete „Bariumperitonitis“ verursacht.
Im Rahmen der Notfalldiagnostik ist die Mehrschicht-Computertomographie (MSCT) in Spiraltechnik von großer Bedeutung (dreidimensionale Darstellung wesentlicher Fragestellungen mit hoher Trefferquote in kurzer Zeit). Nachteil ist jedoch die Strahlenbelastung des Patienten. B-1.267
Die Mehrschicht-Computertomographie (MS-CT) hat sich zum „Arbeitspferd“ der Notfalldiagnostik entwickelt. Diese Methode kann in Spiraltechnik mit kurzen Untersuchungszeiten durchgeführt werden. Wesentliche Fragestellungen wie „Raumforderung“, „freie Luft“ und „Ileus“ können innerhalb weniger Minuten mit hoher Trefferquote beantwortet und anschaulich dreidimensional rekonstruiert werden. Nachteilig ist jedoch die Strahlenbelastung des Patienten.
Enterothorax bei traumatischer Zwerchfellruptur
a Vor Beseitigung des Hämatothorax links.
b Nach Beseitigung des Hämatothorax links. Die gelegte Magensonde projiziert sich in den Bereich des linken Ventrikels.
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B 1.14 Akutes und unklares Abdomen
B-1.67
Radiologische Hinweise auf mögliche abdominelle Läsionen
Röntgenbefund ■ ■ ■
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basale Rippenfraktur links Verdrängung der linken Kolonflexur Verlagerung der Magenblase: – nach rechts medial – nach links oben Zwerchfellhochstand obliterierter Rippen-Zwerchfellwinkel basale Rippenfraktur rechts retroperitoneale Luft verwaschener Psoasschatten rechts verwaschener Psoasschatten links freie intraabdominelle Luft
569 B-1.67
Mögliche Schäden
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Milzruptur
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Zwerchfellruptur
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Leberruptur Duodenum- oder Rektumruptur Duodenum- oder Nierenruptur Pankreasschwanz- oder Nierenruptur Hohlorganperforation des MagenDarm-Traktes (außer Rektum)
Die diagnostische Peritoneallavage (z. B. bei V.a. Blutung oder Perforation) besitzt eine hohe Sensitivität, verliert jedoch zunehmend durch die nicht invasive Sonographie und die Computertomographie im Rahmen der Diagnostik an Bedeutung. Vor der Durchführung müssen immer Kontraindikationen (Verwachsungen, Schwangerschaft) und Voraussetzungen (Blasenkatheterisierung) berücksichtigt werden. Durch die technische Weiterentwicklung hat die Endoskopie auch in der Notfallchirurgie einen hohen Stellenwert erlangt. Sie wird sowohl diagnostisch (z. B. bei V.a. Perforation) als auch therapeutisch eingesetzt. So ermöglicht die Gastroskopie das Entfernen verschluckter Fremdkörper aus Magen und Duodenum (S. 239). Da verschluckte Fremdkörper eine Hohlorganperforation auslösen können, stellt diese Methode eine effektive Prophylaxe eines akuten Abdomens dar. In sehr seltenen Fällen kann die Endoskopie jedoch selbst Ursache eines akuten Abdomens durch iatrogene Perforation sein. Gefäßbedingte Ursachen eines akuten Abdomens können angiographisch diagnostiziert und ggf. gleichzeitig interventionell therapeutisch versorgt werden, z. B. „Coiling“ (= Embolisieren) von gastrointestinalen Blutungen. Aufgrund einer zunehmend verbesserten Technik und weiter Verbreitung ist die explorative Laparoskopie zur Diagnostik und Therapie des akuten Abdomens gut geeignet. Diese dient der Zuordnung und Therapie entzündlicher Prozesse und der Erkennung des Ausmaßes einer Traumaschädigung (z. B. perforierende Verletzung). Ebenso können ein Ileus oder eine lokale Durchblutungsstörung z. B. durch eine Bride erkannt und effektiv therapiert werden. Weiterhin können Biopsieentnahmen bei Raumforderungen durchgeführt werden. 왘 Merke. Vor der Durchführung einer explorativen Laparoskopie müssen die folgenden Differenzialdiagnosen ausgeschlossen werden: Myokardinfarkt, akute Lungenembolie, akute Rechtsherzinsuffizienz, Pneumonie, akute intermittierende Porphyrie.
Die diagnostische Peritoneallavage (z. B. bei V.a. Blutung oder Perforation) ist durch die nicht invasive Sonographie in den Hintergrund getreten. Vor der Durchführung müssen immer Kontraindikationen und Vorraussetzungen berücksichtigt werden. In der Notfallchirurgie hat die Endoskopie einen hohen Stellenwert erlangt. Sie wird sowohl diagnostisch als auch therapeutisch eingesetzt (z. B. Entfernung verschluckter Fremdkörper aus Magen und Duodenum, S. 239). Sehr selten ist die Endoskopie selbst Ursache eines akuten Abdomens (iatrogene Perforation). Gefäßbedingte Ursachen eines akuten Abdomens können angiographisch diagnostiziert und ggf. gleichzeitig interventionell therapiert werden. Mit zunehmend verbesserter Technik lässt sich die explorative Laparoskopie zur Diagnostik und Therapie des akuten Abdomens einsetzen.
왗 Merke
Bei unklaren Befunden ist die Durchführung einer explorativen Laparotomie indiziert.
Bei unklaren Befunden ist die explorative Laparotomie indiziert.
1.14.3 Therapie
1.14.3 Therapie
Zunächst ist die Sicherung der Vitalfunktionen das vorrangige Therapieziel bei Vorliegen eines akuten Abdomens. Durch schnellstmögliche Behandlung der Ursache muss die Lebensgefahr zügig abgewendet werden, wobei eine dadurch bedingte Einschränkung der Lebensqualität ggf. in Kauf genommen werden muss (z. B. bei passagerer Anlage eines protektiven Anus praeter bei Kolonperforation).
Zunächst ist das vorrangige Therapieziel die Sicherung der Vitalfunktionen. Eine schnellstmögliche Behandlung der Ursache dient der Abwendung der Lebensgefahr, ggf. unter Akzeptanz einer therapiebedingten Einschränkung der Lebensqualität.
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B 1 Viszeralchirurgie
Allgemeine Therapieprinzipien
Allgemeine Therapieprinzipien
왘 Merke
Neben den therapeutischen Maßnahmen, die sich nach dem Ausmaß des Schockgeschehens richten (S. 225) benötigt jeder Patient mit einem akuten Abdomen eine Infusionstherapie (S. 64), da eine enterale Ernährung kontraindiziert ist. Darüber hinaus werden standardmäßig eine Magensonde und ein Blasenkatheter gelegt. Je nach Konstellation der Blutwerte müssen Elektrolytdefizite oder Blutverluste ausgeglichen werden. Zur Schmerzbekämpfung ist die Gabe von Analgetika indiziert.
Nach sorgfältiger Untersuchung und Befunddokumentation wird nach aktuellem Stand der Wissenschaft eine rasche und adäquate Schmerztherapie befürwortet. 왘 Merke
왘 Merke. Als Sofortmaßnahmen bei V. a. akutes/unklares Abdomen sind folgende Maßnahmen durchzuführen: Kreislaufstabilisierung, Legen von periphervenösen Zugängen für Blutabnahme/Infusion/Analgetikagabe, Platzierung einer Magensonde und eines Blasenkatheters, Abnehmen des NotfallLabors (Blutbild, Elekrolyte, Blutzucker, CRP, Transaminasen, Leberwerte, Lipase, Gerinnung, Blutgruppe, ggf. Laktat) und minimaldiagnostische Untersuchungen mit EKG, Röntgen-Thorax/Abdomen (Ausnahme Kinder!) und Abdomen-Sonographie.
Grundsätzlich richtet sich die Behandlungsstrategie im Rahmen der Operationsvorbereitung nach der Schwere des Schocks (S. 225) und umfasst im Einzelnen folgende Sofortmaßnahmen: Zur Kontrolle der Herz-Kreislauf-Funktion sind die Anlage eines EKG, Puls- und Blutdruckmessung sowie die Kontrolle der O2-Sättigung nötig. Eine kardiopulmonale Insuffizienz muss durch O2-Gabe, Intubation und Beatmung sowie Arterenolgabe rekompensiert werden. Jeder Patient mit dem Bild eines akuten Abdomens benötigt zum Ausgleich der Hypovolämie und zur Elektrolytsubstitution eine Infusionstherapie (S. 64), da eine enterale Ernährung kurz- oder langfristig kontraindiziert ist. Darüber hinaus werden standardmäßig eine Magensonde zur Ableitung des Mageninhaltes und Aspirationsprophylaxe sowie ein Harnblasenkatheter zur Bilanzierung der Volumensubstitution und zur Kontrolle der Nierenfunktion gelegt (dies sollte nur in Ausnahmefällen unterbleiben). In der Mehrzahl der Fälle ist eine perioperative Antibiotika-Prophylaxe indiziert. Elektrolytdefizite oder Blutverluste sind auszugleichen (S. 67). Wichtig ist die Schmerztherapie bei Patienten mit akutem Abdomen (z. B. 1 Ampulle Butylscopolamin i. v.). Nach aktuellem Stand der Wissenschaft wird eine rasche und adäquate Schmerztherapie nach sorgfältiger Untersuchung und Befunddokumentation befürwortet (eine „Verschleierung des Krankheitsbildes durch Notfall-Analgesie“ wird als nicht mehr relevant erachtet). 왘 Merke. Im Rahmen der Schmerztherapie bei akutem bzw. unklarem Abdomen sind Morphinderivate aufgrund der Gefahr der Auslösung von Sphinkterspasmen kontraindiziert!
Bei notfallmäßiger Analgetikagabe müssen zur Information des weiterbehandelnden Arztes Art, Dosis und Zeitangabe des verabreichten Schmerzmittels übermittelt werden. Aufklärungspflicht und Einverständniserklärung sind je nach Dringlichkeit auszulegen.
Bei Analgetikagabe im Rahmen einer notfallmäßigen Erstversorgung muss zur Information des weiterbehandelnden Arztes Art, Dosis und Zeitangabe des verabreichten Schmerzmittels übermittelt werden. Da die Therapie eines Patienten mit akutem Abdomen einen Notfall darstellt, sind Aufklärungspflicht und Einverständniserklärung anders gewichtet als bei Wahleingriffen. Es gilt die Regel: Je dringlicher der Eingriff ist, desto knapper darf die Aufklärung gestaltet werden.
Operative Therapie
Operative Therapie
Das Standardvorgehen bei Vorliegen eines akuten Abdomens ist die operative Beseitigung der Ursache.
Je nach zugrunde liegendem Krankheitsbild und abhängig vom Allgemeinzustand des Patienten ist das Standardvorgehen bei Vorliegen eines akuten Abdomens eine operative Beseitigung der Ursache.
Zugangswege: Die vielseitigste Möglichkeit für eine Laparotomie stellt die mediane Inzision dar. Je nach Ursache stehen verschiedene operative Versorgungsmöglichkeiten zur Verfügung (Tab. B-1.69).
Zugangswege: Insbesondere bei präoperativ unklarer Diagnose erfolgt die mediane Laparotomie in Nabelhöhe, da hier abhängig vom intraoperativen Befund eine situationsgerechte Schnitterweiterung nach kranial oder kaudal möglich ist. Entsprechend der vermuteten Lokalisation der Läsion sind jedoch Varianten möglich. Bei Vorliegen einer akuten Cholezystitis wird z. B. der rechtsseitige Rippenbogenrandschnitt favorisiert, bei einer isolierten Milzruptur ein Rippenbogenrandschnitt links. Je nach Ursache stehen 15 verschiedene Möglichkeiten der operativen Versorgung zur Verfügung (Tab. B-1.69). In Ausnahmefällen kann bei einem akuten Abdomen eine Thorakotomie notwendig werden, wie z. B. bei Vorliegen eines Enterothorax oder einer Ösophagusläsion. Dies ist bei der Lagerung und beim Abwaschen des Patienten zu bedenken.
In Ausnahmefällen kann bei einem akuten Abdomen eine Thorakotomie notwendig werden (z. B. bei Enterothorax oder Ösophagusläsion).
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B 1.14 Akutes und unklares Abdomen
B-1.68
571
Dringlichkeit operativer Eingriffe bei akutem Abdomen
Zeitpunkt
Beispiele
Sofortoperation (bedeutet: OP freimachen und ggf. elektives OP-Programm unterbrechen!)
rupturiertes Aortenaneurysma, Messerstich- oder Schussverletzung, Hohlorganperforation (z. B. Ösophagus, Magen, Duodenum, Gallenblase, Darm), gastrointestinale Blutung (nach erfolgloser endoskopischer Therapie oder bei nicht stabilisierbarem Patienten), inkarzerierte Hernie, Mesenterialinfarkt
Notfall-OP (innerhalb von 2 h)
Peritonitis, perforierte Appendizitis, gastrointestinale Blutung mit Substitutionsbedarf (4 4 EK’s = Erythrozytenkonzentrate)
dringliche Operation (innerhalb von 6 h)
akute Appendizitis, akute Cholezystitis (mit Perforationsgefahr), mechanischer Ileus (z. B. Bride, Obstruktion durch Tumor)
später
akute Cholezystitis, akute Divertikulitis (jeweils ohne Perforationsgefahr) Obstruktion durch subtotale Stenose, akute Cholezystitis oder Divertikulitis mit klinischer Besserung unter Therapie, Hernie nach Reposition
B-1.69
frühelektiv (5 48 h) elektiv (4 72 h)
Möglichkeiten der operativen Versorgung bei verschiedenen akuten abdominellen Krankheitsbildern Ileus
Blutung
Perforation
Peritonitis
Trauma
Magen
Stenteinlage, Ernährungsfistel
(1. Wahl: endoskopische Blutstillung) Umstechung, Teilresektion, Y-Roux, Gastrektomie
Exzision, Übernähung
Herdsanierung, Lavage
Übernähung, Teilresektion, Gastrektomie
Duodenum
Gastroenterostomie (GE)
Umstechung, BI, Y-Roux
Übernähung
Herdsanierung, Lavage
Übernähung, Gastroenterostomie (GE)
Dünndarm
Enteroanastomose, Segmentresektion
Segmentresektion
Übernähung, Resektion
Herdsanierung, Lavage
Übernähung, Segmentresektion
Leber
Übernähung, Teilresektion
Übernähung
Herdsanierung, Lavage
Übernähung, Kompression, Resektion
Galle
Exstirpation
Exstirpation
Herdsanierung, Lavage
Exstirpation
Milz
Exstirpation, Erhaltungsversuch
Übernähung, Exstirpation
Herdsanierung, Lavage
Erhaltungsversuch, Exstirpation
Appendix
Exstirpation
Exstirpation
Herdsanierung, Lavage
Exstirpation
Segmentresektion
Übernähung, Resektion
Herdsanierung, Lavage
Übernähung, Resektion, Anus praeter (AP)
Herdsanierung, Lavage
Übernähung, (Teil-)Resektion, Drainage
Kolon
Anus-praeterAnlage, Resektion, Enteroanastomose
Pankreas Gefäße
(Teil-)Exstirpation siehe S. 1100
Eine Ausnahme der operativen Therapie stellt die Behandlung des paralytischen Ileus dar. Zur Beseitigung der funktionellen Passagestörung muss die dafür verantwortliche Ursache therapiert werden. Als weitere Ausnahme müssen entzündliche abdominelle Erkrankungen ohne Perforationsgefahr zunächst antibiotisch vorbehandelt werden (z. B. bei akuter Cholezystitis oder akut komplizierter Divertikulitis, s. u.). In diesen Fällen wird die Operation erst nach Abklingen der Entzündung durchgeführt. Die Entscheidung für oder gegen eine sofortige Laparotomie richtet sich nach der Einschätzung des erfahrenen Chirurgen. Profitiert der Patient von der Sofortmaßnahme (z. B. im Falle einer Perforation oder intraabdominellen Blutung), erfolgt eine Operation, kann eine effektive nichtoperative Maßnahme (z. B. Antibiose, Intensivtherapie, Punktion) die Vorraussetzungen für eine Operation günstig beeinflussen, wird zunächst
Eine Ausnahme der operativen Therapie stellt die Behandlung des paralytischen Ileus dar (Therapie der auslösenden Ursache!). Entzündliche abdominelle Erkrankungen ohne Perforationsgefahr müssen zunächst antibiotisch vorbehandelt werden. Die Operation wird in diesen Fällen erst nach Abklingen der Entzündung durchgeführt. Die Entscheidung für oder gegen eine Laparotomie richtet sich nach der Einschätzung des erfahrenen Chirurgen.
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572
B 1 Viszeralchirurgie
Zur Einschätzung der Dringlichkeit einer Laparotomie siehe Tab. B-1.68.
konservativ behandelt. Zur Einschätzung der Dringlichkeit einer Laparotomie siehe Tab. B-1.68. Am Beispiel der akuten Cholezystitis (mit/ohne Perforation) wird die Abhängigkeit der Operationsdringlichkeit von der Krankheitsschwere deutlich.
1.14.4 Intraabdominelle Ursachen eines
akuten Abdomens
1.14.4 Intraabdominelle Ursachen eines akuten Abdomens Ileus
Ileus 왘 Definition
왘 Definition. Unter einem Ileus versteht man einen mechanischen oder funk-
tionellen Darmverschluss. Dies bedeutet eine lebensbedrohliche Unterbrechung der Darmpassage durch Verengung oder Verlegung der Darmlichtung oder durch eine Darmlähmung. Abhängig von der Lokalisation des Passagestopps wird der hohe (Duodenal- oder Dünndarmileus) von einem tief sitzenden (Dickdarmileus) Darmverschluss (Abb. B-1.268) unterschieden. Eine unvollständige Ausprägung des Darmverschlusses bezeichnet man als Subileus. Dieser unterscheidet sich vom Ileus durch eine röntgenologisch nachweisbare Darmmotilitätsstörung (Spiegelbildung) ohne klinische Zeichen eines Passagestopps. Paralytischer Ileus
Paralytischer Ileus
Ätiologie: Der primär paralytische Ileus kommt bei Gefäßverschlüssen der Mesenterialgefäße, seltener bei Gefäßkompressionen vor.
Ätiologie: Der paralytische Ileus kann in eine primäre und sekundäre Form unterteilt werden. Ursachen für einen primär paralytischen Ileus sind Gefäßverschlüsse durch Mesenterialgefäßthrombosen oder -embolien mit hämorrhagischer Infarzierung der Darmwand. Seltener ist er Ausdruck von Gefäßkompressionen durch ein Mesenterialwurzelhämatom (z. B. Bauchtrauma oder Antikoagulation) oder durch Tumoren (Lymphome, Karzinome).
B-1.268
Differenzierung der Ileuslokalisation a Schematische Darstellung unterschiedlicher Ileuslokalisationen. b Meteoristisch geblähte Dünndarmschlingen mit Spiegelbildung (?) bei Ileus in der Abdomenleeraufnahme.
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B 1.14 Akutes und unklares Abdomen
Die sekundären Formen sind häufiger und treten reflektorisch (z. B. nach Koliken, Laparotomien, stumpfen Bauchtraumen, Peritonitis, Sepsis), bei Entzündungen (z. B. intraabdominelle Abszesse, diffuse bakterielle Peritonitis) und bei Stoffwechselerkrankungen (z. B. akute intermittierende Porphyrie, Diabetes mellitus, Urämie, Hypokaliämie). Medikamentenapplikationen (z. B. Spasmolytika) oder Medikamente wie z. B. Opiate, Parkinsonmedikamente und Antidepressiva können zu einem paralytischen Ileus führen. Im Endstadium eines mechanischen Ileus kann ein paralytischer Ileus toxisch bedingt (s. u.) auftreten. Darüber hinaus wurde auch ein idiopathischer paralytischer Ileus (Synonym: Ogilvie-Syndrom) von Ogilvie (1948) beschrieben. Diese Ileusform wird auch als „idiopathische Pseudoobstruktion“ bezeichnet, da sie überwiegend bei älteren Menschen im Bereich des Zökum und Colon ascendens auftritt, ohne dass eine Ursache gefunden werden kann. Leitsymptom ist eine massive Kolondilatation (Abb. B-1.269), die unbehandelt zu einer Zökumperforation führen kann. Ätiologisch wird ein Überwiegen des Sympathikotonus mit konsekutiver Peristaltikhemmung angenommen. Dadurch ließe sich das Vorkommen eines Ileus z. B. nach operativen Eingriffen im Wirbelsäulen-Becken-Bereich, bei Polytraumen, bei septischen Zuständen oder bei Affektionen des Retroperitoneums erklären.
573 Der häufiger auftretende sekundäre paralytische Ileus tritt reflektorisch, bei Stoffwechselerkrankungen, nach Medikamentenapplikation oder -einnahme sowie toxisch bedingt (Endstadium eines mechanischen Ileus) auf.
Eine Sonderform stellt der idiopathische paralytische Ileus dar, der ohne erkennbare Ursache auftritt. Deshalb wird diese Ileusform auch als idiopathische Pseudoobstruktion bezeichnet (Synonym: Ogilvie-Syndrom) (Abb. B-1.269). Leitsymptom ist eine massive Kolondilatation, die unbehandelt zu einer Zökumperforation führen kann.
Mechanischer Ileus
Mechanischer Ileus
Ätiologie: Ein mechanischer Ileus wird durch ein Hindernis in der Darmpassage ausgelöst. Ursachen für ein solches Hindernis sind: ■ Strangulation: Die Abschnürung eines Darmabschnittes mit gleichzeitiger Durchblutungsstörung der Darmwand (Cave: Möglichkeit der Entstehung eines Mesenterialinfarktes!) kann in den folgenden Fällen auftreten: – infolge einer Darmabknickung bei Verwachsungen (Adhäsionen bzw. Briden oder Peritonealkarzinosen, Abb. B-1.270) – durch Einklemmung in eine innere oder äußere Hernie (Inkarzeration) (Abb. B-1.271) – durch Ausbildung eines Volvulus (Darmverschlingung) – durch Invagination (meist bei Kindern, Abb. B-1.270).
Ätiologie: Mögliche Ursachen eines mechanischen Ileus sind die Strangulation und die Obstruktion. ■ Strangulation bezeichnet die Abschnürung eines Darmabschnittes mit gleichzeitiger Durchblutungsstörung der Darmwand infolge: – Darmabknickung bei Verwachsungen (Abb. B-1.270) – Einklemmung in eine innere oder äußere Hernie (Abb. B-1.271) – Ausbildung eines Volvulus – Invagination (Abb. B-1.270).
Die häufigsten Ursachen des mechanischen Ileus sind Briden und Adhäsionen (50 %), gefolgt von Hernien (25 %) und Tumoren (10 %). Andere Ursachen (z. B. Invagination, Volvulus, Fremdkörper) sind selten.
Häufigste Ursachen des mechanischen Ileus sind: – Briden, Adhäsionen (50 %), – Hernien (25 %), – Tumoren (10 %).
B-1.269
Extrem geblähtes Colon ascendens und Zökum bei einem Patienten mit Ogilvie-Syndrom
b
a
a Abdomenleeraufnahme. b Intraoperativer Situs.
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B 1 Viszeralchirurgie
574 B-1.270
Strangulationsileus
a
b
c
d
I durch Bride: a Deutlich sichtbare Einschnürung (?) mit „Ileusdarm“ links und „Hungerdarm“ rechts davon. b Nach Durchtrennung der Bride deutlich sichtbare Schnürfurche mit Angleichen des unterschiedlich dicken Darmdurchmessers. II durch ileo-ileale Invagination c Die eingeführte Klemme demonstriert die Invaginationstiefe. d An dem Dünndarmpräparat deutet die Pinzette die Tiefe des Invaginats an, das schon Zeichen einer irreversiblen Durchblutungsstörung hat.
■
■
Obstruktion ist die Verlegung des Darmes ohne Durchblutungsstörungen durch: – Verlegung der Darmlichtung z. B. durch Fremdkörper, Parasiten, Gallen- oder Kotsteine, Atresien (Obturationsileus, s.a. Abb. B-1.272) – Verdickung der Darmwand, z. B. durch Tumoren oder Entzündungen (Abb. B-1.273) – Kompression von außerhalb der Darmwand, z. B. durch Lymphome oder gynäkologische Tumoren (Okklusionsileus, Abb. B-1.272). Gallensteinileus: Ein Gallenstein gelangt über eine cholezysto-duodenale Fistel in den Darmtrakt und verschließt den Dünndarm (Abb. B-1.272 a).
Pathophysiologie: Gemeinsames Merkmal der verschiedenen Ileusformen ist die Stase, d. h. der Darminhalt wird nicht weitertransportiert. Folge hiervon ist eine Distension der Darmwand mit Minderperfusion und lokaler Hypoxie. Dies bewirkt eine lokale Funktionseinschränkung. Abhängig von der Höhe und der Ursache des Verschlusses resultieren
■
■
Obstruktion: Die Verlegung des Darmes ohne Durchblutungsstörung wird als Obstruktion bezeichnet. Auch hierbei sind mehrere Ursachen möglich: – Verlegung der Darmlichtung z. B. durch Fremdkörper (Haare, unverdaute Nahrungsmittel, Parasiten, Gallen- oder Kotstein) oder durch Atresien (Obturationsileus, Abb. B-1.272) – Verdickung der Darmwand, z. B. durch Tumoren oder Entzündungen (Abb. B-1.273) – durch Kompression von außerhalb der Darmwand, wie z. B. durch Lymphome oder gynäkologische Tumoren (Okklusionsileus, (Abb. B-1.272).
Gallensteinileus: Über eine cholezysto-duodenale Fistel gelangt ein Gallenstein in den Darmtrakt und verschließt den Dünndarm (Abb. B-1.272 a) z. B. an der Bauhin-Klappe am kolo-ilealen Übergang.
Pathophysiologie: Gemeinsames Merkmal der verschiedenen Ileusformen ist die Stase, d. h. der Darminhalt wird nicht weitertransportiert. Folge hiervon ist eine Distension der Darmwand mit Minderperfusion und lokaler Hypoxie, was eine lokale Funktionseinschränkung bewirkt. In Abhängigkeit von der Höhe des Verschlusses sowie seiner primären Ursache (z. B. Strangulationsileus) kommt es durch die Stase zu unterschiedlichen pathophysiologischen Abläufen, die unbehandelt jeweils zum Multiorganversagen führen können.
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B 1.14 Akutes und unklares Abdomen
B-1.271
Bauchnarbenbruch
a Seitenansicht.
B-1.272
a
c
575
b Kontrastdarstellung des Bruchinhaltes.
Formen des mechanischen Ileus
b
a Dünndarmileus durch einen Gallenstein im Jejunum: Der Gallenstein wird von einer Overholt-Klemme in einer Dünndarmeröffnung gefasst. b Obstruktionsileus durch Darmwandverdickung mit fast totaler Verlegung des Darmlumens durch Entzündung im aufgeschnittenen Dünndarmsegment. c Okklusionsileus durch einen Desmoidtumor in der Mesenterialwurzel mit dadurch saitenartig aufgespanntem Dünndarm.
Während beim hohen Dünndarmileus die Gefährdung des Patienten hauptsächlich durch den Flüssigkeits- und Elektrolytverlust (u. a. durch stasebedingten Reflux und Erbrechen) bedingt ist, kommt es bei den anderen Ileusformen hauptsächlich zu einer durch Mukosaschädigung bedingten Wanderung von Erregern durch die Darmwand (Translokation). Es resultiert eine Durchwanderungsperitonitis. Auf dem Blutweg kommt es zur Endotoxinämie, der Ausschwemmung von Erregern und Toxinen. Hieraus resultieren die einzelnen pathophysiologischen Abläufe, die in Abb. B-1.274 zusammengestellt sind.
durch die Stase unterschiedliche pathophysiologische Abläufe, die unbehandelt jeweils zum Multiorganversagen führen können. Eine schematische Darstellung der wichtigsten pathophysiologischen Vorgänge bei unterschiedlichen Ileusformen zeigt Abb. B-1.274.
Klinik: Führende Symptome der Ileuskrankheit sind abdominelle Schmerzen, Übelkeit, Aufstoßen, Erbrechen, Meteorismus sowie Stuhl- und Windverhalt. In Abhängigkeit von Ursache und Lokalisation des Ileus stellen sie sich in unterschiedlicher Ausprägung und Reihenfolge dar (Tab. B-1.70).
Klinik: Die führenden Symptome der Ileuskrankheit und ihren Ausprägungsgrad zeigt Tab. B-1.70.
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B 1 Viszeralchirurgie
576 B-1.273
B-1.273
Dickdarmileus Röntgenkontrast-Darstellung bei Dickdarmileus mit Nachweis einer vollständigen Stenose im Sigma durch einen entzündlichen Sigmatumor (Divertikulitis).
Wichtige pathophysiologische Vorgänge bei unterschiedlichen Ileusformen
B-1.274
B-1.70
Symptomatik bei unterschiedlichen Ileusformen
Ursache
Schmerz
Erbrechen
Stuhl-/Windverhalt
Meteorismus
Peristaltik
eher gering
sofort, voluminös
fehlt
fehlt
regelrecht
kolikartig (peristaltiksynchron) krampfartig
vorhanden
vorhanden
vorhanden
spät (mit Koterbrechen = Miserere)
frühzeitig
ausgeprägt
hochgestellt, klingend, Durchspritzgeräusche hochgestellt, klingend, Durchspritzgeräusche
Strangulation
oft plötzlicher Beginn
oft anfangs
zunehmend
zunächst gesteigert, später fehlend
Paralyse
fehlt
vorhanden
vorhanden
vorhanden
Obstruktion ■
■
■
hoher Dünndarmileus tiefer Dünndarmileus Dickdarmileus
fehlt („Grabesstille“)
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B 1.14 Akutes und unklares Abdomen
577
Diagnostik: Die Sonographie und die Abdomenübersichtsaufnahme (in Linksseitenlage oder im Stehen) gehören zu den diagnostischen Standardverfahren (S. 9). Die Sonographie lässt eine Beurteilung der Peristaltik und damit ggf. eine Differenzierung in paralytischen oder mechanischen Ileus zu. Im Frühstadium des mechanischen Ileus zeigt sich eine Hyperperistaltik (Pendelperistaltik) und mit Luft und Flüssigkeit gefüllte Darmschlingen (Abb. B-1.275 a). Im Spätstadium des mechanischen Ileus lässt sich dieser nicht mehr vom paralytischen unterscheiden. In beiden Fällen zeigen sich extrem dilatierte Darmschlingen bei aufgehobener Peristaltik. Gelegentlich findet sich im Sonographiebild ein sog. „Strickleitermuster“ (Abb. B-1.275 b). Dies ist ein Phänomen, das bei erweiterten Dünndarmschlingen beobachtet wird, letztlich aber keine ileusspezifische Bedeutung besitzt. Die radiologische Darstellung kann bei charakteristischer Anordnung der Flüssigkeitsspiegel einen Rückschluss auf die Verschlusslokalisation zulassen.
Diagnostik: Die Sonographie und die Abdomenübersichtsaufnahme gehören zu den diagnostischen Standardverfahren (S. 9). Die Sonographie lässt ggf. eine Differenzierung in paralytischen oder mechanischen Ileus zu. Letzterer zeigt im Frühstadium eine Hyperperistaltik und mit Luft und Flüssigkeit gefüllte Darmschlingen (Abb. B-1.275 a), im Spätstadium ist bei aufgehobener Peristaltik die Unterscheidung zum paralytischen Ileus nicht mehr möglich. Durch distendierte Dünndarmschlingen kann sonographisch das Bild eines Strickleitermusters entstehen (Abb. B-1.275 b).
왘 Merke. Bei hohem Verschluss sind wenige Spiegel, bei tiefem Verschluss
왗 Merke
multiple Spiegel und bei Dickdarmverschluss ist ein Kolonrahmen sichtbar. Therapie: Siehe Sofortmaßnahmen (S. 570). Im Rahmen der konservativen Therapie kann die Darmmotilität ggf. durch einen Darmeinlauf angeregt werden und eine koloskopische Darmabsaugung ggf. mit Stenteinlage Linderung der Symptome bewirken. Bei intraabdomineller Entzündung muss eine Antibiotikatherapie erfolgen. 왘 Merke. Auf keinen Fall darf bei einem mechanischen Ileus eine Therapie mit
Therapie: Siehe Sofortmaßnahmen (S. 570). Konservative Therapiemaßnahmen sind: Darmeinlauf, koloskopische Darmabsaugung sowie Antibiotikatherapie bei intraabdomineller Entzündung. 왗 Merke
peristaltikanregenden Medikamenten (z. B. Neostigmin) durchgeführt werden! Dies würde einen desolaten Verlauf beschleunigen. Bei chirurgischen Patienten wird die Häufigkeit der Ileusoperationen mit 0,3 % aller Laparotomien angegeben. Die postoperative Letalität ist mit 25 % heute immer noch hoch, sie ist jedoch im Wesentlichen bedingt durch die Komorbidität der zunehmend älter werdenden Patienten und eine oft zugrunde liegende therapieresistente Grunderkrankung (z. B. Mesenterialinfarkt, Peritonealkarzinose). Grundsätzlich ist bei der Behandlung des Ileus ein möglichst frühzeitiger operativer Eingriff (Ausnahme: Paralytischer Ileus) entscheidend, um die Entwicklung einer bakteriellen Peritonitis zu vermeiden. Der alte chirurgische Leitsatz „Über einem Ileus darf die Sonne weder auf- noch untergehen!“ gilt auch heute noch nahezu ausnahmslos: Eine Verschiebung der Sofortoperation darf jedoch in begründeten Ausnahmefällen erfolgen, nämlich wenn über einen
B-1.275
Therapie: Die Häufigkeit der Ileusoperationen liegt bei 0,3 % aller Laparotomien. Die postoperative Letalität ist mit 25 % hoch, entscheidend für das OP-Resultat ist der frühzeitige operative Eingriff (Ausnahme: Paralytischer Ileus). Der alte chirurgische Leitsatz „Über einem Ileus darf die Sonne weder auf- noch untergehen!“ gilt auch heute noch. Eine Verschiebung der Sofort-Operation ist in Ausnahmefällen indiziert, nämlich wenn eine sofort eingeleitete Intensivtherapie zu einer deutlichen Verbesserung des Allgemeinzustandes und zur Minderung des Operationsrisikos führt.
Ultraschalluntersuchung des Abdomens bei Ileus
a Sonographisch sichtbare distendierte und flüssigkeitsgefüllte Dünndarmschlingen (?).
b Die Kerckring-Falten zeigen das Bild des „Strickleitermusters“ (?).
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Die therapeutischen Möglichkeiten der operativen Therapie zeigt Tab. B-1.69. Vorbereitend zur operativen Therapie sind allgemeine Maßnahmen durchzuführen. Beim paralytischen Ileus steht die Ursachenbeseitigung an erster Stelle. Daneben besteht die konservative Therapie in einer Dekompression des Darmes und ggf. in der medikamentösen Peristaltikanregung. Bei den meisten funktionellen Ileusformen handelt es sich streng genommen um eine sympathikotone Hemmung. Erste therapeutische Maßnahme sollte daher deren Beseitigung sein (z. B. Spinalanästhesie). Alternativ ist eine medikamentöse Sympathikolyse möglich. Eine absolute Operationsindikation ergibt sich z. B. bei fortgeschrittenem Krankheitsbild mit bestehender Peritonitis.
Peritonitis und Perforation 왘 Definition
B 1 Viszeralchirurgie
begrenzten Zeitraum von wenigen Stunden eine sofort eingeleitete Intensivtherapie zu einer deutlichen Verbesserung des Allgemeinzustandes und zur Minderung des Operationsrisikos führt (z. B. kardiopulmonale Stabilisierung, Elektrolytausgleich). Die therapeutischen Möglichkeiten und Notwendigkeiten der operativen Therapie sind in Tab. B-1.69 zusammengefasst. Vorbereitend zur operativen Therapie sind allgemeine Maßnahmen (s.o., Elektrolytsubstitution, Magen-, Blasendrainage etc.) durchzuführen. Beim paralytischen Ileus steht die primäre Ursachenbeseitigung an erster Stelle. Daneben besteht die konservative Therapie in einer Dekompression des paralytisch gestauten Darms und ggf. in der medikamentösen Peristaltikanregung. Streng genommen liegt bei den meisten funktionellen Ileusformen, dem paralytischen Ileus (posttraumatisch, nach Laparotomien, Peritonitiden), keine echte Paralyse vor, sondern eine sympathikotone Hemmung u. a. der Rezeptoren des Auerbach-Plexus. Deshalb sollte der erste therapeutische Schritt die Lösung dieser Hemmung darstellen (und nicht die Stimulation einer Paralyse). Diese Hemmung lässt sich nachhaltig durch eine Spinal- oder Periduralanästhesie beheben. Die modernen perioperativen Konzepte („Fast-Track Konzept“, S. 43) in der elektiven Dickdarmchirurgie berücksichtigen diese pathophysiologischen Aspekte. Alternativ ist eine medikamentöse Sympathikolyse (z. B. durch Dihydroergotamin) mit evtl. anschließender Gabe von Peristaltika (z. B. Neostigmin) möglich. Eine absolute Operationsindikation ergibt sich bei fortgeschrittenem Krankheitsbild mit bestehender Peritonitis.
Peritonitis und Perforation 왘 Definition. ■
■
Als Perforation (s. u., S. 328) wird die unnatürliche Eröffnung eines Hohlorgans bezeichnet. Sie kann traumatisch von außen (Stich, Schuss, Punktion) oder durch pathologische Prozesse oder iatrogen von innen erfolgen (Entzündung, Überblähung, durch Endoskop). Die Perforation führt in der Regel unbehandelt zur Peritonitis. Eine Peritonitis ist eine diffuse oder lokalisierte Entzündung des Bauchfells.
Peritonitis
Peritonitis
Einteilung: Man unterscheidet eine primäre von einer sekundären Peritonitis. Nach der Ausdehnung werden eine lokalisierte und eine generalisierte Form sowie nach dem Auftreten eine akute oder chronisch-exsudative Peritonitis differenziert. Entsprechend der Ätiologie unterscheidet man eine bakterielle, chemisch-toxische sowie eine strahlungsbedingte Form.
Einteilung: Man unterscheidet eine primäre von einer sekundären Peritonitis. Weiterhin lassen sich nach der Ausdehnung eine lokalisierte und generalisierte (diffuse) Form sowie nach dem Auftreten eine akute oder chronisch-exsudative Form differenzieren. Gemäß der Ätiologie unterscheidet man folgende Formen: Bakteriell (ca. 95 %), chemisch-toxisch (z. B. durch Gallenflüssigkeit, Urin oder Röntgen-Kontrastmittel bei Perforation) oder strahlungsbedingt. Pathoanatomisch können eine seröse, fibrinöse, hämorrhagische, gallige, eitrige (= purulente) und karzinomatöse sowie kotige (sterkorale) Form unterschieden werden.
Ätiologie: Die primäre Peritonitis ist selten und entsteht durch Invasion der Bauchhöhle mit Bakterien (hämatogen oder lymphogen aszendierend). Diese Form der Peritonitis tritt gehäuft bei Kindern (v. a. Mädchen) auf. Bei Erwachsenen wird diese insbesondere bei Vorliegen von Risikofaktoren diagnostiziert. ■ Die weitaus häufigere sekundäre Peritonitis setzt eine weitere Schädigung im Abdomen mit folgender Keimbesiedlung voraus. In der Regel stellt der Gastrointestinaltrakt das Erregerreservoir dar (Abb. B-1.276). Die Kontamination kann durch Perforation eines Hohlorgans, iatrogen (z. B. durch Nahtinsuffizienz oder direkt durch Abklatsch) oder infolge einer
Ätiologie: ■ Die primäre Peritonitis ist ein seltenes Krankheitsbild und betrifft nur ca. 1 % aller Peritonitiden. Sie entsteht durch hämatogene oder lymphogen aszendierende (z. B. via Adnexe bei Pelveoperitonitis der Frau als Komplikation einer Adnexitis) Invasion der Bauchhöhle mit Bakterien. Die häufigsten Erreger sind Streptokokken und Pneumokokken, zunehmend auch Staphylokokken und gramnegative Keime. Dieses Krankheitsbild wird gehäuft bei Kindern, insbesondere bei Mädchen beobachtet. Bei Erwachsenen tritt diese Form der Peritonitis überwiegend bei Vorliegen von Risikofaktoren (z. B. Immunsuppression, Aszites bei Leberzirrhose) auf. Hier sind v. a. Keime der Darmflora (v. a. E. coli) auslösende Erreger. Darüber hinaus kann eine primäre Peritonitis infolge einer Tuberkelinfektion auftreten und betrifft alle Altersgruppen. ■ Die weitaus häufigste Peritonitisform stellt die sekundäre Peritonitis dar. Voraussetzung hierfür ist eine vorausgegangene Schädigung im Abdomen mit anschließender Keimbesiedelung der Bauchhöhle. In der Regel stellt der Gastrointestinaltrakt das Erregerreservoir dar (Abb. B-1.276). Die Kontamina-
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B 1.14 Akutes und unklares Abdomen
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tion kann durch Perforation eines Hohlorgans, iatrogen (z. B. durch Nahtinsuffizienz oder bei direkter intraoperativer Infektion durch Abklatsch), nach Penetration eines entzündlichen Prozesses, postoperativ, posttraumatisch oder infolge einer Durchwanderung stattgefunden haben. Außer diesen, bakteriellen sekundären Peritonitiden sind auch sekundäre abakterielle Peritonitiden bekannt. Diese werden z. B. bei einer Peritonealkarzinose, bei Fremdkörperkontakt (z. B. Galle, Puder, Barium) oder bei Stoffwechselerkrankungen beobachtet. Die mit dem Peritoneum in Kontakt gekommenen Erreger werden auf unterschiedlichen Wegen eliminiert: Im Bereich des lymphatischen Endothels kann eine direkte Absorption der Bakterien durch Lücken der Zellgrenzen besonders an der kranialen Begrenzung des Abdomens stattfinden. Daraus kann eine Sepsis resultieren, da die Keime nach Einschwemmen in die Blutbahn über mediastinale Lymphbahnen bzw. den Ductus thoracicus der systemischen Abwehr zugeführt werden. Die zweite Möglichkeit der Elimination von Erregern bei der sekundären Peritonitis stellt die Phagozytose von Bakterien dar. Vereinfacht dargestellt kommt es nach Fremdkörperreiz durch die eingedrungenen Bakterien zur Freisetzung einer Kaskade von Mediatoren (S. 225).
Physiologie und Pathophysiologie: Das Peritoneum viscerale überzieht alle intraabdominellen Organe, das Peritoneum parietale alle diese Organe begrenzenden Strukturen. Das Peritoneum besteht aus einer Schicht sogenannter Mesothelzellen, die infolge ihres besonderen histologischen Aufbaus (einschichtiger, mikrovillireicher Zellverband mit reichlich Blut- und Lymphgefäßen sowie Nervenfasern) und der großen Oberfläche (ca. 2 m2) für Resorption und Exsudation prädestiniert sind. Infolge des Zusammenwirkens der Mesothelzellschicht mit den angrenzenden Zellschichten (Kapillaren, RES, vegetative Nerven) entsteht ein gerichteter Flüssigkeitsstrom, der durch „Wischbewegungen“ des großen Netzes beeinflusst wird. Bei einer Peritonitis bewirkt dieser Flüssigkeitsstrom die Entstehung bevorzugter Lokalisationsorte der Abszessbildung: Der Oberbauch wird nach kranial, der Mittel- und Unterbauch nach kaudal drainiert. Zusätzlich gelangt infiziertes Peritonealsekret über die Lymphbahnen in den systemischen Kreislauf und kann das Bild einer Sepsis hervorrufen. Aus der dadurch initiierten Permeabilitätserhöhung der mesothelnahen Gefäße resultiert die Phagozytose von Keimen durch Einstrom von Granulozyten. Weiterhin bewirkt die Permeabilitätssteigerung die Exsudation eines eiweißreichen Ödems. Dies kann infolge der großen Oberfläche des Peritoneums über einen Flüssigkeitsverlust zu einem erheblichen intravasalen Volumenmangel mit der Entwicklung eines Schocks führen. Durch die Ödembildung findet eine Abgrenzung der peritonealen Infektion durch Abszessbildung statt. Die dadurch initiierte lokalisierte Fibrinbildung kann in Verbindung mit einer völlig aufgehobenen fibrinolytischen Komponente zu einer generalisierten peritonea-
B-1.276
Schwere Peritonitis mit putriden Fibrinbelägen
579 Durchwanderung stattgefunden haben. Die abakterielle Peritonitis tritt z. B. bei Peritonealkarzinose, Fremdkörperkontakt oder Stoffwechselerkrankungen auf.
Physiologie und Pathophysiologie: Das Peritoneum viscerale überzieht alle intraabdominellen Organe, das Peritoneum parietale alle diese Organe begrenzenden Strukturen. Es ist durch den histologischen Aufbau besonders geeignet für Resorption und Exsudation. Bei entzündlichen Prozessen kommt es durch den gerichteten Flüssigkeitsstrom zur Abszessbildung an prädisponierten Lokalisationen: Der Oberbauch wird nach kranial, der Mittel- und Unterbauch nach kaudal drainiert.
Eine Permeabilitätserhöhung der mesothelnahen Gefäße bewirkt die Phagozytose von Keimen durch Einstrom von Granulozyten. Weiterhin bewirkt die Exsudation eines eiweißreichen Ödems einen zum Teil erheblichen Flüssigkeitsverlust ggf. mit der Entwicklung eines Schocks.
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B 1 Viszeralchirurgie
len Fibrinbildung führen. Dadurch werden zwar die Bakterienrasen abgekapselt (ggf. mit Abszessbildung), die Phagozytose der Keime wird jedoch erschwert und die Medikamentenwirkung aufgehoben. Klinik: Abhängig von der Ausdehnung der Peritonitis reichen die Symptome von Schmerzen, einer lokalisierten, willentlich durchbrechbaren Abwehrspannung (Défense) bis zu brettharten Bauchdecken mit Allgemeinsymptomen und Schocksymptomatik.
Klinik: Die meisten Patienten klagen über Symptome eines akuten Abdomens. Abhängig von der Ausdehnung der Peritonitis reichen die Symptome von Schmerzen, einer lokalisierten, willentlich durchbrechbaren Abwehrspannung (Défense = reflektorische Anspannung der Bauchdeckenmuskulatur) bis zu brettharten, äußerst berührungsempfindlichen Bauchdecken und einer Schonhaltung des Patienten. Weitere charakteristische Beschwerden sind starke, bewegungsabhängige Schmerzen mit begleitenden Allgemeinsymptomen (z. B. Fieber) sowie eine Störung der Peristaltik (Meteorismus, Übelkeit, Erbrechen, aufgetriebenes Abdomen, ggf. paralytischer Ileus) und im fortgeschrittenen Stadium der diffusen Peritonitis Schockzeichen.
Diagnostik: Siehe Anamnese und klinische Untersuchung des akuten/unklaren Abdomens (S. 566). Weiterhin Bestimmung der Laborwerte, Sonographie und Röntgen-Abdomenübersicht. Im Verdachtsfall erfolgt der Nachweis durch peritoneale Punktion (Keimgewinnung mit anschließender bakteriologischer Untersuchung).
Diagnostik: Siehe Anamnese und klinische Untersuchung des akuten bzw. unklaren Abdomens (S. 566). Weitere diagnostische Maßnahmen sind die Bestimmung der Laborwerte (insbesondere postoperativ bei schlecht palpablem Abdomen wichtig), die Sonographie (Nachweis freier Flüssigkeit) und die Röntgen-Abdomenübersichtsaufnahme (Spiegelbildung, freie Luft?). Der Nachweis erfolgt im Verdachtsfall durch eine peritoneale Punktion zur Keimgewinnung mit anschließender bakteriologischer Untersuchung.
Differenzialdiagnosen: Ursachen des akuten Abdomens, Mesenterialinfarkt sowie Pseudoperitonitis müssen differenzialdiagnostisch abgeklärt werden.
Differenzialdiagnosen: Ursachen des akuten Abdomens, ein Mesenterialinfarkt sowie eine Pseudoperitonitis (bei diabetischer Ketoazidose, Porphyrie, Urämie, Sichelzellanämie, Morbus Addison und hereditärem Angioödem) müssen differenzialdiagnostisch abgeklärt werden.
Therapie: Primäres Therapieziel ist die Beseitigung des Peritonitis-Herdes. Im Gegensatz zur sekundären Peritonitis erfolgt die Therapie bei der primären Form konservativ mittels Antibiotikagabe. Die drei Säulen der Peritonitisbehandlung sind: ■ operative Herdsanierung, ■ intensivmedizinische Nachbehandlung, ■ suffiziente Antibiotikatherapie.
Therapie: Primäres Ziel der Therapie ist die Beseitigung des Peritonitis-Herdes. Die Therapie der ersten Wahl erfolgt bei der primären Peritonitis im Gegensatz zur sekundären Peritonitis ausschließlich konservativ mittels Antibiotikagabe, da eine chirurgische Herdsanierung nicht möglich ist. Knapp 90 % aller Peritonitiden lassen sich durch einen einmaligen operativen Eingriff erfolgreich behandeln. Die operative Herdsanierung mit anschließender intensivmedizinischer Nachbehandlung ergeben zusammen mit einer suffizienten Antibiotikatherapie die drei Säulen der Peritonitisbehandlung. Die operative Herdsanierung kann durch Ausspülen der Bauchhöhle und Einlage von Drainagen einzeitig oder kontinuierlich erfolgen. Weiterhin besteht die Möglichkeit einer Etappenlavage mit mehrfachen Revisionen. Die Bauchdecke wird hierbei nach dem Reißverschlussprinzip durch einen sogenannten Schienengleitverband zur Prophylaxe von Infektionen verschlossen. Die antibiotische Behandlung der Peritonitis umfasst bei zunächst unbekanntem Keimspektrum eine intravenöse Breitspektrum-Antibiose (z. B. Cephalosporin der 3. Generation oder Fluorchinolon der Gruppe 3 jeweils kombiniert mit Metronidazol). Die Dauer umfasst mindestens 5 – 7 Tage. Die Antibiose wird resistenzgerecht umgesetzt, sobald das Ergebnis der intraoperativ gewonnenen Antibiogramme vorliegt. Bei Langzeit-Antibiotikagabe kommt es gehäuft zu therapiebedürftigen Pilzinfektionen. Bei intensivmedizinischen Problempatienten mit Resistenzen unter Langzeit-Antibiose können alternativ Carbapeneme zum Einsatz kommen.
Die operative Herdsanierung kann einzeitig oder zweizeitig erfolgen. Bei zunächst unbekanntem Keimspektrum ist zunächst eine intravenöse BreitspektrumAntibiose indiziert. Bei intensivmedizinischen Problempatienten mit Resistenzen unter Langzeit-Antibiose können alternativ Carbapeneme gegeben werden.
Komplikationen: Typische Komplikationen sind der septische Schock (ggf. mit Multiorganversagen) und intraabdominelle Abszesse (s. u.). Spätkomplikationen sind intraabdominelle Verwachsungen und mechanischer Ileus (durch Adhäsionen).
Komplikationen: Typische Komplikationen einer Peritonitis sind der septische Schock mit Mulitorganversagen und die Ausbildung von intraabdominellen Abszessen (s. u.). Spätkomplikationen sind intraabdominelle Verwachsungen und ein durch Adhäsionen bedingter mechanischer Ileus
Prognose: Die Letalität ist relativ hoch (20 – 25 %) und steigt mit jeder Stunde Verzögerung der Therapie um ca. 1 % an. Prognose-Indizes ermöglichen eine Aussage über die Intensität der Peritonitiserkrankung. Beispiele hierfür sind der Mannheimer Peri-
Prognose: Die Letalität ist relativ hoch durch die Schockgefahr (20 – 25 %). Die Letalität steigt mit jeder Stunde Verzögerung der Therapie um ca. 1 %! Mithilfe von Prognose-Indizes kann eine Aussage über die Intensität der Peritonitiserkrankung gemacht werden. Diese sind der Mannheimer Peritonitis Index (MPI) und der 1985 entwickelte APACHE-II-Score (Acute Physiology And Chronic
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B 1.14 Akutes und unklares Abdomen
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Health Evaluation). Der Wert des MPI und des APACHE-Scores rekrutiert sich aus klinischen Angaben über den Patienten (MPI), kombiniert mit Laborwerten (APACHE). Prinzipiell errechnet sich der APACHE-Score aus den folgenden Parametern: 1. Jeweils schlechteste Parameter (Temperatur, Blutdruck, Herzfrequenz, Labor etc. plus Bewusstseinslage) der letzten 24 h, 2. Alter, 3. Begleiterkrankungen (Organinsuffizienz, Immunschwäche) und 4. operativer Status (Notfall-OP, Wahleingriff). Der resultierende Score ermöglicht eine Prognose (ca. 80 % Trefferquote) der Sterblichkeit des Peritonitis-Patienten.
tonitis Index (MPI) und der APACHE-II-Score (Acute Physiology And Chronic Health Evaluation).
Perforation
Perforation
Bezüglich der Perforationen eines Hohlorgans werden in diesem Kapitel nicht traumatisch entstandene Perforationen besprochen. Ätiologie: Die Ulkusperforation betrifft fast ausschließlich den Magen (Abb. B-1.277) und das Duodenum. Nach der Definition eines „Ulkus“ (= Epitheldefekt) kann sich auch in jedem anderen Darmabschnitt eine Perforation ausbilden. Die Perforationshäufigkeit eines Ulkus wird mit ca. 10 % angegeben. Hauptursache der Ulkusperforation ist der oft unkritische und zu lange Einsatz von nichtsteroidalen Antirheumatika oder COX-2-Hemmern. Außer Magen- und Duodenalperforationen im Rahmen einer Ulkuserkrankung sind Perforationen insbesondere im proximalen Dünndarm bekannt. Diese können Folge von Medikamenteneinnahme (z. B. Kaliumdragees), iatrogen (z. B. bei ERCP), von lokalen Durchblutungsstörungen und von Peritonitiden sein. Eine Ösophagusperforation kann spontan im Sinne einer Ruptur bei BoerhaaveSyndrom (s. u., S. 283) als auch iatrogen durch Endoskopie oder Legen einer Magensonde (in diesem Fall besteht meistens eine Vorschädigung) entstehen. Im fortgeschrittenen Stadium einer Malignomerkrankung kann es sowohl zu freien Perforationen des Tumors (Abb. B-1.277) als auch zu gedeckten Perforationen in ein Nachbarorgan kommen. Auf diese Art und Weise kommt es zu Fistelbildungen unterschiedlichster Kombination: Gastrokolisch, cholezystoduodenal bzw. cholezystokolisch etc. Klinik: Die Symptome einer Hohlorganperforation zeigen sich im Allgemeinen mit schlagartiger Heftigkeit. Gelegentlich wird jedoch eine zeitlich verzögerte und sich allmählich steigernde Schmerzsymptomatik beobachtet. Nach Perforation eines Magenulkus ist ein schneidender Schmerz im Epigastrium oder im rechten Oberbauch mit Ausstrahlung in den rechten Arm typisch. Dieser ist erklärbar durch Austreten von Mageninhalt in das Abdomen und Reizung des Peritoneums. Kommt es jedoch zu einem „Abdichten“ der Perforationsstelle durch das große Netz oder durch das umgebende Gewebe kann die Schmerz-
B-1.277
Ätiologie: Die Ulkusperforation betrifft fast ausschließlich den Magen (Abb. B-1.277) und das Duodenum. Weiterhin sind Perforationen besonders im proximalen Dünndarm, z. B. als Folge von Medikamentengaben (Kaliumdragees), iatrogen (ERCP) oder als Folge von lokalen Durchblutungsstörungen und von Peritonitiden bekannt.
Eine Ösophagusperforation kann spontan (Ruptur bei Boerhaave-Syndrom) (s. u., S. 283) als auch iatrogen (durch Endoskopie oder bei Legen einer Magensonde) entstehen. Im fortgeschrittenen Stadium einer Malignomerkrankung kann es zur freien Perforation des Tumors kommen (Abb. B-1.277). Ebenso sind gedeckte Perforationen in ein Nachbarorgan möglich (Cave: Fistelbildung!). Klinik: Die Symptome zeigen sich meist mit schlagartiger Heftigkeit. Gelegentlich wird eine zeitlich verzögerte und sich allmählich steigernde Schmerzsymptomatik beobachtet. Typisch nach Perforation eines Magenulkus ist ein schneidender epigastrischer Schmerz im rechten Oberbauch mit Ausstrahlung in den rechten Arm.
Perforation des Magens
a Perforiertes Magenulkus: Große Perforationsöffnung eines präpylorischen Magenulkus.
b Perforiertes Magenkarzinom: Spontanperforation (aufgehaltene Perforationsöffnung).
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B 1 Viszeralchirurgie
Die Symptomatik kann aber auch überraschend gering ausfallen und verzögert auftreten. Dies ist der Fall z. B. bei Kolonperforation nach Polypektomie eines Kolonpolypen mit der Diathermieschlinge (Schmerzen nach ca. 3 – 5 Tagen). Eine Anastomoseninsuffizienz wird ab dem 5.– 7. postoperativen Tag symptomatisch. Typische Zeichen bei spontaner Ösophagusruptur sind forciertes Erbrechen, Mediastinalschmerz und Fieber (rasche klinische Verschlechterung ist Zeichen einer Mediastinitis).
symptomatik überraschend gering ausfallen. Beispielsweise können bei Kolonperforation nach einer Polypektomie eines Kolonpolypen mit der Diathermieschlinge Schmerzen erst nach ca. 3 – 5 Tagen auftreten. Erst dann wird die Perforation aufgrund der Wandnekrose im Diathermiebereich relevant, Kot tritt aus und führt zur peritonealen Reizung. Gleiches spielt sich im Bereich einer Anastomoseninsuffizienz ab, die typischerweise am 5. bis 7. postoperativen Tag symptomatisch wird und durch Röntgendarstellung mit wasserlöslichem Kontrastmittel nachgewiesen wird. Eine spontane Ösophagusruptur (Boerhaave-Syndrom) geht typischerweise mit forciertem Erbrechen (z. B. nach Alkoholexzess), Mediastinalschmerz und Fieber einher. Eine rasche klinische Verschlechterung ist ein Zeichen der beginnenden Mediastinitis.
Diagnostik: Anamnese, Peritonismus sowie Nachweis freier Luft im Abdomen sind ausreichend für die Diagnosestellung.
Diagnostik: Die typische Anamnese, Peritonismus bei der klinischen Untersuchung und der Nachweis „freier Luft“ entweder in der Röntgen-AbdomenÜbersicht (im Stehen oder in Linksseitenlage) oder in der Computertomographie sind ausreichend für die Indikationsstellung der operativen Therapie.
Therapie: In der Regel ist die operative Sanierung Methode der Wahl.
Therapie: In der Regel muss eine abdominelle Perforation sofort operativ saniert werden. Denkbar sind jedoch auch in Ausnahmen konservative oder interventionelle Behandlungskonzepte mit Drainageneinlage (z. B. bei gedeckter Perforation durch gut umschriebenen Abszess bei Morbus Crohn, bei infauster Prognose der Grunderkrankung oder bei gedeckter Perforation mit minimaler Klinik).
Komplikationen: akut: Peritonitis. Spätkomplikationen: Spätabszesse, Stenosen und Verwachsungen.
Komplikationen: Eine typische akute Komplikation der Perforation ist die Peritonitis (s.o.). Spätkomplikationen von Perforationen sind Spätabszesse, Stenosen und Verwachsungen, die meist sekundär operativ saniert werden müssen.
Abszesse
Abszesse
왘 Definition
왘 Definition. Intraabdominelle Abszesse sind abgekapselte Eiteransammlungen in der Bauchhöhle.
Ätiologie: Ursachen sind gedeckte Perforationen, entzündliche Organerkrankungen sowie diffuse Peritonitis. Weiterhin ist eine Entstehung postoperativ, posttraumatisch und hämatogen möglich.
Ätiologie: Ursächlich sind gedeckte Perforationen, entzündliche Organerkrankungen und eine diffuse Peritonitis. Intraabdominelle Abszesse können auch postoperativ, posttraumatisch und hämatogen (selten) entstehen.
Lokalisation: Bei lokalisierten Peritonitiden des Oberbauches ist ein subphrenischer oder subhepatischer Abszess zu erwarten, bei Mittel- oder Unterbauchperitonitiden ein Douglasabszess (Abb. B-1.278). Weitere mögliche Lokalisationen sind im Dünndarm, para- und retrokolisch, perityphlitisch und perisigmoidal sowie in Leber, Milz und Pankreas.
Lokalisation: Typischerweise bilden sich intraabdominelle Abszesse bevorzugt an folgenden Lokalisationen aus: Bei lokalisierten Peritonitiden des Oberbauches ist ein subphrenischer oder subhepatischer Abszess zu erwarten, bei Mitteloder Unterbauchperitonitiden ein Douglasabszess (Abb. B-1.278). Weiterhin können intraabdominelle Abszesse im Dünndarm (Schlingenabszess), para- und retrokolisch, perityphlitisch und perisigmoidal lokalisiert sein sowie in Leber, Milz und Pankreas.
Keimspektrum: Die bakterielle Peritonitis wird zu ca. 2/3 durch Stämme der Kolibakterien, gefolgt von Streptokokken, Anaerobiern und Mischinfektionen hervorgerufen.
Keimspektrum: Abstriche dienen der Bestimmung des Erregerreservoirs bei bakterieller Peritonitis. Es besteht zu ca. 2/3 aus Stämmen der Kolibakterien, gefolgt von Streptokokken, Anaerobiern und Mischinfektionen. Dieses Keimspektrum ist aber nicht mit der physiologischen Flora des Magen-Darm-Traktes identisch.
Klinik: Typische Symptome sind Rötung, Schwellung, Schmerzen und systemische Entzündungszeichen.
Klinik: Typische klinische Zeichen von Abszessen sind Rötung, Schwellung, Schmerzen und systemische Entzündungszeichen.
Diagnostik: Blickdiagnostik und ggf. Sonographie (bei oberflächlichen Abszessen). Bei ausgedehnten intra- bzw. retroperitonealen oder komplexen Befunden ist die CT indiziert. Die Sicherung der Verdachtsdiagnose erfolgt durch Punktion.
Diagnostik: Bei oberflächlich gelegenen Abszessen sind Blickdiagnostik (Axilla, Leiste, Anus) und ggf. Sonographie ausreichend. Bei ausgedehnten intra- bzw. retroperitonealen oder komplexen Befunden ist eine CT indiziert. Eine Punktion kann die Verdachtsdiagnose sichern, ist jedoch häufig entbehrlich.
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B 1.14 Akutes und unklares Abdomen
B-1.278
Typische Lokalisationen von intraabdominellen Abszessen
583 B-1.278
Therapie: Abszessexzision, Kürettage und Spülung mit offener Wundbehandlung oder Vakuumversiegelung sind die Verfahren der Wahl. Ein Primärverschluss ist die Ausnahme, z. B. nach kompletter Exzision ohne Eröffnung.
Therapie: Verfahren der Wahl sind Abszessexzision, Kürettage und Spülung mit offener Wundbehandlung oder Vakuumversiegelung.
Blutungen
Blutungen
Ätiologie: Isolierte intraabdominelle Blutungen sind selten und werden am häufigsten im Zusammenhang mit Abdominaltraumen oder Antikoakulation beobachtet. Da freies Blut in der Peritonealhöhle wie ein Fremdkörper wirkt, löst nur diese Form der Blutung ein akutes/unklares Abdomen aus (Abb. B-1.279). Hiervon abzugrenzen sind die obere (Ösophagus bis Flexura duodenojejunalis) und die untere (Flexura duodenojejunalis bis Analkanal) gastrointestinale Blutung. Diese erzeugen sehr selten eine akute abdominelle Symptomatik und fallen typischerweise durch Hämatemesis (= Bluterbrechen) oder Meläna (= Teerstuhl) bzw. Hämatochezie (= peranaler Blutabgang in Form von Blutkoageln, Blutbeimengungen oder blutiger Diarrhö) auf (siehe auch S. 5). Es ist jedoch auch möglich, dass Blutungen aus dem Retroperitoneum ein akutes/unklares Abdomen erzeugen. Dabei kann es durch Ruptur des Peritoneums oder durch Diapedese zur intraabdominellen Ansammlung freien Blutes kommen. Entsprechendes gilt für massive Blutungen in die Bauchdecken: Rektusscheidenhämatome können ein akutes/unklares Abdomen vortäuschen. Mögliche nicht traumatische Ursachen für eine intraperitoneale Blutung sind Spontanrupturen von Tumoren. Hierbei handelt es sich insbesondere um Veränderungen parenchymatöser Organe wie Leber (z. B. Hämangiome, Adenome), Milz (z. B. zweizeitige Milzruptur, Perforation bei Milztumoren) oder um gynäkologische Erkrankungen (z. B. rupturierte Zysten, Extrauteringravidität, siehe Abb. B-1.280). Die Ursachen intra- und retroperitonealer Blutungen sind in Tab. B-1.71 dargestellt.
Ätiologie: Isolierte intraabdominelle Blutungen sind selten. Freies Blut in der Peritonealhöhle wirkt wie ein Fremdkörper und löst daher ein akutes/unklares Abdomen aus (Abb. B-1.279). Hiervon müssen die obere und die untere gastrointestinale Blutung abgegrenzt werden. Diese erzeugen sehr selten eine akute abdominelle Symptomatik. Leitsymptome sind: Hämatemesis, Meläna und Hämatochezie (siehe auch S. 5).
B-1.71
Ursachen intra- und retroperitonealer Blutungen
häufige Ursachen
Follikelsprung, Extrauteringravidität, traumatische Milzoder Leberruptur
seltene Ursachen
traumatischer Mesenterialeinriss, rupturiertes Aneurysma, Nierenlagerblutung
Auch Blutungen aus dem Retroperitoneum können ein akutes/unklares Abdomen erzeugen. Entsprechendes gilt für massive Blutungen in die Bauchdecken. Mögliche nicht traumatische Ursachen intraperitonealer Blutungen sind Spontanrupturen von Tumoren (Abb. B-1.280). Die Ursachen intra- und retroperitonealer Blutungen sind in Tab. B-1.71 dargestellt.
B-1.71
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
584 B-1.279
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.279
Isolierte intraabdominelle Blutung Intraabdominelle Einblutung nach Perforation eines Lebertumors.
B-1.280
B-1.280
Rupturierte Zyste Rupturierte „Schokoladenzyste“ bei einer 60-jährigen Patientin.
Klinik und Diagnostik: Die Symptome unterscheiden sich nicht von denen anderer Ursachen eines akuten Abdomens. Bei heftiger Blutung steht die Schocksymptomatik im Vordergrund. Die Diagnose kann im Idealfall durch Sonographie und Laborbefunde gestellt werden.
Klinik und Diagnostik: Die Symptome eines akuten Abdomens durch freie Blutmengen im Peritonealraum unterscheiden sich nicht spezifisch von den Syptomen anderer ursächlicher Krankheitsbilder des akuten Abdomens. Allerdings steht bei heftiger Blutung die Schocksymptomatik im Vordergrund. Die Diagnose lässt sich im Idealfall durch Kombination von Sonographiebefunden („freie Flüssigkeit“) und Laborbefunden stellen.
Therapie: Neben der Sicherung der Vitalfunktionen ist diese fast ausnahmslos operativ. In besonderen Fällen ist eine radiologisch-interventionelle Embolisation (= Coiling) indiziert. Im Rahmen der operativen Therapie werden klassische Blutstillungstechniken angewandt. Unterstützend können Frischplasma, Erythrozyten- und/oder Thrombozytenkonzentrate, Aprotinin oder Gerinnungsfaktoren (z. B. PPSB) gegeben werden.
Therapie: Neben der Sicherung der Vitalfunktionen ist diese fast ausnahmslos operativ. In besonderen Fällen, z. B. bei anatomisch ungünstiger Lage oder bei Vorliegen von ausgedehnten Verwachsungen, kann eine radiologisch-interventionelle Embolisation (= Coiling) der Blutung erwogen werden. Operativ kommen klassische Blutstillungstechniken wie Umstechung, Kompression und Resektion oder neuere Techniken wie Fibrinklebung und Fibrin-Vlies-Auflage, Infrarotkoagulation oder Argonplasma-Koagulation zum Einsatz. Unterstützend wirken die Gabe von Frischplasma, Erythrozytenkonzentraten, Thrombozytenkonzentraten, Aprotinin oder Gerinnungsfaktoren (PPSB), deren Indikation jedoch aufgrund der hohen Kosten gut abzuwägen ist.
Komplikationen: Volumenmangelschock, Gerinnungs- (DIC) und Passagestörungen aufgrund von Verwachsungen.
Komplikationen sind: Volumenmangelschock, Gerinnungsstörung im Sinne einer DIC und akut reflektorische oder später mechanische Passagestörungen aufgrund von Verwachsungen.
Durchblutungsstörungen (s.a. S. 1100)
Durchblutungsstörungen (s.a. S. 1100)
Die gefäßchirurgisch bedingten Ursachen eines akuten Abdomens sind fast ausschließlich in Veränderungen der Arterien (Aortenaneurysmen, Gefäßverschlüsse) begründet.
Gefäßchirurgisch bedingte Ursachen eines akuten Abdomens sind fast ausschließlich in Veränderungen der Arterien begründet. Hier steht das Aortenaneurysma im Vordergrund (S. 1138), gefolgt von zentral lokalisierten Gefäßverschlüssen der Viszeralarterien.
Ätiologie: Embolien, akute Thrombosen, Gefäßtraumen und dissezierende Aneurysmen.
Ätiologie: Ätiologisch kommen Embolien, akute Thrombosen, Gefäßtraumen und dissezierende Aneurysmen infrage.
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B 1.14 Akutes und unklares Abdomen
B-1.281
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Durchblutungsstörung des Darmes
a segmentaler (peripherer) Gefäßverschluss.
b zentraler Gefäßverschluss.
Klinik: Obgleich das Intestinum infolge der Gefäßarkadenbildung in ganzer Länge eine gute Durchblutung garantiert, können zentral liegende Arterienverschlüsse relevante Durchblutungsstörungen auslösen. Bei Überschreitung der Toleranzzeit von ca. 2 – 3 Stunden werden Durchblutungsstörungen der Viszeralgefäße klinisch manifest. Sie zeigen sich dann unter dem Bild eines Mesenterialinfarktes (Abb. B-1.281). Die Symptomatik verläuft typischerweise in Phasen: Zunächst klagt der Patient über akute abdominelle Schmerzen ggf. mit Diarrhö und Schock (ca. 6 Std.). Im Anschluss bildet sich die Symptomatik zurück (freies Intervall, ca. 6 – 12 Std.) mit relativ blandem Lokalbefund („fauler Friede“). Hierbei besteht häufig eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem schlechten Allgemeinzustand des Patienten und dem klinischen Untersuchungsbefund. Daher ist die Indikation zur Exploration (ggf. auch laparoskopisch) großzügig zu stellen. In der Spätphase (4 12 Std.) ist die Klinik bei Durchwanderungsperitonitis durch Symptome des akuten Abdomens gekennzeichnet (Meteorismus, bretthart gespannte Bauchdecken, Erbrechen, blutige Diarrhö durch Einblutung in die nekrotische Darmwand).
Klinik und Diagnostik: Überschreiten die Durchblutungsstörungen eine Toleranzzeit von 2 – 3 Stunden, zeigt sich das Bild eines Mesenterialinfarktes (Abb. B-1.281). Hierbei besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem schlechten Zustand des Patienten und dem allgemeinen Untersuchungsbefund. Die Indikation zur Exploration ist daher großzügig zu stellen. Die Symptomatik verläuft typischerweise in Phasen: 1. akute Schmerzen (ca. 6 Std.), 2. freies Intervall (ca. 6 – 12 Std.), 3. Spätphase (> 12 Std.) mit Symptomen des akuten Abdomens.
Diagnostik: Die Verdachtsdiagnose ist aufgrund der Anamnese und klinischen Untersuchung zu stellen. Zur weiteren Diagnostik dienen die farbkodierte Doppler-Sonographie, die Röntgen-Abdomenübersichtsaufnahme, ggf. die Spiral-CT mit i. v. Kontrastmittelgabe oder die Angiographie (im Akutstadium selten aufgrund des hohen Aufwands). Wichtige Hinweiszeichen sind die Laborwerte: Leukozytose (oder bei Sepsis Leukozytensturz) und Azidose aufgrund einer Laktaterhöhung durch Nekrosen. (Nähere Informationen hierzu siehe Kapitel B7, S. 1126.)
Diagnostik: Die Verdachtsdiagnose wird aufgrund der Anamnese und klinischen Untersuchung gestellt. Weiterhin: Farbkodierte Doppler-Sonographie, Röntgen-Abdomenübersicht, ggf. Spiral-CT mit i. v. Kontrastmittelgabe oder Angiographie sowie Laborwerte. Näheres s. S. 1126.
Therapie: Die Möglichkeiten der operativen Therapie reichen von einer Segmentresektion eines Darmabschnittes über eine Gefäßembolektomie, -thrombektomie bis zur reinen Exploration ohne Möglichkeit einer sinnvollen operativen Therapie.
Therapie: Sie reicht von der Segmentresektion über eine Gefäßembolektomie bis zur alleinigen Exploration.
Abdominaltrauma
Abdominaltrauma
왘 Definition. Ein traumatisch bedingtes akutes/unklares Abdomen liegt dann vor, wenn eine äußere Gewalt auf das vulnerable Abdomen eingewirkt und zu Verletzungen der inneren Organe geführt hat. Je nach Art und Ursache dieser Gewalteinwirkung unterscheidet man ein stumpfes Trauma von einer perforierenden Verletzung.
Ätiologie: Das Abdominaltrauma kann isoliert vorkommen, findet sich jedoch in 20 – 40 % der Fälle bei polytraumatisierten Patienten. Abdominelle Organe sind in folgender Häufigkeit verletzt: Milz 32 %, Leber 20 %, Intestinum 12 %, Pankreas 6 %, Mesenterium 4 %, Zwerchfell 3 %. Das Verhältnis zwischen stumpfen und
왗 Definition
Ätiologie: Isoliert oder bei polytraumatisierten Patienten (20 – 40 %). Das Verhältnis zwischen stumpfen und perforierenden Verletzungen beträgt ca. 8:1. Allgemein sind Männer häufiger betroffen als Frauen.
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586
B 1 Viszeralchirurgie
perforierenden Abdominalverletzungen beträgt im „normalen“ Umfeld (keine Kriegsereignisse) ca. 8:1. Allgemein sind Männer häufiger betroffen als Frauen. Klinik: Leitsymptom sind Kreislaufinstabilität und „gespanntes Abdomen“. Typisch ist eine Bradykardie durch einen vagalen Reflex.
Klinik: Das Leitsymptom des Abdominaltraumas ist die Kreislaufinstabilität und das „gespannte Abdomen“. Typisch ist eine Bradykardie durch einen vagalen Reflex, die eine Schocksymptomatik verschleiern kann (nähere Informationen s. u.).
Diagnostik: Voraussetzung für die adäquate Behandlung ist eine kurzfristige Stellung der Verdachtsdiagnose, der gezielte Einsatz der Diagnostik sowie eine klare Entscheidung über das weitere Vorgehen. Bei stabilen Patienten beinhaltet die Diagnostik Sonographie, Kontrastmittel-Computertomogramm (CT) sowie die Röntgen-Thoraxaufnahme.
Diagnostik: Voraussetzung für die adäquate Behandlung von Verletzten mit Abdominaltrauma ist eine kurzfristige Stellung der Verdachtsdiagnose, der gezielte Einsatz der Diagnostik und eine klare Entscheidung über das weitere Vorgehen, also ob eine Sofortoperation oder eine weitere Beobachtung bzw. Diagnostik indiziert ist. Die zuverlässige Diagnostik bei stabilen Patienten beinhaltet im Wesentlichen die Sonographie und das Kontrastmittel-Computertomogramm (CT). Eine Röntgen-Thoraxaufnahme sollte zum Ausschluss von Begleitverletzungen immer durchgeführt werden. Die diagnostische Peritoneallavage wurde fast vollständig durch die Sonographie ersetzt.
Sofortmaßnahmen: Ein effizientes Schockraum-Management umfasst folgende Maßhahmen: Kreislaufstabilisation und Sicherstellung der Beatmung, adäquater Flüssigkeitsersatz sowie das Legen ausreichender großvolumiger Zugänge. Weiterhin Notfall-Laboruntersuchung, Legen einer Magensonde und eines Blasenkatheters sowie komplette orientierende Untersuchung des Patienten, ggf. Tetanusprophylaxe und Antibiotikagabe.
Sofortmaßnahmen: Ein effizientes Schockraum-Management umfasst neben der Kreislaufstabilisation und Sicherstellung der Beatmung den adäquaten Flüssigkeitsersatz sowie das Legen ausreichender großvolumiger Zugänge. Eine standardisierte Notfall-Laboruntersuchung (inklusive Blutgruppenbestimmung und Urinuntersuchung), das Legen einer Magensonde und eines Blasenkatheters gehören zur Schockraum-Erstversorgung. Parallel hierzu findet die komplette orientierende Untersuchung des Patienten einschließlich des Abdomens und der rektalen Untersuchung (Blut, Sphinktertonus?) statt. Eine Tetanusprophylaxe und Antibiotikagabe, die gramnegative Bakterien und Anaerobier abdeckt, ergänzen die Schockraum-Maßnahmen.
Weiterführende Maßnahmen: Die differenzierte konservative und operative Therapie erfolgt nach Schweregrad-Einteilung.
Weiterführende Maßnahmen: Stumpfe und penetrierende Verletzungen von Milz, Leber, Intestinum, Pankreas und Urogenitalorganen werden systematisch klassifiziert. Nach dieser Schweregrad-Einteilung und nach dem Gesamtverletzungsmuster richtet sich die differenzierte konservative und operative Therapie beim Abdominaltrauma.
Konservatives Vorgehen ist möglich bei: ■ kreislaufstabilem Patient ■ exakter Diagnostik des Verletzungsmusters ■ intensiver Überwachung des Patienten ■ regelmäßiger Befundkontrolle.
Ein konservatives Vorgehen ist unter folgenden Voraussetzungen möglich: ■ kreislaufstabiler Patient ■ exakte Diagnostik des Verletzungsmusters ■ intensive Überwachung des Patienten ■ regelmäßige Befundkontrolle. Indikationen für eine operative Therapie liegen bei jedem perforierenden Bauchtrauma, bei Organverletzungen sowie bei stumpfem Bauchtrauma mit intraabdomineller Blutung vor.
Stumpfes Abdominaltrauma
Stumpfes Abdominaltrauma
Ätiologie: Häufige Ursachen sind Stoß, Lenkradanprall, Auffahrunfall, Einklemmung und Überrolltraumen. Physikalische Kräfte, die auf die Abdominalwände einwirken, können zu vielfältigen Verletzungen führen (Abb. B-1.282). Als Kriterium für die Verletzungsintensität müssen z. B. die Oberfläche des traumatisierenden Gegenstandes, die Aufprallgeschwindigkeit und die Lokalisation des Aufpralls am Rumpf (paravertebral, paraumbilikal) berücksichtigt werden. Häufig bestehen zusätzlich weitere Verletzungen außerhalb des Abdomens.
Ätiologie: Stoß, Lenkradanprall, Auffahrunfall, Einklemmung und Überrolltraumen sind häufige Ursachen stumpfer Bauchtraumen. Physikalische Kräfte, die auf die Abdominalwände einwirken, können zu vielfältigen Verletzungen führen (Abb. B-1.282). Organberstung, Organein- oder Abrisse können durch Dezeleration entstehen, Intimaläsionen mit Gefäßverschlüssen können auftreten. Als Kriterium für die Verletzungsintensität müssen z. B. die Oberfläche des traumatisierenden Gegenstandes (Fahrradlenker, Fuß- oder Pferdetritt), die Aufprallgeschwindigkeit (Lenkrad beim Dezelerationstrauma, Sturz aus unterschiedlich großer Höhe) und die Lokalisation des Aufpralls am Rumpf (paravertebral, paraumbilikal) berücksichtigt werden. Der Unfallmechanismus bedingt, dass bei stumpfen Abdominaltraumen häufig zusätzlich weitere Verletzungen außerhalb des Abdomens vorliegen. Beispielsweise kann bei einem AirbagAnprall bei äußerlich völlig unauffälligem Abdominalbefund ein Enterothorax vorliegen.
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B 1.14 Akutes und unklares Abdomen
B-1.282
Stumpfes Abdominaltrauma und Pankreasruptur bei Wasserrutschenunfall
a Abdomen-CT: 13-jähriger Patient mit stumpfem Abdominaltrauma auf Wasserrutsche, Pankreasruptur Grad 3 (왘) (Therapie: milzerhaltende Linksresektion. Hierbei entspricht der Resektionsrand dem Rupturrand).
587 B-1.282
b Intraoperativer Situs mit Pankreasruptur (*).
Klinik: Die Symptome sind abhängig vom Verletzungsausmaß und werden vorrangig durch die bestehende intraperitoneale Blutung oder Organperforation bestimmt. Blässe, Kaltschweißigkeit und Schockzeichen, äußere Verletzungszeichen, Abdominalschmerz und Abwehrspannung sind richtungsweisend.
Klinik: Die intraperitoneale Blutung oder die Organperforation bestimmen vorrangig die Symptomatik.
Diagnostik: Insbesondere können bei stumpfen Abdominaltraumen die parenchymatösen Organe in der Reihenfolge Milz, Leber, Pankreas, Dünndarm mit Mesenterialwurzel und Nieren verletzt sein, weshalb sich diagnostische Maßnahmen zunächst auf diese Organe konzentrieren sollten.
Diagnostik: Besonders die parenchymatösen Organe in der Reihenfolge Milz, Leber, Pankreas, Dünndarm mit Mesenterialwurzel und Nieren sind betroffen.
왘 Merke. Engmaschige Kontrollen von Hb und Bauchumfang können keine
왗 Merke
suffiziente Aussage über eine intraabdominelle Verletzung geben und sollten für diese Indikation nicht mehr verwendet werden! In der Praxis besitzt die abdominelle Sonographie in FAST-Technik (focused assessment with sonography for trauma) als orientierende Erstuntersuchung bei Abdominaltrauma den höchsten Stellenwert. Sie wird bevorzugt durch den erstversorgenden Chirurgen durchgeführt. Mit dem Ultraschall können vier orientierende Schnittbilder innerhalb von zwei Minuten eine Verdachtsdiagnose erhärten: ■ Längsschnitt rechtslateral (rechte Niere, rechter Leberlappen, Morrison-Pouch, Zwerchfell, Pleura) ■ Längsschnitt linkslateral (linke Niere, Milz, Koller-Pouch, Zwerchfell, Pleura, Perikard) ■ Querschnitt epigastrisch (linker Leberlappen, Perikard, Pankreas, große Gefäße) ■ Querschnitt suprapubisch (Douglasraum). Die Sensitivität der abdominellen Sonographie für die Indikation zur Laparotomie (nicht für die Organverletzung!) beträgt 80 – 90 %, die Spezifität 98 – 100 %. Jedoch gelingt der Nachweis einer Hohlorganperforation auch einem erfahrenen Untersucher nur in der Hälfte der Fälle. Den zweithöchsten Stellenwert in der gezielten Diagnostik des Abdominaltraumas besitzt das Computertomogramm (CT). Die Mehrzeilen-Spiral-Computertomographie (= Multislice-CT, Multidetektorreihen-CT) ermöglicht mit hoher Scangeschwindigkeit eine kombinierte Untersuchung von Thorax und Abdomen sowie von Schädel-, Extremitäten- und Wirbelsäule („Trauma-Scan“). Somit erhält das Notfallteam zeitnah eine Übersicht über das gesamte Verletzungsmuster.
Wesentliches diagnostisches Hilfsmittel ist die Sonographie in FAST-Technik (focused assessment with sonography for trauma). Mit dem Ultraschall können vier orientierende Schnittbilder innerhalb von zwei Minuten eine Verdachtsdiagnose erhärten: Längsschnitt rechts- und linkslateral, Querschnitt epigastrisch und suprapubisch.
Weiterhin besitzen Computertomogramm (CT) und die Mehrzeilen-Spiral-Computertomographie (= Multislice-CT, Multidetektorreihen-CT) einen hohen Stellenwert in der gezielten Diagnostik („Trauma Scan“).
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588
B 1 Viszeralchirurgie
Mittels CT (mit i. v. KM) können auch für den Ultraschall schwer zugängliche Regionen dargestellt werden.
Mithilfe der CT können auch für den Ultraschall schwer zugängliche Regionen zweifelsfrei dargestellt werden. Sie wird beim Traumapatienten ohne orale Kontrastmittelgabe durchgeführt. Die intravenöse Kontrastmittelgabe verbessert wesentlich die Darstellung der parenchymatösen Organe sowie der arteriellen und venösen Gefäße. Innovative Rekonstruktionsmöglichkeiten erlauben in Echtzeit beispielsweise multiplanare sowie angiographische Darstellungen. Im Gegensatz dazu sind Zwerchfellrupturen (geringste Sensitivität bei allen Abdominalverletzungen) sowie Dünndarmverletzungen (erfahrungsund geräteabhängig) schwierig mittels CT zu diagnostizieren. Fallweise kommen in der Notfalldiagnostik Endoskopie und Angiographie zum Einsatz, da beide Verfahren auch die Möglichkeit zur therapeutischen Intervention bieten. Die diagnostische Laparoskopie kann in Ausnahmefällen dem Erfahrenen eine wertvolle Hilfe sein, ihr Einsatz ist in der Praxis jedoch selten.
Auch Endoskopie und Angiographie sind wichtige Verfahren im Rahmen der Notfalldiagnostik mit der Möglichkeit der therapeutischen Intervention. Therapie: Eine intraabdominelle Blutung verlangt eine operative Intervention. Neben der Blutungsquellensuche müssen alle Bauchorgane inspiziert werden, kombiniert mit dem bestmöglichen Ausschluss traumatisch bedingter Läsionen im Retroperitoneum.
Therapie: Sofern die Diagnostik den Verdacht einer intraabdominellen Blutung oder Organperforation erhärtet, besteht die Indikation zur operativen Intervention. Außer der Suche nach der vermuteten Blutungsquelle oder Rupturstelle sind alle Bauchorgane zu inspizieren, kombiniert mit dem bestmöglichen Ausschluss traumatisch bedingter Läsionen im Retroperitoneum. Intraoperativ erfolgen abhängig von der Ursache z. B. folgende Maßnahmen: Lokale Blutstillung, Übernähung von Perforationen, Spülung mit Taurolidin-Lösung (= Antibiotikum, wirkt bakterizid), Einlage von Drainagen, bei Darmzerreißung Resektion des betroffenen Darmabschnittes.
Komplikationen: Die möglichen Komplikationen sind sehr vielfältig. Volumenmangelschock, Peritonitis, Ileus und das abdominelle Kompartment-Syndrom sind häufig auftretende Komplikationen.
Komplikationen: Die möglichen Komplikationen beim stumpfen Abdominaltrauma sind so vielfältig wie die Verletzungsmuster. Ein nicht diagnostiziertes Abdominaltrauma kann völlig folgenlos abheilen, jedoch auch im Verlauf letal enden. Im Vordergrund der Komplikationen stehen der Volumenmangelschock (v. a. bei ausgedehnten Organverletzungen), die Peritonitis (bei Perforationen), der Ileus und das abdominelle Kompartment-Syndrom (bei Komplexverletzungen).
Perforierendes Abdominaltrauma
Perforierendes Abdominaltrauma
왘 Definition
Ätiologie: Hierbei hat ein Fremdkörper die Bauchdecken durchstoßen (durch Stich-, Schussverletzung oder im Rahmen von Unfällen) und das Peritoneum verletzt, wodurch sich die Indikation zur operativen Revision ergibt.
Auch iatrogen können perforierende Verletzungen entstehen (in der Praxis ist dies jedoch von geringer Bedeutung).
왘 Definition. Bei einer perforierenden Abdominalverletzung hat ein Fremdkörper die Bauchdecken durchstoßen und das Peritoneum verletzt.
Ätiologie: Aus dieser Tatsache heraus ergibt sich die Indikation zur operativen Revision. Das penetrierende Abdominaltrauma durch Stich- und Schussverletzung sowie im Rahmen von Unfällen ist in Europa seltener anzutreffen als in afrikanischen Ländern oder in den Vereinigten Staaten. Schussverletzungen verursachen folgenschwere Verletzungen mit einer Letalität von 4 10 %, bedingt durch hohe kinetische Energie der sich ausbreitenden Stoßwelle (= Kavitation). Mündungsgeschwindigkeiten über 7 – 100 m/s sind typisch für „High-velocity“-Geschosse, die Ursache erheblicher Verletzungen sind, ebenso wie aus nächster Nähe abgeschossene Projektile oder beim Aufprall deformierte Projektile. Perforierende Verletzungen können auch iatrogen entstehen (z. B. durch Laparotomie, Laparoskopie und Punktionen), sind in der klinischen Praxis jedoch von geringer Bedeutung.
Klinik: Siehe stumpfes Abdominaltrauma (S. 587). Die Operationsindikation kann meist schon aufgrund sichtbarer Verletzungsmarken gestellt werden. Diagnostik: Siehe stumpfes Trauma (S. 587). Bei komplexen Verletzungen sind die Sonographie und insbesondere die CT von großer Bedeutung.
Klinik: Siehe stumpfes Abdominaltrauma (S. 587); die Operationsindikation kann meist schon aufgrund sichtbarer Verletzungsmarken gestellt werden.
Therapie: Prinzipiell muss jeder Patient mit Verdacht auf ein perforierendes Abdominaltrauma laparotomiert werden.
Therapie: Prinzipiell muss jeder Patient mit Verdacht auf ein perforierendes Abdominaltrauma laparotomiert werden. Alternativ kann bei fehlenden diagnostischen Hinweisen auf eine intraabdominelle Läsion bei perforierenden Abdominaltraumen eine Laparoskopie durchgeführt werden. Ziel ist die Beurteilung der Bauchorgane und der Perforations-Eintrittsstelle. (Weitere Infos s.o.
Diagnostik: Siehe stumpfes Abdominaltrauma (S. 587); Sonographie und insbesondere die Computertomographie bei komplexen Verletzungen haben den höchsten Stellenwert.
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B 1.14 Akutes und unklares Abdomen
B-1.283
589
Perforierendes Abdominaltrauma durch Granatsplitter
a
b
c
d
52-jähriger Patient mit perforierendem Abdominal- und Thoraxtrauma durch Explosion beim Aufsägen einer Granate a perforierendes Abdominaltrauma durch Granatsplitter b subtotale Unterarmamputation, komplette Ischämie des Unterarmes (vor Revaskularisation) c Leberverletzung d multiple Dünndarmperforationen (Therapie: Ileumresektion und Split-Stoma, Lavage)
„Therapie des stumpfen Bauchtraumas“.) Auch scheinbar harmlose Läsionen bedürfen bei fehlender totaler Sondierbarkeit des Stichkanals der weiteren Abklärung. 왘 Merke. Bei Verbleiben eines die Bauchdecken perforierenden Gegenstands
왗 Merke
in situ darf dieser nicht vom Notarzt oder von dem Arzt, der die Erstversorgung durchführt, entfernt werden! Dieser Gegenstand sollte im Rahmen einer operativen Revision herauspräpariert werden. Nur so sind Läsionen, die durch die Perforation entstanden sind, sofort erkennbar und behandelbar (Abb. B-1.285). Entsprechendes gilt für prolabierte Organe (Abb. B-1.286). Diese werden im Rahmen der Erstversorgung bis zur definitiven chirurgischen Versorgung keimarm bzw. keimfrei abgedeckt. Erst im Operationssaal erfolgt die Reposition der prolabierten Organe. Zu organspezifischen Operationsverfahren siehe die jeweiligen Organkapitel. Die Trauma Injury Scale dient der Beurteilung der Verletzungsschwere sowie der Quantität und Qualität der medizinischen Versorgung. Schweregrade der Verletzungen einzelner intraabdomineller Organe werden in Tabellenform klassifiziert dargestellt, woraus die Indikationen für entsprechende Operationstechniken abgeleitet werden können. Komplikationen: Die möglichen Komplikationen beim penetrierenden Abdominaltrauma sind der Volumenmangelschock bei ausgedehnten Organverletzungen (große Gefäße, Leber, Milz, Mesenterium), die Peritonitis bei Darmverletzungen und das Multiorganversagen bei Komplexverletzungen (z. B. Barotrauma).
Perforierende Gegenstände dürfen erst im Rahmen der operativen Revision herauspräpariert werden (Abb. B-1.285). Die Reposition prolabierter Organe darf erst intraoperativ erfolgen (Abb. B-1.286). Als notfallmäßige Erstversorgungsmaßnahme werden sie keimarm bzw. keimfrei abgedeckt. Mithilfe der Trauma Injury Scale werden die Verletzungsschwere sowie die Quantität und Qualität der medizinischen Versorgung beurteilt.
Komplikationen: Volumenmangelschock bei ausgedehnten Organverletzungen, Peritonitis bei Darmverletzungen und Multiorganversagen bei Komplexverletzungen.
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B 1 Viszeralchirurgie
590 B-1.284
Mehrfachverletzungen durch Granate
c
a
b
CT Trauma-Scan (a) und CT Scout (b) im Vergleich: Leberruptur (Grad 3 Segment 4) (?), multiple Dünndarmperforationen. Die Granatsplitter lassen sich den Organregionen zuordnen. CT Leberruptur (?) (c), Hämatopneumothorax (?) und Fremdkörper (왘) (d).
B-1.285
B-1.285
d
Perforierende Abdominaldeckenverletzung In situ belassener Gegenstand (Küchenmesser) wird erst intraoperativ aus dem Abdomen herauspräpariert.
B-1.286
B-1.286
Organprolaps Netzprolaps bei Nabelperforation (Aszites).
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B 1.14 Akutes und unklares Abdomen
Gynäkologische Ursachen eines akuten Abdomens
Gynäkologische Ursachen eines akuten Abdomens Diese stellen eine wichtige Differenzialdiagnose des akuten/unklaren Abdomens dar. Krankhafte Veränderungen am Ovar wie z. B. eine rupturierte Ovarialzyste, Adnexitis und Salpingitis sind weitere mögliche Ursachen eines akuten Abdomens. Die Abgrenzung von der akuten Appendizitis ist auch für einen Konsiliararzt nicht immer möglich, sodass häufig eine interdisziplinäre Laparoskopie und Therapie erfolgen muss. Seltenere gynäkologische Ursachen für ein akutes/unklares Abdomen sind Extrauteringravidität, Erkrankungen der Gebärmutter und spezifische Infektionen (z. B. Chlamydien).
Retroperitoneale Ursachen eines akuten Abdomens Infolge der engen Verflechtung mit den Zielorganen und der topographischen Lage des autonomen Nervensystems lässt sich eine Abgrenzung von intraabdominellen und extraabdominellen Läsionen manchmal nicht herstellen. Aus diesem Grund ist es möglich, dass Veränderungen im Retroperitoneum eine abdominelle Symptomatik hervorrufen. Je nach Intensität der retroperitonealen Läsion ist folglich die Ausbildung eines akuten Abdomens möglich (Tab. B-1.72). Diesbezüglich ist insbesondere die akute bzw. nekrotisierende Pankreatitis zu erwähnen. Hierbei finden sich die Symptome eines akuten Abdomens. Die Diagnose lässt sich außer an einer (meist) typischen Laborkonstellation (Erhöhung der Pankreasenzyme) aussagekräftig nur noch im CT erhärten.
B-1.72
Retroperitoneale Ursachen eines akuten (bzw. unklaren) Abdomens
Lokalisation
591
Diagnosestellung
OP-Indikation
Maßnahmen
■
akute Pankreatitis
Klinik, Labor, CT
nekrotisierende Pankreatitis
Nekrosektomie, Lavage, ggf. Stoma
■
Aortenaneurysma
Klinik, Sono, CT
Ruptur
Gefäßersatz oder Stent
■
Pfortaderthrombose
Klinik, DuplexSono, CT
meist konservative Behandlung
Antikoagulation
■
Nierenblutung
Klinik, Urin, Sono, CT
Ruptur, Tumor
Nephrektomie, ggf. Embolisation
■
Blasenruptur
Klinik, Urin, Sono, CT
urämische Peritonitis
Exzision, Naht, Drainage
■
Harnleiterstörung
Klinik, Urin, Sono, CT
meist Endoskopie
Steinbergung
Gefäßchirurgisch bedingte Ursachen eines akuten Abdomens Fast ausschließlich Veränderungen der Arterien sind für gefäßchirurgisch bedingte Ursachen eines akuten/unklaren Abdomens verantwortlich (s.a. S. 1100). Bei den retroperitoneal bedingten Ursachen steht das Aortenaneurysma im Vordergrund. Ausgehend von der Aorta können Aneurysmarupturen, dissezierende Aneurysmen und akute Aortenverschlüsse ein akutes/unklares Abdomen auslösen. Ausgehend von den Aortenästen sind Embolien oder akute Thrombosen bzw. Aneurysmarupturen mögliche Ursachen eines akuten Abdomens. Im Bereich des venösen Systems kann durch Beteiligung des Portalkreislaufes durch Thrombose der V. mesenterica superior, der Pfortader oder durch Pyophlebitis ein akutes/unklares Abdomen entstehen.
Krankhafte Veränderungen am Ovar (z. B. rupturierte Ovarialzyste, Adnexitis und Salpingitis) sind wichtige Differenzialdiagnosen des akuten/unklaren Abdomens. Häufig ist eine interdisziplinäre Laparoskopie und Therapie nötig. Extrauteringravidität, Erkrankungen der Gebärmutter und spezifische Infektionen sind seltene Ursachen eines akuten Abdomens. Retroperitoneale Ursachen eines akuten Abdomens Eine Abgrenzung von intra- und extraabdominellen Läsionen ist manchmal nicht möglich. Daher können retroperitoneale Veränderungen Ursache einer abdominellen Symptomatik sein (Tab. B-1.72).
Typisches Beispiel hierfür ist die akute bzw. nekrotisierende Pankreatitis.
B-1.72
Gefäßchirurgisch bedingte Ursachen eines akuten Abdomens Die gefäßchirurgisch bedingten Ursachen eines akuten/unklaren Abdomens sind fast ausschließlich in Veränderungen der Arterien begründet. Im Bereich des Retroperitoneums ist v. a. das Aortenaneurysma ursächlich für eine akute abdominelle Symptomatik.
Im venösen System kann z. B. durch Beteiligung des Portalkreislaufes durch Thrombose der V. mesenterica sup. oder der Pfortader sowie durch Pyophlebitis ein akutes/unklares Abdomen entstehen.
Urologische Ursachen eines akuten Abdomens
Urologische Ursachen eines akuten Abdomens
Für das Zustandekommen eines akuten Abdomens sind Erkrankungen aus dem urologischen Fachbereich selten. Diese sind z. B. spontane oder traumatisch
Erkrankungen aus dem urologischen Fachbereich sind seltene Auslöser eines akuten Ab-
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592
B 1 Viszeralchirurgie
domens (z. B. spontane oder traumatisch bedingte Blutungen ins Nierenlager, Organrupturen oder akute Organeinblutungen der ableitenden Harnwege).
bedingte Blutungen ins Nierenlager, Organrupturen oder akute Organeinblutungen der ableitenden Harnwege. Auch ist es möglich, dass eine prall gefüllte Harnblase (als palpabler Unterbauchtumor) eine deutliche Symptomatik mit Peritonismus produziert. Kommt es zur Blasenruptur, entsteht dadurch eine urämische Peritonitis mit den Zeichen des akuten Abdomens.
Veränderungen des Lymphsystems
Veränderungen des Lymphsystems
Durch Tumorkompression oder -zerfall bei Lymphomen oder Lymphknotenmetastasen ist eine Begleitreaktion des Peritoneums mit konsekutivem akutem Abdomen denkbar. Eine nekrotisierende Pankreatitis kann durch eine Durchwanderungsperitonitis ein akutes/unklares Abdomen verursachen.
Retroperitoneal liegende Veränderungen des Lymphsystems sind mögliche, aber seltene Ursachen für die Ausbildung eines akuten Abdomens. Durch Tumorkompression oder -zerfall bei Lymphomen oder Lymphknotenmetastasen ist eine Begleitreaktion des Peritoneums mit konsekutivem akutem Abdomen denkbar. Häufiger wird ein akutes/unklares Abdomen bei einer Pankreatitis in höheren Schweregraden beobachtet. Bei Ausbildung einer nekrotisierenden Pankreatitis kann unabhängig von der Entstehung (idiopathisch, äthyltoxisch oder lithogen) ein akutes/unklares Abdomen aufgrund einer Durchwanderungsperitonitis resultieren.
1.14.5 Extraabdominelle Ursachen eines
akuten Abdomens Diese Erkrankungen können Symptome eines akuten/unklaren Abdomens vortäuschen (Pseudoperitonitis). Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung.
1.14.5 Extraabdominelle Ursachen eines akuten Abdomens Diese Krankheitsbilder können Symptome eines akuten/unklaren Abdomens vortäuschen, weshalb dieser Zustand als „Pseudoperitonitis“ bezeichnet wird (Tab. B-1.73). Maßgeblich für die Diagnosestellung ist in diesen Fällen eine sorgfältige Anamnese, das „Darandenken“ und die entsprechende Labordiagnostik. Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung.
B-1.73
B-1.73
Extraabdominelle Ursachen eines akuten Abdomens
Ursachen kardiale Erkrankungen
Koronarthrombose (Rechtsherzinfarkt), akute Perikarditis, Rechtsherzversagen mit Leberstauung
■
pulmonale Erkrankungen
basale Pneumonie, zwerchfellnahe Pleuritis, Lungenembolie bzw. Lungeninfarkt basaler Lungensegmente
Stoffwechselerkrankungen und Intoxikationen
akute intermittierende Porphyrie, Hyperglykämie, Schwermetallvergiftungen (z. B. Bleiintoxikation)
Veränderungen der Bauchdecken
Konstusionen, sub- oder epifasziale Einblutungen, Herpesbefall, neurale Läsionen
■
■
1.15
Adipositaschirurgie
Beispiele
■
1.15 Adipositaschirurgie Anna Maria Wolf
1.15.1 Grundlagen
왘 Definition
1.15.1 Grundlagen 왘 Definition. Bei der Adipositaschirurgie handelt es sich nicht um die übliche auf die Beseitigung der Erkrankungsursache gerichtete chirurgische Therapie: Die Adipositaschirurgie ist eine symptomorientierte Behandlung, bei der die chirurgisch vorgenommenen Veränderungen am Gastrointestinaltrakt eine „Hilfe“ bei der Lebensstilumstellung der Patienten sein sollen, um nach dem Abbau des Übergewichts eine langanhaltende Gewichtsstabilisierung und damit verbunden Verbesserung und ggfs. Remission der adipositasassoziierten Komorbiditäten zu erreichen.
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
B 1.15 Adipositaschirurgie
B-1.74
Klassifikation des Körpergewichts mithilfe des Body Mass Index (BMI)
593 B-1.74
(kg/m2)
Einteilung des Körpergewichts
BMI
Untergewicht
5 18,5
Normalgewicht
18,6 – 24,9
Übergewicht
25,0 – 29,9
Adipositas Grad I
30,0 – 34,9
Adipositas Grad II
35,0 – 39,9
Adipositas Grad III
≥ 40,0
Definition und Klassifikation der Adipositas
Definition und Klassifikation der Adipositas
Mit dem Begriff „Adipositas“ wird eine über das Normalmaß hinausgehende Vermehrung des Körperfetts umschrieben. Eine Klassifikation ist notwendig, weil sich das Mortalitäts- und Morbiditätsrisiko mit dem Grad der Adipositas erhöht. Die Berechnung des Körpergewichts erfolgt nach dem Körpermasseindex (Body Mass Index = BMI) nach der Formel: Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch das Quadrat der Körpergröße. Die Adipositas wird in 3 Schweregrade unterteilt (B-1.74).
Mit dem Begriff „Adipositas“ wird eine über das Normalmaß hinausgehende Vermehrung des Körperfetts umschrieben. Die Berechnung erfolgt nach dem Body Mass Index (BMI). Die Adipositas wird in 3 Schweregrade unterteilt (Tab. B-1.74).
Epidemiologie der Adipositas
Epidemiologie der Adipositas
Laut der World Health Organisation (WHO) ist die Adipositas als eine chronische Krankheit zu werten, die mit eingeschränkter Lebensqualität und hohem Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko einhergeht. Sie ist Epidemien vergangener Jahrhunderte vergleichbar. Der mit der Zunahme der Adipositas zu erwartende Anstieg an Komorbiditäten wird Versorgungsengpässe und Kostenanstiege im Gesundheitswesen in ungeahnter Höhe nach sich ziehen. Die Prävalenz der Adipositas, d. h. BMI ≥ 30, nimmt in Deutschland seit Jahrzehnten zu. Im Jahr 1998 hatten 18,3 – 24,5 % der Bundesbürger zwischen 18 und 79 Jahren einen BMI ≥ 30 und bei 31,1 – 48,7 % betrug der BMI 25 – 30, d. h. waren übergewichtig. Somit wiesen 1998 nur ein Drittel der Bundesbürger ein gesundheitlich wünschenswertes Gewicht auf.
Der Anstieg der Adipositas ist einer Epidemie vergleichbar. Die Prävalenz der Adipositas, d. h. BMI ≥ 30, nimmt in Deutschland seit Jahrzehnten zu.
Ätiologie und Pathogenese der Adipositas
Ätiologie und Pathogenese der Adipositas
Die Entwicklung der Adipositas ist nach heutigem Wissensstand in den meisten Fällen auf eine genetische Prädisposition zurückzuführen. Dabei handelt es sich in den wenigsten Fällen um einen durch ein einzelnes Gen ausgelösten (monogenen) Phänotyp. Vielmehr wird die Adipositas durch die Interaktion verschiedener genetischer Polymorphismen (Mutation in einer Frequenz 4 1 %) und Umweltfaktoren ausgelöst. Der Anteil der erblichen Komponente an der Adipositasentstehung nimmt jedoch mit steigendem BMI der Betroffenen zu.
Es besteht eine genetische Prädisposition. Hinzu kommen Umweltfaktoren. Der Anteil der erblichen Komponente nimmt mit steigendem BMI der Betroffenen zu.
1.15.2 Indikationsstellung für einen adipositaschirurgischen Eingriff
1.15.2 Indikationsstellung für einen
Die Indikation für eine adipositaschirurgische Maßnahme liegt entsprechend der Leitlinien der Deutschen Adipositasgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für die Chirurgie der Adipositas (www.adipositas-gesellschaft.de) sowie der Kriterien der International Federation for the Surgery of Obesity (IFSO) vor, wenn die Vorgaben entsprechend Tab. B-1.75 erfüllt sind.
Die Indikationen sind in Tab. B-1.75 zusammengefasst. Die Patientenauswahl ist sehr kritisch zu treffen, da eine hohe Compliance vom Patienten für den Erfolg der Behandlung Voraussetzung ist.
adipositaschirurgischen Eingriff
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B 1 Viszeralchirurgie
B-1.75
B-1.75
Indikation für eine adipositaschirurgische Maßnahme (Klassifikation entsprechend der WHO)
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BMI ≥ 40,0
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BMI ≥ 35,0 sowie:
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왘 Merke
vorliegende adipositasassoziierte Erkrankungen Nachweis erfolgloser konservativer Therapien über die letzten Jahre Ausschluss endokriner Ursachen sowie von Alkohol-, Drogen- und Medikamentenabhängigkeit Ausschluss konsumierender und immundefizitärer Erkrankungen Vorhandensein ausreichender Motivation und Compliance
왘 Merke. Die Patientenauswahl ist sehr kritisch zu treffen, da für eine erfolg-
reiche Behandlung eine Langzeitkooperation vonseiten der Patienten betreffend Veränderung des Lebensstils und eine regelmäßige Nachsorge unabdingbar sind. Aber: Bei Patienten mit einer Adipositas Grad III bzw. Grad II mit adipositasassoziierten Begleiterkrankungen sollte immer nach frustran durchgeführten konservativen Therapieformen zur Gewichtsreduktion an die Möglichkeit einer adipositaschirurgischen Maßnahme gedacht werden, auch wenn die Kostenübernahme durch die Krankenkassen nach wie vor eine Einzelfallentscheidung ist.
왘 Klinischer Fall
왘 Klinischer Fall. 38-jährige Patientin, die bei einer Körpergröße von 1,67 m und 155,5 kg einen BMI von 55,8 aufweist. Dies entspricht einer behandlungsbedürftigen Adipositas Grad III. Sie berichtet, bereits seit frühester Kindheit an Übergewicht zu leiden. Die ersten Diäten und Kuren habe sie bereits im Alter zwischen 10 und 14 Jahren durchgeführt. Leider wären alle erfolglos gewesen. Als kleines Kind wäre sie von den Großeltern betreut worden, die großen Wert auf Essen und vor allem auch auf „Aufessen“ gelegt hätten. Sie habe in ihrer Kindheit viele Probleme gehabt und sehr früh geheiratet, um von zu Hause wegzukommen. In der ersten Zeit der Ehe habe sie ihr Gewicht halten können, während der Schwangerschaften jedoch jeweils sehr stark zugenommen und dieses Übergewicht auch nach der Geburt nicht wieder reduzieren können. Immer wieder habe sie mit den unterschiedlichsten Methoden versucht, ihr Gewicht zu reduzieren, teilweise auch mithilfe des Hausarztes, aber auch allein (Diätvorschläge verschiedener Zeitschriften). Eine Kurmaßnahme habe ihr zunächst geholfen, ihr Übergewicht deutlich zu reduzieren. Anschließend habe sie jedoch zu Hause langsam aber sicher wieder zugenommen. Heute wiege sie mehr als je zuvor in ihrem Leben. In ihrer Familie litten sowohl der Vater und eines ihrer eigenen Kinder an Übergewicht bzw. Adipositas. Morgens könne sie noch nichts essen, was sich aber im Laufe des Tages ändere. Abends, nachdem Ruhe eingekehrt sei, würde sie besonders gerne essen. Nachts stehe sie nicht auf, um zu essen. Aufgrund des Gewichts würde sie immer weniger ausgehen und relativ viel fernsehen. Ihre Lebensqualität sei sehr eingeschränkt, Freunde habe sie nur wenige und auch ihre Familienangehörigen hätten immer mehr Probleme, hinter ihr zu stehen. Aus diesem Grunde ziehe sie sich immer mehr zurück. Von der Operation erhoffe sie sich einen massiven Gewichtsverlust, der ihr die Möglichkeit gibt, wieder ein einigermaßen normales Leben zu führen und auch am täglichen Leben der Familie teilzunehmen.
1.15.3 Präoperative Diagnostik
1.15.3 Präoperative Diagnostik
Die präoperative Diagnostik wird von einem interdisziplinären Team durchgeführt. Adipositasassoziierte Begleiterkrankungen siehe Tab. B-1.76. Wichtig ist die Feststellung der Fettverteilung (viszerale – periphere Adipositas) (Abb. B-1.287).
Die präoperative Diagnostik wird von einem interdisziplinären Team durchgeführt, d. h. der Patient wird folgenden Fachärzten vorgestellt: Einem adipositastherapeutisch tätigen Internisten zur Abklärung der adipositasassoziierten Komorbiditäten (Tab. B-1.76), einem Psychosomatiker/Psychotherapeuten zum Ausschluss einer psychiatrischen Erkrankung, einem Ernährungsberater zur Ernährungsanamnese, einem Sportmediziner zur Einschätzung der Leistungsfähigkeit und einem in der Adipositaschirurgie versierten Chirurgen.
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B 1.15 Adipositaschirurgie
B-1.76
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Adipositasassoziierte Begleiterkrankungen (Leitlinien Deutsche Adipositas-Gesellschaft: www.adipositas-gesellschaft.de)
595 B-1.76
Störungen des Kohlehydratstoffwechsels andere metabolische Störungen (Dyslipoproteinämie, Hyperurikämie) arterielle Hypertonie kardiovaskuläre Erkrankungen Karzinome (vor allem hormonabhängiger Organe) hormonelle Störungen pulmonale Komplikationen gastrointestinale Erkrankungen degenerative Erkrankungen des Bewegungsapparates
B-1.287
Fettverteilung bei viszeraler bzw. peripherer Adipositas
B-1.287
Neben der Messung des Körpergewichts und der Körperlänge sind entsprechende Umfangsmessungen (Taille, Hüfte) notwendig, um den Fettverteilungstyp (viszerale – periphere Adipositas) feststellen zu können (Abb. B-1.287). Eine weitere Untersuchung ist die bioelektrische Impedanzanalyse (BIA), die Aufschluss über die Körperzusammensetzung (prozentualer Fett- und Körperzellmassenanteil) gibt. Präoperativ muss die Einstellung entgleister metabolischer und kardiologischer Erkrankungen erfolgen, damit der intra- und postoperative Verlauf bei diesen Hochrisikopatienten so komplikationsarm wie möglich ist.
Präoperativ ist die Einstellung entgleister metabolischer und kardiologischer Erkrankungen wichtig.
1.15.4 Chirurgische Maßnahmen
1.15.4 Chirurgische Maßnahmen
Magenschrittmacher – Implantable Gastric Stimulator (IGS®)
Magenschrittmacher – Implantable Gastric Stimulator (IGS®)
Aufbau: Der Magenschrittmacher besteht aus 2 Komponenten: Ein elektrischer Stimulator wird in eine subkutane Tasche im linken Oberbauch und das bipolare Elektrokabel auf Höhe des Antrums in die Muskelschicht der Magenwand implantiert. Intraoperativ wird dabei eine Endoskopie durchgeführt, um sicherzustellen, dass die Magenwand nicht penetriert wurde (Abb. B-1.288).
Aufbau: Der Magenschrittmacher (Abb. B-1.288) besteht aus 2 Komponenten: Ein elektrischer Stimulator wird in eine subkutane Tasche im linken Oberbauch und das bipolare Elektrokabel auf Höhe des Antrums in die Muskelschicht der Magenwand implantiert.
Funktionsprinzip: Der Stimulator enthält einen kleinen Computer, der aufgrund seiner Programmierung die Magenwand mit einer Impulsfrequenz stimuliert, die frühzeitig ein Sättigungsgefühl erzeugt und die Magenentleerung verlangsamt. Der Patient hat früher das Empfinden satt zu sein und wird veranlasst, weniger Nahrung zu sich zu nehmen.
Funktionsprinzip: Durch Stimulation der Magenwand soll ein frühzeitiges Sättigungsgefühl erzeugt werden.
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596
B 1 Viszeralchirurgie
Rein restriktive Operationsverfahren: Gastroplastik und Gastric Banding
Rein restriktive Operationsverfahren: Gastroplastik und Gastric Banding
Prinzip: Durch eine operativ gesetzte Enge (Banding, Stoma Abb. B-1.288) entsteht ein verkleinerter Vormagen und hinter der Enge liegender Restmagen. Der Nahrungsbrei nimmt seinen physiologischen Weg.
Beide Methoden können zwar das Nahrungsvolumen, nicht jedoch die Kalorienmenge beeinflussen.
Zur Vorbeugung von Komplikationen ist ein verändertes Ess- und Trinkverhalten wichtig. Restriktion mit geringer Malabsorption: Magenbypass Prinzip: Ein kleiner Vormagen (15 – 30 ml) wird vom Restmagen abgetrennt (Abb. B-1.290). Zirka 45 cm distal des TreitzBandes wird das Jejunum durchtrennt und der distale Dünndarmanteil mit dem Vormagen anastomosiert. Dadurch sind der gesamte Restmagen und das Duodenum von der Nahrungspassage ausgeschlossen.
Postoperativ ist auf eine Substitution von Eisen, Kalzium, Vitamin B12 und Eiweiß zu achten.
B-1.288
Prinzip: Durch eine operativ gesetzte Enge (Banding, Stoma, s. Abb. B-1.288) entsteht ein verkleinerter Vormagen (15 – 30 ml) und hinter der Enge liegender Restmagen. Allen restriktiven Operationsmethoden ist gemeinsam, dass der Nahrungsbrei seinen physiologischen Weg nimmt, d. h. er wird vom Ösophagus in den Vormagen und von hier über die Enge in den Restmagen transportiert. Die sich anschließende Nahrungspassage über den Pylorus in das Duodenum sowie den Dünn- und Dickdarm bleiben erhalten. Der Unterschied zwischen Gastroplastik und Gastric Banding liegt darin, dass beim Gastric Banding postoperativ die an der Innenseite des Bandings liegende Kammer über den auf der Rektusscheide angebrachten Port gefüllt oder geleert werden kann, d. h. der Innendurchmesser des Bandings kann postoperativ variiert werden. Beide Methoden können zwar das Nahrungsvolumen, nicht jedoch die Kalorienmenge beeinflussen. Um Komplikationen vorzubeugen, müssen die Patienten bei der Anwendung dieser Verfahren ein verändertes Ess- und Trinkverhalten an den Tag legen, das auch die Gewichtsreduktion bewirken soll.
Restriktion mit geringer Malabsorption: Magenbypass Prinzip: Beim Magenbypass wird ein kleiner Vormagen (15 – 30 ml) vom Restmagen abgetrennt (Abb. B-1.290). Zirka 45 cm distal des Treitz-Bandes wird das Jejunum durchtrennt und der distale Dünndarmanteil mit dem Vormagen anastomosiert. Der die Sekrete aus Leber und Pankreas transportierende Dünndarmanteil wird je nach Bedarf (90 – 120 cm) ab Gastroenterostomie mit dem Jejunum anastomosiert. Dies bedeutet, dass der Speisebrei in den kleinen Vormagen und von dort direkt in den anastomosierten Jejunumschenkel transportiert wird. Der Nahrungsbrei trifft erst nach 90 – 150 cm auf die Jejunojejunostomie und somit auf die Verdauungssekrete. Dadurch sind der gesamte Restmagen und das Duodenum von der Nahrungspassage ausgeschlossen. Wie nach Gastrektomie bekannt, kommt es bei Aufnahme von Süßigkeiten zu einem Dumping-Syndrom. Dieses soll den Patienten veranlassen, von einer gesteigerten Aufnahme süßer, hochkalorischer Nahrungsmittel abzusehen. Da der Magen und das Duodenum ausgeschaltet sind, ist es wichtig, postoperativ für den Rest des Lebens auf eine Substitution von Eisen, Kalzium, Vitamin B12 und Eiweiß zu achten.
B-1.288
Rein restriktive Verfahren: Gastric Banding a schematisch b intraoperativ
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B 1.15 Adipositaschirurgie
B-1.289
Rein restriktive Verfahren: Gastroplastik
597 B-1.289
a schematisch b intraoperativ
B-1.290
Magenbypass AL = Alimentary Limb BL = Biliary Limb
왘 Merke. Bei dieser Kombination aus restriktivem und Malabsorptionsver-
왗 Merke
fahren erfolgt die Gewichtsreduktion in erster Linie durch die Ausschaltung von Rest-Magen und Duodenum.
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598
B 1 Viszeralchirurgie
Malabsorptionsverfahren
Malabsorptionsverfahren
Biliopancreatic Diversion (BPD)
Biliopancreatic Diversion (BPD)
Prinzip: Der Magen wird wie bei Billroth II zu einem Drittel reduziert, das Duodenum blind verschlossen und eine Cholezystektomie durchgeführt. Das Ileum wird ab der BauhinKlappe proximal nach 300 cm durchtrennt und mit dem Magenrest anastomosiert. Der die Verdauungssekrete führende Dünndarmanteil wird mit dem Ileum 50 cm vor Eintritt in den Dickdarm reanastomosiert (Abb. B-1.291 a).
Prinzip: Bei dieser Methode (nach Scopinaro) wird der Magen wie bei Billroth II (S. 327) in etwa zu einem Drittel reduziert und das Duodenum blind verschlossen. In gleicher Sitzung wird eine Cholezystektomie durchgeführt. Das Ileum wird gemessen ab der Bauhin-Klappe proximal nach 300 cm durchtrennt. Dieser Ileumanteil wird mit dem Magenrest anastomosiert und der die Verdauungssekrete führende Dünndarmanteil mit dem Ileum 50 cm vor Eintritt in den Dickdarm reanastomosiert. Der den Nahrungsbrei transportierende Dünndarmanteil (alimentary limb) beträgt 250 cm, der die Verdauungssekrete aus Leber und Pankreas führende Dünndarmanteil (biliary limb) entspricht der verbliebenen Restlänge. Somit ist kein Dünndarmanteil ausgeschaltet (Abb. B-1.291 a). Zu beachten ist bei dieser Methode, dass eine regelmäßige Substitution von Kalzium, Vitamin B12, fettlöslichen Vitaminen und Eiweiß erfolgt.
Wichtig ist die regelmäßige Substitution von Kalzium, Vitamin B12, fettlöslichen Vitaminen und Eiweiß. Biliopancreatic Diversion mit duodenalem Switch (DS) Prinzip: Bei dieser Methode wird die Magenresektion als Sleeve Resection durchgeführt und der den Nahrungsbrei führende Dünndarmanteil (alimentary limb) 100 cm vor dem Eintritt in den Dickdarm mit dem die Verdauungssekrete führenden Dünndarmanteil (biliary limb) anastomosiert (Abb. B-1.291 b).
B-1.291
Biliopancreatic Diversion mit duodenalem Switch (DS) Prinzip: Der Unterschied der BPD mit DS zur Methode nach Scopinaro besteht in der Magenresektion, die als sog. Sleeve Resection durchgeführt wird, d. h. der Magen wird in seiner Längsachse durchtrennt und der Hauptteil vom Korpus sowie der gesamte Fundus entfallen. Der Pylorus bleibt in der Nahrungspassage erhalten, das Duodenum wird postpylorisch durchtrennt und blind verschlossen. Das Ileum wird ab der Bauhin-Klappe 250 cm nach proximal durchtrennt und postpylorisch mit dem Restmagen verbunden. Bei dieser Methode wird der den Nahrungsbrei führende Dünndarmanteil (alimentary limb) 100 cm vor dem Eintritt in den Dickdarm mit dem die Verdauungssekrete führenden Dünndarmanteil (biliary limb) anastomosiert. Der gemeinsame Ileumanteil (common limb) beträgt bei dieser Methode 100 cm (Abb. B-1.291 b).
B-1.291
Biliopancreatic Diversion a Methode nach Scopinaro. b Methode mit duodenalem Switch. AL = Alimentary Limb BL = Biliary Limb CL = Common Limb
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B 1.16 Hals
왘 Merke. Beide Malabsorptionsverfahren bewirken einen beeindruckenden,
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anhaltenden Gewichtsverlust. Wichtig ist jedoch, dass die Patienten postoperativ für den Rest des Lebens diszipliniert täglich Proteine, fettlösliche Vitamine, Kalzium, Eisen, Spurenelemente und Mineralstoffe substituieren müssen, um keine Mangelerscheinungen aufzuweisen, die Stoffwechselentgleisungen zur Folge haben können. Da bei der BPD mit DS der Magen in seiner Längsachse erhalten bleibt und somit auch die Zellen, die Säure und Intrinsic Factor produzieren, sind der Eiweiß- und Vitamin-B12-Verlust bei dieser Methode bei mangelnder Substitution nicht so ausgeprägt wie bei der BPD nach Scopinaro.
1.15.5 Auswahl der geeigneten Methode und Nachsorge Entscheidend für die Wahl einer adipositaschirurgischen Therapieform sind die Langzeitergebnisse. Da bei den rein restriktiven Therapieformen nur das Volumen und nicht der Kaloriengehalt der Nahrung beeinflusst werden kann, ist der erreichte Gewichtsverlust nicht so hoch wie bei den Methoden mit Malabsorptionskomponente. Entscheidend für die Langzeitprognose ist jedoch vor allem die postoperative Langzeitbetreuung. Für den Erfolg einer anhaltenden Gewichtsreduktion der operierten Patienten ist eine intensive postoperative Betreuung von einem interdisziplinären Team über mindestens 5 Jahre notwendig und entscheidend.
1.16 Hals
1.15.5 Auswahl der geeigneten Methode
und Nachsorge Die Langzeitergebnisse sind von der Therapieform und der Compliance der Patienten abhängig. Entscheidend ist jedoch die Langzeitnachbetreuung. Die Nachsorge von einem interdisziplinären Team über 5 Jahre ist für den anhaltenden Erfolg wichtig.
1.16
Hals
Hans-Jürgen Klomp
1.16.1 Anatomie des Halses 왘 Merke. Die Kenntnis der Anatomie der Halsregion hat für den chirurgisch
1.16.1 Anatomie des Halses
왗 Merke
tätigen Arzt besondere Bedeutung, da hier wichtige Leitungsbahnen und Eingeweidestrukturen relativ ungeschützt und in enger räumlicher Beziehung verlaufen.
Halsregionen
Halsregionen
Eine zur anatomischen Orientierung hilfreiche Gliederung des Halses in verschiedene Regionen ist durch die Muskulatur vorgegeben (Abb. B-1.292). Der kräftige, schräg verlaufende M. sternocleidomastoideus trennt die vordere Halsregion (Regio colli anterior) vom lateralen Halsdreieck (Regio colli lateralis). Als Karotisdreieck (Trigonum caroticum) wird der Teil der vorderen Halsregion bezeichnet, der durch den M. sternocleidomastoideus lateral, den M. omohyoideus medial und den M. digastricus bzw. den Unterkieferrrand kranial begrenzt wird. Die Palpation des Karotispulses und die Auskultation des Gefäßes erfolgt in dieser Region submandibulär am medialen Rand des M. sternocleidomastoideus. Die A. carotis communis teilt sich hier in die A. carotis externa und die A. carotis interna auf. Medial der Karotisgabel liegt das Glomus caroticum, ein vegetatives Paraganglion. Im medialen Winkel des lateralen Halsdreiecks verlaufen die Gefäße und Nerven zur Versorgung des Armes. Sie treten hier durch die von den Mm. scaleni begrenzte vordere und hintere Skalenuslücke hindurch.
Durch Muskelverläufe vorgegeben ist die Aufteilung in vordere Halsregion mit Karotisdreieck und laterales Halsdreieck (Abb. B-1.292). Im Karotisdreieck finden sich die Aufgabelung der A. carotis communis sowie das Glomus caroticum, ein vegetatives Paraganglion. Hier kann medial des M. sternocleidomastoideus der Karotispuls getastet und das Gefäß auskultiert werden. Durch die Skalenuslücken im lateralen Halsdreieck verlaufen die Gefäße und Nerven zur Versorgung des Armes.
Halsfaszien
Halsfaszien
Die Halsfaszien sind bindegewebige Membranen, die die Eingeweide und Muskeln des Halses in mehrere Schichten gliedern (Abb. B-1.293).
Die Halsfaszien gliedern die Eingeweide und Muskeln des Halses in mehrere Schichten (Abb. B-1.293).
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B 1 Viszeralchirurgie
600 B-1.292
Halsregionen
B-1.293
Halsfaszien (Querschnitt)
Entzündliche und tumoröse Prozesse breiten sich vorzugsweise in kranio-kaudaler Richtung innerhalb der durch die Halsfaszien begrenzten Räume aus.
Beispiele sind die Mediastinitis bei Ösophagusperforation und das Wachstumsverhalten von Schilddrüsenvergrößerungen.
Die oberflächliche Halsfaszie scheidet die Mm. sternocleidomastoideus und trapezius vollständig ein, das Platysma liegt epifaszial. Die mittlere Halsfaszie umschließt die infrahyalen Muskeln. Mittlere Halsfaszie und M. omohyoideus halten durch bindegewebige Verbindungen das Lumen der V. jugularis
Ihre klinische Bedeutung liegt darin, dass sie Grenzlamellen darstellen, die dem Chirurgen bei der anatomischen Orientierung und der Präparation helfen. Diese Grenzlamellen stellen auch bis zu einem gewissen Grad eine Barriere für entzündliche und tumoröse Prozesse dar, deren Ausbreitung in der Regel zunächst innerhalb der durch die Halsfaszien begrenzten Räume in kraniokaudaler Richtung erfolgt. Beispielsweise kann eine Perforation des zervikalen Ösophagus zu einer weit in das hintere Mediastinum reichenden Abszedierung führen, ohne dass am Hals oberflächliche Entzündungszeichen auftreten. Auch das Wachstum von Strumen nach retrosternal oder intrathorakal erfolgt innerhalb des durch die Faszien begrenzten Raumes. Die oberflächliche Halsfaszie (Lamina superficialis) scheidet den M. sternocleidomastoideus und den dorsal gelegenen M. trapezius vollständig ein. Außerhalb dieser Faszie im Subkutangewebe liegt eine der mimischen Muskulatur zuzurechnende dünne Muskelplatte, das Platysma. Die mittlere Halsfaszie (Lamina praetrachealis) umschließt die infrahyalen Muskeln. Sie wird durch den M. omohyoideus gespannt, an dessen lateralem Rand sie endet. Dadurch entsteht ein dreiseitiger zeltartiger Abschluss der oberen Thoraxapertur. Durch bindegewebige Verbindungen zwischen M. omo-
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B 1.16 Hals
601
hyoideus und dem lateral gelegenen Gefäßnervenstrang hält der Muskel das Lumen der V. jugularis interna offen. Dadurch ist der ungehinderte Blutfluss auch bei Kontraktion der Halsmuskulatur gewährleistet. Im Falle einer Verletzung der V. jugularis interna besteht allerdings auch ein erhöhtes Risiko einer Luftembolie. Die tiefe Halsfaszie (Lamina praevertebralis) überzieht die tiefe Halsmuskulatur und die lateral gelegenen Mm scaleni. Halseingeweide und Leitungsbahnen liegen zwischen mittlerer und tiefer Halsfaszie.
interna offen. Hierdurch wird der venöse Abfluss gesichert, bei Verletzung der V. jugularis interna besteht aber erhöhte Luftemboliegefahr.
Die tiefe Halsfaszie überzieht die tiefe Halsmuskulatur und die lateral gelegenen Mm. scaleni. Halseingeweide und Leitungsbahnen liegen zwischen mittlerer und tiefer Halsfaszie.
Eingeweidestrang
Eingeweidestrang
Der Kehlkopf (Larynx) liegt vor dem Hypopharynx und dem Ösophagus (Abb. B-1.294). Der Übergang in die Trachea liegt etwa in Höhe des Ösophagusmundes. Der Kehlkopfeingang wird beim Schlucken durch den Kehldeckel, die Epiglottis, verschlossen. Die am Schildknorpel unterhalb der Incisura thyroidea superior gelegene Prominentia laryngea, der sog. Adamsapfel, springt besonders beim Mann deutlich hervor. Unterhalb des Kehlkopfes tastet man den Krikoidknorpel. Zwischen beiden liegt das Lig. cricothyroideum (früher auch als Lig. conicum bezeichnet), dessen Durchtrennung (Koniotomie) die einfachste Form des notfallmäßigen Luftröhrenschnittes darstellt. Das oberhalb des Kehlkopfes gelegene Zungenbein ist ein wichtiger Ansatzpunkt für verschiedene Muskelgruppen. Der obere Ösophagus liegt relativ geschützt zwischen Trachea und Wirbelsäule in einem Bindegewebsraum, der sich kaudalwärts ins hintere Mediastinum fortsetzt. Die spezielle Anatomie von Schilddrüse und Epithelkörperchen wird in Kapitel B-1.17, S. 611 besprochen.
Zum Eingeweidestrang gehören Kehlkopf, Schilddrüse, Zungenbein, Trachea und oberer Ösophagus (Abb. B-1.294). Das zwischen Schild- und Ringknorpel gelegene Ligament wird bei der Notfalltracheotomie (Koniotomie) durchtrennt.
Leitungsbahnen
Leitungsbahnen
In einer gemeinsamen Gefäß-Nerven-Scheide verlaufen medial die Arteria carotis communis, ventrolateral die Vena jugularis interna und dorsal der Nervus vagus (Abb. B-1.294). Kaudal wird der Gefäßnervenstrang vom M. sternocleidomastoideus bedeckt. A. carotis communis und interna geben im Halsbereich keine Äste ab, während aus der A. carotis externa die obere Schilddrüsenarterie sowie die Arterien zur Versorgung von Gesicht und knöchernem Schädel entspringen.
In einer gemeinsamen Gefäß-Nerven-Scheide verlaufen medial die A. carotis communis, ventrolateral die V. jugularis interna und dorsal der N. vagus (Abb. B-1.294). Kaudal wird der Gefäßnervenstrang vom M. sternocleidomastoideus bedeckt.
B-1.294
Anatomie der Halsregion (Übersicht)
B-1.294
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602 B-1.295
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.295
Lymphknotengruppen (LK) des Halses
Die oberflächlichen Halsvenen liegen epifaszial unter dem Platysma.
Von praktischer Bedeutung (z. B. zur Gefäßpunktion) sind die oberflächlichen Halsvenen (V. jugularis externa und V. jugularis anterior), die epifaszial, d. h. zwischen Platysma und oberflächlicher Halsfaszie liegen.
Lymphknoten
Lymphknoten
In der Halsregion finden sich zahlreiche Lymphknoten (Abb. B-1.295), deren Lymphe auf jeder Seite über 2 Hauptstränge am Angulus venosus ins Venensystem drainiert wird. Der linke Truncus jugularis mündet via Ductus thoracicus, der rechte direkt.
In der Halsregion finden sich zahlreiche Lymphknoten (Abb. B-1.295), die sich in Gruppen gliedern lassen und deren Lymphe auf jeder Seite über zwei Hauptstränge (Trunci jugulares) am Angulus venosus ins Venensystem drainiert wird. Auf der linken Seite mündet der Truncus jugularis via Ductus thoracicus, auf der rechten Seite direkt.
Über den Truncus jugularis erfolgt die hauptsächliche Lymphdrainage von Kopf und Hals. Zu seinem Einzugsgebiet gehören die oberflächlichen und die tiefen jugularen Lymphknoten, bei denen man eine kaudale und eine kraniale Gruppe unterscheidet.
Der Truncus subclavius drainiert neben der Lymphe des Armes und der Mamma über die supraklavikuläre Lymphknotengruppe auch die Lymphknoten des lateralen Halsdreiecks. Da Letztere in der Nähe des R. externus des N. accessorius liegen, kann dieser bei einer Lymphknotenentfernung verletzt werden.
Über den Truncus jugularis erfolgt die hauptsächliche Lymphdrainage von Kopf und Hals. Zu seinem Einzugsgebiet gehören die oberflächlichen jugularen Lymphknoten aus dem Bereich der V. jugularis externa sowie die tiefen jugularen Lymphknoten, die in der Umgebung der V. jugularis interna gelegen sind. Man unterscheidet eine kraniale Gruppe, in die sich auch die submentalen und submandibulären Lymphknoten drainieren und die gut palpabel ist, von einer kaudalen Gruppe, die unter dem M. sternocleidomastoideus verborgen ist. Der Truncus subclavius begleitet den Gefäßnervenstrang des Armes. Neben der Lymphe des Armes und der Mamma drainiert er über die supraklavikuläre Lymphknotengruppe auch die Lymphknoten des lateralen Halsdreiecks. Letztere liegen häufig in der Nähe des R. externus des N. accessorius, der die Mm. trapezius und sternocleidomastoideus motorisch versorgt und bei einer Lymphknotenentfernung verletzt werden kann.
1.16.2 Allgemeine Diagnostik
1.16.2 Allgemeine Diagnostik
Wegen der gut zugänglichen Anatomie ist die klinische Untersuchung wichtig. Als technische Untersuchungen stehen Ultraschall, CT, MRT, Szintigraphie, Angiographie sowie endoskopische Verfahren zur Verfügung.
Die klinische Untersuchung hat in der Halsregion wegen der gut zugänglichen Anatomie besondere Bedeutung, insbesondere die Inspektion und Palpation. Als technische Untersuchung kommt in erster Linie die Ultraschalluntersuchung allgemein bzw. die Doppler-Ultraschalluntersuchung zur Gefäßdiagnostik zum Einsatz. Bei speziellen Fragestellungen werden CT, MRT, Szintigraphie und Angiographie eingesetzt. Schließlich besteht durch die Endoskopie die Möglichkeit der direkten Untersuchung des Verdauungstraktes (Ösophagoskopie) und des oberen Respirationstraktes (Laryngoskopie, Tracheoskopie).
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B 1.16 Hals
603
1.16.3 Leitsymptome
1.16.3 Leitsymptome
Auf die Halsregion zu beziehende Beschwerden können in 3 Symptomenkomplexe unterteilt werden: Halsschwellung, Schluckstörungen und Atemstörungen (Tab. B-1.77). Das Leitsymptom jeder Schluckstörung ist die Dysphagie, d. h. eine Störung des Schluckaktes. Von Odynophagie spricht man, wenn die Passage nicht wesentlich beeinträchtigt, der Schluckakt aber schmerzhaft ist. Beim Globusgefühl hat der Patient das Gefühl, „dass etwas im Hals stecken bleibt“ bzw. beim Schluckakt „drückt“, ohne dass eine objektive Behinderung der Nahrungspassage nachweisbar ist.
In der Halsregion sind die wichtigsten Symptome: Halsschwellung, Schluckstörung und Atemstörung (Tab. B-1.77).
B-1.77
Leitsymptome in der Halsregion
B-1.77
Leitsymptom
Ätiologie
Erläuterung
Halsdiffus schwellung
allergisches Ödem
generalisierte allergische Reaktion oder lokal (z. B. nach Wespenstich)
obere Einflussstauung
bei Herzinsuffizienz, Spannungspneumothorax oder Raumforderungen des oberen Mediastinums
Halsphlegmone Einblutung lokalisiert
Schluckstörung
Dysphagie
z. B. nach stumpfem Trauma, postoperativ, sehr selten spontan
Schilddrüsenvergrößerung (Struma) Weichteiltumoren
meist benigne (Lipom, Fibrom, Atherom)
Lymphknotenvergrößerung
Lymphadenitis, Metastasen oder maligne Lymphome
Ösophaguskarzinom Zenker-Divertikel gastroösophageale Refluxerkrankung Struma
Globusgefühl
Atemstörung
Dyspnoe
Achalasie neurologische Erkrankungen
z. B. Apoplex, Morbus Parkinson, multiple Sklerose
organisch
siehe Ätiologie der Dysphagie
psychovegetativ
häufig im Zusammenhang mit Stress oder Angst auslösenden Situationen, Frauen häufiger betroffen als Männer
Herzinsuffizienz Lungenerkrankung Tumoren der Atemwege
Heiserkeit
retrosternale Struma
durch Kommpression und/oder Verlagerung der Trachea
Rekurrensparese
durch maligne Tumoren (z. B.Lunge, Schilddrüse)
Tumoren des Kehlkopfes
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604
B 1 Viszeralchirurgie
1.16.4 Erkrankungen
1.16.4 Erkrankungen
Schilddrüsenerkrankungen (Struma)
Schilddrüsenerkrankungen (Struma)
Zu Details siehe S. 616.
Knotige oder diffuse Vergrößerungen der Schilddüse können Beschwerden im Bereich aller 3 im Abschnitt Leitsymptome (s.o.) aufgeführten Symptomenkomplexe verursachen. Zu Details s. S. 616.
Halszysten und -fisteln
Halszysten und -fisteln
왘 Definition
왘 Definition. Angeborene Halszysten und -fisteln sind typische Erkrankungen
des Säuglings- und Kindesalters, können aber auch erst im Erwachsenenalter symptomatisch werden. Sie entstehen durch unvollständige Rückbildung embryonaler Strukturen. Man unterscheidet mediane und laterale Halszysten. Mediane Halszyste
Mediane Halszyste
Ätiologie: Mediane Halszysten und Fisteln entstehen aus Rudimenten des Ductus thyreoglossus (Abb. B-1.296 a, b).
Ätiologie: Mediane Halszysten und Fisteln werden durch Rudimente des Ductus thyreoglossus verursacht. Dieser von schleimproduzierenden Zellen ausgekleidete Gang entsteht in der Embryonalzeit als Folge des Herabwanderns der Schilddrüsenanlage vom Zungengrund. Er bildet sich physiologischerweise vollständig zurück (Abb. B-1.296 a, b).
Klinik: Sie werden meist erst im Vorschulalter als prallelastische Resistenzen am Hals symptomatisch (Abb. B-1.296 c). Nach Ruptur oder Infektion entsteht eine Fistel nach außen.
Klinik: Der distale Anteil des Ductus thyreoglossus kann im Rahmen einer Schilddrüsenoperation als Lobus pyramidalis in Erscheinung treten. Weiter kranial gelegene Anteile imponieren durch die Schleimproduktion als prallelastische Zysten, die in der Regel erst im Vorschulalter entdeckt werden (Abb. B-1.296 c). Sie liegen meist in der Nähe des Zungenbeins, können aber bis zum Zungengrund hinaufreichen. Die Ruptur oder Infektion einer Zyste mit Durchbruch nach außen führt zur Ausbildung einer medianen Fistel.
Diagnostik: Präoperativ wird eine Ultraschalluntersuchung des Halses und ggf. eine Fisteldarstellung mit Kontrastmittel durchgeführt. Differenzialdiagnostisch kommt ausnahmsweise eine ektope Schilddrüsenanlage infrage.
Diagnostik: Neben der klinischen Untersuchung stellt die Sonographie des Halses das wichtigste diagnostische Hilfsmittel dar. Typische Zysten erscheinen im Schallbild als symmetrische, echoarme Raumforderungen. Bei nicht eindeutig zystischer Struktur kommt differenzialdiagnostisch ausnahmsweise eine ektope Schilddrüsenanlage infrage. Auf jeden Fall sollte das Vorliegen einer normalen, orthotop gelegenen Schilddrüse sonographisch dokumentiert werden. Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) sind
B-1.296
Mediane Halszysten und -fisteln
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B 1.16 Hals
B-1.297
605
Verlauf und Lokalisation lateraler Halsfisteln und -zysten
in der Regel bei der präoperativen Abklärung von Halszysten nicht indiziert. Liegt eine Fistel vor, kann die Ausdehnung präoperativ durch eine Kontrastmitteldarstellung bestimmt werden. Therapie: Die Behandlung besteht in der vollständigen Exstirpation der Zyste bzw. des Fistelganges. Je nach Befund muss der mittlere Anteil des Zungenbeinkörpers und der Verbindungsstrang zum Foramen caecum am Zungengrund mitentfernt werden.
Therapie: Die Behandlung besteht in der vollständigen Entfernung der Zyste bzw. des Fistelganges.
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606
B 1 Viszeralchirurgie
Laterale Halszysten
Laterale Halszysten
Ätiologie: Laterale Halszysten sind Rudimente embryonaler Kiementaschen (Abb. B-1.297). Bei einer Fistel besteht eine Verbindung zwischen Haut und Rachenraum.
Ätiologie: Laterale Halszysten und Fisteln werden durch unvollständige Rückbildung der in der frühen Embryonalentwicklung entstehenden Kiementaschen hervorgerufen (Abb. B-1.297). Eine vollständige Fistel ist durch eine Verbindung zwischen Halsoberfläche und Rachenraum gekennzeichnet; inkomplette Fisteln enden blind. Wenn kein Anschluss nach innen oder außen mehr vorhanden ist, entsteht eine Zyste.
Klinik: Eine äußere Fistelöffnung liegt immer am Vorderrand des M. sternocleidomastoideus (Abb. B-1.297 a). Zysten imponieren als tastbare Resistenzen im lateralen Teil des vorderen Halsdreiecks (Abb. B-1.297 b).
Klinik: Eine äußere Fistelöffnung liegt immer am Vorderrand des M. sternocleidomastoideus im vorderen Halsdreieck (Abb. B-1.297 a). Sie ist in der Regel einseitig und bereits bei der Geburt vorhanden, aber häufig kaum erkennbar. Erst bei Infektion kommt es zur Verhaltbildung oder eitrigen Sekretion aus der Fistelöffnung. Zysten imponieren als tastbare Resistenzen im lateralen Teil des vorderen Halsdreiecks (Abb. B-1.297 b).
Diagnostik: Die typische Fistellokalisation erleichtert die Diagnose. Die Ultraschalluntersuchung hilft beim Nachweis der Zyste (Abb. B-1.297 c).
Diagnostik: Aufgrund der typischen Fistellokalisation ist die Diagnose bei Säuglingen und Kleinkindern einfach. Zysten können bis ins Erwachsenenalter unentdeckt bleiben. Eine präoperative Ultraschalluntersuchung des Halses kann den Nachweis einer flüssigkeitsgefüllten Zyste erbringen (Abb. B-1.297 c).
Differenzialdiagnose: Sekundäre Fisteln anderer Ursache, Tumoren und Lymphknotenschwellungen sind zu bedenken.
Differenzialdiagnose: Sekundäre Fisteln anderer Ursache sind möglich. Bei Zysten ist neben Tumoren und einer Lymphadenitis v. a. an Lymphome im Rahmen einer Systemerkrankung zu denken. Daher sollte bei der klinischen Untersuchung auch auf Lymphknotenvergrößerungen in anderen Körperregionen geachtet werden.
Therapie: Die möglichst frühzeitige vollständige Exstirpation der Zyste bzw. Fistel ist anzustreben (Abb. B-1.297 d).
Therapie: Die möglichst frühzeitige vollständige Exstirpation der Zyste bzw. Fistel ist anzustreben (Abb. B-1.297 d). Ist es bereits zur Abszedierung gekommen, muss diese zunächst drainiert werden. Komplikationen können durch unvollständige Entfernung oder Verletzung benachbarter Strukturen (Karotisgabel, N. hypoglossus) hervorgerufen werden.
1.16.5 Tumoren der Halsregion
1.16.5 Tumoren der Halsregion
왘 Definition
Ätiologie: Nicht druckschmerzhafte Resistenzen können durch gutartige Tumoren hervorgerufen werden. Bei Druckschmerzhaftigkeit liegt häufig eine Lymphadenitis vor.
Nicht druckschmerzhafte Lymphknotenvergrößerungen können auf maligne Systemerkrankungen oder im Hals lokalisierte Primärtumoren hinweisen.
Seltener sind zervikale Lymphknotenmetastasen verschiedener intra- und extraabdomineller Karzinome (Abb. B-1.298). Der vergrößerte Lymphknoten links supraklavikulär beim Magenkarzinom wird als „Virchow-Drüse“ bezeichnet.
왘 Definition. Tumoren der Halsregion sind tastbare benigne oder maligne Raumforderungen. Die Ursache kann entzündlich oder neoplastisch sein. Im weiteren Sinn gehören hierzu auch Tumoren in der Halsregion, die nicht der direkten klinischen Untersuchung zugänglich sind.
Ätiologie: Ursache einer nicht druckschmerzhaften tastbaren Resistenz können gutartige Tumoren wie Atherome, Lipome, Fibrome, Halszysten oder Schilddrüsenknoten sein. Bei Druckschmerzhaftigkeit liegt eine entzündliche Komponente vor. Häufig handelt es sich um eine Lymphadenitis, deren Ursache in Virusinfekten, Zahnentzündungen oder anderen lokalen Infektionen zu suchen ist. Tastbare nicht druckschmerzhafte Lymphknotenvergrößerungen können aber auch Hinweis auf eine maligne Erkrankung sein. Bei den Systemerkrankungen der lymphatischen Organe (malignes Lymphom) ist die Halsregion häufig betroffen. Maligne Tumoren des Larynx und Pharynx oder der Schilddrüse können durch tastbare zervikale Lymphknotenmetastasen klinisch auffällig werden. Seltener kommen auch zervikale Lymphknotenmetastasen gastrointestinaler Karzinome sowie anderer Tumoren (Abb. B-1.298) vor. Gelegentlich stellen diese das erste Symptom einer zuvor nicht bekannten Erkrankung dar. Als klassisches Beispiel gilt die Lymphknotenvergrößerung links supraklavikulär an der Einmündung des Ductus thoracicus in die V. subclavia (sog. „Virchow-Drüse“) als Hinweis auf ein fortgeschrittenes Magenkarzinom.
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B 1.16 Hals
B-1.298
Zervikale Lyphknotenmetastase
607 B-1.298
Inflammatorische supraklavikuläre Lymphknotenmetastase eines Harnblasenkarzinoms.
Klinik: Oberflächlich gelegene Tumoren verursachen kaum Beschwerden und fallen entweder durch ihre Größe auf oder werden zufällig bei der Gesichtspflege oder beim Rasieren getastet. Tumoren des Eingeweidestranges werden meist durch eine typische Symptomatik (Dysphagie, Heiserkeit) bemerkt. Bei entzündlichen Tumoren steht die Schmerzsymptomatik im Vordergrund.
Klinik: Oberflächliche Tumoren können getastet werden, Tumoren des Eingeweidestranges verursachen meist eine typische Symptomatik mit Dysphagie und Heiserkeit.
Diagnostik: Das diagnostische Vorgehen wird durch die Anamnese und den klinischen Befund bestimmt. Neben der gründlichen klinischen Untersuchung stehen die Sonographie der Halsregion und die HNO-ärztliche Untersuchung an erster Stelle.
Diagnostik: Die Primärdiagnostik umfasst eine gründliche klinische Untersuchung, Sonographie und HNO-ärztliche Untersuchung.
왘 Merke. Jede länger bestehende Lymphknotenvergrößerung am Hals muss abgeklärt werden. Durch Feinnadelpunktion kann eine Zytologie gewonnen werden. Im Zweifelsfall sollte aber eine diagnostische Lymphknotenexstirpation zur histologischen und ggf. mikrobiologischen Untersuchung erfolgen.
Therapie: Kleine oberflächliche Tumoren oder Lymphknoten werden in Lokalanästhesie entfernt. Größere Tumoren oder tiefergelegene Lymphknoten sollten in Allgemeinnarkose operiert werden. Mögliche Komplikationen sind Blutungen und Nervenverletzungen sowie die Ausbildung einer Lymphfistel.
왘 Praktischer Tipp. Lymphknotenvergrößerungen im lateralen Halsdreieck
왗 Merke
Therapie: Größere Tumoren oder tiefergelegene Lymphknoten sollten in Allgemeinnarkose entfernt werden. Mögliche Komplikationen sind Blutung, Nervenverletzung und Lymphfistel. 왗 Praktischer Tipp
sind häufig in unmittelbarer Nähe des N. accessorius (R. externus) gelegen. Die Gefahr der Verletzung dieser motorischen Nerven muss bei der Patientenaufklärung unbedingt erwähnt und im Aufklärungsbogen dokumentiert werden. Klinisch manifestiert sich eine Parese durch Schulterschmerzen bei Bewegung und einen Schultertiefstand mit Atrophie des oberen Trapeziusrandes. Zur Vermeidung dieser Komplikation sind anatomische Kenntnisse des Nervenverlaufes sowie eine atraumatische und übersichtliche Operationstechnik unabdingbar. Manche Chirurgen verwenden einen Nervenstimulator zur intraoperativen Identifizierung.
1.16.6 Verletzungen 왘 Definition. Verletzungen im Halsbereich können durch perforierende oder
1.16.6 Verletzungen
왗 Definition
stumpfe Gewalteinwirkung, von innen oder von außen wirksam werden. Verletzungen der ligamentären und knöchernen Strukturen werden im Kapitel Unfallchirurgie ab S. 817 behandelt.
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608 왘 Merke
B 1 Viszeralchirurgie
왘 Merke. Im Halsbereich finden sich lebenswichtige anatomische Strukturen relativ oberflächlich und auf engstem Raum konzentriert. Daher erfordert jede auch vermeintlich harmlose Verletzung im Halsbereich gesteigerte klinische Aufmerksamkeit, eine gründliche Untersuchung und ggf. eine Überwachung des Patienten.
Perforierende Verletzungen
Perforierende Verletzungen
Schnittwunden
Schnittwunden
Schnittwunden im Halsbereich entstehen durch Haus- und Verkehrsunfälle, Gewaltverbrechen oder suizidale Handlungen.
Bei Haus- oder Verkehrsunfällen sind Glassplitter oder Glasbruchkanten die Hauptverletzungsursache, während durch Messer oder Rasierklingen verursachte Schnittwunden am häufigsten im Rahmen von Gewaltverbrechen oder suizidalen Handlungen auftreten. Die größte Gefahr stellt die Blutung dar. Bereits eine Verletzung der oberflächlichen epifaszialen Venen kann zu erheblichen Blutverlusten führen, ebenso Verletzungen der Halsmuskulatur. Immer akut lebensbedrohlich ist eine Beteiligung des Gefäß-Nerven-Stranges. Neben der akuten Verblutungsgefahr besteht bei Verletzung der V. jugularis interna aus anatomischen Gründen (Abb. B-1.293, S. 600) auch die Gefahr der Luftembolie. Die Primärbehandlung besteht aus Schockbekämpfung und lokaler digitaler Kompression der Gefäßläsion. Bei der anschließenden Wundversorgung werden oberflächliche Gefäße ligiert, größere Gefäße nach den Regeln der Gefäßchirurgie (S. 1158) rekonstruiert.
Die größte Gefahr stellt die Blutung dar. Eine Beteiligung des Gefäß-Nerven-Stranges ist immer akut lebensbedrohlich, bei Verletzung der V. jugularis interna besteht die Gefahr der Luftembolie.
Die Behandlung besteht aus Schockbekämpfung und der Wundversorgung unter besonderer Beachtung der Gefäßverletzung.
Schussverletzungen
Schussverletzungen
Es handelt sich meist um schwere, wegen der ausgedehnten Gewebezerreißung häufig tödlich verlaufende Verletzungen.
Schusswunden am Hals sind gekennzeichnet durch eine hohe Letalität als Folge des Blutverlustes und der ausgedehnten Gewebezerreißung. Lediglich bei kleinem Kaliber (z. B. Luftgewehr) und günstiger Lage des Schusskanals sind Durchschüsse ohne vital bedrohliche Verletzungen möglich.
Andere Verletzungsmechanismen
Andere Verletzungsmechanismen
Stumpfe Gewalteinwirkungen
Stumpfe Gewalteinwirkungen
Prellungen im Bereich des Halses können zu Ödem oder Hämatomschwellung, sowie zu Luxationen und Frakturen des Kehlkopfskeletts oder Trachealrupturen führen. Klinisch können Schwellung, Luftnot und ein Hautemphysem vorliegen. Wichtigste therapeutische Maßnahme ist die Freihaltung der Atemwege, evtl. durch Intubation oder Tracheotomie (S. 609). Ein Schlag auf das Ganglion caroticum kann vegetative Reaktionen bis zur Bewusstlosigkeit auslösen.
Prellungen im Bereich des Halses können zu Weichteileinblutungen führen, die sich in der Regel spontan resorbieren. Eine Kehlkopfprellung durch Schlag oder Strangulation kann zu einem Ödem oder einer Hämatomschwellung mit zunehmender Luftnot führen. Auch Luxationen oder Frakturen im Bereich des Kehlkopfskelettes oder Einrisse der zervikalen Trachea sind möglich. Hierdurch entsteht ein Hautemphysem, das bei der Palpation als sog. „Schneeknistern“ eindeutig zu diagnostizieren ist. Therapeutisch stehen abschwellende Maßnahmen, Beobachtung und gegebenenfalls die Freihaltung der Atemwege durch Intubation oder Tracheotomie (S. 609) im Vordergrund. Ein Schlag im Bereich des Karotisdreiecks kann durch Irritation des Ganglion caroticum schwere vegetative Reaktionen (Blutdruckabfall, Bradykardie) bis hin zur Bewusstlosigkeit auslösen.
Verschluckte Fremdkörper
Verschluckte Fremdkörper
Durch verschluckte Fremdkörper oder ätzende Flüssigkeiten entstehen v. a. Ösophagusverletzungen.
Fremdkörper, die versehentlich (z. B. Rollmopsspieß) oder in suizidaler Absicht (z. B. Rasierklingen) verschluckt werden, können ebenso wie Säuren und Laugen zu schweren Schädigungen, insbesondere des Ösophagus, bis hin zur Perforation führen (siehe hierzu Kapitel Ösophagus).
Insektenstiche
Insektenstiche
Durch Stiche verschluckter Wespen kann es innerhalb von Minuten zu lebensbedrohlicher Luftnot kommen.
Einen Sonderfall stellen Stiche durch versehentlich verschluckte Insekten, insbesondere Wespen dar. Besonders bei hierzu disponierten Personen kann es innerhalb von Minuten zu einer massiven Schleimhautschwellung im Bereich des Rachenringes, der Zunge und des Kehlkopfeinganges kommen mit resultierender lebensbedrohlicher Luftnot.
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B 1.16 Hals
B-1.299
Tracheostoma mit Kanüle
Therapie: Die Behandlung besteht in lokaler Kühlung (Lutschen von Eiswürfeln) und Gabe von Antihistaminika und Kortison i. v. Falls erforderlich müssen die Luftwege durch endotracheale Intubation oder Tracheotomie freigehalten werden. Je nach Situation und Indikation kommen verschiedenen Methoden der Tracheotomie zur Anwendung (s. u.). Die Koniotomie stellt einen notfallmäßigen Zugang zur Luftröhre unter Durchtrennung des als Vertiefung tastbaren Lig. cricothyreoideum (conicum) zwischen Schild- und Ringknorpel dar. 왘 Merke. Eine Koniotomie kann jederzeit und überall durchgeführt werden. Sind im Notfall chirurgische Instrumente nicht verfügbar, kann ein Küchenoder Taschenmesser lebensrettend sein. Das Offenhalten des Zugangs erfolgt durch eine spezielle Trachealkanüle (Abb. B-1.299) oder alternativ z. B. durch eine leere Kugelschreiberhülse oder ein anderes Röhrchen.
609 B-1.299
Therapie: Die Behandlung besteht aus abschwellenden Maßnahmen und Freihaltung der Luftwege, ggf. endotrachealer Intubation oder Tracheotomie. Die Koniotomie stellt den notfallmäßigen Zugang zur Luftröhre dar.
왗 Merke
Weitere Formen der Tracheotomie sind das operativ angelegte plastische Tracheostoma in Höhe der 2. Trachealspange sowie die unter laryngoskopischer Kontrolle durchgeführte Punktions- oder Dilatationstracheotomie.
Weitere Formen der Tracheotomie sind das plastische Tracheostoma und die Punktions- oder Dilatationstracheotomie.
1.16.7 Entzündungen
1.16.7 Entzündungen
왘 Definition. Es handelt sich um in der Regel bakteriell verursachte flächige oder abgekapselte Infektionen, die über unterschiedliche Eintrittspforten entstehen können.
왗 Definition
Ätiologie und Pathogenese: Infektionen des Nasen-Rachen-Raumes, des Mittelohres oder der Zahnwurzeln sind die häufigsten Ursachen einer zervikalen Lymphangitis oder Lymphadenitis. Schreitet die Entzündung fort, kann es zu einer Einschmelzung mit Abszedierung und Fistelbildung bzw. Entwicklung einer Halsphlegmone kommen (Abb. B-1.300). Die Ausbreitung des entzündlichen Prozesses erfolgt innerhalb der durch die Halsfaszien vorgegebenen anatomischen Räume und kann auf diesem Weg das Mediastinum erreichen.
Ätiologie und Pathogenese: Infektionen des Nasen-Rachen-Raumes, Mittelohres oder der Zahnwurzeln können zu Lymphangitis, Lymphadenitis, Abszessen (Abb. B-1.300) und Phlegmonen führen, die sich bis ins Mediastinum fortsetzen können.
Oberflächliche Infektionen werden durch Haarbalgentzündungen (Follikulitis, Furunkel) oder infizierte Atherome („Grützbeutel“) hervorgerufen.
Oberflächliche Infektionen werden durch Furunkel oder Atherome hervorgerufen.
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610 B-1.300
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.300
Zervikaler Abszess bei einem Patienten mit Ösophaguskarzinom
Die Patientin stellte sich mit Fieber und einer entzündlichen Schwellung der rechten Halsseite vor, die stark druckempfindlich war und eine oberflächliche Hautnekrose aufwies. Bei der Operation fand sich eine mit Eiter gefüllte Nekrosehöhle, Gewebsproben ergaben Anteile eines Plattenepithelkarzinoms. Die weitere Diagnostik ergab als Ursache ein Ösophaguskarzinom, welches durch Infiltration der Umgebung und Fistelbildung eine Abszedierung der Halsweichteile verursacht hatte.
B-1.301
B-1.301
Karbunkel Karbunkel in typischer Lokalisation bei einem Patienten mit Diabetes mellitus Typ II.
Als Karbunkel wird eine ausgedehnte, teils nekrotisierende Entzündung der Haarfollikel im Nacken bezeichnet (Abb. B-1.301). Eine Phlegmone stellt eine diffuse Entzündung der Halsweichteile meist bakterieller Genese dar.
Als Karbunkel wird eine ausgedehnte, teils nekrotisierende Entzündung im Nacken bezeichnet, die ebenfalls von den Haarfollikeln ausgeht, das benachbarte Gewebe einbezieht und überwiegend bei Diabetikern auftritt (Abb. B-1.301). Eine Phlegmone stellt eine diffuse Entzündung der Halsweichteile meist bakterieller Genese dar, die mit Rötung, Schwellung, Spannungsgefühl und lokaler Druckschmerzhaftikeit einhergeht.
Klinik: Die Symptome reichen von geringer Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens bis zu lebensbedrohlich septischen Verläufen.
Klinik: Die Symptomatik kann von geringer Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens bis zu lebensbedrohlich septischen Verläufen reichen. Neben der Lokalisation der Infektion spielt das Errgerspektrum und die Immunabwehr des Patienten eine wichtige Rolle.
Diagnostik: Sie wird aufgrund des Lokalbefundes und der erhöhten laborchemischen Entzündungsparameter gestellt.
Diagnostik: Die Diagnose wird aufgrund des Lokalbefundes und der erhöhten laborchemischen Entzündungsparameter gestellt. In der Tiefe gelegene Infekte erfordern fallweise eine konsiliarische HNO-ärztliche oder zahnärztliche Mitbeurteilung sowie ggf. weitergehende Diagnostik (Röntgen, CT).
Therapie: Sanierung des Primärherdes sowie Gabe von Antibiotika. Bei Abszedierung Inzision mit Spülung und ggf. Drainage der Abszesshöhle. Karbunkel sollten vollständig exzidiert werden.
Therapie: Die Behandlung besteht in der Sanierung des Primärherdes (z. B. Zahnwurzelvereiterung) sowie in der Gabe von Antibiotika. Durch frühzeitige Anwendung potenter Antibiotika sind schwere, chirurgisch zu behandelnde Infektionen der tiefen Halsweichteile heute selten geworden. Kommt es aber zur
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B 1.17 Endokrine Chirurgie
Abszedierung, erfolgt eine breite Freilegung mit Spülung und Drainage der Abszesshöhle. Oberflächliche Abszesse werden inzidiert, Karbunkel sollten vollständig exzidiert werden. Alle Wunden werden der Sekundärheilung überlassen.
611 Alle Wunden werden der Sekundärheilung überlassen.
1.17 Endokrine Chirurgie
1.17
1.17.1 Schilddrüse und Nebenschilddrüse
1.17.1 Schilddrüse und Nebenschilddrüse
Endokrine Chirurgie
Hans-Jürgen Klomp
Makroanatomie der Schilddrüse
Makroanatomie der Schilddrüse
Die Schilddrüse (Glandula thyreoidea) besteht aus 2 Lappen, die sich kaudal des Schildknorpels an Pharynx, Speiseröhre und Kehlkopf anlagern (Abb. B-1.302). Die beiden Lappen sind durch eine wechselnd stark ausgeprägte ventrale Gewebebrücke miteinander verbunden. Dieser Schilddrüsenisthmus, der auch fehlen oder bindegewebig umgewandelt sein kann, liegt in Höhe des 2.– 3. (4.) Trachealringes. Als Lobus pyramidalis wird ein inkonstant vorhandener, nach kranial reichender Drüsenausläufer bezeichnet, der sich, meist auf der linken Seite, bis zum Zungengrund erstrecken kann. Es handelt sich um ein Rudiment der in der Embryonalzeit herabgewanderten Schilddrüsenanlage (Ductus thyreoglossus).
Die Schilddrüse (Glandula thyreoidea) besteht aus 2 Lappen, die sich kaudal des Schildknorpels an Pharynx, Speiseröhre und Kehlkopf anlagern (Abb. B-1.302) und durch den Schilddrüsenisthmus verbunden sind.
Dystope Schilddrüsenanlagen können im Bereich des Zungengrundes oder auch intrathorakal gelegen sein. Unter einer Schilddrüsenagenesie versteht man das völlige Fehlen einer Schilddrüsenanlage. Die Schilddrüse wird von der Halsmuskulatur bedeckt und von Anteilen der 3 Halsfaszien umschlossen (Abb. B-1.303). Dorsal ist die Schilddrüse durch die Ligg. thyreoidea (Berry-Ligamente) an der Trachea fixiert, wodurch sie beim Schluckakt mitbewegt wird. Die Gefäßversorgung der Schilddrüse erfolgt in der Regel über 4 Arterien, die untereinander und mit den Arterien der Nachbarorgane einen Kollateralkreislauf bilden. Selbst bei Unterbindung aller 4 Gefäße im Rahmen einer Operation bleibt der Schilddrüsenrest daher ausreichend durchblutet.
Dystope Schilddrüsenanlagen können am Zungengrund oder intrathorakal gelegen sein. Als Schilddrüsenagenesie wird das Fehlen der Schilddrüsenanlage bezeichnet. Die Schilddrüse wird von Anteilen der Halsfaszien umschlossen (Abb. B-1.303) und ist dorsal an der Trachea fixiert (Mitbewegung beim Schluckakt). Die Gefäßversorgung der Schilddrüse erfolgt über vier Arterien sowie Kollateralgefäße.
B-1.302
Anatomie der Schilddrüsenregion
Als Lobus pyramidalis wird ein inkonstant vorhandener, nach kranial reichender Drüsenausläufer bezeichnet, der ein Rudiment des Ductus thyreoglossus darstellt.
B-1.302
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B 1 Viszeralchirurgie
612 B-1.303
Beziehung der Schilddrüse zu den Halsfaszien (Querschnitt)
Die A. thyreoidea superior stammt aus der A. carotis externa, die A. thyreoidea inferior aus dem Truncus thyreocervicalis, inkonstant findet sich kaudal eine A. thyreoidea ima.
Lateral der Schilddrüse verläuft der Gefäßnervenstrang des Halses. Dorsal der Schilddrüse zieht der N. laryngeus recurrens entlang, dessen Verletzung führt zur Stimmbandlähmung. Mikroanatomie und Physiologie der Schilddrüse Die in den Thyreozyten synthetisierten Schilddrüsenhormone werden in den Follikeln an Thyreoglobulin gebunden gespeichert. (Abb. B-1.304). Die Regulation der Schilddrüsenhormonkonzentration im Blut erfolgt durch einen hypothalamisch-hypophysären Regelkreis mit TSH als zentraler Regelgröße. Parafollikuläre oder C-Zellen produzieren das Hormon Kalzitonin, das zur Senkung des Blutkalziumspiegels führt.
B-1.304
Die A. thyreoidea superior stammt aus der A. carotis externa und zieht zum oberen Schilddrüsenpol. Die A. thyreoidea inferior ist ein Ast des Truncus thyreocervicalis, tritt am sog. De-Quervain-Punkt hinter der A. carotis hervor und erreicht nach meist geschlängeltem Verlauf den Schilddrüsenlappen von lateral. In weniger als 10 % ist eine von kaudal kommende unpaare fünfte Arterie vorhanden (A. thyreoidea ima). Lateral der Schilddrüse verläuft der Gefäßnervenstrang des Halses mit A. carotis, V. jugularis und N. vagus. In der Rinne zwischen Trachea und Ösophagus zieht dorsal der Schilddrüse außerhalb der Schilddrüsenkapsel der N. laryngeus recurrens entlang, der die inneren Kehlkopfmuskeln motorisch versorgt. Seine Verletzung führt zur Lähmung des Stimmbandes auf der betreffenden Seite.
Mikroanatomie und Physiologie der Schilddrüse Die aufgeschnittene Schilddrüse zeigt eine Läppchenstruktur, jedes Läppchen setzt sich aus mehreren Follikeln zusammen (Abb. B-1.304). In den Epithelzellen (Thyreozyten) werden die Schilddrüsenhormone Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (Tetrajodthyronin, T4) synthetisiert und, gebunden an das extrazelluläre Kolloid (Thyreoglobulin), in den Follikeln gespeichert. Jodidaufnahme, Hormonproduktion und Ausschüttung des Hormons in den Blutkreislauf unterliegen einem hypothalamisch-hypophysär gesteuerten, komplexen Regelkreis. Im Zentrum der Regulation steht dabei das im Hypophysenvorderlappen gebildete TSH (Thyreoidea stimulierendes Hormon, Thyreotropin). Im Bindegewebe zwischen den Follikeln liegen die parafollikulären oder C-Zellen, die das Hormon Kalzitonin produzieren. Die Ausschüttung dieser Substanz führt zu einer raschen, kurzdauernden Senkung des Kalziumspiegels im Blut.
B-1.304
Schematische Darstellung der Schilddrüsenfollikel
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B 1.17 Endokrine Chirurgie
613
Allgemeine Diagnostik der Schilddrüse
Allgemeine Diagnostik der Schilddrüse
Anamnese und Untersuchung: Anamnese und klinische Untersuchung sind bei Schilddrüsenerkrankungen von besonderer Bedeutung, da die Symptome der Funktionsstörung vielfältig sein können und der Lokalbefund an der Schilddrüse einer klinischen Untersuchung gut zugänglich ist.
Anamnese und Untersuchung: Anamnese und klinische Untersuchung sind bei Schilddrüsenerkrankungen sehr wichtig.
왘 Merke. Anlass für einen Arztbesuch sind nicht selten Symptome, die vom Patienten nicht auf eine Erkrankung oder Funktionsstörung der Schilddrüse zurückgeführt werden. Eine sorgfältige und umfassende Anamnese und Untersuchung kann den Zusammenhang aufdecken. Sie stellt zudem die Voraussetzung für die rationelle Planung der weiteren Diagnostik dar.
Die klinische Untersuchung umfasst eine allgemeinkörperliche Untersuchung, wobei besonders auf Zeichen der Funktionsstörung zu achten ist (Hautbeschaffenheit, Reflexverhalten, Herzrhythmus, Blutdruck, psychische Befindlichkeit). Die Untersuchung der Schilddrüse selbst umfasst Inspektion, Palpation und Auskultation. Bei der Inspektion achtet man auf Veränderungen der Halskonturen und Asymmetrien. Gestaute Halsvenen können Zeichen einer oberen Einflussstauung bei retrosternaler Struma sein. Bei der Palpation werden Größe, Konsistenz und eine evtl. vorhandene Druckschmerzhaftigkeit beurteilt. Darüber hinaus achtet man auf das Vorliegen eines oder mehrerer Knoten, die Schluckverschieblichkeit, eine evtl. vorhandene Infiltration der Nachbarschaft sowie von tastbaren Lymphknotenvergrößerungen. Die Auskultation kann bei hyperthyreoten Patienten ein deutliches systolisches Strömungsgeräusch („Schwirren“) über der Schilddrüse ergeben. Zur Erleichterung der Befunddokumentation dient die Stadieneinteilung der WHO zur Strumagröße (Tab. B-1.78) sowie die Messung des Halsumfanges. 왘 Praktischer Tipp. Die Palpation der Schilddrüse erfolgt am einfachsten,
왗 Merke
Bei der allgemeinkörperlichen Untersuchung ist auf Hautbeschaffenheit, Reflexverhalten, Herzrhythmus, Blutdruck und psychische Befindlichkeit zu achten. Untersuchung der Schilddrüse: ■ Inspektion (Asymmetrie, gestaute Halsvenen) ■ Palpation (Größe, Konsistenz, Knoten, Druckschmerzhaftigkeit, Schluckverschieblichkeit, tastbare Lymphknoten) ■ Auskultation (Strömungsgeräusch bei Hyperthyreose).
Befunddokumentation: Stadien der Strumagröße (Tab. B-1.78) und Halsumfang. 왗 Praktischer Tipp
wenn der Untersucher hinter dem sitzenden Patienten steht und durch lockeres Auflegen der Fingerkuppen die Schilddrüse betastet. Der Patient wird dann zum Schlucken aufgefordert und die sich unter den untersuchenden Fingern auf und ab bewegende Schilddrüse kann beurteilt werden. Die Untersuchung wird erleichtert, wenn man den Patienten etwas trinken lässt, der Schluckakt kann dann auch mehrfach wiederholt werden. Sonographie: Das bildgebende Verfahren der ersten Wahl zur morphologischen Schilddrüsendiagnostik stellt die Ultraschalluntersuchung (Sonographie) des Halses dar. Die Sonographie erlaubt Aussagen über das Volumen der Schilddrüse, das Echoverhalten (Echogenität) des Schilddrüsengewebes und die Beziehung der Schilddrüse zu benachbarten Strukturen (Trachea, Muskeln und Gefäße). Zysten stellen sich als weitgehend echofreie Gebilde dar (Abb. B-1.305), während Adenomknoten echoarm oder echoreich sein können, sich aber gut vom echonormalen gesunden Schilddrüsengewebe abgrenzen lassen. Karzinome imponieren meist als schlecht abgrenzbare, echoarme Knoten. Eine diffuse Echominderung findet sich z. B. bei der Basedow-Hyperthyreose.
B-1.78
Klinische Stadien bei Schilddrüsenvergrößerung (nach WHO)
Stadium 0
nicht sicht- und nicht tastbare Schilddrüsenvergrößerung
Stadium I
tastbare, bei Reklination des Kopfes auch sichtbare Schilddrüsenvergrößerung
Stadium II
tast- und sichtbare Schilddrüsenvergrößerung
Stadium III
sehr große tast- und sichtbare Schilddrüsenvergrößerung
Sonographie: Morphologische Schilddrüsendiagnostik primär durch Sonographie. Sie erlaubt Aussagen zu Größe, Echogenität und Nachbarschaftsbeziehungen der Schilddrüse.
Zysten sind weitgehend echofrei (Abb. B-1.305), Adenomknoten echoarm oder echoreich, Karzinome meist echoarm. Eine diffuse Echominderung findet sich z. B. bei der Basedow-Hyperthyreose.
B-1.78
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614 B-1.305
Die obere Grenze des Schilddrüsenvolumens beträgt 25 ml beim Mann bzw. 18 ml bei der Frau. Die Sonographie erlaubt morphologische Diagnostik, aber keine Aussage über Dignität und Funktion.
Szintigraphie: Beurteilung des Funktionszustandes und der Jodspeicherung. Prinzip: Gabe von Radionukliden (z. B. 99mTc-Pertechnetat), Registrierung der Gammastrahlung und Abbildung rechnergestützt in Form eines Szintigrammes.
Die Szintigraphie ermöglicht die Diagnose einer funktionellen Autonomie und die Zuordnung „heißer“ oder „kalter“ Knoten. Kalte Areale (Abb. B-1.306 a) zeigen zystisch oder regressiv veränderte Knoten oder Karzinome an. Heiße Areale indizieren eine unioder multifokale Autonomie (Abb. B-1.306 b und c).
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.305
Ultraschallbild einer Schilddrüsenzyste
Das Schilddrüsenvolumen wird in Milliliter (ml) angegeben. Die obere Grenze für das Gesamtvolumen beider Schilddrüsenlappen beträgt 25 ml beim Mann bzw. 18 ml bei der Frau. Trotz der exzellenten Darstellungsmöglichkeit morphologischer Veränderungen erlaubt die Sonographie keine eindeutige Aussage zur Dignität eines Schilddrüsenprozesses. Auch eine Beurteilung der Schilddrüsenfunktion ist nicht möglich. Szintigraphie: Die Szintigraphie informiert über den Funktionszustand der Schilddrüse und die Verteilung der Jodspeicherung in verschiedenen Drüsenarealen. Das Prinzip besteht in der Gabe von Radionukliden, deren emittierte Gammastrahlung durch eine Gammakamera registriert wird. Die Abbildung erfolgt rechnergestützt in Form eines Szintigramms. Als Radionuklid kommt in der Regel 99mTechnetium-(Tc-)Pertechnetat zur Anwendung, dessen Aufnahme durch die Schildddrüse dem Jodid vergleichbar ist. Die Szintigraphie ermöglicht somit die Erkennung einer funktionellen Autonomie (unifokal, multifokal oder disseminiert) und die Zuordnung „heißer“ oder „kalter“ Areale zu tastbaren oder sonographisch nachweisbaren Knoten. Kalte Areale zeigen keine oder eine stark herabgesetzte Speicherung (Abb. B-1.306 a). Ursachen können zystisch oder regressiv veränderte Knoten sein, aber auch Karzinome imponieren meist als kalte Knoten. Heiße Areale mit vermehrter Speicherung indizieren eine uni- oder multifokale Autonomie (Abb. B-1.306 b). Bei stärkergradiger Autonomie wird die gesamte Aktivität nur noch in den autonomen Arealen gespeichert, das normale Schilddrüsengewebe stellt sich szintigraphisch nicht mehr dar (Abb. B-1.306 c).
Labordiagnostik: Der empfindlichste Parameter der Schilddrüsenfunktion ist das TSH. Die Bestimmung von fT3 und fT4 ermöglicht die Diagnose einer manifesten Funktionsstörung. Der TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) ist bei bis zu 90 % aller Patienten mit Morbus Basedow nachweisbar.
Labordiagnostik: Der empfindlichste Parameter zur Erfassung einer latenten oder manifesten Funktionsstörung ist das TSH (Thyreoidea stimulierendes Hormon). Die Bestimmung der freien, nicht an Proteine gebundenen Schilddrüsenhormone (fT3, fT4) im Serum ermöglicht die Diagnose einer manifesten Funktionsstörung. Die Bestimmung von Schilddrüsenantikörpern im Serum hat Bedeutung für die Diagnose und Beurteilung von Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse. Der TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) ist bei bis zu 90 % aller Patienten mit Morbus Basedow nachweisbar.
Tumormarker: Der Anstieg der Thyreoglobulin-Konzentration im Serum nach Therapie eines differenzierten Schilddrüsenkarzinoms weist auf ein Rezidiv oder Metastasen hin.
Als Tumormarker bei Struma maligna dienen Thyreoglobulin und Kalzitonin. Thyreoglobulin ist in der Schilddrüse lokalisiert und ist in geringen Mengen (bis 50 ng/ml) im Serum Gesunder nachweisbar. Nach totaler Thyreoidektomie und Radiojodablation wegen eines differenzierten Schilddrüsenkarzinoms sinken die
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B 1.17 Endokrine Chirurgie
B-1.306
615
Schilddrüsenszintigraphie
a Szintigramm bei rechtsseitigem kalten Knoten (?).
b Szintigramm bei linksseitiger unifokaler Autonomie mit Restspeicherung der normalen Schilddrüse (kompensiertes autonomes Adenom).
c Bei rechtsseitiger unifokaler Autonomie mit Suppression des normalen Schilddrüsengewebes (dekompensiertes autonomes Adenom).
Werte auf unter 5 – 10 ng/ml ab. Ein erneuter Anstieg zeigt ein Rezidiv bzw. das Auftreten von Metastasen an. Das in den parafollikulären C-Zellen produzierte Kalzitonin ist beim medullären Schilddrüsenkarzinom erhöht. Durch vorherige Stimulation mit Pentagastrin lassen sich erhöhte Werte auch bei klinisch inapparenten Karzinomen nachweisen. Dies hat Bedeutung beim Verwandten-Screening der familiären Form (MEN IIA). Auch in der Nachsorge ist die Kalzitoninbestimmung ein empfindlicher Parameter.
Kalzitonin: Erhöhte Werte weisen auf ein medulläres Schilddrüsenkarzinom hin; durch Pentagastrin-Stimulation erhöhte Werte auch bei klinisch unauffälligen Karzinomträgern.
Feinnadelpunktion (FNP): Die Feinnadelpunktion suspekter Schilddrüsenknoten ermöglicht eine Aspirationszytologie. Indiziert ist die FNP v. a. bei szintigraphisch kalten Knoten, die im Ultraschall nicht eindeutig als Zyste imponieren. Die Punktion erfolgt bei tastbaren Knoten unter Palpationskontrolle, sonst sonographisch gesteuert. Durch FNP kann die Diagnose eines papillären oder medullären Schilddrüsenkarzinoms gestellt werden, ein negativer Befund schließt ein Karzinom aber nicht aus. Follikuläre Karzinome lassen sich von Adenomen zytologisch nicht differenzieren, sodass in diesen Fällen die Diagnose „follikuläre Neoplasie“ gestellt wird: Dieser Befund erfordert eine histologische Abklärung durch Operation.
Feinnadelpunktion (FNP): Die Feinnadelpunktion mit Aspirationszytologie wird bei suspekten Schilddrüsenknoten durchgeführt. Hierdurch können papilläre und medulläre Karzinome nachgewiesen werden. Follikuläre Neoplasien erfordern eine histologische Klärung durch Operation.
MRT, CT: Eine MRT oder CT ist nur bei ausgedehnten Tumoren zur Operationsplanung erforderlich. Die CT sollte ohne Kontrastmittel durchgeführt werden, um eine spätere Radiojodtherapie bei der Behandlung differenzierter Schilddrüsenkarzinome nicht zu verzögern.
MRT, CT: Eine CT oder MRT ist nur bei ausgedehnten Schilddrüsentumoren zur Operationsplanung erforderlich.
Leitsymptome der Schilddrüsenerkrankungen Bei der Beurteilung von Patienten mit Schilddrüsenerkrankungen ist es von entscheidender Bedeutung, zwischen Störungen der Schilddrüsenfunktion und Symptomen als Folge morphologischer Veränderungen (Schilddrüsenvergrößerung, Struma) zu unterscheiden. Ein dritter Bereich sind Symptome, die auf eine maligne Schilddrüsenerkrankung hinweisen können. Klinische Symptome können bei Schilddrüsenerkrankungen auch durch entzündliche Veränderungen (Thyreoiditis) entstehen. Ursächlich können exogene Einflüsse (Bakterien, Viren, Strahlen) oder Autoimmunprozesse sein. 왘 Merke. Eine Schilddrüsenerkrankung (z. B. Schilddrüsenvergrößerung oder -entzündung) muss nicht zwangsläufig von einer Funktionsstörung (z. B. Überfunktion) begleitet sein. Daher sollten Schilddrüsenerkrankungen und Störungen der Schilddrüsenfunktion unabhängig voneinander betrachtet werden.
Leitsymptome der Schilddrüsenerkrankungen Leitsymptome können auf eine Funktionsstörung der Schilddrüse, auf morphologische Veränderungen oder auf ein malignes Wachstum hinweisen. Klinische Symptome können auch durch verschiedene Formen der Thyreoiditis entstehen.
왗 Merke
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B 1 Viszeralchirurgie
B-1.79
B-1.79
Leitsymptome der Schilddrüse
Leitsymptome ■ ■ ■
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■
Erkrankung
Erläuterung
Nervosität Hyperaktivität Konzentrationsstörungen Haarausfall Hitzeintoleranz vermehrte Schweißneigung Diarrhö Gewichtsabnahme Tachykardie Arrhythmie
Überfunktion (Hyperthyreose)
viele der Symptome können auch psychovegetativ ausgelöst sein. Beweisend ist die Bestimmung der Schilddrüsenwerte im Blut (TSH, fT3, fT4). Die Unterfunktion (Hypothyreose) verursacht eine diametral entgegengesetzte Symptomatik (Müdigkeit, Kälteintoleranz, Obstipation etc.).
sichtbare Struma Schluckbeschwerden zervikales Engegefühl Globusgefühl Zunahme des Halsumfanges tastbare Knoten Luftnot Stridor obere Einflussstauung
Schilddrüsenvergrößerung (Struma)
zur Differenzialdiagnose siehe auch S. 618
rasch wachsende Struma tastbare zervikale Lymphknotenvergrößerung derbe Konsistenz der Schilddrüse fehlende Schluckverschieblichkeit Heiserkeit
Schilddrüsenkarzinom (Struma maligna)
nicht selten zeigen Patienten mit Schilddrüsenkarzinom keinen der genannten Befunde, ein typisches „Leitsymptom“ fehlt also. Die Diagnose wird dann bei Struma nodosa aufgrund des Ultraschallbefundes, der Szintigraphie und der Feinnadelpunktion gestellt.
Zu den wichtigsten Leitsymptomen siehe Tab. B-1.79.
Die wichtigsten Leitsymptome chirurgisch relevanter benigner und maligner Schilddrüsenerkrankungen sind in Tab. B-1.79 aufgeführt.
Krankheitsbilder der Schilddrüse
Krankheitsbilder der Schilddrüse
Chirurgisch relevant sind größenbedingte Symptome, konservativ nicht behandelbare Überfunktion oder Verdacht auf maligne Erkrankung.
Funktionsstörungen der Schilddrüse werden primär medikamentös behandelt, auch die meist im Rahmen von Autoimmunprozessen auftretenden Thyreoitiden sind eine Domäne der konservativen Therapie: Chirurgisch relevante Krankheitsbilder liegen vor bei größenbedingten Symptomen, bei konservativ nicht ausreichend behandelbarer Überfunktion oder beim Verdacht auf eine maligne Erkrankung.
Struma nodosa
Struma nodosa
왘 Definition
Epidemiologie: Die Strumainzidenz beträgt je nach Alter 15 – 50 %, Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Die Schilddrüsenoperation gehört in Deutschland zu den häufigsten allgemeinchirurgischen Operationen.
왘 Definition. Jede Form der Schilddrüsenvergrößerung wird als Struma bezeichnet. Diese kann diffus oder knotig (Struma nodosa) sein. Je nach Zahl der Knoten spricht man von Struma uni-, bi- oder multinodosa. Je nach Speicherverhalten im Szintigramm werden die Knoten als „heiß“ oder „kalt“ klassifiziert. Als endemische Struma bezeichnet man die häufig auftretende knotige Schilddrüsenvergrößerung ohne Funktionsstörung (Euthyreose). Als retrosternale Struma oder „Tauchkropf“ wird die von außen nicht sichtbare Ausdehnung der Schilddrüse ins obere Mediastinum bezeichnet.
Epidemiologie: In Deutschland liegt die Strumainzidenz je nach Alter bei 15 – 50 %. Frauen sind 3- bis 5-mal häufiger betroffen als Männer. Knotige Veränderungen der Schilddrüse finden sich bei einem Drittel der Bevölkerung. Pro Jahr werden in Deutschland ca. 90 000 Patienten an der Schilddrüse operiert,
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B 1.17 Endokrine Chirurgie
617
dieser Eingriff gehört damit zu den am häufigsten durchgeführten allgemeinchirurgischen Operationen. Ätiologie, Pathogenese: Hauptursache der Strumabildung ist der alimentäre Jodmangel. Die durchschnittliche Jodaufnahme mit der Nahrung liegt in Deutschland weit unter der von der WHO empfohlenen Menge von 150 – 300 µg Jodid täglich. Als klassisches Jodmangelgebiet gilt in Mitteleuropa die Alpenregion, aber selbst in Küstenländern herrscht noch ein relativer Jodmangel. In Phasen hormoneller Umstellung (Pubertät, Gravidität, Menopause) kann es zu einer Größenzunahme der Schilddrüse kommen. Genetische Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle. Verschiedene Enzymdefekte führen zu einer subklinischen Jodverwertungs- und Hormonsynthesestörung, die Ursache einer familiär gehäuften Strumaentstehung sein kann. Die Einnahme bestimmter Medikamente (u. a. Aminosalicylsäure, Sulfonylharnstoffe, Lithium und hohe Dosen von Jod) blockieren die Schilddrüsenhormonsynthese und führen zu einem Wachstumsreiz. Der Mechanismus der Strumaentstehung ist nicht völlig aufgeklärt. Durch den Jodmangel kommt es zur vermehrten hypophysären TSH-Freisetzung, was eine Hypertrophie (Zunahme des Zellvolumens) und Hyperplasie (Zunahme der Zellzahl) des Schilddrüsenepithels bewirkt. Darüber hinaus spielen lokale Wachstumsfaktoren wie Epidermal Growth Factor (EGF) und Insulin-like Growth Factor I (IGF-I) eine Rolle. Bei anhaltendem Wachstumsreiz entsteht aus der diffusen Hyperplasie häufig ein knotiger Umbau mit regressiven, zystischen und narbigen Veränderungen (Abb. B-1.307 b). Ursächlich für das heterogene Bild ist die unterschiedliche Reaktionsweise einzelner Zell- oder Follikelverbände auf die Wachstumsreize.
Ätiologie, Pathogenese: Hauptursache der Strumaentstehung ist der alimentäre Jodmangel.
Weitere Faktoren sind hormonelle und genetische Einflüsse sowie die Einnahme bestimmter Medikamente.
Vermehrte TSH-Freisetzung durch Jodmangel führt zur Hypertrophie und Hyperplasie des Schilddrüsenepithels. Zusätzlich spielen lokale Wachstumsfaktoren eine Rolle.
Im Verlauf entsteht aus der diffusen Hyperplasie ein knotiger Umbau mit regressiven oder zystischen sowie narbigen Veränderungen (Abb. B-1.307 b).
Klinik: Die euthyreote Struma verursacht häufig keine oder nur geringe Beschwerden. Am häufigsten führen lokales Druck- oder Engegefühl, Schluckbeschwerden oder kosmetische Erwägungen die Patienten zum Arzt (Abb. B-1.307 a). Erst bei ausgeprägter Vergrößerung kommt es zu Symptomen wie Luftnot, Stridor oder oberer Einflussstauung. Eine Rekurrensparese oder ein Horner-Syndrom als Folge einer benignen Schilddrüsenvergrößerung stellen eine Rarität dar und lassen an eine Struma maligna denken.
Klinik: Häufig keine oder geringe Beschwerden bei euthyreoter Struma (Abb. B-1.307 a). Symptome sind lokales Druck- oder Engegefühl, Schluckbeschwerden, Luftnot, Stridor oder obere Einflussstauung. Bei einer Rekurrensparese oder dem Horner-Syndrom besteht Verdacht auf eine Struma maligna.
Diagnostik: Neben der klinischen Untersuchung kommt primär die Sonographie, zur Klärung funktioneller Veränderungen auch die Szintigraphie zum Einsatz. Eine retrosternale Struma kann häufig auf der Thoraxübersichtsaufnahme (Abb. B-1.308) identifiziert werden. Eine Funktionsstörung wird durch Bestimmung von TSH und ggf. fT3/fT4 ausgeschlossen.
Diagnostik: Primär durch klinische Untersuchung und Sonographie sowie zur Klärung funktioneller Veränderungen auch Szintigraphie.
B-1.307
Struma multinodosa
b
a
a Euthyreote Struma multinodosa. b Operationspräparat (aufgeschnitten) einer regressiv veränderten Struma.
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618 B-1.308
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.308
Thoraxübersichtsaufnahme: Deviation der Trachea nach links durch rechtsseitige retrosternale Struma
Differenzialdiagnose: Bei Schluckstörungen sind funktionelle Störungen oder Belastungssituationen (Stress) und bei Luftnot kardiale oder pulmonale Ursachen auszuschließen.
Differenzialdiagnose: Schluckstörungen können vielfältige Ursachen haben. Das sog. „Globusgefühl“ tritt nicht selten im Zusammenhang mit funktionellen Störungen oder als Ausdruck einer Stresssituation auf. Bei Luftnot muss eine kardiale oder pulmonale Ursache ausgeschlossen werden. Vegetativ bedingte Symptome können eine Schilddrüsendysfunktion imitieren.
Therapie: Bei der chirurgischen Therapie der Struma nodosa sollten knotige Veränderungen komplett entfernt werden. Als Resektionsverfahren stehen Knotenresektion, subtotale Resektion, Hemithyreoidektomie und Thyreoidektomie zur Verfügung.
Therapie: Die Behandlung der symptomatischen Struma nodosa besteht in erster Linie in der chirurgischen Resektion. Hierbei sollten alle knotigen Veränderungen entfernt werden, normales Schilddrüsengewebe aber möglichst belassen werden. Die Palette reicht von der Knotenresektion über die subtotale Resektion eines oder beider Lappen, die vollständige Entfernung eines Lappens (Hemithyreoidektomie) bis zur vollständigen Resektion der Schilddrüse (Thyreoidektomie). Bei allen ausgedehnten Resektionen ist die Darstellung des N. recurrens und der Nebenschilddrüsen (Epithelkörperchen) zur Vermeidung von Komplikationen obligat (Abb. B-1.309). Viele Chirurgen setzen zusätzlich zur präparativen Darstellung auch ein elektrophysiologisches Neuromonitoring ein. Hierbei wird die erhaltene Nervenleitfähigkeit durch die Ableitung elektrisch stimulierter Potenziale dokumentiert. Bei der präoperativen Aufklärung muss der Patient auf die Möglichkeit einer vorübergehenden (passageren) oder dauerhaften (permanenten) Stimmbandlähmung als Folge einer operationsbedingten Rekurrensparese hingewiesen werden. Darüber hinaus kann es durch Verletzung oder versehentliche Entfernung der Nebenschilddrüsen zu einem postoperativen Hypoparathyreoidismus mit der Gefahr einer durch Kalziummangel bedingten Tetanie kommen. Der Zugang zur Schilddrüse erfolgt üblicherweise durch einen Kocher-Schnitt (Abb. B-1.310). Bei Entfernung einzelner Knoten kommen heute auch minimalinvasive Techniken zur Anwendung. Hierbei kann unter Zuhilfenahme einer Kamera mit Bildübertragungskette über einen kleineren Schnitt eine begrenzte Schilddrüsenresektion durchgeführt werden. Es sind auch Verfahren entwickelt worden, über von der Schilddrüse entfernte Zugänge (beidseits axillär) eine Schilddrüsenresektion komplett ohne zervikale Narbe durchzuführen. Besonders anspruchsvoll ist die Behandlung der Rezidivstruma, da hier durch Narbengewebe und eine häufig stark veränderte Anatomie eine erhöhte Komplikationsgefahr besteht. Bei retrosternaler Struma muss in seltenen Fällen eine Sternotomie zur Entfernung des Schilddrüsengewebes durchgeführt werden.
Intraoperativ werden der N. recurrens und die Epithelkörperchen dargestellt (Abb. B-1.309). Die erhaltene Nervenleitfähigkeit kann durch Neuromonitoring überprüft werden.
Bei der präoperativen Aufklärung muss auf die Gefahr operationsbedingter Komplikationen (Rekurrensparese, Hypoparathyreoidismus) hingewiesen werden.
Die Operation erfolgt über einen KocherSchnitt, bei begrenzten Eingriffen sind auch minimalinvasive Techniken möglich.
Bei der Rezidivstruma besteht ein erhöhtes Komplikationsrisiko. Die Operation der retrosternalen Struma erfordert in seltenen Fällen eine Sternotomie.
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B 1.17 Endokrine Chirurgie
B-1.309
619
Intraoperative Darstellung des rechten N. recurrens und der rechten oberen Nebenschilddrüse nach weitgehender Mobilisation des knotig veränderten rechten Schilddrüsenlappens
B-1.310
Kocher-Schnitt als typischer operativer Zugang zur Schilddrüse: Schnittführung angezeichnet
B-1.310
Nachsorge. Je nach Resektionsausmaß ist eine postoperative Hormonsubstitutionstherapie mit Thyroxinpräparaten erforderlich. Zur Rezidivprophylaxe bei belassenem Schilddrüsengewebe kommen Jodid, Thyroxin oder Kombinationspräparate zum Einsatz.
Nachsorge. Je nach Resektionsausmaß erfolgt postoperativ eine Hormonsubstitution bzw. Rezidivprophylaxe.
Funktionelle Autonomie
Funktionelle Autonomie
왘 Definition. Als funktionelle oder thyreoidale Autonomie bezeichnet man die
왗 Definition
Entwicklung funktionell autonomer, d. h. TSH-unabhängiger Bezirke in der Schilddrüse. Man unterscheidet die unifokale Autonomie („autonomes Adenom“) von der multifokalen Autonomie (hierzu gehört auch die sog. „hyperthyreote Knotenstruma“). Selten ist eine diffuse Verteilung autonomer Zellen ohne Knotenbildung (disseminierte Autonomie). Je nach Jodangebot und Ausmaß der Autonomie ist die Stoffwechsellage euthyreot oder hyperthyreot. Teilweise werden noch die Begriffe kompensiertes oder dekompensiertes autonomes Adenom verwendet. Sie beschreiben unabhängig von der Stoffwechselsituation die szintigraphisch erhaltene bzw. supprimierte Radionuklidanreicherung im Normalgewebe. Die unifokale Autonomie mit Hyperthyreose wird auch als toxisches Adenom bezeichnet.
Die Begriffe kompensiertes oder dekompensiertes autonomes Adenom sind szintigraphische Diagnosen. Die unifokale Autonomie mit Hyperthyreose wird auch als toxisches Adenom bezeichnet.
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620
B 1 Viszeralchirurgie
Epidemiologie: In Jodmangelgebieten ist der Anteil der funktionellen Autonomie erhöht. Die Inzidenz nimmt mit dem Alter zu.
Epidemiologie: In Jodmangelgebieten ist der Anteil der funktionellen Autonomie an den hyperthyreoten Erkrankungen gegenüber den autoimmun bedingten erhöht. Die Inzidenz der funktionellen Autonomie nimmt mit dem Alter zu.
Ätiologie, Pathogenese: Chronischer Jodmangel induziert die Proliferation autonomer Schilddrüsenareale, die sich morphologisch als Knoten (uni- oder multifokal), selten diffus manifestieren.
Ätiologie, Pathogenese: Auch die funktionelle Autonomie wird überwiegend durch chronischen Jodmangel induziert. Während ein kleiner Anteil autonomer Zellen auch in der gesunden Schilddrüse vorhanden ist, kommt es unter Jodmangelbedingungen zur Proliferation dieser dem Rückkopplungsmechanismus nicht unterworfenen Zellen. Die autonomen Areale finden sich meist in einem einzelnen oder mehreren Adenomknoten (uni- bzw. multifokale Autonomie), selten diffus verteilt. Durch die unregulierte Hormonproduktion kommt es im Regelkreis zunächst zur Unterdrückung der hypophysären TSH-Ausschüttung. Daraufhin sistiert die Jodaufnahme und Hormonausschüttung der normalen TSH-abhängigen Schilddrüsenareale (szintigraphisch dekompensiertes Adenom). Wenn die Zahl der autonomen Zellen eine kritische Grenze erreicht oder das Jodangebot akut
Durch Suppression der TSH-Ausschüttung werden die nichtautonomen Areale supprimiert. Überwiegen die autonomen Areale oder kommt es zur vermehrten Jodaufnahme, kann sich eine Hyperthyreose entwickeln (Abb. B-1.311). B-1.311
Pathophysiologie der funktionellen Autonomie
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B 1.17 Endokrine Chirurgie
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zunimmt, z. B. durch Gabe jodhaltiger Röntgenkontrastmittel, kommt es zur klinisch manifesten Hyperthyreose (Abb. B-1.311). Klinik: Die Symptomatik der noch euthyreoten Stoffwechselsituation entspricht der blanden Struma oder fehlt ganz. Typischerweise treten im Verlauf die Symptome der Hyperthyreose auf. Nach Jodexposition kann es akut zur hyperthyreoten Entgleisung (thyreotoxische Krise) kommen. Bei älteren Menschen verläuft die Hyperthyreose häufig oligo- oder monosymptomatisch. Im Vordergrund stehen dann kardiale Symptome (Hypertonus, Arrhythmien, Herzinsuffizienz) oder auch psychische Probleme (Nervosität, Angstzustände, Schlaflosigkeit).
Klinik: Zunächst wie bei blander Struma, im Verlauf Zeichen der Hyperthyreose. Nach Jodexposition ist eine akute Entgleisung (thyreotoxische Krise) möglich. Ein monosymptomatischer Verlauf mit kardialer oder psychischer Symptomatik ist im Alter nicht ungewöhnlich.
Diagnostik: Neben der Sonographie und der Bestimmung der Schilddrüsenwerte kommt der Szintigraphie zur Lokalisation autonomer Areale besondere Bedeutung zu.
Diagnostik: Sonographie, Bestimmung der Schilddrüsenwerte sowie Szintigraphie zur Lokalisation autonomer Areale sind bedeutsam. Therapie: ■ Latente Hyperthyreose: Keine zwingende Therapieindikation. ■ Manifeste Hyperthyreose: Radiojodtherapie oder Operation (komplette Resektion autonomer oder knotiger Areale), zuvor überbrückend Thyreostatikagabe, um eine euthyreote Stoffwechsellage zu erreichen. Bei Thyreostatikaunverträglichkeit oder drohender thyreotoxischer Krise muss eine Notfalloperation (Thyreoidektomie) erfolgen.
Therapie: Eine latente Hyperthyreose stellt in der Regel keine zwingende Therapieindikation dar. Allerdings ist auf die Vermeidung einer massiven Jodexposition (Kontrastmittelgabe) zu achten. Bei manifester Hyperthyreose werden Thyreostatika als überbrückende Behandlung einer euthyreoten Stoffwechsellage eingesetzt. Die definitive Therapie besteht in einer Radiojodtherapie (RJT) oder einer Operation. Je größer die Struma ist und je ausgeprägter die knotigen Veränderungen, umso eher ist – v. a. wenn gleichzeitig kalte Knoten vorhanden sind – die operative Therapie indiziert. Die chirurgische Therapie entspricht der der euthyreoten Struma (alle autonomen und knotigen Areale müssen entfernt werden). Bei Threostatikaunverträglichkeit oder drohender hyperthyreoter Entgleisung (thyreotoxische Krise) kann die Indikation zur notfallmäßigen Operation (meist in Form einer Thyreoidektomie) gegeben sein. Nachsorge: Es gelten die gleichen Prinzipien wie nach Operation einer euthyreoten Struma.
Nachsorge: Wie nach Operation einer euthyreoten Struma.
Morbus Basedow
Morbus Basedow
왘 Definition. Im Gegensatz zur funktionellen Autonomie handelt es sich beim Morbus Basedow (immunogene diffuse Hyperthyreose, Graves’ disease) um eine Autoimmunerkrankung.
Die endokrine Ophthalmopathie oder Orbitopathie stellt ein eigenständiges, ebenfalls immunogenes Krankheitsbild dar, das mit der Basedow-Hyperthyreose vergesellschaftet sein kann. Der Symptomenkomplex Struma, Exophthalmus, Tachykardie wurde im deutschen Sprachraum erstmals durch Karl A. von Basedow als Merseburger Trias beschrieben. Epidemiologie: Der Morbus Basedow kommt in jedem Lebensalter vor, wobei jeder 3. Patient jünger als 35 Jahre ist. Frauen sind fünfmal häufiger betroffen als Männer. Bei bis zu zwei Dritteln der Patienten tritt eine endokrine Ophthalmopathie auf.
왗 Definition
Merseburger Trias: ■ Struma ■ Exophthalmus ■ Tachykardie. Epidemiologie: Jüngere Frauen sind bevorzugt betroffen, bei 2/3 der Patienten tritt eine endokrine Ophthalmopathie auf.
Ätiologie, Pathogenese: Die Ursache der Autoimmunthyreopathie ist nicht völlig geklärt. Autoantikörper gegen Schilddrüsengewebe spielen eine wesentliche Rolle. Die größte Bedeutung kommt dabei dem TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) zu, dessen Titer bei bis zu 90 % der Patienten erhöht ist. Der Antikörper stimuliert den TSH-Rezeptor und induziert eine Hyperthyreose, die nicht dem hypothalamisch-hypophysären Regelkreis unterworfen ist. Als Auslösefaktoren der Erkrankung werden genetische Disposition, chronischer Jodmangel, hormonelle (Schwangerschaft) und psychosomatische Einflüsse, Infektionen mit Viren oder Mikroorganismen diskutiert.
Ätiologie, Pathogenese: Durch Bindung stimulierender Autoantikörper (TRAK) an den TSH-Rezeptor der Thyreozyten wird die Hyperthyreose induziert.
Klinik: Die rezidivierende Hyperthyreose steht im Vordergrund. Wie bei der funktionellen Autonomie können ältere Menschen atypische oder monosymptomatische Verläufe zeigen. Die Schilddrüse ist häufig nicht oder nur geringgradig vergrößert, knotige Veränderungen sind selten.
Klinik: Die Symptome der rezidivierenden Hyperthyreose stehen im Vordergrund, die Schilddrüse ist häufig nur geringgradig diffus vergrößert.
Auslösefaktoren: Genetische Disposition, chronischer Jodmangel, hormonelle, psychosomatische Einflüsse sowie Infektionen.
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622 B-1.312
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.312
Morbus Basedow mit Struma diffusa und endokriner Orbitopathie
Die ebenfalls autoimmun bedingte endokrine Ophthalmopathie (Abb. B-1.312) ist pathognomonisch für den Morbus Basedow. Symptome sind: ■ Lidretraktion ■ seltener Lidschlag ■ Lidschwellung ■ Exophthalmus ■ Visusverluste.
Das gleichzeitige Vorliegen einer endokrinen Ophthalmopathie ist pathognomonisch für den Morbus Basedow (Abb. B-1.312). Es handelt sich hierbei ebenfalls um eine Autoimmunerkrankung. Die Symptome reichen von diskreten Befunden (Lidretraktion, seltener Lidschlag, Lidschwellung) über Exophthalmus und Motilitätsstörungen bis hin zu schwersten Verläufen mit Hornhauterosionen und Visusverlusten durch Kompression des N. opticus.
Diagnostik: Die Bestimmung der Schilddrüsenwerte und der Autoantikörper steht an erster Stelle. Die Sonographie zeigt typischerweise eine diffuse Struma mit echoarmem Schallmuster.
Diagnostik: An erster Stelle steht die Bestimmung der Schilddrüsenhormone (TSH, T3, T4) und der Autoantikörper. Die Sonographie zeigt typischerweise eine diffuse Struma mit echoarmen Schallbild, es tritt aber auch die Kombination mit einer Struma nodosa auf. Szintigraphie und FNP sind bei diffuser Struma und eindeutiger Diagnose entbehrlich. Bei Verdacht auf eine endokrine Orbitopathie ist eine ophthalmologische Untersuchung indiziert.
Therapie: Unter thyreostatischer Therapie kommt es bei ca. 1/3 der Patienten zur Spontanheilung. Bei rezidivierender Hyperthyreose wird als definitive Therapie eine Radiojodtherapie oder Thyreoidektomie durchgeführt.
Therapie: Primäre Therapie der Wahl ist die thyreostatische Behandlung, unter der es im Spontanverlauf bei ca. 1/3 der Patienten zur Ausheilung der Erkrankung kommt. Bei wiederholten Hyperthyreoserezidiven besteht eine Indikation zur definitiven Therapie: Diese besteht in einer Radiojodtherapie oder einer Operation. Eine große Struma (4 40 ml) und begleitende knotige Veränderungen sollten eher operativ behandelt werden. Eine primäre Operationsindikation besteht bei mechanischen Komplikationen, ausgeprägter Orbitopathie, thyreotoxischer Entgleisung oder Malignitätsverdacht. Das Operationsverfahren der Wahl ist die totale oder fast totale Thyreoidektomie.
Nachsorge: Postoperativ erfolgt eine Hormonsubstitution mit dem Ziel einer euthyreoten Stoffwechsellage.
Nachsorge: Nach Thyreoidektomie erfolgt TSH-adaptiert eine Substitution mit Thyroxin mit dem Ziel einer euthyreoten Stoffwechsellage. Wegen der Gefahr einer Befundverschlechterung muss bei Patienten mit Orbitopathie eine postoperative Hypothyreose unbedingt vermieden werden.
Maligne Schilddrüsentumoren
Maligne Schilddrüsentumoren
Struma maligna
Struma maligna
왘 Definition
왘 Definition. Unter der Bezeichnung Struma maligna wird eine heterogene Gruppe primärer und sekundärer Neubildungen der Schilddrüse zusammengefasst, die überwiegend epithelialen Ursprungs sind. Tab. B-1.80 zeigt eine Einteilung der Schilddrüsentumoren.
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B 1.17 Endokrine Chirurgie
B-1.80
1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 2 3 4 5
Einteilung der Schilddrüsentumoren (modifiziert nach der WHO-Einteilung)
623 B-1.80
epitheliale Tumoren benigne Tumoren follikuläres Adenom andere maligne Tumoren papilläres Karzinom follikuläres Karzinom medulläres Karzinom undifferenziertes (anaplastisches) Karzinom nichtepitheliale Tumoren (z. B. Sarkome) maligne Lymphome Metastasen nicht thyreoidaler Tumoren (z. B. Nierenzellkarzinom) verschiedene, z. T. nicht klassifizierbare Tumoren.
Epidemiologie: Schilddrüsenkarzinome sind insgesamt selten, ihr Anteil an den malignen Erkrankungen beträgt knapp 1 %. Die jährliche Inzidenz liegt bei 1 – 3 Neuerkrankungen/100 000 Einwohner. Die als differenzierte Schilddrüsenkarzinome bezeichneten papillären und follikulären Karzinome machen 80 – 90 % aller malignen Schilddrüsentumoren aus. Wegen der insgesamt höheren Strumainzidenz in der weiblichen Bevölkerung liegt die absolute Zahl der Schilddrüsenkarzinome in der weiblichen Bevölkerung 2- bis 4-mal höher als bei Männern. Das relative Risiko eines Malignoms in einem Knoten ist demgegenüber aber für Männer höher als für Frauen. Analog ist die Malignitätswahrscheinlichkeit bei einem im Kindesalter auftretenden Knoten höher als beim Erwachsenen. Das medulläre Karzinom macht 5 – 10 % aller malignen Neubildungen der Schilddrüse aus. Bei 25 – 30 % der Patienten liegt eine hereditäre Variante vor, meist im Rahmen einer multiplen endokrinen Neoplasie (MEN) Typ II. Die Geschlechtsverteilung ist nahezu gleich, der Altersgipfel liegt bei der sporadischen Form im 4.– 7. Dezennium, bei der erblichen Form liegt das Erkrankungsalter deutlich niedriger.
Epidemiologie: Schilddrüsenkarzinome sind selten (ca. 1 % der malignen Erkrankungen), die jährliche Inzidenz beträgt 1 – 3/100 000. Am häufigsten (80 – 90 %) sind die differenzierten Schilddrüsenkarzinome (papillär, follikulär). Absolut sind Frauen häufiger als Männer betroffen. Das relative Malignitätsrisiko eines Knotens ist bei Männern (und Kindern) erhöht.
Das medulläre Karzinom macht 5 – 10 % der malignen Schilddrüsenerkrankungen aus, davon sind ca. 25 % erblich bedingt, meist durch eine MEN II.
Ätiologie, Pathogenese: Für die von den Thyreozyten ausgehenden follikulären und papillären Karzinome ist keine spezifische Ätiologie bekannt. Eine Strahlenexposition des Halses führt – vor allem im Kindesalter – mit einer Latenzzeit von 15 – 20 Jahren zum Anstieg der Inzidenz. Beim von den C-Zellen ausgehenden medullären Karzinom wird eine sporadische Variante von der v. a. im Rahmen der multiplen endokrinen Neoplasie Typ II (MEN II) auftretenden hereditären Form unterschieden. Das entdifferenzierte anaplastische Karzinom entwickelt sich meist im höheren Lebensalter aus einer langjährig bestehenden multinodösen Struma.
Ätiologie, Pathogenese: Eine Strahlenexposition erhöht das Risiko für das Auftreten eines differenzierten Schilddrüsenkarzinoms. Das medulläre Karzinom tritt in einer sporadischen und einer hereditären Variante auf. Das anaplastische Karzinom entwickelt sich meist aus einer langjährig bestehenden multinodösen Struma.
Klinik: Primär verdächtig auf das Vorliegen einer Struma maligna sind rasche Größenzunahme der Schilddrüse insgesamt oder eines einzelnen Knotens, neu aufgetretene Heiserkeit oder vergrößert tastbare zervikale Lymphknoten. Allgemeinsymptome im Sinne einer B-Symptomatik (siehe Kap. Onkologie, S. 202) sind auch in fortgeschrittenen Tumorstadien die Ausnahme. Das papilläre Karzinom tritt bevorzugt im jüngeren Lebensalter auf, es metastasiert primär lymphogen und kann durch tastbare Halslymphknoten als Erstsymptom auffallen. Das durchschnittliche Erkrankungsalter des follikulären Karzinoms liegt höher, es metastasiert primär hämatogen. Nicht selten wird aufgrund einer symptomatisch werdenden Knochenmetastase die Diagnose eines bisher klinisch inapparenten Schilddrüsenkarzinoms gestellt. Das medulläre Karzinom kann primär lymphogen und hämatogen metastasieren (Abb. B-1.313). Das anaplastische Karzinom zeigt einen rasch progredienten Verlauf, es wächst lokal infiltrierend und imponiert dann als derber, nicht verschieblicher Halstumor. Häufig kommt es frühzeitig zur hämatogenen Metastasierung.
Klinik: Rasche Größenzunahme der Struma, Heiserkeit oder tastbare Lymphknoten können auf eine Struma maligna hinweisen. Eine typische B-Symptomatik fehlt in der Regel. Das papilläre Karzinom betrifft überwiegend jüngere Menschen, es metastasiert lymphogen. Das follikuläre Karzinom metastasiert bevorzugt hämatogen, beim medullären Karzinom ist der Metastasierungsweg lymphogen und hämatogen. Das anaplastische Karzinom zeigt einen rasch progredienten Verlauf, es wächst lokal infiltrierend und metastasiert hämatogen.
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624 B-1.313
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.313
Solitäres medulläres Schilddrüsenkarzinom Aufgeschnittenes Schilddrüsenpräparat mit einem solitären medullären Karzinom bei normaler Struktur des übrigen Schilddrüsengewebes.
Diagnostik: Klinisch oder sonographisch suspekte Knoten sollten feinnadelpunktiert werden, besonders wenn sie szintigraphisch kalt sind. Bei unklarem Befund erfolgt eine histologische Abklärung durch Operation. Beim medullären Karzinom gibt es einen Tumormarker (Kalzitonin). Nach der hereditären Form muss durch Eigen- und Familienanamnese geforscht werden.
Diagnostik: Sonographisch suspekte oder größenprogrediente Knoten sollten feinnadelpunktiert werden. Das gilt insbesondere für szintigraphisch kalte solide (d. h. nichtzystische) Knoten. Ein negatives Punktionsergebnis schließt ein Schilddrüsenkarzinom nicht aus. Bei unklarem Befund und follikulären Neoplasien ist eine histologische Abklärung durch Operation indiziert. Lediglich beim medullären Karzinom steht mit dem Kalzitonin ein präoperativ verwendbarer Tumormarker zur Verfügung. Bei diesen Patienten sind eine intensivierte Eigenanamnese zum Ausschluss weiterer endokriner Neoplasien sowie eine ausführliche Familienanmnese obligat, um die hereditäre Variante nicht zu übersehen.
Therapie: Regeleingriff ist die Thyreoidektomie unter Mitnahme der benachbarten Lymphknoten. Je nach histologischem Typ und Tumorstadium kann auch eine ein- oder beidseitige Neck dissection (Abb. B-1.314, B-1.315) oder sogar eine mediastinale Lymphadenektomie via Sternotomie indiziert sein. Beim isolierten papillären T1-Karzinom genügt eine vollständige Tumorentfernung.
Therapie: Grundsätzlich besteht bei jedem Schilddrüsenkarzinom eine Operationsindikation. Das Operationsausmaß wird vom histologischen Typ und dem Tumorstadium beeinflusst. Regeleingriff ist die Thyreoidektomie unter Mitentfernung der Lymphknoten des zentralen schilddrüsennahen Halskompartiments (Abb. B-1.314). Besonders beim papillären und medullären Karzinom kann eine ein- oder beidseitige systematische Halslymphknotenausräumung (funktionelle Neck dissection) indiziert sein (Abb. B-1.315), in ausgewählten Fällen auch eine Ausräumung der mediastinalen Lymphknoten über eine Sternotomie. Eine Ausnahme stellt das isoliert auftretende hochdiffernzierte papilläre Karzinom bis zu einer Größe von 1,5 cm (T1) dar. Hier wird eine vollständige Tumorentfernung als ausreichend angesehen. Aufgrund der erhaltenen Jodspeicherfähigkeit wird bei den differenzierten Schilddrüsenkarzinomen (papillärer und follikulärer Typ) obligat eine Radiojodtherapie nach erfolgter Operation durchgeführt. Für das medulläre Karzinom existiert keine vergleichbare Zusatztherapie, daher kommt hier der adäquaten operativen Behandlung eine besondere Bedeutung zu. Einen Sonderfall stellt die hereditäre Variante des medullären Karzinoms dar.
Bei den differenzierten Schilddrüsenkarzinomen erfolgt obligat eine postoperative Radiojodtherapie: Beim medullären Karzinom ist die Operation die einzige relevante Therapieoption. Bei Trägern des MEN-II-Gens erfolgt die prophylaktische Thyreoidektomie bereits im Vorschulalter. B-1.314
B-1.314
Totale Thyreoidektomie Thyreoidektomie-Präparat einer 40-jährigen Frau mit jodinduzierter thyreotoxischer Krise bei multifokaler Autonomie.
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B 1.17 Endokrine Chirurgie
B-1.315
625
Lymphadenektomie beim Schilddrüsenkarzinom
a Schema der zervikalen Lymphknoten (LK) und ihre Einteilung in Kompartments. b Zugang zur Lymphadenektomie (Neck dissection). c Situs nach abgeschlossener sog. Vierkompartmentlymphadenektomie bei einem lymphogen metastasierten medullären Schilddrüsenkarzinom. Es handelt sich um ein 14-jähriges Mädchen mit einem MEN-II-B-Syndrom. Sämtliche nervalen und vaskulären Strukturen des Halses und des vorderen Mediastinums sind freigelegt, die rechte V. jugularis interna ist wegen Tumorinfiltration reseziert.
Durch Genscreening identifizierte Risikopatienten mit einer MEN II werden bereits im Vorschulalter prophylaktisch thyreoidektomiert, da die Expressionsrate des medullären Karzinoms praktisch 100 % beträgt und viele Patienten bereits im Kindesalter an manifesten Karzinomen erkranken. Beim rasch und aggressiv wachsenden anaplastischen Karzinom sind häufig nur palliative Maßnahmen wie Tumorverkleinerung oder Anlage eines Tracheostomas möglich. In ausgewählten Fällen kann durch eine radikale multiviszerale Resektion lokale Tumorfreiheit erzielt werden. Chemotherapie und Bestrahlung werden ergänzend oder in palliativer Intention als einzige Therapie eingesetzt. Prognose: Die Prognose der malignen Schilddrüsentumoren wird stark durch den histologischen Typ bestimmt. Daneben spielen Tumorstadium und die durchgeführte Therapie eine entscheidende Rolle. Weitere Faktoren sind Alter und Geschlecht des Patienten sowie der Differenzierungsgrad des Tumors. So haben jüngere Frauen mit einem hochdifferenzierten papillären Karzinom die beste Prognose mit einer 10-Jahres-Überlebensrate von fast 100 %. Das follikuläre Karzinom hat ebenfalls eine sehr gute Prognose mit 10-Jahres-Überlebensraten von 70 bis über 90 %, für das medulläre Karzinom liegen die Raten bei 50 – 70 %. Die schlechteste Prognose hat das anaplastische Karzinom, hier überlebt die Mehrheit der Patienten das erste Jahr nach Diagnosestellung nicht.
Beim anaplastischen Karzinom sind häufig nur palliative Maßnahmen möglich, selten gelingt die komplette Tumorentfernung.
Die Prognose der malignen Schilddrüsentumoren wird stark durch den histologischen Typ bestimmt. Während beim papillären Karzinom Heilungsraten bis zu 100 % erreicht werden, überleben die meisten Patienten mit einem anaplastischen Karzinom das erste Jahr nach Diagnosestellung nicht.
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626
B 1 Viszeralchirurgie
Nachsorge: Bei den differenzierten Schilddrüsenkarzinomen erfolgt nach Operation und Radiojodtherapie eine suppressive Hormontherapie mit Thyroxin. Für das medulläre Karzinom existiert keine spezifische Nachbehandlung. Tumormarker sind Thyreoglobulin und Kalzitonin. Beim hereditären medullären Karzinom ist eine genetische Untersuchung aller erstgradigen Verwandten indiziert.
Nachsorge: Bei den differenzierten Schilddrüsenkarzinomen erfolgt nach Operation und Radiojodtherapie eine suppressive Hormontherapie mit Thyroxin. Durch die TSH-Suppression soll der Wachstumsreiz auf Tumorzellen vermindert werden. Für das medulläre Karzinom existiert keine spezifische Nachbehandlung. Neben klinischen und sonographischen Kontrollen wird beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom das Thyreoglobulin als Tumormarker bestimmt und szintigraphisch nach jodspeichernden Metastasen gesucht. Beim medullären Karzinom dient das Kalzitonin als Tumorverlaufsmarker. Bei der hereditären Variante des medullären Karzinoms ist eine genetische Untersuchung aller erstgradigen Verwandten indiziert.
Anatomie der Nebenschilddrüse
Anatomie der Nebenschilddrüse
Die Nebenschilddrüsen oder Epithelkörperchen liegen dorsal der Schilddrüse zwischen den beiden Blättern der Schilddrüsenkapsel. Meist sind auf jeder Seite zwei der 3 – 5 mm großen Drüsen vorhanden.
Die auch als Epithelkörperchen bezeichneten Nebenschilddrüsen (Glandulae parathyreoideae) liegen dorsal der Schilddrüse außerhalb der Schilddrüsenorgankapsel. In der Regel befinden sich auf jeder Seite zwei flach-ovale, bräunlich-gelbe Drüsen, die im längsten Durchmesser zwischen 3 und 5 mm messen.
왘 Merke
왘 Merke. Aus entwicklungsgeschichtlichen Gründen können Anzahl und Lage
der Nebenschilddrüsen variieren. Der Chirurg muss diese Zusammenhänge kennen, um dystope Nebenschilddrüsen lokalisieren zu können. Die oberen Nebenschilddrüsen befinden sich relativ konstant oberhalb der Kreuzungsstelle zwischen N. recurrens und A. thyroidea inferior (s. Abb. B-1.309, S 619).
Die unteren Nebenschilddrüsen liegen dorsal am unteren Schilddrüsenpol (Abb. B-1.316). Relativ häufig sind dystope Lokalisationen: Thymus, Mediastinum, seltener oberer Schilddrüsenpol.
Andere Lagevarianten sind seltener. In 10 – 15 % sind mehr oder weniger als 4 Drüsen angelegt. Die Nebenschilddrüsen sezernieren das Parathormon (PTH), dessen Ausschüttung durch niedrige Serumkalziumwerte stimuliert und durch hohe Werte supprimiert wird.
B-1.316
Leitstruktur zur Lokalisation der Nebenschilddrüsen ist die Kreuzung zwischen dem parallel zur Trachea verlaufenden N. recurrens und der von lateral zur Schilddrüse ziehenden A. thyreoidea inferior. Die oberen, embryologisch der 4. Schlundtasche entstammenden Nebenschilddrüsen befinden sich relativ konstant etwa in Schilddrüsenmitte kranial der Kreuzung und dorsal des Nervs (s. Abb. B-1.309, S. 619). Die Lage der unteren Nebenschilddrüsen ist variabler. Sie wandern, aus der 3. Schlundtasche stammend, gemeinsam mit dem Thymus kaudalwärts zum unteren Schilddrüsenpol (Abb. B-1.316). Ihre typische Position ist kaudal der Kreuzung von Gefäß und Nerv ventral des Nervs. Sie können aber auch in der Thymuszunge, im vorderen Mediastinum oder seltener, bei inkompletter Wanderung, am oberen Schilddrüsenpol (und damit kranial der oberen Nebenschilddrüsen) gelegen sein. Deutlich seltener werden Nebenschilddrüsen retroösophageal, intrathyreoidal, in der Karotisscheide oder intrathorakal gefunden. In 10 – 15 % der Fälle sind nicht 4 Drüsen angelegt, sondern mehr (meist 5) oder weniger (meist 3). Die Nebenschilddrüsen sind der einzige Produktionsort des Parathormons (PTH), das wesentlich an der Aufrechterhaltung der Kalziumhomöostase beteiligt ist. Durch niedrige Serumkalziumwerte wird die PTH-Auschüttung stimuliert, während unter physiologischen Bedingungen die PTH-Sekretion durch hohe Serumkalziumwerte supprimiert wird.
B-1.316
Intraoperative Darstellung einer normalen rechten unteren Nebenschilddrüse (Pfeile) an der Rückseite des rechten Schilddrüsenlappens
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B 1.17 Endokrine Chirurgie
B-1.317
Sonographische Darstellung eines Nebenschilddrüsenadenoms
627 B-1.317
Ultraschallbild (Längsschnitt) einer vergrößerten linken unteren Nebenschilddrüse (solitäres Adenom bei primärem Hyperparathyreoidismus).
Parathormon steigert die Kalziumkonzentration im Serum auf 3 Wegen durch: ■ Zunahme der intestinalen Aufnahme ■ Steigerung der renalen Rückresorption ■ Mobilisation aus dem Knochen.
Allgemeine Diagnostik der Nebenschilddrüse 왘 Merke. Die Diagnose des Hyperparathyreoidismus wird durch die typische
Parathormon steigert die Kalziumkonzentration im Serum durch: ■ Zunahme der intestinalen Aufnahme ■ Steigerung der renalen Rückresorption ■ Mobilisation aus dem Knochen. Allgemeine Diagnostik der Nebenschilddrüse 왗 Merke
Laborkonstellation gestellt, bildgebende Verfahren dienen ausschließlich zur Lokalisationsdiagnostik. Anamnese: Eine ausführliche Anamnese ist obligat, um die vielen möglichen Symptome (s. Abschnitt Leitsymptome) des Hyperparathyreoidismus sicher zu erfassen. Da ein Teil der Erkrankungen im Rahmen von erblichen multiplen endokrinen Neoplasien (MEN) auftritt, ist das Erfragen anderer endokriner Tumoren beim Patienten sowie eine entsprechende Familienanamnese erforderlich.
Anamnese: Eine ausführliche Anamnese dient zur Erfassung der Symptomatik. Wegen der möglichen erblichen Genese sind das Erfragen anderer endokriner Tumoren sowie eine Familienanamnese erforderlich.
Laboruntersuchungen: Obligat ist die Messung des intakten Parathormons und die Bestimmung des Serum-Ca++-Spiegels. Weitere Parameter sind der Serumphosphatspiegel und die Kalziumkonzentration im Urin.
Laboruntersuchungen: Messung des intakten Parathormons und Bestimmung des Serum-Ca++-Spiegels.
Bildgebende Diagnostik: Das Standardverfahren zur Lokalisation vergrößerter Nebenschilddrüsen ist die Sonographie des Halses (Abb. B-1.317). Die sog. MIBI-Szintigraphie hat sich als nuklearmedizinisches Lokalisationsverfahren etabliert. Während solitäre Adenome sich szintigraphisch gut darstellen, liegt die Sensitivität bei diffus hyperplastisch veränderten Nebenschilddrüsen deutlich niedriger. Besonders bei Rezidiverkrankungen oder nach erfolgloser Primäroperation (persistierender HPT) kommen auch CT und MRT zum Einsatz.
Bildgebende Diagnostik: Das Standardverfahren zur Lokalisation vergrößerter Nebenschilddrüsen ist die Sonographie. Die sog. MIBI-Szintigraphie ist ebenfalls etabliert. CT und MRT kommen nur beim rezidivierenden oder persistierenden HPT zum Einsatz.
Spezielle diagnostische Verfahren: Nebenschilddrüsenadenome sind stark vaskularisiert und können durch eine Arteriographie dargestellt werden. Andererseits können nach Einführen eines venösen Gefäßkatheters in unterschiedlichen Gefäßabschnitten Blutproben entnommen und auf ihren Parathormongehalt untersucht werden (venöser Stufen- oder Etagenkatheter). Dies ermöglicht eine Zuordnung, auf welcher Seite und in welcher Höhe das Adenom liegt. In seltenen Fällen besteht die Indikation zur Feinnadelpunktion mit zytologischer Abklärung eines fraglichen Nebenschilddrüsenadenoms.
Spezielle diagnostische Verfahren: Durch Arteriographie oder die Parathormonbestimmung mittels venösen Stufenkatheters ist eine Lokalisation von Nebenschilddrüsenadenomen möglich. Selten ist eine zytologische Abklärung durch Feinnadelpunktion indiziert.
Leitsymptome der Nebenschilddrüse
Leitsymptome der Nebenschilddrüse
Die klinische Symptomatik des Hyperparathyreoidismus wird in ihrer klassischen Ausprägung durch die Attribute „Stein, Bein und Magenpein“ (im angelsächsischen Sprachraum: „Bones, stones, abdominal groans, and psychic moans“) beschrieben. Sie lässt sich teilweise unmittelbar aus der gesteigerten
Die klinische Symptomatik („Stein, Bein und Magenpein“) ist Resultat der gesteigerten Parathormonwirkung.
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B 1 Viszeralchirurgie
628 B-1.81
Leitsymptome Hyperparathyreoidismus
Leitsymptome des primären HPT
Erläuterung
Leitsymptome des sekundären HPT
■
Hyperkalzämie
entscheidender Befund auf dem Weg zur Diagnose
■
Nephrolithiasis
nur beim pHPT, dort aber zusammen mit der Hyperkalzämie das wichtigste Leitsymptom
■
Osteoporose
besonders bei Frauen in der Postmenopause
gastrointestinale Beschwerden
treten nur bei sehr hohen Kalziumwerten auf, heute selten
neurologisch-psychiatrische Symptome
können von diskreten Störungen bis zum Koma bei der hyperkalzämischen Krise reichen
■
Knochenschmerzen
nur bei fortgeschrittener Erkrankung, beim pHPT heute selten
■
Weichteilverkalkungen
beim pHPT sehr selten
■
■
Erläuterung
massive Erhöhung des Parathormonspiegels im Serum
entscheidendes Kriterium im Verlauf der Erkrankung
■
Knochenschmerzen
wegen des häufig langjährigen Verlaufes viel häufiger als beim pHPT
■
Weichteilverkalkungen
heute seltener
■
Osteoporose
die renale Osteopathie wird durch den sHPT verstärkt
■
Hyperkalzämie
kein Primärsymptom, entwickelt sich im Verlauf (tertiärer HPT)
■
gastrointestinale Beschwerden
spielen als „Leitsymptome“ beim sHPT keine bedeutende Rolle, allenfalls bei Entgleisungen mit sehr hohen Kalziumspiegeln
■
■
neurologisch-psychiatrische Symptome
Aufgrund der unterschiedlichen Pathogenese unterscheidet sich die Symptomatik des primären und des sekundären Hyperparathyreoidismus (Tab. B-1.81).
Parathormonaktivität ableiten. Aufgrund der unterschiedlichen Pathogenese unterscheidet sich die Symptomatik des primären und des sekundären Hyperparathyreoidismus (s. Abschnitt Krankheitsbilder). Die Tab. B-1.81 gibt einen Überblick über die Leitsymptome des primären und des sekundären HPT.
Krankheitsbilder der Nebenschilddrüse
Krankheitsbilder der Nebenschilddrüse
Die Überfunktionsstörung wird als Hyperparathyreoidismus (HPT), die Unterfunktionsstörung als Hypoparathyreoidismus bezeichnet. Eine Unterfunktion entsteht überwiegend als Operationsfolge nach Schilddrüsen- oder Nebenschilddrüsenoperationen und kann tetanische Symptome auslösen.
Erkrankungen der Nebenschilddrüsen bewirken hormonell vermittelte Stoffwechselstörungen. Die Überfunktion wird als Hyperparathyreoidismus (HPT) bezeichnet, eine fehlende oder zu niedrige Hormonsekretion als Hypoparathyreoidismus. Dieser kann in seltenen Fällen angeboren sein (idopathischer Hypoparathyreoidismus) oder als Folge einer peripheren Hormonresistenz auftreten (Pseudohypoparathyreoidismus). In den meisten Fällen handelt es sich um eine Operationsfolge nach Schilddrüsen- oder Nebenschilddrüsenoperationen. Bei nicht ausreichender Ca++-Substitution kann es zu tetanischen Symptomen kommen.
Primärer Hyperparathyreoidismus
Primärer Hyperparathyreoidismus
왘 Definition
왘 Definition. Als primärer Hyperparathyreoidismus (pHPT) wird eine von den
Nebenschilddrüsen ausgehende Überfunktionsstörung bezeichnet. Ursächlich kann ein Adenom oder eine Hyperplasie des Drüsengewebes vorliegen. Epidemiologie: Die Diagnose erfolgt häufig im oligo- oder asymptomatischen Stadium. Frauen sind 3-mal häufiger betroffen. Die Inzidenz nimmt mit dem Lebensalter zu und beträgt durchschnittlich 30/100 000 Einwohner und Jahr, die Prävalenz liegt bei 1 – 4/1000 Einwohner. In bis zu 10 % liegt eine erbliche Erkrankung (MEN) mit deutlich niedrigerem Erkrankungsalter vor.
Epidemiologie: Wurde die Erkrankung früher häufig erst im fortgeschrittenen Stadium und bei erheblicher Symptomatik erkannt, wird die Diagnose heute aufgrund routinemäßig durchgeführter Ca++-Bestimmungen häufig im oligooder asymptomatischen Stadium gestellt. Frauen sind 3-mal so häufig betroffen wie Männer. Die Inzidenz der Erkrankung nimmt mit dem Lebensalter zu und erreicht ihr Maximum zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr, durchschnittlich ist mit einer Inzidenz von 30 Erkrankungen/100 000 Einwohner/Jahr zu rechnen, die Prävalenz liegt bei 1 – 4/1000 Einwohner. In bis zu 10 % der Fälle liegt eine erbliche Disposition vor, meist im Rahmen einer multiplen endokrinen Neoplasie (MEN). Bei diesen Patienten liegt das mittlere Erkrankungsalter deutlich niedriger.
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B 1.17 Endokrine Chirurgie
629
Ätiologie, Pathogenese: Die Ursache der Erkrankung ist unbekannt. Bei 80 % der Patienten liegt ein solitäres Adenom vor, bei den übrigen Patienten finden sich multiple Adenome oder eine diffuse Hyperplasie aller Drüsen. Die Mehrdrüsenerkrankung findet sich gehäuft bei der Gruppe der MEN-Patienten. Pathophysiologisch kommt es zur Fehlsteuerung des Regelkreises. Das Gleichgewicht ist in Richtung auf pathologisch erhöhte Kalziumwerte verschoben, die Unterdrückung der Parathormonsekretion bei Überschreiten der normalen Serumkalziumkonzentration bleibt aus. Dies hat eine vermehrte renale Kalziumrückresorption zur Folge und indirekt aufgrund der gesteigerten VitaminD-Aktivierung auch eine vermehrte intestinale Kalziumresorption sowie Mobilisation des im Knochen gebundenen Kalziums. Weiterhin nimmt die renale Phosphat- und Bicarbonatausscheidung zu. Es kommt zur Hyperkalzämie, Hypophosphatämie und metabolischen Azidose. Analog findet sich eine Hyperphosphaturie und Alkalisierung des Urins. Aufgrund der hohen Serumkalziumkonzentration entwickelt sich trotz gesteigerter renaler Kalziumrückresorption auch eine Hyperkalziurie.
Ätiologie, Pathogenese: Die Ätiologie ist unbekannt, in 80 % liegt ein solitäres Adenom vor. Es liegt eine Fehlsteuerung des Regelkreises in Richtung auf erhöhte Serumkalziumwerte vor. Dadurch kommt es zur gesteigerten renalen und intestinalen Kalziumaufnahme sowie zur vermehrten Mobilisation des im Knochen gebundenen Kalziums.
Klinik: Die klassische Erscheinungsform mit ausgeprägten Skelettveränderungen und Ausbildung sog. brauner Knochentumoren (Osteitis fibrosa cystica Recklinghausen) ist heute sehr selten geworden. Die meisten Patienten werden im Rahmen der Abklärung einer Nephrolithiasis oder Osteoporose diagnostiziert (s. Abschnitt Leitsymptome, S. 627). Diskrete neurologische oder psychiatrische Befunde wie depressive Verstimmung, Antriebsarmut oder Konzentrationsstörungen können übersehen werden. Bei ausgeprägter biochemischer Entgleisung kann es zur Ausbildung einer sog. hyperkalzämischen Krise mit Verwirrtheitszuständen bis hin zum Koma kommen. Auch gastrointestinale Beschwerden treten meist nur im Zusammenhang mit sehr hohen Serumkalziumspiegeln auf.
Klinik: Die klassische Erscheinungsform (Osteitis fibrosa cystica Recklinghausen) ist heute sehr selten. Meist wird die Diagnose bei Patienten mit Nephrolithiasis oder Osteoporose gestellt. Neurologisch-psychiatrische Befunde können übersehen werden. Im Extremfall kann es zur hyperkalzämischen Krise mit Koma kommen. Auch gastrointestinale Beschwerden treten meist nur bei sehr hohen Serumkalziumspiegeln auf.
Diagnostik: Der Nachweis einer Hyperkalzämie steht im Mittelpunkt der Diagnostik. Durch Messung eines erhöhten Serumspiegels des Parathormons (PTH) wird die Diagnose gesichert. Hieran schließt sich eine mehr oder weniger ausgedehnte Lokalisationsdiagnostik an (s. S. 627). Obligat ist eine Halssonographie (Abb. B-1.317). Um eine MEN nicht zu übersehen, muss eine gründliche Eigen- und Familienanamnese erhoben werden. Von besonderer Bedeutung ist die MEN Typ II, da hier zusätzlich medulläre Schilddrüsenkarzinome und Phäochromozytome der Nebenniere vorliegen können.
Diagnostik: Der Nachweis einer Hyperkalzämie und des erhöhten PTH-Spiegels sichert die Diagnose. Eine Halssonographie ist obligat. Bei der Eigen- und Familenanamnese wird besonders nach Erkrankungen geforscht, die auf eine MEN II hinweisen.
Differenzialdiagnose: Eine nachgewiesene Hyperkalzämie kann vielfältige Ursachen haben (Tab. B-1.82). Bei der paraneoplastischen Hyperkalzämie wird eine parathormonähnliche Substanz gebildet, der Wert des physiologischen PTH ist normal oder erniedrigt.
Differenzialdiagnose: Eine Hyperkalzämie kann vielfältige Ursachen haben (Tab. B-1.82). Bei der paraneoplastischen Hyperkalzämie ist der PTH-Wert nicht erhöht.
Therapie: Beim Vorliegen typischer Symptome (z. B. Nephrolithiasis, Osteoporose) und laborchemisch bestätigter Diagnose ist eine Operationsindikation gegeben. Der zufällig entdeckte asymptomatische pHPT erfordert eine internistische Abklärung. Unter bestimmten Bedingungen (Serum-Ca2+ 4 3 mmol/l, Einschränkung der Kreatininclearance, Abnahme der Knochendichte) ist auch bei diesen Patienten eine Operation indiziert. Das Ziel der Operation ist die Entfernung des adenomatösen bzw. hyperplastischen Nebenschilddrüsengewebes (Abb. B-1.318). Der Zugang erfolgt über einen Kocher-Schnitt (S. 619). Wenn bei der präoperativen Diagnostik ein Adenom lokalisiert werden konnte, erfolgt zunächst eine Exploration der betreffenden Halsseite. Nach Entfernung eines solitären Adenoms normalisiert sich das PTH innerhalb kurzer Zeit (10 – 20 min). Durch die intraoperative PTH-Messung mittels spezieller Serumschnelltests wird die Diagnose gesichert und der Eingriff kann nach Normalisierung des PTH-Wertes beendet werden. Kommt es zu keinem oder nur teilweisem Abfall des PTH, müssen die übrigen Nebenschilddrüsen ebenfalls exploriert werden.
Therapie: Beim symptomatischen pHPT besteht immer eine Operationsindikation, bei asymptomatischem Verlauf unter bestimmten Bedingungen (Serum-Ca++ 4 3 mmol/l, Einschränkung der Kreatininclearance, Abnahme der Knochendichte).
Folgen sind: Hyperkalzämie, Hypophosphatämie und metabolische Azidose; Hyperphosphaturie, Hyperkalziurie und Alkalisierung des Urins.
Das Ziel der Operation ist die Entfernung des adenomatösen bzw. hyperplastischen Gewebes (Abb. B-1.318). Bei bekannter Lokalisation erfolgt eine einseitige Halsexploration über einen Kocher-Schnitt. Nach Entfernung eines solitären Adenoms kann der Eingriff nach Normalisierung des PTH (intraoperativer Schnelltest) beendet werden. Anderenfalls erfolgt die Exploration der anderen Nebenschilddrüsen.
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B 1 Viszeralchirurgie
630 B-1.82
B-1.82
Differenzialdiagnose der Hyperkalzämie
Hyperparathyreoidismus ■ primär ■ tertiär paraneoplastisches Syndrom ■ durch parathormonähnliches Peptid (Nieren-, Mamma- und Lungentumoren) vermehrte Osteolyse ■ Knochenmetastasen ■ hämatologische Neoplasien ■ Hyperthyreose ■ Immobilisation übermäßige intestinale Kalziumresorption ■ Vitamin-D-Intoxikation ■ Sarkoidose ■ Milch-Alkali-Syndrom Nebennierenrindeninsuffizienz Vitamin-A-Intoxikation unter Thiaziddiuretikatherapie Fehlbestimmung ■ abnahmebedingt (zu langes Stauen bei Blutabnahme)
B-1.318
Nebenschilddrüsenadenom
a
b
c
d
Bei der Vierdrüsenhyperplasie erfolgt eine subtotale Parathyreoidektomie oder eine totale Parathyreoidektomie mit Autotransplantation.
a Intraoperative Darstellung eines Nebenschilddrüsenadenoms rechts kaudal bei einem 66-jährigen Mann. b Darstellung des mobilisierten Adenoms. c Darstellung des Gefäßstieles (Ast der A. thyreoidea inferior) des Adenoms vor Durchtrennung. d Präparat (11 g). Intraoperative Normalisierung des PTH-Wertes von 49,8 auf 5,0 pmol/l.
Bei der Vierdrüsenhyperplasie erfolgt eine ausgedehnte Resektion des Nebenschilddrüsengewebes. Dies kann in Form einer subtotalen Parathyreoidektomie mit Belassung eines Geweberestes zervikal oder als totale Parathyreoidektomie mit Autotransplantation erfolgen. Bei der Autotransplantation werden kleine Gewebestückchen (1 mm3) z. B. in die Unterarmmuskulatur eingepflanzt (Abb. B-1.319). Der Sinn dieser Technik liegt darin, dass im Falle eines Erkrankungsrezidivs das Gewebe leichter zugänglich ist.
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B 1.17 Endokrine Chirurgie
B-1.319
Autotransplantation von Nebenschilddrüsengewebe in die Unterarmmuskulatur
a Das in ca. 1 mm3 große Segmente zerschnittene Nebenschilddrüsengewebe wird bei der Autotransplantation in die Muskelloge eingebracht und in separate Taschen der Unterarmmuskulatur (M. brachio radialis) implantiert.
b Die Muskeltaschen werden mit nicht resorbierbarer Naht markiert, um eine eventuell erforderlich werdende Transplantatverkleinerung zu erleichtern.
Wie bei der Schilddrüsenoperation (S. 618) kann die Funktion des N. recurrens intraoperativ elektrophysiologisch kontrolliert werden (Neuromonitoring). Begleitende pathologische Veränderungen an der Schilddrüse (Struma nodosa, Zysten) sollten simultan reseziert werden. Bei präoperativ sonographisch und szintigraphisch lokalisiertem solitärem Nebenschilddrüsenadenom und sonographisch normaler Schilddrüse kann eine minimalinvasive Operation über einen verkleinerten Kocher-Schnitt mit Kamera, Bildübertragungskette und spezialisiertem Instrumentarium durchgeführt werden. Alternativ kann der minimalinvasive Eingriff analog zur laparoskopischen Operation mittels mehrerer Trokare unter CO2-Insufflation vorgenommen werden. Bei atypischer Lokalisation der Nebenschilddrüse ist eine erweiterte Halsexploration erforderlich, die häufigste dystope Lage ist die im kaudal der Schilddrüse gelegenen retrosternalen Thymusrest, der in der Regel vom zervikalen Zugang aus entfernt werden kann (Abb. B-1.320). Nur in Ausnahmefällen ist eine Thorakotomie oder Sternotomie zur Resektion eines intrathorakalen Adenoms erforderlich. Beim seltenen Nebenschilddrüsenkarzinom muss eine möglichst radikale Enbloc-Resektion des Tumors unter Mitnahme der infiltrierten Strukturen erfolgen. Gegebenenfalls ist eine Neck dissection anzuschließen.
B-1.320
631
Präparat nach totaler Parathyreoidektomie
Die Funktion des N. recurrens kann intraoperativ durch Neuromonitoring überwacht werden. Pathologische Veränderungen an der Schilddrüse sollten simultan reseziert werden. Bei präoperativ lokalisiertem Adenom und normaler Schilddrüse kann die Operation minimalinvasiv über einen verkleinerten Kocher-Schnitt oder unter CO2-Insufflation über Trokare durchgeführt werden.
Bei atypischer Lokalisation erfolgt eine erweiterte Halsexploration; die häufigste dystope Lokalisation ist die im retrosternalen Thymusrest. Nur in Ausnahmefällen ist eine Thorakotomie oder Sternotomie erforderlich.
Beim Nebenschilddrüsenkarzinom erfolgt eine möglichst radikale Resektion evtl. mit Neck dissection.
B-1.320
bei einem 42-jährigen Patienten mit chronischer, dialysepflichtiger Niereninsuffizienz und sekundärem Hyperparathyreoidismus Hyperplasie aller 4 Nebenschilddrüsen, die rechte untere Nebenschilddrüse lag dystop in der rechten Thymuszunge.
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632
B 1 Viszeralchirurgie
Sekundärer Hyperparathyreoidismus
Sekundärer Hyperparathyreoidismus
왘 Definition
왘 Definition. Beim sekundären oder reaktiven Hyperparathyreoidismus (sHPT) liegt keine primäre Erkrankung der Nebenschilddrüsen vor. Es handelt sich vielmehr um eine durch chronische Stimulation ausgelöste zunächst hypooder normokalzämische Überfunktionsstörung.
Als tertiärer HPT wird die Verlaufsform bezeichnet, bei der durch die Ausbildung funktionell autonomer Areale eine Hyperkalzämie entsteht.
Historisch werden weitere Unterformen des reaktiven HPT unterschieden (tertiär, quartär, quintär). Heute ist nur noch der Begriff des tertiären HPT gebräuchlich. Hiermit ist die im Laufe der Erkrankung sich entwickelnde Ausbildung funktionell autonomer Areale in den Nebenschilddrüsen gemeint, die (analog zum pHPT) zur Entstehung einer Hyperkalzämie führt.
Epidemiologie: Der Anteil der operationspflichtigen Patienten erreicht nach 10 Jahren Dialyse etwa 10 %, nach 20 Jahren bis zu 1/3.
Epidemiologie: Bei chronisch niereninsuffizienten Patienten beträgt die Rate der operationspflichtigen Erkrankungen nach 10 Jahren Dialyse etwa 10 %, nach 20 Jahren Dialyse besteht ein operationswürdiger Befund bei bis zu 1/3 der Patienten. Die Geschlechtsverteilung ist annähernd symmetrisch.
Ätiologie, Pathogenese: Der sekundäre HPT ist meist Folge einer chronischen Hypokalzämie bei Niereninsuffizienz (renaler HPT).
Ätiologie, Pathogenese: Chronischer Kalzium- und Vitamin-D-Mangel führen über Dauerstimulation der Nebenschilddrüsen zur Entstehung der Erkrankung. Als Auslöser ist heute nur noch die chronische dialysepflichtige Niereninsuffizienz von Bedeutung (renaler HPT). Eine Entstehung durch chronische Erkrankungen des Intestinaltraktes, die zu einer Kalziumresorptionsstörung führen (Morbus Crohn, Sprue), wird nur noch selten beobachtet. Zunächst resultiert eine reversible Hyperplasie aller Nebenschilddrüsen, im Verlauf kommt es zunehmend zur (irreversiblen) adenomatösen Transformation mit konsekutiver Autonomie. Dies kann dazu führen, dass die Erkrankung auch nach erfolgreicher Nierentransplantation persistiert.
Die reversible Hyperplasie geht im Verlauf in eine irreversible adenomatöse Form über. Diese kann auch nach erfolgreicher Nierentransplantation persistieren. Klinik: Knochen- und Gelenkschmerzen stehen im Vordergrund, weiterhin können Weichteilverkalkungen auftreten und Gefäßprobleme exazerbieren.
Klinik: Bei der klinischen Symptomatik stehen Knochen- und Gelenkschmerzen im Vordergrund. Gelegentlich können ausgeprägte Weichteilverkalkungen auftreten. Durch die chronische Hyperkalzämie können aufgrund von Atherosklerose bestehende Gefäßprobleme exazerbieren.
Diagnostik: Diagnostische Parameter sind der PTH-Serumspiegel, der Serumkalziumspiegel, das Kalzium-Phosphat-Produkt und die klinische Symptomatik.
Diagnostik: Aufgrund stark erhöhter PTH-Werte wird die Erkrankung diagnostiziert. Weitere Parameter zur Therapieentscheidung sind die Serumkalziumspiegel, das Kalzium-Phosphat-Produkt sowie die klinische Symptomatik vor allem im Bereich des Skelettsystems. Eine präoperative Halssonographie kann begleitende Veränderungen an der Schilddrüse aufzeigen.
Therapie: Operationsindikationen sind: Exzessive PTH-Erhöhung, konservativ nicht beherrschbare Hyperkalzämie und Skelettschmerzen. Der Standardeingriff ist die subtotale Parathyreoidektomie oder die totale Parathyreoidektomie mit oder ohne Autotransplantation. Nach Nierentransplantation oder bei auffälliger Asymmetrie kann auch eine PTH-gesteuerte Resektion erfolgen.
Therapie: Eine Operation ist bei exzessiver PTH-Erhöhung, konservativ nicht beherrschbarer Hyperkalzämie und Schmerzsymptomen im Bereich des Skelettsystems indiziert. Wegen des reaktiven Charakters der Erkrankung ist prinzipiell von einer Vierdrüsenhyperplasie auszugehen. Daher besteht der Standardeingriff in einer subtotalen oder totalen Parathyreoidektomie (Abb. B-1.320). Wegen der hohen Rezidivgefahr wird z. T. auf eine Autotransplantation verzichtet. Nach erfolgreicher Nierentransplantation oder bei auffälliger Asymmetrie der Veränderungen kann analog zur Behandlung des pHPT auch eine PTH-gesteuerte Resektion (mit intraoperativer Messung) erfolgen.
1.17.2 Nebenniere
1.17.2 Nebenniere Peter Würl, Michael Dürig
Anatomie der Nebenniere
Anatomie der Nebenniere
Die Nebennieren sind paarig angelegt und jeweils am oberen Pol jeder Niere lokalisiert. Das Gewicht der gesunden Nebenniere beträgt 4 – 8 g, wobei die linke Seite etwas größer und schwerer ist als die Gegenseite. Embryologisch leitet sich die Rinde vom Mesoderm, das Mark vom Neuroektoderm ab.
Die Nebennieren sind paarig angelegt und jeweils am medialen Rand des oberen Poles jeder Niere lokalisiert. Das Gewicht der gesunden Nebenniere beträgt 4 – 8 g, wobei die Nebenniere der linken Seite etwas größer und schwerer ist als die der Gegenseite. Bereits makroskopisch ist die Nebennierenrinde durch die charakteristische Gelbfärbung vom grauen Mark abzugrenzen.
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B 1.17 Endokrine Chirurgie
633
Embryologisch entstammt die Rinde dem Mesoderm, während das Mark neuroektodermalen Ursprungs ist. Die chromaffinen Zellen des Marks leiten sich, wie die sympathischen Ganglien, von der Neuralleiste ab.
Nebennierenrinde (NNR)
Nebennierenrinde (NNR)
Die Nebennierenrinde unterteilt sich histologisch in 3 Schichten, denen eine spezifische Hormonproduktion zugeordnet ist: ■ Zona glomerulosa: Mineralokortikoide (C-21-Steroide; Leithormon: Aldosteron) ■ Zona fasciculata: Glukokortikoide (C-21-Steroide; Leithormone: Kortisol, Kortikosteron) ■ Zona reticularis: Sexualsteroide: C-19-Steroide (Androgen), C-18-Steroide (Östrogene).
Sie besteht histologisch aus 3 Schichten, die jeweils spezifische Hormone produzieren: ■ Zona glomerulosa: Mineralokortikoide (Leithormon: Aldosteron) ■ Zona fasciculata: Glukokortikoide (Leithormone: Kortisol, Kortikosteron) ■ Zona reticularis: Sexualsteroide (Androgen, Östrogene).
Funktion der Nebennierenrinde
Funktion der Nebennierenrinde
Die Nebennierenrinde ist in ihrer Funktion in erster Linie vom adrenokortikotropen Hormon, dem ACTH bzw. Kortikotropin der Hypophyse abhängig. Der Einfluss von ACTH bezieht sich hierbei auf die Bildung von Glukokortikoiden, Androgenen und des Aldosteron. Die Sekretion von ACTH im Hypophysenvorderlappen (HVL) wird seinerseits durch das Neurohormon CRF (corticotropin releasing factor) aus dem Hypothalamus ausgelöst. Die Menge der ACTHProduktion ist ihrerseits vom Plasma-Kortisolspiegel abhängig. Die Nebenniere synthetisiert Steroidhormone mit gluko- und mineralokortikoider Wirkung. Unter den zahlreichen Steroiden werden auch Gestagene und Östrogene synthetisiert. Eine Synthese von Androgenen und Östrogenen erfolgt darüber hinaus in den Testes und Ovarien. Unter den Steroidhormonen kommt den Glukokortikoiden zur Aufrechterhaltung vitaler Funktionen die größte Bedeutung zu. Hierbei liegt die Aufgabe des Kortisols in seiner Beeinflussung von Kohlenhydrat-, Eiweiß- und Wasserstoffwechsel. Die Wirkung der Glukokortikoide auf den Elektrolyt- und Wasserstoffwechsel ist im Gegensatz zu Aldosteron nur gering ausgeprägt. Kortikosteron steht in seiner biologischen Wirkung zwischen Aldosteron und Kortisol. Die Mineralokortikoide haben mit ihrem Einfluss auf den Elektrolyt- und Wasserhaushalt eine besondere Bedeutung bei den Hochdruckerkrankungen. An der Aldosteronproduktion sind das Renin-Angiotensin-System, ACTH und die Serumkonzentrationen von Kalium und Natrium beteiligt. Eine Abnahme des effektiven Blutvolumens und die Erhöhung des Serumkaliums stimuliert hierbei die Aldosteronsynthese. Eine Verminderung des Serumnatriums bewirkt ebenfalls eine Stimulation der Aldosteronproduktion und sekundär einen erneuten Anstieg des Natriums. Die Steuerung wird wesentlich durch den Renin-Angiotensin-Mechanismus beeinflusst.
Die Nebennierenrinde ist in ihrer Funktion in erster Linie vom adrenokortikotropen Hormon, dem ACTH bzw. Kortikotropin der Hypophyse abhängig. Der Einfluss von ACTH bezieht sich hierbei auf die Bildung von Glukokortikoiden, Androgenen und Aldosteron.
Unter den Steroidhormonen kommt den Glukokortikoiden zur Aufrechterhaltung vitaler Funktionen die größte Bedeutung zu. Hierbei liegt die Aufgabe des Kortisols in seiner Beeinflussung von Kohlenhydrat-, Eiweiß- und Fettstoffwechsel.
Allgemeine Diagnostik
Allgemeine Diagnostik
Die klinischen Symptome von Erkrankungen der Nebennieren ergeben sich aus den Effekten der Hormonüberproduktion (Tab. B-1.83). Selten und nur bei Erreichung eines sehr großen Volumens führen Tumoren direkt zu Beschwerden (Schmerzen, Kavakompression, Kavathrombose).
Die klinischen Symptome von Erkrankungen der Nebennieren ergeben sich aus den Effekten der Hormonüberproduktion (Tab. B-1.83).
Lokalisationsdiagnostik
Lokalisationsdiagnostik
Die Computertomographie steht im Rahmen der Lokalisations- und Morphologiediagnostik von Nebennierenveränderungen an erster Stelle. Die Sonographie stellt ein Screeningverfahren dar. Sie versagt jedoch bei einer Tumorgröße unter 1,5 cm. Für eine sichere Operationsplanung ist sie nicht ausreichend. Gegenüber der CT bietet die MRT im Allgemeinen keine entscheidenden Vorteile (ausgenommen wahrscheinliche oder gesicherte Schwangerschaft), sodass bei höherem Aufwand und Kosten der MRT der CT der Vorzug zu geben ist.
Die CT steht in der bildgebenden Nebennierendiagnostik an erster Stelle. Die Sonographie stellt ein Screeningverfahren dar. Bei einer Tumorengröße unter 1,5 cm versagt sie und für eine sichere Operationsplanung ist sie nicht ausreichend. Alle übrigen Verfahren wie MRT, Szintigraphie und selektive Venenkatheterismen bleiben besonderen Indikationen vorbehalten.
Die Mineralokortikoide haben mit ihrem Einfluss auf den Elektrolyt- und Wasserhaushalt eine besondere Bedeutung bei den Hochdruckerkrankungen. An der Aldosteronproduktion sind das Renin-Angiotensin-System, ACTH und die Serumkonzentrationen von Kalium und Natrium beteiligt. Ein verminderter Serumnatriumspiegel stimuliert die Aldosteronproduktion, wodurch das Natrium erneut ansteigt.
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B 1 Viszeralchirurgie
634 B-1.83
Häufige Symptome der Überfunktion der 4 hormonproduzierenden Areale und der Nebennierenrindeninsuffizienz
Hyperaldosteronismus
Hyperkortisolismus
Androgen-ÖstrogenÜberproduktion
Hyperkatecholaminämie
Nebennierenrindeninsuffizienz
Hypertonie Hypokaliämie
Hypertonie Vollmondgesicht
Hirsutismus Virilisierung
Hypertonie paroxysmale Blutdruckkrisen
Gewichtsverlust Leistungsknick mit Müdigkeit, Schwäche, Depression
Abgeschlagenheit Proteinurie Hyposthenurie Polyurie Polydipsie Hyponatriämie
Stammfettsucht Striae Amenorrhö Hirsutismus Adynamie Akne
Amenorrhö Gynäkomastie Stirnglatze Stimmveränderungen Libidoverlust Impotenz
Kopfschmerz Sinustachykardie leichtes Schwitzen Gewichtsverlust Nervosität
orthostatische Hypotension Hyperpigmentation Hyperkaliämie mit Hyponatriämie Vitiligo Libidoverlust Kopfschmerz Somnolenz
Eine Nebennierenrindenszintigraphie kommt zum Einsatz, wenn bei erhöhter Hormonproduktion durch die Schnittbildverfahren keine eindeutige Seitenzuordnung möglich ist, oder der Verdacht auf ein multifokales Geschehen (multifokales Paragangliom, Metastasen bei Malignität) vorliegt. Ein selektiver Nebennierenvenenkatheterismus wird nahezu ausschließlich zur Abklärung einer unklaren Seitenlokalisation bei primärem Hyperaldosteronismus eingesetzt. Hormondiagnostik
Hormondiagnostik
Sie ist auf den direkten oder indirekten Nachweis einer gestörten/erhöhten Produktion gerichtet. Bei unklarer hormoneller Aktivität erfolgt Basisdiagnostik mit Bestimmung von: ■ Katecholamine und Metanephrine im 24-Stunden-Urin ■ Serumkortisol im Dexamethasonhemmtest ■ Aldosteron-18-Glucuronid und Tetrahydroaldosteron im 24-Stunden-Urin.
Das diagnostische Prozedere ist auf den Nachweis einer Störung der Hormonproduktion – in der Regel einer Überproduktion – ausgerichtet. Neben der Bestimmung des Hormonspiegels bzw. des Spiegels seiner Metaboliten im Serum oder Urin kommen sog. Suppressionstests für die verschiedenen Hormone zum Einsatz. Bei völlig unklarer hormoneller Aktivität eines Nebennierentumors werden im Sinne einer Basisdiagnostik folgende Werte bestimmt: ■ Katecholamine und Metanephrine im 24-Stunden-Urin ■ Serumkortisol im Dexamethasonhemmtest ■ Aldosteron-18-Glucuronid und Tetrahydroaldosteron im 24-Stunden-Urin.
Leitsymptome
Leitsymptome
Siehe Tab. B-1.83. Die Leitsymptome sind fett hervorgehoben.
Die sich aus der jeweiligen Hormonüberproduktion ergebenden Symptome sind in Tab. B-1.83 zusammengefasst.
Krankheitsbilder
Krankheitsbilder
Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom)
Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom)
왘 Definition
왘 Definition. Das Cushing-Syndrom fasst die klinischen Zeichen und Symptome
als Folge einer chronischen Glukokortikoidexposition über einen längeren Zeitraum zu einem Krankheitsbild zusammen. Epidemiologie: Die Inzidenz wird auf 1:100 000 – 1:500 000 geschätzt. Frauen sind häufiger betroffen.
Epidemiologie: Die Inzidenz wird auf 1:100 000 bis 1:500 000 geschätzt, wobei Frauen gegenüber Männern in einem Verhältnis 5:1 häufiger betroffen sind. Der Altersgipfel liegt zwischen der 3. und 5. Lebensdekade.
Ätiologie: Es ist das endogene vom exogenen Cushing-Syndrom zu unterscheiden.
Ätiologie: Zu unterscheiden ist zwischen dem endogenen und exogenen Cushing-Syndrom. Ursache des endogenen Cushing-Syndroms ist eine hypophysäre Überproduktion von Kortisol oder ACTH, wobei die ACTH-abhängige (85 % aller endogenen Formen) und die ACTH-unabhängige, paraneoplastische Form (15 – 20 % aller endogenen Formen) voneinander getrennt werden. Sie umfasst überwiegend die kortisolsezernierenden Nebennierenrindenadenome und -karzinome (Tab. B-1.84). Als Ursache des exogenen Cushing-Syndroms gilt in der Regel die Zufuhr von Glukokortikoiden oder ACTH aus therapeutischen Gründen.
Ursache des endogenen Cushing-Syndroms ist eine Überproduktion von Kortisol oder ACTH. Sie umfasst überwiegend die kortisolsezernierenden Nebennierenrindenadenome und -karzinome (Tab. B-1.84).
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B 1.17 Endokrine Chirurgie
B-1.84
ACTH-abhängige und -unabhängige Formen des Cushing-Syndroms
Form
Häufigkeit
ACTH-abhängige Form ■ ACTH produzierendes Hypophysenvorderlappenadenom (Morbus Cushing) ■ ektope ACTH-Bildung in einem Tumor (z. B. Bronchialkarzinom, Bronchialkarzinoid, Pankreaskarzinom) ■ ektope CRH-Bildung (paraneoplastisch, sehr selten)
85 %
ACTH-unabhängige Form ■ NNR-Adenom/NNR-Karzinom ■ mikro-/makronoduläre Hyperplasie (selten) ■ exogene Glukokortikoidgabe
15 %
B-1.321
Patient mit Cushing-Syndrom
635 B-1.84
B-1.321
Ausgeprägte Stammfettsucht und Striae distensae im Bereich des Abdomens bei Patient mit Cushing-Syndrom.
Klinik: Die klinischen Symptome werden durch die Stoffwechselwirkung des vermehrt produzierten Kortisols bestimmt. Charakteristisch ist eine progressive Gewichtszunahme mit zentripetaler Fettsucht unter Aussparung von Gesäß, Armen und Beinen (Abb. B-1.321). Der zervikodorsale Fettansatz führt in Kombination mit einer dorsalen Kyphose durch Osteoporose zum typischen Bild des „Stiernackens“. Eine Fettzunahme im Bereich der Wangen und unterhalb des Kinns zeichnen zusammen mit einer Plethora das „Mondgesicht“ aus. An der Haut zeigen sich Akne, Striae und eine Gefäßfragilität, die sich in vermehrter subkutaner Hämatombildung manifestiert. Bei Kindern ist der Stillstand des Längenwachstums oft das erste Zeichen eines Hyperkortisolismus. Bei Erwachsenen sind erste Zeichen Müdigkeit und Leistungsabfall sowie beim Mann Potenz- und Libidoverlust, bei der Frau Menstruationsstörungen bis zur sekundären Amenorrhö und Hirsutismus. Weitere Symptome wie Hypertonie, diabetische Stoffwechsellage und Infektanfälligkeit kommen hinzu. Die glukokortikoidbedingte Osteoporose führt zu chronischen Rückenschmerzen, Kyphose und in 40 % der Fälle zu Spontanfrakturen von Wirbelkörpern und Rippen. 왘 Merke. Eine schwere hypokaliämische Alkalose weist auf eine ektope
Klinik: Charakteristisch ist eine progressive Gewichtszunahme mit zentripetaler Fettsucht (Abb. B-1.321). Es kommt zum typischen Bild des „Stiernackens“ und „Mondgesichtes“. An der Haut zeigen sich Akne, Striae und eine Gefäßfragilität. Des Weiteren treten Hypertonie, diabetische Stoffwechsellage und Infektanfälligkeit auf.
Bei Kindern ist der Stillstand des Längenwachstums oft das erste Zeichen eines Hyperkortisolismus. Bei Erwachsenen sind erste Zeichen Müdigkeit und Leistungsabfall sowie beim Mann Potenzverlust, bei der Frau Menstruationsstörungen und Hirsutismus. Die Osteoporose führt in 40 % zu Spontanfrakturen von Wirbelkörper und Rippen.
왗 Merke
ACTH-Sekretion oder ein Nebennierenkarzinom hin. Bei Kindern ist ein Wachstumsstillstand erstes Symptom des Hyperkortisolismus.
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636
B 1 Viszeralchirurgie
Diagnostik: Die Diagnose stützt sich neben der Anamnese im Wesentlichen auf Laboruntersuchungen.
Diagnostik: Die Diagnose und Differenzialdiagnose des Cushing-Syndroms stützen sich neben der Anamnese im Wesentlichen auf Laboruntersuchungen. Zur Abklärung der Ursache kommen Schnittbildverfahren zur Anwendung. Der Nachweis eines endogenen Hyperkortisolismus gelingt durch Messung der Ausscheidung von freiem Kortisol und Kortisol-Metaboliten (17-Hydroxykortisolsteroide oder 17-Ketosteroide) im 24-Stunden-Urin. Falsch positive Ergebnisse sind nur in 5 % der Fälle zu erwarten.
Der Nachweis eines endogenen Hyperkortisolismus gelingt durch Messung der Ausscheidung von freiem Kortisol und KortisolMetaboliten. 왘 Merke
Ein Cushing-Syndrom darf auch dann angenommen werden, wenn es gelingt, den fehlenden zirkadianen Rhythmus nachzuweisen.
Die ACTH-Sekretion wird durch die Gabe von Dexamethason beim Cushing-Syndrom nicht oder nur geringfügig gehemmt, während beim Gesunden die Kortisolsekretion (durch Hemmung der ACTH-Sekretion) stark abfällt. 왘 Merke
Unerlässlich sind der CRH-Test und der Insulintoleranztest. Die Indikation zur Durchführung des InsulinHypoglykämie-Tests ist dann gegeben, wenn der Verdacht auf eine hypophysäre oder hypothalamische Ursache besteht oder ein Cushing-Syndrom gesichert werden muss.
왘 Merke
Bei Verdacht auf eine hypophysäre Erkrankung ist der Corticotropin-releasing-hormone-Test indiziert. Beim hypophysären Cushing-Syndrom steigen Plasma-ACTH und -kortisol nach CRH-Injektion signifikant an, während bei ektoper ACTH-Sekretion nur selten eine signifikante Stimulation erfolgt.
왘 Merke. Erhöhte Kortisolwerte sind auch nach der Einnahme von Kontrazeptiva, in der Schwangerschaft, bei Adipositas permagna und in Stresssituationen zu beobachten.
Ein Cushing-Syndrom darf auch dann angenommen werden, wenn es gelingt, den fehlenden zirkadianen Rhythmus mit persistierender nächtlicher Kortisolsekretion, d. h. konstantem Kortisolspiegel, nachzuweisen. Bei der Differenzierung der Ätiologie eines Cushing-Syndroms wird die Tatsache ausgenutzt, dass die Kortisolproduktion aus Nebennierentumoren und die paraneoplastische ACTH-Produktion autonom sind, während der ACTH-Regelkreis übergeordnet funktioniert. Die ACTH-Sekretion wird durch die Gabe von Dexamethason (Glukokortikoid mit 30-mal stärkerer Potenz als Hydrokortison, das nicht in die Hydrokortisonmessung im Plasma oder Urin eingeht) beim Cushing-Syndrom nicht oder nur geringfügig gehemmt, während beim Gesunden die Kortisolsekretion (durch Hemmung der ACTH-Sekretion) stark abfällt. 왘 Merke. Eine ausreichende Hemmung der Kortisolsekretion im Dexamethason-Kurztest zusammen mit normaler Exkretion von freiem Kortisol in den Urin schließt ein Cushing-Syndrom aus.
Unerlässlich sind der Corticotropin-releasing-hormone-(CRH-)Test und der Insulintoleranztest mit Messungen der ACTH- und Kortisolkonzentrationen im Plasma. Die Indikation zur Durchführung des Insulin-Hypoglykämie-Tests ist nur dann gegeben, wenn der Verdacht auf eine hypophysäre oder hypothalamische Ursache besteht oder ein Cushing-Syndrom gesichert werden muss. Der Test überprüft den Regelkreis Hypothalamus-Hypophyse-NNR und nutzt hierbei die Glukose als wichtigsten Energieträger des Gehirnstoffwechsels aus. Kommt es nach Insulininjektion zu einer Hypoglykämie, folgt die Sekretion von Vasopressin und Corticotropin releasing hormone (CRH) in den hypophysären Kreislauf. Dies führt zu einer Stimulation der ACTH-Sekretion, die ihrerseits die Kortisolsekretion anregt. Unterschreitet der Blutzucker 40 mg% (2,2 mmol/l) bei gleichzeitigem Auftreten von Hypoglykämiesymptomen, steigt das PlasmaACTH beim Gesunden auf mindestens 150 pg/ml an (Normwert 5 – 40 pg/ml). Die Kortisolsekretion wird maximal auf 550 nmol/l stimuliert. 왘 Merke. Ein normaler Insulin-Hypoglykämie-Test schließt einen funktionellen Schaden des Hypothalamus-Hypophysen-NNR-Regelkreises aus.
Bei Verdacht auf eine hypophysäre Erkrankung ist der Corticotropin-releasinghormone-Test indiziert. CRH ist neben Vasopressin ein wichtiges Stimulans der kortikotropen Zellen des Hypophysenvorderlappens. Nach i. v. Injektion von 1 µg/kg KG eines synthetischen humanen oder ovinen (Schafs-) CRH kommt es beim Gesunden zu einem Anstieg des Plasma-ACTH. Dieser Anstieg nimmt jedoch nicht das Ausmaß des Insulin-Hypoglykämie-Tests an. Die Testantwort unterscheidet sich jedoch nicht wesentlich, da die Kortisolsekretion der NNR bereits bei Plasma-ACTH-Konzentrationen von ca. 60 pg/ml nahezu maximal ist. Der CRH-Test hat ferner seine Bedeutung in der Differenzierung des ACTHabhängigen Cushing-Syndroms. Beim hypophysären Cushing-Syndrom steigen
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B 1.17 Endokrine Chirurgie
B-1.322
CT-Darstellung eines hormonaktiven NNR-Adenoms
637 B-1.322
CT-Darstellung eines hormonaktiven NNR-Adenoms (?) bei einer 85-jährigen Patientin. Durch einseitige Adrenalektomie konnte bei einem medikamentös kaum beeinflussbaren Hypertonus Normotension erreicht werden.
Plasma-ACTH und -kortisol nach CRH-Injektion signifikant an, während bei ektoper ACTH-Sekretion nur selten eine signifikante Stimulation erfolgt. Ist ein Hyperkortisolismus gesichert, werden zur Lokalisationsdiagnostik beim Cushing-Syndrom neben der Ultraschalluntersuchung der Nebennieren die Computertomographie und die Magnetresonanztomographie herangezogen. Die letzteren gestatten auch eine Aussage über eine hypophysäre Beteiligung. 왘 Merke. Bei Verdacht auf eine paraneoplastische Hormonproduktion muss die entsprechende Tumorsuche eingeleitet werden.
Therapie: Das nachgewiesene Cushing-Syndrom muss grundsätzlich therapiert werden, da es unbehandelt einen letalen Verlauf nimmt. Ziele der Therapie sind die Entfernung eines Tumors, die Normalisierung einer exzessiven Kortisolproduktion und die Vermeidung einer endokrinen Insuffizienz. Beim Morbus Cushing ist die Therapie der Wahl eine selektive transsphenoidale Entfernung des Hypophysenadenoms. Eine Adrenalektomie kommt nur dann infrage, wenn bei großen Hypophysentumoren die Tumorentfernung oder die begleitende Strahlentherapie das Krankheitsbild nicht beherrschen lassen. Eine bilaterale Adrenalektomie ist auch dann indiziert, wenn die seltene bilaterale Hyperplasie vorliegt. Bei Verlust beider Nebennieren ist eine lebenslange Substitutionstherapie sowohl mit Gluko- als auch Mineralokortikoiden erforderlich. Das ektope, paraneoplastische ACTH-Syndrom kann ausschließlich durch die Entfernung des Primärtumors beeinflusst werden. Beim Nebennierenrindenadenom und -karzinom muss die Tumorentfernung erfolgen. Bei der seltenen mikronodulären Hyperplasie sind beide Nebennieren betroffen. In diesen seltenen Fällen ist die beidseitige Adrenalektomie indiziert. Auch das benigne Adenom (Abb. B-1.322) der Nebenniere wird selektiv entfernt. Hier führt die Entfernung meist innerhalb 1 Jahres zur rezidivlosen Rückbildung des Cushing-Syndroms. Bei irresektablen Nebennierenrindenkarzinomen kann durch Adrenostatika wie Metyrapon, Aminoglutethimid und o,p’DDD (Mitotane, Lysodren®; Derivat des DDT mit selektiver Toxizität auf die Zona fasciculata und die Zona reticularis) eine Lebensverlängerung und eine Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden. Diese Medikamente sind ihrerseits jedoch teratogen und mit massiven gastrointestinalen Nebenwirkungen behaftet. Primärer Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom) 왘 Definition. Bei dem primären Hyperaldosteronismus handelt es sich um eine
왗 Merke
Therapie: Das nachgewiesene Cushing-Syndrom muss grundsätzlich therapiert werden, da es unbehandelt einen letalen Verlauf nimmt. Ziele sind: Die Entfernung des Tumors, die Normalisierung einer exzessiven Kortisolproduktion und die Vermeidung einer endokrinen Insuffizienz. Beim Morbus Cushing ist die Therapie der Wahl eine selektive transsphenoidale Entfernung des Hypophysenadenoms.
Das ektope, paraneoplastische ACTH-Syndrom kann ausschließlich durch die Entfernung des Primärtumors beeinflusst werden.
Auch das benigne Adenom (Abb. B-1.322) der Nebenniere wird selektiv entfernt. Bei irresektablen Nebennierenrindenkarzinomen kann durch Adrenostatika mit selektiver Toxizität auf die Zona fasciculata und die Zona reticularis eine Lebensverlängerung erreicht werden. Primärer Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom) 왗 Definition
autonome Überproduktion von Aldosteron aus der NNR. In der Folge kommt es zu einer Natriumretention, einem Kaliumverlust und einer Suppression von Plasmarenin. Das Leitsymptom der Erkrankung ist die Hypertonie.
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B 1 Viszeralchirurgie
Ätiologie: ■ Aldosteronproduzierendes Adenom (60 – 80 %) ■ Idiopathischer Hyperaldosteronismus (20 – 30 %) ■ Glukokortikoidsupprimierbarer Hyperalsdosteronismus (1 – 5 %) ■ Makronoduläre Hyperplasie (1 – 5 %) ■ Aldosteronproduzierendes Karzinom (unter 1 %)
Ätiologie: ■ Aldosteronproduzierendes Adenom (60 – 80 %): Es gilt als häufigste Ursache des primären Hyperaldosteronismus. Die Aldosteronproduktion ist weitestgehend autonom. Das bedeutet, dass sie Angiotensin-II-unabhängig und nicht durch exogenes Angiotensin stimulierbar ist. Aldosteron ist hingegen durch ACTH stimulierbar und kurzfristig durch Dexamethason supprimierbar. ■ Idiopathischer Hyperaldosteronismus (20 – 30 %): Beim idiopathischen Hyperaldosteronismus liegt pathologisch-anatomisch eine Hyperplasie der Zona glomerulosa vor, die funktionell dem Renin-Angiotensin-System unterliegt. ■ Glukokortikoidsupprimierbarer Hyperaldosteronismus (1 – 5 %): Diese Form wird auch als familiärer Hyperaldosteronismus Typ I bezeichnet. Dabei liegt eine autosomal dominant vererbte Störung der Steroidbiosynthese vor. Morphologisch liegt eine bilaterale (knotige) Hyperplasie vor. ■ Makronoduläre Hyperplasie (1 – 5 %): Hierbei liegt ein autonomer Hyperaldosteronismus mit uni- oder bilateraler makronodulärer Hyperplasie vor. ■ Aldosteronproduzierendes Karzinom (unter 1 %): Die Karzinome können sowohl adrenalen als auch ektopen Ursprungs sein und sind in ihren funktionellen Auswirkungen weder durch ACTH noch durch Angiotensin beeinflussbar. Sie sind insgesamt jedoch äußerst selten.
Klinik: Bevorzugt sind jüngere Patienten zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr mit einer Dominanz beim weiblichen Geschlecht betroffen. Es kommt zu erhöhtem Blutdruck und Kopfschmerzen. Symptome der Hypokaliämie sind Müdigkeit, Muskelschwäche, Paresen vereinzelter Muskelgruppen, tetanische Anfälle und Arrhythmien (Extrasystolen) sowie Polyurie und Isosthenurie.
Klinik: Der primäre Hyperaldosteronismus betrifft bevorzugt jüngere Patienten zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr mit einer Dominanz beim weiblichen Geschlecht. Ein mäßig bis stark erhöhter Blutdruck ist in der Hälfte der Fälle mit Kopfschmerzen verbunden. Als Symptome einer ausgeprägten Hypokaliämie sind Müdigkeit, Muskelschwäche, Paresen vereinzelter Muskelgruppen, tetanische Anfälle, Arrhythmien (Extrasystolen) und eine Polyurie mit Isosthenurie zu beobachten.
왘 Merke
왘 Merke. Leitsymptom des primären Hyperaldosteronismus ist die hypokaliämische Hypertonie.
Durch die bildgebenden Verfahren wie die CT als auch die MRT werden in 90 % bzw. 95 % der Fälle die Adenome sichtbar gemacht.
Diagnostik: Bei entsprechendem Verdacht sollte zum Ausschluss falsch negativer Befunde sichergestellt sein, dass weder eine kochsalzarme Diät eingehalten wird noch kaliumsparende Diuretika im Rahmen der Hypertoniebehandlung eingenommen werden. Der Beweis kann schließlich durch Laboruntersuchungen, wie die Bestimmung von Aldosteron und Renin im Plasma oder im 24-Stunden-Sammelurin erbracht werden. Ein hohes Aldosteron im Serum und Urin sowie ein erniedrigtes Plasmarenin beweisen einen primären Hyperaldosteronismus. Bei der Bestimmung muss allerdings beachtet werden, dass β-Blocker, ACE-Hemmer, Clonidin, Spironolacton und Progesteron das Ergebnis beeinflussen und deshalb vorher abgesetzt werden bzw. die Bestimmungen bei Frauen in der 1. Zyklushälfte vorgenommen werden. Eine differenzialdiagnostische Aussage im Hinblick auf ein Conn-Adenom oder einen idiopathischen Aldosteronismus bietet der Orthostasetest unter den Laborwerten. Nach einer mindestens 3-stündigen Ruhephase erfolgt, ebenso wie nach 2- bis 4-stündigem Umhergehen, die Bestimmung des Plasmaaldosterons und der Plasmareninaktivität. Bei einem idiopathischen Hyperaldosteronismus ist das Plasmaaldosteron normal oder leicht erhöht und reagiert auf Orthostase. Bei einem aldosteronproduzierenden Adenom ist Plasmaaldosteron bereits in Ruhe erhöht und bleibt nach 2 Stunden Orthostase unverändert oder fällt sogar ab. Eine differenzialdiagnostische Aussage über die Art der Erkrankung kann auch durch die bildgebenden Verfahren wie die Computertomographie als auch die Magnetresonanztomographie mit hoher Sensitivität erzielt werden.
Therapie: Die Behandlung des aldosteronproduzierenden Adenoms besteht in der Regel in der einseitigen Adrenalektomie.
Therapie: Die Behandlung des aldosteronproduzierenden Adenoms besteht in der Regel in der einseitigen Adrenalektomie. Wegen der chronischen Plasmareninaktivität und Angiotensin-II-Suppression ist die nicht adenomatöse Zona
Diagnostik: Eine kochsalzarme Diät oder die Einnahme von Diuretika sollte ausgeschlossen werden. Der Beweis kann schließlich durch Laboruntersuchungen, wie die Bestimmung von Aldosteron und Renin im Plasma oder im 24-h-Sammelurin erbracht werden.
Mit dem Orthostasetest kann zwischen einem Conn-Adenom und einem idiopathischen Aldosteronismus unterschieden werden.
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B 1.17 Endokrine Chirurgie
639
glomerulosa der ipsi- und kontralateralen Nebenniere funktionsuntüchtig, was ohne Vorbehandlung postoperativ zu einem sekundären Hypoaldosteronismus mit ausgeprägter Hypotension und Hyperkaliämie führen kann. 왘 Merke. Zur Vermeidung eines postoperativen Hypoaldosteronismus nach
왗 Merke
Adrenalektomie bei Conn-Adenom ist eine 2-monatige Vorbehandlung mit 200 – 400 mg Spironolacton (Aldosteronantagonist) erforderlich. Eine postoperative Hyperkaliämie und Hypotonie muss mit Fludrokortison behandelt werden. Bei Patienten mit einer einseitigen makronodulären Hyperplasie ist ebenfalls die unilaterale Adrenalektomie angezeigt. Bei der bilateralen Hyperplasie ist der konservative Behandlungsversuch berechtigt. Der idiopathische Hyperaldosteronismus wird ebenfalls der konservativen Behandlung zugeführt. Basismedikament der antihypertensiven und kaliumsparenden Therapie ist Spironolacton. Die Dosis hängt von den Nebenwirkungen (Mastodynie, Gynäkomastie, Abnahme von Libido und Potenz sowie Zyklusstörungen) ab, sodass Kombinationen mit kaliumsparenden Diuretika erforderlich sein können. Die Behandlung des glukokortikoidsupprimierbaren Hyperaldosteronismus erfolgt ebenfalls konservativ mit niedrigen Dosen von Dexamethason (0,5 – 1 mg zur Nacht).
Bei Patienten mit einer einseitigen makronodulären Hyperplasie ist ebenfalls die unilaterale Adrenalektomie angezeigt. Bei der bilateralen Hyperplasie und dem idiopathischen Hyperaldosteronismus wird konservativ behandelt. Basismedikament der antihypertensiven und kaliumsparenden Therapie ist Spironolacton. Die Behandlung des glukokortikoidsupprimierbaren Hyperaldosteronismus erfolgt ebenfalls konservativ mit niedrigen Dosen von Dexamethason (0,5 – 1 mg zur Nacht).
Adrenogenitales Syndrom (AGS)
Adrenogenitales Syndrom (AGS)
왘 Definition. Das adrenogenitale Syndrom umfasst eine Gruppe von autosomal rezessiv vererbten Störungen der Kortisolbiosynthese durch die Nebenniere.
왗 Definition
Diese Defektbildung manifestiert sich in einer vermehrten ACTH-Produktion, einer exzessiven Produktion von Androgenen und/oder Mineralokortikoiden sowie einer Vergrößerung der Nebennieren um das 10 – 20-fache ihres Ausgangsgewichtes. Ätiologie: Obwohl zahlreiche Enzymdefekte für das AGS verantwortlich gemacht werden können, liegt die häufigste Defektbildung in der 21-Hydroxylase. Hierbei kommt es zu einer inadäquaten Produktion von Gluko- und Mineralokortikoiden und einer exzessiven ACTH-Sekretion, der eine vermehrte Androgenproduktion folgt. Diese erhöhte Androgenproduktion führt pränatal zu einer Virilisierung des äußeren weiblichen Genitales und postnatal zu einer Pseudopubertas praecox bei beiden Geschlechtern.
Ätiologie: Die häufigste Defektbildung liegt in der 21-Hydroxylase. Hierbei kommt es zu einer inadäquaten Produktion von Gluko- und Mineralokortikoiden und einer exzessiven ACTH-Sekretion, der eine vermehrte Androgenproduktion folgt.
Klinik: Ungeachtet der genitalen Veränderungen bestehen die klassischen Symptome in Trinkschwäche, Erbrechen, Elektrolytveränderungen (Hyperkaliämie, Hyponatriämie), Exsikkose, metabolischer Azidose und zunehmender Apathie. An die Diagnose muss gedacht werden, wenn bei Neugeborenen oder Kleinkindern Veränderungen an den Genitalien beobachtet werden (z. B. Hypospadie, Kryptorchismus, Hyperpigmentierung der Genitalhaut). Bei nicht erkanntem Krankheitsbild entwickeln Knaben und Mädchen ab dem Kleinkindesalter eine zunehmende Pseudopubertas praecox mit frühem Auftreten der Schambehaarung, Penis- oder Klitorishypertrophie sowie ein beschleunigtes Längenwachstum.
Klinik: Die klassischen Symptome sind Trinkschwäche, Erbrechen, Elektrolytveränderungen (Hyperkaliämie, Hyponatriämie), Exsikkose, metabolische Azidose und zunehmende Apathie. Bei Neugeborenen oder Kleinkindern werden Veränderungen an den Genitalien beobachtet (z. B. Hypospadie, Kryptorchismus, Hyperpigmentierung der Genitalhaut). Bei nicht erkanntem Krankheitsbild entwickeln Knaben und Mädchen ab dem Kleinkindesalter eine zunehmende Pseudopubertas praecox. Diagnostik: Im Labor ist für den 21-Hydroxylasemangel eine massive Erhöhung von 17-Hydroxyprogesteron (17-OHP) beweisend.
Diagnostik: Im Labor ist für den 21-Hydroxylasemangel eine massive Erhöhung von 17-Hydroxyprogesteron (17-OHP) beweisend. Neben den 17-OHP sind auch die Konzentrationen von 21-Desoxykortisol, Androstendion und Testosteron im Serum erhöht. Sollte bereits ein Kind mit AGS vorhanden sein (Indexfall), muss bei weiterem Kinderwunsch eine DNS-Typisierung von Patient und Eltern erfolgen. Bei einer
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Mit den bildgebenden Verfahren kann die diffuse Hyperplasie der Nebennierenrinde meist gut dargestellt werden. Differenzialdiagnose: Abzugrenzen vom klassischen AGS mit 21-Hydroxylasedefekt sind NNR-Tumoren, androgenbildende Gonadentumoren sowie andere Enzymdefekte. Therapie: Die Therapie der Wahl ist die lebenslange Substitution mit einem Glukokortikoid und bei einem gleichzeitigen Salzverlustsyndrom mit einem Mineralokortikoid.
B 1 Viszeralchirurgie
erneuten Schwangerschaft wird die pränatale Diagnostik heute mittels Chorionzottenbiopsie bereits in der Frühschwangerschaft (9./10. SSW) durchgeführt. Mit den bildgebenden Verfahren kann die diffuse Hyperplasie der Nebennierenrinde bei Neugeborenen und Säuglingen meist gut dargestellt werden. Differenzialdiagnose: Abzugrenzen vom klassischen AGS mit 21-Hydroxylasedefekt sind NNR-Tumoren, androgenbildende Gonadentumoren sowie andere Enzymdefekte. Therapie: Die Therapie der Wahl ist die lebenslange Substitution mit einem Glukokortikoid und bei einem gleichzeitigen Salzverlustsyndrom mit einem Mineralokortikoid. Wegen der Gefahr der akuten Salzverlustkrise in Stresssituationen (z. B. Infektionskrankheiten mit hohem Fieber, Gastroenteritis, Operationen) muss die Therapie zeitgerecht angepasst werden. Tumoren als Ursache des AGS sind nach entsprechender Lokalisationsdiagnostik chirurgisch zu behandeln.
Nebennierenrindeninsuffizienz
Nebennierenrindeninsuffizienz
Folgende Funktionsstörungen sind zu unterscheiden: ■ primäre chronische Insuffizienz ■ primär akute Insuffizienz ■ sekundäre Insuffizienz.
Bei der Unterfunktion der NNR sind folgende Funktionsstörungen zu unterscheiden: ■ primäre chronische Insuffizienz (Morbus Addison) ■ primär akute Insuffizienz ■ sekundäre Insuffizienz.
Ätiologie: Von Bedeutung für den Chirurgen ist die sekundäre NNR-Insuffizienz. Ursachen können eine Suppression der NNR aufgrund einer chronischen Steroidtherapie, eine Adrenalektomie oder eine Insuffizienz von HVL (z. B. Sheehan-Syndrom) oder Hypothalamus sein.
Ätiologie: Für den Chirurgen ist vornehmlich die sekundäre NNR-Insuffizienz von Bedeutung. Sie kann einerseits Folge einer Suppression der NNR durch eine chronische Steroidtherapie aus zahlreichen Gründen einschließlich der Behandlung von Autoimmunerkrankungen oder der Immunsuppression nach Organtransplantaten sein. Andererseits kann die Ursache in einer Adrenalektomie zur Behandlung eines Cushing-Syndroms oder nach Entfernung eines hormonaktiven Nebennierenadenoms liegen. Weiterhin kommt eine Insuffizienz des HVL (z. B. Sheehan-Syndrom) oder des Hypothalamus infrage. Die primär chronische NNR-Insuffizienz (Morbus Addison) ist eine seltene Erkrankung. Während sie früher häufig durch die Tuberkulose verursacht wurde, tritt sie heute in Verbindung mit Autoimmunerkrankungen auf. Der primär akute Hypoadrenalismus kann vor dem Hintergrund eines Morbus Addison aus einer zu schnellen Reduktion einer bestehenden Hormonsubstitution oder einer unzureichenden Substitution in Stresssituationen entstehen. In sehr seltenen Fällen kann er auch Folge eines hämorrhagischen Nebenniereninfarktes sein, der beim Erwachsenen im Rahmen eines septischen Krankheitsbildes als Waterhouse-Friderichsen-Syndrom bekannt ist.
Die primär chronische NNR-Insuffizienz (Morbus Addison) ist selten und tritt heute in Verbindung mit Autoimmunerkrankungen auf. Der primär akute Hypoadrenalismus kann beim Morbus Addison bei einer zu schnellen Reduktion einer Hormonsubstitution oder unzureichender Substitution in Stresssituationen entstehen. Selten ist sie die Folge eines hämorrhagischen Nebenniereninfarktes (Waterhouse-Friderichsen-Syndrom). Klinik: (Tab. B-1.85). Die primär chronische Insuffizienz ist neben dem Hormonausfall zusätzlich durch eine auffallende Pigmentierung der Lippen- und Wangenschleimhaut gekennzeichnet. 왘 Merke
Therapie: Patienten mit einer akuten adrenalen Insuffizienz benötigen sofortigen Volumenersatz mit normaler Kochsalzlösung und die intravenöse Substitution von Hydrokortison.
Klinik: (Tab. B-1.85). Die Symptome und Manifestationen der primären und sekundären NNR-Insuffizienz gleichen sich. Nur die primär chronische Insuffizienz ist zusätzlich durch eine auffallende Pigmentierung der Lippen- und Wangenschleimhaut, in Hautfalten und Narben gekennzeichnet.
왘 Merke. Ein akuter Ausfall der Nebennieren oder eine Stresssituation bei einem Patienten mit einem unerkannten Morbus Addison kann eine lebensbedrohliche Situation mit Dehydratation, Hypotension und Schock auslösen (Addison-Krise).
Therapie: Patienten mit einer akuten adrenalen Insuffizienz benötigen sofortigen Volumenersatz mit normaler Kochsalzlösung und die intravenöse Substitution von Hydrokortison (100 mg als Bolus, gefolgt von einer Dauerinfusion mit 100 – 200 mg über 24 h). Da die natriumretinierende Wirkung der Mineralokortikoide erst innerhalb einiger Tage zur Wirkung kommt, sollte das Natriumdefizit zunächst durch Kochsalzinfusionen ausgeglichen werden.
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B 1.17 Endokrine Chirurgie
B-1.85
Klinische Manifestation der Nebennierenrinden-Insuffizienz
primäre und sekundäre NNR-Insuffizienz
■ ■ ■ ■ ■ ■
primäre NNR-Insuffizienz
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sekundäre NNR-Insuffizienz
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641 B-1.85
Müdigkeit, Schwäche, Depression Anorexie, Gewichtsverlust orthostatische Hypotension, Verwirrtheit Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö leichte normozytäre Anämie, Lymphozytose, Eosinophilie Somnolenz bis zum Koma Hyperpigmentation der Haut Hyperkaliämie, Hyponatriämie Vitiligo Autoimmunveränderungen der Schilddrüse blasse Haut ohne Anämie Amenorrhö, verminderte Libido und Potenz spärliche Schambehaarung Hodenatrophie sekundärer Hypothyreoidismus verzögerte Pubertät Kopfschmerzen, Visusstörungen Diabetes insipidus
Zur Vermeidung eines akuten Krankheitsbildes bedarf die sekundäre Insuffizienz im Stress (z. B. akute Erkrankungen) und insbesondere nach chirurgischen Eingriffen der Hormonsubstitution. In Fällen primär chronischer Insuffizienz müssen sowohl Kortisol als auch Aldosteron ersetzt werden.
왘 Klinischer Fall. Bei metastasierendem Kollumkarzinom unterzog sich eine 57-jährige Patientin nach der Hysterektomie einer Chemotherapie (Taxol, Carboplatin). Bei Remission der intraabdominalen Metastasen kommt es zu einem septischen Krankheitsbild mit kotiger Peritonitis im linken unteren Quadranten. Ursache ist die Perforation von intramuralen Metastasen im Colon sigmoideum. Chirurgisch erfolgte die Diskontinuitätsresektion nach Hartmann einschließlich einer Abdominallavage. Der primäre postoperative Verlauf gestaltete sich komplikationslos. Trotz permanent ausgeglichener Elektrolyte bei Hyponatriämie und Hyperkaliämie wird die Patientin bei hypotonem Kreislauf somnolent und schließlich in einem Koma intensivpflichtig. Gleichzeitig tritt eine Parese des M. extensor hallucis longus beidseits auf. Bei irreversibel erscheinendem Koma wird ein Behandlungsversuch mit 200 mg Hydrokortison gemacht, unter dem die Patientin langsam aufklart. Die Diagnose der Addison-Krise muss anhand der Klinik als sicher angenommen werden. Die die Chemotherapie begleitenden Kortisongaben wurden präoperativ nicht übermittelt, sodass ein septisches Krankheitsgeschehen zu einer Nebenniereninsuffizienz geführt hat. Unter Hormonsubstitution kam es bei Vollremission des Tumorleidens zu einer Restitutio ad integrum.
Nebennierenrindenkarzinom 왘 Definition. Das Nebennierenrindenkarzinom (NNR-Karzinom) ist ein äußerst seltener, hochmaligner Tumor. Die Einteilung der Tumoren erfolgt nach der klinisch relevanten Hormonproduktion in endokrin inaktive und endokrin aktive Tumoren.
Zur Vermeidung eines akuten Krankheitsbildes bedarf die sekundäre Insuffizienz der Hormonsubstitution. In Fällen primär chronischer Insuffizienz müssen sowohl Kortisol als auch Aldosteron ersetzt werden. 왗 Klinischer Fall
Nebennierenrindenkarzinom 왗 Definition
Ätiologie: Die Entstehung des Tumors ist nicht aufgeklärt. Ein unbehandeltes adrenogenitales Syndrom mit chronischer Stimulation der Nebenniere ist jedoch als Risikoerkrankung zu betrachten. Der Tumor kann in jedem Lebensalter auftreten, bevorzugt jedoch im 4. und 5. Lebensjahrzehnt.
Ätiologie: Die Entstehung des Tumors ist unklar. Ein unbehandeltes adrenogenitales Syndrom gilt jedoch als Risikofaktor. Bevorzugtes Auftreten im 4. und 5. Lebensjahrzehnt.
Klinik: Die Mehrzahl der Patienten sucht wegen der Symptome der Raumforderung (Völlegefühl, Übelkeit, Brechreiz, Schmerzen) den Arzt auf. Zu diesem Zeitpunkt hat der Tumor in der Regel bereits eine beträchtliche Größe erreicht. Neben gelegentlichem Fieber, Gewichtsverlust und allgemeiner Schwäche werden die Patienten durch Fernmetastasen auffällig.
Klinik: Im Vordergrund stehen die Symptome der Raumforderung (Völlegefühl, Übelkeit, Brechreiz, Schmerzen). Die Patienten werden oft durch die Fernmetastasen auffällig. Bei Patienten mit einem endokrin aktiven Tumor sind die Folgen der Hormonproduktion wegweisend.
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B 1 Viszeralchirurgie
642 B-1.323
Nebennierenrindenkarzinom a CT-Bild eines Nebennierenrindenkarzinoms links mit typischer Inhomogenität und unscharfer Randbegrenzung. b Resektat des im CT dargestellten Tumors.
Bei Patienten mit einem endokrin aktiven Tumor sind die Folgen der Hormonproduktion wegweisend. Diagnostik: Der Tumor kann mit allen bildgebenden Verfahren gut dargestellt werden (Abb. B-1.323). Der Umfang der Labordiagnostik richtet sich nach der Klinik.
Diagnostik: Der Tumor kann mit allen bildgebenden Verfahren gut dargestellt werden (Abb. B-1.323). Der Umfang der Labordiagnostik richtet sich nach der klinischen Präsentation. Die Messung der adrenalen Androgene des Kortisols und der Steroidvorstufen erfolgen unter Dexamethasonsuppression, um die Autonomie der Steroidvorstufen nachzuweisen und ein Cushing-Syndrom präoperativ zu erkennen.
Therapie: Die Behandlung der ersten Wahl besteht in einer vollständigen operativen Entfernung des Tumors.
Therapie: Die Behandlung der ersten Wahl besteht in einer vollständigen operativen Entfernung des Tumors. Hierbei ist oft aufgrund der Tumorgröße eine En-bloc-Resektion angrenzender Organe erforderlich. Allein die Tumorreduktion erbringt durch eine Verminderung der Hormonproduktion einen günstigen palliativen Effekt. Auch die Lebenserwartung wird durch eine Reduktion der Tumormasse günstig beeinflusst. Dies gilt auch für eine bereits eingetretene Metastasierung. In Abhängigkeit von Zahl und Verteilung der Metastasen muss eine operative Entfernung der Metastasen erwogen werden, da bessere Ausgangsbedingungen für andere Therapieformen geschaffen werden.
Prognose: 50 % der Patienten versterben in den ersten 2 Jahren nach Diagnosestellung. Tumoren des Nebennierenmarks: Phäochromozytom
Prognose: Die Prognose der Erkrankung ist ungünstig. 50 % der Patienten versterben in den ersten 2 Jahren nach Diagnosestellung.
왘 Definition
Während die Katecholamine Noradrenalin und Dopamin im gesamten sympathischen Nervensystem synthetisiert werden, kann nur das Nebennierenmark Adrenalin synthetisieren.
왘 Merke
Tumoren des Nebennierenmarks: Phäochromozytom 왘 Definition. Phäochromozytome sind Tumoren des Nebennierenmarks oder der sympathischen Ganglien, die erhebliche Mengen von Adrenalin und/oder Noradrenalin produzieren.
Das chromaffine Gewebe des Nebennierenmarks und die Ganglien des sympathischen Nervensystems leiten sich embryonal vom Neuralrohr ab. Während die Katecholamine Noradrenalin und Dopamin im gesamten sympathischen Nervensystem synthetisiert werden, kann nur das Nebennierenmark Adrenalin synthetisieren. Die Stoffwechselprodukte beider Substanzen wie Normetanephrin, Metanephrin und Vanillinmandelsäure haben diagnostischen Wert. 왘 Merke. Jeder Tumor, der Katecholamine synthetisiert und die entsprechen-
den Symptome zeigt, muss als Phäochromozytom angesehen und als solches behandelt werden. Unter den hypertensiven Patienten beträgt die Inzidenz 0,1 – 1 %. Der Krankheitsgipfel liegt zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr (80 %). Es befinden sich 80 – 90 % der Tumoren im Nebennierenmark, welche in 80 – 90 % der Fälle gutartig sind. Extraadrenale Phäochro-
Unter den hypertensiven Patienten beträgt die Inzidenz 0,1 – 1 %. Der Krankheitsgipfel liegt zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr (80 %). Es können jedoch alle Altersstufen betroffen sein. Obwohl das Phäochromozytom entsprechend der Anordnung sympathischer Ganglien und bei jedem sympathischen Gewebe extraadrenal auftreten kann,
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B 1.17 Endokrine Chirurgie
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befinden sich 80 – 90 % der Tumoren im Nebennierenmark und sind in 80 – 90 % der Fälle gutartig. Extraadrenale Phäochromozytome haben eine höhere Malignitätsrate (20 – 40 %). Insbesondere bei familiärem Auftreten im Rahmen einer multiplen endokrinen Neoplasie (MEN) sind 10 – 20 % bilateral angelegt und 5 – 10 % dieser Tumoren als bösartig zu betrachten. Wiederum 10 – 20 % dieser Tumoren sind mit einem familiären Syndrom vergesellschaftet. Hierzu gehören: ■ MEN IIa (Sipple-Syndrom): Medulläres Schilddrüsenkarzinom, Hyperparathyreoidismus ■ MEN IIb: medulläres Schilddrüsenkarzinom, Hyperparathyreoidismus, Neurinome, marfanoider Habitus ■ Neurofibromatose (von Recklinghausen): Zentrale und/oder periphere Neurofibrome.
mozytome haben eine höhere Malignitätsrate (20 – 40 %). 10 – 20 % dieser Tumoren sind mit einem familiären Syndrom vergesellschaftet. Hierzu gehören: ■ MEN IIa (Sipple-Syndrom): Medulläres Schilddrüsenkarzinom, Hyperparathyreoidismus ■ MEN IIb: medulläres Schilddrüsenkarzinom, Hyperparathyreoidismus, Neurinome, marfanoider Habitus ■ Neurofibromatose (von Recklinghausen): Zentrale und/oder periphere Neurofibrome.
Bei Diagnose eines bilateralen Phäochromozytoms besteht der Verdacht des Vorliegens eines MEN-II-Syndroms (s.a. S. 629).
Bei bilateralem Phäochromozytom ist an ein MEN-II-Syndrom zu denken.
Klinik: Das Charakteristikum des Phäochromozytoms ist der Bluthochdruck. Dieser kann konstant vorhanden sein oder aber im Sinne von hypertensiven Krisen auftreten. Bei nachgewiesenem Hypertonus ist die Trias von Kopfschmerzen, Schwitzen und Tachykardie als Ausdruck der sympathischen Überfunktion mit 94 % Spezifität und 90 % Sensitivität als nahezu diagnostisch zu betrachten. Fehlt die Hypertonie, kann das Phäochromozytom weitestgehend ausgeschlossen werden. Die hypertensiven Episoden können spontan oder nach körperlicher Anstrengung auftreten. Dies gilt auch für jede Erhöhung des intraabdominellen Drucks (z. B. Betasten des Tumors, Defäkation). Die Dauer eines Anfalls erstreckt sich von wenigen Minuten bis zu mehreren Stunden. Es muss weiterhin beachtet werden, dass es zu akuten metabolischen Entgleisungen wie Laktatazidosen, Hypoglykämien, hyperkalzämischen Krisen und zu einer schweren hypokaliämischen Alkalose kommen kann. Bei sehr großen Tumoren mit ausgeprägter Katecholaminproduktion kann es zu Darmischämie und gastrointestinaler Blutung kommen. Da Phäochromozytome oft auch Neuropeptide (z. B. Somatostatin, Kalzitonin, Gastrin und VIP) sezernieren, können wässrige Durchfälle beobachtet werden.
Klinik: Bei nachgewiesenem Hypertonus ist die Trias von Kopfschmerzen, Schwitzen und Tachykardie mit 94 % Spezifität und 90 % Sensitivität als nahezu diagnostisch zu betrachten. Fehlt die Hypertonie, kann das Phäochromozytom weitestgehend ausgeschlossen werden.
Diagnostik: Die Diagnose teilt sich in die biochemische Sicherung und die Lokalisationsdiagnostik. Zur Basisdiagnostik gehört die Bestimmung der Basalwerte im Urin und Plasma. Bei den Urinbestimmungen gilt der Nachweis der Urinkatecholamine und der Vanillinmandelsäure im 24-Stunden-Urin als Standardverfahren. Voraussetzung für ein korrektes Ergebnis ist eine aminfreie Diät. Vor der Bestimmung der Vanillinmandelsäure hat sich heute die Bestimmung der Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin sowie der Metanephrine durchgesetzt. Die Plasmakatecholaminbestimmungen sind als Screeningtest nicht geeignet. Nur Werte 4 2000 pg/ml für Noradrenalin oder 4 400 pg/ml für Adrenalin sprechen diagnostisch für ein Phäochromozytom. Erlauben die basalen Bestimmungen keine eindeutige Aussage, bieten sich Suppressionstests zur weiteren Diagnostik an. Der Clonidintest beruht auf der zentral wirksamen α-Blockade durch peroral verabreichtes Clonidin. Die Blutdruckwerte werden bei fast allen Patienten unabhängig von der Ursache fallen. Die Bestimmung der Plasmakatecholamine erfolgt vor und 3 Stunden nach der Einnahme. Unter physiologischen Bedingungen werden die Katecholaminspiegel abnehmen. Liegt ein Phäochromozytom vor, bleiben die Plasmakatecholaminspiegel gleich oder steigen an. Stimulationstests in der Diagnostik des Phäochromozytoms sind gefährlich, gelten als obsolet und wurden deshalb verlassen.
Diagnostik: Bei den Urinbestimmungen gilt der Nachweis der Urinkatecholamine und der Vanillinmandelsäure im 24-Stunden-Urin als Standardverfahren.
Die hypertensiven Episoden können spontan oder nach körperlicher Anstrengung auftreten. Zu beachten ist das mögliche Auftreten von akuten metabolischen Entgleisungen. Hohe Katecholaminspiegel können zur Darmischämie, Neuropeptide zu wässrigen Durchfällen führen.
Die Plasmakatecholaminbestimmungen sind als Screeningtest nicht geeignet. Nur Werte 4 2000 pg/ml für Noradrenalin oder 4 400 pg/ml für Adrenalin sprechen diagnostisch für ein Phäochromozytom. Der Clonidintest beruht auf der zentral wirksamen α-Blockade durch peroral verabreichtes Clonidin. Unter physiologischen Bedingungen werden die Katecholaminspiegel abnehmen. Liegt ein Phäochromozytom vor, bleiben die Plasmakatecholaminspiegel gleich oder steigen an.
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644 B-1.324
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.324
CT-Darstellung bei Phäochromozytom CT-Darstellung eines beidseitigen Phäochromozytoms (?) bei einem 47-jährigen Mann.
B-1.325
B-1.325
Sonographie der Nebenniere
a Sporadisches rechtsseitiges Phäochromozytom (inhomogen) (?).
Die Lokalisationsdiagnostik erfolgt mit Computertomographie (Abb. B-1.324) und Magnetresonanztomographie.
Ist durch die Schnittbildverfahren kein Nachweis zu erbringen, ist eine Szintigraphie mit 131J-Metaiodobenzylguanidin (131J-MIBG) angezeigt. Mit gleicher Treffsicherheit, aber deutlich geringerem Zeitaufwand kann das PET-CT in derartigen Situationen eingesetzt werden.
b Inzidentalom der rechten Nebenniere (echoarm, glatt begrenzt) (?).
Ist das Phäochromozytom biochemisch gesichert, erfolgt die Lokalisationsdiagnostik mit den bekannten bildgebenden Verfahren. Hierbei hat sich die Computertomographie (Abb. B-1.324) als sehr zuverlässig erwiesen. Tumoren > 1 cm können hiermit sicher nachgewiesen werden. Mit gleicher Treffsicherheit von 95 % kann die Magnetresonanztomographie eingesetzt werden. Sie gestattet zusätzlich eine Aussage über die zu erwartende Histologie der Nebennierenveränderungen. Ist durch die Schnittbildverfahren kein Nachweis zu erbringen, ist eine Szintigraphie mit 131J-Metaiodobenzylguanidin (131J-MIBG) angezeigt. Die molekulare Struktur von MIBG ähnelt dem Noradrenalin und wird deshalb im chromaffinen Gewebe und adrenalen Nervensystem angereichert. Mit diesem Verfahren lassen sich 85 – 90 % aller Phäochromozytome nachweisen. Vor der Untersuchung muss die Schilddrüse blockiert werden, um die Aufnahme des 131J zu hemmen. Die Untersuchung dauert dann 2 bis maximal 4 Tage. Mit gleicher Treffsicherheit, aber deutlich geringerem Zeitaufwand kann das PET-CT in derartigen Situationen eingesetzt werden.
Differenzialdiagnose: Die wichtigsten sind: Die arterielle Hypertonie anderer Genese, die Hyperthyreose und die Hypoglykämie.
Differenzialdiagnose: Zu den wichtigsten Differenzialdiagnosen gehören die arterielle Hypertonie anderer Genese, die Hyperthyreose und die Hypoglykämie. Zudem die Alkoholentzugssymptomatik, die Einnahme von MAO-Hemmern, Panikattacken und die Hyperventilation.
Therapie: Therapie der Wahl ist die Operation. Wegen der Katecholaminausschüttung bei der Narkoseeinleitung und Operation ist eine medikamentöse Vorbehandlung (α-Rezeptorenblocker) zwingend.
Therapie: Die Therapie der Wahl besteht in der operativen Beseitigung des Tumors. Aufgrund der zu erwartenden Katecholaminausschüttung bei der Narkoseeinleitung und der Operation ist eine medikamentöse Vorbehandlung zwingend.
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B 1.17 Endokrine Chirurgie
왘 Merke. Die Operation eines Phäochromozytoms ohne Prämedikation eines
645 왗 Merke
α-Rezeptorenblockers ist ein Therapiefehler. Medikamentöse Therapie: 7 – 14 Tage vor der Operation sollte die Therapie mit einem α-Rezeptorenblocker (Phenoxybenzamin) eingeleitet werden. Die Anfangsdosis beträgt täglich 2 ×10 mg und sollte auf eine durchschnittliche Dosis von 0,5 – 1 mg/kg KG täglich gesteigert werden. Die hohen Dosen sind erforderlich, um den Blutdruck der Patienten zu senken und andererseits das Plasmavolumen zu normalisieren.
Medikamentöse Therapie: 7 – 14 Tage vor der Operation sollte ein α-Rezeptorenblocker (Phenoxybenzamin) verabreicht werden: Anfangsdosis täglich 2 ×10 mg, Steigerung auf 0,5 – 1 mg/kg KG.
Da Kalzium für die Freisetzung von Katecholaminen aus den endokrinen Zellen notwendig ist, können bei Blutdruckspitzen auch Kalziumantagonisten (z. B. Nifedipin 10 mg sublingual) eingesetzt werden. Die Applikation von β-Rezeptorenblockern ist in der Regel nicht erforderlich. In jedem Fall sollte die α- vor der β-Blockade erfolgen, da sonst die verstärkte Adrenalinwirkung auf die α-Rezeptoren eine hypertensive Krise auslösen kann.
Bei Blutdruckspitzen können Kalziumantagonisten eingesetzt werden.
■
왘 Merke. Präoperative Morphingaben sollten wegen der Möglichkeit der Katecholaminfreisetzung vermieden werden.
Die α-Blockade sollte vor der β-Blockade erfolgen, um keine hypertensive Krise auszulösen. 왗 Merke
Bei hypertensiven Krisen während der Operation, Tachykardien (z. B. Phentolamin) oder katecholamininduzierten Arrhythmien kann jedoch die Gabe von β-Blockern (z. B. Propranolol) erforderlich werden. Sobald der Tumor entfernt ist, wird sowohl intra- als auch postoperativ ein Blutdruckabfall ausschließlich durch Volumensubstitution und nicht durch erneute Katecholamingaben reguliert. ■ Operative Therapie: Soweit möglich, sollte die Resektion des gesamten Tumors erfolgen (Abb. B-1.327). Perioperativ sollte kein Druck auf den Tumor ausgeübt werden, um eine unbeabsichtigte Hormonausschüttung zu vermeiden. Bei einem benignen Phäochromozytom werden schließlich bei der paroxysmalen Hypertonie 95 % der Patienten und bei der kontinuierlichen Hypertonie 70 % normotensiv. Die Differenzierung, ob ein Phäochromozytom benigne oder maligne ist, ist nach histologischen Kriterien anhand der Zellstruktur allein nicht möglich. Gefäßinvasionen und die Metastasierung in andere Organe sind sichere Zeichen für Malignität. Die Metastasierung erfolgt in die Lymphknoten, Leber, Lunge und das Skelettsystem. Eine sinnvolle Strahlen- und Chemotherapie steht zur Zeit nicht zur Verfügung, sodass eine Lebensverlängerung nur durch wiederholte Resektionen von Lokalrezidiven oder Metastasen erreicht werden kann.
Bei hypertensiven Krisen während der Operation kann die Gabe von β-Blockern erforderlich werden. Sobald der Tumor entfernt ist, wird ein Blutdruckabfall ausschließlich durch Volumensubstitution und nicht durch erneute Katecholamingaben reguliert.
Verlaufskontrollen: Da histomorphologisch keine absolut sichere Differenzierung der Dignität möglich ist, sind Verlaufskontrollen sinnvoll. Bei einem als benigne eingestuften Phäochromozytom sollten postoperativ in 6-monatigen Abständen und später in Jahresintervallen Blutdruckkontrollen, Bestimmung der Katecholamine im 24-Stunden-Urin und Oberbauchsonographien vorgenommen werden.
Verlaufskontrollen: Es sollten postoperativ in 6-monatigen Abständen und später in Jahresintervallen Blutdruckkontrollen, Bestimmung der Katecholamine im 24-Stunden-Urin und Oberbauchsonographien vorgenommen werden.
Hormoninaktive Nebennierentumoren
Hormoninaktive Nebennierentumoren
Inzidentalom
Inzidentalom
왘 Definition. Inzidentalome sind hormoninaktive Nebennierentumoren, die im
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Operative Therapie: Soweit möglich, sollte die Resektion des gesamten Tumors erfolgen (Abb. B-1.327). Um einer ungewollten Hormonausschüttung zu entgehen ist perioperativ Druck auf den Tumor zu vermeiden. Die Differenzierung, ob ein Phäochromozytom benigne oder maligne ist, ist nach histologischen Kriterien allein nicht möglich. Gefäßinvasionen und die Metastasierung in andere Organe sind sichere Zeichen für Malignität. Eine sinnvolle Strahlen- oder Chemotherapie steht zur Zeit nicht zur Verfügung, sodass eine Lebensverlängerung nur durch wiederholte Resektionen von Lokalrezidiven oder Metastasen erreicht werden kann.
왗 Definition
Rahmen einer bildgebenden Diagnostik aus anderen Gründen zufällig entdeckt wurden. Sie gelten als die häufigsten pathologischen Veränderungen der Nebenniere. Ihre Inzidenz beträgt in Autopsiestatistiken 1,4 – 8,7 %. Klinik: Per definitionem darf das Inzidentalom keine richtungweisende Symptomatik aufweisen. Trotzdem muss nach endokriner Aktivität gesucht werden, da symptomarme Phäochromozytome und Kortisol sezernierende Adenome nicht ungewöhnlich sind.
Klinik: Per definitionem darf das Inzidentalom keine richtungweisende Symptomatik aufweisen.
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B 1 Viszeralchirurgie
646 B-1.326
Subtotale Adrenalektomie bei Phäochromozytom
Patientin mit Morbus Recklinghausen und metachronem bilateralem Phäochromozytom, deshalb subtotale Adrenalektomie rechts. a OP-Situs mit der Nebenniere und dem sich im Bereich der Pinzettenspitze vorwölbenden Tumor.
B-1.327
b OP-Situs nach Resektion mit dem gelblich schimmernden Rest des Organs.
c Resektat.
Totale Adrenalektomie bei Phäochromozytom
a Das Organ ist durch den Tumor fast aufgebraucht; ein Malignom konnte vor der Operation nicht sicher genug ausgeschlossen werden.
왘 Merke
Diagnose: Bei allen Tumoren 4 1 cm oder verdächtiger Klinik sollte eine endokrinologische Basisdiagnostik erfolgen: Bestimmung von Adrenalin und Noradrenalin im 24-h-Urin. Der Dexamethason-Kurztest eignet sich zum Nachweis einer inapparenten Kortisolproduktion. Die weitere bildgebende Diagnostik richtet sich nach dem Verfahren, das zum initialen Nachweis geführt hat (Abb. B-1.328). Sonographie- und CT-gesteuerte Punktionen sind in der Regel nicht erforderlich, da keine Differenzierung zwischen einem Adenom oder Karzinom möglich ist.
b Durch den Tumor fast vollständig aufgebrauchtes Organ.
왘 Merke. Das Fehlen spezifischer Beschwerden oder klinischer Zeichen schließt eine endokrine Aktivität der zufällig diagnostizierten Nebennierenraumforderung nicht aus.
Diagnose: Es sollte bei allen Tumoren 4 1 cm oder verdächtiger Klinik eine endokrinologische Basisdiagnostik erfolgen. Diese umfasst die Bestimmung der Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin im 24-Stunden-Urin, um asymptomatische Phäochromozytome zu erfassen. Zum Nachweis einer klinisch inapparenten Kortisolproduktion eignet sich der Dexamethason-Kurztest. Bei arterieller Hypertonie und gleichzeitiger spontaner Hypokaliämie muss ein Conn-Syndrom ausgeschlossen werden. Die weitere bildgebende Diagnostik richtet sich nach dem Verfahren, welches zum initialen Nachweis geführt hat. Die Sonographie alleine reicht für die Diagnose nicht aus (Abb. B-1.328). Sonographie- und CT-gesteuerte Punktionen der Nebennierenprozesse sind in der Regel nicht erforderlich, da das gewonnene Material keine Differenzierung
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B 1.17 Endokrine Chirurgie
B-1.328
647
Inzidentalom
a CT-Darstellung eines Inzidentaloms bei einer 64-jährigen Frau. Der Tumor (?) konnte als Myelolipom identifiziert werden und bedurfte bei Beschwerdefreiheit keiner Resektion.
b Resektat eines Inzidentaloms. Teile der Nebennierenrinde sind als gelbliche Kapsel noch am Tumorrand erkennbar.
zwischen einem Nebennierenadenom oder -karzinom erlaubt. Eine Ausnahme stellt der Verdacht auf eine Nebennierenmetastase im Rahmen eines Tumorstagings dar. Metastasen kommen relativ häufig in der Nebenniere vor, besonders oft bei Bronchialkarzinomen. Vor einer Punktion muss in jedem Fall ein Phäochromozytom ausgeschlossen werden, da die Punktionen hypertone Krisen auslösen können.
Vor einer Punktion im Rahmen der Metastasendiagnostik muss ein Phäochromozytom ausgeschlossen werden.
Therapie: Das therapeutische Vorgehen wird durch den Nachweis einer endokrinen Aktivität und die Größe des Tumors bestimmt. Bei Tumoren 5 1 cm wird auf eine weitergehende Diagnostik verzichtet. Endokrin aktive Tumoren werden operativ entfernt. Ist der Tumor hormoninaktiv, entscheidet seine Größe über das weitere Vorgehen. Es besteht Übereinstimmung, dass Tumoren 4 5 cm aufgrund ihres malignen Potenzials eine Indikation zur Operation darstellen. Tumoren 5 3 cm können unter regel-
Therapie: Endokrin aktive Tumoren werden operativ entfernt. Tumoren 4 5 cm stellen aufgrund ihres malignen Potenzials eine Indikation zur Operation dar. Tumoren 5 3 cm können unter regelmäßiger Beobachtung bleiben. Das Vorgehen bei Tumoren zwischen 3 und 5 cm ist umstritten (Abb. B-1.329).
B-1.329
Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen bei Inzidentalom
B-1.329
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648
B 1 Viszeralchirurgie
mäßiger Beobachtung bleiben. Aus einer Wachstumstendenz ergibt sich hier die Indikation zur Operation. Das Vorgehen bei Tumoren zwischen 3 und 6 cm ist umstritten. Auch hier besteht die Tendenz zur Verlaufskontrolle (Abb. B-1.329). Operationstechniken: Zugangswege zur Nebenniere sind: ■ konventionell: – transperitoneal – retroperitoneal ■ minimalinvasiv: – transperitoneal – retroperitoneal 왘 Klinischer Fall
1.18
Retroperitoneum
Operationstechniken: Besteht ein Malignitätsverdacht (Tumor 4 5 cm im Durchmesser) oder sind andere chirurgische Interventionen erforderlich, wird transabdominell offen über einen Subkostalschnitt operiert. Liegt kein Malignitätsverdacht vor, kann konventionell über einen Flankenschnitt sowie minimalinvasiv von ventral (transperitoneal) oder von dorsal (retroperitoneal) vorgegangen werden.
왘 Klinischer Fall. Ein 48-jähriger Patient bemerkt beim Tragen von Lasten ein plötzliches Einsetzen von Kopfschmerz, Herzrasen und starkem Schwitzen. Nach Beendigung der Belastung, die oft nur 1 – 2 Minuten dauert, halten die Beschwerden für ca. 2 Stunden an. Der Patient vermeidet daraufhin körperliche Anstrengungen. Einige Monate später treten die gleichen Beschwerden auch bei der Defäkation und bei leichten körperlichen Aktivitäten wie Treppensteigen auf. Im Rahmen der nun erfolgten ärztlichen Vorstellung wird ein erhöhter Blutdruck von 160/100 mmHg festgestellt. Sonographisch wird ein ca. 3,5 cm großer Tumor der rechten Nebenniere festgestellt. Die Urinkatecholamine sind deutlich erhöht. Der Patient wird 10 Tage mit einem α-Rezeptorenblocker behandelt. Bei einem Blutdruck von 110/80 mmHg wird die rechte Nebenniere via Retroperitoneoskopie entfernt. Am 10. postoperativen Tag ist der Patient völlig beschwerdefrei und ohne Blutdruckerhöhung normal belastbar. Die histologische Untersuchung bestätigt das Vorliegen eines Phäochromozytoms ohne Anhalt für eine Malignität.
1.18 Retroperitoneum Klaus Kramer
1.18.1 Anatomie
1.18.1 Anatomie
Retroperitoneum: Das hinter dem dorsalen Peritoneum gelegene Kompartment. Begrenzungen: ■ Kranial: Diaphragma. ■ Ventral: Peritoneum. ■ Dorsal: Wirbelsäule, knöchernes Becken, Mm. iliopsoas, M. quadratus. ■ Kaudal: Linea terminalis des kleinen Beckens.
Mit Retroperitoneum bezeichnet man das hinter dem dorsalen Peritoneum gelegene Kompartment. Nach kranial wird es durch das Diaphragma, nach ventral durch das Peritoneum, nach dorsal durch die Wirbelsäule bzw. das knöcherne Becken sowie die Musculi iliopsoas et quadratus und nach kaudal durch die Linea terminalis des kleinen Beckens begrenzt.
1.18.2 Diagnostik und Therapie
1.18.2 Diagnostik und Therapie
■ ■ ■
Sonographie Röntgen-Abdomen i. v. Urographie
Im Retroperitoneum liegen: Nieren mit Ureteren, Nebennieren, Aorta abdominalis, Vena cava inferior, Lymphgefäße und Lymphknoten, Truncus et gangliae sympathicus, Plexus des vegetativen Nervensystems. Partiell retroperitoneal liegen Pankreas, Duodenum, Colon ascendens und Colon descendens.
Zur diagnostischen Beurteilung des Retroperitoneums kommen die nachfolgend aufgeführten bildgebenden Verfahren in Betracht: ■ Sonographie: Morphologische Beurteilung der retroperitoneal gelegenen parenchymatösen Organe, der ableitenden Harnwege sowie der großen retroperitonealen Gefäße (ggf. in Kombination mit Duplexsonographie: intravasale Flussmuster, Stenosen?). ■ Konventionelle Abdomen-Röntgenaufnahme: Darstellung von Konkrementen (Urolithiasis) oder Verkalkungen (z. B. i.R. einer Pankreatitis). ■ i. v. Urographie: Durch Kontrastmittel unterstützte Darstellung der renalen Ausscheidungsdynamik; Beurteilung von Nierenbecken, Ureteren und Harnblase.
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B 1.18 Retroperitoneum
왘 Merke. Die Ureterverlagerung kann ein indirekter Hinweis auf eine Raumforderung sein. ■
■
Computertomographie (CT): Beurteilung der retroperitonealen parenchymatösen Organe und Gefäße. Abgrenzung retroperitonealer Strukturen gegeneinander; bei Tumoren: Infiltration? (OP-Planung). Magnetresonanztomographie (MRT): Ermöglicht im Vergleich zur CT eine noch sensiblere Differenzierung der retroperitoneal gelegenen Strukturen. Sie stellt das beste diagnostische Verfahren für die chirurgische Operations- bzw. Therapieplanung retroperitonealer Malignome dar.
649 왗 Merke
■ ■
Computertomographie (CT) Magnetresonanztomographie (MRT)
1.18.3 Operative Zugangswege
1.18.3 Operative Zugangswege
Es gibt transperitoneale und extraperitoneale Zugangswege. Beim transperitonealen Zugang gibt es folgende Alternativen: ■ Quere Oberbauchlaparotomie. ■ Mediane Laparotomie unter Linksumfahrung des Nabels. Hier ist eine Erweiterung des Eingriffs problemlos möglich. Daneben gibt es noch die extraperitonealen Zugangswege über den Flankenschnitt oder von ventral in der pararektalen Schnittführung.
Quere Oberbauchlaparotomie, mediane Laparotomie sowie extraperitoneal über Flankenschnitt oder pararektal.
Hinweis: Die chirurgische Behandlung von Erkrankungen der im Retroperitoneum befindlichen parenchymatösen Organe, Hohlorgane und Gefäße ist Gegenstand spezifischer Kapitel an anderen Stellen dieses Buches und findet daher im Rahmen dieser Übersicht keine weitere eigenständige Abhandlung.
1.18.4 Spezifische Erkrankungen des Retroperitoneums
1.18.4 Spezifische Erkrankungen des
Retroperitoneums
Entzündliche Erkrankungen
Entzündliche Erkrankungen
Retroperitoneale Fibrose (RPF)
Retroperitoneale Fibrose (RPF)
왘 Synonyme (anglo-amerikanisch): Albarran-Ormond Syndrome, Gerota’s fascitis, Gerota’s syndrome.
왗 Synonym
왘 Definition. Es handelt sich um eine langsam zunehmende Bindegewebsver-
왗 Definition
mehrung zwischen dem hinteren Bauchfell und der Wirbelsäule mit Ummauerung der Gefäße, Nerven und Harnleiter. Erstbeschreiber war 1905 der kubanische Urologe Joaquin Albarran (1860 – 1912). Allgemein bekannt wurde die Erkrankung jedoch erst mit einer Publikation des US-amerikanischen Urologen John Kelso Ormond 1948, der damit ein klinisches und pathologisches Krankheitbild begründete.
Epidemiologie: Es handelt sich um eine sehr seltene Erkrankung. Die Erkrankung befällt dreimal häufiger Männer als Frauen. 2/3 der Kranken sind zwischen 40 und 60 Jahre alt.
Epidemiologie: Sehr selten. 2/3 der Patienten sind zwischen 40 – 60 Jahre alt. Verhältnis m : w = 3 : 2.
Formen, Ätiologie: ■ Primäre, idiopathische retroperitoneale Fibrose (Morbus Ormond): Hier ist die Ätiopathogenese ungeklärt. ■ Sekundäre, unspezifische retroperitoneale Fibrose (Ormond-Syndrom): Ursachen sind entzündliche Prozesse (z. B. im Rahmen von rheumatischen Erkrankungen), Nebenwirkung einer Langzeitbehandlung mit Methysergid, nach Strahlentherapie oder paraneoplastisch bei Tumorerkrankungen.
Formen, Ätiologie: ■ primäre idiopathische RPF (Morbus Ormond) – Ätiologie ungeklärt. ■ sekundäre unspezifische RPF (OrmondSyndrom) – Folge entzündlicher Prozesse.
왘 Merke. Bei beiden Formen führt ein subakuter, chronisch entzündlicher Prozess zum Ersatz des retroperitonealen Fettgewebes durch derbes Bindegewebe.
왗 Merke
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650
B 1 Viszeralchirurgie
In etwa einem Drittel der Fälle ist der Befall bilateral. Das erkrankte paraaortale Gewebe kann eine Dicke von 2 – 12 cm (!) erreichen. Nach kaudal reicht es bis zum Promontorium, nach kranial bis zum Nierenhilus. Es ist scharf abgegrenzt, aber nicht eingekapselt. Mikroskopisch sieht man polymorphonukleare Zellen, Lymphozyten, Fibroblasten und komplett hyalinierte Fettgewebszellen. Klinik: Initial lumbale dumpfe Schmerzen, Übelkeit, evtl. Durchfälle, Gewichtsabnahme/Anorexie. Später chronische Schmerzzustände (Ummauerung retroperitoneal gelegener Nerven/Ureteren). Entwicklung einer progredienten Hydronephrose (Harnstau) mit Pyelonephritis. Die Folge sind Dysurie, Schmerzen und Fieberattacken, auch Unterschenkelödeme.
Klinik: Initial ist die Symptomatik durch lumbale dumpfe Schmerzen, Übelkeit evtl. auch Durchfälle und schließlich durch Anorexie bzw. Gewichtsabnahme gekennzeichnet. Später sind chronische Schmerzzustände typisch, die durch Ummauerung retroperitoneal gelegener Nerven sowie der Ureteren als Kompressionssyndrom entstehen. Es kommt zur Entwicklung einer progredienten Hydronephrose mit konsekutivem Harnstau und Pyelonephritis. Die Folge sind Dysurie, Schmerzen und Fieberattacken. Lymphatische Unterschenkelödeme, evtl. auch Claudicatio intermittens entstehen infolge der Kompression lymphatischer wie auch der arteriellen und venösen Strombahn.
Diagnostik: Sonographie, Ausscheidungsurographie, retrogrades Urogramm, CT, evtl. Angiographie. Labor: Blutbild, CRP, Retentionswerte. In Einzelfällen explorative Freilegung und Biopsie zur Diagnosesicherung.
Diagnostik: Sonographie des Abdomens/Retroperitoneums, Ausscheidungsurographie, retrogrades Urogramm, CT, evtl. Angiographie stehen zur Verfügung (S. 648). Im Labor sind Blutbild, CRP und Nierenretentionswerte relevant. In einzelnen Fällen sind die explorative Freilegung und Biopsie zur Diagnosesicherung notwendig.
Therapie: ■ Konservativ: Absetzen fibrogener Medikamenten (z. B. Methysergid). Steroide und/oder NSAR. ■ Chirurgisch: Freilegung der Ureteren; Translokation des Omentum majus (Umwickelung der Ureteren zur Prophylaxe einer Restenosierung).
Therapie: Die konservative Therapie umfasst das Absetzen von fibrogenen Medikamenten (z. B. Methysergid). Die Gabe von Steroiden und/oder nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAR) kann versuchsweise angewendet werden. Die chirurgische Therapie besteht in der streckigen Freilegung der Ureteren und in der Translokation des Omentum majus im Sinne einer Umwickelung der Ureteren zur Prophylaxe einer entzündlichen Restenosierung.
Retroperitonealabszess
Retroperitonealabszess
Ätiologie: Hämatogene oder lymphogene Streuung pathogener Keime oder auch per continuitatem infolge entzündlicher, intraabdominell gelegener Prozesse (z. B. perforierende Appendizitis, akute Pankreatitis) oder periproktitische Herde.
Ätiologie: Retroperitoneal gelegene Abszesse können Folge einer hämatogenen oder lymphogenen Streuung von pathogenen Keimen sein. Aber sie können auch per continuitatem infolge entzündlicher, intraabdominell gelegener Prozesse (z. B. perforierende Appendizitis, akute Pankreatitis) oder periproktitischer Herde entstehen.
Klinik: Fieber und Flankenschmerz sind die Leitsymptome (DD: Pyelonephritis u. a.), ggf. Schmerzausstrahlung in die Leisten. Zuweilen Bild eines grippalen Infekts (Arthralgien, Kephalgie).
Klinik: Fieber und Flankenschmerz sind die Leitsymptome (DD: Pyelonephritis u. a.). Die Schmerzen können auch in die Leisten ausstrahlen oder wie bei einem grippalen Infekt sich als Arthralgien oder Kephalgie manifestieren.
Diagnostik: Klopfschmerzhaftigkeit der Flanken (DD: Pyelonephritis u. a.), evtl. sympathischer Pleuraerguss. Im Labor Anstieg der Entzündungsparameter (CRP, Leukozytose etc.).
Diagnostik: Bei der klinischen Untersuchung findet sich häufig eine Klopfschmerzhaftigkeit im Bereich der Flanken (DD: Pyelonephritis u. a.). Gelegentlich kann auch ein sympathischer Pleuraerguss Ausdruck eines retroperitonealen Abszesses sein. Im Labor ist der Anstieg der Entzündungsparameter (CRP, Leukozytose etc.) typisch.
Therapie: Herdsanierung, Drainage der Abszesshöhle offen chirurgisch oder perkutan interventionell (CT-/Sono-gesteuert).
Therapie: Neben der Herdsanierung ist die Drainage der Abszesshöhle entweder offen chirurgisch oder perkutan interventionell – radiologisch gesteuert (CT oder Sono) – angezeigt.
Komplikationen: Perforation in Bauchraum/ Thorax, Gefäßarrosion.
Komplikationen: Perforation in Bauch und Thoraxraum, Gefäßarrosion.
Retroperitoneale Blutung
Retroperitoneale Blutung
Ätiologie: Gerinnungsstörung (Antikoagulanzien), Trauma (z. B. Becken), Gefäßruptur (Aneurysma), Tumoreinblutung.
Ätiologie: Gerinnungsstörung (meist unter Antikoagulanzientherapie), Trauma (Wirbelsäule, Becken, Urogenitaltrakt), Gefäßruptur (Aneurysma), Tumoreinblutung.
Klinik: Die Symptomatik ist abhängig vom Ausmaß der Blutung (subklinisch bis Volumenmangelschock). Retroperitoneale
Klinik: Die Symptomatik variiert in Abhängigkeit von der Stärke und Dynamik der Blutung. Kleinere Blutungen bleiben häufig symptomlos, größere Blutungen
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B 1.18 Retroperitoneum
B-1.330
651
Retroperitoneales Hämatom im MRT
a Koronarschnitt.
b Sagittalschnitt.
können zum Volumenmangelschock führen. Retroperitoneale Schmerzen mit Ausstrahlung in die Schulter oder Leiste sind möglich. Eventuell entwickelt sich reaktiv ein paralytischer Ileus. 왘 Merke. Rupturiert das dorsoparietale Peritoneum, kann die primär retrope-
Schmerzen mit Ausstrahlung in die Schulter oder Leiste. Eventuell reaktiv paralytischer Ileus. 왗 Merke
ritoneale Blutung zur intraperitonealen Blutung werden und so eine intraperitoneale Verletzung vortäuschen. Diagnostik: Die Sonographie des Abdomens einschließlich Retroperitoneum stellt neben der Erfassung von Blutbild, Blutdruck und Puls meist den ersten Schritt der apparativen Diagnostik dar. Sie wird ergänzt durch die Computertomographie (CT) sowie die Magnetresonanztomographie (MRT; Abb. B-1.330), welche gegebenenfalls erweitert zum Angio-CT bzw. Angio-MRT auch dynamisch-funktionelle Einschätzungen erlauben. Während der Diagnostik müssen die Kreislaufparameter überwacht werden.
Diagnostik: Sonographie, CT/MRT bzw. Angio-CT/Angio-MRT.
Therapie: Die Behandlung richtet sich stark nach der Ursache. Ein rupturiertes Aortenaneurysma erfordert die sofortige chirurgische Intervention. Eine retroperitoneale Einblutung infolge einer Beckenfraktur erfordert die Reposition und Stabilisierung der Fraktur. Demgegenüber steht die konservative Behandlung des retroperitonealen Hämatoms beim kreislaufstabilen Patienten, z. B. infolge eines stumpfen Abdominaltraumas. Zu den Maßnahmen im Rahmen der konservativen Behandlung gehören: ■ Kreislaufstabilisierung und -überwachung. ■ Laborkontrollen (Gerinnung, Hb, Retentionswerte u. a.). ■ Ggf. Blutersatz und/oder Korrektur der Gerinnung (keine Antikoagulation; Gabe von FFP, PBSB). ■ Frühe Darmstimulation (Einläufe, Prokinetika).
Therapie abhängig von der Ursache: ■ Konservativ beim kreislaufstabilen Patienten. ■ Operativ z. B. bei rupturiertem Aortenaneurysma, massiver Einblutung nach Beckenfraktur.
Bei persistierender Blutung kann die angiographische Embolisation des zuführenden arteriellen Gefäßes mit Fibrinpartikeln versucht werden. Bei fortbestehender Hb- und/oder kreislaufwirksamer Blutung kann die Notwendigkeit zur Laparotomie bestehen. Die Blutstillung gelingt dann oft nur durch Bauchtuchtamponade. In einzelnen Fällen kann die Ligatur gezielter Gefäße (z.B A. iliaca) die Blutung stillen.
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652 왘 Merke
왘 Klinischer Fall
B 1 Viszeralchirurgie
왘 Merke. Eine Eröffnung des Retroperitoneums im Rahmen der chirurgischen Exploration kann zu fatalen Blutungskomplikationen führen. Gleiches gilt für Blutungen infolge Gerinnungsstörungen (z. B. auch unter Antikoagulanzien). Wird bei einer operativen Revision des Abdomens ein retroperitoneales Hämatom entdeckt so gilt: Keine Eröffnung des Retroperitoneums, keine Hämatomausräumung! Diese Blutungen sistieren in der Regel spontan. Eine chirurgische Blutstillung endet in der Regel frustran (unzählige kleinere Gefäßäste im lockeren Fettbindegewebe des Retroperitoneums). Ausnahme: Verletzungen retroperitonealer Organe (Nieren, Pankreas etc.).
왘 Klinischer Fall. Eine 76-jährige Patientin stellt sich wegen seit zwei Tagen rasant zunehmender Abgeschlagenheit und Schwäche vor – assoziiert mit lumbalen Rückenschmerzen, welche in die linke Leiste ausstrahlen. Aus der Vorgeschichte ist eine absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern mit konsekutiver Marcumarisierung (seit acht Jahren) erwähnenswert. Bei der körperlichen Untersuchung fiel ein diskret gespanntes Abdomen mit Druckschmerz in Projektion auf den linken Unterbauch auf, jedoch ohne palpable Resistenz. Die Kreislaufsituation war stabil (RR 115/75 mmHg, periphere Pulsfrequenz arrhythmisch 92/min). Im Labor findet sich ein Hb von 7,2 g/dl bei einem gemessenen Quick von 0 %. In der Bildgebung (CT-Abdomen, Abb. B-1.330), zeigt sich ein ausgeprägtes, linksbetontes retroperitoneales Hämatom. Therapiekonzept: Monitorüberwachung auf der Intensivstation, Ausgleich der Gerinnungssituation durch FFP- und Erythrozytenkonzentrat-Gabe. Kontrolle von Kreislauf-, Labor- und Bildgebungs-Parametern. Verlauf: Innerhalb der ersten Stunden auf der Intensivstation entwickelt die Patientin einen Volumenmangelschock, sodass zur weiteren Blutungskontrolle allein die Notfall-Laparotomie Abhilfe brachte: Intraoperativ fand sich das bereits in die Peritonealhöhle durchgebrochene retroperitoneale Hämatom mit diffusen Blutungen aus einer großen retroperitonealen Wundfläche. Es erfolgte die Ausräumung des Hämatoms sowie die Einlage einer Bauchtuchtamponade, welche nach drei Tagen bei ausgeglichener Gerinnungsfunktion und dann bluttrockenen Verhältnissen entfernt werden konnte. Der weitere postoperative Verlauf war von einer zögerlichen Aufnahme der intestinalen Funktion geprägt, was unter physikalischen Maßnahmen in Kombination mit der Applikation prokinetischer Medikamente überwunden werden konnte. Die Verlegung in die medizinische Klinik, zur weiteren kardiovaskulären Einstellung (inkl. Klärung der Indikation zur Antikoagulation), erfolgte am 16. postoperativen Tag.
1.19
Brustdrüse
1.19 Brustdrüse Peter Würl, Michael Dürig
1.19.1 Anatomie
1.19.1 Anatomie
Die erwachsene Brust erstreckt sich von der 2. bis zur 6. Rippe in der Medioklavikularlinie und liegt den Mm. pectoralis major, serratus anterior sowie obliquus externus auf. Die Mamma liegt auf der Fascia pectoralis. Kranial liegt die Lamina superficialis fasciae cervicalis, lateral liegt die Fascia axillaris und kaudal die Fascia abdominalis superficialis. Die Fixation der Mamma erfolgt durch Faserbündel, die in die Haut einstrahlen (Cooper-Ligamente).
Die relativ konstante Basis erstreckt sich von der 2. bis zur 6. Rippe in der Medioklavikularlinie und liegt den Mm. pectoralis major, serratus anterior sowie obliquus externus auf. Nach medial reicht sie bis an das Sternum und nach lateral bis an die mittlere Axillarlinie. Im Hinblick auf chirurgische Maßnahmen ist die Kenntnis der Faszienverhältnisse von Bedeutung. Die Mamma liegt der Fascia pectoralis auf, die ihre Fortsetzung in der Lamina superficialis fasciae cervicalis findet. Lateral liegt die Fascia axillaris und kaudal die Fascia abdominalis superficialis. Zwischen der Brust und der Fascia pectoralis befindet sich interstitielles Bindegewebe, das die Verschieblichkeit der Brust gegen die vordere Brustwand gewährleistet. Eine zusätzliche Fixation der Mamma, insbesondere im kranialen Bereich, erfolgt durch Faserbündel, die auch in die Haut einstrahlen (CooperLigamente). Die Mamma besteht aus dem Drüsenkörper, der sich aus 15 – 20 Drüsenlappen zusammensetzt. Jeder Drüsenlappen, der aus 10 – 15 Läppchen (Lobuli) besteht, entsendet einen Milchgang, der über einen kleinen Milchsack in der Mamille mündet. Die Drüsen und Milchgänge sind von gefäß- und fettreichem Bindegewebe umgeben (Abb. B-1.331).
Die Mamma besteht aus dem Drüsenkörper mit 15 – 20 Drüsenlappen, die von fett- und gefäßreichem Bindegewebe umgeben sind (Abb. B-1.331).
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B 1.19 Brustdrüse
B-1.331
Anatomie der Brustdrüse
B-1.332
Schema der arteriellen Versorgungsformen der weiblichen Brust
왘 Merke. Eine Infiltration der Cooper-Ligamente (z. B. durch Entzündung oder Tumor) führt zu deren Verkürzung und einer Fixation der darunterliegenden Haut, welche klinisch zur sogenannten Einziehung der Haut über dem Tumor führt. Eine Verkürzung der Ductus lactiferi (z. B. durch Tumorinfiltration) resultiert in einer eingezogenen Mamille. Eine bessere Fixation des Drüsenkörpers an der Faszie des M. pectoralis major durch Tumorinfiltration der Faszie führt zu einer Straffung im Sinne einer Aufrichtung der Brust im Vergleich zur Gegenseite.
Die arterielle Gefäßversorgung erfolgt sowohl über die Rr. mammarii mediales der A. mammaria (thoracica) interna als auch die Rr. intercostales anteriores. Von lateral erfolgt die arterielle Versorgung über die Aa. intercostales posteriores und die A. thoracica lateralis, die der A. axillaris entspringt (Abb. B-1.332). Die Gefäße bilden unterhalb der Brust ein ausgeprägtes Netzwerk. Der venöse Abfluss erfolgt in die Vv. thoracicae internae und laterales. Die Lymphdrainage der Mamma erfolgt im Wesentlichen entlang der Blutgefäße. Das weitverzweigte Netz der Lymphgefäße kann in ein oberflächliches (subkutan gelegen) und ein tiefes System unterteilt werden (Abb. B-1.333). 왘 Merke. Eine Blockade der oberflächlichen Lymphbahnen (z. B. durch Ent-
653 B-1.331
왗 Merke
Arterielle Gefäßversorgung über Rr. mammarii mediales der A. mammaria (thoracica) interna und Rr. intercostales anteriores. Von lateral über die Aa. intercostales posteriores und die A. throacica lateralis, die der A. axillaris entspringt (Abb. B-1.332). Der venöse Abfluss erfolgt in die Vv. thoracicae internae und laterales. Die Lymphdrainage der Mamma erfolgt im Wesentlichen entlang der Blutgefäße (Abb. B-1.333). 왗 Merke
zündung oder Tumor) führt zum Ödem und dem Bild der „Orangenhaut“ (peau d’orange).
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B 1 Viszeralchirurgie
654 B-1.333
Lymphknoten der Brustdrüse (a) und Lymphknotenetagen der Axilla (b)
Das tiefe System beginnt mit Lymphkapillaren an den Drüsenendstücken. Die wichtigsten regionären Filterstationen der Drüsenkörper sind die axillären Lymphknoten, die den quantitativ größten Anteil der Lymphe aus der Mamma aufnehmen.
Als zahlenmäßig größte Gruppe werden die axillären Lymphknoten meist als Erstes von Metastasen befallen. Daneben drainiert insbesondere der mediale Abschnitt der Mamma über die parasternalen Lymphknoten.
Aus onkochirurgischer Sicht werden die axillären Lymphknoten in „Levels“ (Etagen) eingeteilt (Abb. B-1.333).
Das tiefe System beginnt mit Lymphkapillaren an den Drüsenendstücken. Die wichtigsten regionären Filterstationen der Drüsenkörper sind die axillären Lymphknoten, die den quantitativ größten Anteil der Lymphe aus der Mamma aufnehmen. Sie werden oft als Erstes von Metastasen befallen und sind im Vergleich zu den parasternalen Lymphknoten chirurgisch relativ einfach zugänglich. Diese Lymphknotengruppe besteht aus 30 – 60 Lymphknoten, die in einzelne Gruppen unterteilt werden können. Die wichtigste Gruppe liegt zwischen V. axillaris, A. thoracodorsalis und A. thoracica lateralis. Als zahlenmäßig größte Gruppe wird sie am häufigsten von Metastasen befallen. In diesem Gebiet sind auch der Nervus thoracodorsalis (M. latissimus dorsi) sowie der N. thoracicus longus (M. serratus anterior) lokalisiert. Der überwiegende Teil der Lymphe des Armes wird ebenfalls über die axillären Lymphknoten drainiert. Infolge systemischer Lymphadenektomien der Level I und II, insbesondere jedoch des Levels III resultiert eine erhebliche Rate postoperativer oft dauerhafter Lymphabflussstörungen im Sinne eines Lymphödems des Armes. Die axillären Lymphknoten werden über die infra- und supraklavikulären Lymphknoten drainiert. Hierbei erhalten die infraklavikulären Lymphknoten direkte Zuflüsse aus der Mamma oder über die paramammären oder interpektoralen Lymphknoten (Rotter-Lymphknoten). Der mediale Abschnitt der Mamma drainiert hauptsächlich über die parasternalen Lymphknoten, die entlang der Vasa thoracica verlaufen, wobei auch die interkostalen Lymphknoten der Zwischenrippenräume I–IV Lymphe aus diesem Bereich aufnehmen und in die supraklavikulären oder mediastinalen Lymphknoten drainieren. Der metastatische Lymphknotenbefall wird von der Tumorlage bestimmt. Zentrale Tumoren der Brustdrüse metastasieren in 43 % in die parasternalen Lymphknoten, lateral lokalisierte Karzinome in 15 % und medial gelegene in ca. 30 %. Aus onkochirurgischer Sicht werden die axillären Lymphknoten in „Levels“ (Etagen) eingeteilt. Die Grenzen entsprechen dem Rand des M. pectoralis minor bei 90 ° abduziertem Arm. Nach kranial bildet die V. axillaris die Begrenzung. Level I umfasst die zentralen und pektoralen Lymphknoten. Level II betrifft die interpektoralen Lymphknoten, während Level III die infra- und supraklavikulären Lymphknoten erfasst (Abb. B-1.333).
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B 1.19 Brustdrüse
655
Die sensible Versorgung der Brust erfolgt ausschließlich über die Interkostalnerven II–V. Die sensorischen Fasern verlaufen entlang der Gefäße zum Erfolgsorgan.
Die sensible Versorgung der Brust erfolgt ausschließlich über die Interkostalnerven II–V.
1.19.2 Leitsymptome
1.19.2 Leitsymptome
In der Diagnostik von Erkrankungen der Brust geht es stets vor allem um den Ausschluss oder die Sicherung eines Karzinoms. Sowohl die Abb. B-1.334 als auch die Tab. B-1.86 tragen dem bezüglich der Symptomauswahl und Darstellung Rechnung. Das diagnostische Spektrum zur Abklärung der möglichen Differenzialdiagnosen entspricht dem des Kapitels Allgemeine Diagnostik, wobei die Sonographie, die Mammographie und die Biopsie (meist als Stanzbiopsie) im Vordergrund stehen.
Der Ausschluss oder die Sicherung eines Karzinoms stehen im Vordergrund diagnostischer Überlegungen und Maßnahmen (Abb. B-1.334 und Tab. B-1.86).
B-1.334
Mögliche Brustveränderungen durch Tumorinfiltration
a Hauteinziehung: Durch Infiltration der Cooper-Bänder werden diese verkürzt, dies bewirkt eine verminderte Verschieblichkeit und Beweglichkeit der Haut, an der die betroffenen Bänder enden. Die Bewegung der Brust (z. B. Anhebung des Armes) führt zur Einziehung der Haut. b Mamilleneinziehung: Durch Verkurzüng relativ zentraler Milchgänge kommt es bei retromamillären Tumoren zu Verziehungen der Mamille. c Plateauphänomen: Bei Kompression der Brust kann sich das Parenchym durch Bindegewebsschrumpfung aufgrund Tumorinfiltration nicht mehr verwölben, es entsteht ein Plateau. d Orangenhautphänomen: Aufgrund von Lymphabflussstörungen der Haut über einem Tumor können Hautveränderungen entstehen, die einer Orangenschale ähneln (große vereinzelte und tief eingezogene Poren bei Verdickung der Haut insgesamt); besonders häufig bei der Lymphangiosis carcinomatosa. e Aufrichtung der Brust: Besonders bei größeren Tumoren oder kleiner Brust tritt durch Schrumpfung des Bindegewebes eine Straffung und damit Aufrichtung der Brust ein (häufig in Kombination mit anderen Phänomenen). f Panzerkrebs (cancer en curasse) mit Infiltration der Thoraxwand.
B-1.86
Veränderungen der Brust und deren häufige Differenzialdiagnosen
Symptom
wichtige Differenzialdiagnosen
diffuse Verhärtung
Mastopathie
isolierter Knoten
Fibroadenom, Zyste, Karzinom
Rötung/Erwärmung/Verhärtung
Mastitis, inflammatorisches Mammakarzinom
Einziehungen von Haut oder Mamille
Narbe (nach OP oder Entzündung), Mastopathie, Karzinom, Entzündung
Plateauphänomen
Narbe, Mastopathie, Karzinom
Orangenhautphänomen
Entzündung, Karzinom
Aufrichtung/Straffung der Brust
Z.n. Mastitis, Mastopathie, Karzinom, angeborene Asymmetrie
mamilläre Sekretion
Entzündung, Milchgangspapillom, Karzinom, Milchgangsektasie
B-1.86
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656
B 1 Viszeralchirurgie
1.19.3 Allgemeine Diagnostik
1.19.3 Allgemeine Diagnostik
Anamnese und klinische Untersuchung
Anamnese und klinische Untersuchung
Inspektion: Form, -veränderungen durch Bewegung (Anheben der Arme), Asymmetrien, Veränderungen der Brustwarze, Farb-, Temperaturveränderungen werden beurteilt.
Den ersten Stellenwert aller diagnostischen Verfahren nimmt die bilaterale klinische Untersuchung der Brust ein. Hierzu gehört die Inspektion im Hinblick auf Form, Formveränderungen durch Bewegung (Anheben der Arme), Asymmetrien und Veränderungen der Brustwarze, Farbveränderungen und Überwärmung der Haut. Bei der Palpation werden beide Brüste vergleichend in allen 4 Quadranten auf Unregelmäßigkeiten, Schmerzen, Resistenzen und Verschieblichkeit gegenüber der Haut und Unterlage abgetastet. Die Untersuchung der Brust muss sowohl in liegender als auch aufrechter Haltung der Patientin erfolgen. Darüber hinaus sollte der Versuch gemacht werden, eine Sekretion aus der Mamille zu provozieren. Eine Kontrolle der regionalen Lymphabflusswege ist ein obligater Bestandteil der Befunderhebung (Axilla, Supraklavikulargrube).
Palpation: Vergleichende Untersuchung aller 4 Quadranten beider Brüste auf Schmerzen, Resistenzen, Verschieblichkeit gegenüber Haut und Unterlage, sowohl in liegender als auch stehender Haltung. Provokationsversuch der Mamillensekretion, Kontrolle der regionalen Lymphknoten (Axilla, Supraklavikulargrube). 왘 Merke
왘 Merke. Die Untersuchung sollte stets von einem Gespräch eingeleitet werden und im Beisein einer dritten Person in angemessener sowie entspannter Atmosphäre erfolgen. Die Interpretation der inspektorisch und palpatorisch erhobenen Befunde stützt sich wesentlich auf einen Seitenvergleich. Wichtiger Bestandteil der Inspektion ist die Bewertung von Formveränderungen der Brust bei Bewegung (s. auch Abb. B-1.334, Abb. B-1.335, z. B. bei Abduktion des Armes um 90 ° oder 180 °) oder bei Anspannung des M. pectoralis major (Hände in die Hüfte drücken). Eine Palpation der Brust erfolgt immer bimanuell.
Die klinische Untersuchung muss neben den Symptomen durch die Erhebung der bekannten Risikofaktoren (s.o.) vervollständigt werden. Bildgebende Diagnostik
Bildgebende Diagnostik
Sonographie mit Hochfrequenzsonden: Die Sonographie ist im Gegensatz zur Mammographie in der Lage, überlagerte Strukturen aufzulösen. Die Grenzen der Sonographie sind durch die fehlende Aufdeckung von Mikroverkalkungen gegeben. Sie kann deshalb die Mammographie nicht ersetzen (Abb. B-1.336).
Sonographie mit Hochfrequenzsonden: Die Sonographie ist eine wichtige ergänzende Methode in der Mammadiagnostik. Als Schnittbildverfahren ist sie im Gegensatz zur Mammographie in der Lage, überlagerte Strukturen aufzulösen. Die größte Bedeutung hat die Sonographie in der Abklärung von Zysten, insbesondere multipler Zysten. Ein weiterer Vorteil liegt in der Möglichkeit der Perfusionsbeurteilung mittels Farbdoppler. Die Grenzen der Sonographie sind durch die fehlende Aufdeckung von Mikroverkalkungen gegeben. Sie kann deshalb die Mammographie nicht ersetzen (Abb. B-1.336). Beide Verfahren ergänzen sich.
B-1.335
B-1.335
Armhaltungen zur Untersuchung der Mamma
Typische Haltungen der Arme zur inspektorischen und palpatorischen Untersuchung der Brust. In Position a kann man durch Einstemmen der Arme in die Hüfte den M. pectoralis major anspannen lassen, in Position b kommt es zur besonderen Betonung von Einziehungen und Verziehungen der Mamille.
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B 1.19 Brustdrüse
B-1.336
Beispiele typischer sonographischer Befunde
a
c
657
b
d
a Charakteristisches Schallbild eines Mammakarzinoms mit unscharfer Begrenzung, unregelmäßigen Schallschatten, echoreichem Saum (Ödem) und Zerstörung der Umgebung. b Farb-Doppler-Sonographie des gleichen Tumors mit Nachweis der Durchblutung bei hoher Flussgeschwindigkeit. c Darstellung einer Zyste mit aus der Wand in das Lumen vorwachsendem Tumors (späterer histologischer Befund: invasiv duktales Karzinom). d Unscharf begrenzter echoarmer inhomogener Befund in einer sich echoreich darstellenden Mastopathie, histologisch invasiv duktales Karzinom.
Mammographie: Sie gehört zu den wichtigsten bildgebenden Verfahren zur Untersuchung der Brust. Die Mammographie soll die Dignität und Ausdehnung eines Tumors erkennen und zusätzliche Befunde aufdecken. Sie kann ferner die Beziehung des Tumors zur Haut, Mamille und Brustwand darstellen. Im Rahmen des sogenannten Mammographie-Screenings, einem bundesweiten qualitätsgesicherten Programm zur Früherkennung von Brustkrebs, nimmt sie neben der klinischen Untersuchung eine Schlüsselstellung ein. Das Programm richtet sich an Frauen zwischen 50 und 69 Jahren, da insbesondere in dieser Altersgruppe eine relevante Senkung der Brustkrebssterblichkeit durch ein alle 2 Jahre durchgeführtes Screening nachgewiesen werden konnte. Die typischen Zeichen des Mammakarzinoms sind (Abb. B-1.337): ■ Kernschatten: Er ist bei einem fibrosierenden Karzinom besonders ausgeprägt und besteht aus einer sehr dichten, unregelmäßig begrenzten Verschattung. ■ Spikulae: Hierbei handelt es sich um strahlige Ausläufer um den Kernschatten. Diese Ausläufer sind angespannte oder infiltrierte Cooper-Ligamente. ■ Mikroverkalkungen im Kernschatten oder der Umgebung. Die Größe der Verkalkungen ist das wichtigste Kriterium zur Differenzierung zwischen gutoder bösartigen Kalkablagerungen. Grobe Verkalkungen entstammen meist Fibroadenomen, verkalkten Zysten, Gefäßen oder Fettgewebsnekrosen. Verdächtig sind Mikroverkalkungen von der Größe der Milchgänge, wie sie im Lumen duktaler Karzinome zu finden sind. Harmlos sind hingegen die sog. staubförmigen Verkalkungen.
Mammographie: Die Mammographie soll die Dignität und Ausdehnung eines Tumors erkennen und zusätzliche Befunde aufdecken. Sie kann ferner die Beziehung des Tumors zur Haut, Mamille und Brustwand darstellen. Die typischen Zeichen des Mammakarzinoms sind (Abb. B-1.337): ■ Kernschatten: Er besteht aus einer sehr dichten, unregelmäßig begrenzten Verschattung. ■ Spikulae: Hierbei handelt es sich um strahlige Ausläufer um den Kernschatten. ■ Mikroverkalkungen im Kernschatten oder der Umgebung. Die Größe der Verkalkungen ist das wichtigste Kriterium zur Differenzierung zwischen gut- und bösartigen Kalkablagerungen. Verdächtig sind Mikroverkalkungen von der Größe der Milchgänge, wie sie im Lumen duktaler Karzinome zu finden sind.
Bei verdächtigen, nicht palpablen Befunden, deren Dignität bioptisch gesichert werden muss, bedient man sich ebenfalls der Mammographie. Um zur Vermeidung ungünstiger kosmetischer Resultate möglichst wenig gesundes Gewebe mitzuentfernen, kann der verdächtige Bezirk präoperativ unter mam-
Der verdächtige Bezirk kann präoperativ unter mammographischer Kontrolle biopsiert oder markiert werden und wird dann offen exzidiert (Abb. B-1.338).
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B 1 Viszeralchirurgie
658 B-1.337
Mammographie
a Szirrhöses Mammakarzinom: Mammographie einer 53-jährigen Patientin mit einem ausgedehnten Kernschatten und Spikulae (histologischer Befund: intraduktales Karzinom; axilläre Lymphknoten positiv).
B-1.338
b Kleines Mammakarzinom oben, brustwandnah (Pfeil).
c Polymorphe, gruppiert liegende Mikroverkalkungen (Pfeil) als Ausdruck eines intraduktalen Neoplasmas.
Präoperative Lokalisation zweifelhafter oder nicht palpabler Befunde und deren Entfernung
a Einbringen der Einführungsnadel in den verdächtigen Befund. b Nach mammographischer Lagekontrolle Einlegen des Markierungsdrahtes. c Mammographische Kontrolle der korrekten Lage des Markierungsdrahtes. d Gerade Inzision neben dem Draht. e Exzision des markierten Befundes. f Präparateradiogramm zur postoperativen Kontrolle der korrekten Exzision, anschließend erfolgt die histologische Untersuchung. g Exzisat für die histologische Untersuchung.
mographischer Kontrolle mit Nadeln markiert werden. Eine andere Möglichkeit ist die gezielte Entnahme von Gewebszylindern mittels mammographisch geführter Stanzbiopsie (Abb. B-1.338). Bezüglich der Ergebnissicherheit stellt die Markierung und offene Exzision, bezüglich der Invasivität die Stanzbiopsie das vorteilhaftere Verfahren dar.
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B 1.19 Brustdrüse
659
Galaktographie: Die Galaktographie ist ein Röntgenverfahren zur Kontrastmitteldarstellung der Milchgänge. Sie ist indiziert, wenn eine einseitige oder blutige Sekretion der Brust auftritt. Ziel der Untersuchung ist die Aufdeckung von Gangabbrüchen oder Kontrastmittelaussparungen in den Milchgängen als Hinweis auf ein neoplastisches Geschehen. Die Galaktographie ist weitestgehend durch die Vergrößerungsmammographie abgelöst worden.
Galaktographie: Röntgenverfahren zur Kontrastmitteldarstellung der Milchgänge. Indiziert bei einseitiger oder blutiger Sekretion der Brust.
Magnetresonanztomographie (MRT): Sie dient zur Diagnostik unklarer Herdbefunde, insbesondere bei mammographisch dichten Brüsten und vorausgegangener brusterhaltender Operation. Da die MRT die Mehrdurchblutung maligner Tumoren ausnutzt, ist sie bei gering vaskularisierten Tumoren (z. B. muzinöse Tumoren, diffus wachsende lobuläre Tumoren) und bei stoffwechselaktiven mastopathischen Befunden differenzialdiagnostisch problematisch. Ungeeignet ist sie zur Abklärung diffuser und entzündlicher Prozesse sowie bei pathologischer Sekretion der Brust.
Magnetresonanztomographie (MRT): Sie dient zur Diagnostik unklarer Herdbefunde, insbesondere bei mammographisch dichten Brüsten und vorausgegangener Operation. Ungeeignet ist sie zur Abklärung diffuser und entzündlicher Prozesse sowie bei pathologischer Sekretion der Brust.
Computertomographie (CT): Die CT ist für die Differenzialdiagnose von frühen Tumoren von untergeordneter Bedeutung. Ihr Wert liegt in der Diagnostik fortgeschrittener Tumoren mit Infiltration der Brustwand oder der Erfassung retrosternaler Metastasen.
Computertomographie (CT): Wichtig in der Diagnostik fortgeschrittener Tumoren mit Infiltration der Brustwand und zur Erfassung retrosternaler Metastasen.
Histopathologische Diagnostik
Histopathologische Diagnostik
Voraussetzung für eine mikroskopische Diagnostik ist die Gewinnung von Zellen oder Gewebe. Diese sollen möglichst repräsentativ sein. Grundsätzlich stehen zur Materialgewinnung die Feinnadelpunktion, die Stanzbiopsie und die offene Biopsie zur Verfügung. Feinnadelpunktion: Sie erlaubt die Gewinnung einer Aspirationszytologie, ist einfach durchführbar und gestattet eine Differenzierung zwischen einem duktalen und lobulären Befund, nicht jedoch die Unterscheidung zwischen einem „in situ“ und einem invasiven Karzinom. Die Rate falsch negativer Ergebnisse z. B. durch Verfehlen des Tumors beträgt bis zu 15 % (Abb. B-1.339).
Feinnadelpunktion: Die Aspirationszytologie gestattet eine Differenzierung zwischen einem duktalen und lobulären, nicht jedoch die Unterscheidung zwischen einem „in situ“ und einem invasiven Karzinom.
Stanzbiopsie: Sie dient der Gewinnung von Gewebezylindern und erlaubt damit eine histologische Diagnostik. Die speziellen Kanülen können sonographisch oder mammographisch geführt werden und kommen als Hochgeschwindigkeits-Stanzbiopsie oder als Vakuumbiopsie zum Einsatz. Mithilfe spezieller Mammographiegeräte kann man stereotaktisch geführt ganze Gewebsareale komplett ausstanzen und damit ein hohes Maß diagnostischer Sicherheit bei relativ kleinem Trauma erreichen.
Stanzbiopsie: Erlaubt aufgrund der Gewinnung von Gewebezylindern eine histologische Diagnostik. Die Führung der Stanzkanülen kann sonographisch oder mammographisch erfolgen.
Offene Biopsie: Wenn zytologische und stanzbioptische Untersuchungen fehlschlagen oder zu unsicher sind, kann eine offene Biopsie in Lokalanästhesie oder Vollnarkose vorgenommen werden (Abb. B-1.338). Von einer perioperativen Schnellschnittuntersuchung wird zunehmend Abstand genommen, da die unterschiedlichen Behandlungsmodalitäten des Brustkrebses eine subtilere Aufarbeitung des Resektates und eine ausgiebige Aufklärung der Patientinnen verlangen.
Offene Biopsie: Wenn zytologische und histologische Untersuchungen von Stanzen fehlschlagen oder zu unsicher sind, kann in Lokalanästhesie oder Vollnarkose eine offene Biopsie ohne oder mit Markierung des suspekten Areales vorgenommen werden (Abb. B-1.338).
B-1.339
Schema der Feinnadelpunktionstechnik
B-1.339
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660 B-1.340
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.340
Asymmetrie der Brust bei rechts deutlich kleiner ausgebildetem Drüsenkörper sowie different ausgebildeter Mamille
1.19.4 Fehlentwicklungen
1.19.4 Fehlentwicklungen
Wachstumsbedingte Fehlentwicklungen
Wachstumsbedingte Fehlentwicklungen
Mammahyperplasie (Makromastie): überschießende Fettgewebsentwicklung. Mammahypoplasie (Mikromastie): Zu klein entwickelte Brüste. Mammaasymmetrie: Prinzipiell kein Krankheitswert.
Mammahyperplasie (Makromastie): Bei einer überschießenden Fettgewebsentwicklung kommt es zu einer Hyperplasie der Brüste. Sehr große Brüste können zu erheblichen statischen Störungen der Wirbelsäule führen, die ggf. eine Indikation zur plastischen Korrektur darstellen. Mammahypoplasie (Mikromastie): Zu klein entwickelte Brüste werden als hypoplastisch bezeichnet und können ebenfalls eine Indikation zu einer plastischen Korrektur ergeben (S. 1181). Mammaasymmetrie: Der Mensch ist nicht exakt symmetrisch. Dies trifft auch auf die Brüste zu. Der Grad der Asymmetrie und die absoluten Größenverhältnisse sowie die Bedürfnisse der Frau bestimmen den eventuellen Handlungsbedarf (Abb. B-1.340).
Anlagebedingte Fehlentwicklungen
Anlagebedingte Fehlentwicklungen
Athelie: Fehlen einer oder beider Brustwarzen. Polythelie: überzählige Brustwarzen sowohl bei Frauen als auch bei Männern. Sind entlang der embryonalen Milchleisten lokalisiert. Dysthelie: gespaltene oder vollständig abgeflachte Brustwarzen. Amastie: Fehlen einer Brustdrüse. Polymastie: Das Auftreten zusätzlicher Brüste kann im Bereich der Axilla beobachtet werden. Findet sich ein alleiniger, aberrierender Drüsenkörper in der Axilla, besteht eine erhöhte maligne Entartungsgefahr.
Athelie: Sie bezeichnet das Fehlen einer oder beider Brustwarzen. Polythelie: Überzählige Brustwarzen finden sich sowohl bei Frauen als auch bei Männern. Sie sind entlang der embryonalen Milchleisten lokalisiert, die sich von der Axilla über die reguläre Brust bis nach medial in die Leistengegend erstrecken. Dysthelie: Bei der Dysthelie liegen gespaltene oder vollständig abgeflachte Brustwarzen vor. Amastie: Bezeichnet das Fehlen einer Brustdrüse. Polymastie: Das Auftreten zusätzlicher Brüste kann im Bereich der Axilla beobachtet werden. Diese zusätzlichen Brüste werden während der Schwangerschaft in die Laktation einbezogen, was zu erheblichen Beschwerden führen kann. Findet sich ein alleiniger, aberrierender Drüsenkörper in der Axilla, besteht eine erhöhte maligne Entartungsgefahr.
1.19.5 Entzündungen
1.19.5 Entzündungen
Entzündliche Brusterkrankungen werden aufgrund der Ätiologie, Pathogenese und Therapie in 2 Gruppen unterteilt.
Die Mehrheit entzündlicher Brusterkrankungen kann aufgrund der Ätiologie, Pathogenese und Therapie in 2 Gruppen eingeteilt werden. Während die 1. Gruppe Folge der Laktation ist, handelt es sich bei der 2. Gruppe um Komplikationen der Milchgangsektasie.
Laktationsbedingte Entzündungen (Mastitis puerperalis)
Laktationsbedingte Entzündungen (Mastitis puerperalis)
Ätiologie: Durch Staphylococcus aureus verursacht, in der Regel peripher lokalisiert und vornehmlich bei Erstgebärenden.
Ätiologie: Laktationsbedingte Entzündungen der Brust werden meist durch Staphylococcus aureus verursacht, sind in der Regel peripher lokalisiert und treten vornehmlich bei Erstgebärenden auf.
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B 1.19 Brustdrüse
661
Klinik: Rötung, Schwellung und Druckschmerzhaftigkeit. Die Erkrankung wirkt sich mit Fieber und einer Leukozytose systemisch aus. Unbehandelt kommt es zur Abszessbildung.
Klinik: Lokal Rötung, Schwellung, Druckschmerzhaftigkeit; systemisch Fieber und Leukozytose.
Therapie: Die Therapie besteht in sofortigem Abstillen in Kombination mit lokalen antiinflammatorischen Maßnahmen (Kühlung, Hochbinden der Brust) und einer resistenzgerechten Antibiotikagabe. Liegt bereits eine Abszessbildung vor, muss eine chirurgische Drainage erfolgen.
Therapie: Sofortiges Abstillen, lokale antiinflammatorische Maßnahmen und resistenzgerechte Antibiotikagabe. Bei Abszessbildung chirurgische Drainage.
Laktationsunabhängige Entzündungen (Mastitis nonpuerperalis)
Laktationsunabhängige Entzündungen (Mastitis nonpuerperalis)
Ätiologie: Laktationsunabhängige Entzündungen sind Folgen einer Milchgangsektasie und werden neben Enterokokken durch anaerobe Erreger hervorgerufen. Sie sind vornehmlich im periareolären Gewebe lokalisiert.
Ätiologie: Folge einer Milchgangsektasie, neben Enterokokken durch anaerobe Erreger hervorgerufen.
Klinik: Wiederholte Episoden von Infektionen. Sie beginnen als palpable periareoläre Masse, der eine Rötung, Schmerzhaftigkeit und ggf. eine Abszessbildung folgt. Systemische Auswirkungen sind selten. Häufig kann, wie bei der Milchgangsektasie typisch, eine Einziehung der Mamille beobachtet werden.
Klinik: Wiederholte Episoden; Beginn als palpable periareoläre Masse, dann Rötung, Schmerzen und ggf. Abszessbildung. Systemische Auswirkungen sind selten. Häufig mit Einziehung der Mamille.
Therapie: Die Therapie besteht in einer resistenzgerechten Antibiotikabehandlung. Häufig ist eine Abszessdrainage erforderlich, die unter kosmetischen Gesichtspunkten vorgenommen werden sollte. Bei wiederholten Rezidiven kann eine Milchgangsexzision erforderlich werden.
Therapie: Resistenzgerechte Antibiotikabehandlung. Häufig ist eine Abszessdrainage erforderlich.
1.19.6 Gutartige Erkrankungen der weiblichen Brust Die Symptome gutartiger Erkrankungen der Brust beschränken sich auf Schmerzen, Knoten, Veränderungen der Brustwarze und des Warzenhofs. Bei Entzündungen kann sich die Symptomatik erweitern und systemisch auswirken. Brustschmerzen (Mastodynie, Mastalgie) gehören mit 50 % zu den häufigsten Beschwerden. Einerseits können sie in direkter Relation zum Menstruationszyklus stehen, andererseits können sie auftreten, ohne dass ein spezifischer pathologischer Vorgang fassbar wird. Zyklusunabhängige Schmerzen finden in 50 % ihre Ursache in der regionalen Muskulatur und dem Skelettsystem und sind durch unilaterale Beschwerden charakterisiert. Knotenbildungen liegen in annähernd 40 % gutartige Erkrankungen zugrunde. Trotzdem ist es in allen Fällen angezeigt, durch Mammographie, Ultraschall und eine Aspirationszytologie einen malignen Prozess auszuschließen. 왘 Merke. Bei allen Knotenbildungen in der Brust ist eine weitere Abklärung
1.19.6 Gutartige Erkrankungen der
weiblichen Brust Die Symptome gutartiger Erkrankungen der Brust beschränken sich auf Schmerzen, Knoten, Veränderungen der Brustwarze und des Warzenhofs. Brustschmerzen (Mastodynie, Mastalgie) gehören mit 50 % zu den häufigsten Beschwerden. Sie können in direkter Relation zum Menstruationszyklus stehen.
Knotenbildungen liegen in ca. 40 % gutartige Erkrankungen zugrunde.
왗 Merke
durch Mammographie, Ultraschall und eine Gewebsuntersuchung zum Ausschluss eines malignen Prozesses erforderlich.
Mastopathie 왘 Definition. Unter dem Begriff der Mastopathie werden hormonell induzierte
Mastopathie 왗 Definition
und qualitativ gesteigerte Umbauvorgänge der Brustdrüse vor und nach der Menopause zusammengefasst. Diese Umbauvorgänge können in regressive und proliferative Veränderungen differenziert werden. Der Krankheitswert ergibt sich hierbei ausschließlich aus symptomatischen Einzelkomponenten. Die Pathomorphologie schließt geringgradige Veränderungen wie Fibrose, mikroskopische Dilatation der Azini und Gänge, lobuläre Involution, Hyperplasie und die duktale Adenose mit ein. Als gutartige mastopathische Veränderungen gelten: ■ Zysten: Unterschieden werden Mikro- (bis 3 mm) und Makrozysten (4 3 mm). Die Mikrozysten bilden sich aus metaplastischen Drüsenläppchen, während die solitäre Zyste und die großzystische Mastopathie einen lokal erweiterten Milchgang darstellen.
Als gutartige mastopathische Veränderungen gelten: ■ Zysten ■ Adenose ■ Gangektasie.
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662
B 1 Viszeralchirurgie
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Ein geringes Risiko zur Karzinomentstehung zeigt: ■ die solide und papilläre Hyperplasie ■ das solitäre Papillom ■ die apokrine Metaplasie ■ und die sklerosierende Adenose.
Adenose: Sie hat im Gegensatz zum Adenom kein eigenständiges Zellmuster. Gangektasie: Die histologischen Charakteristika sind erweiterte Milchgänge, verstärkte Sekretionsaktivität der Drüse, Sekretstau und periduktale Infiltration von Entzündungszellen sowie Fibrose.
Mit einem geringen Risiko zur Karzinomentstehung behaftet sind: Die solide und papilläre Hyperplasie mit ihrer heterogenen Zellproliferation. ■ Das solitäre Papillom: Das Papillom geht vom Epithel der Hauptmilchgänge vor der Mamille aus und erfüllt morphologisch die Kriterien eines Adenoms. Es wird überwiegend durch seröse Mamillensekretion symptomatisch. ■ Die apokrine Metaplasie: Verstanden als intraduktal metaplastisch veränderte Epithelhyperplasie, die in den Sekretionsprozess von Mikro- und Makrozysten einbezogen ist. Sie ist häufiger Bestandteil von Papillomen und Adenosen. ■ Die sklerosierende Adenose: Diese Adenose ist im Frühstadium zellreich und kann sich später zu sklerotischen Kalzifikationen umwandeln.
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Ein erhöhtes Karzinomrisiko besteht bei der atypischen duktalen oder lobulären Hyperplasie (Übergang zum Carcinoma in situ).
Ein erhöhtes Karzinomrisiko weist die atypische duktale oder lobuläre Hyperplasie auf. Ihre histologische Struktur wird als Übergang zum Carcinoma in situ gesehen.
Klinik: Symptome unspezifisch, reichen von zyklusabhängigen Schmerzen über Wetterfühligkeit bis hin zu stechenden Schmerzen. Umschriebene Verhärtung/Verdichtung und Druckschmerzhaftigkeit.
Klinik: Die subjektiven Symptome sind unspezifisch und reichen von zyklusabhängigen Schmerzen über Wetterfühligkeit bis hin zu stechenden Schmerzen. Klinisch fällt häufig eine mehr oder weniger umschriebene Verhärtung/Verdichtung (eventuell der gesamten Brust) sowie eine Druckschmerzhaftigkeit wechselnder Intensität auf. Sekundäre Veränderungen können in ausgeprägter Form als abgrenzbare Knoten imponieren.
Therapie: Es gibt keine kausale Therapie: Wichtig ist die Abgrenzung von einem Karzinom.
Therapie: Eine kausale Therapie gibt es nicht. Es geht stets um die möglichst sichere Abgrenzung mastopathischer Veränderungen von einem Karzinom.
왘 Merke
왘 Merke. Alle mastopathischen Veränderungen unterliegen bei familiärer
Karzinombelastung dem doppelten Risiko. Fibroadenom 왘 Definition
Fibroadenom 왘 Definition. Fibroadenome gehören zu den häufigsten gutartigen Erkrankun-
gen der weiblichen Brust und treten vornehmlich in der 3. Lebensdekade auf. Klinik: Die Knoten (in 10 % multifokal) sind initial mobil und können langsam größer werden. Nach der Menopause können mammographisch erkennbare Verkalkungen auftreten.
Klinik: Die Knoten sind anfänglich mobil und können langsam an Größe zunehmen. Nach der Menopause kann die Mobilität durch fibröse Fixation schwinden. Zu diesem Zeitpunkt können Verkalkungen auftreten, die in der Mammographie erkennbar werden. Bei 10 % aller Patientinnen können die Fibroadenome multifokal auftreten.
Diagnostik: Sonographie (Abb. B-1.341), Punktionszytologie, Mammographie.
Diagnostik: Richtungweisend ist die Sonographie einschließlich der Feinnadelpunktion. Das sonographische Erscheinungsbild weist die typischen Merkmale des benignen Herdbefundes auf (Abb. B-1.341). Sie kann jedoch bei unklaren Befunden und Patientinnen > 30 Jahre die Mammographie nicht ersetzen.
Therapie: Gesicherte Fibroadenome bedürfen keiner chirurgischen Behandlung. Nach dem 25. Lebensjahr sollte das Fibroadenom jedoch exzidiert werden, um nicht ein Karzinom zu übersehen.
Therapie: Gesicherte Fibroadenome bedürfen primär keiner chirurgischen Behandlung. Unbehandelt kommt es über ca. 5 Jahre langsam zu einer Vergrößerung. Nach dieser Zeitspanne bleibt es stationär. Bei 30 % tritt jedoch wieder eine Verkleinerung des Befundes ein. Nach dem 25. Lebensjahr sollte das Fibroadenom exzidiert werden, um nicht ein Karzinom zu übersehen. Rezidive nach der Exzision sind nicht selten. Einerseits kann sich ein metachrones Fibroadenom entwickeln, andererseits kann eine unvollständige Entfernung wieder zu einer Größenzunahme führen.
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B 1.19 Brustdrüse
B-1.341
Fibroadenom bei einer 25-jährigen Patientin
663 B-1.341
Typische Schallphänomene sind: glatte Begrenzung, dorsale Schallverstärkung, lappige Konfiguration.
B-1.342
Cystosarcoma phylloides
Cystosarcoma phylloides differenter Größe bei Frauen unterschiedlichen Alters. Aufgrund des Wachtumsverhaltens (mehr verdrängend und weniger infiltrierend) und der Schmerzfreiheit können die Tumoren sehr groß werden.
Differenzialdiagnostisch ist an das Cystosarcoma phylloides zu denken. Hierbei handelt es sich um einen Tumor mit einem weiten Aktivitätsspektrum. Dies reicht von einer vollständig benignen Struktur über lokal aggressives Wachstum bis zum selten metastasierenden Tumor. Initial ist der Tumor klinisch nicht von einem Fibroadenom zu unterscheiden. Er ist jedoch durch sein rasches Wachstum auf eine erhebliche Größe, die Teile der gesamten Mamma einnehmen kann, charakterisiert (Abb. B-1.342). Die Therapie besteht in einer großzügigen Exzision. Trotzdem kommt es in 25 % der Fälle nach 10 Jahren zu Rezidiven, die gelegentlich die Mastektomie erforderlich machen.
Differenzialdiagnose: Cystosarcoma phylloides – ein Tumor mit einem weiten Aktivitätsspektrum, das von einer vollständig benignen Struktur über lokal aggressives Wachstum bis zum selten metastasierenden Tumor reicht. Initial ist der Tumor klinisch nicht von einem Fibroadenom zu unterscheiden. Die Therapie besteht in einer großzügigen Exzision.
Hamartom
Hamartom
왘 Definition. Hamartome sind Tumoren mit Anteilen lobulären und duktalen Gewebes. Ähnlich dem Fibroadenom zeichnen sie sich durch einen differenzierten Aufbau aus.
왗 Definition
Klinik: Es handelt sich um feste, nicht schmerzhafte Herde, die eine Größe bis 10 cm erreichen können.
Klinik: Asymptomatische Tumoren.
Diagnostik: Die Diagnostik besteht in einem präoperativen Ultraschall und der Mammographie.
Diagnostik: Ultraschall und Mammographie.
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B 1 Viszeralchirurgie
Therapie: Enukleation.
Therapie: Bei fehlender Rezidivneigung besteht die Therapie in der einfachen Enukleation.
Adenom
Adenom
왘 Definition
왘 Definition. Adenome sind seltene Neubildungen mit dominierenden azinären
und tubulären Anteilen, die vorzugsweise bei jungen Frauen zwischen 20 und 30 Jahren beobachtet werden. Klinik: Sie imponieren als schmerzlose, umschriebene Tumoren.
Klinik: Adenome imponieren als schmerzlose, umschriebene Tumoren mit einem Durchmesser von 3 – 4 cm. Sie sind gegen das umgebende Gewebe und die deckende Haut verschieblich.
Diagnostik, Therapie: Mammo- und Sonographie. Therapeutisch erfolgt die Enukleation. Lipom
Diagnostik, Therapie: Mammo- und Sonographie können diagnoseweisend sein. Bei guter Abgrenzung ist die Enukleation indiziert.
왘 Definition
Lipom 왘 Definition. Hierbei handelt es sich um eine abgekapselte Geschwulst, die
ausschließlich aus Fettgewebe aufgebaut ist, jedoch von drüsigen Strukturen durchsetzt sein kann. Das mittlere Alter der Patientinnen beträgt 42 – 45 Jahre. Klinik: Die Tumoren bereiten keine Beschwerden.
Klinik: Sie sind selten als weiche und bewegliche Tumoren palpabel und bereiten keine Beschwerden.
Diagnostik, Therapie: Meist Zufallsbefund bei Mammographie. Die operative Entfernung ist aus differenzialdiagnostischen Gründen angezeigt.
Diagnostik, Therapie: Die Verdachtsdiagnose erfolgt aufgrund des klinischen Erscheinungsbildes. In der Regel handelt es sich um Zufallsbefunde bei Mammographien aus anderen Gründen (strahlentransparente Strukturen). Die operative Entfernung ist aus differenzialdiagnostischen Gründen angezeigt.
Zysten
Zysten
왘 Definition
왘 Definition. Zysten der Brust sind die häufigsten Knoten. Sie treten meist
zwischen dem 35. und 50. Lebensjahr auf, obwohl sie auch außerhalb dieser Zeitspanne beobachtet werden können. In der Regel kommen sie solitär vor, wobei multiple Zysten nicht ungewöhnlich sind. Charakteristisch ist ihr plötzliches Auftreten, unabhängig von der Größe der Zyste. Klinik: Die Tumoren bereiten keine Beschwerden.
Klinik: Sie weisen einen typischen Palpationsbefund auf (prall-elastisch) und können schmerzhaft sein. Der Palpationsbefund schwindet, wenn sie in der Tiefe des Gewebes liegen.
Diagnostik: Sicherung durch Punktion. Mammographie und Ultraschall werden unterstützend eingesetzt.
Diagnostik: Sie kann durch eine Punktion gesichert werden. Mammographie und Ultraschall können hierbei unterstützend wirken.
Therapie: Eine Exzision ist primär nicht erforderlich. Zur Exzision der Zyste bestehen 2 Hauptindikationen. Ist das Aspirat blutig tingiert (nicht bei direktem Trauma oder Aspirationsfolge), kann ein intrazystisches Karzinom vorliegen. Die 2. Indikation ist das schnelle oder wiederholte Rezidiv. Bei multiplen Zysten sollte eine mammographische Verlaufskontrolle vorgenommen werden.
Therapie: Eine Exzision der Zyste ist primär nicht erforderlich, da in der Regel eine einfache Aspiration der Zyste ausreicht. Der Zysteninhalt sollte zytologisch untersucht werden. Bleibt nach der Aspiration eine nachweisbare Gewebemasse zurück, ist eine Biopsie erforderlich. Zur Exzision der Zyste bestehen 2 Hauptindikationen. Ist das Aspirat blutig tingiert (nicht bei direktem Trauma oder Aspirationsfolge), kann ein intrazystisches Karzinom vorliegen. Die 2. Indikation ist das schnelle oder wiederholte Rezidiv. Obwohl das Karzinomrisiko bei Patientinnen mit multiplen Zysten gering ist, sollte die mammographische Verlaufskontrolle vorgenommen werden. Dies gilt nicht für einfache Solitärzysten.
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B 1.19 Brustdrüse
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Sklerosierende Adenose
Sklerosierende Adenose
Sie ist eine seltene Ursache von Brustknoten. Hierbei handelt es sich um eine teils schmerzhafte Dysplasie des lobulären Gewebes, die sowohl diffus als auch in Form knotiger Veränderungen auftreten kann. Klinisch kann die morphologische Differenzierung zu einem Mammakarzinom erschwert sein, zumal mammographisch grobkörnige Kalkablagerungen typisch sind. Aus diesem Grund ist immer eine histologische Diagnostik erforderlich. Die sklerosierende Adenose entartet nie maligne.
Sie ist eine seltene Ursache von Brustknoten. Hierbei handelt es sich um eine teils schmerzhafte Dysplasie des lobulären Gewebes, die sowohl diffus als auch in Form knotiger Veränderungen auftreten kann. Klinisch kann die morphologische Differenzierung zu einem Mammakarzinom erschwert sein ? immer Histologie!
Milchgangspapillom
Milchgangspapillom
Die meisten Papillome sind solitär angelegt und entarten nur sehr selten maligne. Finden sich mehrere Papillome in einem oder in mehreren Milchgängen, muss mit einer neoplastischen Entartung gerechnet werden.
Milchgangspapillome sind meist solitär angelegt und entarten nur selten maligne. Bei mehreren Papillomen in einem oder mehreren Milchgängen muss mit einer Entartung gerechnet werden.
Klinik: Symptomatisch fallen die Papillome durch eine seröse oder blutig tingierte Sekretion der Mamille auf. Bei peripheren Veränderungen der Milchgänge kann die Sekretion fehlen und lediglich eine palpable Masse vorliegen.
Klinik: Seröse oder blutig tingierte Sekretion der Mamille.
Diagnostik: Sie lässt sich bei der Galaktographie durch einen Stopp im Milchgang nachweisen. Einen weiteren Hinweis kann die zytologische Untersuchung des Sekretes aus der Mamille geben.
Diagnostik: Galaktographie (Stopp im Milchgang). Ggf. weitere Hinweise durch zytologische Untersuchung des Sekrets.
Therapie: Entfernung des Milchgangs nach vorheriger Anfärbung mit einer Farblösung (Duktektomie). Zum Ausschluss einer bösartigen Erkrankung ist eine Schnellschnittuntersuchung angezeigt. Bei Nachweis mehrerer Papillome kann eine Resektion des dazugehörigen Drüsenkörpers erforderlich werden.
Therapie: Entfernung des Milchgangs (Duktektomie). Bei Nachweis mehrerer Papillome (Schnellschnitt) kann eine Resektion des dazugehörigen Drüsenkörpers erforderlich werden.
Milchgangsektasie
Milchgangsektasie
왘 Synonym. Periduktale Mastitis.
Aufgrund des pathohistologischen Erscheinungsbildes wurde die Gangektasie unter verschiedenen Begriffen, wie Plasmazellmastitis, obliterierende Mastitis und granulomatöse Mastitis erfasst, wobei eine histologische oder zytologische Sicherung nicht immer möglich ist. Genauso variabel ist das klinische Bild. Die Ätiologie der Erkrankung ist ungeklärt. Die Ektasie tritt meist bilateral auf. Der dilatierte Gang füllt sich mit Sekret, das nicht abfließen kann. Der Sekretstau führt zu einem Verlust der epithelialen Gangauskleidung und schließlich zu Ulzerationen des Milchgangs, was zu Blutaustritt aus der Mamille führen kann. Bei Sekretaustritt durch die zerstörten Gänge tritt gleichzeitig eine chronische Entzündungsreaktion (periduktale Mastitis) auf. Diese Entzündung führt wiederum zu einem schmerzhaften Tumor, in dem es zur Abszessbildung kommen kann. Wiederholte Entzündungsschübe führen zu einer Fibrose mit Einziehung der Brustwarze.
왗 Synonym Die Ätiologie der Erkrankung ist ungeklärt. Das klinische Bild ist variabel.
Die Ektasie tritt meist bilateral auf. Durch Sekretaustritt durch die zerstörten Gänge kann eine chronische Entzündungsreaktion (periduktale Mastitis) auftreten. Diese Entzündung führt zu einem schmerzhaften Tumor ggf. mit Abszessbildung. Wiederholte Entzündungsschübe führen zu einer Fibrose mit Einziehung der Brustwarze.
1.19.7 Mammakarzinom
1.19.7 Mammakarzinom
Epidemiologie
Epidemiologie
Das Mammakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung der Frau und für 26 % aller Tumorneuerkrankungen bei Frauen verantwortlich. Jährlich treten in Deutschland etwa 46 000 Neuerkrankungen auf (Inzidenz: 109/100 000). Pro Jahr sterben in Deutschland etwa 19 000 Patientinnen an Brustkrebs. Bei Frauen im Alter zwischen 35 und 55 Jahren ist das Mammakarzinom die häufigste Todesursache.
Das Mammakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung der Frau. Die Inzidenz (Deutschland) liegt bei 109/100 000. Bei Frauen im Alter zwischen 35 und 55 Jahren ist das Mammakarzinom die häufigste Todesursache.
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B 1 Viszeralchirurgie
Die relative 5-Jahres-Überlebensrate liegt aktuell bei 73 %, das mittlere Erkrankungsalter bei ca. 62 Jahren. Etwa 10 % aller erkrankenden Frauen sind jünger als 45 Jahre.
Die relative 5-Jahres-Überlebensrate liegt aktuell bei 73 %. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei ca. 62 Jahren. Etwa 10 % aller erkrankenden Frauen sind jünger als 45 Jahre. Der Anteil junger Frauen nimmt nur scheinbar zu (aufgrund der Vorverlagerung der Diagnosestellung). Der Anteil der Karzinome, die nicht tastbar sind, beträgt ca. 20 %.
Risikofaktoren
Risikofaktoren
Sie werden in Expositions- und Dispositionsfaktoren unterteilt.
Die Ursache des Mammakarzinoms ist weitgehend unbekannt. Trotzdem weisen epidemiologische Daten gut definierte Risikofaktoren auf, mit denen die Entstehung eines Mammakarzinoms assoziiert werden kann. Diese können in Expositions- und Dispositionsfaktoren unterteilt werden.
Expositionsfaktoren
Expositionsfaktoren
Schwangerschaft: Nulliparität scheint das Risiko, an einem Brustkrebs zu erkranken im Vergleich zu einer Multipara um das 1,4-fache zu erhöhen. Dieser protektive Einfluss der Parität ist jedoch an das Alter der Frau bei der 1. Schwangerschaft gebunden (5 30. Lebensjahr).
Schwangerschaft: Nulliparität scheint das Risiko, an einem Brustkrebs zu erkranken im Vergleich zu einer Multipara um das 1,4-fache zu erhöhen. Dieser protektive Einfluss der Parität ist jedoch an das Alter der Frau bei der 1. Schwangerschaft gebunden. Tritt die Schwangerschaft vor dem 20. Lebensjahr ein, reduziert sich das Risiko gegenüber einer Nullipara auf 0,5. Eine Schwangerschaft nach dem 30. Lebensjahr beeinflusst das Risiko schließlich nicht mehr. Stillzeit und Geburtenzahl haben keinen Einfluss.
Hormonersatztherapie, Kontrazeption: Bei Hormonersatztherapie ≥ 5 Jahre beträgt das relative Risiko für ein Mammakarzinom 1,3. Nach Beendigung der Ersatztherapie normalisiert sich das Risiko innerhalb von 5 Jahren.
Hormonersatztherapie, Kontrazeption: Für Frauen, die mindestens 5 Jahre eine Hormonersatztherapie durchgeführt haben, beträgt das relative Risiko für ein Mammakarzinom 1,3. Nach Beendigung der Ersatztherapie normalisiert sich das Risiko innerhalb von 5 Jahren. Die Bedeutung oraler Kontrazeptiva als prädisponierende Faktoren für die Entwicklung eines Mammakarzinoms ist noch umstritten.
Strahlenexposition: Eine erhöhte Bereitschaft, nach Strahlenexposition Mammakarzinome zu entwickeln, konnte gesichert werden. Das größte Risiko besteht bei einer entsprechenden Exposition vor dem 35. Lebensjahr.
Strahlenexposition: Eine erhöhte Bereitschaft, Mammakarzinome zu entwickeln, wurde bei Überlebenden von Atombombenexplosionen beobachtet und bei Frauen, die wegen einer Mastitis post partum mit Röntgenstrahlen bestrahlt wurden. Das größte Risiko besteht bei einer entsprechenden Exposition vor dem 35. Lebensjahr.
Dispositionsfaktoren
Dispositionsfaktoren
Familienanamnese: Der stärkste Dispositionsfaktor ist eine belastete Familienanamnese. So unterliegen Frauen, bei denen 2 Verwandte 1. Grades (z. B. Mutter und eine Schwester) erkrankt sind, einem ca. 10-fach erhöhten Risiko, ebenfalls an einem Mammakarzinom zu erkranken. In diesen Fällen tritt die Erkrankung meist vor dem 5. Lebensjahrzehnt ein. Ein entsprechendes Gen konnte dem Chromosom 17 zugeordnet und als BRCA 1 (breast cancer gene 1) isoliert werden. Eine Mutation dieses Gens ist bei Frauen mit einem 85 %igen Lebenszeitrisiko, an einem Mammakarzinom zu erkranken, verbunden. Ein weiteres Prädispositionsgen, das BRCA 2, ist dem Chromosom 13 zuzuordnen.
Familienanamnese: Der stärkste Dispositionsfaktor ist eine belastete Familienanamnese. So unterliegen Frauen, bei denen 2 Verwandte 1. Grades (z. B. Mutter und eine Schwester) erkrankt sind, einem ca. 10-fach erhöhten Risiko, ebenfalls an einem Mammakarzinom zu erkranken. In diesen Fällen tritt die Erkrankung meist vor dem 5. Lebensjahrzehnt ein. Etwa 5 % aller Mammakarzinome entstehen auf der Basis einer genetischen Prädisposition. Allerdings kann nur etwa bei 20 % der betroffenen Familien die kausale genetische Veränderung gefunden werden. Veränderungen der Gene BRCA-1 (Chromosom 17) und BRCA-2 (Chromosom 13) werden am häufigsten nachgewiesen (die Abkürzung BRCA steht dabei für breast cancer). Eine BRCA-1-Mutation ist mit einem ca. 80 %igen Lebenszeitrisiko verbunden, an einem Mammakarzinom zu erkranken. In geringerem Ausmaß ist ebenfalls das Erkrankungsrisiko für das Ovarialkarzinom erhöht. Bei männlichen Trägern der BRCA-1-Mutation tritt ebenfalls häufiger ein Mammakarzinom auf. Entwickelt eine Frau mit einer Mutation im BRCA-1- oder BRCA-2-Gen ein Mammakarzinom, so beträgt die Wahrscheinlichkeit eines kontralateralen Zweitkarzinoms 64 %. Bei Mutation des BRCA 2 wurde im Gegensatz zum BRCA 1 eine ausschließliche Prädisposition für das weibliche Mammakarzinom beobachtet.
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B 1.19 Brustdrüse
왘 Merke. Alle Frauen mit einem erhöhten familiären Brustkrebsrisiko sollten
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einer spezialisierten genetischen Beratung zugewiesen werden. Die klinischen Konsequenzen bei Vorliegen einer Prädisposition werden noch kontrovers diskutiert. Verbindliche Empfehlungen über molekulargenetische Untersuchungen in Vorsorgeprogrammen liegen noch nicht vor. Histologisch diagnostiziertes Risiko: Ein erhöhtes relatives Risiko an einem invasiven Mammakarzinom zu erkranken haben Frauen, bei denen bereits ein lobuläres Carcinoma in situ (LCIS) oder eine schwere atypische Hyperplasie diagnostiziert wurde.
Histologisch diagnostiziertes Risiko: Erhöhtes Risiko bei bestehendem lobulärem Carcinoma in situ (LCIS) oder schwerer atypischer Hyperplasie.
Körpergewicht, Adipositas: In Abhängigkeit vom Alter (4 50 Jahre) besteht eine strenge Korrelation zwischen Körpergewicht und Mammakarzinom. Im Alter von 60 – 70 Jahren bedeutet eine Gewichtszunahme von 60 auf 70 kg eine Erhöhung des Risikos auf das 1,8-fache.
Körpergewicht, Adipositas: In Abhängigkeit vom Alter (4 50 Jahre) besteht eine strenge Korrelation zwischen Körpergewicht und Mammakarzinom.
Menarche, Menopause: Frauen, deren Menstruation vor dem 12. Lebensjahr begonnen hat, tragen ein 2,3-faches Risiko gegenüber Frauen, deren Menarche nach diesem Zeitpunkt eingesetzt hat. Das Risiko sinkt, je später die Menstruation einsetzt. Das Risiko korreliert ebenfalls mit dem Eintritt der Menopause. Das relative Risiko beträgt bis zum 45. Lebensjahr 0,5 im Vergleich zu Patientinnen, deren Menopause nach dem 55. Lebensjahr eintritt. Demzufolge scheint das Karzinomrisiko mit einer verlängerten Östrogenstimulation einherzugehen, zumal das Risiko nach einer Ovarektomie deutlich reduziert ist.
Menarche, Menopause: Das Risiko sinkt, je später die Menstruation einsetzt und je früher die Menopause eintritt.
Mastopathie: Das Risiko der Entwicklung eines Mammakarzinoms bei bestehender Mastopathie variiert in Abhängigkeit vom histologischen Umbauvorgang (S. 661).
Mastopathie: S. 661.
Lokalisation, Häufigkeitsverteilung
Lokalisation, Häufigkeitsverteilung
Am häufigsten findet sich das Mammakarzinom im oberen äußeren Quadranten (45 – 60 %; Abb. B-1.343).
Siehe Abb. B-1.343.
왘 Merke. Bei ca. 13 % der betroffenen Frauen tritt der Tumor multizentrisch
Das Karzinomrisiko scheint mit einer verlängerten Östrogenstimulation einherzugehen.
왗 Merke
auf. In mehr als 80 % dieser Fälle befindet sich der Zweittumor hierbei im gleichen Quadranten.
Symptomatik
Symptomatik
Die Mehrzahl der Frauen mit einem Karzinom der Brust beklagt einen schmerzlosen Knoten. Dieser Knoten ist oft palpabel, immobil und scheint gegen das umliegende Gewebe, die Haut oder den M. pectoralis fixiert zu sein. Er kann auch bei der Inspektion erkennbar sein, und bei der Elevation des Armes zu Verziehungen der Brust führen. Die Konsistenz des Tumors und die Mobilität
Knoten: Oft schmerzlos, immobil und scheinbar gegen das umliegende Gewebe (Haut, M. pectoralis) fixiert.
B-1.343
Häufigkeitsverteilung von Karzinomen in den einzelnen Quadranten der weiblichen Brust
B-1.343
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Diffuser Prozess: Bei 15 % der Frauen erfolgt keine Knotenbildung. Diese Symptomatik ist vornehmlich bei jüngeren Patientinnen mit einem lobulären Karzinom zu beobachten. Die diffuse Tumorausbreitung kann zu Verziehungen, Faltenbildung und einem Schweregefühl der Brust führen.
B 1 Viszeralchirurgie
können jedoch variieren und z. B. den klinischen Befund eines Fibroadenoms vortäuschen. Schließlich sind nicht alle Karzinome schmerzlos, wobei einige Patientinnen prämenstruelle Sensationen in dem Knoten verspüren. Aus diesem Grund ist es ratsam, bei allen verdächtigen Befunden jenseits des 25. Lebensjahres eine histologische und zytologische Untersuchung vorzunehmen. 15 % der Frauen schildern einen eher diffusen Prozess in der Brust, bei dem keine Knotenbildung vorherrschend ist. Diese Symptomatik ist vornehmlich bei jüngeren Patientinnen mit einem lobulären Karzinom zu beobachten. Die diffuse Tumorausbreitung kann zu Verziehungen, Faltenbildung und einem Schweregefühl der Brust führen. Später treten Einziehungen der Mamille hinzu.
Hautveränderungen können alleiniges Symptom sein oder aber mit anderen Erscheinungsformen des Tumors einhergehen. Die „Orangenhaut“ (peau d’orange) ist Zeichen für einen fortgeschrittenen Tumor. Ursache ist eine Abflussbehinderung der Lymphbahnen, meist durch axilläre Lymphknotenmetastasen. Im Gegensatz hierzu beruht die Hautveränderung beim inflammatorischen Mammakarzinom auf einem Verschluss der kutanen Lymphbahnen durch Tumoremboli bei lymphangischer Karzinose.
Hautveränderungen können alleiniges Symptom sein oder aber mit anderen Erscheinungsformen des Tumors einhergehen. Die Faltenbildung kann dominant und Folge eines szirrhotischen Tumors des älteren Patienten sein. Die „Orangenhaut“ (peau d’orange) ist Zeichen für einen fortgeschrittenen Tumor. Ursache ist eine Abflussbehinderung der oberflächlichen Lymphbahnen, die meist durch axilläre Lymphknotenmetastasen hervorgerufen wird und zur Ödembildung der Haut führt. Im Gegensatz hierzu beruht die Hautveränderung beim inflammatorischen Mammakarzinom auf einem Verschluss der kutanen Lymphbahnen durch Tumoremboli bei lymphangischer Karzinose.
Veränderungen der Brustwarze mit Einziehungen und Verdrehungen sind nicht ungewöhnlich (Abb. B-1.334). Eine unifokale blutig tingierte Sekretion der Brustwarze weist auf ein intraduktales Karzinom hin, während eine Sekretion von Milch oder gefärbtem Sekret eher durch eine Ektasie der Milchgänge verursacht wird. Nicht selten liegen bei Diagnosestellung bereits Metastasen vor.
Veränderungen der Brustwarze mit Einziehungen und Verdrehungen sind nicht ungewöhnlich (Abb. B-1.334, Abb. B-1.344). Eine unifokale blutig tingierte Sekretion der Brustwarze weist auf ein intraduktales Karzinom hin, während eine Sekretion von Milch oder gefärbtem Sekret eher durch eine Ektasie der Milchgänge verursacht wird. Nicht selten zeigt das Mammakarzinom bereits bei Diagnosestellung Metastasen. Diese können sich in den regionalen Lymphknoten der Axilla, supraklavikulär oder als Fernmetastasen (Knochen, Leber, Lunge und Gehirn) manifestieren.
Diagnostik
Diagnostik
Siehe S. 656.
Es kommen die im Kapitel Allgemeine Diagnostik (S. 656) genannten Verfahren zum Einsatz.
Basisdiagnostik: ■ Tastuntersuchung Brüste + Lymphabflussgebiete. ■ Mammographie. ■ Sonographie. ■ Biopsie.
Basisdiagnostik: Die notwendige Basisdiagnostik bei Verdacht auf Mammakarzinom besteht aus: ■ Tastuntersuchung beider Brüste und Lymphabflussgebiete. ■ Mammographie in Standardtechnik: Als Mammographie-Standard werden Aufnahmen im kraniokaudalen und schrägen/obliquen Strahlengang angefertigt. ■ Sonographie: Sie kann wertvolle Zusatzinformationen erbringen und sollte deshalb stets additiv durchgeführt werden. ■ Histologische Verifizierung mittels Biopsie: Jede suspekte Läsion sollte durch Biopsie (z. B. Stanze) bezüglich ihrer Dignität geklärt werden. Bei nicht tastbaren Läsionen werden mammographisch basierte stereotaktische Verfahren oder ultraschallgeführte Techniken eingesetzt.
왘 Merke
Kernspintomographie: Bei Verdacht auf Multizentrizität bzw. Lokalrezidiv oder wenn die Mammographie und Sonographie nicht aussagekräftig sind.
왘 Merke. Nur die Kombination aus klinischer Untersuchung, Bildgebung und histologischer Abklärung kann bei suspekten Brustveränderungen zu einer ausreichend sicheren Abklärung führen.
Kernspintomographie: Sie hat ihren Platz bei Verdacht auf Multizentrizität, bei Verdacht auf Lokalrezidiv oder wenn die Mammographie und Sonographie nicht aussagekräftig sind (Voroperationen, Mastopathie, Implantate etc.).
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B 1.19 Brustdrüse
B-1.344
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Klinische Zeichen bei Mammakarzinom
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g
a Einziehung der Haut im oberen äußeren Quadranten rechts b Einziehung der Haut im unteren äußeren Quadranten links mit zusätzlicher dezenter Sekretion aus der Mamille c rechtsseitige Einziehung von Haut und Mamille d Plateauphänomen zwischen beiden oberen Quadranten links e Morbus Paget f linksseitiges inflammatorisches Karzinom g Patientin mit T4N3-Karzinom, Exulzeration der Haut, Vorwölbung des Tumors, Einziehung der Mamille, Schrumpfung bzw. Retraktion der gesamten rechten Brust, Lymphödem des Armes rechts
Staging-Diagnostik: Nach der Diagnose eines Karzinoms müssen alle Patientinnen hinsichtlich der lokalen und systemischen Tumorausbreitung nach dem TNM-System der UICC klassifiziert werden. Hierzu dienen zum einen die lokale Bildgebung sowie die histomorphologische Befundung und zum anderen Zusatzuntersuchungen wie: ■ Röntgen-Thorax. ■ Lebersonographie. ■ Knochenszintigraphie (bei hinreichendem Verdacht).
Staging-Diagnostik: Zur Klassifikation eines Mammakarzinoms nach dem TNM-System. Erforderliche Zusatzuntersuchungen: ■ Röntgen-Thorax. ■ Lebersonographie. ■ Knochenszintigraphie (bei Verdacht).
Eine darüber hinausgehende Diagnostik z. B. mit CT, MRT oder PET-CT orientiert sich immer an konkreten Verdachtsmomenten eines metastatischen Befalls.
Pathologisches Erscheinungsbild
Pathologisches Erscheinungsbild
Das pathologische Erscheinungsbild eines Mammatumors wird im Wesentlichen nach dem Entstehungsort des Tumors differenziert. So kann das duktale Karzinom mit Ausgang von den Milchgängen (Inzidenz 85 – 90 %) vom lobulären Karzinom der Drüsenläppchen unterschieden werden. Bei beiden Tumoren ist darüber hinaus die Unterteilung in In-situ- und invasive Typen möglich (Abb. B-1.345).
Es wird im Wesentlichen nach dem Entstehungsort des Tumors differenziert. So kann das duktale Karzinom mit Ausgang von den Milchgängen (Inzidenz 85 – 90 %) vom lobulären Karzinom der Drüsenläppchen (Inzidenz 5 – 10 %) unterschieden werden (Abb. B-1.345).
Intraduktales Karzinom (duktales Carcinoma in situ, DCIS)
Intraduktales Karzinom (duktales Carcinoma in situ, DCIS)
Das intraduktale Karzinom ist die präinvasive Form des invasiv duktalen Mammakarzinoms. Es ist durch die Proliferation malignen Milchgangepithels und die Beschränkung auf den Milchgang ohne Invasion des umgebenden Gewebes charakterisiert. Durch Einfluss moderner diagnostischer Verfahren und Screeningprogramme ist seine Inzidenz auf 15 – 20 % angestiegen. Die Karzinome werden bevorzugt im 6. Dezennium diagnostiziert und treten entweder als mikrofokaler, nicht symptomatischer und damit nur mammographisch erkennbarer oder als makroskopisch erkennbare tumorbildende oder diffuse Neoplasie auf. Unter den intraduktalen Karzinomen werden histologisch 5 Haupttypen unterschieden. Dies sind das Komedokarzinom mit zentraler Nekrose, das solide Karzinom, das kribriforme Karzinom sowie das mikropapilläre und
Das intraduktale Karzinom ist die präinvasive Form des invasiv duktalen Mammakarzinoms. Es ist durch die Proliferation malignen Milchgangepithels und die Beschränkung auf den Milchgang ohne Invasion des umgebenden Gewebes charakterisiert. Seine Inzidenz beträgt 15 – 20 %. Die Karzinome werden bevorzugt im 6. Dezennium diagnostiziert. Unter den intraduktalen Karzinomen werden histologisch 5 Haupttypen unterschieden (Komedokarzinom, solides, kribriformes, mikropapilläres und papilläres Karzinom).
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670 B-1.345
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.345
Schematische Darstellung zur Pathogenese und Topik der Mammakarzinome
papilläre Karzinom. Die Komedo- und papilläre Form sind am häufigsten und mit einem vermehrten multizentrischen Auftreten verbunden. Morbus Paget
Morbus Paget
Hierbei handelt es sich um eine intradermale Manifestation eines duktalen Mammakarzinoms, dem in 2/3 der Fälle ein intraduktales Karzinom zugrunde liegt. Klinisch kann es einem einseitigen, schuppenden Ekzem im Warzenhof ähneln.
Hierbei handelt es sich um eine intradermale Manifestation eines duktalen Mammakarzinoms, dem in 2/3 der Fälle ein intraduktales Karzinom zugrunde liegt. Klinisch kann es einem einseitigen, schuppenden Ekzem im Warzenhof ähneln. Bei Infiltration der Haut muss in 60 % mit einem axillären Lymphknotenbefall gerechnet werden.
Invasiv duktales Karzinom
Invasiv duktales Karzinom
Die vom Epithel der terminalen Gangsegmente ausgehenden Tumoren bilden mit 65 % die größte Gruppe der infiltrierend wachsenden Karzinome. Hierbei handelt es sich in 25 – 30 % um unterschiedlich differenzierbare Karzinome, die sich durch ein verändertes klinisches und prognostisches Verhalten auszeichnen. Dies sind z. B.: ■ Medulläres Karzinom. ■ Tubuläres Karzinom. ■ Muzinöses Karzinom.
Die vom Epithel der terminalen Gangsegmente ausgehenden Tumoren bilden mit 65 % die größte Gruppe der infiltrierend wachsenden Karzinome mit unterschiedlicher Differenzierung, die sich durch ein verändertes klinisches und prognostisches Verhalten auszeichnen. Dies sind z. B.: ■ Medulläres Karzinom: Es ist im Vergleich mit anderen Karzinomen wenig häufig mit Lymphknotenmetastasen verbunden und hat deshalb eine bessere Prognose. ■ Tubuläres Karzinom: Seine Prognose ist mit einer 10-Jahres-Überlebenszeit von 75 % ebenfalls günstig. ■ Muzinöses Karzinom: Diese Tumoren metastasieren wie das tubuläre Karzinom kaum in die Lymphknoten und treten vornehmlich bei älteren Frauen auf.
Eine Sonderform des invasiv duktalen Karzinoms ist das wenig differenzierte inflammatorische Mammakarzinom mit lymphangischer Karzinose, besonders des subkutanen Binde- und Fettgewebes. Die Hautveränderung beruht auf einem Verschluss der kutanen Lymphbahnen und imponiert als entzündliche Hautrötung (Abb. B-1.346). Die Inzidenz dieser Manifestation eines Mammakarzinoms liegt bei 1 – 4 %.
Eine Sonderform des invasiv duktalen Karzinoms ist das wenig differenzierte inflammatorische Mammakarzinom mit lymphangischer Karzinose, besonders des subkutanen Binde- und Fettgewebes. Die Hautveränderung beruht auf einem Verschluss der kutanen Lymphbahnen durch Tumoremboli der lymphangischen Karzinose. Sie imponiert, ähnlich einer Entzündung, als lokale oder diffuse Hautrötung bei verhärteter Brust (Abb. B-1.346). Die Inzidenz dieser Manifestation eines Mammakarzinoms liegt bei 1 – 4 %. Es tritt durchschnittlich 10 Jahre früher auf, d. h. prä- und perimenopausal, und kommt in 2 % während der Gravidität und Laktation vor. Ein bilaterales Auftreten ist möglich. Zum Zeitpunkt der Diagnose liegen in 90 % Lymphknoten- und in 45 % Fernmetastasen vor. Die Prognose ist äußerst ungünstig. Die mittlere Überlebenszeit wird unter kombinierter Therapie mit 15 – 40 Monaten angegeben.
Die Prognose ist äußerst ungünstig. Die mittlere Überlebenszeit liegt bei 15 – 40 Monaten. Lobuläres Carcinoma in situ (LCIS) Das lobuläre Carcinoma in situ geht von den Drüsenendkörpern aus. Es tritt vornehmlich prämenopausal auf. Ein LCIS ist 20 – 25 % bilateral lokalisiert. In 50 % kommt es kontralateral zu einem invasiven Karzinom. Die Diagnose wird aufgrund fehlender mammographischer Kriterien häufig zufällig gestellt.
Lobuläres Carcinoma in situ (LCIS) Das lobuläre Carcinoma in situ geht von den Drüsenendkörpern aus. Es tritt vornehmlich prämenopausal auf. Ein LCIS ist in 20 – 25 % bilateral lokalisiert. In 50 % kommt es kontralateral zu einem invasiven Karzinom. Da es keine mammographischen Kriterien aufweist, ist die Diagnose häufig ein Zufallsbefund und basiert auf der pathohistologischen Untersuchung.
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B 1.19 Brustdrüse
B-1.346
Inflammatorisches Mammakarzinom
671 B-1.346
Die Haut zeigt sich ähnlich einer Entzündung gerötet. Die Behandlung mit einer primären Chemotherapie, Operation, Nachbestrahlung und postoperativer medikamentöser Therapie ermöglichen bei einem Drittel der Patientinnen Überlebenszeiten bis zu 10 Jahren.
Invasiv lobuläres Karzinom
Invasiv lobuläres Karzinom
Dieses Karzinom macht ca. 10 % aller Mammakarzinome aus, wobei mit der gleichen Inzidenz eine duktale Komponente zu beobachten ist. Auch hier besteht die Tendenz zu einem beidseitigen Befall. Das Wachstum ist diffus infiltrativ.
Dieses Karzinom macht ca. 10 % aller Mammakarzinome aus. Auch hier besteht die Tendenz zu einem beidseitigen Befall. Das Wachstum ist diffus infiltrativ.
Prognosefaktoren
Prognosefaktoren
Prognosefaktoren lassen erkennen, mit welchem Risiko ein Wiederauftreten der Erkrankung (Rezidiv) oder eine verminderte Überlebensrate verbunden sind. Prognosefaktoren erlauben jedoch bis dato keine Beurteilung oder Vorhersage eines individuellen Krankheitsverlaufes. Es handelt sich um Wahrscheinlichkeiten, die aus großen Statistiken ermittelt werden. Um möglichst zutreffende Vorhersagen zu ermöglichen, bemüht man sich um die Kombination mehrerer Faktoren in sogenannten Indizes. Einer der relevantesten ist in Tab. B-1.87 dargestellt. Hierdurch unterscheiden sie sich von Tumormarkern, die lediglich das Vorliegen oder Wiederauftreten der Tumorerkrankung zum Zeitpunkt der Untersuchung für den Einzelfall belegen.
Prognosefaktoren lassen erkennen, mit welchem Risiko ein Wiederauftreten der Erkrankung (Rezidiv) oder eine verminderte Überlebensrate verbunden sind.
Lymphknotenstatus und Zahl der befallenen Lymphknoten: Sie stellen bisher den stärksten prognostischen Faktor dar. Die Prognose verschlechtert sich mit steigender Zahl der befallenen Lymphknoten, wobei der Grenzwert bei 3 Lymphknoten liegt.
Lymphknotenstatus und Zahl der befallenen Lymphknoten: Die Prognose verschlechtert sich mit steigender Zahl der befallenen Lymphknoten, wobei der Grenzwert bei 3 Lymphknoten liegt.
B-1.87
Nottingham-Prognose-Index (NPI)
B-1.87
Formel: NPI = Größe (in cm) × 0,2 + Punktwert Grading + Punktwert Lymphknotenstatus Punktwert für Grading (nach Elston u. Ellis 1991) G1 1 G2 2 G3 3 Punktwert für Lymphknotenstatus Lymphknoten tumorfrei 1 bis 3 Lymphknoten befallen 4 oder mehr Lymphknoten befallen
1 2 3
Indexwert (nach obiger Formel)
Prognose
5 3,41 3,41 – 5,40 4 5,40
gut intermediär schlecht
15-Jahre-Überlebensrate (Galea et al. 1992) 80 % 42 % 13 %
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672
B 1 Viszeralchirurgie
Tumorgröße und morphologische Kriterien: Nodalnegative Patientinnen, bei denen die Tumorgröße 1 cm unterschreitet, haben eine ausgezeichnete Prognose. Die 5-JahresRezidivquote liegt unter 5 %. Das histologische Grading ist eng mit der Prognose korreliert.
Tumorgröße und morphologische Kriterien: Nodalnegative (keine nachgewiesenen Lymphknotenmetastasen) Patientinnen, bei denen die Tumorgröße 1 cm unterschreitet, haben eine ausgezeichnete Prognose. Die 5-Jahres-Rezidivquote liegt unter 5 %. Das histologische Grading ist eng mit der Prognose korreliert. Eine Einschränkung erfährt diese Korrelation über die subjektive Einstufung durch den Untersucher und die Tatsache, dass ca. 60 % aller Tumoren in ein mittleres Grading (G2) eingestuft werden. Unzweifelhaft ist jedoch der Nachweis einer Lymphangiosis oder Hämangiosis mit hoher Tendenz zur Metastasierung prognostisch ungünstig.
Hormonrezeptorstatus: Der Östrogen- und Progesteronrezeptorstatus zählt zu den wichtigsten Prognosefaktoren und stellt zugleich ein Selektionskriterium für eine adjuvante endokrine Therapie dar. Die Ansprechrate auf eine Hormontherapie bei östrogenrezeptorpositiven (ER+) Karzinomen beträgt ca. 60 %. Sind neben den Östrogenauch die Progesteronrezeptoren (ER+, PgR+) positiv, erhöht sich die Ansprechrate auf annähernd 70 %.
Hormonrezeptorstatus: Zu den wichtigsten Prognosefaktoren des Mammakarzinoms zählt der Östrogen- und Progesteronrezeptorstatus, der zugleich ein Selektionskriterium für eine adjuvante endokrine Therapie darstellt. Die Ansprechrate auf eine Hormontherapie bei östrogenrezeptorpositiven (ER+) Karzinomen beträgt ca. 60 %. Sind neben den Östrogen- auch die Progesteronrezeptoren (ER+, PgR+) positiv, erhöht sich die Ansprechrate auf annähernd 70 %. Das heißt, dass 30 – 40 % der Frauen mit einem positiven Rezeptorstatus nicht auf eine Antiöstrogentherapie ansprechen. Der Nachweis erfolgt entweder biochemisch durch Radioimmunoassay oder immunhistologisch mit Erfassung der Steroidrezeptoren am Gefrierschnitt.
Neuere Prognosefaktoren: Neuere Prognosefaktoren können ggf. das Wachstum des Tumors und sein Metastasierungspotenzial charakterisieren. Zu diesen Faktoren gehören z. B. sogenannte Proliferationsmarker, molekulare Marker sowie der Nachweis okkulter Tumorzellen im Knochenmark oder peripheren Blut.
Neuere Prognosefaktoren: Neben den herkömmlichen Prognosefaktoren, die heute routinemäßig bei jedem Mammakarzinom untersucht werden müssen, gibt es neuere Prognosefaktoren, die das Wachstum des Tumors und sein Metastasierungspotenzial charakterisieren. Sollte sich der Aussagewert dieser Faktoren bestätigen, wird es möglich sein, diejenigen Patientinnen zu identifizieren, die ohne Lymphknotenmetastasen später ein Rezidiv oder Fernmetastasen ausbilden. Andererseits könnten Prognosefaktoren zu einer individualisierten, prognoseadaptierten adjuvanten Therapie beim Mammakarzinom beitragen. Zu diesen Faktoren zählen bispielsweise sogenannte Proliferationsmarker (Ki67-Markierungsgrad, S-Phase-Anteil im Histogramm), molekulare Marker (EGFRezeptor-Expression, VEGF-Rezeptor-Expression) sowie der Nachweis okkulter Tumorzellen im Knochenmark oder peripheren Blut.
Tumorausbreitung
Tumorausbreitung
Ist einmal ein Tumor nachgewiesen, kann es zu einer lokalen, regionalen oder fernen Metastasierung kommen.
Ist einmal ein Tumor nachgewiesen, kann es zu einer lokalen, regionalen oder fernen Metastasierung kommen. Hierbei besteht kein definiertes Ausdehnungsmuster. Während einige Tumoren sehr schnell in die regionalen Lymphknoten metastasieren und in der Brust keine Wachstumstendenz aufweisen, nehmen andere Tumoren lokal an Größe zu, ohne zu metastasieren.
Lokale Ausbreitung
Lokale Ausbreitung
Innerhalb der Brust sind 3 Ausbreitungsmechanismen von Bedeutung. Hierzu gehört die direkte Infiltration in das Nachbarparenchym. Des Weiteren kann die Infiltration entlang der Milchgänge erfolgen.
Innerhalb der Brust sind 3 Ausbreitungsmechanismen von Bedeutung. Hierzu gehört einerseits die direkte Infiltration in das Nachbarparenchym, das dem mikroskopischen Bild der sternförmigen Ausläufer entspricht. Unkontrolliert kommt es zur Infiltration der darüberliegenden Haut und der angrenzenden Faszie. Ein Weiterer Ausbreitungsweg besteht in der Infiltration entlang der Milchgänge, wobei nicht gesichert ist, ob es sich um die Modifikation einer „Insitu“-Erkrankung handelt. Ein ausgedehntes In-situ-Karzinom kann für die Multifokalität des Mammakarzinoms verantwortlich sein. Das multifokale Geschehen in dem gleichen Quadranten wie der Primärtumor ist vom multizentrischen Tumorwachstum außerhalb des Quadranten, in dem sich der Primärtumor befindet, zu unterscheiden. Die Inzidenz und die Ausdehnung der Multifokalität hängt von der Größe des Primärtumors ab. Diese Kenntnis ist eine wichtige Voraussetzung für die brusterhaltende Chirurgie. Von besonderer Bedeutung ist die lokale lymphatische und Gefäßausbreitung, da die Lymphbahnen sowohl gegen die Fascia pectoralis als auch den Warzenhof verlaufen.
Von besonderer Bedeutung ist die lokale lymphatische und Gefäßausbreitung, da die Lymphbahnen sowohl gegen die Fascia pectoralis als auch den Warzenhof verlaufen.
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B 1.19 Brustdrüse
673
Regionale Tumorausbreitung
Regionale Tumorausbreitung
Unter regionaler Tumorausbreitung wird die Metastasierung in die axillären, supraklavikulären und die innerhalb der Mamma gelegenen Lymphknoten verstanden. Die axillären Lymphknoten stellen die wichtigste Station der Metastasierung des Mammakarzinoms dar und sind prognostisch von großer Bedeutung. Bei Tumoren mit einem Durchmesser 5 2 cm beträgt die Inzidenz axillärer Lymphknoten 20 % und steigt auf 35 % bei einem Durchmesser 4 2 cm. In 50 % liegen axilläre Metastasen vor, wenn die Tumorgröße 5 cm überschritten hat. Hierbei gibt die palpable Größe der Lymphknoten keine Auskunft über einen möglichen Tumorbefall. Die Überlebensrate korreliert mit der Anzahl der befallenen Lymphknoten. Sowohl die Zahl der negativen als auch der positiven Lymphknoten ist von prognostischer Bedeutung (s.o.).
Unter regionaler Tumorausbreitung wird die Metastasierung in die axillären, supraklavikulären und die innerhalb der Mamma gelegenen Lymphknoten verstanden. Die axillären Lymphknoten stellen die wichtigste Station der Metastasierung des Mammakarzinoms und sind prognostisch von großer Bedeutung.
Erkrankungs-„Level“
Erkrankungs-„Level“
Wie bereits oben beschrieben, werden die axillären Lymphknoten in Beziehung zum M. pectoralis in 3 Ebenen (Levels) unterteilt. Obwohl der Befall der einzelnen axillären Lymphknotenebenen von prognostischer Bedeutung ist, hat die Anzahl der befallenen Lymphknoten eine größere Aussagekraft. Die 5-JahresÜberlebensrate beträgt bei einem Tumorbefall von Level I 65 %, bei einem Befall von Level II noch 31 % und sinkt bei einem Tumornachweis im Level III gegen 0 %. Da trotz eines Tumornachweises in Level II bei 2 % der Patientinnen kein Tumor in Level I nachgewiesen werden kann, erbringt die alleinige Entfernung der Lymphknoten im Level I u.U. keine genaue prognostische Aussage.
Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt bei einem Tumorbefall von Level I 65 %, bei einem Befall von Level II noch 31 % und sinkt bei einem Tumornachweis in Level III gegen 0 %.
Sentinel node
Sentinel node
Die Technik der Sentinel-node-Biopsie geht davon aus, dass es einen sogenannten Wächterlymphknoten für die Drainage eines bestimmten Parenchymbereiches gibt und dieser Wächterlymphknoten als erste Station eines lymphonodalen Tumorbefalles nicht übersprungen wird. D.h. bei negativem Sentinel node ist auch die übrige Axilla tumorfrei. Entwickelt hat sich die Methode aus dem Wunsch bereits vor einer systematischen Lymphadenektomie der Axilla die Frauen zu erfassen, die nodal negativ sind und somit keine axilläre Lymphadenektomie brauchen, um dieser relativ großen Gruppe die Morbidität der Axilladissektion zu ersparen. In den bisher durchgeführten und ausgewerteten Studien gingen die Grundüberlegungen des Konzeptes auf. Allerdings reichen sie für eine generelle Einführung in die klinische Routine noch nicht aus. Das Verfahren sollte deshalb bis auf Weiteres nur im Rahmen von Studien angewendet werden. Als Methode der Wahl wird heute die Injektion eines Radionuklides in Tumornähe mit anschließender Detektion des axillären Anreicherungsgebietes (sentinel node) mittels Gammasonde angesehen (Abb. B-1.347). Weitere Untersuchungen mit diesem Verfahren werden zeigen, ob es sich bei den unterschiedlichen Typen, Größen und Wachstumsformen der Karzinome bewährt.
Bei der Sentinel-node-Biopsie geht man davon aus, dass es einen „Wächterlymphknoten“ für die Drainage eines bestimmten Parenchymbereiches gibt und dieser Wächterlymphknoten als erste Station eines lymphonodalen Tumorbefalles nicht übersprungen wird (nach dieser Theorie: Negativer Sentinel node = übrige Axilla tumorfrei). Das Verfahren sollte bis auf Weiteres nur im Rahmen von Studien angewendet werden. Als Methode der Wahl gilt die Injektion eines Radionuklides in Tumornähe mit anschließender Detektion des axillären Anreicherungsgebietes (sentinel node) mittels Gammasonde (Abb. B-1.347).
Lymphknotenmetastasierung innerhalb der Mamma
Lymphknotenmetastasierung innerhalb der Mamma
Die Lymphbahnen innerhalb der Mamma drainieren im Bereich der Interkostalräume und der A. thoracica interna. Metastasen in diesen Lymphbahnen sind vornehmlich mit medial- oder periareolären Tumoren vergesellschaftet. Sie treten nur in 8 % ohne axillären Lymphknotenbefall auf, haben jedoch die gleiche prognostische Bedeutung wie die axillären Lymphknoten. Bei einem Befall beider Stationen ist die Prognose mit einer 10-Jahres-Überlebensrate von 25 % schlecht.
Sie ist vornehmlich mit medial- oder periareolären Tumoren vergesellschaftet, hat jedoch die gleiche prognostische Bedeutung wie ein Befall der axillären Lymphknoten.
Fernmetastasen
Fernmetastasen
Die Lokalisation von Fernmetastasen betrifft vornehmlich Knochen, Leber und Lunge. Auch Hirn-, Haut- und Peritonealmetastasen sind nicht ungewöhnlich.
Die Lokalisation von Fernmetastasen betrifft vornehmlich Knochen, Leber und Lunge. Auch Hirn,- Haut- und Peritonealmetastasen sind nicht ungewöhnlich.
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B 1 Viszeralchirurgie
674 B-1.347
Sentinel node
b
a
c
Im Rahmen der Sentinel-node-Biopsie erfolgt die Injektion eines Radionuklids peritumoral, dieses strömt über die regionalen Lymphbahnen ab und reichert sich in dem (oder an den) Wächterlymphknoten an. Bild a zeigt dies allerdings mit der Anreicherung von 2 nahezu gleichwertigen „Sentinel nodes“ Abbildung b zeigt die Detektion des Sentinels intraoperativ mithilfe einer sterilisierbaren Handsonde, nach Ortung des „Sentinel nodes“ wird dieser entfernt. Wie in Abbildung c dargestellt, wird dieser nach der Entfernung nochmals auf seine Signalintensität überprüft. Anschließend erfolgt die subtile histologische Untersuchung.
Der Nachweis von Mikrometastasen im Knochenmark ist bezüglich eines sinnvollen Einsatzes in der Routine noch nicht geklärt. TNM-Klassifikation (UICC)
TNM-Klassifikation (UICC)
Die klinische TNM-Klassifikation findet ihre Bedeutung für die Wahl und Beurteilung der Therapie, während die pTNM-Klassifikation (Tab. B-1.88) postoperativ erfolgt und auf der histopathologischen Untersuchung basiert. Sie erfordert die Untersuchung des Primärtumors ohne makroskopisch erkennbaren Tumorrest an den Resektionsrändern.
Die klinische TNM-Klassifikation findet ihre Bedeutung für die Wahl und Beurteilung der Therapie, während die pTNM-Klassifikation (Tab. B-1.88) postoperativ erfolgt und auf der histopathologischen Untersuchung basiert. Sie erfordert die Untersuchung des Primärtumors ohne makroskopisch erkennbaren Tumorrest an den Resektionsrändern. Eine pT-Klassifikation ist jedoch möglich, wenn mikroskopisch Tumorgewebe an den Resektionsrändern nachgewiesen wird. Liegt ein nicht invasives Wachstum vor, wird die Tumorformel mit dem Zusatz „is“ ergänzt. Liegen multiple simultane Tumoren vor, wird derjenige mit der höchsten pT-Kategorie bewertet und die Zahl der Mehrfachtumoren in Klammern angefügt, z. B. pT2 (3). Simultane bilaterale Karzinome werden separat klassifiziert. Einbeziehungen der Haut ändern mit Ausnahme der Stadien T4b und T4 d die Tumorklassifikation nicht und können auch bei den Stadien T1 – 3 vorkommen. Die pN-Kategorie erfordert eine Beurteilung der regionären Lymphknoten. Diese umfassen die ipsilateralen axillären und interpektoralen Lymphknoten, wie auch die Lymphknoten entlang der A. mammaria interna. Für eine zuverlässige Beurteilung sind für den Level I mindestens 6 und für alle 3 Ebenen mindestens 10 Lymphknoten erforderlich. Außerhalb liegende Lymphknotenmetastasen (z. B. supraklavikulär, zervikal kontralateral und retrosternal) gelten als Fernmetastasen (p)M. Die pM-Kategorie setzt eine histopathologische Identifizierung der Fernmetastase voraus.
Chirurgische Therapie
Chirurgische Therapie
Ziel der operativen Therapie des primären Mammakarzinoms ist die sichere lokale Tumorkontrolle und die Vermeidung lokaler Rezidive.
Ziel der operativen Therapie des primären Mammakarzinoms ist die sichere lokale Tumorkontrolle und die Vermeidung lokaler Rezidive. Die Operation muss so angelegt sein, dass ein möglichst gutes kosmetisches Ergebnis erzielt wird. In 2/ aller Fälle ist dies mithilfe brusterhaltender Verfahren in Kombination mit 3 einer postoperativen Bestrahlung, die dann als ein erforderlicher Anteil der Therapie zu betrachten ist, möglich.
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B 1.19 Brustdrüse
B-1.348
675
Schnittführungen bei Mammaoperationen
Eine zunehmende Rolle spielen auch neoadjuvante Therapiekonzepte, deren Einsatz jedoch nur innerhalb von Studien erfolgen sollte. Für die individualisierte, stadiengerechte Operation stehen folgende Verfahren zur Verfügung: ■ totale Mastektomie mit axillärer Lymphadenektomie ■ radikale Mastektomie ■ erweiterte radikale Mastektomie ■ modifizierte radikale Mastektomie ■ einfache totale Mastektomie ■ partielle Mastektomie (Segmentektomie) ■ Tumorektomie. Schnittführung bei Mammaoperationen: Abb. B-1.348.
Totale Mastektomie mit axillärer Lymphadenektomie
Verfahren für eine individualisierte, stadiengerechte OP: ■ totale Mastektomie mit axillärer Lymphadenektomie ■ radikale Mastektomie ■ erweiterte radikale Mastektomie ■ modifizierte radikale Mastektomie ■ einfache totale Mastektomie ■ partielle Mastektomie (Segmentektomie) ■ Tumorektomie. Schnittführung bei Mammaoperationen: Abb. B-1.348. Totale Mastektomie mit axillärer Lymphadenektomie
Hierbei handelt es sich um die vollständige Entfernung der Brustdrüse einschließlich der axillären Lymphknoten in Level I und II, sowie der Faszie des M. pectoralis major. Die totale Mastektomie mit axillärer Lymphonodektomie kommt beim resektablen Brustkrebs dann zur Anwendung, wenn ein brusterhaltendes Vorgehen nicht möglich ist oder die Patientin dieses wünscht. Sie muss von der radikalen Mastektomie, die inzwischen durch die eingeschränkte Radikaloperation weitestgehend ersetzt wurde und nur bei großen Tumoren mit Befall der Pektoralismuskulatur infrage kommt, abgegrenzt werden. Sie darf ferner nicht mit der einfachen Mastektomie, für die es nur wenig definierte Indikationen gibt, verwechselt werden (S. 677).
Hierbei handelt es sich um die vollständige Entfernung der Brustdrüse einschließlich der axillären Lymphknoten in Level I und II sowie der Faszie des M. pectoralis major. Die totale Mastektomie mit axillärer Lymphonodektomie kommt beim resektablen Brustkrebs dann zur Anwendung, wenn ein brusterhaltendes Vorgehen nicht möglich ist oder die Patientin dieses wünscht.
Operatives Vorgehen: Horizontale, spindelförmige Inzision vom Sternum bis zur vorderen, evtl. mittleren Axillarlinie. Die Inzision muss mindestens 3 cm vom Tumor entfernt liegen. Dieser Abstand kann ggf. durch Achsendrehung der Umschneidungsfigur erzielt werden. Die Präparation erfolgt nach medial bis zum Sternum, nach kranial bis an das Schlüsselbein und nach kaudal zum Ansatz des M. rectus abdominis. Die Brust wird anschließend von medial mit der Pektoralisfaszie vom entsprechenden Muskel unter Kontrolle der Blutstillung nach lateral gelöst, um anschließend die laterale Präparationsebene nach kranial bis zur V. axillaris zu vervollständigen.
Operatives Vorgehen: Horizontale, spindelförmige Inzision vom Sternum bis zur vorderen Axillarlinie. Die Inzision muss mindestens 3 cm vom Tumor entfernt liegen. Die Präparation erfolgt nach medial bis zum Sternum, nach lateral bis zur Klavikula und nach kaudal bis zum Ansatz des M. rectus abdominis. Die Brust wird dann von medial nach lateral gelöst.
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B 1 Viszeralchirurgie
676 B-1.88
pTNM-Klassifikation** der Mammatumoren (UICC 2002)
pTX pT0
Primärtumor kann nicht beurteilt werden kein Anhalt für Primärtumor
pTis
Carcinoma in situ: intraduktales Karzinom oder lobuläres Carcinoma in situ oder Morbus Paget der Mamille ohne nachweisbaren Tumor Anmerkung: Der Morbus Paget, kombiniert mit einem nachweisbaren Tumor, wird entsprechend der Größe des Tumors klassifiziert
pT1mic
Carcinoma in situ mit einem minimal invsiven Anteil von ≤ 0,1 cm
pT1
Tumor max. Durchmesser ≤ 2,0 cm a max. Durchmesser 4 0,1 cm bis 0,5 cm b max. Durchmesser 4 0,5 cm bis 1 cm c max. Durchmesser 4 1,0 cm bis 2 cm
pT2
Tumor max. Durchmesser 4 2 cm bis 5 cm
pT3
Tumor max. Durchmesser 4 5 cm
pT4
Tumor jeder Größe mit direkter Ausdehnung auf Brustwand oder Haut. Anmerkung: Die Brustwand schließt die Rippen, die Interkostalmuskeln und den vorderen Serratusmuskel mit ein, nicht aber die Pektoralismuskulatur. a mit Ausdehnung auf die Brustwand b mit Ödem (einschließlich Apfelsinenhaut), Ulzeration der Brustwand oder Satellitenmetastasen der Haut der gleichen Brust c beide obigen Kriterien (T4a und T4b) d inflammatorisches Karzinom
pNX
regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
pN0
Keine befallenen LK, isolierte Tumorzellen ≤ 200 µm
pN1mi
Mikrometastasen 4 0,2 – 2 mm
pN1a
Metastasen in 1 – 3 axillären Lymphknoten
pN1b
Mammaria-interna-Lymphknoten bei Sentinelbiopsie, klinisch nicht evident
pN1c
Metastasen in 1 – 3 axillären Lymphknoten und Mammaria-interna-Lymphknoten bei Sentinelbiopsie, klinisch nicht evident
pN2a
Metastasen in 4 – 9 axillären Lymphknoten
pN2b
Metastasen in auch klinisch erkennbaren Mammaria-interna-Lymphknoten bei fehlenden axillären Metastasen
pN3a
Metastasen in 10 der mehr axillären Lymphknoten oder Metastasen in infraklavikulären Lymphknoten
pN3b
Metastasen in klinisch evidenten Mammaria-interna-Lymphknoten bei positiven axillären Lymphknoten oder Metastasen in mehr als 3 axillären Lymphknoten und Mammaria-interna-Lymphknoten bei Sentinalbiopsie oder klinisch evidente Metastasen
pN3c
Metastasen in supraklavikulären Lymphknoten
(p)M – Fernmetastasen MX das Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden M0 keine Fernmetastasen M1 Fernmetastasen. Die Kategorie M1 kann wie folgt spezifiziert werden: Lunge PUL Knochenmark Knochen OSS Pleura Leber HEP Peritoneum Hirn BRA Haut Lymphknoten LYM andere Organe G – histologisches Grading GX Differenzierungsgrad kann nicht bestimmt werden G1 gut differenziert G2 mäßig differenziert G3 schlecht differenziert G4 undifferenziert
MAR PLE PER SKI OTH
Fortsetzung "
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B 1.19 Brustdrüse
B-1.88
677
pTNM-Klassifikation** der Mammatumoren (UICC 2002) (Fortsetzung)
Stadiendifferenzierung Stadium 0 Tis
N0
M0
Stadium I
T1
N0
M0
Stadium IIA
T0 T1 T2
N1* N1* N0
M0 M0 M0
Stadium IIB
T2 T3
N1 N0
M0 M0
Stadium IIIA
T0 T1 T2
N2 N2 N2
M0 M0 M0
Stadium IIIB
T3 T4 jedes T
N1, N2 jedes N N3
M0 M0 M0
Stadium IV
jedes T
jedes N
M1
* Die Prognose von Patienten mit pN1a ist nur wenig schlechter als bei Patienten mit pN0. ** pTNM = postoperative Ergänzung des TNM-Systems nach histologischer Untersuchung (Primärtumor, regionäre Lymphknoten, ggf. Fernmetastasen).
Zur Ausräumung der Axilla wird die V. axillaris lokalisiert und das axilläre Bindeund Fettgewebe „en bloc“ lateral von der Vene gegen die Faszie des M. latissimus dorsi und M. subscapularis nach medial und kaudal präpariert. Hierbei ist auf die Nn. thoracicus longus, thoracodorsalis und intercostobrachiales zu achten. Besteht der Verdacht auf einen Tumorbefall der Lymphknoten des Levels I und II, werden auch die infraklavikulären Lymphknoten des Levels III entfernt. Modifizierte radikale Mastektomie nach Patey
Zur Axillaausräumung wird die V. axillaris lokalisiert und das axilläre Binde- und Fettgewebe „en bloc“ nach medial und kaudal präpariert (cave: Nervenverläufe).
Modifizierte radikale Mastektomie nach Patey
Dieses Verfahren besteht in einer totalen Mastektomie mit kompletter Lymphonodektomie (Level I–III) und Entfernung des M. pectoralis minor. Es handelt sich um eine Modifikation der radikalen Mastektomie mit dem Ziel, die Thoraxkontur durch Belassen des M. pectoralis major zu erhalten. Durch Entfernung des M. pectoralis minor hat sie den Vorteil, dass die Level II und III mühelos erreicht und die interpektoralen Lymphknoten mitentfernt werden können. Das operative Vorgehen entspricht bis zur Ausräumung der Axilla dem der totalen Mastektomie mit Lymphknotenausräumung. Anschließend erfolgt die Mobilisation des M. pectoralis minor unter Schonung der Pektoralnerven, der dann an seinem Ursprung abgetragen und einschließlich der Lymphknoten entfernt wird (Abb. B-1.349).
Dieses Verfahren besteht in einer totalen Mastektomie mit kompletter Lymphonodektomie (Level I–III) und Entfernung des M. pectoralis minor. Es handelt sich um eine Modifikation der radikalen Mastektomie mit dem Ziel, die Thoraxkontur durch Belassen des M. pectoralis major zu erhalten (Abb. B-1.349).
Radikale Mastektomie nach Rotter-Halsted
Radikale Mastektomie nach Rotter-Halsted
Die totale Mastektomie mit Entfernung beider Pektoralmuskeln und vollständiger axillärer Lymphadenektomie bis zur Klavikula wurde wegen ihrer starken Verstümmelung weitestgehend verlassen. Als seltene Indikation kommen große Tumoren mit Infiltration des M. pectoralis major oder eine massive Invasion der interpektoralen Lymphknoten einschließlich einer Infiltration der Muskulatur infrage.
Die totale Mastektomie mit Entfernung beider Pektoralmuskeln und vollständiger axillärer Lymphadenektomie bis zur Klavikula wurde wegen ihrer starken Verstümmelung weitestgehend verlassen.
Totale (einfache) Mastektomie
Totale (einfache) Mastektomie
Dieses Verfahren ist als eine vollständige Entfernung der Brustdrüse ohne axilläre Lymphonodektomie unter Erhalt beider Brustmuskeln definiert (Abb. B-1.349).
Dieses Verfahren ist als eine vollständige Entfernung der Brustdrüse ohne axilläre Lymphonodektomie unter Erhalt beider Brustmuskeln definiert (Abb. B-1.349).
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B 1 Viszeralchirurgie
678 B-1.349
Modifizierte radikale Mastektomie nach Patey und totale (einfache) Mastektomie
Indikationen: ■ nicht invasive duktale oder lobuläre Karzinome, wenn lokale Exzision nicht möglich ist und kein V.a. axilläre Lymphknotenmetastasen besteht ■ Lokalrezidiv nach brusterhaltender und axillärer Lymphonodektomie ohne Fernmetastasen ■ lokale Tumorkontrolle bei fortgeschrittenem Karzinom mit Fernmetastasen ■ Inoperabilität bei allgemeinen Risikofaktoren (evtl. Lokalanästhesie) ■ prophylaktische Mastektomie der kontralateralen Seite bei hohem Risiko einer bilateralen Karzinomentstehung ■ nichtinvasive Form des Morbus Paget ■ chronische Mastitis mit schwerer Brustdeformität.
Als Indikationen ergeben sich: ■ nicht invasive duktale oder lobuläre Karzinome (Dus, Lus), wenn eine lokale Exzision aufgrund der Ausdehnung nicht möglich ist und andererseits kein Verdacht auf axilläre Lymphknotenmetastasen besteht ■ Lokalrezidiv nach brusterhaltender und axillärer Lymphonodektomie ohne Fernmetastasen ■ lokale Tumorkontrolle bei fortgeschrittenem Karzinom mit Fernmetastasen ■ Inoperabilität bei allgemeinen Risikofaktoren (evtl. Lokalanästhesie) ■ prophylaktische Mastektomie der kontralateralen Seite bei hohem Risiko einer bilateralen Karzinomentstehung ■ nicht invasive Form des Morbus Paget ■ chronische Mastitis mit schwerer Brustdeformität.
Brusterhaltende Operationen
Brusterhaltende Operationen
Bei 60 – 65 % der erkrankten Frauen liegt bereits zum Zeitpunkt der Primärtherapie eine Metastasierung vor, sodass die Mammakarzinome in diesen Fällen als systemische Erkrankung betrachtet werden müssen. Eine radikale Operationstechnik nimmt deshalb keinen korrigierenden Einfluss auf den Gesamtverlauf.
Die Erkenntnis, dass bereits zum Zeitpunkt der Primärtherapie bei 60 – 65 % der erkrankten Frauen eine Metastasierung stattgefunden hat und damit der weitere Verlauf nicht mehr durch eine radikale Operationstechnik korrigierbar ist, hat zu einem Umdenken in der Chirurgie des Brustkrebses geführt, indem Mammakarzinome bereits zum Zeitpunkt der Primärdiagnose als systemische Erkrankung betrachtet werden. Unter diesen Gesichtspunkten haben sich unter der Voraussetzung der lokalen Tumorkontrolle Therapieverfahren bis zur Organerhaltung entwickelt.
왘 Merke
Das operative Vorgehen entspricht der 1. Phase der totalen Mastektomie mit axillärer Lymphonodektomie (s.o.). Der Eingriff kann, wenn erforderlich, auch in Lokalanästhesie vorgenommen werden.
왘 Merke. Bei den brusterhaltenden Operationsverfahren ist sowohl die axil-
läre Lymphonodektomie als auch die postoperative Bestrahlung ein integraler Bestandteil der Behandlung. Der Sicherheitsabstand des Resektionsrandes zum Tumor muss mindestens 1 mm betragen. Selektionskriterien für brusterhaltende Operationsverfahren: ■ Das Ziel dieser Operationen ist neben der lokoregionalen Sanierung ein akzeptables kosmetisches Ergebnis. ■ Es darf keine Beziehung des Primärtumors zur Mamille bestehen. ■ Eine Multizentrizität muss mammographisch/sonographisch ausgeschlossen sein.
Selektionskriterien für brusterhaltende Operationsverfahren: ■ Das Ziel dieser Operationen ist neben der lokoregionalen Sanierung ein akzeptables kosmetisches Ergebnis. Grundsätzlich sollten hierfür nicht mehr als 25 % des Brustvolumens entfernt werden, da sonst mit Verstümmelungen gerechnet werden muss. ■ Es darf keine Beziehung des Primärtumors zur Mamille bestehen. ■ Eine Multizentrizität muss mammographisch/sonographisch ausgeschlossen sein.
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B 1.19 Brustdrüse
B-1.89
Kontraindikationen einer brusterhaltenden Operation bei Mammakarzinom
absolut ■ „No change“ oder „progressive disease“ bei Tumoren über 3 – 5 cm (in Abhängigkeit von der Brustgröße nach präoperativer Chemotherapie) ■ Multizentrizität ■ EIC (extensive intraduktale Komponente) bei vorhandenem invasivem Karzinom ■ ausgedehntes duktales Carcinoma in situ (DCIS) ■ inflammatorisches Mammakarzinom nach präoperativer Chemotherapie ■ Morbus Paget ■ Lokalrezidiv nach brusterhaltender Primäroperation. Trotz Erweiterung einer zunächst nicht im Gesunden erfolgten Resektion ist kein tumorfreier Resektionsrand erzielbar. ■ Ablehnung einer Strahlentherapie
■
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679 B-1.89
relativ ungünstige Tumor-, Brustgröße (in Relation zueinander) ■ Multifokalität bei zu erwartendem ungünstigen kosmetischen Ergebnis ■ retromamillärer Tumorsitz ■
Der Tumortyp sollte ein multifokales Wachstum ausschließen lassen. Kritisch zu bewerten sind Karzinome mit ausgedehnter intraduktaler Komponente, häufig bei Frauen um oder unter 35 Jahren sowie lobuläre Karzinome und Karzinome mit umgebender Lymphangiosis carcinomatosa. Die Patientin muss einer Nachbestrahlung der Brust zustimmen.
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Der Tumortyp sollte ein multifokales Wachstum ausschließen lassen. Die Patientin muss einer Nachbestrahlung der Brust zustimmen.
Zu Kontraindikationen s. Tab. B-1.89.
Zu Kontraindikationen s. Tab. B-1.89.
Zu den brusterhaltenden Verfahren gehören: ■ Quadrantektomie ■ Segmentektomie und ■ Tumorektomie.
Zu den brusterhaltenden Verfahren gehören: ■ Quadrantektomie ■ Segmentektomie und ■ Tumorektomie.
Quadrantektomie: Hierbei handelt es sich um eine „En-bloc“-Resektion des Tumors mit annähernd 1 Quadranten des Brustgewebes, der darunterliegenden Faszie des M. pectoralis major und der darüberliegenden Haut. Dieses Verfahren ist nur im Stadium T1 N0 M0 sowie bei suspekten Befunden vertretbar. Die Indikation besteht nur bei sehr kleinen (5 2 cm) Tumoren und sicher freier Achselhöhle (sentinel node). Liegt der Tumor im äußeren, oberen Quadranten erfolgt die Resektion von Tumor und axillären Lymphknoten von einem Zugang aus. In allen anderen Fällen wird die Lymphknotenexzision durch einen separaten Zugang vorgenommen (Abb. B-1.350). Im Hinblick auf das kosmetische Ergebnis in Kombination mit der erforderlichen Strahlentherapie unterliegt dieses Verfahren jedoch Einschränkungen in der Anwendung.
Quadrantektomie: Hierbei handelt es sich um eine „En-bloc“-Resektion des Tumors mit annähernd 1 Quadranten des Brustgewebes, der darunterliegenden Faszie des M. pectoralis major und der darüberliegenden Haut (Abb. B-1.350).
B-1.350
Brusterhaltende Operation: Quadrantektomie
Das Verfahren ist nur im Stadium T1 N0 M0 und bei suspekten Befunden vertretbar. Die Axilla muss sicher frei sein (Axillarevision).
B-1.350
„En-bloc“-Resektion des Tumors mit annähernd 1 Quadranten des Brustgewebes, der darunterliegenden Faszie des M. pectoralis major und der darüberliegenden Haut. Liegt der Tumor im äußeren oberen Quadranten, erfolgt vom gleichen Zugang aus die axilläre Lymphadenektomie. In allen anderen Fällen erfolgt die Lymphknotenresektion über einen separaten Zugang.
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680
B 1 Viszeralchirurgie
Der verbleibende Drüsenkörper muss zur Remodellierung der Brust erheblich mobilisiert werden. Gelegentlich sind zum Ausgleich von Asymmetrien Korrekturen der Gegenseite erforderlich. Segmentektomie, Tumorektomie (Lumpektomie): Die Segmentektomie (partielle Mastektomie) ist die Tumorentfernung mit makroskopisch tumorfreien Resektionsrändern, während die Tumorektomie die Resektionsränder nicht beachtet.
Segmentektomie, Tumorektomie (Lumpektomie): Unter Segmentektomie (partielle Mastektomie) wird die Exzision des Tumors mit makroskopisch tumorfreien Resektionsrändern verstanden, während bei der Tumorektomie eine einfache Resektion des Tumors ohne Beachtung der Resektionsränder erfolgt.
Primäre Radiochemotherapie
Primäre Radiochemotherapie
Sie erfolgt bei fortgeschrittenen Tumoren lokal oder wenn aus unterschiedlichen Gründen nicht primär operiert werden kann.
Lokal fortgeschrittene Tumoren können bei funktioneller oder technischer Inoperabilität (R0-Resektion nicht erreichbar) primär konservativ mit Radiotherapie (in Kombination mit einer Systemtherapie) behandelt werden (z. B. Tamoxifen plus Radiotherapie bei Patientinnen in höherem Lebensalter mit fortgeschrittenen hormonsensitiven Tumoren). Außerdem ist ein solches lokales Vorgehen bei Patientinnen mit primärer Metastasierung möglich. Die Frage der zusätzlichen operativen Therapie nach einer definitiven Bestrahlung muss individuell geklärt werden. Die Dosis der Strahlentherapie beträgt ca. 50 Gy im Bereich der Lymphabflusswege und 50 – 60 Gy an der Brust. Das inflammatorische Karzinom wird primär chemotherapiert. Tritt hierunter eine unzureichende Remission ein wird die sonst adjuvante Bestrahlung als präoperative Behandlung vorgezogen.
Nachbehandlung
Nachbehandlung
Anwendung finden die Radio-, Hormon- und Chemotherapie.
Für die Nachbehandlung des operierten Mammakarzinoms stehen die Radiotherapie mit Neutronen und Elektronen sowie die Hormon- und Chemotherapie zur Verfügung.
Adjuvante Radiotherapie
Adjuvante Radiotherapie
Indikationen: ■ Bestrahlung der Restbrust nach brusterhaltenden Operationsverfahren. ■ Unradikale Resektion. ■ Axillärer LK-Befall mit ≥ 4 positiven LK. ■ Inflammatorisches Karzinom. ■ pT3/T4-Karzinome. ■ Kombination ungünstiger Prognosefaktoren.
Indikationen: ■ Bestrahlung der Restbrust nach brusterhaltenden Operationsverfahren (Lumpektomie, Quadrantektomie). ■ Unradikale Resektion (R1–R2). ■ Axillärer Lymphknotenbefall mit ≥ 4 positiven Lymphknoten. ■ Inflammatorisches Karzinom. ■ pT3/T4-Karzinome. ■ Kombination ungünstiger Prognosefaktoren: – pT2-Karzinome mit einer Größe 4 3 cm; 1 – 3 positive LK; – multizentrische Tumoren – peritumorale Gefäßinvasion – Befall der Pektoralisfaszie oder Sicherheitsabstand 5 5 mm – R1- und R2-Resektion oder R0 mit Sicherheitsabstand 5 1 mm – Rezeptornegativität, G3
Kontraindikationen: Wegen der Gefahr des Lymphödems der oberen Extremität erfolgt nach Mastektomie keine routinemäßige Bestrahlung.
Kontraindikationen: Wegen der Gefahr des Lymphödems der oberen Extremität erfolgt nach Mastektomie keine routinemäßige Bestrahlung von Brustwand und ableitenden Lymphbahnen. Bei einem DCIS 5 2 cm, low grade und mindestens 10 mm Sicherheitsabstand kann nach brusterhaltender Therapie auf die Bestrahlung verzichtet werden.
Hormontherapie
Hormontherapie
Aufgrund der bekannten Hormonrezeptoren an den Tumorzellen (S. 672) bietet sich eine medikamentöse Blockade dieser Rezeptoren an. 40 % der erkrankten Frauen profitieren.
Aufgrund der bekannten Hormonrezeptoren an den Tumorzellen (S. 672) bietet sich eine medikamentöse Blockade dieser Rezeptoren an. Allerdings profitieren lediglich 40 % der erkrankten Frauen von einer Hormontherapie: Sie sollte über 5 Jahre erfolgen.
왘 Merke
왘 Merke. Bei jedem operierten Mammakarzinom ist die Rezeptoranalyse erforderlich.
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B 1.19 Brustdrüse
681
Prämenopausale Patientinnen mit positivem Hormonrezeptorstatus (HR+) erhalten eine additive Hormontherapie mit dem Antiöstrogen Tamoxifen. Für postmenopausale Frauen wird ein Aromatasehemmer (Anastrozol) empfohlen. Beim DCIS kann durch eine adjuvante Tamoxifen-Behandlung das Risiko hormonrezeptorpositiver invasiver und kontralateraler Rezidive gesenkt werden. Die endokrine Therapie sollte im Anschluss an die Chemotherapie erfolgen und kann simultan zu einer Strahlentherapie begonnen werden. Die Ausschaltung der Ovarialfunktion stellt eine wirksame adjuvante Behandlung bei prämenopausalen Patientinnen mit hormonrezeptorpositiven Mammakarzinomen dar. Bei Frauen unter 50 Jahren ist der Effekt vergleichbar mit einer Chemotherapie: Die Ovarektomie ist vergleichbar mit der Gabe von LHRH-Analoga.
Als Hormontherapie für hormonrezeptorpositive (HR+) prämenopausale Frauen wird ein Antiöstrogen (Tamoxifen) und für postmenopausale Frauen ein Aromatasehemmer (Anastrozol) empfohlen.
Chemotherapie
Chemotherapie
Ziel einer Chemotherapie ist die kurative therapeutische oder palliative Beeinflussung des Tumorwachstums, insbesondere von Fernmetastasen. Nieren- und Leberinsuffizienz, chronische Infekte und andere progrediente Tumoren stellen eine Kontraindikation zur Chemotherapie dar. Die Therapieauswahl richtet sich im Wesentlichen nach den Empfehlungen des NIH (National Institutes of Health) sowie nach den sogenannten St.-GallenEmpfehlungen (alle 2 Jahre findet dort ein Treffen eines weltweiten Expertengremiums zu aktuellen Entwicklungen in der adjuvanten Therapie des Mammakarzinoms statt, dessen Ergebnisse als Empfehlung zusammengefasst werden). Integraler Bestandteil der systemischen Therapie ist eine an den Standards orientierte optimale supportive Begleittherapie (z. B. Antiemesis, Versorgung mit Perücken etc.). Die Empfehlungen der Internationalen Konferenz zur adjuvanten Therapie des Mammakarzinoms in St. Gallen 2007 berücksichtigen Tumorgröße, Lymphknotenstatus, Grading, Rezeptorstatus, Menopausenstatus und Alter als wichtigste Faktoren zur Risikoeinstufung und dienen damit der Entscheidung über die Notwendigkeit der adjuvanten Therapie: Die Risikoeinstufung erfolgt in drei Gruppen (Tab. B-1.90). Patientinnen in der niedrigeren Risikogruppe müssen 35 Jahre oder älter sein. Das Mammakarzinom muss unter 2 cm messen, hochdifferenziert (Grading I), positiv für den Östrogenoder den Progesteronrezeptor sein, darf keine Infiltration von Venen (V0) und Lymphgefäßen (L0) zeigen und muss HER2/neu negativ sein. Darüber hinaus muss ein negativer Nodalstatus vorliegen (N0). Nur in dieser Gruppe kann auf eine systemische Therapie verzichtet werden.
Ziel einer Chemotherapie ist die kurative therapeutische oder palliative Beeinflussung des Tumorwachstums, insbesondere von Fernmetastasen.
B-1.90
Die Empfehlungen der Internationalen Konferenz zur adjuvanten Therapie des Mammakarzinoms in St. Gallen 2007 berücksichtigen Tumorgröße, Lymphknotenstatus, Grading, Rezeptorstatus, Menopausenstatus und Alter als wichtigste Faktoren zur Risikoeinstufung und dienen damit der Entscheidung über die Notwendigkeit der adjuvanten Therapie: Die Risikoeinstufung erfolgt in drei Gruppen (Tab. B-1.90).
Einteilung nach Risikokategorien beim Mammakarzinom (St. Gallen Konsensus-Konferenz von 2007)
niedriges Risiko*
pN0 pT1 G1 ER+ und/oder PR+
Alter ≥ 35 Jahre keine Hämangiosis carcinomatosa HER2/neu negativ
mittleres Risiko
pN0 ER+ und/oder PR+ sowie mindestens eine der folgenden Kriterien erfüllt: Tumor 4 2 cm oder G2/G3 oder 5 35 Jahre
oder HER2/neu positiv oder N+ (1 bis 3 Lymphknoten positiv), aber: keine Hämangiosis carcinomatosa und HER2/neu negativ
hohes Risiko
pN+ (4 oder mehr Lymphknoten positiv) oder
jede pN+ Konstellation bei Hämangiosis carcinomatosa und/oder HER2/neu positiv
* alle Kriterien müssen erfüllt sein ER = Östrogenrezeptor, PR = Progesteronrezeptor
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682
B 1 Viszeralchirurgie
Antikörpertherapie
Antikörpertherapie
Diese kann allein (Monotherapie) oder in Kombination mit Chemotherapie angewandt werden und erfolgt im Rahmen von Stadien.
Der monoklonale Antikörper Trastuzumab richtet sich gegen das Onkogen HER2-neu. Bei Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom, welche HER2-neu überexprimieren, verlängert Trastuzumab sowohl in der Monotherapie als auch in Kombination mit einer Chemotherapie die Überlebenszeit. Allerdings wird häufig über kardiale Nebenwirkungen berichtet. Die Behandlung sollte stets im Rahmen von Studien vorgenommen werden.
왘 Klinischer Fall
왘 Klinischer Fall. Eine 39-jährige Patientin bemerkt seit ca. 8 Wochen wiederholte Sekretionen aus der rechten Mamille im Abstand von 10 – 14 Tagen ohne sichtbare Beziehung zum Regelzyklus. Die Sekretmengen sind gering und teils blutig, teils serös. Die Patientin hat keine Kinder. In der klinischen Untersuchung findet sich kein tastbarer Knoten. Das sich im Rahmen der Palpation entleerende Sekret wird aufgefangen und zytologisch untersucht. Es ergibt sich kein eindeutiger Befund. Sonographisch zeigt sich im oberen äußeren Quadranten mit geringem Abstand zur Mamille ein ca. 2 cm großes inhomogenes und unscharf begrenztes Areal. Die Mammographie ergibt im zentralen Anteil des oberen äußeren Quadranten mehrere dicht aneinanderliegende Mikrokalkformationen bei gleichzeitigen unregelmäßig begrenzten Verschattungen in diesem Bereich. Das auffällige Gebiet reicht bis in den Mamillenbereich. Spikulae sind nicht eindeutig vorhanden. Es erfolgt zunächst eine stereotaktisch geführte Vakuumstanzbiopsie aus dem auffälligen Areal. Histologisch zeigt sich das Bild eines invasiv duktalen Karzinoms. Pulmonal (Rö-Lunge) und hepatisch (Sono-Leber) findet sich kein Anhalt für Metastasen. Bei relativ kleiner Brust und einem zum Teil retromamillär liegenden Tumor wird nach Aufklärung der Patientin eine Ablatio mammae mit Lymphadenektomie der Lymphknotenlevel I und II durchgeführt. Nach Sicherung der Tumorfreiheit der Schnittränder besonders in der Tiefe (Pektoralisfaszie) erfolgt in gleicher Narkose die Brustrekonstruktion mittels Latissimus-dorsi-Lappenplastik. Der endgültige histologische Befund ergibt ein invasiv duktales Mammakarzinom des Stadiums T2 (Tumordurchmesser 2,5 cm), Grad 2 mit einem Tumorbefall von 4 der 16 entfernten Lymphknoten. Neben dem invasiven Karzinom liegt eine ausgeprägte intraduktale Komponente vor. Der Tumor zeigt in der Immunhistochemie eine deutliche Positivität für den Östrogenrezeptor. Daraufhin wird der Patientin eine adjuvante Hormontherapie sowie eine adjuvante Radio-Chemotherapie empfohlen.
Rezidive
Rezidive
Das Wiederauftreten eines Karzinoms in der verbliebenen Brust nach brusterhaltendem Vorgehen oder an der Thoraxwand nach Mastektomie wird als lokales Rezidiv bezeichnet.
Als lokoregionäre Rezidive gelten Tumormanifestationen der unmittelbaren Umgebung oder im Bereich der ipsilateralen Lymphknoten. Die Metastasierung führt zu einer weiteren lymphogenen oder hämatogenen Ausbreitung.
In Abhängigkeit von der Lokalisation eines Tumorrezidivs werden lokale und lokoregionäre Rezidive und die Metastasierung unterschieden. Das Wiederauftreten eines Karzinoms in der verbliebenen Brust nach brusterhaltendem Vorgehen oder an der Thoraxwand nach Mastektomie wird als lokales Rezidiv bezeichnet. Lokale Rezidive nach Mastektomie unterschiedlicher Verfahrensweisen unterscheiden sich in ihrer prognostischen Bedeutung grundsätzlich von denen brusterhaltender Operationen. Während Lokalrezidive nach Mastektomie auf eine vorhandene oder bevorstehende allgemeine Metastasierung hinweisen, handelt es sich bei Rezidiven in der erhaltenen Brust in der Regel nur um ein lokales Phänomen, das durch lokale Maßnahmen erfolgreich behandelt werden kann (s. u.). Als lokoregionäre Rezidive gelten Tumormanifestationen der unmittelbaren Umgebung oder auch im Bereich der ipsilateralen Lymphknoten (Axilla, Supraklavikular-, Infraklavikular- und Parasternalregion). Bei der Metastasierung kommt es zu einer weiteren Ausbreitung auf sekundäre Lymphknotengebiete, Peritoneum, Pleura oder zu hämatogenen Organmetastasen.
Lokoregionäre Rezidive nach Mastektomie
Lokoregionäre Rezidive nach Mastektomie
Für das Auftreten von Lokalrezidiven sind die bekannten Prognosefaktoren ausschlaggebend. Die meisten Rezidive treten innerhalb von 2 Jahren nach Primärbehandlung auf. Das Entstehen von Metastasen wird durch eine postoperative adjuvante Radiotherapie vermindert. Während eine adjuvante Chemotherapie nur geringen Einfluss auf das Lokalrezidiv hat,
Nach radikaler Mastektomie beträgt die Inzidenz der Lokalrezidive bei nodalnegativen Frauen 3 – 8 %, bei nodalpositiven 19 – 27 %. Für das Auftreten von Lokalrezidiven sind die bekannten Prognosefaktoren (Lymphknotenstatus, Tumorgröße, Differenzierungsgrad, Tumorbefall der Haut oder Faszie, Exulzeration der Haut und Brustödem) ausschlaggebend. Die meisten Rezidive treten innerhalb von 2 Jahren nach der Primärbehandlung, 80 – 90 % nach 5 Jahren und nahezu alle in 10 Jahren auf. 50 % der Rezidive entstehen an der Thoraxwand und ca. je 10 % in der Axilla, supraklavikulär und parasternal. In 1/3 sind Brustwand und Lymphknotenregionen zugleich betroffen.
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B 1.19 Brustdrüse
B-1.351
Lokalrezidiv nach brusterhaltender Therapie
683 B-1.351
Die bestrahlungsbedingt fibrosierte und etwas stärker pigmentierte linke Brust ist zusätzlich durch ein bereits die Haut infiltrierendes, mit einer Lymphangiosis carcinomatosa einhergehendes, ausgedehntes Lokalrezidiv 18 Monate nach brusterhaltender Therapie eines invasiv duktalen Karzinoms deutlich geschrumpft.
Durch eine postoperative adjuvante Radiotherapie lässt sich die Entstehung von Rezidiven stark beeinflussen. Demgegenüber hat die adjuvante Chemotherapie nur wenig Einfluss auf die Inzidenz von Lokalrezidiven. Die adjuvante Behandlung mit einem Antiöstrogen bzw. Aromatasehemmer kann die Rate der Lokalrezidive um etwa die Hälfte senken.
kann ein Antiöstrogen bzw. Aromatasehemmer die Rate der Lokalrezidive um die Hälfte senken.
Therapie: Die Behandlung lokaler Rezidive besteht in der chirurgischen Exzision und/oder Bestrahlung. Auf diese Weise lassen sich 50 – 70 % der Lokalrezidive beherrschen. Sind neben den Lokalrezidiven auch Fernmetastasen nachgewiesen, ist eine systemische Behandlung erforderlich.
Therapie: Die Behandlung der Lokalrezidive besteht in der chirurgischen Exzision und/ oder Bestrahlung. Liegen Fernmetastasen vor, ist eine systemische Behandlung erforderlich.
Lokoregionäres Rezidiv nach brusterhaltenden Maßnahmen
Lokoregionäres Rezidiv nach brusterhaltenden Maßnahmen
Lokalrezidive in der operierten Brust können als Rezidiv des Primärtumors (echte Lokalrezidive) oder als neuer Primärtumor (Zweitkarzinom) entstehen. Rezidive von Primärtumoren sind im oder um das ehemalige Tumorbett lokalisiert und treten relativ früh auf. Zweittumoren können in allen Quadranten der Brust entstehen und treten selten in den ersten 5 Jahren nach Behandlungsabschluss auf. Ihre Inzidenz hängt von der Größe des Primärtumors und dem Ausmaß der Resektion ab (Abb. B-1.351). Die durchschnittliche Inzidenz von Lokalrezidiven nach brusterhaltender Therapie mit adjuvanter Radiotherapie beträgt 10 %.
Lokalrezidive in der operierten Brust können als Rezidiv des Primärtumors (Zweitkarzinom) entstehen. Die durchschnittliche Inzidenz von Lokalrezidiven nach brusterhaltender Therapie mit adjuvanter Radiotherapie beträgt 10 %.
Therapie: Die Therapie von Lokalrezidiven nach brusterhaltenden Maßnahmen besteht in der Regel in der Entfernung der erkrankten Brust (salvage mastectomy), die eine 5-Jahres-Überlebensrate von 45 – 70 % zur Folge hat.
Therapie: Die Therapie von Lokalrezidiven nach brusterhaltenden Maßnahmen besteht in der Regel in der Entfernung der erkrankten Brust.
왘 Klinischer Fall. Eine 47-jährige Patientin bemerkt 5 Jahre nach brusterhaltender Therapie eines invasiv duktalen Karzinoms ein zunehmendes Spannungsgefühl in der betreffenden linken Brust. Sie hat das Gefühl, dass sich der Bereich um die Voroperationsnarben deutlich verhärtet hat. Palpatorisch liegt kein eindeutig auffälliger Befund vor. Die Mammographie ergibt die bereits in den Voruntersuchungen beschriebenen Verdichtungen im Sinne narbiger Veränderungen. Im Randbereich der Verdichtungen deutet sich eine kleinschollige Mikrokalkformation an. Sonst ist der aktuelle Befund unverändert. Aus der Sonographie ergeben sich keine zusätzlichen Informationen. Die daraufhin durchgeführte MRT ergibt den dringenden Verdacht auf ein malignes Geschehen im selben Bereich. Aus der Stanzbiopsie ergibt sich ein invasiv duktales Karzinom. Hieraus ergibt sich die Notwendikeit einer Ablatio mammae, die mit einer Rekonstruktion durch Latissimus-dorsi-Lappenplastik in gleicher Sitzung kombiniert wird. Eine Lymphadenektomie der Axilla war bereits vor 5 Jahren erfolgt. Die histologische Aufarbeitung des Resektates ergibt ein 2 cm großes invasiv duktales Karzinom im Grad III, welches für Östrogen- und Progesteronrezeptor negativ ist. Es liegt am ehesten ein Zweitkarzinom vor. Der Patientin wird bei fehlendem Nachweis von Absiedlungen in der bereits operierten Axilla sowie in der Lunge und der Leber eine adjuvante Chemotherapie empfohlen.
왗 Klinischer Fall
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
684
B 1 Viszeralchirurgie
Nachsorgemaßnahmen
Nachsorgemaßnahmen
Klinische Nachsorge
Klinische Nachsorge Die Nachsorge sollte an prognostischen Faktoren und dem Alter der Patientin ausgerichtet sein (Tab. B-1.91).
Rekonstruktionsverfahren nach Mastektomie
Rekonstruktionsverfahren nach Mastektomie
Siehe hierzu auch S.1181 ff. Es stehen 2 grundsätzliche Verfahren zur Verfügung. Dies sind die autologe Rekonstruktion mit körpereigenem Gewebe und die heterologe Rekonstruktion mit körperfremdem Gewebe. Die gebräuchlichsten Verfahren sind: ■ gestielte und freie myokutane Lappenplastik (z. B. Latissimus-dorsi-, Pectoralismajor- und Rectus-abdominis-Lappen. ■ subkutane und subpektorale Implantate. ■ Gewebeexpander.
Siehe hierzu auch S. 1181 ff. Die durch Mastektomie entstandene Verstümmelung kann durch eine chirurgische Rekonstruktion soweit korrigiert werden, dass wenigstens die weibliche Körperkontur wiederhergestellt wird. Zur Wiederherstellung stehen 2 grundsätzliche Verfahren zur Verfügung. Einerseits die autologe Rekonstruktion mit körpereigenem Gewebe und andererseits die heterologe Rekonstruktion mit körperfremdem Gewebe. Zu den gebräuchlichsten Verfahren gehören: ■ gestielte und freie myokutane Lappenplastik, wie Latissimus-dorsi-, Pectoralis-major- und Rectus-abdominis-Lappen (Abb. B-1.352). ■ subkutane und subpektorale Implantate. ■ Gewebeexpander (Abb. B-1.353).
Postoperatives Lymphödem
Postoperatives Lymphödem
Als Folge einer Lymphabflussbehinderung nach operativer Axillarevision kann, insbesondere nach zusätzlicher Bestrahlung, ein Lymphödem des Arms auftreten. Therapeutisch bietet hierbei die konservative Lymphdrainage Möglichkeiten der Besserung.
Als Folge einer Lymphabflussbehinderung nach operativer Axillarevision kann, insbesondere nach zusätzlicher Bestrahlung, ein Lymphödem des Arms auftreten. Therapeutisch bietet hierbei die konservative Lymphdrainage Möglichkeiten der Besserung. Eine chirurgische Lymphdrainage bleibt extremen Lymphschwellungen vorbehalten. Schonende operative Techniken, die Vermeidung einer Bestrahlung der operierten Axilla und die postoperative Krankengymnastik haben zu einem deutlichen Rückgang des Auftretens eines Lymphödems geführt.
B-1.91
B-1.91
Nachsorgeempfehlungen für symptomfreie Frauen nach abgeschlossener Primärbehandlung einer Mammakarzinomerkrankung
Klinische Nachsorge
Nachsorge
Früherkennung
Jahre nach Primärtherapie
123
45
6 und weitere
Anamnese körperliche Untersuchung Information
alle 3 Monate
alle 6 Monate
alle 12 Monate
Selbstuntersuchung alle anderen technischen Untersuchungen einschließlich Labor und Tumormarkern (Ausnahme Mammographie, s. u.)
monatlich monatlich monatlich nur bei klinischem Verdacht auf Rezidiv und/oder Metastasen
monatliche Nachsorge Jahre nach Primärtherapie
123
ipsilaterale Brust kontralaterale Brust
nach brusterhaltender Operation alle 6 Monate alle 12 Monate
kontralaterale Brust
nach Mastektomie alle 12 Monate
4 und weitere
alle 12 Monate
alle 12 Monate
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B 1.19 Brustdrüse
B-1.352
Möglichkeiten des Einsatzes eines Latissimus-dorsi-Lappens zur Brustrekonstruktion
a
b
c
d
B-1.353
685
a Brusterhaltende Resektion eines Karzinoms mit Defektauffüllung durch Latissimus-dorsi-Lappen. b Narbe des Hebedefektes von a am Rücken. c Z.n. Mastektomie mit sekundärer Rekonstruktion, im ersten Schritt erfolgte mittels Expander eine Mobilisation der Haut, anschließend Expanderentfernung und Auffüllung des gewonnenen Raumes durch Latissimus-dorsi-Lappen. d Rekonstruierte Mamille nach Ablation und Wiederaufbau der Brust.
Patientin mit Z. n. Ablatio mammae links wegen eines Karzinoms
B-1.353
jetzt sekundärer Wiederaufbau mittels Implantat, hierzu als erster Schritt Schaffung des Implantatlagers mittels Zweikammerexpander
1.19.8 Erkrankungen der männlichen Brust
1.19.8 Erkrankungen der männlichen Brust
Gynäkomastie
Gynäkomastie
왘 Definition. Gynäkomastie ist die abnorme Größenzunahme der männlichen
왗 Definition
Brust. Sie kann physiologisch während der Pubertät und pathologisch auftreten und ist auf eine Hormonverschiebung zurückzuführen. Ätiologie: Physiologisch tritt die Gynäkomastie bei Männern in unterschiedlichen Entwicklungsstadien auf. Hierzu gehören das Neugeborene mit einem Überschuss mütterlichen Östrogens und der Adoleszent in der Pubertät. Während in diesen Stadien die Vergrößerung der Brust nur vorübergehend andauert, verbleibt sie beim älteren Patienten mit nachlassender Hormonproduktion der Hoden. Die Ursache einer pathologischen Gynäkomastie beruht am häufigsten auf dem Einfluss von Medikamenten und Drogen, die einen östrogenähnlichen oder antiandrogenen Effekt ausüben (z. B. Digitalis, Spironolacton, Methyldopa und Captopril sowie Heroin und Cannabis). Der Mechanismus dieser Wirkung ist nicht geklärt.
Ätiologie: Physiologisch tritt sie bei männlichen Neugeborenen durch einen Überschuss mütterlichen Östrogens und während der Pubertät auf. Im Alter bleibt die Gynäkomastie bei nachlassender Hormonproduktion der Hoden bestehen. Die pathologische Gynäkomastie beruht am häufigsten auf dem Einfluss von Medikamenten und Drogen, die einen östrogenähnlichen oder antiandrogenen Effekt ausüben.
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B 1 Viszeralchirurgie
686 B-1.354
a
Gynäkomastie
b
c
Gynäkomastie bei a einem jungen adipösen Mann sowie c einem älteren Mann mit Leberzirrhose. Abbildung b zeigt einen einseitigen Befund rechts, ein solcher Befund ist stets dringend karzinomverdächtig.
Hodentumoren verursachen in 10 % eine Gynäkomastie.
Auch metabolische Störungen wie die Leberzirrhose, die chronische Niereninsuffizienz und die Thyreotoxikose können mit einer Gynäkomastie einhergehen.
Durch Hypogonadismus kann ein Überwiegen der Östrogene auftreten. Als Ursache kommen eine Unterfunktion der Hoden (z. B. Leistenhoden), ein traumatischer Hodenverlust oder Virusinfektionen (z. B. Mumps) infrage. Chromosomale Veränderungen wie das Klinefelter-Syndrom, kongenitale Enzymdefekte und die kongenitale Anorchie sind sehr seltene Ursachen. Diagnostik: 50 % aller Gynäkomastien liegen pathologische oder iatrogene Ursachen zugrunde. Neben der Erfassung von Medikationen oder Drogenmissbrauch ist die Überprüfung von Leber-, Nieren- und Schilddrüsenfunktion erforderlich. Neben gezieltem Einsatz bildgebender Diagnostik können Hormonbestimmungen weiteren Aufschluss über die Ätiologie der Erkrankung geben. Differenzialdiagnostisch ist an ein Lipom, Hämangiom, Lymphangiom oder Mammakarzinom zu denken. Therapie: Wirkt sich die Vergrößerung der Brust störend aus, kann die operative Entfernung des Drüsenkörpers indiziert sein. Das Absetzen auslösender Medikamente und Drogen sowie hormonelle Behandlungen beeinflussen die manifeste Vergrößerung der Brust kaum.
Hodentumoren verursachen in 10 % eine Gynäkomastie, was prognostisch ungünstig gewertet werden kann. Diese Tumoren produzieren einerseits humanes Choriongonadotropin, das die testikuläre Produktion sowohl von Östrogen als auch von Testosteron stimuliert. Andererseits konvertiert das Tumorgewebe Androgen zu Östrogen. In seltenen Fällen können auch andere Tumoren (z. B. Bronchialkarzinom, Pankreas- und Magenkarzinom) durch die Bildung von Choriongonadotropinen zur Gynäkomastie führen. Das Gleiche gilt für Tumoren der Nebenniere, deren Androgenproduktion in Östrogen konvertiert wird. Auch metabolische Störungen, wie Leberzirrhose und die chronische Niereninsuffizienz können mit einer Gynäkomastie einhergehen. Bei der Thyreotoxikose kann bei 30 % der Männer ebenfalls eine Vergrößerung der Brust beobachtet werden. Ursächlich liegt vermutlich eine Aktivitätssteigerung der Aromatase zugrunde (die Aromatase spaltet das Testosteron in das stark wirksame Androgen Dihydrotestosteron und Östradiol). Durch Hypogonadismus kann es zu einem Überwiegen der Östrogene kommen. Als Ursache kommen eine Unterfunktion der Hoden (z. B. Leistenhoden), ein traumatischer Hodenverlust oder Virusinfektionen (z. B. Mumps) infrage. Chromosomale Veränderungen wie das Klinefelter-Syndrom, kongenitale Enzymdefekte und die kongenitale Anorchie sind sehr seltene Ursachen.
Diagnostik: Die pubertäre Gynäkomastie bedarf keiner weiteren Abklärung. In 50 % der Gynäkomastien liegt jedoch eine pathologische oder iatrogene Ursache zugrunde. Neben der Erhebung bestehender Medikationen ist die Überprüfung von Leber-, Nieren- und Schilddrüsenfunktion angezeigt. Bei Patienten unter 40 Jahren sollten die Hoden auf Atrophie oder tumoröse Veränderungen mit dem Ultraschall untersucht werden. Neben der Röntgenkontrolle des Thorax können gezielte Hormonbestimmungen weiteren Aufschluss über die Ätiologie der Erkrankung geben. Differenzialdiagnostisch ist an ein Lipom, Hämangiom oder Lymphangiom zu denken. Beim über 40-jährigen Patienten auch an ein Mammakarzinom (s. u.). Therapie: Wirkt sich die Gynäkomastie nicht störend aus, ist keine Behandlung erforderlich. Das Absetzen auslösender Medikamente oder Drogen sowie auch eine hormonelle Behandlung beeinflussen die manifeste Vergrößerung der Brust kaum. Als kosmetische Behandlung kann die operative Entfernung des Drüsenkörpers indiziert sein. Die subkutane Mastektomie erfolgt durch Zirkumzision des Warzenhofes mit anschließender Entfernung des Drüsenkörpers.
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B 1.19 Brustdrüse
Karzinom der männlichen Brust
687 Karzinom der männlichen Brust
왘 Definition. Das Mammakarzinom des Mannes ist sehr selten und macht ca. 1 %
왗 Definition
derartiger Tumoren aus. Ätiologie: Der Entstehung des Mammakarzinoms wird eine hormonale Basis mit erhöhten Serumöstrogenwerten zugrunde gelegt. Eine weitere Korrelation besteht zur Adipositas, die mit einer vermehrten Aromataseaktivität einhergeht und damit vermehrt adrenales Androgen zu Östrogen umwandelt. Nicht ungewöhnlich ist das Auftreten des Karzinoms im Rahmen eines KlinefelterSyndroms, das mit einer Hodenatrophie verbunden ist. Obwohl diese Hormonverschiebungen auch für die Gynäkomastie verantwortlich gemacht werden, ist diese nicht mit einer erhöhten Inzidenz von malignen Tumoren behaftet. Im Rahmen einer familiären Disposition ist bei Nachweis einer BRCA-1-Mutation (S. 666) mit einer erhöhten Karzinominzidenz beim Mann zu rechnen.
Ätiologie: Der Entstehung des Mammakarzinoms wird eine hormonale Basis mit erhöhten Serumöstrogenwerten zugrunde gelegt. Eine weitere Korrelation besteht zur Adipositas, die mit einer vermehrten Aromataseaktivität einhergeht und damit vermehrt adrenales Androgen zu Östrogen umwandelt.
Klinik (Abb. B-1.355): 75 % der betroffenen Patienten zeigen eine Vergrößerung der Brust, während bei den anderen Patienten eine blutige Sekretion aus der Brustwarze, eine Einziehung der Mamille, Ulzerationen oder eine axilläre Lymphadenopathie zu beobachten ist. Das Karzinom wird in der Regel, vermutlich durch seine Seltenheit, spät diagnostiziert. Andererseits entstehen die Karzinome meistens unterhalb der Brustwarze und sind so erst verzögert diagnostizierbar. Durch ihre nahe anatomische Lage zu Haut und Muskulatur sind diese Strukturen oft infiltriert und zum Zeitpunkt der Diagnose bereits axilläre Lymphknoten vorhanden.
Klinik (Abb. B-1.355): 75 % der betroffenen Patienten zeigen eine Vergrößerung der Brust, während bei den anderen Patienten eine blutige Sekretion aus der Brustwarze, eine Einziehung der Mamille, Ulzerationen oder eine axilläre Lymphadenopathie zu beobachten ist.
Histopathologie: Bei den männlichen Mammakarzinomen dominiert das duktale Adenokarzinom. Papilläre Tumoren sind ungewöhnlich, treten jedoch häufiger als bei Frauen auf. Im Gegensatz zum weiblichen Mammakarzinom sind die Tumoren beim Mann in 80 % östrogenrezeptorpositiv, was Konsequenzen für die Behandlung hat.
Histopathologie: Bei den männlichen Mammakarzinomen dominiert das duktale Adenokarzinom. Im Gegensatz zum weiblichen Mammakarzinom sind die Tumoren beim Mann in 80 % östrogenrezeptorpositiv, was Konsequenzen für die Behandlung hat.
B-1.355
a
d
Im Rahmen einer familiären Disposition ist bei Nachweis einer BRCA-1-Mutation (S. 666) mit einer erhöhten Karzinominzidenz beim Mann zu rechnen.
Mammakarzinom beim Mann
b
c
a Dezente Einziehung am Unterrand der Mamille. b Offene PE aus dem Tumor. c Nach Sicherung der Karzinomdiagnose im Schnellschnitt Ablatio mit Lymphadenektomie der Axilla Level I + II. d Resektat.
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B 1 Viszeralchirurgie
688 왘 Merke
왘 Merke. Bei der Beurteilung der histologischen Diagnose muss beachtet werden, dass Metastasen eines Prostatakarzinoms histologisch nur schwer vom männlichen Mammakarzinom zu unterscheiden sind und immunhistochemische Untersuchungen erforderlich werden können.
Therapie: Die Nähe des Karzinoms zu Haut und Brustwand sowie der frühe axilläre Lymphknotenbefall macht eine radikale oder modifiziert radikale Mastektomie erforderlich, da die einfache Mastektomie mit einer hohen Rezidivrate verbunden ist. Orchidektomie, die Gabe von Tamoxifen und Antiandrogenen oder eine Chemotherapie sind weitere Behandlungsmöglichkeiten.
Therapie: Die Nähe des Karzinoms zu Haut und Brustwand sowie der frühe axilläre Lymphknotenbefall macht eine radikale oder modifiziert radikale Mastektomie (Abb. B-1.349, S. 678) erforderlich, da die einfache Mastektomie mit einer hohen Rezidivrate verbunden ist. Bei der Seltenheit des Tumors liegen keine Erfahrungen über andere Behandlungsmodalitäten vor. Allerdings sprechen 50 % der Patienten mit einer metastasierenden Erkrankung für durchschnittlich 2 Jahre auf eine Orchidektomie an. Darüber hinaus konnte das Karzinom durch die Gabe von Tamoxifen und Antiandrogenen beeinflusst werden. Zahlreiche Patienten sprechen auf eine Chemotherapie an.
Prognose: Die Prognose ist schlecht und korreliert mit dem Tumorstadium. Ca. 50 % der erkrankten Patienten versterben innerhalb von 5 Jahren nach Diagnosestellung.
Prognose: Die Prognose ist schlecht und korreliert mit dem Tumorstadium. Ca. 50 % der erkrankten Patienten versterben innerhalb von 5 Jahren nach Diagnosestellung. Sind keine axillären Lymphknoten befallen, ist in 80 % mit einer 5-Jahres-Überlebensrate zu rechnen.
1.20
1.20 Bauchwand (Hernien)
Bauchwand (Hernien)
Ilka Vogel
1.20.1 Allgemeines
1.20.1 Allgemeines
왘 Definition
왘 Definition. Hernien sind Ausstülpungen des Peritoneums durch angeborene und erworbene Lücken (Bruchlücken).
Einteilung
Einteilung
Bei jeder Hernie kann unterschieden werden zwischen: ■ dem Bruchsack, ■ dem Hals und ■ dem Fundus (Abb. B-1.356 a).
Die Bezeichnung einer Hernie richtet sich nach der Lokalisation der Bruchpforte. Bei jeder Hernie unterscheidet man (Abb. B-1.356 a): ■ Bruchsack: Der Bruchsack besteht aus Peritoneum. ■ Bruchhals: Er liegt in der Bruchpforte. ■ Fundus: Er beinhaltet die prolabierten Organteile.
Mögliche Lokalisationen für Bruchlücken sind Bauchdecke, Zwerchfell, Beckenboden, Rückenmuskulatur oder der intraabdominelle Raum.
Mögliche Lokalisationen für Bruchlücken sind die Bauchdecke, das Zwerchfell, der Beckenboden, die Rückenmuskulatur oder der intraabdominelle Raum.
B-1.356
Bruchformen
a Bestandteile Hernie (ohne Inhalt).
b Hernie (mit Darminhalt).
c Gleithernie (Gleitbruch).
d Prolaps.
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B 1.20 Bauchwand (Hernien)
689
Von äußeren Hernien spricht man, wenn diese durch Lücken (Bruchpforten) in der Bauchwand austreten (Abb. B-1.356 b), bei inneren Hernien liegt die Bruchpforte im Abdomen. Angeborene Hernien (Hernia congenita) entstehen dort, wo eine kongenital nicht rückgebildete Peritonealausstülpung vorliegt. Im Gegensatz dazu steht die erworbene Hernie (Hernia acquisata), die durch erweiterte präformierte Lücken austritt.
Äußere Hernien (Abb. B-1.356 b) treten durch Bauchwandlücken aus, während bei inneren Hernien die Bruchpforte im Abdomen liegt. Angeborene Hernien entstehen im Bereich (kongenital) nicht rückgebildeter Peritonealausstülpungen. Erworbene Hernien treten durch erweiterte präformierte Lücken aus.
Spezielle Bruchformen
Spezielle Bruchformen
Ein Gleitbruch liegt vor, wenn Eingeweide einen Teil des Bruchsacks bilden. Dies ist nur bei retroperitoneal liegenden Organen möglich (z. B. Sigma, Zökum, Blase) (Abb. B-1.356 c). Sind diese Organe in Bruchlückennähe lokalisiert, können sie bei Lösung der retroperitonealen Fixation durch die Bruchpforte treten. Beim Prolaps fehlt die peritoneale Auskleidung, die intraabdominellen Organe zwängen sich durch eine Peritoneallücke, die z. B. durch eine Verletzung oder eine Operation entstanden ist (Abb. B-1.356 d). Bei der Eventerationshernie liegt ein großer Teil der intraabdominellen Organe im Bruchsack. Die Reposition kann schwierig oder unmöglich sein, wenn im Bauchraum kein ausreichender Platz zur Verfügung steht.
Beim Gleitbruch bildet der Bruchinhalt einen Teil des Bruchsacks (nur bei retroperitoneal liegenden Organen möglich) (Abb. B-1.356 c).
Bei der Eventerationshernie liegt ein großer Teil der intraabdominellen Organe im Bruchsack.
Epidemiologie, Ätiologie und Pathogenese
Epidemiologie, Ätiologie und Pathogenese
Epidemiologie: Hernien treten bei 2 – 4 % der europäischen Bevölkerung auf; innerhalb der Weltbevölkerung liegt die Inzidenz bei einigen ethnischen Gruppen aus ungeklärten Gründen deutlich höher. In Europa entfallen 95 % auf äußere Hernien, ca. 3/4 von ihnen sind Leistenhernien, davon wiederum 2/3 indirekte und 1/3 direkte.
Epidemiologie: Hernien treten bei 2 – 4 % der europäischen Bevölkerung auf.
Ätiologie und Pathogenese: Die Entstehung der Hernien wird durch einen erhöhten intraabdominellen Druck begünstigt, wie er z. B. während der Schwangerschaft oder bei Aszites auftritt. Auch häufiger Einsatz der Bauchpresse bei Obstipation oder Prostatahyperplasie mit Blasenentleerungstörung, intraabdominellen Tumoren bzw. eine traumatische Schädigung der Bauchwand können für die Entwicklung einer Hernie mitverantwortlich sein.
Ätiologie und Pathogenese: Erhöhter intraabdomineller Druck begünstigt die Ausbildung von Hernien. Dies kann z. B. bei Schwangerschaft, Aszites, Obstipation, Prostatahyperplasie und intraabdominellen Tumoren der Fall sein.
왘 Merke. Als Symptom einer Erkrankung im Bauchraum wird eine Hernie als
Beim Prolaps fehlt die peritoneale Auskleidung, die Organe zwängen sich durch Peritoneallücken (Abb. B-1.356 d).
왗 Merke
„symptomatische Hernie“ bezeichnet.
Klinik
Klinik
Als erstes Symptom macht sich regelmäßig im Bereich der Bruchpforte ein ziehender oder stechender Schmerz bemerkbar, der in die Umgebung ausstrahlen kann. Er verstärkt sich meist beim Durchtritt der Organteile durch die Bruchpforte. Zugleich fällt eine Vorwölbung auf, die durch den Organprolaps verursacht wird. Bei der reponiblen Hernie verschwindet diese Vorwölbung unter Druckentlastung des Bauchraums spontan oder lässt sich von außen vollständig zurückdrängen. Ist die Reposition nicht möglich, liegt eine Einklemmung (Inkarzeration) vor, und man spricht von einer irreponiblen Hernie. Die Inkarzeration verursacht eine zunehmende schmerzhafte und gerötete Vorwölbung und kann mit einer peritonealen Reizung der Umgebung einhergehen. Beim Einklemmen von Darmanteilen kommen abdominelle Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Verdauungsprobleme und ggf. eine Ileussituation hinzu.
Typisch ist ein ziehender oder stechender Schmerz im Bereich der Bruchpforte, der in die Umgebung ausstrahlen kann.
Diagnostik
Diagnostik
Die Diagnose der äußeren Hernie wird durch die klinische Untersuchung gestellt. Innere Hernien ergeben sich häufig erst als Befund bei der explorativen Laparotomie, wenn sie nicht vorher durch radiologische Verfahren diagnostiziert worden sind.
Die Diagnose der äußeren Hernie wird durch die klinische Untersuchung gestellt: Inspektion, Palpation, Auskultation, ggf. Diaphanoskopie.
Die reponible Hernie lässt sich nach intraabdominell zurückdrängen. Ist die Reposition nicht möglich, liegt eine irreponible Hernie vor. Die Inkarzeration führt zu einer schmerzhaften und geröteten Vorwölbung. Eingeklemmte Darmanteile führen zu Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen und ggf. Ileus.
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690
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Inspektion: Asymmetrische Vorwölbungen, Hautveränderungen und Hautrötungen? Palpation: Nach der Lokalisation werden die Größe der Bruchpforte, der Bruchkanal, der Inhalt des Bruchsacks sowie die Reponierbarkeit palpiert.
B 1 Viszeralchirurgie
Die klinische Untersuchung besteht aus Inspektion, Palpation der Bruchvorwölbung und Bruchpforte, Auskultation sowie ggf. Diaphanoskopie (Durchleuchtung mit starker Lichtquelle). ■ Inspektion: Bei der Inspektion sollte besonders auf asymmetrische Vorwölbungen, Hautveränderungen und Hautrötungen geachtet werden. Durch die Aufforderung zum Pressen oder Aufrichten aus der Rückenlage lassen sich vorher nicht sichtbare Brüche u.U. verdeutlichen. ■ Palpation: Die Suche nach dem Bruch hat sich auf alle häufigen Bruchpforten zu erstrecken. Dazu gehören folgende anatomische Regionen: – Innerer und äußerer Leistenring: Leistenhernie (S. 695). – Große Beingefäße (insbesondere die mediale Seite): Schenkelhernie (S. 702) – Nabelbereich: Nabelhernie (S. 693). – Linea alba: Epigastrische Hernie (S. 693). – Lumbalregion: Lumbalhernie (S. 703). – Linea semilunaris: Spieghel-Hernie (S. 703). Nach der Lokalisation werden die Größe der Bruchpforte, der Bruchkanal, der Inhalt des Bruchsacks sowie die Reponierbarkeit palpiert. Entweder befindet sich der Bruch in einem reponierten Zustand (spontan oder durch den Patienten selbst), lässt sich reponieren oder ist nicht zurückzudrängen (inkarzeriert).
왘 Merke
왘 Merke. Bei reponiertem oder reponierbarem Bruch besteht eine relative, im
Fall der Inkarzeration immer eine dringende Operationsindikation. ■
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Auskultation: Im Bruchsack liegende Darmanteile lassen sich z. T. auskultieren.
Diaphanoskopie: Sie dient der Differenzierung zwischen Leistenbruch und Hydrozele (Durchleuchtung des Skrotums von dorsal).
Sonographie: Unterscheidung zwischen flüssigen und soliden Strukturen.
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Auskultation: Liegen große Brüche vor, gelingt es aufgrund der Darmgeräusche häufig, Darmanteile im Bruchsack zu identifizieren. Bei Inkarzerationen lässt sich durch Auskultation die Peristaltik des gesamten Abdomens beurteilen. Diaphanoskopie: Sie dient der Differenzierung zwischen Leistenbruch und Hydrozele; dazu wird das Skrotum von dorsal durchleuchtet. Findet sich neben dem Hoden eine durchsichtige Raumforderung, handelt es sich meistens um eine Hydrozele. Von einem Leistenbruch ist auszugehen, wenn die Raumforderung wenig transparent erscheint oder sich sogar Darmwand zeigt. Sonographie: Diese Untersuchungsmethode gestattet insbesondere in der Leistenregion die Unterscheidung zwischen flüssigen (echoarmen, z. B. Zysten, Abszesse) und soliden (echoreichen, z. B. Lymphknoten) Strukturen.
Komplikationen
Komplikationen
Inkarzeration
Inkarzeration
Die komplette Inkarzeration eines Darmabschnitts ist die schwerste Komplikation einer Hernie; sie kann zu einem Ileus, Darmgangrän und/oder Perforation mit Peritonitis führen.
Die schwerwiegendste Komplikation einer Hernie ist die komplette Inkarzeration eines Darmabschnitts. Die Einklemmung führt zunächst zu einer venösen Stauung, dann über ein Darmwandödem und eine arterielle Durchblutungsstörung zur Darmgangrän. Folge einer länger bestehenden Inkarzeration ist der Ileus. Im weiteren Verlauf kann eine Darmperforation mit Peritonitis die Folge sein; hier kann sich das klinische Bild eines septischen Schocks entwickeln.
Formen, Ursachen: ■ Koteinklemmung: Eine prolabierte Darmschlinge kann bei zunehmendem Darminhalt inkarzerieren.
Formen, Ursachen: ■ Koteinklemmung: Eine prolabierte Darmschlinge kann bei zunehmendem Darminhalt mit Gasentwicklung inkarzerieren (Abb. B-1.357 a).
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Elastische Einklemmung: In den Bruchsack gelangter Darm gleitet trotz Nachlassens des intraabdominellen Drucks nicht zurück. Retrograde Einklemmung: Werden Dünndarm und Mesenterium mehrfach geknickt, kann eine intraabdominell liegende Schlinge inkarzerieren.
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Elastische Einklemmung: In den Bruchsack unter Betätigung der Bauchpresse gelangter Darm gleitet trotz Nachlassens des intraabdominellen Drucks nicht zurück (Abb. B-1.357 b). Retrograde Einklemmung: Infolge mehrfacher Knickungen des Dünndarms und seines Mesenteriums kann eine intraabdominell liegende Dünndarmschlinge inkarzerieren (Abb. B-1.357 c).
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B 1.20 Bauchwand (Hernien)
B-1.357
691
Formen der Hernieninkarzeration
Netzeinklemmung: ein Teil des Omentum majus inkarzeriert im Bruchring. Pseudoeinklemmung: abdominelle Erkrankungen können die Inkarzeration einer bestehenden Hernie vortäuschen.
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Darmwandinkarzeration (Richter-/Littré-Hernie): Im Gegensatz zur kompletten Hernie ist nicht ein Darmteil mit Mesenterium, sondern nur ein Darmwandanteil im Bruchsack eingeklemmt, sodass die Passage erhalten bleibt. Dies birgt die Gefahr der verspäteten Diagnose einer lokalen Darmischämie (Abb. B-1.357 d) in sich. Netzeinklemmung: Ein Teil des Omentum majus inkarzeriert im Bruchring. Klinisch liegt meist nur ein lokaler Druckschmerz vor. Übelkeit, Erbrechen oder andere abdominelle Symptome treten selten auf. Erst bei Nekrose eines eingeklemmten Netzteils kann aufgrund der peritonealen Reizung reflektorisch ein paralytischer Ileus entstehen. Pseudoeinklemmung: Andere abdominelle Erkrankungen (z. B. Appendizitis, Pankreatitis, Ulkusperforation) können die Inkarzeration einer Hernie vortäuschen.
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Darmwandinkarzeration (Richter-/ Littré-Hernie): Lediglich ein Darmwandanteil ist inkarzeriert mit der Gefahr einer lokalen Darmischämie. Netzeinklemmung: Ein Teil des Omentum majus inkarzeriert im Bruchring. Bei Nekrose von Netzanteilen kann reflektorisch ein paralytischer Ileus eintreten. Pseudoeinklemmung: Abdominelle Erkrankungen können die Inkarzeration einer Hernie vortäuschen.
Bruchentzündung
Bruchentzündung
Bei der Bruchentzündung handelt es sich um eine durch Trauma, Reposition oder andere lokale Ereignisse (z. B. Appendizitis) ausgelöste entzündliche Reaktion des Bruchsacks. Klinisch bestehen die klassischen Entzündungszeichen: Schwellung, Rötung, Überwärmung, Schmerz. Spontanperforationen des Bruchsacks sind möglich.
Bei der Bruchentzündung (ausgelöst u. a. durch Trauma, Reposition, lokale Ereignisse) bestehen die klassischen Entzündungszeichen. Spontanperforation ist möglich.
Therapie
Therapie
왘 Merke: ■
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왗 Merke
Ein dauerhafter Behandlungserfolg ist nur durch den operativen Bruchlückenverschluss zu erreichen. Die Behandlung mit einem Bruchband ist wegen der deutlichen Verbesserung der Narkoseverfahren, insbesondere der Möglichkeit der Spinalanästhesie und Lokalanästhesie, obsolet. Jede Inkarzeration sollte umgehend ohne zeitliche Verzögerung beseitigt werden. Die manuelle Reposition (Taxis) sollte zur Vermeidung von Komplikationen nur bei entspannten Bauchdecken durchgeführt werden; notfalls ist der Einsatz von Analgetika und/oder Spasmolytika indiziert. Tipp: Oft ist eine ausreichende Entspannung des Patienten durch ein ablenkendes Gespräch zu erreichen. Massive Repositionsversuche sind zu unterlassen.
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692
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.358
B-1.358
Repositionsergebnisse
a Gelungene Reposition.
b Reposition en bloc.
c Pseudoreposition.
Reposition
Reposition
Bei der Reposition wird der Bruchsackinhalt mit beiden Händen unter massierenden Bewegungen durch den Bruchring zurückgedrängt. Bei länger bestehender Inkarzeration können nach massiven Repositionsversuchen folgende Komplikationen auftreten: ■ Reposition von nekrotischem Darm ■ Darmperforation ■ Reposition en bloc ■ Pseudoreposition.
Bei der Reposition wird der Bruchsackinhalt mit beiden Händen in Richtung auf den vorher lokalisierten Bruchring zurückgedrängt, wobei eine Hand den Bruchsackhals umfasst und die andere versucht, durch langsame, massierende Bewegungen den Bruchsackinhalt durch den Bruchring zu drücken. Bei länger bestehender Inkarzeration können nach massiven Repositionsversuchen folgende Komplikationen auftreten: ■ Reposition von nekrotischem Darm. ■ Darmperforation. ■ Reposition en bloc: Die Inkarzeration wird nur scheinbar behoben, die Darmschlinge bleibt im Bruchring inkarzeriert (Abb. B-1.358 b). ■ Pseudoreposition: Hierbei handelt es sich um einen Ausriss des peritonealen Bruchrings, die Darmschlinge bleibt weiterhin inkarzeriert (Abb. B-1.358 c).
Operative Therapie
Operative Therapie
왘 Merke
왘 Merke: ■
■
Die Operation beginnt mit der Darstellung des Bruchsacks. Erholt sich der vorher eingeklemmte Darmabschnitt nach Reposition zügig, kann die Bruchlücke verschlossen werden, ansonsten ggf. Resektion des Darmabschnitts. 왘 Klinischer Fall
Nach gelungener Reposition (Abb. B-1.358 a) sollte die operative Versorgung elektiv in den nächsten Tagen erfolgen; in der Zwischenzeit ist die stationäre Behandlung des Patienten erforderlich, um rechtzeitig Komplikationen erkennen zu können. Bei Unmöglichkeit der Reposition oder dem Verdacht einer unzureichenden Reposition ist der sofortige operative Eingriff indiziert (Abb. B-1.359).
Die Operation beginnt mit der Darstellung des Bruchsacks und der Beurteilung seines Inhalts. Erholt sich der vorher eingeklemmte Darmabschnitt nach Reposition zügig, kann die Bruchlücke verschlossen werden. Bei persistierender livider Verfärbung des Darms oder seiner Perforation kommt die Resektion des entsprechenden Darmabschnitts in Betracht; dabei wird manchmal ein weiterer abdomineller Zugang erforderlich. 왘 Klinischer Fall. Ein 50-jähriger adipöser Patient hat seit mehreren Wochen eine Schwellung im Bereich des Nabels bemerkt, die an Größe in den letzten Tagen etwas zugenommen hatte. Seit einem Tag seien zusätzlich Schmerzen im Nabelbereich sowie eine deutliche Rötung hinzugetreten, außerdem hatte der Patient wiederholt erbrochen. Durch den Hausarzt wurde der Patient unter der Diagnose einer inkarzerierten Nabelhernie eingewiesen. In der Klinik erfolgte der Versuch einer Reposition, die erst nach wiederholten Versuchen gelang. Der Patient wurde zur Beobachtung und späteren elektiven Operation stationär aufgenommen. Einige Stunden später klagte er über zunehmende Bauchschmerzen und Übelkeit. Bei der Untersuchung fand sich eine deutliche Abwehrspannung im Bereich des Mittelbauches sowie hochgestellte Peristaltik; die Indikation zur Operation wurde gestellt. Intraoperativ zeigte sich eine Reposition en bloc, der inkarzerierte Dünndarm erholte sich intraoperativ schnell, sodass von einer Resektion abgesehen werden konnte.
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B 1.20 Bauchwand (Hernien)
B-1.359
Klinisches Vorgehen bei Hernien
693 B-1.359
1.20.2 Hernien der vorderen Bauchwand
1.20.2 Hernien der vorderen Bauchwand
Nabelschnurbruch
Nabelschnurbruch
왘 Definition. Der Nabelschnurbruch (Omphalozele, Tab. B-1.92) ist eine kon-
왗 Definition
genitale Hemmungsmissbildung; dabei zieht sich die im extraembryonalen Zölom entwickelte Darmschleife nicht in die Bauchhöhle zurück (S. 1060).
Nabelbruch 왘 Definition. Der Nabel ist eine natürliche Bruchlücke. Die Bruchpforte bildet
Nabelbruch 왗 Definition
der Anulus umbilicalis (Tab. B-1.92). Ätiologie: Im Erwachsenenalter sind von dieser Bruchform bevorzugt Frauen betroffen. Prädisponierende Faktoren sind Adipositas, Gravidität, starke körperliche Belastung und Aszites.
Ätiologie: Prädisponierende Faktoren sind: Adipositas, Gravidität, starke körperliche Belastung, Aszites.
Klinik: Klinisch bestehen meist lokalisierte Schmerzen im Nabelbereich, oft mit Schwellung und Rötung des Nabels. Ist der Bruchsack nur sehr klein, sind häufig Netzteile darin enthalten, bei größeren Brüchen meist auch Dünn- oder Dickdarmschlingen. Nabelhernien sind in aller Regel wegen Verwachsungen und Adhäsionen schwer reponierbar.
Klinik: Klinisch bestehen meist lokalisierte Schmerzen im Nabelbereich, oft mit Schwellung und Rötung des Nabels. Nabelhernien sind in aller Regel wegen Verwachsungen und Adhäsionen schwer reponierbar.
Therapie: Nabelhernien im Kindesalter verschließen sich in der Regel spontan (S. 1081). Nabelhernien im Erwachsenenalter sollten operativ versorgt werden. Bei Patienten mit ausgeprägtem Aszites oder hohem Operationsrisiko muss im Einzelfall je nach Beschwerdesymptomatik entschieden werden. Intraoperativ wird der Bruchsack von der Nabelhaut abgelöst, entfernt und die Bruchpforte durch Fasziendopplung der Rektusscheide verschlossen.
Therapie: Nabelhernien im Kindesalter verschließen sich in der Regel spontan (S.1081). Nabelhernien im Erwachsenenalter sollten operativ versorgt werden.
Epigastrische Hernie 왘 Definition. Die Bruchpforte der epigastrischen Hernie (Tab. B-1.92) liegt zwi-
Der Bruchsack wird von der Nabelhaut abgelöst, entfernt und die Bruchpforte verschlossen. Epigastrische Hernie 왗 Definition
schen Xiphoid und Nabel in der Linea alba. Den Bruchinhalt bildet überwiegend präperitoneales Fettgewebe, seltener Netz (Abb. B-1.360). Klinik: Patienten mit dieser Hernienform klagen über Oberbauchbeschwerden, die durch Veränderung der Körperposition oder Anspannung der Bauchdecken, Pressversuch, Husten und Niesen verstärkt werden können.
Klinik: Oberbauchbeschwerden, die durch Anspannung der Bauchdecken, Pressversuch, Husten und Niesen verstärkt werden.
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B 1 Viszeralchirurgie
694 B-1.360
B-1.360
Lokalisation der epigastrischen Hernie
Differenzialdiagnostisch sind Ulcera duodeni und Affektionen der Gallenwege auszuschließen.
Differenzialdiagnostisch sind andere Oberbaucherkrankungen, insbesondere Ulcera duodeni und Affektionen der Gallenwege auszuschließen.
Therapie: Die Indikation zur Operation richtet sich nach der Beschwerdesymptomatik.
Therapie: Die Indikation zur Operation richtet sich nach der Beschwerdesymptomatik. Intraoperativ erfolgt die Abtragung des Bruchsacks und der Verschluss der Faszienlücke durch Raffung oder Fasziendopplung.
Rektusdiastase
Rektusdiastase
왘 Definition
왘 Definition. Als Rektusdiastase (Tab. B-1.92) bezeichnet man das Auseinander-
weichen der Rektusmuskulatur im Bereich der Mittellinie (Linea alba). Klinik: Bei Anspannung der Bauchmuskulatur wölbt sich die Bauchwand.
Klinik: Bei Anspannung der Bauchmuskulatur (Aufrichten aus dem Liegen) wölbt sich die Bauchwand vor. Beschwerden bestehen kaum. Aufgrund der weiten Dehiszenz sind Einklemmungen selten zu beobachten.
Therapie: Nur bei Beschwerden kommt die operative Versorgung in Betracht. Die Rektusscheide wird durch direkte Naht adaptiert.
Therapie: Die Indikation zur operativen Versorgung hängt ab von den klinischen Beschwerden. Bei der Operation wird die Rektusscheide durch direkte Naht adaptiert. Eine Dopplung der Bauchwand kommt in Betracht, wenn Patienten schlaffe Bauchdecken aufweisen.
B-1.92
Häufige Hernien der vorderen Bauchwand
Hernie
Definition/Lokalisation
Symptomatik
Nabelschnurbruch (Omphalozele)
kongenitale Hemmungsmissbildung, Bruchpforte ist der Anulus umbilicalis
Baucheingeweide in extraperitonealer Lage in einem von Amnion überzogenen Bruchsack
Nabelbruch
Bruchpforte ist der Anulus umbilicalis
■ ■
epigastrische Hernie
Bruchpforte liegt zwischen Xiphoid und Nabel in der Linea alba
Rektusdiastase
Auseinanderweichen der Rektusmuskulatur im Bereich der Mittellinie (Linea alba)
lokale Schmerzen im Nabelbereich Schwellung und Rötung des Nabels
Oberbauchbeschwerden, die durch Veränderung der Körperposition oder Anspannung der Bauchdecken, Pressen, Husten, Niesen verstärkt werden ■
■
Differenzialdiagnosen
Abszess intraabdominelle Erkrankungen im Bereich des Oberbauches
Vorwölbung der Bauchwand bei Anspannung kaum Beschwerden
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B 1.20 Bauchwand (Hernien)
695
1.20.3 Hernien der Leistenregion
1.20.3 Hernien der Leistenregion
Grundlagen
Grundlagen
왘 Definition. Brüche der Leistenregion werden durch die Lokalisation der Bruch-
왗 Definition
pforte und den Verlauf im Leistenkanal differenziert und treten in folgenden Varianten auf: ■ Direkte (mediale) bzw. indirekte (laterale) Leistenbrüche (Hernia inguinalis) treten oberhalb des Leistenbandes auf. ■ Schenkelhernien (Hernia femoralis) treten unterhalb des Leistenbandes auf (Abb. B-1.361). Epidemiologie: Die Leistenhernie stellt die häufigste Form aller Brüche dar (ca. 75 %; mit ca. 90 % sind überwiegend Männer betroffen). Die Schenkelhernie ist dagegen meist bei Frauen zu finden.
Epidemiologie: Leistenbrüche treten bevorzugt bei Männern, Schenkelhernien bei Frauen auf.
Anatomie des Leistenkanals
Anatomie des Leistenkanals
Der Leistenkanal verläuft schräg von hinten-oben-lateral nach vorn-untenmedial durch die Schichten der Bauchwand (Abb. B-1.361). Er beginnt am inneren Leistenring (Fossa inguinalis lateralis) und endet im äußeren Leistenring, der durch eine Lücke in der Aponeurose des M. obliquus externus gebildet wird.
Der Leistenkanal verläuft schräg von hinten-oben-lateral nach vorn-unten-medial durch die Schichten der Bauchwand (Abb. B-1.361). Er beginnt am inneren Leistenring (Fossa inguinalis lateralis) und endet im äußeren Leistenring.
Begrenzungen des Leistenkanals: ■ Ventral: Aponeurose des M. obliquus externus, ■ Dorsal: Fascia transversalis und das Peritoneum. ■ Kranial: Unterer Rand des M. obliquus internus und transversus. ■ Kaudal: Lig. inguinale (Leistenband). Inhalt des Leistenkanals: Durch den Leistenkanal zieht beim Mann der Samenstrang, bei der Frau das Lig. rotundum.
Indirekter und direkter Leistenbruch
Indirekter und direkter Leistenbruch
Indirekter Leistenbruch
Indirekter Leistenbruch
왘 Synonym. Hernia inguinalis lateralis.
Epidemiologie: 60 – 70 % aller Leistenhernien sind indirekte Leistenbrüche. Ätiologie: Leistenhernien können angeboren oder erworben sein. Die angeborenen Brüche entstehen durch eine nicht vollständige Obliteration des Processus vaginalis nach dem Deszensus der Hoden (S. 1079). Erweitert sich der Anulus internus erst zu einem späteren Zeitpunkt und tritt dann Peritoneum in den Leistenkanal ein, liegt eine erworbene Hernie vor. Bruchpforte, Verlauf: Die Bruchpforte der indirekten Hernie ist der lateral der Vasa epigastrica inferiora liegende Anulus inguinalis internus. Der Bruch verläuft im Leistenkanal und tritt am Anulus inguinalis externus nach außen. Er kann bis in das Skrotum reichen. Stadien (je nach Größe des Bruchs): ■ Hernia incipiens: Vorwölbung des peritonealen Bruchsacks in den Leistenkanal. ■ Hernia completa: Bruchsack am äußeren Leistenring. ■ Hernia scrotalis: Bruchsack liegt im Skrotum (<). ■ Hernia labialis: Hernie reicht bis in die Labien (,). Direkter Leistenbruch 왘 Synonym. Hernia inguinalis medialis.
왗 Synonym Epidemiologie: 60 – 70 % aller Leistenhernien sind indirekte Leistenbrüche. Ätiologie: Er kann angeboren oder erworben sein. Bei nicht vollständiger Obliteration des Processus vaginalis nach dem Deszensus entsteht der angeborene Bruch. Erweitert sich der Anulus erst zu einem späteren Zeitpunkt, liegt eine erworbene Hernie vor. Bruchpforte, Verlauf: Die Bruchpforte ist der lateral der Vasa epigastrica inferior liegende Anulus ing. int. Der Bruch verläuft im Leistenkanal und tritt am Anulus ing. ext. nach außen. Stadien (je nach Bruchgröße): Hernia incipiens. ■ Hernia completa. ■ Hernia scrotalis. ■ Hernia labialis. ■
Direkter Leistenbruch 왗 Synonym
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B 1 Viszeralchirurgie
696 B-1.361
Anatomie der Leistenregion und ihre Bruchpforten
a Leistenregion links von ventral Strukturen: 1 Lig. inguinale 2 M. transversus 3 M. obliquus externus 4 M. obliquus internus 5 innerer Leistenring
b Leistenregion rechts von abdominal (vgl. Abb. B-1.364 a)
6 äußerer Leistenring 7 Fascia transversalis 8 Samenstrang 9 N./A./V. femoralis (von links nach rechts)
Bruchpforten: I indirekte Hernie II direkte Hernie III Schenkelhernie
10 Lig. inguinale 11 Vasa epigastrica 12 A./V. iliaca externa 13 Ductus deferens
Brüche der Leistenregion – Übersicht: Hernie
Lokalisation
Ätiologie
direkter Leistenbruch (H. inguinalis medialis)
Bruchpforte: ■ Oberhalb des Lig. inguinale ■ medial der epigastrischen Gefäße ■ im Bereich des Hesselbach-Dreiecks (vgl. Abb. B-1.364 a) ■ Bruchsack verläuft medial des Samenstrangs ■ Austritt am Anulus inguinalis externus
indirekter Leistenbruch (H. inguinalis lateralis)
Bruchpforte: ■ oberhalb des Lig. inguinale ■ lateral der epigastrischen Gefäße ■ Anulus inguinalis internus erweitert ■ Verlauf im Leistenkanal ■ Austritt am Anulus inguinalis externus
Schenkelhernie (H. femoralis)
Bruchpforte: ■ unterhalb des Lig. inguinale ■ Lacuna vasorum ■ in der Regel medial der Gefäße verlaufender Bruchsack ■ Austritt unter die Haut durch Fossa ovalis
왘 Merke
■
immer erworben
Symptomatik ■
■
■
angeboren oder erworben nicht vollständige Obliteration des Processus vaginalis
■
immer erworben
■
■
■
■ ■
Schwellung oder Vorwölbung im Leistenbereich bei Inkarzeration: Ileussymptomatik
Schwellung oder Vorwölbung im Leistenbereich bei Inkarzeration: Ileussymptomatik
oft keine sichtbare Vorwölbung bei Inkarzeration: Ileussymptomatik
왘 Merke. Die direkte Leistenhernie ist im Gegensatz zur indirekten immer
erworben.
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B 1.20 Bauchwand (Hernien)
697
Bruchpforte, Verlauf: Die Bruchpforte liegt medial der epigastrischen Gefäße im Bereich der Fossa inguinalis medialis an einer sog. schwachen Stelle (Hesselbach-Dreieck). Hier ist die Festigkeit der vorderen Bauchwand abhängig von der Fascia transversalis. Der Bruch verläuft senkrecht durch die Bauchwand, medial des Samenstrangs und tritt am Anulus externus aus (Abb. B-1.361).
Bruchpforte, Verlauf: Die Bruchpforte liegt medial der epigastrischen Gefäße, der Bruch verläuft senkrecht durch die Bauchdecke (Hesselbach-Dreieck) (Abb. B-1.361).
Diagnostik
Diagnostik
Leistenhernien imponieren meist durch Schwellungen oder Vorwölbungen (Abb. B-1.362). Gelegentlich sind allerdings nur rezidivierend ziehende Schmerzen ohne tastbare Veränderungen zu beobachten; dies ist besonders bei beginnenden Hernien oder der sog. „weichen Leiste“ der Fall.
Leistenhernien imponieren durch Schwellung und Vorwölbung (Abb. B-1.362), gelegentlich allerdings nur durch ziehende Schmerzen.
왘 Merke. Für die Diagnose der Leistenhernie kommt ausschließlich die klinische Untersuchung in Betracht.
Sie wird – wenn möglich – am stehenden Patienten vorgenommen. Mit dem Zeigefinger bzw. dem Kleinfinger fährt der Untersucher in den Leistenkanal, indem er die Skrotal- oder Leistenhaut durch den äußeren Bruchring einstülpt. Der innere Leistenring kommt so an der Spitze des Fingers zu liegen. Der Patient wird aufgefordert zu pressen. Selbst kleine Hernien sind auf diese Weise als Vorwölbung zu ertasten (Abb. B-1.363). Mit der Drei-Finger-Regel ist die Einordnung der Hernien im Bereich der Leistenregion möglich. Der Handteller der rechten bzw. linken Hand wird von dorsal auf die Spina iliaca anterior superior gelegt, der Zeigefinger markiert den Verlauf des direkten Bruchs, der Mittelfinger den des indirekten Bruchs, der Ringfinger den Verlauf des Schenkelbruchs (Abb. B-1.363). 왘 Merke. Grundsätzlich müssen beide Leisten untersucht werden, da Leistenhernien in bis zu 15 % aller Fälle beidseitig auftreten!
Differenzialdiagnosen. Differenzialdiagnostisch sind stets Lymphome, ektope Hoden, Varikozelen, Abszesse und Tumoren in Betracht zu ziehen.
왘 Klinischer Fall. Ein 20-jähriger Patient bemerkte eine Schwellung im Bereich der linken Leiste, nachdem er am Vortag einem Freund beim Umzug geholfen hatte. Im Liegen sei diese Schwellung vollständig verschwunden, trete aber insbesondere beim Husten stärker hervor. Bei der Inspektion ist eine leichte Vorwölbung im Bereich der linken Leiste zu erkennen. Bei der klinischen Untersuchung lässt sich durch das Skrotum im Bereich des Anulus inguinalis internus eine deutliche Vorwölbung tasten, die beim Husten deutlich größer wird. Intraoperativ bestätigt sich die Diagnose eines indirekten Leistenbruchs.
Therapie 왘 Merke. Leistenhernien bedürfen immer der operativen Versorgung.
Das gilt auch für Risikopatienten (Alter, KHK, pulmonale Erkrankungen), bei denen sich die Narkose als Lokal- oder Spinalanästhesie durchführen lässt. Operationsprinzipien (identisch bei den unterschiedlichen Operationsmethoden): ■ Hautschnitt ca. 2 cm oberhalb des Leistenbands, ■ Freilegung und Präparation des Bruchsacks, ■ Reposition des Bruchsackinhalts in den Bauchraum und Bruchsack-Abtragung. 왘 Merke. Auf die evtl. Kombination direkter und indirekter Hernien ist sorgfältig zu achten.
왗 Merke
Die Untersuchung des Leistenbruches erfolgt am stehenden Patienten (Abb. B-1.363).
Mit der Drei-Finger-Regel ist die Einordnung der Hernien im Bereich der Leistenregion möglich (Abb. B-1.363).
왗 Merke
Differenzialdiagnosen. Lymphome, ektope Hoden, Varikozelen, Abszesse und Tumoren müssen ausgeschlossen werden. 왗 Klinischer Fall
Therapie 왗 Merke Leistenhernien werden grundsätzlich operativ versorgt. Bei Risikopatienten lässt sich die Narkose als Lokal- oder Spinalanästhesie durchführen.
왗 Merke
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B 1 Viszeralchirurgie
698 B-1.362
B-1.363
B-1.362
Leistenhernie links unter Pressen
Untersuchungstechniken
Methoden zum Verschluss der Bruchpforten: Sie unterscheiden sich durch abweichende Techniken bei der Verstärkung der Leistenkanalhinterwand (Abb. B-1.365). ■ Operation nach Bassini ■ Operation nach McVay/Lotheisen ■ Operation nach Shouldice ■ Operation nach Lichtenstein.
Methoden zum Verschluss der Bruchpforten. Es stehen verschiedene Methoden zur Verfügung, die sich durch abweichende Techniken bei der Verstärkung der Leistenkanalhinterwand unterscheiden (Abb. B-1.365). ■ Beim Verfahren nach Bassini: werden der M. obliquus internus, der M. transversus abdominis und die Fascia transversalis an das Leistenband fixiert (Abb. B-1.365 b). ■ Nach McVay/Lotheisen: werden die genannten Muskeln und die Faszie an das Cooper-Ligament (Fortsetzung des Lig. lacunare auf den Pecten ossis pubis) genäht. ■ Bei der Methode nach Shouldice: erfolgt zunächst eine Durchtrennung und anschließende Doppelung der ausgedünnten Fascia transversalis zur Rekonstruktion der Hinterwand. Anschließend wird die Internusmuskulatur in 2 Reihen an das Leistenband geheftet (Abb. B-1.365 c). ■ Bei der Rekonstruktion nach Lichtenstein: erfolgt die Verstärkung der Hinterwand des Leistenkanals durch die Einlage eines nicht oder nicht vollständig resorbierbaren Polypropylennetzes unter die Externusaponeurose. Das Netz wird am Musculus obliquus internus und am Leistenband fixiert, wobei für den Samenstrang ein Durchtritt ermöglicht wird. Das Netz wird
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B 1.20 Bauchwand (Hernien)
699
lateralseitig wieder vereinigt und somit im Bereich des inneren Leistenringes ein neuer Leistenring gebildet (Abb. B-1.365 d). Ein Vorteil dieser Methode ist die unkomplizierte Durchführbarkeit auch in Lokalanästhesie. Bei allen Operationstechniken verbleiben der Samenstrang bzw. das Lig. rotundum im Leistenkanal. Die Deckung nach ventral erfolgt in der Regel durch die Externusaponeurose. In seltenen Fällen kann die Gefahr der Druckschädigung bei engem Leistenkanal die Subkutanverlagerung des Samenstrangs erfordern.
Bei allen Operationstechniken verbleiben der Samenstrang bzw. das Lig. rotundum im Leistenkanal.
Laparoskopisches Vorgehen: Neben den konventionellen Operationsverfahren haben sich in den letzten Jahren, insbesondere aufgrund der früheren Belastbarkeit und geringeren postoperativen Schmerzen im Vergleich zu den Nahttechniken, die Zahl der laparoskopischen Operationen deutlich erhöht. Vorteile bieten diese Verfahren insbesondere auch bei der simultanen Versorgung beidseitiger Leistenbrüche, da hierfür im Vergleich zur einseitigen Operation keine oder nur geringe zusätzliche Inzisionen durchgeführt werden müssen und bei der Versorgung von narbigen Verwachsungen der Voroperation die Übersicht nicht stören. Nach ersten Untersuchungen konnte auch die erneute Rezidivrate nach Rezidivoperationen durch die laparoskopischen Techniken gesenkt werden. Bisher kann allerdings noch nicht sicher ausgeschlossen werden, dass die eingebrachten nicht oder nur zum Teil resorbierbaren Netze im Langzeitverlauf zu Unverträglichkeitsreaktionen führen können. Die Implantation der Netze insbesondere bei jungen Patienten wird derzeit deshalb noch kontrovers diskutiert. Man unterscheidet zwei laparoskopische Verfahren, die sich im Zugangsweg zur Netzimplantation und somit Verstärkung der Hinterwand des Leistenkanals (ventral des Peritoneums) unterscheiden: ■ Transabdominale präperitoneale Technik (TAPP). ■ Total extraperitoneale Technik (TEP).
Laparoskopisches Vorgehen: Neben den konventionellen Operationsverfahren hat sich in den letzten Jahren insbesondere aufgrund der früheren Belastbarkeit und geringeren postoperativen Schmerzen die Zahl der laparoskopischen Operationen deutlich erhöht. Vorteile bieten diese Verfahren insbesondere auch bei der simultanen Versorgung beidseitiger Leistenbrüche und bei der Versorgung von Rezidivbrüchen.
Beim transabdominalen Vorgehen erfolgt die Anlage eines Pneumoperitoneums, und die Trokare werden umbilikal und im linken und rechten Unterbauch in die Bauchhöhle eingebracht. Durch dieses Vorgehen hat man eine gute Übersicht über die drei möglichen Bruchpforten (direkt, indirekt, Schenkelhernie; vgl. Abb. B-1.361; B-1.364). Zunächst wird das Peritoneum parietale über der Bruchpforte in Höhe der Spina iliaca anterior superior bis zur Mittellinie inzidiert. Dann werden der Bruchsack und die epigastrischen Gefäße dargestellt und ein großer Bruchsack nach Trennung vom Ductus deferens und der Vasa testicularia abgetragen (kleinere Bruchsäcke können belassen werden). Das ausreichend große Polypropylennetz wird so eingelegt, dass alle drei möglichen Bruchpforten überdeckt werden und kann mit Clips, Spiralen oder Nähten am Musculus rectus abdominis, Musculus transversus abdominis und am Os pubis fixiert werden (Abb. B-1.364). Im Anschluss daran wird das Peritoneum über das Netz gelegt und mit Naht oder Clips so verschlossen, dass das Netz komplett überdeckt ist und nicht mit dem Darm in Kontakt kommen kann. Dieses Verfahren hat den Vorteil einer guten Übersicht über beide Leistenregionen, sodass beidseitige Hernien gut erkannt und ggf. auch beidseitig operativ versorgt werden können. Nachteil dieses Verfahrens ist aber die Umwandlung eines eigentlich extraperitonealen Eingriffes in eine intraperitoneale Operation. Dies birgt die Gefahren der Verletzung intraabdomineller Organe bis hin zur Perforation mit anschließender Peritonitis und die Ausbildung von Verwachsungen. Beim extraperitonealen Vorgehen wird der Bauchraum nicht eröffnet, die Präparation erfolgt ventral des Peritoneums. Hierzu wird ein Trokar paramedian, unmittelbar infraumbilikal zwischen Musculus rectus abdominis und hinterem Blatt der Rektusscheide eingebracht. Nach der Hautinzision wird das vordere Blatt der Rektusscheide eröffnet und der Muskel unter Sicht in Längsrichtung
Beim transabdominalen Vorgehen erfolgt die Anlage eines Pneumoperitoneums, und die Trokare werden umbilikal und im linken und rechten Unterbauch in die Bauchhöhle eingebracht. Durch dieses Vorgehen hat man eine gute Übersicht über die drei möglichen Bruchpforten (direkt, indirekt, Schenkelhernie, vgl. Abb. B-1.361, B-1.364).
Laparoskopische Verfahren: Sie unterscheiden sich im Zugangsweg zur Netzimplantation (ventral des Peritoneums): ■ Transabdominale präperitoneale Technik (TAPP) ■ Total extraperitoneale Technik (TEP).
Nachteil des transabdominalen Vorgehens: Umwandlung eines eigentlich extraperitonealen Eingriffes in eine intraperitoneale Operation. Somit Gefahren der Verletzung intraabdomineller Organe bis hin zur Perforation mit anschließender Peritonitis und die Ausbildung von Verwachsungen. Beim extraperitonealen Vorgehen wird der Bauchraum nicht eröffnet, die Präparation erfolgt ventral des Peritoneums. Hierzu wird ein Trokar paramedian, unmittelbar infraumbilikal zwischen Musculus rectus abdominis und hinterem Blatt der Rektusscheide eingebracht.
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B 1 Viszeralchirurgie
700 B-1.364
Laparoskopische Leistenhernien-Operation
Dabei besteht nicht die Gefahr der intraperitonealen Verletzungen, nachteilig ist eine z. T. unübersichtlichere intraoperative anatomische Situation.
auseinandergedrängt. Dann lässt sich stumpf mit dem Finger ein präperitonealer Raum präparieren, in den ein spezieller Trokar mit aufblasbarem Ballon eingebracht wird. Durch Insufflation von Luft in den Ballon und CO2-Insufflation durch den Trokar wird dieser Raum vergrößert, sodass der Raum über die Linea arcuata hinausreicht. Aufgrund des Überganges des hinteren Blattes der Rektusscheide in das Peritoneum bzw. die Fascia transversalis unterhalb der Linea arcuata, entsteht so ein präperitonealer Zugang (Abb. B-1.364). Weitere Arbeitstrokare werden in diesen Raum unter Sicht eingeführt, die Bruchpforte dargestellt, der Bruchsack präpariert und abhängig von der Größe abgetragen oder belassen. Das eingelegte Netz kann dann am Ligamentum pectineale, Tractus iliopubicus und am Musculus rectus abdominis mit Clips, Spiralen oder Nähten fixiert werden. Durch den extraperitonealen Zugang besteht bei diesem Vorgehen nicht die Gefahr der intraperitonealen Verletzungen, nachteilig ist hier manchmal eine unübersichtlichere intraoperative anatomische Situation. Alle operativen Verfahren (offen oder laparoskopisch) werden in der Regel kurzstationär oder ambulant durchgeführt.
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B 1.20 Bauchwand (Hernien)
B-1.365
701
Operationsverfahren von Leistenbrüchen
Operationsverfahren bei Leistenbrüchen – Übersicht: Bassini
Verstärkung der Hinterwand: ■ M. transversus abdominis ■ M. obliquus internus ■ Fascia transversalis werden am Leistenband fixiert
Shouldice
Verstärkung der Hinterwand: ■ Durchtrennung der Fascia transversalis ■ Dopplung der Fascia transversalis ■ M. obliquus internus und transversus werden in 2 Reihen an das Leistenband geheftet
Lichtenstein
Verstärkung der Hinterwand: ■ Implantation eines Polypropylennetzes ■ Fixierung des Netzes am M. obliquus internus und Leistenband ■ Durchtritt des Samenstranges durch das Netz im Bereich des inneren Leistenringes
bei allen Techniken
■ ■
Samenstrang bzw. Lig. rotundum verbleiben im Leistenkanal Deckung des Samenstrangs erfolgt in der Regel durch Externusaponeurose, selten subkutane Verlagerung nötig (nur wenn Gefahr der Druckschädigung)
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702
B 1 Viszeralchirurgie
Komplikationen (insgesamt selten): ■ Verletzung des Ductus deferens, der Vasa spermatica, der Femoralgefäße, des N. femoralis ■ Wundinfektion ■ chronischer Leistenschmerz ■ Rezidiv.
Komplikationen: An – im übrigen seltenen – Komplikationen kommen, neben den durch die Operationsmethodik bedingten Komplikationen, bei allen Techniken in Betracht: ■ Verletzung des Ductus deferens ■ Verletzung der Vasa spermatica mit Hodennekrose oder Atrophie des Hodens ■ Verletzung oder Kompression der Femoralgefäße ■ Verletzung des N. femoralis ■ Wundinfektion ■ chronischer Leistenschmerz ■ Rezidiv.
Rezidivhäufigkeit: Rezidive treten je nach Operationsmethode in 2 – 10 % der Fälle auf, das Verfahren nach Shouldice weist die niedrigste Rezidivrate auf. Rezidivoperationen sind schwierig. Beim Zweit- oder Dritteingriff sind Autotransplantate oder Fremdmaterial erforderlich.
Rezidivhäufigkeit: Abhängig von der Operationsmethode können in 2 – 10 % der Fälle Rezidive auftreten. Mit 0,5 – 8 % weist das Verfahren nach Shouldice die niedrigste Rezidivrate auf. Für die laparoskopischen Techniken liegen bei Primärhernien ähnliche Rezidivraten vor. Rezidivoperationen gestalten sich wesentlich schwieriger als der erste Eingriff und erfordern zumindest beim 2. oder 3. Rezidiv Autotransplantate (z. B. aus der Fascia lata) oder den Einsatz von Fremdmaterial (Kunststoffnetz).
Postoperatives Verhalten: Nach laparoskopischen Eingriffen ist eine frühzeitigere Belastung nach Einhaltung einer ca. 10-tägigen postoperativen Ruhephase möglich.
Postoperatives Verhalten: Nach laparoskopischen Eingriffen ist eine frühzeitigere Belastung nach Einhaltung einer ca. 10-tägigen postoperativen Ruhephase möglich.
Schenkelhernie
Schenkelhernie
왘 Synonym
왘 Synonym. Hernia femoralis, Femoralhernie.
Immer erworben, meist bei Frauen. Insgesamt selten.
Schenkelhernien sind selten, immer erworben und treten weitaus überwiegend bei Frauen auf.
Bruchpforte, Inhalt: Die Bruchpforte liegt unterhalb des Leistenbands. 2 Öffnungen: Die Lacuna musculorum (Durchtritt: M. iliopsoas, N. femoralis) und Lacuna vasorum (Durchtritt: A. und V. femoralis) (Abb. B-1.366).
Bruchpforte, Inhalt: Die Bruchpforte liegt unterhalb des Leistenbands, das mit der Beckenwand durch den Arcus ileopectineus breitflächig verbunden ist. Dadurch entstehen 2 Öffnungen: Die Lacuna musculorum (Durchtritt: M. iliopsoas, N. femoralis) und die Lacuna vasorum (Durchtritt: A. und V. femoralis) (Abb. B-1.366).
Pathogenese: Die Femoralhernien treten medial der Gefäße durch die Lacuna vasorum. Wegen der Enge der Bruchpforte kommt es häufig zur Inkarzeration.
Pathogenese: Die typischen Femoralhernien treten medial der Gefäße durch die Lacuna vasorum. Über die Fossa ovalis gelangen die Brüche unter die Haut. Wegen der Enge der Bruchpforte kommt es häufig zur Inkarzeration.
B-1.366
Schenkelhernie – Reparation nach Shouldice (inguinaler Zugang)
Schematischer Querschnitt der Schenkelhernienreparation nach Shouldice. Versorgung des Bruchsacks und Verschluss des Leistenkanals mittels doppelter Nahtreihe. Der gesamte Kanal wird hierbei in seinem Eingang durch Anheftung des Leistenbandes an das Lig. pectineale (Cooperi) und in seinem Ausgang durch Anheftung des Leistenbandes an die Fascia pectinea verschlossen.
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B 1.20 Bauchwand (Hernien)
왘 Merke. Schenkelhernien sind äußerlich oft nicht sichtbar und entgehen auch nicht selten der Palpation. Die Diagnose wird meist erst im Zusammenhang mit einer Ileussituation intraoperativ gestellt.
703 왗 Merke
Differenzialdiagnostisch ist an entzündlich oder metastatisch veränderte Lymphknoten, Lipome, Tbc-Senkungsabszesse oder Hüftgelenkserkrankungen zu denken.
Differenzialdiagnosen: Lymphknoten, Lipome, Tbc-Senkungsabszesse, Hüftgelenkserkrankungen.
Therapie: Die Schenkelhernie wird operativ über einen inguinalen oder femoralen (kruralen) Zugang verschlossen. Nach der Reposition des Bruchsackinhalts werden der Bruchsack abgetragen, die Ränder adaptiert und nach intraabdominell eingestülpt. Der Verschluss der Bruchpforte erfolgt durch Naht des Leistenbands an das Lig. pubicum. Komplikationen der Operation treten ebenfalls selten auf und entsprechen denen der Leistenhernieneingriffe. Lediglich Thrombosen sind im Vergleich häufiger zu verzeichnen. Die Rezidivrate liegt bei 2 – 10 %. Postoperativ gelten dieselben Verhaltensregeln wie für Patienten nach Leistenbruchoperation.
Therapie: Der operative Verschluss erfolgt über einen inguinalen oder femoralen Zugang, der Verschluss der Bruchpforte erfolgt durch Naht des Leistenbandes an das Lig. pubicum.
1.20.4 Seltene Bruchformen
1.20.4 Seltene Bruchformen
Spieghel-Hernie
Spieghel-Hernie
Die Bruchpforten finden sich als kleine, präformierte Lücken im Bereich zwischen der Linea semilunaris und der lateralen Rektusscheide (Abb. B-1.367 a). Die bevorzugte Austrittsstelle liegt in Höhe der Linea arcuata.
Bruchpforten sind kleine, präformierte Lücken im Bereich zwischen der Linea semilunaris und der lateralen Rektusscheide (Abb. B-1.367 a).
Klinik, Diagnostik: Die Diagnose dieser Hernie kann schwierig sein. Die Patienten klagen meist über einen lokalisierten Schmerz im Bereich der Bruchpforte. Inkarzerationen sind bei dieser Form besonders häufig. Differenzialdiagnostisch sind Bauchwandhämatome, Tumoren oder auch intraabdominelle Erkrankungen in Erwägung zu ziehen.
Klinik, Diagnostik: Die Diagnose kann schwierig sein. Inkarzerationen sind besonders häufig.
Therapie: Sie erfolgt operativ durch Freilegen und Abtragen des Bruchsacks. Die Bruchlücke wird durch Naht der Aponeurose verschlossen.
Hernia lumbalis
Therapie: Sie erfolgt operativ durch Abtragen des Bruchsackes und Verschluss der Bruchlücke. Hernia lumbalis
Diese seltene Hernie tritt entweder im oberen Lendendreieck zwischen der 12. Rippe und dem M. sacrospinalis (Trigonum Grynfelti) oder im unteren Lendendreieck oberhalb der Crista iliaca (Trigonum Petiti) aus (Abb. B-1.367 b).
Diese seltene Hernie tritt entweder im oberen oder unteren Lendendreieck auf (Abb. B-1.367 b).
Klinik, Diagnostik: Die Patienten klagen über bewegungsabhängige lumbale Schmerzen.
Klinik, Diagnostik: Die Patienten klagen über bewegungsabhängige lumbale Schmerzen.
Differenzialdiagnostisch kommen Lipome, Weichteiltumoren, Myogelosen und Senkungsabszesse in Betracht.
Differenzialdiagnosen: Lipome, Weichteiltumoren, Myogelosen, Senkungsabszesse.
Therapie: Nachgewiesene Hernien werden operativ behandelt.
Therapie: Nachgewiesene Hernien werden operativ behandelt. Hernia obturatoria
Hernia obturatoria
Komplikationen sind selten, sie gleichen denen der Leistenhernieneingriffe. Rezidive treten in 2 – 10 % auf. Postoperatives Verhalten: S. 702.
Differenzialdiagnostisch kommen Bauchwandhämatome oder Tumoren in Betracht.
Der Bruchsack dieser Hernie verläuft zusammen mit dem Gefäßnervenbündel durch das Foramen obturatorium unter dem horizontalen Schambeinast hindurch bis zum M. pectineus (Abb. B-1.367 c).
Der Bruchsack verläuft mit dem Gefäßnervenbündel durch das Foramen. obturatorium unter dem horizontalen Schambeinast bis zum M. pectineus.
Klinik, Diagnostik: Betroffen sind vor allem adipöse Frauen. Die Irritation des N. obturatorius führt zu Schmerzen an der Innenseite des Oberschenkels. Inkarzerationen (oft im Sinne eines Darmwandbruchs) sind häufig. Die Diagnose wird in aller Regel erst intraoperativ bei Ileussymptomatik gestellt.
Klinik, Diagnostik: Betroffen sind vor allem adipöse Frauen. Die Irritation des N. obturatorius führt zu Schmerzen an der Innenseite des Oberschenkels.
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704
B 1 Viszeralchirurgie
Differenzialdiagnosen: Weichteiltumoren oder Lipome.
Differenzialdiagnosen sind Weichteiltumoren oder Lipome.
Therapie: Operativer Verschluss von abdominal.
Therapie: Der operative Verschluss erfolgt von abdominal.
왘 Klinischer Fall
왘 Klinischer Fall. Eine 60-jährige adipöse Patientin berichtet über beim Husten und Pressen auftretende Schmerzen, die zur Innenseite des linken Oberschenkels ziehen. Bei der klinischen Untersuchung lässt sich im Bereich des linken Beines weder inspektorisch noch palpatorisch ein pathologischer Befund erheben. Im Bereich der Wirbelsäule finden sich bei der Untersuchung ebenfalls keine Auffälligkeiten. Die von der Patientin geschilderte Schmerzsymptomatik lässt sich aber reproduzieren. Unter dem Verdacht auf eine Hernia obturatoria wird eine Exploration durchgeführt und die Verdachtsdiagnose bestätigt.
Hernia ischiadica
Hernia ischiadica
Der Bruch tritt durch das Foramen ischiadicum majus oder minus (Abb. B-1.367 d). Je nach Lokalisation der Bruchpforte: ■ Hernia suprapiriformis ■ Hernia infrapiriformis ■ Hernia spinotuberosa.
Der Bruch tritt durch das Foramen ischiadicum majus oder minus (Abb. B-1.367 d). Man unterscheidet je nach Lokalisation der Bruchpforte die ■ Hernia suprapiriformis (tritt oberhalb des M. piriformis aus) ■ Hernia infrapiriformis (tritt unterhalb des M. piriformis aus) ■ Hernia spinotuberosa (tritt vor dem Lig. sacrotuberale aus).
Klinik, Diagnostik: Die Brüche sind am Unterrand des M. glutaeus maximus zu tasten. Der Schmerz ähnelt der Ischialgie. Differenzialdiagnosen sind Weichteiltumoren und Lipome.
Klinik, Diagnostik: Klinisch lassen sich diese Brüche nur selten am Unterrand des M. glutaeus maximus tasten. Die Schmerzsymptomatik kann der Ischialgie ähneln. Differenzialdiagnostisch ist ein Weichteiltumor der Glutäalregion zu erwägen. Gelegentlich finden sich im Bruchsack Adnexe und/oder Ureteranteile (u.U. Ursache einer Harnstauungsniere).
Therapie: Die Bruchlücke wird von gluteal oder abdominal verschlossen.
Therapie: Die Bruchlücke lässt sich von gluteal oder abdominal schließen. Letztere Methode ist aufgrund der Verletzungsgefahr des Ureters und des N. ischiadicus zu bevorzugen.
Hernia perinealis
Hernia perinealis
Perineal- oder Beckenbodenhernien treten vor oder hinter dem M. transversus perinei profundus durch den Beckenboden oder durch den M. levator ani aus.
Perineal- oder Beckenbodenhernien treten vor (Hernia perinealis anterior) oder hinter (Hernia perinealis posterior) dem M. transversus perinei profundus durch den Beckenboden oder durch den M. levator ani aus (Hernia ischiorectalis) (Abb. B-1.367 e).
Klinik, Diagnostik: Die vorderen manifestieren sich im Bereich von Labien oder Dammregion, die hinteren in der Fossa ischiorectalis (Hernia ischiorectalis). DD: Abszesse, Zysten oder Tumoren.
Klinik, Diagnostik: Die vorderen manifestieren sich im Bereich der Labien oder der Dammregion. Die hinteren treten durch den M. levator ani in die Fossa ischiorectalis (Hernia ischiorectalis). Differenzialdiagnosen sind Abszesse, Zysten, Lipome und andere Tumoren.
Therapie: Der Verschluss erfolgt je nach Lokalisation von perineal oder abdominal.
Therapie: Der Verschluss dieser Hernien erfolgt je nach Lokalisation von perineal oder abdominal.
1.20.5 Innere Hernien
1.20.5 Innere Hernien
왘 Definition
Typische Lokalisationen: ■ Bursa omentalis. ■ Flexura duodenojejunalis. ■ Mesokolon. ■ Zökum. ■ Sigma.
왘 Definition. Bei der Verlagerung von Darmschlingen oder Netz in peritoneale Taschen oder Duplikaturen spricht man von inneren Hernien. Sie sind äußerlich nicht sichtbar und fallen meist erst intraoperativ auf.
Typische Lokalisationen: ■ Bursa omentalis: Hernia bursae omentalis. ■ Flexura duodenojejunalis: Hernia recessus duodenalis ■ Mesokolon: Hernia duodenomesocolica. ■ Zökum: Hernia recessus ileocaecalis superior/inferior. ■ Sigma: Hernia intersigmoidea.
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B 1.20 Bauchwand (Hernien)
B-1.367
705
Seltene Bruchformen
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B 1 Viszeralchirurgie
706 B-1.367
Seltene Bruchformen (Fortsetzung)
Seltene Bruchformen – Übersicht: Hernie
Lokalisation
Spieghel-Hernie
vordere Bauchwand zwischen Linea semilunaris und lateraler Rektusscheide, bevorzugt in Höhe der Linea arcuata
Hernia lumbalis
■
■
Hernia obturatoria
Symptomatik
Hernia lumbalis superior: Oberes Lendendreieck zw. 12. Rippe und dem M. sacrospinalis (Trig. Grynfelti) (1) Hernia lumbalis inferior: Unteres Lendendreieck oberhalb der Crista iliaca (Trig. Petiti) (2)
Foramen obturatorium
lokalisierter Schmerz im Bereich der Bruchpforte oder ■ Ileussymptomatik
■
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Hernia perinealis
Foramen ischiadicum ■ Hernia suprapiriformis (1): Oberhalb des M. piriformis ■ Hernia infrapiriformis (2): Unterhalb des M. piriformis ■ Hernia spinotuberosa (3): Vor dem Lig. sacrotuberale ■
■
■
■ ■ ■
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■ ■
Hernia ischiadica
bewegungsabhängige lumbale Schmerzen
Differenzialdiagnosen
■ ■ ■
Ileussymptomatik Schmerzen an der Innenseite des Oberschenkels Schmerzen ähnlich einer Ischialgie Ileussymptomatik gelegentlich Harnstauungsniere
■ lokale Schwellung der Labien, Hernia perinealis anterior: Vor dem Dammregion M. transversus perinei profundus (1) Hernia perinealis posterior: Hinter dem M. transversus perinei profundus (2) Hernia ischiorectalis: Durch den M. levator ani in die Fossa ischiorectalis (3)
■ ■
■ ■
■ ■ ■
Bauchwandhämatome Tumoren intraabdominelle Erkrankungen Lipome Weichteiltumoren Myogelosen Senkungsabszesse
Weichteiltumoren Lipome Weichteiltumoren Lipome
Abszesse Zysten Lipome
Weitere Formen: ■ Iatrogene innere Hernien durch schlecht oder nicht verschlossene Mesoschlitze nach abdominellen Operationen. ■ Zwerchfellhernien (S. 296).
Weitere Formen innerer Hernien: ■ Iatrogene innere Hernien: Sie sind nach abdominellen Operationen Folge schlecht oder nicht verschlossener Mesoschlitze. Auch zufällig entdeckte Möglichkeiten einer Hernierung sollten einen Verschluss erhalten. ■ Zwerchfellhernien (S. 296).
1.20.6 Narbenhernien
1.20.6 Narbenhernien
왘 Definition
왘 Definition. Narbenhernien treten im Bereich von Operationsnarben auf (Abb. B-1.368).
Ätiologie: Prädisponierende Faktoren liegen im Erkrankungsbild des Patienten oder können operationsbedingt sein. Beispiele: Eiweiß- und Faktor-VIII-Mangel, Adipositas, Peritonitis, Asthma und andere pulmonale Erkrankungen (chronisch hohe Bauchdeckenbelastung) sowie medikamentöse Einflüsse (Steroiddauertherapie).
Ätiologie: Die prädisponierenden Faktoren lassen sich entweder auf das Erkrankungsbild des Patienten zurückführen oder können operationsbedingt sein. Zu den Ersteren gehören Eiweiß- und Faktor-VIII-Mangel, Adipositas, Peritonitis, Asthma und andere pulmonale Erkrankungen (chronisch hohe Bauchdeckenbelastung) sowie medikamentöse Einflüsse (Steroiddauertherapie). Als operationsbedingte Faktoren kommen Re-Operation und Wundinfektion in Betracht. Auch die Schnittführung kann die Entwicklung von Narbenbrüchen begünstigen (häufigeres Auftreten nach medianen Laparotomien).
Therapie: Größe, Lokalisation und Symptomatik entscheiden über die Frage der operativen Revision. Kleine Hernien inkarzerieren häufiger, größere selten; Letztere sind jedoch kosmetisch störend. Die Bruchpforte lässt sich in der Regel durch Fasziendopplung schließen.
Therapie: Größe, Lokalisation und Symptomatik des Narbenbruchs entscheiden über die Frage der chirurgischen Behandlung. Kleine Bruchpforten bergen das Risiko der Inkarzeration, große Hernien inkarzerieren selten, sind jedoch kosmetisch störend. Die operative Versorgung sollte frühestens 6 Monate nach dem Ersteingriff erfolgen. Die Bruchpforte lässt sich dabei in der Regel durch eine Fasziendopplung schließen. Bei zu großem Defekt müssen ggf. autologe
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B 1.21 Weichteiltumoren
B-1.368
707
Narbenhernie
B-1.368
Narbenhernie nach medianer Laparotomie.
(Kutis, Fascia lata) oder Fremdmaterialien (Kunststoffnetze) verwendet werden. Der Verschluss der Hernie mit Naht oder eine Netzeinlage kann bei Patienten mit kleineren Befunden und bei Fehlen von ausgedehnten Adhäsionen auch laparoskopisch durchgeführt werden.
1.21 Weichteiltumoren
1.21
Weichteiltumoren
Peter Würl, Jürgen Bruns
1.21.1 Gastroenteropankreatische neuroendokrine Tumoren (GEP-NET)
1.21.1 Gastroenteropankreatische
neuroendokrine Tumoren (GEP-NET)
Peter Würl
Einführung
Einführung
Die gastroenteropankreatischen neuroendokrinen Tumoren (GEP-NET) werden auch heute noch häufig als Karzinoide bezeichnet. Der Begriff Karzinoid ist etwa 100 Jahre alt und entstand aus dem Bestreben, diese seltenen Tumoren, die mit den Karzinomen vieles gemeinsam haben, sich aber an vielen Punkten von diesen deutlich unterscheiden, mit einem eigenen Begriff zu belegen. Die Zunahme der klinischen Erfahrungen und Erkenntnisse mit dieser Tumorgruppe sowie die immer besseren Möglichkeiten der histomorphologischen und molekular-biologischen Charakterisierung haben ebenso wie erhebliche Differenzen im Ansprechen auf bestimmte Therapien deutlich gemacht, dass es sich hier nicht um eine einheitliche Gruppe von Tumoren handelt. Für die GEP-NET gibt es neben dem Begriff des Karzinoids auch noch andere Synonyme, wie z. B. Tumoren der hellen Zellen, Tumoren der parakrinen Zellen oder Tumoren des diffusen endokrinen Systems.
Die gastroenteropankreatischen neuroendokrinen Tumoren (GEP-NET) werden auch heute noch häufig als Karzinoide bezeichnet. Dieser Begriff ist etwa 100 Jahre alt.
Klassifikation und Definition
Klassifikation und Definition
Im Jahr 2000 wurde eine neue WHO-Klassifikation mit der Prägung des Begriffes des neuroendokrinen Tumors und des neuroendokrinen Karzinoms geschaffen. Bei dieser wird zwischen hochdifferenzierten neuroendokrinen Tumoren (die sich benigne oder in der Dignität fraglich verhalten), dem hochdifferenzierten neuroendokrinen Karzinom (mit niedriger Malignität) und dem niedrig differenzierten neuroendokrinen Karzinom (mit hohem Malignitätsgrad und schlechter Prognose) unterschieden (Tab. B-1.93). Die auf dieser Terminologie basierende Klassifikation wird weiter differenziert, um der Tumorbiologie und den diagnostischen Informationen besser Rechnung tragen zu können.
Im Jahre 2000 wurde eine neue WHO-Klassifikation mit der Prägung des Begriffes des neuroendokrinen Tumors und des neuroendokrinen Karzinoms geschaffen (Tab. B-1.93).
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B 1 Viszeralchirurgie
708 B-1.93
B-1.93
Klassifikation der neuroendokrinen Tumoren des gastroenteropankreatischen Systems (GEP-NET)
1a 1b 2
Hochdifferenzierter neuroendokriner Tumor Hochdifferenziertes neuroendokrines Karzinom Niedrig differenziertes neuroendokrines Karzinom
Nach der Lokalisation wird differenziert in Tumoren: ■ des Magens ■ des Duodenums und proximalen Jejunums ■ des Ileums mit distalem Jejunum ■ der Appendix ■ des Kolons und Rektums ■ des Pankreas.
Nach der Lokalisation erfolgt eine Unterteilung in Tumoren: ■ des Magens ■ des Duodenums und proximalen Jejunums ■ des Ileums mit distalem Jejunum ■ der Appendix ■ des Kolons und Rektums ■ des Pankreas.
Tumormorphologische Kriterien (Tab. B-1.94): ■ Tumorgröße ■ Angioinvasionen ■ Proliferationsrate ■ histologischer Differenzierungsgrad ■ Anwesenheit von Metastasen ■ hormonelle Aktivität.
Tumormorphologisch zeigten sich folgende Kriterien als relevant und wurden deshalb in die Klassifikation einbezogen (Tab. B-1.94): ■ Tumorgröße ■ Angioinvasionen ■ Proliferationsrate ■ histologischer Differenzierungsgrad ■ Anwesenheit von Metastasen ■ hormonelle Aktivität (mit oder ohne spezifisches klinisches Syndrom).
Ursprungszellen der GEP-NET sind epitheliale Zellen.
Die Ursprungszellen der neuroendokrinen Tumoren sind epithelial und liegen in der Submukosa oder im interstitiellen Bindegewebe (z. B. C-Zellen). Anhand einer zellspezifischen Hormonproduktion, die bei geringer Menge von produziertem Hormon klinisch stumm, jedoch immunhistochemisch nachweisbar sein kann, lassen sich die resultierenden Tumoren begrifflich trennen (z. B. insulinproduzierender Tumor = Insulinom, gastrinproduzierender Tumor = Gastrinom, etc.). Fast immer lassen sich immunhistochemisch Chromogranin A und Synaptophysin als neuroendokrine Marker nachweisen, zusätzlich liegen oft eine ProteinS-Expression und eine Expression der neuronenspezifischen Enolase vor.
Fast immer lassen sich immunhistochemisch Chromogranin A und Synaptophysin als neuroendokrine Marker nachweisen. 왘 Definition
B-1.94
왘 Definition. Gastroenteropankreatische neuroendokrine Tumoren bestehen aus neuroendokrinen Zellen des gastroenteropankreatischen Systems, die biogene Amine und Aminvorstufen aufnehmen und dekarboxylieren können (unabhängig ob sie hormonell aktiv sind oder nicht).
Bewertungskriterien für NET am Beispiel des Pankreas
Dignität ■
■
■
■
endokrine Aktivität und Differenzierungsgrad
Ausbreitung und Größe
benignes oder niedrig malignes Verhalten
funktionell aktive oder inaktive hochdifferenzierte Tumoren funktionell aktive oder inaktive hochdifferenzierte Tumoren
niedrig malignes Verhalten
funktionell aktive oder inaktive Tumoren
hochmalignes Verhalten
funktionell aktive oder inaktive Tumoren vom intermediären oder kleinzelligen Typ
keine Angioinvasion 5 2 cm Durchmesser keine Angioinvasion 2 – 3 cm im Durchmesser mit Angioinvasion und/ oder 4 3 cm im Durchmesser Größe und Ausdehnung beliebig (Metastasen)
benignes Verhalten
Tumortyp ■ ■ ■
■ ■ ■
■
Ki-67-positive Zellen
Insulinome 5 2 cm andere 1 cm Insulinome 5 2 – 3 cm andere 1 – 2 cm Insulinome 4 3 cm andere 4 2 cm
bis 2 %
Insulinome u. a. nichtfunktionelle Tumoren
ohne Bedeutung
über 2 %
ohne Bedeutung
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B 1.21 Weichteiltumoren
709
Epidemiologie
Epidemiologie
GEP-NET sind seltene Tumoren. Ihre Inzidenz beträgt etwa 1 Tumor pro 10 000 Einwohner und Jahr. Zirka 2 % aller Tumoren des Gastrointestinaltraktes lassen sich den GEP-NET zuordnen. Funktionell inaktiv sind 50 % der GEP-NET. Der Altersgipfel liegt bei 50 – 60 Jahren. Wenn ein Tumor vor dem 45. Lebensjahr diagnostiziert wird, sollte immer an einen genetischen Hintergrund im Sinne einer erblichen Erkrankung gedacht werden. Wichtigste diesbezügliche Erkrankung ist die multiple endokrine Neoplasie Typ I (MEN-I-Syndrom). Funktionell inaktiv sind 50 % der GEP-NET.
Die Inzidenz beträgt 1:10 000 Einwohner je Jahr. Etwa 2 % der gastrointestinalen Tumoren sind GEP-NET.
Besonderheiten in der Diagnostik und Therapie Zusätzlich zu den bisher genannten Eigenschaften sind die GEP-NET durch folgende Besonderheiten gekennzeichnet: ■ Die Diagnostik und die Therapie basieren auf der Evidenzstufe der Expertenmeinung. ■ Basis von Therapieempfehlungen und diagnostischen Algorithmen sind die Erfahrungen einzelner Zentren und Spezialistengruppen, teilweise zu Leitlinien gebündelt (z. B. Leitlinien zur chirurgischen Therapie von neuroendokrinen Tumoren des gastroenteropankreatischen Systems von 02/02). ■ Diagnostik und Therapie sollten, wann immer möglich, in Zentren erfolgen, da nur hier eine entsprechende Expertise vorliegt. ■ Die Resektion des Primärtumors erfolgt dignitätsunabhängig mit entsprechendem Sicherheitsabstand, orientierend nach den präoperativen Befunden und der intraoperativen Tumorgröße sowie der Lokalisation, da die eigentliche Dignität vor der Operation aufgrund der fehlenden histomorphologischen Kriterien kaum zu sichern ist. ■ Die Lymphadenektomie und deren Ausdehnung richten sich nach dem intraoperativen Befund. Aufgrund der Problematik einer sicheren klinischen Einschätzung sollten entsprechende Tumoren nur an Zentren, die über die Möglichkeit der Schnellschnittdiagnostik verfügen, operiert werden, um mit dem Ersteingriff eine adäquate Radikalität sichern zu können. ■ Für GEP-NET gibt es keine TNM-Klassifikation.
Der Altersgipfel liegt bei 50 – 60 Jahren. Das MEN-I-Syndrom ist die wichtigste erbliche Erkrankung in Verbindung mit GEP-NET.
Besonderheiten in der Diagnostik und Therapie Wichtige Besonderheiten der GEP-NET sind: ■ Diagnostik und Therapie basieren auf der Evidenzstufe der Expertenmeinung. ■ Die Behandlung sollte an spezialisierten Zentren erfolgen. ■ Die Primärtumortherapie erfolgt mit entsprechendem Sicherheitsabstand. ■ Die Lymphadenektomie richtet sich nach dem intraoperativen Befund. ■ Es gibt keine TNM-Klassifikation.
Alle bisher genannten Kriterien zeigen, dass den GEP-NET eine Sonderstellung zukommt, weshalb diese im Folgenden nach den einzelnen Tumorlokalisationen geordnet dargestellt werden.
Pankreas
Pankreas
Im Bereich des Pankreas sind folgende GEP-NET zu unterscheiden: ■ Insulinom ■ Gastrinom ■ hormonaktive Tumoren wie Somatostatinom, Glukagonom und andere (sind selten) ■ hormoninaktive neuroendokrine Tumoren.
Die wichtigsten GEP-NET des Pankreas sind: ■ Insulinom ■ Gastrinom.
Insulinom
Insulinom
Das Insulinom ist der häufigste NET des Pankreas und durch spontane Hypoglykämien gekennzeichnet Die Symptome lassen sich auf die Glykogenie und die gegenregulatorische Katecholaminfreisetzung zurückführen. Insulinome kommen fast ausschließlich im Pankreas vor und sind zu 95 % benigne.
Insulinome fallen durch Hypoglykämie und deren Folgeerscheinungen auf. Sie sind zu 95 % benigne.
Diagnostik: Basis der klinischen Diagnose ist die sogenannte Whipple-Trias mit Hypoglykämie-Symptomen, begleitendem Abfall des Blutzuckers unter 45 mg/dl und Besserung der Symptomatik durch orale oder intravenöse Glukosezufuhr. Ansonsten greift die übliche Diagnostik eines Hyperinsulinismus mit Abfall des Blutzuckerspiegels innerhalb von 72 Stunden ohne adäquaten Abfall von Insulin und C-Peptid im Hungerversuch. Insulinome sind meist klein (5 2 cm), sodass die präoperative Lokalisation und Diagnostik kompliziert sein kann. Wichtigste Verfahren sind die perkutane
Diagnostik: Basis ist die Whipple-Trias mit Hypoglykämie-Symptomen, begleitendem Abfall des Blutzuckers unter 45 mg/dl und Besserung der Symptomatik durch orale oder intravenöse Glukosezufuhr. Da Insulinome meist klein (5 2 cm) sind, kann die präoperative Lokalisationsdiagnostik kompliziert sein. Wichtigste Verfahren sind die perkutane Sonographie, die Endosonographie, die CT und das MRT und fakultativ szintigraphische Verfahren und PET-CT.
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
710
B 1 Viszeralchirurgie
Sonographie, die Endosonographie, die Computertomographie und das MRT. Bei fehlendem Nachweis können fakultativ szintigraphische Verfahren zum Einsatz gebracht werden. Auch das PET-CT wird zunehmend zur Erzielung von Zusatzinformationen bei komplizierter Lokalisationsdiagnostik eingesetzt. Um Hypoglykämiesymptome präoperativ zu vermeiden, müssen die Patienten entsprechend vorbereitet und intraoperativ geführt werden. Therapie: Besteht in der Operation mit sorgfältiger Freilegung, Exploration und intraoperative Sonographie des gesamten Pankreas. Liegt Malignität vor, ist eine R0-Resektion unter Mitnahme der entsprechenden Lymphabflussgebiete anzustreben bzw. die Tumormasse so weit wie mit vertretbarem Risiko möglich zu reduzieren.
Therapie: Die einzige kausale Therapie liegt in der Operation, deren erster Schritt eine sorgfältige Freilegung, Exploration und intraoperative Sonographie des gesamten Pankreas darstellt. Anschließend erfolgt die meist mögliche Enukleation. Bei komplizierten Lokalisationen kann dies gelegentlich problematisch oder unmöglich sein, sodass dann nach den üblichen Regeln der Pankreaschirurgie reseziert werden muss. Liegt Malignität vor, ist eine R0-Resektion unter Mitnahme der entsprechenden Lymphabflussgebiete anzustreben. Ist die R0-Resektion aufgrund der Tumorausdehnung nicht möglich, sollte die Tumormasse so weit wie mit vertretbarem Risiko möglich reduziert werden, um die Symptomatik zu verbessern.
Gastrinom
Gastrinom
Klinik: Wegweisendes Symptom des Gastrinoms ist das Zollinger-Ellison-Syndrom.
Klinik: Wegweisendes Symptom des Gastrinoms ist das Zollinger-Ellison-Syndrom. Unter hoher Dosierung von Protonenpumpenhemmern persistiert sowohl die Ulkuserkrankung, als auch die möglicherweise vorhandene Diarrhö und die Refluxkrankheit.
Diagnostik: Die Hypergastrinämie stellt den entscheidenden Befund dar.
Diagnostik: Die Hypergastrinämie ist der wegweisende laborchemische Befund. Obligate Verfahren zur Lokalisation sind die Somatostatin-Rezeptor-Szintigraphie, die Endosonographie und Endoskopie sowie das CT.
Therapie: Zum Diagnosezeitpunkt haben 50 % der Patienten Lymphknotenmetastasen. Hieran orientiert sich das chirurgische Vorgehen.
Therapie: Bei 50 % der Patienten liegen zum Zeitpunkt der Diagnose bereits Lymphknotenmetastasen vor. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit eines entschlossenen chirurgischen Vorgehens, das bei Patienten ohne Metastasen in der Resektion mit einem Randsaum von normalem Pankreasgewebe besteht. Da die Malignität sich erst definitiv histologisch konstatieren lässt, schließt sich eine am Primärtumorsitz orientierte Lymphadenektomie an. Auch beim Gastrinom spielt die Zytoreduktion als Palliativmaßnahme bei ausgedehnten Tumoren zur Linderung der Symptomatik eine wesentliche Rolle.
Seltene hormonaktive neuroendokrine Tumoren des Pankreas
Seltene hormonaktive neuroendokrine Tumoren des Pankreas
Es sind seltene Tumoren. Eine Übersicht über Häufigkeit, Leitsymptome sowie Lokalisation der hormonproduzierenden Tumoren der Bauchspeicheldrüse zeigt Tab. B-1.95.
Hierbei handelt es sich um ausgesprochen seltene Tumoren, die durch ihre Hormonfreisetzung gekennzeichnet sind (Somatostatinom, Fibrom, Glukagonom, GRFom). Über die Hälfte dieser Tumoren haben zum Zeitpunkt der Diagnose bereits Metastasen gesetzt. Die Therapie muss sich deshalb an die entsprechenden onkologischen Prinzipien halten und den Lymphabflussweg in die Resektion einbeziehen. Eine Übersicht über Häufigkeit, Leitsymptome sowie Lokalisation der hormonproduzierenden Tumoren der Bauchspeicheldrüse zeigt (Tab. B-1.95).
Diagnostik: Sie besteht in der Hormonbestimmung. Zur Lokalisation dienen endoskopische, sonographische und radiologische Untersuchungsverfahren (CT s. Abb. B-1.369, Angiographie s. Abb. B-1.370).
Diagnostik: Sie umfasst eine entsprechend der Leitsymptomatik ausgerichtete Hormonbestimmung. Zur Lokalisation des Tumors gehören neben Gastroduodenoskopie die abdominelle Sonographie, Computertomographie (Abb. B-1.369), MRT, Angiographie (Abb. B-1.370) und Endosonographie sowie ggf. eine selektive, transkutan-transhepatische Katheterisierung der Pfortader mit Blutentnahme zur Hormonbestimmung. Eine Octreotid-Rezeptor-Szintigraphie kann zur Lokalisationsdiagnostik aller primären und sekundären neuroendokrinen Pankreastumoren (außer Insulinom) eingesetzt werden. In ca. 50 % wird der Tumor erst intraoperativ durch Inspektion, Palpation oder intraoperative Sonographie lokalisiert. Hormonaktive Tumoren können zum Zeitpunkt ihrer geplanten Entfernung Größen von wenigen Millimetern bis zu mehreren Zentimetern aufweisen oder bereits metastasiert haben (insbesondere das Gastrinom metastasiert bis zu 60 % frühzeitig in die Leber).
In ca. 50 % wird der Tumor erst intraoperativ durch Inspektion, Palpation oder intraoperative Sonographie lokalisiert.
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B 1.21 Weichteiltumoren
B-1.95
711
Übersicht über die Charakteristika hormonproduzierender Pankreastumoren
Syndrom
Inzidenz/1 Mio.
Leitsymptome
Malignitätsrate
Ursache
Gastrinom, Zollinger-EllisonSyndrom
0,4 – 1
abdominelle Schmerzen, Durchfälle, rezidivierende Ulzera
60 – 90 %
Insulinom
0,8 – 0,9
Hypoglykämien
ca. 10 %
VIPom (VIP = vasoaktives intestinales Polypeptid), Verner-Morrison-Syndrom, pankreatische Cholera Glukagonom
0,05 – 0,2
wässrige Durchfälle, Hypokaliämie, Hypo-/Achlorhydrie, Dehydratation
40 – 60 %
0,01 – 0,1
50 – 80 %
Somatostatinom
selten
GRFom (GRF = growth hormone releasing factor)
selten
Dermatitis, Gewichtsverlust, Diabetes/Glukose-Intoleranz Durchfall, Gewichtsverlust, Diabetes mellitus Akromegalie
PP-om (pankreatisches Polypeptid) und nicht hormonaktiver Inselzelltumor
selten
Gastrin produzierender Tumor, in 40 % in extrapankreatischer Lokalisation, in 30 % multiple Tumoren Insulin produzierender Tumor, in 2 % extrapankreatische Lokalisation, in 10 % multiple Tumoren vasoaktives intestinales Polypeptid produzierender Tumor, in bis zu 10 % extrapankreatische Lokalisation Glukagon produzierender Tumor Somatostatin produzierender Tumor Growth-hormon-releasingFaktor produzierender Tumor mit in 30 % der Fälle primärer Lokalisation im Pankreas pankreatisches Polypeptid produzierender Tumor, meist große solitäre Pankreasraumforderung
B-1.369
abdominelle Schmerzen, keine spezifische, hormonelle Symptomatik
4 70 % häufige Metastasierung
65 – 90 %
Hormonaktive Tumoren des Pankreas
b (I)
a
a Angiographischer Nachweis eines Insulinoms: Angiographie des Truncus coeliacus mit Nachweis eines hypervaskularisierten Tumors (?) (Insulinom) im Bereich des Pankreas. b Endokriner Tumor des Pankreaskorpus: I CT-Befund, II Resektat
b (II)
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712
B 1 Viszeralchirurgie
Therapie: Die optimale Therapie ist die Entfernung oder zumindest Verkleinerung des Tumors.
Therapie: Die optimale Therapie ist die chirurgische Entfernung des endokrinen Tumors. Ziel der Operation sollte sein, den hormonaktiven Tumor zu resezieren bzw. bei Metastasierung die Tumormasse zu verkleinern, um ggf. die Voraussetzungen für eine postoperative Chemotherapie zu verbessern. Folgende Operationsverfahren kommen zur Anwendung: ■ Adenomenukleation: Bei solitären, benignen (z. B. Insulinom) Tumoren ■ linksseitige Splenopankreatektomie: Bei multiplen Adenomen im Pankreaskorpus-/-schwanzbereich ■ partielle Duodenopankreatektomie: Bei großen Adenomen oder beim malignen Insulinom im Pankreaskopf ■ totale Pankreatektomie: Bei schweren endokrinologischen Krankheitsbildern als Ultima ratio (selten) ■ Leberteilresektion zur Tumormassenreduktion: Bei Lebermetastasen.
Operationsverfahren sind: ■ Adenomenukleation ■ Pankreaskorpus-/-schwanzresektion ■ partielle Duodenopankreatektomie ■ totale Pankreatektomie ■ Leberteilresektion.
Hormoninaktive neuroendokrine Tumoren des Pankreas
Hormoninaktive neuroendokrine Tumoren des Pankreas
der NET des Pankeas ist Klinik: Etwa hormoninaktiv. Sie werden nach onkologischen Kriterien reseziert, da meist Malignität vorliegt.
Klinik: Etwa ein Drittel aller NET des Pankreas sind klinisch hormoninaktiv. Dies führt dazu, dass es häufig zu einer späten Diagnosestellung kommt, da erst durch die Größenzunahme oder paraneoplastische Erscheinungen uncharakteristische Symptome auftreten. Gelegentlich wird auch erst die tastbare Tumormasse diagnostiziert.
Diagnostik: Vor allem Sonographie, CT und MRT.
Diagnostik: Für die Diagnostik kommen vor allem die Sonographie, das CT und das MRT zum Einsatz.
Therapie, Prognose: Die chirurgische Therapie besteht in einer möglichst radikalen Resektion. Bei einer R0-Resektion beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate 60 %.
Therapie, Prognose: Die chirurgische Therapie besteht in einer möglichst radikalen Resektion. Aufgrund der guten Prognose dieser Tumoren im Vergleich zum duktalen Adenokarzinom des Pankreas sind hier auch multiviszerale Resektionen gerechtfertigt. Bei einer R0-Resektion beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate 60 % und bei R1- oder R2-Resektionen immer noch etwa 30 %.
Magen und Duodenum
Magen und Duodenum
Magen
Magen
Im Bereich des Magens kommen 4 Typen der NET vor: ■ Gut differenzierter Typ 1 ■ Gut differenzierter Typ 2 ■ Gut differenzierter Typ 3 ■ Niedrig differenzierter Typ 4.
Im Bereich des Magens werden 4 Typen des NET unterschieden: ■ Gut differenzierter Typ 1: Kleine meist unter 1 cm Durchmesser große multiple Tumoren, die mit einer chronisch atrophischen Typ-A-Gastritis sowie einer Hypergastrinämie bei ECL-Zell-Hyperplasie verbunden sind ■ Gut differenzierter Typ 2: Selten, vergesellschaftet mit ECL-Zell-Hyperplasie, oft bei duodenalen Gastrinomen von MEN-I-Patienten ■ Gut differenzierter Typ 3: Solitär, keine chronisch atrophische Gastritis oder ECL-Zell-Hyperplasie ■ Niedrig differenzierter Typ 4: Undifferenziertes kleinzelliges neuroendokrines Karzinom.
Klinik: Bei kleinem Tumor asymptomatisch. Bei einer Flash-Symptomatik können Lebermetastasen vorliegen (Histamin im Serum erhöht).
Klinik: Patienten mit kleinen Tumoren können asymptomatisch sein, da die Symptome von der Tumorgröße und vom Tumorsitz abhängig sind. Bei einer Flash-Symptomatik muss mit dem Vorliegen von Lebermetastasen gerechnet werden (dann auch pathologisch Erhöhung von Histamin im Serum).
Diagnostik: Meist endoskopischer Zufallsbefund. Wichtigstes Verfahren ist die Endosonographie, ggf. ergänzt von CT.
Diagnostik: Diese Tumoren werden überwiegend endoskopisch als Zufallsbefund diagnostiziert und zur Diagnosesicherung biopsiert und endosonographiert. Die Endosonographie stellt das wichtigste Untersuchungsverfahren, das ggf. durch ein CT ergänzt werden kann, dar.
Therapie: Die Resektion erfolgt unter Berücksichtigung des Tumortyps, der Größe und dem Vorliegen von Fernmetastasen.
Therapie: Die chirurgische Therapie richtet sich nach der Tumorgröße und dem Tumortyp. Benigne Tumoren (Typ 1 und 2 bis 2 cm ohne Angioinvasion) können, wenn der Tumor die Submukosa nicht überschritten hat, endoskopisch abgetragen werden. Liegt eine niedriggradige Malignität vor (überwiegend Typ 3 bis 2 cm), muss mit einer Ausbreitung in die regionalen Lymphknoten gerechnet werden, sodass eine Magenresektion oder Gastrektomie mit Lymphadenektomie vorzunehmen ist. Hoch maligne Tumoren zeigen zu einem sehr hohen Anteil Lymphknotenmetastasen, sodass es bei diesen Tumoren ganz besonders auf eine
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B 1.21 Weichteiltumoren
713
ausgedehnte und subtile Lymphadenektomie im Rahmen der chirurgischen Befundsanierung ankommt. Duodenum
Duodenum
Neuroendokrine Tumoren des Duodenums sind überwiegend Gastrinome. Daneben können im Bereich der Papille Somatostatin produzierende NET auftreten, die früh zu Lymphknotenmetatasen führen.
NET des Duodenums sind überwiegend Gastrinome.
Therapie: Hormonell inaktive duodenale NET ohne Überschreitung der Submukosa können lokal reseziert werden. Bei Malignität muss eine Resektion nach den onkologischen Prinzipien der Tumorlokalisation (in aller Regel eine Whipple-Operation) vorgenommen werden.
Therapie: Hormonell inaktive duodenale NET ohne Überschreitung der Submukosa können lokal reseziert werden. Bei Malignitätsverdacht muss eine Resektion nach onkologischen Kriterien erfolgen.
Jejunum und Ileum
Jejunum und Ileum
Bei den NET des Dünndarms handelt es sich überwiegend um differenziertere Serotonin produzierende Tumoren. Sie treten oft multipel auf und metastasieren früh in die regionalen Lymphknoten. Nicht selten werden sie durch die tumorbedingte Obstruktion des Dünndarmes auffällig und im Rahmen der Operation des resultierenden Ileus diagnostiziert. Dies betrifft bis zu 40 % der betroffenen Patienten.
Bis zu 40 % der NET des Dünndarms werden oft im Rahmen einer Ileusoperation diagnostiziert. Die Tumoren produzieren meist Serotonin.
Diagnostik: Die Anamnese kann bei genauer Nachfrage sehr lang sein. Liegt ein sog. Karzinoidsyndrom vor, ist mit Lebermetastasen zu rechnen. Besteht präoperativ ein entsprechender Verdacht, sichert die Bestimmung von Serotonin und Chromogranin A im Plasma die Diagnose. Als obligate diagnostische Maßnahmen gelten die Endoskopie (Koloskopie und Gastroskopie), ein Schnittbildverfahren sowie die Somatostatinrezeptorszintigraphie.
Diagnostik: Als obligate diagnostische Maßnahmen gelten die Endoskopie (Koloskopie und Gastroskopie), ein Schnittbildverfahren sowie die Somatostatinrezeptorszintigraphie.
Therapie: Da es bei intraabdominellen Manipulationen während der operativen Befundsanierung zu massiven Hormonausschüttungen und damit zum plötzlichen massiven Karzinoidsyndrom mit lebensbedrohlichen Herz-Kreislauf-Krisen kommen kann, sind zu operierende Patienten mindestens 24 Stunden vor Operationsbeginn mit einem Somatostatinrezeptorantagonisten zu behandeln. Neuroendokrine Tumoren des Dünndarmes werden grundsätzlich mit einer ausgedehnten Segmentresektion und gleichzeitig regionaler Lymphadenektomie behandelt, da die Radikalität und Ausdehnung der Lymphadenektomie hohe prognostische Bedeutung hat. Wegen der hohen Rate von Patienten, die synchron oder metachron Lebermetastasen ausbilden, ist bereits bei der Primärtumorresektion eine Cholezystektomie vorzunehmen, um für ggf. durchzuführende lokale Maßnahmen an der Leber (z. B. Chemoembolisation) keine zusätzlichen Risiken in Kauf nehmen zu müssen.
Therapie: Wegen der Gefahr des massiven Karzinoidsyndroms mit lebensbedrohlichen Herz-Kreislauf-Krisen sind die Patienten mindestens 24 Stunden präoperativ mit einem Somatostatinrezeptorantagonisten zu behandeln. Im Rahmen der Resektion erfolgt grundsätzlich eine Lymphadenektomie nach den üblichen onkologischen Kriterien.
Appendix
Appendix
Im Bereich der Appendix werden neuroendokrine Tumoren meist als Zufallsbefund im Rahmen einer Appendektomie entdeckt. Trotz häufiger Ausdehnung bis in die Mesoappendix haben sie eine relativ gute Prognose. Eine Metastasierung findet sich bei Tumoren unter 2 cm extrem selten.
NET der Appendix haben eine gute Prognose.
Therapie: Aufgrund des biologischen Verhaltens reicht bei Tumoren unterhalb eines Größendurchmessers von 2 cm die Standardappendektomie im Sinne der Mitnahme der Mesoappendix aus und ist als genügend radikal zu betrachten. Liegt der Durchmesser eines Tumors über 2 cm oder findet sich eine Infiltration der Appendixbasis, ist eine nach onkologischen Kriterien auszuführende Hemikolektomie rechts erforderlich.
Therapie: Unter 2 cm metastasieren sie praktisch nie und die Appendektomie ist als Therapie ausreichend. Bei Tumoren über 2 cm Durchmesser erfolgt eine Hemikolektomie.
Kolon
Kolon
Neuroendokrine Tumoren im Bereich des Kolons finden sich vornehmlich im proximalen Anteil. Sie sind insgesamt sehr selten. Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung liegt überwiegend eine Metastasierung vor.
NET des Kolons sind überwiegend maligne.
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714
B 1 Viszeralchirurgie
Diagnostik: Erfolgt analog dem Kolonkarzinom (S. 399).
Diagnostik: Die Diagnostik wird analog dem Kolonkarzinom vorgenommen (S. 399).
Therapie: Bei Tumoren unter 2 cm Durchmesser erfolgt eine endoskopische Abtragung bzw. Segmentresektion. Bei größeren Tumoren ist eine onkologische Kolonresektion mit Lymphadenektomie erforderlich.
Therapie: Bei Tumoren unter 2 cm Durchmesser richtet sich die chirurgische Therapie nach der Infiltrationstiefe bzw. danach, ob eine endoskopisch vollständige Abtragung möglich ist. Kann keine vollständige endoskopische Abtragung erreicht werden, muss bei Tumoren unter 2 cm Durchmesser eine Segmentresektion vorgenommen werden. Ist der Tumor größer als 2 cm, ist eine onkologische Kolonresektion mit Lymphadenektomie erforderlich.
Rektum
Rektum
NET des Rektums stellen überwiegend Zufallsbefunde dar.
Neuroendokrine Tumoren des Rektums sind überwiegend klein und werden zufällig bei rektoskopischen Untersuchungen aus anderen Gründen diagnostiziert. Im Rahmen der Rektoskopie erfolgt die bioptische Sicherung. Liegt ein Tumor 4 2 cm oder eine Infiltration der Muscularis propria vor, muss in über 50 % der Fälle bereits bei Diagnosestellung mit einer Fernmetastasierung gerechnet werden. Rektale neuroendokrine Tumoren sind nur extrem selten hormonaktiv. Nicht selten findet sich bei den betroffenen Patienten synchron ein Adenokarzinom des Kolons.
Diagnostik: Kolonoskopie und die transrektale Endosonographie. Ab einem Tumordurchmesser von 2 cm ist ein Staging mit CT-Untersuchung erforderlich.
Diagnostik: Neben der obligaten vollständigen Kolonoskopie gehört die transrektale Endosonographie zu den obligaten Diagnosemaßnahmen. Ab einem Tumordurchmesser von 2 cm sollte ein vollständiges Staging mit CT-Untersuchung des übrigen Abdomens und der Leber vorgenommen werden.
Therapie: Kleine Tumoren ohne Infiltration der Muscularis propria können minimalinvasiv transrektal entfernt werden. Größere Tumoren werden wie ein Karzinom reseziert.
Therapie: Tumoren unter 2 cm Durchmesser und ohne Infiltration der Muscularis propria können endoskopisch abgetragen werden. Ist dies aufgrund der Infiltrationstiefe nicht möglich oder liegt ein Tumor über 2 cm Durchmesser vor, so wird analog dem Vorgehen bei einem Adenokarzinom reseziert (Rektumresektion mit TME).
Lebermetastasen neuroendokriner Tumoren
Lebermetastasen neuroendokriner Tumoren
Die Metastasierung in die Leber ist der wichtigste prognostische Faktor. Die einzige kurative Therapie ist die vollständige chirurgische Resektion, die jedoch wegen des häufigen disseminierten Auftretens nur bei wenigen Patienten infrage kommt. Weitere invasive Maßnahmen haben grundsätzlich palliativen Charakter (S. 504). Die konservative Therapie basiert auf der Evidenzstufe der Expertenmeinung und sollte an Zentren erfolgen.
Bei den neuroendokrinen Tumoren ist die Metastasierung in die Leber der wichtigste prognostische Faktor. Die Metastasen befinden sich meist disseminiert in beiden Lappen. Die einzige Behandlungsmaßnahme mit kurativem Ansatz ist die vollständige chirurgische Resektion, die jedoch wegen des häufigen disseminierten Auftretens nur für einen geringen Anteil der Patienten sinnvoll infrage kommt. Bei fehlender Resektabilität kann bei ausgeprägter hormonell bedingter klinischer Symptomatik im Sinne einer Palliation die chirurgisch zu erzielende Zytoreduktion im Sinne eines Debulkings sinnvoll sein. Dies sollte aber unbedingt entsprechend ausgewiesenen Zentren vorbehalten bleiben (S. 504). Die konservative Therapie basiert auf der Evidenzstufe der Expertenmeinung und sollte an Zentren erfolgen.
1.21.2 Weichteiltumoren
1.21.2 Weichteiltumoren Jürgen Bruns, Peter Würl
Grundlagen 왘 Definition
Neubildungen des lymphatischen und retikuloendothelialen Systems, des Stützgewebes von Viszera und auch Tumoren parenchymatöser Organe zählen nicht zu den Weichteiltumoren (WTTu). Abzugrenzen sind auch sog. Pseudotumoren (Tab. B-1.96).
Grundlagen 왘 Definition. Alle mesenchymalen Tumoren, die zwischen Haut und Skelett liegen, werden laut WHO-Definition als Weichteiltumoren (WTTu) bezeichnet.
Nicht zu den WTTu zählen Neubildungen des lymphatischen und retikuloendothelialen Systems sowie des Stützgewebes von Viszera. Ausgenommen sind auch Tumoren parenchymatöser Organe, obwohl sie mesenchymalen Ursprungs sind, wie Leberzellkarzinom oder Sarkome der Eingeweide. Von den echten WTTu sind sog. Pseudotumoren (Tab. B-1.96) abzugrenzen. In einer Zusammenstellung von knapp 12 000 Weichteiltumoren zeigt sich ein Anteil von ca. 5 % maligner und 95 % benigner Tumoren. Unter den gutartigen Tumoren führen die mit Differenzierungsmerkmalen des Fettgewebes (34 %)
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B 1.21 Weichteiltumoren
B-1.96 ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
■ ■ ■ ■
Pseudotumoren der Weichteile
715 B-1.96
palmare und plantare Fibromatose (Morbus Dupuytren, Morbus Ledderhose) Fasciitis nodularis retroperitoneale Fibrose proliferative Fasziitis und proliferative Myositis, Myositis ossificans Elastofibrome Xanthome, infantile Xanthogranulome muköse Zysten (sog. Ganglien) z. B. der Synovialis, der Menisken Amputationsneurome, Morton-Neurome synoviale Chondromatose pseudotumoröse Kalzinosis pigmentierte, villonoduläre Synovitis, Tenosynovitis oder Bursitis bzw. synoviale Riesenzelltumoren Fettnekrosen Lipogranulome Pannikulitis Amyloidablagerungen
gefolgt von denen des Bindegewebes (28 %), des Blut- und Lymphgefäßsystems (21 %), des peripheren Nervensystems (12 %), der Synovialis (3 %) und der Muskulatur (1,5 %). Unter den malignen WTTu sind Fibrosarkome und maligne fibröse Histiozytome (MFH) am häufigsten, gefolgt von Lipo-, Angio-, Synovial-, und Leio- bzw. Rhabdomyosarkomen. Epidemiologie: Die Inzidenz benigner Weichteiltumoren beträgt 1 – 3:1000 pro Jahr. Maligne WTTu (Weichteilsarkome = WTSa) weisen bei Erwachsenen einen Anteil von 0,5 – 1 % von allen malignen Tumoren, bei Kindern von 8 – 15 % auf. Die Inzidenz liegt bei 1 – 2:100 000 pro Jahr. Dementsprechend haben die benignen WTTu einen Anteil von ca. 98 %. Das Verhältnis benigner zu malignen Tumoren beträgt damit ca. 40:1. Während gutartige WTTu eine relativ symmetrische Altersverteilung mit Altersgipfel im 4.– 5. Dezennium aufweisen, zeigen WTSa einen ersten Erkrankungsgipfel im Kindesalter. Sie sind sehr selten und werden mit zunehmendem Alter langsam häufiger. Im Kindesalter ist das Rhabdomyosarkom das häufigste WTSa, bei jungen Erwachsenen das Synovial- und Fibrosarkom und bei älteren Erwachsenen das maligne fibröse Histiozytom. Insgesamt lässt sich für die WTSa kein relevanter Unterschied in der geschlechtsspezifischen Prävalenz feststellen. Einzelne Entitäten zeigen eine deutliche Geschlechts- oder Altersbevorzugung (Tab. B-1.97).
B-1.97
Art des WTTu ■
benigne
Bevorzugtes Auftreten von Weichteltumoren (WTTu) Kinder ■
■
■
maligne
■
■
■
angiomatoides fibröses Histiozytom Riesenzellfibroblastom Rhabdomyosarkome extraossäre Tumoren der Ewing-Gruppe maligne periphere Nervenscheidentumoren
Frauen ■ ■ ■ ■ ■
Lipome Angiome Leiomyome Neurinome Granularzelltumoren
alveoläre Weichteilsarkome und maligne periphere Nervenscheidentumoren (MPNST)
Epidemiologie: Die Inzidenz benigner Weichteiltumoren beträgt 1 – 3:1000 pro Jahr. Maligne WTTu weisen bei Erwachsenen einen Anteil von 0,5 – 1 % von allen malignen Tumoren, bei Kindern von 8 – 15 % auf. Die Inzidenz liegt bei 1 – 2:100 000 pro Jahr. Das Verhältnis benigner zu malignen Tumoren beträgt damit ca. 40:1.
WTTu zeigen eine deutliche Geschlechtsoder Altersbevorzugung (Tab. B-1.97).
B-1.97
Männer ■ ■
■
■
■ ■ ■ ■
Rhabdomyome synoviale Riesenzelltumoren benigne fibröse Histiozytome maligne fibröse Histiozytome (MFH) Fibrosarkome Liposarkome synoviale Sarkome extraskelettale Osteo-, Chondro- und Ewing-Sarkome
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
716 B-1.370
Ätiologie: Die Ätiologie der benignen WTTu und der WTSa (Weichteilsarkome) ist ungeklärt. Es werden Zusammenhänge zwischen verschiedenen äußeren Einwirkungen (Tab. B-1.98), genetischen Anomalien (Tab. B-1.99) und Vergesellschaftung mit chromosomalen Translokationen (Tab. B-1.100) vermutet.
Bei den WTSa ist zwischen peripheren (häufiger, ca. 80 – 85 %) und zentralen Tumoren zu unterscheiden. Die Verteilung entspricht insgesamt der des mesenchymalen Gewebes in unserem Organismus.
B 1 Viszeralchirurgie
B-1.370
Klinisch-topographische Einteilung von Weichteiltumoren
Ätiologie: Die Ätiologie der benignen WTTu und der WTSa ist ungeklärt. Bei einigen WTSa werden Zusammenhänge mit einer vorangegangenen Hochdosisstrahlentherapie (chronisches Lymphödem mit Entstehung eines Lymphangiosarkoms: Stewart-Treves-Syndrom), Exposition gegenüber Herbiziden (Phenoxyessigsäure), Holzschutzmitteln (Chlorophenole), Dioxin, Thorotrast, Vinylchlorid und Arsen vermutet (Tab. B-1.98). Gehäuft treten WTSa bei Patienten mit Gardner-Syndrom, Wermer-Syndrom, tuberöser Sklerose, Basalzellnävus, Li-Fraumeni-Syndrom und Morbus von Recklinghausen auf. Bei verschiedenen Entitäten sind genetische Defekte (Tab. B-1.99) und die Vergesellschaftung mit chromosomalen Translokationen bekannt (Tab. B-1.100). Außerdem sind verschiedene molekulare Störungen in bestimmten Genen für die Entstehung von WTSa mitverantwortlich. Wesentlichen Einfluss haben die Tumorsuppressorgene p53 und RB. Ihre Inaktivierung ist an der Entstehung von verschiedenen Sarkomen beteiligt. Diese genetischen Veränderungen können bereits zur Tumorklassifikation und Diagnostik mit eingesetzt werden. Sie besitzen auch prognostischen Wert. Bei den WTSa ist außerdem zwischen peripheren und zentralen Tumoren zu unterscheiden. Periphere WTSa (Kopf, Hals, Rumpf und Extremitäten) sind häufiger (ca. 80 – 85 %). Zentrale WTSa (Mediastinum, Retroperitoneum, Mesenterium und der Orbita) machen 15 – 20 % aus. Die Verteilung entspricht insgesamt der des mesenchymalen Gewebes in unserem Organismus.
Klinik
Klinik
Lange Zeit symptomlos. Selten treten Symptome durch Kompression umgebender Strukturen wie Nerven, Gefäße oder anderer Organe (Retroperitoneum) auf. Typisch für WTSa ist ein schnelles Wachstum innerhalb von Wochen sowie eine derbe Konsistenz bei der Palpation.
Gut- wie bösartige WTTu verursachen unabhängig von der Lokalisation und Dignität lange Zeit keine Beschwerden. Im Gegensatz zu Karzinomen führen maligne WTTu kaum zu paraneoplastischen Symptomen. Gewichtsabnahme, Appetitlosigkeit, Leistungsknick und andere Phänomene fehlen weitgehend. Häufig wird von den Patienten selbst eine schmerzlose Schwellung der Weichteile bemerkt. Selten treten Symptome durch Kompression umgebender Strukturen wie Nerven, Gefäße oder anderer Organe (Retroperitoneum) auf. Symptomatisch besonders lange stumm sind retroperitoneale Geschwülste.
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B 1.21 Weichteiltumoren
B-1.98
Zu Weichteilsarkomen prädisponierende Faktoren
717 B-1.98
ionisierende Strahlung genetische Prädisposition:
■ ■ ■ ■ ■
chemische Substanzen:
■ ■ ■ ■ ■
chronisches Lymphödem:
■ ■
Neurofibromatose von Recklinghausen NF-1-Genexpression Li-Fraumeni-Syndrom Retinoblastom familiäre Polyposis coli (Gardner-Syndrom) Phenoxyessigsäure Chlorophenole Thorotrast Vinylchlorid Arsen Stewart-Treves-Syndrom Filariosis
Trauma abdominelles Desmoid (postpartal)
B-1.99
Genetische Anomalien in Weichteilsarkomen: zytogenetische Störungen
Histologie
zytogenetische Störung
synoviales Sarkom myxoides Liposarkom Ewing-Sarkom alveoläres Rhabdomyosarkom extraskelettales, myxoides Chondrosarkom desmoplastischer klein-rundzelliger Tumor
T(X, 18) (p11.2; q11.2) T(12; 16) (q13; p11) T(11; 22) (q21 – 24; q11 – 14) T(2; 13) (q35 – 37; q14) T(9; 22) (q22; q11 – 22) T(11; 22) (q13; q12)
B-1.100
Genetische Anomalien in Weichteilsarkomen: molekulare Störungen
Histologie
RB1-Punktmutation oder Deletionen
p53-Punktmutation oder -deletion
■
malignes fibröses Histiozytom Leiomyosarkom Liposarkom Rhabdomyosarkom
■
High-grade-Sarkome
INK4-A/B-Deletionen Überexpression von Cyclin A, D1, E
■ ■
■ ■ ■
B-1.100
molekulare Störung
Leiomyosarkom malignes fibröses Histiozytom maligner peripherer Nervenscheidentumor
■
B-1.99
Typisch für WTSa ist ein schnelles Wachstum innerhalb von Wochen sowie eine derbe Konsistenz bei der Palpation. 왘 Merke. Jede neu aufgetretene Weichteilschwellung (Schwellung = Tumor)
왗 Merke
ist bis zum Beweis des Gegenteils eine Neubildung. Jede Neubildung ist bis zum Beweis des Gegenteils als bösartig einzustufen.
Primärdiagnostik
Primärdiagnostik
Die Ziele der Primärdiagnostik sind die exakte Bestimmung der Größe bzw. des Volumens des Tumors und seiner anatomischen Lage sowie seiner Beziehung zu den umliegenden Strukturen. Die definitive Diagnose muss – soweit möglich – mittels Biopsie gestellt werden.
Ziele sind Bestimmung der Größe, des Volumens und der Lage des Tumors. Die definitive Diagnose sollte mittels Biopsie erfolgen.
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718 왘 Merke
B 1 Viszeralchirurgie
왘 Merke. Zeichen eines benignen WTTu: ■ oberflächliche, epifasziale Lage ■ gute Verschieblichkeit ■ ein Maximaldurchmesser 5 5 cm ■ homogenes MRT-Bild. Zeichen für Malignität: ■ tiefe, subfasziale Lage ■ harte Tumorkonsistenz ■ Immobilität des Tumors ■ schnelles Wachstum (der maximale Durchmesser von WTSa beträgt bei Auftreten von Symptomen meist 4 5 cm).
Sekundärdiagnostik
Sekundärdiagnostik
Die Sekundärdiagnostik umfasst die Tumornachsorge nach Primärtherapie.
Die Sekundärdiagnostik (Tumornachsorge nach Primärtherapie) umfasst die lokale Kontrolle hinsichtlich einer etwaigen Rezidivbildung, die regionale Kontrolle hinsichtlich des Vorliegens von Lymphknotenbeteiligungen und die Fernkontrolle hinsichtlich der Metastasierung (besonders in der Lunge).
Bildgebende Diagnostik
Bildgebende Diagnostik
Zum Ausschluss von Knochentumoren Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen. Sonographie zur orientierenden Untersuchung (Abgrenzung solider WTTu von zystischen Raumforderungen und Darstellung von Tumorgrenzen). Die Magnetresonanztomographie (MRT) (Abb. B-1.371) hat die höchste diagnostische Wertigkeit. Für spezielle Fragestellungen (Gefäßbeteiligung) kann zusätzlich ein Angio-MRT (Abb. B-1.374 d) erstellt werden. Mit der MRT kann die Biopsiestelle optimal definiert werden. Die MRT besitzt auch in der Rezidivdiagnostik die höchste Wertigkeit.
Die wesentliche Bedeutung der CT besteht in der Diagnostik etwaiger Metastasen (besonders in der Lunge und im Thorax) und beim Vorliegen von Kontraindikationen zur MRT.
Die Angiographie kann bei benignen Hämangiomen oder Sarkomen eingesetzt werden (Abb. B-1.374 d) und ist für eine eventuelle präoperative Tumorembolisation notwendig.
Die Bildgebung stellt die wesentliche, nicht invasive diagnostische Maßnahme bei WTTu dar. Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen dienen zum Ausschluss von Knochentumoren bzw. -arrosionen sowie der Erkennung von Weichteilverkalkungen. Die Sonographie kann initial zur orientierenden Untersuchung eingesetzt werden. Mit ihr ist eine erste Abgrenzung solider WTTu von zystischen Raumforderungen und eine relativ gute Darstellung der Tumorgrenzen möglich. Zur Planung einer Biopsie bzw. späteren operativen Resektion reicht sie nicht aus. Die höchste diagnostische Wertigkeit besitzt die Magnetresonanztomographie (MRT) (Abb. B-1.371). Ihre Vorteile bestehen in der multiplanaren Darstellungsmöglichkeit, der guten Weichteilkontrastierung und Abbildung der Tumorgrenzen, insbesondere der Lagebeziehungen zu neurovaskulären Strukturen und der Relationen zu den Kompartimentgrenzen. Der Einsatz von intravenösem Kontrastmittel (Gadolinium-DTPA) dient der Verbesserung der differenzialdiagnostischen Abgrenzung. Die dynamische Untersuchung der Kontrastmittelanflutung erlaubt eine Aussage über die Tumorperfusion und damit im Verlauf bei Vorbehandlung mit neoadjuvanter Therapie eine Aussage über den sog. Response bzw. die verbliebene Vitalität des Tumors. Für spezielle Fragestellungen (Gefäßbeteiligung) kann zusätzlich ein Angio-MRT (Abb. B-1.374 d) erstellt werden. Mit der MRT kann die Biopsiestelle optimal definiert und eine frustrane Materialentnahme aus Nekrosearealen vermieden werden. Immer sollte (an den Extremitäten) das gesamte Kompartment dargestellt werden. Auch in der Rezidivdiagnostik besitzt die MRT die höchste Wertigkeit, da mit ihr besonders die Unterscheidung narbiger postoperativer Strukturen von etwaigen Lokalrezidiven möglich ist. Für spezielle Fragestellungen kann auch hier eine MRT-Angiographie erstellt werden. Wesentliche Nachteile sind nicht bekannt. Der Wert der Computertomographie (CT) zur Lokaldiagnostik von benignen und malignen WTTu ist seit der breiten Verfügbarkeit des MRT deutlich gesunken. Ihre wesentliche Funktion besteht in der Diagnostik etwaiger Metastasen (besonders in der Lunge und im Thorax). Bei peripheren WTTu wird sie zur Klärung spezieller Fragen (z. B. Kortikalisarrosion von beteiligten Knochen) oder beim Vorliegen von Kontraindikationen zur MRT eingesetzt. Bei abdominellen und retroperitonealen Tumoren sind die CT (Abb. B-1.372) und MRT von etwa gleichem Aussagewert. Die Angiographie ist aufgrund der guten Darstellbarkeit von Weichteilveränderungen mittels MRT und der Möglichkeit zur MRT-Angiographie oder alternativ
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B 1.21 Weichteiltumoren
B-1.371
719
Beispiel eines peripheren Weichteilsarkoms (malignes fibröses Histiozytom) des Beugekompartiments am Oberschenkel eines 35-jährigen Mannes
b
a
d
c
e
a Sagittales MRT. b Transversales MRT. c Intraoperativer Situs: Die Biopsiestelle wird am Tumor belassen und mit ihm i.S. der Kompartmentresektion des Beugekompartimentes reseziert. d Resektat. e Situs nach Kompartimentresektion: Man erkennt den N. ischiadicus und seine Aufgabelung in N. tibialis et. N. peroneus, darunter liegt das Femur.
der Angio-CT stark gesunken. Sie kann bei benignen Hämangiomen oder Sarkomen zur Klärung bestimmter Fragestellungen beitragen (Abb. B-1.374 d) und ist für eine eventuelle präoperative Tumorembolisation notwendig. Nuklearmedizinische Methoden: Die 3-Phasen-Knochenszintigraphie besitzt für die Diagnostik des Primärtumors einen untergeordneten diagnostischen Wert, z. B. zur Klärung der Frage einer Kortikalisarrosion. Da Knochenmetastasen bei WTSa eine Rarität darstellen, ist der Einsatz der Knochenszintigraphie lediglich bei dringendem klinischem Verdacht auf eine knöcherne Metastasierung sinnvoll. Sie sollte immer als Ganzkörperszintigraphie erfolgen. Die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) mit radioaktiv markiertem Fluor (Fluor-18-Deoxyglukose als sog. Onko-PET) stellt eine relativ neue nuklearmedizinische Methode dar, die eine bildliche Darstellung von Vorgängen des Tumorstoffwechsels in Primärtumoren und etwaigen Metastasen ermöglicht. Die Auflösung liegt derzeit bei einer Minimalgröße von 5 mm. Die PET erlaubt auch eine quantitative Aussage über etwaige Veränderungen der Tumorvitalität im Verlauf der Behandlung.
Nuklearmedizinische Methoden: Der Einsatz der Knochenszintigraphie ist nur bei dringendem klinischem Verdacht auf eine knöcherne Metastasierung sinnvoll. Sie sollte immer als Ganzkörperszintigraphie erfolgen.
Die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) mit radioaktiv markiertem Fluor (Fluor-18-Deoxyglukose als sog. Onko-PET) stellt eine relativ neue nuklearmedizinische Methode dar, die eine bildliche Darstellung von Vorgängen des Tumorstoffwechsels in Primärtumoren und etwaigen Metastasen ermöglicht. Die Auflösung liegt derzeit bei einer Minimalgröße von 5 mm.
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720
B 1 Viszeralchirurgie
Weiterhin schwierig ist die Unterscheidung benigner Läsionen von Low-gradeSarkomen sowie von Tumoren gegenüber entzündlichen Veränderungen. Die Kombination PET und Computertomographie (sog. PET-CT) kann die Aussagekraft erhöhen, stellt aber keine Standarduntersuchung dar. 왘 Merke
왘 Merke. Für die Planung der operativen Therapie ist bei der Bildgebung darauf
zu achten, dass nicht nur der Tumor selbst und seine unmittelbare Umgebung abgebildet wird, sondern auch eine Darstellung der weiter entfernt liegenden anatomischer Strukturen (Gefäß-Nerven-Bündel, Knochen, Gelenke etc.) erfolgt. Bei Tumoren an den Extremitäten ist es außerdem wichtig, das ganze Kompartiment darzustellen, um sog. „skip-lesions“ (vom Primärtumor entfernte, durch diskontinuierliches Wachstum entstandene, meist mikroskopisch kleine Absiedlungen innerhalb des betroffenen Kompartimentes) zu erkennen und für die operative Resektion anatomische Landmarken identifizieren zu können. Intra- und retroperitoneal sowie intrathorakal ist die Kenntnis der Lagebeziehung zu den abdominellen oder thorakalen Organen und den neurogenen Strukturen wichtig. Labordiagnostik
Labordiagnostik
Spezifische labordiagnostische Marker gibt es bei WTTu nicht.
Spezifische labordiagnostische Marker gibt es bei WTTu nicht. Eventuell sind bei WTSa BSG und im Serum das CRP erhöht sowie im Urin die Ausscheidung der Kollagen-Cross-Links (Pyridinoline). Eine Erhöhung der alkalischen Phosphatase im Serum (insbesondere der knochenspezifischen) kann für eine Knochenbeteiligung sprechen.
Biopsie
Biopsie
왘 Merke
Die Biopsie ist zur Sicherung der histopathologischen Diagnose bzw. Dignität unabdingbar.
Es gibt die geschlossene (Feinnadel- bzw. Trokarbiopsie) und die offene Biopsie (Inzisions- oder Exzisionsbiopsie). Die Prinzipien für alle Formen der Biopsie sind: ■ Planung der Biopsiestelle am MRT (oder CT) muss im interdisziplinären Gespräch erfolgen. ■ Bei WTSa muss bei der späteren Tumorresektion der Biopsiekanal mit dem Tumor entfernt werden (gilt als kontaminiert). ■ Vermeidung von Verletzung neurovaskulärer Strukturen.
왘 Merke. Die Biopsie ist bei WTTu, inbesondere bei WTSa, die wichtigste diagnostische Maßnahme.
Eine Biopsie ist zur Sicherung der histopathologischen Diagnose bzw. Dignität unabdingbar, da bildgebende Verfahren keine ausreichend sichere Diagnosestellung bzw. Abgrenzung gutartiger von bösartigen WTTu gewährleisten können. Die operative Durchführung einer Biopsie, obwohl chirurgisch meist kein Problem, ist eine äußerst verantwortungsvolle Aufgabe, da Fehler die später immer notwendige operative Resektion bei malignen Prozessen deutlich erschweren können. Biopsie und definitive Tumorentfernung bilden eine diagnostisch-therapeutische Einheit und sollten stets vom selben Team vorgenommen werden. Die Durchführung erfolgt entweder als geschlossene (sog. Feinnadel- bzw. Trokarbiopsie) oder als offene Biopsie, die als Inzisions- oder Exzisionsbiopsie durchgeführt werden. Die Prinzipien für alle Formen der Biopsie (insbesondere bei Verdacht auf maligne Prozesse) sind: ■ Planung der Biopsiestelle am MRT (oder CT) im interdisziplinären Gespräch zwischen Operateur, Radiologen und Pathologen: Nur Gewebe aus vitalen Tumorarealen ist aussagekräftig, nekrotisches Gewebe ist für die histopathologische Untersuchung nutzlos. ■ Bei WTSa muss bei der späteren Tumorresektion der Biopsiekanal (unabhängig von Nadel-, offener Inzisions- oder Exzisionsbiopsie) zusammenhängend mit dem Tumor entfernt werden, da er als mit Tumorzellen kontaminiert gilt. ■ Vermeidung des Kontaktes zu bzw. Verletzung von neurovaskulären Strukturen.
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B 1.21 Weichteiltumoren
721
Regeln für Biopsien an Extremitäten: ■ längs verlaufende Inzisionen möglichst weit distal vornehmen ■ Biopsie durch ein Muskelkompartiment, nicht zwischen 2 Muskelkompartimenten oder entlang der intermuskulären Septen (Vermeidung der Tumorzellverschleppung in 2 Muskelkompartimente) ■ direktes Präparieren auf den Tumor zu ■ keine Präparation in die Breite. Maßnahmen bei Feinnadelbiopsien: ■ Bei Lokalanästhesie keine Flächenanästhesie wegen der Gefahr der zellulären Aussaat bei malignen Tumoren vornehmen. ■ Kontrolle und Dokumentation der Nadellage mittels CT mit Darstellung einer später sicher wieder erkennbaren anatomischen Landmarke. Sinnvoll ist eine kleine Stichinzision. Die spätere Narbe markiert für die Resektionsoperation die Biopsiestelle (auch kleine Stichkanäle gelten als durch Tumorzellen kontaminiert). ■ Vermeidung der zu tiefen Nadellage und Perforation des Tumors auf der abgewandten Seite. 왘 Merke. Für die Durchführung von Biopsien sind spezielle Kriterien einzuhalten, um die unvermeidbare Kontamination mit Tumorzellen möglichst gering zu halten. Bei intrathorakal, intraabdominell oder retroperitoneal liegenden Tumoren sind diese Kriterien häufig nicht einzuhalten: Derartige Tumoren werden dann ohne Klärung der Dignität ohne Biopsie wie ein Weichteilsarkom entfernt.
Maßnahmen bei Feinnadelbiopsien: ■ bei Lokalanästhesie keine Flächenanästhesie ■ Kontrolle und Dokumentation der Nadellage mittels CT (Landmarken) ■ Vermeidung der zu tiefen Nadellage.
왗 Merke
Bei der offenen Biopsie ist zwischen der Exzisionsbiopsie und der Inzisionsbiopsie zu unterscheiden: ■ Bei der Exzisionsbiopsie wird der gesamte Tumor enukleiert. Diese Art der Biopsie ist nur bei kleinen Tumoren (5 5 cm) mit oberflächlicher Lage und geringer Wahrscheinlichkeit einer malignen Entartung sinnvoll. Bei malignen Prozessen wird durch eine Exzisionsbiopsie die spätere Operationsplanung zur Nachresektion und auch die Bestimmung eventueller Bestrahlungsfelder deutlich erschwert. Auch wenn keine Verdachtsmomente (s.o.) für ein WTSa vorliegen, sollte bei einer Exzisionsbiopsie immer die Möglichkeit des Vorliegens eines WTSa berücksichtigt werden und eine später eventuell notwendige Nachresektion nicht durch eine fehlerhaft durchgeführte Biopsie erschwert werden. Vorteilhaft ist, die maximale Ausdehnung der entstandenen Wundhöhle durch metallische Gefäßclips zu markieren. ■ Die Inzisionsbiopsie ist bei großen (4 5 cm im größten Durchmesser), in der Tiefe bzw. subfaszial liegenden Tumoren mit hoher Malignitätswahrscheinlichkeit angebracht. Bei der offenen Inzisionsbiopsie wird unter den o.g. Kriterien ein ca. 1 ×1 ×1 cm großes Gewebestück gewonnen und der histopathologischen Untersuchung zugeführt. Ihr Vorteil besteht darin, dass eine relativ große Gewebemenge gewonnen werden kann, ihr Nachteil darin, dass die Komplikationsrate im Vergleich zur Nadelbiopsie etwas höher ist. Bei der Nadel- bzw. Trokarbiopsie dagegen kann nur eine kleine Menge an Tumorgewebe gewonnen werden. Häufig ist deshalb nur eine orientierende zytologische Diagnosestellung möglich, für umfangreichere Spezialuntersuchungen reicht das Material oft nicht aus. Bei härteren Geweben ist ihre Aussagekraft deutlich geringer.
Bei der offenen Biopsie ist zwischen der Exzisionsbiopsie und der Inzisionsbiopsie zu unterscheiden: ■ Bei der Exzisionsbiopsie wird der gesamte Tumor enukleiert. Diese Art der Biopsie ist nur bei kleinen Tumoren (5 5 cm) mit oberflächlicher Lage und geringer Wahrscheinlichkeit einer malignen Entartung sinnvoll. ■ Die Inzisionsbiopsie ist bei großen (4 5 cm im größten Durchmesser), in der Tiefe bzw. subfaszial liegenden Tumoren mit hoher Malignitätswahrscheinlichkeit angebracht.
Besonderheit bei thorakalen, abdominellen und retroperitonealen WTTu: Sie sind oft so lokalisiert, dass eine Biopsie mit Zugang durch den Pleuraspalt bzw. den Peritonealraum nicht möglich ist. Häufig ließen sich bei Tumoren dieser Lokalisation auch die Zugangswege nur schwer und nur mit großen funktionellen Verlusten entfernen. Deshalb muss in derartigen Fällen auf eine präoperative histologische Diagnosesicherung mittels Biopsie häufig verzichtet werden und der Tumor ohne vorherige Klärung der Dignität wie ein WTSa operiert bzw. reseziert werden (Abb. B-1.372).
Besonderheit bei thorakalen, abdominellen und retroperitonealen WTTu: Sie sind oft so lokalisiert, dass eine Biopsie mit Zugang durch den Pleuraspalt bzw den Peritonealraum nicht möglich ist. In diesen Fällen muss auf die Biopsie verzichtet werden.
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722 B-1.372
B 1 Viszeralchirurgie
Beispiel eines zentralen Weichteilsarkoms: 51-jährige Patientin mit Morbus Recklinghausen, abdominelle Anamnese seit 4 Monaten (Diagnose: Maligner peripherer Nervenscheidentumor [G3]) a Abdominelle Computertomographie: Aufgrund der Tumorausdehnung u. anatom. Beziehung zu anderen Organen erfolgt keine Biopsie. b Resektat nach En-bloc-Resektion als multiviszerale Resektion ohne vorangegangene Biopsie. U = Uterus
a
b
B-1.373
Stufenplan zur Diagnostik bei Weichteiltumoren
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B 1.21 Weichteiltumoren
723
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnose
Bei WTSa kommen die sehr viel häufigeren benignen WTTu infrage. Berücksichtigt werden müssen auch alle anderen, nichttumorösen Raumforderungen der Weichteile (Tab. B-1.96). An den Extremitäten sind Hämatome, Abszesse oder gelenknahe nichttumoröse Raumforderungen synovialer Strukturen (z. B. Ganglien) auszuschließen. Hämatome setzen ein Trauma, eine Antikoagulation oder eine Gerinnungsstörung voraus. WTSa weisen häufig eine zentrale Nekrose auf, die relativ groß sein kann. Somit kann die Raumforderung als zystisch verkannt werden. Durch das Kausalitätsbedürfnis des Patienten (z. B. junge Sportler, und auch des Erstbehandlers) besteht eine hohe Fehlinterpretationsrate besonders bei sehr rasch wachsenden Tumoren mit großen Nekrosearealen. Auch Knochentumoren (benigne wie maligne) mit großer Weichteilkomponente können als Weichteiltumoren imponieren.
Berücksichtigt werden müssen auch alle anderen, nichttumorösen Raumforderungen der Weichteile (Tab. B-1.96). An den Extremitäten sind Hämatome, Abszesse oder gelenknahe nichttumoröse Raumforderungen synovialer Strukturen (z. B. Ganglien) auszuschließen.
Auch Knochentumoren mit großer Weichteilkomponente können als Weichteiltumoren imponieren.
Am Rumpf und Hals müssen Hernien, Strumen, Zysten, Neoplasien der Haut und Hautanhangsgebilde sowie Lymphome berücksichtigt werden. Thorakal, abdominell und retroperitoneal sind WTSa besonders von primären Tumoren der Bauchorgane, der Gefäße und der neurogenen Strukturen abzugrenzen. Bei WTSa können regionäre Lymphknoten beteiligt sein (ca. 15 %). Die Häufigkeit ist vom histologischen Typ abhängig. Bei malignen Vorerkrankungen (z. B. Bronchial-, Pankreas-, Mammakarzinom, Lymphom) muss auch an selten auftretende Weichteilmetastasen dieser Primärtumoren gedacht werden.
Am Rumpf und Hals müssen Hernien, Strumen, Zysten, Neoplasien der Haut und Hautanhangsgebilde sowie Lymphome berücksichtigt werden.
Histopathologische Einteilung
Histopathologische Einteilung
Die tatsächliche Histogenese ist für die meisten WTSa nicht bekannt. Heute erfolgt daher die histopathologische Klassifikation nach dem Phänotyp, also dem Normalgewebe, mit dem der Tumor Ähnlichkeiten aufweist (Tab. B-1.101): Beispiel: Ein Synovialsarkom geht in der Regel nicht von synovialen Gelenkoder Sehnenstrukturen aus, sondern kann fernab von ihnen (z. B. in der Bauchdecke) lokalisiert sein; ein Sarkom mit Differenzierungsmerkmalen des Fettgewebes = Liposarkom, der glatten Muskulatur = Leiomyosarkom.
Die tatsächliche Histogenese ist für die meisten WTSa nicht bekannt. Heute erfolgt daher die histopathologische Klassifikation nach dem Phänotyp, also dem Normalgewebe, mit dem der Tumor Ähnlichkeiten aufweist (Tab. B-1.101).
B-1.101
Histologische Einteilung der Weichteiltumoren
Gewebedifferenzierung „Ursprungsgewebe“ Fettgewebe glatte Muskulatur quergestreifte Muskulatur fibröses Bindegewebe
benigne ■ ■
■ ■
■ ■
Nervengewebe
■ ■
nicht definierbar
B-1.101
Tumoren
■
Blutgefäße
Bei malignen Vorerkrankungen muss auch an selten auftretende Weichteilmetastasen dieser Primärtumoren gedacht werden.
Lipom Leiomyom Rhabdomyom Fibrom fibröses Histiozytom Hämangiom Hämangioperizytom Schwannom Neurofibrom
maligne ■ ■
■ ■ ■
Liposarkom Leiomyosarkom Rhabdomyosarkom Fibrosarkom malignes fibröses Histiozytom
■
Angiosarkom malignes Hämangioperizytom
■
malignes Schwannom
■
■
■
■
alveoläres Weichteilsarkom extraskelettales EwingSarkom Epitheloidsarkom
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724
B 1 Viszeralchirurgie
Stadieneinteilung
Stadieneinteilung
Die gebräuchlichsten Einteilungssysteme in Europa sind die G/TNM-Klassifikation (UICC 2002) sowie das Surgical Staging System (SSS) der Musculoskeletal Tumor Society (MSTS).
Die gebräuchlichsten Einteilungssysteme in Europa sind die G/TNM-Klassifikation (UICC 2002) sowie das Surgical Staging System (SSS) der Musculoskeletal Tumor Society (MSTS). In Amerika wird zum „Staging“ häufig das AJCC-System (American Joint Committee of Cancer) angewendet. Wesentliche Einteilungskriterien sind der Grad der Malignität, die Größe des Tumors und seine Lage und ob Metastasen vorhanden sind oder nicht. Auch die Graduierung der Malignität erfolgt uneinheitlich entweder nach der Broders-Klassifikation (1939) (4 Grade), der AJCC-Klassifikation (3 Grade) oder nach der binären Einteilung des Memorial-Sloan-Kettering-Cancer-Centre (MSKCC).
Einteilungskriterien sind der Grad der Malignität, die Größe und Lage des Tumors und Metastasierung.
Therapie
Therapie
Das Behandlungsziel für benigne und maligne WTTu besteht in der lokalen Tumorkontrolle und der Vermeidung von Rezidiven.
Das Behandlungsziel für benigne und maligne WTTu besteht in der lokalen Tumorkontrolle und damit der Vermeidung von Rezidiven. Bei WTSa hängt die Entstehung von Metastasen von anderen Faktoren ab, als die Rezidivbildung. Jedoch wächst mit jedem Lokalrezidiv eines WTSa das Risiko der systemischen Aussaat. Die Behandlung benigner Weichteiltumoren ist fast ausschließlich chirurgisch durch Resektion möglich. Der Umfang der Resektion sollte sich nach dem Grad der Aggressivität richten. Bei inaktiven Tumoren, z. B. einem Lipom (SSS-Stadium 1; UICC: G0, T0, M0) ist in der Regel eine Tumorenukleation mit makroskopisch vollständiger Tumorentfernung ausreichend (Abb. B-1.374). Aktive Tumoren (SSS-Stadium 2; UICC: G0, T0, M0) sollten zur Vermeidung von Rezidiven mit einer „marginalen bis weiten Resektion“ (UICC: R0 –R1) entfernt werden. Aggressive Tumoren (SSS-Stadium 3; UICC: G0, T1 – 2, M0) (z. B. Desmoide) bedürfen unbedingt einer „weiten Resektion“ (R0), da trotz der Benignität ihre Rezidivquote sehr hoch ist. Ob bei aggressiven benignen WTTu eine adjuvante Strahlentherapie hilfreich ist, wird kontrovers diskutiert. Die malignen Weichteiltumoren des Erwachsenen sind allgemein ausgesprochen resistent gegenüber Strahlen- und Chemotherapie. Deshalb stellt die operative Resektion die wichtigste Therapiemaßnahme dar. Sie bietet als einzige Therapieoption einen kurativen Ansatz. Neoadjuvante Therapieverfahren (Strahlen- und Chemotherapie) kommen nur zum Einsatz, wenn primär keine weite bzw. R0-Resektion möglich erscheint. Für die adjuvante Chemotherapie kann bisher aufgrund der Datenlage verschiedener Studien keine allgemein gültige Empfehlung ausgesprochen werden. Sie sollte immer im Rahmen einer Studie durchgeführt werden. Die adjuvante Strahlentherapie gilt dagegen für bestimmte Tumoren als Standard und wird in der Regel bei allen Sarkomen mit Malignitätsgrad G2 und G3 angewendet. Außerdem besteht die Indikation bei G1-Tumoren, wenn eine weite bzw. R0-Resektion nicht möglich war.
Die Behandlung benigner Weichteiltumoren ist fast ausschließlich chirurgisch durch Resektion möglich. Der Umfang der Resektion sollte sich nach dem Grad der Aggressivität richten.
Bei malignen Weichteiltumoren des Erwachsenen ist die operative Resektion die wichtigste Therapiemaßnahme. Neoadjuvante Therapieverfahren (Strahlenund Chemotherapie) kommen nur zum Einsatz, wenn primär keine weite bzw. R0-Resektion möglich erscheint.
Operative Therapie
Operative Therapie
Bei der operativen Entfernung muss das Wachstumsverhalten der WTSa berücksichtigt werden. Ziel der operativen Behandlung muss die vollständige Tumorentfernung im Gesunden unter Mitnahme des Ausbreitungsgebietes von „skip-lesions“ sein.
Bei der operativen Entfernung muss das Wachstumsverhalten der WTSa berücksichtigt werden. WTSa werden von einer Pseudokapsel umgeben und beim Wachstum werden relativ lange die natürlichen Gewebegrenzen wie Faszien, Periost, Perineurium und Adventitia der Gefäße respektiert. Ihr Wachstum ist vorwiegend longitudinal und zentripetal. Hochmaligne WTSa weisen häufig entfernte Tumorzellnester, sog. „skip-lesions“, auf. Ziel der operativen Behandlung muss die vollständige Tumorentfernung im Gesunden unter Mitnahme des Ausbreitungsgebietes von „skip-lesions“ sein. Eine chirurgische Behandlung im Sinne der Enukleation ohne Sicherheitsabstand ist, auch wenn es sich um ein kleines WTSa handeln sollte, nicht ausreichend. Vorraussetzung für eine optimale lokale Tumorkontrolle ist die Resektion mit einem Sicherheitsabstand, d. h. einer Schutzhülle aus gesundem Gewebe (sog. R0-Resektion nach der UICC-Klassifikation bzw. „weite Resektion“ der MSTS-Klassifikation). Mit einer „weiten Resektion“ lässt sich zwar eine
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B 1.21 Weichteiltumoren
B-1.374
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Benigner myxoider Weichteiltumor bei einem 63-jährigen Mann am Unterarm a Seitliches Röntgenbild des Unterarmes mit Darstellung von Weichteilverkalkungen. b Koronares MRT des Unterarmes. c Transversales MRT der Unterarmes: Man erkennt die Lagebeziehung des Tumors zur Membrana interossea und die nach volar verschobenen Strukturen. d Ein Angio-MRT zeigt die versorgenden Blutgefäße. e Intraoperativer Situs nach Biopsie und eindeutiger Diagnosestellung eines benignen, wenig aktiven Weichteiltumors. f Resektat des Tumors.
b
a
c
d
e
f
optimale lokale Tumorkontrolle erreichen, eine etwaige spätere Metastasierung (bei peripheren Tumoren meist in die Lunge) ist von anderen Faktoren abhängig (s. u.). Als Therapieverfahren existieren die „weite Resektion“ nach Enneking (R0-Resektion nach UICC) und die Kompartmentresektion. Eine Amputation ist heute nur noch selten erforderlich. Wichtig ist die Resektion weit im Gesunden. Hinsichtlich des Sicherheitsabstandes wurde von Enneking eine intraläsionale von einer marginalen, weiten und radikalen Resektion unterschieden. Bei einer
Als Therapieverfahren existieren die „weite Resektion“ nach Enneking (R0-Resektion nach UICC) und die Kompartmentresektion. Eine Amputation ist heute nur noch selten erforderlich. Wichtig ist die Resektion weit im Gesunden.
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726
Sind mehrere Kompartimente betroffen, müssen diese komplett reseziert werden. Da eine radikale Resektion bei primär extrakompartimentaler Lage oder an der Rumpfwand nicht möglich ist, muss eine weite Resektion bzw. R0-Resektion vorgenommen werden.
왘 Merke
B 1 Viszeralchirurgie
intraläsionalen Resektion (R2-Resektion nach UICC) wird der Tumor eröffnet und seine Massen chirurgisch entfernt. Dabei verbleiben makroskopische Tumorreste, die ohne adjuvante Maßnahmen bei alleiniger operativer Therapie zu einem sicheren Nachwachsen des Tumors führen. Eine Tumorentfernung unter Präparation an der Pseudokapsel entspricht einer marginalen Resektion mit mikroskopisch verbleibenden Tumorresten (R1-Resektion nach UICC) und einer Lokalrezidivquote, die trotz adjuvanter Strahlentherapie zwischen 60 und 90 % liegt. Bei weiter Tumorresektion unter Mitnahme einer Sicherheitszone ist bei alleiniger operativer Therapie eine Rezidivquote um 30 % zu erwarten, da eventuelle Skip-Metastasen zurückbleiben können. Nach radikaler Resektion, d. h. bei intrakompartimentaler Lage Entfernung des befallenen Kompartimentes, beträgt die zu erwartende Rezidivquote unter 30 %. Sind mehrere Kompartimente betroffen, so müssen diese komplett reseziert werden. Da eine radikale Resektion bei primär extrakompartimentaler Lage (z. B. in Gelenknähe) oder an der Rumpfwand (z. B. mit Kontakt zur Pleura oder im Bauchraum) häufig aufgrund der anatomischen Beziehungen nicht möglich ist, muss die operative Behandlung als weite Resektion bzw. R0-Resektion vorgenommen werden. Diese beinhaltet die Tumorentfernung unter Mitnahme aller umgebenden Hüllschichten, die eine anatomische Barriere darstellen (z. B. Pleura, Peritoneum, Periost, Adventitia). Liegen die Tumoren der Extremitäten intrakompartimental, wird eine sog. Kompartimentresektion, d. h. die möglichst vollständige Entfernung einer das Kompartiment bildenden Muskelgruppe (z. B. Oberschenkel = 3 Kompartimente: Ventrales Kompartiment, dorsales Kompartiment, Adduktorenkompartiment) empfohlen. Sind die WTSa keinem Kompartiment zuzuordnen (z. B. Kniekehle), muss eine weite Resektion durchgeführt werden. 왘 Merke. Als Grundregel gilt: Der Operateur darf den Tumor bei der Resektion
nicht sehen. Häufig erfolgt aufgrund der Tumorlage und -ausdehnung die operative Tumorentfernung in Zusammenarbeit zwischen verschiedenen operativen Disziplinen wie Allgemeinchirurgen, Orthopäden, Neuro- und plastischen Chirurgen.
Eine Indikation zur Amputation ist nur selten gegeben. Ein Extremitätenerhalt kann bei sehr ausgedehnten Tumoren, die nicht „weit“ bzw. R0 reseziert werden können, durch neoadjuvante Maßnahmen angestrebt werden (sog. Down-Staging).
Mit operativer Radikalität müssen auch Tumoren der Brust- und Bauchwand behandelt werden. Ist dies nicht möglich, kann auch hier versucht werden, durch neoadjuvante Maßnahmen (Radiation, Chemotherapie) den Tumor zu verkleinern, um dann eine Resektion mit ausreichendem Sicherheitsabstand zu ermöglichen.
Um das WTSa weit zu resezieren, sind häufig Gefäß- und/oder Nervenresektionen notwendig. Die Defekte können durch Gefäßprothesen und Nerveninterponate sowie plastische Rekonstruktionsmaßnahmen behoben werden. Größere Nerven können oft durch eine Perineurektomie erhalten werden. Fehlende Muskelfunktionen lassen sich durch Muskeltranspositionen zumindest teilweise wiederherstellen. Eine Indikation zur Amputation ist nur selten gegeben. Ein Extremitätenerhalt kann bei sehr ausgedehnten Tumoren, die nicht „weit“ bzw. R0 reseziert werden können, durch neoadjuvante Maßnahmen wie systemische Chemotherapie, lokoregionale Chemotherapie über isolierte Extremitätenperfusion oder Strahlentherapie angestrebt werden (sog. Down-Staging). Bei der Entscheidung zur multimodalen, extremitätenerhaltenden Therapie sollte die verbleibende Funktion und daraus resultierende Einschränkung der Lebensqualität als Entscheidungskriterium nicht außer Acht gelassen werden. Mit operativer Radikalität müssen auch Tumoren der Brust- und Bauchwand behandelt werden. Die entstandenen Defekte werden durch plastisch-chirurgische Maßnahmen repariert. Ist dies nicht möglich, kann auch hier versucht werden, durch neoadjuvante Maßnahmen (Radiation, Chemotherapie) den Tumor zu verkleinern, um dann eine Resektion mit ausreichendem Sicherheitsabstand zu ermöglichen. Retroperitoneale Weichteilsarkome sind ebenfalls nur durch eine vollständige Resektion mit Sicherheitsabstand lokal zu kurieren. Die Verhinderung des Lokalrezidivs ist bei dieser Lokalisation von besonderer Bedeutung, da bei thorakalen und abdominellen Tumoren, anders als bei WTSa an den Extremitäten, das erneute Auftreten des Tumors, d. h. das Lokalrezidiv zum Tode führen kann.
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B 1.21 Weichteiltumoren
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Aufgrund der Tumorgröße und der Infiltration wichtiger, nicht entfernbarer Strukturen stellt sich die weite bzw. R0-Resektion oft als unmöglich heraus. Um die meist geringen therapeutischen Spielräume bei diesen Patienten optimal zu nutzen, muss deren Therapie an entsprechenden Zentren erfolgen. Auch befallene Lymphknoten sind zu resezieren. Sie entsprechen Fernmetastasen. Das bedeutet für die Therapie, dass ein kurativer Therapieansatz nicht mehr gegeben ist, sondern nur noch ein palliativer. Metastasen, meist von WTSa der Extremitäten, die oft in der Lunge zu finden sind, sollten, wenn immer möglich, operativ entfernt werden. Auch Rezidive sind, soweit irgend möglich, erneut operativ mit Sicherheitsabstand, d. h. im Sinne der „weiten Resektion“ zu entfernen.
Auch befallene Lymphknoten sind zu resezieren. Sie entsprechen Fernmetastasen. Das bedeutet für die Therapie, dass ein kurativer Therapieansatz nicht mehr gegeben ist, sondern nur noch ein palliativer.
Strahlentherapie
Strahlentherapie
왘 Merke. Die adjuvante, d. h. postoperative Strahlentherapie kann bei Tumo-
Metastasen sollten wenn immer möglich operativ entfernt werden. Auch Rezidive sind erneut operativ mit Sicherheitsabstand zu entfernen.
왗 Merke
ren der Extremitäten und der Rumpfwand im Stadium II und III die Lokalrezidivrate signifikant senken und wird deshalb allgemein empfohlen. Dieser Effekt wird wahrscheinlich aufgrund einer zum Primärtumor relativ höheren Strahlenempfindlichkeit der gut oxygenierten Skip-Metastasen zustande kommen, die hierdurch beseitigt werden. Sie ist auch bei Tumoren im Stadium I bei nicht adäquater, d. h. nicht weiter bzw. R1- oder R2-Resektion indiziert. Die Strahlentherapie hat als lokale Therapiemaßnahme einen festen Stellenwert in der Standardbehandlung von WTSa. Für an Extremitäten lokalisierte Tumoren besteht der „Golden Standard“ bei G2 –G3-Tumoren in einer Kompartiment- oder weiten Resektion kombiniert mit einer adjuvanten, perkutanen Strahlentherapie. Diese ist auch dann indiziert, wenn G1-Tumoren nicht weit bzw. nicht R0 reseziert werden konnten. Hierdurch lässt sich die Lokalrezidivrate deutlich senken. Selten ergibt sich auch die Indikation zur präoperativen Radiatio. Im onkologischen Resultat ergeben sich langfristig keine wesentlichen Unterschiede durch die prä- oder postoperative Radiatio. Lediglich bei höheren Malignitätsgraden zeigt sich ein gering besseres Ergebnis nach neoadjuvanter Bestrahlung. Eine neoadjuvante Strahlentherapie wird der adjuvanten dann vorgezogen, wenn die Resektionsgrenzen zum Gesunden nur unsicher zu erzielen wären und die Lokalisation so ist, dass die postoperativ höhere Strahlendosis sensible Organe in Mitleidenschaft zieht. Sehr problematisch ist die Strahlentherapie bei zentralen, meist im Retroperitoneum lokalisierten WTSa. Hier besteht häufig das Problem, durch alleinige postoperativ-perkutane Strahlentherapie eine ausreichende Strahlendosis in den Resektionsbereich einzustrahlen, ohne benachbarte Organe zu schädigen. Als strahlentherapeutische Alternativen stehen die IORT (intraoperative Radiotherapie sowie die Brachytherapie zur Verfügung. Beide Methoden reduzieren die Gefahr der Organschädigung, da die notwendigen Strahlendosen geringer sind. Ihrer Indikationen sind jedoch sehr begrenzt. Die intraoperative Strahlentherapie (IORT) ist nur an wenigen Zentren möglich und immer mit einer postoperativen perkutanen Bestrahlung zu kombinieren. Sie kann bei retroperitonealen WTSa angewendet werden und ist mit der Applikation von sog. Seeds (verbleibende Strahlenquellen) kombinierbar. Insgesamt bestehen mit der IORT nur geringe Erfahrungen. Sie stellt kein Standardtherapieverfahren dar. Bei der postoperativen Strahlentherapie über operativ applizierte Sonden (Brachytherapie) werden intraoperativ Applikationssonden in dem Operationsfeld platziert und perkutan ausgeleitet. Postoperativ werden diese AfterloadingSonden mit Strahlenquellen bestückt. Diese Methode ist besonders bei retroperitoneal lokalisierten WTSa, deren weite bzw. R0-Resektion nicht möglich ist, und/oder die Nähe zu anderen Organen ein kleines Strahlenfeld
Die Strahlentherapie hat als lokale Therapiemaßnahme einen festen Stellenwert in der Standardbehandlung von WTSa. Selten ergibt sich die Indikation zur präoperativen Radiatio.
Problematisch ist die Strahlentherapie bei zentralen, meist im Retroperitoneum lokalisierten WTSa, weil diese zu Schäden an benachbarten Organen führen kann. Alternativ stehen die IORT (intraoperative Radiotherapie) sowie die Brachytherapie zur Verfügung.
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728
B 1 Viszeralchirurgie
erfordert, zu erwägen. Auch die Brachytherapie sollte immer mit einer perkutanen Strahlentherapie kombiniert werden. Sie stellt eine Ausnahmeindikation dar. Chemotherapie
Chemotherapie
Bei Erwachsenen gibt es derzeitig außerhalb von Therapiestudien keine Indikation zur neo- und/oder adjuvanten systemischen Chemotherapie.
Bei Erwachsenen gibt es derzeitig außerhalb von Therapiestudien keine Indikation zur neo- und/oder adjuvanten systemischen Chemotherapie. Metaanalysen zeigen aber, dass Chemotherapie – adjuvant appliziert – in ausgewählten Einzelfällen sinnvoll sein kann. Die derzeitig überwiegend eingesetzten Chemotherapeutika sind vor allem Doxorubicin, Ifosfamid sowie Dacarbazin. Eine Variante der systemischen Chemotherapie stellt die Hochdosis-Chemotherapie bzw. die Kombination von Chemotherapie mit Hyperthermie dar. Auch diese Behandlungskombination ist derzeitig Gegenstand diverser kontrollierter Studien. Während die neo-/bzw. adjuvante Chemotherapie bzw. die Hochdosis-Chemotherapie und ggf. die Kombination mit einer Hyperthermie noch keine eindeutig besseren langfristigen Resultate ergeben hat, scheint die neoadjuvant applizierte lokoregionäre isolierte Extremitätenperfusion z. B. mit Tumornekrosefaktor α deutliche Vorteile in der Behandlung von schwierig bzw. nicht resezierbaren WTSa der Extremitäten zu bieten. Erste Ergebnisse für ausgewählte Patienten (auch nur im Rahmen von kontrollierten Studien) zeigen ermutigende Resultate. Auch diese technisch sehr aufwendige Therapie wird heute nur an wenigen, darauf spezialisierten Zentren durchgeführt. In der Palliativsituation führt die Chemotherapie zwar nicht zur Lebensverlängerung, kann aber die Lebensqualität positiv beeinflussen und hat daher an dieser Stelle einen festen Platz. Bei Kindern und Jugendlichen ist die Chemotherapie in der Behandlung von WTSa (meist Rhabdomyosarkome) ein essenzieller Therapiebestandteil. Für die einzelnen Entitäten und Stadien existieren verschiedene standardisierte Therapieprotokolle, die eine neo- und adjuvante Chemotherapie mit der operativen Therapie verbinden.
Die neoadjuvant applizierte lokoregionäre isolierte Extremitätenperfusion z. B. mit Tumornekrosefaktor α hat deutliche Vorteile in der Behandlung von schwierig bzw. nicht resezierbaren WTSa der Extremitäten. Sie ist technisch sehr aufwendig und wird nur in wenigen Zentren durchgeführt.
In der Palliativsituation kann die Chemotherapie die Lebensqualität verbessern. Bei Kindern und Jugendlichen ist die Chemotherapie in der Behandlung von WTSa (meist Rhabdomyosarkome) ein essenzieller Therapiebestandteil.
Verlauf und Prognose
Verlauf und Prognose
Gutartige WTTu: Nach adäquater operativer Therapie gibt es kein nennenswertes Rezidivrisiko.
Weichteilsarkome: Unterschieden werden müssen WTSa des Kindesalters von denen der Erwachsenen.
Gutartige WTTu: Nach adäquater operativer Therapie gibt es kein nennenswertes Rezidivrisiko. Bei der Primäroperation von gutartigen WTTu kann jedoch das Problem bestehen, dass durch die anatomische Lage andere Strukturen gefährdet werden und/oder bei aggressiven WTTu eine nicht ausreichend weite Resektion erfolgte, die zu Rezidiven führt. Diese müssen entsprechend den genannten Kriterien nachreseziert werden. Weichteilsarkome: Unterschieden werden müssen WTSa des Kindesalters von denen der Erwachsenen. Bei den Erwachsenen muss des Weiteren zwischen sog. peripheren und zentralen WTSa differenziert werden.
Weichteilsarkome im Kindesalter: Die Prognose ist eindeutig von der histopathologischen Subdifferenzierung des am häufigsten diagnostizierten Rhabdomyosarkoms, der Lokalisation und damit der operativen Resektabilität abhängig.
Weichteilsarkome im Kindesalter: Die Prognose ist eindeutig von der histopathologischen Subdifferenzierung des am häufigsten diagnostizierten Rhabdomyosarkoms, der Lokalisation und damit der operativen Resektabilität abhängig. Nach operativer Entfernung und adjuvanter Chemotherapie ist unabhängig von der Subtypisierung die Prognose vom Sicherheitsabstand abhängig.
Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt bei kompletter Resektion 80 – 85 %, bei inkompletter Entfernung 50 – 65 % und bei Metastasierung 20 – 30 %.
Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt bei kompletter Resektion 80 – 85 %, bei mikroskopisch inkompletter Resektion und/oder Organ- und/oder Lymphknotenbefall 70 – 80 %, bei inkompletter Entfernung mit großen Residuen 50 – 65 % und bei bereits bestehender Metastasierung 20 – 30 %. Da die prognostisch ungünstigeren alveolären Rhabdomyosarkome meist an den Extremitäten und die günstigeren embryonalen Rhabdomyosarkome am Kopf und Hals lokalisiert sind, haben die Extremitäten-WTSa bei Kindern, anders als bei Erwachsenen, eine schlechtere Prognose, als die am Kopf und Hals.
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B 1.21 Weichteiltumoren
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Periphere Weichteilsarkome im Erwachsenenalter: Nach der Standardtherapie (weite oder Kompartimentresektion und Strahlentherapie für G2- und G3-Tumoren) ergeben sich unterschiedliche prognostische Faktoren für die Metastasierung bzw. Überlebens- und Rezidivrate: Die 5-Jahres-Überlebensrate ist abhängig vom SSS-Stadium: IA: 100 %, IB: 94 %, IIA: 48 %, IIB: 57 %. Neben dem Einfluss des Stadiums zeigt sich außerdem eine deutliche Abhängigkeit der 5-Jahres-Überlebensrate vom Malignitätsgrad: Bei Grad I: 100 %, bei Grad II: 100 %, bei Grad III: 68 %, bei Grad IV: 39 % und der Tumorgröße. Kontroverse Daten gibt es über den Einfluss der Radikalität der Resektion auf die 5-JahresÜberlebensrate. Als signifikante Einflussfaktoren, die die 5-Jahres-Überlebensrate verschlechtern, gelten männliches Geschlecht, Ausmaß der Tumornekrose, Schnelligkeit des Wachstums, tiefe Lokalisation, Lokalisation an der unteren Extremität, Rezidivtumor und Histologie: Leiomyosarkom oder MPNT (maligner peripherer Nervenscheidentumor). Obwohl Rezidive und Metastasen besonders in den ersten Jahren nach Diagnosestellung und Behandlung auftreten, ist heute bekannt, dass ein 5-Jahres-Überleben keine Heilung garantiert. Die Rezidivquote nach über 5 Jahren kann zwischen 15 – 20 % betragen. Die Lokalrezidivrate wird wesentlich durch die operative Radikalität beeinflusst. Sie beträgt 5 Jahre nach marginaler Resektion 61 – 66 % und nach weiter oder radikaler Resektion 11 – 18 %. Als signifikante Faktoren für eine erhöhte Rezidivrate gelten: Alter 4 50 Jahre, die Tatsache, dass der Tumor bereits ein Rezidiv ist, die Größe und die histopathologische Differenzierung in Fibrosarkom oder MPNT. Für die Entwicklung von Metastasen stellen Lokalrezidive nach mehreren Untersuchungen einen geringeren Faktor der Risikoerhöhung dar, als bisher angenommen. Die Metastasierung ist signifikant von der Größe (5 7 cm vs. 4 7 cm) und dem Malignitätsgrad abhängig: Je größer der Tumor und je höher der Malignitätsgrad, desto höher ist das Metastasenrisiko. In Abhängigkeit von der Überlebenszeit ist mit folgender Metastasierungsrate zu rechnen: Nach 2 Jahren 39 %, nach 5 Jahren 47 % und nach 10 Jahren 56 %. Zentrale Weichteilsarkome im Erwachsenenalter: Das Krankheitsgeschehen von zentralen, besonders von retroperitonealen WTSa ist problematisch, weil sie erst erkannt werden, wenn bereits andere Organe befallen sind. Deshalb ist eine komplette Resektion oft erschwert oder unmöglich. Der wesentliche Prognosefaktor für das Überleben ist die operative Resektabilität. Der zweite, davon unabhängige Prognosefaktor ist der Malignitätsgrad. Eine komplette Resektion bei zentralen bzw. retroperitonealen WTSa ist in 60 – 70 % möglich. Häufig ist hierzu eine zusätzliche Resektion von involvierten Organen (bei 55 – 68 % der Patienten Niere, Milz, Darm) notwendig. Im Vergleich zu anderen Lokalisationen weisen Patienten mit retroperitonealen WTSa eine signifikant schlechtere 5-Jahres-Überlebensrate (40 – 50 %) auf, als diejenigen mit WTSa am Stamm (60 %) oder an den Extremitäten (ca. 70 %). Die 10-Jahres-Überlebensrate beträgt 22 %, die mediane Überlebenszeit 2,9 Jahre. Wesentliche Unterschiede ergeben sich in Abhängigkeit vom Stadium (T1 u. T2: 6,3 Jahre, 5-Jahres-Überlebensrate 57 %, T3: 0,9 Jahre, 5-Jahres-Überlebensrate 12 %) und vom Malignitätsgrad G1: 7 Jahre, 82 % 5-Jahres-Überlebensrate, G2 – 4: 1,9 Jahre, 28 % 5-Jahres-Überlebensrate). Grund dafür ist, dass in dieser Lokalisation auch das Lokalrezidiv, insbesondere wenn es multilokulär auftritt, prognostisch relevant ist. Das Vorliegen von Metastasen bei Erstdiagnose verschlechtert die Überlebensrate deutlich (mit Metastasen: 0,4 Jahre, 13 % 5-Jahres-Überlebensrate vs. 4,5 Jahre, 46 % 5-Jahres-Überlebensrate ohne Metastasen). Hinsichtlich der Resektionsgrenzen gilt Ähnliches: Bei Resektion im Gesunden (R0): 55 – 70 % ÜR, bei mikroskopisch inkompletter Resektion (R1) 25 – 40 %, bei makroskopisch inkompletter Resektion 15 – 25 %. Sowohl die Strahlen- als auch die Chemotherapie haben keinen vollends gesicherten Stellenwert in der Behandlung von zentralen bzw. retroperitonealen WTSa. Der Vergleich zwischen
Periphere Weichteilsarkome im Erwachsenenalter: Die 5-Jahres-Überlebensrate ist abhängig vom SSS-Stadium und vom Malignitätsgrad und reicht von 100 – 39 %.
Einflussfaktoren, die die 5-Jahres-Überlebensrate verschlechtern, sind männliches Geschlecht, Ausmaß der Tumornekrose, Schnelligkeit des Wachstums, tiefe Lokalisation, Lokalisation an der unteren Extremität, Rezidivtumor sowie Histologie (Leiomyosarkom oder MPNT).
Die Lokalrezidivrate wird wesentlich durch die operative Radikalität beeinflusst. Sie beträgt 5 Jahre nach marginaler Resektion 61 – 66 % und nach weiter oder radikaler Resektion 11 – 18 %.
Die Metastasierung ist signifikant von der Größe (5 7 cm vs. 4 7 cm) und dem Malignitätsgrad abhängig. Als weitere, signifikante Faktoren erwiesen sich eine tiefe Lokalisation, ein Rezidivtumor sowie die histopathologische Diagnose Leiomyosarkom.
Zentrale Weichteilsarkome im Erwachsenenalter: Besonders retroperitoneale WTSa sind problematisch, weil sie erst erkannt werden, wenn bereits andere Organe befallen sind und eine komplette Resektion oft erschwert oder unmöglich ist.
Im Vergleich zu anderen Lokalisationen weisen Patienten mit retroperitonealen WTSa eine signifikant schlechtere 5-Jahres-Überlebensrate auf, als diejenigen mit WTSa am Stamm oder an den Extremitäten.
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B 1 Viszeralchirurgie
der IORT mit anschließender postoperativer perkutaner Bestrahlung mit der alleinigen postoperativen perkutanen Strahlentherapie führte zu keinen signifikanten Unterschieden hinsichtlich der medianen Überlebenszeit, jedoch wiesen Patienten nach IORT eine signifikant niedrigere Lokalrezidivrate auf. Zudem leiden sie weniger unter den Folgen der Strahlentherapie als die postoperativ perkutan bestrahlten. Auch die Chemotherapie hat bisher einen sehr unsicheren Stellenwert in der Behandlung der zentralen WTSa. Aktuelle Studien evaluieren, ob durch eine Chemotherapie, auch in Kombination mit Hyperthermie, signifikante Verbesserungen erreicht werden können.
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
2
Traumatologie
731 2
Traumatologie
Allgemeine Traumatologie
Hans-Jörg Oestern
2.1
Allgemeine Traumatologie
2.1
2.1.1
Frakturenlehre
2.1.1 Frakturenlehre
왘 Definition. Eine Fraktur ist die Unterbrechung des Knochens in 2 oder meh-
왗 Definition
rere durch einen Frakturspalt getrennte Bruchstücke.
Frakturmechanismen Frakturen können anhand des Entstehungsmechanismus unterteilt werden: ■ Direkte Fraktur, die durch eine adäquate, äußere Gewalteinwirkung auf den Knochen hervorgerufen wird (direktes Trauma beim Fußballspielen oder Stoßstangenanpralltrauma) (Abb. B-2.1 a). ■ Indirekte Fraktur durch Biegung, Drehung, Stauchung, Scherung oder Abriss (Unterschenkeldrehbruch beim Skifahren, Abscherbruch am Knöchel) (Abb. B-2.1 b). ■ Pathologische oder Spontanfraktur am krankhaft veränderten Knochen ohne adäquates Trauma. Die krankhaften Veränderungen können durch primäre Knochentumoren oder Metastasen verursacht sein. Bevorzugt in Knochen metastasieren das Schilddrüsen-, Mamma-, Bronchial-, Prostata- und das Nierenzellkarzinom. Zu einer generalisierten Knochenschwächung führen auch Osteogenesis imperfecta oder Osteoporose (Abb. B-2.1 c). ■ Ermüdungsbruch (ca. 2 % aller Frakturen): Eine persistierende mechanische Überbeanspruchung (ungewohnte Biegebeanspruchung) führt zu einem Missverhältnis zwischen Belastung und Anpassungsfähigkeit des gesunden Knochens. In der Folge kann es ohne angemessenen Unfallmechanismus zu einem Ermüdungsbruch kommen (Abb. B-2.1 d).
Frakturmechanismen ■
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Unterteilung anhand des Entstehungsmechanismus: Direkte Fraktur: Sie wird durch eine adäquate, äußere Gewalteinwirkung auf den Knochen verursacht (Abb. B-2.1 a). Indirekte Fraktur: Sie ist die Folge einer Hebel- oder Drehkraft auf den Knochen (Abb. B-2.1 b). Pathologische oder Spontanfraktur: Sie tritt am krankhaft veränderten Knochen ohne adäquates Trauma auf (Abb. B-2.1 c). Ermüdungsbruch als Folge des Missverhältnisses zwischen Belastung und Anpassungsfähigkeit des Knochens durch ungewohnte Biegebeanspruchung (Abb. B-2.1 d).
Frakturformen
Frakturformen
Die Frakturform wird durch Art und Umfang der Gewalteinwirkung sowie die Struktur und mechanische Belastbarkeit des Knochens bestimmt. Entsprechend einer direkten oder indirekten Gewalteinwirkung werden die Bruchformen wie folgt unterschieden:
Die Frakturform wird durch Art und Umfang der Gewalteinwirkung sowie die Struktur und mechanische Belastbarkeit des Knochens bestimmt. Man unterscheidet folgende Bruchformen:
Biegungsbruch: s. Abb. B-2.2. Er entsteht durch eine das Biegungsmoment des Knochens überschreitende Gewalteinwirkung. Auf der Seite der einwirkenden Kraft (Konkavseite) kommt es zu Druckspannungen mit Aussprengung eines Biegungskeils. Auf der Konvexseite kommt es zu Zugspannungen, welche zum Einreißen des Knochens führen.
Biegungsbruch: s. Abb. B-2.2.
Dreh- oder Torsionsbruch: Er entsteht immer indirekt, wenn 2 gegenläufige Kräfte auf den Knochen einwirken. Die Frakturlinie verläuft spiralförmig. Bei einem schwachen Drehmoment resultiert eine lange Spiralfraktur, während ein starkes Drehmoment zu einem kurzen Drehbruch führt. Ein zusätzliches Biegungs- oder Stauchungsmoment ist für die Bildung eines Drehkeils verantwortlich (Abb. B-2.3).
Dreh- oder Torsionsbruch: Er entsteht immer indirekt, wenn 2 gegenläufige Kräfte auf den Knochen einwirken (Abb. B-2.3).
Abrissfraktur: Sie entsteht durch Zugkräfte, die durch ein Band oder einen Sehnenansatz auf den Knochen übertragen werden. Die Bruchlinie verläuft quer zur Zugrichtung. Typische Beispiele sind die Olekranonfraktur (M. triceps), die Fraktur an der Basis des Os metatarsale V (M. peroneus brevis), die Fraktur der Tuberositas tibiae (M. quadriceps), der Trochanter-minor-Abriss (M. iliopsoas) und der Supinationsbruch des Außenknöchels (Abb. B-2.4).
Abrissfraktur: Sie entsteht durch Zugkräfte, die durch ein Band oder einen Sehnenansatz auf den Knochen übertragen werden. Die Bruchlinie verläuft quer zur Zugrichtung (Abb. B-2.4).
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B 2 Traumatologie
732 B-2.1
Frakturmechanismen
B-2.2
B-2.2
Biegungsbruch
Entstehung eines Biegungsbruchs: Auf der Seite der einwirkenden Gewalt (Konkavseite = K) kommt es zur Druckspannung (D) mit Aussprengung eines Biegungskeils. Auf der Konvexseite kommt es zur Zugspannung (Z), welche zum Einreißen des Knochens führt.
Abscherfraktur: Bei Abscherfrakturen wirken neben Zug- auch Scher- und Schubkräfte in entgegengesetzter Richtung auf den Knochen ein. Der Bruchspalt verläuft parallel zur Scherkraft (Abb. B-2.5).
Abscherfraktur: Bei Abscherfrakturen wirken neben Zug- auch Scher- und Schubkräfte (in entgegengesetzten Richtungen) auf den Knochen ein. Der Bruchspalt verläuft parallel zur Scherkraft. Beispiele sind das Supinationstrauma des Sprunggelenkes mit Abscherfraktur des Innenknöchels, die Abscherfraktur des Azetabulums am hinteren Pfannenrand und die Meißelfraktur des Radiusköpfchens (Abb. B-2.5).
Kompressions- oder Stauchungsbruch: Dieser Bruch entsteht vornehmlich im spon-
Kompressions- oder Stauchungsbruch: Dieser Bruch entsteht vornehmlich im spongiösen Knochen von Epi- oder Metaphysen, der Wirbelkörper, der Hand-
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
B-2.3
Dreh- oder Torsionsbruch
733 B-2.3
b Beispiel eines Oberschenkeldrehbruchs.
B-2.4
Abrissfraktur
B-2.4
und Fußwurzelknochen. Als Folge kommt es zu einem irreversiblen Substanzverlust (Abb. B-2.6).
giösen Knochen und ist mit einem irreversiblen Substanzverlust verbunden (Abb. B-2.6).
Trümmerbruch: Er ist immer Folge einer erheblichen Gewalteinwirkung. Durch Zusammenwirken unterschiedlicher Mechanismen kann es zu Berstung und Aufsplitterung des Knochens kommen. Neben der Defektbildung besteht ein hohes Risiko begleitender Weichteilverletzungen. Als Beispiel gilt die Schussfraktur. Bei den Trümmerbrüchen existieren definitionsgemäß mehr als 6 Fragmente (Abb. B-2.7).
Trümmerbruch: Er ist immer Folge einer erheblichen Gewalteinwirkung, die zu Berstung und Aufsplitterung des Knochens führen kann. Bei den Trümmerbrüchen existieren definitionsgemäß mehr als 6 Fragmente (Abb. B-2.7).
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B 2 Traumatologie
734 B-2.5
Abscherfraktur
B-2.6
B-2.6
Kompressions- oder Stauchungsbruch
B-2.7
B-2.7
Trümmerbruch
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
B-2.8
735
Unvollständiger Knochenbruch
B-2.8
Unvollständiger Bruch: Hierzu gehören Ausrisse und Fissuren, die nicht zu einer vollständigen Kontinuitätsunterbrechung geführt haben. Meistens ist ein Periostschlauch einseitig erhalten geblieben. Die Brüche werden im Kindesalter Grünholzfrakturen genannt (Abb. B-2.8).
Unvollständiger Bruch: Die Kontinuitätsunterbrechung ist nicht vollständig, meist ist ein Periostschlauch einseitig erhalten. Die Brüche werden im Kindesalter Grünholzfrakturen genannt (Abb. B-2.8).
Luxationsfraktur: Bei ihr liegt neben einer gelenknahen Fraktur gleichzeitig eine Luxation mit einer Fraktur knorpeltragender Gelenkteile vor. Die Prognose wird durch die begleitenden Kapsel-, Band- und Meniskusschäden bestimmt.
Luxationsfraktur: Neben einer gelenknahen Fraktur liegt gleichzeitig eine Luxation mit einer Abscherung knorpeltragender Gelenkteile vor. Verschiebung der Bruchstücke: Nur bei wenigen Frakturen ist die Gewalteinwirkung so gering, dass keine Verschiebung resultiert (unverschobene Brüche). Dislokationsmöglichkeiten sind: ■ Seitliche Fragmentverschiebung (Abb. B-2.9 a). ■ Verdrehung bzw. Rotation. ■ Verkürzung (Abb. B-2.9 b). ■ Verlängerung. ■ Achsenknick.
Verschiebung der Bruchstücke: Nur bei wenigen Frakturen ist die Gewalteinwirkung so gering, dass keine Verschiebung resultiert. Wir sprechen dann von unverschobenen Brüchen. In den meisten Fällen kommt es jedoch zu einer Dislokation der Fragmente. Folgende Dislokationsmöglichkeiten werden unterschieden: ■ Seitliche Fragmentverschiebung (Dislocatio ad latus) (Abb. B-2.9 a). ■ Verdrehung bzw. Rotation (Dislocatio ad peripheriam). ■ Verkürzung (Dislocatio ad longitudinem cum contractione) (Abb. B-2.9 b). ■ Verlängerung (Dislocatio ad longitudinem cum distractione). ■ Achsenknick (Dislocatio ad axim). Bei der Achsabknickung wird zwischen Varus- und Valgusfehlstellung sowie Antekurvations- und Rekurvationsfehlstellung unterschieden.
AO-Klassifizierung der Frakturen Anhand der AO-Klassifikation sollen Frakturen eindeutig beschrieben werden können: ■ Jedem Knochen wird eine Nummer zugeordnet (Abb. B-2.10). ■ Lange Röhrenknochen werden zusätzlich in drei Segmente unterteilt: Das proximale (1), das diaphysäre (2) und das distale Segment (3). Die Malleolen bilden eine Ausnahme und sind als 4. Segment der Tibia/Fibula zuzuordnen (Abb. B-2.11). ■ Die Frakturen sind nach zunehmendem Schweregrad entsprechend ihrer morphologischen Komplexität, dem Schwierigkeitsgrad ihrer Behandlung und der Prognose geordnet.
AO-Klassifizierung der Frakturen ■ ■
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Eindeutige Zuordnung von Frakturen: Jedem Knochen wird eine Nummer zugeordnet (Abb. B-2.10). Unterteilung langer Röhrenknochen: Proximales (1), diaphysäres (2), distales Segment (3) (Abb. B-2.11). Schaftfrakturen und Gelenkfrakturen werden jeweils in Typ A, B und C unterteilt. Bewertung der Schwere: Einfach (1), schwierig (2), sehr schwierig (3).
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B-2.10
B 2 Traumatologie
B-2.9
B-2.10
Oberschenkelquerbruch
AO-Klassifikation: Nummerierung aller Knochen oder Knochengruppen
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
B-2.11
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AO-Klassifikation diaphysärer und meta-/epiphysärer Frakturen
Schaftfrakturen: Typ A (einfache Frakturen), Typ B (mehrfragmentär). Bei den mehrfragmentären Frakturen werden Keilfrakturen (Typ B) und komplexe Frakturen (Typ C) unterschieden. Gelenkfrakturen: Typ A (extraartiluär), Typ B (partielle Gelenkfraktur), Typ C (vollständige Gelenkfraktur). Bewertung der Schwere innerhalb dieser Vorgaben: einfach (1), schwierig (2), sehr schwierig (3).
Frakturen im Kindesalter
Frakturen im Kindesalter
Im Kindesalter finden sich spezielle Frakturformen:
Spezielle Frakturformen:
Wulstbruch (Stauchungsbruch): Er entsteht durch Kompression. Das Periost ist immer erhalten.
Wulstbruch (Stauchungsbruch): Das Periost ist erhalten.
Grünholzfraktur: Beim Grünholzbruch wird die Biegefestigkeit des Knochens auf der Zugseite überbeansprucht, sodass hier die Kortikalis bricht (Abb. B-2.8). Die Kortikalis der Gegenseite ist meistens angebrochen.
Grünholzfraktur: Beim Grünholzbruch bricht der Knochen an der Zugseite, die Kompressionsseite biegt sich (Abb. B-2.8).
Epiphysenverletzungen: Die Epiphysenfugenverletzungen werden entsprechend der Prognose nach Aitken sowie Salter und Harris eingeteilt (Abb. B-2.12). Bei den Aitken-I- bzw. Salter-I- und -II-Verletzungen ist das Stratum germinativum (die für das Längenwachstum verantwortliche Zone) der Epiphysenfuge unverletzt und die Prognose demnach gut. Bei den Aitken-II- und -III- bzw. Salter-III-, -IV- und -V-Verletzungen ist das Stratum germinativum verletzt. Eine unsachgemäße Behandlung ohne exakte Reposition führt zur kallösen Überbrückung und einem partiellen Fugenverschluss.
Epiphysenverletzungen: Epiphysenfugenverletzungen werden nach Aitken und Salter eingeteilt (Abb. B-2.12). Die Prognose ist von der Schädigung des für das Längenwachstum verantwortlichen Stratum germinativum abhängig.
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B 2 Traumatologie
Besonderheiten des kindlichen Skeletts s. Tab. B-2.1.
Das kindliche Skelett zeichnet sich durch einige Besonderheiten aus, die sich auf die Frakturheilung auswirken (s. Tab. B-2.1). ■ Posttraumatische Spontankorrektur: Während Seitverschiebungen vollständig korrigiert werden, hängt die Korrektur von Achsenabknickungen und Rotationsfehlern sowohl von der Art der Fraktur als auch von der Lokalisation ab. Am besten werden sie am proximalen Humerus und distalen Radius ausgeglichen. Im Gegensatz zu Verlängerungen, die nicht ausgeglichen werden, können sich Verkürzungen, die mit einer erheblichen Seitverschiebung verbunden sind, aufgrund der vermehrten Umbauvorgänge teilweise spontan korrigieren. ■ Wachstumsstörungen sind von der Dauer der Umbauvorgänge abhängig. Insbesondere nach Schaftfrakturen und epiphysennahen Metaphysenfrakturen kommt es zu einer Stimulation der distal und proximal der Fraktur gelegenen Epiphysen. Am Oberschenkel ist z. B. bei 70 % aller Patienten mit einem vermehrten Längenwachstum von 1 cm zu rechnen. Verkürzungen und Fehlwachstum können bei einem (partiellen) Verschluss der Epiphysenfuge beobachtet werden. Ein totaler Verschluss ist selten, führt jedoch zu einer erheblichen Verkürzung der betroffenen Extremität. ■ Eine Besonderheit stellen die Apophysen dar, die bei gleichem Aufbau wie die Epiphysen nicht am Längenwachstum des Knochens beteiligt sind. Sie bilden die Ansatzpunkte für Sehnen und Bänder. Bei einem Apophysenausriss handelt es sich dementsprechend in der Regel um einen knöchernen Bandausriss.
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Spontankorrektur: Seitverschiebungen können gut, Achsenabknickung und Rotationsfehler weniger gut korrigiert werden. Verkürzungen können durch Umbauvorgänge spontan ausgeglichen werden. Verlängerungen können nicht korrigiert werden.
Wachstumsstörungen: Sie können insbesondere bei Schaftfrakturen und epiphysennahen Metaphysenfrakturen durch eine Stimulation der Epiphyse auftreten.
Apophysen bilden die Ansatzpunkte für Sehnen und Bänder und sind nicht am Längenwachstum beteiligt.
B-2.1
B-2.1
Besonderheiten des kindlichen Skeletts
Epiphysenfuge
sie ist für das Längenwachstum verantwortlich
Endost und Periost
Einfluss auf Form und Dicke des diaphysären Knochens
Epiphyse
bestimmt die Größe der Gelenke
Klinik: Sie entspricht der des Erwachsenen.
Klinik: Sie entspricht der des Erwachsenen. Bei Stauchungs- und Gelenkfrakturen kann die Beurteilung aufgrund der geringen Symptomatik schwierig sein.
Diagnostik: Röntgenkontrolle in zwei Ebenen, bei Schaftfrakturen unter Einbeziehung der benachbarten Gelenke.
Diagnostik: Die Röntgenkontrolle in zwei Ebenen (a.-p. und seitlich) ist das Diagnostikum der ersten Wahl und muss bei Schaftfrakturen immer die benachbarten Gelenke miterfassen. Die Beurteilung des Röntgenbildes bei Kleinkindern kann durch die unvollständige Ossifikation erheblich erschwert sein. Die Sonographie kann hier zusätzliche Informationen liefern (z. B. Hämatom, Frakturlinie).
Die Sonographie kann bei Kleinkindern zusätzliche Informationen liefern.
Therapie: Bei ca. 90 % aller kindlichen Frakturen ist ein konservatives Vorgehen möglich. Konservatives Vorgehen: ■ Reposition unter Zug. ■ Achsenkorrektur nicht erzwingen, spätere Korrektur mittels gekeiltem Gips möglich. ■ Gipsbehandlung maximal 4 – 5 Wochen.
Operative Behandlung bei: ■ dislozierten Epiphysenfrakturen (Aitken II und III), ■ Distraktionsfrakturen, ■ dislozierten Apophysenabrissen,
Therapie: Bei der hohen Reparationstendenz des wachsenden Knochens ist bei ca. 90 % aller kindlichen Frakturen ein konservatives Vorgehen möglich. Aufgrund der schnelleren Rehabilitation und der kurzen Hospitalisation werden Schaftfrakturen zunehmend durch elastische Markraumschienung versorgt. Bei konservativem Vorgehen ist zu beachten: ■ Die Reposition muss unter kontinuierlichem Zug erfolgen. ■ Eine Achsenkorrektur sollte angestrebt, jedoch nicht erzwungen werden. Achsenabweichungen können zu einem späteren Zeitpunkt durch Keilung des Gipsverbandes korrigiert werden. ■ Die Gipsbehandlung sollte sich maximal über 4 – 5 Wochen erstrecken. Die operative Behandlung ist bei folgenden Verletzungen indiziert: ■ dislozierte Epiphysenfraktur (Aitken II und III), ■ Distraktionsfrakturen (Olekranon, Patella, bei Gelenkfrakturen exakte Reposition erforderlich), ■ dislozierte Apophysenabrisse (z. B. Epicondylus ulnaris),
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
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irreponible Schaftfrakturen mit nicht tolerabler Fehlstellung, multiple Frakturen einer oder mehrerer Extremitäten, Begleitverletzungen eines Schädel-Hirn-Traumas, Frakturen mit begleitenden Gefäß- und Nervenverletzungen, dislozierte Schenkelhalsfrakturen im Kindesalter (Rate der Kopfnekrose ca. 20 %).
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irreponiblen Schaftfrakturen mit nicht tolerabler Fehlstellung, multiplen Frakturen, Begleitverletzungen eines Schädel-HirnTraumas, Frakturen mit Gefäß- und Nervenverletzungen, dislozierten Schenkelhalsfrakturen (Rate der Kopfnekrose ca. 20 %).
Bei allen dislozierten Schaftfrakturen stellt die intramedulläre Markraumschienung das Osteosyntheseverfahren der Wahl dar.
Intramedulläre Markraumschienung bei dislozierten Schaftfrakturen.
Nachbehandlung: Eine spezielle Nachbehandlung kindlicher Frakturen ist nicht erforderlich, da es in der Regel zu Spontanmobilisationen kommt. Die Entfernung des Osteosynthesematerials muss frühzeitig erfolgen: ■ Spickdrähte nach 4 Wochen, ■ Schrauben nach 4 – 8 Wochen, ■ Platten- und Markraumschienen nach 4 – 6 Monaten.
Nachbehandlung: Meist nicht erforderlich. Frühzeitige Entfernung des Osteosynthesematerials (Spickdrähte nach 4 Wochen, Schrauben nach 4 – 8 Wochen, Platten nach 4 – 6 Monaten).
Bei allen Verletzungen der Wachstumsfuge, gelenknahen Frakturen und bei Frakturen der unteren Extremität sind mindestens zwei Jahre lang bzw. bis zum Ende des Wachstums Kontrollen durchzuführen, um bei Wachstumsstörungen entsprechende Maßnahmen (Absatzerhöhung, Korrekturosteotomie) rechtzeitig einleiten zu können.
Bei allen Verletzungen der Wachstumsfuge, gelenknahen Frakturen und Frakturen der unteren Extremität mindestens zwei Jahre bzw. bis zum Ende des Wachstums Kontrollen durchführen.
Fraktursymptomatik
Fraktursymptomatik
Jede Fraktur hat mehr oder weniger ausgeprägte Auswirkungen auf die Umgebung oder ggf. auf den gesamten Organismus, die vom Unfallmechanismus und der Lokalisation abhängig sind. Man unterscheidet: ■ Unsichere Frakturzeichen: Schmerzen, Schwellung und Hämatombildung mit teilweise erheblichem Blutverlust. ■ Sichere Frakturzeichen: Hierzu gehören Fehlstellungen, abnorme Beweglichkeit, Knochenreiben (Krepitation) und bei offenen Frakturen die erkennbaren Knochenfragmente. B-2.12
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Unsichere Frakturzeichen: Schmerzen, Schwellung, Hämatom. Sichere Frakturzeichen: Fehlstellung, abnorme Beweglichkeit, Knochenreiben (Krepitation) und erkennbare Knochenfragmente.
Einteilung der Epiphysenfugenverletzungen
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740
B 2 Traumatologie
An den kleinen Knochen des Skelettes, bei Stauchungsbrüchen und Abrissfrakturen können die sicheren Frakturzeichen fehlen. Nicht selten können jedoch Stauchungs-, Zug- und Biegungsschmerz ausgelöst werden. 왘 Merke
왘 Merke. Nach Begutachtung der Hautverhältnisse ist es bei jeder Fraktur erforderlich, die Durchblutung, die Sensibilität und die Motorik der entsprechenden Extremität zu überprüfen.
Begleitverletzungen
Begleitverletzungen
Die Begleitverletzungen einer Fraktur bestimmen die Versorgung und Prognose. Man unterscheidet zwischen der geschlossenen Fraktur mit und ohne Weichteilschaden und der offenen Fraktur.
Die Dringlichkeit der Versorgung, die Verfahrenswahl und die Prognose der Fraktur werden wesentlich von Art und Ausdehnung der Begleitverletzungen bestimmt. Grundsätzlich wird zwischen der geschlossenen Fraktur mit und ohne Weichteilschaden und der offenen Fraktur unterschieden. Bei offenen Frakturen liegt immer ein Weichteilschaden vor.
Geschlossene Fraktur
Geschlossene Fraktur
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Grad 0: Kein Weichteilschaden (Abb. B-2.13). Grad I: Oberflächliche Schürfungen, Hautkontusionen und Druckstellen von Knochenfragmenten nach außen (Abb. B-2.13 b). Grad II: Tiefe, kontaminierte Schürfungen und lokalisierte Haut- und Muskelkontusionen mit drohendem Kompartmentsyndrom (Abb. B-2.13 c). Grad III: Ausgedehnte Haut- und Muskelverletzungen, manifestes Kompartmentsyndrom (Abb. B-2.13 d).
Entsprechend dem Ausmaß des Weichteilschadens unterscheidet man verschiedene Schweregrade: ■ Grad 0: Kein Weichteilschaden, einfacher Frakturverlauf (Abb. B-2.13 a). ■ Grad I: Er umfasst oberflächliche Schürfungen, Hautkontusionen und Druckstellen von Knochenfragmenten nach außen (Abb. B-2.13 b). Als typisches Beispiel kann die Luxationsfraktur des oberen Sprunggelenks in Pronationsstellung gelten. Die Bruchkante des Innenknöchels führt durch Druck von innen zu einer Weichteilschädigung. ■ Grad II: Hierunter fallen tiefe, kontaminierte Schürfungen und lokalisierte Haut- und Muskelkontusionen mit drohendem Kompartmentsyndrom (s. u.). In der Regel liegt ein direktes Trauma mit mittelschweren bis schweren Bruchformen vor. Als Beispiel ist die 2-Etagen-Fraktur der Tibia durch ein direktes Stoßstangentrauma zu betrachten (Abb. B-2.13 c). ■ Grad III: Hierzu gehören ausgedehnte Hautkontusionen, Hautquetschungen mit Ablösung vom subkutanen Fettgewebe (Décollement), die Zerstörung der Muskulatur, das manifeste Kompartmentsyndrom und begleitende Gefäßverletzungen (Abb. B-2.13 d).
Offene Fraktur
Offene Fraktur
Die Behandlung einer offenen Fraktur richtet sich nach Ausmaß und Schweregrad der Kontamination.
Die Behandlung einer offenen Fraktur muss am Ausmaß und dem Schweregrad der Kontamination ausgerichtet werden. Für die Einteilung in 4 Schweregrade ist nicht die Ausdehnung der Hautwunde, sondern der Grad der Weichteilschädigung und der Umfang der Muskelquetschung entscheidend. ■ Grad I: Durchtrennung der Haut mit fehlender oder nur geringer Kontusion und einer unbedeutenden bakteriellen Kontamination. Die Haut ist durch ein Knochenfragment unterschiedlicher Länge von innen her durchspießt (Abb. B-2.14 a). ■ Grad II: Eröffnung der Haut von außen durch direkte Gewalteinwirkung, umschriebene Haut- und Weichteilkontusion mit mittelschwerer, bakterieller Kontamination (Abb. B-2.14 b). ■ Grad III: Hautdurchtrennung mit ausgedehnter Weichteildestruktion und häufig zusätzlichen Gefäß- und Nervenverletzungen. Starke Wundverschmutzung (Schussfraktur, landwirtschaftliche Unfälle) (Abb. B-2.14 c). ■ Grad IV: Totale und subtotale Amputation (Abb. B-2.14 d). Eine subtotale Amputation ist definiert durch die Durchtrennung der wichtigsten anatomischen Strukturen, besonders der Hauptgefäßverbindungen mit totaler Ischämie. Sie setzt voraus, dass maximal 1/4 der Zirkumferenz des Weichteilmantels erhalten ist. Bestehen noch Zeichen einer Restdurchblutung, ist die Fraktur in den Grad III einzuordnen.
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Grad I: Geringe Hautverletzung, unbedeutende bakterielle Kontamination (Abb. B-2.14 a). Grad II: Umschriebene Haut- und Weichteilkontusion, mittelschwere, bakterielle Kontamination (Abb. B-2.14 b). Grad III: Ausgedehnte Weichteilkontusion, schwere bakterielle Kontamination (Abb. B-2.14 c). Grad IV: Totale und subtotale Amputation (Abb. B-2.14 d).
Einteilung nach Gustilo s. Abb. B-2.14 e.
Eine weitere Einteilung ist die nach Gustilo (Abb. B-2.14 e).
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
B-2.13
741
Weichteilschäden verschiedener Schweregrade
AO-Klassifizierung der Begleitverletzungen
AO-Klassifizierung der Begleitverletzungen
Diese Einteilung erlaubt die genaue Beschreibung der Verletzungen von Haut, Muskulatur und Sehnen (MT) sowie der Nerven und Gefäße (NV). An der Haut wird unterschieden zwischen geschlossenen (integument closed) und offenen (integument open) Schäden. Die Muskel-/Sehnenverletzungen (MT) und die Nerven-/Gefäßverletzungen (NV) werden in 5 Kategorien eingeteilt.
Diese Einteilung erlaubt die genaue Beschreibung des Hautschadens, der Muskulatur- und Sehnenverletzungen (MT) sowie der Nerven- und Gefäßverletzungen (NV).
Knochenheilung
Knochenheilung
Grundlage der Knochenheilung sind 3 Blasteme: Das Endost, das Periost und das Havers-System. Verantwortlich für den ständigen Knochenumbau sind die Zellpopulationen aus diesen Blastemen. Die Osteoblasten sorgen für den Aufbau neuer Knochensubstanz, während die Osteoklasten Knochen abbauen. Voraus-
Voraussetzung für eine ungestörte Frakturheilung ist die intakte Durchblutung der Fragmente, die Ruhigstellung der Fraktur und der Knochenkontakt zueinander.
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B 2 Traumatologie
742 B-2.14
Offene Frakturen verschiedener Schweregrade/Klassifikation nach Gustilo
Unter diesen Voraussetzungen kommt es zu einer direkten oder primären Knochenheilung ohne Kallusbildung. Dabei kann man die sog. Kontaktheilung von der Spaltheilung unterscheiden (Abb. B-2.15).
Der definitive Umbauprozess der primären Knochenheilung dauert ca. 1,5 – 2 Jahre. Die indirekte oder sekundäre Knochenheilung (Abb. B-2.16) ist die natürliche Form der Frakturheilung und verläuft in 4 Schritten.
setzung für eine ungestörte Frakturheilung ist die intakte Durchblutung der Fragmente, die Ruhigstellung der Fraktur und der Knochenkontakt zueinander. ■ Direkte oder primäre Knochenheilung (Abb. B-2.15): Sie kann unter den oben genannten Voraussetzungen erfolgen. Es erfolgt keine Kallusbildung. Bei stabiler Fixation und guter Durchblutung wird der Bruchspalt direkt von den Osteonen längs durchzogen und die Fraktur verbunden. Es kommt zur sog. Kontaktheilung. Verbleiben zwischen stabil fixierten Fragmenten minimale Knochenspalten, kommt es durch Auffüllen mit Geflechtknoten durch Endost und Periost und Umbau des Havers-Systems zur Spaltheilung. Der definitive Umbauprozess der primären Knochenheilung dauert ca. 1,5 – 2 Jahre. ■ Indirekte oder sekundäre Knochenheilung (Abb. B-2.16): Sie ist die natürliche Form der Frakturheilung und verläuft in physiologischen Schritten: 1. Ausbildung eines Frakturhämatoms. 2. Organisation des Hämatoms durch einwachsende Fibroblasten. 3. Differenzierung des Zwischengewebes zu Geflechtknochen (Kallus). 4. Funktionelle Adaptation zu lamellärem Knochen und Rekonstruktion des medullären Gefäßsystems unter Abbau von überschüssigem Kallus. Als Induktoren der Knochenheilung sind Interleukine, Hypoxie, Zelldehnung und elektrische Potenziale bekannt. Wachstumsfaktoren (TGF-β4, EGF1, EGF2, PDGF) und Zytokine werden von pluripotenten Stammzellen im Frakturhämatom sezerniert und spielen eine zentrale Rolle für die Steuerung der Zellinfiltration, der Angiogenese und Zelldifferenzierung.
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
B-2.15
Direkte oder primäre Knochenheilung
B-2.16
Indirekte oder sekundäre Knochenheilung
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B 2 Traumatologie
Der Verknöcherungsprozess der sekundären Frakturheilung ist nach 2 – 3 Jahren abgeschlossen. Frakturbehandlung
Der Verknöcherungsprozess der sekundären Frakturheilung ist nach 2 – 3 Jahren abgeschlossen.
Die Entscheidung über eine operative oder konservative Behandlung einer Fraktur bedarf einer klaren Indikation und der Aufklärung des Patienten über alternative Behandlungsverfahren.
Die Entscheidung zwischen konservativer und operativer Behandlung bedarf einer überlegten Indikationsstellung und einer angemessenen Aufklärung, da für nahezu alle Frakturen alternative Behandlungsmethoden bestehen. Eine Operation mit einem erhöhten Komplikationsrisiko darf auch dann nicht erzwungen werden, wenn postoperativ mit einer verbesserten Lebensqualität zu rechnen ist. Das Behandlungskonzept wird durch ■ die Lokalisation der Fraktur (Dia-, Meta-, Epiphyse), ■ den Frakturtyp (einfacher Bruch, Trümmerbruch), ■ die Weichteilbeschaffenheit (offene, geschlossene Fraktur, Begleitverletzungen), ■ die Zusatzverletzungen (Mono-, Polytrauma), ■ den Allgemeinzustand des Patienten (z. B. kardiale Erkrankungen, Diabetes mellitus) und ■ das Alter des Patienten bestimmt.
Das Behandlungskonzept wird durch die ■ Lokalisation der Fraktur, ■ den Frakturtyp, ■ die Weichteilbeschaffenheit, ■ Zusatzverletzungen, ■ den Allgemeinzustand und ■ das Alter des Patienten bestimmt.
Frakturbehandlung
Grundlagen der Frakturbehandlung
Grundlagen der Frakturbehandlung
Grundsätze der Knochenbruchbehandlung: Reposition, Retention und Rehabilitation.
Die konservative wie auch die operative Behandlung von Knochenbrüchen folgt 3 Grundsätzen: Reposition, Retention und Rehabilitation.
Reposition: Kontinuierlicher, langsamer Zug und Gegenzug (Abb. B-2.17 a) und seitlicher Druck auf die Fragmente (Abb. B-2.17 b) ermöglichen die Reposition.
Reposition: Jede Reposition erfolgt unter kontinuierlichem, langsamem Zug und Gegenzug (Abb. B-2.17 a). Durch seitlichen Druck können Fragmente eingerichtet und Achsenfehler korrigiert werden (Abb. B-2.17 b). Hierbei muss das periphere auf das zentrale Hauptfragment eingestellt werden. Für eine schonende Reposition sind Schmerzausschaltung und gegebenenfalls Muskelrelaxanzien erforderlich. Neben der Allgemeinnarkose, der Regional- und Leitungsanästhesie kommt in ausgewählten Fällen auch die Bruchspaltanästhesie zur Anwendung.
왘 Merke
왘 Merke. Vor und nach jeder Reposition müssen Durchblutung, Motorik und
Sensibilität überprüft und das Repositionsergebnis radiologisch dokumentiert werden. Eine Reposition durch Dauerzug ist mittels einer sog. Extension möglich. Verkürzungen können ausgeglichen und Achsenfehlstellungen korrigiert werden. Kirschner-Drähte oder Steinmann-Nägel üben Zug am Knochen aus. Das Körpergewicht des Patienten dient als Gegenzug.
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Als Lokalisationsorte für Extensionen dienen spongiöse Knochen mit geringer Weichteildeckung (Abb. B-2.18). Gefahren: Distraktion und Fragmentdiastase, Überdehnung des Kapsel-Band-Apparates, erhöhtes Thromboserisiko, Pin-Infektionen. Vorteile: Gezielte Platzierung des Extensionsdrahtes, Korrektur von Fehlstellungen, Hautpflege.
Sind Frakturen nicht in einem Manöver einzurichten, kann die Fraktur auch durch Dauerzug (sog. Extension) reponiert und zwischenzeitlich ruhiggestellt werden (z. B. bei Tibiafraktur, pertrochantärer Oberschenkelfraktur). Durch die Extension werden die auf die Fraktur wirkenden Muskelkräfte neutralisiert. Verkürzungen können so ausgeglichen und Achsenfehlstellungen durch Änderung der Zugrichtung korrigiert werden. Um das Körpergewicht des Patienten als Gegenzug am zentralen Fragment zu nutzen, muss das Fußende des Bettes hochgestellt werden. Das Bein wird auf einer verstellbaren Schiene gelagert. Über Kirschner-Drähte oder Steinmann-Nägel wird direkter Zug am Knochen ausgeübt. ■ Lokalisationsorte für Extensionen sind spongiöse Knochenbereiche mit nur geringer Weichteildeckung (Femurkondylen, Tibiakopf und Fersenbein). Die Zuggewichte betragen am Oberschenkel 1/7 – 1/10 des Körpergewichtes, am Fersenbein 1 – 4 kg (Abb. B-2.18). ■ Zu den Gefahren der Extension gehören zu starke Distraktion und Fragmentdiastase, Überdehnung des Kapsel-Band-Apparates des proximal gelegenen Gelenkes, Nervendruckschäden, erhöhtes Thromboserisiko und Pin-Infektionen. ■ Zu den Vorteilen der Extension gehört die Repositionsmöglichkeit durch gezielte Platzierung des Extensionsdrahtes (Pilon-tibial-Frakturen), die Korrekturmöglichkeit von Fehlstellungen und die mögliche Hautpflege.
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
B-2.17
Reposition
B-2.18
Extensionsbehandlung der unteren Extremität
745
Liegt durch eine Weichteilinterposition oder durch verkantete Fragmente ein Repositionshindernis vor, muss die Reposition offen erfolgen. Hiervon sind alle Frakturen betroffen, die nicht oder nicht anatomisch reponiert werden können (Gelenkfrakturen, Abrissfrakturen). Der offenen Reposition wird die operative Versorgung angeschlossen.
Liegt ein Repositionshindernis in Form von Weichteilen oder verkanteten Fragmenten vor, muss die Reposition offen erfolgen. Dies betrifft meist auch Abriss- und Gelenkfrakturen.
Retention: Sie soll den reponierten Knochen dauerhaft ruhigstellen, bis die knöcherne Konsolidierung eingetreten ist. Dies kann durch eine Dauerextension, Gips- oder Kunststoffverband, Schiene (z. B. Brace) oder mittels Osteosynthese erreicht werden.
Retention: Sie soll den reponierten Knochen bis zur knöchernen Konsolidierung dauerhaft ruhigstellen.
Rehabilitation: Sie beginnt in Abhängigkeit vom Frakturtyp und dem gewählten Behandlungsverfahren mit einer frühzeitigen Übungsbehandlung.
Rehabilitation: Je nach Frakturtyp und Behandlungsverfahren frühzeitige Übungsbehandlung.
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746
B 2 Traumatologie
Dazu gehören bei konservativer Bruchbehandlung die aktive Bewegung der frakturnahen, nicht ruhiggestellten Gelenke und das isometrische Muskeltraining. Die Nachbehandlung nach Frakturoperationen richtet sich nach dem Stabilitätsgrad: ■ bewegungsstabil: aktive, passive und assistierte Bewegungen sind erlaubt. ■ belastungsstabil: Bewegungen gegen Widerstand sind erlaubt (physiologische Belastbarkeit).
Hierzu gehört bei konservativer Bruchbehandlung neben der aktiven Bewegung der frakturnahen, nicht ruhiggestellten Gelenke das isometrische Muskeltraining der ruhiggestellten Muskulatur. Bei operativ behandelten Frakturen richtet sich die Nachbehandlung nach dem Stabilitätsgrad. ■ Bewegungsstabilität: Der betroffene Körperabschnitt ist sowohl aktiven, passiven als auch assistierte Bewegungen zugänglich. ■ Belastungsstabilität: Es sind Bewegungen oder Übungen gegen Widerstand in den Grenzen der physiologischen Belastbarkeit erlaubt. Die Belastungssteigerung erfolgt anhand der radiologisch kontrollierten Frakturheilung.
Konservative Frakturbehandlung
Konservative Frakturbehandlung
Konservativ behandelt werden in der Regel: ■ wenig dislozierte Frakturen, ■ stabile Frakturen, ■ die meisten Frakturen des Wachstumsalters, ■ Frakturen an Beckenring, Klavikula, Skapula und Fersenbein sowie ■ wenig dislozierte Frakturen des Humerus und Unterschenkelschaftbrüche und ■ stabile Wirbelbrüche ohne neurologische Ausfälle.
Konservativ können alle wenig dislozierten Frakturen versorgt werden, z. B. Klavikulafrakturen, A-Frakturen des Beckenrings, Skapulakörperfrakturen, A1-Frakturen der Wirbelsäule, unverschobene Fersenbein- sowie wenig dislozierte Frakturen am proximalen Humerus, Humerusschaft und einfache Unterschenkelschaftbrüche. Bei Frakturen der oberen Extremität genügt meist ein stabilisierender Verband (z. B. Rucksack-Verband bei Klavikulafraktur, Gilchrist-Verband bei Skapulafraktur, Desault-Verband bei Humerusschaftfraktur). Eine weitere Domäne der konservativen Behandlung sind Frakturen des Wachstumsalters. Bei Verkürzung oder Dislokation einer Fraktur kann dieser durch eine Dauerextension entgegengewirkt werden. Unterstützend werden Gipsverbände angelegt, wobei die der Fraktur benachbarten Gelenke in Funktionsstellung zur Ruhigstellung miterfasst werden.
왘 Merke
왘 Merke. Ein erster Gipsverband nach Reposition muss wegen der zu erwartenden posttraumatischen Schwellung immer bis auf die Haut gespalten und aufgebogen werden. Eine regelmäßige Kontrolle von Durchblutung, Motorik und Sensibilität ist obligat.
Nach Abnahme der Schwellung kann der Gipsverband geschlossen oder ggf. durch einen zirkulären Kunststoffverband ausgetauscht werden. Eine Röntgenkontrolle der Frakturstellung ist anzuschließen. 왘 Merke
왘 Merke. Ein schmerzhafter Gipsverband muss immer kontrolliert und gege-
benenfalls entfernt werden. Nachteile: Bewegungseinschränkung, Muskelatrophie, Inaktivitätsatrophie und erhöhtes Thromboserisiko. 왘 Merke
Ein wesentlicher Nachteil der konservativen Behandlung sind Bewegungseinschränkung, Muskelatrophie, Inaktivitätsatrophie des Knochens mit Entkalkung (kann erhebliche Schmerzen bereiten) und Thrombosegefahr. 왘 Merke. Bei einer Gipsbehandlung der unteren Extremität muss eine Thromboseprophylaxe eingeleitet werden.
Operative Frakturbehandlung
Operative Frakturbehandlung
Eine frühzeitige funktionelle Nachbehandlung wird ermöglicht und Immobilitätsschäden werden vermieden.
Das Ziel der operativen Frakturbehandlung besteht in einer anatomisch exakten Reposition, insbesondere bei Gelenkfrakturen und einer dauerhaften Retention durch Implantate. Dadurch wird eine frühzeitige funktionelle Nachbehandlung ermöglicht und Immobilitätsschäden wie Gelenkversteifungen und Muskelatrophie werden vermieden.
Risiken: Narkosekomplikationen, Knocheninfektionen, Nerven- und Gefäßverletzungen.
Mögliche Risiken der operativen Behandlung bestehen in Narkosekomplikationen, Gefahr von Knocheninfektion, Gefahr von Nerven- und Gefäßverletzungen. Die Indikationen zur operativen Behandlung sind klar definiert: ■ Frakturen, die mit konservativen Maßnahmen nicht verheilen (Olekranonfraktur, Patellaquerfraktur und Adduktionsfrakturen des Schenkelhalses).
Indikation zur operativen Behandlung: ■ Frakturen, die mit konservativen Maßnahmen nicht verheilen.
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
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Dislozierte Gelenkfrakturen der oberen und unteren Extremität. Schaftfrakturen von Femur und Unterarm sowie die Mehrzahl der Frakturen von Tibia und Humerus. Ketten- oder Serienfrakturen (mehrere Frakturen an einer Extremität, z. B. Patella, Femurschaft, Azetabulum durch „Armaturenbrettverletzung“). Offene Frakturen. Geschlossene Frakturen, die durch Begleitverletzungen kompliziert sind (z. B. Gefäßverletzungen). Stammnahe Frakturen bei Mehrfachverletzungen. Frakturen des geriatrischen Patienten insbesondere der unteren Extremität, bei denen unter konservativer Therapie die Gefahr der längerfristigen Immobilisation besteht. Pathologische Frakturen. Epiphysenfrakturen.
Die Osteosyntheseverfahren beruhen auf der interfragmentären Kompression und der Schienung oder der Kombination beider Verfahren. Kompression: Die Kompression kann statisch (d.h ohne kurzfristige Änderungen) und dynamisch (d. h. belastungsabhängig) erreicht werden. Zur statischen Kompression werden interfragmentäre Zugschrauben verwendet. Je nach Knochenart (Kortikalis oder Spongiosa), kommen spezifische Schrauben zum Einsatz. Sie werden senkrecht zum Frakturspalt eingebracht und fassen nur jenseits der Frakturlinie in einem vorgeschnittenen Gewinde. Das schraubenkopfnahe Loch wird größer aufgebohrt und als Gleitloch bezeichnet. Die Kompressionskraft kann 2000 – 3000 Newton betragen (Abb. B-2.19). Eine dynamische Kompression (d. h. belastungsabhängig) kann durch eine Zuggurtung erreicht werden. Die Kompressionserzeugung der Zuggurtung basiert auf der funktionellen Belastung einer Fraktur. Ein typisches Beispiel ist die Zuggurtungsosteosynthese der Patellaquerfraktur. Der Draht wandelt in Zusammenarbeit mit den Femurkondylen den Zug der Quadrizepsmuskulatur in eine dynamische Kompression um. Der Kompressionsdruck wirkt auf die Innenfläche der Patella unter Entlastung der Außenfläche. Die Zuggurtung ermöglicht die belastungsinduzierte Bewegung (Abb. B-2.20).
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Gelenkfrakturen z. B. dislozierte Olekranonfrakturen. Schaftfrakturen an langen Röhrenknochen. Ketten-, Serienfrakturen. Offene Frakturen. Geschlossene Frakturen, die durch Begleitverletzungen kompliziert sind. Stammnahe Frakturen des Mehrfachverletzten. Frakturen des geriatrischen Patienten. Pathologische Frakturen. Epiphysenfrakturen.
Die Osteosyntheseverfahren beruhen auf den Prinzipien der Kompression und Schienung. Kompression: Die Kompression erfolgt statisch durch Zugschrauben (Abb. B-2.19) oder dynamisch (belastungsabhängig) durch Zuggurtung (Abb. B-2.20).
Schienung: Das Prinzip der Schienung wird durch intra- oder extramedulläre Implantate verwirklicht (Tab. B-2.2). Durch Reduktion der physiologischen Last auf eine Schraubenfixation und Übertragung der Kraft vom zentralen Hauptfragment auf das periphere Fragment über den Frakturspalt hinweg bewirkt die Schienung eine Neutralisation. Die äußere Schienung kann ebenfalls im Sinne einer Abstützung angewandt werden.
Schienung: Es kommen intra- und extramedulläre Implantate zur Anwendung (Tab. B-2.2).
Verbundosteosynthese: Sie dient der Stabilisierung von pathologischen Frakturen, die durch metastasierendes Tumorwachstum mit Knochenzerstörung
Verbundosteosynthese: Sie ist die Kombination von Metallimplantaten mit Knochenzement zur Stabilisierung pathologischer
B-2.19
Zugschraubenprinzip
B-2.19
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B 2 Traumatologie
748 B-2.2
Methoden der Frakturschienung
Extramedulläre Schienung ■
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Intramedulläre Schienung
DCP (Dynamic Compression Plate): Aufgrund der Plattenlochgeometrie wird die Kompression der Fraktur und das gleichzeitige Einbringen von Zugschrauben erlaubt. LCDCP (Limited Contact Dynamic Compression Plate): Sie stellt eine Weiterentwicklung der DCP dar. Die Reduktion der Andruckfläche durch Aussparungen an der Plattenunterseite führt zu einer verbesserten Blutversorgung des unter der Platte liegenden Knochens. Voraussetzung für eine biomechanisch korrekte Kompressionsplattenosteosynthese ist die Vorbiegung. Durch die Vorbiegung wird eine Kompression auf die der Platte gegenüberliegende Kortikalis gebracht, die bei einer direkt dem Knochen anmodellierten Platte fehlen würde (Abb. B-2.21). Im Gegensatz zur Standardosteosynthese mit Platten und Schrauben wird bei der LCP (Limited Contact Plate) und einem Fixateur interne der Kopf der Schraube in der Platte verriegelt. Die Knochenheilung erfolgt indirekt über Kallusbildung. Vorteile sind Winkelstabilität, weniger Schraubenlockerung und die Schonung des Periosts (Abb. B-2.22). Fixateur externe: Dabei werden in den Knochen eingebrachte Steinmann-Nägel oder Schanz-Schrauben durch äußere Verbindungsstangen oder Rohrsysteme miteinander so verbunden, dass ohne Manipulation an der Fraktur oder den Weichteilen Stabilität erreicht wird. Dieses Verfahren ist bei offenen Brüchen oder Frakturen mit schweren Weichteilschäden sowie beim schwerverletzten Patienten als temporäre Maßnahme indiziert (Abb. B-2.23). Gelenknahe Frakturen oder Frakturen mit Knochenverlust können mithilfe von Ringfixateuren ruhiggestellt werden. Die Spickdrahtosteosynthese erlaubt lediglich eine Adaptation von Frakturen und muss mit einer Gipsfixation kombiniert werden. Sie ist bei peripheren und kindlichen Frakturen im Epiphysenbereich indiziert.
B-2.20
B-2.20
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Marknagel: Er ist für viele Frakturen im Schaftbereich des Femurs, der Tibia und z. T. des Humerus geeignet. Verriegelungsnagel: Durch proximale und distale Verriegelung kann einerseits ein Zusammensintern der Fraktur und andererseits eine Rotationsinstabilität verhindert werden. Dadurch kann der Marknagel auch im proximalen und distalen Drittel des Röhrenknochens angewendet werden. Unaufgebohrter Marknagel: Durch Vermeidung des Aufbohrens des Markkanals können Druck- und Hitzenekrosen der Kortikalis vermieden werden, die druckbedingte Fetteinschwemmung wird vermindert. Der solide Nagel vermeidet Totraum, der beim aufgebohrten Marknagel als Nährboden für Bakterien dienen kann. Die Durchblutung des Knochens bleibt unbeeinflusst. Ungebohrte Nägel werden bevorzugt bei offenen Frakturen oder polytraumatisierten Patienten eingesetzt (Abb. B-2.24).
Zuggurtung des Olekranons
Zuggurtung des Olekranons mit zwei Drähten und Achtercerclage (a.-p. und seitlich). Frakturen und gestattet sofortige Vollbelastung der betroffenen Extremität (Abb. B-2.25).
hervorgerufen werden. Zum Aufbau des metastatisch zerstörten Knochens wird Knochenzement in Kombination mit Metallimplantaten verwendet. Dies gestattet bei den Palliativeingriffen eine sofortige Vollbelastung der betroffenen Extremität (Abb. B-2.25).
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
B-2.21
Prinzip der extramedullären Schienung
B-2.22
Osteosynthese
749
B-2.22
a Winkelstabilität. Konventionelle Schrauben neigen in osteoporotischen Knochen zur Verkippung. Dadurch kommt es zu einer Achsfehlstellung. Das kann durch winkelstabile Schrauben verhindert werden.
b Weniger Schraubenlockerung. Bei konventionellen Platten kann es unter Belastung zu einer Lockerung der proximal eingebrachten Schrauben kommen. Das wird bei winkelstabilen Implantaten durch das Schraubengewinde innerhalb der Platte verhindert.
c Geringere periostale Schädigung. Das Anziehen der Schrauben bei einer konventionellen Platte führt zu einer Kompression des darunterliegenden Periosts. Bei einer winkelstabilen Platte findet sich noch ein Abstand zwischen Periost und Platte. Dadurch wird die Durchblutung nicht beeinträchtigt.
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B 2 Traumatologie
750 B-2.23
Fixateur externe a Doppelt abgelegte Stangen verbessern die Stabilität, wobei jeweils eine Schanz’sche Schraube pro Fragment frakturnah eingebracht werden soll. b Z-förmige Anordnung des Fixateur externe als temporäre Stabilisierung offener Brüche oder bei polytraumatisierten Patienten. Nerven- und Gefäßverläufe müssen beachtet werden.
Komplikationen
Komplikationen
Kompartmentsyndrom (Logensyndrom)
Kompartmentsyndrom (Logensyndrom)
왘 Definition
왘 Definition. Beim Kompartmentsyndrom handelt es sich um einen Zustand, in
dem ein erhöhter Gewebedruck innerhalb eines geschlossenen Raumes die neuromuskuläre Funktion beeinträchtigt. Ätiologie: Entscheidende Voraussetzungen: ■ weitgehend erhaltene Muskelloge, ■ Druckerhöhung mit venöser Abflussbehinderung, ■ Verminderung der kapillaren Muskeldurchblutung, ■ Störung der neuromuskulären Funktion.
Ätiologie: Für die Entwicklung eines Kompartmentsyndroms sind folgende Voraussetzungen von entscheidender Bedeutung: ■ eine weitgehend erhaltene Muskelloge, ■ eine Druckerhöhung innerhalb des Weichteilmantels mit Behinderung der venösen Drainage, ■ eine Verminderung der kapillaren Muskeldurchblutung und ■ eine Störung der neuromuskulären Funktion.
80 % aller Kompartmentsyndrome betreffen Unterschenkel und Unterarm (Abb. B-2.26).
80 % aller Kompartmentsyndrome betreffen Unterschenkel und Unterarm. Besonders bei suprakondylären Oberarmfrakturen im Kindesalter, Quetschver-
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
751
B-2.24
Femurverriegelungsnagel
B-2.24
B-2.25
Prinzip der Verbundosteosynthese
B-2.25
letzungen sowie direkten Traumen (z. B. Unterschenkelfraktur beim Fußballspieler, Stoßstangenanpralltrauma) und offenen Frakturen muss auf die Entwicklung eines Kompartmentsyndroms geachtet werden (Abb. B-2.26). 왘 Merke. Die Verkleinerung eines Kompartments kann durch Frakturhämato-
왗 Merke
me, durch einschnürende Verbände und durch den Verschluss eines Fasziendefektes verursacht werden. Der intensive Gebrauch eines untrainierten Muskels (funktionelles Kompartmentsyndrom) kann ebenfalls ein Kompartementsyndrom provozieren. Pathophysiologie: Kommt es innerhalb eines geschlossenen Kompartments zu kapillären Leckagen, resultiert eine Erhöhung des Flüssigkeitsdrucks, der den
Pathophysiologie: Der Verlust der kapillaren Perfusion trotz erhaltener arterieller Stamm-
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752 B-2.26
B 2 Traumatologie
B-2.26
Querschnitt der unteren Extremität und Darstellung der Kompartimente Zunehmender Gewebedruck innerhalb einer Muskelloge kann eine venöse Abflussstörung mit daraus resultierender kapillarer Minderperfusion bedingen. Die eintretende Ischämie von Muskeln und Gefäßen kann zu irreversiblen Gewebsschäden führen (Kompartmentsyndrom). a = Extensorenloge b = tiefe Flexorenloge c = A./V. tibialis anterior, N. peroneus profundus d = A./V. tibialis posterior, N. tibialis e = Peroneusloge f = N. peroneus superficialis g = oberflächliche Flexorenloge T = Tibia F = Fibula
durchblutung führt aufgrund metabolischer Störungen zu einer Ischämie von Muskeln und Nerven. Eine neuromuskuläre Ischämie, die 4 Stunden überschreitet, kann zu irreversiblen Gewebeschäden führen.
venösen Drainagedruck übersteigt. Hierdurch entsteht ein zyklischer Effekt mit weiterer Zunahme von Kapillarleck und Flüssigkeitsdruck. Eine Erhöhung des normalerweise 5 10 mmHg liegenden Gewebedruckes vermindert die Gewebeperfusion und damit die Abgabe von Sauerstoff an das Muskelgewebe. Nach der arteriovenösen Gradiententheorie reduziert ein Anstieg des Gewebedruckes den lokalen arteriovenösen Gradienten und deshalb die lokale Durchblutung nach der Formel: LBF =
Pa
Pv R
LBF = lokaler Blutfluss Pa = arterieller Druck Pv = venöser Druck R = lokaler Gefäßwiderstand. Der Verlust der kapillaren Perfusion trotz erhaltener arterieller Stammdurchblutung führt aufgrund der metabolischen Störungen zu einer Ischämie von Muskeln und Nerven. Eine neuromuskuläre Ischämie, die 4 Stunden überschreitet, kann zu irreversiblen Gewebeschäden führen. Klinik: Starke, teils brennende Schmerzen, deutliche Muskelverhärtung, Weichteilschwellung, Ischämieschmerz bei passiver Bewegung, sensible und motorische Ausfälle sind kennzeichnend. 왘 Merke
Klinik: Das klinische Bild wird durch starke, teils brennende Schmerzen, Weichteilschwellung, eine deutliche Muskelverhärtung in der betroffenen Loge und Ischämieschmerzen bei passiver Bewegung der Muskulatur geprägt. Bald folgen sensible und motorische Ausfälle.
왘 Merke. Während der Ausbildung eines Kompartmentsyndroms bleibt die
arterielle Perfusion der Extremität mit dem Nachweis peripherer Pulse erhalten. Diagnostik: Das Kompartmentsyndrom ist neben dem klinischen Bild durch Messungen des subfaszialen Gewebedruckes objektivierbar. Normaldruck 5 5 mmHg. Ab 30 – 40 mmHg ist mit einer ischämischen Muskelnekrose zu rechnen.
Diagnostik: Neben dem klinischen Bild kann das Kompartmentsyndrom, insbesondere beim bewusstlosen Patienten durch Messung des subfaszialen Gewebedrucks objektiviert werden. Hierbei werden Messfühler in das gefährdete Kompartment eingebracht und der Druck einmalig oder kontinuierlich registriert. Während der normale Druck 5 5 mmHg beträgt, steigt er bei einem manifesten Kompartmentsyndrom auf 30 – 40 mmHg an. Entscheidend ist hierbei der Gradient zwischen arteriellem Mitteldruck und Kompartmentdruck,
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
753
aus dem der Perfusionsdruck resultiert (s.o.). Fällt der Perfusionsdruck 5 30 mmHg, ist mit einer ischämischen Muskelnekrose zu rechnen. Therapie: Das manifeste Kompartmentsyndrom verlangt die sofortige Druckentlastung der Muskulatur durch eine Fasziotomie. Hierbei ist zu beachten, dass am Unterschenkel 4 Muskellogen mit entsprechenden Faszien vorliegen. Eine Hochlagerung der betroffenen Extremität muss vermieden werden, um den arteriovenösen Druckgradienten nicht durch eine Verringerung des arteriellen Druckes zu erniedrigen. Das nicht oder zu spät behandelte Kompartmentsyndrom endet mit einer ischämischen Muskelkontraktur, der sog. VolkmannKontraktur.
Therapie: Sofortige Druckentlastung der Muskulatur durch eine Fasziotomie. Eine Hochlagerung der entsprechenden Extremität muss vermieden werden, um den arteriovenösen Druckgradienten nicht zu erniedrigen. Unbehandelt resultiert eine ischämische Muskelkontraktur (Volkmann-Kontraktur).
Frakturheilungsstörungen
Frakturheilungsstörungen
Die Knochenbruchheilung kann durch biologische oder mechanische Faktoren oder eine Kombination beider gestört sein. Zu den mechanischen Faktoren gehört eine zu große Beweglichkeit der Frakturenden, die den gerade entstandenen Geflechtknochen immer wieder zerreißt. Zu den biologischen Ursachen werden neben einer Deperiostierung der Fragmentenden (z. B. weit offene Frakturen) auch Pharmaka (Steroide, Zytostatika und nichtsteroidale Antirheumatika) sowie Röntgenbestrahlung gerechnet. Es werden verschiedene Frakturheilungsstörungen unterschieden: ■ Verzögerte Heilung (delayed union): Bei ihr liegt eine verzögerte Konsolidierung mit verspäteter Überbauung der Fraktur (4 – 6 Monate nach dem Unfall) vor. Röntgenologisch werden die Frakturlinien zunächst weiter; u.U. zeigt sich ein wolkiger, unscharf konturierter Reizkallus. ■ Pseudarthrose: Die Fraktur weist nach 6 – 8 Monaten nur eine fibröse Verbindung ohne knöchernen Durchbau auf und ist weder nach klinischen noch nach radiologischen Kriterien verheilt. Unterschieden werden die hypertrophe und atrophe Pseudarthrose. Führt unkontrollierte mechanische Unruhe im Frakturgebiet zu einem Ausbleiben der Knochenheilung, kommt es bei gut durchbluteten Fragmentenden zu einer überschießenden Kallusbildung (Elefantenfußpseudarthrose) mit Ausbildung einer reaktiven, hypertrophen Pseudarthrose (Abb. B-2.27 a). Sie macht 90 % aller Pseudarthrosen aus. Liegt neben einer Instabilität gleichzeitig eine Durchblutungsstörung der Fragmentenden mit Nekrose vor, entwickelt sich eine atrophe Pseudarthrose (Abb. B-2.27 b). Charakteristisch für diese Form der Pseudarthrose ist die fehlende Kallusbildung. Zwischen den Fragmenten findet sich lediglich gefäßloser Faserknorpel. Die Infektpseudarthrose stellt die Kombination einer atrophen Pseudarthrose mit gleichzeitigem Infekt dar. Sie wird begünstigt durch Knochensequester, durch Osteolysen sowie Lockerung des Osteosynthesematerials. Liegen nach einer infizierten Pseudarthrose ausgedehnte Osteolysen vor, spricht man von einer Defektpseudarthrose.
Unzureichende Stabilität oder nicht ausreichende Durchblutung der Knochenfragmente können zu Störungen der Frakturheilung führen. Unterschieden werden:
Therapie: Während die hypertrophe Pseudarthrose therapeutisch lediglich der Ruhigstellung durch eine stabile Osteosynthese bedarf, erfordert die atrophe Pseudarthrose neben einer stabilen Fixation eine ausgedehnte Dekortikation mit Transplantation autologer Spongiosa (Abb. B-2.28). Die Behandlung der Infektpseudarthrosen besteht in einem ausgedehnten Knochenweichteildébridement, Aufbau des Knochens mit autologer Spongiosa, Stabilisierung und suffizienter Weichteildeckung, u.U. durch lokale Lappen oder Fernlappen. Zur Überbrückung größerer Defektstrecken hat sich der Segmenttransport mithilfe der Kallusdistraktion bewährt. Dabei wird der noch gesunde Röhrenknochen oberhalb oder unterhalb der Defektzone mit einem Meißel durchtrennt und das so gewonnene Segment durch unterschiedliche Transportmechanismen mit einer Transportgeschwindigkeit von 1 mm pro Tag in den Knochendefekt hineingezogen.
Therapie: Bei der hypertrophen Pseudarthrose genügt eine stabile Osteosynthese, bei der atrophen Pseudarthrose ist zusätzlich eine Dekortikation mit Transplantation autologer Spongiosa notwendig (Abb. B-2.28). Bei Infektpseudarthrosen besteht die Therapie in einem ausgedehnten Knochenweichteildébridement, Aufbau des Knochens mit autologer Spongiosa, Stabilisierung und suffizienter Weichteildeckung.
■
■
Verzögerte Heilung: Es liegt eine verzögerte Konsolidierung mit verspäteter Überbauung vor. Pseudarthrose: Nach 6 – 8 Monaten findet sich nur eine fibröse Verbindung aber keine knöcherne Durchbauung. Man unterscheidet hypertrophe (ca. 90 %) und atrophe Pseudarthrosen (Abb. B-2.27).
Die Infektpseudarthrose stellt eine Kombination von atropher Pseudarthrose mit gleichzeitigem Infekt dar und wird durch Knochensequester, Osteolysen und Instabilität begünstigt.
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B 2 Traumatologie
754 B-2.27
B-2.27
Pseudarthrosen
a Hypertrophe Pseudarthrose mit Pseudogelenkspalt und partieller Sklerosierung nach instabiler Osteosynthese einer Unterarmfraktur.
B-2.28
b Atrophe Pseudarthrose nach Knochennekrose bei Durchblutungsstörung.
Operative Therapie der Pseudarthrosen
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
755
Refrakturen und Ermüdungsfrakturen
Refrakturen und Ermüdungsfrakturen
Unter einer Refraktur versteht man einen Bruch im früheren Frakturbereich, der noch nicht völlig durchbaut war. Ein typisches Beispiel für eine Refraktur stellt der Bruch nach zu früher Metallentfernung dar. Ein Ermüdungsbruch entsteht außerhalb der primären Fraktur, z. B. am Ende von Implantaten oder durch Überlastung (z. B. Marschfraktur).
Unter einer Refraktur versteht man einen Bruch im früheren Frakturbereich, der noch nicht völlig durchbaut war.
Knocheninfektion (Osteitis) (s.a. S. 766 ff.)
Knocheninfektion (Osteitis) (s.a. S. 766 ff.)
왘 Definition. Bei der akuten hämatogenen Osteomyelitis handelt es sich um
Ein Ermüdungsbruch entsteht außerhalb der primären Fraktur.
왗 Definition
eine Allgemeinerkrankung mit Organmanifestation. Im Gegensatz dazu ist die posttraumatische Osteitis primär eine Lokalinfektion, die allgemeine Krankheitserscheinungen auslösen kann. Ätiologie: Für die Ätiologie einer Osteitis sind verschiedene Faktoren von kausaler Bedeutung: ■ die Resistenzlage des Patienten (Alter, Diabetes mellitus, arterielle Verschlusskrankheit, Nikotinabusus), ■ die Virulenz der inokulierten Keime und ■ die Intensität und Ausdehnung des Gewebetraumas (exogen unfallbedingt, Quetschung, Nekrosen; exogen fortgeleitet z. B. über ein vorbestehendes Ulkus; endogen über operationsbedingtes Gewebetrauma).
Ätiologie: Von kausaler Bedeutung sind: ■ die Resistenzlage des Patienten, ■ die Virulenz der inokulierten Keime und ■ die Intensität und Ausdehnung des Gewebetraumas.
Besonders infektgefährdet sind Frakturen mit Weichteilschäden. Hierzu gehören die offenen Frakturen und die geschlossenen Frakturen mit einem Weichteilschaden Grad II und III. Zur Infektion eines gesunden Knochens sind ca. 106– 108 Keime/g Gewebe notwendig. Häufigste Keime sind Staphylokokken, Pseudomonas aeruginosa und E. coli.
Besonders infektgefährdet sind Frakturen mit Weichteilschäden.
Klinik: Die Symptomatik kann akut oder langsam beginnen. Ausgangspunkt ist häufig ein infiziertes Hämatom oder Serom. Die akute Entzündung zeigt sich mit Überwärmung und Schwellung. Diese Zeichen können beim schleichenden Infekt fehlen.
Klinik: Die Symptomatik kann akut oder langsam beginnen. Beim schleichenden Infekt können Entzündungszeichen fehlen.
Diagnostik: Röntgenologisch finden sich periostale Auflagerungen, Osteolysen und Verdichtungen der Knochenstruktur in den Randbereichen. Sie sind jedoch erst im fortgeschrittenen Stadium nachweisbar. Laborchemisch findet sich neben der Leukozytose eine Erhöhung des C-reaktiven Proteins (CRP).
Diagnostik: Röntgenologisch finden sich periostale Auflagerungen, Osteolysen und Verdichtungen der Knochenstruktur in den Randbereichen. Labor: Leukozytose, CRP-Erhöhung.
Therapie: Die Therapie hängt vom Ausmaß und Stadium des Infektes ab. Der akute Infekt verlangt ein Débridement, welches ggf. wiederholt werden muss, bis die Infektzeichen abgeklungen sind (Second-look-Operation). Neben einer Wunddrainage kann die Heilung durch eine kurzfristige, hochdosierte und resistenzgerechte antibiotische Behandlung unterstützt werden. Besteht bei einer postoperativen Osteitis zwischen den Knochenfragmenten eine stabile Fixation, kann das Osteosynthesematerial belassen werden, da eine ungestörte Knochenheilung zu erwarten ist. Liegt eine Instabilität zugrunde, ist der Heilungsprozess gestört. Bei Knochenresorption, Sequesterbildung und evtl. Implantatlockerung muss neben dem Débridement eine Restabilisierung erfolgen. Bei chronischen Infekten müssen alle Sequester entfernt werden. Besonders wichtig ist die Deckung mit gut vaskularisiertem Weichteilgewebe. Nicht selten sind hierfür freie Lappenplastiken erforderlich. In schweren Fällen chronischer Knocheninfekte kann die Entfernung des gesamten erkrankten Knochens erforderlich werden. Ein Wiederaufbau kann dann durch die Kallusdistraktion (Verfahren nach Ilizarov) erfolgen.
Therapie: Der akute Infekt verlangt ein Débridement, das ggf. wiederholt werden muss, bis die Infektzeichen abgeklungen sind. Neben einer Wunddrainage kann die Heilung durch eine antibiotische Behandlung unterstützt werden. Bei einer postoperativen Osteitis kann das Osteosynthesematerial bei stabiler Fixation belassen werden, liegt eine Instabilität vor, muss neben dem Débridement eine Restabilisierung erfolgen.
Bei chronischen Infekten müssen alle Sequester entfernt werden.
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756
B 2 Traumatologie
Sudeck-Dystrophie (Algodystrophie, Reflex Sympathetic Dystrophy, Complex Regional Pain Syndrom)
Sudeck-Dystrophie (Algodystrophie, Reflex Sympathetic Dystrophy, Complex Regional Pain Syndrom)
왘 Definition
왘 Definition. Es handelt sich um eine neurovegetative Fehlregulation mit
Durchblutungsstörungen an Knochen und Weichteilen. Die Ätiologie ist nicht bekannt. Sie tritt bevorzugt bei älteren Patienten mit peripheren, gelenknahen Frakturen und lang anhaltendem Frakturschmerz auf. Klinik und Diagnostik: Das klinische Bild verläuft in 3 Stadien. ■ Anfangsstadium: Bewegungsschmerz, nächtlicher Ruheschmerz. Weichteilschwellung mit livider, schwitzender Haut. Vermehrtes Wachstum von Haaren und Nägeln. Subchondrale Entkalkung im Röntgenbild. ■ Stadium der Dystrophie: Rückgang der Schmerzen, Zunahme der trophischen Störungen, Atrophie von Weichteilen und Muskulatur, fleckige Entkalkung im Röntgenbild. ■ Stadium der Atrophie: Schrumpfung von Weichteilen und Muskulatur mit Versteifung der Gelenke. Diffuse Osteoporose im Röntgenbild (Abb. B-2.29)
Klinik und Diagnostik: Das klinische Bild verläuft in 3 Stadien: Stadium 1: Am Anfang sind teigige Weichteilschwellungen mit glänzender, livider und schwitzender Haut zu beobachten. Das Wachstum von Haaren und Nägeln ist vermehrt. Dieses Bild wird von Bewegungsschmerzen und charakteristischen nächtlichen Ruheschmerzen begleitet. Radiologisch findet sich eine subchondrale Entkalkung. ■ Stadium 2: Im Stadium der Dystrophie bilden sich die Schmerzen zurück, während die trophischen Störungen zunehmen. Die Haut wird blass, die Weichteile schrumpfen und die Muskulatur wird atroph. Im Röntgenbild zeigt sich nun eine fleckige Entkalkung der Knochen, insbesondere der gelenknahen Anteile. ■ Stadium 3: Das Stadium der Atrophie endet mit einer durch Schrumpfung von Weichteilen und Muskulatur bedingten Versteifung der Gelenke. Das Röntgenbild zeigt jetzt eine diffuse Osteoporose mit Verschmälerung der Kortikalis (Abb. B-2.29).
Therapie: Ruhigstellung, Ödemreduktion, Schmerzausschaltung und Reduktion des Sympathikotonus. Nach Abklingen der Schmerzen kann eine vorsichtige Übungsbehandlung begonnen werden.
Therapie: Die Therapie besteht in einer primären Ruhigstellung, Ödemreduktion, Schmerzausschaltung (Antiphlogistika, Plexusblockade) und Reduktion der Sympathikusaktivität (Sympathikusblockade, α-Sympatholytika [Hydergin], Guanethidin). Weiterhin in Gebrauch sind Steroide, Kalzitonin, und Psychopharmaka. Nach Abklingen der Schmerzen kann eine vorsichtige Übungsbehandlung begonnen werden, um Gelenkversteifungen zu vermeiden. Die Dystrophieprophylaxe ist jedoch wichtiger und erfolgreicher als die Therapie.
왘 Merke
B-2.29
■
왘 Merke. Die beste Therapie besteht in der Prävention durch Schmerzreduktion, Vermeidung konstringierender und zu enger Verbände, Vermeidung von Überdistraktion (z. B. bei distalen Radiusfrakturen mit dem Fixateur externe) und sofortigem Beginn mit aktiven Bewegungsübungen.
B-2.29
Sudeck-Dystrophie: Stadium der Atrophie
Rechter Fuß (a.-p./seitlich) mit Entkalkung der Phalangen.
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
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Prognose: Stadium I und II sind unter Therapie rückbildungsfähig, Stadium III ist irreversibel.
Prognose: Nur Stadium I und II sind rückbildungsfähig.
Fettembolie-Syndrom
Fettembolie-Syndrom
Die Fettembolisation nach größeren, zumeist unversorgten Schaftfrakturen verläuft durch die Clearance-Kapazität des Pulmonalendothels häufig asymptomatisch. Zuweilen kann sich jedoch ein typisches Fettembolie-Syndrom nach einem symptomfreien Intervall von bis zu 48 Stunden nach Verletzung großer Röhrenknochen oder des Beckens einstellen.
Die Fettembolisation nach größeren Frakturen (Röhrenknochen, Becken) verläuft oft asymptomatisch. Zuweilen kann sich nach einem symptomfreien Intervall (bis 48 h) ein Fettembolie-Syndrom einstellen.
Ätiologie: Obwohl das Pulmonalendothel eine wesentliche Clearancefunktion und Lysekapazität aufweist, kann durch Toxine, Bakterieneinschwemmungen und Debris eine Überlastung eintreten. Zusätzliche Partikeleinschwemmungen in die Lunge (aus nicht versorgten Schaftfrakturen oder durch Marknagelung) können zu einer Kapazitätsüberlastung und zur messbaren Beeinträchtigung der Respiration führen.
Ätiologie: Bei Überlastung der Clearancefunktion der Lunge durch Toxine, Bakterien und Debris kann eine zusätzliche Fetteinschwemmung aus Frakturen zur Beeinträchtigung der Respiration führen.
Klinik: Dyspnoe, Hypoxie, Bewusstseinstrübungen und Thrombozytopenie mit petechialen Blutungen, vornehmlich an Thorax, Axilla und den Konjunktiven.
Klinik: Hypoxie, Dyspnoe, Thrombozytopenie mit petechialen Blutungen an Thorax, Axilla und Konjunktiven.
Therapie: Vordringlich sind eine adäquate Schocktherapie und suffiziente Beatmung. Es gilt der Grundsatz, dass jeder polytraumatisierte Patient so lange als respiratorisch insuffizient zu betrachten ist, bis Blutgase und Sauerstoffsättigung das Gegenteil bestätigen. Die Prophylaxe eines Fettembolie-Syndroms besteht in einer frühzeitigen Fixation der stammnahen langen Röhrenknochen und des Beckenringes durch zunächst wenig belastende chirurgische Maßnahmen wie Fixateur externe oder unaufgebohrte Marknagelung.
Therapie: Angemessene Schockbehandlung und Beatmung.
2.1.2 Allgemeine Untersuchungstechniken des Bewegungsapparates Die Untersuchung des Bewegungsapparates orientiert sich an folgenden Punkten: ■ Anamnese: Unfallhergang, Unfallzeitpunkt, Unfallmechanismus, Verhalten nach dem Unfall, Schmerzsymptomatik, Beginn evtl. neurologischer Ausfallerscheinungen, frühere Unfälle, frühere Erkrankungen. ■ Inspektion: Formabweichungen (z. B. Außenrotation bei pertrochantärer Oberschenkelfraktur), Schwellungen, Verfärbungen, Narben, Bewegungsabläufe (z. B. hinkendes Gangbild). ■ Palpation: Art der Schwellung (z. B. Gelenkerguss, Weichteilschwellung), Druckpunkte, Diastase (z. B. bei Wirbelfrakturen zwischen den Dornfortsätzen), Dehiszenzen (z. B. Achillessehnenruptur), Nervenaustrittspunkte, Pulse, Gelenkfläche (z. B. Patella). ■ Funktionsprüfung: Überprüfung des aktiven und passiven Bewegungsausmaßes und motorischer Defizite. Das Bewegungsausmaß wird mit der Neutral-0-Methode gemessen (Abb. B-2.30). Die Neutralstellung bedeutet: herabhängender Arm, nach vorn gerichteter Daumen, parallele, nach vorn gerichtete Fußstellung. Das Bewegungsausmaß wird mit 3 Zahlen beschrieben. Wird die Neutralposition bei der Bewegung durchschritten, steht die 0 zwischen den beiden das Bewegungsausmaß anzeigenden Zahlen. Besteht ein Bewegungsdefizit, wird die Neutralstellung nicht erreicht. Die 0 steht am Anfang der Zahlenfolge. Beispiel: Beugung/Streckung im Hüftgelenk 90/0/5 ° auf der gesunden Seite und 70/20/0 ° auf der Gegenseite bedeutet eine Einschränkung der Beugung um 20 ° im Vergleich zur Gegenseite und ein Streckdefizit von 20 °. ■ Vergleichende Umfangs- und Längenmessung: Die Messungen müssen an definierten reproduzierbaren Punkten durchgeführt werden. Umfangsmessungen werden im Liegen, Längenmessungen im Stehen vorgenommen, wobei die Muskulatur möglichst entspannt sein sollte (Abb. B-2.31).
Die Prophylaxe eines Fettembolie-Syndroms besteht in einer frühzeitigen Fixation der stammnahen langen Röhrenknochen und des Beckenringes.
2.1.2 Allgemeine Untersuchungstechniken
des Bewegungsapparates Die Untersuchung des Bewegungsapparates orientiert sich an folgenden Punkten: ■ Anamnese ■ Inspektion ■ Palpation ■ Funktionsprüfung, z. B. mit der Neutral0-Methode (Abb. B-2.30). ■ Vergleichende Umfangs- und Längenmessung (Abb. B-2.31).
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B 2 Traumatologie
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■
B-2.30
Klinische Untersuchung und normales Bewegungsausmaß am Beispiel des Schultergelenks (Neutral-0-Methode)
B-2.31
Längen- und Umfangmessung der Extremitäten
Zusatzuntersuchungen: Röntgenaufnahmen, Computertomographie, Magnetresonanztomographie, Szintigraphie und Sonographie.
■
Zusatzuntersuchungen: Dazu gehören zunächst die Röntgenaufnahmen der verletzten Extremität, jeweils mit den benachbarten Gelenken (cave: Zusatzverletzungen, z. B. Oberschenkelfraktur und Hüftpfannenfraktur). Gelegentlich sind Spezialprojektionen und eine Computertomographie, insbesondere bei Gelenkfrakturen erforderlich. Daneben können Angiographien
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
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(z. B. digitale Subtraktionsangiographie [DSA]), Fistelfüllungen bei Infekten oder Kernspintomographien (z. B. bei Verletzungen von Sehnen und Muskulatur) notwendig sein. Weitere Zusatzuntersuchungen sind Szintigraphie, Sonographie und PET (chron. Osteitis).
2.1.3 Gelenkverletzungen
2.1.3 Gelenkverletzungen
Gelenke stellen funktionelle Einheiten dar, die nach einem bestimmten Aufbau gegliedert sind: ■ Zwei knorpeltragende Knochen (Gelenkpfanne und Gelenkkopf). ■ Gelenkkapsel aus Synovia und fibröser Außenschicht. ■ Bandstrukturen. ■ Zur Verbesserung der Kongruenz sind zuweilen Menisci und Disci zwischengeschaltet.
Gelenke stellen funktionelle Einheiten dar und bestehen aus: ■ 2 knorpeltragenden Knochen (Gelenkpfanne und Gelenkkopf). ■ Gelenkkapsel. ■ Bandstrukturen. ■ Fakultativ Menisci und Disci.
Gelenkverletzungen lassen sich wie folgt unterteilen: ■ Knorpelverletzungen (s. u.), ■ Verletzungen der Bandstrukturen (s. u.), ■ Luxationen (Verrenkungen) (s. u.) und ■ Gelenkerguss (s. u.).
Gelenkverletzungen: ■ Knorpelverletzungen. ■ Bandverletzungen. ■ Luxationen. ■ Gelenkerguss.
Knorpelverletzungen
Knorpelverletzungen
Morphologie: Der Knorpel besitzt eine weiche, gleitende Oberfläche, die eine erhebliche Widerstandskraft und Steifigkeit gegen Kompressionen aufweist. Die Schichtdicke beträgt z. B. an der Kniescheibe 7 – 8 mm. Er ist ein avaskuläres, alymphatisches Gewebe und in 4 Zonen gegliedert (Abb. B-2.32): ■ Tangentialzone, ■ Übergangszone, ■ Radiärzone, ■ Kalk-Knorpel-Zone.
Morphologie: Knorpel ist ein avaskuläres, alymphatisches Gewebe, das in 4 Zonen gegliedert ist (Abb. B-2.32): ■ Tangentialzone, ■ Übergangszone, ■ Radiärzone und ■ Kalk-Knorpel-Zone.
Innerhalb jeder Zone weisen die Chondrozyten wie auch die kollagenen Fibrillenzonen spezifische Anordnungen und Durchmesser auf. Die Zellen machen im Erwachsenenknorpel 5 5 % des gesamten Gewebevolumens aus, der Rest ist extrazelluläre Matrix (95 %). Bei Belastung kommt es zu einem Zusammenspiel von Zugbelastung, Druckverteilung und komprimierenden Kräften. Die Knorpelmatrix wird durch die
B-2.32
Die Zellen machen im Erwachsenenknorpel 5 5 % des gesamten Gewebevolumens aus, der Rest ist extrazelluläre Matrix (95 %). Bei Belastung kommt es zu einem Zusammenspiel von Zugbelastung, Druckverteilung und komprimierenden Kräften.
Zusammensetzung des Gelenkknorpels
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B 2 Traumatologie
760 B-2.33
Knorpelschäden
a
b
c
d
a Rezidivierende Patellaluxation links mit Knorpelschaden Grad 4 (Outerbridge) an der lateralen Seite bzw. Kante der Trochlea femoris. b Gleiche Patientin wie a. Korrespondierender Knorpelschaden an der medialen Patellafacette. c Chondromalazie von der Trochlea femoris bis zum Condylus femoris. d Arthroskopische Aufsicht auf einen tiefen Knorpelschaden am medialen Femurkondylus mit gut erkennbarem freiliegendem subchondralen Knochen.
Man unterscheidet (Abb. B-2.33): ■ Kontusionen: s. Tab. B-2.3. ■ Impressionen: s. Tab. B-2.4. ■ Frakturen: s. Tab. B-2.5.
B-2.3
Austreibung von Flüssigkeit aus den belasteten Regionen deformiert. So wird durch das Gewebe Energie absorbiert, indem Wasser verdrängt wird. Sobald die Belastung aufgehoben wird, gewinnt das Gewebe seine ursprüngliche Form durch das „Einsaugen von Wasser“ wieder. Bei den Knorpelverletzungen kann man folgende Formen unterscheiden (Abb. B-2.33): ■ Kontusionen: s. Tab. B-2.3. ■ Impressionen: s. Tab. B-2.4. ■ Frakturen: s. Tab. B-2.5.
Kontusionen
Bei den Knorpelverletzungen wird zwischen Kontusionen, Impressionen und Frakturen unterschieden. Die Kontusionen ihrerseits werden wiederum in subchondrale Hämatome und Knorpelfissuren unterteilt. Subchondrales Hämatom
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Knorpelfissuren
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Vorkommen: Ein subchondrales Hämatom zeigt sich häufig am korrespondierenden Widerlager einer Impressionsfraktur oder bei schweren Gelenkverletzungen an den Bruchrändern. Verletzungsmechanismus: Kartilaginäre Kontusionen entstehen ausschließlich durch direkte stumpfe Gewalt. Morphologie: Die Knorpelstruktur erscheint makroskopisch intakt, die Grundsubstanz ist blutig tingiert. Die Konsistenz des Gewebes ist beim Belasten normal. Therapie: Bei alleiniger Kontusion ist eine kurzzeitige Teilbelastung bei voller Mobilität angezeigt. Verletzungsmechanismus: Größere Gewalteinwirkungen führen zu Zerreißungen des Knorpelgewebes. Morphologie: Die Knorpelfissuren verlaufen meist parallel, können aber auch durch einzelne Sprünge miteinander verbunden sein. Selten treten sternförmige Verästelungen auf, meist nehmen diese von Impressionsstellen oder -defekten ihren Ausgang. Diagnose: Diese Verletzungen sind meist sehr schwierig nachweisbar und häufig nur mit der Kernspintomographie darzustellen. Therapie: Die Behandlung besteht in einer partiellen Entlastung der Extremität bei voller Mobilität und Muskelaufbautraining. Prognose: Das Ausmaß der Knorpelschädigung bestimmt die Prognose der Gelenkverletzung: entweder kommt es zu einer Reparatur der Knorpelschädigung oder aber zu einem weiteren Verlust der Strukturen.
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
B-2.4
Impressionen
761 B-2.4
Während bei der schweren Kontusion mehr oder weniger ausgedehnte Gefügestörungen vorliegen, kommt es bei der Impression vor allem zur Zerstörung der darunter liegenden Knochenstruktur. Unterschieden werden die Impressionsfraktur, die federnde Impression und die Gelenkkantenimpression. Impressionsfraktur: Flächenhafte Impression oder Impressionsfrakturen stellen echte Frakturen dar, bei denen ein Fragment in die darunter liegende Spongiosa eingestaucht wird und eine Stufenbildung am Rande des Fragmentes charakteristisch ist. Federnde Impression: Die federnde Knorpel-Knochen-Impression wird nur bei osteoporotischen Knochen beobachtet. Gelenkkantenimpression: Die Gelenkkantenimpression findet sich vorzugsweise am Femurkondylus. Diese Läsion entsteht durch forcierte Überstreckung des Kniegelenkes mit Impression der Schienbeinvorderkante bzw. des Meniskusrandes in die Femurrolle (Abb. B-2.34).
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B-2.34
Gelenkkantenimpression
Morphologie: Durch die Kontusion kommt es zu einer Eindellung und Zusammensinterung der subchondralen Spongiosa, während der Knorpel selbst auf ursprüngliches Niveau zurückfedert. Die Folge ist, dass der entstandene Hohlraum durch weitere Belastungen vermehrt eingedellt wird. Diagnostik: Da die radiologischen Zeichen außer bei den Impressionsfrakturen häufig wenig aussagefähig sind, hat die Anamnese des Unfallhergangs (d. h. ein Hyperextensionstrauma, eine direkte Kontusion oder auch ein Distorsionsmechanismus) eine erhöhte Bedeutung für die Diagnostik. Neben der Kernspintomographie kommt der Arthroskopie die höchste Bedeutung in der Diagnostik zu. Therapie: Bei kleineren Impressionen findet sich häufig arthroskopisch ein Gefäßpannus, der immer als pathologisch und knorpelzerstörend angesehen werden muss und deshalb entfernt wird. Erhebliche Impressionen werden von der Spongiosaseite her reponiert und der Defekt mit autologer Spongiosa aufgefüllt. Nachbehandlung: Sie erfolgt mit partieller Entlastung, CPM (continuous passive motion) auf der Motorschiene und aktiver Bewegung sowie Kräftigung der Muskulatur vom Unfalltage an.
B-2.34
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B 2 Traumatologie
762 B-2.5
Knorpelfrakturen
Neben der direkten offenen Verletzung, bei der Knorpel oder auch Knorpelknochenteile abgetrennt werden, haben vor allem die indirekten Mechanismen eine vorherrschende pathogenetische Bedeutung. Die Knorpelfraktur führt zur vollständigen Dislokation des Fragmentes. Unterschieden werden chondrale und osteochondrale Frakturen. Chondrale Frakturen:
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Osteochondrale Frakturen: Durch Mitbeteiligung des knöchernen Untergrundes kommt es zur osteochondralen Fraktur. Osteochondrale Frakturen entstehen gewöhnlich bei Jugendlichen.
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B-2.35
Verletzungsmechanismus: Isolierte Knorpelfrakturen entstehen selten durch direkte Gewalt, sondern vor allem durch einen Kompressions-Rotations-Mechanismus. Der Knorpel ist imstande, Kräfte von 25 N/mm2 zu tolerieren. Damit es zu einer reinen Knorpelabscherung kommt, müssen bei Bewegung des Gelenkes die korrespondierenden Knorpelflächen so fest aufeinandergepresst werden, dass jegliche Gleitbewegung ausgeschaltet wird. Dies trifft am Kniegelenk bei forcierter Rotation und maximaler Belastung bei leichter Beugestellung zu. Therapie: Die Entfernung des Fragmentes ist bei den reinen chondralen Verletzungen des Erwachsenen indiziert. Eine Revitalisierung mit einer festen Verbindung zwischen Knorpel und subchondralem Knochen ist äußerst unwahrscheinlich und führt zur Bildung eines Dissekates. Bei Kindern sollte man sich für eine Replantation entscheiden. Verletzungsmechanismus: Vor allem 2 Mechanismen führen zu den typischen Erscheinungen dieses Verletzungsbildes: Abscherung: Ein typisches Beispiel ist die Patellaluxation (Abb. B-2.35). Die Kniescheibe wird trotz Kapselspannung und Quadrizepstonus aus dem Femurgleitlager gerissen. Es bricht entweder die mediale Kniescheibenkante oder von der lateralen Femurrolle werden Knorpelknochenfragmente abgeschert. Ausriss: Am adoleszenten Kniegelenk führt ein entsprechender Verletzungsablauf nicht zum Kreuzbandriss, sondern der tibiale Ansatz wird mit der ganzen Eminentia und anhängenden Knorpelteilchen aus dem Schienbeinkopfplateau herausgerissen. Ebenso können Hüftgelenksverrenkungen von den typischen Knorpelausrissen am Lig. teres capitis begleitet sein. Diagnose. Der Verletzungsmechanismus kann einen Hinweis geben. Der blutige Gelenkerguss mit Fettaugen weist auf eine spongiöse Verletzung hin. Im Röntgenbild lassen sich zumindest die osteochondralen Fragmente darstellen, während die chondralen häufig nur im Kernspintomogramm nachweisbar sind. Aufgrund des blutigen Gelenkergusses wird die Diagnose in den meisten Fällen durch die Arthroskopie gestellt. Therapie: Bei osteochondralen Fragmenten muss die Refixierung des Fragmentes so rasch wie möglich erfolgen, da sich sonst aufgrund eines Remodelings des Fragmentes erhebliche Schwierigkeiten bei der Replantation ergeben. Zur Stabilisierung kommen Kirschner-Drähte, biodegradable Implantate, Fibrinkleber und in seltenen Fällen Schrauben zum Einsatz (Abb. B-2.36). Verbleibende Defekte in der Belastungsebene können mit autologen Knorpel-Knochen-Transplantaten oder mit autologen Chondrozytentransplantationen behandelt werden. Bei älteren Defekten kann durch Mikrofrakturierung oder Anbohrung der subchondralen Knochenplatte die Bildung von Ersatzknorpel angeregt werden. Eine weitere Möglichkeit ist der Transfer osteochondraler Stanzzylinder. Nachbehandlung: Die Nachbehandlung besteht in der Frühmobilisation ohne Belastung. Die Entlastungsphase beträgt im Allgemeinen zwischen 6 und 12 Wochen.
Schematische Darstellung der Patellaluxation
Die femoro-patellare Luxation erfolgt immer nach lateral (a) mit Aufreißen des medialen Retinaculum patellae. Hierbei wird es der Patella ermöglicht, über den lateralen Epicondylus femoris zu gleiten und ein Knorpel-Knochen-Fragment sowohl aus der Patella als auch dem Femur herauszubrechen (b). Die gleiche Gefahr besteht bei der Reposition der Patella (c).
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
B-2.36
763
Osteochondrale Fraktur
b a
c
a Osteochondrale Fraktur im Bereich des lateralen Femurkondylus. b Osteochondrales Fragment. c Einpassen und Fixieren des Fragments.
Verletzungen der Bandstrukturen 왘 Definition. Bänder sind hochspezialisierte, dynamische, feste Bindegewebs-
Verletzungen der Bandstrukturen 왗 Definition
strukturen, die Knochen verbinden und eine passive mechanische Funktion in der Stabilisierung von Gelenken und in der Gelenkführung ausüben. Morphologie: Die Bänder besitzen darüber hinaus eine wichtige neurosensorische Aufgabe in der Übermittlung propriozeptiver Informationen und dienen als wichtige Überträger der dynamischen Information auf die Muskeln. Alter und Belastung sind wichtige Faktoren für die strukturellen und mechanischen Eigenschaften der Bänder. Chemisch bestehen die Bänder aus Wasser, Typ-I- und -III-Kollagen, verschiedenen Proteoglykanen, Elastin und einigen anderen Substanzen. Die Stabilität wird durch intermolekulare Verbindungen erreicht. Bei den Bandverletzungen kann man unterscheiden zwischen: ■ Zerrung (Distorsion) ■ Ruptur.
Morphologie: Eine wichtige Aufgabe liegt in der Übermittlung propriozeptiver Informationen auf die Muskeln. Chemisch bestehen die Bänder aus Wasser, Typ-I- und -III-Kollagen, verschiedenen Proteoglykanen, Elastin und einigen anderen Substanzen.
Ätiologie: Beiden liegt zumeist eine indirekte Krafteinwirkung zugrunde, die zu einer Überbeanspruchung der mechanischen Eigenschaften der Bänder führt. Im Falle einer Zerrung liegen zusätzlich Mikrobandrisse vor. Makroskopisch ist die Kontinuität des Bandes nicht unterbrochen. Bei einer Bandruptur kommt es zur Durchtrennung der Kollagenfasern.
Ätiologie: Meist liegt eine indirekte Krafteinwirkung zugrunde mit Mikrobandrissen im Falle einer Zerrung und Durchtrennung der Kollagenfasern bei einer Bandruptur.
Lokalisation: Hauptlokalisation der Bandverletzungen sind die Fingergelenke, das Ellbogen- sowie das Knie- und Sprunggelenk.
Lokalisation: Am häufigsten betroffen sind Fingergelenke, Ellbogen-, Knie- und Sprunggelenk.
Klassifikation: Die Schweregradeinteilung einer Bandverletzung erfolgt immer im Vergleich zur Gegenseite: ■ Grad I: Aufklappbarkeit ≤ 5 mm (Dehnung) ■ Grad II: Aufklappbarkeit ≤ 10 mm (Zerrung) ■ Grad III: Aufklappbarkeit 4 10 mm (Ruptur).
Klassifikation: Man unterscheidet 3 Schweregrade: ■ Grad I: Aufklappbarkeit ≤ 5 mm (Dehnung). ■ Grad II: Aufklappbarkeit ≤ 10 mm (Zerrung). ■ Grad III: Aufklappbarkeit 4 10 mm (Ruptur).
Die Bandverletzungen werden eingeteilt in Zerrung und Ruptur.
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764
B 2 Traumatologie
Diagnostik: Wichtig ist der Unfallmechanismus. Neben dem Druck- und Bewegungsschmerz gelingt die Prüfung der Bandstabilität häufig nur kurz nach der Verletzung. Bei starken Schmerzen ist eine Narkoseuntersuchung zumeist mit Arthroskopie erforderlich.
Diagnostik: Der Unfallmechanismus gibt häufig Hinweise auf das Ausmaß der Verletzung. An den Bandansätzen findet sich ein Druck- und Bewegungsschmerz. Die Prüfung der Funktion gelingt meist nur kurz nach der Verletzung objektiv und zuverlässig, da der Schmerz häufig verzögert auftritt. Ein Hämarthros ist möglich, kann aber auch bei extrasynovialen Rissen oder bei komplexen Bandrupturen fehlen. Bei starken Schmerzen führt erst die Narkoseuntersuchung bzw. die Arthroskopie zur korrekten Diagnose. Bei der apparativen Diagnostik von Bandverletzungen hat die Magnetresonanztomographie eine Bedeutung.
Therapie: Die Therapie bei Bandverletzungen ist überwiegend funktionell. Zerrungen werden kurzfristig mit Kälte und später mit funktioneller Therapie behandelt. Bei Bandrupturen erfolgt die funktionelle Therapie nur in dem Bewegungsausmaß, welches die Bandstruktur nicht unter Stress setzt.
Therapie: In der Therapie der Bandverletzungen ist ein Wandel hin zu einer differenzierten, bedarfsadaptierten Behandlung eingetreten. Zerrungen werden konservativ behandelt, je nach Befund mit Kälte und später mit funktioneller Therapie, u.U. unterstützt durch Tape-Verbände. Jene Bandrupturen, die muskulär kompensiert sind, behandelt man nach kurzer Ruhigstellung zur Schmerzausschaltung ebenfalls funktionell. Dabei wird das Bewegungsausmaß vermieden, welches die verletzten Bandstrukturen unter erhöhten Stress bringt. Beispiele hierfür sind die Fingergelenke mit Ausnahme des Daumengrundgelenkes, die medialen Seitenbandverletzungen des Kniegelenkes, die lateralen Bandrupturen des oberen Sprunggelenkes sowie die Bandverletzungen am Ellbogengelenk.
Luxationen (Verrenkungen)
Luxationen (Verrenkungen)
Die fehlende Artikulation der Gelenkkörper kann entweder Folge einer traumatischen Schädigung des Kapsel-Band-Apparates oder Folge einer chronischen Kapselschädigung sein.
Luxationen werden durch stark dislozierende Kräfte auf die gelenkbildenden Skelettanteile verursacht, häufig durch zusätzliche Hebelwirkung. Dabei kommt es zu ausgedehnten Kapsel-Band-Zerreißungen, die eine anhaltende oder kurzdauernde Dislokation knöcherner Gelenkkomponenten aus der Gelenkkapsel heraus bewirken. Die fehlende Artikulation der Gelenkkörper kann entweder Folge einer traumatischen Schädigung des Kapsel-Band-Apparates oder Folge einer chronischen Kapselschädigung sein. Unterschieden werden: ■ traumatische Luxationen, ■ habituelle Luxationen, ■ angeborene Luxationen, ■ Richtung: unidirektionale und multidirektionale Luxationen.
Unterschieden werden: ■ traumatische Luxationen, ■ habituelle Luxationen, ■ angeborene Luxationen, ■ uni- und multidirektionale Luxationen. Traumatische Luxationen
Traumatische Luxationen
Ätiologie: Traumatische Luxationen entstehen durch ein adäquates Trauma. Die Vorstufe der Luxation kann die Subluxation mit einer kurzzeitigen, unvollständigen Verrenkung und anschließenden Reposition sein. Bei einer Gelenkzerreißung besteht auch nach der Reposition eine Instabilität. Kommt es nach der Erstluxation zu erneuten Verrenkungen, sprechen wir von einer rezidivierenden Luxation. Eine veraltete Luxation liegt bei einer Luxationsdauer 4 14 Tage vor.
Ätiologie: Sie entstehen durch ein adäquates Trauma, z. B. am Schultergelenk, durch eine Außenrotation/Hyperextensionsbewegung. Die Vorstufe der traumatischen Luxation ist die traumatische Subluxation, bei der es zu einer kurzzeitigen unvollständigen Verrenkung und Reposition kommt, im Schultergelenk kenntlich am Dead-Arm-Syndrom, d. h. der Gefühllosigkeit und Kraftlosigkeit des Armes. Besteht auch nach Reposition eine hochgradige Instabilität, handelt es sich häufig um Gelenkzerreißungen, z. B. bei einer Knieluxation. Kommt es nach der Erstluxation zu erneuten Verrenkungen, sprechen wir von einer rezidivierenden Luxation, die z. B. am Schultergelenk bei Limbusverletzungen auftreten kann. Betroffen sind von einer hohen Luxationsrate (bis zu 80 %) besonders sportlich aktive Jugendliche im 2. Lebensjahrzehnt. Von einer veralteten Luxation sprechen wir bei einer Luxationsdauer 4 14 Tage.
Diagnostik: Schmerzen bei aufgehobener Funktion und Röntgenbild sind Grundlage der Diagnostik.
Diagnostik: Diese gelingt meist durch die äußerste Schmerzhaftigkeit mit aufgehobener Funktion. Das Röntgenbild in 2 Ebenen dient der Dokumentation.
Therapie: Bei Gefährdung der Weichteile oder der Durchblutung sofortige Reposition. Luxationen großer Gelenke, z. B. Hüftgelenk, werden unter Narkose eingerichtet.
Therapie: Luxationen oder Luxationsfrakturen, die eine Gefährdung der Weichteile und Gefäße bedingen, sollten bereits an der Unfallstelle reponiert werden. Luxationen großer Gelenke, wie z. B. des Hüftgelenkes, müssen in Narkose eingerichtet werden. Nach der Reposition ist die Stabilität des Gelenkes zu prüfen.
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
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Habituelle Luxationen
Habituelle Luxationen
Ätiologie: Sie entstehen als Folge primärer oder sekundärer gelenkmechanischer oder anatomischer Veränderungen. Ein typisches Beispiel ist die Fehlform der Kniescheibe bei habitueller Patellaluxation.
Ätiologie: Sie sind Folge anatomischer oder sekundärer gelenkmechanischer Veränderungen (z. B. habituelle Patellaluxation).
Diagnostik: Die Anamnese, das hypermobile Gelenk und der Röntgenbefund weisen auf eine habituelle Luxationsneigung hin.
Diagnostik: Anamnese, Röntgenbefund.
Therapie: Die Behandlung besteht in stabilisierenden Rekonstruktionsmaßnahmen der Muskulatur und der Bänder und krankengymnastischer Bewegungstherapie.
Therapie: Stabilisierende Rekonstruktionsmaßnahmen und krankengymnastische Bewegungstherapie.
Angeborene Luxationen
Angeborene Luxationen
Ätiologie: Diese finden sich aufgrund von Dysplasien, z. B. Hüftgelenk und Schultergelenk. Bei Neugeborenen beträgt die Häufigkeit der Hüftdysplasie 2 – 3 %.
Ätiologie: Diese finden sich aufgrund von Dysplasien der Gelenkkörper.
Diagnostik: Sonographie oder Röntgenaufnahmen. Therapie: Sie richtet sich nach der Lokalisation.
Diagnostik: Sonographie, Röntgenaufnahme. Therapie: Entsprechend der Lokalisation.
Gelenkerguss
Gelenkerguss
Die Synovialschicht kleidet alle Gelenke aus (nicht überzogen sind Knorpel und Menisci). Die führenden Kollagene sind Typ I und III, zu einem geringeren Anteil auch Typ VI. Diese fibrösen Elemente bilden ein elastisches Netzwerk für das Gewebe bei Distraktion und Kontraktion. Die synoviale Flüssigkeit bewirkt eine Lubrikation des Knorpels und gewährleistet damit die adhäsiven Eigenschaften und die Gelenkstabilität. Eine Diffusionsbarriere zwischen Plasma und Gelenkflüssigkeit hält den im Gelenk bestehenden subatmosphärischen Druck aufrecht.
Zur Aufrechterhaltung des subatmosphärischen Druckes besteht eine Diffusionsbarriere zwischen Plasma und Gelenkflüssigkeit. Die Synovialflüssigkeit bewirkt eine Lubrikation des Knorpels und gewährleistet die adhäsiven Eigenschaften und damit die Gelenkstabilität.
Pathophysiologie: 3 Parameter tragen hauptsächlich zum Austausch zwischen den synovialen Kapillaren und der Gelenkflüssigkeit bei: ■ die Permeabilität der Gefäßmembranen, ■ die Strecke zwischen Kapillaren und Gelenkraum, ■ die chemische Beschaffenheit der extrazellulären Matrix, durch welche die diffundierenden Moleküle dringen.
Pathophysiologie: Ausmaß und Beschaffenheit der Gelenkflüssigkeit werden bestimmt durch: ■ Permeabilität der Gefäßmembran, ■ Strecke zwischen Kapillaren und Gelenkraum, ■ chemische Beschaffenheit der extrazellulären Matrix.
Direkte oder indirekte Verletzungen betreffen naturgemäß die kapillare Permeabilität und führen zum blutigen Gelenkerguss. Ein klarer, seröser Erguss gibt eher Hinweis auf Veränderungen in der kapillaren Permeabilität. Sie sind meist Ausdruck der Sekretion vasoaktiver Mediatoren wie Leukotriene, Histamin, Bradykinin und bestimmter Zytokine, welche zu einem mikrovaskulären Leck führen. Quantitative und qualitative Veränderungen im Bereich der extrazellulären Matrix können ebenfalls zu Permeabilitätsveränderungen beitragen. Ursachen können Vernarbungen im Bereich der Synovia darstellen. So enthält die synoviale Flüssigkeit bei rheumatoiden Erkrankungen Substanzen, die die Permeabilität der Endothelzellen (in vitro) erhöhen. Weiterhin trägt ein erhöhter Proteingehalt über eine Erhöhung des onkotischen Gradienten zwischen Plasma und Synovialflüssigkeit zu diesen Ergüssen bei. Auswirkungen des Gelenkergusses: Während der normale intraartikuläre Druck in Ruhestellung unter dem atmosphärischen Druck liegt, führt bereits eine kleine Menge Flüssigkeit zu einem positiven Druck. Bei entzündlichen Gelenken sind Synovialis und Kapsel weniger nachgiebig, sodass beträchtliche intraartikuläre Druckwerte resultieren können, insbesondere bei Kontraktion der Muskulatur. Aus zerstörten Synovialzellen freigesetzte Zytokine und Durchblutungsstörungen infolge der Druckerhöhung führen wiederum zu weiteren Schäden. Die Bildung der Baker-Zysten ist u.U. auf eine chronische Drucküberlastung zurückzuführen. (Abb. B-2.37).
Ein klarer, seröser Erguss gibt eher Hinweise auf Veränderung in der kapillaren Permeabilität. Bei rheumatoiden Erkrankungen findet sich neben einer erhöhten Gefäßpermeabilität eine Veränderung des onkotischen Drucks.
Auswirkungen des Gelenkergusses: Die intraartikuläre Flüssigkeit führt zur Drucksteigerung besonders im entzündlichen Gelenk.
Zytokine und Durchblutungsstörungen führen zu weiteren Schäden. Baker-Zysten entstehen u. U. infolge chronischer Drucküberlastung (Abb. B-2.37).
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766 B-2.37
B 2 Traumatologie
B-2.37
Baker-Zyste Baker-Zyste bei rheumatoider Arthritis; Bauchlage, die oberflächlichen Gefäße werden zur Seite gehalten.
Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der Gelenkpunktion unter qualitativen und quantitativen Gesichtspunkten.
Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der Gelenkpunktion unter qualitativen und quantitativen Gesichtspunkten. Eine Gelenkpunktion darf nur unter sterilen Kautelen erfolgen und wird nur mit Einmalinstrumentarien durchgeführt.
2.1.4 Osteitis/Osteomyelitis
2.1.4 Osteitis/Osteomyelitis
왘 Definition
왘 Definition. Die Osteitis ist eine bakterielle Infektion von Knochen, Periost und/oder Markraum.
Zu trennen ist die Osteitis, die als lokale Entzündung nach Traumen oder Operationen von Gefäßen der Haverssche-Kanäle ausgeht, von der Osteomyelitis, die primär im Markraum lokalisiert ist und eine Systemerkrankung nach hämatogener oder posttraumatischer Keimeinschleppung darstellt. Histopathologisch besteht kein Unterschied zwischen der Osteomyelitis und der Osteitis. Klassifikation: ■ Nach den histologischen Veränderungen (spezifisch/unspezifisch). ■ Nach der Verlaufsform (akut/chronisch). Eine Sonderform stellt der Brodie-Abszess dar (abgekapselter Herd bei wenig virulenten Keimen und guter Abwehrlage des Organismus). ■ Nach dem Entstehungsmechanismus (endogen/exogen). ■ Klinisch nach Ursache, Infektionsdauer, Knochenbefund und Weichteilzustand.
왘 Merke
Klassifikation: Eine Klassifikation der Osteomyelitis bzw. Osteitis kann nach folgenden Faktoren erfolgen: ■ Aufgrund der histologischen Veränderungen unterscheidet man zwischen spezifischen und unspezifischen Formen. Zu den spezifischen Formen gehört die tuberkulöse Osteomyelitis, die insbesondere an der Medialseite der Tibia auftritt. ■ Nach der Verlaufsform unterscheidet man zwischen der akuten und der chronischen Form (4 6 Wochen). Eine Sonderform stellt der Brodie-Abszess dar. Dabei handelt es sich um einen abgekapselten Herd bei wenig virulenten Keimen und guter Abwehrlage des Organismus. ■ Nach dem Entstehungsmechanismus kann man endogene (primäre) Formen, die hämatogen durch septische Streuung bakterieller Herde entstehen, von exogenen (sekundären) Formen unterscheiden. Zu den exogenen Formen zählt die posttraumatische und die iatrogene Osteitis nach operativen Eingriffen. Die endogene Osteomyelitis tritt häufig bei Kindern und Jugendlichen auf, bei Erwachsenen ist sie eher selten. ■ Bei der klinisch orientierten Klassifikation werden die Ursache der Infektion, die Infektionsdauer, der Knochenbefund und der Weichteilzustand berücksichtigt. 왘 Merke. Therapieresistenz verbunden mit der hohen Rezidivgefahr führt
meistens zu einem lebenslangen Leiden für den Patienten. Diese Entzündungsformen können praktisch nie als ausgeheilt betrachtet werden, auch wenn eine klinische Beschwerdefreiheit vorliegt.
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
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Hämatogene Osteomyelitis
Hämatogene Osteomyelitis
Ätiologie: Bei jeder Sepsis kann es zu einer Keimaussaat aus Erregerherden und Ansiedelung in der Markhöhle kommen. Hierbei bilden die Abwehrlage des Patienten und die Virulenz des Erregers die entscheidenden Parameter. Der Verlauf kann von einer primär chronischen Osteomyelitis (Osteomyelitis sclerosans) (Abb. B-2.38) bis zu einem akuten, lebensbedrohenden Krankheitsbild (Osteomyelitis acuta, osteomyelitische Sepsis) reichen.
Ätiologie: Die Abwehrlage des Patienten und die Virulenz des Erregers entscheiden bei einer hämatogenen Streuung in die Markhöhle über den Verlauf einer Osteomyelitis (Abb. B-2.38).
Pathophysiologie: Hämatogene Herde entstehen vor allem in der gut vaskularisierten Metaphyse. Von den Markraumabszessen ausgehend breitet sich die Infektion je nach Keimvirulenz und Abwehrlage des Organismus weiter aus. Neben einer Markraumphlegmone können bei einem Kortikalisdurchbruch mit Periostabhebung subperiostale Abszesse und eine reaktive Knochenneubildung auftreten. Im weiteren Verlauf kann es zu Fistelbildung, Knochennekrose mit Sequesterbildung und Gelenkeinbruch (Pyarthros) kommen. Um den Sequester entsteht im Verlauf eine Osteosklerose, die bildlich als Totenlade bezeichnet wird. Die Ausbildung einer Nekrose durch die Infektion bedingt gleichzeitig das Fortbestehen der Osteomyelitis. Das anorganische Interzellulargerüst des toten Knochens stellt ein ideales Milieu für das Keimwachstum dar. Es kann nicht revaskularisiert werden und bleibt dadurch für Antibiotika unerreichbar. Eine Ausheilung durch hämatogene Resorption oder Abstoßung des Sequesters über eine Fistel ist ebenfalls unmöglich. Die Ausbreitungsmöglichkeit der hämatogenen Osteomyelitis wird durch die Gefäßversorgung vorgegeben. Durch die Blutversorgung der Epiphyse aus den metaphysären Gefäßen ist die Gelenkbeteiligung im Säuglings- und Erwachsenenalter möglich. Im Kindesalter stellt die avaskuläre Epiphysenfuge eine natürliche Barriere dar. Nur bei Gelenken mit Kapselinsertion an der Metaphyse ist ein Durchbruch mit Gelenkinfiltration möglich.
Pathophysiologie: Prädilektionsort für hämatogene Herde ist die gut vaskularisierte Metaphyse. Im weiteren Verlauf kann es zu Fistelbildung, Knochennekrose und Sequesterbildung kommen. Um den Sequester entsteht im Verlauf eine Osteosklerose, die als Totenlade bezeichnet wird. Diese kann nicht revaskularisiert werden und bleibt dadurch für Antibiotika unerreichbar.
Aufgrund der Gefäßversorgung ist eine Gelenkbeteiligung nur im Säuglings- und Erwachsenenalter, jedoch nicht im Kindesalter möglich.
Hämatogene Osteomyelitis im Säuglingsalter
Hämatogene Osteomyelitis im Säuglingsalter 왘 Definition. Die hämatogene Osteomyelitis im Säuglingsalter ist eine eitrige
왗 Definition
Entzündung des Knochenmarks im 1. Lebensjahr. Vom metaphysären Bereich über die Gefäßverbindungen zur Epiphyse ist eine Penetration in das benachbarte Gelenk möglich.
B-2.38
Chronische hämatogene Osteomyelitis des Erwachsenen a a.-p. und Seitaufnahme einer chronischen Osteomyelitis des Oberschenkels. b Fisteldarstellung zur Identifikation der Ausdehnung des Herdes und Darstellung möglicher Sequester.
a
b
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768
B 2 Traumatologie
Ätiologie: Nabelschnurentzündungen und Infekte der oberen Atemwege in der Vorgeschichte. Häufig sind Streptokokken die Erreger.
Ätiologie: In der Vorgeschichte sind Allgemeininfektionen nach Nabelschnurentzündung und/oder Infekte der oberen Atemwege oder anderer Lokalisationen abgelaufen. Das Erregerspektrum wird von Streptokokken (4 50 %), Staphylokokken und Pneumokokken gebildet.
Klinik: Ein akuter, hochfebriler Verlauf ist nicht immer gegeben. Klinisch finden sich Schwellung, Hautrötungen, Überwärmung und Schonhaltung mit Bewegungsschmerz (Hinweis für Gelenkbeteiligung).
Klinik: Die Osteomyelitis ist bevorzugt in der Femurmetaphyse lokalisiert. Ein akuter, hochfebriler Verlauf ist nicht immer gegeben. Schwellung, Rötung und Überwärmung der Haut finden sich erst spät bei weiterer Ausbreitung der Entzündung. Die Gliedmaße wird geschont. Eine Schonhaltung mit Bewegungsschmerz gilt als Hinweis für eine Gelenkbeteiligung. Die zunehmende Luxation eines Gelenkes, z. B. des Hüftgelenkes, kann auf eine septische Arthritis hinweisen.
왘 Merke
왘 Merke. Jeder Verdacht einer Säuglingsosteomyelitis stellt eine Notfallsitua-
tion dar und bedarf der stationären Abklärung. Diagnostik: Leukozyten, CRP und BSG sind erhöht. Zur Diagnosesicherung dienen Gelenkpunktion und Blutkultur. ■ Die Sonographie (Nachweis eines Gelenkergusses). ■ Radiologische Veränderungen finden sich meist erst nach 3 Wochen (Destruktionen und periostale Reaktionen). ■ Die Skelettszintigraphie.
Diagnostik: BSG, CRP und Leukozytenzahl sind erhöht. Zur Diagnosesicherung dienen die Gelenkpunktion mit mikroskopischem und kulturellem Keimnachweis und die Blutkultur, die in 50 % positiv ist. Ergänzend werden eingesetzt: ■ Die Sonographie dient zum Nachweis eines Gelenkergusses. ■ Röntgen: Im akuten Stadium ist das Röntgenbild meist unauffällig, evtl. kann eine Aufhellung im Bereich der Spongiosa beobachtet werden. Nach ca. 3 Wochen lassen sich häufig Destruktionen, periostale Reaktionen, Sequesterbildungen und/oder Fisteln nachweisen. ■ Die Skelettszintigraphie in 3-Phasen-Technik kann in unklaren Fällen hilfreich sein.
Therapie: Sofortige Ruhigstellung und hochdosierte Antibiotikagabe sind entscheidend. Bei Gelenkempyem und subperiostalem Abszess muss die operative Sanierung erfolgen.
Therapie: Eine sofort eingeleitete Therapie soll die Spätschäden durch Destruktion des Knochenkerns, des Knorpels und des sensiblen Epiphysenfugenbereiches verhindern. In der Frühphase erfolgen Ruhigstellung und parenterale, hochdosierte Antibiotikagaben. Bei einem Gelenkempyem, subperiostalem Abszess oder entzündetem Weichteilmantel muss die operative Sanierung erfolgen. Die Prognose hängt vom Zeitpunkt des Therapiebeginns ab.
Komplikationen: Gelenkempyem, Gelenkdestruktion und Fehlstellungen können auftreten.
Komplikationen: Als Komplikationen können ein Gelenkempyem, Zerstörung des Epiphysenknorpels und eine Wachstumsstörung mit schwerster Gelenkdeformierung und nachfolgender Fehlstellung auftreten.
Hämatogene Osteomyelitis im Kindesalter
Hämatogene Osteomyelitis im Kindesalter
왘 Definition
왘 Definition. Die hämatogene Osteomyelitis im Kindesalter ist eine eitrige Entzündung des Knochenmarks zwischen dem 3. und 16. Lebensjahr. Aufgrund der separaten Gefäßversorgung der Epiphyse und Metaphyse mit der Trennlinie der avaskulären Epiphysenfuge bleibt die Infektion meist auf den Markraum beschränkt. Eine Ausnahme sind die Gelenke mit einer an der Metaphyse ansetzenden Gelenkkapsel. Hier ist ebenfalls eine Gelenkbeteiligung möglich.
Klinik: Häufig finden sich Allgemeininfektionen in der Vorgeschichte. Jungen zwischen dem 7. und 9. Lebensjahr sind bevorzugt betroffen. Neben dem typisch akuten Krankheitsbild ist ein schleichender Beginn möglich.
Klinik: Ähnlich wie bei der Säuglingsosteomyelitis sind Allgemeininfektionen in der Vorgeschichte erfragbar. Eine Häufung zeigt sich vom 7. – 9. Lebensjahr und bei Jungen. Die Symptomatik der Osteomyelitis im Kindes- und Säuglingsalter unterscheidet sich nicht wesentlich. Zu beachten sind die schleichenden, unspezifischen Fälle, die im Gegensatz zum typisch akuten Krankheitsbild mit lokalen und systemischen Entzündungszeichen schwieriger zu diagnostizieren sind.
Diagnostik: Die Diagnose stützt sich neben der typischen Klinik und Serologie auf Röntgenbild und MRT. Differenzialdiagnostisch muss immer ein tumoröses Geschehen, z. B. Ewing-Sarkom, abgegrenzt werden.
Diagnostik: Neben der Symptomatik und den serologischen Entzündungsparametern erweisen sich Röntgenbild und MRT als wichtiger Stützpfeiler für die Diagnose. Die osteomyelitisch bedingten Veränderungen (zystische Formationen, evtl. mit Sklerosezone) sind immer differenzialdiagnostisch gegen tumoröse Geschehen und hierbei vor allem gegen das Ewing-Sarkom abzugrenzen.
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
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Therapie: Im Frühstadium sind eine Antibiose und die Ruhigstellung der betroffenen Extremität ausreichend. Bei ausgedehnten Phlegmonen, bei Gelenkbeteiligung oder subperiostalen Abszessen muss eine operative Therapie erfolgen. Eine frühzeitige, suffiziente Behandlung kann schwere Schäden an der Wachstumsfuge und daraus resultierende Deformitäten verhindern.
Therapie: Im Frühstadium sind Antibiose und Ruhigstellung ausreichend. Bei ausgedehnten Phlegmonen, Gelenkbeteiligung oder subperiostalen Abszessen ist eine operative Behandlung indiziert.
Hämatogene Osteomyelitis im Erwachsenenalter
Hämatogene Osteomyelitis im Erwachsenenalter
Ätiologie: Sie ist extrem selten und breitet sich entlang der Gefäßversorgung von der Metaphyse über die Epiphyse nach subperiostal oder in die Markhöhle aus. Eine besondere Lokalisation beim Erwachsenen ist die Osteomyelitis des Wirbelkörpers. Die Vorgeschichte ist ähnlich wie bei der kindlichen hämatogenen Osteomyelitis. Das Keimspektrum umfasst überwiegend Staphylococcus aureus, gefolgt von Staphylococcus epidermidis und Haemophilus influenzae.
Ätiologie: Sie ist selten, eine besondere Lokalisation beim Erwachsenen ist die Osteomyelitis des Wirbelkörpers. Die häufigsten Keime sind Staph. aureus, Staph. epidermidis und Haemophilus influenzae.
Klinik und Diagnostik: Die Klinik und Diagnostik der hämatogenen Osteomyelitis im Erwachsenenalter entspricht der im Kindesalter.
Klinik und Diagnostik: Die Klinik und Diagnostik ist entsprechend der Osteomyelitis im Kindesalter. Therapie: Ruhigstellung der betroffenen Extremität, Antibiotikagabe und evtl. operative Ausräumung. Posttraumatische und postoperative Osteitis
Therapie: Die primäre Behandlung besteht in der Ruhigstellung der betroffenen Extremität und der Gabe von Antibiotika, begleitet von einer operativen Ausräumung.
Posttraumatische und postoperative Osteitis Ätiologie und Pathogenese: Die Erkrankung beginnt mit einer lokalen Knochenentzündung (Osteitis) nach exogener Keimeinschleppung (z. B. offene Frakturen, Operationen, schwere Weichteilschädigungen, Gelenkprothesen). Für die Entstehung und Ausbreitung einer posttraumatischen Osteitis sind folgende Faktoren von Bedeutung: ■ Die Schwere des Gewebetraumas mit Weichteil-, Knochen- und Vaskularisationsschaden. Avitale Fragmente, ausgedehnte Weichteilkontusionen und schlechte Durchblutung fördern die Entstehung einer Osteitis. ■ Die Virulenz des Erregers und die Abwehrlage des Organismus. Eine schlechte Abwehrlage durch neoplastische Erkrankungen, Zytostatika oder Immunsuppression sowie Systemerkrankungen wie Diabetes mellitus begünstigen die Ausbreitung einer Osteitis. ■ Die Art der posttraumatischen Versorgung (erster Verband, Operationstrauma, Fremdmaterial, Stabilität). 왘 Merke. Alle offenen Wunden müssen prinzipiell als kontaminiert angesehen werden. Bereits die Qualität der ersten Versorgung entscheidet über das Schicksal des Patienten.
Ätiologie und Pathogenese: Die Erkrankung beginnt mit einer lokalen Knochenentzündung nach exogener Keimeinschleppung (offene Frakturen, Operationen). Verlaufsbestimmende Faktoren der posttraumatischen Osteitis sind: ■ Schwere des Gewebetraumas. ■ Virulenz des Erregers und Abwehrlage. ■ Art des posttraumatischen Managements.
왗 Merke
Es sollte eine genauere klinische Klassifikation der Verletzungsschwere erfolgen, um eine prognostische Aussage treffen zu können (Polytraumaschlüssel, Hannover-fracture-scale).
Eine genaue klinische Klassifikation der Verletzungsschwere ist für eine prognostische Aussage erforderlich.
Klinik: Das Erscheinungsbild kann von der harmlosen Wundheilungsstörung bei Weichteilschaden bis zur Ausbildung eines tiefen Abszesses mit ausgeprägter Allgemeinsymptomatik reichen. Jede länger anhaltende Rötung, Überwärmung, Schwellungsneigung und Erhöhung der serologischen Entzündungsparameter im postoperativen Heilungsverlauf muss an die Entstehung einer Osteitis denken lassen.
Klinik: Das Erscheinungsbild kann vielfältig sein und kann von einer einfachen Wundheilungsstörung bis zur Ausbildung eines tiefen Abszesses reichen.
Diagnostik: ■ Klinische Entzündungszeichen (Dolor, Rubor, Calor, Tumor, Functio laesa und Fieber). ■ Laborchemische Entzündungszeichen (CRP, BSG und Leukozytenzahl). ■ Mikrobiologischer Keimnachweis mit Antibiogramm. ■ Klinisch erkennbare Fistelbildung, evtl. Fistelfüllung (s. Abb. B-2.38 b). ■ Konventionelle Röntgenbilder in 2 Ebenen. ■ 3-Phasen-Skelettszintigraphie. Die Knochenszintigraphie erfasst die Aktivität der Entzündung, ist aber bei frischen Frakturen ebenfalls positiv und in
Diagnostik: ■ Klinische und laborchemische Entzündungszeichen. ■ Mikrobiologischer Keimnachweis. ■ Fistelnachweis. ■ Konventionelle Röntgenbilder. ■ Knochenszintigraphie, Leukozytenszintigraphie. ■ CT, MRT. ■ Sonographie.
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B 2 Traumatologie
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왘 Merke
diesem frühen Stadium unspezifisch. Hier kann die spezifischere Leukozytenszintigraphie differenzialdiagnostisch weiterhelfen. Eine weiterführende Diagnostik bei unklaren Fällen wird mit der Computertomographie (CT) und der Magnetresonanztomographie (MRT) durchgeführt. Die Sonographie wird insbesondere im Kindesalter und zum Nachweis von Weichteilabszessen eingesetzt.
왘 Merke. Die primäre Röntgendiagnostik und die CT weisen am Anfang keine Auffälligkeiten auf. Im Verlauf können sich jedoch alle Zeichen einer Osteitis nachweisen lassen.
Röntgenzeichen der Osteitis (Abb. B-2.39): Strukturauflockerung, ■ Demineralisation, ■ Kallusbildung, ■ Osteolysen mit Randsklerose.
Als Röntgenzeichen der Osteitis zeigt der Knochen 2 – 3 Wochen nach der Kontamination in der Nativaufnahme eine Strukturauflockerung und Demineralisation (Abb. B-2.39). Zu diesem Zeitpunkt ist auch eine periostale Reaktion im Sinne einer Kallusbildung nachweisbar, während Osteolysen bereits Randsklerosen zeigen können.
Therapie: Die einzige kausale Behandlung stellt die operative Sanierung dar.
Therapie: Aufgrund der bekannten Pathophysiologie der posttraumatischen Osteitis wird deutlich, dass die einzige Therapie zur Sanierung des akuten Infektes die operative Ausräumung darstellt. Prinzipien der Osteitistherapie: ■ Débridement von Knochen und Weichteilen. ■ Stabilisierung (mit oder ohne Verfahrenswechsel). ■ Knöcherner Defektaufbau. ■ Weichteildeckung. ■ Antimikrobielle Therapie.
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Prinzipien der Osteitistherapie: ■ Débridement, ■ Stabilisierung, ■ knöcherner Defektaufbau, ■ Weichteildeckung und ■ antimikrobielle Therapie.
Die chirurgische Behandlung umfasst die radikale Ausräumung des nekrotischen Gewebes, des avitalen Knochens und ggf. die Implantation von gentamicinhaltigen PMMAKetten. Ist die Fraktur instabil, muss eine stabile Osteosynthese zumeist mit einem Fixateur externe durchgeführt werden.
B-2.39
Perioperativ wird mit der parenteralen Gabe eines Breitbandantibiotikums begonnen, das entsprechend dem zu erwartenden Keim ausgewählt wird und ggf. nach dem intraoperativ gewonnenen Abstrich (mit Antibiogramm) korrigiert werden kann. Chirurgisch erfolgen die radikale Ausräumung des Herdes mit Nekroseentfernung und Sequesterektomie bis zur Grenze vitalen Gewebes sowie eine intensive Spülung mit antiseptischen Lösungen. Neben der systemischen Antibiose wird eine lokale Therapie mit gentamicinhaltigen PMMA-Ketten oder einem antibiotikumgetränkten Kollagenvlies durchgeführt. Die Stabilität der Fraktur muss wiederhergestellt werden. Hierbei wird gelockertes Osteosynthesematerial entfernt und eine Ruhigstellung zumeist mit dem Fixateur externe vorgenommen.
B-2.39
Osteitis Posttraumatische Osteitis mit Demineralisierung und Osteolyse im Humerusschaftbereich. Das Periost ist angehoben.
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
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Eine planmäßige Second-look-Operation dient dem erneuten Débridement und der Kettenentfernung (falls diese nicht durch die Haut ausgeleitet wurden). Bei größeren Knochendefekten ist eine autologe Spongiosaplastik, Transplantation eines kortikospongiösen Spans oder die Verschiebung eines vitalen Knochensegmentes durch Segmenttransport notwendig. Bei vorbestehenden größeren Weichteildefekten muss eine Deckung mit gestielten oder freien Muskelhautlappen erfolgen.
Die planmäßige Second-look-Operation dient dem erneuten Débridement und der Kettenentfernung. Wichtig ist neben der Auffüllung des Knochendefektes eine suffiziente Weichteildeckung, u.U. mit gestielten oder freien Muskelhautlappen.
Komplikationen: Die Komplikationen werden unterteilt in: ■ Infektrezidiv: Lang anhaltende Osteitiden, z. B. aus Kriegsverwundungen, neigen immer wieder zu Rezidiven. Bei einer Markraumosteitis kann u.U. das Aufbohren des Markraumes mit der Öffnung von ossären Abszesshöhlen zu einer rezidivfreien Ausheilung führen. ■ Infektpseudarthrose: Bei ausbleibender knöcherner Heilung und weiter bestehendem Infekt kann es zu einer Infektpseudarthrose kommen. Diese muss dann in toto ausgeräumt, der Weichteildefekt durch Lappenplastik gedeckt und der Knochendefekt durch Transplantate oder Segmenttransport aufgefüllt werden. Unterschieden wird zwischen einem ersatzstarken und einem ersatzschwachen Lager. Beim ersatzschwachen Lager sind in jedem Fall vaskularisierende Maßnahmen notwendig. ■ Fistelkarzinom: Dieses ist häufig schwierig zu diagnostizieren, da Tumorzerfall und eitrige Sekretion parallel verlaufen. Jede über Jahre bestehende Fistel muss jedoch bioptisch auf Karzinomzellen untersucht werden. Häufig ist in diesen Fällen die Amputation die einzige Therapiemöglichkeit. ■ Amyloidose: Hierbei handelt es sich um eine Spätfolge lang anhaltender Osteitiden mit Ablagerungen von Amyloid häufig in mehreren Bereichen, z. B. Leber und Rektumschleimhaut.
Komplikationen: ■ Infektrezidiv: Lang anhaltende Osteitiden neigen immer wieder zu Rezidiven. ■ Infektpseudarthrose: Langwierige knöcherne Heilung bei bestehendem Infekt fördert die Ausbildung einer Infektpseudarthrose, die in toto saniert werden muss. ■ Fistelkarzinom: Jede über Jahre bestehende Fistel muss bioptisch auf Karzinomzellen untersucht werden. ■ Amyloidose: Als Spätfolge langanhaltender Osteitiden kann sich eine Amyloidose entwickeln.
2.1.5 Gelenkinfektionen
2.1.5 Gelenkinfektionen
왘 Definition. Entsprechend dem zeitlichen Auftreten unterscheidet man akute und chronische Gelenkinfekte.
왗 Definition
Die bakterielle Infektion eines Gelenkes führt sehr rasch zu einer Knorpelbeteiligung und ausgeprägtem Synoviabefall. Zu unterscheiden sind das Empyem und die Panarthritis. Beim Empyem sind der Knorpel und die Knochen noch intakt, die Panarthritis ist charakterisiert durch die Destruktion dieser Gelenkanteile. Ätiologie: Eine Gelenkinfektion entsteht: ■ Hämatogen, ausgehend von einem entfernten Infektherd. Da die Synovialmembran des Gelenkes stark vaskularisiert ist und keine limitierende Basalmembran besitzt, ist sie für eine bakterielle Besiedlung während einer Bakteriämie prädestiniert. ■ Durch direkte Inokulation (offenes Gelenktrauma, Gelenkpunktion). Eine iatrogene Inokulation kann z. B. nach operativen Eingriffen wie Arthroskopien entstehen. Die Inzidenz beträgt hier 0,04 – 0,07 %. Bei offener Gelenkchirurgie beträgt die Infektionsrate 5 1 %. Nach Kortikosteroidinjektionen wird eine Infektionsrate von 5 0,005 % berichtet. Geschlossene Verletzungen können wahrscheinlich über Hyperämie und Zerstörung der lokalen anatomischen Verhältnisse im Gelenkbereich ebenfalls prädisponierend für einen Gelenkinfekt wirken. ■ Durch lokale Ausbreitung eines Abszesses, einer septischen Bursitis oder Tenosynovitis. ■ Durch Gelenkeinbruch einer periartikulären Osteitis. ■ Keimspektrum: Die häufigsten Keime sind Staphylococcus aureus, Streptokokken, Escherichia coli, Pseudomonas und Neisseria gonorrhoeae. Eine Borrelieninfektion kann in 60 % eine Gelenkbeteiligung nach sich ziehen.
Ätiologie: ■ Hämatogen, ausgehend von einem entfernten Infektherd. ■ Direkte Kontamination. Bei offenem Gelenktrauma oder z. B. iatrogen durch Punktionen und Operationen. ■ Lokale Ausbreitung einer Entzündung. ■ Gelenkeinbruch einer periartikulären Osteitis. ■ Keimspektrum: Die häufigsten Erreger sind Staphylokokken, Streptokokken und E. coli.
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B 2 Traumatologie
Prädisponierende Faktoren: ■ Vorbestehende Gelenkerkrankungen, insbesondere rheumatoide Arthritis. ■ Geschlossene Gelenkverletzungen. ■ Medikamentenabusus. ■ Reduzierte Abwehrlage durch Tumoren, Steroide, Zytostatika oder auch Diabetes mellitus.
Prädisponierende Faktoren sind: ■ Vorbestehende Gelenkerkrankungen, insbesondere die rheumatoide Arthritis. Prädisponierende Faktoren stellen hier Hyperämie, Neovaskularisation, Kortikoidmedikation und die häufig verzögerte durchgeführte Diagnostik dar. Die Inzidenz bei Patienten mit einer rheumatoiden Erkrankung beträgt 0,3 – 3 %. ■ Geschlossene Gelenkverletzungen. ■ Medikamentenabhängigkeit. ■ Verminderte Abwehrmechanismen (bei Tumorerkrankungen, Steroidmedikation, Zytostatikatherapie, Diabetes mellitus und anderen chronischen Erkrankungen sowie im höheren Alter).
Lokalisation: Am häufigsten sind das Knie-, Hüft-, Schulter- und Sprunggelenk befallen.
Lokalisation: Bevorzugtes Gelenk ist das Kniegelenk mit 40 – 50 % gefolgt vom Hüftgelenk mit 20 – 25 %, dem Schultergelenk mit 10 – 15 %, dem Handgelenk mit 10 % und dem oberen Sprunggelenk mit 10 – 15 %.
Klinik und Diagnostik: Die Gelenkinfektion zeigt alle klinischen Zeichen einer akuten Entzündung. Der Keimnachweis erfolgt direkt aus dem Punktat (Gram-Färbung).
Klinik und Diagnostik: Die Gelenkinfektion zeigt alle klinischen Zeichen einer akuten Entzündung wie Schmerz, Schwellung, Überwärmung und Funktionseinschränkung mit entsprechender Anamnese. Laborchemische Entzündungszeichen sind am Anfang der Infektion nur in 50 % der Fälle nachweisbar. Röntgenologisch lässt sich bei gasbildenden Bakterien Luft im Gelenk nachweisen. Die unverzügliche Punktion und bakteriologische Untersuchung stellt die Grundvoraussetzung für die weitere Therapie dar. Für die vorläufige Diagnose wird aus dem Punktat ein Gram-Präparat angefertigt und mikroskopisch untersucht. Wenn mindestens 103 Erreger/ml Punktat vorhanden sind, ist eine orientierende Klassifikation des Erregers möglich (1 ml Eiter enthält ca. 108 Keime). Die übliche Erregerkultur führt zur genauen Identifikation des Keimes mit entsprechendem Antibiogramm.
Therapie: Die Therapie ist abhängig vom Schweregrad der Infektion. Im Frühstadium kann die arthroskopische Spülung ausreichend sein, im Spätstadium ist die Synovektomie oder letztendlich die Arthrodese indiziert.
Therapie: Die Therapie richtet sich nach dem Schweregrad der Infektion. Neben der Antibiotikagabe kann bei Frühinfektionen die arthroskopische Spülung, die in 24- bis 48-stündigem Abstand wiederholt wird, ausreichend sein. Die Spülung wird so lange durchgeführt, bis der Keimnachweis nicht mehr gelingt. Bei einer ausgedehnten Panarthritis muss eine arthroskopische oder offene Gelenkrevision mit Synovektomie erfolgen. Bei entsprechender Gelenkdestruktion sind weitergehende operative Eingriffe bis zur Arthrodese notwendig.
2.1.6 Verletzungen und Erkrankungen der
Weichteile
2.1.6 Verletzungen und Erkrankungen der Weichteile
Häufigkeit: 30 % aller Sportverletzungen betreffen Muskeln und Sehnen.
Häufigkeit: Etwa 30 % aller Sportverletzungen betreffen Muskeln und Sehnen. Die Ursache besteht zum einen im fehlenden Training, insbesondere bei Freizeitsportlern, zum anderen sind die Verletzungen bei Hochleistungssportlern häufig durch Überlastung der Muskulatur und der Sehnen verursacht. Besonders die Sehnen können im Vergleich zur Muskulatur nicht angemessen an Höchstleistungen adaptiert werden.
Verletzungen der Muskulatur
Verletzungen der Muskulatur
Unterschieden werden: ■ Muskelzerrung ■ Muskelfaserriss ■ Muskelkontusion ■ Muskelquetschung ■ Myositis ossificans ■ Faszienverletzungen.
Unterschieden werden: ■ Muskelzerrung ■ Muskelfaserriss ■ Muskelkontusion ■ Muskelquetschung ■ Myositis ossificans ■ Faszienverletzungen.
Muskelzerrung
Muskelzerrung
Pathogenese: Sie entsteht durch übermäßige Verlängerung des Muskels oder die Kombination von Überdehnung und gleichzeitiger Kontraktion.
Pathogenese: Auslösend für eine Muskelzerrung ist eine Störung des den Muskeltonus regulierenden Spindelapparates. Sie wird durch eine übermäßige Verlängerung des Muskels oder die Kombination von Überdehnung und gleichzeitiger Kontraktion, also einer mangelhaften Bewegungskoordination hervorgerufen.
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
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Klinik: Der gesamte Muskel ist in seinem Tonus erhöht und erscheint gequollen. Es besteht ein deutlicher Schmerz im Muskelverlauf.
Klinik: Der Muskel ist schmerzhaft, der Muskeltonus erhöht.
Diagnostik: Der Anamnese kommt eine besondere Bedeutung zu. So entstehen Zerrungen des M. quadriceps femoris beim Sprint, eine Zerrung der Adduktorengruppe bei Ballspielen. Die ischiokrurale Muskulatur ist durch Sprint und Springen betroffen.
Diagnostik: Der Anamnese kommt besondere Bedeutung zu. Typische Zerrungen betreffen den M. quadriceps femoris beim Sprint, die Adduktorengruppe bei Ballspielen, die ischiokrurale Muskulatur durch Sprint und Springen.
Therapie: Als Sofortmaßnahmen haben sich Kompressionsverbände und Kühlung (Eisbeutel) bewährt. Nach einigen Tagen körperlicher Schonung beginnen physikalische Maßnahmen, die der Muskelatrophie entgegenwirken.
Therapie: Kompressionsverband und Kühlung.
Muskelfaserriss
Muskelfaserriss
Pathogenese: Durch Überschreitung der biomechanischen Eigenschaften der Muskulatur kommt es bei den betroffenen Faserbündeln zur Kontinuitätsunterbrechung. Prädestinierend für einen Muskelfaserriss sind die mangelnde Durchblutung bei Kälte, ungenügendes Stretching sowie degenerative Veränderungen, insbesondere im Alter.
Pathogenese: Mangelnde Durchblutung, ungenügende Vorbereitung und Degeneration können zu Kontinuitätsunterbrechungen im Muskelfaserbündel führen.
Klinik: Als Folge der intramuskulären Blutung findet sich ein Hämatom. Durch Freisetzung von Mediatoren, wie z. B. Bradykinin, Histamin, Serotonin und Prostaglandinen werden die Schmerzrezeptoren erregt.
Klinik: Es findet sich ein Hämatom, der Patient klagt über Schmerzen.
Diagnostik: Auffallend ist ein stechender Schmerz. Bei der Palpation finden sich ein punktförmiger Druckschmerz und eine tastbare Faserunterbrechung, die bei schweren Faserrissen als Delle imponiert. Die sonographische Untersuchung kann die Diagnose erhärten.
Diagnostik: Auffallend ist ein stechender Schmerz. Bei der Palpation findet sich ein punktförmiger Druckschmerz, bei schweren Faserrissen eine Dellenbildung.
Therapie: Die Erstbehandlung des Muskelfaserrisses besteht in der Reduktion der Gewebeblutung durch Druck und Kälte (ein mit Eiswasser getränkter Schwamm wird unter starkem Druck großflächig angewickelt. Wiederholung nach 60 min.). Die weitere Behandlung erfolgt mit Tape-Verbänden und Schonung bis zur Schmerzreduktion.
Therapie: Kühlung, Druck, Tape-Verband und Schonung.
Muskelkontusion
Muskelkontusion
Pathogenese: Sie entsteht durch stumpfe Gewalteinflüsse, wie z. B. bei Kontaktsportarten. Die Kontusion hat die beste Muskelregenerationsrate.
Pathogenese: Sie entsteht durch stumpfe Gewalteinflüsse.
Klinik und Diagnostik: Häufig finden sich bei der Palpation ein ausgeprägtes Hämatom und ein Druckschmerz.
Klinik und Diagnostik: Es finden sich ein ausgeprägtes Hämatom und ein Druckschmerz.
Therapie: Sonographisch geführte Punktion des Hämatoms, leichte Kompressionsverbände und Kühlung mit Eisbeuteln.
Therapie: Punktion des Hämatoms, leichte Kompressionsverbände und Kühlung.
Nachbehandlung: Die funktionelle Nachbehandlung sollte früh einsetzen. Immobilisation führt zu einer Verzögerung des Heilungsverlaufes.
Nachbehandlung: Die frühe funktionelle Nachbehandlung ist anzustreben.
Komplikationen: Verknöcherungen finden sich bei Quadrizepshämatomen in bis zu 20 %.
Komplikationen: Hämatomverknöcherungen.
Muskelquetschung
Muskelquetschung
Pathomechanismus: Sie entsteht durch ein massives direktes Trauma, z. B. Überrolltrauma mit Quetschung und Zerreißung der Muskulatur. Häufig finden sich ein ausgeprägtes Décollement und Spannungsblasen.
Pathomechanismus: Eine Muskelquetschung entsteht durch massives direktes Trauma.
Klinik und Diagnostik: Es besteht ein ausgeprägter Schmerz mit Schwellung der Extremität. Wegen der Gefahr eines Kompartmentsyndroms können bei bewusstlosen Patienten intrakompartmentale Druckmessungen erforderlich sein.
Klinik und Diagnostik: Es besteht ein ausgeprägter Schmerz mit Schwellung der Extremität.
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774 왘 Merke
B 2 Traumatologie
왘 Merke. Bei einer Muskelquetschung besteht die Gefahr eines Kompart-
mentsyndroms. Eine engmaschige Kontrolle der Nervenfunktion und Durchblutung sind unerlässlich. Therapie: Ausgedehntes Débridement mit Spaltung der Muskellogen.
Therapie: Bei ausgedehnter Muskelquetschung besteht die Versorgung in einem operativen Débridement und einer Entlastung der Muskellogen durch Faszienspaltung. Kleinere Quetschungen können mit antiphlogistischen und ruhigstellenden Maßnahmen behandelt werden.
Komplikationen: Zu bedenken sind eine Superinfektion mit Anaerobiern und das Auftreten einer Crush-Niere.
Komplikationen: Bei ausgeprägter Nekrosebildung besteht die Gefahr der anaeroben Superinfektion. Aus diesem Grund sollte neben einer Tetanusprophylaxe eine hochdosierte Antibiotikatherapie eingeleitet werden. Wegen der Gefahr einer Crush-Niere (Myoglobinbestimmung) ist auf eine ausreichende Diurese zu achten.
Myositis ossificans
Myositis ossificans
Pathogenese: Pathogenetisch liegt eine Muskelverletzung mit Hämatombildung und nachfolgenden kartilaginären Metaplasien der Muskelzellen zugrunde. Nach 4 – 8 Wochen zeigen sich Spongiosastrukturen.
Pathogenese: Pathogenetisch liegt eine Muskelverletzung mit Hämatombildung zugrunde. Es kommt zu kartilaginären Metaplasien der Muskelzellen. Nach 4 – 8 Wochen zeigen sich dann zarte Spongiosastrukturen. Aufgrund der großen Muskelmasse ist der Oberschenkel in besonderem Maße betroffen. Der M. quadriceps femoris und die Adduktoren werden häufig bei Kontaktsportarten, Reiten und Skilaufen verletzt. Auch traumatisierende Operationszugänge, wie z. B. die erweiterten Zugänge bei Azetabulumfrakturen, können Ursache von Muskelverkalkungen sein. Ein generalisiertes Auftreten findet sich bei zentralen Störungen, z. B. beim Schädel-Hirn-Trauma.
Klinik: Schmerz, palpabler Tumor, Abnahme des Bewegungsumfanges benachbarter Gelenke.
Klinik: Die Trias Schmerz, palpabler Tumor und Abnahme des Bewegungsumfanges benachbarter Gelenke ist wegweisend.
Diagnostik: BSG und AP sind erhöht, Röntgen (Abb. B-2.40) und Szintigraphie geben weiteren Aufschluss.
Diagnostik: Laborchemisch finden sich im frühen Stadium eine Erhöhung der BSG, der alkalischen Phosphatase (AP) und zuweilen eine Leukozytose. Weitere diagnostische Verfahren sind Röntgenuntersuchungen (Abb. B-2.40), CT, MRT und Szintigraphie.
왘 Merke
왘 Merke. Bei jedem Verdacht auf Myositis ossificans müssen Sarkome aus-
geschlossen werden.
B-2.40
B-2.40
Myositis ossificans
b
a
Myositis ossificans nach 120-tägiger Beatmung, bei Z. n. abdomineller Schussverletzung. (a) Hüftgelenk, (b) Schultergelenk.
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
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Therapie: Die therapeutischen Maßnahmen bestehen in Reduzierung der Belastung und Kälteapplikation. Bei operationsinduzierter Myositis ossificans (z. B. Azetabulumfrakturen), hat sich eine unmittelbar postoperativ einsetzende Röntgenbestrahlung bewährt. Die medikamentöse Therapie wird mit Bisphosphonaten und Indometacin durchgeführt. Eine Operationsindikation besteht nur bei erheblichen Funktionsbeeinträchtigungen. Der richtige Zeitpunkt kann durch radiologische und vor allem szintigraphische Verlaufsbeobachtungen ermittelt werden. Ferner ist das Absinken der alkalischen Phosphatase ein zuverlässiger Indikator. Im Falle einer zu frühen Operation (szintigraphisch hoch aktiv) ist mit einer hohen Rezidivrate zu rechnen.
Therapie: Die therapeutischen Maßnahmen bestehen in Belastungsreduktion und Kälteapplikation. Medikamentös haben sich Indometacin und Bisphosphonate bewährt.
Faszienverletzungen
Faszienverletzungen
Pathogenese: Nach direktem Trauma oder im Zusammenhang mit Frakturen, z. B. des Ober- und Unterschenkels, können Faszienrupturen entstehen.
Pathogenese: Sie können im Zusammenhang mit Frakturen entstehen.
Klinik: Durch die Faszienlücke ist der Muskel als weicher, elastischer Tumor tastbar. Bei Muskelkontraktionen tastet man eine Verfestigung; der Patient verspürt einen Schmerz. Durch Kompression lässt sich der relaxierte Muskel leicht reponieren. Dies kann auch sonographisch dargestellt werden.
Klinik: Durch die Faszienlücke ist der Muskel als elastischer Tumor tastbar. Der Patient klagt über Schmerzen.
Therapie: Abhängig von den funktionellen Beeinträchtigungen ist die Behandlung zumeist konservativ. Beim operativen Verschluss muss darauf geachtet werden, dass das Kompartment nicht zu sehr eingeengt wird, da ansonsten die Gefahr eines Kompartmentsyndroms (s. S. 750) besteht. In manchen Fällen ist eine Vergrößerung des Faszieneinrisses sinnvoll und beseitigt Schmerzen.
Therapie: Die Behandlung ist zumeist konservativ. Bei operativer Behandlung ist darauf zu achten, dass das Kompartment nicht zu sehr eingeengt wird (s. S. 750).
Sehnenverletzungen
Sehnenverletzungen
Die primäre Funktion der nur gering dehnbaren Sehnen ist die Übertragung der Muskelkraft auf den Knochen. Daneben kann der Muskeltonus beeinflusst und die Kraftübertragung verstärkt oder gemindert werden. Die kollagenen, für die Zugfestigkeit verantwortlichen Fasern werden ergänzt durch elastische Fasern, die eine Rückkehr in die Ausgangslage ermöglichen. Umgeben werden die Sehnen von Sehnenscheiden, die eine Verbesserung der Gleitfähigkeit ermöglichen und einen Reibungsschutz bieten. Bei den Sehnenverletzungen werden unterschieden: ■ Tendinosen, ■ Einrisse und knöcherne Abrisse, ■ Insertionstendopathien und ■ Tendovaginitis.
Bei den Sehnenverletzungen müssen unterschieden werden: ■ Tendinosen, ■ Einrisse und knöcherne Abrisse, ■ Insertionstendopathien und ■ Tendovaginitis.
Tendinose
Tendinose
Pathogenese: Sie stellt die häufigste Sehnenverletzung als Folge andauernder Höchstbelastung oder chronischer Fehlbelastung dar. Im fibrokartilaginären Übergangsbereich führen Mikroeinrisse zu entzündlichen Reaktionen. Langfristig nimmt die Sehne Schaden und degeneriert unter Verringerung der mechanischen Belastbarkeit.
Pathogenese: Sie stellt die häufigste Sehnenverletzung aufgrund andauernder Höchstbelastung oder chronischer Fehlbelastung dar. Langfristig nimmt die Sehne Schaden und degeneriert.
Klinik: Die Patienten klagen über aktivitätsabhängige Beschwerden, später auch über Ruhe- und Nachtschmerz.
Klinik: Die Patienten klagen über Schmerzen.
Therapie: Die Therapie erfolgt zunächst konservativ mit Belastungsverminderung. Wärmebehandlungen und Gabe oraler, nichtsteroidaler Antiphlogistika. Weiterhin sind Krankengymnastik, Stretching und progressive Übungen gegen Widerstand indiziert.
Therapie: Belastungsverminderung kombiniert mit Wärmebehandlungen und oralen nichtsteroidalen Antiphlogistika.
Sehneneinriss und -abriss
Sehneneinriss und -abriss
Intratendinöse Risse einer gesunden Sehne sind ebenso selten wie Abrissverletzungen der Sehne vom Ansatz, d. h. Risse durch den fibrokartilaginären Übergangsbereich. Es dominieren vielmehr die Ausrissverletzungen, die mit
Intratendinöse Risse sind sehr selten. Die häufigsten Verletzungen treten beim jüngeren Patienten auf.
Eine Operationsindikation besteht nur bei erheblichen Funktionsbeeinträchtigungen.
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B 2 Traumatologie
776 B-2.41
Abrissfraktur des Tuberculum majus a Knöcherner Abriss des Tuberculum majus (?). b Die Refixation erfolgte mit 2 Spongiosazugschrauben.
a
b (I)
B-2.42
b (II)
B-2.42
Abriss des Tuber ischiadicum
Die am häufigsten verletzten Sehnen sind die Achillessehne, Quadrizepssehne, Lig. patellae sowie der lange Kopf der Bizepssehne und die Supraspinatussehne (Abb. B-2.41).
einem knöchernen Fragment abreißen (Abb. B-2.41). Hierbei handelt es sich häufig um eine Verletzung des jüngeren Menschen zwischen Pubertät und 20. Lebensjahr. Die am häufigsten verletzten Sehnen sind die Achillessehne, Quadrizepssehne, Lig. patellae sowie der lange Kopf der Bizepssehne und die Supraspinatussehne. Weiterhin sind häufig die Sehnen des M. sartorius an der Spina iliaca anterior superior, des M. rectus femoris an der Spina iliaca anterior inferior, der ischiokruralen Muskelgruppe am Tuber ischiadicum, des M. iliopsoas am Trochanter minor und des M. glutaeus medius und minimus am Trochanter major betroffen (Abb. B-2.42).
Tendopathie
Tendopathie
Pathogenese: Stärkere mechanische Überlastung kann zu intra- oder peritendinösen Veränderungen führen. Hauptlokalisation dieser Veränderungen sind die Achillessehne, die Patellarsehne und die Peronealsehnen.
Pathogenese: Aufgrund starker mechanischer Überlastung oder einer veränderten Durchblutungssituation kann es zu Schäden intratendinös oder peritendinös kommen. Histologisch findet sich bei diesen Veränderungen neben einem Ödem teilweise eine zystische Degeneration und Kalzifizierung der Sehne. Hauptlokalisation dieser Veränderungen sind die Achillessehne (Achillodynie), die Patellarsehne und die Peronealsehnen.
Klinik: Es findet sich ein deutlicher Druckund Bewegungsschmerz.
Klinik: Neben einem deutlichen Druck- und Bewegungsschmerz findet sich zuweilen eine Schwellung und Rötung.
Diagnose: Sonographie und Röntgen.
Diagnose: Hinweise können die Sonographie und im Falle von Verkalkungen eine Röntgenaufnahme geben.
Therapie: Vgl. Tendovaginitis
Therapie: Vgl. Tendovaginitis.
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B 2.1 Allgemeine Traumatologie
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Tendovaginitis
Tendovaginitis
Pathogenese: Entzündliche Veränderungen der Sehnenscheide können zu erheblichen Funktionseinschränkungen führen. Hauptsächlich betroffen sind die Beugesehnen (schnellender Finger) sowie die Sehne des M. tibialis posterior und M. flexor hallucis longus.
Pathogenese: Entzündliche Veränderungen der Sehnenscheide führen zu Funktionseinschränkungen hauptsächlich der Beugesehnen.
Klinik: Neben einer häufig bestehenden Funktionsbehinderung findet sich ein lokalisierter Druckschmerz über der Sehnenscheide.
Klinik: Es findet sich ein lokalisierter Druckschmerz über der Sehnenscheide.
Diagnostik: Die Sonographie kann den Befund erhärten.
Diagnostik: Sonographie.
Therapie: Für die Tendopathie und die Tendovaginitis sind lokale Eistherapie, Schonung, Iontophorese und nichtsteroidale Antirheumatika die primären Therapieverfahren. Bei stärkeren Verkalkungen bzw. Funktionseinschränkungen (schnellender Finger) sind die Entfernung der Verkalkungen bzw. Spaltung der Sehnenscheide die Verfahren der Wahl.
Therapie: Zunächst ist eine konservative Behandlung mit lokaler Eistherapie, Schonung und Iontophorese anzustreben. Bei Funktionseinschränkungen ist die operative Behandlung indiziert.
Schleimbeutelentzündungen
Schleimbeutelentzündungen
왘 Definition. An vorspringenden Bereichen finden sich zum Schutz von Haut,
왗 Definition
Muskulatur oder Sehnen Schleimbeutel. Durch chronische Überlastung, ebenso wie durch offene Verletzungen kann es zu Entzündungsreaktionen im Bereich des Schleimbeutels kommen. Unterschieden werden akute und chronische Bursitiden. Lokalisation: Bevorzugte Lokalisation der chronischen Bursitis ist das Olekranon, der Trochanter major, der Großzehenballen bei Hallux valgus, bei der akuten Bursitis die Bursa subdeltoidea, Bursa praepatellaris und Bursa olecrani (Abb. B-2.43).
Lokalisation: Chronische Bursitis: Olekranon, Trochanter major, Großzehenballen (Abb. B-2.43). Akute Bursitis: Bursa subdeltoidea, Bursa praepatellaris, Bursa olecrani.
Klinik: Bei der akuten Bursitis stehen plötzlicher Druckschmerz und Schwellung im Vordergrund, die chronische Bursitis ist häufig nicht schmerzhaft und nur durch eine Schwellung gekennzeichnet.
Klinik: Bei der akuten Bursitis finden sich Druckschmerz und Schwellung, bei der chronischen Bursitis eine nicht schmerzhafte Schwellung.
Therapie: Zunächst konservative Behandlung mit Antiphlogistika und Kälte, bei rezidivierenden Bursitiden ist die Bursektomie indiziert. Bei den chronischen Bursitiden muss zur Vermeidung eines Rezidivs die Ursache beseitigt werden, z. B. Hallux valgus, Exostose bei der Bursitis olecrani. Bei der eitrigen Bursitis ist die Bursektomie unter antibiotischer Abschirmung indiziert.
Therapie: Es wird zunächst eine konservative Therapie mit Antiphlogistika und Kälte empfohlen, bei rezidivierenden Bursitiden ist die Bursektomie indiziert.
B-2.43
Chronische Bursitis des Olekranon
B-2.43
Prominente Bursa über dem Olekranon. Entzündungszeichen fehlen. Klinisch ist eine Fluktuation nachweisbar.
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778 2.2
Spezielle Traumatologie
B 2 Traumatologie
2.2
Spezielle Traumatologie
2.2.1 Schultergürtel und Oberarm
2.2.1 Schultergürtel und Oberarm
Untersuchungstechniken
Untersuchungstechniken
Anamnese: Zu erfragen ist ■ die Schmerzsymtomatik, ■ die Einschränkung der Aktiviät und ■ der Kraftverlust.
Anamnese: Zu erfragen ist ■ Die Schmerzsymptomatik: Besteht ein akut aufgetretener Schmerz (z. B. Tendinosis calcarea), ein Nachtschmerz (z. B. subakromiale Erkrankung) oder ein Dauerschmerz (z. B. Infekt)? Wie hoch ist der Schmerzmittelgebrauch? ■ Die Einschränkung der Aktivität (z. B. das Anziehen eines Mantels). ■ Der Kraftverlust (z. B. bei Rotatorenmanschettenruptur).
Inspektion: Bestehen Atrophien, Hämatome oder Schwellungen?
Inspektion: Eine abgeflachte Schulterkontur kann auf eine Schulterluxation oder eine erhebliche Muskelatrophie hinweisen. Weiterhin ist nach Schwellungen oder Hämatomen zu suchen.
Palpation: ■ Rotatorenmanschette, ■ Bursae subacromialis und subdeltoidea, ■ Axilla, ■ Akromioklavikulargelenk, ■ M. sternocleidomastoideus, ■ M. pectoralis major, ■ M. biceps, ■ M. deltoideus, ■ M. biceps brachii, ■ M. deltoideus, ■ knöcherne Vorprünge (Akromion, Tuberculum majus und minus, Spina scapulae, Klavikula und Processus coracoideus).
Palpation: Es können eine Vielzahl von Strukturen klinisch untersucht werden. ■ Rotatorenmanschette (M. subscapularis, M supraspinatus, M. infraspinatus, M. teres minor). Durch Extension des Armes können die Mm. supraspinatus und infraspinatus sowie teres minor palpiert werden. ■ Bursae subacromialis und subdeltoidea. Sie können ebenfalls durch passive Extension nach vorne gebracht und palpiert werden. ■ Die Axilla hat die Form einer Pyramide. Untersucht werden der M. pectoralis major (vordere Begrenzung), die Rippen II–VI und der M. serratus anterior (mediale Begrenzung), der Sulcus bicipitis (laterale Begrenzung) und das Glenohumeralgelenk (obere Begrenzung). ■ Akromioklavikulargelenk (AC-Gelenk). Die Palpation des AC-Gelenkes erfolgt durch direkten Druck. Bei Verletzung ist das Klaviertastenphänomen palpabel (Abb. B-2.44). ■ M. sternocleidomastoideus bds. (Hämatome, Hyperextensionstraumen). ■ M. pectoralis major (mediale Begrenzung druckdolent bei Tietze-Syndrom). ■ M. biceps brachii (palpabel bei gebeugtem Ellenbogengelenk, Palpation der Bizepssehne zwischen den beiden Tuberkeln, Schmerzen bei Tendosynovitis und Luxation bzw. Subluxation, Palpation der distalen Sehne an der Tuberositas bicipitis des Radius). ■ M. deltoideus (Palpation der Pars clavicularis, Pars acromialis, Pars spinalis). ■ Knöcherne Vorsprünge (Akromion, Tuberculum majus und Tuberculum minus sowie Spina scapulae, Klavikula und Processus coracoideus).
B-2.44
B-2.44
Klaviertastenphänomen bei Luxation des Akromioklavikulargelenks
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
779
Neben den genannten Strukturen ist immer auf Lymphknotenveränderungen zu achten. Funktionsprüfungen: Das Schultergelenk kann durch eine Vielzahl von Tests untersucht werden. ■ Aktive Bewegungstests: Abduktion und Außenrotation: Der Patient versucht, durch Bewegung im Schultergelenk seine Hand auf den oberen, medialen Winkel der Skapula zu legen. Innenrotation und Adduktion: Der Patient legt die Hand des zu untersuchenden Schultergelenkes auf die Schulter des anderen Armes oder versucht, mit den Fingerspitzen den unteren Winkel der Skapula zu erreichen. Passive Bewegungstests: Bei der Testung der passiven Abduktion ist darauf zu achten, dass die Bewegung im glenohumoralen und skapulothorakalen Gelenk in einem Verhältnis von 2:1 abläuft, d. h. 3 ° Abduktion werden zu 2 ° im Schultergelenk und zu 1 ° im skapulothorakalen Gelenk durchgeführt. Die Testung der Bewegung und Muskulatur beinhaltet die Flexion, die Extension, die Abduktion, die Adduktion, die Außenrotation, die Innenrotation, die skapuläre Elevation, die skapuläre Retraktion sowie die Schulterprotraktion. Beim Drop-Arm-Test ist der Patient bei einer Rotatorenmanschettenruptur nicht in der Lage, den abduzierten Arm in waagerechter Stellung gegen die Schwerkraft zu halten (Pseudoparalyse). Zu weiteren Untersuchungsverfahren s. Abb. B-2.45.
B-2.45
Funktionsprüfungen des Schultergelenkes können mittels aktiver und passiver Tests durchgeführt werden. Bei den aktiven Tests wird die Abduktion und Außenrotation sowie die Innenrotation und Adduktion geprüft.
Bei der Testung der passiven Abduktion ist darauf zu achten, dass die Bewegung im glenohumoralen und skapulothorakalen Gelenk in einem Verhältnis von 2:1 abläuft, d. h. 3 ° Abduktion werden zu 2 ° im Schultergelenk und zu 1 ° im skapulothorakalen Gelenk durchgeführt. Ein positiver DropArm-Test findet sich bei Rotatorenmanschettenruptur. Zu weiteren passiven Tests s. Abb. B-2.45.
Spezielle Funktionstests Schultergürtel und Oberarm
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B 2 Traumatologie
Sternoklavikulargelenkluxation
Sternoklavikulargelenkluxation
Anatomie: Das Sternoklavikulargelenk ist ein Diarthrodialgelenk, welches durch den Bandapparat gesichert ist.
Anatomie: Das Sternoklavikulargelenk (SC-Gelenk) ist ein Diarthrodialgelenk. Die Gelenkfläche der Klavikula ist dabei weit größer als die des Sternums. Wegen der erheblichen Gelenkinkongruenz wird das Gelenk durch Bänder gesichert (intraartikuläres Diskusligament, extraartikuläres kostoklavikuläres Band.
Pathogenese: Direkte Gewalteinwirkung führt zur Dislokation nach dorsal, eine indirekte Gewalteinwirkung führt häufig zu einer Luxation nach ventral.
Pathogenese: Direkte Gewalteinwirkung von vorn auf die Klavikula führt zu einer Dislokation der Klavikula nach dorsal. Auf das Sternoklavikulargelenk wirkt beim Sturz auf die Schulter eine indirekte Gewalt ein. Sie führt häufig zu einer Luxation nach ventral.
Klassifikation ■ Vordere Verrenkung (Luxatio praesternalis): Häufigster Verletzungstyp. ■ Posteriore Verrenkung (Luxatio retrosternalis): Selten (Abb. B-2.46). ■ Obere Verrenkung (Luxatio suprasternalis): Selten.
Klassifikation: Die Einteilung orientiert sich an der Luxationsrichtung. ■ Vordere Verrenkung (Luxatio praesternalis). Dieser Verletzungstyp tritt am häufigsten auf. Das mediale Klavikularende ist nach vorn oder vorn oben disloziert. Das mediale Ende ist prominent und sichtbar und kann palpiert werden. ■ Posteriore Verrenkung (Luxatio retrosternalis). Sie ist selten. Das mediale Ende der Klavikula ist nach hinten oben disloziert. Der Patient hat starke Schmerzen. Es kann eine Stauung im Bereich der Halsvenen beobachtet werden mit Dyspnoe, Durchblutungsverminderung des ipsilateralen Armes und Schluckschmerzen (Abb. B-2.46). ■ Obere Verrenkung (Luxatio suprasternalis). Selten.
Klinik und Diagnostik: Die mediale Klavikula ist gewöhnlich prominent.
Klinik und Diagnostik: Die mediale Klavikula ist gewöhnlich prominent. Inspektorisch besteht ein deutlicher Unterschied zur Gegenseite.
왘 Merke
왘 Merke. Bei den hinteren Luxationen ist der neurovaskuläre Status der obe-
ren Extremitäten zu prüfen. Die von kaudal gerichtete 45 °-Aufnahme nach Rockwood und die seitliche Sternumaufnahme können neben Schichtaufnahmen und der CT die Diagnose erhärten. Therapie: Die Reposition der vorderen Luxation gelingt durch Zug am Arm und Druck auf die mediale Klavikula. Bei Versagen der konservativen Therapie oder bei funktioneller Beeinträchtigung erfolgt die Operation.
Die SC-Gelenksprengung ist häufig schwierig zu diagnostizieren. Die von kaudal gerichtete 45 °-Aufnahme nach Rockwood und die seitliche Sternumaufnahme können neben Schichtaufnahmen und der CT die Diagnose erhärten. Therapie: Bei den vorderen Luxationen gelingt die Reposition durch Zug nach lateral am gestreckten Arm und Druck auf die mediale Klavikula. Bei Versagen der konservativen Therapie oder bei funktioneller Beeinträchtigung erfolgt die Operation nach Bunnell (Fixation von Sternum und Klavikula mit einer resorbierbaren Kordel). Die Resektion und Arthrodese stellt die Ultima ratio dar.
Klavikulafraktur
Klavikulafraktur
Anatomie: Bei Aufsicht von oben imponiert die Klavikula als ein S-förmiger Knochen, konkav ventral in der lateralen und konvex ventral in der medialen Hälfte.
Anatomie: Die Klavikula ist der einzige Knochen, welcher den Stamm mit dem Schultergürtel und dem Arm verbindet und ein Gelenk zum Stamm aufweist. Bei Aufsicht von oben imponiert die Klavikula als ein S-förmiger Knochen, konkav ventral in der lateralen und konvex ventral in der medialen Hälfte.
B-2.46
B-2.46
Retrosternale Luxation
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
781
Der Querschnitt ist lateralseitig flach und prismatisch im medialen Drittel. Der Unterschied im Querschnitt und in der Form sowie der hier fehlende ligamentäre und muskuläre Ansatz erklären die Häufigkeit der Frakturen im mittleren Drittel.
Der Querschnitt ist lateralseitig flach und prismatisch im medialen Drittel.
Klassifikation und Verteilung der Frakturen: Es können drei Gruppen unterschieden werden: ■ Gruppe 1: Frakturen des mittleren Drittels. Sie entsprechen 80 % aller Klavikulafrakturen. Durch den Zug des M. sternocleidomastoideus wird das proximale Fragment nach oben und dorsal gezogen, während das distale Fragment durch die Schwerkraft und den Zug des M. pectoralis nach vorn gezogen wird (Abb. B-2.47). ■ Gruppe 2: Frakturen des distalen Drittels. Sie machen 10 – 15 % aller Klavikulafrakturen aus. Die Dislokation des medialen Fragmentes hängt von der begleitenden Bandverletzung (Ligg. conoideum und trapezoideum) ab. ■ Gruppe 3: Diese Frakturen umfassen das proximale Drittel der Klavikula und machen 5 – 6 % aller Klavikulafrakturen aus. Die Dislokation dieser Frakturen hängt im Wesentlichen auch von den begleitenden Bandverletzungen ab.
Klassifikation und Verteilung der Frakturen: ■ Gruppe 1: Frakturen des mittleren Drittels (80 %) (Abb. B-2.47). ■ Gruppe 2: Frakturen des distalen Drittels (10 – 15 %). ■ Gruppe 3: Frakturen des proximalen Drittels (5 – 6 %).
Pathogenese: Neben der geburtstraumatisch bedingten Fraktur (1 – 2 % der Neugeborenen) ist die Klavikulafraktur eine der häufigsten Frakturen im Kindesund Erwachsenenalter. Bei Kindern finden sich 50 % aller Klavikulafrakturen vor dem 7. Lebensjahr. Der Verletzungsmechanismus umfasst meistens den Sturz auf die ausgestreckte Hand. Bei Erwachsenen ist der häufigste Verletzungsmechanismus der Sturz auf die Schulter. Diese indirekten Traumen führen meist zur Fraktur des mittleren Drittels der Klavikula, während direkte Traumen häufig das laterale Drittel betreffen.
Pathogenese: Bei 1 – 2 % der Neugeborenen. Sie ist eine der häufigsten Frakturen. Der Verletzungsmechanismus beim Kind ist meist der Sturz auf die ausgestreckte Hand und betrifft das laterale Drittel. Beim Erwachsenen führt meist der Sturz auf die Schulter zur Fraktur des mittleren Drittels.
Klinik und Diagnostik: Bei Neugeborenen sind die Frakturen häufig nur schwer zu diagnostizieren. Sie können klinisch als Pseudoparalyse imponieren. Bei Kindern und Erwachsenen kann die Fraktur bereits durch die charakteristische Fehlstellung mit Verkürzung diagnostiziert werden. Die klinische Diagnostik wird dann durch den röntgenologischen Befund (Abb. B-2.47) unterstrichen. An Begleitverletzungen können vorliegen: ■ Gefäßverletzungen. ■ Plexus-brachialis-Verletzungen. ■ Verletzungen von Lunge und Pleura. ■ Begleitende knöcherne Verletzungen wie Rippenfrakturen, insbesondere 1. Rippe.
Klinik und Diagnostik: Bei Neugeborenen kann die Fraktur als Pseudoparalyse imponieren. Bei Kindern und Erwachsenen zeigt sich eine charakteristische Fehlstellung. Röntgenbild zur Bestätigung (Abb. B-2.47).
Therapie: Etwa 200 verschiedene konservative Behandlungsmethoden sind beschrieben. Eine exakte Immobilisierung der Fraktur ist mit allen konservativen Methoden jedoch nicht möglich. Eine geringe Deformität und Verkür-
B-2.47
Klavikulafraktur
An Begleitverletzungen muss gedacht werden (Gefäßverletzungen, Plexus-brachialisVerletzungen, Verletzung von Lunge, Pleura und Rippen).
Therapie: Die Reposition – falls möglich – erfolgt in Bruchspaltanästhesie, die Retention mit Rucksackverband.
B-2.47
Klavikulafraktur der Gruppe 1 mit Dislokation des proximalen Fragments nach oben und dorsal, während das distale Fragment vom M. pectoralis nach vorn gezogen wird.
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B 2 Traumatologie
Die Indikation zur Osteosynthese stellen begleitende Gefäß-Nerven-Verletzungen, offene Frakturen, gelenknahe Frakturen mit Bandrupturen sowie Pseudarthrosen dar.
zung führt zu keiner Funktionsminderung. Die Reposition – falls möglich – erfolgt in Bruchspaltanästhesie, die Retention mit Rucksackverband. Die Indikation zur Osteosynthese stellen begleitende Gefäß-Nerven-Verletzungen, offene Frakturen, gelenknahe Frakturen mit Bandrupturen, d. h. Frakturen der Gruppe 2 mit Zerreißung der Ligg. conoideum und trapezoideum sowie Pseudarthrosen dar. Die operative Stabilisierung erfolgt mit Platte oder intramedullärer Schienung in Schaftmitte, mit Zuggurtung bei den lateralen und medialen Frakturen.
Komplikationen: Neurovaskuläre Einengungen (Kallusbildung) oder Kompression der A. subclavia können als Komplikationen auftreten.
Komplikationen: Neurovaskuläre Einengungen können durch massive Kallusbildung entstehen. Die A. subclavia kann zwischen Klavikula und 1. Rippe komprimiert werden. Pseudarthrosen können durch operative Maßnahmen wie instabile Plattenosteosynthesen entstehen.
Akromioklavikulargelenkluxation
Akromioklavikulargelenkluxation
Anatomie: Das Gelenk ist umgeben von einer dünnen Gelenkkapsel und wird durch kräftige Ligg. acromioclavicularia oben, unten, ventral und dorsal gehalten. Als primärer Stabilisator fungiert das Lig. coracoclaviculare. Es übernimmt etwa 80 % der Kraft des Schultergelenkes, das Lig. acromioclaviculare nur ca. 20 %.
Anatomie: Das Akromioklavikulargelenk (AC-Gelenk) ist ein Diarthrodialgelenk. Die Gelenkflächengrößen betragen 9 ×19 mm. Das Gelenk ist umgeben von einer dünnen Gelenkkapsel und wird durch kräftige Ligg. acromioclavicularia oben und unten sowie ventral und dorsal gehalten. Die Fasern des Lig. acromioclaviculare superius strahlen in die Fasern des M. deltoideus und des M. trapezius ein. Als primärer Stabilisator fungiert das Lig. coracoclaviculare mit den Anteilen Lig. trapezoideum und Lig. conoideum. Das Lig. coracoclaviculare übernimmt etwa 80 % der Kraft im Schultergelenk, das Lig. acromioclaviculare nur ca. 20 %.
Pathogenese: Der Sturz auf die Schulter bei abduziertem Arm kann zu Gelenkverletzungen führen.
Pathogenese: Durch Sturz auf die Schulter bei abduziertem Arm kommt es aufgrund der starken Hebelwirkung am Schultergürtel zu Gelenkverletzungen.
Klassifikation: Nach Rockwood (Abb. B-2.48) werden 6, nach Tossy 3 Formen unterschieden: ■ Tossy I: Überdehnung der Ligg. acromioclaviculare und coracoclaviculare. ■ Tossy II: Ruptur des Lig. acromioclaviculare, Überdehnung des Lig. coracoclaviculare, Subluxation im AC-Gelenk. ■ Tossy III: Ruptur der Ligg. acromioclaviculare und coracoclaviculare, Luxation im AC-Gelenk.
Klassifikation: Nach Rockwood werden 6 Typen unterschieden (Abb. B-2.48). Daneben ist die Einteilung nach Tossy gebräuchlich, die 3 Formen unterscheidet: ■ Tossy I: Überdehnung oder Zerrung der Ligg. acromioclaviculare und coracoclaviculare. ■ Tossy II: Ruptur des Lig. acromioclaviculare und Überdehnung des Lig. coracoclaviculare mit daraus resultierender Subluxation im Akromioklavikulargelenk. ■ Tossy III: Ruptur der Ligg. acromioclaviculare und coracoclaviculare mit daraus resultierender Luxation im Akromioklavikulargelenk.
Diagnostik: Bei Tossy-III-Verletzungen lässt sich das „Klaviertastenphänomen“ feststellen (Abb. B-2.44). Die Röntgenbelastungsaufnahme zeigt ein Höhertreten des peripheren Klavikulaendes (Abb. B-2.49).
Diagnostik: Bei einer kompletten Zerreißung aller Bänder (Tossy III) kann man bei der Palpation das typische „Klaviertastenphänomen“ feststellen (Abb. B-2.44). Die Röntgenaufnahme des Schultergelenkes in beiden Ebenen zeigt einen erweiterten Gelenkspalt sowie die Verschiebung der Klavikula nach dorsal. Die Belastungsaufnahmen mit 10 – 15 kg Gewicht zeigen ein Höhertreten des peripheren Klavikulaendes (Abb. B-2.49).
Therapie: Die Therapie erfolgt konservativ durch Tape-Verbände, bei Verletzungen vom Typ III nach Tossy oder Typ 3, 5 und 6 nach Rockwood funktionell operativ durch Bandnähte. Postoperativ wird ein Gilchrist-Verband für eine Woche angelegt, danach funktionelle Mobilisation.
Therapie: Verletzungen vom Schweregrad III nach Tossy oder vom Typ 3 und 5 nach Rockwood stellen eine Operationsindikation dar. Um neurologische oder vaskuläre Schäden zu verhüten ist die Typ-6-Fraktur nach Rockwood eine dringliche Operationsindikation. Bei der operativen Behandlung erfolgen die Refixation der Muskulatur sowie Bandnähte, die durch eine resorbierbare korakoklavikuläre Cerclage gesichert werden. Postoperativ wird ein GilchristVerband für 1 Woche angelegt, danach erfolgt krankengymnastische funktionelle Mobilisation. Ansonsten kann eine konservative Behandlung mittels Desault-/Gilchrist- oder Tape-Verbänden durchgeführt werden.
Komplikationen: Persistierende Schmerzen, Sekundärdislokationen, Verkalkungen, ACGelenkarthrose.
Komplikationen: Persistierende Schmerzen, Verkalkungen, Arthrose des ACGelenkes oder Instabilitäten im Schultereckgelenk können auftreten.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.48
Verletzungsschwere der Bandstrukturen des Schultergelenks nach Rockwood
B-2.49
Verletzung des Akromioklavikulargelenks
a
783
b
Röntgenaufnahme unter Belastung mit 10 – 15 kg am hängenden Arm. Beurteilung des Schweregrades: Tossy I: keine Instabilität, Tossy II: Subluxation (a) Tossy III: Luxation um Schaftbreite (b).
Skapulafraktur
Skapulafraktur
Lokalisation und Häufigkeit: Am häufigsten betroffen sind der Skapulakörper mit 70 % und der Skapulahals mit 20 % (Abb. B-2.50). 10 % der Frakturen sind intraartikulär (Abb. B-2.51). Frakturen der Skapula machen etwa 3 – 5 % aller Verletzungen des Schultergürtels und 0,4 – 1 % aller Frakturen aus.
Lokalisation und Häufigkeit: Am häufigsten sind Skapulakörper und -hals betroffen (Abb. B-2.50).
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B 2 Traumatologie
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B-2.51
B-2.50
Skapulakörperfraktur
Intraartikuläre Skapulafrakturen
a Glenoidfraktur Typ Ideberg 2. Die Dislokation wird durch das Caput longum des M. triceps hervorgerufen.
c Glenoidfraktur Typ Ideberg 5.
b Stabilisierung mit Rekonstruktionsplatte und Zugschrauben.
d Rekonstruktion der Skapula, insbesondere des Glenoids mit 3 Platten.
Verletzungsmechanismus: Skapulafrakturen entstehen meist durch ein starkes direktes Trauma. Bei 35 – 98 % aller Skapulafrakturen finden sich Begleitverletzungen.
Verletzungsmechanismus: Skapulafrakturen entstehen meist durch ein starkes direktes Trauma. Begleitverletzungen finden sich bei 35 – 98 % aller Skapulafrakturen. Diese umfassen Rippenfrakturen, Lungenkontusion, Pneumothorax, Plexus-brachialis-Verletzungen und Arterienverletzungen.
Klassifikation: Unterschieden werden Skapulakörper-, Skapulahals-, Glenoid-, Akromion- und Proc.-coracoideus-Frakturen.
Klassifikation: Unterschieden werden Skapulakörper-, Skapulahals-, Glenoid-, Akromion- und Proc.-coracoideus-Frakturen.
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
B 2.2 Spezielle Traumatologie
785
Die Glenoidfrakturen werden in 5 Typen eingeteilt (Ideberg): Typ I: Vorderer Pfannenrandabbruch. ■ Typ II: Quer oder schräg verlaufende Frakturen (Dislokation durch das Caput longum des M. triceps). ■ Typ III: Glenoid- und Skapulahalsfrakturen im oberen Drittel, häufig kombiniert mit Frakturen des Akromions und der Klavikula. ■ Typ IV: Horizontalfrakturen durch Glenoid, Hals und Körper. ■ Typ V: Kombination von Typ II und IV.
Die Glenoidfrakturen werden in 5 Typen eingeteilt (Ideberg).
Klinik: Der Patient hält den Arm gewöhnlich adduziert und vermeidet die Abduktion. Diese Stellung wird hervorgerufen durch Einblutungen in die Mm. supra-/infraspinatus und den M. subscapularis. Der Patient hat Schmerzen bei Bewegungen im Schultergelenk und einen lokalen Druckschmerz.
Klinik: Der Patient hat Schmerzen bei Bewegung im Schultergelenk und einen lokalen Druckschmerz.
Diagnostik: Zur Diagnostik sind Röntgenaufnahmen mit anteriorem/posteriorem und tangentialem Zentralstrahl notwendig, evtl. auch Schrägaufnahmen. Zur Dokumentation einer Gelenkbeteiligung ist zumeist eine CT erforderlich.
Diagnostik: Röntgenaufnahmen des Schultergelenkes in 2 Ebenen, evtl. auch Schrägaufnahmen und CT (Abb. B-2.51).
Therapie: ■ Skapulakörperfrakturen: Es genügt eine kurzfristige Immobilisation bis zur Schmerzreduktion. Nach 1 Woche kann die funktionelle Behandlung begonnen werden. ■ Skapulahalsfrakturen: Bei den wenig verschobenen Skapulahalsfrakturen genügt ebenfalls eine konservative Behandlung mit Ruhigstellung bis zur Schmerzfreiheit und anschließender Mobilisation. Stark dislozierte Frakturen werden operativ stabilisiert. ■ Intraartikuläre Skapulafrakturen: Wie bei allen Gelenkfrakturen ist hier die anatomische Reposition notwendig. Anschließend erfolgt eine übungsstabile Osteosynthese, meist mittels Platte und Schrauben (Abb. B-2.51). ■ Frakturen des Proc. coracoideus: Diese werden normalerweise konservativ behandelt, nur bei starker Dislokation kann aufgrund des Muskelzuges (kurze Sehne M. biceps, M. coracobrachialis, Ansatz der Ligg. coracoacromiale, coracoclaviculare) eine operative Fixation notwendig sein. ■ Akromionfrakturen: Bei wenig verschobenen Frakturen wird die funktionelle Behandlung nach Eintritt der Schmerzfreiheit begonnen. Stark dislozierte Frakturen des Akromions können u.U. eine Operation erfordern.
Therapie: Bei Skapulakörperfrakturen erfolgt nach kurzfristiger Immobilisation die funktionelle Behandlung. Operativ behandelt werden intraartikuläre Frakturen und stark verschobene Skapulahalsfrakturen (Abb. B-2.51). Nicht dislozierte Brüche können konservativ versorgt werden. Das Gleiche gilt für Frakturen des Proc. coracoideus und des Akromions.
Schultergelenkluxation
Schultergelenkluxation
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왘 Definition. Hinsichtlich des zeitlichen Auftretens unterscheiden wir die Erstluxation, die innerhalb der ersten Stunden nach der Verletzung diagnostiziert wird, von der chronischen Luxation, die über längere Wochen bestanden hat. Hinsichtlich des Grades der Instabilität versteht man unter einer Luxation die vollständige Trennung des Oberarmkopfes vom Glenoid, während eine Subluxation definiert wird als eine verstärkte Translation des Humeruskopfes auf dem Glenoid während der Schulterbewegung.
Anatomie: Durch eine spezielle Anatomie (großer Oberarmkopf und relativ kleine, flache Schulterpfanne, Größenverhältnis 1:5) ist das beweglichste Körpergelenk für Luxationen besonders anfällig. Die Stabilität des Schultergelenkes hängt von folgenden 5 Faktoren ab: ■ Glenohumerale Bänder: Sie stellen eine Verdickung der vorderen und unteren Kapsel dar. Unterschieden werden das Lig. glenohumerale inferius, das Lig. glenohumerale medius und das Lig. glenohumerale superius (Abb. B-2.52). Das vordere Labrum entspricht dem medialen Ansatz des Lig. glenohumerale inferius. Das hintere Labrum stellt eine Fortsetzung des Ansatzpunktes des langen Bizepskopfes dar und hat im Gegensatz zum vorderen Labrum keine Bedeutung hinsichtlich der Stabilität. ■ Negativer intraartikulärer Druck: Der Unterdruck im Bereich der Gelenkkapsel führt zu einem Anpressen des Humeruskopfes in die Pfanne; dabei wirkt das
왗 Definition
Anatomie: Die Stabilität des Schultergelenks hängt von folgenden 5 Faktoren ab:
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Glenohumerale Bänder: Sie stellen eine Verdickung der vorderen und unteren Kapsel dar. Unterschieden werden das Lig. glenohumerale inferius, das Lig. glenohumerale medius und das Lig. glenohumerale superius (Abb. B-2.52).
Negativer intraartikulärer Druck: Der Unterdruck im Bereich der Gelenkkapsel
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786
B 2 Traumatologie
B-2.52
B-2.52
Ligamentäre Verbindungen des Schultergürtels
B-2.53
B-2.53
Rotatorenmanschette (nach Rockwood)
führt zu einem Anpressen des Humeruskopfes in die Pfanne; dabei wirkt das Labrum wie eine Saugglocke.
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Rotatorenmanschette: Sie wirkt gemeinsam mit der Bizepssehne als aktiver Stabilisator gegen Subluxation oder Dislokation des Oberarmkopfes nach kranial (Abb. B-2.53).
Neigung des Oberarmkopfes und des Glenoids: Verhindert die Instabilität nach vorn. Labrum glenoidale s. Tab. B-2.7.
Häufigkeit: Mit 50 % insgesamt häufigste Luxation. Hierbei ist die Luxation nach vorn (Luxatio subcoracoidea) die häufigste Form (80 – 90 %).
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Labrum wie eine Saugglocke. Die Größe dieses negativen Druckes liegt beim adduzierten, relaxierten Schultergelenk etwa bei – 42 cm H2O (wahrscheinlich aufgrund des hohen osmotischen Druckes im Interstitium, der zum intraartikulären Wasserverlust führt). Rotatorenmanschette: Die Rotatorenmanschette wird von den Mm. supraspinatus, infraspinatus, teres minor und subscapularis gebildet und fungiert als aktiver Stabilisator gegen Subluxation oder Dislokation des Oberarmkopfes nach kranial (Abb. B-2.53). Darin wird die Rotatorenmanschette durch den M. biceps unterstützt. Als Depressoren des Kopfes wirken bei Seitstellung des Armes der M. supraspinatus und der lange Kopf des Bizeps. Ansonsten würde der Oberarmkopf durch die Kraft des M. deltoideus nach kranial bewegt werden. Beim Anheben des Armes wirken der untere Teil des M. subscapularis und des M. infraspinatus sowie der M. teres minor und der M. teres major als Depressoren. Die dorsalen Anteile der Rotatorenmanschette sowie die Bizepssehne reduzieren die Spannung des Lig. glenohumerale inferius. Neigung des Oberarmkopfes und des Glenoids: Durch Retroversion des Oberarmkopfes von 25 – 50 ° und Retroversion des Glenoids von 4 – 12 ° verhindert der knöcherne Aufbau eine Instabilität des Schultergelenkes nach vorn. Labrum glenoidale: Es trägt zur Stabilität des Schultergelenkes bei (Tab. B-2.7).
Häufigkeit: Mit 50 % tritt die Schultergelenkluxation am häufigsten von allen Luxationen des Körpers auf. Hierbei ist die Luxation nach vorn (Luxatio subcoracoidea) die häufigste Form (80 – 90 %), während die axillare Luxation mit 15 % und die hintere Luxation mit 5 % selten sind.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.6
Klassifikation der Schultergelenkinstabilität
zeitliches Auftreten/ Häufigkeit
chronische akute Luxation Luxation ■ Erstluxation ■ rezidivierende Luxation
Schweregrad
Verrenkung
Subluxation
Richtung
vordere Instabilität
hintere Instabilität
Ätiologie
traumatisch
atraumatisch
Willen
unwillentlich
inferiore Instabilität
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787 B-2.6
bidirektionale Instabilität
multidirektionale Instabilität ■ anteriorinferior ■ posteriorinferior
Überlastung wiederholte Bagatelltraumen
willentlich positionell bei bestimmten Armstellungen ■ muskulär bei selektiven Muskelaktivierungen ■ bei psychologischen Veränderungen ■
B-2.7
Labrum glenoidale
B-2.7
Das Labrumglenoidale trägt über 3 Mechanismen zur Stabilität des Schultergelenkes bei. ■
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Es dient als fibrokartilaginärer Ring und Verankerungspunkt für die kapsuloligamentären Strukturen. Es vertieft die Konkavität in superior-inferiore Richtung um 9 mm und in der anterior-posterioren Richtung um 6 mm. Es gewährt die Gelenkstabilität durch Vergrößerung der Kontaktoberfläche für den Humeruskopf; dadurch wird der glenohumerale Index vergrößert.
Klassifikation: Die Schultergelenkinstabilität umfasst ein Spektrum verschiedener Erkrankungen und Verletzungen mit unterschiedlicher Frequenz, unterschiedlichem Schweregrad, unterschiedlicher Richtung und Ätiologie. Die Schultergelenkinstabilität kann nach folgenden Kriterien klassifiziert werden (s.a. Tab. B-2.6): ■ Zeitliches Auftreten und Häufigkeit. ■ Schweregrad. ■ Instabilitätsrichtung. ■ Ätiologie. ■ „Willen“. Akute traumatische vordere Schulterluxation
Klassifikation: Die Schultergelenkinstabilität umfasst ein Spektrum verschiedener Erkrankungen und Verletzungen. Einteilung nachfolgenden Kriterien (s.a. Tab. B-2.6): ■ Zeitliches Auftreten und Häufigkeit, ■ Schweregrad, ■ Instabilitätsrichtung, ■ Ätiologie und ■ „Willen“.
Akute traumatische vordere Schulterluxation
Diese Verletzung stellt die häufigste Form der Schulterinstabilität dar (80 – 90 %).
Dies ist die häufigste Form der Schulterinstabilität (80 – 90 %).
Pathogenese: Der Verletzungsmechanismus umfasst eine forcierte Abduktion und Außenrotation, wie sie typischerweise beim Handballspielen auftreten kann (Sturz auf den ausgestreckten Arm).
Pathogenese: Sturz auf den ausgestreckten Arm (forcierte Abduktion und Außenrotation).
Klinik: Der Patient hat heftigste Schmerzen (Spontan- und Bewegungsschmerz) und hält den Arm in leicht abduzierter Form gestützt an der Seite. Die normale Schulterkontur fehlt (abgeflachte Kontur der M. deltoideus, hervorstehendes Akromion). Die Beweglichkeit ist blockiert.
Klinik: Heftigste Schmerzen, fehlende Schulterkontur, blockierte Beweglichkeit, leichte Abduktionshaltung.
Diagnostik: Die Gelenkpfanne ist leer, der Oberarmkopf ist außerhalb der Pfanne tastbar.
Diagnostik: Leere Gelenkpfanne, der Oberarmkopf ist außerhalb der Pfanne tastbar.
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B 2 Traumatologie
788 B-2.54
B-2.55
B-2.54
Sensibilitätsausfall bei einer Schädigung des N. axillaris
Schultergelenkluxation
a Vordere Schulterluxation a.-p. und tangential.
왘 Merke
b Zustand nach Reposition des Kopfes in der gleichen Projektionsebene mit deutlich erkennbarer Hill-Sachs-Läsion (?).
왘 Merke. Eine Prüfung des N. axillaris (Abb. B-2.54) und der A. axillaris ist
obligat. Die Röntgenuntersuchung umfasst immer mindestens 2 Ebenen (Abb. B-2.55) und gibt Hinweise auf: ■ Richtung der Luxation, ■ Impressionsfraktur (Hill-Sachs-Läsion), ■ Abriss des Labrums (Bankart-Läsion, Abb. B-2.56).
Die Röntgenuntersuchung muss immer Aufnahmen in 2 Ebenen einschließen (Abb. B-2.55), dadurch kann das Übersehen einer Luxation verhindert werden. Folgende 3 wichtigen Befunde können erhoben werden: ■ Richtung der Luxation: Subkorakoidal (häufigster Typ), subglenoidal, subklavikulär, intrathorakal, dorsal (selten), inferior und superior. ■ Impressionsfraktur: Bei der vorderen Luxation liegt sie in 80 % der Fälle posterolateral (Hill-Sachs-Läsion). Die Impression des Humeruskopfes entsteht durch den vorderen Pfannenrand. ■ Abriss des Labrums im Sinne einer Bankart-Läsion bzw. nach dem Erstbeschreiber Perthes-Läsion (Abb. B-2.56).
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.56
Bankart-Läsion
789 B-2.56
Abriss des Labrum glenoidale (? ?) mit zusätzlicher Fraktur des Tuberculum majus (?).
B-2.57
Reposition der Schulterluxation
왘 Merke. Bankart-Läsion: Läsion des ventralen Pfannenrandes mit Abriss des Labrum glenoidale. Hill-Sachs-Läsion (Abb. B-2.55 b): Dorso-laterale Impression am Humeruskopf durch den Glenoidrand während der Luxation.
Therapie: Die sofortige Reposition sollte unter Sedierung und Analgesie, evtl. auch unter Narkose durchgeführt werden. Die Einrichtung einer Schulterluxation erfolgt am häufigsten nach der Methode von Hippokrates. Dabei wird der unbeschuhte Fuß als Gegenzug zum Zug am Unterarm von kaudal in die Axilla gebracht. Nach anfänglicher Außenrotation und Abduktion wird der Arm dann in Innenrotation und Adduktion gebracht (Abb. B-2.57 a). Das Repositionsverfahren nach Arlt wird am sitzenden Patienten durchgeführt, wobei eine speziell verstellbare Sessellehne als Hypomochlion dient (Abb. B-2.57 b).
왗 Merke
Therapie: Die sofortige Reposition sollte unter Sedierung und Analgesie, evtl. auch unter Narkose durchgeführt werden. Die Einrichtung erfolgt nach Hippokrates oder Arlt (Abb. B-2.57). Wegen der hohen Rezidivgefahr beim jugendlichen Sportler wird hier häufig die Arthroskopie mit einer Refixation des Labrums empfohlen.
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790
B 2 Traumatologie
Besonders schonend ist die Reposition nach Milch.
Besonders schonend ist die Reposition nach Milch. Der Arm wird im Ellenbogen 90 ° flektiert, sehr langsam unter leichtem, manuell ausgeübtem, Zug vor dem Körper in Elevation gebracht und auf einem vorbereiteten Polster oder Kissen für ca. 5 – 10 Minuten über dem Kopf abgelegt. Falls die Reposition nicht bereits spontan eingetreten ist, kann der Humeruskopf unter leichter Außenrotation durch sanften, direkten Daumendruck von kaudal und medial oder durch eine Verschiebung am proximalen Humerus mittels der Handfläche reponiert werden. Bei der Erstluxation wird, aufgrund einer Reluxationsrate von bis zu 80 %, bei jungen Menschen die Arthroskopie des Schultergelenkes empfohlen. Dabei kann ein abgerissenes Labrum arthroskopisch refixiert werden.
Nachbehandlung: Nach kurzzeitiger Ruhigstellung erfolgt die frühzeitige Mobilisation.
Nachbehandlung: Nach kurzzeitiger Ruhigstellung (1 – 2 Wochen) im Desaultoder Gilchrist-Verband erfolgt die frühzeitige Mobilisation unter Vermeidung der Außenrotation.
Komplikationen: Axillarislähmung, Rotatorenmanschettenruptur und Reluxation.
Komplikationen: Axillarislähmung, Reluxation und Rotatorenmanschettenruptur (insbesondere beim älteren Menschen) sind die wichtigsten Komplikationen.
Impingementsyndrom
Impingementsyndrom
왘 Definition
Pathogenese: Wichtigste Ursachen des Impingementsyndroms sind: ■ Anbauten am Akromionvorderrand. ■ Form des Akromions, insbesondere Typ 3. ■ steilere Neigungswinkel des Akromions. ■ Veränderungen im AC-Gelenk. ■ Pseudarthrose, fehlverheiltes Tuberculum majus, Bizepssehnenruptur, Kontraktur der dorsalen Kapsel, Bursitis (bei rheumatischer Arthritis), iatrogen durch eingebrachte Nähte, Drähte und Platten, die den Raum einengen.
Stadieneinteilung: ■ Stadium I: Ödem und Blutung im Bereich der Muskulatur nach Überkopfbelastung (z. B. Tennisspiel, Anstreichen). ■ Stadium II: Morphologisch ist dieses Stadium durch eine Fibrose charakterisiert. Die verdickte Bursa verkleinert den subakromialen Raum und macht die Schulter anfälliger gegenüber Impingementschmerzen. ■ Stadium III (Rotatorenmanschettenruptur): Die Patienten können den Arm häufig nicht heben (Pseudoparalyse). Beim Befall der Suprapinatussehne kann eine durch den Untersucher fixierte Außenrotation nicht gehalten werden. Der Arm geht sofort in Innenrotation zurück.
왘 Definition. Bei einem Impingementsyndrom handelt es sich um eine Einengung des Raumes oberhalb des M. supraspinatus. Dieser Raum wird durch den Vorderrand des Akromions, das Lig. coracoacromiale und das Akromioklavikulargelenk begrenzt (Abb. B-2.58).
Pathogenese: Die Ursachen dieser Einengung sind ■ Anbauten am Vorderrand des Akromions aufgrund der Zugwirkung des Lig. coracoacromiale. ■ Form des Akromions: Typ 1: Flache Form. Bei einer Rotatorenmanschettenruptur haben 3 % ein Typ-1-Akromion. Typ 2: Leicht gebogene Form, 24 % bei Rotatorenmanschettenruptur. Typ 3: Hakenförmige Form. Bei einer Rotatorenmanschettenruptur weisen 74 % der Patienten diesen Typ auf. ■ Neigungswinkel des Akromions. Je flacher der Neigungswinkel, desto geringer ist die Inzidenz einer Rotatorenmanschettenruptur. ■ Veränderungen im Bereich des Akromioklavikulargelenkes (Osteophyten). ■ Weitere Ursachen können sein: Pseudarthrose oder fehlverheiltes Tuberculum majus, Bizepssehnenruptur, Kontraktur der dorsalen Kapsel (führt bei Flexion zu einem Anstoßen des Humeruskopfes gegen das Akromion), Bursitis (bei rheumatischer Arthritis), iatrogen durch eingebrachte Nähte, Drähte und Platten, die den Raum einengen. Stadieneinteilung: Das Impingementsyndrom wird in 3 Stadien eingeteilt. Stadium I: Histologisch finden sich im Bereich der Muskulatur ein Ödem und eine Blutung. Dies ist insbesondere bei jüngeren Sportlern durch Überkopfbelastung (z. B. Tennisspiel) oder bei ständigem Überkopfgebrauch des Armes (z. B. beim Anstreichen) der Fall. Eine ähnliche Symptomatik weist die akute traumatische subakrominale Bursitis auf, die bei Kontaktsportarten oder nach einem Sturz auf die Schulter auftritt. ■ Stadium II: Histologisch imponiert eine Fibrose der Muskulatur. Die Patienten sind im Durchschnitt zwischen 30 und 40 Jahre alt. Durch häufige Überkopfbewegungen wird die subakromiale Bursa fibrotisch und verdickt. Die verdickte Bursa verkleinert den subakromialen Raum und macht die Schulter anfälliger gegenüber Impingementschmerzen. ■ Stadium III (Rotatorenmanschettenruptur): Die Patienten sind häufig älter als 50, selten jünger als 40 Jahre. Eine Verletzungsanamnese ist nicht zwingend. Es finden sich Schmerzen im Sinne einer intermittierenden Bursitis. Auffällig
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.58
791
Impingementsyndrom
Aus der Neutral-0-Stellung (a) werden bei Abduktion zwischen ca. 60 bis 120 ° die Bursa subacromialis und die Supraspinatussehne zwischen Humeruskopf und Akromion eingeklemmt (sog. schmerzhafter Bogen) (b).
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sind die Schwäche des Armes (Pseudoparalyse) und Geräusche. Die Patienten können häufig keine Tasse anheben. Die Symptomatik steht in Abhängigkeit zur Größe des Defektes. Bei Befall der Supraspinatussehne tritt ein positives Drop-Arm-Zeichen auf (s. S. 779). Der Patient kann eine durch den Untersucher fixierte Außenrotation nicht halten und geht sofort in eine Innenrotation zurück. Differenzialdiagnostisch kommt noch eine Paralyse der Nervenwurzel C5/6 in Betracht.
Klinik: Auffällig ist die Funktionseinschränkung aufgrund von Schmerzen und muskulärer Schwäche. Schmerzen treten insbesondere nachts beim Schlafen auf der betroffenen Seite auf. Typisch ist der schmerzhafte Bogen zwischen ca. 60 ° und 120 ° bei aktiver Abduktion (maximale Spannung der Rotatorenmanschette), Krepitationen bei der Bewegung und eine Schwäche bei Abduktion und Außenrotation (Abb. B-2.58 b). Der Impingement-Test ist positiv, d. h. die schmerzhafte Elevation und Innenrotation ist nach subakromialer Injektion eines Lokalanästhetikums nicht mehr schmerzhaft.
Klinik: Schmerzhafte Funktionseinschränkung und Schwäche des Armes mit schmerzhaft eingeschränkter Beweglichkeit zwischen ca. 60 ° und 120 ° sind typisch (Abb. B-2.58).
Diagnostik: Im Röntgenbild finden sich eine Verminderung der akromiohumeralen Distanz, Humeruskopfhochstand und eine Prominenz oder Exostose des Tuberculum majus sowie häufig eine vordere akromiale Ausziehung. Die Unterfläche des Akromions erscheint sklerosiert, das Tuberculum majus dekalzifiziert. Die Diagnose kann durch die Sonographie und in Ausnahmefällen durch die MRT erhärtet werden (Abb. B-2.59).
Diagnostik: Im Röntgenbild finden sich eine Verminderung der akromiohumeralen Distanz, Humeruskopfhochstand und eine Prominenz oder Exostose des Tuberculum majus. Sonographie und MRT erhärten die Diagnose (Abb. B-2.59).
Therapie: Primär physikalische und funktionelle Therapie (antiphlogistisch, analgetisch, aktive und assistierte Mobilisation des Schultergelenkes). Persistieren nach 6 – 8 Wochen die Beschwerden und ist die Abduktion weiterhin nicht über 90 ° möglich, sollte eine Ruptur mittels Naht versorgt werden.
Therapie: Primär physikalische und funktionelle Therapie. Bei Persistenz der Beschwerden über 6 – 8 Wochen hinaus operatives Vorgehen.
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B 2 Traumatologie
792 B-2.59
Röntgen- und Kernspinbefund bei Rotatorenmanschettenruptur
b (I)
a a Nativaufnahme der Schulter bei Rotatorenmanschettenruptur mit Hochstand des Humeruskopfes (?) und Pseudozysten.
b (II)
b Supraspinatussehnenruptur. Das Kontrastmittel gelangt aus dem Gelenk über den Riss in die Bursa subacromialis.
Tendinitis und Ruptur der Bizepssehne
Tendinitis und Ruptur der Bizepssehne
Pathogenese: Die Rupturen der langen Bizepssehne betreffen bis auf wenige Ausnahmen vorgeschädigte Sehnen. Meist geht eine Bizepssehnentendinitis voraus. Schwimmen, Tennis, Golf und Wurfsportarten sind prädestinierende Aktivitäten. In 4 80 % ist ein Impingementsyndrom begleitend.
Pathogenese: Die Rupturen der langen Bizepssehne treffen bis auf wenige Ausnahmen vorgeschädigte Sehnen. In über 80 % der Fälle sind sie von einem Impingementsyndrom mit Läsion des M. supraspinatus begleitet. Der Bizepssehnenruptur geht häufig eine Bizepssehnentendinitis voraus. Die Bizepssehnentendinitis wiederum ist in über 95 % mit Veränderungen der Rotatorenmanschette verbunden. Bestimmte Sportarten prädestinieren für eine Bizepssehnentendinitis: (Schwimmen, Tennis, Golf und Wurfsportarten). Bei diesen Aktivitäten kommt es durch die Rotation des Oberarmes auf Höhe der Horizontalen zum direkten Kontakt von Tuberkulum, Sulcus bicipitis mit Bizepssehne sowie der Rotatorenmanschette mit dem Vorderrand des Akromions und dem Lig. coracoacromiale. Sportbedingt können bei jüngeren Patienten ansatznahe Rupturen und Läsionen der langen Bizepssehne mit einer Schädigung des Labrums auftreten, sog. SLAP-Läsionen (superior labrum anterior posterior).
Klinik: Typisch für die Tendinitis ist der Nachtschmerz mit Ausstrahlung in den Oberarm. Bei der Ruptur besteht ein Hämatom und Schmerzen bei starker Beugung (geringer Funktionsverlust). Der M. biceps zeigt eine proximal gelegene Dellenbildung (Abb. B-2.60).
Klinik: Bei der Bizepssehnentendinitis findet sich zumeist ein Nachtschmerz mit Ausstrahlung der Schmerzen in den distalen Oberarm. Bei der Ruptur liegen bei minimalem Funktionsverlust ein Hämatom und Schmerzen bei starker Beugung vor, insbesondere, wenn diese gegen Widerstand geführt wird. Bei der Inspektion zeigt die Kontur des M. biceps auf der verletzten Seite proximal eine Dellenbildung und distal eine verstärkte Vorwölbung (Abb. B-2.60).
Diagnostik: Die folgenden diagnostischen Tests weisen auf eine Bizepssehnentendinitis hin: ■ Speeds-Test ■ Yergason-Test ■ Ludington-Test.
Diagnostik: Die folgenden diagnostischen Tests weisen auf eine Bizepssehnentendinitis hin: ■ Speeds-Test: Bei Abduktion des gestreckten und supinierten Armes gegen Widerstand wird ein Schmerz im Sulcus bicipitis angegeben. ■ Yergason-Zeichen: Das Ellbogengelenk ist gebeugt, der Patient supiniert gegen Widerstand. Dabei wird ein Schmerz im Sulcus bicipitis angegeben. ■ Ludington-Test: Der Patient hält seine Hände hinter den Kopf. Beugt der Patient in dieser abduzierten und außenrotierten Stellung den Bizeps isometrisch, treten Schmerzen im Sulcus bicipitis auf.
Sonographie: Nachweis einer Bizepssehnenruptur.
Sonographisch kann die Ruptur der langen Bizepssehne eindeutig dargestellt werden.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.60
Bizepssehnenruptur
793 B-2.60
Ruptur der langen Bizepssehne mit einer Delle im proximalen (?) und einer Vorwölbung im distalen Bizepsanteil (? ?).
Therapie: Der Verlust der langen Bizepssehne führt in Langzeitergebnissen nicht zu einer Störung der Beugung und Supination. Deshalb wird beim älteren Patienten die Behandlung konservativ mittels kurzfristiger Ruhigstellung des Armes durchgeführt. Beim jüngeren Patienten erfolgt die Refixation der langen Bizepssehne am Oberarmschaft oder am kurzen Bizepssehnenkopf. Eine Reinsertion am Ursprung ist wegen der degenerativen Sehnenveränderungen nicht indiziert.
Therapie: Beim älteren Patienten erfolgt die Behandlung konservativ mit kurzfristiger Ruhigstellung des Armes. Beim jüngeren Patienten erfolgt die Refixation der langen Bizepssehne am Oberarmschaft oder am kurzen Bizepssehnenkopf.
Distale Ruptur der Bizepssehne
Distale Ruptur der Bizepssehne
Pathogenese: Der distale Abriss der Bizepssehne an der Tuberositas radii erfolgt häufig durch ruckartige kraftvolle Tätigkeiten. Gelegentlich können jedoch auch degenerative Veränderungen bei Bagatelltraumen zu einer Ruptur der distalen Bizepssehne führen.
Pathogenese: Ruckartige, kraftvolle Tätigkeiten können zu einem Abriss der Bizepssehne an der Tuberositas radii führen.
Klinik: Hervorstechendes Merkmal ist ein erheblicher Schmerz und die Verlagerung des Muskelbauches nach proximal. Die Patienten können den Unterarm nicht gegen Widerstand beugen und nicht supinieren.
Klinik: Typisch ist ein stechender Schmerz. Der Unterarm kann nicht gegen Widerstand gebeugt und nicht supiniert werden.
Diagnose: Sonographisch und im MRT lässt sich der Verdacht einer distalen Bizepssehnenruptur erhärten.
Diagnose: Mittels Sonographie und ggf. MRT.
Therapie: Wegen des Funktionsverlustes ist hier immer die Refixation der Sehne an der Tuberositas radii anzustreben.
Therapie: Wegen des Funktionsverlustes ist die Refixation der Sehne anzustreben.
Humeruskopffraktur
Humeruskopffraktur
왘 Definition. Die proximalen Oberarmfrakturen machen etwa 4 – 5 % aller Frak-
왗 Definition
turen aus und werden vorzugsweise bei älteren Patienten gesehen. Am häufigsten verläuft die Fraktur durch das Collum chirurgicum. Anatomie: Die Besonderheit bei diesen Frakturen liegt in der Blutversorgung des Humeruskopfes, die über die vordere und die hintere A. circumflexa humeri erfolgt. Deren aufsteigender Ast dringt in der Nähe des Sulcus bicipitis in den Knochen ein. Bei einer unfallbedingten oder iatrogenen (durch erweiterte operative Freilegung) Verletzung oder Schädigung des Gefäßes kann es zur avaskulären Nekrose des Oberarmkopfes kommen (Abb. B-2.61).
Anatomie: Die Blutversorgung erfolgt über die vordere und hintere A. circumflexa humeri. Bei einer Verletzung des Gefäßes besteht die Gefahr der avaskulären Kopfnekrose (Abb. B-2.61).
Pathogenese: Der klassische Mechanismus ist der Sturz auf den ausgestreckten Arm. Bei gleichzeitiger Abduktion führt dies bei einem älteren Patienten zur Fraktur, beim jüngeren Menschen eher zu einer Luxation.
Pathogenese: Der klassische Mechanismus ist der Sturz auf den ausgestrecken Arm.
Klassifikation: Von Neer wurde eine Klassifikation eingeführt, welche die 4 Anteile des Oberarmkopfes berücksichtigt: ■ das Kalottenfragment, welches die Gelenkfläche umfasst; die Grenze bildet der anatomische Hals, ■ das Tuberculum-majus-Fragment, ■ das Tuberculum-minus-Fragment, ■ das Schaftfragment.
Klassifikation: Die Einteilung nach Neer berücksichtigt die 4 Anteile des Oberarmkopfes: ■ Kalottenfragment, Tuberculum-majusFragment, Tuberculum-minus-Fragment, Schaftfragment.
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B 2 Traumatologie
B-2.61
B-2.61
Posttraumatische avaskuläre Nekrose des Humeruskopfes
a (I)
a (II)
b
a Deutliche Fragmentierung des nekrotischen Kopfanteils im Röntgenbild und CT. b Operative Versorgung mit einer inversen Prothese.
Ein Fragment gilt als verschoben, wenn die Dislokation 4 1 cm beträgt oder das Fragment um 4 45 ° abgewinkelt ist. Entsprechend der Lokalisation und Anzahl der frakturierten Fragmente kann man nach Neer 6 Typen unterscheiden (Abb. B-2.62, Abb. B-2.63).
Ein Fragment gilt als verschoben, wenn die Dislokation 4 1 cm beträgt oder das Fragment um 45 ° abgewinkelt ist. Entsprechend dem Anteil der frakturierten Fragmente spricht man von Twopart-, Three-part- oder Four-part-Frakturen. Es ergibt sich nach Neer eine Einteilung von Typ 1 – 6 (Abb. B-2.62). Typ 1: Unverschobene Fraktur. Typ 2: Fraktur durch den anatomischen Hals. Typ 3: Two-part-Fraktur, Frakturlinie verläuft durch den chirurgischen Hals. Typ 4: Tuberculum-majus-Fraktur (Two-, Three- oder Four-part-Fraktur) (Abb. B-2.63 a). Typ 5: Tuberculum-minus-Fraktur (Two-, Three- oder Four-part-Fraktur) (Abb. B-2.63 d). Typ 6: Luxationsfrakturen.
Weiterhin gibt es die AO-Klassifikation mit der Einteilung nach A (1 – 3), B und C.
Die AO-Klassifikation unterteilt in A-, B- und C-Frakturen: A-Frakturen: unifokale extraartikuläre Frakturen, Abriss des Tuberculum majus (A1), metaphysär impaktiert (A2), nicht impaktiert (A3). ■ B-Frakturen: extraartikuläre bifokale Frakturen. ■ C-Frakturen: Gelenkfrakturen mit vollständiger Ablösung der Gelenkfläche.
Klinik und Diagnostik: Ausgeprägte Hämatombildung und Weichteilschwellung. Die exakte Diagnose erfolgt radiologisch (2 Ebenen). Zur OP-Vorbereitung evtl CT nötig.
Klinik und Diagnostik: Es liegen ein starkes Hämatom und eine erhebliche Weichteilschwellung vor. Verletzungen des N. axillaris und des Plexus brachialis sind möglich. Seltener treten Gefäßverletzungen auf. Die exakte Diagnose erfolgt radiologisch durch Aufnahmen in 2 Ebenen. Häufig ist zur Operationsplanung ein CT erforderlich.
Therapie: Bei eingestauchter, wenig dislozierter Fraktur genügt die kurzfristige Ruhigstellung mittels Desault-oder GilchristVerband. Ansonsten erfolgt eine operative
Therapie: Die unverschobenen und stabilen Frakturen können konservativ mit kurzfristiger Ruhigstellung mittels Desault- oder Gilchrist-Verband behandelt werden.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.62
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Frakturen des proximalen Humerus – Einteilung nach Neer
Klassifikation der dislozierten Humeruskopffraktur nach Neer. Als Dislokation gilt eine Fragmentabweichung 4 1 cm oder eine Abkippung 4 45 °. Zweifragmentfrakturen können im Tuberkulum im anatomischen oder chirurgischen Hals auch im Tuberculum majus oder minus dislozieren. Bei drei Fragmenten dreht sich der Kopf im chirurgischen Hals. Bei vier Fragmenten sind beide Tuberkel und das Kopffragment disloziert. Luxationsfrakturen mit zwei bis vier Fragmenten treten nach vorne oder hinten aus
Ansonsten erfolgt eine operative Therapie in Form einer Minimalosteosynthese mit Kirschner-Drähten, Schrauben, winkelstabiler Platte oder mit einem proximalen Humerusnagel (Abb. B-2.64, Abb. B-2.65). Bei den Vierfragment-Frakturen und Luxationsfrakturen kann auch die primäre Implantation einer Endoprothese mit gutem Ergebnis durchgeführt werden (Abb. B-2.66). Ein um mehr als 5 mm disloziertes Tuberculum-majus-Fragment wird angeschraubt oder mittels Zuggurtung stabilisiert.
Therapie in Form einer Minimalosteosynthese (Abb. B-2.64, Abb. B-2.65). Bei Vierfragmentund Luxationsfrakturen kann eine Endoprothese implantiert werden (Abb. B-2.66).
Kindliche proximale Oberarmfrakturen
Kindliche proximale Oberarmfrakturen
Anatomie: Die proximale Humerusepiphyse trägt zu 80 % zum Längenwachstum des Humerus bei. Der Epiphysenschluss erfolgt bei Mädchen durchschnittlich zwischen dem 14. und 17., bei Jungen zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr. Die proximale Epiphyse ist asymmetrisch angeordnet, wobei die Spitze der Epiphyse posteromedial liegt und ein sehr stark ausgebildetes Periost aufweist.
Anatomie: Die proximale Humerusepiphyse trägt zu 80 % zum Längenwachstum des Humerus bei. Der Epiphysenschluss erfolgt bei Mädchen durchschnittlich zwischen dem 14. und 17., bei Jungen zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr.
Ein disloziertes Tuberculum-majus-Fragment wird mit Schrauben oder einer Zuggurtung versorgt.
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B 2 Traumatologie
796 B-2.63
Fragmentdislokation
a Tuberculum-majus-Fraktur. Dislokation nach kranial und dorsal durch Zug des M. infraspinatus und M. supraspinatus. b 2-Fragment-Fraktur. Dislokation nach ventromedial durch Zug des M. pectoralis major. c 3-Fragment-Fraktur mit Abriss des Tuberculum majus, Kalottenfragment und Schaftfragment. Rotation der Gelenkfläche nach dorsal durch Zug des M. subscapularis. d 3-Fragment-Fraktur mit Abriss des Tuberculum minus, Kalotten- und Schaftfragment. Rotation der Gelenkfläche nach ventral durch Zug des M. infraspinatus und M. teres minor.
B-2.64
Operative Therapie der Humeruskopffraktur
a
b a Humeruskopffraktur und Versorgung durch Minimalosteosynthese mit Kirschner-Drähten. b Versorgung einer Humeruskopffraktur mittels einer winkelstabilen Platte.
Die meisten Frakturen zeigen eine Verschiebung des Schaftfragmentes nach vorn und lateral aufgrund des schwächeren Periostes in diesem Bereich.
Die meisten Frakturen zeigen eine Verschiebung des Schaftfragmentes nach vorn und nach lateral aufgrund des schwächeren Periostes in diesem Bereich. Das sehr straffe posteromediale Periost bleibt häufig distal mit dem metaphysären knöchernen Fragment verbunden. Gelegentlich kann dieses Periost zusammen mit der Bizepssehne interponieren und so die Reposition erschweren.
Häufigkeit: Die Frakturen machen 5 1 % aller Frakturen bei Kindern aus.
Häufigkeit: Die Frakturen machen 5 1 % aller Frakturen bei Kindern aus und nur 3 – 6 % aller Epiphysenfrakturen.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.65
Proximale Oberarmnagelung bei proximaler Oberarmfraktur
797 B-2.65
a Proximale Oberarmnagelung. b Einschlaginstrument mit den Zielbohrhülsen.
Pathogenese: Bei Neugeborenen entstehen die Frakturen häufig während der Geburt durch Hyperextension oder erhebliche Rotation. Beim älteren Kind ist der Sturz auf die ausgestreckte Hand die häufigste Ursache.
Pathogenese: Beim älteren Kind ist der Sturz auf die ausgestreckte Hand die häufigste Ursache.
Klinik: Neugeborene weisen häufig eine Pseudoparalyse des Armes auf. Beim älteren Kind imponieren der Schmerz und die Bewegungseinschränkung mit Verkürzung des Armes und Prominenz des Schaftfragmentes nach vorn.
Klinik: Pseudoparalyse beim Neugeborenen, Schmerzen, Bewegungseinschränkung mit Verkürzung des Armes und Prominenz des Schaftfragmentes nach vorn beim älteren Kind sind kennzeichnend.
Diagnostik: Beim Neugeborenen ist die röntgenologische Diagnose sehr schwierig, da häufig noch keine Ossifikation in der proximalen Humerusepiphyse vorhanden ist. Das Verhältnis des Humerusschaftes zur Skapula, auch im Vergleich zur Gegenseite, kann in solchen Situationen hilfreich sein. Auch bei älteren Kindern können u.U. Vergleichsaufnahmen notwendig sein, wobei hier immer Aufnahmen in 2 Ebenen zu fordern sind.
Diagnostik: Die röntgenologische Diagnose ist aufgrund der noch unvollständigen Ossifikation schwierig. Vergleichsaufnahmen mit der Gegenseite können hilfreich sein.
Differenzialdiagnose: Bei proximalen Oberarmfrakturen des Neugeborenen ist an eine Klavikulafraktur oder Plexus-brachialis-Verletzung ebenso wie an eine Infektion zu denken.
Differenzialdiagnose: Bei Neugeborenen ist an eine Klavikulafraktur, Plexus-brachialisVerletzung und Infektion zu denken.
Therapie: Die Behandlung hängt vom Alter des Kindes, dem Ausmaß der Verschiebung und dem Grad der Stabilität ab. Die Behandlung ist in den meisten Fällen konservativ. Dabei kann die Fraktur durch Flexion im Ellenbogengelenk und Abduktion im Schultergelenk von jeweils 90 ° unter Längszug reponiert werden. Die Ruhigstellung erfolgt mithilfe eines Desault-Verbandes. Erweist sich die Fraktur nach Reposition als instabil, erfolgt die perkutane K-Draht-Fixierung. Die Implantate werden nach 3 – 4 Wochen entfernt. In einzelnen Fällen mit Interposition der Bizepssehne und des Periostes gelingt
Therapie: Die Einrichtung erfolgt durch Flexion im Ellenbogen- und Abduktion im Schultergelenk mit anschließender Ruhigstellung im Desault-Verband. Erweist sich die Fraktur nach Reposition als instabil, erfolgt die perkutane K-Draht-Fixierung.
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B 2 Traumatologie
798 B-2.66
Humeruskopfsplitfraktur
a
b
c
a Humeruskopfsplitfraktur mit zusätzlicher Fraktur des Kalottenfragments. Es besteht ein hohes Risiko für das Auftreten einer avaskulären Nekrose. b Gesplittertes Kalottenfragment und aufsetzbarer Kopfanteil der Prothese. c Versorgung mit einer Endoprothese.
keine geschlossene Reposition. In diesen Fällen, ebenso wie bei offenen Frakturen, ist eine offene Reposition und anschließende K-Draht-Fixierung indiziert. Humerusschaftfrakturen
Humerusschaftfrakturen
Anatomie: Der kräftige Muskelmantel des Oberarmschaftes ist neben den biomechanischen Voraussetzungen der Grund für eine gute Heilungstendenz der Oberarmschaftfrakturen. Wichtig ist die genaue Kenntnis über den Verlauf des N. radialis.
Anatomie: Der kräftige Muskelmantel des Oberarmschaftes ist neben den biomechanischen Voraussetzungen der Grund für eine gute Heilungstendenz der Oberarmschaftfrakturen. Wichtig ist die genaue Kenntnis über den Verlauf des N. radialis, der kranial dem Fasciculus posterior des Plexus brachialis entstammt und dann von axillar nach dorsal direkt auf dem Periost des Humerus in Schaftmitte und distal unter seinem Leitmuskel, dem M. brachioradialis, verläuft.
Klassifikation: Entsprechend der AO-Einteilung unterscheidet man A-, B- und C-Frakturen.
Klassifikation: Entsprechend der AO-Einteilung unterscheiden wir die einfache Bruchform (A), den Biegungsbruch (B) und die komplexen Brüche (C).
Klinik und Diagnostik: Neben den typischen Frakturzeichen sind evtl. neurologische Ausfallzeichen einer N.-radialis-Läsion vorhanden.
Klinik und Diagnostik: Neben den typischen Frakturzeichen (Krepitation, Fehlstellung) sind evtl. neurologische Ausfallzeichen einer N.-radialis-Läsion vorhanden (Fallhand).
왘 Merke
왘 Merke. Wichtig ist die Beachtung der Sensibilität und Motorik (N. radialis)
sowie der Durchblutung. Therapie: Verschiebungen bis zu Schaftbreite, Achsenabweichung bis 20 ° und Rotationsfehler bis 10 ° ohne Funktionseinschränkungen sind tolerabel.
Therapie: Da der Humerus statisch nicht belastet wird, sind Verschiebungen bis zu Schaftbreite, Achsenabweichungen bis 20 ° und Rotationsfehler bis 10 ° ohne Funktionseinschränkungen tolerabel.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.8
Operative Therapie bei Humerusschaftfrakturen
Indikation ■ ■
■ ■ ■
■ ■
■
■
799
offene Frakturen Frakturen mit Gefäßverletzungen Defektbrüche Weichteilinterposition primäre Radialisparese ohne Rückbildungstendenz sekundäre Radialisparese Kettenfrakturen der oberen Extremität
B-2.8
Verfahren Plattenosteosynthese: Bei Radialisparese erfolgt die Darstellung des N. radialis und der Fraktur über einen dorsalen Zugang. Intramedulläre Stabilisierung durch spezielle Oberarmnägel, die entweder von distal oder von proximal eingeführt werden und die Möglichkeit zur Verriegelung gewährleisten (Abb. B-2.67 B). Ebenso können auch Bündelnägel Verwendung finden, die jedoch weniger rotationsstabil sind. Fixateur externe: Bei weit offenen Brüchen, z. B. Schussbrüchen, kann ein Fixateur entweder temporär mit späterem Verfahrenswechsel oder als definitive Osteosynthese notwendig sein.
Konservative Therapie: Bei der konservativen Behandlung werden primär nur die starken Achsenabknickungen und Seitverschiebungen sowie Rotationsfehler unter Einstauchung der Fragmente (cave Diastase) korrigiert. Die Ruhigstellung erfolgt entweder in einem Gips-Desault-Verband, einer Gips-U-Schiene oder einem verstärkten Gilchrist-Verband. Nach etwa 1 – 2 Wochen wird ein Oberarmbrace angelegt (Abb. B-2.67 A). Operative Therapie: s. Tab. B-2.8 und Abb. B-2.67 B.
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Konservative Therapie: Die Ruhigstellung erfolgt für 1 – 2 Wochen in einem GipsDesault-Verband, einer Gips-U-Schiene oder einem verstärkten Gilchrist-Verband mit anschließendem Oberarmbrace (Abb. B-2.67 A). Operative Therapie: s Tab. B-2.8 und Abb. B-2.67 B.
Komplikationen: Gemeinsame Komplikation für die operative und konservative Behandlung ist die Pseudarthrose. Bei der konservativen Behandlung ist die Vermeidung einer Diastase wichtig, bei der operativen Therapie die Beachtung der biomechanischen und besonders der biologischen Prinzipien. Bei operativer Behandlung besteht die Infektionsmöglichkeit und die Gefahr der N.-radialis-Parese.
Komplikationen: Pseudarthrose bei operativer und konservativer Behandlung. Bei operativer Behandlung besteht die Gefahr einer Infektion und einer N.-radialis-Parese.
Distale Oberarmfrakturen
Distale Oberarmfrakturen
Anatomie: Das Ellenbogengelenk setzt sich zusammen aus der Articulatio humeroradialis, der Articulatio humeroulnaris und der Articulatio radioulnaris proximalis.
Anatomie: Das Ellenbogengelenk setzt sich zusammen aus der Articulatio humeroradialis, humeroulnaris und radioulnaris proximalis. Pathogenese: Suprakondyläre Frakturen entstehen beim Sturz auf den gebeugten Ellenbogen.
Pathogenese: Es handelt sich bei den suprakondylären Frakturen häufig um extraartikuläre Biegungsbrüche, die beim Sturz auf den gebeugten Ellenbogen auftreten. Längsstauchung führt zu Y-förmigen Brüchen bis hin zur Zertrümmerung des Gelenkkörpers. Klassifikation: ■ Extraartikuläre Frakturen (A-Frakturen): Abrissfrakturen (A1) (Epicondylus radialis und ulnaris), einfache metaphysäre Brüche (A2) und metaphysäre Mehrfragmentbrüche (A3). ■ B-Frakturen sind partielle Gelenkfrakturen, d. h. laterale Kondylenbrüche (B1), mediale Kondylenbrüche (B2) und Abscherbrüche des Capitulums (B3). ■ C-Frakturen (vollständige Gelenkfrakturen) einfache artikulär-metaphysäre Frakturen (C1), einfache artikuläre und metaphysäre Mehrfragmentfrakturen (C2) und artikuläre Mehrfragmentbrüche (C3).
Klassifikation: Unterschieden werden die extraartikulären Frakturen (A), die partiellen Gelenkfrakturen (B) und die vollständigen Gelenkfrakturen (C).
Klinik und Diagnostik: Es liegen Bewegungseinschränkungen im Ellenbogengelenk und typische Frakturzeichen vor. Wegen der Verletzungsgefahr der A. brachialis ist die Pulskontrolle obligat. Weiterhin ist wegen der Verletzungsmöglichkeit der Nn. ulnaris, radialis und medianus eine exakte Kontrolle der sensiblen und motorischen Nervenfunktion wichtig.
Klinik und Diagnostik: Es liegen die typischen Frakturzeichen vor. Wichtig ist die Kontrolle von Puls und sensibler und motorischer Nervenfunktion.
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B 2 Traumatologie
800 B-2.67
Therapie der Humerusschaftfraktur
Erforderlich sind Röntgenaufnahmen (a.-p. und zusätzliche Ebenen) und evtl. Schichtaufnahmen. Das positive Fettkörperzeichen oder ein intraartikulärer Fettspiegel sind indirekte Frakturzeichen.
Neben der a.-p. Röntgenaufnahme sind Aufnahmen in 2 zusätzlichen Ebenen (je 45 ° versetzt) notwendig, um mögliche Trochlea- oder Capitulum-humeri-Absprengungen nicht zu übersehen. Evtl. ist auch ein CT erforderlich. Das positive Fettkörperzeichen (= sichtbare Vorwölbung der ventralen oder dorsalen Gelenkkapsel) ist ein indirektes Frakturzeichen. Eine intraartikuläre Spiegelbildung auf der seitlichen Aufnahme ist ein Hinweis auf ein Lipohämarthros.
Therapie: Bei wenig verschobenen Frakturen genügt eine 2 – 3-wöchige Gipsruhigstellung. Bei dislozierten Brüchen erfolgt eine Platten-, Schrauben- oder Zuggurtungsosteosynthese.
Therapie: Die Behandlung ist nur in Ausnahmesituationen bei gering dislozierten Frakturen konservativ. Um eine funktionelle Nachbehandlung mit sofortiger Bewegung des Ellenbogengelenks zu ermöglichen, ist in jedem Fall operativ eine bewegungsstabile Osteosynthese anzustreben. Diese erfolgt mittels Plattenosteosynthese, Schrauben oder Zuggurtung.
Komplikationen: Periartikuläre Ossifikationen, Pseudarthrosen, Gefäß- und Nervenverletzungen.
Komplikationen: Bewegungseinschränkungen mit periartikulären Ossifikationen stellen die häufigsten Komplikationen dar. Wesentlich seltener sind Pseudarthrosen sowie Verletzungen der A. und V. brachialis durch direkte Anspießung, bzw. Verletzung des N. ulnaris und N. medianus.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
801
Kindliche distale Humerusfrakturen
Kindliche distale Humerusfrakturen
Das Verhältnis von Bandstabilität zu Widerstandsfähigkeit des Knochens ist beim Kind einem altersmäßigen Wechsel unterworfen. Während zwischen dem 7. und 10. Lebensjahr häufiger Frakturen gefunden werden, überwiegen jenseits dieses Alters die Luxationen.
Während zwischen dem 7. und 10. Lebensjahr häufiger Frakturen gefunden werden, überwiegen jenseits dieses Alters die Luxationen.
Suprakondyläre Humerusfraktur
Suprakondyläre Humerusfraktur
왘 Definition. Es handelt sich hier um die häufigste ellenbogengelenknahe Ver-
왗 Definition
letzung (50 – 60 %) im Wachstumsalter. Zu 98 % finden sich Extensionsfrakturen und nur in 2 % der Fälle Flexionsfrakturen. Der linke Ellenbogen ist doppelt so häufig betroffen. Klinik: Neben den typischen Frakturzeichen weist die Dislokation meist eine Antekurvationsfehlstellung, eine Seitverschiebung und einen Rotationsfehler auf. Durch die Fragmentverschiebung (distales Fragment gleitet nach kranial, das proximale verschiebt sich ellenbogenwärts) besteht die Gefahr einer Schädigung der A. radialis und der Nn. medianus und radialis.
Klinik: Neben den typischen Frakturzeichen liegt meist eine Dislokation vor. Die Fragmentverschiebung birgt die Gefahr einer Gefäß-/Nervenschädigung.
Diagnostik: Röntgenaufnahme a.-p. mit extraartikulärem Frakturlinienverlauf (Abb. B-2.68 a). Auf den seitlichen Röntgenaufnahmen ist die Rotationsfehlstellung an einem meist ventralen, selten dorsalen Sporn des proximalen Fragmentes zu erkennen. In unklaren Fällen ist ein Seitenvergleich mit der Gegenseite hilfreich. MRT und CT sind nur in Ausnahmefällen indiziert. Bei der Beurteilung der Röntgenbilder ist die Kenntnis der Ossifikationszentren wichtig. Das Capitulum ossifiziert als Erstes zwischen dem 1. und 2. Lebensjahr. Es folgen Epicondylus medialis (4. Lebensjahr), Radiusköpfchen (5. Jahr), Trochlea (8. Jahr), Olekranon (9. Jahr), Epicondylus lateralis (10. – 11. Lebensjahr). Die Fusion mit dem Humerusschaft erfolgt um das 14. Lebensjahr. Die radiologischen Linien erleichtern die Diagnostik von Fehlstellungen: ■ Radiokapituläre Linie: Die Linie durch die Längsachse des Radius trifft die Mitte des Capitulums. ■ Anterohumerale Linie: Die Tangente zur anterioren Begrenzung des Humerus und der Spitze der Fossa coronoidea schneidet das Capitulum am Übergang zur dorsalen Hälfte des mittleren Drittels. ■ Die Begrenzungslinie der Fossa coronoidea schneidet den vorderen Anteil des Capitulums.
Diagnostik: Röntgenaufnahme a.-p. mit extraartikulärem Frakturlinienverlauf (Abb. B-2.68 a).
Therapie: Die Behandlung richtet sich nach der Dislokation der Fraktur. Liegt eine rotationsfehlerfreie, nahezu undislozierte oder lediglich antekurvierte
Therapie: Bei undislozierten Frakturen erfolgt eine Ruhigstellung in der BlountSchlinge oder im Oberarmgips.
B-2.68
Evtl. Seitenvergleich, selten CT oder MRT. Bei der Beurteilung der Röntgenbilder ist die Kenntnis der Ossifikationszentren wichtig.
Diagnostische radiologische Hilfslinien: ■ Radiokapituläre Linie. ■ Anterohumerale Linie. ■ Begrenzungslinie der Fossa coronoidea.
Kindliche suprakondyläre Humerusfraktur
a Kindliche suprakondyläre Humerusfraktur.
b Versorgung mit Kirschner-Drähten.
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B 2 Traumatologie
802
Bei dislozierten Brüchen erfolgt eine Reposition mit anschließender Kirschner-Draht-Fixation (Abb. B-2.68 b).
Fraktur vor, so wird konservativ behandelt. Die Ruhigstellung erfolgt seltener in der Blount-Schlinge, häufiger durch einen Oberarmgips. Bei primär nachgewiesenem Rotationsfehler erfolgt die geschlossene Reposition der Fraktur durch Längszug, manuelle Beseitigung der Seitverschiebung und Ausgleich der Rotationsfehlstellung in der überwiegenden Zahl durch Pronation. Anschließend erfolgt die Stabilisierung der Fraktur durch Kirschner-Drähte. Ist eine geschlossene Einrichtung nicht möglich, wird offen reponiert und mit Kirschner-Drähten stabilisiert (Abb. B-2.68 b).
Komplikationen: Bei einem Rotationsfehler entsteht eine Flexionsfehlstellung und Cubitus varus.
Komplikationen: Während sich die Antekurvationsfehlstellung bei jüngeren Patienten ausgleichen kann, führt ein Rotationsfehler zu einer Flexionsfehlstellung und einem Cubitus varus.
Epicondylus-ulnaris-Fraktur
Epicondylus-ulnaris-Fraktur
왘 Definition
왘 Definition. Beide Epikondylen stellen Traktionsepiphysen, d. h. Apophysen, dar und sind nicht am Längenwachstum des Humerus beteiligt. Ein Ausriss des Epicondylus ulnaris ist zu 2/3 Begleitverletzung einer Ellenbogenluxation. Sie tritt bevorzugt im Alter zwischen 9 und 15 Jahren auf. Der Verletzungsmechanismus ist ein typischer Valgusstress.
Klinik und Diagnostik: Schwellung, Bewegungseinschränkung und Bildgebung führen zur Diagnose (Abb. B-2.69 a).
Klinik und Diagnostik: Neben der Schwellung und Bewegungseinschränkung führen die Röntgenaufnahmen und ggf. gehaltene Aufnahmen zur Diagnose (Abb. B-2.69 a).
Therapie: Nicht oder gering dislozierte Frakturen werden konservativ mit Oberarmgips versorgt, ansonsten erfolgt eine Zuggurtungs- oder Schraubenosteosynthese (Abb. B-2.69 b).
Therapie: Nicht verschobene Verletzungen und bis zu 2 mm dislozierte Frakturen werden konservativ für 3 Wochen mit Oberarmgips behandelt. Dislozierte Frakturen mit Seitenbandinstabilität werden mittels Zuggurtungs- oder Schraubenosteosynthese stabilisiert (Abb. B-2.69 b).
Komplikationen: Pseudarthrose und Irritationen des N. ulnaris können auftreten.
Komplikationen: Dislozierte Frakturen, die nicht adäquat behandelt werden, führen zur Pseudarthrose. Die Spätfolgen können in einer Irritation des N. ulnaris sowie einer chronischen medialen Instabilität liegen.
Fraktur des Condylus ulnaris humeri
Fraktur des Condylus ulnaris humeri
왘 Definition
왘 Definition. Es handelt sich um eine Epiphysenfraktur mit metaphysärem Keil,
die häufiger bei älteren Jugendlichen auftritt. Klinik und Diagnostik: Schwellung und schmerzhafte Bewegungseinschränkung. Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen.
B-2.69
Klinik und Diagnostik: Schwellung und schmerzhafte Bewegungseinschränkung evtl. verbunden mit einer Fehlstellung. Die Diagnosesicherung erfolgt durch Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen.
Ellenbogengelenkluxation mit Fraktur des Epikondylus
a Ellenbogengelenkluxation mit Fraktur des Epicondylus ulnaris.
b Reposition und Fixierung durch Zuggurtung.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.70
803
Kindliche Fraktur des Condylus radialis
a Kindliche Fraktur des Condylus radialis. Bei konservativer Therapie kommt es in einem hohen Prozentsatz zu einem Fehlwachstum. Eine konservative Behandlung kommt nur bei unverschobenen Frakturen in Betracht.
b Schraubenosteosynthese. Nur so ist es möglich den Zugkräften der Muskulatur entgegenzuwirken.
Therapie: Undislozierte Frakturen werden konservativ im Oberarmgips behandelt. Dislozierte Frakturen werden primär mittels Kompressionsschrauben fixiert. Die postoperative Ruhigstellung erfolgt im Gipsverband für 4 Wochen. Die Metallentfernung wird zwischen der 6. und 12. Woche nach der Operation vorgenommen.
Therapie: Undislozierte Frakturen werden konservativ, dislozierte Frakturen primär mittels Kompressionsschrauben fixiert.
Fraktur des Condylus radialis humeri
Fraktur des Condylus radialis humeri
왘 Definition. Es handelt sich um die zweithäufigste Ellenbogengelenksverlet-
왗 Definition
zung mit einer fugenkreuzenden Gelenkfraktur (Aitken III, s.a. S. 739). 10 – 15 % aller Ellenbogengelenksfrakturen betreffen den Condylus radialis. Selten wird der Capitulumkern tangiert, da die Frakturlinie meist medial verläuft. Durch Druck des Radiusköpfchens wird der Schermechanismus verstärkt. Epidemiologie: Der Altersgipfel liegt bei Mädchen zwischen 4 und 5 Jahren und bei Jungen zwischen 5 und 8 Jahren, die Geschlechterverteilung liegt bei 9 : 1 (m : w).
Epidemiologie: Der Altersgipfel liegt zwischen 4 und 8 Jahren; m : w = 9 : 1.
Klinik und Diagnostik: Das Röntgenbild (Abb. B-2.70 a) zeigt eine schräge Frakturfläche im seitlichen Bild. Ein MRT erhärtet die Diagnose. Die klinische Symptomatik ist häufig diskret.
Klinik und Diagnostik: Röntgenbild (Abb. B-2.70 a), evtl. MRT. Die klinische Symptomatik ist häufig diskret.
Therapie: Undislozierte Frakturen werden konservativ in einem Gipsverband behandelt. 4 Tage nach dem Unfall wird eine Röntgenkontrolle durchgeführt. Bei zunehmender Dislokation erfolgt die Operation. Bei dislozierten Frakturen erfolgt die offene Reposition und sog. „wasserdichte“ Osteosynthese mittels Zugschraube (Abb. B-2.70 b) oder Spickdrähte.
Therapie: Undislozierte Frakturen werden konservativ, dislozierte mit Kleinfragmentzugschraube behandelt (Abb. B-2.70 b).
Komplikationen: Die Pseudarthrosenbildung mit Dislokation des peripheren Fragmentes nach proximal radial ist gefürchtet. Die Folge ist eine schwere Valgusfehlstellung des Ellenbogens mit der Gefahr der späteren N.-ulnarisIrritation.
Komplikationen: Es kann zur Pseudarthrose mit schwerer Valgusfehlstellung des Ellenbogens kommen (cave: N.-ulnaris-Irritation).
2.2.2 Ellenbogengelenk und Unterarm
2.2.2 Ellenbogengelenk und Unterarm
Untersuchungstechniken
Untersuchungstechniken
Anamnese: Zeitpunkt und Schmerzintensität, wie z. B. unerklärbares Fallenlassen von Gegenständen bei der Epikondylitis, können bereits Hinweise auf die Diagnose geben.
Anamnese: Zeitpunkt und Schmerzintensität geben Hinweise auf die Diagnose.
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804 B-2.71
B 2 Traumatologie
B-2.71
Hueter-Linie und Hueter-Dreieck am Ellenbogengelenk
Epikondylen und Olekranon bilden von dorsal bei Streckung (a) und von seitlich bei Beugung (b) eine gerade Linie. Von dorsal bei rechtwinklig gebeugtem Ellenbogengelenk bilden die drei Punkte ein gleichschenkliges Dreieck (c). Frakturen oder Luxationen verändern die Dreiecksstruktur.
Inspektion: Zu achten ist auf Achsenfehlstellungen, Gelenkerguss und Proliferation des Synovialgewebes.
Inspektion: Zu achten ist auf Achsenfehlstellungen, der normale Valgus bei Männern beträgt 10 °, bei Frauen 13 °. Bei der Inspektion von lateral deutet eine infrakondyläre Schwellung auf einen Gelenkerguss, auf eine Proliferation des Synovialgewebes oder auf eine Radiusköpfchenveränderung hin, wie z. B. Fraktur, Subluxation oder Verrenkung. Dünne und adhärente Haut lateralseitig kann Hinweis sein auf Kortisoninjektionen. Inspektion von dorsal: Prominente Bursa olecrani, als Hinweis auf ein entzündliches oder rheumatisches Krankheitsbild.
Palpation: Wichtig ist das Hueter-Dreieck, welches durch die beiden Epikondylen und die Spitze des Olekranons gebildet wird (Abb. B-2.71).
Palpation: Für die Palpation ist das Hueter-Dreieck wichtig, welches durch die beiden Epikondylen und die Spitze des Olekranons gebildet wird. Bei Beugung des Ellbogengelenkes bilden die 3 Punkte ein Dreieck, bei Streckung im Ellenbogengelenk eine gerade Verbindungslinie (Abb. B-2.71). ■ Palpation von lateral: Das Radiusköpfchen lässt sich durch Pronation/Supination und Flexion/Extension eindeutig identifizieren. Die Palpation der Sehne des M. extensor carpi radialis brevis, speziell bei lateraler Epikondylitis, wird begünstigt durch Extension im Hand- und Ellenbogengelenk. Ein Gelenkerguss lässt sich am günstigsten über dem dorsalen Rezessus palpieren. Ein gespannter Hämarthros führt zu einer Ellenbogenstellung von etwa 80 °, der Position mit einem Maximum an Gelenkinhalt. ■ Palpation von medial: Im Sulcus n. ulnaris kann der N. ulnaris gefühlt und leicht bewegt und eine Subluxation diagnostiziert werden. Die 4 Muskeln, welche vom Epiconcylus medialis entspringen, können palpiert werden, ebenso das mediale Kollateralband bei einer Beugung im Gelenk von 30 – 60 °. ■ Palpation von dorsal: Es können das Olekranon und die Trizepsaponeurose sowie die Bursa olecrani getastet werden, bei Beugung im Ellenbogengelenk die Fossa olecrani. Die Palpation des Humeroulnargelenkes mit gleichzeitiger Valgusbelastung des Ellenbogengelenkes, die das Humeroulnargelenk in volle Extension bringt, kann Schmerzen provozieren bei Patienten, die sportlich oder beruflich ihren Arm in forcierte Streckung bringen müssen, z. B. Basketballspieler. ■ Die Palpation von vorn informiert zunächst über die laterale Begrenzung (M. brachioradialis) und die mediale Begrenzung (M. pronator teres) der Fossa cubiti. 4 Strukturen passieren die Fossa cubiti: N. musculocutaneus, Bizepssehne, A. brachialis, N. medianus.
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Palpation von lateral: Radiusköpfchen und Sehne des M. extensor carpi radialis brevis.
Palpation von medial: Der N. ulnaris kann medial im Sulcus n. ulnaris getestet werden. Palpation von dorsal: Olekranon, Trizepsaponeurose und Bursa olecrani werden getastet.
Palpation von vorn: Informationen über die mediale und laterale Begrenzung der Fossa cubiti sowie über die sie passierenden Strukturen.
Funktionsprüfungen: Die Beweglichkeit im Ellenbogengelenk beträgt für Beugung/Streckung normalerweise 150/0/0 °. Die Flexionsund Extensionskraft wird unter der jeweiligen Bewegung gegen Widerstand gemessen (Abb. B-2.72).
Funktionsprüfungen: Die Beweglichkeit im Ellenbogengelenk beträgt für Beugung/Streckung normalerweise 150/0/0 ° (+/– 10 °). Das tatsächliche Bewegungsausmaß für die tägliche Arbeit beträgt etwa 30 – 130 °. 90 % der Tätigkeiten können mit einem Pronations-/Supinationsausmaß von 50/0/50 ° bewerkstelligt
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.72
Funktionsprüfung des Ellenbogengelenks
805 B-2.72
werden. Die Flexions- und Extensionskraft wird unter der jeweiligen Bewegung gegen Widerstand gemessen. Die dominierende Seite ist im Allgemeinen 5 – 10 % stärker als die Gegenseite. Das weibliche Kraftausmaß beträgt etwa 50 % des männlichen (Abb. B-2.72). Instabilitätsprüfung: Die Varusinstabilität des Ellenbogens wird bei voller Innenrotation des Humerus und einem Varusstress auf das leicht gebeugte Ellenbogengelenk gemessen. Eine Valgusinstabilität wird bei voller Außenrotation und leicht gebeugtem Ellenbogengelenk gemessen.
Instabilitätsprüfung: Bei voller Innenrotation des Humerus und einem Varusstress wird die Varusinstabilität gemessen, bei voller Außenrotation die Valgusinstabilität.
Ellenbogengelenkluxation
Ellenbogengelenkluxation
Die Verrenkung des Ellenbogengelenkes ist nach der Schulterluxation die zweithäufigste Verrenkung.
Nach der Schulterluxation die zweithäufigste Verrenkung.
Anatomie: Am Ellenbogengelenk unterscheiden wir den humeroulnaren, den humeroradialen und den radioulnaren Anteil. Die Stabilität wird gewährleistet durch: ■ den scharnierartigen humeroulnaren Anteil, ■ den Kapselbandapparat mit den Kollateralbändern und dem Lig. anulare radii sowie ■ die muskuläre Stabilisierung durch den M. brachialis und M. biceps (ventral) und durch den M. triceps brachii (dorsal).
Anatomie: Am Ellenbogengelenk unterscheiden wir den humeroulnaren, den humeroradialen und den radioulnaren Anteil. Die Stabilität wird gewährleistet durch das Scharniergelenk, mediale und laterale Seitenbänder, Lig. anulare radii und dem Muskelsehnenmantel.
Pathogenese: Indirekte Gewalteinwirkung durch Sturz auf die pronierte Hand bei gestrecktem oder leicht gebeugtem Ellenbogengelenk kann zu einer Ellenbogenluxation führen.
Pathogenese: Indirekte Gewalt durch Sturz auf die pronierte Hand bei gestrecktem oder leicht gebeugtem Ellenbogengelenk.
Klassifikation: 80 – 90 % aller Luxationen erfolgen nach dorsoradial, die übrigen sind ventrale, seitliche und divergierende Luxationen (Abb. B-2.73). Die Luxationen des Speichenköpfchens sind häufig begleitet von einer proximalen Ulnafraktur (Monteggia-Verletzung). Chronische Instabilitäten können bei gleichzeitiger Abscherung des Kronenfortsatzes mit Muskelabrissen entstehen.
Klassifikation: 80 – 90 % aller Luxationen erfolgen nach dorsoradial (Abb. B-2.73). Luxationen des Speichenköpfchens sind häufig von einer proximalen Ulnafraktur (Monteggia-Verletzung) begleitet.
Klinik und Diagnostik: Die schmerzhaft federnde Fixation des Ellenbogengelenkes ist der auffälligste Befund. Beweisend ist die Röntgenaufnahme des Ellenbogengelenkes in 2 Ebenen. Bei kindlichen Ellenbogenluxationen findet sich häufig noch ein Abriss des medialen Epikondylus.
Klinik und Diagnostik: Schmerzhafte federnde Fixation des Ellenbogengelenkes. Beweisend ist die Röntgenaufnahme in 2 Ebenen.
왘 Merke. Wichtig ist die exakte Überprüfung der Durchblutung, Motorik und
왗 Merke
Sensibilität wegen möglicher Begleitverletzungen.
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B 2 Traumatologie
806 B-2.73
Formen der Ellenbogenluxation
Therapie: Die Reposition erfolgt durch Zug des gebeugten Unterarmes. Nach Überprüfung von Gelenkstabilität und Sensibilität erfolgt die ■ konservative Therapie mittels Ruhigstellung des Gelenkes im Oberarmgipsverband für 2 – 3 Wochen. Danach vorsichtige Bewegungstherapie. ■ Bei Reluxationsneigung, bei Gefäß-Nerven-Verletzungen, drohendem Kompartmentsyndrom, Begleitfrakturen oder Repositionshindernis muss operiert werden.
Therapie: Die Reposition sollte in Allgemeinnarkose oder unter Leitungsanästhesie vorgenommen werden und kann durch Zug des gebeugten Unterarmes erfolgen. Nach Reposition muss die Stabilität des Gelenkes durch Varus- und Valgusstress wie auch durch eine Bewegung bis zur vollständigen Streckung geprüft werden. Außerdem ist eine Sensibilitätsprüfung erforderlich. ■ Die konservative Behandlung besteht in einer kurzfristigen 1 – 2-wöchigen Ruhigstellung des Gelenkes im Oberarmgipsverband bei 90 °-Beugung. Anschließend aktiv geführte Bewegungstherapie, wobei die vollständige Streckung innerhalb der ersten 2 Wochen vermieden werden muss. ■ Die Indikation zur operativen Behandlung besteht bei Verletzungen von Gefäßen und Nerven, drohendem Kompartmentsyndrom, Begleitfrakturen, Repositionshindernis sowie bei offenen Verletzungen. Zeigt sich nach der Reposition eine völlige Instabilität mit Tendenz zur Subluxation und Luxation, muss ebenfalls die operative Stabilisierung des Bandapparates erfolgen.
Komplikationen: Rezidivierende Ellenbogenluxationen (2 %) und nicht beseitigte knöcherne Abschlagfragmente können zur bleibenden Bewegungseinschränkung führen.
Komplikationen: In etwa 2 % kann es zu einer rezidivierenden Ellenbogengelenkluxation kommen. Nicht beseitigte Abschlagfragmente des Proc. coronoideus, des Radiusköpfchens oder der Oberarmrolle können zu einer mechanischen Irritation und Einleitung arthrotischer Veränderungen mit bleibender Bewegungseinschränkung führen.
Pronatio dolorosa
Pronatio dolorosa
왘 Definition
왘 Definition. Beim Kleinkind kann es durch eine Pronationsbewegung und Zug am Arm zu einer Subluxation des Radiusköpfchens kommen. Dabei subluxiert das Radiusköpfchen unter das Lig. anulare radii.
Durch Einklemmung des Lig. anulare radii entsteht eine Pseudoparese (ChassaignacLähmung).
Durch teilweises Herausluxieren des Radiusköpfchens aus dem Lig. anulare radii kommt es zur Einklemmung des Bandes zwischen Radius und Capitulum humeri. Eine Pseudoparese (Chassaignac-Lähmung) ist die Folge.
Klinik und Diagnostik: Der klinische Befund (blockierte Pronation im Ellenbogengelenk, Pseudoparese) und die Röntgenuntersuchung in 2 Ebenen führen zur Diagnose.
Klinik und Diagnostik: Bei der Inspektion imponiert eine blockierte Pronation im Ellenbogengelenk. Der gesamte Arm hängt herab (Pseudoparese). Eine Röntgenuntersuchung des Ellenbogengelenkes in mindestens 2 Ebenen zum Ausschluss knöcherner Verletzungen ist obligat.
Therapie: Die Reposition erfolgt, indem unter starker Supination das gebeugte Ellenbogengelenk in Streckstellung gebracht wird. Eine Ruhigstellung ist nicht notwendig.
Therapie: Die Therapie besteht in der Reposition, wobei unter starker Supination das gebeugte Ellenbogengelenk in Streckstellung gebracht wird. Die Reposition kann durch Daumendruck auf das Radiusköpfchen unterstützt werden. Nach erfolgter Reposition ist das Kind in wenigen Minuten beschwerdefrei. Eine Ruhigstellung ist nicht notwendig.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
Epicondylitis humeri radialis 왘 Definition. Insertionstendopathie bei chronischer Überlastung durch häufige
807 Epicondylitis humeri radialis 왗 Definition
Streckung des Hand- und Ellenbogengelenkes mit wechselnder Pro- und Supination. Die Epicondylitis humeri radialis wird vielfach auch als Tennisellenbogen bezeichnet (Major 1883). Ätiologie: Betroffen ist primär der Ursprung des M. extensor carpi radialis brevis bzw. die Vorderseite des M. extensor digitorum communis und die tiefe Schicht des M. extensor carpi radialis longus. Zur Ursache existieren verschiedene Theorien: Traumatische Periostitis, Arthritis, Synovitis, Läsion oder Fibrositis des Ursprungs der Extensoren des Unterarmes, des M. pronator teres, des M. extensor carpi radialis longus sowie des M. extensor carpi radialis brevis.
Ätiologie: Zur Ursache existieren verschiedene Theorien.
Klinik und Diagnostik: Die Patienten klagen über einen Druckschmerz im Bereich des Insertionsgebietes der Extensoren am Epikondylus über dem Radiusköpfchen, dem Lig. anulare radii, im Insertionsgebiet des M. supinator. Gegen Widerstand und bei Pronation ist die Extension der Hand schmerzhaft.
Klinik und Diagnostik: Es findet sich ein Druckschmerz im Bereich des Epicondylus radialis. Die Extension der Hand gegen Widerstand und bei Pronation ist schmerzhaft.
Therapie: Konservative Möglichkeiten sind nichtsteroidale Antiphlogistika, Epikondylitisspangen bzw. -bandagen, Kryotherapie, evtl. Ruhigstellung. In der operativen Behandlung hat sich die Kombination einer Denervierung nach Wilhelm und Muskeleinkerbung nach Homann bewährt.
Therapie: Konservative Möglichkeiten sind: Nichtsteroidale Antiphlogistika, Kryotherapie. Operativ wird die Denervierung und Muskeleinkerbung empfohlen.
Olekranonfraktur
Olekranonfraktur
Pathogenese: 10 % aller Frakturen am Arm betreffen das Olekranon. Die Frakturen entstehen durch direkten Sturz auf das gebeugte Ellenbogengelenk oder einen gewaltsamen Schlag auf den Ellenhaken. Als Folge einer reflektorischen Kontraktion des M. triceps brachii kann zusätzlich eine weitere Dislokation des abgesprengten Fragmentes eintreten. Aufgrund des nur dünnen Weichteilmantels sind Abschürfungen und Prellmarken häufig.
Pathogenese: Die Frakturen entstehen durch direkten Sturz auf das gebeugte Ellenbogengelenk oder einen gewaltsamen Schlag auf den Ellenhaken.
Klassifikation: Die Olekranonfrakturen gehören in der Gruppe der proximalen Unterarmfrakturen zur Gruppe B1 (nach AO-Klassifikation, s. S. 735 ff).
Klassifikation: Gruppe B1 der proximalen Unterarmfrakturen nach AO-Klassifikation, s. S. 735 ff. Klinik und Diagnostik: Bei den verschobenen Olekranonfrakturen ist die Diastase unter der Haut palpabel. Die Röntgenaufnahme sichert die Diagnose (Abb. B-2.74 a).
Klinik und Diagnostik: Bei den verschobenen Olekranonfrakturen ist die Diastase unter der Haut palpabel. Häufig findet sich eine erhebliche Schwellung und eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung. Die Röntgenaufnahme sichert die Diagnose (Abb. B-2.74 a). Therapie: Die konservative Behandlung ist nur bei unverschobenen Brüchen angezeigt. Frakturen mit Dislokation heilen unter konservativer Behandlung nicht aus. Das Verfahren der Wahl ist die Zuggurtungsosteosynthese mit 2 parallel eingeführten, in der Gegenkortikalis sicher verankerten Drähten und einer Zuggurtung. Gelegentlich ist die Kombination mit einer Schraubenosteosynthese (Schrägfraktur) oder Plattenosteosynthese bei Trümmerbrüchen indiziert (Abb. B-2.74 b).
Therapie: Die konservative Behandlung ist nur bei unverschobenen Brüchen angezeigt, ansonsten erfolgt eine Zuggurtungsosteosynthese bei dislozierten Frakturen (Abb. B-2.74 b).
Komplikationen: Bewegungseinschränkungen sowie periartikuläre Ossifikationen können ebenso wie eine Pseudarthrose oder Weichteilirritationen durch subkutane Drähte postoperativ eintreten.
Komplikationen: Bewegungseinschränkung, periartikuläre Ossifikationen, Pseudarthrose und Weichteilirritationen.
Radiusköpfchenfraktur
Radiusköpfchenfraktur
Pathogenese: Beim Sturz auf die ausgestreckte Hand werden 60 % der aufgenommenen Energie über den Radius auf das Capitulum humeri übertragen und 40 % über die Ulna geleitet. Maßgebend für den Verletzungstyp sind folgende Punkte: ■ Die Führung des Radiusköpfchens durch den osteofibrösen Ring aus Lig. anulare und Incisura radialis ulnae. ■ Die unterschiedlichen Radien von Capitulum humeri und Radiusköpfchen. ■ Die exzentrische, punktuelle Druckbelastung des Radiusköpfchens in Pronation und Supination.
Pathogenese: Maßgebend für den Verletzungstyp sind folgende Punkte: ■ Radiusköpfchenführung, ■ unterschiedliche Radien, ■ exzentrische Druckbelastung, ■ direkte Kraftübertragung, ■ Rotations-/Scherkraft der Bizepssehne und ■ Kerbwirkung.
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808
B 2 Traumatologie
B-2.74
B-2.74
Olekranonfraktur
a (I)
b (I)
a (II)
b (II)
a Olekranonfraktur mit schräger Frakturlinie.
■
■ ■
b Versorgung mittels Zugschraube und Zuggurtung.
Die direkte Kraftübertragung von der Hand über den Radius auf das Capitulum humeri. Die Rotations- und Scherkraft der Bizepssehne (Radiushalsfraktur). Die Kerbwirkung durch die Verjüngung des Radiushalses.
Der typische Verletzungsmechanismus ist der Sturz auf die Hand bei gestrecktem Ellenbogen, je nach Stellung (Pronation oder Supination) entstehen die typischen Bruchformen.
Der typische Verletzungsmechanismus ist der Sturz auf die Hand bei gestrecktem Ellenbogen. Je nach Stellung (Pronation oder Supination) entstehen die typischen Bruchformen.
Klassifikation: Nach der AO-Einteilung gehören die Radiusköpfchenfrakturen zur Gruppe B2. Nach Mason erfolgt die Einteilung in 3 Gruppen.
Klassifikation: Nach der AO-Einteilung gehören die Radiusköpfchenfrakturen zur Gruppe B2. Nach Mason erfolgt die Einteilung in 3 Gruppen: ■ Gruppe I: Randabbrüche und Meißelfrakturen (Spaltbrüche) ohne Verschiebung. ■ Gruppe II: Meißelfrakturen mit Dislokation > 2 mm. ■ Gruppe III: Mehrfragment- und Trümmerfrakturen.
Klinik: Hämarthros, Bewegungseinschränkung und Druckschmerz sind typisch.
Klinik: Schmerzhafte Bewegungseinschränkung (Hämarthros) und Druckschmerz an der Lateralseite des Ellenbogengelenkes sind typisch, ebenso wie der Schmerz ulnarseitig infolge des Abduktionsmechanismus.
Diagnostik: Ellenbogengelenk in 2 Ebenen (Abb. B-2.75 a) und Spezialaufnahme nach Norman und Greenspan.
Diagnostik: Neben den Standardaufnahmen, Ellenbogen in 2 Ebenen (Abb. B-2.75 a), hat sich die spezielle Einstellung nach Norman und Greenspan bewährt (Schrägposition lateromedial).
Therapie: Bei unverschobenen Brüchen und Frakturen mit Gelenkstufen 5 2 mm erfolgt eine kurzfristige Ruhigstellung und funktionelle Behandlung. Die übrigen Brüche werden operativ behandelt. Bei Mehrfragment- und Trümmerbrüchen erfolgt eine primäre Radiusköpfchenresektion (Abb. B-2.75).
Therapie: ■ Undislozierte Frakturen und Brüche mit Gelenkstufen 5 2 mm können nach Punktion des Gelenkes durch eine kurzfristige Gipsruhigstellung behandelt werden. Nach 5 – 8 Tagen kann dann eine funktionelle Therapie durchgeführt werden.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.75
809
Dreifragmentfraktur des Radiusköpfchens
a (III)
a (I)
a (II)
b (I)
b (II)
a Dreifragmentfraktur des Radiusköpfchens. b Versorgung mit 3 Zugschrauben.
■
■
Stark dislozierte Frakturen werden durch kleine Schrauben, Drähte oder resorbierbare Stifte nach Reposition stabilisiert. Bei Mehrfragment- und Trümmerbrüchen wird wegen der besseren funktionellen Ergebnisse eine primäre Radiusköpfchenresektion durchgeführt (Abb. B-2.75 b, c).
Komplikationen: Bewegungseinschränkungen und periartikuläre Verkalkungen können ebenso wie eine N.-radialis-Schädigung postoperativ eintreten.
Radiushalsfraktur
Komplikationen: Bewegungseinschränkung, periartikuläre Verkalkungen und N.-radialisSchädigung. Radiushalsfraktur
Pathogenese: Neben den dislozierten und undislozierten Radiushalsfrakturen des Erwachsenen treten Radiushalsfrakturen wesentlich häufiger bei Kindern auf. Bei Brüchen des Radiushalses kippt das Kopffragment wegen des physiologischen Valgusknickes immer nach lateral. Die Wachstumsfuge ist zumeist nicht tangiert. Da die Blutversorgung des Radiusköpfchens über die Gelenkkapsel und periostalen Gefäße verläuft, können Radiushalsfrakturen zu Umbaustörungen des Radiushalses und Radiusköpfchens mit leichter Verkürzung des proximalen Radiusendes und geringer Valgisierung führen.
Pathogenese: Neben den dislozierten und undislozierten Radiushalsfrakturen des Erwachsenen treten Radiushalsfrakturen wesentlich häufiger bei Kindern auf. Da die Blutversorgung des Radiusköpfchens über die Gelenkkapsel und periostalen Gefäße verläuft, können Radiushalsfrakturen zu Umbaustörungen des Radiushalses und Radiusköpfchens führen.
Klassifikation: Nach der AO-Klassifikation gehören die Radiushalsfrakturen zu den A2-Frakturen. Die kindlichen Frakturen werden nach Judet eingeteilt: ■ Grad 1: Keine oder geringe Dislokation, keine oder geringe Abkippung. ■ Grad 2: Dislokation um 1/ 2 Schaftbreite, Kippung um 30 °, Periost teilweise zerrissen. ■ Grad 3: Stärkere Dislokation, Kippung zwischen 30 – 60 ° (Abb. B-2.76 a). ■ Grad 4: Vollständige Dislokation, Kippung zwischen 60 und 90 °, Zerreißung des Lig. anulare (Abb. B-2.76 b).
Klassifikation: Nach der AO-Klassifikation gehören die Radiushalsfrakturen zu den A2-Frakturen. Die kindlichen Frakturen werden nach Judet in Grad 1 – 4 eingeteilt (Abb. B-2.76).
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B 2 Traumatologie
810 B-2.76
Kindliche Radiushalsfraktur
a Radiushalsfraktur Grad 3: Dislokation, Kippung zwischen 30 – 60 °.
b Intramedulläre Schienung. Es kann gleichzeitig eine Reposition und Fixierung der Radiushalsfraktur erfolgen.
c Radiushalsfraktur Grad 4: vollständige Dislokation, Kippung zwischen 60 – 90 °.
d Geschlossene Reposition und konservative Versorgung im Gipsverband.
Bei den Epiphysenfrakturen dominieren die Formen 1 und 2 nach Salter/Harris (s. S. 737 und Abb. B-2.12), gefolgt von transepiphysialen Frakturen der Form 4 mit unterschiedlichen Dislokationsgraden. Klinik und Diagnostik: Druckschmerz, Schwellung und Bewegungseinschränkungen. Röntgenuntersuchung.
Klinik und Diagnostik: Druckschmerz, Schwellung und Bewegungseinschränkungen sind festzustellen. Die Diagnose wird radiologisch gesichert.
Therapie: Dislozierte Radiushalsfrakturen mit Trümmerzone bei Erwachsenen werden reseziert.
Therapie: Bei Erwachsenen werden dislozierte Radiushalsfrakturen mit Trümmerzone reseziert.
Kindliche Radiushalsfrakturen werden reponiert und für 10 – 14 Tage im Oberarmgipsverband ruhiggestellt. Bei Instabilität ist u.U. eine offene Osteosynthese mit K-Drähten notwendig (Abb. B-2.76).
Kindliche Radiushalsfrakturen werden in Supination, Streckstellung und Varisation durch Daumendruck, mithilfe eines perkutan eingebrachten K-Drahtes oder direkt von distal mit einem elastischen Draht reponiert und für 10 – 14 Tage im Oberarmgipsverband ruhiggestellt. Bei Instabilität ist u.U. eine offene Osteosynthese notwendig (Abb. B-2.76).
Komplikationen: Am häufigsten sind avaskuläre Nekrosen und periartikuläre Verkalkungen.
Komplikationen: Häufigste Komplikationen sind die avaskuläre Nekrose und periartikuläre Verkalkungen.
Unterarmschaftfraktur
Unterarmschaftfraktur
Anatomie: Der Unterarmschaft besitzt mehrere knöcherne, muskuläre und ligamentäre Besonderheiten.
Anatomie: Der Unterarmschaft besitzt mehrere knöcherne, muskuläre und ligamentäre Besonderheiten: ■ Der Radius weist in beiden Ebenen eine Krümmung von jeweils 10 ° auf. ■ Der Gesamtquerschnitt von Radius und Ulna ist in fast allen Bereichen gleich. Proximal ist die Ulna als Hauptdruckaufnehmer des Oberarmes stark ausgebildet, distal hat der Radius seinen größten Durchmesser. ■ Radius und Ulna sind durch 3 Muskeln miteinander verbunden: M. pronator teres, M. supinator, M. pronator quadratus. ■ Die Bandverbindung von Radius und Ulna ist in jeder Rotationsbewegung teilweise angespannt, sodass eine Parallelverschiebung von Radius und Ulna verhindert wird.
Pathogenese: Komplette und isolierte Unterarmschaftfrakturen entstehen durch direkte Krafteinwirkung.
Pathogenese: Sowohl komplette Unterarmschaftfrakturen als auch isolierte Schaftbrüche von Radius und Ulna entstehen durch direkte Krafteinwirkung. Sie werden auch als Parierfrakturen bezeichnet.
Klassifikation: Entsprechend der AO-Einteilung werden einfache Frakturen (A), Frakturen mit einem Keil (B) sowie die komplexen Frakturen (C) unterschieden.
Klassifikation: Entsprechend der AO-Einteilung werden ■ A-Frakturen (einfache Querbrüche von Radius oder Ulna), ■ B-Frakturen (Keilfrakturen) und ■ C-Frakturen (Segment- oder Mehrfragment- bzw. Trümmerbrüche eines oder beider Unterarmknochen) unterschieden.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
811
Klinik und Diagnostik: Schmerz, Schwellung und Bewegungseinschränkung (cave: Kompartmentsyndrom) sind festzustellen.
Klinik und Diagnostik: Schmerz, Schwellung und Bewegungseinschränkung. 왗 Merke
왘 Merke. Die röntgenologische Untersuchung muss immer das Handgelenk
und das Ellenbogengelenk wegen möglicher Luxationsfrakturen einschließen. Therapie: ■ Die konservative Behandlung wird nur bei den kindlichen Frakturen, den unverschobenen Brüchen sowie den wenig dislozierten distalen Ulnafrakturen durchgeführt. Die Reposition bei den kindlichen Frakturen erfolgt in Vertikalextension. Der verengte Zwischenknochenraum wird zunächst mit beiden Daumen auseinandergedrückt und dann beide Unterarmknochen durch Druck und Gegendruck reponiert. Ruhigstellung im Oberarmgips für 4 – 6 Wochen. Mit einem Unterarmbrace werden unverschobene wie auch bis zur halben Schaftbreite verschobene Ellenbrüche im mittleren und distalen Drittel ruhiggestellt. Bei einer derartigen Dislokation ist die Membrana interossea intakt und das Periost nur minimal eingerissen. ■ Operative Therapie: Dislozierte Frakturen im Kindesalter werden überwiegend durch eine gedeckte Markraumdrahtung geschient. Im Erwachsenenalter stellt die Plattenosteosynthese das geeignete Osteosyntheseverfahren dar (Abb. B-2.77 a). Bei weit offenen Frakturen kann primär mit einem Fixateur ruhiggestellt werden. Wegen der funktionellen Nachbehandlung ist eine sekundäre Plattenosteosynthese im Sinne eines Verfahrenswechsels empfehlenswert (Abb. B-2.77 b). ■ Postoperativ werden die stabil versorgten Unterarmschaftfrakturen funktionell behandelt. Dadurch wird eine Bewegungseinschränkung durch Vernarbung im Bereich der Membrana interossea vermieden.
B-2.77
Therapie: ■ Die konservative Behandlung wird nur bei den kindlichen Frakturen, den unverschobenen Brüchen sowie den wenig dislozierten distalen Ulnafrakturen durchgeführt. Nach der Reposition der Fraktur erfolgt die Ruhigstellung im Oberarmgips für 4 – 6 Wochen. ■ Operative Therapie: Dislozierte Frakturen im Kindesalter werden überwiegend mittels gedeckter Markraumdrahtung, im Erwachsenenalter mittels Plattenosteosynthese versorgt (Abb. B-2.77). ■ Postoperativ werden die stabil versorgten Unterarmschaftfrakturen funktionell behandelt.
Unterarmschaftfraktur a Röntgen linker Unterarm in 2 Ebenen: Unterarmschaftfraktur mit Dislokation der Frakturfragmente jeweils um Schaftbreite. Zustand nach Plattenosteosynthese an Radius und Ulna. b Offene Fraktur. Primäre Ruhigstellung mit Fixateur externe. Sekundäre Plattenosteosynthese.
a (I)
b (I)
a (II)
b (II)
b (III)
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812
B 2 Traumatologie
Komplikationen: Häufigste Komplikationen sind Infektionen und Pseudarthrosen.
Komplikationen: Häufigste Komplikationen sind Infektionen und Pseudarthrosen. Die Refraktur findet sich nur bei zu früher Metallentfernung (vor dem 18. Monat). Nach konservativer Behandlung, Anlagerung von Spongiosa auf der Membrana interossea und schweren Weichteiltraumen kann es zur Bildung von Brückenkallus mit einer Behinderung von Pro- und Supination kommen.
Unterarmluxationsfrakturen
Unterarmluxationsfrakturen
Monteggia-Verletzung
Monteggia-Verletzung
왘 Definition
왘 Definition. Die Merkmale einer Monteggia-Verletzung sind die Ulnafraktur
und die Sprengung des proximalen Radioulnargelenkes mit Luxation des Radiusköpfchens. Etwa 10 % der Ulnafrakturen sind von einer Radiusköpfchenluxation begleitet. Pathogenese: Die Fraktur entsteht bei Kindern immer durch den Sturz auf den im Ellenbogen extendierten und im Unterarm pronierten Arm.
Pathogenese: Die Fraktur entsteht bei Kindern immer durch Sturz auf den im Ellenbogen extendierten und im Unterarm pronierten Arm. Es kommt zu einer Fraktur des Ellenschaftes und durch die über die Membrana interossea und das Lig. anulare bis in den Bereich der Gelenkkapsel verlaufende Zerreißung zu einer Luxation des Speichenköpfchens.
Klassifikation: ■ Volare Luxation (60 – 80 %). ■ Dorsale Luxation (10 – 20 %). ■ Laterale Luxation (15 %).
Klassifikation: Die häufigste Form (60 – 80 %) zeigt eine ■ volare Luxation des Radiusköpfchens. ■ In 10 – 20 % ist das Radiusköpfchen nach dorsal luxiert. ■ In etwa 15 % liegt eine laterale Verrenkung vor.
Diagnostik: Röntgenaufnahme des Unterarms in 2 Ebenen (Abb. B-2.78 a).
Diagnostik: Monteggia-Verletzungen werden häufig übersehen, da röntgenologisch nur die Ulnafraktur dargestellt wird.
왘 Merke
Therapie: Gelegentlich können kindliche Monteggia-Läsionen konservativ behandelt werden. Engmaschige Röntgenkontrollen sind unerlässlich.
B-2.78
왘 Merke. Bei jeder Ulnafraktur ist eine Röntgenaufnahme des Ellbogen- und Handgelenkes in 2 Ebenen unerlässlich (Abb. B-2.78 a).
Therapie: Gelegentlich können kindliche Monteggia-Läsionen konservativ versorgt werden, wenn nach Reposition der Ulna die Reposition des Radiusköpfchens gelingt. Eine engmaschige röntgenologische Kontrolle zur Dokumentation des Retentionsergebnisses ist unerlässlich.
B-2.78
Monteggia-Verletzung
a Ulnaschaftfraktur mit Luxation des Radiusköpfchens a.-p. und seitlich.
b Zustand nach Plattenosteosynthese der Ulna mit korrekter Gelenkstellung.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.79
813
Galeazzi-Verletzung a Radiusschaftfraktur des distalen Drittels. b Zustand nach Plattenosteosynthese.
a
b
Operiert werden sollten alle Monteggia-Verletzungen bei Erwachsenen und die kindlichen, konservativ nicht reponierbaren oder retinierbaren Verletzungen. Nach korrekter Reposition und Stabilisation mittels Plattenosteosynthese (Abb. B-2.78 b) stellt sich das Radiusköpfchen zumeist wieder in seine Position ein.
Operative Behandlung bei dislozierten Monteggia-Verletzungen des Erwachsenen (Plattenosteosynthese) und bei nicht reponierbaren kindlichen Verletzungen (Abb. B-2.78 b).
Komplikationen: Brückenkallusbildung, ektope Verkalkungen im Bereich des Ellenbogengelenkes, Pseudarthrose.
Komplikationen: Brückenkallusbildung, ektope Verkalkungen, Pseudarthrose.
Galeazzi-Verletzung
Galeazzi-Verletzung
왘 Definition. Das Charakteristikum dieser Verletzung besteht in einer Radius-
왗 Definition
schaftfraktur des distalen Drittels und einer Luxation im distalen Radioulnargelenk, evtl. mit einem Abriss des Proc. styloideus ulnae. Pathogenese: Die Ursache besteht zumeist in einem Sturz auf die Hand. Die Inzidenz liegt bei 6 % der Unterarmfrakturen.
Pathogenese: Die Ursache besteht zumeist in einem Sturz auf die Hand.
Diagnostik: Neben den typischen Frakturzeichen ergibt das Röntgenbild mit dem Handgelenk in 2 Ebenen die korrekte Diagnose (Abb. B-2.79 a).
Diagnostik: Röntgenaufnahmen des Unterarmes mit Handgelenk in 2 Ebenen (Abb. B-2.79 a).
Therapie: Die Galeazzi-Verletzung wird operativ stabilisiert (Abb. B-2.79 b). Die korrekte Länge des Radius führt überwiegend auch zur Reposition im distalen Radioulnargelenk. Kindliche Frakturen können u.U. bei exakter Reposition konservativ behandelt werden.
Therapie: Die Galeazzi-Verletzung wird operativ stabilisiert (Abb. B-2.79 b). Kindliche Frakturen können u.U. konservativ behandelt werden.
Distale Radiusfraktur
Distale Radiusfraktur
Pathogenese: Die distale Radiusfraktur stellt die häufigste Fraktur dar. Die Colles-Fraktur (Radiusextensionsfraktur „loco typico“) entsteht zumeist durch Sturz auf die dorsal extendierte Hand. Die Stellung des Handgelenkes im Moment der Krafteinwirkung ist entscheidend für den Frakturverlauf. Die Smith-Fraktur ist eine Flexionsfraktur.
Pathogenese: Sie ist die häufigste Fraktur. Die Colles-Fraktur (Radiusextensionsfraktur „loco typico“) entsteht zumeist durch Sturz auf die dorsal extendierte Hand. Die SmithFraktur ist eine Flexionsfraktur.
Klassifikation: Unterschieden werden die ■ A-Frakturen: Extraartikulär. ■ B-Frakturen: Einfache, intraartikuläre Radiusbrüche mit teilweise erhaltener Verbindung zwischen Epi- und Metaphyse. ■ C-Frakturen: Intraartikuläre Mehrfragmentsbrüche des distalen Unterarmes.
Klassifikation: Unterschieden werden extraartikuläre A-Frakturen, einfache intraartikuläre B-Frakturen und mehrfragmentäre C-Frakturen.
Klinik und Diagnostik: Die typische Fehlstellung mit Frakturdislokation nach radial (Bajonett-Stellung) und zur Streckseite (Fourchette-Stellung = Gabel), der Druckschmerz, die Schwellung und die Röntgenaufnahmen des Handgelenkes in 2 Ebenen beweisen das Vorliegen einer distalen Radiusfraktur (Abb. B-2.80).
Klinik und Diagnostik: Man erkennt die typische Fehlstellung (Bajonett- und Fourchettestellung). Röntgenaufnahmen des Handgelenkes beweisen die Fraktur (Abb. B-2.80).
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B 2 Traumatologie
814 B-2.80
Distale Radiusfrakturen
a
b
a Distale Radiusfraktur (A3). b Intraartikuläre Mehrfragmentfraktur (C3-Fraktur). c Distale Radiusfraktur mit Dislokation nach volar im Sinne einer Smith-Fraktur (B3-Fraktur).
c
Therapie: Die Therapie wird bestimmt von: ■ Grad der Dislokation und Einstauchung. ■ begleitenden Bandverletzungen. ■ intraartikulärem Frakturverlauf und ■ Richtung der Dislokation.
Therapie: Die folgenden Charakteristika bestimmen die Therapie: ■ Grad der Dislokation und Einstauchung: Der nach Reposition verbleibende Spongiosadefekt führt nach Reposition zur Instabilität und Redislokation. ■ Begleitende Bandverletzungen: In 50 % kommt es zum Abriss des Processus styloideus ulnae. ■ Intraartikulärer Frakturverlauf: mit einem häufig eingestauchten dorso-ulnaren oder volar-ulnaren Fragment. ■ Richtung der Dislokation: Nach volar verschobene Brüche benötigen immer eine operative Abstützung des peripheren Fragmentes.
Konservative Behandlung: Die Reposition erfolgt in Bruchspaltanästhesie und in Vertikalextension über sog. „Mädchenfänger“, die an Daumen, 2. und 4. Finger befestigt werden (Abb. B-2.81 a). Die manuelle Reposition umfasst 2 Schritte: 1. Beseitigung der Dislokation nach radial. 2. Beseitigung der Dislokation nach dorsal.
Konservative Behandlung: Die Reposition erfolgt zumeist in Bruchspaltanästhesie. Dabei werden zur Schmerzausschaltung 10 ml eines Lokalanästhetikums von dorsal in den Bruchspalt injiziert. Die Reposition erfolgt zumeist in Vertikalextension, die über sog. „Mädchenfänger“ am Daumen sowie zur Rotationssicherung am 2. und 4. Finger befestigt werden. Das Extensionsgewicht beträgt etwa 2 – 3 kg (Abb. B-2.81 a). Die manuelle Reposition umfasst 2 Schritte: 1. Beseitigung der Dislokation nach radial durch verstärkten Zug am Mittelhandknochen und Kippung nach ulnar. 2. Beseitigung der Dislokation nach dorsal. Die Ruhigstellung erfolgt mit einer dorso-volaren Gipsschiene, die proximal der Fingergrundgelenke geginnt und sich bis unterhalb des Ellenbogens erstreckt. Durch eine 3-Punkte-Abstützung wird die Retention der Fraktur ermöglicht.
Ruhigstellung mit dorso-volarer Gipsschiene.
왘 Merke
왘 Merke. Wegen der Dislokationsgefahr sind engmaschige Röntgenkontrollen
nach 48 Stunden, 1, 2 und schließlich 4 Wochen erforderlich. Operative Therapie: s. Tab. B-2.9.
■
Operative Therapie: s. Tab. B-2.9.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.9
Operative Versorgung distaler Radiusfrakturen
Indiaktion
Versorgung
Fraktur mit volarer Dislokation (SmithFraktur)
Versorgung durch eine Abstützplatte von volar (Abb. B-2.81 b).
Frakturen mit starker Verkürzung und erheblicher dorsaler Verschiebung (4 15 ° im seitlichen Röntgenbild)
Stabilisierung mithilfe einer K-DrahtFixation (Abb. B-2.81 a). Sie werden jedoch häufiger mit einer winkelstabilen Platte zumeist von volar versorgt.
Intra- und metaphysäre Trümmerbrüche
Sie können durch Fixateur externe und zusätzliche K-Draht-Fixation oder winkelstabile Platten retiniert werden (Abb. B-2.82).
B-2.81
815 B-2.9
Therapie der distalen Radiusfraktur
a
b
c
a Versorgung einer distalen Radiusfraktur mit Kirschner-Drähten. Die Reposition erfolgt manuell und durch Extension. Der Gegenzug kann dabei durch sog. Mädchenfänger erfolgen, die Daumen und Zeigefinger fixieren. b Plattenosteosynthese von volar. c Plattenosteosynthese von dorsal.
Komplikationen: s. a. Abb. B-2.83 ■ Eine verbleibende Fehlstellung führt zur posttraumatischen Arthrose und Impingement. ■ Karpaltunnelsyndrom. ■ Radioulnare Inkongruenz (Ulnavorschub, Ulnafehlstellung). ■ Rupturen der langen Daumenstrecksehne; diese ist unabhängig vom Grad der primären Dislokation und entsteht sekundär über eine vaskuläre Minderversorgung. ■ Sudeck’sche Dystrophie.
Komplikationen: Verbleibende Fehlstellung, Karpaltunnelsyndrom, radioulnare Inkongruenz oder Ruptur der langen Daumenstrecksehne möglich (Abb. B-2.83).
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B 2 Traumatologie
816 B-2.82
Versorgung einer distalen Radiusmehrfragmentfraktur
a
b
c
c
B-2.83
B-2.83
a Intraartikuläre distale Radiusmehrfragmentfraktur. b Versorgung mit Kirschner-Drähten und Fixateur externe. c Entfernung des Fixateurs nach 3 Wochen. d Endresultat mit freier Funktion im Handgelenk.
Folgen einer fehlverheilten distalen Radiusfraktur
Kindliche distale Unterarmfrakturen
Kindliche distale Unterarmfrakturen
Unterschieden werden: ■ Grünholzfraktur, ■ metaphysärer Stauchungsbruch, ■ metaphysärer Biegungsbruch und ■ Epiphysenlösung des distalen Radius.
Im distalen Vorderarmbereich unterscheiden wir folgende Frakturen: ■ Grünholzfraktur des dia-metaphysären Übergangs eines oder beider Knochen. ■ Metaphysärer Stauchungsbruch. ■ Metaphysärer Biegungsbruch. ■ Epiphysenlösung des distalen Radius mit und ohne metaphysären Keil.
Sie stellen bei Kindern die häufigsten Verletzungen der oberen Extremität dar. Im distalen Unterarmbereich besteht eine hohe Wachstumspotenz mit der Möglichkeit von Spontankorrekturen.
Sie stellen bei Kindern die häufigsten Verletzungen der oberen Extremität dar. Im distalen Unterarmbereich besteht eine hohe Wachstumspotenz, sodass Spontankorrekturen von Seit-zu-Seit-Verschiebungen bis zur vollen Schaftbreite und von Abkippungen in der Frontal- und Sagittalebene bis 40 – 50 ° möglich sind.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
817
Therapie: Mit Ausnahme weniger Epiphysenfrakturen ist die Behandlung konservativ, wobei die Reposition nach Möglichkeit in Allgemeinnarkose durchgeführt werden sollte. Die Ruhigstellung im Gipsverband beträgt 3 – 4 Wochen.
Therapie: Mit Ausnahme weniger Epiphysenfrakturen ist die Behandlung konservativ.
2.2.3 Handgelenk und Hand
2.2.3 Handgelenk und Hand
(s. Kap. B 9, S. 1188)
(s. Kap. B 9, S. 1188)
2.2.4 Wirbelsäule
2.2.4 Wirbelsäule
Grundlagen
Grundlagen
Anatomie
Anatomie
Die statische Funktion der Wirbelsäule als Stützorgan und die beachtliche Beweglichkeit wird durch die Kombination von starren und beweglichen Bauelementen gewährleistet. Während die Hals- und die Lendenwirbelsäule sich durch eine gute Beweglichkeit auszeichnen, ist der Abschnitt zwischen Th1 –Th10 durch die Verbindung mit dem Rippenthorax verhältnismäßig starr. Als Bewegungssegment der Wirbelsäule wird die kleinste Bewegungseinheit bezeichnet, welche aus 2 benachbarten Wirbelkörpern, der dazwischenliegenden Bandscheibe, dem Band- und Muskelapparat und den vaskulären und zentralnervösen Elementen besteht. Die Wirbelkörper sowie -fortsätze sind durch straffe Ligamente verbunden: Ligg. longitudinalia anterius und posterius, Ligg. interspinalia und supraspinalia und Ligg. flava. ■ Halswirbelsäule (HWS): Sie bildet in anatomisch aufrechter Stellung eine Lordose. Als einzig tastbare Elemente liegen unter der Haut die Dornfortsätze, die von C2 –C6 zweigeteilt sind. C7 weist meistens einen ungeteilten Dornfortsatz auf, der auch Vertebra prominens genannt wird. Der Atlas (C1) besitzt lediglich ein dorsales Tuberculum, der Axis (C2) den ventral gelegenen Dens axis (Abb. B-2.84). Die Wirbelkörper sind in der Aufsicht rechteckig. Die Querfortsätze entstehen im Halsgebiet aus der dorsal gelegenen eigentlichen Querfortsatzanlage und der rudimentären Rippenanlage. Sie schließen als dünne Wände das Foramen transversarium ein und laufen seitlich in das Tuberculum anterius und posterius aus. Die Gelenkflächen der kleinen Wirbelgelenke zeigen im Bereich der Halswirbelsäule eine um 30 – 35 ° zur Horizontalebene gekippte, ovoide Gelenkachse. ■ Brustwirbelsäule (BWS): Die Wirbelkörper sind in der Aufsicht halbrund und die Querforsätze nach hinten gerichtet. Die Gelenkflächen stehen annähernd transversal mit einer durchschnittlichen Kippung zur Diskusebene von 65 °. ■ Lendenwirbelsäule (LWS): Die Wirbelkörper sind nierenförmig konfiguriert. Die Querfortsatzanlagen bilden nur die sehr variabel ausgebildeten Processus
Die Beweglichkeit ist am größten in der HWS und am geringsten in der BWS.
B-2.84
Die kleinste Bewegungseinheit besteht aus benachbarten Wirbelkörpern, der Bandscheibe sowie dem Band- und Muskelapparat und den vaskulären und zentralvenösen Elementen. Die Wirbelkörper sowie -fortsätze sind durch straffe Ligamente verbunden. ■
■
■
Die HWS bildet eine Lordose. C1 wird Atlas, C2 Axis und C7 auch Vertebra prominens genannt (Abb. B-2.84). BWS: Die Gelenkflächen stehen transversal und sind um 65 ° gekippt. LWS: Die eigentlichen Querforsätze gehen von den Rippenanlagen aus. Die Gelenkflächen stehen saggital und sind um 90 ° gekippt.
Anatomie der Halswirbelkörper
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818
■
Die Bandscheiben bestehen aus dem Faserring (Anulus fibrosus) und dem Gallertkern (Nucleus pulposus) und garantieren die elastische Widerstandsfähigkeit der Wirbelsäule.
B 2 Traumatologie
■
accessorii, während die eigentlichen Querfortsätze von den Rippenanlagen ausgehen. Die Gelenkflächen sind annähernd saggital gestellt und um ungefährt 90 ° gekippt. Die Bandscheiben bestehen aus dem Faserring (Anulus fibrosus) und dem Gallertkern (Nucleus pulposus). Während der Faserring aus zwiebelschalenartig geschichteten Lamellen von Kollagenfasern besteht, die als SharpeyFasern in die Knochen der Randleiste einstrahlen, wirkt der Gallertkern als inkompressibles Wasserkissen, das die Kollagenfasern des Anulus fibrosus spannt. Die Bandscheiben garantieren auf diese Art die elastische Widerstandsfähigkeit der Wirbelsäule.
Biomechanik
Biomechanik
Für jedes Bewegungssegment ist eine Bewegung in 6 Freiheitsgraden möglich, in der sagittalen, frontalen und transversalen Ebene als translatorische Verschiebung entlang einer Achse sowie als rotatorische Drehung um eine Achse.
Die Wirbelkörper können sich gegeneinander in der sagittalen, der frontalen und der transversalen Ebene als translatorische Verschiebungen entlang einer Achse sowie als rotatorische Drehungen um eine Achse bewegen. Damit ist jedes Bewegungssegment ein Gelenk mit 6 Freiheitsgraden. Meistens handelt es sich um Kombinationsbewegungen, die zu enormen Druck-, Zug- und Schubkräften führen. Die Druckfestigkeit eines gesunden knochennormalen Wirbelkörpers beträgt zwischen 1,1 und 14,2 N/mm2. Die Druckfestigkeit der Wirbelkörper – Bandscheibeneinheit bei normalem Diskus – beträgt etwa 3,0 N/mm2. Die Druckfestigkeit der Wirbelkörper nimmt von C1 nach L5 hin zu. Bei mittleren Altersstufen beträgt die Druckfestigkeit an der Halswirbelsäule 2,8 kN, an der Brustwirbelsäule 4,2 kN und 5,7 kN an der Lendenwirbelsäule. Die entsprechenden Werte für die Bandscheibe betragen 3,2 kN, 8,0 kN und 15,0 kN.
Die Druckfestigkeit der Wirbelkörper nimmt von C1 nach L5 hin zu.
Unfallmechanismus
Wirbelkörper frakturieren vor einem Riss des Anulus fibrosus. Bei einem Überschreiten der Toleranzgrenze der Wirbelsäule findet sich ein Einbruch der Deck- bzw. Bodenplatte am Wirbelkörper.
Am häufigsten sind Distraktion und Flexion sowie kombinierte Rotationen. HWS-Verletzungen werden zum großen Teil durch Verkehrsunfälle mit einem Hyperextensions- oder Hyperflexionsmechanismus verursacht. Die meisten Verletzungen der BWS und LWS entstehen durch ein axiales Stauchungstrauma (Fall aus großer Höhe, Sturz auf das Gesäß.
Häufigkeit
Aufgrund der besonderen Lage der HWS treten hier Wirbelsäulenverletzungen mit neurologischem Defizit am häufigsten auf.
62 % der Frakturen umfassen den thorakolumbalen Übergang Th11 –L2.
Unfallmechanismus Der vielgliedrige elastische Aufbau des Achsenorgans bedingt einen anderen Frakturmechanismus, als er für die Schaftfrakturen der Extremitäten typisch ist. Wirbelfrakturen werden meist durch innere Kräfte im Sinne der Akzeleration oder der Dezeleration hervorgerufen. Die intakte Bandscheibe widersteht höheren Kompressionskräften als der Wirbelkörper. Die Wirbelkörper frakturieren vor einem Riss des Anulus fibrosus. Wird die Toleranzgrenze der Wirbelsäule überschritten, findet sich eine Eindellung der Deck- bzw. Bodenplatte am Wirbelkörper. Verliert die Bandscheibe ihren Turgor durch Insuffizienz des Nucleus pulposus, führen Kompressionskräfte auch zu Formveränderungen in der Höhe des Intervertebralraumes. Die häufigsten Verletzungsmechanismen an der Wirbelsäule sind Distraktion und Flexion, Kompression/Flexion und Kompression/Extension sowie kombinierte Rotationen. In der beweglichen Halswirbelsäule spielen zusätzlich Rotationsverletzungen, welche häufig mit einer unifacettalen Luxation oder Subluxation mit oder ohne Fraktur einhergehen, eine wichtige Rolle. HWS-Verletzungen werden zum großen Teil durch Verkehrsunfälle mit einem Hyperextensions- oder Hyperflexionsmechanismus verursacht. Die meisten Verletzungen der BWS und LWS entstehen durch axiales Stauchungstrauma, z. B. Fall aus großer Höhe, Sturz auf das Gesäß. Häufigkeit Frakturen der Halswirbelsäule machen etwa 19 %, der Brustwirbelsäule 36 % und der Lendenwirbelsäule 45 % aller Wirbelfrakturen aus. Die Halswirbelfrakturen stellen das Hauptkontingent der Wirbelsäulenverletzungen mit neurologischem Defizit dar. Diese Tatsache ergibt sich aus der besonderen Lage zwischen Kopf und Thorax, wobei der Kopf mit 4 – 5 kg als Hebelarm wirkt. Ursache der neurologischen Defizite sind zumeist Quetschung, Überdehnung oder Zerreißung. Unter den Brust- und Lendenwirbelsäulenfrakturen ist der Abschnitt Th11 –L2 mit 62 % aller Frakturen am häufigsten betroffen.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
819
Behandlungskriterien
Behandlungskriterien
Für die konservative sowie die operative Behandlung gilt in gleicher Weise der Böhler-Grundsatz: Reposition, Stabilisierung, frühzeitige Mobilisation. Die Erstbehandlung an der Unfallstelle erfolgt unter Längszug, Lagerung mit Halskrawatte und Vakuummatratze. An der Unfallstelle und bei der stationären Aufnahme muss ein exakter neurologischer Status erhoben werden, welcher als Ausgangsbasis für den weiteren Verlauf von entscheidender Bedeutung ist.
Es gilt der Böhler-Grundsatz: Reposition, Stabilisierung, frühzeitige Mobilisation. Die Erstbehandlung an der Unfallstelle erfolgt unter Längszug, Lagerung mit Halskrawatte und Vakuummatratze. Wichtig ist ein exakter neurologischer Status.
Untersuchungstechniken
Untersuchungstechniken
Anamnese: Wichtig ist die Kenntnis des Unfallmechanismus, z. B. Kopfsprung in seichtes Wasser (Fraktur oder diskoligamentäre Instabilität der HWS), Auffahrunfall (Beschleunigungsverletzung der HWS), Sturz aus großer Höhe (Fraktur im thorakolumbalen Übergang), frühere Verletzungen (Denspseudarthrose). Es muss eine Schmerzanamnese erhoben werden (Dauer und intermittierender Schmerz bei radikulärer Ursache, Belastungsschmerz bei degenerativen Erkrankungen).
Anamnese: Wichtig ist die Kenntnis des Unfallmechanismus. Der Schmerzcharakter gibt Hinweise auf die zugrunde liegende Verletzung.
Inspektion: Man achtet auf Hämatome, Zwangshaltung, Gibbusbildung durch Frakturen oder Entzündungen (z. B. Tuberkulose, Steilstellung der HWS bei Beschleunigungstraumen, Hyperlordose der LWS bei Spondylolisthesis).
Inspektion: Hämatome bei Flexions-/Distraktionsverletzungen, Gibbusbildung bei Frakturen, Hyperlordose bei Spondylolisthesis.
Palpation: Bei der Palpation lassen sich Diastasen zwischen den Dornfortsätzen als Hinweis auf Flexions-/Distraktionsverletzungen erkennen. Fehlstellungen der Wirbelsäule sind erkennbar, wenn das Lot von C7 nicht auf die Sakrummitte fällt. Weiterhin ist auf paravertebrale Verhärtungen der Muskulatur, Schmerzen bei Palpation der Querfortsätze und der Muskulatur sowie Stauchungsschmerzen bei Druck auf den Kopf oder beide Schultern zu achten.
Palpation: Zu erkennen sind Diastasen zwischen den Dornfortsätzen, Verhärtungen der Muskulatur, Schmerzen bei Palpation der Querfortsätze und Muskelansätze, Stauchungsschmerzen.
Bewegungsumfang: Im Bereich der HWS werden die Flexion und Extension in Winkelgraden oder als Abstand zwischen Sternum und Kinn gemessen. Darüber hinaus erfolgt die Messung der Seitneigung und Rotation, bei der Brust- und Lendenwirbelsäule wird die Vor- und Rückneigung jeweils im Stehen und in Bauch- bzw. Rückenlage bewertet. Als Maß für die Flexion kann der Fingerspitzen-Boden-Abstand bewertet werden. Mithilfe des Schober-Zeichens kann die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule ermittelt werden. Die Beweglichkeit der BWS lässt sich mit dem Ott-Zeichen überprüfen (Abb. B-2.85).
Bewegungsumfang: In der HWS werden Flexion, Extension, Seitneigung und Rotation, in der BWS und LWS Flexion und Extension gemessen.
왘 Merke. Bei jeder Untersuchung der Wirbelsäule muss das Becken unter-
Mit dem Schober-Zeichen und dem OttZeichen lassen sich die Beweglichkeit von Brust- und Lendenwirbelsäule überprüfen (Abb. B-2.85). 왗 Merke
sucht und ein neurologischer Status erhoben werden.
Verletzungen der oberen Halswirbelsäule
Verletzungen der oberen Halswirbelsäule
1/
3 aller Verletzungen der Halswirbelsäule ist im oberen Bereich lokalisiert. Die Fraktur der Okzipitalkondylen ist im klinischen Krankengut eine seltene Verletzung, wird aber in der Gerichtsmedizin etwas häufiger gefunden (0,6 %).
1/ 3
aller Verletzungen der Halswirbelsäule ist im oberen Bereich lokalisiert. Die Fraktur der Okzipitalkondylen ist sehr selten.
Atlasfraktur
Atlasfraktur
Häufigkeit und Klassifikation: Frakturen des Atlas entstehen meistens durch axial einwirkende Kräfte. Sie machen 2 – 13 % aller HWS-Verletzungen aus und werden in 5 Typen unterteilt: ■ Die Typ-I-Verletzung ist die Fraktur des vorderen Atlasbogens. ■ Typ II: Verletzung des hinteren Atlasbogens. ■ Typ III: Es finden sich ein doppelseitiger Bogenbruch von C1 und eine Ruptur des Lig. transversum atlantis. Die Atlasberstungs- oder auch Jefferson-Frakturen stellen die schwerste Verletzungsform dar (Abb. B-2.86). ■ Typ IV: Fraktur der Massa lateralis. ■ Typ V: Fraktur des Proc. transversus.
Häufigkeit und Klassifikation: Die Häufigkeit der Atlasfraktur beträgt 2 – 13 %. Man unterscheidet bei den Atlasfrakturen 5 Typen. Die Jefferson-Fraktur ist ein doppelseitiger Bogenbruch von C1 (Abb. B-2.86).
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820
B 2 Traumatologie
B-2.85
B-2.85
Schober- und Ott-Zeichen
B-2.86
B-2.86
Jefferson-Fraktur
Die Atlasfrakturen können mit einer Densfraktur, einer Ausrissfraktur C2 oder einer Bogenfraktur im unteren HWS-Bereich einhergehen. Klinik: Nacken-, Kopf- und Bewegungsschmerzen sind vorherrschend.
Die Atlasfrakturen können mit einer Densfraktur, einer Ausrissfraktur C2 oder einer Bogenfraktur im unteren HWS-Bereich einhergehen. Neurologische Ausfälle können aufgrund einer Vertebralisthrombose oder -läsion vorkommen.
Diagnostik: Die Diagnostik erfolgt durch Röntgenaufnahmen a.-p. seitlich, transoral sowie durch CT (Abb. B-2.87). Eine Instabilität liegt dann vor, wenn die Massae laterales die Axis um > 6,9 mm überragen. Normalerweise bilden die Massae laterales des Atlas und von C2 eine gerade Linie.
Diagnostik: Sie erfolgt durch a.-p., seitliche und transorale Röntgenaufnahmen sowie durch das Computertomogramm (Abb. B-2.87). Einen radiologischen Hinweis auf eine Fraktur des vorderen Atlasbogens kann ein verbreiterter prävertebraler Weichteilschatten geben. Auf eine instabile Jefferson-Fraktur deutet das Auseinanderweichen der Massae laterales auf der transoralen Aufnahme und auf der CT hin. Eine instabile Verletzung und damit Ruptur des Lig. transversum atlantis bei einer Sprengung des Atlasringes muss dann angenommen werden, wenn die Massae laterales die Axis um 4 6,9 mm überragen. Normalerweise bilden die Massae laterales des Atlas und von C2 eine gerade Linie.
Klinik: Typische klinische Symptome sind Nacken- und Kopfschmerzen, Bewegungsschmerzen, Hyposensibilitäten (N. occipitalis major) und Schluckstörungen infolge eines paravertebralen Hämatoms.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.87
821
Atlasfraktur
a Atlasfraktur (?) Typ IV in transoraler und seitlicher Röntgenprojektion.
b Die gleiche Fraktur im Computertomogramm.
Therapie: ■ Typ I, II, IV und V: Schanz-Krawatte. ■ Instabile Verletzungen (Typ III): Halo-Fixateur und C1/C2-Spondylodese (180 °) (Wirbelsäulenversteifung). ■ Minervagipsverband: Selten.
Therapie: Halo-Fixateur und C1/C2-Spondylodese (180 °) bei instabilen Verletzungen (Typ III), ansonsten genügt eine Schanz-Krawatte (Typ I, II, IV, V).
Densfrakturen
Densfrakturen
Häufigkeit: Bei Erwachsenen macht die Densfraktur 10 – 15 % aller HWS-Verletzungen aus. Sie ist zu 50 % von weiteren Wirbelsäulenverletzungen begleitet.
Häufigkeit: 10 – 15 % aller HWS-Verletzungen bei Erwachsenen.
Klassifikation: Nach Anderson und D’Alonzo (1974) werden die Densfrakturen in 3 Typen eingeteilt (Abb. B-2.88): ■ Typ 1 (5 1 %): Fraktur der Densspitze. Sie stellt eine Ausrissfraktur des Lig. alare als Hinweis auf eine atlantookzipitale Dislokation oder auf eine Abscherfraktur durch Kontakt mit dem Foramen magnum dar. ■ Typ 2 (67 %): Die Fraktur ist im Proc. odontoideus selbst lokalisiert und verläuft oberhalb des Überganges des Dens in den Axiskörper. Da die Frakturoberfläche klein ist, ist die Pseudarthroserate sehr hoch (bis zu 80 %). Die Unfallursache ist eine Hyperextension oder Hyperflexion mit entsprechendem Frakturverlauf. ■ Typ 3: 33 % aller Densfrakturen. Die Fraktur reicht in den Axiskörper hinein. Die Heilungstendenz ist bei konservativer Behandlung gut, die Pseudarthroserate beträgt 7 %.
Klassifikation: Nach Anderson und D’Alonzo werden die Densfrakturen in 3 Typen unterteilt (Abb. B-2.88): ■ Typ 1: Fraktur der Densspitze (5 1 %). ■ Typ 2: Fraktur verläuft oberhalb des Übergangs des Dens in den Axiskörper (67 %). Höchste Pseudarthroserate (bis zu 80 % bei konservativer Behandlung). ■ Typ 3: Fraktur reicht in den Axiskörper hinein (33 %).
Klinik: Es werden häufig Nackenschmerzen und Schluckbeschwerden angegeben. Bei Aufforderung, aus der liegenden Position aufzustehen, wird der Kopf häufig mit beiden Händen gehalten. Eine Rückenmarksbeteiligung findet sich in 12 – 33 %.
Klinik: Häufig wird über Schluckbeschwerden und Nackenschmerzen geklagt. Eine Rückenmarksbeteiligung findet sich in 12 – 33 %.
Diagnostik: A.-p., seitliche und transorale Röntgenaufnahmen sind richtungsweisend. Ein verbreiterter retropharyngealer Weichteilschatten, der normal 3 – 4 mm beträgt, und das CT kann häufig den Verdacht auf eine Fraktur erhärten (Abb. B-2.89).
Diagnostik: Ein verbreiterter retropharyngealer Weichteilschatten in der Bildgebung ist richtungsweisend.
Differenzialdiagnose: Os odontoideum (isolierter Knochenkern proximal des Axiskörpers), hierbei besteht häufig eine Hypertrophie des vorderen Atlasbogens.
Differenzialdiagnose: Os odontoideum.
Therapie: ■ Typ 1: Wegen der Instabilität durch die Ausrissverletzung des Lig. alare (Luxationsverletzung) ist ein Halo-Fixateur für 6 Wochen anzulegen. ■ Typ 2: Bei stabilen Frakturen ist eine konservative Behandlung mit Ruhigstellung im Minervagipsverband oder im Halo-Fixateur möglich. Dislozierte
Therapie: ■ Typ 1: Halo-Fixateur. ■ Typ 2: Bei stabilen Frakturen Minervagipsverband oder Halo-Fixateur, bei dislozierten Frakturen Zugschraubenosteosynthese oder C1/C2-Fusion.
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B 2 Traumatologie
822 B-2.88
Klassifikation der Densfrakturen nach Anderson und D’Alonzo
a Typ 1: Fraktur der Densspitze (5 1 %). b Typ 2: Fraktur im Proc. odontoideus (ca. 67 %). Bei kleiner Frakturfläche beträgt die Pseudarthroserate bis zu 80 %. Als Ursache wird ein Hyperextensions- oder -flexionstrauma verantwortlich gemacht. c Typ 3: Die Fraktur erreicht den Axiskörper (ca. 33 %). Bei konservativer Behandlung liegt die Pseudarthroserate bei 7 %.
B-2.89
Densfraktur
a Densfraktur mit Dislokation nach ventral.
■
Typ 3: Minervagipsverband oder Halo-Fixateur.
b Versorgung mit einer Zugschraube.
■
Frakturen werden operativ mit ventraler Zugschraubenosteosynthese oder dorsaler Spondylodese C1/C2 behandelt. Der Nachteil des dorsalen Verfahrens ist eine Einschränkung der Rotation von mindestens 30 °. Typ 3: Ruhigstellung im Minervagipsverband oder Halo-Fixateur.
Traumatische Spondylolisthesis C2
Traumatische Spondylolisthesis C2
Häufigkeit: Sie macht 7 % aller HWS-Verletzungen aus.
Häufigkeit: Sie macht 7 % aller HWS-Verletzungen aus.
Klassifikation: Nach Effendi werden 3 Typen unterschieden (Abb. B-2.90 a): ■ Die Typ-1-Verletzung (65 %) ist stabil. ■ Typ 2 (28 %) und ■ Typ 3 (7 %) sind instabile Verletzungen.
Klassifikation: Die traumatische Spondylolisthesis C2 (auch „hanged man’s fracture“ genannt) wird nach Effendi und Mitarbeiter (1981) in 3 Typen eingeteilt (Abb. B-2.90 a): ■ Typ 1 (65 %): Stabile, nicht dislozierte Fraktur mit intakter Bandscheibe C2/3. ■ Typ 2 (28 %): Nach ventral dislozierter Wirbelkörper C2 mit Läsion der Bandscheibe C2/3. Die Verletzung ist instabil. ■ Typ 3 (7 %): Es handelt sich um eine Typ-2-Verletzung mit zusätzlich einseitig verhakter Luxation C2/3. Der Körper C2 ist dabei nach ventral flektiert.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.90
823
Traumatische Spondylolisthesis
a Einteilung der traumatischen Spondylolisthesis C2 nach Effendi.
b Direkte Verschraubung der beidseitigen Bogenfraktur (Typ 3) mit Zugschrauben.
Verletzungsmechanismus: Unterschieden werden 3 Verletzungsmechanismen ■ Hyperextension/Distraktion: Bei den zum Tode durch den Strang Verurteilten wurde der Henkersknoten genau in der Mitte submental umgelegt und der Verurteilte aus genügender Höhe in den Knoten fallengelassen. Dabei wurde die obere Halswirbelsäule hyperextendiert und distrahiert mit der Folge einer beidseitigen Fraktur von C2 im Bereich des Isthmus, einer Ruptur der Bandscheibe C2/C3 sowie der Läsion sämtlicher Bandstrukturen in dieser Höhe mit Elongation oder sogar Durchtrennung des Rückenmarks. Daher der Name: Hanged man’s fracture. ■ Hyperextension/Kompression: Heutzutage werden die meisten Verletzungen auf diesen Mechanismus zurückgeführt. Ein Beispiel ist der nicht angegurtete Autofahrer, der bei einer Frontalkollision mit extendierter Halswirbelsäule an die Windschutzscheibe prallt. ■ Flexion/Kompression: Dieser Mechanismus muss als Ursache bei gleichzeitigem Vorliegen einer Kompressionsfraktur von C3 angenommen werden.
Verletzungsmechanismus: Es werden 3 Typen unterschieden ■ Hyperextension/Distraktion: Hanged man’s fracture. ■ Hyperextension/Kompression: Verkehrsunfall als nicht angeschnallter Autofahrer. ■ Flexion/Kompression: Bei gleichzeitigem Vorliegen einer Kompressionsfraktur von C3.
Klinik: Infolge des massiven prävertebralen Hämatoms klagen die Patienten über Nackenschmerzen, Schluckstörungen oder Dyspnoe.
Klinik: Nackenschmerzen und Schluckstörungen oder Dyspnoe sind typische Symptome.
Neurologische Ausfälle sind anzutreffen in 10 % bei Typ-1-, ■ 19 % bei Typ-2- und ■ 11 % bei Typ-3-Frakturen.
Neurologische Ausfälle treten in 10 – 19 % der Fälle auf.
■
Es handelt sich um Hyposensibilität im Versorgungsgebiet von C2 sowie motorische und sensorische Paresen bis zur Hemi- bzw. Tetraplegie. Diagnostik: Die Diagnose dieser Fraktur wird auf dem seitlichen Röntgenbild der Halswirbelsäule gestellt. Auf den Dens zentrierte Schrägaufnahmen mit einem Winkel von 60 ° zeigen einen möglichen intraartikulären Verlauf besonders gut. Die Frakturlokalisation und der Frakturverlauf sind im Computertomogramm am besten zu beurteilen (Abb. B-2.89). Die Stabilität der Verletzung wird vom Arzt durch gehaltene Aufnahmen unter Bildverstärkerkontrolle beurteilt. Bei einer instabilen Läsion kommt es in Flexion zu einem Ventralgleiten von C2 (= 3,5 mm).
Diagnostik: Sie wird auf dem seitlichen Röntgenbild der Halswirbelsäule gestellt. Die Frakturlokalisation und der Frakturverlauf sind im CT am besten zu beurteilen (Abb. B-2.89). Die Stabilität der Verletzung wird durch gehaltene Aufnahmen beurteilt.
Therapie: ■ Typ-1-Frakturen: Sie sind stabil und können mit einer Schanz-Krawatte oder mit einem Minervagipsverband über 3 Monate konservativ behandelt werden. ■ Typ-2-Frakturen: Diese instabilen Frakturen können konservativ mit Minervagips oder Halo-Fixateur behandelt werden (12 Wochen). Ist die Fraktur
Therapie: ■ Typ-1-Frakturen: Schanz-Krawatte für 3 Monate. ■
Typ-2-Frakturen: Konservative Therapie stabiler Fakturen mittels Halo-Fixateur oder Minervagips. Operativ: Ventrale Spondylodese C2/C3 oder Schraubenosteosynthese.
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824
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Typ-3-Frakturen: Reposition von dorsal, dann wie bei Typ 2 (Abb. B-2.90 b).
B 2 Traumatologie
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nicht zu retinieren oder liegen neurologische Ausfälle vor, ist die operative Stabilisation mittels einer ventralen Spondylodese C2/C3 oder durch direkte Schraubenosteosynthese der Pedikelfraktur indiziert. Bei letzterem Verfahren besteht die Gefahr einer Verletzung der A. vertebralis. Typ-3-Frakturen: Es erfolgt zunächst die Reposition von dorsal, anschließend die Behandlung wie bei den Typ-2-Verletzungen über eine ventrale oder dorsale Spondylodese oder direkte Verschraubung (Abb. B-2.90 b).
Verletzungen der unteren Halswirbelsäule
Verletzungen der unteren Halswirbelsäule
Häufigkeit: Ca. 80 % der HWS-Verletzungen betreffen die untere Halswirbelsäule.
Häufigkeit: Die Verletzungen der unteren Halswirbelsäule betreffen die Wirbelsegmente C3 –C7/Th1. Ungefähr 80 % der HWS-Verletzungen sind in diesem Abschnitt lokalisiert.
Klassifikation nach AO : ■ Typ A: Verletzungen der vorderen Elemente (Kompression). ■ Typ B: Dorsale Distraktionsverletzungen. Eine Kombiantion mit einer Typ-A-Verletzung ist möglich. ■ Typ C: Verletzungen der vorderen und hinteren Elemente durch Rotation.
Klassifikation: Nach der AO-Klassifikation werden unterschieden: ■ Typ A: Verletzungen, vorwiegend der vorderen Elemente, durch Kompression: Impaktionsbrüche (A1), Spaltbrüche (A2) und Berstungsbrüche (A3) (Abb. B-2.93). ■ Typ B: Dieser Typ ist immer durch Zerreißung der hinteren Elemente durch Distraktion geprägt. Eine Kombination mit Verletzungen der vorderen Elemente im Sinne eines Typ A ist möglich. Unterschieden werden die vorwiegend ossären Verletzungen der hinteren Elemente (B1), die vorwiegend ligamentären Verletzungen der hinteren Elemente (B2) und die Verletzungen der Bandscheibe durch Extension und ventrale Dislokation (B3). ■ Typ C: Darunter versteht man Verletzungen der hinteren und vorderen Elemente durch Rotation. Die Verletzungen beinhalten immer einen Typ B zusammen mit/ohne Typ-A-Verletzungen. Kombinationsverletzungen mit dem Typ A werden als C1, mit dem Typ B als C2 klassifiziert. Spezielle, nicht klassifizierbare Läsionen werden unter C3 geführt.
Diagnostik: Häufig ist eine Diastase palpabel, bei den Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen ist unbedingt auf eine vollständige Darstellung des zervikothorakalen Überganges zu achten.
Diagnostik: Häufig ist eine Diastase zwischen den Dornfortsätzen palpabel. Bei der Röntgenaufnahme der HWS in 2 Ebenen ist besonders darauf zu achten, dass der zervikothorakale Übergang mit vollständig sichtbarem 7. Halswirbel (Bandscheibe C7/Th1 und Deckplatte von Th1) zur Darstellung kommt. Dies kann durch Zug an den Armen oder die sog. Schwimmeraufnahme, bei der das Schultergelenk um 180 ° anteflektiert und das Ellenbogengelenk 90 ° gebeugt ist, erreicht werden. Zusatzinformationen in schwierigen Fällen können durch Computertomogramm und MRT gewonnen werden. Die Vorteile der MRT liegen darin, dass neben der ossären und diskalen Verletzung auch eine evtl. vorhandene, ansonsten nicht erkennbare, intraspinale und intramedulläre Veränderung erkannt werden kann. Bei Verdacht auf eine Halswirbelsäulenverletzung müssen die Funktionsaufnahmen in Flexion und Extension vorsichtig unter Bildwandlerkontrolle durch einen Arzt erfolgen.
CT und MRT können Zusatzinformationen liefern.
Funktionsaufnahmen in Extension und Flexion müssen unter Bildwandlerkontrolle durch einen Arzt erfolgen. Bei HWS-Verletzungen zeigen sich radiologisch typische Veränderungen.
Typische röntgenologische Zeichen einer HWS-Verletzung: ■ treppenförmige Versetzung der Wirbelkörperhinterwand, ■ abgedeckte Facettengelenke durch Dislokation, ■ Zunahme der interspinösen Distanz, ■ Ausbruch eines vorderen Kantenfragmentes (tear-drop), ■ Verbreiterung des prävertebralen Weichteilschattens und ■ beidseitig frakturierte kleine Wirbelgelenke.
Zeichen einer Instabilität an der HWS (Abb. B-2.91): ■ Translation/Dislokation von mindestens 3,5 mm und mehr, ■ Lokale Kyphose 4 11 °, ■ Abdeckung der Facettengelenke 4 50 %.
Von White und Panjabi wurden die Zeichen einer Instabilität an der Halswirbelsäule definiert (Abb. B-2.91): ■ Translation/Dislokation von mindestens 3,5 mm und mehr. ■ Lokale Kyphose von 4 11 °. ■ Abdeckung der Facettengelenke um 4 50 %.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.91
825
Radiologische Zeichen der posttraumatischen HWS-Instabilität
B-2.91
In der Seitenprojektion zeigt sich eine Trans-/ oder Dislokation von 4 3,5 mm (1), eine lokale Kyphose 4 11 ° (2) und eine Abdeckung der Facettengelenke 4 50 % (3).
B-2.10 ■
■ ■ ■ ■
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Absolute Operationsindikationen
B-2.10
inkomplettes Querschnittssyndrom mit nachgewiesener mechanischer Kompression (Diskus, Knochenfragmente, Hämatom) sekundär auftretende neurologische Symptomatik offene Rückenmarksverletzung komplette Querschnittslähmung mit Instabilität der Wirbelsäule knöcherne und ligamentäre Instabilität ohne neurologische Symptomatik (komplette Berstungsbrüche, A3), diskoligamentäre Verletzungen (Typ B) erhebliche Fehlstellung ohne Instabilität (A1) mit einer Deformität von 15 – 20 ° oder mehr
Therapie: 왘 Merke. Für Patienten mit einem Querschnittssyndrom spielt die Zeit zwi-
Therapie: 왗 Merke
schen Unfallereignis und Erstbehandlung, welche zu einer Entlastung des Rückenmarkes führt, eine entscheidende Rolle. Es ist deshalb außerordentlich wichtig, beim Nachweis einer Subluxation oder Luxation in einem Bewegungssegment, einer Fragmentdislokation und einem neurologischen Defizit die Reposition so rasch wie möglich zu erreichen. Absolute Operationsindikationen s. Tab. B-2.10. Operative Bahandlung: Zur Verfügung stehen ventrale und dorsale Verfahren. Die ventrale interkorporelle Spondylodese mit Ausräumung der Bandscheibe und/oder des frakturierten Wirbels und Überbrückung des Defektes mit einem autologen Knochenspan aus dem vorderen Beckenkamm stellt das Standardverfahren dar. Die Stabilisierung erfolgt mit einer H-förmigen Platte. Bei einer dorsalen Instrumentation werden spezielle dorsale Systeme verwendet. Ein H-förmiger kortikospongiöser Span wird zwischen die 2 benachbarten Processus spinosi eingebracht. Er dient gleichzeitig als Hypomochlion (Abb. B-2.92). Bei Berstungsfrakturen erfolgt die Ausräumung des defekten Wirbels und eine Spondylodese (Abb. B-2.93). ■ Konservative Behandlung: In 4 70 % der Fälle von HWS-Verletzungen kann durch axialen Zug allein eine Reposition und Entlastung des Rückenmarkes erreicht werden. Der Längszug für die konservative Behandlung kann über eine Crutchfield-Klemme oder einen Gardner-Wells-Bügel aufrechterhalten
■
Absolute Operationsindikationen s. Tab. B-2.10. ■ Operative Behandlung: Zur Verfügung stehen ventrale und dorsale Verfahren. Die ventrale interkorporelle Spondylodese stellt das Standardverfahren dar (Abb. B-2.92). Bei Berstungsfrakturen erfolgt die Ausräumung des defekten Wirbels und Spondylodese (Abb. B-2.93).
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Konservative Behandlung: In 4 70 % der Fälle von HWS-Verletzungen kann durch axialen Zug allein eine Reposition und Entlastung des Rückenmarkes erreicht werden.
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B 2 Traumatologie
826 B-2.92
Operative Versorgung bei diskoligamentärer Instabilität
a
b
c (I)
a Diskoligamentäre Instabilität C5/C6. b Ausräumung der Bandscheibe und Versorgung mit einer Platte. c Die Schrauben perforieren die dorsale Kortikalis [c (II)]. Beachte die Nähe zum Rückenmark. Bei winkelstabilen Platten können die Schrauben kürzer sein (Obduktionspräparat).
c (II)
B-2.93
Berstungsfraktur HWK 5
a Berstungsfraktur HWK 5.
b Ausräumung des Wirbels und Interposition eines kortikospongiösen Spans.
c Stabilisierung mittels H-Platte.
werden. Die Dornen dieses Bügels werden genau 2 – 3 Querfinger über dem Zentrum des äußeren Gehörganges eingedreht. Als Anhaltspunkt für den Zug bei verhakten Verrenkungen werden 2 – 3 kg pro Verletzungsniveau gerechnet (z. B. Niveau C5: 2,5 × 5 = 12,5 kg). Bei dem Längszug bleibt der Patient wach, um eine evtl. neurologische Verschlechterung rechtzeitig erfassen zu können.
Äußere Ruhigstellung mit Minervagipsmieder oder Halo-Fixateur.
Komplikationen: Bei der operativen Behandlung kann es zu Verletzungen von Gefäßen und neurologischen Strukturen kommen.
Bei dem Längszug bleibt der Patient wach, um eine evtl. neurologische Verschlechterung rechtzeitig erfassen zu können. Rotatorische Verrenkungen werden unter vorsichtigen Drehbewegungen des Kopfes in entgegengesetzte Richtung, in die das Kinn weist und unter Zug und leichter Inklination durchgeführt. Eine äußere Ruhigstellung wird entweder mit einem Minervagipsmieder oder häufiger mit einem Halo-Fixateur erreicht. Bei stabilen Verletzungen ist eine Camp-Krawatte ausreichend. Komplikationen: Bei der operativen Behandlung kann es zu Verletzungen von Gefäßen (A. carotis, A. vertebralis, V. jugularis) und zu Verletzungen neurologischer Strukturen kommen.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
왘 Merke. Bei der konservativen Behandlung ist auf eine Überdistraktion bei der Extension zu achten sowie auf einen Repositionsverlust und mögliche Nagelinfekte und Lockerungen des Halo-Systems (anfangs wöchentliche Kontrollen).
Verletzungen der Brust- und Lendenwirbelsäule Bis zum 50. Lebensjahr besitzen Brust- und Lendenwirbelkörper mit einem frischen Kompressionsbruch noch 60 – 70 % ihrer ursprünglichen Tragfähigkeit. Klassifikation: Die Basis für die Klassifikation stellt das Drei-Säulen-Modell der Wirbelsäule nach Denis (1983) dar (Abb. B-2.94): ■ Die hintere Säule besteht aus dem Wirbelbogen mit seinen Anhängen. Dazu gehören Dornfortsätze, kleine Wirbelgelenke und Bogenwurzeln, einschließlich der zwischen den Bögen und seinen Fortsätzen ausgespannten Bänder (Lig. supraspinale, Lig. interspinale, Lig. flavum und Gelenkkapseln). ■ Die mittlere Säule setzt sich aus der Wirbelkörperhinterwand, dem dorsalen Anteil des Anulus fibrosus und dem hinteren Längsband zusammen. ■
Die vordere Säule, als dritter Teil des Komplexes, besteht aus dem ventralen Wirbelkörper, dem ventralen Teil des Anulus fibrosus und dem vorderen Längsband.
Ist nur eine der Säulen betroffen (zumeist vordere oder hintere), gilt die Wirbelsäule noch als stabil. Ist eine weitere Säule betroffen (meist die mittlere) gilt die Wirbelsäule als instabil und der Patient muss bedeutend vorsichtiger behandelt werden.
B-2.94
Drei-Säulen-Modell nach Denis
B-2.95
Verletzungstypen von Brust- und Lendenwirbelsäule nach Magerl
827 왗 Merke
Verletzungen der Brust- und Lendenwirbelsäule Bei einem frischen Kompressionsbruch hat der Wirbelkörper noch 60 %– 70 % seiner ursprünglichen Tragfähigkeit. Klassifikation: Sie erfolgt anhand des DreiSäulen-Modells nach Denis (Abb. B-2.94). ■
■
■
Hintere Säule: Wirbelbogen, Dornfortsätze, kleine Wirbelgelenke, Bogenwurzeln und dorsale Bandstrukturen. Mittlere Säule: Wirbelkörperhinterwand, dorsaler Anteil Anulus fibrosus, hinteres Längsband. Vordere Säule: Ventraler Wirbelkörper, ventraler Anteil Anulus fibrosus, vorderes Längsband.
Ist nur eine Säule betroffen, gilt die Wirbelsäule als stabil, ansonsten als instabil.
B-2.94
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828
B 2 Traumatologie
Einteilung nach Magerl s. Abb. B-2.95.
Unterschieden werden neben den isolierten Verletzungen der Quer- und Dornfortsätze die Typ-A-, -B- und -C-Verletzungen nach Magerl (Abb. B-2.95). Neurologische Zusatzverletzungen müssen separat definiert werden.
Typ-A-Kompressionsverletzungen
Typ-A-Kompressionsverletzungen
Hierbei handelt es sich um einen Höhenverlust des Wirbelkörpers mit intaktem dorsalen Ligamentkomplex (Abb. B-2.96).
Die Unversehrtheit des dorsalen Ligamentkomplexes mit Höhenverlust des Wirbelkörpers definieren Verletzungen vom Typ A. Dabei werden die Wirbelkörper ausschließlich durch Druckkräfte deformiert: Entweder durch eine axiale Druckkraft oder ein nach ventral gerichtetes Drehmoment (Flexion) um eine im Bereich der dorsalen Wirbelelemente oder dahinter liegende transversale Achse. Unterschieden werden: ■ Impaktionsbrüche (A1), ■ Spaltbrüche (A2) und ■ Berstungsbrüche (A3) (Abb. B-2.96).
Klinik: Stabile Typ-A-Verletzungen gehen mit geringen Beschwerden einher, die Patienten sind gehfähig. Instabile Typ-A-Verletzungen verursachen erhebliche Schmerzen.
Klinik: Stabile Typ-A-Verletzungen gehen mit geringen Beschwerden einher. Die Patienten sind gehfähig. Instabile A-Verletzungen verursachen erhebliche Schmerzen, stärkere kyphotische Abknickungen erkennt man am Gibbus. Dorsale Schwellung und Hämatombildung fehlen, da die dorsalen Strukturen nicht verletzt sind.
Diagnostik: Radiologisch imponiert der Höhenverlust des Wirbelkörpers. Die vertikalen Distanzen der Bogenwurzeln sind verkürzt oder normal. Hinterwandfragmente sind nach dorsal und nicht nach kranial verlagert.
Diagnostik: Radiologisch imponiert der Höhenverlust des Wirbelkörpers. Die vertikalen Distanzen der Bogenwurzeln sind verkürzt oder normal. Hinterwandfragmente sind nach dorsal und nicht nach kranial verlagert. Die Deformität kann durch den sagittalen und frontalen Quotienten ausgedrückt werden. Der sagittale Quotient (V/H) ergibt sich aus der verminderten Vorderwandhöhe (V) über die höhere Hinterwandhöhe (H). Er beträgt im Normalfall annähernd 1 (ist die Vorderwand auf die Hälfte der Hinterwandhöhe reduziert beträgt er 0,5). Wie bei dem frontalen Quotienten ist analog mit den Seitenwandhöhen vorzugehen.
Typ-B-Flexions-/Distraktionsverletzung
Typ-B-Flexions-/Distraktionsverletzung
Hauptmerkmal der Distraktionsverletzungen ist die horizontale Zerreißung aller drei Säulen des Achsenorgans. Nach überwiegend diskoligamentären Verletzungen bleibt das verletzte Segment in der Regel chronisch instabil. Fast 1/3 der Distraktionsverletzungen weisen neurologische Begleitverletzungen auf.
Hauptmerkmal der Distraktionsverletzungen ist die horizontale Zerreißung aller drei Säulen des Achsenorgans. Nach überwiegend diskoligamentären Verletzungen bleibt das verletzte Segment in der Regel chronisch instabil. Unterschieden werden: ■ die dorsalen Zerreißungen durch die Intervertebralgelenke (B1), ■ die dorsalen Zerreißungen durch den Wirbelbogen (B2) und ■ die ventralen Zerreißungen durch die Bandscheibe (Hyperextensionsscherverletzungen, B3).
Eine Kombination mit Sternumfrakturen und Rippenbrüchen ist häufig.
Für neurologische Begleitverletzungen sind sowohl Fragmente der Hinterwand des Wirbelkörpers als auch den Spinalkanal durch Abscherung einengende translatorische Verschiebungen verantwortlich. Fast 1/3 der Distraktionsverletzungen weisen neurologische Begleitverletzungen auf. Flexions-/Distraktionsverletzungen der BWS sind häufig mit Frakturen des Sternums oder der Rippen kombiniert.
Klinik: Häufig findet sich eine palpierbare Diastase zwischen den Dornfortsätzen.
Klinik: Es findet sich eine Druckdolenz im Bereich der dorsalen Weichteile sowie bei Palpation eine Diastase der Dornfortsätze aufgrund der Ruptur der interspinalen Bänder.
Diagnostik: Standardaufnahmen reichen nicht immer aus. Häufig ist ein CT erforderlich (Abb. B-2.97).
Diagnostik: Zur Dokumentation von Flexions-/Distraktionsverletzungen reichen Standardaufnahmen nicht immer aus. Besonders an der BWS sind häufig radiologische Spezialtechniken (MRT, Computertomogramm) erforderlich. Ausgebrochene Hinterkantenfragmente sind teilweise nicht nur nach dorsal, sondern auch deutlich nach kranial verlagert (Abb. B-2.97).
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.96
829
Typ-A-Kompressionsverletzungen
a
b (I)
b (II) a Kneifzangenbruch (A 2.3) eines Lendenwirbelkörpers. Die A-2-Frakturen (Spaltbrüche) erkennt man an einer Spaltung des Wirbelkörpers mit unterschiedlicher Dislokationsrichtung der Fragmente. Bei ausgeprägter Fragmentverschiebung neigen diese Brüche zur Pseudarthrosenbildung. Bei der Kneifzangenfraktur (A 2.3) ist der zentrale Teil des Wirbelkörpers zertrümmert und mit Gewebe der angrenzenden Bandscheibe gefüllt. Die Verletzung ist gegen axiale Kompression und Flexionskompression instabil und entsteht häufiger im Bereich der unteren LWS. b Kranialer Berstungsspaltbruch LWK 2 (A 3.1.1): b (I) Röntgenaufnahme, b (II) CT. Die Berstungsbrüche (A 3) sind durch eine teilweise oder vollständige Zertrümmerung des Wirbelkörpers mit Aussprengung und Dislokation von Fragmenten gekennzeichnet. Charakteristische Merkmale sind: ■ sog. Hinterkantenfragment. Es wird typischerweise von der kranialen, dorsalen Ecke des Wirbelkörpers ausgesprengt und nach dorsal in Richtung Spinalkanal verlagert. ■ Spaltung der Lamina in Längsrichtung. ■ Verletzung einer oder beider angrenzenden Bandscheiben. ■ Intakter dorsaler Ligamentkomplex. Beim inkompletten kranialen Berstungsbruch ist entweder die obere oder die untere Hälfte des Wirbelkörpers mit der entsprechenden Bandscheibe verletzt.
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830 B-2.97
B 2 Traumatologie
B-2.97
Flexionssubluxation mit Typ-A-Fraktur (B 1.2.1) Vergrößerter Abstand der Dornfortsätze. Hinterkantenfragment dorsal und kranial (?). Kompression des Wirbelkörpers Th 12 (왘). Intraoperativ waren die dorsalen Bänder zerrissen.
Typ-C-Rotationsverletzungen
Typ-C-Rotationsverletzungen
Es handelt sich um Rotationsverletzungen mit Zerreißung aller längsverlaufenden Bänder, häufig begleitet von Querfortsatzbrüchen und Frakturen der Rippen. Man unterscheidet: ■ Typ A: Kompression kombiniert mit Rotationskomponente. ■ Typ B: Distraktion mit Rotationskomponente (Abb. B-2.98). ■ Typ C: Scherverletzung mit Rotationseinwirkung.
Sie gehören zu den instabilsten Läsionen der BWS und LWS mit dem höchsten Prozentsatz neurologischer Komplikationen. Die rotatorische Fehlstellung drückt sich aus in der Zerreißung aller längsverlaufenden Bänder und oft auch der Bandscheibe, Abbrüchen von Querfortsätzen, Luxation oder Frakturen von Rippen sowie Abscherungen von Kanten des Wirbelkörpers. Unterschieden werden 3 Gruppen: ■ Verletzungen des Wirbelkörpers vom Typ A (Kompressionsverletzung in Kombination mit einer Rotationskomponente). ■ Verletzung vom Typ B (Distraktionsverletzung mit Rotationskomponente) (Abb. B-2.98). ■ Kombination von Scherverletzungen mit Rotationseinwirkung.
Klinik: 55 % haben begleitende neurologische Ausfälle.
Klinik: Rund 55 % der Rotationsverletzungen haben neurologische Ausfälle.
Diagnostik: Radiologisch findet sich häufig eine exzentrische Stellung der Dornfortsätze, asymmetrische Darstellung der Bogenwurzeln und Gelenkfortsätze.
Diagnostik: Radiologisch finden sich eine seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule, exzentrische Stellung der Dornfortsätze, asymmetrische Darstellung der Bogenwurzeln und Gelenkfortsätze. Die Kombination mit einseitigen Rippenserienfrakturen oder Luxationen von Rippen ist häufig.
Therapie: ■ Konservative Therapie Brustwirbelsäule (1. – 9. Wirbel): Bettruhe und anschließende funktionelle Behandlung sind bei stabilen Verletzungen ausreichend. Übrige Brust- und Lendenwirbelsäule: Die konservative Behandlung erfolgt bei den A-1- und A-2-Frakturen. Eine Gibbusbildung 4 15 ° wird durch Reposition im dorsalen Durchhang mit anschließendem Gipsmieder ruhiggestellt.
Therapie: ■ Konservative Therapie Brustwirbelsäule (1. – 9. Wirbel): Stabile Verletzungen des 1. – 9. Brustwirbels werden mit Bettruhe bis zur Schmerzreduktion behandelt. Es schließt sich daran eine funktionelle Behandlung ohne Stützmieder mit isometrischer Stärkung der paravertebralen und Bauchmuskulatur an. Übrige Brust- und Lendenwirbelsäule: Eine konservative Behandlung wird vorzugsweise bei den A-1- und A-2-Frakturen durchgeführt. Bei Gibbusbildung 4 15 ° kann die Reposition im dorsalen Durchhang mit der anschließenden Anlage eines Gipsmieders erfolgen oder häufiger die operative Behandlung. ■ Operative Behandlung: Das Ziel besteht in der Dekompression der neuralen Strukturen und der Wiederherstellung des anatomischen Alignements und der übungsgerechten Stabilisierung. Die neurologische Erholung ist abhängig vom Zeitpunkt der Dekompression.
■
Operative Behandlung: Die Ziele sind die Dekompression der neuralen Strukturen, die Wiederherstellung des anatomischen Alignement und eine übungsgerechte Stabilisierung.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.98
Horizontale Zerreißung des Wirbelkörpers mit Rotation (C 2.2.1)
831 B-2.98
Vergrößerter Abstand der Dornfortsätze LWK 2/3 (?). Zerreißung der Wirbelsäule bei LWK 2. Sagittale Verschiebung der Wirbelsäule. Quere Frakturen dorsaler Wirbelkörper. Versetzung der Längsachse a.-p. (왘).
Die Dekompression erfolgt durch Längszug, Lordosierung der lumbalen und thorakalen Wirbelsäule. Die Reposition soll über das Prinzip der Ligamentotaxis erfolgen, d. h. eine Reposition über indirekten Zug am hinteren Längsband und der Bandscheibe. Möglichkeiten der Dekompression: indirekte Dekompression durch Reposition, ventrale Dekompression durch direkte Ausräumung des komprimierenden Fragmentes und Zurückstößeln des komprimierenden Fragments über eine Lamino- oder Laminektomie.
Möglichkeiten der Dekompression sind indirekte Dekompression, ventrale Dekompression und Zurückstößeln des komprimierenden Fragmentes.
Bei den ventralen Verfahren erfolgt die Kontrolle durch direkte Sicht, bei den Repositonsverfahren von dorsal kann durch eine intraoperative Myelographie oder eine Ultraschalluntersuchung die korrekte Wiederherstellung des Spinalkanals nachgewiesen werden.
Die Kontrolle erfolgt durch direkte Sicht oder durch intraoperative Myelographie und Ultraschall.
Stabilisierung: Diese kann grundsätzlich von dorsal, von ventral oder kombiniert erfolgen (Abb. B-2.99). Die dorsalen Verfahren müssen winkelstabil sein (Fixateur interne, Druckplattenfixation). Diese erlauben eine kurzstreckige Fusionierung mit Erhalt einer echten Lordose und der intervertebralen Distanz. Bei instabilen Frakturen mit völliger Zerstörung der ventralen Säule muss eine knöcherne Heilung ermöglicht werden. Hier stellt heute die Osteosynthese das Verfahren der Wahl dar. Ziel ist es, deformierte und dislozierte Wirbelsäulenabschnitte zu reponieren, das Rückenmark und Nervenwurzeln zu dekomprimieren und die Wirbelsäule für eine frühzeitige Rehabilitation zu stabilisieren. Dies erfolgt am besten über einen ventral eingebrachten Knochenspan zur mechanischen Abstützung. Zur zusätzlichen Stabilisierung werden Längsträger mit Schraubenfixation im Wirbelkörper verwandt. Die ventralen Verfahren können endoskopisch durchgeführt werden.
Stabilisierung: Diese kann grundsätzlich von dorsal, von ventral oder kombiniert erfolgen (Abb. B-2.99). Die dorsalen Verfahren müssen winkelstabil sein (Fixateur interne, Druckplattenfixation). Neben der direkten Dekompression erlauben die ventralen Operationsverfahren das Einbringen eines Knochenspans zur mechanischen Abstützung. Zur zusätzlichen Stabilisierung werden Längsträger mit Schraubenfixation im Wirbelkörper verwandt.
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B 2 Traumatologie
832 B-2.99
Operative Stabilisierung von BWS/LWS – Frakturen
b
a
c
d
B-2.100
a Kompletter Berstungsbruch mit Verschiebung eines Hinterkantenfragments in den Spinalkanal. b Dorsale Spondylodese mit Fixateur interne. c Stabilisierung einer Wirbelfraktur mit Fixateur und Cage (Platzhalter für den Zwischenwirbelraum). d Stabilisierung mit Fixateur interne. Die ventrale Abstützung erfolgt über einen autologen Beckenkammspan.
Vertebroplastie und Kyphoplastie
Osteoporotische Wirbelkörperfrakturen können durch Vertebroplastie und Kyphoplastie behandelt werden (Abb. B-2.100).
Osteoporotische Wirbelkörperfrakturen können durch Vertebroplastie und Kyphoplastie behandelt werden. Bei der Vertebroplastie wird der Knochenzement unter radiologischer Kontrolle in den frakturierten Wirbel eingespritzt. Bei der Kyphoplastie wird der Wirbelkörper zunächst über eine Ballondilatation aufgerichtet und anschließend Knochenzement in die so geschaffene Höhle eingespritzt (Abb. B-2.100).
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
Neurologische Zusatzverletzungen 왘 Definition. Eine neurologische Zusatzverletzung bei Wirbelverletzungen liegt
833 Neurologische Zusatzverletzungen 왗 Definition
dann vor, wenn das Rückenmark, die Cauda equina oder die spinalen Nervenwurzeln mitverletzt sind und als Folge ein sensibles oder motorisches Defizit nachweisbar ist. Bei der Commotio spinalis bestehen vorübergehende klinische Ausfallerscheinungen ohne morphologisches Korrelat. Die Contusio spinalis ist durch eine Einblutung in das Mark gekennzeichnet. Sie mündet über Resorption und Organisation in ein narbiges Defektstadium. Eine Compressio spinalis ist durch eine raumfordernde Einblutung gekennzeichnet. Unterschieden wird die komplette von der inkompletten traumatischen Querschnittslähmung. Zur Dokumentation der neurologischen Veränderungen hat sich das FrankelSchema bewährt: ■ A: Vollständige motorische und sensible Lähmung. ■ B: Vollständige motorische, inkomplette sensible Lähmung. ■ C: Inkomplette motorische Lähmung ohne Nutzen bei teilweise erhaltener Sensibilität. ■ D: Inkomplette motorische Lähmung mit Nutzen bei teilweiser oder voll erhaltener Sensibilität. ■ E: Normale motorische und sensible Funktion.
Unterschieden wird die komplette traumatische von der inkompletten Querschnittslähmung. Zur Dokumentation der neurologischen Veränderungen hat sich das Frankel-Schema bewährt.
Diagnostik und Therapie: Entscheidend ist die exakte neurologische Verlaufsbeobachtung, die an der Unfallstelle beginnt und weitergeführt werden muss. Je früher die Dekompression erfolgt, desto günstiger ist die Prognose. Die Operationsindikation ist von Verletzungsart und -ausmaß abhängig (s. Kap. 11).
Diagnostik und Therapie: Entscheidend ist die exakte neurologische Verlaufsbeobachtung. Die Prognose ist umso günstiger je früher eine Dekompression erfolgt (s. Kap. 11).
2.2.5 Becken und Oberschenkel
2.2.5 Becken und Oberschenkel
Beckenfrakturen
Beckenfrakturen
Beckenfrakturen sind mit einem Anteil von 3 % an allen Frakturen relativ selten. Mit Ausnahme einfacher Bruchformen sind sie jedoch in der Regel Ausdruck einer massiven Gewalteinwirkung auf den Organismus. So steigt die Rate der Beckenfrakturen bei Polytraumatisierten auf 4 20 %. Altersmäßige Häufigkeitsgipfel finden sich zwischen dem 2. und 3. und dem 75. und 85. Lebensjahr. Bei Beckenfrakturen unterscheidet man zwischen Frakturen des Beckenringes und des Azetabulums.
Die Inzidenz beträgt 3 % aller Frakturen, bei Polytraumatisierten allerdings 20 %. Häufigkeitsgipfel finden sich zwischen dem 2. und 3. und 75. und 85. Lebensjahr. Unterschieden werden Beckenring- und Azetabulumfrakturen.
Beckenringfraktur
Beckenringfraktur
Morphologie und Biomechanik: Die knöcherne Grundlage des Beckenringes bilden die beiden jeweils durch Verschmelzung von Darm-, Sitz- und Schambein entstandenen Hüftbeine und das Kreuzbein (Abb. B-2.101). Untereinander existieren keine knöchernen Verbindungen, die Kräfte werden über Synchondrosen (Symphyse) und Amphiarthrosen (Art. sacroiliaca) weitergeleitet. Die beim aufrechten Gang auftretenden Verschiebekräfte werden durch kräftige Bandstrukturen, welche die 3 knöchernen Anteile dorsal fest miteinander verbinden, neutralisiert. Aufgrund der anatomischen Struktur des Kreuzbeines kommt den massiven Ligg. sacroiliaca dorsalia die Hauptbedeutung zu, da sie ein Wandern des Kreuzbeines nach ventral-kaudal verhindern. Die sakrospinalen und sakrotuberalen Bänder neutralisieren die beim aufrechten Gang anfallenden Rotationskräfte und dienen als intrapelvine ligamentäre Zuggurtung (Abb. B-2.101). Aufgabe des Beckenringes ist die Übertragung der Last des Rumpfes auf die unteren Extremitäten. Der Hauptkraftfluss wandert dabei von der Wirbelsäule über die Iliosakralgelenke auf das Pfannendach. Die Symphyse spielt für die
Morphologie und Biomechanik: Die knöcherne Grundlage des Beckenringes bilden die Hüftbeine und das Kreuzbein (Abb. B-2.101). Synchondrosen (Symphyse) und Amphiarthrosen (Art. sacroiliaca) leiten die auftretenden Kräfte weiter.
Die Verschiebe- und Rotationskräfte werden durch die Ligg. sacroiliaca dorsalia sowie die sakrospinalen und sakrotuberalen Bänder neutralisiert (Abb. B-2.101). Aufgabe des Beckenringes ist die Übertragung der Last des Rumpfes auf die unteren Extremitäten. Der Hauptkrafteinfluss wandert dabei von der Wirbelsäule über die Iliosakralgelenke auf das Pfannendach.
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B 2 Traumatologie
834 B-2.101
B-2.102
B-2.101
Morphologie und Biomechanik des Beckenringes
AO-Klassifikation der Beckenringfrakturen
Stabilität des Beckenringes im Vergleich zu den Iliosakralgelenken nur eine untergeordnete Rolle. Klassifikation: Die Klassifikation orientiert sich am Ausmaß des Stabilitätsverlustes des dorsalen Ringsegmentes.
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A-Frakturen sind stabile Beckenringfrakturen (Beckenrandfrakturen, vordere Beckenringfrakturen und extrapelvine Kreuzbein- und Steißbeinfrakturen) (Abb. B-2.102 a). B-Frakturen sind Verletzungen des ventralen und dorsalen Ringssegments mit rotatorischer Instabilität (Abb. B-2.102 b).
Klassifikation: Aufgrund der besonderen Bedeutung der dorsalen Strukturen für die Stabilität des Beckenringes orientiert sich die Klassifikation der Beckenringfrakturen an dem Ausmaß des Stabilitätsverlustes des dorsalen Ringsegmentes. Nach der AO-Klassifikation unterscheidet man: ■ A-Frakturen mit erhaltener dorsaler Stabilität = stabile Beckenringfrakturen (mit 55 % häufigster Verletzungstyp). Diese Gruppe umfasst die sog. Beckenrandfrakturen, vordere Beckenringfrakturen ohne oder mit minimaler Beteiligung des dorsalen Segmentes und extrapelvine Kreuzbein- und Steißbeinfrakturen (Abb. B-2.102 a). ■ B-Frakturen mit teilweise erhaltener dorsaler Stabilität = Beckenringfrakturen mit rotatorischer Instabilität. Aufgrund der Gewalteinwirkung kommt es neben der Verletzung des ventralen auch zu einer Verletzung des dorsalen Ringsegmentes in Form einer Kompressionsfraktur des Sakrums oder einer
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
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Teilruptur des Iliosakralgelenkes. Die dorsalen Bänder sind jedoch intakt. Aufgrund des Verletzungsmusters kommt es zu einer Rotationsbewegung des Hemipelvis, der Beckenring ist nur bedingt stabil (Abb. B-2.102 b). C-Frakturen mit kompletter dorsaler Instabilität = Beckenringfrakturen mit translatorischer Instabilität. Diese Gruppe umfasst Frakturen, die eine vollständige Zerreißung des dorsalen Ringsegmentes aufweisen, entweder in Form vertikaler Frakturen des Ileums oder des Sakrums oder kompletter Rupturen der Iliosakralfuge. Durch die vollständige Zerreißung des dorsalen Ringsegmentes kommt es zur Dislokation des betroffenen Hemipelvis in vertikaler und horizontaler Richtung (Abb. B-2.102 c).
Eine weitere Klassifizierung nach klinischen Gesichtspunkten unterscheidet 6 Instabilitäten (Abb. B-2.103): ■ transsymphysär, ■ transpubisch, ■ transiliakal, ■ transazetabulär, ■ transsakral und ■ transiliosakral.
B-2.103
Klinische Klassifizierung der Beckeninstabilitäten
Begleitverletzungen: Als Ausdruck der Schwere des Traumas ist bei Beckenringfrakturen mit einem hohen Prozentsatz pelviner und extrapelviner Begleitverletzungen zu rechnen (Abb. B-2.104).
B-2.104
Begleitverletzungen bei Beckenringfrakturen
835
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C-Frakturen: Verletzungen mit kompletter dorsaler Instabilität und translatorischer Instabilität. Sie weisen eine vollständige Zerreißung des dorsalen Ringsegmentes auf (Abb. B-2.102 c).
Eine weitere Klassifizierung nach klinischen Gesichtspunkten unterscheidet 6 Instabilitäten (Abb. B-2.103).
B-2.103
Begleitverletzungen: Bei Beckenringverletzungen finden sich häufig pelvine und extrapelvine Begleitverletzungen (Abb. B-2.104).
B-2.104
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B 2 Traumatologie
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Retroperitoneale Massenblutungen: Sie sind am häufigsten.
Verletzungen des Urogenitalsystems (10 %) s. Abb. B-2.105. Intraabdominelle Verletzungen (2 – 3 %): Vorzugsweise Leber- und Milzverletzungen. Darmverletzungen (1 – 2 %): Sie betreffen überwiegend den Enddarmbereich. Nervenschäden: Hauptsächlich N. ischiadicus oder Plexus lumbosacralis.
Klinik und Diagnostik: Anamnese: Der Unfallmechanismus und Spontan- oder Druckschmerz im Beckenbereich können Hinweise auf eine Beckenverletzung geben.
Klinische Untersuchung: Neben den Kreislaufparametern ist auf Prellmarken, Hämatome (Damm oder Gesäß), eine relative Beinverkürzung sowie auf Blutungen aus Urethra
B-2.105
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Retroperitoneale Massenblutung: Sie steht an erster Stelle. Bei ca. der Hälfte der Verletzten mit einer instabilen Beckenringfraktur liegt ein Volumenmangelschock vor. Hauptblutungsquelle sind eröffnete Sakralvenenplexus und frakturierte Knochen. Weitere wesentliche Blutungsquellen sind Äste der A. und V. iliaca int. (Aa. und Vv. glutaea, pudenda, obturatoria). Blutungen aus den großen Iliakalgefäßen finden sich nur in 10 – 20 % der Massenblutungen. Verletzungen des Urogenitalsystems liegen bei ca. 10 % der Verletzten mit einer Beckenringfraktur vor. Es überwiegen Blasenrupturen, gefolgt von Harnröhrenrupturen, seltener sind Vaginalverletzungen (Abb. B-2.105). Intraabdominelle Verletzungen finden sich bei 2 – 3 % der Fälle in Form von Leber- oder Milzverletzungen. Darmverletzungen (1 – 2 %) betreffen überwiegend den Enddarmbereich. Sie bestehen zum einen aus Rupturen des Rektums oder Verletzungen des anorektalen Kontinenzorgans. Nervenschäden finden sich hauptsächlich in Form von Schädigungen des N. ischiadicus oder des Plexus lumbosacralis. Die Verletzungshäufigkeit variiert in Abhängigkeit vom Frakturtyp und kann bei Typ-C-Frakturen bis zu 60 % betragen.
Klinik und Diagnostik: ■ Anamnese: Bereits am Unfallort können die Kenntnis des Unfallmechanismus (z. B. Seitanprall, direkter Sturz auf das Becken, Abrissverletzung der Spina iliaca anterior superior oder inferior beim Sprint oder Sprung) und Angaben des Verletzten über Spontan- oder Druckschmerz im Beckenbereich sowie Harndrang Hinweise auf eine Beckenfraktur geben. ■ Klinische Untersuchung: Bei der klinischen Untersuchung im Schockraum der Klinik ist neben den Kreislaufparametern auf Prellmarken im Beckenbereich, Hämatom an Damm oder Gesäß, relative Beinverkürzung sowie Blutungen aus Urethra und After zu achten.
Urogenitalverletzungen bei Beckenringfraktur
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.106
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837
Röntgendiagnostik bei Verdacht auf Beckenringfraktur
Durch manuelle Kompression und Distraktion am Beckenkamm kann eine rotatorische, durch Zug am Bein eine translatorische Instabilität nachgewiesen werden. Bei der rektalen Untersuchung können Verletzungen des Kontinenzorgans oder die Luxierbarkeit der Prostata als Zeichen einer Verletzung des Diaphragma urogenitale erkannt werden. Bei Frauen sollte eine vaginale Untersuchung erfolgen. Die periphere Durchblutung sollte ebenfalls kontrolliert werden und – soweit möglich – Sensibilität und Motorik im Becken-Bein-Bereich. Röntgendiagnostik: Die Beckenübersichtsaufnahme bietet einen orientierenden Überblick. Veränderungen im ventralen Ringsegment und im Bereich der Hüftpfannen können gut beurteilt werden, ebenso gröbere Veränderungen im dorsalen Ringsegment (Abb. B-2.106). Ein genauer Überblick über die Verletzung des dorsalen Segmentes ist jedoch häufig nicht möglich. Begleitverletzungen wie Frakturen des Querfortsatzes des 5. Lendenwirbels oder knöcherne Bandausrisse am Sakrum können Hinweise auf eine Verletzung des dorsalen Ringsegmentes sein. Übersichtsaufnahmen mit Kippen des Zentralstrahles um 40 ° nach kaudal (Outlet-Aufnahme) oder 40 ° nach kranial (Inlet-Aufnahme) können eine Verschiebung der Beckenhälfte in vertikaler oder ventrodorsaler Richtung zeigen (Abb. B-2.106 b, c). Das Computertomogramm kann zusätzliche Informationen liefern (Abb. B-2.107). 왘 Merke. Die Feinbeurteilung des dorsalen Ringsegments ist nur durch ein Computertomogramm möglich. Vergleichende Studien haben gezeigt, dass bei alleiniger Berücksichtigung konventioneller Aufnahmen bis zu 60 % aller Veränderungen am dorsalen Beckenring nicht erkannt werden. Daher ist zur genauen Klassifikation und Operationsplanung eine CT-Untersuchung unerlässlich (mit Ausnahme der A-Verletzungen).
und After zu achten. Eine rektale bzw. vaginale Untersuchung muss durchgeführt werden. Die periphere Durchblutung sollte ebenfalls kontrolliert werden und – soweit möglich – Sensibilität und Motorik im Becken-Bein-Bereich.
Röntgendiagnostik: Neben der Beckenübersichtsaufnahme werden als Zusatzaufnahmen Inlet- bzw. Outlet-Aufnahmen durchgeführt mit einem 40 ° nach kranial bzw. 40 ° nach kaudal gekippten Zentralstrahl (Abb. B-2.106). Das Computertomogramm kann Zusatzinformationen liefern (Abb. B-2.107).
왗 Merke
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B 2 Traumatologie
838 B-2.107
Beckeninstabilität: Beckenübersicht/CT (Typ C)
a Vollständige Beckeninstabilität bei Sprengung des Iliosakralgelenkes mit Fraktur der Massa lateralis (?) und der Symphyse mit Fraktur des Schambeins (? ?).
Besteht Verdacht auf eine Verletzung der ableitenden Harnwege, erfolgt eine retrograde Urethrographie. Zeigt sich die Harnröhre nicht verletzt, wird ein Dauerkatheter gelegt und die Blase mit Kontrastmittel gefüllt. Ist die Blase unverletzt, erfolgt ein i. v. Urogramm zum Ausschluss einer Nierenoder Harnleiterverletzung. Abdomensonographie: Sie dient zur Beurteilung der parenchymatösen Bauchorgane und zum Nachweis oder Ausschluss freier intraabdomineller Flüssigkeit. Therapie: Ziel ist die Wiederherstellung der Stabilität. ■
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A-Frakturen werden konservativ funktionell behandelt (1 – 2-wöchige Bettruhe).
Bei den B-Frakturen wird der ventrale Beckenring stabilisiert. Bei den C-Frakturen erfolgt die ventrodorsale Stabilisation.
Die operative Stabilisierung erfolgt in der Regel durch interne Plattenosteosynthese (Abb. B-2.108, Abb. B-2.110). Eine Alternative zur Behandlung dislozierter Frakturen im Bereich des vorderen Ringsegmentes ist der Fixateur externe (Abb. B-2.109).
b CT des gleichen Patienten mit Nachweis des frakturierten Iliosakralgelenkes (?) und eines großen retroperitonealen Hämatoms (? ?).
Bei dem geringsten Verdacht auf eine Verletzung der ableitenden Harnwege (Mikro-/Makrohämaturie, Blutung aus der Harnröhre) erfolgt zunächst eine retrograde Harnröhrendarstellung. Der typische Kontrastmittelaustritt mit Blasenhochstand beweist den Harnröhrenriss. Zeigt sich die Harnröhre nicht verletzt, wird ein Dauerkatheter gelegt und die Blase mit Kontrastmittel gefüllt. Blasenrupturen lassen sich so nachweisen. Falls auch hier keine Verletzung feststellbar ist, erfolgt nun ein i. v. Urogramm zum Ausschluss einer Nieren- oder Harnleiterverletzung. ■ Abdomensonographie: Sie dient zur Beurteilung der parenchymatösen Bauchorgane und zum Nachweis oder Ausschluss freier intraabdomineller Flüssigkeit. Therapie: Ziel der Therapie der Beckenringfrakturen ist die Wiederherstellung der Stabilität des Beckenringes. ■ Frakturen von Typ A (= erhaltene Stabilität) werden in der Regel konservativ (1 – 2-wöchige Bettruhe) behandelt mit kurzfristiger Immobilisierung und Analgetikagabe. Nur gelegentlich ist eine Operationsindikation gegeben, wie z. B. bei stark dislozierten Beckenrandfrakturen. ■ Bei Frakturen vom Typ B (= rotatorische Instabilität) wird der ventrale Beckenring stabilisiert. ■ Bei Frakturen vom Typ C (= translatorische Instabilität) müssen das ventrale und das dorsale Ringsegment stabilisiert werden. Die operative Stabilisierung erfolgt in der Regel durch interne Plattenosteosynthese, so z. B. an der Symphyse durch eine 4-Loch-Platte, bei den transiliakalen und transiliosakralen Instabilitäten durch zwei 3-Loch- oder 4-Loch-Platten (Abb. B-2.108, Abb. B-2.110). Eine Alternative zur Behandlung dislozierter Frakturen im Bereich des vorderen Ringsegmentes ist der Fixateur externe. Jeweils 2 Schanz-Schrauben pro Beckenhälfte werden oberhalb des Azetabulums eingebracht und über Querstangen gegeneinander verspannt. Aufgrund seiner biomechanischen Eigenschaften (mangelnde dorsale Kompression) eignet er sich nur bedingt zur Ausbehandlung dorsaler Instabilitäten (Abb. B-2.109).
Komplexe Beckentraumen
Komplexe Beckentraumen
Bei „komplexen“ Beckentraumen ist ein aktives chirurgisches Vorgehen indiziert mit frühzeitiger Intubation, massiver Volumensubstitution und temporärer Stabilisierung
Die Beckenringfraktur stellt häufig nicht das Hauptproblem dar, vielmehr bestimmen die Begleitverletzungen, insbesondere Blutungen, den weiteren Verlauf. Diese „komplexen“ Beckentraumen verlangen ein frühzeitiges, aktives
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.108
Interne Plattenosteosynthese bei Beckenringfraktur
a Die rechte Beckenschaufel wurde mit zwei 4-Loch-Platten, die Symphyse mit einer 4-Loch-Platte stabilisiert.
B-2.109
b Operative Versorgung bei transsymphysärer Instabilität.
c Operative Versorgung bei transsymphysärer und transiliakaler Instabilität.
Fixateur externe bei Beckenringfraktur
a Lokalisation des Fixateur externe (Modellbeispiel).
B-2.110
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b 3 Wochen nach Stabilisierung.
c Instabile Beckenfraktur mit kompletter Unterbrechung des dorsalen Beckenrings und begleitender Dickdarmverletzung. Nach Anlage eines protektiven Stomas Stabilisierung mit einem Fixateur externe.
Versorgung bei transiliakaler Instabilität
a Darstellen des Iliosakralgelenks, Aufspreizen und Säubern.
b Reposition und Fixierung mit 2 Platten.
chirurgisches Vorgehen, beginnend bereits in der präklinischen Phase mit einer adäquaten Volumentherapie und frühzeitigen Intubation und Beatmung des Patienten. In der Klinik muss zunächst die weitere Stabilisierung der Vitalfunktionen parallel zur Basisdiagnostik erfolgen (klinische Untersuchung, RöntgenThorax- und Beckenaufnahmen, Sonographie, Labor). Bei ausgeprägter dorsaler Instabilität kann gelegentlich das notfallmäßige Anlegen einer Beckenzwinge die Kreislaufsituation verbessern. Durch Kom-
über Fixateur oder Beckenzwinge. Die definitive Stabilisierung erfolgt dann später (Abb. B-2.111).
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840 B-2.111
B 2 Traumatologie
B-2.111
Blutungen bei Beckenfrakturen
a Beckenzwinge zur temporären Kompression bei massiven Blutugen aus Knochen und Gefäßen.
Bei instabiler Hämodynamik erfolgt die chirurgische Blutstillung per Laparotomie. Die angiographische Embolisation eines arteriellen Gefäßes kann die Blutung deutlich vermindern (Abb. B-2.111 c).
Begleitverletzungen der ableitenden Harnwege und des Darmtraktes werden möglichst primär definitiv versorgt. Harnblasenverletzungen erfordern eine primäre Naht mit suprapubischer Harnableitung. Bei Darmverletzungen muss ein Stoma angelegt werden. Verletzungen des Sphincter ani müssen primär genäht werden. Weichteilverletzungen werden radikal debridiert.
b Z. n. Embolisation eines blutenden Gefäßes (Coil ?).
pression und temporäre Stabilisierung des dorsalen Beckenringes können Blutungen aus dem Sakralvenenplexus und dem Knochen deutlich reduziert werden. Die definitive Stabilisierung erfolgt dann nach einigen Tagen (Abb. B-2.111). Bei instabiler Hämodynamik (trotz massiver Volumenzufuhr) erfolgt die chirurgische Blutstillung per Laparotomie und die einfache Stabilisierung des ventralen Beckenringes mit Platte oder Fixateur externe. Zur Kontrolle ausgedehnter und diffuser Blutungen ist die Tamponade mit Tüchern ein sehr gutes Verfahren. Nach 48 – 72 Stunden werden die Bauchtücher wieder entfernt. Insbesondere kann auch die angiographische Embolisation eines arteriellen Gefäßes die Blutung deutlich vermindern. Allerdings finden sich arterielle Blutungen nur in 10 bis 20 % (Abb. B-2.111). Begleitverletzungen der ableitenden Harnwege und des Darmtraktes werden möglichst primär definitiv versorgt. Harnblasenverletzungen erfordern eine primäre Naht der Läsion mit suprapubischer Harnableitung. Die Rekonstruktion der Harnröhre erfolgt in der Regel ca. 2 Monate später. Bei Darmverletzungen muss ein doppelläufiges Stoma angelegt werden. Zur Verringerung des Risikos septischer Komplikationen sollte die ausgeschaltete aborale Schlinge ausgespült (lavagiert) werden. Verletzungen des Sphincter ani müssen primär genäht werden, da schon nach einigen Tagen die anatomischen Strukturen nicht mehr sicher identifiziert werden können. Weichteilverletzungen werden radikal debridiert. In einer 2. Phase nach einigen Tagen erfolgt dann ggf. die Stabilisierung des dorsalen Ringsegmentes (s. S. 838).
Azetabulumfraktur
Azetabulumfraktur
Morphologie: Nach Judet und Letournel wird morphologisch ein ventraler und ein dorsaler Pfeiler unterschieden (Abb. B-2.112).
Morphologie: Nach Judet und Letournel ist das Azetabulum mit seinen angrenzenden knöchernen Strukturen als ein auf dem Kopf stehendes Y zu betrachten, wobei das Azetabulum im Schnittpunkt der Schenkel liegt. 2 Pfeiler bilden dieses Y, ein ventraler bzw. iliopubischer Pfeiler und ein dorsaler bzw. ilioischialer Pfeiler (Abb. B-2.112). Der ventrale Pfeiler umfasst die vorderen Anteile der Darmbeinschaufel, die vordere Hälfte des Azetabulums und den oberen und unteren Schambeinast. Der dorsale Pfeiler umfasst neben dem Sitzbein und der dorsalen Hälfte des Azetabulums den dorsalen Anteil des Darmbeines bis in Höhe der Incisura ischiadica major. Der gelenkbildende Anteil des hinteren Pfeilers ist die sog. hintere Wand.
Klassifikation: Judet und Letournel unterscheiden 5 Grundformen der Azetabulumfraktur (dorsaler Pfeiler, dorsaler
Klassifikation: Aufbauend auf ihrer Zweipfeilertheorie haben Judet und Letournel eine Klassifikation der Azetabulumfrakturen erarbeitet, die inzwischen weltweit akzeptiert ist.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.112
Morphologie des Azetabulums nach Judet und Letournel
841 B-2.112
Dabei unterscheiden sie 5 Grundformen der Azetabulumfrakturen (hierbei ist jeweils ein Pfeiler ganz oder teilweise betroffen): ■ Fraktur des dorsalen Pfeilers, ■ Fraktur des dorsalen Pfannenrands, ■ Fraktur des ventralen Pfeilers, ■ Fraktur des ventralen Pfannenrands und ■ horizontale Spaltung des Azetabulums in 2 ansonsten intakte Hälften (Querfraktur). ■ Hinzu kommen 5 Frakturtypen, die aus Kombinationen der Grundtypen entstehen.
Pfannenrand, ventraler Pfeiler, ventraler Pfannenrand und Querfraktur), hinzu kommen noch 5 Frakturtypen, die aus Kombinationen der Grundtypen entstehen.
Basierend auf dieser Einteilung hat die AO eine eigene Klassifikation der Azetabulumfrakturen vorgestellt, die analog der Klassifikation der Extremitätenfrakturen auch eine Bewertung der Verletzungsschwere beinhaltet (Abb. B-2.113). ■ A-Frakturen: Frakturen eines Pfeilers bei intaktem zweitem Pfeiler. ■ B-Frakturen umfassen die verschiedenen Formen der Querfraktur, wobei mindestens ein Teil des Pfannendaches und die Verbindung zum Darmbein intakt sein muss. ■ C-Frakturen sind definiert als Frakturen beider Pfeiler, wobei das Azetabulum völlig vom übrigen Becken abgetrennt ist.
Basierend auf dieser Einteilung hat die AO eine eigene Klassifikation der Azetabulumfrakturen vorgestellt (Abb. B-2.113).
B-2.113
Dabei unterscheidet man A-, B- und C-Frakturen.
AO-Klassifikation der Azetabulumfrakturen
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842
B 2 Traumatologie
Diagnostik: Die Diagnostik stützt sich auf die röntgenologische Untersuchung mit Übersichtsaufnahmen und Schrägaufnahmen (Ala- und Obturator-Aufnahme) (Abb. B-2.106, Abb. B-2.114).
Diagnostik: Da die Diagnose einer Azetabulumfraktur klinisch nicht sicher zu stellen ist, stützt sich die Diagnostik ausschließlich auf die Röntgenuntersuchung. Zur genauen Klassifikation der Fraktur sind 3 standardisierte Aufnahmen notwendig (Abb. B-2.106, Abb. B-2.114). Neben der Beckenübersichtsaufnahme bzw. der a.-p. Aufnahme der betroffenen Hüfte sind zwei 45 °-Schrägaufnahmen erforderlich. Bei der Ala-Aufnahme wird die nicht verletzte Beckenhälfte um 45 ° angehoben, der Röntgenstrahl trifft senkrecht auf die Beckenschaufel (Abb. B-2.114 b). Bei der Obturator-Aufnahme wird die verletzte Beckenhälfte um 45 ° angehoben, der Röntgenstrahl trifft senkrecht auf das Foramen obturatum (Abb. B-2.114 c). Nur mithilfe dieser 3 Standardaufnahmen ist die genaue Klassifikation der Azetabulumfraktur möglich.
Nur mithilfe dieser 3 Standardaufnahmen ist die genaue Klassifikation der Azetabulumfraktur möglich. Das Computertomogramm zeigt das Ausmaß der frakturbedingten Gelenkinkongruenz und ist zur Op-Planung unerlässlich.
Das Computertomogramm kann die konventionelle Röntgendiagnostik nicht ersetzen, da mit ihm eine Klassifikation der Fraktur nicht möglich ist. Es ist jedoch ein wichtiges Hilfsmittel zur Beurteilung des Hüftgelenkes, zeigt das Ausmaß der frakturbedingten Gelenkinkongruenz und kann ansonsten nicht erkennbar kleine intraartikuläre Fragmente nachweisen. Zur Operationsplanung ist es somit unerlässlich.
Therapie: Ziel ist die stufenlose Wiederherstellung der Gelenkfläche zur Vermeidung einer Inkongruenzarthrose.
Therapie: Ziel der Therapie der Azetabulumfrakturen ist die stufenlose Wiederherstellung der Gelenkfläche zur Vermeidung einer Inkongruenzarthrose.
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Nur nicht dislozierte oder gering dislozierte Frakturen sind einer konservativen Behandlung zugänglich.
Die operative Behandlung besteht in der Wiederherstellung der Gelenkanatomie und Stabilisierung (Abb. B-2.116). Postoperative Maßnahmen: Neben der Thromboseprophylaxe ist die Gabe von Indometacin und die postoperative Weichteilbestrahlung wichtig.
B-2.114
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Konservative Therapie: Sie ist bei nicht dislozierten Frakturen indiziert. Aber auch nur gering dislozierte Frakturen bei vorbestehender Koxarthrose oder schwerwiegende internistische Vorerkrankungen können für ein konservatives Vorgehen sprechen. Die Behandlung besteht in der Immobilisierung des Patienten, deren Dauer in Abhängigkeit vom Frakturtyp steht. Eine zeitweilige suprakondyläre Extension des Beines kann zur Entlastung des Hüftgelenkes beitragen. Thromboseprophylaxe und Krankengymnastik sind zur Vermeidung von Komplikationen notwendig. Die operative Therapie besteht in der offenen Reposition der Fraktur mit stufenloser Wiederherstellung der Gelenkfläche und interner Stabilisierung durch Platten- und/oder Schraubenosteosynthese (Abb. B-2.116). Postoperative Maßnahmen: Neben der Thromboseprophylaxe sind Maßnahmen zur Verhinderung heterotoper Ossifikationen notwendig. Sie treten gehäuft bei dorsalen bzw. erweiterten Zugängen auf. Methode der Wahl ist
Röntgendiagnostik bei Verdacht auf Azetabulumfraktur
b
a Beckenübersichtsaufnahme mit Nachweis einer Azetabulumfraktur (?) b Ala-Aufnahme (Gegenseite um 45 ° angehoben). c Obturator-Aufnahme (verletzte Beckenhälfte um 45 ° angehoben). In der Ala- und Obturator-Aufnahme kommt die doppelte Pfeilerfraktur (?) detailliert zur Darstellung.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.115
Operative Versorgung einer Azetabulumfraktur
a Zwei-Pfeiler-Fraktur des Azetabulums. a (I): CT-Rekonstruktion
B-2.116
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b Osteosynthetische Versorgung. a (II): Beckenübersicht
Operative Therapie bei komplexer Azetabulumfraktur
a
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c
a Beckenübersichtsaufnahme (Protrusion des Hüftkopfes). b Ala-Aufnahme. c Operative Versorgung einer C-Fraktur mit vollständiger Zerstörung des Azetabulums. Die interne Stabilisierung erfolgte durch eine Platten- und Schraubenosteosynthese.
neben der postoperativen Gabe von Indometacin (3 × 25 – 50 mg/d) die postoperative Weichteilbestrahlung. Durch die interne Stabilisierung ist eine frühfunktionelle Behandlung möglich. Komplikationen: Zu den Begleitverletzungen bei bestehender zentraler Luxation zählen sowohl die posttraumatische als auch die intraoperative Läsion des N. ischiadicus und der A. iliaca interna. Die Arterienverletzung kann zu erheblichen Blutungen, ggf. zum hämorrhagischen Schock führen. Zu den Spätkomplikationen gehören die Femurkopfnekrose und die heterotope periartikuläre Ossifikation. Gelenkstufen und Knorpelschäden können zur Früharthrose führen.
Komplikationen: Als Begleitverletzungen können Läsionen des N. ischiadicus und der A. iliaca interna auftreten. Zu den Spätkomplikationen gehören Femurkopfnekrose, heterotope periartikuläre Ossifikation und Früharthrose.
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B 2 Traumatologie
Untersuchungstechniken am Hüftgelenk
Untersuchungstechniken am Hüftgelenk
Anamnese: Wichtig ist der Zeitpunkt der Beschwerdesymptomatik, die Schmerzlokalisation und die Ausstrahlung der Schmerzen.
Anamnese: Gefragt werden muss nach der Dauer der Beschwerden akut (Infektion) oder langsam (Arthrose), der Schmerzlokalisation, Verschlimmerung und der Ausstrahlung der Schmerzen. Da die Hüftgelenkkapsel durch die Nn. obturatorius, ischiadicus und femoralis versorgt wird, können Schmerzen im Kniegelenk ihre Ursache im Hüftgelenk haben. Chronischer Alkoholismus, Gicht, Lupus erythematodes oder die Behandlung mit Steroiden über einen längeren Zeitraum können zu einer aseptischen Knochennekrose führen.
Inspektion: Zu achten ist auf die Höhe der Spina iliaca anterior superior bds., auf eine Beinlängendifferenz und ein hinkendes Gangbild.
Inspektion: Zu achten ist auf die Höhe der Spina iliaca anterior superior bds. Ein einseitiges Höhertreten der Spina iliaca anterior superior kann eine fixierte lumbale Skoliose, eine fixierte Adduktions- oder Abduktionsfehlstellung des Hüftgelenkes oder eine Beinlängendifferenz bedeuten. Bei der Gangprüfung ist auf Hinken zu achten.
Man unterscheidet: ■ Versteifungshinken, ■ Verkürzungshinken, ■ schmerzbedingtes Hinken, ■ Trendelenburg-Hinken.
Dabei unterscheidet man: ■ Versteifungshinken, ■ schmerzbedingtes Hinken, ■ Verkürzungshinken und ■ Trendelenburg-Hinken.
Ein positives Trendelenburg-Zeichen zeigt eine Insuffizienz der Glutäalmuskulatur an (Abb. B-2.117).
Trendelenburg-Zeichen: Beim Einbeinstand wird die Seite des von der Unterlage abgehobenen Beines aufgrund der intakten Funktion des M. glutaeus medius des Standbeines angehoben. Bei Insuffizienz der Glutäalmuskulatur des Standbeines fällt die Beckenhälfte des angehobenen Beines ab (Abb. B-2.117).
Palpation: Palpiert werden die knöchernen Punkte der Hüfte (Spina iliaca anterior superior, Crista iliaca, Trochanter major etc.).
Palpation: Palpiert werden die knöchernen Punkte der Spina iliaca anterior superior, die Crista iliaca, Trochanter major mit der Bursa trochanterica, Spina iliaca posterior superior und Tuber ischiadicum mit der Bursa. Es wird eine Verbindungslinie zwischen der Spina iliaca anterior und dem Tuber ischiadicum (Nelaton-Linie) gezogen. Der Trochanter major sollte bei normalen Verhältnissen auf oder unterhalb dieser Linie verlaufen. Bei Coxa vara oder Hüftverrenkungen verläuft der Trochanter major oberhalb dieser Linie.
Funktionsprüfung: Normalwerte Beugung/Streckung 130/0/10 °, ■ Ab-/Adduktion 45/0/30 °, ■ Innen-/Außenrotation 30/0/30 °.
Funktionsprüfung: Diese erfolgt am liegenden Patienten. Normalwerte Beugung/Streckung 130/0/10 °, ■ Ab-/Adduktion 45/0/30 °, ■ Innen-/Außenrotation 30/0/30 °.
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B-2.117
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B-2.117
Trendelenburg-Zeichen
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
845
Durch den Thomas-Handgriff kann die Lendenlordose beseitigt und eine Beugekontraktur im Hüftgelenk nachgewiesen werden (Abb. B-2.118). Bei der Ab- und Adduktion wird die eine Hand auf die Spina iliaca anterior superior gelegt, um das Becken zu stabilisieren.
Durch den Thomas-Handgriff kann eine Beugekontraktur im Hüftgelenk nachgewiesen werden (Abb. B-2.118).
Weitere Diagnostik: Beckenübersichtsaufnahme, axiale Röntgenaufnahmen, Aufnahmen in Extension und Flexion sowie Ab- und Adduktion bei Korrekturosteotomien, Computertomogramm, z. B. bei Azetabulumfrakturen und Hüftluxationen, Kernspintomogramm, z. B. bei Hüftkopfnekrosen.
Weitere Diagnostik: Beckenübersichtsaufnahme, axiale Röntgenaufnahmen etc.
Hüftgelenkluxation
Hüftgelenkluxation
Klassifikation und Pathogenese: Unterschieden wird zwischen den häufigeren hinteren und den selteneren vorderen Hüftverrenkungen.
Klassifikation und Pathogenese: Unterschieden werden die häufigeren hinteren und die selteneren vorderen Hüftverrenkungen.
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Hintere Luxation: Bei den hinteren Luxationen dominiert die Luxatio iliaca mit 57 % vor der Luxatio ischiadica mit 18 %. Sie entstehen in der Regel als Knieanprallverletzung bei gebeugtem und adduziertem Oberschenkel. In Abhängigkeit von der im Augenblick der Verrenkung im Hüftgelenk bestehenden Beugung und Adduktion kommt es entweder zu einer hinteren oberen Luxatio iliaca oder einer hinteren unteren Luxatio ischiadica des Hüftkopfes. Vordere Luxation: Unter den vorderen Luxationen überwiegt die Luxatio iliopubica oder iliopectinea mit 20 % vor der Luxatio obturatoria mit 5 %. Bei abgespreiztem Oberschenkel und außenrotiertem Hüftgelenk kommt es bei einem Anpralltrauma zu der seltenen vorderen Luxation, wobei der Hüftkopf durch die vordere untere Gelenkkapsel in Richtung Schambein oder Foramen obturatum herausgehebelt wird. Ist das Hüftgelenk gestreckt, tritt eine Luxatio iliopubica auf, bei Beugung kommt es zur Luxatio obturatoria.
Klinik: Die traumatische Hüftluxation ist besonders schmerzhaft, das Gelenk ist federnd fixiert. Entsprechend der Luxationsform finden sich die typischen Stellungen des Beines (Abb. B-2.119 a – c). ■ Bei der hinteren Luxation besteht eine Beinverkürzung, Innenrotation und Adduktion (Abb. B-2.119 a). Bei der Luxatio iliaca ist das verrenkte Bein so weit adduziert, dass beide Knie eng zusammenliegen. Bei der Luxatio ischiadica ist die Adduktion noch stärker, sodass das Knie auf dem Oberschenkel der gesunden Seite liegt. ■ Bei der vorderen Luxation finden sich immer eine Abduktion und Außenrotation. Bei der Luxatio iliopubica ist das Bein stark außenrotiert, leicht abduziert und deutlich verkürzt (Abb. B-2.119 b). Bei der Luxatio obturatoria ist die Hüfte stark gebeugt und abduziert sowie außenrotiert (Abb. B-2.119 c). Diagnose: Die definitive Diagnose wird anhand des Röntgenbildes gestellt (Abb. B-2.119 d). 왘 Merke. Es sollte nach jeder Luxation eine Computertomographie oder eine
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Hintere Luxation: Häufigste hintere Luxation ist die Luxatio iliaca (57 %) vor der Luxatio ischiadica (18 %). Sie entstehen bei gebeugtem und adduziertem Oberschenkel.
Vordere Luxation: Häufigste vordere Luxation ist die Luxatio iliopubica oder iliopectinea mit 20 % vor der Luxatio obturatoria (5 %). Sie entstehen bei abgespreiztem Oberschenkel und außenrotiertem Hüftgelenk.
Klinik: Es besteht eine erhebliche Schmerzhaftigkeit mit federnder Fixation entsprechend der Luxationsform. ■
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Bei der hinteren Luxation besteht eine Beinverkürzung, Innenrotation und Adduktion (Abb. B-2.119 a).
Bei der vorderen Luxation finden sich immer eine Abduktion und Außenrotation (Abb. B-2.119 b, c).
Diagnose: Sie wird anhand des Röntgenbildes gestellt (Abb. B-2.119 d). 왗 Merke
MRT in reponiertem Zustand durchgeführt werden, um mögliche abgeschlagene Knorpelfragmente im Gelenk nachzuweisen.
B-2.118
Thomas-Handgriff
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B 2 Traumatologie
846 B-2.119
Hüftgelenkluxation
Therapie: Die Reposition ist ein Notfalleingriff, der in Narkose durchgeführt werden muss.
Therapie: Die Reposition einer Hüftluxation ist ein Notfalleingriff, der bei optimaler Muskelrelaxation in Narkose erfolgen soll. Die Reposition erfolgt durch Längszug am Oberschenkel und Beugung im Hüft- und Kniegelenk. Eine offene Einrichtung ist bei Fragmentinterposition notwendig.
Komplikationen: N.-ischiadicus-Läsion, Hüftkopfnekrose, posttraumatische Arthrose, periartikuläre Verkalkungen.
Komplikationen: N.-ischiadicus-Läsionen durch Einklemmung des Nervs zwischen Hüftkopf und Becken entstehen in 10 – 15 %, Hüftkopfnekrosen in 6 – 20 % und eine posttraumatische Arthrose in 10 – 15 % der Fälle. Eine weitere Komplikation besteht in periartikulären Verkalkungen.
Proximale Femurfrakturen
Proximale Femurfrakturen
Anatomie: Einteilung des proximalen Femurendes (Abb. B-2.120): ■ Oberschenkelkopf, ■ Oberschenkelhals, ■ pertrochantäre Region, ■ subtrochantäre Region.
Anatomie: Am proximalen Femurende werden 4 Abschnitte unterschieden (Abb. B-2.120): ■ Oberschenkelkopf, ■ Oberschenkelhals, ■ pertrochantäre Region, ■ subtrochantäre Region.
Caput-Collum-Diaphysenwinkel (CCD-Winkel): Beim Erwachsenen normalerweise 125 °– 135 °.
Der Winkel zwischen Oberschenkelschaftachse und Oberschenkelkopf wird als Caput-Collum-Diaphysenwinkel (CCD-Winkel) bezeichnet. Die normale Größe dieses Winkels beträgt beim Neugeborenen ca. 150 °, verkleinert sich beim Jugendlichen auf ca. 140 ° und beträgt beim Erwachsenen (Wachstumsabschluss) 125 – 135 °. Zur Kniegelenkachse besteht ein Winkel von 5 – 15 ° nach vorn (Antetorsion). Für die Stabilität des Gelenkes sind verantwortlich: ■ die anatomische Konfiguration von Hüftkopf und Hüftpfanne, ■ der Limbus, ■ der Unterdruck im Gelenk und ■ der Bandapparat (Lig. iliofemorale, Lig. ischiofemorale, Lig. pubofemorale).
Für die Stabilität des Gelenkes sind die anatomische Konfiguration von Hüftkopf und Hüftpfanne, der Limbus, der Unterdruck im Gelenk und der Bandapparat verantwortlich.
Die arterielle Versorgung des Oberschenkelkopfes erfolgt über die A. ligamenti capitis femoris, die Aa. circumflexa femoris medialis et lateralis und mittels intraossärer Durchblutung aus der Metaphyse (Abb. B-2.121).
Die arterielle Versorgung des Oberschenkelkopfes hat eine besondere Bedeutung bei den Schenkelhalsfrakturen. Für die Durchblutung des Kopfes sind verantwortlich (Abb. B-2.121): ■ A. ligamenti capitis femoris, die in über 50 % der Fälle aus der A. obturatoria entspringt, ■ A. circumflexa femoris medialis, ■ A. circumflexa femoris lateralis, ■ Intraossäre Durchblutung aus der Metaphyse.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
847
Ca. 80 % der Blutversorgung verläuft über 3 – 4 Äste aus der A. circumflexa femoris lateralis (ca. 60 %) und medialis (ca. 20 – 25 %), die unter der periostalen Synovialis liegen. Sie verlaufen im gelenknahen Anteil der Synovialis und dringen fast an der Knorpel-Knochen-Grenze in den Kopf ein. Ca 20 % der Gefäßversorgung des Kopfes verläuft über die A. ligamenti capitis femoris.
80 % der Blutversorgung verläuft über die A. circumflexa femoris lateralis et medialis, 20 % über die A. ligamenti capitis femoris.
Hüftkopffraktur
Hüftkopffraktur
Pathophysiologie: Hüftkopffrakturen entstehen meist durch Verrenkungen, die zu einer Abscherung eines Kalottenfragmentes führen. Daneben können sie noch bei ausgeprägten Pfannenfrakturen infolge Abscherung entstehen, wobei das abgescherte Fragment in der Gelenkpfanne verbleibt.
Pathophysiologie: Hüftkopffrakturen entstehen durch Verrenkungen und infolge Abscherungen eines Kalottenfragmentes.
Begleitverletzungen: Knieverletzungen (hintere Luxationen, Tibiakopf-, Patellaund Femurkondylenfrakturen) werden in 25 % angegeben.
Begleitverletzungen: In 25 % Knieverletzungen.
Einteilung: Nach Pipkin werden 4 Typen unterschieden: ■ Typ 1: Kalottenfraktur unterhalb der Fovea, d. h. außerhalb der Belastungszone. ■ Typ 2: Abscherung eines großen Kopffragmentes mit der Fovea capitis. ■ Typ 3: Typ 1 oder 2 kombiniert mit Schenkelhalsfraktur. ■ Typ 4: Typ 1 oder 2 in Kombination mit einer Azetabulumfraktur.
Einteilung: Die Einteilung der Hüftkopffrakturen erfolgt nach Pipkin in 4 Typen.
Klinik: Es besteht eine Beinfehlstellung und eine federnde Fixation im Gelenk wie bei Hüftgelenkluxation. Der Patient klagt über Bewegungsschmerzen.
Klinik: Beinfehlstellung, federnde Fixation im Gelenk und Bewegungsschmerzen sind feststellbar. Diagnostik: Anamnese und klinische Untersuchung sowie Röntgenaufnahmen des Beckens und der Hüfte (Abb. B-2.122), CT oder MRT sichern die Diagnose.
B-2.120
Anatomie des proximalen Femurs
Diagnostik: Anamnese und klinische Untersuchung ergeben den Verdacht auf eine Hüftkopffraktur. Röntgenaufnahmen des Beckens, des Hüftgelenkes a.-p. (Abb. B-2.122), Ala- und Obturator-Aufnahmen sichern die Diagnose. Ergänzend
B-2.121
Blutgefäßversorgung des Oberschenkelkopfs
B-2.121
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B 2 Traumatologie
848 B-2.122
Hüftkopffraktur
a Hüftkopffraktur Pipkin Typ II (?).
b Kalottenfraktur Pipkin Typ II, Operationssitus von a.
wird eine CT oder MRT zum Nachweis weiterer chondraler oder osteochondraler Verletzungen durchgeführt. Therapie: Die Typ-1-Frakturen können meist konservativ behandelt werden, während die übrigen Frakturen operativ versorgt werden müssen.
Therapie: ■ Typ-1-Frakturen können bei exakter Fragmentadaptation konservativ behandelt werden, ansonsten ist die operative Entfernung des Fragmentes notwendig. ■ Typ-2-Frakturen werden durch Schraubenosteosynthese versorgt. ■ Bei den Typ-3-Frakturen ist in den meisten Fällen ein Hüftgelenksersatz notwendig. ■ Typ-4-Frakturen erfordern die exakte Rekonstruktion des Azetabulums, ansonsten gelten die Grundsätze für die Typ-1- und Typ-2-Frakturen.
Nachbehandlung: Beginn der Vollbelastung nach 6 – 12 Wochen.
Nachbehandlung: Die verletzte Extremität sollte je nach Frakturtyp nach 6 – 12 Wochen vollbelastet werden.
Komplikationen: heterotope Ossifikationen, posttraumatische Arthrose und chronische Instabilität. Schenkelhalsfraktur
Komplikationen: Heterotope Ossifikationen, posttraumatische Arthrose und chronische Instabilität.
왘 Definition
Schenkelhalsfraktur 왘 Definition. Bruch des Oberschenkels zwischen Hüftkopf und Trochanter. Ent-
sprechend dem Ansatz der Gelenkkapsel werden intrakapsuläre mediale und extrakapsuläre laterale Schenkelhalsbrüche unterschieden. Für die Einteilung (medial/lateral) ist der kraniale Frakturbeginn entscheidend. Epidemiologie: Mediale Schenkelhalsbrüche (95 %) bei älteren, laterale Schenkelhalsbrüche (5 %) bei jüngeren Patienten.
Epidemiologie: Die medialen Schenkelhalsbrüche (95 %) treten insbesondere bei älteren Menschen auf, während die lateralen Schenkelhalsbrüche (5 %) meist bei jüngeren Patienten auftreten.
Einteilung: Mediale Schenkelhalsfrakturen lassen sich in Adduktions- und Abduktionsfrakturen unterteilen. Die Abduktionsfraktur ist durch die eingestauchten Bruchfragmente stabil und stellt eine Sonderform des Typs Pauwels I dar (Abb. B-2.124).
Einteilung: Die medialen Schenkelhalsfrakturen lassen sich ihrerseits in zwei Frakturformen einteilen. Die Adduktionsfraktur zeigt eine Varusstellung des Schenkelhalses bei fehlender Einkeilung der Fragmente, während bei der Abduktionsfraktur eine Valgusstellung des Schenkelhalses mit Einstauchung der Bruchfragmente vorliegt. Letztere stellt eine Sonderform des Typs Pauwels I dar und tritt bei ca. 12 % aller medialen Frakturen auf. Durch die Einstauchung des Halses in die Kopfspongiosa ist diese Fraktur stabil (Abb. B-2.124).
Einteilung: Die Einteilung nach Pauwels richtet sich nach dem Bruchlinienverlauf (Abb. B-2.123).
Die Einteilung nach Pauwels richtet sich nach dem Bruchlinienverlauf und unterscheidet 3 prognostisch wichtige Schweregrade (Abb. B-2.123): ■ Pauwels I: Frakturlinie zur Horizontalen bis 30 °; auf die Bruchfläche wirken Druckkräfte, Heilungsprognose günstig. ■ Pauwels II: Frakturlinie zur Horizontalen bis 50 °. ■ Pauwels III: Frakturlinie zur Horizontalen 4 50 °, hochgradige Instabilität.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.123
849
Einteilung der Schenkelhalsfrakturen nach Pauwels Die Einteilung nach Pauwels basiert auf der Analyse interfragmentärer Krafteinwirkung bei Schenkelhals-Abduktionsfrakturen. Ein Winkel der Frakturebene bis 30 ° gewährleistet hierbei eine größere interfragmentäre Kompression bei geringerer Scherkraft. Bei steilerem Frakturverlauf nimmt die komprimierende Kraft ab, die mögliche Scherkraft und damit die Instabilität zu.
B-2.124
Einteilung der medialen Schenkelhalsfrakturen
Die Einteilung nach Garden erfolgt entsprechend dem Dislokationsgrad der Fraktur: ■ Garden I: Inkomplette Fraktur, entsprechend einer eingekeilten, valgisierten Fraktur (12 %). ■ Garden II: Vollständige Fraktur ohne Dislokation (20 %). ■ Garden III: Vollständige Fraktur mit teilweiser Verschiebung (48 %). ■ Garden IV: Vollständige Fraktur mit vollständiger Verschiebung, kein Kontakt der Bruchflächen (20 %).
Die Einteilung nach Garden erfolgt entsprechend dem Dislokationsgrad und unterscheidet 4 Formen.
Pathophysiologie: Schenkelhalsfrakturen entstehen zumeist als Folge eines Sturzes auf den Trochanter oder auf das ausgestreckte Bein bzw. in Kombination mit einer Drehbewegung. Häufig ist die Ursache ein Bagatelltrauma, das infolge der Altersosteoporose beim alten Menschen zu einer Fraktur führt. Zuweilen können auch Zysten und Metastasen zu einer pathologischen Fraktur in diesem Bereich führen. Entgegen den röntgenmorphologischen Betrachtungsweisen von 2 Epiphysenfugen (Kopfkalotte und Trochanter major) wird bei kindlichen Schenkelhalsfrakturen das gesamte proximale Femurende von der Metaphyse durch eine einzige zusammenhängende, mehr oder weniger horizontal ausgerichtete Epiphysenfuge mit dachfirstartiger Ausbildung abgetrennt. Eine Zweiteilung der proximalen Wachstumsscheibe erfolgt etwa im 10. – 11. Lebensjahr. Entsprechend betreffen alle kindlichen Schenkelhalsfrakturen vor dem 11. Lebensjahr die Wachstumsfuge, während Schenkelhalsfrakturen ab dem 11. Lebensjahr metaphysäre Frakturen darstellen. Die kindlichen Schenkelhalsfrakturen sind sehr selten, etwa 1 Fraktur pro 1 Mio. Einwohner.
Pathophysiologie: Schenkelhalsfrakturen entstehen zumeist als Folge eines Sturzes auf den Trochanter oder auf das ausgestreckte Bein bzw. in Kombination mit einer Drehbewegung.
Eine Zweiteilung der Wachstumsfuge erfolgt im 10. – 11. Lebensjahr. Entsprechend betreffen alle kindlichen Schenkelhalsfrakturen vor dem 11. Lebensjahr die Wachstumsfuge, während Schenkelhalsfrakturen ab dem 11. Lebensjahr metaphysäre Frakturen darstellen.
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850
B 2 Traumatologie
Klinik: Während die Abduktionsfraktur (Valgusstellung) wenig klinische Symptome macht, liegt bei den Adduktionsfrakturen (Varusstellung) das Bein verkürzt und außenrotiert. Es besteht eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung.
Klinik: Die Abduktionsfraktur (Valgusstellung) macht in der Regel wenig klinische Symptome, evtl. ist ein Stauchungs- und Klopfschmerz festzustellen. Bei den Adduktionsfrakturen (Varusstellung) ist das Bein verkürzt und außenrotiert. Es besteht eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung.
Diagnostik: Anamnese, klinische Untersuchung und Röntgenuntersuchung (Becken a.-p., Hüfte in 2 Ebenen) sichern die Diagnose.
Diagnostik: Neben Anamnese und klinischer Untersuchung ist die Röntgenuntersuchung von entscheidender Bedeutung. Eine Beckenübersicht a.-p. und eine Aufnahme des Hüftgelenkes in 2 Ebenen sind wichtig zur Beurteilung der Einstauchung in allen Ebenen.
Therapie: Für eine konservative, funktionelle Therapie sind nur in beiden Ebenen stabile Abduktionsbrüche geeignet.
Therapie: Für eine konservative funktionelle Therapie sind nur Abduktionsbrüche geeignet, welche in beiden Ebenen stabil sind (Pauwels I, Garden I). Krankengymnastik mit zunehmender Belastung ist angezeigt. Alle übrigen Frakturen müssen operativ versorgt werden. Unter den operativen Verfahren unterscheidet man (Abb. B-2.125):
Operative Verfahren (Abb. B-2.125). Man unterscheidet: Kopferhaltende Verfahren Grundsätze: ■ Sofortoperation (beim Kind: Notoperation) mit Gelenkkapselfensterung (Druckerniedrigung). ■ Reposition zur Durchblutungsverbesserung. ■ stabile Schraubenfixation (Vermeidung von Resorptionsvorgängen, Verbesserung der intraossären Durchblutung).
Kopferhaltende Operationen, etwa bis zum 70. Lebensjahr (entsprechend dem biologischen Alter). Für sie gelten folgende Grundsätze: ■ Sofortoperation mit Gelenkkapselfensterung zur Evakuation des Hämatoms (Druckerniedrigung). Beim Kind handelt es sich um eine Notfalloperation. ■ Reposition zur Durchblutungsverbesserung. Dadurch kann ein sekundärthrombotischer Verschluss, der durch die Dislokation der abgeknickten Kopfgefäße entsteht, vermieden werden. ■ stabile Schraubenfixation bzw. DHS + Schraube zur Rotationssicherung, zur Vermeidung von Resorptionsvorgängen im Frakturbereich und zur Verbesserung der intraossären Durchblutung.
Die Reposition erfolgt durch Extension, Abduktion und Innenrotation.
Das Repositionsmanöver wird durch Extension, Abduktion und Innenrotation durchgeführt. Pauwels-II- und -III- bzw. Garden-III- und -IV-Frakturen können im jugendlichen Alter durch eine primäre Umlagerungsosteotomie in einen Pauwels-I-Frakturverlauf umgewandelt werden.
Kopfresezierende Verfahren: Jenseits des 70. Lebensjahres werden primär Endoprothesen implantiert.
Kopfresezierende Verfahren: Jenseits des 70. Lebensjahres sollte bei den Pauwels-II- und -III-Frakturen in Anbetracht des hohen Pseudarthrose- und Hüftkopfnekrosenrisikos ein primärer gelenkendoprothetischer Ersatz durchgeführt werden, um eine rasche Mobilisation zu ermöglichen.
Komplikationen: Pseudarthrosen und Femurkopfnekrosen. Bei Kindern zusätzlich posttraumatische Wachstumsstörungen.
Komplikationen: Es kann zu Pseudarthrosen, insbesondere bei ungenügender Reposition kommen. Femurkopfnekrosen (bis 40 %) treten insbesondere bei medialen Schenkelhalsfrakturen auf (gestörte Blutversorgung). Bei kindlichen Schenkelhalsfrakturen beträgt die Pseudarthrosenrate 10 %, die Kopfnekroserate 35 %. Posttraumatische Wachstumsstörungen treten in 35 % auf.
Pertrochantäre Femurfraktur
Pertrochantäre Femurfraktur
Pathogenese: Der Frakturmechanismus entspricht dem der Schenkelhalsfrakturen.
Pathogenese: Der Frakturmechanismus entspricht dem der Schenkelhalsfrakturen. Das Alter der Patienten liegt meist jenseits des 75. Lebensjahres.
Klassifikation: Nach der AO-Klassifizierung werden die pertrochantären Frakturen in A1 – A3 eingeteilt (Abb. B-2.126).
Klassifikation: Nach der AO-Klassifikation werden die pertrochantären Frakturen eingeteilt in (Abb. B-2.126): ■ A1: Einfache pertrochantäre Fraktur. Die Bruchlinie verläuft nach medialdistal bis knapp oberhalb des Trochanter minor und beginnt lateral-proximal im Trochanter-major-Bereich. ■ A2: Mehrfragmentäre, pertrochantäre Frakturen. Es besteht eine Defektbildung am Adam-Bogen mit einem medialen Ausbruchskeil (in der Regel Trochanter minor). ■ A3: Intertrochantäre Frakturen mit oder ohne Trümmerzone. Häufig findet sich lateral ein ventrales und/oder dorsales Fragment.
Klinik: Das Bein ist verkürzt und außenrotiert. Es besteht eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung.
Klinik: Das Bein liegt in Verkürzung und Außenrotation. Es bestehen eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung, ein lokaler Druckschmerz sowie ein axialer Kompressionsschmerz.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.125
851
Operative Verfahren bei Schenkelhalsfrakturen
Therapie: Die konservative Therapie mit einer Extensionsbehandlung über 10 Wochen ist wegen der allgemeinen Komplikationen (Thromboembolie, Dekubitus, Pneumonie) nur in absoluten Ausnahmefällen gestattet. In der Regel erfolgt eine Osteosynthese. Zur operativen Versorgung erfolgt die Reposition in Extension, Abduktion und Innenrotation. Als Implantate stehen zur Verfügung: ■ Dynamische Hüftschraube (DHS): Mit diesem Implantat wird ein Zusammensintern der Bruchstücke möglich, ohne die Komplikationen starrer Implantate (Implantatbruch und Penetration ins Hüftgelenk) aufzuweisen (Abb. B-2.127 a, b). Weitere Verfahren stellen intramedulläre Kraftträger dar: ■ Gamma-Nagel; proximaler Femurnagel (PFN): insbesondere für A3-Frakturen geeignet (Abb. B-2.127 a, d).
B-2.125
Therapie: In der Regel erfolgt eine operative Osteosynthese, da die konservative Therapie mit langer Immobilisation viele Komplikationen bedingt. Als Implantate stehen zur Verfügung: ■
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Dynamische Hüftschraube (DHS) (Abb. B-2.127 a, b).
Gamma-Nagel; proximaler Femurnagel (PFN) (Abb. B-2.127 a, d).
Weniger zur Anwendung kommt heute die Kondylenplatte (bei A3-Frakturen) oder die dynamische Kondylenschraube (DCS) (Abb. B-2.127 c).
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B 2 Traumatologie
852 B-2.126
AO-Klassifikation der pertrochantären Femurfrakturen
Komplikationen: Schraubenperforation, Schaftsprengung beim Gamma-Nagel.
Komplikationen: Schraubenperforation bei inkorrekter Schraubenlage und ungenügender Reposition sowie Schaftsprengung beim Gamma-Nagel stellen die wichtigsten Komplikationen dar.
Subtrochantäre Femurfraktur
Subtrochantäre Femurfraktur
Pathogenese: Sie entsteht meist durch direkte Rasanztraumen bei Jugendlichen und Polytraumatisierten.
Pathogenese: Sie entsteht meist durch direkte Rasanztraumen bei Jugendlichen und Polytraumatisierten.
Klassifikation: Man unterscheidet nach AO A-, B- und C-Frakturen.
Klassifikation: Nach AO werden unterschieden: ■ A: Einfache Frakturen (spiralförmig, schräg, quer). ■ B: Keilfrakturen (Drehkeil, Biegungskeil und fragmentierter Keil). ■ C: Komplexe Frakturen (spiralförmig, etagenförmig und irregulär).
Klinik: Das Bein liegt in Adduktion und Außenrotation (Abb. B-2.128).
Klinik: Das betroffene Bein zeigt eine typische Varusstellung mit Flexion und Abduktion des proximalen Fragmentes (Zug der Mm. glutaeus medius, minimus und iliopsoas) sowie Adduktion und Außenrotation des distalen Fragmentes (M. adductor) (Abb. B-2.128).
Therapie: Die konservative Behandlung ist kontraindiziert. Operative Verfahren:
Therapie: Die konservative Behandlung mit einer Extension über 10 – 12 Wochen ist aufgrund der allgemeinen Komplikationsrisiken kontraindiziert. An operativen Verfahren bieten sich an: ■ Proximaler Femurnagel. Dieses Verfahren ist stabil und relativ komplikationslos. Die optimale Schraubenplatzierung bei proximalen Femurfrakturen findet sich im kaudalen und dorsalen Quadranten. Hier ist die beste Spongiosastruktur und bietet damit einen optimalen Halt für die Schrauben (Abb. B-2.129).
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Proximaler Femurnagel (Abb. B-2.127 und Abb. B-2.129).
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.127
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853
Operative Verfahren bei pertrochantärer Femurfraktur
95 °-Kondylenplatte und dynamische Kondylenschraube. Sie ermöglichen eine Zuggurtungsfunktion. Mithilfe indirekter Repositionsverfahren, z. B. durch den Distraktor, kann unter Beachtung der Länge und Rotation auf eine anatomische Reposition der Fragmente verzichtet und damit die sonst obligate, mediale Spongiosaplastik vermieden werden. Der Verriegelungsnagel ist bei allen Frakturen geeignet, bei denen eine ausreichend lange Verankerungsstrecke im proximalen Fragment vorhanden ist (Abb. B-2.130).
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95 °-Kondylenplatte und die dynamische Kondylenschraube
Verriegelungsnagel (Abb. B-2.130).
Oberschenkelschaftfraktur
Oberschenkelschaftfraktur
Pathogenese: Sie entsteht meist durch große Krafteinwirkung und findet sich gehäuft (20 %) bei polytraumatisierten Patienten.
Pathogenese: Sie entsteht durch große Krafteinwirkung und findet sich gehäuft bei polytraumatisierten Patienten. Klassifikation: AO-Einteilung s. Tab. B-2.11.
Klassifikation: Einteilung nach AO s. Tab. B-2.11. Klinik: Es finden sich die typischen Frakturzeichen (Schwellung, Hämatom, Bewegungsschmerz, Krepitation, abnorme Beweglichkeit und Functio laesa). Als Folge der Anprallverletzung finden sich zuweilen Verletzungen der Patella und Kreuzbandrupturen. Besonders wichtig ist die Beachtung der Durchblutung, Motorik und Sensibilität.
Klinik: Es finden sich die typischen Frakturzeichen.
Diagnostik: Die röntgenologische Darstellung des Beckens und vor allem des Hüftgelenkes zum Ausschluss einer begleitenden Azetabulum- oder Schenkelhalsfraktur sowie eine Röntgenaufnahme des Kniegelenkes (begleitende Patellafraktur) sind obligat.
Diagnostik: Röntgenaufnahme des Femurs in 2 Ebenen, des Beckens, des Hüftgelenkes und des Kniegelenkes.
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854
B 2 Traumatologie
B-2.128
B-2.128
Subtrochantäre Femurfraktur: typische Varusstellung durch Muskelzug
B-2.129
B-2.129
Schraubenplatzierung bei proximaler Femurfraktur
a Bei einer proximalen Femurfraktur wird die Schraube am besten im kaudalen, dorsalen Quadrant platziert. Hier findet sich die beste Spongiosastruktur, wodurch ein optimaler Halt für die Schraube gewährleistet wird.
b Der Kreuzungspunkt der Trajektorien bietet feste Knochensubstanz.
Therapie: Oberschenkelfrakturen führen zu einem erheblichen Blutverlust (cave: Schock). Es ist daher auf ausreichende Volumensubstitution zu achten.
Therapie: Oberschenkelfrakturen führen zu einem erheblichen Blutverlust. Die Standardbehandlung beinhaltet eine ausreichende Volumensubstitution, gegebenenfalls eine frühzeitige Beatmung.
Die Behandlung der Oberschenkelfraktur ist im Allgemeinen operativ.
Die Behandlung der Oberschenkelfraktur ist im Allgemeinen operativ. Als Primärmaßnahme kann in Ausnahmefällen die Extensionsbehandlung über den Schienbeinkopf notwendig sein. Das Extensionsgewicht beträgt etwa 1/7 des Körpergewichts.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
Operative Versorgung der subtrochantären Femurfraktur
B-2.130
a Subtrochantäre Femurfraktur.
855 B-2.130
b Versorgung mit einem proximalen Femurnagel (PFN).
Als primäre Stabilisierungsmaßnahme, vor allem beim Polytraumatisierten, ist deshalb die temporäre Anwendung des Fixateur externe ein bewährtes Verfahren. Als definitives Stabilisierungsverfahren ist die ungebohrte Marknagelosteosynthese das Verfahren der Wahl. In der Mehrzahl der Fälle wird der Marknagel als Verriegelungsnagel (Abb. B-2.131 a) Anwendung finden. Als weitere Möglichkeit kommt z. B. bei gleichzeitiger Gefäßverletzung die Plattenosteosynthese (Abb. B-2.131 b) in Betracht. Im distalen Oberschenkeldrittel kommen als Implantate das LISS-System, der retrograde Nagel, die Kondylenplatte und die dynamische Kondylenschraube (DCS) zur Anwendung.
Der Fixateur externe hat sich beim Polytraumatisierten als Primärmaßnahme bewährt.
Therapie kindlicher Frakturen: Kindliche Frakturen können konservativ zur Ausheilung gebracht werden (Abb. B-2.132). Wegen der rascheren Mobilisierung hat sich jedoch die elastische intramedulläre Schienung (s. u.) zunehmend durchgesetzt (Abb. B-2.131 c, Tab. B-2.12).
Therapie kindlicher Frakturen s. Tab. B-2.12, Abb. B-2.131 c, Abb. B-2.132.
Komplikationen: Verzögerte Heilung, Pseudarthrose, Infektion und Drehfehler (bei geschlossener Marknagelung) sind gefürchtete Komplikationen. Bei Kindern kann es nach operativer Behandlung zu einem vermehrten Längenwachstum der verletzten Seite kommen, insbesondere bei verspäteter Operation.
Komplikationen: Verzögerte Heilung, Pseudarthrose, Infektion, Drehfehler.
B-2.11
AO-Einteilung der Oberschenkelschaftfrakturen
A-Frakturen
A1: einfache Spiralfrakturen A2: einfache Schrägfrakturen mit einem Frakturwinkel 4 30 ° A3: Querfrakturen mit einem Frakturwinkel 5 30 °
B-Frakturen
B1: Frakturen mit Drehkeil B2: Frakturen mit Biegungskeil B3: fragmentierte Keilfrakturen
C-Frakturen
C1: komplexe Spiralfraktur C2: segmentale, komplexe Frakturen C3: irreguläre, komplexe Frakturen
Als definitives Stabilisierungsverfahren ist die Marknagelosteosynthese das Verfahren der Wahl (Abb. B-2.131 a). Die Plattenosteosynthese (Abb. B-2.131 b) kommt insbesondere bei simultanen Gefäßverletzungen des Polytraumatisierten zur Anwendung.
B-2.11
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B 2 Traumatologie
856 B-2.131
Operative Versorgung der Oberschenkelschaftfraktur a Verriegelungsnagel (a.-p.). b C3-Fraktur des Femurs. Stabilisierung mit überbrückender Platte. Man sieht eine gute Kallusbildung. c Kindliche Oberschenkelfraktur. Stabilisierung mit elastischer intramedullärer Schienung.
b
a
c
왘 Merke
왘 Merke. Primäre Marknagelung bei gleichzeitig bestehendem Thoraxtrauma:
erhöhte Gefahr eines ARDS. Distale Oberschenkelfraktur
Distale Oberschenkelfraktur
Pathogenese: Oft direktes Anpralltrauma, häufig Begleitverletzungen der Patella.
Pathogenese: Sie entsteht oft durch ein direktes Anpralltrauma. Begleitverletzungen der Patella sind häufig.
Klassifikation: s. Tab. B-2.13.
Klassifikation nach AO-Kriterien s. Tab. B-2.13.
Klinik: Verkürzung des Beines, Deformierung des Kniegelenkes (evtl. blutiger Erguss) und schmerzhafte Bewegungseinschränkung. Rekurvationsfehlstellung des distalen Fragmentes (Abb. B-2.133).
Klinik: Typische Frakturzeichen mit Verkürzung des Beines, Schwellung, Deformierung des Kniegelenkes und schmerzhafte Bewegungseinschränkung sind zu erkennen. Durch den Muskelzug des M. gastrocnemius besteht eine Rekurvationsfehlstellung des distalen Fragmentes. Dies kann zu einer Verletzung der A. poplitea und des N. tibialis führen (Abb. B-2.133).
왘 Merke
왘 Merke. Wichtig ist die Überprüfung der Durchblutung, um eine Verletzung
der A. poplitea auszuschließen. Diagnostik: Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen von Oberschenkel, Kniegelenk und Hüfte.
Diagnostik: Neben der Röntgenaufnahme des Oberschenkels in 2 Ebenen ist eine Röntgenuntersuchung des Kniegelenkes in 2 Ebenen und eine Aufnahme der Hüfte obligat.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.12
Therapie der Oberschenkelschaftfraktur bei Kindern
Konservative Therapie ■
■
Overheadextension bei Kindern bis zum 2. Lebensjahr. Die Extension erfolgt über Pflasterverbände bei rechtwinklig gebeugtem Hüftgelenk und gestrecktem Kniegelenk. Extensionsbehandlung auf dem Weber-Tisch bei Kindern vom 3. – 10. Lebensjahr. Der Vorteil dieser Extensionsbehandlung liegt in der röntgenologischen und klinischen Stellungskontrolle der Fraktur in allen 3 Ebenen einschließlich der Rotation und in dem pflegerischen Komfort. Nach 3 Wochen ist die Fraktur so weit konsolidiert, dass eine Nachbehandlung im Becken-BeinGips möglich ist.
B-2.132
857 B-2.12
Operative Therapie ■ ■ ■
Fixateur Plattenosteosynthese elastische intramedulläre Drahtschienung (in über 90 % der Fälle Abb. B-2.131 c).
Konservative Verfahren zur Behandlung kindlicher Oberschenkelschaftfrakturen
왘 Merke. Durch den Anprallmechanismus können als Begleitverletzungen
왗 Merke
Kreuzbandrupturen und Luxationsfrakturen des Hüftgelenkes entstehen. Röntgenaufnahmen des Hüftgelenkes und Beckens sind daher obligat. Therapie: Die konservative Behandlung stellt die Ausnahme dar. Sie erfolgt über eine Tibiakopfextension und spezielle Lagerung im Frakturbereich zum Ausgleich der Rekurvation. Die operative Behandlung erfolgt mittels Kondylenplatte, dynamischer Kondylenschraube (DCS), LISS-Implantat (low impact screw system) oder eines retrograd vom Kniegelenk eingebrachten Nagels (Abb. B-2.134, Abb. B-2.135). B-Frakturen können auch durch Schraubenosteosynthese stabilisiert werden (Abb. B-2.136). Wichtig ist die Versorgung begleitender Knorpelverletzungen und Bandläsionen. Die Dauer der postoperativen Teilbelastung beträgt etwa 12 Wochen.
Therapie:
Die operative Versorgung der Fraktur ist die Regel und erfolgt mittels Kondylenplatte, dynamischer Kondylenschraube (DCS), LISSImplantat, Schraubenosteosynthese oder eines retrograd eingeführten Nagels (Abb. B-2.134, Abb. B-2.135).
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B 2 Traumatologie
858 B-2.13
B-2.133
B-2.13
AO-Einteilung distaler Oberschenkelfrakturen
A-Frakturen
suprakondyläre Frakturen
B-Frakturen
B1: partiell-artikulär, lateraler Kondylus B2: medialer Kondylus B3: frontaler Frakturverlauf
C-Frakturen
C1: komplette artikuläre Frakturen, artikulär einfach, metaphysär einfach C2: artikulär einfach, metaphysär multifragmentär C3: artikulär multifragmentär
Distale Oberschenkelfraktur mit Gefäßverletzung
a
b
c
Suprakondyläre Femurfraktur (a) mit angiographisch nachgewiesener Verletzung der A. femoralis (b). Nach Stabilisierung der Fraktur mit einem Fixateur externe erfolgte die Arterienrekonstruktion durch ein Veneninterponat (c) mit vollständiger Wiederherstellung der Durchblutung (d).
Komplikationen: Posttraumatische Arthrose, bleibende Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk.
d
Komplikationen: Gelenkinkongruenzen und Achsenfehlstellungen können eine posttraumatische Arthrose verursachen. Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk können durch Kapselschrumpfung und Muskelverwachsungen entstehen.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.134
859
Einsatz des LISS-Instrumentariums (less invasic stabilisation system) bei Oberschenkelfraktur
a c
b
d (I)
d (II)
e (I)
e (II)
a LISS mit montiertem Zielbügel. b Der Plattenfixateur wird über eine kleine, distale Inzision eingeführt und zwischen M. vastus lateralis und Periost geschoben. c Die auf dem Zielbügel eingebrachten Löcher erlauben mithilfe einer Bohrbüchse das exakte Treffen der Plattenlöcher des Fixateurs über Stichinzisionen. d Distale Oberschenkelfraktur und Versorgung mit LISS-System. e Periprothetische Fraktur und Versorgung mit LISS-System
2.2.6 Kniegelenk und Unterschenkel
2.2.6 Kniegelenk und Unterschenkel
Untersuchungstechniken
Untersuchungstechniken
Anamnese: Wichtig sind Fragen nach ■ dem Unfallmechanismus z. B. Verdrehung im Kniegelenk bei festgestelltem Unterschenkel (Meniskus), ■ Blockierungen (durch freie Gelenkkörper) und ■ Schmerzen: Dieser ist bei partieller Seitenbandruptur stärker als bei totaler Ruptur. Durch Hämatomaustritt in die dorsale Kapsel liegen die Schmerzen bei vorderer Kreuzbandruptur tief popliteal. Messerstichartige Schmerzen finden wir bei Meniskuseinklemmung oder Blockade durch freie Gelenkkörper. ■ Erguss: Zeitpukt des Auftretens. Tritt ein Hämarthros innerhalb der ersten 2 Stunden nach dem Trauma auf, deutet dies auf eine signifikante Knieverletzung hin. ■ Einknicken (giving-way): Dieses kann durch Subluxation des Tibiakopfes bei vorderer Kreuzbandinsuffizienz, bei Korbhenkelriss der Menisken, Dissektat oder Patellasubluxation auftreten.
Anamnese: Fragen nach ■ dem Unfallmechanismus
Inspektion: Zu achten ist auf einen Erguss, eine Schwellung oder auf Infektionszeichen.
Inspektion: Achten auf Erguss, Schwellung, Infektionszeichen.
왘 Merke. Eine Prellmarke am Tibiakopf kann Hinweis auf eine hintere Kreuzbandruptur sein.
■ ■
■
■
Blockierungen Schmerzen: Die Intensität und Lokalisation von Schmerzen geben Hinweise auf das Verletzungsausmaß.
Erguss: Ein Hämarthros lässt Rückschlüsse auf die Schwere der Verletzung zu. Einknicken: Ein Einknicken gibt Hinweise auf verschiedene Verletzungen (z. B. Korbhenkelriss).
왗 Merke
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B 2 Traumatologie
860 B-2.135
B-2.136
B-2.135
Distale Oberschenkelfraktur versorgt mit Femurnagel
Distale Oberschenkelfraktur
a (I)
b
Palpation: Bei einem Erguss findet sich das Bild der tanzenden Patella. Dellenbildung bei Ruptur des Lig. patellae und der Quadrizepssehne, Palpation der Diastase bei Patellafraktur.
Instabilitätsprüfung ■ Seitenbandapparat: Die Seitenband-Stabilität wird in 20 °-Beugung und in voller Streckung geprüft.
a (II)
a Aitken-II-Fraktur des distalen Oberschenkels. b 3-D-Rekonstruktion. c Versorgung mittels Schraubenosteosynthese (Zugschrauben).
c
Palpation: Bei einem Erguss kann man eine tanzende Patella auslösen. Der Erguss wird mit der einen Hand aus dem oberen Recessus gedrückt, während mit dem Zeigefinger der anderen Hand die Kniescheibe nach unten gedrückt wird. Bei einer Ruptur des Lig. patellae oder der Quadrizepssehne findet sich eine typische Dellenbildung, bei der Patellafraktur lässt sich eine Diastase palpieren. Instabilitätsprüfung Seitenbandapparat: Die Seitenbandstabilität wird in 20 °-Beugung und in voller Streckung geprüft. In voller Streckung wird ein seitliches Aufklappen durch die hintere Kapsel und das intakte hintere Kreuzband verhindert, selbst wenn das mediale Seitenband rupturiert ist. Dagegen wird in 20 °-Beugung die hintere Kapsel entspannt und das mediale Seitenband isoliert geprüft.
■
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
■
Vordere Instabilität: Bei der vorderen Instabilität besteht eine normale Mittellage des Femurs auf der Tibia. Sie lässt sich durch den Lachman-Test und den Pivot-Shift nachweisen (Tab. B-2.14, Abb. B-2.137). 왘 Merke. Jede vordere Schublade ist erst dann eine vordere Schublade, wenn
861 ■
Vordere Instabilität: Normale Mittellage des Femurs auf der Tibia. Tests zum Nachweis s. Tab. B-2.14, Abb. B-2.137.
왗 Merke
eine hintere Schublade ausgeschlossen ist. ■
Hintere Instabilität: Bei der hinteren Instabilität liegt der Tibiakopf zu Beginn der Schubladenprüfung wegen der Schwerkrafteinwirkung in einer pathologischen hinteren Ruhestellung (Abb. B-2.137, Abb. B-2.138).
Ligamentäre Verletzungen des Kniegelenkes Inzidenz: In Deutschland werden etwa 20 000 – 30 000 vordere Kreuzbandverletzungen pro Jahr behandelt. Das Verhältnis der Ruptur des hinteren zur Verletzung des vorderen Kreuzbandes beträgt 1:10. Der häufigste Verletzungsmechanismus ist ein Innenrotationstrauma der Tibia gegenüber dem Femur oder ein kombiniertes Valgus-Außenrotationstrauma. Diagnostik: (s. S. 859 ff). 왘 Merke. Bei Kreuzbandrupturen ist immer an eine begleitende Meniskus-
■
Hintere Instabilität: Der Tibiakopf liegt in einer pathologischen hinteren Ruhestellung (Abb. B-2.137, Abb. B-2.138).
Ligamentäre Verletzungen des Kniegelenkes Inzidenz: Verhältnis der Ruptur hinteres : vorderes Kreuzband 1 : 10. Häufigster Verletzungsmechanismus ist ein Innenrotationstrauma oder ein kombiniertes Valgus-Außenrotationstrauma. Diagnostik: (s. S. 859 ff). 왗 Merke
verletzung zu denken. Therapie: ■ Verletzungen des häufig beteiligten medialen Seitenbandes (Instabilitätsgrad 1+ und 2++) werden konservativ funktionell, u.U. mittels Orthese behandelt. ■ Verletzungen sowohl des vorderen als auch des hinteren Kreuzbandes werden beim sportlich aktiven jüngeren Patienten operativ behandelt. Bei knöchernem Abriss ist eine Refixation tibial mit Schrauben, femoral mit einer transossären Refixation möglich. ■ Bei intraligamentären Rupturen ist der Ersatz des vorderen Kreuzbandes mit einem autologen Transplantat das Verfahren der Wahl. Die am häufigsten verwendeten Transplantate sind – Mittleres Drittel des Lig. patellae mit patellarem und tibialem Knochenblock (Abb. B-2.139). – Vierfach zusammengelegte Semitendinosussehne.
B-2.14
Therapie: Verletzungen des häufig beteiligten medialen Seitenbandes mit einem Instabilitätsgrad 1+ und 2++ werden konservativ funktionell, u.U. mittels Orthese behandelt. Verletzungen des vorderen Kreuzbandes werden beim sportlich aktiven jüngeren Patienten operativ behandelt. Bei knöchernem Abriss ist eine Refixation tibial mit Schrauben, femoral mit einer transossären Refixation möglich. Bei intraligamentären Rupturen ist der Ersatz des vorderen Kreuzbandes mit einem autogenen Transplantat das Verfahren der Wahl (Abb. B-2.139).
Tests zur Überprüfung einer vorderen Instabilität des Kniegelenks
Lachman-Test
Er gilt heute als sensitivste Untersuchung in der vorderen Kreuzbanddiagnostik. Er ist auch bei schmerzhaftem Kniegelenk durchführbar. Ein positiver Lachman-Test mit fehlendem ventralen Anschlag ist pathognomonisch für die vordere Kreuzbandruptur.
Pivot-Shift
Beim Pivot-Shift-Phänomen kommt es zu einer schmerzhaften vorderen Subluxation der Tibia, wenn das gestreckte Kniegelenk unter Ausübung einer Valguskraft, leichter Innenrotation und axialem Druck schnell gebeugt wird. Die Führung im lateralen Kompartment ist infolge der Konvexität des Tibiaplateaus weniger straff als im medialen Kompartment. Deshalb subluxiert das Gelenk vor allem im lateralen Kompartment. Die Subluxation erreicht ihr Maximum bei 20 – 30 ° Beugung. Übersteigt die Flexion 30 °, kommt es zu einer ruckartigen Reposition, die durch den Tractus iliotibialis unterstützt wird, der hinter die Beugeachse gleitet und die Flexion und Außenrotation begünstigt. Graduierung des Pivot-Shifts: ■ kaum sehbares, aber fühlbares Gleiten nur in Innenrotation auslösbar, in Außenrotation verschwindend (1+) ■ deutlich in Innenrotation und Neutralrotation auslösbar, in Außenrotation verschwindend (2+) ■ ausgeprägtes Subluxationsphänomen in neutraler und noch stärker in außenrotierender Stellung vorhanden (3+) Ein echtes Pivot-Shift-Phänomen kann trotz vorderer Kreuzbandinsuffizienz teilweise verschwinden: ■ bei vollständiger medialer Seitenbandruptur, ■ bei Durchtrennung des Tractus iliotibialis, ■ bei Korbhenkelläsion des medialen oder lateralen Meniskus, der die vordere Tibiatranslation oder deren Reposition behindert und ■ bei zunehmender Arthrose im lateralen Kompartment mit osteophytärer Apposition, der das ehemals konvexe laterale Plateau konkav werden lässt.
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B 2 Traumatologie
862 B-2.15
Tests zur Überprüfung der hinteren Instabilität des Kniegelenks
Isolierte posterolaterale Instabilität (Popliteussehne, Lig. collaterale laterale):
In Strecknähe maximale hintere Translation, in 80 ° Beugung maximale posterolaterale Rotation und minimale hintere Schublade.
Isolierte hintere Kreuzbandläsion
Maximale hintere Translation in Beugung, posterolaterale Translation weder in Beugung noch in Strecknähe festzustellen.
Dorsaler Durchhangtest
Beide Kniegelenke werden parallel bei 90 ° Flexion gehalten. Bei hinterer Kreuzbandinsuffizienz zeigt das betroffene Knie eine schwerkraftbedingte Dorsalverschiebung des Tibiakopfes.
Quadrizepskontraktionstest
Bei 90 ° flektiertem und dorsal subluxiertem Tibiakopf wird versucht, den Fuß von der Unterlage abzuheben, dann erzeugt die Quadrizepskontraktion einen Tibiakopfvorschub bis in die ventrale Ruheposition, respektive bis das vordere Kreuzband angespannt ist. Erst dann erfolgt das Abheben des Fußes von der Unterlage.
Umgekehrter Pivot-Shift:
Der Untersucher ergreift den Fuß des Patienten, beugt ihn bis 90 ° unter gleichzeitiger Außenrotation des Fußes. Bei vorhandener posterolateraler Instabilität befindet sich das laterale Tibiaplateau in hinterer Subluxation. Wird das Knie unter Valgusdruck schnell gestreckt, rutscht das laterale Tibiaplateau bei 20 – 30 ° nach vorn in die Repositionsstellung. Bei erneuter Beugung fällt das Plateau wieder zurück in die Subluxation.
B-2.137
B-2.138
Bandtests am Kniegelenk
B-2.138
Prüfung der hinteren Schublade bei Verdacht auf Kreuzbandläsion Bei fixiertem Unterschenkel und Beugung des Kniegelenkes kann die hintere Subluxation ausgelöst werden.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
863
Für den operativen Erfolg sind die richtige Positionierung und Spannung des Transplantates, die sichere Fixation des belastungsfähigen Transplantates und die frühfunktionelle Nachbehandlung Voraussetzungen. Bei kindlichen knöchernen Kreuzbandausrissen ist die arthroskopisch assistierte Schraubenosteosynthese angezeigt (Abb. B-2.140). Das arthroskopische Vorgehen zeichnet sich durch folgende Vorteile aus: ■ fehlende Notwendigkeit einer Arthrotomie, ■ die femorale Insertion des Kreuzbandes kann besser eingesehen werden, ■ der Hoffa-Fettkörper wird geschont und ■ die Muskelatrophie ist geringer.
Vorteile des arthroskopischen Vorgehens: ■ keine Arthrotomie nötig, ■ Kreuzbandinsertion am Femur besser einsehbar, ■ Schonung des Hoffa-Fettkörpers und ■ geringere Muskelatrophie.
Kombinationsverletzungen
Kombinationsverletzungen
Valgus-Flexions-Außenrotations-Verletzungen: Sie sind am häufigsten. Hierbei werden sowohl das mediale Seitenband, das hintere mediale Innenband als auch das vordere Kreuzband zerrissen. Diese Verletzungstrias wird auch als „unhappy triad“ bezeichnet. Ursprünglich wurde dieser Trias ein Meniskusriss zugeordnet. In den meisten Fällen liegt jedoch lediglich ein Ausriss der Meniskusfixation im Bereich des Ligamentum collaterale mediale posterius vor.
Valgus-Flexions-Außenrotations-Verletzungen. Die sog. „unhappy triad“ tritt am häufigsten auf. Mediales Seitenband, hinteres mediales Innenband und vorderes Kreuzband sind zerrissen.
Varus-Flexions-Innenrotations-Verletzungen: Es kommt zur Ruptur des femorofibularen Seitenbandes, des hinteren Kreuzbandes und der Popliteussehne (laterale „unhappy triad“).
Varus-Flexions-Innenrotations-Verletzungen. Zerreißung von femorofibularem Seitenband, hinterem Kreuzband und der Popliteussehne.
Kniegelenkluxation
Kniegelenkluxation
Pathogenese: Kniegelenkluxationen sind Folge hochenergetischer Traumen bei Sportverletzungen und Verkehrsunfällen. Es wirken starke, sich direkt entgegenwirkende Kräfte auf Oberschenkel und Unterschenkel. Sie sind häufig begleitet von proximalen Tibiafrakturen, Tibiakopfrandabbrüchen, Frakturen des Fibulaköpfchens und der Eminentia intercondylaris. Sie können darüber hinaus zu schweren Verletzungen der A. und V. poplitea sowie der Nerven führen.
Pathogenese: Kniegelenkluxationen sind Folge hochenergetischer Traumen bei Sportverletzungen und Verkehrsunfällen. Es wirken starke, direkt entgegenwirkende Kräfte auf Ober- und Unterschenkel. Sie sind häufig begleitet von Frakturen sowie Gefäß-, Nerven- und Bandverletzungen.
Diagnostik: Aufgrund der erheblichen Instabilität kann es bereits an der Unfallstelle zu einer spontanen Reposition kommen. Durch die ausgeprägte Kapselzerreißung ist kein Gelenkerguss nachweisbar. Es wird der Lachman-Test durchgeführt und die mediale und laterale Bandstabilität geprüft. An Zusatzmaßnahmen ist neben Röntgen (Abb. B-2.141) und Doppler-Sonographie u. U. eine MRT indiziert.
Diagnostik: Meist totale Instabilität und Deformität feststellbar. Stabilitätstest: Lachman-Test und Prüfung der medialen und lateralen Bandstabilität. An Zusatzmaßnahmen neben Röntgen (Abb. B-2.141) und Doppler-Sonographie ist u.U. eine MRT indiziert.
왘 Merke. Wichtig ist die Palpation und Doppler-Sonographie der Bein- und
왗 Merke
Fußarterien, die Beurteilung der motorischen Funktion (Plantar-Dorsal-Flexion) und die Beurteilung der Sensibilität. Besonders muss auf die Entwicklung eines Kompartmentsyndroms geachtet werden.
B-2.139
Kreuzband
B-2.139
a Präparat eines vorderen Kreuz- b Ligamentum-patellae-Transplantat als bandes. Torsion des Kreuzbandes Ersatz eines gerissenen vorderen Kreuzbei Beugung im Kniegelenk. bandes.
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864 B-2.140
B 2 Traumatologie
B-2.140
Tibialer Kreuzbandausriss beim Kind a Tibialer Ausriss eines vorderen Kreuzbandes beim Kind. b Arthroskopische Fixation mit 2 Schrauben.
Therapie: Wichtigste Maßnahme ist die Reposition. Nach der Reposition ist eine erneute Kontrolle des neurovaskulären Status wichtig.
Die Indikation zur Operation ist gegeben, wenn Begleitverletzungen von Nerven, Gefäßen und Bandläsionen vorhanden sind.
Therapie: Wichtigste Maßnahme ist die Reposition. Sie erfolgt entsprechend der Luxationsrichtung: Dorsale Luxation: Zug und Anheben der proximalen Tibia nach vorne. Ventrale Luxation: Anheben des distalen Femurs. Nach der Reposition ist eine erneute Kontrolle des neurovaskulären Status wichtig. Die Indikation zur Operation ist gegeben, wenn Begleitverletzungen von Nerven und Gefäßen vorhanden sind. Bis zur definitiven operativen Stabilisierung der Bandläsionen, kann das Repositionsergebnis mit einem gelenkübergreifenden Fixateur externe gehalten werden.
Komplikationen: Postischämische Schäden.
Komplikationen: Postischämische Schäden in Abhängigkeit von der Zeitdauer der Ischämie bis hin zur Amputation (4 %).
Meniskusverletzungen
Meniskusverletzungen
Anatomie: Zwischen Femurkondylen und Tibiaplateau sind der halbmondförmige mediale Meniskus und der ringförmige laterale Meniskus zwischengeschaltet.
Anatomie: Der geringe knöcherne Kontakt zwischen Femurkondylen und dem Tibiaplateau wird durch die Menisken ausgeglichen. Der innere Meniskus ist mehr kommaförmig mit einem schmalen Vorder- und einem breiten Hinterhorn. Bei voller Beugung ist nur eine geringe bis 5,1 mm messende posteriore Verschiebung möglich. Dies hängt mit der Verwachsung der Zirkumferenz und mit der tiefen posteromedialen Schicht des medialen Kollateralbandes zusammen. Das dorsale Meniskusdrittel weist starke Verbindungszüge zum hinteren Schrägband und zum M. semimembranosus auf.
B-2.141
B-2.141
Hintere Kniegelenkluxation Hintere Kniegelenkluxation mit knöchernem Ausriss des hinteren Kreuzbandes (?).
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.142
865
Anatomie der Menisken und Ligamente des Kniegelenks
Der laterale Meniskus ist mehr ring- oder C-förmig, ist überall gleich dick und wird im Hinterhornbereich durch das Lig. meniscofemorale anterius (Humphrey) und das Lig. meniscofemorale posterius (Wrisberg) zusätzlich stabilisiert. Die größere dorsale Verschieblichkeit (11,2 mm) erklärt die geringe Verletzungsanfälligkeit des Außenmeniskus im Vergleich zum Innenmeniskus (Abb. B-2.142).
Der stärker fixierte Innenmeniskus wird weitaus häufiger verletzt als der Außenmeniskus (Abb. B-2.142).
Wesentliche Aufgaben der Menisken: ■ Dämpfung von Stößen. ■ Die Menisken vergrößern die Kontaktfläche zwischen Femur und Tibia um 40 – 50 %. ■ Stabilisierungselement. ■ Durch die Verteilung der Synovialflüssigkeit über die hyaline knorpelige Gelenkfläche wird die Ernährung der Knorpelflächen gesichert. ■ Begrenzung von Hyperflexion und Hyperextension. ■ In den Meniskushinterhornbereichen wurde eine hohe Dichte von Propriorezeptoren gefunden, sodass man ihnen neben einer mechanischen auch eine von den Propriorezeptoren gesteuerte reflektorische Schutzfunktion zuschreiben muss. ■ Druckentlastung des Knorpels.
Wesentliche Aufgaben der Menisken: ■ Stoßdämpfung. ■ Vergrößerung der Kontaktfläche zwischen Femur und Tibia. ■ Stabilisierungselement. ■ Verteilung der Synovialflüssigkeit. ■ Begrenzung von Hyperflexion und Hyperextension. ■ Propriozeption. ■ Druckentlastung des Knorpels.
Pathogenese: Meniskusverletzungen treten bei einer Kombination von axialer Belastung und Rotationskräften, d. h. Kreiselbewegungen, insbesondere Außenrotation im Kniegelenk bei fixiertem Unterschenkel, auf. Es kommt zu einer Einwirkung von Scherkräften auf den Meniskus, der zwischen femoralem und tibialem Kondylus eingeklemmt wird. Im Laufe der Zeit auftretende degenerative Veränderungen des Meniskus werden durch Überlastung, Achsenfehlstellungen und Knorpelabnutzungen verstärkt.
Pathogenese: Meniskusverletzungen können bei Kreiselbewegungen, insbesondere Außenrotation im Kniegelenk bei fixiertem Unterschenkel, auftreten. Es kommt zu einer Einwirkung von Scherkräften auf den Meniskus.
Klassifikation: Meniskusläsionen werden nach Form (Längsruptur, Korbhenkelruptur, Horizontalruptur, Radiärruptur) und Lokalisation (Vorderhorn, Pars intermedia, basisnah) unterteilt.
Klassifikation: Meniskusläsionen werden nach Form und Lokalisation unterteilt.
Diagnostik: Hervorstechendes Merkmal einer Meniskusverletzung ist die schmerzhafte aktive und passive Streckhemmung, die unmittelbar posttraumatisch oder intermittierend auftreten kann. Das Kniegelenk wird in leichter Beugestellung gehalten (Schonhaltung). Diese Gelenksperre basiert auf der Einklemmung eines abgerissenen Meniskusanteils im femorotibialen Gelenkspalt. Sie kann zuweilen aber auch schmerzbedingt reflektorisch verursacht sein. Die zahlreichen Meniskustests erleichtern die Abgrenzung einer Meniskusläsion gegenüber anderen Knieverletzungen (Abb. B-2.143).
Diagnostik: Typisch ist die schmerzhafte aktive und passive Streckhemmung. Sie kann unmittelbar posttraumatisch oder intermittierend auftreten. Das Kniegelenk wird in leichter Beugestellung gehalten (Schonhaltung).
Es gibt zahlreiche Meniskustests (Abb. B-2.143).
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B 2 Traumatologie
866 B-2.143
Meniskus-Zeichen
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Steinmann-Zeichen I
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Steinmann-Zeichen II
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Böhler-Zeichen
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Apley-Grinding-Test
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Payr-Test
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Steinmann-Zeichen I: Rotation des Unterschenkels in Beugestellung führt zu Schmerzen im Gebiet des geschädigten Meniskus. Außenrotationsschmerz ? Innenmeniskus Innenrotationsschmerz ? Außenmeniskus. Steinmann-Zeichen II: Bei Beugung wandert der Schmerz und die Druckempfindlichkeit im Kniegelenkspalt von ventral nach dorsal. Böhler-Zeichen: Ab- (Außenmeniskus) oder Adduktionsschmerz (Innenmeniskus) im betroffenen Meniskusgebiet. Apley-Grinding-Test: Der Patient liegt in Bauchlage, das Knie ist 90 ° gebeugt. Die passive Rotation des Unterschenkels verursacht Schmerzen (analog Steinmann I). Ist der gleiche Test unter Zug am Unterschenkel schmerzhaft, weist das auf eine Kapsel-Band-Verletzung hin. Payr-Test: Der Patient sitzt im Yogasitz. Druck auf die Innenseite verursacht Schmerzen bei Innenmeniskusläsion.
Des Weiteren Röntgenkontrolle in 2 Ebenen, Sonographie und ggf. MRT.
Die weitere Diagnostik besteht in einer Röntgenkontrolle des betroffenen Gelenkes in zwei Ebenen, einer Sonographie und ggf. einer MRT.
Differenzialdiagnose: Freie Gelenkkörper, hypertrophierte Plica mediopatellaris, Läsion des medialen Seitenbandes.
Differenzialdiagnose: Es muss an freie Gelenkkörper, eine hypertrophierte Plica mediopatellaris sowie eine Läsion des medialen Seitenbandes gedacht werden.
Therapie: Bei geringen Beschwerden konservative Therapie, ansonsten Arthroskopie (Abb. B-2.144) mit Teilresektion des Meniskus oder Meniskusnaht.
Therapie: Die therapeutischen Maßnahmen richten sich nach der Symptomatik des Meniskusrisses. Bei geringen Schmerzen und fehlendem rezidivierenden Erguss kann eine konservative Therapie mit Antiphlogistika, physikalischer Rehabilitation und Reduzierung der Aktivitäten zur Beschwerdefreiheit führen. Ansonsten ist die Arthroskopie das Verfahren der Wahl (Abb. B-2.144): ■ Teilresektion des Meniskus: Die avaskulären inneren 2/ sind betroffen und die 3 Rissform ist radiär, lappenförmig und degenerativen Ursprungs.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.144
867
Meniskusriss
B-2.144
Radiärriss eines Innenmeniskus im Hinterhornbereich.
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Eine Meniskusnaht wird dann empfohlen, wenn das vaskularisierte periphere Drittel betroffen ist, eine zusätzliche Bandrekonstruktion durchgeführt wird und es sich um einen jungen sportlichen Patienten handelt.
Patellaluxation
Patellaluxation
Anatomie: Die Patella ist das größte Sesambein des Menschen und in die Sehne des M. quadriceps femoris eingelagert. 50 % der Sehne inserieren an der kranial gelegenen Basis der Patella, während die restlichen Fasern direkt über die Kniescheibe hinwegziehen und anschließend in das Lig. patellae einstrahlen. Die Stabilisation der Patella erfolgt passiv und aktiv. Die passiven Stabilisatoren sind: ■ der Sulcus patellaris der Facies patellaris femoris, ■ der weiter nach vorn springende Condylus femoris lateralis, ■ die kielförmige Gelenkfläche der Patella und ■ die femoro-patellaren und tibio-patellaren Ligamente.
Anatomie: Die Patella ist das größte Sesambein des Menschen und in die Sehne des M. quadriceps femoris eingelagert. 50 % der Sehne inserieren an der kranial gelegenen Basis der Patella, während die restlichen Fasern direkt über die Kniescheibe hinwegziehen und anschließend direkt in das Lig. patellae einstrahlen. Die Stabilisierung der Patella erfolgt passiv und aktiv.
Die aktiven (dynamischen) Stabilisatoren sind: ■ der M. vastus medialis, ■ die Adduktorenmuskulatur des Oberschenkels mittels der Lamina vastoadductoria, ■ der M. vastus lateralis, ■ der Tractus iliotibialis und ■ die Muskeln des Pes anserinus, die durch eine Innenrotation des Unterschenkels stabilisierend wirken. Pathogenese: In Beugestellung des Kniegelenkes kann, bei in Außenrotation fixierter Tibia, durch forcierte Innenrotation des Femurs der Quadrizepsmuskel die Kniescheibe nach lateral luxieren. Als Folge treten in 5 % der Fälle osteochondrale Frakturen an der medialen Patellafacette oder im Bereich des lateralen Femurkondylus auf. Das mediale Retinaculum zerreißt.
Pathogenese: Osteochondrale Frakturen an der medialen Patellafacette oder im Bereich des lateralen Femurkondylus und Zerreißungen des medialen Retinaculums können in der Folge einer nach lateral luxierten Patella auftreten.
Klassifikation: ■ Akute traumatische Patellaluxation: Häufig durch direkte Gewalteinwirkung auf die Innenseite der Kniescheibe verursacht. ■ Akute habituelle Patellaluxation/Subluxation: Prädisponierende Faktoren sind: Formveränderungen der Patella, Genu valgum oder recurvatum, vermehrte Antetorsion oder Innenrotation des Femurs, Lateralisation der Patella, dysplastische Veränderungen des Femoropatellargelenkes und Patella alta (Hochstand der Patella). ■ Rezidivierende Patellaluxation/Subluxation: Beim Vorliegen dysplastischer Veränderungen, einer Muskelinsuffizienz oder einer insuffizient behandelten Erstluxation können Bagatelltraumen zu wiederholten Verrenkungen der Patella führen.
Klassifikation: ■ Akute traumatische Patellaluxation ■
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Akute habituelle Patellaluxation/Subluxation.
Rezidivierende Patellaluxation/ Subluxation
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868
B 2 Traumatologie
B-2.145
B-2.145
Patellaluxation Deformität der lateralen Gelenkkontur durch die luxierte Patella.
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Kongenitale Patellaluxationen
Diagnostik: Das Kniegelenk erscheint deformiert (Abb. B-2.145) und druckschmerzhaft. Die Röntgenuntersuchung umfasst die Knieaufnahme in 2 Ebenen zum Ausschluss knöcherner Begleitverletzungen und eine Tangentialaufnahme der Patella zur Beurteilung des Femoropatellargelenkes. Eine Arthroskopie sollte zum Ausschluss von Knorpelschäden durchgeführt werden. Therapie: Erstluxationen werden häufig konservativ funktionell behandelt.
Bei rezidivierenden Luxationen und Versagen der Krankengymnastik sind operative Maßnahmen angezeigt.
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Kongenitale Patellaluxationen: In seltenen Fällen kann es auch in Begleitung anderer Missbildungen zu angeborenen Patellaluxationen kommen.
Diagnostik: Hervorstechendes Merkmal der Patellaluxation ist die Deformierung des Kniegelenkes (Abb. B-2.145). Häufig kommt es zu einem Hämarthros. Palpatorisch besteht ein Druckschmerz im Bereich des medialen Retinaculums. Röntgenologisch ist auf osteochondrale Verletzungen zu achten. Daneben findet sich in der Tangentialaufnahme der Kniescheibe häufig eine Dysplasie des Femoropatellargelenkes. Die Gelenkpunktion weist bei Vorliegen osteochondraler oder chondraler Verletzungen häufig einen Hämarthros mit Fettaugen auf. Eine Arthroskopie sollte zum Ausschluss von Knorpelschäden durchgeführt werden. Therapie: Erstluxationen werden häufig konservativ funktionell behandelt. Kleine chondrale Fragmente werden arthroskopisch entfernt, osteochondrale refixiert. Das zerrissene Retinaculum kann unter arthroskopischer Kontrolle genäht werden. Bei den rezidivierenden Luxationen ist eine intensive krankengymnastische Übungstherapie zur Kräftigung der Quadrizepsmuskulatur angezeigt. Bei Versagen dieser Maßnahmen sind operative Verfahren wie proximale Rekonstruktion, „lateral Release“ oder in seltenen Fällen eine Ansatzversetzung der Tuberositas angezeigt.
Patellafraktur
Patellafraktur
Pathomechanismus: Kniescheibenfrakturen entstehen durch direkte Gewalteinwirkung. Reißen die Retinacula, kommt es zu einer Dislokation der Fragmente.
Pathomechanismus: Frakturen des größten Sesambeines entstehen durch direkte Gewalteinwirkung (Knieanprall oder Sturz auf das Knie). Reißen die Retinacula (Reservestreckapparat), kommt es zu einer Dislokation der Fragmente.
Klassifikation: Unterschieden werden Fissuren, osteochondrale Absprengungen, obere und untere Polabrissfrakturen, Quer-, Längsund Randfrakturen, Sternum- und Trümmerbrüche.
Klassifikation: Unterschieden werden ■ Fissuren, ■ osteochondrale Absprengungen, ■ obere und untere Polabrissfrakturen, ■ Quer-, Längs- und Randfrakturen, ■ Sternumfrakturen und ■ Trümmerbrüche.
Klinik: Aktiver Streckausfall bei Zerreißung des Streckapparates, Weichteilschwellung, Hämarthros, tastbare Dehiszenz der Kniescheibe.
Klinik: Bei Zerreißung des Streckapparates besteht ein aktiver Streckausfall. Das Bein kann nicht gestreckt hochgehoben werden. Es besteht eine erhebliche Weichteilschwellung und ein ausgeprägtes Hämarthros. In der Kniescheibe ist eine Delle tastbar (bei Dehiszenz).
Diagnostik: Röntgenaufnahme in 2 Ebenen (Abb. B-2.146).
Diagnostik: Röntgenaufnahme des Kniegelenkes in 2 Ebenen (Abb. B-2.146).
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.146
Patellafraktur mit Dehiszenz
869 B-2.146
Röntgenaufnahme (seitlich und a.-p.).
B-2.147
Zuggurtungsosteosynthese bei Patellafraktur
B-2.147
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870
B 2 Traumatologie
Therapie: ■ Unverschobene Brüche werden konservativ/funktionell behandelt (Gelenkpunktion, Gipsverband, Krankengymnastik).
Therapie: ■ Unverschobene Brüche mit erhaltener Streckfähigkeit eignen sich zu einer konservativ/funktionellen Behandlung. Diese beinhaltet neben der Gelenkpunktion zur Entlastung des Hämarthros einen primären, der Analgesie dienenden Gipsverband für etwa 3 – 4 Tage und eine anschließende intensive krankengymnastische Nachbehandlung. ■ Bei dislozierenden Fragmenten besteht die Indikation zur operativen Stabilisierung. Das Verfahren der Wahl ist die Zuggurtungsosteosynthese, welche allein oder in Kombination mit eingebrachten K-Drähten durchgeführt wird (Abb. B-2.147). Bei Längsfrakturen genügt die Schraubenosteosynthese. Die Kontrolle der Reposition kann unter arthroskopischer Sicht erfolgen, sodass eine größere Inzision vermieden werden kann. ■ Bei ausgedehnten Trümmerbrüchen kann die Indikation zur Patellektomie gegeben sein. Dabei ist eine exakte Rekonstruktion des Streckapparates notwendig.
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Verschobene Brüche werden durch Zuggurtungsosteosynthese stabilisiert (Abb. B-2.147). Bei Längsfrakturen genügt die Schraubenosteosynthese.
Bei ausgedehnten Trümmerbrüchen kann die Indikation zur Patellektomie gegeben sein.
Nachbehandlung: Die Nachbehandlung erfolgt funktionell mit aktiver und passiver Bewegung. Das Metall wird frühestens nach 6 Monaten entfernt.
Nachbehandlung: Die Nachbehandlung der osteosynthetisch versorgten Patellafrakturen ist in der Regel funktionell mit kontinuierlich assistierter Bewegung auf der Motorschiene. Eine Metallentfernung erfolgt frühestens nach 6 Monaten.
Komplikationen: Retropatellararthrose, Pseudarthrose, Fragmentredislokation, Wundheilungsstörungen.
Komplikationen: Knorpelschädigungen aufgrund der Knorpelkontusion mit Ausbildung einer retropatellaren Arthrose, erneute Dislokation der Fragmente, Pseudarthrose, Wundheilungsstörungen.
Rupturen der Quadrizeps- und Patellarsehne
Rupturen der Quadrizeps- und Patellarsehne
왘 Definition
왘 Definition. Der Streckapparat des Kniegelenkes ist außerordentlich belastbar.
Bei isolierten Rissen sind in der Regel lokale Degenerationen nachweisbar. Die Patienten sind meist älter als 40 Jahre. Bei Quadrizepssehnenruptur besteht eine Verletzung der M.-rectus-femoris-Sehne entweder direkt an der Patella oder wenige Millimeter proximal. Ätiologie: Meist ist ein direktes scharfes oder stumpfes Trauma für die Ruptur verantwortlich. Prädisponierend wirken Kortikoid-Injektionen sowie diverse Erkrankungen (z. B. Gicht).
Ätiologie: Neben einer Verletzung durch ein direktes Trauma (scharf oder stumpf) kann ein Anspannungstrauma gegen Widerstand oder eine Überspannung zu einer Ruptur führen. Prädisponierend wirken Kortikoid-Injektionen in die Sehne sowie diverse systemische Erkrankungen (Gicht, Kollagenose, Niereninsuffizienz).
Klinik: Die Streckung des Kniegelenkes ist nicht möglich.
Klinik: Das Leitsymptom ist die Unfähigkeit, das Knie zu strecken. Palpatorisch findet sich eine tastbare Lücke supra- oder infrapatellar.
Diagnostik: Röntgenbild (Patellahochstand bei Patellarsehnenruptur und Patellatiefstand bei Quadrizepssehnenruptur). Sonographie.
Diagnostik: Im Röntgenbild erkennt man einen Patellatiefstand bei Quadrizepssehnenruptur und einen Patellahochstand bei Patellarsehnenruptur. Durch die Sonographie kann die Ruptur direkt dargestellt werden.
Therapie: Rupturen werden operativ versorgt.
Therapie: Rupturen des Streckapparates werden operativ versorgt, da es bei konservativer Behandlung zu einer Dehiszenz der Sehnenenden mit Ausbildung von insuffizientem Narbengewebe kommt. Die Operation beinhaltet neben der Adaptation der Sehnenenden eine Entlastung der Naht von Zugkräften durch Rahmennaht oder Zuggurtung (bei der Lig.-patellae-Ruptur).
Unterschenkelfrakturen
Unterschenkelfrakturen
Anatomie: Der Unterschenkel besteht aus Tibia und Fibula, die miteinander durch die Membrana interossea verbunden sind. Im distalen Drittel ist der Umfang der Tibia am kleinsten (häufiger Lokalisationsort von Frakturen).
Anatomie: Der Unterschenkel besitzt einige Besonderheiten: Er besteht aus Tibia und Fibula, die miteinander durch die Membrana interossea verbunden sind. Die Tibia ist dreikantig, im distalen Drittel erhält der Knochen einen zylindrischen Querschnitt. Die Krümmung ist leicht S-förmig im proximalen Bereich medial, distal lateral konvex. Im distalen Drittel gehen beide Krümmungen ineinander über. In diesem Bereich ist auch der äußere Umfang am kleinsten (häufiger Lokalisationsort von Frakturen).
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
871
Die Hauptmasse der Muskulatur liegt dorsalseitig. Die derbe Fascia cruris bildet zusammen mit den von ihrem oberflächlichen Blatt in die Tiefe zur Fibula ziehenden Septa intermuscularia und der Membrana interossea 4 voneinander vollständig getrennte, als Kompartments bezeichnete Kammern. Entsprechend ihrer Lokalisation unterscheidet man: ■ Vorderes Kompartment: M. tibialis anterior, M. extensor hallucis longus, M. extensor digitorum longus und M. peroneus tertius. ■ Laterales Kompartment mit den beiden Mm. peronei, dem überkreuzenden N. peroneus profundus und dem N. peroneus superficialis. ■ Oberflächliches dorsales Kompartment mit dem M. triceps surae und ■ tiefes dorsales Kompartment: Seine Vorderwand besteht aus den beiden dorsalen Flächen der Tibia und Fibula und der zwischen ihnen ausgespannten Membrana interossea. Hier liegen der M. tibialis posterior, M. flexor digitorum longus und M. flexor hallucis longus sowie die Vasa tibialia posteriora.
Die Muskelgruppen des Unterschenkels sind von derben Faszien umgeben. Diese vollständig getrennten Kammern werden als Kompartments bezeichnet. Man unterscheidet ein vorderes Kompartment, ein laterales Kompartment, sowie ein oberflächliches und ein tiefes dorsales Kompartment.
Aufgrund einer Volumenzunahme (Hämatom, Ödem) oder durch vermehrten Druck von außen (zu fest angewickelte Verbände) kann ein Kompartmentsyndrom entstehen (s. S. 750). Die Gefäßversorgung der Tibia erfolgt über medulläre, epimetaphysäre und periostale Gefäße. Die Vasa nutritiae entspringen in der Regel aus den Vasa tibialia posteriora und erreichen von posterolateral in Höhe der medialen Soleusansatzstelle zunächst subperiostal in einer Knochengrube, anschließend in einem schräg absteigenden 4 – 5 cm langen Knochenkanal verlaufend den Markraum. Auf ihrem subperiostalen und intrakortikalen Weg in den Markraum sind die Gefäße besonders verletzungsgefährdet. Die A. nutritia ist das Haupternährungsgefäß für die Tibiadiaphyse. Aufgrund des dünnen ventralen Weichmantels ist ein Weichteilschaden (geschlossen oder offen), insbesondere bei direktem Trauma häufig.
Aufgrund einer Volumenzunahme (Hämatom, Ödem) oder durch vermehrten Druck von außen (zu fest angewickelte Verbände) kann ein Kompartmentsyndrom entstehen. Die Gefäßversorgung der Tibia erfolgt über medulläre, epimetaphysäre und periostale Gefäße.
Tibiakopffraktur 왘 Definition. Hierbei handelt es sich um mono- oder bikondyläre intraartikuläre
Weichteilschäden (geschlossen oder offen) sind insbesondere bei direkten Traumen häufig. Tibiakopffraktur 왗 Definition
Frakturen der proximalen Tibia. Häufig finden sich begleitende Band- und Meniskusrisse sowie Knorpelverletzungen. Pathomechanismus: Sie entstehen meist durch indirekte Traumen, besonders durch Sturz aus der Höhe oder durch direkte seitliche Krafteinwirkung auf den Unterschenkel in Kombination mit Rotationskräften. Aufgrund der physiologischen Valgusstellung von 9 ° bewirken axiale Kräfte bei gestrecktem Knie vorwiegend laterale Tibiakopfbrüche (Abb. B-2.148).
B-2.148
Pathomechanismus der Tibiakopffraktur
Pathomechanismus: Sie entstehen meist durch indirekte Traumen (Sturz) oder durch direkte seitliche Krafteinwirkung in Kombination mit Rotationskräften (Abb. B-2.148).
B-2.148
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B 2 Traumatologie
Klassifikation: Entsprechend der AO-Einteilung werden A-, B- und C-Frakturen unterschieden. Unter den Schienbeinkopffrakturen machen die Luxationsfrakturen etwa 15 % aus.
Klassifikation: Entsprechend der AO-Einteilung unterscheidet man: ■ A-Frakturen: Extraartikuläre Frakturen. Sie treten häufig auf. Ausriss (A1), einfach metaphysär (A2), metaphysär mehrfragmetär (A3). ■ B-Frakturen: Spaltbrüche (B1), Impressionsfrakturen (B2) und Impressionsspaltbrüche (B3). ■ C-Frakturen. In dieser Gruppe sind die Gelenkfrakturen zusammengefasst, d. h. die einfachen artikulären und metaphysären (C1), die einfachen artikulären und multifragmentären metaphysären (C2) und die multifragmentären artikulären Frakturen (C3).
Die wesentlichen Typen dieser Luxationsfrakturen wurden von Moore definiert und in 5 Typen unterteilt (Abb. B-2.149).
Unter den Schienbeinkopffrakturen machen die Luxationsfrakturen etwa 15 % aus. Die wesentlichen Typen dieser Luxationsfrakturen wurden von Moore definiert (Abb. B-2.149): Typ 1: Medialer Spaltbruch mit einem instabilen dorsomedialen, keilförmigen Fragment. Typ 2: Vollständige Fraktur eines Kondylus (Peroneusparesen!). Typ 3: Randausrissverletzungen (knöcherner Abriss des lateralen Kapsel-BandApparates). Typ 4: Randimpression (meist mit komplexer Kniebandinstabilität vergesellschaftet). Typ 5: 4-Teile-Bruch (höchste Inzidenz von neurovaskulären Begleitverletzungen).
Klinik: schmerzhafte Bewegungseinschränkung, Gelenkinstabilität, (fast immer) Hämarthros.
Klinik: Es besteht eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung mit Gelenkinstabilität. Eine Weichteilschwellung und ein Hämatom sowie fast immer ein Hämarthros sind vorhanden.
Diagnostik: Neben der radiologischen Standarddiagnostik in 2 Ebenen können Schrägaufnahmen oder/und ein CT für die Op-Planung hilfreich sein (Abb. B-2.150). Eine begleitende Gefäßverletzung sollte durch eine Doppler-Sonographie ausgeschlossen oder bei Verdacht durch eine Angiographie belegt werden.
Diagnostik: Neben den Röntgenaufnahmen des Kniegelenkes in 2 Ebenen sind Schrägaufnahmen und meist auch ein CT hilfreich zur Planung des Therapieverfahrens (Abb. B-2.150). Mit besonderer Sorgfalt müssen neurovaskuläre Verletzungen oder ein Kompartmentsyndrom ausgeschlossen werden. Die rasche Diagnose eines Gefäßtraumas ist mit der Doppler-Sonographie problemlos möglich und beliebig wiederholbar. Die Verifikation erfolgt über Angiographie bzw. DSA (digitale Subtraktions-Angiographie).
Therapie: Eine konservative Behandlung ist nur bei Gelenkstufen bis 3 mm oder bei
Therapie: Konservativ können nur unverschobene und stabile Brüche mit einer Gelenkstufe von maximal 3 mm oder Frakturen, bei denen eine Kontraindika-
B-2.149
Klassifikation der Luxationsfrakturen am Tibiakopf nach Moore
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.150
873
Tibiakopfimpressionsfraktur
Tibiakopfimpressionsfraktur in der a.-p. Aufnahme (a) und der seitlichen Schichtaufnahme (b) mit Nachweis einer tiefen Impression mit Defektbildung (?) und gleichzeitigem medialen Bandausriss (쏍).
c, d Computertomographie einer Fraktur Typ B3 nach AO-Klassifikation mit erheblicher Impression der Gelenkfläche. In der Seitenansicht (d) erkennt man, dass ein Fragment (?) um 180 ° gedreht ist und mit der Gelenkfläche nach unten weist.
tion, z. B. Thrombose besteht, behandelt werden. Die Reposition in solchen Fällen erfolgt durch Längszug. Wichtig ist eine frühzeitige Lagerung auf der Bewegungsschiene. Das Ziel einer stufenfreien Gelenkfläche mit korrekter Beinachse lässt sich in den meisten Fällen nur durch eine operative Reposition und Stabilisierung erzielen (Abb. B-2.151). Die Operation umfasst folgende Schritte: ■ Reposition der Gelenkfläche mit Fixation durch K-Drähte. ■ Auffüllen des entstandenen Defektes mithilfe von autologer Spongiosa. ■ Stabile Fixation der Fraktur mittels spezieller Platten, z. B. L-Platte, LISS Tibia (Abb. B-2.151, Abb. B-2.152). ■ Rekonstruktion begleitender Meniskus- und Bandverletzungen.
vorliegenden Operationskontraindikationen indiziert. Frühzeitige Lagerung auf der Bewegungsschiene. Das Ziel einer stufenfreien Gelenkfläche ist meist nur durch eine Operation zu erreichen. Sie umfasst folgende Schritte (Abb. B-2.151, Abb. B-2.152): ■ Gelenkflächenrekonstruktion, ■ Auffüllung des Defektes, ■ stabile Fixation und ■ Rekonstruktion begleitender Meniskusund Bandverletzungen.
Wenig verschobene Frakturen können sehr gut arthroskopisch assistiert versorgt werden. Dabei wird die eingesunkene Gelenkfläche unter arthroskopischer Sicht angehoben oder es werden Spaltbrüche entsprechend unter arthroskopischer Sicht reponiert. Die Versorgung erfolgt zumeist mit perkutan eingebrachten Schrauben. Nachbehandlung: Funktionelle Nachbehandlung mit frühzeitiger Lagerung auf der Bewegungsschiene.
Nachbehandlung: Funktionelle Nachbehandlung (Bewegungsschiene).
Komplikationen: Hauptkomplikation ist die posttraumatische Arthrose aufgrund einer noch verbliebenen Gelenkinkongruenz, einer Achsenfehlstellung oder einer noch bestehenden Gelenkinstabilität. Die Thrombose- und Emboliegefahr ist bei Tibiakopffrakturen erhöht.
Komplikationen: Hauptkomplikation ist die posttraumatische Arthrose. Die Thromboseund Emboliegefahr ist erhöht.
Unterschenkelschaftfraktur
Unterschenkelschaftfraktur
Pathomechanismus: Sie entstehen durch einen indirekten Verletzungsmechanismus (Torsion, z. B. beim Skilaufen) oder durch einen direkten Verletzungsmechanismus (z. B. Stoßstangenanprall oder Tritt beim Fußballspiel).
Pathomechanismus: Sie können durch einen direkten und indirekten Unfallmechanismus entstehen.
Klassifikation: Entsprechend der AO-Klassifikation unterscheidet man: A-Frakturen: Einfache Spiralfrakturen (A1), einfache Schrägfrakturen (A2) und Querfrakturen (A3). ■ B-Frakturen: Drehkeil- (B1), Biegungskeil (B2) und fragmentierte Keilbrüche (B3). ■ C-Frakturen: Komplexe Spiralfrakturen (C1), Segmentfrakturen (C2) und multifragmentäre Frakturen (C3).
Klassifikation: Man unterscheidet entsprechend der AO-Klassifikation einfache (A), Keil- (B) und komplexe Frakturen (C).
Klinik: Aufgrund der geringen Weichteildeckung sind die Frakturen häufig mit ausgeprägtem Weichteilschaden (Hautwunde, Hämatom, Knochensplitter u. a.) vergesellschaftet. Es besteht eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung.
Klinik: Häufig findet sich ein ausgeprägter Weichteilschaden.
Diagnostik: Röntgenaufnahmen des Unterschenkels in 2 Ebenen mit Darstellung des Sprunggelenkes und Kniegelenkes sind obligat.
Diagnostik: Röntgenaufnahmen des Unterschenkels in 2 Ebenen mit Darstellung des Sprunggelenkes und Kniegelenkes sind obligat.
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Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
874 B-2.151
B 2 Traumatologie
B-2.151
Operatives Vorgehen bei Tibiakopffraktur
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B-2.152
875
Laterale Tibiakopffraktur
a Laterale Tibiakopffraktur mit ausgeprägter Impression und Depression der Gelenkfläche. Im seitlichen Röntgenbild erkennt man die abgesunkene dorsale Gelenkfläche.
b Osteosynthese mit winkelstabiler L-Platte und KirschnerDrähten.
왘 Merke. Ein direktes Trauma kann durch eine Raumforderung in den straffen
왗 Merke
Muskellogen, auch bei offenen Frakturen, zu einem Kompartmentsyndrom führen. Therapie: Die Behandlung der frischen geschlossenen Unterschenkelfraktur kann konservativ erfolgen, wird aber überwiegend operativ versorgt. Diastase sowie Frakturen von Tibia und Fibula auf gleicher Höhe sind als instabil einzustufen und sollten einer operativen Behandlung zugeführt werden. Das Gleiche gilt für alle Frakturen (offen und geschlossen) mit Weichteilschaden sowie Frakturen mit Kompartmentsyndrom. ■ Konservative Behandlung: Unverschobene, stabile Brüche können in einem gespaltenen Oberschenkelgipsverband primär ruhiggestellt werden. Bei instabilen Brüchen wird eine Fersenbeinextension angelegt, die Fraktur reponiert und in einem gespaltenen Oberschenkelliegegips fixiert (Abb. B-2.153 a). Das Extensionsgewicht beträgt 2 – 3 kg. Die Achsenstellung muss wöchentlich röntgenologisch kontrolliert werden. Über einen exzentrisch verlagerten Zug oder eine Gipskeilung können Varus- und Valgusfehlstellungen korrigiert werden. Grundsätzlich sind hierbei Achsenfehlstellungen bis zu 10 ° Valgus tolerabel, da mit einer spontanen Korrektur zu rechnen ist. Das Gleiche gilt für Fragmentverschiebungen um Schaftbreite analog dem Oberarm. Demgegenüber sind Rotationsfehler auszugleichen, da ein Überoder Unterschreiten der physiologischen Rotation von 20 – 25 ° zu Fehlbelastungen im oberen Sprunggelenk führt. Entsprechend der knöchernen Konsolidierung wird das Zuggewicht ab der 2. Woche schrittweise um l kg reduziert. Durch die fibrös-kallöse Fixation kann das Bein unter Weglassen des Extensionsgewichtes im Gipsverband frei angehoben werden. Es wird anschließend ein Oberschenkelgipsverband angelegt. Der Patient kann damit bis zur Schmerzgrenze belasten. Nach 10 – 14 Wochen sollten die Frakturen entsprechend dem Frakturtyp knöchern konsolidiert sein.
Therapie: Frische geschlossene Unterschenkelfrakturen können konservativ versorgt werden. Frakturen mit Weichteilschaden oder Kompartmentsyndrom und instabile Frakturen werden operativ versorgt.
Funktionelle Therapie: Hier wird nach 2 Wochen statt des Oberschenkelgipsverbandes ein Brace angelegt, womit bei Belastung der Weichteildruck nur in Richtung Knochen wirken kann und so die Reposition gehalten wird. Diese von Sarmiento eingeführten Konfektionsschienen ermöglichen die Bewegung von Kniegelenk und Sprunggelenk (Abb. B-2.153 b). ■ Operative Behandlungsverfahren: Bei langen Drehbrüchen stellt die gedeckte Cerclage eine Ausnahmemöglichkeit der Osteosynthese dar. Dabei wird über 2 kleine Stichinzisionen ein Draht unmittelbar am Knochen herumgeführt und nach Reposition der Fraktur verquirlt. Die Osteosynthese ist nicht übungsstabil und benötigt einen zusätzlichen Oberschenkelgipsverband.
Eine funktionelle Behandlung ermöglicht die Unterschenkelbrace nach Sarmiento (Abb. B-2.153 b).
Konservative Behandlung: Stabile Brüche werden im Oberschenkelgipsverband ruhiggestellt, instabile Brüche durch Fersenbeinextension mit einem Zuggewicht von 2 – 3 kg extendiert (Abb. B-2.153 a). Achsenfehlstellungen bis zu 10 ° Valgus sind tolerabel, da mit einer spontanen Korrektur zu rechnen ist. Auch Fragmentverschiebungen um Schaftbreite sind gestattet. Rotationsfehler sind auszugleichen, da ein Über- oder Unterschreiten der physiologischen Rotation von 20 – 25 ° zu Fehlbelastungen im oberen Sprunggelenk führt. Nach 3 Wochen wird ein Oberschenkelgipsverband für 10 – 14 Wochen angelegt.
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Operative Behandlungsverfahren: Bei langen Drehbrüchen stellt die gedeckte Cerclage eine Ausnahmemöglichkeit der Osteosynthese dar.
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B 2 Traumatologie
876 B-2.153
Schematische Darstellung der Behandlung von Unterschenkelschaftfrakturen
Die Versorgung mittels Plattenosteosynthese ist den gelenknahen Frakturen vorbehalten (Abb. B-2.153 c).
Die Versorgung mittels Plattenosteosynthese ist den gelenknahen Frakturen vorbehalten und benötigt eine optimale Stabilität (Abb. B-2.153 c).
Bei offenen Brüchen ist der Fixateur externe (Abb. B-2.153 d) oder der unaufgebohrte Marknagel indiziert (Abb. B-2.154).
Der Fixateur externe ist primär besonders bei offenen Frakturen indiziert (Abb. B-2.153 d, Abb. B-2.154). Der Nachteil besteht in der langen Ausheilungszeit, sodass häufig ein Verfahrenswechsel auf ein anderes Implantat notwendig wird. Für das mittlere Schaftdrittel stellt der Marknagel das geeignete Implantat dar. Mithilfe der Verriegelungsnagelung können auch Frakturen im distalen Drittel durch ein intramedulläres Verfahren versorgt werden. Bei schwerem geschlossenem Weichteilschaden bzw. erst- und zweitgradig offenen Frakturen ist der unaufgebohrte Marknagel neben dem Fixateur externe das Verfahren der Wahl (Abb. B-2.154).
Nachbehandlung: Die Plattenosteosynthese erfordert eine Teilbelastung. Bei der Marknagelung kann ab der 2. Woche vollbelastet werden.
Nachbehandlung: Bei der Plattenosteosynthese ist eine Teilbelastung für etwa 8 – 12 Wochen notwendig, bei der Marknagelung kann der Patient häufig schon ab der 2. Woche je nach Beschwerden und Frakturtyp mit der Vollbelastung beginnen.
Komplikationen: Es kann zu Infektionen, Pseudarthrosen, verzögerter Heilung und Bolzenbrüchen (Marknagel) kommen.
Komplikationen: Aufgrund des dünnen Weichteilmantels und des häufig damit verbundenen Weichteilschadens besteht die Gefahr der Infektion. Bei Fixateur-externe-Osteosynthese besteht die Gefahr der Pseudarthrose und der verzögerten Heilung. Beim unaufgebohrten Marknagel kann der Verriegelungsbolzen brechen.
Pilon-tibiale-Fraktur
Pilon-tibiale-Fraktur
Pathomechanismus: Distale intraartikuläre Unterschenkelbrüche entstehen zumeist durch axiale Gewalteinwirkung wie Sturz aus großer Höhe. Je nach Position des Fußes in Pro- und Supination, Dorsal- oder Plantarflexion wird ein Anteil der Tibiagelenkfläche abgespalten. Die benachbarte Gelenkfläche kann dabei imprimiert werden. Klassifikation: Die distalen Unterschenkelbrüche werden eingeteilt in die A-Verletzungen (extraartikuläre Frakturen) und die eigentlichen Pilon-Frakturen (B- und C-Verletzungen).
Pathomechanismus: Die distale intraartikuläre Unterschenkelfraktur entsteht durch axiale Gewalteinwirkung, z. B. Sturz aus großer Höhe oder ■ durch Sturz nach vorn (Skilaufen) infolge der Zuggurtungswirkung der Achillessehne. ■
Je nach Position des Fußes in Pro- oder Supination, Dorsal- oder Plantarflexion wird ein Anteil der Tibiagelenkfläche abgespalten. Die benachbarte Gelenkfläche kann dabei imprimiert werden. Klassifikation: Die distalen Unterschenkelfrakturen werden nach der AO-Klassifikation unterteilt in ■ A-Frakturen: Extraartikuläre Frakturen. Metaphysär einfach (A1), mit metaphysärem Keil (A2) und metaphysär komplex (A3).
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.154
Operative Therapie einer offenen Unterschenkelschaftfraktur
a
877 B-2.154
b
c a Offene Unterschenkelschaftfraktur. b Primäre Fixation mittels Fixateur externe. c Sekundäres Umsteigen auf einen unaufgebohrten Unterschenkelmarknagel.
■
■
B-Frakturen: Partiell-artikuläre Frakturen als reine Spaltbrüche (B1), Spaltfraktur (B1), Impression und Spaltung (B2), multifragmentäre Impression (B3). C-Frakturen: Artikulär und metaphysär einfach (C1), artikulär und metaphysär-multifragmentäre (C2), artikuläre Trümmerbrüche (C3).
Bei den B- und C-Frakturen handelt es sich um die eigentlichen Pilon-Frakturen. Klinik: Bewegungsschmerz im oberen Sprunggelenk und starke Weichteilschwellung im Bereich des distalen Unterschenkels sind typisch.
왘 Merke. Gefahr eines Kompartmentsyndroms! Wichtig ist die Kontrolle von
Klinik: Bewegungsschmerzen im oberen Sprunggelenk und starke Weichteilschwellung. 왗 Merke
Durchblutung, Motorik und Sensibilität. Diagnostik: Eine Röntgenaufnahme des Unterschenkels und des Sprunggelenkes in 2 Ebenen ist durchzuführen (Abb. B-2.155 b), evtl. ist eine Computertomographie erforderlich.
Diagnostik: Röntgenaufnahme des Unterschenkels und des Sprunggelenkes in 2 Ebenen (Abb. B-2.155 b).
Therapie: Die exakte Rekonstruktion der Gelenkfläche ist im Allgemeinen nur auf operativem Weg möglich. Ist eine definitive primäre Operation nicht möglich, sollte eine Kalkaneus-Extension (4 – 6 kg) vorgenommen oder ein Fixateur externe mit minimal-invasiver Rekonstruktion und Stabilisierung der Gelenkflächen angelegt werden. Das Extensionsgewicht kann 4 – 6 kg betragen.
Therapie: Die exakte Gelenkflächenrekonstruktion ist im Allgemeinen nur auf operativem Weg möglich.
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878
B 2 Traumatologie
Die wichtigsten Operationsschritte bestehen in der Wiederherstellung der Länge durch die Osteosynthese der Fibula, der Rekonstruktion der Tibiagelenkfläche und Spongiosaplastik (Abb. B-2.155).
Aufgrund des häufig doch sehr beträchtlichen Weichteilschadens hat sich eine stufenweise operative Versorgung der Pilon-Frakturen bewährt. Sie besteht aus 4 Schritten (Abb. B-2.155). ■ Osteosynthese der Fibula, dadurch gelangt das mit der Fibula über die Syndesmose in Verbindung stehende anterolaterale Tibiafragment in die richtige Höhe.
B-2.155
Operative Therapie distaler intraartikulärer Unterschenkelfrakturen
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
■
■ ■
879
Stufenlose Rekonstruktion der Gelenkfläche mit K-Drähten und Kleinfragmentschrauben sowie Fixateur externe (primär). Auffüllung des Knochendefektes mit Spongiosa. Stabile Fixation über eine medial angelegte Platte (sekundär).
Mit diesem stufenweisen Vorgehen konnte die Zahl der postoperativen Infekte erheblich reduziert werden.
Das stufenweise Vorgehen reduziert die Zahl der postoperativen Infekte.
Nachbehandlung: Die postoperative Therapie ist funktionell mit freiem Bewegungsausmaß. Damit wird vor allem die Knorpelernährung gefördert. Eine volle Belastung ist nicht vor der 12. – 16. Woche gestattet.
Nachbehandlung: Wichtig ist eine frühe aktive und passive Bewegungstherapie zur Förderung der Knorpelregeneration.
Komplikationen: Verbliebene Gelenkinkongruenzen und Knorpelschäden führen ebenso wie eine Fehlstellung zu einer posttraumatischen Arthrose. Infektionen und Pseudarthrosen sind besonders bei offenen Brüchen anzutreffen.
Komplikationen: Posttraumatische Arthrose, Infektion und Pseudarthrose.
2.2.7 Sprunggelenk und Fuß
2.2.7 Sprunggelenk und Fuß
Untersuchungstechniken
Untersuchungstechniken
Anamnese: Wichtige Informationen ergeben die Fragen nach ■ Beschäftigung, ■ Alter, ■ Aktivitäten (z. B. Jogging), ■ Schmerzen, ■ Auftreten von Schwellungen, ■ Auffälligkeiten der Hauttemperatur, ■ Steifigkeit, ■ Schwäche- und Instabilitätsgefühl und ■ Auftreten von Ulzera.
Anamnese: Wichtig ist die Frage nach Schmerzintensität, Schwellungsneigung und Instabilitätsgefühl.
Inspektion: Schwellung, Rötung, Achsenverhältnisse des Vorfußes und der Zehen, Deformitäten (z. B. Hammerzehe), Achsenverhältnisse des Rückfußes (z. B. Pes abductus und adductus), Form des Fußgewölbes (Plattfuß oder Hohlfuß), Beschwielung der Ferse und des lateralen Fußrandes sowie des 1. und 5. Mittelfußköpfchens sind zu beachten.
Inspektion: Zu achten ist besonders auf Deformitäten und Beschwielung.
Palpation: Folgende Strukturen sollen sorgfältig palpiert werden: ■ Metatarsophalangealgelenk I (Gicht, Bursa und Exostose), ■ medialer und lateraler Malleolus, ■ retromalleoläre Strukturen medial (M. tibialis posterior, M. flexor digitorum longus, A. tibialis posterior, N. tibialis, M. flexor hallucis longus), ■ am Fußrücken (dorsalseitig) von medial nach lateral: M.-tibialis-anteriorSehne, M.-extensor-hallucis-longus-Sehne, Arteria dorsalis pedis, M.-extensor-digitorum-longus-Sehne und ■ die Achillessehne.
Palpation: Palpiert werden Metatarsophalangealgelenk, medialer und lateraler Malleolus, die medialen retromalleolären Strukturen sowie der Fußrücken und die Fußsohle.
Thompson-Test (Abb. B-2.156): Zangenförmiges Umfassen des M. gastrocnemius mit 2 Fingern führt bei erhaltener Achillessehne zu einer Plantarflexion. Die fehlende Plantarflexion bedeutet eine Ruptur der Achillessehne.
Thompson-Test (Abb. B-2.156): Zangenförmiges Umfassen der Gastrocnemiussehne führt bei erhaltener Achillessehne zur Plantarflexion. Die fehlende Plantarflexion bedeutet eine Ruptur der Achillessehne.
Funktionsprüfung: Untersucht werden Dorsalextension und Plantarflexion im oberen Sprunggelenk (normal 20/0/40 °), Pronation und Supination (normal 15/0/35 °) und Eversion/Inversion (normal 15/0/25 °). Die Instabilitätsprüfung des oberen Sprunggelenkes beinhaltet die Prüfung der vorderen Schublade durch Umfassen des Fersenbeines mit der einen und des Unterschenkels mit der anderen Hand. In gleicher Weise wird durch Supination die laterale Bandstabilität geprüft. An der Verschiebbarkeit des Talus wird die Stabilität der Syndesmose überprüft (Abb. B-2.157).
Funktionsprüfung: Untersucht werden die Dorsalextension und Plantarflexion (normal 20/0/40°), Pronation/Supination (normal 15/0/35 °) und Eversion/Inversion (normal 15/0/25 °). Weiterhin sollte die Stabilität des oberen Sprunggelenkes und die laterale Bandstabilität sowie die Stabilität der Syndesmose überprüft werden (Abb. B-2.157).
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B 2 Traumatologie
880 B-2.156
B-2.156
Thompson-Test Bei gerissener Achillessehne führt die Kompression der Wade nicht zur Plantarflexion des Fußes.
B-2.157
Funktionsprüfung der Sprunggelenke und des Fußes nach der Neutral-0-Methode
a Beweglichkeitsprüfung im oberen Sprunggelenk am hängenden Fuß (A) und am aufgestellten Fuß (B/C) zur Messung der Plantarflexion und Dorsalextension. b Ab- und Adduktion im unteren Sprunggelenk. Der Kalkaneus kann in der Abduktion 15 ° und in der Adduktion um 25 ° bewegt werden. c Pro- und Supination im Chopart-Gelenk und im Mittelfuß bei fixiertem Talokalkaneargelenk. Die Kalkaneusachse bleibt unbeweglich. d Die Summe aller Bewegungsmöglichkeiten im unteren Sprunggelenk entsprechend einer Eversion/Inversion. Der Kalkaneus bewegt sich jeweils um 15 ° bzw. 25 °.
Achillessehnenruptur
Achillessehnenruptur
Anatomie: Gemeinsame Endsehne der Mm. soleus und gastrocnemius. Sie setzt am Tuber calcanei an.
Anatomie: Die Achillessehne bildet die gemeinsame Endsehne der Mm. soleus und gastrocnemius und setzt am Tuber calcanei an.
Pathogenese: Zumeist liegt eine degenerativ veränderte Sehne vor. Der Unfallmechanismus besteht häufig in einer momentanen Kontraktion der Wadenmuskulatur beim Starten oder plötzlichen Abbremsen.
Pathogenese: Meist liegt eine degenerativ veränderte Sehne zugrunde. Die degenerativen Veränderungen umfassen hypoxisch-degenerative Tendopathie, mukoide Degeneration, Tendolipomatosis und kalzifizierende Tendopathie. Der Unfallmechanismus besteht häufig in einer momentanen Kontraktion der Wadenmuskulatur beim Starten oder plötzlichen Abbremsen, z. B. beim Tennisspielen oder beim Sprint. Altersmäßig ist häufig die Gruppe der 20 – 50-Jährigen betroffen. Lokale Injektionen von Kortikoiden erhöhen das Rupturrisiko.
Klinik: Die Ruptur wird als schmerzhafter Knall verspürt, der Zehen-/Ballenstand ist nicht möglich. Neben einem Hämatom und einer Schwellung lässt sich eine Delle oberhalb des Tuber calcanei palpieren.
Klinik: Häufig wird die Ruptur als schmerzhafter Knall verspürt. Die Patienten haben das Gefühl, als hätten sie einen Schlag oder Tritt gegen die Sehne erhalten.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.158
881
Kernspintomographische Darstellung einer Achillessehnenruptur
B-2.158
MRT: Achillessehnenruptur
Neben einem Hämatom und einer Schwellung lässt sich eine Delle oberhalb des Tuber calcanei palpieren. Der Zehenstand ist nicht möglich, dagegen kann im Liegen wegen des erhaltenen Muskelzuges der Sehnen des M. plantaris, des M. tibialis posterior, der langen Flexoren und des M. peroneus auch gegen geringen Widerstand noch plantar flektiert werden. Der Achillessehnenreflex ist negativ. Diagnostik: Mit dem Thompson-Test (Abb. B-2.156) kann eine Achillessehnenruptur nachgewiesen werden. Durch Pressen der Wadenmuskulatur von lateral nach medial kommt es bei intakter Achillessehne zu einer Plantarflexion, während bei einer Achillessehnenruptur die Plantarflexion im oberen Sprunggelenk nicht nachweisbar ist. Sonographisch kann die Diastase und die Adaptation der Sehnenstümpfe durch Plantarflexion dynamisch dargestellt werden. Weniger zum Nachweis einer akuten Ruptur als vielmehr zur Darstellung degenerativer Sehnenveränderungen hat sich die kernspintomographische Untersuchung bewährt (Abb. B-2.158). Röntgenaufnahmen können knöcherne Abrissverletzungen sowie Sehnenverkalkungen dokumentieren.
Diagnostik: Der Nachweis gelingt durch den Thompson-Test (Abb. B-2.156).
Therapie: ■ Konservative Verfahren: Mithilfe der Sonographie kann die Adaptation der Sehnenenden bei Plantarflexion dokumentiert werden. Ist eine Adaptation der Sehnen möglich, kann eine konservative Behandlung in einem Spezialschuh oder Gipsverband in Spitzfußstellung oder Tape-Verband mit Absatzerhöhung in Spitzfußstellung durchgeführt werden. Besonders geeignet für eine konservative Behandlung sind Patienten mit einem erhöhten Operationsrisiko, insbesondere auch ältere Patienten. ■ Operative Behandlung: Lässt sich sonographisch durch Plantarflexion keine Adaptation der Sehnenstümpfe nachweisen, sollte die Sehne mit einer Durchflechtungsnaht versehen werden. In diesen Fällen erreicht die Sehne eine höhere Festigkeit und die Zahl der Rerupturen ist vermindert. Die postoperative Ruhigstellung erfolgt unterschiedlich in einer Orthese, im Unterschenkelgipsverband oder Spezialschuh, wobei jeweils eine Neutralstellung im oberen Sprunggelenk angestrebt wird.
Therapie: ■ Konservative Therapie. Sie ist möglich, wenn sich die Sehnenenden adaptieren lassen (sonographische Dokumentation).
Nach Achillessehnenruptur ist ein Sportverbot für ca. 3 Monate erforderlich.
Nach Achillessehnenruptur ist ein Sportverbot für ca. 3 Monate erforderlich.
Die Diastase und die Adaptation der Sehnenstümpfe kann sonographisch dargestellt werden. Durch Röntgenaufnahmen können knöcherne Abrissverletzungen sowie Sehnenverkalkungen dargestellt werden.
■
Operation: Können die Sehnenstümpfe nicht adaptiert werden, wird die Sehne mit einer Durchflechtungsnaht versorgt.
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882
B 2 Traumatologie
Bandverletzungen am Sprunggelenk
Bandverletzungen am Sprunggelenk
Sie zählen zu den häufigsten Bandverletzungen.
Die Bandverletzungen am Sprunggelenk zählen zu den häufigsten Bandverletzungen.
Anatomie (Abb. B-2.159): Lig. fibulotalare anterius verläuft von der Vorderkante des Malleolus lateralis zum Talushals. ■ Lig. fibulocalcaneare verläuft von der Fibulaspitze zum Kalkaneus. ■ Lig. fibulotalare posterius verläuft zwischen Fibula und Talus.
Anatomie (Abb. B-2.159): Das Sprunggelenk wird von folgenden Bändern stabilisiert: ■ Lig. fibulotalare anterius, welches im Mittel 16 mm lang, 8 mm breit und 0,5 mm dick ist und von der Vorderkante des Malleolus lateralis nahezu horizontal medialwärts zum Talushals verläuft. ■ Lig. fibulocalcaneare, im Mittel 30 mm lang, 8 mm breit und 3 mm dick, verläuft von der Fibulaspitze nach dorsalmedial zum Kalkaneus. ■ Lig. fibulotalare posterius, mit einer durchschnittlichen Länge von 21 mm, 8 mm Breite und 4,5 mm Stärke, welches nahezu horizontal zwischen dem Tuberculum laterale des Proc. posterior tali und einer tieferen Grube unterhalb der Gelenkfläche an der dorsomedialen Seite des Außenknöchels verläuft.
Eine Verletzung des fibularen Bandapparates führt zu Varuskippung, Schubladensyndrom und abnormer Innenrotation des Talus.
Eine Verletzung des fibularen Bandapparates führt zu 3 charakteristischen Dislokationen des Talus: ■ Varuskippung in der Frontalebene, ■ Schubladensymptom in der Sagittalebene und ■ abnorme Innenrotation in der Transversalebene.
Weitere Stabilisatoren sind die Mm. peronei und der Eigenreflexbogen.
Weitere Stabilisatoren sind die Mm. peronei, die 75 % der pronatorischen Gesamtarbeitsleistung bewältigen. Der Eigenreflexbogen ist ebenso für die Stabilität verantwortlich: In der Gelenkkapsel und den Bändern sind afferente Nervenfasern (Mechanorezeptoren I und II) lokalisiert, die aufgrund ihrer geringeren Reißfestigkeit gegenüber kollagenen Fasern eher rupturieren. Dadurch wird der Eigenreflexbogen unterbrochen und es entsteht auch ohne eine nachweisbare mechanische Instabilität das sog. „Giving way“.
Pathomechanismus: Häufigste Unfallursache ist der Freizeit- und Schulsport mit forcierter Supination, Adduktion und Inversion des oberen Sprunggelenkes. Zunächst reißt das instabile Lig. fibulotalare ant., danach das zweitstärkere Lig. fibulocalcaneare und zuletzt bei schwerster Gewalteinwirkung das kräftige Lig. fibulotalare posterius.
Pathomechanismus: Die häufigste Unfallursache ist der Freizeit- und Schulsport. Prädisponierend sind ■ exogene Faktoren wie Bodenbeschaffenheit (z. B. unebenes Gelände), Schuhwerk (z. B. hohe Absätze), Schuh-Boden-Kontaktänderung (z. B. Rasen/Halle) und ■ endogene Faktoren wie statische Fehlstellung (z. B. Calcaneus varus), muskuläre Dekompensation (z. B. bei Wettkampfende) und neurologisches Defizit (z. B. bei Peroneusparese)
■
von Bedeutung. Typischer Unfallhergang ist die forcierte Supination/Adduktion/ Inversion des oberen Sprunggelenkes, wobei zunächst in Plantarflexion das
B-2.159
B-2.159
Bandapparat des oberen Sprunggelenks
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
883
biomechanisch instabilste Band, das Lig. fibulotalare anterius, zerreißt. Danach reißt bei forciertem Inversionsstress des Rückfußes das zweitstärkste Band, das Lig. fibulocalcaneare, und zuletzt reißt bei schwerster Gewalteinwirkung mit abnormer Innenrotation des Talus das kräftige Ligamentum fibulotalare posterius. Diagnostik: Typisch ist die Schwellung mit palpablen Druckschmerzpunkten im Verlauf der Rupturstelle. Talusvorschub und -kippung sowie die gehaltenen Aufnahmen des oberen Sprunggelenkes bds. in 2 Ebenen unter Leitungsanästhesie belegen die Diagnose. Als radiologische Parameter der Instabilität gelten eine Taluskippung 4 7 °, Talusvorschub 4 7 mm oder jeweils 4 5 ° bzw. 5 mm gegenüber der unverletzten Seite.
Diagnostik: Schwellung, palpable Druckschmerzpunkte, Talusvorschub und seitliche Aufklappbarkeit sind klinisch festzustellen. Röntgenaufnahmen des oberen Sprunggelenkes in 2 Ebenen und gehaltene Aufnahmen sichern die Diagnose.
Therapie: Die Behandlung erfolgt in der überwiegenden Zahl der Fälle konservativ mit kurzfristiger Ruhigstellung, z. B. im Unterschenkelspaltgips und anschließendem Anlegen einer Orthese. Operativ versorgt werden schwere Instabilitäten mit Ruptur aller 3 fibularen Bänder sowie Bandverletzungen mit begleitenden osteochondralen Läsionen, die in etwa 2 % vorkommen.
Therapie: In der Mehrzahl der Fälle erfolgt eine konservative Behandlung mit kurzfristiger Ruhigstellung.
Komplikationen: Bei insuffizienter Ausheilung kann eine chronische Instabilität entstehen, die dann operativ rekonstruktive Maßnahmen zur Folge hat.
Talusluxation
Komplikationen: Bei insuffizienter Ausheilung kann es zur chronischen Instabilität kommen. Talusluxation
Inzidenz: Diese Verletzung ist selten. Auf 1000 fibulare Bandrupturen entfallen etwa 2 vollständige Verrenkungen.
Inzidenz: 2 Verrenkungen entfallen auf 1000 fibulare Bandrupturen.
Pathomechanismus: Es handelt sich meistens um Supinationstraumen bei Sturz aus großer Höhe. Dabei zerreißen sämtliche lateralen Bandstrukturen und anschließend bei fortgesetzter Gewalt durch Schub nach vorn oder hinten die medialen Bandstrukturen. Es resultiert eine Luxation nach hinten.
Pathomechanismus: Es handelt sich zumeist um Supinationstraumen bei Sturz aus großer Höhe. Dies geht mit ausgedehnten Kapselrissen einher.
Diagnostik: Auffällig ist die fixierte Zwangshaltung des Sprunggelenkes mit Deformation und starker Schwellung. Die Diagnose wird radiologisch durch Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen gestellt. Ist eine Spontanreposition eingetreten, werden Stressaufnahmen durchgeführt.
Diagnostik: Klinisch imponiert eine fixierte Zwangshaltung des Sprunggelenkes mit Deformität. Die Diagnose wird durch Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen und Stressaufnahmen erhärtet.
왘 Merke. Wichtig ist die Überprüfung der peripheren Motorik, Durchblutung
Operativ versorgt werden Rupturen aller 3 fibularen Bänder sowie Verletzungen mit begleitenden osteochondralen Läsionen.
왗 Merke
und Sensibilität. Therapie: Operativ durch Bandnaht der medialen und lateralen Bandstrukturen nach erfolgter Reposition.
Therapie: Reposition und Bandnaht der medialen und lateralen Bandstrukturen.
Luxatio pedis subtalo
Luxatio pedis subtalo
Unterschieden werden eine mediale und eine laterale Luxation, die in einem Verhältnis 6 : 1 vorkommen (Abb. B-2.160, Abb. B-2.161).
Unterschieden wird eine mediale und laterale Luxation (6 : 1) (Abb. B-2.160, Abb. B-2.161).
Pathomechanismus: Zerrissen ist das Lig. talocalcaneare interosseum, das Lig. deltoideum und das Lig. fibulocalcaneare. Das Lig. fibulotalare anterius bleibt unverletzt.
Pathomechanismus: Zerrissen sind die Ligg. talocalcaneare interosseum, deltoideum und fibulocalcaneare.
Diagnostik: Die Diagnose wird durch Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen gestellt.
Diagnostik: Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen.
Therapie: Diese erfolgt konservativ durch Reposition. Eine operative Behandlung muss bei Interposition (z. B. der M.-tibialis-posterior- oder M.-flexor-digitorumlongus-Sehne) durchgeführt werden (Abb. B-2.160)
Therapie: Konservativ durch Reposition, bei Interposition operative Behandlung (Abb. B-2.160).
Sprunggelenkfrakturen
Sprunggelenkfrakturen
Anatomie: Das obere Sprunggelenk wird von den beiden Facies articulares der Malleoli und der Facies articularis inferior aufgebaut und umgreift die einem Kegelstumpf vergleichbare Trochlea tali. Die laterale Gelenkfläche steht senkrecht zur Gelenkachse, während die mediale um ca. 6 ° dazu geneigt ist. Deshalb
Anatomie: Das obere Sprunggelenk wird von den beiden Facies articulares der Malleoli und der Facies articularis inferior aufgebaut und umgreift die einem Kegelstumpf vergleichbare Trochlea tali.
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B 2 Traumatologie
884 B-2.160
Luxatio pedis subtotalo Interposition der Sehne des M.tibialis posterior.
B-2.161
Luxatio pedis subtalo medialis
a Beachte die weißliche Hautverfärbung durch die Luxation.
Für die federnde Festigkeit der Malleolengabel sind die Membrana interossea sowie die vorderen und hinteren Syndesmosenbänder von besonderer Bedeutung.
b Reposition mit K-Drähten (CT).
c Mediale Luxation.
ist die laterale Talusrolle kreisförmig, die mediale elliptoid, wodurch die Pseudorotation des Talus erklärt wird. Für die federnde Festigkeit der Malleolengabel sind die Membrana interossea sowie die vorderen und hinteren Syndesmosenbänder von besonderer Bedeutung. Der Innenknöchel hat eine vorwiegend statische Funktion und bildet zusammen mit dem Lig. deltoideum einen Schutz gegen Pronation. Die Fibula wirkt beim Auftreten des Fußes als Puffer für das Sprungbein. Dislokationen im Bereich des Außenknöchels mit Verkürzung und Rotationsfehler führen zu einer Verminderung der Kontaktfläche zwischen Sprungbein und Schienbein mit entsprechender Drucksteigerung. Eine Seitverschiebung von 2 mm bewirkt eine Verminderung der Kontaktfläche auf 1/3 der Norm und führt zu einer erhöhten Arthrosegefahr.
Klassifikation: Die heute häufigste Einteilung ist die nach Weber (Abb. B-2.162, Abb. B-2.163, Tab. B-2.16).
Klassifikation: Die heute am häufigsten verwendete Einteilung der Sprunggelenksfrakturen erfolgt nach Weber, wobei die Lage der Fibulafraktur maßgeblich ist (Abb. B-2.162, Abb. B-2.163, Tab. B-2.16).
Klinik: Schwellung und Druckschmerz über dem Außen- bzw. Innenknöchel, schmerzhafte Bewegungseinschränkung.
Klinik: Typisch ist eine Schwellung und Druckschmerz über dem Außen- bzw. Innenknöchel mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung. Die Fehlstellung und der Fragmentdruck durch den Innenknöchel gefährden die Weichteile.
Diagnostik: Röntgenaufnahme des Sprunggelenkes in 2 Ebenen sowie ggf. in 15 ° Innenrotation und CT.
Diagnostik: Röntgenaufnahmen des Sprunggelenkes in 2 Ebenen sowie ggf. in 15 ° Innenrotation zur Darstellung der tibiofibularen Linie werden durchgeführt. Bei Verdacht auf Impressionen oder osteochondrale Fraktur ist eine CT indiziert.
왘 Merke
왘 Merke. Bei isolierter Innenknöchelfraktur sind immer Aufnahmen des gesamten Unterschenkels zum Ausschluss einer hohen Fibulafraktur anzufertigen (Maisonneuve).
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.16
885
Klassifikation der Sprunggelenksfrakturen nach Weber
Fraktureinteilung
Verletzungsart
Syndesmosenruptur
Verletzungsmechanismus
Therapie
Weber A
Außenknöchelfraktur infrasyndesmal, evtl. Innenknöchelfraktur
nein
Supinations-Adduktions-Trauma
konservativ (6 Wochen Gips), bei Dislokation Osteosynthese
Weber B
Außenknöchelfraktur transsyndesmal, evtl. Innenknöchelfraktur
in 50 %
Pronations-EversionsTrauma
s. Weber A
Weber C
suprasyndesmale Außenknöchelfraktur, Ruptur der Membrana interossea bis zur Fibulafraktur, evtl. Innenknöchelfraktur
ja
Pronations-EversionsTrauma
Osteosynthese inklusive Bandnähte (Syndesmose)
MaisonneuveFraktur (Sonderform der Weber-C-Fraktur)
Innenknöchelfraktur mit subkapitaler Fibulafraktur, dadurch auch Syndesmosen- und Längsruptur der Membrana interossea
ja
Distorsions-Trauma bimalleolar
s. Weber C und Stellschraube für 6 Wochen (Heilung der Membrana interossea)
trimalleolare Fraktur
bimalleolare Spunggelenksfraktur mit Fraktur der Tibiahinterkante (Volkmann-Dreieck)
meist ja
PronationsHyperflexions-Trauma
Osteosynthese inklusive Bandnähte
B-2.162
Einteilung der Sprunggelenkfrakturen nach Weber
Therapie: Eine konservative Behandlung ist nur bei undislozierten WeberA-Frakturen mit einem Unterschenkelgips für 6 Wochen möglich. Bei Dislokation und Verkürzung der Fibula sowie bei Weber-B- und WeberC-Frakturen ist eine operative Therapie indiziert. Diese beinhaltet die exakte Wiederherstellung der Länge und Rotation der Fibula mithilfe einer Plattenosteosynthese. Abrissfrakturen des Außenknöchels können auch mithilfe einer Zuggurtung oder einer Schraube stabilisiert werden. Der Innenknöchel wird mit Zugschrauben oder einer Zuggurtung, ein hinteres Tibiakantenfragment mithilfe von Schrauben stabilisiert (Abb. B-2.164). Besteht weiter eine Instabilität oder eine Maisonneuve-Fraktur, ist eine Stellschraube indiziert, welche von der Fibula in einem Winkel von 30 ° in die Tibia eingebracht wird und die reponierte Gelenkstellung bis zur Ausheilung der Bandverletzung fixiert.
Therapie: Bei undislozierten Weber-A-Frakturen genügt die konservative Behandlung mit einem Unterschenkelgips für 6 Wochen. Dislozierte Frakturen und Frakturen vom Typ Weber B und Weber C werden operativ, zumeist mithilfe einer Platte stabilisiert.
Nachbehandlung: Bei allen operativ versorgten Knöchelbrüchen ist eine graduierte Teilbelastung möglich, Ausnahme sind die Frakturen mit einem großen hinteren Tibiakantenfragment (Volkmann).
Nachbehandlung: Bei allen operativ versorgten Knöchelbrüchen ist eine graduierte Teilbelastung möglich (Ausnahme: großes hinteres Tibiakantenfragment). Komplikationen: Bei verzögerter Reposition können Hautnekrosen entstehen. Eine weitere Komplikation stellt die posttraumatische Arthrose dar.
Komplikationen: Bei verzögerter Reposition können aufgrund der länger bestehenden Hautischämie Hautnekrosen eintreten. Bei bestehender Subluxation, Fehlstellungen und Gelenkstufen können posttraumatische Arthrosen die Folge sein.
Der Innenknöchel wird mit Zugschrauben oder einer Zuggurtung, ein hinteres Tibiakantenfragment wird mithilfe von Schrauben stabilisiert (Abb. B-2.164).
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B 2 Traumatologie
886 B-2.163
Sprunggelenksfrakturen nach Weber (Typ B und C)
a
b
c
a Luxationsfraktur Typ Weber B. Primäre Stabilisation im Fixateur externe aufgrund eines schweren Weichteilschadens. Sekundäre Stabilisierung mit Platte und Stellschraube. b Weber-C-Fraktur (seitlich und a.-p.). c Weber-C-Fraktur und Volkmann-Dreieck (seitlich und a.-p.).
B-2.164
B-2.164
Operative Versorgung der Sprunggelenkfrakturen
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
887
Talusfraktur
Talusfraktur
Anatomische Besonderheiten: Der Talus ist der Schlussstein des Fußgewölbes und hat im Stehen das ganze Körpergewicht, bei Belastung aber ein Vielfaches davon zu tragen. Dementsprechend hat er eine kräftig ausgebildete Spongiosa. Er wird nur passiv mitbewegt, da keine Sehnen am Talus ansetzen. Besonders wichtig ist die Gefäßversorgung des Talus, da bei frakturbedingter Durchblutungsstörung eine Talusnekrose entstehen kann. Da die Durchblutung hauptsächlich von peripher nach proximal erfolgt, können zentrale Frakturen am Collum und Corpus tali zu Durchblutungsstörungen führen, weil die Gefäßversorgung über den Proc. posterior tali meist nicht ausreichend ist.
Anatomische Besonderheiten: Die Durchblutung erfolgt hauptsächlich von peripher nach proximal. Zentrale Frakturen am Collum und Corpus tali können zu Durchblutungsstörungen und zur Nekrose führen, weil die Gefäßversorgung über den Proc. posterior tali meist nicht ausreichend ist.
Häufigkeit, Lokalisation und Begleitverletzungen: Die Talusfraktur ist selten und macht nur 0,32 % aller Frakturen und nur 3,4 % aller Fußfrakturen aus. Häufig finden sich Kombinationsverletzungen mit Malleolarfrakturen in 44 %, Kalkaneusfrakturen in 18 % und Metatarsalfrakturen in 18 %. Die Frakturen betreffen das Collum in 50 %, das Corpus in 22 %, das Caput in 4 % und den Proc. posterior und Proc. lateralis in 17 %.
Häufigkeit, Lokalisation und Begleitverletzungen: Sie ist selten mit nur 0,32 % aller Frakturen. Häufig finden sich Kombinationsverletzungen. Die Frakturen betreffen das Collum in 50 %, das Corpus in 22 %, das Caput in 4 % und den Proc. posterior und Proc. lateralis in 17 %.
Verletzungsmechanismus: Von Bedeutung für die Ätiologie der Talusfrakturen sind die Richtung der Gewalteinwirkung und die Stellung des Fußes. Bei Extension des Fußes kann es durch die vordere Schienbeinkante zu einem Bruch im Bereich des Talushalses, bei Plantarflexion zu einer Abscherung des Taluskörpers durch die hintere Schienbeinkante kommen, während Frakturen des Taluskopfes häufig durch eine Längsstauchung des Vorfußes entstehen. Frakturen des Proc. posterior tali und des Proc. lateralis tali können in Form von knöchernen Bandausrissen oder aber auch im Sinne von Abscherfrakturen entstehen. Eine typische Abscherfraktur ist die Flake-fracture der oberen lateralen Taluskante.
Verletzungsmechanismus: Dorsalflexion des Fußes zum Zeitpunkt des Unfalls führt zu einem Bruch des Talushalses, Plantarflexion zu einer Abscherung des Taluskörpers durch die hintere Schienbeinkante. Taluskopffrakturen entstehen häufig durch Längsstauchung.
Klassifikation: Neben Frakturen des Proc. posterior und Proc. lateralis sowie Collum- und Caput-Frakturen werden die Talusfrakturen nach Hawkins in 4 Typen eingeteilt (Abb. B-2.165).
Klassifikation: Neben Frakturen des Proc. posterior und Proc. lateralis sowie Collumund Caput-Frakturen werden die Talusfrakturen nach Hawkins in 4 Typen eingeteilt (Abb. B-2.165).
Klinik: Starke Schwellung, Hämatomverfärbung und Druckschmerz, begleitet häufig von einem Weichteilschaden sind die typischen Befunde. Bei der Verschiebung nach vorn fällt die Beugung der Zehen infolge des verlängerten Weges der Zehenbeuger aus.
Klinik: Starke Schwellung, Hämatomverfärbung und Druckschmerz.
Diagnostik: Eine Röntgenaufnahme des Sprunggelenkes in 2 Ebenen wird durchgeführt. Zusätzlich erfolgen Aufnahmen des Vorfußes zur besseren Darstellung möglicher Impressionen. Häufig ist ein Computertomogramm zur besseren Darstellung der Frakturen notwendig. Szintigramm und MRT sind zur Diagnose einer später möglichen aseptischen Knochennekrose erforderlich.
Diagnostik: Röntgenaufnahme des Sprunggelenkes in 2 Ebenen. Häufig ist ein CT zur besseren Darstellung der Frakturen notwendig.
B-2.165
Eine typische Abscherfraktur ist die Flakefracture der oberen lateralen Taluskante.
Klassifikation der Talusfrakturen nach Hawkins
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888 B-2.166
B 2 Traumatologie
B-2.166
Schraubenosteosynthese bei Talusfraktur
Differenzialdiagnose: Os trigonum (akzessorischer Knochen).
Differenzialdiagnose: Differenzialdiagnostisch ist immer an das Os trigonum (akzessorischer Knochen) zu denken.
Therapie: Nur unverschobene Brüche werden konservativ mit einem Unterschenkelgipsverband für 4 – 6 Wochen behandelt. Bei Dislokationen ist die Reposition und Schraubenosteosynthese das Verfahren der Wahl (Abb. B-2.166).
Therapie: Frakturen des Proc. posterior tali: Da 25 % der hinteren talaren Gelenkfläche durch den Proc. posterior tali getragen wird, sollten verschobene größere Fragmente verschraubt werden (Abb. B-2.166). Unverschobene Fragmente werden konservativ durch einen Gipsverband 4 – 6 Wochen behandelt. Frakturen des Proc. lateralis tali werden bei Dislokation ebenfalls verschraubt. Taluskopffrakturen sind zumeist Impressionsfrakturen, die nach Reposition und Fixation zuweilen eine Spongiosaplastik erfordern. Unverschobene Talushalsfrakturen werden konservativ mit einer 6-wöchigen Ruhigstellung behandelt. Ist bei den Hawkins-II-Frakturen eine geschlossene Reposition möglich, kann konservativ behandelt werden. Meist ist jedoch, ebenso wie bei den Hawkins-III- und -IV-Frakturen, eine offene Reposition mit Schraubenfixation notwendig.
Nachbehandlung: Bei einer stabilen Osteosynthese Teilbelastung nach 2 Wochen. Die Vollbelastung sollte nicht vor der 8. – 12. Woche erfolgen. Komplikationen: Partielle Nekrose des Talus und posttraumatische Arthrose sind die wichtigsten Komplikationen (Tab. B-2.17).
Nachbehandlung: Bei stabiler Osteosynthese kann mit partieller Belastung nach 2 Wochen begonnen werden. Eine Vollbelastung sollte nicht vor der 8. – 12. Woche erfolgen. Komplikationen: Hauptkomplikation ist die Nekrose. Zu den Nekroseraten s. Tab. B-2.17. Die Diagnose kann verifiziert werden durch szintigraphische Untersuchungen sowie durch die MRT, deshalb ist die Verwendung von Titanschrauben wichtig. Weitere Komplikationen sind posttraumatische Arthrosen im oberen und unteren Sprunggelenk bei Gelenkinkongruenz sowie ein Tarsaltunnelsyndrom.
Kalkaneusfraktur
Kalkaneusfraktur
Pathomechanismus: Sie entsteht hauptsächlich durch Sturz aus großer Höhe (axiales Stauchungstrauma) (Abb. B-2.167).
Pathomechanismus: Die Kalkaneusfrakturen machen 2 % aller Frakturen aus. Dabei sind 75 % mit Gelenkbeteiligung. Sie entstehen hauptsächlich durch Sturz aus großer Höhe (axiales Stauchungstrauma) (Abb. B-2.167).
B-2.17
B-2.17
Nekroseraten bei Talusfrakturen
Fraktur
Nekroserate
Talushalsfrakturen mit Verrenkung Taluskörperfrakturen mit Verrenkung Talushalsfrakturen ohne Verrenkung Taluskörperfrakturen ohne Verrenkung Taluskopffrakturen
1:2 1:4 1:8 1 : 10,5 1 : 20
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.167
Pathomechanismus der Kalkaneusfraktur
889 B-2.167
Talus- und Sprunggelenksachse sind gegenüber der Fersenbeinachse geringfügig gegeneinander parallel verschoben. Dadurch kommt es beim Sturz immer zu einer Abscherung des Fersenbeinkörpers. Das sustentakuläre Fragment (SU) bleibt dabei in fester Verbindung mit dem Talus. Das tuberositäre Fragment (TU) schert nach lateral, das posteriore Facettenfragment (PF) wird durch die axiale Meißelwirkung des Talus gekippt oder impaktiert.
Anatomische Besonderheiten: Der Kalkaneus ist der größte Fußwurzelknochen und weist 3 wesentliche Vorsprünge auf. ■ Sustentaculum tali, welches biomechanisch sehr stabil ist und aufgrund der sehr starken ligamentären Verbindung zum Talus praktisch niemals seine fixierte Stellung zum Talus verliert. ■ Tuber calcanei als Ansatzpunkt der sehr starken M.-triceps-surae-Sehne. ■ Laterale Trochlea peronealis: Sie bildet die Überdachung für die Peronealsehne.
Anatomische Besonderheiten: Der Kalkaneus ist der größte Fußwurzelknochen und weist 3 wesentliche Vorsprünge auf: ■ Sustentaculum tali, ■ Tuber calcanei und ■ laterale Trochlea peronealis.
Der Kalkaneus trägt 4 in räumlich verschiedenen Ebenen angeordnete Gelenkflächen. 3 der Gelenkflächen (Facies articulares subtalares, Facies articulares talares anterius et medius) artikulieren mit dem Talus, die vierte vordere Gelenkfläche am Proc. anterior calcanei artikuliert mit dem Kuboid. Hinteres unteres Sprunggelenk (Articulatio talocalcanearis) und vorderes unteres Sprunggelenk (Articulatio talocalcaneonavicularis) bilden eine funktionelle Einheit mit um 180 ° gegenläufigen Gelenkflächen. Der physiologische Bewegungsablauf in diesen 3 Gelenken ist durch Bewegungen um 3 Führungsachsen gekennzeichnet. Damit ist verständlich, warum der Abrollvorgang bei einer Verschiebung der Gelenkflächen behindert ist. Da das Fersenbein bei der Kraftübertragung vom Bein zum Fuß als zwischengeschalteter Knochen fungiert, kann jede Veränderung der Muskelansätze zur Imbalance vorwiegend im oberen Sprunggelenk führen. Das gesamte Fußlängsgewölbe kollabiert und die Riegelfunktion der Plantaraponeurose geht verloren, sodass eine Fehlbelastung im Chopart-Gelenk resultiert. Weitere Folge eines fehlverheilten Fersenbeinbruches ist ein Impingement der Peronealsehnen durch einen äußeren Fersenbeinbuckel und eine dadurch bedingte schmerzreflektorische Schwächung der aktiven Fußrandhebung. Desgleichen verbleiben frakturbedingte Irritationen der Sehnen der Mm. tibialis posterior, flexor hallucis longus und flexor digitorum longus. Durch die Impaktierung des Sprunggelenkes in das Fersenbein wird der Außenknöchel relativ zu lang und reitet auf dem Fersenbein, anstatt frei beweglich zu sein. Daraus resultiert eine Valgusfehlstellung des Rückfußes, Höhenminderung, Verbreiterung und Verkürzung, Verwerfung und/oder Subluxation im Subtalar- und Chopart-Gelenk, die sekundär durch Dorsalkippung des Talus zur Präarthrose des OSG führen kann.
Von den 4 Gelenkflächen artikulieren 3 mit dem Talus, die vierte mit dem Kuboid. Jede Veränderung der Muskelansätze posttraumatisch führt zur Imbalance im oberen Sprunggelenk, zum Kollabieren des Fußlängsgewölbes und Fehlbelastung im Chopart-Gelenk.
Klassifikation: Neben der AO-Klassifikation finden auch die Einteilungen nach Zwipp, Tscherne sowie Essex-Lopresti Anwendung (Abb. B-2.168). Es handelt sich bei Ersterer um eine Klassifikation, die sich an der Zahl der Frakturfragmente (maximal 5) und den beteiligten Gelenkfacetten orientiert. Ein Punktsystem gradiert entsprechend nach der Anzahl der Fragmente und der
Klassifikation: Neben der AO-Klassifikation finden die Einteilungen nach Zwipp, Tscherne sowie Essex-Lopresti (Abb. B-2.168) Anwendung. Hierbei wird der Frakturtyp nach der Zahl der Fragmente (max. 5) unterschieden.
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B 2 Traumatologie
890 B-2.168
B-2.168
Klassifikation nach Essex-Lopresti
Durch den keilartig eindringenden Proc. lateralis tali resultiert eine vertikal verlaufende Primärfraktur, die am Vorderrand der posterioren Facette beginnt. Bei weiterer Krafteinwirkung entsteht in Anhängigkeit von der Stellung des Rückfußes und der muskulären Spannung eine Sekundärfraktur. Das Tuber calcanei kann horizontal gespalten werden (Tongue Type) oder die Fraktur verläuft bogenförmig hinter der posterioren Facette wieder nach kranial. Dadurch wird das gelenktragende Fragment isoliert, verkippt und schiebt sich unter den gespaltenen Kalkaneuskörper (Joint Depression).
B-2.169
Klassifikation nach Sanders
Die Klassifikation der Kalkaneusfrakturen nach Sanders entspricht der schematischen Darstellung koronarer CT-Schichten des Subtalargelenks. Typ I: Alle nicht dislozierten Frakturen unabhängig von der Anzahl der Frakturlinien. Typ II: Eine dislozierte Frakturlinie. Typ III: Zwei dislozierte Frakturlinien. Typ IV: Drei oder mehr dislozierte Frakturlinien. Die weitere Unterteilung in A, B, und C beschreibt die Position der Frakturlinie (in Höhe des Sinus tarsi): A= lateral B = zentral C = medial
Eine weitere Einteilung erfolgt nach Sanders (Abb. B-2.169).
Gelenkfacetten den Schweregrad der Fraktur. Eine zunehmende Punktezahl ist mit einer schlechteren Prognose assoziiert. Eine weitere Einteilung erfolgt nach Sanders (Abb. B-2.169).
Klinik: Schwellung, Hämatom, Abflachung des Fußgewölbes, Verbreiterung/Verplumpung der Ferse.
Klinik: Schwellung und Hämatombildung, Abflachung des Fußgewölbes sowie Verbreiterung und Verplumpung der Ferse sind typische Zeichen des Fersenbeinbruches.
Diagnostik: Unerlässlich sind die seitliche Aufnahme des Rückfußes zur Beurteilung des Tubergelenkwinkels sowie die plantodorsale Aufnahme (Abb. B-2.170).
Diagnostik: Die seitliche Aufnahme des Rückfußes dient zur Beurteilung des Tubergelenkwinkels, die axiale oder plantodorsale Aufnahme zur Beurteilung der Dislokation des Sustentaculum tali, des sagittalen Frakturspaltes durch das Tuber, der Fersenbeinverbreiterung der Facies posterior und zur Beurteilung der medialen und der lateralen Wand. Broden-Aufnahmen dienen zur Beurteilung des hinteren und mittleren Subtalargelenkes. Dazu wird der Unterschenkel 45 ° innenrotiert. Es werden 4 Aufnahmen mit kaudokranial gekippter Röhre und wachsendem Winkel angefertigt. Der Zentralstrahl wird auf die Mitte einer gedachten Verbindungslinie zwischen Außenknöchel und MFK-5-Basis gerichtet (Abb. B-2.170). Daneben erhöht eine axiale und koronare-semikoronare CT, evtl. eine dreidimensionale CT das Verständnis über den Frakturverlauf (Abb. B-2.171 a, b).
Ein besseres Verständnis erhält man durch eine Computertomographie (Abb. B-2.171 a, b).
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.170
891
Diagnostik des Fußes
a Broden-Aufnahme zur Darstellung des Subtalargelenks. Der Fuß ist 45 ° nach innen rotiert. Es werden 4 Aufnahmen mit 10 °, 20 °, 30 ° und 40 ° Platarflexion gemacht. b Beurteilung des Tubergelenkwinkels nach Böhler.
Therapie: Unverschobene oder gering dislozierte Frakturen werden konservativ funktionell behandelt. Alle anderen Frakturen erfordern eine exakte Repositon mit Beseitigung der Varus-/Valgusfehlstellung und der Verbreiterung und Verkürzung sowie dem Anheben der imprimierten Gelenkfragmente. Die Stabilisierung erfolgt mittels Schrauben, Drähten und Platten (Abb. B-2.171 c, d und Abb. B-2.117).
Therapie: Unverschobene oder gering dislozierte Frakturen werden konservativ funktionell, alle anderen Frakturen nach exakter Reposition mit Schrauben, Drähten und Platten stabilisiert (Abb. B-2.171 c, d und Abb. B-2.117).
Nachbehandlung: Die Nachbehandlung ist in den meisten Fällen funktionell. Eine volle Belastung kann nicht vor der 6. Woche erlaubt werden.
Nachbehandlung: Funktionelle Nachbehandlung, volle Belastung nach der 6. Woche.
Komplikationen: Posttraumatischer Plattfuß, Inkongruenzarthrosen im unteren und oberen Sprunggelenk. Impingement der Peronealsehnen.
Komplikationen: Posttraumatischer Plattfuß, Inkongruenzarthrosen, Impingement der Peronealsehnen. Luxation im Chopart-Gelenk
Luxation im Chopart-Gelenk Anatomie: Dieses Gelenk wird auch als vorderes unteres Sprunggelenk bezeichnet und umfasst das Kuboid und Navikulare auf der einen und Talus und Kalkaneus auf der anderen Seite. Rein ligamentäre Luxationen im ChopartGelenk sind extrem selten, häufiger werden Begleitfrakturen des Navikulare, Talus, Metatarsus oder Kalkaneus beobachtet.
Anatomie: Das Chopart-Gelenk umfasst Kuboid und Navikulare auf der einen und Talus und Kalkaneus auf der anderen Seite. Es wird auch als vorderes unteres Sprunggelenk bezeichnet.
Pathomechanismus: Die kapsulär-ligamentäre Führung im Chopart-Gelenk ist extrem stark, sodass erhebliche Kräfte im Sinne einer Ab- und Adduktion bei fixiertem Rück- oder Vorfuß für eine Verletzung erforderlich sind.
Pathomechanismus: Die kapsulär-ligamentäre Führung im Chopart-Gelenk ist extrem stark, sodass erhebliche Kräfte im Sinne einer Ab- und Adduktion bei fixiertem Rück- oder Vorfuß für eine Verletzung erforderlich sind.
Klassifikation: Entsprechend dem Weg, auf dem die luxierende Kraft das Chopart-Gelenk durchläuft, werden 6 Formen unterschieden (transligamentär, transkalkanear, transkuboidal, transnavikular, transtalar und transnavikulokuboidal).
Klassifikation: Man unterscheidet 6 Formen der Luxationen im Chopart-Gelenk.
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B 2 Traumatologie
892 B-2.171
Kalkaneusfraktur
a
b
c
d
a CT einer Kalkaneusfraktur in seitlicher Projektion. Der Böhler-Winkel ist vollständig aufgehoben und die talokalkaneare Gelenkfläche imprimiert. b Fraktur in axialer Projektion. SU = Sustentaculum, TU = Tuber. c Zustand nach Osteosynthese und Spongiosaplastik im seitlichen (c) und axialen (d) Strahlengang.
Diagnostik: Es imponiert eine veränderte mediale bzw. laterale Fußsäulenlänge mit spontan fixierter Vorfußabduktion oder -adduktion. Bei der Palpation ist häufig eine Stufenbildung zu diagnostizieren.
왘 Merke
Diagnostik: Inspektorisch imponiert im Seitenvergleich eine veränderte mediale bzw. laterale Fußsäulenlänge. Häufig finden sich eine spontan fixierte Vorfußabduktion oder -adduktion sowie Fehlstellungen im Vorfuß. Die Plantar- und Dorsalflexion sowie die aktive Vorfußbeweglichkeit sind gestört. Bei der Palpation sind häufig ein lokaler Druckschmerz und eine Stufenbildung zu diagnostizieren. 왘 Merke. Wichtig ist die Prüfung der Durchblutung, Motorik und Sensibilität
im Hinblick auf ein Kompartmentsyndrom. Die radiologische Diagnostik umfasst eine dorsal-plantare Aufnahme des ganzen Fußes, eine exakte seitliche Projektion des gesamten Fußes und eine Schrägaufnahme (Abb. B-2.173).
Die radiologische Diagnostik umfasst eine dorso-plantare Aufnahme des ganzen Fußes mit 30 ° kaudo-kranial gekippter Röntgenröhre, eine exakt seitliche Projektion des gesamten Fußes und eine 25 °-Schrägprojektion des Fußes. Besonders zu beachten ist auf der seitlichen Aufnahme die sog. Cyma-Linie, die normalerweise exakt S-förmig geschwungen sein muss. Bei Verdacht auf Instabilität sind gehaltene Aufnahmen durchzuführen, bei Impressions-Frakturen oder bei Verdacht auf Kuboidluxationen ist ein CT der Fußwurzel unerlässlich (Abb. B-2.173).
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.172
893
Operative Versorgung einer Kalkaneusfraktur
a (I) a (II)
a (III) b (I) a Stark dislozierte Kalkaneusfraktur mit Depression der posterioren Facette. CT: Varusstellung des Rückfußes. 3-D-Rekonstruktion: Es zeigen sich multiple Frakturlinien. b Operative Versorgung. Seitlicher und axialer Strahlengang. Korrekte Wiederherstellung des Gelenks (Länge und Achse).
B-2.173
b (II)
Luxation im Chopart-Gelenk
a
b
a Luxation im Chopart-Gelenk. b Reposition und K-Draht-Osteosynthese.
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894
B 2 Traumatologie
Therapie: Komplette Luxationen werden reponiert und zumeist konservativ behandelt. Alle anderen Verletzungen werden operativ stabilisiert.
Therapie: Komplette Luxationen werden mittels Abduktion/Adduktion und gleichzeitiger Plantar-/Dorsalflexion des Fußes unter digitalem Druck reponiert und zumeist konservativ behandelt. Alle anderen Verletzungen im ChopartGelenk werden operativ stabilisiert.
Komplikationen: Posttraumatische Arthrose und aseptische Knochennekrose des Os naviculare. Lisfranc-Luxation
Komplikationen: Relevante Gelenkstufen führen zur posttraumatischen Arthrose, Frakturen des Os naviculare häufig zur aseptischen Knochennekrose. Lisfranc-Luxation
Anatomie: Das Lisfranc-Gelenk (Articulatio tarsometatarsalis) ist die Verbindung zwischen Os cuboideum und Ossa cuneiformia einerseits und Ossa metatarsalia andererseits.
Anatomie: Das Linsfranc-Gelenk ist die Verbindung zwischen dem Os cuboideum und den Ossa cuneiformia einerseits und den Ossa metatarsalia andererseits. Seine mechanische Stabilität erhält das Gelenk durch die gewölbebildenden Ossa cuneiformia, welche durch die einstrahlenden Sehnenfasern des M. tibialis posterior (medialer Steigbügel) und die quere dynamische Verspannung der Sehne des M. peroneus longus (lateraler Steigbügel) zusätzlich stabilisiert werden. Mechanisch ist der 2. Strahl am stärksten verklammert, da er zwischen Os cuneiforme I und III – bei verkürztem Os cuneiforme II – eingeschoben ist. Pathomechanisch kommt ihm damit eine Schlüsselfunktion zu.
Pathomechanismus: Am häufigsten luxieren die Metatarsalia durch direkte oder indirekte Gewalt nach dorsal, da hier der Bandapparat deutlich schwächer ist.
Pathomechanismus: Die statistische Häufigkeit von Lisfranc-Luxationsfrakturen wird in der Literatur zwischen 0,02 – 0,9 % aller Frakturen angegeben. Am häufigsten luxieren die Metatarsalia durch direkte und indirekte Gewalt nach dorsal, da hier der Bandapparat deutlich schwächer ist.
Klassifikation: Man unterscheidet 3 Hauptgruppen (Abb. B-2.174): ■ homolaterale Luxation, ■ divergierende Luxation und ■ isolierte Luxation.
Klassifikation: Unterschieden werden 3 Hauptgruppen (Abb. B-2.174): ■ Die homolaterale Luxation: hierbei luxieren die Metatarsalia 1 – 5 in eine Richtung. ■ Die divergierenden Luxationen mit unterschiedlicher Luxationsrichtung des 1. Strahls sowie der Metatarsalia 2 – 5. ■ Die isolierte Luxation, bei der häufig nur das Os cuneiforme I und II luxiert sind.
Diagnostik: Es imponiert eine Deformierung des Fußgewölbes.
Diagnostik: Inspektorisch imponiert bei der plantaren Dislokation eine Abflachung des Fußgewölbes, bei der dorsalen Dislokation eine vermehrte Pescavus-Deformierung. Bei der plantaren Luxation sind die Zehen aufgrund der relativen Flexorenverkürzung eingekrallt und nicht streckbar. Die radiologische Diagnostik umfasst die dorso-plantare Aufnahme des gesamten Fußes mit 20 ° kaudo-kranial gekippter Röhre, die exakt seitliche Projektion des gesamten Fußes und die 45 °-Schrägaufnahme.
Die radiologische Diagnostik umfasst verschiedene Spezialaufnahmen zur exakten Beurteilung des Fußes.
B-2.174
Klassifikation der Lisfranc-Luxationen
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
895
B-2.175
Operative Versorgung einer Lisfranc-Luxationsfraktur
B-2.175
B-2.176
Lisfranc-Luxationsfraktur und Fersenbeinfraktur
B-2.176
a Lisfranc-Luxationsfraktur und Fersenbeinfraktur. b Versorgung mit KirschnerDrähten, Fixateur und zusätzlicher Schraubenosteosynthese. Sie verbindet die Mittelfußknochen mit den Cuneiformia.
a
b
Therapie: Ist die Verletzung nach Reposition stabil, kann konservativ behandelt werden, ansonsten erfolgt die operative Versorgung mit K-Drähten bzw. Schrauben (Abb. B-2.175, Abb. B-2.176)
Therapie: Ist die Verletzung nach Reposition stabil, kann konservativ behandelt werden, ansonsten erfolgt die operative Versorgung mit K-Drähten und Schrauben (Abb. B-2.175, Abb. B-2.176).
Komplikationen: Bei diesen schweren Fußverletzungen besteht immer die Gefahr eines Kompartmentsyndroms. Die Sehnen des M. tibialis anterior und M. peroneus longus können durch Interposition gelegentlich Repositionshindernisse darstellen. Aufgrund der empfindlichen Gefäßversorgung, die über die interossären Ligamente verläuft, kann es zu Knochennekrosen einzelner Fußwurzelknochen kommen.
Komplikationen: Kompartmentsyndrom, Knochennekrosen.
Fußwurzelfrakturen
Fußwurzelfrakturen
Fraktur des Os naviculare
Fraktur des Os naviculare
Pathomechanismus: Isolierte Frakturen des Os naviculare pedis sind selten. Meist treten sie im Zusammenhang mit Frakturen des Os cuboideum oder Luxationen im Chopart-Gelenk auf.
Pathomechanismus: Isolierte Frakturen des Os naviculare pedis sind selten.
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896
B 2 Traumatologie
Unterschieden werden: ■ Kortikale Ausrissfrakturen. ■ Frakturen der Tuberositas ossis navicularis. ■ Korpusfrakturen.
Unterschieden werden: ■ Kortikale Ausrissfrakturen (Ansatz des Lig. deltoideum und der talonavikularen Kapsel). ■ Frakturen der Tuberositas ossis navicularis (Ansatz des M. tibialis posterior). ■ Korpusfrakturen. Forcierte Überstreckungs- bzw. Überbeugungsmechanismen können auch zu einem Zerquetschen des Navikulare im Sinne einer Trümmerfraktur führen. Klinik: Schwellung und Fehlstellung sind die deutlichsten Zeichen der Navikularefrakturen.
Klinik: Schwellung und Fehlstellung.
왘 Merke
왘 Merke. Begleitverletzungen im Chopart-Gelenk sind häufig.
Diagnostik: Röntgenaufnahmen des Fußes in 2 Ebenen (Abb. B-2.177), evtl. CT.
Diagnostik: Röntgenaufnahme des Fußes in 2 Ebenen (Abb. B-2.177), evtl. CT.
Differenzialdiagnose: Bei kortikaler Ausrissfraktur: Os supranaviculare, bei Fraktur der Tuberositas: Os tibiale externum.
Differenzialdiagnose: Differenzialdiagnostisch ist bei den kortikalen Ausrissfrakturen an ein Os supranaviculare und Os supratalare zu denken und bei den Frakturen der Tuberositas an ein Os tibiale externum.
Therapie: Unverschobene Frakturen werden im Unterschenkelgips ruhiggestellt, dislozierte Navikularefrakturen verschraubt (Abb. B-2.177).
Therapie: Die unverschobenen Frakturen stellen eine Domäne der konservativen Behandlung dar. Sie werden im Unterschenkelgips ruhiggestellt. Dislozierte Navikularefrakturen werden verschraubt. Bei Trümmerfrakturen ggf. transfixierender Fixateur externe, autologe Spongiosaplastik und zusätzliche K-Draht-Fixation (Abb. B-2.177).
Frakturen des Os cuboideum
Frakturen des Os cuboideum
Pathomechanismus: Die isolierte Fraktur des Os cuboideum entsteht durch direkte Gewalteinwirkung bei Plantarflexion und lateralseitiger Abknickung des Fußes.
Pathomechanismus: Die isolierte Fraktur des Os cuboideum entsteht durch den sog. Nussknacker-Mechanismus, d. h. durch direkte Gewalteinwirkung bei Plantarflexion und lateralseitiger Abknickung des Fußes. Durch diese zangenförmige Bewegung wird das Os cuboideum zwischen Kalkaneus und der Basis vom Metatarsale V eingeklemmt. Des Weiteren finden sich zuweilen knöcherne Ausrissverletzungen.
Therapie: Unverschobene Brüche werden konservativ mit Gipsruhigstellung versorgt, Trümmerbrüche mittels Fixateur externe.
Therapie: Nicht verschobene Brüche werden konservativ mittels Gipsruhigstellung behandelt. Bei den Trümmerbrüchen des Kuboids muss ggf. eine Transfixation mittels Fixateur externe und offene Reposition mit Spongiosaplastik erfolgen.
Komplikationen: Posttraumatische Arthrose.
Komplikationen: Posttraumatische Arthrose, übersehene Verletzungen anderer Fußwurzelgelenke.
B-2.177
Os-naviculare-Fraktur
b
a
a Isolierte Ermüdungsfraktur des Os naviculare (?) bei einem Geräteturner ohne Begleitverletzungen. b Operative Versorgung einer Os-naviculare-Fraktur.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
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Frakturen der Ossa cuneiformia I – III
Frakturen der Ossa cuneiformia I – III
Pathomechanismus: Isolierte Frakturen an den Ossa cuneiformia sind äußerst selten. Sie entstehen durch direkte Traumen. Die häufigste Fraktur des Os cuneiforme I ist meist mit einer Luxation im Lisfranc-Gelenk kombiniert.
Pathomechanismus: am häufigsten Fraktur des Os cuneiforme I (meist mit Luxation im Lisfranc-Gelenk).
Therapie: Nicht dislozierte Frakturen werden konservativ versorgt. Bei bestehender Dislokation erfolgt eine Zugschraubenosteosynthese. Bei benachbarter Instabilität wird eine gelenkübergreifende K-Draht-Osteosynthese durchgeführt.
Therapie: Nicht dislozierte Frakturen werden konservativ, dislozierte Frakturen mit Zugschraubenosteosynthese versorgt.
Frakturen der Ossa metatarsalia I – V
Frakturen der Ossa metatarsalia I – V
Anatomie: Die Mittelfußknochen bilden mit den kleinen Fußwurzelknochen die Längs- und Quergewölbe des Vorfußes. Besondere Bedeutung kommt den beiden Tragpfeilern, den Ossa metatarsalia I und V zu. Fehlstellungen und Verkürzungen führen zu ausgeprägten Fehlbelastungen und schmerzhaften Funktionsverlusten der unteren Extremität.
Anatomie: Die Mittelfußknochen bilden mit den kleinen Fußwurzelknochen die Längsund Quergewölbe des Vorfußes.
Pathomechanismus: Bei Frakturen des Os metatarsale I mit Dislokation und Verkürzung kann die Fehlstellung zu einem posttraumatischen Spreizfuß führen, da die tragende Pfeilerfunktion auf das Köpfchen des 2. und 3. Mittelfußknochens übertragen wird. Die dislozierten Abrissfrakturen des Os metatarsale V führen durch den Zug der kräftigen Sehne des M. peroneus brevis zur Pseudarthrose. Frakturen der Ossa metatarsalia II – V sind häufig nach plantar disloziert und verbreitern das Quergewölbe.
Pathomechanismus: Bei Frakturen des Os metatarsale I mit Dislokation und Verkürzung kann die Fehlstellung zu einem posttraumatischen Spreizfuß führen.
Therapie: Undislozierte Frakturen der Metatarsalia werden konservativ im Unterschenkelgipsverband oder Orthese unter Vollbelastung behandelt. Alle dislozierten Frakturen werden operativ versorgt. Schaftfrakturen der Ossa metatarsalia I–V mit Dislokation werden reponiert und mittels K-Drähten oder u. U. bei den Metatarsalia I und V mittels Plattenosteosynthese versorgt. Abrissfrakturen des Os metatarsale V werden durch eine Zuggurtungsosteosynthese stabilisiert (Abb. B-2.178).
Therapie: Undislozierte Frakturen der Metatarsalia werden konservativ im Unterschenkelgipsverband behandelt, dislozierte Frakturen werden durch Kirschner-DrahtOsteosynthese, Metatarsale-V-Abrissfrakturen durch Zuggurtungsosteosynthese stabilisiert (Abb. B-2.178).
Zehenfrakturen
Zehenfrakturen
Pathomechanismus: Zehenfrakturen entstehen meist durch direkte Gewalteinwirkung.
Pathomechanismus: Direkte Gewalteinwirkung.
Diagnostik: Schwellung, schmerzhafte Bewegungseinschränkung, subunguales Hämatom bei Endgliedfrakturen.
Diagnostik: Bei Endgliedfrakturen subunguales Hämatom.
Therapie: Undislozierte Zehengrund- oder -endphalanxfrakturen werden durch Pflasterzügelverband mit der benachbarten Zehe geschient. Bei subungualem Hämatom ist u.U. die Nageltrepanation zur Hämatomentlastung notwendig. Dislozierte Grundphalanxfrakturen mit Gelenkbeteiligung an der Großzehe werden durch offene Reposition und Schrauben- oder K-Draht-Osteosynthese stabilisiert.
Therapie: Undislozierte Zehengrund- oder -endphalanxfrakturen werden durch Pflasterzügelverband mit der benachbarten Zehe geschient.
B-2.178
Frakturen der Ossa metatarsalia II – V sind häufig nach plantar disloziert und verbreitern das Quergewölbe.
Osteosynthese Os metatarsale V
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B 2 Traumatologie
2.2.8 Polytrauma
2.2.8 Polytrauma
왘 Definition
Trauma Scores: Neben dieser qualitativen Beschreibung existieren verschiedene Scores, die das Verletzungsausmaß auch quantitativ erfassen.
Im deutschen Sprachraum hat sich der Polytraumaschlüssel (PTS) durchgesetzt (Tab. B-2.18).
Pathophysiologie: Gewebezerstörung, Frakturen, Zerreißung von parenchymatösen Bauchorganen und schwere Beckenverletzungen führen mit Blutverlust und Zirkulationsstörungen zu einem traumatischhämorrhagischen Schock (vgl. Kap. A 8.4, S. 227). Die Zerstörung von Zellstrukturen bewirkt die Freisetzung humoraler Mediatoren, die zur Aktivierung des Komplement- und Gerinnungssystems führen. Die Folge sind eine disseminierte intravasale Gerinnung (s. S.112 ff) und die überschießende Aktivierung des Abwehrsystems. Sämtliche Körperzellen werden durch die Überaktivierung geschädigt und lagern vermehrt Flüssigkeit ein. Verstärkt wird diese Symptomatik durch die Ausschüttung von Adrenalin, Histaminfreisetzung etc. Die Zellfunktionsstörungen führen zu Organstörungen, die in einem Multiorganversagen enden.
B-2.18
왘 Definition. Unter einem Polytrauma versteht man gleichzeitig entstandene Verletzungen mehrerer Körperregionen oder Organsysteme, wobei wenigstens eine Verletzung oder die Kombination mehrerer lebensbedrohlich ist.
Trauma Scores: Neben dieser qualitativen Beschreibung existieren verschiedene Scores, die das Verletzungsausmaß auch quantitativ erfassen. Die zahlreichen Scores und Indices unterscheiden sich in erster Linie hinsichtlich Ort (Unfallstelle, Notaufnahme, Intensivstation) und Zeitpunkt ihrer Anwendung und der zur Beurteilung verwendeten Parameter. Dies können physiologische Aspekte, pathologisch-anatomische Diagnosen oder auch verschiedene Laborwerte sein. Im deutschen Sprachraum hat sich der Polytraumaschlüssel (PTS) (Tab. B-2.18) durchgesetzt, der physiologische Werte (Base excess und PaO2/FIO2) und pathologisch-anatomische Diagnosen sowie das Alter berücksichtigt. Ein Score ist immer von der präklinischen und klinischen Therapie abhängig. Dies bedeutet, dass sich der Fortschritt in den verschiedenen therapeutischen Maßnahmen auch in einer Änderung der Score-Beurteilung auswirken muss. Pathophysiologie: Die Kombination verschiedener Einzelverletzungen führt nicht nur zu einer Addierung, sondern u.U. zur Potenzierung der Allgemeinveränderungen. Gewebezerstörung durch Quetschung, Frakturen großer Röhrenknochen, Zerreißung von parenchymatösen Bauchorganen (Leber, Milz), schwere Beckenverletzungen führen zusammen mit Blutverlust und Zirkulationsstörungen zu einem Zustandsbild, welches wir als traumatisch-hämorrhagischen Schock bezeichnen (vgl. Kap. 8.4, S. 227). Im Vordergrund steht der Gewebeschaden. Die Zerstörung von Zellstrukturen bewirkt die Freisetzung einer Vielzahl humoraler Mediatoren, die zu einer Aktivierung des Komplement- und Gerinnungssystems führen. In der Folge kommt es zum Auftreten einer disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC, s. S. 112 ff). Diese Kaskadensysteme dienen einerseits der „Kenntlichmachung“ (Opsonierung) andererseits der „Alarmierung“ (Chemotaxis) unspezifischer Immunzellen, die z. B. für den Abtransport und die Beseitigung der geschädigten Zellstrukturen sorgen sollen. Die veränderte Zellmatrix wird als antigener (artfremder) Bestandteil von den Immunzellen erkannt und über Phagozytose eliminiert. Eine Überbeanspruchung dieser Immunzellen und übermäßige Aktivierung der Zellsysteme führt schließlich zu einer Art Autoaggression dieser Abwehrsysteme, die letztendlich auch ungezielt intaktes Gewebe angreifen. Dabei bleiben maximal stimulierte polymorphkernige Granulozyten und Thrombozyten in den Lungenkapillaren haften (cell-sticking) und schädigen dort das Kapillarendothel mit den Folgen eines vermehrten Flüssigkeitsaustrittes aus den Gefäßen in das Lungeninterstititum. Sämtliche Körperzellen werden durch diese Überaktivierung geschädigt oder verändert und lagern durch Störungen des Enegiestoffwechsels vermehrt Flüssigkeit ein. Diese generalisierte Entzündungsreaktion wird als Systemic inflammatory response
B-2.18
Polytraumaschlüssel (PTS): Thorax
Trauma
Punkte
Sternum, Rippenfrakturen (1 – 3) Rippenserienfrakturen Rippenserienfrakturen beidseitig Hämato-, Pneumothorax Lungenkontusion Lungenkontusion beidseitig zusätzlich instabiler Thorax Aortenruptur
2 5 10 2 7 9 3 7
Gesamtpunktzahl
n
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
899
syndrome (SIRS) bezeichnet. Verstärkt wird diese Symptomatik durch die in gleicher Richtung wirkenden humoralen Mechanismen wie Adrenalinausschüttung, Histaminfreisetzung etc. Die initiale Zellfunktionsstörung ist auch die Grundlage für die später manifest werdenden Organstörungen, die schließlich in einem Multiorganversagen (MOV) enden.
Allgemeine Maßnahmen an der Unfallstelle Nach entsprechender Absicherung der Unfallstelle verschafft sich der Notarzt zunächst einen Überblick über Unfallhergang und Zahl der Verletzten, um evtl. zu diesem Zeitpunkt bereits weitere Notärzte bzw. Rettungsmittel nachzufordern. Das vordringlichste Ziel der Erstmaßnahmen an der Unfallstelle besteht in: ■ der schonenden Bergung des Verletzten, ■ der Wiederherstellung und Sicherung vitaler Funktionen, ■ der Herstellung der Transportfähigkeit sowie ■ der Fortführung lebenserhaltender Maßnahmen auf dem Transport in ein den speziellen Verletzungen gerecht werdendes Zentrum.
Allgemeine Maßnahmen an der Unfallstelle ■ ■
Absicherung der Unfallstelle Überblick über Unfallhergang
Erstmaßnahmen an der Unfallstelle: ■ schonende Bergung, ■ Wiederherstellung und Sicherung der Vitalfunktionen, ■ Erreichen der Transportfähigkeit und Fortführen lebenserhaltender Maßnahmen auf dem Transport.
Bergung: Ist die Bergung des Verletzten, z. B. bei Einklemmung, technisch zeitaufwändig, beginnen, soweit möglich, die lebenserhaltenden Sofortmaßnahmen bereits bei dem noch eingeklemmten Verletzten.
Bergung: Bei schwieriger und zeitaufwendiger Bergung wird sofort mit den Sofortmaßnahmen begonnen.
Sicherung der Vitalfunktionen: Die häufigste Todesursache an der Unfallstelle ist die Massenblutung und die respiratorische Insuffizienz. Die wesentliche Aufgabe des Notarztes besteht deshalb darin, über großlumige Zugänge einen Teil des Volumenverlustes mit kolloidalen oder kristallinen Lösungen auszugleichen und die Hypoxie zu vermeiden. Dies geschieht durch Intubation und Beatmung bei Schwerstverletzten und Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma mit GlasgowComa-Scale unter 9. Ist noch kein Notarzt an der Unfallstelle, besteht die Aufgabe im Freimachen und Freihalten der Atemwege. Dazu wird der Nasen-Rachen-Raum mechanisch mit Fingern und Taschentuch von Fremdkörpern gereinigt oder mit einer Pumpe abgesaugt. Durch Überstreckung des Kopfes, Öffnen des Mundes und Vorziehen des Unterkiefers wird der Zungengrund angehoben (Esmarch-Handgriff) (Abb. B-2.179). Zusätzlich wird der Patient in eine stabile Seitenlagerung gebracht.
Sicherung der Vitalfunktionen: Die häufigste Todesursache an der Unfallstelle ist die Massenblutung und die respiratorische Insuffizienz. Deshalb: Legen großlumiger Zugänge zum Ausgleich des Volumenverlustes. Vorrangig ist das Freimachen und Freihalten der Atemwege. Durch Überstreckung des Kopfes, Öffnen des Mundes und Vorziehen des Unterkiefers (Esmarch-Handgriff) wird der Zungengrund angehoben (Abb. B-2.179). Der Patient wird in eine stabile Seitenlage gebracht.
왘 Merke. Bei HWS-Verletzungen verbietet sich eine Überstreckung der HWS. Hierbei, sowie bei allen Schwerverletzten mit respiratorischen Funktionsstörungen und einem erheblichen Verletzungsmuster ist die endotracheale Intubation und Beatmung an der Unfallstelle die geeignete Erstbehandlung.
Die primäre Beatmung des Unfallverletzten an der Unfallstelle hat zu einer deutlichen Verminderung der Schockfolgeerkrankungen geführt.
왗 Merke
Spezielle präklinische Maßnahmen beim Polytrauma
Die primäre Beatmung an der Unfallstelle senkt die Schockfolgeerkrankungen. Spezielle präklinische Maßnahmen beim Polytrauma
Äußere Massenblutungen
Äußere Massenblutungen
Äußerlich sichtbare Blutungen können zumeist durch eine direkte Kompression zunächst manuell, dann mithilfe eines Kompressionsverbandes und Hochlagerung gestillt werden. In seltenen Fällen ist die direkte Blutstillung unter
Sie können meist durch direkte Kompression gestillt werden, selten kann eine Klemme verwendet werden. Bei Amputationsverlet-
B-2.179
Esmarch-Handgriff
B-2.179
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B 2 Traumatologie
zungen kann eine Blutsperre angelegt werden. Die Autotransfusion durch Hochheben der Beine kann die Kreislaufsituation positiv beeinflussen.
Sicht durch eine atraumatische Gefäßklemme möglich. Bei Amputationsverletzungen kann das Anlegen einer Blutsperre, wie bei Operationen häufig benutzt, zum Einsatz kommen. Daneben kann als einfache Maßnahme auch die Autotransfusion durch Hochheben der Beine bei Ausschluss von Frakturen die Kreislaufsituation positiv beeinflussen.
Schädel-Hirn-Trauma (s. a. Kap. B 11.6, S.1259) Wichtigste Maßnahmen sind die Sicherung der Zirkulation und Respiration. Beim bewusstlosen Patienten ist die endotracheale Intubation indiziert. Der Befund kann mithilfe der Glasgow-Coma-Scale erfasst werden (s. Tab. B-11.2). Zur Hirnödemprophylaxe wird der Oberkörper ca. 30 ° angehoben.
왘 Merke
Schädel-Hirn-Trauma (s. a. Kap. B 11.6, S. 1259) Wichtigste Maßnahmen beim Schädel-Hirn-Trauma sind die Sicherung der Zirkulation und Respiration. Gerade beim bewusstlosen Patienten ist die endotracheale Intubation indiziert. Die zuvor durchgeführte Diagnostik umfasst: Pupillenform und -reaktion, Motorik, Schmerzreaktion, Atemmechanik, Liquorfluss. Der Befund kann mithilfe der Glasgow-Coma-Scale auch nummerisch erfasst werden (s. Tab. B-11.2). Zur Prophylaxe eines Hirnödems wird der Oberkörper ca. 30 ° angehoben. 왘 Merke. Bei jedem Schädel-Hirn-Trauma muss eine begleitende Halswirbel-
säulenverletzung ausgeschlossen werden. Wirbelsäulenverletzungen (s. a. Kap. B 11.7, S. 1278)
Wirbelsäulenverletzungen (s. a. Kap. B 11.7, S. 1278)
Diagnostik: Hinweise auf eine Wirbelsäulenverletzung können sein: Diastase zwischen den Dornfortsätzen, Versetzungen der Dornfortsatzreihe, spontane Bewegungs-, Druck- und Klopfschmerzen. Eine grob orientierend durchgeführte neurologische Untersuchung muss die Intaktheit motorischer und sensibler Funktionen dokumentieren.
Diagnostik: Diagnostische Hinweise auf eine Wirbelsäulenverletzung an der Unfallstelle ergeben Diastase zwischen den Dornfortsätzen, Versetzungen der Dornfortsatzreihe sowie spontane Bewegungs-, Druck- und Klopfschmerzen im Wirbelsäulenbereich. Diagnostisch hat darüber hinaus eine grob orientierende neurologische Untersuchung zu erfolgen, die sich im Wesentlichen darauf beschränkt, die Intaktheit motorischer Funktionen zu dokumentieren, z. B. Heben und Senken der Füße, Strecken und Beugen im Ellbogengelenk, Spreizen der Finger sowie das Geben der Hand. Daneben verläuft eine vergleichende Untersuchung der Sensibilität zur Gegenseite von kranial nach kaudal.
Therapie: Eine Bergung hat mit mehreren Helfern zu erfolgen. Der Patient wird mithilfe des Schaufelgriffes gelagert, sodass es zu keiner Bewegung im Wirbelsäulenbereich kommt. Die HWS wird mit einer steifen Krawatte ruhiggestellt.
Therapie: Die sachgemäße Bergung und Lagerung des Patienten ist vordringlichste Aufgabe an der Unfallstelle. Die Bergung hat mit mehreren Helfern zu erfolgen, der Patient wird mithilfe des Schaufelgriffes gelagert, sodass es zu keiner Bewegung im Wirbelsäulenbereich kommt. Das Umlagern kann auch mit der Schaufeltrage, der Transport am besten mit einer Vakuummatratze durchgeführt werden. Die HWS wird mit einer steifen Krawatte ruhiggestellt.
Thoraxverletzungen (s. a. Kap. B 4.5, S 986) Wichtig ist die Diagnose folgender Verletzungen: ■ Pneumothorax, ■ Spannungspneumothorax, ■ instabiler Thorax.
Thoraxverletzungen (s. a. Kap. B 4.5, S 986) Für den Notarzt ist an der Unfallstelle die Diagnose folgender Verletzungen wichtig: ■ Pneumothorax, ■ Spannungspneumothorax, ■ instabiler Thorax.
Abdominelle Verletzungen (s. a. Kap. B 1.14, S. 586)
Abdominelle Verletzungen (s. a. Kap. B 1.14, S. 586)
Verletzungsmechanismus und Prellmarken können Hinweise geben, ebenfalls Frakturen der unteren Rippen.
Der Verletzungsmechanismus und Prellmarken können Hinweise auf eine intraabdominelle Verletzung geben. Frakturen der unteren Rippen können ebenfalls ein indirektes Zeichen für eine intraabdominelle Verletzung sein.
Klinik: Abdomineller Druckschmerz, Abwehrspannung, Tachykardie, Hypotonie.
Klinik: Abdomineller Druckschmerz, Abwehrspannung, Tachykardie und Hypotonie lenken den Verdacht auf abdominelle Verletzungen.
Therapie: Analgesie, Volumensubstitution, umgehende Blutstillung in der Klinik.
Therapie: Analgesie und ausreichende Volumensubstitution. Da die einzig wirksame Blutstillung nur operativ erfolgen kann, ist ein sehr zügiger Transport in die Klinik zu veranlassen.
Extremitätenverletzungen
Extremitätenverletzungen
Eine Mehrfachfrakturierung kann zu einer erheblichen Gefährdung durch Blutverlust führen (Tab. B-2.19).
Die häufigste Verletzung beim Polytraumatisierten betrifft die Extremitäten. Die Summation mehrerer Frakturen kann wegen des starken Blutverlustes zu einer
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
B-2.19
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Blutverlust bei geschlossenen Frakturen
Unterarm Humerus Becken Femur Tibia
B-2.19
50 – 400 ml 100 – 800 ml 500 – 5000 ml 300 – 2000 ml 100 – 1000 ml
erheblichen Gefährdung des Patienten führen (Tab. B-2.19). Deshalb sind bereits an der Unfallstelle durch den Notarzt wichtige Maßnahmen (s. u.) durchzuführen. Klinik: Schmerzhafte Bewegungsbehinderung, Fehlstellung und Krepitation weisen auf eine Fraktur hin. 왘 Merke. Dem Notarzt obliegt die Diagnostik der Ausdehnung des Weichteilschadens, da der an der Unfallstelle anzulegende sterile Verband bei den offenen Brüchen bis zum Operationssaal nicht mehr gewechselt wird. Darüber hinaus obliegt dem Notarzt die Prüfung der Durchblutung, Motorik und Sensibilität.
Therapie: Beim Polytraumatisierten ist die Bekämpfung von 3 schockwirksamen Mechanismen an der Unfallstelle vorrangig: ■ Bekämpfung der Schmerzen mit starken/hochpotenten Analgetika. ■ Die Verminderung des Weichteilschadens. Dies erfolgt durch die Reposition an der Unfallstelle, wobei lediglich ausgeprägte Fehlstellungen ausgeglichen werden. Dadurch kommt es zu einer wirksamen Entlastung der noch intakten Weichteile. 왘 Merke. Die Reposition hat auch bei offenen Brüchen zu erfolgen, da die
Klinik: Schmerzhafte Bewegungseinschränkung, Fehlstellung und Krepitation. 왗 Merke
Therapie: An der Unfallstelle vorrangig sind: ■ Bekämpfung der Schmerzen mit hochpotenten Analgetika. ■ Verminderung des Weichteilschadens, z. B. durch Reposition ausgeprägter Fehlstellungen.
왗 Merke
Entlastung der Weichteile höher zu bewerten ist als die mögliche Gefahr einer Verschleppung von Keimen in die Tiefe. Dies insbesondere deshalb, weil jede offene Wunde in der Klinik notfallmäßig versorgt wird. ■
Die Retention der Fraktur mit einer Luftkammerschiene bedeutet Verminderung der Schmerzen und der Schwellung. Zur Verhinderung eines möglichen Kompartmentsyndroms ist hierbei jedoch auf einen möglichst niedrigen Füllungsdruck der Schiene zu achten.
■
Retention der Fraktur mit einer Luftkammerschiene (Reduktion von Schmerzen und Schwellung).
Luxation und Luxationsfrakturen
Luxation und Luxationsfrakturen
Die häufigste Luxationsfraktur ist die des oberen Sprunggelenkes. Hier ist eine sofortige Reposition unter Längszug an der Unfallstelle indiziert. Bei den Luxationen und Luxationsfrakturen der großen Gelenke, z. B. Hüftgelenk und Schultergelenk, ist bei sicherer Diagnostik der einmalige Repositionsversuch erlaubt. Ansonsten sollte die Extremität besser in der Fehlstellung, z. B. durch eine Vakuummatratze, fixiert und erst in der Klinik reponiert werden.
Bei der Luxationsfraktur des oberen Sprunggelenkes ist eine sofortige Reposition indiziert. An den großen Gelenken (z. B. Hüft- oder Schultergelenk) ist ein einmaliger Repositionsversuch erlaubt.
Beckenverletzungen
Beckenverletzungen
Häufig weist schon der Verletzungsmechanismus auf eine mögliche Beckenverletzung hin.
Der Verletzungsmechanismus kann Hinweise geben.
왘 Merke. Die Besonderheit der Beckenverletzungen besteht vor allen Dingen
왗 Merke
in dem begleitenden erheblichen Blutverlust. Dieser kann innerhalb von kurzer Zeit mehrere Liter betragen (Tab. B-2.19). Klinik: Hämatome, Druckschmerz, z. B. über der Symphyse, Außen- bzw. Innenrotationsschmerz bei Zug oder Druck an den Beckenschaufeln geben Hinweise auf eine Beckenverletzung. Zur Verifizierung neurologischer Ausfälle wird die Dorsalextension und Plantarflexion der Füße geprüft sowie ein grober Sensibilitätsstatus erhoben.
Klinik: Hämatome, Druckschmerz, z. B. über der Symphyse, Außen- bzw. Innenrotationsschmerz bei Zug oder Druck an den Beckenschaufeln.
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B 2 Traumatologie
Therapie: Analgesie und Lagerung auf Vakuumschiene.
Therapie: Analgesie und Lagerung auf einer Vakuumschiene sind wichtige präklinische Maßnahmen.
Diagnostik in der Klinik
Diagnostik in der Klinik
Ziel der Diagnostik ist die sichere, simultane und schnelle Erkennung der relevanten Verletzungen. Die Untersuchung hat nach einem entsprechenden Schema und einer Systematik zu erfolgen (Tab. B-2.20).
Ziel der Diagnostik ist die sichere, simultane und schnelle Erkennung der relevanten Verletzungen. Vorbereitete Organisationsabläufe (Algorithmen) sowie ein vorbereitetes Team aus Ärzten und Schwestern schaffen die Voraussetzungen für einen organisatorisch reibungslosen und schnellen Ablauf. Entscheidend ist das simultane Vorgehen, wobei auch diagnostische und therapeutische Maßnahmen zuweilen parallel ablaufen können, z. B. beim Pneumothorax. Die Untersuchung hat nach einem entsprechenden Schema und einer Systematik zu erfolgen (Tab. B-2.20). ■ Überprüfung der vitalen Funktionen (Atmung, Kreislauf, Bewusstseinslage mit Glasgow-Coma-Scale). Aufgrund der kurzen Rettungszeiten geben Blutdruck und Puls in der Anfangsphase häufig nicht das Verletzungsausmaß wieder. ■ Untersuchung auf Gehirnbeteiligung: Pupillenweite, Pupillenreaktion, Reflexe, Röntgen Schädel, CT. ■ Thorax: Auskultation, Röntgen Thorax, Palpation Rippenfrakturen. ■ Abdomen: Druckschmerz, Abwehrspannung, Gurtmarken, Prellmarken, Ultraschall, CT, evtl. Peritoneallavage. ■ Becken: Palpation, Kompression, Distraktion, Inspektion Blutaustritt, z. B. Harnröhre. ■ Wirbelsäule: Druckschmerz, Diastase zwischen den Dornfortsätzen, Röntgen LWS, bei instabilen Frakturen CT oder Kernspintomographie. ■ Extremitäten: immer Durchblutung, Motorik und Sensibilität prüfen, Weichteilbefund.
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Überprüfung der Vitalfunktionen. Gehirnbeteiligung: Pupillenweite, Pupillenreaktion etc. Thorax: Auskultation, Röntgen Thorax. Abdomen: Druckschmerz, Abwehrspannung etc. Becken: Inspektion, Palpation. Wirbelsäule: Druckschmerz, Röntgen. Extremitäten: Durchblutung, Motorik, Sensibilität.
Zur Überwachung werden kontrolliert: Blutdruck, Pulsfrequenz, ZVD, Atemfrequenz und Urin (Stundenmenge), ggf. Swan-Ganz-Katheter.
B-2.20
Zur Überwachung des Patienten werden folgende Kreislaufgrößen kontrolliert: Blutdruck, Pulsfrequenz, ZVD, daneben Atemfrequenz und Urin (Stundenmenge). Zusätzlich kann die Indikation für einen Swan-Ganz-Katheter (Pulmonaliskatheter) gegeben sein. Damit lässt sich das Herzzeitvolumen durch Thermodilution, der linksventrikuläre Füllungsdruck, die gemischt-venöse
B-2.20
Basisdiagnostik und fakultative Zusatzdiagnostik beim Primärcheck eines polytraumatisierten Patienten nach ATLS (Advanced Trauma Life Support)
Kriterium
Basisdiagnostik
A (Airway)
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B (Breathing)
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C (Circulation)
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D (Disability)
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E (Exposure and Environment)
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Inspektion Auskultation Pulsoxymeter Inspektion Auskultation Pulsoxymeter Inspektion Blutdruck Puls Pulsoxymeter Bewusstsein Glasgow Coma Scale (GCS) Pupillenstatus Motorik Sensibilität der Extremitäten
Zusatzdiagnostik (fakultativ) ■ ■
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Laryngoskopie Bronchoskopie Röntgen Thorax (nativ) CT Thorax zentrale Sauerstoffsättigung Sonographie Abdomen/ Thorax CT Abdomen/Thorax CT Schädel Röntgen Wirbelsäule CT Wirbelsäule MRT Wirbelsäule
Inspektion Temperatur Anamnese der Unfallumstände und der Begleitumstände
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
Sauerstoffsättigung, der pulmonale und systemische Gefäßwiderstand und der intrapulmonale Shunt messen bzw. berechnen. Folgende Laborparameter sollten immer untersucht werden: Blutzucker, arterielle Blutgasanalyse, Blutbild, Elektrolyte, Transaminasen, Gerinnung, evtl. Elastase und Laktat.
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Folgende Laborparameter sollten immer untersucht werden: Blutgasanalyse, Blutbild, Blutzucker, Elektrolyte, Transaminasen, Gerinnung.
Therapie in der Klinik
Therapie in der Klinik
Zum besseren Management kann die Behandlung Schwer- und Mehrfachverletzter in verschiedene Zeitperioden unterteilt werden.
Sie kann in verschiedene Zeitperioden unterteilt werden. Akut- oder Reanimationsphase (erste 3 Stunden)
Akut- oder Reanimationsphase (erste 3 Stunden) Diese Phase ist charakterisiert durch die Wiederherstellung der Respiration und Hämodynamik. Die Akutchirurgie umfasst die lebenserhaltenden Sofortoperationen bei schweren äußeren Blutungen (offene Beckenfrakturen) und bei akuten inneren Massenblutungen, vor allem Leber- und Milzrupturen. Daneben gehören die Druckentlastung bei Spannungspneumothorax und Hämatothorax sowie bei intrazerebraler Blutung ebenfalls in diese Phase. Wichtig ist neben der Sicherstellung der adäquaten Oxygenierung der angemessene Volumenersatz, der über großlumige Kanülen oder selten auch über Katheter (Venae sectio der V. saphena) zu erfolgen hat. Bei der Verwendung kolloidaler Lösungen (Dextrane HAES, Gelatine) sind Maximalmengen zu beachten. Zur Bluttransfusion werden Erythrozytenkonzentrate verwendet.
Das wichtigste Ziel ist die Wiederherstellung der Respiration und Hämodynamik. Die Akutchirurgie umfasst lebenserhaltende Sofortoperationen (z. B. offene Beckenfraktur, innere Massenblutung, Druckentlastung bei Spannungspneumothorax, Hämatothorax sowie intrazerebrale Blutung). Wichtig sind in dieser Phase eine adäquate Oxygenierung und ein adäquater Volumenersatz.
Primärphase (4. – 72. Stunde)
Primärphase (4. – 72. Stunde)
Diese Phase dient der Stabilisierung des Gesamtorganismus. Das Ziel besteht darin, durch entsprechende Maßnahmen Störungen der Hämodynamik, des Gasaustausches, des Metabolismus und der Homöostase zu beseitigen. Neben einer adäquaten Volumensubstitution und Beatmung werden metabolische Störungen, z. B. pH-Wert, korrigiert. Die Dauer dieser Phase hängt vom Gesamtzustand des Patienten ab. Wichtige Verlaufsparameter sind neben den Blutgaswerten die Urinstundenmenge, Thrombozytenwerte, Elastase und Laktat.
Stabilisierung des Gesamtorganismus. Ziel in dieser Phase ist die Beseitigung von Störungen der Hämodynamik, des Gasaustausches, des Metabolismus und der Homöostase.
Operative Eingriffe in der Primärphase: Operativ versorgt werden in dieser Phase ■ Organverletzungen des Thorax, z. B. Zwerchfellruptur. ■ Hohlorganverletzungen des Bauches, z. B. Darm- und Pankreasverletzungen. ■ Rückenmarkskompression: Dies gilt insbesondere für die progrediente Rückenmarkskompression, die ebenso wie die manifeste Rückenmarkskompression eine Entlastung erfordert. ■ Stark blutende Wunden des Gesichtsschädels: Diese müssen, auch wenn sie noch nicht definitiv versorgt werden, adäquat tamponiert werden. ■ Offene Extremitäten- und Gelenkverletzungen: Diese erfordern neben einem ausgedehnten Débridement, welches spätestens nach 48 Stunden wiederholt werden muss, eine definitive oder temporäre Stabilisierung. Die temporäre Fixation kann in der vorübergehenen Anlage eines Fixateur externe bestehen, der später gegen ein definitives Implantat ausgetauscht wird. ■ Geschlossene Frakturen des Oberschenkels: Im Hinblick auf die spätere Lagerung von Schwerverletzten im Drehbett und Bauchlagerung ist eine Versorgung dieser Frakturen in der Primärphase indiziert. Verfahren der Wahl für die Oberschenkelfraktur stellen der unaufgebohrte Marknagel, die Plattenosteosynthese oder die vorübergehende Stabilisierung mittels Fixateur externe dar. ■ Kompartmentsyndrome: Diese müssen ebenfalls in der Primärphase entlastet werden, um irreparable Schäden zu vermeiden. In Zweifelsfällen kann zur diagnostischen Verifizierung die intrakompartmentale Druckmessung erfolgen. ■ Schwere Beckenverletzungen werden ebenfalls in der Primärphase versorgt – Fixateur, Beckenzwinge und ggf. Tamponade führen zu einer Reduktion der Blutung.
Operative Eingriffe in der Primärphase ■ Organverletzungen des Thorax. ■ ■
■
■
■
Hohlorganverletzungen des Bauches. Rückenmarkskompressionen.
Stark blutende Wunden des Gesichtsschädels. Offene Extremitäten- und Gelenkverletzungen.
Geschlossene Frakturen des Oberschenkels.
■
Kompartmentsyndrome.
■
Schwere Beckenverletzungen.
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904
B 2 Traumatologie
Intensivtherapie
Intensivtherapie
Intensivtherapie: Diese Phase bedarf einer differenzierten Steuerung und Kontrolle der Hämodynamik und Beatmung.
Intensivtherapie: Die sich an diese Phase anschließende Intensivtherapie ist gekennzeichnet durch eine differenzierte Steuerung und Kontrolle der Hämodynamik und Beatmung. Unterstützend zur Prävention respiratorischer Störungen wird eine Lagerung im Drehbett oder eine wechselnde Bauchlagerung durchgeführt. Dadurch können die bei Rückenlage dorsal gelegenen, schlecht ventilierten, von Ödemen und Atelektase bedrohten Lungenareale besser ventiliert und durchblutet werden. Die Folge ist eine Minderung des intrapulmonalen Shuntvolumens. Eine weitere Maßnahme in dieser Phase stellt die frühzeitige Umstellung von parenteraler auf enterale Ernährung dar. Die frühzeitige enterale Ernährung mit 20 – 30 ml/Stunde hat, neben der Kalorienzufuhr den Vorteil einer Ulkusprophylaxe und der Verhinderung einer Atrophie der Mukosazotten. Dadurch und durch die Verhinderung einer Darmparalyse wird die Adhärenz und Translokation von Bakterien und Toxinen verhindert, die für die sekundär auftretenden Schockfolgeerkrankungen mit verantwortlich gemacht werden.
Zu dieser Phase ist eine frühzeitige Umstellung von parenteraler auf enterale Ernährung erforderlich. Vorteile sind: Ulkusprophylaxe, Verhinderung der Atrophie der Mukosazotten.
Sekundärphase 3. bis 10. Tag
Sekundärphase 3. bis 10. Tag
In dieser Phase kommt es gewöhnlich zu einer langsamen Erholung des Patienten mit Normalisierung der hämodynamischen, respiratorischen und metabolischen Parameter.
In dieser Phase kommt es gewöhnlich zu einer langsamen Erholung des Patienten, erkenntlich an einer weiteren Normalisierung der hämodynamischen, respiratorischen und metabolischen Parameter. Durch die Wiederherstellung der normalen Zell- und Gefäßpermeabilität kommt es zur Flüssigkeitsresorption mit einem Anstieg der Urinausscheidung. Dies wird als sog. Negativbilanz bezeichnet: Bei wenig oder unveränderten hämodynamischen Werten kommt es zu einer gegenüber der Flüssigkeitseinfuhr vermehrten Flüssigkeitsausfuhr. Es kann in dieser Periode auch zu einer Entgleisung des Gesamtorganismus kommen, häufig begünstigt durch septische Komplikationen. Die zellulären Veränderungen, welche in jedem Organ ablaufen, führen schließlich zum Bild des sog. Multiorganversagens, welches die häufigste späte Todesursache des Polytraumatisierten darstellt. Hierbei kommt es neben einer Störung der respiratorischen Funktion insbesondere auch zu einem Leberversagen mit Erhöhung der Transaminasen und des Bilirubins sowie einer zunehmenden Niereninsuffizienz. Neben septischen Komplikationen können aber auch operative Eingriffe, die zu einem ungünstigen Zeitpunkt durchgeführt werden und den Gesamtorganismus deshalb stärker belastet haben, zu einem Multiorganversagen beitragen.
In dieser Phase kann es jedoch auch zur Entgleisung des Gesamtorganismus kommen, häufig begünstigt durch septische Komplikationen. Das Multiorganversagen ist die häufigste späte Todesursache des Polytraumatisierten. Neben einer Sepsis kann auch ein operativer Eingriff zu einem ungünstigen Zeitpunkt zu einem Multiorganversagen beitragen.
Operative Eingriffe in der Sekundärphase: Erholt sich der Patient in der Sekundärphase gut, können definitive Versorgung von Frakturen und aufwendige Gelenkrekonstruktionen erfolgen.
왘 Merke
Operative Eingriffe in der Sekundärphase: Sofern sich der Patient in der Sekundärphase weiter erholt hat, sind folgende operative Maßnahmen durchzuführen ■ Frühe Verfahrenswechsel, d. h. vom Fixateur externe, z. B. am Oberschenkel, auf eine Marknagelung. ■ Versorgung der Unterarmschaftfrakturen, periphere Osteosynthesen an der Hand und am Fuß, wobei Verrenkungen und Verrenkungsbrüche in der Primärphase versorgt werden müssen. ■ In der Primärphase mit Fixateur versorgte instabile Beckenbrüche können jetzt definitiv versorgt werden. ■ Aufwendige Gelenkrekonstruktionen. ■ Definitive Versorgung der Frakturen des Gesichtsschädels. ■ Des Weiteren können in dieser Phase primär nicht verschlossene offene Frakturen plastisch gedeckt werden. 왘 Merke. Wichtig ist, dass in der Phase zwischen Unfall und definitiver De-
ckung durch Débridement und geplante Redébridements nach 24 – 48 Stunden, evtl. nach 72 Stunden, nekrotisches und kontaminiertes Gewebe beseitigt wird, da ansonsten Abwehrfunktionen des Gesamtorganismus übermäßig belastet werden. Die gleiche Aufgabe hat das Wechseln von Tamponaden, z. B. bei schweren Leber- und Beckenverletzungen.
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B 2.2 Spezielle Traumatologie
905
Durch ein äußerst sorgsames aber aktives chirurgisches Vorgehen muss eine Entgleisung des Gesamtorganismus durch septische Komplikationen vermieden werden. Tertiärphase ab dem 10. Tag
Tertiärphase ab dem 10. Tag
Sie wird auch Rehabilitationsphase genannt. Nach Beendigung der intensivmedizinischen Maßnahmen setzt neben der physiotherapeutischen und ergotherapeutischen Rehabilitation auch die soziale und berufliche Rehabilitation des Patienten ein. Die frühzeitige Verlegung des Patienten in spezielle Rehabilitationseinrichtungen, z. B. für Rückenmarksverletzungen oder schwere Hirnschädigungen, erfolgt spätestens in dieser Phase. Die Behandlung des Polytraumatisierten verläuft zwar in einer zeitlichen Reihenfolge von der Primärbehandlung an der Unfallstelle über die Primärbehandlung in der Klinik, sie ist jedoch ein dynamischer Prozess, der abhängig ist von der hämodynamischen, respiratorischen und metabolischen Gesamtsituation des Patienten.
Sie wird auch Rehabilitationsphase genannt. Nach den intensivmedizinischen Maßnahmen setzt nun die physiotherapeutische, soziale und berufliche Rehabilitation des Patienten ein.
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906 3
Verbrennungen
B 3 Verbrennungen
3
Verbrennungen Marcus Spies, Peter M. Vogt
왘 Definition
왘 Definition. Thermische Schädigung von Gewebe durch direkte Hitzeeinwir-
kung über mehr als 45 °C Gewebetemperatur. Jährlich müssen in Deutschland etwa 1500 Patienten aufgrund der Ausdehnung, Lokalisation und Intensität der Verbrennung in spezialisierten Verbrennungszentren behandelt werden (Abb. B-3.1).
B-3.1
Jährlich werden in Deutschland etwa 16 000 Verletzte zur Behandlung von Verbrennungen oder Verbrühungen stationär aufgenommen. Beim Großteil der Verletzungen handelt es sich um kleine Verbrennungen, die ambulant chirurgisch oder hausärztlich versorgt werden können. Etwa 1500 Patienten müssen aufgrund der Ausdehnung, Lokalisation, und Intensität der Verbrennung in spezialisierten Verbrennungszentren behandelt werden (Abb. B-3.1). Die Hautschädigungen durch direkte thermische Schädigung bei Verbrennungen (wie z. B. durch Flammen) oder Verbrühungen (z. B. durch heißes Wasser) weisen zum Teil ähnliche Veränderungen wie bei Starkstromverletzungen oder Verätzungen auf und werden in vergleichbarer Weise versorgt.
B-3.1
Kliniken mit Intensivbetten für Schwerbrandverletzte in Deutschland
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B 3.1 Verbrennungstiefe und Oberflächenbestimmung
907
3.1
Verbrennungstiefe und Oberflächenbestimmung
3.1
3.1.1
Bestimmung der Verbrennungstiefe
3.1.1 Bestimmung der Verbrennungstiefe
Verbrennungstiefe und Oberflächenbestimmung
Die Verbrennungstiefe lässt sich primär in 3 Schweregrade einteilen: Tab. B-3.1 und Abb. B-3.2. Die Einteilung ergibt sich aus dem visuellen Aspekt der Hautschädigung sowie der Sensibilität bzw. Schmerzempfindlichkeit der Hautläsion. Aufgrund des spontanen Heilungsverhaltens der Wunden lassen sich die Verbrennungen 2. Grades in oberflächliche (Grad 2A – im englischen Sprachraum „superficial partial thickness“) und tiefe Schädigung (Grad 2B – „deep partial thickness“) unterscheiden.
Die Verbrennungstiefe wird in 3 Schweregrade eingeteilt: Tab. B-3.1 und Abb. B-3.2.
Verbrennungen 1. Grades
Verbrennungen 1. Grades
Das typische Beispiel ist der Sonnenbrand durch lange UV-Strahlenexposition. Erstgradige Verbrennungen zeichnen sich durch Rötung, geringe Ödemneigung und Schmerzen aus (Abb. B-3.3).
Beispiel: Sonnenbrand. Klinische Kennzeichen sind neben Schmerzhaftigkeit eine lokales Erythem und Ödem (Abb. B-3.3).
Verbrennungen 2. Grades
Verbrennungen 2. Grades
Neben der Rötung und Ödembildung finden sich eine Blasenbildung mit Exsudatbildung zwischen Epidermis und Dermis. Dadurch kommt es zur Exposition der Dermis und damit zur Irritation von sensiblen freien Hautnervenendigungen. ■ Oberflächliche zweitgradige Verbrennungen (2A): Es bestehen ausgeprägte Wundschmerzen und eine gesteigerte Sensibilität für Berührung. Nadelstiche werden als schmerzhaft empfunden und hinterlassen eine deutliche Blutung (so genannter Nadelstichtest, Abb. B-3.4). Die Hautanhangsgebilde sind intakt, die Kapillardurchblutung, Elastizität und Turgor der Haut sind erhalten (Abb. B-3.5). ■ Tiefe zweitgradige Verbrennungen (2B): Hier liegt eine partielle Schädigung der Dermis und damit der Hautanhangsgebilde und freien Nervenendigungen vor. Daraus resultiert vor allem eine reduzierte Hautelastizität, eine gestörte kapilläre Durchblutung sowie eine reduzierte, aber noch deutlich vorhandene Sensibilität und Schmerzempfindlichkeit in den betroffenen Arealen. Der Nadelstichtest produziert keine deutliche Schmerzhaftigkeit und Blutung.
Die zweitgradige Verbrennung zeigt außer Erythem und Ödem eine Blasenbildung. Man unterteilt eine oberflächliche (2A) und eine tiefe (2B) Verbrennung 2. Grades. Beide Verbrennungstiefen (2A und 2B) lassen sich meist durch die klinische Untersuchung mit der Nadelstichtest differenzieren (Tab. B-3.1, Abb. B-3.4).
B-3.1
Wird mittels Nadelstichtest keine deutliche Blutung und Schmerzhaftigkeit provoziert, liegt eine meist dermale Verbrennung vor (Grad 2B).
Verbrennungsgrade – Übersicht
Verbrennungsgrad
Grad 1
Grad 2 2A – oberflächlich
Aspekt
Erythem
Grad 3 2B – tief
Erythem
Haut gelb-weißlich bis schwarz, hart
Blasenbildung, feucht
Blasenbildung, feucht
Haut trocken
Sensibilität
Schmerzen
Schmerzen
Schmerzen
keine Schmerzen
Nadelstichtest Hautanhangsgebilde
Blutung fest verankert
Blutung fest verankert
variabel variabel
keine Blutung lösen sich ab
Heilung unter aseptischen Bedingungen
spontan
spontan
verzögert (länger als 2 – 3 Wochen)
verzögert, Ulzerationen
Behandlung
konservativ: Hautpflege
konservativ: aseptische Verbände
operativ: Nekrektomie und Hauttransplantation
operativ: Nekrektomie und Hauttransplantation
Narbenbildung
nein
nein, ggf. Pigmentierungsstörung
ja
ja
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908 B-3.2
B-3.3
B 3 Verbrennungen
Differenzierung der Verbrennungstiefe
B-3.3
Verbrennung 1. Grades Verbrennung 1. Grades am Beispiel eines akuten Sonnenbrands („Dermatitis solaris“). 24 h nach Sonnenexposition bei der Gartenarbeit.
왘 Merke
왘 Merke. Die Farbe der Wunde ist kein sicheres Kriterium zur Beurteilung der Verbrennungstiefe. Die Farbe wird u. a. durch die Art der Schädigung bestimmt (Verbrühung rot-gelblich, Flammen schwarz, Verätzung weißlich etc.).
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B 3.1 Verbrennungstiefe und Oberflächenbestimmung
909
B-3.4
Nadelstichtest zur Differenzierung der Verbrennungstiefe
B-3.4
B-3.5
Verbrennung 2. Grades
B-3.5
a Großflächige zweitgradige Verbrennung im Bereich des Rumpfes. b Prall gefüllte Blasen und umgebende Rötung (Verbrennung 1. Grades in der Umgebung).
a
b
Oberflächliche zweitgradige Verbrennungen heilen in der Regel innerhalb von 14 Tagen spontan ab. Dabei erfolgt die Regeneration der Epidermis aus den erhaltenen Hautanhangsgebilden. Im Gegensatz dazu heilen zweitgradig tiefe Verbrennungen spontan nur verzögert und mit ausgeprägter hypertropher Narbenbildung ab.
Im Gegensatz zur 2a-Verbrennung heilen 2b-Verbrennungen spontan nur verzögert und mit hypertropher Narbenbildung ab.
Verbrennungen 3. Grades
Verbrennungen 3. Grades
Die Haut (Epidermis und Dermis) ist in allen Schichten geschädigt bzw. zerstört. Das Schmerzempfinden im Bereich der Wunde ist aufgehoben. Der Nadelstichtest provoziert weder Schmerzen noch eine lokale Blutung. Die Haut ist denaturiert und gelbweißlich bis schwarz verfärbt (je nach Ursache). Die subkutanen Gefäße sind thrombosiert und teilweise sichtbar. Haare und Nägel sind ohne Widerstand ablösbar (Abb. B-3.6). Bei Beteiligung tieferer Strukturen wie Faszie, Muskulatur oder Knochen wurde hauptsächlich im deutschen Sprachraum der Begriff der Verbrennung 4. Grades benutzt. Aufgrund fehlender klinischer und therapeutischer Bedeutung wurde dieser Begriff allerdings weitgehend aufgegeben.
Die Haut ist in allen Schichten zerstört, das Schmerzempfinden ist aufgehoben, die Hautgefäße weisen eine Stase bzw. Thrombose auf.
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910
B 3 Verbrennungen
B-3.6
B-3.6
Verbrennungen 3. Grades a Im Bereich des Gesichts. b Im Bereich des Handrückens. Hier sind die wächserne Konsistenz der Haut und die thrombosierten Venen gut sichtbar.
a
b
3.1.2 Oberflächenbestimmung
3.1.2 Oberflächenbestimmung
Zur Abschätzung der Oberflächenausdehnung der Verbrennungswunde gibt es mehrere Methoden.
Neben der Verbrennungstiefe spielt vor allem die Oberflächenausdehnung der Verbrennung eine entscheidende Rolle für die Prognose des verbrannten Patienten. Zu Einschätzung der betroffenen Körperoberfläche werden meist die folgenden Methoden verwendet: ■ Neuner-Regel nach Wallace. ■ Handflächenregel. ■ Lund-Browder-Tabelle.
Neuner-Regel nach Wallace
Neuner-Regel nach Wallace
Die Abschätzung der Verbrennungsausdehnung in prozentualen Anteilen der Körperoberfläche (KOF) erfolgt mit der Neunerregel nach Wallace (Abb. B-3.7).
Für eine grobe Abschätzung der Ausdehnung wird meist die so genannte Neuner-Regel nach Wallace verwendet. Dazu wird die gesamte Körperoberfläche des Erwachsenen (1,8 – 1,9 m2) abschnittsweise in Vielfache von 9 %-Arealen eingeteilt (Abb. B-3.7).
Handflächenregel
Handflächenregel
Eine weitere Faustregel zur Abgrenzung ist die Handflächenregel: Die Handfläche des Verletzten entspricht etwa 1 % der KOF (Abb. B-3.8).
Eine weitere Differenzierung der Einschätzung kann mit der Handflächenregel erfolgen. Die komplette Handfläche des betroffenen Patienten macht in der Regel etwa 1 % der Gesamtkörperoberfläche aus. Im Vergleich mit der Handfläche lässt sich die Ausdehnung der Wunden näher eingrenzen (Abb. B-3.8).
Lund-Browder-Tabelle
Lund-Browder-Tabelle
Für eine exakte Bestimmung der brandgeschädigten Körperoberfläche dienen Erhebungsbögen (z. B. der Berufsgenossenschaften) (Abb. B-3.9).
Als Hilfsmittel zur exakteren Einschätzung dienen spezielle Tabellen in Verbindung mit Diagrammen (so genannte „Lund-Browder-Chart“ nach Lund CC und Browder NC, 1944). Die von Berufsgenossenschaften erstellten Dokumentationsbögen für Verbrennungsunfälle basieren auf dieser Tabelle. Dabei wird abhängig vom Lebensalter die unterschiedliche Verteilung der Körperareale wie zum Beispiel die relativ größere Oberfläche des Kopfes im Kindesalter berücksichtigt (Abb. B-3.9).
3.1.3 Schweregrade von
Brandverletzungen Schweregrade von Verbrennungen werden in Abhängigkeit von Ausmaß, Tiefe, Lokalisation, Ursache und Begleitverletzungen eingestuft (Tab. B-3.2).
3.1.3 Schweregrade von Brandverletzungen Neben der Bestimmung der Größe der Verbrennung und der Verbrennungstiefe spielen für die Einstufung der Schwere und damit der Prognose einer Verbrennungsverletzung weitere Kriterien wie die Lokalisation, die Ursache und Begleitverletzungen eine entscheidende Rolle. Im Allgemeinen werden nach den oben genannten Kriterien Verbrennungsverletzungen in folgende Schweregrade eingeteilt: Tab. B-3.2.
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B 3.1 Verbrennungstiefe und Oberflächenbestimmung
911
B-3.7 Aufteilung der Körperoberfläche nach der Neuner-Regel
B-3.8
Handflächenregel
B-3.8
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B 3 Verbrennungen
912 B-3.9
B-3.2
B-3.9
Lund-Browder-Tabelle zur exakten Bestimmung des Verbrennungsschadens
Schweregrade von Verbrennungen mittelschwere Verbrennungen („moderate burns“)
leichte Verbrennungen („minor burns“) Erwachsene
■
■
Kinder
■
■
Erwachsene und Kinder
■
Verbrennungen 1. Grades bis ca. 20 % KOF Verbrennungen 2. Grades bis 10 % KOF Verbrennungen 1. Grades bis ca. 10 % KOF Verbrennungen 2. Grades bis 5 % KOF Verbrennungen 3. Grades bis 2 % KOF
■
■
■
■
■
■
Verbrennungen 1. Grades von mehr als 20 % KOF Verbrennungen 2. Grades von 10 % bis 20 % KOF Verbrennungen 1. Grades von mehr als 10 % KOF Verbrennungen 2. Grades von 5 bis 10 % KOF Verbrennungen 3. Grades bis 10 % KOF Verbrennungen an Gesicht, Hals, Händen, Füßen, über großen Gelenken und/ oder im Genitalbereich
schwere Verbrennungen („severe burns“) ■
■
■
■
■
■
jede Verbrennung 2. Grades von mehr als 20 % KOF
jede Verbrennung 2. Grades von mehr als 10 % KOF
Verbrennungen 3. Grades von mehr als 10 % KOF Verdacht auf begleitende Inhalationsverletzung Verletzungen durch elektrischen Strom oder chemische Substanzen. zusätzliche Begleitverletzungen, wie Frakturen, Schädel-Hirn-Trauma, thorakales oder abdominelles Trauma
KOF = Körperoberfläche
3.2
Pathophysiologie
Hauptfunktionen der Haut: ■ Barriere mechanisch, thermisch, chemisch, immunologisch. ■ Tast-, Temperatur-, Schmerzempfinden. ■ Regulation des Wärme- und Wasserhaushalts.
3.2
Pathophysiologie
Die unverletzte, intakte Haut übernimmt folgende Funktionen: ■ Barriere gegen mechanische, thermische und chemische Schäden. ■ Immunologische Barriere. ■ Tast-, Temperatur- und Schmerzempfinden. ■ Regulation des Wärme- und Wasserhaushalts.
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B 3.2 Pathophysiologie
913
Nach einer Verbrennung kann es zu einer Störung dieser Funktionen kommen, wobei lokale und systemische Folgen unterschieden werden.
3.2.1 Lokale Folge der Verbrennung – die Verbrennungswunde Die unmittelbare und offensichtliche Folge einer Verbrennung ist die thermische Schädigung der Haut und ihrer Anhangsgebilde. Durch Hitzeeinwirkung kommt es lokal zur Proteindenaturierung und direkten Zellschädigung. Das Ausmaß und die Tiefe der Verbrennung sind abhängig von der Einwirkdauer und Eindringtiefe der thermischen Energie. Eine Störung der primären Funktionen der Haut (S. 912) ist die Folge. Kurze Zeit nach der initialen hitzebedingten Schädigung kommt es jedoch zusätzlich zur lokalen Bildung und Ausschüttung von toxischen Mediatoren, die zu einer typischen lokalen Entzündungsreaktion führen. Im Rahmen dieser Entzündungsreaktion werden zusätzlich lokal Oxidanzien und proteolytische Enzyme freigesetzt, die zur weiteren Schädigung auf zellulärer und Gewebeebene führen. Neben der Schädigung von epidermalen und dermalen Zellen führt dies zur Schädigung kapillarer endothelialer Zellelemente. Die dadurch induzierte kapillare Permeabilitätssteigerung führt zusammen mit der hitzeinduzierten Thrombose von Hautgefäßen zur Ischämie der verletzten Haut. Durch zusätzliche Freisetzung von Entzündungsmediatoren wie Zytokine und Chemokine kommt es zu einer Verstärkung der lokalen Reaktion mit Aktivierung von Entzündungszellen in der Verbrennungswunde. Die Aktivierung lokaler Immunzellen stellt eine Grundvoraussetzung des normalen Wundheilungsprozesses dar. Eine Perpetuierung oder ein überschießendes Entzündungsgeschehen – zum Beispiel im Zusammenhang mit einer sekundären Infektion der Verbrennungswunden – führt zu einer weiteren Schädigung des lokalen Gewebeverbunds und zur Störung der Wundheilungssequenz.
3.2.2 Systemische Folgen der Verbrennung – SIRS, Verbrennungskrankheit Während die lokalisierte und physiologisch kontrolliert ablaufende inflammatorische Antwort einen Überlebensvorteil für den individuellen Organismus darstellt, führt eine prolongierte und deregulierte Reaktion zur Störung der Homöostase des Gesamtorganismus und zu einer erhöhten Empfänglichkeit gegenüber weiteren schädigenden Faktoren wie Schock, Mikrozirkulationsstörungen oder Infektion. Bei entsprechend großer Ausdehnung der verbrannten Hautareale und Wundflächen von mehr als 20 bis 30 % der Körperoberfläche resultiert neben lokalen Effekten zusätzlich ein systemischer Effekt durch die Ausschüttung von Zytokinen, Chemokinen und vasoaktiven Substanzen, gefolgt von einer kaskadenartigen Aktivierung weiterer pathophysiologischer, pathobiochemischer und immunologischer Veränderungen. Diese Vorgänge werden unter dem Begriff „Systemic Inflammatory Response Syndrome (SIRS)“ subsumiert. 왘 Definition. Unter SIRS (Systemic Inflammatory Response Syndrome) versteht man eine traumabedingte, unspezifische Entzündungsreaktion, die zu typischen systemischen pathophysiologischen Reaktionen des Organismus führt. Eine SIRS liegt vor, wenn mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllt sind: ■ Körpertemperatur 4 38 °C oder 5 36 °C ■ Herzfrequenz 4 90/min ■ Atemfrequenz 4 20/min oder PaCO 2 5 32 mmHg ■ Leukozytenzahl 4 12 000/µl, 5 4000/µl oder 4 10 % unreife Vorstufen.
3.2.1 Lokale Folge der Verbrennung
– die Verbrennungswunde Nach der thermischen Schädigung entwickelt sich eine lokale Entzündungsreaktion. In der Folge kann es zu einer Ischämie der verletzten Haut kommen mit einer weiteren Verstärkung der Entzündungsreaktion. Diese dann „überschießende“ entzündliche Reaktion behindert die erforderlichen Wundheilungsprozesse.
3.2.2 Systemische Folgen der Verbrennung
– SIRS, Verbrennungskrankheit Durch die lokal initiierte Ausschüttung von Mediatoren resultiert ein systemischer Effekt mit pathophysiologischen, pathobiochemischen und immunologischen Veränderungen im Sinne eines „Systemic inflammatory response syndromes“, der sich im Sinne eines Circulus vitiosus selbst verstärken kann.
왗 Definition
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B 3 Verbrennungen
Auswirkungen auf die Herz-Kreislauffunktion: Durch ausgedehnte Flüssigkeitsverschiebungen und kardiodepressive Faktoren kommt es zu einem Schockgeschehen.
Auswirkungen auf die Herz-Kreislauffunktion: Eine der typischen Frühfolgen nach Verbrennung ist die kapillare Dysfunktion, die zu ausgedehnten Verschiebungen von Flüssigkeit sowohl in den interstitiellen als auch intrazellulären Raum führt. Zusammen mit der Ausschüttung kardiodepressiver Faktoren führt dies zur Manifestation des initialen Verbrennungschocks und der prolongierten Kreislaufdepression. Trotz der gleichzeitigen massiven stressbedingten Ausschüttung von Katecholaminen und Glukokortikoiden resultieren die charakteristischen Kreislaufsymptome wie Tachykardie und Hypotension. Nur durch angepasste hochdosierte Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution ist es möglich, eine Kreislaufstabilisierung zu erreichen und damit die fatalen Folgen des sonst resultierenden Schocks mit prolongierter Hypotension zu vermeiden (z. B. Organdysfunktion, meist der Niere oder Lunge).
Auswirkungen auf das Immunsystem: Eine temporäre hämatopoetische Unterfunktion sowie eine zytokinmediierte Störung der Immunzellfunktion führen zu einer Immuninsuffizienz mit erhöhter Infektions-/Sepsisgefährdung.
Auswirkungen auf das Immunsystem: Eine weitere Erscheinung im Rahmen der SIRS nach ausgedehntem Verbrennungstrauma ist die Ausbildung einer spezifischen und unspezifischen Immuninsuffizienz. Diese resultiert einerseits aus einer temporären hämatopoetischen Unterfunktion, andererseits aus einer zytokinmediierten Störung der Immunzellfunktion. Im weiteren Verlauf führt die deutlich reduzierte Abwehrlage zusammen mit der gestörten Barrierefunktion der Haut und Schleimhäute zu einer erhöhten Anfälligkeit nicht nur gegenüber lokalen Wundinfektionen, sondern auch gegenüber systemischen Infektionen. Das Vorliegen einer Sepsis (d. h. SIRS-Kriterien [s.o.] und mikrobiologischer Nachweis einer systemischen Infektion ) schließlich ist verantwortlich für das häufige Auftreten eines Multiorgandysfunktionsyndroms (MODS) im Rahmen der Intensivtherapie, und letztendlich auch für die erhöhte Mortalität nach schwerem Verbrennungstrauma. Die ungeschützten Verbrennungswundflächen sind primär eine der möglichen Quellen für die Entwicklung einer Sepsis, allerdings deuten neuere klinische Daten darauf hin, dass die Bedeutung der klassischen „burn wound sepsis“ mit etwa 5 % gegenüber anderen Sepsisquellen in den Hintergrund tritt (pulmonale Infekte [ca. 80 %!], Gefäßkatheter, Endokarditis, enterale Translokation, Cholezystitis, multiple „subklinische“ Infekte).
Auswirkungen auf Atemwege und Lunge: Durch die Inhalation von Rauchgasen oder durch direkte thermische Einwirkungen kommt es zu einem sog. Inhalationstrauma. Die Exsudation von proteinhaltigen Sekreten kann zu Atelektasen führen, wodurch die Gefahr für pulmonale Infektionen steigt, sodass es letztlich zu einem Lungenversagen (ARDS) kommen kann.
Auswirkungen auf Atemwege und Lunge: Die Mortalität nach schwerem Verbrennungstrauma wird durch die Entwicklung einer Pneumonie, durch ein begleitend auftretendes pulmonales Inhalationstrauma oder die Kombination von beidem signifikant um 20 bis 60 % erhöht. Beim Inhalationstrauma kommt es durch Einwirkung von toxischen Rauchgasbestandteilen und/oder direkte thermische Einwirkung zur Schädigung des Atemwegsepithels und der Ausbildung einer entzündlichen Atemwegsobstruktion. Die überschießende Exsudation von proteinhaltigen Sekreten in das Lumen führt zur Ausbildung von Fibrinausgüssen und Verlegung der Luftwege. Daraus resultierende Atelektasenbildung und Sekretretention erhöhen das Risiko einer pulmonalen Infektion, die alleine oder zusammen mit einer mikrozirkulatorischen Störung im Rahmen der SIRS zur Ausbildung eines ARDS (Acute Respiratory Distress Syndrome) und damit letztendlich zum respiratorischen Versagen führen kann.
Auswirkungen auf Stoffwechsel und Energiebedarf: Der Grundumsatz steigt bis auf das Doppelte an und der Organismus versucht, seinen erhöhten Energiebedarf v. a. durch die Glukoneogenese aus Aminosäuren zu decken. Der Bedarf an Aminosäuren wird auch durch den Abbau von Muskulatur gedeckt, der aber wiederum zu einer weiteren Schwächung des Patienten und damit zu einer weiteren Störung seiner Immunkompetenz führt.
Auswirkungen auf Stoffwechsel und Energiebedarf: Neben den oben beschriebenen Effekten führt die Aktivierung der Mediatorenkaskade zu weiteren physiologischen Alterationen des Organismus. Nach der vorübergehenden und kurzfristigen sogenannten „Ebb-Phase“ kommt es zu einem dramatischen Anstieg der metabolischen Aktivität auf zellulärer Ebene sowie auf Ebene des Gesamtorganismus („Flut-Phase“). Während es bei Peritonitis oder Polytraumatisierung zu einer Erhöhung des Energiebedarfs um bis zu 25 bis 50 % kommt, findet sich nach Verbrennungen von mehr als 30 % der Körperoberfläche eine Steigerung des metabolischen Grundumsatzes bis auf das Zweifache (100 %). In Zusammenhang mit der Erhöhung des kalorischen Grundumsatzes kommt es zu Störungen des Kohlenhydrat-, Protein- und Lipidstoffwechsels. Die vermehrte Energiebereitstellung erfolgt hauptsächlich über die Glukoneogenese aus Aminosäuren. Dadurch
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B 3.3 Präklinische Versorgung
915
stehen aus dem systemischen Aminosäurepool nur in unzureichendem Maße Aminosäuren für die Synthese wichtiger funktioneller Proteine im Rahmen der „Akut-Phase Reaktion“, der Wundheilung und der Immunabwehr zur Verfügung. Durch Abbau von strukturellem Muskelprotein wird dieses Defizit teilweise ausgeglichen, dies führt aber andererseits zum Verlust an Muskelmasse und fettfreier Körpermasse. Durch den Verlust der aktiven Muskelmasse wird die Akutbehandlung und Rehabilitation des traumageschwächten Patienten beeinträchtigt. Allerdings reicht die Bereitstellung von Aminosäuren aus dem Muskelproteinabbau nicht aus, um den Bedarf für die Synthese von wichtigen Funktions- und Strukturproteinen zu decken. Die daraus resultierenden Störungen der Wundheilung und der Immunzellproliferation und -aktivierung verstärken im Sinne eines Circulus vitiosus die Empfänglichkeit des Organismus für Infektionen, Sepsis und Multiorganversagen.
3.3
Präklinische Versorgung
왘 Merke. Die Primärversorgung des Brandverletzten nach den Regeln der Notfallmedizin (ABC-Regel) am Unfallort hat Vorrang vor einem schnellen Transport in eine Klinik oder ein Verbrennungszentrum. Zu diesem Zeitpunkt werden entscheidende Weichen für den weiteren Krankheits- und Heilungsverlauf gestellt.
3.3.1 Sofortmaßnahmen im Rahmen der Ersten Hilfe Nach Rettung des Verletzten aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich sollte brennende oder glimmende Kleidung umgehend gelöscht und entfernt werden (z. B. durch Wasser, Wolldecken, Wälzen des Verletzten auf dem Boden, etc.). Eingebrannte oder festklebende Kleidung sollte belassen werden. Für die primäre Behandlung des Brandverletzten gilt das Notfall-ABC: Überwachung und Sicherstellung von Atmung, Bewusstseinslage und Kreislauf (Circulation). Eine weitere Sofortmaßnahme bis zum Eintreffen des Notarztes stellt die Kühlung der verbrannten Areale (bei kleinflächigen Verbrennungen, s. u.) mit Leitungswasser dar.
3.3.2 Primärversorgung durch den Arzt bzw. Notarzt Nach der Erstbeurteilung des Verletzten nach den Kriterien des Notfall-ABCs erfolgt die grobe Einschätzung des Verbrennungsausmaßes. Verbrennungen 1. Grades (typisches Beispiel: Sonnenbrand) bedürfen in der Regel nur einer symptomatischen Therapie mit kühlenden Externa wie Gels (z. B. Aloe Vera Gel, After Sun Lotion) und ggf. einer Schmerzmittelgabe (z. B. Paracetamol). Bei Verbrennungen 2. und 3. Grades ist meist eine chirurgische Versorgung erforderlich. Bei Verbrennungen ab 10 % KOF (bei Kindern ab 5 %) wird dies in der Regel stationär erfolgen. Wichtige Erstmaßnahmen sind: ■ Zufuhr von Sauerstoff: Nach Sicherung der Atemwege erfolgt die Applikation von 100 % O2 über Maske oder Endotrachealtubus. Die endotracheale Intubation sollte nur wenn unbedingt nötig erfolgen, so z. B. bei Verbrennungen im Gesichtsbereich, bei Verdacht auf ein Inhalationstrauma, oder beim polytraumatisierten Patienten. Die Gabe von systemischen oder inhalativen Kortikosteroiden ist nicht indiziert. ■ Flüssigkeitszufuhr: Noch am Unfallort beginnt die Infusionstherapie mit kristalloiden Lösungen (S. 68) zur Schockbehandlung. Dazu werden mehrere großlumige periphere Zugänge gelegt, die Anlage eines zentralen Venenkatheters ist nur in extremen Ausnahmesituationen erforderlich. Bei Kindern bis 8 Jahre kann die Flüssigkeitsgabe unter Umständen auch intraossär z. B. in
3.3
Präklinische Versorgung
왗 Merke
3.3.1 Sofortmaßnahmen im Rahmen der
Ersten Hilfe ■
■
■
Verunfallten löschen und aus der Gefahrenzone bringen, Kleidung entfernen (anklebende Kleidung belassen). Notfall-ABC: Atmung, Bewusstseinslage, Blutdruck, Zirkulation müssen überwacht werden. Kühlung mit Leitungswasser bei kleinen Verbrennungen.
3.3.2 Primärversorgung durch den Arzt
bzw. Notarzt
Verbrennungen 1. Grades bedürfen im Grunde keiner Therapie
Alle anderen Brandverletzten müssen nach der oben dargestellten präklinischen Versorgung meist stationär behandelt werden. ■
■
Bei Verdacht auf Inhalationstrauma Zufuhr von 100 % O2 über Maske, Intubation nur wenn unbedingt nötig, z. B. bei Gesichtsverbrennungen, Polytrauma. Die Gabe von inhalativen oder systemischen Kortikosteroiden ist nicht indiziert. Flüssigkeitszufuhr: Verabreichung kristalloider Lösungen (z. B. Ringer-Laktat) über großlumige Zugänge, bei Kindern bis 8 Jahre ggf. intraossäre Infusion in den Tibiakopf. In Ausnahmefällen auch orale Flüssigkeitsubstitution.
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916
■
Lokale Kühlung (zur Reduktion des Gewebstraumas) in Form einer Kaltwassertherapie nur bei kleinflächigen Verbrennungen (5 10 %), da erhöhtes Risiko der Unterkühlung des Patienten.
왘 Merke
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Abdecken der verbrannten Hautareale mit sauberen Tüchern oder Metalline-Folie.
Suffiziente Schmerztherapie (Opiate), nach Möglichkeit parenteral verabreicht.
Transport des Patienten.
왘 Merke
3.4
Weitere Versorgung des Patienten
왘 Merke
B 3 Verbrennungen
■
den Tibiakopf erfolgen. In Ausnahmesituationen wie z. B. einem Massenanfall von Verletzten (z. B. nach terroristischen Anschlägen) ist auch die orale Flüssigkeitsubstitution mit Elektrolytlösungen möglich (z. B. nach der WHOFormel) und eine sichere Option. Lokale Kühlung: Bei lokalisierten Verbrennungen mit einer Ausdehnung von weniger als 10 % KOF ist sie durchaus sinnvoll. Ziel der lokalen Kühlung ist die Senkung der Gewebetemperatur, um damit die im Gewebe gespeicherte Wärmeenergie abzuleiten. Damit sollen sekundäre Gewebeschäden durch Störung der Mikrozirkulation und Mediatorausschüttung vermieden werden. Die lokale Kühlung sollte möglichst sofort nach der Verbrennung und für mindesten 30 Minuten erfolgen. Die Kleidung sollte nach Möglichkeit zuvor entfernt werden. Für eine Kaltwassertherapie ist Leitungswasser mit einer Temperatur von 15 bis 20 °C ist durchaus ausreichend, um einen entsprechenden Kühlungseffekt zu erreichen. Das Risiko einer Kontamination und Infektion der Brandwunden durch Leitungswasser ist in Mitteleuropa zu vernachlässigen. Die Kühlung der verbrannten Areale mit Kaltwasser sollte aber nicht kritiklos angewendet werden. Bei Verbrennungen größeren Ausmaßes kann die Kaltwasserbehandlung zu einer zu ausgeprägten Kühlung und damit zu einer hypothermiebedingten Kreislaufzentralisation oder lokalen Vasokonstriktion führen, wodurch es ebenfalls zu einer empfindlichen Störung der Mikrozirkulation und ggf. zu Gewebeschäden kommen kann. Hier hat sich die rasche und adäquate Flüssigkeitssubstitution und Schockbekämpfung als sinnvollste Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Mikrozirkulation in der Verbrennungswunde und ihrer Umgebung bewährt.
왘 Merke. Die Verwendung von Eispackungen („Cold packs“) sollte grundsätzlich unterbleiben, da es dabei zu lokalen Erfrierungen und bei ausgedehnten Verbrennungen zur Unterkühlung des Verletzten kommt. ■
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Abdecken der verbrannten Hautareale: Die verbrannten Hautareale und Wunden werden mit sauberen Tüchern (z. B. Leinen, Baumwolle; cave: keine Wolldecken!) oder Metalline-Folie abgedeckt. Damit wird auch eine Auskühlung des Patienten verhindert. Schmerztherapie: Frühzeitig – bereits am Unfallort – sollte eine suffiziente Schmerztherapie (z. B. mit Opiaten) eingeleitet und kontinuierlich fortgeführt werden. Sie sollte im Regelfall intravenös erfolgen, da bei Brandverletzten in der Initialphase die Resorption von Medikamenten nach oraler, intramuskulärer oder subkutaner Gabe deutlich eingeschränkt ist. Begleitend zur Analgesie kann je nach Situation die zusätzliche Sedierung erforderlich werden. Transport: Durch die Primärversorgung des Patienten am Unfallort durch den Notarzt wird ein schonender und gezielter Transport des Verletzten in das geeignete Krankenhaus möglich („stay and play“ statt „scoop and run“).
왘 Merke. Die systemische Verabreichung kolloidaler Lösungen, die Gabe von Kortison, Dopamin oder Digitalis sowie das Legen eines ZVK sind an der Unfallstelle nicht indiziert!
3.4
Weitere Versorgung des Patienten
왘 Merke. Entscheidend in der Behandlung von Verbrennungen ist die oben genannte Differenzierung und Feststellung des Schweregrades der Verbrennung (Tab. B-3.2, S. 912).
Vom festgestellten Schweregrad der Verbrennung und dem allgemeinen klinischen Zustand des Patienten hängt dann ab, ob die weitere Versorgung ambulant oder stationär durchgeführt wird.
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B 3.4 Weitere Versorgung des Patienten
3.4.1 Ambulante oder stationäre Versorgung?
917 3.4.1 Ambulante oder stationäre
Versorgung?
Ambulante Versorgung
Ambulante Versorgung
Leichtgradige Verbrennungen (Tab. B-3.2) können im Regelfall ambulant versorgt werden. Im Anschluss an die oben genannten Erstmaßnahmen erfolgt dann die Behandlung der Verbrennungswunde (S. 918).
Leichtgradige Verbrennungen (Tab. B-3.2) können in Regelfall ambulant versorgt werden.
Stationäre Versorgung
Stationäre Versorgung
Alle anderen Patienten sollten in einer chirurgischen Klinik vorgestellt werden, wo dann die Indikation zur Einweisung in ein Brandverletztenzentrum geprüft wird. Dazu gehören Patienten mit mittelschweren bis schweren Verbrennungen (Tab. B-3.2), aber im Zweifelsfall sollte auch bei leichteren Verbrennungen die Vorstellung im Brandverletztenzentrum erfolgen. Dort erfolgt mit den optimalen personellen und infrastrukturellen Ressourcen die objektive und durch große Erfahrung begründete Einschätzung der Verletzung sowie die Einleitung der optimalen Therapie. Zu weiteren Details s. S. 918 ff.
Patienten mit mittelschweren bis schweren Verbrennungen (Tab. B-3.2), aber im Zweifelsfall auch mit leichteren Verbrennungen, sollten einem Brandverletztenzentrum vorgestellt werden.
왘 Merke. Über die zentrale Vermittlungstelle für Schwerbrandverletztenbetten in Hamburg (Telefon 040/28 82 3998 bzw. -99) kann rund um die Uhr die Verfügbarkeit von Schwerbrandverletztenbetten abgefragt werden. Der verlegende Arzt nimmt dann direkt Kontakt mit der nächstgelegenen Spezialklinik auf.
왗 Merke
왘 Merke:
왗 Merke
■
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Alle Brandverletzten mit Ausnahme leicht verbrannter Patienten sollten stationär behandelt werden. Alle schweren Brandverletzungen sollten in einem Brandverletztenzentrum auf spezialisierten intensivmedizinischen Einheiten behandelt werden.
Das Ziel der spezialisierten Behandlung im Verbrennungszentrum ist letztlich die soziale und berufliche Reintegration des Brandverletzten. Die interdisziplinäre Kooperation verschiedener medizinischer Fachrichtungen wie Anästhesie, (plastische) Chirurgie, Labormedizin, Mikrobiologie und Psychologie sowie Physiotherapie und Ergotherapie ist unabdingbar. Im Verbrennungszentrum erfolgt zusätzlich zu den oben bereits genannten lokalen Maßnahmen die intensivmedizinische Versorgung des Patienten und die weitergehende lokale Wundbehandlung, die im Falle von zweitgradig tiefen und drittgradigen Verbrennungen immer aus einer operativen Therapie besteht. Eine Phase der Behandlung auf einer Allgemeinstation ergibt sich entweder aus dem geringeren Ausmaß der Verbrennung oder im Anschluss an die intensivmedizinische Behandlung bei schweren Verbrennungen. 왘 Merke. Das vorrangige Behandlungsziel ist die möglichst frühe und mög-
Das Ziel aller therapeutischen Bemühungen ist die Reintegration des Brandverletzten. Dafür wird eine interdisziplinäre Kooperation verschiedener Fachdisziplinen benötigt. Im Verbrennungszentrum ist auch die erforderliche intensivmedizinische Versorgung des Patienten und die weitergehende lokale Wundbehandlung gewährleistet.
왗 Merke
lichst komplette Rehabilitation. Diese beginnt durch entsprechende Therapieplanung bereits in der Akutphase. Das Behandlungskonzept beinhaltet sowohl eine frühzeitige Physiotherapie als auch die frühe enterale Ernährung möglichst bereits am Unfalltag. Abschätzung der Prognose
Abschätzung der Prognose
Bezüglich der Prognose eines Brandverletzten existieren zahlreiche Faustregeln und Prognosemodelle, in die eine Vielzahl von Parametern einfließen, z. B. das Alter des Patienten sowie die Ausdehnung bzw. der Schweregrad der Verbrennung.
Die Prognose einer Brandverletzung hängt unter anderem von den Faktoren „Alter“ sowie „Ausmaß der Verbrennungen 2. und 3. Grades“ ab.
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918 왘 Merke
B 3 Verbrennungen
왘 Merke. Alle Prognosemodelle sind zu ungenau, um daraus Entscheidungen
über die klinische Behandlung abzuleiten. Speziell in den Altersextremen (Kinder und 4 85 Jahre) ist die prospektive Mortalitätsabschätzung nur eingeschränkt möglich. Verbrennungsindex nach Baux: Alter des Verletzten in Jahren + Fläche der zweitund drittgradigen Verbrennungen (gerechnet in % KOF)
Als grobe Faustregel kann der Verbrennungsindex nach Baux gelten: Alter des Verletzten in Jahren + Fläche der zweit- und drittgradigen Verbrennungen (gerechnet in % KOF)
Bei einer Summe 4 100 ist eine erhöhte Mortalität zu erwarten.
Bei einer Summe 4 100 ist eine erhöhte Mortalität zu erwarten.
Ein weiterer Score ist der ABSI-Score („abbreviated burn severity index“)
Ein weiterer gebräuchlicher Prognose-Score ist z. B. der ABSI-Score („abbreviated burn severity index“). Darüber hinaus existieren zahlreiche andere Scores, deren generelle Anwendbarkeit aber meist problematisch ist, da ihre mathematischen Modelle auf den jeweiligen institutsspezifischen Patienten und Therapierichtlinien basieren. Seit Ende des 2. Weltkrieges hat sich die Prognose der Schwerverbrannten deutlich gebessert, was hauptsächlich auf folgende Fortschritte zurückzuführen ist: ■ Besseres Verständnis der hämodynamischen Störungen und des Verbrennungsschocks sowie dessen frühzeitige Therapie. ■ Bessere Therapiemöglichkeiten für Inhalationstraumen und das daraus resultierende Lungenversagen. ■ Besseres Verständnis des posttraumatischen Stoffwechsels und der resultierenden Katabolie. ■ Bessere Kontrolle von Infektionen und Sepsis. ■ Verbesserungen im Bereich der Wundheilung und Deckung der Verbrennungswunde (Tab. B-3.3).
3.4.2 Versorgung der Verbrennungswunde
3.4.2 Versorgung der Verbrennungswunde Hier kann man prinzipiell nichtoperative von operativen Maßnahmen unterscheiden. Grundsätzlich sollte eine Reinigung der Verbrennungswunde an erster Stelle der therapeutischen Maßnahmen stehen.
왘 Merke
왘 Merke: ■
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Wie bei anderen offenen Wunden ist auch hier die Überprüfung des Tetanusschutzes und ggf. Komplettierung durch Tetanussimultanimpfung notwendig. Die Behandlung der Verbrennungswunden hat immer unter aseptischen Kautelen und mit ausreichender Analgesie zu erfolgen.
Reinigung der Wunde
Reinigung der Wunde
Meistens werden die Brandblasen unter sterilen Kautelen eröffnet und entfernt. Die Wunden werden mit desinfizierenden Seifenlösungen gereinigt. Verbliebene Reste verbrannter Kleidung oder Rußpartikel sollen entfernt werden, ebenso wie die Körperhaare im Bereich des gesamten geschädigten Areals.
Die Reste verbrannter Kleidung oder Rußpartikel werden entfernt. Die Wunden werden mit desinfizierender Seifenlösung gereinigt und abgelöste Epidermisanteile (Brandblasen) abgetragen. Im Ausnahmefall können kleinere Brandblasen abpunktiert und die abgehobene Epidermis belassen werden. Stark verschmutzte Hautareale oder Areale mit Schmutzeinsprengungen müssen in Narkose mechanisch gesäubert werden. Dabei kann auch die mechanische Dermabrasion in Form des Bürstens der Wunden erforderlich werden, um alle Fremdkörper und Rußpartikel zu entfernen und durch Verschmutzung bedingte spätere Farbveränderungen der Haut (so genannte Schmutztätowierungen) zu vermeiden. Bei ausgedehnten Verbrennungen werden die Körperhaare im geschädigten Areal entfernt. Ausnahme: Wimpern und Augenbrauen.
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B 3.4 Weitere Versorgung des Patienten
Nichtoperative Therapie
919 Nichtoperative Therapie
Abhängig von Ausdehnung und Art der Verbrennung kommen unterschiedliche Methoden der Lokalbehandlung der Verbrennungswunde infrage. Prinzipiell wird unterschieden zwischen der geschlossenen und offenen Wundbehandlung. Geschlossene Wundbehandlung
Geschlossene Wundbehandlung
왘 Definition. Das Prinzip der geschlossenen Wundbehandlung beinhaltet die bis
왗 Definition
zur Abheilung oder bis zur operativen Versorgung der Verbrennungswunde dauernde Abdeckung der Verbrennungswunden mittels eines temporären Hautersatzes sowie den operativen Wundverschluss durch autologe, homologe, xenologe, oder synthetische Hautersatzmaterialien. Ziel des „Verschlusses“ ist es, die Verbrennungswunde mechanisch und physikalisch zu schützen, sodass eine Infektion vermieden wird und im Falle einer zweitgradig oberflächlichen Verbrennung die Spontanheilung ungestört ablaufen kann. Hierzu verwendet werden Hydrokolloidverbände, spezielle Verbandsmembranen, Salbenverbände, die Gerbung der Haut oder – dann ist allerdings eine operative Therapie erforderlich (Details hierzu ab S. 920) – eine Ersatzhaut aus menschlichem, tierischem oder industriell hergestelltem Material (Tab. B-3.3). 왘 Merke. Ambulant erfolgt immer eine geschlossene Wundbehandlung. ■
■
Bei sicher festzulegender Verbrennungstiefe kann nach der Säuberung und Desinfektion einer zweitgradig oberflächlichen Wunde bei geeigneter Lokalisation und Ausdehnung die Versorgung mit Hydrokolloidverbänden oder speziellen Verbandsmembranen erfolgen. Hier kommen biosynthetische Materialien, d. h. nichtresorbierbare Membranen aus Silikon und NylonKollagen oder resorbierbare Membranen aus Polylactid infrage. Diese Membranen können problemlos den Körperkonturen angeformt werden und haften als temporärer Epidermisersatz an der Wundoberfläche. Die Patienten bzw. die betroffenen Extremitäten können frühzeitig mobilisiert werden, funktionelle Einschränkungen werden vermindert. Nach Reepithelialisierung der Wunden lösen sich diese Membranen ab bzw. werden resorbiert. Falls bei der Erstbeurteilung die Verbrennungstiefe nicht sicher festzulegen ist, erfolgt die lokal antiseptische Behandlung mit Polihexanidgel und Salbengazeverbänden. Deren Vorteil: Im Gegensatz zu anderen Antiseptika wie dem häufig verwendeten Silbersulfadiazin, der Polyvidon-Jod-Lösung oder Silbernitratlösung ist die tägliche Wundbeurteilung möglich. Bei Verwendung von Silbersulfadiazin entsteht durch Silbersalzfällung des Wundexsudates ein Verbrennungsschorf (Pseudoeschara). Dieser erschwert ebenso
B-3.3
Möglichkeiten zur Deckung von Verbrennungswunden
autologe Transplantation
■ ■ ■ ■
homologe Transplantation
■ ■ ■
heterologe Transplantation
■
synthetischer Hautersatz
■ ■ ■
Tab. B-3.3 bietet eine Übersicht über Möglichkeiten zur Deckung von Verbrennungswunden.
왗 Merke
■
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Bei sicher festzulegender Verbrennungstiefe: Hydrokolloidverbände, biosynthetische Membranen Bei unsicherer Verbrennungstiefe: Polihexanidgel, Salbengaze Bei sicherer Operationindikation: Silbersulfadiazinsalbe, Polyvidon-(PVP-)Jod-Lösung, Silbernitratlösung
B-3.3
Vollhaut Spalthaut Keratinozytensprühsuspensionen Keratinozytentransplantate kryo-/glykolkonservierte Spenderhaut allogene Keratinozytentransplantate frisches Amnion (v. a. in Entwicklungsländern verwendet) Schweinehaut Biobrane®: Silikon/Nylon-Kollagen-Membran Suprathel®: Polylactid-Membran Integra®: Silikon/ Kollagen-Chondroitin-Membran
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920
B 3 Verbrennungen
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Offene Wundbehandlung 왘 Definition
Vorteile: Wundkontrolle jederzeit möglich, funktionelle Behandlung ohne Einschränkung möglich. Nachteil: Vermehrter Wärmeverlust und erhöhtes Infektionsrisiko. 왘 Merke
wie die Schwarzfärbung der Wunden durch Silbernitrat die Beurteilung der Wunden in den der Verbrennung folgenden Tagen. Dadurch wird die eventuell erforderliche Operation verzögert. Salbenverbände mit Silbersulfadiazinsalbe, Polyvidon-(PVP-)Jod-Lösung oder Silbernitratlösung kommen fast nur noch bei sicher operationspflichtigen Verletzungen als temporäre Maßnahme bis zur definitiven operativen Versorgung zur Anwendung.
Offene Wundbehandlung 왘 Definition. Bei der offenen Wundbehandlung erfolgt eine bloße „Freiluftbehandlung“ – ggf. mit einer Salbenauflage – ohne Verband.
Diese Methode hat den Vorteil der möglichen ständigen Wundkontrolle und uneingeschränkten funktionellen Behandlung. Als Nachteil steht dem ein vermehrter Wärmeverlust, Energiebedarf und ein erhöhtes Infektionsrisiko entgegen. 왘 Merke. Das früher mancherorts geübte Konzept der offenen Wundbehand-
lung wurde weitgehend verlassen und durch das Konzept der geschlossenen Wundbehandlung ersetzt. Operative Therapie
Operative Therapie
Zweitgradige tiefe und drittgradige Verbrennungen sollten immer operativ versorgt werden.
Zweitgradige tiefe und drittgradige Verbrennungen sollten immer einer operativen Behandlung durch Exzision der verbrannten Areale und nachfolgende Hauttransplantation zugeführt werden, um die nachfolgende Entstehung von Narben und funktionellen Behinderungen zu minimieren.
Exzision
Exzision
Bei Verbrennungen der Grade 2B und 3 soll die operative Exzisionsbehandlung direkt nach Beendigung der Schockphase durchgeführt werden (Tab. B-3.4). Dabei werden nekrotische Hautanteile bis in gut durchblutete Schichten abgetragen.
Nach dem heute gültigen Konzept erfolgt möglichst frühzeitig nach der initialen Schock- und Stabilisierungsphase (S. 915) die tangentiale oder epifasziale Exzision der betroffenen Areale. Dabei werden nekrotische Hautanteile bis in gut durchblutete Schichten abgetragen. Areale mit zweitgradig tiefer Verbrennung werden meist tangential, drittgradige Areale meist epifaszial, das heißt bis auf die Muskelfaszie exzidiert (Tab. B-3.4). Die epifasziale Exzision ist mit einem geringen intraoperativen Blutverlust verbunden und die Einheilung von Spalthauttransplantaten erfolgt schneller und sicherer als auf subkutanem Fettgewebe.
Deckung des Defekts
Deckung des Defekts
Der entstandene Hautdefekt wird nach Möglichkeit autolog gedeckt werden. Falls eine autologe Deckung nicht oder nicht
Der entstandene Hautdefekt wird möglichst mit autologen Spalthauttransplantaten gedeckt (Abb. B-3.10), meist in Form von so genannten Gittertransplantaten („Mesh graft“, s. u.). Ist eine autologe Deckung nicht oder nicht
B-3.4
B-3.4
Vor- und Nachteile der verschiedenen Exzisionsverfahren zur chirurgischen Wundkonditionierung Vorteile
tangentiale Nekrosektomie: Schichtweises Abtragen bis zur „durchbluteten“ Wundoberfläche epifasziale Nekrosektomie: Entfernen aller Hautschichten bis auf die gesunde Muskelfaszie
■
■
■ ■ ■
guter Transplantationsgrund auf intakten dermalen Anteilen ästhetisch gute Ergebnisse einfacheres Verfahren geringer Blutverlust gute Einheilung auf der Faszie
Nachteile ■ ■
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höherer Blutverlust Erfahrung notwendig
ästhetische Beeinträchtigung schlechtere funktionelle Ergebnisse
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B 3.4 Weitere Versorgung des Patienten
921
B-3.10
Entnahme eines Spalthauttransplantates mit dem Dermatom
B-3.10
B-3.11
Auf exzidierten Wundgrund aufgebrachte Gitternetztransplantate („mesh graft“)
B-3.11
B-3.12
Eingeheiltes Gitternetztransplantat („mesh graft“)
B-3.12
vollkommen möglich, stehen homologe oder heterologe Deckungsmöglichkeiten zur Verfügung (Tab. B-3.3): ■ Aus „Hautbanken“ kann glykolkonservierte oder lyophilisierte Spenderhaut von Leichen bezogen werden. ■ Aufgearbeitete Schweinehaut oder industriell hergestellte Produkte wie z. B. Integra®.
vollkommen möglich ist, stehen homologe oder heterologe Deckungsmöglichkeiten zur Verfügung (Tab. B-3.3).
Vorbereitung der Transplantate und Techniken: Zur besseren Ausnutzung der zur Deckung verwandten nicht geschädigten Haut wird diese häufig gitterartig aufbereitet, um dadurch eine möglichst große Fläche bedecken zu können („Mesh graft“; Abb. B-3.11, Abb. B-3.12).
Vorbereitung der Transplantate und Techniken: Die Hautoberfläche kann durch Mesh-graft-Bildung vergrößert werden (Abb. B-3.11, Abb. B-3.12).
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922
B 3 Verbrennungen
Am häufigsten werden Gittermaschen mit dem Vergrößerungsfaktor von 1 : 1,5 und 1 : 3 benutzt. Die Kombination von Eigenhaut und Fremdhaut in „Sandwichtechnik“ erlaubt die Verwendung eines höheren Expansionsfaktors (z. B. 1 : 6).
Die Maschen der Mesh-graft-Transplantate können in unterschiedlicher Weite hergestellt werden, wodurch sich der Vergrößerungsfaktor ändert. Am häufigsten werden Gittermaschen mit dem Vergrößerungsfaktor von 1 : 1,5 und 1 : 3 benutzt (bis 1 : 12 möglich). Ab einer Expansion von 1 : 6 empfiehlt es sich, die Spalthauttransplantate in der sogenannten „Sandwich-Technik“ (nach Alexander) mit Fremdhaut zu bedecken, um einen ausreichenden sofortigen Wundverschluss zu erreichen. Bei der sogenannten „chinesischen Methode“ werden ausgedehnte exzidierte Wundoberflächen mit „gemeshter“ Fremdhaut gedeckt, in die kleine autologe Hautinseln transplantiert werden. Die Mesh-graft-Deckung wird im Allgemeinen im Bereich des Gesichtes und Halses, sowie der Hände nicht angewendet, da hier ungemeshte Hauttransplantate ein funktionell besseres und ästhetisch ansprechenderes Resultat ergeben (Abb. B-3.13).
Die Mesh-graft-Deckung wird im Allgemeinen im Bereich von Gesicht, Hals und Händen nicht angewendet, weil ungemeshte Transplantate funktionell und ästhetisch besser sind. Neue autologe Keratinozytensuspensionen sind vielversprechend.
Neuere Entwicklungen mit aufbereiteten autologen Keratinozytensuspensionen, die auf ein vorbereitetes Wundbett aufgesprüht werden, erscheinen vielversprechend. Die über die letzten Jahre vielfach propagierten Transplantate aus kultivierten Keratinozyten haben die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Die funktionellen und ästhetischen Ergebnisse sind aufgrund der hohen Vulnerabilität und der unzureichenden Qualität der Hautregenerate unbefriedigend. Die Frage des möglichst hochwertigen Ersatzes der im Falle von tiefen Verbrennungen zerstörten Dermis ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zufriedenstellend gelöst.
Entnahmestellen für autologe Transplantate: Spalthauttransplantate werden meist von den Oberschenkeln oder der Kopfhaut entnommen.
Entnahmestellen für autologe Transplantate: Die Spenderareale für die Hauttransplantation werden nach ihrer Verfügbarkeit gewählt. Die für die Deckung größerer Areale benötigten Spalthauttransplantate werden primär von den Oberschenkeln oder der Kopfhaut gewonnen. Bei Bedarf können die Spalthauttransplantate allerdings auch von anderen Körperarealen wie dem Rücken, den Unterschenkeln oder Oberarmen entnommen werden. Bei besonderen Lokalisationen wie z. B. über Gelenken oder bei tiefergehenden Defekten wie nach Starkstromverletzungen können zur Defektdeckung auch lokale oder freie mikrovaskuläre Lappentransplantate erforderlich werden. Die seltener, meist erst in Rahmen der sekundären Rekonstruktion verwendeten Vollhauttransplantate werden aus der Leistenregion, für Areale im Gesicht aus der Retroaurikulär- oder Supraklavikulärregion gewonnen. Die in diesen Bereichen sehr elastische Haut lässt hier einen primären Wundverschluss der Entnahmestelle zu.
Vollhauttransplantate werden aus der Leistenregion, für Areale im Gesicht aus der Retroaurikulär- oder Supraklavikulärregion gewonnen.
B-3.13
B-3.13
Spalttransplantate als „Sheet grafts“ im Gesicht
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B 3.4 Weitere Versorgung des Patienten
3.4.3 Klinischer Verlauf und Intensivtherapie
923 3.4.3 Klinischer Verlauf und
Intensivtherapie
Der klinische Verlauf lässt sich bei Schwerverbrannten in 4 Phasen einteilen: ■ Schockphase ■ Stabilisierungsphase (Phase der Verbrennungskrankheit – SIRS) ■ Reparationsphase ■ Rehabilitationsphase
4 Phasen: ■ Schockphase ■ Stabilisierungsphase ■ Reparationsphase ■ Rehabilitationsphase.
Schockphase
Schockphase
Wie auf S. 914 dargestellt kommt es unmittelbar im Anschluss an das Trauma zu einer Verschiebung von intravasaler Flüssigkeit in das Interstitium, durch die ein hypovolämischer Schock ausgelöst werden kann (S. 227). So entsteht bei Verbrennungen von mehr als 20 – 30 % Körperoberfläche innerhalb kurzer Zeit ein generalisiertes Ödem. Zusätzlich kommt es durch die Schädigung der Haut zu einem signifikanten Flüssigkeitsverlust. Die Bedeutung der Vermeidung bzw. der raschen Behandlung dieser Situation der hämodynamischen Instabilität wurde lange unterschätzt. Das sogenannte „capillary leak“ beeinflusst durch das entstehende interstitielle Ödem nicht nur einzelne Organe (Nieren, Lunge) oder Organsysteme (Gastrointestinaltrakt), sondern durch die Flüssigkeitsverschiebungen auch übergreifende Homöostasesysteme des Organismus wie Immunsystem, Hormonsystem, Wärmeregulation, und Stoffwechsel. So müssen außer den verlorenen Flüssigkeitsmengen auch verlorene Struktur- und Funktionsproteine sowie Energieträger ersetzt werden. Als Grundlage der Flüssigkeitsubstitution gilt heute die initiale Substitution des Volumens mit kristalloiden Lösungen (S. 68; meist Ringer-Laktat-Lösung) nach dem Baxter-Schema (Parkland-Formel). Dabei werden Körpergewicht (KG) und die verbrannte Körperoberfläche (vKOF) in die Berechnung einbezogen: ■ 1. Tag: 4 ml/kg KG/% vKOF, davon Gabe der ersten Hälfte der Flüssigkeitsmenge über die ersten 8 Stunden, der zweiten Hälfte über die nächsten 16 Stunden. Es handelt sich allerdings hierbei nur um eine Faustregel, der tatsächliche Bedarf kann im Einzelfall beträchtlich schwanken (z. B. erhöhter Bedarf bei Inhalationstrauma oder begleitenden Frakturen). ■ Ab dem 2. Tag erfolgt eine zusätzliche Eiweißsubstitution, orientiert an den laborchemischen Untersuchungsergebnissen.
Die posttraumatischen Veränderungen können infolge ihrer enormen Verschiebung intravasaler Flüssigkeit einen hypovolämischen Schock auslösen (S. 227).
Das „capillary leak“ beeinflusst nicht nur einzelne Organe (Nieren, Lunge) oder Organsysteme (Gastrointestinaltrakt), sondern auch übergreifende Homöostasesysteme des Organismus.
Die Mehrzahl der Verbrennungszentren differenziert in der Zusammensetzung der Infusionslösungen nach einem Schema entsprechend der Parkland-Formel, die die Anzahl der Tage nach dem Trauma zu dem Körpergewicht (KG) und der verbrannten Körperoberfläche (vKOF) in Beziehung setzt: ■ 1. Tag: 4 ml/kg KG/% vKOF Ringer-Laktat.
■
Ab dem 2. Tag zusätzlich Einweißsubstitution.
Für Kinder müssen diese Mengenberechnungen modifiziert und dem Alter angeglichen werden. Zusätzlich ist hier speziell darauf zu achten, dass durch kleinere Glykogenspeicherreserven ein erhöhtes Risiko für eine posttraumatische Hypoglykämie besteht. Dies muss in der Wahl der Substitutionslösung berücksichtigt werden. 왘 Merke. Das entscheidende Kriterium für eine adäquate Flüssigkeitsubstitu-
왗 Merke
tion während der Schockphase stellt die stündlich produzierte Urinmenge dar, die bei 0,5 – 1 ml/kg KG (bei Kindern 1,5 – 2,0 ml/kg KG) liegen sollte. Dem bei Aufnahme gelegten Blasenkatheter kommt daher auch eine gewisse Monitoringfunktion zu. Ein weiterer wichtiger Monitoringparameter stellt das kontinuierlich zu messende Gewicht des Patienten dar. Nach Beherrschung der Schockphase kommt es typischerweise zur deutlichen Gewichtsreduktion aufgrund eines ausgeprägten posttraumatischen Katabolismus. Der Grundumsatz kann im Rahmen des posttraumatischen Aggressionsstoffwechsels auf das Zweifache erhöht sein. Der erhöhte Energie- und Nährstoffbedarf sollte durch enterale Ernährung über eine Duodenal- oder Magensonde und möglichst frühzeitig (ab 1. Tag) gedeckt werden. Das Risiko der gefürchteten Darmatonie und -atrophie mit der Folge der bakteriellen Durchwanderung und Sepsis wird dadurch reduziert.
Ein weiterer wesentlicher Parameter ist das kontinuierliche Gewichtsmonitoring.
Der benötigte Energiebedarf sollte durch enterale Ernährung (Sondennahrung) zugeführt werden.
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924
B 3 Verbrennungen
Phase der Verbrennungskrankheit – SIRS
Phase der Verbrennungskrankheit – SIRS
Ca. 24 und 48 Stunden nach dem Unfall wird das Ausmaß der Schädigung neu beurteilt, da erst im Verlauf die endgültige Einschätzung möglich ist.
Nach der initialen Stabilisierung der Kreislaufparameter erfolgt bei den Schwerund Schwerstverbrannten vordringlich die Versorgung der Verbrennungswunden. Diese sind Ausgangspunkt der kontinuierlichen systemischen Mediatorfreisetzung, die es durch die adäquate Wundtherapie zu minimieren gilt. Etwa 24 und 48 Stunden nach dem Unfall erfolgt die erneute Beurteilung der Verbrennungswunden. Dies erlaubt eine genauere Einschätzung des Verbrennungsausmaßes und der Verbrennungstiefe. Areale mit Verbrennungen 1. und 2. oberflächlichen Grades werden konservativ behandelt, tiefere Verbrennungen (Schweregrad 2 tief und 3 sollten möglichst umgehend operativ exzidiert werden. Durch die frühe operative Therapie konnte die Überlebensrate schwer- und schwerstverbrannter Patienten deutlich verbessert werden. Die verringerte Mediatorenausschüttung und die geringere Ausprägung des konsekutiven systemic inflammatory response syndrome (SIRS) reduzieren das Auftreten des früher so häufigen Lungen- und Nierenversagens. Da davon auszugehen ist, dass jede Verbrennungswunde über kurz oder lang bakteriell kontaminiert ist, führt die operative Exzision der kontaminierten Wundoberfläche zu einem deutlich reduzierten Infektionsrisiko. Der Einsatz von Antibiotika erfolgt heute nicht prophylaktisch, sondern nur bei nachgewiesener Infektion.
Verbrennungsbereiche der Grade 1 und 2A werden konservativ behandelt, solche vom Schweregrad 2B und natürlich 3 müssen operativ therapiert werden. Jede Verbrennungswunde ist über kurz oder lang bakteriell kontaminiert. Die beste Infektionsprophylaxe ist daher in einer Frühexzision und -deckung zu sehen.
Antibiotika werden nicht prophylaktisch, sondern nur bei nachgewiesener Infektion eingesetzt. 왘 Merke
왘 Merke. Die im Rahmen der SIRS fast regelhaft auftretende erhöhte Tem-
peratur und Leukozytose rechtfertigt keine Antibiotikatherapie.
Bei einer Infektion mit pathogenen Keimen muss die Antibiotikatherapie konsequent und resistenzgerecht durchgeführt werden.
Die meisten dieser Keime (meist Pseudomonaden und Proteus) stammen vom Patienten selbst und werden wahrscheinlich durch die Translokation aus dem Darm pathogen. Zur Vermeidung dieser Translokation wird die frühzeitige enterale Ernährung angestrebt (s.o.). Beim Nachweis einer Infektion mit pathogenen Keimen muss die Antibiotikatherapie konsequent und resistenzgerecht durchgeführt werden, um die Entwicklung einer Sepsis mit konsekutivem Multiorganversagen zu vermeiden.
Reparationsphase, Rehabilitationsphase
Reparationsphase, Rehabilitationsphase
Durch frühzeitige Operationen lässt sich die Rehabilitation des Brandverletzten deutlich beschleunigen.
Die Rehabilitation des Brandverletzten lässt sich durch eine klare Behandlungsstrategie einschließlich der frühzeitigen operativen Maßnahmen deutlich beschleunigen. Beispielsweise kann der Patient nach frühzeitiger definitiver Deckung der Verbrennungswunde schneller mobilisiert werden. Nach stabiler Einheilung der Hauttransplantate sollen, sobald es die transplantierten Areale zulassen, Kompressionskleidung angepasst und getragen werden, um die Ausbildung von hypertrophen Narben zu minimieren (Tab. B-3.5, Abb. B-3.14). Besonders bei Kindern ist eine engmaschige Betreuung und Nachbehandlung mit Kompressionkleidung erforderlich, da diese häufiger mit hypertropher Narbenbildung reagieren.
Um eine Translokation von Darmbakterien zu vermeiden wird eine frühzeitige enterale Ernährung angestrebt.
Kompressionskleidung minimiert die Ausbildung von hypertrophen Narben (Tab. B-3.5, Abb. B-3.14). Kinder neigen häufiger zur hypertrophen Narbenbildung. Die angepasste Kompressionskleidung sollte konsequent getragen werden. Die Akzeptanz der Kompressionskleidung ist unterschiedlich, weil sie Tag und Nacht ca. 15 – 18 Monate getragen werden muss.
Die Kompressionsbandagen werden individuell angepasst und müssen bei Veränderungen (Wachstum, Schwellneigung) angepasst werden. Die Akzeptanz der Kompressionskleidung ist unterschiedlich. Sie muss für ca. 15 – 18 Monate
B-3.5
B-3.5 ■ ■ ■ ■ ■ ■
Möglichkeiten zur Prophylaxe hypertropher Narben- und Keloidbildung
operative Therapie der Brandverletzungen bei tiefen Verbrennungen Hautdeckung möglichst durch Spalthauttransplantate (Sheets) Transplantate geringgradig überdimensionieren frühzeitige aktive Mobilisation langfristige (1 – 2 Jahre) Kompressionsbehandlung (24 h) plastisch-chirurgische rekonstruktive Eingriffe
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B 3.4 Weitere Versorgung des Patienten
B-3.14
Kompressionskleidung zur Vermeidung hypertropher Narbenbildung
tags und nachts getragen werden. Nach Ablauf dieser Zeit kommt es zur definitiven Ausreifung der Narben. Erst anschließend sind operative Narbenkorrekturen aus ästhetischen Gründen sinnvoll. Bei Kindern können Spätveränderungen der Narben zu Wachstumsverzögerungen und Deformierungen des Skelettsystems führen. Bei beginnenden Funktionseinschränkungen können daher operative Korrekturen auch vor dem Ablauf der Narbenreifung erforderlich werden. Im Rahmen von Spätveränderungen hypertropher Narben bei Erwachsenen finden sich neben Ulzerationen auch Wundheilungsstörungen, in Bereichen starker mechanischer Beanspruchung auch tumoröse Entartungen wie z. B. Plattenepithelkarzinome („Marjolin’s ulcer“) oder Basaliome. Diese werden in der Häufigkeit von 2 % für das Plattenepithelkarzinom und von 0,3 % für das Basaliom angegeben.
925 B-3.14
Erst anschließend sind operative Narbenkorrekturen aus ästhetischen Gründen sinnvoll. Bei Kindern können Narben Deformierungen des Skelettsystems auslösen.
Exulzerationen und maligne Entartungen von Narben sind beobachtet worden.
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926 4
Thoraxchirurgie
B 4 Thoraxchirurgie
4
Thoraxchirurgie Peter Dohrmann, Arnd Böhle
4.1
Anatomische Grundlagen
Am Thorax sind die beiden Pleurahöhlen mit den Lungen und das Mediastinum zu unterscheiden. 4.1.1 Topographische Anatomie der
Pleurahöhle Die Pleurahöhlen werden kaudal vom Zwerchfell, ventral, lateral, dorsal sowie apikal von den Rippen und medial vom Mediastinum begrenzt. Ausgekleidet werden sie von einer serösen Haut, Pleura parietalis, die sich über der Lunge als Pleura visceralis fortsetzt (Abb. B-4.1). 4.1.2 Topographische Anatomie des
Mediastinums
4.1
Anatomische Grundlagen
Anatomisch sind am Thorax die beiden Pleurahöhlen, in denen sich die Lungen befinden, vom Mediastinum, dem Raum zwischen den Pleurahöhlen, zu unterscheiden.
4.1.1 Topographische Anatomie der Pleurahöhle Die Pleurahöhlen nehmen zu beiden Seiten des Mediastinums die Lungen auf. Nach kaudal bildet das Zwerchfell den Abschluss, nach ventral, lateral und dorsal sowie apikal wird die Pleurahöhle durch die Rippen begrenzt, nach medial bildet das Mediastinum den Abschluss. Die Pleurahöhle wird komplett von einer serösen Haut, der Pleura parietalis ausgekleidet, diese setzt sich über der Lunge als Pleura visceralis fort (Abb. B-4.1).
4.1.2 Topographische Anatomie des Mediastinums
Das Mediastinum ist der Raum zwischen den beiden Pleurahöhlen, durch den der Ösophagus und die Trachea ziehen und sich das Herz befindet. Unterhalb der Pleura mediastinalis ziehen die Nn. phrenici zum Zwerchfell. Der N. vagus zieht rechts entlang des Ösophagus nach kaudal, gibt in Höhe der A. subclavia den N. laryngeus recurrens ab, der die Arterie umschlingt und zum Kehlkopf zieht. Auf der linken Seite zieht der N. vagus parallel zum Ösophagus durch das Mediastinum und gibt den N. laryngeus recurrens ab (Abb. B-4.2).
Als Mediastinum wird der Raum zwischen den beiden Pleurahöhlen bezeichnet. Im dorsalen Mediastinum zieht ventral der Wirbelsäule der Ösophagus nach kaudal. Ventral des Ösophagus befindet sich die Trachea. Dem Zwerchfell aufsitzend befindet sich das Herz im Mediastinum. In den rechten Vorhof drainieren die V. cava superior und inferior, aus dem rechten Ventrikel entwickelt sich der Truncus pulmonalis, der sich in die beiden Lungenarterien aufzweigt. In den linken Vorhof drainieren die Lungenvenen, aus dem linken Ventrikel entspringt die Aorta ascendens. Unterhalb der Pleura mediastinalis ziehen die Nn. phrenici zum Zwerchfell. Der N. vagus zieht rechts entlang des Ösophagus nach kaudal, gibt in Höhe der A. subclavia den N. laryngeus recurrens ab, der die Arterie umschlingt und zum Kehlkopf zieht. Auf der linken Seite zieht der N. vagus parallel zum Ösophagus durch das Mediastinum und gibt den N. laryngeus recurrens ab, der hier den Aortenbogen nach dorsal umschlingt und zurück zum Kehlkopf zieht. Eine Infiltration des Nervs durch Lymphknotenmetastasen im aortopulmonalen Fenster kann hier zu einem Stimmbandstillstand linksseitig führen, der mitunter klinisches Erstsyndrom eines linksseitigen Bronchialkarzinoms sein kann (Abb. B-4.2).
4.1.3 Lunge und Bronchialsystem
4.1.3 Lunge und Bronchialsystem
Die rechte Lunge besteht aus 3, die linke aus 2 Lungenlappen, die sich wiederum in Lungensegmente unterteilen.
In den beiden Pleurahöhlen befinden sich die Lungen. Die rechte Lunge besteht aus 3 Lungenlappen, die linke Lunge aus 2 Lungenlappen. Die Lungenlappen werden als kleinste chirurgisch definierte Einheit in Lungensegmente unterteilt. Die Trachea teilt sich in den rechten und linken Hauptbronchus. Die Hauptbronchien verzweigen sich weiter in die Lappen- und Segmentbronchien (Abb. B-4.3).
Die Trachea teilt sich in den rechten und linken Hauptbronchus, die sich jeweils in Lappen- und Segmentbronchien verzweigen (Abb. B-4.3). Lobus venae azygos
Lobus venae azygos
Als Normvariante kann im rechten Oberlappen kranial eine Einschnürung bestehen, durch die die V. azygos zur V. cava superior zieht. Es handelt sich jedoch um keinen echten Lungenlappen (Abb. B-4.4).
Als Lobus venae azygos wird eine Normvariante des rechten Lungenoberlappens bezeichnet, bei dem im rechten Oberlappen eine Einschnürung von kranial her besteht, durch die die V. azygos zur V. cava superior zieht. Dadurch liegen Teile des rechten Lungenlappens dorsal der V. azygos und kranial besteht ein zusätzliches Septum. Es handelt sich hier nicht um einen echten Lungenlappen, da er keine eigene bronchovaskuläre Versorgung aufweist (Abb. B-4.4).
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B 4.1 Anatomische Grundlagen
927
B-4.1 Pleurahöhle
Blick in die rechte und linke Pleurahöhle.
4.1.4 Gefäße und Lymphbahnen
4.1.4 Gefäße und Lymphbahnen
Die Lungenarterien begleiten die Bronchien in ihrem Verlauf und teilen sich entsprechend in Lappen- und Segmentarterien auf. Die Lungenvenen verlaufen separat von den Arterien und definieren als Sammelgefäße anatomisch die Segmentgrenzen und vereinigen sich jeweils zur unteren und oberen Lungenvene. Der nutritiven Versorgung des Bronchialbaumes dienen die Vasa privata (Aa. bronchiales), welche in variabler Anzahl und variabler Lokalisation dem Aortenbogen entspringen und von dorsal an die Trachealbifurkation ziehen (Abb. B-4.5 a).
Die Lungenarterien begleiten die Bronchien. Die Lungenvenen verlaufen separat und vereinigen sich jeweils zur unteren und oberen Lungenvene. Die Versorgung des Bronchialbaumes erfolgt durch die Vasa privata (Aa. bronchiales), die dem Aortenbogen entspringen (Abb. B-4.5 a).
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928 B-4.2
왘 Merke
Der lymphatische Abfluss der Lunge folgt dem segmentalen Aufbau des Bronchialsystems in zentraler Richtung (Abb. B-4.5 b).
B 4 Thoraxchirurgie
B-4.2
Topographische Anatomie des Mediastinums
왘 Merke. Die Gefäßanatomie der Lunge weist zahlreiche Normvarianten auf, die bei operativen Eingriffen berücksichtigt werden müssen.
Der lymphatische Abfluss der Lunge folgt dem segmentalen Aufbau des Bronchialsystems in zentraler Richtung. Als anatomische Besonderheit erfolgt der lymphatische Abfluss des linken Lungenunterlappens zusätzlich über das Mediastinum in Richtung auf den rechten Unterlappen, was das frühe Auftreten von kontralateralen Lymphknotenmetastasen beim Bronchialkarzinom des linken Lungenunterlappens erklärt (Abb. B-4.5 b).
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B 4.1 Anatomische Grundlagen
929
B-4.3 Lappen- und Segmentbronchien der Lunge
B-4.4 Lobus venae azygos
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B 4 Thoraxchirurgie
930 B-4.5
Gefäße und Lymphbahnen der Lunge
a Gefäßversorgung der Lunge (Vasa publica): Die bronchopulmonalen Segmente zeigen einen typischen Aufbau hinsichtlich der Bronchialgefäßverhältnisse. Der Segmentbronchus tritt zentral in sein Parenchymgebiet ein und wird von der zugehörigen Segmentarterie (rot) begleitet. Die Parenchymgrenze zum Nachbarsegment ist gekennzeichnet durch den intersegmentalen Verlauf der pulmonalen Vene (blau).
4.2
Erkrankungen der Lunge
4.2
b Lymphknotenstationen der Lunge: Die Einteilung der Lymphknoten ist im Rahmen der Tumorchirurgie (z. B. Stadieneinteilung des Bronchialkarzinoms) von Bedeutung.
Erkrankungen der Lunge
4.2.1 Diagnostik
4.2.1 Diagnostik
Bildgebung
Bildgebung Bildgebende Verfahren werden in der Diagnostik intrathorakaler Prozesse zur Lokalisations- und Artdiagnostik eingesetzt. Darüber hinaus gilt es, die Abgrenzbarkeit thorakaler Strukturen gegeneinander darzustellen und somit Aufschluss bezüglich der technischen Operabilität zu erhalten.
Röntgen-Thorax: Erfolgt zu Beginn der Diagnostik in 2 Ebenen (Abb. B-4.6).
Ergänzend können Tracheazielaufnahmen (Beurteilung von Trachealstenosen) und Durchleuchtungsuntersuchungen (Beurteilung der Beweglichkeit des Zwerchfells), auch mit Ösophagusbreischluck (Beurteilung der Speiseröhre) durchgeführt werden.
Röntgen-Thorax: Die Röntgen-Thoraxuntersuchung steht am Anfang der thorakalen Diagnostik: Sie sollte grundsätzlich in 2 Ebenen erfolgen, um z. B. intrapulmonal retrokardial gelegene Prozesse nicht zu übersehen (Abb. B-4.6). Das konventionelle Thoraxröntgen kann um Tracheazielaufnahmen ergänzt werden, z. B. im Rahmen der Beurteilung von Trachealstenosen infolge einer ausgedehnten intrathorakalen Struma. Darüber hinaus kann die konventionelle Röntgen-Diagnostik des Thorax um Durchleuchtungsuntersuchungen ergänzt werden. Diese erlauben vor allem eine Beurteilung der Beweglichkeit des Zwerchfells. Darüber hinaus kann im Rahmen einer Durchleuchtungsuntersuchung ein Ösophagusbreischluck durchgeführt werden. Dieser gibt z. B. Aufschluss über Kompression und Verlagerung der Speiseröhre infolge raumfordernder mediastinaler Prozesse. Die Bronchographie, d. h. die Kontrastierung des Tracheobronchialbaumes mit einem wasserlöslichen Kontrastmittel im Rahmen einer konventionellen Röntgenuntersuchung, ist dagegen heute weitestgehend von der flexiblen Bronchoskopie abgelöst worden und daher nur noch von historischer Bedeutung.
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B 4.2 Erkrankungen der Lunge
931
B-4.6
Thoraxübersichtsaufnahme in 2 Ebenen: Normalbefund
B-4.6
B-4.7
Sonographie: Pleuraerguss
B-4.7
Sonographie des Thorax: Die Lunge ist als luftgefülltes Organ der sonographischen Untersuchung nur eingeschränkt zugänglich. Die Sonographie des Thorax besitzt einen hohen Stellenwert zum Nachweis intrathorakaler Flüssigkeitsansammlungen (Pleuraerguss, Pleuraempyem, Hämatothorax) sowie zur sonographiegesteuerten Punktion thoraxwandständiger Prozesse im Rahmen der histologischen Diagnosefindung (Abb. B-4.7).
Sonographie des Thorax: Anwendung zum Nachweis intrathorakaler Flüssigkeitsansammlungen (Pleuraerguss, Pleuraempyem, Hämatothorax) sowie zur sonographiegesteuerten Punktion thoraxwandständiger Prozesse zur histologischen Diagnosefindung (Abb. B-4.7).
Computertomographie: Die Computertomographie des Thorax erlaubt eine präzise Beurteilung von Lunge und Mediastinum. Dadurch ist eine genaue Lokalisationsdiagnostik und topographische Zuordnung möglich, sodass die Computertomographie die Methode der Wahl im Rahmen der Diagnostik und Beurteilung der technischen Operabilität intrathorakaler Erkrankungen ist (Abb. B-4.8). Darüber hinaus stellt die thorakale Computertomographie mit intravenöser Kontrastierung ein sensitives Verfahren im Rahmen der Diagnostik von Lungenarterienembolien dar.
Computertomographie: Damit ist eine präzise Beurteilung von Lunge und Mediastinum möglich und sie dient zur Lokalisationsdiagnostik (Abb. B-4.8). Mit intravenöser Kontrastierung ist die CT ein sensitives Verfahren zur Diagnostik von Lungenarterienembolien.
Magnetresonanztomographie: Die Magnetresonanztomographie dient besonders der Darstellung der thorakalen Neuroanatomie. Sie ermöglicht sowohl die Abgrenzung des Plexus brachialis gegenüber Malignomen des Lungenoberlappens (Pancoast-Tumor), als auch die Abgrenzung des Spinalkanals gegenüber raumfordernden Prozessen (z. B. Neurinom). Darüber hinaus kann die Magnetresonanztomographie im Einzelfall Aufschluss über eine mögliche Gefäßinfiltration im Bereich von Aorta und Pulmonalarterie geben (Abb. B-4.9).
Magnetresonanztomographie: Sie dient besonders der Darstellung der thorakalen Neuroanatomie und kann im Einzelfall Aufschluss über eine mögliche Gefäßinfiltration im Bereich von Aorta und Pulmonalarterie geben (Abb. B-4.9).
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B 4 Thoraxchirurgie
932 B-4.8
B-4.9
B-4.8
CT-Thorax mit Rundherd
MRT Thorax: Normalbefund
a (I)
a (II)
a (III)
b (I)
b (II)
b (III)
a Transversale, T1-gewichtete Aufnahmen des Thorax. b Transversale, T2-gewichtete Aufnahmen des Thorax.
Positronenemissionstomographie (PET): Sie ist eine hochsensitive Methode zum Nachweis intrathorakaler Metastasen und zur Dignitätsbeurteilung unklarer Lungenrundherde (Abb. B-4.10).
Positronenemissionstomographie (PET): Die thorakale PET stellt eine hochsensitive Methode zum Nachweis intrathorakaler Malignome und Metastasen dar. Darüber hinaus kann die PET in der Dignitätsbeurteilung unklarer Lungenrundherde wichtige Informationen liefern. Ein nichtspeichernder Rundherd größer 10 mm ist mit hoher Wahrscheinlichkeit als nichtmaligne anzusehen. Ein positives Signal ist jedoch nicht beweisend für ein Malignom, auch entzündliche Prozesse, wie z. B. reaktive Lymphknotenvergrößerungen können ein positives PET-Signal generieren (Abb. B-4.10).
Lungenperfusionsszintigraphie: Das ist ein nuklearmedizinisches Verfahren zum quantitativen Nachweis der Lungenperfusion. Es wird zur Diagnostik von Lungenarterienembolien und zur Beurteilung der Operabilität vor Lungenresektionen eingesetzt (Abb. B-4.11).
Lungenperfusionsszintigraphie: Die Lungenperfusionsszintigraphie stellt ein nuklearmedizinisches Verfahren dar, bei dem durch einen intravenös applizierten Tracer die Lungenperfusion quantitativ zur Darstellung kommt. Eingesetzt wird die Lungenperfusionsszintigraphie im Rahmen der Diagnostik von Lungenarterienembolien (Abb. B-4.11). Darüber hinaus findet die quantitative Lungenperfusionsszintigraphie Anwendung in der Beurteilung der funktionellen Operabilität vor Lungenresektionen.
Phlebographie: Die Mediastinalphlebographie kann z. B. zur Abklärung einer oberen Einflussstauung erforderlich sein.
Phlebographie: Die Mediastinalphlebographie wird zur Beurteilung der Vv. subclaviae und V. cava superior eingesetzt. Diese Untersuchung kann z. B. im Rahmen der Abklärung einer oberen Einflussstauung erforderlich sein.
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B 4.2 Erkrankungen der Lunge
B-4.10
933
PET PET-CT: Das nuklearmedizinisch generierte PETSignal wird mittels Computertomographie zur Abbildung gebracht. So kann eine präzise topographische Zuordnung erfolgen.
B-4.11
Szintigraphie der Lunge
B-4.11
a
ventral
dorsal
seitlich
70–100 s
300–400 s
b 5–20 s
Kombination von Perfusionsszintigramm (a) und Inhalationsszintigramm (b) bei Lungenembolie. Multiple Perfusionsdefekte bei homogener Ventilation.
Arteriographie: Zur Beurteilung der Aorta und der supraaortalen Äste kann eine thorakale Arteriographie, ggf. in DSA-Technik (digitale Subtraktionsangiographie) angezeigt sein (Abb. B-4.12).
Arteriographie: Wird zur Beurteilung der Aorta und der supraaortalen Äste eingesetzt (evt. in DSA-Technik) (Abb. B-4.12).
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934 B-4.12
B 4 Thoraxchirurgie
B-4.12
Arteriographie Aortenbogenangiogramm über einen in der Aorta ascendens platzierten Pigtail-Katheter. Die A. lusoria (Pfeile) entspringt distal der linken A. subclavia aus dem Aortenbogen.
Funktionsdiagnostik
Funktionsdiagnostik
Die Funktionsdiagnostik wird zur Beurteilung der funktionellen Operabilität vor lungenresezierenden Eingriffen eingesetzt.
Während die bildgebende Diagnostik der Diagnosefindung und der Beurteilung der technischen Operabilität dient, wird die Funktionsdiagnostik zur Beurteilung der funktionellen Operabilität vor lungenresezierenden Eingriffen eingesetzt. Ziel der Funktionsdiagnostik ist die möglichst präzise Abschätzung des perioperativen Risikos und der postoperativen Lungenfunktion.
Spirometrie: Messung der statischen und dynamischen Lungenvolumina (Abb. B-4.13).
Spirometrie: Die Spirometrie dient der Messung der statischen und dynamischen Lungenvolumina (Abb. B-4.13).
Statische Lungenvolumina: Gemessen werden: ■ Vitalkapazität (VK), ■ Totalkapazität (TK), ■ Inspiratorisches Reservevolumen (IRV), ■ Exspiratorisches Reservevolumen (ERV) und Atemzugvolumen (AZV).
Statische Lungenvolumina: ■ Vitalkapazität (VK): Das nach einer maximalen Exspiration maximal inspirierbare Luftvolumen. ■ Totalkapazität (TK): Das totale Luftvolumen der Lunge am Ende einer maximalen Inspiration.
B-4.13
B-4.13
Lungenvolumina
Aus den spirometrischen Messungen und der Messung des Residualvolumens ergeben sich alle Lungenvolumina. Linke Ordinate: absolute Werte für einen lungengesunden jungen Mann; rechte Ordinate: Lungenvolumina in Prozent der totalen Lungenkapazität.
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B 4.2 Erkrankungen der Lunge
■
■
■
■
935
Inspiratorisches Reservevolumen (IRV): Luftmenge, die am Ende einer normalen Inspiration bis zur maximalen Inspirationsstellung zusätzlich eingeatmet werden kann. Exspiratorisches Reservevolumen (ERV): Luftmenge, die am Ende einer normalen Exspiration bis zur maximalen Exspirationsstellung noch zusätzlich ausgeatmet werden kann. Funktionelle Residualkapazität (FRK): Das am Ende einer normalen Exspiration noch in der Lunge verbleibende Gasvolumen. Atemzugvolumen (AZV): Das bei einem regulären Atemzug eingeatmete Luftvolumen.
Dynamische Lungenvolumina: ■ FEV 1 (forciertes exspiratorisches Volumen): Luftmenge, die nach maximaler Einatmung mit forcierter Exspiration in der ersten Sekunde ausgeatmet wird. Sie beträgt normalerweise 70 – 80 % der Vitalkapazität. ■ Atemminutenvolumen (AMV): Das in einer Minute ventilierte Luftvolumen. ■ Atemgrenzwert (AGW): Die Luftmenge, die in einer Minute maximal ventiliert werden kann.
Dynamische Lungenvolumina: Gemessen werden ■ FEV (forciertes exspiratorisches Volumen), 1 ■ Atemminutenvolumen (AMV) und ■ Atemgrenzwert (AGW).
Ergänzend zur Spirometrie wird üblicherweise in gleicher Untersuchung eine Ganzkörperplethysmographie durchgeführt. Hierbei handelt es sich um die Messung des Atemwegswiderstandes sowie des funktionellen Residualvolumens. Die Ganzkörperplethysmographie erlaubt die Beurteilung obstruktiver und restriktiver Ventilationsstörungen: ■ Obstruktive Ventilationsstörungen: Sie entstehen durch einen erhöhten Atemwegswiderstand bei Verengung der oberen Luftwege oder der peripheren Luftwege. ■ Restriktive Ventilationsstörungen: Sie entstehen durch eine Reduktion des ventilierten und perfundierten Lungenparenchyms sowie einer verminderten Ausdehnungsfähigkeit der Lunge (reduzierte Compliance) bei Lungenfibrose oder Thoraxerkrankungen (Morbus Bechterew).
Ergänzend wird meist eine Ganzkörperplethysmographie (Messung des Atemwegswiderstandes sowie des funktionellen Residualvolumens) zur Beurteilung von obstruktiven und restriktiven Ventilationsstörungen durchgeführt.
Zur Risikoabschätzung vor lungenresezierenden Eingriffen hat sich in der klinischen Praxis die Bestimmung des postoperativen FEV1 als aussagekräftiger Parameter etabliert. Die näherungsweise Abschätzung des postoperativen FEV1 kann unter der Annahme, dass alle Lungensegmente gleichen Anteil an der Ventilation haben, dergestalt erfolgen, dass das postoperative FEV1 aus dem präoperativen FEV1 abzüglich des Anteils der Zahl der zu resezierenden Segmente berechnet wird. Präziser kann das postoperative FEV1 aus der Kombination einer präoperativen Spirometrie und einer quantitativen Lungenperfusionsszintigraphie berechnet werden.
Zur Risikoabschätzung vor lungenresezierenden Eingriffen hat sich die Bestimmung des postoperativen FEV1 etabliert. Die Berechnung kann aus dem präoperativen FEV1 abzüglich des Anteils der Zahl der zu resezierenden Segmente erfolgen.
왘 Merke. Das postoperative FEV1 sollte nach lungenresezierenden Eingriffen
왗 Merke
nicht 5 40 % des Solls betragen. Andernfalls ist von einem deutlich erhöhten Operationsrisiko oder sogar einer funktionellen Inoperabilität auszugehen. Erscheint das perioperative Risiko erhöht, so kann ergänzend eine Bestimmung der maximalen Sauerstoffaufnahme im Rahmen einer Spiroergometrie durchgeführt werden. Die maximale Sauerstoffaufnahme sollte 4 20 ml/kg/Minute betragen. Liegt die maximale Sauerstoffaufnahme darunter, so ist ein erhöhtes Operationsrisiko anzunehmen (Abb. B-4.14).
Beim erhöht erscheinenden perioperativen Risiko kann ergänzend die Bestimmung der maximalen Sauerstoffaufnahme durch eine Spiroergometrie erfolgen (Abb. B-4.14).
Endoskopie
Endoskopie
Bronchoskopie
Bronchoskopie
Die Bronchoskopie ermöglicht die endoskopische Betrachtung des Bronchialsystems. Zu unterscheiden sind die flexible fiberoptische Bronchoskopie sowie das Verfahren der starren Bronchoskopie.
Sie dient der endoskopischen Betrachtung des Bronchialsystems. Es gibt 2 Verfahren:
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B 4 Thoraxchirurgie
936 B-4.14
Prüfung der funktionellen Operabilität
Flexible Bronchoskopie: Sie kann in Lokalanästhesie durchgeführt werden und ist das Standardverfahren. Das Bronchoskop wird transnasal eingebracht. Über einen Arbeitskanal können flexible Instrumente (z. B. eine Zange zur Biopsieentnahme oder eine Punktionskanüle) vorgeschoben werden. Die flexible Bronchoskopie wird zunehmend auch bei beatmeten Patienten zur gezielten Bronchialtoilette eingesetzt.
Flexible Bronchoskopie: Die flexible Bronchoskopie stellt das klinische Standardverfahren dar. Sie kann im Regelfall in Lokalanästhesie durchgeführt werden. Üblicherweise wird das Bronchoskop transnasal eingebracht. Zunächst erfolgen die Inspektion des Larynx und die Beurteilung der Beweglichkeit der Stimmlippen. Anschließend wird das Bronchoskop weiter vorgeschoben und es können Trachea, Hauptbronchien, Lappenbronchien und die Segmentbronchien eingesehen werden. Über einen Arbeitskanal können flexible Instrumente, wie z. B. eine Zange zur Biopsieentnahme oder eine Punktionskanüle zur transbronchialen Punktion extraluminaler Raumforderungen, vorgeschoben werden. Die Bronchoskopie kann durch eine Röntgendurchleuchtung ergänzt werden. Dies erlaubt z. B. eine Biopsie von weiter peripher gelegenen Herden, die einer direkten visuellen Darstellung nicht zugänglich sind. Die flexible Bronchoskopie findet darüber hinaus zunehmend Verwendung im Rahmen der intensivmedizinischen Behandlung beatmeter Patienten zur gezielten Bronchialtoilette.
Starre Bronchoskopie: Sie erfolgt in Allgemeinnarkose. Transoral wird ein starres Bronchoskop in die Trachea eingeführt. Von Vorteil ist der größere Arbeitskanal, weshalb die starre Bronchoskopie besonders für therapeutische Interventionen geeignet ist, z. B. Fremdkörperentfernung, Platzierung endobronchialer Stents, Behandlung endobronchialer Blutungen, Abtragung trachealer Raumforderungen.
Starre Bronchoskopie: Im Gegensatz zur flexiblen fiberoptischen Bronchoskopie erfolgt die starre Bronchoskopie grundsätzlich in Allgemeinnarkose. Transoral wird ein starres Bronchoskop in die Trachea eingeführt. Mit dem starren Bronchoskop können raumfordernde Prozesse im Bereich von Trachea, Hauptbronchien und ggf. Lappenbronchien zur Darstellung gebracht werden. Von Vorteil ist der größere Arbeitskanal, weshalb die starre Bronchoskopie besonders für therapeutische Interventionen geeignet ist, z. B. für: ■ Entfernung von Fremdkörpern, ■ palliative Laserung endobronchialer Tumoren,
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B 4.2 Erkrankungen der Lunge
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937
Platzierung endobronchialer Stents, Behandlung endobronchialer Blutungen und Abtragung trachealer Raumforderungen.
Mediastinoskopie
Mediastinoskopie
Die Mediastinoskopie stellt ein diagnostisches Verfahren zur Darstellung und Gewebegewinnung mediastinaler Raumforderungen dar. Zu unterscheiden sind dabei die kollare und die anteriore Mediastinoskopie.
Zu unterscheiden sind dabei die kollare und die anteriore Mediastinoskopie.
Indikation: Die kollare Mediastinoskopie dient der Darstellung und Probengewinnung zur histologischen Untersuchung mediastinaler Lymphknoten, insbesondere der Lymphknoten entlang der Trachea, im Bereich der tracheobronchialen Winkel sowie unterhalb der Trachealbifurkation. Häufige Indikationen sind die histologische Diagnosefindung einer mediastinalen Lymphknotenvergrößerung, wie sie z. B. bei einer Sarkoidose, bei mediastinalen Lymphomerkrankungen oder sekundär metastatischen Lymphknotenvergrößerungen im Rahmen von fortgeschrittenen Tumorerkrankungen auftreten können.
Indikation: Die kollare Mediastinoskopie dient der Darstellung und Probengewinnung zur histologischen Untersuchung mediastinaler Lymphknoten.
왘 Merke. Besondere Bedeutung hat die kollare Mediastinoskopie in der Di-
왗 Merke
agnostik des Bronchialkarzinoms. Aus Art und Umfang der mediastinalen Lymphknotenmetastasierung leitet sich das therapeutische Vorgehen ab. Der anterioren Mediastinoskopie sind retrosternal gelegene Prozesse des vorderen Mediastinums zugänglich. Sie dient der Diagnostik von Thymomen oder malignen Lymphomen.
Die anteriore Mediastinoskopie dient zur Diagnostik von retrosternal gelegenen Prozessen, z. B. Thymomen oder malignen Lymphomen.
Kontraindikation für eine Mediastinoskopie sind: ■ obere Einflussstauung, ■ Gerinnungsstörung, ■ retrosternale Struma, ■ bakterielle Mediastinitis und ■ Aneurysma des Aortenbogens.
Kontraindikation sind: ■ obere Einflussstauung, ■ Gerinnungsstörung, ■ retrosternale Struma, ■ bakterielle Mediastinitis, ■ Aneurysma des Aortenbogens.
Kollare Mediastinoskopie: Die kollare Mediastinoskopie erfolgt über eine kleine quere Hautinzision im Bereich des Jugulums. Nach Durchtrennung des Subkutangewebes wird die gerade Halsmuskulatur zur Darstellung gebracht, in der Mittellinie gespalten. Die Schilddrüse wird ggf. nach kranial abgedrängt und die Fascia praetrachealis eröffnet. Nun kann das Mediastinoskop platziert und unter stumpfer Präparation mit dem Präpariertupfer unter Sichtkontrolle mediastinalwärts vorgeschoben werden. Anschließend können unter direkter Sicht die betreffenden Lymphknoten zur Darstellung gebracht werden. Es erfolgt die Durchführung einer Probepunktion zum Ausschluss einer fälschlichen Eröffnung einer Vene, anschließend kann der Lymphknoten unter Sichtkontrolle biopsiert oder komplett exstirpiert werden (Abb. B-4.15 a).
Kollare Mediastinoskopie: Sie erfolgt über eine Hautinzision im Bereich des Jugulums mit anschließender Darstellung der Halsmuskulatur und Eröffnung der Fascia praetrachealis. Das Mediastinoskop wird platziert, und unter direkter Sicht können die betreffenden Lymphknoten zur Darstellung gebracht und nach einer Probepunktion biopsiert oder komplett exstirpiert werden (Abb. B-4.15 a).
Anteriore Mediastinoskopie: Die anteriore Mediastinoskopie dient der Gewinnung von Gewebeproben aus dem vorderen Mediastinum. Dazu erfolgt in Abhängigkeit von der Tumorlokalisation eine etwa 2 cm lange parasternale Hautinzision im Verlauf des Zwischenrippenraumes. Anschließend wird das Subkutangewebe durchtrennt und die Interkostalmuskulatur eröffnet. Bei der Präparation sind die Verläufe von A. und V. mammaria interna zu beachten. Meist gelingt es, die Gefäße stumpf abzudrängen und zu erhalten. Im Einzelfall kann eine Ligatur notwendig sein. Anschließend wird das Mediastinoskop im vorderen Mediastinum platziert und die Biopsie kann unter visueller Kontrolle erfolgen (Abb. B-4.15 b).
Anteriore Mediastinoskopie: Sie dient zur Gewinnung von Gewebe aus dem vorderen Mediastinum. Der Zugang erfolgt über einen Zwischenrippenraum möglichst unter Schonung von A. und V. mammaria interna. Das Mediastinoskop wird im vorderen Mediastinum platziert und unter visueller Kontrolle die Biopsie durchgeführt (Abb. B-4.15 b).
Komplikationen: Aufgrund der engen topographischen Beziehung zu Nachbarstrukturen ist die kollare Mediastinoskopie mit dem Risiko einer Verletzung der Gefäße V. cava, V. azygos, Aorta ascendens und A. pulmonalis verbunden. Während kleinere venöse Gefäßverletzungen im Einzelfall durch eine Kom-
Komplikationen: Die Risiken der kollaren Mediastinoskopie sind ■ Gefäßverletzungen (V. cava, V. azygos, Aorta ascendens, A. pulmonalis),
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B 4 Thoraxchirurgie
938 B-4.15
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Mediastinoskopie
Verletzung des Ösophagus, Läsion des linksseitigen N. laryngeus recurrens, Pneumothorax.
Die anteriore Mediastinoskopie ist mit dem Risiko von Blutungen (A. und V. mammaria, Aorta, V. brachiocephalica sinistra) und Entstehen eines Pneumothorax verbunden.
pression beherrscht werden können, verlangt die Verletzung großer Gefäße die sofortige Sternotomie und Übernähung des Gefäßdefektes. Darüber hinaus ist die Verletzung des Ösophagus, eine Läsion des linksseitigen N. laryngeus recurrens sowie eines Pneumothorax durch Eröffnung der Pleura mediastinalis möglich. Die anteriore Mediastinoskopie ist mit einem Blutungsrisiko aus A. und V. mammaria, der Aorta und der V. brachiocephalica sinistra behaftet. Außerdem besteht das Risiko eines Pneumothorax infolge der Eröffnung der Pleura parietalis.
Thorakoskopie
Thorakoskopie
Die Thorakoskopie dient der visuellen Inspektion der Pleurahöhle. Sie erfolgt heute meist als videoassistierte Thorakoskopie (VATS), die in Allgemeinnarkose durchgeführt wird. Mit der interkostal eingebrachten Optik kann die Lunge und die Pleurahöhle inspiziert werden. Über einen weiteren Zugang können Instrumente für gezielte diagnostische und therapeutische Maßnahmen eingebracht werden.
Die Thorakoskopie dient der Inspektion der Pleurahöhle. Erstmals beschrieben wurde die Technik der Thorakoskopie 1907 von Jakobeus, der ein Metallrohr interkostal platzierte und auf diese Weise die direkte Betrachtung der Lunge ermöglichte. Heute wird die Thorakoskopie meist in Form einer videoassistierten Thorakoskopie (VATS) durchgeführt. In Allgemeinnarkose wird die Lunge des Patienten über einen Doppellumentubus seitengetrennt ventiliert und anschließend interkostal eine Optik in die Pleurahöhle eingebracht. Damit ist die Inspektion von Lunge und Pleurahöhle möglich. Über einen weiteren Zugang können Instrumente in die Pleurahöhle eingebracht werden und gezielt diagnostische und therapeutische Maßnahmen durchgeführt werden. Als ursprünglich rein diagnostisches Verfahren etabliert, hat sich die videoassistierte Thorakoskopie zunehmend zu einem minimalinvasiven therapeutischen Operationsverfahren entwickelt. Durch die Entwicklung eines geeigneten Instrumentariums können heute anatomische und extraanatomische Lungenteilresektionen durchgeführt werden. Auch Pleurabiopsien, Pleurodesen und Eingriffe am Perikard sind möglich.
Die videoassistierte Thorakoskopie hat sich zunehmend zu einem minimalinvasiven therapeutischen Operationsverfahren entwickelt.
4.2.2 Kongenitale Fehlbildungen
4.2.2 Kongenitale Fehlbildungen
Zystisch adenomatoide Lungenfehlbildungen
Zystisch adenomatoide Lungenfehlbildungen
왘 Definition
왘 Definition. Die zystische adenomatoide Lungenfehlbildung ist durch ein überschießendes Wachstum der Bronchioli charakterisiert, in deren Folge sowohl zystisches als auch solides Gewebe in der Lunge entsteht.
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B 4.2 Erkrankungen der Lunge
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Ätiologie: Die Ursache der zystischen adenomatoiden Fehlbildung der Lunge ist eine Bronchialatresie. Als Folge kommt es sekundär in dem Lungensegment, das dem atretischen Bronchiolus nachgeschaltet ist, zum dysplastischen Lungenwachstum. Die zystisch adenomatoide Fehlbildung der Lunge betrifft die rechte und linke Lunge in gleicher Häufigkeit. Stets ist nur eine Lunge betroffen, zumeist der Lungenunterlappen.
Ätiologie: Die Ursache ist eine Bronchialatresie, die sekundär im nachgeschalteten Lungensegment zum dysplastischen Lungenwachstum führt.
Einteilung: Entsprechend ihrer Morphologie können 3 Typen unterschieden werden: ■ Typ 1: Im betroffenen Lungenabschnitt entstehen große Zysten. ■ Typ 2: Besteht aus zahlreichen kleinen Zysten. ■ Typ 3: Ist eine große solide Raumforderung ohne nachweisbare Zysten.
Einteilung: Es werden nach der Morphologie 3 Typen unterschieden.
Klinik: Typischerweise treten die Symptome im Neugeborenenalter innerhalb des ersten Lebensmonates mit Tachypnoe, Zyanose und Luftnot auf. Werden die Patienten erst im späteren Lebensalter klinisch symptomatisch, so stehen meistens Husten, Fieber und rezidivierende Atemwegsinfekte im Vordergrund. Im Einzelfall kann die Erkrankung klinisch symptomlos bleiben und als Zufallsbefund imponieren.
Klinik: Die Symptome treten meist im Neugeborenenalter innerhalb des ersten Lebensmonates mit Tachypnoe, Zyanose und Luftnot auf. Im späteren Lebensalter sind Husten, Fieber und rezidivierende Atemwegsinfekte typisch.
Diagnostik: Zystisch adenomatoide Lungenfehlbildungen können bereits intrauterin jenseits der 20. Gestationswoche sonographisch festgestellt werden. Wiederholt beobachtet wurde eine spontane Rückbildung. Im Neugeborenenalter ist die Röntgen-Thoraxuntersuchung, ggf. ergänzt durch eine Computertomographie, die Methode der Wahl zur Diagnosefindung.
Diagnostik: Sonographisch bereits intrauterin jenseits der 20. Gestationswoche feststellbar, im Neugeborenenalter durch Röntgen-Thorax, ggf. CT.
Therapie: Bei klinisch symptomatischen Patienten erscheint die Resektion des betroffenen Lungenabschnittes als die Therapie der Wahl. Da häufig der gesamte Lungenlappen durch den Prozess ausgefüllt ist, erscheint hier eine Lobektomie sinnvoll. In Einzelfällen kann eine Segmentresektion ausreichend sein. Eine Pneumonektomie ist nur in Ausnahmefällen angezeigt.
Therapie: Bei klinisch symptomatischen Patienten ist die Resektion des betroffenen Lungenabschnittes die Therapie der Wahl.
Bronchogene Zyste
Bronchogene Zyste
왘 Definition. Kongenitale Fehlbildung des Bronchialbaumes mit Ausbildung einer Zyste.
왗 Definition
In Abhängigkeit von der Lokalisation unterscheidet man die mediastinalen von den intrapulmonalen Zysten.
Es gibt mediastinale und intrapulmonale Zysten.
Klinik: Die Symptomatik differiert in Abhängigkeit von der klinischen Präsentation bronchogener Zysten. Im Neugeborenenalter werden etwa zwei Drittel der Zysten im Mediastinum beobachtet. Infolge ihrer Raumforderung kommt es zu lebensbedrohlicher Atemnot bedingt durch die Kompression der großen Atemwege, sodass hier häufig eine rasche chirurgische Intervention notwendig ist. Bei älteren Kindern und Erwachsenen ist die Klinik häufig milder. Die mediastinalen Zysten treten klinisch durch retrosternalen Schmerz, Husten, Dyspnoe, Fieber, purulentes Sputum, Dysphagie und Kachexie in Erscheinung. Intrapulmonale Zysten können durch Husten, Fieber, Dyspnoe und purulentes Sputum klinisch auffällig werden. Jenseits des Neugeborenenalters bleiben 33 % der Zysten klinisch asymptomatisch und werden als Zufallsbefund entdeckt.
Klinik: Im Neugeborenenalter kommt es infolge der Raumforderung zur lebensbedrohlichen Atemnot, die häufig eine rasche chirurgische Intervention erfordert.
Diagnostik: Die Diagnose wird durch Röntgen und Computertomographie des Thorax gestellt (Abb. B-4.16). Im Einzelfall kann eine ergänzende Bronchoskopie zum Nachweis eines Fistelganges oder einer bronchialen Impression führen. Eine Kontrastmittelschluckuntersuchung kann im Falle mediastinaler Zysten zum Nachweis einer Ösophaguskompression angezeigt sein.
Diagnostik: Die Diagnose wird durch Röntgen und Computertomographie des Thorax gestellt (Abb. B-4.16).
Bei älteren Kindern und Erwachsenen ist die Klinik häufig milder. Symptome sind retrosternaler Schmerz, Husten, Dyspnoe, Fieber, purulentes Sputum, Dysphagie und Kachexie.
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B 4 Thoraxchirurgie
B-4.16
B-4.16
Bronchogene Zyste
b
a
Im Röntgenbild runde, scharf begrenzte Raumforderung im Tracheobronchialwinkel rechts. Computertomographisch runde Raumforderung paratracheal mit wasseräquivalenter Dichte.
Therapie: Anzustreben ist die möglichst komplette chirurgische Resektion der Zyste durch Thorakotomie oder videoassistierte Thorakoskopie.
Therapie: Anzustreben ist die möglichst komplette chirurgische Resektion der Zyste. In Abhängigkeit von Lage und Größe kann dieses auf dem Wege einer Thorakotomie oder videoassistierten Thorakoskopie erfolgen. Eine Zystendrainage durch Punktion erscheint hier wenig erfolgversprechend, da die Zysten sich rasch wieder mit Inhalt füllen.
Lungensequester
Lungensequester
왘 Definition
왘 Definition. Bei einem Lungensequester handelt es sich um eine umschriebene
Lungenfehlbildung, welche als solide Raumforderung ohne Anschluss an das Tracheobronchialsystem imponiert. Pathogenese: Lungensequester sind Raumforderungen aus funktionslosem Lungengewebe, das keine Verbindung zum Tracheobronchialsystem hat. Sie können sowohl innerhalb der Lunge (intralobär) wie auch außerhalb der Lunge (extralobär) bestehen.
Pathogenese: Lungensequester sind Raumforderungen aus funktionslosem Lungengewebe, das keine Verbindung zum Tracheobronchialsystem hat. Diese Sequester können sowohl innerhalb der Lunge (intralobär) wie auch außerhalb der Lunge (extralobär) bestehen. Kennzeichnend ist, dass diese Raumforderungen ihren arteriellen Blutzufluss zumeist direkt aus der Aorta generieren. Der venöse Abfluss erfolgt über die Lungenvenen oder das Azygos-System. Der arterielle Blutfluss kann so groß sein, dass in seiner Folge ein Links-rechts-Shunt mit resultierender kongestiver Herzinsuffizienz oder Hämoptysen resultiert. Lungensequester werden häufiger bei Männern als bei Frauen beobachtet. Das Verhältnis ist 3 : 1. Die häufigste Form ist der intralobuläre (85 %) Lungensequester, der sich typischerweise im posterobasalen Segment des linken Unterlappens befindet.
Klinik: Symptome im Kindesalter sind Trinkschwäche, Dyspnoe, Zyanose und Zeichen der Atemnot. Bei älteren Patienten treten Husten, Auswurf, rezidivierende Pneumonien und Asthmaanfälle auf.
Klinik: Im Kindesalter manifestiert sich der Lungensequester durch Trinkschwäche, Dyspnoe, Zyanose und Zeichen der Atemnot. Bei älteren Patienten kann der Lungensequester mit Husten, Auswurf, rezidivierenden Pneumonien und Asthmaanfällen einhergehen. Selten bestehen Hämoptysen. Im Erwachsenenalter kann der Lungensequester symptomlos als Zufallsbefund imponieren.
Diagnostik: Bei betroffenen Patienten ist auskultatorisch ein kontinuierliches Strömungsgeräusch mit Ausstrahlung in den Rücken typisch. Die Diagnose kann durch ein CT des Thorax gestellt werden.
Diagnostik: Bei betroffenen Patienten ist auskultatorisch ein kontinuierliches Strömungsgeräusch mit Ausstrahlung in den Rücken typisch. Die Diagnose kann durch Computertomographie des Thorax gestellt werden, insbesondere, wenn ein zuführender arterieller Ast direkt aus der Aorta zur Darstellung kommt.
Therapie: Die Therapie der Wahl ist die chirurgische Resektion.
Therapie: Die Therapie der Wahl ist die chirurgische Resektion. Im Falle eines intralobären Sequesters kann eine Segment- oder Lappenresektion angezeigt sein. Ein extralobärer Sequester wird exstirpiert. Zu beachten ist, dass es immer
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B 4.2 Erkrankungen der Lunge
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gilt, zunächst den arteriellen Zufluss zu ligieren, anderenfalls drohen Blutungskomplikationen.
Arteriovenöse Malformation 왘 Definition. Bei den arteriovenösen Malformationen der Lunge handelt es sich um intrapulmonale Kurzschlussverbindungen zwischen A. und V. pulmonalis.
Arteriovenöse Malformation 왗 Definition
Lokalisation: Arteriovenöse Malformationen der Lunge können isoliert oder multilokulär auftreten. Am häufigsten sind die AV-Malformationen im Unterlappen lokalisiert. Bei der generalisierten Form liegt oft eine sog. hereditäre Teleangiektasie (Morbus Osler) zugrunde.
Lokalisation: Sie kommen isoliert oder multilokulär am häufigsten im Unterlappen vor.
Ätiologie: Als Ursache wird eine primäre Stoffwechselstörung mit Ausbildung einer Vasektasie und Eröffnung präformierter Gefäßanastomosen peribronchiolär angenommen.
Ätiologie: Als Ursache wird eine primäre Stoffwechselstörung angenommen.
Klinik: Kleine AV-Malformationen bleiben häufig klinisch symptomlos und werden gelegentlich im Röntgenbild als Rundherde identifiziert. Größere AV-Malformationen können zu einem hämodynamisch relevanten Rechts-linksShunt mit konsekutiver Zyanose und Belastungsdyspnoe führen. Häufig fallen AV-Malformationen erst durch ihre Komplikationen auf. Hierzu zählen Thromboembolien, Blutungen in Lunge und Pleurahöhle, Zyanose, Dyspnoe, Tachykardien und Belastungsinsuffizienz.
Klinik: Häufig symptomlos, größere AV-Malformationen können zum Rechts-links-Shunt mit konsekutiver Zyanose und Belastungsdyspnoe führen. Oft werden erst die Komplikationen (Thromboembolien, Blutungen in Lunge und Pleurahöhle, Zyanose, Dyspnoe) auffällig.
Diagnostik: In Abhängigkeit vom Rechts-links-Shunt kann auskultatorisch über der Lunge ein systolisch-diastolisches Strömungsgeräusch festzustellbar sein. Röntgenologisch können AV-Malformationen auf der Röntgen-Thoraxaufnahme als Verschattungen auffallen. Bewiesen wird die Diagnose durch die angiographische Darstellung der Pulmonalarterien oder im Rahmen einer thorakalen Computertomographie mit Kontrastierung der Gefäße.
Diagnostik: Hinweise sind auskultatorisch ein systolisch-diastolisches Strömungsgeräusch über der Lunge und Verschattungen in der Röntgen-Thoraxaufnahme. Die Diagnosesicherung erfolgt durch Angiographie oder thorakales CT mit Gefäßdarstellung.
Therapie: Die Behandlung der Wahl besteht in der angiographischen, selektiven Embolisation der AV-Malformation. Ausgedehnte Befunde werden operativ reseziert. Das Resektionsausmaß ist hierbei abhängig von der Befundgröße.
Therapie: Entweder durch Embolisation oder bei größeren Befunden durch Resektion.
Kongenitales lobäres Emphysem
Kongenitales lobäres Emphysem
왘 Definition. Beim kongenitalen, lobären Emphysem kommt es zu einer massi-
왗 Definition
ven Überblähung eines, seltener mehrerer Lungenlappen im Neugeborenenalter. Pathogenese: Das kongenitale lobäre Emphysem ist gekennzeichnet durch eine unvollständige Ausbildung der Bronchialknorpelringe in den betroffenen Lungenabschnitten. In Ausnahmefällen finden sich ursächlich Schleimhautfalten, Obstruktionen durch ein abnorm verlaufendes Gefäß oder Sekretabflussbehinderungen. Am häufigsten ist der linke Lungenoberlappen betroffen, seltener rechter Ober- und Mittellappen.
Pathogenese: Die Bronchialknorpelringe der betroffenen Lungenabschnitte sind unvollständig ausgebildet. Am häufigsten ist der linke Lungenoberlappen betroffen.
Pathomechanismus: Infolge des Defektes kommt es zur Ausbildung eines Ventilmechanismus, bei dem die Luft inspiratorisch in den betroffenen Lungenlappen gelangt, bei der Exspiration aber ein erhöhter Widerstand besteht, was in der Folge zu einer zunehmenden Überblähung des betroffenen Lungenabschnittes führt, sog. „air trapping“. Die zunehmende Überblähung des betroffenen Lungenlappens führt zu einer Verdrängung gesunder Lungenanteile, wie auch des Mediastinums.
Pathomechanismus: Infolge des Defektes kommt es zur Ausbildung eines Ventilmechanismus (Exspiration ist erschwert) mit der Folge der Überblähung des betroffenen Lungenabschnittes, dem sog. „air trapping“.
Klinik: Aus der Überblähung des betroffenen Lungenabschnittes resultieren ein abgeschwächtes Atemgeräusch und ein hypersonorer Klopfschall. Bei zunehmendem Befund kommt es zum Auftreten von Dyspnoe, Zyanose und Gedeihstörungen.
Klinik: Abgeschwächtes Atemgeräusch und ein hypersonorer Klopfschall. Bei längerer Dauer treten Dyspnoe, Zyanose und Gedeihstörungen auf.
Diagnostik: Die Diagnose kann anhand einer Röntgen-Thoraxaufnahme gestellt werden, die die typische Überblähung des betroffenen Lungenabschnittes,
Diagnostik: In der Röntgen-Thoraxaufnahme ist die typische Überblähung des betroffenen
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942 B-4.17
B 4 Thoraxchirurgie
B-4.17
Kongenitales lobäres Emphysem Kongenitales Lobäremphysem rechter Oberlappen (?); verlagerte Bronchien
Lungenabschnittes zu sehen und evtl. Kompression gesunder Lungenanteile (Abb. B-4.17). Differenzialdiagnose: Pneumothorax, kongenitale Lungenzyste.
begleitet von Zwerchfelltiefstand, Mediastinalverschiebung und Kompression gesunder Lungenanteile, zeigt (Abb. B-4.17).
Therapie: Operative Resektion des betroffenen Lungenlappens.
Therapie: Die kausale Behandlung besteht in der operativen Resektion des betroffenen Lungenlappens. So entsteht ausreichend Raum für die Entfaltung der gesunden Lungenanteile.
4.2.3 Entzündliche Erkrankungen
4.2.3 Entzündliche Erkrankungen
Pneumonie
Pneumonie
왘 Definition
Differenzialdiagnose: Differenzialdiagnostisch sind ein Pneumothorax und die kongenitale Lungenzyste abzugrenzen.
왘 Definition. Die Pneumonie ist eine akute Entzündung der Lunge mit Befall des
Alveolarraumes (alveoläre Pneumonie) oder des Interstitiums (interstitielle Pneumonie) bakterieller, viraler oder mykotischer Genese (Abb. B-4.18). Einteilung: ■ Primäre Pneumonie: Befall einer gesunden Lunge durch pathogene Mikroorganismen. ■ Sekundäre Pneumonie: Folge einer bestehenden Lungenveränderung (z. B. Bronchiektasie) oder Allgemeinerkrankung (Immundefizienz).
Einteilung: Zu unterscheiden sind Pneumonien hinsichtlich ihrer Ätiologie in die primäre und sekundäre Pneumonie: ■ Primäre Pneumonie: Sie ist durch den Befall einer bislang gesunden Lunge durch pathogene Mikroorganismen gekennzeichnet. ■ Sekundäre Pneumonie: Sie ist als Folge einer bestehenden Lungenveränderung (z. B. Bronchiektasie) oder Allgemeinerkrankung (Immundefizienz) zu betrachten.
Therapie: Die primäre Pneumonie wird kausal antibiotisch bzw. antimykotisch behandelt. Bei sekundären Pneumonien kann eine chirurgische Indikation bestehen.
Therapie: Die primäre Pneumonie wird kausal gezielt antibiotisch bzw. antimykotisch behandelt. Bei sekundären Pneumonien kann eine chirurgische Indikation bei kausal zugrunde liegenden Lungenerkrankungen bestehen
Chronische Pneumonie
Chronische Pneumonie
왘 Definition
왘 Definition. Die chronische Pneumonie ist definiert als eine Entzündung des
Lungenparenchyms, die trotz adäquater antibiotischer Therapie länger als 8 Wochen besteht.
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B 4.2 Erkrankungen der Lunge
B-4.18
Pneumonie
943 B-4.18
Röntgen-Übersichtsaufnahme eines 58-jährigen Mannes mit einer beidseitigen, vorwiegend basalen Pneumonie. Beginnendes rechtsseitiges Pleuraempyem (Spiegelbildung ?).
Ätiologie: Die Ursache einer chronischen Pneumonie kann ein sog. Mittellappensyndrom sein, bei dem vergrößerte Lymphknoten im Bereich des Mittellappenbronchus zu einer partiellen Obstruktion mit konsekutivem Sekretverhalt führen, in dessen Folge chronisch-rezidivierende Pneumonien des Mittellappens entstehen.
Ätiologie: Die Ursache kann ein sog. Mittellappensyndrom sein (vergrößerte Lymphknoten führen zur Obstruktion mit Sekretverhalt).
Klinik: Der Patient hat subfebrile Temperaturen und ist im Allgemeinzustand reduziert. Trotz antibiotischer Therapie persistieren die Symptome.
Klinik: Subfebrile Temperatur, reduzierter Allgemeinzustand und trotz antibiotischer Therapie keine Besserung.
Diagnostik: Die Diagnose ist zu stellen durch Röntgen-Thoraxaufnahme, ggf. in Verbindung mit Computertomographie und Bronchoskopie.
Diagnostik: Durch Röntgen-Thoraxaufnahme, ggf. CT und Bronchoskopie.
Therapie: Die Therapie der Pneumonie erfolgt zunächst konservativ medikamentös. Im Falle einer vollständigen Destruktion von Lungenanteilen aufgrund der lange bestehenden Entzündung kann im Einzelfall eine chirurgische Resektion angezeigt sein.
Therapie: Sie erfolgt zunächst konservativ medikamentös. Bei Destruktion von Lungenanteilen chirurgische Resektion.
Lungenabszess
Lungenabszess
왘 Definition. Ein Lungenabszess ist eine bakterielle Entzündung mit solitären oder gekammerten eitrigen Einschmelzungen im Lungenparenchym.
왗 Definition
Ätiologie: Zumeist handelt es sich um Mischinfektionen durch Staphylokokken, Pneumokokken und Enterokokken. Lungenabszesse entstehen: ■ Metapneumonisch (4 50 %) bei Pneumonie oder eitriger Bronchitis. ■ Aufgrund einer hämatogenen Streuung, z. B. Furunkel, Angina, Otitis. ■ Durch fortgeleitete entzündliche Prozesse aus dem Mediastinum, der Pleura oder des Zwerchfells. ■ Durch bronchogene Ursachen, wie Aspiration von Mageninhalt, endobronchiale Fremdkörper oder infolge ösophagotrachealer Fisteln.
Ätiologie: Meist Mischinfektion durch Staphylokokken, Pneumokokken und Enterokokken aufgrund hämatogener Streuung, fortgeleiteter entzündlicher Prozesse oder bronchogener Ursachen (z. B. Aspiration von Mageninhalt, Fremdkörper).
Klinik: Bei den Patienten besteht ein schweres Krankheitsbild mit Fieber, Schüttelfrost, Dyspnoe und Husten.
Klinik: Schweres Krankheitsbild mit Fieber, Schüttelfrost, Dyspnoe und Husten.
Diagnostik: Das Röntgen-Thoraxbild zeigt die Abszessformation als solide Raumforderung. Erhält der Abszess Anschluss an das Bronchialsystem, kommt es zu einer partiellen Abszessdrainage und es entsteht eine typische Spiegelbildung mit Flüssigkeit und Luft. Eine zusätzliche Computertomographie des Thorax erlaubt eine präzisere Beurteilung der topographischen Anatomie (Abb. B-4.19 a).
Diagnostik: Röntgen-Thoraxbild (solide Raumforderung, evtl. typische Spiegelbildung), ggf. zusätzlich CT (Abb. B-4.19 a).
Therapie: Zunächst wird gezielt antibiotisch nach Antibiogramm behandelt. Der Erregernachweis erfolgt durch Bronchialabstrich bzw. bronchoskopische Lavage. Die Mehrzahl der Lungenabszesse kann damit erfolgreich geheilt werden. Führt
Therapie: Gezielte antibiotische Behandlung nach Antibiogramm. Beim ausbleibenden Erfolg kann CT-gesteuert eine Drainage in der
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B 4 Thoraxchirurgie
944 B-4.19
Lungenabszess
a CT eines Lungenabszesses im rechten Unterlappen (?).
b Operationssitus mit Darstellung des Lungenabszesses. c Operationspräparat. Resezierter Die Overholt-Klemme ragt in die Abszesshöhle hinein. Unterlappen.
Abszesshöhle platziert werden. Schlägt die konservative Therapie nicht an, ist die chirurgische Resektion zu erwägen (Abb. B-4.19 b, c).
die konservative Behandlung nicht zum Erfolg, kann CT-gesteuert eine Drainage in der Abszesshöhle platziert werden. Beim Versagen der konservativen Therapie ist eine chirurgische Resektion zu erwägen. Art und Umfang der Resektion sind abhängig von Lokalisation und Ausdehnung der Abszesshöhle (Abb. B-4.19 b, c).
Komplikationen: Pleuraempyem, intrapulmonale Blutungen durch Gefäßarrosionen, Sepsis oder septisch-metastatische Abszesse.
Komplikationen: Intrapulmonale Abszesse können in die Pleurahöhle perforieren und zur Ausbildung eines Pleuraempyems führen. Möglich sind intrapulmonale Blutungen durch Gefäßarrosionen, eine Sepsis oder septisch metastatische Abszesse durch hämatogene, bakterielle Streuung.
Aspergillom
Aspergillom
왘 Definition
왘 Definition. Beim Lungenaspergillom handelt es sich um eine Infektion mit Aspergillus fumigatus.
Ätiologie: Superinfektion einer präformierten Höhle z. B. nach abszedierender Pneumonie bei Patienten mit Immunschwäche (durch chronische Infektionserkrankungen, maligne Prozesse, Steroidtherapie oder AIDS).
Ätiologie: Typisch ist die Superinfektion einer präformierten Höhle durch Aspergillus fumigatus, z. B. nach abszedierender Pneumonie. Aufgrund der geringen Virulenz des Erregers handelt es sich fast immer um opportunistische Infektionen bei Patienten mit einer zugrunde liegenden Immunschwäche, z. B. auf dem Boden chronischer Infektionserkrankungen, maligner Prozesse, Steroidtherapie oder AIDS.
Klinik: Starkes Krankheitsgefühl mit Fieber, Husten und Auswurf.
Klinik: Bei den Patienten besteht zumeist ein erhebliches Krankheitsgefühl mit Fieber, Husten und Auswurf.
Diagnostik: Auf dem Röntgen-Thoraxbild ist das Aspergillom als intrapulmonale Raumforderung, häufig mit Luftsichel, zu sehen (Abb. B-4.20). Diagnosesicherung durch Erregernachweis aus Sputum oder bronchoalveolärer Lavageflüssigkeit.
Diagnostik: Auf dem Röntgen-Thoraxbild imponiert das Aspergillom als intrapulmonale Raumforderung, häufig umgeben von einer Luftsichel. Computertomographisch stellt sich das Aspergillom als Fungusball dar, der mit dem Wechsel von Rücken- zu Bauchlage seine Position ändert (Abb. B-4.20). Die Diagnose wird durch Erregernachweis aus dem Sputum oder der bronchoalveolären Lavageflüssigkeit gesichert.
Therapie: Antimykotische Behandlung, bei Therapieresistenz evtl. chirurgische Resektion. Parasitose
Therapie: Therapie der Wahl ist die medikamentöse antimykotische Behandlung. Bei Therapieresistenz kann eine chirurgische Resektion angezeigt sein.
왘 Definition Ätiologie: Bei der Echinokokkose sind die Parasiten Echinococcus cysticus oder Echinococcus alveolaris. Die Aufnahme der Pa-
Parasitose 왘 Definition. Besiedelung der Lunge durch Parasiten.
Ätiologie: Bei der Echinokokkose sind die Parasiten Echinococcus cysticus oder Echinococcus alveolaris. Sie befallen mit einer Häufigkeit von 10 – 30 % die Lunge als zweithäufigsten Infektionsort nach der Leber. Die Aufnahme der Parasiten
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B 4.2 Erkrankungen der Lunge
B-4.20
a
c
945
Aspergillom
b
In a ist eine dünnwandige Kaverne zu erkennen. Im weiteren Verlauf (b) sieht man eine sichelförmige, lageabhängige Verdichtung innerhalb der Kaverne. Der Befund wird durch das CT (c) untermauert.
erfolgt über den Verdauungstrakt. Von dort gelangen die Parasiten über den Blutstrom zur Pfortader und in die Leber, wo sich die Echinokokkusinfektion am häufigsten manifestiert. 10 % der Larven können über den Blutstrom in die Lunge gelangen und zur Ausbildung von Echinokokkuszysten führen. Zahlreiche weitere Parasitosen können sich in der Lunge manifestieren, exemplarisch zu nennen ist hier die Bilharziose, hervorgerufen durch verschiedene Arten der Gattung Schistosoma (Pärchenegel). Der Lungenbefall präsentiert sich klinisch mit dem Bild einer chronischen Bronchitis, begleitet von blutigem Auswurf. Die Wurmeier führen zu einer Verlegung der Lungenstrombahn, mit der Folge einer sekundären pulmonalen Hypertonie.
rasiten erfolgt über den Verdauungstrakt, von dort gelangen sie über die Blutbahn zur Leber und von dort in die Lunge. Weitere Parasitosen kommen vor, z. B. die Bilharziose, hervorgerufen durch verschiedene Arten der Gattung Schistosoma (Pärchenegel).
Diagnostik: Die Diagnose einer pulmonalen Parasitose erfolgt radiologisch durch Röntgen-Thorax und Computertomographie sowie serologisch durch Nachweis der Parasiten (Abb. B-4.21).
Diagnostik: Röntgen-Thorax, CT und serologischer Nachweis der Parasiten (Abb. B-4.21).
Therapie: Bei einer pulmonal manifestierten Echinokokkose erscheint nach medikamentöser Vorbehandlung eine chirurgische Resektion angezeigt. Diese kann auf dem Weg der extraanatomischen Keilresektion, der Segmentresektion oder im Einzelfall auch in Form einer Lobektomie durchgeführt werden. Als alternative Verfahren stehen auch die Perizystektomie, d. h. die Entfernung der intaken Parasitenzyste mit Wirtskapsel und die Zystektomie, d. h. die Enukleation der Parasitenzyste ohne sie zu öffnen, zur Verfügung.
Therapie: Nach medikamentöser Vorbehandlung ist eine chirurgische Resektion (extraanatomische Keilresektion, Segmentresektion), alternativ auch die Perizystektomie oder Zystektomie indiziert.
왘 Merke. Diagnostische Punktionen einer Echinokokkuszyste sind streng kontraindiziert.
왗 Merke
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946 B-4.21
B 4 Thoraxchirurgie
B-4.21
Echinokokkuszyste
Beachte die Perizyste und die kollabierte Endozyste mit angedeuteten Wasserlilienzeichen.
Bronchiektasien 왘 Definition
Bronchiektasien 왘 Definition. Bronchiektasien sind irreversible, zylindrische, sackartige oder zystische Erweiterungen der mittleren und kleinen Bronchien.
Ätiologie: Primäre Bronchiektasien sind angeborene Defekte von Bronchuswand oder Schleimhaut. Sekundäre Bronchiektasien entstehen distal von Stenosen der kleinen Bronchien infolge chronischer Abflussbehinderung des Bronchialsekretes.
Ätiologie: Unterschieden werden primäre von sekundären Bronchiektasien. Bei den primären Bronchiektasien handelt es sich um angeborene Defekte der Bronchuswand oder der Schleimhaut. Sekundäre Bronchiektasien entwickeln sich dagegen distal von Stenosen der kleinen Bronchien infolge chronischer Abflussbehinderung des Bronchialsekretes.
Klinik: Chronischer, produktiver Husten mit rezidivierenden Infekten der oberen Lungenwege bis hin zu Hämoptysen. Intrapulmonal kann es zu Abszessen, metastatischen Abszedierungen sowie zum Pleuraempyem kommen.
Klinik: Chronischer, produktiver Husten mit rezidivierenden Infekten der oberen Atemwege bis hin zu Hämoptysen. Die Sekretretention führt aufgrund bakterieller Besiedelung zu rezidivierenden pulmonalen Infekten mit konsekutiver Gewebeeinschmelzung. Als Folge der bakteriellen Infektion kann es zu Gefäßeinschmelzungen mit der Ausbildung intrapulmonaler Abszesse kommen. Darüber hinaus sind metastatische Abszedierungen und die Entwicklung eines Pleuraempyems möglich.
Diagnostik: CT des Thorax mit Darstellung des ektatisch erweiterten, wandverdickten Segmentbronchus.
Diagnostik: Bei begründetem klinischem Verdacht wird die Diagnose durch eine Computertomographie des Thorax bewiesen. Der Segmentbronchus kommt ektatisch erweitert und infolge der chronischen Entzündung wandverdickt zur Darstellung.
Therapie: Primär Mukolytika und physikalische Maßnahmen (Lagerung, Atemgymnastik) zur Mobilisation des Bronchialsekrets sowie systemische Antibiotika zur Infektbehandlung. Treten trotzdem rezidivierende Infekte auf, ist die Resektion indiziert (Abb. B-4.22).
Therapie: Primär erfolgt die Mobilisation des Bronchialsekrets durch Mukolytika und physikalische Maßnahmen (Lagerung, Atemgymnastik). Begleitende Infekte werden systemisch antibiotisch therapiert. Treten rezidivierende Infekte trotz spezifischer Therapie auf, wird die Indikation zur Resektion gestellt. Das Resektionsausmaß ist abhängig vom individuellen Befund und kann als atypische Resektion, Segment- oder Lappenresektion erfolgen (Abb. B-4.22).
Mukoviszidose
Mukoviszidose
왘 Definition
왘 Definition. Bei der Mukoviszidose (zystische Fibrose) handelt es sich um
einen autosomal rezessiv vererbten Defekt des CFTR-Gens auf dem Chromosom 7. Pathophysiologie: Infolge des Gendefekts wird ein hochvisköser Schleim gebildet.
Pathophysiologie: Aufgrund des hereditären genetischen Defekts besteht eine Veränderung der Leitfähigkeit biologischer Membranen für Salze und Wasser, in deren Folge ein hochvisköser Schleim gebildet wird.
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B 4.2 Erkrankungen der Lunge
B-4.22
Bronchiektasen
947 B-4.22
Operationspräparat eines linken Lungenunterlappens bei Bronchiektasen. Im aufgeschnittenen Präparat erkennt man die ausgedehnten sackförmigen, bis zur Peripherie reichenden Erweiterungen der Bronchien (24-jähriger Patient).
Klinik: Der hochvisköse Schleim führt zu einer endobronchialen Obstruktion mit der Folge konsekutiver Bronchiektasien und rezidivierender Infekte.
Klinik: Bronchiektasien und rezidivierende Infekte.
Therapie: Die primäre Behandlung besteht in einer medikamentösen und physikalischen Sekretmobilisation. Pulmonale Infekte werden antibiotisch therapiert. Im Einzelfall ist nur ein Lungenlappen befallen, hier kann eine chirurgische Resektion angezeigt sein. Im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung stellt die beidseitige Lungentransplantion eine Therapieoption dar.
Therapie: Medikamentöse und physikalische Sekretmobilisation. Antibiotika bei pulmonalen Infekten.
Mittellappensyndrom
Mittellappensyndrom
왘 Definition. Als Mittellappensyndrom wird eine chronisch verlaufende Retentionspneumonie des Lungenmittellappens bezeichnet.
왗 Definition
Ätiologie: Das Mittellappensyndrom entsteht aufgrund einer Verengung des Mittellappenbronchus, die typischerweise durch eine Kompression von außen, z. B. durch einen vergrößerten Lymphknoten am Mittellappenbronchus, verursacht wird.
Ätiologie: Ursache ist eine Verengung des Mittellappenbronchus, meist durch Kompression von außen (vergrößerter Lymphknoten).
Klinik: Klinisch treten die Symptome einer chronischen Pneumonie wie rezidivierendes Fieber, Nachtschweiß, Husten und Auswurf auf.
Klinik: Rezidivierendes Fieber, Nachtschweiß, Husten und Auswurf.
Diagnostik: Die Röntgen-Thoraxaufnahme zeigt das Bild eines pneumonisch veränderten Mittellappens, die Computertomographie vermag den stenosierten Mittellappenbronchus abzubilden. Ergänzend kann eine Bronchoskopie durchgeführt werden.
Diagnostik: Röntgen-Thoraxaufnahme, CT und evtl. Bronchoskopie.
Therapie: Die initiale Therapie besteht in der gezielten antibiotischen Behandlung. Ist die Stenosierung des Mittellappens nicht reversibel, so stellt die chirurgische Resektion des Mittellappens die definitive Behandlung dar.
Therapie: Initial antibiotische Behandlung. Ist die Stenosierung des Mittellappens nicht reversibel, ist die chirurgische Resektion des Mittellappens indiziert.
Lungentuberkulose
Lungentuberkulose
왘 Definition. Die Lungentuberkulose entsteht durch eine Infektion mit dem
왗 Definition
säurefesten Mycobacterium tuberculosis. Klinik: Die klinische Manifestation der Lungentuberkulose kann äußerst vielfältig sein; typischerweise klagen die Patienten über Abgeschlagenheit, Husten und Hämoptysen, gelegentlich über thorakale Schmerzen. Es bestehen subfebrile Temperaturen und Nachtschweiß. Die Tuberkulose tritt gehäuft bei Patienten mit einer allgemeinen Schwächung der Immunabwehr auf (Alkoholkrankheit, maligne Grunderkrankung, HIV-Infektion).
Klinik: Sie ist vielfältig; typischerweise klagen die Patienten über Abgeschlagenheit, Husten und Hämoptysen, gelegentlich über thorakale Schmerzen. Es bestehen subfebrile Temperaturen und Nachtschweiß.
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948 B-4.23
B 4 Thoraxchirurgie
B-4.23
Tuberkulöse Kaverne Dickwandige tuberkulöse Kaverne im Oberlappen.
Diagnostik: Röntgen-Thoraxaufnahme (Primärkomplex, Rundherd, tuberkulöse Kaverne), Ziehl-Neelsen-Färbung (Nachweis säurefester Stäbchen im Sputum oder der Lavage-Flüssigkeit), Polymerase-Kettenreaktion (PCR) (Abb. B-4.23).
Diagnostik: Auf der Röntgen-Thoraxaufnahme kann sich die Tuberkulose in Form eines Primärkomplexes, als Rundherd, als tuberkulöse Kaverne oder als sekundär besiedelter Hohlraum (Aspergillom) darstellen. Diagnostisch beweisend ist der mikroskopische Nachweis säurefester Stäbchen in der Ziehl-Neelsen-Färbung im Sputum oder der Lavage-Flüssigkeit nach bronchioalveolärer Lavage. Der kulturelle Nachweis von Mycobacterium tuberculosis ist langwierig und benötigt 2 – 8 Wochen. Die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) ermöglicht innerhalb von 48 Stunden den Erregernachweis. Der Vorteil der PCR liegt in der hohen Spezifität und erlaubt die Unterscheidung zwischen einer Infektion durch Mycobacterium tuberculosis und einer atypischen Mykobakteriose (Abb. B-4.23).
Therapie: Die Behandlung der Tuberkulose erfolgt primär konservativ durch systemische Kombinationstherapie tuberkulostatischer Präparate.
Therapie: Die Behandlung der Tuberkulose erfolgt primär konservativ durch systemische Kombinationstherapie tuberkulostatischer Präparate. Tuberkulöse Kavernen mit rezidiverenden Superinfektionen, posttuberkulöse Bronchostenosen mit konsekutiven Retentionspneumonien und Arrosionsblutungen können Indikationen für eine chirurgische Intervention darstellen. Chirurgische Verfahren zur primären Behandlung der Lungentuberkulose, wie etwa die Thorakoplastik, haben seit Einführung der modernen Tuberkulostatika keinen Stellenwert mehr.
4.2.4 Spontanpneumothorax
4.2.4 Spontanpneumothorax
왘 Definition
Ätiologie: Der Pneumothorax entsteht aufgrund eines spontan auftretenden Defekts im Bereich der Lungenoberfläche, durch den Luft in den Pleuraspalt ausströmt. Beim idiopathischen Spontanpneumothorax ist keine Ursache erkennbar. Der symptomatische Pneumothorax ist ein Symptom einer zugrunde liegenden primären Lungenerkrankung (z. B. Lungenfibrosen, Marfan-Syndrom, Sarkoidose, Histiocytosis X oder entzündliche Erkrankung).
왘 Definition. Der Spontanpneumothorax stellt einen spontanen Lungenkollaps ohne erkennbare äußerliche Ursache dar.
Ätiologie: Der Pneumothorax entsteht aufgrund eines spontan auftretenden Defekts im Bereich der Lungenoberfläche, durch den Luft in den Pleuraspalt ausströmt. Der Pneumothorax kann partiell (Spitzenpneumothorax) auftreten oder als totaler Lungenkollaps. Unterschieden wird der idiopathische Spontanpneumothorax, dem keine erkennbare Ursache zugrunde liegt und der typischerweise bei jungen Männern auftritt, vom symptomatischen Pneumothorax, der das Symptom einer zugrunde liegenden Lungenerkrankung darstellt. Der idiopathische Spontanpneumothorax tritt bei ansonsten lungengesunden Patienten auf. Typisch ist ein großer, schlanker Körperwuchs. Ursächlich finden sich typischerweise in der Lungenspitze gelegene kleine Bullae, die rupturieren. Die Inzidenz des idiopathischen Spontanpneumothorax wird mit 4 pro 100 000 angegeben. Das Geschlechterverhältnis Männer zu Frauen beträgt 3 : 1. Dem symptomatischen Spontanpneumothorax liegen primäre Lungenerkrankungen, wie Lungenfibrosen, Marfan-Syndrom, Sarkoidose, Histiocytosis X oder entzündliche Erkrankungen zugrunde.
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B 4.2 Erkrankungen der Lunge
B-4.24
Spontanpneumothorax
949 B-4.24
Röntgenbild eines vollständigen rechtsseitigen Spontanpneumothorax (35-jähriger Patient) mit fehlender peripherer Lungenzeichnung und zentraler Verschattung durch die vollständig kollabierte Lunge.
Klinik: Der Spontanpneumothorax tritt unabhängig von körperlicher Belastung auf. Häufig markiert ein thorakales Schmerzereignis das Auftreten des Pneumothorax. Im Weiteren ist Luftnot aufgrund des Lungenkollapses das typische Symptom. Kommt es infolge eines Ventilmechanismus zum Auftreten eines Spannungspneumothorax, so führt die konsekutive Mediastinalverschiebung zur venösen Rückflussstörung des Herzens. Die typischen klinischen Zeichen sind Hypotonie, Tachykardie und Luftnot bei aufgehobenem Atemgeräusch auf der betroffenen Thoraxseite. 왘 Merke. Der Spannungspneumothorax stellt eine akute lebensbedrohliche
Klinik: Der Spontanpneumothorax tritt unabhängig von körperlicher Belastung auf. Es kommt zur Luftnot infolge des Lungenkollapses. Aufgrund eines Ventilmechanismus kann sich ein Spannungspneumothorax entwickeln.
왗 Merke
Komplikation dar, die sofortiges Handeln erfordert. Diagnostik: Die Diagnose des Pneumothorax wird zunächst klinisch gestellt. Bei der körperlichen Untersuchung imponiert ein hypersonorer Klopfschall auf der betroffenen Lungenseite bei gleichzeitig aufgehobenem Atemgeräusch. Die klinische Diagnose wird durch ein Röntgen-Thoraxbild in Exspiration in 2 Ebenen bewiesen. Die Exspirationsaufnahme stellt im Vergleich zur Inspirationsaufnahme das sensitivere Verfahren dar. Optional kann ergänzend zur Beurteilung der Lungenstruktur eine Computertomographie zur Therapieplanung durchgeführt werden (Abb. B-4.24).
Diagnostik: Bei der körperlichen Untersuchung imponiert ein hypersonorer Klopfschall auf der betroffenen Lungenseite bei gleichzeitig aufgehobenem Atemgeräusch. Das Röntgen-Thoraxbild in Exspiration in 2 Ebenen beweist die Diagnose. Zur Therapieplanung kann ein CT hilfreich sein (Abb. B-4.24).
Therapie: Ein limitierter Spontanpneumothorax im Sinne eines Spitzenpneumothorax oder schmalen Mantelpneumothorax kann bei fehlender klinischer Symptomatik konservativ behandelt werden. Zur Kontrolle der Spontanresorption des Pneumothorax sind engmaschige Röntgenkontrollen erforderlich. Bei einem ausgedehnten Spontanpneumothorax ist eine Resorption nicht zu erwarten, hier ist die unverzügliche Anlage einer Thoraxdrainage zur Reexpansion der kollabierten Lunge angezeigt. Nach alleiniger Drainagenbehandlung eines idiopathischen Spontanpneumothorax bei Erstereignis ist mit einer Rezidivwahrscheinlichkeit von 30 – 50 % zu rechnen. Im Falle eines symptomatischen Pneumothorax ist dieses Risiko noch höher einzuschätzen. Indikationen zur operativen Behandlung des Spontanpneumothorax sind persistierende Luftfistelung nach Drainageneinlage (4 5 Tage), Pneumothoraxrezidiv, radiologischer Nachweis großer Bullae, inkomplette Lungenreexpansion nach Drainagenanlage und das Vorliegen eines Spannungspneumothorax. Standard der operativen Behandlung ist heute die videoassistierte Thorakoskopie. Im Rahmen dieses Eingriffes erfolgen die videoskopische Inspektion der Lunge und die Abtragung von Lungenbullae. Sind Bullae makroskopisch nicht zu identifizieren, so wird in der Regel die Lungenspitze reseziert. Typischerweise finden sich hier im Rahmen der histologischen Aufarbeitung des Operationspräparates subpleural gelegene Bullae. Die Resektion bullöser Veränderungen kann nicht der Entstehung neuer Bullae vorbeugen. Zur Rezidivprophylaxe kann die thorakoskopische Bullaeresektion daher mit der Induktion einer Pleurodese, d. h. der Verklebung von Pleura
Therapie: Ein limitierter Spontanpneumothorax (Spitzen- oder schmaler Mantelpneumothorax) wird konservativ behandelt (Kontrolle der Spontanresorption). Beim ausgedehnten Spontanpneumothorax ist die unverzügliche Anlage einer Thoraxdrainage zur Reexpansion der kollabierten Lunge angezeigt.
Indikationen zur operativen Behandlung sind: Persistierende Luftfistelung nach Drainageneinlage (4 5 Tage), Pneumothoraxrezidiv, radiologischer Nachweis großer Bullae, inkomplette Lungenreexpansion nach Drainagenanlage und ein Spannungspneumothorax. Standard der operativen Behandlung ist heute die videoassistierte Thorakoskopie.
Zur Rezidivprophylaxe kann die thorakoskopische Bullaeresektion mit der Induktion einer Pleurodese, d. h. der Verklebung von Pleura visceralis und Pleura parietalis kombi-
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B 4 Thoraxchirurgie
950 B-4.25
Spontanpneumothorax bei Lungenbulla
a Operationssitus einer kleinen Lungenbulla im Spitzenbereich bei einer 24-jährigen Patientin mit Spontanpneumothorax.
niert werden. Als Verfahren können die biologische oder die chemische Pleurodese angewendet werden.
Ein offen chirurgisches Vorgehen (Thorakotomie) kann im Einzelfall notwendig sein (Abb. B-4.25). Die Rezidivrate beträgt nach konservativer Behandlung bis zu 50 %, nach alleiniger videoassistierter Resektion 2 – 14 %.
4.2.5 Chronisch-obstruktive
Lungenerkrankung Die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) und das daraus resultierende Lungenemphysem entstehen aufgrund einer irreversiblen Überblähung der Lunge.
왘 Definition
b Operationssitus einer perforierten großbullösen Lungenbulla im Spitzenbereich bei einem 35-jährigen Patienten mit einem Spontanpneumothorax.
visceralis und Pleura parietalis kombiniert werden. Zur Induktion einer Pleurodese stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Unterschieden werden die biologische Pleurodese in Form einer partiellen Pleurektomie oder der Durchführung einer Pleura abrasio von der chemischen Pleurodese durch Insufflation fibrosierend wirkender Agenzien wie z. B. medizinisches Talkumpuder. Im Einzelfall kann aus technischen Gründen ein offen chirurgisches Vorgehen notwendig sein. Über eine limitierte Thorakotomie erfolgt die Resektion bullöser Veränderungen der Lunge, ggf. in Verbindung mit einer subtotalen Pleurektomie (Abb. B-4.25). Die konservative Behandlung (Spontanresorption, Thoraxdrainage) des Spontanpneumothorax ist mit einer Rezidivrate von bis zu 50 % verknüpft. Die Rezidivwahrscheinlichkeit steigt mit jedem Rezidiv. Nach alleiniger videoassistierter Resektion besteht ein Rezidivrisiko von 2 – 14 %, das durch die Kombination von Resektion und Pleurodeseinduktion weiter gesenkt werden kann.
4.2.5 Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung Die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) und das daraus resultierende Lungenemphysem entstehen aufgrund einer chronischen exspiratorischen Widerstandserhöhung in den Atemwegen. Sie ist die Folge eines reduzierten Querschnitts von Bronchien und Bronchiolen. Es kommt zu einer irreversiblen Überblähung der Lunge. 왘 Definition. Das Lungenemphysem wird definiert als irreversibler Destrukti-
onsprozess der Lunge distal der terminalen Bronchiolen. Ätiologie: Häufigste Ursache ist die chronische Bronchitis infolge Tabakrauchens.
Einteilung: Zu unterscheiden sind zentrilobuläres, panlobuläres, bullöses und paraseptales Lungenemphysem.
Ätiologie: Häufigste Ursache ist die chronische Bronchitis infolge Tabakrauchens. Weitere Ursachen sind der kongenitale Alpha-1-Antitrypsinmangel sowie exogene Noxen eines allergischen Asthma bronchiale. Einteilung: Zu unterscheiden sind Zentrilobuläres Lungenemphysem mit Befall der zentralen Partien der Lobuli oder Azini. ■ Panlobuläres Lungenemphysem mit gleichmäßiger Verteilung über Lobuli oder Azini. ■ Bullöses Lungenemphysem mit emphysematösen blasigen Hohlräumen der Lunge von mindestens 10 mm im Durchmesser. ■ Paraseptales Lungenemphysem mit emphysematösen Veränderungen im Bereich von Grenzflächen der Lobuli im interstitiellen Bindegewebe entlang der Pleura visceralis. ■
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B 4.2 Erkrankungen der Lunge
B-4.26
a
951
Emphysemlunge
b
c
a CT: Multiple bullöse Veränderungen im rechten Oberlappen und eine riesige Bulla im linken Oberlappen. b Intraoperativer Situs: Empysemlunge mit riesigen Bullae im Ober- und Unterlappen. c Die Resektion der Bullae wurde mit einem linearen Klammergerät begonnen. Die Abtragung erfolgte mit der Platzierung eines dehydrierten bovinen Perikardstreifens, um eine Fistelung aus der Lunge entlang der Klammern zu vemeiden.
왘 Merke. Vom Lungenemphysem, bei dem es sich um eine eindeutig anatomisch definierte Erkrankung der Lunge handelt, sind die rein funktionellen Lungenüberblähungen (z. B. nach Lappenresektionen) abzugrenzen.
왗 Merke
Klinik: Das pulmonale Emphysem kann klinisch lange kompensiert werden und bleibt somit symptomlos. Später fallen die Patienten durch eine typische Physiognomie im Sinne eines „Fass-Thorax“ auf. Klinisch imponiert eine Belastungs- und später Ruhedyspnoe.
Klinik: Das pulmonale Emphysem kann symptomlos sein. Später tritt eine Belastungs- und Ruhedyspnoe („Fass-Thorax“) auf.
Diagnostik: Die Lungenfunktionsuntersuchung des Patienten führt zum Nachweis eines exspiratorisch erhöhten Atemwegswiderstandes, einer reduzierten Einsekundenkapazität sowie einem vergrößerten exspiratorischen intrathorakalen Gasvolumen. Die Röntgen-Thoraxaufnahme führt zum Nachweis einer deutlichen Transparenzzunahme als Ausdruck des Lungenparenchymverlustes. Die thorakale Computertomographie erlaubt die präzise Beurteilung des Lungenparenchyms.
Diagnostik: Lungenfunktionsuntersuchung, Röntgen-Thoraxaufnahme und thorakale CT.
Therapie: Die Behandlung des Lungenemphysems erfolgt zunächst konservativ mit dem Ziel einer Senkung des Atemwegswiderstandes.
Therapie: Sie erfolgt zunächst konservativ mit dem Ziel einer Senkung des Atemwegswiderstandes.
왘 Merke. Ein chronisches Lungenemphysem kann durch das Auftreten eines
왗 Merke
Spontanpneumothorax (s. S. 948) einen komplizierten Verlauf nehmen. Operative Therapie: Beim Vorliegen einzelner Bullae, deren Volumen mindestens 1/3 des Volumens der betroffenen Thoraxseite beträgt, ist eine Bullaresektion angezeigt. Diese kann auf dem Wege der videoassistierten Thoraxchirurgie erfolgen. Die Entfernung der Bullae erlaubt die Reexpansion der verbleibenden Lunge in der Thoraxhälfte und führt zu einer Verbesserung des Gaswechsels (Abb. B-4.26). Bei einem generalisierten bullösen Emphysem kann nach sorgfältiger Indikationsstellung eine Volumenreduktion angezeigt sein. Die Volumenreduktion führt zu einer Verbesserung der Atmung. Häufig kommt es jedoch im Laufe der folgenden Jahre infolge der zunehmenden Überblähung der verbliebenen Lunge zu einer erneuten Befundverschlechterung.
Operative Therapie: ■ Bullaresektion (durch videoassistierte Thoraxchirurgie): Wenn einzelne Bullae mehr als 1/3 des Volumens der betroffenen Thoraxseite einnehmen (Abb. B-4.26). ■ Volumenreduktion: Beim generalisierten bullösen Emphysem nach sorgfältiger Indikationsstellung.
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952
B 4 Thoraxchirurgie
4.2.6 Neubildungen der Lunge
4.2.6 Neubildungen der Lunge
Leitbefund Rundherd
Leitbefund Rundherd
왘 Definition
Ätiologie: Siehe Tab. B-4.1.
왘 Merke
왘 Definition. Bei einem Rundherd handelt es sich um eine rundliche Läsion, deren Durchmesser im Bereich von 3 mm bis 3 cm liegen kann. Der Rundherd ist vollständig von Lungenparenchymen umgeben und hat keine Umgebungsauffälligkeiten (z. B. Atelektasen).
Ätiologie: Die Ursachen solitärer Lungenrundherde sind in Tab. B-4.1 zusammengefasst. Die häufigste Ursache ist das Bronchialkarzinom. 왘 Merke. Grundsätzlich muss jeder Rundherd so lange als potenziell maligne
angesehen werden, bis ein Karzinom ausgeschlossen ist. Etwa 2/3 der Rundherde sind maligne, 1/3 benigne. Klinik: Meist asymptomatisch (Zufallsbefunde).
Klinik: Die meisten Rundherde sind asymptomatisch und Zufallsbefunde.
Diagnostik: Zur Klärung stehen ThoraxRöntgenaufnahmen in 2 Ebenen, CT, Bronchoskopie, ggf. unter Durchleuchtung, Thorakoskopie mit Biopsie und die Thorakotomie mit Keilresektion des Tumors zur Verfügung (Abb. B-4.27). Nur der histologische Befund sichert die Diagnose.
Diagnostik: Diagnostisch stehen neben der Thorax-Röntgenaufnahme in 2 Ebenen die Computertomographie, die Bronchoskopie, ggf. unter Durchleuchtung, die Thorakoskopie mit Biopsie und die Thorakotomie mit Keilresektion des Tumors zur Verfügung (Abb. B-4.27). Häufig kann auch der Vergleich mit Voraufnahmen, sofern vorhanden, die Verdachtsdiagnose erhärten. Eine schnelle Größenzunahme des Befundes spricht für Malignität. Weitere Malignitätskriterien bei Rundherden s. Abb. B-4.30. Die Diagnose kann jedoch nur durch den histologischen Befund gesichert werden.
왘 Merke
왘 Merke. Ein Rundherd in der Lunge sollte immer entfernt werden. Die negativen Folgen eines zu spät operierten Bronchialkarzinoms stehen in keinem Verhältnis zu den Nachteilen, die sich aus einer „umsonst“ durchgeführten Thorakotomie aufgrund eines benignen Tumors ergeben.
B-4.1
B-4.1 ■
Ursachen solitärer Lungenrundherde
maligne Rundherde
■ ■
■
benigne Rundherde (Abb. B-4.28, Abb. B-4.29)
■ ■ ■ ■ ■
■
entzündliche und narbige Rundherde
■ ■ ■ ■
■
Fremdkörper
■
Zysten
■
Trauma
■ ■
Bronchialkarzinom Metastase Hamartom Chondrom Neurofibrome, Fibrom Lipom Osteom Tuberkulose Abszess Aspergillom Echinokokkus
Kontusionsblutung Blutung nach Biopsie (iatrogen)
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B 4.2 Erkrankungen der Lunge
B-4.27
Rundherd im CT
953 B-4.27
Solitärer unklarer Rundherd im rechten Oberlappen, Segment 2.
B-4.28
Gutartiger Lungentumor
B-4.28
B-4.29
Enchondrom der Lunge
B-4.29
B-4.30
Malignitätskriterien bei Lungenrundherden
B-4.30
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B 4 Thoraxchirurgie
954 B-4.31
Operationssitus bei unklarem Lungenrundherd Der Tumor führt an der viszeralen Pleura zu einer Einziehung. Er ist daher hochgradig malignomverdächtig. Die Absetzung erfolgt mit einem Klammernahtgerät.
a
왘 Klinischer Fall
b
왘 Klinischer Fall. Ein 74-jähriger Patient wird mit einem seit 8 Jahren bekannten Rundherd im linken Oberlappen, der in der letzten Zeit an Größe zugenommen hat, vorgestellt. Bisher war keine weitere Abklärung des Tumors erfolgt, da man das Operationsrisiko für zu hoch gehalten hatte. Bronchoskopisch konnte kein Tumor gefunden werden. Wegen der Größenzunahme des Tumors wird nun doch die Indikation zur Thorakotomie gestellt. Intraoperativ zeigt sich ein im Durchmesser gut 5 cm großer, peripher im linken Oberlappen gelegener Tumor, der bereits zu einer Einziehung der Lungenoberfläche geführt hat. Aufgrund des makroskopischen Befundes muss von einem malignen Tumor ausgegangen werden, weshalb eine Oberlappenresektion durchgeführt wird. Die histologische Diagnose ergibt ein Adenokarzinom des linken Lungenoberlappens (Abb. B-4.31).
Bronchialkarzinom
Bronchialkarzinom
Grundlagen
Grundlagen
Klassifikation: Klinisch hat sich die Unterscheidung zwischen kleinzelligen und nichtkleinzelligen Karzinomen bewährt.
Klassifikation: Es gibt charakteristische histologische Formen des Lungenkarzinoms. Klinisch bewährt hat sich die Unterscheidung zwischen kleinzelligen und nichtkleinzelligen Karzinomen, die erhebliche Unterschiede bezüglich ihrer Tumorbiologie aufweisen: ■ Nichtkleinzellige Karzinome (non small cell lung cancer, NSCLC): – Plattenepithelkarzinome (52 %). – Adenokarzinome (13 %): azinär, papillär, bronchoalveolär, solide schleimbildend. – Großzellige Karzinome (17 %): großzellig neuroendokrine, klarzellige, basaloide, lymphoepitheliale. – Seltene Subtypen. ■ Kleinzellige Karzinome (small cell lung cancer, SCLC) (30 %). Sie entstehen aus endokrinen Zellen des Respirationstraktes, die die Fähigkeit zur Synthese verschiedener Polypeptidhormone besitzen. Dies erklärt die hohe Koinzidenz mit paraneoplastischen Syndromen (S. 202). ■ Kombinationstumoren (10 – 20 % der Lungenkarzinome): Die Behandlung richtet sich nach der maligneren Variante (speziell bei kleinzelligem Anteil). Subgruppe „Neuroendokrine Karzinome“: Das Spektrum der neuroendokrinen Tumoren umfasst neben den kleinzelligen und großzelligen Karzinomen mit neuroendokriner Differenzierung auch die Gruppe der typischen und atypischen Karzinoide (WHO-Klassifikation 2004). Bei 10 – 20 % der Plattenepithelkarzinome, Adenokarzinome und großzelligen Bronchialkarzinome können bei der differenzierten histologischen und immunhistochemischen Analyse Zellen des neuroendokrinen Systems nachgewiesen werden. Diese Tumoren gehören kollektiv zu den nichtkleinzelligen Karzinomen (NSCLC) und werden als NSCLC mit neuroendokriner Differenzierung eingeteilt (NSCLC-ND). Inwieweit diese Tumorentität eine eigene klinische und therapeutische Relevanz bildet, bleibt abzuwarten.
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B 4.2 Erkrankungen der Lunge
955
Epidemiologie: Das Bronchialkarzinom war vor 100 Jahren noch eine Seltenheit und trat vorwiegend bei alten Menschen auf. Eine rapide Zunahme der Häufigkeit begann in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und brachte danach alle 10 Jahre eine Verdoppelung der Todesfälle, wobei seit einigen Jahren ein Maximum erreicht zu sein scheint. In den meisten Industrieländern gehört das Bronchialkarzinom heute zu den häufigsten Tumorerkrankungen bei Männern. Seit etwa 1960 zeigt sich bei Frauen eine Zunahme, die unverändert anhält. Bei Männern ist ein leicht rückläufiger Trend bei Neuerkrankungen feststellbar. An Lungenkrebs starben 2003 in Deutschland 39 300 Menschen. Der Altersgipfel liegt um das sechzigste Lebensjahr.
Epidemiologie: Die Bronchialkarzinomerkrankungen haben seit 1920 stetig zugenommen und gehören bei Männern heute zu den häufigsten Tumorerkrankungen in den Industrieländern.
Ätiologie und Pathogenese: Erste epidemiologische Untersuchungen über einen Zusammenhang zwischen dem Zigarettenkonsum und dem Bronchialkarzinom wurden von Doll und Hill in England im Jahr 1951 durchgeführt. Heute ist dieser Zusammenhang unbestritten. Man geht davon aus, dass etwa 85 – 98 % der Faktoren, welche das Lungenkarzinom verursachen, dem Tabakrauch zugeschrieben werden können. Tabakrauch enthält 4800 verschiedene Substanzen. Bei über 70 von ihnen ist nachgewiesen, dass sie krebserregend sind, oder im Verdacht stehen, Krebs zu erregen (Tab. B-4.2). In ca. 8 % scheinen gewerbliche Substanzen wie z. B. Asbest die Ursache zu sein (Tab. B-4.2). Luftverschmutzung und andere Faktoren machen zusammen nicht mehr als 7 % der kausalen Faktoren aus. Studien haben gezeigt, dass in Abhängigkeit von den täglich konsumierten Zigaretten ein proportionaler (bei höherem Zigarettenkonsum ein exponentieller) Anstieg der jährlichen Neuerkrankungsziffer für das Lungenkarzinom vorliegt. Das Erkrankungsrisiko steigt mit den „Packungsjahren“ (pack years), dem Produkt aus der Anzahl der gerauchten Zigaretten in Packungen und der Dauer des Rauchens in Jahren. Ein „pack year“ bedeutet den Konsum von einer Packung, entsprechend etwa 20 Zigaretten täglich, über ein Jahr, also insgesamt ca. 7200 Zigaretten. Ab 20 Packungsjahren steigt das Risiko, an einem Bronchialkarzinom zu erkranken, überdurchschnittlich an. Bei 40 Packungsjahren liegt es schon beim 60- bis 70-fachen eines Nichtrauchers. „Leichte Zigaretten“ sind vergleichbar schädlich wie alle anderen Zigaretten. Die inhalierte Schadstoffmenge hängt nämlich nicht nur von dem Gehalt der Zigarette an Nikotin und Kondensat ab, sondern weit mehr von den bei der Verbrennung von Tabak und Zigarettenpapier freigesetzten krebserregenden Stoffen. Und diese entstehen bei leichten Zigaretten genauso wie bei „starken Zigaretten“. Je früher eine Person mit dem Rauchen begonnen hat, desto größer ist das Erkrankungsrisiko, auch bei gleicher Anzahl von Packungsjahren. Wird das Rauchen beendet, so sinkt das Erkrankungsrisiko eines vormals starken Rauchers auf nur noch das 5-fache nach 10 Jahren und etwa das Doppelte nach 15 Jahren Nichtrauchen. Es bleibt aber gegenüber einem lebenslangen Nichtraucher immer leicht erhöht.
Ätiologie und Pathogenese: Man geht heute davon aus, dass etwa 85 – 98 % der Faktoren, die das Lungenkarzinom verursachen, dem Tabakrauch zugeschrieben werden können. In ca. 8 % scheinen gewerbliche Substanzen wie Asbest die Ursache zu sein. Luftverschmutzung und andere Faktoren machen nicht mehr als 7 % aus.
왘 Merke. Passivrauchen hat die gleichen gesundheitsschädigenden Wirkun-
Das Risiko, an einem Bronchialkarzinom zu erkranken, steigt mit den „Packungsjahren“ (pack years), dem Produkt aus der Anzahl der gerauchten Zigaretten in Packungen und der Dauer des Rauchens in Jahren. Ein „pack year“ bedeutet den Konsum von einer Packung, entsprechend etwa 20 Zigaretten täglich, über ein Jahr, also insgesamt ca. 7200 Zigaretten. Ab 20 Packungsjahren steigt das Risiko überdurchschnittlich an. „Leichte Zigaretten“ sind vergleichbar schädlich wie alle anderen Zigaretten. Die inhalierte Schadstoffmenge hängt nicht nur vom Nikotin- und Kondensatgehalt ab, sondern weit mehr von den bei der Verbrennung von Tabak und Zigarettenpapier freigesetzten krebserregenden Stoffen. Je früher eine Person mit dem Rauchen begonnen hat, desto größer ist das Erkrankungsrisiko. Wird das Rauchen beendet, sinkt das Erkrankungsrisiko.
왗 Merke
gen wie aktives Rauchen, wenn auch in etwas geringerem Ausmaß.
B-4.2
Tabakrauch und berufliche Karzinogene als Ursachen des Bronchialkarzinoms
Inhaltsstoffe des Tabakrauches ■
■
Karzinogene Substanzen: N-Nitrosamine, Benzpyren, Benzol, Kadmium, Nickelverbindungen, Vinylchlorid, Chinolin, Phenol Toxische Substanzen: Kohlenmonoxid, Stickstoffmonoxid
B-4.2
berufliche Karzinogene Chrom, Nickel, Arsen, Haloether, Radon, Quarzstaub, Asbest, ionisierende Strahlung
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B 4 Thoraxchirurgie
Tabakrauch in der Umgebung – environmental tobacco smoke (ETS) wird auch als „second-hand smoke“ (SHS) oder Passivrauch bezeichnet und besteht zu 85 % aus Nebenstromrauch und zu 15 % aus ausgeatmetem Hauptstromrauch.
Tabakrauch in der Umgebung – environmental tobacco smoke (ETS) – wird auch als „second-hand smoke“ (SHS) oder Passivrauch bezeichnet. Er wird aus dem Nebenstromrauch, der beim Verglimmen der Zigarette zwischen den Zügen entsteht sowie aus dem vom Raucher wieder ausgeatmeten Bestandteilen des Hauptstromrauches gebildet. Passivrauch besteht zu 85 % aus Nebenstromrauch und zu 15 % aus ausgeatmetem Hauptstromrauch.
TNM-Klassifikation und Stadieneinteilung
TNM-Klassifikation und Stadieneinteilung
TNM-Klassifikation: Tab. B-4.3.
TNM-Klassifikation: Siehe Tab. B-4.3.
Stadieneinteilung: Um die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten der TNM-Klassifikation bezüglich Prognose und Therapie zu vereinheitlichen, wurde eine zusätzliche Stadieneinteilung vorgenommen. Vor die Tumorstadienangabe wird häufig ein Präfix gesetzt, das die TNM-Angabe in Bezug auf den Zeitpunkt noch weiter präzisiert (Tab. B-4.4).
Stadieneinteilung: Um die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten der TNMKlassifikation bezüglich Prognose und Therapie zu vereinheitlichen, wurde eine zusätzliche Stadieneinteilung vorgenommen (Tab. B-4.3). Die gute Korrelation zwischen Prognose und Stadium darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Prognose nicht nur allein vom Tumorstadium abhängt, sondern auch von anderen patienten- und therapieassoziierten Faktoren. Dennoch kann eine gewisse Prognoseabschätzung aufgrund des Tumorstadiums vorgenommen werden. Vor die Tumorstadienangabe wird häufig ein Präfix gesetzt, das die TNM-Angabe in Bezug auf den Zeitpunkt noch weiter präzisiert (Tab. B-4.4). ■ Weitere Stadieneinteilung des kleinzelligen Bronchialkarzinoms (SCLC): Das kleinzellige Bronchialkarzinom wird häufig noch in die Klassifikation „limited“ und „extensive disease“ eingeteilt (Tab. B-4.5).
■
Weitere Stadieneinteilung des SCLC in „limited“ und „extensive disease“ (Tab. B-4.5).
Metastasierungswege
Metastasierungswege
NSCLC und SCLC metastasieren in: Lymphknoten, Lunge, Skelett, Gehirn, Leber, Nebenniere und Pleura.
Sowohl das NSCLC als auch das SCLC metastasieren in folgende Organe: Lymphknoten, Lunge, Skelett, Gehirn, Leber, Nebenniere und Pleura. Beim SCLC ist das Knochenmark häufig betroffen (ca. 10 %).
Klinik
Klinik
Im Frühstadium bestehen meist keine Symptome. Mögliche Symptome eines Bronchialkarzinoms: ■ Anhaltender Husten, Hämoptysen, Atemnot oder Schmerzen im Brustkorb. ■ Ständige Abgeschlagenheit, verminderte Belastbarkeit und Gewichtsverlust. ■ Je nach Lokalisation des Tumors kann bei Infiltration des N. recurrens eine Rekurrensparese auftreten. ■ Paraneoplastische Syndrome (Tab. B-4.6).
Im Frühstadium bestehen im Allgemeinen keine Symptome. Häufig wird ein Tumor im Rahmen einer Röntgen-Thoraxaufnahme zufällig entdeckt. Symptome des Bronchialkarzinoms können anhaltender Husten, Hämoptysen, Atemnot oder Schmerzen im Brustkorb sein. Andere Beschwerden sind ständige Abgeschlagenheit, verminderte Belastbarkeit und Gewichtsverlust. Je nach Lokalisation des Tumors und befallenen Lymphknoten kann bei Infiltration des N. recurrens eine Rekurrensparese auftreten. Bei Lokalisation des Tumors in der Lungenspitze mit Infiltration der Brustwand (Pancoasttumor) kann es durch Ummauerung des Armplexus zu heftigen Schmerzen bis zu neurologischen Ausfällen des betroffenen Armes kommen. Auch paraneoplastische Syndrome werden beim Bronchialkarzinom beobachtet. Sie entstehen aufgrund einer Abgabe von Peptiden und Hormonen aus den Tumorzellen, die unterschiedliche paraneoplastische Syndrome auslösen (Tab. B-4.6).
Diagnostik
Diagnostik
Basisdiagnostik: Anamnese, klinische Untersuchung, Labor, Röntgen-Thorax, Bronchoskopie. Weiterführende Diagnostik: CT der Lunge (Abb. B-4.32). Diagnostik von Fernmetastasen: Oberbauchsonographie, MRT (Gehirn), Knochenszintigraphie. Zur Gewinnung von Gewebe kann eine Mediastinoskopie und Thorakoskopie erforderlich sein.
Basisdiagnostik: Anamnese, klinische Untersuchung, Basislaboruntersuchung, Röntgen-Thoraxbild in 2 Ebenen, Bronchoskopie.
Therapie des kleinzelligen Bronchialkarzinoms (SCLC) 왘 Merke
Weiterführende Diagnostik: Computertomographie der Lunge (Abb. B-4.32). Diagnostik und Ausschluss von Fernmetastasen: Oberbauchsonographie (Leber, Nebenniere), MRT (Gehirn), Knochenszintigraphie. Die Mediastinoskopie sowie die Thorakoskopie kann zur Gewinnung von Gewebe in besonderen Fällen erforderlich sein oder um das Staging zu komplementieren.
Therapie des kleinzelligen Bronchialkarzinoms (SCLC) 왘 Merke. Die Therapie von SCLC und NSCLC unterscheiden sich erheblich!
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B 4.2 Erkrankungen der Lunge
B-4.3
957
TNM-Klassifikation maligner Lungentumoren (International Union Against Cancer, UICC 1997)
T – Primärtumor TX Primärtumor kann nicht beurteilt werden, oder Nachweis von malignen Zellen im Sputum oder bei Bronchialspülungen, jedoch Tumor weder radiologisch noch bronchoskopisch sichtbar T0
kein Anhalt für Primärtumor
Tis
Carcinoma in situ
T1
Tumor 3 cm oder weniger in größter Ausdehnung, umgeben von Lungengewebe oder viszeraler Pleura, kein bronchoskopischer Nachweis einer Infiltration proximal eines Lappenbronchus (Hauptbronchus frei)1
T2
Tumor mit wenigstens einem der folgenden Kennzeichen hinsichtlich Größe oder Ausbreitung ± Tumor mehr als 3 cm in größter Ausdehnung
± ± ±
Tumor befällt Hauptbronchus, 2 cm oder weiter distal der Carina Tumor infiltriert viszerale Pleura assoziierte Atelektase oder obstruktive Entzündung bis zum Hilus, aber nicht der ganzen Lunge
T3
Tumor jeder Größe mit direkter Infiltration einer der folgenden Strukturen: Brustwand (einschließlich der Sulcus-superior-Tumoren), Zwerchfell, mediastinale Pleura, parietales Perikard; oder Tumor im Hauptbronchus weniger als 2 cm distal der Carina1, aber Carina selbst nicht befallen, oder Tumor mit Atelektase oder obstruktiver Entzündung der ganzen Lunge
T4
Tumor jeder Größe mit Infiltration wenigstens einer der folgenden Strukturen: Mediastinum, Herz, große Gefäße, Trachea, Ösophagus, Wirbelkörper, Carina; vom Primärtumor getrennte Tumorherde im gleichen Lappen; oder Tumor mit malignem Pleuraerguss2
N – regionäre Lymphknoten NX regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden N0
keine regionären Lymphknotenmetastasen
N1
Metastase(n) in ipsilateralen peribronchialen und/oder ipsilateralen Hiluslymphknoten (einschließlich eines Befalls durch direkte Ausbreitung des Primärtumors in intrapulmonale Lymphknoten)
N2
Metastasen in ipsilateralen mediastinalen und/oder subcarinalen Lymphknoten
N3
Metastasen in kontralateralen mediastinalen, kontralateralen Hilus-, ipsi- oder kontralateralen Skalenus- oder supraklavikulären Lymphknoten
M – Fernmetastasen MX Fernmetastasen können nicht beurteilt werden M0
keine Fernmetastasen
M1
Fernmetastasen, einschließlich vom Primärtumor getrennter Tumorherde in einem anderen Lungenlappen (ipsilateral oder kontralateral)
Stadieneinteilung okkultes Karzinom Stadium 0 Stadium I A Stadium I B Stadium II A Stadium II B Stadium III A
Stadium III B Stadium IV
TX Tis T1 T2 T1 T2 T3 T1 T2 T3 T4 jedes T jedes T
N0 N0 N0 N0 N1 N1 N0 N2 N2 N1, N2 jedes N N3 jedes N
M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M1
R – Residualtumor (das Fehlen oder Vorhandensein von Residualtumor nach Behandlung kann durch das Symbol R beschrieben werden) RX das Vorhandensein von Residualtumoren kann nicht beurteilt werden R0 kein Residualtumor R1 mikroskopischer Residualtumor R2 makroskopischer Residualtumor 1
2
Ein seltener, sich oberflächlich ausbreitender Tumor jeder Größe mit einer nur auf die Bronchialwand begrenzten Infiltration wird auch dann, wenn er sich weiter proximal ausdehnt, als T1 klassifiziert. Die meisten Pleuraergüsse bei Lungenkarzinomen sind durch den Tumor verursacht. Es gibt jedoch einige wenige Patienten, bei denen die mehrfache zytologische Untersuchung des Pleuraergusses negativ und der Erguss weder hämorrhagisch noch exsudativ ist. Wo diese Befunde und die klinische Beurteilung einen tumorbedingten Erguss ausschließen, sollte der Erguss als Kriterium der Klassifikation nicht berücksichtigt und der Tumor als T1, T2 oder T3 eingestuft werden.
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B 4 Thoraxchirurgie
B-4.4
B-4.4
Präfixe zur TNM-Klassifikation von Lungentumoren
Präfix
Definition
C
TNM nach klinischen und apparativen Befunden entsprechend der Genauigkeit der angewandten Untersuchungsverfahren erstellt.
P
TNM nach chirurgischer Resektion des Primärtumors und histologischer Aufarbeitung erstellt.
Y
TNM nach vorausgegangener Therapie im Rahmen eines multimodalen Therapiekonzeptes.
B-4.5
B-4.5
Stadieneinteilung des SCLC nach der IASLC
Limited Disease (LD): der Tumor ist auf einen Hemithorax begrenzt: ■ mit oder ohne ipsilaterale oder kontralaterale mediastinale oder supraklavikuläre Lymphknotenmetastasen ■ mit oder ohne ipsilateralen Pleuraerguss unabhängig vom zytologischen Befund Extensive Disease (ED): jede Ausbreitung über Limited Disease hinaus IASLC: International Association for the Study of Lung Cancer
B-4.6
B-4.6
Paraneoplastische Symptome und Syndrome des Bronchialkarzinoms
Symptome ■ ■ ■
■ ■
■ ■
■ ■ ■
Fieber Kachexie Fatigue-Syndrom
unbekannt
Thrombozytose Polyglobulie
Wachstumsfaktoren (EPO)
DIC Thrombophlebitis migrans
Thrombin
Acanthosis nigricans Myasthenie Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom
unbekannt
endokrine Syndrome
Hormone („hormone like peptides“)
■
Cushing-Syndrom
ACTH
■
SIADH
Hyponatriämie/ADH
■
Hyperkalzämie
PTH
■
Gynäkomastie
Gonadotropine
■
Akromegalie
STH
Diarrhö „Migräne“
Serotonin
■
■
Hyperglykämie
Glukagon
■
Stadium limited disease (Stadium I–IIIb nach der UICC-TNM-Klassifikation): kurativ orientiert zuerst Chemotherapie, danach ggf. Operation und konsolidierende Radiotherapie. Stadium extensive disease: Chemotherapie mit palliativem Ziel, unterstützt von einer Radiotherapie.
Ursache
Aufgrund der hohen Proliferationsrate und der frühzeitigen Disseminationstendenz werden kleinzellige Karzinome überwiegend chemotherapeutisch behandelt. Sie sind aber auch für eine Radiotherapie sehr sensibel. Im Stadium limited disease (Stadium I–IIIb nach der UICC-TNM-Klassifikation) besteht ein kurativ orientierter Ansatz. Nach der Chemotherapie erfolgt gegebenenfalls die Operation, gefolgt von einer konsolidierenden Radiotherapie bei befallenen Lymphknoten. Eine primäre Operation erfolgt im Allgemeinen nur bei noch nicht feingeweblich untersuchtem peripheren Rundherd.
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B 4.2 Erkrankungen der Lunge
B-4.32
Bronchialkarzinom
959 B-4.32
CT: Großes Bronchialkarzinom mit mediastinaler Lymphknotenvergrößerung.
Im Stadium extensive disease wird die Chemotherapie mit einem palliativen Ziel durchgeführt, unterstützt von einer Radiotherapie. Eine Operation kann die schlechte Prognose nicht verbessern. ■ Überwiegend Chemotherapie, aber auch Radiotherapie und ggf. Operation. 왘 Merke. Eine operative Therapie kommt beim kleinzelligen Bronchialkarzinom nur im Stadium I und II in Betracht.
Therapie des nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms (NSCLC)
왗 Merke
Therapie des nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms (NSCLC)
Für die nichtkleinzelligen Bronchialkarzinome gilt, dass nur die chirurgische Entfernung eine Chance auf Heilung erbringt. Die Behandlung erfolgt stadienabhängig. Die Basis für eine Therapieplanung ist daher die Kenntnis des exakten Tumorstadiums (Abb. B-4.33).
Eine Chance auf Heilung besteht nur bei chirurgischer Entfernung. Die Behandlung des NSCLC erfolgt streng stadienabhängig (Abb. B-4.33).
Operative Therapie
Operative Therapie
Die Lobektomie ist der onkologisch erforderliche kleinstmögliche Eingriff. Je nach Sitz des Tumors können folgende Resektionen erforderlich werden: ■ Rechts: Oberlappenresektion, Mittellappenresektion, Unterlappenresektion, obere Bilobektomie (OL + ML), untere Bilobektomie (UL + ML), Pneumonektomie. ■ Links: Oberlappenresektion, Unterlappenresektion, Pneumonektomie (Abb. B-4.34).
Je nach Tumorlokalisation können folgende Resektionen erforderlich werden: ■ Rechts: Oberlappen-, Mittellappen-, Unterlappenresektion, obere Bilobektomie (OL + ML), untere Bilobektomie (UL + ML), Pneumonektomie. ■ Links: Oberlappen-, Unterlappenresektion, Pneumonektomie (Abb. B-4.34).
왘 Merke. Onkologische Operationen an der Lunge sollten stets so parenchym-
왗 Merke
sparend wie möglich durchgeführt werden. Hierzu zählt die Manschettenresektion (bzw. Sleeve-resection). Die Resektion einer Manschette kann sich sowohl auf das Bronchialsystem als auch auf die Pulmonalarterie oder auch beide beziehen: ■ Manschettenresektion des Bronchialsystems: Zusätzlich zur Lappenentfernung wird ein Bronchussegment mitreseziert. Dies kann erforderlich werden, wenn eine Infiltration an dem rechten Oberlappen auf den Bronchus intermedius reicht, der Mittel- und Unterlappen aber tumorfrei sind. Eine Bronchusmanschette kann hierbei zwischen Hauptbronchus und Bronchus intermedius reseziert und nach der Lobektomie eine Bronchuskontinuität durch Anastomose des Bronchus intermedius mit dem Stumpf des rechten Hauptbronchus wiederhergestellt werden (Abb. B-4.35). Die Manschettenresektion ist auch auf der linken Seite durchführbar. Sie sollte, wenn onkologisch möglich, immer einer Pneumonektomie vorgezogen werden, da eine parenchymsparende Resektion eine wesentlich bessere postoperative Lebensqualität beinhaltet. ■ Manschettenresektion der Pulmonalarterie: Hier wird analog das betroffene Gefäßsegment reseziert und anschließend im Allgemeinen eine End-zu-EndAnastomose erstellt. Auch der Einsatz einer Gefäßprothese bei einer größeren Längendifferenz ist möglich.
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B 4 Thoraxchirurgie
960 B-4.33
Therapieablauf des nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms (NSCLC)
B-4.34
B-4.34
Erweiterte Pneumonektomie Operationssitus bei einer erweiterten Pneumonektomie links. Bei zentralem Bronchuskarzinom musste die linke Pulmonalarterie intraperikardial abgesetzt werden. (Pinzette: Absetzungsstelle direkt am Truncus pulmonalis. Herz mit Herzohr ?).
Bei den Operationen kommen heute zur Versorgung von Gefäßen, Bronchien und Parenchym neben den klassischen Ligaturen und Umstechungen in zunehmendem Maße auch Klammernahtgeräte zum Einsatz. Gerade bei den zentralen Strukturen, etwa dem Stamm der Arteria pulmonalis oder dem Hauptbronchus bzw. der Pulmonalvene, lassen sich hiermit sichere luft- und flüssigkeitsdichte Verschlüsse herstellen. Komplikationen und Prognose
Komplikationen und Prognose
Die Operationsletalität beträgt für die Lobektomie ca. 3 – 5 % und die Pneumonektomie 7 – 9 % mit deutlichem Anstieg ab dem 70. Lebensjahr. Wichtigste Komplikationen sind Blutungen, postoperative Pneumonien und Schmerzen im Bereich der Thoraxwand bzw. im Ausstrahlungsgebiet der Interkostalnerven (Postthorakotomiesyndrom) sowie bronchopleurale Fisteln. 5-Jahres-Überlebensrate des SCLC und NSCLC siehe Tab. B-4.7.
Die Operationsletalität beträgt heute für eine Lobektomie etwa 3 – 5 %, für eine Pneumonektomie 7 – 9 %. Sie steigt ab dem 70. Lebensjahr deutlich an. Wichtigste postoperative Komplikationen sind neben Blutungen vor allem postoperative Pneumonien und Schmerzen im Bereich der Thoraxwand bzw. im Ausstrahlungsgebiet der Interkostalnerven (Postthorakotomiesyndrom). Darüber hinaus können bronchopleurale Fisteln auftreten. Sie sind entweder als Früh- oder Spätkomplikation einer zentralen Bronchusstumpfinsuffizienz (2 %) oder als meist spontan ausheilende Undichtigkeit des Parenchymmantels anzusehen. Die 5-Jahres-Überlebensrate des SCLC und NSCLC ist in Tab. B-4.7 zusammengefasst.
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B 4.3 Erkrankungen von Brustwand und Pleura
Manschettenresektion
B-4.35
5-Jahres-Überlebensrate des NSCLC und des SCLC
B-4.7
Stadium
NSCLC
SCLC
■
Stadium I
68 – 82 %
50 – 64 %
■
Stadium II
47 %
35 – 42 %
■
Stadium IIIa
25 – 40 % (T3 N0 – 1 M0) 10 – 30 % (T1 – 3 N2 M0)
10 – 21 %
■
IIIb
25 %
10 – 21 %
■
Stadium IV
51%
52%
4.3
961
Erkrankungen von Brustwand und Pleura
4.3.1 Pleuraerguss 왘 Definition. Eine vermehrte Flüssigkeitsansammlung in der Pleurahöhle.
Ätiologie: Die Pleuraflüssigkeit ist ein Ultrafiltrat des Plasmas und stammt aus den Kapillaren der parietalen Pleura. Normalerweise befindet sich in dem Spalt der beiden Pleurahöhlen weniger als 10 ml. Das Gleichgewicht zwischen Absorption und Sekretion in der Pleura wird durch die vorhandenen Lymphgefäße, das Kapillarnetz und die dünne Serosa der beiden Pleurablätter aufrechterhalten. Ein Pleuraerguss entsteht, wenn die Bildung der Pleuraflüssigkeit erhöht und/oder ihre Absorption verhindert ist. Mögliche Ursachen für einen Pleuraerguss sind:
B-4.7
4.3
Erkrankungen von Brustwand und Pleura
4.3.1 Pleuraerguss
왗 Definition Ätiologie: Die Pleuraflüssigkeit ist ein Ultrafiltrat des Plasmas. In jedem Spalt der beiden Pleurahöhlen befinden sich weniger als 10 ml. Ein Pleuraerguss entsteht, wenn die Bildung der Pleuraflüssigkeit erhöht ist und/oder ihre Absorption verhindert ist. Pleuraergüsse werden in eiweißarme Transsudate und eiweißreiche Exsudate eingeteilt (Tab. B-4.8).
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962
B 4 Thoraxchirurgie
B-4.8
B-4.8
■ ■ ■
■
■
Zusammensetzung des Trans- bzw. Exsudats bei Pleuraergüssen
Eiweißgehalt Pleura-/Serumprotein Pleura-/Serum-LDH
Transsudat
Exsudat
5 30 g/l 5 0,5 5 0,6
4 30 g/l 4 0,5 4 0,6
Erhöhte Bildung der Pleuraflüssigkeit: – Steigerung des hydrostatischen Druckes im Kapillargebiet (z. B. Herzversagen), – Abfall des pulmonalosmotischen Druckes (z. B. bei Hypoproteinämie), – Erhöhung der Kapillarpermeabilität (z. B. bei Infektionen, Entzündungen, Tumoren). Verminderte Absorption der Pleuraflüssigkeit: – Beeinträchtigung der Lymphdrainage (z. B. bei Pleurakarzinose), – erniedrigter Druck im Pleuraraum (z. B. bei Atelektasen).
Pleuraergüsse werden in eiweißarme Transsudate und eiweißreiche Exsudate eingeteilt (Tab. B-4.8). Klinik: Sie ist abhängig vom Ausmaß des Ergusses und reicht von geringen Schmerzen bis zur Dyspnoe und Atemnot.
Klinik: Die Symptome eines Ergusses sind abhängig von dessen Ausprägung. Sie reichen von geringen Schmerzen bei einer Begleitpleuritis bis zur Dyspnoe und Atemnot bei Verdrängung der Lunge durch große Flüssigkeitsmengen.
Diagnostik: Perkutorisch findet sich eine Klopfschalldämpfung, auskultatorisch ein abgeschwächtes Atemgeräusch. Auf dem p.-a. Röntgenthoraxbild ist an der lateralen Thoraxwand eine ansteigende Verschattung ab 200 ml Erguss zu erkennen, geringere Mengen in der seitlichen Liegeaufnahme. Pleuraergüsse sind auch sonographisch darstellbar und zur Markierung der optimalen Punktionsstelle nutzbar. Werden im Pleurapunktat maligne Zellen nachgewiesen, weist das auf ein fortgeschrittenes Tumorwachstum (Pleurakarzinose) hin.
Diagnostik: Perkutorisch findet sich eine Klopfschalldämpfung, auskultatorisch ein abgeschwächtes Atemgeräusch. Das p.-a. Röntgenbild des Thorax zeigt an der lateralen Thoraxwand eine angsteigende Verschattung ab 200 ml Erguss. Geringere Mengen (ab 100 ml Flüssigkeit) lassen sich in der seitlichen Liegeaufnahme erkennen. Sonographisch kann ebenfalls ein Pleuraerguss diagnostiziert und damit die optimale Punktionsstelle markiert werden. Das gewonnene Punktat muss in jedem Fall bakteriologisch untersucht werden. Je nach Anamnese bzw. Verdachtsdiagnose sollte das gewonnene Punktat auf Eiweißgehalt, Leukozytenzahl, Lipase und Amylase, LDH, Bakterien (auch Mycobacterium tuberculosis), Pilze und maligne Zellen untersucht werden. Werden im Pleurapunktat maligne Zellen nachgewiesen, ist dies ein Hinweis auf eine Pleurakarzinose, d. h. auf ein fortgeschrittenes Tumorwachstum.
왘 Merke
왘 Merke. Grundsätzlich ist jeder Pleuraerguss abklärungsbedürftig.
Therapie: Bei größerer Ergussmenge und entsprechender Symptomatik (Dyspnoe, Atemnot) ist eine rasche Entlastungspunktion erforderlich. Eine Thoraxdrainage ist bei akuter Pankreatitis mit septischem Verlauf zu legen. Bei malignen Pleuraergüssen ist eine Pleurodese indiziert.
Therapie: Bei größerer Ergussmenge und entsprechender Symptomatik (Dyspnoe, Atemnot) muss eine rasche Entlastungspunktion durchgeführt werden. Ist ein Nachlaufen des Ergusses zu erwarten oder handelt es sich um einen Begleiterguss im Rahmen längerdauernder Erkrankungen (z. B. bei akuter Pankreatitis mit septischem Verlauf), sollte eine Thoraxdrainage gelegt werden. Selbstverständlich muss die Ursache des Pleuraergusses mit behandelt werden. Bei malignen Pleuraergüssen ist eine Pleurodese indiziert. Hierbei werden die Pleurablätter durch eine induzierte Entzündungsreaktion miteinander verklebt.
Technik der Pleurapunktion
Technik der Pleurapunktion
Vorbereitung: Anamnestisch ist nach der Einnahme von blutgerinnungsbeeinflussenden Medikamenten zu fragen: ■ Acetylsalicylsäure (ASS®, Aspirin®, Godamed®, Minisal®), ■ Cumarine (Marcumar®, Phenpro®, Falithrom®, Warfarin®), ■ Clopidogrel (Iscover®, Plavix®).
Vorbereitung: Anamnestisch ist nach der Einnahme von Medikamenten zu fragen, die die Blutgerinnung beeinflussen: ■ Acetylsalicylsäure (ASS®, Aspirin®, Godamed®, Minisal®), ■ Cumarine (Marcumar®, Phenpro®, Falithrom®, Warfarin®), ■ Clopidogrel (Iscover®, Plavix®).
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B 4.3 Erkrankungen von Brustwand und Pleura
Vor der Punktion ist mit dem Patienten ein Aufklärungsgespräch zu führen, in dem auf folgende Komplikationen hingewiesen werden muss: ■ Verletzung der Lunge mit der Folge von Luftaustritt und Auftreten eines Pneumothorax, der in der Regel eine Bülau-Drainage erfordert. ■ Blutung oder Infektion. ■ Bei der Punktion ist bei einer falschen Stichrichtung rechtsseitig eine Verletzung der Leber oder linksseitig der Milz möglich.
왘 Merke. Wichtig ist, dass der Patient informiert wird, bei der Untersuchung
963 Vor der Punktion ist mit dem Patienten ein Aufklärungsgespräch über mögliche Komplikationen zu führen: ■ Verletzung der Lunge mit der Folge eines Pneumothorax (erfordert das Anlegen einer Bülau-Drainage). ■ Blutung oder Infektion. ■ Verletzung der Leber (Punktion rechts) oder der Milz (Punktion links). 왗 Merke
nicht zu husten oder sich ruckartig zu bewegen. Durchführung: Der Patient sitzt leicht nach vorn gebeugt. Die Punktionsstelle wird ultraschallgesteuert, seltener mittels Computertomographie festgelegt. Die Punktionsstelle wird mit einem Lokalanästhetikum örtlich betäubt. Die Punktion erfolgt unter aseptischen Voraussetzungen meist in der hinteren Axillarlinie im 5. bis 7. Interkostalraum am Oberrand der Rippe. Dadurch kann eine Gefäßoder Nervenverletzung vermieden werden, weil die Interkostalgefäße und -nerven am Unterrand der Rippen verlaufen. Bei einem Zwerchfellhochstand ist besondere Vorsicht geboten (Abb. B-4.36).
왘 Merke. Wichtig ist die Beachtung der Stichrichtung sowohl bei der Platzie-
Durchführung: Der Patient sitzt leicht nach vorn gebeugt. Die Punktionsstelle wird (ultraschallgesteuert, seltener mittels CT) festgelegt. Die Punktion erfolgt unter örtlicher Betäubung und aseptischen Voraussetzungen meist in der hinteren Axillarlinie im 5. bis 7. Interkostalraum am Oberrand der Rippe zur Vermeidung einer Gefäß- oder Nervenverletzung. Bei einem Zwerchfellhochstand ist besondere Vorsicht geboten (Abb. B-4.36). 왗 Merke
rung des Lokalanästhetikums als auch bei der Punktion, da bei nach unten gerichteter Nadel, eine Verletzung von Abdominalorganen resultieren kann. Zur Pleurapunktion hat sich die Verres-Sicherheitsnadel (Abb. B-4.37) bewährt, da sie einen stumpfen Mandrin enthält, der nach Eintritt in den Pleuraraum vorspringt und dadurch die Spitze der Nadel schützt und Verletzungen der Lunge weitestgehend verhindert. Mit vorgesprungenem Mandrin wird der Erguss drainiert. Größere Mengen werden über einen 3-Wege-Hahn abgelassen und der Erguss somit in einem geschlossenen System asserviert. Im Anschluss an eine Pleurapunktion muss eine Röntgen-Thoraxkontrolle zum Ausschluss eines Pneumothorax und zur Bestimmung eines eventuellen Restergusses durchgeführt werden.
Technik der Bülau-Drainage
Zur Pleurapunktion hat sich die Verres-Sicherheitsnadel bewährt. Ein stumpfer Mandrin springt nach Eintritt in den Pleuraraum vor und schützt dadurch die Spitze der Nadel (Schutz der Lunge vor Verletzungen) (Abb. B-4.37). Der Erguss wird drainiert und größere Mengen über einen 3-Wege-Hahn abgelassen. Nach der Punktion ist eine Röntgen-Thoraxkontrolle zum Ausschluss eines Pneumothorax erforderlich. Technik der Bülau-Drainage
Vorbereitung: Vor der Anlage der Bülau-Drainage muss der Patient wie bei der Pleurapunktion über eine mögliche Medikamenteneinnahme mit Einfluss auf das Gerinnungssystem befragt werden (s. Pleurapunktion). Ferner muss ein Aufklärungsgespräch über folgende mögliche Komplikationen bei der Platzierung einer Bülau-Drainage geführt werden: ■ Blutergüsse in der Haut oder Muskulatur. ■ Verletzung von Lungengewebe mit persistierender Lungenfistelung. ■ Verletzung benachbarter Organe wie Leber, Milz, Herz und herznaher Blutgefäße. ■ Verletzung von Nerven mit der Folge eines späteren Taubheitsgefühles der Haut in dem Bereich der Inzision.
Vorbereitung: Vor der Anlage der BülauDrainage muss der Patient über die Einnahme gerinnungsbeeinflussender Medikamente (s. Pleurapunktion) befragt und über mögliche Komplikationen aufgeklärt werden, z. B.: ■ Blutergüsse. ■ Verletzung von Lungengewebe mit persistierender Lungenfistelung. ■ Verletzung benachbarter Organe und von Nerven.
Durchführung: Die Platzierung der Drainage muss unter sterilen Kautelen erfolgen: ■ Zunächst Aufsuchen des 3. oder 4. ICR in der vorderen Axillarlinie. Beim Mann entspricht dies etwa der Mamillarhöhe, bei der Frau etwa der Hälfte des Oberarmes. ■ Sterile Handschuhe anziehen und das Bülau-Set öffnen. ■ Inzisionsstelle desinfizieren. ■ Abdecken mit sterilem Schlitztuch. ■ Inzision über der Rippe unterhalb des gewählten ICR, um vor dem Eintritt in die Pleurahöhle einen kleinen Tunnel bilden zu können. Die Inzision muss so
Durchführung: Die Drainage muss unter sterilen Kautelen erfolgen: ■ Aufsuchen des 3. oder 4. ICR in der vorderen Axillarlinie (beim Mann etwa Mamillarhöhe, bei der Frau etwa Hälfte des Oberarmes). ■ Mit sterilen Handschuhen das Bülau-Set öffnen. ■ Inzisionsstelle desinfizieren und abdecken mit sterilem Schlitztuch. ■ Inzision über der Rippe unterhalb des gewählten ICR. Die Größe der Inzision
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B 4 Thoraxchirurgie
964 B-4.36
B-4.37
B-4.36
Rippenquerschnitt
Verresnadel Ein stumpfer Mandrin verhindert über einen Federmechanismus Verletzungen durch die Nadelspitze.
a
b
muss ein stumpfes Präparieren mit dem Finger am Oberrand der Rippe bis in den Pleuraraum ermöglichen. ■
■
Mit dem Finger den Pleuraspalt ertasten und unter Führung des Fingers die BülauDrainage einlegen (Abb. B-4.38, Abb. B-4.39). Die Drainage fixieren, Hautnaht und steriler Verband.
groß gewählt werden, dass durch ein stumpfes Präparieren mit dem Finger am Oberrand der Rippe bis in den Pleuraraum vorgedrungen werden kann. ■
■
Mit dem Finger den Pleuraspalt eindeutig ertasten und anschließend unter Führung des Fingers die Bülau-Drainage einlegen (Abb. B-4.38, Abb. B-4.39). Die Drainage gut fixieren und die Inzisionsstelle mit Hautnaht versorgen und steril verbinden.
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B 4.3 Erkrankungen von Brustwand und Pleura
965
B-4.38
Technik beim Legen einer Bülaudrainage
B-4.38
B-4.39
Thoraxdrainagen
B-4.39
Zwei liegende Thoraxdrainagen bei einem Patienten nach Thorakotomie. Die hintere Drainage liegt im Recessus costodiaphragmaticus, die vordere Drainage liegt apikoventral im Thoraxraum.
Der Drainageschlauch wird im Allgemeinen mit einem Wasserschloss verbunden und mit einem Sog von −20 cm Wassersäule gesaugt.
Abgesaugt wird mit einem Sog von −20 cm Wassersäule.
Monaldi-Drainage
Monaldi-Drainage
Das ist eine pleuranahe Kavernendrainage. Die Anwendung der Monaldi-Drainage beim Pneumothorax sollte aus kosmetischen Gründen nicht mehr im 2. ICR erfolgen. Es handelt sich um eine pleuranahe Kavernendrainage. Sie sollte nicht mehr zur Anwendung kommen. Als Alternative steht die Bülau-Drainage zur Verfügung.
Pleurodese 왘 Definition. Die Pleurodese ist eine Verödung des Pleuraspaltes, d. h., die bei-
Pleurodese 왗 Definition
den Blätter des Brustfelles werden verklebt. Indikation: Die häufigste Indikation zur Pleurodese sind rezidivierende Pleuraergüsse. Diese Ergüsse können maligne oder benigne sein, wobei die Pleurodese in der überwiegenden Zahl bei malignen Ergüssen durchgeführt wird. Eine weitere Indikation ist die Rezidivprophylaxe beim Pneumothorax. Bei malignen Pleuraergüssen muss vor der Pleurodese geprüft werden, ob nach der Drainage des Ergusses die Lunge gut reexpandiert ist. Nur wenn ein möglichst großer Anteil der Lunge mit der parietalen Pleura in Kontakt kommt, ist eine Pleurodese erfolgversprechend. Häufig liegt eine gefesselte Lunge
Indikationen: ■ rezidivierende maligne oder benigne Pleuraergüsse, ■ Rezidivprophylaxe beim Pneumothorax. Bei malignen Pleuraergüssen ist zu prüfen, ob die Lunge gut reexpandiert ist. Bei einer gefesselten Lunge (trapped lung) – trotz Drainage keine Lungenexpansion – ist eine Pleurodese nicht sinnvoll.
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966
B 4 Thoraxchirurgie
(trapped lung) vor, die trotz eingebrachter Drainage keine Lungenexpansion zeigt. In diesem Fall ist eine Pleurodese nicht sinnvoll. Therapie: Das Ziel der Pleurodese ist die Erzeugung einer pleuralen Syndesmose. Diese wird durch inflammatorisch-fibrosierende Substanzen induziert oder eine partielle bzw. komplette Entfernung der Pleura.
Therapie: Das Ziel der Pleurodese ist die Erzeugung einer pleuralen Syndesmose. Diese wird durch inflammatorisch-fibrosierende Substanzen induziert. Auch eine partielle oder komplette Entfernung der Pleura kann die gewünschte Verklebung der Lunge mit der Thoraxwand auslösen.
Mögliche Verfahren: ■ Nutzung einer liegenden Bülau-Drainage zur Instillation der Substanz („Drainagenpleurodese“). ■ Unter Sicht (VATS) Einbringung der Substanz oder biologische Pleurodese (Verschorfung) bzw. partielle Pleurektomie. ■ Thorakotomie und Durchführung einer Pleurektomie oder Dekortikation.
Mögliche Verfahren zur Durchführung der Pleurodese: ■ Bei einer bereits liegenden Bülau-Drainage wird die Substanz blind instilliert („Drainagenpleurodese“) ■ Verfahren unter Sicht durch Thorakoskopie = VATS (video assisted thoracic surgery): – Insufflation oder Instillation von Substanzen zur Verklebungsinduktion, – biologische Pleurodese, d. h. Verschorfung der Pleura parietalis mittels Koagulationsverfahren bzw. Lasertechnik, – partielle Pleurektomie. ■ Thorakotomie und Durchführung einer Pleurektomie oder Dekortikation.
Operationsverfahren und Ergebnisse: Bei der Drainagenpleurodese wird eine Talkumaufschwemmung verwendet. Es kommt zu einer sterilen chemischen Pleuritis. Anwendung bei Patienten mit reduziertem Allgemeinzustand. Die Ergebnisse sind nicht befriedigend.
Operationsverfahren und Ergebnisse: Bei der Drainagenpleurodese wird über die liegende Drainage eine Talkaufschwemmung „talc slurry“ eingebracht. Dieses Verfahren wird nur bei Patienten mit sehr reduziertem Allgemeinzustand durchgeführt, für die eine Thorakoskopie schon zu belastend wäre. Das Talkum löst eine sterile chemische Pleuritis mit konsekutiver Pleurodese aus. Die Ergebnisse sind nicht befriedigend, da im Allgemeinen vorhandene Ergusskammern nicht beseitigt werden können. Die Instillation alternativer Substanzen wie Chemotherapeutika oder Antibiotika haben schlechtere Ergebnisse ergeben. Die Thorakoskopie ermöglicht eine optimale Visualisierung der Pleurahöhle. Auch gekammerte, oder organisierte Ergüsse können ausgeräumt werden. Unter Sicht ist eine homogene Verteilung des Talkumpuders auf der Pleuraoberfläche möglich. Auch hier hat das Talkum im Vergleich zu anderen Substanzen die besten Ergebnisse erbracht (Abb. B-4.40). Die Pleurektomie oder Dekortikation führt zu einer definitven Verklebung beider Pleurablätter. Dabei wirken körpereigenes Fibrin und der operationsbedingte Verwachsungsreiz als „Klebstoff“.
Die Thorakoskopie ermöglicht eine optimale Visualisierung der Pleurahöhle. Unter Sicht ist eine homogene Verteilung des Talkumpuders auf der Pleuraoberfläche möglich (Abb. B-4.40). Bei der Pleurektomie/Dekortikation verkleben beide Pleurablätter miteinander.
왘 Merke
4.3.2 Pleuraempyem
왘 Merke. Bei der Pleurektomie oder Dekortikation besteht die Gefahr der Nachblutung und eines Hämatothorax.
4.3.2 Pleuraempyem
왘 Synonym
왘 Synonym. Pyothorax
왘 Definition
왘 Definition. Beim Pleuraempyem handelt es sich um einen eitrigen Erguss der
Pleurahöhle. Ätiologie: Siehe Tab. B-4.9.
Ätiologie: Die häufigsten Ursachen sind fortgeleitete entzündliche Prozesse im Thorax. Postoperativ können Pleuraempyeme als Wundinfektion nach thoraxchirurgischen Eingriffen (Lunge, Ösophagus, Mediastinum) auftreten. Aber auch bei einer Oberbauchperitonitis, einem subhepatischen oder subphrenischen Abszess ist infolge einer Durchwanderung des Infektionsprozesses die Entstehung eines Pleuraempyems möglich oder als Komplikation einer Pleuritis. Eine Keimverschleppung kann auch im Rahmen einer Sepsis oder durch eine Kontamination nach einem offenen Thoraxtrauma, einer Pleurapunktion oder einer Perforation des Ösophagus erfolgen (Tab. B-4.9).
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B 4.3 Erkrankungen von Brustwand und Pleura
Intraoperativer Situs bei Thorakoskopie
B-4.40
a
b
B-4.9
■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
c
a Metastase an der parietalen Pleura bei Mammakarzinom. b Probeentnahme mit einer Biopsiezange. c Durchführung einer Pleurodese mit Talkumpuder. d Z.n. durchgeführter Pleurodese mit Talkumpuder. Man erkennt den Talkumüberzug auf der Lungenoberfläche.
d
■
967
Ursachen des Pleuraempyems
B-4.9
Pneumonie Pleuritis Lungenabszess Bronchiektasen Ösophagusruptur Osteomyelitis des thorakalen Skeletts septische intraabdominelle Prozesse (per continuitatem, reaktiv) penetrierende Thoraxverletzung Hämatothorax (Infektion durch Punktionsversuche) postoperative Infektion nach thoraxchirurgischen Eingriffen bronchopleurale Fistel hämatogene Infektion des Pleuraspaltes (1 %)
B-4.10
Stadium I Stadium II Stadium III
Stadieneinteilung Pleuraempyem
B-4.10
exsudative Phase fibrinös-purulente Phase Vernarbung/Verschwartung
Einteilung: Das Pleuraempyem wird in 3 Stadien unterteilt (Tab. B-4.10).
Einteilung: SieheTab. B-4.10.
Klinik: Klinisch liegen die Zeichen des Ergusses (perkutorisch Dämpfung und auskultatorisch aufgehobenes Atemgeräusch) und die Zeichen der Entzündung (Fieber, Leukozytose, BSG-Beschleunigung, hohes CRP) vor. Zudem bestehen meistens atemabhängige Schmerzen.
Klinik: Klinisch liegen die Zeichen des Ergusses und der Entzündung vor. Außerdem bestehen meistens atemabhängige Schmerzen.
Diagnostik: Die Thorax-Übersichtsaufnahme ist die primäre diagnostische Maßnahme. Liegt ein Pleuraempyem vor, wird im Röntgenbild eine Transparenzverminderung unterschiedlichen Ausmaßes sichtbar. Eine transthorakale Sonographie kann Aufschluss über Ergussmenge, Konsistenz, wie auch evtl. bestehende Septierungen geben. Mit der Computertomographie ist die topographische Ausdehnung des Empyems erkennbar. Ferner kann ein intrapulmonaler Tumor oder intrapulmonaler Prozess als eventuelle Ursache sofort erkannt werden. Gleichzeitig kann die erforderliche Stelle für Punktion oder ggf. Einlage
Diagnostik: ■ Thorax-Übersichtsaufnahme (Transparenzverminderung unterschiedlichen Ausmaßes). ■ Transthorakale Sonographie (Aufschluss über Ergussmenge, Konsistenz, evtl. Septierungen). ■ CT (topographische Ausdehnung des Empyems, Tumorerkennung).
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B 4 Thoraxchirurgie
Bronchoskopie (Erkennung eines Bronchialkarzinoms).
einer Thoraxdrainage markiert werden. Wichtig ist auch die Bronchoskopie, da das Pleuraempyem nicht selten das Erstsymptom eines Bronchialkarzinoms ist. Die Empyemflüssigkeit soll für die Erregersuche und für ein Antibiogramm asserviert und bakteriologisch untersucht werden.
Therapie: Sie erfolgt stadienadaptiert: ■ Stadium I (exsudative Phase): Thoraxdrainage und Spülung mit physiologischer Kochsalzlösung mit einer Saug-Spül-Drainage (zweilumig). ■ Stadium II (fibrinös-purulente Phase): Thoraxdrainage mit Einlage einer weitlumigen Spül-Saug-Drainage und Spülung mit physiologischer Kochsalzlösung. Favorisiert wird das videoassistierte thorakoskopische Débridement mit anschließender Saug-Spül-Drainage. ■ Stadium III (Vernarbung/Verschwartung): Offene Thorakotomie und Dekortikation mit Ausräumung des Empyemsackes.
Therapie: Die Therapie erfolgt stadienadaptiert: ■ Stadium I (exsudative Phase): Therapie der Wahl ist die Anlage einer Thoraxdrainage in Form einer zweilumigen Saug-Spül-Drainage. Die Spülung sollte mit physiologischer Kochsalzlösung durchgeführt werden. ■ Stadium II (fibrinös-purulente Phase): Die Therapie der Wahl ist auch hier die Thoraxdrainage mit Einlage einer weitlumigen Spül-Saug-Drainage und Spülung mit physiologischer Kochsalzlösung. Gegebenenfalls ist eine Lysetherapie bereits bestehender Septisierungen im Erguss mit Streptokinase oder Urokinase möglich. Entscheidend für den Therapieerfolg sind die zügige komplette Entleerung der Pleurahöhle und die Reexpansion der Lunge. Favorisiert wird das videoassistierte thorakoskopische Débridement, dem anschließend eine Saug-SpülDrainage folgt. Bei dieser Methode können unter Sicht sämtliche Kammerbildungen aufgelöst und die Wiederentfaltung der Lunge unter Sicht geprüft werden. ■ Stadium III (Vernarbung/Verschwartung): Hier ist eine Dekortikation mit Ausräumung des Empyemsackes erforderlich, die über eine offene Thorakotomie zu erfolgen hat.
Spätfolgen und Komplikationen: Die Verschleppung eines Pleuraempyems bzw. die nicht restlose Sanierung eines Empyems führt zu Ausbildung von Schwielen oder Schwarten im Bereich des Rippen- und Lungenfells mit restriktiven Ventilationsstörungen (Abb. B-4.41, Abb. B-4.42).
Spätfolgen und Komplikationen: Die Verschleppung eines Pleuraempyems oder die nicht restlose Sanierung eines Empyems führt zu Ausbildung von Schwielen oder Schwarten im Bereich des Rippen- und Lungenfells (Abb. B-4.41). Die Lunge kann sich bei der Atmung nicht mehr komplett ausdehnen, sodass eine restriktive Ventilationsstörung resultiert. Ein chirurgischer Eingriff kann bei Pleuraschwarten erforderlich sein, indem diese durch eine Dekortikation entfernt werden (Abb. B-4.42).
■
B-4.41
B-4.41
Verschlepptes Pleuraempyem Operationssitus bei rechtsseitigem, verschlepptem Pleuraempyem.
B-4.42
B-4.42
Dekortikation Intraoperativer Situs einer rechtsseitigen Dekortikation. Die Schwarte ist mit einer Pinzette gefasst und bereits teilweise von der Brustwand abgelöst.
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B 4.3 Erkrankungen von Brustwand und Pleura
4.3.3 Hämatothorax 왘 Definition. Hämatothorax bedeutet eine Ansammlung von Blut im Pleura-
969 4.3.3 Hämatothorax
왗 Definition
raum. Ätiologie: Ein Hämatothorax ist die Folge einer Verletzung von Lunge, Pleura, oder Thoraxwand. Ursachen sind z. B.: ■ Punktionen (Pleurapunktion, zentrale Venenwege), ■ Verletzungen im Bereich des Tracheobronchialsystems, ■ Rippenfrakturen, ■ Aortenrupturen und Verletzungen der Wirbelkörper Th4 –Th6.
Ätiologie: Ursachen sind Verletzungen von Lunge, Pleura, oder Thoraxwand wie Punktionen, Verletzungen im Tracheobronchialsystem, Rippenfrakturen, Aortenrupturen und Verletzungen der Wirbelkörper Th4 –Th6.
Klinik: Infolge der intrathorakalen Blutansammlung kommt es zu einer zunehmenden Dyspnoe. Bei starken Blutungen kann es zum Bild eines hämorrhagischen Schocks kommen. Die Kombination mit einem Pneumothorax ist möglich, hier spricht man von einem Hämatopneumothorax. Ferner können atemabhängige Schmerzen bestehen.
Klinik: Es kommt zu einer zunehmenden Dyspnoe (durch Blutansammlung) und atemabhängige Schmerzen. Starke Blutungen können zum hämorrhagischen Schock führen. Beim Hämatopneumothorax ist zusätzlich ein Pneumothorax vorhanden.
Diagnostik: Die Anamnese lässt häufig schon einen Verdacht auf einen Hämatothorax entstehen. Bei der Untersuchung findet sich ein abgeschwächtes Atemgeräusch, eine Klopfschalldämpfung und je nach Schwere der Blutung im Blutbild ein Hb-Abfall und die klinischen Zeichen des Volumenmangelschocks. Das Röntgen-Thoraxbild zeigt eine Transparenzminderung der betroffenen Seite. Eine Ultraschalluntersuchung kann ebenfalls den Verdacht auf einen Hämatothorax ergeben. Eine diagnostische Punktion ermöglicht eine Differenzierung zwischen Pleuraerguss und Blut.
Diagnostik: Anamnese, bei der Untersuchung abgeschwächtes Atemgeräusch, eine Klopfschalldämpfung und evtl. im Blutbild ein Hb-Abfall sowie klinische Zeichen des Volumenmangelschocks. Im Röntgen-Thoraxbild Transparenzminderung der betroffenen Seite. Punktion zur Differenzierung zwischen Pleuraerguss und Blut.
Therapie: Zunächst Anlage einer großlumigen Thoraxdrainage zur Entlastung der Pleurahöhle und zur Kontrolle der Blutmenge. Eine komplette Entleerung der Pleurahöhle ist wünschenswert, da es sonst zu einer Schwartenbildung mit Fesselung der Lunge kommen kann. Gelingt die vollständige Reexpansion der Lunge nicht, sollte zeitnah eine Hämatomausräumung thorakoskopisch oder bei Bedarf auch durch eine Thorakotomie erfolgen. Eine sofortige operative Therapie ist erforderlich, wenn nach initialer Drainage des Blutes aus der Pleurahöhle eine kontinuierliche Blutung von 4 100 ml/h persistiert.
Therapie: Zunächst Anlage einer großlumigen Thoraxdrainage zur Entlastung der Pleurahöhle und zur Kontrolle der Blutmenge. Wenn nach initialer Drainage des Blutes aus der Pleurahöhle eine kontinuierliche Blutung von 4 100 ml/h persistiert, ist die sofortige operative Therapie notwendig.
4.3.4 Chylothorax
4.3.4 Chylothorax
왘 Definition. Der Chylothorax ist eine Sonderform des Pleuraergusses, bei dem eine Ansammlung von Lymphe in der Pleurahöhle vorliegt.
Ätiologie: Ein Chylothorax ist fast immer Folge einer Verletzung des Ductus thoracicus oder der Cisterna chyli nach Traumen. Häufiger jedoch verursachen iatrogene Verletzungen im Rahmen von Thoraxeingriffen, z. B. Ösophagusresektion oder Eingriffe an der Aorta, einen Chylothorax. Weitere Ursachen sind die Verlegung des Lymphabflusses durch Thrombosen der V. subclavia oder die Arrosion lymphatischer Gefäße durch Tumoren, Lymphome oder eine Tuberkulose. Eine Rarität ist eine kongenitale Fehlanlage, die immer mit einem Chylaskos (Chylus im Abdomen) einhergeht. Bei größeren Chylusmengen kann es durch Verdrängung der Lunge und ggf. des Mediastinums zu einer Dyspnoe und Tachykardie kommen.
왗 Definition
Ätiologie: Häufig durch Verletzung des Ductus thoracicus oder der Cisterna chyli infolge von Traumen oder iatrogen bei Thoraxeingriffen. Weitere Ursachen sind die Verlegung des Lymphabflusses durch Thrombosen der V. subclavia, die Arrosion lymphatischer Gefäße durch Tumoren und die Tuberkulose. Selten besteht eine kongenitale Fehlanlage (verbunden mit einem Chylaskos).
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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B 4 Thoraxchirurgie
Diagnostik: Die Symptome sind Klopfschallverkürzung und abgeschwächtes Atemgeräusch. Eine milchig trübe Punktionsflüssigkeit (Fettgehalt 0,4 – 4 %, Eiweißgehalt bis zu 30 % und Lymphozyten) ist beweisend.
Diagnostik: Die Symptome sind wie bei einem Pleuraerguss Klopfschallverkürzung und ein abgeschwächtes Atemgeräusch. Die Punktion milchig trüber Flüssigkeit mit einem Fettgehalt von 0,4 – 4 %, einem Eiweißgehalt bis zu 30 % und Lymphozyten ist beweisend.
Therapie: Entlastung des Chylothorax (z. B. Bülau-Drainage) mit dem Ziel der Spontanheilung. Unterstützend wirkt eine fettarme Diät. Tritt nach ca. 1 – 2 Wochen kein Sistieren ein, ist eine operative Ligatur des Ductus thoracicus entweder thorakoskopisch oder als offene Thorakotomie erforderlich.
Therapie: Zunächst wird durch eine Entlastung des Chylothorax mit z. B. einer Bülau-Drainage) versucht, eine Spontanheilung zu erreichen. Unterstützend wirkt eine fettarme Diät, um die Chylusproduktion zu drosseln. Tritt nach ca. 1 – 2 Wochen kein Sistieren ein, ist eine operative Ligatur des Ductus thoracicus erforderlich. Dies kann sowohl thorakoskopisch als auch durch eine offene Thorakotomie erfolgen. Im Allgemeinen wird der Ductus thoracicus oberhalb des Zwerchfells in Höhe des Lig. pulmonale zwischen Aorta und V. azygos aufgesucht und unterbunden.
4.3.5 Tumoren der Pleura
4.3.5 Tumoren der Pleura
Einteilung: Primäre Pleuratumoren sind benigne oder maligne Mesotheliome. Selten sind benigne Pleuratumoren wie z. B. Fibrome, Lipome, Hämangiome. Ein primär maligner Pleuratumor ist das diffuse Pleuramesotheliom (aus einer pluripotenten Mesothelzelle). Sekundäre Pleuratumoren sind die Folge einer hämatogenen oder lymphogenen Metastasierung.
Einteilung: Primäre Pleuratumoren sind benigne oder maligne Mesotheliome. Benigne Pleuratumoren sind sehr selten; dazu gehören Fibrome, Lipome, Hämangiome. Das diffuse Pleuramesotheliom ist ein primär maligner Pleuratumor, der von der pluripotenten Mesothelzelle abstammt. Sekundäre Pleuratumoren sind die Folge einer hämatogenen oder lymphogenen Metastasierung (z. B. Bronchialkarzinom, Mammakarzinom, Lymphome, gastrointestinale Tumoren).
Malignes Pleuramesotheliom (MPM)
Malignes Pleuramesotheliom (MPM)
왘 Definition
왘 Definition. Das maligne Pleuramesotheliom ist ein von den Mesothelzellen
ausgehender bösartiger Tumor der Pleura. Ätiologie und Entwicklung: Das Pleuramesotheliom ist in über 90 % der Fälle auf einen meist beruflich bedingten Asbestkontakt zurückzuführen. Die Latenzzeit zwischen Beginn der Exposition gegenüber Asbest und der Tumormanifestation liegt für das MPM im Mittel bei 35 Jahren.
Aufgrund der langen Latenzzeit ist in den folgenden Jahren mit einer steigenden Inzidenz und Mortalität des Pleuramesothelioms zu rechnen. Der Gipfel wird erst nach dem Jahre 2020 erwartet.
왘 Merke
Ätiologie und Entwicklung: Das Pleuramesotheliom ist in über 90 % der Fälle auf einen meist beruflich bedingten Asbestkontakt zurückzuführen. Asbest (vom griechischen Asbestos = unauslöschbar) ist ein natürliches Mineral aus der Gruppe der Silikate, das durch die Verfestigung von flüssiger Gesteinslava entstanden ist. Dieses Material ist extrem feuer- und hitzebeständig sowie resistent gegen Säure und wurde deshalb zu einem begehrten Baustoff. Die Latenzzeit zwischen Beginn der Exposition gegenüber Asbest und der Tumormanifestation liegt für das MPM im Mittel bei 35 Jahren. Aufgrund der langen Latenzzeit und des Anstiegs des Asbestverbrauchs in Deutschland bis Mitte der 1970er Jahre ist in den folgenden Jahren mit einer steigenden Inzidenz und Mortalität des Pleuramesothelioms zu rechnen. Für Westeuropa muss mit einer Verdoppelung der Mesotheliomtoten für die nächsten 20 Jahre von derzeit 5000 auf gut 9000 gerechnet werden. Der Gipfel wird erst nach dem Jahre 2020 erwartet. 왘 Merke. Das maligne Pleuramesotheliom wird bei berufsbedingter Expositi-
on als Berufserkrankung anerkannt. Klinik: Erst im fortgeschrittenen Stadium können Atemnot, lokalisierter Brustschmerz, trockener Reizhusten oder Gewichtsverlust auftreten.
Klinik: Die Diagnose erfolgt im Allgemeinen erst sehr spät, da die ersten Anzeichen sehr unspezifisch sind. Erst im fortgeschrittenen Stadium können Atemnot, lokalisierter Brustschmerz, trockener Reizhusten oder Gewichtsverlust auftreten. Häufig sind diese Beschwerden kombiniert mit einem Pleuraerguss.
Diagnostik: Thorax-Röntgenübersichtsaufnahme in 2 Ebenen (pleurale Wandverdickung) und CT zur Beurteilung der Tumorausbreitung. Die Zytologie des Pleuraexsudates oder eine thorakoskopische Gewebeentnahme sichern die Diagnose.
Diagnostik: In der Thorax-Röntgenübersichtsaufnahme in 2 Ebenen zeigt sich eine pleurale Wandverdickung. Mittels Computertomographie kann das Ausmaß der Tumorausbreitung exakt beurteilt werden. Gesichert wird die Diagnose durch die Zytologie des Pleuraexsudates oder durch eine thorakoskopische Gewebeentnahme.
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B 4.3 Erkrankungen von Brustwand und Pleura
971
Histologie: Es werden 3 Haupttypen des MPM unterschieden: ■ epithelialer Typ: 50 %, ■ sarkomatöser oder mesenchymaler Typ: 15 %, ■ Mischtyp (B-Phase): 35 %.
Histologie: Es gibt 3 Haupttypen des MPM: ■ epithelialer Typ (50 %), ■ sarkomatöser oder mesenchymaler Typ (15 %), ■ Mischtyp (B-Phase) (35 %).
Stadieneinteilung: Sie erfolgt nach der TNM-Klassifikation (UICC).
Stadieneinteilung: Nach der TNM-Klassifikation (UICC).
왘 Merke. Für die Therapieentscheidung ist die Bestimmung des Stadiums wichtig.
왗 Merke
Therapie: Chirurgische Therapiemaßnahmen: ■ Extrapleurale Pleuropneumonektomie mit Perikard- und Zwerchfellresektion: Dieses Verfahren ist nur in frühen Stadien ohne Fernmetastasen und ohne Befall der mediastinalen Lymphknoten beim idealerweise histologisch epithelialen Typ möglich. Grundvoraussetzungen sind ein guter Allgemeinzustand und pulmonal wie kardial funktionelle Operabilität. Das Ziel der Operation ist die Resektion sämtlicher viszeraler und parietaler Anteile der Pleura auf der betroffenen Seite. Die Resektion umfasst den gesamten Lungenflügel, das Perikard und das Zwerchfell, da andernfalls eine onkologisch radikale Entfernung der Pleura nicht möglich ist. Im Anschluss an diesen Eingriff sollte eine Radiochemotherapie erfolgen. ■ Pleurektomie/Dekortikation: Als palliative Operation kann in Einzelfällen die alleinige Resektion der Pleura parietalis und visceralis sinnvoll sein. Die häufig durch Tumormassen gefesselte Lunge kann bedingt zur Reexpansion gebracht werden, um so einen besseren Gasaustausch zu ermöglichen. ■ Pleurodese: Bei den meisten rezidivierenden Pleuraergüssen kann als palliative Maßnahme eine Verklebung der Pleurablätter durch Talkumpuder (Talkumpleurodese) thorakoskopisch erfolgen. Dadurch wird das Wiederauftreten des Pleuraergusses weitgehend vermieden.
Therapie: Chirurgische Therapiemaßnahmen: ■ Extrapleurale Pleuropneumonektomie mit Perikard- und Zwerchfellresektion: Dieses Verfahren ist nur in frühen Stadien ohne Fernmetastasen und ohne mediastinale Lymphknoten bei idealerweise histologisch epithelialem Typ möglich. Die Resektion umfasst den gesamten Lungenflügel, das Perikard und das Zwerchfell, da andernfalls eine onkologisch radikale Entfernung der Pleura nicht möglich ist. Im Anschluss sollte eine Radiochemotherapie erfolgen. ■ Pleurektomie/Dekortikation: Als palliative Operation kann in Einzelfällen die alleinige Resektion der Pleura parietalis und visceralis sinnvoll sein. ■ Pleurodese: Bei Pleuraergüssen kann als palliative Maßnahme eine thorakoskopische Talkumpleurodese (Verklebung der Pleurablätter) Rezidive weitgehend verhindern.
Chemo- und Strahlentherapie: Mit der Kombination aus Strahlen- und Chemotherapie kann die schlechte Prognose des unbehandelten MPM etwas verbessert werden. Inwieweit das Ende 2004 europaweit neu zugelassene Chemotherapeutikum Pemetrexed, ein Multienzymhemmer, in Kombination mit dem Chemotherapeutikum Cisplatin die Überlebenserwartung maßgeblich verlängert, bleibt abzuwarten.
Chemo- und Strahlentherapie: Mit der Kombination aus Strahlen- und Chemotherapie kann die schlechte Prognose des unbehandelten MPM etwas verbessert werden.
Prognose: Unbehandelt liegt die Prognose des MPM je nach Stadium bei 4 – 18 Monaten. Das mediane Überleben nach Pleuropneumonektomie mit adjuvanter Chemoradiatio liegt im Mittel bei 51 Monaten.
Prognose: Unbehandelt liegt das Überleben je nach Stadium bei 4 – 18 Monaten, nach Pleuropneumonektomie mit adjuvanter Chemoradiatio im Mittel bei 51 Monaten.
4.3.6 Tumoren der Thoraxwand
4.3.6 Tumoren der Thoraxwand
Benigne Tumoren der Thoraxwand
Benigne Tumoren der Thoraxwand
Ätiologie und Einteilung: Die benignen Tumoren der Thoraxwand gehen entweder von den Weichteilen oder vom Thoraxskelett aus. Bei den Weichteiltumoren sind die Lipome am häufigsten, die multipel auftreten und nicht nur im subkutanen Fettgewebe, sondern auch subfaszial und intermuskulär vorkommen können. Darüber hinaus gibt es Fibrome, Hämangiome, Lymphangiome, Neurinome und Atherome. Vom Thoraxskelett gehen Chondrome, Osteome, und Osteochondrome aus. Sie wölben sich oft nach außen vor und lösen durch Druck auf Nerven Schmerzen aus.
Ätiologie und Einteilung: Die benignen Tumoren der Thoraxwand gehen entweder von den Weichteilen oder vom Thoraxskelett aus. Weichteiltumoren sind: ■ Lipome (am häufigsten), ■ Fibrome, ■ Hämangiome, ■ Lymphangiome, ■ Neurinome, ■ Atherome. Vom Thoraxskelett gehen aus: ■ Chondrome, ■ Osteome, ■ Osteochondrome.
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972 B-4.43
B 4 Thoraxchirurgie
B-4.43
Osteochondrom Resektion der 7. und 8. Rippe bei Osteochondrom. Verschluss des Thoraxwanddefekts mit einer PTFE-Membran.
Therapie: Sie besteht in der radikalen Entfernung, bei Chondromen und Osteomen mit Resektion der entsprechenden Rippenanteile (Rezidivneigung!) (Abb. B-4.43).
Therapie: Die Therapie sämtlicher benigner Tumoren besteht in der Operation, d. h. möglichst radikaler Geschwulstentfernung. Bei Chondromen und Osteomen sollte immer eine Resektion der entsprechenden Rippenanteile durchgeführt werden, da eine Rezidivneigung besteht (Abb. B-4.43).
Maligne Tumoren der Thoraxwand
Maligne Tumoren der Thoraxwand
Ätiologie und Einteilung: Wie die benignen Tumoren gehen auch die malignen Tumoren von den Weichteilen (Lipo-, Myo- und Fibrosarkome sowie maligne Melanome) oder dem Thoraxskelett (Chondrosarkome, osteogene Sarkome, Plasmozytom, EwingSarkom) aus.
Ätiologie und Einteilung: Analog zu den benignen Tumoren gehen auch die malignen Tumoren der Thoraxwand von den Weichteilen (Lipo-, Myo- und Fibrosarkome sowie maligne Melanome) oder dem Thoraxskelett (Chondrosarkome, osteogene Sarkome, Plasmozytom, Ewing-Sarkom) aus.
Diagnostik: Sie wird durch die klinische und röntgenologische Untersuchung, ggf. durch Punktionszytologie oder Probeexzision gesichert. Therapie: Radikale Exstirpation, bei Inoperabilität Bestrahlung und/oder Chemotherapie:
Diagnostik: Die Diagnose wird durch die klinische und röntgenologische Untersuchung (Röntgen-Thorax in 2 Ebenen, Computertomographie) sowie gelegentlich durch eine Punktionszytologie oder Probeexzision gesichert. Therapie: Die Therapie besteht immer in der radikalen Exstirpation und ggf. Deckung von Defekten in der Brustwand durch plastische Eingriffe. Bei Inoperabilität sollte eine Bestrahlung und/oder Chemotherapie erfolgen.
4.3.7 Brustwanddeformitäten
4.3.7 Brustwanddeformitäten
Trichterbrust
Trichterbrust
왘 Synonyme
왘 Synonym. Pectus excavatum, funnel chest
왘 Definition
왘 Definition. Bei einer Trichterbrust handelt es sich um eine Verformung des Brustkorbes, bei der sowohl das kaudale Sternum als auch die seitlich angrenzenden Knorpelanteile der Rippen trichterförmig eingesunken sind.
Ätiologie: Die Ursache ist unbekannt, eine familiäre Häufung wurde bei ca. 37 % aller Patienten nachgewiesen. Eine Trichterbrust wird auch bei Syndromen (Marfan-Syndrom) oder sekundär nach herzchirurgischen Eingriffen beobachtet.
Ätiologie: Die genaue Ursache ist unbekannt. Eine familiäre Häufung wurde bei ca. 37 % aller Patienten nachgewiesen. Ein autosomal-dominanter Erbgang mit verminderter Penetranz wird diskutiert. Auch im Rahmen von Syndromen wie z. B. dem Marfan-Syndrom) oder sekundär nach Operationen, z. B. nach herzchirurgischen Eingriffen, ist eine Trichterbrust zu beobachten.
Neuere Untersuchungen weisen eine Störung im Aufbau des betroffenen Rippenknorpels (generalisierte Bindegewebestörung) nach.
Neuere Untersuchungen des betroffenen Rippenknorpels weisen eine Störung im netzartigen Aufbau des Knorpels mit Merkmalen einer generalisierten Bindegewebestörung nach.
Klinik: In der Regel keine klinischen Symptome. Allerdings tritt häufig eine Körperfehlhaltung auf – Schultern leicht hängend nach vorn gerichtet, Rücken gebeugt und der Kopf nach vorn geneigt –, die zu Folgebeschwerden führen kann. Die Bauchdecke kann
Klinik: Im Allgemeinen bereitet die Trichterbrust keine Beschwerden. Zwar kann sowohl das Herz als auch die Lunge je nach Ausmaß des Trichters verdrängt und verschoben sein, aber in der Regel entstehen daraus keine klinischen Symptome. Körperliche Schmerzen verursacht die Brustwanddeformität ebenfalls nicht. Allerdings ist häufig eine Körperfehlhaltung zu beobachten, die zu Folge-
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B 4.3 Erkrankungen von Brustwand und Pleura
B-4.44
a Von vorne
B-4.45
Trichterbrust (Pectus excavatus)
973 B-4.44
b Seitlich
Schema der Thoraxwand bei Trichterbrust
B-4.45
a Schema der Thoraxwand bei Trichterbrust.
b Schematische Darstellung der Trichterbrustkorrektur.
beschwerden führen kann. Die Schultern sind leicht hängend nach vorn gerichtet, der Rücken ist gebeugt und der Kopf nach vorn geneigt. Die Bauchdecke kann ballonartig etwas nach außen vorgewölbt sein. Oft besteht ein erheblicher psychischer Leidensdruck, insbesondere in der Pubertät, der aufgrund der optischen Auffälligkeit der Trichterbrust hervorgerufen wird (Abb. B-4.44).
ballonartig etwas nach außen vorgewölbt sein. Oft besteht ein erheblicher psychischer Leidensdruck, insbesondere in der Pubertät (Abb. B-4.44).
Diagnostik: Durch Inspektion des Thorax ist die Diagnose leicht zu stellen. Die sichtbare Deformierung kann von unterschiedlicher Ausprägung sein, ist meist asymmetrisch und liegt im unteren Sternumbereich (Abb. B-4.45 a). Die beschriebenen Haltungsfehler können mit einer Kyphoskoliose kombiniert sein. Ein Röntgen-Thoraxbild zur Bestimmung des Abstandes vom Sternum zur Wirbelsäule ist meist nicht erforderlich.
Diagnostik: Durch Inspektion des Thorax ist die Diagnose leicht zu stellen. Die sichtbare Deformierung kann von unterschiedlicher Ausprägung sein (Abb. B-4.45 a). Die Haltungsfehler können mit einer Kyphoskoliose kombiniert sein.
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974
B 4 Thoraxchirurgie
Operationsindikation: Die Indikation zur Operation ist eine psychisch-kosmetische. Ein gutes Alter zur Operation ist das Schulalter vor der Pubertät.
Operationsindikation: Die Indikation zur Operation ist eine psychisch-kosmetische. Die früher vertretene Meinung, dass die Tiefe des Trichters die Herzfunktion und die Lungenfunktion beeinträchtigen, konnte nur in Einzelfällen beobachtet werden. Da die Trichterbrust im Allgemeinen schon im Säuglingsalter zu diagnostizieren ist, muss bedacht werden, dass die Tiefe des Trichters mit dem Alter zunehmen kann. Ein gutes Alter zur Operation ist das Schulalter vor der Pubertät.
Therapie: Krankengymnastik und Muskelaufbautraining verbessern lediglich die Körperhaltung.
Therapie: Krankengymnastik und Muskelaufbautraining können die Trichterbrust nicht therapieren, verbessern aber die Körperhaltung.
Operative Therapie: Ziel der Operation ist die Beseitigung des Trichters. Operationsverfahren sind die operative Aufrichtung des Sternums ohne Fremdmaterial (konventionell oder minimalinvasiv) oder mit Fremdmaterial und das Auffüllen des Trichters mit einem Silikonimplantat.
Operative Therapie: Ziel der Operation ist die Beseitigung des Trichters. Folgende Operationsverfahren sind möglich: ■ Operative Aufrichtung des Sternums mit Einbringen von Fremdmaterial: durch konventionelle Chirurgie (z. B. nach der Methode von Rehbein) oder minimalinvasive Chirurgie (z. B. nach der Methode von Nuss). ■ Operative Aufrichtung des Sternums ohne Fremdmaterial: modifiziert nach Ravitch. ■ Auffüllen des Trichters mit einem Silikonimplantat.
Das Grundprinzip der Operation ist die Mobilisierung des eingesunkenen Teils des Sternums und die anschließende Aufrichtung (Abb. B-4.45 b). Häufig wird die Operationsmethode nach Ravitch angewendet. Bei diesem Verfahren ist das Einbringen eines Metallbügels nicht erforderlich.
Das Grundprinzip der Operation ist die Mobilisierung des eingesunkenen Teils des Sternums und die anschließende Aufrichtung (Abb. B-4.45 b). Die Stabilisierung des Brustbeins erfolgt mit oder ohne Stabilisatoren. Die Verwendung von Metallbügeln soll das Wiedereinsinken des Sternums vermeiden. Bei der häufig angewandten Operationsmethode nach Ravitch werden nach einem submammären Schnitt die eingezogenen sternalen Knorpelanteile der Rippen aus ihrem perichondralen Schlauch geschält. Anschließend erfolgt eine Keilinzision im oberen Anteil des Sternums. Dadurch kann das Sternum aufgerichtet und fixiert werden. Bei diesem Verfahren ist das Einbringen eines Metallbügels nicht erforderlich. Bei dem minimalinvasiven Verfahren nach Nuss werden 2 Metallbügel durch zwei kleine Inzisionen an der seitlichen Thoraxwand derart eingebracht, dass der Trichter unter thorakoskopischer Kontrolle aufgerichtet wird. Die Metallspangen sind vorgebogen und werden unter das Brustbein geschoben, sodass sie dem Trichter von hinten anliegen. Anschließend werden die Metallspangen gedreht, sodass der Trichter von innen angehoben wird. Die Metallspangen verbleiben im Allgemeinen 2 – 4 Jahre im Brustkorb.
Beim minimalinvasiven Verfahren nach Nuss werden 2 Metallbügel durch 2 kleine Inzisionen an der seitlichen Thoraxwand derart eingebracht, dass der Trichter unter thorakoskopischer Kontrolle aufgerichtet wird.
Kielbrust
Kielbrust
왘 Synonyme
왘 Synonyme. Hühnerbrust, Pectus carinatum
왘 Definition
왘 Definition. Bei der Kielbrust springt das Brustbein in seinem vorderen Anteil oft asymmetrisch kielartig vor (Abb. B-4.46). Der Sagittaldurchmesser des Thorax ist vergrößert.
Ätiologie: Rachitis. Jungen sind häufiger betroffen.
Ätiologie: Ursache hierfür kann z. B. die heute nur noch sehr seltene Rachitis sein. Die Deformität ist deutlich seltener als die Trichterbrust und kommt bei Jungen häufiger vor als bei Mädchen.
Therapie: Eine Operationsindikation besteht nur aus kosmetischen Gründen.
Therapie: Eine Operationsindikation besteht nur aus kosmetischen Gründen (z. B. Methode nach Ravitch mit Resektion des Rippenknorpels).
Sternumspalte und Rippenaplasie
Sternumspalte und Rippenaplasie
왘 Definition
왘 Definition. Die Sternumspalte ist eine Hemmungsfehlbildung, bei der die
embryonale Verschmelzung der rechten und linken Sternalleiste ausbleibt. Häufig liegen weitere Fehlbildungen wie Omphalozelen vor.
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B 4.4 Erkrankungen des Mediastinums
B-4.46
975
Kielbrust (Hühnerbrust, Pectus carinatum)
Bei der Rippenaplasie sind die Rippen unvollständig ausgebildet. Klinik: Sternumspalten und Rippenaplasien bedingen eine Instabilität der Thoraxwand mit paradoxer Atmung und Dyspnoe. Therapie: Die Therapie besteht in der operativen Vereinigung der Sternumhälften. Liegt die Rippenaplasie einseitig vor, so können Rippen von der intakten Brustkorbhälfte subperiostal entnommen und in den Defekt zwischen Pleura und Haut eingepflanzt werden. Das Periost der entnommenen Rippe entwickelt bald ein Rippenregenerat.
4.4
Erkrankungen des Mediastinums
Klinik: Beide Deformitäten bedingen eine Instabilität der Thoraxwand mit paradoxer Atmung und Dyspnoe. Therapie: Operative Vereinigung der Sternumhälften. Bei einseitiger Rippenaplasie können Rippen von der intakten Brusthälfte subperiostal entnommen und in den Defekt zwischen Pleura und Haut eingepflanzt werden.
4.4
Erkrankungen des Mediastinums
4.4.1 Mediastinitis
4.4.1 Mediastinitis
Entzündliche Erkrankungen des Mediastinums werden unter dem Begriff der Mediastinitis zusammengefasst. Zu unterscheiden sind die akute und die chronische Mediastinitis.
Zu unterscheiden sind die akute und die chronische Mediastinitis.
Akute Mediastinitis
Akute Mediastinitis
왘 Definition. Bei der akuten Mediastinitis handelt es sich um eine bakterielle
왗 Definition
Entzündung des Mediastinums. Ätiologie: Die Infektionsquelle der akuten Mediastinitis kann im Mediastinum selbst liegen oder durch eine sekundäre Besiedelung des Mediastinums bedingt sein. Ursächlich können akut entzündliche Prozesse im Bereich des Halses sein (Abszess der Tonsillen, retropharyngeale Phlegmone, etc.) welche sekundär entlang der Fascia praevertebralis auf das Mediastinum übergreifen. Akute entzündliche Prozesse von Pleurahöhle und Wirbelsäule (abszedierte Pneumonie, Pleuraempyem, Spondylitis) können zu einer sekundären bakteriellen Entzündung des Mediastinums führen. Häufigste Ursache der Mediastinitis sind Keimübertritte aus Ösophagus und Bronchialsystem in das Mediastinum aufgrund von beispielsweise Ösophagusrupturen nach Erbrechen (BoerhaaveSyndrom), perforierenden Ösophagusverletzungen durch Verschlucken scharfkantiger Gegenstände, iatrogenen Perforationen im Rahmen von Ösophagoskopien, oder Nahtinsuffizienzen im Rahmen von operativen Eingriffen an der Speiseröhre. Tracheaperforationen und Rupturen der Hauptbronchien treten am häufigsten im Rahmen von stumpfen Thoraxtraumen auf, in deren Folge ein ausgedehntes Mediastinalemphysem und eine Mediastinitis auftreten können.
Ätiologie: Die Infektionsquelle der akuten Mediastinitis kann im Mediastinum selbst liegen oder durch eine sekundäre Besiedelung des Mediastinums bedingt sein. Häufigste Ursache der Mediastinitis sind Keimübertritte aus Ösophagus und Bronchialsystem in das Mediastinum.
Klinik: Die akute Mediastinitis ist ein dramatisches Krankheitsbild mit häufig rascher Progredienz. Initialsymptome sind Fieber, Schüttelfrost und Tachykardie, gelegentlich retrosternale Schmerzen. In der weiteren Folge ist ein septisches
Klinik: Die akute Mediastinitis ist ein dramatisches Krankheitsbild mit häufig rascher Progredienz. Initialsymptome sind Fieber,
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976
B 4 Thoraxchirurgie
Schüttelfrost, Tachykardie und gelegentlich retrosternale Schmerzen. Es kann sich ein septisches Krankheitsbild mit Multiorganversagen entwickeln.
Krankheitsbild mit einer generalisierten Entzündungsreaktion bis hin zum Multiorganversagen zu beobachten. Verletzungen von Hohlorganen des Mediastinums können mit einem Mediastinalemphysem einhergehen, reaktiv kommen Pleura- und Perikardergüsse vor. Die Sterblichkeit der akuten Mediastinitis wird in Abhängigkeit von der Grunderkrankung in einer Größenordnung von 20 – 70 % beziffert.
Diagnostik: Bei Verdacht Röntgen-Thoraxbild in 2 Ebenen und thorakales CT. Sind Lufteinschlüsse vorhanden, sind Ösophagoskopie und Tracheobronchoskopie angezeigt. Die Laborwerte weisen die typischen Entzündungszeichen auf. Ein Leukozytensturz kann Ausdruck einer beginnenden generalisierten Sepsis sein.
Diagnostik: Besteht ein klinischer Verdacht auf eine akute Mediastinitis, ist ein Röntgen-Thoraxbild in 2 Ebenen anzufertigen. Zeichen der Mediastinitis können eine Mediastinalverbreiterung oder Lufteinschlüsse im Mediastinum sein. Die thorakale Computertomographie erlaubt die präzise Beurteilung mediastinaler Strukturen, entzündlicher Veränderungen und deren Ausbreitung. Sind Lufteinschlüsse nachweisbar, sind Ösophagoskopie und Tracheobronchoskopie zur Klärung angezeigt. Laborchemisch ist die Mediastinitis typischerweise von einem pathologischen Anstieg der Leukozyten sowie des C-reaktiven Proteins begleitet, ein Leukozytensturz kann Ausdruck einer beginnenden generalisierten Sepsis sein.
Therapie: Die akute Mediastinitis ist ein chirurgischer Notfall. Die Behandlung richtet sich nach der Ursache und der Ausbreitung des entzündlichen Prozesses. Ziele der chirurgischen Behandlung sind zum einen die suffiziente Drainage des Mediastinums, ggf. mit Einlage von Spülkathetern, zum anderen die kausale Behandlung der Mediastinitis. Die chirurgische Therapie erfolgt in Abhängigkeit vom Befund. Begleitend zur chirurgischen Behandlung wird eine hochdosierte antibiotische Behandlung mit breitem Wirkspektrum durchgeführt.
Therapie: Die akute Mediastinitis ist ein chirurgischer Notfall. Die Behandlung richtet sich nach der Ursache und der Ausbreitung des entzündlichen Prozesses. Ziele der chirurgischen Behandlung sind zum einen die suffiziente Drainage des Mediastinums, ggf. mit Einlage von Spülkathetern, zum anderen die kausale Behandlung der Mediastinitis. In Abhängigkeit vom Befund kann eine Übernähung oder auch eine Resektion der Speiseröhre, z. B. mit kollarer Anastomose oder eine Diskontinuitätsresektion der Speiseröhre angezeigt sein. Im Falle von Trachealverletzungen ist der Nahtverschluss des Trachealdefektes anzustreben. Handelt es sich um sekundäre fortgeleitete Prozesse, ist ein dem jeweiligen Befund angepasstes Vorgehen notwendig, z. B. Drainage einer Halsphlegmone, Entlastung von Lungenabszessen etc. Zugänge zum Mediastinum können die kollare Mediastinostomie, die mediane Sternotomie oder die laterale Thorakotomie sein. Begleitend zur chirurgischen Behandlung wird eine hochdosierte antibiotische Behandlung mit breitem Wirkspektrum durchgeführt.
Chronische Mediastinitis
Chronische Mediastinitis
왘 Definition
왘 Definition. Die chronische Mediastinitis stellt eine prolongiert verlaufende Infektion des Mediastinums mit klinisch protrahiertem Verlauf dar.
Ätiologie: Häufigste Ursache ist die Tuberkulose, außerdem kommen Lues, Histoplasmose oder Aktinomykose infrage. Granulomatöse Erkrankungen (Sarkoidose) können das Bild einer chronischen Mediastinitis und im weiteren Verlauf eine mediastinale Fibrose auslösen.
Ätiologie: Als häufigste Ursache der chronischen Mediastinitis ist die Tuberkulose zu nennen. Außerdem kommen Lues, Histoplasmose oder Aktinomykose als Ursache infrage. Granulomatöse Erkrankungen (Sarkoidose) können das Bild einer chronischen Mediastinitis und im weiteren Verlauf eine mediastinale Fibrose auslösen. Seltene Ursachen sind chronische Fremdkörperreaktionen, z. B. nach Granatsplitterverletzung.
Klinik: Retrosternale Schmerzen und bei fortgeschrittenen Prozessen Schluckbeschwerden, Dyspnoe sowie eine obere Einflussstauung.
Klinik: Am häufigsten bestehen retrosternale Schmerzen. Bei fortgeschrittenen Prozessen können Schluckbeschwerden und Dyspnoe durch Kompression von Ösophagus und Trachea sowie eine obere Einflussstauung bei Kompression der V. cava auftreten.
Diagnostik: Durch Röntgen- und CT-Thorax kann die Diagnose gestellt werden, zur histologischen Diagnose evtl. Mediastinoskopie.
Diagnostik: Durch Röntgen- und CT-Thorax kann die Diagnose gestellt werden. Im Falle granulomatöser Prozesse kann eine Mediastinoskopie zur histologischen Diagnosefindung führen.
Therapie: Sie erfolgt nach der Ursache: ■ chronisch-entzündliche Prozesse gezielt antibiotisch oder antimykotisch ■ Abszesse durch Drainage ■ granulomatöse Prozesse symptomorientiert, keine kausale Therapie möglich.
Therapie: Die Behandlung erfolgt in Abhängigkeit von der Ursache. Chronischentzündliche Prozesse können durch gezielte antibiotische oder antimykotische Behandlung therapiert werden. Im Falle mediastinaler Abszesse, wie sie mit einer Tuberkulose vergesellschaftet auftreten können, ist die Drainage des Abszesses anzustreben. Im Falle granulomatöser Prozesse erfolgt die Behandlung symptomorientiert, eine kausale Therapie ist nicht verfügbar.
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B 4.4 Erkrankungen des Mediastinums
4.4.2 Tumoren des Mediastinums 왘 Definition. Als Mediastinaltumoren werden Raumforderungen unterschiedli-
977 4.4.2 Tumoren des Mediastinums
왗 Definition
cher Ätiologie und Dignität zusammengefasst, welche topographisch dem Mediastinum zuzuordnen sind. Begrifflich unterschieden werden primäre und sekundäre Neubildungen des Mediastinums, wobei primäre Mediastinaltumoren Raumforderungen darstellen, welche de novo im Mediastinum entstanden sind, wogegen sekundäre Mediastinaltumoren als metastatische Absiedelungen anderweitig lokalisierter Raumforderungen zu verstehen sind. Ätiologie: Mediastinale Tumoren können sich aus dem mesoektodermalen Keimblatt ableiten, entsprechend vielseitig ist die histologische Differenzierung. In Abhängigkeit von dem zugrunde liegenden Gewebetyp können bestimmte Mediastinaltumoren topographisch bevorzugten Lokalisationen im Mediastinum zugeordnet werden. In Tab. B-4.11 sind die mediastinalen Raumforderungen zusammengefasst.
Ätiologie: Mediastinale Tumoren können sich aus dem mesoektodermalen Keimblatt ableiten, entsprechend vielseitig ist die histologische Differenzierung. In Tab. B-4.11 sind die mediastinalen Raumforderungen zusammengefasst.
Klinik: Ebenso vielfältig wie die Art der mediastinalen Tumoren ist das Bild der klinischen Präsentation. Die Symptomatik leitet sich meist aus dem verdrängenden oder infiltrierenden Wachstum der Raumforderungen ab. Häufig können mediastinale Raumforderungen über längere Zeit symptomlos bleiben. Ein verdrängendes Wachstum eines Mediastinaltumors kann zur Kavakompression mit nachfolgender oberer Einflussstauung führen. Verdrängung oder Infiltration von Nerven kann Symptome wie Heiserkeit (N. laryngeus recurrens), Singultus,
Klinik: Sie ist vielfältig. Die Symptomatik leitet sich meist aus dem verdrängenden oder infiltrierenden Wachstum der Raumforderungen ab: ■ Cavakompression mit nachfolgender oberer Einflussstauung. ■ Verdrängung oder Infiltration von Nerven: Heiserkeit, Singultus, Zwerchfellhochstand, Horner-Syndrom.
B-4.11 ■
Übersicht mediastinaler Raumforderungen
zystische Raumforderungen
■ ■ ■ ■
■
mesenchymale Tumoren
■ ■ ■ ■ ■ ■
■
neurogene Tumoren
■ ■ ■ ■ ■
■
Thymus
■ ■ ■
■
endokrine Tumoren
■ ■ ■
■
mediastinale Lymphadenopathien
■ ■ ■ ■ ■
■
Keimzelltumoren
■ ■ ■ ■
B-4.11
Pleurazysten Perikardzysten bronchiogene Zysten enterogene Zystem Lipom Fibrom Myom Hämangiom Lymphangiom Sarkom Neurinom Neurofibrom Schwannom Neuroblastom Ganglioneurom Thymom Thymuskarzinom Thymuszyste retrosternale Struma Schilddrüsenkarzinom Nebenschilddrüsenadenom Morbus Hodgkin Non-Hodgin-Lymphom Sarkoidose Silikose reaktive Lymphknotenhyperplasie bei primären pulmonalen Erkrankungen Teratome Dermoidzysten Teratokarzinom maligner Keimzelltumor
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B 4 Thoraxchirurgie
978 B-4.47
Tumor des Mediastinums
a CT: Mesenchymaler Tumor des vorderen Mediastinums (?).
b Operationssitus bei Tumorresektion im vorderen Mediastinum. Operationszugang durch Sternotomie. Man erkennt den Tumor (?) sowie die rechte und linke Lunge (왘).
c Operationspräparat des vollständig entfernten mesenchymalen Tumors mit intakter Kapsel.
Kompression oder Infiltration des Ösophagus: Dysphagie. Tracheakompression: Stridor.
Zwerchfellhochstand (N. phrenicus), Horner-Syndrom (Ganglion stellatum) hervorrufen. Eine Kompression oder Infiltration des Ösophagus kann von Dysphagie, eine Tracheakompression typischerweise von einem Stridor begleitet sein.
Diagnostik: Als erstes Anfertigen einer Röntgen-Thoraxaufnahme in 2 Ebenen. Bei Bestätigung des Verdachtes CT und im Fall neurogener Tumoren MRT sowie je nach Befund Ösophagoskopie und Tracheobronchoskopie (Abb. B-4.47).
Diagnostik: Beim Verdacht auf das Vorliegen einer mediastinalen Raumforderung ist die Röntgen-Thoraxaufnahme in 2 Ebenen die erste durchzuführende Untersuchung. Bestätigt sich hier der Verdacht, so ist eine Computertomographie anzuschließen (Abb. B-4.47). Zur Beurteilung der Neuroanatomie kann im Falle neurogener Tumoren eine Magnetresonanztomographie angezeigt erscheinen. Zur Beurteilung von Ösophagus und Trachea können Ösophagoskopie und Tracheobronchoskopie notwendig sein. Zur histologischen Diagnosefindung können kollare oder anteriore Mediastinoskopien eingesetzt werden.
Thymom
Thymom
■
■
왘 Definition
왘 Definition. Eine von der Thymusdrüse ausgehende Neoplasie wird als Thy-
mom bezeichnet. Zu unterscheiden sind echte Thymome, d. h. epitheliale Thymome, die nicht von Lymphozyten besiedelt sind, von nichtepithelialen Thymusvergrößerungen (follikuläre Hyperplasie, maligne Lymphome, Keimzelltumoren, Karzinoide). Thymus: Der Thymus (oder Thymusdrüse) befindet sich im vorderen Mediastinum retrosternal, ventral dem Herzbeutel aufliegend. Die Thymusdrüse besteht aus 2 Lappen, die mittig breitflächig miteinander verwachsen sind. Sie ist ein lymphatisches Organ. Im Alter von 10 – 15 Jahren hat sie mit ca. 30 g ihr maximales Gewicht, danach erfolgt eine physiologische Involution. Das Gewebe des Thymus ist epithelialer Herkunft und wird sekundär von Lymphozyten besiedelt.
Thymus: Der Thymus (oder Thymusdrüse) befindet sich im vorderen Mediastinum retrosternal, ventral dem Herzbeutel aufliegend. Die Thymusdrüse besteht aus 2 Lappen, die mittig breitflächig miteinander verwachsen sind. Der linke Lappen hat ventral in Richtung zum Hals etwa in Höhe der V. brachiocephalica sinistra 2 Thymuszungen. Die Thymusdrüse ist ein lymphatisches Organ, ihr Gewicht beträgt bei Geburt ca. 12 g und erreicht ihr maximales Gewicht von etwa 30 g im Alter von 10 – 15 Jahren. Anschließend durchläuft der Thymus eine physiologische Involution. Dabei tritt an Stelle des lymphatischen Gewebes Fettgewebe, welches etwas ab dem 30. Lebensjahr den überwiegenden Anteil des Thymus beansprucht. Mikroskopisch können hier noch kleine Inseln immunologisch aktiven Gewebes nachgewiesen werden. Das Gewebe des Thymus ist epithelialer Herkunft und wird sekundär von Lymphozyten besiedelt. Man unterscheidet die äußere Rindenzone, in der T-Lymphozyten proliferieren und reifen, sowie eine zentrale Markzone, die ausdifferenzierte immunkompetente Zellen enthält.
Ätiologie: Epitheliale Neubildungen der Thymusdrüse können gutartig differenziert (Thymom) oder maligne (Thymuskarzinom)
Ätiologie: Epitheliale Neubildungen der Thymusdrüse können gutartig differenziert sein und werden als Thymome bezeichnet. Ebenso ist eine maligne Entartung möglich, diese Neubildungen erhalten die Bezeichnung Thymuskar-
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B 4.4 Erkrankungen des Mediastinums
zinom. Wichtigstes Kriterium für die Bestimmung der Dignität eines Thymoms ist die Invasivität des Tumors. Nichtinvasive Thymome besitzen eine intakte Kapsel, invasive Thymuskarzinome infiltrieren bzw. durchbrechen die Kapsel. Insgesamt sind etwa 30 % aller Thymusvergrößerungen als maligne anzusehen. 왘 Merke. Erst die komplette histologische Untersuchung der intrathymalen Raumforderung lässt eine Bestimmung ihrer Dignität zu, eine Stanzbiopsie ist nicht ausreichend.
Klinik: Neubildungen der Thymusdrüse bleiben lange Zeit symptomlos, große Thymome können infolge der resultierenden Raumforderung, eines invasiven Wachstums oder sekundär metastatischer Prozesse symptomatisch werden. Diagnostik: Methode der Wahl zur Beurteilung von Ausdehnung und Lagebeziehung zu anderen Organen ist die thorakale Computertomographie (Abb. B-4.48).
979 sein. Wichtigstes Kriterium für die Bestimmung der Dignität eines Thymoms ist die Invasivität des Tumors.
왗 Merke
Klinik: Lange symptomlos; große Thymome können aufgrund der Raumforderung oder metastatischer Prozesse symptomatisch werden. Diagnostik: Thorakale Computertomographie (Abb. B-4.48).
Therapie: Aufgrund des relevanten Entartungsrisikos ist eine vollständige chirurgische Entfernung der Thymusdrüse anzustreben. Chirurgischer Zugang zum vorderen Mediastinum ist die partielle oder komplette mediane Sternotomie. Es sollte immer die Thymusdrüse als Ganzes einschließlich der Thymuszungen reseziert werden (Abb. B-4.49). Im Falle einer Infiltration in benachbarte Strukturen ist, so technisch möglich, ihre Mitresektion anzustreben. Zunehmende Verbreitung zur Entfernung der Thymusdrüse finden minimalinvasive Verfahren, bei denen auf dem Weg einer Thorakoskopie das vordere Mediastinum transpleural eröffnet und die Drüse in toto exstirpiert wird. Das minimalinvasive Operationsverfahren findet seine Grenzen im Falle eines infiltrativen Tumorwachstums oder bei ausgedehnten Raumforderungen des Thymus. Bei fortgeschrittenen Thymuskarzinomen kann die operative Behandlung mit einer Chemotherapie kombiniert werden.
Therapie: Aufgrund des relevanten Entartungsrisikos ist eine vollständige chirurgische Entfernung (Thymusdrüse einschließlich der Thymuszungen) anzustreben (Abb. B-4.49). Als Operationstechnik werden zunehmend minimalinvasive Verfahren angewandt, die bei einem infiltrativen Tumorwachstum oder ausgedehnten Raumforderungen allerdings nicht geeignet sind.
Myasthenia gravis
Myasthenia gravis
왘 Definition. Die Myasthenia gravis ist eine Autoimmunerkrankung. Autoanti-
Beim fortgeschrittenen Thymuskarzinom möglichst Kombination mit Chemotherapie.
왗 Definition
körper besetzen die Acetylcholinrezeptoren und stören dadurch die neuromuskuläre Erregungsübertragung. Ätiologie: Autoantikörper gegen die Acetylcholinrezeptoren lassen sich bei mehr als 90 % der Patienten mit einer generalisierten Myasthenie nachweisen, bei Patienten mit einer okulären Myasthenia gravis dagegen nur in etwa 50 % der Fälle. Bei der sog. seronegativen Myasthenie finden sich in 40 – 50 % der Fälle auch Antikörper gegen eine muskelspezifische Rezeptortyrosinkinase. Bezüglich
B-4.48
Thymom
Ätiologie: Die Ursache ist unbekannt. Autoantikörper gegen die Acetylcholinrezeptoren lassen sich bei Patienten mit einer generalisierten Myasthenie in mehr als 90 % der Fälle nachweisen, bei der okulären Myasthenia gravis und der sog. seronegativen Myasthenie ist die Prozentzahl geringer. B-4.48
CT. Thymom, links retrosternal
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980 B-4.49
B 4 Thoraxchirurgie
B-4.49
Thymomoperation
a Operationssitus bei Thymomresektion. Operationszugang durch Sternotomie. Das Thymon (?) ist oberhalb der linken Lunge zu erkennen.
b Das Thymom ist weiter mobilisiert.
des Auslösers der Autoimmunerkrankung liegen bis heute keine gesicherten Erkenntnisse vor. Diskutiert wird z. B. eine virusinduzierte Thymiditis als Auslöser der Autoimmunerkrankung. Epidemiologie: Die Inzidenz dieser Erkrankung beträgt 2 – 5 Fälle pro 1 Mio. Einwohner pro Jahr, ihre Prävalenz 13 – 64 Fälle pro 1 Mio. Einwohner pro Jahr. Das Verhältnis Frauen zu Männer beträgt 3 : 2.
Epidemiologie: Die Inzidenz dieser Erkrankung beträgt 2 – 5 Fälle pro 1 Mio. Einwohner pro Jahr, ihre Prävalenz 13 – 64 Fälle pro 1 Mio. Einwohner pro Jahr. Das Verhältnis von Frauen zu Männern beträgt 3 : 2. Die Erkrankung kann in jedem Alter auftreten, jedoch weist die Inzidenz bei Frauen in der 3. Lebensdekade und bei Männern in der 6. und 7. Lebensdekade einen Gipfel auf.
Klinik: Häufig sind zunächst die Augenmuskeln betroffen, Symptome sind Ptosis und Diplopie. Weitere Symptome sind hängender Unterkiefer, Verschlucken von Speisen, verwaschene Sprache, rasche Ermüdbarkeit der Extremitätenmuskulatur bis hin zur generalisierten Muskelschwäche und der Notwendigkeit der maschinellen Beatmung.
Klinik: Klinisch manifestiert sich eine Myasthenia gravis häufig zunächst an den Augenmuskeln, in deren Folge es zu einer Ptosis und Diplopie kommt. Diese Symptome sind im Tagesverlauf typischerweise zunehmend. Die Schwäche weiterer, von Hirnnerven innervierter Muskeln führt zum Verlust des Gesichtsausdrucks, hängendem Unterkiefer, Verschlucken von Speisen und verwaschener Sprache. Darüber hinaus können rasche Ermüdbarkeit der Extremitätenmuskulatur bis hin zur generalisierten Muskelschwäche und der Notwendigkeit der maschinellen Beatmung zu beobachten sein.
Diagnostik: Sie erfolgt durch ■ gezielte Anamnese, ■ klinische Untersuchung mit neurologischem Status, ■ Nervenstimulation des N. trapezius, ■ pharmakologischer Tests (Edrophonium, Tensilon), ■ Autoimmundiagnostik:
Diagnostik: Die Diagnosestellung erfolgt durch ■ gezielte Anamnese, ■ klinische Untersuchung mit Erhebung des neurologischen Status, ■ repetitive Nervenstimulation des N. trapezius, ■ Durchführung pharmakologischer Tests (Edrophonium/Tensilon), ■ Autoimmundiagnostik durch Nachweis von Autoantikörpern.
Thymus und Myasthenie: Der Thymus scheint eine zentrale Rolle bei der Entstehung der Autoimmunerkrankung zu spielen.
Thymus und Myasthenie: Der Thymus scheint eine zentrale Rolle bei der Entstehung der Autoimmunerkrankung zu spielen. In bis zu 70 % der Patienten zeigt der Thymus eine lymphofollikuläre Hyperplasie mit Keimzentren als Ausdruck des aktiven immunologischen Prozesses. In 10 – 15 % der Fälle tritt eine Myasthenia gravis als paraneoplastisches Syndrom bei einem malignen Thymom auf.
Therapie: Die wichtigste symptomatische Therapiemaßnahme ist die Gabe von Cholinesterase-Inhibitoren. Darüber hinaus können immunsuppressive Medikamente, monoklonale Antikörper und intravenöse Immunglobuline zur Anwendung kommen.
Therapie: Die Behandlung mit Cholinesterase-Inhibitoren stellt die wichtigste symptomatische Therapiemaßnahme dar. Darüber hinaus können immunsuppressive Medikamente, monoklonale Antikörper und intravenöse Immunglobuline zur Anwendung kommen.
Die Thymektomie ist integraler Bestandteil des Therapiekonzeptes der Myasthenia gravis (Abb. B-4.50).
Die Thymektomie ist integraler Bestandteil des Therapiekonzeptes der Myasthenia gravis. Die Thymektomie ist indiziert bei Patienten mit einer generalisierten Myasthenie ohne Nachweis eines Thymoms. Beim Nachweis eines
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B 4.4 Erkrankungen des Mediastinums
B-4.50
Thymektomie bei Myasthenia gravis
a Operationspräparat einer vollständig entfenten Thymusdrüse bei Myasthenia gravis.
981 B-4.50
b Operationspräparat einer vollständig entfernten Thymusdrüse bei Myasthenia gravis. Vergrößerung des rechten Lappens.
Thymoms besteht unabhängig von der Ausprägung der Myasthenie eine Operationsindikation. Die Thymektomie erfolgt stets als elektiver Eingriff und kann mit einer geringen perioperativen Mortalität (5 1 %) durchgeführt werden. Standardzugang zur Thymektomie ist die mediane Sternotomie mit kompletter Entfernung des Thymus einschließlich der Thymuszungen. In jüngerer Zeit haben sich thorakoskopische Verfahren zur Thymusentfernung etabliert (Abb. B-4.50). Der therapeutische Effekt der Thymektomie tritt meist mit einer Latenz von Wochen bis Monaten ein.
Teratom 왘 Definition. Teratome entstehen aus pluripotenten Zellen, sodass sich häufig
Der therapeutische Effekt der Thymektomie tritt meist mit einer Latenz von Wochen bis Monaten ein.
Teratom 왗 Definition
gleichzeitig Anteile verschiedener Gewebetypen (z. B. Weichteile, Haare, Zähne) in einem Tumor nachweisen lassen. Vorkommen: Das Wort Teratom leitet sich aus dem griechischen Teratos ab, was soviel wie Monster oder bizarr bedeutet und die häufig ausgedehnte und histologisch hoch organisierte Erscheinung dieser Tumoren reflektiert. Synonym werden diese Teratome aufgrund der häufigen Expression ektodermaler Anteile als Dermoidzysten beschrieben. Oft ist eine Zystenformation zu beobachten, die Zysten sind in typischer Weise umgeben von schleimsezernierenden epithelialen Zellen und können Haare und Talg enthalten. Die Kapsel des Tumors weist häufig Anteile von Thymusgewebe auf. Mesodermale Anteile können in Form von Knochen, Knorpel und Muskel zu beobachten sein, entodermale Anteile in Form von gastrointestinalem und respiratorischem Gewebe und Schleimdrüsen. In einzelnen Fällen kann Pankreasgewebe nachweisbar sein und die Sekretion proteolytischer Enzyme kann zur Auslösung einer Entzündungsreaktion bis hin zur Tumorruptur führen. Mediastinale Teratome sind seltene Neoplasien und machen etwa 8 – 15 % aller Mediastinaltumoren aus. Die typische Lokalisation mediastinaler Teratome ist das vordere obere Mediastinum, häufig in der Nachbarschaft zum Thymus.
Vorkommen: Das Wort Teratom leitet sich aus dem griechischen Teratos (Monster oder bizarr) ab und reflektiert die häufig ausgedehnte und histologisch hoch organisierte Erscheinung dieser Tumoren. Synonym werden diese Teratome aufgrund der häufigen Expression ektodermaler Anteile als Dermoidzysten beschrieben. Oft kommt eine Zystenformation vor, die Haare und Talg enthält. Mediastinale Teratome sind selten, die typische Lokalisation ist das vordere obere Mediastinum, häufig in der Nachbarschaft zum Thymus.
Klinik: Teratome des Mediastinums können lange Zeit asymptomatisch bleiben, die klinische Präsentation richtet sich dann nach Lokalisation und Art der Ausdehnung. In seltenen Fällen kommen mediastinale Teratome auch im hinteren Mediastinum vor, die eine Kompression von Trachea und Ösophagus hervorrufen können. Tumoren des vorderen Mediastinums können zu Gefäßkompression, Einflussstauung und Einschränkung der Herzleistung führen.
Klinik: Teratome des Mediastinums können lange Zeit asymptomatisch bleiben, die klinische Präsentation richtet sich nach Lokalisation und Art der Ausdehnung.
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982 B-4.51
B 4 Thoraxchirurgie
B-4.51
Teratom Ausgedehnte retrosternale Raumforderung. Die V. cava ist kontrastiert und nach rechts verdrängt. ? Trachea 왘 Ösophagus
Diagnostik: Röntgen-Thoraxaufnahme und CT des Thorax sowie histologische Diagnosestellung durch eine anteriore Mediastinoskopie (Abb. B-4.51).
Diagnostik: Die Diagnosestellung erfolgt auf röntgenologischem Wege durch konventionelle Röntgen-Thoraxaufnahme und Computertomographie des Thorax (Abb. B-4.51). Im Einzelfall kann z. B. durch den Nachweis von Zähnen bildmorphologisch die Diagnose gestellt werden. Andernfalls kann eine histologische Diagnosestellung auf dem Weg einer anterioren Mediastinoskopie erfolgen.
Therapie: Beim Nachweis eines mediastinalen Teratoms besteht die Indikation zur operativen Entfernung. Der Zugang erfolgt über die mediane Sternotomie oder es erfolgt eine videoskopische Tumorresektion.
Therapie: Beim Nachweis eines mediastinalen Teratoms besteht die Indikation zur operativen Entfernung. Klassischer Zugangsweg ist dabei die mediane Sternotomie, im Einzelfall kann auch eine videoskopische Tumorresektion angezeigt sein.
왘 Merke
왘 Merke. Teratome sind stets sicher in toto zu entfernen, da diese Tumoren
die Potenz zur malignen Entartung aufweisen. Der häufigste Typ ist das Teratokarzinom, ein Teratom vermischt mit einem Embrionalzellkarzinom, wodurch die Aggressivität erhöht wird. Neurogene Tumoren 왘 Definition
Neurogene Tumoren 왘 Definition. Neurogene Tumoren des Mediastinums können sich aus allen neuralen Strukturen der Brusthöhle ableiten.
Ätiologie: Ableitung aus allen neuralen Strukturen. Embryogenetische Abstammung evtl. von der Neuralleiste.
Ätiologie: Diese Tumoren leiten sich aus den Nervenscheiden oder Anteilen des peripheren, autonomen, oder paraganglionären Nervensystems ab. Embryogenetisch wird vermutet, dass alle neurogenen Tumoren von der Neuralleiste abstammen.
Vorkommen: Neurogene Tumoren stellen die häufigste mediastinale Neubildung dar, machen 20 – 50 % der mediastinalen Raumforderungen aus und befinden sich typischerweise im hinteren Mediastinum.
Vorkommen: Neurogene Tumoren stellen die häufigste mediastinale Neubildung dar und machen 20 – 50 % der mediastinalen Raumforderungen aus. 80 % der neurogenen Mediastinaltumoren sind benigne. Typischerweise finden sich neurogene Tumoren im paravertebralen Sulkus im hinteren Mediastinum.
Einteilung: Neurogene Tumoren werden in 4 Kategorien (Tab. B-4.12) eingeteilt.
Einteilung: Neurogene Tumoren können in 4 Kategorien unterteilt werden, von denen es jeweils eine benigne und maligne Variante gibt (Tab. B-4.12).
Klinik: Patienten sind lange Zeit asymptomatisch (häufig Zufallsbefund). Werden die Tumoren symptomatisch, entstehen die Symptome meist durch die Kompressionen benachbarter Strukturen, es kommt zu Schmerzen oder Lähmungen, zur Dysphagie, oberen Einflussstauung oder Ischämie der oberen Extremität.
Klinik: Die Hälfte der Patienten ist bei Diagnosestellung asymptomatisch. Demzufolge werden die Tumoren häufig als Zufallsbefund auf Röntgen-Thoraxaufnahme identifiziert. Wenn die Tumoren symptomatisch werden, so entstehen die Symptome meist durch die Kompressionen benachbarter Strukturen. Mögliche Symptome sind Schmerzen, Kompressionen der Nervenwurzel im Foramen intervertebrale, Horner-Syndrom, Lähmung des Plexus brachialis, Lähmung der N. laryngeus recurrens, Lähmung des N. phrenicus, Dysphagie bei Ösophaguskompression, obere Einflussstauung bei Kavakompression, Isch-
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B 4.4 Erkrankungen des Mediastinums
B-4.12
Neurogene Tumoren
B-4.12
Herkunft
Benigne
Maligne
Nervenscheide
Neurofibrom
malignes Schwannom
autonome Ganglien
Ganglioneurom
Ganglioneuroblastom/ Neuroblastom
paraganglionäres System
Phäochromozytom, Paragangliom
Phäochromozytom, Paragangliom
peripherer Neuroektodermaler Tumor
B-4.52
983
Askin-Tumor
Neurinom
a Aufweitung des Neuroforamens (Pfeile) durch die Tumormassen (T1 sagittal).
b Angedeutet sanduhrförmige Tumorkonfiguration mit deutlicher KM-Aufnahme (T1 transversal nach Gd-DTPA) und großem extraspinalen Anteil (?) nach lateral verlagert.
ämie der oberen Extremität bei Kompression von A. und V. subclavia. Im Extremfall kann es bei Kindern zum Auftreten von Skoliose und Brustkorbdeformitäten kommen. In seltenen Fällen können endokrin aktive neurogene Tumoren zytokinartig wirksame Peptide freisetzen, in deren Folge es zum Auftreten von Hypertension, Flush, Schweißausbruch, Diarrhö kommen kann.
In seltenen Fällen können endokrin aktive neurogene Tumoren Hypertension, Flush, Schweißausbruch oder Diarrhö auslösen.
Diagnostik: Die Diagnosestellung erfolgt durch Röntgen-Thoraxaufnahme und thorakale Computertomographie. Zur Darstellung der Neuroanatomie kann die thorakale MRT angezeigt sein (Abb. B-4.52).
Diagnostik: Durch Röntgen-Thoraxaufnahme und thorakale CT, evtl. MRT (Darstellung der Neuroanatomie) (Abb. B-4.52).
Therapie: Die Behandlung besteht in der kompletten chirurgischen Resektion der Raumforderung. Zugangsweg zum hinteren Mediastinum ist die rechtslaterale Thorakotomie. Sollten Spinalkanal oder Anteile des Plexus brachialis vom Tumor betroffen sein, so sollten diese Eingriffe unter Mitwirken eines neurochirurgisch versierten Operateurs erfolgen.
Therapie: Komplette chirurgische Resektion der Raumforderung. Zugangsweg zum hinteren Mediastinum ist die rechtslaterale Thorakotomie.
4.4.3 Mediastinalemphysem
4.4.3 Mediastinalemphysem
왘 Definition. Es handelt sich um eine Luftansammlung im Mediastinum und ist die Folge einer verletzungsbedingten Eröffnung lufthaltiger Organe im Mediastinum.
왗 Definition
왘 Synonym. Pneumomediastinum
왗 Synonym
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984
B 4 Thoraxchirurgie
Ätiologie: Verletzungen (traumatisch oder iatrogen) der Speiseröhre oder des im Mediastinum liegenden Tracheobronchialsystems sowie spontane Ösophagusrupturen (Boerhaave-Syndrom) bzw. ein Spontanpneumothorax kommen infrage.
Ätiologie: Durch Verletzung (traumatisch oder iatrogen) der Speiseröhre oder des im Mediastinum liegenden Tracheobronchialsystems tritt Luft in das Mediastinum über. Typische Verletzungen sind Ösophagusperforation, Bronchus- oder Trachealruptur. Auch eine spontane Ösophagusruptur (BoerhaaveSyndrom) kommt als Ursache infrage. Das Mediastinalemphysem kann außerdem bei einem Spontanpneumothorax beobachtet werden.
Klinik: Akut einsetzender, retrosternaler Schmerz, begleitet von Dyspnoe. Infolge von Luftübertritt entwickelt sich ein Weichteilemphysem im Hals mit typischer näselnder Sprache. Bei massiver Ausprägung kann eine Einflussstauung auftreten (Abb. B-4.53).
Klinik: Klinisch manifestiert sich das Mediastinalemphysem mit einem akut einsetzenden, retrosternalen Schmerz, begleitet von Dyspnoe. Infolge des Übertrittes von Luft in das Mediastinum kommt es konsekutiv zur Entwicklung eines Weichteilemphysems im Bereich des Halses, bei massiver Ausprägung kann eine Einflussstauung auftreten. Typisch ist hier eine näselnde Sprache (Disphonie). Im Weiteren kann sich die Luft in Richtung auf Gesicht, Augenlider, Rumpf und Extremitäten ausbreiten (Abb. B-4.53). Als Folge der Verletzung kann es zu einer Mediastinitis kommen.
Als Folge der Verletzung kann es zu einer Mediastinitis kommen. Diagnostik: Röntgen-Thoraxaufnahme (parakardiale Luftsichel), thorakale CT. Beim Verdacht auf eine Perforation des Ösophagus oder des Tracheobronchialsystems Tracheobronchoskopie und Ösophagoskopie (Abb. B-4.54).
Diagnostik: Bei Verdacht auf das Vorliegen eines Mediastinalemphysems erfolgt zunächst eine Röntgen-Thoraxaufnahme. Auf der Aufnahme kann eine parakardiale Luftsichel wegweisend sein. Im Weiteren ist die Durchführung einer thorakalen Computertomographie angezeigt (Abb. B-4.54). Beim Verdacht auf eine Perforation des Ösophagus oder des Tracheobronchialsystems ist zusätzlich eine Tracheobronchoskopie und Ösophagoskopie angezeigt.
Therapie: Die Behandlung des Mediastinalemphysems richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache (operativer Verschluss von Defekten, Thoraxdrainage). Eine begleitende Mediastinitis muss antibiotisch behandelt werden.
Therapie: Die Behandlung des Mediastinalemphysems richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache. Primär muss die vorhandene Leckage operativ verschlossen werden. Im Falle eines Pneumothorax mit Mediastinalemphysem ist oft die Einlage einer Thoraxdrainage ausreichend. Bei Verletzungen des Mediastinums muss wegen der drohenden (lebensbedrohlichen) Mediastinitis eine antibiotische Therapie unmittelbar eingeleitet werden. Bei bereits vorhandener Mediastinitis ist eine Drainage im Allgemeinen durch eine juguläre Mediastinotomie erforderlich.
B-4.53
Mediastinalemphysem und seine klinischen Folgen
a Normalzustand. b Durch die Entwicklung des Mediastinalemphysems entsteht ein Überdruck im Mediastinum mit Kompression der im Mediastinum gelegenen Venen (V. cava superior, V. brachiocephalica sinistra) und daraus resultierender Einflussstauung. c Typisches Bild einer oberen Einflussstauung mit aufgedunsenem Gesicht bei traumatischer Trachealruptur und Hautemphysem.
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B 4.4 Erkrankungen des Mediastinums
B-4.54
985
Mediastinalemphysem
Mediastinalemphyseme bei unterschiedlichen Patienten. Mediastinalverbreiterung und an den Bindegewebssepten ausgerichtete Luftsicheln (?). a Übersichtsaufnahme im Liegen, a.-p. Strahlengang.
b CT (Mediastinalfenster)
4.4.4 Mediastinalverschiebung 왘 Definition. Als Mediastinalverschiebung wird eine Verlagerung des Mediasti-
4.4.4 Mediastinalverschiebung
왗 Definition
nums aus der Mittellinie unabhängig von ihrer Ursache bezeichnet. Ätiologie: Die Ursachen der Mediastinalverschiebung sind vielseitig. Infrage kommen z. B. Zwerchfelldefekte (angeboren oder traumatisch) mit Verlagerung von Abdominalorganen in die Thoraxhöhle und konsekutiver Verschiebung oder Zwerchfellhernien (Upside-down-Magen). Auch ausgedehnte mediastinale Raumforderungen können zu einer Mediastinalverschiebung führen. Eine Sonderform ist das mediastinale Pendeln im Rahmen eines offenen Pneumothorax. Die klinisch dramatische Manifestation der Mediastinalverschiebung ist auch bei einem Spannungspneumothorax zu beobachten. Insbesondere bei mit Überdruck beatmeten Patienten kommt es während der Inspiration zum Entweichen von Luft in die Pleurahöhle. Während der Exspiration kann die Luft jedoch aufgrund des Ventilmechanismus nicht wieder zurück. Daraus entsteht ein Überdruck in der Pleurahöhle, der konsekutiv zu einer Verlagerung des Mediastinums führt. Das kann wiederum zur funktionellen Okklusion von oberer und unterer Hohlvene mit nicht mehr ausreichender diastolischer Füllung des Herzens führen, in deren Folge ein Zirkulationsstillstand droht (s. auch Kap. 4.5.6).
Ätiologie: Die Ursachen sind vielseitig, z. B. Zwerchfelldefekte (angeboren oder traumatisch) oder Zwerchfellhernien (Upside-downMagen) und ausgedehnte mediastinale Raumforderungen.
Die klinisch dramatische Manifestation ist auch beim Spannungspneumothorax zu beobachten, insbesondere bei mit Überdruck beatmeten Patienten. Es entsteht ein Überdruck in der Pleurahöhle, welcher konsekutiv zu einer Verlagerung des Mediastinums führt. Kommt es dabei zur Okklusion von oberer und unterer Hohlvene droht ein Zirkulationsstillstand (s. auch Kap. 4.5.6).
Klinik: Die Mediastinalverschiebung kann symptomlos bleiben. Im Falle eines Spannungspneumothorax entsteht ein dramatisches Krankheitsbild mit der wegweisenden klinischen Konstellation eines hypersonoren Klopfschalls und aufgehobenen Atemgeräusches auf der Seite der betroffenen Lunge und einer Tachykardie und Hypotonie als Ausdruck der abnehmenden diastolischen Füllung des Herzens.
Klinik: Die Mediastinalverschiebung kann symptomlos bleiben. Im Falle eines Spannungspneumothorax entsteht ein dramatisches Krankheitsbild mit hypersonorem Klopfschall und aufgehobenem Atemgeräusch auf der Seite der betroffenen Lunge sowie Tachykardie und Hypotonie.
Diagnostik: Röntgen-Thoraxaufnahme und CT-Thorax können im Rahmen der kausalen Abklärung wegweisend sein. Im Falle eines akuten Spannungspneumothorax ist die klinische Untersuchung wegweisend.
Diagnostik: Röntgen-Thoraxaufnahme und CT-Thorax. Beim akuten Spannungspneumothorax ist die klinische Untersuchung wegweisend. Therapie: Sie richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache.
Therapie: Die Behandlung richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache.
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
986 왘 Merke
4.5
Thoraxtrauma
B 4 Thoraxchirurgie
왘 Merke. Beim begründeten klinischen Verdacht auf einen Spannungspneumothorax ist die unverzügliche Platzierung einer Thoraxdrainage angezeigt, andernfalls droht infolge der venösen Rückflussbehinderung der zirkulatorische Stillstand.
4.5
Thoraxtrauma
Einleitung: Bei 75 % aller Polytraumen bestehen schwere Thoraxverletzungen. Bei über 90 % der Verunfallten findet sich ein geschlossenes Thoraxtrauma, nur in 10 % liegen offene Verletzungen vor.
Einleitung: Etwa 15 % aller Unfallverletzungen sind Thoraxverletzungen. Davon machen stumpfe Thoraxläsionen den größten Anteil aus. Bei 75 % aller Polytraumen bestehen schwere Thoraxverletzungen. Bei über 90 % der Verunfallten findet sich ein geschlossenes Thoraxtrauma, nur in 10 % liegen offene Verletzungen vor. Wegen des hohen Anteils geschlossener Thoraxverletzungen darf primär bei polytraumatisierten Patienten die gründliche Untersuchung der Thoraxregion nicht vernachlässigt werden, um primär nichtapparente Verletzungen mit schwerwiegenden Konsequenzen zu übersehen.
Ätiologie: Ursachen sind ■ stumpfe Gewalteinwirkung, ■ Stürze aus größerer Höhe (Dezelerationstrauma), ■ Tritte oder Schläge gegen den Brustkorb, ■ Verschüttungen und Einklemmungen, ■ spitze, penetrierende Gewalteinwirkung.
Ätiologie: Ursachen des Thoraxtraumas sind ■ Stumpfe Gewalteinwirkung wie das Anpralltrauma an den Gurt oder das Lenkrad beim Verkehrsunfall. ■ Stürze aus größerer Höhe (Dezelerationstrauma). ■ Tritte oder Schläge gegen den Brustkorb. ■ Verschüttungen und Einklemmungen. ■ Spitze, penetrierende Gewalteinwirkungen wie Pfählungsverletzungen, Messerstiche oder Schussverletzungen.
Verletzt sein können: ■ Brustkorb (knöcherner Teil), ■ Trachea, Pleura, Lungenparenchym, ■ Herz und Gefäße, ■ Zwerchfell und Ösophagus.
Je nach Schweregrad können alle thorakalen Strukturen in Mitleidenschaft gezogen werden ■ Knöcherne Verletzungen des Brustkorbes. ■ Verletzungen der Trachea, der Pleura und des Lungenparenchyms. ■ Herz- und Gefäßverletzungen. ■ Zwerchfell und Ösophagus (Rupturen).
Einteilung: Es ist zwischen stumpfem und penetrierendem Thoraxtrauma zu unterscheiden. Beim stumpfen Thoraxtrauma ist zwischen der Thoraxprellung (ohne knöcherne Beteiligung) und der Thoraxquetschung (Mitbeteiligung intrathorakaler Organe) zu differenzieren.
Einteilung: Es ist zwischen einem stumpfen und einem penetrierenden Thoraxtrauma zu unterscheiden. Beim stumpfen Thoraxtrauma differenziert man zwischen der Thoraxprellung (Commotio thoraci) und der Thoraxquetschung (Contusio thoracis). Bei der Thoraxprellung handelt es sich um eine stumpfe Verletzung des Thorax ohne knöcherne Beteiligung. Bei der Thoraxquetschung liegt eine Mitbeteiligung intrathorakaler Organe vor, wobei Rippenfrakturen in Kombination mit einer Lungenkontusion am häufigsten vorkommen. Eine Sonderform der Thoraxquetschung ist das Perthes-Syndrom (Compressio thoracis). Hierbei kommt es infolge eines reflektorischen Glottisverschlusses zu einer intrathorakalen Druckerhöhung. Durch die klappenlosen Venen von Kopf und Hals wird der Druck nach kranial fortgeleitet, sodass es zu petechialen Einblutungen in diesem Bereich kommt.
Eine Sonderform der Thoraxquetschung ist das Perthes-Syndrom. Ein reflektorischer Glottisverschluss führt zur intrathorakalen Druckerhöhung mit der Folge von petechialen Einblutungen im Halsbereich.
4.5.1 Hautemphysem
왘 Definition
Ätiologie: Es kommt zu einer spontanen oder verletzungsbedingten Eröffnung lufthaltiger Organe mit Kommuniktion zum Subkutanbereich. Eine weitere Ursache ist ein Pneumothorax nach Rippenfraktur.
4.5.1 Hautemphysem 왘 Definition. Es handelt sich um eine sich ausbreitende Luftansammlung in der Unterhaut und/oder im Muskelgewebe.
Ätiologie: Nach einer spontanen oder verletzungsbedingten Eröffnung lufthaltiger Organe (am häufigsten Atemtrakt) erfolgt eine Kommunikation zum Subkutanbereich. Das Hautemphysem tritt häufig bei Verletzung der im Mediastinum liegenden Anteile des Tracheobronchialsystems auf und ist meist mit einem Mediastinalemphysem kombiniert (s. Kap. 4.4.3).
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B 4.5 Thoraxtrauma
B-4.55
Hautemphysem
987 B-4.55
Hautemphysem am linken Augenlid bei Z.n. linksseitiger Lobektomie. Aufgrund einer persistierenden bronchopleuralen Fistel gelangt die Luft vom Thorax aus im Subkutangewebe bis zum linken Augenunterlid. Hier tritt das Emphysem am Ort des geringsten Widerstandes in Erscheinung.
Auch nach einem Pneumothorax bei Rippenfraktur kann ein Hautemphysem entstehen, da die Pleurahöhle über die defekte Pleura parietalis mit dem Unterhautgewebe kommuniziert. Klinik: Es besteht eine schmerzlose, unter „Schneeballknirschen“ wegdrückbare Schwellung (aufgetriebenes Hautareal). In diesem Bereich ist der Klopfschall tympanitisch (Abb. B-4.55).
Klinik: Schmerzlose Schwellung, die wegdrückbar ist und einen tympanitischen Klopfschall aufweist (Abb. B-4.55).
Diagnostik: Im Röntgen-Thoraxbild zeigen sich typische streifige Aufhellungen in den Weichteilen. Die Ursache des Hautemphysems muss abgeklärt werden, z. B. durch Bronchoskopie, Computertomographie des Thorax oder bei Verdacht auf eine Ösophagusverletzung (kombiniert mit Mediastinalemphysem) durch eine Ösophagogastroskopie.
Diagnostik: Im Röntgen-Thoraxbild zeigen sich typische streifige Aufhellungen in den Weichteilen. Zur Klärung der Ursache ggf. Bronchoskopie, CT-Thorax, Ösophagogastroskopie.
Therapie: Das Hautemphysem selbst bedarf nur selten der Behandlung, da die Luft resorbiert wird. Die Ursache des Hautemphysems (z. B. Lungenverletzung mit Pneumothorax, Broncho-/Trachealverletzung, Ösophagusruptur) muss erkannt und behandelt werden.
Therapie: Behandelt werden muss die Ursache, das Hautemphysem selbst bedarf nur selten der Behandlung, da die Luft resorbiert wird.
4.5.2 Mediastinalemphysem
4.5.2 Mediastinalemphysem
Siehe Kap. 4.4.3.
Siehe Kap. 4.4.3.
4.5.3 Lungenruptur
4.5.3 Lungenruptur
왘 Definition. Zerreißung oder Berstung von Lungenparenchym infolge eines Unfalles.
왗 Definition
Ätiologie: Schwere Brustkorbquetschungen – meist in Kombination mit Rippenfrakturen – haben oft eine Lungenruptur oder Lungenlazeration zur Folge. Je nach Ausmaß der Verletzung entsteht ein Hämatopneumothorax.
Ätiologie: Schwere Brustkorbquetschungen, meist in Kombination mit Rippenfrakturen, evtl. entsteht ein Hämatopneumothorax.
Klinik: Der Patient ist ateminsuffizient mit abgeschwächtem hypersonorem Klopfschall. Auch Hämoptysen können vorliegen. Je nach Blutverlust durch die Parenchymverletzung der Lunge oder weiterer Begleitverletzungen liegt eine Schocksymptomatik vor.
Klinik: Der Patient ist ateminsuffizient mit abgeschwächtem hypersonorem Klopfschall, evtl. Hämoptysen und Schocksymptomatik.
Diagnostik: Da es sich bei Patienten mit Lungenruptur im Allgemeinen um polytraumatisierte Patienten handelt, wird ein CT vom Thorax angefertigt, um auch Begleitverletzungen mit beurteilen zu können.
Diagnostik: Thorax-CT, um auch Begleitverletzungen beurteilen zu können.
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988
B 4 Thoraxchirurgie
Therapie: Bei größeren Verletzungen muss eine Thoraxdrainage (Behebung des Pneumothorax, des Hämatoms, Beurteilung der Blutung) gelegt werden. Der ateminsuffiziente Patient wird intubiert und beatmet.
Therapie: Bei Verletzungen größeren Ausmaßes muss zunächst eine Thoraxdrainage gelegt werden, um den Pneumothorax zu beheben, das Hämatom zu drainieren und das Ausmaß der Blutung zu bewerten. Der ateminsuffiziente Patient wird intubiert und beatmet. Der klinische Verlauf entscheidet über die Notwendigkeit eines operativen Vorgehens. Eine Operationsindikation ist bei anhaltender Blutung (Hb-Kontrolle, Förderung großer Mengen Drainageflüssigkeit), ausgedehnten Thoraxwandverletzungen oder anhaltendem Lungenkollaps trotz adäquater Drainage (z. B. Bronchusriss) gegeben. Kleinere Parenchymdefekte werden übernäht, teils abgetrennte Gewebeareale müssen reseziert werden.
Eine Operationsindikation besteht bei anhaltender Blutung, ausgedehnten Thoraxwandverletzungen oder anhaltendem Lungenkollaps.
4.5.4 Trachea- und Bronchusruptur
왘 Definition
Klinik: Sie ist abhängig von der Lage der Verletzung und den Begleitverletzungen (Hämatopneumothorax, Atelektase, Haut- bzw. Mediastinalemphysem). Bei iatrogener Tracheaverletzung dominiert das Mediastinalemphysem. 왘 Merke
4.5.4 Trachea- und Bronchusruptur 왘 Definition. Rupturen des Tracheobronchialbaumes sind meistens Folge von schweren Thoraxtraumen (Anpralltrauma) oder von Verletzungen der Trachea (Pars membranacea) bei der Intubation oder dem Kanülenwechsel beim Tracheostoma.
Klinik: Die Symptome sind abhängig von der Lage der Verletzung und eventueller Begleitverletzungen wie Hämatopneumothorax, Atelektase und Haut- bzw. Mediastinalemphysem, die Folgen der Bronchusruptur sind. Bei der iatrogenen Tracheaverletzung dominiert primär das Mediastinalemphysem. 왘 Merke. Kann ein Pneumothorax trotz adäquater Drainage nicht behoben
werden, muss nach einer Bronchusverletzung gesucht werden. Diagnostik: Die Diagnose wird bronchoskopisch gesichert, außerdem Röntgen-Thoraxbild, evtl. CT-Thorax bei schweren Verletzungen.
Diagnostik: Die Diagnose wird bronchoskopisch gesichert. So können die Lokalisation und das Ausmaß exakt bestimmt werden. Da die Bronchusverletzungen selten isoliert auftreten, ist ein Röntgen-Thoraxbild oder bei schwereren Verletzungen ein CT-Thorax erforderlich.
Therapie: Drainage der betroffenen Thoraxseite. Beim Bronchus-/Tracheaeinriss Naht des Defektes, beim Abriss Reanastomosierung.
Therapie: Zunächst erfolgt die Drainage der betroffenen Thoraxseite. Beim Einriss eines Bronchus oder der Trachea erfolgt die Naht des Defektes, beim Abriss die Reanastomosierung.
4.5.5 Stumpfes Thoraxtrauma
4.5.5 Stumpfes Thoraxtrauma
Rippenfraktur
Rippenfraktur
왘 Definition
왘 Definition. Bei einer Rippenfraktur kann der knöcherne oder knorpelige Anteil
der Rippe gebrochen sein. Eine Fraktur am Übergang vom Knorpel zum Knochen wird als Separation bezeichnet. Bei einem Rippenserienbruch sind mindestens 3 oder mehr benachbarte Rippen gebrochen und bei einer Rippenstückfraktur weist eine Rippe mehrfach Brüche auf. Ätiologie: direkte oder indirekte Gewalteinwirkung auf den Brustkorb. Bei einer Rippenserienfraktur entsteht ein instabiler Thorax mit Ateminsuffizienz, die eine sofortige endotracheale Intubation erfordert.
Ätiologie: Die Ursache ist eine direkte oder indirekte Gewalteinwirkung auf den Brustkorb. Die Verletzungsschwere reicht von der unkomplizierten Fraktur einer Rippe ohne wesentliche Störung der Atemmechanik bis hin zur Rippenserienfraktur mit instabilem Thorax und Ateminsuffizienz, die eine sofortige endotracheale Intubation erfordert.
Klinik: Bei günstiger Lokalisation bestehen keine oder nur leichte Schmerzen. Häufig treten jedoch Schmerzen mit Einschränkung der Atmung auf. Über der Bruchstelle ist ein Druckschmerz vorhanden und evtl. ein Hämatom sowie eine Krepitation.
Klinik: Bei günstiger Lokalisation verursachen Rippenfrakturen keine oder nur leichte Schmerzen. Häufig ist ein Rippenbruch jedoch stark schmerzhaft und schränkt die Atmung und die Atembewegung ein. Insbesondere das tiefe Einatmen und Husten verursacht Schmerzen direkt über dem Bruchbereich. Charakteristischerweise findet sich über der Fraktur ein deutlicher Druckschmerz, ein lokales Hämatom, eventuell eine Krepitation. Bei der körperlichen
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B 4.5 Thoraxtrauma
989
Untersuchung und Durchführung einer anteroposterioren Thoraxkompression treten im Frakturbereich erhebliche Schmerzen auf. Bei einer Rippenserienfraktur kann als Folge eine instabile Thoraxwand auftreten, mit der Ausbildung einer paradoxen oder inversen Atmung. Hierbei zieht sich der Brustkorb entgegen der natürlichen Bewegung bei der Einatmung ein und hebt sich bei der Ausatmung. Die dabei auftretende Pendelluft kann zur Ateminsuffizienz führen.
Bei einer Rippenserienfraktur kann es zur paradoxen oder inversen Atmung kommen.
Diagnostik: Die Verdachtsdiagnose Rippenfraktur kann zunächst anhand der Anamnese und dem Leitsymptom des Brustwandschmerzes gestellt werden. Eine Röntgenaufnahme des Thorax in 2 Ebenen gehört zur Standarduntersuchung. Bei konkretem Anhalt für einen Bruch einer bestimmten Rippe kann eine Röntgenzielaufnahme (knöcherner Hemithorax) angefertigt werden. Entsprechend dem Verletzungsmuster muss nach Begleitverletzungen gesucht bzw. müssen radiologische Verlaufskontrollen durchgeführt werden. Frakturen der oberen Rippen (1.– 3. Rippe) werden durch erhebliche Gewalteinwirkung hervorgerufen, da der Schultergürtel die obere Thoraxregion wie ein Wall schützt. Begleitverletzungen wie Plexusschäden, Gefäßverletzungen oder Rupturen des Tracheobronchialbaumes sind dabei auszuschließen.
Diagnostik: Anamnese mit Leitsymptom Brustwandschmerz, Röntgen-Thorax in 2 Ebenen bzw. Röntgenzielaufnahme (knöcherner Hemithorax). Entsprechend dem Verletzungsmuster muss nach Begleitverletzungen gesucht werden, insbesondere bei Frakturen der oberen Rippen (1.– 3. Rippe), auszuschließen sind Plexusschäden, Gefäßverletzungen oder Rupturen des Tracheobronchialbaumes.
왘 Merke. Die Indikation zur Angiographie ist gegeben bei: ■ ■ ■
왗 Merke
fehlendem Puls der oberen Extremität raschem Auftreten eines Hämatothorax sensiblen oder motorischen Ausfällen der Hand.
Bei Frakturen der unteren Rippen können durch die fehlende stabilisierende Verbindung mit dem Sternum intraabdominelle (Leber, Milz) oder retroperitoneale (Nieren) Organe mit verletzt werden. Eine Ultraschalluntersuchung des Abdomens und ein Urinsediment gehören in diesem Fall zur Primärdiagnostik. Diese Untersuchungen sollten nach einigen Stunden wiederholt werden, um zeitlich verzögert auftretende Komplikationen (z. B. zweizeitige Milzruptur) rechtzeitig erkennen zu können.
Bei Frakturen der unteren Rippen können intraabdominelle (Leber, Milz) oder retroperitoneale (Nieren) Organe mit verletzt werden. Eine Ultraschalluntersuchung des Abdomens und ein Urinsediment gehören in diesem Fall zur Primärdiagnostik (Wiederholung z. B. wegen zweizeitiger Milzruptur).
Therapie: Ein einfacher Rippenbruch kann konservativ unter Gabe von Analgetika gut behandelt werden. Bei einer Rippenserienfraktur ist trotz eventuellem Fehlen von Begleitverletzungen eine Verlaufskontrolle obligat. Dies erfolgt im Allgemeinen unter stationärer Überwachung, da das Ausmaß eventueller Begleitverletzungen erst verzögert sichtbar werden kann. Die Sauerstoffsättigung im Blut bedarf der Kontrolle. Beim Auftreten eines Hämato- oder Pneumothorax (s. Kap. 4.5.6) muss eine Bülau-Drainage gelegt werden. Bei instabiler Thoraxwand (ausgedehnte Rippenserienfraktur) mit Ateminsuffizienz muss der Patient intubiert und mit endexspiratorischem Überdruck (PEEP) beatmet werden. Ob die Behandlung mit dieser inneren Schienung fortgeführt wird, oder ob eine operative Stabilisierung der Rippen notwendig ist, kann später entschieden werden. In der Regel ist die maschinelle Beatmung die Therapie der Wahl.
Therapie: Ein einfacher Rippenbruch kann konservativ unter Gabe von Analgetika gut behandelt werden. Bei einer Rippenserienfraktur ist trotz eventuellem Fehlen von Begleitverletzungen eine Verlaufskontrolle (stationär) obligat.
Operationsindikation: Nur in seltenen Fällen erfolgt eine Stabilisierung der Thoraxwand durch eine Osteosynthese. Indikationen zur operativen Intervention sind erhebliche Dislokationen von Rippenfragmenten oder Einspießung von Rippenfragmenten in die Lunge. Die operative Behandlung ist auch bei Begleitverletzungen wie Gefäßabriss, Milz-, Leber- und Nierenverletzung indiziert.
Operationsindikation: Erhebliche Dislokationen von Rippenfragmenten oder Einspießung von Rippenfragmenten in die Lunge sowie Begleitverletzungen wie Gefäßabriss, Milz-, Leber- und Nierenverletzung.
Komplikationen: Die häufigsten Komplikationen bei Rippenfrakturen sind Hämatothorax, Pneumothorax oder Lungenkontusion. Auch an intraabdominelle oder retroperitoneale Verletzungen ist zu denken. Die Patienten müssen stationär zur analgetischen Behandlung oder zur Überwachung aufgenommen werden.
Komplikationen: Die häufigsten Komplikationen bei Rippenfrakturen sind Hämatothorax, Pneumothorax oder Lungenkontusion.
Beim Auftreten eines Hämato- oder Pneumothorax (s. Kap. 4.5.6) muss eine BülauDrainage gelegt werden. Bei instabiler Thoraxwand (ausgedehnte Rippenserienfraktur) mit Ateminsuffizienz muss der Patient intubiert und mit endexspiratorischem Überdruck (PEEP) beatmet werden.
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B 4 Thoraxchirurgie
Lungenkontusion
Lungenkontusion
왘 Definition
왘 Definition. Die Lungenkontusion ist definiert als Schädigung des Lungen-
parenchyms durch ein direktes stumpfes Thoraxtrauma oder als Dezelerationsverletzung. Pathogenese: Das pathomorphologische Substrat der Lungenkontusion sind initiale Parenchymeinblutungen. Darauf folgt (nach 4 – 6 h) ein zytokinvermitteltes Ödem mit konsekutivem Surfactantschaden, was eine Ventilationsstörung zur Folge hat und im weiteren Verlauf zur Abnahme der pulmonalen Compliance und der funktionellen Residualkapazität führt.
Pathogenese: Das pathomorphologische Substrat der Lungenkontusion sind initiale Parenchymeinblutungen. Nach 4 – 6 Stunden folgt ein progredientes zytokinvermitteltes interstitielles und alveoläres proteinreiches Ödem mit konsekutivem Surfactantschaden. Somit resultiert eine Ventilationsstörung dieser so geschädigten Lungenareale. Die so veränderten, perfundierten, aber nicht ventilierten Lungenareale verursachen durch Beimischung von nichtarterialisiertem Blut einen funktionellen Rechts-links-Shunt, woraus eine arterielle Hypoxie resultieren kann. Ferner führte das inaktivierte Surfactantsystem und die vermehrte Flüssigkeitseinlagerung in den Alveolen zu einer erheblichen Induration des Lungengewebes. Hieraus resultiert eine Abnahme der pulmonalen Compliance und der funktionellen Residualkapazität.
Einteilung: Nach Traumaschwere in ■ einfache Lungenkontusion, ■ Lungenkontusion mit respiratorischer Insuffizienz.
Einteilung: Eine Einteilung wird entsprechend dem Schweregrad des Traumas vorgenommen in ■ einfache Lungenkontusion und ■ Lungenkontusion mit respiratorischer Insuffizienz.
Einfache Lungenkontusion
Einfache Lungenkontusion
Klinik: Zunächst meist klinisch und radiologisch stumm. Im Vordergrund stehen die Symptome der Begleitverletzungen. Im Verlauf kommt es zur Dyspnoe, Hämoptoe, Ateminsuffizienz.
Klinik: Die Beschwerden sind abhängig vom Ausmaß der Lungenverletzung und werden von den Begleitverletzungen (Rippenfrakturen, Pneumothorax), die häufig symptomatisch im Vordergrund stehen, überdeckt. Da sich Lungenkontusionen erst mit Verlauf von Stunden entwickeln, können sie klinisch und radiologisch zunächst stumm sein. Klassische Beschwerden sind: Dyspnoe, Hämoptoe, Ateminsuffizienz.
Diagnostik: Das Thorax-Röntgenbild kann zunächst völlig unauffällig sein. Die Röntgenbefunde reichen von diffusen, weich abgegrenzten, kleinfleckig auch homogenen Verschattungen über großflächige Infiltrate bis zur Verschattung ganzer Lungenlappen.
Diagnostik: Bei einer einfachen Lungenkontusion kann das Thorax-Röntgenbild zunächst völlig unauffällig sein. Die Röntgenbefunde reichen von diffusen, weich abgegrenzten, kleinfleckig auch homogenen Verschattungen über großflächige Infiltrate bis zur Verschattung ganzer Lungenlappen. Wichtig sind wiederholte Röntgenaufnahmen der Lunge im zeitlichen Verlauf, um die Diagnose einer Lungenkontusion stellen zu können.
Therapie: Die aktive intensive Atemtherapie und Analgesie bei Begleitverletzungen ist meist ausreichend.
Therapie: Die aktive intensive Atemtherapie ist meistens ausreichend. Eine Analgesie ist bei bestehenden Begleitverletzungen (z. B. Rippenfraktur) erforderlich.
Verlauf: Die meisten einfachen Lungenkontusionen heilen innerhalb von 7 – 10 Tagen aus.
Verlauf: Die meisten einfachen Lungenkontusionen zeigen nach 24 – 72 Stunden radiologisch eine Besserung und heilen innerhalb von 7 – 10 Tagen spontan und komplikationslos aus.
Lungenkontusion mit respiratorischer Insuffizienz
Lungenkontusion mit respiratorischer Insuffizienz
Diagnostik: Mit dem Spiral-CT mit Kontrastmittel erste Abschätzung des Ausmaßes der Kontusion und der Begleitverletzungen. Mit Pulsoxymetrie und Blutgasanalyse kann die Notwendigkeit einer maschinellen Beatmung eingeschätzt werden.
Diagnostik: Bei einer Lungenkontusion mit respiratorischer Insuffizienz lässt das Spiral-CT mit Kontrastmittel eine erste Abschätzung des Ausmaßes der Kontusion zu und zeigt Begleitverletzungen auf. Die Erfassung von intrathorakalen oder mediastinalen Organverletzungen ist so schnell möglich. Pulsoxymetrie und Blutgasanalyse helfen bei unklarem Schweregrad der Kontusion, die eventuelle Notwendigkeit einer maschinellen Beatmung zu bestimmen.
Therapie: Beatmung mit endexspiratorischem Überdruck (PEEP) zur Behandlung der Hypoxie.
Therapie: Bei Lungenkontusionen mit respiratorischer Insuffizienz muss durch Beatmung zunächst die Hypoxie behandelt werden. Ferner ist dadurch eine rasche Rekrutierung von atelektatischen Alveolen möglich. Wegen der Schädigung des Surfactantsystems unter Eröffnung der atelektatischen Lungenabschnitte erfolgt die Beatmung mit einem endexspiratorischen Überdruck (PEEP).
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
B 4.5 Thoraxtrauma
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Komplikationen: Bei einer schweren Lungenkontusion kann sich eine Pneumonie in den betroffenen Abschnitten ausbilden. Ferner ist der Übergang einer schweren Lungenkontusion in ein ARDS (adult respiratory distress syndrome) eine schwere Komplikation mit hoher Letalität.
Komplikationen: In den betroffenen Abschnitten kann sich eine Pneumonie ausbilden. Eine schwere Komplikation ist das ARDS (hohe Letalität).
Sternumfraktur
Sternumfraktur
Ätiologie: Ursache ist meist ein direktes Trauma auf das Brustbein. Vorwiegend treten dabei Querbrüche auf. Häufig bricht die weniger stabile Synchondrose zwischen Manubrium und Corpus sterni. Bei Autounfällen ohne Airbag führt oft die Impression durch das Lenkrad zur Sternumfraktur. Gehäuft wird die Fraktur des Sternums bei Sportarten wie dem American Football beobachtet.
Ätiologie: Ursache ist meist ein direktes Trauma auf das Brustbein. Vorwiegend treten dabei Querbrüche auf. Häufig bricht die weniger stabile Synchondrose zwischen Manubrium und Corpus sterni.
Klinik: Es besteht ein heftiger Druckschmerz über der Fraktur. Gleichzeitig liegen atemabhängige Schmerzen vor. Wegen der erforderlichen heftigen direkten Gewalteinwirkung, die für eine Fraktur erforderlich ist, kommt es häufig begleitend zu einer Contusio cordis mit Herzrhythmusstörungen und entsprechenden hämodynamischen Veränderungen. Ferner können begleitend Rippenfrakturen oder Knorpelsprengungen auftreten, die in der betroffenen Region zusätzliche Schmerzen hervorrufen.
Klinik: heftiger Druckschmerz über der Fraktur, atemabhängige Schmerzen und häufig aufgrund einer zusätzlichen Contusio cordis Herzrhythmusstörungen. Zusätzlich können durch Rippenfrakturen Schmerzen vorhanden sein.
Diagnostik: Die Anamnese und klinische Untersuchung stützt sich vor allem auf die Erfassung des Unfallherganges. Druckempfindlichkeit und eine Hämatombildung können erste Hinweise sein. Obligat sind die Röntgen-Thoraxaufnahme und eine seitliche Aufnahme des Sternums. Bei unklaren Befunden kann eine Ultraschalluntersuchung und ggf. eine konventionelle Tomographie des Sternums durchgeführt werden, da erst hier der Frakturspalt sichtbar wird. Bei der alleinigen a.-p. Röntgenaufnahme des Sternums werden 80 % der Frakturen übersehen. Zwingend erforderlich sind ein EKG und Bestimmung der Herzenzyme (CK-MB, Troponin-Test, LDH) um eine Contusio cordis auszuschließen. Wichtig ist der zeitliche Verlauf des Enzymmusters. Das EKG kann folgende Befunde aufzeigen: Repolarisationsstörung, Tachykardie, Arrhythmie.
Diagnostik: Die Anamnese und klinische Untersuchung sowie Röntgen-Thoraxaufnahme und eine seitliche Aufnahme des Sternums. Bei unklaren Befunden kann eine Ultraschalluntersuchung und ggf. eine konventionelle Tomographie des Sternums durchgeführt werden. Zum Ausschluss einer Contusio cordis EKG und Bestimmung der Herzenzyme (CK-MB, Troponin-Test, LDH).
Therapie: Patienten mit einer Sternumfraktur müssen stationär überwacht werden. Bei unkompliziertem Verlauf ist eine analgetische Behandlung ausreichend.
Therapie: stationäre Überwachung und Analgesie.
Komplikationen: Aus dem Frakturspalt kann eine Pseudarthrose entstehen, die zu anhaltenden Beschwerden führt.
Komplikationen: Aus dem Frakturspalt entwickelt sich eine Pseudarthrose.
4.5.6 Penetrierendes Thoraxtrauma
4.5.6 Penetrierendes Thoraxtrauma
Traumatischer Pneumothorax
Traumatischer Pneumothorax
왘 Definition. Pneumothorax bedeutet eine Ansammlung von Luft im Pleura-
왗 Definition
spalt. Beim traumatischen Pneumothorax gelangt die Luft aufgrund einer Verletzung der Brustwand oder über eine Verletzung der Lunge in den Pleuraspalt. Einteilung: ■ Offener Pneumothorax: Ursache ist die Verletzung der Brustwand, sodass eine Verbindung zwischen der Außenluft und dem Pleuraspalt besteht. ■ Geschlossener Pneumothorax: Die Luft im Pleuraspalt kann aus der Lunge eingedrungen sein oder über eine vorübergehende Verbindung zur Außenluft, die wieder verschlossen ist. 왘 Merke. Eine Komplikation des Pneumothorax ist der Spannungs- oder Ven-
Einteilung: ■ Offener Pneumothorax: Verbindung zur Außenluft vorhanden. ■ Geschlossener Pneumothorax: keine Verbindung nach außen, Luft stammt aus der Lunge. 왗 Merke
tilpneumothorax, der aufgrund seiner akuten Lebensbedrohung eine Sonderstellung einnimmt.
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B 4 Thoraxchirurgie
Ätiologie: Ursache des offenen Pneumothorax ist eine perforierende Verletzung der Thoraxwand. Beim geschlossenen Pneumothorax ist die Verletzung der Lunge infolge einer frakturierten Rippe am häufigsten die Ursache sowie ein traumatisch zerrissener Bronchus, eine Verletzung der Trachea oder der Speiseröhre. Iatrogene Ursachen sind Verletzung der Lunge bei Pleurapunktion, Legen eines ZVK bzw. maschinelle Beatmung.
Ätiologie: Der offene Pneumothorax entsteht durch perforierende Verletzungen der Thoraxwand. Der geschlossene Pneumothorax tritt am häufigsten infolge einer frakturierten Rippe auf, die eine Verletzung der Lunge verursacht hat. Weitere Ursachen können ein traumatisch zerrissener Bronchus, eine Verletzung der Trachea oder der Speiseröhre sein. Der Pneumothorax kann auch iatrogen verursacht werden durch: ■ Verletzung der Lunge bei einer Pleurapunktion, ■ Fehlpunktion beim Legen eines zentralen Venenkatheters, ■ Beatmungskomplikation bei Patienten mit ARDS (Atemnotsyndrom = acute respiratory distress syndrome).
Beim Spannungspneumothorax tritt Luft aus der Lunge in den Pleuraspalt über, die aufgrund eines Ventilmechanismus nicht entweichen kann. Der entstehende Überdruck verdrängt das Mediastinum und behindert den venösen Rückstrom.
Ein Spannungspneumothorax entsteht durch eine Leckage in der Lunge, die zum Luftübertritt in den Pleuraspalt führt. Während der Ausatmung verschließt sich diese Öffnung aber ventilartig wieder. Dadurch dringt bei jedem Atemzug Luft in den Pleuraspalt, die jedoch nicht wieder entweichen kann. Der Pleuraspalt füllt sich immer weiter mit Luft und der Druck im Pleuraspalt steigt mit jedem Atemzug. Auch wenn die Lunge bereits kollabiert ist, kann der Überdruck zu einer schnellen Verdrängung des gesamten Mediastinums zur gegenüberliegenden Seite führen. Die Folge ist eine Behinderung des venösen Rückstromes.
Klinik: Dyspnoe und atemabhängige Schmerzen der betroffenen Seite. Beim offenen Pneumothorax kommt es zusätzlich zur Ateminsuffizienz.
Klinik: Beim Pneumothorax finden sich je nach Schweregrad Dyspnoe und atemabhängige Schmerzen der betroffenen Seite. Beim offenen Pneumothorax kommt es durch den weitgehenden Lungenkollaps zusätzlich zur Ateminsuffizienz.
왘 Merke
왘 Merke. Beim Spannungspneumothorax kommt es als klinisches Zeichen der
venösen Abflussbehinderung zu einer zunehmenden Zyanose, Tachykardie und Einflussstauung. Insgesamt resultiert ein akut lebensbedrohlicher Zustand als Folge einer Atem- und Kreislaufinsuffizienz. Diagnostik: Abgeschwächtes bis aufgehobenes Atemgeräusch und hypersonorer Klopfschall. Im Röntgenbild fehlende Lungenzeichnung, je nach Ausmaß des Lungenkollapses Spitzenpneumothorax (Lungenspitze), Mantelpneumothorax (ca. 1 – 2 cm breiter lateraler Saum) und Totalkollaps. Beim Spannungspneumothorax Mediastinalverschiebung zur gesunden Seite (Abb. B-4.56). 왘 Merke
Therapie: Beim Mantel- oder Spitzenpneumothorax kann der Spontanverlauf abgewartet werden. Beim „größeren“ Pneumothorax ist die Einlage einer Drainage in den Pleuraspalt Therapie der Wahl. Der Spannungspneumothorax erfordert eine sofortige Entlastung des Überdrucks in der Pleurahöhle durch Einlage einer BülauDrainage (s. Kap. 4.3.1). Im Notfall muss eine Punktion mit einer dicklumigen Kanüle im 2. ICR medioklavikular erfolgen.
Diagnostik: Abgeschwächtes bis aufgehobenes Atemgeräusch und hypersonorer Klopfschall sind die klinischen Zeichen des einfachen Pneumothorax. Im Röntgenbild ist die fehlende Lungenzeichnung charakteristisch. Je nach Ausmaß des Lungenkollapses unterscheidet man radiologisch einen Spitzenpneumothorax über der Lungenspitze, einen Mantelpneumothorax mit einem ca. 1 – 2 cm breiten lateralen Saum und einen Totalkollaps der Lunge. Beim Spannungspneumothorax findet sich zusätzlich eine Mediastinalverschiebung zur gesunden Seite (Abb. B-4.56).
왘 Merke. Beim schweren Thoraxtrauma sollte unbedingt eine CT-Untersuchung erfolgen, um das Ausmaß des Pneumothorax genau zu erfassen und weitere Begleitverletzungen erkennen zu können.
Therapie: Bei einem „kleinen“ Pneumothorax, beispielsweise einem Manteloder Spitzenpneumothorax, kann der Spontanverlauf abgewartet werden, da der Körper mit der Zeit die eingedrungene Luft selbst resorbiert. Beim „größeren“ Pneumothorax ist die Einlage einer Drainage in den Pleuraspalt die Therapie der Wahl. Diese Drainage kann unterhalb der Mitte des Schlüsselbeins (medioklavikular) im 2. oder 3. Interkostalraum eingebracht werden. Da diese Region kosmetisch eher eine exponierte Region ist, kann auch der 5. bis 6. Interkostalraum in der mittleren bis hinteren Axillarlinie gewählt werden. Dieser Zugang wird bevorzugt gewählt, wenn zusätzlich auf Flüssigkeiten (Blut, Erguss) über die Drainage abgeleitet werden soll (Bülau-Drainage) (s. Kap. 4.3.1). Der lebensbedrohliche Zustand beim Spannungspneumothorax erfordert eine sofortige Entlastung des Überdrucks in der Pleurahöhle durch Einlage einer Bülau-Drainage.
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B 4.5 Thoraxtrauma
B-4.56
a
b
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Spannungspneumothorax
c
a Thoraxübersicht: Spannungspneumothorax links mit Mediastinalverschiebung nach rechts. b CT bei Spannungspneumothorax. Vollständig kollabierte Lunge rechts. c Zustand nach Drainage und vollständiger Ausdehnung der Lunge.
Im Notfall muss eine Punktion mit einer dicklumigen Kanüle im 2. ICR medioklavikular erfolgen. Die Kanüle sollte mit einem Fingerling, der wie ein Überdruckventil wirkt, versorgt werden (Tiegel-Kanüle). Anschließend erfolgt die Einlage einer Bülau-Drainage.
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Herzchirurgie
B 5 Herzchirurgie
Herzchirurgie
5
Sandra Fraund, Jens Scheewe, Arnd Böhle, Jochen Cremer
5.1
Grundlagen der Herzchirurgie
Die moderne Herzchirurgie umfasst die chirurgische Behandlung angeborener und erworbener Erkrankungen des Herzens sowie der herznahen großen Gefäße.
5.1.1 Präoperative Vorbereitung kardialer
5.1
Die moderne Herzchirurgie umfasst die chirurgische Behandlung angeborener und erworbener Erkrankungen des Herzens sowie der herznahen großen Gefäße. Entscheidend hat John H. Gibbon durch die Entwicklung der HerzLungen-Maschine im Jahre 1953 dazu beigetragen.
5.1.1
Eingriffe im Erwachsenenalter Die Indikation zur herzchirurgischen Operation wird vom Kardiologen und Herzchirurgen gemeinsam gestellt. Die Symptome der Herzinsuffizienz werden entsprechend der New York Heart Association (NYHA) klassifiziert (Tab. B-5.1). Die zur Diagnostik erforderlichen Untersuchungen sind in Tab. B-5.2 zusammengefasst.
Zur präoperativen Vorbereitung gehört ggf. eine Umstellung der Medikation. Außerdem sind Nikotinkarenz (14 Tage vor Operation) und eine perioperative Atemgymnastik (Gefahr der Atelektasenbildung und Vermeidung einer konsekutiven Pneumonie) wichtig.
Eine Fortführung der körperlichen Aktivität ist zur Senkung des perioperativen Thromboembolierisikos und zur Gewährleistung einer zügigeren postoperativen Rekonvaleszenz anzustreben.
Grundlagen der Herzchirurgie
Präoperative Vorbereitung kardialer Eingriffe im Erwachsenenalter
Die Indikation für eine herzchirurgische Operation wird vom Kardiologen und Herzchirurgen gemeinsam gestellt. Sie ist abhängig von der zu erzielenden Beschwerdefreiheit und vom Infarktrisiko. Eine erste Einschätzung des Patienten erlaubt die körperliche Untersuchung. Die Klassifikation erfolgt anhand der Symptome entsprechend der New York Heart Association (NYHA; Tab. B-5.1). Zur präoperativen Einschätzung des Operationsrisikos sind je nach Indikation folgende Untersuchungen erforderlich (s. auch Tab. B-5.2): ■ EKG ■ Röntgen-Thorax ■ Labordiagnostik ■ Linksherzkatheteruntersuchung mit Koronarangiographie ■ Rechtsherzkatheter (z. B. Shuntdiagnostik, Ausschluss pulmonale Hypertonie) ■ Echokardiographie (z. B. bei Klappenerkrankungen) ■ Lungenfunktionsprüfung (fakultativ) ■ Doppler-Sonographie der Karotisbifurkation ■ CT Thorax (fakultativ). Die weitere präoperative Vorbereitung umfasst ggf. eine Umstellung der Medikation. Wenn möglich sollten Thrombozytenaggregationshemmer (z. B. Acetylsalicylsäure, Clopidogrel) abgesetzt und eine orale Antikoagulanzientherapie (z. B. Phenprocoumon) sollte auf subkutane oder intravenöse Antikoagulanzien umgestellt werden. Nikotinkarenz, insbesondere 14 Tage vor der Operation, und perioperative Atemgymnastik sollten eingehalten werden, um eine erhöhte Gefahr der Atelektasenbildung und konsekutiven Pneumonie durch die vermehrte Produktion von Bronchialsekret zu vermeiden. Eine Fortführung der körperlichen Aktivität ist, soweit es die kardiale Situation erlaubt, zur Senkung des perioperativen Thromboembolierisikos und zur Gewährleistung einer zügigeren postoperativen Rekonvaleszenz anzustreben. Eine präoperative Physiotherapie kann dabei hilfreich sein.
B-5.1
B-5.1
Einteilung der Herzinsuffizienz oder koronaren Herzkrankheit nach der New York Heart Association (NYHA)
Stadium
Beschreibung
I
Herzkrankheit ohne Beschwerden bei normaler körperlicher Belastung
II
Belastungsinsuffizienz, Beschwerden bei stärkerer körperlicher Belastung
III
beginnende Ruheinsuffizienz, Beschwerden bei leichter körperlicher Belastung, in Ruhe meist beschwerdefrei
IV
manifeste Ruheinsuffizienz, Beschwerden in Ruhe
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B 5.1 Grundlagen der Herzchirurgie
B-5.2
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Diagnostik vor Herzoperationen
Verfahren
Wertigkeit
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EKG
Diagnostik von Ischämien, Myokardinfarkten, Rhythmusstörungen
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Langzeit-EKG
Diagnostik intermittierender Rhythmusstörungen
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Belastungs-EKG
Diagnose belastungsinduzierter Ischämien, Rhythmusstörungen
Echokardiographie transthorakal
Darstellung der Anatomie, Morphologie und Funktion des Herzens, ist eines der wichtigsten diagnostischen Verfahren zur Beurteilung von Vitien sowie der noninvasiven Darstellung der Herzfunktion
Echokardiographie transösophageal
bessere Darstellbarkeit besonders der Vorhof- und Klappenebene, Nachweis ventrikulärer Thromben
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Stressechokardiographie
Darstellung belastungsinduzierter Ischämien, Klappeninsuffizienzen, Shunts
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Dopplersonographie
bei allen Verfahren integrierbar, Messung von Fluss- und Druckgradienten
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Linksherzkatheter
Darstellung der Blutflussverhältnisse der linken Herzkammer und Aorta, durch Messung der Druck- und Sättigungsverhältnisse kann die Herzleistung, der Schweregrad von Klappenvitien, bzw. Vitien mit Shunts quantifiziert werden, kombinierbar mit Koronarangiographie
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Koronarangiographie
Darstellung der Koronargefäße
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Rechtsherzkatheter
Darstellung der rechten Herzkammer und A. pulmonalis, Messung der Druck- und Sättigungsverhältnisse, Diagnose pulmonaler Hypertonie, Shuntdiagnostik
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MRT
besonders zur funktionellen Diagnostik (Ischämie, Differenzierung vitales Myokard, Narbe) geeignet, Darstellung der Anatomie
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CT
bessere Darstellung der Morphologie als bei der MRT, z. B. Koronarien, schlechter in der funktionellen Diagnostik als die MRT, noninvasive Koronargefäßdarstellung
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szintigraphische Verfahren
noninvasive Darstellung von Ischämien in Ruhe und belastungsinduziert, Darstellung von vitalem Myokard („hibernating and stunning myocardium“)
Doppler-, Duplexsonographie der extrakraniellen Gefäße
Ausschluss signifikanter Stenosen der A. carotis interna
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5.1.2 Prinzip der extrakorporalen Zirkulation (EKZ)
5.1.2 Prinzip der extrakorporalen
Zirkulation (EKZ)
Abgesehen von wenigen Ausnahmen wie minimalinvasive und „beating-heart“ Koronaroperationen sowie Operationen an den großen Gefäßen (Ductus Botalli, Aortenisthmusstenose im Kindesalter) erfordern alle Eingriffe am Herzen den Einsatz der Herz-Lungen-Maschine. Das Grundkonzept der extrakorporalen Zirkulation (EKZ) besteht darin, das venöse Blut zu sammeln, mit Sauerstoff anzureichern und das arterialisierte Blut dem Körper wieder zuzuführen. Dadurch wird der Körperkreislauf aufrechterhalten, während das Herz durch kardioplegische Lösung stillgelegt werden kann. Die wichtigsten Funktionselemente der Herz-Lungen-Maschine (HLM) sind (Abb. B-5.1): ■ Blutpumpe ■ Oxygenator ■ Wärmeaustauscher ■ Saugersysteme.
Fast alle Eingriffe am Herzen erfordern mit wenigen Ausnahmen den Einsatz der HerzLungen-Maschine. Das Grundkonzept der EKZ ist, das venöse Blut zu sammeln, mit Sauerstoff anzureichern und dieses arterialisierte Blut dem Körper wieder zuzuführen (Abb. B-5.1).
Die Drainage des venösen Blutes erfolgt aus dem rechten Vorhof, alternativ aus der oberen und unteren Körperhohlvene, meist passiv durch Schwerkraft oder aktiv durch Sog. Das sich im venösen Reservoir sammelnde Blut wird über eine Roller- oder Zentrifugalpumpe einem Oxygenator zugeführt, der eine Arterialisierung des Blutes, d. h. Anreicherung mit Sauerstoff bei gleichzeitiger CO2-Abgabe, bewirkt und damit die Funktion der Lunge als Gasaustauschfläche ersetzt. Nach dieser Passage gelangt das oxygenierte, patienteneigene Blut über einen Filter durch Saugersysteme zur arteriellen Kanüle und wird zur Aufrechterhaltung des Systemkreislaufes meist in die Aorta ascendens zurückgeführt. Angestrebt wird eine Flussleistung von 2,4 l/min/qm KÖF.
Die Drainage des venösen Blutes erfolgt aus dem rechten Vorhof. Das Blut wird über eine Roller- oder Zentrifugalpumpe einem Oxygenator zugeführt, und nach Arterialisierung kommt das heparinisierte, patienteneigene Blut durch Saugersysteme über die arterielle Kanüle wieder zurück. Angestrebt wird eine Flussleistung von 2,4 l/min/qm KÖF.
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B 5 Herzchirurgie
996 B-5.1
Prinzip der extrakorporalen Zirkulation (EKZ)
Die zerebrale Autoregulation des Gefäßtonus bewirkt zusammen mit der Senkung des Hirnstoffwechsels unter Narkose eine ausreichende Versorgung. Ein Wärmeaustauscher in der HLM ermöglicht das Abkühlen und Wiedererwärmen des Patienten. Grundvoraussetzung für die HLM ist eine ausreichende Antikoagulation (meist 300 – 400 IE/kg KG Heparin). Liegt eine heparininduzierte Thrombozytopenie (HIT II) vor, ist die Umstellung auf Alternativpräparate wie z. B. Hirudin erforderlich.
Aufgrund der zerebralen Autoregulation des Gefäßtonus wird die Durchblutung des Gehirns bei einem arteriellen Blutdruck von 50 – 150 mmHg weitgehend konstant erhalten, und durch die Senkung des Hirnstoffwechsels unter Narkose bis zu 40 % ist bei Normothermie oder leichter Hypothermie ein Perfusionsdruck von 40 – 60 mmHg ausreichend. Ein weiterer Bestandteil der HLM ist in der Regel ein Wärmeaustauscher, der ein Abkühlen und Wiedererwärmen des Patienten erlaubt. Somit sind Eingriffe mit Kreislaufstillstand, z. B. im Bereich des Aortenbogens oder die Korrektur komplexer kongenitaler Vitien in tiefer Hypothermie (unter 20 °C) möglich. Grundvoraussetzung für die HLM ist eine ausreichende Antikoagulation, die in der Regel mit Heparin (300 – 400 IE/kg KG) entsprechend einer Vollheparinisierung erfolgt. Diese wird am Ende des Eingriffes durch Gabe von Protamin antagonisiert. Bei der heutzutage zunehmenden Diagnose von Gerinnungsstörungen im Sinne einer heparininduzierten Thrombozytopenie (HIT II) ist die Umstellung des Antikoagulationsregimes auf Alternativpräparate wie z. B. Hirudin erforderlich (vgl. S. 126). Da dies im Gegensatz zu Heparin am Ende des Eingriffes nicht antagonisierbar ist, liegt hier eine deutlich schlechtere Steuerbarkeit vor, sodass vermehrte Blutungskomplikationen die Folge sein können.
5.1.3 Myokardprotektion
5.1.3 Myokardprotektion
Maßnahmen zum Schutz des Herzmuskels während des intraoperativen Herzstillstandes. Das heute gängige Verfahren zur intraoperativen Myokardprotektion ist die Kardioplegie des Herzmuskels.
Unter dem Begriff Myokardprotektion werden alle Maßnahmen zum Schutz des Herzmuskels während des intraoperativen Herzstillstandes zusammengefasst. Zu unterscheiden sind Verfahren mit und ohne Koronardurchblutung: ■ Bei erhaltener Koronardurchblutung kann ein Kontraktionsstillstand elektrisch mittels einer sog. Flimmerelektrode induziert werden. Die Koronararterien bleiben perfundiert und der aerobe Stoffwechsel der Herzmuskelzelle so erhalten. Nachteil dieser Methode ist die fortbestehende elektrische Aktivität und die daraus resultierende Tonisierung des Herzens mit Erhöhung der transmuralen Wandspannung. Diese kann eine Minderperfusion des Myokards mit nachfolgender Schädigung bewirken.
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B 5.1 Grundlagen der Herzchirurgie
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997
Wird die koronare Durchblutung am warmen Herzen unterbrochen, so läuft der intrazelluläre Stoffwechsel bis zum kompletten Verbrauch der intrazellulären Energiespeicher weiter. Anschließend tritt ein ischämischer Herzstillstand ein. Dieser birgt bei unkalkulierbarer Ischämietoleranz des Herzens eine mögliche irreversible Schädigung des Myokards. Das heute gängige Verfahren zur intraoperativen Myokardprotektion ist deshalb die Kardioplegie des Herzmuskels.
Kardioplegie
Kardioplegie
Kardioplegische Lösungen führen zu einer Unterbrechung der mechanischen und elektrischen Funktionsabläufe am Herzen, wodurch dieses in der Diastole relaxiert stehen bleibt und energiereiche Phosphate erhalten bleiben. Aufgrund des elektromechanischen Stillstands kann der myokardiale Sauerstoffverbrauch um etwa 90 % gesenkt werden. Hinsichtlich der Trägermedien werden kristalloide und kolloidale Lösungen sowie Blutkardioplegielösungen unterschieden. Diese sind aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzt, um die gewünschten Effekte zu erzielen. In der Regel handelt es sich hierbei um hyperkaliämische Lösungen, welche über eine Membrandepolarisation zu einem schnellen diastolischen Herzstillstand führen. Je nach Kardioplegielösung sind verschiedene Elektrolytkonzentrationen bzw. Puffersubstanzen zur Neutralisation der während der Ischämiephase anfallenden sauren Stoffwechselprodukte hinzugefügt. Osmotisch wirksame Substanzen verhindern die intrazelluläre Ödembildung. Bei der Blutkardioplegie fungiert das Blut als optimaler Sauerstoff- und Substratlieferant. Die hypotherme Kardioplegie senkt den Sauerstoffverbrauch des Herzens auf 0,05 ml/100 g Herzgewebe/min (zum Vergleich: Unter Ruhebedingungen werden 10 ml/100 g Herzgewebe/min benötigt). Die Art und Applikation der Kardioplegielösung kann unterschiedlich sein, routinemäßig erfolgt sie antegrad über die Aorta ascendens. Hierbei wird die Kardioplegie über die Koronarostien nach erfolgter Aortenklemmung in das Myokard perfundiert. Voraussetzung ist eine kompetent schließende Aortenklappe. Alternativ ist die retrograde Gabe der Kardioplegielösung durch Einlage eines Katheters in den Koronarvenensinus möglich, z. B. bei hochgradigen Koronarstenosen, bei denen durch antegrade Gabe kein kardioplegischer Herzstillstand erreichbar ist. Auch eine Kombination beider Verfahren als kombinierte ante- und retrograde Kardioplegiegabe kann erforderlich sein.
Kardioplegische Lösungen führen zu einer Unterbrechung der mechanischen und elektrischen Funktionsabläufe am Herzen in der Diastole. Durch den elektromechanischen Stillstand kann der myokardiale Sauerstoffverbrauch um etwa 90 % gesenkt werden. Die Trägermedien setzen sich aus verschiedenen Bestandteilen, meist hyperkaliämischen Lösungen zusammen, die über eine Membrandepolarisation zum schnellen diastolischen Herzstillstand führen.
Ausnahmen (Operationen ohne Kardioplegie): Bei den minimalinvasiven „Beating-heart“-Bypassverfahren wie OPCAB- und MIDCAB-Chirurgie wird komplett auf die Kardioplegiegabe verzichtet und die Operation erfolgt an durch mechanische Stabilisatoren ruhiggestellten Koronararterien (S. 1016). Bei nur kurzen speziellen Eingriffen ist auch eine Operation bei erhaltener Koronardurchblutung möglich. Dies gelingt durch Auslösen eines künstlichen Kammerflimmerns durch elektrischen Reiz. Die Koronararterien sind intraoperativ perfundiert und der Stoffwechsel der Herzmuskelzelle bleibt erhalten.
Ausnahmen (Operationen ohne Kardioplegie): Bei den minimalinvasiven „Beatingheart“-Bypassverfahren wie OPCAB- und MIDCAB-Chirurgie wird komplett auf die Kardioplegiegabe verzichtet.
Hypothermie
Hypothermie
Ein Absenken der Körpertemperatur des Patienten erfolgt über den Wärmeaustauscher. Bei einer Absenkung der Herztemperatur sinkt der myokardiale Metabolismus pro 10 °C um 50 %. Bei einfachen Koronareingriffen ist keine aktive Hypothermie notwendig. Wird eine Ischämiezeit größer als 1 Stunde erwartet, ist eine milde Hypothermie (30 – 32 °C) empfehlenswert, bei längeren Ischämiezeiten von über 2 Stunden sollte die Körpertemperatur des Patienten bis auf 28 °C abgesenkt werden.
Bei einer Absenkung der Herztemperatur sinkt der myokardiale Metabolismus pro 10 °C um 50 %. Bei Ischämiezeiten von über 2 Stunden sollte die Körpertemperatur des Patienten bis auf 28 °C langsam (ca. 1 °C/min) abgesenkt werden.
왘 Merke. Wichtig ist ein langsames Abkühlen des Patienten um ca. 1 °C/min. Bei zu schnellem Kühlen können sich Gasbläschen bilden mit nachfolgender zerebraler Embolie.
Die hypotherme Kardioplegie senkt den Sauerstoffverbrauch des Herzens auf 0,05 ml/100 g Herzgewebe/min. Die Applikation der Kardioplegielösung erfolgt routinemäßig antegrad über die Aorta ascendens. Eine Alternative ist die retrograde Gabe der Kardioplegielösung durch Einlage eines Katheters in den Koronarvenensinus. Möglich ist auch eine Kombination beider Verfahren.
왗 Merke
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B 5 Herzchirurgie
Die operative Korrektur komplexer angeborener Herzfehler oder die thorakale Aneurysmachirurgie mit Beteiligung der supraaortalen Äste kann einen kompletten Zirkulationsstillstand mit tiefer Ganzkörperhypothermie (18 – 20 °C) erfordern.
Die operative Korrektur komplexer angeborener Herzfehler oder die thorakale Aneurysmachirurgie mit Beteiligung der supraaortalen Äste erfordert gelegentlich einen kompletten Zirkulationsstillstand mit tiefer Ganzkörperhypothermie (18 – 20 °C). Dadurch können Kreislaufunterbrechungen von bis zu 40 Minuten je nach Alter des Patienten toleriert werden.
5.1.4 Standardverfahren der EKZ
5.1.4 Standardverfahren der EKZ
Zugangswege zum Herzen
Zugangswege zum Herzen
Der Standardzugang zum Herzen erfolgt in den meisten Fällen über eine mediane Längssternotomie. Alternativen sind partielle Sternotomien (Abb. B-5.2).
Der Standardzugang zum Herzen erfolgt in den meisten Fällen über eine mediane Längssternotomie. Hierbei sind minimalisierte Alternativen wie partielle Sternotomien möglich. Bei Operationen eines Vorhofseptumdefektes oder an der Mitralklappe ist die Alternative z. B. eine anterolaterale Thorakotomie im 4. ICR rechts. Über eine anterolaterale Thorakotomie links können minimalinvasive Koronaroperationen im Bereich der Vorderwand erfolgen (S. 1016). Eine posterolaterale Thorakotomie links findet Anwendung in der Chirurgie des distalen Aortenbogens und der Aorta descendens, in der kongenitalen Herzchirurgie bei Verschluss eines offenen Ductus Botalli bzw. bei Aortenisthmusstenosen (Abb. B-5.2). Zur Verringerung der Invasivität werden auch robotergestützte Verfahren mit mehreren minimalen Zugängen evaluiert.
Kanülierungstechnik
Kanülierungstechnik
Bei Standardeingriffen wird nach Vollheparinisierung die Aorta ascendens kanüliert. Die venöse Drainage des Herzens erfolgt bei Eingriffen am geschlossenen Herzen in der Regel über den rechten Vorhof. Soll die rechte Herzseite eröffnet werden oder liegt ein Shuntvitium vor, werden beide Hohlvenen separat kanüliert.
Bei Standardeingriffen wird über eine mediane Sternotomie nach Vollheparinisierung des Patienten zunächst die Aorta ascendens kanüliert. Ist diese verkalkt, disseziiert oder aus anderen Gründen nicht geeignet, kann alternativ die A. femoralis kanüliert werden. In der Aneurysmachirurgie ist die Verwendung der rechten A. subclavia bzw. der A. axillaris ebenfalls möglich. Die venöse Drainage des Herzens erfolgt bei Eingriffen am geschlossenen Herzen in der Regel über den rechten Vorhof, in den eine 2-Stufen-Kanüle eingebracht wird. Soll die rechte Herzseite eröffnet werden oder liegt ein Shuntvitium vor, werden beide Hohlvenen separat kanüliert, mit einem Bändchen umschlungen und
B-5.2
B-5.2
Zugangswege zum Herzen und mögliche Operationen
a Rechtsseitige anterolaterale Thorakotomie, geeignet für Mitralklappenchirurgie, ASD-Verschluss, linksseitige anterolaterale Thorakotomie, Zugang für MIDCAB. b Mediane Sternotomie, Standardzugang für alle Herzoperationen. c Linksseitige posterolaterale Thorakotomie, geeignet für Eingriffe an der Aorta descendens.
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B 5.1 Grundlagen der Herzchirurgie
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können über eine Drossel verschlossen werden. Anatomisch muss hierbei auf den Sinusknoten an der Einmündung der oberen Hohlvene geachtet werden.
5.1.5 Assistierte Zirkulation und Kunstherz 왘 Definition. Der Begriff der assistierten Zirkulation bezeichnet eine temporäre
5.1.5 Assistierte Zirkulation und Kunstherz
왗 Definition
Kreislaufunterstützung beim myokardialen Pumpversagen, dem sog. Low-Output-Syndrom (LOS). Neben der Aufrechterhaltung des Blutkreislaufes besteht ein weiterer Effekt in der Entlastung des Herzens und damit des myokardialen Sauerstoffverbrauches, was die Rekonvaleszenz des Herzmuskels nach operativen Eingriffen oder abgelaufenem Myokardinfarkt unterstützt. Handelt es sich um ein irreversibles Versagen im Rahmen einer terminalen Herzinsuffizienz, kann eine vorübergehende assistierte Zirkulation erwogen werden bis ein geeignetes Spenderorgan zur Verfügung steht (sog. Bridge to Transplantation). Es können verschiedene Verfahren der Zirkulationsassistenz unterschieden werden: ■ Intraaortale Ballongegenpulsation (IABP). ■ Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO). ■ Assist Devices.
Neben der Aufrechterhaltung des Blutkreislaufes besteht ein weiterer Effekt in der Entlastung des Herzens und damit des myokardialen Sauerstoffverbrauches, was die Rekonvaleszenz des Herzmuskels unterstützt.
Intraaortale Ballongegenpulsation (IABP)
Intraaortale Ballongegenpulsation (IABP)
Bei diesem Verfahren wird ein Ballonkatheter über die A. femoralis retrograd in die deszendierende thorakale Aorta vorgeschoben. Der so platzierte Ballon wird während der Systole entlastet und bewirkt eine Senkung des Aortendrucks und damit der linksventrikulären Nachlast (Afterload). Während der Diastole wird der Ballon rasch insuffliert (Volumen 30 – 40 ml). Dies führt zu einer Steigerung der koronaren Perfusion, indem das Blut aus der Aorta in die Koronarien gepresst wird. Gleichzeitig kommt es zu einer Steigerung der peripheren Perfusion durch Anhebung des arteriellen Mitteldrucks (Abb. B-5.3).
Intraaortale Gegenpulsation durch IABP führt zur Senkung der Nachlast des linken Ventrikels. Die Erhöhung des diastolischen Drucks verbessert den koronaren Blutfluss (Abb. B-5.3).
Indikation: Anwendung findet dieses Verfahren bei medikamentös nicht zu beherrschendem Linksherzversagen z. B. nach Myokardinfarkt oder Herzoperationen.
Indikation: Medikamentös nicht beherrschbares Linksherzversagen.
Kontraindikation: Eine Kontraindikation neben der schweren peripheren AVK stellt die Aortenklappeninsuffizienz dar, da die Blutsäule aus der Aorta in den linken Ventrikel zurückgepresst würde, was zu einer Überdehnung mit irreversiblem Funktionsverlust des Ventrikels führen kann. Aortenaneurysmen stellen ebenfalls eine Kontraindikation für die intraaortale Gegenpulsation dar, da hier die Gefahr der Aortenruptur gegeben ist. Die Entlastungskapazität der IABP hat jedoch Grenzen. Insbesondere ein kombiniertes biventrikuläres Pumpversagen oder schwere generalisierte Schockzustände können die Anwendung eines hämodynamisch wirksameren Systems zur Kreislaufunterstützung erforderlich machen.
Kontraindikation: Aortenklappeninsuffizienz und Aortenaneurysmen, schwere periphere AVK.
Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO)
Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO)
Eine Option ist die Verwendung der extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO), die einer mobilen kleinen Herz-Lungen-Maschine entspricht und eine Kreiselpumpe enthält. Diese ist bei relativ starker Traumatisierung der korpuskulären Blutbestandteile, Blutungsgefahr und sekundärer Organschädigung jedoch nur für eine kurze Zeit anzuwenden, d. h. für wenige Tage sinnvoll.
Die ECMO entspricht einer mobilen kleinen Herz-Lungen-Maschine mit einer Kreiselpumpe. Sie ist jedoch nur für einen kurzfristigen Einsatz geeignet.
Indikation: Sie eignet sich besonders für Patienten mit Postkardiotomieversagen oder pulmonalem Versagen.
Indikation: Patienten mit Postkardiotomieversagen.
Assist Devices
Assist Devices
Die Implantation eines Kreislaufunterstützungssystems kann notfallmäßig oder dringlich, bei drohendem Herzversagen, oder elektiv erfolgen.
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B 5 Herzchirurgie
1000 B-5.3
Intraaortale Ballongegenpulsation (IABP)
Indikation: Herzindex 5 2 l/min/qm und einer VO2 max. 512 ml/min/kg. Weitere Parameter sind: arterieller Mitteldruck 5 60 mmHg, pulmonaler Verschlussdruck 4 20 mmHg, ZVD 4 20 mmHg sowie Oligurie bis Anurie.
Als ventrikuläre Unterstützungssysteme (VAD) werden Pumpkammern, Kreiselpumpen und Impellerturbinen bezeichnet, die den Kammern des Herzens parallel oder in Serie zugeschaltet werden.
Neuere Entwicklungen beinhalten sog. Impellerpumpen, die zu einer drastischen Verkleinerung des Systems führen.
Indikation: Die generelle Indikation zur mechanischen Kreislaufunterstützung nach Ausreizung eines maximalen medikamentösen Regimes besteht bei einem Herzindex 5 2 l/min/qm und einer maximalen VO2 512 ml/min/kg. Weitere hämodynamische Parameter bei einem linksventrikulären oder biventrikulären myokardialen Pumpversagen sind ein arterieller Mitteldruck 5 60 mmHg, ein pulmonaler Verschlussdruck 4 20 mmHg, ein ZVD 4 20 mmHg sowie eine Oligurie bis Anurie. Als ventrikuläre Unterstützungssysteme (VAD) werden Pumpkammern, Kreiselpumpen und Impellerturbinen bezeichnet, die den Kammern des Herzens parallel oder in Serie zugeschaltet werden. Diese Pumpkammern existieren als extrakorporale oder auch als teil- oder vollimplantierbare Systeme für die linke oder die rechte Herzkammer isoliert. Diese Pumpen verfügen entweder über einen pneumatischen, hydromechanischen oder elektrischen Antrieb. Voll implantierbare Systeme ermöglichen den Patienten nach postoperativer Erholung eine große Mobilität, da sie sich mit einer kleinen Batterietasche bis zu 6 Stunden außerhalb des Krankenzimmers bewegen können. Neuere Entwicklungen beinhalten sog. Impellerpumpen, bei denen meist nur die Drehzahl der Turbinen verändert werden kann. Diese führen zu einer drasti-
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B 5.1 Grundlagen der Herzchirurgie
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schen Verkleinerung des Systems. Die Vorteile dieser implantierbaren Systeme sind kleine transportable Steuereinheiten und wiederaufladbare Batterien, die eine freie Bewegung der Patienten für mehrere Stunden bis hin zur ambulanten Betreuung und beruflichen Reintegration ermöglichen. Komplikationen: Bei allen Assist Devices können in der Frühphase nach der Implantation Blutungskomplikationen auftreten. Bei Linksherzsystemen kann es bei ca 10 % der Patienten zu einer Minderfunktion des nativen rechten Herzens mit Low-Output-Syndrom kommen. Weitere Komplikationsquellen liegen in Thrombembolien, hier insbesondere zerebral, Verbrauchskoagulopathien und im Langzeitverlauf Infektionen. Fehlfunktionen der Unterstützungssysteme sind selten (5 1 %).
Komplikationen: In der Frühphase treten Blutungskomplikationen auf, später Thrombembolien (besonders zerebral), Verbrauchskoagulopathien und im Langzeitverlauf Infektionen.
Prognose
Prognose
Für die ECMO sind die Ergebnisse bei Erwachsenen sehr ungünstig, nur etwa jeder dritte Patient überlebt neben dem Herzversagen auch die damit verbundenen Organkomplikationen wie Infektionen, dialysepflichtige Niereninsuffizienz, neurologische Komplikationen (z. B. Apoplex oder intrakranielle Blutungen) oder Komplikationen an der Implantationsstelle (insbesondere an der unteren Extremität mit Beinischämie bis hin zur Amputation). Die Ergebnisse bei Langzeitsystemen werden in erster Linie von der Erfahrung des implantierenden Zentrums als auch von der Patientenselektion bestimmt. Elektive Implantationen sind mit einem wesentlich geringeren Komplikationsrisiko vergesellschaftet als dringliche notfallmäßige Implantationen. Letztendlich treten jedoch bei jedem zweiten Patienten mehr oder weniger relevante chirurgische Komplikationen, Thrombembolien oder systemische Infektionen auf. Patienten mit einem implantierten Unterstützungssystem können nach ausreichender Rekonvaleszenz nach Hause entlassen und ambulant betreut werden.
Für die ECMO sind die Ergebnisse bei Erwachsenen sehr ungünstig; nur etwa jeder dritte Patient überlebt neben dem Herzversagen auch die damit verbundenen Organkomplikationen.
5.1.6 Spezielle Probleme nach Herzoperationen Die Nebenwirkungen der extrakorporalen Zirkulation ergeben sich als Folge der Vollheparinisierung, der Hämodilution, des Fehlens eines pulsatilen Flusses sowie ggf. der Hypothermie. Das Blut kommt mit nichtepithelialisierten Oberflächen in Kontakt und wird abnormen Scherkräften ausgesetzt. Dadurch können korpuskuläre Blutelemente traumatisiert werden. Klinisch bedeutsame Folgen sind eine Hämolyse und die Verklumpung der Thrombozyten mit nachfolgender Funktionsstörung (Thrombozytopenie). Des Weiteren kommt es zur Stimulation der Gerinnungs- und Fibrinolysekaskaden, einer Aktivierung des Komplementsystems sowie einer Freisetzung systemisch inflammatorischer Substanzen, welche zu einem SIRS (systemic inflammatory response syndrome, vgl. S. 913) führen können. Klinisch kann sich das Postperfusionssyndrom in Funktionsstörungen der Nieren, Gasaustauschstörungen der Lunge und zerebralen Dysfunktionen (vom Durchgangssyndrom bis zum manifesten Apoplex) äußern. Um diese Nebenwirkungen zu minimieren, werden zunehmend minimalisierte Herz-LungenMaschinen mit biokompatibler Oberfläche eingesetzt. Ziel dieser Systeme ist es, die Fremdoberfläche zu minimieren und damit die systemisch-inflammatorischen Reaktionen zu vermindern. Weitere Bestrebungen sind die Vermeidung der Herz-Lungen-Maschine bei koronaren Revaskularisationsoperationen, indem die sog. Off-pump-(Beatingheart-)Chirurgie oder minimalinvasive Techniken (OPCAB, MIDCAB) eingesetzt werden (S. 1016).
Low-Output-Syndrom (LOS) 왘 Synonym. Low-Cardiac-Output-Syndrom.
Elektive Implantationen sind mit einem wesentlich geringeren Komplikationsrisiko vergesellschaftet als dringliche notfallmäßige Implantationen.
5.1.6 Spezielle Probleme nach
Herzoperationen Die Nebenwirkungen der extrakorporalen Zirkulation ergeben sich aufgrund der Vollheparinisierung, der Hämodilution, dem Fehlen eines pulsatilen Flusses sowie ggf. der Hypothermie. Klinisch bedeutsame Folgen sind Hämolyse der Erythrozyten und Verklumpung der Thrombozyten (Thrombozytopenie). Außerdem kommt es zur Stimulation der Gerinnungs- und Fibrinolysekaskaden.
Klinisch kann sich das Postperfusionssyndrom in Funktionsstörungen der Nieren, Gasaustauschstörungen der Lunge und zerebralen Dysfunktionen äußern. Zur Minimierung dieser Nebenwirkungen werden zunehmend minimalisierte Herz-Lungen-Maschinen mit biokompatibler Oberfläche eingesetzt.
Low-Output-Syndrom (LOS) 왗 Synonym
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B 5 Herzchirurgie
Das Low-Output-Syndrom (oder Low-Cardiac-Output-Syndrom) ist ein multifaktorieller, klinisch mit einem cardiac index von weniger als 2 l/min/m2 einhergehender Symptomenkomplex.
Das Low-Output-Syndrom ist ein multifaktorieller, klinisch mit einem cardiac index von weniger als 2 l/min/m2 einhergehender Symptomenkomplex. Weitere Warnhinweise können Schockzeichen wie eine kalte Haut durch erhöhte Sympathikusaktivität, Oligurie (5 0,5 ml/kg/h), Ruhelosigkeit oder ein veränderter psychischer Zustand als Zeichen einer zerebralen Minderperfusion, Tachypnoe, herabgesetzte gemischtvenöse Sauerstoffsättigung und eine metabolische Azidose sein. Postoperative Ursachen eines LOS sind Hypovolämie, gesteigerter peripherer Widerstand, myokardiale Dysfunktion, Perikardtamponade, Herzrhythmusstörungen oder auch ein erhöhter intrathorakaler Druck (durch PEEP oder Pneumothorax).
Therapie: Stabiliserung des Herzrhythmus und medikamentöse Optimierung von Vorlast, Nachlast und Kontraktilität. Postoperative Ischämie, Myokardinfarkt
Therapie: Zunächst wird der Herzrhythmus stabilisiert. Medikamentöse Optimierung von Vorlast, Nachlast und Kontraktilität.
Die Inzidenz postoperativer myokardialer Ischämien variiert zwischen 3 und 15 %. Klassische Symptome sind Angina, Dyspnoe und Tachykardie, jedoch mehr als 85 % der Infarkte verlaufen als stumme Infarkte.
Die Inzidenz postoperativer myokardialer Ischämien variiert zwischen 3 und 15 %. Die meisten Infarkte finden in den ersten 6 Stunden postoperativ statt. Klassische Symptome sind Angina, Dyspnoe und Tachykardie, jedoch verlaufen mehr als 85 % der Infarkte stumm. Hypotension, niedriges HZV und erhöhte Füllungsdrücke sowie ventrikuläre Arrhythmien sind Warnhinweise. Das EKG ist das wichtigste diagnostische Werkzeug beim akuten Infarkt, begleitet von serologischen Markern (Kreatinkinase, Isoenzym MB, Troponin).
Therapie: konservativ, interventionell bzw. notfallmäßig Reoperation.
Therapie: Das Management der mit Ischämien assoziierten kardialen Komplikationen reicht von konservativ, interventionell bis zur akuten Reoperation.
Postoperative Hypertension
Postoperative Hypertension
Kommt bei 30 – 60 % der Patienten nach Herzoperation vor. Folgen können ein Myokardinfarkt, LOS, zerebrovaskuläre Komplikationen und ein erhöhter postoperativer Blutverlust sein.
Diese kommt bei 30 – 60 % der Patienten nach Herzoperation vor. Prädisponiert sind Kranke mit einer Hypertension in der Anamnese, insbesondere, wenn präoperativ β-Bocker verabreicht wurden. Folgen eines zu hohen Blutdrucks können ein Myokardinfarkt, LOS, zerebrovaskuläre Komplikationen und ein erhöhter postoperativer Blutverlust sein. Eine Reduktion des Blutdrucks ist anzustreben, um die Nachlast zu optimieren, das Herzzeitvolumen (HZV) zu verbessern und den myokardialen Sauerstoffverbrauch zu minimieren.
Postoperative Hypotension
Postoperative Hypotension
Ein Mitteldruck von 60 mmHg ist als untere Normgrenze anzusehen. Viele Patienten benötigen zur Sicherstellung der zerebralen und renalen Perfusion höhere Druckwerte.
Ein arterieller Mitteldruck von 60 mmHg ist als untere Normgrenze anzusehen. Unabhängig davon benötigen viele Patienten zur Sicherstellung der zerebralen und renalen Perfusion höhere Druckwerte. Gründe für eine Hypotonie sind: Hypovolämie, Myokardischämie, Perikardtamponade, Arrhythmien, Sepsis, Transfusionsreaktionen, Pneumothorax und Lungenembolie.
Therapie: Primär ist die Beseitigung der Ursache wichtig, sowie Volumengabe, ggf. medikamentöse Vasopressoren. Respiratorische Insuffizienz
Therapie: Primär ist die Beseitigung der Ursache wichtig. Weitere Maßnahmen sind Volumengabe, ggf. medikamentöse Vasopressoren.
Kennzeichen der respiratorischen Insuffizienz sind Veränderungen der arteriellen Blutgase, Dyspnoe, Tachypnoe (4 25 Atemzüge/min) und periphere Zyanose.
Eine respiratorische Insuffizienz ist neben den entsprechenden Veränderungen der arteriellen Blutgase gekennzeichnet durch Dyspnoe, Tachypnoe (4 25 Atemzüge/min) und periphere Zyanose. Ursachen sind Pneumothorax, Pleuraerguss, Atelektase, Lungenödem, Pneumonie, Lungenembolie etc.
Therapie: Behandlung der Ursache. Bei Notwendigkeit einer verlängerten Beatmung evtl. Tracheotomie (Dilatationstracheotomie).
Therapie: Primär sollte die zugrunde liegende Ursache behandelt werden. Bei Notwendigkeit einer verlängerten Beatmung sollte eine rechtzeitige Tracheotomie in Betracht gezogen werden, z. B. als minimalinvasives Verfahren (Dilatationstracheotomie).
Postoperative Blutung
Postoperative Blutung
Mit einer Inzidenz von 1 – 5 % ist die postoperative Blutung nach dem Einsatz der extrakorporalen Zirkulation und der damit
Mit einer Inzidenz von 1 – 5 % ist die postoperative Blutung nach dem Einsatz der extrakorporalen Zirkulation und der damit verbundenen Vollheparinisierung ein ernst zu nehmendes Problem. Die häufigsten Gründe für postoperative Nach-
Postoperative Ischämie, Myokardinfarkt
Respiratorische Insuffizienz
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B 5.2 Erworbene Herzklappenfehler
1003
blutungen sind eine nicht ausreichende Reversierung des Heparineffektes, die präoperative Einnahme von Aspirin oder anderen nichtsteroidalen Antiphlogistika, antithrombolytische Pharmaka und eine frühere mediane Sternotomie.
verbundenen Vollheparinisierung ein ernst zu nehmendes Problem.
Therapie: Je nach Blutungsmenge variiert die Therapie von Antagonisierung der Heparingabe durch Protamin, Substitution von gerinnungsaktiven Substanzen und Blutprodukten bis hin zur chirurgischen Revision.
Therapie: Antagonisierung der Heparingabe durch Protamin, Substitution von gerinnungsaktiven Substanzen und Blutprodukten, chirurgische Revision.
Perikardtamponade
Perikardtamponade
Auch kleine intraperikardiale Thrombusformationen können bei ungünstiger Lage im Bereich des linken Vorhofs zu schweren klinischen Konsequenzen (z. B. LOS, Nierenversagen) führen. Die Diagnose wird klinisch und echokardiographisch gestellt.
Auch kleine intraperikardiale Thrombusformationen können zu ausgeprägten klinischen Konsequenzen führen.
Therapie: Unter kreislaufstabilisierenden Maßnahmen wie Volumenadministration und Gabe inotroper Substanzen ist eine sofortige Rethorakotomie und Entlastung, entweder auf der Intensivstation oder im Operationssaal, durchzuführen.
Therapie: sofortige Rethorakotomie und Entlastung.
Infektionen
Infektionen
Patienten, die eine hohe Zahl von Bluttransfusionen erhalten haben oder die rethorakotomiert werden mussten, haben ein erhöhtes Risiko, in der postoperativen Periode eine Infektion zu bekommen.
Ein erhöhtes Risiko besteht bei einer hohen Zahl von Bluttransfusionen und Rethorakotomie.
Transfusionsreaktionen
Transfusionsreaktionen
Die Häufigkeit einer Transfusionsreaktion liegt bei 0,5 %. Die Ausprägung kann von leichtem Fieber bis zur anaphylaktischen Reaktion gehen (S. 76). Bei einer anaphylaktischen Reaktion sollte sofort gehandelt werden.
Die Häufigkeit einer Transfusionsreaktion liegt bei 0,5 %.
Herzrhythmusstörungen
Herzrhythmusstörungen
Postoperativ treten nach herzchirurgischen Eingriffen häufig Rhythmusstörungen auf. Vielfach werden intraoperativ epikardiale Schrittmacherelektroden platziert, die nach außen geleitet werden. Kommt es im postoperativen Verlauf zu Arrhythmien, kann ein Schrittmacheraggregat angeschlossen und das Herz darüber elektrisch stimuliert werden. Diese Rhythmusstörungen sind normalerweise vorübergehender Natur. Falls sie bestehen bleiben, muss eine dauerhafte medikamentöse Therapie oder ggf. die Implantation eines permanenten Schrittmachersystems erwogen werden.
Postoperativ treten nach herzchirurgischen Eingriffen häufig Rhythmusstörungen auf. Vielfach werden intraoperativ epikardiale Schrittmacherelektroden platziert, die nach außen geleitet werden. Bei Arrhythmien kann das Herz darüber elektrisch stimuliert werden.
5.2
Erworbene Herzklappenfehler
5.2
Erworbene Herzklappenfehler
Den angeborenen Fehlbildungen des Herzens stehen die wesentlich häufigeren erworbenen Herzklappenfehler gegenüber.
5.2.1 Vitien der Aortenklappe
5.2.1 Vitien der Aortenklappe
Aortenklappenstenose
Aortenklappenstenose
왘 Definition. Einengung der linksventrikulären Ausflussbahn im Bereich der
왗 Definition
Aortenklappe (valvuläre Stenose). Davon sind seltene supravalvuläre (oberhalb der Klappenebene) sowie subvalvuläre (unterhalb der Klappenebene) Stenosen abzugrenzen. Pathophysiologie: Die Aortenklappenstenose führt zu einer Druckbelastung des linken Ventrikels mit konzentrischer Hypertrophie. Die Erhöhung des enddiastolischen Druckes führt zu einem Rückstau in die Lungenvenen bis hin zum Lungenödem.
Pathophysiologie: Die Aortenklappenstenose führt zu einer Druckbelastung des linken Ventrikels mit konzentrischer Hypertrophie.
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B 5 Herzchirurgie
B-5.4
B-5.4
Aortenklappenstenose Degenerative Aortenklappenstenose (aortale Aufsicht).
Ätiologie: Degeneration (trikuspide Klappe), kalzifizierende Stenosen (bei kongenitalen Klappenanomalien) und rheumatisch (nach Endokarditis).
Ätiologie: Die degenerative Aortenklappenstenose (trikuspide Klappe) tritt besonders bei Patienten über 65 Jahren auf (Abb. B-5.4). Weiterhin kann eine kalzifizierende Stenose auf der Basis kongenitaler Klappenanomalien (bikuspid) oder ein rheumatisches Vitium (rückläufig) auf der Basis einer Endokarditis vorliegen.
Klinik: rasche Ermüdbarkeit und Schwindelanfälle, Angina pectoris bei unauffälliger Koronarmorphologie. Bei 30 – 50 % der Patienten sind Synkopen als Symptom vorhanden und bei 30 – 40 % der Patienten bestehen Symptome einer pulmonal-venösen Hypertension und Linksherzinsuffizienz.
Klinik: rasche Ermüdbarkeit und Schwindelanfälle, bei 50 – 70 % der Patienten besteht eine Angina pectoris bei unauffälliger Koronarmorphologie. Ursächlich ist ein Ungleichgewicht zwischen dem koronaren Blutfluss und dem Sauerstoffbedarf des hypertrophierten linken Ventrikels. Synkopen stellen bei 30 – 50 % der Patienten ein Symptom der Aortenklappenstenose dar, und bei 30 – 40 % der Patienten bestehen Symptome einer pulmonal-venösen Hypertension und Linksherzinsuffizienz (Dyspnoe, Orthopnoe, Lungenödem) durch Stauung im kleinen Kreislauf. Beim Auftreten von Symptomen besteht meist schon eine operationswürdige Stenose.
Diagnostik: ■ Blutdruck und Puls: niedriger Blutdruck mit kleiner Amplitude (Pulsus tardus et parvus). ■ Auskultation: raues, spindelförmiges systolisches Geräusch mit Punctum maximum im 2. ICR rechts und Fortleitung in die Karotiden. ■ EKG: Zeichen der linksventrikulären Hypertrophie. ■ Echokardiographie: verminderte Klappenbeweglichkeit mit verdickten oder verkalkten Segeln. ■ Herzkatheteruntersuchung: Messung des Druckgradienten zwischen linkem Ventrikel und Aorta ascendens, Berechnung der Klappenöffnungsfläche.
Diagnostik: ■ Blutdruck und Puls: niedriger Blutdruck mit kleiner Amplitude (Pulsus tardus et parvus). ■ Auskultation: raues, spindelförmiges systolisches Geräusch mit Punctum maximum im 2. ICR rechts und Fortleitung in die Karotiden, gespaltener 2. Herzton. ■ Röntgen-Thorax: Verkalkungen in Projektion auf die Aortenklappe, poststenotische Dilatation der Aorta ascendens, Vergrößerung des linken Ventrikels. ■ EKG: Zeichen der linksventrikulären Hypertrophie (Sokolow-Lyon-Index: S V1 + RV5 4 3,5 mV), Linkstyp, T-Negativierung (V4–6). ■ Echokardiographie: verminderte Klappenbeweglichkeit mit verdickten oder verkalkten Segeln, linksventrikuläre Hypertrophie, evtl. poststenotische Dilatation der Aorta ascendens, Bestimmung des transvalvulären Druckgradienten und der Klappenöffnungsfläche. ■ Herzkatheteruntersuchung: Messung des Druckgradienten zwischen linkem Ventrikel und Aorta ascendens, Berechnung der Klappenöffnungsfläche und der linksventrikulären Auswurffraktion, Nachweis einer begleitenden Aortenklappeninsuffizienz durch Kontrastmittelinjektion in die Aortenwurzel (bei Patienten über 40 Jahren gleichzeitige Koronarangiographie).
Schweregrade: Tab. B-5.3.
Schweregrade: Siehe Tab. B-5.3.
B-5.3
B-5.3
Schweregrade der Aortenklappenstenose
Schweregrad
systolischer Druckgradient (mmHg)
Klappenöffnungsfläche (cm2)
I II III IV
5 40 40 – 80 81 – 120 4 120
4 1,5 0,8 – 1,5 0,4 – 0,8 5 0,4
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B 5.2 Erworbene Herzklappenfehler
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Differenzialdiagnose: Klappensklerose ohne relevanten Gradienten und hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie.
Differenzialdiagnose: Klappensklerose, HOCM.
Operationsindikation: Beim Auftreten von Symptomen ist meist bereits eine operationswürdige Stenose vorhanden. Beim asymptomatischen Patienten besteht ab einem Druckgradienten über der Aortenklappe 4 50 mmHg (abhängig von der linksventrikulären Funktion) eine Operationsindikation. Das ergibt sich aus dem Vergleich der 5-Jahres-Überlebensrate bei symptomatischer Aortenstenose von operierten (75 %) und nichtoperierten Patienten (35 %). Die Operationsindikation ist beim Vorliegen einer schweren linksventrikulären Hypertrophie oder Linksherzinsuffizienz dringlich, bei primärer Bypassoperation und begleitender mäßiger Aortenklappenstenose (Gradient 4 25 mmHg) zu diskutieren. Ein hohes Lebensalter oder schwerwiegende Begleiterkrankungen (koronare Herzkrankheit, chronisch-obstruktive Lungenerkrankung) stellen im Regelfall keine Kontraindikationen dar, erhöhen jedoch das Operationsrisiko.
Operationsindikation: Treten Symptome auf, ist meist eine operationswürdige Stenose vorhanden. Beim asymptomatischen Patienten besteht sie ab einem Druckgradienten über der Aortenklappe 4 50 mmHg (abhängig von der linksventrikulären Funktion). Ein hohes Lebensalter oder schwerwiegende Begleiterkrankungen stellen im Regelfall keine Kontraindikationen dar, erhöhen jedoch das Operationsrisiko.
Therapie: allgemein medikamentös bei leichten Stenosen, bzw. NYHA I–II. Operativ wird die Aortenklappe durch eine biologische oder mechanische Prothese ersetzt, alternativ kann ein Homograft oder die patienteneigene (autologe) Pulmonalklappe (Ross-Operation) verwendet werden.
Therapie: medikamentös bei leichten Stenosen bzw. NYHA I–II. Operativ erfolgt der Ersatz der Aortenklappen durch eine biologische oder mechanische Prothese.
Prognose: Bei Patienten mit isoliertem Aortenklappenersatz beträgt die Krankenhausletalität 2 – 4 %, die 5-Jahres-Überlebensrate 75 % und die 10-JahresÜberlebensrate 60 %.
Prognose: Bei Patienten mit isoliertem Aortenklappenersatz beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate 75 %.
Aortenklappeninsuffizienz
Aortenklappeninsuffizienz
왘 Definition. Schlussunfähigkeit der Aortenklappe mit diastolischem Blutrück-
왗 Definition
fluss in den linken Ventrikel. Pathophysiologie: Durch Blutrückfluss erfolgt eine Volumenbelastung des linken Ventrikels, dadurch kommt es zur Erhöhung des enddiastolischen Druckes und Rückstau in die Lungenvenen bis hin zum Lungenödem. Bei der chronischen Insuffizienz entsteht eine exzentrische Hypertrophie des linken Ventrikels.
Pathophysiologie: Durch Blutrückfluss erfolgt eine Volumenbelastung des linken Ventrikels und Rückstau in die Lungenvenen bis hin zum Lungenödem.
Ätiologie: erworben auf der Basis einer rheumatischen oder endokarditischen Herzklappenentzündung. Klappen mit kongenitalen Abnormitäten weisen ein höheres Risiko für eine Endokarditis auf. Weitere Ursachen sind Trauma, im Rahmen einer Typ-A-Aortendissektion und Bindegewebeerkrankungen (z. B. Marfan-Syndrom) bzw. sekundär bei Dilatation der Aorta ascendens.
Ätiologie: erworben durch eine rheumatische oder endokarditische Herzklappenentzündung. Weitere Ursachen sind Trauma, eine Aortendissektion und Bindegewebeerkrankungen (z. B. Marfan-Syndrom) bzw. sekundär bei Dilatation der Aorta ascendens.
Klinik: Die Aortenklappeninsuffizienz bleibt erheblich länger als die Aortenklappenstenose asymptomatisch. Die führenden Symptome sind durch die pulmonal-venöse Hypertension bedingt (Dyspnoe, Orthopnoe, paroxysmale nächtliche Dyspnoe, Lungenödem). Bei weniger als 25 % der Patienten stellt die Angina pectoris das führende Symptom dar und bei etwa 20 % dieser Patienten findet sich eine begleitende koronare Herzkrankheit. Synkopen treten äußerst selten auf.
Klinik: Die führenden Symptome sind durch die pulmonal-venöse Hypertension bedingt (Dyspnoe, Orthopnoe, paroxysmale nächtliche Dyspnoe, Lungenödem).
Diagnostik: ■ Blutdruck und Puls: große Blutdruckamplitude (Pulsus celer et altus). ■ Auskultation: diastolisches Decrescendo-Geräusch mit Punctum maximum im 2. ICR rechts, gelegentlich mit diastolischen Austin-Flint-Geräusch (aufgrund der relativen Einflussbehinderung von Blut aus dem linken Vorhof in den linken Ventrikel). ■ Röntgen-Thorax: Dilatation der Aorta ascendens, Vergrößerung des linken Ventrikels, pulmonal-venöse Stauungszeichen. ■ EKG: Zeichen der linksventrikulären Hypertrophie. ■ Echokardiographie: semiquantitative Bestimmung des Regurgitationsvolumens, Beurteilung des endsystolischen linksventrikulären Durchmessers und der linksventrikulären Pumpfunktion.
Diagnostik: ■ Blutdruck und Puls: große Blutdruckamplitude (Pulsus celer et altus). ■ Auskultation: diastolisches DecrescendoGeräusch mit Punctum maximum im 2. ICR rechts. ■ Röntgen-Thorax: Vergrößerung des linken Ventrikels. ■ Echokardiographie: semiquantitative Bestimmung des Regurgitationsvolumens, Beurteilung des endsystolischen linksventrikulären Durchmessers.
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B 5 Herzchirurgie
B-5.4
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Herzkatheteruntersuchung: Kontrastmittelinjektion in die Aortenwurzel zur Quantifizierung der Klappeninsuffizienz und der Größenbestimmung von linkem Ventrikel und Aorta ascendens.
B-5.4
■
■
Schweregrade der Aortenklappeninsuffizienz
Schweregrad
Regurgitationsfraktion [%]
I II III IV
5 15 15 – 30 30 – 50 4 50
Herzkatheteruntersuchung: Kontrastmittelinjektion in die Aortenwurzel zur Quantifizierung der Klappeninsuffizienz und der Größenbestimmung von linkem Ventrikel und Aorta ascendens (bei Patienten über 40 Jahren gleichzeitige Koronarangiographie). CT-Thorax: bei Aortendurchmesser 4 4,5 cm.
Schweregrade: Tab. B-5.4.
Schweregrade: siehe Tab. B-5.4.
Operationsindikation: Bei hämodynamisch relevanter akuter Aortenklappeninsuffizienz oder akuter Typ-A-Dissektion besteht eine sofortige Operationsindikation. Da Symptome relativ spät auftreten, ist bei symptomatischen Patienten die Operationsindikation immer gegeben. Bei asymptomatischen Patienten besteht sie bei einer Regurgitationsfraktion von 4 45 %.
Operationsindikation: Bei hämodynamisch relevanter akuter Aortenklappeninsuffizienz (z. B. im Rahmen einer floriden Endokarditis) oder akuter Typ-A-Dissektion besteht eine sofortige OP-Indikation. Da bei der Aortenklappeninsuffizienz relativ spät Symptome auftreten und zu diesem Zeitpunkt bereits eine ausgeprägte Dilatation des linken Ventrikels besteht, ist bei symptomatischen Patienten die Operationsindikation immer gegeben. Da auch bei asymptomatischen Patienten die Dilatation des Ventrikels ab einem bestimmten Punkt nicht mehr vollständig reversibel ist, sollte hier die Operationsindikation spätestens bei einer Regurgitationsfraktion von 4 45 % und einer linksventrikulären Ejektionsfraktion 5 40 % gestellt werden.
Therapie:
Therapie: ■ Medikamentös: Herzinsuffizienztherapie im Frühstadium ■ Operativ: Aortenklappenersatzverfahren (S. 1010), alternativ je nach Genese sind bei intakten Segeln rekonstruktive Verfahren möglich (Aortenklappenrekonstruktion nach David oder Yacoub).
■
■
Medikamentös: Herzinsuffizienztherapie im Frühstadium Operativ: Aortenklappenersatzverfahren (S.1010), alternativ sind bei intakten Segeln rekonstruktive Verfahren möglich (Aortenklappenrekonstruktion nach David oder Yacoub).
Prognose: Bei einer rechtzeitigen Operation liegt die 10-Jahres-Überlebensrate bei ca. 60 %.
Prognose: Die mittlere Lebenserwartung ist abhängig von der Linksherzinsuffizienz. Bei einer rechtzeitigen Operation liegt die 10-Jahres-Überlebensrate bei ca. 60 %.
5.2.2 Vitien der Atrioventrikularklappen
5.2.2 Vitien der Atrioventrikularklappen
Mitralklappenstenose
Mitralklappenstenose
왘 Definition
왘 Definition. Einengung der Mitralklappenöffnungsfläche.
Pathophysiologie: Druckerhöhung vor der Stenose ? Dilatation des linken Vorhofes ? Rhythmusstörungen (Vorhofflimmern) mit möglicher Thrombenbildung und arterieller Emboliegefahr.
Pathophysiologie: Druckerhöhung vor der Stenose ? Dilatation des linken Vorhofes ? Rhythmusstörungen (Vorhofflimmern) mit möglicher Thrombenbildung und arterieller Emboliegefahr, Anstieg des Druckes im Lungenkreislauf mit pulmonaler Hypertonie und evtl. sekundärer Rechtsherzinsuffizienz.
Ätiologie: Hauptursache ist das rheumatische Fieber (abnehmend) oder eine abgelaufene Endokarditis.
Ätiologie: Hauptursache ist das rheumatische Fieber (abnehmend) oder eine abgelaufene Endokarditis, seltener assoziiert mit entzündlichen Systemerkrankungen, Amyloidose und Endokardfibrosen. Funktionell bei Prolaps durch Vorhofmyxom (S. 1020).
Klinik: Frühestes Symptom ist die Belastungsdyspnoe, Orthopnoe und paroxysmale nächtliche Dyspnoe. Ein Lungenödem tritt in 10 – 15 % der Fälle auf. Bei pulmonaler Hypertonie mit Rechtherzinsuffizienz können Ödeme und eine abdominelle Kongestion
Klinik: Frühestes Symptom ist die Belastungsdyspnoe, Orthopnoe und paroxysmale nächtliche Dyspnoe. Die Lungenstauung kann zum Hustenreiz mit bronchitischem Krankheitsbild führen. Ein Lungenödem tritt in 10 – 15 % der Fälle auf. Durch Ruptur kleiner endobronchialer Venen kann es zu Hämoptysen kommen. Bei pulmonaler Hypertonie mit Rechtherzinsuffizienz können Ödeme
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B 5.2 Erworbene Herzklappenfehler
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und eine abdominelle Kongestion (Aszites, Übelkeit) entstehen. Durch Vorhofdilatation kann es zum chronischen Vorhoffflimmern mit Ausbildung von arteriellen Embolien (in 27 – 32 % z. B. akuter Gefäßverschluss) kommen.
entstehen. Die Vorhofdilatation kann zum chronischen Vorhoffflimmern mit Ausbildung von arteriellen Embolien kommen.
Diagnostik: ■ Puls: ggf. absolute Arrhythmie. ■ Auskultation: lauter erster Herzton, diastolisches Decrescendo-Geräusch mit Punctum maximum apikal und 5. ICR links. ■ Röntgen-Thorax: dorsale Verdrängung des Ösophagus durch dilatierten linken Vorhof, Verkalkungen des Mitralklappenanulus, in 30 – 50 % Kerley-B-Linien in basalen Lungenfeldern als Zeichen eines interstitiellen Ödems und erweiterter Lymphbahnen. ■ EKG: Vorhoffflimmern, P-sinistroatriale mit zweizipfligem P besonders in Ableitung I. ■ Echokardiographie: Graduierung der Mitralklappenstenose, Dilatation des linken Vorhofes, Ermittlung der Klappenöffnungsfläche (MÖF), Berechnung des pulmonalen Druckes bei begleitender Trikuspidalklappeninsuffizienz möglich, ggf. transösophageale Echokardiographie (TEE) anstreben. ■ Herzkatheteruntersuchung: Bestimmung des diastolischen Druckgradienten zwischen linkem Vorhof und Kammer, Berechnung der MÖF. Koronarangiographie, Rechtherzkatheter zur Erfassung der pulmonalen Hypertonie (die Erhöhung des linksatrialen Druckes entspricht der Erhöhung des Pulmonalkapillardruckes).
Diagnostik: ■ Puls: ggf. absolute Arrhythmie ■ Auskultation: lauter erster Herzton, diastolisches Decrescendo-Geräusch mit Punctum maximum apikal und 5. ICR links ■ Röntgen-Thorax: dorsale Verdrängung des Ösophagus durch dilatierten linken Vorhof ■ EKG: Vorhoffflimmern ■ Echokardiographie: Graduierung der Mitralklappenstenose, Dilatation des linken Vorhofes, Ermittlung der Klappenöffnungsfläche (MÖF) ■ Herzkatheteruntersuchung: Bestimmung des diastolischen Druckgradienten zwischen linkem Vorhof und Kammer, Berechnung der MÖF. Rechtherzkatheter zur Erfassung der pulmonalen Hypertonie.
Schweregrade: siehe Tab. B-5.5.
Schweregrade: Tab. B-5.5.
B-5.5
Schweregrade der Mitralklappenstenose
Schweregrad
Druckgradient (mmHg)
Klappenöffnungsfläche (MÖF cm2)
I II III IV
gering 45 4 10 4 10
4 2,5 1,5 – 2,5 1,0 – 1,5 5 1,0
B-5.5
Differenzialdiagnose: Endokarditis, Tumor im linken Vorhof (z. B. Vorhofmyxom).
Differenzialdiagnose: Vorhofmyxom, Endokarditis, Tumor im linken Vorhof.
Operationsindikation: Diese besteht bei klinischen Beschwerden bei einem mittleren Gradienten über 6 mmHg oder MÖF unter 1,2 cm2, außerdem bei rezidivierender Dekompensation, Dyspnoe und NYHA-Stadium III. Aus chirurgischer Sicht wird eher eine frühe Operationsindikation bevorzugt.
Operationsindikation: Symptome bei mittlerem Gradienten 4 6 mmHg oder MÖF 5 1,2 cm2, rezidivierende Dekompensation, Dyspnoe, NYHA-Stadium III.
Therapie: ■ Medikamentös: Behandlung der Herzinsuffizienz, Antikoagulation. ■ Operativ: Bei Mitralklappenstenose mit geringer Verkalkung evtl. offene Mitralklappenkommissurotomie oder Ballonvalvuloplastie (selten). Ansonsten erfolgt bei starker Verkalkung ein Klappenersatz durch biologische oder mechanische Prothese (S. 1010).
Therapie: ■ Medikamentös: Behandlung der Herzinsuffizienz, Antikoagulation. ■ Operativ: Bei starker Verkalkung Klappenersatz durch biologische oder mechanische Prothese (S.1010).
Prognose: Das perioperative Risiko ist erhöht bei pulmonaler Hypertonie, schlechter Ventrikelfunktion und deutlich eingeschränkter Lungenfunktion. Die mittlere 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei mittelgradiger Stenose bei ca. 60 %, bei hochgradiger Stenose bei 10 % und nach zeitigem Klappenersatz bei 80 %.
Prognose: Erhöhtes perioperatives Risiko bei pulmonaler Hypertonie, schlechter Ventrikelfunktion und deutlich eingeschränkter Lungenfunktion. Die mittlere 5-Jahres-Überlebensrate beträgt beim zeitigen Klappenersatz 80 %.
Mitralklappeninsuffizienz
Mitralklappeninsuffizienz
왘 Definition. Schlussunfähigkeit der Mitralklappe.
Pathophysiologie: Durch das chronische Pendelblut im linken Herzen kommt es zur Volumenhypertrophie des linken Ventrikels und Vorhofes mit einer Erhöhung des enddiastolischen Volumens. Die Folgen für den Lungenkreislauf
왗 Definition Pathophysiologie: Das chronische Pendelblut bewirkt eine Volumenhypertrophie des linken Ventrikels und Vorhofes mit Erhöhung
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B 5 Herzchirurgie
des enddiastolischen Volumens. Die akute Mitralklappeninsuffizienz führt zur akuten Ventrikeldilatation mit Lungenödem und pulmonaler Hypertension.
und das rechte Herz gleichen denen der Mitralklappenstenose. Die akute Mitralklappeninsuffizienz hat eine akute Ventrikeldilatation mit Lungenödem und pulmonaler Hypertension zur Folge.
Ätiologie: In ca. 60 % liegt ein Mitralklappenprolaps vor. Die KHK kann akut oder chronisch eine Mitralklappeninsuffizienz verursachen. Bakterielle Endokarditiden haben einen Anteil von 5 – 10 %.
Ätiologie: In ca. 60 % liegt ursächlich ein Mitralklappenprolaps vor. Die KHK kann akut durch Papillarmuskelruptur oder chronisch durch ischämische Wanddilatation des linken Ventrikels eine Mitralklappeninsuffizienz verursachen. Bakterielle Endokarditiden haben einen Anteil von 5 – 10 %. Seltener entwickelt sich eine Mitralklappeninsuffizienz auf der Basis einer chronisch rheumatischen Erkrankung.
Klinik: Die Patienten sind lange beschwerdefrei. Symptome treten erst bei Dekompensation der linken Kammer auf. Schwäche, vermehrte Erschöpfbarkeit und Symptome der Rechtsherzinsuffizienz stehen im Vordergrund.
Klinik: Die Patienten sind lange beschwerdefrei, Symptome treten erst bei Dekompensation der linken Kammer auf. Schwäche und vermehrte Erschöpfbarkeit sind Zeichen eines reduzierten Herzzeitvolumens. Daneben stehen Symptome der Rechtsherzinsuffizienz im Vordergrund (druckschmerzhafte Leber mit ggf. Leberfunktionsstörung, Pleuraerguss und Ödeme, ggf. Proteinurie, diffuse abdominelle Beschwerden).
Diagnostik: ■ Puls: ggf. absolute Arrhythmie. ■ Auskultation: holosystolisches Bandgeräusch mit „gießendem Charakter“ mit Punctum maximum an der Herzspitze und Fortleitung in die Axilla. ■ Röntgen-Thorax: Vergrößerung des linken Vorhofes. ■ EKG: evtl. absolute Arrhythmie. ■ Echokardiographie: Quantifizierung der Insuffizienz, Morphologie der Klappe. ■ Herzkatheteruntersuchung: angiographisch Kontrastmittelrückfluss zur Abschätzung des Regurgitationsvolumens. Rechtherzkatheter: Erfassung der pulmonalen Hypertonie.
Diagnostik: ■ Puls: ggf. absolute Arrhythmie. ■ Auskultation: leiser erster Herzton, holosystolisches Bandgeräusch mit „gießendem Charakter“ mit Punctum maximum an der Herzspitze und Fortleitung in die Axilla, vielfach Spaltung des 2. Herztones. ■ Röntgen-Thorax: Vergrößerung des linken Vorhofes mit verstrichener Herztaille, Einengung des Retrokardialraumes. ■ EKG: evtl. absolute Arrhythmie, bei Sinusrhythmus P-sinistroatriale s.o. ■ Echokardiographie: Quantifizierung der Insuffizienz (erfahrungsabhängig), wichtig für operative Planung ist die Morphologie der Klappe, daher ggf. transösophageales Echo zur Abschätzung einer möglichen Rekonstruierbarkeit. ■ Herzkatheteruntersuchung: Angiographisch erlaubt der Kontrastmittelrückfluss aus dem linken Ventrikel in den Vorhof eine Abschätzung des Regurgitationsvolumens. Rechtherzkatheter: Erfassung der pulmonalen Hypertonie.
Schweregrade: Tab. B-5.6.
Schweregrade: Tab. B-5.6.
B-5.6
B-5.6
Schweregrade der Mitralklappeninsuffizienz
Schweregrad
Regurgitationsfraktion in % des Schlagvolumens
I II III IV
5 15 15 – 30 30 – 50 4 50
Operationsindikation: von der linksventrikulären Funktion abhängig, evtl. schon ab NYHA II (bessere Langzeitprognose bei gut erhaltener linksventrikulärer Funktion).
Operationsindikation: Sie ist im Wesentlichen von der linksventrikulären Funktion abhängig und unter Umständen schon ab NYHA II gegeben, da bei gut erhaltener linksventrikulärer Funktion die Langzeitprognose besser ist. Die Regurgitation täuscht eine bessere Ventrikelfunktion vor.
Therapie: ■ Medikamentös: Behandlung der Herzinsuffizienz. ■ Operativ: Rekonstruktion der Klappe (Abb. B-5.5). Bei Endokarditis, begleitender Verkalkung oder ausgeprägtem Prolaps des anterioren Segels ist ein Klappenersatz erforderlich.
Therapie: ■ Medikamentös: Herzinsuffizienztherapie bei NYHA I und II. ■ Operativ: Anzustreben ist die Rekonstruktion der Klappe, insbesondere bei isoliertem Prolaps des posterioren Mitralklappensegels oder isolierter Ringdilatation (Abb. B-5.5). Der Ersatz der Klappen durch biologische oder mechanische Prothese (S. 1010) ist bei Endokarditis, begleitender Verkalkung oder ausgeprägtem Prolaps auch des anterioren Segels erforderlich.
Prognose: Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt ohne Operation bei 25 – 40 %, mit bei 60 – 80 %.
Prognose: Bei mittelschwerer oder schwerer Mitralklappeninsuffizienz liegt die 5-Jahres-Überlebensrate ohne Operation bei 25 – 40 %, mit bei 60 – 80 %.
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B 5.2 Erworbene Herzklappenfehler
B-5.5
Mitralklappenrekonstruktion als Schema und als intraoperative Aufsicht
a Klappenrekonstruktion durch quadranguläre Resektion des posterioren Segels und Raffung des Klappenanulus durch anschließende Implantation eines (Carpentier-)Ringes.
1009 B-5.5
b Intraoperativer Situs nach Gabe von Kochsalz in den linken Ventrikel. Die rekonstruierte Klappe weist keine Insuffizienz mehr auf.
Trikuspidalklappeninsuffizienz/-stenose 왘 Definition. Schlussunfähigkeit der Trikuspidalklappe.
Trikuspidalklappeninsuffizienz/-stenose 왗 Definition
Erworbene Klappenerkrankungen des rechten Herzens sind insgesamt selten. Die Trikuspidalklappeninsuffizienz kommt dabei wesentlich häufiger vor, meist als Folge einer Rechtsherzbelastung durch primär pulmonale oder im Rahmen einer Linksherzinsuffizienz sekundär pulmonale Erkrankungen. Häufig handelt es sich um eine funktionelle Dilatation des Klappenringes. Die Trikuspidalklappenstenose wird hier nicht explizit behandelt.
Erworbene Klappenerkrankungen des rechten Herzens sind selten.
Pathophysiologie: Aufgrund der Volumenbelastung des rechten Herzens kommt es bei der Insuffizienz zur Dilatation des rechten Herzens und Stauung im venösen System mit Ausbildung von Ödemen, Aszites und Organkongestion (Leber, Niere).
Pathophysiologie: Durch Volumenbelastung des rechten Herzens kommt es bei der Insuffizienz zur Dilatation des rechten Herzens und Stauung im venösen System.
Ätiologie: Häufigste Ursache ist eine Dilatation des Klappenringes sowie des rechten Ventrikels (z. B. sekundär bei einer Mitralklappeninsuffizienz). Weitere Ursachen sind bakterielle Endokarditiden, Bindegewebeerkrankungen, EbsteinAnomalie und Schrittmachersonden.
Ätiologie: Häufigste Ursache ist eine Dilatation des Klappenringes sowie des rechten Ventrikels; außerdem bakterielle Endokarditiden, Bindegewebeerkrankungen, EbsteinAnomalie und Schrittmachersonden.
Klinik: Die Symptome entsprechen der Grunderkrankung und den Symptomen der Rechtsherzinsuffizienz (s.o.).
Klinik: entsprechend der Grunderkrankung und Rechtsherzinsuffizienz (s.o.).
Diagnostik: ■ Auskultation: hauchendes Systolikum, das in Inspiration lauter, in Exspiration leiser wird. ■ Röntgen-Thorax: Vergrößerung des rechten Vorhofes und Ventrikels mit Verbreiterung der Silhouette. ■ EKG: häufig überlagert durch Zeichen anderer kardialer Erkrankungen, häufig Vorhofflimmern. ■ Echokardiographie: Dilatation des rechten Herzens, paradoxe Septumbewegung, dopplersonographisch ist ein Insuffizienzjet nachweisbar mit Abschätzung des pulmonalarteriellen Druckes. ■ Rechtsherzkatheter: Nachweis einer V-Welle im rechten Vorhof (entspricht der Kontraktion des rechten Ventrikels, die sich durch Insuffizienz in den Vorhof fortsetzt).
Diagnostik: ■ Auskultation: hauchendes Systolikum. ■ Röntgen-Thorax: Vergrößerung des rechten Vorhofes und Ventrikels. ■ EKG: Zeichen anderer Herzerkrankungen. ■ Echokardiographie: Dilatation des rechten Herzens, dopplersonographisch Insuffizienzjet nachweisbar. ■ Rechtsherzkatheter: Nachweis einer V-Welle im rechten Vorhof.
Operationsindikation: Die isolierte Trikuspidalklappeninsuffizienz wird vielfach gut toleriert und erfordert nur selten eine operative Therapie. Beim Vorhandensein anderer operationspflichtiger Vitien ist die Indikation zur Mitkorrektur großzügig zu stellen. Bei Endokarditis mit echokardiographischem Nachweis
Operationsindikation: Die isolierte Trikuspidalklappeninsuffizienz erfordert nur selten eine operative Therapie. Sind andere operationspflichtige Vitien vorhanden, ist die Indikation zur Mitkorrektur großzügig zu stellen.
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1010
B 5 Herzchirurgie
flottierender Vegetationen sollte nach erfolgloser antibiotischer Therapie eine Operation diskutiert werden. Therapie: medikamentöse Behandlung der Herzinsuffizienz und operative Rekonstruktion der Klappe (z. B. De-Vega-Plastik).
Therapie: ■ Allgemein medikamentös: Behandlung der Herzinsuffizienz und ggf. der Grunderkrankung. ■ Operativ: wenn möglich Rekonstruktion der Klappe, z. B. durch Raffung der Klappe und Implantation eines Rings (De-Vega-Plastik). Ein Klappenersatz sollte vermieden werden.
5.2.3 Herzklappenoperation
5.2.3 Herzklappenoperation
Klappenerhaltende Operationsverfahren
Klappenerhaltende Operationsverfahren
Kommissurotomie (selten durchgeführt): Unter Sicht erfolgt eine Trennung der verschmolzenen Kommissuren.
Kommissurotomie: Unter Sicht erfolgt eine Trennung der verschmolzenen Kommissuren, sodass die Klappensegel anschließend wieder frei beweglich sind. Dieses Verfahren findet nur in ausgesuchten Fällen Anwendung, z. B. in der Kinderherzchirurgie oder bei Fehlen von Verkalkungen.
Plastische Rekonstruktionen: Bei Klappeninsuffizienzen sind bei geeigneter Anatomie rekonstruktive Verfahren möglich.
Plastische Rekonstruktionen: Bei Klappeninsuffizienzen sind bei geeigneter Anatomie rekonstruktive Verfahren möglich. Das Ziel ist die Wiederherstellung der ursprünglichen Geometrie der Klappe. Bei gutem Rekonstruktionsergebnis ist dieses Verfahren für den Patienten prognostisch günstiger als ein Klappenersatz.
Rekonstruktion der Aortenklappe: Bei morphologisch unauffälliger Klappe und pathologischer Aortenwurzelanatomie kann die native Aortenklappe vielfach resuspendiert werden (Technik nach David oder Yacoub).
Rekonstruktion der Aortenklappe: Bei morphologisch unauffälliger Klappe und pathologischer Aortenwurzelanatomie, z. B. Dilatation des Aortenanulus durch ein Aneurysma oder Abriss durch akute Dissektion, kann die native Aortenklappe vielfach resuspendiert werden (Technik nach David oder Yacoub). Gelegentlich ist auch die Rekonstruktion von einzelnen Aortenklappentaschen möglich.
Rekonstruktion der Mitralklappe: Rekonstruktive Verfahren finden bei der Mitralklappeninsuffizienz Anwendung (Abb. B-5.5).
Rekonstruktion der Mitralklappe: Rekonstruktive Verfahren finden bei der Mitralklappeninsuffizienz, insbesondere bei isoliertem Prolaps des posterioren Segels oder Anulusdilatation Anwendung. Hierbei werden rekonstruktive Verfahren mit der Implantation eines Kunststoffringes zur Unterstützung des Mitralklappenanulus kombiniert (Abb. B-5.5).
Herzklappenersatz
Herzklappenersatz
Indiziert, wenn keine klappenerhaltenden Maßnahmen möglich sind.
Können klappenerhaltende Maßnahmen nicht durchgeführt werden, so ist der operative Ersatz indiziert. Hierfür stehen grundsätzlich folgende Klappentypen zur Verfügung:
Klappenersatz durch mechanische Prothese: Bevorzugt werden Zweiflügelklappenoder Kippscheibenprothesen verwendet. Die überwiegend aus Karbon gefertigten Klappen (Abb. B-5.6) sind nahezu unbegrenzt haltbar. Nachteilig ist die Thrombogenität, die eine lebenslange Antikoagulanzientherapie mit Kumarinen erfordert. Die Wahl des Klappentyps erfolgt in Abhängigkeit des Patientenalters (5 65 Jahre), der Begleitmorbidität und nach Patientenwunsch.
Klappenersatz durch mechanische Prothese: Bevorzugt werden Zweiflügelklappen- oder Kippscheibenprothesen verwendet. Der Vorteil der überwiegend aus Karbon gefertigten Klappen (Abb. B-5.6) liegt in der nahezu unbegrenzten Haltbarkeit. Nachteilig ist die Thrombogenität, die eine lebenslange Antikoagulanzientherapie mit Kumarinen erforderlich macht. Die Überwachung der Dosierung erfolgt mittels Quick-Wert, besser jedoch nach der „International Normalized Ratio“ (INR) als lokal durchgeführter Quick im Verhältnis zum internationalen Standard. Je nach Klappentyp und -lokalisation sollten die Werte
B-5.6
B-5.6
Klappentypen a Gestentete Bioprothese (glutaraldehydfixierte, auf ein Gerüst aufgezogene Schweineklappe) (Edwards) b Kunstklappenprothese mit Zweiflügelprinzip (SJM) c Homograft (menschlicher antibiotikakonservierter Aortenklappenbulbus).
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B 5.2 Erworbene Herzklappenfehler
1011
zwischen 2,5 (niedrig) und 4,5 (hoch) liegen. Empfohlen wird die Schulung des Patienten mit Geräten zur Selbstbestimmung der Werte. Die Wahl des Klappentyps erfolgt in Abhängigkeit des Patientenalters (5 60 Jahre), der Begleitmorbidität (Kontraindikationen gegen eine orale Antikoagulation, z. B. Patientinnen mit Kinderwunsch, Magenulzera, Blutungsneigung, mangelnde Compliance) und nach Patientenwunsch. Klappenersatz durch biologische Prothese: Diese Herzklappenprothesen werden aus biologischen Materialien (z. B. Rinder-/Schweineperikard oder native Schweineklappen) industriell hergestellt. Breite Verwendung finden glutaraldehydfixierte Klappen, die auf ein Gerüst (sog. Stent) aufgenäht werden, an das zur Implantation ein Nahtring befestigt ist. Daneben gibt es gerüstfreie Prothesen (sog. Stentless valves). Die Vorteile der Bioprothesen bestehen in ihren physiologischen Strömungseigenschaften und der fehlenden langfristigen Notwendigkeit zur Antikoagulation (bis zu 3 Monaten postoperativ, bzw. in Abhängigkeit vom Rhythmus). Der Nachteil liegt in der begrenzten Haltbarkeit dieser Prothesen, die nach 10 – 15 Jahren je nach Implantationsort und -alter des Patienten degenerieren können.
Klappenersatz durch biologische Prothese: Diese Herzklappenprothesen werden aus biologischen Materialien (z. B. Rinder-/ Schweineperikard) industriell hergestellt. Vorteile der Bioprothesen sind ihre physiologischen Strömungseigenschaften und die fehlende Notwendigkeit zur Antikoagulation. Nachteilig ist die begrenzte Haltbarkeit.
Klappenersatz durch Homograft (Allograft): Beim Homograft handelt es sich um die menschliche Herzklappe eines Verstorbenen. Der Homograft stellt eine Alternative zur Bioprothese dar. Die bei der Bioprothese stattfindende Degeneration scheint hier langsamer zu verlaufen, die Operation ist jedoch erheblich aufwendiger. Die Verfügbarkeit ist zudem eingeschränkt. Eine dauerhafte Antikoagulation ist nicht notwendig.
Klappenersatz durch Homograft (Allograft): Beim Homograft handelt es sich um die menschliche Herzklappe eines Verstorbenen. Eine dauerhafte Antikoagulation ist nicht notwendig.
Ross-Operation: Die Ross-Operation findet bei Aortenklappenfehlern Anwendung. Der Aortenklappenersatz erfolgt durch die eigene Pulmonalklappe des Patienten (Autograft). Die Pulmonalklappe wird durch einen Homograft (Allograft) ersetzt. Die Degeneration des Autografts und des Allografts in Pulmonalposition scheint im Vergleich zum Homograftersatz der Aortenklappe geringer zu sein. Somit stellt dieses Operationsverfahren eine Alternative für ausgewählte, eher jüngere Patienten/Kinder dar. Die Operationsdauer ist erheblich verlängert.
Ross-Operation: Der Aortenklappenersatz erfolgt durch die eigene Pulmonalklappe des Patienten (Autograft). Die Pulmonalklappe wird durch einen Homograft (Allograft) ersetzt. Dieses Operationsverfahren ist eine Alternative für ausgewählte, eher jüngere Patienten/Kinder.
Komplikationen nach Herzklappenersatz
Komplikationen nach Herzklappenersatz
Klappendysfunktionen können begründet sein in einem partiellen Klappenausriss, der zu einem paravalvulären Leck mit Hämolyse und je nach Größe zu Herzinsuffizienz führen kann. Degenerative Prozesse können bei biologischen Prothesen im Langzeitverlauf eine Reoperation erforderlich machen. Das Auftreten einer Prothesenendokarditis ist eine seltene Komplikation, die etwa 1 – 5 % der Patienten in den ersten 5 Jahren nach Klappenersatz betrifft. Aufgrund der hohen Letalität (70 %) ist diese Komplikation sehr schwerwiegend. Das Auftreten eines kompletten AV-Blocks ist meist Folge einer intraoperativen Verletzung des His-Bündels. Der komplette AV-Block ist eine sehr seltene Komplikation und wird durch die Implantation eines permanenten, transvenösen Schrittmachersystems therapiert. Während früher schwerwiegende neurologische Komplikationen perioperativ häufig auftraten, liegt die Inzidenz heute bei unter 1 %. Diese Komplikationen sind meist durch Kalk- und Luftembolien in das Gehirn bedingt. Bei mechanischen Klappenprothesen besteht trotz Antikoagulation ein Risiko der Klappenthrombosierung mit nachfolgender Embolie. Das Risiko wird für mechanische Klappenprothesen mit 2/100 Patientenjahre angegeben. Bei biologischen Prothesen liegt das Risiko mit 1/100 Patientenjahre deutlich geringer. Bei Allografts sind Thrombosierungen eine Rarität. Das Risiko einer antikoagulationsbedingten schwerwiegenden Blutungskomplikation liegt bei 3/100 Patientenjahre. Bei der bakteriellen Endokarditis kommt es zur direkten bakteriellen Besiedelung der Herzklappe. Typische Erreger sind Staphylococcus aureus und β-hämolysierende Streptokokken. Bevorzugt befallen werden bereits durch rheumatisches Fieber vorgeschädigte oder kongenital fehlgebildete Klappen.
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Klappendysfunktionen degenerative Prozesse, die bei biologischen Prothesen eine Reoperation erforderlich machen können Prothesenendokarditis kompletter AV-Block neurologische Komplikationen (heute unter 1 %) bei mechanischen Klappenprothesen besteht das Risiko der Klappenthrombosierung (2/100 Patientenjahre) das Risiko einer antikoagulationsbedingten schwerwiegenden Blutungskomplikation liegt bei 3/100 Patientenjahre.
Bei der bakteriellen Endokarditis kommt es zur direkten bakteriellen Besiedelung der Herzklappe. Typische Erreger sind Staphylococcus aureus und β-hämolysierende Strep-
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1012
B 5 Herzchirurgie
tokokken. Bevorzugt befallen werden bereits durch rheumatisches Fieber vorgeschädigte oder kongenital fehlgebildete Klappen.
Begünstigende Faktoren sind Drogenkonsum, Alkoholabusus, reduzierte Immunkompetenz und operative Eingriffe mit dem Risiko der Einschwemmung von Bakterien in die Blutbahn.
왘 Merke
5.3
왘 Merke. 80 % der bakteriellen Endokarditiden können antibiotisch erfolgreich behandelt werden. 20 % bedürfen aufgrund akuter kardialer Dekompensation infolge des akuten Funktionsverlustes der Klappe der operativen Behandlung.
Koronare Herzkrankheit (KHK)
5.3.1 Krankheitsbild der KHK
왘 Definition
5.3
Koronare Herzkrankheit (KHK)
5.3.1 Krankheitsbild der KHK 왘 Definition. Die KHK ist die Manifestation der Arteriosklerose an den Herz-
kranzarterien. Bedingt durch die flusslimitierenden Koronarstenosen kommt es zu einem Missverhältnis von Sauerstoffangebot und -bedarf. Schweregrad und Dauer der Ischämie bestimmen die Manifestation in Form von stabiler oder instabiler Angina pectoris, stummer Myokardischämie, Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen und akutem Myokardinfarkt. Anatomie: Die beiden Koronararterien entspringen aus dem linken und rechten Sinus Valsalvae der Aorta ascendens (Abb. B-5.7 a). Man unterscheidet 3 Hauptstromgebiete: ■ Ramus interventricularis anterior (RIVA= LAD: Left anterior descending). ■ Rechte Koronararterie (RCA). ■ Ramus circumflexus (RCX), der nur in seinen Marginalästen für den Chirurgen erreichbar ist. 왘 Merke
Anatomie: Die beiden Koronararterien entspringen aus dem linken und rechten Sinus Valsalvae der Aorta ascendens und können je nach Ausprägungstyp unterschiedlich groß sein (Abb. B-5.7 a). Man unterscheidet 3 Hauptstromgebiete: Ramus interventricularis anterior (RIVA = LAD: Left anterior descending) und seine Diagonaläste, die rechte Koronararterie (RCA) evtl. mit rechtsseitigen Posterolateralästen und abgehendem Ramus interventricularis posterior und den Ramus circumflexus (RCX), dieser liegt im Seitenwandbereich des linken Ventrikels und ist nur in seinen Marginalästen für den Chirurgen erreichbar.
왘 Merke. Von Hauptstammstenosen spricht man, wenn die kurze Strecke der
linken Koronararterie vor Aufteilung in RIVA und RCX eingeengt ist. Hauptstammstenosen sind prognostisch besonders ungünstig.
B-5.7
Herzkranzgefäße
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B 5.3 Koronare Herzkrankheit (KHK)
1013
Nach dem Versorgungstyp des posterioren Septums durch einen Ramus interventricularis posterior aus der RCA oder RCX werden ein Linkstyp, ein Rechtstyp (am häufigsten) und ein Indifferenztyp unterschieden. Je nachdem, welche Stromgebiete (RIVA, RCX, RCA) betroffen sind, spricht man von einer Hauptstammstenose, 1-, 2- oder 3-Gefäßerkrankung (Abb. B-5.7 b).
Nach dem Versorgungstyp des posterioren Septums werden ein Linkstyp, ein Rechtstyp und ein Indifferenztyp unterschieden.
Pathophysiologie: Stenosen werden in Ruhe ab einem Stenosegrad von 80 % symptomatisch. Bei Belastung können bereits Stenosen von 60 % zu klinisch symptomatischen Beschwerden durch Minderperfusion des Herzmuskels führen. Ursache eines Infarktes ist in der Regel der Verschluss eines stenosierten Gefäßes durch Thromben, die sich auf ulzerierte Plaques aufpfropfen. Begünstigende Faktoren für die Arteriosklerose sind neben einer erblichen Disposition Fettstoffwechselstörungen, Nikotinabusus, Diabetes mellitus und arterieller Hypertonus. Als weitere Risikofaktoren, deren Korrektur die Prognose wahrscheinlich günstig beeinflusst, gelten körperliche Inaktivität, niedriges HDLCholesterin, erhöhte Triglyzeride, Übergewicht, Menopause, Stress und psychosoziale Faktoren. Als weitere mögliche Risikofaktoren werden zurzeit noch Lipoprotein (a), Homozystein, oxidativer Stress und erhöhte Entzündungsparameter wie CRP oder Fibrinogen, chronische Chlamydien bzw. Helicobacterpylori-Infektionen diskutiert.
Pathophysiologie: Stenosen werden in Ruhe ab einem Stenosegrad von 80 % symptomatisch. Bei Belastung können bereits Stenosen von 60 % zu klinisch symptomatischen Beschwerden führen. Begünstigende Faktoren dafür sind neben einer erblichen Disposition, Fettstoffwechselstörungen, Nikotinabusus, Diabetes mellitus und arterieller Hypertonus. Risikofaktoren sind außerdem körperliche Inaktivität, niedriges HDL-Cholesterin, erhöhte Triglyzeride, Übergewicht, Menopause, Stress und psychosoziale Faktoren.
Epidemiologie: In der Todesursachenstatistik der Bundesrepublik Deutschland stehen die Herz-Kreislauf-Erkrankungen an erster Stelle. In Deutschland werden zurzeit etwa 67 000 Koronarrevaskularisationen/Jahr durchgeführt, hiervon ca. 94 % mit Herz-Lungen-Maschine (HLM) und 6 % ohne Einsatz der HLM in minimalinvasiver Operationstechnik (s. OPCAB, MIDCAB S. 1016).
Epidemiologie: In der Todesursachenstatistik stehen in Deutschland die Herz-Kreislauf-Erkrankungen an erster Stelle.
Klinik: Die stabile Angina pectoris manifestiert sich in reproduzierbaren, anfallsartigen thorakalen, meist retrosternalen Schmerzen, Enge oder Druckgefühl, teilweise verbunden mit Luftnot oder Angst. Die Schmerzen können ausstrahlen in Arme, Hals, Unterkiefer, Rücken oder Oberbauch und werden durch körperliche oder psychische Belastungen, sowie Kälte ausgelöst. Die Schmerzen dauern in der Regel wenige Minuten an und bessern sich durch Nitroglyzeringabe. Die Stadien werden nach der Klassifizierung der Canadian Cardiovascular Society (CCS) unterteilt (Tab. B-5.7). Bei der instabilen Angina pectoris treten die Beschwerden mit zunehmender Dauer und Intensität in Ruhe oder bei geringer Belastung auf. Im Anfall können ST-Streckenveränderungen im EKG auftreten. Troponin T und C sind typische Nachweismarker. Episoden von stummer Myokardischämie kommen ohne Symptome häufig bei langjährigen Diabetikern oder älteren Patienten, aber auch im Wechsel mit Phasen stabiler symptomatischer Angina vor. Weitere typische Symptome der Myokardischämie sind Symptome der Herzinsuffizienz und des Myokardinfarkts.
Klinik: Bei der stabilen Angina pectoris treten anfallsartige thorakale Schmerzen, Enge oder Druckgefühl auf. Die Schmerzen, die nur wenige Minuten dauern und sich durch Nitroglyzeringabe bessern, können in Arme, Hals, Unterkiefer, Rücken oder Oberbauch ausstrahlen. Auslöser sind körperliche oder psychische Belastungen, Kälte. Die Stadieneinteilung erfolgt nach der Klassifizierung der Canadian Cardiovascular Society (CCS) (Tab. B-5.7). Bei der instabilen Angina pectoris treten die Beschwerden in Ruhe oder bei geringer Belastung auf und dauern länger.
B-5.7
CCS-Einteilung (Canadian Cardiovascular Society)
Stadium
Symptome
0
stumme Ischämie
1
Angina pectoris (AP) nur bei schwerer körperlicher Belastung
2
geringe Beeinträchtigung durch AP bei normaler körperlicher Belastung (z. B. Treppensteigen)
3
erhebliche Belastungseinschränkung durch AP bei normaler körperlicher Belastung
4
AP auch bei geringer körperlicher Belastung oder in Ruhe
Nach dem betroffenen Stromgebiet wird in Hauptstammstenose, 1-, 2- oder 3-Gefäßerkrankung unterteilt (Abb. B-5.7 b).
B-5.7
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1014
B 5 Herzchirurgie
Diagnostik: ■ Anamnese. ■ Labor (Troponin T oder Troponin C, CK, CKMB). ■ EKG (Belastungs-EKG bei klinischem Verdacht und negativem Ruhe-EKG). ■ Echokardiographie. ■ Ergänzende Untersuchungen bei bestimmten Fragestellungen: – Nuklearmedizinische Verfahren (Myokardszintigraphie, Radionuklidventrikulographie, PET) – Koronarangiographie.
Diagnostik: ■ Anamnese: Diese konzentriert sich auf Risikofaktoren, auslösende Ursachen und Schmerzcharakteristik. ■ Labor: Troponin T oder Troponin C, CK, CKMB. ■ Ruhe-EKG: evtl. unauffällig. ■ Belastungs-EKG: bei klinischem Verdacht und negativem Ruhe-EKG. ■ Echokardiographie: zum Ausschluss und zur Erfassung kardialer Ursachen von Thoraxschmerzen, Erfassung begleitender Herzklappenfehler, Verifizierung von Bewegungsstörungen des Herzmuskels. Stressechokardiographie zur Bestimmung der Vitalität eines Wandabschnittes, analog nuklearszintigraphische Verfahren. ■ Ergänzende Untersuchungen: – Nuklearmedizinische Verfahren: Myokardszintigraphie, Radionuklidventrikulographie, Positronenemissionstomographie (PET) sind bei bestimmten Fragestellungen indiziert. – Koronarangiographie: Diese erlaubt neben der linksventrikulären Angiographie mit der Beurteilung der regionalen und globalen linksventrikulären Funktion die selektive Darstellung der Koronararterien und von aortokoronaren Bypässen (obligat vor jeder Bypassoperation).
Therapie: Reduktion der Risikofaktoren. Medikamentöse Therapie je nach Begleiterkrankung und Indikation (z. B. Nitrate, Betablocker, Kalziumantagonisten, Thrombozytenaggregationshemmer). Bei nicht ausreichender medikamentöser Behandlung kann invasiv eine perkutane Koronarintervention (PCI) indiziert sein. Über den Führungsdraht wird ein Ballonkatheter in dem verengten Gefäß platziert und im Regelfall zusätzlich eine Stentimplantation durchgeführt. Eine Nachbehandlung mit Thrombozytenaggregationshemmern muss in jedem Fall erfolgen. Die Indikation zur operativen Koronarrevaskularisation ergibt sich aus koronarangiographisch gesicherten Koronarstenosen 4 70 %, die nicht durch interventionelle Maßnahmen behandelt werden können sowie bei einer Hauptstammstenose 4 50 %. Weitere Indikationen ergeben sich aus Restenosen nach PCI.
Therapie: ■ Allgemeine Maßnahmen: Reduktion der Risikofaktoren und beeinflussbarer Begleiterkrankungen. ■ Medikamentöse Therapie: Nitrate, Betablocker, Kalziumantagonisten, ACEHemmer, Molsedomin, Thrombozytenaggregationshemmer je nach Begleiterkrankung und Indikation (s. Lehrbücher der Inneren Medizin). ■ Invasiv: perkutane Koronarinterventionen (PCI): Ist unter medikamentöser Therapie der koronaren Herzkrankheit kein ausreichendes Behandlungsergebnis zu erzielen, besteht ggf. die Indikation zur perkutanen transluminalen Koronarangiointervention. Dies gilt insbesondere für 1- oder 2-Gefäßerkrankungen mit proximalen Stenosen, Restenosierungen nach PCI oder nach Bypassoperationen. Hierbei erfolgt die Sondierung des betroffenen Koronargefäßes mit einem Führungsdraht nach Punktion der Femoralarterie oder Brachialarterie. Über den Führungsdraht wird ein Ballonkatheter in dem verengten Gefäß platziert und im Regelfall zusätzlich eine Stentimplantation durchgeführt. Die Restenosierungsrate liegt je nach Verfahren bei ca. 10 – 30 % in den ersten 6 Monaten. Durch die Einführung von Drug-Eluting-Stents konnte diese Rate deutlich vermindert werden. Eine Nachbehandlung mit Thrombozytenaggregationshemmern muss in jedem Fall erfolgen. Als akute Komplikation kann es z. B. zu einer Koronararteriendissektion mit Notfalloperationsindikation kommen. ■ Operative Therapie: Die Indikation zur Koronarrevaskularisation ergibt sich unabhängig von der klinischen Symptomatik generell aus koronarangiographisch gesicherten Koronarstenosen 4 70 %, die nicht durch interventionelle Maßnahmen behandelt werden können sowie bei einer Hauptstammstenose 4 50 %. Während diese Definition für das linke Koronarsystem bei Beteiligung des RIVA allgemein anerkannt ist, ist die prinzipielle operative Versorgung der Erkrankungen der anderen Koronararterien (ohne RIVA-Beteiligung) noch umstritten. Hier ist häufig das Beschwerdebild des Patienten ausschlaggebend. Weitere Indikationen ergeben sich aus Restenosen nach PCI, Koronaraneurysmen und evtl. aus Koronarfisteln. Voraussetzung für eine chirurgische Versorgung sind eine Erreichbarkeit des Koronargefäßes, ein Gefäßdurchmesser 4 1 mm, ein vitales Versorgungsgebiet und ein ausreichender Abfluss. Multiple Stenosen und starke Verkalkungen können eine Bypassanlage wenig sinnvoll oder technisch schwierig machen. Problematisch kann sich der optimale Zeitpunkt der Operation nach Myokardinfarkt bzw. nach Lysetherapie darstellen. Innerhalb der 6-Stunden-Grenze ist eine akute Revaskularisation sinnvoll, bei Operationen im akuten Myokardinfarkt ist mit einer deutlich erhöhten Letalität zu rechnen.
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B 5.3 Koronare Herzkrankheit (KHK)
1015
5.3.2 Operationsverfahren bei KHK
5.3.2 Operationsverfahren bei KHK
Den konventionellen Verfahren mit Einsatz der Herz-Lungen-Maschine stehen minimalinvasive Bypasstechniken (OPCAB = off-pump coronary artery bypass oder MIDCAB = minimally invasive direct coronary artery bypass) gegenüber (S. 1016).
Es gibt konventionelle Verfahren und minimalinvasive Bypasstechniken.
Prinzip der aortokoronaren Bypassoperation
Prinzip der aortokoronaren Bypassoperation Das Prinzip der koronaren Bypassoperation besteht in einer Überbrückung des verengten Abschnitts des betroffenen Koronargefäßes durch ein Gefäßinterponat/Bypass. Als Bypasskörper dienen die A. mammaria interna (anatomisch A. thoracica interna), insbesondere sinistra, die zur Revaskularisation des RIVA und der Seitenwand geeignet sind und heutzutage routinemäßig bei jeder Herzoperation zum Einsatz kommen sollten. Die A. mammaria interna dextra ist ebenfalls ein qualitativ hochwertiges Bypassgefäß, welches bei passender Indikation und fehlender Kontraindikation (z. B. erhöhtes Wundheilungsrisiko) verwendet werden sollte. Möglich ist die Anwendung der A. mammaria als In-situ-Bypass (unter Belassung ihres Abganges aus der A. subclavia) oder als freies Transplantat (free graft) mit Anastomosierung an die Aorta ascendens (Abb. B-5.8, Abb. B-5.9). Kombiniert werden diese Grafts in der Regel mit venösem Bypassmaterial bestehend aus V. saphena magna (Abb. B-5.9), selten V. saphena parva. Der Vorteil der A. mammaria interna gegenüber einem Venenbypass ist ihre überlegene Haltbarkeit im Langzeitverlauf, weshalb sie beidseits besonders bei jungen Menschen Verwendung finden sollte. Als weiteres Bypassgefäß findet die A. radialis Verwendung. Vor Entnahme muss eine suffiziente Ersatzperfusion des Armes durch die A. ulnaris (klinisch Allen-Test, Doppler-Sonographie der Unterarmstrombahn) nachgewiesen werden. Die A. radialis findet zunehmend Verwendung bei jungen Menschen im Bereich der komplett-arteriellen Revaskularisation oder bei Patienten, bei denen die Bypassversorgung durch alternative Grafts wie die V. saphena magna nicht möglich ist (z. B. nach Varizenstripping, schwerer Varikosis, schwerer pAVK, Ulcus cruris).
Prinzip der koronaren Bypassoperation ist die Überbrückung der Verengung im betroffenen Koronargefäß durch ein Gefäßinterponat/Bypass. Bypasskörper ist die A. mammaria interna, die als In-situ-Bypass oder als freies Transplantat (free graft) verwendet und meist mit venösem Bypassmaterial wie der V. saphena magna kombiniert wird. Vorteil der A. mammaria interna gegenüber dem Venenbypass ist ihre überlegene Haltbarkeit im Langzeitverlauf (Abb. B-5.8, Abb. B-5.9). Auch die A. radialis wird als Bypassgefäß verwendet.
Offenheitsraten: Für die A. mammaria interna wird nach 10 Jahren je nach anastomosiertem Koronargefäß eine Durchgängigkeitsrate von 80 – 90 % beschrieben. Die Offenheitsrate der V. saphena magna in diesem Zeitraum liegt dagegen nur noch bei 50 – 60 %. Die Offenheitsrate der A. radialis ist dazwischen anzusiedeln.
Offenheitsraten (nach 10 Jahren): Für die A. mammaria interna 80 – 90 %, für die V. saphena magna 50 – 60 %.
B-5.8
Schemazeichnung einer aortokoronaren Bypassrekonstruktion
B-5.8
Anastomosierung der linken A. mammaria (LIMA) auf den R. interventricularis anterior (LAD/RIVA) und Anlage einzelner venöser Bypässe auf den R. diagonalis, auf 1 Posterolateralast und den R. interventricularis posterior (RIVP) aus der rechten Koronararterie.
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
1016 B-5.9
B 5 Herzchirurgie
B-5.9
Aortokoronare Bypassoperation
a Venenanastomose distal: Intraoperative Aufsicht auf eine Anastomose zwischen Koronararterie und V. saphena magna (distale Anastomose). Aortokoronare Bypassoperationen mit Herz-Lungen-Maschine
b Distale Anastomose der A. mammaria auf den R. interventricularis anterior (RIVA).
Aortokoronare Bypassoperationen mit Herz-Lungen-Maschine Bei der konventionellen Operationstechnik erfolgen eine mediane Sternotomie und der Anschluss der HLM über die Aorta ascendens und den rechten Vorhof. Nach Anschluss der HLM kann die koronare Revaskularisierung am schlagenden, flimmernden oder am kardioplegisch stillgelegten Herzen erfolgen. Letztere Methode wird in Deutschland am häufigsten eingesetzt. Die distalen Anastomosen können einzeln (End-zu-Seit) oder sequenziell (Seit-zu-Seit und Endzu-Seit hintereinander) angelegt werden. Arterielle Bypassgefäße lassen sich als End-zu-Seit Anastomosen anschließen. Es gibt jedoch auch Kombinationsverfahren im Sinne von arteriellen sequenziellen Grafts (T-Graft, Y-Graft). Die proximalen Anastomosen werden in der Regel nach Öffnen der Aortenklemme an der tangential ausgeklemmten Aorta ascendens durchgeführt.
Aortokoronare Bypassoperationen ohne Herz-Lungen-Maschine
Aortokoronare Bypassoperationen ohne Herz-Lungen-Maschine Verfahren ohne Herz-Lungen-Maschine: ■ OPCAB (off pump coronary artery bypass). ■ MIDCAB (minimally invasive direct coronary artery bypass).
OPCAB-Verfahren: Eine konventionelle Sternotomie wird mit einer Bypassoperation ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine kombiniert. Vorteil der medianen Sternotomie ist, dass nahezu alle Koronaräste erreicht werden können (Abb. B-5.10).
OPCAB-Verfahren: Hierbei wird eine konventionelle Sternotomie mit einer Bypassoperation ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine kombiniert (Abb. B-5.10). Vorteil der medianen Sternotomie ist, dass nahezu alle Koronaräste erreicht werden können. Voraussetzung – neben speziellen Techniken zur Luxation des Herzens – ist ein gutes anästhesiologisches Management, insbesondere eine dosierte Volumengabe, um den Kreislauf stabil zu halten. Anschließend werden die Koronaranastomosen durch Hilfe von sog. Stabilisatoren erleichtert. Diese bestehen in der Regel aus 2 Bügeln, die parallel zum Koronargefäß in der Anastomosenregion aufgesetzt werden und diese durch Druck oder Sog ruhig stellen. Durch proximale und ggf. distale Drosseln (Tourniquetnähte) wird der Blutfluss aus dem eröffneten Koronargefäß verhindert, die Sicht wird zusätzlich durch den Einsatz von einem Blower (Luft oder CO2 mit Flüssigkeit) erleichtert. Ebenfalls ist die Einlage eines intravasalen Shunts oder Occludersystems möglich. Die Anastomosierung der Koronargefäße selbst erfolgt im Prinzip wie bei den konventionellen Operationstechniken, jedoch kann das Auffinden der Gefäße ausgesprochen schwierig sein. Nach der distalen Anastomose folgt in der Regel unmittelbar die korrespondierende proximale Anastomose, damit das Myokard sofort von der Bypassanlage profitieren kann. Hierzu wird die Aorta ascendens wie beim konventionellen Verfahren mit einer kleinen Klemme vorsichtig tangentiell ausgeklemmt.
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B 5.3 Koronare Herzkrankheit (KHK)
B-5.10
1017
Intraoperativer Situs bei OPCAB- bzw. MIDCAB-Operation
a Situs bei OPCAB-Operation im Bereich der Seitenwand. Mit einer am Apex angebrachten Saugvorrichtung kann das Herz luxiert werden. Die Stabilisierung der Anastomosenregion erfolgt durch einen neben das Koronargefäß aufgesetzten Fuß, der durch Sog in Position gehalten wird.
b Situs bei MIDCAB-Operation. Über eine anterolaterale Minithorakotomie erfolgt mittels spezieller Sperrer- und Stabilisatorsysteme die Anastomosierung der linken A. mammaria auf den R. interventricularis anterior (RIVA).
Das OPCAB-Verfahren ist aufgrund der Vermeidung der Herz-Lungen-Maschine bei speziellen Risikogruppen wie z. B. multimorbiden Patienten, verkalkter Aorta ascendens, hochgradigen intrakraniellen Stenosen oder schwerer Niereninsuffizienz vorteilhaft. Diskutiert wird jedoch eine höhere Rate an inkompletter Revaskularisierung und Restenoserate.
Das OPCAB-Verfahren ist bei Risikogruppen wie multimorbiden Patienten, verkalkter Aorta ascendens, hochgradigen intrakraniellen Stenosen und schwerer Niereninsuffizienz vorteilhaft.
MIDCAB-Verfahren: Hierbei wird über eine linksseitige, anterolaterale Minithorakotomie zwischen 5. und 6. Rippe die linke A. mammaria präpariert. Die Präparation ist technisch deutlich anspruchsvoller und erfordert spezielles Instrumentarium im Vergleich zur konventionellen Operationstechnik. Über die ca. 8 – 10 cm lange Inzision erfolgt die Eröffnung des Perikards und die Freilegung des RIVA. Unter Anwendung von Stabilisationssystemen (s.o.) die Anastomosierung der linken A. mammaria auf den RIVA am schlagenden Herzen (Abb. B-5.10). Seitenwand- oder Hinterwandäste sind über dieses Verfahren nicht erreichbar. Indikationen für das MIDCAB-Verfahren sind klassisch die koronare 1-Gefäßerkrankung mit hochgradigen Stenosen oder Verschluss des RIVA, aber auch Mehrgefäßerkrankungen, bei denen die übrigen Koronargefäße interventionell im Sinne eines Hybridverfahrens angegangen werden oder multimorbide Patienten mit dominierender RIVA-Läsion. Vorteile des Verfahrens sind die Vermeidung der Herz-Lungen-Maschine und die schnelle Mobilisierbarkeit des Patienten durch Erhalt der Stabilität des knöchernen Thorax.
MIDCAB-Verfahren: Über eine anterolaterale Minithorakotomie wird die linke A. mammaria präpariert und unter Anwendung von Stabilisationssystemen (s.o.) die Anastomosierung der linken A. mammaria auf den RIVA am schlagenden Herzen (Abb. B-5.10).
Prognose: Die Letalität der elektiven Bypassoperationen liegt bei 1 – 3 %. Das Risiko eines perioperativen Myokardinfarktes liegt bei ca. 2 – 5 %. Nach misslungener PCI steigt das Risiko deutlich. Erhöht ist das Operationsrisiko darüber hinaus bei Dialysepatienten, erheblich eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion und Reoperationen. 10 Jahre nach Koronarrevaskularisationen sind noch 50 % der Patienten frei von Angina pectoris, nach ebenso langer medikamentöser Therapie jedoch nur 3 %.
Prognose: Die Letalität der elektiven Bypassoperationen liegt bei 1 – 3 %. 10 Jahre nach Koronarrevaskularisationen sind noch 50 % der Patienten frei von Angina pectoris, nach ebenso langer medikamentöser Therapie nur 3 %.
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1018 5.3.3 Chirurgisch behandelbare
Komplikationen der KHK Herzwandaneurysmen 왘 Definition
B 5 Herzchirurgie
5.3.3 Chirurgisch behandelbare Komplikationen der KHK Herzwandaneurysmen 왘 Definition. Nach einem transmuralen Myokardinfarkt kann sich in 10 – 15 %
der Fälle ein linksventrikuläres Aneurysma entwickeln, wobei die Größe des Infarktes und das Ausmaß der Kollateralisation eine Rolle spielen. Zu 85 % finden sich diese Aneurysmen anterior oder apikal, zu 10 % posterior und nur 5 % in der Lateralwand. Klinik: Meist wird das LV-Aneurysma bei einer Herzkatheteruntersuchung entdeckt. Durch Ablagerung von Thrombusmaterial kann eine Emboliegefahr bestehen. Große LV-Aneurysmen können zur progredienten Linksherzinsuffizienz führen.
Klinik: Klinisch äußern sich meist keine Symptome. Meist wird das LV-Aneurysma im Rahmen einer Herzkatheteruntersuchung entdeckt. Aufgrund der Ablagerung von Thrombusmaterial kann eine Emboliegefahr bestehen mit der Indikation für eine orale Antikoagulation. Bei Ausbildung eines großen LVAneurysmas kann es zu einer progredienten Linksherzinsuffizienz kommen, die eine Operationsindikation erforderlich macht.
Operationsindikation: Nur bei Komplikationen bzw. im Rahmen einer Revaskularisationsoperation.
Operationsindikation: Eine generelle Operationsindikation besteht nicht, da die Aneurysmen per se die Überlebenswahrscheinlichkeit nicht beeinflussen. Operativ eingeschritten wird bei Komplikationen, die infolge einer Herzinsuffizienz, bei Thrombembolien oder tachykarden Rhythmusstörungen entstehen, oder wenn eine koronare Revaskularisationsoperation durchgeführt wird.
Operationstechnik: Unter extrakorporaler Zirkulation wird das Aneurysma eröffnet, thrombotisches Material entfernt und der Ventrikel nach Resektion des Aneurysmas wieder verschlossen. Alternativ ist eine plastische Rekonstruktion des Ventrikels nach Dor möglich.
Operationstechnik: Unter extrakorporaler Zirkulation wird das Aneurysma eröffnet und thrombotisches Material entfernt. Der Verschluss des Ventrikels erfolgt nach Resektion des Aneurysmasackes, indem die fibrotischen Ränder mithilfe von Filzstreifen als Widerlager vernäht werden. Alternativ ist eine plastische Rekonstruktion des Ventrikels nach Dor möglich, bei der am Übergang des narbig veränderten Gewebes vom gesunden Myokard ein Dacronflicken eingenäht wird. Das Ziel dabei ist, wieder eine normale Konfiguration des Ventrikels zu erreichen.
Prognose: Die durchschnittliche Letalität nach Resektion eines Ventrikelaneurysmas liegt unabhängig von der begleitenden Koronarrevaskularisation bei 10 % oder höher.
Prognose: Die durchschnittliche Letalität nach Resektion eines Ventrikelaneurysmas liegt unabhängig von der begleitenden Koronarrevaskularisation bei 10 %, kann aber bei schlechter Funktion des Restmyokards, einer unversorgten Mitralklappeninsuffizienz oder Rechtsherzversagen erheblich höher liegen. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei ca. 60 – 70 %.
Ventrikelseptumdefekt (VSD)
Ventrikelseptumdefekt (VSD)
Ein Ventrikelseptumdefekt entsteht im Rahmen eines akuten Myokardinfarktes. Infarktbedingte VSD befinden sich zu 80 % apikal und anterior.
Ein Ventrikelseptumdefekt entsteht im Rahmen eines akuten Myokardinfarktes und ist mit einer sehr hohen Letalität behaftet. Ursächlich liegt meist eine koronare 1-Gefäßerkrankung mit schlechter Kollateralisation besonders im Bereich der Vorderwand vor. Infarktbedingte VSD befinden sich zu 80 % apikal und anterior, nur zu 20 % im posterioren Septum.
Operationsindikation: Eine akute Indikation besteht bei Patienten mit Low-OutputSyndrom (LOS) trotz maximaler Kreislaufunterstützung. Die Indikation zur Operation nach 4 – 6 Wochen liegt bei Patienten mit kompensiertem Kreislauf vor.
Operationsindikation: Eine akute Indikation besteht bei Patienten mit LowOutput-Syndrom (LOS) trotz maximaler Kreislaufunterstützung (Katecholamintherapie und intraaortale Ballonpumpe, IABP). Diese Situation ist mit einer hohen Mortalität bei meist kardiogenem Schock und schlechter Gewebequalität zur Verankerung des Patches verbunden. Eine Indikation zur Operation nach 4 – 6 Wochen liegt bei Patienten mit kompensiertem Kreislauf unter intensivem Kreislaufmonitoring vor.
Operationstechnik: Der Zugang zum Aneurysma erfolgt durch Längsinzision im zumeist vorhandenen Infarktareal. Verschluss des VSD durch ein- oder beidseitigen Flicken.
Operationstechnik: Die Herz-Lungen-Maschine wird meist mit einer bikavalen Kanülierung angeschlossen. Der Zugang zum Aneurysma erfolgt durch Längsinzision im Infarktareal oder im Aneurysma selbst. Verschluss des VSD durch einoder beidseitigen Flicken. Bei einem kleinen apikalen Infarkt-VSD kann auch die Herzspitze einschließlich des VSD reseziert werden.
Prognose: Auch unter optimaler medikamentöser Therapie sterben 25 % der Patienten innerhalb der ersten 24 Stunden, 50 % innerhalb der ersten Woche.
Prognose: Auch unter optimaler medikamentöser Therapie sterben 25 % der Patienten innerhalb der ersten 24 Stunden, 50 % innerhalb der ersten Woche. Die
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B 5.4 Tumoren des Herzens
1019
perioperative Letalität liegt bei 20 – 35 %. Haupttodesursache ist das myokardiale Pumpversagen. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei 45 – 65 %.
Ventrikelperforation
Ventrikelperforation
왘 Definition. Die Myokardruptur ist eine seltene, jedoch lebensbedrohliche
왗 Definition
Komplikation nach Myokardinfarkt. Sie entsteht meist innerhalb der ersten 5 Tage nach Myokardinfarkt. Am häufigsten kommt es zu einem Einriss im Bereich der linksventrikulären Lateralwand. Epidemiologie: Die Inzidenz liegt bei 1 – 3 % aller Infarktpatienten und ist für 8 – 17 % aller Infarkttodesfälle verantwortlich.
Epidemiologie: Die Inzidenz liegt bei 1 – 3 % aller Infarktpatienten.
Klinik: Es entwickelt sich schnell eine Perikardtamponade mit einem dramatischen Low-Output-Syndrom. Meist wird die Diagnose nicht schnell genug gestellt. Der Verlauf ist so fulminant, dass es vielfach gar nicht mehr zur Notoperation kommt.
Klinik: Es entwickelt sich schnell eine Perikardtamponade mit einem dramatischen Low-Output-Syndrom.
Operationsindikation: Sie ergibt sich sofort nach Diagnosestellung. Technisch wird versucht, die Perforationsstelle im Bereich des linken Ventrikels durch einen Gewebepatch zu verschließen. Gleichzeitig kann eine Versorgung mit Bypässen erfolgen.
Operationsindikation: Sie ergibt sich sofort nach Diagnosestellung.
Prognose: Die akute freie Ruptur ist mit einer sehr hohen Letalität behaftet, da die Patienten meist an einer akuten Perikardtamponade versterben. Die gedeckte Ruptur bei voroperierten Patienten oder Verwachsungen ist mit einer besseren Prognose behaftet, hier hängt der Zustand vom Myokardgewebe im Bereich der Perforationsstelle ab. Insgesamt ist die perioperative Letalität jedoch bei ca. 30 % anzusiedeln.
Prognose: Die akute freie Ruptur ist mit einer sehr hohen Letalität behaftet, die Patienten sterben meist an einer akuten Perikardtamponade.
Funktionelle Papillarmuskelinsuffizienz
Funktionelle Papillarmuskelinsuffizienz
Nach einem Myokardinfarkt kommt es in ca. 35 % zur Komplikation der funktionellen Papillarmuskelinsuffizienz, die besonders im Hinterwandbereich, d. h. im Versorgungsgebiet der RCA oder distalen RCX auftritt. Die Papillarmuskelinsuffizienz äußert sich als mittel- bis höhergradige Mitralklappeninsuffizienz, sodass eine Mitralklappenrekonstruktion oder ggf. ein Ersatz notwendig werden kann (S. 1007).
Eine häufige Komplikation nach einem Myokardinfarkt (ca. 35 %), besonders im Hinterwandbereich, d. h. im Versorgungsgebiet der RCA oder distalen RCX.
5.4
Tumoren des Herzens
왘 Definition. Primäre Tumoren des Herzens sind selten, wobei 70 % gutartig
5.4
Tumoren des Herzens
왗 Definition
sind, bei 30 % besteht die Möglichkeit eines invasiven Wachstums oder Metastasierung. Befallen werden Peri-, Myo- oder Endokard (Tab. B-5.8). Das gutartige linksatriale Myxom ist mit 20 % am häufigsten. Dieses wird ausführlicher besprochen.
B-5.8
Übersicht über die Herztumoren, geordnet nach ihrer Häufigkeit
benigne Tumoren ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
Myxom Lipom papilläres Fibroelastom Rhabdomyom Fibrom Hämangiom Teratom Mesotheliom des AV-Knotens Neurofibrom Lymphangiom
B-5.8
maligne Tumoren ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
Angiosarkom Rhabdomyosarkom Mesotheliom Fibrosarkom malignes Lymphangiom extraossäres Osteosarkom neurogenes Sarkom malignes Teratom Leiomyosarkom Liposarkom
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1020
B 5 Herzchirurgie
5.4.1 Myxom
5.4.1 Myxom
왘 Definition
왘 Definition. Myxome sind benigne Herztumoren aus mesenchymalem Gewebe.
Sie können prinzipiell in allen Herzkammern vorkommen, finden sich jedoch am häufigsten linksatrial. Die Konsistenz ist morphologisch geleeartig, je nach Größe des Myxoms kann dieses in die Mitralklappe prolabieren. Epidemiologie: Das Myxom tritt meist zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr auf und 2bis 3-mal häufiger bei Frauen.
Epidemiologie: Das Myxom tritt meist zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr auf und 2- bis 3-mal häufiger bei Frauen. Ein familiäres Vorkommen mit dominanter Vererbung findet sich in 5 % der Fälle, hiervon sind meist Männer betroffen.
Klinik: Allgemeine unspezifische Krankheitszeichen. Spezifische Komplikationen beinhalten die Tumorembolisation in periphere bzw. intrakranielle Arterien, häufig als Primärsymptom. Der Tumor kann auch in die Mitralklappe prolabieren, was sich klinisch als lageabhängige Dyspnoe, intermittierende Rhythmusstörungen oder synkopale Ereignisse zeigt.
Klinik: Allgemeine unspezifische Krankheitszeichen wie Arthralgien, grippeähnliche Symptome, Fieber, Gewichtsverlust und Myalgien sind möglich. Spezifische Komplikationen beinhalten die Tumorembolisation in periphere bzw. intrakranielle Arterien, häufig als Primärsymptom. Zerebrale Embolien treten bei annähernd 50 % der Fälle auf. Des Weiteren kann eine hämodynamische Flussbehinderung durch einen Prolaps des Tumors in die Mitralklappe entstehen, was klinisch als lageabhängige Dyspnoe (insbesondere in Linksseitenlage), intermittierende Rhythmusstörungen oder synkopale Ereignisse in Erscheinung tritt.
Diagnostik: Häufig als Zufallsdiagnose bei Abklärung einer Embolie. ■ Auskultation: ggf. Mitralklappenstenose. ■ EKG: unspezifisch. ■ Echokardiographie: Nachweis des Myxoms, zur Abgrenzung evtl. transösophageale Echokardiographie. ■ Herzkatheter: begleitende Koronarstenosen? ■ Labor: unspezifische Parameter (Anämie, Thrombozytopenie, erhöhte BSG).
Diagnostik: Häufig erfolgt die Diagnose eines Myxoms als Zufallsdiagnose im Rahmen der Abklärung einer Embolie. ■ Auskultation: ggf. Zeichen einer Mitralklappenstenose. ■ EKG: unspezifisch, ggf. Rhythmusstörungen, Vorhofflimmern. ■ Röntgen-Thorax: meist kein pathologischer Befund. ■ Echokardiographie: in der Regel Nachweis des Myxoms, eine genaue Abgrenzung der umgebenden Strukturen, insbesondere vom Ansatz der Mitralklappe, ist durch eine transösophageale Echokardiographie möglich. ■ Herzkatheter: je nach Alter des Patienten zur Abklärung begleitender Koronarstenosen. ■ Labor: ggf. unspezifische Parameter wie Anämie, Thrombozytopenie oder erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit.
Operationsindikation: Aufgrund der Diagnose gegeben.
Operationsindikation: Die Diagnose stellt eine prinzipielle Operationsindikation dar.
Therapie: Operative Entfernung des Myxoms.
Therapie: Operative Entfernung des Myxoms unter Einsatz der Herz-LungenMaschine.
왘 Merke
왘 Merke. Bei der Operation ist darauf zu achten, dass die Resektion der Myxombasis mit ausreichendem Sicherheitsabstand tief im Endokard erfolgt, um eine intraoperative Tumorembolisation und damit ein Rezidiv zu vermeiden.
Am Ende des operativen Eingriffs erfolgt in der Regel eine transösophageale echokardiographische Abschlusskontrolle. Prognose: Die Langzeitprognose ist gut, es besteht jedoch eine Rezidivrate von 1 – 3 %.
5.5
Erkrankungen des Perikards
Prognose: Die Langzeitprognose ist gut, es besteht jedoch eine Rezidivrate von 1 – 3 %. Dies gilt nicht für die familiären Myxome, bei denen eine deutlich höhere Rezidivrate von 30 – 75 % beschrieben ist.
5.5
Erkrankungen des Perikards
5.5.1 Akute Perikarderkrankungen
5.5.1 Akute Perikarderkrankungen
Ätiologie: entzündliche Prozesse. Mögliche Folge ist ein Perikarderguss mit Perikardtamponade.
Ätiologie: Ursache von akuten Perikarderkrankungen sind entzündliche Prozesse, die durch virale oder bakterielle Infekte, eine urämische Perikarditis, ein rheumatisches Fieber oder infarktbedingte bzw. traumatische Herzwandrupturen bedingt sein können. Als Folge kann ein Perikarderguss mit Ausbildung einer Perikardtamponade entstehen.
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B 5.5 Erkrankungen des Perikards
1021
Klinik: Der Perikarderguss führt zu einer zunehmenden diastolischen Füllungsbehinderung des Herzens mit der Folge einer Einflussstauung und sich daraus ergebenden typischen Symptomen mit Halsvenenstau, Dyspnoe, Tachykardie und Hypotension bis hin zum kardiogenen Schock.
Klinik: Der Perikarderguss führt zu einer diastolischen Füllungsbehinderung des Herzens mit einer Einflussstauung. Symptome sind Halsvenenstau, Dyspnoe, Tachykardie, Hypotension bis zum kardiogenen Schock.
Diagnostik: ■ Typische Klinik (s.o.). ■ EKG: Niedervoltage. ■ Röntgen-Thorax: Verbreiterung der Herzsilhouette, Bocksbeutelform. ■ Echokardiographie: In der Regel ist der Nachweis des Ergusses möglich.
Diagnostik: ■ Typische Klinik (s.o.). ■ EKG: Niedervoltage. ■ Röntgen-Thorax: Verbreiterung der Herzsilhouette, Bocksbeutelform. ■ Echokardiographie: Nachweis des Ergusses.
Therapie: Je nach Ausmaß und Klinik ist eine sofortige Entlastung mittels Anlage eines Pigtailkatheters indiziert. Sollte dieses nicht erfolgreich sein, ist unter Umständen eine operative Therapie über einen subxiphoidalen oder lateralen Zugang indiziert, alternativ eine mediane Sternotomie notwendig. Im Falle eines chronisch-rezidivierenden Perikardergusses ist eine operative Perikardfensterung oder partielle Perikardresektion zu diskutieren.
Therapie: Je nach Größe ist eine sofortige Entlastung indiziert (Pigtailkatheter), evtl. ist eine operative Behandlung erforderlich.
5.5.2 Chronische Perikarderkrankungen (Pericarditis constrictiva) 왘 Definition. Infolge einer akuten Perikarditis (s.o.) kann es zu narbigen Ver-
5.5.2 Chronische Perikarderkrankungen
(Pericarditis constrictiva) 왗 Definition
änderungen des Perikards mit fibröser Verdickung, bzw. auch Kalzifizierung kommen. Pathophysiologie: Es kommt zu einer erheblichen Einschränkung der diastolischen Ventrikelfüllung mit der Folge eines reduzierten Herzzeitvolumens, damit auch zu einer Einschränkung der systolischen Beweglichkeit. Langfristig kann daraus eine chronische Herzinsuffizienz entstehen.
Pathophysiologie: erhebliche Einschränkung der diastolischen Ventrikelfüllung. Langfristig kann daraus eine chronische Herzinsuffizienz entstehen.
Ätiologie: 75 % der Fälle sind idiopathisch, in 10 – 15 % ist eine akute Perikarditis die Ursache, 1 – 4 % treten nach Herzoperationen auf und ca. 3 % nach tuberkulöser Perikarditis. Seltene Ursachen sind die mediastinale Bestrahlung, Sarkoidose, Rheuma und Z.n. Trauma mit Hämoperikard.
Ätiologie: 75 % der Fälle sind idiopathisch.
Klinik: Neben der Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit und der Dyspnoe imponiert besonders die Einflussstauung vor dem rechten Herzen mit typischer Klinik: ausgeprägte Ödembildung, Hepatomegalie mit ggf. Leberfunktionsstörungen, Aszites, Stauungsproteinurie, gastrointestinale Beschwerden, nephrotisches Syndrom, Pleuraergüsse, Stauung der Halsvenen.
Klinik: Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit, Dyspnoe und Einflussstauung vor dem rechten Herzen mit typischer Klinik.
Diagnostik: Auskultation: meist unspezifisch. ■ EKG: ggf. Niedervoltage des QRS-Komplexes, unspezifische ST-Streckenveränderungen, Vorhofflimmern bei ca. 30 %. ■ Röntgen-Thorax: normale Herzgröße trotz deutlicher Herzinsuffizienz, in ca. 40 % sind perikarditische Verkalkungen sichtbar. ■ Echokardiographie: Nachweis der Perikardverdickung, diastolische Füllungsbehinderung der Ventrikel, pathologische Septumbewegung während der Systole (Abgrenzung zur restriktiven Kardiomyopathie notwendig). ■ Herzkatheter: perikardiale Verkalkungen, Druckangleich zwischen rechten und linken Vorhofdruckwerten auf hohe Druckniveaus um 20 mmHg („DipPlateau“-Phänomen). ■ MRT/CT: Nachweis der Perikardverdickung bzw. der Kalkeinlagerung.
Diagnostik: ■ EKG: ggf. Niedervoltage des QRS-Komplexes. ■ Echokardiographie: Perikardverdickung, diastolische Füllungsbehinderung der Ventrikel, pathologische Septumbewegung während der Systole. ■ Herzkatheter: Perikardiale Verkalkungen, Druckangleich zwischen rechten und linken Vorhofdruckwerten auf hohem Druckniveau um 20 mmHg („Dip-Plateau“Phänomen). ■ MRT/CT: Nachweis der Perikardverdickung bzw. Kalkeinlagerung.
Differenzialdiagnose: restriktive Kardiomyopathie, Endomyokardfibrose, Cor pulmonale bei pulmonaler Hypertonie.
Differenzialdiagnose: restriktive Kardiomyopathie, Endomyokardfibrose, Cor pulmonale.
Operationsindikation: Da konservative Therapiemaßnahmen langfristig keinen Erfolg zeigen, ergibt sich die Operationsindikation aus der Diagnose. Der
Operationsindikation: Sie ergibt sich aus der Diagnose. Der operative Eingriff sollte möglichst in einem noch kompensierten Stadium erfolgen.
■
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1022
B 5 Herzchirurgie
operative Eingriff sollte möglichst in einem noch kompensierten Stadium erfolgen, da eine schon vorliegende Organdysfunktion die Prognose postoperativ deutlich verschlechtert. Operative Therapie: Nach medianer Sternotomie erfolgt die ausgedehnte anterolaterale Resektion des Perikards, je nach Befund mit oder ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine.
Operative Therapie: Nach medianer Sternotomie erfolgt die ausgedehnte anterolaterale, seitlich bis zum N. phrenicus reichende Resektion des Perikards, je nach Befund mit oder ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine. Es kann zu einer Dilatation der Ventrikel nach Entlastung kommen, sodass in den ersten postoperativen Tagen eine Unterstützung des Herzens durch niedrig dosierte Katecholamintherapie zur Tonisierung des Myokards erfolgen sollte.
Prognose: Die Prognose ist abhängig von dem präoperativen Zustand.
Prognose: Die Prognose ist abhängig von dem präoperativen Zustand. Bei schon vorliegender Organdysfunktion besteht eine hohe Letalität.
5.6
Verletzung des Herzens
Verletzungen des Herzens mit Eröffnung einer Herzhöhle verlaufen meist tödlich durch hämorrhagische Perikardtamponade oder akuten Verblutungstod.
5.7
Thorakale Aneurysmen und Dissektion
5.6
Verletzung des Herzens
Verletzungen des Herzens mit Eröffnung einer Herzhöhle sind nur in Ausnahmefällen mit dem Leben vereinbar. Zumeist kommt es zur hämorrhagischen Perikardtamponade oder zum akuten Verblutungstod. Eine Verletzung der Koronargefäße kann zusätzlich zur Infarzierung der nachgeschalteten Myokardbereiche führen. In den seltenen Fällen, in denen offene Herzverletzungen überlebt werden, ist zumeist nur der rechte Ventrikel betroffen und der Defekt von umschriebener Größe. Im Rahmen eines Notfalleingriffs kann die Übernähung des Defektes erfolgen.
5.7
Thorakale Aneurysmen und Dissektion
5.7.1 Anatomie der thorakalen Aorta
5.7.1 Anatomie der thorakalen Aorta
Die Aorta ascendens beginnt oberhalb der Aortenklappe, danach folgt der sinutubuläre Übergang und der Aortenbogen. Die A. radicularis magna (entspringt variabel aus der Aorta descendens) ist für die Versorgung des Rückenmarks bedeutsam und zu beachten.
Die Aorta ascendens beginnt oberhalb der Aortenklappe am Anulus. Danach folgt der sinutubuläre Übergang mit den Koronarostien, oberhalb davon wird die Aorta häufig wieder schmaler. Im Aortenbogen geht der Truncus brachiocephalicus, die A. carotis communis sinistra und die A. subclavia sinistra ab. Im Bereich der Aorta descendens ist die A. radicularis magna (Adamkiewicz-Arterie) zu beachten, die bedeutsam für die Versorgung des Rückenmarks ist. Sie entspringt variabel aus der Aorta descendens, in 60 % der Fälle im Bereich Th9 –Th12.
5.7.2 Aneurysma der thorakalen Aorta
5.7.2 Aneurysma der thorakalen Aorta
왘 Definition
왘 Definition. ■
■
Pathophysiologie: Die Größenzunahme des Aneurysmas birgt die Gefahr der Ruptur. Mit zunehmender Größe des Aneurysmas besteht die Gefahr einer Aortendissektion mit entsprechenden Risiken.
Aneurysma verum: Ausweitung aller 3 Arterien-Wandschichten (Intima, Media, Adventitia). Ein Aortendurchmesser über 5 cm ist als kritisch zu bewerten. Aneurysma spurium: infolge einer Gefäßverletzung (z. B. durch iatrogene Punktionen, Dezelerationstrauma) kommt es zur Ausbildung eines perivasalen Hämatoms, welches bindegewebig umbaut wird. Die eigentliche Gefäßwand ist dabei nicht pathologisch verändert.
Pathophysiologie: Im Bereich der Gefäßerweiterung kommt es zu einer Unterbrechung der laminaren Blutströmung, wodurch die Ablagerung von Thromben begünstigt wird, die sekundär embolisieren können. Die stete Größenzunahme des Aneurysmas birgt die Gefahr der Ruptur. Im Falle einer gedeckten Perforation wird der Gefäßwanddefekt durch eine aufliegende Struktur bedeckt und der Blutverlust dadurch verlangsamt. Eine freie Ruptur in die Brusthöhle ist meist nicht überlebbar. Mit zunehmender Größe des Aneurysmas besteht die Gefahr einer Aortendissektion mit entsprechenden Risiken.
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B 5.7 Thorakale Aneurysmen und Dissektion
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Ätiologie: Hauptursache thorakaler Aneurysmen ist die Arteriosklerose, wobei zumeist die Aorta ascendens oder Aorta descendens betroffen ist. Als weitere Ursache sind Bindegewebserkrankungen, insbesondere das Marfan-Syndrom zu nennen, aber auch thorakale Traumata (insbesondere das Dezelerationstrauma) oder im Langzeitverlauf nach operativer Korrektur einer Aortenisthmusstenose. Entzündliche Aortenerweiterungen durch Lues oder nekrotische Aneurysmen sind heutzutage selten.
Ätiologie: Hauptursache thorakaler Aneurysmen ist die Arteriosklerose. Weitere Ursachen sind Bindegewebserkrankungen (Marfan-Syndrom), thorakale Traumata (Dezelerationstrauma) oder operative Korrektur einer Aortenisthmusstenose.
Klinik: Die Diagnose eines thorakalen Aneurysmas erfolgt häufig als Zufallsdiagnose, z. B. durch ein pathologisches Röntgen-Thorax im Rahmen einer Routineuntersuchung. Das Aneurysma selbst kann lange symptomlos bleiben. Indirekte Zeichen können periphere Embolien sein. Aufgrund einer Kompression angrenzender Strukturen (z. B. Ösophagus, Trachea) kann es zu Schluck- und Atembeschwerden kommen. Heiserkeit durch Irritation des N. recurrens, der linksseitig den Aortenbogen umschlingt, ist oft ein erstes Zeichen. Bei Irritation des sympathischen Grenzstranges linksseitig kann es zum Horner-Syndrom kommen. Gelegentlich berichten die Patienten über ein unspezifisches thorakales Druckgefühl, sodass auch bei unspezifischen Rückenbeschwerden an ein Aneurysma gedacht werden sollte. Aneurysmen der Aorta ascendens können durch Dilatation des Aortenanulus zu einer Aortenklappeninsuffizienz mit der dafür typischen Klinik führen (Abb. B-5.11).
Klinik: ist häufig eine Zufallsdiagnose. Indirekte Zeichen können periphere Embolien sein. Die Kompression des umgebenden Gewebes kann zu Schluck- und Atembeschwerden führen. Heiserkeit (durch Irritation des N. recurrens) kann oft ein erstes Zeichen sein. Außerdem kann ein Horner-Syndrom und ein unspezifisches thorakales Druckgefühl auftreten.
Diagnostik: ■ Auskultation: evtl. begleitende Aortenklappeninsuffizienz. ■ EKG: meist keine spezifischen Zeichen. ■ Röntgen-Thorax: ggf. Verbreiterung der Herzsilhouette im oberen Mediastinum. ■ CT oder MRT: Diagnostizierung der genauen Ausdehnung und Wandbeschaffenheit des Aneurysmas. ■ Echokardiographie: Bei Aneurysmen im Bereich der Aorta ascendens muss in jedem Fall präoperativ eine echokardiographische Abklärung der Aortenklappe erfolgen, um eine begleitende Aortenklappeninsuffizienz auszuschließen. ■ Herzkatheter: Bei Patienten ab 40 Jahren ist eine Koronarangiographie indiziert.
Diagnostik: ■ Auskultation: evtl. Aortenklappeninsuffizienz. ■ Röntgen-Thorax: ggf. Verbreiterung der Herzsilhouette im oberen Mediastinum. ■ CT oder MRT: Ausdehnung, Wandbeschaffenheit? ■ Echokardiographie: Bei Aneurysmen im Bereich der Aorta ascendens muss präoperativ eine echokardiographische Abklärung erfolgen. ■ Herzkatheter: Bei Patienten ab 40 Jahren ist die Koronarangiographie indiziert.
Operationsindikation: Ab einer Größe von 4 50 – 55 mm besteht eine erhöhte Rupturgefahr. Bedeutsam ist auch eine Zunahme der Größe oder Beschwerden innerhalb kürzerer Zeit sowie eine begleitende Aortenklappeninsuffizienz. Weiterhin ist die Indikation bei drohender Perforation (zunehmender Perikarderguss/Pleuraerguss) oder bei Kompression angrenzender Strukturen durch die Raumforderung (Rückenschmerzen, Heiserkeit, Dysphagie) gegeben.
Operationsindikation: wegen erhöher Rupturgefahr ab einer Größe von 4 50 – 55 mm.
B-5.11
Operationssitus bei Aneurysma verum der Aorta ascendens
B-5.11
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1024
B 5 Herzchirurgie
Therapie: ■ Medikamentös: bei Aneurysmen 5 5 cm Blutdruckregulation (Betablocker) und regelmäßigen Verlaufskontrollen in Abständen von 6 – 12 Monaten (MRT/CT). ■ Operativ wird der erweitere Abschnitt durch eine Gefäßprothese ersetzt.
Therapie: ■ Medikamentös: Bei Aneurysmen 5 5 cm ist eine gute Blutdruckregulation wichtig. Die Behandlung sollte bevorzugt mit Betablockern erfolgen. Des Weiteren sind zur Verlaufskontrolle in Abständen von 6 – 12 Monaten regelmäßige Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren (MRT/CT), je nach Befundprogredienz, wichtig. ■ Operative Therapie: Ersatz des erweiterten Abschnittes durch eine Gefäßprothese, ggf. müssen wichtige aus der Aorta abgehende Gefäße reimplantiert werden.
Operativer Ersatz der Aorta ascendens: Nach medianer Sternotomie mit Einsatz der HLM und kardioplegisch induziertem Herzstillstand wird die Aorta ascendens durch eine Dacronprothese ersetzt. Bei reiner Aneurysmabildung kann ein suprakoronarer Ersatz erfolgen. Auch rekonstruktive Verfahren (Yacoub- oder David-Technik) (Abb. B-5.12 a) oder ein Composite-Graft als kompletter Aortenwurzelersatz werden angewendet.
Operativer Ersatz der Aorta ascendens: Der Zugang erfolgt über eine mediane Sternotomie mit Einsatz der HLM und unter kardioplegisch induziertem Herzstillstand. Die Aorta ascendens wird durch eine Dacronprothese ersetzt. Bei reiner Aneurysmabildung kann ein suprakoronarer Ersatz der Aorta ascendens erfolgen. Bei begleitender Pathologie der Aortenbasis sind z. T. rekonstruktive Verfahren im Sinne der Yacoub- oder David-Technik möglich (Resuspendierung der nativen Aortenklappe in die Prothese) (Abb. B-5.12 a). Des Weiteren ist ein kompletter Aortenwurzelersatz durch ein Composite-Graft (Klappenprothese mit angenähter Rohrprothese, industriell hergestellt) möglich. Hierbei ist eine Reimplantation der Koronararterien technisch notwendig.
Operativer Ersatz des Aortenbogens: Dabei sind verschiedene operationstechnische Verfahren zur Hirnprotektion notwendig (Abb. B-5.12 b).
Operativer Ersatz des Aortenbogens: Soll der Aortenbogen mit ersetzt werden, sind verschiedene operationstechnische Verfahren zur Hirnprotektion notwendig: Hypothermer Kreislaufstillstand (5 20 °), Low-flow-Perfusion über eine Femoralkanüle, oder alternativ eine selektive zerebrale Perfusion in der Kreislaufstillstandsphase. In die eingebrachte Dacronprothese werden die Kopfgefäße meist als gemeinsame Manschette reimplantiert (Abb. B-5.12 b).
Operativer Ersatz der Aorta descendens: In Rechtsseitenlage erfolgt die laterale Thorakotomie. Die Herz-Lungen-Maschine wird über die linksseitigen Leistengefäße (A. und V. femoralis) zur retrograden Perfusion der abdominellen Organe und des Rückenmarks angeschlossen. Alternativ kann ein Linksherzbypass verwendet werden. Größere Interkostal- und die intraabdominellen Gefäße müssen in die Prothese reimplantiert werden.
Operativer Ersatz der Aorta descendens und der thorakoabdominellen Aorta: Der operative Zugang erfolgt in Rechtsseitenlage über eine laterale Thorakotomie. Bei thorakoabdominellen Aneurysmen erfolgt zusätzlich eine abdominelle Inzision. Die Herz-Lungen-Maschine wird meist über die linksseitigen Leistengefäße (A. und V. femoralis) angeschlossen, sodass eine retrograde Perfusion der abdominellen Organe und des Rückenmarks möglich ist. Die Versorgung der supraaortalen Äste erfolgt durch das weiter schlagende Herz von proximal. Alternativ kann ein Linksherzbypass, welcher proximal vom linksventrikulären Apex, dem linken Herzohr oder der Lungenvene und distal an die Femoralarterie angeschlossen wird, zur Perfusion verwendet werden. Bei ausgedehnter Kollateralisierung ist in seltenen Fällen ein einfaches Abklemmen mit fortlaufender Naht möglich. Hierbei ist zu beachten, dass jedoch die Klemmzeit dringend unter 30 Minuten liegen sollte. Als Ersatz dienen auch in diesem Bereich zumeist
B-5.12
B-5.12
Operativer Ersatz der Aorta ascendens (a) bzw. des Aortenbogens (b)
a Aneurysma der Aorta ascendens, klappenerhaltende Operationstechnik nach Yacoub.
b Schematische Darstellung eines Aortenbogenersatzes mit Reimplantation der Kopfgefäße als gemeinsame Manschette.
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B 5.7 Thorakale Aneurysmen und Dissektion
B-5.13
a
Angiographische Darstellung
1025 B-5.13
b
Ausschaltung eines lokalisierten Aneurysmas (a) im Bereich der Aorta descendens durch interventionelle Implantation einer beschichteten Prothese (Stent) (b).
Dacronprothesen. Größere Interkostal- und die intraabdominellen Gefäße müssen beim thorakoabdominellen Aortenersatz in die Prothese reimplantiert werden. Eine weitere Therapieoption bei einem Aneurysma der Aorta descendens ist seit einigen Jahren die endovaskuläre Implantation von gestenteten Prothesen. Hierbei wird über die A. femoralis ein sich selbst expandierender mit Goretex ummantelter Stent implantiert (Abb. B-5.13). Langzeitergebnisse zu diesem Verfahren stehen noch aus.
Eine weitere Therapieoption ist die endovaskuläre Implantation von gestenteten Prothesen (Abb. B-5.13).
Prognose: Nach dem Ersatz der Aorta ascendens beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate 65 – 75 %. Bei der Aortenbogenchirurgie hängt der Erfolg in hohem Maße von der Erfahrung des Chirurgen ab, in geübten Händen liegt die Letalität bei ca. 10 %. Das Apoplex-Risiko kann 5 5 % betragen, selbst wenn keine zerebrale Perfusion erfolgt. Beim Aortenbogenersatz beträgt das Langzeitüberleben nach 5 Jahren ca. 75 %. Beim Ersatz der Aorta descendens liegt die Letalität bei ca. 10 – 15 %, wobei ein höheres Alter, eine arteriosklerotische Genese des Aneurysmas, ein Notfalleingriff und eine präoperative Herzinsuffizienz Risikofaktoren darstellen. Das Risiko einer Paraplegie liegt im Mittel bei ca. 5 – 10 % und hängt neben der Aortenklemmzeit von der Höhe der Aortenklemmung, dem Ausmaß, der Körpertemperatur sowie der distalen Perfusion ab. Die 5-JahresÜberlebensrate liegt bei ca. 60 %. Nach 10 Jahren leben noch ca. 40 % der Patienten. Haupttodesursachen sind weitere Manifestationen der Arteriosklerose sowie eine KHK, Schlaganfall und weitere Aneurysmabildungen.
Prognose: Nach dem Ersatz der Aorta ascendens liegt die 5-Jahres-Überlebensrate bei 65 – 75 %. Beim Aortenbogenersatz beträgt das Langzeitüberleben nach 5 Jahren ca. 75 %. Das Risiko einer Paraplegie liegt im Mittel bei ca. 5 – 10 %.
5.7.3 Aortendissektion
5.7.3 Aortendissektion
왘 Definition. Ein Einriss in der Intima des Gefäßes führt zum Abscheren des
왗 Definition
Intima-/Mediazylinders von der Adventitia (Abb. B-5.14), wobei ein falsches Lumen entsteht. Die Eintrittsstelle wird als Entry bezeichnet. Erfolgt durch einen weiteren Intimariss ein Wiedereintritt des Blutes in das wahre Gefäßlumen zurück, spricht man von einem sog. Reentry. Epidemiologie: Aortendissektionen entstehen in den westlichen Industrieländern mit einer Häufigkeit von etwa 5 Fällen pro 100 000 Einwohner und sind mit einer hohen Mortalität belastet.
Epidemiologie: 5 Fälle pro 100 000 Einwohner in westlichen Industrieländern.
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B 5 Herzchirurgie
1026 B-5.14
Aortendissektion
a Durch einen Einriss in der Intima kommt es zu einem Abscheren des Intima-/Mediazylinders von der Adventitia und einer Aortenklappeninsuffizienz. b Computertomographischer Transversalschnitt bei akuter Typ-A-Dissektion. Dissektionsmembran in der Aorta ascendens beginnend, in der Aorta descendens erkennt man das perfundierte, kontrastmittelangereicherte „wahre“ und ein kontrastmittelärmeres „falsches“ Lumen.
Ätiologie: Häufig besteht eine Aortenatheromatose als Folge einer langjährigen arteriellen Hypertonie. Weitere Ursachen sind neben einem vorhandenen Aortenaneurysma angeborene Defekte der Aortenwand und das Marfan-Syndrom.
Ätiologie: Häufig besteht eine Aortenatheromatose als Folge einer langjährigen arteriellen Hypertonie. Auch ein Aortenaneurysma kann vorliegen. Als weitere Ursachen kommen angeborene Defekte der Aortenwand, wie die zystische Medianekrose und das Marfan-Syndrom infrage.
Klassifikation: Die klinische Klassifikation der Aortendissektion erfolgt meist nach Stanford in Typ-A- und Typ-B-Dissektion.
Klassifikation: Die klinische Klassifikation der Aortendissektion erfolgt meist nach Stanford: ■ Typ-A-Dissektion: Der Beginn der Dissektion liegt im Bereich der Aorta ascendens oder des Aortenbogens (entspricht DeBakey I und II). ■ Typ-B-Dissektion: Die Dissektion beginnt im Bereich der Aorta descendens (entspricht DeBakey III).
Eine andere Klassifikation ist die nach DeBakey, bei der eine Einteilung in DeBakey I – III erfolgt.
B-5.15
Es existiert eine weitere Einteilung der Aortendissektion nach DeBakey: DeBakey I: Intimaeinriss im Bereich der Aorta ascendens oder des Aortenbogens mit Ausdehnung auf die Aorta thoracalis bzw. abdominalis. ■ DeBakey II: Begrenzung der Dissektion auf die Aorta ascendens. ■ DeBakey III: Intimaeinriss im Bereich der Aorta descendens bzw. distal der linken A. subclavia und umfasst die thorakale Aorta (Typ III a) oder dehnt sich aus bis zur abdominellen Aorta (Typ III b) (Abb. B-5.15). ■
B-5.15
Einteilung der akuten Aortendissektion nach Stanford bzw. DeBakey
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B 5.7 Thorakale Aneurysmen und Dissektion
1027
Klinik: plötzlich auftretende starke thorakale oder in den Rücken ausstrahlende Schmerzen. In Abhängigkeit von der Menge des Blutverlustes resultiert ein hypovolämischer Schock, bei freier Perforation Tod durch Verbluten. Des Weiteren kann der Intimaeinriss mit der Einblutung in die Gefäßwand zum Abscheren der Gefäßabgänge und zu ihrer Verlegung führen mit den Folgen eines ischämischen Infarktes sowie neurologischen Ausfällen und Organminderperfusionen. Ein begleitender Perikarderguss kann zur Herzbeuteltamponade mit kardiogenem Schock führen. Bei Einrissen in Richtung der Aortenbasis kann eine akute Aortenklappeninsuffizienz mit entsprechender Symptomatik auftreten.
Klinik: plötzliche Thoraxschmerzen. Bei freier Perforation können die Patienten verbluten. Mögliche Folgen: Hirninfarkt, neurologische Ausfälle, Organminderperfusionen, Herzbeuteltamponade mit kardiogenem Schock und akute Aortenklappeninsuffizienz.
Diagnostik: Beim klinischen Verdacht, z. B. anamnestisch bei typischem Schmerzmuster als Initialereignis bzw. neu aufgetretenem Herzgeräusch (Aortenklappeninsuffizienz) ist eine sofortige Diagnosestellung unerlässlich. Bei der Typ-A-Dissektion ist die transösophageale Echokardiographie mit Darstellung der Dissektionsmembran im Bereich der Aorta ascendens oder des Aortenbogens geeignet. Des Weiteren sind bildgebende Verfahren wie CT oder MRT schnellstmöglich anzuwenden.
Diagnostik: Bei klinischem Verdacht ist eine sofortige Diagnosestellung wichtig. Bei der Typ-A-Dissektion durch die transösophageale Echokardiographie sowie CT und MRT.
Therapie der akuten Typ-A-Dissektion: Bei Diagnose sofortige Verlegung in ein herzchirurgisches Zentrum zur operativen Versorgung. Allgemeine Maßnahmen sind Kreislaufstabilisierung und Schmerztherapie.
Therapie der akuten Typ-A-Dissektion: Kreislaufstabilisierung und Verlegung in ein herzchirurgisches Zentrum.
왘 Merke. Die Diagnose einer akuten Typ-A-Dissektion stellt eine sofortige
왗 Merke
Operationsindikation dar. Die Operationstechnik orientiert sich am Intimaeinriss, bzw. dem Befund an der Aorta ascendens. Zum Anschluss der HLM kann die arterielle Kanülierung direkt über die Aorta ascendens, die A. subclavia bzw. axillaris oder über die A. femoralis erfolgen. Je nach Befund an der Aortenklappe ist ein suprakommissuraler Aortenersatz mit Rekonstruktion der disseziierten Wandabschnitte durch Kleberrekonstruktion möglich. Des Weiteren stehen abhängig vom Befund an der Aortenklappe klappenerhaltende Operationstechniken (David, Yacoub) oder ein Klappen ersetzendes Verfahren wie der CompositeErsatz zur Verfügung (Abb. B-5.12). Je nach Beeinträchtigung des Bogens ist ein kompletter bzw. partieller Aortenbogenersatz zur Rekonstruktion der Anatomie notwendig. Durch die problematische Wandqualität der Aorta sind Blutungskomplikationen deutlich häufiger. Ein weiteres Problem ist die Organminderperfusion (besonders zerebral) aufgrund der Verlegung der Gefäßabgänge durch die Dissektionsmembran.
Die Operationstechnik orientiert sich am Intimaeinriss, bzw. dem Befund an der Aorta ascendens. Je nach Befund sind folgende Verfahren möglich bzw. notwendig: suprakommissuraler Aortenersatz, klappenerhaltende Operationstechniken (David, Yacoub), Klappen ersetzendes Verfahren wie der Composite-Ersatz sowie kompletter bzw. partieller Aortenbogenersatz. Dabei können Blutungskomplikationen und Organminderperfusionen auftreten.
Therapie der akuten Typ-B-Dissektion: ■ Medikamentös: Ohne Anhalt für eine Organminderdurchblutung ist die medikamentöse Therapie mit Blutdrucksenkung primär der operativen Therapie vorzuziehen, dies gilt für die sog. unkomplizierte Typ-B-Dissektion ohne Malperfusion bzw. ohne persistierende schwere Schmerzsymptomatik und ohne gedeckte Ruptur. ■ Operativ: Die Indikation zur Operation besteht bei gedeckter Ruptur bzw. einer klinisch manifesten Malperfusion (z. B. neurologische Ausfälle, Nierenversagen) oder bei anhaltenden Schmerzen. ■ Eine weitere Therapieoption bei der Typ-B-Dissektion ist die endovaskuläre Implantation von gestenteten Prothesen. Hierbei wird über die A. femoralis ein sich selbst expandierender mit Goretex ummantelter Stent implantiert.
Therapie der akuten Typ-B-Dissektion: ■ Medikamentös bei der unkomplizierten Typ-B-Dissektion (Blutdrucksenkung). ■ Operativ bei klinisch manifester Malperfusion. ■ Eine weitere Therapieoption ist die endovaskuläre Implantation von gestenteten Prothesen.
Prognose:
Prognose:
왘 Merke. Die Letalität der Typ-A-Dissektion liegt innerhalb der ersten 48
왗 Merke
Stunden bei ca. 1 % pro Stunde. Diese Prognose für die Typ-A-Dissektion zeigt die Notwendigkeit einer schnellen Diagnose und sofortigen operativen Therapie: Die 1-Jahres-Überlebensrate für
Die 1-Jahres-Überlebensrate für die TypA-Dissektion liegt ohne Operation bei 5 %, mit Operation bei etwa 60 – 80 %.
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B 5 Herzchirurgie
Bei der unkomplizierten Typ-B-Dissektion beträgt die 1-Jahres-Überlebensrate ca. 60 – 80 %, bei Malperfusionskomplikationen steigt die Letalitätsrate auf ca. 40 %.
eine Typ-A-Dissektion liegt ohne Operation bei 5 %, mit Operation dagegen abhängig von der Patientenselektion bei etwa 60 – 80 %. Bei der unkomplizierten Typ-B-Dissektion besteht unter medikamentöser Therapie eine 1-Jahres-Überlebensrate von ca. 60 – 80 %. Bei einer Typ-B-Dissektion mit Malperfusionskomplikationen steigt die Letalität mit dem Ausmaß der involvierten Organsysteme. Hierbei werden Letalitätsraten von ca. 40 % berichtet.
Nachbehandlung: Regelmäßige Kontrolluntersuchungen initial in einem Abstand von 3 – 6 Monaten, anschließend jährlich, und eine suffiziente Blutdrucktherapie sind wichtig.
5.8
Chirurgie bei Herzrhythmusstörungen
Nachbehandlung: Auch nach einer operativen Therapie sollten regelmäßige Kontrolluntersuchungen initial in einem Abstand von 3 – 6 Monaten, anschließend jährlich durch bildgebende Verfahren erfolgen (CT, MRT). Bei der medikamentös behandelten chronischen Typ-B-Dissektion ist ggf. eine engmaschigere Kontrolle zu empfehlen. In jedem Fall ist eine suffiziente Blutdrucktherapie wichtig. Die chronische Dissektion: Die chronische Typ-A-Dissektion ist äußerst selten, da nur sehr wenige Patienten die akute Phase überleben. Die Operationsletalität der chronischen Typ-A-Dissektion beträgt unter 10 % und ist somit deutlich geringer als die der akuten Dissektion, da die Operation elektiv durchgeführt wird und das Gewebe bereits deutlich gefestigt ist. Das Gleiche gilt für elektive Operationen der chronischen Typ-B-Dissektion.
5.8
Chirurgie bei Herzrhythmusstörungen
Die Eingriffe der Schrittmacherchirurgie zählen in Deutschland zu den häufigsten Herzoperationen. Neu sind biventrikuläre Schrittmachersysteme als kardiale Resynchronisationstherapie.
Mit ca. 35 000 Schrittmacher- und ICD-Implantationen (interner KardioverterDefibrillator) pro Jahr, davon 25 000 Neuimplantationen, zählen die Eingriffe der Schrittmacherchirurgie zu den häufigsten Herzoperationen in Deutschland. Ein Großteil davon liegt in kardiologischer Hand. Ein neues Feld ergab sich in den letzten Jahren im Bereich der Therapie der Herzinsuffizienz durch Implantation biventrikulärer Schrittmachersysteme als kardiale Resynchronisationstherapie. Neben interventionellen Ablationsverfahren tachykarder Herzrhythmusstörungen gewinnt die begleitende chirurgische Ablation von chronischem Vorhofflimmern im Rahmen kardialer Operationen zunehmend an Bedeutung.
5.8.1 Herzschrittmacher
5.8.1 Herzschrittmacher
Therapieprinzip: Übernahme der Herzaktivität bei Ausfall der natürlichen rhythmischen Aktivität. Das häufigste Prinzip ist das duale Schrittmachersystem mittels DDD-Pacing. Die heutigen Schrittmacher weisen eine Frequenzadaptation auf und beinhalten die Funktion einer Frequenzglättung, das sog. „Mode-Switching“.
Therapieprinzip: Das Grundprinzip des Herzschrittmachers liegt in einer Übernahme der elektrischen Herzaktivität bei Ausfall der natürlichen rhythmischen Aktivität. Hierzu beinhaltet der Herzschrittmacher eine Energiequelle (Aggregat) und elektronische Schaltkreise über im Vorhof und/oder Ventrikel platzierte Sonden. Folgende Schrittmachersysteme sind zu unterscheiden (Tab. B-5.9): ■ 1-Kammer-Schrittmacher: Vorhof oder Kammer. ■ 2-Kammer-Systeme: Vorhof und Kammer.
B-5.9
B-5.9
Die wichtigsten Schrittmachertypen
Bezeichnung
Ort der Stimulation
Ort der Impulswahrnehmung
Funktionsweise
AAI Vorhof Demand
A Vorhof
A Vorhof
I (Demand)
VVI Ventrikel Demand
V Ventrikel
V Ventrikel
I (Demand)
DDD „Alleskönner“
D Vorhof und Ventrikel
D Vorhof und Ventrikel
D (getriggert und Demandfunktion)
A= atrial; V = ventrikulär; D = dual; I = inhibiert (gleich demand oder stand by)
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B 5.8 Chirurgie bei Herzrhythmusstörungen
Ein wichtiger Grundsatz in der Schrittmachertherapie ist, dass der Vorhof so lange wie möglich in Stimulation und Sensing mit einbezogen wird. Dementsprechend wird ein VVI-Schrittmacher nur beim chronischen Vorhofflimmern mit niedriger Kammerfrequenz eingesetzt. Das häufigste Prinzip ist das duale Schrittmachersystem mittels DDD-Pacing. Die heutigen Schrittmacher weisen eine Frequenzadaptation bei körperlicher Belastung auf. Des Weiteren beinhalten moderne Funktionen eine Frequenzglättung (z. B. bei Sinuspausen unter Belastung), das sog. „Mode-Switching“ (automatischer Wechsel von DDD auf VVI-Modus bei atrialen Tachyarrhythmien) und die frequenzabhängige AV-Zeitverkürzung. Die gegenwärtigen Schrittmacher haben ein Titangehäuse und wiegen bei einer Größe von nur noch 4 – 5 cm mit einer Dicke von etwa 7 mm etwa 20 – 30 g. Die Lithium-Jod-Akkus erlauben eine Lebenszeit von ca. 10 Jahren. Elektroden gibt es in zahlreichen Ausführungen und verschiedenen Formen.
1029
Aktuelle Schrittmacher haben ein Titangehäuse und wiegen bei einer Größe von nur noch 4 – 5 cm mit einer Dicke von etwa 7 mm etwa 20 – 30 g.
Fünfstelliger Code für Schrittmachermodi: 1. Buchstabe: Ort der Stimulation, z. B. 0 = keiner, A= Atrium, V = Ventrikel, D = dual- Atrium plus Ventrikel 2. Buchstabe: Ort der Wahrnehmung, (wie oben) 3. Buchstabe: Betriebsart: 0 = keine, T = getriggert, I = inhibiert, D = dual-Trigger plus Inhibierung 4. Buchstabe: Frequenzadaptation (R = rate modulation) 5. Buchstabe: antitachykarde Eigenschaften.
Fünfstelliger Code für Schrittmachermodi: 1. Ort der Stimulation. 2. Ort der Wahrnehmung. 3. Betriebsart. 4. Frequenzadaptation. 5. Antitachykarde Eigenschaften.
Indikation: Das Einsatzbegiet der Schrittmachertherapie liegt hauptsächlich in der Behandlung „symptomatischer bradykarder Rhythmusstörungen“.
Indikation: hauptsächlich bei symptomatischen bradykarden Rhythmusstörungen.
Symptomatische bradykarde Rhythmusstörungen
Symptomatische bradykarde Rhythmusstörungen
Epidemiologie: Bradykarde Rhythmusstörungen kommen meist in der 7. Lebensdekade auf dem Boden ischämischer oder degenerativer Prozesse vor. Klinik: zerebrale Minderperfusion mit Symptomen wie Schwindel, Benommenheit, Synkopen (Morgagni-Adams-Stokes-Anfälle), mangelnde Belastbarkeit bei chronisch reduzierter kardialer Pumpleistung oder uncharakteristische Klinik.
Epidemiologie: meist in der 7. Lebensdekade bei ischämischen oder degenerativen Prozessen. Klinik: Symptome sind Schwindel, Benommenheit, Synkopen und mangelnde Belastbarkeit.
Diagnostik: Standard- und Langzeit-EKG, ggf. erfolgt zusätzlich eine invasive elektrophysiologische Untersuchung.
Diagnostik: Standard- und Langzeit-EKG.
Indikation: Reizbildungsstörungen wie die Sinusbradykardie, das BradykardieTachykardie-Syndrom und das hypersensitive Karotissinussyndrom vom kardioinhibitorischen Typ. Außerdem Vorhofflimmern mit langsamem Kammerersatzrhythmus oder Reizleitungsstörungen wie z. B. bifaszikuläre Blöcke mit einer Leitungsunterbrechung distal des His-Bündels oder höhergradige AV-Blockierungen 2. und 3. Grades.
Indikation: Reizbildungsstörungen, Vorhofflimmern und Reizleitungsstörungen.
Implantation: Die Schrittmacherimplantation kann in lokaler Anästhesie erfolgen. Über einen kurzen Schnitt im Bereich des Sulcus deltoideopectoralis wird die V. cephalica oder V. subclavia aufgesucht, über die sich in der Regel die Elektroden bis in das rechte Herz vorschieben lassen. Durch Erfassung der Messwerte (Sensing, Reizschwelle, Impedanz) kann eine gute Lage der Sonden ermittelt werden. Das zugehörige Schrittmacheraggregat kann subkutan, subfaszial oder submuskulär platziert werden (Abb. B-5.16). Zur temporären Versorgung nach Herzoperationen werden Schrittmacherelektroden vielfach intraoperativ epikardial platziert und transkutan ausgeleitet, wo sie mit einem externen Schrittmachergerät verbunden werden können. Ist der Schrittmacher nicht mehr notwendig, können die Drähte einfach transkutan entfernt werden.
Implantation: Sie kann in lokaler Anästhesie erfolgen. Die Lage der Sonden wird durch Erfassung der Messwerte ermittelt.
Komplikationen: Der Patient muss über Blutungen aufgrund fehlerhafter Gefäßpunktionen und Perforationen des Herzens aufgeklärt werden. Des Weiteren
Komplikationen: Blutungen, Infektionen im Bereich des Schrittmachers mit intrakardialer
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1030 B-5.16
B 5 Herzchirurgie
B-5.16
Herzschrittmacher
Thrombenbildung, Sondendislokationen, Arrhythmien, Zwerchfellstimulation, Aggregatermüdung und selten ein Pneumothorax.
kann es im Verlauf zur Infektion im Bereich des Schrittmachers mit intrakardialer Thrombenbildung, zu Sondendislokationen, Arrhythmien, Zwerchfellstimulation, Aggregatermüdung und in seltenen Fällen bei der Punktion zur Ausbildung eines Pneumothorax kommen.
Prognose: Die Letalität liegt unter 0,1 %.
Prognose: Die transvenöse Herzschrittmacherimplantation ist ein Routineverfahren, das mit einer Letalität unter 0,1 % assoziiert ist. Die Komplikationsrate liegt bei ca. 3 – 5 %, wobei am häufigsten Elektrodendislokation bzw. Pacing- und Sensingprobleme auftreten.
Herzinsuffizienz
Herzinsuffizienz Liegt trotz optimaler medikamentöser Therapie eine schwere Herzinsuffizienz (NYHA III oder IV mit begleitendem Linksschenkelblock und verbreitertem QRS-Komplex) vor, kann die kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) über einen biventrikulären Pacer eine sinnvolle unterstützende Alternative darstellen.
Biventrikuläre Herzschrittmacher: Die Besonderheit dieser Systeme ist eine zusätzliche Spezialelektrode in einer Herzvene (Sinus coronarius), die im Bereich der linken Herzkammer implantiert wird. Evtl. auch Kombination mit einer Defibrillatorfunktion.
Biventrikuläre Herzschrittmacher: Die Besonderheit dieser Systeme liegt darin, dass zu den Elektroden im rechten Herzen eine Spezialelektrode in eine Herzvene (Sinus coronarius) im Bereich der linken Herzkammer implantiert wird. Somit werden beide Herzkammern synchronisiert, und durch die elektrisch koordinierte Kontraktion kann die Pumpfunktion verbessert werden. Auch eine Kombination mit einer Defibrillatorfunktion ist möglich.
Interne Kardioverter-Defibrillator (ICD): überwacht die Herzaktivität und erkennt Rhythmusstörungen, die ggf. mit einem Defibrillatorimpuls behoben werden.
Interne Kardioverter-Defibrillator (ICD): Durch ständige Überwachung der Herzaktivität werden Rhythmusstörungen mit dem Risiko eines Kammerflimmerns erkannt und ggf. durch Abgabe eines internen Defibrillatorimpulses behoben. Indikationen: ■ überlebter plötzlicher Herztod oder symptomatische anhaltende ventrikuläre Tachykardien. ■ hochgradige systolische Dysfunktion bei Z.n. Myokardinfarkt. ■ Kombination mit einem biventrikulären Herzschrittmacher bei schwerer systolischer Herzinsuffizienz (EF 5 35 %, NYHA III–IV, QRS 4 120 ms).
Das Implantations- und Funktionsprinzip ähnelt den Herzschrittmachern, jedoch wird das Defibrillatorgerät aufgrund seiner Größe meist subpektoral oder retromuskulär in der Rektusscheide (meist in Vollnarkose) platziert.
Das Implantations- und Funktionsprinzip (Aggregat mit endovaskulär platzierbaren Sonden) ähnelt den Herzschrittmachern. Das eigentliche Defibrillatorgerät wird jedoch aufgrund seiner Größe meist subpektoral oder retromuskulär in der Rektusscheide platziert. Die Implantation erfolgt aufgrund der notwendigen Testschocks in der Regel in Vollnarkose. Defibrillatoren können allein oder in Verbindung mit Schrittmachersystemen implantiert werden.
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B 5.9 Angeborene Herzfehler
5.8.2 Operative Chirurgie von Rhythmusstörungen
1031 5.8.2 Operative Chirurgie von
Rhythmusstörungen
Während in der Behandlung bradykarder Rhythmusstörungen Schrittmachersysteme indiziert sind, kommen bei der Behandlung tachykarder Arrhythmien direkte chirurgische Eingriffe am Reizleitungssystem des Herzens in Betracht. Der Ursprung liegt in der chirurgischen Durchtrennung aberranter Leistungsbahnen beim WPW-Syndrom und AV-Knoten-Reentrytachykardien. Inzwischen dominieren bei diesen Erkrankungen interventionelle katheterablative Verfahren. Auf die operative Therapie ventrikulärer Tachykardien wird aufgrund der geringen klinischen Bedeutung nicht näher eingegangen.
Zur Behandlung tachykarder Arrhythmien sind direkte chirurgische Eingriffe am Reizleitungssystem des Herzens notwendig.
Operative Therapie bei Vorhofflimmern
Operative Therapie bei Vorhofflimmern
Pathophysiologie: Vorhofflimmern entsteht durch mehrere simultan um temporär refraktäre Myokardabschnitte kreisende Erregungen, bevorzugt im Bereich der Lungenvenenmündung. Daher steigt die Wahrscheinlichkeit für ein Vorhofflimmern mit zunehmender Größe des linken Vorhofs an.
Pathophysiologie: Vorhofflimmern entsteht durch kreisende Erregungen.
Operationsindikation: Die klassische Indikation ist das chronische oder chronisch-intermittierende Vorhofflimmern mit hämodynamischer Beeinträchtigung oder Embolisation. Weitere Indikationen liegen nach Ausschluss anderer Ursachen in der Unverträglichkeit von Medikamenten und in trotz adäquater Antikoagulation erlittenen zerebralen Thrombembolien. Zunehmende Bedeutung erlangt der Eingriff in Kombination mit der Mitralklappenchirurgie.
Operationsindikation: chronisches oder chronisch-intermittierendes Vorhofflimmern mit hämodynamischer Beeinträchtigung oder Embolisation.
Operationsprinzip: Maze-Prozedur (maze = engl. Labyrinth): Durch Unterbrechen der Erregungsbahnen wird bewirkt, dass die Erregungsausbreitung nur vom Sinusknoten zum AV-Knoten erfolgen kann. Die Erregungsfront trifft stets auf eine Barriere, bevor es zur Ausbildung vollständiger Reentrykreise kommt. Damit soll eine Rerhythmisierung und Wiederherstellung der atrialen Transportfunktion erreicht werden. Neben einer Verbesserung der Hämodynamik soll dadurch eine Reduktion des systemischen Thrombembolierisikos erreicht werden, das trotz permanenter Antikoagulation 2 – 4 % pro Jahr bei Patienten mit intermittierendem und chronischem Vorhofflimmern beträgt. Die Operation erfolgt über eine mediane Sternotomie und unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine. Zur Anwendung kommen verschiedene Techniken: chirurgische, Hochfrequenz-, Radiofrequenz- oder kryoablative Verfahren.
Operationsprinzip: Maze-Prozedur: Durch Unterbrechen der Erregungsbahnen wird bewirkt, dass die Erregungsausbreitung nur vom Sinusknoten zum AV-Knoten erfolgen kann. Ziel ist die Verbesserung der Hämodynamik und Reduktion des systemischen Thrombembolierisikos.
Prognose: Nach einer Maze-Prozedur zeigen 98 % der Patienten eine atrioventrikuläre Synchronisation, wobei allerdings eine bedeutende Schrittmacherabhängigkeit als Risikofaktor zu erwähnen ist, da ca. 25 % der Patienten schon präoperativ eine Sinusknotendysfunktion aufweisen bzw. eine iatrogene Sinusknotenverletzung entstehen kann. Ein Sinusrhythmus besteht bei ca. 75 % der Patienten bei der Entlassung und bei 90 % der Patienten nach 3 Monaten.
Prognose: Ein Sinusrhythmus besteht bei ca. 75 % der Patienten bei der Entlassung und bei 90 % der Patienten nach 3 Monaten.
5.9
Angeborene Herzfehler
Etwa 7 – 9 von 1000 Neugeborenen kommen in Deutschland mit einem Herzfehler zur Welt. Über 95 % der kongenitalen Vitien sind angeboren und ca. 5 % der Herzerkrankungen im Säuglings- und Kindesalter gehören als überwiegend entzündliche Krankheitsbilder zur Gruppe der erworbenen Vitien. Aufgrund der Komplexität des Themas wird nur auf die häufigsten Herzfehler eingegangen. Die Inzidenz der kongenitalen Herzfehler ist in Tab. B-5.10 zusammengefasst.
5.9
Angeborene Herzfehler
Etwa 0,8 % aller Lebendgeborenen haben einen angeborenen Herzfehler, d. h. pro Jahr sind in Deutschland ca. 6000 Kinder betroffen.
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1032
B 5 Herzchirurgie
B-5.10
B-5.10
Inzidenz kongenitaler Herzfehler
Herzfehler ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
Ventrikelseptumdefekt persistierender Ductus arteriosus Atriumseptumdefekt Aortenisthmusstenose Fallot-Tetralogie Transposition der großen Arterien Pulmonalstenose Aortenstenose atrioventrikulärer Septumdefekt univentrikuläres Herz hypoplastisches Linksherzsyndrom totale Lungenvenenfehldrainage Truncus arteriosus communis Double outlet right ventricle
Abkürzung
Inzidenz
VSD PDA ASD ISTA TOF TGA PS AS AVSD
15 – 30 % 5 – 10 % 7 – 10 % 6% 10 – 15 % 6% 6% 4% 2–3% 2–3% 1,6 % 1–2% 0,5 – 1 % 0,5 %
HLHS TAPVD TAC DORV
5.9.1 Angeborene Herzfehler ohne Shunt
5.9.1 Angeborene Herzfehler ohne Shunt
Aortenisthmusstenose (ISTA)
Aortenisthmusstenose (ISTA)
왘 Synonym
왘 Synonym. Coarctatio aortae (CoA)
왘 Definition
왘 Definition. Bei der Aortenisthmusstenose handelt es sich um eine umschriebene Enge der thorakalen Aorta in unmittelbarer Nähe zum Lig. arteriosum (Ductus arteriosus Botalli) stromabwärts der linken A. subclavia durch versprengtes Duktusgewebe in der Aortenwand.
Epidemiologie: Die Häufigkeit beträgt 6 %. m : w = 2 : 1.
Epidemiologie: mit einer Häufigkeit von 6 % genauso häufig wie die kongenitale Aortenstenose. Das Verhältnis Jungen zu Mädchen beträgt 2 : 1.
Einteilung: Unterscheidung in prä- und postbzw. juxtaduktale ISTA (Abb. B-5.17).
Einteilung: Entsprechend der topographischen Beziehung zum Lig. arteriosum erfolgt eine Unterscheidung in die prä- und postduktale (bzw. juxtaduktale) ISTA (Abb. B-5.17).
Präduktale ISTA: Die Stenose besteht vor dem Abgang des Ductus arteriosus Botalli. Die Perfusion der unteren Körperhälfte erfolgt über den offenen Ductus arteriosus Botalli und bedingt einen funktionellen Rechts-Links-Shunt. Im Bereich der unteren
Präduktale ISTA: Früher auch infantile Form genannt, die Stenose besteht vor Abgang des Ductus arteriosus Botalli. Aufgrund des niedrigen Druckes in der unteren Körperhälfte kommt es postpartal nicht zu einer Flussumkehr im Ductus arteriosus Botalli, sodass der physiologische Obliterationsreiz fehlt. Die Perfusion der unteren Körperhälfte erfolgt somit über den offenen Ductus
B-5.17
B-5.17
Einteilung der Aortenisthmusstenosen
a Präduktale oder infantile Form (häufig in Kombination mit einem Ventrikelseptumdefekt). b Postduktale, juxtaduktale oder adulte Form.
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B 5.9 Angeborene Herzfehler
1033
arteriosus Botalli und bedingt einen funktionellen Rechts-Links-Shunt. Im Extremfall besteht ein vollständiger Verschluss der Aorta, sodass die Aorta descendens über einen weit offenen Ductus arteriosus Botalli von der Pulmonalarterie aus mit venösem Blut durchströmt wird. Es kann eine Zyanose im Bereich der unteren Extremität bestehen, die Femoralispulse sind meist nur schwach tastbar.
Extremität kann eine Zyanose bestehen, die Femoralispulse sind meist nur schwach tastbar.
Post-, juxtaduktale ISTA: früher Erwachsenentyp genannt, hier liegt der Ductus arteriosus Botalli im Allgemeinen obliteriert als Lig. arteriosum vor. Es kommt zur Ausbildung von Kollateralkreisläufen, unter anderem über die Interkostalarterien, was die Ausbildung von Rippenusuren zur Folge haben kann. Eine Zyanose der unteren Körperhälfte ist meist nicht zu beobachten. Der Femoralispuls ist jedoch bei hochgradigen Stenosen nicht zu tasten. Distal der Stenose kann es zu einer erheblichen poststenotischen Dilatation der Aorta kommen. Häufig bestehen keine Beschwerden, manche Patienten klagen über Parästhesien der Beine.
Post-, juxtaduktale ISTA: Der Ductus arteriosus Botalli liegt obliteriert als Lig. arteriosum vor. Es kommt zur Ausbildung von Kollateralkreisläufen. Häufig bestehen keine Beschwerden, manche Patienten klagen über Parästhesien der Beine.
Pathophysiologie: Es kommt zur Hypertonie der oberen und Hypotonie der unteren Körperhälfte. Während Letztere weitgehend asymptomatisch ist, kann es durch die Hypertonie im Langzeitverlauf zu allen Komplikationen der arteriellen Hypertonie kommen. Des Weiteren führt die Druckerhöhung im prästenotischen Gefäßbereich zu einer erheblichen Belastung des linken Ventrikels, woraus sich insbesondere bei der präduktalen Form häufig eine frühe Linksherzdekompensation entwickelt. Schon früh im jugendlichen Alter kann eine Zerebralsklerose auftreten mit der Folge einer Apoplexie.
Pathophysiologie: Es kommt zur Hypertonie der oberen und Hypotonie der unteren Körperhälfte. Schon im jugendlichen Alter kann eine frühe Zerebralsklerose auftreten mit der Folge einer Apoplexie.
Klinik: Säuglinge und Kleinkinder zeigen neben einer Dyspnoe häufig eine Herzinsuffizienz. Größere Kinder und Erwachsene können völlig beschwerdefrei sein, bieten aber in einem hohen Prozentsatz die Symptome des Bluthochdrucks, wobei die Blutdruckdifferenz zwischen Armen und Beinen wegweisend ist.
Klinik: Säuglinge und Kleinkinder zeigen neben einer Dyspnoe häufig eine Herzinsuffizienz. Größere Kinder und Erwachsene können völlig beschwerdefrei sein.
Diagnostik: ■ Auskultation: rückennah lautes Systolikum. ■ EKG: evtl. Linksherzhypertrophiezeichen. ■ Röntgen-Thorax: Linksherzvergrößerung, Rippenusuren bei älteren Patienten. ■ Echokardiographie: bei Kindern Darstellung der Fehlbildung möglich. ■ Herzkatheteruntersuchung und MRT: Im Säuglingsalter sind diese bei fehlendem Vorliegen weiterer intrakardialer Herzfehler nicht erforderlich, im späteren Lebensalter ist eine Aortographie zur Darstellung der Stenose, Morphologie und des Druckgradienten sinnvoll.
Diagnostik: ■ Auskultation: rückennah lautes Systolikum. ■ EKG: evtl. Linksherzhypertrophie. ■ Röntgen-Thorax: Linksherzvergrößerung. ■ Echokardiographie: Darstellung der Fehlbildung bei Kindern. ■ Herzkatheteruntersuchung und MRT: im Säuglingsalter meist nicht erforderlich, bei Erwachsenen Darstellung der Stenose und Morphologie.
Operationsindikation: Notfallmäßig erfolgt der Eingriff im Säuglingsalter bei kardialer Dekompensation mit hohem Risiko (Letalität bis zu 20 %). Im späteren Säuglings- und Kindesalter nimmt die Letalität ab (ca. 1 %). Jenseits des 30. Lebensjahres kann das Operationsrisiko infolge der bereits eingetretenen kardialen Folgeschäden wieder als erhöht beurteilt werden.
Operationsindikation: notfallmäßig im Säuglingsalter bei kardialer Dekompensation mit hohem Risiko (Letalität bis zu 20 %). Später nimmt die Letalität ab (ca. 1 %) und ist wieder jenseits des 30. Lebensjahres erhöht.
Therapie: Sie erfolgt operativ. Bei einer kurzstreckigen Stenose wird diese komplett reseziert und die beiden Gefäßstümpfe der Aorta nach ausreichender Mobilisation spannungsfrei End-zu-End oder zur gleichzeitigen Beseitigung eines hypoplastischen Aortenbogens End-zu-Seit vereinigt. Dies ist meist jedoch nur bei Kleinkindern möglich, bei Erwachsenen ist daher ein Gefäßinterponat mittels Dacronprothese notwendig (Abb. B-5.18).
Therapie: Korrekturoperation durch Resektion der Stenose, End-zu-End oder End-zuSeit-Anastomose der Aortenstümpfe (Kindesalter) oder Gefäßinterponat (Erwachsenenalter).
왘 Merke. Zur Vermeidung von Restenosierungen ist die komplette chirurgi-
왗 Merke
sche Beseitigung des aortalen Duktusgewebes essenziell. Komplikationen: Intraoperativ kann es in ca. 0,4 % der Fälle durch eine ischämische Rückenmarksschädigung zur Ausbildung einer Paraplegie kommen. Wichtig ist die Druckmessung am Ende des Eingriffs, um eine komplette Beseitigung der Stenose nachzuweisen.
Komplikationen: Paraplegie aufgrund einer ischämischen Rückenmarksschädigung.
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B 5 Herzchirurgie
1034 B-5.18
Operationstechniken bei Aortenisthmusstenosen
a Resektion der Stenose und End-zu-Endbzw. End-zu-Seit-Anastomose der Aortenstümpfe.
b Korrektur einer zusätzlichen Bogenhypoplasie mittels retrograder „Subclavian-flapTechnik“.
c Resektion der Stenose mit Protheseninterponat im Erwachsenenalter.
Die Verwendung eines Patches kann im Langzeitverlauf eine aneurysmatische Aufweitung zur Folge haben. Prognose: Bei rechtzeitiger Operationsindikation günstige Prognose, ohne Operation leben mit 40 Jahren nur noch ca. 30 % der Patienten. Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstrakts 왘 Definition
Prognose: Bei rechtzeitiger Operationsindikation günstige Prognose, ohne Operation leben mit 40 Jahren nur noch ca. 30 % der Patienten. Die meisten Todesfälle ereignen sich aufgrund der arteriellen Hypertonie mit den Konsequenzen einer Aortenruptur, Ruptur intrakranieller Aneurysmen, intrazerebraler Blutungen, bakterieller Endokarditis oder Linksherzversagen.
Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstrakts 왘 Definition. Oberbegriff für angeborene Verengungen der linksventrikulären Ausflussbahn.
Pathophysiologie: Hämodynamisch wird eine Mehrarbeit des linken Ventrikels verursacht mit den Folgen der Muskelhypertrophie, des erhöhten Sauerstoffbedarfs der Herzmuskelzellen und einer Linksherzinsuffizienz.
Pathophysiologie: Hämodynamisch wird durch die Obstruktion der linksventrikulären Ausflussbahn mit Widerstandserhöhung eine Mehrarbeit des linken Ventrikels verursacht. Die Folgen sind eine Muskelhypertrophie und die Steigerung des Sauerstoffbedarfs der Herzmuskelzellen, was letztendlich in einer Linksherzinsuffizienz münden kann.
Einteilung (nach der Lokalisation; Abb. B-5.19): ■ Valvuläre Aortenstenose: durch Verschmelzung der Kommissuren (trikuspidale, bikuspidale, selten unikuspidale Formen). ■ Supravalvuläre Aortenstenose: häufig in Kombination mit weiteren Fehlbildungen. ■ Subvalvuläre Aortenstenose: unterschieden werden membranförmige, fibröse, tunnelförmige und muskuläre. ■ Mehretagenstenose.
Einteilung (nach der Lokalisation; Abb. B-5.19): ■ Valvuläre Aortenstenose: Durch Verschmelzung der Kommissuren entstehen verschiedene Formen: Trikuspidale, bikuspidale (häufigste Form) und ungünstige, seltene unikuspidale Aortenklappenstenosen. ■ Supravalvuläre Aortenstenose: Häufig in Kombination mit weiteren Fehlbildungen wie geistiger Retardierung, Gebissanomalien, typische Facies und Strabismus als Williams-Beuren-Syndrom vorkommend. ■ Subvalvuläre Aortenstenose: Unterschieden werden membranförmige, fibröse, tunnelförmige und muskuläre (auch HOCM-hypertrophisch obstruktive Kardiomyopathie genannt) Subaortenstenosen. ■ Mehretagenstenose.
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B 5.9 Angeborene Herzfehler
B-5.19
Kongenitale Aortenstenosen
1035 B-5.19
Klinik: In Abhängigkeit von dem Stenosegrad und der -lokalisation im linksventrikulären Ausflusstrakt können diese bis in das Erwachsenenalter symptomlos bleiben. In symptomatischen Fällen handelt es sich um eine zunehmende körperliche Leistungseinschränkung, pektanginöse Beschwerden, synkopale Anfälle, Herzrhythmusstörungen oder einen akuten Herztod. Hochgradige Aortenstenosen können schon im Säuglingsalter als kritische Aortenstenose zu einer schweren Linksherzinsuffizienz führen.
Klinik: häufig bis ins Erwachsenenalter symptomlos. Abhängig vom Stenosegrad und der -lokalisation treten körperliche Leistungseinschränkung, pektanginöse Beschwerden, synkopale Anfälle, Herzrhythmusstörungen oder ein akuter Herztod auf.
Diagnostik: ■ Auskultation: lautes Systolikum, evtl. präkordiales Schwirren. ■ EKG: evtl. Linksherzhypertrophiezeichen. ■ Röntgen-Thorax: Linksherzvergrößerung. ■ Echokardiographie, ggf. Angiographie: Sicherung der Diagnose.
Diagnostik: ■ Auskultation: lautes Systolikum. ■ Röntgen-Thorax: Linksherzvergrößerung. ■ Echokardiographie, Angiographie: Sicherung der Diagnose.
Operationsindikation: abhängig von der Klinik und den diagnostischen Messwerten: Druckgradienten 4 40 mmHg zwischen linkem Ventrikel und Aorta ascendens, Zeichen der Linksherzüberlastung, Synkopen, Angina oder Dekompensation.
Operationsindikation: abhängig von der Klinik und diagnostischen Messwerten.
Therapie: ■ Valvuläre Aortenstenose: bei kritischer Aortenstenose des Säuglings Ballonvalvuloplastie als lebensrettende Sofortmaßnahme (mögliche Komplikation: Aortenklappeninsuffizienz), im Verlauf erfolgt ggf. die Klappenrekonstruktion mit evtl. offener Kommissurotomie. Im Erwachsenenalter kann ein Klappenersatz erforderlich werden. ■ Subvalvuläre Stenosen: Resektion des überschüssigen subvalvulären Gewebeanteils unter Einsatz der HLM. Bei muskulärer Form erfolgt die Einkerbung bzw. Resektion des hypertrophierten Muskelwulstes (Operation nach Bigelow oder nach Morrow). ■ Supravalvuläre Stenose: longitudinale Inzision der Stenose und Erweiterungsplastik der Aorta ascendens mit Perikard oder Kunststoffflicken. ■ Mehretagenstenosen: Kombinationsoperationen wie z. B. plastische Erweiterung der Aortenbasis mit zusätzlichem Klappenersatz durch Homograft.
Therapie: ■ Valvuläre Aortenstenose: Ballonvalvuloplastie mittels Herzkatheter oder operativ offene Kommissurotomie, eventuell späterer Klappenersatz. ■ Subvalvuläre Aortenstenose: Resektion der fibrösen subaortalen Membran, Myotomie oder Myektomie hypertrophierter subaortaler Muskulatur. ■ Supravalvuläre Aortenstenose: Patcherweiterung.
Obstruktion des rechtsventrikulären Ausflusstrakts 왘 Definition. Umfasst Stenosen des rechtsventrikulären Ausflusstrakts. Diese ist zumeist durch eine isolierte valvuläre Pulmonalstenose (90 %) bedingt. Mit 10 % ist sie eine der häufigsten angeborenen kardialen Fehlbildungen und tritt in 25 – 30 % als begleitendes Vitium bei anderen kardialen Fehlbildungen auf.
Obstruktion des rechtsventrikulären Ausflusstrakts 왗 Definition
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1036 B-5.20
B 5 Herzchirurgie
B-5.20
Kongenitale Pulmonalstenosen
Pathophysiologie: Je nach Grad der Obstruktion besteht ein eingeschränkter pulmonaler Blutfluss mit der Gefahr hypoxämischer Zustände.
Pathophysiologie: Je nach dem Grad der Obstruktion der rechtsventrikulären Ausflussbahn besteht ein eingeschränkter pulmonaler Blutfluss mit der Gefahr hypoxämischer Zustände. Gleichzeitig kommt es durch die Druckbelastung zu einer Hypertrophie des rechten Ventrikels mit nachfolgender reduzierter Compliance und erschwerter diastolischer Füllung.
Einteilung (analog Aortenstenose; Abb. B-5.20): ■ Valvuläre Pulmonalstenose: Typisch ist eine poststenotische Dilatation der Pulmonalarterie. ■ Subvalvuläre Pulmonalstenose: Unterteilung in infundibuläre oder subinfundibuläre Pulmonalstenose. ■ Supravalvuläre Pulmonalstenose: selten.
Einteilung (analog Aortenstenose; Abb. B-5.20): ■ Valvuläre Pulmonalstenose: Betreffen 90 % von allen Stenosen, meist durch Verschmelzung der Kommissuren. Typisch ist eine poststenotische Dilatation der Pulmonalarterie. ■ Subvalvuläre Pulmonalstenose: Eine weitere Unterteilung wird je nach Stenoselokalisation zur Crista supraventricularis in infundibuläre oder subinfundibuläre Pulmonalstenose vorgenommen. Der muskuläre infundibuläre Typ ist fast immer eine sekundäre Form der Pulmonalstenose. ■ Supravalvuläre Pulmonalstenose: Ausgesprochen selten, meist im Rahmen anderer komplexer Fehlbildungen.
Klinik: In Abhängigkeit vom Stenosegrad treten Symptome wie Leistungsminderung und Belastungsdyspnoe häufig erst nach Jahren auf.
Klinik: In Abhängigkeit vom Stenosegrad treten Symptome häufig erst nach Jahren auf im Sinne von Leistungsminderung und Belastungsdyspnoe. Ausnahme sind Kinder mit hochgradiger Stenose, die schon im Säuglingsalter infolge des Rechts-Links-Shunts über das Foramen ovale durch eine erhebliche Zyanose und drohende kardiale Dekompensation auffallen.
Diagnostik: ■ Auskultation: Systolikum im 2. ICR links, evtl. Schwirren über dem Erb-Punkt. ■ EKG: evtl. Rechtsherzhypertrophiezeichen. ■ Echokardiographie, Angiographie: Diagnosesicherung.
Diagnostik: ■ Auskultation: Systolikum im 2. ICR links, evtl. Schwirren über dem Erb-Punkt. ■ EKG: evtl. Rechtsherzhypertrophiezeichen. ■ Röntgen-Thorax: prominentes Pulmonalissegment bei poststenotischer Dilatation. ■ Echokardiographie, ggf. Angiographie: Sicherung der Diagnose.
Operationsindikation: bei einem Druckgradienten 4 50 mmHg in Ruhe und kritische Stenosen im Säuglingsalter.
Operationsindikation: Bei einem Druckgradienten 4 50 mmHg in Ruhe besteht wegen der Gefahr der rechtsventrikulären Dekompensation im Verlauf immer eine Operationsindikation. Kritische Stenosen bedürfen schon im Säuglingsalter, ggf. durch interventionelle Ballonvalvuloplastie der Beseitigung.
Therapie: ■ Valvuläre Pulmonalstenosen: Ballonvalvuloplastie oder offene Kommissurotomie. ■ Infundibuläre Pulmonalstenose: Resektion hypertrophierter rechtsventrikulärer Muskulatur (Infundibulektomie).
Therapie: Valvuläre Pulmonalstenosen können häufig interventionell durch Ballonvalvuloplastie gesprengt werden. Alternativ erfolgt operativ eine transpulmonale Kommissurotomie. Bei der infundibulären Pulmonalstenose erfolgt die transventrikuläre Resektion des überschüssigen Gewebes bzw. der hypertrophierten Muskeltrabekel, ggf. in
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B 5.9 Angeborene Herzfehler
Kombination mit einer Erweiterung der rechtsventrikulären Ausflussbahn durch Einnähen eines Perikard- oder Kunststoffflickens. Bei der selten isoliert auftretenden supravalvulären Pulmonalstenose erfolgt je nach Lokalisation eine Patcherweiterungsplastik. Prognose: Unbehandelt beträgt die mittlere Lebenserwartung Pulmonalstenose 21 Jahre. Bei elektiven Eingriffen liegt das unter 1 %, gelegentlich kann es im Erwachsenenalter zu Pulmonalklappeninsuffizienz mit der Notwendigkeit eines kommen.
bei signifikanter Operationsrisiko einer schweren Klappenersatzes
5.9.2 Angeborene Herzfehler mit Links-Rechts-Shunt Ductus arteriosus persistens (PDA) 왘 Definition. Beim Ductus arteriosus persistens (PDA) bzw. Ductus arteriosus Botalli handelt es sich um eine persistierende Kurzschlussverbindung zwischen A. pulmonalis und Aorta descendens, über die der fetale Kreislauf stattgefunden hat (Abb. B-5.21).
Epidemiologie: Bei 1 von 4000 Neugeborenen bleibt der Ductus offen und ist mit 5 – 10 % ein relativ häufiger Herzfehler. Bei Frühgeborenen unter 1200 g besteht zu 80 % ein PDA.
1037
■
Supravalvuläre Pulmonalstenose: Patcherweiterung.
Prognose: Unbehandelt beträgt die mittlere Lebenserwartung bei signifikanter Pulmonalstenose 21 Jahre.
5.9.2 Angeborene Herzfehler mit
Links-Rechts-Shunt Ductus arteriosus persistens (PDA) 왗 Definition
Epidemiologie: Tritt bei einem von 4000 Neugeborenen auf.
Pathophysiologie: In der Fetalperiode dient der Ductus arteriosus Botalli als Kurzschlussverbindung zwischen A. pulmonalis und der Aorta. Auf diese Weise wird die Lungenstrombahn mit ihrem sehr hohen Gefäßwiderstand infolge der fehlenden Entfaltung der Lungen umgangen. Nach der Geburt kommt es aufgrund des Druckabfalls im Lungenkreislauf zu einer Umkehrung des Blutstroms, sodass jetzt ein Links-Rechts-Shunt vorliegt. Der Sauerstoffreiz führt zur vollständigen Obliteration und Fibrose innerhalb der ersten Wochen. Unterbleibt diese Obliteration, resultiert ein persistierender Links-Rechts-Shunt, bei dem der systemarterielle Druck in der Lungenstrombahn wirksam wird (Gefahr der Eisenmenger-Reaktion). Ätiologie: Als Ursachen der unterbliebenen Obliteration gelten postpartale Hypoxie, Unreife bei der Geburt, pulmonale Hypertonie und eine besondere histologische Beschaffenheit des Ductus arteriosus Botalli. Klinik: Bei kleinem Ductus arteriosus Botalli bleiben die Patienten lange asymptomatisch, bei einem großen Shuntvolumen in den Lungenkreislauf kann der Ductus arteriosus Botalli bereits im Neugeborenenalter zum Bild der
B-5.21
Ductus arteriosus Botalli und das aortopulmonale Fenster
Ätiologie: postpartale Hypoxie, Unreife bei der Geburt, pulmonale Hypertonie und eine besondere histologische Beschaffenheit des Ductus arteriosus Botalli. Klinik: asymptomatisch bei kleinem Ductus arteriosus Botalli, ansonsten typischer Auskultationsbefund (Maschinengeräusch), Dyspnoe, Leistungsschwäche, Gedeihstörungen und gehäufte Bronchitiden. B-5.21
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B 5 Herzchirurgie
Herzinsuffizienz führen, des Weiteren fallen die Kinder neben einem typischen Auskultationsbefund (Maschinengeräusch, Differenzialdiagnose: aortopulmonales Fenster) durch Dyspnoe, Leistungsschwäche, Gedeihstörungen und gehäufte Bronchitiden auf. Diagnostik: ■ Auskultation: typisch systolisch-diastolisches Maschinengeräusch. ■ EKG: Belastungs- und Hypertrophiezeichen beider Ventrikel. ■ Echokardiographie: meist lässt sich der offene Ductus darstellen. ■ Herzkatheter: nur bei schlechten Echobedingungen oder zur Abgrenzung zum aortopulmonalen Fenster.
Diagnostik: ■ Auskultation: typisch systolisch-diastolisches Maschinengeräusch. ■ EKG: Belastungs- und Hypertrophiezeichen beider Ventrikel. ■ Röntgen-Thorax: vermehrte Lungendurchblutung, evtl. Herzvergrößerung. ■ Echokardiographie: Meist lässt sich der offene Ductus arteriosus Botalli gut darstellen. ■ Herzkatheter: nur indiziert bei schlechten Echobedingungen oder wenn eine Abgrenzung zum aortopulmonalen Fenster erforderlich ist.
Operationsindikation: Jeder persistierende Ductus arteriosus Botalli muss verschlossen werden, da in 10 % der unbehandelten Fälle eine Eisenmenger-Reaktion auftritt.
Operationsindikation: Jeder persistierende Ductus arteriosus Botalli muss verschlossen werden, da in 10 % der unbehandelten Fälle eine EisenmengerReaktion auftritt. Außerdem besteht beim persistierenden Ductus arteriosus Botalli ein erhöhtes Risiko einer bakteriellen Endokarditis. Der Zeitpunkt der Operation hängt vom klinischen Schweregrad der Erkrankung ab: Kinder mit respiratorischer Insuffizienz müssen umgehend operiert werden, eine elektive Operation sollte innerhalb des Vorschulalters erfolgen.
Therapie: ■ Medikamentös: in Einzelfällen mit Indometacin. ■ Interventionell: bei kleineren offenen Ductus Botalli mit Okkludersystem. ■ Operativ: Ligatur und Durchtrennung des PDA; bei Frühgeborenen alternativ Verschluss durch Gefäßclip.
Therapie: ■ Medikamentös: In Einzelfällen gelingt es, den Ductus arteriosus Botalli im Neugeborenenalter medikamentös mittels Indometacin als ProstaglandinInhibitor zu verschließen. ■ Interventionell: Kleinere offene Ductus Botalli werden heute durch interventionelle Therapie im Rahmen einer Herzkatheteruntersuchung durch verschiedene Okkludersysteme verschlossen. Das Risiko für einen Restshunt liegt bei 5 – 10 %. ■ Operativ: Vor der Operation müssen möglicherweise vorhandene begleitende Herzfehler festgestellt bzw. ausgeschlossen sein: Dazu gehören Aortenisthmusstenose, Ventrikelseptumdefekt, Fallot-Tetralogie und Transposition der großen Gefäße, da gerade bei den zuletzt genannten Erkrankungen der offene Ductus arteriosus eine Notwendigkeit für das Überleben des Kindes sein kann. Bei der Operation wird der Ductus arteriosus meist von einer linksseitigen Thorakotomie aus dargestellt, ligiert und durchtrennt, beim Frühgeborenen alternativ mittels Gefäßclip verschlossen.
Prognose: Ohne Operation versterben ca. 40 % der Patienten bis zum 40. Lebensjahr. Die Operationsletalität liegt bei elektiven Eingriffen 5 2 %.
Prognose: Ohne Operation versterben ca. 40 % der Patienten bis zum 40. Lebensjahr. Die Operationsletalität liegt bei elektiven Eingriffen 5 2 %. Nach dem Verschluss des Ductus arteriosus Botalli besteht eine normale Lebenserwartung. Bei der Ausbildung eines pulmonalen Hochdrucks und Entwicklung von Verkalkungen im Ductusbereich im höheren Lebensalter nimmt die Operationsletalität zu.
Vorhofseptumdefekt
Vorhofseptumdefekt (ASD)
왘 Definition
왘 Definition. Hierbei handelt es sich um ein azyanotisches Vitium, bei dem das
Blut auf Vorhofebene bei einem Links-Rechts-Shunt rezirkuliert. Zu dieser Gruppe werden zusätzlich die partiellen Lungenvenenfehlmündungen gerechnet. Epidemiologie: gehört zu den häufigen angeborenen Herzfehlern (ca. 7 – 10 %).
Epidemiologie: Der ASD gehört mit einem Anteil von ca. 7 – 10 % zu den häufigen Herzfehlern, Mädchen sind doppelt so häufig betroffen. Der Ostium-primum-Defekt (ASD I) ist häufig mit der Trisomie 21 (Morbus Down) vergesellschaftet.
Pathophysiologie: Der Vorhofseptumdefekt führt aufgrund der physiologischen Druckund Widerstandsverhältnisse zu einem Links-Rechts-Shunt, bei dem das Blut in den
Pathophysiologie: Der Vorhofseptumdefekt führt aufgrund der physiologischen Druck- und Widerstandsverhältnisse zu einem Links-Rechts-Shunt, bei dem das Blut dem geringsten Widerstand folgend in den Lungenkreislauf zurückfließt.
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B 5.9 Angeborene Herzfehler
1039
Dies führt zu einer gesteigerten Lungendurchblutung bei zunächst noch normalem Körperzeitvolumen. Als Folge der Volumen- und Druckbelastung im Lungenkreislauf kann es jedoch im Erwachsenenalter zu einer irreversiblen Widerstandserhöhung durch Intimaproliferation der Gefäße im kleinen Kreislauf kommen (Eisenmenger-Reaktion). Dies führt zunächst zu einer Abnahme des Shuntvolumens, schließlich sogar zu einer Flussumkehr mit Rechts-LinksShunt, d. h., aus einem primär azyanotischen Vitium kann ein sekundär zyanotisches werden. Als Kenngröße für das Shuntvolumen gilt die Angabe der Shuntgröße in Prozent, wobei derjenige Prozentanteil des Lungenstrombahnvolumens gemeint ist, der über dem Defekt rezirkuliert.
Lungenkreislauf zurückfließt. Die Folge ist eine gesteigerte Lungendurchblutung. Im Erwachsenenalter kann es zur EisenmengerReaktion kommen mit einer Flussumkehr (Rechts-Links-Shunt).
Einteilung (nach der Lokalisation; Abb. B-5.22): ■ Ostium-primum-Defekt (ASD I): Dieser Defekt ist selten (ca. 10 %). Er liegt direkt vor der AV-Klappe und entsteht durch mangelnde Fusion des Endokardkissens mit dem Septum secundum. Ist dieser mit einer Fehlbildung der atrioventrikularen Klappen (Mitralklappenspalt oder auch „Cleft“) vergesellschaftet, so resultiert ein AVSD (atrioventrikulärer Septumdefekt; früher: AV-Kanal, Abb. B-5.23). Dieser wird je nach Mitbeteiligung des Kammerseptums als partieller oder kompletter (mit Inlet-VSD) AVSD bezeichnet. ■ Ostium-secundum-Defekt (ASD II): Dieser Defekt ist mit ca. 80 % am häufigsten, zentral sitzend in der Fossa ovalis, es fehlt das Septum primum. ■ Sinus-venosus-Defekt: Der obere und untere Sinus-venosus-Defekt (ca. 10 %) ist an der Einmündung der Hohlvenen lokalisiert, in der Regel mit fehleinmündenden Lungenvenen kombiniert. ■ Koronarsinusdefekt: Defektlokalisation im Bereich der Koronarvenensinusmündung.
Einteilung (nach der Lokalisation; Abb. B-5.22): ■ Ostium-primum-Defekt (ASD I): ist selten (ca. 10 %), bei Vergesellschaftung mit einer Fehlbildung der atrioventrikularen Klappen (Mitralklappenspalt oder auch „Cleft“) resultiert ein AVSD. ■ Ostium-secundum-Defekt (ASD II): Das Septum primum fehlt. Mit ca. 80 % am häufigsten. ■ Sinus-venosus-Defekt: An der Einmündung der Hohlvenen lokalisiert (ca. 10 %), meist mit fehleinmündenden Lungenvenen kombiniert. ■ Koronarsinusdefekt: Im Bereich der Koronarvenensinusmündung lokalisiert.
Klinik: Der überwiegende Teil der Patienten ist in den frühen Jahren beschwerdefrei. Bei großem Defekt können sich die Symptome der vermehrten Lungenperfusion (Dyspnoe), häufige Infekte und eines verminderten HZV im großen Kreislauf (Leistungsminderung, Ermüdbarkeit) früh zeigen.
Klinik: In den frühen Jahren meist keine Beschwerden. Bei großem Defekt können Dyspnoe, häufige Infekte sowie Leistungsminderung und Ermüdbarkeit schon früh auftreten.
Diagnostik: ■ Auskultation: meist nur diskretes Herzgeräusch durch relative Pulmonalstenose. ■ EKG: häufig inkompletter Rechtsschenkelblock, evtl. Zeichen der Rechtsherzhypertrophie.
Diagnostik: ■ Auskultation: meist nur diskretes Herzgeräusch. ■ EKG: häufig inkompletter Rechtsschenkelblock, evtl. Rechtsherzhypertrophie.
B-5.22
Vorhofseptumdefekte
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B 5 Herzchirurgie
1040 B-5.23
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AV-Kanal = atrioventrikulärer Septumdefekt (AVSD)
Röntgen-Thorax: mäßige Verbreiterung des Herzens, vermehrte Lungengefäßzeichnung. Echokardiographie: Defektdarstellung. Herzkatheteruntersuchung: Diagnosesicherung, Berechnung des Shuntvolumens.
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Röntgen-Thorax: mäßige Verbreiterung des Herzens nach beiden Seiten mit betontem Pulmonalsegment und vermehrter Lungengefäßzeichnung. Echokardiographie: Darstellung des Defektes, ggf. transösophageales Echo zur genauen Lokalisation indiziert. Herzkatheteruntersuchung: sichert die Diagnose durch Feststellung des „Sauerstoffsprungs“ auf Vorhofebene und ermöglicht die Berechnung des Shuntvolumens.
Operationsindikation: Bei einem Shuntvolumen von mehr als 30 % des Herzminutenvolumens und bei Zeichen der Rechtsherzbelastung und Beginn der Widerstandserhöhung im kleinen Kreislauf.
Operationsindikation: Bei einem Shuntvolumen von mehr als 30 % des Herzminutenvolumens besteht auch bei asymptomatischen Patienten möglichst noch im Vorschulalter die Indikation zur invasiven Korrektur, um langfristig rechtsventrikuläre Funktionsschäden zu vermeiden. Bei Zeichen der Rechtsherzbelastung und Beginn der Widerstandserhöhung im kleinen Kreislauf sollte unabhängig vom Lebensalter die operative Korrektur unmittelbar nach Diagnosestellung erfolgen.
Therapie: ■ Interventionell: Am häufigsten ist der ASD II im Bereich der Fossa ovalis, der heutzutage bei genügend Septumrand mittels Okkluder interventionell im Herzkatheterlabor verschlossen wird. ■ Operativ werden größere Defekte (ASD II, ASD I, Sinus-venosus-Defekt, AVSD) durch Rekonstruktion des Vorhofseptums mittels autologer Perikardflicken verschlossen.
Therapie: ■ Interventionell: Je nach Defektausmaß ist beim ASD II ein interventioneller Verschluss durch katheterapplizierte Okkludersysteme möglich. ■ Operativ: Wichtig vor dem operativen Verschluss ist die ausreichende präoperative Diagnostik zum Ausschluss fehlmündender Lungenvenen oder kombinierter Klappenvitien auf Vorhofebene. Der operative Verschluss erfolgt unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine und ist über mediane Sternotomie oder minimalinvasive Techniken (rechtslaterale Thorakotomie, partielle inferiore Mini-Sternotomie) möglich. Der Zugang erfolgt über den rechten Vorhof. Je nach Größe des Defektes ist der Verschluss entweder durch direkte Naht oder durch Einsetzen eines Flickens aus Perikard oder Kunststoff möglich. Bei bestehender Lungenvenenfehlmündung müssen diese gleichzeitig in den linken Vorhof umgeleitet werden. Das operative Risiko ist abhängig vom Ausmaß des Defektes und dem Grad der kardialen Dekompensation. Prognose: Bei elektiven Eingriffen liegt das Operationsrisiko unter 1 %.
Ventrikelseptumdefekt (VSD) 왘 Definition
Ventrikelseptumdefekt (VSD) 왘 Definition. Hierbei handelt es sich um ein azyanotisches Vitium, bei dem das
Blut auf der Ventrikelebene mit einem Links-Rechts-Shunt rezirkuliert.
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B 5.9 Angeborene Herzfehler
Epidemiologie: Mit 10 – 30 % der angeborenen Herzvitien ist der isolierte Ventrikelseptumdefekt (VSD) der weitaus häufigste Herzfehler. In den ersten 3 Lebensjahren verschließen sich 25 % der kleineren Defekte mit geringer hämodynamischer Relevanz spontan, weitere 30 % verkleinern sich. Jenseits der ersten 3 Lebensjahre werden Spontanverschlüsse nicht mehr beobachtet.
1041 Epidemiologie: häufigster angeborener Herzfehler (10 – 30 %).
Pathophysiologie: Je nach Größe des Defektes kommt es zu einem Links-RechtsShunt mit daraus resultierender Druck- und Volumenbelastung des rechten Ventrikels und zur Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie bis hin zur Shuntumkehr (Eisenmenger-Reaktion). Einteilung (Abb. B-5.24): Membranöse VSD: lokalisiert im membranösen Septumanteil. ■ Muskuläre VSD: in Abhängigkeit von der Lokalisation im Septum werden diese nochmals unterteilt in Einlass-, Auslass- oder trabekuläre VSD. ■ Subarterielle Defekte: „doubly committed defects“, lokalisiert im Bereich des Konusseptums mit Zuordnung sowohl der Aorten-, als auch der Pulmonalklappe.
Einteilung (Abb. B-5.24): ■ Membranöser VSD. ■ Muskulärer VSD. ■ Subarterielle Defekte („doubly committed defects“).
Klinik: In der Regel handelt es sich um ein azyanotisches Vitium, die Symptomatik ist abhängig von der Größe des Defekts und dem damit verbundenen Shuntvolumen. Kleinere VSD können asymptomatisch sein, größere VSD führen zu pulmonaler Hypertension mit Linksherzinsuffizienz sowie zur Neigung zu pulmonalen Infekten.
Klinik: ist abhängig von der Größe des Defekts (Shuntvolumen). Kleinere VSD können asymptomatisch sein, größere VSD führen zu pulmonaler Hypertension mit Linksherzinsuffizienz.
Diagnostik: ■ Auskultation: scharfes systolisches Geräusch und tastbares Schwirren im 3. ICR links parasternal (systolisches Pressstrahlgeräusch), je kleiner der Defekt, desto lauter. ■ EKG: ggf. Zeichen der Rechtsherzhypertrophie. ■ Röntgen-Thorax: bei großem Defekt Zeichen der Lungenüberflutung. ■ Echokardiographie: Nachweis des Shunts. ■ Herzkatheter: im Säuglingsalter nicht erforderlich, später allerdings zur Bestimmung des pulmonalen Widerstandes anzuraten.
Diagnostik: ■ Auskultation: scharfes systolisches Geräusch und tastbares Schwirren im 3. ICR links parasternal, je kleiner der Defekt, desto lauter. ■ EKG: ggf. Zeichen der Rechtsherzhypertrophie. ■ Echokardiographie: Nachweis des Shunts. ■ Herzkatheter: im Säuglingsalter nicht erforderlich.
Operationsindikation: Je nach Größe des VSD zeigen die Patienten häufig schon im Säuglingsalter Gedeihstörungen und müssen daher früh operiert werden, ansonsten sollten kleinere VSD wegen der Möglichkeit des Spontanverschlusses erst nach dem 2. Lebensjahr operiert werden.
Operationsindikation: Bei Gedeihstörungen schon im Säuglingsalter, ansonsten erst nach dem 2. Lebensjahr.
Therapie: Bei günstiger Lage im Septum kann der Verschluss interventionell mittels Okkluder (ab 8 kg Körpergewicht) erfolgen. Meist wird jedoch der Defekt chirurgisch unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine mit einem transatrialen
Therapie: bei günstiger Lage im Septum interventioneller Verschluss mittels Okkluder (ab 8 kg Körpergewicht). Meist erfolgt jedoch der Verschluss chirurgisch durch einen transatrialen Patchverschluss.
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B-5.24
Ventrikelseptumdefekt
B-5.24
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1042
B 5 Herzchirurgie
oder selten transventrikulären Patchverschluss versehen. Eine direkte Naht ist nur bei kleineren muskulären Defekten sinnvoll. In Ausnahmefällen muss vor der definitiven Korrektur ein palliatives Pulmonalisbanding zur Vermeidung einer pulmonalen Hypertonie erfolgen (multiple VSD oder „Swiss-CheeseDefekt“ bei sehr kleinen Patienten). Prognose: Große Ventrikelseptumdefekte führen ohne Operation bei ca. 10 % der Patienten innerhalb der ersten Lebensjahre zum Tod. Nach rechtzeitiger Korrektur besteht eine normale Leistungsfähigkeit und Lebenserwartung. In 10 % der Fälle sind Reoperationen erforderlich.
5.9.3 Angeborene Herzfehler mit
Rechts-Links-Shunt Pulmonalstenose mit VSD (Fallot-Tetralogie) 왘 Definition
Prognose: Große Ventrikelseptumdefekte führen ohne Operation bei ca. 10 % der Patienten innerhalb der ersten Lebensjahre zum Tod, meist durch akute Linksherzinsuffizienz und rezidivierende pulmonale Infekte bedingt. Das Operationsrisiko liegt bei elektiven Eingriffen unter 4 %, bei Notfalloperationen innerhalb der ersten 6 Lebensmonate deutlich höher. Komplikationen können durch postoperative Reizleitungsstörungen oder Ausriss des Patches entstehen. Nach rechtzeitiger Korrektur besteht eine normale Leistungsfähigkeit und Lebenserwartung. In 10 % der Fälle sind Reoperationen aufgrund eines Rezidivoder Restdefektes erforderlich.
5.9.3 Angeborene Herzfehler mit Rechts-Links-Shunt Pulmonalstenose mit VSD (Fallot-Tetralogie) 왘 Definition. Die Fallot-Tetralogie (TOF) besteht in einer Kombination von (Abb. B-5.25): ■ Einengung des rechtsventrikulären Ausflusstraktes (infundibuläre oder valvuläre Pulmonalstenose) ■ Ventrikelseptumdefekt ■ Überreiten der Aorta über diesen Defekt ■ Hypertrophie des rechten Ventrikels.
Epidemiologie: das häufigste Vitium mit Rechts-Links-Shunt.
Epidemiologie: Die Fallot-Tetralogie ist mit 10 – 15 % der kongenitalen Herzvitien das häufigste Vitium mit Rechts-Links-Shunt.
Pathophysiologie: Ursache ist eine Entwicklungsstörung des infundibulären Septums (Konus-Septum). Hämodynamisch resultiert infolge der verengten rechtsventrikulären Ausflussbahn bei Überreiten der Aorta ein Rechts-Links-Shunt mit zentraler Zyanose (Abb. B-5.25).
Pathophysiologie: Ursache der Fallot-Tetralogie ist eine Entwicklungsstörung des infundibulären Septums (Konus-Septum). Hämodynamisch resultiert infolge der verengten rechtsventrikulären Ausflussbahn bei Überreiten der Aorta ein Rechts-Links-Shunt mit zentraler Zyanose. Das Ausmaß des Shunts hängt vom Grad der Pulmonalstenose ab. Die pulmonale Minderperfusion kann durch einen persistierenden Ductus arteriosus Botalli verbessert werden, bei dessen Verschluss liegt häufig ein ausgeprägtes Kollateralsystem zwischen Aorta und A. pulmonalis vor.
B-5.25
B-5.25
Fallot-Tetralogie
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B 5.9 Angeborene Herzfehler
1043
Klinik: Mit zunehmender Obstruktion der rechtsventrikulären Ausflussbahn infolge reaktiver muskulärer Hypertrophie des rechten Ventrikels nimmt der Shunt jenseits des 6. Lebensmonats zu. Der pulmonale Blutfluss nimmt dadurch ab und es resultiert eine Zyanose. Als Folge der niedrigen O2-Sättigung kommt es zur Ausbildung einer reaktiven Polyglobulie. Symptome sind rasche Ermüdbarkeit und Belastungsdyspnoe. Typisch ist die reflektorisch eingenommene Hockstellung. Durch diese Haltung steigern die Kinder den peripheren Widerstand und reduzieren den Rechts-Links-Shunt, was zu einer verbesserten Lungenperfusion führt.
Klinik: Aufgrund der reaktiven muskulären Hypertrophie des rechten Ventrikels nimmt der Shunt jenseits des 6. Lebensmonats zu und der pulmonale Blutfluss ab, mit nachfolgender Zyanose sowie Ausbildung einer reaktiven Polyglobulie. Symptome sind rasche Ermüdbarkeit und Belastungsdyspnoe. Typisch ist die reflektorisch eingenommene Hockstellung.
Diagnostik: ■ Auskultation: lautes systolisches Geräusch. ■ EKG: Zeichen der Rechtsherzhypertrophie. ■ Röntgen-Thorax: aufgrund der Minderperfusion helle Lungenfelder, fehlendes Pulmonalsegment, evtl. angehobene Herzspitze. ■ Echokardiographie: gute Darstellbarkeit der Pathologie. ■ Herzkatheter: präoperativ indiziert, insbesondere zur Darstellung der aortopulmonalen Kollateralen, die ggf. interventionell verschlossen werden müssen.
Diagnostik: ■ Auskultation: lautes systolisches Geräusch. ■ EKG: Rechtsherzhypertrophiezeichen. ■ Röntgen-Thorax: helle Lungenfelder, fehlendes Pulmonalsegment, evtl. angehobene Herzspitze. ■ Echokardiographie. ■ Herzkatheter: präoperativ indiziert.
Operationsindikation: Mit der Diagnose ergibt sich die Operationsindikation. Die Korrektur der Fallot-Tetralogie wird innerhalb des ersten Lebensjahres angestrebt, da ein späterer Operationszeitpunkt das Risiko einer fortschreitenden Obstruktion des rechtsventrikulären Ausflusstraktes infolge der reaktiven muskulären Hypertrophie des rechten Ventrikels beinhaltet.
Operationsindikation: Mit der Diagnose ergibt sich die Operationsindikation.
Therapie: allgemeintherapeutische Maßnahmen bei hypoxämischen Anfällen: Sauerstoffzufuhr, Sedierung. ■ Palliative Operation: Bei sehr kleinen Kindern initial Palliativoperationen mit Herstellung einer Shuntverbindung mittels Kunststoffröhrchen (PTFE) zwischen Systemkreislauf und A. pulmonalis im Sinne eines zentralen aortopulmonalen oder modifizierten Blalock-Taussig-Shunts (Abb. B-5.26). ■ Korrekturoperation: Beseitigung der Stenose der rechtsventrikulären Ausflussbahn, ggf. mit Rekonstruktion, d. h. je nach Ausprägung Kommissurotomie, transanuläre Patcherweiterung bzw. Ersatz des Klappensystems durch Homograft. Danach Patchverschluss des Ventrikelseptumsdefekts und Anschluss des linken Ventrikels an die Aorta ascendens.
Therapie: ■ Palliative Shuntanlage bei kleinen symptomatischen Patienten, z. B. zentraler Prothesenshunt oder modifizierter Blalock-Taussig-Shunt (Abb. B-5.26). ■ Korrekturoperation mit Beseitigung der Stenose der rechtsventrikulären Ausflussbahn ggf. mit Rekonstruktion, danach Patchverschluss des Ventrikelseptumdefektes und Anschluss des linken Ventrikels an die Aorta ascendens.
B-5.26
Palliativeingriffe bei Fallot-Tetralogie
B-5.26
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B 5 Herzchirurgie
Prognose: Das Operationsrisiko liegt je nach Lebensalter zwischen 2 – 12 %. Langfristig kann trotz Totalkorrektur die körperliche Leistungsfähigkeit eingeschränkt sein. Ohne operative Therapie erreichen nur 25 % der Patienten das 10. und nur 5 % das 30. Lebensjahr.
Prognose: Das Operationsrisiko liegt je nach Lebensalter zwischen 2 – 12 %. Langfristig kann trotz Totalkorrektur die körperliche Leistungsfähigkeit eingeschränkt sein. Gründe dafür sind eine verbleibende Restobstruktion der rechtsventrikulären Ausflussbahn oder Pulmonalklappeninsuffizienz nach Kommissurotomie oder transvalvulär platziertem Patch. Je nach Ausprägung der Pulmonalmorphologie können Folgeoperationen mit Ersatz der Pulmonalklappe notwendig werden. Ohne operative Therapie erreichen nur 25 % der Patienten das 10. und nur 5 % das 30. Lebensjahr.
Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt 왘 Definition
Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt 왘 Definition. Atresie der Pulmonalklappe in Verbindung mit einem Ventrikelseptumdefekt.
Pathophysiologie: Die Lungendurchblutung erfolgt über einen offenen Ductus Botalli oder multiple aortopulmonale Kollateralarterien (MAPCA). Klinik: Eine Zyanose besteht von Geburt an.
Pathophysiologie: Es kommt unmittelbar nach der Geburt zu einem RechtsLinks-Shunt mit zentraler Zyanose. Die Lungendurchblutung erfolgt über einen offenen Ductus Botalli oder multiple aortopulmonale Kollateralarterien (MAPCA).
Diagnostik: wie Fallot-Tetralogie.
Diagnostik: Klinische Untersuchungen und Befunde entsprechen der FallotTetralogie.
Operationsindikation: bei Diagnosestellung.
Operationsindikation: besteht bei Diagnosestellung.
Therapie: ■ Operativ-palliativ: bei hypoplastischen Pulmonalarterien palliative Shuntanlage eventuell mit gleichzeitiger Unifokalisierung der MAPCA. ■ Korrekturoperation: wie bei Fallot-Tetralogie mit VSD-Verschluss und Anschluss des rechten Ventrikels an die Pulmonalarterien über eine klappentragende Gefäßprothese (z. B. Homograft). Während des Wachstums sind Reoperationen zum Homograftwechsel notwendig.
Therapie: ■ Operativ-palliativ: Wegen eines hypoplastischen Lungengefäßbettes erfolgt häufig primär die Anlage eines aortopulmonalen Shunts auf die aus der Aorta explantierten und zu zentralen Pulmonalarterien vereinigten Kollateralarterien (Unifokalisierung der MAPCA). ■ Korrekturoperation: Ist im Verlauf dann ein ausreichend weites Lungengefäßbett vorhanden und der rechte Ventrikel adäquat groß, kann die anatomische Korrektur durch transanuläre Erweiterungsplastik der rechtsventrikulären Ausflussbahn bzw. Implantation einer klappentragenden Gefäßprothese (z. B. Homograft) und Verschluss des VSD angestrebt werden. Während des Wachstums sind Reoperationen zum Homograftwechsel notwendig. Bei hypoplastischer Lungenstrombahn erfolgt die Erweiterungsplastik der rechtsventrikulären Ausflussbahn unter Belassen des VSD, da der hohe pulmonale Widerstand sonst zur Dekompensation des rechten Ventrikels führt.
Prognose: hohe Operationsletalität (bis zu 30 %).
Prognose: hohe Operationsletalität (bis zu 30 %), spätere Re-Operationen zum Homograftwechsel, alternativ Herz-Lungen-Transplantation.
Trikuspidalatresie
Trikuspidalatresie
왘 Definition
Klinik: Eine Zyanose besteht von Geburt an. Die pulmonale Durchblutung hängt vom Ausmaß der Kollateralen und der Ausbildung des pulmonalen Gefäßbettes ab.
왘 Definition. Es besteht eine verschlossene bzw. nicht angelegte Trikuspidalklappe, sodass keine Verbindung zwischen rechtem Vorhof und rechtem Ventrikel besteht. Der rechte Ventrikel ist mehr oder weniger hypoplastisch (univentrikulärer Herzfehler).
Pathophysiologie: Das venöse Blut fließt über einen Vorhofseptumdefekt in den linken Vorhof ? linker Ventrikel und evtl. über Ventrikelseptumdefekt in rudimentären rechten Ventrikel und Lungenstrombahn (Abb. B-5.27).
Pathophysiologie: Das gesamte venöse Blut fließt über einen Vorhofseptumdefekt in den linken Vorhof, von dort in den linken Ventrikel, aus dem es in Abhängigkeit von der Größe des Ventrikelseptumdefektes z. T. in den rudimentär angelegten rechten Ventrikel und die Lungenstrombahn fließt (Abb. B-5.27).
Klinik: schwere zentrale Zyanose bei verminderter Lungendurchblutung oder, ohne pulmonale Restriktion, zunehmende Herzinsuffizienz.
Klinik: In Abhängigkeit von einer zusätzlich vorhandenen Pulmonalstenose oder -atresie besteht eine schwere zentrale Zyanose bei verminderter Lungendurchblutung oder, ohne pulmonale Restriktion, eine zunehmende Herzinsuffizienz.
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B 5.9 Angeborene Herzfehler
B-5.27
Trikuspidalatresie
1045 B-5.27
Diagnostik: Die Diagnose erfolgt echokardiographisch und die Sicherung durch eine Herzkatheteruntersuchung.
Diagnostik: Echokardiographie und Herzkatheter.
Therapie: Operativ ist eine Totalkorrektur anatomisch nicht möglich, sodass primär nach der Geburt bei noch physiologisch erhöhtem Lungengefäßwiderstand bei schwerer Zyanose (Pulmonalstenose bzw. -atresie) oder schwerer Herzinsuffizienz (nichtrestriktiver Lungenfluss) die Indikation zu „Palliativoperation“ gestellt wird. Ziel ist, zunächst eine Balancierung zwischen Körperund Lungendurchblutung entweder durch Anlage eines aortopulmonalen Shuntes oder eines Pulmonalarterienbändchens zu erreichen. Zweizeitig, nach physiologischem Absinken des Lungengefäßwiderstandes, wird operativ das systemvenöse Blut durch Anlage einer kavopulmonalen Anastomose (Prinzip der Fontan-Zirkulation) direkt in die Lungen umgeleitet. Aus Gründen der Hämodynamik erfolgt dieses in 2 Teilschritten: ■ obere kavopulmonale Anastomose (Glenn-Operation, Hemifontan): Anlage einer End-zu-Seit- oder Seit-zu-Seit-Anastomose zwischen oberer Hohlvene und rechter A. pulmonalis im Alter von 4 – 8 Monaten (zunächst noch verbleibende Zyanose) ■ totale kavopulmonale Anastomose (TCPC): Anschluss der unteren Hohlvene an die Pulmonalarterien als Tunnel im rechten Vorhof oder extrakardial als große Gefäßprothese im Alter von 2 – 5 Jahren. Mit der nun vollzogenen Kreislauftrennung ist auch die Zyanose beseitigt („Palliativ-Korrektur“).
Therapie: Häufig sind im Neugeborenenalter bei noch erhöhtem Lungengefäßwiderstand Palliativoperationen notwendig, z. B. ShuntAnlage bei gleichzeitiger Pulmonalstenose oder -atresie, bzw. Pulmonalisbändchen zur Drosselung bei nichtrestriktiver Lungendurchblutung. Später erfolgt eine „Palliativkorrektur“ nach dem Prinzip der Fontan-Zirkulation in 2 Teilschritten: obere kavopulmonale Anastomose (mit verbleibender Zyanose) totale kavopulmonale Anastomose (TCPC) zur Kreislauftrennung und Beseitigung der Zyanose.
Die in den 1970er Jahren von Fontan entwickelte Operation mit Anschluss des rechten Vorhofohres über eine klappentragende Gefäßprothese an die A. pulmonalis wurde aufgrund der wachstumsbedingten Stenosebildungen am pulmonalen Einstrom und folgenden Dilatation des rechten Vorhofes verlassen. Das Prinzip der „Fontan-Zirkulation“, d. h. der passive Einstrom des systemvenösen Blutes in die Pulmonalarterien, liegt aber weiterhin den modernen Operationsmethoden der TCPC zugrunde, allerdings mit deutlich verbesserter Hämodynamik, im Idealfall ohne Stenosierungen im Wachstum. Prognose: In Abhängigkeit der Pumpleistung des singulären linken Ventrikels oder zusätzlicher Risikofaktoren (z. B. AV-Klappeninsuffizienz, diastolische Funktionsstörung, erhöhter pulmonalvaskulärer Widerstand, Herzrhythmusstörungen) ist die Leistungsfähigkeit der Patienten erstaunlicherweise meist nur gering bis mäßig eingeschränkt (NYHA I–II). Leistungssport kann nicht betrieben werden. Bei eventuell zunehmender Herzinsuffizienz aufgrund abnehmender Pumpleistung des singulären Ventrikels verbleibt die Option der Herztransplantation.
Prognose: In Abhängigkeit der Pumpleistung des singulären linken Ventrikels oder zusätzlicher Risikofaktoren ist die Leistungsfähigkeit oft nur gering bis mäßig eingeschränkt (NYHA I–II), Leistungssport ist jedoch nicht möglich.
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1046
B 5 Herzchirurgie
Funktionell univentrikuläre Herzfehler
Funktionell univentrikuläre Herzfehler
Sammelbegriff komplexer kardialer Fehlbildungen, die nur einen voll funktionsfähigen Ventrikel haben und chirurgisch keine biventrikuläre Korrektur erlauben.
Neben der Trikuspidalatresie gibt es eine Reihe komplexer kardialer Fehlbildungen (etwa 5 % aller kardialen Fehlbildungen), die nur einen voll funktionsfähigen Ventrikel haben und daher chirurgisch keine biventrikuläre Korrektur erlauben. Zu diesen Herzfehlern gehören u. a.: ■ „Double inlet ventricle“, zwei AV-Klappen: „double inlet left ventricle“ (DILV), „double inlet right ventricle“ (DIRV), „common ventricle“ (keine Differenzierung in rechten oder linken Ventrikel möglich) ■ Hypoplastischer Ventrikel bei Hypo- oder Aplasie einer AV-Klappe, „single inlet ventricle“ (Trikuspidalatresie, hypoplastisches Linksherzsyndrom (HLHS), Mitralatresie, Endokardfibroelastose) ■ Komplexe Herzfehler z. B. Heterotaxiesyndrom und Rotationsanomalien mit Hypoplasie eines Ventrikels ■ Überreiten einer AV-Klappe mit nicht korrigierbarem Straddling bei mehr oder weniger normal angelegten Ventrikeln (fehlverlaufende Sehnenfäden durch einen VSD zu Papillarmuskeln des kontralateralen Ventrikels).
Therapie: Nach mehr oder weniger komplexen Voroperationen im Neugeborenenalter zur Balancierung und Sicherung von Körperund Lungendurchblutung bei physiologisch noch erhöhtem Lungengefäßwiderstand folgen die Anlage einer oberen und später einer totalen kavopulmonalen Anastomose (TCPC).
Therapie: Nach mehr oder weniger komplexen Voroperationen im Neugeborenenalter (z. B. Norwood-Operation beim HLHS) zur Balancierung und Sicherung von Körper- und Lungendurchblutung bei physiologisch noch erhöhtem Lungengefäßwiderstand folgen – wie bei der Trikuspidalatresie beschrieben – die Anlage einer oberen und zum späteren Zeitpunkt die totale kavopulmonale Anastomose (TCPC). Aus den Erfahrungen der letzten 20 Jahre kann auch ein rechter Ventrikel im Systemkreislauf durch muskuläre Hypertrophie anschließend ein ausreichendes Herzzeitvolumen mit adäquater Lebensqualität sicherstellen. Prognose: Zum jetzigen Zeitpunkt muss die Prognose im Langzeitverlauf noch abgewartet werden.
B-5.28
B-5.28
Totale kavopulmonale Anastomose (TCPC) bei hypoplastischem Linksherzsyndrom
TCPC nach durchgeführter Norwood-Operation mit Bogenerweiterung der Aorta und Anschluss des Truncus pulmonalis an die „Neoaorta“. Der ursprünglich angelegte modifizierte Blalock-Taussig-Shunt ist bei der kavopulmonalen Anastomose durchtrennt. Die kleinen Pulmonalarterien sind mit einem Flicken erweitert, und im rechten Vorhof wird das Blut der V. cava inferior durch den „lateralen Tunnel“ mit Fenestration zu den Pulmonalarterien drainiert. Das pulmonalvenöse Blut fließt über einen chirurgisch vergrößerten ASD zur Trikuspidalklappe.
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B 5.9 Angeborene Herzfehler
B-5.29
1047
Ebstein-Anomalie
Ebstein-Anomalie 왘 Definition. Kennzeichnend ist eine fehlangelegte und ventrikelwärts verlagerte Trikuspidalklappe mit vergrößertem rechtem Vorhof und Atrialisierung des rechten Ventrikels.
Ebstein-Anomalie 왗 Definition
Pathophysiologie: Aus der Fehlpositionierung der Trikuspidalklappe resultiert ein verkleinerter rechter Ventrikel, in 75 % besteht zusätzlich ein Vorhofseptumdefekt, über den es zu einem Rechts-links-Shunt kommt. In unterschiedlicher Ausprägung besteht eine Trikuspidalklappeninsuffizienz. Klinik: breites Spektrum je nach Ausprägung der Anomalie von asymptomatisch bis zu mehr oder weniger starker Zyanose und erheblicher körperlicher Leistungseinschränkung. In 25 % der Fälle Arrhythmien in Form von paroxysmaler supraventrikulärer Tachykardien.
Klinik: Breites Spektrum je nach Ausprägung der Anomalie von asymptomatisch bis zu mehr oder weniger starker Zyanose.
Diagnostik: ■ Auskultation: wie bei der Trikuspidalklappeninsuffizienz. ■ Röntgen: „Bocksbeutelform“ des Herzens durch rechtsseitige Vorhofhypertrophie (Abb. B-5.29). ■ Echokardiographie und Herzkatheter: Sicherung der Diagnose.
Diagnostik: ■ Röntgen: „Bocksbeutelform“ des Herzens durch rechtsseitige Vorhofhypertrophie (Abb. B-5.29). ■ Echokardiographie und Herzkatheter: Sicherung der Diagnose.
Therapie: Versucht wird die Trikuspidalklappenrekonstruktion mit Verlagerung der Klappenebene in den Bereich der anatomischen Vorhof-Kammer-Grenze, seltener der Trikuspidalklappenersatz. Ist ein Vorhofseptumdefekt vorhanden, wird dieser verschlossen. Bei hypoplastischem rechten Ventrikel erfolgt eine totale kavopulmonale Anastomose (s.o.).
Therapie: Rekonstruktion der Trikuspidalklappe, selten eine totale kavopulmonale Anastomose.
Prognose: Diese ist abhängig von der Möglichkeit der Klappenrekonstruktion bzw. der Größe des erreichten rechten Ventrikels.
Transpositionen der großen Arterien (TGA) 왘 Definition. Bei der Transposition der großen Arterien (TGA) entspringt die
Transpositionen der großen Arterien (TGA) 왗 Definition
Pulmonalarterie aus dem linken Ventrikel und die Aorta aus dem rechten Ventrikel (Abb. B-5.30). Bei der häufigsten Form der sog. einfachen Transposition, der „TGA simplex“ (75 %), liegt kein weiterer Herzfehler vor. In 20 % der Fälle kann ein VSD und in 5 % eine linksventrikuläre Ausflussbahnobstruktion hinzukommen, d. h. es besteht eine „komplexe TGA“.
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B 5 Herzchirurgie
1048
Durch den Parallelschluss von großem und kleinem Kreislauf besteht eine Fehlzirkulation: Das venöse Blut kreist im Körperkreislauf und das arterielle Blut im Lungenkreislauf. 왘 Merke
왘 Merke. Ein Überleben der Kinder mit TGA ist nur durch Kurzschlussver-
bindungen zwischen beiden Kreisläufen möglich, die auf der Ebene der Vorhöfe (ASD), des Ventrikels (VSD) oder der großen Gefäße (persistierender Ductus arteriosus) liegen können. Epidemiologie: Die TGA ist nach der FallotTetralogie das zweithäufigste zyanotische Herzvitium.
Epidemiologie: Die TGA macht 6 % der angeborenen Herzvitien aus und ist nach der Fallot-Tetralogie das zweithäufigste zyanotische Herzvitium. Wichtigste begleitende Fehlbildung ist der VSD.
Klinik: Es besteht häufig nach der Geburt eine schwere zentrale Zyanose mit vermehrter Lungendurchblutung. Falls keine ausreichende Verbindung zwischen den beiden Kreisläufen besteht, kommt es zu einer schweren Azidose und Hypoxie.
Klinik: Es besteht eine zentrale Zyanose mit vermehrter Lungendurchblutung. Der Grad der Zyanose ist abhängig vom Shuntvolumen. Bei großem Septumdefekt oder offenem Ductus Botalli kann sie zunächst in Ruhe fehlen. Häufig imponiert jedoch unmittelbar nach der Geburt eine schwere Zyanose, die eine rasche Diagnostik und Behandlung erforderlich macht. Ein großer Vorhofseptumdefekt erlaubt eine Durchmischung des Blutes unter Niederdruckbedingungen. Im Falle eines Ventrikelseptumdefektes resultiert die prognostisch ungünstigere Druckbelastung der Lungenstrombahn. Falls keine ausreichende Verbindung zwischen den beiden Kreisläufen besteht, kommt es zu einer schweren Azidose und Hypoxie.
B-5.30
Transposition der großen Arterien
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B 5.9 Angeborene Herzfehler
1049
Diagnostik: ■ EKG: evtl. Zeichen der rechtsventrikulären Hypertrophie. ■ Röntgen-Thorax: normal großes Herz bei vermehrter Hilus- und Lungengefäßzeichnung. ■ Echokardiographie: Darstellung der pathologischen Anatomie. ■ Herzkatheter: zur Darstellung der Koronarmorphologie, immer häufiger entbehrlich.
Diagnostik: ■ EKG: evtl. Zeichen der rechtsventrikulären Hypertrophie. ■ Röntgen-Thorax: normal großes Herz bei vermehrter Hilus- und Lungengefäßzeichnung. ■ Echokardiographie.
Operationsindikation: Die Feststellung der Diagnose ist gleichzeitig die Operationsindikation.
Operationsindikation: bei Stellung der Diagnose.
Therapie: ■ Interventionell: Als erste Behandlungsmaßnahme erfolgt häufig die palliative Atrioseptostomie nach Rashkind im Rahmen der Herzkatheterdiagnostik oder unter sonographischer Kontrolle (Abb. B-5.31). Ein Ballonkatheter wird durch das Foramen ovale geführt und geblockt zurückgezogen, um einen ASD durch Einreißen der Fossa ovalis zu erzeugen, der die Durchmischung des Blutes auf Vorhofebene ermöglicht und somit die Zyanose lindert. ■ Operativ-palliativ: Bei sehr kleinen Kindern oder schon zu geringer linksventrikulärer Muskelmasse kann initial ein Pulmonalis-Banding den Widerstand der linksventrikulären Ausflussbahn erhöhen und damit den linken Ventrikel trainieren. Meist ist gleichzeitig eine zusätzliche Shuntanlage zur Sicherung der Lungendurchblutung notwendig. Die anatomische Korrektur kann danach zweizeitig erfolgen.
Therapie: Zunächst zur besseren Durchmischung des Blutes auf Vorhofebene interventionelle Ballonatrioseptostomie nach Rashkind (Abb. B-5.31). Im kurzen Intervall danach chirurgische anatomische Korrektur (arterielle Switch-Operation) mit Umsetzen der großen Gefäße und Transposition der Koronararterien im Neugeborenenalter, evtl. mit zusätzlichem VSDVerschluss.
Bei den operativen Korrekturen sind 2 Prinzipien zu unterscheiden: Prinzip der anatomischen Korrektur (Switch-Operation): Hierbei werden Aorta und A. pulmonalis supravalvulär abgesetzt und ausgetauscht und zusätzlich die Koronararterien reimplantiert, da sonst die Koronargefäße venös durchblutet würden, was zu einer raschen Herzinsuffizienz führt. Diese Operation sollte sehr frühzeitig in den ersten beiden Lebenswochen durchgeführt werden, da andernfalls der morphologisch linke Ventrikel infolge des geringen Drucks im Lungenkreislauf an Muskelmasse verliert und nach erfolgtem Switch nicht in der Lage ist, den systemarteriellen Druck aufzubauen. ■ Prinzip der Vorhofumkehr (nach Senning oder Mustard): Hierbei erfolgt die Umleitung des Hohlvenenblutes auf Vorhofebene über die Mitralklappe in den linken Ventrikel und damit in die Lungenstrombahn. Das Blut aus der Lungenvene gelangt über die Trikuspidalklappe in den rechten Ventrikel und damit in den Körperkreislauf. Dieses Verfahren ist inzwischen größtenteils verlassen worden, da der morphologisch rechte Ventrikel der Systemventrikel bleibt. Hier hat sich im Langzeitverlauf eine schlechte Prognose gezeigt. ■
B-5.31
Palliative Atrioseptostomie nach Rashkind
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1050
B 5 Herzchirurgie
Prognose: Ohne Operation liegt die Letalität der einfachen Transposition bei 80 % im ersten Lebensmonat und bei 90 % im ersten Lebensjahr, nach Operation zwischen 3,5 – 10 %.
Prognose: Ohne Operation liegt die Letalität der einfachen Transposition bei 80 % im ersten Lebensmonat und bei 90 % im ersten Lebensjahr. Somit ist die Diagnosestellung gleichbedeutend mit einer Operationsindikation. Bei der Switchoperation im Neugeborenenalter liegt die Letalität bei 3,5 – 7 %. Bei zweizeitigem Vorgehen bei ca. 10 %. Die Spätletalität ist als relativ gering einzustufen, die körperliche Belastbarkeit normal.
Double outlet right ventricle (DORV)
Double outlet right ventricle (DORV)
왘 Definition
왘 Definition. Aorta und A. pulmonalis entspringen gemeinsam aus dem rechten Ventrikel, immer kombiniert mit einem Ventrikelseptumdefekt (Abb. B-5.32).
Epidemiologie: 1,5 % aller kongenitalen Vitien.
Epidemiologie: Die Häufigkeit des DORV liegt bei 1,5 % aller kongenitalen Vitien.
Klinik: Ein charakteristisches Bild besteht nicht. Die Symptomatik wird vom anatomischen Befund geprägt.
Klinik: Ein charakteristisches Bild besteht nicht, die Symptomatik wird vielmehr vom anatomischen Befund und dem daraus resultierenden Shuntfluss und der Shuntrichtung geprägt. Bei den Formen ohne Pulmonalstenose resultiert ein ausgeprägter Links-Rechts-Shunt mit einer progredienten pulmonalen Hypertension und konsekutiver Herzinsuffizienz. Bei den Formen mit Pulmonalstenose kann sich eine Zyanose wie bei der Fallot-Tetralogie zeigen.
Diagnostik: Echokardiographie, Herzkatheter.
Diagnostik: Echokardiographie und Herzkatheteruntersuchung.
Therapie: Wie bei der Fallot-Tetralogie, ggf. palliative Shunt-Anlage im Neugeborenenalter. Später Korrekturoperation mit VSDVerschluss zum Anschluss des linken Ventrikels an die Aorta und Rekonstruktion des rechtsventrikulären Ausflusstraktes zur Beseitigung einer evtl. Pulmonalstenose.
Therapie: Bei DORV mit Pulmonalstenose und schwerer Zyanose ist im Neugeborenenalter eine Palliativoperation mit Shuntanlage zur Sicherung der Lungendurchblutung notwendig. Später erfolgt die definitive Korrekturoperation: Anschluss des linken Ventrikels über einen tunnelartigen VSD-Flicken an die Aorta, Erweiterung des rechtsventrikulären Ausflusstraktes und Beseitigung der Pulmonalstenose. Bei subpulmonaler Lage des VSD („Taussig-Bing-Komplex“) hat sich eine arterielle Switchoperation mit einfachem VSD-Verschluss mittels Flicken bewährt.
Pathophysiologie: Ein immer vorhandener VSD ist die einzige Verbindung, über den das arterialisierte Blut über den rechten Ventrikel in die Aorta gelangt. Der DORV kann mit oder ohne Pulmonal-, bzw. Subpulmonalstenose vorkommen, davon hängt die Shuntrichtung ab.
Prognose: bei den Fällen ohne pulmonale Widerstandserhöhung günstig.
B-5.32
B-5.32
Double outlet right ventricle
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B 5.9 Angeborene Herzfehler
Truncus arteriosus communis 왘 Definition. Beim Truncus arteriosus communis entspringt nur ein großes
1051 Truncus arteriosus communis 왗 Definition
Gefäß aus der Herzbasis und „reitet“ über einem großen Ventrikelseptumdefekt (Abb. B-5.33). Aus diesem Gefäß gehen oberhalb der Semilunarklappe die Koronararterien, die Pulmonalarterien und die Aorta ascendens ab. Die Semilunarklappe ist in 50 % trikuspid, in 30 % bikuspid und in 15 – 20 % quadrikuspid angelegt. In der Hälfte der Fälle besteht eine Insuffizienz. Epidemiologie: Die Häufigkeit beträgt bis 3 % der angeborenen Herzfehler.
Epidemiologie: bis 3 % der angeborenen Herzfehler.
Einteilung: ■ Typ I: Ein gemeinsamer pulmonaler Arterienstamm entspringt dorsolateral aus dem Truncus arteriosus. ■ Typ II: Beide Pulmonalarterienäste entspringen einzeln nebeneinander dorsolateral aus dem Truncus arteriosus. ■ Typ III: Beide Pulmonalarterienäste entspringen getrennt rechts- und linksseitig aus dem Truncus arteriosus. ■ Typ IV: Keine Pulmonalarterie entspringt aus dem Truncus arteriosus, die Lunge wird über Bronchialarterien oder aortopulmonale Kollateralen aus der Aorta thoracica versorgt.
Einteilung: ■ Typ I: gemeinsamer pulmonaler Arterienstamm. ■ Typ II: Beide Pulmonalarterienäste entspringen einzeln dorsolateral. ■ Typ III: Beide Pulmonalarterienäste entspringen getrennt rechts- und linksseitig. ■ Typ IV: keine Pulmonalarterie, die Lunge versorgen Bronchialarterien.
Klinik: Es kommt zu einer zentralen Zyanose und einer zunehmenden Herzinsuffizienz.
Klinik: zentrale Zyanose und Herzinsuffizienz.
Diagnostik: Echokardiographie und Herzkatheteruntersuchung sichern die Diagnose.
Diagnostik: Echokardiographie, Herzkatheteruntersuchung.
Therapie: Korrekturoperation im Neugeborenenalter. Der Ventrikelseptumdefekt wird mittels eines Patches derart verschlossen, dass der linke Ventrikel Anschluss an die Truncusklappe und damit die Aorta ascendens erhält. Der rechte Ventrikel wird über eine klappentragende Gefäßprothese (z. B. Homograft) mit dem Pulmonalarterienstamm bzw. der Pulmonalarterienbifurkation verbunden. Im Wachstum sind Reoperationen zum Homograftwechsel notwendig.
Therapie: VSD-Verschluss zum Anschluss des linken Ventrikels an die Truncusklappe und damit die Aorta ascendens. Exzision der Pulmonalarterien aus dem Truncus arteriosus und Anschluss an den rechten Ventrikel über ein klappentragendes Konduit (z. B. Homograft).
Prognose: Diese ist abhängig von der Höhe des pulmonalen Widerstandes und dem Insuffizienzgrad der Trunkusklappe.
B-5.33
Truncus arteriosus communis
B-5.33
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1052
B 5 Herzchirurgie
Totale Lungenvenenfehlmündung (TAPVD)
Totale Lungenvenenfehlmündung (TAPVD)
왘 Definition
왘 Definition. Bei der totalen Lungenvenenfehlmündung (TAPVD) besteht keine direkte Verbindung zwischen dem linken Vorhof und den Lungenvenen. Die rechten und linken Lungenvenen vereinen sich meist zu einem gemeinsamen Konfluens hinter dem Herzen, der direkt in den rechten Vorhof einmündet oder mit einem seiner Zuflüsse verbunden und im Mündungsbereich oftmals stenosiert ist.
왘 Merke
왘 Merke. Voraussetzung zum Überleben ist ein Vorhofseptumdefekt.
Epidemiologie: 0,4 % aller angeborenen Herzfehler.
Epidemiologie: Die Häufigkeit beträgt 0,4 % aller angeborenen Herzfehler.
Pathophysiologie: keine direkte Verbindung zwischen dem linken Vorhof und den Lungenvenen, die in Systemvenen drainieren. Über den ASD gelangt das Mischblut in den Systemkreislauf.
Pathophysiologie: Es resultiert eine erhebliche Volumenbelastung des rechten Ventrikels. Als Folge des obstruierten pulmonalvenösen Abflusses zeigt sich eine pulmonale Stauung bis hin zum Lungenödem. Der Übertritt des Blutes in das linke Herz erfolgt über einen Vorhofseptumdefekt. Vorher kommt es zu einer kompletten Durchmischung von systemvenösem und pulmonalvenösem Blut im rechten Vorhof.
Einteilung (nach der Lokalisation der gemeinsamen Einmündung des Lungenvenenkonfluens; Abb. B-5.34): ■ suprakardialer Typ ■ kardialer Typ ■ infrakardialer Typ ■ gemischter Typ.
Einteilung (nach der Lokalisation der gemeinsamen Einmündung des Lungenvenenkonfluens; Abb. B-5.34): ■ Suprakardialer Typ: Einmündung aller Lungenvenen erfolgt über eine Sammelvene in die V. anonyma oder die V. cava superior (51 %) ■ Kardialer Typ: Einmündung in den Sinus coronarius oder direkt in den rechten Vorhof (25 %) ■ Infrakardialer Typ: Einmündung in eine infrakardiale Vene, meist V. cava inferior oder Pfortader (17 %) ■ Gemischter Typ: kommt selten vor, mit mehreren Fehlmündungen (7 %).
Klinik: Im Vergleich zur partiellen Fehleinmündung ist das klinische Bild schwerer. Leitsymptome sind Tachypnoe und Zyanose.
Klinik: Im Vergleich zur partiellen Fehleinmündung ist das klinische Bild schwerer, in den ersten Lebenswochen entwickelt sich eine progrediente Herzinsuffizienz, begleitet von Atemnot und stauungsbedingter Hepatomegalie. Leitsymptome sind Tachypnoe und Zyanose.
Diagnostik: ■ Röntgen-Thorax: unspezifische Lungenüberflutung ■ Echokardiographie ■ Herzkatheter: Diagnosesicherung, begleitend bei restriktivem ASD Ballonatrioseptostomie nach Rashkind.
Diagnostik: ■ Röntgen-Thorax: Zeichen der unspezifischen Lungenüberflutung ■ Echokardiographie: erlaubt häufig schon eine Diagnosestellung ■ Herzkatheter: Sicherung der Diagnose und exakte Darstellung der Morphologie. Begleitend kann bei restriktivem ASD eine Ballonatrioseptostomie nach Rashkind durchgeführt werden.
B-5.34
Einteilung der totalen Lungenvenenfehlmündung
a, b suprakardialer Typ.
c kardialer Typ.
und d infrakardialer Typ.
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B 5.9 Angeborene Herzfehler
1053
Therapie: ■ Allgemein: bei schwerer Dekompensation evtl. Ballonatrioseptostomie nach Rashkind zur Sicherung des systemischen Herzzeitvolumens. ■ Operativ: Nichtobstruktive Formen der TAPVD sollten elektiv im frühen Säuglingsalter operiert werden, obstruktive Formen sind fast immer Notfälle mit sofortiger Operationsindikation. Das Operationsprinzip besteht in einer Seit-zu-Seit-Anastomose zwischen Lungenvenenkonfluens und linkem Vorhof, danach Verschluss des Vorhofseptumdefektes und Ligatur der fehlmündenden pulmonalvenösen Sammelvene.
Therapie: Bei schwerer Dekompensation evtl. zunächst Ballonatrioseptostomie nach Rashkind zur Sicherung des systemischen Herzzeitvolumens. Korrekturoperation im Neugeborenenalter mit Seit-zu-Seit-Anastomose zwischen Lungenvenenkonfluens und linkem Vorhof, Verschluss des Vorhofseptumdefektes und Ligatur der fehlmündenden pulmonalvenösen Sammelvene.
Prognose: Bei natürlichem Verlauf sterben 80 % der Kinder im 1. Lebensjahr, bei notfallmäßiger Operation im frühen Säuglingsalter wird die Operationsletalität mit 10 – 25 % angegeben. Von den operierten Kindern entwickeln 5 – 10 % im Verlauf Pulmonalvenenstenosen durch Intimahyperplasie proximal der Lungenvenenanastamose mit schlechter Prognose.
Prognose: Bei natürlichem Verlauf sterben 80 % der Kinder im 1. Lebensjahr, bei notfallmäßiger Operation im frühen Säuglingsalter beträgt die Operationsletalität 10 – 25 %.
Seltene komplexe Herzfehler
Seltene komplexe Herzfehler
Aortenbogenanomalien
Aortenbogenanomalien
왘 Definition. Zusammenfassung von kongenitalen Fehlbildungen im Bereich des
왗 Definition
Aortenbogens (Abb. B-5.35). Häufigste Fehlbildungen im Bereich des Aortenbogens: ■ Doppelter Aortenbogen ■ Rechtsseitig deszendierende Aorta in Kombination mit einem persistierenden Ductus arteriosus Botalli bzw. Ductusband ■ A. lusoria, bei der die A. subclavia dextra als letztes Gefäß hinter der A. subclavia sinistra aus dem Aortenbogen entspringt und hinter Trachea und Ösophagus zur rechten Seite zieht.
Häufigste Fehlbildungen im Bereich des Aortenbogens: ■ Doppelter Aortenbogen ■ Rechts deszendierende Aorta in Kombination mit einem Ductusband ■ A. lusoria.
Klinik: Alle Fehlbildungen bilden eine Art Schlinge, in der es zu einer Kompression von Trachea und Ösophagus kommen kann. Die sich daraus ergebenden klinischen Symptome sind Dysphagie, Dyspnoe und Stridor. Zusätzlich besteht die Gefahr der Tracheomalazie. Der Säugling versucht durch Dorsalflektion des Kopfes die Trachea zu entlasten.
Klinik: Alle Fehlbildungen bilden eine Art Schlinge, in der es zu einer Kompression von Trachea und Ösophagus mit Dysphagie, Dyspnoe und Stridor kommen kann.
Therapie: Eine Operationsindikation besteht nur bei klinischer Symptomatik.
Therapie: Operation bei klinischer Symptomatik.
B-5.35
Aortenbogenanomalien
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B 5 Herzchirurgie
Operationsverfahren: Beim doppelten Aortenbogen wird der schwächere Ast durchtrennt. Beim rechts deszendierenden Aortenbogen erfolgt die Durchtrennung des Ductusbändchens oder Ligatur des offenen Ductus. Die A. lusoria wird durchtrennt.
Operationsverfahren: Der operative Zugang besteht stets in einer linkslateralen Thorakotomie. Im Falle eines doppelten Aortenbogens wird der schwächere Ast, zumeist der vordere, unterbunden und durchtrennt. Im Falle eines rechts deszendierenden Aortenbogens erfolgt die Durchtrennung des Ductusbändchens oder Ligatur und Durchtrennung des offenen Ductus arteriosus (PDA). Die A. lusoria wird nach Ligatur durchtrennt, eine ausreichende Durchblutung des rechten Armes ist über Kollateralen praktisch immer gewährleistet.
Komplikationen: Das Operationsrisiko ist als gering zu bewerten (5 5 %).
Komplikationen: Das Operationsrisiko ist als gering zu bewerten (5 5 %), das operative Ergebnis ist im Allgemeinen als gut zu beurteilen. Lediglich bei bereits bestehender Tracheomalazie kann der Stridor bis zur Stabilisierung der Trachea fortbestehen.
Unterbrochener Aortenbogen
Unterbrochener Aortenbogen
왘 Definition
왘 Definition. Bei dieser insgesamt seltenen Fehlbildung (1,5 % aller kongenitalen Herzfehler) besteht in verschiedener Höhe des Aortenbogens eine vollständige strukturelle Trennung, wobei die beiden Enden häufig durch ein bindegewebiges Band verbunden sind. Die supraaortalen Äste gehen dabei zumeist von der aszendierenden Aorta ab, die untere Körperhälfte wird über einen offenen Ductus arteriosus perfundiert (Abb. B-5.36).
Klinik: schweres Krankheitsbild mit Herzinsuffizienz bereits in der Neugeborenenperiode.
Klinik: Klinisch imponiert schon in der Neugeborenenperiode ein schweres Krankheitsbild, wobei Zeichen der Herzinsuffizienz dominieren, die von Atemnot, metabolischer Azidose und Niereninsuffizienz begleitet wird.
Therapie: Prostaglandin E1 kann zum Offenhalten des Ductus arteriosus bis zur operativen Korrektur eingesetzt werden. Die Operation strebt eine Vereinigung der beiden Aortenstümpfe an.
Therapie: Die Behandlung besteht zunächst in einem Offenhalten des Ductus arteriosus durch Prostaglandin-E1-Infusion. Die Operation schließt sich unmittelbar der Diagnostik an und beinhaltet die Vereinigung der beiden Gefäßstümpfe. Wenn dies nicht möglich erscheint, erfolgt die Überbrückung des Defekts durch Interposition einer Gefäßprothese oder eines Segmentes der linken A. subclavia.
B-5.36
Unterbrochener Aortenbogen
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B 6.1 Angeborene Fehlbildungen und Erkrankungen des Neugeborenen
Kinderchirurgie
6
1055 6
Kinderchirurgie
Angeborene Fehlbildungen und Erkrankungen des Neugeborenen
Sylvia Engler
6.1
Angeborene Fehlbildungen und Erkrankungen des Neugeborenen
6.1
6.1.1
Halszysten (S. 604 ff.)
6.1.1 Halszysten (S. 604 ff.)
6.1.2 Halsfisteln (S. 604 ff.)
6.1.2 Halsfisteln (S. 604 ff.)
6.1.3 Ösophagusatresie
6.1.3 Ösophagusatresie
왘 Definition. Angeborene Fehlbildung des Ösophagus mit Verbindung zwischen
왗 Definition
Ösophagus und Trachea bzw. fehlender Durchgängigkeit der Speiseröhre. Die Häufigkeit liegt bei 1 : 2000 – 3000 Geburten. Pathogenese: In der 4. – 6. Schwangerschaftswoche wird durch das Septum oesophagotracheale der Respirationstrakt vom Digestionstrakt des Embryos getrennt. Eine Störung dieses Prozesses führt zu einer Ösophagusatresie bzw. zu einer ösophagotrachealen H-Fistel. Die Ätiologie der Fehlbildung ist ungeklärt.
Pathogenese: Gestörte Bildung des Septum oesophagotracheale in der 4. – 6. Schwangerschaftswoche.
Klassifikation: Die Einteilung der Ösophagusatresien erfolgt nach der VogtKlassifikation (Abb. B-6.1). Dabei wird zwischen kurz- und langstreckigen Ösophagusatresien mit und ohne Fisteln zum Tracheobronchialsystem unterschieden. Die häufigste Form ist Typ IIIb nach Vogt mit proximalem Ösophagusblindsack und Fistel zwischen distalem Ösophagus und Trachea bzw. einem Hauptbronchus.
Klassifikation: Einteilung nach Vogt (Abb. B-6.1).
Klinik: Bei einer Ösophagusatresie kommt es während der Schwangerschaft bei einem Drittel der Fälle zu einer Fruchtwasservermehrung (Hydramnion), da der Fetus das Fruchtwasser nicht schlucken kann. Bei Atresien ohne Fistel liegt allerdings in 85 % ein Hydramnion vor. Ein direkter Nachweis der Atresie im pränatalen Ultraschall ist nicht möglich.
Klinik: Ein Hydramnion während der Schwangerschaft ist verdächtig für eine vorliegende Ösophagusatresie. Post partum fallen die Neugeborenen durch vermehrten Speichelfluss, Hustenanfälle, Dyspnoe und Zyanose bei der Fütterung auf.
B-6.1 Einteilung der Ösophagusatresieformen nach Vogt
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B 6 Kinderchirurgie
Asphyktische Anfälle beim Trinken treten bei Neugeborenen mit einer H-Fistel auf. Eine Tracheomalazie mit exspiratorischem Stridor weisen 25 % der Kinder auf.
Post partum kommt es zu vermehrtem, schaumigem Speichelfluss. Beim Füttern kommt es zu Hustenanfällen und zur Aspiration mit resultierender Zyanose und Dyspnoe. Nach Absaugen bessert sich das klinische Bild. Häufiges Begleitsymptom ist ein exspiratorischer Stridor als Folge der Tracheomalazie, die bei ca. 25 % der Säuglinge mit Ösophagusatresie auftritt. Die Tracheomalazie ist die Folge unvollständig angelegter Trachealringe und kann in ausgeprägten Fällen zu gehäuften Atemwegsinfekten führen. Bei der H-Fistel sind asphyktische Anfälle während des Trinkens meistens zunächst die einzigen Symptome, sodass die Diagnose oft erst verzögert gestellt wird.
Diagnostik: federnder Widerstand bei der Einlage einer Magensonde. Nach Luftinsufflation über die Magensonde stellt sich im Röntgenbild der obere Ösophagusblindsack dar. Luft im Abdomen beweist eine Verbindung des unteren Ösophagusblindsacks zur Trachea (Abb. B-6.2 a). In unklaren Fällen und bei Verdacht auf eine H-Fistel ist eine Tracheobronchoskopie erforderlich.
Diagnostik: Bei Einlage einer (großkalibrigen) Magensonde findet sich ein federnder Widerstand. Nach Insufflation von Luft über die liegende Magensonde stellt sich in der Röntgenaufnahme von Thorax und Abdomen der obere Ösophagusblindsack dar. Die Gabe von wasserlöslichem Kontrastmittel ist in der Regel unnötig. Die Belüftung des Magens und des Dünndarms zeigt eine Fistel zwischen Trachea und unterem Ösophagusblindsack an (Abb. B-6.2 a). Fehlt eine Fistel zwischen unterem Ösophagusblindsack und Trachea (Typ II nach Vogt), liegt ein luftleeres Abdomen vor. In unklaren Fällen oder bei Verdacht auf eine H-Fistel sollte eine Tracheobronchoskopie zur Diagnosesicherung und Feststellung der Fistellage erfolgen. Vor der umgehenden Operation sind weitere Fehlbildungen (in 50 % der Fälle, meist anorektal oder kardial) auszuschließen.
왘 Merke
왘 Merke. Bei Vorliegen eines Hydramnions, eines vermehrten Speichelflusses
oder einer Atemstörung des Neugeborenen sollte eine Sondierung des Magens zum Ausschluss einer Ösophagusatresie erfolgen. Therapie: Präoperative Maßnahmen: ■ Sondeneinlage im oberen Blindsack. ■ Oberkörperhoch-/Seitenlage. ■ Infusionen, Antibiotika. ■ Ggf.Atropingabe.
Therapie: Sofort nach der Diagnose müssen präoperative Maßnahmen zur Vermeidung einer Aspiration ergriffen werden: ■ Einlage einer Sonde in den oberen Blindsack (Dauerabsaugung). ■ Oberkörperhochlage oder Seitenlage. ■ Infusionen. ■ Antibiotische Therapie. ■ Ggf. Atropin zur Reduktion des Speichelflusses.
Operationsverfahren: Das Verfahren ist abhängig von der vorliegenden Fehlbildung.
Das Operationsverfahren hängt von der vorliegenden Fehlbildung ab. Üblicherweise wird das hintere Mediastinum extrapleural über eine rechtsseitige, postero-laterale Thorakotomie aufgesucht: ■ Wenn möglich wird eine primäre End-zu-End-Anastomosierung der beiden Ösophagusblindsäcke vorgenommen. Die Trachealfistel wird verschlossen. Eine Magensonde wird über die Anastomose in den Magen vorgeschoben (Abb. B-6.2 b, c). ■ Ist eine primäre Anastomosierung nicht möglich, werden in einer ersten Operation beide Ösophagusenden maximal mobilisiert, durch fixierende, nicht resorbierbare Nähte, miteinander verknüpft. Eine vorhandene ösophagotracheale Fistel muss verschlossen werden. Zur Ernährung wird außerdem ein Gastrostoma angelegt. Die Annäherung beider Ösophagusenden erfolgt dann durch verschiedene, den Ösophagus über Wochen bis Monate in Längsrichtung bougierende Verfahren. Die End-zu-End-Anastomosierung wird anschließend im Rahmen einer zweiten Operation durchgeführt. ■ Als Ösophagusersatz kann ein Magenhochzug mit intrathorakaler Anastomose nach Bildung eines Magenschlauchs erfolgen. Koloninterponate sollten seltenen Sonderfällen (z. B. Typ I) vorbehalten bleiben, da sie funktionell deutlich schlechtere Ergebnisse liefern. ■ Fisteln zur Trachea, die von thorakal aus nicht versorgt werden können (z. B. H-Fistel), werden über einen rechtsseitigen Zugang zervikal erreicht und verschlossen. Langstreckige H-Fisteln können alternativ auch endoskopisch verklebt werden.
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Wenn möglich werden eine primäre Endzu-End-Anastomose und ein Verschluss der Trachealfistel durchgeführt (Abb. B-6.2 b, c). Ist eine primäre Anastomosierung nicht möglich, werden beide Ösophagusenden mobilisiert, verknüpft und ein Gastrostoma angelegt. Nach Bougierung in Längsrichtung erfolgt die sekundäre Endzu-End-Anastomose.
Magenhochzug als Ösophagusersatz. Koloninterponate bleiben Sonderfällen vorbehalten. Verschluss von Fisteln, die thorakal nicht versorgt werden können, über einen zervikalen Zugang. Endoskopische Verklebung langstreckiger H-Fisteln.
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B 6.1 Angeborene Fehlbildungen und Erkrankungen des Neugeborenen
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B-6.2 Ösophagusatresie IIIb
a Röntgenaufnahme: Luft in Magen und Dünndarm beweist die Fistel zwischen unterem Ösophagusblindsack und Trachea.
b Intraoperativer Situs. Zu sehen sind der obere Blindsack (?) mit durchscheinender Magensonde und der untere Fistelbereich der Trachea (왘), teilweise mit Nähten verschlossen. Distaler Oesophagus angeschlungen (*), Anastomose (? ?).
Prognose und Komplikationen: ■ Die Letalität liegt unter 5 % und hängt wesentlich von Begleitfehlbildungen ab. ■ Eine herabgesetzte Peristaltik der Speiseröhre führt zur Dysphagie. ■ Stenosierungen im Bereich der Anastomose sind besonders bei größerer Distanz zwischen beiden Enden, nach Anastomosenleckagen oder sekundären Anastomosierungen nicht selten und müssen endoskopisch bougiert werden. ■ Ein gastroösophagealer Reflux tritt bei etwa einem Drittel der Kinder auf. Ursache dafür ist die durchgeführte Mobilisierung der Ösophagusblindsäcke und eine primär gestörte Ösophagusmotorik. Kontrolluntersuchungen der Kinder sind deshalb erforderlich. Nicht selten sind medikamentöse Therapien oder Antirefluxplastiken im Verlauf erforderlich. ■ Die häufig begleitende Tracheomalazie bessert sich in den meisten Fällen im Kleinkindesalter spontan durch Kräftigung der Trachealknorpel.
6.1.4 Kongenitale Zwerchfelldefekte/-hernien 왘 Definition. ■
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Prognose und Komplikationen: ■ Die Letalität liegt unter 5 %, hängt wesentlich von Begleitfehlbildungen ab. ■ Dysphagie durch herabgesetzte Peristaltik. ■ Stenosen im Anastomosenbereich sind nicht selten und müssen bougiert werden. ■ Ein Drittel der Patienten entwickelt einen gastroösophagealen Reflux. ■ Eine begleitende Tracheomalazie ist häufig, bessert sich jedoch im Kleinkindesalter meistens spontan.
6.1.4 Kongenitale
Zwerchfelldefekte/-hernien 왗 Definition
Zwerchfelldefekt: Lückenbildung im Zwerchfell mit intrathorakaler Verlagerung abdomineller Organe ohne Bruchsack. Sie sind wesentlich häufiger als Zwerchfellhernien und kommen links häufiger vor als rechts. Zwerchfellhernie: Defekt des Zwerchfells mit pleuroperitonealem Bruchsack.
Durch die intrathorakale Lage abdomineller Organe kommt es zur Ausbildung einer Lungenhypoplasie auf der betroffenen Seite. Die Häufigkeit liegt bei ca. 1 : 2500 Geburten. Bei 85 – 90 % ist die linke Seite betroffen. Pathogenese: Das Zwerchfell entwickelt sich in der 8. – 10. SSW. Durch eine Hemmungsfehlbildung des Zwerchfells kommt es zu einer unvollständigen Trennung von Thorax- und Bauchhöhle. Zusätzlich besteht immer auch eine Hypoplasie der betreffenden Lunge unterschiedlicher Ausprägung, deren Ursache (Sekundärfolge oder eigenständige Fehlbildung) nicht endgültig geklärt ist.
Pathogenese: Hemmungsfehlbildung des Zwerchfells in der 8. – 10. SSW mit unvollständiger Trennung von Brust- und Bauchhöhle. Zusätzlich besteht immer eine Lungenhypoplasie.
Klassifikation nach der Lage der Zwerchfelllücke (Abb. B-6.3): Beim Zwerchfelldefekt kann die Lücke posterolateral, anterolateral, zentral und pleuroperitoneal liegen. ■ Bochdalek-Hernien sind die häufigsten Defekte und liegen lumbokostal. Bei linksseitiger Lage treten Magen, Dünn- und Dickdarm und Milz in den Thorax ein, bei rechtsseitiger Lage meist nur ein Teil der Leber.
Klassifikation nach der Lage des Defektes (Abb. B-6.3): ■ Beim Zwerchfelldefekt kann die Lücke unterschiedlich lokalisiert sein. ■ Die meisten Defekte liegen lumbokostal (Bochdalek-Hernie).
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1058
B 6 Kinderchirurgie
B-6.3
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Morgagni-Hernie: Rechtsseitige parasternale Hernie. Larrey-Hernien liegen parasternal links. Zwerchfellaplasie oder -agenesie.
Klinik: Die intrathorakale Verlagerung der Organe führt zu Dyspnoe, Zyanose und Tachykardie, die sich im Verlauf verschlimmern. Morgagni- oder Larrey-Hernien fallen oft erst im Jugend- oder Erwachsenenalter durch retrosternales Druckgefühl auf.
B-6.3
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Angeborene Zwerchfelldefekte
Die Morgagni-Hernie liegt parasternal rechts. Larrey-Hernie: Linksseitige parasternale Hernie. Zwerchfellaplasie oder -agenesie: Ein- oder beidseitiges Fehlen des Zwerchfells.
Klinik: Das Neugeborene fällt bei intrathorakaler Verlagerung von Organen durch Zyanose, Dyspnoe und ggf. auch Tachykardie auf. Im Spontanverlauf und bei Maskenbeatmung verschlechtert sich der Zustand durch Belüftung des MagenDarm-Traktes und Kompression der Lunge sowie Mediastinalverschiebung zur Gegenseite. Morgagni- und Larrey-Hernien werden oft erst im Jugend- oder Erwachsenenalter mit einem retrosternalen Druckgefühl symptomatisch und haben oft einen Bruchsack.
Diagnostik: ■ Kongenitale Zwerchfelldefekte werden meist im pränatalen Ultraschall durch die Verlagerung der Abdominalorgane diagnostiziert. ■ Postpartal ist die Diagnose durch eine Röntgenaufnahme des Thorax zu sichern. Kleine Defekte werden oft erst im Kleinkindesalter zufällig im Zusammenhang mit einem Infekt entdeckt.
Diagnostik: Meistens wird die Diagnose bereits pränatal gestellt. ■ Pränatale Ultraschalluntersuchungen: Darmanteile oder Magen sind im Thorax nachweisbar, und die Lunge der betroffenen Seite ist hypoplastisch. Wird die Diagnose bereits in der 12. – 16. SSW gestellt, ist mit einer ausgeprägten Lungenhypoplasie und damit einer schlechteren Prognose zu rechnen. ■ Postnatal finden sich neben der Zyanose und Dyspnoe auskultatorisch Darmgeräusche und ein fehlendes Atemgeräusch über der betreffenden Thoraxseite. Eine Röntgenaufnahme des Thorax mit Mediastinalverschiebung und Nachweis von Magen- und Darmanteilen im Thorax ist beweisend (Abb. B-6.4). Kleine Zwerchfelldefekte werden gelegentlich erst im Kleinkindalter, meist im Zusammenhang mit einem Infekt diagnostiziert, wenn zu diesem Zeitpunkt Darmanteile in den Thorax eintreten und zu Dyspnoe führen.
Differenzialdiagnose: Relaxatio diaphragmatica, lobäres Emphysem, zystisch adenomatoide Malformation.
Differenzialdiagnose: Die Relaxatio diaphragmatica, das lobäre Emphysem und die zystisch adenomatoide Malformation müssen abgegrenzt werden.
Therapie: Nach der Einlage einer Magensonde zur Entlastung des Magen-Darm-Traktes wird das Kind intubiert und der Allgemeinzustand stabilisiert. Die Operation mit Verlagerung der Bauchorgane in die Bauchhöhle und Verschluss des Zwerchfells durch primäre Naht oder Implantation alloplastischen Materials wird bei stabilen Kreislaufverhältnissen durchgeführt.
Therapie: Bei symptomatischen Neugeborenen muss notfallmäßig Luft und Mageninhalt abgesaugt und eine Magensonde zur Entlastung gelegt werden. Das Neugeborene wird auf die betroffene Seite gelagert. Das Kind muss endotracheal intubiert, beatmet (ggf. mittels Hochfrequenzbeatmung, Stickoxidbeatmung oder extrakorporaler Membranoxygenierung) und stabilisiert werden. Der Kreislauf muss gestützt und die begleitende respiratorische Azidose ausgeglichen werden. Nach Stabilisierung des Allgemeinzustandes erfolgt die Operation mit Verlagerung der Bauchorgane (häufig assoziiert sind Darmlageanomalien) in das Abdomen über eine Laparotomie oder Thorakotomie bzw. Thorakoskopie und Verschluss des Zwerchfells (Abb. B-6.5). Dieser kann bei kleinen Defekten des Zwerchfells durch Vereini-
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B 6.1 Angeborene Fehlbildungen und Erkrankungen des Neugeborenen
B-6.4
Enterothorax
1059 B-6.4
B-6.5 Zwerchfellhernie
a Intraoperativer Situs vor dem Verschluss. Man sieht die Zwerchfelllücke mit dahinterliegendem Lungengewebe (?).
b Nach dem Direktverschluss mit nicht-resorbierbarem Nahtmaterial (?).
gung der Muskelränder und adaptierende Nähte unter Resektion eines evtl. vorhandenen Bruchsackes erfolgen. Ausgedehnte Defekte oder Aplasien des Zwerchfells werden durch Implantation alloplastischen Materials (z. B. Goretex®) verschlossen. Eine Thoraxdrainage muss zur Ableitung von Sekreten intraoperativ eingelegt werden. An die Drainage wird ein Wasserschloss ohne Sog oder mit nur geringem Sog angeschlossen, da die hypoplastische Lunge die Thoraxhöhle nicht ausfüllen kann. 왘 Merke. Maskenbeatmung ist wegen der dadurch zunehmenden Luftfüllung
왗 Merke
des Magen-Darm-Traktes kontraindiziert.
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1060
B 6 Kinderchirurgie
Prognose: Die Prognose ist von der Ausprägung der Lungenhypoplasie abhängig.
Prognose: Die Prognose ist von der Ausprägung der Lungenhypoplasie abhängig. Die frühzeitige pränatale Diagnosestellung spricht eher für eine ausgeprägte Lungenhypoplasie und damit eine relativ gesehen schlechtere Prognose. Die Letalität (aller Zwerchfelldefekte und -hernien) liegt bei bis zu 50 %.
6.1.5 Brustwanddeformitäten (S. 972)
6.1.5 Brustwanddeformitäten (S. 972)
6.1.6 Relaxatio diaphragmatica
6.1.6 Relaxatio diaphragmatica
왘 Definition
왘 Definition. Meist einseitiger, kongenitaler oder erworbener Zwerchfellhochstand.
Pathogenese: Die Relaxatio diaphragmatica kommt kongenital durch fehlende muskuläre Umwandlung des Zwerchfells oder erworben durch Schädigung des N. phrenicus nach Geburtstrauma vor.
Pathogenese: ■ Die kongenitale Form der Zwerchfellparese kommt wahrscheinlich durch eine fehlende muskuläre Umwandlung des Zwerchfells infolge einer Störung der Myoblastenwanderung entlang des N. phrenicus zustande. ■ Die erworbene Form beruht auf einem Geburtstrauma oder einer iatrogenen Schädigung (Thoraxeingriff) des N. phrenicus und ggf. auch des Plexus brachialis auf der betroffenen Seite.
Klinik: Die Leitsymptome sind Zyanose, Dyspnoe und Tachykardie.
Klinik: Diese ähnelt der einer angeborenen Zwerchfellhernie mit Zyanose, Dyspnoe und Tachykardie, tritt jedoch oft weniger ausgeprägt oder erst verzögert auf. Gelegentlich treten Symptome erst bei älteren Kindern im Rahmen pulmonaler Infekte auf.
Diagnostik: Zwerchfellhochstand im Röntgenthorax, paradoxe Atembewegung unter Durchleuchtung.
Diagnostik: In der Röntgenuntersuchung des Thorax zeigt sich ein Zwerchfellhochstand der betroffenen Seite und unter Durchleuchtung eine paradoxe Atembewegung.
Differenzialdiagnose: Zwerchfellhernie (S. 296).
Differenzialdiagnose: Differenzialdiagnostisch muss eine Zwerchfellhernie abgegrenzt werden (S. 296).
Therapie: Zwerchfellraffung oder -doppelung.
Therapie: Die Therapie besteht in einer Raffung oder Doppelung des Zwerchfells unter Schonung des N. phrenicus.
Prognose: Gut.
Prognose: Die Prognose ist gut. Die Symptome bessern sich unmittelbar postoperativ.
6.1.7 Angeborene Bauchwanddefekte
(Omphalozele/Gastroschisis) 왘 Definition
6.1.7 Angeborene Bauchwanddefekte (Omphalozele/Gastroschisis) 왘 Definition. Es handelt sich um einen angeborenen, unvollständigen Verschluss der Bauchwand. Es kommt zu einem Prolaps eines Teils der Bauchorgane.
Embryologie: In der 11. SSW zieht sich die Darmanlage in die Bauchhöhle zurück. Verschmelzung der Rektusmuskeln (12. SSW).
Embryologie: Die embryonale Darmanlage liegt von der 6. – 10. Gestationswoche innerhalb der Nabelschnur und zieht sich in der 11. Woche in die Bauchhöhle zurück. In der 12. Gestationswoche verschmelzen die Rektusmuskeln in der Medianlinie.
Omphalozele: Großer Bauchwandbruch in der Mittellinie. Die eventerierten Bauchorgane liegen in einem Bruchsack der Nabelschnur.
Omphalozele: Bei der Omphalozele handelt es sich um einen oft großen Bauchwandbruch in der Mittellinie. Die Häufigkeit liegt bei 1 : 4000 Geburten. Die eventerierten Bauchorgane liegen in einem Bruchsack (Peritoneum, Amnion, Warton’sche Sulze) der Nabelschnur. Die Nabelschnur setzt in der Mitte des Bruchsackes an. Der große Bruch kann neben Darmanteilen auch Magen, Duodenum, Leber und Milz enthalten. Während der Schwangerschaft kann es auch zu einer Ruptur des Bruchsackes mit Austreten des Inhaltes in die Amnionflüssigkeit kommen.
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B 6.1 Angeborene Fehlbildungen und Erkrankungen des Neugeborenen
B-6.6
Gastroschisis
1061 B-6.6
Gastroschisis mit ausgetretenen Dünn- und Dickdarmschlingen, Malrotation (왘). Kleine Bruchlücke rechts der Nabelschnur (?). Ebenfalls Vorfall beider Adnexen (*).
Gastroschisis (Laparoschisis): Der Defekt liegt rechts der Nabelschnur und beträgt meist nur 3 – 5 cm. Die eventerierten Anteile des Dünn- und Dickdarmes sind nicht von einem Bruchsack vor dem Fruchtwasser geschützt und deshalb wandverdickt, ödematös und teilweise fibrinbelegt. Häufig finden sich Adhäsionen im Bereich der Darmschlingen oder des Mesenteriums. Gelegentlich finden sich auch Komplikationen durch Störungen der Blutversorgung während der Schwangerschaft mit folgender Darmatresie oder Darmruptur. Fast immer besteht gleichzeitig eine Lageanomalie des Darmes i.S. einer Rotationsanomalie (Abb. B-6.6). Die Häufigkeit liegt bei 1 : 10 000 und nimmt zu (was möglicherweise einem steigenden Kokainmissbrauch zuzuschreiben ist).
Gastroschisis: Defekt rechts der Nabelschnur. Die eventerierten Darmanteile sind nicht durch einen Bruchsack geschützt und deshalb wandverdickt, ödematös und teilweise fibrinbelegt.
Diagnostik: Die Diagnose wird in der pränatalen Ultraschalldiagnostik meist zwischen der 16. und 20. Schwangerschaftswoche gestellt. Die Differenzierung zwischen Gastroschisis und Omphalozele ist sonographisch möglich und für die Einschätzung der Prognose wichtig.
Diagnostik: Pränatale Sonographie in der 16. – 20. SSW. Die Differenzierung zwischen Gastroschisis und Omphalozele ist prognostisch wichtig.
Therapie: Um Organverletzungen zu vermeiden erfolgt die Geburt durch Sectio caesarea in einem Zentrum mit kinderchirurgischer Versorgung. Die vorverlagerten Darmanteile werden bei der Gastroschisis und der rupturierten Omphalozele inspiziert, mit sterilen Kochsalzkompressen bedeckt und steril verpackt. Nach der Stabilisierung der Herz-Kreislaufsituation des Kindes und Operationsvorbereitungen erfolgt die operative Versorgung des Kindes mit dem Ziel eines Bauchdeckenverschlusses. Die Bauchhöhle wird durch eine mediane Ober- und Unterbauchlaparotomie eröffnet. Bei der Omphalozele wird der Bruchsack reseziert. Bei der Gastroschisis werden Adhäsionen gelöst. Dann wird die Bauchdecke manuell gedehnt und der Intestinaltrakt durch Ausstreifen entleert. Die ausgetretenen Bauchorgane werden in die Bauchhöhle zurückverlagert. Wenn diese Verlagerung möglich und der intraabdominelle Druck nicht zu hoch ist, kann der primäre Faszienverschluss erfolgen. Ist ein primärer Bauchdeckenverschluss nicht möglich, kann der Verschluss nach Mobilisierung nur häutig erfolgen oder die Bauchhöhle durch Aufnähen alloplastischen Materials (z. B. eines Silastiksilos, sog. Schuster-Plastik) als passagerem Bauchhöhlenersatz vorübergehend erweitert werden (Abb. B-6.7). Dieser Bauchhöhlenersatz kann durch permanente Extension der Bauchdecken im Verlauf verkleinert und die Bauchdecke sekundär nach einigen Tagen verschlossen werden.
Therapie: Nach der Geburt durch Sectio caesarea erfolgt zunächst das sterile und feuchte Abdecken prolabierter Organanteile bis zur umgehenden Operation mit dem Ziel des Bauchdeckenverschlusses. Wenn dieser nicht möglich ist, kann zunächst auch nur die Haut nach Mobilisation verschlossen werden. Ein passagerer Bauchhöhlenersatz durch einen Silastiksilo (sog. Schuster-Plastik) mit sekundärem Bauchdeckenverschluss nach Extension der Bauchdecke und Verkleinerung des Silos ist möglich.
Prognose: Die Prognose der Gastroschisis ist gut. Komplikationen können durch die meist bestehende Malrotation und das Mesenterium commune entstehen und sind operativ zu beheben. Die Prognose der Omphalozele wird überwiegend durch die in ca. 50 % bestehenden Begleitfehlbildungen, insbesondere des Herzens oder des zentralen Nervensystems bzw. eines begleitenden Wiedemann-Beckwith-Syndroms bestimmt.
Prognose: Bei der Gastroschisis gut. Bei der Omphalozele entscheidend von den in 50 % bestehenden Begleitfehlbildungen abhängig.
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1062
B 6 Kinderchirurgie
B-6.7
B-6.7
Schuster-Plastik bei Gastroschisis Silastiksilo als passagerer Bauchhöhlenersatz (?) mit durchscheinenden Dünndarmschlingen. Nähte (왘) zur Dauerextension der Bauchdecke.
6.1.8 Lageanomalien des
Magen-Darm-Traktes 왘 Definition
6.1.8 Lageanomalien des Magen-Darm-Traktes 왘 Definition. Fehllagen des Magen-Darm-Traktes, durch eine Störung der Darmdrehung in der fetalen Darmentwicklung. Angaben zur Häufigkeit sind schwierig, da nicht alle Anomalien symptomatisch werden.
Embryologie: Drehung der embryonalen Darmanlage um insgesamt 270 ° zwischen der 4. und 12. Fetalwoche. Dabei tritt das embryonale Darmrohr in die Nabelschleife ein, die sie erst in der 10. Fetalwoche wieder verlässt. Nach der 12. Woche verlagert sich das Zökum in den rechten Unterbauch und Colon ascendens, rechte und linke Kolonflexur verwachsen mit dem Retroperitoneum.
Embryologie: Das embryonale, in die Nabelschnur vorverlagerte Darmrohr liegt in der 4. Embryonalwoche in der Sagittalebene. Danach kommt es ab der 5. Woche zu einem Wachstum in die Nabelschnur hinein und bis zur 8. Embryonalwoche zu einer Drehung von 90 ° gegen den Uhrzeigersinn. Der oberste Anteil des embryonalen Darmrohrs in der Nabelschleife bildet die primitive Flexura duodenojejunalis. Im weiteren Entwicklungsverlauf wird aus dem kranialen Anteil des embryonalen Darmrohrs das Jejunum und obere Ileum und aus dem kaudalen Anteil das untere Ileum und das Kolon bis zum Colon transversum. In der 10. Fetalwoche tritt die embryonale Darmanlage unter einer weiteren 90 °-Drehung zurück in die Bauchhöhle und das embryonale Zökum wandert von links in das rechte Epigastrium. Bis zur 12. Woche folgt eine weitere Drehung um 90 ° mit folgender Verlagerung des Zökums durch Wachstum in den rechten Unterbauch. Das Duodenum liegt nun retroperitoneal, und Colon ascendens sowie rechte und linke Kolonflexur verwachsen mit der hinteren Bauchwand.
Pathogenese: Lageanomalien des MagenDarm-Traktes kommen durch Drehungsoder Wachstumsstörung des Darmes mit ausbleibender Mesenterialverklebung zustande.
Pathogenese: Ursachen sind Störungen der Darmdrehung bzw. Wachstumsstörungen einzelner Darmabschnitte oder ausbleibende Mesenterialverklebung mit dem Peritoneum parietale. Bleibt die fetale Darmdrehung aus, hängen Dünn- und Dickdarm an einem gemeinsamen Stiel, dem Mesenterium commune und das Mesenterium verläuft sagittal vor der Wirbelsäule (immer Begleitfehlbildung der Gastroschisis, häufig auch der Omphalozele) (Abb. B-6.8 e). Die Verwachsungen des Kolons mit der dorsalen Bauchwand bleiben aus. Der schmale Gefäßstiel des Darmes ist torsionsgefährdet und kann zu einem Volvulus mit Ischämie des Darmes führen.
Klassifikation: Die Nonrotation bezeichnet einen Stillstand der fetalen Darmdrehung nach 90 ° (Abb. B-6.8 a). ■ Malrotation I: Stillstand der Darmdrehung nach 180 ° mit Kompression des Duodenums durch Adhäsionen mit der lateralen Bauchwand (Ladd’sche Bänder) (Abb. B-6.8 b).
Klassifikation: Nonrotation: Die Darmdrehung findet nach der ersten 90 °-Drehung nicht weiter statt. Das Duodenum bleibt rechts der Wirbelsäule. Der Dünndarm verläuft von rechts nach links und mündet vor der Wirbelsäule oder im linken Oberbauch in das Zökum. Es besteht ein Mesenterium commune (Abb. B-6.8 a). ■ Malrotation I: Die Drehung der embryonalen Nabelschleife endet nach 180 °. Die Pars inferior des Duodenums liegt hinter der Mesenterialwurzel, aber Zökalpol und Colon ascendens liegen in der Mittellinie oder im rechten Oberbauch. Sekundäre Verklebungen des Zökums an der lateralen Bauchwand (Ladd’sche Bänder) können zur Duodenalstenose führen (Abb. B-6.8 b).
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B 6.1 Angeborene Fehlbildungen und Erkrankungen des Neugeborenen
1063
B-6.8 Lageanomalien des Magen-Darm-Trakts
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Malrotation II: Nach der ersten Darmdrehung um 90 ° erfolgt eine Darmdrehung in umgekehrter Richtung um 90 oder 180 °. Die Pars inferior duodeni liegt vor der Mesenterialwurzel, das Zökum dahinter. Entwickelt sich nun das Kolon nach rechts, kann es zu einer Hernia mesocolica kommen (Abb. B-6.8 c, d).
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Malrotation II: Der ersten 90 °-Drehung folgt eine Rückdrehung der Darmschleife um 90 ° oder 180 °. Es kann zur Bildung einer Hernia mesocolica kommen (Abb. B-6.8 c, d).
Klinik: Häufige, uncharakteristische Abdominalbeschwerden, wiederholtes Erbrechen sowie kolikartige Bauchschmerzen können Ausdruck einer zeitweiligen Passagestörung sein. ■ Beim Vorliegen Ladd’scher Bänder kann es bereits in der Neugeborenenperiode zu galligem Erbrechen kommen. Die Malrotation ist bei 6 % aller Darmverschlüsse im Neugeborenenalter die Ursache. ■ Ein Volvulus führt zu krampfartigen Bauchschmerzen, Druckschmerz im Oberbauch und peritonealer Reizung infolge der Darmischämie. Es kann zu Diarrhöen kommen.
Klinik: Uncharakteristische Abdominalbeschwerden mit Erbrechen. Ein Volvulus führt zu kolikartigen Bauchschmerzen mit peritonealer Reizung, gelegentlich mit Diarrhöen.
Diagnostik: Beim Volvulus zeigt die Abdomenübersichtsaufnahme eine Dilatation von Magen und Duodenum. Ein Kolonkontrasteinlauf kann eine Lageanomalie bestätigen. Die Lokalisation kann anhand des Kontrastmittelstopps im Rahmen einer Magen-Darm-Passage erfolgen.
Diagnostik: Abdomenübersichtsaufnahme mit Erweiterung von Magen und Duodenum, Kolonkontrasteinlauf oder Magen-DarmPassage.
Therapie: Der Verdacht auf einen Volvulus muss zur sofortigen Laparotomie führen, um die betroffenen ischämischen Darmabschnitte zu detorquieren. Bei irreversibler Darmischämie müssen Darmabschnitte reseziert werden. Bei unklarer Durchblutungssituation sollte eine Second-look-Operation erfolgen, um möglichst viel Darm erhalten zu können.
Therapie: Bei Verdacht auf Volvulus sofortige Operation und Detorquierung des Darmes. Ischämische Darmabschnitte werden reseziert. Ladd’sche Bänder werden gelöst und mobile Darmanteile fixiert.
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1064
B 6 Kinderchirurgie
Bei Vorliegen Ladd’scher Bänder müssen diese gelöst und ggf. mobile Darmanteile fixiert werden. Prognose: Sie ist beim Volvulus abhängig von der Länge des verbleibenden Dünndarms. In den übrigen Fällen der Lageanomalien ist sie gut.
6.1.9 Duplikaturen des
Magen-Darm-Traktes 왘 Definition
Prognose: Beim Volvulus bestimmt die Dauer der Darmischämie das Ausmaß einer notwendigen Darmresektion. Die Prognose hängt entscheidend von der verbleibenden Dünndarmlänge ab. Liegt diese unter einer Länge von 20 – 30 cm, ist mit einem Kurzdarmsyndrom mit notwendiger parenteraler Ernährung zu rechnen. Die Behandlungsergebnisse der übrigen Lageanomalien sind gut.
6.1.9 Duplikaturen des Magen-Darm-Traktes 왘 Definition. Doppelanlagen einzelner Abschnitte des Intestinaltraktes mit ent-
sprechendem histologischen Aufbau. Die Doppelanlage kann Verbindung zum regulären Darmlumen haben. Pathologie: Intestinale Doppelanlagen finden sich entlang des gesamten Intestinums, oft mit gemeinsamer Gefäßversorgung im Bereich des Mesenterialansatzes.
Pathologie: Intestinale Doppelanlagen finden sich entlang des gesamten Intestinums, oft mit gemeinsamer Gefäßversorgung im Bereich des Mesenterialansatzes. Sie können tubulär oder zystisch angelegt sein. Komplikation können Einblutungen oder Perforationen sein. In 33 % der Fälle bestehen weitere angeborene Fehlbildungen. Begleitende Wirbelsäulenfehlbildungen sind typisch.
Klinik: ■ Dünndarmduplikatur: Gedeihstörungen, unklare abdominelle Beschwerden. ■ Ösophagusduplikatur: Stridor oder Dyspnoe. ■ Magenduplikatur: Erbrechen.
Klinik: Bei Duplikaturen des Dünndarmes (ca. 70 % der Duplikaturen) bestehen meist unklare abdominelle Beschwerden im ersten Lebensjahr oder Gedeihstörungen. ■ Ösophagusduplikaturen können durch Dyspnoe oder Stridor auffallen. ■ Magenduplikaturen zeigen Passagestörungen mit Erbrechen.
Diagnostik: ■ Pränatale Sonographie: Zystische Duplikaturen. ■ Tubuläre Formen werden durch Kontrastmitteldarstellung diagnostiziert.
Diagnostik: ■ Sonographisch lassen sich zystische Duplikaturen häufig bereits pränatal darstellen. ■ Eine Röntgenkontrastdarstellung kann tubuläre Duplikaturen mit Kommunikation zum Darmtrakt zeigen. ■ Ggf. sollte eine Magnetresonanztomographie zur Abklärung erfolgen.
Therapie: Resektion der Duplikatur vor dem Auftreten von Komplikationen. Der verbleibende Darmabschnitt muss ausreichend lang sein.
Therapie: Duplikaturen sollten nach Diagnosestellung vor dem Auftreten von Komplikationen reseziert werden. Intraoperativ ist die Gefäßversorgung des verbleibenden Darmes zu beachten und es muss auf eine ausreichende, verbleibende Darmlänge geachtet werden.
Prognose: Bei ausreichender Darmlänge gut.
Prognose: Nach Resektion bei ausreichender Darmlänge gut.
6.1.10 Duodenalatresie/-stenose,
Pancreas anulare 왘 Definition
■
6.1.10 Duodenalatresie/-stenose, Pancreas anulare 왘 Definition. Duodenalstenose, Duodenalatresie und Pancreas anulare führen zu
einer inkompletten oder kompletten Störung der Duodenalpassage. Die Häufigkeit liegt bei 1 : 5000. Bei 30 % der Duodenalatresien liegt eine Trisomie 21 und in ca. 20 % ein zusätzlicher Herzfehler vor. Pathogenese: Die Duodenalatresie ist eine Hemmungsmissbildung mit Bildung einer intraluminären Membran oder einer Kontinuitätsunterbrechung des Duodenums.
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Die Duodenalstenose ist durch eine extraluminäre Einengung des Duodenums durch Ladd’sche Bänder oder Volvulus (S.1063) bedingt.
Pathogenese: ■ Die Duodenalatresie ist eine Hemmungsmissbildung mit Bildung einer intraluminären, evtl. perforierten Membran oder einer Kontinuitätsunterbrechung des Duodenums. In der 6. – 7. Schwangerschaftswoche kommt es zu einer Verlegung des Lumens durch die Proliferation der Epithelzellen. Anschließend wird durch Vakuolisierung das Duodenum normalerweise wieder rekanalisiert. ■ Die Duodenalatresie/-stenose entsteht durch eine Störung der Rekanalisierung des Duodenums.
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
B 6.1 Angeborene Fehlbildungen und Erkrankungen des Neugeborenen
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Pancreas anulare: Die Vereinigung der ventralen mit der dorsalen Pankreasanlage führt zur Bildung des Pankreaskopfes. Bleibt die ventrale Pankreasanlage fixiert, umgibt das Pankreas das Duodenum ringförmig und engt es ein.
1065 ■
Pancreas anulare: Störung der Pankreaskopfentwicklung mit ringförmiger Einengung des Duodenums.
Klinik: Neugeborene mit kompletter oder partieller Passagestörung des Duodenums fallen nach der Geburt durch galliges Erbrechen auf, da die Fehlbildung in der Regel distal der Papille liegt. Die klinische Untersuchung zeigt einen geblähten Oberbauch bei eingefallenem Unterbauch.
Klinik: Neugeborene fallen durch galliges Erbrechen, geblähten Ober- und eingefallenen Unterbauch auf.
Diagnostik: ■ Pränatal kann die Diagnose durch eine Erweiterung von Magen und Duodenum im Ultraschall gestellt werden. ■ Postpartal zeigt eine Abdomenübersichtsaufnahme im Hängen die typische präatretische/-stenotische Erweiterung von Magen und Duodenum (sog. Double-bubble-Phänomen).
Diagnostik: ■ Pränatal zeigen sich Magen- und Duodenalerweiterung im Ultraschall. ■ Postpartal: Double-bubble-Phänomen in der Abdomenübersicht.
Therapie: Zunächst sollte eine Magensonde zur Vermeidung einer Aspiration oder Perforation eingelegt weren. Die definitive Therapie besteht in der operativen Beseitigung der Ursache durch: ■ Detorquierung des Darms beim Volvulus. ■ Lösung der Ladd’schen Bänder. ■ Resektion einer intraluminalen Membran nach Darmeröffnung unter Schonung der Papilla Vateri. Diese liegt meist an der Membranbasis dorsomedial. ■ Beim Pancreas anulare oder einer kurzstreckigen Atresie kann eine DuodenoDuodenostomie (Seit-zu-Seit), ventral des Pankreasrings, angelegt werden. ■ Eine langstreckige Atresie sollte durch eine Duodeno-Jejunostomie (Y-Roux) versorgt werden.
Therapie: Zunächst Magensonde, anschließend Beseitigung der Ursache durch: ■ Detorquierung beim Volvulus. ■ Durchtrennung der Ladd’schen Bänder. ■ Resektion einer intraluminalen Membran. ■ Pancreas anulare, kurzstreckige Atresie: Duodeno-Duodenostomie. ■ Langstreckige Atresie: Duodeno-Jejunostomie (Y-Roux).
Prognose: Die Prognose dieser Fehlbildung ist gut.
Prognose: Die Prognose ist gut.
6.1.11 Jejunum-, Ileum- und Kolonatresien
6.1.11 Jejunum-, Ileum- und Kolonatresien
왘 Definition. Es handelt sich um solitäre oder multiple Verlegungen des Darm-
왗 Definition
lumens. Atresien machen bis zu 80 % aller intestinalen Passagestörungen im Neugeborenenalter aus. Die Häufigkeit liegt bei 1 : 8000 Geburten. Kolonatresien sind deutlich seltener als Dünndarmatresien. Pathogenese: Eine Dünn- oder Dickdarmatresie entsteht durch eine Minderdurchblutung der Mesenterialgefäße in der Fetalentwicklung. Sie kann durch Volvulus, Invagination oder Inkarzeration bedingt sein. Klassifikation: Es werden 4 Atresietypen unterschieden (Abb. B-6.9).
Pathogenese: Darmatresien sind durch fetale Minderdurchblutung des Darmes in der Folge von Volvulus, Invagination oder Inkarzeration bedingt. Klassifikation: Abb. B-6.9.
Klinik: ■ Innerhalb der ersten 24 Stunden postpartal kommt es zu galligem Erbrechen. ■ Das Abdomen ist kranial der Atresie aufgetrieben, kaudal der Atresie ist das Abdomen eingefallen. ■ Auskultatorisch zeigen sich die Zeichen eines mechanischen Darmverschlusses mit hochgestellten, später fehlenden Darmgeräuschen. ■ Nach Anspülen des Anus entleert sich farbloser, schleimiger Darminhalt. ■ Im Verlauf können Aspiration, Perforation oder Volvulus als Komplikation eintreten.
Klinik: ■ Galliges Erbrechen in den ersten 24 Lebensstunden. ■ Kranial der Atresie aufgetriebenes, kaudal der Atresie eingefallenes Abdomen. ■ Die Darmgeräusche sind zunächst hochgestellt, später fehlend. ■ Das Mekonium ist farblos-schleimig. ■ Komplikationen: Aspiration, Perforation, Volvulus.
Diagnostik: Pränatal werden häufig bereits erweiterte Darmschlingen festgestellt, die zur Verdachtsdiagnose einer Darmatresie führen. Bei dieser Verdachtsdiagnose sollten weitere engmaschige Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden, um Komplikationen (Darmperforation, Volvulus) frühzeitig zu erkennen und ggf. eine vorzeitige Entbindung einzuleiten. ■ Postpartal zeigt die Röntgenübersichtsaufnahme im Hängen Spiegel kranial der Atresie bei luftfreiem übrigem Abdomen (Abb. B-6.10 a). Bei einem mechanischen Ileus ist eine Magen-Darm-Passage meist nicht indiziert.
Diagnostik: ■ Pränatal sind meist erweiterte Darmschlingen im Ultraschall darzustellen. ■ Postpartal: Spiegel bei ansonsten luftfreiem Abdomen.
■
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B 6 Kinderchirurgie
1066 B-6.9
Klassifikation der Darmatresie
B-6.10
B-6.10
Dünndarmatresie
a Abdomenübersichtsaufnahme bei hoher Dünndarmatresie: Im Hängen stehende Dünndarmschlingen mit Spiegelbildung und steigendem Durchmesser (?).
Therapie: Bei der umgehenden Laparotomie erfolgt die Resektion des atresietragenden Darmanteils mit anschließender kaliberausgleichender Anastomose (End-to-Back- oder Taper-Anastomose). Bei aufgetretenen Komplikationen erfolgt zunächst die Ausleitung beider Darmschenkel als Anus praeter mit späterer Anastomosierung nach Kalibernormalisierung.
b Intraoperativer Befund bei hoher membranöser Dünndarmatresie: Darmlumen längs eröffnet mit Membran (왘).
Therapie: Es muss umgehend eine explorative Laparotomie durchgeführt werden (Abb. B-6.10 b, Abb. B-6.11). Bei unkomplizierten Fällen kann eine kaliberausgleichende Anastomose im Anschluss an die Resektion des von der Atresie betroffenen Darmanteils angelegt werden. Der Kaliberausgleich erfolgt entweder ■ durch eine antimesenteriale Verschmälerung des Darmes (sog. Tapering) oder ■ durch eine End-to-Back-Anastomose mit Erweiterung des aboralen Schenkels durch antimesenteriale Inzision (Abb. B-6.12). Bei eingetretenen Komplikationen oder bei akut behandlungsbedürftigen Begleiterkrankungen kann eine sofortige Anastomosierung zu risikoreich sein. Dann werden beide Darmschenkel zunächst als Anus praeter endständig ausgeleitet. Nach Kalibernormalisierung des Darmes und Besserung des Allgemeinzustandes erfolgt die Reanastomosierung.
Prognose: Gut bei rechtzeitiger Operation. Bei aufgetretenen Komplikationen bestimmen diese die Prognose.
Prognose: Wird die Diagnose vor Auftreten von Komplikationen gestellt, ist die Prognose gut. Treten Komplikationen (Darmperforation, eitrige Peritonitis oder Sepsis) auf, ist die Prognose von deren Verlauf abhängig.
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B 6.1 Angeborene Fehlbildungen und Erkrankungen des Neugeborenen
B-6.11
Multiple Dünndarmatresien
1067 B-6.11
Proximal erweiterter Dünndarm (?), distal mehrere Atresien (왘).
B-6.12
Darmanastomosierungstechniken
6.1.12 Anal- und Rektumatresie 왘 Definition. Es handelt sich um Missbildungen im Bereich des Anus bzw.
6.1.12 Anal- und Rektumatresie
왗 Definition
Rektums mit unterschiedlichen Ausprägungsgraden. Die Missbildung ist mit 1:2500 bis 1:5000 Geburten relativ häufig. Pathogenese: Die innere Kloake wird in der Embryonalperiode durch ein Septum in den Sinus urogenitalis und den Enddarm aufgeteilt. Durch eine Störung dieser Septumbildung in der 4. – 6. SSW kommt es zu einer Analatresie unterschiedlicher Ausprägung. In 25 % der Fälle treten weitere urogenitale Fehlbildungen auf. Beim VATER-Syndrom (oder auch VACTERL-Syndrom) tritt eine Analatresie zusammen mit weiteren Fehlbildungen auf (Wirbelsäulendefekte, Duodenal- oder Ösophagusatresie, renale Störungen, Herz- und Skelettfehlbildungen).
Pathogenese: Durch Störungen bei der Aufteilung der inneren Kloake in der 4. – 6. SSW kommt es zur Ausbildung einer Analatresie. Begleitfehlbildungen sind meist urogenital (25 %). Beim VATER-Syndrom liegen weitere Fehlbildungen vor.
Klassifikation: Die Klassifikation nach Wingspread unterteilt die anorektalen Fehlbildungen mit Bezug auf die Puborektalisschlinge in hohe supralevatorische (40 % der Patienten) und tiefe translevatorische Atresien (60 % der Patienten) (Abb. B-6.13). Begleitfehlbildungen bestehen zu 20 % bei den translevatorischen und zu 45 % bei den supralevatorischen Fällen. Während bei den Jungen fast 50 % hohe Atresien auftreten, sind es bei den Mädchen nur 20 % hohe Atresien.
Klassifikation: Mit Bezug auf die Puborektalisschlinge erfolgt die Einteilung der anorektalen Fehlbildungen nach Wingspread (Abb. B-6.13).
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B 6 Kinderchirurgie
1068 B-6.13
Wingspread-Klassifikation anorektaler Missbildungen
Diagnostik: ■ Fehlender Anus. ■ Die Mündung des ektopen Anus in Damm oder Scheidenvorhof beim Mädchen bzw. Damm oder Skrotum beim Jungen zeigt eine translevatorische Form an. Die Mündung des ektopen Anus in die Scheide bzw. den Blasenhals oder die Urethra (Mekoniumausscheidung) zeigen die supralevatorische Form an. ■ Bei Unklarheit ist eine sonographische Distanzmessung zwischen Haut und Rektumblindsack erforderlich. ■ Röntgenuntersuchung: Zeigt weitere Atresien und Wirbelkörperfehlbildungen. ■ MRT und Miktionszysturethrographie: Vor einer endgültigen Korrektur.
Diagnostik: ■ Bei der körperlichen Untersuchung fällt meist das Fehlen des Anus oder die Verlagerung nach ventral auf (Abb. B-6.14 a). ■ Bei der Inspektion des Perineums findet sich bei den tiefen translevatorischen Formen eine Mündung des ektopen Anus (Abb. B-6.13 c) – beim Mädchen in den Scheidenvorhof oder Damm, – beim Jungen in den Damm oder das Skrotum. ■ Bei den hohen supralevatorischen Formen mündet der ektope Anus (Abb. B-6.13 A) – beim Jungen in den Blasenhals oder die Urethra, – beim Mädchen in die Scheide oder eine Kloake. ■ Die Entleerung von Mekonium aus der Scheide beim Mädchen oder von Mekonium oder Luft aus der Urethra beim Jungen beweist das Vorliegen einer supralevatorischen Analatresie. ■ Sonographisch kann bei fehlendem Anus eine Distanzmessung zwischen der Haut und dem Rektum duchgeführt werden. Eine Distanz 5 1 cm entspricht einer translevatorischen Atresie, eine Distanz 4 1 cm entspricht einer supralevatorischen oder intermediären Form (Abb. B-6.14 b). ■ Eine Röntgenuntersuchung im Hängen gibt Aufschluss über Wirbelkörperfehlbildungen und das Vorliegen weiterer Atresien (Abb. B-6.14 c). ■ Eine Magnetresonanztomographie und eine Miktionszysturethrographie sollten spätestens vor der endgültigen Korrektur im Alter von 3 Lebensmonaten durchgeführt werden.
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B 6.1 Angeborene Fehlbildungen und Erkrankungen des Neugeborenen
B-6.14
1069
Diagnostik bei Analatresie
a
c
b
a Infralevatorische Analatresie. b Ultraschall des Perineums bei infralevatorischer Analatresie. Rektumblindsack (?), perineale Haut (왘), Distanz kleiner 1 cm. c Röntgendiagnostik (MCU) bei Analatresie mit rektourethraler Fistel. Harnblase mit Kontrastmittel und Katheter in der Urethra (?), Rektum mit Kontrastmittel (? ?), rektourethrale Fistel (왘).
Therapie: ■ Translevatorische Formen werden über einen perinealen Zugang (Verfahren nach Peña) und dadurch bedingter geringer Operationsbelastung unmittelbar nach der Diagnosestellung definitiv korrigiert. ■ Bei den supralevatorischen Formen werden postnatal zunächst zwei endständige Sigmoidostomata angelegt. Die definitive Korrektur erfolgt meist nach 3 Monaten sekundär.
Therapie: ■ Translevatorische Formen werden unmittelbar nach der Diagnosestellung definitiv korrigiert. ■ Supralevatorische Formen: Zunächst werden zwei endständige Stomata angelegt. Die definitive Korrektur erfolgt nach 3 Monaten.
Prognose: Eine Obstipation besteht bei den Patienten häufig. 90 % der Kinder mit einer tiefen translevatorischen (= infralevatorischen) Form erreichen eine vollständige Kontinenz. Bei den hohen supralevatorischen Formen sind dies zunächst nur etwa 25 – 30 %. Hierbei ist zu beachten, dass die erreichbare Kontinenz erst nach der Pubertät mit Kräftigung der Beckenbodenmuskulatur und Motivation des Patienten beurteilbar ist. Zu diesem Zeitpunkt erreichen weitere 30 % der Patienten eine zufriedenstellende Kontinenz. 40 % der Patienten mit supralevatorischen Analatresien bleiben inkontinent und brauchen dauerhaft konservative Behandlungen (z. B. gezielte Darmentleerung durch Einläufe) oder kontinenzverbessernde Operationen (z. B. Grazilisplastik).
Prognose: Häufig besteht eine Obstipation. Vollständige Kontinenz erreichen 90 % der Patienten mit einer tiefen Analatresie. Bei einer hohen Form sind es primär nur 25 – 30 %. Hierbei verbessert sich die Kontinenz noch bei 30 % durch Kräftigung der Beckenbodenmuskulatur bis zur Pubertät. 40 % bleiben inkontinent und brauchen kontinenzverbessernde Maßnahmen (konservativ oder operativ).
6.1.13 Mekoniumileus
6.1.13 Mekoniumileus
왘 Definition. Der Mekoniumileus ist ein mechanischer, tiefer Dünndarm-Ileus
왗 Definition
durch eingedicktes Mekonium. Die Häufigkeit liegt bei 1:20 000. In 95 % der Fälle liegt bei den Patienten eine zystische Fibrose (Mukoviszidose) vor. Pathogenese: Die zystische Fibrose ist eine autosomal rezessiv vererbte Krankheit, die zu einer Störung der Schleimproduktion in der Lunge, im Intestinaltrakt und im Pankreas mit erhöhter Viskosität des produzierten Schleims führt. Es kommt zu einer Eindickung des Mekoniums mit Verlegung des Lumens und verzögertem Mekoniumabgang bzw. Entwicklung eines Ileus.
Pathogenese: Die zystische Fibrose ist eine autosomal rezessiv vererbte Krankheit mit erhöhter Viskosität des Schleims aller Schleimdrüsen. Durch die erhöhte Viskosität des Mekoniums kommt es zur Verlegung des terminalen Ileums und zum Ileus.
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1070
B 6 Kinderchirurgie
Die Viskosität des Mekoniums nimmt zum distalen Ileum hin zu. Das terminale Ileum ist durch perlschnurartig angeordnetes, hartes Mekonium verlegt. Es besteht ein Mikrokolon (Abb. B-6.15 b). Als Komplikation kommt es gelegentlich zum Volvulus. Klinik: Fehlender Mekoniumabgang nach der Geburt und galliges Erbrechen.
Klinik: Nach der Geburt fehlt der Mekoniumabgang oder es wird ein zäher, lehmfarbener Schleimpropf abgesetzt. Danach kommt es zum galligen Erbrechen, vermehrter und im weiteren Verlauf fehlender Peristaltik.
Diagnostik: ■ Pränataler Ultraschall: Proximal erweiterte Darmschlingen. ■ Abdomenübersicht: Erweiterte Darmschlingen im Oberbauch ohne die sonst bei Ileus typischen Spiegel. Als Komplikation kann es zu Perforation oder Volvulus kommen. ■ Diagnose der zystischen Fibrose genetisch oder durch Schweißtest.
Diagnostik: Im pränatalen Ultraschall fallen proximal erweiterte Darmschlingen auf. ■ Bei Ileusverdacht wird eine Abdomenübersichtsaufnahme im Hängen angefertigt, die wegen des fest an der Darmwand haftenden Mekoniums keine typischen Spiegel, aber stark erweiterte Darmschlingen im Oberbauch zeigt (Abb. B-6.15 a). Ist es intrauterin zu einer Darmperforation mit aseptischer Mekoniumperitonitis gekommen, können Kalkablagerungen in der Bauchhöhle (kalzifiziertes Mekonium) nachweisbar sein. ■ Die Diagnose der zystischen Fibrose wird genetisch und durch einen Schweißtest gestellt.
Therapie: ■ Magensonde zur Entlastung. ■ In weniger schweren Fällen konservativer Behandlungsversuch. ■ Operative Entfernung des Mekoniums und Anlage einer Anastomose nach BishopKoop oder zweier endständiger Ileostomata. Das terminale Ileum und das Mikrokolon können hierüber freigespült werden.
Therapie: ■ Zunächst muss eine Magensonde zur Entlastung des Intestinaltraktes gelegt werden. ■ In weniger schweren Fällen kann danach versucht werden, den Darm mit schleimlösenden Einläufen (Acetylcystein oder hyperosmolares Kontrastmittel) freizuspülen. ■ Gelingt dieser konservative Therapieversuch nicht, erfolgt die Operation mit Eröffnung des Ileums, Entleerung der proximalen Mekoniummassen und Anlage einer End-zu-Seit-Anastomose nach Bishop-Koop oder die Anlage zweier endständiger Ileostomata. Der distale Ileostomaschenkel bzw. das Stoma des Bishop-Koop-Verfahrens können zur Spülung des terminalen Ileums und Mikrokolons benutzt werden.
■
Reanastomosierung nach 1 – 2 Monaten.
Nach 1 – 2 Monaten erfolgt die Anus-praeter-Rückverlagerung bzw. die Reanastomosierung.
Prognose: Das postoperative Überleben liegt bei über 90 %. Die Grundkrankheit bestimmt die Prognose.
Prognose: Das postoperative Überleben liegt bei über 90 %. Die Gesamtprognose ist deutlich schlechter, da sie von der Ausprägung der Grunderkrankung abhängt, die bisher nur symptomatisch behandelt werden kann.
■
B-6.15
B-6.15
Mekoniumileus bei zystischer Fibrose
b
a
a Abdomenübersichtsaufnahme bei Mekoniumileus. b Intraoperativer Befund: Perlschnurartig angeordnetes, eingedicktes Mekonium im Ileum (?), erweitertes Jejunum (왘).
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B 6.1 Angeborene Fehlbildungen und Erkrankungen des Neugeborenen
6.1.14 Nekrotisierende Enterokolitis (NEC) 왘 Definition. Schädigung von Dünn- und Dickdarm durch eine Darmischämie
1071 6.1.14 Nekrotisierende Enterokolitis (NEC)
왗 Definition
meist bei Neu- oder Frühgeborenen. Pathogenese: Durch eine Asphyxie während der Geburt oder eine Kreislaufdepression nach der Geburt kann es zu einer Minderdurchblutung eines Darmabschnittes kommen. Die Hypoxie führt zu einer Darmwandschädigung, oft zunächst nur im Bereich der Schleimhaut mit folgender Permeabilitätsstörung. Im Anschluss wandern meist anaerobe, Gas bildende Bakterien (häufig Clostridien und Bacteroides) in die Darmwand ein. Es kommt zur submukösen oder subserösen Gasansammlung, der sog. Pneumatosis cystoides intestini (Abb. B-6.16 b). Gehäuft betroffen sind vor der 33. SSW entbundene Frühgeborene (über 90 % der Fälle) und Säuglinge mit Herzfehlern, großem offenen Ductus arteriosus Botalli und Neugeborene, die nicht mit Muttermilch ernährt werden. Symptome treten meist zwischen der 3. und 4. Lebenswoche auf.
Pathogenese: Die nekrotisierende Enterokolitis ist Folge einer peri- oder postpartalen Minderdurchblutung des Darms. Schädigungen im Bereich der Darmschleimhaut führen zu einer Permeabilitätsstörung der Darmwand mit Bakteriendurchwanderung. Eine Folge davon ist die submuköse und subseröse Gasansammlung (Pneumatosis cystoides intestini). Meist sind Frühgeborene und Neugeborene in der 3. – 4. Lebenswoche betroffen.
Klinik: Initial finden sich galliges Erbrechen, blutig-schleimige Stühle und ein geblähtes Abdomen. ■ Im weiteren Verlauf kommt es durch die bakterielle Darmdurchwanderung zu Druckschmerzen über den betroffenen Darmabschnitten (häufig terminales Ileum und angrenzendes Kolon). Meist verschlechtert sich das Krankheitsbild rasch mit gespanntem Abdomen, den Zeichen der Sepsis mit Hautblässe, Dyspnoe, Apnoe, Blutdruckabfall, Tachykardie oder Bradykardie, Lethargie und Azidose. ■ Im Spätstadium zeigen sich ein Ödem und eine Rötung der Bauchdecke über den betroffenen Darmabschnitten.
Klinik: ■ Leitsymptome: Galliges Erbrechen, blutige Stühle, geblähtes Abdomen. ■ Schwere Verlaufsform: Druckschmerzen, Peritonitis, Sepsiszeichen mit Hautblässe, Dyspnoe, Blutdruckabfall, Tachy- oder Bradykardie, Lethargie und Azidose. ■ Spätstadium: Ödem und Rötung der Bauchdecke.
Diagnostik: ■ Das Labor weist die Zeichen einer Sepsis mit Linksverschiebung, Leukozytose, CRP-Anstieg, Anämie und Thrombopenie auf. Eine metabolische Azidose ist als Zeichen der Minderdurchblutung des Darmes nachzuweisen. ■ In der Abdomenübersichtsaufnahme im Hängen zeigt sich in den betroffenen Darmabschnitten die beschriebene Pneumatosis cystoides intestini mit Verdickung der Darmwände, Spiegelbildungen als Zeichen des Ileus und freier Luft unter dem Zwerchfell bei Darmperforation. Ggf. Nachweis von Luft in der Pfortader (Abb. B-6.16 a).
Diagnostik: ■ Labor: Zeichen einer Sepsis mit Azidose, Linksverschiebung und CRP-Anstieg. ■ Abdomenübersicht: Pneumatosis cystoides intestini (Abb. B-6.16 a).
Sonographisch sind verdickte Darmwände, freie Flüssigkeit und im Spätstadium Luft in der Pfortader nachweisbar.
Sonographie: Verdickte Darmwände, freie Flüssigkeit und Luft in der Pfortader.
■
B-6.16
Nekrotisierende Enterokolitis (NEC)
B-6.16
b
a
a Freie (?) und intramurale Luft (왘) in der Abdomenübersichtsaufnahme. b Dünndarmischämie mit intramuraler Luft (왘).
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1072
B 6 Kinderchirurgie
Therapie: ■ Geringe Symptomatik: Konservatives Vorgehen.
Therapie: ■ Geringe Symptomatik, keine Zeichen einer Peritonitis: Zunächst konservative Behandlung mit Einlage einer Magensonde zum Ablaufen des Darminhaltes, Nahrungskarenz und parenteraler Ernährung. Es erfolgt eine breite antibiotische Abdeckung sowie engmaschige, 3 – 4-stündliche, klinisch-chirurgische Kontrollen. Kreislaufstabilisierende Maßnahmen, Bluttransfusion bei Anämie, Intubation und Beatmung zur Verbesserung der Gewebeoxygenierung sind meist erforderlich. ■ Peritonitis oder klinische Verschlechterung unter konservativer Therapie: Die Indikation zur Explorativlaparotomie wird gestellt. Gangränöse Darmabschnitte werden möglichst sparsam reseziert und ein oder mehrere Enterostomata zur Entlastung des Darmes angelegt. Bei unklaren Befunden ist evtl. eine Second-look-Operation erforderlich. Auf die Anlage von Anastomosen sollte bei unklarer Durchblutungssituation möglichst verzichtet werden. ■ Der enterale Nahrungsaufbau kann nach Abklingen der Symptome vorsichtig begonnen werden. ■ Die Reanastomosierung der Enterostomata kann nach frühestens 4 Wochen und Durchführung einer Röntgenkontrastdarstellung erfolgen.
■
■
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Peritonitis oder klinsche Verschlechterung: Resektion gangränöser Darmabschnitte, Anlage von Enterostomata, möglichst keine Anastomose.
Enteraler Kostaufbau nach Abklingen der Symptome. Reanastomosierung frühestens nach 4 Wochen.
Prognose: Sie ist abhängig von der Ausprägung der Frühgeburtlichkeit, dem Operationszeitpunkt, weiteren Grunderkrankungen und der resezierten Darmlänge. Gefahr des Kurzdarmsyndroms. Eine Stenose nach konservativer Therapie wird reseziert und es wird eine primäre Anastomose angelegt.
6.1.15 Zystisches Lymphangiom
왘 Definition
Prognose: Die Überlebensrate liegt bei Frühgeborenen unter 1500 g bei ca. 90 %, bei Frühgeborenen unter 1000 g nur bei ca. 80 % und ist stark beeinflusst durch weitere Grunderkrankungen und den Operationszeitpunkt. Der radiologische oder sonographische Nachweis von Luft in der Pfortader ist ein prognostisch ungünstiges Zeichen. Bei Resektion langstreckiger Abschnitte des Dünndarmes kann es zu einem Kurzdarmsyndrom kommen. Nach einer zunächst erfolgreichen konservativen Therapie kann es im Verlauf durch die Ischämie zu einer Stenose des Darmes kommen. Ein Ileus durch eine Stenose nach abgelaufener NEC kann durch eine Resektion des stenotischen Darmabschnittes mit primärer Anastomose behandelt werden.
6.1.15 Zystisches Lymphangiom 왘 Definition. Gutartiger, häufig multizystischer Tumor der Lymphgefäße, der bevorzugt im lateralen Halsbereich zwischen M. sternocleidomastoideus und V. jugularis liegt. Er kann aber auch in den Körperhöhlen oder an den Extremitäten vorkommen. Die Häufigkeit liegt bei 1:12 000.
Pathogenese: Gestörter Abfluss der Lymphgefäße mit Ausbildung eines Tumors.
Pathogenese: In der Entwicklung des Lymphgewebesystems kommt es zu einem gestörten Abfluss über die Lymphgefäße und Ausbildung des Tumors. Im Verlauf nimmt der Befund an Größe zu.
Klinik: Bei Lokalisation im Mediastinum Dyspnoe und Zyanose, im Abdomen Schmerzen oder Ileussymptome.
Klinik: Sie entwickelt sich nach der Lokalisation: ■ Subkutis: Weiche bis prall-elastische, gelegentlich livide durchscheinende Tumoren. ■ Mediastinum: Dyspnoe und Zyanose. ■ Abdomen: Schmerzen oder Ileussymptome.
Diagnostik: Sonographische Darstellung der multizystischen Struktur. Doppler-Sonographie zur Abgrenzung von Gefäßtumoren. Bei Tumoren der Körperhöhlen MRT.
Diagnostik: Das klinische Bild sowie die sonographische Darstellung der typischen multizystischen, echofreien Struktur führen zur Diagnosestellung. Die Doppler-Sonographie kann die Abgrenzung zu Gefäßtumoren ermöglichen. Bei Lymphangiomen der Körperhöhlen sollte eine Magnetresonanztomographie zur Diagnosestellung des Tumors und seiner Ausdehnung erfolgen (Abb. B-6.17 a).
Therapie: Frühzeitige komplette operative Entfernung nach der Diagnosestellung.
Therapie: Die frühzeitige operative Entfernung vor dem Auftreten von Komplikationen (Einblutung, Entzündung) ist anzuraten, da eine Spontanremission nicht zu erwarten ist, die Tumoren im Verlauf jedoch an Größe zunehmen. Die vollständige Tumorentfernung ist für die weitere Prognose entscheidend (Abb. B-6.17 b).
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B 6.1 Angeborene Fehlbildungen und Erkrankungen des Neugeborenen
B-6.17
Lymphangiom
1073 B-6.17
a a Lymphangiom der linken Thoraxwand im MRT (왘). b Lymphangiom mit Einblutung an der linken Schulter.
b
Prognose: Die Prognose ist bei vollständiger Tumorentfernung gut, aber von der Größe und Ausdehnung abhängig. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen zur frühzeitigen Diagnose eines Rezidivs sind erforderlich.
Prognose: Bei kompletter Entfernung gut.
6.1.16 Lungenhypoplasie
6.1.16 Lungenhypoplasie
왘 Definition. Fehlbildung von Bronchien und Lungenparenchym.
왗 Definition
Pathogenese: Die Lungenentwicklung wird durch in den Thorax verlagerte Darmschlingen (Zwerchfelldefekte, S. 1057) behindert. Dabei ist der Zeitpunkt des Eintretens der Darmschlingen in den Thorax offenbar für das Ausmaß der Hypoplasie wichtig.
Pathogenese: Hemmung der Lungenentwicklung durch intrathorakale Darmschlingen.
Klinik: Dyspnoe und Zyanose. Bei ausgeprägten Fällen kommt es zur pulmonalen Hypertension. Im Verlauf leiden die Patienten unter gehäuften pulmonalen Infektionen.
Klinik: Zyanose und Dyspnoe. Später auch Infektionen und pulmonaler Hochdruck.
Therapie: Eine kausale Therapie ist nicht möglich.
Therapie: Keine kausale Therapie.
Prognose: Diese ist vom Ausmaß der Lungenhypoplasie abhängig.
Prognose: Vom Ausmaß der Hypoplasie abhängig.
6.1.17 Kongenitale zystisch-adenomatoide Malformation 왘 Definition. Als kongenitale zystisch-adenomatoide Malformation (CCAM) be-
6.1.17 Kongenitale zystisch-adenomatoide
Malformation 왗 Definition
zeichnet man klein- oder großzystische Fehlbildungen, die einzelne Segmente oder Lappen der Lunge betreffen (Abb. B-6.18 a). Klinik: Durch die Verdrängung des gesunden Lungenparenchyms kann es zu Dyspnoe und Zyanose nach der Geburt kommen. Im Gegensatz zur Zwerchfellhernie ist das Abdomen jedoch nicht eingefallen. Im Verlauf kommt es zu gehäuften Pneumonien in den betroffenen Lungenabschnitten.
Klinik: Zyanose und Dyspnoe durch Verdrängung des gesunden Lungengewebes. Im Verlauf Pneumonien in den betroffenen Lungenabschnitten.
Diagnostik: In mehr als 50 % der Fälle wird die Diagnose bereits im pränatalen Ultraschall gestellt. In der Thoraxübersichtsaufnahme stellt sich die Strukturveränderung der Lunge meist gut dar. Das Ausmaß der Erkrankung kann in der Magnetresonanztomographie oder der Computertomographie festgestellt werden (Abb. B-6.18 a).
Diagnostik: Im pränatalen Ultraschall können 50 % der Fälle erkannt werden. Postpartal Röntgen des Thorax, MRT oder CT.
Therapie: Spontane Remissionen sind sehr selten. Deshalb sollte in den ersten 6 Lebensmonaten zunächst beobachtet werden, wenn das Kind symptomfrei ist. Danach sollte die Resektion der betroffenen Lungenabschnitte erfolgen, da es zu gehäuften Infektionen im Verlauf und selten auch zur malignen Entartung kommen kann (Abb. B-6.18 b).
Therapie: Selten Spontanremission. Operative Entfernung des betroffenen Lungenabschnitts.
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B 6 Kinderchirurgie
1074 B-6.18
Zystisch-adenomatoide Malformation der Lunge
a Computertomographie: Veränderung im linken Unterlappen (?).
b Intraoperativer Befund: Zystisch adenomatoide Malformation (?), gesundes Lungengewebe (왘).
Prognose: Gut.
Prognose: Bei rechtzeitiger Operation gut. Perioperative Komplikationen sind selten.
6.1.18 Kongenitales lobäres Emphysem
6.1.18 Kongenitales lobäres Emphysem
왘 Definition
왘 Definition. Es handelt sich um eine angeborene Überblähung eines Lungen-
lappens (meistens ist der linke Oberlappen betroffen, gefolgt vom rechten Oberoder Mittellappen). Pathogenese: Knorpeldysplasie, Schleimhautfalten oder äußere Kompression führen zur Überblähung des betroffenen Lungenlappens.
Pathogenese: Eine Dysplasie der Bronchialknorpel, Schleimhautfalten, äußere Kompression (durch Gefäßabgänge) oder Sekretverhalt führen durch einen Ventilmechanismus zur Überblähung eines Lungenlappens. Die überblähte Lunge komprimiert dann die Restlunge.
Klinik: Zyanose und Dyspnoe, Infektionen und Gedeihstörungen sind die Leitsymptome.
Klinik: Im Neugeborenenalter kommt es zu zunehmender Dyspnoe und Zyanose bis zur Beatmungspflichtigkeit. In weniger ausgeprägten Fällen kann es zu Pneumonien und zu Gedeihstörungen kommen.
Diagnostik: ■ In der Röntgenaufnahme des Thorax zeigt sich ein überblähter Lungenlappen mit Zwerchfelltiefstand. ■ MRT und CT dienen der Abklärung von Ausdehnung und Lokalisation. ■ Ggf. Bronchoskopie.
Diagnostik: ■ Die Röntgenaufnahme des Thorax zeigt oft schon den überblähten Lungenlappen mit Zwerchfelltiefstand und Mediastinalverlagerung. In der Seitenaufnahme zeigt sich meist eine retrosternale Aufhellung. ■ Die Magnetresonanz- oder Computertomographie zeigen das genaue Ausmaß und die Lokalisation der Fehlbildung. ■ Bronchoskopisch kann ggf. die Ursache geklärt werden.
Differenzialdiagnose: Pneumothorax, kongenitale zystisch-adenomatoide Malformation. Therapie: Resektion des Lungenlappens.
Differenzialdiagnose: Ein Pneumothorax und eine kongenitale zystisch-adenomatoide Malformation müssen ausgeschlossen werden. Therapie: Frühzeitige Resektion des betroffenen Lungenlappens.
Prognose: Gut.
Prognose: Gut.
6.1.19 Bronchogene Zysten (S. 939)
6.1.19 Bronchogene Zysten (S. 939)
6.1.20 Lungensequestration (S. 940)
6.1.20 Lungensequestration (S. 940)
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B 6.2 Kinderchirurgische Erkrankungen des Säuglings und des Kleinkindes
6.2
Kinderchirurgische Erkrankungen des Säuglings und des Kleinkindes
6.2.1 Hypertrophe Pylorusstenose
1075 6.2
Kinderchirurgische Erkrankungen des Säuglings und des Kleinkindes
6.2.1 Hypertrophe Pylorusstenose
왘 Definition. Passagestörung im Bereich des Magenausgangs durch eine Mus-
왗 Definition
kelhypertrophie des Pylorus (Abb. B-6.19). Mit 1 Fall auf 300 Geburten handelt es sich um eine relativ häufige Erkrankung. Pathogenese: Die muskuläre Hypertrophie des Pylorus führt zu einer Entleerungsstörung des Magens. Die Ätiologie des Krankheitbildes ist unklar. Eine familiäre Häufung ist bekannt. Jungen sind viermal häufiger als Mädchen betroffen und erstgeborene Kinder häufiger als nachgeborene.
Pathogenese. Die muskuläre Hypertrophie des Pylorus führt zu einer Magenentleerungsstörung. Die Ursache ist unklar. Die Erkrankung ist bei Jungen und erstgeborenen Kindern häufiger.
Klinik: Schwallartiges Erbrechen etwa 30 Minuten nach der Nahrungsaufnahme in der 2. – 8. Lebenswoche eines Säuglings sind pathognomonisch für das Krankheitsbild. Da die Stenose vor der Papille liegt, enthält das Erbrochene Nahrungsreste und Magensaft aber keine Galle. Dehydratation und Gewichtsabnahme sind die Folge des Erbrechens.
Klinik: Schwallartiges Erbrechen 30 Minuten nach dem Füttern bei Säuglingen der 2. – 8. Lebenswoche ist pathognomonisch.
Diagnostik: Die Diagnose wird sonographisch gestellt. Die Pyloruswand ist auf 0,4 – 0,6 cm verdickt, der Canalis egestorius auf 1,6 – 2,2 cm verlängert und der Pylorusgesamtdurchmesser im Querschnitt ist auf über 1,4 cm verdickt. Nach der Gabe einer Mahlzeit lassen sich frustrane peristaltische Wellen des Magens sonographisch darstellen (Abb. B-6.19 b). ■ Eine Magen-Darm-Passage mit Kontrastmittel ist unklaren sonographischen Befunden vorbehalten. ■ Laborchemisch besteht eine hypochlorämische Alkalose, Hyponatriämie und Hypokaliämie.
Diagnostik: Sonographie: Pylorusdurchmesser, Wandstärke und Länge des Canalis egestorius können ausgemessen werden.
Differenzialdiagnostisch müssen ein gastroösophagealer Reflux, der auch zusätzlich bestehen kann (Roviralta-Syndrom) oder ein adrenogenitales Syndrom mit zusätzlich bestehender Genitalfehlbildung und Hyperkaliämie ausgeschlossen werden
Differenzialdiagnostisch müssen ein gastroösophagealer Reflux und adrenogenitales Syndrom ausgeschlossen werden.
Therapie: ■ Bei nur leichter Symptomatik kann ein konservativer Behandlungsversuch mit kleinenMahlzeiten, Gabe vonSpasmolytika und Hochlagerungversuchtwerden. ■ Bei fortgesetztem Erbrechen sollte nach Ausgleich der Elektrolytverluste und Entlastung des Magens durch eine Magensonde die Operation erfolgen (Abb. B-6.19 c). Diese besteht in einer Pyloromyotomie nach Weber-Ramstedt.
Therapie: Bei leichter Symptomatik konservativer Behandlungsversuch, ansonsten operative Therapie durch Pyloromyotomie nach Weber-Ramstedt (laparoskopisch oder über Minilaparotomie).
■
B-6.19
Magen-Darm-Passage bei unklaren Befunden. Labor: Hypochlorämische Alkalose, Hyponatriämie, Hypokaliämie.
Hypertrophe Pylorusstenose
b Sonographie: Magen (?), Pylorus (왘). c Hypertrophe Pylorusstenose intraMesspunkte sind markiert (x, s. Text). operativ, längsinzidierte Magenwand (?).
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1076
B 6 Kinderchirurgie
Dabei wird laparoskopisch oder über eine Minilaparotomie eine Längsinzision der Pylorusmuskulatur vorgenommen und die Muskulatur so weit gespreizt, dass sich die Schleimhaut in die Muskulatur vorwölbt (Abb. B-6.19 c). Prognose: Gut.
6.2.2 Gastroösophagealer Reflux und
Hiatushernie (S. 297)
6.2.3 Invagination
Prognose: Bei rechtzeitiger Operation gut. Rezidive sind bei regelrechter Operationstechnik äußerst selten.
6.2.2 Gastroösophagealer Reflux und Hiatushernie (S. 297) 6.2.3 Invagination
왘 Synonym
왘 Synonym. Intussuszeption.
왘 Definition
왘 Definition. Einstülpung eines Darmabschnittes in den aboral anschließenden Darmanteil (meist Dünndarm in den Dickdarm) (Abb. B-6.20).
Pathogenese: Veränderungen der Darmwand, des Darmmesenteriums oder Gewebsvermehrung im Darmlumen können zu forcierter Peristaltik und dadurch bedingt zur Darmeinstülpung führen. Die Invagination kommt zwischen dem 4. und 18. Lebensmonat am häufigsten vor. Bei 80 – 90 % der Fälle bleibt die Ursache unklar.
Pathogenese: Veränderungen ■ der Darmwand (z. B. Dünndarmtumoren, Meckel-Divertikel), ■ des unmittelbar angrenzenden Darmmesenteriums (z. B. Lymphknotenvergrößerungen bei Gastroenteritis) oder ■ Gewebsvermehrungen im Darmlumen (z. B. Darmpolypen) können die Darmperistaltik so forcieren, dass es durch das bestehende Hindernis zur Invagination des Darms kommt. Die meisten Invaginationen treten zwischen dem 4. und 18. Lebensmonat beim Umstellen der Nahrung von Muttermilch auf adaptierte Milchnahrung oder Kleinkinderkost auf. Es finden sich nur selten anatomische Ursachen. Bei 80 – 90 % der Invaginationen bleibt die Ursache unklar.
Klassifikation: Tab. B-6.1
Klassifikation: Tab. B-6.1
Komplikationen: Wandödem durch venöse Stauung und folgende Wandschädigung.
Komplikationen: Nach der Darmeinstülpung kommt es zur venösen Stauung der Mesenterialgefäße mit Darmwandödem und folgender Gewebeschädigung der Darmwand bis zur Perforation.
B-6.20
B-6.20
Invagination Intraoperativer Befund bei ileoilealer (왘) und ileokolischer (? ?) Invagination. Appendix (?).
B-6.1
B-6.1
Invaginationsformen
Ileoileale Invagination Ileozökale Invagination Ileokolische Invagination Kolokolische Invagination
Einstülpung Einstülpung Einstülpung Einstülpung
von von von von
Ileum in Ileum Ileum in das Zökum Ileum in das Kolon Kolon in das Kolon
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B 6.2 Kinderchirurgische Erkrankungen des Säuglings und des Kleinkindes
1077
Klinik: Meist akuter Beginn der Beschwerden mit kolikartigen Bauchschmerzen, die im Verlauf an Intensität noch zunehmen. Während der Koliken treten häufig eine ausgeprägte Blässe sowie das Anziehen der Beine als Zeichen einer peritonitischen Reizung auf. Im Intervall sind die Patienten beschwerdefrei. Nach dem Auftreten blutiger oder fleischwasserfarbener Stuhlabgänge kommt es zum mechanischen Ileus mit galligem Erbrechen.
Klinik: Kolikartige Bauchschmerzen mit Blässe und Anziehen der Beine. Im Verlauf treten blutige oder fleischwasserfarbene Stühle und Zeichen eines mechanischen Ileus auf.
Diagnostik: Klinisch lässt sich im freien Intervall bei weichem Abdomen die Invagination als walzenförmige Resistenz entsprechend der Lokalisation des Invaginats tasten. Die rektale Untersuchung kann unauffällig sein oder blutigen Stuhlgang zeigen. ■ Die Sonographie zeigt das typische Kokardenphänomen im Querschnitt und die Ausdehnung der Invagination im Längsschnitt. ■ Die Röntgenkontrastdarstellung, mit der sich das Invaginat als Füllungsdefekt darstellen lässt, wurde weitgehend durch die Sonographie abgelöst.
Diagnostik: ■ Klinisch walzenförmige Resistenz und rektaler Blutabgang. ■ Sonographisch lässt sich das typische Kokardenphänomen und die Ausdehnung der Invagination darstellen. ■ In der Röntgenkontrastdarstellung zeigt sich ein Füllungsdefekt.
Therapie: ■ Konservativ: Bei weichem Abdomen ohne die Zeichen einer Peritonitis erfolgt zunächst ein konservativer, sonographisch kontrollierter retrograder, hydrostatischer Repositionsversuch. Es empfiehlt sich, dem Einlauf wasserlösliches Kontrastmittel beizumischen um das Ergebnis der Reposition ggf. zusätzlich radiologisch kontrollieren zu können. Der erzeugte Druck darf nicht höher als 80 – 100 mm Hg sein und kann auch pneumatisch erzeugt werden. Abhängig von der Dauer der Invagination liegt die Erfolgsrate der konservativen Desvagination bei ca. 50 – 70 %. Nach erfolgreicher Desvagination sollte bei Neugeborenen und Kindern, die älter als 18 Monate sind, eine anatomische Ursache zusätzlich ausgeschlossen werden. ■ Operativ: Bei länger bestehender Invagination (4 6 h) mit Peritonitiszeichen oder erfolglosem konservativem Therapieversuch erfolgt die operative Therapie. Intraoperativ wird durch Exprimieren des invaginierten Darmes die Desvagination (nach Hutchinson) versucht. Ist dies möglich und liegt keine anatomische Ursache vor, wird der invaginierte Darmabschnitt durch Nähte so fixiert, dass eine erneute Invagination verhindert wird. Ist die manuelle Lösung wegen einer Darmwandschädigung nicht mehr möglich, erfolgt die Resektion des betroffenen Darmabschnittes mit End-zu-End-Anastomose. Liegt eine anatomische Ursache vor wird diese entfernt (Abtragung eines Meckel-Divertikels, Entfernung eines Polypen etc.).
Therapie: ■ Hydrostatischer Repositionsversuch unter sonographischer Kontrolle. Bei Neugeborenen und Kleinkindern über 18 Monaten sollte nach Desvagination eine anatomische Ursache ausgeschlossen werden.
Prognose: Gut bei frühzeitiger Erkennung der Invagination. Bei konservativer Reposition kommt es in 3 – 5 % zum Rezidiv.
Prognose: Gut bei rechtzeitiger Therapie.
6.2.4 Aganglionose
6.2.4 Aganglionose
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Operation: Bei Peritonitiszeichen und erfolglosem, konservativen Behandlungsversuch. Die invaginierte Darmschlinge wird exprimiert und durch Nähte fixiert. Ist die manuelle Lösung nicht möglich oder die Darmwand geschädigt, wird das betroffene Darmsegment reseziert. Liegt eine anatomische Ursache vor, wird sie entfernt.
왘 Synonym. Morbus Hirschsprung, Megacolon congenitum.
왗 Synonym
왘 Definition. Als Morbus Hirschsprung bezeichnet man eine ausgeprägte Moti-
왗 Definition
litätsstörung eines Darmabschnittes, hervorgerufen durch das Fehlen von Ganglienzellen im Plexus myentericus (Auerbach-Plexus) und Plexus submucosus (Meißner-Plexus) des Darmes. Die Häufigkeit liegt bei 1 : 5000 Geburten, Jungen sind viermal häufiger als Mädchen betroffen. Pathogenese: Zwischen der 5. und 12. Embryonalwoche wandern die Ganglienzellen in kraniokaudaler Richtung in den Verdauungstrakt bis zum Anus ein. Wird die Einwanderung der Ganglienzellen vorzeitig unterbrochen, so bleibt der distal der Störung liegende Darmanteil frei von Ganglienzellen. Die Ursache für diese Erkrankung ist unklar. Selten kann es durch unregelmäßige Wanderung auch segmental aganglionäre Darmabschnitte geben.
Pathogenese: Durch eine Störung der Ganglienzellwanderung zwischen der 5. und 12. Embryonalwoche kommt es zur Aganglionose distaler Darmabschitte. Dies hat eine Vermehrung parasympathischer Nervenfasern zur Folge. Vermehrte Ausschüttung von Acetylcholinesterase führt zu spasti-
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1078 B-6.21
B 6 Kinderchirurgie
B-6.21
Morbus Hirschsprung Intraoperativer Befund. Verengtes Rektosigmoid (?) und erweitertes Sigma mit hyperthropher Längsmuskulatur (왘).
schen Darmkontraktionen. Der aganglionäre Darmabschnitt bleibt enggestellt und wirkt als Hindernis. Der proximal davon liegende Darm zeigt eine Erweiterung und Muskelhypertrophie.
Die fehlenden Ganglienzellen führen zu einer Vermehrung parasympathischer Nervenfasern des betroffenen Darmabschnitts. Durch vermehrte Ausschüttung von Acetylcholinesterase kommt es zu spastischen Darmkontraktionen. Der aganglionäre Darmabschnitt bleibt eng gestellt und wirkt als funktionelles Hindernis. Der oral gelegene Darmabschnitt zeigt im Verlauf eine starke Erweiterung und Muskelhypertrophie (Abb. B-6.21). Der Morbus Hirschsprung tritt gehäuft bei der Trisomie 21 (10 %), dem Smith-Lemli-Opitz-Syndrom und dem Undine-Syndrom (20 %) auf.
Klassifikation nach der Länge des betroffenen Darmsegmentes:
Klassifikation: Sie erfolgt entsprechend der Länge des aganglionären Darmabschnittes: ■ Extraperitoneale (kurze oder ultrakurze) Form (ca. 20 %): Das aganglionäre Segment liegt im Analkanal und Rektum. ■ Rektosigmoidale Form (mehr als 60 % der Fälle): Fehlen der Ganglienzellen vom Anus bis zum rektosigmoidalen Übergang. ■ Distale kolische Form (ca. 15 – 20 %): Aganglionäres Kolon bis kranial des Sigmas. ■ Totale kolische Form (ca. 5 %): Komplett aganglionäres Kolon (Zülzer-WilsonSyndrom). ■ Gesamter Gastrointestinaltrakt aganglionär (ca. 1 %). ■ Sonderformen: Hypoganglionose mit unterschiedlich ausgeprägter Darmmotilitätsstörung, neuronale intestinale Dysplasie mit Störungen der Ganglienzellfunktion.
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Extraperitoneal (ca. 20 %).
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Rektosigmoidal (ca. 60 %).
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Distal-kolisch (ca. 15 – 20 %).
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Total-kolisch (ca. 5 %).
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Gesamter Gastrointestinaltrakt (ca. 1 %). Hypoganglionose und neuronale intestinale Dysplasie als Sonderformen.
Klinik: Sie ist von der Länge des aganglionären Segmentes abhängig. Verspäteter Mekoniumabgang, Obstipation (oft mit dem Abstillen beginnend), Ileuszeichen oder den Zeichen einer Enterokolitis mit Diarrhöen.
Klinik: Der klinische Verlauf ist abhängig von der Länge des aganglionären Segmentes sehr unterschiedlich. Bei einem langen aganglionären Segment kann es schon im Neugeborenenalter zu Darmentleerungsstörungen mit verspätetem Mekoniumabgang (über 24 h) und vorgewölbtem Abdomen kommen. Häufig verschlechtert sich die Darmentleerung nach dem Abstillen. Bei ca. 70 % der Patienten kommt es durch die Motilitätsstörung zu einem Ileus, bei ca. 30 % zu den Zeichen einer Enterokolitis mit Diarrhöen. Ein kurzes oder ultrakurzes aganglionäres Segment führt oft lediglich zu chronischer Obstipation.
Diagnostik: ■ Rektal-digital erhöhter Sphinktertonus. Das Rektum legt sich dem untersuchenden Finger an.
Diagnostik: ■ Klinisch finden sich bei der rektalen Untersuchung ein deutlich erhöhter Sphinktertonus und ein enges Rektum, das sich dem untersuchenden Finger anlegt. ■ Abdomenübersichtsaufnahme: Die proximal des aganglionären Segments liegenden Darmabschnitte sind erweitert. Es finden sich typische Ileuszeichen. ■ Die Kolonkontrastdarstellung zeigt das enge Darmsegment und den trichterförmigen Kalibersprung zum proximal erweiterten Darm. Das kann jedoch im Neugeborenen- und frühen Säuglingsalter noch fehlen (Abb. B-6.22). ■ Mittels Sphinktermanometrie kann ein erhöhter Schließmuskeldruck bei fehlender Relaxation bestätigt und objektiviert werden.
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Abdomenübersicht: Ileuszeichen und erweiterter Darmabschnitt vor dem enggestellten Segment. Kolonkontrasteinlauf: Ausgeprägter Kalibersprung (Abb. B-6.22). Sphinktermanometrie.
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B 6.2 Kinderchirurgische Erkrankungen des Säuglings und des Kleinkindes
B-6.22
1079
Kolon-Kontrasteinlauf bei Morbus Hirschsprung
B-6.22
Kolonkontrasteinlauf. Prästenotische Dilatation (?) und aganglionäres Rektum (왘).
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Der immunhistochemische Nachweis erhöhter Acetylcholinesteraseaktivität in Wandbiopsien des aganglionären Darmabschnitts ist die zuverlässigste Nachweismethode. Sie kann durch die Entnahme von Stufenbiopsien die Ausdehnung der Erkrankung erkennen helfen. Auch diese Untersuchungsmethode liefert im Neugeborenen- und frühen Säuglingsalter häufig noch unsichere oder falsch negative Befunde.
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Biopsien des aganglionären Segments zur immunhistochemischen Bestimmung der Acetylcholinesteraseaktivität. Damit kann auch die Ausdehnung des M. Hirschsprung festgelegt werden.
Therapie: Die Therapie ist chirurgisch. Da der Morbus Hirschsprung bei vielen Patienten im Ileus diagnostiziert wird, muss häufig zur Entlastung zunächst ein Anus praeter angelegt werden. ■ Bei kurzem oder ultrakurzem Segment kann eine Sphinkterdehnung oder Sphinktermyektomie durchgeführt werden. Dabei handelt es sich um eine streifenförmige, transanale Exzision des M. sphincter ani internus. ■ Längere aganglionäre Darmsegmente müssen ggf. unter Mitnahme des erweiterten, vorgeschalteten Darmabschnittes mittels einer tiefen anterioren Rektosigmoidresektion reseziert werden. Vor dem Anus wird ein ca. 3 cm langes aganglionäres Rektumsegment belassen (Operation n. Rehbein). Dabei wird die Kontinenz nicht gefährdet. Gelegentlich leiden die Patienten jedoch unter einer milden Obstipation. ■ Weitere resezierende Verfahren (Operation n. Swenson, Duhamel oder Soave) haben ein leicht höheres Inkontinenzrisiko. In den letzten Jahren sind neue Operationsverfahren mit transanalen oder laparoskopisch assistierten Kolonresektionen hinzugekommen, deren Langzeitergebnisse noch abzuwarten sind.
Therapie: Im Ileus muss zur Entlastung häufig zunächst ein Anus praeter angelegt werden.
Prognose: Gut. Je nach Operationsmethode kann es zu Obstipation oder selten auch zu Inkontinenz kommen.
Prognose: Gut.
6.2.5 Leistenhernie
6.2.5 Leistenhernie
왘 Definition. Die kindliche Leistenhernie ist ein angeborener, lateraler, indirekter Bauchwandbruch, der durch fehlende Obliteration des Processus vaginalis entsteht (Abb. B-6.23 a).
Epidemiologie: Es handelt sich um die häufigste chirurgische Erkrankung des Kindesalters. Die Häufigkeit liegt bei ca. 2 – 3 %, wobei Jungen etwa 9-mal häufiger betroffen sind als Mädchen. Die Leistenhernie tritt in 60 % der Fälle rechts und in 30 % isoliert links auf. 10 % der Patienten haben eine beidseitige Leistenhernie. Schenkelhernien oder direkte Leistenhernien sind bei Kindern sehr selten.
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Kurzes oder ultrakurzes Segment: Sphinkterdehnung oder streifenförmige transanale Myektomie. Längere aganglionäre Darmsegmente: Resektion des betroffenen und ggf. vorgeschalteten Darmabschnitts mittels tiefer anteriorer Rektumresektion (Op. n. Rehbein).
Für neuere Operationsverfahren liegen noch keine Langzeitergebnisse vor. Sie haben ein leicht erhöhtes Inkontinenzrisiko.
왗 Definition
Epidemiologie: Die Leistenhernie ist die häufigste chirurgische Erkrankung des Kindesalters, tritt 9-mal häufiger bei Knaben und in 60 % der Fälle rechts auf.
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1080 B-6.23
B 6 Kinderchirurgie
B-6.23
Leistenhernie
Pathogenese: Obliteriert der Processus vaginalis nicht oder nur inkomplett, entsteht ein angeborener Leistenbruch oder eine Hydrozele.
Pathogenese: Beim Jungen wandert der in der Nierenregion entstandene Hoden unter Mitnahme des Processus vaginalis peritonei durch den Leistenkanal in das Skrotum. Dabei obliteriert der Processus vaginalis. Unterbleibt diese Obliteration teilweise oder komplett, kommt es zu einer angeborenen Leistenhernie oder Hydrozele (S. 1081). Beim Mädchen verläuft der nicht obliterierte Processus vaginalis peritonei entlang dem Ligamentum rotundum durch den Leistenkanal.
Klinik: Schwellung im Bereich des Leistenkanals bis zum Skrotum oder verdickter Funiculus spermaticus. Beim Mädchen findet sich häufig das Ovar im Bruchsack. Eine Inkarzeration ist durch starke Schmerzen und die Zeichen eines mechanischen Ileus gekennzeichnet.
Klinik: Beim Pressen findet sich meist bereits im Säuglingsalter eine Schwellung, die bis in das Skrotum reichen kann (Abb. B-6.23 b). Bei entspanntem Kind tastet sich der Funiculus spermaticus der betroffenen Seite deutlich verdickt, auch wenn keine Darmschlinge in den Bruchsack ausgetreten ist. Bei Mädchen lässt sich häufig das Ovar als Bruchsackinhalt tasten, das meist nicht reponiert werden kann. Die Inkarzeration einer Darmschlinge führt zu starken Schmerzen gefolgt von den Zeichen eines mechanischen Ileus mit Erbrechen und Stuhlverhalt.
Diagnostik: Sie wird durch die klinische Untersuchung gestellt. Sonographisch kann eine inkarzerierte Darmschlinge von einer Hydrocele testis oder funiculi abgegrenzt werden.
Diagnostik: Die Diagnose ist meist durch die klinische Untersuchung zu stellen. Gelegentlich kann eine Sonographie der Leiste zur Unterscheidung einer inkarzerierten Darmschlinge von einer Hydrocele funiculi oder testis erforderlich sein (S. 1081). Die Diaphanoskopie sollte nicht zur Unterscheidung herangezogen werden, da sie leicht zu falsch positiven Ergebnissen führen kann. Differenzialdiagnostisch kommen auch geschwollene Lymphknoten in Betracht.
Therapie: Sofortige Operation bei nicht reponibler, inkarzerierter Leistenhernie. Nach gelungener Reposition sollte erst am Folgetag operiert werden. Leistenbrüche bei kleinen Kindern oder Mädchen mit ausgetretenem Ovar sollten wegen zu erwartenden Komplikationen dringlich operiert werden. Der Bruchsack wird verschlossen und abgetragen.
Therapie: Bei inkarzerierten, nicht reponiblen Leistenhernien ist die sofortige Operation indiziert, da es zu Durchblutungsstörungen des Darmes oder des Hodens kommen kann. Nach gelungener Reposition sollte wegen des zu erwartenden Gewebeödems erst am Folgetag operiert werden. Leistenbrüche beim Mädchen mit ausgetretenem Ovar oder bei kleinen Kindern sollten wegen der zu erwartenden Komplikationen dringlich operiert werden. Das operative Vorgehen besteht in der Isolierung der Hodengefäße und des Ductus deferens. Danach wird der Bruchsack im Bereich des inneren Leistenrings verschlossen und abgetragen. Eine Rekonstruktion der Leistenkanalhinterwand – wie beim Erwachsenen – ist beim Kind nicht erforderlich.
왘 Merke Prognose: Sehr gut. Rezidivrate unter 1 %.
왘 Merke. Je jünger das Kind, desto größer das Komplikationsrisiko
Prognose: Sehr gut. Das Rezidivrisiko liegt unter 1 %.
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B 6.2 Kinderchirurgische Erkrankungen des Säuglings und des Kleinkindes
B-6.24
1081
Hydrozele
c Intraoperativer Befund bei Hydrocele funiculi spermatici (?).
6.2.6 Hydrozele 왘 Definition. Bei einer Hydrozele (= Wasserbruch) handelt es sich um eine Flüssigkeitsansammlung im Verlauf des Funiculus spermaticus oder in den Hodenhüllen (Abb. B-6.24).
6.2.6 Hydrozele
왗 Definition
Pathogenese: Die Ursache ist, wie bei der Leistenhernie, die fehlende Obliteration des Processus vaginalis (S. 1080).
Pathogenese: S.1080.
Klinik: Man kann die Hydrocele funiculi spermatici von der Hydrocele testis abgrenzen. ■ Die Hydrocele funiculi spermatici zeigt sich als prallelastische, nicht auszudrückende, flüssigkeitsgefüllte Schwellung im Verlauf des Samenstrangs. ■ Bei der Hydrocele testis findet sich im Spaltraum der Tunica vaginalis des Hodens eine Flüssigkeitsansammlung. Anamnestisch lässt sich häufig eruieren, dass die Schwellung abends größer ist als morgens. Die Ursache hierfür kann im langsamen Zurückfließen der Flüssigkeit in die Bauchhöhle in liegender Position bestehen.
Klinik: Prallelastische Schwellung im Bereich des Samenstrangs bzw. des Skrotums.
Diagnostik: Klinische Untersuchung und Palpation. Mittels Diaphanoskopie ist keine sichere Unterscheidung zwischen Hydrozele und inkarzerierter Leistenhernie möglich. Hier sollte stattdessen die Sonographie zum Einsatz kommen.
Diagnostik: Klinische Untersuchung. Sonographisch ist die Abgrenzung zur Leistenhernie möglich.
Differenzialdiagnose: Ausgeschlossen werden müssen eine (inkarzerierte) Leistenhernie, eine Skrotalhernie und geschwollene Lymphknoten.
Differenzialdiagnose: Leistenhernie, Skrotalhernie, geschwollene Lymphknoten.
Therapie: Eine Hydrocele funiculi oder testis kommuniziert beim Kind immer mit der Bauchhöhle. Der offene Processus vaginalis kann im ersten Lebensjahr noch obliterieren, sodass der Spontanverlauf zunächst abgewartet werden kann. Vergrößert sich der Befund im Verlauf und erfolgt kein Spontanverschluss, besteht die Operation in der Unterbindung des Processus vaginalis und der Hydrozelenentlastung. Eine Resektion der Hodenhüllen (Operation n. Winkelmann) – wie beim Erwachsenen – ist nicht indiziert.
Therapie: Im ersten Lebensjahr kann der Spontanverlauf abgewartet werden. Eine Operationsindikation besteht bei Persistenz oder Verschlechterung des Befundes.
6.2.7 Nabelhernie
6.2.7 Nabelhernie
왘 Definition. Inkompletter Faszienverschluss im Nabelbereich nach Abfallen der
왗 Definition
Nabelschnur.
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1082
B 6 Kinderchirurgie
Pathogenese: Ungenügende Schrumpfung der Haut im Bereich des Nabels.
Pathogenese: Nach dem Abfallen der eingetrockneten Nabelschnur kommt es zur Ausbildung einer von Haut bedeckten Nabelplatte, die durch narbige Retraktion zum Verschluss der Faszie im Bereich der ehemaligen Nabelschnur führt. Wird diese narbige Retraktion gestört, kann es zum Auftreten einer Nabelhernie kommen.
Klinik: Vorwölbung des Nabels bei der Untersuchung durch Austritt von Omentum majus oder Darm. Nach Reposition des Bruchinhalts lässt sich eine Faszienlücke tasten. Eine Inkarzeration mit den Zeichen eines Darmverschlusses ist selten.
Klinik: Bei der Untersuchung fällt die Vorwölbung des Nabels durch Austritt von Anteilen des Omentum majus oder des Darmes auf. Nach Reposition des Bruchinhaltes ist eine Faszienlücke unterschiedlicher Größe tastbar. Gelegentlich klagen die Patienten über stechende Schmerzen im Nabelbereich bei der Bauchpresse. Das kann ein Zeichen für einen im Bruchsack fixierten Netzzipfel sein. Ein Ileus durch eine inkarzerierte Darmschlinge ist selten.
Diagnostik: Klinische Untersuchung.
Diagnostik: Die Diagnose kann anhand der klinischen Untersuchung gestellt werden.
Therapie: Der Spontanverschluss kann abgewartet werden. Bei Persistenz über das dritte Lebensjahr hinaus, Inkarzeration von Netz oder Darm und Vergrößerung der Bruchlücke sollte der operative Bruchlückenverschluss erfolgen.
Therapie: In den ersten 3 – 4 Lebensjahren ist eine abwartende Haltung anzuraten, da mit einem Spontanverschluss in den weitaus meisten Fällen gerechnet werden kann. Bei Vergrößerung der Bruchlücke, Einklemmung von Netz oder Darmschlingen und über das 4. Lebensjahr hinaus persistierenden Nabelhernien ist die Operation indiziert. Die Inkarzeration von Netz oder Darm bildet eine absolut dringliche Operationsindikation. Operativ wird über einen kleinen, bogenförmigen Schnitt am Nabel die Bruchlücke verschlossen und die Nabelhaut auf der Faszie refixiert.
Prognose: Sehr gut.
Prognose: Sehr gut. Rezidive sind sehr selten.
6.2.8 Supraumbilikale und epigastrische
Hernien
6.2.8 Supraumbilikale und epigastrische Hernien
Supraumbilikale oder epigastrische Hernien liegen in der Mittellinie oberhalb des Nabels, enthalten meist ein präperitoneales Lipom und haben im Gegensatz zur Nabelhernie keine Tendenz zum Spontanverschluss. Die Therapie besteht in der Operation nach Diagnosestellung.
Sie sind kranial des Nabels in der Mittellinie gelegen und durch eine angeborene Faszienlücke bedingt. Im Gegensatz zur Nabelhernie haben sie keine Tendenz zum Spontanverschluss, sodass sie bei Diagnosestellung eine absolute Operationsindikation darstellen. Sie enthalten häufig ein präperitoneales Lipom. Die Operation kann nach dem ersten Trimenon jederzeit erfolgen, besteht in einem Bruchlückenverschluss in Vollnarkose und kann – wie viele andere kurze und risikoarme kinderchirurgische Eingriffe – ambulant erfolgen. Voraussetzung ist, dass die prä- und postoperative Versorgung sicher geregelt ist und die Eltern des Kindes die häusliche Betreuung postoperativ übernehmen können.
6.2.9 Urachusfistel, Urachuszyste
6.2.9 Urachusfistel, Urachuszyste
왘 Definition
왘 Definition. Die Urachusfistel und Urachuszyste resultieren aus einem unvollständigen Verschluss der Allantois. Bei der Urachusfistel liegt eine Verbindung zwischen Nabel und Harnblasendach vor. Bei partieller Obliteration des Urachus resultiert eine Urachuszyste.
Pathogenese: Die fetale Verbindung zwischen Blasendach und Nabel, die normalerweise zum Ligamentum vesicoumbilicale mediale verödet, bleibt bei der Urachusfistel bestehen (Abb. B-6.25).
Pathogenese: Nach der embryonalen Entwicklung des Urogenitaltraktes aus der Allantois bleibt die fetale Verbindung von Blasendach und Nabel zunächst noch bestehen. Mit dem Deszensus der Blase in das Becken streckt sich der Urachus und verödet zum Ligamentum vesicoumbilicale mediale. Unterbleibt die Verödung auf ganzer Länge, entsteht eine Urachusfistel (Abb. B-6.25).
Klinik: Absonderung von klarer Flüssigkeit aus dem Nabel nach Abfallen der Nabelschnur.
Klinik: Nach dem Abfallen der Nabelschnur verbleibt normalerweise eine trockene Nabelwunde. Bei Absonderung klarer Flüssigkeit (Urin) aus dem Nabel ergibt sich die Verdachtsdiagnose. Komplikationen können durch Infektionen der Urachusfistel oder -zyste entstehen.
Diagnostik: Der Urachus lässt sich am Nabelgrund häufig sondieren. Sonographisch kann eine Urachuszyste, im Miktionsurethrogramm die Fistel zur Blase dargestellt werden.
Diagnostik: Gelegentlich lässt sich der Urachus am Nabelgrund sondieren. Sonographisch lässt sich insbesondere eine Urachuszyste darstellen. Mit dem Miktionszysturethrogramm (MCU) kann die Fistel und eine zipflige Ausziehung der Blase dargestellt werden.
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B 6.2 Kinderchirurgische Erkrankungen des Säuglings und des Kleinkindes
B-6.25
Urachuszyste
1083 B-6.25
Intraoperativer Befund: Nabel (왘), Urachusfistel (?), Blasendach (? ?)
Therapie: Operative Resektion der Fistel und Übernähung der Verbindung zur Blase.
6.2.10 Ductus omphaloentericus, Meckel-Divertikel 왘 Definition. Es handelt sich um Überreste des embryonalen Dottergangs, der
Therapie: Operative Fistelresektion und Blasenübernähung. 6.2.10 Ductus omphaloentericus,
Meckel-Divertikel 왗 Definition
Verbindung zwischen Darm und Dottersack. Pathogenese: Die embryonale Verbindung des Darmes mit dem Dottersack obliteriert normalerweise nach der 7. SSW (Beginn der Plazentafunktion). ■ Ductus omphaloentericus: Die Verbindung bleibt komplett offen. ■ Meckel-Divertikel: Der nabelnahe Anteil obliteriert, der darmnahe Anteil bleibt offen (Abb. B-6.26). ■ Dottergangszyste: Darmnaher und nabelnaher Anteil obliterieren, dazwischen bleibt ein zystischer Bereich offen.
Pathogenese: Unterbleibt die Verödung des embryonalen Dottergangs komplett, resultiert der Ductus omphaloentericus. Obliteriert nur der nabelnahe Anteil, entsteht ein Meckel-Divertikel.
Es handelt sich um eine Hemmungsmissbildung, die bei 1 – 3 % der Bevölkerung auftritt und zu 90 % asymptomatisch bleibt. Bei 30 – 50 % der Patienten findet sich im Meckel-Divertikel ektope Magenschleimhaut oder Pankreasgewebe.
Hemmungsmissbildung, die bei 1 – 3 % der Bevölkerung auftritt und ektope Magenschleimhaut oder Pankreasgewebe enthält.
Klinik: Beim Ductus omphaloentericus entleeren sich nach Abfallen der Nabelschnur Schleim und Stuhlgang aus dem Nabel. Meckel-Divertikel bleiben meist symptomlos. Sie können aber auch durch uncharakteristische Bauchschmerzen als Folge einer Entzündung oder heftige intestinale Blutungen, meist in den ersten 2 Lebensjahren, auffallen.
Klinik: Ductus omphaloentericus: Schleim- oder Stuhlabgang aus dem Nabel.
Diagnostik: ■ Ein Ductus omphaloentericus lässt sich sonographisch oder durch Fisteldarstellung mit Kontrastmittel darstellen. ■ Ein Meckel-Divertikel wird meist im Rahmen einer Operation zufällig gefunden und sollte beim Kind wegen möglicher Komplikationen immer
Diagnostik: Der Ductus omphaloentericus lässt sich sonographisch oder durch eine Kontrastdarstellung nachweisen. Meckel-Divertikel können durch eine Technetium-Szintigraphie nachgewiesen werden.
B-6.26
Meckel-Divertikel
Das meistens symptomlose Meckel-Divertikel kann durch Schmerzen oder intestinale Blutungen auffallen.
B-6.26
Intraoperativer Befund: Meckel-Divertikel (?), Dünndarm (왘) und reaktiv vergrößerter Lymphknoten (? ?) bei intestinaler Blutung.
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B 6 Kinderchirurgie
1084 B-6.27
B-6.27
Szintigraphie bei unklarer gastrointestinaler Blutung (Meckel-Divertikel) Magen (?), Meckeldivertikel mit Magenschleimhaut (왘). Ausscheidung über die Harnblase (? ?).
entfernt werden. Bei einer unklaren intestinalen Blutung lässt sich ektope Magenschleimhaut im Meckel-Divertikel durch eine Technetium-Szintigraphie nachweisen (Abb. B-6.27). Unklare Fälle können laparoskopisch diagnostiziert werden. Therapie: Operative Fistelexzision beim Ductus omphaloentericus. Die operative Entfernung eines Meckel-Divertikels kann auch laparoskopisch erfolgen.
Therapie: Die Fistelexzision des Ductus omphaloentericus erfolgt über einen kleinen Schnitt am Nabel. Die Exstirpation eines Meckel-Divertikels erfolgt durch ovaläre Umschneidung und Quervernähung des Dünndarmes zur Vermeidung einer Einengung. Sie ist auch laparoskopisch möglich.
6.2.11 Maldescensus testis
6.2.11 Maldescensus testis
왘 Definition
왘 Definition. Jede Lageanomalie des Hodens.
Pathogenese: Das Gubernaculum testis und der Processus vaginalis, die enge Fusion von Hoden und Nebenhoden am Eingang zum Leistenkanal und ein ausreichender Gonadotropinspiegel im letzten Trimenon der Schwangerschaft spielen für den Descensus eine wichtige Rolle.
Pathogenese: Die pathogenetischen Zusammenhänge sind nicht vollständig geklärt. Das Gubernaculum testis und der Processus vaginalis dienen als Leitschiene bei der Wanderung des Hodens durch den Leistenkanal. Die Fusion des Nebenhodens mit dem Hoden am Eingang zum Leistenkanal und ein ausreichender Gonadotropinspiegel im letzten Trimenon der Schwangerschaft spielen für den Descensus testis eine weitere wichtige Rolle. Ursächliche genetische Erkrankungen (z. B. das Klinefelter-Syndrom) müssen weiter abgeklärt werden.
Epidemiologie: Knapp 2 % aller Jungen müssen wegen eines Maldescensus testis behandelt werden. In 70 % der Fälle ist die rechte Seite betroffen. Klassifikation: Tab. B-6.2
Epidemiologie: Knapp 2 % aller Jungen müssen wegen eines persistierenden Maldescensus testis bis zum Ende des zweiten Lebensjahres behandelt werden. In etwa 70 % der Fälle tritt der Maldescensus rechts auf.
B-6.2
Klassifikation: Tab. B-6.2
Fehllagen des Hodens
Kryptorchismus
nicht tastbarer Hoden (Anorchie oder intraabdominelle Lage).
Leistenhoden
der Hoden liegt mit einem weit offenen Processus vaginalis im Leistenkanal und ist im Leistenkanal tastbar (Abb. B-6.28).
Gleithoden
der Gleithoden lässt sich aus dem Leistenkanal zwar in das Skrotum vorschieben, gleitet danach jedoch sofort wieder in seine Ausgangsposition zurück.
Pendelhoden
der Hoden befindet sich meistens im Skrotum. Durch Auslösen des Kremasterreflexes retrahiert er sich, kehrt aber spontan ins Skrotum zurück. Keine Behandlung erforderlich.
Ectopia testis
Fehllage des Hodens außerhalb des normalen Deszensusverlaufs. Man unterscheidet die inguinal-epifasziale, penile, transversale, femorale und perineale Hodenektopie.
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B 6.2 Kinderchirurgische Erkrankungen des Säuglings und des Kleinkindes
B-6.28
Leistenhoden links
1085 B-6.28
Leeres Skrotum links (?).
Komplikationen: Veränderungen lassen sich histologisch bereits nach dem zweiten Lebensjahr nachweisen. Das Risiko einer malignen Entartung des Hodens liegt abhängig von seiner Lage beim Maldeszensus etwa 12 – 20-mal höher als bei normotoper Lage.
왘 Merke. Bei einseitiger Fehllage des Hodens unterbleibt die weitere Entwick-
Komplikationen: Histologische Veränderungen sind nach dem 2. Lebensjahr nachweisbar. Das Risiko einer malignen Entartung liegt 12 – 20-mal höher als bei normotoper Lage des Hodens. 왗 Merke
lung der Samenkanälchen auch auf der normotopen kontralateralen Seite. Diagnostik: Die Lagediagnostik erfolgt klinisch. Patienten mit Kryptorchismus und klinisch auffallend kleinen Hoden sollten mittels Ultraschall untersucht werden, um die Größe und dopplersonographisch die Durchblutung beurteilen zu können. Bei Kryptorchismus kann zur Lagebestimmung auch ein Magnetresonanztomogramm erforderlich sein.
Diagnostik: Klinische und sonographische Untersuchung zur Lage- und Größenbestimmung. Mit einem MRT kann die Lage beim Kryptorchismus häufig geklärt werden.
Therapie: ■ Hormontherapie: Sie wird mit humanem Choriongonadotropin (HCG) durchgeführt. Für die Dauer von 5 Wochen werden 1 – 2-mal wöchentlich 250 – 1000 IE HCG injiziert. Die Behandlung mit GnRH-Nasenspray ist weniger belastend, aber nur bei weniger als 30 % erfolgreich. Kontraindikationen für eine primäre Hormontherapie sind Alter über 10 Jahre, bestehende Hodenektopie, gleichzeitig offener Processus vaginalis oder sekundärer Hodenhochstand nach Voroperation. Die Verabreichung von GnRH (als Nasenspray) soll das Hodenparenchym empfänglicher für das HCG machen und die Erfolgsrate erhöhen. ■ Operation: Bei vorliegenden Kontraindikationen (s.o.) und bei erfolgloser HCG-Therapie wird der Hoden operativ mobilisiert, in das Skrotum verlagert und dort fixiert. Ein vorliegender offener Processus vaginalis wird verschlossen.
Therapie: Liegen keine Kontraindikationen für eine Therapie mit humanem Choriongonadotropin vor, wird diese einer Operation vorgeschaltet. Bei erfolgloser HCG-Therapie oder Kontraindikationen erfolgt eine operative Mobilisierung des Hodens und Fixierung im Skrotum.
Prognose: Die Hormontherapie hat in weniger als 40 % der Fälle Erfolg. Bei rechtzeitiger Operation vor Ende des 2. Lebensjahres ist die Prognose gut, wenn keine anatomischen oder genetischen Begleiterkrankungen bestehen. Eine während der Operation beobachtete Hoden-Nebenhoden-Dissoziation wirkt sich auf die spätere Fertilität eher ungünstig aus. Ein atrophischer Hoden sollte entfernt werden, da er die Entwicklung des kontralateralen Hodens negativ beeinflussen kann.
Prognose: Die HCG-Therapie ist in 5 40 % der Fälle erfolgreich. Bei rechtzeitiger Operation vor Ende des 2. Lebensjahres ohne anatomische oder genetische Begleiterkrankung gut.
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1086 B-6.29
6.2.12 Phimose
왘 Definition
B 6 Kinderchirurgie
B-6.29
Narbige Phimose
6.2.12 Phimose 왘 Definition. Als Phimose bezeichnet man eine verengte Vorhaut, die nicht über die Glans penis zurückgezogen werden kann.
Pathogenese: Beim Fetus wird die Vorhaut durch eine Trennschicht aus Plattenepithel von der Glans getrennt. Es kommt zu einer Enge, die im Verlauf meist abnimmt und die Retraktion der Vorhaut ermöglicht. Diabetes mellitus und einige Hauterkrankungen sind prädisponierend.
Pathogenese: Bereits in der 16. SSW ist die Glans des Fetus von der Vorhaut bedeckt. Eine Trennschicht aus Plattenepithel gibt im Verlauf Zellen ab, die zur Trennung der Glans vom Präputium führen. Im Übergangsbereich zwischen äußerem und innerem Vorhautblatt kommt es zu einer Enge, die sich bis zum Ende des 2. Lebensjahres noch weiten kann. Diabetes mellitus und einige Hauterkrankungen sind prädisponierend.
Klinik: Die Vorhaut lässt sich nach dem 2. Lebensjahr nicht zurückstreifen. Es kann zu Balanitiden kommen. Eine Paraphimose führt zu Durchblutungsstörung der Glans.
Klinik: Die Vorhaut lässt sich nach dem 2. Lebensjahr nicht über die Glans penis zurückstreifen. Es können Balanitiden auftreten, die den Schweregrad der Verengung durch Vernarbung noch verstärken. Wird die Vorhaut dennoch retrahiert kann es zur Paraphimose kommen, einer ödematösen Schwellung der Vorhaut, die zu Durchblutungsstörungen der Glans führen kann.
Therapie: Nach dem 2. Lebensjahr besteht bei ca. 1 % der Jungen ein operationsbedürftiger Befund. Die operative Therapie besteht in einer subtotalen oder radikalen Beschneidung. In weniger ausgeprägten Fällen oder bei der Paraphimose kann auch eine dorsale Inzision und Quervernähung der Vorhaut ausreichend sein.
Therapie: Bei etwa 1 % der Jungen zeigt sich nach dem 2. Lebensjahr ein operationsbedürftiger Befund. Der Eingriff sollte vor der Pubertätsentwicklung und in Vollnarkose durchgeführt werden. Es können verschiedene Operationsverfahren unterschieden werden: ■ Dorsale Inzision und Quervernähung der Vorhaut. Diese Methode kann bei weniger ausgeprägten Fällen oder einer Paraphimose angewendet werden. ■ Glans bedeckende Beschneidung (Zirkumzision). ■ Subtotale Beschneidung. ■ Radikale Beschneidung. Die Glans bedeckende und subtotale Zirkumzision und die dorsale Inzision erfordern zur Rezidivprophylaxe eine Nachbehandlung durch Dehnen der Vorhaut.
Prognose: Sehr gut.
Prognose: Sehr gut. Komplikationen (Nachblutungen, Rezidive bei Erhaltung der Vorhaut) sind selten.
6.2.13 Hodentorsion
6.2.13 Hodentorsion
왘 Definition
왘 Definition. Es handelt sich um eine Torsion des Hodens um die Längsachse
mit Unterbrechung der Blutzirkulation. Die Hodentorsion kann supravaginal im Leistenkanal oder intravaginal in den Hodenhüllen auftreten (Abb. B-6.30).
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B 6.2 Kinderchirurgische Erkrankungen des Säuglings und des Kleinkindes
B-6.30
1087
Hodentorsion
B-6.30
Intraoperativer Befund bei inguinaler Hodenfreilegung mit torquiertem Funiculus (supravaginal ?) und ischämischem Hoden (왘).
Pathogenese: Die Mobilität von Hoden und Nebenhoden innerhalb der Tunica vaginalis kann erhöht sein bei: ■ zu hoher Insertion am Samenstrang, ■ offenem Processus vaginalis, ■ fehlendem Gubernaculum und ■ Hoden-Nebenhoden-Dissoziation.
Pathogenese: Durch einen zu hohen Ansatz der Tunica vaginalis, einen offenen Processus vaginalis, ein fehlendes Gubernaculum oder eine Hoden-Nebenhoden-Dissoziation kommt es zur erhöhten Mobilität des Hodens. Die Drehung um die Längsachse der Blutgefäße führt zu Blutzirkulationsstörungen mit Ödem und Infarzierung.
Daraus ergibt sich die Häufung des Krankheitsbildes im Säuglingsalter und in der Pubertät bei Größenzunahme des Hodens. Durch die Verdrehung um die Längsachse der Blutgefäße kommt es zu Blutzirkulationsstörungen mit Ödem und Infarzierung. Der Grad der Schädigung ist abhängig von Dauer und Ausmaß des Sauerstoffmangels. Das Keimepithel des Hodens reagiert viel empfindlicher auf Sauerstoffmangel als die Sertoli- und Leydig-Zellen. Klinik: Leitsymptom ist ein plötzlich einsetzender Schmerz in der Leiste. In ca. 30 % der Fälle geht dem Hauptereignis eine Subtorsion mit geringeren Symptomen voraus. Häufige Begleitsymptome sind Übelkeit, Erbrechen und Schweißausbrüche.
Klinik: Typisch sind die plötzlich einsetzenden Schmerzen in der Leiste gefolgt von Übelkeit, Erbrechen und Schweißausbrüchen.
Diagnostik: Die klinische Untersuchung zeigt einen deutlichen Druckschmerz des Hodens mit Schwellung und Rötung des Skrotums abhängig von der Dauer der Torsion. Die klinische Diagnosestellung kann bei Säuglingen und Kleinkindern schwierig sein.
Diagnostik: ■ Klinisch zeigt sich ein deutlicher Druckschmerz sowie eine Rötung und Schwellung des Skrotums, die mit der Dauer der Torsion an Intensität zunehmen.
■
왘 Merke. Wird bei der Untersuchung der betroffenen Seite das Skrotum an-
왗 Merke
gehoben, nehmen die Beschwerden an Intensität noch zu, während sie bei Entzündungen abnehmen (Prehn-Zeichen). ■
■
Doppler- oder duplexsonographisch lässt sich der sistierende Blutfluss darstellen. Sonographisch zeigen sich erst die Spätveränderungen der Hodentorsion.
Differenzialdiagnose: Andere Ursachen eines akuten Skrotums: ■ Hydatidentorsion: Sie präsentiert sich palpatorisch häufig als vom Hoden abgrenzbare Schwellung. ■ Epididymitis: Die Patienten sind meist älter, es besteht häufig ein protrahierter Krankheitsbeginn, Dysurie, eine Leukozytose und Fieber.
■
Der Ultraschall kann das Sistieren des Blutflusses und Spätveränderungen aufzeigen.
Differenzialdiagnose: ■ Die Hydatidentorsion lässt sich meist klinisch abgrenzen. Bei der Epididymitis finden sich Dysurie, Fieber und Leukozytose.
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1088
B 6 Kinderchirurgie
Therapie: Sofortige inguinale Hodenfreilegung und Detorquierung. Erholt sich das Hodengewebe, wird der Hoden fixiert. Andernfalls wird eine Semikastratio mit Orchidopexie der Gegenseite vorgenommen.
Therapie: Bei Verdacht auf eine Hodentorsion erfolgt die sofortige inguinale Freilegung und Detorquierung des Hodens. Erholt sich das Hodengewebe im Verlauf, wird der Hoden im Skrotum fixiert um einem Rezidiv vorzubeugen. Erholt sich der Hoden nicht, erfolgt die Semikastratio (= Entfernung eines Hodens) und eine Orchidopexie der Gegenseite, da ein beidseitiges Auftreten nicht selten ist.
Prognose: Abhängig von der Dauer der Zirkulationsstörung.
Prognose: Sie ist entscheidend von der Dauer der Zirkulationsstörung bis zur operativen Freilegung des Hodens abhängig.
왘 Merke
왘 Merke. Eine Erholung des Hodengewebes ist nur in den ersten 6 Stunden nach Beginn der Torsion zu erwarten.
Onkologie in der Kinderchirurgie
6.3
6.3.1 Neuroblastom
왘 Definition
6.3
Onkologie in der Kinderchirurgie
6.3.1 Neuroblastom 왘 Definition. Das Neuroblastom ist mit einem Anteil von 7 – 8 % der häufigste
solide, extrakranielle maligne Tumor des Kindesalters. Er geht von den sympathischen, embryonalen Neuroblasten aus (Abb. B-6.31). Pathogenese: Nach der Geburt zeigen die embryonalen sympathischen Neuroblasten der Paravertebralganglien eine deutliche Größenregression. Ist diese gestört, kann ein Neuroblastom entstehen. Eine Besonderheit ist die spontane Tumorregression.
Pathogenese: Die embryonalen, sympathischen Neuroblasten der Paravertebralganglien oder des Nebennierenmarks weisen während der Fetalperiode eine erhebliche Größe auf und zeigen nach der Geburt natürlicherweise eine deutliche Regression. Eine Störung dieses Prozesses scheint der Ausgangspunkt für die Neuroblastomentstehung zu sein. Die spontane Tumorregression ist eine Besonderheit dieser Tumoren, die insbesondere im frühen Säuglingsalter und im Stadium 4S vorkommt.
Stadieneinteilung: S. Tab. B-6.3.
Stadieneinteilung: Für die Stadieneinteilung nach dem Internationalen Neuroblastomstadiensystem (INSS) werden histologische und chirurgische Kriterien genutzt (Tab. B-6.3). Neben der Stadieneinteilung sind für die Festlegung der Therapie nach Studienprotokoll der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie auch die histologische Einteilung nach Hughes und die Untersuchung tumorgenetischer Faktoren (Nmyc-Amplifikation, 1p-Deletion) entscheidend.
Stadium, histologische Klassifikation und tumorgenetische Parameter sind für die Festlegung der Therapie entscheidend.
Klinik: Allgemeine Symptome des Neuroblastoms sind Fieber, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Knochenschmerzen und Anämie. Die lokalen Symptome können sehr unterschiedlich sein. Selten treten ein HornerSyndrom eine Recurrensparese oder ein Querschnittsyndrom als Erstsymptome auf.
B-6.31
Klinik: ■ Allgemeinsymptome: Fieber, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Knochenschmerzen und Anämie. ■ Lokale Symptome: Sie können sehr unterschiedlich sein, da der Tumor sich aus dem Grenzstrang entwickelt und damit zervikal (5 %), thorakal (15 %), abdominal (75 %) oder im kleinen Becken (5 %) liegen kann. ■ Seltene Erstsymptome können auch in einem Horner-Syndrom, einer Rekurrensparese und einem Querschnittsyndrom (Sanduhrtumoren mit intraspinalem Tumoranteil) bestehen.
Neuroblastom a MRT: Neuroblastom (?) paravertebral beidseits mit Ummauerung des Truncus coeliacus (왘). b Neuroblastom rechte Nebenniere (?).
a
b
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B 6.3 Onkologie in der Kinderchirurgie
B-6.3
Stadieneinteilung des Neuroblastoms nach INSS
Stadium 1
lokalisierter (auch bilateraler), makroskopisch komplett entfernter Tumor und tumorfreie Lymphknoten, am Tumor adhärente LK dürfen positiv sein.
Stadium 2a
unilateraler, inkomplett entfernter Tumor, ipsi- und kontralaterale Lymphknoten sind tumorfrei.
Stadium 2b
unilateraler, inkomplett entfernter Tumor, ipsilaterale LK positiv, kontralaterale LK negativ.
Stadium 3
nicht resektabler, unilateraler Tumor mit Überschreiten der Mittellinie mit oder ohne positive LK oder nicht resektabler Mittellinientumor mit bilateraler Infiltration oder Lymphknotenbefall.
Stadium 4
disseminierter Tumor mit Befall von Knochenmark, Knochen, entfernten LK, Leber, Haut o. a.
Stadium 4S
lokalisierter Tumor (wie 1, 2a, 2b) mit Disseminierung in Leber, Haut und/oder Knochenmark bei Säuglingen im 1. Lebensjahr.
1089 B-6.3
Diagnostik: 90 % der Neuroblastome werden in den ersten 5 Lebensjahren diagnostiziert. ■ Die Diagnose erfolgt meistens mittels Sonographie und MRT (Abb. B-6.31 a). Relativ häufig lassen sich Tumorverkalkungen nachweisen. ■ Im 24 h-Sammelurin findet sich eine erhöhte Ausscheidung von Katecholaminmetaboliten (Vanillinmandelsäure und Homovanillinmandelsäure). ■ Die Jod-123-Metajodbenzylguanidin-(mIBG-)Szintigraphie dient der Lokalisation des Primärtumors und der Metastasen sowie der Überprüfung des Therapieerfolgs im Verlauf. Das mIBG reichert sich über die Katecholaminrezeptoren in vitalen Neuroblastomzellen an. ■ Der histologische und immunhistochemische Nachweis von Neuroblastomzellen im Knochenmarkspunktat oder aus einer Tumorbiopsie ist beweisend.
Diagnostik: ■ Die Diagnose wird meist sonographisch oder mittels MRT gestellt (Abb. B-6.31 a). ■ Urin: Erhöhte Ausscheidung von Katecholaminmetaboliten. ■ Szintigraphisch können vitale Neuroblastomzellen im Primärtumor oder in den Metastasen dargestellt werden. ■ Der histologische und immunhistochemische Nachweis von Neuroblastomzellen im Knochenmark oder in der Tumorbiopsie ist beweisend.
Therapie: Die Therapie ist abhängig vom Alter des Patienten, der Tumorlokalisation und dem Tumorstadium. Sie sollte in kinderonkologischen Zentren nach Studienprotokoll erfolgen. Für Säuglinge mit dem Tumorstadium 4S kann sich an die Diagnosestellung eine 6 – 12-monatige Beobachtungsphase anschließen, da es in diesen Fällen häufig zur Spontanremission kommt. Für die übrigen Patienten steht die Operation an erster Stelle. Sie dient der Entnahme von Biopsien zur Diagnosestellung und bei lokal begrenzten Tumoren der Tumorresektion. Daran schließt sich eine Chemotherapie an. Größere Tumoren werden nach der Chemotherapie sekundär operativ entfernt. Die radikale Entfernung des Tumors ist prognostisch nicht relevant, da nach inkompletter Tumorentfernung eine gute Option in der Chemotherapie und in der Ausreifung der Tumorzellen besteht. Eine Strahlentherapie ist nur in der Palliativbehandlung vorgesehen. Patienten mit abschätzbar schlechter Prognose erhalten nach Chemotherapie und Operation eine Megatherapie mit Hochdosischemotherapie, ggf. mIBGTherapie und autologer Stammzelltransplantation. Als letzte Option steht eine Immuntherapie mit Antikörpern zur Verfügung.
Therapie: Die Therapie ist abhängig vom Alter des Patienten, der Tumorlokalisation und dem Tumorstadium. Für Säuglinge im Stadium 4S kann sie ausschließlich aus einer Beobachtung bestehen, da Spontanremissionen häufig sind. Die übrigen Patienten werden operiert und chemotherapiert. Die radikale Entfernung des Tumors ist prognostisch nicht relevant. Eine Strahlentherapie stellt eine Palliativmaßnahme dar.
Prognose: Die 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit: ■ Im Stadium 1 – 3 und 4S über 90 %. ■ Im Stadium 4 nur ca. 26 %.
Prognose: Die 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit liegt im Stadium 1 – 3 und 4S bei über 90 %, im Stadium 4 nur bei ca. 26 %. Prognostisch ungünstig sind Alter über 1 Jahr, hohes Tumorstadium, positive Nmyc-Amplifikation, schlechter Allgemeinzustand und niedrige Thrombozytenzahl.
Für eine risikoadaptierte Therapie ist es daher entscheidend, Patienten mit ungünstiger Prognose zu identifizieren. Prognostisch ungünstig sind Alter über 1 Jahr, hohes Tumorstadium, positive Nmyc-Amplifikation, schlechter Allgemeinzustand und niedrige Thrombozytenzahlen bei Diagnosestellung.
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1090
B 6 Kinderchirurgie
6.3.2 Nephroblastom
6.3.2 Nephroblastom
왘 Synonym
왘 Synonym. Wilms-Tumor.
왘 Definition
왘 Definition. Das Nephroblastom ist ein maligner, embryonaler Nierentumor des Kindesalters, der fast ebenso häufig ist wie das Neuroblastom (S. 1088). Unter dem Oberbegriff Nephroblastom, das gelegentlich bereits pränatal diagnostiziert wird, werden Tumoren mit sehr unterschiedlicher Histologie und unterschiedlichem Malignitätsgrad zusammengefasst (Abb. B-6.32).
Pathogenese: Sie beruht auf einer Fehlentwicklung des embryonalen Nierengewebes.
Pathogenese: Die Tumorentstehung beruht auf einer embryonalen Fehlentwicklung des Nierengewebes.
Stadieneinteilung: Sie entscheidet neben dem histologischen Malignitätsgrad über Art und Länge der Therapie (Tab. B-6.4).
Stadieneinteilung: Sie ist neben der histologischen Einteilung in Tumoren mit niedrigem, Standard- und hohem Malignitätsgrad für die Therapie entscheidend (Tab. B-6.4).
Histologie: Niedriger, intermediärer und hoher Malignitätsgrad.
Histologie: Unterschieden werden niedriger, intermediärer und hoher Malignitätsgrad.
Klinik: Neben einem zufällig getasteten Bauchtumor können Bauchschmerzen, Fieber, Harnwegsinfekte oder eine Hämaturie die Leitsymptome sein.
Klinik: Die Symptome sind meistens uncharakteristisch. Bauchschmerzen, Bauchumfangszunahme, Fieber, Obstipation, Harnwegsinfekte oder Hämaturie. Selten sind die Folgen eines Bluthochdrucks oder einer Metastasierung (in 20 % bei der Diagnosestellung vorhanden) die ersten Symptome.
Diagnostik: Die Diagnose wird meist im Kleinkindesalter gestellt. Tumorausdehnung, Organzuordnung und intravasale Tumorthromben lassen sich mittels Sonographie und MRT bestimmen. Lungenmetastasen werden durch Röntgenaufnahme des Thorax und ggf. CT ausgeschlossen.
Diagnostik: Der Tumor wird meistens im 2. – 4. Lebensjahr diagnostiziert. ■ Bei der abdominellen Untersuchung fällt häufig ein tastbarer Oberbauchtumor auf. ■ Sonographisch und magnetresonanztomographisch können die Tumorausdehnung und Organzuordnung bestimmt und die Frage intravasaler Tumorthrombenbildung und ihrer Ausdehnung geklärt werden (Abb. B-6.32 a). ■ Durch eine Röntgenuntersuchung des Thorax und ggf. Computertomographie sollen Lungenmetastasen ausgeschlossen werden.
Gehäuft kommen Nephroblastome bei Kindern mit angeborenen Syndromen vor (Aniridie, Wiedemann-Beckwith-Syndrom etc.).
Häufig kommen Nephroblastome (Wilms-Tumoren) bei Kindern mit bestimmten angeborenen Erkrankungen (Aniridie, Wiedemann-Beckwith-Syndrom etc.) vor. Deshalb sollte bei diesen Kindern ein regelmäßiges Screening durchgeführt werden.
왘 Merke Therapie: Sie besteht in primärer Operation oder primärer Chemotherapie mit sekundärer Tumornephrektomie. Eine intraoperative Tumorruptur sollte vermieden werden (s. Stadieneinteilung). Lungenmetastasen sollten operativ entfernt werden. B-6.4
왘 Merke. Abdomen vorsichtig palpieren, damit der Tumor nicht rupturiert.
Therapie: In Abhängigkeit von der Einschätzung des Operationsrisikos erfolgt eine präoperative Chemotherapie und sekundäre Operation oder eine primäre Operation mit Tumornephrektomie und lokaler Lymphknotenexstirpation. Bei bilateralen Tumoren ist auch eine Heminephrektomie oder Tumorenukleation
B-6.4
Stadieneinteilung des Nephroblastoms
Stadium I
Tumor ist auf die Niere begrenzt, Nierenkapsel ist intakt oder resektabel.
Stadium II
Tumor überschreitet die Nierenkapsel oder infiltriert andere Organe, ist jedoch komplett im gesunden Gewebe resektabel.
Stadium III
Tumor ist nur inkomplett resektabel, hat abdomino-pelvine Lymphknotenmetastasen, musste vor Therapiebeginn offen biopsiert werden oder ist intraoperativ rupturiert.
Stadium IV
hämatogene Metastasen (Lunge, Leber, Knochen, Gehirn etc.) oder Lymphknotenmetastasen außerhalb der abdomino-pelvinen Region.
Stadium V
bilaterale Tumoren.
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B 6.3 Onkologie in der Kinderchirurgie
B-6.32
1091
Nephroblastom a MRT: Nephroblastom (WilmsTumor) rechte Niere. b Intraoperativer Befund bei einem Nephroblastom der rechten Niere (Nephroblastom ?, unterer Nierenpol 왘). Nierenhilusgefäße durchtrennt, V. cava inferior (? ?) dargestellt.
b
a
möglich. Lungenmetastasen sollen ebenfalls operativ entfernt werden. Dauer und Intensität der Chemotherapie sowie die Indikation für eine Bestrahlung richten sich nach dem Malignitätsgrad und dem Tumorstadium. Prognose: Sie ist abhängig vom Stadium der Erkrankung und vom histologischen Subtyp. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt insgesamt bei etwa 80 % und selbst für Patienten des Stadiums IV bei über 50 %.
Prognose: Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt insgesamt bei 80 %.
6.3.3 Keimzelltumoren
6.3.3 Keimzelltumoren
왘 Definition. Es handelt sich um benigne oder maligne embryonale Tumoren,
왗 Definition
die Bestandteile aller drei Keimblätter enthalten. Klinik: Sie ist vom Entstehungsort der Keimzelltumoren abhängig. Die Tumoren können sakrokokzygeal, im Ovar, im Kopf, am Hals, mediastinal, im Abdomen, retroperitoneal oder im Hoden lokalisiert sein.
Klinik: Sie sind von der Lage des Keimzelltumors abhängig.
Diagnostik: Bei sakrokokzygealer oder ovarieller Lokalisation wird die Diagnose oft bereits pränatal im Ultraschall gestellt. Postpartal erfolgt die Diagnostik je nach Lokalisation sonographisch oder magnetresonanztomographisch (Abb. B-6.33 a).
Diagnostik: Sakrokokzygeale oder ovarielle Teratome werden oft im pränatalen Ultraschall entdeckt. Postpartal erfolgen Ultraschall und MRT.
B-6.33
Teratom
a MRT: Sakrokokzygeales Teratom mit zystischen und soliden Anteilen (?).
B-6.33
b Sakrokokzygeales Teratom, präoperativ. Anus (?), solider Tumoranteil (왘), zystischer Tumoranteil (? ?).
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1092
B 6 Kinderchirurgie
Therapie: Keimzelltumoren werden operativ entfernt (sakrokokzygeale Teratome unter Mitnahme des Os coccygeum) und ggf. chemotherapeutisch behandelt.
Therapie: Das sakrokokzygeale Teratom sollte bereits kurz nach der Geburt unter Mitnahme des Os coccygeum operativ entfernt werden, da es maligne entarten kann (Abb. B-6.33 b). Keimzelltumoren anderer Lokalisationen werden operativ entfernt und ggf. chemotherapeutisch behandelt.
6.3.4 Hepatoblastom
6.3.4 Hepatoblastom
왘 Definition
왘 Definition. Es ist der häufigste maligne Lebertumor des Kindesalters. Er ähnelt histologisch embryonalem Lebergewebe (Abb. B-6.34). Hepatozelluläre Karzinome sind mit 14 % im Kindesalter selten und treten meist erst zwischen dem 10. und 15. Lebensjahr auf. Maligne Lebertumoren machen nur bis zu 2 % der kindlichen Malignome aus.
Klinik: Tastbarer Oberbauchtumor vor dem 4. Lebensjahr. Vom 10. Lebensjahr an kommen auch hepatozelluläre Karzinome vor.
Klinik: Meistens fallen die Kinder vor dem 4. Lebensjahr durch einen tastbaren Tumor im Oberbauch auf. Nur selten ist ein Ikterus das erste Symptom.
Diagnostik: Das α-Fetoprotein ist meistens deutlich erhöht. Sonographie und MRT zeigen die Tumorausdehnung und den Gefäßstatus.
Diagnostik: ■ Das α-Fetoprotein ist bei den weitaus meisten Hepatoblastomen deutlich erhöht. ■ Die Tumorausdehnung und der Gefäßstatus können sonographisch oder magnetresonanztomographisch festgestellt werden. ■ Eine Röntgenuntersuchung des Thorax und eine Computertomographie dienen dem Ausschluss von Fernmetastasen, die meistens in der Lunge lokalisiert sind.
Therapie: Bei fortgeschrittenen Tumoren erfolgt zunächst eine Chemotherapie zur Tumorverkleinerung mit anschließender Resektion im Gesunden oder Lebertransplantation. Fernmetastasen sollten operativ entfernt werden.
Therapie: Die Diagnose wird meist erst bei ausgedehnten Tumoren gestellt, sodass in der Regel zunächst eine Chemotherapie zur Tumorverkleinerung durchgeführt wird. Anschließend erfolgt die Resektion des Tumors im Gesunden oder bei auf die Leber begrenztem Tumor eine Lebertransplantation. Fernmetastasen sollten ebenfalls operativ entfernt werden.
Prognose: Abhängig vom Tumorstadium.
Prognose: Sie ist entscheidend vom Tumorstadium, vom Gefäßeinbruch und α-Fetoproteinspiegel bei Diagnosestellung abhängig. α-Fetoproteinspiegel 5 100 und 4 100 000 U sind ungünstig.
B-6.34
B-6.34
Hepatoblastom rechter Leberlappen Intraoperativer Befund eines Hepatoblastoms des rechten Leberlappens (?).
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B 6.4 Urologie in der Kinderchirurgie
6.4
Urologie in der Kinderchirurgie
6.4.1 Kongenitale zystische Nierenerkrankungen 왘 Definition. Es handelt sich um angeborene zystische Veränderungen der Nieren. Dabei kann es sich um vereinzelte Zysten, einseitige oder doppelseitige Veränderungen handeln.
1093 6.4
Urologie in der Kinderchirurgie
6.4.1 Kongenitale zystische
Nierenerkrankungen 왗 Definition
Autosomal rezessiv vererbte polyzystische Nephropathie (Potter I): Es handelt sich um eine tubuläre Erweiterung der Sammelrohre. Beide Nieren sind betroffen. Zusätzlich bestehen fibrotische und zystische Veränderungen der Leber und des Pankreas. Die Kinder fallen meist nach der Geburt oder im frühen Kindesalter auf. Die Behandlungsoptionen beschränken sich auf Dialyse und Nierentransplantation. Bei perinataler Manifestation ist die Prognose sehr schlecht.
Autosomal rezessiv vererbte polyzystische Nephropathie (Potter I): Beidseitige tubuläre Erweiterung der Sammelrohre. Gleichzeitig Veränderungen von Leber und Pankreas. Die Therapie beschränkt sich auf Dialyse und Transplantation.
Nicht erbliche, multizystische Nephropathie (Potter II): Diese segmentale, meist einseitige Erkrankung entsteht durch eine Störung der Ureterknospenentwicklung. Es bilden sich zu wenige Sammelrohre. Die Zysten gehen von den Nierenkelchen aus. Häufig findet sich eine Vergesellschaftung mit kardialen und gastrointestinalen Fehlbildungen. In den meisten Fällen ist die Entfernung der betroffenen Nierenanlage zu empfehlen.
Nicht erbliche, multizystische Nephropathie (Potter II): Meist einseitig. Die Zysten gehen von den Nierenkelchen aus. Auftreten mit kardialen und gastrointestinalen Erkrankungen. Therapeutisch empfiehlt sich die Nephrektomie.
Autosomal dominant vererbte Zystennieren (Potter III): Blind endende Nierentubuli sind mit funktionstüchtigen Glomerula verbunden. Die sich im Verlauf vergrößernden Zysten komprimieren funktionstüchtiges Nierengewebe. Diese Form der Zystennieren wird oft erst in der 2. Lebensdekade entdeckt und jenseits des 40. Lebensjahres symptomatisch. An Symptomen finden sich Abdominal- und Flankenschmerzen, Makrohämaturie, Bluthochdruck, rezidivierende Harnwegsinfekte und Nephrolithiasis. Die Therapie ist konservativ und an den Symptomen orientiert.
Autosomal dominant vererbte Zystennieren: Die immer größer werdenden Zysten komprimieren funktionstüchtiges Nierenparenchym. Symptome treten meist nach dem 40. Jebensjahr auf. Die Therapie ist konservativ und an den Symptomen orientiert.
Andere Formen: Es gibt noch weitere zystische Nierenerkrankungen. Diese spielen allerdings in der Kinderchirurgie keine Rolle.
Andere Formen: Sie spielen in der Kinderchirurgie keine Rolle.
6.4.2 Urethralklappen
6.4.2 Urethralklappen
왘 Definition. Kongenitale Schleimhautfalten im Bereich der männlichen Ure-
왗 Definition
thra, die zu einer subvesikalen Obstruktion führen (Abb. B-6.35). Pathogenese: Durch eine Störung während der Kaudalwanderung der Müllerund Wolff-Gänge entstehen beidseits Schleimhautsegel. Diese ziehen von der Einmündung der sich zurückbildenden Müller-Gänge zum Blasenboden und wirken obstruierend.
B-6.35
Kongenitale Urethralklappen
Pathogenese: Durch eine Störung der Kaudalwanderung der Müller- und Wolff-Gänge entstehen obstruierende Schleimhautsegel.
B-6.35
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1094
B 6 Kinderchirurgie
Klinik: Harnträufeln, rezidivierende Harnwegsinfekte und Enuresis.
Klinik: Die Symptome bestehen in Harnträufeln und rezidivierenden Harnwegsinfekten, bei älteren Kindern findet sich oft eine Enuresis.
Diagnostik: Die prä- oder postnatale Ultraschalluntersuchung zeigt erweiterte Harnwege. Im Miktionszysturethrogramm ist die Erweiterung der proximalen Urethra wegweisend.
Diagnostik: ■ Sonographisch können prä- und postnatal erweiterte Harnwege gesehen werden. ■ In der Miktionszysturethrographie ist eine Erweiterung der proximal der Prostata gelegenen Urethra pathognomonisch. Häufig findet sich jedoch auch eine Erweiterung der Harnleiter und der Nierenbecken.
Therapie: Die Therapie besteht in einer transurethralen, endoskopischen Klappenresektion.
Therapie: ■ Intrauterin kann eine vesikoamniale Drainage eingelegt werden. ■ Postpartal wird eine vesikale Ableitung angelegt. ■ Eine transurethrale Endoskopie kann zur Darstellung der Urethralklappen und anschließenden Klappenresektion genutzt werden.
Prognose: Gut bei Therapie vor Auftreten von Folgeschäden.
Prognose: Bei frühzeitiger Therapie vor dem Auftreten von Folgeschäden ist die Prognose gut.
6.4.3 Ureterabgangsstenose
6.4.3 Ureterabgangsstenose
왘 Definition
왘 Definition. Es handelt sich dabei um eine Stenose des Harnleiters am Abgang
vom Nierenbecken. Es besteht eine Harnabflussstörung (Abb. B-6.36). Pathogenese: Abflussstörung bedingt durch Kompression von außen, Wandveränderungen oder eine hohe Insertion des Ureters.
Pathogenese: Eine Abflussstörung kann bedingt sein durch: ■ Ureterkompression von außen (aberrierende Gefäße, Narbenstränge). ■ Wandveränderungen des Ureters (Fibrose) unklarer Ursache. ■ Hohe Insertion des Ureters.
Klinik: Spielunlust, Fieber, Schmerzen und Appetitlosigkeit als Zeichen eines Harnwegsinfektes. Hämaturie, Pyurie.
Klinik: Selten ist die Nierenbeckenerweiterung palpabel. Meistens fallen die Kinder durch Spielunlust, Fieber, Schmerzen oder Appetitlosigkeit als Ausdruck eines Harnwegsinfektes im Säuglings- oder Kleinkindesalter auf. Gelegentlich besteht auch eine Hämaturie oder eine Pyurie.
Diagnostik: Sonographisch zeigt sich die Nierenbeckenerweiterung. Die Ureterabgangsstenose wird im i. v. Pyelogramm dargestellt. Eine Szintigraphie gibt Aufschluss über das Ausmaß des Funktionsverlustes der betroffenen Niere.
Diagnostik: ■ Sonographisch zeigt sich die Erweiterung des Nierenbeckens. ■ Durch ein i. v. Pyelogramm lässt sich die Ureterabgangsstenose darstellen. ■ Durch eine seitengetrennte Sequenzszintigraphie der Diurese können das Ausmaß der gestörten Nuklidausscheidung und mögliche Funktionsverluste der betroffenen Niere diagnostiziert werden.
Therapie: Die Harnwegsinfekte werden antibiotisch behandelt. Anschließend sollte eine Nierenbeckenplastik nach Anderson-Hynes erfolgen.
Therapie: In den ersten Lebensmonaten kommt es gelegentlich zur spontanen Rückbildung der Nierenbeckenerweiterung. Damit ist meistens jedoch ein partieller Parenchymverlust verbunden. Harnwegsinfekte werden antibiotisch
B-6.36
B-6.36
Formen der Ureterabgangsstenose
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B 6.4 Urologie in der Kinderchirurgie
1095
behandelt. Operativ kann eine Nierenbeckenplastik nach Anderson-Hynes mit Resektion des verengten Ureterabgangs durchgeführt werden. Symptomatische Ureterabgangsstenosen sollten operativ behandelt werden. Prognose: Bei frühzeitiger Therapie vor eingetretenem Nierenfunktionsverlust gut.
Prognose: Gut bei frühzeitiger Therapie.
6.4.4 Uretermündungsstenose
6.4.4 Uretermündungsstenose
왘 Definition. Es handelt sich um eine Stenosierung des distalen Uretersegmentes vor der Einmündung in die Harnblase (Abb. B-6.37).
왗 Definition
Pathogenese: In der Embryonalentwicklung kommt es zwischen dem 37. und 41. Tag zunächst zur Obliteration des Ureters. Später setzt die Rekanalisierung des Ureters von der Mitte aus ein. Bei unzureichender Rekanalisierung im distalen Segment kommt es zur Uretermündungsstenose. Entsteht die Enge in der Frühschwangerschaft, kommt es zur Dysplasie des Harnleiters, entsteht sie später, kommt es zur Wandhypertrophie.
Pathogenese: Bei unzureichender Rekanalisierung des distalen Ureters während der Embryonalentwicklung kommt es zur Mündungsstenose des Ureters.
Klinik: Fieberhafte Harnwegsinfekte bis hin zur Urosepsis gehören zu den Leitsymptomen.
Klinik: Fieber, Harnwegsinfekt.
Diagnostik: Sonographisch werden das erweiterte Nierenbecken und der erweiterte Ureter orientierend dargestellt. Gesichert wird die Diagnose durch i. v. Pyelogramm und Szintigraphie.
Diagnostik: Sonographie, i. v. Pyelographie und Szintigraphie sichern die Diagnose.
Therapie: Nach der Sanierung von Harnwegsinfekten kann die operative Entfernung des verengten Uretersegmentes und die Neueinpflanzung in die Harnblase vorgenommen werden.
Therapie: Operative Entfernung des verengten Uretersegmentes und Ureterneueinpflanzung.
Prognose: Bei rechtzeitiger Diagnostik und Operation ist die Prognose gut.
Prognose: Gut bei frühzeitiger Therapie.
B-6.37
Ureterostiumstenose mit Megaureter
6.4.5 Doppelniere (Doppelureter, Ureter duplex) 왘 Definition. Bei 1 % aller Menschen findet sich eine doppelte Nierenbecken-
B-6.37
6.4.5 Doppelniere
(Doppelureter, Ureter duplex) 왗 Definition
und Ureteranlage. Mädchen sind 3-mal häufiger betroffen als Jungen.
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B 6 Kinderchirurgie
1096 B-6.38
Doppelureterformen
Pathogenese: Fehlentwicklung im Bereich der Ureterknospe. Der überzählige Ureter zeigt immer einen Reflux.
Pathogenese: Ein Doppelureter entsteht durch Aussprießen von 2 getrennten Ureterknospen (Ureter duplex) oder durch Aufspaltung einer singulär angelegten Ureterknospe (Ureter fissus). Der überzählige Ureter zeigt immer einen Reflux. Beim Ureter fissus ist der Reflux in der kaudalen Anlage stärker als in der kranialen.
Ureter duplex: Der überzählige Ureter entspringt kranial des normalen Ureters, kreuzt diesen und mündet kaudal von ihm in Urethra, Vagina oder Samenleiter.
Ureter duplex: Die überzählige Ureteranlage entspringt immer kranial der normalen Ureteranlage, kreuzt dann den normalen Ureter und mündet ektop kaudal des normalen Ureters (Meyer-Weigert-Regel). Der ektope Ureter kann auch in die kaudale Harnblase, die Urethra, die Vagina oder den Samenleiter münden (Abb. B-6.38 a, d).
Ureter fissus: Gemeinsame Mündung in die Harnblase.
Ureter fissus: Die beiden homolateralen Harnleiter vereinigen sich zwischen Nierenbecken und Blase und münden gemeinsam in ein Ostium (Abb. B-6.38 b, c).
Klinik: Harnwegsinfekte und Einnässen nach dem 3. Lebensjahr.
Klinik: Symptome treten meistens erst nach dem 3. Lebensjahr auf und äußern sich mit Einnässen, Harnwegsinfekten und schlechtem Gedeihen.
Diagnostik: Sonographie, Ausscheidungsurographie und Zystoskopie.
Diagnostik: Sie besteht in einer Ultraschalluntersuchung zum Ausschluss anderer Differenzialdiagnosen. Eine Ausscheidungsurographie und eine Zystoskopie komplettieren die Diagnose.
Therapie: Exstirpation der veränderten Ureteranlage oder Neueinpflanzung.
Therapie: Sie besteht in der Regel aus der Exstirpation der veränderten Ureterenanlage oder einer Neueinpflanzung des refluxiven Ureters.
Prognose: Bei rechtzeitiger OP gut.
Prognose: Bei rechtzeitiger Operation gut.
6.4.6 Vesikoureteraler Reflux
6.4.6 Vesikoureteraler Reflux
왘 Synonym
왘 Synonym. Vesikorenaler Reflux.
왘 Definition
왘 Definition. Beim vesikoureteralen Reflux handelt es sich um das Zurückfließen von Urin aus der Blase in den Ureter und das Nierenbecken. Man unterscheidet eine primäre und eine sekundäre Form.
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B 6.4 Urologie in der Kinderchirurgie
1097
Primäre Form: Normalerweise tritt der Ureter schräg über einen ca. 5 – 7 mm langen Tunnel durch den Detrusor in das Trigonum der Harnblase ein. Führen Veränderungen in diesem Bereich zu einem insuffizienten Verschluss des Ureterostiums, entsteht ein Reflux. Das refluxive Ureterostium liegt nach lateral und kranial verlagert, der Durchtritt des Ureters durch den Detrusor ist je nach Schweregrad unterschiedlich stark verkürzt. Darüber hinaus ist der Wandaufbau des refluxiven Ureters gestört. Der Muskelgehalt ist zugunsten einer Fibrosierung herabgesetzt. Der Reflux in den Ureter und das Nierenbeckenkelchsystem führt über eine Druckerhöhung zur Schädigung des Nierenparenchyms. Mädchen sind 4-mal häufiger betroffen als Jungen. Man unterscheidet 5 Schweregrade (Abb. B-6.39).
Primäre Form: Durch einen verkürzten submukösen Verlauf des Ureters und Veränderungen im Bereich des Ostiums entsteht ein insuffizienter Verschluss mit Reflux von Urin in Harnleiter und Niere. Durch erhöhten Druck kann es zum Nierenparenchymschaden kommen. Mädchen sind 4-mal häufiger betroffen als Jungen.
Sekundäre Form: Der Reflux tritt in der Folge einer subvesikalen Stenose (z. B. Urethralklappen) oder einer neurogenen Blasenentleerungsstörung auf.
Sekundäre Form: Folge einer subvesikalen Stenose.
Klinik: Rezidivierende, fieberhafte Harnwegsinfekte mit Gedeihstörungen sind im Säuglingsalter die führenden Symptome. Ältere Kinder geben Flanken- oder Bauchschmerzen an.
Klinik: Rezidivierende Harnwegsinfekte mit Fieber und Gedeihstörungen.
Diagnostik: Die Erweiterung von Ureter und Nierenbecken lässt sich sonographisch nachweisen. ■ Miktionszysturethrographie und Szintigraphie geben Aufschluss über den Schweregrad der Erkrankung und den Parenchymverlust. ■ Zusätzlich müssen urodynamische Untersuchungen und eine Endoskopie zur Abklärung der Ursache und Komplettierung der Befunde durchgeführt werden.
Diagnostik: Sonographie, Miktionszysturethrographie und Szintigraphie sowie urodynamische Untersuchungen und Endoskopie dienen der Diagnose, Abklärung der Ursache und des Schweregrads der Erkrankung.
Therapie: In den ersten 2 Lebensjahren kann es zur spontanen Ausreifung der antirefluxiven Mechanismen kommen. ■ Die Refluxgrade I und II werden konservativ durch suffiziente, antibiotische Therapie der Harnwegsinfekte und Langzeitantibiotikaprophylaxe behandelt. ■ Beim Refluxgrad I–III können endoskopische Kollagenunterspritzungen im Bereich des Ureterostiums eine vorübergehende Verbesserung des Refluxes bewirken. ■ Die Refluxgrade IV und V sind der operativen Therapie vorbehalten. Sie besteht in einer Antirefluxplastik mit Neueinpflanzung des Ureters in die Harnblase.
Therapie: Die spontane Ausreifung ist in den ersten 2 Lebensjahren möglich. Die Refluxgrade I und II werden antibiotisch behandelt. Endoskopische Kollagenunterspritzungen des Ureterostiums zur vorübergehenden Verbesserung des Refluxes bei Grad I–III. Grad IV und V werden durch operative Ureterneueinpflanzung in die Harnblase behandelt.
Prognose: Sie ist abhängig von der Nierenparenchymschädigung. Durch eine Antirefluxplastik ist in 95 % der Fälle eine Verbesserung des Refluxes zu erzielen.
Prognose: Sie ist abhängig von der Nierenparenchymschädigung.
■
B-6.39
Vesikoureteraler Reflux
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1098
B 6 Kinderchirurgie
6.4.7 Hypospadie
6.4.7 Hypospadie
왘 Definition
왘 Definition. Die Harnröhre mündet nicht an der Spitze der Glans, sondern an der Unterseite des Penis zwischen Glansspitze und Perineum.
Pathogenese: Während der Embryonalentwicklung kommt es zum unvollständigen Verschluss der Urethralrinne. Bildet sich stattdessen ein bindegewebiger Strang, eine Chorda, kann es zur Penisverkrümmung nach unten und zur Meatusstenose kommen. Die Klassifikation richtet sich nach der Lokalisation der Urethramündung.
Pathogenese: Durch vermindertes Ansprechen des Mesoderms auf Testosteron infolge eines Hormonrezeptormangels oder durch einen relativen Testosteronmangel in der Embryonalentwicklung kommt es zum unvollständigen Verschluss der Urethralrinne. Bildet sich statt der Urethra ein bindegewebiger Strang (Chorda), kann es zur Verkrümmung des Penis nach unten und zur Meatusstenose kommen. Die Vorhaut ist an der Penisunterseite gespalten. Die Häufigkeit der Hypospadie liegt bei ca. 0,3 % und kommt familiär gehäuft vor. In ca. 9 % ist die Hypospadie mit Leistenhoden und Leistenhernien assoziiert. Die Klassifikation richtet sich nach der Lokalisation der Urethramündung (Abb. B-6.40).
Klinik: Miktionsstörungen und Verkrümmung des Penisschaftes nach unten.
Klinik: Durch eine Meatusstenose kann es zu Miktionsstörungen und Harnwegsinfekten kommen. Bei der Erektion nimmt die Verkrümmung des Penis nach unten zu.
Diagnostik: Sie wird anhand der klinischen Untersuchung gestellt. Ausschluss eines AGS und einer gemischten Gonadendysgenesie.
Diagnostik: Sie ergibt sich aus dem klinischen Untersuchungsbefund. Bei den höhergradigen Hypospadieformen muss ein schweres adrenogenitales Syndrom ausgeschlossen werden und ggf. eine genetische Untersuchung zum Ausschluss einer gemischten Gonadendysgenesie erfolgen.
Therapie: Meatotomie, Exzision der Chorda und Harnröhrenneubildung. Die Eingriffe sollten zwischen dem 6. und 18. Lebensmonat vorgenommen werden.
Therapie: Bei bestehender Meatusstenose muss zur Erweiterung der Urethra in jedem Fall eine Meatotomie durchgeführt werden. Eine operative Exzision der Chorda dient der Penisschaftaufrichtung bei Penisschaftverkrümmung vor der eigentlichen Harnröhrenneubildung, für die es verschiedene Rekonstruktionsverfahren unter Nutzung der Urethralrinne, der Präputialhaut und der Transposition von Mundschleimhaut gibt. Bei einer Hypospadie 2. und 3. Grades ist die Operation indiziert, bei einer Hypospadie 1. Grades ist sie fakultativ.
B-6.40
B-6.40
Klassifikation der Hypospadie
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B 6.4 Urologie in der Kinderchirurgie
1099
Aus psychologischen Gründen sollten die korrigierenden Eingriffe zwischen dem 6. und 18. Lebensmonat erfolgen. Prognose: Sie ist abhängig vom Grad der Hypospadie. Komplikationen bestehen in Penisschaftverkrümmung, Urethrastenosen, Fisteln oder unbefriedigendem kosmetischen Ergebnis.
Prognose: Vom Grad der Hypospadie abhängig.
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1100 7
Gefäßchirurgie
B 7 Gefäßchirurgie
7
Gefäßchirurgie Heiner Wenk, Andreas Schmid
Die Gefäßchirurgie stellt ein eigenständiges Gebiet in der Chirurgie dar.
7.1
Anatomie
Das Gefäßsystem dient der Fortleitung des Blutes und seiner Bestandteile im Körper. Es setzt sich aus dem arteriellen, dem venösen und dem kapillären Gefäßsystem sowie dem Lymphsystem zusammen. Arterien transportieren das Blut vom Herzen zu den Organen, Venen von den Organen zurück zum Herzen. Die Verbindung beider Systeme erfolgt über die Kapillaren. Die extrazelluläre Flüssigkeit wird über Lymphgefäße drainiert und gelangt über zwischengeschaltete Lymphknoten zurück ins Venenblut. Die Lymphe aus dem BeckenBein-Bereich gelangt über den Ductus thoracicus am linken Venenwinkel, die aus dem Kopf-Hals-Bereich über den Ductus lymphaticus dexter am rechten Venenwinkel in das venöse System. Eine Sonderstellung im Kreislaufsystem nimmt das portalvenöse System ein. Dreischichtiger Wandaufbau der Gefäße (Abb. B-7.1): ■ Intima (= Innenschicht) ■ Media (= Mittelschicht) ■ Adventitia (= Außenschicht)
Trotz des prinzipiell gleichen Grundaufbaus unterscheiden sich die einzelnen Gefäßwandschichten je nach Erfordernissen im Hoch- und Niederdrucksystem sowie im Bereich der Mikrozirkulation. Man unterscheidet Arterien vom elastischen (Aorta) und vom muskulären Typ.
Heute ist die Gefäßchirurgie ein eigenständiges Gebiet im Spektrum der Chirurgie. Die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie (= DGG) hat im Jahr 2003 ein Zertifizierungsverfahren für Gefäßzentren eingeführt, das große Akzeptanz erfährt. Die Bildung von Gefäßzentren trägt zur notwendigen Zusammenarbeit von Gefäßchirurgen, Radiologen und Angiologen bei.
7.1
Anatomie
Das Gefäßsystem dient der Fortleitung des Blutes und seiner Bestandteile im Körper. Es setzt sich aus dem arteriellen, dem venösen und dem kapillären Gefäßsystem sowie dem Lymphsystem zusammen. Die arteriellen und venösen Blutleiter verästeln sich ähnlich einem Baum (daher die Bezeichnung: Gefäßbaum). Arterien dienen dem Transport des Blutes vom Herzen zu den Organen, während das Blut über Venen von den Organen zurück zum Herzen gelangt. Beide Systeme werden durch die Kapillaren miteinander verbunden. Der Transport der extrazellulären Flüssigkeit erfolgt über die Lymphgefäße. Das kapilläre Lymphgefäßsystem ist von zahlreichen Lymphknoten unterbrochen. Über diese wird die Lymphflüssigkeit ins Venenblut zurücktransportiert. Die Lymphe aus dem Becken-Bein-Bereich sammelt sich in der Cisterna chyli, wo sich die wasserklare Beinlymphe mit der fetthaltigen Darmlymphe vereinigt. Über den Ductus thoracicus erreicht die Lymphe am linken Venenwinkel (= Konfluenz der V. subclavia mit der V. jugularis interna) das Venensystem. Die Lymphe aus dem Kopf-Hals-Bereich wird über den Ductus lymphaticus dexter am so genannten rechten Venenwinkel drainiert. Eine Sonderstellung im Kreislaufsystem nimmt das portalvenöse System im Abdomen aufgrund der eigenen Anatomie ein. Hier sind zwei Kapillarbettsysteme hintereinander geschaltet (V. portae, Vv. hepaticae). Prinzipiell gleichen sich die Gefäße des Körperkreislaufs im dreischichtigen Wandaufbau (Abb. B-7.1). Die Intima (= Innenschicht) besteht aus einer einreihigen Endothelzellschicht mit elastischen Fasern und einer nach außen angrenzenden Basalmembran. Diese grenzt wiederum an die Media (= Mittelschicht) aus glatter Muskulatur (Myoepithelzellen) und Kollagen. Die Adventitia entspricht einer Außenschicht aus elastischen Fasern und Kollagen, die von Blutgefäßen, den Vasa vasorum und von Nervengewebe durchzogen wird. Trotz des prinzipiell gleichen Grundaufbaus unterscheiden sich die einzelnen Gefäßwandschichten aufgrund der unterschiedlichen Erfordernisse im Hochund Niederdrucksystem sowie im Bereich der Mikrozirkulation. So ist z. B. die Media der Arterien aufgrund des relativ hohen Innendrucks kräftiger als die der Venenwand ausgebildet. Venen hingegen zeichnen sich durch dünne Gefäßwände und einen relativ großen Durchmesser aus. Man unterscheidet Arterien vom elastischen (Aorta) und vom muskulären Typ.
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B 7.2 Diagnostische Methoden
B-7.1
7.2
1101
Wandbau einer mittelgroßen Arterie und Vene
Diagnostische Methoden
B-7.1
7.2
Diagnostische Methoden
7.2.1 Klinisch-angiologische Untersuchung
7.2.1 Klinisch-angiologische Untersuchung
Die klinische Untersuchung umfasst Anamnese, Inspektion, Palpation, Auskultation und Funktionstests. Diese Methoden sind zur Diagnostik meist ausreichend (Abb. B-7.2). Hierbei ist das akute Auftreten einer Durchblutungsstörung (z. B. bei Embolie, arterieller Thrombose) von schleichend verlaufenden Prozessen wie z. B. der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) zu differenzieren. Plötzlich auftretende Schwellungen in Kombination mit Schmerzen können auf eine venöse Thrombose hindeuten.
Die klinische Untersuchung umfasst Anamnese, Inspektion, Palpation, Auskultation und Funktionstests (Abb. B-7.2). Hierbei sollten akut auftretende Durchblutungsstörungen von schleichend verlaufenden chronischen Prozessen differenziert werden.
왘 Merke. Die klinische Untersuchung sollte im Seitenvergleich erfolgen!
왗 Merke
Da jedoch nicht alle Organe paarig angelegt sind und gerade bei Gefäßpatienten häufig Zustände nach Majoramputationen vorliegen, können in diesen Fällen die Untersuchungen nicht im Seitenvergleich erfolgen. Anamnese: Bei der Anamneseerhebung ist insbesondere auf das Vorhandensein von endogenen Risikofaktoren wie z. B. Hyperlipoproteinämie, Diabetes mellitus und Hypertonus sowie exogenen Risikofaktoren wie z. B. Nikotinkonsum und Medikamenteneinnahme (z. B. Kontrazeptiva) zu achten. Voroperationen und andere Begleiterkrankungen (z. B. KHK) können als wichtige diagnostische Hinweise dienen. Diese prädisponieren für eine Arteriosklerose und damit für eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK).
Anamnese: Zu achten ist auf endogene und exogene Risikofaktoren. Weiterhin liefern Voroperationen und andere Begleiterkrankungen wichtige diagnostische Hinweise.
Inspektion: Der entkleidete Patient sollte v. a. hinsichtlich Veränderungen der Hautfarbe (abnorme Pigmentation wie Rötung, Blässe, livide Verfärbung?) und der Hautbeschaffenheit, prominenter Venenfüllung und -zeichnung sowie Schwellungen beurteilt werden. Weiterhin sind trophische Störungen, ggf. vorliegende Rhagaden, Ulzera und Nekrosen (trocken, demarkiert) oder Gangrän (feucht, ggf. infiziert, nicht demarkiert) wichtige Hinweise auf bestehende Gefäßerkrankungen.
Inspektion: Beurteilung von ■ Hautfarbe und -trophik ■ Schwellungen (Ödem/Infekt) ■ Rhagaden und Ulzera ■ Nekrosen ■ Venenfüllung im Seitenvergleich.
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B 7 Gefäßchirurgie
1102 B-7.2
Klinische Untersuchung bei Erkrankungen der Arterien
Blutdruckmessung: Differenzen 4 30 mmHg im Seitenvergleich sind pathologisch.
Blutdruckmessung: Die Blutdruckmessung an beiden Armen ist bei allen Patienten obligatorisch. RR-Differenzen 4 30 mmHg im Seitenvergleich sind pathologisch.
Palpation: Bei der Palpation (Abb. B-7.2) achtet man auf: ■ Pulsstärke und Qualität ■ Schwirren ■ Rhythmusstörungen ■ Hauttemperatur ■ Kapillarpuls.
Palpation: Bei der Palpation werden alle tastbaren Arterienpulse im Seitenvergleich hinsichtlich Stärke und Qualität beurteilt (Pulsabschwächung, -verlust z. B. bei Stenosen bzw. Gefäßverschluss, Schwirren als Zeichen einer AV-Fistel oder einer hochgradigen Stenose, Pulsationen bei Aneurysmen; siehe Abb. B-7.2). Typische Palpationsstellen sind: A. temporalis, A. carotis, A. radialis und ulnaris, A. femoralis, A. poplitea, A. dorsalis pedis und A. tibialis posterior. Auch auf die Hauttemperatur (z. B. kalte Extremität bei Arterienverschluss) ist zu achten. Zur Kontrolle des venösen Systems ist auf Wadendruckschmerz als Hinweis auf eine Unterschenkelvenenthrombose zu achten.
Auskultation: Pulssynchrone Geräusche sind ab 70 %iger Stenose zunehmend hochfrequenter und schärfer auskultierbar. Auskultierbare Geräusche sind über dem Entstehungsort oder kurz dahinter am lautesten; sie können aber auch fortgeleitet sein (Aortenklappe: Schwirren über der A. carotis). AV-Fisteln verursachen ein Maschinengeräusch über der Fistel. Pulsationen können ein Aneurysma markieren.
Auskultation: Diese kann im Rahmen der Diagnostik besonders wertvoll sein, da auch Arterienabschnitte beurteilt werden können, die der direkten Palpation nicht zugänglich sind (Aortoiliakalregion). Ein gesundes Gefäß ruft keine Auskultationsgeräusche hervor. Daher muss insbesondere auf kontinuierliche bzw. diskontinuierliche pulssynchrone Stenosegeräusche geachtet werden. Bis zu einem Stenosegrad von 70 – 80 % wird ein Stenosegeräusch produziert, wobei das Geräusch mit dem Grad der Gefäßeinengung zunehmend lauter und hochfrequenter wird. Bei höhergradiger Stenose wird das Geräusch jedoch wieder leiser bis es beim kompletten Gefäßverschluss verschwindet. Auch die Möglichkeit eines fortgeleiteten Geräusches (Schwirren über der A. carotis bei einer Aortenklappenstenose) muss bei der Auskultation stets bedacht werden. Bei einer AV-Fistel ist ein Maschinengeräusch über der Fistel auskultierbar. Verstärkte lokale Pulsationen können ein Aneurysma markieren (z. B. Leistenaneurysma).
Funktions- und Belastungstests: Zur Dokumentation des Ausmaßes einer Minderdurchblutung.
Funktions- und Belastungstests: Mit Hilfe dieser Tests kann das Ausmaß einer Minderdurchblutung beurteilt werden.
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B 7.2 Diagnostische Methoden
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Gehstrecke: Beim gefäßgesunden Patienten ist die schmerzfreie Gehstrecke nicht limitiert. Zur Erfassung der chronischen arteriellen Verschlusskrankheit ist die Messung der „standardisierten Gehstrecke“ etabliert. Die schmerzfreie Gehstrecke wird auf ebener Strecke bei einer Schrittfrequenz von 120/min gemessen. In das Untersuchungsergebnis fließen Zeitpunkt und Lokalisation der Schmerzentstehung ein, die Strecke bis zum Auftreten einer Schonhaltung (Hinken) sowie bis zum schmerzbedingten Anhalten des Patienten. Die Länge der schmerzfreien Gehstrecke ist Grundlage für die Einteilung der arteriellen Verschlusskrankheit nach Fontaine (S. 1123). Vergleichbar ist der „Constant Load Test“ auf dem Laufband (Einstellung des Laufbands: 3 km/h mit 12 % Steigung). Lagerungsprobe nach Ratschow: Dieser Test dient der Erfassung arterieller Durchblutungsstörungen der Beine. Der auf dem Rücken liegende Patient beugt und streckt die Füße bei erhobenen Beinen 30x im Sprunggelenk, im Anschluss setzt sich der Patient, so dass beide Beine herabhängen. Beurteilt wird das Abblassen der Füße bei Belastung und die anschließende Hyperämie mit Hautrötung und Venenfüllung bei herabhängenden Füßen im Sitzen jeweils im Seitenvergleich (Abb. B-7.3). Beim Gefäßgesunden füllen sich die Fußrückenvenen nach ca. 10 Sekunden und die Vorfüße röten sich nach ca. 5 Sekunden. Allen-Test: Dieser Test dient der Überprüfung des Hohlhandbogens (= Arcus palmaris) sowie der A. radialis und der A. ulnaris: Bei Kompression eines der genannten Gefäße resultiert bei unzureichender Versorgung über das andere Gefäß ein Abblassen der Hand (z. B. bei Verschluss der A. ulnaris oder bei inkomplettem Hohlhandbogen). Im Normalfall bleibt bei Kompression der A. radialis die Durchblutung der Hand über die A. ulnaris ausreichend (Abb. B-7.3). Faustschlussprobe (Elevated-Arm-Stress-Test): Diese Methode dient dem Nachweis einer arteriellen Minderperfusion der Arme bzw. eines A. SubclaviaVerschlusses oder einer Gefäßeinengung der oberen Thoraxapertur (ThoracicOutlet-Syndrom). Bei erhobenen Armen und gleichzeitiger Kompression der Handgelenksarterien werden 10 Faustschlussbewegungen durchgeführt. Bei Durchblutungsstörungen resultiert nach Absinken der Arme und Freigabe der Handgelenksarterien eine verzögerte Hautrötung der Handinnenflächen. 왘 Merke. Bei einer Stenose proximal des A.-vertebralis-Abganges kann ein Subclavian-Steal-Phänomen mit Auftreten einer Synkope provoziert werden!
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Gehstrecke: Dieser Test dient der Erfassung einer chronischen arteriellen Verschlusskrankheit. Man achtet auf den Zeitpunkt und die Lokalisation der Schmerzentstehung bei standardisierter Gehstrecke (beim Gefäßgesunden ist die schmerzfreie Gehstrecke unlimitiert). Vergleichbar ist der „Constant Load Test“ auf dem Laufband.
Lagerungsprobe nach Ratschow: Zur Erfassung arterieller Durchblutungsstörungen der Beine. Beurteilt wird das Abblassen der Füße bei Belastung und die anschließende Hyperämie mit Hautrötung und Venenfüllung bei herabhängenden Füßen im Sitzen jeweils im Seitenvergleich (Abb. B-7.3).
Allen-Test: Er gibt Aufschluss über die Perfusion der A. radialis, A. ulnaris und des Arcus palmaris (Abb. B-7.3).
Faustschlussprobe (Elevated-ArmStress-Test): Dieser Test dient dem Nachweis einer arteriellen Minderperfusion der Arme. Bei Durchblutungsstörungen resultiert eine verzögerte Hautrötung der Handinnenflächen.
왗 Merke
B-7.3 Ratschow-Lagerungsprobe (I) und Allen-Test (II)
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B 7 Gefäßchirurgie
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Kältetest: Bei Morbus Raynaud (S.1120) kann Kälteapplikation einen „Raynaud-Anfall“ provozieren.
7.2.2 Apparative und bildgebende
Diagnostik
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Kältetest: Bei Vorliegen eines Morbus Raynaud (= symmetrischer Vasospasmus, S. 1120) kann durch Applikation von Kälte (z. B. durch kaltes Wasser) ein „Raynaud-Anfall“ (insbesondere akrale Gefäßspasmen) ausgelöst werden.
7.2.2 Apparative und bildgebende Diagnostik
Apparative Untersuchungsverfahren werden eingeteilt in: ■ Nicht invasive Methoden: Doppler-Sonographie, Oszillographie, Sonographie und CT sowie MR-Angiographie. ■ Invasive Methoden: Angiographie in konventioneller und DSA-Technik.
Apparative Untersuchungsverfahren können eine gute klinisch-angiologische Untersuchung nicht ersetzen. Sie sind jedoch ergänzend notwendig zur Befunddokumentation, zur Abklärung von Differenzialdiagnosen, zur optimalen Operationsplanung und zur Verflaufskontrolle. Man unterscheidet: ■ Nicht invasive Methoden: Doppler-Sonographie, Oszillographie, Sonographie, Computertomographie und MR-Angiographie. ■ Invasive Methoden: Angiographie in konventioneller Technik und als digitale Subtraktionsangiographie; s. Abb. B-7.8, S. 1107).
Nicht invasive Methoden
Nicht invasive Methoden
B-Bild-Sonographie
B-Bild-Sonographie
Eine Domäne der B-Bild-Sonographie ist die Abbildung von Aneurysmen mit ihren Komplikationen. Gefäßwandveränderungen können mit hochauflösenden Schallköpfen dargestellt werden.
Die konventionelle B-Bild-Sonographie eignet sich zur Darstellung von Aneurysmen (z. B. abdominelle Aorta, Leiste, Karotis) und deren Komplikationen (z. B. Blutung, Thrombose, Perforation). Viele asymptomatische Bauchaortenaneurysmen werden zufällig im Rahmen von Routinesonographien diagnostiziert. Mit hochauflösenden Schallköpfen können im Einzelfall auch Gefäßwandveränderungen (Ulzera, Plaques) an oberflächennahen Gefäßen (z. B. Karotisgabel) erkannt werden.
Doppler-Sonographie
Doppler-Sonographie
Prinzip: Die Registrierung der Strömungsgeschwindigkeitspulse (Abb. B-7.4) ist eine auf dem Doppler-Effekt beruhende Methode. Ultraschallwellen werden im Bereich hörbarer Frequenzen wiedergegeben.
Prinzip: Eine diagnostische nichtinvasive Basismethode ist die auf dem DopplerEffekt beruhende Registrierung der Strömungsgeschwindigkeitspulse (Abb. B-7.4): Die vom Schallkopf emittierten Ultraschallwellen werden von den korpuskulären Bestandteilen des Blutes in Abhängigkeit von der Flussgeschwindigkeit und Richtung reflektiert und im Bereich hörbarer Frequenzen wiedergegeben. Man unterscheidet „cw“ (=„continous wave“) Ultraschalldopplergeräte und gepulste Geräte, die Sendefrequenz kann zwischen 2 und 10 MHz variiert
Man unterscheidet „cw“ (=„continous wave“) Ultraschalldopplergeräte und gepulste Geräte (2 – 10 MHz Sendefrequenz). B-7.4
Doppler-Sonographie
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B 7.2 Diagnostische Methoden
werden, wobei niederfrequente Geräte eine höhere Eindringtiefe besitzen als hochfrequente. Mit Hilfe der Kurvenanalyse kann die Funktionalität der Gefäßperfusion und das Ausmaß pathologischer Gefäßveränderungen ermittelt werden. Folgende Parameter können bestimmt werden: Systolisches Maximum, systolische Signalbreite, diastolischer Spitzenfluss, enddiastolischer Fluss und Mittelfluss.
1105
Die Kurvenanalyse ermöglicht die Ermittlung der Funktionalität der Gefäßperfusion und des Ausmaßes der pathologischen Gefäßveränderungen.
Indikationen: So können Strömungsverlangsamungen nach Stenosen, eine Strömungsumkehr (z. B. über der A. ophthalmica bei extrakraniellen Stenosen der A. carotis interna) und periphere Verschlussdrücke (nach Anlage und Blockung einer Blutdruckmanschette) sowie das Volumen von AV-Fisteln erfasst werden.
Indikationen: Erfassung von Strömungsverlangsamungen und -umkehr, peripheren Verschlussdrücken sowie AV-Fistelvolumen.
Knöchelarteriendruckmessung: Mit Hilfe der Doppleruntersuchung kann der periphere Verschlussdruck der Extremitätenarterien gemessen werden. Analog zur Blutdruckmessung nach Riva Rocci wird der Wert des Manschettendrucks ermittelt, bei dem das Signal verschwindet (Abb. B-7.4). Dieser entspricht dem systolischen Blutdruck bzw. dem Druck der beschallten Arterie (Normwert/ Knöchel: 100 mmHg). Zu Laser-Doppler-Technik und nuklearangiologischen Verfahren siehe Lehrbücher der Angiologie.
Knöchelarteriendruckmessung: Mit Hilfe der Doppleruntersuchung kann der periphere Verschlussdruck der Extremitätenarterien gemessen werden (Abb. B-7.4).
Duplexsonographie
Duplexsonographie
Prinzip: Diese Methode vereint die B-Bild-Ultraschallaufnahme mit dem A-Bild der Doppler-Sonographie, stellt also eine Kombination aus Kurve und Schnittbild dar. Moderne, farbkodierte Duplexsonographiegeräte gewährleisten eine kontinuierliche und simultane Darstellung des Blutflusses: Blutfluss in Richtung auf den Schallkopf ist rot kodiert, vom Schallkopf weg blau, und je höher die Dopplerfrequenzverschiebung ist, desto heller werden die Farbpixel generiert (Abb. B-7.5).
Prinzip: Die Duplexsonographie ermöglicht die kombinierte Abbildung von Strömungskurve und realem Ultraschallbild. Farbkodierte Duplexsonographiegeräte ermöglichen eine kontinuierliche und simultane Darstellung des Blutflusses (Abb. B-7.5).
Indikation: Sie erlaubt eine Darstellung von Aneurysmen und deren Komplikationen (z. B. Perforation) sowie von Gefäßwandveränderungen (z. B. Ulkus/ Plaque) und Stenosen. Eine Strömungsumkehr der Vv. perforantes in Kombination mit einer Kaliberzunahme und retrogradem Flow (z. B. der Vv. saphenae) sind Diagnosekriterien für eine Varikosis. Die Farb-Doppler-Sonographie macht verschiedene Flussintensitäten und -richtungen (z. B. bei AV-Fisteln) farbunterschiedlich sichtbar.
Indikation: Aneurysmen und deren Komplikationen, Gefäßwandveränderungen und Stenosen.
Computertomographie (CT)
Die Farb-Doppler-Sonographie macht verschiedene Flussintensitäten und -richtungen farblich sichtbar. Computertomographie (CT)
Prinzip: Diese liefert eine Schichtdarstellung des Körpers durch ein rotierendes Röhrendetektorsystem. Im konventionellen CT werden Einzelschicht-CT-Bilder (Abb. B-7.6 a) durch Faltung und Rückprojektion in variabler Schichtdicke erstellt. Bei der Spiral-CT findet sich ein kontinuierlich rotierendes RöhrenDetektorsystem mit simultanem Tischvorschub. So wird ein Volumendatensatz gewonnen, aus dem sich zwei- oder dreidimensionale Sekundärrekonstruktionen erstellen lassen (Abb. B-7.6 b). Vorteil dieser Methode ist die Möglichkeit, bei kurzer Untersuchungszeit große Organvolumina ohne Bewegungsartefakte darstellen zu können. Zu bedenken ist jedoch die Strahlenbelastung des Patienten.
Prinzip: Diese liefert eine Schichtdarstellung des Körpers durch ein rotierendes Röhrendetektorsystem. Die Aufnahmen werden in konventioneller (Abb. B-7.6 a)oder Spiral-CTTechnik (Abb. B-7.6 b) angefertigt. Vorteil dieser Methode ist die Möglichkeit, bei kurzer Untersuchungszeit große Organvolumina ohne Bewegungsartefakte darstellen zu können. Die Strahlenbelastung des Patienten ist jedoch zu bedenken.
B-7.5 Duplexsonographie
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B 7 Gefäßchirurgie
1106 B-7.6
Computertomographie (CT)
a CT-Darstellung eines rupturierten BauchaortenAneurysmas.
b 3D-CT-Darstellung eines Iliakalarterienaneurysmas.
Um eine deutliche Darstellung der Arterien zu erreichen, ist die i. v.-Gabe eines Kontrastmittels erforderlich. Indikation: Mit der CT lassen sich Aneurysmen an sonographisch schlecht einsehbaren Regionen darstellen.
Indikation: Mit der CT können Aneurysmen in ganzer Größe reproduziert und untersucherunabhängig abgebildet werden. Auch Regionen, die sonographisch nicht darstellbar sind (z. B. wegen Darmgasüberlagerung), können auf diese Weise erfasst werden. Zudem ist eine Aussage über das durchströmte und nicht durchströmte Lumen bei Aortendissektionen möglich, wodurch Gefäßverschlüsse im Bereich der Nieren- oder Mesenterialgefäße diagnositiziert werden können.
Magnetresonanztomographie (MRT)
Magnetresonanztomographie (MRT)
Prinzip: Die Magnetresonanz-Angiographie (= MRA) benutzt das fließende Blut als physiologisches Kontrastmittel.
Prinzip: Die Magnetresonanz-Angiographie (= MRA) benutzt das fließende Blut als physiologisches Kontrastmittel.
Indikation: Sie bietet eine Alternative zur DSA bei Kontrastmittelallergie.
Indikation: Daher ist bei Vorliegen einer Kontrastmittelallergie die Durchführung einer MRA als Alternative zur DSA möglich. Die Grenzen der MRA liegen auflösungsbedingt in der Darstellung der distalen Unterschenkelstrombahn. Eine weitere wichtige Indikation für die MRT im Rahmen der Gefäßchirurgie ist die Beurteilung der Penumbra (= Ischämie-Zone um das Insultgebiet) bei Schlaganfallpatienten. Durch Diffusions- und Perfusionswichtung einer Hirnuntersuchung kann im Einzelfall eingeschätzt werden, inwieweit der Patient von einer Revaskularisation einer hirnversorgenden Arterie profitiert.
Durch Diffusions- und Perfusionswichtung einer Hirnuntersuchung kann im Einzelfall bei Schlaganfallpatienten die OP-Planung optimiert werden.
B-7.7
B-7.7
Magnetresonanzangiographie (MRA) MRA nach extraanatomischer Gefäßrekonstruktion
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B 7.2 Diagnostische Methoden
1107
Weitere Verfahren
Weitere Verfahren
Mit der Oszillographie können pulssynchrone Volumenschwankungen im Bereich der Extremitäten nach Anlage einer Blutdruckmanschette an verschiedenen Stellen im Seitenvergleich mechanisch oder elektronisch aufgezeichnet werden. Mit der Belastungsoszillometrie können auch klinisch noch stumme Gefäßstenosierungen nachgewiesen werden. Über die Registrierung des Druckpulses, die volumenpulsregistrierenden Verfahren, die Rheographie, Photo- und Transmissionsplethysmographie geben Lehrbücher der Angiologie Auskunft. Es handelt sich hierbei um zum Teil wertvolle ergänzende Untersuchungen, die jedoch nicht unbedingt zum diagnostischen Routinespektrum der Gefäßchirurgie gehören.
Mit der Oszillographie können pulssynchrone Volumenschwankungen im Bereich der Extremitäten dargestellt werden.
Invasive Methoden
Invasive Methoden
Angiographie
Angiographie
Prinzip: Die Gefäßdarstellung erfolgt als indirekte Katheterangiographie in Seldinger-Technik. Hierbei wird nach Punktion der A. femoralis oder A. brachialis ein Katheter bis vor das darzustellende Stromgebiet vorgeschoben und über eine Kontrastmittelpumpe Kontrastmittel appliziert. Bei der selektiven und supraselektiven Angiographie gelingt es durch Platzierung der Katheter in Gefäßabgänge (z. B. A. carotis, A. hepatica u. a.), einzelne Gefäßregionen isoliert zu kontrastieren und so spezifische Fragestellungen zu beantworten.
Prinzip: Die Gefäßdarstellung erfolgt als indirekte Katheterangiographie in SeldingerTechnik mit Zugang über die A. femoralis oder A. brachialis. Durch selektive/supraselektive Katheterangiographie lassen sich einzelne Stromgebiete isoliert kontrastieren und spezielle Fragestellungen beantworten.
Indikation: Die Angiographie ermöglicht durch Abbildung des Ausmaßes und der Morphologie von Gefäßveränderungen eine adäquate Planung des therapeutischen Konzeptes (medikamentös/konservativ, radiologisch interventionell, operativ).
Indikation: Adäquate Planung der Therapiemodalität.
Digitale Subtraktionsangiographie (DSA)
Digitale Subtraktionsangiographie (DSA)
Prinzip: Diese Standardmethode der bildgebenden Diagnostik in der Angiologie funktioniert durch selektive Hervorhebung der kontrastierten Gefäßlumina durch gezielte Subtraktion des identischen Bildhintergrundes (Abb. B-7.8). Die Angiographiebilder werden digital auf Computer abgespeichert. Die anschließende Bearbeitung ermöglicht eine zweidimensionale Rekonstruktion der
Prinzip: Die DSA ist eine Standardmethode der bildgebenden Diagnostik und ermöglicht eine exakte Darstellung des arteriellen Gefäßbaums durch selektive Hervorhebung der kontrastierten Gefäßlumina durch gezielte Subtraktion des identischen Bildhintergrundes (Abb. B-7.8).
B-7.8
Digitale Subtraktionsangiographie
Zu Registrierung des Druckpulses, volumenpulsregistrierenden Verfahren, Rheografie, Photo- und Transmissionsplethysmografie siehe Lehrbücher der Angiologie.
B-7.8
Die DSA-Angiographie der supraaortalen Gefäße zeigt eine hochgradige Stenose im Bereich beider Karotisgabeln sowie eine Abgangsstenose der A. vertebralis rechts. 1 2 3 4 5 6 7 8
Karotisgabel A. vertebralis rechts A. vertebralis links A. carotis communis A. subclavia links A. subclavia rechts Truncus brachiocephalicus Aortenbogen
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B 7 Gefäßchirurgie
Gefäße. Der Hintergrund (Knochen und Weichteile) kann aus dem Bild herausgerechnet und so Kontrastmittel eingespart werden. Indikation: Z. B. Beurteilung des Gefäßstatus bei pAVK, Darstellung von Stenosen der A. carotis und Ausschluss intrazerebraler Stenosen.
Indikation: Die DSA wird zur Beurteilung des Gefäßstatus bei pAVK (prä- und poststenotische Gefäßverhältnisse) sowie zur Darstellung und exakten Einschätzung von Stenosen der A. carotis eingesetzt. Weiterhin dient dieses Verfahren dem Ausschluss intrazerebraler Stenosen und der Beurteilung des Aortenbogens und dessen Gefäßabgängen.
Intravaskulärer Ultraschall (IVUS)
Intravaskulärer Ultraschall (IVUS)
Wird bisher nur an wenigen Zentren eingesetzt.
Der intravaskuläre Ultraschall wird wegen der hohen Kosten bisher nur an wenigen Zentren eingesetzt.
Prinzip: Durch die intravasale Positionierung von Echosonden können Gefäßlumen und -wand diagnostisch beurteilt werden (Abb. B-7.8).
Prinzip: Durch die intravasale Positionierung von miniaturisierten Echosonden besteht die Möglichkeit, mikroanatomische tomographische Gefäßwandschnitte „in vivo“ zu erstellen und so Gefäßlumen und -wand diagnostisch zu beurteilen (Abb. B-7.8). Das intravasale Ultraschallbild kann durch mechanische oder elektronische Systeme generiert werden.
Indikationen: Diese Methode ermöglicht Volumenmessungen von Aneurysmen und die Bestimmung der Art und Struktur von Gefäßwandveränderungen. IVUS wird bevorzugt zur Diagnostik der Herzkranzarterien eingesetzt und auch zur Beurteilung und Entscheidung hinsichtlich der Stent-Implantation im Iliakalstromgebiet.
Indikationen: Insbesondere Volumenmessungen von Aneurysmen (z. B. an Karotis, abdomineller Aorta oder Leiste) aber auch die Bestimmung der Art und Struktur von Gefäßwandveränderungen z. B. durch Volumenmessung arteriosklerotischer Plaques sind durch diese Untersuchungstechnik möglich. IVUS wird bevorzugt zur Diagnostik der Herzkranzarterien eingesetzt. Eine präzise Messung der Gefäßanatomie ermöglicht eine optimierte Behandlungsplanung bei der Entscheidung über den Einsatz von Angioplastie oder Stents. Auch bei der Beurteilung und Entscheidung hinsichtlich der Implantation von Stents im Iliakalstromgebiet spielt diese Methode eine wesentliche Rolle.
Angioskopie
Angioskopie
Angioskope sind flexible Instrumente für die endoskopische Untersuchung von Gefäßen.
Angioskope sind flexible Instrumente für die endoskopische Untersuchung von Gefäßen. Aufgrund ihres kleinen Querschnitts bieten sie nur eine eingeschränkte Auflösung und Bildqualität. Aufgrund problematischer Resterilisierung werden Einmalinstrumente verwendet. Die Angioskopie hat sich als besonders wertvoll für die Qualitätskontrolle nach langstreckiger Endarteriektomie der A. femoralis superficialis erwiesen (s. u.). Mit dem Verlassen dieser Therapieoption wegen schlechter Langzeitergebnisse ist auch die Gefäßendoskopie in den Hintergrund getreten.
7.2.3 Gefäßchirurgische Therapie
7.2.3 Gefäßchirurgische Therapie
Nichtmedikamentöse Maßnahmen sind: Gewichtsreduktion, Gehtraining sowie absolute Nikotinkarenz.
Gewichtsreduktion zur Optimierung von Blutzucker und Blutfetten, Gehtraining zur Anregung einer Kollateralenbildung bei pAVK sowie absolute Nikotinkarenz sind grundlegende nichtmedikamentöse Therapiestrategien.
Medikamentöse Maßnahmen
Medikamentöse Maßnahmen
Ziele der medikamentösen Therapie zeigt Tab. B-7.1.
Ziele der medikamentösen Therapie zeigt (Tab. B-7.1).
B-7.1
B-7.1
Ziele der medikamentösen Therapie in der Gefäßchirurgie
Ziele
Maßnahmen (Beispiele)
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Verbesserung der Blutfluidität
Hydroxyethylstärke (HES, S. 69)
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Beeinflussung der Gerinnung
Standardheparin i. v., niedermolekulares Heparin s.c., Vitamin-K-Antagonisten (z. B. Marcumar p.o)
Minderung der Thrombozytenaggregation
Thrombozytenaggregationshemmer (z. B. Acetylsalicylsäure, Clopidogrel)
lokoregionale oder systemische Thrombolyse
rt-PA, Streptokinase, Urokinase; nähere Informationen s. S.130
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B 7.2 Diagnostische Methoden
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Radiologisch-interventionelle Maßnahmen
Radiologisch-interventionelle Maßnahmen
Endovaskuläre Therapie (transluminale Angioplastie)
Endovaskuläre Therapie (transluminale Angioplastie)
Die einfachste Form der endovaskulären Therapie ist die Behandlung von Einengungen durch einen Ballonkatheter im Rahmen der perkutanen transluminalen Angioplastie (PTA). Kurzstreckige, wenig verkalkte Stenosen großer Gefäße sind eine Indikation für die PTA. Ein spezieller Ballonkatheter wird in der Stenose für ca. 20 Sekunden entfaltet, wodurch die Enge aufgeweitet wird (Abb. B-7.9). Diese Methode kann perkutan oder intraoperativ (ITA) durchgeführt werden. Der Erfolg der Angioplastie kann durch die Implantation eines in der Stenoseregion platzierten Stent (= selbstexpandierender Maschendrahttubus) gesichert werden (Abb. B-7.10). Die Stentbehandlung befindet sich für verschiedene Gefäßprovinzen (z. B. Karotis-Stenting) noch im Stadium der klinischen Evaluation. Nach den Ergebnissen der SPACE-Studie (=stentgestützte perkutane Angioplastie der A. carotis versus Endarteriektomie) ist die Operation weiterhin das favorisierte Verfahren, die Stentbehandlung zeigt aber vergleichbare Ergebnisse. Bei kurzstreckigen Stenosen der Beckenstrombahn existieren dagegen inzwischen allgemein akzeptierte Ergebnisse der transatlantischen Konsensuskonferenz. Auch zur Behandlung von Aneurysmen wurden Stentprothesen entwickelt (S. 1111).
Die einfachste Form der endovaskulären Therapie ist die Behandlung von Einengungen durch einen Ballonkatheter im Rahmen der perkutanen transluminalen Angioplastie (PTA). Kurzstreckige, wenig verkalkte Stenosen werden nach Einführung eines Ballonkatheters dilatiert (Abb. B-7.9). Das Ergebnis kann durch die Einbringung eines Stents gesichert werden (Abb. B-7.10). Die Stentbehandlung befindet sich für verschiedene Gefäßprovinzen (z. B. KarotisStenting) noch im Stadium der klinischen Evaluation. Nach den Ergebnissen der SPACE-Studie ist die Operation weiterhin das favorisierte Verfahren, die Stentbehandlung zeigt aber vergleichbare Ergebnisse.
B-7.9 Perkutane transluminäre Angioplastie (PTA)
B-7.10
Implantation einer Stentprothese bei Aortenaneurysma
B-7.10
Anmodellieren des aortalen Endes einer Stentprothese mit einem Latex-Ballon.
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B 7 Gefäßchirurgie
Chirurgische Maßnahmen
Chirurgische Maßnahmen
Gefäßchirurgische Instrumente
Gefäßchirurgische Instrumente
Die wichtigsten Instrumente sind: Stichskalpelle, feine, atraumatische Pinzetten, Klemmchen, Spatel und Ringmesser nach Vollmar sowie Führungsdrähte, Ballonkatheter und Stents. Für endovaskuläre Operationen müssen Schleusen für den Gefäßzugang bereitgehalten werden.
Die Fortschritte in der Gefäßchirurgie wurden erst durch die Entwicklung eines speziellen Instrumentariums und synthetischer Nahtmaterialien und Prothesen zur atraumatischen Behandlung der empfindlichen Gefäßwände möglich. Die wichtigsten gefäßchirurgischen Instrumente sind Stichskalpelle, feine, atraumatische Pinzetten, Klemmchen (ggf. Gummi-armiert), Spatel und Ringmesser nach Vollmar. Weiterhin müssen Führungsdrähte, Ballonkatheter und Stents zur Verfügung stehen. Für endovaskuläre Operationen müssen Schleusen für den Gefäßzugang bereitgehalten werden.
Nahtmaterial
Nahtmaterial
Es wird hauptsächlich nichtresorbierbares, atraumatisches monofiles Nahtmaterial verwendet. Um ein Mitwachsen der Gefäßanastomosen zu ermöglichen, werden in der Kinderchirurgie hauptsächlich monofile resorbierbare Fäden verwendet. Nadel und Fadenstärke (S. 154) werden entsprechend der Gefäßprovinz eingesetzt.
In der Gefäßchirurgie wird hauptsächlich nichtresorbierbares, atraumatisches monofiles Nahtmaterial, bestehend aus Polypropylen oder Polytetrafluorethylen verwendet. Monofile resorbierbare Fäden aus hydrolytisch abbaubarem Polydioxanonsulfat werden v. a. für Gefäßnähte in der Kinderchirurgie verwendet, um ein Mitwachsen der Gefäßanastomosen zu ermöglichen. Nadel und Fadenstärke (S. 154) werden entsprechend der Gefäßprovinz eingesetzt: Aortal 3/0, iliakal 4/0, femoral 5/0 und 6/0, popliteal 6/0 und krural 7/0.
Rekonstruktive Verfahren
Rekonstruktive Verfahren
Embolektomie: Entfernen eines arteriellen Embolus nach Freilegen und querer Inzision des Gefäßes durch Einführen des entblockten und Rückzug des geblockten Ballonkatheters nach Fogarty.
Embolektomie: Die Embolektomie wird bei thromboembolischen Verschlüssen der Arm- oder Becken-/Beinstrombahn als Fernembolektomie durchgeführt. Der Zugang erfolgt über die Ellenbeuge oder Leiste retro- oder orthograd mit einem Fogarty-Ballonkatheter. Hierbei wird der entblockte Ballonkatheter nach Arteriotomie über den Embolus vorgeschoben. Beim Zurückziehen des geblockten Katheters wird der Thrombus von dem Ballon zurückgezogen und kann über die Arteriotomie gewonnen werden. Eine Embolektomie kann in Lokalanästhesie durchgeführt werden.
B-7.11
Gefäßrekonstruktive Verfahren (Auswahl)
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B 7.2 Diagnostische Methoden
1111
Thrombendarteriektomie (TEA): Diese ist eine seit vielen Jahren in der Gefäßchirurgie etablierte Behandlungsmethode. Verschlossene oder stenosierte Gefäße können durch eine Ausschälung der Intima in offener oder halboffener Technik behandelt werden. Bei der halboffenen (indirekten) Methode wird ein Ringstripper (= Ringdesobliterotom, siehe Abb.) über einen liegenden Ballonkatheter nach proximal oder distal vorgeschoben. Unter Drehungen des Ringstrippers werden die veränderten Intimazylinder gelöst und durch Rückzug des geblockten Ballonkatheters geborgen. Je nach Zirkumferenz der Gefäßwand im Bereich der Arteriotomie wird diese direkt genäht (z. B. A. femoralis) oder mit einem Gewebeflicken (Vene oder Goretex) im Sinne einer Patchplastik erweitert (z. B. A. carotis). Die offene (direkte) Endarteriektomie hat sich bei hochgradigen Stenosen der A. carotis als Verfahren der Wahl durchgesetzt. Einzelheiten der Therapiemaßnahmen werden im Rahmen der speziellen Krankheitsbilder besprochen.
Thrombendarteriektomie (TEA): Entfernen eines arteriosklerotischen Intimazylinders nach Längsinzision des Gefäßes in Allgemeinnarkose mithilfe eines Gefäßdissektors (direkt/offen) oder durch Einbringen eines Ringstrippers und Ballonkatheters (indirekt/ halboffen). Eine Arteriotomie kann bei großen Gefäßen direkt verschlossen und bei kleineren Gefäßen durch Einnähen eines Venen- oder Goretexflickens (Patch) erweitert werden.
Gefäßprothesen
Gefäßprothesen
Insbesondere zum Ersatz nach Resektion aneurysmatisch veränderter Gefäßabschnitte werden Gefäßprothesen eingesetzt (z. B. als Aorteninterponate, aortoiliakale oder aortofemorale Y-Prothesen). Nach Möglichkeit sollte der Gefäßersatz immer mit autologen Prothesen erfolgen. Hierbei hat sich als Prothesenmaterial der ersten Wahl die V. saphena magna bewährt (z. B. bei Anastomosen an peripheren kruralen Gefäßen). Da der Gefäßquerschnitt und die Verfügbarkeit autologer Venen begrenzt ist, gewinnen alloplastische Kunststoffimplantate in der modernen Gefäßchirurgie zunehmend an Bedeutung. In der klinischen Praxis werden v. a. die Kunststoffe Polyester und Polytetrafluorethylen (PTFE) erfolgreich verwendet. ■ Polyesterprothesen (auch „Dacron-Prothesen“) werden aus feinen Kunststofffäden gestrickt oder gewebt und mit Gelatine oder Kollagen imprägniert, um eine „primäre Dichtigkeit“ zu gewährleisten. Sie werden vor allem im aortoiliakalen/femoralen Bereich verwendet. ■ Polytetrafluorethylenprothesen (= Teflonprothesen) werden gegossen und gereckt, um eine entsprechende Tertiärstruktur zu erhalten. Zur Vermeidung eines Abknickens (z. B. bei gelenküberschreitenden Bypässen) werden PTFE Prothesen auch mit Ringverstärkung (einzelne Ringe oder Spirale) hergestellt. PTFE-Prothesen haben sich v. a. bei Operationen unterhalb des Leistenbandes etabliert. ■ Stentprothesen werden insbesondere im Rahmen der endovaskulären Aortenaneurysmachirurgie (S. 1138) eingesetzt. Sie setzen sich aus einer Gefäßprothese (aus Dacron oder Teflon oder Polyester/PTFE) und einem verstärkenden Drahtgitter (Stent) zusammen. Mit Hilfe eines Einführungs-
Diese dienen v. a. zum Ersatz nach Resektion aneurysmatisch veränderter Gefäßabschnitte. Als autologes Prothesenmaterial hat sich die V. saphena magna bewährt. Alloplastische Kunststoffimplantate aus Polyester und Polytetrafluorethylen (PTFE) gewinnen zunehmend an Bedeutung.
B-7.12
Einzelheiten zu Therapiemaßnahmen siehe spezielle Krankheitsbilder.
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Polyesterprothesen (auch „Dacron-Prothesen“) werden v. a. im aortoiliakalen/femoralen Bereich verwendet. Polytetrafluorethylenprothesen (= Teflonprothesen).
Stentprothesen werden insbesondere im Rahmen der endovaskulären Aortenaneurysmachirurgie (S.1138) eingesetzt und müssen präoperativ auf das erkrankte Gefäßsegment des Patienten angepasst werden.
Gefäßersatz
a Kunststoffprothese (I), Operationsergebnis nach Kunststoffprothesenersatz (PTFE) in der Leiste (II)
b Stentprothese für den Aortenersatz (?)
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B 7 Gefäßchirurgie
1112
bestecks kann die Stentprothese transfemoral platziert werden. Im Gegensatz zu reinen Dacron- oder PTFE-Gefäßprothesen müssen Stentprothesen bereits präoperativ speziell auf das erkrankte Gefäßsegment des Patienten angepasst werden. Stentprothesen sind in unterschiedlichen Fertigungen, Metalllegierungen (Nitinol, Stahl) und Kunststoffen verfügbar. Bypass
Bypass
Bypässe werden zur Umgehung langstreckig stenosierter oder verschlossener, nicht rekanalisierbarer Arterienabschnitte in anatomischer oder in extraanatomischer Position eingesetzt. Bypassmaterial sind Polyester und Polytetrafluorethylen (PTFE) oder bei peripheren Anastomosen mittel- bzw. kleinlumiger Gefäße die autologe V. saphena magna (geringste Infekt- und Verschlussrate).
Heute werden v. a. Polyester- und Teflonprothesen zum Gefäßersatz verwendet.
Bypässe werden zur Umgehung langstreckig stenosierter oder verschlossener, nicht rekanalisierbarer Arterienabschnitte in anatomischer oder unter bestimmten Voraussetzungen (z. B. bei Gefäßinfekt, Risikosituation) extraanatomischer Position eingesetzt. Vorraussetzung ist ein ausreichendes Abstromgebiet (sog. run off). Als Bypassmaterial dienen Polyester und Polytetrafluorethylen (PTFE). Bei peripheren Anastomosen mittel- bzw. kleinlumiger Gefäße haben Bypässe mit autologer V. saphena magna die geringste Verschluss- und Infektrate. Im Bedarfsfall kann eine kurze Vene auch nach proximal mit Kunststoffprothesen verlängert werden (sog. Composite Graft). Bei Anlage eines In-situ-Venenbypasses wird die V. saphena magna in ihrer anatomischen Position belassen. Nach Ligatur aller Seitenäste müssen die Venenklappen mit einem feinen Valvulotomiekatheter zerstört werden, um im Bypass den Blutfluss in zentripedaler Richtung zu ermöglichen (Abb. B-7.13). Die Entnahme der Vene vom ipsi- oder kontralateralen Bein ist jedoch mit zusätzlichem operativem Aufwand verbunden. Bei Fehlen einer autologen Rekonstruktionsmöglichkeit werden heute vor allem Polyester- und Teflonprothesen zum Gefäßersatz herangezogen.
Amputation
Amputation
Indikation: Amputationen sind ultima ratio bei ischämisch infizierten Gliedmaßen.
Indikation: Ist eine Rekonstruktion der Gefäßstrombahn nicht möglich und liegen bereits Nekrosen bzw. eine Gangrän an Gliedmaßen vor, ist eine Amputation nicht zu umgehen (life before limb!).
Amputationshöhe: Es sollte ein möglichst gut weichteilgedeckter Stumpf verbleiben (optimale prothetische Versorgung). Zu Amputationshöhen und Techniken der Fußamputation s. Abb. B-7.14. Komplikationen sind: Phantomschmerz, Wundheilungs- und Durchblutungsstörungen des Stumpfes, Hautinfektionen und Druckläsionen.
Amputationshöhe: Grundsätzlich sollte unter Resektion aller Infektbezirke ein möglichst gut durchbluteter Muskel- bzw. Weichteilmantel verbleiben, um den Stumpf zu decken. Je mehr funktionell intakte Extremität verbleibt, umso besser ist die Möglichkeit der prothetischen Versorgung und Rehabilitation. In Abb. B-7.14 sind die gebräuchlichen Amputationshöhen und Techniken der Fußamputation dargestellt. Komplizierend kann es zu Phantomschmerz, Wundheilungs- und Durchblutungsstörungen des Stumpfes, Hautinfektionen sowie Druckläsionen bei ungenügend abgerundeten Kanten des Knochenstumpfes kommen.
Bei Anlage eines In-situ-Venenbypasses wird die V. saphena magna in ihrer anatomischen Position belassen (Abb. B-7.13).
B-7.13
Venenbypass
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B 7.2 Diagnostische Methoden
B-7.14
1113
Amputationshöhen (a) und Techniken der Fußamputation (b)
Komplikationen in der Gefäßchirurgie
Komplikationen in der Gefäßchirurgie
Die Komplikationen einer gefäßchirurgischen Therapie erklären sich zum Teil durch die Chronizität des Grundleidens (bei fortschreitender Arteriosklerose kann es, wie bei persistierenden Herzrhythmusstörungen zu einem erneuten Gefäßverschluss kommen). Andere Komplikationen sind bedingt durch falsche Indikationen (unzureichender Zustrom/Abfluss), falsche Anastomosentechnik (Frühverschluss, Nachblutung, Naht-Aneurysma), Fehldosierung gerinnungshemmender Medikamente (Blutung, Gefäßverschluss) oder Infekte (Abszesse, Naht-Aneurysmen). Bei Patienten mit allgemeinen Gefäßveränderungen sind perioperative Zwischenfälle wie Herzinfarkt, Herzinsuffizienz oder Apoplex (vor allem nach Karotis-TEA) nicht selten. Zu spezifischen Komplikationen von Gefäßoperationen siehe Tab. B-7.2.
Diese ergeben sich aus der Chronizität des Grundleidens oder sind bedingt durch falsche Indikationen, falsche Anastomosentechnik, Fehldosierung von Antithrombotika oder Infekte. Bei Patienten mit allgemeinen Gefäßveränderungen sind perioperative Zwischenfälle (Herzinfarkt, Apoplex) nicht selten. Zu spezifischen Komplikationen siehe Tab. B-7.2.
B-7.2
Spezifische Komplikationen nach gefäßchirurgischen Operationen
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Karotisstromgebiet
Apoplex, TIA, Verletzungen des N. hypoglossus, N. vagus und N. laryngeus recurrens
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A. subclavia
Schädigung des Armplexus, Pleuraeröffnung (cave: Pneumothorax-Gefahr!)
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Nierenarterien
Nierenversagen
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Mesenterialgefäße
Darmischämie
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infrarenale Aorta
ischämische Kolitis des linken Hemikolons, vaskuläre und/ oder neurogene Impotenz
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Beckenstrombahn
Verletzungen der Ureteren und der Beckenvenen
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Leistenregion
Verletzungen des N. femoralis und der V. femoralis
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Extremitäten
Verletzungen peripherer Nerven
B-7.2
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1114
B 7 Gefäßchirurgie
Bei Nachblutungen ist eine sofortige Revision angezeigt. Infizierte Prothesen müssen in der Regel entfernt werden.
Bei Nachblutungen ist nach Konsolidierung der Gerinnungsparameter eine unverzügliche Revision angezeigt. Infizierte Prothesen lassen sich in der Regel nicht durch Antibiotika sanieren. Sie müssen entfernt werden, nach Möglichkeit vor dem Auftreten septischer Komplikationen.
7.3
Leitsymptome
Am häufigsten auftretende Leitsymptome sind: ■ ■ ■
Extremitätenschmerzen Beinschwellung Ulkus, Gangrän
Extremitätenschmerzen
7.3
Leitsymptome
Die am häufigsten auftretenden Leitsymptome sind: ■ ■ ■
Extremitätenschmerzen Beinschwellung Ulkus, Gangrän.
Extremitätenschmerzen
B-7.3
B-7.3
Die häufigsten Ursachen von Extremitätenschmerzen
Differenzialdiagnosen
charakteristische Befunde
Erkrankungen des Gefäßsystems akuter Verschluss von Extremitätenarterien (S. 1117)
6 P’s (= pain, pulselessness, palor, paraesthesia, paralysis, prostration)
periphere arterielle Verschlusskrankheit (S. 1122)
Belastungsschmerzen distal der Stenose (Claudicatio intermittens)
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Thrombophlebitis (S.1152)
Rötung, Überwärmung, oberflächlich schmerzhafte Venenstränge
■
Phlebothrombose (S.116)
Schwere und Spannungsgefühl, dumpfe Schmerzen, die sich durch Hochlagern der Extremität bessern, überwärmte Haut
Phlegmasia coerulea dolens (S. 123)
Zyanose, Ischämie (Schmerzen), kalte Haut, Venenstauung, Paresen
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neurologische Erkrankungen ■
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Polyneuropathie
Parästhesien (distal betont, häufig strumpfförmig), ggf. ziehende Schmerzen, Störungen des autonomen Nervensystems, ggf. schlaffe Paresen
Spinalkanalstenose (Claudicatio spinalis)
intermittierende Schmerzen in den Beinen (Besserung im Sitzen), selten zusätzlich Paresen und Sensibilitätsstörungen
Wurzelkompressionssyndrom
in das Bein ausstrahlende Schmerzen im Bereich der LWS, ggf. kombiniert mit Sensibilitätsstörungen, Reflexabschwächung, Paresen (Peroneuslähmung)
weitere Erkrankungen ■
Arthrose
„Anlaufschmerz“: Gelenknahe Schmerzen (v. a. bei Belastung), typische radiologische Befunde
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rheumatoide Arthritis
schmerzhafte Gelenkschwellung mit Rötung, Anstieg der Entzündungsparameter (BSG, CRP), Rheumafaktor
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posttraumatisch
abhängig von Traumalokalisation
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B 7.3 Leitsymptome
Beinschwellung B-7.4
Beinschwellung
Die häufigsten Ursachen einer Beinschwellung
Differenzialdiagnose
1115
B-7.4
charakteristische Beschwerden
Erkrankungen des Gefäßsystems ■
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Varikosis und chronisch venöse Insuffizienz (CVI) (S. 1148)
v. a. gegen Abend auftretende Ödemneigung, Schwereund Druckgefühl, nächtliche Wadenkrämpfe; bei CVI: trophische Störungen, ggf. Ulcus cruris venosum
Phlebothrombose (S.116)
Spannungsgefühl, Schwere, schmerzhafte Schwellung (Ausdehnung abhängig von Thromboselokalisation), Zyanose, überwärmte Haut
Phlegmasia coerulea dolens (S. 123)
starke schmerzhafte Schwellung (plötzlich auftretend), Zyanose, kühle Haut, Venenstauung, Paresen, Ischämie
Ödeme ■
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Ödem bei Rechtsherzinsuffizienz (RHI)
Unterschenkelödeme in Kombination mit Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz (gestaute Hals- und Zungengrundvenen, Aszites bei Leberstauung, Pleuraerguss, Proteinurie bei Nierenstauung, Stauungsgastritis
Ödem bei Niereninsuffizienz (NI)
Unterschenkelödeme in Kombination mit Zeichen der Niereninsuffizienz: Symptome der Urämie (Gastroenteropathie, Polyneuropathie, Pruritus, Perikarditis, Pleuritis); bei chronischer NI: Hypertonie, renale Anämie
Lymphödem
Ödem (Ausdehnung bis zu den Zehen), im fortgeschrittenen Stadium Fibrosierung und Hypertrophie der Haut (Endstadium: Elephantiasis)
weitere Ursachen ■
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CRPS (= Complex regional pain syndrome) (S. 756)
meist anamnestisch Trauma, v. a. nächtliche Schmerzen (Besserung durch Hochlagerung), Ödeme, Dysästhesien, autonome Dysfunktion mit Hautüberwärmung, trophischen Störungen, Schweißsekretionsstörung, Paresen
posttraumatische Schwellung
anamnestisch Trauma
Ulkus, Gangrän B-7.5
Die häufigsten Differenzialdiagnosen bei Ulkus bzw. Gangrän
Differenzialdiagnose und Ätiologie ■
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Ulkus, Gangrän
B-7.5
charakteristische Beschwerden und Lokalisation
Ulcus cruris venosum (bei CVI, postthrombotischem Syndrom, S.1154)
Schmerzen, Juckreiz, tiefrotes Ulkus (v. a. am medialen Unterschenkel bzw. Knöchel), häufig umgebend Hyperpigmentation und trophische Störungen, v. a. am distalen medialen Unterschenkel.
Ulcus cruris arteriosum und bei bakterieller Besiedelung Gangrän (bei pAVK Stadium IV, S.1122)
v. a. am distalen lateralen Unterschenkel sowie im Bereich der Zehen (Beginn an der Großzehe) und Fußsohle, trophische Störungen der Haut und Weichteile, fehlende Venenfüllung, blasse Haut.
Malum perforans pedis (bei Polyneuropathie)
v. a. im Bereich der Zehen und Fußsohlen (häufig keine Schmerzen durch Polyneuropathie).
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1116 7.4
Erkrankungen der Arterien
B 7 Gefäßchirurgie
7.4
Erkrankungen der Arterien
Formen der Arteriopathie: ■ obliterierende (z. B. Gefäßverschluss) ■ dilatierende (z. B. Aneurysma).
Erkrankungen der Arterien werden in obliterierende (Gefäßverschluss) und dilatierende (Aneurysma) Formen, sowie Gefäßverletzungen unterteilt.
Bei der dilatativen Arteriopathie sind alle Gefäßwandschichten beteiligt, bei den obliterierenden Erkrankungen sind v. a. die beiden inneren Schichten betroffen.
Dilatative Arteriopathien zeichnen sich durch eine Beteiligung aller Gefäßwandschichten aus, während bei obliterierenden Erkrankungen vor allem die beiden inneren Wandschichten geschädigt sind (Verdickung und ulzeröse Veränderungen der Intima durch Anlagerung von Cholesterinkristallen und Thrombozytenaggregaten oder Entwicklung einer Mediasklerose durch Stoffwechselstörungen der Gefäßwand).
7.4.1 Akuter Arterienverschluss
7.4.1 Akuter Arterienverschluss
Grundlagen
Grundlagen
왘 Definition
왘 Definition. Ein akuter Arterienverschluss ist eine plötzliche Verlegung des Arterienlumens. Abhängig von der Ischämietoleranz der betroffenen Gefäßregion besteht bereits nach kurzer Zeit die Gefahr eines ischämischen Schadens.
왘 Merke
왘 Merke. Der akute arterielle Gefäßverschluss stellt eine Notfallsituation dar,
die sofortiges diagnostisches und therapeutisches Handeln erfordert. Ätiologie: ■ Häufigste Ursache ist die Embolie. Die meisten Emboli entstehen im Herzen (v. a. im linken Vorhof). Eine Übersicht gibt Tab. B-7.6, S. 1117 wieder. ■ Arterielle Thrombosen sind die zweithäufigste Ursache für akute Arterienverschlüsse. ■ Pseudoembolie: Gefäßspasmen können Embolien vortäuschen. ■ Paradoxe Embolie: Bei offenem Foramen ovale können Thromben aus dem venösen Stromgebiet in die arterielle Strombahn gelangen und dort embolisieren. ■ Mikroembolien (max. 1 mm Größe) entstehen an atheromatösen Gefäßwandulzera und verursachen Krankheitsbilder wie die Amaurosis fugax, transitorische ischämische Attacken (TIA) oder ein „Blue-toe-Syndrom“.
Embolien manifestieren sich in absteigender Häufigkeit im Hirnstromgebiet (Apoplex), in den Beinen, den Armen und den Viszeralgefäßen (Mesenterialinfarkt).
Ätiologie: Embolien: Diese sind die häufigste Ursache für einen akuten arteriellen Verschluss. Häufigster Bildungsort eines Embolus ist das Herz (v. a. linker Vorhof, z. B. bei Vorhofflimmern). Eine Übersicht über die häufigsten Ursachen gibt Tab. B-7.6, S. 1117 wieder. ■ Arterielle Thrombosen: Als zweithäufigste Ursache für akute Arterienverschlüsse liegt diesen häufig ein z. B. durch Arteriosklerose vorgeschädigtes Gefäß zugrunde. Aber auch Gefäßprothesen, Polyglobulie und traumatische Gefäßwandschäden sowie Aortendissektionen und die Phlegmasia coerulea dolens sind wichtige prädisponierende Faktoren. Weitere Bildungsorte von embolisierenden Abscheidungsthromben sind Aneurysmen (z. B. Aneurysma dissecans) und nicht selten auch Tumoren (Vorhofmyxom, Gefäßwandtumoren). ■ Pseudoembolien: Gefäßspasmen können eine Embolie vortäuschen. Diese Reaktion kann durch die Einnahme ergotaminhaltiger Präparate (Ergotismus) z. B. bei Migräne oder durch versehentliche intraarterielle Injektion bestimmter Pharmaka (z. B. Barbiturate, Tranquilizer, Antibiotika) hervorgerufen werden. ■ Paradoxe Embolien: Bei offene Foramen ovale können Thromben aus dem venösen Stromgebiet in die arterielle Strombahn gelangen und dort embolisieren. ■ Mikroembolien: Diese Sonderform zeichnet sich durch maximal 1 mm große Emboli aus, die aus atheromatösen Gefäßulzera und Plaques (A. carotis, Aorten-/Poplitealaneurysma) abgeschwemmt werden. Bei Befall der Hirnstrombahn entsteht z. B. das Bild einer Amaurosis fugax oder einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA). Selten findet sich das Syndrom der Cholesterinkristallembolie, das auch als „Blue-toe-Syndrom“ bezeichnet wird. Es kommt dabei zur Verlegung der akralen Kapillarstrombahn durch Mikroembolisation. Das Krankheitsbild ist durch starke Schmerzen charakterisiert and kann nur symptomatisch behandelt werden.
■
Die meisten Embolien betreffen das Hirnstromgebiet (Apoplex). In der Peripherie befinden sich 75 % der Verschlüsse im Bereich der unteren und 20 % im Bereich der oberen Extremität. In ca. 5 % kommt es zu Mesenterialinfarkten. Prädilektionsstellen für embolische Gefäßverschlüsse sind Gefäßaufzweigungen
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B 7.4 Erkrankungen der Arterien
B-7.6 ■
Ursachen arterieller Embolien
Herz
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Aorta, A. carotis, A. poplitea, A. subclavia
ulzerierte Gefäßwandplaques
A. carotis, A. abdominalis
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Tumoren
ins Gefäßsystem eingebrochene Karzinome oder Gefäßwandtumoren (z. B. Hämangiosarkom)
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Fettembolie
nach Frakturen (z. B. Femur, Becken)
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Luftembolie
nach Eröffnung großlumiger Venen
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Fremdkörperembolie
abgebrochene Venenkatheter, Schrittmacherkabel, Sonden, Granatsplitter usw.
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B-7.6
Klappen: Klappenfehler (v. a. Mitralklappe), mechanische Herzklappen, Endokarditis Vorhöfe: Arrhythmia absoluta (z. B. bei KHK), Vorhofflimmern bei Mitralvitium, offenes Foramen ovale, Vorhofmyxom Ventrikel: Herzwandaneurysma nach Infarkt, Rhythmusstörungen z. B. bei KHK, dilatative Kardiomyopathie
Aneurysmen
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1117
(Aortenbifurkation, A. femoralis, A. poplitea, A. brachialis, A. carotis) und Gefäßabgänge (A. mesenterica). Pathophysiologie
Pathophysiologie
Der akute Gefäßverschluss führt je nach der Ischämietoleranz des betroffenen Gebietes und abhängig von der Ischämiezeit bis zu Therapiebeginn zu einem mehr oder weniger stark ausgeprägten Gewebeuntergang.
Abhängig von der Ischämiezeit führt der akute Gefäßverschluss zu einem mehr oder weniger stark ausgeprägten Gewebeuntergang.
Klinik
Klinik
Die Symptomatik ist entsprechend dem betroffenen Gefäßgebiet durch einen akut einsetzenden Funktionsausfall der abhängigen Gefäßregion (Extremität oder Organ) gekennzeichnet. Im Allgemeinen zeichnen sich arterielle Embolien aufgrund der fehlenden Kollateralenbildung (plötzlicher Verschluss) durch eine ausgeprägtere Symptomatik aus als arterielle Thrombosen. ■ Verschluss der A. carotis interna: Abhängig von der Ausprägung des Verschlusses äußert sich dieser als TIA, PRIND oder Apoplex. ■ Verschluss der Aorta abdominalis auf Höhe der Bifurkation: Leriche-Syndrom (dramatischer Verlauf: Beidseitig fehlende Leistenpulse und periphere Pulse, plötzlich auftretender Schmerz in beiden Beinen, innerhalb von Stunden periphere neurologische Ausfälle) ■ akuter Mesenterialarterienverschluss (Abb. B-7.17, S. 1129): Sofortschmerz mit Zeichen des akuten Abdomens (phasenhafter Verlauf: Initial „Vernichtungsschmerz“, gefolgt von einem „stillen Intervall“ mit anschließend Peritonismuszeichen). ■ Verschluss der A. renalis: Akutes Nierenversagen. ■ akuter Extremitätenarterienverschluss: s. u.
Entsprechend dem betroffenen Gefäßgebiet resultiert ein akut einsetzender Funktionsausfall der abhängigen Gefäßregion (Extremität oder Organ).
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Verschluss der A. carotis interna: TIA, PRIND oder Apoplex Verschluss der Aorta abdominalis (Höhe der Bifurkation): Leriche-Syndrom
akuter Mesenterialarterienverschluss (Abb. B-7.17, S. 1129): Sofortschmerz mit Zeichen des akuten Abdomens Verschluss der A. renalis: Akutes Nierenversagen akuter Extremitätenarterienverschluss: s. u.
Akuter Extremitätenarterienverschluss
Akuter Extremitätenarterienverschluss
Klinik
Klinik
Zu Symptomen des akuten Extremitätenarterienverschlusses siehe Tab. B-7.7 und S. 117.
Zu Symptomen des akuten Extremitätenarterienverschlusses siehe Tab. B-7.7 und S. 117.
Diagnostik
Diagnostik
Wichtige Hinweise bieten im Rahmen der Anamnese insbesondere Angaben über vorbestehende Herz- oder Gefäßerkrankungen (s.o.). Bei der klinischen Untersuchung müssen v. a. der Pulsstatus, die Hauttemperatur und -farbe
Anamnestisch bieten v. a. Angaben über vorbestehende Herz- oder Gefäßerkrankungen (s.o.) wichtige diagnostische Hinweise.
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B 7 Gefäßchirurgie
1118 B-7.7
B-7.7 ■ ■ ■ ■ ■ ■
B-7.8
Die 6 P des akuten Arterienverschlusses
Pulselessness Palor Pain Paresthesia Paralysis Prostration
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Anhaltspunkte für eine Thrombose
bekannte Herzerkrankung (Klappenfehler, Rhythmusstörungen, Infarkt) Embolie in der Anamnese
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plötzlicher Beginn mit starken Schmerzen (komplette Ischämie, keine Kollateralen) gleichzeitig plötzliche Durchblutungsstörungen in mehreren Regionen (z. B. periphere Embolie und Apoplex oder TIA) bisher leere angiologische Anamnese
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anamnestische Hinweise auf eine auslösende Ursache (Digitalisierung, besonders körperliche Anstrengung, Herzstolpern)
B-7.9
■ ■
Pulslosigkeit Blässe Schmerzen Sensibilitätsstörungen Lähmung Entkräftung
Differenzialdiagnostische Hinweise für das Vorliegen einer arteriellen Embolie oder einer arteriellen Thrombose
Anhaltspunkte für eine Embolie ■
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bekannte arterielle Verschlusskrankheit/AVK (Claudicatio intermittens) Gefäßoperation, Angiographie, PTA in der Anamnese schleichender Beginn mit weniger starken Schmerzen (inkomplette Ischämie bei vorhandenen Kollateralen) gleichzeitig abgeschwächte Pulse auf der Gegenseite als Hinweis auf eine AVK Ausschluss eines Emboliestreuherdes Hinweise für thrombosefördernde Faktoren (forcierte Diurese, Polyzythämie, Polyglobulie, Leukose)
Stadieneinteilung der akuten Extremitätenischämie (nach Rutherford)
Stadium
Extremitätenbefund
Sensibilität
Motorik
Doppler
I
funktionsfähig, Extremität nicht bedroht
erhalten
erhalten
hörbar
II
Extremität bedroht
marginal
minimal herabgesetzt
erhalten
nachweisbar oder nicht hörbar
unmittelbar
aufgehoben
herabgesetzt
nicht hörbar
aufgehoben
Paralyse
nicht hörbar
III
irreversibler Schaden
Bei der klinischen Untersuchung ist insbesondere auf Pulsstatus, Hauttemperatur und -farbe, neurologische Ausfälle sowie Schmerzen und die Motorik zu achten. Zur Verifizierung dienen Doppler-Sonographie, farbkodierte Duplexsonographie sowie die transösophageale Echokardiographie (bei V.a. Verlegung der Aorta abdominalis). Anamnestisch verwertbare Differenzierungsmerkmale sind in Tab. B-7.8 dargestellt.
(Rötung, Blässe?), neurologische Ausfälle sowie Schmerzen und die Motorik (6 P’s) geprüft werden. Die Diagnose eines akuten Arterienverschlusses durch Embolie wird hauptsächlich klinisch gestellt. Sie kann dopplersonographisch quantifiziert werden (komplett/inkomplett). Die Doppler-Sonographie kann weiterhin den Palpationsbefund (Pulsverlust, Kälte) verifizieren. Im Bereich der Extremitäten ist die farbkodierte Duplexsonographie die diagnostische Methode der Wahl. Bei Verdacht auf Verlegung der Aorta abdominalis ist die transösophageale Echokardiographie indiziert. Die Angiographie (DSA, Spiral-CT-Angio oder Angio-MRT) ist für eine Embolektomie präoperativ nicht unbedingt erforderlich. Wichtig ist die klinische Abgrenzung zur arteriellen Thrombose. Zur Therapieplanung bei arterieller Thrombose ist das Vorliegen einer Angiographie zur Beurteilung des gesamten Gefäßsystems notwendig. Anamnestisch verwertbare Differenzierungsmerkmale sind in Tab. B-7.8 dargestellt.
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnosen: Ein Gefäßspasmus, eine Immunvaskulitis, eine tiefe Beinvenenthrombose und eine Phlegmasia coerulea dolens müssen abgegrenzt werden.
Eine akute tiefe Beinvenenthrombose mit einer Phlegmasia coerulea dolens (Palpation, Doppler-Sonographie) kann ähnliche Symptome wie ein akuter Extremitätenarterienverschluss verursachen. Für eine Pseudoembolie im Sinne eines arteriellen Gefäßspasmus sprechen jugendliches Alter, weibliches Ge-
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B 7.4 Erkrankungen der Arterien
1119
schlecht und das Fehlen jeglicher Risikofaktoren neben dem Zusammenhang mit Injektionen und der Medikamentenanamnese (Ergotismus). Diese oft fadenförmigen Spasmen auch großer Gefäße sind in der Angiographie in typischer Weise darstellbar. Häufig sind ebenfalls die Koronar- und/oder Mesenterialgefäße betroffen. Seltene Differenzialdiagnosen zu akuten, arteriellen Gefäßverschlüssen sind Immunvaskulitis (erhöhte Entzündungsparameter, Autoantikörper) und Aortendissektion. Auch nicht gefäßchirurgische Krankheitsbilder wie Muskelzerrungen und -faserrisse sowie Bandscheibenvorfälle, Neuritiden, rheumatische Beschwerden und Tumoren müssen in die diagnostischen Erwägungen mit einbezogen werden.
Aortendissektionen können ebenfalls einen akuten Gefäßverschluss hervorrufen.
Therapie
Therapie
In jedem Fall eines akuten Arterienverschlusses muss umgehend eine Therapie erfolgen (die chirurgische Zeitgrenze beträgt 6 Stunden, in Ausnahmefällen bis zu 10 Stunden). Diese „Grenze“ stellt jedoch häufig eine Scheingenauigkeit dar. Wichtig ist die dringliche Wiederherstellung der Gefäßstrombahn bei der akuten Ischämie. Zur Verhinderung einer Appositionsthrombose ist als Sofortmaßnahme die Gabe von Heparin indiziert (S. 124). Bei akutem embolischem Extremitätenverschluss sind die i. v.-Applikation von 5000 – 10 000 IE Heparin, die Tieflagerung und Polsterung der betroffenen Extremität, Analgetikagabe sowie der unverzügliche Transport in den OP zur Embolektomie indiziert. Diese erfolgt nach zügiger Operationsvorbereitung (direkt durch Arteriotomie in Kombination mit Thrombektomie oder indirekt mittels Fogartykatheter, s.o.). Eine Fibrinolyse ist nur ausnahmsweise im Falle einer arteriellen Thrombose oder bei Bypassverschlüssen indiziert. Bei komplexem Ischämiesyndrom muss unverzüglich die operative Wiedereröffnung der Strombahn angestrebt werden, um ein Reperfusionssyndrom zu vermeiden. Die arterielle Thrombose bei vorbestehendem arteriosklerotischem Gefäßschaden erfordert größeren diagnostischen und therapeutischen Aufwand. Wegen der vorhandenen Kollateralen ist, mit Ausnahme einer kompletten Ischämie, eine konservative Behandlung mit Rheologika und Antikoagulanzien (Vollheparinisierung) angezeigt. Bei frischen Thromben kann eine Lyse (mit Streptokinase/Urokinase/rt-PA) erwogen werden, wenn keine Kontraindikationen bestehen. Eine Operationsindikation ist dann gegeben, wenn die Rekanalisierung nicht gelingt oder wenn nach angiographischem Befund eine hohe Reokklusionswahrscheinlichkeit besteht, die nicht durch Stenteinlage behoben werden kann. Häufige chirurgische Techniken sind TEA mit und ohne Patchplastik oder Bypass. Bei rezidivierenden Mikroembolien muss die Emboliequelle lokalisiert (z. B. Echokardiographie) und saniert werden (z. B. Herzklappenersatz bei Klappenvitium). Zwischenzeitlich ist bei einer peripheren Symptomatik die i. v.-Gabe von Heparin indiziert. Rezidive lassen sich nur durch die Sanierung der Emboliequelle vermeiden.
In jedem Fall eines akuten Arterienverschlusses muss umgehend eine Therapie erfolgen.
Auch an nicht gefäßchirurgische Krankheitsbilder muss gedacht werden.
Die akute Embolie muss nach i. v. Heparinisierung (5000 – 10 000 IE) mit Tieflagerung und Polsterung der Extremität und Analgetikagabe unverzüglich durch eine Embolektomie behandelt werden.
Eine Fibrinolyse ist nur in Ausnahmefällen indiziert. Bei komplexem Ischämiesyndrom muss unverzüglich die operative Wiedereröffnung der Strombahn erfolgen. Eine arterielle Thrombose kann oft konservativ (Heparin, Rheologika, Lysetherapie) behandelt werden. Eine Operationsindikation (TEA, Bypass) besteht bei misslungener Rekanalisation oder hoher Reokklusionswahrscheinlichkeit nach angiographischem Befund.
Bei Patienten mit rezidivierenden peripheren Mikroembolien ist die i. v.-Gabe von Heparin indiziert.
Nachbehandlung und Prophylaxe
Nachbehandlung und Prophylaxe
Postoperativ erfolgt eine intravenöse Antikoagulation mit Heparin mit einer Dosis von ca. 15 000 IE/d. Im Einzelfall wird PTT-gesteuert antikoaguliert.
Postoperativ erfolgt eine Antikoagulation mit Heparin (i. v.) in einer Dosis von ca. 15 000 IE/d.
Zur langfristigen Beseitigung von Emboliequellen und damit zur Rezidivprophylaxe muss das Grundleiden behandelt werden (z. B. Digitalisierung bei Vorhofflattern, Herzklappenersatz bei Klappenfehler als Emboliequelle usw.).
Zur Rezidivprophylaxe muss das Grundleiden behandelt werden.
Prognose und Komplikationen
Prognose und Komplikationen
Prognose: Über den Therapieerfolg entscheiden Ausmaß und Dauer der Ischämie, da durch Appositionsthromben das rekanalisierbare Gefäßsystem mit zunehmendem Zeitintervall abnimmt (Amputationsrate innerhalb der ersten 6 Stunden 5 5 %, nach 2 Tagen bereits ≤ 25 – 30 %).
Prognose: Ausmaß und Dauer der Ischämie sind entscheidend über den Therapieerfolg.
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1120 B-7.15
B 7 Gefäßchirurgie
B-7.15
Leriche Syndrom Kollateralisierung über die A. mesenterica inferior zur A. iliaca interna.
Komplikationen: Bei Rekanalisation nach lange bestehender Extremitätenischämie entsteht neben der ischämiebedingten Gewebeschädigung ein zusätzlicher Reperfusionsschaden im Sinne eines Reperfusionso.a. Tourniquet-Syndroms mit deutlichem Anstieg der Amputationsrate durch die Entstehung eines postischämischen Ödems. Aufgrund der potentiellen Entstehung eines Kompartmentsyndroms (S. 750) sollte bei länger bestehendem embolischen Verschluss eine Kompartmentspaltung vor der Revaskularisation bedacht werden.
Akrale Ischämiesyndrome: Raynaud-Phänomene 왘 Synonym
Komplikationen: Bei Rekanalisation nach lange bestehender Extremitätenischämie ist ein zunehmender Reperfusionsschaden im Sinne eines Reperfusionso.a. Tourniquet-Syndroms zu erwarten. Infolge des anaeroben Stoffwechsels bewirken freie Radikale und toxische Stoffwechselprodukte Endothelschäden. Die Folge ist ein zusätzliches Ödem mit weiterem Funktionsverlust der Extremität. Beim Vollbild der Ischämie kann sich in wenigen Stunden (vor allem bei komplettem Verschluss der infrarenalen Aorta, dem sog. Leriche-Syndrom) ein Schock entwickeln. Auch das Kompartmentsyndrom (S. 750) entsteht durch ein postischämisches Ödem. Daher sollte bei länger bestehendem embolischen Verschluss die eventuelle Notwendigkeit einer Kompartmentspaltung vor der Revaskularisation bedacht werden. Die Messung des Kompartmentdrucks ist mithilfe eines Druckaufnehmers möglich, aber nicht immer zuverlässig. Aus diesem Grund ist die klinische Einschätzung immer wegweisend. Hilfestellung können Laborparameter geben (CK und Myoglobin in Serum und Urin erhöht).
Akrale Ischämiesyndrome: Raynaud-Phänomene 왘 Synonym. primäre essenzielle Angioneuropathie
Ätiologie: ■ Während der primäre Morbus Raynaud durch akrale Gefäßspasmen sowie eine Kapillaropathie hervorgerufen wird, ■ wird die Minderung des akralen Perfusionsdrucks bei der sekundären Form im Rahmen einer anderen Grunderkrankung verursacht (Tab. B-7.10).
Ätiologie: ■ Der primäre Morbus Raynaud ist ein Krankheitsbild sui generis, welches durch akrale Gefäßspasmen und eine Kapillaropathie mit Minderung des akralen Perfusionsdrucks bedingt ist. ■ Dieses Perfusionsdefizit kann auch als sekundäres Raynaud-Phänomen im Rahmen anderer Grunderkrankungen ausgelöst werden. So tritt dieses Phänomen häufig bei Systemerkrankungen und Kollagenosen, aber auch bei TOS (Thoracic-outlet-Syndrom, S. 1136), Sklerodermie, leukämischen Erkrankungen und durch Kälteagglutinine (Tab. B-7.10) auf.
Epidemiologie: Etwa 2 % der Erwachsenen leiden unter akralen Ischämiesyndromen. V.a. Frauen von 20 – 40 Jahren sind betroffen (80 %).
Epidemiologie: Etwa 2 % der Erwachsenen leiden unter akralen Ischämiesyndromen. Der primäre Morbus Raynaud tritt vor allem bei Frauen zwischen 20 – 40 Jahren (80 %) auf, die häufig zusätzlich unter einer Migräne oder einer koronaren vasospastischen Angina (sog. Prinzmetal-Angina) leiden. Im Gegensatz dazu ist eine Geschlechts- oder Altersprädisposition bei der sekundären Form nicht vorhanden.
Pathophysiologie: Auslösend sind vasomotorische Spasmen der Fingerarterien.
Pathophysiologie: Vasomotorische Spasmen der Fingerarterien sind Auslöser der Symptomatik.
Klinik: Charakteristisch ist eine anfallsartige Ischämie der Finger und Hände (Füße/Zehen) mit Taubheitsgefühl und Fingersteifigkeit. Pathognomonisch ist die „Trikolore“.
Klinik: Das Raynaud-Phänomen äußert sich durch schmerzhafte anfallsartige Ischämieattacken der Finger und Hände (Füße/Zehen) mit Taubheitsgefühl und schmerzhafter Fingersteifigkeit, die häufig nach Kälteexposition oder durch
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B 7.4 Erkrankungen der Arterien
B-7.10
Anhaltspunkte und Ursachen für einen primären Morbus Raynaud oder ein sekundäres Raynaud-Phänomen
Anhaltspunkte für einen primären Morbus Raynaud ■
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anfallsartige akrale Gefäßspasmen ohne Grunderkrankung weibliches Geschlecht, Alter 20 – 40 Jahre (80 %) symmetrischer beidseitiger Befall mit Aussparung der Daumen ggf. Schwellung der Akren nach Beendigung des Vasospasmus keine trophischen Störungen an den Akren oft Migräne oder vasospastische Angina pectoris in der Anamnese fehlende berufliche Exposition
mögliche Grunderkrankungen bei sekundärem Raynaud-Phänomen
Beispiele
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arterielle Verschlusskrankheit
AVK, Thrombangiitis obliterans, Gefäßtraumen
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Kompressionssyndrome
Thoracic-outlet-Syndrom, Karpaltunnelsyndrom, Sulcus-ulnaris-Syndrom
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neurologische Erkrankungen
multiple Sklerose, Poliomyelitis, HWS-Syndrom, Neuritiden, spinale Tumoren
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Kollagenosen
Sklerodermie, Lupus erythematodes, Dermatomyositis
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hämatologische Erkrankungen
Leukosen, Polyglobulie, Kälteagglutinine, Thrombozytose, Paraproteinämien
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Medikamente
Ergotamin, β-Blocker, Sympathomimetika, Ovulationshemmer
berufsbedingte Traumen/ Umweltgifte
Vibrationstraumen (Presslufthammer), Fehlbelastung (Gehstützen, Klavierspiel, Maschineschreiben), chronische Schwermetallvergiftung (Maler), PVC
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psychischen Stress ausgelöst werden. Pathognomonisch für eine RaynaudIschämie ist die sog. „Trikolore“ mit einer initialen Leichenblässe, die über eine Zyanose in eine terminale Rötung übergeht. Diagnostik: Die Sicherung des Raynaud-Phänomens und die Diagnose ggf. verursachender Grunderkrankungen ist Ziel der Diagnostik. Im anfallsfreien Intervall kann das Raynaud-Phänomen durch einen Kältetest (10 Minuten im Wasserbad bei 12 °C) provoziert und das typische klinische Bild hervorgerufen werden. Zum Ausschluss der sekundären Formen muss eine weitergehende Labordiagnostik (Blutbild, BSG, Autoantikörper, Kälteagglutinine) durchgeführt werden. Mittels Doppler-Sonographie kann der periphere Verschlussdruck bestimmt und somit eine zentrale Stenose ausgeschlossen werden. Die Angiographie erlaubt meist eine Differenzierung zwischen Morbus Raynaud und sekundärem Raynaud-Phänomen. Ein peripher spastischer Gefäßbaum ohne Stenosen und Gefäßabbrüche spricht für einen Morbus Raynaud. Bei der Angiographie zur Diagnostik eines Raynaud-Phänomens sollten Vasodilatanzien (z. B. Regitin) vorgespritzt werden (Pharmakoangiographie), da durch Kontrastmittel Gefäßspasmen ausgelöst werden können.
Diagnostik: Ziel ist die Sicherung des Raynaud-Phänomens und die Diagnose ggf. verursachender Grunderkrankungen. Folgende Methoden werden angewandt: Kältetest, Labordiagnostik (Anhaltspunkte für ein internistisches Grundleiden?), Doppler-Sonographie (zentrale Gefäßstenosen), Angiographie (Differenzierung zwischen primärem und sekundärem Raynaud-Phänomen).
Differenzialdiagnosen: Abzugrenzen sind Krankheitsbilder wie die Akrozyanose (durch Kälteexposition verstärkte Zyanose der Akren auf dem Boden kardiopulmonaler Erkrankungen), das Burning-feet-Syndrom (durch Wärme provoziertes Kribbeln und Parästhesien der Fußsohlen bei Polyneuropathie), die paroxysmale Fingerapoplexie (sog. Achenbach-Syndrom: Spontan oder nach Anstrengung vor allem bei Frauen auf der Volarseite eines Langfingers auftretendes, sehr schmerzhaftes Hämatom) und das Blue-toe-Syndrom (akrale Ischämie bei Mikroembolien, S. 1116).
Differenzialdiagnosen: Die folgenden Krankheitsbilder können vom Raynaud-Phänomen zumeist klinisch differenziert werden: Akrozyanose, Burning-feet-Syndrom, paroxysmale Fingerapoplexie (Achenbach-Syndrom), BIue-toe-Syndrom.
Therapie: Die Therapie des primären Morbus Raynaud besteht in der Einnahme von Vasodilatanzien (Nitropräparate, α-Blocker). Therapie der Wahl ist heute die thorakoskopische Sympathektomie, die zu einer längerfristigen Gefäßweitstellung führt. Alternativ kann die computergesteuerte Sympathikolyse versucht werden. Beim sekundären Raynaud-Phänomen steht die Behandlung der Grundkrankheiten im Vordergrund. Bei Progredienz des Grundleidens sind oft Grenzzonenamputationen notwendig.
Therapie: Bei primärem Morbus Raynaud Einsatz gefäßdilatierender Medikamente, ggf. thorakoskopische Sympathektomie. Bei sekundärem Raynaud-Phänomen ist die Sanierung der Grunderkrankung und bei Progredienz die Grenzzonenamputation indiziert.
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B 7 Gefäßchirurgie
1122 7.4.2 Periphere arterielle
7.4.2 Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)
Verschlusskrankheit (pAVK) 90 % der Patienten mit Symptomen einer pAVK werden erst durch Schmerzen zum Arzt geführt.
왘 Merke
90 % der Patienten mit Symptomen einer pAVK werden erst durch Schmerzen zum Arzt geführt. Bei chronischem Verlauf lassen sich bereits länger bestehende Beschwerden, die vom Patienten häufig fehlgedeutet wurden eruieren (z. B. zunehmendes Schwächegefühl, rasche Ermüdbarkeit, Enge- oder Druckgefühl, zunehmende Kälteempfindlichkeit und schlecht heilende Wunden bei peripherer AVK). 왘 Merke. In den Industrieländern stellen die Komplikationen der pAVK ab
dem 40. Lebensjahr die mit Abstand häufigste Todes- und Erkrankungsursache dar. Die Beschwerden sind durch definierte Belastung reproduzierbar. Diese werden immer distal des betroffenen Gefäßabschnittes lokalisiert (z. B. Oberschenkelverschluss: Wadenschmerz).
Ätiologie: Die häufigste Ursache ist die Arteriosklerose (m : w = 5 : 1). Zu weiteren Ursachen siehe Tab. B-7.11.
Die Beschwerden einer peripheren AVK sind in der Regel bei einer definierten Belastung (Gehstrecke) reproduzierbar. Art und Ausmaß der Beschwerden bei pAVK unterscheiden sich je nach betroffenem Gefäßabschnitt und werden immer distal des Verschlussprozesses lokalisiert (z. B. Wadenschmerzen bei Oberschenkelgefäßverschlüssen, Gesäßoder Oberschenkelbeschwerden bei Beckengefäßverschlüssen). Ätiologie: Die häufigste Ursache der chronischen arteriellen Verschlusserkrankung ist die Arteriosklerose (m : w = 5 : 1). Wichtige Einflussfaktoren sind endogene und exogene Risikofaktoren. Zu weiteren Ursachen siehe Tab. B-7.11.
B-7.11
B-7.11 ■
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B-7.12 ■
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Risikofaktoren der Arteriosklerose
unbeeinflussbare Risikofaktoren
fortgeschrittenes Alter, männliches Geschlecht, familiäre Vorbelastung (familiäre Hypercholesterinämie, Hyperlipidämie oder Dys-β-Lipoproteine)
beeinflussbare Risikofaktoren
Nikotinabusus, Hypertonus, Adipositas
bedingt beeinflussbare Risikofaktoren
Hyperlipidämie, Hyperglykämie bei Diabetes mellitus, niedrige HDL-Spiegel, Hypothyreose, systemischer Lupus erythematodes, chronische Niereninsuffizienz, Homozystinurie, chronische Vitamin-D-Intoxikation
zusätzliche prädisponierende Faktoren
körperliche Inaktivität, Art der Stressbewältigung
Weitere Ursachen der chronischen pAVK (5 10 %)
Endangiitis (Thrombangiitis) obliterans (Morbus Winiwarter-Buerger)
befällt hauptsächlich starke Raucher unter 40 Jahren (m : w = 9 : 1); chronisch rezidivierende, segmentale Entzündung kleiner und mittelgroßer muskulärer Arterien im Bereich der unteren Extremität (80 %), multilokulär, mit Thrombosierungen oberflächlicher Venen einhergehend (Phlebitis migrans).
Fibromuskuläre Dysplasie
v. a. bei Frauen jüngeren bis mittleren Alters; charakteristisch sind angiographisch nachweisbare segmentale, perlschnurartige und kurzstreckige Lumeneinengungen der Gefäße; fast ausschließlich im Bereich der Beckenstrombahn.
MönckebergMediasklerose
v. a. Diabetiker und Urämiker (m : w = 3 : 1) betroffen; typisch sind steinharte, spangenförmige Mediaverkalkungen (Gänsegurgel), hauptsächlich der Unterschenkel- und Fußarterien unter Beteiligung ihrer Nebenäste.
Zystische Adventitiadegeneration
befällt Männer mittleren Alters (m : w = 8 : 1) streng einseitig und führt zu Stenosierungen gelenknaher Gefäße (v. a. A. poplitea).
Immunarteriopathien
können selbst (Panarteriitis nodosa, Wegener-Granulomatose, Takayasu-Syndrom, Arteriitis temporalis Horton, Kawasaki-Syndrom) oder im Rahmen anderer Grunderkrankungen (Sklerodermie, Dermatomyositis) zu Arterienverschlüssen führen.
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B 7.4 Erkrankungen der Arterien
1123
Pathophysiologie: Manifestationsort ist die Gefäßintima. Die Anlagerung von LDL, das durch HDL nicht abgeräumt werden kann in Kombination mit Einwanderung von Makrophagen bewirkt eine Plaquebildung. Die pathologischen Vorgänge verlaufen in Stadien: Zunächst kommt es zu einer Oberflächenschädigung des Endothels (mechanisch: z. B. Hypertonus, chemisch: z. B. Hyperlipidämie) und zur Gefäßwandverdickung durch Einlagerung von Cholesterinkristallen und subendothelialer Einwanderung von Makrophagen und glatten Muskelzellen (aus der Media). An ulzerösen Endothelläsionen bilden sich Thrombozytenaggregate. Die dort entstehenden Plaques und Thromben führen, wie die Gefäßwandverdickung zu einer progredienten Lumeneinengung. Durch Aufbrechen dieser Plaque werden lokal Thrombozyten aktiviert.
Pathophysiologie: Es kommt zur Oberflächenschädigung des Intimaendothels und zur Gefäßwandverdickung durch subendotheliale Einwanderung von Makrophagen und glatten Muskelzellen sowie zur Einlagerung von Cholesterinkristallen. Plaque- und Thrombenbildung führen zu einer progredienten Lumeneinengung. Im weiteren Verlauf resultieren Verkalkungen der Gefäßwände.
왘 Merke. Durch Thrombenbildung kann ein kompletter Verschluss des Gefäß-
왗 Merke
querschnitts resultieren. Im weiteren Verlauf entwickeln sich im geschädigten Bereich Verkalkungen der Gefäßwände. Prädilektionsorte dieser arteriosklerotischen Makroangiopathie sind große Leitungsgefäße (Aorta, A. femoralis superficialis), rechtwinklige Gefäßabgänge (A. renalis, A. cerebri media) und dichotome Gefäßaufzweigungen (Karotisgabel, Femoralisaufzweigung). Nach der anatomischen Lokalisation unterscheidet man einen Beckentyp (Aorta, A. iliaca), einen Oberschenkeltyp (A. femoralis superficialis, A. femoralis profunda) und einen Unterschenkeltyp (A. poplitea, A. tibialis ant. u. post. bzw. fibularis/peroneae). 왘 Merke. Bei der arteriellen Verschlusskrankheit (AVK) sind meist mehrere
Die Makroangiopathie manifestiert sich vor allem an Leitungsgefäßen, rechtwinkligen Gefäßabgängen und dichotomen Gefäßaufzweigungen. Nach der anatomischen Lokalisation unterscheidet man einen Beckentyp, einen Oberschenkel- und Unterschenkeltyp.
왗 Merke
Gefäßetagen (z. B. Becken- und Oberschenkeletage) und mehrere Organsysteme (z. B. periphere AVK und koronare Herzkrankheit/KHK) betroffen. Die untere Extremität ist mit 80 % der weitaus häufigste Manifestationsort der chronischen AVK. Einteilung: Durchblutungsstörungen werden nach Fontaine in vier Stadien eingeteilt (Tab. B-7.13). Die Fontaine Klassifikation wird v. a. im deutschen Sprachraum verwendet (in Amerika erfolgt die Klassifikation häufig nach der Stadieneinteilung von Rutherford).
Einteilung: Durchblutungsstörungen werden nach Fontaine in vier Stadien eingeteilt (Tab. B-7.13).
Klinik: Die klinische Symptomatik des Verschlusses ist abhängig von der Lokalisation und der Anzahl von Kollateralgefäßen (und dadurch von der Kompensationsmöglichkeit). Bei Verschluss einer „Endarterie“ ist die Symptomatik meistens gravierender als bei Verschlüssen von Transportarterien, da diese Gebiete alternativ von Kollateralen versorgt werden.
Klinik: Die Symptomatik ist abhängig von der Lokalisation und der Anzahl von Kollateralgefäßen. Bei Verschluss einer „Endarterie“ ist die Symptomatik meistens gravierender als bei Verschlüssen von Transportarterien.
B-7.13
Stadieneinteilung der pAVK nach Fontaine und Rutherford
Fontaine I
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IIa
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IIb
Symptome
Rutherford
Symptome
asymptomatisch
0
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Claudicatio: Gehstrecke 4 200 m
1
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2
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Gehstrecke 5 200 m
3
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III
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Ruheschmerzen
4
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IV
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Nekrose, Gangrän
5
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6
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B-7.13
asymptomatisch geringe Claudicatio intermittens, Doppler 4 50 mmHg mäßige Claudicatio intermittens schwere Claudicatio, Doppler nach Belastung 5 50 mmHg Ruheschmerzen distale trophische Läsion (akraler Gewebsuntergang) über das metatarsale Niveau nach proximal ausgedehnte Läsion
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Manifestation als Herz-, Hirninfarkt, Gefäßverschluß der Becken-/Beinstrombahn, mesenteriale und renale Durchblutungsstörung. ■
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Stadium I: Beschwerden sind unspezifisch (Schweregefühl, Kälteempfinden, Schwäche). Stadium II: Mit zunehmender Lumeneinengung entsteht eine reproduzierbare Symptomatik, es entwickelt sich die typische Claudicatio intermittens („Schaufensterkrankheit“). Nach kurzer Gehstrecke können initial auftretende Ischämiebeschwerden wieder abklingen, da saure Metaboliten eine lokale Gefäßerweiterung bewirken („walking through“).
Stadium III: Charakteristisch sind akral betonte Ruheschmerzen. Häufig besteht ein Begleitödem des Fußes/Unterschenkels, da die Patienten ihr Bein nachts aus dem Bett hängen lassen.
Stadium IV: Hier ist die völlige Dekompensation der Durchblutung erreicht. Es bilden sich Nekrosen (Stadium IVa) an Zehen und Ferse. Durch Infekte dieser Nekrosen entsteht die Gangrän oder Phlegmone (Stadium IVb) als potenzieller Sepsisherd.
Sonderformen: ■ Eine pAVK vom Beckentyp geht v. a. bei chronischem Lériche-Syndrom und bei Diabetikern häufig mit Erektionsstörungen einher. ■
Bei Diabetes mellitus laufen die arteriosklerotischen Veränderungen beschleunigt ab. Die diabetische Mikroangiopathie mit vorzeitigem Verschluss kleiner arterieller Gefäße (Zehennekrose bei palpablen Fußpulsen) entsteht verstärkt auf dem Boden der peripheren diabetischen Polyneuropathie. Polyneuropathische Sensibilitätsstörungen in Kombination mit der diabetischen Mikroangiopathie führen häufig zu schmerzlosen Fußulzera.
B 7 Gefäßchirurgie
Der Verschluss der A. femoralis superficialis kann z. B. durch Kollateralen kompensiert werden, die über die A. profunda femoris die A. poplitea (überwiegend im 1. Segment) mit Blut versorgen. Primär kann sich die pAVK als Herzinfarkt, ischämischer Hirninfarkt, in Form von Gefäßverschlüssen der Becken-/Beinstrombahn sowie mesenterialen und renalen Durchblutungsstörungen manifestieren. ■
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Stadium I: Im Allgemeinen sind Frühsymptome (Stadium I nach Fontaine) der pAVK unspezifisch. Sie können sich in Enge-, Kälte- oder Schwächegefühlen in den Beinen äußern. Stadium II: Leitsymptom ist die Claudicatio intermittens. Mit zunehmender Lumeneinengung (4 70 %) entsteht eine reproduzierbare Symptomatik, wobei die Beschwerden distal des Verschlussprozesses empfunden werden. Das Ausmaß der Durchblutungsstörung in der Latenzzeit zeigt sich bis zum Auftreten der „Schaufensterkrankheit“. Die beschwerdefreie Gehstrecke ist beeinflussbar durch die Gehgeschwindigkeit, die Belastung (Einkaufstasche), das Schuhwerk (Bergschuhe) und den Untergrund (lockerer Sand). In manchen Fällen wird nach initialen Ischämiebeschwerden eine Rückbildung der Symptomatik angegeben. Dieses „walking through“ erklärt sich durch eine Gefäßdilatation durch lokale Anhäufung saurer Metaboliten. Stadium III: Erreichen Gefäßstenosen 4 90 %, ist peripher davon kein Puls mehr tastbar. Charakteristisch ist ein an den Füßen/Zehen betonter Ruheschmerz. Trophische Störungen an den Akren sind erhöht infektgefährdet. Das häufig begleitende Unterschenkel-/Fußödem ist dadurch bedingt, dass die Patienten ihr Bein nachts aus dem Bett hängen lassen, um die Durchblutung zu verbessern und dadurch eine Linderung der Beschwerden zu erreichen (Symptome einer venösen Abflussstörung sind unter Hochlagerung rückläufig). Stadium IV: Ist die Ruhedurchblutung nicht mehr ausreichend, entstehen trockene Nekrosen (Mumifikation) an Zehen und Ferse (Stadium IVa). Eine bakterielle Infektion der Nekrosen führt zur feuchten Gangrän (Stadium IVb) oder Phlegmone, die Ausgangspunkt für eine Sepsis sein kann. Im Gegensatz zu den akralen Ulzera bei pAVK sind venöse Stauungsulzera insbesondere oberhalb des Innenknöchels lokalisiert. Bei Diabetikern wird gehäuft ein kombiniertes Auftreten der AVK-Stadien II und IV beobachtet.
Sonderformen: ■ Bei einer pAVK vom Beckentyp bestehen neben ischialgiformen Beschwerden häufig Erektionsstörungen, insbesondere bei beidseitigem Befall der Iliakalgefäße (chronisches Lériche-Syndrom) oder bei Diabetes mellitus (Mikroangiopathie und Polyneuropathie). ■ Bei Diabetes mellitus entstehen makroangiopathische Gefäßveränderungen beschleunigt, u. a. durch vermehrte Einlagerung nicht enzymatisch glykolysierter Proteine (vor allem Kollagen und Lipoproteine) in die Gefäßwand, Anhäufung gefäßwandtoxischer Stoffwechselprodukte (Sorbitol) sowie Verdickung der Basalmembran (aufgrund der wachstumsfördernden Wirkung von Insulin auf glatte Muskelzellen der Gefäßwand). Die damit verbundene Gefäßwandstarre und Lumeneinengung verstärkt den Hypertonus. Zusätzlich entwickelt sich verstärkt eine diabetische Mikroangiopathie (Durchblutungsstörung der kleinen Gefäße). Diese wird neben den o.g. Pathomechanismen primär durch die diabetische Polyneuropathie verursacht, welche u. a. eine Innervationsstörung der Gefäße mit konsekutiver Durchblutungsstörung hervorruft. Die Kombination der peripheren polyneuropathischen Sensibilitätsstörung mit der diabetischen Mikroangiopathie erklärt die bei dieser Erkrankung häufig auftretenden, schmerzlosen Fußulzera, welche vom Patienten häufig erst im infizierten Stadium (z. B. Gangrän einer Zehe nach Pediküre) bemerkt werden.
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B 7.4 Erkrankungen der Arterien
1125
Diagnostik: Durch Anamneseerhebung und klinische Untersuchung (Inspektion, Palpation: Pulsstatus aller Gefäßregionen, Auskultation: Abdomen, A. femoralis, A. carotis, Gehtest) können eindeutig Lokalisation (Verschlusstyp) und Schweregrad (Kompensationsdiagnose) der AVK bestimmt werden. Die apparative Diagnostik liegt schwerpunktmäßig in der Dopplerdruckbestimmung (Differenzierung von Makro- und Mikroangiopathie), der Duplexsonographie und der digitalen Subtraktionsangiographie (= DSA). Auch das MRT kann wertvolle Hinweise auf Verschlusslokalisationen und -konstellationen liefern. Bei Interventionsnotwendigkeit nach Ausschöpfen konservativer Behandlungsmaßnahmen sind die Möglichkeiten einer operativen Therapie anhand einer Angiographie zu prüfen.
Diagnostik: Die Lokalisations- und Kompensationsdiagnose kann durch die klinische Untersuchung gestellt werden. Die apparative Diagnostik erfolgt mittels Dopplerdruckbestimmung, Duplexsonographie und digitaler Subtraktionsangiographie (= DSA) sowie MRT und Angiographie zur Prüfung der OP-Möglichkeiten.
Differenzialdiagnosen: Eine venöse Thrombose ist ebenso abzugrenzen wie Polyneuropathie und Kompressionssyndrome sowie Erkrankungen nicht vaskulärer Genese (z. B. Lumbago, Polyarthritis). Auch andere Erkrankungen wie z. B. das Marfan Syndrom müssen ursächlich bedacht werden.
Differenzialdiagnosen: Abzugrenzen sind Thrombose, Polyneuropathie, Kompressionssyndrome und nicht vaskuläre Erkrankungen.
Allgemeine Therapie: Die Indikation zur Therapie wird in Abhängigkeit der klinischen Diagnostik gestellt. In den Stadien I und IIa erfolgt zunächst eine konservative Behandlung (Ausschalten von Risikofaktoren, Vermeidung von Verletzungen z. B. durch Manipulation an Zehennägeln), Gehtraining, ggf. vasoaktive Substanzen und/oder rheologische Maßnahmen. Sind diese Maßnahmen ausgeschöpft oder unzureichend (Stadium IIb oder III), muss die Indikation zur interventionellen/operativen Therapie gestellt werden. Die OPIndikation wird anhand des klinischen Stadiums (Kompensationsgrad), der psychosozialen Situation (Alter, Beruf) und des Angiographie-Befundes (Zustrom- und Abflussverhältnisse) unter Berücksichtigung stattgehabter Voroperationen und der allgemeinen Operabilität (Begleiterkrankungen, lokale Infekte) gestellt. Die Wahl des Behandlungsverfahrens (Sympathikolyse, PTA/Stenteinlage, Operation) wird durch die Angiographie überprüft.
Allgemeine Therapie: Die Therapie erfolgt stadienabhängig. In den Stadien I und IIa erfolgt zunächst eine konservative Behandlung. Sind diese Maßnahmen ausgeschöpft oder unzureichend (Stadium IIb oder III), muss die Indikation zur interventionellen/ operativen Therapie gestellt werden. Die Wahl des Behandlungsverfahrens (Sympathikolyse, PTA/Stenteinlage, Operation) wird durch Angiographie überprüft.
Therapie bei aortoiliakalen Verschlüssen: Diese treten überwiegend im Abschnitt V der Aorta und in der Beckenstrombahn auf. Eine Behandlungsindikation ergibt sich in den Stadien IIb, III (Ruheschmerzen) und IV (Nekrose, Gangrän). Die Therapiemethode richtet sich nach der Länge des Gefäßverschlusses. Stenosen von einer Länge bis zu 3 cm werden mittels Dilatation behandelt. Längerstreckige Gefäßveränderungen können interventionell durch PTA (Abb. B-7.9, S. 1109) oder einen chirurgischen Eingriff behandelt werden, bei längerstreckigen und hintereinandergeschalteten oder bilateralen Befunden wird die Gefäßchirurgie bevorzugt. Die Methode der TEA (Abb. B-7.11IIa) hat eine Renaissance im Bereich der Beckenstrombahn erlebt, der aortobifemorale Bypass ist Ausnahmesituationen und schweren Erkrankungen der aortoiliakalen Gefäßregion (z. B. bei chronischem Lérichesyndrom) vorbehalten.
Therapie bei aortoiliakalen Verschlüssen: Diese treten überwiegend im Abschnitt V der Aorta und in der Beckenstrombahn auf. Eine Behandlungsindikation ergibt sich in den Stadien IIb, III (Ruheschmerzen) und IV (Nekrose, Gangrän). Die Therapiemethode richtet sich nach der Länge des Gefäßverschlusses: Dilatation, PTA (Abb. B-7.9), TEA (Abb. B-7.11) oder in schweren Fällen aortobifemoraler Bypass.
Therapie bei femoropoplitealen Verschlüssen: Die A. femoralis superficialis ist die Arterie mit der höchsten Inzidenz arteriosklerotischer Stenosen oder Verschlüsse. Bei langstreckigen Stenosen sowohl der A. femoralis superficialis als auch der natürlichen Kollaterale, der A. profunda femoris ist eine Endarteriektomie mit Patcherweiterungsplastik („Profundaplastik“) indiziert. Dies ist häufig bei Diabetikern der Fall. Voraussetzung ist das Vorliegen eines adäquat ausgebildeten Empfängersegmentes (run off = Qualität der Zustrombahn). Zunächst wird eine lokale Thrombendarteriektomie (= TEA) im Abgangsbereich der A. profunda femoris bei vorliegender arteriosklerotischer Stenose durchgeführt. Im Anschluss wird das Gefäß durch einen autologen oder alloplastischen Patch erweitert. Bei schwerer AVK mit Ruheschmerz und Nekrose ist eine Profundaplastik in der Mehrzahl der Fälle jedoch nicht ausreichend, zumal der Therapieeffekt erst nach längerer Zeit eintritt. In diesen Fällen ist die Implantation eines femoropoplitealen oder femorokruralen Bypasses indiziert. Der distale Anschlussort ist die A. poplitea oder eine Unterschenkelarterie.
Therapie bei femoropoplitealen Verschlüssen: Bei langstreckigen Stenosen der A. femoralis superficialis und der A. profunda femoris ist eine Endarteriektomie mit Patcherweiterungsplastik indiziert (häufig bei Diabetikern). Vorgehen: Im Anschluss an eine lokale Thrombendarteriektomie (TEA) wird das Gefäß durch einen autologen oder alloplastischen Patch erweitert.
Bei schwerer AVK (Ruheschmerz, Nekrose) ist die Implantation eines femoropoplitealen oder femorokruralen Bypasses indiziert.
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1126 B-7.16
B 7 Gefäßchirurgie
B-7.16
Profundapatchplastik Intraoperative Darstellung.
Bypassmaterial der Wahl ist die autologe V. saphena magna.
Als Bypassmaterial der Wahl hat die autologe V. saphena magna aufgrund besserer Langzeitresultate nach aktuellen Untersuchungen die bisher häufig eingesetzten Kunststoffprothesen abgelöst. Die anatomische Bypassführung ist kürzer und damit vorteilhaft.
Nachbehandlung: Sie besteht in einer frühpostoperativen Vollheparinisierung und einer fakultativen Antikoagulation (ASS, Marcumar) in der Posthospitalphase.
Nachbehandlung: Alle Patienten mit Bypässen der unteren Extremität werden früh-postoperativ heparinisiert. Ob über die Hospitalphase hinaus eine Antikoagulation (z. B. Phenprocoumon) oder ein Thrombozytenaggregationshemmer (z. B. ASS) indiziert ist, muss im Einzelfall anhand der Gefäßsituation, des Prothesenmaterials, der Anastomosenhöhe und der Kooperationsfähigkeit des Patienten entschieden werden.
Ischämiesyndrome der Viszeralarterien
Ischämiesyndrome der Viszeralarterien
Chronische mesenteriale Durchblutungsstörungen
Chronische mesenteriale Durchblutungsstörungen
왘 Synonym
왘 Synonym. Claudicatio intestinalis, chronischer Verschluss der Viszeralarterien (Angina abdominalis = Ortner-Syndrom)
Anatomie: Chronische Verschlüsse der Viszeralarterien bleiben aufgrund ausreichender Kollateralen lange Zeit asymptomatisch.
Anatomie: Die Viszeralarterien (Truncus coeliacus, A. mesenterica superior und inferior) sind über die A. gastro- und pancreaticoduodenalis und über die Riolan’sche Anastomose miteinander verbunden. Chronische Verschlüsse dieser Gefäße bleiben daher aufgrund ausreichend bestehender Kollateralen lange Zeit asymptomatisch.
Ätiologie: Chronische mesenteriale Durchblutungsstörungen können durch Arteritiden, fibromuskuläre Dysplasie oder externe Kompression verursacht werden.
Ätiologie: Chronische mesenteriale Durchblutungsstörungen können durch Arteritiden (z. B. Endangiitis obliterans, Periarteriitis nodosa), fibromuskuläre Dysplasie oder externe Kompression (z. B. durch Tumor, Lymphome, Kompression des Truncus coeliacus durch die Zwerchfellschenkel) hervorgerufen werden.
Klinik: Die Symptome sind stadienabhängig (Tab. B-7.14). Die typische Symptomtrias der chronischen Angina intestinalis mit postprandialem Schmerz, Malabsorption/ Gewichtsverlust und abdominellen Gefäßgeräuschen ist jedoch selten.
Klinik: Die Symptome sind stadienabhängig. Postprandialer Schmerz, Malabsorption/Gewichtsverlust und abdominelle Gefäßgeräusche bei Stenosen der A. mesenterica superior gelten als typische Symptomtrias der chronischen Angina intestinalis. Diese Trias ist jedoch selten. Das konstanteste Symptom ist der 10 – 30 Minuten postprandial auftretende dumpfe Bauchschmerz. Typischerweise ist er periumbilikal lokalisiert und hält 1 – 4 Stunden an. Dieser Schmerz ist im Wesentlichen für die Gewichtsabnahme verantwortlich, da die Patienten aus Angst vor den Folgen die Nahrungsaufnahme meiden (Tab. B-7.14). Klagen Patienten nach Implantation einer Aortenprothese mit Ligatur der A. mesenterica inferior über peranalen Schleim- und Blutabgang, ist eine ischämische Kolitis als Ursache wahrscheinlich.
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B 7.4 Erkrankungen der Arterien
B-7.14
1127
Klinik der chronischen Angina intestinalis
Stadium
B-7.14
Symptomatik
■
Stadium I
asymptomatisch
■
Stadium II
postprandiale Beschwerden, Malabsorption
■
Stadium III
Dauerschmerz, ischämische Kolitis/Enteritis
■
Stadium IV
Darmparalyse, Gangrän, Peritonitis mit akutem Abdomen
Diagnostik: Bei der Diagnose der chronischen Angina intestinalis sind klinische Untersuchungen oft unergiebig, teilweise sind Stenosegeräusche auskultierbar. Häufig wird dieses Krankheitsbild gar nicht in die differenzialdiagnostischen Erwägungen einbezogen. Wertvolle Hinweise liefern Angaben über arteriosklerotische Schädigungen anderer Stromgebiete oder gefäßchirurgische Voroperationen. Im Rahmen der apparativen Diagnostik erfolgt die Doppler-Sonographie. Der Nachweis der chronischen intestinalen Gefäßverschlussprozesse gelingt angiographisch. Hierbei sind zusätzliche Aufnahmen im lateralen Strahlengang unerlässlich. Für einen chronischen Mesenterialgefäßprozess und somit für die Indikation zur Angiographie sprechen das Vorhandensein von Arteriosklerose induzierenden Risikofaktoren und eine entsprechende Anamnese.
Diagnostik: Die Diagnose der chronischen Angina intestinalis stützt sich auf Anamnese (pAVK, KHK, Voroperationen), Auskultation (Stenosegeräusche), Doppler-Sonographie und Angiographie (Nachweisverfahren).
Differenzialdiagnosen: Abdominalbeschwerden werden in der Regel durch häufigere Krankheitsbilder wie Cholelithiasis, gastrointestinale Ulzera, Pankreatitis oder Malignome hervorgerufen. Weitere Differenzialdiagnosen sind Aortenaneurysma oder -dissektion, gedeckte gastrointestinale Perforation, Peritonitis und Herzinfarkt ■ Mesenterialvenenthrombose: Diese ist gegenüber dem akuten Mesenterialinfarkt oft erst durch eine Laparotomie abzugrenzen (klinisch kann der akute Mesenterialinfarkt von der Mesenterialvenenthrombose nicht differenziert werden). Mögliche Symptome sind diffuse Abdominalbeschwerden, Darmparalyse und ggf. neu auftretender Aszites. Eine spezifische Symptomatik fehlt jedoch. Typisch ist im Gegensatz zum arteriellen Verschluss der weniger schmerzhafte und langsamere Beginn. Diagnostik: Der Verdacht auf eine Mesenterialvenenthrombose lässt sich mittels Duplexsonographie der Pfortader und/oder der V. mesenterica superior oder einer Dopplerspiral-CT (arterielle und portalvenöse Kontrastmittelphase) erhärten. Genaue Auskunft über perfundierte bzw. verschlossene Anteile der venösen Mesenterialstrombahn gibt die indirekte Splenoportographie in DSA-Technik. Hierbei wird der Angiographiekatheter in die A. lienalis bzw. die A. mesenterica superior eingelegt, wodurch gezielt der Kontrastmittelabfluss über die V. lienalis bzw. die V. mesenterica superior in die V. portae dargestellt werden kann. Laborchemisch imponiert bei Pfortaderbeteiligung ein Anstieg der Transaminasen als Ausdruck der akut verminderten Leberperfusion. Intramurale Gasansammlungen (Pneumatosis intestinalis), die sich im Rahmen einer DSA oder einer CT darstellen lassen, weisen auf eine Darmwandnekrose bzw. -gangrän hin.
Differenzialdiagnosen: ■ Häufige Erkrankungen wie gastrointestinale Ulzera, Pankreatitis, Gallensteine, Malignome, Aortenaneurysma oder -dissektion und Herzinfarkt müssen ausgeschlossen werden.
Therapie: Bei Manifestation einer „Angina intestinalis“ (Morbus Ortner) kann die Indikation zur Revaskularisation gegeben sein. Am Truncus coeliacus und der A. mesenterica superior ist die Bypass-Operation die Therapie der Wahl. Abgangsstenosen der A. mesenterica inferior können mit einer Patchplastik versorgt werden.
Therapie: Bei Manifestation einer „Angina intestinalis“ ist eine Revaskularisation indiziert (Bypass-Operation oder Patchplastik).
■
■
Die Mesenterialvenenthrombose geht mit diffusen Abdominalbeschwerden, Darmparalyse und ggf. neu auftretendem Aszites einher. Die Abgrenzung ist oft erst durch eine Laparotomie möglich. Diagnostik: Die Diagnose lässt sich mittels Duplexsonographie oder Dopplerspiral-CT erhärten. Genaue Auskunft über perfundierte bzw. verschlossene Anteile der venösen Mesenterialstrombahn gibt die indirekte Splenoportographie in DSA-Technik. Laborchemisch imponiert bei Pfortaderbeteiligung ein Transaminasenanstieg. Intramurale Gasansammlungen sind Hinweiszeichen auf Darmwandnekrosen bzw. -gangrän.
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1128
B 7 Gefäßchirurgie
Mesenterialinfarkt
Mesenterialinfarkt
Synonym: Akuter Mesenterialgefäßverschluss, akute mesenteriale Ischämie
Synonym: Akuter Mesenterialgefäßverschluss, akute mesenteriale Ischämie
왘 Merke
왘 Merke. Akute Mesenterialarterienverschlüsse stellen einen lebensbedrohli-
chen Notfall dar, der wegen der geringen Ischämietoleranz der Eingeweide unverzüglich der chirurgischen Intervention bedarf! Epidemiologie: Das Durchschnittsalter liegt bei 48 – 60 Jahren.
Epidemiologie: Das Durchschnittsalter der betroffenen Patienten liegt mit 48 – 60 Jahren deutlich unter dem der Patienten mit einer chronischen arteriellen mesenterialen Ischämie.
Ätiologie: Ursprungsort der Thromben ist meist das Herz (linker Vorhof). 20 – 30 % der akut viszeralen Durchblutungsstörungen entstehen auf dem Boden einer nicht okklusiven mesenterialen Ischämie (NOMI) durch Hypovolämie, Steal-Syndrome oder Vasospasmus.
Ätiologie: Akute Verschlüsse der Mesenterialarterien werden durch Embolien und Arterienthrombosen hervorgerufen und betreffen hauptsächlich die A. mesenterica superior (4 50 %). Der Ursprungsort der Thromben ist meistens das Herz (insbesondere der linke Vorhof bei Vorhofflimmern mit absoluter Arrhythmie). In zunehmendem Maße lassen sich durch die transösophageale Echokardiographie (TÖE) aber auch Ulzera im Aortenbogen bzw. in der proximalen Aorta descendens als Emboliequelle darstellen. 20 – 30 % der akuten viszeralen Durchblutungsstörungen entstehen auf dem Boden einer nicht okklusiven mesenterialen Ischämie (NOMI). Ursachen hierfür sind Hypovolämie bzw. Steal-Syndrome oder Vasospasmen (z. B. im Rahmen eines protrahierten Volumenmangelschocks, bei septisch-toxischem Kreislaufgeschehen, bei Herzinfarkt, einer Herzinsuffizienz, bei Aortenisthmusstenose, bei Marathonläufen oder nach Drogeneinnahme). Hier steht zunächst die Therapie des verursachenden Grundleidens im Vordergrund. Bei 10 % der Patienten ist der Auslöser eine Mesenterialvenen- bzw. Pfortaderthrombose (v. a. bei Leberzirrhose mit portaler Hypertension). Als Prädisposition gelten in 80 % der Fälle ein Antithrombin-III-, Protein-S- und Protein-C-Mangel, sowie alle Erkrankungen, die mit einer Koagulopathie einhergehen (z. B. Polycythaemia vera, myeloproliferative Syndrome).
Eine Mesenterialvenen-/Pfortaderthrombose ist bei ca. 10 % als Ursache zu finden. Als Prädisposition gelten alle Erkrankungen, die mit einer Koagulopathie einhergehen.
Klinik: Tückisch ist der klinische Verlauf in 3 Stadien: ■ Intialstadium (1 – 6 Stunden): Messerstichartige, diffuse Bauchschmerzen (Abdomen: Weich, aber druckschmerzhaft bei regelrechter Peristaltik). ■
Latenzstadium (ca. 6 – 12 h): Symptomarmer Lokalbefund und geringe Schmerzen im Gegensatz zur starken Verschlechterung des Allgemeinzustandes.
왘 Merke
■
Spätphase (4 12 Std.): Darmgangrän mit paralytischem Ileus und Peritonitis, akutes Abdomen mit zunehmender septischer Allgemeinsymptomatik).
Klinik: Tückisch ist der klinische Verlauf der Erkrankung. Der akute Mesenterialgefäßverschluss (A. mesenterica superior) verläuft in 3 Stadien: ■ Im Initialstadium (1 – 6 Stunden) werden messerstichartige, diffuse Bauchschmerzen beklagt, ggf. sind diese kombiniert mit Diarrhö und Schocksymptomatik. Das Abdomen ist weich, aber diffus druckschmerzhaft bei regelrechter Peristaltik. Oft besteht eine absolute Arrhythmie. ■ Im Anschluss folgt das Latenzstadium, ein langes „stilles Intervall“ (für ca. 6 – 12 Std.) mit symptomarmem Lokalbefund und geringen Schmerzen im Gegensatz zur starken Verschlechterung des Allgemeinzustandes. Es besteht eine deutliche Diskrepanz zum scheinbar unauffälligen Palpationsbefund des Abdomens. 왘 Merke. In diesem Stadium besteht eine eindrückliche Diskrepanz zwischen dem Allgemeinzustand des Patienten und dem Lokalbefund! ■
In der Spätphase (nach über 12 Std.) folgt dem stillen Intervall eine schmerzhafte Durchwanderungsperitonitis bei Darmgangrän mit Meteorismus und Zeichen des akuten Abdomens mit diffuser Abwehrspannung, Erbrechen und ggf. blutigen Durchfällen durch Einblutung in die nekrotische Darmwand und zunehmender septisch-toxischer Allgemeinsymptomatik.
Gesamtletalität fast 90 %.
Die Gesamtletalität von fast 90 % ist dadurch bedingt, dass der Mesenterialinfarkt oft erst in diesem Stadium diagnostiziert wird.
Diagnostik: Diese stützt sich auf die Anamnese und das o.g. typische klinische Bild.
Diagnostik: Insbesondere das typische klinische Bild (s.o.) liefert diagnostische Hinweise auf das Vorliegen eines akuten Mesenterialinfarktes.
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B 7.4 Erkrankungen der Arterien
B-7.17
Mesenterialinfarkt
1129 B-7.17
intraoperative Darstellung: Dünndarmkonvolut mit infarziertem Ileum
왘 Merke. Die Kombination einer absoluten Arrhythmie mit einer diffusen, plötzlich aufgetretenen Abdominalsymptomatik muss an einen Mesenterialinfarkt denken lassen!
왗 Merke
Außer im Initialstadium besteht radiologisch ein zunehmender paralytischer Ileus. Im weiteren Verlauf kommt es zum Anstieg von Leukozytenzahl, LDH und Laktat (ein Serumlaktatspiegel 4 20 µg/ml ist Sensitivität und Spezifität in ca. 90 % nahezu beweisend). Im Zweifelsfall ist eine diagnostische Laparoskopie oder Explorativlaparotomie indiziert. Die Notwendigkeit und der Nutzen einer präoperativen selektiven Mesenterikographie/DSA bei einem akuten embolischen Mesenterialgefäßverschluss werden kontrovers diskutiert, da die Laparotomie verzögert wird. Bei Patienten mit bekannter pAVK sollte die Indikation zur Mesenterikographie allerdings weit gestellt werden, um eine gezielte Planung ggf. notwendiger Revaskularisationsmaßnahmen zu ermöglichen.
Radiologisch besteht ein zunehmender paralytischer Ileus. Weiterhin sind Labor (Leukozytose, Laktat 4 20 µg/ml) und ggf. eine diagnostische Laparoskopie oder Explorativlaparotomie indiziert.
Therapie: Bei frühzeitigem Eingreifen kann ein Revaskularisationsversuch erfolgen. Da Mesenterialinfarkte unbehandelt zum tödlichen Ausgang führen, bedürfen sie der sofortigen gefäßchirurgischen Intervention (Thromb- oder Embolektomie). Bei akutem Mesenterialinfarkt im fortgeschrittenen Stadium mit infarziertem Darm ist meist neben der Embolektomie eine Darmresektion (ultima ratio) erforderlich. Bei fortgeschrittener Darmgangrän muss im Einzelfall auf eine kurative Behandlung verzichtet werden.
Therapie: Bei frühzeitigem Eingreifen kann ein Revaskularisationsversuch erfolgen. Die sofortige Thromb- oder Embolektomie ist indiziert. Im fortgeschrittenen Stadium ist meist eine Darmresektion als ultima ratio erforderlich.
Verschlussprozesse der Nierenarterien
Verschlussprozesse der Nierenarterien
AVK der Nierenarterien
AVK der Nierenarterien
왘 Synonym. Nierenarterienstenose
Notwendigkeit und Nutzen einer präoperativen selektiven Mesenterikographie/DSA werden sehr kontrovers diskutiert, bei Patienten mit bekannter pAVK wird die Indikation jedoch großzügig gestellt.
왗 Synonym
Ätiologie: In der Mehrzahl der Fälle (70 %) bildet sich eine chronische AVK der Nierenarterien auf dem Boden einer Arteriosklerose (arterioskleorische Stenosen sind v. a. im proximalen Drittel der A. renalis lokalisiert). Weitere Ursachen sind die fibromuskuläre Dysplasie (v. a. im mittleren Abschnitt der A. renalis und an Segmentarterien der Niere lokalisiert) und Gefäßveränderungen wie z. B. AVFisteln, Aneurysmen der A. renalis, kongenitale Hypoplasie sowie eine Arteriitis.
Ätiologie: In der Mehrzahl der Fälle ist die Arteriosklerose ursächlich. Weitere Ursachen sind die fibromuskuläre Dysplasie und Gefäßveränderungen.
Pathophysiologie: Chronische Nierenarterienstenosen können zur Nierenfunktionseinschränkung oder über den Renin-Angiotensin-Mechanismus zum sekundären renalen Hypertonus führen (= Goldblatt-Mechanismus).
Pathophysiologie: Nierenfunktionseinschränkung oder sekundärer renaler Hypertonus (= Goldblattmechanismus) können resultieren.
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1130
B 7 Gefäßchirurgie
Klinik: Durch die arterielle Hypertonie geprägt. Häufig klagen Patienten über Kopfschmerzen, jedoch können auch Hochdruckkrisen resultieren.
Klinik: Die Symptome sind durch die arterielle Hypertonie (insbesondere diastolischer Blutdruckanstieg) geprägt. Häufig klagen Patienten über Kopfschmerzen. Auch Hochdruckkrisen mit der Gefahr der Linksherzüberlastung sowie eines apoplektischen Insults können resultieren.
Diagnostik: U.a. werden Spiral-CT oder MR-Angiographie, Urographie, Nierensequenzszintigraphie und die farbkodierte Duplexsonographie eingesetzt.
Diagnostik: Neben Anamnese und klinischer Untersuchung werden Spiral-CT oder MR-Angiographie, Urographie, Nierensequenzszintigraphie, farbkodierte Duplexsonographie sowie die seitengetrennte Reninbestimmung aus den Nierenvenen mittels Katheter und ggf. ein Captopril-Test zur Diagnostik eingesetzt.
Therapie: Methode der ersten Wahl ist die PTA (mit Stentimplantation). Alternativ kann eine PTA durch Patch-Plastik erweitert werden oder eine Behandlung der Stenose durch TEA oder aortorenale Bypassimplantation erfolgen. Bypassmaterial der Wahl ist die V. saphena magna.
Therapie: Nierenarterienstenosen können durch PTA (mit Stentimplantation) behandelt werden. Aufgrund des geringen Risikos ist dies die Methode der ersten Wahl. Die Ergebnisse der PTA/Stent-Behandlung sind so gut, dass dieses Therapieregime inzwischen die primäre Operation abgelöst hat. Ist eine PTA nicht möglich, kann eine PTA durch Patch-Plastik erweitert werden oder eine Behandlung der Stenose durch TEA oder aortorenale Bypassimplantation erfolgen. Auch hierzu hat sich die V. saphena magna als Bypassmaterial der ersten Wahl herauskristallisiert. Auf der rechten Seite kann die Rekonstruktion praecaval erfolgen. Die Durchgängigkeitsraten liegen nach 24 Monaten bei 96 %, die sekundäre Patency bei 97 %. Zur Erweiterung des Gefäßdurchmessers und im Falle von therapieresistenten Revaskularisationsversuchen bzw. bei vitaler Schädigung der Niere ist als Ultima ratio die einseitige Nephrektomie indiziert. Bei gleichzeitig vorliegendem Aortenaneurysma empfiehlt sich die Simultanoperation und Implantation des Nierenarterienersatzes in den ipsilateralen Prothesenschenkel. Selten finden sich im Bereich der Nierenarterien Aneurysmen. Da diese eine Emboliequelle darstellen, ist ihre operative Behandlung angezeigt. Hilusnahe Aneurysmen können eine ex situ Versorgung erfordern.
Als Ultima ratio ist die einseitige Nephrektomie indiziert. Bei gleichzeitig vorliegendem Aortenaneurysma empfiehlt sich die Simultanoperation und Implantation des Nierenarterienersatzes in den ipsilateralen Prothesenschenkel.
Akuter Verschluss der Nierenarterien 왘 Synonym
Akuter Verschluss der Nierenarterien 왘 Synonym. Nierenarterienverschluss, Niereninfarkt
Ätiologie: In der Mehrzahl der Fälle sind Embolien und Thrombosen ursächlich.
Ätiologie: Der akute Nierenarterienverschluss ist seltener als die chronisch verlaufende Nierenarterienstenose und wird in der Mehrzahl der Fälle durch Embolien (z. B. bei Herzfehlern, Aortenaneurysma, bakterieller Endokarditis) und Thrombosen (z. B. iatrogen durch vorübergehendes Abklemmen der A. renalis bei OP an der Niere, bei posttraumatischer Intimaläsion, Arteriosklerose) bedingt.
Klinik: Kolikartiger plötzlicher Flankenschmerz mit Hämaturie und ggf. Fieber.
Klinik: Charakteristisch ist ein kolikartiger plötzlicher heftiger Flankenschmerz mit Hämaturie und ggf. Fieber.
Diagnostik: Farbkodierte Duplexsonographie. Nähere Informationen hierzu s. u.
Diagnostik: Die Flussverhältnisse der A. renalis werden mittels farbkodierter Duplexsonographie bestimmt. Nähere Informationen hierzu s. u. (Diagnostik der chronischen Nierenarterienstenosen).
Therapie: Innerhalb von 6 Stunden besteht die Möglichkeit der Lysetherapie (S.130). Primäres Therapieziel ist die Embolektomie.
Therapie: Innerhalb von 6 Stunden besteht die Möglichkeit der Lysetherapie (S. 130). Primäres Therapieziel ist die Embolektomie mittels PTA oder operativ.
7.4.3 Chronische Verschlussprozesse der
supraaortalen Gefäße
7.4.3 Chronische Verschlussprozesse der supraaortalen Gefäße
Grundlagen
Grundlagen
Die Hirndurchblutung unterliegt einer Autoregulation, die im Wesentlichen durch den lokalen PCO2 gesteuert wird (BaylissEffekt). Unterschreitet sie ein Minimum von 50 %, kommt es zu Ganglienzelldefekten, die mit Symptomen der zerebrovaskulären oder vertebrobasilären Insuffizienz einher-
Die Hirndurchblutung wird in einem weiten Bereich durch eine, im Wesentlichen durch den lokalen CO2-Partialdruck (PCO2) gesteuerte Autoregulation konstant gehalten (Bayliss-Effekt). Bei einer Perfusionsminderung auf 50 % treten Funktionsstoffwechselstörungen der Ganglienzellen auf, die ab 20 % in einen irreversiblen Strukturuntergang übergehen. In Deutschland erleiden ca. 250 000 Patienten pro Jahr einen ischämischen Apoplex. 1/3 dieser Erkrankungen ist
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B 7.4 Erkrankungen der Arterien
B-7.18
Verteilung und Lokalisation arterieller Verschlussprozesse an den extrakraniellen supraaortalen Gefäßen
1131 B-7.18
durch Gefäßveränderungen im Bereich der supraaortalen, extrakraniellen Arterien bedingt, deren Gefäßabschnitte in unterschiedlicher Häufigkeit betroffen sind (Abb. B-7.18). Je nach befallenem Hirnstromgebiet treten Störungen im zerebrovaskulären (A. carotis) oder im vertebrobasilären Bereich auf. Etwa 75 % dieser Gefäßveränderungen (ca. 60 000 Patienten) sind einer operativen Therapie zugänglich.
gehen. 1/3 dieser Erkrankungen ist durch Gefäßveränderungen der supraaortalen, extrakraniellen Arterien bedingt (Abb. B-7.18).
Karotisstenose
Karotisstenose
Epidemiologie: Jährlich treten etwa 15 000 Schlaganfälle bei Patienten mit zuvor asymptomatischer Karotisstenose auf; 10 bis 15 % der Schlaganfälle werden durch pathologische Veränderungen der A. carotis interna hervorgerufen.
Epidemiologie: Etwa 15 000 Schlaganfälle treten pro Jahr bei Patienten mit zuvor asymptomatischer Karotisstenose auf.
Ätiologie: Wichtigster Risikofaktor der Karotisstenose und damit der zerebrovaskulären Insuffizienz sind mit 70 % der Fälle arteriosklerotische Gefäßveränderungen bei arterieller Hypertonie. Diese manifestieren sich bevorzugt in Form von Stenosen (70 %) oder atheromatösen Plaques (30 %; diese können Mikroembolien verursachen) im Bereich der Karotisgabel. Stenosen sind vor allem bei Blutdruckschwankungen und beidseitigem Befall Ursache zerebraler Durchblutungsstörungen im Bereich der Großhirnhemisphären (außer Temporookzipitalrinde = vertebrobasiläres Versorgungsgebiet). Seltener werden Durchblutungsstörungen der Hemisphären durch Aneurysmen, eine fibromuskuläre Dysplasie oder Knickbildungen (Kinking, Coiling) der A. carotis interna ausgelöst (Abb. B-7.19).
Ätiologie: Die zerebrovaskuläre Insuffizienz ist vor allem durch arteriosklerotische Gefäßveränderungen in Form von Stenosen (70 %) oder ulzerierenden Plaques (30 %) an der Karotisgabel bedingt. Seltenere Ursachen sind Aneurysmen, eine fibromuskuläre Dysplasie oder Knickbildungen (Kinking, Coiling) der A. carotis interna (Abb. B-7.19).
B-7.19
Typische Stenoselokalisationen und Längenanomalien der A. carotis interna
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1132
B 7 Gefäßchirurgie
Stadieneinteilung in Anlehnung an die Fontaine-Klassifikation: ■ Stadium I: Asymptomatische Stenose ■ Stadium II: Transitorische ischämische Attacke (TIA) oder prolongiertes ischämisches neurologisches Defizit (PRIND) ■ Stadium III: Akuter Karotisverschluss (= progressive stroke) ■ Stadium IV: Apoplex (= completed stroke).
Stadieneinteilung: In Anlehnung an die Fontaine-Klassifikation wird die Karotisstenose in folgende Stadien eingeteilt: ■ Im Stadium I besteht eine asymptomatische Stenose. ■ Im Stadium II besteht eine transitorische ischämische Attacke (TIA: Brachiofazial betonte kontralaterale Halbseitensymptomatik, innerhalb von 24 h voll reversibel) oder ein prolongiertes ischämisches neurologisches Defizit (PRIND: Rückgang der Symptomatik innerhalb von 1 – 3 Wochen). ■ Im Stadium III findet sich ein akuter Karotisverschluss (= progressive stroke) mit nur teilweise reversiblen Symptomen. ■ Das Stadium IV bezeichnet den kompletten Apoplex (= completed stroke).
Die modifizierte Einteilung erfolgt nach Eckstein und Allenberg (Tab. B-7.15).
In der modifizierten Einteilung nach Eckstein und Allenberg (Tab. B-7.15) werden sowohl Miterkrankungen der übrigen hirnversorgenden Arterien berücksichtigt als auch die bedrohliche Situation der „Crescendo TIA“ (= mehrere aufeinanderfolgende TIAs) als möglicher Vorbote eines ischämischen Insultes. Der bereits abgelaufene Apoplex im Stadium IV wird nach der Rankin-Skala klassifiziert:
B-7.15
B-7.15
Stadium I
Aktualisierte Klassifikation extrakranieller Karotisstenosen (nach Eckstein und Allenberg, 2001)
Ia Ib
asymptomatische Karotisstenose (durch alternative Blutversorgung über Kollateralen) ohne kontralateralen Verschluss mit kontralateralem Verschluss
Stadium II IIa IIb
symptomatische Karotisstenose Amaurosis fugax transitorische ischämische Attacke (TIA)
Stadium III IIIa IIIb
Indikation zur Notfall-Thrombendarteriektomie (TEA) der A. carotis Crescendo-TIA progredienter bzw. akuter Apoplex
Stadium IV Rankin 0 Rankin I Rankin II Rankin III Rankin IV Rankin V
ipsilateraler Apoplex (innerhalb der letzten 6 Monate) vollständig reversibles neurologisches Defizit funktionell irrelevantes neurologisches Defizit funktionell geringgradiges Defizit deutliches Defizit, Gehfähigkeit erhalten schwerer Apoplex, gehen nur mithilfe, Aphasie bettlägeriger/rollstuhlpflichtiger Patient
Pathogenese: Siehe Pathogenese der pAVK (S.1123).
Pathogenese: Siehe Pathogenese der pAVK (S. 1123)
Einteilung: Die Stenosegrade werden in gering-, mittel-, hochgradig und filiform eingeteilt. Ausprägung und Manifestation werden durch die Stenosemorphologie beeinflusst.
Einteilung: Die Stenosegrade werden gemäß der Einengung der Blutstrombahn in gering-, mittel-, hochgradig und filiform eingeteilt. Ein wichtiger Einflussfaktor auf die Ausprägung und Manifestation ist die Stenosemorphologie. Es werden harte und weiche Plaques, Ulzera und poststenotische Dilatationen sowie Appositionsthromben beschrieben.
Diagnostik: Grundlage sind Anamnese und klinische Untersuchung. Diese umfasst die Erhebung des neurologischen Status sowie eines Pulsstatus und die Auskultation v. a. der A. carotis.
Diagnostik: Im Rahmen der Anamnese sollten insbesondere Risikofaktoren für eine pAVK erfragt werden, ebenso kardiovaskuläre Vorerkrankungen und Voroperationen. Die klinische Untersuchung umfasst die Erhebung eines neurologischen Status (Halbseitensymptomatik, Pyramidenbahnzeichen, Apraxie, Muskeleigenreflexe, Sehfeldeinschränkung?) und des Pulsstatus sowie die Auskultation v. a. der A. carotis. Diese Untersuchungen sollten immer im Seitenvergleich erfolgen! Eine internistische Untersuchung sollte v. a. den kardiovaskulären Status erfassen (EKG, Langzeit-EKG, Triglyzeride, Cholesterin etc.). In 4 80 % der Fälle ist ein Stenosegeräusch über der A. carotis auskultierbar. Die Farbduplexsonographie als nicht-invasive diagnostische Methode der Wahl gibt Auskunft über den Schweregrad (Minderung des Blutflusses) und insbesondere die Morphologie (Ausdehnung und Beschaffenheit) einer Stenose oder eines
In 4 80 % ist ein Stenosegeräusch über der A. carotis auskultierbar. Die Farbduplexsonographie ist die diagnostische Methode der Wahl (Abb. B-7.5 a, S.1105).
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B 7.4 Erkrankungen der Arterien
B-7.20
Bildgebende Diagnostik bei Karotisstenose
1133 B-7.20
a Digitale SubtraktionsAngiographie (DSA) der Karotisstrombahn links: Es zeigt sich eine hochgradige Abgangsstenose der A. carotis interna und externa bei sonst unauffälliger Karotisstrombahn. 1 Stenose der ACI links 2 Stenose der ACE links. b Kernspinangiographie nach Operation einer Karotisstenose (anderer Patient).
a
b
Plaques (Abb. B-7.5 a, S. 1105). Auch können die Strömungsgeschwindigkeit und -richtung der extrakraniellen Gefäße sowie der Funktionszustand der Kollateralen (A. ophthalmica, Circulus arteriosus Willisi) beurteilt werden. Im Carotis-Doppler ist ein Frequenzanstieg über der Stenose zu hören. Noch immer spielt aber die Angiographie (DSA) eine wichtige Rolle (Abb. B-7.20 a) und auch die Kernspinangiographie gewinnt an Bedeutung (Abb. B-7.20 b). Die selektive Angiographie in DSA-Technik des Aortenbogens und der supraaortalen Äste stellt morphologische Besonderheiten (Kinking, umspülter Thrombus u. a.) sowie Mehrgefäßerkrankungen zuverlässig dar und ist die entscheidende Hilfe beim Festlegen der OP-Indikation und -taktik. Bei speziellen Fragestellungen können einzelne Gefäße supraselektiv sondiert und abgebildet werden. Das Apoplexrisiko durch Karotisangiographie beträgt 5 0,5 %. In einem weiten Bereich korreliert der Duplexbefund mit der Angiographie, sodass bei isoliertem Befund an der A. carotis auf eine präoperative Angiographie verzichtet wird. Die kranielle Computertomographie (CCT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht die Beurteilung von zerebralen Strukturdefekten bei symptomatischen Patienten. Allerdings weisen auch 15 % der vermeintlich asymptomatischen Patienten zerebrale Ischämiekorrelate auf. Das native (= ohne KM) CCT ist in Akutsituationen das diagnostische Mittel der Wahl zur Differenzierung zwischen Blutung (hyperdense Areale) und Ischämie (zunächst Normalbefund, nach ca. 24 h hypodens). Darüber hinaus können mit dieser Methode das Vorhandensein von Hirnerweichungsherden und raumfordernden Prozessen überprüft werden. Mittels diffusionsgewichtetem MRT kann die Infarktausdehnung über die ischämische Randzone (= Penumbra) bereits 30 Minuten nach Symptombeginn beurteilt werden. Mittels Angio-MRT lässt sich der gesamte hirnversorgende Gefäßbaum ohne Kontrastmittel dreidimensional rekonstruiert darstellen.
Im Carotis-Doppler Frequenzanstieg über der Stenose. Mittels der selektiven Angiographie der supraaortalen Gefäße, bevorzugt in DSA-Technik (Abb. B-7.20 a) können sonographisch nicht beurteilbare Gefäßabschnitte abgebildet werden. Die Kernspinangiographie gewinnt an Bedeutung (Abb. B-7.20 b).
CCT und MRT dokumentieren zerebrale Ischämiekorrelate bei symptomatischen und asymptomatischen Patienten. Eine ischämische Hirnregion ist mit der CT frühestens nach 24 Stunden als hypodenses Areal nachweisbar. Weiterhin kann ein Vorliegen von Hirnerweichungsherden und raumfordernden Prozessen überprüft werden.
Differenzialdiagnosen: Kardiale Synkopen, Epilepsien und intrakranielle Erkrankungen (Hirntumor, Aneurysma, Blutung sowie andere neurologische Erkrankungen) müssen ebenso wie otogener Schwindel oder ophthalmologische Sehstörungen differenziert werden.
Differenzialdiagnosen: Kardiale Synkopen, intrakranielle Erkrankungen und otogener Schwindel sind zu differenzieren.
Therapie: Die Therapie erfolgt stadienabhängig. Zunächst ist im Akutfall die Sicherung der Vitalfunktionen vorrangig. Der Patient sollte schnellstmöglich in
Therapie: Diese erfolgt stadienabhängig (zunächst Sicherung der Vitalfunktionen,
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B 7 Gefäßchirurgie
dann Einlieferung in eine Klinik; die Blutdruckwerte sollten im hochnormalen Bereich liegen).
eine Klinik eingewiesen werden. Die Blutdruckwerte sollten im hoch-normalen Bereich liegen.
Die Op-Indikation besteht im Stadium I prophylaktisch zur Prävention eines Apoplexes und im Stadium II therapeutisch. Im Stadium III kann eine Operation innerhalb der ersten 6 Stunden bei erhaltenem Bewusstsein und nach Ausschluss einer Blutung (CT) indiziert sein. Im Stadium IV ist die OP-Indikation palliativ, um bei kontralateraler hochgradiger Stenose einen weiteren Apoplex zu verhindern.
Die OP-Indikation ist bereits im Stadium I zur Prophylaxe ischämischer Insulte gegeben. Gemäß der Leitlinien der American Heart Association sollen Karotisstenosen 4 70 % operiert werden, vorausgesetzt, das Komplikationsrisiko liegt unter 3 %. Im Vergleich zur konservativen Therapie (Thrombozytenaggregationshemmer) lässt sich durch eine Karotisdesobliteration in Kombination mit ASS-Gabe das TIA- und Apoplexrisiko in einem Zeitraum von 4 Jahren nahezu auf die Hälfte senken (24,5 % vs. 12,9 %), auch unter Berücksichtigung der perioperativen Letalität (ca. 1 %) und Apoplexrate (ca. 2 %). Im Stadium II, nach abgelaufener transitorischer ischämischer Attacke (TIA) oder prolongiertem ischämisch-neurologischem Defizit (PRIND), ist die Operation therapeutisch. Im Stadium III kann beim nicht bewusstlosen Patienten nach Ausschluss einer Hämorrhagie (CT) innerhalb von 6 Stunden operativ eine Besserung erzielt werden (seltene Indikation). Die OP-Indikation im Stadium IV ist palliativ, um bei kontralateraler hochgradiger Stenose einen weiteren Apoplex zu verhindern. Besteht zusätzlich zur zerebrovaskulären Insuffizienz eine operationswürdige KHK ist ggf. ein Simultaneingriff (Karotis-TEA und ACVB) indiziert.
Kontraindikationen sind: Allgemeine Risikofaktoren, eine zerebrale Ischämie (4 6 Std.) und eine schwere Zerebralsklerose.
Kontraindikationen zur Operation sind allgemeine, gravierende Risikofaktoren und eine länger als 6 Stunden bestehende Symptomatik. In diesem Fall besteht bei Wiedereröffnung der Strombahn das Risiko, eine ischämische in eine hämorrhagische Hirnläsion zu überführen. ■ Operationsverfahren: Hier hat sich die Thrombendarteriektomie mit Patchplastik als Therapie der Wahl herauskristallisiert (Abb. B-7.21 a). Nach der Qualitätssicherungsstudie der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie (2001) fallen die Operationsergebnisse mit Shunt und Patch deutlich besser aus als ohne (Komplikationsrate mit Shunt 2,7 %, ohne 4,3 %). Bei Kinking und Coiling wird das Gefäß gekürzt und reanastomosiert. Vergleichbare Ergebnisse liefert die Eversionsendarteriektomie (Abb. B-7.21 b) Bei dieser Methode wird die A. carotis interna aus der Bifurkation herausgetrennt, anschließend erfolgt die Desobliteration durch Eversion und die Arterie wird in die Bifurkation reinseriert. Vorteil ist hierbei, dass Längenanomalien wie Kinking oder Coiling gleichzeitig mitkorrigiert werden können. Als Alternativverfahren sei die YV-Plastik (Abb. B-7.21 c) genannt, die gleich der Eversionsendarteriektomie ohne Patchmaterial auskommt.
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Operationsverfahren: Operation der Wahl bei Karotisstenose oder Plaque ist die Karotis-TEA. Zur Operationstechnik der Karotis-TEA siehe Abb. B-7.21a. Vergleichbare Ergebnisse liefert die Eversionsendarteriektomie (Abb. B-7.21 b). Vorteil ist hierbei, dass Längenanomalien wie Kinking oder Coiling gleichzeitig mitkorrigiert werden können. Ein Alternativverfahren ist die YV-Plastik (Abb. B-7.21 c).
B-7.21 Operationsverfahren bei Karotisstenose: Patchplastik (Darstellung schematisch (I) und In-Situ (II)), Eversionsendarter-
iektomie und YV-Plastik
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B 7.4 Erkrankungen der Arterien
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Ein langstreckiger Verschluss der A. carotis interna lässt sich durch eine intrakranielle A.-carotis-externa-interna-Anastomose (A. temporalis auf Äste der A. cerebri media durch Neurochirurgen) umgehen. Dieses Operationsverfahren ist heute jedoch weitgehend verlassen. Interponate, die bei Aneurysmen oder anderen Erkrankungen wie dem seltenen Glomus caroticum Tumor (Chemodectom) erforderlich sein können, werden mit autologer V. saphena magna oder einer PTFE-Prothese durchgeführt. Ihre Komplikationsrate liegt bei 6 bis 10 %. Ergebnisse der SPACE-Studie (Stent-gestützte perkutane Angioplastie der A. carotis versus Endarteriektomie): Danach weisen die operative Therapie, die Angioplastie und die Stentimplantation vergleichbare Frühergebnisse auf, allerdings zugunsten der Operation. Spätergebnisse bleiben abzuwarten. Dennoch entwickelt sich die Angioplastie mit Stentimplantation zunehmend zu einer konkurrierenden Behandlung der Karotisstenose. Intraoperatives Monitoring: Während der Karotisoperation kann mittels verschiedener Verfahren des intraoperativen Monitorings die Indikation zur Shuntimplantation individuell abgewogen werden. Etablierte Verfahren hierzu sind die Ableitung somatosensorisch evozierter Potenziale, das intraoperative EEG und die transkranielle Doppler-Sonographie (transtemporale Ansteuerung der Aa. cerebri mediae). Findet sich nach dem Ausklemmen der A. carotis interna ein Signalverlust über der ipsilateralen A. cerebri media, ist die Einlage eines intraluminalen Shunts indiziert. Intraoperative Maßnahmen: Um die intraoperative Apoplexrate (ca. 2 %) zu minimieren, wird der Patient vor Ausklemmen der A. carotis heparinisiert und der Blutdruck nach Ausklemmen hyperton gehalten. Zudem kann perioperativ ein Shunt in das Lumen der A. carotis interna eingelegt werden. Intraoperativ müssen Schädigungen des N. hypoglossus und des N. vagus/recurrens vermieden werden. Die Letalität beträgt ca. 1 %. Postoperative Maßnahmen: Blutdruckeinstellung auf normotone Werte. Nach kurzzeitiger Vollheparinisierung wird der Patient mit einen Thrombozytenaggregationshemmer (z. B. ASS 100 mg/d) weiterbehandelt. Postoperative Komplikationen: Nachblutung, Infekt und Nervenschädigung (N. hypoglossus, N. vagus, N. recurrens) sowie Apoplex sind zu beachten.
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Interponate werden mit autologer V. saphena magna oder einer PTFE-Prothese durchgeführt.
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Gemäß der SPACE-Studie entwickelt sich die Angioplastie mit Stentimplantation zunehmend zu einer konkurrierenden Behandlung der Karotisstenose.
Intraoperatives Monitoring: Mittels Ableitung somatosensorisch evozierter Potentiale, intraoperativem EEG und der transkraniellen Doppler-Sonographie wird die Indikation zur Shuntimplantation individuell abgewogen.
Intraoperative Maßnahmen: Heparinisierung und hyperton gehaltener Blutdruck dienen der Minimierung der Apoplexrate (ca. 2 %), die Letalität beträgt ca. 1 %.
Postoperative Maßnahmen: Blutdruckregulation, kurzzeitig Vollheparinisierung, danach Thrombozytenaggregationshemmern.
Rezidivprophylaxe (im Anschluss an eine Sanierung der Karotisstrombahn): Durchgesetzt haben sich Thrombozytenaggreationshemmer (Acetylsalicylsäure, Clopidogrel).
Rezdivprophylaxe: Thrombozytenaggreationshemmung (Acetylsalicylsäure, Clopidogrel).
Subklaviastenose (Subclavian-Steal-Syndrom)
Subklaviastenose (Subclavian-Steal-Syndrom)
왘 Synonym. Armclaudicatio.
왗 Synonym
왘 Definition. Bei Anstrengung führen Stenosen der A. subclavia durch verringerten Zustrom zur Belastungsinsuffizienz des Armes („Armclaudicatio“) oder durch vermehrten Abstrom aufgrund einer Strömungsumkehr zu einem „Subclavian Steal Syndrom“ mit Minderperfusion des vertebrobasilären Stromgebietes.
왗 Definition
Anatomie: Die A. subclavia wird in 4 Segmente unterteilt: Das erste Segment reicht vom Ursprung bis zur A. vertebralis, das zweite bis zur A. thoracica interna, das dritte bis zum costoclaviculären Raum und das vierte Segment reicht vom costoclavikulären Raum bis zur A. axillaris.
Anatomie: Einteilung der A. subclavia in 4 Segmente: I Ursprung bis A. vertebralis, II bis zur A. thoracica interna, III bis zum costoclaviculären Raum, IV bis zur A. axillaris.
Epidemiologie: Stenosen der A. subclavia sind sehr viel seltener als die der A. carotis (s.o.). Die verschiedenen Verschlusslokalisationen bewirken eine Änderung der Flussrichtung des Blutes.
Epidemiologie: Stenosen der A. subclavia sind sehr viel seltener als die der A. carotis (s.o.).
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1136 B-7.22
B 7 Gefäßchirurgie
B-7.22
DSA-Aufnahme: Subklaviatransposition bei Verschluss im Segment I
Pathophysiologie: Bei physischer Anstrengung des Armes resultiert eine Strömungsumkehr in der A. vertebralis mit Entzug von Blut aus der Hirnversorgung.
Pathophysiologie: Vor allem bei physischer Belastung des Armes kommt es über einen „Steal-Effekt“ zu einer Flussumkehr in der ipsilateralen A. vertebralis zugunsten der gleichseitigen A. axillaris, über die der Arm mit Blut versorgt wird. Durch den retrograden Fluss in der A. vertebralis wird dem vertebrobasilären Stromgebiet Blut aus der Hirnversorgung zugunsten des Armes entzogen.
Klinik: Schwindel, Nystagmus, Doppelbilder, rezidivierende Nackenschmerzen, Parästhesien und „Drop attacks“ sowie Armclaudicatio und Brachialgien sind charakteristische Befunde.
Klinik: Der Steal-Effekt verursacht insbesondere bei Belastung Beschwerden. Typisch für das Subclavian-Steal-Syndrom sind Zeichen der Minderperfusion im hinteren Hirnkreislauf wie Schwindel, Nystagmus, Doppelbilder, rezidivierende Nackenschmerzen, Parästhesien und „Drop attacks“ (= plötzliches Hinstürzen). Claudicatio des Armes (v. a. unter Belastung) und Brachialgien sind weitere charakteristische Beschwerden.
Diagnostik: Wegweisend sind Anamnese und klinische Untersuchung. Die Strömungsumkehr wird mittels Carotis-Doppler oder Duplexsonographie nachgewiesen. Die Darstellung der Stenose erfolgt über die Angiographie.
Diagnostik: Anamnese und klinische Untersuchung liefern bereits richtungsweisende Befunde: Wegweisend sind ein abgeschwächter oder ausgefallener Radialispuls sowie eine Blutdruckdifferenz 4 30 mmHg in der seitengetrennten Blutdruckmessung. Im Carotis-Doppler oder mittels Duplexsonographie kann eine Strömungsumkehr in der A. vertebralis nachgewiesen werden. Die Aortenbogenangiographie dient dem Stenose-Nachweis sowie der Überprüfung hinsichtlich weiterer Gefäßanomalien.
Therapie: Interventionell durch PTA mit Ballondilatation und ggf. Stentimplantation. Die operative Therapie ist nur bei ausgeprägter Symptomatik indiziert.
Therapie: Die interventionelle Therapie der Subklaviastenose erfolgt durch Ballondilatation im Rahmen einer PTA (= Perkutane transluminale Angioplastie) ggf. mit Stentimplantation. Die operative Therapie ist nur bei ausgeprägter Symptomatik indiziert. Sie erfolgt durch die Transposition der A. subclavia in die homolaterale A. carotis communis oder in Form des Carotis-Subclavia-Bypass.
Differenzialdiagnose: Subclavian-Steal-Phänomen.
Differenzialdiagnose: Im Gegensatz dazu ist das Subclavian-Steal-Phänomen asymptomatisch (häufig Zufallsbefund). Es stellt keine Operationsindikation dar.
Thoracic-Outlet-Syndrom (TOS)
Thoracic-Outlet-Syndrom (TOS)
왘 Synonym
왘 Synonym. Neurovaskuläres Kompressionssyndrom, Schultergürtelsyndrom
왘 Definition
왘 Definition. Durch permanente oder intermittierende Kompression des Plexus brachialis sowie der A. oder V. subclavia im Schultergürtel entstehender Symptomenkomplex. Die betroffenen Strukturen werden – ausgelöst durch unterschiedliche Bewegungen – an der Stelle komprimiert, an der sie den knöchernen Thorax verlassen.
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B 7.4 Erkrankungen der Arterien
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Ätiologie: Stenosen in den distalen Segmenten des Gefäßnervenbündels können Ursache des „Thoracic Outlet Syndroms“ sein. Dieses kann in mehreren Varianten auftreten: ■ Halsrippensyndrom ■ Scalenus anterior Syndrom ■ Scalenus minimus Syndrom ■ kostoklavikuläres Kompressionssyndrom ■ Pectoralis minor Syndrom (oder Hyperabduktionssyndrom)
Ätiologie: Ursächlich sind Stenosen der distalen Segmente: ■ Halsrippensyndrom ■ Scalenus anterior Syndrom ■ Scalenus minimus Syndrom ■ kostoklavikuläres Kompressionssyndrom ■ Pectoralis minor Syndrom (oder Hyperabduktionssyndrom).
Pathogenese: Im Bereich der oberen Thoraxapertur muss das den Arm versorgende Gefäßnervenbündel 3 anatomisch präformierte Engstellen passieren: Die Skalenuslücke, den Kostoklavikularraum und den Kostopektoralraum. Durch pathologische, angeborene oder erworbene Veränderungen kann ein Symptomenkomplex hervorgerufen werden, der als Thoracic-outlet-Syndrom zusammengefasst wird. Durch permanente oder intermittierende Kompression können Nervenschäden bis zum Arm, Plexusausfall mit konsekutiven sensomotorischen Störungen und Gefäßkomplikationen im Sinne einer poststenotischen Aneurysmabildung mit peripheren Embolien, einer lokalen arteriellen Thrombose oder einer venösen Thrombose auftreten.
Pathogenese: Durch Kompression des zum Arm ziehenden Gefäßnervenbündels können Nerven- (sensomotorische Ausfälle) und Gefäßschäden (Stenose, Aneurysma, Embolie, Thrombose) verursacht werden.
Prädisposition und Klinik: Das TOS manifestiert sich zwischen dem 20.– 50. Lebensjahr (m : W = 2 : 1). Bestimmte Berufsgruppen, die die Schulter-Arm-Region besonders belasten (Gewichtheber, Automechaniker, Maler) sind vorzugsweise betroffen. Nach zunächst intermittierender Symptomatik, hauptsächlich bei Dorsalflexion der Schulter und dem Tragen schwerer Gewichte, sind permanente Beschwerden Ausdruck des fortgeschrittenen Leidens mit strukturellen Schäden an Nerven oder Gefäßen. Charakteristischerweise klagen Patienten initial über lokale Schmerzen im Bereich der Schulter mit Ausstrahlung in das Schulterblatt, in die Brust oder nach zervikal. Sie können nach präkordial (Pseudoangina) und in die Hinterkopf-/Nackenregion (okzipitaler Kopfschmerz) ausstrahlen. Es folgen Parästhesien und ggf. ein Taubheitsgefühl, welche sich im Bereich der gesamten oberen Extremität, besonders im Versorgungsbereich des N. ulnaris manifestieren können. Auch klagen Patienten über eine rasche Ermüdbarkeit sowie über Schwellung, Spannungs- und Schweregefühl und zyanotisch-livide Verfärbung des Armes. Bei fortschreitender Nerven- oder Plexusschädigung werden Paresen beklagt. Vasomotorische Störungen (Raynaud-Phänomen) werden typischerweise angegeben. Arterielle Mikroembolien sind oft wegweisend und Ausdruck eines bereits entstandenen Subklaviaaneurysmas. Konstante, bewegungsunabhängige Schmerzen sprechen für das Vorliegen einer Halsrippe oder einer Exostose an der Klavikula oder 1. Rippe.
Prädisposition und Klinik: Zunächst treten die Symptome intermittierend bei Dorsalflexion oder Hyperabduktion auf. Später gehen diese in Dauerbeschwerden über.
왘 Merke. Eine permanente Minderdurchblutung des Arms spricht für einen
Charakteristisch sind initial lokale Schmerzen im Bereich der Schulter und supraklavikulär mit Ausstrahlung in das Schulterblatt, in die Brust oder nach zervikal. Es folgen Parästhesien, die bei fortschreitender Nervenschädigung in Paresen übergehen. Typisch sind vasomotorische Störungen (RaynaudPhänomen). Bei Subklaviaaneurysmen entstehen arterielle Mikroembolien.
왗 Merke
arteriellen Verschluss. Venöse Abflussstörungen können durch eine Einengung der V. subclavia (Thoracic-inlet-Syndrom) oder eine V.-subclavia-Thrombose (Paget-von-Schroetter-Syndrom) bedingt sein. Diagnostik: Die Verdachtsdiagnose ergibt sich bereits aus der Anamnese und der Symptomatik. Im Rahmen der klinischen Untersuchung ist auf die lageabhängige Pulsqualität zu achten (Provokationsstellung kann Kompressionsmechanismus auslösen mit der Folge eines abgeschwächten oder fehlenden Pulses). Klinische Provokationstests wie die Faustschlussprobe und der Adson-Test (der Patient retroflektiert den Kopf zur erkrankten Seite bei gleichzeitiger Inspiration) liefern wichtige diagnostische Hinweise. Diese Tests können jedoch oft auch beim Gesunden positiv ausfallen. Mit dem „Elevated arm stress Test“ (= Elevation-Retroversion) können sowohl das arterielle Thoracic outlet Syndrom als auch das venöse „Thoracic inlet Syndrom“ nachgewiesen werden. Komplettiert wird die Diagnostik durch eine
Diagnostik: Die Verdachtsdiagnose ergibt sich bereits aus der Anamnese und der Symptomatik. Wichtige diagnostische Hinweise liefern klinische Provokationstests. Der „Elevated arm stress Test“ dient dem Nachweis sowohl des arteriellen Thoracic outlet Syndroms als auch des venösen „Thoracic inlet Syndroms“.
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B 7 Gefäßchirurgie
Die Diagnosesicherung gelingt durch die Röntgen-Thorax- und -HWS-Aufnahme, die Messung der N.-ulnaris-Leitgeschwindigkeit sowie eine dynamische Armangiographie.
Thoraxaufnahme (Halsrippe?), eine Röntgenaufnahme der HWS in 4 Ebenen (von vorne, von der Seite, jeweils schräg von rechts und links; Hinweis auf Halsrippe, Exostosen, abnorme Processus transversi) und die Messung der N.-ulnaris-Leitgeschwindigkeit. Beweisend ist die dynamische Armangio-/Phlebographie (bzw. Duplexsonographie) mit Aufnahmen in unterschiedlichen Armund Kopfstellungen (auch in Provokationsstellung).
Differenzialdiagnosen: Das Schulter-ArmSyndrom, degenerative HWS-Schäden und Insertionstendopathien machen ähnliche Beschwerden wie das TOS.
Differenzialdiagnosen: Häufigere Erkrankungen, die teilweise Symptombestandteile des TOS entwickeln, sind u. a. das Schulter-Arm-Syndrom, degenerative HWS-Schäden und Insertionstendopathien auf orthopädischem, sowie primäre Erkrankungen des ZNS (z. B. multiple Sklerose) oder periphere Nervenschädigungen (z. B. Karpaltunnelsyndrom: lediglich Beteiligung der Nerven) auf neurologischem Fachgebiet.
Therapie: Die konservative Therapie umfasst Physiotherapie und aktive Übungen zur Kräftigung der insuffizienten Schultermuskulatur. Eine operative Therapie ist bei ausgeprägter neurologischer und vaskulärer Symptomatik indiziert.
Therapie: Die konservative Therapie umfasst Physiotherapie (Massagen, Wärme zur Lockerung) und aktive Übungen zur Kräftigung der insuffizienten Schultermuskulatur. Bei ausgeprägter neurologischer und vaskulärer Symptomatik ist eine operative Therapie zur Beseitigung des Engpasses indiziert. Diese erfolgt in der Regel durch Entfernung der ersten Rippe und der Ansätze der Skalenusmuskeln, gegebenenfalls muss eine Halsrippe mitreseziert werden. Sehr selten finden sich Tumoren als Ursache für ein TOS. Diese müssen entsprechend der onkologischen Chirurgie entfernt werden (z. B. monoostotische fibröse Dysplasie).
Aortenbogensyndrom
Aortenbogensyndrom
왘 Synonym
왘 Synonym. „Pulseless disease“
Pathogenese: Arteriosklerotische und entzündliche Prozesse können ursächlich sein.
Pathogenese: Einengungen der Gefäße aus dem Aortenbogen können arteriosklerotischer Genese sein aber auch Ausdruck einer entzündlichen Gefäßerkrankung. Alle drei Gefäßabgänge sind selten gleichzeitig betroffen.
Klinik: Typisch sind belastungsabhängige Schmerzen mit Pulslosigkeit und Symptome zerebraler Minderperfusion (z. B. TIA).
Klinik: Typisch sind belastungsabhängige Schmerzen mit Pulslosigkeit sowie durch zerebrale Minderperfusion bedingte Symptome (z. B. TIA).
Diagnostik: Diagnostische Maßnahmen sind MRT und DSA.
Diagnostik: Die diagnostischen Maßnahmen beinhalten die Magnetresonanztomographie (MRT) und digitaler Subtraktionsangiographie (DSA), da die Duplexsonographie den Aortenbogen nur inkomplett erreicht.
Differenzialdiagnosen: Im Vordergrund steht das Takayasu-Syndrom.
Differenzialdiagnosen: Im Vordergrund steht das Takayasu-Syndrom.
Therapie: V.a. bei ursächlicher Vaskulitis ist die medikamentöse Therapie der Grunderkrankung (z. B. Cortison) indiziert. Hochgradige Stenosen müssen operativ korrigiert werden. Therapie der Wahl ist die StentAngioplastie. Alternativ kann eine risikoreiche Bypassoperation erfolgen.
Therapie: Vor allem bei Vorliegen einer Vaskulitis ist die entsprechende medikamentöse Therapie der Grunderkrankung (z. B. Cortison) indiziert. Bei hochgradigen Stenosen, die zu einer Minderperfusion der abhängigen Gefäßregionen führen, muss eine operative Korrektur erfolgen. Die Therapie der Wahl ist heute die Stent-Angioplastie. Diese kann antegrad über die A. femoralis, aber auch retrograd über die A. carotis durchgeführt werden. Alternativ kann eine Bypassoperation erfolgen – diese sind jedoch mit einem hohen Risiko verbunden: Das Spendergefäß ist die Aorta ascendens und für diese Gefäßoperation ist eine Sternotomie erforderlich. Diese Operation wird aufgrund des hohen Risikos nur selten durchgeführt.
7.4.4 Arterielle Aneurysmen
7.4.4 Arterielle Aneurysmen
Allgemeine Grundlagen
Allgemeine Grundlagen
왘 Definition
왘 Definition. Ein Aneurysma ist eine umschriebene Aussackung eines arteriellen
Blutgefäßes infolge angeborener oder erworbener Wandveränderungen.
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
B 7.4 Erkrankungen der Arterien
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Man unterscheidet folgende Formen von Aneurysmen: ■ Aneurysma verum (echtes Aneurysma): Dilatation (spindel- oder sackförmig) aller Gefäßwandschichten. ■ Aneurysma dissecans: Hier reißt die Intima mit folgender Einblutung in die Media. Durch die entstehende Wühlblutung resultiert im Bereich der Läsion ein sich nach antegrad und/oder retrograd vorwühlendes, die Gefäßwand dissezierendes Hämatom. Tritt das Blut wieder aus dem Dissekat in das Gefäßlumen durch Fensterung der Intima ein, spricht man von einem Reentry. Die häufigsten Ursachen für ein Aneurysma dissecans sind angeborene Bindegewebsschwächen (z. B. Medianecrosis cystica Erdheim-Gsell, MarfanSyndrom) oder arteriosklerotische Gefäßveränderungen, oft als Folge einer langjährigen arteriellen Hypertonie. Näheres zur Aortendissektion s. S. 1025. ■ Aneurysma spurium (falsches Aneurysma): Dieses Pseudo-Aneurysma (die eigentliche Gefäßwand ist nicht pathologisch verändert) kann traumatisch durch eine Wandruptur (z. B. durch Dezelerationstrauma) oder iatrogen durch eine Gefäßverletzung (z. B. im Rahmen einer Gefäßpunktion zur Angiographie) entstehen. Blut gelangt infolge der Verletzung nach extravasal mit konsekutiver Entwicklung eines paravasalen Hämatoms. Durch bindegewebige Organisation entsteht eine Hämatommembran als „falsche Gefäßwand“.
Man unterscheidet folgende Formen: ■ Aneurysma verum: Dilatation aller Gefäßwandschichten.
Epidemiologie: Die Aneurysmaerkrankung betrifft das männliche Geschlecht weitaus häufiger als das weibliche.
Epidemiologie: Männer sind weitaus häufiger betroffen als Frauen.
Ätiologie und Lokalisation: Die meisten echten Aneurysmen sind arteriosklerotisch bedingt, häufig findet sich als Grunderkrankung eine arterielle Hypertonie. 80 % der Aneurysmen sind im Bereich der Aorta lokalisiert. Über 90 % der abdominalen Aortenaneurysmen finden sich im infrarenalen Aortenabschnitt (näheres s. S. 1141). Thorakale oder thorakoabdominelle Aneurysmen sind seltener (näheres s. S. 1022). In 50 – 70 % werden multiple Aneurysmen, also weitere Aneurysmen z. B. in der A. poplitea oder A. carotis diagnostiziert. Periphere Aneurysmen betreffen überwiegend die A. poplitea (90 % der peripheren Aneurysmen, näheres s. S. 1143). In Zusammenhang mit der arteriosklerotischen Genese finden sich typischerweise häufig folgende Begleiterkrankungen: KHK, periphere AVK, Herzinsuffizienz sowie Diabetes mellitus und Zerebralsklerose. Weiterhin können immunologische Vorgänge, mechanische Beanspruchung und Infekte zur Entstehung eines Aneurysmas führen (Tab. B-7.16).
Ätiologie und Lokalisation: Die meisten echten Aneurysmen sind arteriosklerotischen Ursprungs. Bevorzugte Lokalisation der Aortenaneurysmen ist die infrarenale Aorta abdominalis. Bei 50 – 70 % liegt eine multiple Aneurysmose vor.
Klinik und Komplikationen: Aneurysmen bleiben oft asymptomatisch und werden häufig bei Routineuntersuchungen als Zufallsbefund diagnostiziert. Symptomatische Aneurysmen verursachen insbesondere durch auftretende Komplikationen Symptome. So z. B. im Rahmen einer Embolie aus einem parietalen Thrombus (manchmal Erstsymptom, da viele Aneurysmen einen thrombotischen Randwall aufweisen, der Ausgangspunkt für periphere Embolien sein kann) oder durch eine Ruptur. Selten machen sich Aneurysmen durch Sekundärkomplikationen bemerkbar: Ein Beispiel hierfür ist die Ureterkompression durch ein Iliakalaneurysma mit konsekutiver Harnstauungsniere. 왘 Merke. Charakteristisch für jedes Aneurysma ist die Größenzunahme mit
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Aneurysma dissecans: Einriss der Intima mit anschließender Wühlblutung. Näheres zur Aortendissektion s. S.1025.
Aneurysma spurium: Infolge einer Verletzung gelangt Blut nach extravasal mit Entstehung eines paravasalen Hämatoms. Durch bindegewebige Organisation entsteht eine Hämatommembran als „falsche Gefäßwand“.
Periphere Aneurysmen betreffen überwiegend die A. poplitea. Häufig finden sich Begleiterkrankungen: KHK, pAVK, Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus und Zerebralsklerose. Weitere Ursachen von Aneurysmen zeigt Tab. B-7.16. Klinik und Komplikationen: Aufgrund des häufig asymptomatischen Verlaufs werden Aneurysmen oft als Zufallsbefund diagnostiziert. Insbesondere die Komplikationen verursachen Symptome. Selten werden sie durch Sekundärkomplikationen symptomatisch (z. B. bei Ureterkompression).
왗 Merke
steigender Rupturgefahr. 50 % aller Aneurysmen rupturieren innerhalb von 10 Jahren. Diagnostik: Anamnese und klinische Untersuchung (z. B. bei abdominalen Aortenaneurysmen pulsierender Tumor im Bauchraum palpabel, Schwirren und/oder systolisches Strömungsgeräusch auskultierbar) können diagnostisch wegweisend sein. Je nach Lokalisation werden Aneurysmen häufig mittels Sonographie und Duplex- bzw. Farbdoppler-Sonographie (Darstellung des Aneurysmas mit maximalem Querdurchmesser und Längenausdehnung) diagnostiziert. Eine genauere Beurteilung des Aneurysmas hinsichtlich Größe,
Diagnostik: Anamnese und klinische Untersuchung können wegweisend sein. Die apparative Diagnostik (Sonographie bzw. Farbdoppler-und -duplex-Sonographie, CT, s. Abb. B-7.23 a, MRT) dient der Diagnosesicherung bzw. Beurteilung des Aneurysmas.
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B 7 Gefäßchirurgie
1140 B-7.16
Ursachen von Aneurysmen
Ätiologie und Pathogenese
Bemerkungen
arteriosklerotisch
Auftreten insbesondere bei Vorliegen von Risikofaktoren und Begleiterkrankungen der Arteriosklerose
bevorzugte Lokalisation: Abdominelle Aorta (v. a. infrarenal)
inflammatorisch
Es handelt sich um einen immunologisch induzierten Gewebeumbau mit Wandverdickung und Fibrose (5 5 % der Aortenaneurysmen), ein Zusammenhang mit der retroperitonealen Fibrose wird vermutet (Abb. B-7.23).
bevorzugte Lokalisation: Aorta abdominalis. Das gefäßreiche fibrotische Gewebe nimmt stark Kontrastmittel auf, so dass diese Erkrankung in der Regel im präoperativen CT nachgewiesen werden kann. Typischerweise ist die dorsale Wand ausgespart.
traumatisch (oder iatrogen)
Traumatisch (z. B. nach perforierenden Verletzungen) oder iatrogen (durch diagnostische oder interventionelle Eingriffe, z. B. nach Gefäßpunktion in der Leistenregion) bedingtes falsches Aneurysma
Die Diagnose kann mit der farbkodierten Duplexsonographie gestellt werden. Aneurysmen der Leistenregion 4 2 cm werden manuell komprimiert (unter sonographischer Kontrolle)
■
kongenital
Eine angeborene Bindegewebsschwäche (z. B. bei Marfan-Syndrom, Ehlers-Danlos-Syndrom, zystischer Medianekrose ErdheimGsell) führt zu insbesondere dissezierenden Gefäßerkrankungen.
■
entzündlich
Bakteriell infizierte Aneurysmen (= mykotische Aneurysmen) wurden früher hauptsächlich durch Streptokokken ausgelöst, heute prägen Salmonellen dieses seltene Krankheitsbild. Auch die Mesoaortitits luetica (luetisches Aneurysma) ist dank der Antibiotikatherapie heute eine Rarität.
■
■
■
B-7.23
bevorzugte Lokalisation: ■ bakteriell infizierte Aneurysmen: Aorta, A. poplitea, A. carotis. ■ luetische Aneurysmen: Thorakaler Abschnitt der Aorta.
Inflammatorisches Aortenaneurysma
a CT-Aufnahme: Gekennzeichnet ist ein Kontrastmittelenhancement bei inflammatorischem Aortenaneurysma (?).
Nur in Ausnahmefällen ist beim Bauchaortenaneurysma die Angiographie erforderlich. 왘 Merke
b OP-Situs: Blick auf das Retroperitoneum bei inflammatorischem Aortenaneurysma.
Ausdehnung und ggf. Penetrations- oder Rupturzeichen erlaubt eine Schnittbilduntersuchung (CT, s. Abb. B-7.23 a oder MRT). Dem Spiral-CT kommt durch die Möglichkeit der 3D-Rekonstruktion besondere Bedeutung zu. Die Angiographie ist beim Bauchaortenaneurysma nur in Ausnahmefällen erforderlich (Kombination von Aneurysma mit AVK, geplantes endovaskuläres Vorgehen). 왘 Merke. Primäres Ziel ist die Verhinderung einer Aneurysmaruptur, da der
Notfalleingriff noch immer mit einer hohen Letalität belastet ist. Therapie: Es stehen endovaskuläre und operative Maßnahmen zur Verfügung. Bei abdominalen Aortenaneurysmen ist aufgrund der Abhängigkeit zwischen Durchmesser und Rupturrate ab Querdurchmessern 4 5 cm die OP indiziert.
Therapie: Therapeutisch stehen endovaskuläre (= interventionelle) und operative Maßnahmen zur Verfügung. Für die abdominalen Aortenaneurysmen ist die Abhängigkeit zwischen Durchmesser und Rupturrate bekannt. Sie steigt von 4 % bei 5 cm auf 4 20 % bei 7 cm an. Daraus wird im Allgemeinen eine Operationsindikation bei Querdurchmessern 4 5 cm abgeleitet. Bei Aneurysmen mit 5 5 cm Querdurchmesser, die nicht zu Komplikationen geführt haben, ist ein beobachtendes Vorgehen gerechtfertigt.
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B 7.4 Erkrankungen der Arterien
In Deutschland werden pro Jahr etwa 10 000 Aortenaneurysmen behandelt. Therapie der Wahl beim Bauchaortenaneurysma 4 5 cm ist die Versorgung mit einer Polyester- oder Teflonprothese in „Inlaytechnik“ (Näheres s. u.). In den letzten Jahren hat sich beim Vorliegen eines Aneurysmahalses zwischen Nierenarterien und Aneurysmasack und fehlender Knickbildung der Beckenarterien zunehmend die endovaskuläre Stentprothesenversorgung etabliert. Insbesondere bei thorakalen Aneurysmen werden zunehmend Stentprothesen eingesetzt (Näheres hierzu s. S. 1025). Bei thorakoabdominellen Aneurysmen kann alternativ zum offenen Operationsverfahren (s. S. 1024) der thorakale Anteil mit einer Stentprothese versorgt werden, während der abdominelle Teil konventionell operiert wird. Diese Eingriffe werden als „Hybridoperation“ bezeichnet. Die Implementierung von Stentprothesen ist an spezielle Vorraussetzungen gebunden. Proximal und distal sind sogenannte „Landungszonen“ erforderlich, um Endoleckagen zu vermeiden. Eine A. iliaca interna muss erhalten werden können, um gluteale oder intestinale Ischämiesyndrome zu vermeiden. Patienten, die mit einer Stentprothese versorgt sind, sollten sich einer lebenslangen Nachsorge unterziehen, um Prothesenmigrationen oder -desintegrationen feststellen zu können.
1141 Operationspflichtige Bauchaortenaneurysmen werden mittels Gefäßprothese in „Inlaytechnik“ versorgt (Näheres s. u.).
Insbesondere bei thorakalen Aneurysmen werden zunehmend Stentprothesen eingesetzt (Näheres s. S. 1025). „Hybridoperationen“ kommen bei thorakoabdominellen Aneurysmen zum Einsatz.
Spezielle Aneurysmen
Spezielle Aneurysmen
Thorakales Aortenaneurysma
Thorakales Aortenaneurysma
Siehe hierzu Kapitel Herzchirurgie, S. 1022.
Siehe hierzu S. 1022.
Abdominelles Aortenaneurysma (AAA)
Abdominelles Aortenaneurysma (AAA)
Ätiologie und Lokalisation: Es handelt sich in der Regel um arteriosklerotisch bedingte Aneurysmen, die zu 4 90 % infrarenal lokalisiert sind.
Ätiologie und Lokalisation: Meist arteriosklerotisch bedingte Aneurysmen, die zu 4 90 % infrarenal lokalisiert sind. Klinik und Komplikationen: Sie werden symptomatisch bei Größenzunahme, Schmerz ist ein führendes Symptom. Die Ruptur äußert sich in einem Blutungsschock. Die Rupturhäufigkeit nimmt ab einem Durchmesser von 4 cm deutlich zu.
Klinik und Komplikationen: Durch Zunahme der sonographischen Untersuchungen werden 30 – 50 % der Aneurysmen im asymptomatischen Stadium zufällig entdeckt. Symptome entwickeln sich oft erst bei Größenzunahme (s. auch S. 1139), dabei ist Schmerz das führende Symptom. Beschwerden wie Rückenund Flankenschmerzen werden jedoch oft fehlgedeutet. Die Ruptur eines AAA ist eine schwere Komplikation, die stärkste abdominelle Schmerzen hervorrufen kann und sich klinisch durch einen Volumenmangelschock äußert. Die Rupturhäufigkeit der Aneurysmen steigt deutlich mit deren Durchmesser. 왘 Merke. Durch Größenzunahme symptomatisch gewordene infrarenale Aor-
왗 Merke
tenaneurysmen werden häufig im Sinne von degenerativen Wirbelsäulenschäden, Nierenkoliken und Lumbalgien fehlgedeutet. Diagnostik: Die Diagnose des AAA wird neben Anamnese und klinischer Untersuchung meist sonographisch gestellt. Eine Darstellung des Aneurysmas in der Länge und eine Beurteilung der Lokalisation und Morphologie (Randthrombus, drohende Perforation/Penetration, Dissektionsmembran) erlaubt die Kontrast-CT (Abb. B-7.23 a) ggf. ergänzt durch eine MRT. Bei Verdacht auf Wirbelsäulenschaden angefertigte Röntgenaufnahmen der LWS lassen durch prävertebrale Verkalkungsstrukturen oft ein Aneurysma vermuten.
Diagnostik: Die Diagnose stützt sich neben Anamnese und klinischer Untersuchung auf die Sonographie. Ergänzend CT-Abdomen mit Kontrastmittelgabe (Abb. B-7.23 a) und ggf. MRT.
Therapie: Bei symptomatischen Aneurysmen besteht unabhängig von der Größe eine (dringliche) Op-Indikation. Notfallsituationen bei Ruptur erfordern die sofortige Operation. Abgesichert durch Studien zur Rupturgefahr werden Bauchaortenaneurysmen ab einem Durchmesser 4 5 cm operiert. Hierbei besteht die Behandlung der Wahl im Ersatz des erkrankten Gefäßabschnittes durch eine Gefäßprothese aus Polyester oder Teflon, die heute in „Inlaytechnik “ erfolgt (Abb. B-7.24). Nur der parietale Thrombus wird aus dem eröffneten Aneurysmasack entfernt und selbiger nach Implantation der Gefäßprothese wieder verschlossen. Demgegenüber werden Aortenstentprothesen von der Leiste aus unter angiographischer Kontrolle in die betreffende aortale Position vorgebracht und im Aneurysma unter Durchleuchtungskontrolle freigesetzt. Stentprothesen bestehen, wie die
Therapie: AAA werden ab einem Durchmesser 4 5 cm mittels Gefäßprothese aus Teflon oder Polyester in Inlaytechnik operiert (Abb. B-7.24). Alternativ können Aortenstentprothesen eingesetzt werden, die ebenfalls aus Teflon oder Polyester bestehen und mit einem Drahtgitter (Stent) versehen sind.
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B 7 Gefäßchirurgie
1142 B-7.24
Prothesenimplantation bei Aortenaneurysma
III a Stentprothesenimplantation über beide Leistenarterien unter Röntgenkontrolle. III b Abschlussangiographie (digitale Subtraktionsangiographie = DSA) zum Abschluss einer Endoleckage.
III a
III b
konventionellen Gefäßprothesen aus Polyester oder PTFE und sind zusätzlich mit einem Drahtgitter (Stent) versehen. OP-bedingte Komplikationen: ■ Prothesendilatationen sind alterungsbedingte Komplikationen bei konventionellen Prothesen. Bei Stentprothesenimplantation treten komplizierend Stentmigration, Endoleckagen und Stentdesintegration auf (daher regelmäßige Nachkontrollen!).
OP-bedingte Komplikationen: ■ Bei Implantation konventioneller Prothesen entstehen alterungsbedingte Komplikationen: Prothesendilatationen bis 20 % werden in eigenen Studien beobachtet. Sie treten früh postoperativ (innerhalb von 6 Monaten) auf. Bei der endovaskulären Stentprothesenversorgung bestehen die Komplikationen in der Ausbildung von Endoleckagen (das überbrückte aneurysmatische Gefäßsegment wird weiter durchblutet und beginnt wieder zu wachsen), seltener in Stentmigrationen und Stentdesintegrationen (kann neben dem Metall auch die Prothese und die Verbindung beider betreffen). Folgeoperationen sind in bis zu 20 % erforderlich. Daher müssen Patienten nach Implantation einer Stentprothese regelmäßig nachkontrolliert werden.
Postoperative Komplikationen: V. a. pulmonaler (12 %) und renaler (6 %) Art.
Postoperative Komplikationen nach Operation eines Bauchaortenaneurysmas sind vor allem pulmonaler (12 %; z. B. Pneumonie, Lungenversagen) und renaler (6 %; z. B. Niereninsuffizienz, -versagen) Art. Wundinfekte, Nachblutungen, Kolonischämie und Thrombose sind seltene Komplikationen.
Prognose: Die Letalität bei der elektiven Operation eines Bauchaortenaneurysmas beträgt 1 – 5 %. Trotz Verbesserung der Logistik, der Intensivmedizin und der Operationstechnik liegt dagegen die Letalität des rupturierten Aortenaneurysmas bei 40 %.
Prognose: Die Ergebnisse der Behandlung des Bauchaortenaneurysmas sind vor dem Hintergrund der verschiedenen Therapieoptionen differenziert zu betrachten. In Abhängigkeit von der Ausdehnung des Aneurysmas (Implantation einer Rohrprothese oder einer Y-Prothese), der Komorbidität des Patienten und dem Patientenalter beträgt die Letalität bei der elektiven Operation eines Bauchaortenaneurysmas 1 – 5 %. Die Letalität des rupturierten Aortenaneurysmas liegt demgegenüber trotz Verbesserung der Logistik, der Intensivmedizin und der Operationstechnik immer noch bei 40 %.
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B 7.4 Erkrankungen der Arterien
1143
Die Operationsletalität bei endovaskulärer Stentprothesenversorgung liegt bei 1,4 %. Selten liegt ein Aortenaneurysma in Kombination mit einer Hufeisenniere vor. Hierbei müssen mögliche akzessorische Nierenarterien angeschlossen werden, um die Entwicklung eines renalen Hypertonus zu vermeiden. Besteht eine komplette Parenchymbrücke, so sollte diese erhalten werden. Besteht die Brücke lediglich aus fibrösen Strukturen, kann sie durchtrennt werden. Hufeisennieren kommen mit einer Häufigkeit von 1 : 600 in der Normalbevölkerung vor.
OP-Letalität bei endovaskulärer Stentprothese: 1,4 %.
A.-poplitea-Aneurysma
A.-poplitea-Aneurysma
Ätiologie: Es handelt sich überwiegend um arteriosklerotisch bedingte echte Aneurysmen (selten als Aneurysma spurium, z. B. posttraumatisch).
Ätiologie: Überwiegend arteriosklerotisch bedingt.
Klinik: Ca. 30 % der Patienten sind asymptomatisch. Symptome entwickeln sich meist bei Aneurysmen 4 3 cm. Periphere Aneurysmen stellen Emboliestreuherde dar, welche sich durch thrombotische Gefäßverschlüsse mit Ischämiesymptomen und Nervenirritationen durch lokale Nervenkompression bemerkbar machen können.
Klinik: Ca. 30 % der Patienten sind asymptomatisch, Symptome entstehen meist bei Aneurysmen 4 3 cm.
왘 Merke. Beim A.-poplitea-Aneurysma stehen nicht die Ruptur, sondern der
Bei Vorliegen eines Aortenaneurysmas in Kombination mit einer Hufeisenniere müssen mögliche akzessorische Nierenarterien angeschlossen werden (Verhinderung eines renalen Hypertonus).
왗 Merke
thrombotische Verschluss und die Embolie mit resultierender akuter Extremitätenischämie als Komplikationen im Vordergrund. Diagnostik: Die Diagnose kann sonographisch und angiographisch gestellt werden. Insbesondere bei Verdacht auf periphere Thrombose ist die Angiographie indiziert.
Diagnostik: Sonographie und Angiographie.
Therapie: Bei asymptomatischen oder kleinen Aneurysmen sind halbjährliche sonographische Kontrollen indiziert. Eine OP-Indikation ergibt sich auch bei kleinen Aneurysmen, wenn ein Parietalthrombus nachweisbar ist. Die operative Therapie besteht in der Ausschaltung des Aneurysmas und der Anlage eines Bypasses. Als Gefäßersatz hat sich ein autologes Veneninterponat bewährt. Ist keine Vene vorhanden, muss alternativ alloplastisches Material verwendet werden. Bei kleineren Aneurysmen kann die direkte Freilegung über einen dorsalen Zugang in der Fossa poplitea sinnvoll sein. Aufgrund der Emboliegefahr (s.o.) ist im Einzelfall eine Kombination des Gefäßersatzes mit einer lokoregionalen Lyse sinnvoll. Größere Aneurysmen sollten über zwei Zugänge am distalen Oberschenkel und am medialen proximalen Unterschenkel operiert werden.
Therapie: Bei asymptomatischen oder kleinen Aneurysmen sind halbjährliche sonographische Kontrollen indiziert. Kleine Aneurysmen mit nachweisbarem Parietalthrombus stellen eine OP-Indikation dar. Die operative Therapie besteht in der Ausschaltung des Aneurysmas und der Anlage eines Bypasses.
Zystische Adventitiadegeneration
Zystische Adventitiadegeneration
Die zystische Adventitiadegeneration stellt ebenso wie das popliteale Entrapmentsyndrom (s. u.) eine wichtige, aber seltene Differenzialdiagnose zum A.-poplitea-Aneurysma dar.
Diese stellt eine wichtige, aber seltene Differenzialdiagnose zum A.-poplitea-Aneurysma dar.
Ätiologie: Diese ist nicht gesichert. Wahrscheinlich ist sie durch eine Versprengung von Synovialzellen in die Gefäßadventitia bedingt.
Ätiologie: Die Ursache ist nicht gesichert.
Klinik: Kompressionssymptome (Nerven) und Durchblutungsstörungen sind charakteristische Beschwerden.
Klinik: Kompressionssymptome und Durchblutungsstörungen.
Diagnostik: Mittels Sonographie und CT erfolgt die Diagnostik.
Diagnostik: Sonographie und CT.
Therapie: Ihre Behandlung besteht entweder in einer Resektion der Adventitia oder der A. poplitea mit Rekonstruktion durch ein Veneninterponat.
Therapie: Resektion der Adventitia oder der A. poplitea mit Veneninterponat.
Popliteales Entrapmentsyndrom
Popliteales Entrapmentsyndrom
Hinweisend auf ein popliteales Entrapmentsyndrom (Engpasssyndrom) ist ein Popliteaverschluss bei sonst gesundem Gefäßsystem, insbesondere bei jungen Menschen (Sportlern).
Ein charakteristischer Hinweis ist ein Popliteaverschluss bei sonst gesundem Gefäßsystem.
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1144
B 7 Gefäßchirurgie
Ätiologie: Gefäßkompression und -verschluss durch medialen Gastroknemiuskopf oder akzessorischen Muskelzug.
Ätiologie: Meistens wird das Gefäß durch den medialen Gastroknemiuskopf oder einen akzessorischen Muskelzug komprimiert oder verschlossen.
Diagnostik: Sonographie, CT und Angiographie.
Diagnostik: Sonographie, CT und Angiographie sind die wichtigsten diagnostischen Methoden.
Therapie: Durchtrennung des entsprechenden Muskelbündels oder zusätzliche Anlage eines Veneninterponates.
Therapie: In Abhängigkeit von der Erkrankung der A. poplitea wird entweder nur das entsprechende Muskelbündel durchtrennt oder zusätzlich ein Veneninterponat angelegt.
7.4.5 Arteriovenöse Fisteln (AV-Fisteln)
7.4.5 Arteriovenöse Fisteln (AV-Fisteln)
왘 Synonym
왘 Synonym. Arteriovenöse Malformation, AV-Shunt
왘 Definition
왘 Definition. Arteriovenöse Fisteln sind direkte, pathologische Kurzschlussverbindungen zwischen dem arteriellen Hochdruck- und dem venösen Niederdrucksystem.
Ätiologie: AV-Fisteln sind entweder angeboren (ca. 30 %) oder erworben (ca. 70 %). Sie sind häufig mit anderen Gefäßmissbildungen kombiniert (Klippel-Trenaunay-Syndrom, Sturge-Weber-Syndrom).
Die angeborenen AV-Fisteln werden nach Vollmar eingeteilt (Tab. B-7.17). Erworbene Fisteln können traumatisch, spontan oder iatrogen bedingt sein.
B-7.17
Pathopysiologie: Eine Stauung in den Venen führt bei gleichzeitig erhöhter Blutumlaufgeschwindigkeit zu chronischer Volumenbelastung des Herzens. Klinik: Die akute, großvolumige AV-Fistel verursacht eine akute Hypovolämie und eine Erhöhung des Herzzeitvolumens mit akuter Herzinsuffizienz.
Ätiologie: AV-Fisteln sind entweder angeboren (ca. 30 %) oder erworben (ca. 70 %). Kongenitale Formen sind die Folge von Differenzierungsstörungen des Kapillarplexus bzw. persistierenden Gefäßkurzschlüssen. Sie treten häufig in Kombination mit anderen Missbildungen auf. Beispiele hierfür sind das KlippelTrenaunay-Syndrom (= partieller angiektatischer Gigantismus: Weichteil- und Skeletthypertrophie, flächenhafte Hämangiome der Haut und variköse Venektasien) und das Sturge-Weber-Syndrom (= Neuroangiomatosis encephalofacialis: Neuroektodermaldysplasie mit Hämangiombildungen im Gesicht). Auch innere Organe (z. B. Lunge, Nieren, Milz) können kongenitale Fisteln aufweisen. Nach Vollmar werden die angeborenen Formen der arteriovenösen Fisteln nach folgendem Schema eingeteilt (Tab. B-7.17). Erworbene Fisteln können traumatisch durch eine Verletzung bedingt sein (Schuss, Stich), spontan (durch Einbruch eines Aneurysmas in die begleitende Vene oder Gefäßkurzschlüsse in Tumoren, z. B. bei Hypernephrom) oder iatrogen (nach Angiographie, durch Punktion oder Probebiopsien).
B-7.17
Einteilung der kongenitalen AV-Fisteln nach Vollmar
Einteilung
Manifestation
Typ I
Einzelshunt (Ductus arteriosus Botalli apertus)
Typ II (KlippelTrénaunay-Syndrom)
generalisierte Form mit zwischengeschalteten angiomatösen Gefäßen im Bereich der Extremitäten
Typ III (sog. Rankenangiom)
lokalisierte tumoröse Längsachsenkurzschlüsse mit kavernösen Hohlräumen im Bereich der Kopf- und Gehirngefäße.
Pathophysiologie: Als Folge des erhöhten Shuntvolumens staut sich das Blut in den Venen bei gleichzeitig erhöhter Blutumlaufgeschwindigkeit, wodurch eine chronische Volumenbelastung des Herzens resultiert. Klinik: Grundsätzlich ist die Symptomatik abhängig von der Fistellokalisation, dem -volumen und der Geschwindigkeit der Fistelentstehung. Bei einer akuten, großvolumigen AV-Fistel entsteht eine akute Hypovolämie durch „Verbluten“ in das eigene venöse Niederdrucksystem. Kompensatorisch entwickelt sich eine Vasokonstriktion nicht betroffener Gefäßabschnitte und eine Erhöhung des Herzzeitvolumens, u. a. durch Zunahme des Blutvolumens (10 Liter und mehr). Dies kann eine akute Herzinsuffizienz zur Folge haben.
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B 7.4 Erkrankungen der Arterien
1145
Bei der chronischen AV-Fistel imponiert lokal das Bild einer venösen Stauung mit pulsierenden Venen und Stauungsödem sowie Zeichen einer chronisch venösen Insuffizienz (Stauungsulzera, S. 1149). Zudem kann eine periphere arterielle Minderperfusion mit Claudikatiosymptomatik bestehen. Eine Mangeldurchblutung der Mesenterialgefäße kann zu den Symptomen einer Angina abdominalis führen. Auf dem Boden des chronisch erhöhten Herzminutenvolumens entsteht längerfristig eine Kardiomegalie mit Herzinsuffizienz. Auf dem Boden einer aortokavalen Fistel kann ein portaler Hypertonus mit allen Folgeerscheinungen (Ösophagusvarizen) entstehen. Als Folge eines erniedrigten arteriellen PO2 kann sich eine Polyglobulie entwickeln.
Manifestation der chronischen AV-Fistel als: ■ pulsierender Tumor mit Maschinengeräusch, ■ einseitige chronisch venöse Insuffizienz, ■ periphere arterielle Ischämie mit Claudikatiosymptomatik oder ■ Herzinsuffizienz mit Kardiomegalie.
Diagnostik: Bei peripheren AV-Fisteln ist bereits die klinische Untersuchung richtungsweisend: Inspektorisch fällt eine einseitige massive Varikosis auf, über der Fistel ist ein Schwirren palpabel und ein Maschinengeräusch auskultierbar. Durch Fistelkompression kommt es zur Pulsverlangsamung und zum Blutdruckanstieg (= Nicola-Branham-Test). Ausgeprägte einseitige Varizen bei jungen Patienten mit lokalisiertem Riesenwuchs legen ein kongenitales Fistelleiden nahe. Zur Diagnosesicherung dienen die Messung des Herzzeitvolumens und eine Röntgen-Thorax-Aufnahme (Herzverbreiterung). Die Sauerstoffsättigung im venösen Blut ist erhöht, wenn es aus der Fistel gespeist wird. Die Lokalisation der Fistel ist dopplersonographisch möglich, die genaue Morphologie der Fistel lässt sich nur mittels Angiographie der Fistelregion erfassen.
Diagnostik: Die Diagnose peripherer AVFisteln stützt sich auf die klinische Untersuchung (pulsierender Tumor, Maschinengeräusch, Varikose), den NicolaBranham-Test, die Doppler-Sonographie, die Messung des HZV und eine RöntgenThorax-Aufnahme sowie die Angiographie. Die Sauerstoffsättigung im venösen Blut ist erhöht, wenn dieses aus der Fistel gespeist wird.
Therapie: Eine Spontanheilung ist unwahrscheinlich. Daher ist das Behandlungsziel bei allen größeren hämodynamisch wirksamen Fisteln die Beseitigung der pathologischen Kurzschlussverbindung unter Erhalt der Gefäßstrombahn. Hierzu können chirurgische oder radiologisch-interventionelle (= endovaskuläre) Verfahren eingesetzt werden. Gefäßligaturen sollten vermieden werden. Bei längerstreckigen Fisteln ist eine entsprechende Gefäßpräparation („Skelettierungsoperation“=langstreckige Präparation der Stammgefäße) erforderlich. Wenn möglich sollten Fisteln im Kopf-/Hirnbereich und an den Extremitäten reseziert werden (Separationsverfahren). AV-Fisteln im Bereich parenchymatöser Organe (z. B. Hämangiome der Leber, AV-Fisteln in inoperablen Tumoren) können im Rahmen einer selektiven Katheterangiographie in Seldinger-Technik durch Injektion von Mikrosphären aus Kunststoff, Gel-Foam oder Metallcoils (Spiralen, die sich im Gefäß zusammenrollen und so zum Verschluss der Fistel führen) embolisiert bzw. verödet werden.
Therapie: Die Therapie der Wahl besteht in der Beseitigung der Fistel unter Erhalt der Gefäßstrombahn. In Abhängigkeit der Fistellokalisation, der Morphologie und des Fistelvolumens werden chirurgische oder radiologisch-interventionelle Verfahren eingesetzt.
Prognose: Die Prognose ist bei erworbenen Fisteln in der Regel günstig. Kongenitale AV-Fisteln (Klippel-Trénauny-Syndrom) zeigen oft einen progredienten Verlauf und sind häufig nicht rekonstruktiv sanierbar. Zudem neigen sie zu Rezidiven proximal eines zuvor operierten Fistelabschnitts.
Prognose: Die Prognose ist bei erworbenen Fisteln in der Regel günstig, kongenitale Fisteln können progredient verlaufen.
Hämodialyse-Shunt (Sonderform der AV-Fistel) 왘 Definition. Eine künstlich angelegte Verbindung zwischen Extremitätenarterie
Fisteln im Kopf-/Hirnbereich und an den Extremitäten sollten nach Möglichkeit reseziert werden. AV-Fisteln im Bereich parenchymatöser Organe können mittels selektiver Katheterangiographie in Seldinger-Technik embolisiert bzw. verödet werden.
Hämodialyse-Shunt (Sonderform der AV-Fistel) 왗 Definition
und -vene dient als wiederholt punktierbarer Gefäßzugang für die Hämodialyse bei terminal niereninsuffizienten Patienten. (Abb. B-7.25) Shunt für die passagere Dialyse: Für die passagere Dialyse z. B. bei akutem Nierenversagen werden großlumige Einlumen- (z. B. Sheldonkatheter) oder Doppellumenkatheter (z. B. Hickmannkatheter) über die V. jugularis, V. subclavia oder V. femoralis angelegt.
Shunt für die passagere Dialyse: Z. B. bei akutem Nierenversagen werden großlumige Einlumen- oder Doppellumenkatheter über die V. jugularis oder V. subclavia angelegt.
Shunt für die dauerhafte Dialyse: Bei terminal niereninsuffizienten Patienten, bei denen die Entsorgung harnpflichtiger Substanzen sowie die Entwässerung mithilfe der Dialyse aufrechterhalten werden muss (Dauerdialyse), sind die o.g. Systeme aufgrund des höheren Infektions- und Thromboserisikos nicht geeignet. Zur Durchführung der dauerhaften Hämodialyse ist ein sicherer, gut punktierbarer Gefäßabschnitt notwendig, der einen ausreichenden Flow (ca. 200 ml/min)
Shunt für die dauerhafte Dialyse: Die o.g. Systeme sind wegen der Infektions- und Thromboseneigung nicht geeignet. Deshalb muss zur Gewährleistung eines ausreichenden Flow eine AV-Fistel angelegt werden. Shunts sollten am nicht dominanten Arm und möglichst peripher angelegt werden.
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B 7 Gefäßchirurgie
1146 B-7.25
Hämodialyseshunt am Beispiel der Brescia-Ciminofistel
Therapie der Wahl ist die Brescia-CiminoFistel. Bei Shuntversagen und fehlender Rekonstruktionsmöglichkeit gibt es Alternativen zur Ciminofistel: Den Ellenbogenshunt, die Basilikafistel sowie Prothesenshunts am Unterarm (PTFE).
■
■
Postoperative Nachbehandlung: Nach ca. 4 Wochen Shunt-Training ist der Cimino-Shunt einsatzfähig und kann punktiert werden. Shuntkomplikationen und vorbeugende Maßnahmen: Infektionen, Stenosen, Aneurysmen und Thrombosen sind unvermeidbar. Vorbeugend sollte daher erst nach ausreichendem Shunttraining (s.o.) und mit variierenden Einstichstellen punktiert werden.
7.5
Erkrankungen der Venen
gewährleistet. Da subkutane Venen diese Voraussetzung nicht erfüllen, muss der Flow durch Anlage von AV-Fisteln auf das notwendige Maß erhöht werden. Grundsätzlich sollten Shunts zunächst am nicht dominanten Arm und möglichst peripher angelegt werden. Wenn keine Komplikationen auftreten, kann die Funktionsdauer eines Dialyseshunts mehrere Jahre betragen. Therapie der Wahl ist die Brescia-Cimino-Fistel zwischen A. radialis und V. cephalica antebrachii (Therapie der Wahl). Bei Shuntversagen und fehlender Rekonstruktionsmöglichkeit (Kletteranastomose, PTA) gibt es Alternativen zur Ciminofistel: Den Ellenbogenshunt zwischen A. cubitalis und einer Ellenbogenvene, z. B. V. mediana cubiti und die Basilikafistel zwischen A. brachialis und V. basilica. Weiterhin können Prothesenshunts am Unterarm (PTFE) als Schleife („Loop“) zwischen proximaler A. brachialis und V. mediana cubiti oder als Verbindung („Straight-Graft“) zwischen A. radialis und V. mediana cubiti/V. basilica angelegt werden. ■ Postoperative Nachbehandlung: Nach ca. 4 Wochen Shunt-Training ist der Cimino-Shunt einsatzfähig und damit punktierbar. Das Shunt-Training erfolgt durch wiederholtes proximales Abbinden, wodurch die Gefäßverbindung dilatiert wird. ■ Shuntkomplikationen und vorbeugende Maßnahmen: Da ein Shunt regelmäßig punktiert werden muss, sind Probleme wie z. B. Infekte, Stenosen, die Entstehung von Aneurysmen und Thrombosen unvermeidbar. Zur Vermeidung von Komplikationen sollte daher erst nach ausreichendem Shunttraining (s.o.) und mit variierenden Einstichstellen punktiert werden. Die Behandlung von Komplikationen bedarf der Kooperation zwischen Nephrologen, Radiologen und Gefäßchirurgen.
7.5
Erkrankungen der Venen
7.5.1 Grundlagen
7.5.1 Grundlagen
Erkrankungen des Beinvenensystems treten bedingt durch die oft stehende oder sitzende Tätigkeit gehäuft auf.
Die Aufgabe der Venen ist der Rücktransport des Blutes zum Herzen. Ca. 85 % des Blutvolumens sind im venösen Kapazitätssystem enthalten (Volumenregulation). Aufgrund der aufrechten Körperhaltung sind die Venen der unteren Extremität beim Menschen besonders belastet, da die Blutsäule gegen die Schwerkraft angehoben werden muss. Diese Region ist demzufolge prädisponiert für Venenerkrankungen.
Anatomie: Das Venensystem der unteren Extremität gliedert sich in ein oberflächliches, epifasziales System (ca. 15 % des Beinvenenblutes) und ein tiefes, subfasziales System (ca. 85 % des Beinvenenblutes).
Anatomie: Das Venensystem gliedert sich in ein oberflächliches, epifasziales System und ein parallel dazu intermuskulär verlaufendes, tiefes (subfasziales) Beinvenensystem (ca. 85 % des venösen Rückstroms). Beide Systeme sind durch Perforans- und Kommunikansvenen miteinander verbunden, die zielgerichtet über Venenklappen das Blut vom oberflächlichen in das tiefe System drainieren.
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B 7.5 Erkrankungen der Venen
1147
Unter physiologischen Bedingungen wird der venöse Rückstrom durch folgende Mechanismen gewährleistet: ■ Sicherstellung eines unidirektionalen Blutflusses durch die Venenklappen ■ Übertragung der arteriellen Pulswelle auf begleitende Venen ■ zusätzlich beim subfaszialen System die Wirkung der Kontraktion der Wadenmuskulatur als Muskelpumpe.
Beide Systeme sind durch Perforans- und Kommunikansvenen verbunden.
Aus klinischer Sicht hat sich die folgende Einteilung der Venenerkrankungen bewährt (s. Tab. B-7.18):
Zur Einteilung der Venenerkrankungen s. Tab. B-7.18.
B-7.18
Einteilung der Venenerkrankungen
B-7.18
Erkrankungen des oberflächlichen Venensystems ■ akut Thrombophlebitis ■
chronisch
primäre Varikosis
Erkrankungen des tiefen Venensystems ■ akut ■ Phlebothrombose ■ Phlegmasia coerulea dolens ■
chronisch
■
■
postthrombotisches Syndrom (PTS) mit der potenziellen Entstehung einer chronisch venösen Insuffizienz (CVI) sekundäre Varikosis
7.5.2 Spezielle phlebologische Diagnostik Klinische Untersuchung
Klinische Untersuchung
Die allgemeine Anamneseerhebung sollte insbesondere die Familienanamnese, Vorerkrankungen (z. B. Tumorleiden, Frakturen) und Voroperationen berücksichtigen. Wichtig sind auch Fragen nach Nikotinkonsum, Schwangerschaft, stehender Tätigkeit, Medikamenteneinnahme (z. B. Steroide) und sportlicher Tätigkeit (z. B. Bodybuilding). Die Inspektion sollte am stehenden entkleideten Patienten erfolgen, hierbei ist insbesondere auf Adipositas, Lokalisation von Venenveränderungen (Varizen), Hautveränderungen (z. B. Pigmentierung) und Ulzera sowie auf Schwellungen zu achten. Mittels Palpation kann die Schmerzhaftigkeit von Venensträngen sowie die Lokalisation, Ausdehnung und Konsistenz von Schwellungen/Ödemen und Indurationen, Faszienlücken, Schmerzpunkten und Temperaturänderungen (z. B. lokale Überwärmung) beurteilt werden. Weiterhin ist die Beinumfangsmessung (Angabe in cm) im Seitenvergleich (morgens und abends an festgelegten Stellen) eine richtungsweisende Untersuchungstechnik. Mit Hilfe von Venenfunktionstests kann die Funktionsfähigkeit der Stammvenenklappen des tiefen Venensystems und der Perforansvenen überprüft werden (Tab. B-7.19). Die apparative Diagnostik dient der genauen Lokalisation pathologischer Befunde am Venensystem, der Quantifizierung und reproduzierbaren Dokumentation (Tab. B-7.19).
B-7.19
■
■
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■ ■
■ ■
Anamnese (Vorerkrankungen, Nikotinkonsum, Schwangerschaft, Beruf, Sport) Inspektion (Adipositas, Venenzeichnung, Ödeme, Pigmentstörungen, Rötung, Ulzera) Palpation (Indurationen, Venenstränge, Schmerzpunkte, Temperatur, Faszienlücken) Beinumfangsmessung im Seitenvergleich Labordiagnostik: Blutbild, BSG, Gerinnungsparameter, ggf. Eiweißelektrophorese und ggf. Radiofibrinogentest Venenfunktionstests (Tab. B-7.19) apparative Untersuchungsverfahren (Tab. B-7.19).
Klinische und bildgebende phlebologische Untersuchungsverfahren
Funktionstests ■
7.5.2 Spezielle phlebologische Diagnostik
Brodie-Trendelenburg-Test (Nachweis einer Klappeninsuffizienz im Bereich der Perforans- und Stammvenen)
Vorgehen ■
zunächst Anlegen eines Stauschlauches unterhalb der Leiste bzw. der V.-saphena-magna-Einmündung nach Ausstreichen der Varizen am erhobenen Bein des liegenden Patienten. Anschließend Kontrolle am stehenden Patienten: – Rasches Auffüllen der Varizen innerhalb von 30 Sekunden spricht für insuffiziente Perforansvenen. – Eine zunächst ausbleibende und nach Lösen der Staubinde schnelle Füllung der V. saphena magna ist Zeichen einer Insuffizienz der V.-saphena-magna-Mündungsklappe bei suffizienten Perforansklappen. Fortsetzung "
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B 7 Gefäßchirurgie
1148 B-7.19
Klinische und bildgebende phlebologische Untersuchungsverfahren (Fortsetzung)
Funktionstests ■
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Perthes-Test (indirekter Test zur Durchgängigkeit der tiefen Beinund Perforansvenen)
Mahorn-Ochsner-Test (Nachweis und Lokalisation insuffizienter Perforansvenen) Sonographie: Darstellung und Lokalisation von Thrombosen
Vorgehen ■
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(farbkodierte) Doppler-Sonographie: Erfassung der Blutströmungsrichtung und -geschwindigkeit
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bildgebende Verfahren ■
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(farbkodierte) Duplexsonographie Venenverschlussplethysmographie (Beurteilung der Drainagefähigkeit und Kapazität der Beinvenen) Lichtreflexrheographie (Erfassung venöser Abflussstörungen im Frühstadium mittels Infrarotmesskopf) aszendierende Phlebographie (Darstellung des Venensystems inklusive anatomischer Varianten und pathologischer Veränderungen)
7.5.3 Varikosis
Kompression der oberflächlichen Venen mit einem Stauschlauch oberhalb des Knies am stehenden Patienten. Im Anschluss Aktivierung der Wadenmuskelpumpe (mehrfacher Zehenspitzenstand, Umhergehen): – Entleerung der Varizen spricht für funktionstüchtige Perforansklappen bei intakten tiefen Beinvenen. – Unveränderte oder zunehmende Füllung der Varizen ist Zeichen einer Perforansinsuffizienz und/oder einer Strömungsbehinderung in den tiefen Beinvenen. 2 Stauschläuche werden im Abstand von 5 cm am Bein nach oben verschoben. Im Bereich der insuffizienten Perforansvenen füllen sich die oberflächlichen Venen zwischen den Staubinden auf. Lokalisation und Ausprägung (okklusiv/nicht okklusiv) von Thromben der Knie-, Becken- und Oberschenkelstrombahn Altersbestimmung von Thromben durch unterschiedliche Echotextur (vom Organisationsgrad abhängig) und Ausprägung der perivenösen Begleitreaktion: Frische Thromben sind echoarm bis -frei mit geringer bis fehlender Begleitreaktion der Venenwand, ältere Thromben sind zunehmend echodicht mit Venenwandverdickung und zerstörten Venenklappen. Nachweis von Verschlüssen der V. cava sowie der Becken- und Oberschenkelstammvenen (kein Flow, ggf. höhere Flussgeschwindigkeit über Kollateralen) sowie Insuffizienzen der Stammvenen-, Mündungs- und Perforansvenenklappen (Refluxdiagnostik, Provokation durch Druck und Entlastung, Strömungsumkehr im Valsalva-Pressversuch) mittels farbkodierter Doppler-Sonographie Abbildung der Strömungsverhältnisse der tiefen Unterschenkelvenen
Diagnostik ■
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■
Siehe Sonographie und Doppleruntersuchung. Die Duplexsonographie fusioniert beide Verfahren Nachweis von Transportstörungen und Volumenschwankungen im Unterschenkelvenensystem bei Stammvarikosis und tiefen Beinvenenthrombosen. Dokumentation nach Stauung am Oberschenkel mit 80 mmHg (Venenkapazität) bzw. nach Ablassen der Stauung (Venendrainage) mithilfe von Dehnungsmessstreifen. Früherkennung einer chronischen Beinvenentransportinsuffizienz bei der Stammvarikosis und der tiefen Bein-/Beckenvenenthrombose. Bei Abflussstörungen ist die Venenentleerung unvollständig und die Auffüllzeit verkürzt (normal: Abblassen des dermalen Venenplexus unter Betätigung der Muskelpumpe in ± 15 Sekunden). nach Kontrastmittelinjektion über Fußrückenvenen (ggf. in Kombination mit einer retrograden Pressphlebographie) Bestimmung von Lokalisation, Ausdehnung und Morphologie einer Venenthrombose sowie des Ausmaßes einer Varikosis und der Perforansveneninsuffizienz.kombinieren
7.5.3 Varikosis
왘 Synonym
왘 Synonym. Varizen (von lat. varix = Knoten), Krampfadern
왘 Definition
왘 Definition. Varizen sind knoten- oder sackförmig erweiterte oberflächliche Venen insbesondere der unteren Extremität. Man unterscheidet primäre von sekundären Varizen. Die varikösen Veränderungen führen zu Erweiterungen der Venen bis Bleistiftdicke, zur Schlängelung, Klappeninsuffizienz und im Verlauf zur Ausbildung venöser Aneurysmen.
Epidemiologie und volkswirtschaftliche Bedeutung: Das Krampfaderleiden ist weit verbreitet. Nach der „Baseler Studie“ sind 56 % des untersuchten Kollektivs als Varizenträger einzustufen (12 % medizinisch bedeutsam).
Epidemiologie und volkswirtschaftliche Bedeutung: Das Krampfaderleiden ist weit verbreitet. Nach der „Baseler Studie“ sind 56 % des untersuchten Kollektives als Varizenträger einzustufen, bei 12 % wurde die Varikosis als medizinisch bedeutsam angesehen. 3 % der Untersuchten litten unter einer krankhaften Varikosis mit schwerer venöser Insuffizienz, bei 9 % wurde eine leichte venöse
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B 7.5 Erkrankungen der Venen
1149
Insuffizienz festgestellt und 1 % der Untersuchten wiesen ein florides Ulcus cruris auf. Ätiologie: Eine Störung des physiologischen Gleichgewichtes (S. 1146) führt zur Entstehung von Varizen. Die primäre Varikosis (ca. 75 %) geht vom oberflächlichen Venensystem aus und ist Folge einer Degeneration der Venenwand auf dem Boden von Stoffwechselstörungen der glatten Muskelzellen. Diese führt zu sackartigen, geschlängelten Erweiterungen der Venen mit Insuffizienz der Venenklappen. Prädisponierende Faktoren sind familiäre Vorbelastung, stehende Tätigkeit (durch erhöhten hydrostatischen Druck), Übergewicht, fehlende Muskel- bzw. Gelenkpumpe (z. B. zu wenig laufen), mehrere Schwangerschaften und weibliches Geschlecht (Progesteroneffekt). Die sekundäre Varikosis (ca. 25 %) entsteht als Folge anderer Venenerkrankungen, z. B. bei einer chronischen Abflussstauung des tiefen Venensystems mit Perforansinsuffizienz und Strömungsumkehr (meist bei postthrombotischem Syndrom oder kongenitalen bzw. traumatischen AV-Fisteln). Weitere prädisponierende Faktoren sind Bindegewebsschwäche und Klappeninsuffizienzen.
Ätiologie: Die primäre Varikosis entsteht durch Degeneration der Venenwand, welche zur Insuffizienz der Venenklappen führt.
Einteilung: ■ Oberflächlich: Besenreiservarizen (intrakutane, sternförmige, hellrote bis dunkelblaue Mikrovarizen) und retikuläre Varizen (bläulich schimmernde Phlebektasien in den oberen Schichten der Subkutis) ■ Insuffizienz der Perforansvenenklappen: Diese kann als eigenständige Entität oder in Kombination mit einer Stammvarikosis auftreten (Abb. B-7.26) ■ Seitenastvarikosen: Bei Drainage des Blutes der gestauten Stammvenen in Seitenvenen (Vv. saphenae accessoriae am Ober- bzw. Vv. arcuatae am Unterschenkel). ■ Die Stammvarikosis vom Saphena-magna-Typ beginnt in der Leiste (CrossenKlappen-Insuffizienz; Crosse = Einmündung der V. saphena magna in die V. femoralis) und schreitet jeweils unter Zerstörung der Venenklappen nach distal fort (Abb. B-7.26). In der Praxis hat sich die Stadieneinteilung nach Hach durchgesetzt (siehe Tab. B-7.20):
Einteilung: ■ Besenreiservarizen und retikuläre Varizen (oberflächliches Venensystem) ■ Insuffizienz der Perforansvenenklappen: Eigenständige Entität oder kombiniert mit Stammvarikosis (Abb. B-7.26)
Klinik: Während Besenreiservarizen in der Regel lediglich eine kosmetische Beeinträchtigung darstellen, können Stammvarizen je nach Ausprägung Beschwerden bis zum Vollbild einer chronisch venösen Insuffizienz (CVI) verursachen: Leitsymptom ist die Schwellungsneigung mit Hitze-, Schwere- und Spannungsgefühl und rascher Ermüdbarkeit sowie nächtliche Wadenkrämpfe
Klinik: Die Symptomatik reicht von kosmetischen Störungen über ein zunehmendes Spannungsgefühl mit Schwellneigung der Beine bis zum Vollbild der chronisch venösen Insuffizienz (CVI) mit ausgeprägter
B-7.26
Die sekundäre Varikosis ist Folge eines chronischen Verschlusses des tiefen Venensystems.
■
■
Seitenastvarikosen: Entstehen bei Drainage der gestauten Stammvenen in Seitenvenen Die Stammvarikosis vom Saphena-magna-Typ (Abb. B-7.26) wird nach Hach eingeteilt (siehe Tab. B-7.20).
Formen und Stadieneinteilung der Varikosis
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1150 B-7.20
B 7 Gefäßchirurgie
B-7.20
Stadieneinteilung der Varikosis nach Hach
V. saphena magna
Gradeinteilung
V. saphena parva
isolierte Crosseninsuffizienz
Hach I
Mündungsinsuffizienz in der Kniekehle
Varikosis bis zum Knie
Hach II
bis Wadenmitte
Varikosis bis unterhalb des Knies
Hach III
bis zum Außenknöchel
variköse Degeneration der gesamten V. saphena magna von der Leiste bis zum Innenknöchel
Hach IV
Ödemneigung und Bildung von Ulcera cruris. Die Beschwerden treten v. a. abends, bei Hitze und nach längerem Stehen/Sitzen auf.
und „restless legs“. Charakteristisch sind Hautveränderungen mit Ödemneigung und der Bildung von Ulcera cruris besonders in der Knöchelregion. Die Beschwerden akzentuieren sich am Abend, bei größerer Hitze und nach längerem Stehen oder Sitzen. Charakteristisch ist eine Erleichterung bei Betätigung der Muskelpumpe (Sport). Zusätzliche Beschwerden werden durch Komplikationen des Krampfaderleidens (s.o.) verursacht und sind oft behandlungsbedürftig (z. B. Umstechung einer blutenden Varixknotenperforation).
Diagnostik: Ziele sind: ■ Unterscheidung der primären von der sekundären Varikosis ■ Unterscheidung unbedeutender von medizinisch relevanten Formen ■ Diagnostik hämodynamischer Störungen und sekundärer Beteiligung des tiefen Venensystems ■ Ausschluss einer begleitenden pAVK (S.1122).
Diagnostik: Ziele der Diagnostik bei der primären Varikosis sind: ■ Unterscheidung der primären von der sekundären Varikosis (oft weist die Anamnese auf das Vorliegen einer sekundären Varikosis hin, z. B. Thrombose in der Vorgeschichte) ■ Unterscheidung unbedeutender von medizinisch relevanten Formen (Art und Ausprägung sowie Stadium einer Varikosis lassen sich durch die klinische Untersuchung und apparative Methoden diagnostizieren; S. 1147) ■ Aufdeckung und Klassifizierung der hämodynamischen Störungen sowie der sekundären Beteiligung des tiefen Venensystems (Funktionstests, apparative Diagnostik; s. u.) ■ Ausschluss einer begleitenden peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (S. 1122).
Neben der Anamnese und klinischen Untersuchung sind Funktionstests wegweisende diagnostische Maßnahmen.
Neben der Anamnese und klinischen Untersuchung sind Funktionstests wie der Trendelenburg-Test zur Beurteilung der Klappenfunktion, der Mahorn-OchsnerTest zur Lokalisation insuffizienter Perforansvenen und der Perthes-Test zur Überprüfung des tiefen Beinvenensystems wegweisende diagnostische Maßnahmen. Die Diagnostik einer Varikosis umfasst neben der klinischen Untersuchung verschiedenste Methoden: ■ Duplexsonographie, Lichtreflexrheographie, Venenverschlussplethysmographie sowie die Thermographie werden zur Untersuchung des Funktionszustandes des Venensystems eingesetzt ■ aszendierende Phlebographie zur morphologischen Darstellung der insuffizienten Venenabschnitte und Perforansvenen. Auch zur Diagnostik der anatomischen Varianten, der Durchgängigkeit und Beschaffenheit des tiefen Venensystems sowie zum Ausschluss eines postthrombotischen Syndroms ist diese Methode geeignet. Die Phlebographie sollte immer vor einer operativen Varizentherapie durchgeführt werden.
Diagnostische Methoden sind: ■
■
Duplexsonographie sowie Lichtreflexionsrheographie und Venenverschlussplethysmographie aszendierende Phlebographie zur morphologischen Darstellung der insuffizienten Venenabschnitte und Perforansvenen.
Therapie: Am Anfang steht die konservative Therapie mit Kompressionsverbänden und ggf. -strumpfhosen. 왘 Merke
Therapie: Die konservative Behandlung der Wahl besteht in einer suffizienten Kompressionstherapie mit Kompressionsverbänden und ggf. -strumpfhosen.
왘 Merke. Weitgehend vermieden werden sollten Stehen und Sitzen zugunsten
von Liegen und Laufen („L tun, S meiden“).
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B 7.5 Erkrankungen der Venen
Die Hochlagerung der Beine führt zu einer hydrostatischen Druckentlastung und damit zu einer Minderung der Beschwerden. Die Gabe von Medikamenten ist umstritten, einigen Präparaten wie Weinlaub und Aescin wird eine lindernde Wirkung nachgesagt. Retikuläre und Besenreiservarizen sind eine Domäne der perkutanen Sklerosierungstherapie, wobei Argon-Laser zur Verödung von Besenreisern eingesetzt werden. Insuffiziente Perforansvenen dürfen nicht sklerosiert werden, da es hierbei zur Schädigung und Thrombosierung des tiefen Beinvenensystems kommen könnte. Bei alleiniger Insuffizienz der Perforansvenen kann die subfasziale Ligatur ausreichend sein. Im Rahmen der operativen Therapie erfolgt die stadiengerechte Entfernung der erkrankten Gefäße. Da die Stammvarikosis zumeist von der Saphenamündung („Krosse“) ausgeht, ist die Krossektomie integraler Bestandteil der Varizenchirurgie. Die Standardoperation ist die von Babcock angegebene Venexhairese. Das Vorgehen beim sogenannten Venenstripping der V. saphena magna mittels Babcock-Sonde ist in Abb. B-7.27 dargestellt. Das Varizenstripping sollte nur bis zum distalen Insuffizienzpunkt erfolgen, um den Erhalt intakter oberflächlicher Stammvenen für ggf. später notwendige aorto-koronare Venenbypass-Operationen zu gewährleisten. Insuffiziente Perforansvenen werden präoperativ am stehenden Patienten mit einem Doppler-Gerät markiert. Intraoperativ werden sie dargestellt, subfaszial umstochen und durchtrennt.
B-7.27
1151 Hochlagerung der Beine führt zu einer Minderung der Beschwerden. Die Gabe von Medikamenten ist umstritten. Retikuläre und Besenreiservarizen sind eine Domäne der perkutanen Sklerosierungstherapie. Bei isolierter Perforansveneninsuffizienz kann die subfasziale Ligatur ausreichend sein.
Die operative Therapie beinhaltet die stadiengerechte Entfernung der erkrankten Gefäße. Die Krossektomie ist integraler Bestandteil der Varizenchirurgie. Therapie der Wahl ist das sog. Venenstripping mit der Babcock-Sonde (Abb. B-7.27). Das Varizenstripping sollte nur bis zum distalen Insuffizienzpunkt erfolgen (Erhalt intakter Stammvenen für ggf. nötige Venenbypass-Operationen).
Therapie der primären Varikosis
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1152 B-7.28
B 7 Gefäßchirurgie
B-7.28
Radiofrequenzablation von Krampfadern
Alternative Behandlungsverfahren sind die Kryoexhairese, die Laser- und Radiofrequenzablation (Abb. B-7.28), sowie die in Frankreich entwickelte CHIVA-Methode.
Alternative Behandlungsverfahren sind die Kryoexhairese, die Laser- und Radiofrequenzablation (Abb. B-7.28), sowie die in Frankreich entwickelte CHIVAMethode. Diese Abkürzung steht übersetzt für „ambulante, venenerhaltende, blutfluss-korrigierende Behandlung von Krampfadern“. Die Varizen werden in situ belassen und es wird lediglich der pathologische Reflux unterbrochen. Unter diesen Verfahren besitzt aktuell die Radiofrequenzablation das beste Evidenzniveau.
Kontraindikation für die Operation: Abgelaufene und nicht rekanalisierte Venenthrombose.
Kontraindikation für die Operation: Eine abgelaufene und nicht rekanalisierte tiefe Venenthrombose kann eine Kontraindikation für eine Saphenaexhairese darstellen.
Postoperative Thromboseprophylaxe: Weder in der Literatur noch in den Leitlinien existieren eindeutige Angaben bezüglich der postoperativen Thromboseprophylaxe.
Postoperative Thromboseprophylaxe: Weder in der Literatur noch in den Leitlinien existieren eindeutige Angaben bezüglich der postoperativen Thromboseprophylaxe und der Kompressionstherapie. Auch ohne Thromboseprophylaxe soll die Thromboserate bei ambulanten Patienten 5 0,05 % betragen. Im eigenen Krankengut wird eine Thromboseprophylaxe bis zum 10. postoperativen Tag und eine Kompressionsbehandlung bis zu 6 Wochen postoperativ angeraten.
Komplikationen: ■ Allgemein: Hautveränderungen, Stauungsulzera, Varikophlebitis, Varixknotenblutung, tiefe Beinvenenthrombose.
Komplikationen: ■ Allgemein: Abhängig von der Schwere und der Krankheitsdauer können folgende Komplikationen bei Varikosis auftreten: Hautveränderungen (Pigmentierung, Induration, Ekzeme, Corona phlebectatica paraplantaris = variköser Venenkranz an den Fußrändern, Atrophie blanche = eingesunkene, atrophisch-weißliche Areale der Knöchelregion), Varikophlebitis, Varixknotenperforation mit Blutung, zunehmende Ödemneigung, Ulcus cruris (Endstadium der chronisch venösen Insuffizienz; bei primären Varizen selten), tiefe Beinvenenthrombose, Klappeninsuffizienz und in der Folge Ausbildung venöser Aneurysmen ■ Postoperativ: Selten kommt es zu Wundinfekten, Hämatomen und Lymphfisteln. Nach Varizenstripping am Unterschenkel können Sensibilitätsstörungen (meist reversibel) durch Irritation des N. saphenus auftreten. Gravierend sind Verletzungen des tiefen Beinvenensystems, insbesondere der V. femoralis. Die Letalität der Varizenchirurgie liegt bei 0,02 %.
■
Postoperativ: Selten sind Wundinfekte, Hämatome und Lymphfisteln. Sensibilitätsstörungen am Unterschenkel können als Folge des Varizenstrippings auftreten.
7.5.4 Thrombophlebitis
왘 Definition
7.5.4 Thrombophlebitis 왘 Definition. Die Thrombophlebitis ist eine Entzündung des oberflächlichen Venensystems durch exogene oder endogene Keimverschleppung (infektiös) oder durch chemische Intimareizung (aseptisch durch Infusionslösungen, Kunststoffmaterial, Medikamente oder Röntgenkontrastmittel).
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B 7.5 Erkrankungen der Venen
1153
Ätiologie: Prädisponierend sind Hyperkoagulopathien, Varikosis und orale Kontrazeptiva.
Ätiologie: Prädisponierend sind Hyperkoagulopathien, Varikosis, orale Kontrazeptiva.
Formen und Pathogenese: ■ Thrombophlebitis superficialis (häufigste Form): Definitionsgemäß sich an nicht vorgeschädigten Venen entwickelnd wird sie vor allem durch mechanischen Reiz (z. B. Venenkatheter oder Braunülen) oder durch chemischosmotischen Reiz (i. v. applizierte Infusionslösungen und Medikamente) hervorgerufen. ■ Septische Thrombophlebitis: Diese entsteht durch zusätzliche bakterielle Kontamination. Hauptlokalisation dieser Phlebitisformen ist die obere Extremität. ■ Varikophlebitis: Hier sind varikös veränderte, oberflächliche Venen des Oberund Unterschenkels (vor allem bei Frauen in der Schwangerschaft oder im Wochenbett) der Entstehungsort.
Formen und Pathogenese: ■ Thrombophlebitis superficialis: Sie entsteht an nicht vorgeschädigten Venen durch Venenverweilkatheter oder nach i. v. Applikation intimareizender Medikamente. ■ Septische Thrombophlebitis: Bei zusätzlicher bakterieller Infektion. ■ Varikophlebitis: Durch Thrombosierung eines Varixknotens.
Klinik: Die erkrankte Vene ist strang- oder knotenförmig verhärtet und gerötet, überwärmt und druckschmerzhaft. Bei ausgeprägtem Lokalbefund können die regionären Lymphbahnen und -knoten beteiligt sein (Lymphangitis, -adenitis).
Klinik: Die erkrankte Vene ist strangförmig verhärtet, gerötet und druckschmerzhaft mit umschriebener lokaler Schwellung.
Diagnostik: Durch Inspektion und Palpation kann die Diagnose ohne technische Hilfsmittel klinisch gestellt werden. Gefürchtet ist die Beteiligung des tiefen Venensystems.
Diagnostik: Die Diagnose wird klinisch durch Inspektion und Palpation gestellt.
Therapie: Zunächst sollte ggf. ein auslösender Venenkatheter entfernt werden. Anschließend wird konservativ mit lokal abschwellenden, antiphlogistischen Salbenverbänden (Heparinsalbe) oder Umschlägen (Alkohol) behandelt. Analgetika und/oder Antiphlogistika (z. B. Ibuprofen, Diclofenac) können Linderung verschaffen. Eine Varikophlebitis der Beine wird mit einem elastischen Salbenverband versorgt und der Patient mobilisiert. Abszedierende Thrombophlebitiden müssen durch Inzision behandelt werden.
Therapie: Die Therapie besteht in der Entfernung des verursachenden Agens, einem Heparinsalbenverband, Rivanolumschlägen und ggf. Antiphlogistikagabe.
Differenzialdiagnosen: Im Gegensatz zur Phlebothrombose (S. 116) besteht nur eine umschriebene lokale Schwellung. In Abgrenzung zur Thrombophlebitis sollten ein Erysipel oder eine Phlegmone (fieberhafter Streptokokkeninfekt) in Betracht gezogen werden.
Differenzialdiagnosen: Phlebothrombose (S.116), Erysipel, Phlegmone.
Komplikationen: Bei Immbobilisierung ist ein Übergriff auf das tiefe Venensystem möglich. Ggf. bildet sich auf dem Boden der Thrombophlebitis eine Phlegmone/Erysipel aus. In diesem Fall ist eine hochdosierte Antibiotikatherapie indiziert (z. B. Penicillin). Bei Entwicklung von lokal abszedierenden Einschmelzungen müssen diese chirurgisch eröffnet werden. Bei Erreichen der Saphenamündung ist die Krossektomie indiziert.
Komplikationen: Ein Übergriff auf das tiefe Venensystem ist (bei Immobilisation) möglich.
Prognose: Im Gegensatz zur tiefen Venenthrombose besteht kaum die Gefahr des postthrombotischen Syndroms und auch die Lungenemboliegefahr ist gering.
Prognose: Die Gefahr des postthrombotischen Syndroms und der Lungenembolie ist gering.
Sonderformen der Thrombophlebitis
Sonderformen der Thrombophlebitis
Die Thrombophlebitis saltans (migrans) bezeichnet eine vor allem bei jungen Männern spontan auftretende, segmentale Entzündung oberflächlicher, zuvor scheinbar gesunder Venen an den Beinen, seltener an den Armen. Histologischbioptisch handelt es sich um eine Panphlebitis.
Die Thrombophlebitis saltans (migrans) bezeichnet eine spontan auftretende, segmentale Entzündung oberflächlicher Venen.
Ätiologie: Ursache ist in 25 % der Fälle eine allergisch-hyperergische Reaktion der Venenwand unterschiedlicher Genese. Häufig sind jedoch auch schwerwiegende Grunderkrankungen auslösend, die ausgeschlossen werden müssen (siehe Tab. B-7.21).
Ätiologie: In 25 % der Fälle ist eine allergische Reaktion der Venenwand ursächlich. Zum Ausschluss schwerwiegender Grunderkrankungen siehe Tab. B-7.21.
Verlauf: Der Prozess bildet sich innerhalb von 14 Tagen zurück und tritt nach variablen Zeitabständen (Tage – Jahre) an anderer Stelle wieder auf.
Verlauf: Nach variablen Zeitabständen tritt die Symptomatik an anderer Stelle wieder auf.
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1154
B 7 Gefäßchirurgie
B-7.21
B-7.21 ■
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■
Auszuschließende Grunderkrankungen bei der Thrombophlebitis saltans
Malignom
Karzinome (Prostata, Pankreas, Bronchialsystem), Morbus Hodgkin
arterielle Verschlusskrankheit
Endangiitis obliterans, Periarteriitis nodosa, Arteriitis temporalis
Autoimmunerkrankungen
Lupus erythematodes, Morbus Behçet, Kollagenosen
hämatologische Erkrankung
Polycythaemia vera, Polyglobulie, Thrombozytosen, Leukämien
Infektionskrankheiten
Tuberkulose, Ornithose, Rickettsiose
Der Morbus Mondor entspricht einer ätiologisch ungeklärten oberflächlichen Phlebitis der V. thoracoepigastrica. Es besteht eine häufige Koinzidenz mit Malignomen und Autoimmunerkrankungen.
Der Morbus Mondor entspricht einer ätiologisch ungeklärten, strangförmigen, oberflächlichen Phlebitis der V. thoracoepigastrica an der lateralen Thoraxwand (Eisendrahtphlebitis). Die Entzündung ist wenig druckschmerzhaft und imponiert wie ein Narbenstrang. Die Inzidenz ist nach Mammaamputation leicht erhöht. Die Phlebitis bildet sich spontan zurück. Da auch diese Phlebitis häufig mit Malignomen und Autoimmunerkrankungen assoziiert ist (s.o.), sollte immer eine entsprechende Fokussuche erfolgen.
7.5.5 Phlebothrombose
7.5.5 Phlebothrombose
Siehe Kapitel „Blutgerinnung, Thrombose, Embolie“ (S.107).
Detaillierte Informationen zu diesem Thema sowie zu HIT I und II sind im Kapitel „Blutgerinnung, Thrombose, Embolie“ (S. 107) dargestellt.
7.5.6 Paget-von-Schroetter-Syndrom,
7.5.6 Paget-von-Schroetter-Syndrom, Phlegmasia coerulea dolens
Phlegmasia coerulea dolens Siehe S.123.
Siehe S. 123.
7.5.7 Postthrombotisches Syndrom (PTS)
7.5.7 Postthrombotisches Syndrom (PTS)
Ätiologie und Pathophysiologie: Das PTS entspricht einem chronischen Stauungszustand der unteren Extremität nach tiefer Beinvenenthrombose, bedingt durch Zerstörung von Venenklappen. Es resultiert eine Insuffizienz der Muskelpumpe mit Umkehr der venösen Strömungsrichtung von innen nach außen.
Ätiologie und Pathophysiologie: Das postthrombotische Syndrom (PTS) ist mit seinen Folgen die gravierendste Komplikation der tiefen Beinvenenthrombose. Durch mangelhafte Rekanalisation des tiefen Venensystems und Zerstörung der Venenklappen (insbesondere der Perforansvenen) kommt es zu einer Insuffizienz der Muskelpumpe mit Umkehr der venösen Strömungsrichtung von innen nach außen. Als Ausdruck der mangelhaften venösen Drainageleistung entwickeln sich ein chronisches Ödem, Ulcera cruris und sekundäre Varizen (ca. 10 % aller Varizen) ggf. mit Übergang in eine chronische venöse Insuffizienz (= CVI).
Klinik: Abendlich betonte Ödeme, Indurationen der Haut, Stauungsdermatosen und Stauungsulzera sind charakteristische Beschwerden. Zur Stadieneinteilung s. Tab. B-7.22.
Klinik: Die Symptome des PTS richten sich nach Lokalisation und Ausmaß der durchgemachten Thrombose sowie dem Umfang der rekanalisierten Gefäße und der Ausbildung von Kollateralen. Sie reichen von abends betonten Schwellungszuständen und leichten Pigmentstörungen über chronische Indurationen des Gewebes bis zu ausgeprägten trophischen Störungen mit oft superinfizierten, schlecht abheilenden Ulzera, vor allem proximal des Innenknöchels (Tab. B-7.22).
B-7.22
B-7.22
Stadieneinteilung der chronisch venösen Insuffizienz bei postthrombotischem Syndrom
■
Stadium I
Stauungszeichen ohne trophische Hautveränderungen
■
Stadium II
Stauungszeichen mit trophischen Hautveränderungen, jedoch ohne Ulkus
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Stadium III
Stauungszeichen mit trophischen Hautveränderungen und floridem oder abgeheiltem Ulkus
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B 7.6 Erkrankungen der Lymphgefäße
1155
Diagnostik: Eine durchgemachte Beinvenenthrombose kann anamnestisch fast immer eruiert werden. Neben der Inspektion und Palpation ist die Umfangmessung im Seitenvergleich (insbesondere am Abend) hilfreich. Zur quantitativen Erfassung der venösen Abflussbehinderung eignen sich die Doppler-Sonographie, die Plethysmographie, die Lichtreflexrheographie und die Venendruckmessung. Das Ausmaß der morphologischen Veränderungen dokumentiert die aszendierende Phlebographie als Goldstandard in der Darstellung aller postthrombotischen Veränderungen.
Diagnostik: Die Diagnose der CVI wird klinisch gestellt und apparativ untermauert. Goldstandard in der Darstellung aller postthrombotischen Veränderungen ist die aszendierende Phlebographie.
Therapie: Das Management der CVI beginnt mit der Thromboseprophylaxe sowie der adäquaten Therapie einer tiefen Beinvenenthrombose. Im Falle einer Defektheilung ist eine entsprechende Kompressionsbehandlung (Gegendruck 20 – 50 mmHg) unerlässlich. Langes Stehen und Sitzen müssen vermieden werden, das betroffene Bein sollte möglichst auch tagsüber hochgelagert werden. Haben sich bereits Stauungsulzera entwickelt, müssen die o.g. Therapiekonzepte besonders beherzigt werden. Bewährt hat sich die Durchstechung insuffizienter Perforansvenen, die als sog. „Nährvenen“ ein Ulkus unterhalten können. Bei kurzstreckigen Venenverschlüssen im Oberschenkel- und Beckenbereich kann eine Rekonstruktion der Venenstrombahn durch Interposition eines venovenösen Bypasses (z. B. nach Palma), ggf. mit passagerer Anlage einer AV-Fistel zur Erhöhung des Blutflusses indiziert sein.
Therapie: Das Management beginnt mit der Thromboseprophylaxe und der adäquaten Therapie einer tiefen Beinvenenthrombose. Im Falle einer Defektheilung muss eine konsequente Kompressionstherapie durchgeführt werden.
7.6
Erkrankungen der Lymphgefäße
Bei kurzstreckigen Venenverschlüssen im Oberschenkel- und Beckenbereich kann ein venovenöser extraanatomischer Bypass indiziert sein.
7.6
Erkrankungen der Lymphgefäße
7.6.1 Lymphangitis
7.6.1 Lymphangitis
Ätiologie: Die Entzündung der Lymphgefäße wird meist bakteriell ausgelöst. Auslösende Keime sind häufig Staphylokokken und Streptokokken, ausgehend von Abszessen, Phlegmone, Panaritium oder Furunkel.
Ätiologie: Auslöser sind häufig Staphylokokken und Streptokokken.
Klinik: Charakteristisch für die Lymphangitis ist ein von einem akralen Entzündungsherd ausgehender roter Streifen, der entlang der Venen subkutan in Richtung der regionalen Lymphknotengruppe verläuft. Wird diese erreicht, entwickelt sich eine schmerzhafte Lymphknotenschwellung als Ausdruck einer Lymphadenitis.
Klinik: Charakteristisch ist ein vom Infektherd zur regionalen Lymphknotengruppe ziehender, schmerzloser roter Streifen.
Diagnostik: Die Diagnose wird klinisch gestellt (s.o.). Wenn anamnestisch ein begründeter Verdacht besteht, ist bei Lymphangitis eine umfangreichere Diagnostik (z. B. Labor mit spezifischer Serologie, ggf. CT und Lymphographie bei Tumorverdacht) bis hin zur Lymphknotenbiopsie oder Lymphadenektomie indiziert.
Diagnostik: Die Diagnose wird klinisch gestellt (s.o.).
Therapie: Die konservative Therapie der Lymphangitis besteht in der Hochlagerung, Ruhigstellung und Kühlung der betroffenen Extremität mit Antibiotikagabe (Penicillin). Abszedierende Lymphknoteneinschmelzungen bei Lymphadenitis sowie Furunkel oder Phlegmone sind eine Indikation zur chirurgischen Ausräumung und Sanierung des verursachenden Infektionsherdes.
Therapie: Sanierung des Infektherdes, Ruhigstellung und Hochlagerung der Extremität und systemische Penicillingabe sind konservative Maßnahmen. Abszedierende Lymphknoten und Furunkel bedürfen einer chirurgischen Therapie.
왘 Merke. Bei Operationen am Lymphsystem ist eine subtile Präparationstech-
왗 Merke
nik von großer Wichtigkeit, um den Lymphabfluss möglichst wenig zu beeinträchtigen und die Entstehung von Lymphfisteln oder Lymphozelen nicht zu provozieren. Differenzialdiagnosen: Gegen die Lymphangitis ist die Thrombophlebitis abzugrenzen. Bei dieser ist der rote Strang breiter, derber und druckschmerzhaft (S. 1152). Lymphadenitiden können im Rahmen vieler Infektionskrankheiten (Tbc, Syphilis, Toxoplasmose, Brucellose, Tularämie Katzenkratzkrankheit, Morbus Pfeiffer, Lymphogranuloma inguinale, Röteln, Masern und Yersiniosen auftreten. Aus-
Differenzialdiagnosen: ■ Thrombophlebitis (roter Strang breiter, derber, druckschmerzhaft). ■ Lymphadenitiden: im Rahmen von Infektionskrankheiten, Erkrankungen des lymphatischen Formenkreises, Metastasen, soliden Tumoren.
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1156
B 7 Gefäßchirurgie
zuschließen sind auch Tumoren (Morbus Hodgkin, Non-Hodgkin-Lymphom, Sarkoidose, Metastasen) bzw. Metastasen solider Tumoren. 7.6.2 Lymphödem
7.6.2 Lymphödem
Ätiologie: Ein Lymphödem entsteht bei Überschreiten der Transportkapazität der zu drainierenden Lymphmenge.
Ätiologie: Ein Lymphödem entsteht, wenn die zu drainierende Lymphmenge die Transportkapazität der Lymphgefäße übersteigt. Nähere Informationen zur Anatomie s. S. 1100. Ursache des meist einseitig auftretenden primären Lymphödems ist eine angeborene Hypo- oder Aplasie der epifaszialen Sammelrohre. Es findet sich am Bein häufiger als am Arm. Beispiele für das angeborene Lymphödem sind das Nonne-Milroy- und das Meige-Syndrom. Betroffen sind überwiegend junge Frauen mit Beginn der Symptomatik zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr. Auslösende Faktoren sind häufig Pubertät oder Schwangerschaft. Bei späterem Beginn der Symptomatik muss immer eine maligne Ursache in Erwägung gezogen werden! Ein sekundäres Lymphödem findet sich posttraumatisch, iatrogen (z. B. postoperativ nach Resektion der axillären Lymphknoten bei Mamma-Ca mit Bestrahlung), parasitär (v. a. in tropischen Ländern z. B. Elephantiasis durch Wuchereria bancrofti als Maximalversion des Lymphödems) oder entzündlich (z. B. bei rezidivierenden Lymphangitiden, Tuberkulose, Erysipel). Auch neoplastisch bei Tumorbefall von Lymphknoten oder durch eine chronisch venöse Insuffizienz (S. 1149) kann ein sekundäres Lymphödem induziert sein. Sekundäre Lymphödemformen treten meist im 4. Lebensjahrzehnt auf, wobei Männer und Frauen etwa gleich häufig betroffen sind.
Das meist einseitig auftretende primäre Lymphödem entsteht durch eine angeborene Hypo- oder Aplasie der subkutanen Lymphbahnen. Man unterscheidet eine kongenitale (Nonne-Milroy-Syndrom) von einer nicht kongenitalen Form (Meige-Syndrom).
Sekundäre Lymphödeme entwickeln sich postoperativ, posttraumatisch, nach Bestrahlungen, neoplastisch (z. B. bei Tumorbefall von Lymphknoten), entzündlich (z. B. nach rezidivierenden lymphangitischen Infekten) und parasitär (Filarien).
왘 Merke
왘 Merke. Gefährdete Engstellen des Lymphabflusses befinden sich in der Axilla, der Leiste und an der Knieinnenseite. Großzügige, quere Inzisionen haben hier eine deutliche Verminderung der Lymphtransportkapazität mit der großen Gefahr der Lymphödementstehung zur Folge.
Klinik: Hauptsymptom ist eine progressive, nicht schmerzhafte, zunehmend derber werdende Schwellung der betroffenen Extremität. Frühsymptom ist das Stemmer-Zeichen und die Persistenz von Hautfalten. Die initial säulenförmige Schwellung kann sich im Verlauf zu einer Elephantiasis mit Lymphdiapedese nach außen entwickeln. Bei der primären Form schreitet das Ödem von distal nach proximal fort, bei der sekundären Form vom Ort der Schädigung nach distal.
Klinik: Hauptsymptom ist ein einseitiges Schwere- und Spannungsgefühl mit Umfangsdifferenz durch eine Schwellung der betroffenen Extremität. Diese ist zunächst nicht schmerzhaft und nachts reversibel. Das Ödem ist in diesem Stadium charakteristischerweise weich, eindrückbar und hinterlässt keine Dellen (DD: Kardiales Ödem ist beidseitig und dellenbildend!). Im Vergleich zu anderen Ödemen bildet es sich bei Hochlagerung jedoch kaum zurück. Charakteristisches Frühsymptom ist die fehlende Faltbarkeit der Fußrückenhaut und tiefe, starre Querfalten an den Zehen (= Stemmer-Zeichen). Bei chronischem Verlauf kommt es zu einer Zunahme und Verhärtung des Ödems mit gespannter, weisser Haut. Die initial säulenförmige Schwellung kann sich zu einer grotesken Elephantiasis mit Lymphdiapedese nach außen entwickeln (Deformation durch fibrosklerotisches Ödem). Die primäre Form zeichnet sich durch ein von distal nach proximal fortschreitendes Ödem aus. Bei der sekundären Form beginnt es meist am Ort der Schädigung und breitet sich von dort in die Peripherie aus.
Stadieneinteilung: (Tab. B-7.23).
Stadieneinteilung: Gemäß der Klinik werden Lymphödeme nach folgenden Stadien eingeteilt (Tab. B-7.23).
B-7.23
B-7.23
Stadien des Lymphödems
Stadium
Symptomatik
I
latente Schwellung (z. B. nach Mückenstich)
II
reversibles Lymphödem bei unveränderter Haut
III
irreversibles Lymphödem (nicht eindrückbar, harte, blasse und gespannte Haut) mit Hauthypertrophie
IV
Elephantiasis = irreversibles fibrosklerotisches Lymphödem mit Deformation der betroffenen Extremität
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B 7.6 Erkrankungen der Lymphgefäße
1157
Diagnostik: Die Familienanamnese sowie prädisponierende Faktoren wie z. B. Voroperationen und Radiatio sollten im Rahmen der Anamnese erfragt werden. Bei der klinischen Untersuchung sind Haut und Subkutis derb und konsistenzvermehrt. Das Ödem ist nicht wegdrückbar. Im weiteren Verlauf wird die Haut hart und rissig. Eine Lymphsequenzszintigraphie dient der Darstellung des Lymphabstroms. Die Injektion von Patentblau markiert die Lymphgefäße und den „dermal backflow“. Bei Tumorverdacht ist eine CT oder MRT indiziert.
Diagnostik: Die Diagnose ergibt sich aus Anamnese, klinischer Untersuchung, Lymphsequenzszintigraphie und Patentblauinjektion. Bei Tumorverdacht können CT oder MRT weiterhelfen.
왘 Merke. Eine Lymphographie sollte zur Diagnostik des Lymphödems nicht
왗 Merke
eingesetzt werden, da das ölige Kontrastmittel die verbliebenen Lymphbahnen zusätzlich verkleben kann. Therapie: Lymphgefäßerkrankungen sind selten operativ zu korrigieren. Eine wichtige konservative Therapiemaßnahme ist die manuelle Lymphdrainage, daneben erweisen sich die Hochlagerung der Beine und eine speziell auf das Lymphsystem ausgerichtete Entstauungsgymnastik als erfolgversprechend. Eine wichtige physikalische Maßnahme ist die Kompressionstherapie (Versorgung mit medizinischen Kompressionsstrümpfen und -verbänden). Weiterhin ist die Infektionsprophylaxe von großer Bedeutung sowie die Vermeidung einschnürender Kleidung. Zur Therapie des sekundären Lymphödems ist die Beseitigung der auslösenden Ursache vorrangig. Operative Maßnahmen sind indiziert bei fortgeschrittenen Lymphödemen, die auf eine konservative Therapie kaum mehr ansprechen sowie im irreversiblen Stadium (induriert, nicht eindrückbar mit Hauthypertrophie) und bei Elephantiasis. Operationen verfolgen das Prinzip, das abflussgestörte oberflächliche Lymphsystem über die gestauten, subepidermalen Lymphbahnen in das nicht abflussgestörte, subfasziale System umzuleiten. Man unterscheidet physiologische und resezierende Operationstechniken. Vorausgesetzt, es liegt keine venöse Abflussstörung vor, können lymphovenöse Anastomosen (Abb. B-7.29) und gestielte Lappen die Lymphdrainage verbessern. Spezielle Operationstechniken sind der Transpositionslappen nach Thompson (Abb. B-7.30), die Keilresektion nach Mikulicz-Sistrunk (Längsexzision schlaffer Vollhautlappen am Bein/Unterschenkel mit anschließender Adaptation des zurückbleibenden Integuments nach Drainageneinlage) oder die Resektion nach Servelle. Bei Versagen dieser Operationen kann durch Resektion des ödematösen subkutanen Fettgewebes, in dem sich die lymphostatische Flüssigkeit ausbreitet, eine Besserung erzielt werden (Operation nach Charles). Komplikationen: Komplizierend können rezidivierend auftretende Erysipele und Phlegmonen zur weiteren Obliteration der Lymphbahnen führen und den Krankheitsverlauf aggravieren. Als ernste Spätkomplikation beider Ödemformen kann ein Lymphangiosarkom (Stewart-Tereves-Syndrom) auftreten.
B-7.29
Therapie: Indiziert sind im Rahmen der konservativen Therapie: ■ manuelle Lymphdrainage ■ Hochlagerung der Beine ■ Kompressionsstrümpfe und -verbände ■ Entstauungsgymnastik ■ Infektionsprophylaxe.
Operative Maßnahmen sind bei fortgeschrittenen Lymphödemen indiziert.
Das Prinzip der operativen Therapie ist eine Verminderung der gestauten Subkutisschichten.
Spezielle Operationstechniken sind der Transpositionslappen nach Thompson (Abb. B-7.30), die Keilresektion nach Mikulicz-Sistrunk oder die Resektion nach Servelle. Bei Versagen dieser Operationen kann durch die Operation nach Charles Besserung erzielt werden. Komplikationen: Weitere Obliteration der Lymphbahnen durch Erysipel und Phlegmone. Spätkomplikation beider Ödemformen ist das Lymphangiosarkom.
Lymphovenöse Anastomose
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B 7 Gefäßchirurgie
1158 B-7.30
Drainageoperation nach Thompson
Postoperative Komplikationen: Wundheilungsstörungen, Lymphfisteln und Narbenkeloide sowie Sarkome bei langjährigen chronischen Fisteln.
Postoperative Komplikationen bestehen in Wundheilungsstörungen, der Entwicklung von Lymphfisteln, Narbenkeloiden und Rezidiven. Auf dem Boden langjährig bestehender Fisteln (ca. > 15 Jahre) können sich Sarkome entwickeln.
7.7
Gefäßverletzungen
7.7.1 Verletzungen der Arterien
7.7.1
Verletzungen der Arterien
Ätiologie: Sie sind abhängig von der Bevölkerungsstruktur und dem Technisierungsgrad. Ferner treten zunehmend iatrogene Gefäßverletzungen im Rahmen diagnostischer Maßnahmen und operativer Eingriffe auf.
Ätiologie: Die Inzidenz von Gefäßverletzungen ist abhängig von der Bevölkerungsstruktur (Kriminalität: Großstadt > ländliche Gemeinden) und dem Technisierungsgrad (Industrie, Haushalt, Verkehr, Sport). Ferner nehmen iatrogene Gefäßverletzungen im Rahmen diagnostischer Maßnahmen (Angiographie, Herzkatheter) und operativer Eingriffe (extrakorporale Zirkulation, Angioplastie, Tumor- und Gefäßchirurgie) zu.
7.7
Gefäßverletzungen
B-7.24
B-7.24
Schweregradeinteilung scharfer und stumpfer Verletzungen
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B 7.7 Gefäßverletzungen
B-7.31
1159
Klinische Beispiele von Arterienverletzungen
a A. subclavia-Verletzung durch Messerstich
b Karotisbissverletzung (Intimaabriss)
Man unterscheidet 3 Arten von Gefäßverletzungen (Tab. B-7.24): direkte scharfe Verletzung (Stich, Schnitt, Schuss, Pfählung oder iatrogen), mit stufenweiser Gefäßwanddurchtrennung von außen nach innen bei äußerer Wunde (Abb. B-7.31 a) ■ direkte stumpfe Verletzung (Schlag, Quetschung, Kontusion, Kompression) ■ indirekte stumpfe Verletzung (Überdehnung bei Luxation oder Fraktur, Dezelerationstrauma, Gefäßspasmen, Kompartmentsyndrom; (Abb. B-7.31 b) mit Schädigung der Gefäßwandschichten von innen nach außen bei meist fehlender äußerer Wunde.
Arten von Gefäßverletzungen: ■ direkte scharfe Verletzung: Bei äußerer Wunde (Abb. B-7.31 a) ■ direkte stumpfe Verletzung: z. B. durch Schlag, Quetschung, Kontusion und Kompression ■ indirekte stumpfe Verletzung: Meist fehlende äußere Wunde (Abb. B-7.31 b).
Klinik: Leitsymptome einer Arterienverletzung sind die Blutung oder Ischämie sowie rezidivierende Embolien. Charakteristika der direkten scharfen Gefäßverletzung sind die äußerlich sichtbare Verletzung (z. B. Stichwunde) über einem Gefäß und direkte (spritzende oder Sicker-Blutung nach außen) oder indirekte (Blutung in Körperhöhlen oder Muskeln) Blutungszeichen (Blutdruckabfall, Herzfrequenzanstieg, Hb-Abfall) bei umschriebenem Gefäßdefekt. Während sich glatte Durchtrennungen auch größerer Arterien (A. axillaris, A. femoralis superficialis) durch Einrollen der Intima zumindest vorübergehend potentiell selber stillen können (Kontrolle der peripheren Pulse!), blutet es aus Längsverletzungen unaufhaltsam. Direkte und indirekte stumpfe Gefäßverletzungen werden aufgrund der fehlenden äußeren Wunde oft initial trotz langstreckigen Gefäßschadens übersehen, da andere Traumafolgen zunächst im Vordergrund stehen. Typische Verletzungsmuster, bei denen gehäuft indirekte Gefäßverletzungen auftreten können, sind in (Abb. B-7.32) dargestellt. Charakteristische Symptome stumpfer Arterienverletzungen sind der Pulsverlust bei kompletter Ischämie und rezidivierende periphere Embolien bei inkompletter Ischämie. Ausgangspunkt ist hier die eingerissene Gefäßintima
Klinik: Je nach Verletzungsmechanismus und Schweregrad stehen die Blutung oder die Ischämie im Vordergrund. Charakteristika der direkten scharfen Gefäßverletzung sind die Verletzung mit Blutung nach außen und/ oder innen und die periphere Ischämie mit Pulslosigkeit.
■
B-7.32
Bei fehlender äußerer Wunde bleiben stumpfe Gefäßverletzungen trotz langstreckigen Gefäßschadens oft initial unerkannt (s. Abb. B-7.32). Charakteristische Symptome stumpfer Gefäßverletzungen sind die periphere Ischämie mit Pulslosigkeit bei kompletter Ischämie und rezidivierende Embolien nach Intimaeinriss bei inkompletter Ischämie.
Typische Verletzungen mit indirekten stumpfen Gefäßtraumen
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1160
Ein arterieller Gefäßspasmus entsteht meist bei iatrogenen Manipulationen. Traumatische Gefäßspasmen lösen sich innerhalb von 24 Stunden spontan. Diagnostik: Wichtig sind: ■ klinische Untersuchung
왘 Merke
B 7 Gefäßchirurgie
(z. B. rezidivierende TIA nach Luxationstrauma des Halses mit Intimaeinriss in der A. carotis). Thoraxschmerz und Mediastinalverbreiterung nach Dezelerationstrauma müssen an ein posttraumatisches thorakales Aorteaneurysma denken lassen. Hier kann sich auch nach vielen Jahren noch ein traumatisches Aneurysma entwickeln. Sehr selten entsteht ein arterieller Gefäßspasmus, meist im Zusammenhang mit iatrogenen Manipulationen (Katheterangiographie, versehentliche intraarterielle Injektionen). Traumatische Gefäßspasmen (selten) lösen sich innerhalb von 24 Stunden spontan. Diagnostik: Im Rahmen der klinischen Untersuchung weisen die Anamnese, der Unfallhergang und das Verletzungsmuster in Kombination mit einer äußeren Blutung oder peripheren Ischämie auf eine arterielle Gefäßverletzung hin. 왘 Merke. Die Erfassung des Pulsstatus und des neurologischen Status ist bei jedem Verdacht auf eine arterielle Gefäßverletzung durchzuführen (DMS-Regel: Immer Kontrolle von Durchblutung, Motorik und Sensibilität!).
Doppler-Sonographie und ggf. Angiographie (bei V.a. auf ein thorakales Aneurysma) Rö-Thorax ggf. Thorax-CT und/oder Angio-MRT.
Die Verdachtsdiagnose ist dopplersonographisch und ggf. angiographisch zu sichern. Bei Blutung in die Bauchhöhle kann freie Flüssigkeit sonographisch nachgewiesen werden. Ergibt sich nach Dezelerationstrauma im Röntgen-Thoraxbild eine Mediastinalverbreiterung, muss ein traumatisches thorakales Aneurysma mittels Thorax-CT und ggf. zusätzlicher Angio-MRT ausgeschlossen werden.
Therapie: Ziel ist, den Verblutungstod zu verhindern und die betroffenen Gliedmaßen/Organe zu erhalten.
Therapie: Das Behandlungsprinzip akuter Gefäßverletzungen gliedert sich in Sofortmaßnahmen zur Verhinderung des Verblutungstodes und die definitive chirurgische Versorgung zum Funktionserhalt des betroffenen Organsystems. Maßnahmen der akuten Erstversorgung bestehen in der vorläufigen Blutstillung durch direkte Kompression oder Anlage eines sterilen Druckverbands unter Vermeidung sekundärer Druckschädigungen der Nerven und der parenteralen Volumensubstitution zur Schockprophylaxe. Der Patient muss unverzüglich der endgültigen Versorgung zugeführt werden. Diese erfolgt stadiengerecht durch die Gefäßnaht, eine Patchplastik oder den Gefäßersatz (Venen- oder Kunststoffinterponat, s. Abb. B-7.33). Prinzipiell müssen alle peripheren und viszeralen Hauptarterien ohne Kollateralen rekonstruiert werden. Ligaturen sollten nur bei kleinen Arterien, guter Kollateralisation (z. B. Verletzung der A. radialis bei intakter A. ulnaris) oder massiven Begleitdefekten durchgeführt werden. Ist keine Gefäßrekonstruktion möglich, erfolgt als Ultima ratio die Extremitätenamputation.
■
■ ■
Sofortmaßnahmen: ■ vorläufige Blutstillung durch direkte Kompression oder Anlage eines sterilen Druckverbands (Vermeidung sekundärer Druckschädigungen der Nerven!) ■ Volumensubstitution zur Schockprophylaxe. Die Revaskularisation erfolgt nach operativer Exploration durch Gefäßnaht, Patchplastik oder Gefäßersatz (Abb. B-7.33). Ultima ratio ist die Extremitätenamputation.
B-7.33
B-7.33
Ersatz von Arteria und Vena femoralis bei subtotaler Oberschenkelamputation
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B 7.8 Gefäßfehlbildungen und -tumoren
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Zeigt sich bei intraabdominellen Blutungen nach Laparotomie eine abgangsnahe Viszeralarterienverletzung, muss diese rekonstruiert werden. Periphere Äste mit guter Kollateralisation können umstochen werden. Bei einer irreversiblen Ischämie des Darms sind die entsprechenden Abschnitte zu resezieren. Ein gesichertes thorakales Aortenaneurysma oder eine Aortenruptur an typischer Stelle (unmittelbar distal des Aortenbogens bzw. des A.-subclavia-Abgangs) nach Dezelerationstrauma wird endovaskulär mit einer Stentprothese versorgt oder über eine linksseitige Thorakotomie entweder direkt übernäht oder mit einem Protheseninterponat versorgt (s.a. S. 1024).
Eine abgangsnahe Viszeralarterienverletzung bei intraabdominellen Blutungen nach Laparotomie muss rekonstruiert werden. Thorakale Aortenaneurysmen oder eine Aortenruptur werden endovaskulär mit einer Stentprothese versorgt oder mittels Übernähung oder Protheseninterponat saniert (s.a. S.1024).
Prognose: Die Amputationsrate nach rekonstruierten peripheren Gefäßverletzungen beträgt 5 5 %. Bei zentralem Gefäßtrauma können irreversible Ischämieschäden innerer Organe (Nieren, Leber, Darm) oder des ZNS (Gehirn, Rückenmark) die Prognose bestimmen.
Prognose: Die Amputationsrate bei regelrecht versorgten peripheren Gefäßverletzungen beträgt 5 5 %.
Komplikationen: Als Spätkomplikation eines direkten scharfen Gefäßtraumas (v. a. nach Anlage eines Herzkatheters oder Dilatationen) können sich falsche Aneurysmen (= Aneurysma spurium, S. 1022) und AV-Fisteln (z. B. in der Leiste) ausbilden. Komplikationen nach Revaskularisation sind Re-Verschluss, Nachblutung oder Infekt und die Entstehung eines Nahtaneurysmas.
Komplikationen: Mögliche Spätsymptome sind die Ausbildung einer AV-Fistel oder eines Aneurysma spurium.
7.7.2 Verletzungen der Venen
7.7.2 Verletzungen der Venen
Diese können aufgrund guter Kollateralisation in der Regel ohne Folgen ligiert werden (v. a. kleine Venen). Große Leitungsvenen (V. femoralis) müssen erhalten werden (Übernähung, ggf. Patchplastik oder Protheseninterponat).
Große Leitungsvenen werden rekonstruiert, kleine Venen können ligiert werden.
7.7.3 Verletzungen von Lymphgefäßen
7.7.3 Verletzungen von Lymphgefäßen
Lymphgefäßverletzungen imponieren durch anhaltende Lymphfisteln. Abdominelle Lymphgefäßverletzungen verursachen einen Chylaskos, thorakale (z. B. bei Verletzung des Ductus thoracicus) einen Chylothorax. Während sich kleine Lymphfisteln spontan verschließen, müssen größere Lymphgefäße ligiert werden.
Lymphgefäßverletzungen machen sich durch anhaltende Lymphfisteln bemerkbar.
왘 Klinischer Fall. Eine 26-jährige Patientin wird mit dem Notarztwagen in der Klinik vorgestellt, nachdem sie als angeschnallte Fahrerin in einen Verkehrsunfall verwickelt worden war, bei dem sich der Pkw überschlug. Auffällig ist eine deutliche Minderdurchblutung des linken Armes mit Pulslosigkeit der A. radialis et ulnaris. Die Angiographie der supraaortalen Äste in DSA-Technik dokumentiert einen Verschluss der A. subclavia links nach Abgang der A. vertebralis bedingt durch einen Intimaeinriss bei Dezelerationstrauma. Durch unverzügliche operative Revision konnte die Armstrombahn links revaskularisiert und somit die Gliedmaße erhalten werden.
7.8
Gefäßfehlbildungen und -tumoren
7.8.1 Angiodysplasien
Nach Revaskularisation können Re-Verschluss, Nachblutung, Infekt oder ein Nahtaneurysma resultieren.
왗 Klinischer Fall
7.8
Gefäßfehlbildungen und -tumoren
7.8.1 Angiodysplasien
왘 Synonym. Vaskuläre Malformation.
왗 Synonym
왘 Definition. Angiodysplasien entsprechen gestreckten, erweiterten Venolen und Kapillaren der Mukosa und Submukosa.
왗 Definition
Lokalisation und Ätiologie: Sie können angeboren oder erworben sein und werden bevorzugt im rechten Hemikolon und terminalen Ileum beobachtet, können aber im gesamten Gastrointestinaltrakt auftreten. Blutungen aus Angiodysplasien manifestieren sich selten vor dem 55. Lebensjahr. Besteht bei
Lokalisation und Ätiologie: Sie können angeboren oder erworben sein und stellen bei über 55 Jahre alten Patienten eine häufige Ursache für eine untere gastrointestinale Blutung dar.
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B 7 Gefäßchirurgie
Patienten dieser Altersgruppe eine gastrointestinale Blutung mit radiologisch (Angiographie, Szintigraphie) und endoskopisch nicht lokalisierbarer Blutungsquelle, ist eine Angiodysplasie häufig eine zugrunde liegende Ursache. Therapie: Ist eine endoskopische Blutstillung nicht erfolgreich, ist bei rezidivierenden Blutungsepisoden eine Darmresektion indiziert.
Therapie: Lässt sich die Angiodysplasie endoskopisch sichern, sollte eine endoskopische Blutstillung erfolgen. In seltenen Fällen ist bei rezidivierenden Blutungsepisoden eine Darmresektion indiziert.
7.8.2 Angiektasien
7.8.2 Angiektasien
왘 Definition
왘 Definition. Teleangiektasien sind Erweiterungen der Kapillaren, die erworben
(z. B. Spider naevus = N. araneus, Besenreiser) oder angeboren (z. B. Naevus flammeus) sein können. Feuermale können sich spontan zurückbilden.
Feuermale in der Mittellinie des Nackens, am Oberlid oder an der Nasenwurzel, können sich spontan zurückbilden. Laterale, mit dem befallenen Körperteil mitwachsende Feuermäler können Zeichen eines Klippel-Trénauny-Syndroms sein.
Therapie: Ggf. Behandlung mit Argon-Laser. Multiple Teleangiektasien der Haut, Schleimhäute und an inneren Organen bei Morbus Osler-Rendu können zu einer blutungsbedingten Anämie führen. Zur Blutstillung sind endoskopische Methoden indiziert.
Therapie: Bei kosmetischer Beeinträchtigung kann eine Verödung der Nävi mittels Argon-Laser erfolgen. Die Teleangiectasia hereditaria haemorrhagica (= Morbus Osler-Rendu) ist eine autosomal dominant vererbte Erkrankung mit multiplen Angiektasien der Haut, Schleimhäute und inneren Organe (Gastrointestinaltrakt, Luft- und Harnwege), die ab der Pubertät progredient zu Blutungen führen können. Oft besteht eine Blutungsanämie. Therapeutisch kommen endoskopische Methoden der Blutstillung (Sklerosierung, Laser) zur Anwendung.
7.8.3 Gutartige Gefäßtumoren
7.8.3 Gutartige Gefäßtumoren
Hämangiome
Hämangiome
왘 Definition
Wesentliche Formen sind: ■ Kapillare Hämangiome: Bevorzugt am Kopf, seltener am Stamm. Aufgrund der guten Rückbildungstendenz ist eine operative Therapie nur bei Größenzunahme mit Irritation anderer Organe indiziert.
■
Kavernöse Hämangiome (Blutschwamm) der Haut: Oft durch Ulzerationen und Blutungen symptomatisch. Auch innere Organe (vor allem die Leber) können Hämangiome aufweisen. Die Therapie symptomatischer Hämangiome besteht in der Exzision oder Embolisation (bei Inoperabilität).
왘 Definition. Hämangiome sind autonome, von den Gefäßwänden ausgehende, tumorähnliche Geschwülste. Es handelt sich um echte Gefäßneubildungen, die konnatal oder Tage bis Wochen post partum mit unterschiedlicher Wachstumstendenz auftreten. In der Regel zeichnen sie sich durch rasches proliferatives Wachstum aus.
Wesentliche Formen sind: ■ Kapillare Hämangiome werden in planotuberöser oder tuberonodöser Form bevorzugt am Kopf (Stirn, Oberlider, Mund) und seltener am Stamm beobachtet. Aufgrund einer ausgeprägten Rückbildungstendenz der benignen Angiome innerhalb von 2 – 5 Jahren ist eine operative Therapie nur bei Größenzunahme mit Irritation anderer Organe (z. B. Orbita, Larynx) indiziert. Eine Argonlaserbestrahlung kann zur Rückbildung der Läsionen führen. ■ Kavernöse Hämangiome (Blutschwamm) unterscheiden sich von der kapillaren Form durch Ausbildung von blutgefüllten Hohlräumen, die bei entsprechender Größe thrombosieren können. Sie zeigen nur eine mäßige spontane Rückbildungstendenz. Intrakutan gelegene kavernöse Hämangiome neigen zu Ulzerationen und Blutung. Relativ häufig ist die Leber von kavernösen Hämangiomen betroffen. Diese Leberhämangiome können abhängig von der Größe und Lage symptomatisch werden (z. B. durch Verdrängung anderer Organe, Ikterus, Aszites oder Ruptur mit Blutung in die freie Bauchhöhle). Eine Rarität bilden Hämangiome in Wirbelkörpern, Gehirn, Hirnhäuten und Nerven. Die Therapie symptomatischer Hämangiome besteht in der Exzision. Im Falle einer Inoperabilität besteht die Möglichkeit der Embolisation im Rahmen einer selektiven Angiographie.
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B 7.8 Gefäßfehlbildungen und -tumoren
Diffuse Hämangiomatosen gehen im Rahmen hereditärer Erkrankungen mit multiplen Hämangiomen in zahlreichen inneren Organen, dem Skelett, der Haut und dem ZNS einher (z. B. Hippel-Lindau-, Sturge-Weber-Krabbe-, Klippel-Trenaunay-, Osler-Rendu- oder Maffucci-Syndrom).
■
1163 ■
Diffuse Hämangiomatosen treten im Rahmen hereditärer Erkrankungen auf.
7.8.4 Semimaligne/maligne Gefäßtumoren
7.8.4 Semimaligne/maligne Gefäßtumoren
Das Hämangioendotheliom (Wucherung aus Blutgefäßen und endothelialisierten Hohlräumen) und Hämangioperizytom (von der Adventitia ausgehende Gefäßwucherungen) sind seltene, potenziell maligne Gefäßtumoren, die stets weit im Gesunden entfernt werden sollten. Hoch maligne, völlig entdifferenzierte, von den Gefäßen ausgehende, nicht weiter klassifizierbare Tumoren werden unter der Bezeichnung Hämangiosarkom zusammengefasst. Demgegenüber ist das maligne, sarkomatöse Hämangioendotheliom aus mehrschichtigen, entdifferenzierten Endothelmassen aufgebaut. Dieser Tumor kann in Schilddrüse, Leber, Haut, Herz, Lunge, im Gastrointestinaltrakt sowie in den langen Röhrenknochen auftreten. Seltene Angioleiomyosarkome werden bisweilen im Bereich der abdominellen V. cava diagnostiziert. Selbst nach radikaler Resektion ist die Prognose wegen frühzeitigem Auftreten von Lungen- und Lebermetastasen schlecht. Maligne Tumoren der Extremitäten sind das Hämangiosarkom, das Angioleiomyosarkom und das maligne Hämangioperizytom (Stouts-Tumor) (Abb. B-7.34). Dieses wächst hauptsächlich am Oberschenkel und retroperitoneal (als Nierensarkom).
Das Hämangioendotheliom und Hämangioperizytom sind potenziell maligne Gefäßtumoren, die exzidiert werden sollten.
B-7.34
a
Maligne Gefäßtumoren
Man unterscheidet: Hämangiosarkom sarkomatöses Hämangioendotheliom
Angioleiomyosarkom
Maligne Tumoren der Extremitäten sind das Hämangiosarkom, das Angioleiomyosarkom und das maligne Hämangioperizytom (Abb. B-7.34).
B-7.34
b
c a Hämangioperizytom: Präoperative MRT-Aufnahme (Darstellung des Tumors und seiner Beziehung zum Knochen) b Hämangioperizytom: Hautinzision zur En-Bloc-Resektion c Glomus caroticum Tumor
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1164
B 7 Gefäßchirurgie
Das Kaposi-Sarkom tritt gehäuft im Rahmen einer HIV-Infektion auf, mit generalisiertem, multizentrischen Befall, bei dem zuletzt auch innere Organe betroffen sind (S.183).
Das multiple idiopathische hämorrhagische Sarkom wird auch „Kaposi-Sarkom“ genannt und tritt gehäuft als Komplikation bei Patienten mit AIDS-Infektion auf. Als Ursache für die gehäufte Koinzidenz wird eine Infektion mit dem humanen Herpes-Virus 8 (HHV8) vermutet (S. 183). Es ist gekennzeichnet durch zunächst symmetrisch in der Haut der Füße und Unterschenkel auftretende, schmerzhafte, rot-violette, derb-elastische Knoten (Granulome mit Gefäßneubildungen), die sich im weiteren Verlauf auch am Stamm und den Händen ausbreiten und in innere Organe metastasieren. Es besteht eine Koinzidenz mit malignen Erkrankungen des retikuloendothelialen Systems. Ein langjährig progredienter Verlauf ist kennzeichnend für die Erkrankung, eine kurative Therapie ist nicht bekannt.
Therapie: Die einzige Therapie der Angiosarkome mit kurativem Ansatz ist die frühzeitige, radikale Exstirpation.
Therapie: Die einzige Therapie der Angiosarkome mit kurativem Ansatz ist die frühzeitige, radikale Exstirpation. Bei malignen Tumoren ist die En-Bloc-Resektion des Tumors außerhalb der Pseudokapsel, ggf. mit den begleitenden Gefäßen und die Rekonstruktion durch (Venen)interponate die Therapie der Wahl. Gutartige Tumoren können durch Exzision behandelt werden.
Glomus caroticum Tumor (Chemodektom)
Glomus caroticum Tumor (Chemodektom)
Der Glomus caroticum Tumor wird autosomal-dominant vererbt und geht von den nicht-chromaffinen Paraganglien aus.
Der Glomus caroticum Tumor ist ein von den nicht-chromaffinen Paraganglien ausgehender neuroektodermaler Tumor und wird autosomal dominant vererbt. Histologisch handelt es sich um ein Paragangliom, das aus Chemorezeptoren entsteht, die jedoch keine endokrine Aktivität besitzen.
Lokalisation: Häufig in der Karotisgabel gelegen.
Lokalisation: Der Tumor ist häufig in der Adventitia der Karotisgabel gelegen.
Klinik: Bei 25 % der Tumorträger finden sich Symptome wie Heiserkeit, Sprach-, Schluckund Sehstörungen, Horner-Syndrom etc. Häufig durch Gefäßkompression symptomatisch.
Klinik: Bei 25 % der Tumorträger finden sich Symptome wie Heiserkeit, Sprachund Schluckstörungen, Horner-Syndrom, Sehstörungen Kopfschmerzen, Nausea, Tinnitus, Synkopen und Paresen. Häufig wird der Tumor durch Gefäßkompression symptomatisch.
Diagnostik: Palpation des Tumors im Trigonum caroticum und sonographische Darstellung hinter der Karotisgabel. Die Diagnosesicherung erfolgt durch Angiographie.
Diagnostik: Der Tumor ist im Trigonum caroticum palpabel und sonographisch hinter der Karotisgabel darstellbar (DD: Thrombosiertes Aneurysma der Karotisgabel). Die Diagnosesicherung erfolgt durch Angiographie, welche eine Aufspreizung der Karotisgabel durch einen reich vaskularisierten Tumor zeigt.
Prognose und Therapie: Bei Spontanverlauf beträgt die Mortalität bis zu 30 %. Daher sollte abhängig vom Tumorstadium die Tumorexstirpation erfolgen.
Prognose und Therapie: Der Spontanverlauf zeigt eine Mortalität von bis zu 30 %. In Abhängigkeit vom Tumorstadium ist daher die Tumorexstirpation mit oder ohne Resektion der Arterie vorzunehmen (Abb. B-7.34). Bei Indikation für eine Mitentfernung der A. Carotis ist ein Ersatz mit autologer V. saphena magna die Therapie der Wahl.
7.9
Entzündliche Gefäßerkrankungen
Entzündliche Gefäßerkrankungen äußern sich vor allem durch die Folgezustände wie Gefäßverschlüsse, Schmerzen und Organkomplikationen in der betroffenen Gefäßregion.
7.10
Gefäßinfektionen
Da in der Gefäßchirurgie häufig Kunstoffmaterialien implantiert werden, ist im Verlauf besonders auf Infektionen zu achten. Bei Eingriffen zur Behandlung der arteriellen Verschlusserkrankung im Stadium IV ist dem IRA-Prinzip von Vollmar Rechnung zu tragen.
7.9
Entzündliche Gefäßerkrankungen
Entzündliche Gefäßerkrankungen (z. B. Panarteriitis nodosa, Vaskulitis allergica, Wegener-Granulomatose, Takayasu-Arteriitis, Riesenzellarteriitis, Thrombangitis obliterans Buerger, Morbus Behçet) äußern sich vor allem durch die Folgezustände wie Gefäßverschlüsse, Schmerzen und Organkomplikationen in der betroffenen Gefäßregion.
7.10 Gefäßinfektionen Da gefäßchirurgische Eingriffe häufig mit der Implantation von Kunststoffmaterialien verbunden sind, muss der Infektion im Verlauf der Behandlung besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Bei Eingriffen zur Behandlung der arteriellen Verschlusserkrankung im Stadium IV (Nekrose, Gangrän) ist dem IRA-Prinzip von Vollmar Rechnung zu tragen: Infektsanierung, Revaskularisation, Amputation.
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B 7.11 Herzschrittmacher, Portkatheter und Zugänge zum Gefäßsystem
B-7.25
Klassifikation postoperativer Gefäßinfektionen
Klassifikation nach Szilagyi (1972) ■
■
■
1165
Einteilung
Klassifikation nach Zühlke und Harnoss
oberflächliche postop. Infektion, auf die Haut begrenzt
Grad I
■
oberflächliche Infektion, Haut und Subkutis infiltriert
Grad II
■
tiefe Infektion, Prothesenmaterial und -Lager betroffen
Grad III
■
Protheseninfekt ohne Beteiligung einer Anastomose
Protheseninfekt mit Beteiligung einer Anastomose ohne weitere Komplikationen Protheseninfekt mit Beteiligung einer Anastomose und Komplikationen (Anastomosenblutung, Implantatverschluss)
Bei Infektionen nach gefäßchirurgischen Interventionen ist die Planung der Behandlung von der Ausdehnung und der Tiefe des Infektes abhängig (Tab. B-7.25). Im englischen Sprachraum hat sich dazu die Gradeinteilung nach Szilagyi (1972) durchgesetzt, im deutschen Sprachraum die Stadieneinteilung nach Zühlke und Harnoss (1988).
Bei Infektionen nach gefäßchirurgischen Interventionen ist die Planung der Behandlung von der Ausdehnung und der Tiefe des Infektes abhängig (s. Tab. B-7.25).
Therapie: Die Behandlung von Infekten der Gefäße richtet sich generell nach den Gesichtspunkten und Leitlinien der septischen Chirurgie.
Therapie: Generell richtet sich die Behandlung von Infekten der Gefäße nach den Gesichtspunkten und Leitlinien der septischen Chirurgie.
Bei einer Infektion im Stadium II und III muss meistens das alloplastische Material entfernt werden. Ob eine In-Situ-Rekonstruktion vorgenommen werden kann oder das Gebiet durch eine extraanatomische Umleitung umgangen werden muss, wird im Einzelfall entschieden. Für In-Situ-Rekonstruktionen sollten möglichst autologe Venen benutzt werden. Steht diese nicht zur Verfügung, kann alternativ auf antibiotikahaltiges Prothesenmaterial zurückgegriffen werden. Im Handel sind mit Silberacetat imprägnierte Prothesen und Prothesenbeschichtungen mit Rifampicin erhältlich.
Meistens muss bei Vorliegen einer Infektion im Stadium II und III das alloplastische Material entfernt werden.
7.11 Herzschrittmacher, Portkatheter und
Zugänge zum Gefäßsystem
Im Rahmen nephrologischer, onkologischer oder kardiologischer Behandlungen (Dialyse über Shaldonkatheter, Chemotherapie über venöse Portsysteme, Herzschrittmacherimplantationen) sind Zugänge zum Venensystem nötig. Als geeigneter Zugang dient die V. cephalica im Bereich ihrer Mündung in die V. subclavia in der Fossa clavideltoideopectoralis. Häufig können diese Gefäßzugänge in Lokalanästhesie hergestellt werden. Alternativ wird die V. jugularis als Zugang genutzt (Abb. B-7.35).
B-7.35
Zugänge zum Gefäßsystem
7.11
Herzschrittmacher, Portkatheter und Zugänge zum Gefäßsystem
Zugänge zum Gefäßsystem sind im Rahmen nephrologischer, onkologischer oder kardiologischer Behandlungen nötig. Geeignete Zugänge sind die V. cephalica im Bereich ihrer Mündung in die V. subclavia oder alternativ die V. jugularis.
B-7.35
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B 8.1 Wundbehandlung
8
Plastische Chirurgie
1167 8
Plastische Chirurgie
8.1
Wundbehandlung
Andreas D. Niederbichler, Peter M. Vogt
8.1
Wundbehandlung
(Siehe auch S. 138 ff.) Wichtigstes chirurgisches Prinzip ist der frühzeitige, atraumatisch ausgeführte Wundverschluss mit dem Ziel einer möglichst geringen Narbenbildung bei maximaler anatomischer und funktioneller Wiederherstellung. Bei zerfetzten Wundrändern mit gequetschtem minderdurchblutetem Gewebe müssen die Wundränder ausgeschnitten werden, um Gewebenekrosen abzutragen, Fremdkörper zu entfernen und die Keimzahl zu reduzieren. Eine Wundheilung per primam ist nur bei infektfreien Verhältnissen möglich. Aus diesem Grund ist der eigentlichen Wundbehandlung die Beurteilung der Wundverhältnisse im Hinblick auf 4 Kontaminationsgrade voranzustellen: ■ Die saubere Wunde: Sie ist scharfrandig, gut durchblutet und entweder unter sterilen Bedingungen oder durch die Ausschneidung entstanden. Bei diesen Wunden kann ein direkter Wundverschluss erfolgen. ■ Die verschmutzte Wunde: Hier liegt eine Kontamination ohne Infektzeichen vor, sodass durch Wundausschneidung eine saubere Wunde geschaffen wird, die dann verschlossen werden kann. ■ Die stark verschmutzte Wunde: Es besteht eine starke Kontamination, ebenfalls ohne Infektionszeichen (z. B. Bissverletzungen, landwirtschaftliche Unfälle). Nach Wundausschneidung und radikaler Ausräumung von Nekrosen (Débridement) wird eine offene Wundbehandlung (seltene Ausnahme: Gesichtsverletzungen) durchgeführt und ein späterer Sekundärverschluss angestrebt. ■ Die infizierte Wunde: Nach ausgiebigem Débridement wird die Wunde offen gelassen und der Sekundärheilung überlassen. 왘 Merke. Ein primärer Wundverschluss ist nur bei sterilen Wunden erlaubt.
(Siehe auch S.138 ff.) Die Beurteilung der Wundverhältnisse ist unerlässlich. Die Wundbeurteilung erfolgt nach 4 Kontaminationsgraden: ■ Die saubere Wunde: Sie ist scharfrandig, gut durchblutet und unter sterilen Bedingungen oder durch Ausschneidung entstanden. Ein direkter Wundverschluss ist möglich. ■ Die verschmutzte Wunde: Kontamination ohne Infektzeichen. Durch Wundausschneidung wird eine saubere Wunde geschaffen, die dann verschlossen werden kann. ■ Die stark verschmutzte Wunde: Starke Kontamination ohne Infektionszeichen (z. B. Bissverletzung). Es erfolgt eine offene Wundbehandlung (Ausnahme: Gesichtsverletzungen) mit Wundausschneidung und radikaler Ausräumung von Nekrosen; späterer Sekundärverschluss angestrebt. ■ Die infizierte Wunde: Nach ausgiebigem Débridement wird die Wunde offen gelassen und der Sekundärheilung überlassen.
왗 Merke
Stark verschmutzte oder infizierte Wunden werden ausgeschnitten oder débridiert und der Sekundärheilung überlassen.
8.1.1
Operationstechniken
Die Hautinzision erfolgt mit dem Skalpell senkrecht zur Hautoberfläche unter Berücksichtigung der natürlichen Hautfaltenlinien (relaxed skin tension lines).
왘 Merke. Über Gelenken, insbesondere auf der Beugeseite, sollen Inzisionen wegen der Gefahr sekundärer Kontrakturen die Gelenkachse nie senkrecht kreuzen, sondern bogen- oder zickzackförmig verlaufen.
Zu berücksichtigen ist auch das Durchblutungsmuster des Weichteilmantels, da durch parallel verlaufende oder kreuzende Inzisionen die Gefäßversorgung gestört und Nekrosen hervorgerufen werden können. Die Wundränder werden atraumatisch durch Häkchen oder Haltefäden angehoben. Blutungen aus kleineren Gefäßen werden mit einer bipolaren Pinzette koaguliert. Größere oberflächlich gelegene Gefäße werden – falls erforderlich – mittels Gefäßligatur versorgt. Dem Entstehen von Hämatomen und Hohlräumen in der Subkutis oder subfaszial wird durch ausreichende Mobilisation und spannungsfreien Verschluss der Hautränder unter Einlage von Drainagen vorgebeugt. Insbesondere bei Fremdkörperimplantaten (z. B. Osteosynthesematerial) stellen Hämatome, Serome und lokale Durchblutungsstörungen (Quetschung, erhöhte Wundspannung) eine wesentliche Ursache von Infektionen dar. Nach sorgfältiger Blutstillung erfolgt ein schichtweiser Wundverschluss.
8.1.1 Operationstechniken
Die Hautinzision erfolgt mit dem Skalpell senkrecht zur Hautoberfläche unter Berücksichtigung der natürlichen Hautfaltenlinien (relaxed skin tension lines). 왗 Merke
Die Wundränder werden atraumatisch durch Häkchen oder Haltefäden angehoben.
Hämatome, Serome und lokale Durchblutungsstörungen sind eine wesentliche Ursache von Wundinfektionen.
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1168 왘 Merke
Zu Details s. S.154.
8.2
Atypische Wundheilung, Narben, Tätowierungen
8.2.1 Keloide, hypertrophe Narbenbildung
왘 Definition
B 8 Plastische Chirurgie
왘 Merke. Hautinzisionen müssen senkrecht zur Oberfläche unter Berücksichtigung der Hautfaltenlinien ausgeführt werden – niemals senkrecht zur Gelenkachse! Eine atraumatische Operationstechnik und spannungsfreie Naht verhindern Wundheilungsstörungen.
Bezüglich weiterer Einzelheiten zu Wundnähten s. S. 154.
8.2
Atypische Wundheilung, Narben, Tätowierungen
8.2.1 Keloide, hypertrophe Narbenbildung 왘 Definition. Unter Keloiden und hypertrophen Narben werden gutartige um-
schriebene Bindegewebsneoplasien verstanden, die ein exzessives Bindegewebswachstum, eine dünne Epidermis, eine Atrophie der Hautanhangsgebilde, eine vermehrte Gefäßdichte der Lederhaut (Rötung) und einen erhöhten Gehalt an polymorphkernigen Leukozyten und Lymphozyten als gemeinsames Merkmal aufweisen. Ätiologie: Sie ist unbekannt; eine genetische Disposition wird erörtert.
Ätiologie: Die Ätiologie ist ungeklärt. Es wird jedoch eine genetische Disposition diskutiert. Der erstbehandelnde Operateur muss den Patienten darüber aufklären, dass es trotz feinster Nahttechnik und korrekter Wundbehandlung zu Narbenproblemen kommen kann bzw. hypertrophe Narben wieder auftreten können.
Klinik: Hypertrophe Narben halten sich an die vorgegebene Wundgrenze. Keloide wuchern über den Wundrand hinaus (Abb. B-8.1).
Klinik: Während sich die hypertrophe Narbe an die Grenzen der ursprünglichen Wunde hält und sich häufig nach 1 – 2 Jahren zurückbildet, dehnen sich Keloide über die ursprüngliche Narbenlokalisation aus und können bis zur Bildung grotesker Riesentumoren fortschreiten (Abb. B-8.1). Eine spontane Rückbildung ist kaum zu erwarten. Bevorzugte Lokalisationen sind das Dekolleté, die Sternalrinne, der Schulter- und Rückenbereich und die Ohrläppchen. Kinder, Jugendliche, Frauen und Patienten mit dunkler Hautfarbe sind bevorzugt betroffen. Eine ausgeprägte Keloidneigung zeigen auch Patienten nach großflächigen, tiefgradigen Verbrennungen.
Bevorzugte Lokalisationen: Dekolleté, Sternalrinne, Schulter-/Rückenbereich, Ohrläppchen.
Therapie: Die Therapie der Keloide und hypertrophen Narben kann durch Exzision
B-8.1
Therapie: Zur Behandlung werden verschiedene Verfahren mit den unterschiedlichsten Ergebnissen herangezogen. Neben der Exzision im „Gesunden“, inner-
B-8.1
Keloid in der Sternalrinne
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B 8.2 Atypische Wundheilung, Narben, Tätowierungen
1169
halb der Läsion und hochtourigem Abschleifen werden auch konservative Verfahren vorgeschlagen. Hierzu gehören intraläsionale Steroidinjektionen mit kristallinen Lösungen (Derm-Jet), eine konsequente Kompressionsbandage über mindestens 6 Monate (Jobst-Bandagen), Silikonplatten, fraktionierte Röntgenweichstrahltherapie, Kryotherapie mit Flüssigstickstoff und die Lasertherapie (CO2- oder Neodym-YAG-Laser). Bei problematischen Riesenkeloiden an den Ohrläppchen werden nach der Resektion Spezialclips zur Kompression empfohlen. Für die Behandlung mit sogenannten „Narbensalben“ wurde bislang kein Wirkungsnachweis erbracht.
oder Abschleifen versucht werden. Konservative Therapieansätze: Kompression, Silikonauflagen, intraläsionale Steroide, Kryotherapie, Röntgenweichstrahlen.
8.2.2 Narben
8.2.2 Narben
Ätiologie: Neben Keloiden und hypertrophen Narbenbildungen kann auch die mangelhafte primäre Versorgung (ungleiche Adaptation der Hautränder, traumatisierte Hautränder, ungünstige Inzisionslinien) zur Entstehung kosmetisch unbefriedigender Narbenbildungen führen.
Ätiologie: Neben Keloiden und hypertrophen Narbenbildungen kann auch die mangelhafte primäre Wundversorgung zu kosmetisch unbefriedigenden Narbenbildungen führen.
Klinik: Auffällig werden Narben insbesondere im Gesicht, wenn eine Störung der natürlichen Gesichtsmotorik (Narbenzug) oder Abweichungen von der Oberflächenkontur (z. B. Stufenbildungen, Erhabenheiten, Segelbildungen, Einsenkungen, Veränderung des Hautkolorits) vorliegen. Die Indikation zur Narbenkorrektur besteht bei entstellendem Befund und funktioneller Einschränkung.
Klinik: Narben können durch Narbenzug, Stufenbildung, Erhabenheit, Segelbildung, Einziehungen und Veränderungen des Hautkolorits auffallen. Die Indikation zur Narbenkorrektur besteht bei entstellendem Befund und funktioneller Einschränkung
Therapie: Der Wahl des richtigen Zeitpunktes einer Korrekturoperation kommt eine wesentliche Bedeutung zu. In der Regel sollten 1 – 2 Jahre nach Primärversorgung abgewartet werden.
Therapie: Die Wundheilung ist in der Regel erst nach 1 – 2 Jahren abgeschlossen. So lange muss mit erforderlichen Korrekturen abgewartet werden. Ausnahme: Bei starker Funktionsbehinderung können Korrektureingriffe auch früher versucht werden.
In Ausnahmefällen können Korrektureingriffe bei stark funktionell einschränkenden Narbensträngen auch vor Ablauf dieser Zeit vorgenommen werden (z. B. Ektropion mit dem Risiko von Hornhautschäden, orale Kontrakturen und Segelbildungen an den Lippen mit Einschränkung der Nahrungsaufnahme). Hierzu gehören auch instabile Narben mit Ulzerationen und Entzündungsfolgen. Ein ausführliches Gespräch mit Patient und Angehörigen ist erforderlich, um unrealistischen Erwartungen zu begegnen. 왘 Merke. Die Narbenreifung muss abgewartet werden. In der Regel ist die
„Narbensalben“ sind ohne Wirksamkeitsnachweis.
왗 Merke
Wundheilung nach einem Trauma erst nach 1 – 2 Jahren abgeschlossen.
8.2.3 Tätowierungen 왘 Definition. Tätowierungen sind großflächige farbige Hautbilder, die mittels
8.2.3 Tätowierungen
왗 Definition
tief dermal eingebrachter Farbpartikel erzeugt werden. Diesen stehen die traumatischen Schmutztätowierungen gegenüber. Ursächlich sind hierfür traumatische Einsprengungen von Schotter, Farbpartikeln oder Schmauch verantwortlich. Die Entfernung von Tätowierungen stellt ein erhebliches kosmetisches Problem dar, weil die tief in der Lederhaut lokalisierten Partikel in der Regel nicht ohne entsprechende narbeninduzierende Eingriffe, oft mit Veränderungen des Kolorits, entfernbar sind. ■ Operative Verfahren: Neben der Exzision, hochtourigen tief dermalen Abschleifungen und Laserbehandlungen kommen Hautexpander mit sekundärer Ausschneidung zur Anwendung. ■ Nichtoperative Verfahren: Hier werden chemische und thermische Schälmethoden eingesetzt. Entstellende Narben können gegebenenfalls durch wasserfeste getönte Cremes (sog. Camouflage, Covermark®) retuschiert werden.
Die Entfernung von Tätowierungen stellt ein erhebliches kosmetisches Problem dar.
■
■
Operative Verfahren: Exzision, hochtourige tief dermale Abschleifungen, Laserbehandlungen, Hautexpander mit sekundärer Ausschneidung. Nichtoperative Verfahren: Chemische und thermische Schälmethoden. Bei entstellenden Narben ggf. getönte Cremes.
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1170
B 8 Plastische Chirurgie
B-8.2
B-8.2
Schmutztätowierung
b
a
a Schmutztätowierung vor Behandlung. b Entfernung des Materials mit einer starren Bürste. c Befund nach der Behandlung.
Schmutztätowierungen (Abb. B-8.2) müssen innerhalb der ersten Stunden nach dem Unfall mithilfe einer starren Bürste in einer angemessenen Anästhesie entfernt werden. Die Ergebnisse sind bei diesem Vorgehen sehr gut.
8.3
Plastisch-chirurgische Techniken
c
Schmutztätowierungen (Abb. B-8.2) müssen innerhalb der ersten Stunden nach dem Unfall entfernt werden, da es mit zunehmendem Wundödem zu einem Verschluss der Eintrittsporen kommt. Dazu wird das Material aus der Lederhaut unter Lokalanästhesie oder Allgemeinnarkose mithilfe einer starren Bürste unter sterilen Bedingungen entfernt. Die Ergebnisse einer solchen Frühintervention sind sehr gut. Wird dieser Zeitpunkt verpasst, kommen nur die oben erwähnten operativen Verfahren mit entsprechend schlechten ästhetischen Ergebnissen zum Einsatz.
8.3
Plastisch-chirurgische Techniken
8.3.1 Exzisionen und Plastiken
8.3.1 Exzisionen und Plastiken
Narben können unabhängig von ihrer Entstehung zu ästhetisch störenden Strängen (Mimik) oder funktionellen Problemen (Gelenkbeweglichkeit) führen.
Narben können unabhängig von ihrer Entstehung (Trauma, Infektion, inkorrekte Wundversorgung) zu ästhetisch störenden Strängen (Gesichtsmimik) oder funktionellen Problemen (Gelenkbeweglichkeit) führen.
Damit besteht die Indikation zur Entfernung der dermatogenen Kontrakturen – Techniken: ■ Spindelförmige Exzision: Gerade verlaufende Narben werden spindelförmig exzidiert. ■ Keilförmige Exzision: Dreiecksförmige Exzision von Defekten der Mundwinkel, Randbereich der Ohren, Augenlider und Nasenlöcher. ■ Z-Plastik: Verlängerung der Narbe durch Ziehharmonikaeffekt mit Dehnung in Längsrichtung (Abb. B-9.21).
Damit besteht die Indikation zur Beseitigung derartiger dermatogener Kontrakturen. Hierfür stehen unterschiedliche plastisch-chirurgische Techniken zur Verfügung: ■ Spindelförmige Exzision: Gerade verlaufende, lineare Narben werden spindelförmig exzidiert, meist unter Einschluss subkutaner Narbenbestandteile. ■ Keilförmige Exzision: Diese Technik wird insbesondere bei Defekten und Narbenbildung im Randbereich der Lippen (bes. Mundwinkel), Ohren, Augenlider und Nasenlöcher angewendet. Der Defekt oder die Narbe wird entweder dreiecksförmig oder pentagonal (meist kosmetisch bessere Narbenbildung) exzidiert. ■ Z-Plastik: Zur Auflösung von Narben dienen Z-, W-, oder stufenförmige Inzisionen. Nach Austausch derart geschnittener Hautzipfel resultiert eine axiale Verlängerung der Narbe durch einen Ziehharmonikaeffekt, der die Dehnung der gesunden, verlagerten Haut in Längsrichtung erlaubt. Der Verlauf der Narbe wird dabei so geplant, dass ein Teil der Inzision nach
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B 8.3 Plastisch-chirurgische Techniken
B-8.3
■
1171
Z-Plastik
Fertigstellung der Plastik in den natürlichen Hautspannungslinien zu liegen kommt. Entstehende kleinere Unregelmäßigkeiten in den Hautzipfeln können durch hochtouriges Abschleifen anschließend beseitigt werden (Abb. B-9.21). Bei W-Plastiken oder Stufenplastiken werden kleine Hautzipfel gegeneinander verschwenkt, also der gerade Narbenverlauf in einen sägezahnartigen Verlauf umgewandelt. Wobei auch hier wiederum ein Teil der Inzisionen in den Hautspannungslinien zu liegen kommt.
B-8.3
■
W-Plastik oder Stufenplastik: Sägezahnartiger Narbenverlauf, bei dem ein Teil der Narbe in den Spannungslinien zu liegen kommt.
8.3.2 Freies Hauttransplantat
8.3.2 Freies Hauttransplantat
Durch frühzeitige Hauttransplantation kann die Wundheilung von flächenhaften Substanzdefekten der Haut – ohne freiliegende Knochen, Sehnen und Nerven – deutlich verkürzt werden. Als wichtigste Voraussetzung gilt ein gut vaskularisierter Transplantatgrund und eine vorherige Verringerung der Keimzahl durch meist mehrschrittige chirurgische Wundausschneidungen (Débridement) in Kombination mit einer enzymatischen Wundreinigung.
Frühzeitige Hauttransplantation kann die Wundheilung flächenhafter Substanzdefekte der Haut deutlich verkürzen. Wichtigste Voraussetzung ist ein gut vaskularisierter und weitestgehend infektfreier Wundgrund. Dies wird durch chirurgisches Wunddébridement in Kombination mit einer enzymatischen Wundreinigung erreicht.
Technik: Nach Aufbringen werden die Transplantate an den Rändern fixiert (Hautnähte, Klammernähte) und entweder offen unter visueller Kontrolle zur Vermeidung von Seromen und Hämatomen behandelt oder durch einen Druckverband mittels Überknüpfung steriler Wundgaze auf den Wundgrund gepresst (Abb. B-8.4). Um eine homogene Anhaftung des Transplantates auf dem Wundgrund und eine optimale Einheilung zu ermöglichen, kann auch steriler Schaumstoff über dem Transplantat mittels Hautklammern angebracht werden.
Technik: Sichere Fixation an den Rändern, Vermeidung von Seromen und Hämatomen durch Druckverband mittels steriler Wundgaze oder Schaumstoff (Abb. B-8.4).
B-8.4
Technik der freien Hauttransplantation
B-8.4
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B 8 Plastische Chirurgie
Eine neue Methode der Transplantatfixierung ist die Hautklebung mit Cyanoacrylaten („Superkleber“, Dermabond®), die gute Resultate sowohl der Transplantatfixierung als auch der Narbenbildung am Transplantatrand zeigt. 왘 Merke
Spalthauttransplantate 왘 Definition
Entsprechende Transplantate können an allen Körperregionen entnommen werden. Als ästhetisch unauffällig gelten die rasierte Kopfhaut und der Mons pubis (Abb. B-8.6). Die Reepithelialisierung erfolgt über die Epidermisauskleidung der Hautanhangsgebilde, v. a. der Haarbälge.
왘 Merke. Der Hebedefekt, insbesondere von Spalthauttransplantaten, darf in den ersten Monaten keiner starken Sonneneinstrahlung ausgesetzt werden, da bei regenerierender Epidermis Sonnenbrände mit dauerhafter Pigmentstörung einhergehen können.
Spalthauttransplantate 왘 Definition. Hierbei handelt es sich um dünne tangentiale Transplantate von 200 – 500 µm Dicke, die Epidermis und Teile der Dermis enthalten (Abb. B-8.5).
Die Gewinnung einer homogenen Schichtdicke erfolgt mit Spezialmessern mit Rasierklingeneinsatz oder mit druckluftbetriebenen oder Elektrodermatomen. Grundsätzlich können von allen Körperregionen Spalthauttransplantate entnommen werden, wobei besonders bei Kindern wegen der Gefahr der hypertrophen Narbenbildung, Keloiden und Pigmentstörungen die Auswahl des Entnahmeortes sorgfältig bedacht werden muss. Als ästhetisch unauffällig gelten die rasierte Kopfhaut und der Mons pubis (Abb. B-8.6). Die Reepithelialisierung dieser Areale erfolgt über die Epidermisauskleidungen der Hautanhangsgebilde, insbesondere der Haarbälge.
B-8.5
B-8.5
Komponentendarstellung der freien Hauttransplantate
B-8.6
B-8.6
Favorisierte Entnahmebezirke für Spalthaut und Vollhaut
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B 8.3 Plastisch-chirurgische Techniken
B-8.7
Spalthauttransplantat
1173 B-8.7
Spalthauttransplantat nach ausgedehnter Weichteilverletzung am Unterschenkel 1 Woche (a) und 6 Wochen (b) nach Transplantation.
Bei der Bedeckung von kontaminierten Wunden oder großflächigen Arealen, wie z. B. bei Verbrennungen, empfiehlt sich die Aufarbeitung der Haut in Netztechnik (Meshgraft). Dazu werden in das Transplantat beim Durchziehen durch Messerwalzen multiple kurze Inzisionen gelegt. Durch die Maschen ist es möglich, die Haut auseinanderzuziehen, um größere Areale zu bedecken. Die rautenförmigen Zwischenräume epithelialisieren innerhalb weniger Tage (Abb. B-8.7). Als Vorteil dieser Methode gilt die relativ sichere Einheilung, Gewährleistung des Sekretabflusses durch die Zwischenräume und die Möglichkeit der Expansion der entnommenen Haut (klinisch gebräuchlich 1 : 1,5 bis 1 : 3). Nachteil ist die resultierende felderförmige Hauttextur, weshalb diese Technik im Gesicht, Halsausschnitt und in der Regel an der Hand nicht angewandt wird. Darüber hinaus besteht die Neigung zur Ausbildung dermatogener Kontrakturen.
Bei der Deckung von kontaminierten Wunden oder großflächigen Arealen wie z. B. bei Verbrennungen, empfiehlt sich die Aufarbeitung der Haut in Netztechnik (Meshgraft) (Abb. B-8.7).
Vollhauttransplantate
Vollhauttransplantate
왘 Definition. Vollhauttransplantate setzen sich aus Epidermis und dem gesamten Corium zusammen (Abb. B-8.5). Sie werden bevorzugt an mechanisch und motorisch belasteten Arealen eingesetzt (z. B. Ersatz der Lidhaut, flächige Defekte der Gesichts- und Halsregion, über Defekten an Hand und Fuß).
Vollhauttransplantate werden aus Arealen mit Hautüberschuss mit einem Skalpell nach Schablonenmaß entnommen (Gesäßfalte, Leisten, Oberarminnenseite, retroaurikulär), sodass in der Regel ein direkter Verschluss der Entnahmestelle nach Unterminierung der Hautränder möglich ist (Abb. B-8.6). Bei der Auswahl der Spenderregion muss die Übereinstimmung der Pigmentierung und der Hauttextur, die dem zu deckenden Hautdefekt entsprechen sollte, beachtet werden (im Gesicht möglichst retroaurikuläre Transplantate). Vollhauttransplantate ergeben akzeptable kosmetische Ergebnisse und unterliegen einer geringen Kontraktionstendenz. Als Nachteil ist der verbleibende Hebedefekt zu betrachten, der entweder durch primären Wundverschluss, eine Verschiebeplastik oder ein Spalthauttransplantat gedeckt werden muss. Wenn große Hauttransplantate benötigt werden ist die Vordehnung der Haut durch subkutan implantierte Hautexpander möglich (Abb. B-8.12).
Vorteil: Vergrößerung der Oberfläche und Gewährleistung der Sekretdrainage, relativ sichere Einheilung. Nachteile: Felderförmige Textur vom Meshgraft, Schrumpfungstendenz, Kontrakturen.
왗 Definition
Vollhauttransplantate werden aus Arealen mit Hautüberschuss entnommen (Gesäßfalte, Leisten, Oberarminnenseite, retroaurikulär) (Abb. B-8.6).
Für große Hauttransplantate kann die Haut durch subkutan implantierte Hautexpander vorgedehnt werden (Abb. B-8.12).
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1174
B 8 Plastische Chirurgie
Zur Prophylaxe dermatogener Kontrakturen kann die Anlage einer Kompressionsbandage über Monate erforderlich sein.
Zur Prophylaxe dermatogener Kontrakturen nach Hauttransplantationen in mechanisch beanspruchten Zonen (z. B. Axilla, Halsregion, Ellenbeuge) kann die Anlage einer Kompressionsbandage über Wochen bis Monate erforderlich sein.
8.3.3 Hautlappen
8.3.3 Hautlappen
왘 Definition
Neben der Gewebezusammensetzung können die Lappen nach ihrer Verlagerungsform in lokale, Nah- und Fernlappen unterteilt werden. Entsprechend ihrer Gefäßversorgung werden Random-pattern-Flaps von Axial-pattern-Flaps unterschieden Lappen können lokal transponiert oder frei mit mikrochirurgischem Gefäßanschluss verpflanzt werden. Letzteres Vorgehen hat folgende Vorteile: ■ Einzeitiges Vorgehen. ■ Verkürzter Klinikaufenthalt. ■ Fehlende Gelenkfixierung. ■ Verbesserte Durchblutung in Infektgebieten. ■ Keine Notwendigkeit der lokalen Gefäßeinsprossung. ■ Möglichkeit einer sensiblen Rekonstruktion. ■ Kombinierte Transplantate, dem Defekt entsprechend.
왘 Definition. Unter dem Begriff eines Lappens wird im Allgemeinen ein Gewebeblock verstanden, der aus Haut, dem darunterliegenden Subkutangewebe und erforderlichenfalls weiteren Geweben (z. B. Muskel, Knochen) besteht und im Gegensatz zum freien Hauttransplantat über eine eigenständige Blutversorgung verfügt.
Die Klassifikation der Lappen ist uneinheitlich. Neben der Gewebezusammensetzung können die Lappen nach dem Ort der Lokalisation des Spenderorgans in lokale Lappenplastiken, Nahlappen und Fernlappen unterteilt werden. Entsprechend ihrer Gefäßversorgung werden weiterhin Random-pattern Flaps (zufälliges Gefäßmuster) von Axial-pattern Flaps (Lappen mit zentraler Gefäßversorgung) unterschieden. Lappen können entweder lokal transponiert oder frei mit mikrochirurgischem Gefäßanschluss auf einen entfernten Defekt verpflanzt werden. Durch die freie Verpflanzung sind die früheren langwierigen Verfahren in multiplen Schritten wie die Wanderlappen oder gestielte Fernlappen weitgehend ersetzt worden. Dieses Vorgehen weist zahlreiche Vorteile auf: ■ Einzeitiges Vorgehen. ■ Verkürzter Klinikaufenthalt. ■ Fehlende Gelenkfixierung. ■ Verbesserte Durchblutung in Infekt-/Defektgebieten. ■ Keine Notwendigkeit der lokalen Gefäßeinsprossung. ■ Möglichkeit einer sensiblen Rekonstruktion. ■ Kombinierte Transplantate, dem Defekt entsprechend.
Weichteillappen
Weichteillappen
Haut-Fett-Lappen (Random-pattern Flaps) sind Lappen, die über keine eigene axiale Gefäßversorgung verfügen und nur durch die intradermalen sowie subkutanen Gefäßplexus ernährt werden. Diese Lappen sind im Schwenkradius limitiert (z. B. Bauchhautlappen oder gestielte Hautlappen der Lider).
Haut-Fett-Lappen (Random-pattern Flaps) sind Lappen, die über keine eigene axiale Gefäßversorgung verfügen und nur durch die intradermalen sowie subkutanen Gefäßplexus ernährt werden. Bei der Präparation ist diesem Faktor Rechnung zu tragen. Ein Längen-Breiten-Verhältnis von 2 : 1 darf nicht überschritten werden, um durchblutungsbedingte Nekrosen zu vermeiden. Solche Lappen verfügen über einen limitierten Schwenkradius. Typische Beispiele sind Bauchhaut- oder Mufflappen, lokale Fahnenlappen an der Hand und gestielte Hautlappen der Lider. Zu den Haut-Fett-Lappen gehört auch das in der vor-mikrochirurgischen Ära populäre Verfahren der Rundstiellappen oder Rolllappen. Er wurde am Rumpf gebildet und dient zur Gewebeverlagerung an Kopf, Hals oder Gliedmaße. Unter Verwendung mehrerer Zwischenstationen kann er als sogenannter Wanderlappen für entfernte Defektdeckungen benutzt werden. Technisch wird ein Hautlappen an den offenen Rändern zu einer Rolle miteinander vernäht und bei gesicherter Durchblutung (ca. 2 – 3 Wochen) an einem Schenkel durchtrennt und an anderer Stelle neu implantiert. Bei guter Vaskularisation kann auch der verbliebene Schenkel durchtrennt werden. Dieses Verfahren wurde weitestgehend durch gestielte axiale oder mikrovaskuläre Lappen ersetzt. Anders verhält es sich bei Lappen mit axialer Gefäßversorgung (Axial-pattern Flaps). Sie sind durch ein oder mehrere isolierte Gefäße durchblutet. Der Rotationsbogen ist daher größer und kann bei entsprechender Präparation 360 ° betragen. Die Lappengröße hängt von der anatomischen Gefäßversorgung ab.
Zu den Haut-Fett-Lappen gehört auch der Rundstiel- oder Rolllappen. Er wird am Rumpf gebildet und dient zur Verlagerung an Kopf, Hals oder Gliedmaße. Als Wanderlappen kann er für entfernte Defektdeckungen verwendet werden.
Lappen mit axialer Gefäßversorgung (Axial-pattern Flaps) sind durch ein oder mehrere isolierte Gefäße durchblutet. Der Rotationsbogen ist daher größer und kann bei entsprechender Präparation 360 ° betragen.
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B 8.3 Plastisch-chirurgische Techniken
B-8.8
Dorsalis-pedis-Lappen
1175 B-8.8
Hierzu gehören: ■ Leistenlappen (Gefäßversorgung: A. circumflexa ilium superficialis oder profunda) – Hauptanwendung: Defektdeckung im Bereich der Hand. Für die mikrochirurgische Transplantation wird er wegen des inkonstanten Gefäßstiels kaum noch verwendet. ■ Dorsalis-pedis-Lappen (Gefäßversorgung: A. dorsalis pedis, Metatarsalarterien; Abb. B-8.8) – Hauptanwendung: Als rein mikrochirurgisch angeschlossener Lappen insbesondere bei Defekten an der Hand und im Kopf-Hals-Bereich. ■ Skapulalappen (Gefäßversorgung: Hautast der A. circumflexa scapulae) – Hauptanwendung: Lokale Defekte oder Defekte im Kopf-Hals-Bereich. ■ DIEP-Lappen („deep inferior epigastric perforator“) (Gefäßversorgung: Inferiore epigastrische Perforatorgefäße) – Hauptanwendung: Defekte der oberen Thoraxwand, insbesondere Rekonstruktion der (weiblichen) Brust, mehr und mehr auch Verwendung in der ästhetischen Brustchirurgie (Augmentation). ■ S-GAP-Lappen (superior gluteal artery perforator flap) (Gefäßversorgung: A. glutealis superior) – Hauptanwendung: Brustrekonstruktion, Brustaufbau nach Ablatio. ■ DMCA-Lappen (dorsal metacarpal artery flap) (Gefäßversorgung: A. metacarpalis dorsalis II-IV) – Hauptanwendung: Defektdeckung an Fingergrund-, -mittel- und -endgliedern (gesamte Fingerlänge).
Die wichtigsten sind: ■ Leistenlappen für Defektdeckungen im Bereich der Hand. ■ Dorsalis-pedis-Lappen (Abb. B-8.8) bei Defekten an der Hand und im Kopf-HalsBereich. ■ Skapulalappen bei lokalen Defekten und im Kopf-Hals-Bereich. ■ DIEP-Lappen (deep inferior epigastric perforator) bei Brustwanddefekten, Brustaufbau nach Ablatio, zunehmend ästhetische Chirurgie (Augmentation). ■ S-GAP-Lappen (superior gluteal artery perforator flap) zur Brustrekonstruktion bzw. Brustaufbau nach Ablatio. ■ DMCA-Lappen (dorsal metacarpal artery flap) zur Deckung von Defekten an den Fingern.
Darüber hinaus existieren noch eine Vielzahl von Lappenpräparationen an Lokalisationen, in denen ein dominanter Gefäßbaum einen Weichteilbezirk versorgt und ein gestieltes Transplantat gehoben werden kann (z. B. der an der A. temporalis superficialis gestielte Temporalis-Hautlappen mit Haaren zur Rekonstruktion der Augenbraue).
Darüber hinaus existieren noch eine Vielzahl von Lappenpräparationen an Lokalisationen, in denen ein dominanter Gefäßbaum einen Weichteilbezirk versorgt und ein gestieltes Transplantat gehoben werden kann.
Fasziokutanlappen
Fasziokutanlappen
Durch axiale Gefäßversorgung eines Gewebeblocks aus Faszie mit darüberliegender Subkutis und Haut besteht die Möglichkeit der Präparation besonders gesicherter Hautlappen.
Durch axiale Gefäßversorgung eines Gewebeblocks aus Faszie mit darüberliegender Subkutis und Haut besteht die Möglichkeit der Präparation besonders sicherer Hautlappen.
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1176
B 8 Plastische Chirurgie
Hierzu gehört der Unterarmlappen, der zur Defektdeckung bei Handdefekten mit freiliegenden Sehnen verwendet wird.
Hierzu gehört der Unterarmlappen (Gefäßversorgung: A. radialis), der zur Defektdeckung, distal gestielt an der A. radialis und Subkutanvenen, bei Handdefekten mit freiliegenden Sehnen verwendet wird. Als mikrochirurgisches Transplantat wird er vorwiegend bei Defekten im Kopf-Hals-Bereich eingesetzt. Darüber hinaus werden verschiedene fasziokutane Lappen der Unterschenkelregion zur Defektdeckung in unmittelbarer Nachbarschaft (z. B. prätibial) angewandt.
Muskellappen und myokutane Lappen
Muskellappen und myokutane Lappen
Muskellappen mit axialer Gefäßversorgung dienen zur Defektdeckung in Gebieten, bei denen eine primäre Hauttransplantation ungeeignet ist. Auf diese Weise wird eine transplantationsfähige Unterlage geschaffen. Die Deckung kann mit Spalthaut erfolgen. Myokutane Lappen sind die Kombination eines Muskels mit der darüberliegenden Haut in gleicher metrischer Ausdehnung. Beide Verfahren dienen besonders zur Deckung von freiliegenden Knochen und Gelenkanteilen oder als Muskelplombe bei der ausgeräumten Osteomyelitis.
In zahlreichen Kombinationen werden sie zur Defektdeckung an der Körperoberfläche verwendet. Entweder kommen alleinige Muskellappen, die durch ein axiales Gefäß versorgt werden, zur Anwendung (Muskellappen), oder es wird eine darüberliegende Hautinsel, die durch Perforansgefäße versorgt wird, mit eingeschlossen (Myokutanlappen). Der sehr gut durchblutete Muskelanteil dient bei vielen Defekten zur Auffüllung oder als Ersatz verloren gegangener Muskelfunktionen. Eine besondere Bedeutung findet das Verfahren der Muskelplombe bei Knochendefekten und bei der Behandlung der Osteomyelitis (s.a. Kap. 27.1.4). Hier kann nach radikaler Ausräumung osteomyelitischer Knochenherde durch Auffüllen des verbleibenden Defektes mit dem gut vaskularisierten Muskel die Infektion beeinflusst werden. Die darüberliegende Haut wird nach Bedarf positioniert und entsprechend der Defektgröße ausgewählt. Bei Anwendung eines reinen Muskellappens erfolgt eine Deckung mit Spalthaut.
Kombinierte Lappenplastiken
Kombinierte Lappenplastiken
Durch den Einschluss entsprechender knöcherner Anteile in Muskellappen oder Hauttransplantate ergeben sich weitere Kombinationsmöglichkeiten. Osteokutane oder osteomyokutane Transplantate ermöglichen komplexe Rekonstruktionen im KopfHals-Bereich (Unterkiefer, Mundhöhlenersatz). Hierzu gehören: ■ Unterarmlappen. ■ Fibulalappen. ■ Leistenlappen. ■ Fußrückenlappen. ■ „4-in-1“-Lappen (Kombination M. latissimus, Skapulalappen, Serratuslappen und knöcherner Skapularand).
Durch den Einschluss entsprechender knöcherner Anteile in Muskellappen oder Hauttransplantate ergeben sich weitere Kombinationsmöglichkeiten. Osteokutane oder osteomyokutane Transplantate ermöglichen komplexe Rekonstruktionen im Kopf-Hals-Bereich (Unterkiefer, Mundhöhlenersatz). Hierzu gehören: ■ Unterarmlappen (Gefäßversorgung: A. u. V. radialis, mit Einschluss eines Teils des Radius) – Anwendung: Unterkieferbereich, Handrekonstruktion. ■ Fibulalappen (Entnahme mit lateralem Anteil des M. soleus als kombinierter Lappen; Gefäßversorgung: A. u. V. peronea) – Anwendung: Unterkieferbereich, Handrekonstruktion, Unterarmdefekte. ■ Leistenlappen (Gefäßversorgung: A. u. V. cicumflexa ilium profunda, Einschluss eines Beckenkammsegments) – Anwendung: Deckung von Handdefekten als Nah- oder Rundstiellappen. ■ Fußrückenlappen (Gefäßversorgung: A. u. V. dorsalis pedis, Einschluss Os metatarsale II) – Anwendung: Der Metatarsaleknochen kann zur besseren Konturierung, z. B. als Unterkieferersatz, innerhalb des erhaltenen Periostschlauchs osteotomiert werden. ■ „4-in-1“-Lappen (Kombination M. latissimus, Skapulalappen, Serratuslappen und knöcherner Skapularand; Gefäßversorgung: A. thoracodorsalis) – Anwendung: Defektdeckung und Rekonstruktion im Bereich des Unterkiefers
Insellappen
Insellappen
Als Insellappen werden Lappenplastiken bezeichnet, bei denen das gestielte Transplantat mit seiner Hautinsel am Defektort ausgeleitet wird. Typische Anwendungsgebiete stellen die Rekonstruktion der weiblichen Brust durch Latissimus-dorsi-Lappen (Abb. B-8.9) oder der TRAM-Lappen dar (Abb. B-8.10). Vertikal geschnittene Variante: VRAM-Lappen
Als Insellappen werden Lappenplastiken bezeichnet, bei denen das gestielte Transplantat mit seiner Hautinsel am Defektort ausgeleitet wird. Typische Anwendungsgebiete stellen die Rekonstruktion der weiblichen Brust durch Latissimus-dorsi-Lappen (Abb. B-8.9) oder der TRAM-Lappen dar. TRAM steht hierbei für transverse rectus abdominis myocutaneous und heißt, dass es sich um einen horizontal geschnittenen und über die Gefäße des M. rectus abdominis ernährten Muskel-Fettgewebe-Hautlappen handelt (Abb. B-8.10). Wird dieser Lappen vertikal geschnitten (vertikal orientierte Hautinsel), so wird er als VRAM-Lappen (vertically oriented rectus abdominis myocutaneous) bezeichnet. Beide Lappen eignen sich zur Rekonstruktion der weiblichen Brust. Diese Lappenplastiken können zum Brustaufbau noch durch zusätzliche Implantation eines Brustimplantates bei Notwendigkeit ergänzt werden. Hierbei wird das Implantat submuskulär positioniert.
Der Hebedefekt der transponierten Hautinsel wird in der Regel primär verschlossen. Wird ein solches Hautareal isoliert sensibel versorgt, so kann damit auch am Defektort eine
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B 8.3 Plastisch-chirurgische Techniken
B-8.9
B-8.10
Latissimus-dorsi-Lappen
Rectus-abdominis-Lappen, TRAM-Lappen
1177 B-8.9
B-8.10
Der Hebedefekt der transponierten Hautinsel wird in der Regel primär verschlossen, sodass relativ begrenzte Narben entstehen. Wird ein solches Hautareal isoliert sensibel versorgt, so kann damit auch am Defektort eine sofortige Wiederherstellung der Sensibilität erreicht werden. Dieses Verfahren wird bevorzugt an der Hand verwendet.
sofortige Wiederherstellung der Sensibilität erreicht werden. Dieses Verfahren wird bevorzugt an der Hand verwendet.
Rotationslappen
Rotationslappen
Der Rotationslappen dient zur Deckung eines Primärdefektes, vornehmlich im Gesicht oder Sakralbereich (z. B. Dekubitalulzera).
Der Rotationslappen dient zur Deckung eines Primärdefektes, vornehmlich im Gesicht oder Sakralbereich. Hierbei wird angrenzendes
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B 8 Plastische Chirurgie
B-8.11
B-8.11
Rotationslappen
Gewebe in den Defekt gedreht. Wird der Lappen lateral verschoben, heißt er Schwenklappen (Abb. B-8.11).
Hierbei wird angrenzendes Gewebe in den Defekt gedreht. Wird der Lappen lateral verschoben, heißt er Schwenklappen. Oft liegen Kombinationen beider Prinzipien vor (Abb. B-8.11). Grundsätzlich handelt es sich um individuelle Lösungen, deren Handhabungen nicht standardisiert werden können. Ihre Anwendung setzt eine große Erfahrung voraus, da größere Durchblutungsstörungen zu schweren Entstellungen führen können.
Gewebeexpander
Gewebeexpander
Durch subkutan implantierte Kunststoffreservoirs kann durch langsame Füllung mit NaCl-Lösung über 8 – 12 Wochen eine Vordehnung der Haut um das 2 – 3-fache erreicht werden. Hauptanwendungsgebiet: Korrektur von Narbenfeldern an Rumpf und Extremitäten, Alopeziearealen des Schädels und der Aufbau der weiblichen Brust (Abb. B-8.12).
Mit der Expandertechnik steht ein Verfahren zur Verfügung, das die Züchtung von fasziokutanen Lappen, Haut-Fettlappen oder Vollhaut durch Vordehnung ermöglicht. Dazu wird subkutan ein Gewebeexpander implantiert, der über ein ebenfalls subkutan gelegenes Ventil mit Kochsalzlösung aufgefüllt wird. Damit sind innerhalb von 8 – 12 Wochen Dehnungen auf das 2 – 3-fache möglich. Voraussetzungen zur Durchführung des Verfahrens sind ein infektfreies Operationsgebiet und vollwertige Haut. Hauptanwendungsgebiete sind die Korrektur von Narbenfeldern an Rumpf und Extremitäten, Alopezieareale des Schädels und der Aufbau der weiblichen Brust (Abb. B-8.12).
Lokale Lappenplastiken
Lokale Lappenplastiken
Sie dienen der Deckung begrenzter Hautdefekte. Der Lappen bleibt teilweise mit der ursprünglichen Haut in Verbindung und erhält hierdurch seine Gefäßversorgung. Das Ausmaß der Deckung ist jedoch limitiert.
Zur Deckung begrenzter Hautdefekte lassen sich lokale Lappen, die Haut, Subkutis und ggf. Faszie beinhalten, bilden. Das zu verschiebende Gewebe bleibt teilweise mit der ursprünglichen Haut in Verbindung und erhält hierdurch seine Gefäßversorgung. Vorteil ist das identische Hautkolorit, die gleichartige Textur und die erhaltene Sensibilität. Das Ausmaß der Defektdeckung ist allerdings durch das zur Verfügung stehende Gewebe limitiert. In Abhängigkeit von ihrer Gefäßversorgung lassen sich auch hier Randompattern Flaps von Axial-pattern Flaps unterscheiden.
Man unterscheidet Random-pattern Flaps (Abb. B-8.13) und Axial-pattern Flaps. Random-pattern Flaps: ■
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Verschiebeschwenklappen: Sowohl der Defekt als auch der zu verschiebende Anteil liegen in einem Halbkreis. Rhombuslappen: Er dient zur Deckung kleiner Hautdefekte. Extensions- oder Vorschiebelappen: Sie dienen ebenfalls zur Deckung kleiner Hautdefekte.
Random-pattern Flaps (Abb. B-8.13): Verschiebeschwenklappen: Die Lappen werden so angelegt, dass sowohl der Defekt als auch das zu verschiebende Gewebe in einem Halbkreis liegen. Die Rotation hängt von der Elastizität des umliegenden Gewebes ab. ■ Rhombuslappen: Er dient ebenfalls zur Deckung nach Exzision kleiner Tumoren. ■ Extensions- oder Vorschiebelappen: Er dient zur Deckung kleiner Hautdefekte. Nach paralleler Inzision in Defektbreite wird der mobilisierte Lappen gegen den Defekt vorgeschoben und mit Nähten fixiert. Die am Lappenende
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B 8.3 Plastisch-chirurgische Techniken
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B-8.12
Subkutane Implantation eines Gewebeexpanders bei einem posttraumatischen Defekt der Kopfhaut
B-8.12
B-8.13
Schematische Darstellung lokaler Lappenplastiken (Random-pattern Flaps) im dorsalen Rumpfbereich
B-8.13
entstehenden Dreiecke können nach Exzision ebenfalls primär verschlossen werden. Bilobed Flap: Es handelt sich um einen 2-blättrigen Lappen, der von einem Gewebestiel aus versorgt wird. Er wird dann angewendet, wenn in der Umgebung des Defektes ein Gewebeüberschuss vorhanden ist. Mit dem 1. Blatt wird der Primärdefekt verschlossen. Das 2. Blatt dient zur spannungsfreien Deckung des Hebedefektes.
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Bilobed Flap: Der 2-blättrige Lappen wird dann angewendet, wenn in der Umgebung der Defekte ein Gewebeüberschuss vorhanden ist. Das 1. Blatt verschließt den Primärdefekt, das 2. Blatt deckt den Hebedefekt.
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B 8 Plastische Chirurgie
B-8.14
B-8.14
Glabellaverschiebelappen
B-8.15
B-8.15
Axialer Stirnlappen
a Technik b Patientin nach tiefer Verbrennungsverletzung der Nase c dieselbe Patientin 6 Wochen nach der Operation
Axial-pattern Flaps: ■ Glabellalappen (Abb. B-8.14): Er findet seine Anwendung zur Defektdeckung im Bereich der Nase. ■ Axialer Stirnlappen (Abb. B-8.15): Sein Ziel ist die Deckung von Defekten des Nasenrückens und – ggf. mit zusätzlicher Knorpeltransplantation (z. B. Rippenknorpel) – die Nasenrekonstruktion.
8.4
Bauchwandrekonstruktion
Große Bauchwanddefekte durch Trauma, Infektion, Tumorchirurgie oder aktinische Schäden sind in der Regel einem primären Verschluss nicht zugänglich. Das lokale Gewebe ist oft infiziert und narbig verändert. Die fehlende Fasziendeckung resultiert schließlich in Hernien.
Axial-pattern Flaps: ■ Glabellalappen (medianer Stirnlappen): Die Versorgung wird durch die supraorbital-supratrochlearen Gefäße gewährleistet. Er dient zur Defektdeckung im Bereich der Nase, hat jedoch nur eine eingeschränkte Reichweite (Abb. B-8.14). ■ Axialer Stirnlappen: Hierbei handelt es sich um einen an der A. supratrochlearis gestielten axial-pattern Hautlappen, der – mittels Schablone ausgemessen – zur Rekonstruktion von Defekten des Nasenrückens verwendet werden kann (sog. „Indische Methode“). Vorteil: Konstante Gefäßversorgung, meist unauffälliger Hebedefekt, der primär verschlossen werden kann. Diese Lappenplastik wird mit zusätzlicher Knorpeltransplantation z. B. von Rippenknorpel auch zur Nasenrekonstruktion verwendet. Wichtig: Versorgendes Gefäß präoperativ mittels Doppler lokalisieren. (Abb. B-8.15 a und b).
8.4
Bauchwandrekonstruktion
Große Bauchwanddefekte durch Trauma, Infektion, Tumorchirurgie oder aktinische Schäden sind in der Regel einem primären Verschluss nicht zugänglich. Das lokale Gewebe ist oft infiziert und narbig verändert. Die fehlende Fasziendeckung resultiert schließlich in Hernien. Die ideale Wiederherstellung beinhaltet die normalen Wandschichten mit durchbluteter Faszie, Subkutangewebe und Haut. Das technische Vorgehen setzt jedoch die Kenntnis der vaskulären Anatomie der Haut voraus.
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
B 8.5 Plastische Chirurgie der weiblichen Brust
1181
Die Defekte können im Hinblick auf die Rekonstruktion in 3 Zonen eingeteilt werden: ■ Zone I: Dieses Gebiet betrifft das obere Abdomen und Epigastrium. Es reicht anatomisch vom Xiphoid bis zum Nabel und ist lateral durch die mittlere Axillarlinie begrenzt. Zur Rekonstruktion eignen sich der Rectus-abdominis-, der Obliquus-externus- und der Latissimus-dorsi-Lappen. ■ Zone II: Sie erstreckt sich von der Mitte des Abdomens, periumbilikal bis 2 cm oberhalb der Symphyse und reicht lateral bis an beide Flanken. Für eine Rekonstruktion hat sich der Tensor-fasciae-latae-Lappen (TFL-Lappen) bewährt, der sowohl eine Faszien- als auch Hautdeckung gewährleistet. Alternative Verfahren sind der Rectus-abdominis-, Rectus-femoris-, Obliquusexternus- und der Leistenlappen. ■ Zone III: In diesen Bereich fallen die suprapubische Region und die Leistenregion. Defekte in diesem Gebiet sind häufig durch Hernien, infizierte Knochen und freiliegende Gefäße kompliziert. Für eine Defektdeckung bietet sich neben dem Tensor-fasciae-latae- und dem Rectus-femoris- auch der Rectus-abdominis-Lappen an.
Die Defekte können im Hinblick auf die Rekonstruktion in 3 Zonen eingeteilt werden: ■ Zone I: Oberes Abdomen und Epigastrium. Zur Rekonstruktion eignen sich: Rectusabdominis-, Obliquus-externus- und Latissimus-dorsi-Lappen. ■ Zone II: Mitte des Abdomens bis oberhalb der Symphyse und lateral bis an beide Flanken. Zur Rekonstruktion geeignet: Tensor-fasciae-latae-Lappen. ■ Zone III: Suprapubische und Leistenregion. Zur Rekonstruktion geeignet: Tensor-fasciae-latae- und Rectus-abdominis-Lappen.
8.5
Plastische Chirurgie der weiblichen Brust
8.5
Plastische Chirurgie der weiblichen Brust
8.5.1 Augmentationsplastik
8.5.1 Augmentationsplastik
Bei diesem Eingriff handelt es sich um eine kosmetische Operation, die eher durch den psychischen Leidensdruck der Patientin als durch eine zwingende medizinische Indikation vorgenommen wird. Aus diesem Grund muss das Ergebnis höchsten Anforderungen entsprechen.
Bei diesem Eingriff handelt es sich um eine kosmetische Operation, die durch den psychischen Leidensdruck der Patientin erwirkt wird.
Die Indikation basiert im Wesentlichen auf einer Mikromastie infolge Hypoplasie, einer Atrophie, einer Asymmetrie oder aber einem Zustand nach subkutaner Mastektomie.
Indikation: Mikromastie, Atrophie, Asymmetrie oder Zustand nach subkutaner Mastektomie.
Methode: Zur Augmentation der Brust stehen ausschließlich Silikonimplantate zur Verfügung. Diese Implantate unterscheiden sich in Größe, Struktur, Form und Profil. Wegen der möglichen Kapselfibrose glattwandiger Prothesen werden zunehmend Implantate mit aufgerauter Oberfläche benutzt. Diese haben eine Reduktion der beobachteten Fibrose von 20 – 40 % auf 3 % bewirkt. Die Lokalisation des Implantats kann subglandulär (präpektoral) oder aber teilweise submuskulär (subpektoral) erfolgen. Das einfachste und häufigste Verfahren ist die subglanduläre Implantation (Abb. B-8.16).
Methode: Silikonimplantate werden subglandulär oder submuskulär eingebracht (Abb. B-8.16).
B-8.16
Augmentationsplastik
B-8.16
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1182
B 8 Plastische Chirurgie
Komplikationen: Hämatom (2 – 6 %), Kapselfibrose (3 %), Infektion (1 %).
Zu den Komplikationen gehören Hämatome (2 – 6 %), Kapselfibrose (3 %) und Infektionen mit 1 %. Ferner kann das Auslaufen von füllbaren Prothesen beobachtet werden. Während ein Hämatom punktiert werden kann, muss bei einer Infektion das Implantat entfernt werden.
8.5.2 Reduktionsplastik
8.5.2 Reduktionsplastik
Indikation Bei pathologischen Veränderungen der Brust, die zu funktionellen Beeinträchtigungen wie Fehlhaltungen und Schmerzen im Hals- und Wirbelsäulenbereich führen sowie bei psychischem Druck.
Indikation Im Gegensatz zur Augmentation wird die Reduktion bei pathologischen Veränderungen der Brust durchgeführt, die zu funktionellen Beeinträchtigungen der Patientinnen führen. Hierzu gehören insbesondere Fehlhaltungen und Schmerzen im Hals- und Wirbelsäulenbereich. Bei adoleszenten Frauen kann der psychische Druck im Vordergrund stehen.
왘 Merke
왘 Merke. Jeder Reduktionsplastik muss der Ausschluss eines Mammakarzi-
noms vorausgehen. Operationstechnik Präoperative Bestimmung der Mamillenposition, Resektion von überschüssigem Fettgewebe und Haut, Neuformierung der Brust (Abb. B-8.17).
왘 Merke
Operationstechnik Die zahlreichen Operationstechniken unterscheiden sich nur durch Modifikationen. Gemeinsam ist ihnen das präoperative Festlegen der Mamillenposition, die Resektion von überschüssigem Fett und überschüssiger Haut sowie die Neuformierung der Brust (Abb. B-8.17).
왘 Merke. Während der Operation kann ein transfusionsbedürftiger Blutverlust auftreten. Deshalb wird präoperativ die Eigenblutspende empfohlen.
Komplikationen: Hämatom (2,7 – 6 %), Infektion (3 – 5 %), Mamillennekrose (0,5 – 7 %), Fettgewebsnekrose (2 – 5 %), Verlust der Mamillensensibilität (bis zu 50 %).
Zu den Komplikationen gehören neben Hämatomen (2,7 – 6 %) und Infektionen (3 – 5 %) auch der Verlust der Mamillensensibilität (bis zu 50 %). Darüber hinaus kann es zu Mamillennekrose (0,5 – 7 %) und Fettgewebsnekrosen (2 – 5 %) kommen.
8.5.3 Brustrekonstruktion
8.5.3 Brustrekonstruktion
Die durch Mastektomie entstandene Verstümmelung kann durch eine chirurgische Rekonstruktion teilweise korrigiert werden, indem zumindest die weibliche Körperkontur wiederhergestellt wird. Es stehen 2 Verfahren zur Verfügung: Die autologe und die heterologe Rekonstruktion.
Die durch Mastektomie entstandene Verstümmelung kann durch eine chirurgische Rekonstruktion bis zu einem gewissen Grade korrigiert werden, indem zumindest die weibliche Körperkontur wiederhergestellt wird. Zur Brustrekonstruktion stehen 2 Verfahren zu Verfügung: Einerseits die autologe Rekonstruktion mit körpereigenem Gewebe und andererseits die heterologe Rekonstruktion mit körperfremdem Material.
B-8.17
B-8.17
Mammareduktionsplastik nach Strömbeck
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B 8.5 Plastische Chirurgie der weiblichen Brust
1183
Autologe Rekonstruktion
Autologe Rekonstruktion
Unter den Möglichkeiten, körpereigenes Gewebe zur Rekonstruktion zu verwenden, haben sich die myokutanen Lappenplastiken durchgesetzt. Lappenplastiken sind indiziert, wenn bei großen Hautdefekten das ortsständige Gewebe nicht ausreicht. Hierfür haben sich der Latissimus-dorsi-Lappen und der transversale Rectusabdominis-Muskel-(TRAM-)Lappen bewährt. Der Latissimus-dorsi-Lappen (Abb. B-8.18 I) wird mit einer spindelförmigen Hautinsel entnommen und tunneliert in die Haut zur Brustwand transponiert. Der Hebedefekt kann primär vernäht werden. Allerdings ist das Volumen dieses Insellappens für eine adäquate Größe meist unzureichend, sodass oft ein zusätzliches heterologes Implantat erforderlich wird. Voraussetzung für diesen Eingriff ist, dass weder Muskel noch Gefäßarkaden durch die vorausgegangene Operation und Nachbestrahlung beschädigt wurden. Beim TRAM-Lappen (Abb. B-8.18 III) handelt es sich um einen voluminösen Lappen, der entweder kontralateral gestielt oder als freier mikrovaskulärer
Sie ist eine Domäne der myokutanen Lappenplastiken.
B-8.18
Der Latissimus-dorsi-Lappen (Abb. B-8.18 I) reicht häufig in seiner Größe nicht aus, sodass zusätzlich ein heterologes Implantat erforderlich wird.
Der TRAM-Lappen (Abb. B-8.18 III) wird entweder kontralateral gestielt oder als freier mikrovaskulärer Gewebetransfer vorgenommen.
Brustrekonstruktion
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1184
Der DIEP-Lappen wird als freier mikrovaskulärer Gewebetransfer zur Brustrekonstruktion und zur Brustaugmentation verwendet (Abb. B-8.18 II).
Der S-GAP-Lappen wird als freier mikrovaskulärer Gewebetransfer zur Brustrekonstruktion und zur Brustaugmentation verwendet.
Als Komplikationen können partielle Nekrosen der Lappen auftreten.
B 8 Plastische Chirurgie
Gewebetransfer vorgenommen werden kann. Durch die Reduktion des Lappengewebes kann die Rekonstruktion der gesunden Seite nahezu angeglichen werden. Der DIEP-Lappen wird als Haut-Fett-Lappen an den inferioren epigastrischen Perforansgefäßen gehoben und mikrochirurgisch an geeignete Empfängergefäße im Bereich der oberen Thoraxwand zur Brustrekonstruktion bzw. zum Brustaufbau nach Ablatio verwendet. Der DIEP-Lappen (deep inferior artery perforator flap, Abb. B-8.18 II) gewinnt mehr und mehr an Bedeutung für die ästhetische Brustaugmentation. Wenn sich die Verwendung von Unterbauchgewebe zum Brustaufbau verbietet, kann der S-GAP-Lappen (superior gluteal artery perforator flap) als Haut-FettLappen zur Brustrekonstruktion und zum Brustaufbau (auch ästhetische Indikation) verwendet werden. Beide Verfahren (DIEP-Lappen und S-GAP-Lappen) erfordern ein hohes technisches Geschick und routinierte Anwendung mikrochirurgischer Techniken. Als Komplikationen können partielle Nekrosen der Lappen auftreten.
Heterologe Rekonstruktion
Heterologe Rekonstruktion
Als heterologe Implantate stehen Silikonprothesen, Hautexpander und permanente Expanderprothesen zur Verfügung.
Als heterologe Implantate stehen Silikonprothesen, Hautexpander und permanente Expanderprothesen zur Verfügung. Die subpektorale Einlage von Implantaten ist einfach und für die Sofortrekonstruktion z. B. nach subkutaner Mastektomie geeignet. Liegt ein unzureichender Hautmantel vor, kann die Haut durch einen subkutanen Expander gedehnt werden. Später kann dieser durch ein Silikonimplantat ersetzt werden. Neuerdings finden permanente Expander Anwendung, die nicht mehr entfernt werden müssen. Ihr Vorteil ist es, das Brustvolumen langsam der Gegenseite anpassen zu können. Als Nachteil gelten der Dehnungsschmerz und die meist unnatürliche Brustform. Zu den postoperativen Komplikationen gehören neben dem Hämatom und der Infektion die Prothesendislokation und die Kapselfibrose sowie -kontraktur.
Zu den postoperativen Komplikationen gehören neben dem Hämatom und der Infektion die Prothesendislokation und die Kapselfibrose sowie -kontraktur. 8.6
Ästhetische Chirurgie
8.6
Ästhetische Chirurgie
Die ästhetische Chirurgie (kosmetische Chirurgie) befasst sich mit der Korrektur angeborener, erworbener und altersbedingter Veränderungen, die keine Erkrankungen im engeren Sinne darstellen.
Die ästhetische Chirurgie (kosmetische Chirurgie) befasst sich mit der Korrektur angeborener, erworbener oder altersbedingter Veränderungen, die keine Erkrankungen im engeren Sinne darstellen. Im Vordergrund steht die Beeinträchtigung der Lebensqualität und ggf. eine psychische Belastung. Zu den bekanntesten Eingriffen gehören:
8.6.1 Blepharoplastik
8.6.1 Blepharoplastik
Hierunter ist die Entfernung von überschüssiger Haut und Fettgewebe an ober- und Unterlid zu verstehen (Abb. B-8.19).
Ein Überschuss an Ober- und Unterlidhaut führt zu einer erheblichen Veränderung des Gesichtsausdrucks. Bekannt sind die als Tränensäcke bezeichneten Herniationen von periorbitalem Fettgewebe an den Unterlidern. Am Oberlid werden die überschüssigen Hautfalten reseziert und evtl. orbitales Fettgewebe entfernt. Der Wundverschluss erfolgt dann mit einer Intrakutannaht (Abb. B-8.19). Am Unterlid werden durch eine subziliare Inzision Haut und M. orbicularis oculi eröffnet. Nach Erreichen des orbitalen Septums finden sich 3 Fettpolster, die bis zum infraorbitalen Rand entfernt werden. Überschüssige Haut wird reseziert und die Wunde atraumatisch verschlossen (Abb. B-8.19). Als Komplikation kann es durch übermäßige Hautentfernung oder Narbenkontrakturen durch Hautunterminierung zu freiliegenden Konjunktiven kommen (sog. Ektropion). Diese Komplikation zu korrigieren erfordert in der Regel sekundär die Anwendung von Suspensionsplastiken und freier Hauttransplantate.
Als Komplikation kann es durch übermäßige Hautentfernung oder Narbenkontrakturen zu freiliegenden Konjunktiven kommen.
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B 8.6 Ästhetische Chirurgie
B-8.19
1185
Blepharoplastik
8.6.2 Rhinoplastik
8.6.2 Rhinoplastik
Das äußere Erscheinungsbild der Nase kann kongenital, im Rahmen des Wachstums oder traumatisch erworben erheblich verändert sein. Eine Korrektur kann einerseits zur Veränderung der äußeren Kontur und andererseits zur Funktionsverbesserung vorgenommen werden. Grundsätzlich erfolgt der Umbau des Knochen-Knorpelgerüstes durch einen transnasalen Zugang oder auch offen. Posttraumatische Nasendeformitäten sind häufig mit einer Septumdeviation verbunden, die die Nasenatmung behindert und die Stimme verändern kann. Die Septumdeviation kann im Rahmen einer Rhinoplastik behoben werden.
Das äußere Erscheinungsbild der Nase kann kongenital, im Rahmen des Wachstums oder traumatisch erworben erheblich verändert sein. Eine Korrektur kann einerseits zur Veränderung der äußeren Kontur und andererseits zur Funktionsverbesserung vorgenommen werden. Der Eingriff erfolgt durch einen transnasalen Zugang oder zunehmend häufiger durch einen Kolumellaschnitt.
8.6.3 Otoplastik
8.6.3 Otoplastik
Als bekannteste Deformität am Ohr treten durch die nicht vorhandene Anthelixfalte abstehende Ohren auf. Den verfügbaren Operationsverfahren ist die Wiederherstellung der Anthelixfalte mit Inzision des Cavum conchae gemeinsam. Von retroaurikulär wird der Knorpel nach Markierung der Anthelix in der Breite der neu zu bildenden Anthelix inzidiert und mit einer Fräse ausgedünnt, sodass er sich spannungsfrei durch resorbierbares Nahtmaterial falten lässt (Abb. B-8.20).
Als bekannteste Deformität am Ohr treten durch die nicht vorhandene Anthelixfalte abstehende Ohren auf. Ziel der Otoplastik ist die Wiederherstellung der Anthelixfalte (Abb. B-8.20).
8.6.4 Facelift
8.6.4 Facelift
Übermäßige Faltenbildung im unteren und mittleren Gesichtsdrittel und am Hals lässt sich durch eine Gesichts- und Halsstraffung beseitigen. Es werden 2 symmetrische Inzisionen von der Haargrenze nach präaurikulär und über den postaurikulären Sulkus wiederum in die Haargrenze gelegt. Nach Anheben von 2 Wangenlappen mit einer dünnen Subkutanschicht werden diese nach kraniookzipital verlagert und so reseziert, dass eine Wiedervereinigung mit dem kranialen Inzisionsrand möglich wird. In der Tiefe wird zusätzlich das sogenannte SMAS (das submuskuläre muskuloaponeurotische System) separat nach kraniookzipital verlagert, um eine dauerhafte Straffung vor allem der tiefen Weichteile zu erreichen. Die Glättung der kollaren Haut verlangt zusätzlich ein Anspannen des Platysma auch medial und aurikulär (Abb. B-8.21). Die Nasolabialfalte wird durch den Eingriff wenig beeinflusst.
Übermäßige Faltenbildung im unteren und mittleren Gesichtsdrittel und am Hals lässt sich durch eine Gesichts- und Halsstraffung beseitigen (Abb. B-8.21).
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B 8 Plastische Chirurgie
1186 B-8.20
Otoplastik (Anthelixplastik)
B-8.21
Als schwerwiegende Komplikation kann eine Hämatombildung mit Hautverlust prä- und postaurikulär sowie eine Verletzung der Fazialisäste auftreten. 8.6.5 Fettabsaugung
(Liposuktion, Suction lipectomy) Eine Veränderung der Körperkontur kann durch eine Beseitigung überschüssigen Fettgewebes durch subkutane Absaugung erzielt werden. Das Verfahren wird bevorzugt an der lateralen und posterioren Hüfte, dem medialen Oberschenkel, dem unteren Abdomen und unterhalb des Kinns angewandt. Eine generalisierte Adipositas und Stammfettsucht stellen keine Indikation dar.
B-8.21
Faceliftoperation zur Wangen-Hals-Straffung
Als schwerwiegende Komplikation kann eine Hämatombildung mit Hautverlust prä- und postaurikulär sowie eine Verletzung der Fazialisäste auftreten.
8.6.5 Fettabsaugung (Liposuktion, Suction lipectomy) Eine Veränderung der Körperkontur kann durch eine Beseitigung überschüssigen Fettgewebes durch subkutane Absaugung erzielt werden. Zunächst wird das abzusaugende Areal durch Injektion von adrenalin- und lokalanästhetikumhaltiger Lösung infiltriert (Tumeszenztechnik). Danach wird das aufgelockerte Fettgewebe über eine kleine Inzision mittels mechanischer Kraft (Vor- und Rückbewegen der Absaugkanüle) und dem Unterdruck an der Kanülenspitze fächerförmig abgesaugt. Zur besseren Mobilisation des infiltrierten Fettgewebes werden auch modifizierte Kanülen angeboten, die z. B. mithilfe von Ultraschall oder Wasserstrahl das Fettgewebe zusätzlich zum Vakuum mobilisieren und so die Absaugung erleichtern (engl. Ultrasound-assisted liposuction, water jetassisted liposuction). Das Verfahren wird bevorzugt an der lateralen und posterioren Hüfte, dem medialen Oberschenkel, dem unteren Abdomen und unterhalb des Kinns angewandt. Eine generalisierte Adipositas und Stammfettsucht stellen keine Indikation dar. Voraussetzung ist, dass sich eine überdehnte Haut genügend retrahieren kann und eine subkutane Fettschicht belassen wird.
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B 8.6 Ästhetische Chirurgie
1187
Das Verfahren ist sicher, solange ausreichend Flüssigkeit intra- und postoperativ substituiert wird (mindestens das zwei- bis dreifache Volumen, welches abgesaugt wurde) und nicht zu große Volumina in einer Sitzung abgesaugt werden (max. 500 – 1000 ml pro Sitzung) – sonst drohen hypovolämischer Schock und Kreislaufversagen. Die Nichtbeachtung dieser Grundsätze hat leider zu Todesfällen nach diesen vermeintlich „harmlosen“ Eingriffen geführt.
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1188 9
Handchirurgie
B 9 Handchirurgie
Handchirurgie
9
Kunti Das Gupta, Andreas Heckmann, Peter M. Vogt
9.1
Anatomie
9.1
Anatomie
Drei Stammnerven zur Innervation (N. medianus, ulnaris, radialis). Handbinnenmuskeln und 5 Gelenkketten für die vielfältigen Bewegungsmöglichkeiten. Nomenklatur: Nummerierung der von 1 (Daumen) bis 5 (Kleinfinger); analog paarige Gefäßnervenbündel A/N 1 – 10.
Ein grundlegendes Verständnis der funktionellen Anatomie ist für die Diagnostik und Behandlung der Verletzungen und Erkrankungen der Hand unerlässlich. Neben drei Stammnerven zur Innervation werden die vielfältigen hochdifferenzierten Bewegungs- und Ausdrucksmöglichkeiten der Hand durch ein System von allein 22 Handbinnenmuskeln und fünf ineinandergreifenden Gelenkketten ermöglicht. Zur Vereinfachung der Nomenklatur werden die Finger als 1 – 5 vom Daumen zum Kleinfinger durchnummeriert; analog dazu die paarigen Gefäßnervenbündel als A/N 1 – 10.
9.1.1 Innervation
9.1.1
Sensibilität (grobes Muster; Abb. B-9.1): ■ Finger 1 – 3: N. medianus beugeseitig + Endglieder streckseitig, N. radialis streckseitig (bis auf Endglieder). ■ Finger 4 – 5: N. ulnaris beugeseitig, N. radialis streckseitig.
Der N. medianus, N. ulnaris und N. radialis vermitteln Motorik und Sensibilität für die Hand. Im Unterarmbereich ist zusätzlich ein Endast des N. musculocutaneus für die sensible Innervation der Radialseite des Unterarmes zuständig. Für die sensible Versorgung (Abb. B-9.1) gilt als grobes Muster: N. medianus für die Finger 1 – 3, N. ulnaris für die Finger 4 und 5 jeweils beugeseitig, der N. radialis für die Streckseite bis auf die Endglieder der Finger 1 – 3 und 4 radialseitig – diese werden streckseitig vom N. medianus innerviert. Kreuzinnervationen sind möglich, insbesondere die radiale Seite des Ringfingers wird oft noch vom N. medianus sensibel innerviert. Für die Innervation der Handbinnenmuskulatur sind der N. medianus und der N. ulnaris zuständig. ■ Der N. medianus versorgt die Thenarmuskulatur mit Ausnahme des M. adductor pollicis und dem tiefen Kopf des M. flexor pollicis brevis (jeweils N. ulnaris), daneben versorgt er die Mm. lumbricales 1 und 2. ■ Der N. ulnaris innerviert die Muskulatur des Kleinfingerballens, die Mm. interossei, die Mm. lumbricales 3 und 4, sowie den M. adductor pollicis nebst tiefem Kopf des M. flexor pollicis brevis.
Motorik: ■ N. medianus: Thenarmuskulatur (außer M. adductor pollicis, tiefer Kopf M. flexor pollicis brevis), Mm. lumbricales 1 und 2. ■ N. ulnaris: Hypothenarmuskulatur, Mm. interossei, Mm. lumbricales 3 und 4, M. adductor pollicis, tiefer Kopf des M. flexor pollicis brevis.
B-9.1
Innervation
B-9.1
Lähmungsbilder an der Hand
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B 9.2 Klinische Untersuchung
9.1.2 Intrinsisches und extrinsisches System Die genannten Muskelgruppen haben allesamt Ursprung und Ansatz innerhalb der Hand und gelten als intrinsisches System. Für die Beweglichkeit der Hand ist zusätzlich das extrinsische System wichtig, mit Muskelgruppen, die ihren muskulären Ursprung am Unterarm, ihren sehnigen Ansatz an Handgelenk und Hand haben. 왘 Merke. Auch hier gilt als grobes Unterscheidungskriterium: Die Innervation sämtlicher Strecker erfolgt durch den N. radialis, die Innervation der Beuger im Wesentlichen durch den N. medianus und die Innervation der tiefen Beuger ulnarseitig durch den N. ulnaris.
1189 9.1.2 Intrinsisches und extrinsisches
System Intrinsisches System: Muskeln mit Ursprung und Ansatz innerhalb der Hand. Extrinsisches System: Muskeln mit Ursprung am Unterarm und sehnigem Ansatz an Handgelenk oder Hand. 왗 Merke
„Ich schwöre beim heiligen Medianus, dass ich die Ulna kralle, wenn ich vom Rad falle“ – dieser gut zu merkende uralte Rüttelvers fasst die grobmotorische Differenzierung bei Schädigung oder Ausfall der drei Stammnerven plakativ zusammen: ■ Schwurhand = Ausfall der Handgelenksbeuger sowie der Beuger 1 – 3 (N. medianus). ■ Krallhand = Ausfall der Streckung in den Mittel- und Endgelenken (N. ulnaris). ■ Fallhand = Ausfall der Handgelenks- und Fingerstrecker (N. radialis).
Merkspruch zur motorischen Innervation der Hand: „Ich schwöre beim heiligen Medianus, dass ich die Ulna kralle, wenn ich vom Rad falle“ ■ Schwurhand – N. medianus ■ Krallhand – N. ulnaris ■ Fallhand – N. radialis
Die Unterscheidung zwischen intrinsischem und extrinsischem System ist sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie sehr wichtig, da die Fingergelenke durch beide Systeme Teilfunktionen erhalten; beim Ausfall eines Systems kann das andere durch entsprechende Übungen verstärkt werden. So erfolgt beispielsweise die Fingerstreckung in den Grundgelenken extrinsisch über die eigentliche Strecksehne, in Mittel- und Endgelenken intrinsisch durch die Mm. interossei. Bei der Fingerbeugung verhält es sich genau umgekehrt: Die Beugung im Grundgelenk erfolgt intrinsisch durch die Mm. lumbricales, im Mittel- und Endgelenk extrinsisch über die oberflächlichen und tiefen Beuger.
Beide Systeme ergänzen sich in ihren Funktionen an der Hand; deshalb ist die Differenzierung dieser Systeme sowohl bei der Diagnostik als auch in der Therapie sehr wichtig.
9.1.3 Funktionelle knöcherne Anatomie
9.1.3 Funktionelle knöcherne Anatomie
Das Handgelenk besteht neben Radius und Ulna proximal aus 10 Handwurzelknochen. Diese sind durch Bänder untereinander sowie mit Radius, Ulna und den Metakarpalknochen verbunden. Das Handgelenk ist am einfachsten als Gelenkkette zu sehen, durch die verschiedenen Gelenkfacetten und Bandverbindungen werden eine Vielzahl unterschiedlichster Bewegung ermöglicht. Die Karpometakarpalgelenke 2 – 5 haben lediglich Bewegungsausmaße von bis zu 10 ° bei Extension und Flexion, das Daumensattelgelenk dagegen ist durch die Möglichkeit der Rotation eines der beweglichsten Gelenke im gesamten Körper. Die Fingergrund- und -mittelgelenke erlauben neben den Hauptebenen Extension und Flexion auch geringe Bewegungen in der Sagittalebene als Rotation. Lediglich die Endgelenke können weitestgehend als Scharniergelenke betrachtet werden.
Das Handgelenk ist eine „Gelenkkette“ aus 10 Handwurzelknochen. Untereinander sowie mit Radius, Ulna und den Metakarpalknochen bestehen Bandverbindungen. Die Karpometakarpalgelenke 2 – 5 haben Bewegungsausmaße von bis zu 10 ° (Extension + Flexion), das Daumensattelgelenk ist eines der beweglichsten Gelenke des Menschen. In den Fingergrund- und -mittelgelenken sind Extensions-, Flexions- und geringe Rotationsbewegungen möglich. Die Endgelenke können als Scharniergelenke betrachtet werden.
9.2
Klinische Untersuchung
Die Untersuchung der Hand umfasst neben der allgemeinen und speziellen Anamnese immer den Vergleich beider Hände. Unterschiede zwischen gesunder und kranker Hand geben wertvolle Hinweise auf Erkrankungen und können in vielen Fällen helfen, die vorgetragenen Beschwerden zu interpretieren. Bei der Inspektion werden Verfärbungen, Venenzeichnung, Beschwielung, Muskeltrophie und Behaarung als allgemeine Hinweise registriert. Diese geben einen ersten Eindruck über den Einsatz der Hand beim täglichen Gebrauch. Sollten Verletzungen vorliegen, ist zusätzlich auf das Punctum maximum der Schwellung sowie auf mögliche Fehlstellungen zu achten. Bei länger bestehenden Funktionsstörungen fallen Muskellücken auf, wie beispielsweise die
9.2
Klinische Untersuchung
Inspektion: Neben der Anamnese ist der Vergleich beider Hände wichtig im Hinblick auf Verfärbungen, Venenzeichnung, Schwielen, Muskelrelief, Behaarung. Bei Verletzungen müssen Schwellungen und Fehlstellungen beachtet werden. Muskelatrophien und trophische Störungen sind Hinweise auf einen chronischen Verlauf.
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1190 B-9.2
B 9 Handchirurgie
B-9.2
2-Punkte-Diskrimination
Atrophie der ersten Zwischenfingerfalte bei Läsionen des N. ulnaris. Trophische Störungen der Haut oder Muskulatur können Ausdruck von länger bestehenden Gefäß- und Nervenverletzungen sein. Palpation im Hinblick auf Temperatur, Hautturgor, Krepitationen, Ödeme bzw. posttraumatische Schwellungen, Muskelschwächen, Raumforderungen (Größe, Konsistenz, Ausbreitung, Verschieblichkeit, Oberflächenbeschaffenheit), Druck-/Bewegungsschmerz, Sensibilitätsstörungen, Schmerzen. Die Beschwielung gibt Hinweise auf den Einsatz der Hand im Alltag. Zur Überprüfung der Beweglichkeit zunächst orientierend Handgelenksbewegungen, Faustschluss sowie Fingerstreckung überprüfen. Zur Verifizierung der Kraft eignet sich ein Dynamometer. Bei Auffälligkeiten gezielte Untersuchung.
Zur Überprüfung der Sensibilität eignet sich die 2-Punkte-Diskrimination (Abb. B-9.2). Mögliche pathologische Befunde sind Hypbzw. Hyperästhesien sowie Parästhesien und Dysästhesien.
9.2.1 Objektivierbare Messung von
Bewegungsausmaßen Neutral-Null-Methode: Der „Nullpunkt“ entspricht dabei dem Durchgangspunkt zwischen zwei Bewegungsrichtungen. Beispiel 1 (Handgelenk): Extension – Flexion 30 °– 0 °– 30 ° bedeutet, dass bei Extension und Flexion 30 ° erreicht werden.
Die Palpation ergänzt die Inspektion. Bei der Palpation können Temperatur, Turgor der Haut, Krepitationen, Ödeme bzw. posttraumatische Schwellungen verifiziert und Muskelschwächen getastet werden. Des Weiteren können Raumforderungen bzgl. ihrer Größe, Konsistenz, Ausbreitung, Verschieblichkeit und ihrer Oberflächenbeschaffenheit beurteilt werden. Es können Druck- und Bewegungsschmerz gezielt ausgelöst und bei Nervenschäden Sensibilitätsstörungen oder elektrisierende Schmerzereignisse. Wichtig ist die Palpation der Handbeschwielung, die Hinweise auf den tatsächlichen Einsatz der Hand oder von Teilen der Hand gibt. Die Überprüfung der Beweglichkeit sollte zunächst ungerichtet einen groben Eindruck über die grundsätzlichen Bewegungsmöglichkeiten geben. Hierzu gehört das Durchbewegen des Handgelenkes (Extension, Flexion, Radial- und Ulnardeviation, Pro- und Supination), der Faustschluss und die Fingerstreckung sowie das Durchbewegen des 1. Strahles und der Händedruck im Vergleich zur Gegenseite. Die grobe Kraft kann mithilfe eines Dynamometers vergleichend verifiziert werden. Im Anschluss daran erfolgt die gezielte Überprüfung von Bewegungseinschränkungen oder auch schmerzhaften Bewegungen. Die Untersuchung der Sensibilität darf bei der Befunderhebung an der Hand nicht fehlen. Eine asensible Hand hat im täglichen Gebrauch nur noch eine untergeordnete Funktion. Die einfache subjektive Testung der „2-Punkte-Diskrimination“ erfordert jedoch eine gute Compliance beim Patienten. Hierzu wird am einfachsten mit den Enden einer aufgeklappten Büroklammer der Mindestabstand an den Fingerbeeren gemessen, an dem noch zwei Druckpunkte unterschieden werden können. Dieser Abstand beträgt in der Regel 3 – 6 mm (Abb. B-9.2). Zu unterscheiden sind von einer normalen Sensibilität Hyp- und Hyperästhesien, sowie Parästhesien und Dysästhesien. Insgesamt ist die Hand insbesondere an den Fingerbeeren durch die sehr zahlreichen freien Nervenendigungen und Aufnahmerezeptoren für Berührungen, Temperatur, Stoß und Schwingungen ein hoch sensibles Organ.
9.2.1 Objektivierbare Messung von Bewegungsausmaßen Zur Objektivierung der Bewegungsausmaße empfiehlt sich die Messung nach der Neutral-Null-Methode. Der „Nullpunkt“ entspricht dem Durchgangspunkt zwischen zwei Bewegungsrichtungen. So wird beispielsweise für das Handgelenk die Bewegung beschrieben als Extension – Flexion 30 °– 0 °– 30 °, das heißt, dass sowohl in der Extension als auch in der Flexion 30 Grad aktiv erreicht werden. Bei der Messung der Beweglichkeit der Fingergelenke beträgt beispielsweise das physiologische Bewegungsausmaß für das Daumenendgelenk zirka
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B 9.2 Klinische Untersuchung
1191
10 – 0 – 60 ° (10 Grad Extension, 60 Grad Flexion). Ein Bewegungsausmaß von 0 – 10 – 60 ° im Daumenendgelenk beschreibt ein Streckdefizit von 10 Grad im Vergleich zur Neutralstellung, d. h., das Endglied kann nicht mehr voll gestreckt werden. Bei der genauen Befunderhebung ist ggf. das Bewegungsausmaß der einzelnen Fingergelenke und die Ab- und Adduktion der Finger zu beschreiben.
Beispiel 2 (Daumenendgelenk): 0 – 10 – 60 ° (60 Grad Flexion und ein Streckdefizit von 10 °) bedeutet, dass das Daumenendglied um 10 ° nicht mehr voll gestreckt werden kann
왘 Merke. Zu unterscheiden ist zwischen aktivem und passivem Bewegungs-
왗 Merke
ausmaß; das aktive Maß beschreibt die aktive Bewegung des Patienten, das passive Maß die Bewegung im Gelenk durch den Untersucher.
9.2.2 Grob- und feinmotorische Handgriffe
9.2.2 Grob- und feinmotorische Handgriffe
Die Überprüfung der grob- und feinmotorischen Handgriffe erlaubt wichtige Rückschlüsse auf Bewegungseinschränkungen und Nervenverletzungen (Abb. B-9.3, Abb. B-9.4). Die wichtigsten grobmotorischen Handgriffe sind der Faustschluss und die Handöffnung als Überprüfung des extrinsischen Systems. Dokumentiert werden diese Bewegungen durch die Messung des Fingerkuppenhohlhandabstandes in cm, also der Entfernung der Fingerbeere zur distalen Hohlhandbeugefalte bei maximaler Beugung, und des Nagelrandtischabstandes, also die Distanz zwischen Nagelrand und Tischkante bei maximaler Streckung der Langfinger. Bei den feinmotorischen Handgriffen kommt der Beweglichkeit des 1. Strahles eine überwiegende Bedeutung zu. Die wichtigsten feinmotorischen Griffe sind: ■ der Spitzgriff zwischen Daumen und den einzelnen Langfingern, ■ der Dreipunktegriff zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger sowie ■ der Schlüssel- oder Klemmgriff zwischen Daumen und Zeigefinger.
Grobmotorische Handgriffe: ■ Faustschluss: Messung des Fingerkuppenhohlhandabstands bei maximaler Fingerbeugung. ■ Handöffnung: Messung des Nagelrandtischabstands bei maximaler Fingerstreckung. Feinmotorische Handgriffe: ■ Spitzgriff zwischen Daumen und einzelnen Langfingern. ■ Dreipunktegriff zwischen Daumen, Zeigeund Mittelfinger. ■ Schlüssel-/Klemmgriff zwischen Daumen und Zeigefinger.
Ein typisches Zeichen für eine nervale Fehlfunktion ist das Froment-Zeichen: Bei dem Versuch, einen feinen Gegenstand zwischen Daumen- und Zeigefinger festzuhalten, kommt es durch den Ausfall des tiefen Beugers des Zeigefingers zu einer passiven Überstreckung im Endgelenk als Hinweis auf eine Ulnarisschädigung.
Das Froment-Zeichen weist auf eine nervale Fehlfunktion (N. ulnaris) hin: Bei dem Versuch, einen feinen Gegenstand zwischen Daumen- und Zeigefinger festzuhalten, kommt es durch den Ausfall des tiefen Beugers des Zeigefingers zu einer passiven Überstreckung im Endgelenk.
B-9.3 Bewegungsausmaße der Hand
B-9.4
Opposition des Daumens
B-9.4
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1192
B 9 Handchirurgie
Für die Überprüfung und Verifizierung der grob- und feinmotorischen Kraft werden geeichte Goniometer verwendet. Alters- und geschlechtsspezifische Normwerte für Faustschluss und Dreipunktegriff ermöglichen einen Vergleich mit der tatsächlichen Kraftentwicklung. 9.2.3 Bildgebende radiologische Verfahren
9.2.3 Bildgebende radiologische Verfahren
Konventionelle Röntgendiagnostik (Abb. B-9.5): meist in 2 Ebenen (dorsopalmar und seitlich bzw. schräg). Weitere Ebenen kommen bei speziellen Fragestellungen zum Einsatz.
Die konventionelle Röntgendiagnostik (Abb. B-9.5) bildet die Grundlage der bildgebenden Verfahren. Üblicherweise werden zunächst Übersichtsaufnahmen in zwei Ebenen (dorsopalmarer und seitlicher bzw. schräger Strahlengang) durchgeführt. Weitere Ebenen, beispielsweise im Bereich der Handwurzel, erlauben exakte Beurteilungen von Gelenken bzw. den Handwurzelknochen.
B-9.5
B-9.5
Subkapitale Fraktur des Mittelhandknochens des 5. Strahls
a
b a Posttraumatisch. b Nach Reposition und Kirschner-Draht-Osteosynthese (anterograde Markraumdrahtung).
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B 9.3 Allgemeine perioperative Maßnahmen
1193
Funktionsaufnahmen oder Stressaufnahmen gehören zur spezielleren radiologischen Diagnostik und setzen spezifische Fragestellungen voraus. Die Computertomographie findet ihre hauptsächliche Anwendung im Bereich der Handwurzel. So ist zum Beispiel die Diagnose einer Kahnbeinfraktur oft im konventionellen Röntgen erst nach mehreren Wochen möglich, im CT können bei entsprechend feinen Schnitten im Längsverlauf Kahnbeinfrakturen unmittelbar festgestellt werden.
Computertomographie: Haupteinsatzgebiet ist die Handwurzel; das CT ist deutlich sensitiver als das konventionelle Röntgen (Frakturen können viel früher diagnostiziert werden).
Die Domäne der Magnetresonanztomographie sind Weichteilverletzungen und/ oder Durchblutungsstörungen. Eine typische Indikation ist der Verdacht auf eine Verletzung des Discus ulnocarpalis. Durch Verwendung eines Kontrastmittels kann zusätzlich eine Unterscheidung zwischen degenerativen und traumatischen Diskusläsionen getroffen werden.
Magnetresonanztomographie: Wichtig bei Verdacht auf Weichteilverletzungen und/oder Durchblutungsstörungen.
9.2.4 Weiterführende apparative Diagnostik
9.2.4 Weiterführende apparative
Diagnostik
Sonographie: Neben den radiologischen Darstellungsmöglichkeiten kommt gelegentlich dem Ultraschall eine weiterführende Bedeutung zu. Hierbei kann beispielsweise mit einem entsprechend hochauflösenden Schallkopf eine Synovialitis gegen ein Fibrom abgegrenzt werden. Auch die Doppler-Sonographie zur Darstellung der Durchblutung kann in seltenen Fällen indiziert sein.
Sonographie: z. B. zur Differenzierung Synovialitis – Fibrom oder dopplersonographische Darstellung der Durchblutungssituation.
Neurographie, Myographie: Eine wichtige apparative Zusatzdiagnostik für die Handchirurgie ist die elektroneurographische Messung der sensiblen und motorischen Nervenleitgeschwindigkeit. Mithilfe dieser neurologischen Untersuchungstechnik können sämtliche Nervenengpasssyndrome und auch Nervenläsionen objektiviert werden. Bei fortgeschrittenen Paresen lassen sich Muskelaktivitäten zusätzlich durch die Elektromyographie beurteilen.
Neurographie, Myographie: Messung der sensiblen und motorischen Nervenleitgeschwindigkeiten zur Objektivierung von Nervenaffektionen (z. B. Engpasssyndrom). Mit der Myographie sind auch bei hochgradigen Paresen Muskelaktivitäten nachweisbar.
Handgelenksarthroskopie: Im weitesten Sinne kann auch die Handgelenksarthroskopie als Mittel der invasiven Diagnostik benannt werden. Indikationen hierfür sind unklare Beschwerden im Bereich des Discus ulnocarpalis, des Bandapparates oder Stufenbildung bei intraartikulären Frakturen. Es versteht sich von selbst, dass zuvor alle nichtinvasiven diagnostischen Mittel genutzt werden; ist eine Arthroskopie zur Klärung erforderlich, können in derselben operativen Sitzung diagnostizierte Verletzungen arthroskopisch oder offen chirurgisch behandelt werden.
Handgelenksarthroskopie: Mögliche Indikationen sind unklare Beschwerden im Bereich des Discus ulnocarpalis, des Bandapparates oder Stufenbildung bei intraartikulären Frakturen.
Szintigraphie: Sie dient zum einen der Lokalisationsdiagnostik, d. h. der Lokalisation von z. B. Entzündungsherden, darüber hinaus aber auch zur Darstellung der Stoffwechselaktivität und damit der Vitalität von Gewebe.
Szintigraphie: Lokalisation z. B. von Entzündungen, Darstellung von Stoffwechselaktivität (liegt noch vitales Gewebe vor?).
9.3
Allgemeine perioperative Maßnahmen
왘 Merke. Handchirurgische Operationen werden in Blutleere oder Blutsperre
9.3
Allgemeine perioperative Maßnahmen
왗 Merke
durchgeführt, um eine ausreichend differenzierte Präparation der Strukturen zu ermöglichen. Bei der Blutleere wird der Arm mit einer Gummibinde (Esmarch-Binde) von distal nach proximal ausgewickelt, anschließend wird der Blutzufluss mit einer Druckmanschette am Oberarm unterbunden. Bis zu 2 Stunden können so ohne Komplikationen toleriert werden. Bei Infektionen an der oberen Extremität sollte nur in Blutsperre operiert werden. Hierbei wird am Oberarm nur die Druckmanschette angelegt. Bei Infektionen ist ein Auswickeln mit der Esmarch-Binde kontraindiziert.
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B 9 Handchirurgie
9.3.1 Regionalanästhesie
9.3.1 Regionalanästhesie
Leitungsanästhesie im Handwurzelbereich (Handblock) bzw. Ellenbogenbereich
Leitungsanästhesie im Handwurzelbereich (Handblock) bzw. Ellenbogenbereich
Indikation: Eingriffe an der Hand/Unterarm bzw. Ergänzung einer inkompletten Plexusanästhesie.
Indikation: Eingriffe an den Fingern und der Mittelhand (Handblock) bzw. Unterarm/Hand (Leitungsanästhesie am Ellenbogen) bzw. zur Ergänzung einer inkompletten Plexusanästhesie. Jede Regionalanästhesie soll immer unter dem Monitoring der Kreislaufparameter (EKG, Blutdruckmessung, Pulsoxymetrie) und einem peripheren intravenösen Zugang erfolgen, um bei potenziellen Risiken wie Anaphylaxie, Bradykardie, Hypoventilation und Hypotonie schnell adäquat reagieren zu können.
Punktionsstellen: Tab. B-9.1.
Punktionsstellen: siehe Tab. B-9.1.
Leitungsanästhesie der Fingernerven nach Oberst
Leitungsanästhesie der Fingernerven nach Oberst
Indikation: Operationen am Grund-, Mittelund Endglied.
Indikation: Eingriffe im Grund-, Mittel- und Endgliedbereich.
Kontraindikationen: Infektionen, schwere Durchblutungsstörungen.
Kontraindikationen: Infektionen/Entzündungen im Injektionsbereich bzw. bei schweren Durchblutungsstörungen des Fingers.
Technik: Lokalanästhesie an der Basis der Grundphalanx (zunächst vertikal, dann horizontal, dann kontralateral vertikal einstechen; Abb. B-9.6).
Technik: An der Basis der Grundphalanx wird das Lokalanästhetikum an die 4 Gefäß-Nerven-Straßen infiltriert. Hierzu zunächst mit einer dünnen Kanüle auf einer Seite vertikal eingehen, anschließend horizontal auf die kontralaterale Seite und dann auf der kontralateralen Seite nochmals vertikal. Jeweils ca. 1 – 2 ml des Lokalanästhetikums injizieren, die Wirkung tritt nach etwa 5 – 15 Minuten ein (Abb. B-9.6).
B-9.1
Punktionsstellen für die Regionalanästhesie an der Hand
Nerv
Punktionsstelle im Handgelenksbereich
Punktionsstellen im Ellenbogenbereich
N. ulnaris
beidseits direkt neben der Sehne des M. flexor carpi ulnaris
ca. 1 cm proximal des im Sulcus nervi ulnaris getasteten N. ulnaris
N. medianus
beidseits direkt neben der Sehne des M. palmaris longus
direkt medial der A. brachialis auf der Verbindungslinie zwischen dem Epicondylus medialis und lateralis humeri
N. radialis
1 cm ulnar der Pulsation der A. radialis
in der Furche zwischen M. brachioradialis und Bizepssehne in Höhe des Ellenbogengelenks
B-9.6
B-9.6
Oberst-Leitungsanästhesie
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B 9.3 Allgemeine perioperative Maßnahmen
1195
Plexus-brachialis-Blockade
Plexus-brachialis-Blockade
Siehe S. 39.
Siehe S. 39.
9.3.2 Grundlagen der Handtherapie
9.3.2 Grundlagen der Handtherapie
왘 Merke. Für die Handtherapie – egal ob konservativ, posttraumatisch oder postoperativ – gilt die Behandlungsmaxime der frühfunktionellen, ggf. limitierten Bewegungstherapie. Voraussetzung hierfür ist die korrekte Ruhigstellung oder Lagerung erkrankter Strukturen unter Freigabe oder limitierter Freigabe benachbarter Gelenke, soweit dies die Erkrankung zulässt.
왗 Merke
Bereits eine zehntägige Ruhigstellung an den Fingergelenken führt zu einem Bewegungsdefizit, das ohne entsprechende krankengymnastische oder ergotherapeutische Anleitung zu bleibenden Bewegungseinschränkungen führen kann.
Ruhigstellung
Ruhigstellung
Die Ruhigstellung erfolgt üblicherweise mit einer palmaren oder dorsalen Lagerungsschiene für das Handgelenk mit oder ohne Fingereinschluss. Bei der Ruhigstellung ist darauf zu achten, dass die Gelenke in einer Neutralstellung verbleiben, durch die die einzelnen, gegenläufigen Bandstrukturen so vorgedehnt werden, dass eine Verkürzung während der Ruhigstellung vermieden wird. Bewährt hat sich die sog. Intrinsic-Plus-Stellung: Handgelenk in 30 °-Dorsalflexion, Grundgelenke 70 – 90 ° gebeugt, Mittel- und Endgelenke gestreckt (Abb. B-9.7).
Die Ruhigstellung – meist mit einer palmaren oder dorsalen Lagerungsschiene für das Handgelenk – muss so erfolgen, dass die Gelenke in einer Mittelstellung verbleiben. Die sog. Intrinsic-Plus-Stellung hat sich bewährt: Handgelenk in 30 °-Dorsalflexion, Grundgelenke 70 – 90 ° gebeugt, Mittel- und Endgelenke gestreckt (Abb. B-9.7).
Für die alleinige Ruhigstellung von Fingern werden thermoplastische Materialien eingesetzt, die exakt angepasst werden können und als „Sandwich“ einen hohen Tragekomfort aufweisen.
Zur Ruhigstellung einzelner Finger eignen sich thermoplastische Materialien.
왘 Merke. Grundsätzlich wird für Ruhigstellungen an der Hand eine individu-
왗 Merke
ell angepasste, gut sitzende Schiene gefordert, die mit wenig Polstermaterial ausgestattet ist, um das betroffene Gelenk tatsächlich in der gewünschten Position zu fixieren.
Prophylaxe posttraumatischer Ödeme
Prophylaxe posttraumatischer Ödeme
Der verletzte Arm muss über Herzhöhe getragen bzw. gelagert werden. Die Benutzung einer Armschlinge ist kontraproduktiv, weil hierbei gesunde Gelenke zusätzlich in Schonhaltung gebracht werden. Die Patienten müssen frühzeitig dazu angeleitet werden, die nicht verletzten Gelenke wie Schulter- und Ellenbogengelenk durchzubewegen.
Der verletzte Arm muss sich über Herzhöhe befinden. Nicht verletzte Gelenke wie Schulter- und Ellenbogengelenk müssen frühzeitig bewegt werden.
Frühfunktionelle Beübung
Frühfunktionelle Beübung
Bewegungstherapie: Insbesondere bei Verletzungen im Bereich der Finger muss mit der Bewegungstherapie möglichst früh begonnen werden. Grundsätzlich wird der Patient dazu angeleitet, alle freien Gelenke aktiv zu bewegen. Eine
Bewegungstherapie: Vor allem bei Fingerverletzungen muss sie so früh wie möglich beginnen, wobei der Patient zu aktiven und passiven Bewegungen zeit- und bedarfsgerecht angeleitet wird;.
B-9.7
Intrinsic-Plus-Stellung
B-9.7
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B 9 Handchirurgie
passive Mobilisation im Bereich der Verletzung durch den Therapeuten kann oft erst in frühestens zwei bis drei Wochen posttraumatisch oder postoperativ begonnen werden, wenn die Schwellneigung zurückgegangen ist. Eine Ausnahme stellen rekonstruierte Sehnenverletzungen dar. Um ein Verkleben der genähten Sehnen mit dem umgebenden Gewebe zu verhindern, sollte bereits am 2. postoperativen Tag mit einer passiven Bewegungstherapie durch spezielle Gummizügel-Schienen (z. B. Kleinert-Schiene bei Beugesehnenverletzungen) begonnen werden. Kombinationsverletzungen mit Knochen, Blutgefäßen, Sehnen und Nerven benötigen eine bedarfsgerechte „Kompromisstherapie“. Für die Handtherapie ist die Unterscheidung zwischen Physiotherapie und Ergotherapie nicht sinnvoll – die Therapieformen ergänzen sich und können zusammengefasst werden. Für beide Disziplinen ist eine spezielle und vertiefte Ausbildung erforderlich. Weitere Therapieoptionen: Je nach Beschwerdesymptomatik können Wärme- und Kältebehandlungen, Elektrotherapie, Ultraschall oder Laser indiziert sein.
9.4
Erkrankungen im Erwachsenenalter
Weitere Therapieoptionen: Neben der Bewegungstherapie können je nach Beschwerdesymptomatik Wärme- und Kältebehandlungen, Elektrotherapie, Ultraschall oder Laser indiziert sein.
9.4
Erkrankungen im Erwachsenenalter
Bei den Erkrankungen im Erwachsenenalter ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen angeborenen Erkrankungen, die erst im Erwachsenenalter manifest werden, und den erworbenen Erkrankungen. Bei den erworbenen Erkrankungen kann es sich um systemische Erkrankungen mit Beteiligung der Hand, oder lokale, auf die Hand beschränkte Erkrankungen handeln. 9.4.1 Angeborene Erkrankungen
9.4.1 Angeborene Erkrankungen
Lunatumnekrose
Lunatumnekrose
왘 Synonym
왘 Synonym. Morbus Kienböck, Lunatummalazie.
왘 Definition
왘 Definition. Aseptische, selten vollständige, meist Teilnekrose des Os lunatum (Mondbein).
Ätiologie: nicht endgültig geklärt. Berufliche Belastungen (Presslufthammer) können zur Lunatummalazie führen.
Ätiologie: Die Ätiologie ist nicht endgültig geklärt. Es führen aber auch Berufe wie die Arbeit mit Druckluftgeräten im Straßenbau, die zu einer Erschütterung des Handgelenks führen, zur Nekrose des Os lunatum (anerkannte Berufskrankheit).
Epidemiologie: junges Erwachsenenalter.
Epidemiologie: Die Erkrankung manifestiert sich typischerweise im jungen Erwachsenenalter (um das 20. Lebensjahr).
Klinik, Stadien nach Lichtmann: ■ Stadium 1: diffuse Schmerzen. ■ Stadium 2: Infraktion. ■ Stadium 3: Fragmentation und Arthrose. ■ Stadium 4: karpaler Kollaps.
Klinik, Stadien: Durch die mangelnde Durchblutung kommt es zur Knochennekrose, die sich anfänglich lediglich durch diffuse Schmerzen im Handgelenk äußert (Stadium 1). Im weiteren Verlauf Infraktion bei noch erhaltenem Gefüge (Stadium 2), zunehmende Fragmentation mit Höhenminderung (Stadium 3a), Gefügeverschiebung der benachbarten Knochen bei fortgeschrittener Arthrose (Stadium 3b) und karpalem Kollaps, d. h. Verschiebung und Arthrose des gesamten Karpus (Stadium 4). Bis zum Stadium IIIa können die eingetretenen Veränderungen zum Stillstand kommen. Ab dem Stadium IIIb führt die Erkrankung unbehandelt zur Arthrose des Handgelenkes (Tab. B-9.2).
Therapie: Ziel ist die Druckentlastung des Os lunatum. ■ Konservative Therapie: in Stadium I + II Ruhigstellung für mind. 6 Wochen.
Therapie: Behandlungsprinzip ist die Druckentlastung des Os lunatum, um dessen Durchblutung und Stabilität zu verbessern. ■ Konservativ: nur im Stadium I und II Ruhigstellung für mindestens 6 Wochen im zirkulären Unterarm-Gipsverband.
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B 9.4 Erkrankungen im Erwachsenenalter
B-9.2
■
1197
Einteilung der Lunatumnekrose nach Lichtmann
B-9.2
Stadium
Binnenstruktur (Os lunatum)
Form (Os lunatum)
benachbarte Knochen
Besonderheiten
I
unauffällig
unauffällig
unauffällig
nur im MRT erkennbar
II
diffuse Sklerose, Verlust der normalen Trabekelstruktur
evtl. beginnender Zusammenbruch radial proximal
unauffällig
IIIa
Frakturierung
gering deformiert
unauffällig
karpale Architektur erhalten
IIIb
Frakturierung
zunehmend deformiert
vermehrte Flexionsstellung des Skaphoids
karpaler Kollaps
IV
starke Verdichtung
Zusammensinterung, Arthrosis deformans
perilunäre Arthrose
Operativ: nach Versagen konservativer Maßnahmen: – Stadium I bis IIIa bei Ulnaplusvariante: Dekompression durch Trepanation, Spongiosaauffüllung, Revaskularisationsoperation (gefäßgestielte Verpflanzung des Os pisiforme, gefäßgestielter Knochenblock aus der Radiusmetaphyse, Spongiosatransplantation mit Gefäßimplantation), interkarpale Teilarthrodesen. – Stadium I bis IIIa bei Ulnaminus- und Ulnanullvariante: Niveauoperationen (Radiusverkürzung), bei Ulnanullvariante Keilosteotomie des distalen Radius. – Stadium IIIb: Druckentlastung des Mondbeines und Korrektur der Fehlstellung des Kahnbeines durch interkarpale Teilarthrodesen. – Alternativ im Stadium II bis IIIa: Exzision der proximalen Handwurzelreihe (Proximal Row Carpectomy). – Stadium IV: Radiokarpale oder vollständige Handgelenksarthrodese. STTArthrodese (= Versteifung der Handgelenksknochen Os scaphoideum, Os trapezium und Os trapezoideum), sofern die Arthrose noch auf den radiolunären Gelenkabschnitt beschränkt ist und eine weitgehende Korrektur der Hyperflexionsstellung des Os scaphoideum möglich ist.
■
Operative Therapie: differenziertes, stadienabhängiges Vorgehen.
In allen Stadien der Lunatumnekrose kann eine teilweise oder vollständige Denervation des Handgelenks vorgenommen werden, sowohl als alleiniger als auch als zusätzlicher Eingriff.
9.4.2 Lokale, erworbene Erkrankungen
9.4.2 Lokale, erworbene Erkrankungen
Erkrankungen der Sehnen
Erkrankungen der Sehnen
Tendovaginitis stenosans
Tendovaginitis stenosans
왘 Synonym. Schnellender Finger.
왗 Synonym
왘 Definition. Bei der Tendovaginitis stenosans kommt es zu einer Verengung der Ringbänder.
왗 Definition
Pathogenese: Im Verlauf der Beugesehnen sichern fünf Ringbänder und drei Kreuzbänder die kraftvolle, gezielte Fingerbeugung. Durch Verminderung der Elastizität kommt es zur Verkürzung der Ringbänder (Abb. B-9.9), sodass die Beugesehne nicht mehr frei gleiten kann. Typischerweise kommt es zu einer
Pathogenese: Durch Verminderung der Elastizität kommt es zur Verkürzung der Ringbänder (Abb. B-9.8, B-9.9), sodass die Beugesehne nicht mehr frei gleiten kann.
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B 9 Handchirurgie
1198 B-9.8
Tendovaginitis stenosans a Schema (hier Tendovaginitis stenosans am Daumen der linken Hand). b Intraoperativer situs bei Tendovaginitis stenosans am A1-Ringband des Mittelfingers der linken Hand und nach Karpaldachspaltung (2) bei ebenfalls vorliegendem Karpaltunnelsyndrom. 1 = Schnittführung zur A1-Ringbandspaltung
B-9.9
B-9.9
Übersicht über die Ringbänder A1 –A5 A 1 – 5 = Ringbänder C 1 – 3 = Kreuzbänder
Veränderung des A1-Ringbandes, das im Bereich der distalen Hohlhandbeugefalte lokalisiert ist (Abb. B-9.8). Klinik: Die Patienten berichten über ein Schnappphänomen; nach forcierter Beugung kann der Finger zunächst nicht gestreckt werden, bis die Beugesehne ruckartig das Hindernis, das Ringband, passiert.
Klinik: Schnappphänomen – ein zuvor gebeugter Finger kann zunächst nicht gestreckt werden, um dann ruckartig in die Streckstellung zu „schnappen“. Therapie: Spaltung des Ringbands in Lokalanästhesie.
Therapie: Die chirurgische Therapie besteht in der Spaltung des Ringbandes, was problemlos ambulant in Lokalanästhesie erfolgen kann.
Tendovaginitis stenosans de Quervain
Tendovaginitis stenosans de Quervain
왘 Definition
왘 Definition. Bei der Tendovaginitis stenosans de Quervain kommt es zu einer Einengung der Sehnen des M. extensor pollicis brevis und des M. abductor pollicis longus im 1. Streckerfach (Abb. B-9.10).
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B 9.4 Erkrankungen im Erwachsenenalter
B-9.10
Tendovaginitis de Quervain
1199 B-9.10
Klinik, Diagnostik: Bei der klinischen Untersuchung klagen die Patienten über Bewegungsschmerzen des Daumens; klinisch richtungsweisend ist der positive Finkelstein-Test: Der Daumen wird adduziert und gebeugt, das Handgelenk in Ulnarduktion gebracht; hierunter kommt es zu einer deutlichen Zunahme der Schmerzen.
Klinik, Diagnostik: Bewegungsschmerzen des Daumens. Beim Finkelstein-Test (Daumen wird adduziert und gebeugt, das Handgelenk in Ulnarduktion gebracht) deutliche Schmerzverstärkung.
Therapie: Initial ist ein konservativer Therapieversuch mit Ruhigstellung (Gipsschiene) und Gabe von Antiphlogistika sinnvoll. Bei Therapieresistenz bzw. Beschwerdeprogredienz erfolgt die chirurgische Therapie durch Spaltung des 1. Streckerfaches in Lokalanästhesie. Bei der Operation muss der dorsal verlaufende sensible Radialisast geschont werden.
Therapie: Initial konservativer Versuch mit Ruhigstellung. Bei Therapieresistenz Spaltung des 1. Streckerfaches in Lokalanästhesie.
Erkrankungen des Bindegewebes
Erkrankungen des Bindegewebes
Morbus Dupuytren
Morbus Dupuytren
왘 Definition. Beim Morbus Dupuytren kommt es über Knotenbildung zur Schrumpfung und Verkürzung der Palmaraponeurose der Hohlhand und/oder zur Strangbildung im Fingerverlauf mit konsekutiver Beugekontraktur der Finger.
왗 Definition
Ätiologie: nicht geklärt.
Ätiologie: unklar.
Klassifikation: Zur exakten Beschreibung hat sich die Klassifikation nach Tubiana bewährt (Abb. B-9.11, B-9.12): ■ Stadium 0: Knotenbildung in der Hohlhand ohne Streckdefizit. ■ Stadium 1: Streckdefizit bis 45 °. ■ Stadium 2: Streckdefizit 46 – 90 °. ■ Stadium 3: Streckdefzit 5 91 – 135 °. ■ Stadium 4: Streckdefizit 4 135 °.
Klassifikation (nach Tubiana; Abb. B-9.11, B-9.12): ■ Stadium 0: Knotenbildung, kein Streckdefizit (SD). ■ Stadium 1: SD bis 45 °. ■ Stadium 2: SD 46 – 90 °. ■ Stadium 3: SD 5 91 – 135 °. ■ Stadium 4: SD 4 135 °.
Dabei werden die Streckdefizite aller beteiligten Finger aufaddiert. Sowohl Erkrankungsbild als auch Progredienz verlaufen sehr unterschiedlich. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass bei jüngeren Patienten die Erkrankung rascher progredient verläuft und zudem auch die Wahrscheinlichkeit von Rezidiven erhöht ist.
Dabei werden die SD aller beteiligten Finger addiert.
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1200
B 9 Handchirurgie
B-9.11
B-9.11
Stadieneinteilung (0, 2, 3 und 4) nach Tubiana et al.
B-9.12
B-9.12
Morbus Dupuytren Grad 3 am 5. Strahl
Therapie: ■ OP-Indikation: Es gibt keine zwingende Indikation! Die Gefahr von iatrogenen Läsionen ist hoch und auch die Rezidivgefahr oder das Übergreifen auf andere Finger ist nicht zu vernachlässigen. Operation bei störenden funktionellen Defiziten oder Schmerzen. ■ OP-Verfahren: (Teil-)Resektion von Palmaraponeurose und Strängen. Ggf. begleitende operative Verfahren.
왘 Merke
Therapie: ■ Indikation zur Operation: Da es sich um eine gutartige Erkrankung handelt, gibt es keine zwingende Operationsindikation. Eine operative Intervention ist ab dem Stadium 2 bei funktionellen Defiziten in Erwägung zu ziehen. Durch die unmittelbare Nachbarschaft von Nerven und Gefäßen, die teilweise in die Strangbildung mit einbezogen werden, ist die Gefahr von iatrogenen Läsionen hoch. Patienten müssen auf diese Gefahr hingewiesen werden sowie auf die Möglichkeit von Rezidiven oder Strangbildung an benachbarten Fingern. Die Indikation ist somit sorgfältig unter Einbeziehung des Patienten zu stellen; erst bei störenden funktionellen Defiziten oder Schmerzen ist die Indikation zu stellen. ■ Operationsverfahren: (Teil-)Resektion von Palmaraponeurose und Strängen. Begleitende operative Verfahren sind Vasoneurolysen, Arthrolysen sowie lokale Lappenplastiken (Z-Plastik, V-Y-Plastik) oder die Transplantation von Eigenhaut zur Vermeidung und Korrektur von Hautdefiziten. 왘 Merke. Ein wesentlicher Bestandteil der Therapie ist die handtherapeuti-
sche Nachbehandlung, die unmittelbar postoperativ erfolgen muss. Insbesondere die aktive Fingerstreckung muss von Anfang an beübt werden, selbst wenn es zu einem Aufreißen der Operationswunde kommt. Eine verspätete handtherapeutische Behandlung zugunsten der Wundheilung kann das intraoperativ erreichte Bewegungsausmaß deutlich verringern.
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B 9.4 Erkrankungen im Erwachsenenalter
Erkrankungen der Gelenke
1201 Erkrankungen der Gelenke
Primäre und sekundäre Arthrosen
Primäre und sekundäre Arthrosen
Grundlagen: Bei den Erkrankungen der Gelenke handelt es sich um primäre oder sekundäre (posttraumatische) Arthrosen. Unter dem Begriff Polyarthrose werden idiopathische Arthrosen der Fingermittel- und Endgelenke zusammengefasst. Die Arthrose der Fingermittelgelenke wird als Bouchard-Arthrose bezeichnet, die Arthrose der Endgelenke als Heberden-Arthrose. Primäre Arthrosen der Fingergrundgelenke sind extrem selten.
Grundlagen: Es wird unterschieden zwischen primären und sekundären (posttraumatischen) Arthrosen. Bei einer Polyarthrose bestehen Arthrosen der Fingermittel- und Endgelenke. Bouchard-Arthrose = Arthrose der Fingermittelgelenke. Heberden-Arthrose = Arthrose der Fingerendgelenke.
Klinik: Bouchard-Arthrose: Meist sind mehrere Mittelgelenke gleichzeitig betroffen mit Schwellung und Belastungsschmerzen. Bei Betroffenen tritt häufig neben der Bouchardarthrose die Arthrose auch noch an anderen Fingergelenken auf, insbesondere zusammen mit der Heberdenarthrose. ■ Heberden-Arthrose: Es finden sich die typischen Heberden-Knötchen an der streckseitigen Basis der Endglieder und Beugekontraktur in den Fingerendgelenken, welche durch arthrotische Prozesse verdickt sind. Häufig bestehen belastungsabhängige Schmerzen (Zufassen). Die Heberden-Arthrose betrifft etwa zehnmal häufiger Frauen als Männer.
Klinik: ■ Bouchard: meist mehrere Gelenke betroffen, Belastungsschmerzen. ■ Heberden: Beugekontraktur der betroffenen Endgelenke, Belastungsschmerzen.
Diagnostik: Klinik, Blickdiagnostik, Röntgenbild.
Diagnostik: Klinik, Röntgen.
Therapie: Zur Therapie werden Schmerzmittel (Analgetika), Kortison-Injektionen in das Gelenk, operative Verfahren (insbesondere die Gelenkversteifung, Arthrodese) und die Radiosynoviorthese verwendet. Außerdem kommen Krankengymnastik, Ergotherapie, physikalische Therapie (insbesondere Kälte-Anwendung) und Röntgenreizbestrahlung zum Einsatz. Bei der primären oder sekundären Arthrose einzelner Fingergelenke ist die Implantation einer Fingerprothese in Erwägung zu ziehen. Voraussetzung hierfür ist die noch gut erhaltene Knochenstruktur sowie die gute Beweglichkeit der benachbarten Gelenke. Der prothetische Gelenkersatz ist möglich mit einer Vielzahl unterschiedlicher Materialien, einen Standard gibt es nicht. Das tatsächliche postoperative Bewegungsausmaß ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig und nicht sicher vorhersehbar. Bei Arthrosen des Daumengrundgelenks und der Fingerendgelenke ist die operative Versteifung das Verfahren der Wahl. Hierbei wird je nach Wunsch des Patienten das betroffene Gelenk in 0 ° oder 10 – 20 ° ruhiggestellt. Ziel der Operation ist die Schmerzfreiheit und Stabilität.
Therapie: Bei Arthrosen einzelner Fingergelenke kommt die Implantation einer Fingerprothese infrage. Bei Arthrosen des Daumengrundgelenks und der Fingerendgelenke stellt die Versteifung die Therapie der Wahl dar.
Rhizarthrose
Rhizarthrose
■
왘 Definition. Unter dem Begriff Rhizarthrose werden primäre und sekundäre Arthrosen des Daumensattelgelenks zusammengefasst.
왗 Definition
Epidemiologie: In den meisten Fällen handelt es sich um primäre Arthrosen; Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
Epidemiologie: Frauen sind häufiger betroffen.
Klinik: Die Rhizarthrose ist die häufigste Arthrose an der Hand. Die typische Symptomatik umfasst Schmerzen im Sattelgelenk beim Zupacken und Kraftverlust. Gegenstände können nicht mehr sicher festgehalten werden, das Aufdrehen eines Flaschendeckels kann schmerzhaft sein (Abb. B-9.13).
Klinik: Schmerzen beim Zupacken, Schwäche (Abb. B-9.13).
Diagnostik: Bei der klinischen Untersuchung ist die Beweglichkeit im Daumensattelgelenk eingeschränkt, insbesondere bei Abduktion und Opposition. Die Diagnose wird klinisch und radiologisch (Gelenkspaltverschmälerung und subchondrale Sklerosierung) verifiziert.
Diagnostik: typische Anamnese und Klinik, eingeschränkte Beweglichkeit des Daumensattelgelenks. Röntgenaufnahme zur Sicherung der Diagnose.
Therapie: Gegen die Beschwerden werden konservativ Orthesen und Antiphlogistika verabreicht. Die operative Intervention besteht in der Entfernung des Os trapezium. Verschiedene Arthroplastiken mit Sehneninterposition und/oder Sehnenaufhängung sollen das Abrutschen des Daumenstrahles verhindern.
Therapie: operative Entfernung des Os trapezium.
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B 9 Handchirurgie
1202 B-9.13
B-9.13
Ausgeprägte Rhizarthrose mit Fehlstellung im Sattelgelenk der linken Hand
Neuere Untersuchungen mit alleiniger Entfernung des Os trapezium bringen vergleichbare Ergebnisse bezüglich Kraftentwicklung und Beweglichkeit. Tumoren der Hand
Tumoren der Hand
Tumoren an der Hand sind eher selten. Die häufigsten Tumoren der Hand sind Weichteiltumoren (häufiger bei Erwachsenen), gefolgt von Knochentumoren (häufiger bei Kindern). Gutartige Tumoren sind signifikant häufiger als bösartige.
Tumoren an der Hand kommen eher selten vor. Die häufigsten Tumoren der Hand sind Weichteiltumoren, gefolgt von Knochentumoren. Hierbei sind gutartige Tumoren signifikant häufiger als bösartige. Knochentumoren kommen häufiger im Kindesalter, Weichteiltumoren im Erwachsenenalter vor. Die Behandlung von Tumoren an der Hand erfolgt nach onkologischen und funktionellen Grundsätzen.
Gutartige Weichteiltumoren
Gutartige Weichteiltumoren
Ganglion: Ausstülpung von Gelenkschleimhaut oder Sehnengleitgewebe. Typischerweise streckseitig über dem Handgelenk, beugeseitig in der Nähe der A. radialis. Klinik: unterschiedlich große Tumoren (mit unterschiedlicher Größenzunahme), kosmetische Störung; ggf. Schmerzen (unabhängig von der Größe), selten funktionelle Störungen (Abb. B-9.14 a). Das Abpunktieren oder „Zerquetschen“ von Ganglien ist nur eine symptomatische Therapie; bei einer echten Sanierung muss das Ganglion mitsamt seinem Stiel (Verbindung mit Gelenk oder Sehnenscheide) entfernt werden (Abb. B-9.14 b).
Ganglion: Ganglien sind die häufigsten und typischsten gutartigen Weichteiltumoren an der Hand. Es handelt dabei um eine Ausstülpung von Gelenkschleimhaut oder Sehnengleitgewebe, das mit einer gallertartigen Flüssigkeit gefüllt wird. Typische Lokalisationen sind über dem streckseitigen Handgelenk, beugeseitig in Nähe der A. radialis, sowie seltener im Verlauf der Beugesehnen oder über den Fingergelenken. Klinisch kommt es zu unterschiedlich großen Tumoren (und unterschiedlicher Größenzunahme) mit entsprechenden kosmetischen Störungen (Abb. B-9.14 a). Eventuelle Schmerzen sind unabhängig von der Größe, nur selten treten funktionelle Störungen auf. Häufig werden Ganglien abpunktiert oder sogar „zerquetscht“; dies beseitigt aber nicht die Ursache. Bei der chirurgischen Sanierung muss das Ganglion einschließlich des Stiels – die Verbindung mit Gelenk oder Sehnenscheide – entfernt werden (Abb. B-9.14 b). Bei Handgelenksganglien muss die Kapsel gefenstert werden, andernfalls kommt es ebenfalls zu Rezidiven. Bei Handgelenksganglien ist auch die arthroskopische Entfernung möglich.
B-9.14
Handgelenksganglion
a Klinischer Befund präoperativ.
b Intraoperativer Situs: Resektion eines Ganglions inklusive Stiel.
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B 9.4 Erkrankungen im Erwachsenenalter
1203
Riesenzelltumor: Hierbei handelt es sich um einen gutartigen Tumor der Synovia, der in fast allen Fällen von der Beugeseite ausgeht. Der Tumor wächst destruktiv und kann zu Knochenusuren führen. Bei der operativen Entfernung muss große Sorgfalt auf die Schonung der benachbarten Gefäß-Nerven-Bündel gelegt werden. Seine mögliche Entartung führt ggf. zur onkologisch sicheren En-bloc-Resektion.
Riesenzelltumor: Benigner Tumor der Synovia, meist beugeseitig. Therapie: Operative Entfernung (cave: Gefäß-NervenBündel muss geschont werden).
Weitere: Fibrome (gutartiger Bindegewebstumor) und Lipome (gutartiger Fettgewebstumor). Das Lipom hat eine größere Häufigkeit als das Fibrom. Beide sollten nur entfernt werden, wenn sie als störend empfunden oder symptomatisch und funktionell einschränkend werden.
Weitere: Fibrome, Lipome.
Bösartige Weichteiltumoren
Bösartige Weichteiltumoren
Hierunter fallen das Plattenepithelkarzinom, das maligne Melanom, das Basaliom als semimaligner Hauttumor und Weichgewebssarkome. Für sie alle gilt: Die onkologisch sichere Entfernung geht vor Erhalt der Funktion. Diese Tumoren bedürfen einer engen interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Chirurg und Onkologe.
Plattenepithelkarzinome, maligne Melanome und (semimaligne) Basaliome müssen onkologisch sicher entfernt werden.
Gutartige Knochentumoren
Gutartige Knochentumoren
Enchondrom: Das Enchondrom ist ein Chondrom knorpeligen Ursprunggewebes innerhalb eines Knochens. Ein Enchondrom ist der häufigste Tumor, der innerhalb der kleinen Röhrenknochen an der Hand vorzufinden ist. Der Tumor, der aus ausgereiften Knorpelzellen besteht, wächst in die Markhöhle des jeweiligen Knochens ein. Hierbei kommt es zu einer zystischen Auftreibung verbunden mit Ausdünnung der Kortikalis. Enchondrome im Bereich der Hand sind in der Regel gutartig. Man kann allerdings in etwa 20 % aller Fälle eine maligne Entartung beobachten, wenn der Tumor in den stammnahen großen Röhrenknochen lokalisiert ist. Enchondrome im Bereich der kleinen Röhrenknochen werden bei Symptomfreiheit und fehlender Frakturgefährdung in der Regel nicht therapiert. Die Diagnose wird meist als Zufallsbefund gestellt; wenn es zum Beispiel durch die Ausdünnung der Kortikalis zu einer Spontanfraktur kommt. Die Therapie besteht dann in der vollständigen Ausräumung sowie Auffüllung des Defekts mit Spongiosa.
Enchondrom: zystische Auftreibung und Ausdünnung der Kortikalis, meist zufällig entdeckt (z. B. bei einer Spontanfraktur). Therapie: Ausräumung und Füllung des Defekts mit Spongiosa.
Osteoidosteom: Das Osteoidosteom ist nach dem nichtossifizierenden Fibrom (NOF) und dem Osteom die dritthäufigste benigne (gutartige) Knochenveränderung des Jugendalters und tritt meist zwischen dem 10.– 20. Lebensjahr bei Jungen auf. Es ist wesentlich seltener als das Enchondrom. Im Röntgenbild zeigt sich typischerweise eine örtliche Verdickung und Sklerosierung der Kortikalis mit einem zentralen Hohlraum (Nidus). Die Patienten klagen über ausdauernde und vor allem nachts quälende Schmerzen, die gut auf Acetylsalicylsäure ansprechen. Bei anhaltenden und für die Patienten unerträglichen Schmerzen sollte immer ein Osteoidosteom differenzialdiagnostisch in Erwägung gezogen werden. Um Beschwerdefreiheit zu erreichen, muss der Tumor als Ganzes entfernt werden (En-bloc-Resektion), da er sich bei zurückgebliebenem Restgewebe wieder bilden kann (Rezidiv).
Osteoidosteom: Verdickung und Sklerosierung der Kortikalis, klinisch quälende Dauerschmerzen (v. a. nachts).
Weitere: Das intraossäre Ganglion ist eine gutartige, tumorähnliche Knochenschädigung. Es gehört zur Gruppe der Knochenzysten und kommt an der Hand hauptsächlich im Mond- oder Kahnbein vor. Wie jedes Ganglion befindet es sich immer in der Nähe des Gelenks. Durch winzige Risse in der Gelenkoberfläche kann Gelenkflüssigkeit in den Markraum des benachbarten Knoches eindringen und die Spongiosa zerstören. Es kommt zur Ausbildung eines Hohlraumes, in dem sich das Ganglion bildet. In seltenen Fällen kann sich das intraossäre Ganglion auch außerhalb des Knochens (extraossär) ausbreiten. Chondrosarkome sind bösartige Knochentumoren, die sich von Knorpelzellen ableiten. Nach dem Osteosarkom ist das Chondrosarkom der häufigste maligne Knochentumor. Sekundäre Chondrosarkome entwickeln sich aus Chondromen, gutartigen Knor-
Weitere: Intraossäres Ganglion, Chondrome, Chondrosarkome, Metastasen.
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1204
B 9 Handchirurgie
peltumoren. Skelettmetastasen sind periphere Tumormanifestationen eines Primärtumors in einem anderen Organ. Tumoren der Blut- und Lymphgefäße
Tumoren der Blut- und Lymphgefäße
Glomustumor: Typischerweise im Nagelbett. Klinisch exakt lokalisierbare heftige Schmerzen. Therapie: Abhebung des Nagels und Ausschälung des Tumors.
Glomustumor (wichtigster Tumor): kleiner gutartiger, schmerzhafter, bläulicher Tumor der Unterhaut mit Ursprung in einem Glomusorgan; bevorzugt an Zehen u. Fingern, v. a. unter dem Nagel. Er besteht aus arteriovenösen Anastomosen mit dickwandiger zuführender Arterie und hat eine innige Beziehung zu marklosen Nervenfasern. Die typische Lokalisation ist das Nagelbett, wo sich kleinste arteriovenöse Anastomosen in einer Bindegewebskapsel zusammenknäueln. Die Patienten klagen über exakt lokalisierbare heftige Schmerzen. Die chirurgische Therapie besteht in der Abhebung des Nagels, Lokalisation und Ausschälung des Tumors. Bei sehr kleinen Tumoren ist dies nur mithilfe von vergrößernden Lupenbrillen möglich.
Weitere: Hämangiome, AV-Fisteln.
Weitere: Hämangiome sind meist angeboren, zeigen unterschiedliche Wachstumstendenzen und bilden sich z. T. von alleine wieder zurück. Hämangiome entarten in der Regel nicht. Als therapeutische Verfahren werden die Kryo- und Lasertherapie oder die Exzision angewendet. Der Begriff arteriovenöse Fistel beschreibt alle Formen pathologischer Kurzschlussverbindungen zwischen Arterien und Venen. In 2/3 der Fälle sind sie angeboren. Im Gegensatz zu den physiologischen arteriovenösen Verbindungen besitzen sie keine Verschlussmöglichkeiten und unterliegen keiner Regulation durch den Organismus. Sie können operativ entfernt oder katheterabladiert werden.
Tumoren des Nervengewebes
Tumoren des Nervengewebes
Posttraumatische Neurome, Neurofibrome, Schwannome.
Posttraumatische Neurome sind Auftreibungen am durchtrennten proximalen Nervenende. Sie sind gutartig, können aber zu starken Schmerzen und Beeinträchtigungen führen. Neurofibrome sind Nerventumoren, die innerhalb des Nervs gut abgrenzbare oder außerhalb des Nervs diffuse Strukturen ausbilden. Sie bestehen aus neoplastischen Schwann-Zellen, Fibroblasten und perineuralen Zellen, die in eine Matrix aus Kollagenfasern eingebettet sind. Vom Schwannom unterscheiden sie sich durch einen höheren Gehalt an bindegewebiger Substanz und dadurch, dass sie operativ nicht von den Nerven getrennt werden können und diese in der Regel geopfert werden müssen. Am häufigsten treten sie auf der Haut auf. Multiples Auftreten beobachtet man insbesondere bei der Neurofibromatose Typ 1. Ein Schwannom (Synonym: Neurinom) ist ein Tumor des peripheren Nervensystems, der von den Schwann-Zellen ausgeht. Mit zunehmendem Wachstum kann es zu Schmerzen und dann zu Lähmung der betroffenen Nerven kommen. Die Therapie besteht in der Resektion mit dem Ziel des Nervenerhalts oder Bestrahlung. Beim malignen Schwannom ist eine En-bloc-Resektion anzustreben.
Beim malignen Schwannom ist eine En-bloc-Resektion anzustreben.
9.4.3 Nervenengpass-Syndrome
9.4.3 Nervenengpass-Syndrome
Allgemeine Grundlagen
Allgemeine Grundlagen
Klinisch kommt es typischerweise zu Missempfindungen („Einschlafen der Finger“) und unter Umständen auch zu irreversiblen sensiblen und motorischen Ausfällen. Therapeutisches Prinzip ist die operative Dekompression, d. h. die den Nerv komprimierenden Strukturen werden gespalten.
Die drei Stammnerven der Hand passieren in ihrem Verlauf physiologische Engstellen, die durch Knochen und/oder Muskelsepten gebildet werden. Durch Gewebeveränderungen kommt es an diesen Engstellen zu Einengungen der betroffenen Nerven, die sich anfänglich durch Missempfindungen wie „Einschlafen der Finger“ äußern. Im weiteren Verlauf kann es durch die chronische Druckschädigung des Nervs zu sensiblen und motorischen Ausfällen kommen. Bei einer lang andauernden und chronischen Druckschädigung können die Nervenschäden irreversibel werden. Die Therapie sämtlicher Engpasssyndrome besteht in der chirurgischen Dekompression: Bindegewebs- oder Muskelsepten können dabei offen, chirurgisch oder endoskopisch gespalten werden.
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B 9.4 Erkrankungen im Erwachsenenalter
1205
Kompressionssyndrome des N. medianus
Kompressionssyndrome des N. medianus
Karpaltunnelsyndrom
Karpaltunnelsyndrom
Epidemiologie: Das Karpaltunnelsyndrom ist das häufigste Nervenkompressionssyndrom der oberen Extremität.
Epidemiologie: häufigstes Nervenkompressionssyndrom.
Pathogenese: Der N. medianus durchläuft beim Eintritt vom Unterarm in die Hohlhand eine knöcherne Rinne, die aus den Handwurzelknochen gebildet wird. Das Retinaculum flexorum sitzt als Dach dieser knöchernen Rinne fest auf, und kann durch Fibrosierung zur Einengung des N. medianus führen. Eine weitere häufige Ursache sind posttraumatische Druckerhöhungen durch Schwellung, Ödem oder Gefügeverschiebungen, beispielsweise im Rahmen distaler Unterarmfrakturen oder Verletzungen der Handwurzel.
Pathogenese: Kompression des N. medianus in der durch das Retinaculum flexorum überdachten knöchernen Rinne bei Eintritt in die Hohlhand.
Klinik: Die Patienten klagen neben dem nächtlichen Einschlafen der Hand („Brachialgia paraesthetica nocturna“) über Empfindungsstörungen in den Fingern 1 – 3 und 4 radialseitig. Bei fortgeschrittenem Karpaltunnelsyndrom kommt es zu einer tastbaren Volumenminderung der Thenarmuskulatur, verbunden mit motorischen Schwächen wie einer Schwäche bei der Opposition des Daumens.
Klinik: nächtliches EInschlafen der Hand, Sensibilitätsstörung Finger 1 – 3 und Finger 4 radial. Im chronischen Stadium sind eine Thenaratrophie und Parese möglich.
Diagnostik: Die Patienten können bei der Untersuchung eine verminderte 2-Punkte-Diskrimination der Digitalnerven 1 – 7, ein positives Hoffmann-TinelZeichen und einen positiven Phalen-Test (Abb. B-9.15) haben. Zur Diagnosesicherung können neurographisch die distale motorische Latenz und die Nervenleitgeschwindigkeit des N. medianus am Unterarm bestimmt werden und mit der kontralateralen Seite sowie mit Normwerten verglichen werden.
Diagnostik: verminderte 2-Punkt-Diskrimination, positives Hoffmann-Tinel-Zeichen, positiver Phalen-Test (Abb. B-9.15), Neurographie.
Therapie: Im Initialstadium kann eine konservative Therapie mit Lagerungsschienen versucht werden. Die chirurgische Therapie besteht in der Spaltung des Retinaculum flexorum, offen oder endoskopisch (Abb. B-9.16).
Therapie: operative Spaltung des Retinaculum flexorum (Abb. B-9.16).
B-9.15
Phalen-Test und Hoffmann-Tinel-Zeichen a Phalen-Test: Die gezeigte Position muss mindestens eine Minute lang eingehalten werden. Test positiv bei Kribbelparästhesien innerhalb 1 Minute. b Positives Hoffmann-Tinel-Zeichen bei durch Beklopfen des Karpaldaches fortgeleiteten elektrifizierenden Schmerzen im Medianusgebiet.
B-9.16
Operation bei Karpaltunnelsyndrom (offen, chirurgisch)
a „Karpaldach“.
b Eröffneter Karpaltunnel, der N. medianus ist gut erkennbar.
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1206
B 9 Handchirurgie
Pronator-teres-Syndrom
Pronator-teres-Syndrom
Epidemiologie: sehr selten.
Epidemiologie: sehr selten.
Pathogenese: Kompression des N. medianus beim Durchtritt zwischen oberflächlichem und tiefem Kopf des M. pronator teres.
Pathogenese: Beim Durchtritt des N. medianus zwischen oberflächlichem und tiefem Kopf des M. pronator teres kann der Nerv komprimiert werden. Eine Sonderform ist das Interosseus-anterior-Syndrom: Beim Durchtritt durch den M. pronator teres wird lediglich der in dieser Höhe abgehende motorische N. interosseus anterior komprimiert; die Patienten bemerken eine Schwäche der Endgliedbeugung von Daumen und Zeigefinger.
Klinik: ähnlich Karpaltunnelsyndrom (s.o.).
Klinik: Die Symptome gleichen denen des Karpaltunnelsyndroms: Taubheitsgefühle der Finger besonders in der Nacht, Überempfindlichkeit gegenüber Kälte, Gewebsrückgang des Muskels im Daumenballen (Daumenballenatrophie). Zudem Schmerzen bei Einwärtsdrehung des Unterarms gegen Widerstand, Druckschmerz über dem Musculus pronator teres, Schwäche der Fingerbeuger.
Diagnostik: Klinik, Schmerzzunahme bei Pronation gegen Widerstand.
Diagnostik: Klinik, positives Hoffmann-Tinel-Zeichen über M. pronator teres, Schmerzzunahme bei Pronation gegen Widerstand, Anamnese, Gewebedruckmessung, Elektromyo- und Elektroneurographie, Nervenblockade mit Lokalanästhetikum.
Therapie:
Therapie: ■ Medikamentöse Therapie: Antiphlogistika, Kortison, Muskelrelaxanzien. ■ Physikalische Therapie: Ruhigstellung, TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation), Kältetherapie, Wärmetherapie, Magnetfeldtherapie. ■ Operative Therapie: Fasziotomie, Neurolyse und Verlagerung.
Kompressionssyndrome des N. ulnaris
Kompressionssyndrome des N. ulnaris
Sulcus-ulnaris-Syndrom
Sulcus-ulnaris-Syndrom
Epidemiologie: zweithäufigstes Engpasssyndrom.
Epidemiologie: zweithäufigstes Engpasssyndrom neben dem Karpaltunnelsyndrom.
Pathogenese: Kompression des N. ulnaris im Bereich des Sulcus ulnaris oder u.U. auch proximal.
Pathogenese: Der Nerv verläuft durch eine knöcherne Rinne im Bereich des Epicondylus medialis; durch idiopathische oder sekundäre/posttraumatische Veränderungen kommt es zu einer chronischen Druckerhöhung im Sulcus ulnaris. Der Ort der Druckerhöhung kann auch proximal beim Durchtritt durch den M. triceps brachii oder distal beim Eintritt in die Unterarmmuskulatur liegen.
Klinik: Hypästhesien (ulnare Handkante, Klein- und Ringfinger), im Verlauf ggf. Paresen (Fingerspreizung, Daumenadduktion), Ausdünnung der ersten Zwischenfingerfalte streckseitig (Abb. B-9.17 a).
Klinik: Die Hypästhesien im Bereich der ulnaren Handkante sowie im Klein- und Ringfinger werden von Patienten häufig nicht bemerkt; erst motorische Störungen wie die Schwäche der Fingerspreizung und der Daumenadduktion bei schon fortgeschrittener Druckschädigung fallen auf. Klinisch charakteristisch ist die Ausdünnung der ersten Zwischenfingerfalte streckseitig (Abb. B-9.17 a).
B-9.17
Sulcus-ulnaris-Syndrom
a Ausdünnung der ersten Zwischenfingerfalte.
b Frei präparierter N. ulnaris am medialen Epikondylus.
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B 9.4 Erkrankungen im Erwachsenenalter
1207
Diagnostik: Klinik, pos. Hoffmann-Tinel-Zeichen, pos. Froment-Zeichen, Nervenleitgeschwindigkeit über dem Sulcus ulnaris signifikant verlangsamt.
Diagnostik: Klinik, Hoffman-Tinel- und Froment-Zeichen, Nervenleitgeschwindigkeit.
Therapie: Bei Versagen der konservativen medikamentösen oder physikalischen Therapie erfolgt die chirurgische Therapie. Sie besteht ebenfalls in der Dekompression des komprimierten Nervs: Spaltung des Sulkusdaches bzw. der Muskelsepten (Abb. B-9.17 b). Bei sehr flacher Knochenrinne mit Luxationstendenz des Nervs wird dieser nach ventral oder submuskulär verlagert. Bei motorischen Schädigungen ist mit Rekonvaleszenzzeiten bis zu 18 Monaten zu rechnen.
Therapie: Dekompression, ggf. mit Ventralverlagerung des N. ulnaris (Abb. B-9.17 b).
Syndrom der Loge de Guyon
Syndrom der Loge de Guyon
Pathogenese: Kompression des N. ulnaris in der Loge de Guyon. Diese Loge ist das anatomische Korrelat einer oberflächlichen Rinne zwischen Os hamatum und Os pisiforme. Im Verlauf dieser Rinne gibt der N. ulnaris einen tiefen motorischen Ast zur Handbinnenmuskulatur ab.
Pathogenese: Kompression des N. ulnaris in der Loge de Guyon (Rinne zwischen Os hamatum und Os pisiforme).
Klinik: Empfindungsstörungen, später Lähmung von Hand- und Fingermuskeln. Die Patienten klagen teilweise über nächtliches Kribbeln in den Fingern 4 und 5, haben eine verminderte 2-Punkte-Diskrimination und eine Schwäche der intrinsischen Handmuskulatur.
Klinik: Kribbeln (Finger 4 und 5), verminderte 2-Punkt-Diskrimination, Parese der intrinsischen Handmuskeln.
Diagnostik: Klinik, neurophysiologische Diagnostik der isolierten Schädigung des Endastes des Nervus ulnaris (Ramus profundus nervi ulnaris). Dazu wird mittels motorisch evozierter Potenziale die Überleitungszeit zwischen einem Reizpunkt des Nervus ulnaris unmittelbar proximal des Handgelenks und der elektrisch gemessenen Muskelkontraktion in einem vom motorischen Ast versorgten Muskel (Kleinfingerballenmuskel = M. abductor digiti minimi) im Vergleich zu einem vom Ramus profundus versorgten Muskel (erster Zwischenknochenmuskel = M. interosseus dorsalis primus) gemessen.
Diagnostik: Klinik, Nervenleitgeschwindigkeit, Röntgen der Hand.
Therapie: konservativ durch nächtliche Ruhigstellung und Kortisoninjektionen. Die chirurgische Therapie besteht in der Spaltung der bedeckenden Unterarmfaszie und Palmaraponeurose über Arterie und Nerv, einschließlich der Spaltung der Muskelsepten der intrinsischen Muskulatur.
Therapie: Freilegen des Ramus profundus nervi ulnaris.
Kompressionssyndrome des N. radialis
Kompressionssyndrome des N. radialis
Die Kompressionssyndrome des N. radialis sind insgesamt selten. Supinatorlogensyndrom
Supinatorlogensyndrom
Das Supinatorlogensyndrom ist das proximale Kompressionssyndrom des N. radialis. Beim Durchtritt zwischen tiefem und oberflächlichem Anteil des M. supinator kommt es insbesondere bei Unterarmdrehung zu einer Druckerhöhung auf den N. radialis. Klinisch richtungsweisend ist die Schwäche bei der Fingerstreckung.
Proximales Kompressionssyndrom des N. radialis – Kompression zwischen oberflächlichem und tiefem Anteil des M. supinator.
Diagnostik: Klinik (provozierbar durch repetitive Beanspruchung der betroffenen Muskeln?), Nervenleitgeschwindigkeit, Elektromyographie.
Diagnostik: Klinik, Nervenleitgeschwindigkeit, Elektromyographie.
Therapie: Applikation von Lokalanästhetika, nach Diagnosesicherung operative Exploration und Neurolyse.
Therapie: bei sicherer Diagnose Operation.
Wartenberg-Syndrom
Wartenberg-Syndrom
Das Wartenberg-Syndrom ist das distale Kompressionssyndrom des N. radialis und betrifft lediglich den sensiblen Radialisast. Proximal des ersten Streckerfaches kommt es beim Durchtritt des sensiblen Radialisastes durch die Unterarmfaszie zu Irritationen, die als Gefühlsstörungen im Daumen wahrgenommen werden.
Distales Kompressionssyndrom des N. radialis – Kompression nur des sensiblen Radialisastes beim Durchtritt durch die Unterarmfaszie.
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B 9 Handchirurgie
1208 9.5
Infektionen
왘 Merke
9.5
Infektionen
왘 Merke. Operative Eingriffe an der Hand dürfen bei Infektionen nicht in Lokalanästhesie durchgeführt werden, weil es ansonsten zur Keimverschleppung (z. B. in tiefere Strukturen) kommen kann. Auch ist das Auswickeln des Arms mit der Esmarch-Binde zur Blutleere obsolet. Operiert wird lediglich in Blutsperre.
9.5.1 Panaritium
9.5.1 Panaritium
Panaritium periungualis (Paronychie)
Panaritium periungualis (Paronychie)
왘 Definition
왘 Definition. Seitliche oder proximale bakterielle Infektion des Nagelwalls (Abb. B-9.18 a).
Klinik: aufgetriebener Nagelwall, Rötung, Schmerzen.
Klinik: Der Nagelwall ist aufgetrieben, gerötet und schmerzhaft (Spontan- oder Druckschmerz); ggf. ist eine Eiterblase sichtbar.
Therapie: Versuch mit Ruhigstellung und Antisepsis. Bei Progredienz Operation (Inzision).
Therapie: konservativer Versuch mit Ruhigstellung, antiseptischen Fingerbädern und täglicher Wundkontrolle. Bei fehlender Besserung bzw. Fortschreiten des Befundes operative Sanierung: Inzision und Drainage
Panaritium cutaneum
Panaritium cutaneum
왘 Definition
왘 Definition. Intrakutane (subepidermale) Abszessbildung. Die Eiteransammlung befindet sich unter der oberflächlichen Hautschicht und ist auf die Haut begrenzt (Abb. B-9.18 b). Eine besondere Form ist das sog. „Kragenknopf“-Panaritium. Dieses besteht aus einer intrakutanen Eiterblase und einem tieferen Abszess (Eiteransammlung) mit einem feinen Verbindungskanal.
Klinik: Schmerzen, Rötung, Schwellung.
Klinik: meist pochende Schmerzen, der betroffene Bezirk ist gerötet und geschwollen.
Therapie: Abtragung, Ausschluss einer Fistel in die Tiefe.
Therapie: Inzision/ Exzision und Drainage und Kontrolle, dass kein Fistelgang in die Tiefe vorliegt.
Panaritium subcutaneum
Panaritium subcutaneum
왘 Definition
왘 Definition. Subkutane tiefe Abszessbildung (Abb. B-9.18 c).
Klinik: wie bei Panaritium cutaneum (s.o.).
Klinik: wie bei Panaritium cutaneum, in frühen Stadien ggf. diskreter, weil der Befund in der Tiefe „schlummert“.
Therapie: Operation.
Therapie: operative Revision mit mediolateraler Hautinzision.
B-9.18
Panaritium-Formen
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B 9.6 Verletzungen
Panaritium articulare
1209 Panaritium articulare
왘 Definition. Gelenkinfektion durch direkte Verletzung eines Gelenks oder
왗 Definition
durch Ausbreitung einer lokalen Infektion (Abb. B-9.18 d). Klinik: schmerzhafte Schwellung und Beweglichkeit des Gelenks.
Klinik: Schwellung, Schmerzen.
Therapie: operative Gelenkrevision und Ausräumung von nekrotischem Gewebe. Einlage einer Antibiotikakette, ggf Arthrodese.
Therapie: Revision des Gelenks, Einlage einer Antibiotikakette.
Panaritium ossale
Panaritium ossale
왘 Definition. Knochenbeteiligung meist als Komplikation durch direkte Verlet-
zung eines Gelenks (Abb. B-9.18 d).
oder
durch
Ausbreitung
einer
lokalen
왗 Definition
Infektion
Klinik, Diagnostik: schmerzhafte Schwellung, im Röntgenbild ggf. Beteiligung des Knochens erkennbar (Arrosion, jedoch frühestens nach 3 Wochen).
Klinik, Diagnostik: Schwellung, Schmerzen, Röntgenaufnahme.
Therapie: Ruhigstellung, operative Revision und Ausräumung von nekrotischem Gewebe, Einlage einer Antibiotikakette.
Therapie: operative Revision, Einlage einer Antibiotikakette.
9.5.2 Handphlegmone
9.5.2 Handphlegmone
왘 Definition. Die Phlegmone (phlegma = Schleim) ist eine eitrige, sich diffus
왗 Definition
ausbreitende Infektion im interstitiellen Bindegewebe der Hand. Besonders gefürchtet sind Tier- (Katze, Hund) und Menschenbisse (Anpralltrauma gegen Zahn), die aufgrund des enoralen Keimspektrums zu fulminanten Phlegmonen führen können. Klinik: starke Schmerzen (spontan, auf Druck und bei Bewegung), geröteter und ödematös geschwollener Handrücken (eine ausgeprägte Schwellung der Hohlhand ist wegen der straffen Palmarfaszie nicht möglich). Bei Erreichen von Beugesehnen breitet sich die Infektion ggf. rasch in der Hohlhand aus (z. B. V-Plegmone bei Infektionen am Kleinfinger mit Ausbreitung in den Daumen). Weiterhin Anstieg von CRP und Leukozyten, ggf. mikrobiologischer Keimnachweis.
Klinik: starke Schmerzen, Schwellung des Handrückens. Druckschmerz über dem Sehnenlager.
Therapie: Ruhigstellung, Kühlung, intravenöse Antibiose, frühzeitige operative Revision! Nekrotisches Gewebe muss ausgeräumt, Abszesstaschen müssen identifiziert und ebenfalls ausgeräumt werden. Ggf. Second-look-Operation.
Therapie: frühzeitig operieren mit Ausräumung nekrotischen Gewebes. Antibiotikatherapie.
9.6
Verletzungen
왘 Merke. Nahezu 70 % aller Verletzungen betreffen die obere Extremität. Ver-
9.6
Verletzungen
왗 Merke
letzungen der Hand bedürfen aufgrund der Komplexität der beteiligten Strukturen neben einer exakten Diagnostik einer differenzierten und effizienten Versorgung.
9.6.1 Verletzungen des Hautweichteilmantels
9.6.1 Verletzungen des
Hautweichteilmantels
Schnitt- und Risswunden
Schnitt- und Risswunden
Oberflächliche Schnitt- und Risswunden, Stichverletzungen: Oberflächliche Schnitt- und Risswunden können je nach Ausmaß geklebt oder genäht werden. Jedoch sollte auch hier vorher eine gründliche Wundtoilette – ggf. mit dem Skalpell – erfolgen. Bei Stichverletzungen im Bereich der Hohlhand sind die tiefer liegenden Strukturen, also Nerven-Gefäßbündel, Handbinnenmuskulatur und Beugesehnen in die Untersuchung mit einzubeziehen. Hypästhesien im
Oberflächliche Schnitt- und Risswunden, Stichverletzungen: Oberflächliche Schnittund Risswunden werden geklebt oder genäht. Bei Stichverletzungen muss auf Verletzungen tieferer Strukturen geachtet werden.
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B 9 Handchirurgie
1210
Fingerverlauf müssen kontrolliert werden; sie können als Folge eines Hämatoms auftreten, aber auch einer Verletzung des entsprechenden Nervs entsprechen. 왘 Merke
왘 Merke. Jede Wunde bedarf vor Verschluss einer gründlichen chirurgischen Reinigung mit Exzision der Wundränder.
Tiefe Schnittwunden in der Hohlhand müssen exploriert werden, um auch Verletzungen tiefer gelegener Strukturen erkennen und behandeln zu können.
Bei Schnittwunden an der Streckseite ist nach grundsätzlicher subtiler Exploration oft eine einfache Wundversorgung ausreichend.
Tiefe Schnittwunden in der Hohlhand müssen in aller Regel operativ exploriert werden, auch ohne Hinweis auf Begleitverletzungen. Die tiefer liegenden Strukturen werden dargestellt, die Wunden sorgfältig gesäubert. Bei Verschmutzung ist das Einlegen einer drainierenden Lasche anzuraten. Zusätzlich sollten postoperativ eine temporäre Ruhigstellung in einer Unterarmschiene in Intrinsic-Plus-Stellung und eine Antibiotikatherapie erfolgen. Bei Schnittwunden an der Streckseite lässt sich das tatsächliche Verletzungsausmaß leichter abschätzen, sodass hier bei oberflächlichen Läsionen oft eine einfache Wundversorgung ausreicht. Eine gründliche Wundexploration ist aber auch hier bei jeder Verletzung grundsätzlich durchzuführen, um eine Schädigung funktioneller Strukturen wie Strecksehnen oder Fremdkörpereinsprengungen auszuschließen.
Defektverletzungen
Defektverletzungen
Defektverletzung am Handrücken: Bei noch intaktem Paratendineum Deckung durch mobilisierte benachbarte Haut oder Hautverpflanzung. Defektverletzung in der Hohlhand: Meist liegen Verletzungen tiefer liegender Strukturen vor, deshalb aufwendigere Rekonstruktion erforderlich. Ggf. nur temporäre Deckung und Verlegung in handchirurgisches Zentrum. Defektverletzung im Fingerverlauf: Meist streck- und beugeseitige Lappenplastiken erforderlich, z. B. „Crossfinger“-Lappen (Abb. B-9.19).
Bei Defektverletzungen ist die Verletzungstiefe und -lokalisation entscheidend für das weitere Vorgehen. ■ Bei Defektverletzungen am Handrücken ist bei einem allschichtigen Hautverlust, aber noch intaktem Paratendineum der Strecksehnen, eine Hautmobilisation aus der Umgebung oder eine Hautverpflanzung ausreichend. Aus ästhetischen Gründen sollte im Bereich der Hand nach Möglichkeit ein ausgedünntes Vollhauttransplantat oder ein ungemeshtes Spalthautsheet gewählt werden. ■ Defektverletzungen in der Hohlhand stellen schwere Verletzungen dar, meistens mit Beteiligung tiefer liegender Strukturen. Sie müssen in den meisten Fällen mit aufwendigeren rekonstruktiven Verfahren wiederhergestellt werden. Für den nicht Versierten empfiehlt sich im Rahmen der Erstversorgung eine vorübergehende Deckung mit alloplastischem Material, besser aber die schnellstmögliche Verlegung in ein handchirurgisches Zentrum. ■ Bei Defektverletzungen im Fingerverlauf ist aufgrund der geringen Verschiebemöglichkeit sowohl streck- als auch beugeseitig in den meisten Fällen eine lokale Lappenplastik erforderlich. Am bekanntesten ist bei Defektverletzungen an der Fingerbeugeseite der „Crossfinger“-Lappen: Vom benachbarten Finger wird streckseitig ein Lappen auf das Paratendineum gehoben. Die Basis entspricht der Seite des benachbarten verletzten Fingers. Der Lappen wird gestielt auf den beugeseitigen Defekt des Nachbarfingers aufgenäht, der entstandene Defekt wird mit Vollhaut verschlossen. Nach 3 Wochen ist der Lappen autonomisiert und wird durch die umgebenden Weichteile des verletzten Fingers durchblutet. Die Finger können getrennt werden (Abb. B-9.19).
B-9.19
„Crossfinger“-Lappen a Intraoperativ. b 10 Tage postoperativ.
a
b
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B 9.6 Verletzungen
B-9.20
1211
Avulsionsverletzung des Mittelfingers
B-9.20
Décollement-Verletzungen
Décollement-Verletzungen
Décollementverletzungen entsprechen einem allschichtigen größeren Hautverlust, meist mit Beteiligung tiefer liegender Strukturen. Nach der initialen funktionellen und röntgenologischen Untersuchung erfolgt die operative Exploration der Wundsituation. Es muss ein kompromissloses Débridement aller nekrotischen Areale erfolgen. Ist ein primärer Weichteilverschluss nicht möglich, bedarf es einer temporären Defektdeckung mittels Epigard-Verband, Fremdhaut oder Vakuum-Verband. Der frühestmögliche Weichteilverschluss durch Lappenplastiken ist anzustreben; die Rekonstruktion von Nerven und Sehnen wird im Rahmen der definitiven Defektdeckung ausgeführt. Eine Sonderform ist die Ring-Avulsionsverletzung der Finger: Durch das Hängenbleiben eines Fingerringes wird der Hautweichteilmantel einschließlich Nerven-Gefäßbündel vollständig ausgerissen, nur das knöcherne Gerüst mit Sehnen bleibt erhalten (Abb. B-9.20). Die mikrochirurgische Replantation des Hautweichteilmantels ist frustran, weil durch das Ausreißen der Gefäßnervenbündel schwerste Intimaverletzungen der Fingerarterien vorliegen. Es bleibt i.d.R. nur die Rückkürzung des Knochens zur Stumpfbildung mit einer sensiblen Weichteilbedeckung.
Décollement-Verletzungen sind größere Wunden mit Verlust aller Hautschichten und meist Beteiligung tiefer liegender Strukturen. Bei Ring-Avulsionsverletzungen wird der gesamte Hautweichteilmantel inkl. der Gefäße und Nerven ausgerissen, das Knochen- und Sehnengerüst ist erhalten (Abb. B-9.20). Eine operative Wiederherstellung gelingt oft nicht, sodass dann nur die Rückkürzung des Knochens und Stumpfbildung als Option bleibt.
Verbrennungen und Erfrierungen
Verbrennungen und Erfrierungen
Schweregrade: Grad 1 entspricht der Rötung, Grad 2a der zusätzlichen Blasenbildung. Beim Grad 2b ist die oberflächliche Hautschicht verbrannt, die Lederhaut ist unverletzt. Die drittgradige Verbrennung bedeutet den vollständigen Hautverlust, die viertgradige der Verkohlung. Erfrierungen können analog klassifiziert werden. Zu Details siehe S. 907.
Schweregrade: Grad 1: Rötung ■ Grad 2: a zusätzlich Blasen, b oberflächlich verbrannt. ■ Grad 3: auch Dermis betroffen. ■ Grad 4: Verkohlung. ■
Therapie: ■ Grad 1 und 2a: konservative Therapie, da hier eine narbenfreie Regeneration der Haut besteht: Desinfizierende Verbände und ausreichend Schmerzmittel sind ausreichend. ■ Grad 2b und 3 (Verlust der Hautoberfläche): Hier ist nach Débridement eine Hautverpflanzung oder auch Lappendeckung erforderlich. Wenn möglich, wird im Bereich der Hände mit ausgedünnten Vollhauttransplantaten oder ungemeshten Spalthautsheettransplantaten gearbeitet werden. ■ Grad 4: Amputation der betroffenen Strukturen. Im Sinne des längstmöglichen Erhaltes soll bei trockenen, nicht infizierten Verbrennungen die Demarkation vor der Amputation abgewartet werden.
Therapie: ■ Grad 1 und 2a: konservative Therapie. ■ Grad 2b und 3: Débridement, Hautverpflanzung oder Lappendeckung. ■ Grad 4: Amputation nach Demarkation.
Lappenplastiken an der Hand
Lappenplastiken an der Hand
Indikation: Bei größeren Substanzdefekten an der Hand müssen Lappenplastiken frühzeitig bedacht werden. Lang dauernde Sekundärheilungen führen oft zu funktionsbehindernden Narben, und sind allein schon wegen der notwendigen
Indikation: größere Substanzdefekte, bei denen andere Theapieversuche zu Narben und v. a. zu einer zu langen Ruhigstellung mit entsprechenden Funktionsstörungen führen würden.
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B 9 Handchirurgie
1212 B-9.21
Z-Plastik Dargestellt sind die einzelnen Operationsschritte. Der Längengewinn beträgt ca. 50 %.
Ruhigstellung abzulehnen. Die Wiederherstellung der Haut durch Lappenplastiken ermöglicht die frühe Beübung verletzter Strukturen und somit eine schnellere Rehabilitation. Formen von Lappenplastiken: ■ Lokale Lappenplastiken: Gewebeverschiebungen aus der Umgebung ohne definiertes versorgendes Blutgefäß, z. B. Z-Plastik (Abb. B-9.21), V-Y-Plastik an der Beugeseite, Dehnungs-/Transpositionslappen an der Streckseite. ■
■
■
Gestielte Nahlappen: Von einem definiertem Blutgefäß versorgtes Gewebe wird gehoben und in den Defekt geschwenkt.
Gestielte Fernlappen: Beim Leistenlappen wird die Hand in einen in der Leiste gehobenen Lappen eingenäht (Abb. B-9.22); nach etwa 3 Wochen kann der Lappen vom versorgenden Gefäß getrennt werden. Ein weiterer gestielter Fernlappen ist der Radialislappen.
Freie mikrochirurgische Lappen.
Formen von Lappenplastiken: Unterschieden werden lokale Lappenplastiken, gestielte Nah- und Fernlappenplastiken, sowie freie Lappenplastiken mit mikrochirurgischem Gefäßanschluss. ■ Lokale Lappenplastiken sind Gewebeverschiebungen aus der Umgebung ohne definiertes versorgendes Blutgefäß. Am häufigsten werden für die Beugeseite Z-Plastiken (Abb. B-8.3) und V-Y-Plastiken verwendet, für die Streckseite Dehnungslappen oder Transpositionslappen. ■ Bei den gestielten Nahlappen wird Gewebe an einem definierten Blutgefäß mit oder ohne Nerven gehoben und in den Defekt eingeschwenkt. Ein wichtiger Lappen ist der Foucher-Lappen zur Defektdeckung der Daumenbeugeseite: Er wird im Bereich des streckseitigen Zeigefingers an der A. metacarpalis dorsalis 1 in der ersten Zwischenfingerfalte gehoben und kann eine Defektdeckung bis über das Daumenendgelenk ermöglichen. ■ Der bekannteste gestielte Fernlappen ist der Leistenlappen, der insbesondere bei Defekten am Handrücken eingesetzt wird (Abb. B-9.22). Haut und Unterhautfettgewebe der Leistenregion wird im Versorgungsgebiet der A. circumflexa iliaca superficialis gehoben, wobei auf eine Darstellung der Arterie verzichtet wird. Die Hand wird in den gehobenen Lappen eingenäht und verbleibt drei Wochen in situ. Danach wird der Stiel zeitweise abgeklemmt, bis der Lappen auch nach Abklemmung von mehr als 60 Minuten rosig bleibt: Der Lappen kann vom versorgenden Gefäß getrennt werden. Ein weiterer bekannter gestielter Fernlappen ist der Radialislappen: Die beugeseitige Haut des Unterarms wird an der A. radialis gehoben. Für Defektdeckungen an der Hand wird die A. radialis dann proximal abgesetzt, und der Lappen nach distal in den Defekt eingedreht. Aufgrund des ästhetisch unschönen Hebedefektes sowie der Opferung eines Stammgefäßes wird heute jedoch eher die Defektdeckung mit einem freien Lappen durchgeführt. ■ Für freie mikrochirurgische Lappen an der Hand werden dünne fasziokutane Lappen oder reine Faszienlappen verwendet (Temporalisfaszienlappen, Serratusfaszienlappen, Anterior-lateral-Thigh-(ALT-)Lappen.
9.6.2 Frakturen
9.6.2 Frakturen
Kahnbeinfraktur
Kahnbeinfraktur
왘 Synonym Ätiologie, Pathogenese: meist Sturz auf überstrecktes Handgelenk.
왘 Synonym. Skaphoidfraktur.
Ätiologie, Pathogenese: am häufigsten durch Sturz auf das überstreckte Handgelenk bzw. Anprall gegen die extendierte Hand.
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B 9.6 Verletzungen
B-9.22
a
c
1213
Leistenlappen bei Weichteildefekt am Daumen
b
a Weichteildefekt am palmaren Daumen. b Präparierter Leistenlappen. c Defektdeckung.
Klinik: Schwellung und Druckschmerz, v. a. radiodorsal, Druckschmerz in der Tabatière, Schmerz bei Stauchung des Daumens und Bewegung im Handgelenk insbesondere nach radial.
Klinik: Schwellung, (Druck-)Schmerzen, Daumen-Stauchungsschmerz.
Diagnostik: klinische Untersuchung, Röntgen des Handgelenks in 4 Ebenen (sog. Skaphoidquartett), ggf. CT oder MRT.
Diagnostik: Klinik, Röntgen des Handgelenks in 4 Ebenen
왘 Merke. Eine Kahnbeinfraktur kann sehr leicht übersehen werden! Oft ist die
왗 Merke
Symptomatik initial wenig ausgeprägt oder es kommt sogar zu einer Besserung. Bei klinischen Hinweisen und und passender Anamnese ist es deshalb trotz eines negativen Röntgenbildes sinnvoll, einen Kahnbeingips anzulegen und nach etwa 10 – 14 Tagen eine Röntgenkontrolle durchzuführen! Einteilung der Frakturtypen: ■ Nach Herbert und Fisher (1984): Abb. B-9.23. ■ Nach Russe (1967): – Horizontal-schräg. – Quer. – Vertikal-schräg. ■ Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen-AO (B. Petracic/H.R. Siebert 1995): – Typ A: Abrissfraktur (A1 –A3). – Typ B: Quer-, Schräg-, Längsfraktur (B1 –B3). – Typ C: Mehrfragment-Trümmerfraktur (C1 –C3).
Einteilung der Frakturtypen: Abb. B-9.23.
Konservative Therapie: ■ Indikationen bzw. möglich bei: unverschobener Fraktur, gering dislozierter Fraktur im distalen und mittleren Drittel, Frakturverdacht (bis zur Diagnose), lokalen und allgemeinen Kontraindikationen gegen eine Operation. ■ Kahnbeingips im Sinne eines Unterarmgipses mit Einschluss des Daumens für zunächst etwa 6 Wochen. Regelmäßige Röntgenkontrollen.
Therapie: ■ Konservativ: bei unverschobener Fraktur, gering dislozierter Fraktur im distalen und mittleren Drittel, Frakturverdacht (bis zur Diagnose), OP-Kontraindikationen; Kahnbeingips (Unterarmgips mit Daumen-Einschluss) für 6 Wo, Röntgenkontrollen.
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1214 B-9.23
■
Operativ: Bei dislozierter Fraktur (instabil), Fraktur mit Knochendefekt, pathologischer Fraktur, irreponibler Luxationsfraktur, offener Fraktur, Kettenverletzung, ausbleibender Knochenheilung; Fixierung der Knochenfragmente mit einer Schraube.
B 9 Handchirurgie
B-9.23
Frakturtypen bei Kahnbeinfraktur (nach Herbert und Fisher, 1984)
Operative Therapie: ■ Indiziert bei dislozierter Fraktur (instabil), Fraktur mit Knochendefekt, pathologischer Fraktur, irreponibler Luxationsfraktur, offener Fraktur, Kettenverletzung, ausbleibender Knochenheilung und klinischer Symptomatik sowie bei unverschobenen oder gering dislozierten Frakturen auf Wunsch der Patienten, um die lange Gipsruhigstellung zu vermeiden. ■ Mit einer Schraube (Herbert-Schraube oder Whipple-Schraube) werden die Knochenfragmente fixiert. Anschließend muss für die Dauer von etwa 4 – 6 Wochen ein Unterarmgips angelegt werden.
Mittelhandfraktur
Mittelhandfraktur
Ätiologie, Pathogenese: Sturz auf Hand, Schlag mit Faust.
Ätiologie, Pathogenese: Sturz auf die Hand, Schlag mit der Faust.
Klinik: Schmerzen, Schwellung.
Klinik: Schmerzen, Schwellung des Handrückens.
Diagnostik: Klinik, Anamnese, Röntgen.
Diagnostik: Klinik (Krepitationen, Fehlstellung), Anamnese, Röntgen in mehreren Ebenen (a.-p., seitlich und schräg), ggf. CT.
Therapie: frühzeitige Operation bei Dislokation, Fehlstellungen, Stufenbildung. Die Fragmente werden reponiert und durch Schrauben und/oder Platte fixiert.
Therapie: Wichtig ist eine möglichst frühzeitige Reposition und Stabilisierung der Fraktur. Die Indikation zur offenen Operation liegt vor bei konservativ nicht reponierbaren Frakturen, dislozierten Frakturen, Achsen- oder Rotationsfehlstellungen, Verkürzungen, Stufenbildung. Die Fraktur wird dargestellt und gesäubert, anschließend werden die Knochenfragmente reponiert und mittels Schrauben und/oder Platte fixiert. Bei Basisfrakturen des ersten Mittelhandknochens (z. B. Bennett-Fraktur = Luxationsfraktur des Sattelgelenks) ist die Operationsindikation großzügig zu stellen, weil das konservativ erreichte Repositionsergebnis aufgrund des ausgeprägten Muskelzuges meist nicht zu halten ist.
Phalangenfraktur
Phalangenfraktur
Ätiologie, Pathogenese: direkte Gewalt, axiale Stauchung.
Ätiologie, Pathogenese: direkte Gewalteinwirkung, axiale Stauchung, Luxation.
Einteilung: nach Lokalisation oder Typ.
Einteilung: nach der Fraktur-Lokalisation (Köpfchen, Schaft, Basis) oder nach dem Fraktur-Typ (schräg, quer, Mehrfragment, Torsion).
Klinik: ■ Endglied: Schwellung, Schmerzen. ■ Mittelglied: zusätzlich Achsenabweichung. ■ Grundglied: Achsenabknickung meist nach dorsal.
Klinik: abhängig vom betroffenen Fingerglied: ■ Endglied: pralle Schwellung und Schmerzen, meist subunguales Hämatom. ■ Mittelglied: zusätzlich Achsenabweichung, je nach Ort der Fraktur (distal oder proximal des Ansatzes deroberflächlichenBeugesehne)nach dorsal oderpalmar. ■ Grundglied: meist Achsenabknickungen nach dorsal.
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B 9.6 Verletzungen
1215
Diagnostik: Röntgenaufnahmen jedes Fingers einzeln in zwei Ebenen.
Diagnostik: Röntgen der Finger in 2 Ebenen.
Therapie: ■ Konservative Therapie: nur möglich bei nicht dislozierten Frakturen bzw. bei Frakturen ohne Gelenkbeteiligung. Ruhigstellung mit einer Unterarmgipsschiene und Röntgenkontrollen (bei sekundärer Dislokation muss operiert werden). ■ Operative Therapie: indiziert bei dislozierten Frakturen, kondylären Frakturen, knöchernen Streck- bzw. Beugesehenausrissen, knöchernem Kapselausriss an Mittelgliedbasis, knöchernem Bandausriss an der Grundgliedbasis. Die Fraktur wird dargestellt, gesäubert und reponiert. In dieser reponierten Stellung Fixation durch Minischrauben, Kirschner-Drähte oder -Platten. Ggf. Naht von Sehnen- oder Kapselgewebe. Bei übungsstabiler Osteosynthese kann sofort mit physiotherapeutischen Übungen begonnen werden; Andernfalls frühestmögliche Freigabe in Abhängigkeit der radiologischen Durchbauung.
Therapie: ■ Konservativ: bei nicht dislozierten Frakturen Ruhigstellung in Unterarmgipsschiene, Röntgenkontrollen. ■ Operativ: bei Dislokation, kondylären Frakturen, Sehnen-/Kapsel-/Bandausriss. Osteosynthese der reponierten Fraktur mit Platten und/oder Schrauben. Möglichst frühzeitig mit Physiotherapie beginnen!
9.6.3 Sehnenverletzungen
9.6.3 Sehnenverletzungen
왘 Merke. Für alle Sehnenverletzungen gilt die Versorgungsmaxime übungs-
왗 Merke
stabile Naht, frühzeitige passive Bewegung durch aktive Bewegung der Antagonisten und der geführte Übergang in die aktive Bewegung. Die Ruhigstellung einer Sehnenverletzung ist obsolet! Bei allen Sehnennähten ist darauf zu achten, dass die Sehnen Stoß auf Stoß genäht werden, da auftragende Nahtstellen das Gleiten der Sehne beeinträchtigen. Die handtherapeutische Freigabe zum Belastungsaufbau nach Sehnenverletzungen erfolgt üblicherweise nach 6 Wochen.
Verletzungen der Strecksehnen
Verletzungen der Strecksehnen
Grundlagen: Die Strecksehnen verlaufen vom Unterarm in sechs definierten Streckfächern zu Handrücken, Langfingern und Daumen. Sie sind im Bereich des distalen Handrückens und der Grundgelenke durch Bänder miteinander verbunden und in die Gelenkkapsel der Grundgelenke integriert. Verletzungen im Bereich des Unterarms und des Handrückens können zu einem Zurückgleiten der Sehnen führen. Bei der Versorgung dieser Verletzungen empfiehlt sich eine stabile Kernnaht sowie darüber hinaus eine Feinadaptation der Sehnenenden. Die Knopflochdeformität entsteht durch eine Verletzung des Strecksehnenmittelzügels bei intakten Seitenzügeln (Abb. B-9.24 a). Bei der Schwanenhalsdeformität kommt es zu einer Verkürzung und Dorsalverlagerung der Seitenbänder im Bereich des Mittelgelenks (Abb. B-9.24 b). Verletzungen in Höhe der Grundgelenke sowie im Fingerverlauf sind unproblematisch im Rahmen einer erweiterten Wundversorgung mit langsam resorbierbaren oder auch nicht resorbierbaren Fäden mit U-Nähten zu versorgen (vgl. Beugesehnenverletzung).
Grundlagen: Die Strecksehnen verlaufen in 6 Sehnenfächern zu Handrücken, Langfingern, Daumen. Bei Sehnenverletzungen können diese zurückgleiten.
B-9.24
Mögliche Deformitäten bei Strecksehnenverletzungen
Bei einer Verletzung des Strecksehnenmittelzügels bei intakten Seitenzügeln kommt es zur Knopflochdeformität (Abb. B-9.24 a). Eine Verkürzung und Dorsalverlagerung der Seitenbänder im Bereich des Mittelgelenks führt zur Schwanenhalsdeformität (Abb. B-9.24 b).
B-9.24
a Knopflochdeformität. b Schwanenhalsdeformität.
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1216
B 9 Handchirurgie
Nachbehandlung: Begrenzung der Bewegung.
Für die Nachbehandlung von Verletzungen einzelner Strecksehnen genügt oft die Begrenzung auf ein definiertes Bewegungsausmaß aus der Neutralstellung heraus, um zum einen die Gleitfähigkeit zu erhalten, andererseits die Zugkraft auf die Sehnennaht gering zu halten. Bei Verletzung mehrerer Strecksehnen wird für 6 Wochen mit einer dynamischen Gummizügel-Schiene (reversed KleinertSchiene) behandelt, bei der das Bewegungsausmaß begrenzt aktiv gebeugt wird und die Finger durch die Gummizügel passiv gestreckt werden.
Verletzungen der Beugesehnen
Verletzungen der Beugesehnen
Grundlagen: Die Beugesehnen laufen durch den Karpalkanal und durch 5 Ring- und 3 Kreuzbänder. Die oberflächliche Beugesehne inseriert in Höhe der Mittelgliedbasis, die tiefe Beugesehne inseriert an der Endphalanx. Bei Rupturen können sie bis zum Unterarm zurückgleiten.
Grundlagen: Die Beugesehnen der Langfinger verlaufen paarig. Nach Durchtritt durch den Karpalkanal passieren die Sehnen 5 Ring- und 3 Kreuzbänder bis in Höhe der Endphalanx. Die oberflächliche Beugesehne inseriert mit zwei Zügeln in Höhe der Mittelgliedbasis. Die tiefe Beugesehne durchtritt die oberflächliche im Bereich der Grundphalanx und inseriert an der Endphalanx. Bei Beugesehnenverletzungen im Bereich der Finger kann die gerissene Sehne im schlechtesten Fall bis in den distalen Unterarm zurückgleiten.
Therapieprinzipien: sorgfältige Präparation und aufwendige Nahttechnik, um der hohen Zugkraft der Beugemuskeln standhalten zu können.
Therapieprinzipien: Verletzungen der Beugesehnen sind aufgrund der hohen Zugkraft der Beugemuskeln als komplikationsträchtig einzustufen. Die Nahttechnik ist aufwendig und erfordert gute anatomische Kenntnisse, um die umgebenden Strukturen wegzupräparieren und eine spannungsfreie Naht zu ermöglichen. Nach Bergung des proximalen Sehnenendes wird diese durch den Sehnenkanal bis zur Höhe der Verletzungsstelle zurückgeführt. Das proximale Sehnenende wird „blockiert“, um ein Zurückgleiten zu verhindern. Um eine Sehnennaht im Fingerverlauf zu ermöglichen, ist es teilweise notwendig, die Sehnenscheide oder auch Ring- und Kreuzbänder zu eröffnen. Die Sehne wird mit einer Kernnaht Stoß auf Stoß zusammengeführt, danach werden die Enden mit einer fortlaufenden Naht gegeneinander gesichert und feinadaptiert (Naht nach Kirchmayr-Kessler). Das Sehnenfach wird mit feinen Nähten verschlossen, die Sehnen müssen ohne nennenswerten Widerstand durch den Sehnenkanal gleiten können (Abb. B-9.26). Verletzungen der Beugesehnen in Höhe des Karpalkanals oder des distalen Unterarms sind bezüglich der Nahttechnik weniger problematisch. Bei komplexen Verletzungen mit Beteiligung mehrerer Sehnen kann die Identifizierung der zueinander gehörenden Sehnenenden schwierig sein. Als Faustregel liegen die oberflächlichen Beuger über den tiefen, die randständigen Finger über den mittelständigen.
Das proximale Sehnenende wird bis zur Rupturstelle zurückgeführt und anschließend Stoß auf Stoß mit dem distalen Ende vernäht. Das Sehnenfach muss dann mit feinen Nähten verschlossen werden. Die Sehne muss dann ohne nennenswerten Widerstand gleiten können.
Verletzungen der Beugesehnen in Höhe des Karpalkanals oder des distalen Unterarms sind bezüglich der Nahttechnik weniger problematisch.
Nachbehandlung: dynamische Übungsschienen, zunächst in gebeugtem Handgelenk sowie gebeugten Fingergrundgelenken und sukzessive Rückführung in Neutralstellung.
B-9.25
Die Nachbehandlung erfolgt mit dynamischen Übungsschienen (z. B. KleinertSchiene, Abb. B-9.27), die in Beugung von Handgelenk und Fingergrundgelenken angefertigt werden, um die genähten Beugesehnen möglichst zu entspannen. Im Verlauf der Übungstherapie werden Handgelenk und Fingergelenke nach und nach in Neutralstellung gebracht.
B-9.25
Funktionsprüfungen Beugesehnen a Funktionsprüfung der oberflächlichen Beugesehne. b Funktionsprüfung der tiefen Beugesehne.
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B 9.6 Verletzungen
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B-9.26
Sehnennahttechnik nach Kirchmayr-Kessler
B-9.26
B-9.27
Kleinert-Schiene
B-9.27
9.6.4 Nerven- und Gefäßverletzungen 왘 Merke. Nerven- und Gefäßverletzungen im Bereich von Unterarm und Hand bedürfen der schnellstmöglichen mikrochirurgischen Rekonstruktion.
9.6.4 Nerven- und Gefäßverletzungen
왗 Merke
Nervenverletzungen
Nervenverletzungen
Verletzung der Stammnerven (N. medianus, N. radialis und N. ulnaris): Meist handelt es sich um Schnittverletzungen, selten um Ausrissverletzungen. Bei der mikrochirurgischen Nervennaht müssen die einzelnen proximalen und distalen Nervenfaszikel einander zugewiesen und durch eine epifaszikuläre Naht readaptiert werden, anschließend erfolgt die epineurale Naht des Perineuriums. Durch die mikrochirurgische Readaptation wird lediglich eine Hülle für das Auswachsen der Neurone geschaffen, die mit einer Wachstumsgeschwindigkeit von ca. 0,1 – 0,2 mm pro Tag ihr Endorgan erreichen müssen. Je proximaler die Verletzung, desto länger die Überbrückungszeit, desto größer die zu erwartenden bleibenden Defizite. Bei Mitverletzung motorischer Nervenanteile ist große Sorgfalt auf die Nachbehandlung zu legen, um mit Handtherapie, funktionellen Schienen und Reizstrom die Denervierung der betroffenen Muskeln zu verhindern.
Verletzung der Stammnerven (N. radialis, medianus + ulnaris): Die einzelnen Nervenfaszikel müssen mit einer mikrochirurgischen Nervennaht readaptiert werden, anschließend das Perineurium. Der distale Nervenanteil dient dann als Leitschiene für das Auswachsen der Neurone (Wachstum von ca. 0,1 – 0,2 mm pro Tag). Je proximaler die Verletzung, desto größer sind die zu erwartenden bleibenden Defizite.
Verletzungen von Fingernerven: Hier genügt die epineurale mikrochirurgische Naht.
Verletzung von Fingernerven: Die epineurale mikrochirurgische Naht ist ausreichend.
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B 9 Handchirurgie
Versorgung von Defektverletzungen: Als Interponat eignen sich Begleitäste der A. brachialis proximal der Ellenbeuge für die Fingernerven, für Stammnerven eignen sich Abschnitte des N. suralis.
Versorgung von Defektverletzungen (Koaptation der Faszikel nicht möglich): Hier ist ein Interponat erforderlich. Für die Fingernerven können Begleitäste der A. brachialis proximal der Ellenbeuge verwendet werden, für Stammnerven können Abschnitte des N. suralis die einzelnen Faszikel ersetzen.
Gefäßverletzungen
Gefäßverletzungen
Mikrochirurgische Rekonstruktion, im Fingerverlauf sollten immer beide Gefäße rekonstruiert werden.
Gefäßverletzungen von A. radialis und A. ulnaris müssen ebenso wie Verletzungen der Fingerarterien mikrochirurgisch wiederhergestellt werden. Im Fingerverlauf ist trotz paarig angelegter Arterien immer die Rekonstruktion beider Gefäße anzustreben. Bei langstreckigen Defektverletzungen sind Interponate von epifaszialen Venen als Überbrückung einzusetzen.
9.6.5 Nagelverletzungen
9.6.5 Nagelverletzungen
Subunguales Hämatom
Subunguales Hämatom
Häufig bei Quetschverletzungen bzw. nach Schlag auf den Nagel. Vorgehen: ■ Kleine Hämatome (bis 30 % der Nagelfläche): Trepanation des Nagels (Kanüle, heiße Büroklammer) ■ Große Hämatome: Entfernung des gesamten Nagels und Kontrolle des Nagelbetts.
Das subunguale Hämatom ist häufig die Folge einer Quetschverletzung bzw. eines Schlages auf den Nagel. Therapeutisches Vorgehen: ■ Bei kleineren Hämatomen (bis zu 30 % der Nagelfläche) ist es ausreichend, den Nagel z. B. mit einer Kanüle oder heißen Büroklammer zu trepanieren und auf diese Weise das Hämatom zu entlasten. ■ Bei größeren Hämatomen sollte der gesamt Nagel entfernt werden, damit eventuelle darunterliegende Verletzungen des Nagelbetts (s. u.) erkannt und behandelt werden können.
Nagelbettverletzung
Nagelbettverletzung
Der Nagel wird komplett entfernt das Nagelbett rekonstruiert: Naht von Defekten, ggf. Nagelbetttransplantation.
Bei Verletzungen des Nagelbetts muss der Nagel komplett entfernt werden, anschließend erfolgt eine Rekonstruktion des Nagelbetts durch Naht bzw. – bei Nagelbettdefekten – durch eine Nagelbetttransplantation; hierzu wird ein gesunder Anteil des Nagelbetts tangential abgetragen und in die Stelle des Defekts eingenäht. Der Nagel wird anschließend zum Schutz wieder aufgelegt. Ist er zerstört, kann man sich mit einem Kunstnagel aus einem Spritzenzylinder behelfen.
9.6.6 Amputationsverletzungen
9.6.6 Amputationsverletzungen
Amputationsverletzungen der Hand sollten in handchirurgischen Zentren versorgt werden: Wiederherstellung der Durchblutung, Rekonstruktion sämtlicher verletzter Strukturen.
Amputationsverletzungen der Hand müssen nach Möglichkeit in handchirurgischen Zentren versorgt werden. Neben der Wiederherstellung der Durchblutung sind sämtliche verletzte Strukturen (Nerven, Sehnen, Knochen und Hautweichteile) wiederherzustellen.
Zeitfenster (zwischen Verletzung und operativer Versorgung): ■ Makroamputationen: 6 h. ■ Fingeramputationen: Bis zu 12 h.
Zeitfenster: ■ Für Makroamputationen sollte ein Zeitraum von sechs Stunden zwischen Verletzung und operativer Versorgung eingehalten werden. ■ Fingeramputationen können bis zu 12 Stunden nach Verletzung replantiert werden.
왘 Merke
왘 Merke. Für die Erstbehandlung gilt: Blutstillung durch sterile Abdeckung
und Kompressionsverband. Keine Verwendung von Gefäßklemmen oder Ligaturen. Das Amputat wird in sterile Kompressen gewickelt in eine Plastiktüte gepackt, diese Tüte kann in eine weitere wasser- oder eisgefüllte Tüte gepackt werden. Hierzu stehen spezielle Amputatbeutel zur Verfügung. Erfrierungen müssen hierbei unbedingt vermieden werden!
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B 10.1 Entzündungen
1219
10 Mund-, Kiefer- und
Gesichtschirurgie
10
Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
10.1 Entzündungen
10.1
Entzündungen
10.1.1 Furunkel
10.1.1 Furunkel
Thomas Kreusch Der Ausdruck des Gesichts prägt die Individualität des Menschen, Veränderungen des Gesichts ziehen große Veränderungen im sozialen Bereich und in der Kommunikation nach sich. Operative Eingriffe im Gesicht müssen mit chirurgischer Perfektion, einem Sinn für Ästhetik und mit dem Bestreben, das individuelle Optimum zu erhalten oder wiederherzustellen, vorgenommen werden. Häufig ist hier die Zusammenarbeit zwischen Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen, Chirurgen, Hals-Nasen-Ohrenärzten, Augenärzten und Neurochirurgen erforderlich. Da die äußere Gesichtsform durch die darunterliegenden Hartgewebestrukturen bedingt ist, gilt für alle Eingriffe an Mund, Kiefer und Gesicht der Lehrsatz „Erst der Knochen, dann die Weichteile“.
왘 Definition. Furunkel sind Entzündungen eines oder mehrerer Haarfollikel.
왗 Definition
Erreger sind meist Staphylokokken. Furunkel oberhalb der Mundspalte sind gefährlich, weil eine Fortleitung der Infektion über die V. angularis zur Thrombose des Sinus cavernosus und damit zum tödlichen Ausgang führen kann.
Oberhalb der Lippenspalte gelegene Furunkel können lebensgefährlich werden (Sinus-cavernosus-Thrombose).
Therapie: Hier ist eine hochdosierte Antibiotikatherapie, Bettruhe, lokale Kälteanwendung und ggf. chirurgische Eröffnung angezeigt, keinesfalls darf durch Ausdrücken derartiger Furunkel eine Ausbreitung forciert werden.
Therapie: Die Therapie besteht in Antibiotika, Bettruhe, lokaler Kälte, evtl. chirurgischer Eröffnung.
10.1.2 Odontogene Abszesse
10.1.2 Odontogene Abszesse
왘 Definition. Odontogene Abszesse gehen von devitalen Zähnen, Wurzelresten, Zahnfleischentzündungen, infizierten Zysten, halb durchgebrochenen Zähnen oder Infektionen nach Zahnentfernung sowie von im Durchbruch befindlichen Zähnen (z. B. Weisheitszähne) aus.
왗 Definition
Die meisten Abszesse im Kiefer- und Gesichtsbereich gehen von devitalen Zähnen aus. Hier entsteht über die Karies eine Entzündung der Zahnpulpa und von dort eine Ausbreitung durch den Knochen in die Weichgewebe. Daraus können lebensbedrohliche Abszesse entstehen, die zur Schädelbasis (retromaxillärer Abszess), ins Hirn (Fossa-canina-Abszess) oder in das Mediastinum (parapharyngealer Abszess) fortgeleitet werden.
Es können lebensgefährliche Abszesse entstehen, die zur Schädelbasis, ins Hirn oder ins Mediastinum fortgeleitet werden.
Klinik: Symptome dieser sog. gefährlichen Abszesse sind Schwellungen am medianen Augenwinkel (Fossa canina), oberhalb des Jochbogens (retromaxillär) und Schluckbeschwerden (parapharyngeal). Begleitende Symptome sind Schmerzen, Schwellungen und Schluckbeschwerden, Kieferklemme und Fieber (Abb. B-10.1).
Klinik: Schwellungen am medianen Augenwinkel (Fossa canina), oberhalb des Jochbogens (retromaxillär) und Schluckbeschwerden (parapharyngeal) (Abb. B-10.1).
Diagnostik: Die Diagnostik wird klinisch und nach Angaben des Patienten gestellt (z. B. Druckschmerz V. angularis oder Angabe von Schluckbeschwerden).
Diagnostik: Wird klinisch gestellt.
Therapie: Hier ist eine antibiotische Behandlung und eine chirurgische Abszesseröffnung von extraoral in Intubationsnarkose angezeigt. Anschließend wird die Ursache beseitigt.
Therapie: Extraorale Eröffnung, evtl. Antibiotikum. Anschließend wird die Ursache beseitigt.
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1220 B-10.1
B 10 Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
B-10.1
Odontogener Abszess Perimandibulärer Abszess rechts mit Rötung der Wange und nicht durchtastbarem Unterkieferrand, ausgehend von einem zerstörten unteren Molaren.
10.1.3 Osteomyelitis
왘 Definition
10.1.3 Osteomyelitis 왘 Definition. Die Osteomyelitis ist die eitrige Entzündung des Knochenmarkes. Nach Destruktion des Knochens entstehen im Röntgenbild erkennbare wolkige Aufhellungen.
Die Kieferosteomyelitis ist im Oberkiefer extrem selten, im Unterkiefer tritt sie als Folge von Zahnentfernungen, infizierten Zysten und Kieferfrakturen auf.
Die Osteomyelitis des Oberkiefers und die akute Unterkieferosteomyelitis sind selten. Am häufigsten ist die chronische Unterkieferosteomyelitis, die nach Zahnextraktionen oder operativen Zahnentfernungen auftritt. Außerdem kommen infizierte Zysten oder infizierte Kieferfrakturen mit Zähnen im Bruchspalt als Ursache infrage.
Klinik: Leitsymptome sind Schmerzen, Mundöffnungseinschränkung und Sensibilitätsstörungen des N. mentalis.
Klinik: Klinische Leitsymptome sind der wochen- bis monatelange Abstand vom chirurgischen Eingriff, Schmerzen, eine Mundöffnungsbehinderung und eine Gefühlsstörung im Ausbreitungsgebiet des N. mentalis (Unterlippe).
Diagnostik: Die Diagnostiksicherung erfolgt durch eine Knochenszintigraphie mit Technetium 99 (Abb. B-10.2).
Diagnostik: In der Röntgenpanoramaschichtaufnahme können Osteolysen, Sequester oder in Eiter schwimmende Knochenstücke (sog. Totenlade) gesehen werden. Eine Knochenszintigraphie mit Technetium 99 zeigt eine Mehranreicherung im entzündlich veränderten Gebiet (Abb. B-10.2).
Therapie: Ursachenbeseitigung, Dekortikation, Einlage von PMMA-Gentamicinketten.
Therapie: Die Therapie besteht in der Ursachenbeseitigung, der großzügigen chirurgischen Dekortikation bis auf gesunden, frisch blutenden Knochen. Die Einlage einer PMMA-Gentamicinkette, evtl. mit mehrfachem Wechsel, führt in den meisten Fällen zu einer Ausheilung der Knochenentzündung. Bei Säuglingen kann es zur hämatogen gestreuten Oberkieferosteomyelitis kommen. Durch die intraorale spontane Eröffnung mit Zahnkeimverlust wurde fälschlicherweise der Begriff „Zahnkeimosteomyelitis“ geprägt. Diese Erkrankungsbilder sind hochakute Erkrankungen des Kindes mit Fieber, Schüttelfrost, Schmerzen und Beteiligung der Orbita mit Protrusio bulbi und Lidödem (Abb. B-10.3). Die hochdosierte antibiotische Behandlung nach Keimspektrumanalyse ist hier die Therapie der Wahl.
Die Säuglingsosteomyelitits (sog. „Zahnkeimosteomyelitis“) ist eine hämatogen gestreute Oberkieferosteomyelitis mit Fieber, Schmerzen, Schüttelfrost, Protrusio bulbi und Lidödem. Therapie der Wahl ist hier die hochdosierte Antibiotikagabe (Abb. B-10.3).
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B 10.1 Entzündungen
B-10.2
1221
Unterkieferosteomyelitis
a a Unterkieferosteomyelitis mit wolkiger Strukturauflockerung und Osteolysen (?). b Knochenszintigraphie mit Technetium 99 zeigt massive Mehranreicherungen im Unterkiefer rechts und links (?), korrespondierend zu den Osteolysen. b
B-10.3
Oberkieferosteomyelitis
b
a
a Oberkieferosteomyelitis bei 6 Wochen altem Säugling durch hämatogene Streuung. b Intraoraler Befund. Schwellung, Rötung und Eiterbildung im Bereich der Zahnkeime des linken Oberkiefers.
10.1.4 Aktinomykose (s.a. S. 179) 왘 Definition. Diese Erkrankung kommt als zervikofaziale Aktinomykose im
10.1.4 Aktinomykose (s.a. S. 179)
왗 Definition
Hals-, Kiefer- und Gesichtsbereich vor. Erreger ist der in der Mundhöhle als Saprophyt vorkommende Actinomyces israelii (sog. Strahlenpilz), ein fakultativ pathogener Anaerobier, der früher den Pilzen zugeordnet wurde. Klinik: Klinisch tritt eine brettharte bläulich-livide Schwellung auf (Abb. B-10.4). Die meist nicht schmerzhafte, schwielige Entzündung breitet sich per continuitatem aus. Nach Einschmelzung kommt es meist zur Fistelbildung. Häufig sind Spontanperforationen nach extraoral zu sehen, wobei die Actinomycesdrusen als sog. „Schwefelkörnchen“ im Eiter schwimmen.
Klinik: Brettharte, bläulich-livide Schwellung (Abb. B-10.4). Die meist nicht schmerzhafte Entzündung breitet sich per continuitatem aus. Fistelbildung und Spontanperforation sind häufig.
Diagnostik: Diese kann nur durch mikrobiologische anaerobe Kulturverfahren gesichert werden. Histologisch zeigen sich charakteristische Drusen (sog. Schwefelkörnchen) im Granulationsgewebe.
Diagnostik: Durch mikrobiologisch anaerobe Kulturverfahren. Histologisch zeigen sich Drusen (sog. Schwefelkörnchen).
Therapie: Neben der großzügigen chirurgischen Eröffnung und lokalen Spülung mit H2O2 ist eine hochdosierte Penicillintherapie die Methode der Wahl. Die Antibiotikatherapie muss gegebenenfalls um die nach Keimspektrumanalyse
Therapie: Chirurgische Eröffnung, hochdosierte Penicillintherapie, H2O2-Spülung, antibiotische Therapie der Begleitflora.
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1222 B-10.4
B 10 Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
B-10.4
Aktinomykose Aktinomykose der rechten Wange mit bläulich livider Verfärbung und Sekretion.
getesteten Antibiotika erweitert werden. Da den Aktinomyzeten eigene gewebsauflösende Fermente (Hyaluronidase) fehlen, ist die Begleitflora zur Entzündungsausbreitung notwendig und muss entsprechend mitbehandelt werden. Nach Durchführung der oft mehrwöchigen Therapie ist in den meisten Fällen sekundär eine Narbenkorrektur erforderlich. 10.1.5 Speicheldrüsenentzündungen
10.1.5 Speicheldrüsenentzündungen
Glandula parotis
Glandula parotis
Ätiologie: Die Parotitis entsteht durch aufsteigende Infektionen, bei geringer Speichelsekretion des älteren Menschen oder seltener durch Speichelstau bei Sialolithiasis. Klinik: Typisch ist die extraorale Schwellung vor dem Ohr.
Ätiologie: Die eitrige Parotitis entsteht entweder durch aufsteigende Infektionen aus der Mundhöhle, bei älteren Patienten mit geringer Speichelsekretion oder seltener durch Speichelstau bei Sialolithiasis.
Therapie: Flüssigkeitszufuhr, VitaminC-Lutschtabletten. Bei Abszessbildung ggf. extraorale Inzision.
Therapie: Speichelanregende Lutschtabletten (Vitamin C) und große Flüssigkeitsmengen bringen im Regelfall die Entzündung wieder zur Ausheilung. Bei Abszessbildung muss ggf. von extraoral inzidiert werden.
Glandula submandibularis
Glandula submandibularis
Ätiologie: Entzündungen der Glandula submandibularis entstehen meist durch Gangstenose oder einen durch Speichelstein bedingten Speichelstau. Klinik: Die Schwellung tritt typischerweise bei Nahrungsaufnahme auf.
Ätiologie: Die Entzündung der Glandula submandibularis ist in den meisten Fällen durch einen Speichelstau, eine Gangstenose oder einen Speichelstein bedingt.
Diagnostik: Im entzündungsfreien Zustand kann eine Kontrastmitteldarstellung der Speichelgänge (Sialographie) durchgeführt werden (Abb. B-10.5).
Diagnostik: Im entzündungsfreien Zustand kann eine Kontrastmitteldarstellung der Speichelgänge (Sialographie) durchgeführt werden. Die Sonographie ist ebenfalls gut zur Speicheldrüsendiagnostik geeignet. Nur ca. die Hälfte der Speichelsteine sind im Röntgenbild darstellbar (Abb. B-10.5).
Differenzialdiagnostik: Metastase, Lymphom.
Differenzialdiagnostik: Metastase, Lymphom.
Therapie: Nach Darstellung eines Speichelsteines durch eine Sialographie erfolgt entweder eine Gangschlitzung und
Therapie: Nach Darstellung eines Speichelsteins mit einer Mundbodenübersichtsaufnahme kann der Speicheldrüsengang geschlitzt und der Stein entfernt werden, sofern sich dieser im distalen Anteil des Gangsystems befindet. Bei
Klinik: Die extraorale Schwellung vor dem Ohr ist typisch, das Ohrläppchen steht ab, aus dem Ductus parotideus entleert sich bei Druck auf die Drüse Eiter, N.-facialis-Schäden sind extrem selten.
Klinik: Die typischerweise bei der Nahrungsaufnahme auftretende submandibuläre Schwellung ist im Ausmaß wechselnd, teilweise wird schwallartig Speichelentleerung in die Mundhöhle beschrieben.
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B 10.2 Zysten
B-10.5
1223
Speichelsteindarstellung
a Sialographie (DSA-Technik) des Gangsystems der Glandula submandibularis rechts mit deutlicher Darstellung des Speichelsteins am Gangknie (?).
b Auch im Panoramaschichtbild ist dieser Speichelstein am Unterkieferrand erkennbar (?).
Speichelsteinen im Drüsenparenchym ist eine Drüsenexstirpation erforderlich. Eine Gangstenose führt zu einer Druckatrophie der Drüse, sodass diese entfernt werden sollte.
Speichelsteinentfernung oder das Entfernen der gesamten Drüse von extraoral. Eine durch eine Gangstenose atrophische Drüse wird ebenfalls entfernt.
10.2 Zysten
10.2
왘 Definition. Zysten sind epithelial ausgekleidete geschlossene Hohlräume, in
Zysten
왗 Definition
denen sich Zystenflüssigkeit oder eingedickte breiige Massen befinden. Durch Sekretion von Flüssigkeit oder durch Abschilferung von Epithelien nehmen sie langsam an Größe zu und können zu Gewebedestruktionen führen. Es werden Kieferzysten und Weichteilzysten unterschieden.
10.2.1 Kieferzysten
10.2.1 Kieferzysten
Zysten im Kieferknochen sind entweder odontogenen Ursprungs (odontogene Zysten) oder sie entwickeln sich unabhängig vom Zahnsystem (nichtodontogene Zysten). Die Klassifikation der WHO unterscheidet folgende Zystenformen: ■ radikuläre Zysten (entzündliche Zysten) ■ follikuläre Zysten (dysontogenetische Zysten) ■ Residualzysten ■ laterale parodontale Zysten ■ Gingivazysten.
Kieferzysten sind odontogen oder nicht odontogen (unabhängig vom Zahnsystem).
Im Panoramaschichtbild sind Zysten als rundliche Osteolysebereiche meist gut zu erkennen (Abb. B-10.6). In fortgeschrittenem Stadium kann es auch zu einer Auftreibung des Kieferknochens mit Ausdünnung der Kompakta bis hin zur Eindrückbarkeit (sog. Pergamentknistern) kommen. Mit fast 80 % ist die häufigste Zyste die radikuläre Zyste, die von einem devitalen Zahn ausgeht, mit diesem in Zusammenhang steht und Folge einer chronischen apikalen Parodontitis ist. Sie entsteht aus Resten des Epithels der Wurzelhaut. Weiter können Zysten im Zusammenhang mit nicht durchgebrochenen Zähnen stehen. Follikuläre Zysten entstehen aus dem Zahnsäckchen eines Zahnkeimes. Residualzysten entwickeln sich aus zurückgelassenen Epithelresten anderer Zysten (radikulärer und follikulärer Zysten).
WHO-Klassifikation: ■ radikuläre Zysten ■ follikuläre Zysten ■ Residualzysten ■ laterale parodontale Zysten ■ Gingivazysten.
Im Röntgenbild stellen sie sich als rundliche, scharf begrenzte, teilweise mehrkammerige osteolytische Bereiche (Abb. B-10.6) dar. Die radikuläre Zyste ist mit 80 % die häufigste Zyste, ausgehend von einem devitalen Zahn.
Follikuläre Zysten entstehen aus dem Zahnsäckchen von Zahnkeimen. Residualzysten entstehen aus Resten unvollständig entfernter Zysten.
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1224 B-10.6
B 10 Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
B-10.6
Follikuläre Kieferzyste Panoramaschichtbild mit follikulärer Zyste bei horizontal verlagertem Zahn 48 (?) und perikoronale Zyste bei halbverlagertem Zahn 38 (Doppelpfeil).
Eine Sonderform ist die rezidivfreudige Keratozyste, die als Teil des Gorlin-Goltz-Syndroms (= Basalzellnävus-Kieferzystensyndrom) auftritt.
Eine Sonderform ist die Keratozyste, die mit Hornlamellen gefüllt, rezidivfreudig ist und als Teil des Gorlin-Goltz-Syndroms (Basalzellnävus-Kieferzystensyndrom) gemeinsam mit Hautbasaliomen, einer verkalkten Falx cerebri und Skelettfehlbildungen (Gabelrippen, Blockwirbelbildung u. a.) auftritt.
Differenzialdiagnostik: Ameloblastom, osteolytische Tumoren, Metastasen.
Differenzialdiagnostik: Ameloblastom, osteolytische Tumoren, Metastasen.
Therapie: Zysteneröffnung (Zystostomie) und Zystektomie (Zystenentfernung).
Therapie: Die Therapie umfasst primär eine Zysteneröffnung (Zystostomie) und -entlastung und dadurch den Beginn der Ausheilung. In den meisten Fällen wird jedoch der gesamte Epithelbalg entfernt (Zystektomie). Die knöchernen Defekte füllen sich wieder mit Knochen auf.
10.2.2 Weichteilzysten
10.2.2 Weichteilzysten
Weichteilzysten entstehen als Reste des Ductus thyreoglossus als mediane Halszyste oder als Fehlbildung der 2. Schlundtasche als laterale Halszyste. Die Ranula ist eine Speichelretentionszyste des Ductus submandibularis im Mundboden (Abb. B-10.7).
Zysten des Weichgewebes entstehen z. B. als Fehlbildungen und Reste des Ductus thyreoglossus als mediane Halszyste oder als Fehlbildungen der 2. Schlundtasche als laterale Halszysten. Im Gangsystem der Speicheldrüsen kann eine Abflussverlegung zu Speichelstau führen. Die häufigste ist die im Bereich des Mundbodens im Ductus submandibularis gelegene Ranula (Fröschleingeschwulst, Abb. B-10.7), die eingedickten schleimigen Inhalt enthält.
Therapie: Zysteneröffnung, ggf. Schlitzung des Speicheldrüsenausführungsgangs.
Therapie: Auch diese Zysten werden eröffnet, ggf. wird der Speicheldrüsenausführungsgang geschlitzt. Zysten der Kieferhöhlenschleimhaut sind im Nasennebenhöhlenübersichtsbild erkennbare halbkugelige Vorwölbungen und in vielen Fällen Nebenbefunde. Eine Therapie ist nur bei Beschwerden oder im Zusammenhang mit devitalen Zähnen des Oberkiefers erforderlich. Dermoid- und Epidermoidzysten entstehen aus bei der Embryogenese in die Tiefe versprengtem Hautepithel. Sie können auch traumatisch in die Tiefe verlagert werden oder sie entstehen durch Retention der Talgdrüsen. Sie kommen im Mundboden oder im Kinnbereich vor und müssen vollständig entfernt werden.
Dermoid- oder Epidermoidzysten entstehen aus versprengtem Hautepithel oder durch Retention der Talgdrüsen. Sie kommen im Mundboden und Kinnbereich vor und müssen vollständig entfernt werden.
B-10.7
B-10.7
Ranula des Ductus submandibularis im Mundboden links
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B 10.3 Gutartige Tumoren
1225
10.3 Gutartige Tumoren
10.3
Im Bereich der Schleimhaut und Haut kommen Lipome vor, die verschieblich und prallelastisch sind. Sie zeigen langsames Wachstum und sollten entfernt werden. Intraoral treten Papillome und Fibrome auf, die häufig reaktiv als Reiz auf eine schlechtsitzende Prothese entstehen. Sind sie durch mechanischen Reiz ulzeriert, kann die Verwechslung mit einem Plattenepithelkarzinom vorkommen.
In Haut und Schleimhaut kommen Lipome, Papillome und Fibrome vor, intraoral am häufigsten Reizfibrome bei schlecht sitzenden Prothesen. Cave: Verwechslung mit Plattenepithelkarzinom der Mundhöhle.
10.3.1 Weichgewebetumoren
10.3.1 Weichgewebetumoren
Lymphangiom
Lymphangiom
Im Haut- und Schleimhautbereich zeigt sich das Lymphangiom als zystische, bläulich schimmernde, häufig angeborene Geschwulst. Es kann zu rascher Größenzunahme kommen, sodass die operative Intervention notwendig ist. Schwierigkeiten macht hier häufig die auch mikroskopisch nur schwere Unterscheidbarkeit vom Lymphangiom zum normalen Gewebe.
Das Lymphangiom ist ein zystischer, bläulich schimmernder, häufig angeborener Tumor. Es kann zu rascher Größenzunahme kommen, sodass die operative Intervention nötig ist.
Hämangiom
Hämangiom
Hämangiome sind zumeist angeborene, blutgefäßreiche, bläulich bis rötliche Tumoren im Haut- und Schleimhautbereich. Wenn auch viele angeborene Hämangiome sich im ersten halben Lebensjahr zurückbilden, kommt es in einigen Fällen zu einem unkontrollierbaren raschen Wachstum, sodass ein Hämangiom eines Neugeborenen immer behandelt werden sollte. Jede Therapieform, die die Regression des Tumors anstößt, ist sinnvoll. Chirurgische Therapie, Kryotherapie und die interstitielle Therapie mit dem Diodenlaser oder dem Neodym-YAG-Laser haben sich bewährt, um die Rückbildung des Tumors einzuleiten (Abb. B-10.8). Größere Tumoren müssen operativ angegangen werden, evtl. ist eine mikrochirurgische Embolisation des zuführenden Gefäßes vorher notwendig.
Hämangiome sind meist angeborene, blutgefäßreiche, bläulich bis rötliche Tumoren. Eine Rückbildung im ersten halben Lebensjahr ist möglich, jedoch auch rasch überschießendes Wachstum (Abb. B-10.8). Das Hämangiom des Neugeborenen sollte immer behandelt werden. Chirurgische Therapie, Kryotherapie und Lasertherapie leiten die Regression des Tumors ein. Größere Tumoren müssen operativ angegangen werden.
Epulis
Epulis
Die Epulis ist eine mit dem Zahnhalteapparat verbundene Überschussbildung im Zahnfleischbereich, häufig ein der Gingiva aufsitzender Tumor. Die rezidivfreudigen Tumoren müssen ggf. unter Mitnahme benachbarten Knochens entfernt werden (Abb. B-10.9).
Ein am Gingivarand meist gestielt aufsitzender rezidivfreudiger Tumor, der chirurgisch entfernt werden muss (Abb. B-10.9).
B-10.8
Kapillares Hämangiom
a Kapillares Hämangiom der Wange rechts bei 6 Monate altem Säugling.
Gutartige Tumoren
B-10.8
b Dreieinhalb Jahre später ist das Hämangiom nach zweimaliger Nd-YAG-Lasertherapie fast vollständig verschwunden.
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1226 B-10.9
B 10 Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
B-10.9
Epulis im Unterkiefer Epulis im Unterkiefer, dem Alveolarfortsatz Regio 42/43 aufsitzend (?).
10.3.2 Knochentumoren
10.3.2 Knochentumoren
Odontogene Tumoren
Odontogene Tumoren
Ameloblastom
Ameloblastom
Von der Zahnanlage ausgehender, langsam wachsender, aggressiver, rezidivfreudiger Tumor ohne Metastasierung. Häufigste Lokalisation ist der Kieferwinkel. Im Röntgenbild mehrkammerige zystische Darstellung (Abb. B-10.10).
Das Ameloblastom ist ein langsam wachsender, aggressiver und rezidivfreudiger Tumor ohne Metastasierung, der von einer Zahnanlage ausgeht. Häufigste Lokalisation ist der Kieferwinkel. Die zystischen Veränderungen erscheinen im Röntgenbild wolkig und mehrkammerig (Abb. B-10.10).
Differenzialdiagnostik: Keratozyste, osteolytischer Knochentumor.
Differenzialdiagnostik: Keratozyste, osteolytischer Knochentumor.
Therapie: Resektion im Gesunden, bei großer Ausdehnung Unterkieferteilresektion erforderlich.
Therapie: Die Therapie besteht in einer Resektion im Gesunden. Bei großer Ausdehnung kann eine Unterkieferteilresektion notwendig werden.
Odontom
Odontom
Die häufigsten odontogenen Tumoren sind die Odontome. Das komplexe Odontom besteht aus unregelmäßig strukturierten Zahnhartgewebskonglomeraten. Das zusammengesetzte Odontom enthält viele kleine zahnartige Gebilde (Abb. B-10.11). Therapeutisch erfolgt die Kürettage.
Die häufigsten odontogenen Tumoren sind die Odontome. Häufig fallen sie klinisch wegen der Durchbruchstörung eines bleibenden Zahnes oder wegen Zahnverlagerungen auf. Das komplexe Odontom besteht aus unregelmäßig strukturierten Zahnhartgewebskonglomeraten, das zusammengesetzte Odontom enthält häufig viele kleine zahnartige Gebilde (Abb. B-10.11). Die Kürettage ist als Therapie ausreichend.
왘 Merke
왘 Merke. Odontome führen häufig zu Zahndurchbruchstörungen oder Zahnverlagerungen.
Osteom
Osteom
Torus palatinus und Torus mandibulae sind harmlose Überschussbildungen des Kieferknochens. Eine Therapie ist nicht notwendig.
Osteome finden sich entweder als sog. Torus palatinus in der Gaumenmitte oder als Torus mandibulae häufig symmetrisch an der Innenseite des Unterkiefers im
B-10.10
B-10.10
Ameloblastom Gekammertes Ameloblastom im linken Kieferwinkel (?).
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B 10.4 Bösartige Tumoren
B-10.11
1227
Odontom
a Zusammengesetzes Odontom im linken Oberkiefer (?), Panoramaschichtaufnahme.
b Das Odontom besteht aus vielen kleinen, teilweise vollständigen Zähnchen oder Zahnanteilen.
Mundboden. Sie stellen harmlose Überschussbildungen des Kieferknochens dar. Eine Therapie dieser knöchernen, im Röntgenbild gut darstellbaren Veränderungen ist nicht notwendig.
10.3.3 Speicheldrüsentumoren
10.3.3 Speicheldrüsentumoren
Adenome
Adenome
Monomorphe und pleomorphe Adenome sind die häufigsten Speicheldrüsentumoren und meist in der Glandula parotis lokalisiert. Es handelt sich um verschiebliche, pralle, mit der Haut nicht verbackene Knoten, die teilweise um den Unterkiefer herum nach innen wachsen und so von außen in ihrer wahren Größe nicht erkennbar sind (Eisbergtumor). Hier kann mit der Sonographie oder der MRT die wahre Tumorgröße dargestellt werden. Als Therapie muss der Tumor vollständig unter Schonung des N. facialis unter dem Operationsmikroskop entfernt werden. Die dieser Tumorform häufig zugeschriebenen Rezidive sind die Folge unvollständig entfernter Primärtumoren.
Monomorphe und pleomorphe Adenome sind die häufigsten Speicheldrüsentumoren. Häufigster Sitz ist die Glandula parotis. Die Diagnostik erfolgt durch Sonographie und MRT. Als Eisbergtumoren werden Adenome bezeichnet, die um den Unterkiefer herum nach innen bis zum weichen Gaumen vorwachsen. Therapeutisch erfolgt die vollständige Tumorentfernung unter Schonung des N. facialis. Häufig entstehen Rezidive durch unvollständige primäre Exstirpation.
10.4 Bösartige Tumoren
10.4
10.4.1 Haut- und Schleimhauttumoren
10.4.1 Haut- und Schleimhauttumoren
Leukoplakie und Mundhöhlenkarzinom
Leukoplakie und Mundhöhlenkarzinom
왘 Definition. Die Leukoplakie ist ein nicht abwischbarer weißer Fleck, der keiner
Bösartige Tumoren
왗 Definition
anderen Erkrankung zuzuordnen ist (WHO-Definition). Sie ist häufig eine Vorstufe eines Plattenepithelkarzinoms der Mundschleimhaut (Abb. B-10.12). Risikolokalisationen sind Zungenrand, Mundboden und Alveolarfortsatz. Ätiologie: Ätiologische Faktoren sind das Rauchen, Alkohol und schlechte Mundhygiene. 왘 Merke. Jedes innerhalb von 3 Wochen nach Ausschalten des Reizes nicht
Ätiologie: Rauchen, Alkohol, schlechte Mundhygiene. 왗 Merke
abheilende Ulkus ist dringend verdächtig auf ein Karzinom und muss durch eine Biopsie abgeklärt werden. Diagnostik: Eine Stanzbiopsie sichert hier die Diagnostik: Die Einteilung der Mundhöhlenkarzinome erfolgt nach dem TNM-Schema nach Tumorgröße, Lymphknotenbefall und dem Auftreten von Metastasen.
Diagnostik: Sie erfolgt durch Stanzbiopsie.
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B 10 Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
1228 B-10.12
Plattenepithelkarzinom
a Plattenepithelkarzinom des rechten Zungenrandes mit zentralem Ulkus und aufgeworfenem Tumorrand.
B-10.13
b Plattenepithelkarzinom Mundboden links mit zentralem Ulkus, schmerzlos, der Tumorrand ist auch hier aufgeworfen.
Lippenkarzinom
a Präoperativ ulzeröser Befund an der Unterlippe.
b Intraoperativer Befund.
c Gutes ästhetisches Ergebnis ein Jahr postoperativ.
Therapie: Die Therapie ist chirurgisch, evtl. begleitend Chemotherapie und Radiatio.
Therapie: Die chirurgische Tumorentfernung mit Sicherheitsabstand im Gesunden ist die Methode der Wahl. Begleitende Maßnahmen können eine strahlentherapeutische Vor- oder Nachbehandlung sowie eine Chemotherapie sein. Bei Befall des Kiefers kann eine Rekonstruktion des Knochens mit Knochentransplantation von Rippe, Beckenkamm, Schulterblatt oder Fibula erfolgen. Zum Weichgewebeersatz eignen sich lokale Verschiebeplastiken, myokutane Lappen (M. pectoralis major) oder mikrovaskulär anastomosierte Transplantate. Diese eignen sich besonders gut zum Ersatz größerer Teile der Zunge, des Mundbodens oder der Innenwange. Gesichtshautkarzinome (Plattenepithelkarzinome) fallen durch Ulzeration auf und entstehen häufig auf dem Boden einer vorgeschädigten Haut durch lange dauernde Sonneneinstrahlung. Das Karzinom muss exzidiert, der Defekt durch lokale Mobilisation oder mit Lappenplastiken gedeckt werden.
Prognose: Die 5-Jahres-Überlebensrate bei Mundhöhlenkarzinomen beträgt zwischen 50 und 60 %. Das Lippenkarzinom tritt zu 90 % im Bereich der Unterlippe auf. Bei kleinen Tumoren hat die Bestrahlung ein gleich gutes Ergebnis wie die chirurgische Exzision.
Prognose: Die Therapie im frühen Stadium verbessert die Prognose erheblich. Die 5-Jahres-Überlebensrate bei Mundhöhlenkarzinomen beträgt zwischen 50 und 60 %. Im Bereich der Lippen ist bei kleinen Tumoren die Prognose bei chirurgischer Therapie oder Bestrahlung annähernd gleich.
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B 10.4 Bösartige Tumoren
Basaliome
1229 Basaliome
왘 Definition. Es handelt sich um lokal destruktiv wachsende, aber nicht metas-
왗 Definition
tasierende (semimaligne) Tumoren, die bevorzugt im höheren Lebensalter und auch im Zusammenhang mit Syndromen (Gorlin-Goltz-Syndrom) auftreten. Klinik: Basaliome treten zu über 90 % am Kopf auf. Sie fallen durch kleine knotige Vorwölbungen, typischerweise mit Teleangiektasien und perlschnurartig glänzendem Randwall und zentraler Eindellung, nässender Erosion oder pigmentierte Anteile auf.
Klinik: Basaliome finden sich meistens am Kopf. Sie fallen durch kleine knotige Vorwölbungen mit Teleangiektasien und perlschnurartigem Randwall, nässende Erosionen oder pigmentierte Anteile auf.
Therapie: Die chirurgische Entfernung mit geringem Sicherheitsabstand (2 – 3 mm) ist hier angezeigt (Abb. B-10.14). Nicht nur bei vorbehandelten Rezidivbasaliomen, sondern bei jedem Basaliom muss so lange nachoperiert werden, bis der Tumor histologisch im Gesunden entfernt ist, Ausläufer bis zu 19 mm werden beschrieben. Bei älteren Patienten und in einigen Gesichtsbereichen (z. B. Augenlider) kann eine Bestrahlung sinnvoll sein.
Therapie: Die Therapie erfolgt chirurgisch (Abb. B-10.14). Jedes Basaliom muss so lange nachoperiert werden, bis es vollständig entfernt ist. Bei älteren Patienten und Lidbasaliomen kann die Bestrahlung sinnvoll sein.
Prognose: Eine 5-Jahres-Heilungsrate von 4 90 % ist möglich, Rezidive sind selten, können jedoch bis zu 10 Jahren nach der Primäroperation auftreten.
Prognose: 5-Jahres-Heilungsrate 4 90 %, Rezidive bis zu 10 Jahren nach Primäroperation möglich (selten). Malignes Melanom
Malignes Melanom 왘 Definition. Das maligne Melanom ist der bösartigste Hauttumor und kommt
왗 Definition
als sog. Lentigo-maligna-Melanom (LMM), als superfiziell spreitendes Melanom (SSM) oder als noduläres malignes Melanom (NMM) vor. Diagnostik: In der Diagnostik der Melanome ist die Auflichtmikroskopie eine gute Hilfe zur präoperativen Diagnostikfestlegung. 왘 Merke. Bei Verdacht auf ein malignes Melanom erfolgt immer eine Exzision,
Diagnostik: u.a. Auflichtmikroskopie
왗 Merke
keine Biopsie! Therapie: Die operative Therapie ist die einzige erfolgversprechende Behandlung und richtet sich nach Eindringtiefe des Tumors (Index nach Breslow). Das Lentigo-maligna-Melanom und das Melanom mit geringer Eindringtiefe haben eine gute Prognose, sie müssen jedoch mit ca. 1 – 2 cm im Gesunden reseziert werden. B-10.14
Therapie: Die operative Therapie ist allein erfolgversprechend, die Prognose ist abhängig von der Eindringtiefe des Tumors (Breslow-Index).
Basaliom
a Basaliom (?) am rechten Nasenabgang bei 31-jähriger Patientin.
b Der Tumor wurde exzidiert, der entstehende Defekt durch einen Gleitlappen von der Stirn gedeckt.
c Ein Jahr nach der Operation ist das ästhetische Ergebnis gut.
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1230
B 10 Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
Das Lentigo-maligna-Melanom und das Melanom mit geringer Eindringtiefe haben eine gute Prognose: Ggf. ist eine Neck Dissection angezeigt.
Bei einer Eindringtiefe 4 0,75 mm ist eine operative Therapie mit Resektion 2 – 3 cm im Gesunden zu planen. Der entstehende Defekt muss durch ausgedehnte Lappenplastiken oder durch mikrochirurgischen Gewebetransfer durchgeführt werden. Ggf. ist eine Halslymphknotenausräumung (Neck Dissection) angezeigt.
Prognose: Bei Lymphknotenbefall und Tumoren mit einer Dicke von 4 3 mm beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate wenig mehr als 30 %.
Prognose: Wenn Lymphknoten befallen sind oder der Tumor dicker als 3 mm ist, beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate nur wenig mehr als 30 %.
10.4.2 Speicheldrüsentumoren
10.4.2 Speicheldrüsentumoren
왘 Definition
왘 Definition. Vom Speicheldrüsengangsystem ausgehende Plattenepithelkarzi-
nome, adenoid-zystische Karzinome und Adenokarzinome sind die häufigsten bösartigen Speicheldrüsentumoren. Zu den selteneren Malignomen zählen Mukoepidermoidtumoren, Azinuszelltumoren und Karzinome in pleomorphen Adenomen. Diese Tumoren können in sämtlichen Speicheldrüsen vorkommen. Klinik: Bösartige Tumoren der Glandula parotis verursachen frühzeitig eine Fazialisparese.
Klinik: Bösartige Tumoren im Bereich der Glandula parotis verursachen als Frühsymptom häufig eine Fazialisparese.
Therapie: Entfernung der gesamten Drüse einschließlich N. facialis, anschließend Bestrahlung.
Therapie: Bei bösartigen Tumoren der Speicheldrüsen muss die gesamte Drüse unter Opferung des N. facialis entfernt werden. Eine Bestrahlung wird in vielen Fällen angeschlossen, sekundär kann dann als rekonstruktive Maßnahme eine Fazialisrekonstruktion oder eine Muskelverlagerungsplastik (Cross-face) durchgeführt werden. Als Nerventransplantate sind der N. suralis oder der N. auricularis magnus geeignet.
10.4.3 Knochentumoren
10.4.3 Knochentumoren
Osteosarkome im Kieferbereich sind sehr selten.
Osteosarkome im Kieferbereich sind sehr selten.
Sensibilitätsstörungen des N. infraorbitalis oder N. alveolaris inferior (sog. Vincent Zeichen) sind hochverdächtig auf einen bösartigen Knochentumor.
Sarkome können sich als osteoblastische oder osteoklastische Formen darstellen. Eine Sensibilitätsstörung des N. infraorbitalis (Oberkiefer) oder des N. alveolaris inferior (sog. Vincent Zeichen) ist immer hochverdächtig auf ein Malignom, sodass hier eine intensive Diagnostik erfolgen muss.
10.5
Gesichtsverletzungen
Die Gurtpflicht hat die Häufigkeit von Gesichtsverletzungen erheblich reduziert.
Gesichtsschädelverletzungen haben eine gute Heilungstendenz, die primäre Versorgung zeigt die besten Ergebnisse.
왘 Merke
Zur Diagnostik muss eine okzipitomentale und eine axiale Schädelaufnahme durchgeführt werden, ggf. eine CT.
10.5 Gesichtsverletzungen Verletzungen des Gesichtsschädels haben nach Einführung der Gurtpflicht für Pkw-Insassen erheblich abgenommen. In letzter Zeit ist jedoch ein vermehrtes Auftreten bei Fahrradfahrern und Fußgängern zu beobachten. Aufgrund der guten Durchblutung des Schädels kommt es einerseits zu starken Blutungen, andererseits auch sehr schnell zu Schwellungen enormen Ausmaßes. Gesichtsschädelverletzungen haben eine gute Heilungstendenz, die besten Ergebnisse werden nach primärer Versorgung gesehen. Bei Mitverletzung der Augen, der Schädelbasis, der Stirnhöhle sowie des Siebbeins ist eine Hinzuziehung des Ophthalmologen, des Neurochirurgen und des Hals-Nasen-Ohrenarztes sinnvoll. 왘 Merke. Da auch wenig eindrucksvolle Weichteilverletzungen ausgedehnte Gesichtsschädelfrakturen verbergen können, sind immer Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen notwendig, danach ggf. eine CT.
Die Schädelaufnahme posterior/anterior ist hier nicht geeignet, vielmehr muss eine Aufnahme im okzipitomentalen Strahlengang (Nasennebenhöhlenaufnahme) und eine axiale Aufnahme (Henkeltopf) durchgeführt werden. Bei unklaren Befunden folgt eine koronare CT-Untersuchung.
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B 10.5 Gesichtsverletzungen
B-10.15
1231
Gesichtsschädelfraktur
a 35-jähriger Patient, Z.n. Verkehrsunfall. Nach Abschwellen fällt die Anästhesie des N. infraorbitalis rechts auf (schraffierter Bereich).
b Die Röntgenaufnahme Schädel okzipitomental zeigt Frakturlinien am Orbitaboden, an der Sutura frontozygomatica und an der Crista zygomatico alveolaris (?).
c 6 Monate nach der Operation wird die Miniosteosyntheseplatte über den Zugang in der Augenbraue entfernt. Die Kieferhöhle ist wieder gut belüftet.
왘 Klinischer Fall. Ein 35-jähriger Patient wird nach einem Verkehrsunfall im Krankenhaus aufgenommen. Die Schädelaufnahmen im a.-p. Strahlengang zeigen keine Fraktur, das Hämatom auf der rechten Seite wird als traumatisches Hämatom bewertet. Nach Abschwellen nach 8 Tagen fällt erstmals eine Gefühlsstörung des N. infraorbitalis rechts auf. Nach Überweisung und okzipitomentaler Schädelaufnahme zeigt sich hier eine Jochbeinfraktur rechts (Abb. B-10.15).
왗 Klinischer Fall
10.5.1 Weichteilverletzungen
10.5.1 Weichteilverletzungen
Die gute Durchblutung im Gesichtsbereich schafft günstige Voraussetzungen für eine primäre Wundheilung. Nur devitales Gewebe muss exzidiert werden, eine generelle Wundrandausschneidung ist nicht notwendig. Eine primäre Lappenplastik wird nur bei nicht infizierten Verletzungen durchgeführt. Bei größeren Defekten erfolgt eine primäre adaptierende Wundversorgung, spätere Rekonstruktionen werden dann mit gestielten und freien Lappen oder auch durch mikrochirurgisch anastomosierte Transplantate durchgeführt. Vor jeder Wundversorgung ist eine sorgfältige Wundreinigung durchzuführen. Eingesprengte Fremdkörper müssen sorgfältig, ggf. unter dem Operationsmikroskop, entfernt werden. Oberflächliche Hautabschürfungen können mit einer Zahnbürste und H2O2, 3 %ig, gereinigt werden. Generell wird im Gesicht atraumatisches Nahtmaterial der Stärke 5/0 und 6/0 verwendet.
Erforderlich ist nur die Exzision von devitalem Gewebe.
10.5.2 Gesichtsschädelfrakturen
10.5.2 Gesichtsschädelfrakturen
Mittelgesichtsfraktur
Mittelgesichtsfraktur
왘 Definition. Die klassischen Mittelgesichtsfrakturen werden nach LeFort I, II
Primäre Lappenplastiken werden nur bei nicht infizierten Verletzungen durchgeführt. Bei größeren Defekten erfolgt eine primäre adaptierende Wundversorgung, Rekonstruktionen erfolgen sekundär. Sorgfältige Wundreinigung (Mikroskop) ist für eine ästhetisch gute Wiederherstellung wichtig.
왗 Definition
und III eingeteilt. Dabei kommt es zur Lösung des Oberkiefers vom Mittelgesicht (LeFort I) bis zum Abriss des gesamten Gesichtsschädels vom Hirnschädel (LeFort III) (Abb. B-10.16).
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B 10 Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
1232 B-10.16
Einteilung der Mittelgesichtsfrakturen nach LeFort
B-10.17
Befunde bei Mittelgesichtsfraktur
b
c a
d
a 30-jähriger Patient mit LeFort-III-Fraktur. Beidseitiges orbitales Hämatom, Nasenplatzwunde und diskret verlängertes Mittelgesicht. Beachte die geringe Weichteilbeteiligung. b Leitsymptom einer Mittelgesichtsfraktur ist die Okklusionsstörung mit frontal offenem Biss. c Das koronare CT zeigt Einblutungen beider Kieferhöhlen (Sternchen) sowie Frakturlinien in der LeFort-lll- und LeFort-l-Ebene (?). d LeFort-II-Fraktur (Pfeil) und Unterkiefermedianfraktur (Doppelpfeil) im 3D-CT.
Klinik: Leitsymptom aller Mittelgesichtsfrakturen ist die Okklusionsstörung. Dazu treten Monokel- und Brillenhämatome, Doppelbilder und Bulbusmotilitätsstörungen auf (Abb. B-10.17).
Klinik: Leitsymptom aller Mittelgesichtsfrakturen ist der gestörte Zusammenbiss der Zähne (Okklusionsstörung). Daneben kommt es bei der LeFort-II- und der LeFort-III-Fraktur durch den Frakturverlauf innerhalb der Orbita zu einer Mitbeteiligung der Bulbusbeweglichkeit und zu Einblutungen mit Monokel- und Brillenhämatomen und Einblutungen in die Kieferhöhlen (Abb. B-10.17).
Diagnostik: Röntgenologische Zeichen von Mittelgesichtsfrakturen sind Spiegelbildung (Abb. B-10.18) und Stufenbildung an der lateralen Orbitawand, der Crista zygomaticoalveolaris und am Infraorbitalrand.
Diagnostik: Das röntgenologische Zeichen einer Einblutung nach Mittelgesichtsfrakturen ist die Spiegelbildung in der okzipitomentalen Schädelaufnahme (Abb. B-10.18) sowie Stufenbildung an der lateralen Orbitawand, der Crista zygomaticoalveolaris und am Infraorbitalrand. CT-Aufnahmen mit 3-D-Datenaufbereitung sind eine gute diagnostische Hilfe.
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B 10.5 Gesichtsverletzungen
B-10.18
Spiegelbildung bei Hämatosinus
1233 B-10.18
Schädelröntgenaufnahme okzipitomental mit Spiegelbildung beider Kieferhöhlen als Zeichen eines Hämatosinus bei Mittelgesichtsfraktur.
Therapie: Bei der Therapie erfolgt nach mandibulomaxillärer Immobilisation über Drahtschienen und Gummizüge eine Miniplatten- oder Mikroplattenosteosynthese im Verlauf der Frakturlinien, sodass nach stabiler Frakturversorgung eine sofortige postoperative Mobilisation möglich ist. Ziel ist der ungestörte Zusammenbiss und die Wiederherstellung der Gesichtsästhetik.
Therapie: Mandibulomaxilläre Drahtverschnürung und anschließend Plattenosteosynthese im Verlauf der Frakturlinien.
Jochbeinfraktur
Jochbeinfraktur
Frakturen des Jochbeins treten als Frakturen mit oder ohne Dislokation auf. Da in allen Fällen die Orbitawände mitbetroffen sind, ist eine Mitbetreuung durch den Augenarzt unerlässlich.
Jochbeinfrakturen betreffen immer die Orbitawände mit.
Klinik: Leitsymptome der Jochbeinfraktur sind die Hypästhesie im Bereich des N. infraorbitalis, die Bulbusmotilitätsstörung und eine Mundöffnungsbehinderung durch eine Bewegungshemmung des Proc. muscularis des Unterkiefers durch den verschobenen Jochbogen. Weiterhin zeigt sich eine Abflachung der typischen Jochbeinprominenz und eine Stufenbildung am Infraorbitalrand und der Crista zygomaticoalveolaris. Eventuell kommt es zur Ausbildung eines Monokelhämatoms (Abb. B-10.15).
Klinik: Die funktionelle Trias der Jochbeinfraktur ist die Sensibilitätsstörung des N. infraorbitalis, die Bulbusmotilitätsstörung und die Mundöffnungsbehinderung. Des Weiteren zeigt sich eine Abflachung der Jochbeinprominenz und eine Stufenbildung an den Bruchlinien, evtl. auch ein Monokelhämatom (Abb. B-10.15).
Therapie: Isolierte Jochbogenfrakturen können durch eine transbukkale Reposition mit einem Einzinker-Haken gestellt werden. Jochbeinfrakturen werden nach Reposition mit einem Knochenhaken mit einer Miniplatten- oder Mikroplattenosteosynthese versorgt. Falls eine Orbitabodenbeteiligung mit Defekt vorliegt, erfolgt hier im gleichen Eingriff eine Orbitabodenrekonstruktion mit resorbierbaren Folien (PDS-Folie).
Therapie: Nach transbukkaler Einzinkerreposition erfolgt die Miniplatten- oder Mikroplattenosteosynthese. Orbitawände werden mit resorbierbaren Folien (PDS) wiederhergestellt.
Orbitabodenfraktur
Orbitabodenfraktur
Isolierte Orbitabodenfrakturen (Blow-out-Frakturen) entstehen durch stumpfe Krafteinwirkungen auf den Bulbus. Nach Fraktur des Orbitabodens an seiner dünnsten Stelle erfolgt ein Weichgewebeprolaps in die Kieferhöhle und führt so zum Leitsymptom des „hängenden Tropfens“. Dieser „hängende Tropfen“ kann in der okzipitomentalen Schädelaufnahme gesehen werden, in unklaren Fällen ist eine koronare Computertomographie notwendig (Abb. B-10.19), eventuell mit 3-D-Darstellung. Bulbusmotilitätsstörungen mit Doppelbildern und Hebungseinschränkung können primär durch ein Hämatom ausgeglichen sein und auch noch nach 7 – 10 Tagen auftreten.
Isolierte Orbitabodenfrakturen (Blow-outFrakturen) entstehen durch stumpfe Krafteinwirkung auf den Bulbus. Weichgewebe prolabiert in die Kieferhöhle (hängender Tropfen). Der „hängende Tropfen“ kann in der okzipitomentalen Schädelaufnahme gesehen werden (Abb. B-10.19). Bulbusmotilitätsstörungen können auch erst nach 7 – 10 Tagen auftreten.
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B 10 Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
1234 B-10.19
B-10.19
Orbitabodenfraktur Hängender Tropfen in der koronaren CTSchicht als Zeichen einer isolierten Orbitabodenfraktur (Blow-out-Fraktur, ?).
왘 Merke
왘 Merke. Jedes Monokelhämatom ist verdächtig für eine Orbitaboden- oder Jochbeinfraktur.
Unterkieferfrakturen
Unterkieferfrakturen
Unterkieferkörperfrakturen
Unterkieferkörperfrakturen
Unterkieferfrakturen entstehen im Bereich von Schwachstellen wie retinierten Zähnen, Zysten, Foraminae u. a.
Frakturen des Unterkiefers entstehen häufig im Bereich vorhandener Schwachstellen wie verlagerte Zähne, Zysten oder im Bereich des Foramen mentale.
Diagnostik: Neben einer Schädelübersichtsaufnahme muss eine Panoramaschichtaufnahme angefertigt werden.
Diagnostik: Häufig sind sie bereits auf Röntgenübersichtsaufnahmen des Schädels zu erkennen; bei einem Verdacht auf eine Unterkieferfraktur muss zusätzlich eine Panoramaschichtaufnahme angefertigt werden.
Klinik: Okklusionsstörung mit Stufenbildung in der Zahnreihe, abnorme Beweglichkeit, linguales Hämatom, Gingivaeinrisse, Sensibilitätsstörung im Bereich des N. mentalis (Abb. B-10.20).
Klinik: Klinische Zeichen sind im bezahnten Kiefer die Okklusionsstörung mit Stufenbildung in der Zahnreihe (Abb. B-10.20), die abnorme Beweglichkeit und das linguale Hämatom. Auch Einrisse der Gingiva oder eine Sensibilitätsstörung im Ausbreitungsgebiet des N. mentalis können Hinweise für eine Fraktur sein.
B-10.20
Unterkieferfraktur
b
a a 23-jährige Patientin nach Sturz aufs Kinn. Klinische Frakturzeichen sind der Einriss der marginalen Schleimhaut, die Diastase zwischen den Zähnen 33 und 32 sowie die Okklusionsstörung (?). b Das Panoramaschichtbild zeigt den Frakturverlauf der Unterkieferfraktur paramedian links (?). c Nach Miniplattenosteosynthese ist die Unterkieferkontinuität wiederhergestellt.
c
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B 10.5 Gesichtsverletzungen
B-10.21
Konservative Frakturbehandlung bei Unterkieferfraktur
1235 B-10.21
Konservative Frakturbehandlung durch Einbinden von Drahtschienen und mandibulomaxillären Gummizügen. Diese Immobilisation muss je nach Alter des Patienten zwischen 4 und 6 Wochen aufrechterhalten bleiben.
Therapie: Die Behandlung erfolgt durch eine monokortikale Miniplattenosteosynthese oder durch Zugschrauben. Im ausreichend bezahnten Kiefer kann auch eine konservative Frakturbehandlung durch 4 – 6-wöchige Ruhigstellung angezeigt sein (Abb. B-10.21).
Therapie: Miniplattenosteosynthese, Zugschrauben oder konservative 4 – 6-wöchige intermaxilläre Immobilisation (Abb. B-10.21).
Kiefergelenkfrakturen
Kiefergelenkfrakturen
Ätiologie: Frakturen im Kiefergelenkbereich treten ein- oder beidseitig auf, häufig als indirekte Frakturen bei Krafteinwirkung wie Sturz oder Schlag auf das Kinn.
Ätiologie: Kiefergelenkfrakturen entstehen häufig als indirekte Frakturen bei Sturz oder Schlag auf das Kinn.
Klinik: Druck- und Stauchungsschmerz im Kiefergelenkbereich und ein- oder beidseitige Okklusionsstörungen geben einen Hinweis auf eine Fraktur in diesem Bereich. Nicht erkannte und nicht behandelte Frakturen im Bereich der Kapsel können zu Ankylosen mit Mundöffnungsbehinderungen führen.
Klinik: Kiefergelenkfrakturen führen zu Okklusionsstörungen und Druck- und Stauchungsschmerz im Kiefergelenkbereich. Intrakapsuläre Frakturen können zu Ankylosen führen.
Diagnostik: Diese Frakturen sind häufig nur auf Kiefergelenkspezialaufnahmen, in der CT oder im Panoramaschichtbild zu erkennen.
Diagnostik: Spezialaufnahmen, CT oder Panoramaschichtbild.
Therapie: Nach 2-wöchiger Ruhigstellung über Drahtschienen und Gummizüge (Abb. B-10.21) ist eine intensive aktive Mobilisierung notwendig. Stark dislozierte Frakturen bedürfen meist einer operativen Reposition und Osteosynthese.
Therapie: 14-tägige Immobilisation, aktive Nachbehandlung. Bei stark dislozierten Frakturen operative Reposition.
Unterkieferluxation
Unterkieferluxation
Bei weiter Mundöffnung (z. B. Gähnen) kann das Kieferköpfchen ein- oder beidseitig aus der Gelenkpfanne luxieren. Der Mund des Patienten steht dann offen und kann nicht wieder geschlossen werden.
Bei Unterkieferluxation kann der Patient den Mund nicht mehr schließen, im Panoramaschichtbild steht das Kieferköpfchen vor dem Tuberculum articulare.
B-10.22
Kiefergelenkfraktur (3D-CT)
a Fraktur des Collum mandibulare (präoperativ).
b Befund nach Osteosynthese.
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1236 B-10.23
B 10 Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
B-10.23
Reposition eines luxierten Kieferköpfchens
Im Panoramaschichtbild stehen ein oder beide Kieferköpfchen vor dem Tuberculum articulare. Therapie: Der Handgriff nach Hippokrates (Abb. B-10.23) dient zur Reposition des luxierten Kieferköpfchens.
Therapie: Mit dem Handgriff nach Hippokrates (Abb. B-10.23) wird der Unterkiefer reponiert, bei wiederholten Luxationen ist die operative Abtragung des Tuberculum articulare indiziert.
Notversorgung bei Gesichtsschädelfrakturen
Notversorgung bei Gesichtsschädelfrakturen
Bei der Notversorgung werden stark blutende Wunden durch Umstechung, Unterbindung oder durch Druckverbände behandelt. Blutungen aus der Nase können durch eine Bellocq-Tamponade oder aufblasbare Blasenkatheter gestillt werden. Eine Notbehandlung bei Mittelgesichtsfrakturen geschieht durch interdentale Drahtumschlingung, Kopf-Kinn-Kappen und zirkuläre Kopfverbände.
10.6
Angeborene Fehlbildungen
Starke Blutungen aus offenen Wunden werden nach den Regeln der chirurgischen Notversorgung durch Umstechung oder Unterbindung oder durch Anwendung von Druckverbänden gestillt. Statt einer Bellocq-Tamponade kann eine Blutung aus der Nase auch durch Einlegen von aufblasbaren Blasenkathetern gestillt werden. Eine provisorische Ruhigstellung bei Mittelgesichtsfrakturen erfolgt durch Drahtligaturen zwischen den Zähnen, eine Kopf-Kinn-Kappe oder einen zirkulären Kopfverband.
10.6 Angeborene Fehlbildungen
10.6.1 Lippen-Kiefer-Gaumenspalten
10.6.1 Lippen-Kiefer-Gaumenspalten
Spaltbildungen von Lippe, Kiefer und Gaumen sind die häufigsten angeborenen Fehlbildungen. Häufigkeit 1:500. Jungen sind doppelt so häufig betroffen wie Mädchen (Abb. B-10.24).
Spaltbildungen im Lippen-, Kiefer- und Gaumenbereich gehören zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen. Bei 1 von 500 Geburten tritt eine derartige Spaltbildung auf, die Variationsbreite reicht von der Lippenkerbe oder der gespaltenen Uvula als Minimalform bis zur doppelseitigen breiten Lippen-Kiefer-Gaumenspalte. Das männliche Geschlecht ist doppelt so oft betroffen wie das weibliche. Spaltformen im Gesicht treten manchmal als Teil eines Syndroms auf (Abb. B-10.24). Eine besondere Form sind die isolierten Gaumenspalten. Lippen-Kiefer-Gaumenspalten können sonografisch bereits in der 20. Schwangerschaftswoche erkannt werden. Bei Spaltkindern ist primär die Nahrungsaufnahme erschwert. Später ist die Sprachfunktion und durch die ungenügende Mittelohrbelüftung die Hörfähigkeit beeinträchtigt. Es treten häufig Zahnfehlstellungen auf.
Wesentliche Probleme sind die Nahrungsaufnahme, die Sprach- und Hörfunktion, evtl. Zahnfehlstellungen und die ästhetische Beeinträchtigung. Therapie: Zur Vermeidung von Schluck- und Saugstörungen sollte baldmöglichst eine Trinkplatte hergestellt werden. Diese kann gleichzeitig als Dehnplatte zur Ausformung des Oberkiefers dienen. Die operative Therapie einer Lippen-KieferGaumenspalte wird in mehreren Schritten durchgeführt.
Therapie: Wird ein Kind mit einer Spaltbildung geboren, sollte es bald einem Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen oder einem Kieferorthopäden vorgestellt werden, damit ein Abdruck vom Kiefer genommen und eine Trinkplatte hergestellt werden kann. Diese trennt den Mund- vom Nasenraum und ermöglicht so eine ausreichende Schluck- und Saugfunktion. Gleichzeitig kann diese Platte zur Stabilisierung und Ausformung der Oberkieferbögen dienen. Die operative Therapie einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte wird in mehreren Schritten durchgeführt.
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B 10.6 Angeborene Fehlbildungen
B-10.24
1237
Lippen-Kiefer-Gaumenspalte
a
b
c
e
d a Linksseitige komplette Lippen-Kiefer-Gaumenspalte mit weit verzogenem linken Nasenflügel, Situs bei Op-Beginn im Alter von 3 Monaten. b Nach Lippenoperation im Alter von 3 Monaten sind die Strukturen der Lippe und Nasenboden wiederhergestellt. c Beidseitige inkomplette Lippenspalte mit Kieferkerbe bei vier Wochen altem Mädchen. d Dieselbe Patientin wie in c zwei Jahre nach operativem Verschluss der Lippe beidseits mit wiederhergestellter Symmetrie von Lippenrot, Lippenweiß und Naseneingang. e Uvula bifida als Minimalform einer Spaltbildung.
Im 3. Monat wird die Lippe verschlossen, der weiche Gaumen zwischen dem 6. und 12. Lebensmonat, damit sich die Funktion der Tube und damit die Mittelohrbelüftung normalisiert. Der harte Gaumen wird je nach Sprachfunktion und Oberkieferwachstum bis zum 2. Geburtstag verschlossen, die Kieferspalte vor dem Durchbruch des Oberkiefereckzahns vor dem 13. Lebensjahr (11.– 13. Lebensjahr). Hierbei wird ein Spongiosatransplantat aus dem Beckenkamm eingelagert. Den Abschluss bildet die Rhinoplastik mit Septumkorrektur und ggf. Nasenflügeleinstellung. Spaltkinder müssen durch die gesamte Wachstumsphase vom Hals-NasenOhrenarzt mitbetreut werden, das Kieferwachstum und der Zahndurchbruch werden durch einen Kieferorthopäden begleitet. Die besten Ergebnisse sind dann gewährleistet, wenn die Behandlung von Spaltpatienten durch ein Team unter Einbeziehung der Nachbardisziplinen sowie Stillberaterinnen und Logopäden erfolgt.
Lippenverschluss 3. Monat, Verschluss weicher Gaumen 6.– 12. Monat, Verschluss harter Gaumen bis 2. Geburtstag, Verschluss Kieferspalte 11.– 13. Lebensjahr, Nasenkorrektur nach Wachstumsabschluss.
Spaltkinder müssen im Team betreut werden, Mitbetreuung durch Hals-Nasen-Ohrenarzt und Kieferorthopäden sowie Stillberaterinnen und Logopäden ist wichtig.
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1238
B 10 Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
10.6.2 Pierre-Robin-Sequenz
10.6.2 Pierre-Robin-Sequenz
Bei der Pierre-Robin-Sequenz liegt eine mediane U-förmige Gaumenspalte und eine weit dorsal liegende Zunge bei gleichzeitiger Unterkieferrücklage vor. Sie ist vital bedrohlich durch Zurückfallen der Zunge mit Atemwegsverlegung oder Einlagerung der Zunge in die Gaumenspalte mit Unterbrechung der Atmung. Die Soforttherapie besteht im Fassen und Hervorziehen der Zunge mit einer Klemme. Durch Trinkplatteneingliederung bzw. eine Stimulationsplatte wird ein derartiges Ereignis verhindert.
Unter den Gesichtsfehlbildungen ist die Pierre-Robin-Sequenz die einzige Fehlbildung, bei der evtl. schon in den ersten Lebensstunden aus vitalen Gründen eine Therapie notwendig ist. Bei der Pierre-Robin-Sequenz liegt eine mediane U-förmige Gaumenspalte und eine weit dorsal liegende Zunge vor. Durch die gleichzeitige Unterkieferrücklage (Mikro- und Retrogenie) kann die zurückgefallene Zunge die Atemwege verlegen oder die Zunge kann sich in die Gaumenspalte einlagern, sodass die Atmung bis zum Atemstillstand unterbrochen wird. Durch das Fassen der Zunge mit einer scharfen Klemme und Hervorziehen wird die Atembehinderung sofort beseitigt. Durch Eingliedern einer Trinkplatte kann das Einlagern der Zunge in die Gaumenspalte verhindert werden. Durch eine sog. Stimulationsplatte kann die Zungenentwicklung und das Unterkieferwachstum derart gefördert werden, dass lebensbedrohliche Situationen nicht mehr auftreten.
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B 11.2 Leitsymptome
11 Neurochirurgie
1239 11
Neurochirurgie
11.1
Grundlagen
Harald Barth, Ralph Schön
11.1 Grundlagen Berührungspunkte in der täglichen Arbeit bestehen zur Neurologie, Ophthalmologie, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Inneren Medizin, Traumatologie, Pathologie, Anästhesie und Intensivmedizin, Orthopädie, Radiologie, Psychologie, Pädiatrie sowie zur Kiefer- und Gesichtschirurgie. Eine umfassende und allgemeine Darstellung anatomischer Grundlagen, neurologischer Untersuchungstechniken und differenzialdiagnostischer Schritte zur Verarbeitung neurologischer Syndrome, im Sinne der neurologischen Propädeutik, würden den Umfang und das Anliegen dieses Kapitels überschreiten. Hier sei auf die Lehrbücher der Anatomie und Neurologie verwiesen. Seit Einführung der zerebralen Angiographie durch Egas Moniz 1927, der Ventrikulographie durch Dandy Anfang der 20er Jahre, der Computertomograpie durch Hounsfield 1972 sowie der Kernspintomographie durch Lauterbur 1972 haben sich geradezu revolutionäre Einblicke in Morphologie und Funktion des Nervensystems ergeben. Anamnese, Klinik: Die wesentliche Vorraussetzung zur Feststellung einer Hirnerkrankung ist eine geduldig erhobene Anamnese. Auch in Zeiten der bildgebenden Verfahren hat sich an dieser Standardforderung nichts geändert. Bei der klinisch-neurologischen Untersuchung ist auf Allgemeinsymptome und hirnlokale Symptome zu achten. ■ Allgemeinsymptome: Sie können sich äußern in Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Wesens- und Verhaltensänderungen, schneller Ermüdbarkeit, Merkfähigkeitsstörungen, Reizbarkeit, affektiver Labilität, epileptischen Anfällen und unterschiedlichen Formen der Bewusstseinstörung. ■ Hirnlokale Symptome sind Zeichen, die sich durch die Lokalisation der Störung in speziellen neurologischen Ausfallsmustern präsentieren und somit Rückschlüsse auf den Ort des Geschehens zulassen.
Es bestehen zu einer Vielzahl anderer Fachdisziplinen Berührungspunkte.
Meilensteine der Neurochirurgie sind die Entwicklungen der zerebralen Angiographie, Ventrikulographie, Computertomograpie und Kernspintomographie.
Anamnese, Klinik: Ein wichtiges Instrumentarium ist die geduldig erhobene Anamnese. Bei der klinischen Untersuchung unterscheidet man:
■
■
Allgemeinsymptome: Sie reichen von Kopfschmerzen bis zu Wesensveränderungen und Bewusstseinsstörungen. Hirnlokale Symptome: Sie zeigen sich als spezielle neurologische Ausfallsmuster.
11.2 Leitsymptome
11.2
11.2.1 Störungen der Bewusstseinslage
11.2.1 Störungen der Bewusstseinslage
Bewusstseinserscheinungen sind an eine geordnete Hirntätigkeit gebunden. Die oberste Hierarchie ist der Kortex. Normales Wachsein ist an die intakte Funktion der Formatio reticularis gebunden. Bewusstseinsstörungen kann man in drei Formen einteilen: ■ Somnolenz: Der Patient ist schläfrig, fällt auch nach äußerem Reiz in seine Müdigkeit zurück. Deutliche externe Reize sind erforderlich, eine verlangsamte Reaktion, die noch geordnet sein kann, hervorzurufen. ■ Stupor: Ein stuporöser Patient reagiert nicht mehr geordnet, zeigt unverständliche verbale Äußerungen, kann dabei psychomotorisch unruhig sein, sich aber auch schon im Übergang zum Koma flach bewusstlos präsentieren. Auf externe Schmerzreize finden sich noch gezielte Abwehrreaktionen, manchmal auch abwehrende Laute. ■ Koma: Ein komatöser Patient hat geschlossene Augen, öffnet diese weder auf Ansprache noch auf Schmerzreize. Auf Letztere reagiert er mit ungezielten Abwehrbewegungen, Streck- oder Beugesynergismen. Es kommt zu keiner verständlichen verbalen Äußerung (Tab. B-11.1).
Bewusstseinserscheinungen sind an eine geordnete Hirntätigkeit gebunden.
Leitsymptome
Bewusstseinsstörungen kann man in drei Formen einteilen: ■ Somnolenz: Schläfrigkeit, verlangsamte, aber geordnete Reaktionen auf äußere Reize. ■ Stupor: Keine geordneten Reaktionen, unverständliche verbale Äußerungen. Psychomotorische Unruhe aber auch flache Bewusstlosigkeit kann vorkommen. ■
Koma: Auf Schmerzreize zeigen sich ungezielte Abwehrbewegungen, Streck- oder Beugesynergismen (Tab. B-11.1).
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1240
B 11 Neurochirurgie
B-11.1
B-11.1
Somnolenz
der Patient ist ansprechbar und bedingt kooperativ. Sich selbst überlassen wirkt er apathisch und schläfrig, teilweise im Wechsel mit motorischer Unruhe und Umtriebigkeit.
Sopor
der Patient befindet sich ständig in einem schlafähnlichen Zustand und kann durch lautes Rufen oder sonstige stärkere Außenreize nur kurz erweckt werden. Während dieser Wachphasen sind kurze verbale Äußerungen und Kommandobewegungen möglich.
Koma
der Patient ist auch durch starke Außenreize nicht erweckbar. Es kann kein Kontakt zu ihm hergestellt werden. Die Augen sind geschlossen.
■
Grad I Grad II
■
Grad III
■
Grad IV
■
B-11.2
왘 Merke
Die Beobachtung und Dokumentation sollte unter Verwendung der Glasgow Coma Scale (GCS) erfolgen (Tab. B-11.2).
왘 Merke
Einschätzung der Tiefe einer Bewusstseinsstörung
B-11.2
auf Schmerzreize gezielte Abwehrbewegungen. auf Schmerzreize ungezielte Abwehrbewegungen oder ineffektive Entfernung des gereizten Körperabschnitts vom Reiz. keine Abwehrbewegungen, aber stereotype reizinduzierte Automatismen (z. B. Beuge- oder Streckkrämpfe). fehlende motorische Reaktion auf Schmerzreize.
Glasgow Coma Scale zur Beurteilung von Bewusstseinsstörungen
zu bewertende Reaktion
beobachtete Reaktion
Augenöffnen
spontan auf Aufforderung auf Schmerzreiz kein Augenöffnen
Punktzahl 4 3 2 1
beste sprachliche Antwort
vollständig orientiert unvollständig orientiert verworren unverständlich keine
5 4 3 2 1
beste motorische Reaktion
adäquat gezielte Abwehr unvollständige Abwehr Beugesynergismen Strecksynergismen keine Bewegung
6 5 4 3 2 1
Glasgow Coma Score
Maximum Minimum
15 3
왘 Merke. Bei entsprechenden Patienten müssen diese klinischen Befunde wiederholt geprüft werden, um eine Entwicklung in positiver oder negativer Richtung nicht zu versäumen.
Die Beobachtung und Dokumentation sollte unter Verwendung eines Scores, z. B. Glasgow Coma Scale (GCS), erfolgen. Der Vorteil und Nutzen einer solchen Skala liegt in der leichten Wiederholbarkeit und im standardisierten Untersuchungsablauf (Tab. B-11.2). 왘 Merke. Die genaue klinisch-neurologische Untersuchung hat sich bis heute
als der maßgebliche Faktor für die Beurteilung zerebraler Schädigungen erwiesen und ist nicht zu ersetzen.
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B 11.2 Leitsymptome
Koma-Formen
1241 Koma-Formen
왘 Merke. Die sehr zahlreichen Bemühungen um exakte Definitionen und
왗 Merke
Klassifikationen haben bis heute noch zu keiner praktikablen Lösung geführt. Das Stadium der tiefen Bewusstlosigkeit mit einer deutlichen Minderung der Reflextätigkeit wird jedoch übereinstimmend als Koma bezeichnet. Das Koma lässt sich in 4 Grade einteilen und endet im ungünstigsten Fall im Zustand des Hirntodes. Zur Graduierung werden beurteilt: ■ Bewusstseinslage, ■ motorische Funktionen, ■ Pupillenbefund, ■ Augenbewegungen und ■ Atmung.
Man unterscheidet vier Komagrade.
Die Muskeleigenreflexe sowie die Hirnstammreflexe sind stark abgeschwächt oder teilweise erloschen. Man findet die Pupillen erweitert, die Lichtreaktion vermindert, die Bulbi diskonjugiert. Eine Reaktion auf Schmerzreize fehlt. Mit einem weiteren progredienten Ausfall zerebraler Reflextätigkeit ist eine fortschreitende Insuffizienz der vegetativen Regulationsmechanismen von Atmung, Temperatur und Kreislauf verknüpft. Das Committee of Neurotraumatology of the World Federation of Neurosurgical Societies (W.F.N.S) hat eine Komagraduierung empfohlen (Tab. B-11.3).
Die Muskeleigen- und Hirnstammreflexe sind abgeschwächt oder erloschen. Mit weiterem Fortschreiten werden auch die vegetativen Regulationsmechanismen insuffizient.
Unter Berücksichtigung der verschiedenen zerebralen Schädigungsebenen können folgende Syndrome beobachtet werden (Tab. B-11.4) und S. 1264. ■ Zwischenhirnsyndrom, ■ Mittelhirnsyndrom, ■ tentorielle Herniation, ■ obere Einklemmung, ■ pontines Syndrom, ■ Bulbärhirnsyndrom, ■ Medulla-oblongata-Syndrom.
Syndrome:
B-11.3
Koma-Klassifikation (W.F.N.S, Committee of Neurotraumatology)
Komagrad
Bewusstsein
motorische Funktion
Pupillen
Augenbewegungen
Atmung
I
bewusstlos Augen geschlossen
intakt auf Schmerzreiz
intakt
intakt
intakt
II
bewusstlos Augen geschlossen
evtl. Paresen
intakt evtl. gestört
intakt
intakt
III
bewusstlos Augen geschlossen
Strecksynergismen
eng bis mittelweit
evtl. gestört
intakt
IV
bewusstlos Augen geschlossen
Hypotonie
weit reaktionslos
gestört
evtl. gestört
Hirntod
bewusstlos Augen geschlossen
erloschen
weit reaktionslos
erloschen
Atemstillstand
Beurteilt werden: ■ Bewusstseinslage, ■ motorische Funktionen, ■ Pupillenbefund, ■ Augenbewegungen und ■ Atmung.
Klassifikation nach W.F.N.S. s Tab. B-11.3.
■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
Zwischenhirnsyndrom, Mittelhirnsyndrom, tentorielle Herniation, obere Einklemmung, pontines Syndrom, Bulbärhirnsyndrom, Medulla-oblongata-Syndrom.
B-11.3
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1242 B-11.4
B 11 Neurochirurgie
Symptomatik der fortschreitenden Hirnstammschädigung
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B 11.2 Leitsymptome
1243
11.2.2 Zentrale Dysregulation
11.2.2 Zentrale Dysregulation
Die zentrale Dysregulation ist nicht zwingend an einen massiv gesteigerten intrakraniellen Druck gebunden. In der Folge einer akuten Hirnschädigung, kommt es zu Störungen der zentralen vegetativen, endokrinen und metabolischen Regulationen.
Die zentrale Dysregulation ist Folge von akuten schweren Hirnschädigungen.
Diffuse akute Hirnschädigung: Es kommt in der Regel zum vegetativen Enthemmungssyndrom, einem Bild gesteigerter Irritation. Es ist Ausdruck einer auch morphologisch, neurophysiologisch und biochemisch nachweisbaren Läsion auf Zwischenhirn- und Mittelhirnebene.
Diffuse akute Hirnschädigung
Mesenzephale Herniation: Es werden Tachykardie, Tachypnoe, Hypertonie, Hyperthermie mit den charakteristischen vegetativen Reizeinbrüchen beobachtet.
Mesenzephale Herniation
Bulbäre Herniation: Neben einem verlangsamt-ungleichförmigen Atemmuster kommt es letztendlich zum völligen Zusammenbruch zerebraler Regulationsmechanismen und Übergang zum zentralen dissoziierten Hirntod mit Funktionsausfall von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm.
Bulbäre Herniation
Hypothalamische Krise: Sie ist mit Koma, Mydriasis, Hypertonie, Tachykardie, und z. T. mit insulinresistenter Hyperglykämie und Polyurie verbunden.
Hypothalamische Krise
Apallisches Syndrom: Es handelt sich um einen vegetativ persistierenden Zustand mit Coma vigile, restituiertem Schlaf-wach-Rhythmus, fehlender optischer Fixierung, spastischer Tetraparese, regulierter Atmung und reguliertem Kreislauf.
Apallisches Syndrom
11.2.3 Pupillomotorik und Hirnstammreflexe Über die Bulbusstellung ergeben sich Hinweise über komplexe neuronale Verschaltungen im Hirnstamm. Über kortikale frontale und okzipitale Felder werden die Afferenzen verarbeitet und auf die 3 motorischen Hirnnervenpaare (Nn. III, IV, VI) übertragen. Die für die verschiedenen Augenbewegungen zuständigen Kerngebiete finden sich: ■ im Mesenzephalon für vertikale Blickbewegungen, ■ in der Pons für horizontale Augenbewegungen und ■ im Rhombenzephalon für rotatorische Augenbewegungen.
11.2.3 Pupillomotorik und
Hirnstammreflexe
Kerngebiete für die Augenbewegungen finden sich: ■ im Mesenzephalon, ■ in der Pons und ■ im Rhombenzephalon.
Bei hemisphärischen Schädigungen werden konjugierte Blickwendungen mit tonischer Seitwärtswendung (in Richtung der geschädigten Seite) beobachtet, gelegentlich eine Asymmetrie. Bei Bewusstlosen kennt man sogenannte schwimmende Bulbi. Bei jedem bewusstlosen Patienten gehört neben der Untersuchung der Pupillen auf Anisokorie und Lichtreaktion die Auslösung des Kornealreflexes zu den Erstmaßnahmen.
Zu den Erstmaßnahmen gehören die Untersuchung der Pupillenreaktion und des Kornealreflexes.
11.2.4 Meningeale Reizerscheinungen
11.2.4 Meningeale Reizerscheinungen
Ätiologie: Diese werden am häufigsten infolge entzündlicher Prozesse wie Meningitis oder Meningoenzephalitis gesehen, treten aber auch nach Subarachnoidalblutungen, Ventrikelhämorrhagien und bei Ventrikulitiden auf. Möglich sind iatrogene Meningitiden als Folge von Lumbalpunktionen, nach operativer Eröffnung der Dura oder Implantation von Fremdkörpern wie Shunts oder Spinalkathetern.
Ätiologie: Am häufigsten infolge von Meningitis und Meningoenzephalitis.
Klinik, Diagnostik: Es können sich Kopfschmerzen, Lichtscheu, Lärmempfindlichkeit, Apathie, Schlafbedürfnis, Fieber, Erbrechen, Abgeschlagenheit und Verwirrtheit finden.
Klinik, Diagnostik: Neben unspezifischen Symptomen finden sich Lichtscheu, Lärmempfindlichkeit, Apathie, Verwirrtheit und die Zeichen nach Lasègue, Brudzinski und Kernig.
Konjugierte Blickwendungen treten bei hemisphärischen Schädigungen auf („Blick zum Herd“).
Es können auch iatrogen verursachte Reizerscheinungen auftreten.
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1244
B 11 Neurochirurgie
Ohne Verzug ist die Lumbalpunktion erforderlich.
Bei der Untersuchung finden sich die Zeichen des meningealen Reizsyndroms mit Nackensteifigkeit, positivem Zeichen nach Lasègue, Brudzinski und Kernig. Weiterhin sollte ohne Verzug die Lumbalpunktion mit entsprechender Liquordiagnostik (Zellzahl, Eiweißgehalt und Mikrobiologie) erfolgen.
Therapie: Sofortige Antibiose.
Therapie: Eine sofortige antibiotische Therapie ist einzuleiten.
11.2.5 Krampfanfälle
11.2.5 Krampfanfälle
Krampfanfälle müssen als unspezifisches Zeichen einer schweren zerebralen Funktionsstörung angesehen werden. Im klinischen Gebrauch werden generalisierte und fokale Anfälle unterschieden.
Krampfanfälle müssen als unspezifisches Zeichen einer zumindest vorübergehend schweren zerebralen Funktionsstörung angesehen werden. Auch wenn im Zusammenhang mit Epilepsien kompliziert anmutende Klassifikationen sinnvoll erscheinen, hat sich im klinischen Gebrauch eine Unterteilung nach generalisierten (großen) und fokalen (partiellen) Anfällen mit motorischen, sensorischen und psychomotorischen Symptomen bewährt. Allgemeine therapeutische Maßnahmen sind Schutz vor Verletzung, venöser Zugang, stabile Seitenlage, antiepileptische Pharmakotherapie und ggf. Intubation und Magensonde. Die diagnostische Abklärung erfolgt unverzüglich mit CT oder MRT.
Therapeutische Maßnahmen: Schutz vor Verletzung, venöser Zugang, stabile Seitenlage, antiepileptische Pharmakotherapie, ggf. Intubation und Magensonde.
11.3
Diagnostik
11.3.1 Notfalldiagnostik und
Erstversorgung
11.3 Diagnostik 11.3.1 Notfalldiagnostik und Erstversorgung
Zerebraler/spinaler Notfall infolge: ■ eines akuten Traumas, ■ einer spontanen Blutung, ■ einer Entzündung, ■ einer Durchblutungsstörung, ■ einer Raumforderung im weitesten Sinne.
Der zerebrale oder spinale Notfall ist in der Regel Folge: ■ eines akuten Traumas, ■ einer spontanen Blutung, ■ einer Entzündung, ■ einer Durchblutungsstörung oder ■ einer Raumforderung im weitesten Sinne.
Das weitere Vorgehen wird sich danach richten inwieweit eine Bewusstseinsstörung vorliegt.
Vor der ätiologischen Abklärung steht die allgemeine Stabilisierung vitaler Funktionen. Das weitere Vorgehen wird sich danach richten inwieweit eine Bewusstseinsstörung vorliegt. Oft wird eine genaue Anamnese nicht möglich sein, wobei jedoch frühzeitig versucht werden sollte, Angehörige, den Hausarzt oder Zeugen zu kontaktieren. Informationen des Rettungspersonals müssen genauestens dokumentiert werden. Eine genaue Inspektion (gepflegt, verwahrlost, allgemeine Hautveränderungen, Trauma, Inkontinenz, Erbrechen, ggf. Hinweise auf Alkohol- oder Medikamenteneinfluss) ist erforderlich, nicht zuletzt um spätere versicherungsrechtliche oder forensische Nachfragen beantworten zu können. Die subtile Beobachtung der Spontanmotorik, ggf. nach äußerlichem Reiz, kann richtungsweisende Auffälligkeiten aufzeigen. Oft kann sich dabei z. B. eine Halbseitenlähmung durch Schonung oder Minderbewegung zeigen, eine motorische Reaktion (z. B. mit Enthemmungsphänomen) demaskieren, welche vielleicht initial als Krampfanfall fehlgedeutet wurde. Des Weiteren erfolgt die Beurteilung der Pupillomotorik und der Bulbusstellung, die Prüfung von Schutzreflexen sowie physiologischer und pathologischer Hirnstammreflexe. Beim spinalen Notfall ist nach der Anamnese die Rasanz der klinischen Verschlechterung sowie die neurologisch-topische Höhenlokalisation vor weiteren Maßnahmen wichtig. Ziel ist eine dringliche neuroradiologische Diagnostik und wenn erforderlich die sofortige operative Intervention. Akute Notfallsituationen im Bereich peripherer Nerven sind selten. Hierbei dominieren traumatische Ursachen. Bei akuten vaskulären Störungen ist heute die Indikation frühzeitiger interventioneller neuroradiologischer Maßnahmen zu überprüfen.
Eine genaue Inspektion ist erforderlich, nicht zuletzt um spätere versicherungsrechtliche oder forensische Nachfragen beantworten zu können. Beurteilung von Pupillomotorik, Bulbusstellung, Schutzreflexen, physiologischen und pathologischen Hirnstammreflexen stehen im Vordergrund.
Beim spinalen Notfall sind Anamnese, Rasanz der klinischen Verschlechterung und Höhenlokalisation wichtig. Bei vaskulären Störungen sind interventionelle Therapiekonzepte zu prüfen.
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B 11.3 Diagnostik
왘 Merke. Bei neurologischen Notfällen sollte im Zweifelsfall der Neurochirurg konsultiert werden. In neurochirurgischen Kliniken ist in der Regel eine 24-stündige Diagnostik und ggf. Therapie möglich.
1245 왗 Merke
11.3.2 Spezielle Untersuchungstechniken
11.3.2 Spezielle Untersuchungstechniken
Lumbalpunktion
Lumbalpunktion
Jeder Arzt sollte die Durchführung der Lumbalpunktion erlernen. Trotz aller heute zur Verfügung stehenden diagnostischen Möglichkeiten ist sie unverzichtbar.
Sie ist auch heute noch unverzichtbar.
왘 Merke. Vor der Lumbalpunktion ist durch Spiegelung des Augenhintergrun-
왗 Merke
des eine Stauungspapille als Zeichen eines chronisch erhöhten intrakraniellen Drucks auszuschließen. Beim Nachweis einer Stauungspapille ist die Lumbalpunktion kontraindiziert. Ist die Lumbalpunktion nicht möglich, kann die Liquorentnahme über eine Subokzipitalpunktion oder Ventrikelpunktion erfolgen. Technik der Lumbalpunktion: Der Patient sollte in entspannter Seitenlage oder sitzend gelagert werden. Dabei sollte der Rücken im Sinne eines Katzenbuckels gebeugt sein. Eine assistierende Pflegekraft ist erforderlich, schon um die nötigen Utensilien steril anzureichen und auf den Patienten beruhigend einzuwirken. Die Punktion des Spinalkanals erfolgt in Höhe LWK 4/5 bzw. LWK 3/4 in der Mittellinie, wobei die Kanüle zwischen den Dornfortsätzen in leicht horizontaler Richtung vorgeschoben wird. Der plötzliche Verlust des elastischen Widerstandes zeigt die Perforation der Dura an (Abb. B-11.1). Nach Herausziehen des Mandrins sollte ein freier Liquorfluss zu sehen sein, wobei vor lumbaler Druckmessung mittels Steigröhrchen kein Liquorverlust erfolgen sollte. Der Liquor selbst wird auf sein wasserklares Aussehen und mögliche Trübungen inspiziert. Für die laborchemische und mikrobiologische Untersuchung werden Liquorproben asserviert.
Technik der Lumbalpunktion (Abb. B-11.1): Der Patient muss den Rücken möglichst „rund machen“.
Subokzipitalpunktion
Subokzipitalpunktion
Die Punktion erfolgt zwischen den Dornfortsätzen von LWK 4/5 oder LWK 3/4.
Der Liquor wird makroskopisch, laborchemisch und mikrobiologisch untersucht.
Im Sitzen oder in Seitenlagerung wird in Beugehaltung des Kopfes streng in der Mittellinie die große Hinterhauptzisterne punktiert. Zunächst sucht man
B-11.1
Technik der Lumbalpunktion
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B 11 Neurochirurgie
1246
Knochenkontakt am Os occipitale und tastet sich dann schrittweise nach kaudal zur Membrana atlantooccipitalis vor, um diese dann zu durchstechen. Die Subokzipitalpunktion gehört in die Hand des Erfahrenen. Intrakranielle Druckmessung
Intrakranielle Druckmessung
Die Messung des intrakraniellen Druckes (ICP) kann epidural, subdural, intraparenchymatös oder intraventrikulär erfolgen (Abb. B-11.2).
Die Messung des intrakraniellen Druckes (ICP) über eine intraventrikuläre, epidurale, subdurale oder intraparenchymatöse Messsonde gehört auf neurochirurgischen Intensivstationen zum Standard (Abb. B-11.2).
Eine rationale Hirndrucktherapie sollte nur unter Beachtung der intrakraniellen Druckmessung erfolgen (Abb. B-11.3).
Dabei wird nicht nur auf die absolute Höhe des ICP geachtet, sondern auch auf das Auftreten pathologischer Wellenformationen (Abb. B-11.3). Eine rationale Hirndrucktherapie sollte nur nach Objektivierung der intrakraniellen Druckwerte und kontinuierlichem Monitoring erfolgen.
왘 Merke
왘 Merke. Der normale intrakranielle Druck liegt zwischen 10 bis 15 mmHg.
B-11.2
Möglichkeiten der kontinuierlichen Hirndruckmessung
B-11.3
Typische Wellenverläufe bei intrakranieller Druckmessung
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B 11.3 Diagnostik
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11.3.3 Bildgebende Diagnostik
11.3.3 Bildgebende Diagnostik
Native Röntgenaufnahmen
Native Röntgenaufnahmen
Bei der Auswertung von Nativbildern von Kopf und Wirbelsäule ist auf ■ Strukturverdichtungen des Knochens, ■ Skelettaufhellungen, ■ allgemeine oder lokale Verkalkungen, ■ Knochendeformitäten, ■ Fehlstellungen, ■ Osteolysen, ■ Aufweitungen von Foraminae und Knochenkanälen, ■ frakturtypische Aufhellungslinien, ■ Konturunterbrechungen, ■ Verschattungen lufthaltiger Räume, ■ Luft- und Flüssigkeitsansammlungen und ■ atypische Weichteilschatten zu achten.
Bei Aufnahmen von Kopf und Wirbelsäule ist zu achten auf: ■ Strukturverdichtungen, ■ Skelettaufhellungen, ■ Verkalkungen, ■ Knochendeformitäten, ■ Fehlstellungen, ■ Osteolysen, ■ Aufweitungen, ■ Aufhellungslinien, ■ Konturunterbrechungen, ■ Luft-/Flüssigkeitsansammlungen ■ atypische Weichteilschatten.
Am Schädel ist neben der anterior-posterioren (a.-p.) und seitlichen Projektion zur besseren Beurteilung der Hinterhauptsschuppe sowie der Felsenbeine die halbaxiale Aufnahme erforderlich. Wirbelsäulenaufnahmen erfolgen immer im a.-p. und seitlichen Strahlengang. Die Beachtung der altersbedingten physiologischen Unterschiede ist von großer Bedeutung. Der gesamte Wirbelsäulenabschnitt muss dargestellt werden. Besonderer Beachtung bedarf die Darstellung des kraniospinalen und zervikothorakalen Übergangs.
Zur Beurteilung der Felsenbeine und der Hinterhauptsschuppe ist eine halbaxiale Aufnahme erforderlich.
Computertomographie (CT)
Computertomographie (CT)
Sie erlaubt die Verlaufsbeobachtung und gibt gute lokalisatorische sowie auch artdiagnostische Hinweise. Es kommt nicht zu einer Überlagerung aller durchstrahlten Körperschichten. Durch eine intravenöse oder intrathekale Kontrastmittelapplikation lassen sich weitere Aussagen bezüglich Anatomie und Dignität treffen.
Die CT gibt gute lokalisatorische sowie artdiagnostische Hinweise. Intravenöse oder intrathekale Kontrastmittelapplikation lassen weitere Aussagen bezüglich Anatomie und Dignität zu.
Magnetresonanztomographie (MRT)
Magnetresonanztomographie (MRT)
Diese Form der bildgebenden Diagnostik hat absolute Priorität im Spektrum neuroradiologischer Untersuchungsmethoden. Durch die Messung der sogenannten Relaxationszeiten T1 und T2 zeigen sich verschiedene Signalintensitäten der untersuchten Gewebe. Mit der Untersuchung der Liquordynamik, der MR-Angiographie sowie der MR-Spektroskopie ergeben sich neue Möglichkeiten morphologischer und funktioneller Diagnostik.
Durch die Messung der sogenannten Relaxationszeiten T1 und T2 zeigen sich verschiedene Signalintensitäten der untersuchten Gewebe.
Transkranielle Doppler-Sonographie
Transkranielle Doppler-Sonographie
Für die transkranielle Doppler-Sonographie (TCD) wird gepulster Schall verwendet. Nach Aufsuchen eines Schallfensters (Temporalschuppe, Orbita, Foramen occipitale magnum) ist die Messung der Flussgeschwindigkeit der großen Hirngefäße möglich. Aus der Eindringtiefe, dem Strömungsprofil, dem Gefäßgeräusch und der Flussrichtung ggf. unter Verwendung bestimmter Kompressionsversuche ist eine sichere Zuordnung möglich. Von besonderer Bedeutung ist dies bei Patienten mit Vasospasmen (z. B. nach Aneurysmablutung oder Schädel-Hirn-Trauma), nach ischämischen Insulten sowie zur Bestimmung der zerebralen Reservekapazität des Gehirns mittels Provokationsmethoden.
Mit der transkraniellen Doppler-Sonographie (TCD) erfolgt die Messung der Flussgeschwindigkeit in den großen Hirngefäßen.
Myelographie
Myelographie
Der gesamte Wirbelsäulenabschnitt muss dargestellt werden. Besonderer Beachtung bedarf der kraniospinale und zervikothorakale Übergang.
Besondere Bedeutung hat die TCD nach Aneurysmablutungen, Schädel-Hirn-Trauma und ischämischen Insulten.
Im Rahmen einer Lumbal- oder Subokzipitalpunktion wird Kontrastmittel in den Duralraum injiziert. Danach werden Röntgenaufnahmen in mehreren Ebenen angefertigt. Diese Technik kann auch mit der CT kombiniert werden (Myelo-CT).
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B 11 Neurochirurgie
Zerebrale Angiographie
Zerebrale Angiographie
Einsatzmöglichkeiten: ■ Hirngefäßanomalien. ■ Hämodynamische Bestimmungen. ■ Präoperative Evaluation. ■ Interventionelle Verfahren.
Einsatzmöglichkeiten der zerebralen Angiographie: ■ Diagnostik und postoperative Kontrolle bei Hirngefäßanomalien. ■ Beurteilung hämodynamischer Faktoren. ■ Präoperative Einschätzung der Notwendigkeit einer Tumorembolisation. ■ Interventionelle Verfahren (Embolisierung, Rekanalisierung und intraarterielle Thrombolyse bei ischämischen, embolischen oder stenosierenden Prozessen).
Die zerebrale Angiographie erfolgt in Lokalanästhesie oder Allgemeinnarkose in transfemoraler Seldingertechnik oder durch Direktpunktion.
Die Untersuchung erfolgt in Lokalanästhesie oder Allgemeinnarkose. Meistens wird die A. femoralis punktiert und mittels Seldingertechnik ein Katheter bis an die Gefäße des Aortenbogens vorgeschoben. Selten werden A. carotis, A. vertebralis oder A. brachialis punktiert. Röntgentechnisch erfolgt sie als digitale Subtraktionsangiographie (DSA).
Nuklearmedizinische Untersuchungen
Nuklearmedizinische Untersuchungen
Zu den nuklearmedizinischen Untersuchungsmethoden gehört die Knochenszintigraphie (evtl. mit markierten Granulozyten).
Beim Staging von multilokulären, ossären Prozessen kommt die Knochenszintigraphie sowie bei unklaren entzündlichen Erkrankungen (primär und postoperativ) die granulozytenmarkierte Szintigraphie zum Einsatz. Indikationen der SPECT (Single-Photon-Emissions-Computertomographie): ■ Hirndurchblutungsstörungen (insbesondere Bestimmung der Reservekapazität), ■ Differenzialdiagnose von Gliomrezidiv und Radionekrose, ■ Neurorezeptordarstellung.
Für bestimmte Fragestellungen steht die SPECT (Single-Photon-Emmissions-Computertomographie) zur Verfügung.
11.3.4 Neurophysiologische Methoden
11.3.4 Neurophysiologische Methoden
Elektroenzephalogramm (EEG)
Elektroenzephalogramm (EEG)
Es dient zum Nachweis lokaler (herdförmiger) oder diffuser (allgemeiner) Störungen. Diese können durch tumoröse, traumatische sowie entzündliche Veränderungen, Durchblutungsstörungen und Intoxikationen entstehen.
Das EEG ist das wichtigste diagnostische Hilfsmittel im Rahmen der zerebralen Anfallsdiagnostik. Es dient zum Nachweis lokaler (herdförmiger) oder diffuser (allgemeiner) Störungen. Diese können durch tumoröse, traumatische sowie entzündliche Veränderungen, Durchblutungsstörungen und Intoxikationen entstehen. Provokationsmethoden sind die Hyperventilation und Fotostimulation.
Man unterscheidet in Abhängigkeit der Frequenz 4 Wellenarten.
Man unterscheidet zwischen Alpha-Wellen (8 – 12/s.), Beta-Wellen (13 – 30/s.), Theta-Wellen (4 – 7/s.) und Delta-Wellen (0,5 – 3/s.).
왘 Merke
Die intraoperative EEG-Ableitung hat besonders in der Epilepsiechirurgie und im Rahmen des Brain-mapping ihre Bedeutung.
Indikationen sind: ■ Verlaufskontrollen bei komatösen Patienten. ■ Nachweis von Krampfpotenzialen. ■ Überwachung der hochdosierten Barbiturattherapie. ■ Hirntoddiagnostik.
왘 Merke. Das EEG gibt Auskunft über den funktionellen Zustand des Gehirns. Eine Aussage zur Dignität ist nicht möglich.
Die intraoperative EEG-Ableitung findet im Rahmen der Epilepsiechirurgie Anwendung. Neben Tiefenelektroden werden im Rahmen des Brain-mapping bei Operationen in eloquenten Hirnregionen (sprachrelevante Areale und sensomotorischer Kortex) beim wachen Patienten stimulatorische Reize und ihre elektroenzephalographische Repräsentanz gemessen. Auf der Intensivstation kommt das EEG zur allgemeinen Funktionsüberwachung zum Einsatz. Indikationen sind: ■ Verlaufskontrollen bei komatösen Patienten. ■ Nachweis von Krampfpotenzialen. ■ Überwachung der hochdosierten Barbiturattherapie. ■ Ableitung im Rahmen der Hirntoddiagnostik.
Elektromyographie (EMG) und Elektroneurographie (ENG)
Elektromyographie (EMG) und Elektroneurographie (ENG)
Mittels Nadelelektroden kann die elektrische Aktivität bestimmter Kennmuskeln untersucht werden.
Mit dem EMG wird die elektrische Aktivität von bestimmten Kennmuskeln mithilfe von Nadelelektroden untersucht. Es wird die Spontanaktivität und die Aktivität bei Willkürinnervation gemessen. Muskeln, die eine axonale Schädi-
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B 11.4 Therapieverfahren
1249
gung motorischer Nervenfasern aufweisen, zeigen nach 10 – 12 Tagen eine sog. pathologische Spontanaktivität. Weitere pathologische Veränderungen sind Fibrillationspotenziale, positive scharfe Wellen und ein gelichtetes Aktivitätsmuster. Verlaufsuntersuchungen zur Beurteilung von Regenerationsvorgängen sind möglich. Mit der ENG wird die maximale Nervenleitgeschwindigkeit motorischer und sensibler Nerven (NLG) bestimmt. Dies hat große Bedeutung bei der Verlaufskontrolle peripherer Nervenschädigungen.
Mit der ENG wird die Nervenleitgeschwindigkeit motorischer und sensibler Nerven (NLG) bestimmt.
Evozierte Potenziale
Evozierte Potenziale
Zusammengefasst werden hier die akustisch (AEP), die visuell (VEP) und die somatosensibel (SEP) evozierten Potenziale. Grundprinzip ist die elektronische Mittelwertbildung (averaging) d. h. die elektronische Heraushebung der gesuchten Potenziale, welche sonst im normalen EEG untergehen. Da diese Methode intraoperativ und auch bei Bewusstlosen eingesetzt werden kann, gehört sie inzwischen zum Standard, und erlaubt z. T. auch prognostische Aussagen.
Dazu zählen die akustisch (AEP), visuell (VEP) und die somatosensibel (SEP) evozierten Potenziale. Grundprinzip ist die elektronische Mittelwertbildung (averaging) der genannten Potenziale. Sie können intraoperativ und auch bei Bewusstlosen gemessen werden.
Transkranielle Magnetstimulation
Transkranielle Magnetstimulation
Mit der transkutanen transkraniellen Magnetstimulation wird die Leitgeschwindigkeit efferenter Impulse im ersten und zweiten Neuron der Pyramidenbahn gemessen. Dazu wird eine Magnetspule parietal oder zervikal positioniert. Nach elektrischer Stimulation lassen sich Muskelaktionspotenziale an den Extremitäten bestimmen.
Mit der transkutanen transkraniellen Magnetstimulation wird die Leitgeschwindigkeit efferenter Impulse im ersten und zweiten Neuron der Pyramidenbahn gemessen.
11.3.5 Hirnbiopsie
11.3.5 Hirnbiopsie
Insbesondere bei ■ multizentrischen Prozessen, ■ tief gelegenen, operativ schwierig erreichbaren Läsionen, ■ eingeschränkter Operabilität oder ■ unklaren neurologischen Erkrankungen kann über die stereotaktisch geführte Punktion oder in Kombination mit einem Neuronavigationssystem eine Hirnbiopsie erfolgen.
Eine Hirnbiopsie kann mittels stereotaktisch geführter Punktion oder Neuronavigationssysteme entnommen werden.
11.4 Therapieverfahren 11.4.1 Neurochirurgische Operationstechniken
11.4
Therapieverfahren
11.4.1 Neurochirurgische
Operationstechniken
Die neurochirurgischen Operationstechniken sind durch Mikrochirurgie und bildgeführte Operationsplanung (image guided surgery) gekennzeichnet. Die Mikrochirurgie ist an folgende Voraussetzungen gebunden: ■ Operationsmikroskop, ■ entsprechendes Instrumentarium und ■ Kenntnisse der mikroskopischen Anatomie.
Kennzeichnend sind mikrochirurgische Verfahren und bildgeführte Operationsplanung.
Als weitere, neue Verfahren kommen bei der Präparation und Entfernung von Tumoren LASER und CUSA (Cavitron Ultrasonic Aspirator) zum Einsatz. Computergestütze Navigationssysteme und kombinierte stereotaktisch endoskopische Verfahren ermöglichen ein schonendes und gezieltes operatives Vorgehen.
Eine Reihe neuer Verfahren ermöglichen ein schonendes und gezieltes Operieren.
Komplikationen und Nachsorge: Komplikationen lassen sich trotz schonendster mikrochirurgischer Technik nicht immer vermeiden. Dementsprechend gehört ein hirnoperierter Patient auf eine vom Neurochirurgen geführte Intensivstation. Nur der Neurochirurg wird abschätzen können, ob die auftretenden Störungen operativ bedingt sind.
Komplikationen und Nachsorge: Komplikationen lassen sich trotz schonendster mikrochirurgischer Technik nicht immer vermeiden.
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1250 왘 Merke
B 11 Neurochirurgie
왘 Merke. Die häufigsten und gefürchtetsten Komplikationen in der Hirnchirurgie sind Nachblutungen und das Hirnödem.
11.4.2 Strahlentherapie
11.4.2 Strahlentherapie
Die Strahlentherapie ist eine adjuvante Therapieform in der Neuroonkologie. Sie hat einen festen und definierten Platz im Gesamttherapiekonzept maligner primärer und sekundärer Tumoren.
Die Strahlentherapie maligner Tumoren des ZNS hat seit Einführung der Hochvolttherapie an Bedeutung gewonnen. Fortschritte bei der Bestrahlungsplanung und -technik, systematische Untersuchungen zur Festlegung des Zielvolumens und die Kombination der Bestrahlung mit neurochirurgischen Verfahren haben die Behandlungsergebnisse bei den primären und sekundären Tumoren des ZNS in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert. Im Gesamtkonzept der Neuroonkologie stellt die Strahlentherapie eine überwiegend adjuvante Therapieform dar. Nur in seltenen Fällen kommt sie als primäre Therapiemöglichkeit zum Einsatz. Die Indikation zur Strahlentherapie ist in erster Linie von der histologischen Klassifikation der Tumoren abhängig (Tab. B-11.5).
Die Indikation zur Strahlentherapie und die Strahlendosis sind in erster Linie von der histologischen Klassifikation des Tumors abhängig (Tab. B-11.5).
왘 Merke
왘 Merke. Unverändert gilt, dass vor Durchführung einer Strahlentherapie die
Histologie des Tumors bekannt sein sollte. Kontraindikationen sind eine vorausgegangene Schädelbestrahlung, Hirnödem, Enzephalitis und schwere Anorexie.
Kontraindikationen für eine Strahlentherapie sind eine bereits erfolgte hochdosierte Bestrahlung der gleichen Region, ein vorbestehendes generalisiertes Hirnödem mit Zeichen der intrakraniellen Drucksteigerung, eine diffuse degenerative Enzephalitis sowie eine schwere Anorexie.
Perkutane Strahlentherapie
Perkutane Strahlentherapie
Konventionelle perkutane Strahlentherapie: Mit Hochvolttechniken werden GammaStrahlen oder hochenergetische Photonen appliziert. Man unterscheidet zwischen Ganzhirn- und Herdbestrahlung und kombinierten Verfahren. Bei der hyperfraktionierten Bestrahlung können raumfordernde Nekrosen und ein Hirnödem auftreten.
Konventionelle perkutane Strahlentherapie: In der Regel werden mit Hochvolttechniken entweder Gamma-Strahlen (Kobalt 60) oder hochenergetische Photonen mit einem Linearbeschleuniger appliziert. Entsprechend der Dignität wird eine Ganzhirnbestrahlung (Metastasen), eine Herdbestrahlung (Tumoren der Pinealisregion, der Hypophyse, Hirnstammtumoren) oder ein kombiniertes Verfahren vorgenommen. Besonders bei hyperfraktionierter Bestrahlung kann es rasch zu einer raumfordernden Strahlennekrose kommen. Eine weitere frühe Nebenwirkung ist das strahleninduzierte Hirnödem mit entsprechender Hirndrucksymptomatik.
B-11.5
B-11.5
Empfohlene Tumordosen für primäre Hirntumoren unterschiedlicher Histologie.
Die Daten beziehen sich auf die übliche Fraktionierung mit 1,8 – 2 Gy/d Einzeldosis und 10 Gy/Woche (aus Schlegel U, Weller M, Westphal M. Neuroonkologie. 2. erweiterte Aufl. Stuttgart: Thieme; 2003) Histologie
Tumordosis (Gy)
Zielvolumen
Hypophysenadenom Kraniopharyngeom Germinom malignes Lymphom Ependymom WHO Grad II malignes Ependymom Medulloblastom Astrozytom WHO Grad II Meningeom WHO Grad I, II Meningeom WHO Grad III Astrozytom WHO Grad III Glioblastom
45 – 50 50 36 – 50 50 54 55 – 60 55 50 – 56 50 – 56 56 – 60 55 – 60 60
TU TU NA Hirnschädel eTU eTU NA TU TU eTU eTU eTU
TU = Tumorregion mit minimalem Sicherheitssaum, idealerweise in stereotaktischer Technik; eTU = erweiterte Tumorregion mit Sicherheitssaum von bis zu 2 cm in Abhängigkeit von der Histologie; NA= Kraniospinalbestrahlung mit Aufsättigung der Dosis auf die primäre Tumorregion
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B 11.4 Therapieverfahren
1251
Als Spätfolgen können auftreten: ■ Strahleninduzierte Tumoren z. B. Meningeome (10 und mehr Jahre nach Bestrahlung). ■ Endokrine Imbalance, wenn Hypothalamus/Hypophyse im Bereich der Strahlenfelder lag. ■ Progressiver Visusverlust oder hormonelle Störungen bei optikusnaher Bestrahlung. ■ Störungen der Rückenmarkfunktion nach Bestrahlung von Wirbelsäulentumoren.
Spätfolgen: ■ Strahleninduzierte Tumoren. ■ Endokrine Imbalance. ■ Progressiver Visusverlust. ■ Störung der Rückenmarkfunktion nach Bestrahlung von Wirbelsäulentumoren.
Um die Toleranz des Hirngewebes zu erhöhen und die therapeutische Breite zu vergrößern, wird die Gesamtdosis fraktioniert. Bei Erwachsenen werden Einzeldosen von 1,8 – 2 Gy/d verabreicht. Dabei beinhaltet ein konventioneller Bestrahlungsrhythmus 5 Bestrahlungen in der Woche. Die Gesamtdosis liegt im Normalfall bei 60 Gy.
Um die Toleranz des Hirngewebes zu erhöhen und die therapeutische Breite zu vergrößern wird die Gesamtdosis fraktioniert.
TD 5/5 (minimale Toleranzdosis in Gy): Strahlendosis, die innerhalb von 5 Jahren nach einer Bestrahlung bis zu 5 % schwere Komplikationen hervorruft. Unterschiedliche Organe weisen unterschiedliche Toleranzdosen auf (Tab. B-11.6).
TD 5/5: Dosis, die in 5 Jahren bis zu 5 % Komplikationen hervorruft (Tab. B-11.6).
Stereotaktische perkutane Strahlentherapie: Etabliert hat sich für dieses Behandlungsverfahren der Begriff der stereotaktischen externen Radiochirurgie. Das Prinzip dieser Behandlung besteht darin, mit einer hohen Dosis einen möglichst umschriebenen intrazerebralen Herd unter Aussparung benachbarter Regionen zu behandeln. Mithilfe stereotaktischer Koordinaten wird eine extrem konzentrierte hochdosierte Dosisapplikation auf ein genau definiertes Gewebsvolumen ermöglicht. Das Gamma Knife erlaubt unter Einsatz eines Kollimators (Helm), welcher über 200 Strahlenkanäle unterschiedlicher Größe verfügt, eine multiplanare stereotaktische Bestrahlung. Zusammen mit einer dreidimensionalen Betrachtung der Isodosen-Volumina erfolgt die genaue Analyse zu benachbarten Hirnstrukturen. Die außerordentlich hohe Präzision und Wirksamkeit hat dazu geführt, dass an einigen Zentren in zunehmender Zahl auch benigne Prozesse (z. B. Angiome, Kavernome, Akustikusneurinome, basale Meningeome, abgegrenzte niedriggradige Gliome in eloquenten Arealen) behandelt werden. Bei der perkutanen Radiochirurgie mit dem Linearbescheuniger „X-Knife“ erfolgt die extreme Konzentrierung der Energiedosis auf das vorgegebene Zielvolumen durch unterschiedliche Rotationstechniken.
Stereotaktische perkutane Strahlentherapie: Die Behandlung besteht darin, mit einer hohen Dosis einen möglichst umschriebenen intrazerebralen Herd zu zerstören.
Interstitielle Strahlentherapie Bei der sogenannten Brachytherapie (Afterloading) wird eine Bestrahlungshülse in den Herd eingeführt und eine fraktionierte Behandlung über in die Hülse eingebrachte Radioisotope vorgenommen. Das heißt, die Bestrahlung erfolgt diskontinuierlich über einen bestimmten Zeitraum. Bei der stereotaktisch geführten interstitiellen Bestrahlung wird über eine Kanüle ein Strahler (J125 oder IR192), sog. Seed, in das Zielgebiet eingebracht. Die
B-11.6
Toleranzdosen von Risikoorganen (nach Schlegel und Westphal, 1998)
Risikoorgan
TD 5/5 (Gy)
mögliche Strahlenfolge
Gehirn Hirnstamm Hypothalamus, Hypophyse Chiasma opticum N. opticus Retina Linse Rückenmark peripherer Nerv
60 50 45 50 50 55 5 50 60
Nekrose, Infarkt Nekrose, Infarkt Nekrose, Infarkt Erblindung Erblindung Visusverlust Katarakt Myelopathie, Nekrose Neuropathie
Das Gamma Knife erlaubt unter Einsatz eines Kollimators (Helm), welcher über 200 Strahlenkanäle unterschiedlicher Größe verfügt, eine multiplanare stereotaktische Bestrahlung.
Beim „X-Knife“ erfolgt mit dem Linearbescheuniger die extreme Konzentrierung der Energiedosis auf das vorgegebene Zielvolumen durch unterschiedliche Rotationstechniken. Interstitielle Strahlentherapie Über eine Führungshülse wird ein Radioisotop in den zu bestrahlenden Herd eingeführt.
Unter Zuhilfenahme eines stereotaktischen Zielgerätes wird ein Strahler in das Zielgebiet eingebracht. B-11.6
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B 11 Neurochirurgie
1252
Platzierung erfolgt unter Zuhilfenahme eines stereotaktischen Zielgerätes. Der Strahler verbleibt für einen bestimmten Zeitraum und es liegt somit eine kontinuierliche Bestrahlung vor. 11.4.3 Chemotherapie
왘 Definition
11.4.3 Chemotherapie 왘 Definition. Die Chemotherapie basiert auf dem Prinzip der selektiven Toxizität. Die verschiedenen Stoffgruppen werden als Mono- oder Polychemotherapie angewendet.
Die Chemotherapie wird in der Neurochirurgie meist als adjuvantes, palliatives Verfahren angewendet. Chemotherapeutika können bei verschiedenen ZNS-Tumoren zu einer Lebensverlängerung führen (Tab. B-11.7).
Es handelt sich hierbei um Alkylanzien, Antimetabolite, Mitosegifte, Antibiotika und Enzyme. Die Chemotherapie gilt in der Neurochirurgie in der Regel als adjuvantes, palliatives Therapieverfahren. Sie kann bei Patienten mit ■ anaplastischen Gliomen, ■ Medulloblastomen, ■ primitiven neuroektodermalen Tumoren (PNET), ■ Keimzelltumoren und ■ primären Lymphomen des ZNS zu einer Lebensverlängerung führen (Tab. B-11.7).
Die Auswahl der geeigneten Substanz richtet sich nach zahlreichen tumorspezifischen und allgemeinen medizinischen Gesichtspunkten.
Die Auswahl der verwendeten Substanzen richtet sich nach ■ der Empfindlichkeit der Tumorzellen, ■ der Passage der Substanz durch die Blut-Hirn-Schranke, ■ dem therapeutischen Index (Beziehung zwischen Wirksamkeit und Toxizität), ■ der Pharmakokinetik, ■ dem Alter des Patienten, ■ dem Karnofsky-Index, ■ der Radikalität der Operation, ■ der Tumorvaskularisation, ■ begleitenden Erkrankungen oder Komplikationen, ■ der zu erwartenden Prognose des Spontanverlaufs, ■ einer eventuell begleitenden Radiatio, ■ dem Zellzyklus, ■ der immunologischen Ausgangssituation, ■ dem Ödemmuster und nicht zuletzt ■ der psychosozialen Integrität des Patienten.
Zytostatika werden systemisch verabreicht.
Die Applikationsmethode der Wahl ist derzeit bei allen Zytostatika die systemische Gabe (intravenös oder oral).
B-11.7
Wirksamkeit von Chemotherapie bei verschiedenen Tumorentitäten (aus Schlegel U, Weller M, Westphal M. Neuroonkologie. 2. erweiterte Aufl. Stuttgart: Thieme; 2003)
Chemotherapie sicher wirksam
Substanzen/Protokolle
Glioblastom im Rezidiv
Temozolomid, Nitrosoharnstoffe, Procarbazin, PCV
anaplastisches Astrozytom im Rezidiv
Temozolomid, Nitrosoharnstoffe, PCV
anaplastisches Oligodendrogliom, Primärtherapie und Rezidiv
Kortikosteroide, MTX, Ara-C, PCV, Temozolomid
Hirnmetastasen bestimmter Tumoren (Keimzelltumor, kleinzelliges Bronchialkarzinom, Mammakarzinom, malignes Melanom)
Cyclophosphamid, Methotrexat u. a. bei kleinzelligem Bronchialkarzinom und Mammakarzinom
primäre intrakranielle Keimzelltumoren, Primärtherapie und Rezidiv
platinhaltige Protokolle
Chemotherapie fraglich wirksam Glioblastom, Primärtherapie
Nitrosoharnstoffe, ACNU + VM26, Temozolomid
Medulloblastom, Primärtherapie zusätzlich zur Strahlentherapie
Kombinationsprotokolle, z. B. CCNU + Cisplatin + Vincristin
PNET, Primärtherapie
Kombinationsprotokolle, z. B. CCNU + Cisplatin + Vincristin
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B 11.5 Intrakranielle Drucksteigerung
1253
Nebenwirkungen und Toxizität: Keines der heute im klinischen Gebrauch befindlichen Zytostatika wirkt spezifisch auf die Tumorzellen. Es werden alle proliferativen Zellen des Organismus beeinflusst. Das betrifft vor allem das Knochenmark (Störung der Blutbildung) sowie die Schleimhautzellen des Magen-Darm-Trakts (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall).
Nebenwirkungen und Toxizität: Keines der Zytostatika wirkt nur spezifisch auf die Tumorzellen. Es betrifft immer auch alle proliferativen Zellen des Organismus.
Ausblick: Da das Ansprechen einzelner Gruppen von Tumoren des ZNS auf eine Chemotherapie wahrscheinlich auf intrinsische biologische Variablen (Durchblutung, Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke, Glukose-Utilisation) zurückzuführen ist, sind diese in die Therapieentscheidung einzubeziehen. Dies wird durch weitere Nutzung funktioneller bildgebender Verfahren wie PET, SPECT, Xenon-CT und MRT möglich sein und die Möglichkeiten der Chemotherapie auf eine rationale Basis stellen.
Ausblick: Intrinsische biologische Variablen sind an der Wirkung der Zytostatika beteiligt. Sie können durch neue bildgebende Verfahren zunehmend berücksichtigt werden.
11.4.4 Rehabilitation
11.4.4 Rehabilitation
왘 Definition. Nach der WHO (1969) ist die Rehabilitation definiert als kombinierter und aufeinander abgestimmter Einsatz von medizinischen, sozialen, schulischen und beruflichen Maßnahmen zum Neuerwerb oder zur Wiedererlangung des individuell höchstmöglichen Niveaus funktioneller Fähigkeit nach einer Erkrankung.
Rehabilitation ist ärztliche Aufgabe und Verpflichtung. Dafür gibt es mittlerweile eine Fülle von Methoden und Techniken sowie hochspezialisierte Einrichtungen, die sich auf spezielle Krankheitsbilder eingerichtet haben. Nach Ermittlung des Ausgangsniveaus (neuropsychologische Funktionen und körperliche Funktionen) können durch aktive Therapieformen wie Krankengymnastik, Ergotherapie, Musiktherapie, Logopädie, Arbeitstherapie, Tanztherapie, Kunsttherapie, gezieltes Training audiovisueller Defizite, Hippotherapie, Biofeedback und Elektrotherapie ausgefallene Funktionen unterstützt und kompensatorische Funktionen trainiert werden. Weiterhin stehen zahlreiche mechanische Hilfsmittel zur Verfügung. Ziel ist die Erhaltung und Stabilisierung des Leistungsrestes sowie das Erlernen neuer oder Wiedererlernen alter Fähigkeiten. Es wird eine Reintegration in allen Bereichen des Lebens angestrebt. Der Trend geht heute mehr und mehr zur Frührehabilitation. Diese beginnt am Tage des Ereignisses in den neurochirurgischen Kliniken.
11.5 Intrakranielle Drucksteigerung 왘 Definition. Allgemein wird als Hirndruck der Liquordruck im Ventrikel in Höhe des Foramen Monroi definiert.
Gemäß der Monro-Kellie-Doktrin kann es bei einer Zunahme des Hirndruckes nur zu einer Verschiebung innerhalb der 3 sich in einem dynamischen Gleichgewicht befindenden Kompartimente kommen (Tab. B-11.8): Hirnparenchym, Gefäße und Liquorraum. Nur im Säuglingsalter ist eine Vergrößerung des Kopfes infolge einer intrakraniellen Volumenzunahme möglich. Nach Verschluss der Schädelnähte ist dies nur noch durch eine Verschiebung auf Kosten der einzelnen Kompartimente, also der Ausnutzung eines funktionellen Reserveraumes, möglich. Steigt der Hirndruck weiter an, kommt es zu einer reduzierten Hirndurchblutung bei parallel gehender Zunahme des Venendruckes, wobei bei Unterschreitung eines Perfusionsdruckes von 40 mmHg die zerebrale Hypoxidose beginnt.
왗 Definition
Rehabilitation ist ärztliche Aufgabe und Verpflichtung.
Nach Ermittlung des Ausgangsniveaus kommen zahlreiche aktive Therapieformen und passive Hilfsmittel zum Einsatz.
Ziel ist letztendlich die Reintegration in allen Lebensbereichen. Der Trend geht mehr und mehr zur Frührehabilitation.
11.5
Intrakranielle Drucksteigerung
왗 Definition
Bei einer Zunahme des Hirndrucks kommt es zu Verschiebungen zwischen Hirnparenchym, Gefäßen und Liquorraum. Nur bei Säuglingen ist eine Vergrößerung des Kopfes infolge einer intrakraniellen Volumenzunahme möglich. Steigender Hirndruck führt zur Abnahme der Hirndurchblutung.
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B 11 Neurochirurgie
1254 B-11.8
B-11.8
Volumenzunahme der drei Kompartimente als Ursache einer intrakraniellen Drucksteigerung
Hirnparenchym ■ ■ ■ ■ ■ ■
B-11.4
Tumor Hirnödem Abszess Meningitis Enzephalitis Intoxikation
Liquorraum ■ ■
Verschlusshydrozephalus aresorptiver oder hypersekretorischer Hydrozephalus
Gefäße (Blut) ■ ■ ■ ■
Hyperkapnie Hypoxie Sinusthrombose Hämatome
Druck-Volumen-Diagramm des intrakraniellen Drucks
Übersteigt der Hirndruck den arteriellen Perfusionsdruck, kommt es zum zerebralen Kreislaufstillstand, im Weiteren zum Hirntod (Abb. B-11.4, Tab. B-11.9). Folge der Volumenänderungen sind sog. Hirnmassenverschiebungen mit konsekutiver Einklemmungssymptomatik.
Damit gehen komplexe metabolische Veränderungen, welche zur Entwicklung des gefürchteten Hirnödems führen, einher. Übersteigt der Hirndruck den arteriellen Perfusionsdruck, kommt es zum zerebralen Kreislaufstillstand, im Weiteren zum Hirntod (Abb. B-11.4, Tab. B-11.9). Folge von Volumenänderungen sind sog. Hirnmassenverschiebungen, wobei sich typische Muster beobachten lassen: ■ Suptratentorielle Raumforderungen führen zu Verlagerungen in den Tentoriumschlitz und unter die Falx cerebri. ■ Infratentorielle Prozesse führen zu Verlagerungen ins Foramen occipitale magnum oder auch transtentoriell nach rostral sowie in die Zisternen.
Solche Einklemmungen sind auf Dauer mit dem Leben nicht vereinbar.
Solche Verlagerungssyndrome mit konsekutiver Einklemmungssymptomatik sind auf Dauer mit dem Leben nicht vereinbar.
11.5.1 Blut-Hirn-Schranke
11.5.1 Blut-Hirn-Schranke
왘 Definition
왘 Definition. In die funktionelle Organeinheit von kapillarer Endstrombahn,
Astrozyt und zugehöriger Ganglienzelle ist ein kompliziertes und störanfälliges Membransystem, die Blut-Hirn-Schranke, eingeschaltet. Die aus Tight junctions bestehende BlutHirn-Schranke schützt durch selektive Permeabilität das innere Milieu des Gehirns.
Die Blut-Hirn-Schranke stellt durch eine sehr selektive Permeabilität eine höchst effektive Schutzbarriere für das „milieu interne“ des Gehirns dar. Neuroanatomisch wird sie aus den Tight junctions zwischen den Kapillarendothelien und der Basalmembran hinter den Endothelzellen der Blutgefäße gebildet. Die sekundären Schädigungen des Gehirns durch unterschiedliche Noxen haben die gestörte Blut-Hirn-Schranke zur Vorraussetzung.
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B 11.5 Intrakranielle Drucksteigerung
11.5.2 Zerebrale Perfusion und Hirndruck 왘 Merke. Das Volumen des Schädels beträgt beim Erwachsenen etwa
1255 11.5.2 Zerebrale Perfusion und Hirndruck
왗 Merke
1800 – 1900 ml. Davon entfallen 80 % auf das Hirngewebe. Das Volumen von Liquor und Blut beträgt jeweils 10 %. Die Hirndurchblutung (CBF) beträgt etwa 20 % des Herz-Minuten-Volumens und die regionale Hirndurchblutung (rCBF) 55 ml/100 g Hirngewebe/min. Durch die Autoregulation der Hirngefäße unter der Wechselwirkung neurogener, metabolischer und myogener Faktoren (pH-Wert, Stoffwechselfaktoren, Neurotransmitter, vasoaktive Substanzen, Blutgase, Elektrolytkonzentration, Osmolalität) wird beim Gesunden die zerebrale Perfusion trotz Blutdruckschwankungen, Veränderungen des Blutvolumens etc. konstant gehalten (Abb. B-11.5). Der normale zerebrale Perfusionsdruck (CPP) beträgt ca. 90 mmHg. Bei Hirndrucksteigerung kommt es zur Abnahme der Hirndurchblutung, da der zerebrale Perfusionsdruck (CPP) der Differenz von arteriellem Mitteldruck (AMP) und intrakraniellem Druck (ICP) entspricht. Sinkt die Differenz unter 60 mmHg, ist der arterielle Druck zu niedrig, der intrakranielle Druck zu hoch. Vereinfacht gilt die Gleichung CPP = AMP – ICP (Tab. B-11.9)
Die Hirndurchblutung (CBF) beträgt etwa 20 % des HMV. Beim Gesunden wird durch eine zerebrale Autoregulation die zerebrale Perfusion unter wechselnden Bedingungen aufrechterhalten (Abb. B-11.5).
Normaler zerebraler Perfusionsdruck (CPP): Ca. 90 mmHg. Bei Hirndrucksteigerung kommt es zur Abnahme der Hirndurchblutung, da der Perfusionsdruck abnimmt. CPP = AMP – ICP
B-11.5
Verhalten von zerebralem Blutfluss (CBF) und zerebralem Perfusionsdruck (CPP) bei intakter und gestörter/aufgehobener Autoregulation der Hirngefäße
B-11.9
Hirndruck und Hirndurchblutung
intrakranielles Volumen
1800 – 1900 ml
Hirngewebe
80 – 85 %
Liquor
10 %
Blutvolumen
5 – 10 %
Reservevolumen
ca. 150 ml (langsame Volumenzunahme) ca. 50 ml (schnelle Volumenzunahme)
CBF = CPP ÷ CVR (CPP = MAP – ICP [jeweils Mitteldruck])
700 – 800 ml
rCBF
60 – 110 ml/100 g/min (graue Substanz) 20 – 30 ml/100 g/min (weiße Substanz) 55 ml/100 g/min (global)
CVR
1,6 mmHg/ml/100 g
B-11.9
CBF = zerebraler Blutfluss, rCBF = regionaler zerebraler Blutfluss, CVR = zerebraler Gefäßwiderstand CPP = zerebraler Perfusionsdruck, MAP = mittlerer arterieller Druck, ICP = Hirndruck
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1256
B 11 Neurochirurgie
Bei einem CPP von 40 mmHg kommt es zu ischämischen Veränderungen.
Bei gestörter Autoregulation kommt es zur Vasodilatation.
Wenn die Reserven der Kompartimente erschöpft sind, kommt es infolge des weiter gesteigerten ICP zur Dekompensation, ggf. zum zerebralen Kreislaufstillstand. Ab einem CPP von 40 mmHg ist mit ischämischen Veränderungen zu rechnen. Dies wird als Compliance = intrakranielles Druck-Volumen-Verhältnis (dV/dP) bezeichnet. Steigt der ICP so sinkt die Compliance. Bei gestörter Autoregulation ist die O2-Abnahme bei gleichzeitigem CO2-Anstieg von einer Vasodilatation mit Zunahme des Blutvolumens begleitet.
11.5.3 Hirnödem
11.5.3 Hirnödem
왘 Definition
왘 Definition. Extra- oder intrazelluläre Flüssigkeitsansammlung des Hirngewebes mit der Folge eines intrakraniellen Druckanstieges und sich daraus sekundär entwickelnder Parenchymschädigung.
Vasogenes Hirnödem: Es ist Folge einer Schädigung der Blut-Hirn-Schranke im Rahmen von Tumoren, Traumen, Abszessen, Enzephalitiden.
Vasogenes Hirnödem: Es tritt bevorzugt im Marklager, der weißen Substanz, als Folge eines transkapillaren Flüssigkeitsaustrittes in den Extrazellulärraum auf. Es findet sich am häufigsten als peritumorales Ödem sowie bei Traumen, Abszessen und Enzephalitiden. Ursächlich liegt die Schädigung im Bereich der kapillaren Endstrombahn. Mediatoren wie Serotonin, Histamin, Bradykinin und Arachidonsäure spielen eine wesentliche Rolle.
Zytotoxisches Hirnödem: Es geht von einer primären Störung der Astrozyten oder Ganglienzellen aus. Ursachen sind zerebrale Hypoxie und Intoxikationen.
Zytotoxisches Hirnödem: Es geht von einer primären Störung der Astrozyten oder Ganglienzellen aus. Zytotoxische Substanzen führen zu einer mangelhaften zellulären Energiebereitstellung. Es kommt zum Ausfall der Natrium-KaliumPumpe mit extrazellulärer Kaliumanreicherung und Natrium- und Wassereinstrom in die Zellen. Ursachen sind zerebrale Hypoxie (Ischämie) und Intoxikationen.
왘 Merke
왘 Merke. Zytotoxisches Hirnödem und vasogenes Hirnödem können sowohl ineinander übergehen, aber auch nebeneinander bestehen.
11.5.4 Hirndruckwellen
11.5.4 Hirndruckwellen
A-Wellen oder Plateauwellen: Rascher Hirndruckanstieg auf Werte über 40 mmHg.
A-Wellen oder Plateauwellen als Folge anhaltend erhöhten ICP’s sind Ausdruck einer vitalen Gefährdung. Meist steht die zerebrale Perfusion vor der Dekompensation. Es kommt zu einem raschen Hirndruckanstieg auf Werte über 40 mmHg. Der Druck verbleibt etwa 10 – 20 min. auf diesem Niveau, um dann ebenso rasch wieder abzufallen. B-Wellen sind regelmäßig innerhalb kurzer Zeit (1 – 2 Min.) oszillierende Schwankungen des ICP unterhalb von 40 mmHg. Sie werden durch den veränderten paCO2 (Ausdruck zentraler Atemstörungen) ausgelöst. Vor einer Plateauwelle ist oftmals eine Serie von B-Wellen zu beobachten. R-Wellen (Rampenwellen) sind Folge eines deregulierten Atemrhythmus. Der ICP steigt deutlich über 30 mmHg. Bei erschwerter Atmung kommt es auf dem Gipfel der Rampe zur Seufzeratmung, gefolgt von einer Hyperventilation, die den ICP sinken lässt. Sie treten fast ausschließlich im Schlaf auf. Häufig findet man sie beim Normaldruckhydrozephalus. Hier stellen sie die Indikation zur Shuntanlage dar (siehe Kapitel Hydrozephalus) (Abb. B-11.3).
B-Wellen: Regelmäßig innerhalb kurzer Zeit (1 – 2 Min.) oszillierende Schwankungen des ICP unterhalb von 40 mmHg. R-Wellen (Rampenwellen) sind Folge eines deregulierten Atemrhythmus, der ICP steigt deutlich über 30 mmHg (Abb. B-11.3).
11.5.5 Medikamentöse Therapie der
Hirndrucksteigerung Absolut essenziell ist Diagnostik und Therapie allgemeiner körperlicher Störungen. Die konservative Therapie des erhöhten intrakraniellen Drucks besteht in medikamentösen und nichtmedikamentösen Maßnahmen (Tab. B-11.10).
11.5.5 Medikamentöse Therapie der Hirndrucksteigerung Absolut essenziell ist ein Ausgleich allgemeiner körperlicher Störungen. Hierbei ist zu achten auf: ■ einen gut eingestellten Blutdruck, ■ eine normale Herzfrequenz, ■ eine ausreichende Auswurfleistung des Herzens, ■ eine zufriedenstellende Oxygenierung,
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B 11.5 Intrakranielle Drucksteigerung
B-11.10
■ ■ ■
Stufenplan zur Behandlung der intrakraniellen Drucksteigerung
Stufe
Maßnahmen
I
■
■
allgemeine Maßnahmen Oberkörperhochlagerung Beseitigung venöser Abflussbehinderungen
II
■
Analgosedierung
III
■
moderate Hyperventilation (paCO2 30 – 35 mmHg)
IV
■
Liquordrainage
V
■
VI
■
■
1257 B-11.10
medikamentöse Therapie: – Dexamethason – Mannitol 20 % – Sorbitol 40 % – Glyzerol – Barbiturat – TRIS-Puffer (THAM; indirekte Wirkung) – Diuretika (indirekte Wirkung) Dekompressionsoperation
das Vorhandensein von genügend Sauerstoffträgern, die Vermeidung einer Hyperhydratation und eine ausreichende Kalorienzufuhr.
Die konservative Therapie des erhöhten intrakraniellen Druckes besteht aus medikamentösen und nichtmedikamentösen therapeutischen Maßnahmen (Tab. B-11.10).
Glukokortikoide
Glukokortikoide
Steroide vom Typ der Glukokortikoide führen zu einer Stabilisierung der Zellmembran, Wiederherstellung der Natrium-Kalium-Pumpe, Abnahme der Liquorproduktion und einer Normalisierung der Elektrolyt- und Wasserpermeabilität. Darüber hinaus wird die Permeabilität für gewisse Aminosäuren erhöht, die Erholungszeit der gestörten Blut-Hirn-Schranke verkürzt sich. Es kommt zur Entquellung von geschwollenen Zellen, das Hirnödem lässt nach, die Perfusion bessert sich, im günstigsten Fall kommt es zur Restitution mit funktioneller Reintegration. Entscheidend ist die frühzeitige und hochdosierte Applikation von Dexamethason bei gleichzeitiger Ulkusprophylaxe. ■ Das vasogene Hirnödem (Tumoren und Abszesse) zeigt eine gute Ansprechbarkeit und oft erstaunlich schnelle klinische Besserung. ■ Beim zytotoxischen Hirnödem (Trauma) sowie nach Schlaganfällen lässt sich keine überprüfbare Effizienz erkennen. Hier werden Kortikosteroide therapeutisch nicht eingesetzt.
Entscheidend ist die frühzeitige und hochdosierte Applikation von Dexamethason bei gleichzeitiger Ulkusprophylaxe.
Osmotherapie – Osmodiuretika
Osmotherapie – Osmodiuretika
왘 Definition. Durch den Einsatz von Lösungen mit einem hohen kolloidosmo-
■
■
Das vasogene Hirnödem zeigt eine gute Ansprechbarkeit und oft erstaunlich schnelle klinische Besserung. Beim zytotoxischen Hirnödem lässt sich keine überprüfbare Effizienz erkennen.
왗 Definition
tischen Druck wird ein osmotischer Gradient zwischen Hirngewebe und Extrazellulärraum geschaffen. Dadurch wird dem Hirngewebe Wasser entzogen. Eine Osmotherapie sollte heute nicht mehr ohne Hirndruckmessung erfolgen! Zum Einsatz kommen Mannitol, Sorbitol und Glyzerol.
Eine Osmotherapie sollte heute nicht mehr ohne Hirndruckmessung erfolgen!
Dosis und Wirkdauer: Es werden 1 – 1,5 g/kg Körpergewicht der 20 %igen Mannitol- oder der 40 %igen Sorbitollösung innerhalb von 20 – 30 Minuten intravenös appliziert. Ein hirndrucksenkender Effekt besteht für etwa 2 – 6 Stunden, ist jedoch individuell sehr verschieden.
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1258
B 11 Neurochirurgie
Zerebroprotektive Substanzen
Zerebroprotektive Substanzen
Viele der eingesetzten Medikamente haben die Gemeinsamkeit, dass die durch Experimente geweckten Erwartungen beim Menschen nicht gleichermaßen erfüllt werden.
Hierzu zählen: ■ Barbiturate, ■ einige Hypnotika, ■ Medikamente, die als sog. Radikalfänger (Aminosteroid Tirilazad) angesehen werden, ■ Vitamine der E, C und B-Gruppe (wobei Effekte umstritten sind) und ■ vasoaktive Substanzen, die bei zerebralen Hämorrhagien die gefürchteten Angiospasmen beeinflussen sollen (Nimodipin). Allen diesen, wie auch anderen ist gemeinsam, dass die im Experiment beobachteten Wirkungen den Erwartungen am Menschen nicht gleichermaßen gerecht werden.
Weitere Medikamente mit indirektem Effekt auf das Hirnödem sind Diuretika und TRISPuffer.
Weitere Medikamente die einen jedoch nur indirekten Effekt auf das Hirnödem haben sind Diuretika (Verminderung des Wassergehaltes allgemein, Senkung der Liquorproduktion) und TRIS-Puffer (Pufferung der intrazellulären Azidose). Begleitend sollten Stessulkusprophylaxe, Thromboseprophylaxe und krankengymnastische Übungsbehandlungen erfolgen. Bei wiederholten Krampfanfällen ist eine antikonvulsive Therapie einzuleiten.
11.5.6 Intensivmedizinische
Behandlungsansätze
11.5.6 Intensivmedizinische Behandlungsansätze
Lagerung
Lagerung
Der Oberkörper sollte 30 ° hoch und der Kopf in Neutralstellung gelagert werden.
Die 30 °-Hochlagerung des Oberkörpers, Kopf in Neutralstellung (zur Vermeidung einer venösen Abflussbehinderung) gilt als optimale Lagerung.
Beatmung
Beatmung
Die Hyperventilation bewirkt über eine Minderung des intravasalen intrakraniellen Volumens eine Absenkung des ICP.
Da es infolge der Hirnschädigung zum Verlust der zerebralen Autoregulation kommt, kann durch die induzierte, moderate, Hyperventilation über eine Minderung des intravasalen intrakraniellen Volumens, durch eine Reduktion des Venendrucks, der intrakranielle arteriovenöse Druckgradient begünstigt werden. Zusätzlich wird die Diffusion von H+-Ionen in den Liquor verlangsamt. Nachteilig ist die parallel abnehmende Hirndurchblutung, welche durch eine induzierte Hypertension ggf. ausgeglichen werden muss. Empfohlen wird ein pa CO2 von 30 – 35 mmHg.
Analgosedierung
Analgosedierung
Barbiturate und andere Hypnotika führen zu einem reduzierten O2-Verbrauch.
Barbiturate, Analgetika, Benzodiazepine, Propofol, Etomidate, Fentanyl, Clonidin und trizyklische Antidepressiva führen zu einem reduzierten O2-Verbrauch und einer Ökonomisierung der Sauerstoffausschöpfung. Daneben sinkt der Bedarf an energiereichen Phosphaten. Über eine Vasokonstriktion kommt es bei Barbituraten zu einer Reduzierung des Blutvolumens, aber auch der Hirndurchblutung. Die während intensivmedizinischer Maßnahmen beobachteten exzitatorischen Krisen mit vegetativer Entgleisung und konsekutiver Hirndrucksteigerung werden abgefangen.
11.5.7 Operative Therapiemöglichkeiten
11.5.7 Operative Therapiemöglichkeiten
Externe Ventrikeldrainage
Externe Ventrikeldrainage
Über die externe Ventrikeldrainage kann die Reservekapazität von Ventrikelsystem und Subarachnoidalraum genutzt werden. Gleichzeitig kann der intrakranielle Druck gemessen werden.
Durch die Anlage einer externen Ventrikeldrainage kann die Reservekapazität von Ventrikelsystem und Subarachnoidalraum genutzt werden. Gleichzeitig kann der intrakranielle Druck gemessen werden. Die Anlage erfolgt in der Regel durch Punktion des rechten Vorderhorns des Seitenventrikels. Neben der einfachen Drainage über einen Ventrikelkatheter, der mit einem externen Messsystem verbunden werden kann, stehen auch Ventrikelkatheter mit integrierter, miniaturisierter Messsonde zur Verfügung.
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B 11.6 Schädel-Hirn-Trauma (SHT) und Schädel-Hirn-Verletzung (SHV)
Dekompressive Kraniektomie 왘 Definition. Großflächige Entfernung von Kalottenanteilen sowie von lateroba-
1259 Dekompressive Kraniektomie 왗 Definition
salen Schädelbasisanteilen zur Entlastung von Großhirn und Hirnstamm. Die dekompressive Kraniektomie wird heute bei Patienten wieder vermehrt vorgenommen, welche noch nicht dezerebriert zur Aufnahme gelangen, oder nach primärer Stabilisierung einen sekundären, konservativ nicht beeinflussbaren Hirndruckanstieg zeigen. Methode: Es wird eine großflächige Trepanation vorgenommen, wobei der Kalotten- und Schädelbasisanteil bis weit nach basal, zur Entlastung des Hirnstamms, ausgesägt werden muss. Hinzu kommt eine großzügige Duraerweiterungsplastik. Die Größe der Trepanationsfläche korreliert nahezu exponentiell mit dem zu erwartendem Volumengewinn.
Methode: Die Kraniektomie ist nur suffizient in Kombination mit einer großzügigen Duraerweiterungsplastik.
Dekompressive Lobektomie
Dekompressive Lobektomie
Die als absolute Ultima Ratio anzusehende zerebrale Lobektomie wird nur beim Versagen aller anderen Maßnahmen durchgeführt. Ihre Indikation findet sie am ehesten bei schweren kontusionellen hämorrhagischen Erweichungen, insbesondere bei sekundärer Verschlechterung. Nicht dominante, nicht eloquente Anteile von Frontal- und Temporallappen können ggf. reseziert werden.
Eine zerebrale Lobektomie zur intrakraniellen Hirndrucksenkung gilt als absolute Ultima ratio.
11.5.8 Hirntod
11.5.8 Hirntod
왘 Definition. Der Hirntod ist der vollständige und irreversible Zusammenbruch
왗 Definition
der Gesamtfunktion des Gehirns bei noch aufrechterhaltener Kreislauffunktion im übrigen Körper. Dabei handelt es sich ausnahmslos um Patienten, die wegen der fehlenden Spontanatmung kontrolliert beatmet werden müssen. Der Hirntod ist als Individualtod international akzeptiert.
11.6 Schädel-Hirn-Trauma (SHT) und
Schädel-Hirn-Verletzung (SHV)
왘 Definition. Durch äußere Gewalteinwirkung verursachte isolierte oder kom-
Hirntod ist dem Individualtod gleichzusetzen.
11.6
Schädel-Hirn-Trauma (SHT) und Schädel-Hirn-Verletzung (SHV)
왗 Definition
binierte Verletzung von Kopfschwarte, Schädel und Gehirn. Epidemiologie: In Deutschland erleiden jährlich etwa 200 000 Menschen ein SHT. Von 100 stationär behandelten Patienten mit SHV erleiden ■ 75 ein leichtes, ■ 25 ein mittelschweres bzw. ein schweres SHT.
Epidemiologie: In Deutschland erleiden jährlich etwa 200 000 Menschen ein SHT. 8 von 100 stationär behandelten Patienten versterben an den Folgen.
Von diesen 100 Patienten versterben 8 an den Folgen des SHT.
11.6.1 Klassifikation des SHT
11.6.1 Klassifikation des SHT
Eine Klassifikation des SHT, die alle Anforderungen gleich gut erfüllt, gibt es nicht. Daraus wird verständlich, warum viele Einteilungen bestehen und immer wieder Korrekturen bereits vorliegender Klassifikationen vorgenommen werden. Eine Klassifikation nach Schweregraden muss viele Anforderungen erfüllen. Sie sollte zu jedem Zeitpunkt die Einschätzung des aktuellen Zustandes und des zu erwartenden Verlaufes ermöglichen.
Eine Klassifikation des SHT, die alle Anforderungen abdeckt, gibt es nicht.
Die Einschätzung des aktuellen Zustandes und des zu erwartenden Verlaufs sollten jederzeit möglich sein.
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1260
B 11 Neurochirurgie
Die größte Verbreitung und Akzeptanz hat die Glasgow Coma Scale erreicht (Tab. B-11.2, S.1240). In Anlehnung an die Glasgow Coma Scale wurde die Glasgow Outcome Scale erarbeitet (Tab. B-11.11).
Die größte Verbreitung und Akzeptanz hat die Glasgow Coma Scale erreicht (Tab. B-11.2, S. 1240). Es werden die Kriterien Augen öffnen, verbale und motorische Reaktion bewertet. Danach entsprechen definitionsgemäß ■ 3 – 8 Punkte einem schweren, ■ 9 – 12 einem mittelschweren und ■ 13 – 15 Punkte einem leichten SHT.
Komaklassifikation der W.F.N.S. s. S.1241 (Tab. B-11.3).
Insbesondere bei gleichzeitiger Beurteilung der Hirnstammreflexe ist eine effektive Einschätzung des aktuellen Schweregrades als auch der Prognose möglich. In Anlehnung an die Glasgow Coma Scale wurde die Glasgow Outcome Scale erarbeitet (Tab. B-11.11). Die Komaklassifikation der W.F.N.S., auch als Brüsseler Koma-Klassifikation bekannt, wurde bereits auf S. 1241 beschrieben (Tab. B-11.3).
Verletzungsfolgen
Verletzungsfolgen
Die Einschätzung unfallbedingter Schädigungsfolgen muss schnell, systematisch und effektiv erfolgen.
Die Einschätzung unfallbedingter Schädigungsfolgen bei Schädel-Hirn-Verletzten muss schnell, systematisch und effektiv erfolgen. Eine aus didaktischen Gründen notwendige Einordnung des SHT muss, nach Dringlichkeit geordnet, praktisch-diagnostische und therapeutische Aspekte sowie mögliche Komplikationen einschließen.
B-11.11
B-11.11
Grad Grad Grad Grad Grad
B-11.12
Glasgow-Outcome-Scale zur Beurteilung der Spätresultate nach SHT
I II III IV V
B-11.12
Tod apallisch schwere Beeinträchtigung leichte Beeinträchtigung gute Erholung
Einteilung des SHT nach pathomorphologisch-anatomischen Gesichtspunkten (nach Lang und Reding)
Kopfschwartenverletzung Schädelprellung (Contusio capitis) Frakturen ■ Schädeldachfissur ■ Schädeldachfraktur ■ Impressionsfraktur (offen/geschlossen) ■ Schädelbasisfraktur gedecktes SHT ■ Commotio cerebri ■ Contusio cereri ■ Compressio cerebri – epidurales Hämatom – subdurales Hämatom – intrazerebrales Hämatom – raumfordernder Kontusionsherd – generalisiertes traumatisches Hirnödem offenes SHT ■ penetrierende Schädeldachverletzung ■ frontobasales SHT ■ laterales SHT ■ Sonderform: Schussverletzung Hirngefäßverletzung Hirnnervenverletzung
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B 11.6 Schädel-Hirn-Trauma (SHT) und Schädel-Hirn-Verletzung (SHV)
왘 Merke. Die Folgen eines SHT sind kein statisches, sondern ein dynamisches Geschehen. Das akute SHT erfordert eine lückenlose, kontinuierliche Kontrolle seiner Verlaufsdynamik.
Die Verletzungsfolgen können nach pathologisch-anatomischen Gesichtspunkten eingeteilt werden (Tab. B-11.12).
11.6.2 Vorgehen bei Verletzten mit Schädel-Hirn-Trauma Absolute Priorität hat die Wiederherstellung, Stabilisierung und Sicherung der vitalen Funktionen wie Atmung und Kreislauf, s. S. 899. Die Versorgung der Kopfverletzung selbst steht zunächst nicht im Vordergrund. Am Unfallort soll eine erste orientierende Untersuchung die Bedrohung bzw. den Ausfall der vitalen Funktionen aufdecken. Dies ist primär nur mit den 5 Sinnen, ohne Zuhilfenahme spezieller diagnostischer Maßnahmen möglich. Erste Hinweise auf das Vorliegen eines SHT bieten bei einer orientierenden Inspektion die Bewusstlosigkeit sowie äußere Verletzungen im Bereich des Schädels. Die Bewusstseinslage wird anhand der Glasgow Coma Scale punktuell bewertet (Tab. B-11.2). Weiterhin müssen die Pupillenweite und- reaktion beurteilt werden sowie die Registrierung pathologischer motorischer Reaktionen (Strecksynergismen, Lähmungen, Krämpfe) erfolgen (Tab. B-11.1, Tab. B-11.3). Dabei ist besonderer Wert auf die Verlaufsbeurteilung zu legen. Alle Befunde sowie verabreichte Medikamente sind im Notarztprotokoll zu dokumentieren. 왘 Merke. Die Wundversorgung am Unfallort sollte sich auf das Anlegen ste-
1261 왗 Merke
Einteilung der Verletzungsfolgen: Tab. B-11.12. 11.6.2 Vorgehen bei Verletzten mit
Schädel-Hirn-Trauma Absolute Priorität hat die Wiederherstellung, Stabilisierung und Sicherung der vitalen Funktionen. Am Unfallort soll eine erste orientierende Untersuchung die Bedrohung bzw. den Ausfall der vitalen Funktionen aufdecken.
Die Bewusstseinslage wird anhand der Glasgow Coma Scale bewertet (Tab. B-11.2). Weiterhin müssen die Pupillenweite und -reaktion beurteilt werden (Tab. B-11.1, Tab. B-11.3). Dabei ist besonderer Wert auf die Verlaufsbeurteilung zu legen. 왗 Merke
riler Verbände beschränken. Vor der Entfernung von Fremdkörpern am Unfallort muss dringend gewarnt werden. Das Belassen von Fremdkörpern stellt oftmals die wirkungsvollste Tamponade dar.
Rettungstransport 왘 Merke. Stabilisierte Vitalfunktionen sind wichtiger als eine überstürzte
Rettungstransport 왗 Merke
Verlegung in ein weiterbehandelndes Krankenhaus. Die Lagerung der Wahl des intubierten Patienten ist die Kopf-Oberkörper-Hochlagerung, was mit der im Rettungswagen bzw. Rettungshubschrauber obligatorisch vorhandenen Vakuummatratze ohne Schwierigkeiten realisierbar ist. Beim Transport sind die Atem- und Kreislauffunktion sowie der neurologische Befund fortlaufend zu überprüfen. Folgende Informationen sind für die aufnehmende Klinik von besonderem Interesse (Tab. B-11.13).
B-11.13 ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
Wichtige Informationen für den Neurochirurgen
Die Lagerung der Wahl ist beim intubierten Patienten die Kopf-Oberkörper-Hochlagerung. Folgende Informationen sind für die aufnehmende Klinik von besonderem Interesse (Tab. B-11.13).
B-11.13
Alter und Geschlecht des Patienten Zeitpunkt und Art des Unfalls Zustand bei der Erstversorgung und eingetretene Veränderungen Vorliegen zusätzlicher Verletzungen Bewusstseinlage (GCS) Herdneurologie, Halbseitensymptome Pupillenbefund- und reaktion offenes und gedecktes SHT Vorliegen von Schädelfrakturen Vitalfunktionen
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1262
B 11 Neurochirurgie
11.6.3 Störungen der Atemfunktion
11.6.3 Störungen der Atemfunktion
Man unterscheidet: ■ Zentrale Atemstörungen (Abb. B-11.6). ■ Periphere Atemstörungen.
Unterschieden wird zwischen: ■ Zentralen Störungen: Sie treten bei Kontusion und Kompression des Stammhirns, insbesondere im Bereich der Pons und der Medulla oblongata auf (Abb. B-11.6). ■ Peripheren Störungen: Hier können ursächlich Schäden der Nervenwurzeln C3 und C4 und des N. phrenicus vorliegen. Traumafolgen (Rippenserienfrakturen, Pneumo- und/oder Hämatothorax) können zu einer Beeinträchtigung der Lungenfunktion führen. Aspiration (Blut, Erbrochenes) und Zurückfallen der Zunge durch Tonusverlust der Schlund-, Zungen- und Kiefermuskulatur können lebensbedrohliche Atemstörungen hervorrufen.
Bei 15 % der SHT ist die Aspiration unmittelbare, bei weiteren 25 % eine konkurrierende, wesentliche Todesursache.
Insbesondere bei Verletzungen des Mittelgesichtes, des Rachenraumes und der Schädelbasis ist mit einer durch Aspiration bedingten Ateminsuffizienz zu rechnen. Bei 15 % der SHT ist die Aspiration unmittelbare, bei weiteren 25 % eine konkurrierende, wesentliche Todesursache. Indikationen für die primäre Intubation s. Tab. B-11.14.
Indikationen für die primäre Intubation s. Tab. B-11.14. B-11.6
Verschiedene Typen zentraler Atemstörungen im Zusammenhang mit Läsionen unterschiedlicher anatomischer Strukturen
B-11.14
B-11.14 ■ ■ ■ ■ ■
Indikationen zur primären Intubation beim SHT
tiefe Bewusstlosigkeit (Koma) starke Blutung aus dem Nasen-Rachen-Raum schwere Mittelgesichtsverletzungen Zustand nach Aspiration bzw. bestehende Aspirationsgefahr SHT mit Thoraxtrauma
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B 11.6 Schädel-Hirn-Trauma (SHT) und Schädel-Hirn-Verletzung (SHV)
1263
11.6.4 Kreislaufstörungen
11.6.4 Kreislaufstörungen
Eine zerebrale Ischämie kann zu irreversiblen hypoxischen, d. h. sekundären Schäden führen und die Entwicklung eines Hirnödems begünstigen. Ein prolongierter hypovolämischer Schock beim Erwachsenen ist primär nicht auf ein isoliertes SHT zurückzuführen, sondern vielmehr Hinweis auf einen größeren, extrakraniellen Blutverlust im Rahmen einer Mehrfachverletzung (Abdomen, Thorax). Nur beim Kleinkind kann die Entwicklung eines intrakraniellen Hämatoms eine hypovolämische Schocksymptomatik hervorrufen und unterhalten.
Eine zerebrale Ischämie begünstigt die Entwicklung eines Hirnödems.
11.6.5 Traumatisch bedingte Bewusstseinsstörungen 왘 Definition. Sammelbezeichnung für Störungen des Wachheitsgrades (quanti-
Beim Erwachsenen ist es die Ausnahme, dass ein isoliertes SHT eine hypovolämische Schocksymptomatik verursacht.
11.6.5 Traumatisch bedingte
Bewusstseinsstörungen 왗 Definition
tative) und der Bewusstseinsinhalte (qualitative) s. S. 1239. Bei den traumatisch bedingten Bewusstseinsstörungen unterscheidet man zwischen ■ Durchgangssyndrom, ■ Bewusstseinstrübung, ■ Bewusstlosigkeit, ■ Koma und den ■ akuten traumatischen Hirnstammsyndromen. Hierzu zählen das Mittelhirnund Bulbärhirnsyndrom (S. 1242). Der schwerste Residualzustand ist das apallische Syndrom (s. u).
Bei den traumatisch bedingten Bewusstseinsstörungen unterscheidet man zwischen: ■ Durchgangssyndrom, ■ Bewusstseinstrübung, ■ Bewusstlosigkeit, ■ Koma und ■ akuten traumatischen Hirnstammsyndromen.
Durchgangssyndrom
Durchgangssyndrom
왘 Definition. Unspezifische, voll rückbildungsfähige Psychose ohne nachweisbare Bewusstseinsstörung.
왗 Definition
Bestimmte psychische Teilfunktionen sind reversibel gestört. Es können unterschiedliche Ausprägungsgrade unterschieden werden.
Es gibt unterschiedliche Ausprägungsgrade.
Bewusstseinstrübung
Bewusstseinstrübung
왘 Definition. Es handelt sich um einen Zustand verminderter Wahrnehmung der Umgebung und der eigenen Person.
왗 Definition
Der Patient öffnet die Augen spontan, auf Ansprache oder auf Schmerzreize und kann auf Aufforderung gezielte Bewegungen ausführen. Antworten auf Fragen mit Alternativantworten (ja/nein) erfolgen verzögert und meist erst nach Wiederholung. Im Stadium einer mittelschweren Bewusstseinstrübung ist der Patient anrufbar, nachdrücklich wiederholte einfache Angaben (Öffnen der Augen, Heben eines Armes, Zeigen der Zunge) werden aber zunehmend zögernder oder nur angedeutet ausgeführt. Es besteht Schläfrigkeit (Somnolenz) und ohne stärkere Anregung erhöhte Schlafneigung (Hypersomnie). Die Reizschwelle für Schmerzreize ist deutlich erhöht. Vegetative Störungen wie Schwitzen, Tachykardie, Temperaturregulationsstörungen und Inkontinenz können beobachtet werden.
Vegetative Störungen können beobachtet werden.
Bewusstlosigkeit
Bewusstlosigkeit
왘 Definition. Zustand von Unerweckbarkeit.
Der Patient hat die Augen geschlossen und öffnet diese weder auf Ansprache noch auf Schmerzreize. Verbale Äußerungen oder motorische Reaktionen fehlen. Möglich sind jedoch reflektorische, teils gezielte, teils ungezielte Abwehrbewegungen auf Schmerzreize. Mit zunehmender Bewusstlosigkeit erlöschen die spezifischen Abwehrreflexe vor den Fluchtreflexen. Der Reflexstatus ist
Der Patient ist ansprechbar, reagiert verzögert und meist erst auf wiederholte Aufforderung. Im Stadium einer mittelschweren Bewusstseinstrübung ist der Patient anrufbar, nachdrücklich wiederholte einfache Angaben werden aber zunehmend zögernd oder nur angedeutet ausgeführt. Es besteht Somnolenz und Hypersomnie.
왗 Definition Bis auf evtl. abgeschwächte Muskeleigenreflexe findet sich ein normaler Reflexstatus. Mit zunehmender Bewusstlosigkeit erlöschen die spezifischen Reflexe vor den Fluchtreflexen. Verbale Äußerungen fehlen. Der Patient öffnet die Augen auf Schmerzreize nicht.
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B 11 Neurochirurgie
1264
Psychisches Erleben ist wahrscheinlich aufgehoben.
Die Dauer der Bewusstlosigkeit ist ein Maßstab für die Schwere des SHT.
meist noch physiologisch, allenfalls sind die Muskeleigenreflexe abgeschwächt. Der Haltetonus ist erloschen. Die Pupillen sind bei positiver Lichtreaktion meist eng gestellt und die Bulbi normal konjugiert. In der Bewusstlosigkeit ist auch ein minimales psychisches Erleben mit großer Wahrscheinlichkeit aufgehoben. Praktisch verlässt man sich allerdings auf die Reaktionen des Patienten, weshalb man „völlige Kontaktlosigkeit“ als Leitsymptom wertet. Es fehlen „gezielte Bewegungen“ und „spontane Aktionen“. Die Dauer der Bewusstlosigkeit steht in der Regel im Zusammenhang mit der Schwere des SHT. Sie wird daher als Maßstab für die Beurteilung der Schwere des SHT herangezogen. Ein pathologischer neurologischer Befund im Stadium der Bewusstseinstrübung oder Bewusstlosigkeit weist auf eine direkte kortikale oder sekundäre Hirnstammschädigung bei akuter Hirndrucksteigerung hin.
Koma
Koma
Siehe S.1239.
Siehe S. 1239.
Sekundäre traumatische Hirnstammsyndrome
Sekundäre traumatische Hirnstammsyndrome
왘 Definition
왘 Definition. Je nach Schädigungsort und Schwere des Traumas entwickeln sich
differenzierte neurologische Ausfallsmuster, die als Hirnstammsyndrome bzw. Einklemmungssyndrome bezeichnet werden. Für die Beurteilung der Hirnstammschädigung werden neben der Bewusstseinslage die Atmung, die Pupillo- und Okulomotorik sowie die Willkürmotorik beurteilt (Tab. B-11.4).
Für die Beurteilung, auf welchem Niveau der Hirnstamm betroffen ist und mit welcher Dynamik und Richtung die Hirnstammschädigung abläuft, kommt neben der Beurteilung der Bewusstseinslage, der Art der Veränderung folgender Funktionen besondere Bedeutung zu (Tab. B-11.4): ■ Atemmuster, ■ Willkürmotorik, ■ Pupillomotorik und ■ Okulomotorik.
Beim intrakraniellen Druckanstieg (Blutung, Hirnödem) wird unterschieden zwischen (Abb. B-11.7):
Wichtig ist die Kenntnis und Wertung der Hirnstammsyndrome, die infolge zunehmender intrakranieller Hirndrucksteigerung (Blutung, Hirnödem) auftreten können (Abb. B-11.7):
B-11.7
Auswirkungen intrakranieller Drucksteigerungen
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B 11.6 Schädel-Hirn-Trauma (SHT) und Schädel-Hirn-Verletzung (SHV)
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■
Die unilaterale transtentorielle Einklemmung infolge homolateraler supratentorieller Hirndrucksteigerung führt zu einer Einklemmung von medialen Temporallappenanteilen im Tentoriumschlitz und dadurch bedingt zu einer Kompression des N. oculomotorius im Bereich des Klivus. Bei Drucksteigerung in der hinteren Schädelgrube kann es entweder zu einer oberen (transtentoriellen) oder unteren (transforaminalen) Kleinhirneinklemmung kommen. Bei der oberen Einklemmung werden Kleinhirnanteile von unten durch den Tentoriumschlitz gepresst und führen zu der gleichen Symptomatik wie die unilaterale transtentorielle Einklemmung. Die untere Kleinhirneinklemmung, die bei der Herniation von Kleinhirnanteilen in das Foramen occipitale magnum eintritt, führt zur Bewusstlosigkeit und Atemstörung bis hin zum Atemstillstand infolge Lähmung des Atemzentrums durch Druck der Kleinhirntonsillen auf die Medulla oblongata.
Apallisches Syndrom 왘 Definition. Dabei handelt es sich nicht um einen definitiven Zustand, sondern
1265 ■
■
Supratentorielle Hirndrucksteigerung mit Kompression des N. oculomotorius.
Drucksteigerung der hinteren Schädelgrube mit einer oberen oder unteren Kleinhirneinklemmung.
Apallisches Syndrom 왗 Definition
vielmehr um eine Reihe posttraumatischer Entwicklungsstadien. Es ist in der Regel umso ausgeprägter, je schwerwiegender die Hirnstammdysfunktion war und je länger das Koma bestand. Funktionell besteht ein Zustand der Dekortikation. Das apallische Syndrom entwickelt sich aus dem klinischen Bild des Mittelhirnsyndroms. Im Übergangsstadium befindet sich der Patient im Koma, mit Streckstellung aller Extremitäten, später mit Beugestellung der Arme und Streckstellung der Beine. Die vegetativen Regulationsmechanismen bleiben weiterhin enthemmt mit der Neigung zum gesteigerten Sympathikotonus in Form von Tachykardie, labilem Blutdruck, spontanen Hyperthermieschüben und vermehrter Schweiß- und Speichelsekretion. 왘 Merke. Beim apallischen Syndrom besteht grundsätzlich die Möglichkeit
Das apallische Syndrom entwickelt sich aus dem klinischen Bild des Mittelhirnsyndroms.
왗 Merke
zur Remission.
11.6.6 Verletzungen der Kopfschwarte
11.6.6 Verletzungen der Kopfschwarte
Die häufigsten Verletzungen der Kopfschwarte sind Hämatome, Platz-, Rissoder Quetschwunden. Vom Hämatom sind Weichteilemphyseme, entstanden durch Mitverletzung der Nasennebenhöhlen, abzugrenzen. Durch Inspektion des Kopfes kann Lage, Ausdehnung und Art der Wunde leicht diagnostiziert werden. In Abhängigkeit vom Gesamtzustand des Patienten muss entschieden werden, ob eine primäre Wundversorgung vorgenommen werden kann, oder ob diagnostische Maßnahmen vordergründig sind. Nach ausreichender Rasur erfolgt die Wundinspektion mit Palpation der Wunde unter sterilen Kautelen. Somit lässt sich nachweisen, ob eine Fraktur vorliegt und ob es sich um eine offene oder penetrierende SHV handelt (Hirngewebeund Liquoraustritt, Fremdkörpernachweis).
Die häufigsten Verletzungen der Kopfschwarte sind Hämatome und Platz-, Rissoder Quetschwunden.
왘 Merke. Jede auch noch so kleine Wunde der Kopfschwarte erfordert entwe-
Durch Inspektion des Kopfes kann Lage, Ausdehnung und Art der Wunde leicht diagnostiziert werden. Die Wundinspektion mit Palpation der Wunde lässt eine Blutungsquelle und evtl. eine offene oder penetrierende SHV erkennen (Fremdkörper, Hirngewebe, Liquoraustritt). 왗 Merke
der den Nachweis eines bestehenden Impfschutzes gegen Tetanus oder die Immunisierung.
11.6.7 Frakturen
11.6.7 Frakturen
Bei den Schädelfrakturen kann man zwischen Kalotten- und Schädelbasisfrakturen unterscheiden. Am häufigsten kommen Schädeldachfissuren und lineare Frakturen vor. Sie sind im Hinblick auf die Entstehung epiduraler Hämatome besonders dann gefährlich, wenn sie die A. meningea media und ihre Äste sowie
Man unterscheidet bei Schädelfrakturen zwischen Kalotten- und Schädelbasisfrakturen. Frakturen des Schädeldachs bergen die Gefahr der Gefäßverletzung mit Ausbildung epiduraler Hämatome.
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B 11 Neurochirurgie
1266 B-11.8
Nativ-Röntgenaufnahme des Schädels und CT-Verlauf nach Schädel-Hirn-Trauma mit intrakraniellen Verletzungen
a
b
c
d a Röntgenaufnahme des Schädels mit Nachweis einer Frakturlinie temporal (?). b CT-Untersuchung mit Nachweis eines Kontusionshämatoms rechts (A) sowie eines epiduralen Hämatoms rechts temporal (B). c, d Postoperative CT-Untersuchung: Entfernung des epiduralen Hämatoms. Neben dem bekannten Kontusionshämatom (A) kommt ein Kontusionsherd der Gegenseite (Contrecoup C) zur Darstellung.
große venöse Blutleiter kreuzen. Bei 4 75 % der Verletzten mit intrakraniellen Hämatomen liegen Frakturen vor. Der Anteil der Frakturen beim epiduralen Hämatom ist mit über 90 % noch höher (Abb. B-11.8). Pathomechanismus: Frakturen des knöchernen Schädels entstehen, wenn die Elastizitätsgrenze des Knochens überschritten wird. Dies macht verständlich, dass Schädelbrüche gewöhnlich mit einer Hirnläsion einhergehen. Unterscheidung in: ■ Berstungsbrüche durch Kompression. ■ Biegungsbrüche durch bewegtes Objekt.
Pathomechanismus: Frakturen des knöchernen Schädels entstehen, wenn die Elastizitätsgrenze des Knochens überschritten wird. Daran sieht man, dass bei einem Schädelbruch gewöhnlich mit einer Läsion des Gehirns zu rechnen ist. Es können allerdings auch schwere Schädelfrakturen ohne Verletzung des Gehirns und andererseits tödlich verlaufende Hirnverletzungen ohne Verletzung des knöchernen Schädels auftreten. In Abhängigkeit der Krafteinwirkung werden unterschieden: ■ Berstungsbrüche: Sie entstehen durch Kompression des Schädels. ■ Biegungsbrüche: Sie entstehen, wenn der Schädel von einem bewegten Objekt getroffen wird oder aber der Schädel selbst in Bewegung ist.
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B 11.6 Schädel-Hirn-Trauma (SHT) und Schädel-Hirn-Verletzung (SHV)
왘 Merke. Führen die Frakturausläufer in die pneumatisierten Räume des Schädels, besteht die Gefahr einer intrakraniellen Infektion, einer Liquorrhö oder der Ausbildung eines Pneumatozephalus. Eine begleitende Antibiotikatherapie ist erforderlich. Lochbrüche sind Folge umschriebener Verletzungen mit scharfen Gegenständen bzw. hoher kinetischer Energie (Schußverletzungen).
1267 왗 Merke
Diagnostik: Bei Frakturverdacht muss eine CT erfolgen. Sie ist in der Traumatologie die Untersuchungsmethode der Wahl. Knöcherne Imprimate können sicher nachgewiesen und in ihrer Ausdehnung bestimmt werden (Abb. B-11.9, Abb. B-11.10).
Diagnostik: Bei Frakturverdacht muss eine Bildgebung, am besten eine CT erfolgen (Abb. B-11.9, Abb. B-11.10)
Therapie: Einfache Frakturen und Fissuren bedürfen keiner speziellen Therapie. Neben der Verlaufsbeurteilung muss der Patient über seine Verletzung aufgeklärt werden. Offene Frakturen sind revisionspflichtig. Ziel ist die Entfernung von Fremdkörpern und der Duraverschluss, eine antibiotischen Therapie ist erforderlich.
Therapie: Einfache Frakturen und Fissuren bedürfen keiner speziellen Therapie. Offene Frakturen sind revisionspflichtig.
왘 Merke. Jeder Verletzte mit nachgewiesener Schädelfraktur muss unabhän-
왗 Merke
gig vom klinischen Zustand stationär beobachtet werden.
B-11.9
Röntgenaufnahme Schädel
B-11.9
Darstellung einer temporoparietalen Fraktur (?)
B-11.10
CT Schädel
B-11.10
Knochenfenster-Technik bei Kalottenberstungsfraktur nach schwerem SHT.
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1268
B 11 Neurochirurgie
Impressionsfrakturen
Impressionsfrakturen
Bei der Impressionsfraktur kommt es zur Verlagerung von Knochenfragmenten in das Schädelinnere (Abb. B-11.11).
Bei der Impressionsfraktur kommt es zur Verlagerung von Knochenfragmenten in das Schädelinnere. Diese Sonderform der Schädelbrüche kann mit schweren Hirnzerreißungen, raumfordernden Kontusionshämatomen und intrakraniellen Hämatomen kombiniert sein. Je nach Beteiligung der Kopfschwarte unterscheidet man zwischen offener und geschlossener Impressionsfraktur. Ist gleichzeitig die Dura mater verletzt handelt es sich um eine offene SHV.
Ist gleichzeitig die Dura mater verletzt, handelt; es sich um eine offene SHV.
Klinik: Es finden sich umschriebene Hirnschäden mit fokal neurologischen Störungen und in bis zu 10 % zerebralen Kampfanfällen.
Klinik: Da bei Impressionsfrakturen oft lediglich eine umschriebene Hirnschädigung vorliegt, sind viele dieser Verletzten nicht oder nur kurzfristig bewusstlos. In 20 % der Fälle finden sich fokale neurologische Störungen, in bis zu 10 % treten zerebrale Krampfanfälle auf. Das unterstreicht die Indikationsstellung zur operativen Therapie.
Diagnostik: Das CT zeigt das Ausmaß der Knochendislokation und weitere Verletzungsfolgen.
Diagnostik: Die Diagnose wird röntgenologisch gesichert. Das CT objektiviert das Ausmaß der Knochendislokation und gibt Auskunft über Art und Umfang weiterer Verletzungsfolgen (Abb. B-11.11).
Therapie: Sie besteht in der Operation.
Therapie: Sie besteht in der Operation und sollte dem Neurochirurgen überlassen bleiben, zumal in der Regel ausreichend Zeit für eine Verlegung besteht.
왘 Merke
왘 Merke. Es ist absolut kontraindiziert, eingesprengte Knochenfragmente bei
der Erstuntersuchung zu entfernen, ohne ausreichende Vorsorgemaßnahmen getroffen zu haben. Schwerste, nicht beherrschbare Blutungen, auch mit tödlichem Ausgang, können die Folge sein. Schädelbasisfrakturen
Schädelbasisfrakturen
Die Schädelbasisfrakturen nehmen hinsichtlich der Schwere der zu erwartenden Komplikationen und Folgezustände eine führende Rolle unter den Schädelfrakturen ein (Abb. B-11.12).
Sie nehmen hinsichtlich der Schwere der zu erwartenden Komplikationen und Folgezustände eine führende Rolle unter den Schädelfrakturen ein. Sie entstehen in der überwiegenden Zahl durch indirekte Gewalteinwirkung (Berstungsbrüche, Abb. B-11.12). Direkte Biegungsbrüche sind selten. Zu ihnen zählen: ■ Impressionen der Nasenwurzel, einschließlich der Crista galli, ■ Einbrüche im Bereich des Foramen occipitale magnum und ■ Einbruch des Kieferköpfchens in die Schädelbasis. ■ Orbitadach und -boden können zusätzlich oder isoliert frakturiert sein.
Frontobasale Frakturen können mit Verletzungen von Nasennebenhöhlen, Orbita und Mittelgesicht einhergehen.
Frontobasale Frakturen (Frakturen der vorderen Schädelgrube) können mit Verletzungen der Nasennebenhöhlen, der Orbita sowie schweren Mittelgesichtsverletzungen einhergehen (Abb. B-11.13).
B-11.11
B-11.11
Impressionsfraktur
Impressionsfraktur links parietal (?).
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B 11.6 Schädel-Hirn-Trauma (SHT) und Schädel-Hirn-Verletzung (SHV)
B-11.12
Berstungsbrüche der Schädelbasis
B-11.13
Röntgenaufnahmen bei schwerer frontobasaler Schädel-Hirn-Verletzung
1269
a Polytope Frakturen des Schädeldachs, der Frontobasis sowie des Mittelgesichts (?). b Röntgenologisch intrakranieller Luftnachweis (Pneumatozephalus) als Ausdruck einer offenen frontobasalen SHV (?).
a
b
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1270
B 11 Neurochirurgie
Laterobasale Frakturen: Es können Innenohrverletzungen und ein Liquorabfluss über den Nasen-Rachen-Raum auftreten (Abb. B-11.14).
Laterobasale Frakturen (Felsenbeinfrakturen der mittleren Schädelgrube) gehen mit Innenohrschädigungen einher. Blut und Liquor kann auch über die Tuba auditiva in den Nasen-Rachen-Raum abfließen und eine Rhinoliquorrhö vortäuschen (Abb. B-11.14).
Klinik: Charakteristische Symptome einer Schädelbasisfraktur sind das Monokel- und Brillenhämatom, Blut- und Hirnaustritt aus Nase und Ohr, Verletzungen von Hirnnerven und Gefäßen sowie nasale und otogene Liquorfisteln. Am häufigsten betroffen sind die Hirnnerven I, VII, II, V, VI, III (Abb. B-11.15).
Klinik: Charakteristische Symptome einer Schädelbasisfraktur sind das Monokelund Brillenhämatom, Blutungen und Hirnaustritt aus Nase und Ohr, Verletzungen von Hirnnerven und Gefäßen sowie nasale und otogene Liquorfisteln. Weiterhin kann im Röntgenbild oder CT intrakranielle Luft nachgewiesen werden. Es besteht die Gefahr einer posttraumatischen Meningitis. Frakturbedingte Hirnnervenschädigungen müssen differenzialdiagnostisch von primär nukleären Schädigungen abgegrenzt werden. Das trifft besonders bei Läsionen des N. oculomotorius zu. Am häufigsten werden die Hirnnerven I, VII, II, V, VI und III bei Basisfrakturen mitverletzt (Abb. B-11.15).
왘 Merke
왘 Merke. Nur bei gesicherter Liquorrhö oder Nachweis von Hirnbreiaustritt gilt die offene Schädelbasisfraktur als bewiesen.
Diagnostik: Neben der klinisch-neurologischen Untersuchung sind Röntgenaufnahmen und CT unerlässlich. Eine CT-Untersuchung ist immer erforderlich, sowohl zur Beurteilung der knöchernen Verletzungen als auch zum Ausschluss intrakranieller Hämatome.
Diagnostik: Neben der eingehenden klinisch-neurologischen Untersuchung sind Röntgenaufnahmen unerlässlich. Eine CT-Untersuchung ist immer erforderlich, sowohl zur Beurteilung der knöchernen Verletzungen als auch zum Ausschluss intrakranieller Hämatome. Die differenzierte Diagnostik der Hirnnervenläsionen ist erst durch elektrophysiologische Untersuchungsverfahren möglich geworden.
Therapie: ■ Geschlossene, nicht dislozierte Schädelbasisfrakturen werden konservativ behandelt. ■ Beim Vorliegen einer vitalen Bedrohung (intrakranielle Blutungen) ist die Akutoperation erforderlich. ■ Nasennebenhöhlen- und Mittelgesichtsverletzungen müssen interdisziplinär therapiert werden.
Therapie: ■ Geschlossene, nicht dislozierte Schädelbasisfrakturen werden konservativ behandelt und im Verlauf beobachtet. ■ Bei Vorliegen einer vitalen Bedrohung (intrakranielle Hämatome, Verletzung der A. carotis an der Basis, Eröffnung des Sinus sphenoidalis) ist die Akutoperation erforderlich und es ist höchste Eile geboten. ■ Ausgedehnte Verletzungen der Nasennebenhöhlen und des Mittelgesichtes sind eine Herausforderung an eine interdisziplinäre Behandlungsstrategie zwischen Neurochirurgen, Neuroradiologen, HNO-Ärzten, Kieferchirurgen und Ophthalmologen.
B-11.14
Schädelbasisfrakturen mit offener Schädel-Hirn-Verletzung
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B 11.6 Schädel-Hirn-Trauma (SHT) und Schädel-Hirn-Verletzung (SHV)
B-11.15
1271
Hirnnerven und ihre Beziehung zur Schädelbasis und den Foramina der vorderen, mittleren und hinteren Schädelgrube
B-11.15
11.6.8 Intrakranielle Hämatome
11.6.8 Intrakranielle Hämatome
Bei jedem SHT besteht die Gefahr einer intrakraniellen raumfordernden Blutung. Sie kann so schnell auftreten, dass der Verunfallte in akute Lebensgefahr gerät. Bei etwa 9 % aller Schädel-Hirn-Traumen treten intrakranielle Blutungen auf (ausgenommen Kontusionshämatome). Die Prognose hängt von folgenden Faktoren ab: ■ Akutverlauf, ■ Bewusstseinslage zum Zeitpunkt der Operation, ■ Vorhandensein zusätzlicher zerebraler Verletzungen, ■ Lokalisation der Blutung, ■ Alter des Patienten und ■ Art und Ausmaß extrazerebraler Begleitverletzungen.
Alle SHT bergen die Gefahr einer intrakraniellen Blutung in sich.
Die Prognose ist abhängig von: Akutverlauf, ■ Bewusstseinslage zum Zeitpunkt der Operation, ■ zusätzlichen zerebralen Verletzungen, ■ Lokalisation der Blutung, ■ Alter des Patienten sowie ■ extrazerebralen Begleitverletzungen. ■
Die Behandlungsergebnisse werden durch folgende, häufig gemachte Fehler negativ beeinflusst: ■ verzögerte Diagnostik, ■ falsche Interpretation der klinischen Symptome, ■ falsche Interpretation der Ergebnisse der instrumentellen Diagnostik, ■ Uneinigkeit über den Wert operativer Maßnahmen, ■ Verständigungsschwierigkeiten aufgrund fehlender Einheitlichkeit in der Klassifikation des SHT.
Negativen Einfluss auf das Behandlungsergebnis haben: ■ verzögerte Diagnostik, ■ falsche Interpretation klinischer Symptome und apparativer Untersuchungsergebnisse, ■ Uneinigkeit über operative Maßnahmen und ■ uneinheitliche Klassifikation des SHT.
Da die klinischen Symptome der intrakraniellen Hämatome weder pathognomonisch noch obligat sind und auch keine eindeutigen lokalisatorischen Hinweise erbringen, kann die Prognose nur durch die Verbesserung der klinisch-neurologischen und instrumentell-diagnostischen Verfahren erreicht werden. Die Einteilung der intrakraniellen Hämatome geschieht nach: ■ Anatomischen Aspekten in epidurale, subdurale und intrazerebrale/intrazerebelläre Hämatome. ■ Zeitlichen Aspekten. Der Verlauf kann akut (bis 3 Tage), subakut (4 Tage bis 3 Wochen) oder chronisch (länger als 3 Wochen) sein.
Bei intrakraniellen Hämatomen gibt es keine pathognomonische oder obligate Symptome.
Die Einteilung erfolgt einerseits in epidurale, subdurale und intrazerebrale und andererseits in akute, subakute und chronische Hämatome.
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1272
B 11 Neurochirurgie
Epidurales Hämatom
Epidurales Hämatom
Epidurale Hämatome liegen zwischen harter Hirnhaut und Knochen, werden nahezu ausschließlich durch eine Verletzung der A. meningea media verursacht und finden sich meistens temporal (Abb. B-11.16).
Es ist zwischen harter Hirnhaut und Schädelknochen gelegen und wird nahezu ausschließlich durch eine Verletzung der A. meningea media, nur selten durch Verletzungen venöser Blutleiter (Sinus, Diploevenen) verursacht. Die A. meningea media verläuft nach dem Durchtritt durch das Foramen spinosum der Schädelbasis in einem Knochenkanal des Os temporale und wird am häufigsten bei temporalen Frakturen verletzt. Somit erklärt sich, dass die meisten epiduralen Hämatome im Schläfenbereich zu finden sind (Abb. B-11.16). Sogenannte atypisch lokalisierte epidurale Hämatome (frontal, okzipital und infratentoriell) sind selten. Das supratentorielle epidurale Hämatom ist meist umschrieben, da eine weitere Ausbreitung durch die im Bereich der Schädelnähte fixierte Dura verhindert wird.
Atypisch lokalisierte epidurale Hämatome (frontal, okzipital und infratentoriell) sind selten.
Klinik: Sichere klinische Zeichen sind eher selten.
왘 Merke
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Das Leitsymptom ist die Bewusstseinsstörung.
Von den Augensymptomen ist die homolaterale Mydriasis das wichtigste.
Die konjugierte Deviation ist nicht häufig. Stauungspapillen treten bei akuten traumatischen Hämatomen nicht auf.
B-11.16
Klinik: Ein epidurales Hämatom mit sicheren klinischen Zeichen gibt es eher selten. Es finden sich die gleichen Symptome wie bei subduralen und intrazerebralen Hämatomen sowie bei raumfordernden Kontusionsherden und beim generalisierten traumatischen Hirnödem. 왘 Merke. Wer auf die „klassische Trias“ Bewusstlosigkeit mit freiem Intervall, homolaterale Mydriasis und kontralaterale Hemiparese wartet, übersieht mindestens 50 % der epiduralen Hämatome. Es muss vielmehr nach hämatomverdächtigen Anzeichen gesucht werden. ■
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Das Leitsymptom ist die Bewusstseinsstörung. Unmittelbar nach dem Trauma gehört sie entweder zum Kommotionssyndrom oder ist Ausdruck einer primär traumatischen Hirn- bzw. Hirnstammläsion. Die sekundäre hirndruckinduzierte Bewusstseinsstörung mit dazwischenliegendem freiem Intervall wird nur durch eine kontinuierliche Überprüfung der Bewusstseinslage erfasst. Die homolaterale Mydriasis ist das wichtigste der am Auge zu beobachtenden Symptome. Das betrifft sowohl die Diagnose an sich als auch den lokalisatorischen Aspekt. Die alleinige und zuerst entstandene Mydriasis ist in über 90 % der Fälle das zuverlässigste Zeichen für ein ipsilaterales Hämatom. Die konjugierte Deviation, „der Patient sieht seinen Herd an“, ist weit weniger häufig zu beobachten. Stauungspapillen treten bei akuten traumatischen Hämatomen nicht in Erscheinung (sie ist Ausdruck einer chronischen intrakraniellen Drucksteigerung).
B-11.16
Epidurales Hämatom CT-Befund eines epiduralen Hämatoms links temporal (?). Generalisiertes Hirnödem. Mittellinienverlagerung (왘) als Ausdruck der Raumforderung.
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B 11.6 Schädel-Hirn-Trauma (SHT) und Schädel-Hirn-Verletzung (SHV)
왘 Merke. Die medikamentöse Pupillenerweiterung zur Fundusbeurteilung beim akuten SHT gilt als ärztlicher Kunstfehler, da die Ausschaltung der Pupillomotorik für die Hämatomdiagnostik schwerwiegende Folgen haben kann. ■
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Eine Schädigung der Pyramidenbahn wird in 50 – 80 % der Fälle beobachtet. Neben pathologischen Zehenzeichen (Babinski, Gordon, Oppenheim) kommt es zur Ausbildung einer kontralateralen Hemiparese. Kreislaufveränderungen wie Druckpuls, Bradykardie und Blutdruckanstieg im Sinne des sogenannten Cushing-Reflexes spielen heute in der Hämatomdiagnostik keine Rolle mehr. Im Zeitalter der CT sollte eine akute intrakranielle Blutung vor Auftreten dieser Symptome diagnostiziert werden.
1273 왗 Merke
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Pyramidenbahnzeichen finden sich bei 50 – 80 % der epiduralen Hämatome. Die Diagnose sollte heutzutage mittels CT vor Auftreten von Kreislaufsymptomen gestellt sein.
Diagnostik: Sind Patienten ab dem Zeitpunkt des Unfalls durchgehend tief bewusstlos, ist es besonders schwierig die Verlaufsdynamik einer Hämatomentwicklung zu beobachten. Hier ist die frühzeitige CT-Untersuchung zwingend erforderlich. Sie muss spätestens innerhalb der ersten 6 – 8 Stunden nach dem Unfall erfolgen. Je nach klinischem Verlauf muss sie jederzeit wiederholbar sein und es darf auch mit einer kurzfristigen Wiederholungsuntersuchung nicht gezögert werden.
Diagnostik: Die frühzeitige CT-Untersuchung ist zwingend erforderlich. Sie muss spätestens innerhalb der ersten 6 – 8 Stunden nach dem Unfall erfolgen und ggf. kurzfristig wiederholt werden.
Subduralhämatom
Subduralhämatom
Subduralhämatome sind zwischen Dura mater und Hirnoberfläche lokalisiert und werden in akute und subakute Verlaufsformen eingeteilt. Oftmals findet sich eine zusätzliche Hirnläsion. Es gibt keine sicheren Unterscheidungsmerkmale gegenüber dem akuten Epiduralhämatom. Leitsymptom ist auch hier die Bewusstseinsstörung. Sie beträgt bei den akuten Subduralhämatomen 100 %, bei den subakuten Formen bis zu 90 %. Das freie Intervall ist seltener. Augensymptome und Zeichen der Pyramidenbahnschädigung als Symptome der intrakraniellen Drucksteigerung sind in gleicher Form wie beim epiduralen Hämatom zu beobachten. Auch hier hat die CT den höchsten Stellenwert unter den bildgebenden Verfahren (Abb. B-11.17).
Die zwischen Dura mater und Hirnoberfläche gelegenen Hämatome werden in akute und subakute Verlaufsformen eingeteilt.
Intrazerebrales Hämatom
Intrazerebrales Hämatom
왘 Definition. Traumatisch bedingte Blutung im Hirnparenchym.
Leitsymptom ist die Bewusstseinsstörung. Sie tritt bei den akuten Subduralhämatomen in 100 % der Fälle auf.
Die Diagnose wird mittels CT gestellt (Abb. B-11.17).
왗 Definition
Klinik: Durch die gleichzeitig bestehende Hirnzerreißung ist in den akuten Fällen eine tiefe Bewusstlosigkeit vorhanden. Bei subakut verlaufenden Fällen lassen sich Herdsymptome, neben Augensymptomen je nach Lokalisation Halbseiten-
B-11.17
Akutes Subduralhämatom
B-11.17
CT-Befund eines akuten Subduralhämatoms der linken Hemisphäre (?). Zusätzlich intrazerebrale Kontusionsherde (Typ II) links frontal. Schweres Hirnödem, massive Mittellinienverlagerung.
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1274
B 11 Neurochirurgie
lähmungen, Sprach- und apraktische Störungen, nachweisen. Ansonsten gilt auch hier, dass alle Symptome wie bei den epiduralen Hämatomen auftreten können. Therapie: Sie ist primär eine operative zur Beseitigung des bestehenden Hirndruckes. Nach der operativen Entlastung ist die weitere Behandlung unter intensivmedizinischen Aspekten durchzuführen. Dabei kommt neben der Aufrechterhaltung der Homöostase der Überwachung des intrakraniellen Druckes das Hauptaugenmerk zu.
Therapie: Sie ist primär operativ und verfolgt das Ziel der raschen Beseitigung des bestehenden Hirndruckes. Beim SHT mit Mehrfachverletzungen müssen Prioritäten gesetzt und eingehalten werden. Nach der operativen Entlastung ist die weitere Behandlung unter intensivmedizinischen Aspekten durchzuführen. Dabei kommt neben der Aufrechterhaltung der Homöostase der Überwachung des intrakraniellen Druckes das Hauptaugenmerk zu. Die Behandlung mit Kortikosteroiden hat die Erwartungen nicht erfüllt und gehört nicht mehr in das Behandlungskonzept des akuten SHT.
11.6.9 Gedecktes Schädel-Hirn-Trauma
11.6.9 Gedecktes Schädel-Hirn-Trauma
Entscheidendes Kriterium des gedeckten SHT ist die unverletzte Dura mater. Dabei bleibt das primäre Schädigungsausmaß unberücksichtigt (Tab. B-11.12).
Entscheidend für das gedeckte SHT ist die unverletzte Dura mater. Dabei bleibt das primäre Schädigungsausmaß unberücksichtigt. Die Einteilung in Commotio, Contusio und Compressio cerebri erscheint gerechtfertigt und hat sich in der Praxis bewährt. Erwähnenswert erscheint jedoch, dass zur Compressio cerebri neben dem epi- und subduralen Hämatom das intrazerebrale Hämatom, der raumfordernde Kontusionsherd sowie das generalisierte posttraumatische Hirnöden gezählt werden (Tab. B-11.12).
Commotio cerebri
Commotio cerebri
Klinik: Leitsymptom ist eine unmittelbar auf das Hirntrauma folgende Bewusstseinsstörung von wenigen Sekunden bis maximal 60 Minuten Dauer. Neurologische Befundabweichungen fehlen.
Klinik: Leitsymptom ist eine unmittelbar auf das Hirntrauma folgende Bewusstseinsstörung von wenigen Sekunden bis maximal 60 Minuten Dauer. Eine Phase der Bewusstseinstrübung schließt sich an. Vegetative Störungen (Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Kreislaufregulationsstörungen) stehen im Vordergrund. Es kommt zur retro- und anterograden Amnesie. Neurologische Befundabweichungen fehlen.
왘 Merke
왘 Merke. Ein Patient mit eindeutigen Zeichen eines Hirntraumas sollte zur
Beobachtung stationär aufgenommen werden. Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass gerade in den ersten 48 Stunden nach dem Trauma schlagartig Komplikationen auftreten können, die ein unmittelbares Handeln verlangen. Diagnostik: Die CT steht an erster Stelle.
Diagnostik: Jede Verschlechterung, besonders hinsichtlich der Bewusstseinslage, verlangt weitere diagnostische Klärung, wobei die CT-Untersuchung an erster Stelle steht.
Contusio cerebri
Contusio cerebri
Es handelt sich um eine morphologisch nachweisbare, substanzielle Hirnschädigung.
Hierbei handelt es sich um eine morphologisch nachweisbare, substanzielle Hirnschädigung.
Klinik: Die Bewusstseinsstörung kann Tage bis Wochen dauern. Es besteht (je nach Läsion) ein differenziertes neurologisches Ausfallmuster.
Klinik: Die Bewusstseinsstörung kann Tage bis Wochen andauern. Die verschiedenen Läsionsmöglichkeiten (solitär oder multipel) im Bereich von Kortex, subkortikalen Strukturen bzw. Hirnstamm- und Kleinhirn verursachen ein differenziertes neurologisches Ausfallsmuster. Fronto- und temporobasale sowie temporolaterale Kontusionsherde werden am häufigsten beobachtet.
Diagnostik: Die CT hat absolute Priorität und wird bezüglich ihrer komplexen Aussagemöglichkeit von keiner anderen Routineuntersuchung übertroffen. Nach CT-Kriterien unterscheidet man 3 Kontusionstypen.
Diagnostik: Die CT hat absolute Priorität und wird bezüglich ihrer komplexen Aussagemöglichkeiten von keiner anderen Routineuntersuchung übertroffen. Anhand von CT-Kriterien unterscheidet man 3 Kontusionstypen: ■ Typ I: Rein hypodenser, gering raumfordernd wirkender, überwiegend im Marklager lokalisierter Herd. ■ Typ II: Hypodense Areale mit fleckförmigen oder konfluierenden Einblutungen und entsprechender Raumforderung. Nicht selten finden sich ausgedehnte intrazerebrale Kontusionshämatome. ■ Typ III: Definitionsgemäß werden hierunter alle polytopen kontusionellen Läsionen, denen ein Coup- und Contrecoup-Mechanismus zugrunde liegt, zusammengefasst (Abb. B-11.18).
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B 11.6 Schädel-Hirn-Trauma (SHT) und Schädel-Hirn-Verletzung (SHV)
B-11.18
1275
CT-Befunde nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma
a Polytope Kontusionsherde (?) bei Zustand nach schwerem gedeckten SHT.
b Polytope Kontusionsherde rechts temporal und parietal (?) sowie epidurales Hämatom links temporal (왘) nach schwerem gedeckten SHT.
Die hohe Letalität in der Typ-III-Gruppe (70 %) ist Ausdruck der primären zerebralen Polytraumatisierung.
Typ III zeigt eine hohe Letalität.
Therapie: Sie besteht in der Einheit von konservativer Behandlung, Überwachung und neurochirurgischer Intervention. Durch die Möglichkeiten der kontinuierlichen Hirndruckmessung und CT-Untersuchung (ggf. wiederholt) ist eine Zurückhaltung in der operativen Therapie der Hirnkontusionen eingetreten (Abb. B-11.2). Massive Raumforderungen zwingen zum operativen Eingriff, wobei dies vor allem beim „burst lobe“ mit intrazerebralem Hämatom, subduraler Blutung, Kontusionen, Lazerationen, Hämorrhagien, Ödem und Nekrose der Fall ist.
Durch neue Überwachungs- und Diagnosemethoden wird die Operationsindikation heute zurückhaltend gestellt (Abb. B-11.2).
Massive Raumforderungen zwingen zum operativen Eingriff.
11.6.10 Offenes Schädel-Hirn-Trauma
11.6.10 Offenes Schädel-Hirn-Trauma
Offene SHT sind durch eine Verletzung der Dura charakterisiert. Durch die freie Kommunikation des Hirns mit der Außenwelt besteht die Gefahr einer aufsteigenden entzündlichen Komplikation (Meningitis, Enzephalitis, Abszess). Der Duraverschluss sollte so bald als möglich erfolgen. Bei den offenen SHT finden sich am häufigsten Impressionsfrakturen sowie frontobasale und laterobasale Verletzungen. Dabei handelt es sich in der Regel um Kombinationsverletzungen.
Offene SHT sind durch eine Verletzung der Dura charakterisiert. Dadurch entsteht eine freie Kommunikation des Hirns mit der Außenwelt, mit der Gefahr einer aufsteigenden entzündlichen Komplikation (Meningitis, Enzephalitis, Abszess). Am häufigsten sind neben den offenen Impressionsfrakturen frontobasale und laterobasale Verletzungen.
Klinik: ■ Beweisende Symptome einer offenen Verletzung sind der Hirn- bzw. Liquoraustritt sowie der posttraumatische Pneumatozephalus. ■ Fakultative Symptome wie Blutungen aus Mund, Nase und Ohr, Monokel- und Brillenhämatome, schwere Gesichts- und Hirnschädeldeformierungen, Frakturen im Ober- und Unterkieferbereich mit Okklusionsstörungen sowie Mittelgesichtsfrakturen, Verletzungen der Sinnesorgane (Auge, Innenohr), Riechstörungen, Hirnnervenverletzungen, hypothalamisch-hypophysäre Regulationsstörungen, und Verletzungen der Tränenwege können einzeln oder in Kombination auftreten. ■ Bewusstseinsstörungen können völlig fehlen. Schwere Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma sind Hinweise auf eine primäre Hirnschädigung bzw. auf das Vorliegen intrakranieller Komplikationen.
Klinik: ■ Beweisende Symptome sind der Hirnbzw. Liquoraustritt sowie der posttraumatische Pneumatozephalus. ■ Fakultative Symptome sind: Blutung aus Mund, Nase, Ohr, Monokel- und Brillenhämatome, schwere Gesichts- und Hirnschädeldeformierungen, Riechstörungen, Mittelgesichtsfrakturen, Verletzungen der Sinnesorgane. ■
Bewusstseinsstörungen können völlig fehlen. Schwere Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma sind Hinweise auf eine primäre Hirnschädigung bzw. auf das Vorliegen intrakranieller Komplikationen.
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1276 B-11.19
B 11 Neurochirurgie
B-11.19
Offenes Schädel-Hirn-Trauma CT-Befund bei offenem SHT nach Schussverletzung. Akutes Subduralhämatom frontotemporal (왘), generalisiertes Hirnödem, Mittellinienverlagerung. Nachweis von intrakranieller Luft und imprimierten Knochenfragmenten (?).
Diagnostik. Der Nachweis der Liquorrhö kann äußerst schwierig sein. In Kopftieflage lässt sich der Liquorfluss meistens provozieren. Die empfindlichste Methode ist der immunologische Nachweis von β-2-Transferrin.
Eine CT-Untersuchung in axialer Schichtung und Rekonstruktionsaufnahmen sind erforderlich (s. Abb. B-11.19). Therapie: Nach Stabilisierung der Vitalfunktionen wird die fächerübergreifende Operation geplant. Der operative Duraverschluss bei Schädelbasisverletzungen ist ein Wahleingriff und wird nicht in der Akutphase durchgeführt. Eine Sofortoperation erfolgt nur bei vitaler Bedrohung. Eine Antibiotikatherapie ist wegen der Gefahr aufsteigender Infektionen erforderlich.
왘 Merke
Diagnostik: ■ Liquornachweis: Eine Liquorrhö kann äußerst schwierig nachzuweisen sein. Anamnestisch berichtet der Patient, dass er vermehrt schlucken müsse, weil ihm ständig etwas den Rachen hinunterläuft. In Kopftieflage lässt sich der Liquorfluss meistens provozieren. Endoskopisch findet sich ein pulsierender Lichtreflex. Hilfreich sind Liquormarkierungen mit Farbstoffen oder Nukliden. Die empfindlichste Methode ist der immunologische Nachweis von β-2-Transferrin. ■ Bildgebung: Röntgenaufnahmen des Schädels werden durch Spezialaufnahmen ergänzt. Eine CT-Untersuchung in axialer Schichtung sowie Rekonstruktionsaufnahmen sind zwingend erforderlich (Abb. B-11.19). Therapie: Nach Sicherung der Vitalfunktionen und diagnostischer Abklärung erfolgt die Operationsplanung mit dem Ziel des sicheren Duraverschlusses in fachübergreifender Zusammenarbeit (Neurochirurgie, HNO, Ophthalmologie, Kieferchirurgie). Die operative Therapie von Schädelbasisfrakturen mit Duraverletzung und Liquorrhö ist ein Wahleingriff und wird in der Regel nicht in der Akutphase durchgeführt. Sie sollte Spezialkliniken vorbehalten bleiben. Lediglich bei intrakraniellen Hämatomen erfolgt aus vitaler Indikation die Sofortoperation. Eine Antibiotikatherapie ist erforderlich, insbesondere wegen der Gefahr der aufsteigenden Infektion (Meningitis, Enzephalitis, Hirnabszess). Pneumokokken, Staphylokokken und Streptokokken sind die häufigsten Erreger. 왘 Merke. Rezidivierende Meningitiden nach SHT sind besonders suspekt auf eine primär nicht erkannte offene SHV.
Schussverletzungen
Schussverletzungen
Man unterscheidet Impressions-, Steck- und Durchschüsse.
Man unterscheidet zwischen Impressions-, Steck- und Durchschüssen.
Es kommt zu erheblichen Weichteil-, Knochen-, Dura- und Hirnverletzungen.
Aufgrund der hohen kinetischen Energie kommt es zu erheblichen Weichteil-, Knochen-, Dura- und Hirnverletzungen. Alle Kopfschussverletzten gehören in sofortige neurochirurgische Behandlung. Eile ist geboten, wenn man berücksichtigt, dass sich bei Schussverletzungen intrakranielle Hämatome innerhalb der ersten Stunden entwickeln und intrazerebrale Blutungen besonders häufig beobachtet werden.
Es werden häufig intrazerebrale Blutungen beobachtet, intrakranielle Hämatome entwickeln sich innerhalb der ersten Stunden.
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B 11.6 Schädel-Hirn-Trauma (SHT) und Schädel-Hirn-Verletzung (SHV)
Die exakte Befunddokumentation, einschließlich Fotodokumentation, ist aus forensischen Gründen dringend erforderlich (Abb. B-11.20). 왘 Klinischer Fall. Ein 17-jähriges Mädchen erlitt einen Verkehrsunfall. Sie war primär komatös und hatte eine weite lichtstarre Pupille rechts sowie eine Blickdeviation nach rechts. Nach notärztlicher Versorgung (Sedierung, Intubation und Beatmung) erfolgte die Verlegung per Rettungshubschrauber (Kopf-Oberkörper-Hochlagerung) in eine neurochirurgische Klinik. Bei Aufnahme fand sich die bekannte und unverändert fortbestehende weite und lichtstarre Pupille rechts. Der Kornealreflex war beiderseits auslösbar, der Absaugreflex erhältlich. Durch Schmerzreize ließ sich sedierungsbedingt keine Reaktion provozieren. Rechts fand sich ein positiver Babinskireflex. Klinisch fanden sich somit die Zeichen einer primären Hirnstammläsion. Im CT fand sich eine traumatische Subarachnoidalblutung, ein kleines frontobasales Kontusionshämatom sowie eine Einblutung in die Cisterna interpeduncularis rechts (?). Extrakranielle Verletzungsfolgen fanden sich nicht. Über eine implantierte Hirndruckmesssonde ließen sich normale Hirndruckwerte registrieren. Eine dopplersonographische Untersuchung der Hirngefäße ergab einen regelrechten Befund. Die abgeleiteten evozierten Potenziale zeigten bei den AEP Normalbefunde, bei den Medianus-SSEP (somatosensorisch evozierte Potenziale) eine linksbetonte Amplitudenreduktion bei unauffälligen Latenzen. Die
B-11.20
Eine Befunddokumentation ist zwingend erforderlich (Abb. B-11.20).
Patientin wurde hirnprotektiv mit Analgo-Sedierung, moderater Hyperventilation bei kontrollierter Beatmung und intermitierender Osmotherapie nach Hirndruckwerten therapiert. Im Kontroll-CT am Folgetag fand sich neben den bekannten Verletzungen eine Einblutung im Bereich des dorsalen Hirnschenkels rechts (왘). Komplikationen traten nicht auf. 15 Tage nach dem Unfall konnte sie extubiert und unter krankengymnastischer Anleitung mobilisiert und zunehmend belastet werden. Im CT vor der Verlegung in eine Rehabilitationsklinik fand sich als Residuum der Hirnstammblutung ein hypodenses Areal im hinteren Hirnschenkel rechts (Abb. B-11.21). Klinisch war die Patientin zu diesem Zeitpunkt bewusstseinsklar, freundlich zugewandt und allseits orientiert, bot jedoch im Tagesverlauf Vigilanzschwankungen und deutliche Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen. Neurologisch bestand die weite und lichtstarre Pupille rechts unverändert fort. Weiterhin fanden sich sakkadierte Blickfolgebewegungen, eine dissoziierte vertikale Blickparese nach oben bei Bulbusdivergenz in Primärstellung. Motorisch zeigte sich eine latente, funktionell nicht wirksame Hemiparese links sowie eine linksseitige Dysmetrie in den Koordinationsversuchen.
Fotodokumentation bei Zustand nach Kopfschussverletzung
Absoluter Nahschuss mit sternförmiger Platzwunde a Einschuss
B-11.21
1277
b Ausschuss
CT-Befunde im Verlauf nach SHT.
B-11.21
Erläuterungen im Text des klinischen Falles.
a
b
c
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1278 11.7
Rückenmarktrauma
왘 Merke
11.7.1 Grundlagen und Pathogenese des
Rückenmarktraumas Eine komplette Querschnittslähmung kann ohne nachweisbare Verletzungen knöcherner Strukturen auftreten. Der spinale Schock ist ein funktioneller, reversibler Funktionsausfall der infraläsionellen Rückenmarkabschnitte. Nach 4 bis 6 Stunden entwickeln sich jedoch irreversible morphologische Schäden. Ursächlich sind neben vaskulären Faktoren biochemische Veränderungen. Klinisch findet sich im akuten Stadium eine schlaffe Lähmung der betroffenen Extremitäten, der Blase und des Mastdarms.
Man unterscheidet zwischen offenen und geschlossenen Verletzungen.
B 11 Neurochirurgie
11.7 Rückenmarktrauma 왘 Merke. Jede Rückenmarkverletzung stellt einen absoluten Notfall dar.
11.7.1 Grundlagen und Pathogenese des Rückenmarktraumas Auch bei schwersten knöchernen und ligamentären Verletzungen kann das Rückenmark unbeteiligt sein. Andererseits können totale Querschnittlähmungen ohne röntgenmorphologisch fassbare Veränderungen auftreten. Die morphologische Zerstörung des Rückenmark ist nur zum Teil primär mechanisch bedingt. Ein als spinaler Schock bezeichneter sofortiger funktioneller und reversibler Ausfall des Rückenmark geht mit autodigestiven Prozessen einher, die innerhalb der ersten 4 bis 6 Stunden nach dem Trauma zu irreversiblen morphologischen Schädigungen führen. Dabei stehen vaskuläre Faktoren (Zusammenbruch der Mikrozirkulation) und biochemische Veränderungen (Freisetzung biogener Amine und Neurotransmitter) im Mittelpunkt. Klinisch führt die plötzliche Abkopplung der infraläsionellen Rückenmarkabschnitte zur schlaffen Lähmung der betroffenen Extremitäten, der Blase und des Mastdarms. Erst im Verlauf von Tagen bis Wochen nimmt der infraläsionelle Abschnitt seine residuale Eigentätigkeit wieder auf. Es kommt zur Ausbildung von spinalen Automatismen und der Rückkehr, meist sogar Enthemmung, der spinalen Reflextätigkeit (spastische Muskeltonussteigerung, Eigenreflexsteigerung, spastische Form der Blasenlähmung). Wie am Gehirn wird zwischen offener und gedeckter Verletzung unterschieden.
Offene Rückenmarkverletzung
Offene Rückenmarkverletzung
Häufigste Ursachen sind Schuss- und Stichverletzungen. Es liegt immer eine Duraverletzung vor.
Die häufigste Ursache der offenen Rückenmarkverletzung ist die Schussverletzung. Stich- und Splitterverletzungen sowie die Dislokation von Wirbelkörperfragmenten können ebenfalls zur partiellen oder kompletten Durchtrennung des Myelons mit Duraeröffnung führen. In der frischen Rückenmarkwunde finden sich drei morphologisch abgrenzbare Gewebszonen: ■ die direkt zerstörte Trümmerzone, ■ die indirekte, irreversibel geschädigte Quetschzone und ■ die reversibel geschädigte peritraumatische Ödemzone.
Morphologisch unterscheidet man zwischen ■ Trümmerzone ■ Quetschzone und ■ Ödemzone.
Die bleibenden Schäden werden durch die direkte Gewebszerstörung und durch die irreversible Umgebungsläsion bestimmt.
Somit wird das Ausmaß der bleibenden Schädigung nicht nur durch die direkte Gewebezerstörung, sondern auch durch die indirekte, irreversible Umgebungsläsion bestimmt.
Gedeckte Rückenmarkverletzung
Gedeckte Rückenmarkverletzung
Die Dura mater spinalis bleibt unverletzt.
Sie entsteht durch direkte oder indirekte, scharfe oder stumpfe Gewalteinwirkung. Die Dura mater spinalis bleibt dabei unverletzt. Neben der primär traumatischen Lokalschädigung am Ort der Gewalteinwirkung (Hauptherd) finden sich Nebenläsionen in unmittelbarer Nachbarschaft mit Nekrosen und reaktiven Schäden sowie Fernschäden als Folge lokaler Ischämien bzw. Blutungen. Es werden folgende Formen unterschieden: ■ Commotio spinalis: Sie stellt die leichteste Form dar. Es finden sich keine morphologisch nachweisbaren Veränderungen. Die Zeichen der medullären Störung sind von kurzer Dauer und voll reversibel. ■ Die Contusio spinalis geht immer mit einer primär traumatisch bedingten Schädigung einher. Sie hinterlässt morphologisch nachweisbare Veränderungen mit irreversiblen funktionellen Ausfällen. Die traumatisch bedingten Blutungen und Nekrosen werden durch Resorptions- und Reparationsvorgänge zu einer Narbe abgebaut.
Man unterscheidet zwischen Lokal-, Nebenund Fernschäden.
Man unterscheidet: ■ Commotio spinalis: Sie ist die leichteste Form ohne morphologische Veränderungen. Die neurologischen Störungen bilden sich voll zurück. ■ Contusio spinalis: Primär traumatische Schädigungen mit morphologischen Veränderungen und irreversiblen funktionellen Ausfällen.
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B 11.7 Rückenmarktrauma
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Die Compressio spinalis ist die schwerste Form der gedeckten Rückenmarkverletzung und wird auch als Lazeration oder Rückenmarkzerreißung bezeichnet. Zu den gedeckten Verletzungen zählen auch die intraspinalen Blutungen. Nach der Lokalisation unterscheidet man zwischen epi- und subduralen sowie intramedullären Blutungen.
11.7.2 Klinische Symptomatik bei Rückenmarktrauma Art und Ausdehnung traumatisch bedingter Lähmungen variieren beträchtlich in Abhängigkeit von zwei Faktoren: ■ Vom Schädigungsniveau bzw. der Schädigungshöhe. Für die exakte Höhenlokalisation sind die segmentalen Symptome von großer Zuverlässigkeit. Dabei ist es gleichgültig, ob sie in Form von Reizerscheinungen (Schmerzen, Parästhesien, Faszikulationen) oder von Ausfallserscheinungen (segmental angeordnete sensible Störungen, Reflexverlust) vorliegen. 왘 Merke. Bei der klinischen Beurteilung ist die Höhenverschiebung zwischen
1279 ■
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Als Compressio spinalis wird eine Zerreißung des Rückenmark bezeichnet. Zu den gedeckten Verletzungen zählen auch die intraspinalen Blutungen.
11.7.2 Klinische Symptomatik bei
Rückenmarktrauma Art und Ausdehnung der Lähmungen hängen ab von: ■
Schädigungshöhe. Für die exakte Höhenlokalisation sind die segmentalen Symptome von großer Zuverlässigkeit (Schmerzen, Parästhesien, Faszikulationen).
왗 Merke
Rückenmark- und Wirbelsäulensegmenten zu beachten, die besonders im kaudalen Abschnitt mehrere Segmente beträgt (Abb. B-11.22).
B-11.22
Topographische Beziehungen zwischen Wirbelsäule und Rückenmark
B-11.22
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1280 ■
Von der Ausdehnung im Rückenmarkquerschnitt.
B 11 Neurochirurgie
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Von der Ausdehnung im Rückenmarkquerschnitt. Im Zentrum befindet sich das aus einer Anhäufung von Nervenzellen bestehende Rückenmarkgrau, wobei die motorischen Vorderhornzellen und die sensiblen Hinterhornzellen die größte praktische Bedeutung besitzen. Im Lumbal- bzw. Sakralmark befindet sich darüber hinaus das sympathische und parasympathische Blasenzentrum. Die Peripherie des Rückenmarkquerschnitts wird von aufund absteigenden Bahnen eingenommen.
Diagnostisch am wichtigsten sind Pyramidenbahn, Hinter- und Vorder-Seitenstrang.
Von ihnen sind Pyramidenbahn, Hinterstrang und Vorder-Seitenstrang diagnostisch am wichtigsten.
11.7.3 Diagnostik bei Rückenmarktrauma
11.7.3 Diagnostik bei Rückenmarktrauma
왘 Merke
왘 Merke. Durch Lagerungsmanöver und Manipulationen darf keine zusätzliche Rückenmarkschädigung verursacht werden (S. 1281).
Die Rekonstruktion des Unfallherganges ist von eminenter Bedeutung.
Der Unfallhergang sollte rekonstruiert werden, um das mögliche Verletzungsmuster abschätzen zu können.
Klinische Diagnostik
Klinische Diagnostik
Der erste Schritt ist die subtile klinischneurologische Untersuchung.
Die exakte neurologische Untersuchung eines Verletzten zur Feststellung einer Rückenmarkschädigung ist bei erhaltenem Bewusstsein nicht schwer und kann z. T. per Blickdiagnose erfolgen.
왘 Merke
왘 Merke. Liegt eine Bewusstseinsstörung vor und ist durch den Unfallmechanismus an eine Mitverletzung der Wirbelsäule zu denken, bleibt der Verdacht bis zum endgültigen Ausschluss aufrechterhalten.
Ziel der klinischen Untersuchung ist die Höhenlokalisation der Schädigung und das Erkennen eines Transversalsyndroms. Wichtig ist die Dokumentation bei intakter Motorik und Sensibilität im untersten Rückenmarksegment.
Ziel ist die topische Höhenlokalisation, das Erkennen eines kompletten oder inkompletten Transversalsyndroms sowie die engmaschige Verlaufsbeobachtung zur Erfassung sekundärer Verschlechterungen. Wichtig ist es, intakte Motorik und Sensibiltät im Bereich des untersten Rückennmarksegments zu erkennen und zu dokumentieren.
Im Stadium des spinalen Schocks lässt sich nicht zwischen reversibler Commotio spinalis und irreversibler Schädigung differenzieren.
Klinisch lässt sich wegen des bestehenden spinalen Schocks im akuten Stadium keine Aussage darüber machen, ob es sich um eine reversible Commotio spinalis oder um eine irreversible Schädigung im Sinne einer Contusio spinalis oder Rückenmarkzerreißung handelt. Liegt eine komplette Querschnittlähmung vor und kommt es im Verlauf der nächsten Stunden zum Ansteigen des Schädigungsniveaus um wenige Segmente, handelt es sich in der Regel um eine komplizierende intramedulläre Blutung oder Myelomalazie.
Bei Ansteigen des Schädigungsniveaus liegt eine intramedulläre Blutung oder eine Myelomalazie vor.
왘 Merke
왘 Merke. Bei allen spinalen Verletzungen, bei denen eine Kompression des
Rückenmark zu erwarten ist, ist die wiederholte klinische Untersuchung (Verlaufskontrolle) von eminenter Wichtigkeit. Apparative Diagnostik
Apparative Diagnostik
An erster Stelle steht die Anfertigung von Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen. Besondere Beachtung erfordert der kraniospinale und zervikothorakale Übergang.
An erster Stelle der instrumentellen Diagnostik stehen Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule in 2 Ebenen. Die vollständige Darstellung der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte ist zu fordern. Besondere Beachtung erfordert der kraniospinale und zervikothorakale Übergang. Hierzu kann es im Einzelfall erforderlich werden, Spezialaufnahmen anzufertigen. Besteht aufgrund der Röntgendiagnostik oder aber durch eine sekundäre Symptomzunahme der geringste Verdacht auf eine pathogenetische Mitbeteiligung von in den Spinalkanal eingedrungenen Knochenfragmenten oder der Verdacht auf das Vorliegen einer intraspinalen epiduralen Blutung, folgt die Computertomographie im Bereich der entsprechenden Wirbelsegmente.
Besteht der geringste Verdacht auf eine intraspinale Blutung oder von in den Spinalkanal eingedrungenen Knochenfragmenten muss eine CT veranlasst werden.
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B 11.7 Rückenmarktrauma
1281
Mit der Magnetresonanztomographie (MRT) lassen sich neben den knöchernen Verletzungen die diskoligamentären und intramedullären Läsionen genauestens darstellen. Sie sollte, wenn irgend möglich, angestrebt werden. Die Aussagekraft ist besonders im Hinblick auf spätere gutachterliche Fragestellungen wichtig.
Mit der MRT lassen sich neben knöchernen Verletzungen diskoligamentäre und intramedulläre Läsionen genauestens darstellen.
11.7.4 Therapie bei Rückenmarktrauma
11.7.4 Therapie bei Rückenmarktrauma
Zur Sofortbehandlung gehören der Wärmeschutz und die Schockpropylaxe bzw. -therapie. Vor längeren Transporten (Verlegung in Spezialklinik) kann der Blasenkatheterismus notwendig sein. Beim spinalen Trauma erfolgt noch am Unfallort der Therapiebeginn mit Kortikosteroiden (Methylprednisolon). Die Behandlungsdauer beträgt 24 – 48 Stunden.
Sofortbehandlung: Wärmeschutz und Schockprophylaxe bzw. -therapie.
왘 Merke. Bei Halsmarkverletzten muss auf eine suffiziente Spontanatmung
Beim spinalen Trauma erfolgt noch am Unfallort der Therapiebeginn mit Kortikosteroiden (Methylprednisolon). 왗 Merke
geachtet werden. Die möglichst frühzeitige Verlegung in Spezialkliniken sollte angestrebt werden. Konservative Therapie: sie gilt der Vermeidung von ■ Druckgeschwüren (2-stündlicher Lagerungswechsel), ■ Harnwegsinfekten, ■ Pneumonien, ■ Muskelkontrakturen und ■ Thrombosen und Embolien (hohes Risiko). Bei Halsmarkläsionen kann je nach Schädigungshöhe eine maschinelle Beatmung erforderlich werden.
Konservative Therapie: Vermeidung von Druckulzera, Harn- und Atemwegsinfektionen, Muskelkontrakturen, Thrombosen und Embolien.
Operative Therapie: Wegen der Gefahr aufsteigender Infektionen sowie der Entwicklung einer Liquorfistel bedarf jede offene Verletzung der sofortigen neurochirurgischen Versorgung. Ziel ist neben der Revision der Rückenmarkwunde der Verschluss der Dura. Eine absolute Indikation zur Entlastung des Myelons im akuten Stadium besteht beim Nachweis einer raumfordernden Läsion.
Jede offene Verletzung muss wegen der Infektionsgefahr sofort neurochirurgisch versorgt werden.
왘 Merke. Je früher die Kompression beseitigt wird, umso günstiger ist die
Bei Halsmarkschädigung kann eine maschinelle Beatmung erforderlich werden.
Eine absolute Operationsindikation besteht bei raumfordernden Läsionen. 왗 Merke
Prognose. Kommt es in der posttraumatischen Phase zu einer Progredienz der primären neurologischen Störungen oder treten erst sekundär neurologische Ausfälle auf, ist die Operation ebenfalls zu jeder Zeit absolut indiziert. Besteht neben der Rückenmarkverletzung eine Instabilität des entsprechenden Wirbelsäulenabschnittes, muss der entlastende Eingriff mit einem stabilisierenden Verfahren kombiniert werden. Die Vorteile einer belastungsstabilen Osteosynthese sind: ■ Beeinflussung neurologischer Ausfälle, ■ Pflegeerleichterung, ■ verkürzte Rehabilitation, ■ Verminderung von Sekundärschäden und ■ Reduzierung der Behandlungszeit.
11.7.5 Komplikationen, Rehabilitation und Prognose Das Schicksal des Rückenmark- und Wirbelsäulenverletzten wird entscheidend am Unfallort bestimmt. Aktive und passive Bewegungen der Wirbelsäule sind bereits während der Bergung so gering wie möglich zu halten. Der Transport erfolgt vorzugsweise in Rückenlagerung auf fester Unterlage (Vakuummatratze). Bei Verdacht auf Halswirbelsäulenverletzung wird zusätzlich von außen stabilisiert. Es ist günstig, wenn eine weitere Umlagerung bis zum Eintreffen in die Klinik nicht notwendig wird. Jedes Umlagern sollte von 3 bis 5 Personen durchgeführt werden (Abb. B-11.23).
Bei einer begleitenden Instabilität wird gleichzeitig eine Stabilisierung durchgeführt. Die belastungsstabile Osteosynthese bringt einige Vorteile mit sich.
11.7.5 Komplikationen, Rehabilitation und
Prognose Aktive und passive Bewegungen der Wirbelsäule sind während der Bergung möglichst zu vermeiden. Der Transport erfolgt in Rückenlage auf fester Unterlage, vorzugsweise auf einer Vakuummatratze.
Weitere Umlagerungen bis zum Eintreffen in die Klinik sollten vermieden werden (Abb. B-11.23).
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B 11 Neurochirurgie
1282 B-11.23
Umlagern eines Wirbelsäulen-/Rückenmarkverletzten
Lähmungsspezifische Komplikationen: Harn- und Atemwegsinfektionen, Druckgeschwüre, Kontrakturen, Spastik, Schmerzen, Thrombosen und Embolien. Die Prognose wird von der Schädigungshöhe, der Ausdehnung im Bezug auf den Rückenmarkquerschnitt und der Schädigungsdynamik bestimmt. Spezialkliniken führen neben der Primärversorgung die Behandlung von Komplikationen und Rehabilitationsmaßnahmen durch.
Begleitende Erkrankungen (physisch und psychisch) können die Rehabilitation verzögern.
Lähmungsspezifische Komplikationen sind in erster Linie aufsteigende Infektionen der ableitenden Harnwege, Druckgeschwüre, Kontrakturen, Spastik und Schmerzen, Thrombosen und Embolien sowie speziell bei Tetraplegikern Atemwegskomplikationen. Die Prognose ist sowohl von der Läsionshöhe als auch von der Ausdehnung im Bezug auf den Rückenmarkquerschnitt und der Schädigungsdynamik abhängig. Tetraplegiker und Patienten mit kompletten Lähmungen haben eine schlechtere Prognose als Paraplegiker und Patienten mit Teillähmungen. Die Primärversorgung von Rückenmarkverletzten in Spezialkliniken hat zu einer deutlichen Verbesserung der Prognose geführt. Diese Kliniken führen neben der Erstversorgung und der Behandlung von Komplikationen auch eine umfassende Rehabilitation durch. Die rehabilitativen Maßnahmen beginnen mit der Akutbehandlung und umfassen im weiteren Verlauf den gesamten Bereich der medizinischen und psychologischen Behandlung sowie der sozialen und beruflichen Reintegration. Vorerkrankungen, bereits bestehende Altersveränderungen des Körpers, Depressionen und Psychosen erhöhen den Zeitaufwand der Rehabilitation bis zum Erreichen von Selbstständigkeit und Unabhängigkeit.
왘 Klinischer Fall. Ein 22-jähriger Mann, bei dem seit der Kindheit ein zerebrales Krampfleiden bekannt ist, erleidet einen Verkehrsunfall. Mit seinem PKW kommt er unter nicht geklärten Umständen (Krampfanfall?) von der Fahrbahn ab und wird im Straßengraben aufgefunden. Neben einem leichten SHT mit retrograder Amnesie bestand bereits am Unfallort der dringende Verdacht auf eine Halsmarkläsion. Die Erstdiagnostik erfolgte in einer Unfallklinik. Auf den Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule fanden sich keine eindeutigen Frakturzeichen. Es erfolgte die Verlegung in die neurochirurgische Klinik. Klinisch-neurologisch bestand ein inkomplettes Querschnittsyndrom mit distal betonten Paresen im Bereich der Arme und Beine. Beide Hände waren nahezu plegisch, die Beine konnten nur kurzzeitig und geringgradig von der Unterlage angehoben werden. Eine Sensibilitätsstörung bestand ab D 3 mit nach distal zunehmender Hypästhesie bis Anästhesie. Die Bauchmuskulatur konnte nicht innerviert werden. Spontanes Wasserlassen war nicht möglich. Es fand sich eine Restharnmenge von 750 ml. Somit bestand klinisch-neurologisch das Bild einer zentralen Halsmarkläsion. Auch durch die Computertomographie konnte eine Fraktur im Bereich der Halswirbelsäule nicht nachgewiesen werden. Erst durch die Kernspintomographie konnte die Ursache der Schädigung diagnostiziert werden. Es fand sich eine isolierte Bandscheibenzerreißung zwischen dem 3. und 4. Halswirbelkörper. Dabei waren Anteile der Bandscheibe in den Spinalkanal luxiert. Weiterhin ließ sich eine intramedulläre
Einblutung in diesem Bereich objektivieren. Knöcherne Verletzungen fanden sich nicht. Unverzüglich nach Diagnosesicherung erfolgte die Operation. Die zerrissene Bandscheibe sowie die in den Spinalkanal luxierten Anteile wurden über einen ventralen Zugang entfernt, die Wirbelkörper mit einem autologen Beckenspan verblockt und zusätzlich verplattet. Unter antiödematöser und rheologischer Therapie kam es zu einer deutlichen Kraftzunahme in Armen und Beinen sowie zu einer Rückbildung der sensiblen Störungen. Die fortbestehende Blasenentleerungsstörung machte eine passagere, suprapubische Ableitung erforderlich. Unter einer intensiven Rehabilitationsbehandlung in einem Querschnittsgelähmtenzentrum haben sich die neurologischen Ausfälle im Zeitraum von 10 Monaten bis auf eine geringgradige Gefühlsstörung in den Fingerspitzen und eine diskrete Störung der Feinmotorik in den Händen vollständig zurückgebildet. Der Patient konnte seine bereits begonnene Lehre als Automechaniker erfolgreich abschließen und arbeitet seitdem in diesem Beruf. Das Osteosynthesematerial wurde nach einem Jahr entfernt. Eine kernspintomographische Kontrolluntersuchung 15 Monate nach dem Unfall zeigt den Residualzustand nach stattgehabter intramedullärer Blutung im Bereich C 3 in Form einer als Defekt imponierenden Narbe von wenigen Millimetern Ausmaß sowie den Zustand nach ventraler Fusion mit Blockwirbelbildung HWK 3/4.
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B 11.8 Hirntumoren
11.8 Hirntumoren
11.8
Epidemiologie: In größeren Sektionsstatistiken werden zwischen 1,8 und 2,1 % intrakranielle Tumoren und zwischen 1,2 und 1,4 % primäre Neoplasmen des Hirns verzeichnet. Die jährliche Inzidenz der primären Hirntumoren liegt bei 12,3 pro 100 000 der Bevölkerung. Die Altersverteilung ist abhängig von der Art des Tumors (Abb. B-11.24). Häufigste primäre Hirntumoren sind die Gliome. Das sind Tumoren, die von den Stützzellen des Gehirns, den Gliazellen ausgehen (Tab. B-11.15). Klinik: Das Wachstum intrakranieller Tumoren ist mit einer Volumenzunahme im begrenzten Schädelinnenraum verbunden. Eine intrakranielle Drucksteigerung ist im Hinblick auf Kompensationsmechanismen wesentlich von der Geschwindigkeit des Tumorwachstums abhängig und damit von der Dignität und Art des Neoplasmas. Die klinische Trias des Hirndrucks beinhaltet: ■ Kopfschmerz (typischerweise morgens), ■ Erbrechen (unabhängig von der Nahrungsaufnahme) und ■ Somnolenz. Schnell wachsende Tumoren oder die Verlegung von Liquorwegen führen eher zu Hirndruckzeichen, langsam wachsende Prozesse insbesondere in neurologisch relevanten Arealen verursachen eher hirnlokale neurologische Ausfälle. 왘 Merke. Jedes auf eine Raumforderung verdächtige Symptom muss durch weitere diagnostische Maßnahmen abgeklärt werden.
■ ■ ■ ■ ■ ■
Hirntumoren
Epidemiologie: Die jährliche Inzidenz der primären Hirntumoren liegt bei 12,3 pro 100 000. Die Altersverteilung ist abhängig von der Art des Tumors (Abb. B-11.24). Gliome sind die häufigsten primären Hirngeschwülste (Tab. B-11.15).
Klinik: Symptome des Hirndruck sind: Kopfschmerz, ■ Erbrechen, ■ Somnolenz. ■
Schnell wachsende Tumoren führen zu Hirndruckzeichen, langsam wachsende Prozesse zu hirnlokalen neurologischen Ausfällen. 왗 Merke
B-11.24
Altersverteilung der Hirntumoren
B-11.24
B-11.15
Häufigkeit von ausgewählten Hirntumoren
B-11.15
neuroepitheliale Tumoren (Gliome) ■
1283
Astrozytome Oligodendrogliome Ependymome Glioblastome Medulloblastome Spongioblastome Neurinome
ca. 50 % 4% 6% 4% 12 % 7% 8% 8%
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1284
B 11 Neurochirurgie
Diagnostik: Die neurologische Untersuchung stellt die Basis dar. Unter den bildgebenden Verfahren besitzt die MRT die höchste Abbildungsgenauigkeit.
Diagnostik: Die qualifizierte neurologische Untersuchung ermöglicht eine topische Zuordnung. Danach muss mit bildgebenden Verfahren eine Lokalisation des Tumors durchgeführt werden. Die höchste Abbildungsgenauigkeit besitzt das MRT. Ergibt sich zunächst kein sicherer Anhalt für eine intrakranielle Raumforderung, müssen die diagnostischen Schritte bei weiterbestehendem klinischem Verdacht wiederholt werden.
Therapie: Primäres Ziel ist die radikale Tumorentfernung. Operationen erfolgen ausschließlich mikrochirurgisch.
Therapie: Jede Therapie zielt primär auf die radikale Entfernumg des Tumors ab. Die Wahl der Verfahren wird primär durch die Lokalisation und erst in zweiter Linie durch den Prozess selbst bestimmt. Eine Operation erfolgt ausschließlich mikrochirurgisch. Navigationshilfen können zur intraoperativen Lokalisation herangezogen werden (Stereotactic guided neurosurgery). Bei konventionell nicht oder nur schwer zugänglichen Prozessen kommen stereotaktische interstitielle Strahlenbehandlungen infrage. Die Chemotherapie der malignen Hirntumoren ist problematisch. Anhand von mehreren Studien wird die Effizienz derzeit überprüft.
Bei operativ nicht zugänglichen Prozessen stellt die stereotaktische interstitielle Strahlenbehandlung eine Alternative dar.
11.8.1 Klassifikation der Hirntumoren
11.8.1 Klassifikation der Hirntumoren
Die gebräuchlichste Klassifikation ist die der WHO (Tab. B-11.16).
Allgemein anerkannt und international gebräuchlich ist die Klassifikation der WHO (Tab. B-11.16). Die Dignität wird nach WHO in 4 Grade eingeteilt: ■ Grad I = benigne. ■ Grad II = semibenigne. ■ Grad III = semimaligne. ■ Grad IV = maligne.
Die Dignität wird nach WHO in 4 Grade eingeteilt.
Astrozytome 왘 Definition
Astrozytome 왘 Definition. Die Bezeichnung Astrozytom wird auf Tumoren angewandt, die
von Astrozyten ausgehen (besonders auf die niedriggradigen Astrozytome, Tab. B-11.16). Sie gehören zu den Gliomen. Nach histopathologischen Kriterien können 8 Tumorentitäten unterschieden werden. Einige Astrozytome sind mit Dysgenesien und Malformationen assoziiert.
Astrozytome machen 20 – 30 % aller Gliome der zerebralen Hemisphären und ■ über 30 % aller Gliome des Kleinhirns bei Kindern aus.
■
Einige Astrozytome sind mit Dysgenesien und Malformationen assoziiert. Pilozytische Astrozytome des 3. Ventrikels und des Nervus opticus sind mit der Neurofibromatose und subependymale Riesenzellastrozytome mit der tuberösen Sklerose assoziiert. Diagnostik: Die radiologische Sicherung von niedriggradigen Astrozytomen kann mittels CT und MRT schwierig sein.
Diagnostik: Die radiologische Sicherung von niedriggradigen Astrozytomen kann im CT schwierig sein. Auch im MRT lassen sich differenzialdiagnostisch andere Läsionen wie z. B. Infarkte, Lymphome oder eine multiple Sklerose manchmal nur schwer abgrenzen.
Therapie und Prognose: Die Überlebensrate korreliert mit dem Ausmaß der chirurgischen Entfernung.
Therapie und Prognose: Zugängliche Tumoren sollen immer entfernt werden. Die Überlebensrate korreliert signifikant mit dem Ausmaß der chirurgischen Entfernung. Pilozytische zerebelläre Astrozytome bei Kindern können durch ihre Entfernung allein kurativ behandelt werden. Die 10-Jahres-Überlebensrate beträgt 97 % und 80 % der Patienten sind dabei ohne neurologische Störungen. Maligne Astrozytome (Grad III und IV nach WHO) müssen primär so radikal wie möglich reseziert werden. Eine Nachbestrahlung muss angeschlossen werden. Durch die Chemotherapie steigt zwar die Zahl der Patienten, die nach 18 Monaten kombinierter Nachbehandlung überleben. Die mittlere Überlebenszeit wird allerdings nicht verlängert. Immuntherapeutische Nachbehandlungen gibt es erst in Ansätzen, gesicherte Ergebnisse liegen noch nicht vor.
Bei den pilozystischen zerebellären Astrozytomen liegt bei Kindern die 10-JahresÜberlebensrate bei 97 %. Maligne Astrozytome müssen primär radikal operiert und anschließend nachbestrahlt werden.
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B 11.8 Hirntumoren
B-11.16
1285
WHO-Klassifikation der Tumoren des ZNS
Gruppe
Tumoren
neuroepitheliale Tumoren
■ ■ ■ ■ ■ ■
■
■ ■
Tumoren der Hirn- und Spinalnerven
■ ■ ■
Tumoren der Meningen
■ ■ ■ ■ ■
Lymphome und hämatopoetische Neoplasmen
■ ■ ■
Germinom-Zell-Tumoren
■ ■ ■ ■ ■ ■
Zysten und tumorähnliche Läsionen
■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
Tumoren der Sellaregion
■ ■ ■
lokale Ausbreitung von regionalen Tumoren
■ ■ ■ ■
Astrozytome Oligodendrogliome Ependymome Mischgliome Plexuspapillome neuroepitheliale Tumoren unbekannten Ursprungs (Astroblastome, polare Spongioblastome, Gliomatose des Hirns) neuronale und gemischt neuronal-gliale Tumoren (Gangliozytome, Gangliogliome, Ästhesioblastome) Pinealome embryonale Tumoren (Neuroblastome, PNET) Schwannome Neurofibrome MPNST (malignant peripheral nerve sheat tumour) meningotheliale Tumoren mesenchymale nicht meningotheliale Tumoren (Fibrome, Lipome) maligne Tumoren (Hämangioperizytome, Chondrosarkome, u. a.) primäre melanotische Läsionen (diffuse Melanose, Melanome, u. a.) Tumoren unbekannter Histiogenese (Hämangioblastome) malignes Lymphom Plasmozytom granulozytäre Sarkome Germinome embryonale Karzinome embryonale Sinustumoren Chorionkarzinome Teratome Mischtumoren Zysten der Rathke’schen Tasche Epidermoidzysten Kolloidzysten des 3. Ventrikels enterogene Zysten neurogliale Zysten Granularzelltumor Hamartome nasale gliale Heterotopie Plasmazellgranulome Hypophysenadenome Hypophysenkarzinome Kraniopharyngeome Paragangliome Chordome Chondrome Karzinome
metastatische Tumoren unklassifizierte Tumoren
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1286
B 11 Neurochirurgie
Prognostische Bedeutung bei malignen Astrozytomen haben Alter, Lebensqualität (Karnofsky-Index) zum Zeitpunkt der Diagnosestellung, Tumorgrad, OP-Radikalität und die Durchführung der Nachbestrahlung.
Prognostische Bedeutung bei malignen Astrozytomen haben ■ das Alter, ■ die Lebensqualität (Karnofsky-Index) zum Zeitpunkt der Diagnosestellung, ■ der Tumorgrad, ■ die OP-Radikalität und ■ die Durchführung der Nachbestrahlung. Von den unter 40-jährigen Patienten leben nach 18 Monaten 64 %, in der Gruppe der über 60-jährigen dagegen nur noch 8 %.
왘 Klinischer Fall
Oligodendrogliome 왘 Definition
왘 Klinischer Fall. Ein Junge im Alter von 7 Jahren, Drillingskind (2 Schwestern) wird 6 Monate vor einer Schieloperation durch ein plötzlich einsetzendes Schielen auffällig. Nach durchgeführter Operation kommt es 4 Monate später zur erneuten Sehverschlechterung mit Kopfschmerzen. 5 Tage vor stationärer Aufnahme kommt es zu morgendlichem Erbrechen, weiterhin finden sich Rumpfataxie, bulbäre Sprache und eine Hemihypästhesie links. In der CT und MRT finden sich ein großer, z. T. zystischer Tumor infratentoriell mit erheblicher Verdrängung des Hirnstamms. Der Tumor kann total entfernt werden. Histologisch handelt es sich um ein pilozytisches Astrozytom. Es kommt zur langsamen Besserung und der Junge kann nach 4 Wochen nach Hause entlassen werden (Abb. B-11.25).
Oligodendrogliome 왘 Definition. Oligodendrogliome (Grad II und III nach WHO) gehen von Oligo-
dendrozyten aus. 5 % aller Gliome sind Oligodendrogliome. Die meisten Tumoren treten im Erwachsenenalter auf. Bevorzugter Sitz ist die frontotemporale Region. Klinik, Diagnostik und Therapie: Oligodendrogliome wachsen langsam und infiltrativ. Anfälle und Kopfschmerzen sind die häufigsten Erstsymptome. Typisches neuroradiologisches Zeichen sind Verkalkungen.
Klinik, Diagnostik und Therapie: Oligodendrogliome sind ausgereifte, gefäßarme Tumoren mit langsamer und infiltrativer Wachstumstendenz. Anfälle und Kopfschmerzen sind die häufigsten Erstsymptome. Im MRT finden sich oft Verkalkungen. Die chirurgische Resektion ist die bevorzugte Behandlung. Eine Nachbestrahlung bessert die Prognose nicht.
Ependymome
Ependymome
왘 Definition
왘 Definition. 2 bis 6 % der Gliome sind Ependymome. Sie gehen vom Ventrikelependym aus. Bevorzugter Sitz ist der 4. Ventrikel, außerdem der Spinalkanal (siehe S. 1294). Die Mehrzahl der intrakraniellen Manifestationen findet sich bei Kindern im 1. Lebensjahrzehnt.
Klinik: Symptomatisch werden sie häufig durch allgemeine Hirndruckzeichen und zerebelläre Symptome.
Klinik: Aufgrund der Beziehung zum Ventrikelsystem, insbesondere zum 4. Ventrikel, entsteht ein Hydrozephalus. Die Erstsymptome sind durch Hirndruckzeichen und zerebelläre Symptome geprägt.
Therapie und Prognose: Die beste Behandlung ist die Resektion mit anschließender Nachbestrahlung. Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt 87 %.
Therapie und Prognose: Die beste Behandlung ist die Resektion mit anschließender Nachbestrahlung. Bei malignen Ependymomen des 4. Ventrikels wird gewöhnlich der Spinalkanal mitbestrahlt. Der Grad der chirurgischen Radikalität bestimmt wesentlich die Prognose. Die 5-Jahres-Überlebensrate der Patienten mit komplett entferntem Tumor beträgt 87 %.
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B 11.8 Hirntumoren
B-11.25
1287
Verlaufsdokumentation bei infratentoriellem zystischen Tumor a In der MRT großer zystischer Tumor infratentoriell mit Verdrängung des Hirn? stamms nach ventral und kaudal (? ?). b Die CT verdeutlicht die Raumforderung infratentoriell durch das Verschwinden der ? peripontinen Reserveräume (? ?) und den Stauungshydrozephalus durch Erweiterung des 3. Ventrikels (? ?) und der Temporalhörner (?). c Die 4 Wochen postoperativ durchgeführte CT zeigt die Tumorentfernung mit ? nunmehr guter Darstellung der peripontinen Zisternen (? ?) und den Rückgang der Ventrikelerweiterung (?). d, e MRT-Kontrolle 1/2 Jahr nach Operation ohne Hinweis auf ein Tumorrezidiv.
a
b
c
d
e
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1288
B 11 Neurochirurgie
Plexuspapillome und -karzinome
Plexuspapillome und -karzinome
Bevorzugter Sitz sind Seitenventrikel und 4. Ventrikel. Lymphogene Metastasierung und Hydrozephalus sind häufig. Die Therapie der Wahl ist die chirurgische Resektion.
Nur 0,5 bis 0,6 % der Hirntumoren gehören dieser Gruppe an. Die Hälfte der Patienten ist 5 20 Jahre. Bevorzugter Sitz sind Seitenventrikel und 4. Ventrikel. Eine Metastasierung auf dem Liquorweg und eine Assoziierung mit einem Hydrozephalus sind häufig. Die Therapie der Wahl ist die chirurgische Resektion.
Tumoren der Pinealisregion
Tumoren der Pinealisregion
Im Pinealisbereich wächst eine Vielzahl von Tumorentitäten. Die primitiveren Pineoblastome und die mehr differenzierten Pineozytome.
Tumoren der Pinealisregion sind selten und stellen nur 0,4 bis 1 % aller intrakranialer Tumoren. Sie werden untergliedert in: ■ Pineoblastome (eher primitiv), die von den Pineozyten ausgehen und ■ Pineozytome (differenzierter), die von der Glia ausgehen. Hierzu gehören Astrozytome und Glioblastome, Germinome, Teratome, embryonale Karzinome und Chorionkarzinome.
Diagnostik: Germinome und Karzinome sind mit erhöhten Werten von Alphafetoprotein und Beta-HCG assoziiert.
Diagnostik: Die Gruppe der Germinome und Karzinome ist durch erhöhte Liquorwerte von Alphafetoproteinen, und Plasmawerte von Beta-Human Choriogonadotropin (HCG) oder Melatonin gekennzeichnet.
Therapie: Germinome sollten primär bestrahlt werden. Teratome und alle benignen Tumoren sollen möglichst komplett exstirpiert werden.
Therapie: Aufgrund der hohen Strahlensensibilität der Germinome ist bei entsprechenden Befunden immer eine primäre Bestrahlung angezeigt. Teratome und alle benignen Tumoren sollen möglichst komplett exstirpiert werden.
Glioblastome
Glioblastome
왘 Definition
왘 Definition. Glioblastome sind hochmaligne stark entdiffenzierte neuroek-
todermale Tumoren (WHO Grad IV), deren Histogenese nicht genau bestimmt werden kann. Die überwiegende Anzahl entsteht sekundär aus Astrozytomen, Oligodendrogliomen, selten aus Ependymomen. Zwei Drittel der Betroffenen sind Männer.
Ca. 20 % aller intrakraniellen Tumoren gehören zu dieser Gruppe. Männer sind zu zwei Dritteln betroffen.
Klinik: Die Anamnesezeiten sind aufgrund des schnellen Wachstums in der Regel kurz. Im Vordergrund der Symptomatik stehen Hirndruckzeichen.
Klinik: Aufgrund des schnellen Wachstums sind die Anamnesezeiten kurz (wenige Wochen). Im Vordergrund der Symptomatik stehen Hirndruckzeichen. Hirnlokale Symptome werden oft durch ausgeprägte perifokale Ödeme verursacht.
Diagnostik: In der CT und MRT finden sich häufig regressive Veränderungen und ein ausgeprägtes Kontrastmittelenhancement. Die regressiven Veränderungen zeigen sich auch im histologischen Präparat.
Diagnostik: Die Diagnose kann immer im CT oder MRT gestellt werden. Bezeichnend für das Vorliegen eines Glioblastoms sind regressive Veränderungen mit Zystenbildungen und ein ausgeprägtes perifokales Ödem. Der Balken wird häufig infiltriert. Infratentorielle Glioblastome sind selten. Nach Kontrastmittelgabe kommt es zu einem deutlichen Enhancement. Im histologischen Bild dominieren regressive Veränderungen mit Zystenbildungen.
Therapie: Therapeutisch wird eine operative, möglichst radikale Tumorreduktion angestrebt. Eine Irradiatio soll durchgeführt werden.
Therapie: Die Therapie ist zunächst immer eine chirurgische und besteht in einer möglichst radikalen Reduktion des Tumorvolumens. Da Glioblastome niemals radikal entfernt werden können, werden neurologisch relevante Strukturen geschont, um die Lebensqualität des Patienten nicht zusätzlich zu verschlechtern. Eine Irradiatio ist obligat.
Prognose: Glioblastome rezidivieren immer. Nach 2 Jahren leben nur noch 10 % der Patienten.
Prognose: Glioblastome rezidivieren immer. Auch nach optimaler Operation und Nachbestrahlung leben 2 Jahre nach der Operation nur noch ca. 10 % der Patienten. Der Einsatz von Chemotherapeutika verlängert die mittlere Überlebenszeit nur um Wochen, verdoppelt aber den Anteil der Patienten, die nach 18 Monaten noch überleben.
왘 Klinischer Fall
왘 Klinischer Fall. 63-jährige Patientin mit Kopfschmerzen. Entwicklung einer Halbseitenparese rechts, Aphasie und Eintrübung. In der CT großer zystischer Tumor links frontoparietal. Histologisch handelte es sich um ein Glioblastom. Postoperative deutliche Rückbildung der neurologischen Ausfälle. Entlassung gehfähig am 11. postoperativen Tag zur Nachbestrahlung. Nach 19 Monaten klinisch und neuroradiologisch gesichertes Rezidiv. Einen Monat später verstirbt die Patientin (Abb. B-11.26).
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B 11.8 Hirntumoren
B-11.26
1289
Verlaufsdokumentation eines Glioblastoms
a a Darstellung eines großzystischen Tumors links frontoparietal in der CT.
b
c
b In der CT (b) und MRT (c) findet sich 19 Monate nach Operation ein großes Rezidiv.
Primitiv-neuroektodermale Tumoren (PNET) 왘 Definition. Primitiv-neuroektodermale Tumoren (PNET) gehören zu einer
Primitiv-neuroektodermale Tumoren (PNET) 왗 Definition
Gruppe von hochmalignen Tumoren (WHO Grad IV), die von embryonalen neuroepithelialen Zellen des ZNS ausgehen. Zu dieser Gruppe zählen auch die früher als Medulloblastome bezeichneten Tumoren. Sie gehören zu den häufigsten Tumoren des frühen Kindesalters (30 %). Bevorzugter Sitz ist der infratentorielle Raum. Eine Metastasierung in den Liquorraum ist häufig.
Infratentorieller Sitz und lymphogene Metastasierung.
Klinik: Die Klinik der oft sehr großen Tumoren besteht vor allem in Hirndruckzeichen und wird aufgrund des infiltrativen Wachstums von hirnlokalen Ausfällen begleitet. Die Anamnese ist kurz.
Klinik: Es bestehen Hirndruckzeichen und hirnlokale Ausfälle. Die Anamnese ist kurz.
Therapie: Ziel ist die möglichst radikale Entfernung mit anschließender Bestrahlung und Polychemotherapie. Bei Kindern führt diese Kombinationsbehandlung zu einer 5-Jahres-Überlebensrate von 80 %.
Therapie: Einer Operation muss sich immer eine Radiatio und eine adjuvante Chemotherapie anschließen. Damit liegt die 5-JÜR bei 80 %.
Neurinome
Neurinome
왘 Definition. Neurinome gehen von den Schwann-Zellen aus und stellen ca. 8 %
왗 Definition
aller intrakraniellen Tumoren, aber 80 – 90 % der Tumoren des Kleinhirnbrückenwinkels. Das häufigste Neurinom im Kleinhirnbrückenwinkel ist das Akustikusneurinom (AKN). Ein- und beidseitige AKN können im Rahmen eines Morbus Recklinghausen vorkommen.
Das Akustikusneurinom ist das häufigste intrakranielle Neurinom.
Klinik: Tinnitus, Hörminderung, Hörsturz und schließlich Taubheit sind die typischen Symptome. Wächst der Tumor weiter kommt es zum Kleinhirnbrückenwinkelsyndrom mit: ■ Gesichtslähmungen (N. facialis), ■ Sensibilitätsstörungen im Gesicht und Abschwächung des Kornealreflexes (N. trigeminus), ■ Hörminderung bis zur Taubheit, ■ Nystagmus und Gleichgewichtsstörungen (N. vestibulocochlearis), ■ Paresen und ataktischen Störungen durch Kompression der Brücke und des Kleinhirns.
Klinik: Frühsymptome des AKN – Tinnitus, Hörminderung, Hörsturz, Taubheit – sollten immer intensiv abgeklärt werden. Im weiteren Verlauf kommt es zum Kleinhirnbrückenwinkelsyndrom: Fazialisparese, Trigeminusstörung, Hörminderung/Taubheit, Nystagmus, Schwindel, Ataxie, Paresen.
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1290
B 11 Neurochirurgie
Diagnose: Auch kleine im inneren Gehörgang liegende Neurinome können sicher im MRT nachgewiesen werden.
Diagnostik: Jede entsprechende otoneurologische Symptomatik sollte abgeklärt werden. Die MRT ohne und mit Kontrastmittel ist die Untersuchung der Wahl. Die frühzeitige Diagnose bestimmt den Erfolg der Therapie.
Therapie: Die Therapie der Wahl ist die operative Entfernung. Der Erhalt des Gehörs ist zu 30 – 40 %, der des N. facialis zu 90 – 100 % möglich.
Therapie: Therapie der Wahl ist die Operation. Der Erhalt des Gehörs ist zu 30 – 40 %, der des N. facialis zu 90 – 100 % möglich. Alternativ kommen moderne Formen der Bestrahlungstherapie (Gamma Knife) zum Einsatz. Langzeitergebnisse für diese Behandlungsmethode liegen noch nicht vor.
Meningeome
Meningeome
왘 Definition
왘 Definition. Meningeome gehen von den mesodermalen Zellen der Meningen aus. Sie haben einen Anteil von 13 – 19 % an allen intrakraniellen Tumoren.
Meningeome wachsen langsam und verdrängend, können aber den Knochen infiltrieren.
Mehrere Subtypen einschließlich des malignen Meningeoms können histologisch unterschieden werden (Tab. B-11.17). Das mittlere Lebensalter und das weibliche Geschlecht werden eindeutig bevorzugt. Das Wachstum ist langsam progredient. Das Hirngewebe wird verdrängt, nicht infiltriert. Der Knochen kann unter Bildung starker Hyperostosen infiltriert werden.
Klinik: Neben Lokalsymptomen sind Anfälle häufig das Erstsymptom.
Klinik: Anfälle sind häufiges Erstsymptom. Die Symptomatik wird vor allem durch die Tumorlokalisation geprägt.
Diagnostik: Mittels CT können die knöchernen Strukturen und mittels MRT die Meningen beurteilt werden.
Diagnostik: Meningeome sollten sowohl im CT zur Beurteilung der knöchernen Strukturen als auch im MRT zur Beurteilung des Infiltrationsgrades der Meningen untersucht werden.
Therapie: Angestrebt wird die Radikalentfernung. Die Rezidivrate liegt bei 20 %. Bei älteren Patienten mit kleinen asymptomatischen Tumoren kann abgewartet werden.
Therapie: Die Therapie der Wahl ist die Operation. Angestrebt wird die Radikalentfernung des Meningeoms. Rezidive sind in bis zu 20 % der Fälle zu beobachten. Im Bereich der Schädelbasis können sie aufgrund der Infiltration in den Knochen und ihrem Wachstum z. B. in den Sinus cavernosus oftmals nicht radikal entfernt werden. Bei sehr kleinen asymptomatischen Tumoren und höherem Lebensalter kann eine abwartende Haltung möglich sein.
Histologisch gibt es mehrere Subtypen (Tab. B-11.17). Mittleres Lebensalter und weibliches Geschlecht werden bevorzugt.
왘 Klinischer Fall
왘 Klinischer Fall. Eine 42-jährige Patientin erleidet einen ersten Krampfanfall. Nach dem Anfall besteht eine armbetonte Hemiparese rechts und Aphasie. In der MRT und CT findet sich ein z. T. verkalkter kortikaler Tumor von der Dura ausgehend (Abb. B-11.27 a, b). Nach Entfernung des Tumors und der tumortragenden Dura erfolgt die plastische Deckung des Duradefekts durch einen Patch. Histologisch handelt es sich um ein transitionelles Meningeom. Die Entlassung erfolgt am 8. postoperativen Tag ohne neurologische Ausfälle (Abb. B-11.27 c).
Maligne Lymphome
Maligne Lymphome
Nur 0,5 % der Hirntumoren sind primäre oder sekundäre Lymphome.
Nur 0,5 % der Hirntumoren sind primäre oder sekundäre Lymphome. Häufig multipel, ventrikel- und balkennah lokalisiert können sie in allen Hirnbereichen beobachtet werden. Die Infiltration von Balkenbereichen ist relativ häufig.
Klinik: Sie wird bestimmt durch Hirndruckzeichen und hirnlokale Symptome.
Klinik: Die Symptomatik wird bestimmt durch den schnell steigenden Hirndruck und hirnlokale Symptome.
B-11.17
B-11.17 ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
Subgruppierung der Meningeome
meningotheliales Meningeom fibroblastisches Meningeom transitionales Meningeom psammomatöses Meningeom angiomatöses Meningeom hämangioblastisches Meningeom hämangioperizystisches Meningeom papilläres Meningeom anaplastisches Meningeom
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B 11.8 Hirntumoren
B-11.27
1291
Verlaufsdokumentation bei Meningeom
a
b
c
a MRT nach Kontrastmittelgabe mit zentraler Tumornekrose (? ?), der kleinere hypointense Bereich entspricht einer Verkalkung (?) – vgl. mit der CT –, nur geringe meningeale Infiltration (? ? ?). b CT mit Verkalkung im vorderen Tumorbereich (?) und zentraler Nekrose des Tumors (? ?). c CT am 1. postoperativen Tag mit Rückverlagerung der Strukturen, kein Tumorrest.
Diagnostik: CT (multiple kontrastmittelaufnehmende Herde) und MRT (signalintensiv in T2) sind richtungsweisend. Bei der Lumbalpunktion können in 70 – 80 % der Fälle Tumorzellen nachgewiesen werden. Therapie: Nach stereotaktischer Biopsie zur histologischen Sicherung erfolgt neben der Kortikosteroidgabe eine Bestrahlung und Chemotherapie.
Diagnostik: CT: multiple kontrastmittelaufnehmende Herde, MRT: signalintensiv im T2-Bild. Im Liquor können Tumorzellen nachgewiesen werden. Therapie: Neben Steroidgabe erfolgt eine Bestrahlung und Chemotherapie.
Hämangioblastome
Hämangioblastome
1,1 – 2,4 % der intrakraniellen Raumforderungen sind Hämangioblastome. Sie treten vornehmlich im jüngeren und mittleren Lebensalter auf. Die Hämangioblastome besitzen oft große Zysten. Ein Vorzugssitz sind die Kleinhirnhemisphären. Die Assoziation mit retinalen Angiomen und Pankreas- und Nierenzysten wird als Hippel-Lindau-Syndrom bezeichnet.
Sie sitzen bevorzugt im Kleinhirn. Eine Assoziation mit retinalen Angiomen und Pankreas- und Nierenzysten wird als Hippel-Lindau-Syndrom bezeichnet.
Klinik, Diagnostik und Therapie: Im typischen Fall kommt es zu einer rasch progredienten Kleinhirnsymptomatik. Im CT und MRT lässt sich eine raumfordernde Zyste mit wandständigem intensiv kontrastmittelaufnehmenden Tumor darstellen. Die Therapie ist ausschließlich operativ.
Klinik, Diagnostik und Therapie: Bei progredienter Kleinhirnsymptomatik zeigen sich in CT und MRT typische Befunde. Die Therapie ist operativ.
Hypophysenadenome
Hypophysenadenome
왘 Definition. 10 % aller Hirntumoren sind Hypophysenadenome. Ausgangspunkt
왗 Definition
sind die Zellen der Adenohypophyse. Die Tumoren unterscheiden sich durch die ■ endokrine Aktivität, ■ Größe, ■ Wachstumsrate und ■ klinische Symptomatik.
Die Tumoren unterscheiden sich durch die endokrine Aktivität, Größe, Wachstumsrate und klinische Symptomatik.
Klassifikation: Klassischerweise werden die Adenome der Hypophyse nach ihrem färberischen Verhalten in azidophile, basophile und chromophobe Adenome eingeteilt. Die moderne Einteilung erfolgt nach dem sekretorischen Verhalten (Tab. B-11.18).
Klassifikation: Die moderne Einteilung erfolgt nach dem sekretorischen Verhalten (Tab. B-11.18).
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1292
B 11 Neurochirurgie
B-11.18
B-11.18
Einteilung der Hypophysenadenome nach ihrem sekretorischen Verhalten
hormonaktive Tumoren
■
Prolaktinom somatotrope Adenome kortikotrope Adenome thyreotrope Adenome gonadotrope Adenome
■
Mischformen
■ ■ ■ ■
B-11.19
Klinik: ■ Endokrin aktive Tumoren: Der Hormonexzess bestimmt die Symptomatik (Tab. B-11.19).
■
Hormonell inaktive Adenome machen sich durch eine Hormoninsuffizienz oder häufiger erst durch ein Chiasmasyndrom bemerkbar. Hypophysenapoplexie: Akute druckbedingte Schädigung des Chiasma opticum und der Hirnnerven im Sinus cavernosus.
B-11.19
betroffenes Hormon Prolaktin (PRL) Wachstumshormon (hGH = human growth hormone) adrenokortikotropes Hormon (ACTH) thyreotropin releasing hormone (TRH) luteinisierendes Hormon (LH), follikelstimulierendes Hormon (FSH) Kombination
Charakteristische Symptome endokrin aktiver Tumoren
endokrin aktiver Tumor
Symptom
STH produzierende Tumoren ACTH produzierende Tumoren Prolaktin produzierende Tumoren
Akromegalie, Riesenwuchs Cushing-Syndrom Galaktorrhö
Klinik: ■ Endokrin aktive Adenome werden durch den Hormonexzess symptomatisch. Auch sehr kleine intrasellär wachsende Adenome können deshalb klinisch auffällig werden. Die charakteristischen Symptome sind in Tab. B-11.19 aufgeführt. Erst wenn durch Größenzunahme die Sella turcica nach oben ünerschritten wird, kommt es zur Kompression des Chiasma opticum. Große Adenome können den Hypothalamus, den 3. Ventrikel erreichen und den Sinus cavernosus infiltrieren ■ Hormonell inaktive Adenome machen sich durch eine Hormoninsuffizienz oder häufiger erst durch ein Chiasmasyndrom bemerkbar (Visusstörung, bitemporale Hemianopsie). Regressive Veränderungen in Adenomen können zu Blutungen führen. Die sog. Hypophysenapoplexie ist gekennzeichnet durch eine akute druckbedingte Schädigung des Chiasma opticum (Chiasmasyndrom, akuter Visusverlust) und der Hirnnerven im Sinus cavernosus (Doppelbilder, Ptose).
Diagnostik: Eine endokrinologische, ophthalmologische und kernspintomographische Untersuchung ist notwendig.
Diagnostik: Die diagnostische Abklärung schließt neben endokrinologischen auch immer eine ophthalmologische Untersuchung zum Ausschluss eines Chiasmasyndroms ein. Die hormonelle Situation muss abgeklärt werden. Die MRT-Untersuchung ist wesentlich für die Beurteilung der Nachbarstrukturen.
Therapie: ■ Alleinige medikamentöse Therapie.
Therapie: ■ Konservativ: Einige hormonaktive Adenome können medikamentös behandelt werden (Prolaktinom – Alpha-Ergo-Bromocriptin; Akromegalie – Somatostatinanaloga). ■ Operativ: Die Operationsindikation wird zum einen durch die Behandlungsbedürftigkeit des Hormonexzesses (bei ausgeschöpfter medikamentöser Therapie), zum anderen durch das Auftreten von kompressionsbedingten Schädigungen benachbarter Strukturen bedingt (Chiasma opticum, Hirnnerven im Sinus cavernosus, Hypothalamus, Liquorzirkulation). Ziel der operativen Therapie hormonaktiver Adenome ist die Beseitigung der hormonellen Störung unter Erhalt der sonstigen sekretorischen Funktion der Hypophyse. Bei postoperativ gestörter Hypophysenfunktion kann problemlos eine Substitution erfolgen.
■
Bei medikamentös nicht ausreichend therapierbarem Hormonexzess oder kompressionsbedingten Schäden ist eine Operationsindikation gegeben.
Eine Operation kann auf transsphenoidalem oder transkraniellem Weg erfolgen. Der transsphenoidale Zugang ist risikoärmer.
Als operativer Zugang bieten sich zwei Wege an: Der transkranielle und der transsphenoidale. Transsphenoidale Zugänge sind risikoärmer und werden auch von älteren Patienten gut toleriert.
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B 11.8 Hirntumoren
Kraniopharyngeome 왘 Definition. 1 – 3 % der intrakraniellen Tumoren sind Kraniopharyngeome. Sie
1293 Kraniopharyngeome 왗 Definition
gehen von Resten des fetalen Hypophysengangs aus und bestehen aus Plattenepithel und Mesenchym (ähnlich wie die odontogenen Adamantinome). 2/
der Kraniopharyngeome werden vor dem 30. Lebensjahr symptomatisch. Sie liegen sowohl intra- als auch suprasellär. Aufgrund ihres langsamen Wachstums können sie eine erhebliche Größe erreichen. Ein großer Teil der Tumoren zeigt zystische Anteile. Die Zysten sind mit Cholesterinkristallen gefüllt. Die Zystenwände können verkalken. 3
2/ 3
der Kraniopharyngeome werden vor dem 30. Lebensjahr symptomatisch. Sie liegen sowohl intra- als auch suprasellär.
Ein großer Teil der Tumoren zeigt zystische Anteile mit z. T. verkalkten Wänden.
Klinik: Die Kompression des Hypophysenstiels oder der Hypophyse führen zu partieller oder globaler Hypophyseninsuffizienz. Chiasma-, Hirn- bzw. Hirnkammerkompressionen können weitere Symptome verursachen. Die spontane Drainage der Zysten in den subarachnoidalen Raum oder in den Ventrikel ruft eine aseptische Meningitis hervor
Klinik: Die Symptome werden durch die Beeinträchtigung der Hypophysenfunktion und -regulation sowie durch die Kompression benachbarter Hirngebiete bestimmt.
Diagnostik: Supra- und intraselläre Verkalkungen erlauben insbesondere im Kindesalter schon im Röntgennativbild des Schädels eine Diagnose. Im CT und MRT kann die Lagebeziehung zu den wichtigen benachbarten Strukturen geklärt werden. Zysten mit partieller Verkalkung und die Lage klären schon im Vorfeld die Diagnose.
Diagnostik: Intra- und supraselläre Verkalkungen im Schädelröntgenbild weisen auf ein Kraniopharyngeom hin, ebenso supraselläre, partiell verkalkte Zysten in der CT und MRT.
Therapie: Aufgrund des jahrelangen Wachstums und der oft intensiven Beziehungen des Tumors und seiner Zysten gelingt meistens nur eine operative Entlastung der Zysten bzw. eine Subtotalentfernung. Rezidivierende zystische Raumforderungen können durch gezielte Punktionen wiederholt und oft über Jahre hin ausreichend behandelt werden.
Therapie: Die operative Behandlung erzielt oft nur eine Entlastung.
Hirnmetastasen
Hirnmetastasen
Die Häufigkeit von Hirnmetastasen wird durch die Primärtumoren bestimmt. Entscheidend sind die Häufigkeit der Primärtumoren und ihre Tendenz zu einer Metastasierung in das ZNS (Chorionepitheliome metastasieren zu 52 % ins Gehirn, Melanome zu 47 %, Bronchialkarzinome zu 18 % und Mammakarzinome zu 14 %). Obwohl nur 18 % der Bronchialkarzinome ins Hirn metastasieren, ist es aufgrund seiner Häufigkeit trotzdem der häufigste Primärtumor bei Hirnmetastasen. Die Metastasierung erfolgt fast ausschließlich hämatogen. Metastasen des malignen Melanoms führen häufig zu Tumoreinblutungen.
Ins ZNS metastasieren Chorionepitheliome, Melanome, Bronchialkarzinome, Mammakarzinome. Häufigster Primärtumor ist das Bronchialkarzinom. Melanommetastasen führen oft zu Einblutungen.
Klinik: Die Symptome entsprechen denen primärer maligner Hirntumoren. Wegen der oft vorhandenen multiplen Metastasierung in das Hirn sind multifokale neurologische Ausfälle möglich.
Klinik: Wegen der oft vorhandenen multiplen Metastasierung sind multifokale neurologische Ausfälle möglich.
Diagnostik: Die Diagnostik erfolgt im CT und MRT. Metastasen treten häufig multipel auf, sind gut abgegrenzt, haben ein ausgepägtes perifokales Ödem und zeigen ein ausgeprägtes Kontrastmittelenhancement.
Diagnostik: Metastasen sind häufig multipel, gut abgegrenzt, mit perifokalem Ödem und zeigen ein ausgeprägtes Kontrastmittelenhancement.
Therapie: Die Operationsindikation wird in Abhängigkeit vom Grundleiden gestellt. Bei multiplen Hirnmetastasen erfolgt eine Operation bei unbekanntem Primärtumor immer zur Sicherung der histologischen Diagnose. Solitäre Hirnmetastasen sollten auch bei allgemeiner Metastasierung immer operiert werden. Eine Nachbestrahlung muss angeschlossen werden.
Therapie: Die Operationsindikation hängt vom Grundleiden ab.
왘 Merke. Das Überleben der Patienten ist abhängig von der Grunderkrankung.
Eine Nachbestrahlung muss angeschlossen werden. 왗 Merke
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1294 11.9
Spinale Tumoren
B 11 Neurochirurgie
11.9 Spinale Tumoren
Einteilung: ■ extradurale, ■ intradurale extramedulläre, ■ intramedulläre Prozesse.
Die Tumoren des Spinalkanals werden eingeteilt in: ■ extradurale, ■ intradurale extramedulläre und ■ intramedulläre Prozesse.
Epidemiologie: Die Inzidenz der intraduralen Tumoren liegt bei 3 – 10/100 000. Intramedulläre Tumoren finden sich doppelt so häufig bei Kindern (30 %). Die meisten Tumoren werden in den thorakalen Segmenten festgestellt. (Tab. B-11.20).
Epidemiologie: Das Verhältnis von intraduralen zu extraduralen Tumoren beträgt 3 zu 2. Die Inzidenz der intraduralen Tumoren wird mit 3 – 10/100 000 angegeben. Intramedulläre Tumoren finden sich doppelt so häufig bei Kindern (30 %). Die meisten Tumoren werden in den thorakalen Segmenten festgestellt. Primäre benigne Tumoren der Wirbelsäule treten eher in den dorsalen Anteilen, bei Kindern und jüngeren Erwachsenen, primäre maligne eher im Wirbelkörper und bei älteren Patienten auf (Tab. B-11.20).
Anatomie und Klinik: Die Kenntnis der segmentbezogen sensiblen Innervation und segmentaler Kennmuskeln ist Vorraussetzung für eine topische Diagnostik der spinalen Raumforderungen (Abb. B-11.28).
Anatomie und Klinik: Die Symptome einer spinalen Raumforderung werden wegen der segmentalen Gliederung der Wirbelsäule und des Rückenmark vor allem durch die Höhenlokalisation bestimmt. Neben den segmentbezogenen sensiblen Dermatomen lassen sich einigen Segmenten klinisch wichtige Kennmuskeln zuordnen. Die Kenntnis dieser Systematik ist Vorraussetzung für eine qualifizierte neurologische Untersuchung (Abb. B-11.28). Daneben spielt die Art der arteriellen Versorgung des Rückenmark eine große Rolle. Zwei größere arterielle Zuflüsse nehmen wesentlich an der Versorgung teil: ■ eine gut ausgebildete Radikulararterie in Höhe C 6 und ■ die A. Adamkiewicz, die zwischen Th 9 und L 2 eintritt.
Durch Beeinträchtigung der spinalen arteriellen Versorgung können neurologische Symptome einige Segmente über das Niveau der Läsion aufsteigen.
Durch Beeinträchtigung der arteriellen Zuflüsse kann eine medulläre Schädigung einige Segmente aufsteigen. Diagnostik: Blasen-Mastdarm-Störungen müssen als spinaler Notfall sofort abgeklärt werden. Zur Verfügung stehen: ■ Klinische Untersuchung, ■ MRT (Methode der Wahl), ■ CT (gute Darstellung knöcherner Strukturen), ■ Myelographie (spezielle Fragestellungen), ■ Osteolysen im Nativbild sind Zeichen eines malignen Prozesses.
B-11.20
Diagnostik: Bei allen schnell einsetzenden und hochgradigen sowie allen spinalen Prozessen mit Ausbildung vegetativer Symptome (Blasen-MastdarmLähmung) muss, im Sinne eines spinalen Notfalls, eine unverzügliche Diagnostik erfolgen. ■ Die klinische Untersuchung erlaubt durch Bestimmung der neurologischen Läsionshöhe den gezielten Einsatz der bildgebenden Diagnostik. ■ Methode der Wahl ist die MRT. Diese erbringt immer eine Höhenlokalisation und erlaubt eine gute Zuordnung zum Querschnitt des Spinalkanals. ■ Knöcherne Strukturen werden besser im CT dargestellt. B-11.20
Raumfordernde Prozesse der Wirbelsäule und des Spinalkanals
benigne Tumoren extradurale Tumoren ■ Osteoblastom ■ Osteoidosteom ■ Osteochondrom ■ Risenzelltumoren ■ aneurysmatische Knochenzysten ■ Hämangiome ■ eosinophiles Granulom ■ fibröses Histiozytom ■ desmoplastisches Fibrom intradurale extramedulläre Tumoren ■ Meningeom ■ Neurinom/Neurofibrom ■ Dermoid/Epidermoid ■ Ependymom des Filum terminale intramedulläre Tumoren ■ Ependymom ■ Astrozytom ■ Lipom
maligne Tumoren
■
Osteosarkom Chondrosarkom Chordom Myelom Metastasen
■
Neurofibrosarkom
■ ■ ■ ■
■ ■
anaplastisches Astrozytom Medulloblastom
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B 11.9 Spinale Tumoren
B-11.28
■ ■
■
1295
Schema der segmentalen Hautsensibilität
Eine Myelographie ist speziellen Fragestellungen überlassen. Die Nativdiagnostik der Wirbelsäule wird nur noch als Screening, Funktionsuntersuchung bzw. zur Operationsvorbereitung durchgeführt. Elektrophysiologische Untersuchungen dokumentieren den Funktionszustand des Myelons und können auch zum intraoperativen Monitoring eingesetzt werden (somatosensible evozierte Potenziale, SSEP).
Therapie: Eine operative Behandlung ist nur sinnvoll, wenn ein Querschnittssyndrom inkomplett ist. 왘 Merke. Die Behandlung von Wirbelsäulenmetastasen ist immer palliativ und sollte durch eine Bestrahlung ergänzt werden.
B-11.28
■
Elektrophysiologische Untersuchungen dokumentieren den Funktionszustand des Myelons.
Therapie: Eine Operation ist nur beim inkompletten Querschnitt sinnvoll. 왗 Merke
Alle anderen spinalen Raumforderungen sollten immer operativ behandelt werden. Der Zugang richtet sich nach der Lage des Tumors. Bei allen spinalen Operationen muss die Stabilität des Achsenorgans erhalten oder wiederhergestellt werden.
Bei allen spinalen Operationen muss die Stabilität des Achsenorgans erhalten oder wiederhergestellt werden.
11.9.1 Extradurale Tumoren
11.9.1 Extradurale Tumoren
Benigne extradurale Tumoren: s. Tab. B-11.20.
Benigne Tumoren: Tab. B-11.20.
Maligne extradurale Tumoren: Zu den primär malignen extraduralen Tumoren zählen Osteosarkome, Chondrosarkome, Chordome und Myelome/Plasmozytome. Wirbelmetastasen zählen zu den sekundären malignen extraduralen Tumoren.
Maligne Tumoren: Einteilung in primäre und sekundäre (Wirbelsäulenmetastasen) Formen.
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1296
B 11 Neurochirurgie
Wirbelmetastasen
Wirbelmetastasen
50 – 60 % der Wirbelmetastasen finden sich thorakal.
Zwei Drittel der Primärtumoren finden sich in Lunge, Mamma, Prostata und Knochenmark. 50 – 60 % der Wirbelmetastasen wachsen thorakal.
Klinik: Wirbelmetastasen werden durch ein schnell einsetzendes Querschnittssyndrom symptomatisch.
Klinik: Die Symptomatik wird durch eine schnell eintretende Querschnittslähmung bestimmt. Den neurologischen Symptomen voraus gehen oft über einige Wochen Rückenschmerzen, im weiteren Verlauf auch radikuläre Schmerzen voraus.
Diagnostik: Die Primärdiagnostik sollte durch die MRT, die Beurteilung der Wirbeldestruktion durch die CT erfolgen. Eine Knochenszintigraphie erlaubt die Untersuchung des gesamten Skeletts.
Diagnostik: Röntgenaufnahmen zeigen in bis zu 90 % einen pathologischen Befund. Die Primärdiagnostik sollte durch die MRT erfolgen. Zur Beurteilung der Wirbeldestruktionen ist eine spinale CT unerlässlich. Mittels Knochenszintigraphie kann das komplette Skelett auf das Vorhandensein weiterer Metastasen untersucht werden.
Therapie: Die Therapie der Wirbelmetastasen ist immer palliativ und soll einen kompletten Querschnitt verhindern.
Therapie: Eine radikale Operation ist auch bei optimalen Voraussetzungen nur in wenigen Fällen möglich. Eine chirurgische Entlastung erfolgt in der Regel als palliativer Eingriff zur Verhinderung eines kompletten Querschnittssyndroms zur Pflegeerleichterung und Lebensqualitätsverbesserung.
왘 Merke
왘 Merke. Bei komplettem sensomotorischen Querschnittssyndrom ist eine Operation nicht mehr indiziert.
Eine adjuvante Therapie sollte immer angestrebt werden. Die Prognose wird durch den Gesamtverlauf bestimmt und ist bei allgemeiner Metastasierung schlecht. 11.9.2 Intradurale extramedulläre Tumoren
11.9.2 Intradurale extramedulläre Tumoren
Epidemiologie: 70 % aller intraduralen Tumoren finden sich extramedullär. Am häufigsten sind Meningeome und Neurinome.
Epidemiologie: 70 % aller intraduralen Tumoren finden sich extramedullär. Mit einer jährlichen Inzidenz von 3 – 5 pro 1 Million Einwohner ist zu rechnen. Am häufigsten sind Meningeome und Neurinome. Seltene Tumoren sind Ependymome, Dermoide, Epidermoide, Angiome, Lipome, Chordome, Lymphome u. a.
Klinik, Diagnostik: Typisch für diese Tumorgruppe ist ein langsam einsetzendes Querschnittssyndrom. Die Diagnostik erfolgt immer mittels MRT. Eine Erweiterung des Foramen intervertebrale in der Röntgenaufnahme ist richtungsweisend auf ein Neurinom/Neurofibrom.
Klinik, Diagnostik: Die Symptomatologie ist durch oft langjährige segmentale Schmerzanamnesen und ein langsam einsetzendes Querschnittsyndrom gekennzeichnet. Neurinome kommen in allen Abschnitten des Spinalkanals vor. Wächst der Tumor mehr im Foramen intervertebrale sowie nach extraforaminal (Sanduhrneurinom), kann er eine beträchtliche Größe erreichen und bei Wachstum thorakal zu primären pulmonalen Problemen führen. Die Primärdiagnostik erfolgt durch die MRT. Eine Erweiterung des Foramen intervertebrale in der Röntgenaufnahme ist richtungsweisend auf ein Neurinom/Neurofibrom. In der CT/MRT finden sich dann häufig sogenannte Sanduhrneurinome. Meningeome finden sich in jedem Abschnitt der Spinalkanals mit einer gewissen Häufung thorakal. Die meisten Meningeome werden zwischem dem 40. und 70. Lebensjahr symptomatisch.
Meningeome finden sich in jedem Abschnitt der Spinalkanals.
Therapie: Ziel der Therapie ist die Totalentfernung des Tumors. Bei Sanduhrneurinomen sind gegebenenfalls Zweiteingriffe oder kombinierte Zugänge (Thorakotomie) notwendig.
Therapie: Ziel der Therapie ist die Totalentfernung des Tumors. Bei den Meningeomen muss der tumortragende Duraanteil mitreseziert werden. Bei Sanduhrneurinom wird zunächst der intraspinale Anteil entfernt. Gelingt es von diesem Zugang nicht, die extraspinalen Tumorteile zu entfernen, ist eine Erweiterung der Operation oder ein Zweiteingriff notwendig. Größere intrathorakale Anteile werden über eine Thorakotomie entfernt.
11.9.3 Intramedulläre Tumoren
11.9.3 Intramedulläre Tumoren
Zu den intramedullär wachsenden Tumoren zählen vor allem die Gliome.
Zu den intramedullär wachsenden Tumoren zählen vor allem die Gliome. Im Kindesalter stellen sie neben den Sarkomen die häufigste Tumorgruppe dar. Alle medullären Gliome zeichnen sich durch ein langstreckiges, oft mehrere Segmente überschreitendes Wachstum aus. Im Bereich des oberen und unteren Tumorpols finden sich häufig zystische Formationen.
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B 11.10 Hydrozephalus
1297
Klinik: Querschnittssymptome sind bestimmend. Ihr Beginn lässt sich lange zurückverfolgen.
Klinik: Querschnittssymptome sind bestimmend.
Diagnostik: Unerlässlich ist ein MRT. Es stellt die Gesamtausdehnung des Tumors, seine Abgrenzung vom umgebenden Markgewebe, Syrinxformationen und die Aufweitung des Spinalkanals dar.
Diagnostik: Das MRT ist Methode der Wahl.
Therapie: Die Therapie besteht in der möglichst radikalen Entfernung des Tumors. Dies wird durch die verbesserte Bildgebung, die intraoperative Anwendung von mikrochirurgischer Technik, dem Einsatz von Laser und Ultraschallsaugern ermöglicht. Bei langstreckigem Wachstum muss die Eröffnung des Spinalkanals als Laminotomie erfolgen.
Therapie: Ziel der Therapie ist die radikale operative Entfernung.
11.10 Hydrozephalus 왘 Definition. Unter Hydrozephalus versteht man eine Ventrikelerweiterung zu-
11.10
Hydrozephalus
왗 Definition
ungunsten der Hirnsubstanz. Pathophysiologie: Beim Erwachsenen werden pro Tag ca. 500 ml Liquor cerebrospinalis gebildet. Das zirkulierende Liquorvolumen beträgt 150 ml. Der Liquor fließt aus dem Ventrikelsystem in den Spinalraum, die basalen Zisternen und schließlich in den Subduralraum der Hirnkonvexität, um über die Arachnoidalzotten (Pacchioni’sche Granulationen) in das Blut rückresorbiert zu werden (Abb. B-11.29). Ist der Abfluss behindert oder die Rückresorption durch Verklebungen gestört, so wird sich bei gleichbleibender Produktionsrate das Ventrikelsystem vergrößern und der Liquordruck erhöhen. Klassifikation: Verschiedene Klassifikationen versuchen morphologische oder pathophysiologische Umstände einzubeziehen. So werden erworbenene von angeborenen, obstruktive von kommunizierenden, externe von inneren Hydrozephali unterschieden. B-11.29
Pathophysiologie: Täglich werden ca. 500 ml Liquor cerebrospinalis gebildet. Das zirkulierende Liquorvolumen beträgt 150 ml (Abb. B-11.29).
Ist bei gleichbleibender Produktion der Abfluss oder die Resorption des Liquors behindert, weitet sich das Ventrikelsystem. Klassifikation: Ursächlich lassen sich drei Formen unterscheiden: ■ Hydrocephalus occlusus, ■ Hydrocephalus malresorptivus und ■ Hydrocephalus e vacuo.
Physiologische Liquorzirkulation und häufigste Ursachen von Liquorzirkulationsstörungen, die zum Hydrozephalus führen
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B 11 Neurochirurgie
1298
Ursächlich lassen sich im Wesentlichen drei Formen unterscheiden: ■ Hydrocephalus occlusus, ■ Hydrocephalus malresorptivus und ■ Hydrocephalus e vacuo. Prognose: Die Prognose wird letztendlich von der Grundkrankheit bestimmt.
Prognose: Der Hydrozephalus des Erwachsenen, wobei die obstruktiven Formen im Vordergrund stehen, hat per se eine gute Prognose. Sie wird letztendlich aber von der Grundkrankheit bestimmt.
11.10.1 Hydrocephalus occlusus
11.10.1 Hydrocephalus occlusus
Ätiologie: Ätiologisch besteht eine Abflussstörung aus dem Ventrikelsystem. Zysten, Tumoren, Verklebungen und Missbildungen können den Liquorfluss behindern.
Ätiologie: Ätiologisch besteht eine Abflussstörung aus dem Ventrikelsystem. ■ Im Bereich der Foramina Monroi können Zysten oder Tumoren des 3. Ventrikels verantwortlich sein. ■ Geschwülste der Vierhügelregion können den Aquaeductus cerebri stenosieren. ■ Meningitiden, Subarachnoidalblutungen oder Schädel-Hirn-Traumen können zu Verklebungen führen. ■ Im Bereich der hinteren Schädelgrube können Tumoren, Verklebungen sowie Missbildungen (Arnold-Chiari-Syndrom, Dandy-Walker-Syndrom) die reguläre Liquorzirkulation behindern.
Klinik: Sie wird durch die tumorbedingten Lokalsymptome und die intrakranielle Drucksteigerung geprägt.
Klinik: Sie wird zum einen durch die tumorbedingten Lokalsymptome geprägt, zum anderen durch die intrakranielle Drucksteigerung.
Symptome sind Kopfschmerz, Erbrechen, Stauungspapille, psychische Veränderungen sowie Bewusstseinsstörungen.
Entsprechende Symptome sind Kopfschmerz, Erbrechen, Stauungspapille, psychische Veränderungen sowie Bewusstseinsstörungen bis zum Koma.
Diagnostik: Methode der Wahl ist das CT oder MRT.
Diagnostik: Diagnostische Methode der Wahl ist das CT oder MRT.
Das Ventrikelsystem ist proximal des Verschlusses erweitert. Durch Kontrastmittelgabe können tumoröse Veränderungen dargestellt werden (Abb. B-11.30).
Dabei kommt die proximal des Verschlusses gelegene Erweiterung des Ventrikelsystems direkt zur Darstellung. Durch Kontrastmittelgabe können tumoröse Veränderungen dargestellt werden (Abb. B-11.30). Um die Vorderhörner der Seitenventrikel finden sich im CT periventrikuläre Zonen verminderter Dichte als Ausdruck eines druckbedingten transependymalen Liquorübertritts.
B-11.30
Verschlusshydrozephalus
b Axiale Ebene.
a Koronare Ebene.
MRT-Untersuchung des Kopfes bei einem 46-jährigen Patienten. Zur Darstellung kommt ein monströser Tumor im Bereich des 4. Ventrikels (?), der zum Verschlusshydrozephalus geführt hat. Deutliche Erweiterung des vorgeschalteten Ventrikelsystems (? ?). Operation mit totaler Tumorentfernung. Histologie: Ependymom, WHO Grad 2. Keine Ableitungsoperation erforderlich.
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B 11.10 Hydrozephalus
1299
Therapie: Ziel ist die Wiederherstellung einer freien Liquorpassage. Ist dies durch direktes operatives Vorgehen (z. B. Tumorexstirpation) nicht möglich, ist die Implantation eines liquorableitenden Systems (Shunt) erforderlich (Abb. B-11.31). Der Liquor wird über ein Kathetersystem mit eingeschaltetem Ventil aus den Seitenventrikeln in den rechten Vorhof des Herzens (ventrikuloatrialer Shunt) oder in den intraperitonealen Raum (ventrikuloperitonealer Shunt) abgeleitet (Abb. B-11.32).
Therapie: Ziel ist eine freie Liquorpassage. Bei inoperabler Situation ist eine Ableitung mittels Shunt indiziert (Abb. B-11.31). Der Liquor kann von den Seitenventrikeln in den rechten Herzvorhof oder in den Peritonealraum abgeleitet werden (Abb. B-11.32).
B-11.31
CT-Untersuchung bei inoperablem Tumor
b a Vor ventrikuloperitonealem Shunt. b Nach ventrikuloperitonealem Shunt. Durch die Liquorableitung konnte der Hydrozephalus symptomatisch behandelt werden.
a
B-11.32
Schematische Darstellung einer ventrikuloatrialen und ventrikuloperitonealen Liquorableitung (Shunt)
B-11.32
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1300 왘 Merke
B 11 Neurochirurgie
왘 Merke. Patienten mit einem Shunt müssen immer einen sog. Ventilpass bei sich tragen. Darin sind Angaben zur Erkrankung, Ableitungsart, zum Ventilsystem, der Druckstufe und der behandelnden Klinik aufgeführt.
11.10.2 Hydrocephalus malresorptivus
11.10.2 Hydrocephalus malresorptivus
Ätiologie: Liquorresorptionsstörung durch Verklebung der Arachnoidalzotten, der basalen Zisternen und Subarachnoidalräume.
Ätiologie: Es handelt sich um eine Liquorresorptionsstörung durch Verklebung der basalen Zisternen und Subarachnoidalräume, in erster Linie jedoch der Arachnoidalzotten. Diese Verklebungen lassen sich nach Subarachnoidalblutungen, Meningitiden, Meningoenzephalitiden und Schädel-Hirn-Traumen beobachten. Ein Hydrocephalus malresorptivus kann mit einer Latenz von Tagen, Wochen bis Monaten nach der Erkrankung entstehen.
Klinik: Gangstörungen, psychoorganische Veränderungen und Harninkontinenz bilden eine typische Trias.
Klinik: Gangstörungen, psychoorganische Veränderungen und Harninkontinenz bilden eine typische Trias, deren volle Ausbildung nur im fortgeschittenen Stadium beobachtet wird. Kopfschmerzen und Stauungspapille gehören nicht zu den typischen Symptomen. Wichtig ist die differenzialdiagnostische Abgrenzung gegen den Hydrocephalus e vacuo, bei dem eine fortschreitende Demenz im Vordergrund steht.
Kopfschmerzen und Stauungspapille gehören nicht zu den typischen Symptomen. Wichtig ist die Abgrenzung zum Hydrocephalus e vacuo. Diagnostik: Die diagnostische Sicherung erfolgt durch kontinuierliche Messung des intrakraniellen Druckes, Liquorraumszintigraphie oder Bestimmung der Liquorresorptionskapazität.
Diagnostik: Im CT oder MRT Nachweis einer Erweiterung des gesamten Hirnkammersystems. Die diagnostische Sicherung erfolgt durch kontinuierliche Messung des intrakraniellen Druckes über 48 Stunden sowie durch den Nachweis der Liquorresorptionsstörung (Malresorption) mittels Liquorraumszintigrapie oder Bestimmung der Liquorresorptionskapazität.
Therapie: Operative Shuntanlage.
Therapie: Methode der Wahl ist die operative Anlage eines ventrikuloatrialen oder ventrikuloperitonealen Shunts. Das führt gewöhnlich schnell und eindrucksvoll zur Besserung der klinisch-neurologischen Symptomatik.
11.10.3 Normaldruckhydrozephalus
11.10.3 Normaldruckhydrozephalus
왘 Synonym
왘 Synonym. Normal Pressure Hydrocephalus (NPH).
Eine Sonderform des Hydrozephalus beim Erwachsenen ist der Normaldruckhydrozephalus. Klinik: Progrediente Gangstörungen, Hirnleistungsschwäche und Harninkontinenz.
Klinik: Die klinische Symptomatik ist gekennzeichnet durch eine progrediente, gelegentlich fluktuierende Entwicklung von Gangstörungen, Hirnleistungsschwäche und Harninkontinenz.
Differenzialdiagnose: Neurodegenerative Erkrankungen (z. B. Morbus Alzheimer, Pick).
Differenzialdiagnose: Neurodegenerative Erkrankungen wie Morbus Alzheimer, Morbus Binswanger und Morbus Pick.
Prognose: Bei einer Vielzahl von Patienten kommt es zu einer Besserung der Kardinalsymptome.
Prognose: Da der NPH Ausdruck eines multifaktoriellen Geschehens ist, kann die Prognose nur vor diesem Hintergrund beurteilt werden. Nach verschiedenen Studien ist jedoch von einer Besserung der Kardinalsymptome nach Shuntanlage bei einer Vielzahl der Betroffenen auszugehen. Je besser die diagnostische Selektion, umso besser die Prognose. Bei der Zunahme von altersbedingten Erkrankungen ist auch eine Zunahme dieser Patientengruppe zu erwarten.
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B 11.10 Hydrozephalus
왘 Klinischer Fall. 68-jähriger Patient mit der klinischen Trias: Gangstörungen – Inkontinenz – Demenz. Diagnostik: Das CT zeigt einen kommunizierenden Hydrozephalus, einen erweiterten Subarachnoidalraum und sog. Polkappen über den Vorderhörnern der Seitenventrikel als Ausdruck der gestörten transependymalen Liquorresektion. Bei der Lumbalpunktion wird ein erhöhter Liquordruck gemessen. Nach Entnahme von 50 ml Liquor bessern sich insbesondere die Gangstörungen eindrucksvoll. Bei der vor und nach Lumbalpunktion durchgeführten transkraniellen Doppler-Sonographie zeigt sich postpunktionell eine Flussbeschleunigung, im EEG eine Abnahme der Allgemeinveränderung. Die Hirndruckmessung weist während der Nachtstunden typische B-Wellen mit episodischen Hirndruckanstiegen auf. Therapie: Implantation eines ventrikuloperitonealen Shuntsystems (Mitteldruckstufe). Nach der Operation deutliche Rückbildung der Gangstörungen sowie der Inkontinenz.
1301 왗 Klinischer Fall
11.10.4 Hydrocephalus e vacuo
11.10.4 Hydrocephalus e vacuo
Ätiologie: Es handelt sich um eine Erweiterung der inneren und äußeren Liquorräume (Ventrikel und Subarachnoidalräume) infolge hirnatrophischer Prozesse mit Untergang von Hirnsubstanz. Der Liquordruck ist immer normal.
Ätiologie: Hirnatrophische Prozesse mit Untergang von Hirnsubstanz. Der Liquordruck ist immer normal.
Klinik: Es finden sich Merkmale des hirnatrophischen Prozesses mit hirnorganischem Psychosyndrom und schließlich progredientem demenziellem Bild.
Klinik: Hirnorganisches Psychosyndrom und progredienter demenzieller Verfall.
Diagnostik: Im CT oder MRT ist die Erweiterung der inneren und äußeren Liquorräume nachzuweisen.
Diagnostik: Im CT oder MRT Erweiterung der inneren und äußeren Liquorräume.
Therapie: Eine operative Therapie ist nicht möglich.
Keine chirurgische Therapieoption.
11.10.5 Besonderheiten des Hydrozephalus im Säuglingsalter
11.10.5 Besonderheiten des Hydrozephalus
im Säuglingsalter
Im Neugeborenen- und Säuglingsalter ist der Verdacht auf einen Hydrozephalus leichter zu stellen als bei Erwachsenen. Das Auftreten von begleitenden Missbildungen ist bereits hinweisend. Weitere Charakteristika, die zur klinischen Diagnose führen sind: ■ schnelles Schädelwachstum (Perzentilensprung), ■ gespannte Fontanellen, ■ verbreiterte Schädelnähte, ■ „Sonnenuntergangsphänomen“, ■ gestaute Skalpvenen oder ■ Allgemeinsymptome wie Bradykardie, Apnoe, Trinkunlust, vermehrte Irritierbarkeit und reduzierte Vitalität.
Neben ganz charakteristischen Befunden ist das Auftreten von begleitenden Missbildungen schon hinweisend.
Ätiologie: Als Ursache kommen Missbildungen, intrauterine Infektionen, intrauterine oder perinatale Blutungen sowie Meningitiden infrage.
Ätiologie: Missbildungen, intrauterine Infektionen, intrauterine oder perinatale Blutungen sowie Meningitiden.
Diagnostik: Für die Verlaufskontrolle sind Kopfumfangsmessungen sowie CT/ MRT am wichtigsten. Mittels Ultraschall kann im Säuglingsalter die Ventrikelweite ohne Anwendung von Röntgenstrahlen sicher beurteilt und im Verlauf dokumentiert werden (Abb. B-11.33).
Diagnostik: Für die Verlaufskontrolle sind Kopfumfangsmessungen, Ultraschalluntersuchungen sowie CT/MRT von Bedeutung (Abb. B-11.33).
Therapie: ■ Die wiederholte Fontanellenpunktion ist ein durchaus probates Mittel, insbesondere bei Früh- und Neugeborenen, um den Hydrozephalus zu kontrollieren und die Liquorsanierung bis zu einem adäquaten Zellzahl- und Eiweißbefund abzuwarten. ■ Die operative Behandlung durch Implantation eines Shuntsystems sollte so früh wie möglich durchgeführt werden, besonders um einem irreversiblen Untergang von Hirngewebe zuvorzukommen (Abb. B-11.32).
Therapie: Durch wiederholte Fontanellenpunktionen oder externe Liquordrainage erfolgt die Liquorsanierung bis zur definitiven operativen Shuntversorgung (Abb. B-11.32).
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1302
B 11 Neurochirurgie
■
Die Bereitstellung hochauflösender starrer und flexibler Endoskope mit verschiedenen Arbeitskanälen, die Verwendung von lokalisatorischen Hilfen wie stereotaktisch geführte Punktion zusammen mit einer „endoskopischen topographischen Anatomie“ ermöglichen es in zunehmenden Maße, direkt unter endoskopischer Kontrolle eine obstruierte Liquorpassage wiederherzustellen.
Mit diesem insgesamt einfachen und mit wenigen schweren Komplikationen vergesellschafteten Verfahren ist vielen Kindern eine nur wenig oder nicht gestörte körperliche und intellektuelle Entwicklung ermöglicht worden (Abb. B-11.34). B-11.33
Sonographische Darstellung der Ventrikel im Säuglingsalter
a
b
Ultraschalluntersuchung in verschiedenen Ebenen (a, b, c) bei einem 3 Wochen alten Säugling mit Darstellung einer Erweiterung aller Hirnkammern.
c
B-11.34
B-11.34
Ventrikuloperitoneale Ableitung Röntgenologische Darstellung einer ventrikuloperitonealen Ableitung bei einem 8 Wochen alten männlichen Säugling bei Hydrozephalus nach perinataler Hirnblutung.
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B 11.11 Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen
1303
Komplikationen nach Shunt-Operationen: Die relativ hohe Komplikationsrate von 20 – 30 % geht hauptsächlich zu Lasten des implantierten Fremdkörpers. Dabei sind neben den Infektionen (5 – 10 %) Shuntdiskonnektionen und -obstruktionen mit bis zu 20 % zu erwarten. Weitere Komplikationen sind die Überdrainage, subdurale Hygrome und Hämatome und das Schlitz-Ventrikel-Syndrom. Seltene Komplikationen sind intrazerebrale Blutungen, Endokarditis, Shuntnephritis, Lungenembolie, intraabdominelle Zysten sowie Perforation und Verletzung von intraabdominellen Organen.
Komplikationen nach Shunt-Operationen: Die meisten Komplikationen gehen zu Lasten des implantierten Fremdkörpers.
Prognose: Die Prognose des kindlichen Hydrozephalus muss insgesamt als günstig angesehen werden, wenn nicht die den Hydrozephalus bedingenden Erkrankungen (wesentliche substanzielle Hirnschädigungen durch perinatale Hypoxie, Blutungen, Infektionen oder Fehlanlagen) im Vordergrund stehen. Insgesamt kann in 2/3 der Fälle von einer normalen intellektuellen Entwicklung ausgegangen werden. Die 5-Jahres-Überlebensrate von shuntversorgten Kindern beträgt 80 – 90 %.
Prognose: Sie ist, allerdings in Abhängigkeit von der Grunderkrankung, günstig.
11.11 Fehlbildungen und
Entwicklungsstörungen
왘 Definition. Fehlbildungen sind pränatal durch Anlagefehler entstandene
11.11
Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen
왗 Definition
Formabweichungen von Organen oder Körperteilen bei sonst normalen Geweben. Demgegenüber werden als Dysplasien morphologische Anomalien bezeichnet, die durch fehlerhafte Organisation und/oder Funktion von Geweben oder Gewebskomponenten zustande kommen. Sie werden histologisch nachgewiesen. Entwicklung: Das Zentralnervensystem durchläuft im Zuge seiner Entwicklung zahlreiche Umwandlungs- und Differenzierungsvorgänge. Zwar ist seine grobe Gestalt zum Ende des ersten Trimenons ausgebildet (Morphogenese), die dann folgenden histogenetischen Veränderungen (Proliferation, Migration) beanspruchen aber noch den Rest der intrauterinen Zeit und gehen nach der Geburt weiter. Die Myelinisierung erreicht erst mit der Pubertät einen gewissen Abschluss (Tab. B-11.21).
Entwicklung: Das Zentralnervensystem durchläuft im Zuge seiner Entwicklung zahlreiche Umwandlungs- und Differenzierungsvorgänge. Die Entwicklung ist mit der Geburt nicht abgeschlossen (Tab. B-11.21).
Häufigkeit: Bei etwa 12 von 1000 Neugeborenen (einschließlich totgeborener Kinder) muss mit größeren Fehlbildungen gerechnet werden. Mit 70 – 80 % übertrifft die Häufigkeit der Anomalien des Nervensystems die anderer Organe. 75 % fetaler Todesfälle und 40 % der Sterblichkeit im ersten Lebensjahr sind darauf zurückzuführen (Häufigkeit im pädiatrischem Obduktionsgut: 5,5 %). Die Hälfte der Fehlbildungen ist bereits zum Zeitpunkt der Geburt diagnostiziert. Dysrhaphische Störungen umfassen fast 90 % der zentralnervösen Anomalien. Ihr Vorkommen ist deshalb auch am besten untersucht, wenn auch viele der Ursachen noch ungeklärt sind.
Häufigkeit: Bei etwa 12 von 1000 Neugeborenen (einschließlich totgeborener Kinder) muss mit Fehlbildungen gerechnet werden. Die Hälfte der Fehlbildungen ist bereits zum Zeitpunkt der Geburt diagnostiziert.
B-11.21 ■ ■ ■ ■ ■
■ ■ ■
Strukturelle Entwicklung des menschlichen Gehirns
neurale Induktion Neuroblastenproliferation neuronale Migration selektive Aggregation von Neuronen neuronale Differenzierung, Bildung spezifischer Verbindungen Untergang von Neuronen (cell death, Kortex) selektive Elimination von Synapsen (Kortex) Myelinisierung
B-11.21
3.– 4. Gestationswoche 8.– 25. Gestationswoche 8.– 34. Gestationswoche 8.– 34. Gestationswoche 5. Gestationswoche bis 4 Jahre 2 – 16 Jahre 2 – 16 Jahre 25. Gestationswoche bis 20 Jahre
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B 11 Neurochirurgie
1304 B-11.22
Zeitplan zur Entwicklung des menschlichen Nervensystems
Gestationsalter
Entwicklungsvorgang
Fehlbildung
0 – 18 Tage
Anlage der 3 Keimblätter
keine oder Absterben
19 – 21 Tage
Neuralplatte, -wülste, -rinne
komplette Dysrhaphie
23 – 24 Tage
Augenbläschen
Hydrozephalus
24 – 28 Tage
Neuralrohr, Verschluss von Neuroporus cranialis und caudalis, Neuralleiste, Vorderhornzellen
Anenzephalie, Cranium bifidum, Spina bifida (verschiedene Formen)
4. Woche
Stirn- und Scheitelhöcker, Rhombenzephalon, Auge, mediane Längsfissur
Holoprosenzephalie
5. Woche
Riechlappen, Striatum, Kleinhirnanlage, Vorder- und Hinterwurzeln, Gefäßsystem
Kleinhirnhypoplasie, Mikrozephalie, Proliferations- und Migrationsstörungen
7. Woche
Schläfenlappen
8. Woche
Plexus choroidei
3. Monat
Balkenstrahlung, Umbiegen des Schläfenlappens (Insel), Balken, Septum pellucidum, Fornix, Kleinhirnoberwurm
4. Monat
Differenzierung des Kortex, der Meningen, Liquorzirkulation
5.– 6. Monat
Abgrenzung der Hirnlobi, primäre Furchen, Proliferation beendet, Massenzunahme und Oberflächengliederung des Kleinhirns, Foramina des 4. Ventrikels, Kommissuren vollständig
Störung der zellulären Architektur (Dystrophie usw.), Myelinisierungsstörung
7.– 9. Monat
schnelle Entwicklung der Gyri und Sulci, Sekundär- und Tertiärfurchen, Myelinisierung
destruktive Veränderungen
6. Monat – 1. Lebensjahr
neuronale Migration, Gliazellproliferation, Myelinisierung, Bildung axosomatischer und axodendritischer Verbindungen
Störung der zerebralen und zerebellaren Mikroarchitektur
Ätiopathogenese: Die häufigsten Ursachen der frühkindlichen Hirnschädigung sind Anoxie und Asphyxie.
Entscheidend für die Fehlbildung ist der Zeitpunkt des Einwirkens der Noxen (Tab. B-11.22). 11.11.1 Fehlbildungen des kraniozervikalen
Übergangs 왘 Definition
Balkenaplasie, Wurmaplasie
Ätiopathogenese: Die häufigsten Ursachen der frühkindlichen Hirnschädigung sind Anoxie und Asphyxie bedingt durch ■ eine Perfusionsstörung der Plazenta, ■ Geburtsasphyxie, ■ Respirations-und Stoffwechselstörungen des Neu- und insbesondere des Frühgeborenen. Infektiös und toxisch bedingte Embryofetopathien, direkte Geburtstraumen und Infektionskrankheiten des Säuglings sind demgegenüber selten. Entscheidend für die Art der Fehlbildung ist nicht so sehr die Noxe selbst, sondern der Zeitpunkt ihrer Einwirkung auf das sich differenzierende Nervensystem (Tab. B-11.22).
11.11.1 Fehlbildungen des kraniozervikalen Übergangs 왘 Definition. Es handelt sich um kongenitale Störungen der Squama occipitalis in Höhe des Foramen occipitale magnum, des Atlas und des Dens axis. Sie können zu einer sekundären Beeinträchtigung zerebraler, medullärer und vaskulärer Strukturen führen.
Epidemiologie: Die Prävalenz wird mit 30 pro 100 000 Einwohner angegeben. Am häufigsten ist die basiläre Impression und das Klippel-Feil-Syndrom.
Epidemiologie: Am häufigsten ist die basiläre Impression und das Klippel-FeilSyndrom. Die Prävalenz wird mit 30 pro 100 000 Einwohner angegeben. Beim Klippel-Feil-Syndrom überwiegt das weibliche Geschlecht. Die klinische Manifestation erfolgt in der dritten bis fünften Lebensdekade.
Basiläre Impression
Basiläre Impression
왘 Definition
왘 Definition. Fehlbildung des Os occipitale mit Kranialverlagerung des Dens axis (epistrophei).
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B 11.11 Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen
B-11.35
1305
Röntgenometrische Methoden zum Nachweis von Fehlbildungen am kraniozervikalen Übergang
Ätiologie: Man unterscheidet eine kongenitale Form (okzipitale Dysplasie) von der erworbenen Form, die sich sekundär durch Erkrankungen des Knochens (Morbus Paget, Osteogenesis imperfecta, Osteomalazie, Rachitis) ausbildet. Die kongenitale Form kommt auch bei Trisomie 21 und Achondroplasie vor. Der Boden der hinteren Schädelgrube ist zum Foramen occipitale magnum angehoben, wodurch dieses eingeengt wird. Weiterhin besteht eine Verkürzung und Abflachung des Klivus (Platybasie) und ein Denshochstand. Der Hirnstamm und die Medulla oblongata werden mechanisch irritiert.
Ätiologie: Man unterscheidet eine kongenitale Form bei okzipitaler Dysplasie von der erworbenen Form.
Klinik: Diese ist in Hinsicht auf die komplexe Anatomie des kraniospinalen Übergangs vielgestaltig und initial häufig irreführend. Es können ■ Nacken- und Hinterkopfschmerzen, ■ myelopathische Zeichen mit nicht immer charakteristischen motorischen Ausfällen und sensiblen Reizerscheinungen sowie Blasenentleerungsstörungen, ■ Hirnstammsymptome, ■ kaudale Hirnnervenstörungen, ■ ein Tortikollis, ■ medulläre respiratorische Dysfunktionen, ■ ein Schlaf-Apnoe-Syndrom und ■ Schluckstörungen beobachtet werden.
Klinik: Im Vordergrund stehen Kopf- und Nackenschmerzen sowie eine progrediente Gangstörung. Intermittierend treten Schwindel, Übelkeit und Erbrechen auf. Häufig bleibt die Fehlbildung asymptomatisch.
Es kommt zur Verlagerung des Dens axis in das Foramen occipitale magnum und zur mechanischen Irritation der Medulla oblongata.
Bei mehr als der Hälfte der Betroffenen bleibt die Fehlbildung asymptomatisch. Diagnostik: Röntgenaufnahmen des Schädels ergänzt durch Schichtaufnahmen dienen dem Nachweis des Denshochstandes sowie zur Beurteilung der Schädelbasis (Abb. B-11.35). Durch die Kernspintomographie ist die direkte Darstellung der Kompression, die Verlagerung des Hirnstamms und die Abgrenzung begleitender Anomalien des kraniozervikalen Überganges möglich. Elektrophysiologische Untersuchungen erfassen bereits bestehende funktionelle Läsionen.
Diagnostik: Röntgenaufnahmen und MRT zeigen die knöchernen Veränderungen. Kompression und Verlagerung des Hirnstamms lassen sich mit der Kernspintomographie direkt darstellen (Abb. B-11.35).
Differenzialdiagnose: Sie umfasst alle Prozesse im Bereich des kraniozervikalen Übergangs (Tumoren, Aneurysmen, Angiome) sowie Syringomyelie, Bulbärparalyse und multiple Sklerose. Eine progrediente Hirndrucksymptomatik fordert ebenfalls den Ausschluss von Kleinhirntumoren bzw. anderer Tumoren der hinteren Schädelgrube.
Differenzialdiagnose: Bei der bunten klinisch-neurologischen Symptomatik müssen die multiple Sklerose, Halsmark- und Kleinhirntumoren sowie Gefäßmissbildungen ausgeschlossen werden.
Therapie: Operative Dekompression der Medulla oblongata durch Erweiterung des Foramen occipitale magnum mittels Resektion von Anteilen des Os occipitale sowie dorsaler Anteile des Atlas. Eröffnung und plastische Erweite-
Therapie: Bei Hirnstammkompression ist die Erweiterung des Foramen occipitale magnum kombiniert mit einer Duraerweiterungsplastik erforderlich.
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1306
B 11 Neurochirurgie
rung der Dura schließen sich an. In seltenen Fällen ist die Resektion tiefstehender Kleinhirntonsillen und die Anlage eines Shunts erforderlich. Klippel-Feil-Syndrom 왘 Definition
Klippel-Feil-Syndrom 왘 Definition. Familiär gehäuft auftretende zervikale Blockwirbelbildung.
Ätiologie: Die segmentale Differenzierung der Wirbel während der Embryogenese bleibt aus. Zusätzlich können weitere Fehlbildungen vorliegen.
Ätiologie: Die segmentale Differenzierung der Wirbel während der Embryogenese bleibt aus. Zusätzlich können weitere Fehlbildungen wie Atlasassimilation, Syndaktilie, Aplasie des M. sternocleidomastoideus, Kyphoskoliose, Gaumenspalte, Agenesie des äußeren Gehörganges mit Taubheit, Spina bifida oder Syringomyelie vorliegen.
Klinik: Der Hals ist verkürzt, oft besteht ein Tortikollis, eine tiefe Nackenhaargrenze und ein Schulterhochstand. Die Beweglichkeit der HWS ist eingeschränkt, und es finden sich gehäuft Symptome einer Myelonkompression.
Klinik: Im Vordergrund stehen HWS-bezogene Störungen bis zum zervikalen Querschnittssyndrom. Hirnnervenstörungen treten eher zurück. Der Hals ist verkürzt, oft finden sich ein Tortikollis (Schiefhals), eine tiefe Nackenhaargrenze und ein Schulterhochstand. Es besteht der Eindruck, dass der Kopf zwischen den Schultern sitzt. Die Beweglichkeit der HWS ist eingeschränkt, es treten gehäuft radikuläre oder medulläre Symptome als Zeichen einer Myelonkompression auf.
Diagnostik: Röntgenaufnahmen der HWS zeigen die Blockwirbelbildung. Methode der Wahl ist die Kernspintomographie. Sie erlaubt die Beurteilung alle betroffenen Strukturen.
Diagnostik: Röntgenaufnahmen der HWS zeigen die Blockwirbelbildung, oft auch assoziiert mit Halb- oder Keilwirbeln. Methode der Wahl ist die Kernspintomographie. Sie erlaubt sicher die genaue Einordnung auf einen Blick, bezieht dabei alle betroffenen Strukturen ein und erlaubt auch die Darstellung der benachbarten Abschnitte von HWS, Schädel und Gehirn. Somit können auch assoziierte Fehlbildungen erfasst werden. Ergänzend werden evozierte Potenziale abgeleitet.
Differenzialdiagnose: Spinale Tumoren und Gefäßmissbildungen müssen ausgeschlossen werden.
Differenzialdiagnose: Bei radikulären und medullären Symptomen müssen spinale Tumoren (intra-und extramedullär), aber auch Gefäßmissbildungen ausgeschlossen werden.
Therapie: Operative Entlastung von Nervenwurzeln und Myelon.
Therapie: Bei radikulärer und medullärer Kompression ist die operative Therapie mit Entlastung der betroffenen Nervenwurzeln bzw. des Myelons erforderlich.
11.11.2 Dysrhaphische Störungen
11.11.2 Dysrhaphische Störungen
왘 Definition
Spina bifida 왘 Definition
왘 Definition. Als dysrhaphische Störungen (Raphe = Naht) werden Fehlbildungen durch mangelhafte Gehirn- bzw. Rückenmarkanlage oder Hemmung der Schließungsprozesse der Neuralplatte bezeichnet (Abb. B-11.36).
Spina bifida 왘 Definition. Dysrhaphische Störungen im Bereich der Wirbelsäule und des Rückenmark werden als Spina bifida bezeichnet.
Man unterscheidet: ■ Spina bifida aperta (Myelozele). Das prolabierte Nervengewebe liegt frei. ■ Spina bifida cystica (Meningomyelozele, Meningozele). Der Prolaps ist mit Haut bedeckt. ■ Spina bifida occulta: Bei fehlender Verschmelzung der Wirbelbögen ist das Neuralrohr regelrecht angelegt und verschlossen. Epidemiologie: Die Inzidenz spinaler Neuralrohrdefekte liegt bei 1 pro 1000 Geburten. Die Spina bifida aperta hat eine hohe Mortalität, die Spina bifida cystica eine hohe Morbidität. Die Spina bifida occulta bleibt häufig asymptomatisch.
Epidemiologie: Die Inzidenz spinaler Neuralrohrdefekte wird mit 1 pro 1000 Geburten angegeben. Dies ist zweifellos einer qualifizierten Schwangerenvorsorge zu verdanken. Während die Spina bifida aperta eine hohe Mortalität und die Spina bifida cystica eine hohe Morbidität aufweist, bleibt die Spina bifida occulta häufig asymptomatisch. Ihr Vorkommen wird auf etwa 1 % der Bevölkerung geschätzt.
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B 11.11 Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen
B-11.36
1307
Verschiedene Formen dysrhaphischer Störungen
B-11.23 Verschiedene Formen spinaler Dysrhaphie
Störung in der Neurulationsphase (3. – 4. Woche)
■ ■ ■
Störung der Kanalisationsphase (4. – 7.Woche) bzw. der retrogressiven Differenzierung
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B-11.23
Myeloschisis, Myelozele Myelomeningozele Myelozystozele (keine Hautbedeckung) Meningozele Lipomeningozele, lumbosakrales Lipom Diastematomyelie, Diplomyelie Tethered cord, Dermalsinus (von intakter Haut bedeckt)
Split-notochord-Syndrom (ventrale Dysrhaphie)
Ein mit ihr assoziierter Dermalsinus kommt mit einer Inzidenz von 220 pro 100 000 Einwohner vor. Das weibliche Geschlecht überwiegt. In Familien, die bereits ein Kind mit Spina bifida haben, beträgt das Wiederholungsrisiko 5 %. Ätiologie: Diese ist multifaktoriell. Neben einer familiären Disposition werden exogene Faktoren diskutiert. Die dysrhaphischen Fehlbildungen entstehen in der vierten Schwangerschaftswoche durch unvollständigen Neuralrohrverschluss. Je nach Größe des Defektes und Mitbeteiligung der Dura mater spinalis prolabieren Arachnoidea und Nervengewebe. Die häufigste Lokalisation ist lumbosakral. Als Diastematomyelie bezeichnet man die Spaltung des Rückenmark in zwei Hälften, die separat von Arachnoidea und Dura umgeben und durch ein fibröses, knorpeliges oder knöchernes Septum getrennt werden. Beim Tethered-cord-Syndrom ist der Conus medullaris durch ein zu kräftig ausgebildetes Filum terminale oder durch einen Tumor (intra-extradurales Lipom, Dermoid, Epidermoid) im unteren Abschnitt des Spinalkanals fixiert. Der im Rahmen der normalen Entwicklung einsetzende Aufstieg des Rückenmark (unterschiedliches Längenwachstum von Rückenmark und Wirbelsäule) kann nicht eintreten. Das Myelon und die Nervenwurzeln werden mit der Folge eines zunehmenden Querschnittsyndroms gedehnt. Fehlentwicklungen der Füße, Blasen-Mastdarm-Störungen sowie zunehmende Gangstörungen sind charakteristisch (Tab. B-11.23).
Ätiologie: Sie ist multifaktoriell. Neben einer familiären Disposition werden exogene Faktoren diskutiert. Sie entstehen in der vierten Schwangerschaftswoche durch unvollständigen Neuralrohrverschluss.
Klinik: Die Spina bifida aperta und cystica fallen bereits bei der Geburt auf. Bei Beteiligung des Myelons findet sich eine sensomotorische Querschnittlähmung mit Blasen- und Mastdarmstörungen und Fußdeformitäten. Etwa 80 % der
Klinik: Bei der Spina bifida aperta und cystica mit Beteiligung des Myelons findet sich eine sensomotorische Querschnittslähmung. In 80 % ist mit einem Hydrozephalus zu rechnen (Abb. B-11.37).
Als Diastematomyelie bezeichnet man die Spaltung des Rückenmark in zwei Hälften. Beim Tethered-cord-Syndrom ist der Conus medullaris durch das Filum termi im unteren Abschnitt des Spinalkanals fixiert. Oft vergesellschaftet mit Tumoren (Lipom, Dermoid, Epidermoid) (Tab. B-11.23).
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B 11 Neurochirurgie
1308 B-11.37
Spinale Dysrhaphie: Myelomeningozele und Meningozele
a Myelomeningozele thorakolumbal. Situs unmittelbar vor operativer Revision am Tag der Geburt. Charakteristischer sog. Kokardenbefund der 3 Gewebsstrukturen. Von außen nach innen: Zona dermatica, Zona epithelioserosa und Zona medullovasculosa.
B-11.24
B-11.24 ■ ■ ■ ■
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Hinweise auf eine Spina bifida occulta sind Hypertrichose, Nävus, Pigmentanomalien oder eine Fistel am lumbosakralen Übergang. 왘 Merke
b Lumbosakral gedeckte Meningozele. Befund präoperativ am 1. Tag nach der Geburt.
Postpartale Beurteilung bei Dysrhaphie
Ist die Zele offen oder geschlossen? Handelt es sich um eine Meningo- oder um eine Myelomeningozele? Liegen Anzeichen für zusätzliche Fehlbildungen vor? Lässt sich das Ausmaß der bestehenden neurologischen Beeinträchtigung abschätzen (Spontanmotorik der Beine, Reaktion auf Schmerzreize, Reflexstatus, klaffender Anus, Blasenentleerung)? Liegt bereits ein shuntbedürftiger Hydrozephalus vor (gespannte Fontanelle)?
Neugeborenen haben bereits bei der Geburt einen Hydrozephalus oder er wird in den ersten Lebenswochen manifest (Abb. B-11.37). Hinweise auf eine Spina bifida occulta sind Hypertrichose, Nävus, Pigmentanomalien oder eine Fistel am lumbosakralen Übergang.
왘 Merke. Rezidivierende bakterielle Meningitiden müssen immer an einen
Dermalsinus denken lassen. Diagnostik: ■ Präpartale Untersuchungen mittels Ultraschall und ggf. Durchführung einer Amniozentese (Nachweis von α-Fetoprotein).
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Postpartal s. Tab. B-11.24. Röntgenaufnahmen geben einen Überblick über die knöchernen Fehlbildungen. Fisteldarstellungen sind mittels Kontrastmittelinjektion möglich. Mit der Kernspintomographie können das Ausmaß der Fehlbildung, assoziierte Fehlanlagen und die Dignität vorhandener Tumoren beurteilt werden.
Neurophysiologische Untersuchungen gestalten sich häufig schwierig.
Diagnostik: ■ Präpartal lassen sich offene Neuralrohrdefekte ab der 14. bis 16. Schwangerschaftswoche mit einer Ultraschalluntersuchung, ggf. ergänzt durch eine Amniozentese (Fruchtwasseruntersuchung zum Nachweis von α-Fetoprotein), diagnostizieren. ■ Direkt postpartal müssen bestimmte Fragen geklärt werden (Tab. B-11.24). ■ Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule geben einen Überblick über die knöchernen Fehlbildungen (Spaltbildungen, Schmetterlingswirbel, Halbwirbel, Blockwirbel, Kyphoskoliose). Mittels Kontrastmittelinjektion lassen sich Fistelgänge und die Verbindungen zur Dura darstellen. ■ Die Diagnostik wird durch die Kernspintomographie ergänzt. Das Ausmaß der Fehlbildung kann beurteilt werden (fixierter tiefstehender Konus, Hydromyelie, intramedulläre Veränderungen, intradurale Tumoren und ihre Dignität, durale Veränderungen im Vergleich zu knöchernen und ligamentären Strukturen, Liquordynamik, begleitende Weichteilveränderungen). Gleichzeitig ist damit die Gelegenheit gegeben, assoziierte Fehlanlagen anderer Wirbelsäulenabschnitte sowie des Kopfes im Rahmen des Screenings mit zu erfassen. ■ Die funktionelle Beurteilung mit neurophysiologischen Untersuchungen (evozierte Potenziale, EMG/ENG, Magnetstimulation, Urodynamik) ist zum Teil auf eine gewisse Kooperationsfähigkeit der Kinder angewiesen und damit häufig erschwert durchführbar.
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B 11.11 Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen
1309
Therapie: Offene Neuralrohrdefekte werden unmittelbar nach der Geburt operativ verschlossen. Direkten Rückenmarkchäden und aszendierenden Meningitiden ist nur so vorzubeugen. Ein assoziierter oder sich entwickelnder Hydrozephalus wird durch eine Ableitungsoperation versorgt. Missbildungstumoren werden entfernt. Beim „Tethered-cord“-Syndrom erfolgt die „prophylaktische“ Operation mit Durchtrennung des fixierten Filum terminale, um Entwicklungsstörungen vorzubeugen. Beim Dermalsinus bzw. der Dermalfistel ist die Resektion mit Verschluss der Dura erforderlich. Die Patienten müssen in der Folgezeit, insbesondere bei Myelomeningozelen, obligat interdisziplinär betreut werden.
Therapie: Offene Neuralrohrdefekte werden unmittelbar nach der Geburt operativ verschlossen.
Prognose: Unbehandelt versterben 70 – 80 % der Kinder mit Myelomeningozele. Nach operativer Therapie beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate bei lumbosakraler Lokalisation 95 %. Jedoch nur 12 % der Kinder lernen normal laufen. Durch sekundäre Komplikationen nimmt die Gehfähigkeit mit zunehmendem Alter wieder ab. Die intellektuelle Entwicklung wird vom Ausmaß assoziierter zerebraler Störungen bestimmt.
Prognose: Unbehandelt versterben 70 – 80 % der Kinder mit Myelomeningozele. Nach operativer Therapie beträgt die 5-JahresÜberlebensrate bei lumbosakraler Lokalisation 95 %.
Seltene Fehlbildungen
Seltene Fehlbildungen
Syringomyelie: Sie ist charakterisiert durch eine zentrale Höhlenbildung im Rückenmark, die sich meist über mehrere Segmente erstreckt. Auch die Medulla oblongata kann betroffen sein (Syringobulbie). Man differenziert zwischen primären (embryonale Fehlentwicklung) und sekundären Formen (Trauma, Blutung, Tumor, Arachnoiditis). Die Inzidenz ist mit 0,5 pro 100 000 gering. Männer sind häufiger betroffen. Charakteristisch ist die dissoziierte Empfindungsstörung (Abb. B-11.38).
Syringomyelie: Zentrale Höhlenbildung im Rückenmark. Man differenziert zwischen primaren und sekundären Formen. Charakteristisch ist die dissoziierte Empfindungsstörung (Abb. B-11.38).
Arnold-Chiari-Syndrom: Hierbei handelt es sich um ein Dysrhaphiesyndrom mit komplexer kraniozervikaler Fehlbildung und Kaudalverlagerung von Kleinhirn und Hirnstamm. Die klassische Form ist häufig assoziiert mit einem Hydrocephalus occlusus und einer Spina bifida. Es wird als die häufigste Kleinhirnfehlbildung mit einer Inzidenz von 1 pro 25 000 Geburten beobachtet. Je nach Ausprägungsgrad werden vier Formen unterschieden (Tab. B-11.25).
Arnold-Chiari-Syndrom: Komplexe kraniozervikale Fehlbildung mit Kaudalverlagerung von Kleinhirn und Hirnstamm. Häufig mit Hydrocephalus occlusus und Spina bifida vergesellschaftet.
Dandy-Walker-Syndrom: Es ist durch eine zystische Erweiterung des vierten Ventrikels, Kleinhirnwurmdysgenesie und Atresie der Foramina Luschkae und Magendii charakterisiert. Die Inzidenz wird mit 2 pro 100 000 Geburten angegeben. Auffälligstes Symptom ist in etwa 90 % der Fälle der Hydrozephalus. Therapie der Wahl ist die liquorableitende Operation.
Dandy-Walker-Syndrom: Zystische Erweiterung des vierten Ventrikels, Kleinhirnwurmdysgenesie und Atresie der Foramina Luschkae und Magendii.
B-11.38
Syringomyelie
Die Patienten müssen interdisziplinär nachbetreut werden.
S. Tab. B-11.25.
B-11.38
MRT des Schädels und der Halswirbelsäule in sagittaler Ebene mit Darstellung einer ausgedehnten Syringomyelie im Bereich des Zervikalmarks (?) bei einer 42-jährigen Patientin. Klinisch bestanden Gangstörungen und eine dissoziierte Empfindungsstörung.
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B 11 Neurochirurgie
1310 B-11.25
B-11.39
B-11.25
Einteilung des Arnold-Chiari-Sydroms
Chiari Typ I
Tiefstand der Kleinhirntonsillen, evtl. Kaudalverlagerung der Medulla oblongata. Häufig Kombination mit Syringomyelie.
Chiari Typ II
Herniation von Kleinhirntonsillen und -wurm in den Zervikalkanal, Kleinhirnhypoplasie, Kaudalverlagerung und Deformierung der Medulla oblongata. Häufig Kombination mit Spina bifida.
Chiari Typ III
okzipitozervikale Enzephalomyelozele mit extrakranieller Verlagerung des fehlgebildeten Kleinhirns.
Chiari Typ IV
isolierte Kleinhirnhypoplasie oder -aplasie.
Enzephalozelen
a
c
b
d
a Gedeckte okzipitale Enzephalozele unmittelbar vor operativer Revision. b Die Kernspintomographie zeigt prolabiertes Hirngewebe (?) im Zelensack. c Frontobasale Meningoenzephalozele unmittelbar vor operativer Versorgung. d Die Computertomographie zeigt bei regelrechter Anlage beider Augen prolabiertes Hirngewebe (?) im Zelensack (? ?). Weiterhin dargestellt der oftmals assoziiert auftretende Hydrozephalus.
Enzephalozelen (Cranium bifidum) sind Verschlussstörungen in einem umschriebenen Bezirk des Schädels.
Sie sind bevorzugt okzipital lokalisiert (Abb. B-11.39).
Enzephalozelen (Cranium bifidum): Es handelt sich um Verschlussstörungen in einem umschriebenen Bezirk des Schädels. Als lokale, in der Medianlinie gelegene Vorwölbungen sind sie meist von intakter Haut bedeckt. Sie enthalten entweder nur Meningen (Meningocele cranialis), Teile des Gehirns (Meningoenzephalozele) oder Teile von Hirn und Ventrikelsystem (Enzephalozystozele). Enzepahalozelen sind bevorzugt okzipital lokalisiert. Frontale, parietale, orbitale und nasale Lokalisationen sind selten (Abb. B-11.39).
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
B 11.11 Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen
11.11.3 Kraniostenosen
1311 11.11.3 Kraniostenosen
왘 Definition. Ein vorzeitiger Verschluss der Schädelnähte (prämature Naht-
왗 Definition
synostose) führt zur Schädeldeformierung und damit zur Wachstumsbehinderung des Gehirns (Kraniostenose). Epidemiologie: Eine prämature Nahtsynostose wird bei 1 von 2000 – 3000 Kindern beobachtet. Die Nähte können unterschiedlich stark betroffen sein.
Epidemiologie: Eine prämature Nahtsynostose wird bei 1 von 2000 – 3000 Kindern beobachtet.
Ätiologie: Das Wachstum der Kalotte erfolgt durch Apposition im Bereich der Schädelnähte. Diese werden in den ersten Lebensjahren, nachdem die Größenzunahme des Gehirns weitestgehend abgeschlossen ist, allmählich schmaler und verknöchern letztendlich. Der Schädel ist zunächst durch äußere Einflüsse in gewissem Ausmaß formbar (Lageasymmetrie), wird in seiner Gestalt aber auch durch genetische Disposition geprägt. Die große Fontanelle ist im Allgemeinen am Ende des ersten Lebensjahres zumindest membranös verschlossen. Welche Faktoren das vorzeitige Verknöchern der Schädelnähte verursachen, ist unbekannt. Eine frühzeitige Verknöcherung, oft bereits bei der Geburt, führt zur Mikrozephalie mit entsprechender Störung der Gehirnentwicklung. Sie ist oft im Rahmen von Syndromen mit zusätzlichen Skelettmissbildungen, z. B. bei Akrozephalosyndaktylie (Morbus Apert) oder Dysostosis cleidocranialis (Morbus Crouzon), einem dominant vererbten Syndrom, zu beobachten. Die Verknöcherung der verschiedenen Nähte führt zu unterschiedlichen Schädelformen (Abb. B-11.40): ■ Brachyzephalus (Kurzschädel): Verknöcherung der Koronarnaht. ■ Skaphozephalus (Kahnschädel): Verknöcherung der Sagittalnaht. Sie ist mit 55 % am häufigsten. ■ Oxyzephalus (Spitzschädel): Lambda- und Koronarnaht sind betroffen. ■ Turrizephalus (Turmschädel): Bei Befall aller Nähte.
Ätiologie: Das Wachstum der Kalotte erfolgt durch Apposition im Bereich der Schädelnähte.
Welche Faktoren das vorzeitige Verknöchern der Schädelnähte verursachen, ist unbekannt. Es entsteht ein Mikrozephalus mit Störung der Gehirnentwicklung. Gehäuftes Auftreten im Zusammenhang mit zusätzlichen Skelettmissbildungen.
Zur Häufigkeitsverteilung s. Tab. B-11.26.
S. Tab. B-11.26
Klinik: Die Nahtsynostose ist aus der Schädelform zu erschließen. Auffällig ist die abnorme Kopfform. Störungen entwickeln sich im Laufe der ersten Lebensmonate. Über der verschlossenen Naht tastet man einen knöchernen Wulst (First). Die Fontanellen sind meist früh verschlossen. Hirndruckzeichen können sich einstellen, fehlen aber in der Regel, wenn nur eine Naht betroffen ist.
Klinik: Auffällig ist die abnorme Kopfform. Störungen entwickeln sich im Laufe der ersten Lebensmonate.
Diagnostik: Klinischer Befund und Röntgenbild lassen eine eindeutige Diagnosestellung zu. Die Kernspintomographie erfasst kombinierte Fehlbildungen und sollte im Rahmen der präoperativen Diagnostik erfolgen.
Diagnostik: Klinischer Befund und Röntgenbild lassen eine eindeutige Diagnosestellung zu. Die MRT erfasst kombinierte Fehlbildungen.
Therapie: Um eine Entwicklungsstörung des Gehirns zu vermeiden ist die frühzeitige operative Dekompression, möglichst in den ersten drei Lebensmonaten, anzustreben. Die verknöcherten Schädelnähte werden reseziert und
Therapie: Die frühzeitige operative Dekompression zur Vermeidung von Entwicklungsstörungen des Gehirns ist anzustreben.
B-11.26
Häufigkeitsverteilung der Kraniostenosen
B-11.26
Name
synostierte Naht
Verteilung
Skaphozephalus (Kahnschädel) Plagiozephalus (Schiefschädel) Brachyzephalus (Kurzschädel)
Sagittalnaht Koronarnaht einseitig Koronarnaht beidseits 1 – 3 Nähte kombiniert 4 oder mehr Nähte Sutura metopica 2 ungleiche Nähte Lambdanaht einseitig Lambdanaht beidseits
55,7 % 12,7 % 11,8 % 6,9 % 5,8 % 4,0 % 1,9 % 1,3 % 1,0 %
Oxyzephalus (Spitz-/Turmschädel) Trigonozephalus (Dreieckschädel)
Pachyzephalus (Dickschädel)
Man unterscheidet verschiedene Formen (Abb. B-11.40): Kurzschädel, Kahnschädel, Spitzschädel und Turmschädel.
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1312 B-11.40
B 11 Neurochirurgie
Schematische Darstellung der häufigsten Kraniostenoseformen
evtl. muss eine Kalottenfragmentation angeschlossen werden. Frühzeitige Wiederverknöcherungen sind möglich. Bei komplexen Kraniostenosen (z. B. Morbus Crouzon) sind ausgedehnte Eingriffe mit Veränderungen der Schädelbasis erforderlich.
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B 11.12 Zerebrale Gefäßmissbildungen
11.12 Zerebrale Gefäßmissbildungen
1313 11.12
Zerebrale Gefäßmissbildungen
Zu den Gefäßmissbildungen zählen: ■ arterielle Aneurysmen, ■ arteriovenöse Angiome, ■ venöse Angiome, ■ Teleangiektasien, ■ Angioma capillare et venosum calcificans (Sturge-Weber), ■ kavernöse Angiome, ■ arteriovenöse Fisteln und ■ Gefäßgeschwülste
Einteilung: ■ arterielle Aneurysmen, ■ arteriovenöse Angiome, ■ venöse Angiome, ■ Teleangiektasien, ■ M. Sturge-Weber, ■ kavernöse Angiome, ■ arteriovenöse Fisteln und ■ Gefäßgeschwülste
11.12.1 Aneurysmen
11.12.1 Aneurysmen
왘 Definition. Lokale, sackförmige bzw. fusiforme Erweiterung der Gefäßwand.
왗 Definition
Ätiologie und Pathogenese: Die meisten Aneurysmen entwickeln sich auf dem Boden einer anlagebedingten Gefäßwandschwäche (Tunica muscularis und elastica) vor allem im Bereich der Gefäßaufzweigungen. Der entscheidende ursächliche Faktor für die Aneurysmaentwicklung ist der Blutfluss. Er führt zur fortschreitenden Zerstörung der morphologisch fehlangelegten Wandabschnitte (Abb. B-11.41).
Ätiologie und Pathogenese: Anlagebedingte Gefäßwandschwäche, die die Tunica muscularis und elastica, vor allem im Bereich der Gefäßaufzweigungen betrifft (Abb. B-11.41).
Seltenere Ursachen sind: ■ Arteriosklerose, ■ spezifische und unspezifische Entzündungen (mykotische Aneurysmen), ■ Stoffwechselerkrankungen (Marfan-Syndrom) und ■ Trauma (sehr selten).
Seltenere Ursachen: ■ Arteriosklerose, ■ Entzündungen, ■ Stoffwechselerkrankungen (Marfan-Syndrom) und ■ Trauma (sehr selten).
Nach der Form unterscheidet man zwischen sackförmigen und fusiformen Aneurysmen.
Nach der Form unterscheidet man sackförmige und fusiforme Aneurysmen.
Häufigkeit: Im allgemeinen Sektionsgut wird die Häufigkeit von Aneurysmen der intrakraniellen Gefäße mit 0,5 – 2 % angegeben. Werden die Hirngefäße systematisch untersucht, erhöht sich der Anteil auf 10 %, unter Mitberücksichtigung sogenannter Mikroaneurysmen auf 17 %. Schätzungsweise bleiben 50 % aller intrakraniellen Aneurysmen lebenslang asymptomatisch. Bei 20 % der Aneurysmaträger findet man multiple Aneurysmen. 5 % aller Aneurysmen sind sogenannte Riesenaneurysmen (Durchmesser 25 mm oder größer). Die erstmalige klinische Manifestation der Aneurysmen liegt in über 80 % der Fälle jenseits des 40. Lebensjahres, mit einem Gipfel zwischen dem 5. und 6. Lebensjahrzehnt. Bei der Geschlechtsverteilung findet sich ein Überwiegen der Frauen (60 : 40).
Häufigkeit: Werden die Hirngefäße im Sektionsgut systematisch untersucht, finden sich bei 10 % Aneurysmen. Bei 20 % der Aneurysmaträger findet man multiple Aneurysmen. Die erstmalige klinische Manifestation liegt in über 80 % der Fälle jenseits des 40. Lebensjahres. Geschlechtsverteilung: Frauen zu Männer (60 : 40).
B-11.41
Aneurysma
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1314
B 11 Neurochirurgie
Lokalisation: Der Anteil der Aneurysmen im Karotisstromgebiet beträgt 95 %, der Anteil im vertebrobasilären Stromgebiet 5 %.
Lokalisation: Bevorzugter Sitz von Aneurysmen sind die Aufzweigungsstellen des Circulus arteriosus Willisii und der proximalen Abschnitte der intrakraniellen Gefäße. Der Anteil der Aneurysmen im Karotisstromgebiet beträgt 95 %, der im vertebrobasilären Stromgebiet 5 %.
S. Abb. B-11.42.
Hauptlokalisationen im Bereich der Karotisstrombahn: ■ A. cerebri anterior/A.-communicans-anterior-Komplex (40 – 45 %), ■ A. carotis interna/A. communicans posterior (15 – 20 %) und ■ A. cerebri media (15 – 20 %). Aneurysmen peripherer Gefäßabschnitte spielen eine untergeordnete Rolle. In der Vertebralis-Basilaris-Strombahn überwiegen die Aneurysmen im Bereich der Spitze der A. basilaris (Abb. B-11.42).
Klinisch-neurologische Symptomatik: Aneurysmen können sich durch Lokalsymptome und mittels einer Subarachnoidalblutung (apoplektiform) manifestieren (Tab. B-11.27). B-11.42
B-11.27
Klinisch-neurologische Symptomatik: ■ Lokalsymptome durch Druck auf umliegende Strukturen (paralytisches Aneurysma) (Tab. B-11.27) und ■ apoplektiformer Verlauf im Rahmen einer Subarachnoidalblutung.
B-11.42
Aneurysmalokalisationen
Lokalsymptome paralytischer Aneurysmen
Aneurysmalokalisation
Lokalsymptome (ohne Ruptur)
A. carotis interna, infraklinoidaler Abschnitt
Sinus-cavernosus-Syndrom mit Störungen des N. oculomotorius (III), N. trochlearis (IV), N. trigeminus (V), N. abducens (VI); endokrinologische Störungen sind möglich
A. carotis interna, supraklinoidaler Abschnitt
Störungen des N. opticus (II), N. oculomotorius (III)
A. carotis interna, Abgang A. communicans posterior
Störungen des N. oculomotorius (III)
A. cerebri media
Hemiparese, Anfälle, Aphasie
A. cerebri anterior, A. communicans anterior
Störungen des N. olfactorius (I), N. opticus (II)
A. cerebri posterior
Störungen des N. opticus (II), N. oculomotorius (III), Hemiparese, Anfälle
A. basilaris
Liquorzirkulationsstörungen, Demenz, Ataxie, Hemiparese, Störungen des N. trigeminus (V), N. facialis (VII)
A. vertebralis
Ataxie, Schwindel, Foramen-jugulare-Syndrom mit Störungen des N. facialis (VII), N. vestibulocochlearis (VIII), N. glossopharyngeus (IX), N. vagus (X), N. accessorius (XI), N. hypoglossus (XII)
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B 11.12 Zerebrale Gefäßmissbildungen
왘 Merke. Nachbarschaftssymptome paralytischer Aneurysmen sollten als Warnsymptome aufgefasst werden, da erfahrungsgemäß im überwiegenden Teil die Blutung folgt.
Subarachnoidalblutung (SAB) 왘 Definition. Blutung in den Subarachnoidalraum, meist aus einem rupturierten
1315 왗 Merke
Subarachnoidalblutung (SAB) 왗 Definition
Aneurysma der basalen Hirnarterien. Seltenere Ursachen sind Angiome, hypertoniebedingte Zerebralarteriensklerose, Antikoagulanzientherapie, Bluterkrankungen, Sepsis, Hirntumoren und Schädel-Hirn-Trauma.
왘 Merke. Die klassische Manifestationsform eines intrakraniellen Aneurysmas ist die akute Subarachnoidalblutung
Klinik: ■ Der Beginn der akuten SAB ist schlagartig, wie der Blitz aus heiterem Himmel. Der initiale Kopfschmerz wird als vernichtend empfunden, gefolgt von Übelkeit, Erbrechen und Photophobie. Die Lokalisation des Kopfschmerzes lässt keinen Rückschluss auf die Lokalisation der Blutungsquelle zu. In bis zu 50 % der Fälle tritt eine Vigilanzstörung bis hin zum Koma auf. Eine initiale tiefe Bewusstseinsstörung ist Folge einer zusätzlich bestehenden intrazerebralen Blutung bzw. einer Ventrikeleinblutung. ■ Meningismus: Meist schon nach Beginn der Blutung nachweisbar, kann sich aber auch erst innerhalb von Stunden entwickeln. Im Zustand der tiefen Bewusstlosigkeit erlischt er, sodass sein Fehlen eine SAB nicht ausschließt. ■ Vegetative Symptome wie Übelkeit und Erbrechen werden in 60 – 70 % der Fälle beobachtet. Temperaturerhöhungen entwickeln sich am 2. oder 3. Tag und überschreiten 39 °C nur selten. Puls- und Blutdruckschwankungen sind Ausdruck zentralnervöser Regulationsstörungen bzw. Folge der Tonusregulationsstörung am Gefäßsystem selbst. Diagnostik: ■ Bildgebung: Bei klinischem Hinweis auf eine akute SAB kann die Diagnose in den meisten Fällen durch das CT gesichert werden (95 % der Fälle). Deshalb sollte das CT als erste instrumentelle Untersuchung durchgeführt werden. Neben dem Blutnachweis an sich ist es gelegentlich möglich das Aneurysma nachzuweisen. Die Blutverteilung gibt zudem einen Hinweis auf die Lokalisation der Blutungsquelle. Intrazerebrale Hämatome (in 20 % der Fälle), Infarktareale sowie ein Hirnödem lassen sich direkt darstellen. Ebenso ein Hydrozephalus als Folge der blutungsbedingten Liquorzirkulationsstörung (Abb. B-11.43). Entsprechend der Blutverteilung im CT erfolgt die Klassifikation nach dem Fisher-Grading (Tab. B-11.28). ■ Bei zweifelhaftem oder negativem CT-Befund (5 %) ist die Lumbalpunktion indiziert. ■ Klinische Einteilung: Sie ist wichtig und entscheidend für das weitere diagnostische und therapeutische Vorgehen. Die Graduierung nach Hunt und Hess hat sich am besten bewährt. Sie orientiert sich ausschließlich an klinischen Gesichtpunkten (Tab. B-11.29). ■ Mit der transkraniellen Doppler-Sonographie (TCD) steht eine nichtinvasive Untersuchungstechnik zur Verfügung, mit der der Vasospasmus nachweisbar ist. Beim Nachweis von massiven, generalisierten Vasospasmen erfolgt keine angiographische Diagnostik, da durch das applizierte Kontrastmittel der Vasospasmus verstärkt werden kann. Weiterhin kommt der TCD gegenwärtig die größte Bedeutung in der Verlaufsbeurteilung des Vasospasmus zu (Abb. B-11.44). ■ Die zerebrale Angiographie ist die wichtigste Untersuchung. Sie ist immer indiziert, wenn sich aus ihrer Anwendung sofort oder innerhalb kurzer Zeit
왗 Merke
Klinik: ■ Der Beginn der akuten SAB ist schlagartig, wie der Blitz aus heiterem Himmel. Der initiale Kopfschmerz wird als vernichtend empfunden. In bis zu 50 % der Fälle tritt eine Vigilanzstörung bis hin zum Koma auf.
■
■
Der Meningismus ist meist schon nach Beginn der Blutung nachweisbar, kann sich aber auch erst innerhalb von Stunden entwickeln. Vegetative Symptome wie Übelkeit und Erbrechen werden in 60 – 70 % der Fälle beobachtet. Puls- und Blutdruckschwankungen sowie Temperaturerhöhungen kommen vor.
Diagnostik: ■ Bildgebung: Eine akute SAB kann in den meisten Fällen durch das CT gesichert werden (95 % der Fälle). Die Klassifikation erfolgt anhand des Fisher-Gradings (Tab. B-11.28).
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Lumbalpunktion bei unklarem oder negativem CT-Befund. Klinische Einteilung: Dabei hat sich die Graduierung nach Hunt und Hess bewährt (Tab. B-11.29). Mit der transkraniellen Doppler-Sonographie (TCD) steht eine nichtinvasive Untersuchungstechnik zur Verfügung, mit der der Vasospasmus beurteilt werden kann (Abb. B-11.44).
Die zerebrale Angiographie ist die wichtigste Untersuchung. Sie ist immer indi-
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1316 B-11.43
B 11 Neurochirurgie
B-11.43
CT-Befund bei akuter SAB Akute SAB mit Blut in den basalen Zisternen (1) sowie im Bereich der Konvexität rechts betont (2), intrazerebralem Hämatom rechts frontotemporal (3) und Erweiterung der inneren Liquorräume (akuter Hydrozephalus) (4). In der CT bereits dringender Verdacht auf ein Aneurysma der A. cerebri media rechts (5).
B-11.28
B-11.28
Grad Grad Grad Grad
B-11.29
ziert, wenn sich aus ihrer Anwendung therapeutische Konsequenzen ergeben können. Patienten der Schweregrade I–III nach Hunt und Hess sollten sofort, Patienten der Schweregrade IV und V erst nach Besserung der Bewusstseinslage angiographiert werden. Die Angiographie gibt weiterhin Aufschluss über die Aneurysmamorphologie (Beziehung zu Nachbarschaftsstrukturen) (Abb. B-11.45).
I II III IV
B-11.29
Fisher-Grading zur Klassifikation der Blutverteilung nach akuter SAB in der CT (nach Fisher) kein Blutnachweis diffuse SAB ohne Nachweis von Blutclots starke SAB mit Nachweis von Blutclots SAB mit intrazerebralem Hämatom und/oder intraventrikulärer Einblutung
Klassifikation des klinisch-neurologischen Befundes nach akuter SAB (nach Hunt und Hess)
Grad I
neurologisch unauffällig, leichter Kopfschmerz
Grad II
starker Kopfschmerz, Meningismus, keine neurologischen Ausfälle außer Hirnnervenstörungen
Grad III
leichte Bewusstseinsstörung, aber erweckbar, Verwirrtheit, neurologische Herdsymptome
Grad IV
Bewusstseinsstörung mit erhaltener Abwehrreaktion auf Schmerzreize, schwere neurologische Ausfälle (Halbseiten- oder Hirnstammsymptome)
Grad V
tiefes Koma, beginnende Enthirnungsstarre, moribund
(Früh-Operation bis 72 Stunden nach dem akuten Ereignis) therapeutische Konsequenzen ergeben können. Die Indikation hängt somit wesentlich vom klinischen Befund des Patienten ab. Bei Patienten der Schweregrade I–III nach Hunt und Hess (Tab. B-11.29) sollte eine sofortige angiographische Abklärung und Operation, als sog. Frühoperation bis 72 Stunden nach der Blutung, erfolgen. Patienten der Schweregrade IV und V werden erst nach Besserung der Bewusstseinslage angiographiert und operiert, es sei denn, ein intrazerebrales Hämatom zwingt zur sofortigen Entlastung. Die Angiographie gibt weiterhin Aufschluss über die Aneurysmamorphologie (Darstellung des Aneurysmahalses, Beziehung zu Nachbarschaftsstrukturen), das Vorliegen multipler Aneurysmen sowie den Nachweis der Kombination eines Aneurysmas mit anderen Gefäßmissbildungen (Abb. B-11.45).
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B 11.12 Zerebrale Gefäßmissbildungen
B-11.44
1317
Transkranielle Doppler-Sonographie (TCD)
Verlaufsuntersuchung bei einem 43-jährigen, männlichen Patient. Zustand nach akuter SAB bei Aneurysma der A. basilaris, „Hunt und Hess Grad 2“. b Am 22. Tag nach der SAB wieder Nachweis eines Normalbefunds. Normalisierung sowohl beim systolischen Absolutwert (Rückgang von 230 auf 88 cm/s) als auch bei der mittleren Strömungsbeschleunigung (MEAN, Rückgang von 154 auf 60 cm/s).
a Am 20. Tag nach der SAB noch Nachweis einer Strömungsbeschleunigung (Vasospasmus) im Bereich der A. cerebri media rechts (MCA-R).
B-11.45
Angiographischer Nachweis eines Aneurysmas
B-11.45
Karotisangiographie rechts mit dem Nachweis eines sackförmigen Aneurysmas der A. cerebri media rechts (?).
왘 Merke. Der fehlende Nachweis bei eindeutig gesicherter SAB (etwa 25 % der Fälle) kann durch Thrombosierung des Aneurysmas oder durch einen lokalen Vasospasmus bedingt sein. In diesen Fällen ist eine Kontrollangiographie nach etwa 3 – 4 Wochen dringend erforderlich.
Komplikationen: ■ Vasospasmus: Durch die ab den 3.– 4. Tag eintretende Gefäßkontraktion kann es zur Minderperfusion bis hin zur zerebralen Ischämie kommen. Der Vasospasmus kann lokal, segmental und generalisiert auftreten. Eine eindeutige Abhängigkeit zwischen der Aneurysmalokalisation und Blutverteilung sowie dem Auftreten und der Schwere des Vasospasmus gibt es nicht. Die Gesamtprognose wird jedoch durch den Vasospasmus erheblich verschlechtert. In der Regel klingt der Vasospasmus nach der 2.– 3. Woche ab. ■ Hirnödem: Die Entstehung des Hirnödems ist durch die direkte Schädigung bedingt und setzt unmittelbar nach der Blutung ein und klingt zum Ende der 3. Woche wieder ab. Sowohl durch eine Rezidivblutung als auch durch einen Vasospasmus kann das Hirnödem verstärkt und unterhalten werden. ■ Hydrozephalus: Etwa 10 % der Patienten entwickeln nach einer SAB einen Hydrocephalus internus: Verantwortlich sind Liquorzirkulationsstörungen durch Verklebungen der liquorableitenden Wege. Klinisch kommt es zur erneuten Verschlechterung der Bewusstseinslage infolge der intrakraniellen Drucksteigerung. ■ Rezidivblutung.
왗 Merke
Komplikationen nach stattgehabter SAB sind Rezidivblutungen, Vasospasmen, Hirnödem und Hydrocephalus internus.
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1318 왘 Merke
Therapie: ■ Ziel ist die definitive Ausschaltung der Blutungsquelle aus der zerebralen Zirkulation. Neben der mikrochirurgischen Versorgung (Clipping) steht ein interventionelles Verfahren (Coiling) zur Verfügung.
■
Die konservative Therapie der SAB umfasst neben der Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen und der Homöostase die Überwachung und Regulation der Blutdrucksituation. Bei Bedarf kommen Sedativa und Laxanzien zum Einsatz.
Triple-H-Therapie: Das Konzept der hypertensiven hypervolämischen Hämodilution kommt in den ersten Stunden nach Auftreten eines Vasospasmus zum Einsatz.
B 11 Neurochirurgie
왘 Merke. Das Risiko eine Rezidivblutung zu erleiden ist besonders hoch in der 2.– 3. Woche nach dem akuten Ereignis und mit einer Letalität von 50 % belastet. Innerhalb der ersten 6 Monate nach der Erstblutung erleiden etwa 50 % der Patienten eine Rezidivblutung.
Therapie: ■ Neurochirurgische (Clipping) oder interventionelle Ausschaltung (Coiling) der Blutungsquelle aus der zerebralen Zirkulation. Nur so kann das Risiko der Rezidivblutung ausgeschaltet werden. Folgerichtig hat sich in den letzten Jahren der Trend zur Frühbehandlung durchgesetzt. Wenn irgend möglich sollten alle Patienten der Grade I–III frühzeitig versorgt werden (bis 72 Stunden nach dem akuten Ereignis). Das Rezidivblutungsrisiko ist gebannt und der sich eventuell entwickelnde Vasospasmus kann effektiv therapiert werden. ■ Die konservative Therapie der SAB umfasst neben der Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen und der Homöostase die Überwachung und Regulation der Blutdrucksituation. Der Blutdruck vor der SAB muss dabei berücksichtigt werden. Eine zu drastische Senkung kann der Tendenz zur Infarktbildung, bedingt durch eine vasospasmusinduzierte Minderperfusion, Vorschub leisten. Bei hypertonen Werten steigt andererseits das Risiko der Rezidivblutung. Blutdruckwerte zwischen 120 und 150 mmHg werden empfohlen. Unruhige oder ängstliche Patienten werden sediert, jedoch ohne die neurologische Beurteilung zu beeinträchtigen. Laxanzien zur Stuhlregulierung sind erforderlich, um pressorisch induzierte Druckanstiege mit der Gefahr der erneuten Blutung zu vermeiden. Kalziumantagonisten zur Therapie des Vasospasmus haben die Erwartungen nicht erfüllt. ■ Triple-H-Therapie (hypertensive hypervolämische Hämodilution): Einsatz in den ersten Stunden nach Auftreten eines symptomatischen Vasospasmus. Mit der induzierten Blutdruckanhebung und somit Erhöhung des arteriellen Mitteldruckes versucht man dem Vasospasmus vom Gefäßinneren entgegenzuwirken. Hypertone Blutdruckwerte (160 – 180 mmHg) werden bewusst herbeigeführt. Sie sind der wirksamste Schutz gegen die Folgen des Vasospasmus. Kontinuierliche dopplersonographische Untersuchungen zur Beurteilung der zerebralen Perfusion gehören in das Standardkonzept der Behandlung von Patienten mit SAB.
Die Prognose nach erfolgtem Aneurysmaverschluss hängt vom klinisch-neurologischen Ausgangsbefund, vom Therapiezeitpunkt und von der Lokalisation der Blutungsquelle ab.
Prognose: Die Prognose nach erfolgtem Aneurysmaverschluss hängt vom klinisch-neurologischen Ausgangsbefund, vom Therapiezeitpunkt und von der Lokalisation der Blutungsquelle ab. Je schlechter der klinische Befund ist, umso schlechter ist das Ergebnis.
11.12.2 Arteriovenöse Angiome
11.12.2 Arteriovenöse Angiome
왘 Definition
Epidemiologie: Sie machen etwa 5 – 10 % aller Gefäßmissbildungen aus, sind bei Männern häufiger als bei Frauen und werden oft in der 3. Lebensdekade klinisch manifest. Ihre Größe reicht vom Mikroangiom bis zur diffusen, eine ganze Hemisphäre einnehmenden Missbildung. Der Abfluss des arteriellen Blutes geschieht ohne Utilisation im Kapillarsystem in verdickte, prall gefüllte, pulsierende Venen (Abb. B-11.46).
왘 Definition. Kongenitale Gefäßmissbildung mit arteriovenösen Kurzschlüssen, in denen Blut ohne Zwischenschaltung eines Kapillarnetzes vom arteriellen in den venösen Gefäßschenkel gelangt.
Epidemiologie: Arteriovenöse Angiome machen etwa 5 – 10 % aller Gefäßmissbildungen aus. Sie sind bei Männern etwas häufiger als bei Frauen. Das klinische Manifestationsalter liegt deutlich unter dem der Aneurysmen, mit einem Gipfel in der 3. Lebensdekade. Ihre Größe reicht vom Mikroangiom bis zur diffusen, eine ganze Hemisphäre einnehmenden Missbildung. Der Abfluss des arteriellen Blutes geschieht ohne Utilisation im Kapillarsystem in verdickte, prall gefüllte Venen. Das Blut ist dann noch immer arteriell gefärbt, die Venen pulsieren. Verkalkungen, Gefäßwandaussackungen und Thrombosen werden beobachtet. In ihrer Umgebung findet man häufig Anzeichen frischer oder älterer Blutungen. Die hirnversorgenden Arterien versorgen gleichzeitig das Angiom. Bei großem Shuntvolumen entwickelt sich im Laufe der Jahre immer eine Hirnatrophie (Abb. B-11.46).
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B 11.12 Zerebrale Gefäßmissbildungen
B-11.46
1319
Angiographischer Befund eines arteriovenösen Angioms
B-11.46
Die Versorgung erfolgt über kaliberkräftige Äste der A. cerebri media links (1). Typische Darstellung des Angioms (2) sowie der frühen venösen Drainage (3).
Klinik: Diese wirken selten raumfordernd. Der klinischen Symptomatik liegen verschiedene pathophysiologische Mechanismen zugrunde. Neben dem Blutentzug aus dem umliegenden Hirngewebe (Steal-Syndrom, passagere Ischämie) können sie sich durch ein Blutungsereignis (SAB, intrazerebrale und/oder intraventrikuläre Blutung) manifestieren. Selten kommt es zu Schädigungen von Hirnnerven oder zu Liquorzirkulationsstörungen. Angiome mit großem Shuntvolumen können auch Auswirkungen auf den Gesamtkreislauf haben. Linksherzhypertrophie mit Dilatation und konsekutiver Herzinsuffizienz sind möglich. Die wichtigsten klinischen Symptome sind: ■ Blutungen (subdural, intrazerebral, intraventrikulär, einzeln oder kombiniert). Sie stellen die häufigste Manifestationsform dar. Sie wird bei etwa 2/3 der Angiomträger beobachtet. Die Mortalität der ersten Blutung beträgt 10 % und steigt prozentual bei jeder Rezidivblutung. Unabhängig von der Lokalisation bluten kleine Angiome häufiger als große. ■ Kopfschmerzen. ■ Zerebrale Krampfanfälle. ■ Neurologische Herdsymptome. ■ Psychische Veränderungen. ■ Gefäßgeräusche. 왘 Merke. Klinisch wichtigstes Frühsymptom sind fokale oder generalisierte
Klinik: Neben dem Blutentzug aus dem umliegenden Hirngewebe (Steal-Syndrom, passagere Ischämie) können sie sich durch ein Blutungsereignis (SAB, intrazerebrale und/oder intraventrikuläre Blutung) manifestieren.
Die wichtigsten klinischen Symptome sind Blutungen, Kopfschmerzen, zerebrale Krampfanfälle, neurologische Herdsymptome, psychische Veränderungen sowie Gefäßgeräusche.
왗 Merke
Krampfanfälle, die bei jüngeren Patienten mit Kopfschmerzen immer an ein Angiom denken lassen müssen. Die Klassifikation der klinischen Symptomatik erfolgt nach Hunt und Hess (Tab. B-11.29).
Die Klassifikation der klinischen Symptomatik erfolgt nach Hunt und Hess (Tab. B-11.29).
Diagnostik: ■ Die CT oder MRT mit und ohne Kontrastmittel ist praktisch bei allen Angiompatienten pathologisch. Ein intrazerebrales Hämatom kann ein Angiom überdecken. Bei Angiomen ohne Blutung kommt ein Areal unterschiedlicher Dichte und Konfiguration zur Darstellung. Verkalkungen lassen sich nachweisen. Nach Kontrastmittelgaben kommt es zur Dichteanhebung, gelegentlich lassen sich die drainierenden Venen erkennen. Ischämisch geschädigte Areale lassen sich ebenso wie eine allgemeine Hirnatrophie darstellen. ■ Die zerebrale Angiographie ist für Nachweis, Lokalisation, Identifizierung zuund abführender Gefäße und somit für die Operationsplanung unentbehrlich. Dabei muss unbedingt die Darstellung aller hirnversorgenden Gefäßregionen erfolgen (Abb. B-11.47).
Diagnostik: ■ Die CT oder MRT mit und ohne Kontrastmittel ist praktisch bei allen Angiompatienten pathologisch. Nach Kontrastmittelgaben kommt es zur Dichteanhebung, gelegentlich lassen sich die drainierenden Venen erkennen.
Therapie: ■ Als beste Therapie gilt die vollständige operative Exstirpation unter mikrochirurgischen Bedingungen. Sie kommt bei etwa 2/3 der Angiome in Betracht. Die Indikation ist vom Sitz, von der Funktion der betroffenen Hirnregion sowie
Therapie: ■ Als beste Therapie gilt die vollständige operative Exstirpation unter mikrochirurgischen Bedingungen. Sie kommt bei etwa 2/ der Angiome in Betracht. 3
■
Die zerbrale Angiographie ist für Nachweis, Lokalisation, Identifizierung zu- und abführender Gefäße und die Operationsplanung unentbehrlich (Abb. B-11.47).
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B 11 Neurochirurgie
1320 B-11.47
Diagnose eines arteriovenösen Angioms mittels CT, MRT und Angiographie
b
a c (I)
a CT mit Nachweis eines hyperdensen Areals rechts okzipital (?, obere Reihe). Nach Kontrastmittelgabe deutliche Dichtezunahme (? ?) in diesem Bereich. V.a. arteriovenöse Gefäßmissbildung. b In der MRT zeigt sich eine rechts okzipital gelegene Gefäßmissbildung (?). c Angiographische Darstellung eines arteriovenösen Angioms (?).
■
■
Stereotaktische Bestrahlungen haben die Erwartungen nicht erfüllt. Embolisationsverfahren
■
■
c (II)
von der venösen Drainage abhängig. Die Operation ist mit einem Risiko postoperativer neurologischer Störungen von etwa 30 % behaftet. Das Mortalitätsrisiko liegt unter 10 %. Stereotaktische Bestrahlungen mit Protonen oder Gammastrahlen haben die Erwartungen nicht erfüllt. Embolisationsverfahren gelten nicht als definitive Therapie, können jedoch das Blutungsrisiko während der Operation senken.
11.12.3 Seltene Gefäßmissbildungen
11.12.3 Seltene Gefäßmissbildungen
Teleangiektasie, venöse und kavernöse Angiome: Dies sind sehr seltene Gefäßmissbildungen, von denen lediglich die kavernösen Angiome einer operativen Therapie bedürfen.
Teleangiektasie, venöse und kavernöse Angiome: Dabei handelt es sich um sehr seltene Gefäßmissbildungen von denen lediglich die kavernösen Angiome einer operativen Therapie bedürfen. Die Diagnose wird gegenwärtig am zuverlässigsten durch die Kernspintomographie gesichert.
Sturge-Weber-Erkrankung: Sie zählt zu den neuroektodermalen Dysplasien (Phakomatosen).
Sturge-Weber-Erkrankung: Sie zählt zu den neuroektodermalen Dysplasien (Phakomatosen) und ist durch die Trias intrakranielles verkalktes Angiom, Naevus flammeus des Gesichts und Angiom der Aderhaut definiert. Die Therapie ist in der Regel eine symptomatische.
Arteriovenöse Fisteln: Die A.-carotis-Sinus cavernosus-Fistel ist die häufigste Form. Klassische Symptomentrias (pulsierender Exophthalmus, pulssynchrones Geräusch und Ophthalmoplegie). Therapieziel ist der Fistelverschluss.
Arteriovenöse Fisteln: Am häufigsten, insgesamt jedoch sehr selten, tritt eine Fistel zwischen A. carotis und Sinus cavernosus auf. Die klassische Symptomentrias besteht aus pulsierendem Exophthalmus, pulssynchronem Pressstrahlgeräusch und Ophthalmoplegie. Die Diagnose ist bei anamnestisch bekannter Schädelbasisverletzung prima vista zu stellen. Sie wird durch CT/MRT und Angiographie bestätigt. Therapieziel ist der Fistelverschluss.
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B 11.12 Zerebrale Gefäßmissbildungen
왘 Klinischer Fall. Eine 63-jährige Frau wird von ihrem Ehemann in der Küche sitzend aufgefunden. Sie ist verwirrt, erbricht mehrfach und hat eine verwaschene Sprache. Sie kann stehen, jedoch nur mit Unterstützung gehen. Kopfschmerzen werden nicht angegeben. Die Einweisung erfolgt in eine medizinische Klinik. Aus der Anamnese ist ein Hypertonus bekannt. Die erste ärztliche Untersuchung ergibt bei der nun somnolenten Patientin einen endgradigen Meningismus, eine brachiofazial betonte Hemiparese rechts, sowie aphasische Störungen. Im CT findet sich eine intrazerebrale Blutung li. mit Ventrikeleinbruch (Abb. B-11.48). Zur Prüfung der Operationsindikation einer lateralen Stammganglienblutung li. wird die Patientin in eine neurochirurgische Klinik verlegt. Bei unverändertem klinisch-neurologischen Befund erfolgt bei der für eine spontane hypertone Blutung atypischen Lokalisation zum Ausschluss einer Gefäßmissbildung die weiterführende Diagnostik. Mit der TCD ließen sich regelrechte Strömungsverhältnisse nachweisen. Insbesondere ergab sich kein Anhalt für einen Vasospasmus.
B-11.48
1321
Durch die angiographische Untersuchung ließ sich ein Aneurysma im Bereich der A. cerebri media sinistra nachweisen (Abb. B-11.49). Unmittelbar im Anschluss an die Angiographie wurde die Patientin operiert. Das intrazerebrale Hämatom wurde ausgeräumt, das Aneurysma dargestellt und mit einem Clip aus der zerebralen Perfusion ausgeschaltet. Nach 24-stündiger kontrollierter Beatmung konnte die Patientin extubiert werden. In den Folgetagen bot die Patientin bei unverändertem klinisch-neurologischen Befund Vigilanzschwankungen. Das postoperative CT zeigte regelrechte Verhältnisse. Mit der TCD ließ sich ein li.-betonter Vasospasmus über 7 Tage nachweisen. Unter einer induzierten hypervolämisch-hypertonen Therapie kam es zur deutlichen Verbesserung der Bewusstseinslage und zur geringgradigen Rückbildung der neurologischen Ausfälle.
Atypisch lokalisierte intrazerebrale Blutung
B-11.48
CT mit atypisch lokalisierter intrazerebraler Blutung (?). Dringender Verdacht auf Gefäßmissbildung.
B-11.49
Aneurysma der A. cerebri media
B-11.49
Angiographie der A. carotis links mit Nachweis eines Aneurysmas der A. cerebri media links (?).
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1322 11.13
Spontane intrazerebrale Hämatome
B 11 Neurochirurgie
11.13 Spontane intrazerebrale Hämatome
왘 Synonym
왘 Synonym. Enzephalorrhagie, spontane Hirnblutung, zerebrale Massenblutung
왘 Definition
왘 Definition. Unter „spontanen“ intrazerebralen Hämatomen werden alle Blu-
tungen nichttraumatischer Genese verstanden. Ihnen können verschiedene Ursachen zugrunde liegen. Diese Definition schließt somit hypertone Massenblutungen, Blutungen aus Aneurysmen und Angiomen sowie Tumorblutungen und Blutungen bei Hirnvenenthrombosen und infolge Gerinnungsstörungen mit ein. Epidemiologie: 20 % der Schlaganfälle sind durch Hirnblutungen bedingt. Der Altersgipfel liegt um das 60. Lebensjahr. Das Verhältnis Infarkt zu Blutung beträgt 10 : 1 – 2.
Männer überwiegen und 80 % der Patienten sind Hypertoniker. Die Letalität der Hirnblutungen ist dreimal höher als die ischämischer Insulte. Ätiologie und Pathogenese: Der Hypertonus ist die Ursache für ca. 60 % aller Hirnblutungen. Die chronische Hypertonie führt zu Gefäßwandschädigungen (Fibrose, Hyalinose, Arterio- u. Arteriolosklerose und nachfolgend Mikroaneurysmen).
Gefäßmissbildungen wie arteriovenöse Angiome, Aneurysmen, Kavernome sowie Mikroangiome sind weitere Ursachen intrazerebraler Hämatome. Seltenere Ursachen s. Tab. B-11.30.
Klinik: ■ Prodromi: Kopfschmerzen, Schwindel, psychomotorische Unruhe und flüchtige neurologische Herdsymptome. ■
■
Initialsymptome: Kopfschmerz, Schwindel, fokale epileptische Anfälle, Lähmungen und eine apoplektiform einsetzende Bewusstseinsstörung. Großhirnblutung: Die Bewusstseinsstörung kann andere Initialsymptome überdecken. Bei Einblutung in die Capsula interna kommt es zur kontralateralen Hemiparese und Blickwendung zur Herdseite. Es finden sich regelmäßig die Zeichen der vegetativen Dysregulation. Bei fortbestehender Einklemmungssymptomatik entwickeln sich schließlich die Vollbilder des Mittelhirn- und Bulbärhirnsyndroms (Tab. B-11.4). 60 – 80 % der supratentoriell lokalisierten Blutungen brechen in das Ventrikelsystem ein (Abb. B-11.50).
Epidemiologie: Etwa 20 % der „Schlaganfälle“ werden durch Hirnblutungen verursacht. Der Altersgipfel liegt mit 60 Jahren etwas niedriger als bei den ischämischen Insulten. Während Massenblutungen häufiger in der siebten Lebensdekade auftreten, kommt es meist in der vierten bis sechsten Dekade zur Subarachnoidalblutung. Die jährliche Mortalität bei zerebralen Gefäßerkrankungen liegt zwischen 95 – 300 pro 100 000, wobei das Verhältnis Infarkt/ Blutung 10 : 1 – 2 beträgt. Von den spontanen Blutungen liegen 80 % in den Großhirnhemisphären, 20 % im Hirnstamm und Kleinhirn. Männer überwiegen und 80 % der Patienten sind Hypertoniker. Die Letalität der Hirnblutungen ist dreimal höher als die der ischämischen Insulte. Ätiologie und Pathogenese: Häufigste Ursache intrazerebraler Blutungen (60 %) ist die chronische Hypertonie. Sie führt zu typischen Gefäßwandschädigungen wie Fibrose, Hyalinose, Arterio- und Arteriolosklerose mit nachfolgender Entwicklung von Mikroaneurysmen. Aufgrund der Wandschwäche kann es bei plötzlichem Blutdruckanstieg zu Rupturen kommen. Prädilektionsstelle der Gefäßruptur ist der Abgang der Aa. lenticulostriatae aus der A. cerebri media. 70 – 80 % der hypertonen Massenblutungen sind im Stammganglienbereich lokalisiert. 60 – 80 % brechen in das Ventrikelsystem ein. ■ Die zweite große Gruppe der intrazerebralen Hämatome wird durch Gefäßmissbildungen wie Angiome, Kavernome und kapillare Mikroangiome verursacht. Die aneurysmatisch bedingte Subarachnoidalblutung ist in 15 – 20 % mit einem intrazerebralen Hämatom vergesellschaftet. ■ Ursachen wie primäre Bluterkrankungen, nicht hypertoniebedingte Gefäßerkrankungen, endogene und medikamenteninduzierte Gerinnungsstörungen, Hirntumoren sowie die Amyloid-Angiopathie treten zahlenmäßig weit zurück (Tab. B-11.30). ■
Klinik: ■ Prodromalerscheinungen sind Kopfschmerzen, Vertigo, Tinnitus, psychomotorische Unruhe, Reizbarkeit, Konzentrationsschwäche sowie flüchtige neurologische Herdsymptome im Rahmen einer hypertensiven Krise. ■ Initialsymptome sind heftiger Kopfschmerz und Schwindel gefolgt von fokalen epileptischen Anfällen und Lähmungen. In mehr als der Hälfte der Fälle tritt eine apoplektiform einsetzende Bewusstseinsstörung bis zum Koma auf. ■ Großhirnblutungen: Führendes Symptom der Massenblutung ist die Bewusstseinsstörung, die, bei stärkerer Ausprägung, andere Leitsymptome überdecken kann. Wenn die Capsula interna beteiligt ist, resultiert eine schlaffe Lähmung der kontralateralen Körperhälfte. Durch Ausfall der frontopontinen Blickbahnen kommt es zu einer Blickwendung zur Herdseite (Déviation conjugée). Neben den Zeichen der intrakraniellen Drucksteigerung bestehen regelmäßig auch Zeichen einer vegetativen Dysregulation wie Schweißausbruch, Temperaturanstieg, Brady- oder Tachykardie und Atemrhythmusstörungen. Bei fortbestehender Einklemmungssymptomatik entwickeln sich schließlich die Vollbilder des Mittelhirn- und Bulbärhirnsyndroms (Tab. B-11.4).
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B 11.13 Spontane intrazerebrale Hämatome
B-11.30
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1323
Differenzialdiagnose der nicht hypertoniebedingten spontanen intrazerebralen Hämatome (nach Schütz)
B-11.30
Aneurysmablutung Angiomblutung Mikroangiome (small vascular malfomation, SVM) Tumorblutung intrazerebrale Hämatome infolge therapeutischer Beeinflussung der Blutgerinnung Leukämie Hämophilie Morbus Werlhof Thrombasthenie Naegeli-Glanzmann medikamentös-toxische Thrombopenie Immunkomplexvaskulitis Lupus erythematodes Panarteriitis nodosa Wegener-Granulomatose Hemmkörperhämophilie zerebrale Sinus- und Venenthrombose disseminierte intravasale Gerinnung (Verbrauchskoagulopathie) zerebrale Amyloidangiopathie Leberzirrhose Eklampsie Moyamoya-Erkrankung mykotische Aneurysmen Blitzschlag Vorhofmyxom Sturge-Weber-Syndrom postoperative intrazerebrale Hämatome Hämatomer unbekannter Ätiologie „Speed Vasculitis“
B-11.50
Intrazerebrale Blutung
B-11.50
Spontane intrazerebrale Blutung im Stammganglienbereich rechts (1) mit Ventrikeleinbruch (2) und Erweiterung der inneren Liquorräume (3).
■
60 – 80 % der Massenblutungen des supratentoriellen Raumes brechen in das Ventrikelsystem ein. Eine vollständige Ventrikeltamponade manifestiert sich klinisch mit Koma und Strecksynergismen und endet in der Regel innerhalb von 24 bis 48 Stunden tödlich (Abb. B-11.50). Kleinhirnblutungen: 10 – 15 % der spontanen intrazerebralen Blutungen sind im Kleinhirn lokalisiert. Meist ohne äußeren Anlass treten intensive, vorwiegend okzipital lokalisierte Kopfschmerzen, Schwindel und Brechreiz auf. Störungen der Bewegungskoordination und eine ipsilaterale Gang- und Standataxie sind die Regel, ebenso Dysarthrie und meist eine horizontale Blickparese oder ein Blickrichtungsnystagmus.
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Kleinhirnblutungen: 10 – 15 % der spontanen intrazerebralen Blutungen sind im Kleinhirn lokalisiert. Symptome der Kleinhirnblutung sind ipsilaterale Hemiataxie, Fallneigung, Dysarthrie, Gangabweichung, Nystagmus und Blickparese. Massive infratentorielle Blutungen führen zu Koma und Atemstillstand (Abb. B-11.7 b, Abb. B-11.51).
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1324
B 11 Neurochirurgie
B-11.51
B-11.51
Infratentorielle Massenblutung Große infratentorielle Blutung mit Einbruch in das Ventrikelsystem (Blutspiegel in den Hinterhörnern der Seitenventrikel) und massive Erweiterung des supratentoriellen Ventrikelsystems.
B-11.52
B-11.52
Hirnstammblutung mit Ödemzone MRT-Befund einer Ponsblutung am 5.Tag nach dem akuten Ereignis. Hyperintense (?) Darstellung der Blutung, umgeben von einer hypointensen Ödemzone (? ?).
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Hirnstammblutung: Sie sind die seltensten aber auch die gefährlichsten intrazerebralen Blutungen. Werden sie überlebt bleiben schwere Defektsyndrome (Abb. B-11.52).
Diagnostik: ■ Klinisch-neurologische Untersuchung: Initial finden sich Bewusstseinsstörungen, homolaterale Mydriasis, Déviation conjugée, kontralaterale Hemiparese, positive Pyramidenbahnzeichen. Beim protrahierten Verlauf finden sich aufgrund der zunehmenden intrakraniellen Drucksteigerung die hierfür typischen Symptome. Kleinhirn- und Ponsblutungen verlaufen foudroyant, es kommt rasch zur Einklemmung. Eine Stauungspapille findet sich nur beim protrahierten, nicht beim akuten Verlauf. Häufiger findet sich ein Fundus hypertonicus.
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Massive Blutungen mit Einbruch in den 4. Ventrikel und Einklemmung der Medulla oblongata im Foramen occipitale magnum führen rasch zur tiefen Bewusstlosigkeit und Atemstillstand (Abb. B-11.7 b, Abb. B-11.51). Hirnstammblutungen: Hirnstammblutungen (überwiegend im Bereich des Pons) sind die seltensten aber auch die gefährlichsten der klassischen hypertoniebedingten Hämatome. Sie nehmen in der Regel ihren Ausgang an der Grenze zwischen Basis und Tegmentum pontis. Ihre Häufigkeit beträgt 5 – 10 %. Ihre Letalität ist außergewöhnlich hoch. Wird sie überlebt, sind schwere Defektsyndrome die Regel (Abb. B-11.52).
Diagnostik: ■ Klinisch-neurologische Untersuchung: Der soporöse oder komatöse Patient weist meist eine Gesichtszyanose und eine Cheyne-Stokes-Atmung auf. In der Initialphase fallen die homolaterale Mydriasis, eine Blickwendung zur Herdseite (Déviation conjugée), kontralateral fehlende physiologische Eigenund Fremdreflexe und ein positives Babinski-Zeichen auf. Beim mehr protrahierten Verlauf einer intrazerebralen Blutung finden sich aufgrund der zunehmenden intrakraniellen Drucksteigerung die typischen Symptome wie Kopfschmerzen, Erbrechen, sekundäre Vigilanzstörung, kontralaterale Hemiparese und homolaterale Mydriasis. Bei den hypertensiven Kleinhirn- und Hirnstammblutungen wird die zerebelläre bzw. pontine Symptomatik durch den foudroyanten Verlauf mit rasch einsetzendem Koma oftmals überlagert. Die einzelnen klinisch-neurologischen Herdsymptome sind dann nur sehr schwer differenzierbar.
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B 11.13 Spontane intrazerebrale Hämatome
1325
Die immer wieder beschriebene Stauungspapille (Ausdruck einer chronischen Hirndrucksteigerung) ist in der Akutphase der Erkrankung in der Regel noch nicht nachweisbar. Sie findet sich nur beim protrahierten Verlauf mit langsam steigendem intrakraniellen Druck. Häufiger finden sich ein Fundus hypertonicus und entsprechende hyertoniebedingte Veränderungen im EKG. Intrazerebrale Hämatome der Großhirnkonvexität führen gelegentlich nur zu isolierten neurologischen Herdsymptomen, z. B. einer Monoparese, einer isolierten motorischen oder sensorischen Aphasie, Apraxie oder Hemianopsie. Sensible oder motorische Jackson-Anfälle können gelegentlich Erstsymptom intrazerebraler Blutungen sein. Bildgebung: Zum Nachweis intrazerebraler Hämatome ist die Computertomographie (CT) die Methode der Wahl. Seit Einführung der CT ist die Anzahl diagnostizierter intrazerebraler Hämatome um das Dreifache angestiegen. Mit der CT lassen sich Größe, Lokalisation und Ausdehnung der Blutung, Lagebeziehungen zu den umgebenden Hirnstrukturen und vielfach auch Differenzialdiagnose und Ätiologie klären. Ein Ventrikeleinbruch lässt sich direkt sichtbar machen. Das Ausmaß der Raumforderung im Zusammenhang mit der klinischen Symptomatik beeinflusst die Entscheidung hinsichtlich der therapeutischen Strategie. Die CT-Untersuchung liefert somit wesentliche Kriterien zur Festlegung der Operationsindikation bzw. zum konservativen Vorgehen (Abb. B-11.50, Abb. B-11.51).
Hämatome der Großhirnkonvexität führen oftmals nur zu isolierten neurologischen Herdstörungen.
Therapie: ■ Konservative Therapie: Im Akutstadium der Blutung liegen oft schwere Störungen der Vitalfunktionen vor, die eine intensiv-medizinische Behandlung erforderlich machen. Ziel ist die Begrenzung des begleitenden Hirnödems s. S. 1256.
왘 Merke. Der häufig bestehende Hypertonus muss, ohne Reduzierung der
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Bildgebung: Die CT ist die Untersuchungsmethode der Wahl. Im CT lassen sich Größe, Lokalisation, Ausdehnung, Lagebeziehungen zu umgebenden Hirnstrukturen sowie ein möglicher Ventrikeleinbruch darstellen. Die klinische Symptomatik und der CT-Befund beeinflussen das weitere therapeutische Vorgehen (Abb. B-11.50, Abb. B-11.51).
Therapie: ■ Konservative Therapie: Ziel der konservativen Therapie ist neben der Wiederherstellung und dem Erhalt der Vitalfunktionen die Begrenzung des begleitenden Hirnödems s. S. 1256. 왗 Merke
zerebralen Perfusion, auf Werte um 160/90 mmHg eingestellt werden. Die Medikamente werden nicht nach Schema, sondern nach Wirkung kontinuierlich appliziert. ■
Die operative Therapie eines intrazerebralen Hämatoms ist indiziert, wenn es zur Verschlechterung der Bewusstseinslage oder zur Zunahme der neurologischen Symptomatik kommt. Eine deutliche Raumforderung im CT, die auf eine Blutung im supratentoriellen Marklager oder im Kleinhirn bzw. auf einen Verschlusshydrozephalus zurückgeführt werden kann, stellt ebenfalls eine Operationsindikation dar. Kontraindiziert ist eine Operation bei fehlenden neurologischen Störungen, bei wachen Patienten auch mit neurologischen Ausfällen. Ebenso bei Zeichen der Dezerebration und tiefen Koma, d.h bei insgesamt infauster Prognose. Ziel der Operation ist die Senkung bzw. Normalisierung des intrakraniellen Druckes durch Ausräumung des Hämatoms und wenn erforderlich die Beseitigung der Blutungsquelle.
11.13.1 Prognose intrazerebraler Hämatome Prognose: Die Gesamtprognose einer intrazerebralen Blutung wird bestimmt durch ■ Ausmaß und Dauer der primären Hirnschädigung, ■ Sitz der Blutung, ■ Akutverlauf des klinischen Bildes, ■ Lebensalter, ■ Begleiterkrankungen (Herz-Kreislauf-System, Atmungsorgane, Stoffwechselund endokrinologische Störungen).
■
Operative Therapie: Die Indikation ist gegeben bei Verschlechterung der Bewusstseinslage, Zunahme der neurologischen Störungen und bei im CT vorliegender Raumforderung. Sie ist kontraindiziert bei wachen Patienten, fehlenden neurologischen Ausfällen, bereits eingetretener Dezerebration sowie beim tiefen Koma. Ziel der Operation ist die Senkung des intrakraniellen Druckes.
11.13.1 Prognose intrazerebraler
Hämatome Prognose: Die Gesamtprognose ist abhängig vom Ausmaß und der Dauer der primären Hirnschädigung, der Lokalisation, der Akuität des klinischen Bildes, vom Lebensalter und von Begleiterkrankungen.
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1326 B-11.53
B 11 Neurochirurgie
B-11.53
Beidseitige Stammganglienblutung Beidseitige Stammganglienblutung (?) mit Ventrikeleinbruch (왘) bei Zustand nach rt-PA-Lysetherapie bei Zentralarterienverschluss des rechten Auges.
Die Letalität nach operativer Therapie kann bei primär komatösen Patienten bis zu 90 % betragen. 왘 Klinischer Fall
11.14
Arterielle Verschlusserkrankungen der Hirngefäße
왘 Definition
Die Letalität nach operativer Therapie liegt bei Lobärhämatomen mit geringer intrakranieller Drucksteigerung zwischen 15 und 25 %. Bei primär komatösen Patienten beträgt sie bis zu 90 %. 왘 Klinischer Fall. Bei einem 76-jährigen Mann entwickelt sich apoplektiform eine Amaurose des re. Auges. Nach diagnostiziertem Zentralarterienverschluss erfolgt eine Lysetherapie mit rt-PA (rekombinanter tissue Plasminogen-Aktivator) und nachfolgend die Vollheparinisierung. 16 Stunden nach der Lysebehandlung wird der Patient komatös. Die Pupillen sind beiderseits eng, rund und reagieren nur träge auf Licht. Der Muskeltonus ist beiderseit schlaff. Pyramidenbahnzeichen finden sich nicht. Bei insuffizienter Spontanatmung erfolgt die Intubation und Beatmung. Im CT findet sich eine beidseitige Stammganglienblutung mit Einbruch in das Ventrikelsystem (Abb. B-11.53). Eine sinnvolle Operationsindikation kann nicht gestellt werden. Der Patient verstirbt unter den Zeichen der zerebralen Dysregulation.
11.14 Arterielle Verschlusserkrankungen der
Hirngefäße
왘 Definition. Es handelt sich um Stenosen oder Verschlüsse der extra- oder intrakraniellen Hirngefäße auf atherosklerotischer oder embolischer Grundlage. Fehlbildungen (Moyamoya-Syndrom) oder Vaskulitiden sind selten.
Epidemiologie: Jährlich kommt es zu 100 – 290 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner. Die jährliche Rezidivrate liegt bei 9 %.
Epidemiologie: Es kommt zu 100 – 290 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohnern und Jahr. 25 – 30 % der Patienten versterben in den ersten 3 Wochen der Erkrankung, 20 – 30 % bleiben schwer behindert. Es muss mit einer jährlichen Rezidivrate von 9 % gerechnet werden.
Ätiologie: Die Hauptrisikofaktoren sind Alter, arterielle Hypertonie und Herzerkrankungen.
Ätiologie: Risikofaktoren sind Lebensalter, arterielle Hypertonie, Herzerkrankungen, Diabetes mellitus, hoher Hämatokrit, orale Ovulationshemmer und Zigarettenrauchen.
Klinik: neurologische Symptome und morphologische Veränderungen (s. Tab. B-11.31 und Tab. B-11.32).
Klinik: Stenosen oder Verschlüsse von hirnversorgenden Arterien können neurologische Symptome und/oder morphologische Veränderungen zur Folge haben (Tab. B-11.31, Tab. B-11.32).
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B 11.14 Arterielle Verschlusserkrankungen der Hirngefäße
B-11.31
Verlaufsorientierte Einteilung der zerebralen arteriellen Verschlusskrankheiten
TIA (Transitorische ischämische Attacke)
neurologische Herdsymptome ohne Bewusstseinsverlust mit völliger Remission innerhalb von 24 h.
PRIND (Prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit)
neurologische Herdsymptome mit völliger Rückbildung innerhalb mehrerer Tage.
progressive stroke
fluktuierende, über Tage fortschreitende neurologische Ausfälle.
completed stroke
kompletter Schlaganfall mit residualen neurologischen Ausfällen.
B-11.32
Morphologische Veränderungen in der CT/MRT
lakunäre Infarkte
disseminiert, vornehmlich embolisch bedingt.
Grenzzoneninfarkte
zwischen Versorgungsarealen von verschiedenen Gefäßen liegend, vornehmlich hämodynamisch bedingt.
Territorialinfarkte
Veränderungen in einem einer Arterie zuzuordnenden Versorgungsgebiet.
1327 B-11.31
B-11.32
Infarktsymptome setzen in der Regel plötzlich ein. Die Art der Symptome ist abhängig vom betroffenen Gefäßgebiet. Da die extra- und intrakraniellen Hirngefäße im Bereich des Circulus arteriosus Willisii sowie über kortikale Anastomosen miteinander verbunden sind und Anastomosierungen unterschiedlichsten Ausmaßes auch zwischen extra- und intrakraniellen Gefäßen bestehen, wird das Ausmaß der Schädigung von funktionellen Parametern bestimmt. Neben den kompensierenden Anastomosen kommt hämodynamischen Einflüssen besondere Bedeutung zu.
Infarktsymptome setzen plötzlich ein. Der funktionelle Zustand einer Vielzahl möglicher Anastomosen bestimmt das Ausmaß und den Verlauf der neurologischen Störungen.
Diagnostik: Die klinische Abklärung erfordert neben einer neurologischen Untersuchung und Verlaufskontrolle immer eine internistische Diagnostik. ■ Mittels Echokardiogramm müssen kardiale Emboliequellen ausgeschlossen werden. ■ Eine Doppler-Sonographie, besser Duplexsonographie der Halsgefäße ist zur Sicherung von Stenosen und Verschlüssen der A. carotis interna am Hals bzw. ulzerativer atherosklerotischer Plaques im Stenosenbereich notwendig. ■ Die transkranielle Doppler-Sonographie (TCD) ermöglicht die Beurteilung der hämodynamischen Wirksamkeit von extra- und intrakraniellen Gefäßeinengungen.
Diagnostik: Die klinische Untersuchung schließt die dopplersonographische Untersuchung der extra- und intrakraniellen Gefäße ein. Ein Echokardiogramm zum Ausschluss kardialer Emboliequellen ist immer notwendig.
Neben der klinischen Untersuchung kommt der bildgebenden Diagnostik eine bedeutende Stellung zu. ■ Die primäre bildgebende Diagnostik erfolgt durch ein CT. Dadurch werden intrazerebrale Blutungen ausgeschlossen. Ein Infarkt stellt sich im CT erst nach 12 – 24 Stunden als hypodenses Areal dar. Als Frühzeichen eines arteriellen Gefäßverschlusses können sich Arterien im Nativ-CT primär hyperdens darstellen (dens artery sign). ■ Der direkte Nachweis der Läsion erfolgt durch die Angiographie. Dabei müssen alle extra- und intrakraniellen Gefäße einschließlich ihrer Abgänge aus dem Aortenbogen dargestellt werden. ■ Bei wiederholten ischämischen Episoden kann eine Testung der zerebrovaskulären Reservekapazität mittels SPECT und TCD (vor und nach Acetazolamidapplikation) erfolgen, um die Indikation zu einem revaskularisierenden Eingriff zu prüfen.
Im primären CT können intrazerebrale Blutungen ausgeschlossen werden. Hirninfarkte stellen sich im CT erst nach 12 – 24 Stunden dar. Als Frühzeichen gilt das dens artery sign im Nativ-CT.
Die angiographische Darstellung muss alle extra- und intrakraniellen Gefäße einschließlich ihrer Ursprünge erfassen.
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1328
B 11 Neurochirurgie
Therapie: Ein extra-intrakranieller Bypass (EIAB) ist nur in Fällen mit wiederholten ischämischen Episoden und mit eingeschränkter zerebrovaskulärer Reservekapazität angezeigt.
Therapie: Die Therapie ischämischer Hirnerkrankungen hat in den letzten 25 Jahren einen erheblichen Wandel erfahren. Nur in Fällen mit wiederholten ischämischen Episoden und reduzierter zerebrovaskulärer Reservekapazität werden revaskularisierende Eingriffe i.S. eines extra-intrakraniellen Bypasses (EIAB) noch durchgeführt. Ergibt sich angiographisch als Ursache der Ischämie eine Karotisstenose im Bifurkationsbereich, kommen stadienabhängig verschiedene Therapieverfahren in Betracht. Diese reichen von der konservativen Therapie über die Thrombendarteriektomie bis zu endovaskulären Techniken (Angioplastie und Applikation von Stents). Hierzu s. S. 1133. Mittels intravasaler Lysetherapie kann eine Rekanalisierung intrakranieller verschlossener Gefäßgebiete versucht werden. Die Thrombolyse erfolgt mit Streptokinase, Urokinase oder rt-PA (tissue plasminogen activator). Eine therapeutische Thrombolyse beinhaltet die Gefahr einer parenchymatösen Einblutung.
Bei einer Karotisstenose kommen stadienabhängig unterschiedliche Therapieverfahren zum Einsatz. Thrombendarteriektomie und Angioplastie, s. S. 1133. Mittels intravasaler Lysetherapie kann eine Rekanalisierung intrakranieller Gefäße versucht werden.
왘 Merke
Wegen der schlechten Spontanprognose der A.-basilaris-Verschlüsse ist eine intravasale Thrombolyse gerechtfertigt. In den ersten 24 – 78 h nach einer zerebralen Ischämie kann es durch ein Hirnödem zum Anstieg des Hirndrucks kommen. Hier stellt die dekompressive Kraniektomie eine Therapiemöglichkeit dar. Die Verbesserung der rheologischen Eigenschaften des Blutes gehört zu den medikamentösen Behandlungsansätzen.
11.15
Neurochirurgische Schmerztherapie
왘 Definition
왘 Merke. Aus diesem Grunde ergeben sich eine Reihe von Kontraindikationen: intrakranielle Blutung aktuell oder im Zeitraum der letzten 6 Wochen, Mikroangiopathie, Ischiämiebeginn vor mehr als 6 Stunden, maligner Hypertonus, Antikoagulanzientherapie u. a.
Aufgrund eines sehr engen Zeitfensters wird eine Thrombolyse vor allem auch durch Probleme des Managements bestimmt. Wegen der schlechten Spontanprognose bei Verschlüssen der A. basilaris (60 – 100 % Letalität) ergibt sich unter Beachtung der Kontraindikationen besonders für diese Gefäßregion eine Indikation zur intraarteriellen Thrombolyse. In den ersten 24 – 78 h nach einem ischämisch bedingten Schlaganfall kann sich ein Hirnödem mit intrakraniellem Druckanstieg entwickeln. Neben der konservativen Therapie (S. 1256) bietet sich die dekompressive Kraniektomie als Therapiemethode an. Die konservative medikamentöse Behandlung der arteriellen Verschlusskrankheiten der Hirngefäße umfasst neben der Einstellung des Hämatokrits eine systemische Heparinisierung im Akutfall und eine anschließenden Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern.
11.15 Neurochirurgische Schmerztherapie 왘 Definition. Schmerz ist eine Sinnesmodalität, die primär über die Auslösung
von motorischen und vegetativen Reflexen und Reaktionen dem Schutz und Erhalt des Organismus dient. Die spezifischen Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren) können mechanisch, chemisch und thermisch aktiviert werden. In Deutschland leiden ca. 7 Millionen Menschen unter Schmerzen.
Voraussetzung für die Schmerztherapie sind interdisziplinäre und multimodale Anamneseerhebungen, diagnostische und therapeutische Konzepte. Die neurochirurgischen Verfahren sind häufig destruierend und daher meist die letzte Therapiestufe.
In der Bundesrepublik Deutschland leiden ca. 7 Millionen Menschen unter Schmerzen, 600 000 davon unter schweren und chronischen Formen. Daher erscheint die Auseinandersetzung mit dem Thema „Schmerz“ dringlicher denn je. Voraussetzung für die Therapie des Schmerzes ist eine umfassende Anamnese, eine komplexe allgemeinmedizinische, klinisch-neurologische und instrumentell-diagnostische Strategie und psychosoziale Betreuung. Die Behandlung des chronischen Schmerzpatienten erfordert ein interdisziplinäres Therapiekonzept. Im Weiteren werden die neurochirurgischen Therapieverfahren dargestellt, die meist als letzte Therapiestufe anzusehen sind, da es sich in der Regel um destruierende Maßnahmen handelt.
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
B 11.15 Neurochirurgische Schmerztherapie
11.15.1 Neurochirurgische Verfahren in der Schmerztherapie
1329 11.15.1 Neurochirurgische Verfahren in der
Schmerztherapie
Nervenblockade: Es handelt sich hierbei um eine medikamentöse Umflutung eines Nervs mit einem Lokalanästhetikum. Sie findet Anwendung im Bereich der Äste des N. trigeminus, des N. occipitalis, der Interkostalnerven und der Inguinalnerven. Prinzipiell kann eine Nervenblockade an jedem peripheren Nerv vorgenommen werden. Durch wiederholte Nervenblockaden ist durchaus eine längerfristige Beeinflussung der Schmerzen zu erzielen.
Nervenblockade: Umflutung eines Nervs mit einem Lokalanästhetikum.
Neurolyse: Dabei handelt es sich um die operative Lösung von Verwachsungen um einen Nerv (äußere Neurolyse) bzw. Isolierung intakter Nervenfaserbündel aus einer endoneuralen Narbe (innere Neurolyse). Besonders die Narbenbildung nach Verletzungen und Frakturen in unmittelbarer Nachbarschaft von Nerven macht eine Neurolyse erforderlich. Aber auch bei den sogenannten Kompressionssyndromen sind durch Neurolyse gute und anhaltende Erfolge zu erzielen, s. S. 1204.
Neurolyse: Operative Lösung von Verwachsungen um Nerven und Nervenfaserbündel.
Stimulierende Verfahren: Als nicht ablative Methoden sind die Verfahren der Neurostimulation zu werten. Dazu zählen TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation) und SCS (Spinal Cord Stimulation). Bei der transkutanen elektrischen Nervenstimulation (TENS) wird der afferente Zustrom zu den Hinterhornganglien erhöht und somit die dort eingehende Schmerzafferenz blockiert. Diese niederfrequente Elektrotherapie ist vor allem zur Behandlung chronischer Schmerzprozesse geeignet. Die Spinal Cord Stimulation (SCS) beeinflusst über die Hinterstränge des Rückenmark bei noch nicht restlos geklärtem Funktionsmechanismus die Schmerzreaktion. Durch die elektrische Stimulation werden Parästhesien erzeugt, die den Schmerz überdecken. Bisherige Grundlage dieser Therapie ist die sogenannte „Gate-Control-Theorie“, nach der durch Stimulation schnellleitender Fasern schmerzhafte Reize blockiert, Neurotransmitter sezerniert und desynchronisierte Entladungen verschiedener neuronaler Pools ausgeglichen werden.
Stimulierende Verfahren: Es handelt sich um nicht ablative Verfahren.
Sie ist prinzipiell bei jedem peripheren Nerv möglich. Durch wiederholte Nervenblockaden ist eine längerfristige Schmerzbeeinflussung zu erzielen.
Bei der transkutanen elektrischen Nervenstimulation (TENS) wird zur Blockade der Schmerzafferenzen der afferente Zustrom zu den Hinterhornganglien erhöht. Die Spinal Cord Stimulation (SCS) beeinflusst über die Hinterstränge des Rückenmark bei noch ungeklärtem Funktionsmechanismus die Schmerzreaktion. Bisherige Grundlage dieser Therapie ist die sogenannte „Gate-Control-Theorie“.
Peridurale-intrathekale Pharmakotherapie: Rückenmarknahe Opioidapplikation über einen intraduralen Katheter. Dieser kann mit einem subkutanen Reservoir oder einer Medikamentenpumpe (externe und implantierbare Systeme stehen zur Verfügung) verbunden werden.
Peridurale intrathekale Pharmakotherapie: Opioide werden mittels eines intraduralen Katheters rückenmarksnah appliziert.
Operative Therapie: Zu den destruierenden Verfahren zählen die spinale Rhizotomie, die Chordotomie sowie die thermische Denervation der kleinen Wirbelgelenke (Facetten). Die spinale Rhizotomie und Chordotomie sind sinnvoll bei Patienten mit stärksten, konservativ und mit potenten Analgetika nicht mehr zu beeinflussenden Schmerzen und kurzer Lebenserwartung. ■ Rhizotomie: Durchtrennung der Hinterwurzel im Hinterhorn des Rückenmark zur Unterbrechung von Schmerz-, Temperatur- und Berührungsreizen aus der Peripherie. ■ Chordotomie: Die Chordotomie kann als offene anterolaterale Chordotomie mit offener Durchtrennung des Tractus spinothalamicus im vorderen Quadranten des Rückenmark in Höhe BWK 3 – 5 durchgeführt werden. Bei Schmerzen im Bereich der oberen Extremitäten kann sie hochzervikal in Höhe HWK 1 – 2, hier meist als perkutane zervikale Chordotomie, durchgeführt werden.
Operative Therapie: Destruierende Verfahren sind Rhizotomie, Chordotomie und thermische Denervation der Wirbelgelenke (Facetten).
Denervation der Wirbelgelenke: Eine Vortestung mit einem Lokalanästhetikum sollte den zu erwartenden Erfolg der Behandlung untermauern. Die jeweils angrenzenden Wirbelgelenke werden aufgrund der sich überschneidenden Innervation ebenfalls denerviert. Der Eingriff erfolgt in Lokalanästhesie und unter Röntgendurchleuchtung. Er kann bei erneuter Schmerzsymptomatik wiederholt werden.
Denervation der Wirbelgelenke: Die jeweils angrenzenden Wirbelgelenke werden aufgrund der sich überschneidenden Innervation ebenfalls denerviert.
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Rhizotomie: Durchtrennung der Hinterwurzel zur Unterbrechung von Zuflüssen aus der Peripherie. Die Chordotomie kann offen anterolateral oder perkutan zervikal durchgeführt werden.
Der Eingriff kann bei erneuten Schmerzen wiederholt werden.
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1330 11.15.2 Schmerztherapie bei
Trigeminusneuralgie 왘 Definition
B 11 Neurochirurgie
11.15.2 Schmerztherapie bei Trigeminusneuralgie 왘 Definition. Heftiger, schlagartig einschießender, in der Regel einseitiger, durch Triggermechanismen provozierbarer Gesichtsschmerz. Von der überwiegenden idiopathischen Trigeminusneuralgie werden seltene, symptomatische Formen abgegrenzt.
Epidemiologie: Die Prävalenz der Trigeminusneuralgie beträgt 40 pro 100 000 Einwohner.
Epidemiologie: Die Inzidenz beträgt 4 pro 100 000 Einwohner, die Prävalenz 40 pro 100 000 Einwohner. Der Erkrankungsgipfel liegt jenseits der 5. Dekade. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
Ätiologie und Pathogenese: Die Ursache ist ungeklärt. In der Diskussion sind neurale Kurzschlüsse, „Enphasen“ zwischen taktilen und schmerzleitenden Fasern. Bei einigen Patienten findet sich eine vaskuläre Kompression der Trigeminuswurzel, selten ein Tumor oder Aneurysma.
Ätiologie und Pathogenese: Letztendlich ist sie ungeklärt. In der Diskussion sind neurale Kurzschlüsse, „Enphasen“ zwischen taktilen und schmerzleitenden Fasern. In einigen Fällen findet man eine mechanische Alteration des Nervus trigeminus durch ektatische, elongierte oder aberrierende Gefäße im Bereich der Eintrittszone der sensiblen Wurzel am Kleinhirnbrückenwinkel. Dabei handelt es sich um Äste der A. cerebelli superior. Selten ist ein Tumor (Neurinom, Meningeom, Epidermoid) oder ein Aneurysma im Kleinhirnbrückenwinkel die Ursache.
Klinik, Diagnostik: Typische Anamnese bei regelrechtem neurologischen Befund. Häufig können Triggermechanismen erfragt werden. In jedem Falle ist die Abklärung mittels MRT erforderlich.
Klinik, Diagnostik: Die Schilderung der Patienten ist typisch. Der neurologische Befund ist regelrecht. Selten kann sich eine Sensibilitätsstörung und eine Abschwächung des Kornealreflexes finden. In jedem Fall ist die neuroradiologische Abklärung mittels MRT erforderlich.
Differenzialdiagnose: Chronische Schmerzen werden bei Sinusitis und Tumoren aber auch nach Schädelbasisfrakturen beobachtet.
Differenzialdiagnose: Schmerzen im 1. Ast sind in der Regel symptomatisch (Sinusitis, Sinusthrombose, Glaukom, Zoster ophthalmicus). Chronische Schmerzen werden bei Sinusitis und Tumoren (Karzinom der Schädelbasis, Meningeosis carcinomatosa, Ponsgliom) aber auch nach Schädelbasisfrakturen beobachtet. Bei doppelseitigen Gesichtsschmerzen sollte die Multiple Sklerose differenzialdiagnostisch mit erwogen werden. Abgegrenzt werden weiterhin die Glossopharyngeus-Neuralgie, das Mandibulargelenk-Syndrom sowie das myofaziale Syndrom. Seltene Gesichtsneuralgien sind die Nasoziliaris-Neuralgie, PterygopalatinumNeuralgie, Petrosus-major-Neuralgie, Intermedius-Neuralgie, Aurikulotemporalis-Neuralgie und Laryngeus-superior-Neuralgie.
Doppelseitige Gesichtsschmerzen werden häufig bei Multipler Sklerose beobachtet.
Es gibt eine ganze Reihe seltener Gesichtsneuralgien.
Therapie: Zunächst sollte ein konservativer Therapieversuch erfolgen. Mittel der ersten Wahl ist Carbamazepin.
Als operative Verfahren kommt neben der perkutanen Thermokoagulation die mikrovaskuläre Dekompression nach Janetta in Betracht.
Prognose: Spontanremissionen sind nicht selten. Mit Carbamazepin werden etwa 80 % der Patienten schmerzfrei. Nach mikrovaskulärer Dekompression werden in ca. 10 %, nach Thermokoagulation in ca. 20 – 30 % Rezidive beobachtet.
Therapie: Sie erfolgt zunächst konservativ medikamentös. Mittel der ersten Wahl ist Carbamazepin. Unter Serumspiegelkontrolle wird die Dosis bis zur Unterbrechung der Schmerzen gesteigert. Nebenwirkungen sind Müdigkeit und Schwindel. Bei Pharmakoresistenz oder zu starken Nebenwirkungen ist Indikation zur operativen Therapie zu prüfen. Von den destruierenden Verfahren kommt heute lediglich die perkutane Thermokoagulation des Ganglion Gasseri zum Einsatz. Etabliert ist das nichtdestruierende Verfahren der mikrovaskulären Dekompression nach Janetta. Dabei wird die den Nerv bedrängende Gefäßschlinge gelöst und abgepolstert (Tefloninterponat). Die Operationsletalität ist gering, Komplikationen sind selten. Prognose: Spontanremissionen sind nicht selten, oft mit monate- und jahrelangen schmerzfreien Intervallen. Unter einer gut gesteuerten Carbamazepintherapie werden etwa 80 % der Patienten schmerzfrei. Nach mikrovaskulärer Dekompression werden in ca. 10 %, nach Thermokoagulation in ca. 20 – 30 % der Fälle Rezidive beobachtet.
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B 11.16 Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule
11.16 Degenerative Veränderungen der
Wirbelsäule
Anatomie und Pathogenese: Die Bandscheibe setzt sich aus dem äußeren Faserring (Anulus fibrosus), der die beiden Wirbelköper über die knorpeligen Begrenzungsplatten verbindet, und dem zentralen Gallertkern (Nucleus pulposus) zusammen (Abb. B-11.54). 왘 Merke. Die Einheit von zwei Wirbelkörpern mit dazwischenliegender Band-
1331 11.16
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule
Anatomie und Pathogenese: Die Bandscheibe besteht aus dem äußeren Faserring (Anulus fibrosus) und dem zentralen Gallertkern (Nucleus pulposus) (Abb. B-11.54). 왗 Merke
scheibe wird als Bewegungssegment definiert. Die Zwischenschaltung der Bandscheiben macht die Wirbelsäule zu einem äußerst beweglichen Organ. Die Bewegungen vollziehen sich um den Drehpunkt Bandscheibe und werden von den dorsalen, kleinen Wirbelgelenken geführt. Die Bandscheiben übernehmen darüber hinaus die Funktion eines „Stoßdämpfers“ im Rahmen der axialen Belastung (Abb. B-11.55 a). Degenerative Veränderungen beginnen mit Rissen und Spaltbildungen im Anulus fibrosus, in die der Nucleus pulposus eindringt. Der Alterungsprozess des Nucleus geht mit einer Fragmentierung und einem Verlust der Wasserbindungskapazität einher. Mit der Lockerung der Bandscheibe treten reaktive Veränderungen in Form der Osteochondrose (Sklerosierung und unregelmäßige Konturierung) auf. Im weiteren Verlauf bildet sich die Spondylosis deformans (spondylotische Randwülste) aus.
B-11.54
Querschnitt im Bereich einer Bandscheibe
B-11.55
Bewegungssegment
a Aufbau eines Bewegungssegments.
Die Zwischenschaltung der Bandscheiben macht die Wirbelsäule zu einem äußerst beweglichen Organ. Sie dienen auch als „Stoßdämpfer“ im Rahmen der axialen Belastung (Abb. B-11.55 a). Degenerative Veränderungen beginnen mit Rissen und Spaltbildungen im Anulus fibrosus. Es kommt zu reaktiven Veränderungen in Form der Osteochondrose. Im weiteren Verlauf bildet sich die Spondylosis deformans aus.
B-11.54
b Schematische Darstellung von Osteochondrose, Spondylosis deformans und Spondylarthrose.
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1332
B 11 Neurochirurgie
Durch Überlastung der kleinen Wirbelgelenke kommt es zur Spondylarthrose (Abb. B-11.55 b).
Die spondylotischen Randwülste führen zur Einengung der Foramina intervertebralia. Gleichzeitig nimmt die Höhe des Bandscheibenraumes ab, was zur Überlastung der kleinen Wirbelgelenke führt. Hierdurch kommt es zur Spondylarthrose (reaktive spondylotische Veränderungen) (Abb. B-11.55 b). Degenerierte Anteile des Nucleus pulposus können in die Spalten und Risse des Anulus fibrosus eindringen, ihn vorwölben oder als Bandscheibenvorfall in den Spinalkanal austreten. Dorsolaterale Vorfälle führen zur Kompression einer oder mehrerer Wurzeln im gleichen Segment. Der mediale Vorfall führt im Zervikalbereich zur Rückenmarkkompression, im Lumbalbereich zum Kaudasyndrom. Der seltene extrem laterale Prolaps (ELP) komprimiert die nächsthöhere Nervenwurzel (Abb. B-11.56).
Anteile des Nucleus pulposus können als Bandscheibenvorfall in den Spinalkanal austreten. Man unterscheidet dorsolaterale, mediale und extrem laterale Vorfälle (Abb. B-11.56).
왘 Merke
왘 Merke. Osteochondrose, Spondylosis deformans und Spondylarthrose sind röntgenologisch nachweisbare Veränderungen eines Bandscheibenschadens. Der Bandscheibenschaden selbst ist im Röntgenbild nicht nachweisbar.
Epidemiologie: Die Inzidenz der Lumboischialgie bei Bandscheibenvorfällen beträgt 150/100 000 Einwohner, die bei zervikalen Bandscheibenvorfällen beträgt 15/100 000 Einwohner. Thorakale Bandscheibenvorfälle sind extrem selten.
Epidemiologie: Die Inzidenz der Lumboischialgie bei Bandscheibenvorfällen beträgt 150/100 000 Einwohner, die bei zervikalen Bandscheibenvorfällen beträgt 15/100 000 Einwohner. Thorakale Bandscheibenvorfälle sind extrem selten (3 – 5 % aller Bandscheibenvorfälle).
Bandscheibenvorfälle haben einen Altersgipfel in der vierten Dekade.
Bandscheibenvorfälle kommen meist zwischen dem 20. und 65. Lebensjahr vor und haben einen Altersgipfel in der vierten Dekade. Das unterstreicht die hohe sozialmedizinische Bedeutung dieser Erkrankung.
왘 Merke
B-11.56
왘 Merke. Zervikale Bandscheibenvorfälle betreffen am häufigsten die Segmente HWK 5/6 und HWK 6/7, lumbale Bandscheibenvorfälle meistens die Höhe LWK 4/5 und LWK 5/SWK 1.
Lumbaler Bandscheibenvorfall, Nucleus-pulposus-Prolaps (NpP)
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B 11.16 Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule
11.16.1 Spinale radikuläre Syndrome 왘 Definition. Läsion einzelner spinaler Nervenwurzeln mit den charakteristi-
1333 11.16.1 Spinale radikuläre Syndrome
왗 Definition
schen Symptomen Schmerz, Sensibilitätsstörung, motorische Ausfälle. Die Schmerzen betreffen das Ausbreitungsgebiet der betroffenen Nervenwurzel. Radikuläre Sensibilitätsstörungen projizieren sich auf das Dermatom der entsprechenden Nervenwurzel. Die motorischen Ausfälle beziehen sich auf die vom entsprechenden Nerv versorgten Muskeln. Hierdurch kann es auch zu Reflexstörungen und Atrophien kommen. In der Praxis dienen sogenannte Kennmuskeln für die Diagnostik verschiedener Nervenwurzeln.
Schmerzen, Sensibilitätsstörungen und motorische Ausfälle treten in Abhängigkeit der betroffenen Nervenwurzel auf. In der Praxis dienen sogenannte Kennmuskeln für die Diagnostik verschiedener Nervenwurzeln.
Zervikaler Bandscheibenvorfall
Zervikaler Bandscheibenvorfall
Ätiologie: Ursache sind degenerative Bandscheibenveränderungen. Ein Trauma als Ursache ist extrem selten.
Ätiologie: Ursache sind degenerative Bandscheibenveränderungen.
Einteilung: Soft disc: Zervikaler Bandscheibenprolaps im eigentlichen Sinne. ■ Hard disc: Sogenannter harter Bandscheibenprolaps v. a. durch Osteophyten im Bereich der Foramina intervertebralia bedingt.
Einteilung: ■ Soft disc: Zervikaler Bandscheibenprolaps im eigentlichen Sinne. ■ Hard disc: Osteophyten im Bereich der Foramina intervertebralia.
Klinik: Die klinisch-neurologische Symptomatik richtet sich nach der Höhe des Bandscheibenschadens. Typisch ist eine radikuläre Zuordnung (Abb. B-11.57). Allgemeine Symptome sind Nacken-, Schulter- oder Armschmerzen, die durch Kopfbewegungen ausgelöst werden.
Klinik: Die Symptomatik richtet sich nach der Höhe des Bandscheibenschadens (Abb. B-11.57).
Diagnostik: ■ Röntgenaufnahmen der HWS in zwei Ebenen werden zur Beurteilung der knöchernen Strukturen, der Stellung der Wirbelkörper, der Höhe des Intervertebralraumes und von Verknöcherungen des hinteren Längsbandes herangezogen. Schrägaufnahmen dienen der Beurteilung der Weite der Foramina intervertebralia. ■ Durch die Myelographie mit nachfolgender CT gelingt eine sehr gute Darstellung der knöchernen Strukturen. Rückenmark und Nervenwurzeln sind gegen das Kontrastmittel gut abzugrenzen; eine Kompression der nervalen Strukturen ist somit gut nachzuweisen. Ebenfalls lässt sich eine Spinalkanalstenose oder Enge der Foramina intervertebralia gut darstellen (Abb. B-11.58). ■ Mit der Kernspintomographie gelingt eine gute Abgrenzung des Rückenmark und der Nervenwurzeln gegen den weichen Prolaps. Knöcherne Strukturen werden mit dieser Technik schlechter dargestellt. Sie gilt für die Diagnostik zervikaler Bandscheibenvorfälle als Methode der Wahl (Abb. B-11.59 a). ■ Elektrophysiologische Untersuchungen sind gelegentlich zur genauen Abgrenzung der betroffenen Nervenwurzel und zur differenzialdiagnostischen Abklärung erforderlich.
Diagnostik: ■ Röntgenaufnahmen dienen der Beurteilung der knöchernen Strukturen sowie der Foramina intervertebralia.
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Durch die Myelographie mit anschließender CT lassen sich Kompressionen nervaler Strukturen gut nachweisen (Abb. B-11.58).
MRT: Sie ist gut geeignet zur Abgrenzung des weichen Prolaps (Abb. B-11.59 a).
Elektrophysiologische Untersuchungen: Nur für spezielle Fragestellungen.
Differenzialdiagnose: Sie umfasst im Wesentlichen die Wurzelkompression durch Tumoren, Syringomyelie, Läsionen und Irritation des Plexus brachialis, Pancoast-Tumoren und periphere Engpasssyndrome (Ulnarisrinnensyndrom, Karpaltunnelsyndrom).
Differenzialdiagnose: Abzugrenzen sind Tumoren, Engpasssyndrome, Läsionen des Plexus brachialis und Syringomyelie.
Therapie: Bei fehlenden neurologischen Ausfällen ist zunächst eine konservative Therapie einzuleiten. Diese basiert auf Ruhigstellung, unterstützt durch physikalische Behandlungsmaßnamen und eine entsprechende Medikation. Eine frühe funktionelle Bewegungstherapie ist anzustreben. Beim medialen und lateralen zervikalen Prolaps mit zunehmenden medullären und/oder radikulären Ausfällen, medikamentös nicht hinreichend zu behandelnden Schmerzen und Versagen der konservativen Therapie besteht eine Operationsindikation.
Therapie: Zunächst konservative Therapie und frühfunktionelle Beübung.
Eine Operation erfolgt bei zunehmenden radikulären Ausfällen, medikamentös nicht hinreichend zu behandelnden Schmerzen und Versagen der konservativen Therapie.
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B 11 Neurochirurgie
1334 B-11.57
Zervikale radikuläre Syndrome und ihre Differenzialdiagnose
Das operative Risiko ist minimal (Abb. B-11.59 b).
Die Operation erfolgt standardmäßig über einen ventralen Zugang. Sowohl der harte als auch der weiche Prolaps in lateraler und medialer Lokalisation lassen sich entfernen. Das operative Risiko ist minimal. Verletzungen der Halsgefäße, der Trachea, des Ösophagus sowie des N. recurrens oder gar des Rückmarks sind extrem selten (Abb. B-11.59 b).
Zervikale Myelopathie
Zervikale Myelopathie
Ätiologie: Es kommt zu mechanisch und ischämisch bedingten Schäden am Rückenmark (Abb. B-11.60 a).
Ätiologie: Ausgeprägte osteophytische Kantenanbauten im Bereich der Grundund Deckplatten (Osteochondrose und Spondylosis deformans) können zu einer progredienten Einengung des zervikalen Spinalkanals führen. Es kommt zu einer mechanisch bedingten Traumatisierung des Rückenmark. Ein weiterer Faktor sind passagere Ischämien durch Störungen der arteriellen Blutversorgung (Abb. B-11.60 a).
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B 11.16 Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule
B-11.58
Zervikale Spondylosis deformans
1335 B-11.58
Zervikale Myelographie mit Darstellung degenerativer Randleisten (Spondylosis deformans) im Bereich der Wirbelkörperhinterkanten HWK 3 – 5. Eindellung des Kontrastmittelbands (?) bei einer 53-jährigen Patientin mit Zervikobrachialgien rechts entsprechend der Nervenwurzel C4 und C5.
B-11.59
Zervikaler Bandscheibenvorfall
b
a
a Zervikale Kernspintomographie mit Darstellung eines zervikalen Bandscheibenvorfalls HWK 6/7 rechts (?) bei einem 42-jährigen Patienten mit Schmerzen entsprechend der Nervenwurzel C7 rechts. Sensibilitätsstörungen im Dermatom C7 rechts, Parese des M. triceps brachii und TSR-Verlust rechts. b Nach Entfernung des Bandscheibenvorfalls und ventraler Fusion mit Knochenzement (?) vollständige Rückbildung der Symptome bis auf den TSR-Verlust.
Klinik: Es finden sich Gangstörungen, Steigerung der Muskeleigenreflexe, Pyramidenbahnzeichen, Entwicklung einer Spastik, Abschwächung der Bauchhautreflexe und Sensibilitätsstörungen. Zusätzlich können radikuläre Störungen entsprechend der Schädigungshöhe auftreten.
Klinik: Es finden sich Gangstörungen, Steigerung der Muskeleigenreflexe, Pyramidenbahnzeichen, Spastik der Beine, Abschwächung der Bauchhautreflexe und Sensibilitätsstörungen.
Diagnostik: Die Bildgebung umfasst Röntgenaufnahmen und MRT. Myelographie, CT und elektrophysiologische Untersuchungen ergänzen das diagnostische Spektrum.
Diagnostik: Neben Röntgenaufnahmen und MRT kommen CT und elektrophysiologische Untersuchungen zum Einsatz.
Differenzialdiagnose: Es müssen Tumoren, Störungen im kraniospinalen Übergang und degenerative Rückenmarkerkrankungen ausgeschlossen werden.
Differenzialdiagnose: Tumoren, Störungen des kraniospinalen Übergangs und degenerative Erkrankungen sind auszuschließen.
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B 11 Neurochirurgie
B-11.60
B-11.60
Zervikale Myelopathie
Therapie: Die Therapie der Wahl ist die Operation mit Beseitigung der Enge (Abb. B-11.60 b).
Therapie: Sie ist operativ und zielt auf die Beseitigung der Enge. Über einen ventralen Zugang werden die Randzacken, nach Ausräumung des Bandscheibenraumes, abgetragen. Abschließend wird das Bewegungssegment verblockt (Knochendübel, Knochenzement) (Abb. B-11.60 b).
Prognose: Günstige Verläufe mit Rückbildung aller Störungen sind nur dann zu erreichen, wenn die Ausfälle nicht zu weit fortgeschritten sind.
Prognose: Günstige Verläufe mit Rückbildung aller Störungen sind nur dann zu erreichen, wenn die Ausfälle nicht zu weit fortgeschritten sind. Besonders wenn es sich in erster Linie um eine mechanische, weniger um eine vaskuläre Schädigung handelt.
Lumbaler Bandscheibenvorfall
Lumbaler Bandscheibenvorfall
Klinik: ■ Schmerzen: In der Regel jahrelange Rückenschmerzanamnese. In der Akutphase heftigste Kreuzschmerzen mit Ausstrahlung ins Bein, verstärkt beim Pressen.
Klinik: ■ Schmerzen: Es besteht meist eine über Jahre reichende Vorgeschichte mit rezidivierenden Schmerzen im Rücken (Lumbago, Hexenschuss). In der Akutphase kommt dann zu den äußerst starken Kreuzschmerzen die Schmerzausstrahlung ins Bein (Lumboischialgie) mit Verstärkung beim Pressen (Husten, Niesen, Stuhlgang) dazu. ■ Das Lasègue-Zeichen ist beim L5- und S1-Syndrom positiv. Der FemoralisDehnungsschmerz findet sich bei höher gelegener Wurzelschädigung. Der N. ischiadicus ist im Verlauf druckschmerzhaft (Valleix-Druckpunkte).
■
■
Neben Sensibilität, Motorik und Reflexstatus sind Lasègue-Zeichen, FemoralisDehnungsschmerz sowie die ValleixDruckpunkte zu prüfen. Alarmsymptome sind nachlassende Schmerzen, Paresen, eine fast komplette Sensibilitätsstörung oder eine Blasenentleerungsstörung (Wurzeltod).
Stadieneinteilung s. Tab. B-11.33.
■
Alarmsymptome sind das Nachlassen der Schmerzen, eine schwere Parese und eine fast komplette Sensibilitätsstörung im betroffenen Segment oder eine Blasenentleerungsstörung (Wurzeltod).
Zur Stadieneinteilung s. Tab. B-11.33.
B-11.33
B-11.33
Stadieneinteilung der Bandscheibenschädigung
Bezeichnung
Grad der Schädigung
A
■
contained disc
Protrusion, Anulus fibrosus intakt
B
■
non-contained disc I
Extrusion, Anulus fibrosus defekt, Prolaps auf Niveau des Bandscheibenfaches
■
non-contained disc II
subligamentäres Fragment (Prolaps)
■
non-contained disc III
hinteres Längsband defekt, epidurales Fragment (freier Sequester)
■
non-contained disc IV
intradurales Fragment
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B 11.16 Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule
왘 Merke. Bei Blasenstörung oder schweren motorischen Ausfällen muss notfallmäßig diagnostiziert und operiert werden.
1337 왗 Merke
Je nach Austrittsrichtung kommt es zu einer Kompression ■ des Duraschlauches mit der Cauda equina (medial), ■ der Nervenwurzel im Bereich ihres Austrittes aus dem Duraschlauch (mediolateral), ■ der Nervenwurzel im Bereich des Recessus lateralis (lateral) oder ■ der nächst höheren Nervenwurzel extraspinal am Austritt aus dem Foramen intervertebrale (extrem lateraler Prolaps-ELP, extraforaminaler Prolaps; Abb. B-11.56).
Zur Kompressionslokalisation in Abhängigkeit von der Austrittsrichtung s. Abb. B-11.56.
Diagnostik: ■ Klinische Untersuchung: Sie stützt sich auf die klassische Anamnese und den Nachweis segmentaler (radikulärer) Ausfälle der Sensibilität, Motorik und Reflexe (Abb. B-11.61).
Diagnostik: ■ Klinische Untersuchung (Abb. B-11.61).
B-11.61
Lumbale und sakrale radikuläre Syndrome und ihre Differenzialdiagnose
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B 11 Neurochirurgie
1338 ■
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Röntgenaufnahmen dienen der Dokumentation knöcherner Veränderungen und zur Operationsplanung.
Computertomographie: Sie bietet eine gute Darstellung von Dura, Nervenwurzeln und Fettgewebe (Abb. B-11.62).
Die Kernspintomographie gestattet eine sehr gute Darstellung der Weichteilstrukturen. Die Myelographie wird heute meist kombiniert mit nachfolgender CT (Myelo-CT) durchgeführt (Abb. B-11.63).
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Röntgenaufnahmen der LWS: Sie dienen der Dokumentation von Fehlhaltungen (verstrichene Lordose, Hyperlordose, Kyphoskoliose), dem Nachweis von Fehlbildungen (Übergangsstörung) und knöchernen Degenerationszeichen (Osteochondrose, spondylotischen Randzacken, Spondylarthrose, Morbus Baastrup), dem Ausschluss von Frakturen, entzündlichen oder tumorbedingten destruktiven Veränderungen und der Planung eines operativen Eingriffes. Computertomographie: Sie bietet eine gute Darstellung des Bandscheibengewebes, des Duraschlauches, der Nervenwurzeln, des epiduralen Fettgewebes und der knöchernen Strukturen. Dagegen findet sich eine schlechte Abgrenzbarkeit von Narben nach vorangegangenen Operationen und Rezidiven (Abb. B-11.62). Kernspintomographie: Sehr gute Darstellung der Weichteilstrukturen, schlechtere Darstellung der knöchernen Verhältnisse. Unterscheidung zwischen contained Disc und non-contained Disc der einzelnen Grade möglich. Myelographie: Sehr gute Darstellung einzelner Fasern der Cauda equina in ihrem intraspinalen Verlauf und möglicher Verdrängungen (Abb. B-11.63). Heute meist kombiniert mit nachfolgender CT (Myelo-CT). Wegen der Invasivität des Verfahrens heute nur noch Einsatz bei unklaren oder die klinische Symptomatik nicht erklärenden Befunden in der CT oder MRT.
B-11.62
B-11.62
CT bei lumbalem Bandscheibenvorfall Lumbales Computertomogramm mit Darstellung eines frei sequestrierten Bandscheibenvorfalls LWK5/SWK1 rechts (?) bei einem 57-jährigen Patienten mit akuter Lumboischialgie für die Nervenwurzel S1, Sensibilitätsstörungen (Hypalgesie und Hypästhesie) entsprechend dem Dermatom S1, Fußsenkerparese und ASR-Verlust.
B-11.63
Lumbaler Bandscheibenmassenprolaps
b
a
a Lumbale Myelographie mit Darstellung eines sog. Bandscheibenmassenprolaps LWK 5/SWK 1 links (?) bei einer 43-jährigen Patientin mit akuter Lumboischialgie für die Nervenwurzel S1, Sensibilitätsstörungen (Hypalgesie und Hypästhesie) entsprechend dem Dermatom S1, Fußsenkerparese und ASR-Verlust. Im Verlauf Rückbildung der Schmerzen und Entwicklung von Blasenentleerungsstörungen. Nach sofortiger Diagnostik und Operation vollständige Rückbildung aller Störungen. b Anteile des intraoperativ nachgewiesenen freien Bandscheibensequesters.
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B 11.16 Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule
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Therapie: ■ Konservative Therapie: Bei im Vordergrund stehender Schmerzsymptomatik und begleitend bei allen anderen Fällen. Sie umfasst Bettruhe mit Lagerungsbehandlung (Stufenbett), lokale Wärmeapplikation, evtl. manuelle Therapie, Massagen und Elektrotherapie. Unterstützend kommen Analgetika, Antiphlogistika (nicht-steroidale und steroidale), Myotonolytika und Sedativa sowie evtl. lokale Infiltrationen (Lokalanästhetika, Glukokortikoide) zur Anwendung. ■ Operation: Sie ist als Notfallindikation beim sog. Massenprolaps mit Kaudasymptomatik gegeben. Eine dringliche Indikation besteht bei progredienten neurologischen Ausfällen. Indiziert ist ein operatives Vorgehen bei therapieresistenten Schmerzen und fluktuierender neurologischer Symptomatik unter konservativer Behandlung.
Therapie: ■ Konservative Therapie: Sie ist immer Teil der Therapie. Sie umfasst Bettruhe, Krankengymnastik und analgetische Unterstützung.
왘 Merke. Voraussetzung für die Indikationsstellung zur Operation ist ein die klinische Symptomatik erklärender Befund in den bildgebenden Verfahren.
■
Operationsindikationen sind ein Massenvorfall mit Kaudasymptomatik, progrediente Ausfälle und Therapieresistenz.
왗 Merke
Komplikationen sind selten: Operation in falscher Höhe (v. a. bei lumbosakraler Übergangsstörung), Lagerungsschäden, Duraverletzung, Serome, Nachblutungen, Infektionen (1 – 3 %). Lebensbedrohlich kann die Verletzung intraabdomineller Gefäße sein (0,06 %).
Operationskomplikationen sind selten. Lebensbedrohlich kann die Verletzung intraabdomineller Gefäße sein (0,06 %).
Prognose: Bei 75 % aller operierten Patienten kann eine vollständige oder weitestgehende Beschwerdefreiheit mit erhaltener Arbeitsfähigkeit erreicht werden. Bei 15 % kommt es zur deutlichen Schmerzbesserung, die Arbeitsfähigkeit ist jedoch eingeschränkt. Bei 10 % der Patienten verbleiben beeinträchtigende Restbeschwerden. Bei ca. 5 % aller operierten Patienten kommt es zu einem Rezidiv (gleiche Höhe, gleiche Seite). Bei weiteren 1 – 2 % der Operierten ist mit einem neuen Bandscheibenvorfall in einer anderen Höhe zu rechnen.
Prognose: Bei 75 % aller operierten Patienten kann eine vollständige oder weitestgehende Beschwerdefreiheit mit erhaltener Arbeitsfähigkeit erreicht werden.
Lumbale Spinalkanalstenose
Lumbale Spinalkanalstenose
왘 Definition. Einengung der Weite des Spinalkanals auf unter 12 mm im medialen a.-p. Durchmesser, 4 mm im Bereich der Recessus laterales und Foramina intervertebralia und 25 mm im transversalen Durchmesser.
Ätiologie: Bei Patienten mit Lumbalkanalstenose sind die Pedikel der Wirbelbögen kurz und verdickt. Die Gelenkfacetten engen so den Wirbelkanal und die Recessus laterales ein. Ein Bandscheibenvorfall oder eine Hypertrophie des Lig. flavum können zu einer zusätzlichen Raumbeengung führen (Tab. B-11.34).
B-11.34
왗 Definition
Ätiologie: Die Pedikel der Wirbelbögen sind kurz und verdickt. Die Gelenkfacetten engen den Wirbelkanal und die Recessus laterales ein (Tab. B-11.34).
Ätiologie der lumbalen Spinalkanalstenose
kongenital
■
idiopathisch
Achondroplasie, Hypochondroplasie, Stoffwechselkrankheiten (z. B. Mukopolysaccharidosen), spinale Dysrhaphien (Meningozele, Lipome).
erworben
■
degenerativ
Spondylose, Spondylarthrose, Spondylolisthesis, Skoliose, Verknöcherung des hinteren Längsbands, Verknöcherung des Lig. flavum, intraspinale Synovialzysten.
■
postoperativ
nach Laminektomie, Fusionsoperation, postoperative Narbenbildung.
■
traumatisch
Kyphose, Skoliose, nach Wirbelkörperberstungsfraktur.
■
metabolisch
epidurale Lipomatose (Morbus Cushing), Osteoporose mit pathologischen Frakturen, Akromegalie, renale Osteodystrophie.
■
krankheitsbedingt
Morbus Paget, Morbus Bechterew, rheumatoide Arthritis u. a.
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1340 B-11.64
B 11 Neurochirurgie
B-11.64
Spinalkanalstenose
CT mit Darstellung einer hochgradigen Einengung des Spinalkanals (?) im Segment LWK 4/5 bds. Klinisch bestand bei der 73-jährigen Patientin eine Claudicatio intermittens spinalis mit einer Gehstrecke von 50 Metern. Danach starke Lumboischialgien entsprechend der Nervenwurzel L 5 beiderseits.
Klinik: Typische Symptome sind Rücken- und Beinschmerzen sowie Kraft-und Gefühllosigkeit der Beine besonders beim Gehen (Claudicatio intermittens spinalis). Die Gehstrecke ist deutlich verkürzt.
Klinik: Typische Symptome sind Rücken- und Beinschmerzen sowie Kraft- und Gefühllosigkeit der Beine, besonders auftretend beim Gehen und Laufen (Claudicatio intermittens spinalis). Promptes Nachlassen der Schmerzen in Ruhe und bei Kyphosierung der LWS. Tritt meist in höherem Lebensalter auf.
Diagnostik: Typische Beschwerdeschilderung. MRT, gelegentlich ergänzt durch Myelographie in Kombination mit der Computertomographie (Abb. B-11.64).
Diagnostik: Der Verdacht stützt sich schon auf die typische Beschwerdeschilderung. Es folgt eine exakte Darstellung des Spinalkanales im MRT. In der Myelographie kombiniert mit der CT ist die Diagnose einer funktionellen Stenose durch Anfertigung von Aufnahmen in den Funktionsstellungen sicher möglich (Abb. B-11.64).
Therapie: Wenn konservative Maßnahmen wie Ruhe, Wärmeanwendung und Analgetika nicht zum Erfolg führen, ist die Operation indiziert.
Therapie: Wenn konservative Maßnahmen wie Ruhe, Wärmeanwendung und Analgetika nicht zum Erfolg führen, ist die Operation indiziert. Bei relativer Stenose durch einen Bandscheibenprolaps genügt die Operation des Prolaps. Bei einer rezessalen Enge wird eine Entdachung der Nervenwurzel durchgeführt. Bei unilateraler Stenose ist eine Hemilaminektomie, bei hochgradigem bilateralem Befund eine beidseitige Foraminotomie evtl. in mehreren Höhen notwendig.
Prognose: In 80 % wird eine deutliche Besserung der Beinschmerzen erreicht.
Prognose: In 80 % wird eine deutliche Besserung der Beinschmerzen erreicht. Wegen der meist weiterbestehenden erheblichen degenerativen Wirbelsäulenveränderungen lassen sich die Rückenschmerzen schlechter beeinflussen.
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B 12.1 Allgemeine Grundlagen
1341
12 Transplantation
12
Transplantation
12.1 Allgemeine Grundlagen
12.1
Allgemeine Grundlagen
12.1.1 Organspende
12.1.1 Organspende
Doris Henne-Bruns Die Organspende umfasst zwei Bereiche: Zum einen die Lebendorganspende und zum anderen die Verstorbenenorganspende (Tab. B-12.1).
Organspende beinhaltet den Bereich der Lebend- wie Verstorbenenorganspende (Tab. B-12.1).
12.1.2 Lebendorganspende
12.1.2 Lebendorganspende
Eine Lebendorganspende ist grundsätzlich nur möglich bei paarigen Organen (Nieren). Segmenttransplantationen (Leber-, Pankreas-, Dünndarm- und Lungentransplantationen) werden zwar durchgeführt, sollten jedoch wegen des Risikos für den Organspender nur besonderen Indikationen vorbehalten bleiben. Entsprechend des am 1.12.1997 in Kraft getretenen Transplantationsgesetzes ist die Entnahme von Organen bei lebenden Spendern nur dann zulässig, wenn sie der Übertragung auf Verwandte ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, Verlobte oder anderen Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahe stehen, dient. Dabei wird in der derzeitigen Rechtsprechung der Begriff „offenkundig nahestehend“ eher großzügig ausgelegt. Jegliche Form der Kommerzialisierung der Organspende und -transplantation ist verboten und auch im Transplantationsgesetz mit Straf- und Bußgeldvorschriften belegt.
Eine Lebendorganspende ist nur möglich bei paarigen Organen (Nieren) oder als Segmenttransplantation (Leber, Pankreas, Dünndarm, Lunge).
Voraussetzungen für eine Lebendnierenspende sind: ■ Freiwilliger Entschluss eines Spenders zur Organspende (evtl. psychologische Evaluation): Kann diese angenommen werden und ergibt die Anamnese und körperliche Untersuchung keine Kontraindikationen (z. B. Malignome, erhöhtes Operationsrisiko, eingeschränkte Nierenfunktion, Hypertonus etc.), so kann mit der weiteren Abklärung begonnen werden. ■ Bestimmung der Blutgruppe: Liegt eine AB0-Kompatibilität vor, so erfolgt die Typisierung des HLA-A, -B und -DR sowie die Durchführung eines Crossmatch (= Kreuzprobe= Bestimmung von zytotoxischen Antikörpern im Serum des Empfängers, die gegen Lymphozyten des Spenders gerichtet sind). Der Stellenwert der HLA-Übereinstimmung wurde früher bei der Lebendnierenspende als sehr hoch bewertet. Klinische Erfahrungen aus Organübertragungen zwischen nicht verwandten Personen (z. B. Ehegatten) haben aber auch bei geringer HLA-Kompatibilität gute Resultate mit 1-Jahres-Transplantatfunktionsraten von ca. 90 % ergeben. Auch im Falle einer AB0-Inkompatibilität ist in ausgewählten Fällen unter speziellen, intensivierten immunsuppressiven Protokollen eine Lebendspende möglich.
Voraussetzungen für eine Lebendnierenspende sind: ■ Bei nachweislich freiwilligem Entschluss des Spenders und nach Ausschluss von Kontraindikationen erfolgt die weitere Abklärung. ■ Nur wenn Blutgruppenkompatibilität besteht, erfolgt die Durchführung eines Crossmatch sowie die Bestimmung der HLA-Kompatibilität. Bei AB0-Inkompatibilität ist in ausgewählten Fällen unter speziellen, intensivierten immunsuppressiven Protokollen eine Lebendspende möglich. ■ Bevorzugt wird die linke Niere bzw. die Niere mit der geringeren Anzahl versorgender Gefäße.
B-12.1
Möglichkeiten der Organspende
Form der Organspende ■
Verstorbenenorganspende
■
■ ■ ■ ■
Lebendorganspende
B-12.1
Organ ■
■
Lebendorganspenden sind nur auf Verwandte 1. und 2. Grades, Ehegatten, Verlobte oder offenkundig nahe stehende Personen zulässig. Dieser Begriff wird in der derzeitigen Rechtsprechung eher großzügig ausgelegt.
■ ■ ■ ■ ■
Niere Leber Pankreas Herz Lunge Dünndarm Niere Lebersegment Pankreasschwanz Dünndarmsegment Lungensegment
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1342
B 12 Transplantation
■
12.1.3 Verstorbenenorganspende
왘 Merke
Eine Verstorbenenorganspende ist nur möglich, wenn der Hirntod festgestellt wurde und eine Einverständniserklärung (vom Verstorbenen oder eines Angehörigen) vorliegt. 왘 Klinischer Fall
12.1.4 Hirntod
왘 Definition
Bevorzugt wird bei Lebendnierenspenden die linke Niere, da auf der linken Seite die Gefäße (Arterie und Vene) länger sind. Sollte die linke Niere über mehrere Arterien versorgt werden, wird die Niere mit möglichst nur einer Arterie bzw. der geringeren Anzahl versorgender Gefäße gewählt.
12.1.3 Verstorbenenorganspende 왘 Merke. Der Tod eines Menschen mit der nachfolgenden Möglichkeit, Organe zu spenden ist mit der besonderen Konstellation verbunden, dass der Tod bei noch künstlich aufrechterhaltener Herz-Kreislauf-Funktion (Hirntod) eintritt.
Eine Organspende ist nur dann möglich, wenn der Hirntod festgestellt wurde und eine Einverständniserklärung entweder von dem Verstorbenen selbst in Form eines Organspendeausweises oder durch Einwilligung seiner Angehörigen (im Sinne des Verstorbenen) vorliegt. 왘 Klinischer Fall. Ein Patient wird mit schwerer Schädel-Hirn-Verletzung stationär aufgenommen. Neben sofort einsetzenden intensivmedizinischen Maßnahmen erfolgt die Diagnostik hinsichtlich seiner Verletzungen. Anschließend werden weiterführende Behandlungsmaßnahmen wie z. B. Operationen unter Fortführung der intensivmedizinischen Betreuung durchgeführt. Im weiteren Verlauf treten unter den intensivmedizinischen Behandlungsmaßnahmen klinische Zeichen auf (z. B. weite, lichtstarre Pupillen), die einen vollständigen und irreversiblen Ausfall aller Gehirnfunktionen vermuten lassen. Hierauf erfolgt die Diagnostik bezüglich des eingetretenen Hirntodes.
12.1.4 Hirntod 왘 Definition. Der Hirntod ist definiert als der vollständige und irreversible Aus-
fall aller Gehirnfunktionen (Großhirn, Kleinhirn, Hirnstamm) bei einer unter kontrollierter Beatmung noch künstlich aufrechterhaltenen Herz-KreislaufFunktion. Der Hirntod wird gleichgesetzt mit dem Tod des Menschen. Die Feststellung des Hirntodes (Abb. B-12.1) erfolgt unter: 1. exakter Einhaltung der Voraussetzungen 2. Feststellung der klinischen Symptome 3. Nachweis der Irreversibilität des Hirnfunktionsverlustes.
Die Feststellung des Hirntodes erfolgt nach den von der Bundesärztekammer 1982 erstmalig herausgegebenen und immer wieder aktualisierten Richtlinien (siehe www.baek.de), die 3 Bereiche umfassen (Abb. B-12.1): 1. exakte Einhaltung der Voraussetzungen 2. Feststellung der klinischen Symptome von Koma, Hirnstammareflexie und Atemstillstand 3. Nachweis der Irreversibilität des Hirnfunktionsverlustes.
Ad 1: Voraussetzung ist das Vorliegen einer schweren primären oder sekundären Hirnschädigung.
Ad 1: Voraussetzung ist das Vorliegen einer akuten, schweren primären (z. B. traumatisch bedingte Blutung, Aneurysmablutung) oder sekundären (z. B. Zustand nach Reanimation mit längerfristiger Hypoxie) Hirnschädigung unter Ausschluss von Intoxikationen, einer neuromuskulären Blockade, Unterkühlung, eines endokrinen oder metabolischen Komas.
Ad 2: Maßgebliche klinische Symptome sind: Koma, lichtstarre Pupillen, Fehlen sämtlicher Hirnstammreflexe sowie Ausfall der Spontanatmung.
Ad 2: Die maßgeblichen klinischen Symptome des Ausfalls der Hirnfunktion sind: Bewusstlosigkeit (Koma), weite lichtstarre Pupillen (Ausschluss der Gabe eines Mydriatikums!), Fehlen der Hirnstammreflexe wie okulozephaler Reflex, Kornealreflex, Pharyngealreflex, fehlende Reaktionen auf Schmerzreiz im Trigeminusbereich usw. sowie Ausfall der Spontanatmung.
왘 Merke
왘 Merke. Das Vorliegen all dieser Befunde muss übereinstimmend von zwei erfahrenen Untersuchern, die unabhängig von einem Transplantationsteam sind, festgestellt und dokumentiert werden. Zur Feststellung der Irreversibilität des Hirnfunktionsverlustes sind entweder eine weitere klinische Beobachtungszeit (s. ad 3) oder ergänzende Befunde notwendig.
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B 12.1 Allgemeine Grundlagen
B-12.1
Hirntoddiagnostik
Ad 3: Als ergänzende Befunde gelten: Das Null-Linien-EEG oder das Erlöschen der evozierten Potenziale oder der angiographische Nachweis eines intrazerebralen Zirkulationsstillstands oder der transkranielle dopplersonographische Nachweis des intrazerebralen Zirkulationsstillstands. Für die Durchführung und Befundung der genannten Untersuchungen gelten jeweils spezielle Kriterien, die eingehalten und dokumentiert werden müssen. Liegen keine ergänzenden Untersuchungen vor, müssen die unter 2. genannten Ausfallsymptome beim Erwachsenen und das Vorliegen einer primären Hirnschädigung über mindestens 12 Stunden nachgewiesen werden. Bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern sowie vorliegender sekundärer Hirnschädigung muss ein längerer Nachweis der unter 2. genannten Befunde (bis zu 3 Tagen) erbracht werden. Zudem muss die Hirntoddiagnostik bei normaler Körpertemperatur (Normothermie) durchgeführt werden. Da der Zeitpunkt des Todeseintritts retrospektiv nicht eindeutig feststellbar ist, wird der Zeitpunkt, zu welchem die endgültigen diagnostischen Feststellungen getroffen werden, als Todeszeitpunkt dokumentiert.
1343 B-12.1
Ad 3: Ergänzende Befunde sind: Null-LinienEEG, angiographischer oder transkranieller dopplersonographischer Nachweis des intrazerebralen Zirkulationsstillstands.
Liegen keine ergänzenden Befunde vor, sind die klinischen Symptome über einen definierten Zeitraum nachzuweisen, welcher von der Primärdiagnose und dem Alter des Patienten abhängig ist.
Die Hirntoddiagnostik muss zudem bei normaler Körpertemperatur durchgeführt werden. Der Abschluss der Hirntoddiagnostik wird als Todeszeitpunkt dokumentiert.
12.1.5 Rechtliche Aspekte
12.1.5 Rechtliche Aspekte
In Deutschland existiert seit dem 1.12.1997 ein Transplantationsgesetz, das alle Bereiche, die im Zusammenhang mit der Entnahme und Übertragung von menschlichen Organen und Geweben stehen, regelt. Das Gesetz beinhaltet die in Tab. B-12.2 aufgeführten Abschnitte.
Das Transplantationsgesetz regelt alle Bereiche, die in Zusammenhang mit der Entnahme und Übertragung von menschlichen Organen und Geweben stehen Tab. B-12.2.
B-12.2 ■
■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
Inhalte des Transplantationsgesetzes vom 1.12.1997
B-12.2
Allgemeine Vorschriften (z. B. Anwendungsbereich, Aufklärung, Organspenderausweis etc.) Organentnahme bei toten Organspendern Organentnahme bei lebenden Organspendern Entnahme, Vermittlung und Übertragung bestimmter Organe Meldungen, Datenschutz, Fristen etc. Verbotsvorschriften Straf- und Bußgeldvorschriften Schlussvorschriften
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1344
B 12 Transplantation
12.1.6 Organisation der Organspende und
12.1.6 Organisation der Organspende und Organtransplantation
Organtransplantation Eurotransplant in Leiden ist die Organisationszentrale aller Transplantationszentren Deutschlands, der Beneluxstaaten, Sloweniens und Österreichs.
Den organisatorischen Ablauf bei einer Organspendermeldung zeigt Abb. B-12.2. Das den Organspender betreuende Krankenhaus verständigt nach abgeschlossener Hirntoddiagnostik und vorliegender Einverständniserklärung die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO). Nach Überprüfung der gemeldeten Daten erfolgt der Ausschluss absoluter Kontraindikationen durch das Transplantationszentrum. Diese sind für eine Organspende: Maligne Erkrankungen und manifeste Infektionen (bakteriell, viral). Organspezifische Vorerkrankungen müssen zusätzlich vor jeder Spende ausgeschlossen werden.
B-12.2
Eurotransplant (www.eurotransplant.nl) mit Sitz in Leiden (Niederlande) ist die gemeinsame Organisationszentrale aller Transplantationszentren Deutschlands, der Beneluxstaaten, Sloweniens und Österreichs. In dieser Organisationszentrale werden alle Patienten registriert, die eine Organtransplantation erwarten. Bei der Anmeldung werden Daten wie Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht, Blutgruppe, HLA-Typisierung, Grunderkrankung und Dringlichkeit der Transplantation erfasst und die Patienten dann in die Warteliste aufgenommen. Im Falle einer Organspendermeldung aus einem Krankenhaus im Eurotransplantbereich ergibt sich folgende Organisationskette (Abb. B-12.2): Das den Organspender betreuende Krankenhaus verständigt nach abgeschlossener Hirntoddiagnostik und vorliegender Einverständniserklärung die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO; www.dso.de). Manche Bundesländer setzen hier auch auf Transplantationsbeauftragte, die eine Optimierung der Spendermeldung und der Meldeabläufe bewirken sollen. Nach Überprüfung der gemeldeten Daten bezüglich der Hirntoddiagnostik veranlasst das Transplantationszentrum dann weitere Untersuchungen zum Ausschluss absoluter Kontraindikationen. Hierzu gehören z. B. der serologische Ausschluss einer aktiven Hepatitis-B-/Hepatitis-C- oder HIV-Infektion. Weiterhin sind maligne Erkrankungen (Ausnahme: Maligne Hirntumoren) oder schwere bakterielle oder virale Infektionen (z. B. Tuberkulose usw.) absolute Kontraindikationen für eine Organspende. Ferner sind organspezifische Vorerkrankungen wie chronischer Alkoholabusus für die Leberspende, chronische Nierenerkrankungen für die Nierenspende oder chronische Pankreatitis für die Pankreasspende usw. auszuschließen. Nach Abschluss evtl. notwendiger zusätzlicher Untersuchungen werden alle Daten bezüglich Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht, Diagnose, Anamnese, Labor-
B-12.2
Organisationskette der Organspende
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B 12.1 Allgemeine Grundlagen
werte und spezielle Untersuchungsergebnisse von dem Transplantationszentrum an Eurotransplant übermittelt. Entsprechend der vorhandenen Daten und der Dringlichkeit werden von Eurotransplant die AB0-kompatiblen Empfänger für eine Leber-, Herz- oder Lungentransplantation ermittelt und die betreuenden Transplantationszentren benachrichtigt. In Absprache mit der DSO führen diese nach Abstimmung eines genauen Zeitplans unter Beteiligung des lokalen Transplantationszentrums im Spenderkrankenhaus gemeinsam die Organspendeoperation durch und im Anschluss daran in den jeweiligen Zentren die Organtransplantation. Die Vermittlung der entnommenen Nieren erfolgt erst nach Abschluss der HLA-Typisierung, da im Unterschied zu anderen Organen (Herz, Leber, Lunge) Abstoßungsreaktionen häufiger bei fehlender HLA-Kompatibilität auftreten. Ist das HLA-Muster bekannt, werden von Eurotransplant die Empfänger mit der besten Kompatibilität (AB0 und HLA) ermittelt (wobei die Auswahl der Empfänger unter Berücksichtigung der Wartezeit und Dringlichkeit erfolgt), die betreuenden Transplantationszentren verständigt und die Nieren den jeweiligen Zentren übersandt.
1345
Die Vermittlung von Herz, Lunge und Leber erfolgt AB0-kompatibel nach klinischen Daten und Dringlichkeit.
Die Vermittlung der Nieren erfolgt AB0-kompatibel erst nach HLA-Testung an die Empfänger mit der besten HLA-Kompatibilität, unter Berücksichtigung der Wartezeit und Dringlichkeit.
12.1.7 Organspendeoperation
12.1.7 Organspendeoperation
Das Prinzip der Organspendeoperation besteht darin, die zu entnehmenden Organe möglichst schonend mit einer Konservierungslösung zu perfundieren und gleichzeitig zur Verringerung der Stoffwechselleistung zu kühlen. Für die abdominellen Organe erfolgt diese Perfusion durch Einbringen eines großlumigen Katheters in die Aorta proximal der Iliakalgefäße, welche unterbunden werden. Mit Beginn der Perfusion einer 4 °C kalten Lösung wird die Aorta proximal des Truncus coeliacus abgeklemmt, die distale V. cava eröffnet und Blut und Perfusat abgesaugt. Für die Konservierung einer Leber wird zum Teil noch zusätzlich ein Perfusionskatheter in die Pfortader eingebracht. Für eine Herzentnahme wird zusätzlich die intrathorakale Aorta kanüliert. Über die Aorta/Pfortader gelangt über die versorgenden Gefäße die Perfusionslösung in die jeweiligen Organe, die 1. erythrozytenfrei gespült werden (Vermeidung von Thromben), 2. gekühlt werden und 3. mit Substrat (Elektrolyte, Glukose usw.) versorgt werden. Im Anschluss an die Perfusion erfolgt die Entnahme der Organe mit ihren jeweiligen Gefäßzu- und abflüssen mit anschließender Lagerung der Organe in der Perfusionslösung bis zur Implantation.
Vor der Entnahme von Spenderorganen werden diese während der Operation mit einer Konservierungslösung perfundiert. Die Perfusion der Organe erfolgt über die versorgenden Gefäße (z. B. Aorta und ggf. Pfortader) für Nieren, Leber und Pankreas.
12.1.8 Gewebespende
12.1.8 Gewebespende
Eine Gewebespende von Kornea, Herzklappen und Gehörknöchelchen ist grundsätzlich bei allen Verstorbenen möglich, sofern eine Einverständniserklärung vorliegt und keine absoluten Kontraindikationen (z. B. Malignome, HIVInfektion, Hepatitis) zur Organspende bestehen.
Diese ist bei vorliegender Einverständniserklärung und Ausschluss absoluter Kontraindikationen bis zu 72 h post mortem (HerzKreislauf-Stillstand) möglich.
왘 Merke. Eine Gewebespende kann auch noch Stunden nach eingetretenem
Die Perfusion dient der Freispülung von Erythrozyten (Thrombenbildung), der Substratzufuhr sowie der Kühlung (Stoffwechselreduktion). Nach der Perfusion erfolgt die Organentnahme mit anschließender Lagerung in der Perfusionslösung bis zur Implantation.
왗 Merke
Herz-Kreislauf-Stillstand erfolgen, da Kornea, Herzklappen und Gehörknöchelchen auch nach einer längeren Hypoxie nicht nekrotisch werden.
B-12.3 ■ ■ ■ ■ ■
Maximale (als tolerabel geltende) Konservierungszeiten
Herztransplantate Lungentransplantate Pankreastransplantate Lebertransplantate Nierentransplantate
bis bis bis bis bis
B-12.3
4 Stunden 6 Stunden 12 Stunden 18 Stunden 36 Stunden
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1346
B 12 Transplantation
Hornhaut und Gehörknöchelchen können bis zu 72 Stunden, Herzklappen bis zu 24 Stunden post mortem entnommen werden. Bei der DSO-G (neue Untereinheit der DSO) können Kliniken und Hausärzte einen Gewebespender melden.
Die Entnahme des gespendeten Gewebes (Hornhaut und Gehörknöchelchen) kann bis zu 72 Stunden (Herzklappen bis zu 24 h) nach Eintritt des Herz-Kreislauf-Stillstands erfolgen. Bei der DSO-G, einer neu geschaffenen Untereinheit der DSO können Kliniken und Hausärzte einen Gewebespender melden, woraufhin die Organisation der Gewebespende von den jeweiligen Zentren übernommen wird.
12.2
Transplantationsimmunologie
12.2 Transplantationsimmunologie Jens Mayer, Heike Kraemer-Hansen
왘 Definition
왘 Definition. Unter chirurgischer Organtransplantation versteht man die Ver-
pflanzung von Organen oder Organverbänden, die durch Gefäßanastomosen an den Kreislauf des Empfängers angeschlossen werden und die Funktion des jeweils terminal insuffizienten Organs übernehmen. Bei der therapeutischen Übertragung parenchymatöser Organe handelt es sich um allogene Transplantationen, d. h. Spender und Empfänger sind genetisch differente Individuen.
Bei der therapeutischen Übertragung parenchymatöser Organe handelt es sich um allogene Transplantationen, d. h. Spender und Empfänger sind genetisch differente Individuen. Eine Ausnahme stellt die syngene Nierentransplantation zwischen eineiigen Zwillingen dar. Bei Allotransplantation besteht zwischen Spender und Empfänger stets eine mehr oder weniger ausgeprägte Antigendifferenz (Abb. B-12.3).
12.2.1 Transplantationsantigene
12.2.1 Transplantationsantigene
Transplantations-(Allo-, Histokompatibilitäts-)antigene sind beim Menschen auf dem kurzen Arm des Chromosoms 6 kodiert (sog. HLA-Komplex). Innerhalb des HLA-Komplexes werden Klasse-I- und Klasse-II-Antigene unterschieden.
Transplantationsantigene, auch Allo- oder Histokompatibilitätsantigene genannt, sind beim Menschen von einer Gengruppe kodiert, die auf dem kurzen Arm des Chromosoms 6 liegen, dem sog. HLA-Komplex (HLA= humane Leukozytenantigene). Innerhalb des HLA-Komplexes unterscheidet man die Genorte HLA-A, -B und -C (HLA-Klasse-I-Antigene) und die Genorte HLA-DR, -DQ und -DP (HLA-Klasse-II-Antigene). Die Genprodukte sind Glykoproteine, die in der Zytoplasmamembran verankert sind.
B-12.3
Organtransplantation
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B 12.2 Transplantationsimmunologie
1347
HLA- Antigene der Klasse-I sind auf der Zelloberfläche aller kernhaltigen Organund Blutzellen vorhanden, die Antigene der Klasse II befinden sich dagegen nur auf sog. dendritischen Zellen, wie Makrophagen und aktivierten T- und B-Lymphozyten (Ⳏ Zellen des lymphoretikulären Systems). Die große Vielzahl möglicher HLA-Merkmale in wechselnden Kombinationen bedingt, dass die meisten Menschen untereinander HLA-different sind. Für die immungenetische Spenderauswahl sind die HLA-A-, HLA-B- und HLA-DR-Merkmale transplantationsrelevant. Als Transplantationsantigene wirksam sind auch die Blutgruppenmerkmale (AB0-System). Außerdem spielen noch zahlreiche polymorphe Zellmembranmoleküle für die Differenz zwischen Empfänger und Spender eine Rolle.
Klasse-I-Antigene sind auf allen kernhaltigen Organ- und Blutzellen, Klasse-II-Antigene dagegen nur auf Makrophagen und aktivierten T- und B-Lymphozyten vorhanden. Für die immungenetische Spenderauswahl sind die HLA-A-, HLA-B- und HLA-DR-Merkmale transplantationsrelevant.
왘 Merke. Trotz vollständiger HLA-Kompatibilität besteht zwischen 2 Indivi-
Als Transplantationsantigene wirksam sind auch die Blutgruppenmerkmale (AB0-System). 왗 Merke
duen stets eine Histoinkompatibilität, die eine immunsuppressive Therapie des Organempfängers notwendig macht.
12.2.2 Immunantwort gegen Alloantigene
12.2.2 Immunantwort gegen Alloantigene
Für die Intensität der Immunantwort und damit auch für die Abstoßungsreaktion sind hauptsächlich HLA-Antigene der Klasse II und untergeordnet der Klasse I verantwortlich. Die Abstoßung beruht auf der Erkennung der fremden Antigene des Transplantats durch die Zellen des Empfängerimmunsystems (= host versus graft reaction). Für die sehr komplexe Immunreaktion spielt die sog. Antigenpräsentation durch Makrophagen des Empfängers eine wesentliche Rolle. Die Zerstörung des Transplantats (Abstoßung, Rejektion) erfolgt überwiegend durch sensibilisierte Lymphozyten (zelluläre Immunreaktion) und/oder durch Antikörper (humorale Immunantwort) (Abb. B-12.4) und (Abb. B-12.5).
HLA-Antigene der Klasse-I-, besonders aber der Klasse-II sind für die Abstoßungsreaktionen verantwortlich. Diese beruht auf Erkennung der fremden Transplantatsantigene durch die Zellen des Empfängerimmunsystems (= host versus graft reaction), die diesem durch Makrophagen präsentiert werden (s. Abb. B-12.4 und Abb. B-12.5).
B-12.4
Abstoßungsreaktion bei allogener Transplantation Die Zellbalken im unteren Teil der Abbildung repräsentieren das Transplantat, aus dem Antigene in das Immunsystem gelangen (afferente Phase) und dort die Bildung von Antikörpern (humorale Immunreaktion) und von sensibilisierten T-Zellen (zelluläre Immunreaktion) auslösen (zentrale Phase). Antikörper und sensibilisierte T-Zellen verlassen das Immunsystem und gelangen auf dem Blutweg in das Transplantat (efferente Phase). Nach Bindung an die Transplantationsantigene kommt es teilweise zu einer direkten Schädigung der Transplantatzellen, darüber hinaus auch zur Auslösung einer unspezifischen Entzündungsreaktion (vermittelt durch Komplementaktivierung oder aus Lymphozyten freigesetzten Lymphokinen = periphere Phase der Abstoßung). Die Zerstörung des Transplantats beruht auf einem Zusammenspiel der direkten Wirkungen von Antikörpern, der T-Zellen und von unspezifischen Entzündungsreaktionen.
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1348 B-12.5
B 12 Transplantation
Lymphozytenaktivierung durch die Spender-HLA-Antigene und Angriffspunkte von Immunsuppressiva
ICAM-1 oder ICAM-2 (intracellular adhesion molecules) und LFA-1, respektive LFA-3 (leukocyte family of adhesion molecules) müssen eine gegenseitige Bindung eingehen, um die zytotoxische Aktivität zur Zerstörung der von einer T-Zelle gebundenen Zielzelle einzuleiten. mTOR-Inhibitoren (Sirolimus, Everolimus) verursachen einen G1 Arrest und blockieren so den Zellzyklus. Zudem reduzieren sie über die S70P6 Kinase die Proteinbiosynthese und damit die Expression von Zytokinen. Glukokortikoide hemmen die Aktivierung von akzessorischen Zellen, indem sie die Transkription des IL-1-Gens und des IL-6-Gens blockieren. CSA (Ciclosporin A) und TAC (Tacrolimus) wirken im Verlauf der T-Zell-Aktivierung weiter distal als die Glukokortikoide; CSA und TAC hemmen vorwiegend die Produktion und Freisetzung von IL-2 und hemmen vor allem die T-Helferzellen und zytotoxischen T-Zellen, weniger die T-Suppressorzellen. Antimetabolite (Azathioprin, Mycophenolatmofetil) hemmen die T-Zell-Aktivierung im Stadium der Proliferation, in der Aktivierungskaskade somit distaler als die Glukokortikoide, CSA und TAC. Polyklonale Antikörper (ALG/ATC) sind mit einem kleinen Anteil (5 %) gegen lymphatisches Gewebe gerichtet; der Hauptanteil geht je nach Präparation in unterschiedlichem Ausmaß unspezifische Bindungen ein. Die polyklonalen Antikörper binden auch an T- und B-Zellen und Makrophagen. Der monoklonale Antikörper OKT3 bindet spezifisch an den konstanten Teil des T-Zell-Rezeptor-Komplexes (TCR/CD3) und blockiert die transmembranöse Signalübertragung. Basiliximab ist ein chimärer (humaner und muriner Anteil) monoklonaler Antikörper, der die Bindung von IL-2 an die α-Kette des IL-2-Rezeptors blockiert. (■■■ = Blockierung). TA = aktivierte T-Zelle TCR = T-Zellrezeptor M∅ = Makrophage TC = zytotoxische T-Zelle TH = T-Helferzelle NK = natürliche Killerzelle
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B 12.2 Transplantationsimmunologie
1349
Erkennungsphase
Erkennungsphase
Im Rahmen der Erkennungs- oder afferenten Phase der Immunreaktion werden die inkompatiblen löslichen Alloantigene von Makrophagen des Empfängers oder durch mit dem Transplantat übertragene Zellen des Spenders aufgenommen, bilden einen Antigen-Antikörper-Komplex auf der Zellmembran, gelangen auf dem Lymph- oder Blutweg ins lymphatische Gewebe und aktivieren dort als Antigen präsentierende Zellen T- und B-Lymphozyten, die spezifische Rezeptoren für die fremden Antigene besitzen. Die Klasse-II-Antigen tragenden Zellen des Spenders aktivieren direkt die Lymphozyten des Empfängers, sie repräsentieren ihr Antigen selbst.
Während der Erkennungs- oder afferenten Phase der Immunreaktion gelangen inkompatible Transplantationsantigene auf dem Lymph- oder Blutweg ins lymphatische Gewebe und aktivieren dort T- und B-Zellen, die spezifische Rezeptoren für fremde Antigene besitzen.
Proliferationsphase
Proliferationsphase
Sie wird auch als zentrale Phase der Immunreaktion bezeichnet; es finden vielfältige Aktivierungs-, Proliferations- und Differenzierungsprozesse statt. Durch komplexe Interaktionen verschiedener antigenaktivierter Lymphozytengruppen (T-Helferzellen, zytotoxische T-Zellen, T-Suppressorzellen) kommt es zur Bildung von T-Effektorzellen. Aktivierte T-Helferzellen beeinflussen weitere Lymphozytenpopulationen, so die B-Lymphozyten, welche die Vorläufer Antigen produzierender Plasmazellen sind.
Während der Proliferations- oder auch zentralen Phase der Immunreaktion finden vielfältige Aktivierungs-, Proliferations- und Differenzierungsprozesse statt, es kommt zur Bildung von T-Effektorzellen und Antikörper bildenden Plasmazellen.
Zerstörungsphase
Zerstörungsphase
Während der Zerstörungs- oder auch efferenten Phase kommt es zur Destruktion des Transplantats durch die vorwiegend zellulär vermittelten Reaktionen.
Während der Zerstörungs- oder efferenten Phase wird das Transplantat durch T-Zellvermittlung zerstört. Zelluläre Immunantwort
Zelluläre Immunantwort Aktivierte T-Lymphozyten können über direkte zytolytische Wirkung das Transplantat schädigen. Außerdem vermögen sie, durch Freisetzung von Lymphokinen (insbesondere Interleukin II) nicht sensibilisierte Lymphozyten zu aktivieren oder durch Expression von löslichen Faktoren wie γ-Interferon und chemotaktische Mediatorsubstanzen andere Entzündungszellen wie Makrophagen/Monozyten und Granulozyten so zu modulieren, dass auch sie im Sinne einer verzögerten Reaktion zur Transplantatrejektion beitragen.
Aktivierte T-Lymphozyten schädigen das Transplantat direkt über zytolytische Wirkung. Expression von γ-Interferon führt zur Aktivierung von Makrophagen und Monozyten, die ebenfalls zur Rejektion beitragen.
Humorale Immunantwort
Humorale Immunantwort
Sensibilisierte B-Lymphozyten reifen zu Plasmazellen heran, die antigenspezifische Antikörper (Immunglobuline) produzieren. Unter Komplementaktivierung, nach Bindung an die Transplantatzellen, wirken diese Antikörper direkt zytolytisch. Eine indirekte zytotoxische Wirkung üben die Antikörper auf die Transplantatzellen über Bindung an Killerlymphozyten (NK-Zellen) oder an Makrophagen. Dieser Vorgang wird als antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität bezeichnet.
Sensibilisierte B-Lymphozyten reifen zu AK (Immunglobuline) produzierenden Plasmazellen heran. Unter Komplementaktivierung, nach Bindung an Transplantatzellen, wirken diese AK direkt zytolytisch sowie indirekt zytotoxisch (= antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität).
Unspezifische Entzündungsreaktion
Unspezifische Entzündungsreaktion
Ins Transplantat eingewanderte Makrophagen, Monozyten und Granulozyten schädigen dieses im Rahmen einer unspezifischen Entzündungsreaktion und führen zu erhöhter Gefäßpermeabilität. Endothelzellen setzen nicht immunologische Faktoren wie proteolytische Enzyme und vasoaktive Substanzen frei, die über Vasospasmus und lokal gesteigerte Gerinnung zu Thrombosierungen kleiner und mittlerer Transplantatgefäße führen mit der Folge des Transplantatfunktionsverlustes. Nach Ende dieser Effektorphase werden T-Lymphozyten aktiviert, welche die immunologischen Vorgänge wieder unterdrücken durch sog. T-Suppressorzellen. Dieser Vorgang wird als Downregulation bezeichnet. Im Transplantatempfänger verbliebene sensibilisierte Lymphozyten funktionieren als Gedächtniszellen (memory-cells).
Diese wird durch ins Transplantat eingewanderte Makrophagen, Monozyten und Granulozyten ausgelöst. Vasospasmus und lokale Gerinnung führen zur Thrombosierung kleiner und mittlerer Gefäße und zum Transplantatfunktionsverlust.
Nach der Effektorphase werden die immunologischen Vorgänge durch T-Suppressorzellen unterdrückt (Downregulation). Im Transplantat verbliebene sensibilisierte Lymphozyten funktionieren als Gedächtniszellen (memory-cells).
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1350
B 12 Transplantation
12.2.3 Arten der Transplantatabstoßung
12.2.3 Arten der Transplantatabstoßung
Klinisch lassen sich verschiedene Rejektionsformen unterscheiden.
Mit immunsuppressiver Therapie lässt sich bei vielen Patienten eine Abstoßungsreaktion meist erfolgreich kontrollieren. Kommt es trotz Immunsuppression zu Rejektionen, sind klinisch verschiedene Formen zu unterscheiden.
Hyperakute Abstoßung
Hyperakute Abstoßung
Sie stellt im Wesentlichen die Rejektion nach xenogener Transplantation dar. Bei Allotransplantation ist sie selten. Ursächlich kommen präformierte Antikörper nach früherer Sensibilisierung in Betracht. Klinisch tritt die hyperakute Rejektion meist noch während der Operation ein. Durch intravasale Gerinnung ist das Organ irreversibel in seiner Funktion zerstört.
Sie stellt im Wesentlichen die Rejektionsform nach xenogener Transplantation dar (Transplantation zwischen Individuen verschiedener Spezies, z. B. Schwein/ Mensch). Bei der allogenen Transplantation ist die hyperakute Abstoßung selten. Ursächlich kommen präformierte (zytotoxische) natürliche Antikörper in Betracht. Sie entstehen infolge früherer Sensibilisierung durch Transplantationen, aber auch nach Schwangerschaften oder Bluttransfusionen. Klinisch tritt die hyperakute Rejektion meist noch während der Operation ein, und zwar sofort nach Eröffnung der Gefäßanastomosen. Das Organ ist durch intravasale Gerinnung bis zur vollständigen Thrombosierung aller Gefäße irreversibel in seiner Funktion zerstört und muss wieder entfernt werden.
Akute Abstoßung
Akute Abstoßung
Die akute Abstoßung ist die häufigste Form der Rejektion. Sie ist überwiegend T-Zellvermittelt.
Sie ist überwiegend T-Zell-vermittelt und stellt in den ersten Monaten nach Transplantation die häufigste Form der Rejektionen dar. Typische klinische Zeichen sind Schwellung des Transplantats, Schmerzhaftigkeit des Transplantatbetts, Fieber und Funktionsverschlechterung. Die akute Abstoßungsreaktion ist in der Regel durch erhöhte Immunsuppression (s. Abstoßungstherapie) gut beherrschbar.
Chronische Abstoßung
Chronische Abstoßung
Kontinuierliche zelluläre und humorale Abstoßungsmechanismen führen zu langsam progredienter Funktionseinschränkung des Transplantats.
Sie ist im Gegensatz zur akuten Rejektion fast nicht therapierbar und gestaltet sich so zum wichtigsten Langzeitproblem aller Transplantatempfänger. Fortgesetzte zelluläre und humorale Abstoßungsmechanismen führen zur Gefäßobliteration, zu Fibrose des Parenchyms und langsam progredienter Funktionseinschränkung des Transplantats.
Akute humorale Abstoßung
Akute humorale Abstoßung
Sie ist antikörpervermittelt und wird durch B-Zellaktivierung ausgelöst; sie verläuft meist rasch und ist häufig therapierefraktär.
Sie wird durch B-Zellaktivierung ausgelöst, die über Antikörper produzierende Plasmazellen unter Komplementaktivierung die Transplantatzellen zerstören. Die humorale Rejektion verläuft meist sehr rasch und ist häufig therapierefraktär.
Reverse Transplantatreaktion (GVH)
Reverse Transplantatreaktion (GVH)
Die Graft-versus-Host-Reaktion wird durch übertragene Knochenmarkstammzellen ausgelöst, die gegen Gewebe des Empfängers reagieren. Bei Therapieresistenz führt diese immunologische Reaktion zum Tode.
Das Immunsystem des Empfängers reagiert gegen das Allotransplantat mit einer Abstoßungsreaktion (host versus graft). Bei der allogenen Knochenmarktransplantation dagegen können übertragene Knochenmarkstammzellen gegen Gewebe des Empfängers reagieren und das Bild der Graft-versus-Host-Reaktion induzieren mit Schädigung vieler Organe. Diese immunologische Reaktion führt bei Therapieresistenz unter dem Bild des „Wasting-Syndroms“ (Spleno- und Hepatomegalie, entzündlich degenerative Hauterkrankungen, Haarausfall, Kachexie) zum Tode.
12.2.4 Immunsuppression
12.2.4 Immunsuppression
Jedes transplantierte Organ unterliegt einer Abstoßungsreaktion (am stärksten bei Knochenmark-, am schwächsten bei Lebertransplantation).
Jedes transplantierte Organ unterliegt einer Abstoßungsreaktion. Sie ist je nach Organ unterschiedlich heftig ausgeprägt, am stärksten bei der Knochenmarktransplantation, weniger stark bei Nieren-, Pankreas-, Herz- und Lungen-, am schwächsten bei der Lebertransplantation. Zum Erhalt des transplantierten Organs ist eine immunsuppressive Therapie notwendig, um die Immunantwort des Empfängers gegen die Transplantationsantigene des Spenderorgans dauerhaft zu unterdrücken. Grundsätzlich wird zwischen einer Basisimmunsuppression (Induktions- und Erhaltungstherapie) und einer Antirejektionstherapie (Behandlung der Abstoßungskrise) unterschieden.
Zum Erhalt des transplantierten Organs ist eine immunsuppressive Dauertherapie notwendig. Man unterscheidet eine Basisimmunsuppression und eine Antirejektionstherapie.
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B 12.2 Transplantationsimmunologie
1351
Induktionstherapie
Induktionstherapie
Sie ist die (relativ hoch dosierte) immunsuppressive Behandlung der perioperativen Phase, erstreckt sich auf die ersten etwa 6 postoperativen Wochen und wird entsprechend zentrumseigenem Behandlungsplan oder nach empfängerund transplantatspezifischen Risikofaktoren häufig als 4- oder 3-Medikamententherapie (Quadrupel- oder Tripeltherapie) durchgeführt.
Während der ersten etwa 6 postoperativen Wochen wird die (relativ hoch dosierte) immunsuppressive Behandlung häufig als Quadrupel- oder Tripeltherapie durchgeführt.
Erhaltungstherapie
Erhaltungstherapie
Die Immunsuppression der perioperativen Phase wird schrittweise reduziert bis hin zur Erhaltungstherapie. Diese ist die mit verminderter Dosis der jeweiligen Pharmaka durchgeführte immunsuppressive Dauertherapie, die ab etwa dem 6. bis 12. Monat nach Transplantation angepasst an die individuelle Risikosituation des betreffenden Organempfängers durchgeführt wird. Überwiegend kommt eine 2-Medikamentenbehandlung (Dualtherapie) zur Anwendung. In vielen Zentren ist heute eine Tripeltherapie üblich (jedes einzelne Immunsuppressivum kann in niedrigerer Dosis verabreicht werden als bei 2fach- oder Monotherapie), um die medikamenteninduzierten Nebenwirkungen zu mindern. Eine Monotherapie wird nur in Ausnahmefällen bei ausgesuchten Einzelfällen in der Langzeittherapie eingesetzt. Oftmals führt das Auftreten von Nebenwirkungen oder eine mangelnde Compliance von Patienten zum Absetzen der Kombinationspräparate, so dass eine Monotherapie quasi im Ausschlussverfahren entsteht. In den gängigen Therapieschemata ist eine Monotherapie jedoch wegen der unvertretbar hohen Abstoßungsrate nicht zu empfehlen. Inwiefern die Induktionstherapie mit Antikörpern langfristig eine Monotherapie zulässt bleibt abzuwarten.
Ab dem 6.– 12. Monat nach Transplantation wird die immunsuppressive Dauertherapie mit verminderter Dosis durchgeführt. Sie wird der individuellen Risikosituation des Empfängers angepasst (überwiegend Dualoder Tripeltherapie).
왘 Merke. Die Applikation nur eines Medikaments wie auch der Beginn einer
Eine Monotherapie wird nur in Ausnahmefällen bei ausgesuchten Einzelfällen in der Langzeittherapie eingesetzt (insbesondere aufgrund von Nebenwirkungen oder mangelnder Compliance des Patienten).
왗 Merke
Monotherapie vor Ablauf von 2 Jahren nach Transplantation erhöhen stets die Gefahr von Abstoßungsreaktionen.
B-12.4
Überlebensraten und Transplantatfunktionsdiagnostik
B-12.4
Transplantatüberlebensraten Nieren ■ 1. Jahr
■
85 – 92 %
■
Leber 1. Jahr
■
■
5. Jahr
■
65 – 70 %
■
5. Jahr
■
■
10. Jahr
■
ca. 40 %
■
10. Jahr
■
80 – 85 % bei elektiver TX, 40 – 50 % bei Notfall-TX 65 – 70 % bei bestimmten Indikationen (z. B. PBC) ca. 40 %
Transplantatfunktionsdiagnostik Nieren nicht invasiv ■ Sonographie ■ Duplexsonographie ■ Urinzytologie ■ Retentionswerte (Harnstoff, Kreatinin) ■ KreatininClearance
Leber invasiv Feinnadelaspirationszytologie ■ Biopsie ■
nicht invasiv Leberenzyme (SGOT, SGPT) ■ cholestaseanzeigende Enzyme (AP, γ-GT) ■ Bilirubin ■ Gerinnungsanalyse ■ Gallezytologie ■ Blastenmonitoring (quantitativ aktivierte Lymphozyten und Lymphoblasten) ■
invasiv Feinnadelaspirationszytologie ■ Biopsie ■
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1352
B 12 Transplantation
Therapie der Abstoßungsreaktionen
Therapie der Abstoßungsreaktionen
Bei leichten bis mittelgradigen Abstoßungsreaktionen wird zusätzlich zur Basisimmunsuppression eine Steroidbolusbehandlung (250 – 500 mg) an 3 – 5 Tagen durchgeführt. Bei Therapieresistenz oder schweren Rejektionskrisen kommen polyklonale Antikörper zum Einsatz.
Je nach Schweregrad der Abstoßung (leichte bis mittelgradige) bleibt die Basisimmunsuppression unverändert beibehalten, zusätzlich werden an 3 – 5 Tagen erhöhte Steroidgaben verabreicht (250 – 500 mg, selten 1000 mg). Bei Therapieresistenz bzw. bei schweren Rejektionskrisen kommen polyklonale Antikörper gegen Lymphozyten (ATG = Anti-T-Zell-Globuline oder ALG = Antilymphozytenglobuline) zum Einsatz. Sie werden durch wiederholte Immunisierung verschiedener Tierspezies (Kaninchen, Pferd, Ziege) mit humanen Lymphozyten gewonnen. In vielen Transplantationszentren sind heute die polyklonalen Antikörper durch monoklonale abgelöst worden. Im Gegensatz zu den polyklonalen, die auch Granulozyten und Thrombozyten lysieren, ist es den monoklonalen Antikörpern möglich, selektiv nur diejenigen Lymphozyten zu blockieren, die an der Abstoßung beteiligt sind. An Nebenwirkungen durch poly- oder monoklonale Antikörper werden Fieber, Urtikaria, Arthralgien, gastrointestinale Beschwerden, Myelo- und Thrombopenien beobachtet, bei OKT3 auch gelegentlich schwere pulmonale Insuffizienz. Nach allen Abstoßungstherapien erhöht sich für den Transplantatempfänger ganz erheblich das Infektionsrisiko, insbesondere für virale Infektionen.
Monoklonale Antikörper blockieren selektiv nur diejenigen Lymphozyten, die an der Abstoßung beteiligt sind.
Fieber, Urtikaria, Arthralgien, Myelo- und Thrombopenien, bei OKT3 gelegentlich auch pulmonale Insuffizienz sind häufige Nebenwirkungen. Nach Abstoßungstherapie ist das Infektionsrisiko für den Transplantatempfänger erheblich erhöht. 12.2.5 Immunsuppressive Medikamente
12.2.5 Immunsuppressive Medikamente
Die Gabe immunsuppressiv wirksamer Medikamente ist zur Vermeidung einer Abstoßungsreaktion unerlässlich.
Zur Vermeidung sowohl einer akuten als auch einer chronischen Abstoßungsreaktion ist die Gabe immunsuppressiv wirkender Medikamente unerlässlich. Obwohl die Häufigkeit im ersten halben Jahr nach Transplantation am höchsten ist, kann eine Abstoßung jederzeit auftreten.
왘 Merke
Man unterscheidet die Induktionstherapie während der Transplantation von der Erhaltungstherapie in der Zeit danach.
Die medikamentöse Therapie stützt sich auf fünf Säulen: Steroide, CNI-Inhibitoren, mTOR-Inhibitoren, Antimetabolite und Antikörper (Abb. B-12.6). In der Regel wird eine Kombination mehrerer Präparate mit vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten eingesetzt.
왘 Merke. Die dauerhafte Einnahme dieser Medikamente ist während der gesamten Lebenszeit des transplantierten Organs unabdingbar – eine Toleranz gegenüber einem Fremdorgan gibt es nach derzeitigem Kenntnisstand nicht.
Im Rahmen der Immunsuppression unterscheidet man die Induktionstherapie während der Transplantation von der Erhaltungstherapie in der Zeit danach. Während bei der Induktionstherapie die Vermeidung der akuten Abstoßung im Vordergrund steht, ist die Erhaltungstherapie zur Prophylaxe einer chronischen Abstoßungsreaktion durch das Abwägen der immunsuppressiven Potenz gegen die typischen Langzeitnebenwirkungen der Präparate gekennzeichnet. Man unterscheidet zudem verschiedene medikamentöse Ansätze, die sich auf fünf Säulen stützt: Steroide (z. B. Prednisolon), CNI-Inhibitoren (z. B. Ciclosporin und Tacrolimus), mTOR- Inhibitoren (z. B. Sirolimus, Everolimus), Antimetabolite (z. B. Azathioprin) sowie mono- und polyklonale Lymphozyten-Antikörper (Basiliximab). Hierzu siehe auch Abb. B-12.6. In der Regel wird eine Kombinationstherapie mit mehreren Präparaten eingesetzt, wobei die Kombinationsmöglichkeiten sehr vielfältig sind). In der Induktionstherapie finden häufig drei bis vier Präparate parallel Verwendung (Tripel-/Quadrupel-Therapie), während in der Erhaltungstherapie oftmals nur zwei Präparate eingesetzt werden (Dualtherapie).
Steroide
Steroide
Wirkung: Neben allgemein antiinflammatorischer Wirkung hemmen sie die Interleukin-Iund -II-Freisetzung; daraus resultiert eine Hemmung der zellulären und humoralen Immunantwort.
Wirkung: Steroide bewirken eine verminderte Transkription immunstimmulierender Gene, indirekt werden immunsuppressive Gene vermehrt exprimiert. Neben einer allgemein antiinflammatorischen Wirkung hemmen sie die Interleukin-I- und -II-Freisetzung, woraus eine Hemmung sowohl der zellulären als auch humoralen Immunantwort resultiert.
Indikation: In der Erhaltungstherapie sind Steroide umstritten, in der Induktionstherapie jedoch derzeit unverzichtbar.
Indikation: Aufgrund der vielfältigen Nebenwirkungen ist die Rolle von (niedrig dosierten) Steroiden in der Erhaltungstherapie umstritten. In der Induktionstherapie scheinen sie aber derzeit unter Nutzen-/Risikoabwägung unverzichtbar.
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B 12.2 Transplantationsimmunologie
B-12.6
Kombinationsmöglichkeiten immunsuppressiver Medikamente zur Therapie nach Organtransplantation
1353 B-12.6
Auch bei autoimmun bedingten Grundkrankheiten und bei der dreitägigen, hochdosierten Behandlung einer akuten Abstoßung („Steroid-Stoß“) sind Steroide indiziert.
Weiterhin sind sie indiziert bei autoimmun bedingten Grundkrankheiten sowie bei akuter Abstoßung.
Dosierung: Üblicherweise 2 – 4 mg/kg KG/d in der Induktionsphase, danach rasche Reduzierung auf etwa 0,1 mg/kg KG/d während der Erhaltungstherapie.
Dosierung: 2 – 4 mg/kg KG/d in der Induktionsphase, etwa 0,1 mg/kg KG/d zur Erhaltungstherapie.
Nebenwirkungen: Die wichtigsten sind eine Störung des Blutzuckerhaushaltes und die Neuentstehung von Diabetes, die Osteoporose, Verstärkung des Bluthochdrucks und veränderte Blutfette sowie erhöhte Infektanfälligkeit.
Nebenwirkungen: Störung des Blutzuckerhaushaltes und Neuentstehung von Diabetes, Osteoporose, Verstärkung des Bluthochdrucks und veränderte Blutfette.
Calcineurin-Inhibitoren (CNI)
Calcineurin-Inhibitoren (CNI)
Wirkung: Calcineurin-Inhibitoren hemmen über die Inhibition der IL-2-Synthese sehr spezifisch die T-Zell-Aktivierung. Die beiden Calcineurin-Inhibitoren Ciclosporin und Tacrolimus werden meist in Kombination mit Antimetaboliten und/oder Steroiden eingesetzt.
Wirkung: Sie hemmen sehr spezifisch die T-Zell-Aktivierung. Ciclosporin und Tacrolimus werden häufig mit Antimetaboliten und/oder Steroiden kombiniert.
Indikation: CNI werden zur Prophylaxe der Abstoßungsreaktion nach Organ- und Knochenmarktransplantationen gegeben.
Indikation: Prophylaxe der Transplantatabstoßungsreaktion.
Nebenwirkungen: Wichtigste Nebenwirkung ist die Nephrotoxizität. Insbesondere die Langzeitanwendung von Calcineurin-Inhibitoren führt an der Niere zu spezifischen Schäden wie der arteriolären Hyalinose und der diffusen interstitiellen Fibrose. Dadurch kann die Funktionsfähigkeit der Niere beeinträchtigt werden. Weiterhin verstärken sie z. B. über eine glomeruläre Vasokonstriktion die Mikrozirkulationsstörung und verzögern die ATP-Regeneration nach der Reperfusion des transplantierten Organs. Dies kann eine Verstärkung des IschämieReperfusionsschadens mit verzögerter Transplantatfunktion zur Folge haben. Aus diesem Grund werden CNI bei Transplantationen mit hohem Risiko eines schweren Ischämie-Reperfusionsschadens (z. B. bei langer kalter Ischämiezeit) oftmals erst nach Einsetzen der Transplantatfunktion verabreicht. Weitere Langzeiteffekte sind die Verstärkung des arteriellen Hypertonus (vermehrt bei Ciclosporin), die Entstehung von Diabetes mellitus (hauptsächlich bei Tacrolimus in der Kombination mit Steroiden) und die Veränderung des Blutfettspiegels. Beide Calcineurin-Inhibitoren sind leicht hepatotoxisch. Dies macht sich hauptsächlich in erhöhten Leberwerten im Blut bemerkbar und ist von fraglicher klinischer Relevanz.
Nebenwirkungen: Wichtigste Nebenwirkung ist die Nephrotoxizität. Insbesondere die Langzeitanwendung führt zur Minderung der Nierenfunktion. Weiterhin können sie eine Verstärkung des Ischämie-Reperfusionsschadens mit verzögerter Transplantatfunktion bewirken (daher häufig erst Anwendung nach Einsetzen der Transplantatfunktion).
Weitere Langzeiteffekte sind die Verstärkung des arteriellen Hypertonus (v. a. bei Ciclosporin), die Entstehung von Diabetes mellitus (hauptsächlich bei Tacrolimus in Kombination mit Steroiden) und die Veränderung des Blutfettspiegels.
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1354 왘 Merke
B 12 Transplantation
왘 Merke. Da alle Calcineurin-Inhibitoren durch das Cytochrom P450 3A4 in der Leber abgebaut werden, ist zu beachten, dass Induktoren dieses Enzyms (z. B. Erythromycin oder Verapamil) die Spiegel teilweise dramatisch erhöhen können, wohingegen Inhibitoren (z. B. Phenobarbital und Omeprazol aber auch Grapefruitsaft und Johanniskraut) die Spiegel in unwirksame Bereiche fallen lassen können.
Ciclosporin
Ciclosporin
Wirkung: Aufgrund einer starken Lipophilie und einer Halbwertszeit von ca. 6 Stunden ist die Resorption stark von der galenischen Zubereitung abhängig. Die am weitesten verbreitete Zubereitungsform von Ciclosporin ist die Mikroemulsion.
Wirkung: Aufgrund einer starken Lipophilie und einer Halbwertszeit von ca. 6 Stunden ist die Resorption stark von der galenischen Zubereitung abhängig. Unter den verschiedenen Generika ist die Mikroemulsion die am weitesten verbreitete Zubereitungsform von Ciclosporin. Wegen des engen Wirkungsbereiches und der instabilen Resorption empfiehlt sich ein enges pharmakologisches Monitoring der Blutspiegel.
Dosierung: Sie richtet sich nach Blutspiegelhöhe, ist je nach transplantiertem Organ und Zeitabstand von der Transplantation unterschiedlich hoch.
Dosierung: Sie richtet sich nach Blutspiegelhöhe, ist je nach transplantiertem Organ und Zeitabstand von der Transplantation unterschiedlich hoch und außerdem von Laborbestimmungsmethoden abhängig. Interaktionen mit anderen Pharmaka bzw. Konkurrenz am biliären Ausscheidungsort bewirken Ciclosporin-Spiegelerhöhungen oder -senkungen.
Spezielle Nebenwirkungen: Generalisierte Arteriosklerose sowie Gingivahyperplasie und Hirsutismus (Zeichen einer Überdosierung).
Spezielle Nebenwirkungen: Im Vergleich mit Tacrolimus scheint die Entwicklung einer generalisierten Arteriosklerose bei Ciclosporin vermehrt aufzutreten. Gingivahyperplasie und Hirsutismus sind typische Zeichen einer CiclosporinÜberdosierung.
Tacrolimus
Tacrolimus
Wirkung: Das hydrophobe Makrolidantibiotikum wirkt über eine Bindung an das Immunophilin FKBP12 inhibierend auf Calcineurin.
Wirkung: Das Stoffwechselprodukt des Pilzes Streptomyces tsukubaensis ist ein hydrophobes Makrolidantibiotikum und wirkt über eine Bindung an das Immunophilin FKBP12 inhibierend auf Calcineurin. Gegenüber Ciclosporin ist seine Resorption zwar stabiler aber abhängig von der Nahrungsaufnahme. Seine immunsuppressive Wirksamkeit ist ca. 100x stärker als die von Ciclosporin. Aufgrund der in der Regel stabilen Resorptionsrate hat sich das pharmakologische Monitoring mittels Bestimmung der Talspiegel bewährt.
Dosierung: Nach Blutspiegel (siehe Ciclosporin).
Dosierung: Nach Blutspiegel (siehe Ciclosporin).
Spezielle Nebenwirkungen: Akute Neurotoxizität bei Überdosierung.
Spezielle Nebenwirkungen: Eine Besonderheit im Nebenwirkungsspektrum von Tacrolimus ist seine akute Neurotoxizität bei Überdosierung. Hierbei zeigen sich Akinesien, Aphasien und Vigilanzstörungen bis hin zum Koma. In der Pathogenese dieser seltenen Nebenwirkung wird der Bindung des Tacrolimus an das Immunophilin FKBP12 eine Bedeutung beigemessen.
Antimetabolite
Antimetabolite
Unter dem Begriff Antimetabolite werden alle Wirkstoffe subsummiert, die die Lymphozyten – Proliferation über die Hemmung des DNA- Stoffwechsels unterdrücken, sodass die antigeninduzierte Proliferation von T- und B-Lymphozyten vermindert wird.
Unter dem Begriff Antimetabolite werden alle Wirkstoffe subsummiert, die die Lymphozyten-Proliferation über die Hemmung des DNA- Stoffwechsels unterdrücken, sodass die antigeninduzierte Proliferation von T- und B-Lymphozyten vermindert wird. Aufgrund ihres breiten Wirkspektrums, einer großen therapeutischen Breite und ihres Nebenwirkungsprofils finden sie regelhaft Einsatz als Komedikation in der Erhaltungsimmunsuppression. Präparate dieser Substanzklasse werden meist mit Calcineurin- oder mTOR-Inhibitoren kombiniert.
Mycophenolsäure (MPA)
Mycophenolsäure (MPA)
Wirkung: Die De-novo-Synthese von Guanosinnukleotiden wird verhindert und auf diese Weise die Proliferation von aktivierten T- und B-Lymphozyten gehemmt.
Wirkung: Mycophenolsäure hemmt die Inosinmonophosphat-Dehydrogenase reversibel und somit die De-novo-Synthese von Guanosinnukleotiden. Dadurch wird die Proliferation von aktivierten T- und B-Lymphozyten verhindert. Die Langzeitergebnisse der Erhaltungstherapie unter Kombination mit einer im Verlauf nicht reduzierten MPA – Dosis sind sehr überzeugend und machen die Mycophenolsäure zu einem der Präparate der ersten Wahl.
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B 12.2 Transplantationsimmunologie
1355
Es existieren zwei Darreichungsformen der Mycophenolsäure: Das gut resorbierbare Prodrug Mycophenolatmofetil (CellCept), welches präsystemisch zur aktiven Substanz metabolisiert wird und das mit einem magensaftresistenten Überzug versehene Natriumsalz der Mycophenolsäure (Myfortic). Dieses wird erst im Dünndarm freigesetzt und dort resorbiert. Die Mycophenolsäure unterliegt einem enterohepatischen Kreislauf, wobei es bei schweren Diarrhoen zu paradoxen Erhöhungen der Mycophenolsäurespiegel im Blut kommen kann.
Es existieren zwei Darreichungsformen der Mycophenolsäure: Das gut resorbierbare Prodrug Mycophenolatmofetil (CellCept) und das Natriumsalz Mycophenolsäure (Myfortic).
Dosierung: 1 – 3 g/d, verteilt auf 2 Einzeldosen in der Initialphase. Die Erhaltungsdosierung richtet sich streng nach der Leukopoese und den intestinalen Nebenwirkungen.
Dosierung: Initial etwa 1 – 3 g/d verteilt auf 2 Einzeldosen.
Nebenwirkungen: Diese sind dosisabhängig. Gastrointestinale Nebenwirkungen wie Diarrhoen, Ulzera und Übelkeit sind die klinisch auffälligsten Probleme, die oft mit einer Dosisreduktion und/oder einer mangelnden Einnahme-Compliance einhergehen. Diese Patienten erleiden häufiger eine akute Abstoßung. Weiterhin ist bei hoher Dosierung eine hohe Rate an viralen Infektionen oder Reaktivierungen, z. B. einer Cytomegalie-Virusinfektion zu beobachten. Insbesondere in Kombination mit antiviraler Therapie treten häufig Leukopenien oder Panzytopenien auf.
Nebenwirkungen: Gastrointestinale Nebenwirkungen wie Diarrhöen, Ulzera und Übelkeit sind die klinisch auffälligsten Probleme. Bei hoher Dosierung treten gehäuft virale Infektionen, Leukopenien oder Panzytopenien auf.
Azathioprin
Azathioprin
Wirkung: Azathioprin wird oral sehr gut resorbiert und im Körper selbst zum aktiven 6-Mercaptopurin verstoffwechselt. Durch die Hemmung verschiedener Enzyme der DNA-Synthese wird insbesondere die Purinbiosynthese inhibiert mit der Folge einer Hemmung sich rasch teilender Zellen. Ein weiterer immunsuppressiver Mechanismus ist eine verzögerte zytotoxische Wirkung durch die Induktion chromosomaler Strangbrüche.
Wirkung: Das Prodrug Azathioprin wird oral sehr gut resorbiert und im Körper selbst zum aktiven 6-Mercaptopurin verstoffwechselt. Über eine Hemmung der Purinbiosynthese werden sich rasch teilende Zellen inhibiert.
왘 Merke. Die aktive Substanz 6-Mercaptopurin wird durch die Xanthinoxida-
왗 Merke
se zu Thioharnstoff metabolisiert. Da der Xanthinoxidasehemmer Allopurinol die Halbwertszeit des Metaboliten verlängert, ist eine Dosisanpassung von Azathioprin notwendig. Dosierung: Etwa 2 – 3 mg/kg KG/d in der Initialphase, danach Reduzierung auf etwa 1 mg/kg KG. Die Dosierung sollte streng der hämatologischen Toleranz angepasst sein.
Dosierung: Initial etwa 2 – 3 mg/kg KG/d, danach angepasst an die hämatologische Toleranz etwa 1 mg/kg KG.
Nebenwirkungen: Bei etwa 0,3 % aller Menschen besteht ein spezieller genetischer Polymorphismus der Thiopurinmethyltransferase. Dieser führt zu massiv erhöhten intrazellulären Wirkstoffkonzentrationen und führt häufig zu schwersten Leukopenien. Neben Leukopenien sind virale Infektionen und gastrointestinale Probleme weitere häufige Nebenwirkungen. Aufgrund des sehr günstigen Kosten-Nutzen-Verhältnisses und geringer Nebenwirkungen wird Azathioprin insbesondere in Ländern mit hoher Selbstbeteiligung an Medikamentenkosten eingesetzt. In seiner immunsuppressiven Wirkung ist es der Mycophenolsäure jedoch eindeutig unterlegen, weshalb es in Deutschland nicht Präparat der ersten Wahl ist.
Nebenwirkungen: Leukopenien, virale Infektionen und gastrointestinale Probleme.
Leflunomid (FK778)
Leflunomid (FK778)
Wirkung: Die aktive Substanz des Prodrugs Leflunomid hemmt die Biosynthese von Pyrimidinbasen und reduziert so die DNA-und RNA-Synthese. Dies bewirkt eine Proliferationshemmung von T- und B-Zellen, die Wirkung auf ruhende Zellen ist gering. Durch die Störung der Viruszusammensetzung wirkt Leflunomid auch hemmend auf das Cytomegalievirus. Weiterhin wird eine antivirale Aktivität gegen Polyoma- und Herpes-simplex-Viren vermutet.
Wirkung: Das Prodrug Leflunomid wirkt über eine Hemmung der DNA- und RNA-Synthese, wodurch die Proliferation von T- und B-Zellen reduziert wird. Weiterhin besteht antivirale Aktivität gegen das Cytomegalievirus.
Nebenwirkungen: Die klinische Erfahrung mit Leflunomid (FK778) ist noch begrenzt, es zeichnet sich aber ein eher mildes Nebenwirkungsspektrum ab. Dazu zählen sehr selten Panzytopenien, Hepatotoxizität und gastrointestinale Nebenwirkungen.
Nebenwirkungen: Es zeichnet sich ein eher mildes Nebenwirkungsspektrum ab.
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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B 12 Transplantation
mTOR- (= mammalian Target Of Rapamycin) Inhibitoren
mTOR- (= mammalian Target Of Rapamycin) Inhibitoren
Wirkung: Substanzen dieser Gruppe unterdrücken über Inhibition einer Phosphatase („Target Of Rapamycin“= TOR) die Progression des Zellzyklus von der G1 in die S-Phase. Weiterhin wird die Proteinsynthese supprimiert. Dadurch wirken sie immunsuppressiv, antiproliferativ, antiangiogenetisch und tumorsuppressiv.
Wirkung: Ähnlich dem Tacrolimus binden mTOR-Inhibitoren an das Immunophilin FKBP-12, inhibieren aber nicht das Calcineurin, sondern die Phosphatase „Target Of Rapamycin“ (TOR). Diese Phosphatase hemmt die Translation von Regulatoren des Zellzyklus und unterdrückt so die Progression von der G1 in die S-Phase. Zudem wird die Proteinsynthese in vielen Zelltypen unterdrückt. Beide Wirkungsmechanismen führen zu folgenden Eigenschaften: Sie wirken breit immunsuppressiv (auch auf Makrophagen und Fibroblasten), antiproliferativ, antiangiogenetisch und tumorsuppressiv.
Indikation: Bei Tumorpatienten erfolgt die Einstellung auf mTOR-Inhibitoren in der Langzeittherapie nach Organtransplantation und bei schleichendem Transplantatverlust.
Indikation: In der Langzeittherapie nach Organtransplantation bei Tumorpatienten erfolgt standardmäßig die Einstellung auf einen mTOR-Inhibitor, auf einen Calcineurin-Inhibitor wird stattdessen verzichtet. Durch die Reduktion der Transplantatvaskulopathie aufgrund ihrer antiangiogenetischen Eigenschaften haben sich mTOR-Inhibitoren zudem in der Langzeittherapie bei schleichendem Transplantatverlust eingebürgert.
Nebenwirkungen: Wundheilungsstörungen und Lymphozelen sowie eine Verzögerung der ATP-Regeneration nach langer Ischämie (S. 1364) sind typische Nebenwirkungen. Weiterhin werden Hyperlipidämie, Diarrhoe und Leukopenie sowie die Verstärkung oder Neuentstehung einer Proteinurie beobachtet.
Nebenwirkungen: Infolge der oben genannten Eigenschaften kommt es vermehrt zu Wundheilungsstörungen und Lymphozelen. Aufgrund einer starken Verzögerung der ATP-Regeneration nach langer Ischämie (S. 1364) konnte sich die Induktionstherapie mit mTOR-Inhibitoren nicht flächenhaft durchsetzen. Weitere unerwünschte Wirkungen dieser Substanzklasse sind Hyperlipidämie, Diarrhö und Leukopenie. Aufgrund ihrer großen immunsuppressiven Potenz resultieren häufig Virus-Reinfekte und Schleimhautaphten mit der Folge einer stark verminderten Compliance der Patienten. Die Ursachen der Verstärkung oder Neuentstehung einer Proteinurie sind unklar und derzeit Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen.
Sirolimus
Sirolimus
Dieser stark lipophile Vertreter der Substanzklasse hat eine sehr lange Halbwertszeit (62 Std.).
Sirolimus ist stark lipophil und hat eine sehr lange Halbwertszeit von 62 Stunden. Daher ist die initiale Einstellung auf Sirolimus eher schwierig, nach Erreichen eines steady state aber sind die erzielten Spiegel sehr stabil.
Everolimus
Everolimus
Everolimus ist stark hydrophil und hat eine deutlich kürzere Halbwertszeit. Hauptvorteil gegenüber Sirolimus ist die Möglichkeit der sofortigen Umstellung des bisherigen Präparates auf Everolimus.
Everolimus ist stark hydrophil und zeichnet sich durch eine deutlich kürzere Halbwertszeit aus. Daher sättigt es schneller auf, seine Talspiegel sind aber variabler. Everolimus kann sofort gegen das bisherige Präparat (i.d.R. ein Calcineurin-Inhibitor), ausgetauscht werden. Dies ist der Hauptvorteil gegenüber Sirolimus.
Antikörper
Antikörper
Wirkung: Ansatzpunkte, Wirkprinzipien und die Herstellungsweise differieren.
Wirkung: Unter dem Begriff Antikörper werden sehr unterschiedliche Präparate zusammengefasst, deren Ansatzpunkte differieren. Sie werden nach verschiedenen Prinzipien auf unterschiedliche Weise hergestellt.
Indikation: Sie werden in der Induktionstherapie eingesetzt und bewirken in Kombination mit anderen Präparaten eine Reduktion der immunsuppressiven Medikamente. Weiterhin werden sie zur Vermeidung oder Therapie einer akuten Abstoßung eingesetzt.
Indikation: Ihre Gemeinsamkeit ist, dass sie in der Regel in der Induktionstherapie eingesetzt werden und in Kombination mit anderen Präparaten zu einer Reduktion der immunsuppressiven Medikamente oder zur Vermeidung einer akuten Abstoßung bei immunologischen Risikopatienten führen. Zudem eignen sich viele der Antikörper zur Therapie von T-Zell- oder B-Zellvermittelten Abstoßungen.
Monoklonale Antikörper
Monoklonale Antikörper
Hier kommt nur je ein spezifischer Antikörper zum Einsatz.
Bei den monoklonalen Antikörpern kommt nur je ein spezifischer Antikörper zum Einsatz. Da die Gefahr der Überempfindlichkeitsreaktion besteht, sollte vor der ersten Gabe eine Allergietestung erfolgen.
Selektive Interleukin-2-Rezeptor Antikörper (sIL-2RA) Wirkung: Durch Blockade der IL-2-vermittelten Aktivierung und Proliferation von T-Lymphozyten wirken Antikörper sehr spezifisch.
Selektive Interleukin-2-Rezeptor Antikörper (sIL-2RA) Wirkung: Die Blockade des IL-2-Rezeptors durch den murinen Antikörper Basiliximab (Simulect) oder den humanisierten Antikörper Daclizumab (Zena-
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B 12.2 Transplantationsimmunologie
1357
pax) unterbindet die IL-2-vermittelte Aktivierung und Proliferation von T-Lymphozyten und wirkt daher sehr spezifisch, ohne in andere Zelltypen einzugreifen. Indikation: Sie werden insbesondere zur Prophylaxe einer Transplantatabstoßung nach Nierentransplantation eingesetzt und kombiniert mit Glukokortikoiden und Ciclosporin verabreicht. Die zweimalige Gabe von sIL-2RA jeweils vor und kurz nach der Transplantation hat sich bei Lebendspenden und immunologischen Risikopatienten bewährt.
Indikation: Prophylaxe einer Transplantatabstoßung nach Nierentransplantation. Jeweils vor und kurz nach der Transplantation bei Lebendspenden und immunologischen Risikopatienten.
Nebenwirkungen: Diese sind meist mild und werden oft durch die Komedikation verursacht. Allergische Reaktionen sind selten.
Nebenwirkungen: Selten allergische Reaktionen.
Alemtuzumab (Campath-1H)
Alemtuzumab (Campath-1H)
Wirkung: Der monoklonale Antikörper Alemtuzumab (Campath1H) richtet sich gegen CD52, das auf peripheren Blutlymphozyten, Thymozyten und Makrophagen exprimiert wird. Durch die Bindung des Antikörpers werden diese Zellen Komplement-vermittelt lysiert. Nicht geschädigt werden CD34-positive pluripotente Stammzellen, so dass eine hämato- und lymphopoietische Rekonstitution möglich ist.
Wirkung: Die Bindung des Antikörpers an CD52 bewirkt eine Komplement-vermittelte Zelllyse.
Indikation und Kontraindikationen: Derzeit wird große Hoffnung auf eine Monotherapie mit Campath-1H bei Nierentransplantation gesetzt. Der Einsatz dieses potenten Präparates verbietet sich jedoch bei Patienten mit akuten Infektionen, aktiven Tumoren und bei Überempfindlichkeit gegen murine Antikörper (bis zu 2 % der Bevölkerung).
Indikation und Kontraindikationen: Große Hoffnung besteht für die Monotherapie bei Nierentransplantation. Bei Patienten mit akuten Infektionen, aktiven Tumoren und bei Überempfindlichkeit gegen murine Antikörper ist der Einsatz des Präparates jedoch kontraindiziert.
Polyklonale Antikörper
Polyklonale Antikörper
Diese stellen eine Mischung verschiedener Antikörper dar. Oftmals ist nur ein Teil der beinhalteten Antikörper bekannt. Da die Gefahr der Überempfindlichkeitsreaktion besteht, sollte vor der ersten Gabe eine Allergietestung erfolgen.
Diese stellen eine Mischung verschiedener Antikörper dar. Vor der ersten Gabe sollte eine Allergietestung erfolgen (Gefahr der Überempfindlichkeitsreaktion).
Anti-Thymozyten-Globulin (ATG)
Anti-Thymozyten-Globulin (ATG)
Wirkung: Das Anti-Thymozyten-Globulin Thymoglobulin enthält eine Reihe von Antikörpern gegen Thymozyten und Adhäsionsmoleküle. ATG bewirkt eine partielle Depletion zirkulierender T-Lymphozyten sowie eine Funktionsmodulation der verbliebenen Lymphozyten. Dadurch wird nicht nur die zelluläre Abstoßung vermieden sondern auch die humorale Rejektion.
Wirkung: ATG bewirkt eine Vermeidung sowohl der zellulären Abstoßung als auch der humoralen Rejektion.
Indikation: ATG eignet sich für die Induktionstherapie zur Prophylaxe einer Abstoßung und zur Therapie einer akuten Abstoßungsreaktion. Aufgrund der Reduktion des Ischämie-Reperfusionschadens (S. 1364) durch Blockade von Adhäsionsmolekülen hat sich die prophylaktische Gabe von ATG bei marginalen Organen oder sehr langen Ischämiezeiten bewährt. In den USA beträgt die Rate der mit ATG in der Induktionstherapie behandelten Patienten bei Nierentransplantation bereits über 50 %.
Indikation: ATG eignet sich sowohl für die Induktionstherapie zur Prophylaxe einer Abstoßung als auch zur Therapie einer akuten Abstoßungsreaktion. Weiterhin wird ATG prophylaktisch bei marginalen Organen oder langen Ischämiezeiten gegeben.
Nebenwirkungen und Prophylaxe: Problematisch sind eine vermehrte Infektanfälligkeit (insbesondere für atypische Pneumonie) und eine hohe Rate an CMV-Reaktivierungen. Daher wird im Rahmen der ATG- Induktion eine Langzeitprophylaxe mit einem Virustatikum und einem Breitbandantibiotikum angeraten. Ein weiteres Problem stellt die erhöhte Rate lymphoproliferativer Erkrankungen (PTLD = posttransplant lymphoproliferative disorders) (s. Abb. B-12.15) nach Induktion mit ATG dar. Ob es sich hier möglicherweise um ein Summationsproblem der immunsuppressiven Präparate handelt, ist jedoch noch nicht geklärt.
Nebenwirkungen und Prophylaxe: Vermehrte Infektanfälligkeit, CMV-Reaktivierungen und vermehrtes Auftreten von lymphoproliferativen Erkrankungen (PTLD = posttransplant lymphoproliferative disorders) (s. Abb. B-12.15) sind charakteristische unerwünschte Wirkungen.
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1358
B 12 Transplantation
Toleranz
Toleranz
Ziel ist das Erreichen einer peripheren Toleranz gegen das transplantierte Organ. Dadurch wäre die Gabe immunsuppressiver Präparate überflüssig. Dieses Ziel konnte bislang leider nicht erreicht werden.
In den letzten Jahren wurde viel Energie in die Erforschung der Toleranz investiert. Das Ziel ist, eine periphere Toleranz gegen das transplantierte Organ zu erreichen, was die Gabe immunsuppressiver Präparate überflüssig machen würde. Leider konnte dieses Ziel trotz vielfältiger Ansätze bislang nicht erreicht werden. Bisher konnte die Existenz von Regulatorzellen, die Antigen-spezifische TLymphozyten in Schach halten können, nachgewiesen werden. Diese Zellen werden T-Regulatorzellen (= Treg) genannt. Man nimmt einen Zusammenhang zwischen dem Fehlen natürlich vorkommender nTregs und der Entstehung von Autoimmunerkrankungen an. Nach Antigenkontakt entstehen oftmals induzierte T-Regulatorzellen, so genannte iTregs. Diese supprimieren Antigen-spezifische T- Lymphozyten und können in ausreichender Zahl eine Abstoßung vermeiden. Dadurch kann ein Zustand der instabilen peripheren Toleranz herbeigeführt werden. Der Mechanismus, wann sie genau entstehen ist jedoch noch unklar. Es gibt aber Anhaltspunkte dafür, dass die Gabe von Calcineurin-Inhibitoren und hohen Steroiddosen ihre Bildung verhindert, während ihre Entstehung durch Antikörper (insbesondere Campath-1H und Thymoglobulin) gefördert wird. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird es unter Beachtung der Kautelen, die zur Entstehung von iTregs beitragen, möglich sein, eine deutliche Verminderung der immunsuppressiven Medikamente zu erreichen.
Nachgewiesen werden konnten aber T-Regulatorzellen (= Treg), die T-Lymphozyten kontrollieren können.
Induzierte T-Regulatorzellen (=iTregs) entstehen nach Antigenkontakt. Diese supprimieren Antigen-spezifische T- Lymphozyten und können in ausreichender Zahl eine Abstoßung vermeiden. Dadurch kann ein Zustand der instabilen Toleranz herbeigeführt werden.
12.2.6 Überwachung der
Abstoßungsreaktionen
12.2.6 Überwachung der Abstoßungsreaktionen
Organempfänger bedürfen einer engmaschigen Überwachung (zur Funktionsdiagnostik s.a. Tab. B-12.4).
Organempfänger bedürfen einer engmaschigen Überwachung. Je nach zeitlicher Phase sind unterschiedliche Diagnostiken notwendig (zur Transplantatfunktionsdiagnostik siehe auch Tab. B-12.4).
Präoperative Phase
Präoperative Phase
Blutgruppenbestimmung, HLA-Typisierung, Nachweis präformierter Antikörper, Virusdiagnostik. Ein negativer Crossmatch ist für Nieren- und Pankreasempfänger unabdingbar.
Blutgruppenbestimmung, HLA-Typisierung, Nachweis präformierter Antikörper und Virusdiagnostik (Hepatitis-B- und -C-Virus, HIV, Viren der Herpesgruppe) sind für alle Transplantatempfänger und Spender notwendige Voraussetzungen. Ein negativer Crossmatch ist für Nieren- und Pankreasempfänger unabdingbar.
Perioperative Phase
Perioperative Phase
Laborchemische Überwachung.
Außer laborchemischen Überwachungsmethoden stehen sichere immunologische Diagnostiken noch nicht zur Verfügung.
Postoperative Phase
Postoperative Phase
Neben organspezifischen serologischen werden nicht invasive Untersuchungen wie Sonographie, Duplexsonographie eingesetzt. Die invasive Diagnostik (Aspirationszytologie oder Stanzbiopsie) hat den größten Stellenwert.
Neben organspezifischen serologischen Untersuchungen werden nicht invasive diagnostische Möglichkeiten wie Sonographie, Duplexsonographie, nuklearmedizinische Untersuchungen und zytologische Beurteilungen, z. B. aus Urin oder Galle genutzt. Die invasive Diagnostik (Aspirationszytologie oder Stanzbiopsie) hat in der postoperativen Abstoßungsreaktionsüberwachung den größten Stellenwert im Hinblick auf Früherkennung, Einteilung, Verlauf, Therapieeffekt und Differenzialdiagnosen.
12.2.7 Differenzialdiagnosen
12.2.7 Differenzialdiagnosen
Die häufigste Ursache einer Transplantatfunktionsverschlechterung in den ersten 4 Wochen ist die Abstoßungsreaktion. Differenzialdiagnostisch kommen Konservierungs- bzw. Ischämieschäden, operativ-technische Komplikationen, Infektionen und Medikamententoxizität in Betracht.
Die häufigste Ursache einer Transplantatfunktionsverschlechterung in den ersten 4 Wochen ist die Abstoßungsreaktion. Vor Beginn einer Antirejektionstherapie sollten andere Ursachen, soweit überhaupt und sofern zeitlich möglich (nach kritischer Würdigung des Zustands des Patienten und der Funktionsbeeinträchtigung des transplantierten Organs), ausgeschlossen sein, da teilweise diametral unterschiedliche Behandlungen erforderlich sind. Differenzialdiagnostisch kommen neben den verschiedenen Formen der Abstoßungsreaktionen Konservierungs- bzw. Ischämieschäden, operativtechnische Komplikationen, virale, bakterielle oder fungale Infektionen und Medikamententoxizität in Betracht.
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B 12.3 Nierentransplantation (NTX)
12.3 Nierentransplantation (NTX)
1359 12.3
Nierentransplantation (NTX)
Heike Kraemer-Hansen, Jens Mayer Nierentransplantationen sind die weltweit am häufigsten durchgeführten Organtransplantationen. Die erste erfolgreiche Nierentransplantation wurde 1954 zwischen zweieiigen Zwillingen durchgeführt. Seit etwa 1965 kommt der Nierentransplantation eine zunehmende klinische Bedeutung bei der terminal chronischen Niereninsuffizienz zu. Sie stellt heute ein anerkanntes und wichtiges Therapieverfahren dar. In Deutschland wurden 2005 ca. 2700 Nierentransplantationen durchgeführt. Etwa 8800 Patienten standen Ende 2005 bei Eurotransplant in Leiden auf der aktiven Warteliste.
Nierentransplantationen sind die weltweit am häufigsten durchgeführten Organtransplantationen. Die Nierentransplantation stellt heute ein anerkanntes und wichtiges Therapieverfahren bei der terminal chronischen Niereninsuffizienz dar.
12.3.1 Nierenersatzverfahren
12.3.1 Nierenersatzverfahren
Maschinelle Nierenersatzbehandlung
Maschinelle Nierenersatzbehandlung
Die terminale Niereninsuffizienz erfordert bis zur Transplantation eine Nierenersatzbehandlung. In den letzten 40 Jahren wurden moderne Blutreinigungsverfahren entwickelt, die die exkretorischen Funktionen der Niere zum Teil ersetzen. Das Ziel aller Blutreinigungsverfahren ist es, Stoffe, die unter physiologischen Bedingungen über die Nieren ausgeschieden werden, dauerhaft unterhalb toxischer Grenzen zu halten. Hierzu werden überwiegend Membranverfahren wie die Hämodialyse (ca. 90 %) und Hämofiltration (ca. 5 %) eingesetzt. Der Dialysator dient als Filter und selektiert die Stoffe je nach deren Molekulargewicht bzw. nach Membranporengröße.
Die terminale Niereninsuffizienz erfordert bis zur Transplantation eine Nierenersatzbehandlung. Hämodialyse und Hämofiltration sind maschinelle Blutreinigungsverfahren, die teilweise die exkretorischen Funktionen der Niere ersetzen.
Hämodialyse
Hämodialyse
왘 Definition. Bei der Hämodialyse findet der Austausch harnpflichtiger Substan-
왗 Definition
zen extrakorporal über semipermeable Dialysatormembranen statt, die das Patientenblut vom Dialysat trennen. Treibende Kraft ist der Konzentrationsgradient zwischen den Flüssigkeiten. Hämofiltration 왘 Definition. Bei der Hämofiltration werden die harnpflichtigen Stoffe extrakor-
Hämodialyse 왗 Definition
poral ausschließlich durch Konvektion aus dem Blut eliminiert. Die Strömung wird durch Druck hervorgerufen.
Peritonealdialyse
Peritonealdialyse
Prinzip: Im Gegensatz zur Hämodialyse wird bei dieser Methode das Bauchfell als körpereigene natürliche Filtermembran zum Stoffaustausch genutzt, die Bauchhöhle als Behälter für das Dialysat. Mehrmals täglich wird die Bauchhöhle mit einer Lösung gespült, die toxische Stoffwechselprodukte gemäß dem osmotischen Gradienten aufnimmt. Die Elimination harnpflichtiger Substanzen folgt den Gesetzmäßigkeiten der Diffusion. Als Trägersubstanz eignet sich Glukose. Zur chronischen Behandlung werden (überwiegend Tenckhoff-)Katheter aus Silikonkautschuk über eine subkutane Tunnelführung durch die Bauchhaut dauerhaft in der Bauchhöhle implantiert.
Prinzip: Zum Stoffaustausch dient das Peritoneum. Die harnpflichtigen Substanzen diffundieren in die Dialysatflüssigkeit.
Einteilung: Man unterscheidet folgende Verfahren der Peritonealdialyse (PD): ■ IPD = intermittierende PD (hohe Spüllösungsmengen) ■ CAPD = kontinuierliche ambulante PD (ständig im abdominellen Cavum verbleibende Spüllösung, die mehrfach täglich gegen frisches Dialysat ausgetauscht wird) ■ CCPD = kontinuierliche zyklische PD (modifizierte CAPD, z. B. nur nächtlicher Austausch).
Einteilung: Verschiedene Verfahren der Peritonealdialyse (PD): ■ IPD = intermittierende PD ■ CAPD =kontinuierliche ambulante PD ■ CCPD = kontinuierliche zyklische PD.
Zur chronischen Behandlung wird ein Katheter dauerhaft in der Bauchhöhle implantiert.
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1360
B 12 Transplantation
Indikationen: Geeignet ist das Peritonealverfahren für Kinder, Diabetiker und Patienten höheren Lebensalters.
Indikationen: Peritonealverfahren sind geeignet für Kinder, Diabetiker und Patienten höheren Lebensalters.
Komplikation: Die schwerwiegendste Komplikation stellt neben Tunnelinfektionen des Katheters die Peritonitis dar.
Komplikationen: Neben Tunnelinfektionen entlang des Katheters stellt die Peritonitis die schwerwiegendste Komplikation dar. Die technische Überlebensrate für CAPD liegt nach 3 Jahren bei etwa 60 – 70 %. Dialyse und Nierentransplantation gelten in der Therapie der terminalen chronischen Niereninsuffizienz nicht als konkurrierende, sondern als sich ergänzende Konzepte. Der potentielle Nierentransplantatempfänger ist im chronisch intermittierenden Dialyseprogramm, und er kehrt nach Funktionsverlust des Transplantats erneut an die Dialyse zurück. Zwingende Indikationen oder Kontraindikationen für das eine oder andere Behandlungsverfahren sind die Ausnahme.
Dialyse und Nierentransplantation gelten in der Therapie der terminalen chronischen Niereninsuffizienz als sich ergänzende Konzepte.
12.3.2 Indikationen zur
Nierentransplantation (NTX)
12.3.2 Indikationen zur Nierentransplantation (NTX)
Nahezu jeder chronisch hämodialysierende Patient gilt als potenzieller Kandidat für eine Nierentransplantation. Die Erfolgsaussichten und die Risiken der Transplantation sind gegeneinander abzuwägen.
Nahezu jeder Patient im chronisch intermittierenden Hämodialyseprogramm gilt heute als potenzieller Kandidat für eine Nierentransplantation, wobei die Indikation stets den individuellen Gegebenheiten angepasst sein muss. Bei der Indikationsstellung zur Nierentransplantation müssen einerseits die Erfolgsaussichten und andererseits die Risiken der Transplantation gegeneinander abgewogen werden.
Nierentransplantation bei Erwachsenen: Vorteile sind die Unabhängigkeit vom Nierenersatzverfahren und eine Verbesserung der Lebensqualität. Weiterhin stellt die Nierentransplantation eine lebensverlängernde Maßnahme dar. Dringliche medizinische Gründe stellen eine Indikation dar.
Nierentransplantation bei Erwachsenen: Eine Nierentransplantation stellt für den Dialysepflichtigen einen Überlebensvorteil gegenüber der dauerhaften Dialyse dar. Neben den Vorteilen der Unabhängigkeit vom Nierenersatzverfahren und der Verbesserung der Lebensqualität ist die Nierentransplantation auch eine lebensverlängernde Maßnahme. Zudem bestehen einige dringliche medizinische Gründe zur Nierentransplantation bei Erwachsenen. Hierzu zählen Shuntprobleme, schwere renale Osteopathie, therapieresistente renale Anämie und Suizidgefährdung. Diese Gründe werden häufig als Indikationen zur bevorzugten Organvergabe als „high urgent“ Empfänger akzeptiert.
Nierentransplantation bei Kindern: Hier besteht eine besondere Priorität. Die Transplantation sollte möglichst im prädialytischen Stadium erfolgen (bessere Entwicklung sowie verbessertes Längenwachstum). Bedeutsam ist hier die Nierenlebendspende durch Eltern.
Nierentransplantation bei Kindern: Aufgrund der vielfältigen Vorteile gegenüber der Dialysebehandlung besteht bei Kindern eine besondere Priorität. Die psychische, somatische und hormonelle Entwicklung nimmt nach erfolgreicher Transplantation einen günstigeren Verlauf. Insbesondere im Hinblick auf das Längenwachstum sollte der Zeitpunkt der Nierentransplantation möglichst noch während der prädialytischen Phase liegen. Bei sinkendem Spenderorganangebot und der zeitlichen Planbarkeit kommt daher bei Kindern der Nierenlebendspende durch Eltern eine große Bedeutung zu.
Mehrfachtransplantationen (Zweit-, Dritt-, Viert-NTX) sind möglich, jedoch erhöht sich sowohl das operative als auch das immunologische Risiko.
Mehrfachtransplantationen (Zweit-, Dritt-, Viert-NTX): Diese sind möglich, jedoch ist das operative Risiko bei Zweittransplantation auf der ipsilateralen Seite erhöht. Vernarbungen im operierten Gebiet sind oft erheblich, außerdem muss zuvor meist das Ersttransplantat entfernt werden. Auch das immunologische Risiko des Empfängers steigt für die Zweittransplantation insbesondere dann, wenn das Ersttransplantat durch immunologische Prozesse (akute oder chronische Abstoßungen) funktionslos wurde. Auch Dritt- oder Vierttransplantationen sind nicht ausgeschlossen. Wegen des zunehmend erhöhten Komplikationsrisikos bedürfen sie jedoch einer besonders sorgfältigen Indikationsstellung. Ein Transplantationserfolg bedeutet für den Empfänger das Wiedererlangen von Lebensbedingungen, die weitgehend denen Gesunder entsprechen. Verbesserte Konzentrations-, gesteigerte körperliche Leistungsfähigkeit und emotionale Befindlichkeit sind die Hauptfaktoren für die allgemeine Lebenszufriedenheit. Insbesondere beeinflusst die Möglichkeit für viele Patienten, wieder in das Berufsleben zurückkehren zu können, die Lebensqualität maßgeblich. V.a. aus diesem Grund äußern Patienten den Wunsch nach Transplantation. Sie nehmen das Operationsrisiko sowie die Nachteile der Immunsuppression in Kauf, obwohl die Überlebensraten an der Dialyse vergleichbar mit denen nach Transplantation sind.
Ein Transplantationserfolg bedeutet für den Empfänger das Wiedererlangen von Lebensbedingungen, die weitgehend denen Gesunder entsprechen. V.a. die Möglichkeit, wieder ins Berufsleben zurückkehren zu können, beeinflusst die Lebensqualität maßgeblich für viele Patienten.
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B 12.3 Nierentransplantation (NTX)
B-12.5
Kontraindikationen für die Nierentransplantation
absolute Kontraindikationen ■
■ ■
■
■
absolute Narkoseunfähigkeit bei multimorbiden Patienten positiver Crossmatch-Test (s. u.) nicht beherrschbare lokale oder systemische Infektionen (z. B. HIV) nicht kurativ therapierte maligne Tumorerkrankungen kurativ therapierte maligne Tumorerkrankungen innerhalb einer individuellen Nachbeobachtungszeit von 2 bis 5 Jahren (Cave: Dies gilt nicht für hochaggressive Tumoren wie Mammakarzinome oder Melanome!)
1361 B-12.5
relative Kontraindikationen ■ ■
■
■
Lebensalter 4 70 Jahre Hochdruckkomplikationen, z. B. nach vorausgegangenem Insult, Herzinfarkt oder bei fortgeschrittener allgemeiner Gefäßsklerose Diabetes mellitus mit schwerer Angiopathie und Missbildungen der ableitenden Harnwege kurativ behandelte maligne Tumoren (nach einer Nachbeobachtungszeit von zwei bis zehn Jahren ist eine Transplantation möglich)
12.3.3 Kontraindikationen
12.3.3 Kontraindikationen
Bei allen anderen Patienten muss das zweifelsohne vorhandene Operation- und Narkoserisiko gegen den potentiellen Nutzen der Nierentransplantation abgewogen werden. Dies gilt insbesondere bei Vorliegen von relativen Kontraindikationen (Tab. B-12.5). Systemische Erkrankungen wie der Lupus erythematodes und der Morbus Wegener stellen heute keine Kontraindikationen mehr dar. Bei der primären Oxalose sollte die Entscheidung zur simultanen Transplantation (Leber und Niere) getroffen werden.
Absolute und relative Kontraindikationen zur Nierentransplantation sind in Tab. B-12.5 dargestellt. Systemische Erkrankungen stellen heute keine Kontraindikationen mehr dar.
12.3.4 Vorbereitung auf die Nierentransplantation
12.3.4 Vorbereitung auf die
Nierentransplantation
Diagnostische Maßnahmen
Diagnostische Maßnahmen
Im Rahmen der gezielten diagnostischen Maßnahmen vor der Aufnahme des Patienten in eine Warteliste werden folgende Untersuchungen durchgeführt: Ein ausführlicher körperlicher und urologischer Status (Ausschluss von Obstruktionen), Überprüfung des Gefäßstatus im Bereich der Beckengefäße, Ausschluss akuter oder chronischer Infektionsherde. Ggf. müssen diese saniert werden (z. B. Zähne, HNO-Bereich, ggf. auch Cholezystektomie bei symptomatischer Cholelithiasis, ggf. Nephrektomie der Eigennieren entweder bei pyelonephritischen Schrumpfnieren mit persistierenden Infekten oder bei polyzystischen Nieren mit rezidivierenden Infekten). Die Indikation zur prophylaktischen Nephrektomie besteht zur Minderung des Tumorrisikos bei Analgetikanephropathie. Der Ausschluss höhergradiger anderer Risikofaktoren (Herz, Lunge, Leber, Divertikulitis, Ulkusleiden), von Malignomerkrankungen und manifester HIVInfektion bedürfen kaum der Erwähnung. Selbstverständlich sind blutchemische, mikrobiologische und virologische Untersuchungen. Hierbei ist die Feststellung des Zytomegalievirusstatus des Empfängers von besonderer Bedeutung.
Folgende Untersuchungen sind vor Aufnahme des Patienten in eine Warteliste durchzuführen: Ein körperlicher und urologischer Status, der Gefäßstatus der Beckengefäße, eine Fokussuche und ggf. Sanierung akuter oder chronischer Infektionsherde.
Weiterhin müssen Malignomerkrankungen, andere höhergradige Risikofaktoren sowie eine manifeste HIV-Infektion ausgeschlossen werden. Besonders wichtig ist die Feststellung des Zytomegalievirusstatus des Empfängers.
Immunologische Vorbereitung
Immunologische Vorbereitung
Die Nierentransplantation erfolgt nach immunologisch orientierten SpenderEmpfänger-Kriterien. Zwingende immunologische Voraussetzungen vor der Transplantation einer Spenderniere sind die Kompatibilität im AB0-Blutgruppensystem und eine möglichst gute Übereinstimmung der HLA-Antigene zwischen Spender und Empfänger. Um gute HLA-Übereinstimmungen zu erzielen, wurden internationale Organaustauschinstitutionen gegründet, z. B. Eurotransplant mit Sitz in Leiden/Holland (s. a. S. 1344).
Zwingende immunologische Voraussetzungen vor der endgültigen Transplantation einer Spenderniere sind die Kompatibilität im AB0-Blutgruppensystem und eine gute Übereinstimmung der HLA-Antigene.
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B 12 Transplantation
1362 왘 Merke
왘 Merke. Vor der endgültigen Transplantation wird ein Kreuztest, der sog. Crossmatch, zwischen Empfängerserum und Spenderlymphozyten durchgeführt. Ein positiver Crossmatch-Test ist eine absolute Kontraindikation zur geplanten Nierentransplantation.
Nach Vorliegen des negativen Cross-matchTests wird der Patient vom Transplantationszentrum einbestellt.
Nach Vorliegen des negativen Cross-match-Tests wird der Patient vom Transplantationszentrum einbestellt. Hierbei sollte der behandelnde Nephrologe mit einbezogen werden, da dieser aktuelle Kontraindikationen sicherer abzuschätzen weiß als der Patient selbst, der eher vorbehaltlos dem lang ersehnten Transplantationstag entgegensieht.
Vorbereitung auf die Operation
Vorbereitung auf die Operation
Diese erfolgt in einer für alle Operationen üblichen Weise:
Wenn keine Kontraindikationen vorliegen, erfolgt die OP-Vorbereitung in einer für alle Operationen üblichen Weise: ■ Blutentnahme zur Labordiagnostik und Kreuzblutbestimmung für Erythrozytenkonzentrate. Die Blutentnahme sollte möglichst distal am „Nicht-ShuntArm“ über einen Verweilzugang erfolgen (Handrücken). ■ Körperliche Untersuchung. ■ EKG und Thorax-Röntgenaufnahme. ■ Nochmalige Operations- und anästhesiologische Aufklärung (Erstaufklärung erfolgt vor Aufnahme in die Warteliste). ■ Bei Elektrolytentgleisung (z. B. Hyperkaliämie) oder bei wesentlich über dem Trockengewicht liegendem aktuellem Körpergewicht zum Wasserentzug erfolgt eine nochmalige Dialysebehandlung.
■
■ ■ ■
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Blutentnahme zur Labordiagnostik und Kreuzblutbestimmung für Erythrozytenkonzentrate. Körperliche Untersuchung. EKG und Thorax-Röntgenaufnahme. Nochmalige Operations- und anästhesiologische Aufklärung. ggf. nochmalige Dialysebehandlung.
12.3.5 Operationstechnik
12.3.5 Operationstechnik
Das Spenderorgan wird extraperitoneal in die rechte oder linke Fossa iliaca implantiert. Die Gefäßanastomosierung erfolgt End-zu-Seit an die Iliakalgefäße und die Implantation des Ureters in die Blase mit entsprechender Antirefluxplastik (Abb. B-12.7).
Das Spenderorgan wird extraperitoneal in die rechte oder linke Fossa iliaca implantiert. Nach bogenförmigem Unterbauchschnitt rechts oder links (je nach Angebot eines rechten oder linken Spenderorgans) erfolgt die Durchtrennung des M. obliquus externus und internus abdominis sowie des M. transversus. Anschließend wird das Peritoneum nach medial abgeschoben, nach Freilegen der Iliakalgefäße wird das Spenderorgan in die Fossa iliaca platziert. Die Gefäßanastomosierung erfolgt End-zu-Seit an die V. und A. iliaca externa. Nach Freigabe der Blutzirkulation wird der Spenderureter dorsal im Blasendach mit entsprechender Antirefluxplastik implantiert (Ureteroneozystostomie); danach erfolgt der Bauchdeckenverschluss (Abb. B-12.7).
Prognose: Die perioperative Letalität beträgt ca. 1 – 3 % und die Komplikationsrate ca. 3 – 10 %.
Prognose: Die perioperative Letalität beträgt etwa 1 – 3 %, die Komplikationsrate etwa 3 – 10 %. Beide sind wesentlich vom Lebensalter und der Polymorbidität des Organempfängers abhängig.
B-12.7
Nierentransplantation mit Ureteroneozystostomie a Implantation der Spenderniere in die rechte Fossa iliaca. End-zu-Seit-Anastomosierung der Spenderorganarterie mit der A. iliaca externa und der V. renalis mit der V. iliaca externa. Implantation des Spenderureters in die Harnblase (Ureterneozystostomie). b Schematische Darstellung nach Nierentransplantation in die rechte Fossa iliaca.
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B 12.3 Nierentransplantation (NTX)
1363
12.3.6 Postoperative Behandlung
12.3.6 Postoperative Behandlung
Allgemeiner Behandlungsplan
Allgemeiner Behandlungsplan
Außer einer perioperativen Infektprophylaxe (1 – 3-tägige Antibiotikagabe, Verabreichung kaum resorbierbarer oraler Antimykotika), intensiver Blutdrucküberwachung und Temperaturmessung ist eine streng bilanzierte Infusionstherapie ebenso notwendig wie bei akutem Nierenversagen. Sorgfältige Beobachtung erfordert die Nierenfunktion. Zu den wichtigsten Verlaufskontrollen gehören Körpergewicht, Urinvolumen, Bestimmung von Serumkreatinin und Elektrolyten. Bei sehr günstigem Verlauf setzen nach Implantation des Spenderorgans bereits intraoperativ Diurese und auch Entgiftung ein.
Infektprophylaxe, Blutdrucküberwachung, Temperaturmessung und strenge Flüssigkeitsbilanzierung sind notwendige allgemeine Maßnahmen.
왘 Merke. Besonderes Augenmerk gebührt dem Dialyseshunt, d. h. keine Brau-
Sorgfältige Beobachtung erfordert die Nierenfunktion. Körpergewicht, Urinvolumen, Serumkreatinin und Elektrolytbestimmungen sind die wichtigsten Verlaufsbeobachtungen.
왗 Merke
nülen und keine Venenkatheter am Dialysearm und weitgehende Schonung aller Venen des kontralateralen Unterarmes! Eine Isolierung des Patienten in einer sterilen Einheit ist nicht nötig. Allerdings sollten alle Verrichtungen am Patienten unter strenger Asepsis erfolgen, insbesondere die Pflege von Kathetern (Venen- und Blasenkatheter, Ureterschienen). Fremdmaterialien sollten so früh wie möglich entfernt werden. Rasche Mobilisierung (ab dem 1. postoperativen Tag) und aktives Atemtraining sind für den immunsupprimierten Organempfänger die wichtigste Infektionsprophylaxe (Pneumonie). Da es sich bei der Nierentransplantation um eine extraperitoneale Operation handelt, kann gewöhnlich nach 24 Stunden mit der Nahrungsaufnahme begonnen werden.
Alle Verrichtungen am Patienten erfolgen unter strenger Asepsis. Rasche Mobilisierung und aktives Atemtraining sind die wichtigste Infektionsprophylaxe (Pneumonie).
Komplikation: Eine primäre Nichtfunktion des Transplantats (Anurie oder Oligurie, bei ca. 10 – 20 % der Patienten) macht vorübergehende Dialysebehandlungen erforderlich.
Komplikation: Bei primärer Nichtfunktion des Transplantats sind vorübergehende Dialysebehandlungen erforderlich.
Transplantatspezifische Behandlung
Transplantatspezifische Behandlung
Die spezielle Therapie nach Nierentransplantation besteht in der Verabreichung immunsuppressiver Medikamente, die bereits präoperativ appliziert werden, um die Immunantwort des Empfängers gegen die Transplantationsantigene des Spenderorgans zu unterdrücken (S. 1352). Für den erfolgreich transplantierten Patienten besteht eine Notwendigkeit zur immunsuppressiven Dauertherapie. Für die Zeit des Transplantatüberlebens steht der Patient unter regelmäßiger ärztlicher Kontrolle (Tab. B-12.6), wobei die Intervalle von der Zeit nach Transplantation abhängig sind. Unabdingbar ist die Kontrolle der Transplantatfunktion, des Blutbildes und des Ciclosporin- bzw. Tacrolimusblutspiegels.
Die spezielle Therapie nach Nierentransplantation besteht in der Verabreichung immunsuppressiver Medikamente (s. S. 1352) mit der Notwendigkeit einer immunsuppressiven Dauertherapie.
B-12.6
Ärztliche Überwachung nach erfolgreicher Transplantation
1 × wöchentlich (während der ersten ca. 6 Monate nach Transplantation)
Laborkontrollen: ■ Nierenretentionswerte (Harnstoff, Kreatinin), Blutbild ■ Blutspiegel: Ciclosporin, Tacrolimus, Sirolimus/Everolimus, Mycophenolatmofetil ■ Nachweis des CMV-Frühantigens (ggf. bei Transplantation eines CMV-positiven Organs in CMV-negative Empfänger) ■ Urinuntersuchung: Zellen, Eiweiß, Glukose, Bakteriologie
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vierteljährlich
Überprüfung der Leberwerte, Blutgerinnung, Harnsäure und Blutfette
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halbjährlich
regelmäßige Kontrollen zur Transplantatfunktion: KreatininClearance, Sonographie und Duplexsonographie, Blutdruckmessung und ganzkörperliche Untersuchung mit Inspektion der Haut
mindestens 1 × jährlich
zahnärztliche Überwachung, gynäkologische Vorsorgeuntersuchung und abdominelle Sonographie
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Mit der Nahrungsaufnahme kann i.d.R. nach 24 h begonnen werden.
B-12.6
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1364
B 12 Transplantation
12.3.7 Postoperative Komplikationen
12.3.7 Postoperative Komplikationen
Ischämieschäden
Ischämieschäden
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Warme Ischämie: Entsteht durch Erwärmung des Organs während der Ex- oder Implantation. Kalte Ischämie: Verursacht durch verlängerte Lagerung des Organs bei 4 °C. Akute Tubulusnekrose (ATN): Sauerstoffmangel bewirkt eine Depletion des zelleigenen ATP mit Zellschädigung der empfindlichen Tubuluszellen. Reperfusionsschaden: Verstärkt wird der Ischämieschaden durch chemische und immunologische Vorgänge bei der Reperfusion des Organs mit sauerstoffhaltigem Blut. Folge des Ischämie-Reperfusionsschadens ist die Beeinträchtigung der initialen Funktion der Transplantatniere.
Sowohl die warme als auch die kalte Ischämie können zu einer Schädigung der Transplantatniere führen. ■ Warme Ischämie: Durch den Entnahmevorgang im Rahmen der Explantation, aber auch während der Implantation kann es zu einer unerwünschten Erwärmung des Organs mit der Folge einer sog. warmen Ischämie kommen. ■ Kalte Ischämie: Eine verlängerte Lagerung des Organs bei 4 °C kann zu einer kalten Ischämie führen. ■ Akute Tubulusnekrose (= ATN): Die fehlende Sauerstoffversorgung führt zu einer Depletion des zelleigenen ATP, was zu einer Zellschädigung der besonders empfindlichen Tubuluszellen führt. Diese ATN ist grundsätzlich reversibel, macht aber meist eine intermittierende Dialyse nach Transplantation erforderlich. Man spricht dann von einer verzögerten Transplantatfunktion (delayed graft function = DGF). ■ Reperfusionsschaden: Verstärkt wird der Ischämieschaden durch chemische und immunologische Vorgänge bei der Reperfusion des Organs mit sauerstoffhaltigem Blut. Dies beruht auf der Bildung von Sauerstoffradikalen im vorgeschädigten Organ. Folge hiervon ist neben der direkten Zellschädigung die Lipidperoxidation, welche die Bildung von inflammatorisch und hämodynamisch aktiven Thromboxanen und Prostaglandinen nach sich zieht. Als Folge des Ischämie-Reperfusionsschadens ist die initiale Funktion der Transplantatniere beeinträchtigt. Doch auch die erhöhte Immunogenität des Organs bedingt die Rate an akuten und chronischen Abstoßungen im weiteren Verlauf.
Operativ-technische Komplikationen
Operativ-technische Komplikationen
Operativ-technische Probleme treten in etwa 3 – 10 % der Fälle auf. Zu unterscheiden sind lymphogene, vaskuläre und urologische Komplikationen.
Seit die Nierentransplantation zum Routinebehandlungsverfahren geworden ist, sind Komplikationen selten (etwa 3 – 10 %). Bei den chirurgischen Komplikationen sind lymphogene, vaskuläre und urologische Probleme auseinander zu halten.
Lymphogene Komplikationen
Lymphogene Komplikationen
Lymphogene Komplikationen sind Lymphorrhö und Lymphozelenbildung.
Ursachen vermehrter Lymphorrhö oder Lymphozelenbildung sind einerseits der Lymphabfluss aus den Lymphgefäßen des Transplantats selbst und andererseits die Eröffnung parailiakaler Lymphgefäße bei Freilegung der Beckengefäße.
Vaskuläre Komplikationen
Vaskuläre Komplikationen
Die häufigsten vaskulären Komplikationen sind lokale Hämatome oder Blutungen. Seltener sind infektionsbedingte Arrosionsblutungen, arterielle Stenosen, Thrombosen etc.
Die häufigsten vaskulären Komplikationen sind lokale Hämatome oder größere Blutungen aus Nahtinsuffizienzen. Selten sind infektionsbedingte Arrosionsblutungen, arterielle Stenosen, Thrombosen der Iliakal- oder Transplantatgefäße, Aneurysmen, AV-Fisteln nach Transplantatpunktionen oder Verschlüsse des Dialyseshunts anzutreffen. ■ Arterielle Stenosen lokalisieren sich überwiegend im Anastomosenbereich. In der frühen postoperativen Phase sind sie meist Folge von Intimaläsionen, nach mehreren Wochen eher Folge abgelaufener Rejektionen. Arterielle Stenosen mit konsekutiver Hypertonie oder Funktionseinschränkung des Transplantats sind revisionsbedürftig. Der Versuch einer Dilatation hat Vorrang gegenüber der operativen Korrektur. ■ Thrombosen im Bereich der renalen bzw. iliakalen Gefäße sind gefürchtete Komplikationen, da sie fast regelhaft den Verlust des Transplantats bedeuten. In der Frühphase nach Operation treten diese Komplikationen gelegentlich nach längeren Blutdruckabfällen oder nach Kompression durch Hämatome oder Lymphozelen auf. ■ AV-Fisteln im Transplantat nach Biopsien sind sehr selten. Bei hämodynamischer Wirksamkeit kommt zum Erhalt des Transplantats nur die Teilresektion des Organs in Betracht.
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Arterielle Stenosen lokalisieren sich überwiegend im Anastomosenbereich. Bei Hypertonieentwicklung oder Funktionseinschränkung des Transplantats sind sie revisionsbedürftig.
Thrombosen im Bereich der Iliakal- oder Transplantatgefäße führen fast regelhaft zum Verlust des Transplantats.
AV-Fisteln nach Biopsien sind sehr selten.
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B 12.3 Nierentransplantation (NTX)
1365
Urologische Komplikationen
Urologische Komplikationen
An chirurgisch-urologischen Komplikationen nach Nierentransplantation lassen sich verzeichnen: Ureterfisteln, Blasenleckagen, Harnleiterstenosen, vesikoureteraler bzw. vesikorenaler Reflux, Nebenhodenentzündung, Hydrozelenbildung, Potenzstörungen und Infektionen. Die Diagnosenstellung urologischer Komplikationen erfolgt durch Sonographie, i. v. Pyelographie, retrograde oder antegrade Pyelographie (Abb. B-12.8). Harnleiterfisteln gehen auf mangelhafte Anastomosentechnik oder Minderdurchblutung des distalen Ureters bei Skelettierung während der Spenderorganentnahme zurück. Komplikationen mit Urinextravasation durch Ureterund/oder Blasenleckagen bedürfen nahezu immer der chirurgischen Korrektur. Harnleiterstenosen finden sich am häufigsten im Bereich der Harnleiter-BlasenAnastomose. Bei Entwicklung einer Harnstauungsniere (Abb. B-12.8) mit Funktionsverschlechterung des Transplantats ist die Ureterneuimplantation die Therapie der Wahl. Häufig ist aufgrund der anatomischen Gegebenheiten oder wegen eines kurzen Spenderureters eine Neuinpflanzung nicht möglich. In diesem Fall kann, insbesondere bei fehlender Restfunktion der Eigennieren eine Anastomosierung der Spenderniere an den ipsilateralen Eigenureter erforderlich sein. Das erhöhte operative Trauma ist einem in der Regel guten Langzeitergebnis gegenübergestellt.
Ureterfisteln, Blasenleckagen, Harnleiterstenosen, Reflux, Nebenhodenentzündung, Hydrozelenbildung, Potenzstörungen und Infektionen. Die Diagnosenstellung urologischer Komplikationen erfolgt durch Sonographie, i. v. Pyelographie, retro- oder antegrade Pyelographie (Abb. B-12.8).
Bei Harnleiterstenosen mit Harnstauungsniere (Abb. B-12.8) besteht die Therapie der Wahl in einer Ureterneuimplantation in die Blase. Bei Unmöglichkeit der Neueinpflanzung kann eine Anastomosierung der Spenderniere an den ipsilateralen Eigenureter erforderlich sein.
Immunologische Komplikationen
Immunologische Komplikationen
Die immunologischen Komplikationen stellen ein sehr komplexes Problem dar. Zu ihnen gehören die verschiedenen Abstoßungsreaktionen (s. S.1350), aber auch die rekurrierenden Glomerulonephritiden, die u.U. sehr rasch zum Transplantatversagen führen können (z. B. die rapid progressive Glomerulonephritis).
Ein sehr komplexes Problem sind die immunologischen Komplikationen. Zu ihnen zählen die Abstoßungsreaktionen und die rekurrierenden Glomerulonephritiden (s. S.1350).
Medikamenteninduzierte Komplikationen
Medikamenteninduzierte Komplikationen
Die immunsuppressiven Medikamente bedingen eine Vielzahl möglicher Komplikationen, die sich als Folgen der Medikamentennebenwirkungen entwickeln (S. 1352). Hinzu kommt eine deutlich geminderte allgemeine Infektabwehr. Neben bakteriellen und fungalen Infektionen (besonders Candidiasis und Aspergillus) sowie Infektionen durch Protozoen (Toxoplasmose und Pneumocystis carinii), spielen eine bedeutende Rolle die Viruserkrankungen, insbesondere durch Viren der Herpesgruppe (Zytomegalie-, Herpes-simplex-, Epstein-Barr-, Varizella-zoster-Virus).
Durch die Immunsuppression kann es zu einer Vielzahl von Medikamentennebenwirkungen kommen (S.1352).
B-12.8
Zu beachten ist die deutlich geminderte allgemeine Infektabwehr. Neben Infektionen durch Bakterien, Pilze und Protozoen spielen Viruserkrankungen durch Viren der Herpesgruppe (besonders Zytomegalie) eine bedeutende Rolle.
Intravenöse Urogramme transplantierter Nieren
a regelrechtes Ausscheidungsurogramm.
b Urogramm einer Harnstauungsniere bei Ureterstenose erweitertes Kelchsystem (?).
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1366
B 12 Transplantation
Jede Infektion erfordert ihre gezielte spezifische Therapie. Bei lebensbedrohlichen Allgemeininfektionen muss die Immunsuppression reduziert bzw. gelegentlich ganz abgesetzt werden, um die Ausheilung der Infektion zu ermöglichen. Die Kompliaktionsrate ist sehr wahrscheinlich bestimmt durch die Aggressivität der Immunsuppression. Sie ist eine Individualtherapie und lässt sich nicht schematisieren. 12.3.8 Sonderfälle
12.3.8 Sonderfälle
Organspende bei AB0-Blutgruppeninkompatibilität
Organspende bei AB0-Blutgruppeninkompatibilität
I.d.R. ist eine Transplantation nur innerhalb der üblichen Blutverträglichkeit gegeben. Bei Indikation für eine Lebendspende-Transplantation über immunologische Barrieren hinweg ist durch immunsuppressive Vorbehandlung auch eine AB0-inkompatible Spende möglich. In diesem Fall ist die Einnahme einer erhöhten Dosis unterschiedlicher immunsuppressiver Medikamente nötig.
I.d.R. ist die Möglichkeit einer Transplantation nur innerhalb der üblichen Blutgruppenverträglichkeit gegeben. Eventuell kann eine Lebendspende-Transplantation jedoch über diese immunologische Barriere hinaus notwendig werden. In diesem Fall ist es durch eine immunsuppressive Vorbehandlung mittels B-Zell-Antikörpern und Plasmapherese möglich, auch eine AB0-inkompatible Spende durchzuführen. Diese ist jedoch mit einem erhöhten immunologischen Risiko für den Empfänger verbunden. Daher ist für die Dauer der Transplantatfunktion die Einnahme einer erhöhten Dosis unterschiedlicher immunsuppressiver Medikamente nötig. Das dadurch verschärfte Nebenwirkungsprofil dieser Medikamente muss gegenüber dem potentiellen Nutzen einer geplanten Lebendspende abgewogen werden.
Über-Kreuz-Spende
Über-Kreuz-Spende
Bei Vorliegen einer AB0-Inkompatibilität ist die in jeweils gekreuzter immunologischer Konstellation erfolgende Organspende ein mögliches Konzept. Diese „cross-over-Spende“ hat sich in Deutschland jedoch aufgrund organisatorischer und rechtlicher Probleme noch nicht durchgesetzt.
Ein mögliches Konzept bei Vorliegen einer AB0-Inkompatibilität kann eine Organspende sein, die von einem Partner auf den anderen in jeweils gekreuzten immunologischen Konstellationen erfolgt: Spender A ist Träger der Blutgruppe B und Empfänger A hat Blutgruppe A. Spender B hat Blutgruppe A und Empfänger B ist Träger der Blutgruppe B. In diesem Fall könnte Spender A dem Empfänger B spenden und umgekehrt Spender B dem Empfänger A. Diese Über-Kreuz-Spende („cross-over-Spende“) wird aber aufgrund erheblicher organisatorischer und rechtlicher Probleme noch diskutiert und hat sich in Deutschland noch nicht durchgesetzt.
12.3.9 Resultate und Prognose
12.3.9 Resultate und Prognose
Seit Beginn der Ciclosporin-Ära liegt die Einjahres-Überlebensrate der Nierentransplantate bei ca. 85 – 90 %.
Seit Beginn der Ciclosporin-Ära hat sich die Einjahres-Überlebensrate der Nierentransplantate von ca. 70 % unter konventioneller Therapie (Azathioprin und Steroide) auf ca. 85 – 90 % erhöht. Die Fünfjahres-Überlebensraten liegen bei etwa 70 %. Eine erfolgreiche Nierentransplantation führt zur weitgehenden „Wiedergesundung“. Für Kinder bedeutet sie meist eine normale psychisch-somatische Entwicklung. Sportliche Betätigungen können in nahezu vollem Umfang wieder aufgenommen werden. Bei Frauen sind Schwangerschaften durchaus möglich.
Eine erfolgreiche Nierentransplantation führt zur weitgehenden Gesundung.
왘 Merke
왘 Merke. Die Nierentransplantation ist die erfolgreichste, wirklich rehabili-
tierende und resozialisierende wie auch volkswirtschaftlich günstigste Therapieform der terminalen chronischen Niereninsuffizienz. Langzeitrisiken sind chronische Abstoßungen und das Wiederauftreten der Grunderkrankung im Transplantat. Als gravierende Probleme der immunsuppressiven Dauertherapie sind die kardiovaskulären Risiken und eine erhöhte Malignomwahrscheinlichkeit hervorzuheben (Karzinome, Hauttumoren und maligne Lymphome).
Mit zunehmender Transplantatüberlebenszeit entwickeln sich für den Organempfänger die Langzeitrisiken. Hierzu gehören die Transplantatverluste durch chronische Abstoßung in einer Größenordnung von ca. 3 – 5 % pro Jahr und das Wiederauftreten der Grunderkrankung im Transplantat. Gravierende Probleme bereiten die Nebenwirkungen der immunsuppressiven Dauertherapie, besonders durch ein gesteigertes kardiovaskuläres Risiko und durch eine erhöhte Tumorinzidenz. Die Malignomwahrscheinlichkeit liegt in der ersten Dekade nach Transplantation etwa 3 – 4fach über dem der gleichaltrigen Bevölkerung.
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B 12.3 Nierentransplantation (NTX)
1367
Nach europäischen Tumorstatistiken stehen Karzinome an erster Stelle, nach amerikanischen und australischen Studien führen Hauttumoren und maligne Lymphome. 왘 Klinische Fälle. Fall 1: Eine 35-jährige Patientin erhielt ein blutgruppen- und HLA-identisches Nierentransplantat, welches postoperativ sofort seine Funktion aufnahm. Am 5. postoperativen Tag traten Temperaturen bis 38 °C auf, die Diurese war rückläufig und die Patientin verspürte ein lokales Druckgefühl im Transplantatlager. Das Serumkreatinin stieg von 1,8 mg% am Vortag auf 2,1 mg% an. Im Urin fiel eine Proteinurie auf, keine Leukozyturie, keine Bakteriurie. Nach Duplexsonographie (Abb. B-12.9) wurde an 3 aufeinander folgenden Tagen mit je 250 mg Steroiden behandelt; die Kontrolluntersuchung zeigte danach eine gute Perfusion (Abb. B-12.9). Die Patientin wurde am 22. Tag mit normaler Transplantatfunktion entlassen. Fall 2: Einem 20-jährigen Patienten wurde eine blutgruppenidentische, HLA nur z. T. kompatible (je 1 Mismatch auf dem B- und DR-Lokus) Niere über Eurotransplant angeboten und implantiert. Mit sehr guter Transplantatfunktion (Kreatinin 1,2 mg%) konnte der Patient 17 Tage post transplantationem entlassen werden. Dem Hausarzt fielen 2 Wochen später erhöhte Blutdruckwerte, Beinödeme und ein Serumkreatininanstieg auf 3,2 mg% auf, er veranlasste die sofortige stationäre Einweisung. Nach sonographischem Befund (Abb. B-12.9) und Duplexsonographie wurde die Niere biopsiert. Trotz Antirejektionstherapie (5 Tage je 500 mg Steroide) konnte das Transplantat nicht erhalten werden; es musste wegen nicht beherrschbarer vaskulärer Abstoßung entfernt werden.
B-12.9
a
c
왗 Klinische Fälle
Duplexsonographischer (a, b) und sonographischer (c) Befund bei Nierentransplantation
b
a Duplexsonographischer Befund bei Abstoßung: Schwere, akute vaskuläre Abstoßungsreaktion mit fehlender diastolischer Organperfusion. b Duplexsonographischer Befund nach erfolgreicher Abstoßungstherapie: Stabile immunologische Situation mit deutlich nachweisbarem enddiastolischen Blutfluss (?). c Sonographischer Befund einer rejezierenden Transplantatniere: Geschwollenes Organ (Parenchym verbreitert) mit liquiden Markkegeln (?).
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1368 12.4
Lebertransplantation (LTX)
B 12 Transplantation
12.4 Lebertransplantation (LTX) Felix Braun, Bernd Kremer
Die erste klinische Lebertransplantation erfolgte 1963 durch Starzl in Denver, USA.
Die erste experimentelle Lebertransplantation erfolgte 1956 durch Cannon in Los Angeles. Dieser folgte 1963 die erste klinische LTx durch Starzl in Denver bei einem 3-jährigen Kind mit biliärer Atresie. Bis zur klinischen Etablierung dieser Technik, die heutzutage eine Standardtherapie darstellt, vergingen jedoch weitere 20 Jahre.
12.4.1 Indikationen
12.4.1 Indikationen
Ursprünglich erfolgte die Lebertransplantation als Ultima-ratio-Eingriff bei primären und sekundären nicht resektablen hepatobiliären Malignomen.
Anfänglich erfolgte die Lebertransplantation als Ultima-ratio-Eingriff bei primären und sekundären nicht resektablen hepatobiliären Malignomen. Die Standardisierung und Weiterentwicklung auf den Gebieten der operativen Technik, der prä-, peri- und postoperativen Therapie sowie der medikamentösen Immunsuppression führten zu verbesserten Patienten- und Transplantatüberlebensraten und zu einer Ausweitung der Indikationsstellung. Diese beinhaltet ein weites Spektrum an akuten und chronischen hepatozellulären, cholestatischen und metabolischen sowie benignen Lebererkrankungen und hepatobiliäre Tumoren (Tab. B-12.7). Die weltweit häufigste Indikation zur Lebertransplantation ist die Hepatitis B-oder C-Virus-assoziierte dekompensierte Leberzirrhose.
Inzwischen wurde die Indikationsstellung ausgeweitet und beinhaltet ein weites Spektrum an akuten und chronischen Lebererkrankungen (Tab. B-12.7).
Akutes Leberversagen: Dieses wird in hyperakut (0 – 7 Tage), akut (7 – 28 Tage) und subakut (4 28 Tage) eingeteilt. Primär resultieren eine Verschlechterung der Gerinnungsfunktion, Ikterus und hepatische Enzephalopathie.
Bei fulminantem Verlauf besteht die Notfallindikation zur Transplantation. Chronische Lebererkrankungen: ■ hepatozellulär, cholestatisch: Der klinische Verlauf einer Leberzirrhose wird durch eine progrediente Leberfunktionsstörung, Komplikationen der portalen Hypertension, sekundäres Organversagen und das Auftreten hepato-biliärer Malignome bestimmt. Der Schweregrad wird anhand des Child-Turcotte-Pugh Scores klassifiziert (Tab. B-12.8).
■
metabolisch: Die Lebertransplantation erfolgt mit kurativem Ansatz.
Hepatobiliäre Tumoren: Bei HCC besteht bei solitärer Raumforderung ≤ 5 cm oder drei Raumforderungen von jeweils 5 3 cm eine Indikation, bei weiter fortgeschrittenen Stadien eine Kontraindikation zur Transplantation. Zur Überbrückung bis zur Verfügbarkeit einer Spenderleber kommen unterschiedliche Verfahren zum Einsatz.
Akutes Leberversagen: Dieses wird nach dem zeitlichen Intervall zwischen Ikterus und hepatischer Enzephalopathie in hyperakut (0 – 7 Tage), akut (7 – 28 Tage) und subakut (4 28 Tage) eingeteilt. Der Ausfall der Lebersyntheseleistung und der Detoxifikation von Ammoniak führen primär zu marginaler Gerinnungsfunktion, Ikterus und hepatischer Enzephalopathie (Coma hepaticum, Hirnödem). Sekundär können Nieren- und Lungenversagen sowie Sepsis resultieren. Bei fulminantem Verlauf mit nicht zu erwartender Spontanerholung der Leberfunktion besteht die Notfallindikation zur Transplantation. Chronische Lebererkrankungen: ■ hepatozellulär, cholestatisch: Eine chronische Schädigung der Leber durch Infektion (z. B. Hepatitis C), Noxen (z. B. Alkohol) oder Cholestase (z. B. primär sklerosierende Cholangitis) kann zum Ersatz von Lebergewebe durch Bindegewebe und zur Ausbildung von Regeneratknoten führen. Dies imponiert makroskopisch als Leberzirrhose, deren Schweregrad anhand des Child-Turcotte-Pugh Scores klassifiziert wird (Tab. B-12.8). Der klinische Verlauf wird durch eine progrediente Leberfunktionsstörung, Komplikationen der portalen Hypertension (z. B. Aszites, Ösophagusvarizenblutung), sekundäres Organversagen (z. B. hepatorenales Syndrom) und das Auftreten hepato-biliärer Malignome (z. B. hepatozelluläres Karzinom) bestimmt. Die portale Hypertension kann durch die Implantation eines transjugulären intrahepatischen porto-systemischen Stents (TIPSS, s. a. S. 521) oder Anlage eines chirurgischen porto-kavalen oder spleno-renalen Shunts entlastet werden. Die weltweit häufigste Indikation zur Lebertransplantation ist die Hepatitis C-assoziierte Leberzirrhose. ■ metabolisch: In seltenen Fällen kann der M. Wilson ein akutes Leberversagen verursachen. Die Lebertransplantation erfolgt bei metabolischen, in der Leber lokalisierten Erkrankungen mit kurativem Ansatz. Hepatobiliäre Tumoren: Die Indikation beim hepatozellulären Karzinom beschränkt sich auf eine solitäre Raumforderung ≤ 5 cm oder drei Raumforderungen jeweils 5 3 cm. Bei weiter fortgeschrittenen Tumorstadien besteht aufgrund der ungünstigen Prognose eine Kontraindikation zur Transplantation. Bis zur Verfügbarkeit einer Spenderleber können überbrückend die transarterielle Chemoembolisation (TACE), die perkutane Alkoholinjektion oder thermoablative Verfahren zur Reduktion des Tumorwachstums eingesetzt werden.
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B 12.4 Lebertransplantation (LTX)
B-12.7
1369
Indikationen zur Lebertransplantation
Indikation
Ursache
Akutes Leberversagen: ■ akute Virushepatitis HAV, HBV, selten HCV, HDV, CMV, EBV ■
medikamentöstoxisch
≥ 8 g Paracetamol, Acetaminophen, Disulfiram, Gold, Halothan, Marcumar, nicht-steroidale Antirheumatika, Rifmapicin, Tetrazykline
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Toxine
Ecstasy, alpha-Amanitin des Knollenblätterpilzes
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metabolisch
Morbus Wilson, Reye-Syndrom, HELLP-Syndrom
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vaskulär
Budd-Chiari-Syndrom, veno-occlusive disease
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traumatisch
Leberruptur
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unklare Ursache
chronische Lebererkrankungen ■ hepatozellulär posthepatitische Zirrhose (HBV, HCV), postalkoholische Zirrhose (PAC), Autoimmunhepatitis (AIH), kryptogene Zirrhose ■
cholestatisch
primär und sekundär biliäre Zirrhose (PBC, SBC), primär und sekundär sklerosierende Cholangitis (PSC, SSC), Gallengangsatresie
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metabolisch
Morbus Wilson, hereditäre Hämochromatose, α1-Antitrypsin-Mangel
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selten
Crigler-Najjar Syndrom Typ I, erythropoetische Protoporphyrie, familiäre amyloidotische Polyneuropathie (FAP), Galaktosämie, Glykogenspeichererkrankung Typ I und IV nach Pompe, Hämophilie Typ A, Harnstoffzyklusdefekt, Morbus Byler, Morbus Gaucher, Niemann-Pick-Erkrankung, primäre Hypercholesterinämie, primäre Hyperoxalurie, Tyrosinämie
hepatobiliäre Tumoren ■ benigne (selten Zystenleber (Immobilisation) Indikation zur LTX) Hämangiomatose (Blutungsrisiko) ■
maligne
häufige Indikation: nicht resektables Hepatozelluläres Karzinom (HCC) in Zirrhose (1 HCC 5 5 cm oder 3 HCCs 5 3 cm; Child B und C) seltene Indikationen: Hepatoblastom, Hepatikusgabelkarzinom (Klatskin-Tumor), hepatisch metastasiertes Karzinoid
Retransplantation ■ Frühphase nach Transplantation ■
Spätphase
B-12.8
Primäre Nichtfunktion (PNF) oder Dysfunktion (PDF) Verschluss der Arteria hepatica Chronische Abstoßung (CR) oder Dysfunktion (CDF), Rezidiv der Grunderkrankung (z. B. Hepatitis-C-assoziierte Leberzirrhose)
Child-Turcotte-Pugh-Klassifikation zur Einteilung des Schweregrades einer Leberzirrhose
Parameter
1 Punkt
2 Punkte
3 Punkte
Enzephalopathie Aszites Quick (%) Bilirubin (mg/dl) Albumin (mg/dl)
keine kein 4 70 52 4 3,5
geringe kontrolliert 40 – 70 2–3 3 – 3,5
schwere therapierefraktär 5 40 43 53
Indikationen zur Retransplantation Eine Notfallindikation stellt die primäre Nichtfunktion des Transplantates dar, ohne die der Empfänger innerhalb von 7 Tagen nach Transplantation verstirbt. Der frühzeitige Verschluss der A. hepatica stellt eine weitere Notfallindikation dar, falls eine Revaskularisation interventionell oder operativ nicht möglich ist. In der Spätphase nach Lebertransplantation kann eine progredient schleichende Transplantatfunktionsstörung eine chronische Abstoßung, eine chronische Dysfunktion oder ein Rezidiv der Grundkrankheit verursachen, welche eine Retransplantation bedingen können.
B-12.8
Indikationen zur Retransplantation ■ ■ ■ ■ ■
Primäre Nichtfunktion Verschluss der A. hepatica Chronische Abstoßung Chronische Dysfunktion Rezidiv der Grundkrankheit
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
1370
B 12 Transplantation
12.4.2 Kontraindikationen
12.4.2 Kontraindikationen
Absolute Kontraindikationen: Nicht-kontrollierte Infektionen, nicht-therapierbare kardio-pulmonale Begleiterkrankungen, aktiver Alkohol/Drogenabusus, fehlende Compliance, extrahepatisches Malignom, HCC (UICC ≥ III), CCC, sekundäre Lebermetastasen (Ausnahme Karzinoid).
Absolute Kontraindikation sind: Nicht-kontrollierbare Infektionen (z. B. Sepsis), schwere nicht-therapierbare kardio-pulmonale Begleiterkrankungen, aktive Alkohol- und/oder Drogenabhängigkeit, mangelnde Compliance, extrahepatisches Malignom, fortgeschrittenes hepatozelluläres Karzinom (T4, N+, M+), cholangiozelluläres Karzinom und sekundäre Lebermalignome (z. B. kolorektale Lebermetastasen). Eine serologisch nachgewiesene HIV-Infektion wurde bis vor kurzem als absolute Kontraindikation angesehen. Aufgrund der guten Ergebnisse mit hochaktiver antiviraler Therapie (HAART) werden heutzutage serologisch HIVpositive Patienten nicht mehr von einer Lebertransplantation ausgeschlossen, vorausgesetzt, sie weisen mehr als 200/µl CD4-positive Lymphozyten nach. Eine Pfortaderthrombose wird teilweise als relative Kontraindikation zur Transplantation angesehen. Die Techniken der Desobliteration der Pfortader, Gefäßinterposition, Arterialisation der Pfortader und porto-cavale Hemitransposition ermöglichen eventuell eine ausreichende portalvenöse Durchblutung des Transplantats.
Eine Pfortaderthrombose gilt teilweise als relative Kontraindikation.
12.4.3 Zeitpunkt der Transplantation
12.4.3 Zeitpunkt der Transplantation
Der Mangel an Spenderorganen führt zu einer Selektion der Empfänger nach medizinischer Dringlichkeit: ■ Notfallindikation: Akutes Leberversagen, primäre Nichtfunktion ■ dringliche Indikation: Chronische Lebererkrankung mit akuter Organdekompensation ■ elektive Indikation: Chronische Lebererkrankung mit oder ohne Komplikationen.
Die Diskrepanz zwischen verfügbaren Spenderorganen und gelisteten Patienten bedingt eine Selektion der Empfänger nach der medizinischen Dringlichkeit: ■ Notfallindikation: Diese besteht bei einem akuten Leberversagen oder einer primären Transplantat-Nichtfunktion ■ dringliche Indikation: Bei einer chronischen Lebererkrankung mit akuter Dekompensation weiterer Organe (z. B. Nierenversagen) ■ elektive Indikation: Hier ist eine chronische Lebererkrankung mit oder ohne Komplikationen eine Indikation. Als Überbrückungsmaßnahme stehen bis zur Verfügbarkeit einer Spenderleber unterschiedliche Leberersatzverfahren (z. B. Albumin-Dialyse, „Bridging“) zur Verfügung. Dennoch beträgt die Mortalität bei Patienten auf der Warteliste aufgrund des Mangels an Spenderorganen 10 – 20 %.
12.4.4 Operationstechniken
12.4.4 Operationstechniken
Standardtechnik
Standardtechnik
Standardverfahren ist der orthotope Ersatz der gesamten Leber: ■ mediane Mercedesstern-förmige Oberbauchlaparotomie ■ Hepatektomie der Empfängerleber ■ anhepatische Phase mit oder ohne venovenösem Bypass ■ Anastomose der supra- und infrahepatischen V. cava ■ Anastomose der V. portae und Reperfusion ■ Anastomose der A. hepatica ■ Rekonstruktion der ableitenden Gallenwege als Choledocho-Choledochostomie oder Hepatojejunostomie.
Standardverfahren ist der orthotope Ersatz der gesamten Leber. Hier wird die gesamte beim postmortalen Spender entnommene Leber nach Hepatektomie der Empfängerleber an gleicher Stelle (orthotop) beim Empfänger implantiert. Der Zugang erfolgt über eine mediane Mercedesstern-förmige Oberbauchlaparotomie. Die erkrankte Leber wird entfernt und das Transplantat an gleicher Position implantiert (Abb. B-12.10). Während der anhepatischen Phase kann ein veno-venöser Bypass zur Entlastung des venösen Rückstaus der unteren Körperhälfte eingesetzt werden. Die Anastomosen der leberversorgenden Gefäße werden in folgender Reihenfolge rekonstruiert: 1. Suprahepatische V. cava inferior, 2. infrahepatische V. cava inferior, 3. V. portae und 4. Leberarterie. Die Reperfusion erfolgt retrograd nach Fertigstellung der Pfortaderanastomose. Abschließend werden die ableitenden Gallenwege i.d.R. als Choledocho-Choledochostomie (Abb. B-12.10) rekonstruiert. Bei der primär sklerosierenden Cholangitis (PSC) werden die extrahepatischen Gallenwege reseziert und als Hepatojejunostomie rekonstruiert (Vermeidung eines Rezidivs der Grundkrankheit). Die Gallengangsanastomose kann durch Einlage eines T-Drain, der empfängerseitig ausgeleitet wird, geschient werden.
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B 12.4 Lebertransplantation (LTX)
B-12.10
Anastomosen bei Lebertransplantation
Alternative Techniken
Bei der partiellen, split und Lebendspende-Transplantation beträgt die benötigte Lebermasse des Transplantates mindestens 0,8 – 1,0 % des Empfängerkörpergewichts. Bei der Lebendspende ist sowohl auf eine ausreichende Lebermasse beim Spender als auch beim Empfänger zu achten. Beim Spender soll das residuale Lebervolumen ≥ 30 % des Gesamtlebervolumens betragen. Das Transplantat-Körpergewichtsverhältnis beim Empfänger sollte ≥ 0,8 % sein.
partielle LTx (pLTx)
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split LTx (sLTx)
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Lebendspende-LTx (LD-LTx) s. Abb. B-12.11. auxiliäre LTx (auxLTx)
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Bei der partiellen, split und LebendspendeTransplantation beträgt die benötigte Lebermasse des Transplantates mindestens 0,8 – 1,0 % des Empfängerkörpergewichts.
Vorgehensweise
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Die Techniken der partiellen und split-LTx erfordern den Erhalt der V. cava inferior beim Empfänger.
Spektrum der operativen Techniken bei Lebertransplantation
OP-Technik
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B-12.10
Alternative Techniken
Alternative Transplantationstechniken bei LeberTx sind in Tab. B-12.9 dargestellt. Die Techniken der partiellen und split-LTx erfordern den Erhalt der V. cava inferior beim Empfänger (piggy-back-Technik).
B-12.9
1371
Domino-LTx
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segmentorientierte Größenreduktion (z. B. Segmente II–III) der Spenderleber passend für einen kleinen Situs (z. B. Kind) und orthotope Implantation unter Erhalt der empfängereigenen V. cava. Möglichkeit der Transplantation von 2 Empfängern mit jeweils einem Spenderleberteil. In der Regel Verwendung des kleineren Leberteils für ein Kind oder einen kleinen Erwachsenen. Durchtrennung der Spenderleber in Längsrichtung entweder im Situs des postmortalen Spenders (in-situ split) oder nach Entnahme (ex-situ split). Festlegung der Resektionsgrenzen gemäß der Segmenteinteilung der Leber nach Couinaud (8 Segmente entsprechend der Gefäßversorgung). Verwendung des rechten (Segmente V–VIII), linken Leberlappens (Segmente I–IV) oder der links-lateralen Segmente eines gesunden Lebendspenders. Implantation des Transplantates orthotop in Standardtechnik nach Hepatektomie der erkrankten Empfängerleber unter Erhalt der empfängereigenen V. cava (piggy-back-Technik). zusätzliche Übertragung einer Spenderleber oder eines Spenderleberteils. Dieser kann heterotop (= unterhalb der Empfängerleber) oder orthotop nach vorausgegangener Leberresektion beim Empfänger implantiert werden. Möglichkeit einer Erholung der geschädigten Eigenleber beim akuten Leberversagen und damit Möglichkeit des Verzichtes auf dauerhafte Immunsuppression nach Regeneration. Verwendung einer entnommenen Empfängerleber zur weiteren Transplantation: Nach Standard-LTx wird die explantierte Empfängerleber zur Spenderleber. Anschließende Implantation bei einem Tumorpatienten in Standardtechnik.
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B 12 Transplantation
1372 B-12.11
Lebendspende-Lebertransplantation des rechten Leberlappens
a
b
c
d
a Leber des Lebendspenders nach Eröffnen des Abdomens. Die Gallenwege werden intraoperativ dargestellt (Cholangiographie). b Spenderleber nach Resektion in rechten und linken Leberlappen. c Das Lig. Hepatoduodenale wird präpariert und die Strukturen zum rechten Leberlappen angeschlungen: Rechter Pfortaderast (blau), rechte Leberarterie (rot), rechter Hauptgallengang (gelb). d Der entnommene rechte Leberlappen des Lebendspenders wird mit einer Konservierungslösung blutleer gespült.
Bei Stoffwechselerkrankungen der Leber kann im Rahmen der Domino-LTx die erkrankte Empfängerleber für einen Tumorpatienten (z. B. fortgeschrittenes HCC in Zirrhose) verwendet werden.
Bei Stoffwechselerkrankungen der Leber kann im Rahmen der Domino-LTx die erkrankte Empfängerleber für einen Tumorpatienten (z. B. fortgeschrittenes HCC in Zirrhose) verwendet werden. Sie erfolgt am häufigsten nach Transplantation von Patienten mit familiärer amyloidotischer Polyneuropathie. Deren entnommene Lebern können für Patienten mit hepatobiliären Malignomen verwendet werden.
12.4.5 Postoperative Therapie
12.4.5 Postoperative Therapie
Postoperativer Verlauf
Postoperativer Verlauf
Die initiale Transplantatfunktion ist entscheidend für den postoperativen Verlauf. Man unterscheidet: Primärfunktion (PF), primäre Dysfunktion (PDF) und primäre Nichtfunktion (PNF).
Entscheidend für den postoperativen Verlauf und die Therapie ist die primäre Leberfunktion. Diese wird unterteilt in Primärfunktion (PF: GOT max. 5 1000 U/l, Gallefluss 4 50 ml/d, bernsteinfarbene Galle), primäre Dysfunktion (PDF: GOT max. 1000 – 2000 U/l, Gallefluss ≤ 50 ml/d, Galle entfärbt) und primäre Nichtfunktion (PNF: GOT 4 2000 U/l, Gallefluss 5 50 ml/d, Galle entfärbt, Bedarf nach persistierender Substitution von Gerinnungsfaktoren und ggf. sekundäres Organversagen wie z. B. akutes Nierenversagen) des Transplantates. Der Normalverlauf bei Primärfunktion ist durch einen Transaminasenpeak (GOT und GPT 5 1000 U/l) mit nachfolgend raschem Abfall und einem dunkel gefärbten Gallefluss (4 50 ml/d) gekennzeichnet. Innerhalb der ersten 2 Wochen tritt meistens eine Hyperbilirubinämie auf.
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B 12.4 Lebertransplantation (LTX)
B-12.10
Monitoring der Transplantatfunktion
Diagnostische Methode
Bilirubin, GOT, GPT, GLDH
Syntheseleistung von Gerinnungsfaktoren
Quick/INR, Faktor-V-Halbwertszeit 30 Minuten
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Galleproduktion
Farbe der Galle
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spezielle Leberfunktionstests
Indocyaningrün-Test (ICG), arterielle Ketonkörperquotient (AKBR), Monoethylglycinexylidid (MEGX)
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Durchblutung des Transplants
Duplexsonographie
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B-12.10
Parameter
Leberwerte
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1373
Medikamentöse Therapie
Medikamentöse Therapie
Die Transplantatempfänger erhalten postoperativ eine medikamentöse Ulkussowie eine medikamentöse Thromboseprophylaxe und eine lebenslange medikamentöse Immunsuppression zur Vorbeugung einer Transplantatabstoßung. Zur Nutzung synergistischer oder additiver immunsuppressiver Effekte werden üblicherweise zwei oder drei Immunsuppressiva kombiniert. Hierdurch kann eine Reduktion der Einzeldosierungen der Medikamente und somit der dosisabhängigen Nebenwirkungen erzielt werden. In der initialen Phase ist die Immunsuppression (5 3 Monate) intensiver als in der Erhaltungsphase (4 3 Monate), da initial das höchste Risiko für eine akute Transplantatabstoßung besteht. Nähere Informationen hierzu siehe S. 1352.
Postoperativ erhalten Transplantatempfänger eine Ulkus-, Thromboseprophylaxe sowie medikamentöse Immunsuppression zur Vorbeugung einer Transplantatabstoßung.
Nebenwirkungen der Immunsuppressiva
Nebenwirkungen der Immunsuppressiva
Unter Immunsuppression besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko. Neben nosokomialen Infektionen (z. B. Harnwegsinfekt) treten gehäuft opportunistische Infektionen auf. Diese erfordern oftmals eine aggressive Diagnostik und spezifische antibiotische, antimykotische, antivirale oder antiparasitäre Therapie. Besonders gefürchtet sind systemische Mykosen durch Candida, Aspergillus und Cryptococcus Spezies, da diese mit einer hohen Mortalität einhergehen. Ein hohes Risiko für eine Zytomegalievirus (CMV)-Infektion besteht bei der Transplantation eines CMV-positiven Spenderorgans auf einen CMV-negativen Empfänger und rechtfertigt eine antivirale Prophylaxe mit Ganciclovir. Nach der Verbesserung der Patienten- und Transplantatüberlebensraten stellt die Vermeidung von Nebenwirkungen der Immunsuppressiva eine neue Herausforderung dar. Im Langzeitverlauf führen insbesondere die Nephro- und Neurotoxizität der Calcineurin-Inhibitoren (Ciclosporin und Tacrolimus), die zahlreichen Nebenwirkungen der kumulativen Steroiddosis, die gastrointestinalen Symptome unter MMF (Diarrhö) und die Rapamycin-assoziierte Hyperlipidämie zu einer Umstellung der medikamentösen Immunsuppression. Eine intensive Immunsuppression in Verbindung mit einer Epstein-Barr-Virus (EBV)-Infektion erhöht das Risiko für das Auftreten einer PTLD (= Posttransplantations Lymphoproliferative Erkrankung, S. 1383). Diese kann mit einem monoklonalen anti-CD20 Antikörper behandelt werden.
Unter Immunsuppression besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko. Neben nosokomialen Infektionen (z. B. Harnwegsinfekt) treten gehäuft opportunistische Infektionen auf.
12.4.6 Postoperative Komplikationen
12.4.6 Postoperative Komplikationen
Frühkomplikationen: Hierzu zählen die chirurgische Blutung (bedarf häufig einer operativen Blutstillung), primäre Nicht- oder Dysfunktion, arterielle Thrombose, akute Transplantatabstoßung, Galleleckage sowie erhöhtes Infektionsrisiko für bakterielle, virale und mykotische Infektionen, bedingt durch Immunsuppressiva (s. u.).
Frühkomplikationen: Chirurgische Blutung, primäre Nicht- oder Dysfunktion, Leberarterienthrombose.
왘 Merke. Bei primärer Nichtfunktion (s.o.) besteht die Notwendigkeit einer
Nähere Informationen s. S.1352.
Die Vermeidung von Nebenwirkungen der Immunsuppressiva stellt eine neue Herausforderung dar.
Eine intensive Immunsuppression in Verbindung mit einer Epstein-Barr-Virus (EBV)-Infektion erhöht das Risiko für das Auftreten einer PTLD (s. S. 1383).
왗 Merke
Retransplantation.
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1374
B 12 Transplantation
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Thrombose der Leberarterie
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Akute Transplantatabstoßung
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Galleleckage
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Spätkomplikationen: Chronische Dysfunktion (CDF), chronische Abstoßung, Nebenwirkungen der Immunsuppressiva, Rezidiv der Grunderkrankung, „posttransplantation lymphoproliferative Disease“ (PTLD), Infektionen. ■
Chronische Dysfunktion: Sie ist multifaktoriell bedingt und oftmals schwer von einer chronischen Abstoßung zu differenzieren. In den meisten Fällen ist eine Retransplantation erforderlich.
Prognose
Ergebnisse nach Lebertransplantation: Die 1-, 5- und 10- Jahres Überlebensraten der Patienten liegen bei Zirrhose bei 82, 72 und 62 %, bei akutem Leberversagen bei 66, 60 und 55 % und bei Lebertumoren bei 77, 52 und 40 %. 왘 Klinischer Fall
Thrombose der Leberarterie: Diese stellt eine Notfallindikation zur sofortigen interventionellen oder operativen Revaskularisation dar. Bei frustranem Verlauf besteht ebenfalls die Notfallindikation zur Retransplantation. Akute Transplantatabstoßung: Sie äußert sich klinisch durch einen Anstieg der Transaminasen. Der diagnostische Goldstandard ist die perkutane ultraschallgestützte Transplantatbiopsie. Histologisch zeigt sich ein lymphozytäres Infiltrat in den Portalfeldern. Die Graduierung erfolgt anhand der BanffKlassifikation. Die initiale Therapie besteht in der intravenösen Methylprednisolon-Bolustherapie (500 mg über 3 – 5 Tage). Bei steroid-refraktären akuten Abstoßungen erfolgt die intravenöse Gabe von Antikörperpräparaten (z. B. OKT3). Galleleckage: Die Sanierung erfolgt interventionell durch eine endoskopische retrograde Cholangiographie (ERC) mit Stenteinlage oder chirurgisch.
Spätkomplikationen: Im Langzeitverlauf nach Lebertransplantation können komplizierend die chronische Dysfunktion (CDF), eine chronische Abstoßung, Nebenwirkungen der immunsuppressiven Medikamente, ein Rezidiv der Grundkrankheit, die „posttransplantation lymphoproliferative Disease“ (PTLD) und Infektionen auftreten. ■ Chronische Dysfunktion: Sie ist multifaktoriell bedingt und oftmals schwer von einer chronischen Abstoßung zu differenzieren. Das histologische Bild zeigt einen zunehmend fibrotischen Umbau des Transplantates und bei der biliären Form der chronischen Abstoßung eine Rarefizierung der kleinen Gallenwege in den Portalfeldern („vanishing bile duct syndrome“). Eine effektive medikamentöse Therapie ist sowohl bei der chronischen Dysfunktion als auch der chronischen Abstoßung bislang nicht verfügbar, so dass in den meisten Fällen eine Retransplantation erforderlich ist.
Prognose Die höchste Komplikationsrate hinsichtlich Morbidität und Mortalität besteht innerhalb der ersten drei Monate nach Lebertransplantation. Die 1-, 5- und 10-Jahres Überlebensraten liegen nach Angaben des European Liver Transplant Registry (ELTR 011988 – 12 2003) für Patienten mit Leberzirrhose bei 82, 72 und 62 %, bei Patienten mit akutem Leberversagen bei 66, 60 und 55 % und bei Patienten mit Lebertumoren bei 77, 52 und 40 %.
왘 Klinischer Fall. Eine 52-jährige Patientin mit primär biliärer Zirrhose wird im Stadium der Dekompensation (therapierefraktärer Aszites, Ikterus mit Bilirubinwerten um 12 mg%, Zustand nach einmaliger Ösophagusvarizenblutung) lebertransplantiert. Unter immunsuppressiver Tripeltherapie nimmt das Transplantat seine Funktion sofort auf. Dies ist an der Produktion dunkelgrüner Galle erkennbar. Die Bilirubinwerte sinken kontinuierlich, dagegen kommt es zu einem passageren Anstieg der Leberenzyme (GOT und GPT) als Folge eines reversiblen Perfusionsschadens nach Organentnahme (Abb. B-12.12a). Nach etwa 12 Tagen hat das Lebertransplantat eine fast vollständig normale Funktion (Leberenzyme, cholestaseanzeigende Parameter und Syntheseleistung regelrecht). Am 15. postoperativen Tag fühlt sich die Patientin krank, klagt über Arthralgien, Spannungsgefühl im Bauch und hat Temperaturen 4 38 °C. Nach Ausschluss anderer Ursachen für das Krankheitsgefühl (kein Keimnachweis in der Galle aus dem T-Drain, keine Pneumonie, kein Hinweis für eine endogene Virusreaktivierung) (Abb. B-12.12), wird eine Leberpunktion durchgeführt. Die Histologie zeigte eine Abstoßungsreaktion. Die Patientin erhält drei Tage lang Steroidbolusgaben (1 g) jedoch ohne dass die Abstoßung nach der Kontrollbiopsie ausreichend therapiert ist. Es wurde daher die Indikation zur ATG-Therapie gestellt. Unter einer 10-tägigen ATG-Therapie erholten sich sowohl das Transplantat als auch die Patientin relativ rasch. Sie konnte am 35. Tag post trasplantationem die Anschlussheilbehandlung antreten.
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B 12.5 Pankreastransplantation
B-12.12
1375
Transplantatbioptischer Befund
a Perfusionsschaden: Um die Zentralvene angeordnete Leberzellnekrosen (?).
b Akute Abstoßungsreaktion: Rundzellige Entzündungsinfiltrate (?) der Portalfelder mit Gallengangsschädigung
12.5 Pankreastransplantation
12.5
Pankreastransplantation
Felix Braun, Lutz Renders Die erste Pankreastransplantation erfolgte 1967 durch Richard Lillehei.
12.5.1 Indikationen
12.5.1 Indikationen
Die Indikation zur Pankreastransplantation besteht bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 und diabetischen Sekundärkomplikationen (z. B. diabetische Mikro- und Makrovaskulopathie, Retinopathie, Neuropathie und Nephropathie). Eine erfolgreiche Pankreastransplantation ermöglicht beim Typ 1-Diabetiker eine strikte Kontrolle der Glykämie und verhindert so das Voranschreiten diabetischer Spätkomplikationen. Bei Patienten mit insulinpflichtigem Typ 2-Diabetes und terminaler Niereninsuffizienz ist eine Pankreastransplantation nicht indiziert. Zudem wird das häufig begleitende metabolische Syndrom hierdurch nicht kuriert.
Die Indikation zur Pankreastransplantation besteht bei Patienten mit Typ 1 Diabetes und Sekundärkomplikationen.
Vorraussetzungen
Vorraussetzungen
Nach den Richtlinien der Bundesärztekammer müssen zur Aufnahme in die Warteliste für die Nieren- und Pankreastransplantation Inselzell-Antikörper (anti-GAD, anti-ICA, anti-IA-2) nachgewiesen werden. Bei fehlendem Antikörpernachweis und Verdacht auf juvenilen Diabetes ist das Ausbleiben der Sekretion von C-Peptid nach Stimulation (Clamp-Test) nachzuweisen. Eine weitere Bedingung für die Durchführung einer Transplantation ist, dass die Patienten den chirurgischen Eingriff und die Notwendigkeit der regelmäßigen Einnahme von Immunsuppressiva in vollem Umfang verstehen.
Nach den Richtlinien der Bundesärztekammer ist der Nachweis von Inselzell-Antikörpern Vorraussetzung für die Aufnahme in die Warteliste für Nieren- und Pankreastransplantation. Bei fehlendem Antikörpernachweis und V.a. juvenilen Diabetes ist das Ausbleiben der Sekretion von C-Peptid nach Stimulation nachzuweisen.
Formen der Pankreastransplantation
Formen der Pankreastransplantation
In Abhängigkeit der Begleiterkrankungen und Krankengeschichte können folgende Vorgehensweisen indiziert sein: ■ alleinige Pankreastransplantation (PTA): Diese ist bei Typ-1-Diabetikern mit zwei oder mehr diabetischen Komplikationen indiziert. Hierzu zählen die diabetische Nephropathie (Kreatinin Clearance 4 70 ml/min, Proteinurie 4 150 mg/d – 5 3 g/d), das Vorhandensein einer ausgeprägten peripheren oder autonomen Neuropathie und die Vaskulopathie mit fortgeschrittener Atherosklerose. Eine weitere Indikation besteht bei hyperlabilem Typ-1-Diabetes mit Episoden schwerwiegender Ketoazidose, lebensbedrohlicher Hypoglykämie, fehlender Wahrnehmung einer Hypoglykämie, rezidivierenden schwerwiegenden Infektionen und erheblich eingeschränkter Lebensqualität.
Bei Patienten mit insulinpflichtigem Typ 2-Diabetes und terminaler Niereninsuffizienz ist eine Pankreastransplantation nicht indiziert.
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alleinige Pankreastransplantation (PTA): Bei Typ-1-Diabetikern mit ≥ 2 diabetischen Komplikationen (proliferative und frühe Nephropathie, Neuropathie, Vaskulopathie mit fortgeschrittener Atherosklerose). Eine weitere Indikation besteht bei hyperlabilem Typ-1-Diabetes.
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1376 ■
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simultane Pankreas- und Nierentransplantation (SPK): Ermöglicht Dialyse- und Insulinfreiheit. Indikation besteht bei Typ 1-Diabetikern mit präterminaler oder terminaler Niereninsuffizienz aufgrund einer diabetischen Nephropathie Pankreastransplantation nach Nierentransplantation (PAK): Bei bereits nierentransplantierten Patienten mit stabiler Funktion des Nierentransplantates. Eine alleinige Nierentransplantation ist bei Unmöglichkeit der kombinierten Transplantation indiziert
B 12 Transplantation
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simultane Pankreas- und Nierentransplantation (SPK): Diese Form der Transplantation ist zahlenmäßig am Bedeutsamsten und ermöglicht eine Dialyseund Insulinfreiheit. Indikation besteht bei Typ 1-Diabetikern mit präterminaler oder terminaler Niereninsuffizienz auf dem Boden einer diabetischen Nephropathie (Kreatinin Clearance 5 20 ml/min) Pankreastransplantation nach Nierentransplantation (PAK): Bei bereits nierentransplantierten Typ 1-Diabetikern besteht die Indikation zur nachfolgenden Pankreastransplantation, wenn das Nierentransplantat eine stabile Funktion aufweist und die Kriterien für eine Pankreastransplantation (PTA) erfüllt sind. Bei Unmöglichkeit einer kombinierten Pankreas- und Nierentransplantation aufgrund diabetischer Gefäßkomplikationen (insbesondere ausgeprägte Koronarsklerose) ist eine alleinige Nierentransplantation indiziert.
Transplantationsergebnisse: Die 1-JahresTransplantatfunktionsrate beträgt 85 % nach SPK, 78 % nach PAK und 77 % nach PTA.
Transplantationsergebnisse: Die 1-Jahres-Transplantatfunktionsrate beträgt 85 % nach SPK, 78 % nach PAK und 77 % nach PTA. Bei Patienten, bei denen keine simultane Pankreas- und Nierentransplantation durchführbar ist, führt eine isolierte Lebendspende-Nierentransplantation zu ähnlichen Patienten- und Nierentransplantatüberlebensraten.
12.5.2 Kontraindikationen
12.5.2 Kontraindikationen
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schwerwiegende kardio-pulmonale Begleiterkrankungen aktive Infektion Malignom fehlende Compliance Drogenabusus.
왘 Merke
Patienten mit schwerwiegenden kardiologischen oder pulmonalen Begleiterkrankungen sollten nicht transplantiert werden (z. B. bei angiographisch gesicherter nicht-korrigierbarer koronarer Herzkrankheit, Ejektionsfraktion 5 30 % oder kürzlich stattgehabtem Herzinfarkt). Dies gilt auch für Patienten mit nicht beherrschbarer aktiver Infektionskrankheit oder bei Malignomerkrankung (bei vorausgegangenem Malignom sind nach kurativer Therapie die entsprechenden mehrjährigen tumorfreien Intervalle einzuhalten). Bei mangelnder Compliance oder Drogenabusus (z. B. Alkohol) besteht eine Kontraindikation zur Transplantation. 왘 Merke. Das Körpergewicht sollte nicht als Maßstab der Compliance ver-
wendet werden, da diabetische Patienten häufig krankheitsbedingt eine Adipositas aufweisen, die nur schwer diätetisch beherrschbar ist. Zu bedenken ist jedoch bei Adipositas per magna das erheblich erhöhte Risiko eines Narbenbruches und einer Wundheilungsstörung nach Transplantation. 12.5.3 Spenderkriterien
12.5.3 Spenderkriterien
Wesentlich für den Erfolg der Pankreastransplantation ist die Spenderauswahl. Über die Faktoren Spenderalter, Körpergewicht (BMI) und Hirntodätiologie ist eine Beurteilung der Transplantateignung möglich.
Wesentlichen Einfluss auf den Erfolg der Pankreastransplantation haben die Spenderauswahl und die Beurteilung des Transplantates. Eine präoperative Beurteilung der Transplantateignung (ideal, gut oder marginal) ist anhand der Faktoren Spenderalter, Körpergewicht (BMI) und Hirntodätiologie möglich.
Ideal sind: Alter 10 – 40 Jahre ■ Körpergewicht 30 – 80 kg ■ Todesursache Schädel-Hirn-Trauma
Idealerweise liegt das Spenderalter zwischen 10 – 40 Jahren und das Körpergewicht zwischen 30 – 80 kg. Ebenso wird die Transplantatfunktion durch die Todesursache beeinflusst. Eine bessere Transplantatfunktion findet sich bei Transplantaten, die von Spendern mit der Todesursache Schädel-Hirn-Trauma stammen. Im Gegensatz dazu ist das Thromboserisiko des Pankreastransplantates bei einem Spenderalter 4 40 Jahre, einem Hirntod durch ein kardio- oder zerebrovaskuläres Ereignis und eine kalte Ischämiezeit von 4 24 Stunden Dauer erhöht.
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Ein erhöhtes Thromboserisiko des Pankreastransplantates liegt vor bei: Spenderalter 4 40 Jahre, Hirntod durch kardio- oder zerebrovaskuläres Ereignis sowie kalte Ischämiezeit 4 24 Stunden. Zu Spender- und organspezifischen Risikofaktoren siehe (Tab. B-12.11). Voraussetzung für ein gutes Transplantationsergebnis ist die intraoperative Sichtung
Zu Spender- und organspezifischen Risikofaktoren bei Pankreastransplantation siehe (Tab. B-12.11). Auch die intraoperative Sichtung ist bedeutend für die Akzeptanz des Spenderpankreas. Vorraussetzung für ein gutes Ergebnis nach Transplantation ist eine
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B 12.5 Pankreastransplantation
B-12.11
Spender- und organspezifische Risikofaktoren bei Pankreas-TX
spenderspezifische Risikofaktoren ■ ■
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massive Transfusionen Mehrfachtherapie mit multiplen Vasopressoren vorausgegangene Splenektomie BMI 4 30 kg/m2 anatomische Variante einer Leberarterie längerer Krankenhausaufenthalt chronischer Alkoholabusus simultane Dünndarmentnahme Spenderalter 4 45 Jahre
1377 B-12.11
organspezifische Risikofaktoren ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
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ausgeprägte Fibrose (hölzerne Parenchymtextur) persistierendes Parenchymödem ausgeprägte Hypernatriämie (4 160 mg/dl) hämodynamische Instabilität des Spenders positive Hepatitis-Serologie aktive akute oder chronische Pankreatitis anamnestisch Diabetes mellitus vorausgegangener chirurgischer Eingriff am Pankreas ausgeprägte intraabdominelle Kontamination mäßige bis schwere Atherosklerose
umfassende Einschätzung der Spenderstabilität, der Spenderanatomie sowie der Organqualität durch einen erfahrenen Pankreasentnahmechirurgen und ein auf Erfahrung basierendes Spendermanagement bezüglich der hormonellen und physiologischen Homöostase. Ein schlechtes Transplantationsergebnis ist zu erwarten, falls Spender oder Empfänger anhand der oben genannten Kriterien als marginal bzw. grenzwertig beurteilt werden.
sowie eine umfassende Einschätzung der Spenderstabilität, der -anatomie sowie der Organqualität durch einen erfahrenen Pankreasentnahmechirurgen sowie ein gutes Spendermanagement bezüglich der hormonellen und physiologischen Homöostase.
12.5.4 Operationstechnik
12.5.4 Operationstechnik
Das Pankreastransplantat wird zusammen mit einem Duodenalsegment, welches für die exokrine Drainage benötigt wird, entnommen. Für die arterielle Anastomose werden die A. mesenterica superior und die A. lienalis des Transplantates mit einem Iliakalinterponat des Spenders rekonstruiert (Y-graft). Die Pankreastransplantation erfolgt heterotop über eine mediane Laparotomie. Das Pankreas wird arteriell an die Iliakalgefäße und venös systemisch oder portalvenös anastomosiert. Die exokrine Drainage erfolgt über das mit entnommene Darmsegment als Duodeno-Zystostomie in die Harnblase (vesikal) oder als Duodeno-Jejunostomie in den Dünndarm (enteral). Hierbei wird die enterale Drainage bevorzugt, da diese physiologischer ist und die vesikale Drainage in die Harnblase häufig zu Komplikationen im Langzeitverlauf führt. Urologische Komplikationen (z. B. Zystitis) können durch eine Umwandlung von der vesikalen zur enteralen Drainage beseitigt werden.
Pankreastransplantation: ■ mediane Laparotomie ■ arterielle Anastomose an Iliakalgefäße ■ venöse Anastomose systemisch an Iliakalgefäße oder porto-portal ■ exokrine Drainage (vesikal) oder (enteral).
Die simultane oder nachfolgende Nierentransplantation erfolgt in die kontralaterale Fossa iliaca. Eine extraperitoneale Positionierung des Nierentransplantates ermöglicht bei schwerwiegenden intraabdominellen Komplikationen des Pankreastransplantates den Erhalt des Nierentransplantates.
Nierentransplantation (simultan oder nachfolgend): Standardtechnik in die kontralaterale Fossa iliaca, die extraperitoneale Lage wird bevorzugt.
B-12.13
Spenderpankreas nach Rekonstruktion der Gefäße
B-12.13
Die A. mesenterica superior und die A. lienalis des Spenderpankreas werden durch ein „Y“-Interponat mit der Spenderiliacalarterie rekonstruiert.
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1378 12.5.5 Postoperative Maßnahmen und
Therapie Unmittelbar postoperativ werden die Patienten auf einer Intensiv- oder IntermediateCare-Station überwacht.
Die Mobilisierung des Patienten erfolgt am ersten postoperativen Tag und der Kostaufbau mit Einsetzen der Peristaltik.
Bei stabilen Kreislaufverhältnissen und unkompliziertem Verlauf wird der Patient auf eine periphere Station verlegt.
B 12 Transplantation
12.5.5 Postoperative Maßnahmen und Therapie Die Patienten werden unmittelbar postoperativ auf einer Intensiv- oder Intermediate Care Station überwacht. Dies erfolgt durch Monitoring der Vitalparameter (Herzfrequenz, Blutdruck), Volumenbilanzierung (Ein- und Ausfuhr, Körpergewicht; ZVD 6 – 10 cm H2O), Blutgasanalyse (pH, BE, Hb, Glukose, Laktat) und Routine-Labor. Die Mobilisierung des Patienten erfolgt am ersten postoperativen Tag und der Kostaufbau mit Einsetzen der Peristaltik. Bei einer postoperativen Motilitätsstörung erfolgt eine Stimulation der Peristaltik durch intensivierte Mobilisation, abführende Maßnahmen und eine begleitende medikamentöse Therapie mit Metoclopramid und Prostigmin. Die Verlegung auf eine periphere Station erfolgt bei stabilen Kreislaufverhältnissen und unkompliziertem Verlauf am zweiten postoperativen Tag. Bei simultaner Nierentransplantation und primärer Nichtfunktion des Nierentransplantates wird übergangsweise bis zum Einsetzen der Nierentransplantatfunktion ein Nierenersatzverfahren (z. B. Hämodialyse) eingesetzt.
Medikamentöse Therapie
Medikamentöse Therapie
Thromboseprophylaxe: Initial erfolgt eine PTT-wirksame Antikoagulation (PTT 40 – 60 s) mit nicht-fraktioniertem Heparin (aufgrund der arteriellen Rekonstruktion mit einem Spenderiliakalarterieninterponat und wegen des erhöhten Risikos einer venösen Thrombose des Transplantates).
Thromboseprophylaxe: Initial erfolgt eine PTT-wirksame Antikoagulation (PTT 40 – 60 s) mit nicht-fraktioniertem Heparin (aufgrund der arteriellen Rekonstruktion mit einem Spenderiliakalarterieninterponat und wegen des erhöhten Risikos einer venösen Thrombose des Transplantates). Ggf. kann auf fraktioniertes niedermolekulares Heparin umgestellt werden. Allerdings ist zu bedenken, dass die Dosis an die Nierenfunktion zur Vermeidung einer Akkumulation angepasst werden muss. Eine Steuerung der Antikoagulation erfolgt durch die tägliche Bestimmung der Anti-Xa Konzentration.
Ulkusprophylaxe: Die Gabe von Protonenpumpenhemmern ist obligat.
Ulkusprophylaxe: Aufgrund der Prädisposition für Stressulzera im Magen/Duodenum durch den postoperativen Stress in Verbindung mit Kortikosteroidgaben ist die Gabe von Protonenpumpenhemmern während des gesamten stationären Aufenthaltes obligat.
Antibiose: Die perioperative Antibiotika-Prophylaxe erfolgt i. v. bei Narkoseeinleitung und wird bis zum 3. postoperativen Tag fortgeführt.
Antibiose: Die perioperative Antibiotika-Prophylaxe (z. B. Cephalosporin der 3. Generation) erfolgt i. v. bei der Narkoseeinleitung vor dem Hautschnitt und wird bis einschließlich des 3. postoperativen Tages fortgeführt. Bei postoperativen Infektionen wird eine Antibiose nach Antibiogramm verabreicht.
Antimykotische Prophylaxe: Eine orale Soorprophylaxe ist indiziert.
Antimykotische Prophylaxe: Eine systemische Prophylaxe ist i.d.R. nicht erforderlich, eine orale antimykotische Soorprophylaxe sollte jedoch durchgeführt werden (z. B. AmphoMoronal).
Antivirale Prophylaxe und Therapie: Bei serologisch CMV positivem Spender ist eine antivirale Prophylaxe mit Valganciclovir (6 Wochen bis zu 3 Monate) indiziert.
Antivirale Prophylaxe und Therapie: Bei serologisch Cytomegalie-Virus (CMV) positivem Spender ist eine antivirale Prophylaxe mit Ganciclovir (über einen Zeitraum von 6 Wochen bis zu 3 Monaten) indiziert. Eine spezifische antivirale Therapie mit Valganciclovir wird bei invasiver CMV-Infektion durchgeführt (ggf. Intensivierung durch Gabe von anti-CMV-Immunglobulin). Ein Herpes zoster oder eine systemische Herpesinfektion wird mit Aciclovir behandelt.
Insulin: Die Primärfunktion des Pankreastransplantates bewirkt durch Autoregulation eine rasche Normalisierung der Blutzuckerkonzentration.
Insulin: Die Primärfunktion des Pankreastransplantates bewirkt durch Autoregulation eine rasche Normalisierung der Blutzuckerkonzentration. Bis zum Erreichen der Normoglykämie (Zielbereich 80 – 120 mg/dl) sind temporäre Insulingaben anhand der Blutzuckerkonzentration nach der 30-er Regel (1 I.E. Insulin senkt den Blutzucker um 30 mg/dl) indiziert.
Immunsuppression: Induktionstherapie: Antikörper in Kombination mit Calcineurin-Inhibitor, Antimetabolit und Kortikosteroiden.
Immunsuppression: Im Rahmen der Induktionstherapie wird ein Antikörperpräparat in Kombination mit einem Calcineurin-Inhibitor (Ciclosporin oder Tacrolimus), ein Antimetabolit (Mycophenolat mofetil oder Mycophenolsäure) und Kortikosteroiden (Prednisolon) gegeben. Zur Erhaltungstherapie werden die o.g. Immunsuppressiva in reduzierter Dosis verabreicht. Zur individuellen Dosisanpassung bzw. Vermeidung einer Über-
Erhaltungstherapie: O.g. Medikamente in reduzierter Dosis.
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B 12.5 Pankreastransplantation
1379
oder Unterimmunsuppression werden die Talblutspiegel-Konzentrationen (Ciclosporin, Tacrolimus, Mycophenolsäure) kontrolliert.
12.5.6 Postoperative Diagnostik ■
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Klinisch: Die Beurteilung des Abdomens erfolgt mehrmals täglich. Abdominelle Schmerzen können z. B. durch eine Pankreatitis, Anastomoseninsuffizienz, Thrombose oder Abstoßungsreaktion hervorgerufen werden. Laborchemische Kontrollen: Neben dem Routinelabor (Blutbild, Gerinnung, Elektrolyte, Retentionsparameter) erfolgt eine Kontrolle der Pankreasenzyme (Lipase, Amylase), des Blutzuckers und des C-Peptids, welches ein geeigneter Parameter für die Beurteilung der eigenen Insulinproduktion darstellt. Apparative Diagnostik: Die farbkodierte Duplex-/Doppler-Sonographie (FKDS) ist ein geeignetes Verfahren zur Verlaufskontrolle. Hierbei kann die Parenchymtextur, die arterielle und venöse Perfusion und das Vorhandensein peripankreatischer Flüssigkeit beurteilt werden. Die sonographische Beurteilbarkeit ist jedoch häufig erheblich eingeschränkt durch postoperativ vorhandene Luftüberlagerungen. Demgegenüber erlaubt die Magnet-Resonanz-Angiographie (MRA) mit Gadolinium-haltigem Kontrastmittel eine beliebig wiederholbare und gute Beurteilung der Durchblutung und Parenchymtextur des Transplantates.
12.5.7 Postoperative Komplikationen B-12.12
12.5.6 Postoperative Diagnostik ■
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Klinische Untersuchung des Abdomens mehrmals täglich. Laborchemische Kontrollen (Routine, Blutzucker, Lipase, Amylase, C-Peptid).
Apparative Diagnostik (farbkodierte Duplex/Doppler-Sonographie zur Verlaufskontrolle, MRA mit Kontrastmittel zur Beurteilung der Durchblutung und Parenchymtextur des Transplantates).
12.5.7 Postoperative Komplikationen
Postoperative Komplikationen
Komplikation primäres Pankreastransplantatversagen (in ca. 10 % aller Fälle) Thrombose der pankreasversorgenden Gefäße (meist Pfortader oder Milzvene) Insuffizienz der enteralen Drainage Insuffizienz der vesikalen Drainage
Wichtig ■ ■
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Transplantatpankreatitis
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akute Transplantatabstoßung
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chronische Dysfunktion des Pankreastransplantates
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Ursachen: Thrombose, Pankreatitis, Infektion, Anastomosenleckage oder Blutung Risikofaktoren: BMI 4 30 kg/m des Empfängers, kalte Ischämiezeit 4 24 Stunden, andere Todesursache des Spenders als Trauma, enterische exokrine Drainage und BMI 4 30 kg/m des Spenders Notfallindikation zur operativen Revision (Cave: Transplantatverlust bei nicht rechtzeitiger Behandlung!) Folgen: Abszess, Pankreatitis oder Peritonitis (Cave: Klinische Symptomatik kann durch die Immunsuppression abgeschwächt sein!) meist primär inapparent hinweisend ist der Nachweis freier intraabdomineller Flüssigkeit mit hohen Konzentrationen von Lipase, Amylase, Kreatinin und Harnstoff metabolische (z. B. Azidose) und urologische (z. B. Dysurie, hämorrhagische Zystitis) Spätkomplikationen können durch Konversion zur enteralen Drainage saniert werden ernsthafte Komplikation aufgrund der intraabdominellen Lage des Transplantates Folgen: Abszess, Pseudozyste, Peritonitis, Gefäßarrosion Diagnostik: Pankreasenzyme (Lipase, Amylase), Infektionsparameter (Leukozyten, C-reaktives Protein) und Kontrastmittel-verstärkte MR oder CT Therapie: Antibiose mit Zienam, operative Exploration (Anastomosenleckage?) mit Lavage, Nekrosektomie, Parenchymresektion und ggf. operative Entfernung des Transplantates. Cave: Funktionsverlust des Transplantates bei nicht erkannter bzw. nicht behandelteter Transplantatabstoßung! bei rechtzeitiger Behandlung meist durch Kortikosteroid-Bolustherapie oder intensivierte Immunsuppression (z. B. Anti-Thymozytenglobulin) beherrschbar und reversibel Klinik: schwankende Glukosekonzentrationen und Abnahme des C-Peptids Parameter einer akuten Abstoßung: Zunahme des Resistive-Index in der farbkodierten Duplexsonographie, Schwellung des Transplantates in der MR-Angiographie, Erhöhung der Serum-Lipase bei Transplantaten mit enterischer Drainage und Erhöhung der Amylase im 24-Stunden Sammelurin bei vesikaler Drainage charakteristisch ist ein schleichend progredienter Funktionsverlust
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1380
B 12 Transplantation
B-12.13
B-12.13 ■
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12.5.8 Auswirkungen der Transplantation
auf diabetische Spätkomplikationen Die diabetische Polyneuropathie, autonome Neuropathie und Mikroangiopathie sind potentiell reversibel.
12.6
Dünndarmtransplantation
Auswirkungen der Pankreastransplantation auf diabetische Spätfolgen
diabetische Makroangiopathie
bei guter Transplantatfunktion oftmals keine Zunahme des Koronararteriendurchmessers
diabetische Retinopathie
signifikante Verbesserung der Retinastruktur bei der kombinierten Nieren- und Pankreastransplantation im Vergleich zur isolierten Nierentransplantation. oft Stabilisierung einer diabetischen Retinopathie nach isolierter Pankreastransplantation möglich.
diabetische Nephropathie
bei der kombinierten Nieren- und Pankreastransplantation Verhinderung einer erneuten diabetischen Nephropathie durch ein gut funktionierendes Pankreastransplantat
12.5.8 Auswirkungen der Transplantation auf diabetische Spätkomplikationen Die diabetische Polyneuropathie, autonome Neuropathie und Mikroangiopathie sind potentiell reversibel. Jedoch sind die positiven Effekte meist erst nach Jahren zu beobachten und unter der Voraussetzung, dass die diabetischen Spätschäden zum Zeitpunkt der Transplantation noch nicht sehr ausgeprägt sind.
12.6 Dünndarmtransplantation Felix Braun, Bernd Kremer
Die erste klinische Dünndarmtransplantation erfolgte 1967 durch Lillehei.
In jüngster Zeit wurden die Patienten- und Transplantatüberlebensraten deutlich gesteigert.
Die erste experimentelle Dünndarmtransplantation erfolgte 1959 durch Lillehei, der 1967 auch die erste klinische Dünndarmtransplantation durchführte. Bis zum Einsatz von Tacrolimus und Sirolimus waren die klinischen Ergebnisse frustran. Dies war insbesondere auf die Komplikationen einer relativen Überimmunsuppression bei inadäquater Kontrolle von Transplantatabstoßungen zurückzuführen. In jüngster Zeit wurden die Patienten- und Transplantatüberlebensraten durch Einführung neuer potenter Immunsuppressiva deutlich gesteigert.
12.6.1 Indikationen
12.6.1 Indikationen
Die Indikation zur Dünndarmtransplantation besteht bei einem irreversiblen Verlust der Dünndarmfunktion und Komplikationen der totalen parenteralen Ernährung (TPN).
Die Indikation zur Dünndarmtransplantation besteht bei einem irreversiblen Verlust der Dünndarmfunktion und Komplikationen der totalen parenteralen Ernährung (TPN). Ein irreversibler Dünndarmfunktionsverlust kann angenommen werden, wenn der Restdünndarm nach einer Adaptationsphase von 1 – 2 Jahren und nach Ausschöpfen der konservativen und chirurgischen Therapieoptionen keine ausreichende Resorptionsfunktion aufweist.
Kurzdarmsyndrom
Kurzdarmsyndrom
Eine der häufigsten Indikationen zur Transplantation stellt das Kurzdarmsyndrom dar (Restdünndarmlänge von 5 40 cm).
Dieses stellt eine der häufigsten Indikationen zur Dünndarmtransplantation dar. Bei einer Restdünndarmlänge von 5 40 cm führt es häufig zum irreversiblen Dünndarmfunktionsverlust.
Ätiologie: Eine häufige Indikation ist das Kurzdarmsyndrom, welches langfristig eine partiell oder komplett parenterale Ernährung erfordert.
Ätiologie: Häufige Ursachen für ein Kurzdarmsyndrom im Erwachsenenalter sind ausgedehnte Darmresektionen infolge von Durchblutungsstörungen (z. B. Mesenterialinfarkt) oder entzündlichen Darmerkrankungen (z. B. Morbus Crohn), wohingegen im Kindesalter Erkrankungen wie die durch Volvulus bedingte Darmgangrän, die Darmatresie oder die nekrotisierende Enterokolitis überwiegen. Seltenere Indikationen sind die chronisch intestinale Pseudoobstruktion, Trauma, Desmoidtumoren, Morbus Gardner, Aganglionose, Morbus Hirschsprung und Malabsorption oder Kurzdarmsyndrom anderer Ursachen.
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B 12.6 Dünndarmtransplantation
1381
Komplikationen: Aufgrund der fehlenden intestinalen Resorptionsfläche müssen die Patienten langfristig partiell oder komplett parenteral ernährt werden. Die hieraus resultierenden Komplikationen können den Krankheitsverlauf dramatisch verschlechtern. Hierzu zählen Osteopenie mit Spontanfrakturen, Malnutrition, Steatosis hepatis, cholestatische Lebererkrankung, Nierenversagen, Bildung von Gallenblasen- und Nierensteinen, Komplikationen zentralvenöser Katheter (Infektion, Sepsis, Thrombose, Verlust des venösen Zugangs) und systemische Infektionen durch bakterielle Translokation. Bei Auftreten einer cholestatischen Lebererkrankung mit fibrotischem Umbau des Leberparenchyms kann eine kombinierte Leber- und Dünndarmtransplantation indiziert sein.
Komplikationen der parenteralen Therapie sind: Osteopenie, Malnutrition, Steatosis hepatis, cholestatische Lebererkrankung, Nierenversagen, Bildung von Gallenblasenund Nierensteinen, Komplikationen zentralvenöser Katheter, systemische Infektionen.
12.6.2 Kontraindikationen
12.6.2 Kontraindikationen
Die Kontraindikationen zur Dünndarmtransplantation sind eine nicht-kontrollierte Infektsituation (z. B. Sepsis), eine schwere nicht-therapierbare kardio-pulmonale Begleiterkrankung, eine aktive Alkohol- und/oder Drogenabhängigkeit oder eine fehlende Compliance.
Diese sind z. B.: Nicht-kontrollierte Infektion, schwere kardio-pulmonale Begleiterkrankung, aktiver Alkohol- und/oder Drogenabusus, fehlende Compliance.
12.6.3 Zeitpunkt der Transplantation
12.6.3 Zeitpunkt der Transplantation
Die Langzeit-Überlebensraten der Kurzdarmpatienten war in der Vergangenheit unter TPN besser als nach Dünndarmtransplantation. Dies liegt zum einen daran, dass die Dünndarmtransplantation mit einem erheblichen Risiko postoperativer Komplikationen behaftet ist, zum anderen werden potentielle Kandidaten für eine Dünndarmtransplantation relativ spät, bei Versagen oder schwerwiegenden Komplikationen der TPN, als Ultima ratio zur Transplantation vorgestellt. Die Mortalität auf der Warteliste zur Dünndarmtransplantation ist am höchsten bei Kandidaten, die für eine kombinierte Leber- und Dünndarmtransplantation gelistet sind.
Das Vorliegen einer progredienten cholestatischen Lebererkrankung erhöht die Mortalität auf der Warteliste.
12.6.4 Operationstechnik
12.6.4 Operationstechnik
Die Länge des Dünndarmtransplantates sollte mindestens 150 cm betragen und sowohl Jejunum als auch Ileum beinhalten, um eine ausreichende Resorption von fettlöslichen Vitaminen, Spurenelementen und Gallensäuren zu gewährleisten. Die isolierte Dünndarmtransplantation erfolgt orthotop nach postmortaler Dünndarmspende. Die Dünndarmtransplantation nach Lebendspende ist technisch möglich, wird jedoch nur selten durchgeführt. Die Rekonstruktion der Spendergefäße erfolgt zwischen V. mesenterica des Spenders und V. portae bzw. V. cava des Empfängers sowie zwischen A. mesenterica des Spenders und Aorta des Empfängers. Alternativ können die Spendergefäße iliakal anastomosiert werden. Zur Überbrückung von Gefäßlängendifferenzen können die Iliakalgefäße des Spenders als Allograft verwendet werden. Abhängig vom empfängereigenen Restdarm erfolgt die Wiederherstellung der gastrointestinalen Kontinuität. Das Ileum des Spenders wird endständig als Ileostoma ausgeleitet (Abb. B-12.14) und dient postoperativ als endoskopischer Zugangsweg für Transplantatbiopsien. Intraoperativ wird eine Darmsonde zur frühenteralen Ernährung eingebracht. Bei unkompliziertem Verlauf kann das Transplantat-Ileostoma nach 3 – 6 Monaten zurückverlegt werden.
Standardtechnik: ■ Mindestlänge des Transplantates 150 cm mit Jejunum- und Ileumanteilen ■ Transplantatgefäße werden an Aorta und V. cava oder iliakal anastomosiert ■ Rekonstruktion der gastrointestinalen Kontinuität in Abhängigkeit vom vorhandenen Restdarm
12.6.5 Postoperative Therapie
12.6.5 Postoperative Therapie
Zur Förderung der Mukosa-Regeneration und zur Verminderung des Risikos einer bakteriellen Fehlbesiedelung wird mit der frühenteralen Ernährung unmittelbar postoperativ begonnen. Die Darmflora kann durch enterale Applikation von lebenden Laktobakterien günstig beeinflusst werden. Zur Vermeidung eines Dünndarmödems erfolgt die Volumensubstitution initial restriktiv. Im weiteren Verlauf müssen stomale Flüssigkeits- und Bikarbonat-
Zur Förderung der Mukosa-Regeneration wird unmittelbar postoperativ eine frühenterale Ernährung durchgeführt. Laktobakterien werden zur Verbesserung der Darmflora enteral gegeben. Weitere wichtige postoperative therapeutische Maßnahmen
Eine cholestatische Lebererkrankung mit Fibrose kann eine kombinierte Leber- und Dünndarmtransplantation erfordern.
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Anlage eines Transplantat-Ileostomas zur endoskopischen Inspektion und Biopsie (Abb. B-12.14).
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B 12 Transplantation
1382 B-12.14
Zustand vor (a) und nach (b) Dünndarmtransplantation
a Zustand vor Dünndarmtransplantation: Man sieht zahlreiche Narben am Oberkörper nach Implantation und Explantation zentralvenöser Zugänge (ZVK) zur parenteralen Ernährung. Die Patientin erlitt einen Verlust des venösen Zugangs an der oberen Thoraxapertur. Zum Zeitpunkt der Transplantation wurde die Patientin über einen inguinal implantierten zentralvenösen Katheter ernährt.
sind Volumenrestriktion, eine initial relativ hohe Immunsuppression, Ulkus- und Thromboseprophylaxe.
Das Monitoring der Transplantatfunktion erfolgt über: Stomafarbe und Stuhlkonsistenz, endoskopische Inspektion und Biopsien über Transplantat-Ileostoma, Immunmonitoring, Citrullin-Test, Tacrolimus-Blutspiegel.
12.6.6 Postoperative Komplikationen ■
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Gefäßanastomosen: Blutung, Thrombose, Stenose Darmanastomosen: Insuffizienz Transplantatabstoßung (akut, chronisch) Infektion, Sepsis de-novo Tumoren (z. B. PTLD)
b Zustand nach Dünndarmtransplantation: Die Patientin konnte komplett oral ernährt werden. Der inguinal implantierte ZVK wurde entfernt. Im rechten Unterbauch ist das Transplantat-Ileostoma zu sehen (in der Frühphase zur endoskopischen Inspektion des Transplantates)
verluste sowie eine häufig auftretende metabolische Azidose ausgeglichen werden. Die Patienten erhalten eine medikamentöse Ulkus- und Thromboseprophylaxe. Die medikamentöse Immunsuppression ist im Vergleich zu anderen Organtransplantationen relativ hoch. Die initiale Induktion erfolgt häufig als Quadrupeltherapie mit einem monoklonalen anti-IL2R Antikörper, Tacrolimus, Rapamycin und Prednisolon (S. 1352). Das Monitoring des Transplantates erfolgt durch die Beurteilung der stomalen Flüssigkeitsverluste, die Stuhlkonsistenz und die Stomafarbe, die frequente endoskopische Inspektion des Transplantates über das Ileostoma mit seriellen Transplantatbiopsien und das Monitoring immunologischer Parameter (sIL-2R, LBP, TNF-a, IL-6, PCT). Als Funktionstest kann Citrullin im Blut als Parameter für die enterale Enterozytenmasse detektiert werden. Die Bestimmung der Tacrolimus-Blutspiegel dient bei oraler Applikation gleichzeitig als Resorptionstest.
12.6.6 Postoperative Komplikationen Nichtimmunologische Komplikationen können im Bereich der Gefäßanastomosen auftreten (Blutung, Thrombose, Stenose) und konsekutiv durch einen ischämischen Mukosaschaden zu einem enteralen Flüssigkeits- und Eiweißverlust führen. Im Bereich der Darmanastomosen kann es zum Auftreten von Insuffizienzen kommen. Aufgrund der hohen Immunogenität des Dünndarms (lymphatisches Gewebe!) muss nach Dünndarmtransplantation großer Wert auf die Prophylaxe und Therapie schwerer Transplantatabstoßungen gelegt werden. ■ akute Abstoßung: Diese äußert sich durch Fieber und diffuse abdominelle Schmerzen, mit dem Bild einer hämorrhagischen Enteritis, mit Blutungen und Flüssigkeitsverlusten bis hin zur generalisierten Peritonitis durch bakterielle Translokation. Die Abstoßungen treten fleckförmig auf und können hierdurch der endoskopischen Inspektion mit Biopsien entgehen. ■ chronische Abstoßung: Sie zeigt eine schleichende Verschlechterung der Transplantatfunktion, die mit einem progredienten Gewichtsverlust einhergeht. Als Komplikation der relativ hoch dosierten Immunsuppression können opportunistische Infektionen (z. B. CMV), Sepsis und de-novo-Tumoren (z. B. PTLD, S. 1357) auftreten. Das Immunsuppressivum Tacrolimus kann bei dauerhaft hoher Dosierung zur Verschlechterung der Nierenfunktion bis hin zum terminalen Nierenversagen führen.
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B 12.6 Dünndarmtransplantation
B-12.15
Posttransplantations-lymphoproliferative Erkrankung (PTLD)
1383 B-12.15
Posttransplantations-Lymphoproliferative Erkrankung (PTLD) mit Hauptmanifestation in der rechten Niere: Es handelt sich um ein hochmalignes CD20-positives B-Zell-Lymphom bei einem Empfänger nach Dünndarmtransplantation. Der Patient erlitt im postoperativen Verlauf eine Epstein-Barr-Virus (EBV)-Infektion und mehrere Abstoßungsreaktionen, die eine intensivierte Immunsuppression erforderten.
Ergebnisse: Der International Intestinal Transplant Registry Report berichtet bislang über 989 Dünndarmtransplantationen bei 923 Patienten, die im Zeitraum von April 1985 bis Mai 2003 in 61 Zentren weltweit durchgeführt wurden. Das bislang längste Überleben nach einer Dünndarmtransplantation beträgt 12 Jahre. Die 1-Jahres Transplantatfunktionsraten liegen bei ca. 60 – 70 %. Eine Verbesserung des Patienten- und Transplantatüberlebens wurde insbesondere nach Einführung der Immunsuppressiva Tacrolimus und Rapamycin beobachtet. 왘 Klinischer Fall. Eine 41-jährige Patientin entwickelt im Mai 1997 ein Kurzdarmsyndrom
Ergebnisse: Bislang wurden weltweit 989 Dünndarmtransplantationen bei 923 Patienten durchgeführt. Die 1-Jahrestransplantatfunktionsrate liegt bei 60 – 70 %.
왗 Klinischer Fall
nach multiplen Darmresektionen bei Morbus Crohn. Die verbliebene Restdünndarmlänge beträgt 20 cm. Unter der total parenteralen Therapie entwickelt die Patientin multiple Infektionen (16) zentralvenöser Katheter, ein HIT-Syndrom und eine Candida-Pneumonie, die zur Urosepsis mit akutem Nierenversagen führt. Nach Rekompensation der Niereninsuffizienz liegt ein Verlust des venösen Zugangs der oberen Körperhälfte vor. Die parenterale Therapie wird über einen inguinal eingebrachten Broviak-Katheter fortgesetzt und die Patientin zur Dünndarmtransplantation zugewiesen. Am 01. 02. 2003 erfolgt die isolierte Dünndarmtransplantation mit unkompliziertem Verlauf. Eine komplett enterale Ernährung ist wieder möglich. Zur Immunsuppression erhält die Patientin initial ATG, Tacrolimus, Rapamycin und Prednisolon. Die Gabe von Tacrolimus und Rapamycin wird im Rahmen der Erhaltungsimmunsuppression fortgesetzt. Im weiteren Verlauf benötigt die Patientin weiterhin temporär einen zentralvenösen Katheter zur ausreichenden Volumensubstitution bei rekompensierter Niereninsuffizienz. Die Patientin entwickelt eine Thrombose der Becken-Beinstrombahn, die eine vorübergehende Marcumarisierung erfordert. Nach Absetzen des Marcumars erfolgt die Rückverlegung des Transplantat-Ileostomas. Im Januar 2004 entwickelt die Patientin eine schwere EBV-Gastritis, die sich unter antiviraler Therapie zurückbildet. Trotz reduzierter Tacrolimus Dosis entwickelt die Patientin eine terminale Niereninsuffizienz, die eine dauerhafte Hämodialyse erfordert. Am 07. 07. 2004 verstirbt die Patientin an einer schweren Endokarditis bei bis dahin komplett enteraler Ernährung.
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1384 12.7
Herz-/Lungentransplantation
B 12 Transplantation
12.7 Herz-/Lungentransplantation Jochen Cremer, Stephan Hirt
12.7.1 Herztransplantation (HTX)
12.7.1 Herztransplantation (HTX)
Grundlagen
Grundlagen
Mit Einführung von Ciclosporin A in die Immunsuppression wurden die Erfolgsaussichten seit Anfang der 80er Jahre entscheidend verbessert.
Seit Anfang der 80er Jahre wurde die Herztransplantation zu einem anerkannten Therapiekonzept für die terminale Herzinsuffizienz entwickelt. Jährlich werden derzeit ca. 400 Herztransplantationen in Deutschland durchgeführt. Die deutlich verbesserten Erfolgsaussichten zu diesem Zeitpunkt beruhten im Wesentlichen auf der Einführung von Ciclosporin A im Rahmen der immunsuppressiven Basistherapie. Dies führte zu wesentlich höheren kurz- und langfristigen Überlebensraten bei geringerer Organtoxizität der Immunsuppression, besserer immunsuppressiver Potenz und verminderter Inzidenz von Infektionen und Malignomen. Der Eingriff wird heutzutage fast ausschließlich als orthotoper Ersatz ausgeführt (Exzision des kranken Herzens und Implantierung des Spenderherzens in gleicher Position= orthotop). Die heterotope Transplantation unter Belassung des Empfängerherzens und „Seitanschluss“ des in die rechte Pleurahöhle positionierten Herzens wurde wegen deutlich schlechterer Erfolgsaussichten verlassen. Aufgrund der limitierten Verfügbarkeit von Spenderorganen besteht ein Missverhältnis von derzeit ca. 400 jährlich ausgeführten Herztransplantationen gegenüber ca. 2000 potenziellen Empfängern in Deutschland.
Der Eingriff wird heute fast ausschließlich als orthotoper Ersatz ausgeführt, da die heterotrope Transplantation deutlich schlechtere Erfolgsaussichten hat.
Indikationen 왘 Merke
Indikationen 왘 Merke. Die progrediente terminale Herzinsuffizienz ohne fixierten erhöhten
pulmonalen Gefäßwiderstand stellt die Indikation zur orthotopen Herztransplantation dar. Herzinsuffizienz: In der Mehrzahl der Fälle liegt eine Herzinsuffizienz zugrunde. Die Patienten befinden sich meist im NYHA Stadium IV oder sind nur minimal belastbar.
Herzinsuffizienz: In der Mehrzahl der Fälle liegt eine Herzinsuffizienz aufgrund einer dilatativen Kardiomyopathie unterschiedlicher Genese zugrunde. Zum Operationszeitpunkt befinden sich die Patienten üblicherweise im NYHA-Stadium IV oder sind nur noch minimal belastbar nach mehrfach biventrikulären Dekompensationen. Eine Optimierung der medikamentösen Therapie ist nicht mehr möglich und eine progrediente Verschlechterung ist anzunehmen.
Ischämische Kardiomyopathie: Diese ist als Endzustand der Koronarsklerose die zweithäufigste Indikation zur Transplantation.
Ischämische Kardiomyopathie: Demgegenüber stellt die ischämische Kardiomyopathie (ICM) den Endzustand der Koronarsklerose dar und gilt als zweithäufigste Indikation zur Transplantation. Herztumoren und kongenitale Anomalien sind hingegen von untergeordneter Bedeutung.
Hämodynamische Situation: Diese ist gekennzeichnet durch einen Herzindex unter 2,0 l/min/m2 und eine linksventrikuläre EF unter 20 % (Tab. B-12.14).
Hämodynamische Situation: Zum Zeitpunkt der Indikationsstellung ist diese bei vielen Patienten gekennzeichnet durch eine hochgradig erniedrigte linksventrikuläre Ejektionsfraktion (EF) von unter 20 % (normal = 60 %) und einen Herzindex (HI) unter 2,0 l/min/m2 (normal 3,0 – 3,5 l/min/m2).
Pulmonaler Gefäßwiderstand (PVR): Dieser sollte eine gewisse Grenze nicht überschreiten und nicht auf hohem Niveau fixiert sein, um den rechten Ventrikel des Spenderorgans im Rahmen der Transplantation nicht zu überfordern. Derzeit wird als obere Grenze ein Wert von 320 dyn × s × cm– 5 (normal ≤ 150 dyn × s × cm– 5) angesehen (Tab. B-12.14).
Pulmonaler Gefäßwiderstand (PVR): Dieser sollte eine gewisse Grenze nicht überschreiten und nicht auf hohem Niveau fixiert sein, um den rechten Ventrikel des Spenderorgans im Rahmen der Transplantation nicht zu überfordern. Derzeit wird ein Wert von 320 dyn × s × cm– 5 (normal ≤ 150 dyn × s × cm– 5) als obere Grenze angesehen (Tab. B-12.14). Die Reagibilität der pulmonalen Strombahn kann im Rahmen einer Rechtsherzkatheteruntersuchung durch die Gabe von Vasodilatanzien, insbesondere Nitropräparaten und Prostaglandinen getestet werden. Bei erhöhten, jedoch reagiblen pulmonalarteriellen Drucken ist u.U. eine Herztransplantation bei „oversizing“ des Spenderherzens, kurzer Ischämiezeit und Abgang von der Herz-Lungenmaschine unter Applikation pulmonaler Vasodilatoren (inhalatives Prostaglandin, NO-Beatmung) in Einzelfällen möglich.
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B 12.7 Herz-/Lungentransplantation
B-12.14
Indikationen zur Herztransplantation
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5 20 % 5 320 dyn × s × cm– 5
Kontraindikationen zur Herztransplantation
absolute Kontraindikationen maligne Tumorerkrankungen Systemerkrankungen (z. B. Amyloidose, Sklerodermie, Panarteriitis nodosa) chronische Lebererkrankung mit Funktionseinschränkung akute Infektionen jeglicher Ätiologie und persistierende aktive Infektionen (HIV, Hepatitis B, C und D, Tuberkulose, Aspergillose) Erkrankungen des hämatopoetischen Systems Erkrankungen des Immunsystems
B-12.14
5 2,01/min/m2
Herzindex (HI) Ejektionsfraktion (EF) pulmonaler Gefäßwiderstand (PVR)
B-12.15
1385
B-12.15
relative Kontraindikationen ■ ■
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insulinpflichtiger Diabetes mellitus generalisierte arterielle Verschlusskrankheit chronische Suchtkrankheiten neurologisch/psychische Erkrankungen chronische Nierenerkrankung mit Kreatinin-Clearance ≤ 40 ml/min
Kontraindikationen
Kontraindikationen
Eine Reihe weiterer Faktoren bestimmt neben der kardialen Situation die definitive Eignung zur Transplantation (Tab. B-12.14). Altersgrenzen unterliegen eher dem biologischen Alter, wobei derzeit orientierend eine obere Grenze von 65 Jahren vorgeschlagen wird.
Die wichtigsten Kontraindikationen zeigt (Tab. B-12.14). Allgemein wird derzeit eine obere Grenze von 65 Jahren vorgeschlagen.
Mechanische Herz-Kreislaufunterstützung
Mechanische Herz-Kreislaufunterstützung
Bei einem Teil der Patienten ist präoperativ die Kreislaufsituation nur noch mit Katecholaminen oder durch mechanische Herz-Kreislaufunterstützungssysteme in stationärer Behandlung zu stabilisieren. Das Spektrum der in dieser Situation verwandten Systeme reicht von intraaortalen Ballonpumpen über biventrikuläre extrakorporale Blutpumpen bis zu voll implantierbaren Pumpen, die in der Lage sind, die Funktion des linken Ventrikels komplett zu übernehmen. Der mögliche Zeitraum der Kreislaufunterstützung hängt wesentlich vom Typ des Systems ab und liegt für implantierbare Linksherzsysteme in Einzelfällen auch über einem Jahr. Wegen der hohen Raten an Blutungs- und Infektionskomplikationen sowie Thromboembolien werden voll implantierbare Kunstherzen derzeit klinisch nicht routinemäßig eingesetzt.
Mechanische Herz-Kreislaufunterstützungssysteme können den Kreislauf des Patienten präoperativ unterstützen. In Abhängigkeit vom Typ des Systems kann dies bis zu 4 1 Jahr möglich sein. Wegen der hohen Raten an Blutungs- und Infektionskomplikationen sowie Thromboembolien werden voll implantierbare Kunstherzen derzeit klinisch nicht routinemäßig eingesetzt.
Spenderkriterien
Spenderkriterien
Blutgruppenkompatibilität: Wie andere Organtransplantationen wird auch die Herzverpflanzung innerhalb des AB0-Systems ohne Berücksichtigung des Rhesusfaktors durchgeführt. Aufgrund der tolerierbaren Ischämiezeit, die bei ca. 3 – 4 Stunden liegt, kann routinemäßig keine Berücksichtigung des HLAMatches stattfinden, da für diese Bestimmung aufwendige immunologische Untersuchungen mit Spender- und Empfängergewebe, die sich in diesem Zeitraum nur selten realisieren lassen, notwendig sind.
Blutgruppenkompatibilität: Die Eignung eines Spenderorgans für den jeweiligen potenziellen Empfänger orientiert sich am AB0-System ohne Berücksichtigung von Rhesusfaktor und HLA-Match.
Organgröße: In der Regel sollte Größengleichheit zwischen Organspender und -empfänger angestrebt werden, wobei für Patienten mit höherem pulmonalem Gefäßwiderstand eher größere Spenderorgane notwendig sind, um einer Überlastung des rechten Ventrikels des Spenderherzens (postoperatives Rechtsherzversagen) vorzubeugen.
Organgröße: Wichtig ist die Berücksichtigung von Größenverhältnissen und pulmonalem Gefäßwiderstand des Transplantatempfängers.
Transplantat: Das Spenderherz sollte vor Entnahme eine normale Kontraktilität besitzen und ohne oder höchstens mit mittleren Katecholamindosierungen
Transplantat: Das Spenderherz sollte eine normale Kontraktilität besitzen. Vorbestehende Herzerkrankungen schließen eine Herzspende aus.
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B 12 Transplantation
1386 B-12.16
Herztransplantation
(Dopamin, Dobutamin, Adrenalin) annähernd normale Kreislaufverhältnisse produzieren. Vorbestehende Herzerkrankungen (z. B. Klappenfehler oder Koronarsklerose) schließen eine Herzspende aus. Operationstechnik
Operationstechnik
Das Spenderherz wird nach Perfusion mit kardioplegischer Lösung in das Koronarsystem unter Trennung der großen Gefäße exzidiert. Gekühlt (4 °C) toleriert das Organ eine Ischämiezeit von 3 – 4 Stunden.
Zur Entnahme des Spenderherzens wird die Aorta ascendens abgeklemmt und kardioplegische Lösung (z. B. St. Thomas Hospital Solution, Belzer Lösung, o.ä.) über die Aortenwurzel in das Koronarsystem perfundiert. Anschließend erfolgt die Exzision des Organs unter Trennung von Hohl- und Lungenvenen. Aorta und Pulmonalarterie werden ebenfalls unter Belassen ausreichend langer Gefäßenden abgesetzt. Das Organ wird dann gekühlt (4 °C) transportiert und toleriert so konserviert eine Ischämiezeit von 3 – 4 Stunden. Unter Verwendung extrakorporaler Zirkulationstechniken erfolgt zunächst die Explantation des erkrankten Organs über eine mediane Sternotomie. Dazu werden die Ventrikel im AV-Sulkus unter Entnahme einer schmalen Vorhofmanschette sowie beider Herzohren abgesetzt und Aorta ascendens sowie A. pulmonalis oberhalb der Klappenebene durchtrennt (Abb. B-12.16 a). Die Implantation des Spenderorgans beginnt mit der Anastomosierung von linkem und rechtem Vorhof (wahlweise auch Anastomosierung der Hohlvenen) in fortlaufender Nahttechnik. Nach Längenanpassung werden die aortalen und pulmonalarteriellen Enden von Empfänger und Spender vernäht (Abb. B-12.16 b, c). Im Anschluss an eine Reperfusionsphase zur Normalisierung des Metabolismus des Spenderorgans übernimmt das Transplantat seine Funktion normalerweise im Eigenrhythmus, so dass die extrakorporale Zirkulation beendet werden kann.
Unter Verwendung extrakorporaler Zirkulationstechniken werden nach Explantation des erkrankten Herzens (Abb. B-12.16 a) die Vorhöfe (wahlweise an Stelle des rechten Vorhofs auch die Hohlvenen) sowie Aorta und Pumonalarterie (Abb. B-12.16 b, c) anastomosiert.
Postoperative Therapie und Komplikationen Therapeutische Maßnahmen: Bei ca. 95 % aller Transplantate lässt sich durch eine adäquate pharmakologische Therapie eine stabile Funktion mit Eigenrhythmus erreichen.
Postoperative Therapie und Komplikationen Therapeutische Maßnahmen: Unter einer adäquaten pharmakologischen Therapie mit positiv-inotropen Substanzen (Dopamin, Dobutamin, Adrenalin, Phosphodiesterasehemmer), chronotropen Substanzen (Alupent, Theophyllin) und Vasodilatanzien (Nitropräparate und ACE-Hemmer) übernehmen mehr als 95 %
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B 12.7 Herz-/Lungentransplantation
1387
aller Transplantate eine stabile Funktion mit ausreichenden Kreislaufverhältnissen. Bei stabilem Sinusrhythmus ist in den meisten Fällen die Implantation eines permanenten Schrittmachersystems nicht notwendig. Komplikationen: Schwerwiegende postoperative Probleme der Transplantatfunktion, die zu einem akuten biventrikulären Versagen führen, sind relativ selten. Als mögliche Ursachen kommen eine unzureichende Spenderorganprotektion, eine zu lange Ischämiezeit, ein zu kleines Transplantat oder eine hyperakute antikörpervermittelte Abstoßungsreaktion in Frage. Demgegenüber kann ein zu hoher, insbesondere fixierter Pulmonalgefäßwiderstand zu einem isolierten rechtsventrikulären Versagen führen (s.o.). Unter Verwendung entsprechender Kreislaufunterstützungssysteme können selbst derartige schwere Komplikationen überbrückt bzw. behandelt werden. Dem aufgrund der Immunsuppression erhöhten Infektionsrisiko wird wird durch eine verlängerte Antibiotikaprophylaxe (üblicherweise 4 – 7 Tage), durch engmaschiges Infektionsmonitoring und bei Bedarf durch kompromisslose Antibiotikatherapie Rechnung getragen. Das Infektionsmonitoring erfolgt besonders intensiv während der stationären Behandlungsphase, wird aber auch bei ambulanten Vorstellungen durchgeführt. Es erstreckt sich im Wesentlichen auf regelmäßige Röntgenuntersuchungen der Lungen, Blut-, Serum- und Urinanalysen sowie Untersuchung von Tracheal- bzw. Bronchialsekret. Besonderes Augenmerk gilt dabei bakteriellen Pneumonien, Aspergillus- und Candidaerkrankungen, sowie Zytomegalievirus- und Pneumocystis-carinii-Infektionen.
Komplikationen: Zu einem biventrikulären Spenderorganversagen (selten) kann es durch unzureichende Spenderorganprotektion, durch zu lange Ischämiezeit oder durch eine hyperakute Abstoßungsreaktion kommen. Ein zu hoher Pulmonalgefäßwiderstand kann zu einem isolierten Rechtsherzversagen führen (s.o.).
Immunsuppression
Immunsuppression
Zur Prophylaxe akuter und chronischer Abstoßungsreaktionen wird in den meisten Transplantationszentren bei erwachsenen Patienten eine immunsuppressive Tripletherapie verabreicht. Diese besteht aus einem Calcineurin-Inhibitor (z. B. Ciclosporin), einem Hemmer des Zellstoffwechsels (Azathioprin oder Mycophenolat-Mofetil) und Steroiden (Prednisolon) zur Erhaltungsimmunsuppression. Ziel der Erhaltungsimmunsuppression ist nicht die Elimination jeglicher Abstoßungsreaktionen, sondern die Verhinderung schwerer, hämodynamisch relevanter und mit einer dauerhaften Funktionseinschränkung des Transplantates einhergehenden akuten Abstoßungsreaktionen. Bis zum Erreichen ausreichend immunsuppressiver Wirkspiegel der Erhaltungstherapie können zusätzlich zur perioperativen Applikation hochdosierter Steroide monoklonale oder polyklonale antilymphozytäre Antikörper (ATG, ALG, OKT3) zum Schutz vor einer akuten Abstoßungsreaktion in der frühpostoperativen Phase gegeben werden (Induktionstherapie).
Überwiegend wird eine 3fache immunsuppressive Basistherapie mit Steroiden, Ciclosporin A und Azathioprin bzw. Mycophenolat-Mofetil durchgeführt. Ziel einer derartigen Basisimmunsuppression ist die Verhinderung schwerer mit einer dauerhaften Funktionsstörung des Transplantats eingehender Abstoßungen.
Dosierung: Der CNI-Inhibitor wird nach Serumspiegel und Nierenfunktion in Abhängigkeit vom postoperativen Intervall dosiert, Azathioprin mit 2 mg/kg Körpergewicht und einem Suppressionziel der Leukozyten auf 4000 – 6000 Zellen/µl bzw. alternativ Mycophenolatmofetil mit 2 – 3 g/d (Zielspiegel: 2 – 4 µg/ ml). Prednisolon wird von initial 0,5 mg/kg Körpergewicht auf eine Erhaltungsdosis von 0,1 mg/kg Körpergewicht innerhalb der ersten 3 Monate nach Transplantation reduziert. Die Nebenwirkungen der einzelnen Immunsuppressiva veranlassen im Einzelfall zu einer individuellen Dosisanpassung (s. a. S. 1352).
Dosierung: Der CNI-Inhibitor wird nach Serumspiegel und Nierenfunktion in Abhängigkeit vom postoperativen Intervall dosiert, Prednisolon wird von initial 0,5 mg/kg Körpergewicht auf eine Erhaltungsdosis von 0,1 mg/kg Körpergewicht innerhalb der ersten 3 Monate nach Transplantation reduziert.
Abstoßungsdiagnostik
Abstoßungsdiagnostik
Invasive Methode: Die endomyokardiale Biopsie gilt als Standardmethode (Abb. B-12.17). Über eine perkutane Schleuse, die man in Lokalanästhesie in die rechte V. jugularis interna einbringt, werden mit geeigneten Biopsiezangen mehrere rechtsventrikuläre Gewebeproben entnommen, histologisch untersucht und klassifiziert.
Invasive Methode: Standardmethode zur Abstoßungsdiagnostik ist die endomyokardiale Biopsie (Abb. B-12.17).
Nicht invasive Methoden: Echokardiographie, differenzierte EKG-Techniken oder immunologische Serum- und Lymphozytentests verfügen demgegenüber nicht über eine gleichwertige diagnostische Sicherheit.
Nicht invasive Methoden: Sie verfügen nicht über eine gleichwertige diagnostische Sicherheit.
Dem aufgrund der Immunsuppression erhöhten Infektionsrisiko wird durch eine verlängerte Antibiotikaprophylaxe (üblich 4 – 7 Tage), engmaschiges Infektionsmonitoring und bei Bedarf kompromisslose Antibiotikatherapie Rechnung getragen. Besonderes Augenmerk gilt dabei bakteriellen Pneumonien, Aspergillus- und Candidaerkrankungen, sowie Zytomegalievirus- und Pneumocystis-carinii-Infektionen.
Bis zum Erreichen ausreichender Wirkspiegel der Basisimmunsuppression hat sich die Anwendung von antilymphozytären Antikörpern als vorteilhaft erwiesen.
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1388 B-12.17
B 12 Transplantation
B-12.17
Endomyokardiale Biopsie Über eine in die rechte V. jugularis interna eingeführte Schleuse werden mit einem geeigneten Biotom 4 – 8 Myokardstücke (Größe: 1 – 2 mm) möglichst im Bereich des Ventrikelseptums gewonnen. Der Eingriff erfolgt in Lokalanästhesie unter Blutdruck- und EKGKontrolle.
Die Abstoßungsdiagnostik wird in den ersten 2 – 3 Monaten ca. 7 – 14-tägig, nach dem 1. Jahr ca. alle 2 – 3 Monate durchgeführt. Akute Abstoßungsreaktionen werden mit einer hoch dosierten intravenösen Steroidtherapie oder mit antilymphozytären Antikörpern behandelt.
Die Abstoßungsdiagnostik wird in den ersten 2 – 3 Monaten ca. 7 – 14-tägig, nach dem 1. Jahr ca. alle 2 – 3 Monate durchgeführt. Im Rahmen dieser ambulanten Vorstellungen werden begleitend EKG- und Labordiagnostik durchgeführt sowie echokardiographische Befunde erhoben. Bei akuten Abstoßungsreaktionen erfolgt unverzüglich eine hoch dosierte intravenöse Steroidbehandlung (z. B. täglich 500 mg Methylprednisolon über 3 Tage). Bei Persistenz bzw. schwerer Abstoßungsreaktion ist die Gabe von Antilymphozyten-Antikörpern (z. B. anti-Thymozytenglobulin, Anti-Lymphozytenglobulin, monoklonale T-Zell-Antikörper) indiziert.
Ergebnisse und Langzeiterwartungen
Ergebnisse und Langzeiterwartungen
Die perioperative Mortalität ist derzeit 5 10 % und die 1-Jahres-Überlebensrate liegt bei ca. 80 %. Im 1. Jahr stellen Infektionen und akute Abstoßungsepisoden das Hauptproblem dar, während im Langzeitverlauf chronische Abstoßung und Tumorerkrankungen eine tragende Bedeutung haben. Nach dem 1. Jahr ist mit einer jährlichen Absterberate zwischen 2 – 5 % zu rechnen.
Im Zusammenhang mit der Standardisierung von Spender- und Empfängerkriterien, des operativen Vorgehens und der Immunsuppression unter Einbeziehung von Ciclosporin A konnte die perioperative Mortalität international auf 5 10 % gesenkt werden. Aufgrund des höheren Risikos schwerer akuter Abstoßungsepisoden und infektiöser Komplikationen beträgt die Absterberate im ersten Jahr zwischen 10 – 15 %. Danach bleibt die Überlebensrate ausgehend von Werten um 80 % nach dem 1. Jahr wesentlich stabiler. Nach 5 Jahren ist mit einer Überlebensrate von ca. 60 – 70 % zu rechnen. Während im 1. Jahr Infektionen und akute Abstoßungen das Hauptproblem darstellen, sind im Langzeitverlauf chronische Abstoßung (jährliche Absterberate von 2 – 5 %) und Tumorerkrankungen vorrangig.
Chronische Abstoßungsreaktion: Diese imponiert klinisch als Transplantatvaskulopathie mit progressiver Funktionsverschlechterung.
Chronische Abstoßungsreaktion: Diese imponiert klinisch als Transplantatvaskulopathie mit progressiver Funktionsverschlechterung. Eine Vaskulopathie kann sowohl an den größeren epikardialen Koronargefäßen (meist diffus und peripher lokalisiert) lokalisiert sein, als auch ausschließlich als histologische Veränderung an Arteriolen und Kapillaren im Biopsat imponieren. Die Mehrheit der vor der Transplantation weitgehend immobilisierten Patienten erreicht nach dem Eingriff eine altersentsprechende körperliche Belastung. Häufig kann für diese terminal Kranken eine soziale und auch berufliche Reintegration verbunden mit einer akzeptablen Langzeitperspektive erreicht werden. Bei einwandfreier Transplantatfunktion ist die körperliche Leistungsfähigkeit von Seite der Herzfunktion nicht limitiert, so dass auch gegen intensive sportliche Betätigung keine Einwände bestehen. Insbesondere im 1. Jahr sind die Patienten angehalten, die Exposition gegenüber erhöhten Infektionsrisiken so gering wie möglich zu halten.
Die Mehrheit der vor der Transplantation weitgehend immobilisierten Patienten erreicht nach dem Eingriff eine altersentsprechende körperliche Belastung.
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B 12.7 Herz-/Lungentransplantation
B-12.18
1389
Röntgenthorax vor und nach Herztransplantation
a Thoraxbefund vor Transplantation: Erhebliche Vergrößerung der Herzsilhouette mit ausgeprägter pulmonaler Stauung als Zeichen der Linksherzinsuffizienz.
b Thoraxbefund vor Entlassung: Weitgehende Normalisierung mit normal großer Herzsilhouette und nahezu normaler Lungengefäßzeichnung.
왘 Klinischer Fall. Orthotope Herztransplantation: Bei einem 33-jährigen Mann mit vorbestehendem kombiniertem Aortenvitium bildete sich nach Virusmyokarditis eine dilatative Kardiomyopathie aus, die innerhalb von 6 Monaten zu einer rapiden Verschlechterung der körperlichen Belastbarkeit (NYHA IV) führte. Vor Transplantation war der Patient linksventrikulär dekompensiert und katecholaminpflichtig (Abb. B-12.18a). Zusätzlich zur Herzinsuffizienz bestand ein ausgedehnter linksventrikulärer Thrombus und ein vermutlich embolischer frischer Milzinfarkt. Präoperative Funktionsdaten: Ejektionsfraktion 17 %, Herzindex 1,7 l/min/m2, Pulmonalgefäßwiderstand 139 dyn × s × cm– 5, arterieller Blutdruck 90/50 mmHg. Nach orthotoper Herztransplantation war der weitere Verlauf unkompliziert (Abb. B-12.18b), so dass der Patient nach 22 Tagen nach Hause entlassen werden konnte. Der weitere Verlauf war problemlos mit 2 moderaten Abstoßungsepisoden innerhalb des 1. Halbjahres, die jeweils mit 3 × 500 mg Methylprednisolon behandelt wurden. Nach 4 Monaten konnte der Mann seine Berufstätigkeit wieder aufnehmen.
12.7.2 Lungen- und Herz-Lungentransplantation
왗 Klinischer Fall
12.7.2 Lungen- und
Herz-Lungentransplantation
Grundlagen
Grundlagen
Bereits in den 60er Jahren wurden vereinzelte operative Erfahrungen mit der klinischen Lungen- (LTX) und Herz-Lungentransplantation (HLTX) gewonnen. Allerdings wurde dieses Konzept erst seit Mitte der 80er Jahre im Zuge verbesserter Erfolgsaussichten in relevantem Ausmaß weiterentwickelt. Die heutige Akzeptanz dieses Verfahrens beruht im Gegensatz zur Herztransplantation nicht vorrangig auf der Verbesserung der immunsuppressiven Behandlungsstrategien. Entscheidend war insbesondere die Entwicklung suffizienter Techniken zur Konservierung der Spenderlungen, die heute vorwiegend als „Flush“-Perfusion mit geeigneten Lösungen vorgenommen wird. Darüber hinaus konnte die Heilung bronchialer Anastomosen durch Modifikation der Operationstechniken optimiert werden. Insbesondere bei der Doppellungentransplantation wird die bibronchiale Anastomosierung der Luftwege gegenüber einer einzigen trachealen Verbindung bevorzugt. Derzeit werden jährlich ca. 800 Lungen- und Herz-Lungenverpflanzungen weltweit vorgenommen.
Vereinzelte operative Erfahrungen mit der klinischen Lungen- (LTX) und Herz-Lungentransplantation (HLTX) wurden bereits in den 60er Jahren gewonnen. Die heutige Akzeptanz dieses Verfahrens beruht vor allem auf der Entwicklung suffizienter Techniken zur Konservierung der Spenderlungen.
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1390 B-12.16
B 12 Transplantation
B-12.16
Indikationen zur Einzel- (SLTX), Doppel- (DLTX) und Herz-Lungentransplantation (HLTX)
pulmonale Hypertonie Fibrose Emphysem Mukoviszidose
DLTX, HLTX SLTX DLTX, SLTX DLTX
Indikationen
Indikationen
Terminale pulmonalvaskuläre und -parenchymatöse Erkrankungen bilden Indikationen zur HLTX oder LTX. Die vaskuläre Beteiligung äußert sich in Form einer primären oder sekundären pulmonalen Hypertonie.
Terminale pulmonalvaskuläre und -parenchymatöse Erkrankungen: Diese bilden das Indikationsspektrum zur Herz-Lungen- (HLTX) und Lungentransplantation (LTX). Bei vaskulärer Genese schließt dies die primäre pulmonale Hypertonie, aber auch sekundäre Hypertonieformen aufgrund einer Eisenmenger-Reaktion bei kongenitalen Herzvitien oder aufgrund multipler Lungenembolien ein. Bei sekundärer pulmonaler Hypertonie sollte jedoch zunächst die Möglichkeit einer konventionell chirurgischen Behandelbarkeit überprüft werden. Hier sind auch neuere Operationsverfahren wie die pulmonale Thrombendatheriektomie bei Morbus embolicus (= rezidivierende Lungenembolien mit chronischer Obstruktion der arteriellen Lungenstrombahn) zu berücksichtigen. Im Gegensatz zur Herztransplantation sind quantifizierbare Kriterien, abgeleitet von Hämodynamik, Lungenfunktionstest oder Blutgasanalyse für die Indikationsstellung nicht im gleichen Maße verwertbar. Subjektive Beschwerden und Progredienz des Krankheitsverlaufes sind zur Einschätzung der Transplantationsdringlichkeit ungleich entscheidender. Progrediente parenchymatöse Lungenerkrankungen führen in Abhängigkeit der Genese zur Lungenfibrose oder zum Lungenemphysem. Während terminale Fibrosen mit Einzellungentransplantationen zu behandeln sind, ist beim Lungenemphysem mit infektiöser Beteiligung eine Doppellungentransplantation notwendig, um ein Übergreifen der meist chronischen Infektion auf das Transplantat zu verhindern. Dies gilt obligatorisch für Mukoviszidosepatienten. Auch bei Emphysempatienten ohne Infektionsbeteiligung besteht die Tendenz zur Doppellungentransplantation, da ein besseres funktionelles Ergebnis erzielt werden kann und von diesen Patienten der chirurgisch aufwendigere Eingriff gut toleriert wird (Tab. B-12.16).
Subjektive Beschwerden und Progredienz des Krankheitsverlaufs sind zur Einschätzung der Transplantationsdringlichkeit entscheidend. Bei pulmonalparenchymatösen Erkrankungen kann bei Fehlen einer infektiösen Beteiligung eine Einzellungentransplantation durchgeführt werden. Chronische Infektionen der Lungen wie bei Mukoviszidose erfordern Doppellungentransplantationen, um ein Übergreifen der meist chronischen Infektion auf das Transplantat zu verhindern (Tab. B-12.16).
Kontraindikationen
Kontraindikationen
Maligne Tumor- und Systemerkrankungen sowie chronische Leber- und Niereninsuffizienz sind Kontraindikationen (Tab. B-12.15). Besondere Aspekte und Kontraindikationen sind in Tab. B-12.17 dargestellt.
Wie bei anderen Organentnahmen werden Tumorerkrankungen und maligne Systemerkrankungen sowie chronische Leber- und Niereninsuffizienz als Ausschlusskriterien betrachtet (Tab. B-12.15). Zusätzlich zu den Kontraindikationen bei HTX sind besondere Aspekte und Kontraindikationen, die bei LTX und HLTX zu beachten sind in Tab. B-12.17 dargestellt.
Spenderkriterien
Spenderkriterien
Die Spenderorgane werden anhand von Blutgasanalysen, Thoraxröntgenbild und bronchoskopischem Befund beurteilt. Infektionen und Aspirationen sind auszuschließen (s. Tab. B-12.18).
Für die Lungen- und Herz-Lungenspende sollte bei stabiler Herz-Kreislaufsituation und unter standardisierter Beatmung (FiO2 100 %, PEEP 5 cm H2O) ein arterieller Sauerstoffpartialdruck von mindestens 350 mmHg erreicht werden. Das Thoraxröntgenbild sollte im Wesentlichen Normalbefunde zeigen und insbesondere Infiltrate und Kontusionsherde ausschließen. Demgegenüber schließen Rippenserienfrakturen und Thoraxwandhämatome eine Lungenspende nicht aus. In Anbetracht eines hohen Infektionsrisikos der Lungen wird eine Beatmungsdauer von mehr als 7 Tagen als relative Kontraindikation zur Lungenspende angesehen. Darüber hinaus versucht man, vor Organentnahme akute Infektionen und Aspirationen auch bronchoskopisch auszuschließen (s. Tab. B-12.18). Die Berücksichtigung der Größenverhältnisse zwischen Spenderlunge und der Pleurahöhle bzw. des intrathorakalen Volumens des Empfängers ist von entscheidender Bedeutung. Im Hinblick auf Atelektasen ist eine Überdimensionierung der Spenderorgane zu vermeiden.
Eine Berücksichtigung der Größen-/Volumenverhältnisse von Empfänger- und Spenderthorax ist von entscheidender Bedeutung (Cave: Atelektasen bei überdimensionalen Spenderorganen!).
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B 12.7 Herz-/Lungentransplantation
B-12.17 ■
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differenzierte Bewertung der Infektionslage
chronische bakterielle Infekte (Ausnahme: Tuberkulose) sind i.d.Mehrzahl der Fälle kein Transplantationshindernis. Aspergillusinfektionen stellen jedoch eine Kontraindikation dar (Wahrscheinlichkeit einer Exazerbation der Infektion unter Immunsuppression)
Thorax- und Wirbelsäulendeformitäten
in ausgeprägter Form (z. B. Trichterbrust, Skoliose) gelten Skelettdeformitäten als Kontraindikation
Ausmaß der präoperativen Osteoporose und Immobilisation
in schweren Fällen stellen sie eine Kontraindikation dar
Trainingszustand der Atemmuskulatur
ggf. Atemtraining
Langzeitsteroidbehandlung, präoperative Beatmung und Tracheostoma
zurückhaltende Indikationsstellung
thorakale Voroperationen
wegen erheblicher Verwachsungstendenz gelten z. B. Pleurodesen, Bullektomie und Lungenresektion als relative Kontraindikationen
B-12.18 ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
Spezielle Aspekte und Kontraindikationen bei LTX und HLTX
Spenderkriterien zur Lungenspende
1391 B-12.17
B-12.18
PO2 4 350 mm Hg (FiO2 100 %; PEEP 5 cm H2O) Spenderalter bis 60 Jahre (Nichtraucher) negative Lungenanamese Beatmungsdauer ≤ 7 Tage kein Infiltrat (radiologisch) keine Kontusionsherde oder Einblutungen (makroskopisch) keine Infektion oder Aspiration (bronchoskopisch)
Organentnahme
Organentnahme
Unter Verwendung von geeigneten Konservierungslösungen (z. B. modifizierte Euro-Collins-Lösung mit Prostaglandinzusatz zur besseren Perfusionsverteilung) werden die Lungen als Doppellungenblock mit distaler Trachea, der Pulmonalbifurkation und einer linksatrialen Gewebsmanschette im halbgeblähten Zustand entnommen und transportiert. Bei Herz-Lungenentnahme ist zusätzlich die Protektion des Herzens mit geeigneten Perfusionslösungen (übliche kardioplegische Lösungen, z. B. St. Thomas Hospital Solution, Belzer Lösung, Bretschneider-Lösung u. a.) erforderlich. In diesem Fall entnimmt man die Organe als Herz-Lungenblock ohne Trennung der pulmonalen Strukturen unter Absetzen von proximaler Trachea, Hohlvenen und Aorta ascendens. Die mit dieser Technik tolerierbaren Ischämiezeiten liegen für Lungen bei 6 Stunden, während Herz-Lungentransplantate innerhalb von 4 Stunden reperfundiert werden sollten.
Unter Verwendung von geeigneten Konservierungslösungen werden die Lungen als Doppel- oder Herz-Lungenblock entnommen.
Operationstechnik
Operationstechnik
Als Operationszugang für die Einzellungentransplantation dient die posterolaterale Thorakotomie durch den 5. Interkostalraum (Abb. B-12.19). Nach Pneumonektomie der Empfängerlunge wird das Transplantat unter Anastomosierung von Bronchus (bifurkationsnah), einer linksatrialen Manschette, die die Lungenvenen trägt, und der Pulmonalarterienenden implantiert (Abb. B-12.19). Bei Doppellungentransplantation eröffnet man die Thoraxhöhle über eine quere Sternotomie mit beidseits anteriorer Thorakotomie im 4. Interkostalraum (sog. „clamp shell incision“; Abb. B-12.19). Sukzessiv werden die erkrankten Lungen explantiert und die Spenderorgane in gleicher Technik wie bei der Einzellungentransplantation eingepflanzt. Abhängig von der Stabilität der Kreislauf-
Bei Einzellungentransplantation erfolgt nach postero-lateraler Thorakotomie im 5. ICR (Abb. B-12.19) die Pneumonektomie der Empfängerlunge und die Implantation der Spenderlunge (Abb. B-12.19).
Bei Konservierung mit geeigneten Perfusionslösungen können Ischämiezeiten zwischen 4 – 6 Stunden toleriert werden.
Die Doppellungentransplantation erfolgt in ähnlicher Weise, jedoch mit Zugang über eine bilaterale anteriore Thorakotomie im 4. ICR mit querer Sternotomie (Abb. B-12.19).
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B 12 Transplantation
1392 B-12.19
Einzellungen- und Herz-Lungentransplantation
Im Unterschied zur Einzel- und Doppellungentransplantation geht man bei der HerzLungentransplantation über eine mediane longitudinale Sternotomie in den Thorax ein (Abb. B-12.19). Anastomosiert werden Trachea, rechter Vorhof und Aorta ascendens (Abb. B-12.19).
Postoperative Behandlung und Komplikationen
verhältnisse und insbesondere der rechtsventrikulären Funktion kann der intraoperative Anschluss an die Herz-Lungen-Maschine notwendig werden. Im Unterschied zur Einzel- und Doppellungentransplantation geht man bei der Herz-Lungentransplantation über eine mediane longitudinale Sternotomie in den Thorax ein (Abb. B-12.19). Größte Aufmerksamkeit erfordert die Erhaltung der beiden Nn. phrenici, ohne deren Funktion keine ausreichende postoperative Spontanatmung möglich ist. Aufgrund der vorbestehenden Kollateralisierung bei sekundärer pulmonaler Hypertonie besteht eine erhebliche Blutungsneigung des hinteren Mediastinums. Der Anschluss der Spenderorgane erfolgt durch die Anastomosierung von Trachea, rechtem Vorhof und der Aorta ascendens (Abb. B-12.19).
Postoperative Behandlung und Komplikationen
Einflussfaktoren auf den Erfolg des Eingriffs: Neben einer guten Transplantatfunktion sind Motivation und gute Compliance wichtige Voraussetzungen. Schon früh postoperativ ist eine physikalische Therapie mit Atemübungen und Lagerungsdrainage sowie ein Training der Atemmuskulatur und des Hustenreflexes erforderlich.
Einflussfaktoren auf den Erfolg des Eingriffs: Neben einer guten Transplantatfunktion sind eine gute Compliance und eine hohe Motivation wichtige Voraussetzungen für einen erfolgreichen Eingriff. Insbesondere in der Frühphase nach Transplantation ist zur Sekretmobilisation und optimalen Belüftung des Transplantats konsequente physikalische Therapie mit Atemübungen und Lagerungsdrainage unter intensiver krankengymnastischer Betreuung zu leisten. Zusätzlich muss bei den meisten oft kachektischen Patienten eine intensive Atemtherapie zum Training der Atemmuskulatur durchgeführt werden, um intrabronchiale Sekretverhalte bei operationsbedingt beeinträchtigtem Hustenreflex aufgrund der fehlenden Innervation des Transplantats zu vermeiden.
Postoperative Therapie: Die Basisimmunsuppression schließt Ciclosporin A, Azathioprin und Steroide ein. Gerade in der frühoperativen Phase ist eine intensive Atemtherapie bei eingeschränktem Hustenreflex notwendig. Das Abstoßungsmonitoring beinhaltet Röntgenkontrollen, Bronchoskopieergebnisse, Blutgasanalysen und Lungenfunktionstests.
Postoperative Therapie: Nach dem Eingriff werden die Patienten nachbeatmet und bei Erfüllen der üblichen Kriterien extubiert. Eine intensive Atemtherapie ist notwendig (s.o.). Die perioperative Immunsuppression umfasst wie bei der Herztransplantation eine 3fache Basistherapie mit Ciclosporin A, Azathioprin und Steroiden (S. 1352). Aufgrund eines im Vergleich zur Herztransplantation höheren Infektionsrisikos werden antilymphozytäre Antikörper bei Lungentransplantationen zurückhaltender eingesetzt. Das im Rahmen der Immunsuppression notwendige engmaschige Infektions- und Abstoßungsmonitoring beinhaltet Röntgenkontrollen des Thorax, Bronchoskopien, Blutgasanalysen und Lungenfunktionstests.
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B 12.7 Herz-/Lungentransplantation
B-12.20
1393
Röntgenthorax vor und nach Lungentransplantation
a Thoraxbefund vor Transplantation: Massive beidseitige Überblähung bei terminalem Lungenemphysem.
b Thoraxbefund vor Entlassung: Normal große Spenderlunge rechts mit residualer Plattenatelektase und überdehnter nativer Emphysemlunge links.
Komplikationen: Als typische frühpostoperative Komplikation gilt das Reperfusionsödem der Lunge insbesondere nach längeren Ischämiezeiten. Heilungsprobleme der bronchialen Anastomose sind durch modifizierte Operationstechniken seltener geworden. Auch unter Einschluss transbronchialer Biopsien ist die Differenzierung zwischen Abstoßung und Infektion häufig schwierig. Wie bei anderen Organtransplantationen sind in der Frühphase (3 Monate) kurzfristige (7 – 14 Tage) Kontrolluntersuchungen notwendig, um frühzeitig Abstoßungsepisoden oder Infektionen diagnostizieren und therapieren zu können.
Komplikationen: Typisch sind das Reperfusionsödem der Lunge und Heilungsprobleme bronchialer Anastomosen.
Ergebnisse und Langzeiterwartungen
Ergebnisse und Langzeiterwartungen
Abhängig von Operationsverfahren und Grundkrankheit liegt die perioperative Letalität annäherungsweise bei 10 % für Einzel- und Doppellungentransplantationen (SLTX/DLTX) und bei 20 % für Herz-Lungentransplantationen (HLTX). Bei gutem Ergebnis kann auch mit LTX und HLTX eine altersentsprechende Belastbarkeit erreicht werden, so dass die alltäglichen Belastungen gut toleriert werden und selbst sportliche Aktivitäten möglich sind. Abhängig von der Infektionsexposition am Arbeitsplatz ist eine berufliche Reintegration anstrebenswert. Im chronischen Verlauf geht man von einer Absterberate um 10 % pro Jahr aus, deren Hauptursachen chronische Abstoßung (Bronchiolitis obliterans) und Infektionen sind. Pulmonal vaskuläre Veränderungen und Koronarsklerose des Spenderherzens bei HLTX sind im Langzeitverlauf von untergeordneter Bedeutung.
Die perioperative Letalität liegt bei 10 % für Lungen- (SLTX/DLTX) und 20 % bei Herz-Lungentransplantationen.
왘 Klinischer Fall. Ein 48-jähriger Mann mit terminalem Lungenemphysem (Abb. B-12.20 a)
Hauptprobleme im Langzeitverlauf sind die chronische Abstoßung (Bronchiolitis obliterans) und Infektionen.
왗 Klinischer Fall
unklarer Genese war körperlich nur noch minimal belastbar und benötigte nachts Sauerstoff. Unter anderem erhielt er eine Dauermedikation mit 10 mg Kortison. Die präoperativen Lungenfunktionstests ergaben folgende Befunde: Vitalkapazität 2,8 l/min (64 %), Einsekundenkapazität 0,63 l/min (23 %), arterielle Blutgasanalyse: PO2 62 mm Hg, PCO2 47 mm Hg (in Ruhe). Nach rechtsseitiger Einzellungentransplantation ohne Herz-Lungen-Maschine lag eine gute Initialfunktion vor, so dass die Extubation am 3. postoperativen Tag erfolgte. Abgesehen von einem Pneumothorax der kontralateralen Seite bestand ein unkomplizierter postoperativer Verlauf. Am 25. postoperativen Tag erfolgte die Entlassung aus stationärer Behandlung (Abb. B-12.20 b). Zu diesem Zeitpunkt lagen folgende Lungenfunktionswerte vor: Vitalkapazität 3,1 l/min (70,9 %), Einsekundenkapazität 1,9 l/min (69,4 %), PO2 93 mm Hg, PCO2 39 mm Hg.
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Quellenverzeichnis
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Sachverzeichnis Halbfette Seitenzahl: Auf dieser Seite wird das Stichwort ausführlich besprochen.
A AA= Allgemeinanästhesie 30 AAA= abdominelles Aortenaneurysma 1141 AB0-System 71 abbreviated burn severity index (ABSI-Score) 918 Abdomen, akutes siehe akutes Abdomen Abdomenübersichtsaufnahme 309 Abdomenleeraufnahme 346 Abdominaltrauma 585 -- perforierendes 588 -- stumpfes 586 Ablederung 142, 146 Abrissfraktur 731 Abscherfraktur 732 ABSI-Score = abbreviated burn severity index 918 Abszess 165, 172 -- analer 438 -- Dickdarm 383 -- Douglas- 582 -- Drainage 266 -- Fossa-canina- 1219 -- intersphinkterer 439 -- intraabdominaler 556, 582 -- ischiorektaler 439 -- Milz 556 -- odontogener 1219 -- parapharyngealer 1219 -- pelvirektaler 439 -- periproktitischer 438 -- perityphlitischer 373 -- retromaxillärer 1219 -- retroperitonealer 650 -- subanodermaler 439 -- subhepatischer 513, 582 -- submuköser 439 -- subperiostaler 767 -- subphrenischer 513, 582 -- supralevatorischer 439 Abtropfmetastasierung 334 Abwehrspannung 580 Acetylcholinesteraseaktivität 1079 Acetylsalicylsäure (ASS) 18, 85, 86, 133 AC-Gelenk = Akromioklavikulargelenk 778, 782 Achalasie 276, 289 -- hohe 275 -- krikopharyngeale 275 -- pneumatische Dilatation 241 Achenbach-Syndrom 1121 Achillessehne 776 -- Thomspon-Test 879 Achillessehnenruptur 880 Achillodynie 776 acquired immunodeficiency syndrome (AIDS) 183 ACTH = adrenokortikotropes Hormon 223, 1292
Actinomyces 179, 1221 acute respiratory distress syndrome (ARDS) 992 Adamkiewicz-Arterie 1022 Adams-Stokes-Anfall 1029 Addison-Krise 640 Addison, Morbus 640 Adenom -- aldosteronproduzierendes 638 -- Brustdrüse 664 -- hepatozelluläres 499 -- Schilddrüse 619 -- Nebenschilddrüse 629 -- Speicheldrüse 1227 -- tubuläres 395 -- tubulo-villöses 395 -- villöses 395 Adenom-(Dysplasie-)KarzinomSequenz 396 Adenose, Brustdrüse 662 ADH = antidiuretisches Hormon 223 Adhäsiolyse, laparoskopische 367 Adipositas 593, 687, 693 -- Diagnostik 594 -- Epidemiologie 593 Adipositaschirurgie 592 adjuvante Therapie 217 Adrenalektomie 637 Adrenalin 97, 223, 253 adrenogenitales Syndrom (AGS) 639 adrenokortikotropes Hormon (ACTH) 223 Adson-Test 1137 adult respiratory distress syndrome (ARDS) 991 advanced trauma life support (ATLS) 902 Adventitia 270, 1100 Adventitiadegeneration, zystische 1122, 1143 AEP = akustisch evozierte Potenziale 1249 Äthoxysklerol 253, 273 Afterloading 1251 Afterloading-Sonde 727 Afterloading-Therapie 484 Aganglionose 1077 Aggressionstoffwechsel, posttraumatischer 923 AGS = adrenogenitales Syndrom 639 AGW = Atemgrenzwert 935 AIDS = Acquired Immunodeficiency Syndrome 183 -- Rektumbefall 442 AIDS-related Complex (ARC) 183 AJCC = American Joint Committee of Cancer 724 Akanthozyten 552 Akromegalie 500, 1292 Akromioklavikulargelenk (AC-Gelenk) 778, 782
Akromioklavikulargelenkluxation 782 Akromionfraktur 785 Akrozephalosyndaktylie 1311 Akrozyanose 1121 Aktinomykose 179, 1221 Akustikusneurinom 1289 akustisch evozierte Potenziale (AEP) 1249 Albendazol 188 Albumin 490, 525 Albumin-Ausscheidung 349 Alcuronium 35 Aldosteron 633, 641 Alfentanil 34 Alginat 157 Algodystrophie 756 alimentary limb 598 alkalische Phosphatase (AP) 490, 532 Alkalose, perioperative 65 Alkoholabusus 531, 536 Alkoholinjektion, perkutane (PAI) 508 Alkoholkonsum 7, 545 Alkylanzien 1252 Allantois-Verschluss 1082 Allen-Test 1103 Allgemeinanästhesie (AA) 30 Allgemeinanästhesieverfahren 31 Allis-Klemme 61 Allograft 1011 Alpha-1-Antitrypsinmangel 950 Alpha-Toxin 175 Alpha-Wellen, EEG 1248 ALT = Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT) 491 Altersappendizitis 374 Amastie 660 Amaurosis fugax 1116 Ameloblastom 1226 American Joint Committee of Cancer (AJCC) 724 Amine 164 Aminoglutethimid 637 Aminoglykoside 170, 193 Aminopenicilline 193 Aminosäuren 96 Aminosalicylsäure 617 Ammoniakspiegel 490 Amöbenabszess 497 Amöbenruhr 188 Amöbiasis 188 AMP = arterieller Mitteldruck 1255 Amphiarthrose 833 Amphotericin B 190 Amputation 142, 146 AMV = Atemminutenvolumen 935 Amylase 530, 532 Amyloidangiopathie, zerebrale 1323 Amyloidose 771 Anämie, hämolytische 559 Anästhesie -- Allgemeinanästhesie 30
-- Aufwachraum 41 -- balancierte 31 -- Beatmung 31 -- Intubation 31 -- Kombinations- 31 -- Larynxmaske 31 -- Lokalanästhetika 35 -- Monitoring 29 -- Muskelrelaxanzien 34 -- Opioide 34 -- Periduralanästhesie 38 -- periphere Nervenblockade 39 -- Pharmaka 32 -- Regionalanästhesie 35 -- rückenmarknahe 36 -- Spinalanästhesie 36 -- total intravenöse 31, 33 Anästhesieaufklärung 27 Anästhesierisiko -- ASA-Klassifikation 26 -- Abschätzung 26 Anästhesieverfahren, Auswahl 27 Analabszess 426, 438 Analatresie 1067 Analekzem 442 Analfibrom 431 Analfissur 426, 433 Analfistel 426, 435 -- atypische 436 -- inkomplette 433 -- intersphinktere 436 -- marginale 435 -- submuköse 435 -- suprasphinktere 436 -- transsphinktere 436 Analgesie, patientenkontrollierte (PCA) 92 Analgetika 84, 1119, 1153, 1258 -- Adjuvanzien 91 -- Koanalgetika 90 -- Nichtopioide 85 -- Opioide 88 Analgetikaabusus 536 Analgosedierung, bei neurochirurgischen Eingriffen 1258 Analkarzinom 184, 444 Analkryptitis 426, 433 Analneurose 426, 450 Analogskala, visuelle 83 Analpapille, hypertrophe 431 Analpapillitis 426, 433 Analpolyp 431 Analprolaps 443 Analsphinkterinsuffizienz 447 Anamnese 3 -- anästhesierelevante 25 -- Familien- 8 -- Leitsymptome 4 -- persönliche 7 -- Risiko- 7 Anaphylaxie 231 Anastomose -- biliodigestive 462 -- kollare 292 -- obere kavopulmonale 1045
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1398 Anastomose -- totale kavopulmonale 1045, 1047 Anastomosenkarzinom 343 Anderson-Hynes-Operation 1095 Androgene 633 Aneurysma -- A. poplitea 1143 -- abdominelles 1141 -- arterielles 1138 -- arteriosklerotisches 1140 -- Auskultation 1102 -- dissecans 1139 -- entzündliches 1140 -- Hybridoperation 1141 -- infiziertes 1140 -- inflammatorisches 1140 -- kongenitales 1140 -- luetisches 1140 -- spurium 1022, 1139 -- thorakales 1022, 1141 -- traumatisches 1140 -- Ursachen 1140 -- verum 1022, 1139 Angiektasien 1162 Angiitis 1164 Angina -- intestinalis 1127 -- chronische 1126 -- pectoris 1004, 1013 Angiodysplasie 412, 1161 Angiographie 1107 -- selektive 382 -- Subtraktions- 1107 -- zerebrale 1248 Angioleiomyosarkom 1163 Angioma capillare et venosum calcificans 1313 Angiom, arteriovenöses 1318 Angioneuropathie, primäre essenzielle 1120 Angioplastie, perkutane transluminale 131, 1109 Angiosarkom 557, 715 Angioskopie 1108 Anisokorie 1243 Anlaufschmerz 1114 Anodermverlust 447 Anorchie 1084 Anorektalwinkel, Verlust 447 Anorexie 650 Antagonisierung -- Kumarine 129 -- Thrombininhibitoren 126 Anthelminthika 189 Antiandrogene 688 Antibiogramm 193 Antibiose 769 -- 770 Antibiotika 190 -- Applikation 198 -- Auswahlkriterien 192 -- gezielte Therapie 197 -- häufige Anwendungsfehler 199 -- kalkulierte Therapie 197 -- Kombinationen 194 -- Penetrationsfähigkeit 194 -- Prophylaxe 195 -- Toxizität 194 -- Wirkmechanismen 191 Anticholinergika 322 Antidepressiva -- trizyklische 1258 -- als Koanalgetika 90 antidiuretisches Hormon (ADH) 223 Antiemetika 91 Antiepileptika, als Koanalgetika 91
Sachverzeichnis
Antikoagulantientherapie 994 Antikoagulanzien 1119 Antikoagulation 1126 -- orale 18 Antikörpertherapie, Mammakarzinom 682 Antimetabolite 1252 Antiphlogistika 756, 777, 1153 -- nichtsteroidale (NSAR) 650 Antiphospholipidantikörper 501 Antirheumatika, nichtsteroidale 777 Antisepsis 161 Antrektomie 325 Antrum 304 Antrumgastritis 315 Anurie 176 Anus 419 -- Endosonographie 421 -- Manometrie 421 Anxiolyse 27 Aorta -- abdominalis, Verschluss 1117 -- ascendens -- Aneurysma 1024 -- operativer Ersatz 1024 -- descendens -- Aneurysma 1025 -- operativer Ersatz 1024 -- thorakoabdominelle, operativer Ersatz 1024 Aortenaneurysma 1026 -- abdominelles (AAA) 1141 -- thorakales 1141 Aortenatheromatose 1026 Aortenbogen -- operativer Ersatz 1024 -- unterbrochener 1054 Aortenbogenanomalie 1053 Aortenbogensyndrom 1138 Aortendissektion 1025 -- Klassifikation nach DeBakey 1026 -- Klassifikation nach Stanford 1026 -- Typ A 1026 -- Typ B 1026 Aortenisthmusstenose 1032 Aortenklappe, Rekonstruktion 1010 Aortenklappeninsuffizienz 1005 Aortenklappenstenose 1003 Aortenstenose 1034 Aortenwurzelersatz 1024 AP = alkalische Phosphatase 490, 532 APACHE-II-Score 580 apallisches Syndrom 1243, 1265 Apathie 639 APC = adenomatous polyposis coli 408 APC-Gen 408 APCHE = Acute Physiology And Chronic Health Evaluation 581 APC-Resistenz 117 Apert, Morbus 1311 Apley-Grinding-Test 866 Apophysenabriss, dislozierter 738 Apophysenausriss 738 Apoplex, ischämischer 1130 Apoptose 212 Appendektomie -- laparoskopische 372 -- offene 371 Appendikopathie, neurogene 375 Appendix 368
-- Lagevarianten 368 -- NET 713 -- Appendixkarzinom 377 -- Appendixkarzinoid 376 -- Appendixtumoren 376 Appendizitis 368, 454, 691 -- bei Morbus Crohn 375 -- atypische 374 -- bei Immunsuppression 375 -- bei Kleinkindern 374 -- bei Lagevarianten der Appendix 374 -- chronische 376 -- gangränöse 184 -- im höheren Alter 374 -- in der Schwangerschaft 374 -- Komplikationen 375 APUD-System = Amin Precursor Uptake and Decarboxylation 362 ARC = AIDS-related Complex 183 Arcus palmaris 1103 ARDS = acute respiratory distress syndrome 992 ARDS = adult respiratory distress syndrome 991 Argonbeamer 240 Arlt-Reposition, Schulterluxation 789 Armclaudicatio 1135 Arnold-Chiari-Sydrom 1310 Aromatase 686 Aromatasehemmer 681 Arsen 716 Arteria(-ae) -- Adamkiewicz 1294 -- basilaris 1131 -- Aneurysma 1314 -- brachialis -- Verletzung, Oberarmfraktur, distale 799 -- carotis -- communis 599, 927 -- Stenose 1131 -- externa -- Stenose 1131 -- interna -- Aneurysma 1314 -- Coiling 1131 -- Kinking 1131 -- Stenose 1131 -- Thrombendarteriektomie 1134 -- cerebri -- anterior -- Aneurysma 1314 -- media -- Aneurysma 1314 -- posterior -- Aneurysma 1314 -- circumflexa -- femoris 847 -- humeri 793 -- communicans posterior, Aneurysma 1314 -- coronaria 1012 -- Verschluss 130 -- cystica 451 -- dorsalis pedis, Hautlappen 1175 -- femoralis superficialis -- Trauma, indirektes 1159 -- Verschluss 1104, 1124 -- gastricae 304 -- breves 549 -- gastroduodenalis 306, 323, 328 -- Verweilkatheter 509 -- gastroepiploica 549
-- hepatica 541 -- iliaca -- communis, Aneurysma 1106 -- interna, Läsion 843 -- intercostales posteriores 653 -- ligamenti capitis femoris 846 -- lusoria 934, 1053 -- mammaria interna 653 -- Bypass, aortokoronarer 1015 -- meningea media, Verletzung 1272 -- mesenterica superior 345, 378 -- Ischämie, akute 363 -- pancreaticoduodenalis 306 -- poplitea -- Aneurysma 1117, 1139, 1143 -- Adventitiadegeneration, zystische, Veneninterponat 1143 -- Verletzung 856, 863 -- indirekte 1159 -- profunda femoris, Thrombendarteriektomie 1125 -- pulmonalis 927 -- Trendelenburg-Operation 123 -- Malformation, arteriovenöse 941 -- radialis -- Unterarmlappen 1176, 1212 -- Verletzung, Humerusfraktur 801 -- radicularis magna 1022 -- splenica 527, 541, 549 -- subclavia 927 -- Dezelerationstrauma 1161 -- Stenose 1135 -- supraduodenalis 306 -- thoracica -- interna 653 -- lateralis 653 -- thoracodorsalis -- 4 in 1-Lappen 1176 -- Latissimus-dorsi-Lappen 1177 -- thyreoidea -- ima 612 -- inferior 611, 612 -- superior 611, 612 -- vertebralis -- Abgangsstenose 1107 -- Aneurysma 1314 -- Fluss, retrograder 1136 -- Verletzung 824, 827 Arterien 1100 Arterienerkrankung 1116 Arterienpuls, Palpation 1102 Arterienverletzung 1158 Arterienverschluss, akuter 1116 Arteriitis temporalis Horton 1122 Arteriographie 118 -- Thorax 933 Arteriosklerose 1122 Arthralgie 650, 1020 Arthritis, rheumatoide 772 Arthrodese 772 Arthrolyse 1200 Arthroplastik 1201 Arthrose -- posttraumatische, Hand 1201 -- primäre, Hand 1201 -- sekundäre, Hand 1201 Arthroskopie 764, 866, 868 Arzneimittelulkus 317 Arztbrief 42 ASA= American Society of Anaesthesiologists 17 ASA= Aminosalicylsäure 390
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Sachverzeichnis
ASA-Klassifikation 17, 26 Asbest 208, 970 Ascaris lumbricoides 189 ASD I = Ostium-primum-Defekt 1039 ASD II = Ostium-secundumDefekt 1039 Asepsis 161 Askariasis 189 Askaridenileus 189 Aspergillom 190, 944 Aspergillus 169, 189 Aspergillus-Infektion 190 Aspergillus-Pneumonie 190 Aspergillus-Sepsis 190 Aspirin 962 ASS = Acetylsalicylsäure 18, 85, 86, 133 AST = Glutamat-OxalazetatTransaminase (GOT) 491 Astrozytom 1284 -- Radiatio 1250 Aszites 515, 539 -- Diagnostik 517 -- Therapie 523 Atelektase 988 Atelektasenbildung 914 Atemfunktion, Störungen bei SHT 1262 Atemgrenzwert (AGW) 935 Ateminsuffizienz 176, 992 Atemminutenvolumen (AMV) 935 Atemnotsyndrom 992 Atemzugvolumen (AZV) 935 Athelie 660 Atherom 606, 609 Atkinson-Tubus 242 Atlasberstungsfraktur 819 Atlasfraktur 819 ATLS = advanced trauma life support 902 Atracurium 35 Atrioseptostomie nach Rashkind 1049 atrioventrikulärer Septumdefekt (AVSD) 1039 Atrioventrikularklappe -- Vitien 1006 Atrophie 756 Auerbach-Plexus 1077 Aufklärung 20 -- Anästhesie 27 -- Inhalte 20 -- Zeitpunkt 22 Aufklärungsbogen 23 Aufklärungsformular 23 -- Aufklärungsgespräch 20 Aufklärungspflicht, Umfang 21 Aufprallgeschwindigkeit 586 Aufwachraum (AWR) 41 Augenbewegungen 1243 Augmentationsplastik, Brust 1181 Aurikulotemporalis-Neuralgie 1330 Ausflusstrakt -- linksventrikulärer, Obstruktion 1034 -- rechtsventrikulärer, Obstruktion 1035 Ausscheidungsurographie 650 Autonomie -- disseminierte 619 -- funktionelle 619 -- multifokale 619 -- thyreoidale 619 -- unifokale 619 Autotransfusion, maschinelle 80
AV-Angiom 1318 AV-Block 1011 AV-Fistel -- Auskultation 1102 -- Einteilung nach Vollmar 1144 -- Hand 1204 -- AVSD = atrioventrikulärer Septumdefekt 1039 AV-Shunt 1144 AWR = Aufwachraum 41 Axial-pattern Flaps 1174, 1180 Axilla 778 Axillar-SubklaviavenenThrombose 124 Azathioprin 501 Azetabulumfraktur 840 Azidose -- metabolische 224 -- perioperative 65 Azinuszelltumoren 1230 AZV = Atemzugvolumen 935
B Babcock-Sonde 1151 Bacillus anthracis 181 Backhausklemme 61 Bajonett-Stellung 813 Baker-Zyste 765 Ballongegenpulsation, intraaortale 999 Ballonkatheter 260 Ballontamponade 519 Banddistorsion 763 Banding 522 Bandruptur 763 Bandscheibenvorfall 1332 -- lumbaler 1336 -- zervikaler 1333 Bandverletzung 763 Bandzerrung 763 Bankart-Läsion 788 Banti-Syndrom 555 BAO = basal acid output 309 Barbiturate 1258 Bariumpassage, selektive 355 Bariumperitonitis 568 Bariumsulfat 273 Barrett-Karzinom 256, 333 -- Mukoasresektion 256 Barrett-Ösophagus 279 Barrett-Schleimhaut 279 Barrett-Syndrom 279 basal acid output (BAO) 309 Basaliom 201, 925, 1229 -- Hand 1203 Basalzellnävus 716 base excess (BE) 64 Basedow-Hyperthyreose 613 Basedow, Morbus 621 Basendefizit 64 basiläre Impression 1304 Bassini-Bruchpfortenverschluss 698 Bauchdeckenhaken 62 Bauchdeckenhalter 62 Bauchhöhlenersatz, passagerer 1061 Bauchlagerung 54 Bauchnarbenbruch 575 Bauchspeicheldrüse siehe auch Pankreas 526 Bauchspeicheldrüsenerkrankungen, angeborene 530
-- Bauchspeicheldrüsenfehlbildungen 528 Bauchspeicheldrüsensekret, Zusammensetzung 530 Bauchspeicheldrüsentumoren 544 -- benigne 544 -- maligne 545 Bauchspeicheldrüsenverletzungen 543 Bauchtrauma, stumpfes 364 Bauchwand 688 Bauchwanddefekte 1060 Bauchwandrekonstruktion 1180 Baxter-Schema 923 Bayliss-Effekt 1130 B-Bild-Sonographie 1104 BCG = Bacillus-Calmette-Guérin 179, 220 BCG-Impfung 179 BE = base excess 64 Beatmung -- bei neurochirurgischen Eingriffen 1258 -- Larynxmaske 31 -- Maske 31 Becken 833 Beckenbodeninsuffizienz 415 -- generalisierte 447 Beckenfraktur 651, 833 Beckeninstabilität 835 Beckenringfraktur 833 Beckentrauma, komplexes 838 Beckenzwinge 839 Bedside-Test 72 Beinschwellung 1115 Belastungs-EKG 18 Belastungsoszillometrie 1107 Belastungsstabilität 746 Belegzellen 304, 306 Bennett-Fraktur 1214 Benzodiazepine 227, 1258 -- zur Prämedikation 28 Benzylisochinolinderivate 35 Berstungsbruch 828 -- Schädel 1266 -- Schädelbasis 1269 Beschneidung 1086 Besenreiser 1162 Besenreiservarizen 1149 Bestrahlung, fraktionierte 217 Betalakt 193 Beta-Wellen, EEG 1248 Beugesehnen, Funktionsprüfung 1216 Beugesehnenverletzung 1216 Beweglichkeitstest, Wirbelsäule 819 Bewegungsapparat -- Anamnese 757 -- Funktionsprüfung 757 -- Inspektion 757 -- Palpation 757 -- Umfangs- und Längenmessung 757 Bewegungsstabilität 746 Bewegungstest -- aktiver 779 -- passiver 779 Bewusstlosigkeit 1263 Bewusstseinsstörung 1239 Bewusstseinstrübung 1263 Bezoar 313 Biegungsbruch 731 -- Schädel 1266 Bilharziose 945
1399 biliopancreatic diversion (BPD) 598 -- duodenaler Switch 598 Bilirubin 532 Bilirubineinlagerung 452 Bilirubin-Pigmentstein 467 Billroth-I-Resektion 325 Billroth-II-Resektion 325 Bilobed flap 1179 Bioprothese 1011 -- gestentete 1010 Biopsie 204 -- offene 659 Bisacodyl 91 Bishop-Koop-Verfahren 1070 Bisphosphonate 775 Bisswunde 145 Bizepssehne 776 Bizepssehnenruptur 792 -- distale 793 Bizepssehnentendinitis 792 Blässe 229 Blalock-Taussig-Shunt 1043 Blasenzentrum 1280 Blepharoplastik 1184 Blickwendung, konjugierte 1243 Blindsacksyndrom 349 Blount-Schlinge 802 Blow-out-Fraktur 1233 Blue-toe-Syndrom 1116, 1121 Blumberg-Zeichen 369 Blut, künstliches 70 Blutdruckmessung 1102 Bluterbrechen 519, 583 Blutersatz -- Ablehnung durch den Patienten 82 -- bei Transplantationen 81 -- bei Tumorpatienten 81 Blutgasanalyse 17 Blutgerinnung 138 -- Physiologie 107 Blutgerinnungsstörung 489 Blut-Hirn-Schranke 1254 Blutkomponenten 71 -- Präparationen 74 Blutkultur 165 Blutleere 1193 Blutschwamm 1162 Blutsperre 1193 Blutstillung 61, 1160 -- endoskopische 253 Bluttransfusion -- Rechtliches 81 -- Risiken 76 Blutung siehe auch Hämatom 1273 -- gastrointestinale 5, 251 -- intraabdominelle 583 -- okkulte 6 -- postoperative 1002 -- retroperitoneale 583, 650 -- Ulkus- 328 Blutungsneigung -- pathologische 108 -- systemische 108 Blutungstypen, Gastrointestinaltrakt 6 Blutviskosität 228 BMI = Body Mass Index 593 BNP = brain natriuretic peptide 120 Bochdalek-Dreieck 296 Bochdalek-Hernie 296 -- 297, 1057 Body Mass Index (BMI) 593 Body-Packer 237 Böhler-Grundsatz 819 Böhler-Zeichen 866 Boerhaave-Syndrom 283, 975
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1400 Borderline-Tumor 361 Borrelieninfektion 771 Borrmann-Klassifikation, Magenkarzinom 334 Bouchard-Arthrose 1201 Bougierung, Ösophagus 240 Bowen, Morbus 445 BPD = biliopancreatic diversion 598 -- duodenaler Switch 598 Brachialgia paraesthetica nocturna 1205 Brachyösophagus -- endogener 279 -- erworbener 279 -- sekundärer 279 Brachytherapie 216, 727, 1251 Brachyzephalus 1311 Bradykardie 1029 Bradykardie-TachykardieSyndrom 1029 Brain-mapping 1248 brain natriuretic peptide (BNP) 120 Brandverletzung, Schweregrade 910 Braun-Enteroenteroanastomose 325 -- Braun-Fußpunktanastomose 325 BRCA= breast cancer gene 666 Breitspektrumcephalosporin 170 Breitspektrumpenicillin 170 Brescia-Cimino-Fistel 1146 Brillenhämatom 1270 Brodenaufnahme 891 Broders-Klassifikation, Weichteiltumor 724 Brodie-Abszess 766 Brodie-Trendelenburg-Test 1147 Bronchialkarzinom 954, 968 -- kleinzelliges 958 -- nichtkleinzelliges 959 -- paraneoplastische Symptome 958 Bronchiallavage 166 Bronchialsystem 926 Bronchiektasie 946 Bronchographie 930 Bronchoskopie 166, 935 -- flexible 930, 936 -- starre 936 Bronchusruptur 988 Brooke-Ileostomie 367 Bruch siehe Fraktur Bruchpfortenverschluss 297 -- nach Bassini 698 -- nach Lichtenstein 698 -- nach McVay/Lotheisen 698 -- nach Shouldice 698 Bruchreposition 692 Bruchsack 688 Bruchspaltanästhesie 782, 814 Brunner-Drüsen 306 Brust siehe auch Mamma -- Augmentationsplastik 1181 -- Reduktionsplastik 1182 Brustaufrichtung 653, 655 Brustdrüse siehe auch Mamma 652 -- Adenom 664 -- Adenose 662 -- Diagnostik 655 -- Entzündung 660 -- Feinnadelpunktion 659 -- Gangektasie 662 -- gutartige Erkrankungen 661
Sachverzeichnis
-- Hamartom 663 -- Hauteinziehung 653, 655 -- Karzinom 665 -- Knotenbildung 661 -- Lipom 664 -- offene Biopsie 659 -- Orangenhautphänomen 655 -- Palpation 656 -- Plateauphänomen 655 -- Quadranten 654 -- Schnittführung bei OP 675 -- Stanzbiopsie 659 -- Tumorinfiltration 655 -- Zysten 661, 664 Brustrekonstruktion 685, 1182 -- autologe 1183 -- heterologe 1184 Brustschmerzen 661 Brustwarzenveränderung 668 Brustwirbelsäule (BWS) 817 -- Verletzungen 827 Brustwirbelsäulenfraktur 818 BSG 774 Bülau-Drainage 159, 963, 989, 993 Bulbärhirnsyndrom 1241 Bulbusmotilitätsstörung 1233 Bulbusstellung 1243 -- 1244 Bunnell-Operation 780 Bupivacain 36 Buprenorphin 90 Burning-feet-Syndrom 1121 Bursa -- subacromialis 778 -- subdeltoidea 778 Bursektomie 777 Bursitis -- akute 777 -- traumatische subakrominale 790 -- chronische 777 -- septische 771 BWS = Brustwirbelsäule 817 Bypass 1112 -- aortobifemoraler 1125 -- extra-intrakranieller 1328 Bypassimplantation, aortorenale 1130 Bypassoperation 1138 -- aortokoronare 1015 -- Herz-LungenMaschine 1016 Bypasstechniken 1015
C CA 19 -- 9 401, 546 Cajalzellen 331 Calcitonin 756 Calor 164 Camouflage 1169 Camp-Krawatte 826 Canadien Cardiovasculary Society (CCS) 1013 Candida albicans 169, 189 Candida-Infektion 189 Candida-Sepsis 189 capillary leak 923 Captopril-Test 1130 Caput-Collum-Diaphysenwinkel (CCD-Winkel) 846 Caput medusae 490 Carcinoma in situ 210 Caroli-Syndrom 466 Carotis siehe Karotis 1328
CCC = cholangiozelluläres Karzinom 504 CCD-Winkel = Caput-CollumDiaphysenwinkel 846 CCS = Canadien Cardiovasculary Society 1013 CCT = kranielle Computertomographie 1133 CEA= karzinoembryonales Antigen 401, 517 Cefotaxim 194 Ceftazidim 170 Ceftriaxon 194 Celebrex 87 Celecoxib 85, 87 Cephalosporine 183, 193 Cerclage, gedeckte 875 Chagas-Krankheit 276 Charcot-Trias 478 Charles-Operation 1157 Chassaignac-Lähmung 806 CHE = Cholinesterase 490 Chemoembolisation, transarterielle (TACE) 508, 509 Chemotherapie 215, 1252 -- lokoregionäre 509 -- Mammakarzinom 681 Chiasma opticum, Kompression 1292 Chiasmasyndrom 1292 Child-Pugh-Klassifikation 516 Chinolone 193 Chirurgie -- ästhetische 1184 -- endokrine 611 -- kosmetische 1184 -- minimal-invasive 135 -- plastische 1167 -- weibliche Brust 1181 CHIVA-Methode, Varizenoperation 1152 Chlamydia pneumoniae 169 Chlorophenole 716 Cholangiographie 457 -- perkutane transhepatische (PTC) 457 Cholangiopankreatikographie 456 cholangiozelluläres Karzinom (CCC) 504 Cholangitis 477 Choledochojejunostomie 542 Choledocholithiasis 467, 470 -- endoskopische Papillotomie 258 -- endoskopische Steinextraktion 260 Choledochotomie 461 Choledochusrevision 461 Cholestase 454 Cholesterin 490 Cholesterinstein 467 Cholezystektomie 458, 713 -- konventionelle 459 -- laparoskopische 458 Cholezystitis 184, 454 -- akute 474 -- chronische 476 -- posttraumatische 477 Cholezystokinin 346, 452 Cholezystolithiasis 454, 467 Cholinesterase (CHE) 490 Cholinesterase-Inhibitoren 980 Chondrom 717, 1203 Chondrosarkom 717, 1203 Chorda-Exzision 1098 Chordotomie 1329
Choriongonadotropin 686 Chylothorax 969 Chymotrypsinogen 530 Circulus arteriosus Willisii 1327 Cisplatin 1252 Cisterna chyli 1100 Claudicatio -- intermittens 650, 1124 -- intestinalis 1126 -- spinalis 1114, 1340 Clindamycin 170, 176, 180 Clipping 1318 CLL= chronisch lymphatische Leukämie 555, 560 Clonidintest 643 Clopidogrel 134, 1108 Clostridieninfektion 175 Clostridium -- perfringens 175 -- tetani 177 Coarctatio aortae 1032 Coiling 584, 1131, 1318 CO 2-Laser 1169 Colitis ulcerosa 386 -- Proktitis 441 Colles-Fraktur 813 Coma vigile 1243 Commotio -- cerebri 1274 -- spinalis 833, 1278 -- thoracis 986 completed stroke 1327 Composite-Ersatz 1027 composite graft 1112 Compressio -- spinalis 833, 1279 -- thoracis 986 Computertomographie (CT) 12, 1105 -- 3-Phasen- 12 -- Thorax- 931 Condylomata -- acuminata 432 -- lata 432 Conn-Syndrom 637 continous wave (cw) 1104 Contusio -- cerebri 1274 -- spinalis 833, 1278 -- thoracis 986 Coombs-Test 71 Cooper-Ligamente 652 Cooper-Schere 59 Cor pulmonale, EKG-Befunde 121 Corium-Naht 156 Corpus cavernosum recti 425 corticotropin releasing factor (CRF) 633 corticotropin releasing hormone(CRH-)Test 636 Corynebacterium diphtheriae 182 Co-Trimoxazol 180 Courvoisier-Zeichen 546 Cowden-Syndrom 407, 410 COX-Inhibitoren, selektive 85 Coxsackie-Virus 531 CPP = zerebraler Perfusionsdruck 1255 Cranium bifidum 1310 CRF = corticotropin releasing factor 633 Crigler-Najjar-Syndrom 453 Crohn, Morbus 354, 390 -- Proktitis 441 Cronkhite-Canada-Syndrom 411 Crossen-Klappen-Insuffizienz 1149
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Sachverzeichnis
Crossfinger-Lappen 1210 Crouzon, Morbus 1311 CRPS = Complex regional pain syndrome 1115 Crush-Niere 774 Crutchfield-Klemme 825 Cryptococcus-Infektion 169, 189, 190 CT = Computertomographie 12, 1105 CT-Angiographie, Leber 492 CT-Kolonographie 10 Cullen-Phänomen 566 Cullen-Zeichen 531 Cushing, Morbus 531 Cushing-Reflex 1273 Cushing-Syndrom 634, 1292 CVI = chronische venöse Insuffizienz 1149, 1154 cw = continous wave 1104 Cyclophosphamid 681, 1252 Cystosarcoma phylloides 663 C-Zellen, Schilddrüse 612
D Dacron-Prothese 1111 D'Alonzo-Einteilung, Densfraktur 821 Dampfsterilisation 161 Dandy-Walker-Syndrom 1309 Darmatonie 923 Darmatresie 1061, 1065 Darmatrophie 923 Darmdrehung 1062 Darmentleerungsstörung 1078 Darmischämie 585 Darmischämieschmerz 566 Darmobstruktion 574 Darmparalyse 531 Darmperforation 690 Darmschäden, aktinische 351 Darmspülung, orthograde 401 Darmstrangulation 573 Darmverschluss 572 Darmwandinkarzeration 691 Daumenballenatrophie 1206 Daumensattelgelenk 1189 -- Arthrose 1201 David-Rekonstruktion (Aortenklappe) 1006 DCIS = duktales Carcinoma in situ 669 DCS = dynamische Kondylenschraube 857 DDD-Pacing 1029 De Bakey-Klassifikation, Aortendissektion 1026 Débridement 139, 154 Décollement 142, 146 Decrescendo-Geräusch 1005 Defäkation 445 Defäkationsstörung 445 Defäkographie 422 Defektkoagulopathie -- angeborene 110 -- erworbene 111 Defektpseudarthrose 753, 900 Defektverletzung, Hand 1210 Defibrinogenierung, therapeutische 132 Defizit, onkotisches 68 Dekolonisation, MRSA 171 Dekompression nach Janetta 1330
Dekortikation 966, 971, 1265 Dekubitalulkus 142 Dekubitus 149 Delta-Wellen, EEG 1248 Denervierung nach Wilhelm 807 Denis, Drei-Säulen-Modell nach 827 Densfraktur 820 -- 821 Denshochstand 1305 Dermatitis, perianale 443 Dermatomyositis 1122 Dermoidfistel 440 Dermoidzyste 981 Desault-Verband 799 Descending-perineumSyndrom 447 Descensus perinei 415 Desfluran 32 Desinfektion 161 -- chemische 162 -- Hände 55 -- Operationsgebiet 53 -- physikalische 162 Desmoid 724 Desmoidtumor 409, 575 Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie (DGG) 1100 Déviation conjugée 1322 Deviation, konjugierte 1272 Dexamethason-Hemmtest 634 Dexamethason-Kurztest 646 Dextrane 67, 70 Dezelerationstrauma 1023, 1159 DGG = Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie 1100 DHS = dynamische Hüftschraube 851 Diabetes mellitus 532, 536 Diagnostik -- bildgebende 9 -- chirurgische Infektionen 165 -- kardiovaskuläre Funktion 18 -- Leberfunktion 20 -- Lungenfunktion 17 -- Nierenfunktion 19 -- präoperative 16 -- serologische 166 Dialyseintervall 19 Dialyseshunt 1145 Diaphanoskopie 257, 690, 1081 Diarrhö 188, 710 Diastematomyelie 1307 Diathermie 58 -- bipolare 58 -- monopolare 58 Diathermieschlinge 240, 255 Diathese -- hämorrhagische 107, 125 -- thrombotische 107 DIC = disseminierte intravaskuläre Koagulation 108, 112 Dickdarm 378 -- Diagnostik 380 -- Non-Polyposis-Syndrome 411 -- Polyposis-Syndrom 407 -- Dickdarmabszess 383 -- Dickdarmdivertikulitis 382 -- Dickdarmdivertikulose 381 -- Dickdarmentzündung 381 -- Dickdarmfistel 383 Dickdarmileus 576 -- Dickdarmkarzinoid 407 -- Dickdarmkarzinom 396 -- Dickdarmperforation 383 -- Dickdarmtumoren 394 Dickdarmspiegelung 10 Diclofenac 85, 87, 1153
DIEP-Lappen 1175 Digestion 345 Dihydrocodein 89 Dikaliumclorazepat 28 Dilatation -- hydraulische 241 -- pneumatische 241, 277 Dilatationstracheotomie 609 DILV = double inlet left ventricle 1046 Dioxin 716 Diphtherie 182 Dipidolor 90 Diplopie 980 DIRV = double inlet right ventricle 1046 Discus ulnocarpalis 1193 Diskontinuitätsresektion nach Hartmann 384, 404 Dislocatio -- ad axim 735 -- ad latus 735 -- ad longitudinem 735 -- ad peripheriam 735 Disphonie 984 Dissektion, endoskopische submuköse 254, 255 Distorsion, Band 763 Distraktionsfraktur 738 Distraktionsverletzung 828 Diuretika 1258 Divertikel -- Dünndarm- 352 -- echtes 286 -- epiphrenales 289 -- falsches 286, 353 -- Meckel- 352 -- Ösophagus- 286 -- pharyngoösophageales 286 -- Traktions- 288 -- Zenker- 246, 286 Divertikulitis 381 -- 382 Divertikulose 353, 381 DMCA-Lappen (dorsal metacarpal artery flap) 1175 Dobutamin 227 Dolantin 90 Dolor 164 Dopamin 227 Doppel-J-Pigtail-Katheter 19 Doppelkontrastdarstellung 309 Doppelniere 1095 Doppelureter 1095 Doppler-Sonographie 119, 1104 -- transkranielle (TCD) 1247 Dorsalis-pedis-Lappen 1175 DORV = Double outlet right ventricle 1050 Dottergangszyste 1083 Double-bubble-Phänomen 1065 double inlet left ventricle (DILV) 1046 double inlet right ventricle (DIRV) 1046 double outlet right ventricle (DORV) 1050 Douglasschmerz 369 Douglasabszess 582 Down, Morbus 1038 Doxorubicin 728 Doxycyclin 180 Dragstedt-Mechanismus 319 Drainage 158 -- Abszess 266 -- perkutane transhepatische 464 -- Pseudozyste 266 -- vesikoamniale 1094
1401 Drainagenpleurodese 966 Drainageoperation nach Puestow 540 Drehbruch 731 Dreieckschädel 1311 Drei-Finger-Regel, Hernien 697 Drei-Säulen-Modell nach Denis 827 DRG-System 16 Dringlichkeit, operative 26 Drogenkonsum 7 Drop attack 1136 Drop-Arm-Test 779 Drop-Arm-Zeichen 791 Druck, intraabdomineller 487 Druckerhöhung, intrathorakale 986 Druckmessung, intrakranielle 1246 Druckpuls 1107 Drucksteigerung, intrakranielle 1253 Drug Targeting 198 DS = duodenaler Switch 598 DSA= digitale Subtraktionsangiographie 1107, 1248 Ductus -- arteriosus persistens (PDA) 1037 -- choledochus 450 -- lymphaticus dexter 1100 -- omphaloentericus 352, 1083 -- thoracicus 1100 -- thyreoglossus 604, 611 Dünndarm 345, 366 -- Diagnostik 346 -- Fremdkörper 365 -- Lageanomalien 352 -- NET 713 Dünndarmatresie 1066 Dünndarmbiopsie 349 Dünndarmdivertikel 352 -- Dünndarmdivertikulose 353 -- Dünndarmentzündung 354 -- Dünndarmfehlbildungen 352 Dünndarmfistel 355, 359 Dünndarmileus 576 Dünndarmischämie 363 -- Dünndarmkarzinoid 362 -- Dünndarmobstruktion 355 Dünndarmresektion 366 Dünndarmstoma 367 -- Dünndarmstriktur 355 Dünndarmtuberkulose 357 -- Dünndarmtumoren 360 Dünndarmulkus 358 -- Dünndarmverletzungen 364 Dukes-Klassifikation, Kolonkarzinom 398 Dumping-Syndrom 341, 596 Duodenalatresie 1064 duodenaler Switch (DS) 598 Duodenalruptur 311 Duodenaltumoren 340 -- Therapie 340 Duodenalulkus 320 Duodenopankreatektomie -- partielle 340, 540 -- pyloruserhaltende partielle 541, 546 Duodenum 304 -- Diagnostik 308 -- NET 713 -- Verätzungen 312 Duplex-Doppler-Sonographie 518 Duplex-Sonographie 131, 1105 Duplikaturen Magen-DarmTrakt 1064
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1402 Dupuytren, Morbus 1199 Duraverletzung 1275 Durchblutungsstörung -- Abdomen 584 -- arterielle, Test 1103 -- chronische mesenteriale 1126 Durchfall 650 Durchgangssyndrom 1263 Durchhangtest, dorsaler 862 Durchzugsmanometrie 274 Durogesic 90 D-Xylose-Test 349 dynamische Hüftschraube (DHS) 851 dynamische Kondylenschraube (DCS) 853, 857 Dynastat 87 Dysostosis cleidocranialis 1311 Dysphagia lusoria 274 Dysphagie 272 Dysplasie 395 -- fibromuskuläre 1122 Dyspnoe beim Neugeborenen 296 Dysregulation, zentrale 1243 Dysrhaphie, spinale 1307 Dysthelie 660 Dystrophie 756 Dysurie 650 D-Zellen, Magen 306
E Easy-Flow-Drainage 158 Ebstein-Anomalie 1047 Echinococcus -- alveolaris 944 -- cysticus 944 -- granulosus 187, 495 -- multilocularis 187, 495 Echinokokken 555 Echinokokkose 187 -- alveoläre 188 -- zystische 188 Echinokokkuszyste 495 -- Leber 495 Echokardiographie 18 ECMO = extrakorporale Membranoxygenierung 999 Ectopia testis 1084 Edrophoniumtest 980 EEG = Elektroenzephalogramm 1248 EGF = epidermal growth factor 617 EHL= elektrohydraulische Lithotripsie 260 Ehlers-Danlos-Syndrom 116 EIAB = extra-intrakranieller Bypass 1328 Eigenblutspende 80 Einflussstauung, obere 977 Einklemmung -- elastische, Hernie 690 -- obere 1241, 1265 -- retrograde, Hernie 690 -- untere 1265 Einleitungsraum 52 Einwilligung 20 -- Minderjährige 24 -- Volljährige 23 -- Voraussetzungen 23 -- zur Narkose 27 Einzelknopfnaht 156 Eisenmenger-Reaktion 1039
Sachverzeichnis
Eiweißstoffwechsel, Postaggressionsphase 98 Eiweißverlustsyndrom 330 EK = Erythrozytenkonzentrat 73 EKG-Ableitung, intraattriale 29 EKZ = extrakorporale Zirkulation 995 -- Komplikationen 1001 -- Standardverfahren 998 Elektroenzephalogramm (EEG) 1248 elektrohydraulische Lithotripsie (EHL) 260 Elektrokoagulation 58 Elektrolythaushalt, perioperative Veränderungen 64 Elektrolytlösungen 916 Elektromyographie (EMG) 1248 Elektroneurographie (ENG) 1249 Elephantiasis 1156 Elevated-Arm-Stress-Test 1103, 1137 Ellenbogengelenk 803 -- Instabilitätsprüfung 805 -- Untersuchungstechniken 803 Ellenbogengelenkluxation 802, 805 Elliptozytose 559 Embolektomie, arterieller Embolus 1110 Embolie 116, 1116 -- arterielle 363, 1007 -- paradoxe 1116 -- Prophylaxe 124 Embolisation, radiologischinterventionelle 584 Embolusfragmentation 123 EMG = Elektromyographie 1248 Emphysem -- kongenitales lobäres 941, 1074 Empyem 172, 771 EMR = endoskopische Mukosaresektion 254 Emulgierung 452 Enchondrom, Hand 1203 Endangiitis obliterans 1122 Endarteriektomie 1125 Endokardfibroelastose 1046 Endokarditis 1004 -- 1006 -- bakterielle 1009, 1011 Endoprothese 242, 263 Endoskopie 10, 237 -- Fremdkörperentfernung 237 -- therapeutische 237 -- Vorbereitung des Patienten 251 Endosonographie 11, 259, 267, 308 -- Anus 421 Endost 738 Endotoxine 164 End-to-Back-Anastomose 1066 Enfluran 32 ENG = Elektroneurographie 1249 Engpasssyndrom, popliteales 1143 Entamoeba histolytica 188 Enteritis regionalis 354 Enterobakterien 162 -- gramnegative 167 Enterocolitis regionalis granulomatosa 390 Enteroenteroanastomose nach Braun 325 Enterokokken 167, 661, 943 Enterokolitis, nekrotisierende (NEC) 1071 Enteroptose 415 Enterothorax 303, 1059
Entgiftungsfunktion, Leber 489 Enthemmungssyndrom, vegetatives 1243 Entlassungsgespräch 42 Entleerungsstörung, Rektum 417 Entrapmentsyndrom, popliteales 1143 Entzündungsmediatoren 228 Entzündungsschmerz 566 Enukleation 710 Enuresis 1094 Enzephalopathie, hepatische 515 Enzephalorrhagie 1322 Enzephalozele 1310 Enzephalozystozele 1310 Ependymom 1286 Epicondylitis humeri radialis 807 Epicondylus-ulnaris-Fraktur 802 epidermal growth factor (EGF) 617 Epididymitis 1087 Epiglottis 601 Epiphyse 738 Epiphysenfraktur 747 -- dislozierte 738 Epiphysenfuge 738 Epiphysenverletzung 737 Epithelisation 140, 142 Epithelkörperchen 618, 626 EPT = endoskopische Papillotomie 258, 264 Epulis 1225 Eradikationstherapie 322 Erbrechen 531, 639 -- schwallartiges 1075 ERCP = endoskopisch retrograde Cholangio-Pankreatikographie 456, 537 Erfrierung 146 Erhaltungsbedarf, Flüssigkeit 65 Ermüdungsbruch 731 Ernährung -- enterale 101 -- Zugangswege 102 -- Fast-Track-Konzept 100 -- frühe enterale 99 -- Homecare-Konzept 101 -- Komponenten 95 -- 96 -- parenterale 95, 104 -- bei Leberinsuffizienz 106 -- bei Niereninsuffizienz 106 -- Komplikationen 106 -- Monitoring 107 -- Postaggressionsphase 105 -- postoperative 95 -- Sonden- 102 Ernährungsfistel, gastrale 294 Erosion 314, 315 ERV = exspiratorische Reservevolumen 935 Erysipel 172 Erysipeloid 173 Erysipelothrix rhusiopathiae 174 Erythema nodosum 355 Erythromycin 174, 183 Erythropoetin 81 Erythrozytenkonzentrat (EK) 73, 74 Escherichia coli 771 ESD = endoskopische submuköse Dissektion 254 ESWL= extrakorporale Stoßwellen-Lithotripsie 261, 469 Ethambutol 179 Etomidate 33, 1258 Etoricoxib 85, 87 Euthyreose 616
Eventerationshernie 689 Eversionsendarteriektomie 1134 Ewing-Sarkom 717, 972 Exkretionsfunktion, Leber 489 Exostose 777 Exotoxine 164 Expandertechnik 1178 Exsikkose 639 Exsikkose-Zeichen 566 exspiratorische Reservevolumen (ERV) 935 Exsudationsphase 138 exsudative Gastroenteropathie 330 Extension, Frakturbehandlung 744 Extensionslappen 1178 extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) 999 extrakorporale Stoßwellen-Lithotripsie (ESWL) 261 extrakorporale Zirkulation (EKZ) 995 -- Komplikationen 1001 -- Standardverfahren 998 Extrasystolen 638 Extremitätenarterienverschluss, akuter 1117 -- Therapie 1119 Extremitätenischämie, akute, Stadieneinteilung 1118 Extremitätenschmerzen 1114 extrinsisches System 1189 Exulceratio simplex 316 Exzisionsbiopsie 721 Exzisionsverfahren, Verbrennungswunde 920
F Facelift 1185 Faktor-V-Leiden-Mutation 117 Fallhand 1189 Fallot-Tetralogie 1042 Fallpauschale 16 familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) 408 Familienanamnese 8 FAP = familiäre adenomatöse Polyposis 407 -- 408 Farbdopplersonographie 1105 Farbduplexsonographie 1132 farbkodierte Duplex-/DopplerSonographie (FKDS) 491 Fass-Thorax 951 Fast-Track-Konzept 43, 100 Fast-Track-Methode 66 Faszienspaltung 774 Faszienverletzung 775 Fasziitis, nekrotisierende 180 Fasziokutanlappen 1175 Fasziotomie 753 Faustschlussprobe 1103 Fazialisparese 1230 Fazialisrekonstruktion 1230 Fehllage, kardiofundale 298 Feinnadelbiopsie 721 Feinnadelpunktion -- Brustdrüse 659 -- Lymphknoten 607 -- Pankreaskarzinom 546 -- Schilddrüsenknoten 615 Felty-Syndrom 555 Femoralhernie 702 Femoralis-Dehnungsschmerz 1336
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Sachverzeichnis
Femurfraktur -- pertrochantäre 850 -- proximale 846 -- subtrochantäre 852 Femurnagel, proximaler (PFN) 851 -- 852 Fentanyl 34, 90, 1258 Fernlappen, gestielter 1212 Fersenbeinextension 875 α-Fetoprotein 502 Fettabsaugung 1186 Fettembolie-Syndrom 757 Fettstoffwechsel, Postaggressionsphase 98 Feuermal 1162 FFP = fresh frozen plasma 20, 75 Fibrin 138, 914 Fibrinkleber 253, 560 Fibrinolyse 107 Fibrinolysetherapie 130 -- Kontraindikationen 123 -- lokale 131 -- systemische 131 Fibroadenom 662 Fibrom 723 fibromuskuläre Dysplasie 1122 Fibrosarkom 715 Fibrose -- retroperitoneale 649 -- zystische 946, 1069 Fibulalappen 1176 Filariosis 717 Filtrationsrate, glomeruläre (GFR) 515 Finger, schnellender 777 Fingerapoplexie 1121 Fingerprothese 1201 Finkelstein-Test 1199 Finnen 187 Fisher-Grading, SAB 1316 Fissur, anale 433 Fistelbildung, Knochen 767 Fistelkarzinom, Knochen 771 Fistel -- anale 435 -- arteriovenöse 1144 -- chronische 180 -- Dickdarm 383 -- Dünndarm 355, 359 -- enteroenterale 355 -- enterokolische 355 -- extrasphinktere 436 -- High-output- 360 -- innere, Darm 360 -- Low-output- 360 -- ösophagobronchiale 243 -- rektoorganische 436 Fistelverklebung 267 Fistulektomie 437 Fixateur externe 748, 750, 876 FKDS = farbkodierte Duplex-/ Doppler-Sonographie 491 Flächendesinfektion 162 Flankenlagerung 54 Flankenschmerz 650 Flucloxacillin 180 Fluconazol 190 Flucytosin 190 Fludrokortison 639 Flüssigkeitsbedarf, perioperativer 65 Flüssigkeitssubstitution 916 Flüssigkeitstherapie -- intraoperative 66 -- perioperative 64 -- postoperative 66 Flunitrazepam 28
5-Fluorouracil 681 Flupirtin 85, 87 Flush 362 FNH = fokal noduläre Hyperplasie 498 Foetor ex ore 273, 287 Fogarty-Ballonkatheter 1110, 1119 fokal noduläre Hyperplasie (FNH) 498 Follikel, Schilddrüse 612 Follikulitis 174, 609 Fontaine-Stadieneinteilung, pAVK 1123 Fontanellenpunktion 1301 Foramen -- Monroi 1253, 1298 -- occipitale magnum 1304 -- venae cavae 295 Formaldehyd 161 Forrest-Klassifikation 252 -- Ulkusblutung 328 Fossa-canina-Abszess 1219 Foucher-Lappen 1212 Fournier-Gangrän 181, 440 Fraktur 731 -- Achsenknick 735 -- AO-Klassifikation 735 -- chondrale 762 -- direkte 731 -- Ermüdungs- 731 -- Formen 731 -- Fragmentverschiebung 735 -- frontobasale, Schädel 1268 -- geschlossene 740, -- indirekte 731 -- Kindesalter 737 -- offene 740 -- osteochondrale 762 -- pathologische 731 -- Reposition 744 -- Retention 745 -- Schädel 1265 -- Schienung 747 -- Spontankorrektur 738 -- Symptomatik 739 -- unvollständige 735 -- Verdrehung 735 -- Verkürzung 735 -- Verlängerung 735 -- verzögerte Heilung 753 Frakturbehandlung 744 -- konservative 746 -- operative 746 Frakturheilungsstörung 753 Fremdkörper -- Dünndarm 365 -- Magen 312 -- Ösophagus 284 -- verschluckte 608 Fremdkörperentfernung -- endoskopische 239 -- Gastrointestinaltrakt 237 Fremdkörperinfektion 174 fresh frozen plasma (FFP) 20, 75 Frischblut 73 Frischplasma, gefrorenes 75 Fritsch-Bauchdeckenhaken 62 FRK = funktionelle Residualkapazität 935 Froment-Zeichen 1191 Fruchtwasservermehrung 1055 Frühdumpingsyndrom 341 Fruktose 96 FSH = Follikel stimulierendes Hormon 1292 Fuchsbandwurm 495
Führungsdraht 241 Functio laesa 164 Fundopexie 298 -- ventrale 300 Fundoplikation 298 -- nach Nissen 281 Fundusvarizen 250, 304, 539 -- Blutung 249 -- endoskopische Therapie 247 Fungämie 189 Funiculus spermaticus 1080 funktionelle Residualkapazität (FRK) 935 Furosemid 76, 523 -- 524 Furunkel 174, 609, 1219 Furunkulose 174 Fuß 879 -- Funktionsprüfung 880 -- Untersuchungstechniken 879 Fußpunktanastomose nach Braun 325 Fußrückenlappen 1176 Fußtieflagerung 54
G Galaktographie 659, 665 Galaktorrhö 1292 Galeazzi-Verletzung 813 Gallenblase 450 -- Papillomatose 480 -- Tumoren 480 Gallenblasenempyem 471 Gallenblasenhydrops 471 Gallenblasenkarzinom 481 Gallenblasenperforation 472 Gallengangsdrainage 262 Gallengangsstriktur 478 Gallengangszyste 464 Gallenkolik 468 Gallensäureverlustsyndrom 474 Gallenstein 467, 531 Gallensteinbildung 350 Gallensteinileus 473, 574 Gallenwege 450 -- Adenokarzinom 481 -- Tumoren 480 Gallenwegskarzinom 482 Gallenwegsstenose 539, 542 Gamma-Nagel 851 Gamma-Strahlen 1250 Gangektasie, Brustdrüse 662 Ganglienzellfunktion, gestörte 1078 Ganglion -- coeliacum 306 -- Gasseri, Thermokoagulation 1330 -- Hand 1202 Gangrän 150, 174, 1115, 1124 -- Fournier- 181 Ganzkörperplethysmographie 18, 935 Garden, Einteilung der Schenkelhalsfrakturen 849 Gardner-Syndrom 407, 409, 716 -- 717 Gasbrand 175, 181 Gasgangrän 175 Gassterilisation 161 Gastrektomie 335, 712 Gastric Banding 596 Gastrin 306 -- 307, 530 Gastrinom 710 Gastritis 314
1403 -- chronisch atrophische 315 -- erosive 133, 314 -- hämorrhagische 133 -- polyposa 330 -- spezifische 314 -- unspezifische 314 Gastroduodenoskopie 710 Gastroduodenostomie 325 gastroenteropankreatische neuroendokrine Tumoren (GEP-NET) 707 Gastroenteropathie, exsudative 330 Gastroenterostomie 338, 542 Gastrographin-Passage 346 gastrointestinale Stromatumoren (GIST) 331, 361 Gastrointestinaltrakt -- Blutung 5, 251 -- Blutungstypen 6 -- Fremdkörperentfernung 237 -- Passagezeit 238 Gastrojejunostomie 325 Gastropexie 300 Gastroplastik 596 Gastroschisis 1060 Gastrostoma 294 Gastrostomie, perkutane endoskopische 103, 256 Gate Control Theorie 1329 Gaucher, Morbus 555 Gaumenspalte 1236 Gaze, imprägnierte 157 GCS = Glasgow Coma Scale 1240 Gedeihstörung 1038 Gefäßchirurgie 1100 -- Komplikationen 1113 Gefäßerkrankung, entzündliche 1164 Gefäßinfektion 1164 -- Klassifikation 1165 Gefäßklemme 61 Gefäßmissbildung, zerebrale 1313 Gefäßprothese 1111 -- Inlaytechnik 1141 Gefäßspasmen 1159 Gefäßsystem 1100 -- Amputation 1112 -- B-Bild-Sonographie 1104 -- Computertomographie 1105 -- Doppler-Sonographie 1104 -- Duplex-Sonographie 1105 -- Leitsymptome 1114 -- Magnetresonanzangiographie 1106 -- Magnetresonanztomographie 1106 -- Nahtmaterial 1110 -- Therapie 1108 -- Untersuchung 1101 Gefäßtumor 1163 Gefäßverletzung 1158 Gefäßzugänge 28, 1165 Geflechtknochen 742 Gehstrecke, standardisierte 1103 Gelatine 67, 70, 227 Gelenkeinbruch 767 Gelenkerguss 765 Gelenkfraktur 737 -- dislozierte 747 Gelenkinfektion 771 Gelenkkantenimpression 761 Gelenkpunktion 766, 868 Gelenkrevision 772 Gelenktuberkulose 178 Gelenkverletzung 759
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1404 Gentamicin 176 Gentherapie 221 GEP-NET -- Diagnostik 709 -- Lebermetastasen 714 GEP-NET = gastroenteropankreatische neuroendokrine Tumoren 707 Gerinnungsanalyse 120 Gerinnungsfaktoren, Störungen 110 Gerinnungsinhibitoren, Substitution 133 Gerinnungsstatus, kleiner 109 Germinom, Radiatio 1250 Gesicht -- Basaliom 1229 -- Epulis 1225 -- Hämangiom 1225 -- Hauttumoren 1227 -- Knochentumoren 1230 -- Leukoplakie 1227 -- Lymphangiom 1225 -- Melanom 1229 -- Schleimhauttumoren 1227 -- Weichgewebetumoren 1225 Gesichtschirurgie 1219 -- Gesichtsfehlbildungen 1236 Gesichtsschädelfraktur 1231 -- Notversorgung 1236 Gesichtsstraffung 1185 Gesichtsverletzung 1230 Gewebedurchtrennung, Instrumente 58 Gewebeexpander 1178 Gewebehypoxie 228 Gewebekleber 248 Gewebeprobe 204 GFR = glomeruläre Filtrationsrate 515 Gilbert-Meulengracht, Morbus 453 Gilchrist-Verband 746, 799 Gingivazyste 1223 Gips-U-Schiene 799 GIST = gastrointestinale Stromatumoren 331, 361 Gittertransplantat 920 GK = Granulozytenkonzentrat 75 Glabellalappen 1180 Glandula(-ae) -- parathyreoideae siehe auch Nebenschilddrüse 626 -- Adenom 629 -- parotis -- Adenom 1227 -- Entzündung 1222 -- submandibularis, Entzündung 1222 -- thyreoidea siehe auch Schilddrüse 611 Glasgow Coma Scale (GCS) 1240, 1260 Glasgow Outcome Scale 1260 GLDH = Glutamat-Dehydrogenase 491 Gleitbruch 298, 688 -- 689 Gleithernie 688 -- axiale 297 Gleithoden 1084 Glenoidfraktur 785 Glioblastom 1288 -- Radiatio 1250 Globusgefühl 603, 618 glomeruläre Filtrationsrate (GFR) 515 Glomus caroticum-Tumor 1164
Sachverzeichnis
Glomustumor, Hand 1204 Glossopharyngeus-Neuralgie 1330 Gluconeogenese 914 Glukagon 530 Glukagonom 710 Glukokortikoide 633, 640, 914, 1257 Glukosehomöostase 533 Glutamat-Dehydrogenase (GLDH) 491 Glutamat-Oxalazetat-Transaminase (GOT) 491 Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT) 491 Glykocholat-Exhalationstest 349 Glykogenspeicherkrankheit 500 Glykopeptide 193 Godamed 962 Gonorrhö, Rektum 442 Gorlin-Goltz-Syndrom 1229 GOT = Glutamat-Oxalazetat-Transaminase 491 GPT = Glutamat-Pyruvat-Transaminase 491 Graft-versus-Host-Disease (GvHD) 77 Granulationsgewebe 140 Granuloma venereum, Rektum 442 Granulozyten 138 Granulozytenkonzentrat (GK) 75 Graves' disease 621 Gravidität 693 Grazilisplastik 1069 Grenzzoneninfarkt 1327 Grey-Turner-Zeichen 531, 566 Grünholzfraktur 735, 737 Grützbeutel 609 Guanethidin 756 Gubernaculum testis 1084 Gummen 183 Gummibandligatur 250 -- Hämorrhoiden 428 Guyonsche Loge 1207 GvHD = Graft-versus-HostDisease 77 Gynäkomastie 685 G-Zellen, Magen 304, 306 G-Zell-Tumor, Pankreas 321
H Haarfollikel, Entzündung 1219 Haarzell-Leukämie 555, 560 Habitus, marfanoider 643 Hach-Einteilung, Varikosis 1150 Hämangioblastom, ZNS 1291 Hämangioendotheliom 1163 Hämangiom 557, 1162, 1225 -- Hand 1204 -- kapillares 1162, 1225 -- kavernöses 497, 1162 -- Leber 497 Hämangiosarkom 1163 Hämarthros 764 Hämatemesis 6, 251 Hämatochezie 6, 583 Hämatokrit, Anstieg 228 Hämatom -- epidurales 1272 -- Hirnstamm- 1324 -- intrakranielles 1271 -- intrazerebrales 1273 -- Kleinhirn- 1323 -- spinales 1279
-- spontanes intrazerebrales 1322 -- subchondrales 760 -- subdurales 1273 -- subunguales 1218 Hämatopneumothorax 969, 987 -- 988 Hämatothorax 969 Hämochromatose 500 Hämodialyse-Shunt 1145 Hämodilution, isovolämische 80 Hämolyse 78, 1001 Hämophilie A 110 Hämophilie B 110 Hämophilie C 110 Haemophilus -- ducreyi 442 -- influenzae 769 Haemophilus-InfluenzaB-(HIB-)Impfung 553 Hämoptysen 987, 1006 Hämorrhoidalprolaps, inkarzerierter 426 Hämorrhoiden 425 -- Gummiligaturbehandlung 428 -- Sklerosierungstherapie 427 Hämostase 107 Hämostyptika 560 Hämotherapie 71 Händedesinfektion, chirurgische 55 HAES 227 Haken, scharfer 62 Halbwertszeit, kontextsensitive 34 Halo-Fixateur 826 Halothan 32 Hals 599 -- Halsentzündung 609 Halsfaszien 599 Halsfistel 604 -- Halslymphknoten 602 Halslymphknotenausräumung 624 Halsphlegmone 609 Halsrippensyndrom 1137 -- Halsschnittwunde 608 -- Halsschussverletzung 608 Halsstraffung 1185 -- Halstumoren 606 Halsverletzung 607 Halswirbelfraktur 818 Halswirbelkörper 817 Halswirbelsäule (HWS) 817, 819 -- untere, Verletzungen 824 -- Zeichen der Instabilität 824 Halszyste -- laterale 606 -- mediane 604 Hamartom 409 -- 410, 557 -- Brustdrüse 663 Hand 1188 -- Amputationsverletzung 1218 -- angeborene Erkrankungen 1196 -- Arthrose 1201 -- AV-Fistel 1204 -- Basaliom 1203 -- Beugesehnenverletzung 1216 -- Bewegungsausmaß 1190 -- bildgebende Diagnostik 1192 -- Décollementverletzung 1211 -- Defektverletzung 1210 -- Enchondrom 1203 -- Erfrierung 1211 -- Erkrankungen der Gelenke 1201 -- Erkrankungen der Sehnen 1197 -- Erkrankungen des Bindegewebes 1199
-- extrinsisches System 1189 -- funktionelle Anatomie 1189 -- Ganglion 1202 -- Gefäßverletzung 1217 -- Glomustumor 1204 -- gutartige Knochentumoren 1203 -- gutartige Weichteiltumoren 1202 -- Hämangiom 1204 -- Innervation 1188 -- Intrinsic-Plus-Stellung 1195 -- intrinsisches System 1189 -- Lappenplastik 1211 -- Nagelbettverletzung 1218 -- Nervenengpasssyndrome 1204 -- Nervenkompressionssyndrome 1205 -- Nervenverletzung 1217 -- Neurofibrom 1204 -- Neurom 1204 -- Osteoidosteom 1203 -- Polyarthrose 1201 -- 2-Punkte-Diskrimination 1190 -- Rhizarthrose 1201 -- Riesenzelltumor 1203 -- Ring-Avulsionsverletzung 1211 -- Ringbänder 1197 -- Risswunde 1209 -- Ruhigstellung 1195 -- Schnittwunde 1209 -- Sehnenverletzung 1215 -- Strecksehnenverletzung 1215 -- Tumoren 1202 -- Tumoren der Blut- und Lymphgefäße 1204 -- Tumoren des Nervengewebes 1204 -- Untersuchung 1189 -- Verbrennung 1211 -- Verletzung des Hautweichteilmantels 1209 -- V-Y-Plastik 1212 -- Z-Plastik 1212 Handbinnenmuskulatur 1188 Handblock 1194 Handflächenregel, Verbrennung 910 Handgelenk 1189 Handgelenksarthroskopie 1193 Handgelenksganglion 1202 Handphlegmone 1209 hanged man's fracture 822 Hannover-fracture-scale 769 Harnleiter -- Abgangsstenose 1094 -- Mündungsstenose 1095 Harnröhre, Klappen 1093 Harnröhrenneubildung 1098 Harnstau 650 Harnstoff 19 Harnwegsinfekt, rezidivierender 1094 Harnwegsinfektion 167 Hartmann-Operation 384 Hauptbronchien 926 Hauptzellen 304, 306 Hauteinziehung, Brustdrüse 653, 655 Hautemphysem 986, 988 -- Jugulum 283 Hautfaltenlinien 1167 Haut-Fett-Lappen 1174 Hautfunktionen 912 Hautinzision 1167 Hautklebung 1172
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
Sachverzeichnis
Hautlappen 1174 Hautneoplasie 723 Hauttransplantat 1171 Hauttumoren, Gesichtsbereich 1227 Hautverätzung 148 Havers-System 741 HCC = hepatozelluläres Karzinom 501 HCG = humanes Choriongonadotropin 1085 Head-Zonen, Zuordnung zu Organen 5 Heberden-Arthrose 1201 Heinz-Innenkörper 552 Heiserkeit 607 Heißluftsterilisation 161 Helicobacter pylori 314 -- 315, 318, 322 Heller-Ösophagokardiomyotomie 277 Hemihepatektomie 506 -- 507 -- erweiterte 507 Hemikolektomie 402, 713 Hemithyreoidektomie 618 Hemmkörperhämophilie 112, 1323 Heparin 124, 996, 1119 -- Nebenwirkungen 125 -- niedermolekulares 1108 -- prophylaktische Dosierung 125 -- therapeutische Dosierung 125 Heparinisierung 76 Heparinsalbe 1153 Hepatikojejunostomie 463 Hepatitis 454 Hepatitis B 185, 501 Hepatitis-B-Virus 531 Hepatitis C 185 Hepatitis-C-Virus 185 Hepatitis D 185 Hepatoblastom 204, 1092 Hepatojejunostomie, palliative 464 hepatorenales Syndrom 489 Hepatostomie 512 Hepatotomie 512 hepatozelluläres Karzinom (HCC) 501 Herbert-Schraube 1214 Herbizide 716 hereditary nonpolyposis colorectal cancer (HNPCC) 411 HER2-neu 682 Hernia -- acquisata 689 -- congenita 689 -- femoralis 695, 702 -- inguinalis -- lateralis 695 -- medialis 695 -- ischiadica 704 -- ischiorectalis 704 -- lumbalis 703 -- obturatoria 703 -- perinealis 704 Herniation -- bulbäre 1243 -- Kleinhirnanteile 1265 -- mesenzephale 1243 -- tentorielle 1241 Hernie 688, 723 -- äußere 689 -- angeborene 689 -- Auskultation 690 -- Bochdalek- 297, 1057 -- Diagnostik 689
-- epigastrische 693, 1082 -- erworbene 689 -- Hiatus- 297 -- Inkarzeration 689 -- 690 -- innere 689, 704 -- irreponible 689 -- Larrey- 297, 1058 -- Leistenregion 695 -- lumbokostale 297 -- Morgagni- 297, 1058 -- Nabel- 1081 -- paraösophageale 299 -- parasternale 297 -- reponible 689 -- retrosternale 297 -- supraumbilikale 1082 -- vordere Bauchwand 693 -- Zwerchfell- 296 -- kongenitale 1057 Heroin 685 Herz -- Diagnostik 995 -- präoperative Vorbereitung 994 -- Tumoren 1019 -- venöse Drainage 998 -- Verletzung 1022 -- Zugangswege 998 Herzchirurgie 994 Herzfehler -- angeborener 1031 -- univentrikulärer 1044, 1046 Herzfunktion 18 Herzinfarkt 454, 1002 Herzinsuffizienz 19, 1033 -- NYHA-Klassifikation 25 Herzkatheter 18 Herzklappenersatz 1010 -- Allograft 1011 -- biologische Prothese 1011 -- Homograft 1011 -- Komplikationen 1011 -- mechanische Prothese 1010 -- Ross-Operation 1011 Herzklappenfehler, erworbener 1003 Herzkrankheit -- koronare 1008, 1012 -- NYHA-Einteilung 994 Herzkranzgefäße 1012 Herz-Kreislauf-Versagen 229 Herz-Lungen-Maschine (HLM) 994 -- 995 Herzprotektion 996 Herzrhythmusstörung 19 -- chirurgische Behandlung 1028 Herzschrittmacher 1028, 1165 -- biventrikulärer 1030 -- Implantation 1029 -- Systeme 1028 Herzschrittmacherpatient 19 Herzschrittmachertherapie, postoperative 1003 Herzwandaneurysma 1018 HES = Hydroxyethylstärke 69 Hexenschuss 1336 hGH = human growth hormone 1292 Hiatoplastik 281, 298 Hiatus -- aorticus 295 -- oesophageus 295, 306 Hiatusgleithernie, axiale 289 Hiatushernie 297 -- axiale 298 HIB-(Haemophilus-Influenza-B)Impfung 553 Hill-Sachs-Läsion 788
Hippel-Lindau-Syndrom 1291 Hippokrates-Reposition, Schulterluxation 789 Hirnbiopsie 1249 Hirnblutung 1271 Hirndruck 1255 Hirndruckmessung 1246 Hirndrucksteigerung 1253 -- Therapie 1256 Hirndruckwellen 1256 Hirndruckzeichen 1283 Hirndurchblutung (CBF) 1255 Hirnmassenverschiebung 1254 Hirnmetastasen 1293 Hirnödem 1256 -- vasogenes 1256 -- zytotoxisches 1256 Hirnschädigung, diffuse akute 1243 Hirnstammblutung 1324 Hirnstammreflexe 1243 -- 1244 Hirnstammsyndrome -- akute traumatische 1263 -- sekundäre traumatische 1264 Hirntätigkeit -- Diagnostik 1244 -- Erstversorgung 1244 Hirntod 1259 Hirntumoren 1283 -- Chemotherapie 1252 -- Klassifikation 1284 -- Strahlentherapie 1250 Hirschsprung, Morbus 417, 1077 Hirudin 125, 996 Histiozyten 138 His-Winkel 278, 298 HIV = human immunodeficiency virus 183 HIV-Prophylaxe 185 HLM = Herz-Lungen-Maschine 995 HNPCC = hereditary nonpolyposis colorectal cancer 411 Hochdrucksystem 1100 Hochfrequenzdiathermie 562 Hochgeschwindigkeits-Stanzbiopsie 659 Hoden, Lageanomalie 1084 Hodenektopie 1084 Hodentorsion 1086 Hodentumoren 686 Hodgkin, Morbus 555, 560 Hoffmann-Tinel-Zeichen 1205 Homecare-Konzept 101 Homograft 1010 -- 1011 Homovanillinmandelsäure 1089 Horner-Syndrom 1023 Hospitalismus, infektiöser 162 Hospitalkeime 162 Howell-Jolly-Körper 551 -- 552 HPT = Hyperparathyreoidismus 628 Hüftgelenk, Untersuchungstechniken 844 Hüftgelenkluxation 845 Hüftkopffraktur 847 Hüftschraube, dynamische (DHS) 851 Hühnerbrust 974 human immunodeficiency virus (HIV) 183 Humanalbumin 67, 76 Humerusfraktur -- kindliche distale 801 -- suprakondyläre 801 Humeruskopffraktur 793 Humerusschaftfraktur 798 Hundebandwurm 495 Hungerstoffwechsel 98
1405 Hunt-und-Hess-Klassifikation, SAB 1316 HWS = Halswirbelsäule 817 Hyaluronsäure 255 Hydatide 187, 495 Hydatidentorsion 1087 Hydramnion 1055 Hydrocele -- funiculi 1080 -- funiculi spermatici 1081 -- testis 1080 -- 1081 Hydrocephalus -- e vacuo 1298, 1301 -- malresorptivus 1298, 1300 -- occlusus 1298 Hydrogel 157 Hydrokolloide 157 Hydrokolloidverband 919 Hydrokortison 640 Hydromorphon 89 Hydronephrose 650 Hydroxyethylstärke (HES) 67, 69, 1108 Hydrozele 1081 Hydrozephalus 1297 -- Säuglingsalter 1301 Hyperämie 772 Hyperabduktionssyndrom 1137 Hyperaldosteronismus -- postoperativer 64 -- primärer 637 Hyperazidität, Magen 320 Hyperfibrinolyse 108, 114 -- Inhibitorentherapie 133 Hypergastrinämie 710 Hyperhydratation 66 Hyperinsulinämie (Spätdumpgingsyndrom) 341 Hyperkaliämie 639 Hyperkalzämie 629 Hyperkortisolismus 634 Hyperlipidämie 531 Hypernatriämie 228 Hyperosmolarität (Frühdumpgingsyndrom) 341 Hyperparathyreoidismus (HPT) 628, 643 -- primärer 628 -- renaler 632 -- sekundärer 632 -- tertiärer 632 Hyperperistaltik 577 Hyperplasie -- atypische, Mamma 667 -- atypische duktale, Mamma 662 -- fokal noduläre (FNH) 498 -- lobuläre, Mamma 662 Hyperspleniesyndrom 554 Hypersplenismus 554 Hypertension 1004 -- portale 501, 513 -- Diagnostik 516 -- Symptome 515 -- postoperative 1002 Hyperthermie 170, 230 -- maligne 33 Hyperthyreose 621 -- immunogene diffuse 621 Hypertonie, arterielle 18 Hypertonus 81 Hypertrophie, linksventrikuläre 1004 Hyperventilation 225, 1257 Hypervolämie 78 Hypnotika 33, 1258 Hypoadrenalismus 640 Hypoganglionose 1078
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
1406 Hypogonadismus 686 Hypokaliämie 228 -- postoperative 64 Hypomagnesiämie, postoperative 64 Hyponatriämie 639 Hypoparathyreoidismus 618, 628 Hypoperistaltik 567 Hypophosphatämie 629 Hypophysenadenom 1291 -- Strahlentherapie 1250 Hypophysenapoplexie 1292 Hypophyseninsuffizienz 1293 Hypospadie 639, 1098 Hypotension, postoperative 1002 Hypothermie 997
I Ibuprofen 85, 87, 1153 ICD = interner KardioverterDefibrillator 1030 ICP = intrakranieller Druck 1246, 1255 idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP) 559 Ifosfamid 728 IGF-I = insulin-like growth factor I 617 Ikterus 452, 539 -- cholestatischer 454 -- hämolytischer 452 -- hepatozellulärer 453 -- intrahepatischer 453 -- prähepatischer 452 Ileitis -- regionalis 390 -- terminalis 354, 390 Ileocolitis regionalis 390 Ileorektostomie 417 Ileostoma, terminales 388 Ileostomie 367 Ileo-Transversostomie 405 Ileumatresie 1065 Ileus 572, 690 -- Dickdarm- 576 -- Dünndarm- 576 -- Gallenstein- 473, 574 -- mechanischer 184, 573 -- Mekonium- 1069 -- Obturations- 574 -- Okklusions- 574 -- paralytischer 572 -- Strangulations- 574 Imipenem 170, 180 Impaktionsbruch 828 Impingementsyndrom 790 Impression -- basiläre 1304 Impressionsfraktur 761, 788 -- Schädel 1268 Incontinentia alvi 446 Indikation -- absolute 22 -- diagnostische 22 -- elektive 22 -- kosmetische 22 -- palliative 22 -- prophylaktische 22 -- relative 22 Indikationsstellung 15 -- zur Operation 14 Indometacin 775, 843, 1038 Infektion -- Aspergillus- 190
Sachverzeichnis
-- bakterielle 172 -- Candida- 189 -- chirurgische 163 -- Diagnostik 165 -- Therapie 166 -- Clostridien- 175 -- Cryptococcus- 190 -- durch Venenkatheter 168 -- Harnwege 167 -- intraabdominelle 170 -- lokale 164 -- Mediatoren 164 -- nekrotisierende 165 -- nosokomiale 167 -- parasitäre 187 -- Pilze 189 -- postoperative 167 -- Prophylaxe 195 -- pyogene 163 -- Staphylokokken- 165 -- Streptokokken- 165 -- systemische 164 -- Tetanus- 177 -- Wunde 167 Infektpseudarthrose 753, 771 Infiltrationsanästhesie 153 Inhalationsanästhesie 31 Inhalationsanästhetika 32 Inhalationstrauma 914 Inkarzeration, Hernie 689 Inkontinenz 445 -- mechanische 446 -- 447 -- myogene 446 -- 447 -- neurogene 448 -- sensorische 446, 447 -- symptomatische 446 INR = International Normalized Ratio 20 Insektenstich 145 -- Hals 608 Insellappen 1176 Inspektion 8 inspiratorisches Reservevolumen (IRV) 935 Instabilitätsprüfung -- Ellenbogengelenk 805 -- Kniegelenk 860 Instrumente -- Blutstillung 61 -- Gewebedurchtrennung 58 -- Gewebevereinigung 62 -- Klemme 61 -- Pinzette 60 -- Schere 58 -- Skalpell 58 -- Zange 60 Insuffizienz -- chronisch venöse (CVI) 1154 -- respiratorische 1002 Insulin 97, 530 Insulin-Hypoglykämie-Test 636 Insulin-like growth factor I (IGF-I) 617 Insulin-Test 308, 310 Insulinom 709 Insulinresistenz, periphere 98 Interleukin-1 164 Interleukin-6 164 International Normalized Ratio (INR) 20 Interosseus anteriorSyndrom 1206 Intrakutannaht 156 Intrinsic factor 306 -- 307 Intrinsic-Plus-Stellung 1195 intrinsisches System 1189 Intubation 31
Intubationsnarkose (ITN) 31 Invagination 415, 1076 Inzidentalom 645 Iontophorese 777 IORT = intraoperative Radiotherapie 727 Iritis 355 IRV = inspiratorisches Reservevolumen 935 Ischämie -- akute mesenteriale 1128 -- intestinale 363 -- postoperative 1002 Ischämiesyndrome -- akrale 1120 -- Viszeralarterien 1126 Isofluran 32 Isoniazid 179 Isosthenurie 638 Isotope, radioaktive 216 ITN = Intubationsnarkose 31 ITP = idiopathische thrombozytopenische Purpura 559
J Jackson-Position 32 Janetta-Dekompression 1330 Jefferson-Fraktur 819 Jejunostoma 294 Jejunumatresie 1065 131J-Metaiodobenzylguanidin (131J-MIBG) 644 131J-MIBG = 131J-Metaiodobenzylguanidin 644 Jochbeinfraktur 1233 Jodid 614 Jodmangel 617 J-Pouch 389
K Kahnbeinfraktur 1212 Kahnbeingips 1213 Kahnschädel 1311 Kala-Azar 555 Kaliumausscheidung, vermehrte, perioperative 64 Kallus 742 Kallusdistraktion 755 Kalottenfraktur 1265 Kalzitonin 612, 615 Kammerflimmern, künstliches 997 Kapnometrie 29 Kaposi-Sarkom 1164 Kapsel-Band-Zerreißung 764 Karbunkel 174 -- Hals 610 Kardia 304 Kardiainsuffizienz 278 Kardiakarzinom 336 Kardiaspasmus 285 Kardioplegie 997 Kardioverter-Defibrillator, interner 1030 Karotis 1328 Karotisdreieck 599 Karotissinus-Syndrom 1029 Karotisstenose 1131, 1328 -- Allenberg-Einteilung 1132 -- Eversionsendarteriektomie 1134 -- Thrombendarteriektomie 1134 -- Karotis-Subclavia-Bypass 1136
Karotis-Thrombendarteriektomie 1328 Karpaltunnelsyndrom 1205 Karpometakarpalgelenke 1189 Karzinogene 207 Karzinoid 707 -- Appendix 376 -- Dickdarm 407 -- Dünndarm 362 -- Rektum 407 Karzinoid-Syndrom 362, 713 Karzinome -- Allgemeines 203 -- neuroendokrine 707 karzinoembryonales Antigen (CEA) 517 Kasabach-Merritt-Syndrom 498 Katecholamine 227 Katecholaminmetabolite 1089 Katgut 154 Kathepsin 306 Kawasaki-Syndrom 1122 Kehlkopf 601 Kehr-Zeichen 557 Keime, gramnegative 162 Keimflora, Kolon 380 Keimzelltumoren 1091 Keloidbildung 924 Keloide 1168 Kephalgie 650 Kerley-B-Linie 1007 Kernpolymorphie 201 Kernspintomographie 13 KHK = Koronare Herzkrankheit 1008, 1012 KHK, NYHA-Einteilung 994 Kiefer -- Basaliom 1229 -- Epulis 1225 -- Hämangiom 1225 -- Hauttumoren 1227 -- Knochentumoren 1230 -- Leukoplakie 1227 -- Lymphangiom 1225 -- Melanom 1229 -- Schleimhauttumoren 1227 -- Weichgewebetumoren 1225 Kieferchirurgie 1219 -- Kieferfehlbildungen 1236 Kiefergelenkfraktur 1235 Kieferspalte 1236 Kieferzyste, Entzündung 1223 Kielbrust 974 Kiementasche 606 Kienböck, Morbus 1196 Killian-Dreieck 271 Killian-Muskellücke 287 kissing ulcus 315 Klammern, Wundverschluss 155 Klammernahtgerät 62, 560, 562 Klatskin-Karzinom 482 Klatskin-Tumor 481 Klaviertastenphänomen 778 Klavikulafraktur 780 Klebsiella pneumoniae 169 Klebsiellen 162 Klebstoffe, Wundverschluss 156 Kleinert-Schiene 1217 Kleinhirnblutung 1323 Kleinhirnbrückenwinkelsyndrom 1289 Kleinhirneinklemmung 1265 kleinzelliges Bronchialkarzinom (SCLC) 958 Klemme -- Allis- 61 -- Kocher- 61
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Sachverzeichnis
-- Overholt- 61 -- Pean- 61 Klinefelter-Syndrom 687 Klippel-Feil-Syndrom 1306 Klippel-Trenaunay-Syndrom 1144 Klopfschalldämpfung 962, 969 Klopfschallverkürzung 970 Kniegelenk 859 -- Instabilitätsprüfung 860 -- Untersuchungstechniken 859 Kniegelenkluxation 863 Knochenheilung 741 -- direkte 742 -- indirekte 742 -- primäre 742 -- sekundäre 742 Knocheninfektion 755 Knochennekrose 767 Knochenszintigraphie 1248 Knochentuberkulose 178 Knochentumor, brauner 629 Knochentumoren 723 -- odontogene Tumoren 1226 -- Kieferbereich 1230 Knopflochdeformität 1215 Knorpel -- Impressionen 761 -- Kontusionen 760 -- Morphologie 759 Knorpelfissur 760 Knorpelfraktur 762 Knorpelverletzung 759 Knotenbildungen, Brustdrüse 661 Knotenstruma, hyperthyreote 619 Koagulation, disseminierte intravaskuläre 112 Koagulationsnekrose 148 -- Ösophagus 284 Koanalgetika 90 Kocher-Klemme 61 Kocher-Schnitt 618 Körpermasseindex 593 Kohlenhydratstoffwechsel, Postaggressionsphase 98 Kokainmissbrauch 1061 Kokken, grampositive 162 Kokzygodynie 426, 449 Kolektomie 388 -- subtotale 408 -- totale 389, 408 Kolitis 188 -- ischämische 392 -- pseudomembranöse 393 Kolliquationsnekrose 148 -- Ösophagus 284 Kolloide -- künstliche 67 -- natürliche 67, 75 Kolon 378 -- Diagnostik 380 -- NET 713 -- Standard-Resektionsverfahren 402 -- Kolonabszess 383 Kolonatresie 1065 -- Kolondivertikulitis 382 -- Kolondivertikulose 381 -- Kolonentzündung 381 -- Kolonfistel 383 Kolonflora 380 Koloninterponat, bei Ösophagusatresie 1056 Koloninterposition 292 -- 293 Kolonkarzinom 396 -- Diagnostik 399
-- hereditäres 411 -- Klinik 398 -- Palliativeingriffe 405 -- Prognose 405 -- Therapie 401 -- TNM-Klassifikation 397 Kolonoskopie 714 -- virtuelle 10 -- Kolonperforation 383 Kolonpolyp 394 Kolonvolvulus 412 Koloskopie 10 Koma 1239, 1241 -- Formen 1241 Kombinationsanästhesie 31 Komedokarzinom, Mamma 669 Kompartmentsyndrom 750, 773, 871, 1120 -- Diagnostik 752 -- funktionelles 751 Kompression, Frakturbehandlung -- dynamische 747 -- statische 747 Kompressionsbruch 732 Kompressionssyndrom -- kostoklavikuläres 1137 -- neurovaskuläres 1136 Kompressionsverband 773 Kondylenplatte 857 Kondylenschraube, dynamische (DCS) 853, 857 Kondylome 432 Koniotomie 609 Kontinenzfaktoren 419 Kontraktur, Dupuytrensche 1199 Kontusion 1159 Kopfschmerzkalender 84 Kopfschwarte, Verletzungen 1265 Kopftieflagerung 54 Kornealreflex 1243 Koronarangiographie 1023 Koronararterien 1012 Koronardurchblutung 996 koronare Herzerkrankung 18 koronare Herzkrankheit (KHK), NYHA-Einteilung 994, 1008, 1012 Kortikoidmedikation 772 Kortikosteroide 1252 Kortisol 97, 223, 633, 641 Kortisolsekretion, intraoperative 64 Koteinklemmung 690 Kragenknopf-Panaritium 1208 Kragenknopfulkus 387 Krallhand 1189 Krampfadern 1148 Krampfanfall 1244 Kraniektomie, dekompressive 1259 kranielle Computertomographie (CCT) 1133 Kraniopharyngeom 1293 -- Strahlentherapie 1250 Kraniostenosen 1311 kraniozervikaler Übergang, Fehlbildungen 1304 Kratzwunde 144 Kreatinin 19, 524 Kreatinin-Clearance 19, 524 Kreislauf, enterohepatischer 452 Kreislaufinstabilität 531 Kreislaufzentralisation 916 Kreuzbandverletzung 861 Krise -- hyperkalzämische 629 -- hypothalamische 1243
-- thyreotoxische 621 Kristalloide 68 Krukenberg-Tumor 334 Kryotherapie 508, 1169 Kryptitis, anale 433 Kryptorchismus 1084 Kürettage 1226 Kugelzellanämie 559 Kumarine 127, 962 -- Antagonisierung 129 -- Interaktionen 128 Kunstherz 999 -- 1000 Kunststofftuben 242 Kurzdarmsyndrom 350 Kurzschädel 1311 Kyphoplastie 832
L LA= Lokalanästhetika 35 Labordiagnostik 9 Labrum glenoidale 786 Lachman-Test 861 LAD = left anterior descending 1012 Ladd'sche Bänder 1062 Lagerung -- bei neurochirurgischen Eingriffen 1258 -- operative 53 Lagerungsprobe nach Ratschow 1103 Lagerungsschiene, Hand 1195 Laktation 660 LAMA= Larynxmaske 31 Langenbeckhaken 62 Langzeit-EKG 18 Lanz-Punkt 369 LAP = Leucinaminopeptidase 468 Laparoschisis 1061 Laparoskopie 309 -- Adhäsiolyse 367 -- explorative 569 -- operative 135 -- Rektopexie 416 -- Vor- und Nachteile 137 Laparotomie 651 Lappenplastik 755, 1200 -- Hand 1211 -- kombinierte 1176 -- lokale 1178 Larrey-Hernie 297, 1058 Larrey-Spalte 296 Laryngeus-superior-Neuralgie 1330 Laryngoskopie, direkte 32 Larynx 601 Larynxmaske (LAMA) 31 Lasègue-Zeichen 1336 Laser 240 Lasertherapie 242, 1169 Latissimus-dorsi-Lappen 1176, 1183 Laugenverätzung -- Duodenum 312 -- Magen 312 -- Ösophagus 284 Laurén-Klassifikation, Magenkarzinom 334 LCIS = lobuläres Carcinoma in situ 667, 670 Lebensqualität 44 Leber 487 -- Angiographie 492 -- Blutversorgung 487 -- CT 491 -- Diagnostik 489
1407 -- Echinokokkuszyste 495 -- Entgiftungsfunktion 489 -- Exkretionsfunktion 489 -- Labordiagnostik 490 -- lokoregionäre Chemotherapie 509 -- Metabolismus 489 -- MRT 492 -- Packing 511 -- Palliativtherapie 508 -- Segmente 488 -- Sonographie 491 -- Speicherfunktion 489 -- Syntheseleistung 489 Leberabszess 188 -- 189, 454, 496 Leberchirurgie, Komplikationen 512 Leberdämpfung 490 Leberfibrose 186 Leberfunktion 20 -- Leberhämangiom 497 Leberhaken 62 Leberinsuffizienz -- postoperative 513 -- terminale 489 Lebermetastasen 504 -- GEP-NET 714 Leberparenchymschaden, schwerer 111 Leberpunktion 517 Leberresektion 488, 506 -- 507 -- anatomische 506 -- atypische 512 -- Letalität 513 -- nichtanatomische 506 -- Pringle-Manöver 507 -- Segmentektomie 506 Leberszintigraphie 493 Lebertamponade 511 Lebertrauma 510 -- Pringle-Manöver 511 -- Schweregrade 510 -- Therapie 510 Lebertumoren 490, 493 -- benigne 497 -- Bildgebung 502 -- maligne 501 -- sekundäre 504 Leberzirrhose 186, 490, 514, 686 Leberzyste -- Echinokokkus- 495 -- erworbene 495 -- kongenitale 493 -- solitäre 493 Lecithinase 175 LeFort-Fraktur, Mittelgesichtsschädelfraktur 1232 Legionella pneumophila 162, 169 Leiosarkom 715 Leistenbruch -- direkter 695 -- Drei-Finger-Regel 697 -- indirekter 695 Leistenhernie 695 -- bei Kindern 1079 Leistenhoden 1084 Leistenkanal 695 Leistenlappen 1175 -- 1176, 1212 Leitungsanästhesie 153 -- Ellenbogen 1194 Lendenwirbelsäule (LWS) 817 -- Verletzungen 827 Lendenwirbelsäulenfraktur 818 Lentigo-maligna-Melanom (LMM) 1229 Leriche-Syndrom 1117, 1120 Leukämie, chronisch lymphatische (CLL) 560
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1408 Leukopenie 170, 230 Leukoplakie 1227 Leukozytose 170 -- persistierende 552 LH = luteinisierendes Hormon 1292 Lichtenstein-Bruchpfortenverschluss 698 Lichtreaktion 1243 Lidocain 36 Li-Fraumeni-Syndrom 716 -- 717 Ligamentum(-a) -- acromioclaviculare 782 -- alare, Ausrissfraktur 821 -- arteriosum, Aorthenisthmusstenosen-Lage 1032 -- coracoclaviculare 782 -- coronaria 487 -- cricothyroideum, notfallmäßiger Schnitt 601, 609 -- deltoideum 882 -- 884 -- falciforme 487, 488 -- fibulocalcaneare 882, 883 -- fibulotalare -- anterius 882, 883 -- posterius 882, 883 -- glenohumerale 785 -- hepatoduodenale 507 -- Okklusion 507 -- patellae 865 -- Ruptur 860 -- sacroiliacum dorsale 834 -- teres capitis femoris, Knorpelausriss 762 -- thyroidea 611 -- transversum atlantis, Ruptur 819 Linea dentata 419 Linksappendizitis 382 Linksherzinsuffizienz 1004, 1034 Lipase 530, 532 Lipom 201 -- Brustdrüse 664 Liposarkom 972 -- myxoides 717 Liposuction 1186 Lippenkarzinom 1228 Lippen-Kiefer-Gaumenspalte 1236 Liquorpunktion 1245 Liquorrhö 1267, 1270 Liquorverlust 1245 Lithium 617 Litholyse 469 Lithotripsie 260, 261 Littré-Hernie 691 LMM = Lentigo-malignaMelanom 1229 Lochbruch, Schädel 1267 Lösung -- hyperosmolar-hyperonkotische 69 -- kolloidale 69 -- kristalloide 68 Loge de Guyon 1207 Lokalanästhesie 35 Lokalanästhetika (LA) 35 Lorazepam 28 Low-Output-Syndrom (LOS) 999, 1002 Lues 182, 432 -- Rektum 441 Lumbago 1336 Lumbalpunktion 1244 -- 1245 Lumboischialgie 1336 Lunatummalazie 1196 Lunatumnekrose 1196 Lunge 926 -- arteriovenöse Malformation 941 -- Diagnostik 930
Sachverzeichnis
-- Gefäße 928 -- Lymphbahnen 928 -- Neubildungen 952 -- Spirometrie 934 Lungenabszess 943 Lungenaspergillom 944 Lungenembolie 119, 454 Lungenemphysem 950 Lungenentzündung 942 Lungenerkrankung, chronisch-obstruktive 950 Lungenfehlbildung, zystische adenomatoide 938 Lungenfunktion 17 Lungenhypoplasie 296, 1057, 1073 Lungenkarzinom 954 Lungenkontusion 990 Lungenlazeration 987 Lungenödem 67 Lungenperfusionsszintigraphie 932 -- Lungenrundherd 952 Lungenruptur 987 Lungensequester 940 Lungentuberkulose 947 Lungenvenenfehlmündung, totale 1052 Lungenvolumina -- dynamische 935 -- statische 934 Luxatio -- iliaca 845 -- iliopectinea 845 -- iliopubica 845 -- ischiadica 845 -- obturatoria 845 -- praesternalis 780 -- retrosternalis 780 -- suprasternalis 780 Luxation 764, 785 -- angeborene 765 -- chronische 785 -- habituelle 765 -- traumatische 764 Luxationsfraktur 735 LWS = Lendenwirbelsäule 817 Lymphadenektomie -- axilläre 675 -- radikale 214 -- retroperitoneale 546 Lymphadenitis 165, 174, 606 Lymphadenopathie-Syndrom 183 Lymphangiom 971, 1225 -- zystisches 1072 Lymphangitis 165, 174, 1155 Lymphfistel 607 Lymphgefäße 1100 -- Verletzungen 1161 Lymphödem 1156 -- postoperatives 684 Lymphogranuloma inguinale, Rektum 442 Lymphome 723 -- Magen 333 -- maligne 560 -- ZNS 1290 Lymphonodektomie, axilläre 678 Lymphosarkom 557 Lynch-Syndrom I 411 Lynch-Syndrom II 412 Lysolezithin 344
M MAC-Wert (minimale alveoläre Konzentration) 33 Magen 304 -- Diagnostik 308 -- Endoskopie 308 -- Funktionsuntersuchung 309 -- NET 712 Magenausgangsstenose 539, 542 Magenbypass 596 Magen-Darm-Passage (MDP) 309 Magen-Darm-Trakt -- Duplikaturen 1064 -- Lageanomalien 1062 Magenduplikatur 1064 Magenektasie 313, 343 Magenentleerungsstörung 539 -- Magenentzündung 314 Magenersatzoperation 337 -- Magenfehlbildungen 310 Magenhochzug 292 -- 293 -- bei Ösophagusatresie 1056 Magenkarzinom 333, 336 -- Klassifikation nach Borrmann 334 -- palliative Verfahren 338 -- Therapie 335 -- TNM-Klassifikation 335 -- Magenlymphom 333 -- Magenobstruktion 313 -- Magenperforation 313 Magenresektion 712 Magenruptur 311 Magenstumpfkarzinom 343 Magentumoren 330 Magenulkus 318 -- Magenverätzung 312 -- Magenverletzung 310 Magnetresonanzangiographie (MRA) 1106 Magnetresonanztomographie (MRT) 13 -- Thorax 931 Magnetstimulation, transkranielle 1249 Maisonneuve-Fraktur 885 Makroglossie 26 Makrolide 193 Makromastie 660 Malabsorption 345, 348, 355 -- Diagnostik 349 -- primäre 348 -- sekundäre 348 Malabsorptionssyndrom 411 Malaria 555, 557 Malassimilation 345 Malassimilationssyndrom 348 Maldescensus testis 1084 Maldigestion 345, 348 Malformation -- arteriovenöse 941, 1144 -- kongenitale zystisch-adenomatoide (CCAM) 1073 -- vaskuläre 1161 Malignom 201 Mallampati-Klassifikation 26 Mallory-Weiss-Syndrom 310 Malrotation, Darm 1062 Malum perforans pedis 1115 Mamma siehe auch Brustdrüse 652 -- Adenose 662 -- Diagnostik 655 -- Gangektasie 662 -- Hauteinziehung 653 -- Knotenbildung 661
-- Mammaadenom 664 Mammaasymmetrie 660 -- Mammaentzündung 660 -- Mammahamartom 663 Mammahyperplasie 660 Mammahypoplasie 660 Mammakarzinom 665 -- Antikörpertherapie 682 -- Chemotherapie 681 -- Diagnostik 668 -- Dispositionsfaktoren 666 -- Hormontherapie 680 -- inflammatorisches 670 -- männliches 687 -- Nachsorge 684 -- operative Therapie 674 -- Radiochemotherapie 680 -- TNM-Klassifikation 674 -- Mammalipom 664 Mammaoperation, Schnittführung 675 -- Mammazyste 661, 664 Mammographie 657 Mandibulargelenk-Syndrom 1330 Mangelernährung 99 Mannitol 233, 1257 Manometrie -- Anus 421 -- Ösophagus 274 Manschettenresektion, Bronchialsystem 959 Mantelpneumothorax 992 Marcumar 18, 128, 1108 Marfan-Syndrom 116, 1005, 1023, 1026 Mariske 430 marjolins ulcer 925 Marknagel 748, 876 -- unaufgebohrter 748, 876 Marknagelosteosynthese, ungebohrte 855 Markraumdrahtung, gedeckte 811 Markraumphlegmone 767 maschinelle Autotransfusion (MAT) 80 Maskennarkose 31 Massenblutung, zerebrale 1322 Massivtransfusion 78 Mastalgie 661 Mastektomie 663 -- partielle 680 -- radikale 688 -- radikale nach Patey 677 -- radikale nach Rotter-Halsted 677 -- Rekonstruktionsverfahren 684 -- subkutane 686 -- totale 675 -- einfache 677 Mastitis -- nonpuerperalis 661 -- periduktale 665 -- puerperalis 660 Mastodynie 661 Mastopathie 661, 667 MAT = maschinelle Autotransfusion 80 McBurney-Punkt 369 MDP = Magen-Darm-Passage 309 Mebendazol 496 Meckel-Divertikel 352, 1083 Medianecrosis cystica ErdheimGsell 1139 Medianekrose, zystische 1026 Medianuskompressionssyndrom 1205 Mediastinalemphysem 283, 983 Mediastinaltumoren 977
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1409
Sachverzeichnis
Mediastinalverschiebung 942, 985 Mediastinitis -- akute 975 -- chronische 976 Mediastinoskopie 937, 956 -- anteriore 937 -- kollare 937 Mediastinum 926 -- neurogene Tumoren 982 -- Zyste 939 Medulla-oblongata-Syndrom 1241 Medulloblastom 204 -- Radiatio 1250 Megacolon congenitum 1077 Megakolon -- idiopathisches 417 -- toxisches 184, 388 Megaösophagus 276 Megarektum, idiopathisches 417 Megaureter 1095 Mehrfelderbestrahlung 217 Mehrorgandysfunktionssyndrom (MODS) 225 Mehrschicht-Computertomographie 568 Meige-Syndrom 1156 Meißelfraktur 732 Meißner-Plexus 1077 Mekoniumileus 530, 1069 Meläna 6, 251, 583 Melanom, malignes 1229 Membranoxygenierung, extrakorporale 999 MEN = multiple endokrine Neoplasie 623, 627, 643 -- MEN IIa 643 -- MEN IIb 643 Ménétrier, Morbus 330 Meningeom 1250, 1290 Meningitis 189, 1243 Meningoenzephalitis 1243 Meningoenzephalozele 1310 Meningomyelozele 1306 Meningozele 1306 Meniskus 864 Meniskusriss 867 Meniskustest 865 Meniskusverletzung 864 Mepivacain 36 Merseburger Trias 621 Mesaortitis luetica 183 Mesenterialabriss 365 Mesenterialarterienverschluss, akuter 1117 Mesenterialeinriss 365 Mesenterialhämatom 364 Mesenterialinfarkt 585, 1128 Mesenterialvenenthrombose 1127 -- akute 363 Mesenterialverletzung 364 Mesenterikoportographie 492 Meshgraft 920, 1173 Mesoaortitits luetica 1140 Mesotheliom 970 Metallstent, selbstexpandierender 244, 263 Metamizol 85, 86 Metanephrin 634, 642 Metastasierung 212 -- hämatogene 201 -- lymphogene 201 methicillinresistenter Staphylococcus aureus (MRSA) 170 Methicillin-Resistenz 170 Methotrexat 681, 1252 Methyldopa 685
Methysergid 649 Metoclopramid 344 Metronidazol 170, 176, 180, 188 MH = maligne Hyperthermie 33 MIBI-Szintigraphie 627 Midazolam 28 Mikroangiopathie, diabetische 1124 Mikrochirurgie 1249 Mikrogenie 1238 Mikromastie 660 Mikrometastase 213 Mikuliczklemme 61 Milchgangsektasie 660 -- 661, 665 Milchgangsexzision 661 Milchgangspapillom 665 Milrinon 229 Milz 549 -- Lageanomalien 549 -- maligne Tumoren 557 -- Milzabszess 556 Milzbrand 181 Milzfieber 562 Milzruptur 557 -- chronische 557 -- einzeitige 557 -- okkulte 557 -- zweizeitige 557 Milzvenenthrombose 539, 543 -- Milzverletzung 557 Milzverlust, Folgen 552 Mineralokortikoide 633, 640 minimale alveoläre Konzentration (MAC) 33 Mirizzi-Syndrom 473 Misoprostol 91 Mitralklappe, Rekonstruktion 1010 Mitralklappeninsuffizienz 1007 Mitralklappenprolaps 1008 Mitralklappenstenose 1006 Mittelgesichtsfraktur 1231 Mittelhandfraktur 1214 Mittelhirnsyndrom 1241 Mittellappensyndrom 947 Mivacurium 35 MODS = Mehrorgandysfunktionssyndrom 225 MODS = Multiorgandysfunktionsyndrom 914 Mönckeberg-Mediasklerose 1122 Molsedomin 1014 Monaldi-Drainage 965 Mondor, Morbus 1153 Monitoring 29 -- intraoperatives bei KarotisOP 1135 Monokelhämatom 1233, 1270 Mononukleose 557 Monteggia-Verletzung 805, 812 Morbus siehe Eigennamen Morgagni-Adams-StokesAnfall 1029 Morgagni-Hernie 297, 1058 Morphin 34, 89 Motilin 346 Moyamoya-Erkrankung 1323 MRA= Magnetresonanzangiographie 1106 MRSA= methicillinresistenter Staphylococcus aureus 170 MRSA-Infektion 170 MRT = Magnetresonanztomographie 13 Müller-Gang 1093 Mukoepidermoidtumoren 1230
Mukosaresektion, endoskopische 254 Mukosektomie, endoskopische 254 Mukoviszidose 946, 1069 Multiorgandysfunktionsyndrom (MODS) 914 multiple endokrine Neoplasie (MEN) 623, 627, 643 Mumps 531 Mund -- Basaliom 1229 -- Epulis 1225 -- Fehlbildungen 1236 -- Hämangiom 1225 -- Leukoplakie 1227 -- Lymphangiom 1225 -- Schleimhauttumoren 1227 -- Weichgewebetumoren 1225 Mundchirurgie 1219 Mundhöhlenkarzinom 1227 Mundöffnungsbehinderung 1233 Murphy-Zeichen 475 Musculus -- biceps brachii 40, 778, 786 -- cricopharyngeus 246, 271 -- Killian-Muskellücke 287 -- deltoideus 40, 778 -- digastricus 599 -- extensor carpi radialis brevis 804, 807 -- infraspinatus 778, 786 -- levator ani 419 -- omohyoideus 599, 600 -- pectoralis -- major 778 -- minor 786 -- puborectalis 419 -- sphincter ani -- externus 419, 420 -- internus 419, 420 -- Verletzung 840 -- sternocleidomastoideus 29, 599 -- subscapularis 778, 786 -- supraspinatus 778, 786 -- teres minor 778, 786 Muskeleinkerbung nach Homann 807 Muskelfaserriss 773 Muskelhypertrophie 1034 Muskelkontraktur, ischämische 753, 899 Muskelkontusion 773 Muskelquetschung 773 Muskelrelaxanzien 34 -- depolarisierende 34 -- nicht depolarisierende 35 Muskelzerrung 772 Myalgie 1020 Myasthenia gravis 979 Myasthenie, seronegative 979 Mycobacterium -- africanum 178 -- bovis 178 -- tuberculosis 178 Mycoplasma pneumoniae 169 Myelographie 1247 Myelomalazie 1280 Myelopathie, zervikale 1334 Myelozele 1306 Mykose, perianale 443 myofaziales Syndrom 1330 Myokardinfarkt 1002 Myokardprotektion 996 Myokardruptur 1019 Myosarkom 972 Myositis ossificans 774 Myxom 1020
N Nabelbruch 693 Nabelhernie 515, 1081 Nabelschnurbruch 693 Nadelbiopsie 721 Naevus -- araneus 1162 -- flammeus 1162 Nagelbettverletzung 1218 Nagelverletzung 1218 Nahtmaterial 154, 1110 -- atraumatisches 154 Nahttechniken, Wundverschluss 156 Naproxen 85, 87 Narbe 138, 1169 -- hypertrophe 924 Narbenbildung, hypertrophe 1168 Narbenhernie 706 Narkose 30 -- Larynxmaske 31 -- Pharmaka 32 Narkoseausleitung 31 Natriumbikarbonat 65 Natriumretention 515 -- perioperative 64 Nebenmilz 549 Nebenniere 632 -- Anatomie 632 Nebennierenmark, Tumoren 642 Nebennierenrinde (NNR) 633 -- Hormondiagnostik 634 Nebennierenrindeninsuffizienz 640 Nebennierenrindenkarzinom 641 Nebennierenrindenszintigraphie 634 Nebennierentumoren, hormoninaktive 645 Nebennierenvenenkatheterismus 634 Nebenschilddrüse 618 -- Anatomie 626 -- Diagnostik 627 -- Leitsymptome 627 Nebenzellen, Magen 304, 306 NEC = nekrotisierende Enterokolitis 1071 Neck Dissection 1230 -- funktionelle 624 Neisseria gonorrhoeae 771 Nekrose 1124 -- hämorrhagische 184 Nekrosektomie -- epifasziale 920 -- tangentiale 920 neoadjuvante Therapie 217 Neoplasie 201 Nephrektomie 1130 Nephroblastom 204, 1090 Nephrolithiasis 629 Nephropathie -- multizystische (Potter II) 1093 -- polyzystische (Potter I) 1093 Nervenblockade 1329 -- periphere 39 Nervenengpasssyndrome, Hand 1204 Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) 1249 Nervenstimulation, transkutane elektrische (TENS) 1329 Nervus(-i) -- abducens 1272 -- Störung 1314
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1410 Nervus(-i) -- accessorius 600, 602, 607, 1271 -- Störung 1314 -- alveolaris inferior, Sensibilitätsausfall 1230 -- axillaris 40 -- Läsion 1334 -- Schädigung -- bei Humeruskopffraktur 794 -- bei Schulterluxation 788, 790 -- facialis 1271 -- Parotistumor, bösartiger 1230 -- Störung 1314 -- femoralis -- Läsion 1337 -- Verletzung 1113 -- glossopharyngeus 1271 -- Störung 1314 -- Verletzung 1113 -- hypoglossus 600, 605, 1271 -- Störung 1314 -- infraorbitalis, Sensibilitätsstörung 1230 -- ischiadicus 41 -- Läsion 1337 -- laryngeus recurrens 271, 611 -- 612 -- Verletzung 1113 -- medianus 40, 1188 -- 1189 -- Kompressionssyndrome 1205 -- Läsion 1334 -- Oberarmfraktur, distale 799 -- Regionalanästhesie 1194 -- Verletzung 1217 -- musculocutaneus 40 -- Läsion 1334 -- oculomotorius 1271 -- Kompression am Clivus 1264 -- 1265 -- Störung 1314 -- olfactorius 1271 -- Störung 1314 -- opticus 1271 -- Störung 1314 -- peronaeus, Läsion 1337 -- phrenicus 295, 927 -- Schädigung 1060 -- radialis 39 -- 40, 1188 --1189 -- Humerusfraktur 798 -- Kompressionssyndrome 1207 -- Läsion 1334 -- Oberarmfraktur, distale 799 -- Regionalanästhesie 1194 -- splanchnici 420 -- thoracicus longus 654 -- thoracodorsalis 654 -- tibialis -- Läsion 1337 -- Oberschenkelfraktur, distale 856 -- trigeminus 1271 -- Störung 1314 -- trochlearis, Störung 1314 -- ulnaris 40, 1188 -- 1189 -- Kompressionssyndrome 1206 -- Läsion 1334 -- Oberarmfraktur, distale 799 -- Regionalanästhesie 1194 -- Verletzung 1217 -- vagus 1271 -- Halsregion 600 -- 601 -- Mageninnervation 306 -- Mediastinum 926 -- 927
Sachverzeichnis
-- Störung 1314 -- Verletzung 1113 -- vestibulocochlearis 1271 -- Störung 1314 NET -- Appendix 713 -- Dünndarm 713 -- Duodenum 713 -- Ileum 713 -- Jejunum 713 -- Kolon 713 -- Magen 712 -- Pankreas 709 -- Rektum 714 Neuner-Regel 910 Neuralrohrdefekt 1306 Neurinom 1204, 1289 -- spinales 1296 Neuroangiomatosis encephalofacialis 1144 Neuroblastom 204, 1088 Neurochirurgie 1239 -- Analgosedierung 1258 -- Anamnese 1239 -- Beatmung 1258 -- bildgebende Diagnostik 1247 -- Diagnostik 1244 -- Erstversorgung 1244 -- Lagerung 1258 -- Rehabilitation 1253 -- Therapieverfahren 1249 -- Untersuchungstechniken 1245 neuroendokrine Karzinome 707 neuroendokrine Tumoren 707 Neurofibrom 643 -- Hand 1204 Neurofibromatose 361, 407, 411, 1204 Neurolyse 1329 Neurom, posttraumatisches, Hand 1204 Neuroporus 439 Neutral-Null-Methode 758, 880, 1190 Neutronenstrahlen 216 Neutropenie 554 nichtkleinzelliges Bronchialkarzinom (NSCLC) 959 Nichtopioidanalgetika 85 -- 87 nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAR) 650 nichtsteroidale Antirheumatika 777 Niederdrucksystem 1100 Niemann-Pick-Krankheit 555 Nierenarterien, AVK 1129 Nierenarterienstenose 1129 Nierenarterienverschluss 1130 Nierenfunktion 19 Nierenfunktionseinschränkung 531 Niereninfarkt 1130 Niereninsuffizienz 19 -- chronische 686 Nierenkolik 454 Nierensarkom 1163 Nierentransplantation 501 Nierenversagen 531 Nierenzysten, bei Kindern 1093 Nikotinkonsum 7 Nimodipin 1258 Nitrate 229, 1014 Nitroimidazole 193 Nitropräparate 1121 Nitrosamine 290 Nitrosoharnstoffe 1252 NLG = Nervenleitgeschwindigkeit 1249
NMM = noduläres malignes Melanom 1229 NNR = Nebennierenrinde 633 noduläres malignes Melanom (NMM) 1229 Nokardiose 180 Non-Hodgkin-Lymphom 555, 560 -- Magen 333 Nonne-Milroy-Syndrom 1156 Non-Polyposis-Syndrom, intestinales 411 Noradrenalin 97, 223 Normaldruckhydrozephalus 1300 Normetanephrin 642 Notfalltransfusion 79 No-touch-Technik 214 Nottingham-Prognose-Index (NPI) 671 NPH = normal pressure hydrocephalus 1300 NPI = Nottingham-PrognoseIndex 671 NRS = numerische RatingSkala 83 NSAR = nichtsteroidale Antiphlogistika 650 NSCLC = nichtkleinzelliges Bronchialkarzinom 959 Nucleus-pulposus-Prolaps 1332 Nüchternheit, präoperative 25 number connection test 516 NYHA-Klassifikation, Herzinsuffizienz 25
O Oberarm, Untersuchungstechniken 778 Oberarmfraktur -- distale 799 -- kindliche proximale 795 Oberarmnagelung, proximale 797 Oberkieferosteomyelitis 1221 Oberschenkel 833 Oberschenkelfraktur, distale 856 Oberschenkelquerbruch 736 Oberschenkelschaftfraktur 853 -- kindliche 857 Oberst-Leitungsanästhesie 1194 Obstipation 448, 689 -- chronische 417, 445 Obturationsileus 574 Obturator-Aufnahme 842 Octreotid 363 Octreotid-Rezeptor-Szintigraphie 710 Odontom 1226 Odynophagie 271, 603 Ödem, interstitielles 224 ÖGD =Ösophago-Gastro-Duodenoskopie 273, 308 Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) 273, 308 Ösophagogastrostomie 246 Ösophagojejunostomie 338 Ösophagokardiomyotomie nach Heller 277 Ösophagus 270 -- benigne Tumoren 289 -- Diagnostik 271 -- Endosonographie 273 -- Fremdkörper 284 -- Kolliquationsnekrose 284 -- maligne Tumoren 290
-- pH-Metrie 274 -- Plattenepithelkarzinom 256 -- pneumatische Dilatation 240, 277 -- Präkanzerose 290 -- Zenker-Divertikel 246 Ösophagusatresie 1055 Ösophagusblindsack 1056 -- Ösophagusbougierung 240 Ösophagusbreischluck 930 -- Ösophagusdivertikel 286 Ösophagusduplikatur 1064 Ösophagusenge 270 -- Ösophagusentzündung 275 Ösophagusersatz, bei Ösophagusatresie 1056 Ösophagusersatzoperation 293 Ösophaguskarzinom 290 -- Dilatation 242 -- endoskopische Mukosektomie 255 -- Mukoasresektion 256 -- ösophagobronchiale Fistel 243 -- TNM-Klassifikation 291 Ösophagusmanometrie 274 -- Ösophagusmotilitätsstörungen 275 Ösophagusperforation -- iatrogene 284 -- postemetische 283 -- traumatische 284 Ösophagusspasmus -- diffuser 278 -- idiopathischer 278 Ösophagussphinkter -- oberer (OÖS) 271 -- unterer (UÖS) 271, 306 -- Ösophagusstenose 240 -- Ösophagusstriktur 240 Ösophagusvarizen 518 -- Blutung 249, 250 -- endoskopische Therapie 247 -- Gummibandligatur 501 -- Ligatur 250 -- Ösophagusverätzung 240, 284 -- Ösophagusverletzung 282 Östrogene 633 Östrogenrezeptorstatus, Mammakarzinom 672 Ogilvie-Syndrom 417, 573 Okklusionsileus 574 Olekranonfraktur 807 Oligodendrogliom 1286 Omeprazol 280 Omphalozele 693, 1060 Onkogen 212 Onycholysis 411 OÖS = oberer Ösophagussphinkter 271 Operabilität 7, 14, 17 Operation -- ambulante 15 -- brusterhaltende 678 -- dringliche 571 -- elektive 571 -- frühelektive 571 -- stationäre 16 Operationseinheit 53 Operationsfelddesinfektion 162 Operationslagerung 53, 54 -- Bauchlagerung 54 -- Flankenlagerung 54 -- Fußtieflagerung 54 -- Kopftieflagerung 54 -- Rückenlagerung 54 -- Seitenlagerung 54 -- sitzende Position 54
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Sachverzeichnis
-- Steinschnittlagerung 54 -- Strumalagerung 54 Ophthalmopathie, endokrine 621 Opioidanalgetika 88 -- 90 Opioide 34 Opisthotonus 177 OPSI-Syndrom = overwhelming postsplenectomy infection 553 Orbitabodenfraktur 1233 Orbitopathie 621 Orchidektomie 688 Orchidopexie 1088 Ormond, Morbus 649 Ormond-Syndrom 649 ORSA= oxacillinresistenter Staphylococcus aureus 170 Orthostasetest 638 Ortner, Morbus 1127 Ortner-Syndrom 1126 Osler, Morbus 116, 941, 1162 Osmodiuretika 1257 Osmolalität 28 Osmotherapie 1257 Osteitis 755, 766 -- periartikuläre 771 -- postoperative 769 -- posttraumatische 769 -- Röntgenzeichen 770 Osteitis fibrosa cystica Recklinghausen 629 Osteoblasten 741 Osteochondrom 971 Osteoidosteom, Hand 1203 Osteoklasten 741 Osteolyse 1220 Osteom 408, 1226 Osteomyelitis 766, 1220 -- hämatogene 755, 767 -- im Erwachsenenalter 769 -- im Kindesalter 768 Osteoporose 629 Osteosarkom 1203 -- Kieferbereich 1230 Osteosklerose 767 Osteosynthese 747 Ostium-primum-Defekt (ASD I) 1039 Ostium-secundum-Defekt (ASD II) 1039 Oszillographie 1107 Otoplastik 1185 Ott-Zeichen 819 Overholt-Klemme 61 oxacillinresistenter Staphylococcus aureus (ORSA) 170 Oxalatsteinbildung 350 Oxycodon 89 Oxygesic 89 Oxyzephalus 1311
P Pachyzephalus 1311 pack years 7 Paget, Morbus 670 Paget-von-Schroetter-Syndrom 124 Palmarerythem 490 Palpation 8 Panaritium -- articulare 1209 -- cutaneum 1208 -- Kragenknopf- 1208 -- ossale 1209 -- periungualis 1208 -- subcutaneum 1208
Panarteriitis nodosa 1122, 1164 Panarthritis 771 Pancolitis ulcerosa 389 Pancreas -- anulare 528 -- 529, 1064 -- divisum 528 -- 529, 536 Pancuronium 35 Pankreas siehe auch Bauchspeicheldrüse 526 -- ektopes 529 -- endokrines 530 -- exokrines 530 -- Gastrinom 710 -- Insulinom 709 -- Kalkablagerungen 536 -- Kalkeinlagerungen 533 -- NET 709 Pankreasadenom 544 Pankreasagenesie 529 Pankreaserkrankungen, angeborene 530 -- Pankreasfehlbildungen 528 Pankreasfibrose, zystische 530 Pankreasgang, Steinextraktion 265 Pankreasgangdrainage 265 -- endoskopische 264 Pankreasgangsystem 527 Pankreashypoplasie 529 Pankreaskopfpankreatitis 537 Pankreaskopfresektion, duodenumerhaltende 541 Pankreasnekrose, partielle 535 Pankreaspseudozyste 538, 542 -- Drainage 266 Pankreasruptur 587 Pankreasschwanzresektion 540 Pankreassekret, Zusammensetzung 530 Pankreastumoren 544 -- benigne 544 -- hormoninaktive 712 -- hormonproduzierende 710 -- maligne 545 Pankreasverletzung 543 Pankreaszystadenom 544 Pankreaszysten 530 Pankreatektomie, totale 712 Pankreatikojejunostomie 540 Pankreatitis 454, 531 -- akute 531 -- chronische 535 -- endoskopische Pankreasgangdrainage 265 -- nekrotisierende 535 -- ödematöse 535 PAO = Peak acid output 309 Papilla -- duodeni major 450, 527 -- Vateri 450, 527 -- Endosonographie 259 -- Tumoren 485 Papillarmuskelinsuffizienz, funktionelle 1019 Papillektomie, endoskopische 259 Papillenadenom 259 Papillenkarzinom 486 Papillenplastik 463 Papillenresektion 463 Papillenstenose 479 Papillentumoren 485 Papillitis, anale 433 Papillom 201 -- Mamma 662 Papillomatose, Gallenblase 480 Papillotomie, endoskopische 258, 264 Paracetamol 85, 87, 915
paraneoplastisches Syndrom 202 Paraphimose 1086 Parasitose 944 Parathormon (PTH) 626 Parathyreoidektomie 630, 632 Parecoxib 85, 87 Paronychie 1208 Parotitis, eitrige 1222 Passivrauchen 955 Patcherweiterung, transanuläre 1043 Patcherweiterungsplastik 1125 Patchverschluss 1043 Patella, tanzende 860 Patellafraktur 868 Patellaluxation 762, 867 Patellarsehne 776 Patellarsehnenruptur 870 Patientenlagerung siehe Operationslagerung Patientenvorbereitung 53 Pauwels-Einteilung, Schenkelhalsfraktur 848 pAVK = periphere arterielle Verschlusskrankheit 1122 Payr-Test 866 PCA= patientenkontrollierte Analgesie 92 PDA= Ductus arteriosus persistens 1037 PDA= Periduralanästhesie 38 PDE-Hemmer = Phosphodiesterase-Hemmer 229 PDT = photodynamische Therapie 484 Peak acid output (PAO) 309 Pean-Klemme 61 Pectoralis minor-Syndrom 1137 Pectus -- carinatum 974 -- excavatum 972 PEEP = endexspiratorischer Überdruck 989 PEG = perkutane endoskopische Gastrostomie 103, 256 Pendelhoden 1084 Penicillin -- Penicillin G 173, 180, 183 -- Penicillin V 173 -- 174, 180 Penrose 158 Pentagastrin 307, 615 Pentagastrintest 309 Penumbra 1106 Pepsin 307 Pepsinogen 306 Peptid YY 346 Perforation 578, 581 -- bei Appendizitis 375 -- Dickdarm 383 -- Gallenblase 472 -- gedeckte 327 -- Ulkus- 326 Perforationsschmerz 566 Perfusion, zerebrale 1255 Perfusionsdruck, zerebraler (CPP) 1255 Perianaldermatitis 442 Perianalvenenthrombose 426, 429 Pericarditis constrictiva 1021 Periduralanästhesie (PDA) 38 Periduralpunktion 38 Perikarderkrankung -- akute 1020 -- chronische 1021 Perikarditis, akute 1021 Perikardresektion 971
1411 Perikardtamponade 1003, 1019 periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) 1122 periphere Nervenblockade (PNB) 39 -- Plexus brachialis 39 -- Plexus lumbosacralis 40 Peristaltik -- primäre 271 -- sekundäre 271 -- tertiäre 271, 278 Peritonealdialyse 19 Peritoneallavage 569 -- geschlossene 535 Peritonealtuberkulose 178 Peritonitis 538, 578 -- lokale 369 -- spontane bakterielle 515 Peritonitis-Index 580 Perkussion 8 perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) 103, 256 perkutane transluminale Angioplastie (PTA) 131, 1109, 1136 Perthes-Syndrom 986 Perthes-Test 1148 PET = Positronen-Emissions-Tomographie 13, 493, 719, 932 Pethidin 90 Petrosus-major-Neuralgie 1330 Peutz-Jeghers-Syndrom 361, 409 Pfählung 1159 Pfählungsverletzung 143 Pfeiffer-Drüsenfieber 557 Pflastersteinrelief 354 PFN = proximaler Femurnagel 851 -- 852 Pfortader siehe auch Vena portae -- Umkehrung der Flussrichtung 518 Pfortaderfluss 491 Pfortaderhochdruck 513 Pfortaderthrombose 513, 539 Phäochromozytom 642 -- antihypertensive Vorbehandlung 19 Phalangenfraktur 1214 Phalen-Test 1205 Phenoxybenzamin 19, 645 Phenprocoumon 128, 1126 Phentolamin 645 Phimose 1086 Phlebographie 118, 131 -- aszendierende 1148 -- Thorax 932 Phlebothrombose 1154 Phlegmasia coerulea dolens 123, 1115 Phlegmone 165, 173, 1124 -- Hals 610 -- Hand 1209 pH-Metrie 274 Phosphodiesterase-Hemmer = PDE-Hemmer 229 photodynamische Therapie (PDT) 484 Photonenstrahlen 216 Pierre-Robin-Sequenz 1238 Pigtail 262 Pigtaildrainage 513 Pilon-tibiale-Fraktur 876 Pilzinfektion 189 Pinealistumoren 1288 Pineoblastom 1288 Pineozytom 1288
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1412 Pinzette 60 -- anatomische 60 -- atraumatische 60 -- chirurgische 60 Piperacillin 170 Piritramid 90 Pivot-Shift 861 Plagiozephalus 1311 Plaques, atheromatöse 1131 Plasmapherese 80 Plasmapräparate 75 -- virussichere 76 Plasmin 130 Plasminogen 130 Plasmozytom 972 Platzwunde 144 Pleuraempyem 966 Pleuraerguss 539, 961 -- nach lebelchirurgischen Eingriffen 512 Pleurahöhle, Anatomie 926 Pleurakarzinose 962 Pleuramesotheliom 970 Pleurapunktion 962 Pleuratumoren 970 Pleurektomie 966, 971 -- partielle 950 Pleurodese 949, 962, 965, 971 Pleuropneumonektomie 971 Plexus -- brachialis, Blockade 39 -- coeliacus 306 -- haemorrhoidalis 425 -- lumbosacralis, Blockade 40 -- myentericus 1077 -- oesophageus 271 -- submucosus 1077 Plexuskarzinom 1288 Plexuspapillom 1288 Plummer-Vinson-Syndrom 272, 275 PNB = periphere Nervenblockade 39 Pneumatosis cystoides intestinalis 359, 1071 Pneumatozephalus 1267 Pneumokokken 169, 943 Pneumomediastinum 983 Pneumonie 169, 942 -- einseitige 303 -- Retensionspneumonie 947 Pneumothorax 948 -- geschlossener 991 -- offener 991 -- traumatischer 991 Polyarthrose, Hand 1201 Polymastie 660 Polypektomie 268 Polyp 201 -- neoplastischer 395 Polypenrasen 408 Polypeptid, pankreatisches 530 Polyposis -- familiäre adenomatöse (FAP) 407, 408 -- familiäre hamartomatöse 409 -- juvenile 407, 410 -- nicht familiäre gastrointestinale 411 Polyposis-Syndrom, intestinales 407 Polythelie 660 Polytrauma 833, 855, 898 Polyurie 638 Polyvidon-Jod 162, 919 pontines Syndrom 1241 Porphyrie 454
Sachverzeichnis
portale Hypertension 501, 513 -- Diagnostik 516 -- Symptome 515 Portkatheter 1165 Porzellangallenblase 468 Positronen-Emissions-Tomographie (PET) 13, 493, 719, 932 Postaggressionsphase -- Eiweißstoffwechsel 98 -- Fettstoffwechsel 98 -- Hormone 97 -- Kohlenhydratstoffwechsel 98 Postaggressionsstoffwechsel 64, 97, 105 Postfundoplikationssyndrom 281 Postkardiotomieversagen 999 Postperfusionssyndrom 1001 Postsplenektomiesepsis 553, 563 Postthorakotomiesyndrom 961 postthrombotisches Syndrom 119, 1154 Postvagotomie-Syndrom 342 Potenziale, evozierte 1249 Potter-Klassifikation 1093 Pott-Schere 59 Pouch 338 -- ileoanaler 389 Pouchitis 390 PPI = Protonenpumpeninhibitor 280, 322 Präkanzerose 210 Prämedikation 27 Präoxygenierung 31 Präparierschere 59 Prednison 559 Prehn-Zeichen 1087 Prellung 144 -- Hals 608 Prilocain 36 Primärheilung 139 -- verzögerte 140 Primärinfektion 163 PRIND = prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit 1132, 1327 Pringle-Manöver 507, 511 Prinzmetal-Angina 1120 Prionen 78 Proctalgia -- fugax 426, 449 -- nocturna 449 Profundapatchplastik 1126 Profundaplastik 1125 Progesteron 638 Progesteronrezeptorstatus, Mammakarzinom 672 progressive stroke 1327 Prokinetika 651 Proktitis 426, 441 -- radiogene 441 -- venerisch induzierte 441 Proktorektoskopie 10 Proktokolektomie 388 Proktomukosektomie 389 Prolaktinom 1292 Prolaps -- Bauchwand 688 -- 689 -- Bauchorgane 1060 Promit 70 Pronatio dolorosa 806 Pronator teres-Syndrom 1206 Propofol 33, 1258 Propranolol 519, 645 Prostatahyperplasie 689 Prostatitis 426 Protamin 996 Protaminhydrochlorid 126
Proteasen 164 Proteinkatabolismus, Postaggressionsphase 98 Proteoglykane 138 Prothesenendokarditis 1011 Protonenpumpenhemmer (PPI) 280, 322 Protoonkogene 212 Pruritus ani 425 Pseudarthrose 799 -- atrophe 753 -- hypertrophe 753 Pseudodivertikel 286, 381 Pseudoeinklemmung 691 Pseudoembolie 1116 Pseudoeschar 919 Pseudohypoparathyreoidismus 628 Pseudomonas aeruginosa 162, 167, 169, 771 Pseudomyxoma peritonei 377 Pseudoobstruktion, idiopathische 417, 573 Pseudoparese 806 Pseudopubertas praecox 639 Psoaszeichen 369 PTA= perkutane transluminale Angioplastie 131, 1109, 1136 PTC = perkutane transhepatische Cholangiographie 457 PTH = Parathormon 626 PTT = partielle Thromboplastinzeit 110 Pulmonalatresie, mit Ventrikelseptumdefekt 1044 Pulmonalstenose -- infundibuläre 1036 -- mit Ventrikelseptumdefekt 1042 -- subinfundibuläre 1036 -- subvalvuläre 1036 -- supravalvuläre 1036 -- valvuläre 1035 -- 1036 Pulsionsdivertikel 286 -- 287, 289 Pulsoxymetrie 29 Pulsus -- celer et altus 1005 -- tardus et parvus 1004 Pupillomotorik 1243 -- 1244 Purpura -- idiopathische thrombozytopenische (ITP) 559 -- posttransfusionelle 77 -- thrombozytopenische 115 Purpura Schoenlein-Henoch 116 Pyarthros 767 Pyelonephritis 650 Pyloromyotomie 1075 Pyloroplastik 292 -- nach Heineke-Mikulicz 323 Pylorus 304, 306 -- Stenose 329 -- hypertrophe 1075 Pyothorax 966
Q Quadrizepssehnenruptur 870 Querschnittsyndrom 1280 Quetschwunde 144 Quickwert 128, 490
R Rabies 186 Rachitis 974 Radialiskompressionssyndrome 1207 Radialislappen 1212 Radiofrequenzablation 508, 1152 Radiojodtherapie 621, 622 Radiusextensionsfraktur 813 Radiusfraktur, distale 813 Radiushalsfraktur 809 Radiusköpfchenfraktur 807 Radiusköpfchen, Subluxation 806 Ramus circumflexus (RCX) 1012 Ramus interventricularis anterior (RIVA) 1012 Random-pattern-Flaps 1174, 1178 Ranula 1224 Rapid Sequence Induction (RSI) 33 Rating-Skala -- numerische (NRS) 83 -- verbale 83 Ratschow-Lagerungsprobe 1103 Rauchen 545 Raucherjahre 7 Ravitch-Sternumaufrichtung 974 Raynaud, Morbus 1120 -- Kältetest 1104 Raynaud-Phänomen 1120 RCA= rechte Koronararterie 1012 RCX = Ramus circumflexus 1012 Recklinghausen, Morbus (Osteitis fibrosa cystica) 411, 629, 716, 1289 Redondrainage 158 Reduktionsplastik, Brust 1182 Reflex Sympathetic Dystrophy 756 Reflux -- duodenogastraler 306, 317 -- 318 -- gastroösophagealer 278 -- vesikorenaler 1096 -- vesikoureteraler 1096 Refluxgastritis 344 Refluxkrankheit 278 -- 279 Refluxösophagitis 275, 279 -- 280, 454 -- laparoskopische Therapie 282 Regio -- colli anterior 599 -- colli lateralis 599 Regionalanästhesie 35 Rehabilitation 1253 Rehbein-Operation 1079 Rehbein-Sternumaufrichtung 974 Reizbildungsstörungen, kardiale 1029 Reizerscheinungen, meningeale 1243 Reizsyndrom, meningeales 1244 Rekrutenabszess 439 Rektopexie, laparoskopische 416 Rektoskopie 10, 714 Rektum 378 -- AIDS 442 -- Colitis ulcerosa 441 -- Diagnostik 380 -- Gonorrhö 442 -- Granuloma venereum 442 -- Lues 441 -- Lymphogranuloma inguinale 442 -- Morbus Crohn 441 -- NET 714
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Sachverzeichnis
-- Ulcus molle 442 Rektumatresie 1067 -- Rektumdivertikulose 381 -- Rektumentzündung 381 Rektumexstirpation, laparoskopische 419 -- Rektumkarzinoid 407 Rektumkarzinom 398 -- Standard-Resektionsverfahren 403 Rektumprolaps 415, 443 -- inkarzerierter 426 Rektumresektion 714 -- abdominoperineale 403 -- anteriore 403 -- totale mesorektale 403 Rektumverletzung 417 Rektusdiastase 694 Rekurrensparese 618 Relaxatio diaphragmatica 303, 1060 Relaxometrie 30 Remifentanil 34 Renin-Angiotensin-AldosteronSystem 514 -- Aktivierung 223 -- Postaggressionsstoffwechsel 98 Reparationsphase, Verbrennung 924 Reperfusionssyndrom 1120 Reptilasezeit 132 Resochin 188 restless legs 1150 Retinaculum flexorum 1205 Retinoblastom 204 Retrogenie 1238 Retroperitonealabszess 650 retroperitoneale Fibrose 649 Retroperitoneum 648 -- Diagnostik 648 -- Therapie 648 -- Zugangswege 649 Rezidivstruma 618 Rezidivulkus 343 Rhabdomyosarkom 715 -- alveoläres 717 -- embryonales 204 Rhabdovirus 186 Rheologika 1119 Rhesussystem 71 rheumatoide Arthritis 772 Rhinoplastik 1185 Rhizarthrose 1201 Rhizotomie 1329 Rhombuslappen 1178 Richter-Hernie 691 Riesenfaltengastritis 330 Riesenwuchs 1292 Riesenzelltumor, Hand 1203 Rifampicin 179 Ringbänder, Hand 1197 Ringer-Laktat-Lösung 69, 923 Ringer-Lösung 69 Riolan-Anastomose 378 Riolan-Arkade 392 Rippenaplasie 975 Rippenbogenrandschnitt 461 Rippenfraktur 988 Rippenschere 59 Rippenserienbruch 988 Rippenstückfraktur 988 Risikoanamnese 7 Risswunde 144 Risus sardonicus 177 RIVA= Ramus interventricularis anterior 1012 Riva-Rocci-Messung 1105
R-Klassifikation (R = Resttumor) 214 Robinsondrainage 158 Rockwood-Aufnahme 780 Rocuronium 35 Röntgendiagnostik 11 Röntgenstrahlen 216 Rollerpumpe 995 Rolllappen 1174 Ropivacain 36 Ross-Operation 1005, 1011 Rotationslappen 1177 Rotatorenmanschette 778, 786 Rotatorenmanschettenruptur 790 Rotter-Halsted-Mastektomie 677 Rotter-Lymphknoten 654 Rouxhaken 62 Roux-Y-Rekonstruktion 325 Roux-Y-Schlingenbildung 338 Roux-Y-Technik 540 Roviralta-Syndrom 1075 Rovsing-Zeichen 369 RSI = Rapid Sequence Induction 33 rt-PA (Tissue-PlasminogenAktivator) 1108, 1119 Rubor 164 Rucksack-Verband 746, 896 Rückenmarktrauma 1278 -- gedecktes 1278 -- offenes 1278 Rundherd, Lunge 952 Rundstiellappen 1174
S SAB = Subarachnoidalblutung 1315 Säuglingsosteomyelitis 768 Säure-Basen-Haushalt, perioperative Veränderungen 64 Säureverätzung -- Duodenum 312 -- Magen 312 -- Ösophagus 284 Salbengazeverband 919 Salicylate 85 salvage mastectomy 683 Sandostatin 363 Sanduhrneurinom 1296 Sandwich-Technik, Spalthauttransplantat 922 Sarkoidose 501, 555 Sarkom -- Allgemeines 203 -- Magen 333 -- multiples idiopathisches hämorrhagisches 1164 -- osteogenes 972 -- synoviales 717 Sauerstoffträger -- Hämoglobin-basierte 70 -- künstliche 70 Savary-Gilliard-Bougies 240 Scalenus anterior-Syndrom 1137 Scalenus minimus-Syndrom 1137 SC-Gelenk = Sternoklavikulargelenk 780 Schädelbasisfraktur 1265, 1268 Schädelfraktur 1265 Schädel-Hirn-Trauma (SHT) 1259 -- gedecktes 1274 -- offenes 1275 -- Rettungstransport 1261 -- Störungen der Atemfunktion 1262 Schädel-Hirn-Verletzung 1259
Schanker, harter 182 Schanz-Krawatte 821, 823 scharfer Haken 62 Schenkelhalsfraktur 848 -- Abduktionsfraktur 848 -- Adduktionsfraktur 746, 848 -- dislozierte 739 -- Einteilung nach Garden 849 -- Einteilung nach Pauwels 848 Schenkelhernie 695, 702 Schenkelhernienreparation nach Shouldice 702 Schere, elektrische 58 Schiefschädel 1311 Schienung 747 -- Schilddrüse 611 -- autonomes Adenom 619 -- Diagnostik 613 -- Hormonsubstitutionstherapie 619 -- Kocher-Schnitt 618 -- Merseburger Trias 621 -- Palpation 613 Schilddrüsenagenesie 611 Schilddrüsenanlage 611 -- dystope 611 Schilddrüsenfollikel 612 Schilddrüsenisthmus 611 Schilddrüsenkarzinom -- anaplastisches 623 -- differenziertes 623 -- follikuläres 623 -- medulläres 623, 643 -- papilläres 623 Schilddrüsenknoten 606 Schilddrüsentumoren 622 -- Einteilung 623 Schilddrüsenvolumen 614 Schilddrüsenzyste 614 Schilling-Test 349 Schistosoma 945 Schistosomiasis 514 Schleimbeutelentzündung 777 Schlingenabszess, Dünndarm 582 Schlingensyndrome 342 -- Syndrom der abführenden Schlinge 342 -- Syndrom der zuführenden Schlinge 342 Schluckakt 271 Schluckstörung 618 Schmerz -- abdomineller 4 -- neuropathischer 83 -- nozizeptiver 83 -- somatischer 5, 369, 565 -- somatoformer 83 -- übertragener 5 -- viszeraler 5, 369, 565 Schmerzanalyse 83 Schmerzleitungsbahn 4 Schmerzmessung 83 Schmerzstörung 83 Schmerzsyndrome, anorektale 449 Schmerztagebuch 84 Schmerztherapie 82 -- Adjuvanzien 91 -- Analgetika 84 -- neurochirurgische 1328 -- patientenkontrollierte (PCA) 92 -- perioperative 91 -- Schmerzanalyse 83 -- Schmerzmessung 83 -- Tumorschmerzen 93 -- Verbrennung 916
1413 Schmerztypen 5 Schmutztätowierung 918, 1170 schnellender Finger 777, 1197 Schnittwunde 143 -- Hals 608 Schober-Zeichen 819 Schock 222 -- anaphylaktischer 223, 231 -- endokriner 223 -- hypovolämischer 227 -- kardiogener 222, 229 -- neurogener 223, 232 -- septischer 170, 223, 229 -- spinaler 232 -- Therapie 226 Schockindex 225 Schocklagerung 227 Schockmediatoren 225 Schokoladenzyste, Ovar 584 Schorf 141 Schraubenosteosynthese 807, 870 Schrittmacherimplantation 1029 Schrumpfgallenblase 476 Schürfwunde 142 Schultergürtel 778 -- Untersuchungstechniken 778 Schultergürtelsyndrom 1136 Schultergelenkinstabilität 787 Schultergelenkluxation 785 Schulterluxation -- Reposition nach Arlt 789 -- Reposition nach Hippokrates 789 -- Reposition nach Milch 790 -- vordere 787 Schussfraktur 733 Schussverletzung 588 -- Hals 608 -- Schädel 1276 Schusswunde 145 Schwanenhalsdeformität 1215 Schwangerschaft 689, 693 Schwannom 1204 Schwann-Zellen 1204 Schweine-Rotlauf 173 Schweißtest 1070 Schwerbrandverletztenbett, zentrale Vermittlungsstelle 917 Schwimmeraufnahme 824 Schwurhand 1189 SCLC = kleinzelliges Bronchialkarzinom 958 Second-look-Operation 755, 771 Sehnenabriss 775 Sehneneinriss 775 Sehnenkalzifizierung 776 Sehnenverletzung 775 -- Hand 1215 Seitenastvarikose 1149 Seitenlagerung 54 Sekretin 346, 452 Sekundärheilung 140 Sekundärinfektion 163 Sekundärwunde 157 Seldinger-Prinzip 266 selektive gastrale Vagotomie (SGV) 323 selektive proximale Vagotomie (SPV) 324, 342 selektive totale Vagotomie (STV) 323 Semikastratio 1088 semi-maligne Tumoren 201 Sengstaken-Blakemore-Sonde 519 Senkungsabszess 179 Sentinel node 673
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1414 Sentinel-node-Biopsie 673 SEP = somatosensibel evozierte Potenziale 1249 Sepsis 170, 914 Sequenz, Adenom-(Dysplasie-) Karzinom- 396 Sequester 1220, 1336 Sequesterektomie 770 Serotonin 713 Serratusfaszienlappen 1212 Sevofluran 32 SGV = selektive gastrale Vagotomie 323 Sharpey-Fasern 818 Sheehan-Syndrom 640 Shouldice-Bruchpfortenverschluss 698 -- Shouldice-Schenkelhernienreparation 702 SHT = Schädel-Hirn-Trauma 1259 -- gedecktes 1274 -- offenes 1275 -- Rettungstransport 1261 -- Störungen der Atemfunktion 1262 -- Vorgehen 1261 Shunt -- Liquorableitung 1299 -- peritoneovenöser 525 -- ventrikuloperitonealer 1299 SHV = Schädel-Hirn-Verletzung 1259 Sialographie 1222 Sialolithiasis 1222 Sigmaresektion 402 -- laparoskopische 419 Sigmavolvulus 413 Sigmoidostoma 405 Silikon 919 Single-Photon-Emissions-Computertomography (SPECT) 1248 Sinusbradykardie 1029 Sinus pilonidalis 439 -- infizierter 426 Sinus-venosus-Defekt 1039 Sipple-Syndrom 643 SIRS = systemic inflammatory response syndrom 913, 924 Skalpell 58 Skalpvenen 1301 Skaphoidfraktur 1212 Skaphoidquartett 1213 Skaphozephalus 1311 Skapulafraktur 783 Skapulalappen 1175 S-Ketamin 33 skip-lesion 720, 724 Sklerenikterus 452 Sklerodermie 1122 Sklerose, tuberöse 716 Sklerosierung, endoskopische 247 Sklerosierungstherapie -- Hämorrhoiden 427 -- 428 -- perkutane 1151 Sklerotherapie 501 SLAP-Läsionen 792 small volume resuscitation 69 Smith-Fraktur 813 Smith-Lemli-OpitzSyndrom 1078 Sodbrennen 279, 298 Sokolow-Lyon-Index 1004 Sollblutvolumen, Nomogramm 68 somatosensibel evozierte Potenziale (SEP) 1249 somatosensorisch evozierte Potenziale (SSEP) 1135
Sachverzeichnis
Somatostatin 306, 519 -- 520, 530 Somatostatinanaloga 520 Somatostatinom 710 Somatostatin-Rezeptor-Szintigraphie 710, 713 Somnolenz 1239, 1263 Sonde, nasobiliäre 262 Sondenernährung 102 -- duodenale 103 -- gastrale 102 -- nasoenterale 102 Sondenkost -- chemisch definierte 102 -- nährstoffdefinierte 102 Sonnenuntergangsphänomen 1301 Sonographie 10 -- intravaskuläre 1108 -- Thorax 931 Soorösophagitis 275 Sorbit 96 Sorbitol 1257 SPA= Spinalanästhesie 36 SPACE-Studie 1135 Spätdumpingsyndrom 341 Spaltbruch 828 Spalthauttransplantat 920, 1172 -- Sandwich-Technik 922 Spaltheilung 742 Spannungspneumothorax 991 SPECT = Single-Photon-EmissionsComputertomographie 1248 Speicheldrüse, Adenom 1227 Speicheldrüsenentzündung 1222 Speicheldrüsentumoren 1227, 1230 Sphärozytose, kongenitale 559 Sphincter Oddi 452 Sphinktermanometrie 421, 1078 Sphinktermyektomie 1079 Sphinktersklerose 426 Spickdrahtosteosynthese 748 Spider naevus 490, 1162 Spieghel-Hernie 703 Spikulae, Brustdrüse 657 Spina bifida 1306 Spinal Cord Stimulation 1329 Spinalanästhesie (SPA) 36 spinales Trauma 1278 spinale Tumoren 1294 spinaler Notfall 1244 spinaler Schock 232 Spinalkanalstenose 1114 -- lumbale 1339 Spiralcomputertomographie 12 Spirometrie 934 Spironolacton 523, 639 Spitzenpneumothorax 948, 992 Spitzschädel 1311 Splenektomie 543, 559, 561 Splenomegalie 518, 554 -- Ursachen 555 Splenopankreatektomie, linksseitige 712 Splenoportographie 492 -- indirekte 1127 Split-notochord-Syndrom 1307 Spondylodese 824 Spondylolisthesis, traumatische 822 Spondylosis deformans 1335 Spongiosastrukturen 774 Spontanfraktur 731 Spontankorrektur, Fraktur 738 Spontanpneumothorax 948 S-Pouch 389 Sprühdesinfektion 162 Sprunggelenk 879
-- Funktionsprüfung 879 -- Instabilitätsprüfung 879 -- Untersuchungstechniken 879 Spüldrainagekatheter 497 Spül-Saug-Drainage 158 Spurenelemente 96 SPV = selektive proximale Vagotomie 324, 342 SEP = somatosensibel evozierte Potenziale 1295 SSEP = somatosensorisch evozierte Potenziale 1135 SSL= Steinschnittlage 433 SSM = superfiziell spreitendes Melanom 1229 Staging-Laparotomie 560 Stammvarikosis 1149 Stanford-Klassifikation, Aortendissektion 1026 Stanzbiopsie 1227 -- Brustdrüse 659 Staphylococcus -- aureus 169, 660, 769, 771 -- epidermidis 769 Staphylokokken 167, 174, 943, 1155 -- Follikel 1219 -- Infektion 165 Stauchungsbruch 732, 737 Stauungsleber 454 Stauungspapille 1245, 1272 Steal-Effekt 1136 Steatorrhö 536 Steinextraktion -- endoskopische 260 -- Pankreasgang 265 Steinmann-Zeichen 866 Steinschnittlagerung 54 Steinzertrümmerung, intraduktale 260 Steißbein, Schmerzen 449 Steißbeinfistel 439 Stemmer-Zeichen 1156 Stenosegeräusch, Gefäße 1102 Stent 1109 Stent-Angioplastie 1138 Stentprothese 1109, 1111 Sterilisation 161 Sternoklavikulargelenk (SC-Gelenk) 780 Sternoklavikulargelenkluxation 780 Sternotomie 618 -- mediane 981, 998 Sternumaufrichtung 974 Sternumfraktur 991 Steroide 650, 756 Steroidinjektion 1169 Steroidmedikation 772 Stewart-Treves-Syndrom 716 -- 717, 1157 St.-Gallen-Empfehlungen 681 Stichverletzung 588 -- Vorgehen 185 Stichwunde 143 Stiernacken 635 Stimmbandlähmung 618 Stirnlappen, axialer 1180 Stoma, Dünndarm 367 Stoßwellenlithotripsie 469 Stouts-Tumor 1163 Strahlen, ionisierende 148 Strahlenenteropathie 351 Strahlenpilz 1221 Strahlenschäden 148 Strahlentherapie 216, 1250 -- interstitielle 1251
-- konventionelle perkutane 1250 -- stereotaktische perkutane 1251 Strahlung -- ionosierende 207 -- radioaktive 207 -- UV- 208 Strangulation, Darm 573 Strangulationsileus 574 Strecksehnenverletzung, Hand 1215 Streptokinase 1108, 1119 Streptokokken 169, 174, 771, 1155 -- β-hämolysierende 172 -- Infektion 165 Streptomycin 179 Stressantwort, intraoperative 64 Stresshormone 97 Stressreduktion 27 Stressulkus 317 Strickleitermuster, Dünndarm 577 Stridor 1053 Strikturplastik 357 Stromatumoren, gastrointestinale 331, 361 Stromverletzung 147 Struma 604, 723 -- endemische 616 -- euthyreote 617 -- maligna 614, 622 -- multinodosa 617 -- nodosa 616 -- retrosternale 616, 618 Strumalagerung 54 Stuhl, acholischer 452 Stuhlgewohnheiten, Wechsel 380 Stuhlprobe 166 Stupor 1239 Sturge-Weber-Syndrom 1144, 1320 STV = selektive totale Vagotomie 323 Subarachnoidalblutung (SAB) 1315 Subclavian-Steal-Phänomen 1103 Subclavian-Steal-Syndrom 1135 Subduralhämatom 1273 Subileus 572 Subklaviastenose 1135 Subluxation -- Radiusköpfchen 806 -- Schultergelenk 785 -- traumatische 764 Subokzipitalpunktion 1245 -- 1246 Subtraktionsangiographie -- digitale (DSA) 1248 -- Leber 492 Succinylcholin 34 Sudeck-Dystrophie 756 Sufentanil 34 Sulcus ulnaris-Syndrom 1206 Sulfonamide 180 Sulfonylharnstoffe 617 superfiziell spreitendes Melanom (SSM) 1229 Supinationstrauma 732 Supinatorlogensyndrom 1207 Supraspinatussehne 776 Swenson-Verfahren 1079 Switch-Operation 1049 Sympathikusblockade 756 Synchondrose 833 Syndesmose 879 Syndrom der abführenden Schlinge 342 Syndrom der blinden Schlinge 349 Syndrom der zuführenden Schlinge 342
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Sachverzeichnis
Syndrome des operierten Magens 341 Synkope 1004 Synovektomie 772 Synovialsarkom 715 Syphilis 182 Syringobulbie 1309 Syringomyelie 1309 System -- extrinsisches 1189 -- intrinsisches 1189 systemic inflammatory response syndrome (SIRS) 913, 924 Szintigraphie 14 -- granulozytenmarkierte 1248 -- Leber 493 -- Milz 554 -- Na-Pertechnetat 352
T T3 = Trijodthyronin 612 T4 = Tetrajodthyronin 612 Tabatière-Druckschmerz 1213 TACE = transarterielle Chemoembolisation 503, 508 -- 509 Tachypnoe 170, 225 Takayasu-Arteriitis 1164 Takayasu-Syndrom 1122 Tamoxifen 680 -- 681, 688 Tannenbaumendoprothese 264 Tapering 1066 target controlled infusion (TCI) 33 TCD = transkranielle DopplerSonographie 1247 TCI = target controlled infusion 33 T-Drainage 461 TEA= Thrombendarteriektomie 1111, 1134 99mTechnetium-(Tc-)Pertechnetat 614 Teerstuhl 519, 583 Tefloninterponat 1330 Teflonprothese 1111 Teicoplanin 171 Teleangiektasie 1162 -- hämorrhagische 116 -- hereditäre 941 Teleskophänomen 281 Teletherapie 216 Temporalisfaszienlappen 1212 Tendinitis 791 Tendinose 775 Tendopathie 776 -- 777 Tendovaginitis 777 Tendovaginitis stenosans 1197 -- de Quervain 1198 Tennisellenbogen 807 Tenosynovitis 771 TENS = transkutane elektrische Nervenstimulation 1329 Tensilontest 980 tentorielle Herniation 1241 Teratom 204, 981, 1091 Territorialinfarkt 1327 Tetanie 618 Tetanol 178 Tetanospasmin 177 Tetanus 177 -- Grundimmunisierung 178 Tetanusprophylaxe 174 Tetanusschutz 145, 918 Tetanustoxin 177 Tetanus-Toxoid 178 Tethered cord-Syndrom 1307
Tetrahydroaldosteron 634 Tetrajodthyronin (T4) 612 Tetrazykline 193 TGA= Transposition der großen Arterien 1047 Thalassaemia major 559 Thermokoagulation, Ganglion Gasseri 1330 Theta-Wellen, EEG 1248 Thiopental 33 Thomas-Handgriff 845 Thompson-Test 879 Thoracic-Inlet-Syndrom 1137 Thoracic-Outlet-Syndrom (TOS) 1103, 1136 Thorakoskopie 938, 956 Thorakotomie -- anterolaterale 998 -- posterolaterale 998 Thorax 926 -- Arteriographie 933 -- Computertomographie 931 -- Lungenperfusionsszintigraphie 932 -- Magnetresonanztomographie 931 -- Phlebographie 932 -- Positronenemissionstomographie 932 -- Röntgenuntersuchung 930 -- Sonographie 931 Thoraxmagen 299 Thoraxprellung 986 Thoraxquetschung 986 Thoraxsperrer 62 Thoraxtrauma 986 -- penetrierendes 991 -- stumpfes 988 Thoraxwandtumoren 971 Thorotrast 716 Thrombangiitis obliterans 1122 Thrombasthenie Naegeli-Glanzmann 1323 Thrombendarteriektomie (TEA) 1111, 1134 -- Karotis 1328 Thrombininhibitoren 124 -- Antagonisierung 126 -- Kontraindikationen 126 Thrombinzeit 132 Thrombophlebitis 1152 -- migrans 1153 -- Morbus Mondor 1153 -- saltans 1153 -- septische 376, 1153 -- superficialis 1153 -- Varikophlebitis 1153 Thromboplastin 112 Thromboplastinzeit, partielle 110 Thrombose 116 -- arterielle 117, 1116 -- Prophylaxe 124 -- pulmonale 119 -- venöse 118 -- Virchow-Trias 117 Thromboseprophylaxe 1152, 1155 thrombotische Diathese 107 Thrombozytenaggregationshemmer 1108 Thrombozytenfunktionshemmer 133 Thrombozytenkonzentrat (TK) 74 -- 75 Thrombozytopathie 115 Thrombozytopenie 115 -- heparininduzierte 126
thrombozytopenische Purpura 115 -- idiopathische (ITP) 559 Thrombozytose 115, 552 thumbprints 392 Thymektomie 981 Thymom 978 Thyreoglobulin 612, 614 thyreoidale Autonomie 619 Thyreoidea stimulierendes Hormon (TSH) 612, 614 Thyreoidektomie 618, 624 Thyreoiditis 615 Thyreostatika 621 Thyreotoxikose 686 thyreotoxische Krise 621 Thyreotropin 612 Thyreozyten 612 Thyroxin 612, 626 Thyroxinpräparate 619 TIA= transitorische ischämische Attacke 1116, 1327 Tibiakopffraktur 871 Tibiakopfimpressionsfraktur 873 Tiefenbestimmung, Verbrennung 907 Tiegel-Kanüle 993 Tietze-Syndrom 778 Tilidin 89 TIPS = transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt 521 TIVA= total intravenöse Anästhesie 31, 33 TK = Thrombozytenkonzentrat 74 -- 75 TK = Totalkapazität 934 Tobramycin 176 Toleranzdosis, minimale, Strahlentherapie 1251 Tollwut 186 Tollwutübertragung 145 Torsionsbruch 731 Torus -- mandibulae 1226 -- palatinus 1226 TOS = Thoracic-Outlet-Syndrom 1136 Tossy-Klassifikation, Akromioklavikulargelenkluxation 782 total intravenöse Anästhesie (TIVA) 31, 33 Totalkapazität (TK) 934 Tourniquet-Syndrom 1120 toxisches Adenom 619 toxisches Megakolon 184, 388 Trachearuptur 988 Tracheomalazie 1053, 1056 Tracheostoma 609 Tracheotomie 609 TRAK = TSH-Rezeptor-Antikörper 614 Traktionsdivertikel 286, 288 TRALI-Svndrom (transfusionrelated acute lung injury) 77 TRAM-Lappen 1176, 1183 Tramadol 89 Tramal 89 Transaminasen 532 transarterielle Chemoembolisation (TACE) 503, 509 Transformation, maligne 207 transfusion-related acute lung injury (TRALI) 77 Transfusionshämosiderose 78 Transfusionsreaktion 1003 -- allergische 77
1415 -- chemische 78 -- durch bakterielle Kontamination 77 -- febrile nicht hämolytische 77 -- Graft-versus-Host-Disease 77 -- hämolytische 76 -- physikalische 78 -- posttransfusionelle Purpura 77 -- TRALI-Syndrom 77 -- Transfusionshämosiderose 78 -- verzögerte hämolytische 77 -- Zitratintoxikation 78 Transfusionstherapie 71 -- autologe Transfusion 79 -- Durchführung 72 -- Indikationen 71 -- Massivtransfusion 78 -- Notfalltransfusion 79 -- Plasmapräparate 75 -- Risiken 76 -- Transplantation 81 -- Tumorpatient 81 -- zelluläre Präparate 74 Transfusionstrigger 71 transitorische ischämische Attacke (TIA) 1116, 1327 transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt (TIPS) 521 transkranielle Doppler-Sonographie (TCD) 1247 transluminale Angioplastie 1109 -- perkutane 131 Transplantation, Blutersatz 81 Transposition der großen Arterien (TGA) 1047 Transpositionslappen nach Thompson 1157 Transrektalschnitt 461 Transversosigmoidostomie 405 Transversostoma 405 Transversumresektion 402 Trastuzumab 682 Trauma, abdominales 585 Trauma Injury Scale 589 Trauma-Scan 587 Traumatologie 731 Treitz-Band 306 Trendelenburg-Operation 123 Trendelenburg-Position 54 Trendelenburg-Zeichen 844 Treponema pallidum 182 TRH = thyreotropin releasing hormone 1292 Trichobezoar 313 Trichterbrust 972 Trigeminusneuralgie 1330 Trigonozephalus 1311 Trijodthyronin (T3) 612 Trikuspidalatresie 1044, 1046 Trikuspidalklappeninsuffizienz 1009 Trikuspidalklappenrekonstruktion 1047 Trikuspidalklappenstenose 1009 Trimethoprim-Sulfamethoxazol 193 Trinkschwäche 639 Triple-H-Therapie 1318 Trismus 177 TRIS-Puffer 1257 -- 1258 Trisomie 21 1038 Trochanter-minor-Abriss 731 Trokar 136 Trokarbiopsie 721 Trometamol 65 Tropfen, hängender 1233
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1416 Trümmerbruch 7331 Truncus(-i) -- vagales 306 -- arteriosus communis 1051 -- jugularis 602 -- subclavius 602 trunkuläre Vagotomie (TV) 323, 342 Trypsininhibitor 530 Trypsinogen 530 TSH = Thyreoidea stimulierendes Hormon 612, 614 TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) 614 Tuberkulintest 179 Tuberkulose 178, 947 -- Dünndarm 357 -- gastrointestinale 179 tuberöse Sklerose 716 tubuläres Adenom 395 tubuläres Karzinom 670 tubulo-villöses Adenom 395 Tubuseinlage 243 Tumor 164 Tumorblutung 184 Tumorektomie 680 Tumoren 201 -- benigne 201 -- Borderline- 361 -- Diagnostik 204 -- Entwicklungsstufen 210 -- extradurale 1295 -- Gentherapie 221 -- intradurale extramedulläre 1296 -- intramedulläre 1296 -- Klassifikation 204 -- maligne 201 -- neuroendokrine 707 -- neurogene, Mediastinum 982 -- odontogene 1226 -- palliative Verfahren 217 -- Prognose 219 -- R-Klassifikation 214 -- semi-maligne 201 -- spinale 1294 -- Therapie 213 -- TNM-Klassifikation 205 Tumorgenese 207 Tumorgrading 204 Tumormarker 206 Tumornachsorge 43 Tumornekrosefaktor 164 Tumorpatient, Blutersatz 81 Tumorstaging 205 Tumorsuppressorgen 212 Turçot-Syndrom 407, 409 Turmschädel 1311 Turrizephalus 1311 TV = trunkuläre Vagotomie 323 Typ-A-Kompressionsverletzung 828 Typ-B-Flexionsverletzung 828 Typ-C-Rotationsverletzung 828
U Übelkeit 531, 650 Überlaufstuhl 399 Ulcus -- cruris 119, 141 -- venosum 149 -- duodeni 320, 454 -- Blutung 328 -- Penetration 328
Sachverzeichnis
-- Perforation 326 -- durum 182 -- molle, Rektum 442 -- pepticum jejuni 326, 344 -- recti simplex 442 -- simplex jejuni 359 -- ventriculi 318, 454 -- Blutung 328 -- Penetration 328 -- Perforation 326 Ulkus 315 -- bei CVI 1115 -- bei pAVK 1115 -- Blutung 328 -- chronisches 318 -- Dieulafoy 316 -- Dünndarm 358 -- kallöses 315 -- kissing ulcus 315 -- Komplikationen 326 -- Penetration 328 -- peptisches 315, 539 -- Perforation 326 -- Rezidiv 343 -- Vagotomie 323 Ulkusblutung -- Einteilung nach Forrest 328 -- Umstechung 323 Ulkuserkrankung 710 Ulkuskrankheit 315 Ulkuspersistenz 322 Ulkusübernähung 323 Ulna 1189 Ulnafraktur, proximale 805 Ulnariskompressionssyndrome 1206 Ulnarisschädigung 1191 Ultraschall, intravaskulärer 1108 Ultraschalldissektoren 59 Ultraschallsauger 1297 Ultraschalluntersuchung, endoskopische 273 Undine-Syndrom 1078 unhappy triad 863 Unterarm 803 -- Untersuchungstechniken 803 Unterarmfraktur, kindliche distale 816 Unterarmlappen 1176 Unterarmluxationsfraktur 812 Unterarmschaftfraktur 747, 810 unterer Ösophagussphinkter (UÖS) 271, 306 Unterkieferfraktur 1234 Unterkieferluxation 1235 Unterkieferosteomyelitis 1220 Unterschenkel 859 -- Untersuchungstechniken 859 Unterschenkelödem, lymphatisches 650 Unterschenkelfraktur 870 Unterschenkelschaftfraktur 873 Unterspritzung, obere gastrointestinale Blutung 253, 273 Untersuchung -- digitale 421 -- körperliche 8 -- proktologische 420 -- rektal-digitale 9 UÖS = unterer Ösophagussphinkter 271, 306 Upside-down-Magen 985 Upside-down-Stomach 299 Urachusfistel 1082 Urachuszyste 1082 Urämie 531 Ureter
-- duplex 1095, 1096 -- fissus 1096 Ureterabgangsstenose 1094 Ureterkolik 454 Uretermündungsstenose 1095 Ureterverlagerung 649 Urethra -- Fehlmündung am Penis 1098 -- Klappenresektion 1094 Urethralklappen 1093 Urinprobe 166 Urogramm, retrogrades 650 Urokinase 1108, 1119 Urteilsfähigkeit 23 Uveitis 355 UV-Strahlung 208 Uvula bifida 1237
V VACTERL-Syndrom 1067 Vagotomie 323 -- laparoskopische 324 -- selektive -- gastrale 323 -- proximale 324, 342 -- totale 323 -- trunkuläre 323, 342 Vagusstimulation, Magen 306 Vakuumbiopsie 659 Vakuummatratze 1281 Vakuumtherapie 159 Valgus-Flexions-AußenrotationsVerletzung 863 Valleix-Druckpunkte 1336 Valoron 89 Vancomycin 171 Vanillinmandelsäure 642, 1089 Varikophlebitis 1153 Varikosis 1148 -- Einteilung 1149 Varizen 1148 -- gastroösophageale 515 -- Therapie 519 -- Gewebekleber 248 -- Ösophagus- 247 -- Sklerosierung, endoskopische 247 Varizenblutung 249 -- akute 519 -- Ballontamponade 519 -- pharmakologische Vasokonstriktion 520 -- Rezidivblutungprophylaxe 522 Varizenligatur 249, 522 Varizenstripping 1151 Varus-Flexions-InnenrotationsVerletzung 863 VAS = visuelle Analogskala 83 Vasculitis allergica 1164 Vaskulitis, kutane 355 vasoaktives intestinales Peptid (VIP) 530 Vasodilatatoren 229 Vasokonstriktion 138, 916 Vasoneurolyse 1200 Vasopathie 115 Vasoplegie 229 Vasopressinanaloga 520 VATER-Syndrom 1067 VATS = video assisted thoracic surgery 938, 966 VATS = videoassistierte Thorakoskopie 938, 966 VC = Vitalkapazität 17
Vecuronium 35 vegetatives Enthemmungssyndrom 1243 Vena(-ae) -- azygos 295, 927 -- cava -- inferior 295, 927 -- Kompression 137 -- superior 927 -- Kompression 976, 984 -- Zugang, zentralvenöser 28 -- femoralis, Verletzung 1113, 1161 -- profunda 1151 -- jugularis interna 600 -- 601, 611 -- Verletzung 608 -- lienalis 488, 1127 -- mesenterica, Flussumkehr 425 -- superior 345, 1127 -- poplitea, Verletzung 863 -- portae siehe auch Pfortader 488, 1127 -- Hypertension, portale 515 -- pulmonalis 938 -- Malformation, arteriovenöse 941 -- saphena -- magna -- autologe 1111 -- Bypass, aortokoronarer 1015 -- parva, Bypass, aortokoronarer 1015 -- splenica, Hypertension, portale 515 Venen 1100 Venenerkrankungen, Einteilung 1147 Venenfunktionstest 1147 Venenkatheter, Infektion 168 Venenstripping 1151 Venensystem -- Anatomie 1146 -- Diagnostik 1147 Venenverletzung 1161 Venenverschlussplethysmographie 1148 Venenwinkel, rechter 1100 Venexhairese 1151 Ventilationsstörung -- obstruktive 18, 935 -- restriktive 18, 935 Ventilpneumothorax 991 ventrale Fundopexie 300 Ventrikeldrainage, externe 1258 Ventrikelperforation 1019 Ventrikelpunktion 1245 Ventrikelrekonstruktion nach Dor 1018 Ventrikelseptumdefekt (VSD) 1018, 1040 -- membranöser 1041 -- muskulärer 1041 VEP = visuell evozierte Potenziale 1249 Verbrauchskoagulopathie 112 -- chronische 114 Verbrennung 146, 906 -- Analgetikatherapie 916 -- Ebb-Phase 914 -- Erste Hilfe 915 -- Exzisionsverfahren 920 -- Flut-Phase 914 -- Handflächenregel 910 -- Lund-Browder-Tabelle 910 -- Neuner-Regel 910 -- Oberflächenbestimmung 910 -- Reparationsphase 924 -- Sauerstoffapplikation 915
Aus D. Henne-Bruns u.a..: Duale Reihe - Chirurgie (ISBN 978-3-13-125293-7) © 2007 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden!
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Sachverzeichnis
-- Schmerztherapie 916 -- Schockphase 923 -- systemische Folgen 913 -- Tiefenbestimmung 907 -- Versorgung durch den Notarzt 915 Verbrennungsindex nach Baux 918 Verbrennungskrankheit 913, 924 Verbrennungsschock 228, 914 Verbrennungsschorf 919 Verbrennungswunde 913 -- Deckung 919 Verbrühung 906 Verbundosteosynthese 747 Verdauungsphase 308 Verkalkung, intramuskuläre 774 Verletzung -- chemische 148 -- durch Strom 147 -- Gesicht 1230 -- Hals 607 -- Herz 1022 -- Milz 557 -- Rückenmark- 1278 -- Thorax 986 -- Weichteile 1231 Verrenkung 764 Verres-Sicherheitsnadel 963 Verriegelungsnagel 748 Verschiebeschwenklappen 1178 Verschlusshydrozephalus 1298 Verschlussikterus 453, 490 Verschlusskrankheit, periphere arterielle (pAVK) 1122 -- Gehstrecke 1103 Verstopfung, chronische 417 Vertebroplastie 832 vesikoureteraler Reflux 1096 video assisted thoracic surgery (VATS) 938, 966 videoassistierte Thorakoskopie (VATS) 938, 966 Video-Endoskopie 10 Vigilanzstörung 230 Vincent-Zeichen 1230 Vincristin 1252 Vinylchlorid 716 VIP = vasoaktives intestinales Peptid 530, 452 Virchow-Drüse 606 Virchow-Trias 117 Virushepatitis 490 visuell evozierte Potenziale (VEP) 1249 Viszeralarterien, Ischämiesyndrome 1126 Vitalkapazität 17, 934 Vitamin B 1258 Vitamin C 1258 Vitamin E 1258 Vitamine 96 Vitamin-K-Antagonisten 1108 Vitamin-K-Mangel 111 VK = Vitalkapazität 934 Volkmann-Haken 62 Volkmann-Kontraktur 753 Vollblut 73 Vollhauttransplantat 1173 Vollheparinisierung 1119 Vollnarkose 31 Voltaren 87 Volumenersatztherapie 69 -- Säugling 76 Volumenmangelschock 222 Volumensubstitution 1160 Volumentherapie 227
-- perioperative 67 Volvolus 1063 -- Kolon 412 von-Willebrand-Jürgens-Syndrom 110 Vorbereitung -- präoperative 53 -- Herz 994 Vorhoffflimmern 1007 -- operative Therapie 1031 Vorhofseptumdefekt 1038 Vorhofumkehr -- nach Mustard 1049 -- nach Senning 1049 Vorschiebelappen 1178 VSD = Ventrikelseptumdefekt 1018, 1040 V-Y-Plastik 1200 -- Hand 1212
W Wachstumshormon 1292 Wadendruckschmerz 1102 Wächterlymphknoten 673 Wärmeaustauscher 997 Wallace, Neuner-Regel nach 910 Wall-Stent 244 Wanderlappen 1174 Warmblut 73 Wartenberg-Syndrom 1207 Warze 201 Wasserhaushalt, perioperative Veränderungen 64 Wasserretention, perioperative 64 Waterhouse-FriderichsenSyndrom 553 Weber-Ramstedt-Pyloromyotomie 1075 Wegener-Granulomatose 1122 Weichgewebetumoren 1225 Weichteilbestrahlung 843 Weichteilerkrankungen 772 Weichteillappen 1174 Weichteilsarkom 203, 715 -- Lokalrezidivrate 729 -- Prognose 728 -- Therapie 724 Weichteilschaden 740 Weichteiltumoren 707, 714 -- histologische Einteilung 723 -- Therapie 724 Weichteilverletzung 1231 Weichteilzyste, Entzündung 1224 Werlhof, Morbus 559, 1323 Wermer-Syndrom 716 Whipple-Operation 484, 540 Whipple-Schraube 1214 Whipple-Trias 709 WHO-Stufenschema, Schmerztherapie 91 Wiedemann-Beckwith-Syndrom 1061 Wilms-Tumor 204, 1090 Wilson-Cook-Tubus 242 Windverhalt 566 Winiwarter-Buerger, Morbus 1122 W-Inzision 1171 Wirbelkörperfraktur, osteoporotische 832 Wirbelmetastase 1296 Wirbelsäule 817 -- Distraktionsverletzung 828
-- Typ-A-Kompressionsverletzung 828 -- Typ-B-Flexionsverletzung 828 -- Typ-C-Rotationsverletzung 828 -- Untersuchungstechniken 819 Witzel-Fistel 294, 339 Wolff-Gänge 1093 W-Plastik 1171 W-Pouch 389 Wuchereria bancrofti 1156 Wulstbruch 737 Wundarten 142 Wundausschneidung 154 Wundbehandlung 153, 1167 Wunddiphtherie 182 Wunddrainage 158 Wunde 138 -- chronische 142, 149 -- Exzision 154 -- Heilung 138 -- Klassifikation 168 -- nekrotische 139 -- Regeneration 138 -- Reparation 138 -- traumatische 142 -- zerklüftete 139 Wundheilung 138 -- Einflussfaktoren 151 -- regenerative 141 -- sekundäre 140 -- verzögerte primäre 140 Wundinfektion 167 -- Prophylaxe 195 Wundsäuberung, biologische 150 Wundstarrkrampf 177 Wundverband 157 Wundverschluss 154 Wurzelkompressionssyndrom 1114
X Xenon 32 Xylit 96 Xylose-Test
349
Y Yergason-Zeichen 792 Y-V-Plastik, Karotisstenose
1134
Z Zahlenverbindungstest 516 Zange 60 Zellpolymorphie 201 Zellulitis, Clostridien 176 Zenker-Divertikel 286 -- Endoskopie 247 -- endoskopische Therapie 246 zentrale Dysregulation 1243 zentraler Venenkatheter (ZVK) 28 Zentralisation, Kreislauf 225, 229 zentralvenöser Zugang 28 Zerebralsklerose 1033 Zerebroprotektion 1258 Zerrung, Band 763 Ziehl-Neelsen-Färbung 179, 948 Z-Inzision 1170
Zirkulation -- assistierte 999 -- extrakorporale (EKZ) 995 -- Komplikationen 1001 -- Standardverfahren 998 Zirkulationsstillstand 998 Zirkumzision 1086 Zitratintoxikation 78 Z-Linie 270 ZNS-Tumoren siehe auch Hirntumoren 1283 -- Chemotherapie 1252 Zökumvolvulus 414 Zollinger-Ellison-Syndrom 308, 321, 710 Zona -- fasciculata 633 -- glomerulosa 633 -- reticularis 633 Z-Plastik 1170, 1200 -- Hand 1212 Zülzer-Wilson-Syndrom 1078 Zugang -- periphervenöser 28 -- transperitonealer 649 -- zentralvenöser 28 Zugangsweg, extraperitonealer 649 Zuggurtung 747 Zuggurtungsosteosynthese 807, 870 Zugschrauben 747 ZVK = zentraler Venenkatheter 28 Zweiflügelklappenprothese 1010 Zwerchfell 295 -- Durchtrittstellen 295 -- kongenitale Defekte 1057 -- Relaxatio diaphragmatica 303, 1060 -- Tumoren 304 Zwerchfellagenesie 1058 Zwerchfellaplasie 1058 Zwerchfelldefekt 1057 -- Zwerchfellfehlbildungen 1057 Zwerchfellhernie 296, 985 -- angeborene 296 -- kongenitale 1057 -- Zwerchfellhochstand 1060 Zwerchfellparese 1060 Zwerchfellresektion 971 Zwerchfellruptur 302 Zwerchfellschenkel 295 Zwerchfelltiefstand 942 Zwischenhirnsyndrom 1241 Zyanose beim Neugeborenen Zystadenokarzinom, muzinöses, Appendix 377 Zyste 723 -- Brustdrüse 661, 664 -- bronchogene 939 -- dysontogenetische 1223 -- entzündliche 1223 -- Entzündung 1223 -- follikuläre 1223 -- Halszysten 604 -- laterale parodontale 1223 -- Mediastinum 939 -- radikuläre 1223 Zystektomie 496, 1224 Zystenaspiration 664 Zystenexzision 664 Zystenleber 494 Zystenniere (Potter III) 1093 Zystojejunostomie 542 Zystostomie 1224 Zytokine 164, 221 Zytopenie 554, 560 Zytostatika 215 Zytostatikatherapie 772
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