Bettina Schiessler Coaching als Maßnahme der Personalentwicklung
VS RESEARCH
Bettina Schiessler
Coaching als Maßna...
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Bettina Schiessler Coaching als Maßnahme der Personalentwicklung
VS RESEARCH
Bettina Schiessler
Coaching als Maßnahme der Personalentwicklung Aktuelle Praxis, Analyse und wissenschaftlicher Ansatz für eine einheitliche Coachingmethodik
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Walter Dürr
VS RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation an der Freien Universität Berlin, 2009 D 188
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Verena Metzger / Britta Göhrisch-Radmacher VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17507-2
Geleitwort
Die von der Autorin vorgenommene Analyse des Coaching-Phänomens und die von ihr hieraus abgeleiteten Gestaltungsempfehlungen bezüglich des Coachings geben an dieser Stelle Gelegenheit zu einigen grundsätzlichen Ausführungen, weil sowohl die tragenden Begriffe als auch die Vorgehensweise im Rahmen der hier angewendeten Theorie aus ihrem unmittelbaren Verwendungszusammenhang heraus generell nicht einfach zu erfassen sind und die Forschungsmethode in der herkömmlichen empirisch-sozialwissenschaftlichen Forschung bisher auch noch weitgehend unbekannt ist. Die in dieser Arbeit zur Analyse des Coachings angewendete Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information basiert auf wesentlichen Aussagen der Quantentheorie (bzw. deren abstrakter Rekonstruktion) der Synergetik und der Informationstheorie. Bereits die Erwähnung der Quantentheorie im Zusammenhang mit einer sozialwissenschaftlichen Untersuchung des Coachings mag zunächst befremdlich wirken. Handelt es sich nicht um denjenigen Bereich der Physik, der sich mit den elementaren Bausteinen der Natur, der Materie beschäftigt? Mit der Anwendung quantentheoretischer Überlegungen auch auf geistige Phänomene wird hier ein neuer Weg in der sozialwissenschaftlichen Forschung beschritten. Das ‚Quantum der Wirkung’ ist in der Tat eine mathematisch sehr kleine Einheit. Ihre Entdeckung durch Max Planck hat in der nachfolgenden Forschung durch Einstein, Bohr, Heisenberg und nicht zuletzt C.F. v. Weizsäcker zu einer Abkehr von der Vorsstellung geführt, dass die Welt aus elementaren Bausteinen bestehe und durch die Rückführung der wahrgenommenen Phänomene auf elementare Daten und ihre Konstrukionsgesetze erklärt werden könne. Weder die Stabilität der Atome noch die Selbststabilisierung der in der kosmischen Entwicklung entstandenen Gestalten lassen sich so erklären. Insbesondere Werner Heisenberg und sein Schüler Weizsäcker sahen in der Möglichkeit, die von Platon erwogen worden war, Materie durch ‚Gestalten’ beziehungsweise durch Ideen zu erklären, eine sinnvolle Alternative zur Zerlegung der Wirklichkeit in elementare Daten. Der Begriff der Information ist bei Weizsäcker eine moderne Fassung des Eidos-Begriffs. So erscheint es möglich, auch geistige Phänomene in einen quantentheoretischen Erklärungszusammenhang einzubeziehen. Die von Hermann Haken entwickelte Synergetik, die Lehre vom
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Geleitwort
Zusammenwirken, eine Wissenschaftsauffassung, die auch Phänomene des Psychischen, Sozialen und Ökonomischen in ihre Forschung einbezieht, fragt nach den Bedingungen für ihre Selbststabilisierung, ausgehend von der Erforschung des Laser-Phänomens, eines typischen Quantenphänomens. Das Ergebnis dieser Reflexion ist die nichtklassische, das heißt quantentheoretische, synergetische Theorie der Information. Klassisch betrachtet ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Coaching zunächst eine Sammlung von Fakten: von der Forscherin beobachtete Merkmale, die unter dem Begriff ‚Coaching’ subsumierbar sind, die das Coaching-Geschehen so darstellen, wie es aus den Veröffentlichungen zu entnehmen ist: als ein modernes, innovatives Personalentwicklungsinstrument. Die Fakten betreffen primär das Gebiet von Arbeit und Beruf. Im Fokus der Betrachtungen stehen Beeinträchtigungen und Beschwerden, auch Erfahrungen und Ereignisse aus dem privaten Bereich, die das Berufsleben beeinflussen. Angestrebt werden vor allem Korrekturen der beruflichen Perspektiven und die Ermöglichung einer individuellen ‚Hilfe zur Selbsthilfe’ durch die Förderung der Selbstregulationsund Selbststabilisierungsfähigkeit. Die jeweiligen Beratungsprozesse sind abgestimmt auf die einzelnen Klienten. Die Vielfalt an Coachinganlässen, Problemsituationen und Themenstellungen hat unterschiedliche, teilweise heterogene Vorgehensweisen und Erklärungsversuche zur Folge und ein Defizit hinsichtlich überprüfbarer Qualitätskriterien. Bettina Schiessler gelingt es, die als Fakten präsentierten Phänomene des Coachings im Rahmen der gewählten Theorie präzise und gut nachvollziehbar zu erklären. Erst hierdurch zeigt sich, dass und warum sich das Coaching, verstanden als sich selbst stabilisierende geistig-gedankliche Gestalt, in einem instabilen Zustand befindet. Aufgrund der theoretischen Analyse wird erkennbar, dass derzeit eine schlüssige konzeptionelle Orientierung fehlt. Kern der Gestaltungsempfehlungen für die künftige Selbststabilisierung der Gestalt des Coachings ist daher die Entwicklung einer einheitlichen Coachingmethodik als Beitrag zur theoretischen Fundierung, wozu die Autorin ebenfalls einen vielversprechenden Ansatz vorstellt. In nichtklassischer Sicht wird das Coaching subjektiv wahrgenommen in den Erlebnisformen und -prozessen derjenigen, die das Coaching alltäglich betreiben. Als Kognitionsprozess ist dieses Erleben mit einem Wissenserwerb über die Umwelt verbunden, so auch in der möglichen Rezeption der vorliegenden Forschungsergebnisse. Daraus kann sich eine Fülle neuer Handlungsmöglichkeiten eröffnen und zu neuen Fragestellungen an die Befunde dieser Untersuchung führen. Prof. Dr. Walter Dürr
Vorwort
„Die Welt, in der wir leben, wird ständig komplexer und fordert uns Menschen immer mehr. Zugleich schreitet die Forschung weiter voran, um komplexe Vorgänge in Natur und Gesellschaft zu verstehen.“ Hermann Haken und Günter Schiepek
Coaching ist eine moderne und innovative Maßnahme der Personalentwicklung, die in der Arbeitswelt mittlerweile eine große Bedeutung erlangt hat. Wer jedoch wissen möchte, was sich genau hinter dem Begriff ‚Coaching’ verbirgt, sieht sich zunächst mit einer unüberschaubaren Vielfalt unterschiedlicher Definitionen, Vorgehensweisen und Ansätze konfrontiert. Der Begriff ‚Coaching’ wird bis heute sehr diffus und uneinheitlich verwendet und auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem aus der Praxis heraus entstandenen Beratungskonzept befindet sich noch in den Anfängen. Vor allem in der aktuellen Coachingpraxis ergibt sich daraus ein bedeutendes Problem der Qualitätssicherung, das gerade vor dem Hintergrund der kontinuierlich zunehmenden Popularität des Coachings in Fachkreisen auch verstärkt diskutiert wird. Verbunden mit der damit einhergehenden Forderung nach mehr Professionalisierung und Transparenz im Coaching insbesondere durch die Schaffung von Qualitätsstandards wird zugleich die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Fundierung des Praxisfelds ‚Coaching’ betont und eine verstärkte wissenschaftliche Forschung gefordert. Dieses Buch soll nun sowohl zu einem besseren einheitlichen Verständnis des Coachings als auch zu dessen wissenschaftlicher Fundierung und theoretisch basierter Weiterentwicklung beitragen. Hierzu wird dem Leser zunächst ein ausführlicher Überblick über die gegenwärtige Coachingpraxis gegeben. Dabei wird im Einzelnen aufgezeigt, was heute allgemein unter ‚Coaching’ verstanden wird und wie sich die derzeitigen Vorgehensweisen im Coaching darstellen. Anschließend wird auf dieser Grundlage eine präzise, theoretisch fundierte Analyse und Evaluation vorgenommen sowie darauf basierend auch ein neuer wis-
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Vorwort
senschaftlicher Ansatz für eine einheitliche Coachingmethodik als umfassende konzeptionelle Grundlage erarbeitet. Um in dieser Arbeit die Beratungsform ‚Coaching’, die sich als ein sehr komplexes sozialwissenschaftliches Phänomen darstellt, der Realität entsprechend in ihrer Gesamtheit einheitlich analysieren, erklären und bewerten zu können, wird hier eine über einen sehr hohen Allgemeinheitsgrad verfügende, umfassende Theorie angewendet. Es wird gezeigt, wie es mit Hilfe dieser Theorie und der mit ihr verbundenen deduktiven empirischen Forschungsmethodik gelingt, die derzeitige Leistungsfähigkeit und Qualität des Coachings zu untersuchen und die Untersuchungsergebnisse fundiert zu erklären, wozu auch die vorhandenen Stärken und Schwächen des Coachings systematisch aufgezeigt werden. Ferner wird dargestellt, wie sich auch Wahrscheinlichkeitsprognosen über die zukünftige Entwicklung der Maßnahme erstellen lassen und konkrete Bedingungen für eine künftige Steigerung der Leistungsfähigkeit bzw. des Erfolgs und zur Sicherung der Qualität des Coachings nachvollziehbar abgeleitet werden können. Der Weg zu einem solch umfassenden besseren Verständnis des Coachings wird dabei im Rahmen der angewendeten Forschungsmethodik durch die methodische Verknüpfung der im ersten Schritt vorzunehmenden ganzheitlichen phänomenologischen Wahrnehmung des Forschungsgegenstands (Datenerhebung) und der sich erst im zweiten Schritt daran anschließenden theoretischen Erklärung seiner Struktur (theoretischen Auswertung) ermöglicht. Wobei die hier zugrundeliegende Forschungsmethodik damit konsequenterweise auch den Aufbau der vorliegenden Arbeit bestimmt, indem sie mit der Datenerhebung, also der ausführlichen Beschreibung des Coachings (im Rahmen der phänomenologischen, begrifflich-empirischen Herangehensweise), beginnt und anschließend im zweiten Schritt die vorab dokumentierten Daten anhand der angewendeten allgemeinen und umfassenden Theorie einheitlich analysiert und interpretiert. Basierend auf den so im Rahmen der Analyse des Coachings gewonnenen Erkenntnissen wird schließlich auch ein Vorschlag für eine bislang fehlende einheitliche Coachingmethodik als allgemeine, umfassende konzeptionelle Grundlage entwickelt. Ziel dieser Arbeit ist, eine neue Möglichkeit zur alternativen Betrachtung des Coachings aufzuzeigen und damit einen Beitrag zu einem besseren, einheitlichen Verständnis des Coachings, zur wissenschaftlichen Evaluation und Fundierung der Maßnahme sowie zu deren konkreter theoretisch basierter Weiterentwicklung zu leisten. Damit ist letztlich auch der Wunsch verbunden, zur Professionalisierung des Coachings und dessen Qualitätssicherung beigetragen zu haben und die weitere Etablierung dieser innovativen Beratungsform in der Arbeitswelt zu fördern.
Vorwort
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An dieser Stelle möchte ich nun auch den Personen danken, die mich während meiner Arbeit an der Dissertation begleitet und zu ihrem Gelingen beigetragen haben. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Walter Dürr, der diese Dissertation angeregt und ihr Entstehen stets mit großem Wohlwollen und Engagement gefördert hat. An seinem Institut fand ich zudem ein hilfreiches Diskussionsforum zur kritischen Überprüfung der dieser Arbeit zugrundeliegenden Thesen. Ferner danke ich Herrn Prof. Dr. Reinhold S. Jäger für die Erstellung des Zweitgutachtens, Frau Dr. Inka Gläser, in der ich im Verlauf der Arbeit stets eine kritische und inspirierende Diskussionspartnerin fand, sowie Herrn Reinhold Güntner und Herrn Josef Neumeier, die mir geholfen haben, meine berufliche Tätigkeit mit der Erstellung dieser Arbeit in Einklang zu bringen. Von ganzem Herzen danke ich vor allem auch meiner Familie, ohne deren geduldige und liebevolle Unterstützung diese Arbeit nicht entstanden wäre.
Bettina Schiessler (geb. Fischer)
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung................................................................................................... 17
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Was ist Coaching?..................................................................................... 25 2.1 Einführung ....................................................................................... 25 2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung....... 26 2.2.1 Ursprung des Coachings ............................................................. 26 2.2.2 Fehlen einer einheitlichen Definition: Was bedeutet Coaching? ............................................................. 32 2.2.3 Abgrenzung zu Supervision, Psychotherapie sowie traditionellen Seminaren und Trainings ...................................... 68 2.3 Der Grundgedanke der Hilfe zur Selbsthilfe im Coaching .............. 80 2.4 Mögliche Anlässe für Coachings..................................................... 89 2.5 Der Coach ........................................................................................ 99 2.5.1 Rolle des Coachs....................................................................... 100 2.5.2 Anforderungsprofil des Coachs ................................................ 103 2.5.2.1 Anforderungen an menschliche bzw. soziale Kompetenzen ...................................................................... 106 2.5.2.2 Anforderungen an fachliche Kompetenz und praktische Erfahrung ............................................................................ 112 2.5.2.3 Anforderungen an das Konzept des Coachs........................ 119 2.5.3 Arten von Coachs...................................................................... 124 2.5.3.1 Externer Coach.................................................................... 125 2.5.3.2 Interner Coach..................................................................... 129 2.5.3.3 Führungskraft als Coach ..................................................... 134 2.6 Arten von Coachings ..................................................................... 143 2.6.1 Einzelcoaching.......................................................................... 144 2.6.2 Gruppencoaching ...................................................................... 146 2.6.3 Teamcoaching........................................................................... 149 2.7 Coaching als Prozess ..................................................................... 153 2.7.1 Vorphase: Kontaktaufnahme, Erstgespräch, Kontraktformulierung.............................................................................. 160 2.7.2 Hauptphase: Arbeitsphase/eigentliche Coachinggespräche ...... 169
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Inhaltsverzeichnis 2.7.3
Abschlussphase: Beendigung und Bewertung des Coachingprozesses .................................................................... 188 2.7.4 Methodische Vorgehensweisen im Coachingprozess ............... 193 2.8 Fehlende Standards und Qualitätssicherung im Coaching............. 202 2.9 Zusammenfassung und Ausblick ................................................... 210 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information............... 219 3.1 Einführung ..................................................................................... 219 3.2 Grundlagen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information .................................................................................... 224 3.2.1 Innere Struktur und Kohärenz................................................... 225 3.2.2 Rahmenbedingungen und Korrespondenz ................................ 229 3.2.3 Ebenen und Krisen.................................................................... 230 3.2.4 Modi der Zeit: Wahrnehmung, Faktizität und Möglichkeit ...... 231 3.2.5 Selbstorganisation in der Zeit und Kraft der Selbststabilisierung ................................................................... 238 3.3 Forschungsmethodik...................................................................... 247 3.3.1 Wahrnehmung von Phänomenen und Dokumentation (Datenerhebung)........................................................................ 250 3.3.2 Theoretische Analyse: ‚Reduktion’ der Phänomene ................. 254 3.3.3 Wahrscheinlichkeitsprognosen und Gestaltungsempfehlungen............................................................................ 259 3.3.4 Superposition ............................................................................ 260 3.4 Abschließende Bemerkung ............................................................ 261 3
4
Analyse des Coachings anhand der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information......................................................................... 263 4.1 Einführung ..................................................................................... 263 4.2 ‚Reduktion’ der Phänomene des Coachings im Rahmen der Theorie und Erklärung................................................................... 264 4.2.1 Identifizieren von Praktiken, Funktionen und Struktur des Coachings.................................................................................. 266 4.2.1.1 Praktiken ............................................................................. 266 4.2.1.2 Funktionen .......................................................................... 272 4.2.1.3 Struktur ............................................................................... 280 4.2.2 Identifizieren der Rahmenbedingungen .................................... 283 4.2.3 Aussagen zu Kohärenz und Korrespondenz.............................. 285 4.2.3.1 Kohärenz............................................................................. 286 4.2.3.2 Korrespondenz .................................................................... 289
Inhaltsverzeichnis
13
4.2.4
Identifizieren von stabilisierenden und beeinträchtigenden Faktoren .................................................................................... 292 4.2.4.1 Stabilisierende Faktoren...................................................... 292 4.2.4.2 Beeinträchtigende Faktoren ................................................ 296 4.2.5 Aussagen zum Stabilitätszustand und zur Kraft der Selbststabilisierung ................................................................... 300 4.3 Prognose und Gestaltungsempfehlungen auf Basis der Theorie.... 304 4.4 Abschließende Bemerkung ............................................................ 311 5
Entwicklung einer einheitlichen Coachingmethodik ........................... 315 5.1 Einführung ..................................................................................... 315 5.2 Grundlagen der Coachingmethodik ............................................... 316 5.2.1 Theoretische Fundierung .......................................................... 318 5.2.2 Coachingmethodik auf Basis der Theorie ................................. 323 5.2.2.1 Datenerhebung: Wahrnehmen, Beschreiben, Dokumentieren.................................................................... 326 5.2.2.2 Analyse/Diagnose: ‚Reduktion’ der Phänomene im Rahmen der Theorie und Erklärung.................................... 331 5.2.2.3 Erstellung von Prognosen und Erarbeitung von Gestaltungs- bzw. Lösungsmöglichkeiten........................... 340 5.2.2.4 Umsetzung: Transfer begleiten und sichern........................ 342 5.2.2.5 Erneute Wahrnehmung und Auswertung (Superposition) .. 344 5.3 Abschließende Bemerkung ............................................................ 344
6
Schlussbemerkung .................................................................................. 347
Literaturverzeichnis ....................................................................................... 351
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18: Abbildung 19: Abbildung 20: Abbildung 21: Abbildung 22:
Eigenschaften von Coachings nach Rückle....................... 59 Eigenschaften von Coachings nach von Sassen und Vogelauer .......................................................................... 59 Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Coaching und Supervision nach Rauen ............................. 72 Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Coaching und Psychotherapie nach Rauen........................ 76 Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Coaching und Training nach Rauen .................................. 80 Potentielle Coachinganlässe nach Schreyögg.................... 93 Die häufigsten Anlässe für Coachings nach einer 2004 durchgeführten Studie von Böning und Fritschle ..... 97 Stärken und Schwächen des externen Coachs nach Rauen ...................................................................... 128 Stärken und Schwächen des internen Coachs nach Rauen ...................................................................... 133 Stärken und Schwächen des Vorgesetzten als Coach nach Rauen ...................................................................... 143 Der Coachingprozess nach Rauen ................................... 155 Der Coachingprozess nach Schreyögg ............................ 156 Der Coachingprozess nach Fischer-Epe .......................... 156 Der Coachingprozess nach Looss.................................... 158 Der Coachingprozess nach Vogelauer............................. 159 Die Hauptphase im Coachingprozess nach Rauen .......... 170 Die Hauptphase im Coachingprozess nach Looss ........... 174 Die Hauptphase im Coachingprozess nach Vogelauer .... 178 Die Phasen eines Coachinggesprächs nach Vogelauer.... 180 Die Hauptphase im Coachingprozess nach Whitmore (das Grow-Modell) .......................................................... 182 Die Hauptphase im Coachingprozess nach Fischer-Epe...................................................................... 185 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information – vereinfachte graphische Darstellung......... 225
16 Abbildung 23: Abbildung 24: Abbildung 25: Abbildung 26: Abbildung 27: Abbildung 28:
Abbildung 29:
Abbildung 30:
Abbildung 31:
Abbildung 32:
Abbildungsverzeichnis Der Wechsel zwischen Ebenen und Krisen als Grundstruktur des Geschehens in der Zeit....................... 237 Das Grundprinzip der Synergetik am Beispiel des Lasers nach Haken (Abbildungen (a) und (b)) ................ 241 Der Aufbau eines Gasatoms ............................................ 242 Das Grundprinzip der Synergetik am Beispiel des Lasers nach Haken (Abbildung (c))................................. 243 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information – ergänzte graphische Darstellung............... 246 Forschungsmethodik auf Grundlage der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information...................................................................... 249 Die Überwindung von Krisen und die Suche nach Verbesserung in nichtkrisenhaften Stadien als Coachingfunktionen ........................................................ 278 Die Prozessstruktur einer einheitlichen, allgemeinen Coachingmethodik auf Basis der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information.......................... 324 Die systematische Vorgehensweise im Rahmen der entwickelten einheitlichen, allgemeinen Coachingmethodik........................................................... 325 Modellrahmen zur Analyse/Diagnose (zur begrifflichen Erklärung von Kohärenz und Korrespondenz) ............................................................... 337
1 Einleitung
Coaching gilt heute allgemein als modernes, innovatives Instrument der Personalentwicklung mit kontinuierlich wachsender Bedeutung. Mittlerweile ist Coaching in der Arbeitswelt etabliert und wird dort zur Unterstützung vor allem von Führungskräften sowie zunehmend auch zur Unterstützung weiterer Mitarbeitergruppen angewendet. Zwar existiert bislang keine einheitliche Definition des Coachings, mehrheitlich besteht aber insbesondere im professionellen Coachingumfeld eine übereinstimmende Auffassung darüber, Coaching vom Grundsatz her als eine flexible, den jeweils individuellen Lernprozess des Gecoachten im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe bzw. Selbststabilisierung unterstützende Personalentwicklungsmaßnahme zu verstehen. Damit geht Coaching über das bisher in Unternehmen übliche Spektrum von Seminaren und Trainings hinaus. Mit Hilfe des Coachings hat sich, auch nach Schulz von Thun, in den vergangenen Jahren „eine neue Qualität von Beratung und beruflicher Förderung herausgebildet, verbunden mit einer neuen Rollendefinition, die tatsächlich eine Verheißung enthält“1. Aus der Praxis heraus entwickelt, zielt Coaching als eine noch junge Personalentwicklungsmaßnahme darauf ab, sowohl den bestehenden Bedürfnissen auf Mitarbeiterebene als auch den derzeitigen unternehmerischen Anforderungen gerecht zu werden. Entsprechend soll Coaching besonders in organisationalen und persönlichen Veränderungsprozessen und damit vor allem auch „in Zeiten schwerwiegender und verunsichernder beruflicher Herausforderungen ganz individuell wirksame Hilfe“2 ermöglichen. Speziell vor dem Hintergrund der beobachtbaren kontinuierlichen Veränderungen in Unternehmen wird es dabei immer wichtiger, die Menschen auch nachhaltig in ihrer individuellen Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, mit anderen Worten allgemein in ihrer persönlichen Fähigkeit zur Selbsthilfe bzw. Selbststabilisierung, zu fördern, damit sie lernen, mit dem, was künftig sein wird, umgehen zu können. Schließlich ermöglicht es eine individuelle und nachhaltige Unterstützung der Mitarbeiter durch Coachings auch, die organisationale Flexibilität und Anpassungsfähigkeit insgesamt zu fördern und somit auch geplante unternehmerische Veränderungen erfolgreich zu unterstützen. Denn strebt ein Unternehmen zum Beispiel 1 2
Schulz von Thun, S. 9 Schulz von Thun, S. 9
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1 Einleitung
an, seine Strategie zu ändern, „[…] dann wird dies erst Realität, wenn zu gleicher Zeit Funktionen, Strukturen, Arbeitsweisen entsprechend verändert werden und die Menschen neue Fähigkeiten erwerben und ihre Auffassungen und Gewohnheiten ändern – also auch die Organisationskultur eine neue Qualität [erhält] […]. Hierin liegt auch der größte Widerstand gegen ein an sich vernünftiges und erfolgreiches Vorhaben.“3 Im Gegensatz zu dem überwiegend einheitlichen Grundverständnis des Coachings als eine flexible, individualspezifische, prozessbegleitende Personalentwicklungsmaßnahme, die darauf abzielt, den Gecoachten im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe auch nachhaltig zu unterstützen, ist das Coaching bis heute jedoch in Theorie und Praxis insgesamt noch immer durch eine sehr große Vielfalt und Uneinheitlichkeit gekennzeichnet. So existieren, wie insbesondere im professionellen Coachingumfeld häufig kritisiert, bislang u.a. keine einheitliche, allgemeinverbindliche Coachingdefinition, kein einheitliches Anforderungsprofil für Coachs, kein Berufsbezeichnungsschutz und auch keine einheitlichen, verbindlichen Indikationsregeln für Coachings sowie darüber hinaus kein einheitlicher allgemeiner konzeptioneller Rahmen, der z.B. auch fundierte methodische Vorgehensweisen im Coaching sichert. Zudem befindet sich auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem aus der Praxis heraus entstandenen Coaching noch in den Anfängen. Vor allem für die aktuelle Coachingpraxis ergibt sich daraus ein bedeutendes Problem der Qualitätssicherung, das insbesondere vor dem Hintergrund der kontinuierlich zunehmenden Popularität von Coaching auch verstärkt im Coachingumfeld diskutiert wird. Verbunden mit der daraus resultierenden Forderung nach mehr Professionalisierung im Coaching insbesondere durch die Schaffung von Qualitätsstandards wird zugleich auch die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Fundierung des Praxisfelds ‚Coaching’ betont und „noch mehr wissenschaftliche Forschung!“4 sowie „eine verstärkte Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Praktikern“5 gefordert. „Der derzeit wissenschaftliche Status kann […] noch als eine Phase innovativer Theorieentwicklung und praktischen Experimentierens mit Interventionsmethoden eingeordnet werden. Im interdisziplinären Anwendungsfeld ‚Coaching’ begegnen sich sehr unterschiedliche Wissenschaftsauffassungen und Positionen zu Forschungsmethoden. Die Bedeutung der Forschung für eine kritische Überprüfung der Anwendbarkeit oder Gültigkeit theoretischer und praktischer Annahmen dürfte aber allgemein unbestritten sein. Wer Annahmen zur Wirkung der Interventionen formuliert, sollte sich immer fragen, wie sie empirisch wissenschaftlich oder praktisch evaluiert wer3
Vogelauer (a), S. VI Greif, S. 17 5 Roth/Brüning/Edler, S. 221 4
1 Einleitung
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den können. Forschung dient aber nicht nur zur Evaluation. Sie eröffnet Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Theorie und Praxis beim Coaching und sollte künftig auch dafür mehr genutzt werden.“6 Der Anspruch der vorliegenden Arbeit besteht nun darin, sowohl eine umfassende wissenschaftlich basierte Evaluation des Coachings vorzunehmen, als auch einen Beitrag zur theoretisch fundierten Weiterentwicklung des Coachings zu leisten, um damit den Erfolg bzw. die Leistungsfähigkeit und Qualität der Maßnahme zu steigern und nachhaltig zu sichern sowie deren weitere Etablierung als innovatives, professionelles und erfolgversprechendes Personalentwicklungsinstrument zu fördern. Ziel ist, das komplexe sozialwissenschaftliche Phänomen ‚Coaching’, das bis heute durch eine Vielfalt unterschiedlicher, mehr oder weniger theoretisch basierter Vorgehensweisen und Ansätze gekennzeichnet ist, im Rahmen einer umfassenden und allgemeinen Theorie, wie der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information, in seiner Gesamtheit zu analysieren und einheitlich zu erklären. Dadurch wird es möglich, die bestehenden Stärken und Schwächen des Coachings zu identifizieren und die tatsächliche Leistungsfähigkeit und Qualität des Coachings präzise und theoretisch fundiert zu ermitteln und zu erklären, um darauf basierend auch die konkreten Bedingungen für eine künftige Steigerung der Leistungsfähigkeit bzw. des Erfolgs und zur Sicherung der Qualität des Coachings fundiert abzuleiten. Schließlich kann auf der Grundlage der formulierten Gestaltungsempfehlungen in dieser Arbeit auch ein neuer wissenschaftlicher Ansatz für eine bislang im Coaching nicht vorhandene einheitliche Coachingmethodik entwickelt werden, wodurch ein Beitrag zur weiteren Professionalisierung und speziell auch zur theoretischen Fundierung des Coachings geleistet werden soll.7 Insgesamt ergibt sich daraus nun der im Folgenden vorab in einem kurzen Überblick dargestellte und anschließend auch präziser beschriebene Aufbau dieser Arbeit: Zunächst wird im Anschluss an die Einleitung in Kapitel 2 mit der Datenerhebung, also der ausführlichen Beschreibung des Coachings begonnen. Bevor jedoch darauf aufbauend die theoretisch fundierte Analyse des Coachings erfolgt und die anfangs erhobenen und dokumentierten Daten in Kapitel 4 systematisch 6
Greif, S. 18 Wie bereits deutlich wurde, liegt der Fokus der Betrachtung in der vorliegenden Arbeit stets auf dem Coaching als Personalentwicklungsinstrument im Ganzen, nicht auf einem einzelnen durchgeführten Coaching. Das Coaching wird hier auf übergeordneter Ebene als Gesamtphänomen erfasst, theoretisch fundiert erklärt, bewertet und weiterentwickelt. 7
20
1 Einleitung
ausgewertet und einer einheitlichen Erklärung zugeführt werden, wobei auch die derzeitige Leistungsfähigkeit und Qualität des Coachings präzise bestimmt werden, wird in Kapitel 3 die hierzu angewendete Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information und die mit ihr verbundene deduktive empirische Forschungsmethodik vorgestellt. Schließlich wird es in Kapitel 5 auf Grundlage der vorausgegangenen Analyse des Coachings möglich, ausgehend von den im Rahmen der Auswertung auch ermittelten Stärken - und vor allem Schwächen des Coachings sowie den daraus resultierenden und präzise aufgezeigten Bedingungen (Gestaltungsempfehlungen) zur Steigerung der Leistungsfähigkeit bzw. des Erfolgs und der Qualität des Coachings, einen neuen wissenschaftlichen Ansatz für eine im Coaching bisher nicht vorhandene einheitliche Coachingmethodik als allgemeine, umfassende konzeptionelle Grundlage zu entwickeln. Wie soeben im Überblick dargestellt, schließt sich an diese Einleitung mit dem nachfolgenden Kapitel 2 zunächst die ausführliche Beschreibung des Gesamtphänomens ‚Coaching’ an. Im Einzelnen wird aufgezeigt, was heute allgemein unter Coaching verstanden wird und wie sich die derzeitigen Vorgehensweisen im Coaching darstellen. Dazu wird zunächst auf den Ursprung des Coachings sowie die Definition des Coachingbegriffs eingegangen und eine Abgrenzung zur Psychotherapie, Supervision und zu traditionellen Seminaren und Trainings vorgenommen. Im Anschluss daran werden der Grundgedanke der Hilfe zur Selbsthilfe im Coaching betrachtet und die möglichen Anlässe für ein Coaching thematisiert. Des Weiteren werden die Person des Coachs, das heißt konkret die Rolle des Coachs und die an den Coach gestellten Anforderungen, ausführlich beschrieben sowie die verschiedenen existierenden Arten von Coachs - externer und interner Coach sowie Führungskraft als Coach - vorgestellt. Nach einer darauf folgenden Darstellung der heute gängigsten Coachingvarianten - nämlich Einzel-, Team- und Gruppencoachings - wird im Anschluss der Coachingprozess näher betrachtet. Dabei wird sowohl auf die Prozessstruktur als auch die methodischen Vorgehensweisen im Coachingprozess eingegangen. Abschließend werden häufig diskutierte und kritisierte Themen im Coaching dargestellt – dies sind im Wesentlichen die allgemein bislang fehlenden einheitlichen Standards, das damit verbundene und bis heute bestehende Problem der Qualitätssicherung im Coaching sowie die bisher nicht ausreichende wissenschaftliche Evaluation und Fundierung des Coachings. Als Quellenmaterial für diese ausführliche Beschreibung des Coachings dient eine umfangreiche Literaturauswahl. Die im Rahmen der Datenerhebung verwendete vielfältige Literatur, die größtenteils von selbst in der Praxis tätigen und anerkannten Coachs verfasst wurde und damit auch weitreichende Praxiserfahrungen beinhaltet, ermöglicht, das Coaching in Kapitel 2 der Realität entspre-
1 Einleitung
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chend in allen wahrnehmbaren Facetten ausführlich phänomenologisch zu beschreiben. In Kapitel 3 wird die im weiteren Verlauf dieser Arbeit zur Analyse des Coachings angewendete Theorie in ihren Grundlagen vorgestellt und die mit dieser Theorie verbundene Forschungsmethodik beschrieben. Dabei wird angenommen, dass für eine Analyse des Coachings die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information in der von Walter Dürr entwickelten und in die Forschung eingeführten Form8 besonders geeignet ist, mit deren Hilfe das komplexe sozialwissenschaftliche Phänomen ‚Coaching’ umfassend und logisch stringent analysiert, erklärt und bewertet werden kann und mit deren Hilfe neben den kausalen Erklärungen über die Entwicklungszusammenhänge in der Vergangenheit auch begründete Prognosen über die zukünftige Entwicklung des Coachings erstellt sowie theoretisch fundiert Gestaltungsempfehlungen zur künftigen Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Qualität des Coachings allgemein nachvollziehbar abgeleitet werden können. Gemäß der umfassenden und durch einen sehr hohen Allgemeinheitsgrad geprägten Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information ist auch die mit dieser Theorie verbundene Forschungsmethodik entsprechend umfassend und allgemein anwendbar. Sie ermöglicht es, aufgrund ihres sehr hohen Allgemeinheitsgrads ganz unterschiedliche sozialwissenschaftliche Forschungsgegenstände, wie beispielsweise sowohl einzelne Personen, Personengruppen und ganze Organisationen als auch andere komplexe Gestalten, wie z.B. das Personalentwicklungsinstrument ‚Coaching’, auf jeweils einheitliche, systematische Weise zu analysieren und zu erklären, ohne dabei auf verschiedene Theorien zurückgreifen zu müssen. Die Analyse eines Forschungsgegenstands basiert dabei stets auf dessen ganz konkreten individuellen Gegebenheiten, Zusammenhängen und Vernetzungen. Bedeutend ist ferner, dass es auf Grundlage der umfassenden und sehr allgemeinen Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information und deren Forschungsmethodik auch gelingt, nicht nur einzelne, einfache Zusammenhänge, sondern immer das verständliche Ganze einer Situation, das heißt, einen komplexen Forschungsgegenstand jeweils in seiner Gesamtheit, zu erfassen, einer einheitlichen Erklärung zuzuführen und zu bewerten. Der Weg zu einem solchen besseren Verständnis eines Untersuchungsgegenstands wird im Rahmen der hier vorgestellten Forschungsmethodik durch die methodische Verknüpfung seiner phänomenologischen Wahrnehmung und der daran anschließenden theoretischen Erklärung seiner Struktur ermöglicht. „Diese methodische Verknüpfung von phänomenologischer Gestaltwahrnehmung und 8 Der Begriff der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information ist eine präzisere Definition für das, was Dürr ursprünglich als Theorie der Selbstorganisation bezeichnet hat.
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1 Einleitung
theoretischer Strukturwahrnehmung ermöglicht, so ist die grundlegende These [der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information und der sich auf sie begründenden Forschungsmethodik], eine deduktive Empirie“9, die sich in mehreren empirischen Untersuchungen pädagogischer Phänomene bereits bewährt hat bzw. bewährt 10 und die nun erstmals auch zur umfassenden Betrachtung eines komplexen sozialwissenschaftlichen Phänomens wie dem Personalentwicklungsinstrument ‚Coaching’, das durch eine Vielfalt unterschiedlicher, mehr oder weniger theoretisch basierter Vorgehensweisen und Ansätze beeinflusst ist, konkret angewendet wird. Die theoriegeleitete, deduktive empirische Forschungsmethodik, die in dieser Arbeit zur umfassenden Analyse, Bewertung und Weiterentwicklung des Coachings angewendet wird, basiert also auf einer zunächst phänomenologischen, der Realität verhafteten, begrifflich-empirischen Herangehensweise (Datenerhebung) und einer daran anschließenden Auswertung dieser wahrgenommenen und dokumentierten Phänomene auf theoretischer Basis. Bei der Datenerhebung werden dabei zuerst alle wahrnehmbaren Phänomene in gleicher Weise berücksichtigt, das heißt auch, es werden vorab keine konkreten Hypothesen formuliert, die die Wahrnehmung von Phänomenen von Beginn an einschränken könnten. Erst die auf die Datenerhebung folgende Analyse bzw. Auswertung mit Hilfe der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information entscheidet über die Relevanz der wahrgenommenen und dokumentierten Phänomene und ermöglicht so eine umfassende, einheitliche Erklärung des jeweils konkret betrachteten Forschungsgegenstands. In Kapitel 4 wird die Analyse des Coachings mit Hilfe der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information und deren Forschungsmethodik vorgenommen. Die anfangs in Kapitel 2 im Rahmen der Datenerhebung ausführlich beschriebenen Phänomene des Coachings werden nun umfassend und theoretisch fundiert ausgewertet. Erst im Rahmen einer solchen Analyse können die Stärken und Schwächen präzise bestimmt sowie die Leistungsfähigkeit und Qualität des 9
Dürr (e), S. II Verwiesen sei hier insbesondere auf die Evaluation der außerbetrieblichen Berufsausbildung in Hamburg (Dürr (b)), auf die empirische Untersuchung alternativer Wohnformen zur Anstalt (Dürr (a)) sowie die derzeit in Durchführung befindliche Evaluation von Walter Dürr im Rahmen des Modellversuchsprogramms ‚Lebenslanges Lernen‘ der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung: Lebenslanges Lernen unter dem Aspekt des selbstgesteuerten Lernens und der neuen Medien. Darüber hinaus siehe auch die Dissertation von Petra Aisenbrey ‚Deduktive empirische Sozialforschung im Rahmen der ’Nichtklassischen Theorie der Selbststeuerung’ Dargestellt am Beispiel eines Evaluationsprojektes zur außerbetrieblichen Berufsausbildung’ sowie die Arbeit von Nicole Lorenz zum Thema ‚Optimierung von Lernen und Lerntransfer durch Selbstorganisation‘. 10
1 Einleitung
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Coachings systematisch ermittelt werden, woraus sich schließlich allgemein nachvollziehbar auch Bedingungen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit und Qualität des Coachings in Form von Gestaltungsempfehlungen ableiten lassen, um im nächsten Kapitel eine wissenschaftlich basierte Weiterentwicklung des Coachings gewährleisten zu können. Dabei werden bei der Analyse des Coachings mit Hilfe der gewählten Theorie entsprechend der zuvor näher beschriebenen streng systematischen, logisch methodischen Forschungsmethodik nun zunächst die dokumentierten Phänomene auf die in ihnen erkennbaren Praktiken (Handlungsweisen), Funktionen (der Sinn der Handlungsweisen) und die sie ermöglichende Struktur hin untersucht sowie die Rahmenbedingungen des Coachings identifiziert. Anschließend wird durch die Frage nach der wechselseitigen Entsprechung der zuvor identifizierten Praktiken, Funktionen und der Struktur des Coachings sowie den spezifischen Rahmenbedingungen eine begriffliche Erklärung von Kohärenz und Korrespondenz - den Stabilitätskriterien bzw. den Kriterien für den Erfolg, die Leistungsfähigkeit und Qualität des Coachings - zum Zeitpunkt der Beobachtung möglich. Danach werden die auf das Coaching allgemein stabilisierend bzw. beeinträchtigend wirkenden Faktoren aus den dokumentierten Phänomenen herausgearbeitet. Anschließend wird es basierend auf den bisherigen Untersuchungsergebnissen möglich, konkrete Aussagen über den Stabilitätszustand des Coachings, das heißt über den Erfolg bzw. die Leistungsfähigkeit und Qualität des Coachings zum Zeitpunkt der Beobachtung, zu erstellen und die Kraft der Selbststabilisierung, falls erkennbar, begrifflich zu beschreiben sowie Prognosen bezüglich der zukünftigen Entwicklung des Coachings in Form von Wahrscheinlichkeitsaussagen zu formulieren. Schließlich lassen sich aus den im Rahmen der Analyse erkannten Abweichungen von einer Stabilität, also aus den identifizierten Schwächen des Coachings auch präzise Gestaltungsempfehlungen für die Stabilisierung des Coachings systematisch ableiten. Mit anderen Worten lassen sich die Bedingungen für eine zukünftige Steigerung der Leistungsfähigkeit bzw. des Erfolgs und für eine Verbesserung der Qualität des Coachings allgemein nachvollziehbar ermitteln. Auf Grundlage der aus der vorangegangenen theoretischen Analyse gewonnenen Erkenntnisse und dem daraus resultierenden besseren Verständnis des Coachings wird in Kapitel 5 abschließend nun auch eine wissenschaftlich fundierte Weiterentwicklung des Coachings möglich, wodurch ein Beitrag zur Steigerung des Erfolgs und der Leistungsfähigkeit des Coachings sowie zur Verbesserung und Sicherung der Qualität geleistet werden soll. Es wird ein konkreter Vorschlag für die Umsetzung der in Kapitel 4 ermittelten Gestaltungsempfehlungen bezüglich einer im Coaching bislang nicht vorhandenen einheitlichen Coachingmethodik,
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1 Einleitung
einer allgemeinen konzeptionellen Grundlage für das Coaching, erarbeitet und skizziert. Dazu wird zunächst eine geeignete theoretische Basis für das Coaching aufgezeigt, mit deren Hilfe anschließend in diesem Kapitel angestrebt wird, einen den praktischen Anforderungen entsprechenden, wissenschaftlich fundierten Ansatz für eine einheitliche Coachingmethodik zu entwickeln. Die Arbeit endet mit einer Zusammenfassung und Bewertung der erzielten Forschungsergebnisse (Kapitel 6).
2 Was ist Coaching?
2.1 Einführung In diesem Kapitel wird das Phänomen ‚Coaching’ im Ganzen ausführlich beschrieben. Dazu wird zunächst auf den Ursprung des Coachings sowie die Definition des Coachingbegriffs eingegangen und eine Abgrenzung zur Psychotherapie, Supervision und zu traditionellen Seminaren und Trainings vorgenommen. Da eine allgemein einheitliche Coachingdefinition nicht existiert, kann den detaillierten Ausführungen zum Thema ‚Coaching’, entgegen dem üblichen Vorgehen, hier jedoch keine verbindliche allgemeine Begriffsklärung vorangestellt werden. Ein guter Überblick über das, was heute insgesamt unter Coaching verstanden wird, kann dennoch durch die Aufzählung vielfältiger Coachingdefinitionen gewährt werden. Aus der Gesamtheit dieser zitierten Definitionen wird bereits zu Beginn dieses Kapitels deutlich, dass Coaching insgesamt durch eine bemerkenswerte Vielfalt und zudem auch Uneinheitlichkeit im Begriffsverständnis und in der Anwendung geprägt ist.11 Zugleich zeigen sich aber auch einige Übereinstimmungen zu bedeutenden Merkmalen des Coachings. Eine weitere Präzisierung dieses Phänomens erfolgt in den anschließenden Gliederungspunkten im Rahmen der umfassenden Ausführungen zu den einzelnen Aspekten des Coachings. Begonnen wird dabei mit der konkreten Betrachtung des Grundgedankens der Hilfe zur Selbsthilfe im Coaching sowie den möglichen Anlässen von Coachings. Daran anschließend wird die Person des Coachs ausführlich beschrieben – im Speziellen die Rolle des Coachs und die an ihn gestellten vielfältigen Anforderungen sowie die verschiedenen Arten von Coachs (externer und interner Coach sowie Führungskraft als Coach). Nach einer darauf folgenden Darstellung der heute gängigsten Coachingvarianten - Einzel-, Gruppen- und Teamcoachings - wird präzise auf den Coachingprozess eingegangen. Dabei wird neben der Prozessstruktur auch die methodische Vorgehensweise genau betrachtet. Schließlich wird der Aspekt der bisher fehlenden Standards im 11
An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass im Coachingumfeld unterschiedliche Begriffe für die zu coachende Person benutzt und diskutiert werden. In der vorliegenden Arbeit werden die Bezeichnungen der jeweils zu coachenden Person als ‚Gecoachter’, ‚Coachee’ und ‚Klient’ synonym verwendet. Zudem werden die vorgenannten Bezeichnungen sowie der Begriff des Coachs zugunsten der besseren Lesbarkeit im Folgenden ausschließlich in der männlichen Form verwendet.
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2 Was ist Coaching?
Coaching dargestellt sowie das bis heute bestehende Problem der Qualitätssicherung thematisiert. Die Wahrnehmung von Phänomenen des Coachings erfolgt in diesem Kapitel im Rahmen einer umfangreichen Literaturrecherche. Die hierzu verwendete Coachingliteratur stammt zum größten Teil von bekannten, erfahrenen Coachs, die darin ihr Coachingverständnis, ihre langjährigen praktischen Erfahrungen und angewandten Vorgehensweisen beschreiben, wodurch es letztlich möglich wird, das Coaching, wie es derzeit verstanden und angewendet wird, in seiner Gesamtheit präzise zu recherchieren, das heißt umfassend wahrzunehmen und zu dokumentieren.12 Das auf diese Weise gewonnene umfassende Bild des Coachings dient zugleich als Grundlage für die spätere theoretisch fundierte Analyse.
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung 2.2.1 Ursprung des Coachings Der Begriff ‚Coach’, der ursprünglich aus dem Ungarischen stammt, kann seit Mitte des 16. Jahrhunderts in der englischen Sprache nachgewiesen werden.13 Übersetzt bedeutete das Wort ‚Kutsche’ oder auch ‚Kutscher’.14 Ausgehend von der heutigen Bedeutung des Begriffs ‚Coaching’, wird die damalige Übersetzung des Wortes als Kutsche mit einem „‘kuscheligen‘ Ort [assoziiert], an dem ein Mensch all seine Gefühle, Fragen oder Sorgen ausbreiten kann“15 oder auch mit einem Hilfsmittel, einem Beförderungsmittel, mit dem sich Menschen auf den Weg machen und ein Ziel erreichen wollen.16 Der Kutscher wird assoziiert mit einer Person, die die Pferde lenkt und betreut.17 Mit der Weiterentwicklung der Spache über die Jahrhunderte erhielten auch die Begriffe ‚Coach’ und ‚Coaching’ neue Bedeutungen. So gebrauchten Universitätsstudenten in der Mitte des 19. Jahrhunderts, anfangs nur umgangssprachlich, den Begriff des ‚Coachs’ erstmals als Bezeichnung für einen privaten Tutor.18 Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Worte ‚Coach’ und ‚Coaching’ 12
Vgl. Dürr/Aisenbrey (a), S. 95 sowie Dürr (a), S. 20; Dürr (b), S. 8 Vgl. Fischer-Epe, S. 18 14 Vgl. Prochnow, S. 61, Fischer-Epe, S. 18; Schreyögg (a), S. 7; Schreyögg (b), S. 225; König/Volmer, S. 9; Bayer (a), S. 94; Bayer (b), S. 208; König, S. 253; Demmer; uni Magazin; Henes-Karnahl; Heß/Roth, S. 14 15 Schreyögg (a), S. 7 16 Vgl. Fischer-Epe, S. 18 17 Vgl. Prochnow, S. 61; König/Volmer, S. 9; Rückle (a), S. 134; Bayer (a), S. 94; Bayer (b), S. 208; uni Magazin; Henes-Karnahl 18 Vgl. Fischer-Epe, S. 18 13
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
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dann zunächst in England und den USA sowie etwas später, seit Ende der 1970er bzw. Anfang der 1980er Jahre, auch in Deutschland verstärkt im Sport, vor allem im Hochleistungssport, verwendet.19 ‚Coaching’ steht dabei im Leistungssport „für eine umfassende Betreuung von Spitzensportlern, die weit über ein reines Training der körperlichen Leistungsfähigkeit hinausgeht“20. Das heißt, während früher und teilweise auch heute noch Tennis-Coachs, Ski-Trainer etc. überwiegend eher die Position eines Lehrers (im traditionellen Verständnis) einnahmen bzw. einnehmen, um die Leistung des Sportlers zu verbessern, wurde mit dem Coaching eine ganz neue Trainingsmethode entwickelt. Denn das Coaching geht im Gegensatz zu den bisher gängigen Trainingsmethoden nicht nur auf den körperlichen, sondern auch auf den mentalen Zustand, das ‘Innere‘ eines Sportlers, ein, um dessen Leistung zu verbessern.21 22 So schrieb beispielsweise auch der Erziehungswissenschaftler und Tennisexperte Gallwey einige sehr populär gewordene Bücher über Coaching mit den Titeln „The Inner Game of Tennis”23, „Inner Skiing”24 und „The Inner Game of Golf”25, in denen er vor allem Hinweise gibt, wie ein Mensch durch ‚das innere Spiel‘ selbst mit Problemen fertig werden könne. Er stellt damit die alten Trainingsmethoden des eher ‘Einpaukens‘ in Frage und zeigte eine ganz neue Methode auf.26 Whitmore, ein Schüler Gallweys, der selbst als Coach tätig ist, beschreibt diese Veränderung in der Trainingsauffassung kurz mit den Worten: „Coachen statt befehlen”27. So ging mit der neuen Trainingsmethode auch eine 19
Vgl. ausführlich in Neubeiser, S. 9 - 67 sowie darüber hinaus Fischer-Epe, S. 18 f; Schulz von Thun, S. 10; Schreyögg (a), S. 7; Schreyögg (b), S. 225; Wrede (a), S. 11; Prochnow, S. 61; Whitmore, S. 12 f, König/Volmer, S. 9; Schlippe/Schweitzer, S. 234; Looss (a), S. 34 ff; Jung, S. 134; Innerhofer/Innerhofer/Lang, S. 15 f; Böning (b), S. 18; Böning (c), S. 23; Bayer (a), S. 94; Bayer (b), S. 208; König, S. 248 f; Schuppert, S. 121; Schaffelhuber, S. 7 ff; Hilb, S. 16; Henkel; Grobe 20 Fischer-Epe, S. 18 f 21 Vgl. Schulz von Thun, S. 9 f; Prochnow, S. 61; Fischer-Epe, S. 18 f; Schreyögg (a), S. 7; Whitmore, S 12 ff; Looss (a), S. 35; König/Volmer, S. 9; Bayer (a), S. 94; König, S. 249; Innerhofer/ Innerhofer/Lang, S. 16; Schaffelhuber, S. 7 ff; Hilb, S. 16; Heß/Roth, S. 14 22 Fischer-Epe führt zur näheren Erklärung ein Beispiel aus dem Bobsport an, das auch im Fernsehen oder vor Ort des Öfteren beobachtet werden kann: Vor einer Fahrt in ihrem Bob stehen die Bobfahrer mit geschlossenen Augen hochkonzentriert am Start und bewegen ihre Körper mal nach rechts, mal nach links. Sie gehen dabei die ihnen kurz bevor stehende Fahrt noch einmal mental durch und konzentrieren sich dabei auf die genauen Bewegungsabläufe, die sie zuvor im Training eingeübt haben. Über derartige mentale Trainingsmethoden hinaus ist es nach Fischer-Epe zudem Aufgabe des Coachs im Sport zu helfen, „Ängst zu überwinden, Blockaden abzubauen, persönliche Erfolgsstrategien zu entwickeln und Erfolge zu verkraften“. (Fischer-Epe, S. 19) 23 Gallwey, New York, London, 1975 24 Gallwey/Kriegel, New York, London, 1977 25 Gallwey, New York, London, 1981 26 Vgl. Whitmore, S. 13 f 27 Whitmore, im Klappentext
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2 Was ist Coaching?
neue Rollendefinition des Lehrers bzw. Trainers einher. Der Coach wird, häufig vor allem bei Leistungssportlern, die Höchstleistungen erbringen wollen, gleichzeitig aber durch ihre große Mobilität oft stark vereinsamen (wie z.B. im Tennis), eine Art ‚intimer Solidarpartner‘ sowohl für alle fachlichen als auch für emotionale Themen.28 Er fungiert „als ‚wärmender Zufluchtsort’, an den man alles herantragen kann, was einen bekümmert“29. Der Coach bereitet den Sportler sowohl körperlich als auch mental „auf eine letztlich immer selbst zu erbringende Leistung in Ernstsituationen”30 vor.31 Trotz anfänglichen Mißtrauens gegenüber den neuen Ideen im Coaching gewann diese Methode des Lehrens bzw. Trainierens und damit auch des Lernens32 im Laufe der Zeit - auch außerhalb des Sports - immer mehr an Bedeutung und entwickelte sich weiter.33 So wurde das Coaching zunächst in den USA und später, das heißt ca. Mitte der 1980er Jahre, in Deutschland auf das wirtschaftliche Arbeitsumfeld übertragen.34 Auch in diesem Bereich entwickelten sich damit neue Lehr- und Lernformen sowie neue Rollendefinitionen z.B. für Personalentwickler, Führungskräfte und Lehrer.35 Die Übertragung des bisher nur aus dem sportlichen Bereich bekannten Coachings in den betrieblichen Kontext lag nahe, da letztlich auch beruflich Höchstleistungen erbracht werden (müssen), die nicht 28
Vgl. Schreyögg (a), S. 7; Schreyögg (b), S. 225 Schreyögg (b), S. 225 30 Schreyögg (a), S. 7 31 „Der Sportcoach muß nicht alles besser können als sein Schützling. Im Gegenteil: Es ist viel wichtiger, dass er den Sportler dazu bringen kann, sich selbst zu verbessern, als ihn direkt anzuleiten.“ (Innerhofer/Innerhofer/Lang, S. 16) Vgl. ferner hierzu auch Schreyögg (a), S. 7; König/Volmer, S. 9; Looss (a), S. 35 f; Schaffelhuber, S. 7 ff, S. 16 f 32 Ausgehend von der Grundidee des Coachings wird nicht nur die bisherige Art des Lehrens und Trainierens hinterfragt, sondern auch die Art des Lernens. Hierzu Alwart: „Der Coach darf, und das ist das Risiko, nicht in die Falle laufen und sich in der Verpflichtung sehen, für den Coachee eine Lösung zu erarbeiten, damit die [zu Beginn des Coachingprozesses besprochenen] Ziele erreicht werden. Dann wird aus der ‚Hilfe zur Selbsthilfe’ ein ‚Rat geben’ und der Coachee wird am Lernen gehindert. Damit wären wir wieder bei den berühmt-berüchtigten pragmatischen Handlungsempfehlungen, die die alte Garde der Trainingsmaßnahmen auszeichnet.“ (Alwart (a); vgl. ähnlich hierzu auch Whitmore, S, 14; Schaffelhuber, S. 7 ff) 33 Vgl. Whitmore, S. 13 ff; PEF Privatuniversität für Management, S. 1; Henkel 34 Vgl. Fischer-Epe, S. 19 ff; Prochnow, S. 61; Schreyögg (a), S. 17 ff; Schreyögg (b), S. 225; Whitmore, S. 15 f; von Sassen/Vogelauer, S. 1; König/Volmer, S. 10; Schlippe/Schweitzer, S. 234; Looss (a), S. 13, Looss/Rauen, S. 155; Böning (b), S. 19; Böning (c), S. 27; Bayer (a), S. 95; Roth/Brüning/Edler, S. 201; König, S. 249; Wrede (a), S. 11; Schuppert, S. 121 ff; Innerhofer/ Innerhofer/Lang, S. 16; Schaffelhuber, S. 10 f ; Hilb, S. 16; PEF Privatuniversität für Management, S. 1; Henkel; Grobe; Frankfurter Allgemeine FAZ.NET; Henes-Karnahl; Rauen (c), S. 1; Heß/Roth, S. 14 35 Vgl. Schulz von Thun, S. 9; Fischer-Epe, S. 18 f; Böning (c), S. 24; Schreyögg (a), S. 190; König/Volmer, S. 10; Czichos, S. 15, S. 17, S. 44 ff; Looss (a), S. 35 f; Schuppert, S. 119; Heß/Roth, S. 14 29
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
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nur fachlich, sondern auch persönlich bzw. emotional hohe Anforderungen an die Menschen stellen. Hinzu kommt, dass oftmals auch der richtige Gesprächspartner unter den Kollegen oder Freunden fehlt, um kritische Fragen und emotionale Themen eingehend und professionell zu besprechen. Schulz von Thun beschreibt diese Situation folgendermaßen: „Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Leistungssportler im übertragenen Sinne, nämlich in Ihrem Beruf in verantwortlicher Position. Was Sie unternehmen, wie Sie entscheiden, wie Sie mit den Leuten umgehen – all dies hat Folgen, für Sie selbst, für die Menschen, für die Organisation. Und stellen Sie sich weiter vor: Die Herausforderungen, die auf Sie zukommen, sind nicht leicht zu meistern: Die strategische/fachliche/ menschliche/mikropolitische Komplexität setzt Ihnen zu und wächst Ihnen zuweilen über den Kopf. Wäre es da nicht gut, Sie müssten nicht alles alleine im stillen Kämmerlein ausbrüten und entscheiden, sondern Sie könnten sich darüber aussprechen und beraten mit einem […] Menschen, der Ihnen wohlwill und Ihnen hilft, die hundert Fäden zu entwirren, die in Ihrem Kopf zusammenlaufen und nicht selten verknäueln“36 – kurz: einem „Entwicklungshelfer zur Selbsthilfe“37? Mittlerweile hat sich Coaching in vielen Unternehmen der Wirtschaft sowie zum Teil auch bereits in der öffentlichen Verwaltung etabliert 38 und wird dort zur Unterstützung vor allem von Führungskräften sowie zunehmend auch von anderen Mitarbeitergruppen angewendet 39 40. Coaching gilt heute allgemein als modernes, innovatives und Erfolg versprechendes Instrument der Personalent36
Schulz von Thun, S. 10 Schulz von Thun, S. 11 Vgl. u.a. König, S. 250; Wrede (a), S. 12; Rauen (c), S. 1 f; Dopfer, S. 60 f; Vogelauer (c), S. 139; Vogelauer (d), S. 156, S. 161; Hartz, u.a. S. 81 ff; Böning (b), S. 17, S. 26 f; Böning (c), S. 22, S. 38; Rückle (b), S. 50, S. 253; Looss (a), S. 9; Zeus/Skiffington, S. XIII; PEF Privatuniversität für Management, u.a. S. 20; von Sassen/Vogelauer, S. 1 39 Vgl. u.a. Böning (b), S. 31; Böning (c), S. 21, S. 38; DBVC (a); Dopfer, S. 60; Alwart (a); Looss/Rauen, S. 158; Rückle (b), S. 50; Looss (a), S. 9; Schreyögg (b), S. 225; König, S. 250; Finger-Hamborg, S. 227; Wrede (a), S. 12; Schuppert, S. 121; Innerhofer/Innerhofer/Lang, S. 16; Holzapfel; Grobe; PEF Privatuniversität für Management, S. 1, S. 3, S. 7,S. 9; Frankfurter Allgemeine FAZ.NET; Vogelauer (a), S. V 40 Wie z.B. auch Greif feststellt, erscheint es „wenig sinnvoll, Coaching nur für spezielle Zielgruppen zu reservieren (etwa wie in der DBVC-Definition für ‚Personen mit Führungs-/Steuerungsfunktionen und von Experten in Unternehmen/Organi-sationen’)“ (Greif, S. 12). Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch die PEF Privatuniversität für Management in ihrer Studie: So war die Einschätzung der Befragten auf die Frage, für wen Coaching geeignet sei, eindeutig: „Fast alle stimmen für das obere (90%) und das mittlere (93%) Management. Immerhin noch 70% halten das untere Management für geeignet und 44% finden, dass auch Nicht-Führungskräfte als Zielgruppe sinnvoll sind. Auch in der Literatur wird die allgemeine Eignung des Instrumentes beschrieben […], wenngleich sich jedoch Klassiker wie [die von] Schreyögg […] und Looss […] auf das Management beschränken. In der Praxis geht es dabei sicher primär um die Kosten-Nutzen-Frage.“ (PEF Privatuniversität für Management, S. 9) 37 38
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2 Was ist Coaching?
wicklung41, das nach überwiegender Ansicht „eine neue Qualität von Beratung und beruflicher Förderung“ 42 in die Arbeitswelt eingebracht hat. 43 Denn Coaching geht, so die mehrheitliche Auffassung, über das, was im Rahmen des bisher in Unternehmen üblicherweise angewandten Spektrums von Seminaren und Trainings möglich war, hinaus.44 45 Coaching zielt darauf ab, im Rahmen eines Prozesses eine ganz individuelle, das heißt auf eine konkrete Person bzw. Personengruppe/ein Team zugeschnittene, umfassende Unterstützung im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten und ermöglicht auf diese Weise besonders in sowohl persönlichen als auch organisationalen - Veränderungsprozessen und damit vor allem auch „in Zeiten schwerwiegender und verunsichernder beruflicher Herausforderungen ganz individuell wirksame Hilfe“46. 47 Wie u.a. Vogelauer beschreibt, ist „Coaching […] heute zu einem nicht mehr verzichtbaren Bestandteil der Personalentwicklung, der Management- und Manager41 Vgl. Schulz von Thun, S. 9; Vogelauer (a), S. V; Vogelauer (d), S. 161, S. 163; Böning (b), S. 17, S. 27; Böning (c), S. 23 f, S. 38, S. 44; Finger-Hamborg, S. 227; Dopfer, S. 60; Berglas, S. 102; Parsloe/Wray, S. 1; Zeus/Skiffington, S. VIII; Wrede (a), S. 11; Schuppert, S. 121; Jung, S. 134; PEF Privatuniversität für Management, S. 1, S. 20; Alwart (a); Fischer-Epe, S. 20; Schreyögg (a), S. 199; Rauen (c), S. 1; Roth/Brüning/Edler, u.a. S. 201, S. 202; Parsloe/Wray, S. 7; König, S. 249; Heß/Roth, S. 6; Rückle (b), S. 42 42 Schulz von Thun, S. 9 43 Vgl. Parsloe/Wray, S. 1; Böning (c), S. 23 f; Rückle (a), S. 133 f, S. 135; Hamm, S. 431 f; PEF Privatuniversität für Management, S. 1, S. 21; Biehal, S. 83 f; Schulz von Thun, S. 9; Roth/Brüning/Edler, S. 203; Finger-Hamborg, S. 227; uni Magazin; Zeus/Skiffington, S. 14; Flaherty, S. 3 44 Wie hierzu beispielsweise Roth, Brüning und Edler feststellen: „Coaching hat sich in kurzer Zeit einen Platz neben den etablierten Personalentwicklungsinstrumenten erkämpft. Diese Position wird mit hoher Wahrscheinlichkeit verteidigt werden können, denn Coaching profitiert u.a. von der weiterhin unzureichend gelösten Transferproblematik bei herkömmlichen Trainings und Seminaren […]. In diesen Gruppenveranstaltungen können die Lerninhalte und –methoden oft nur ungenügend auf jeden einzelnen Teilnehmer abgestimmt werden. […] Transfer von der Lernsituation auf den Arbeitsalltag findet kaum oder gar nicht statt. Das Lernfeld ist oftmals zu klar strukturiert, zu eindimensional und fast steril, um die komplexe, vernetzte und konfliktträchtige Realität des täglichen Arbeitslebens erfolgreich simulieren zu können.“ (Roth/Brüning/Edler, S. 202 f) Auch Biehal argumentiert entsprechend, dass in der Personalentwicklung, d.h. in der gezielten Förderung und Entwicklung von Führungskräften, „seit einigen Jahren radikal neue Wege“ beschritten werden. „Die bloße Anhäufung von Seminareinheiten zu einem Programm entspricht der Entwicklungsstufe der siebziger Jahre. Mangelnde Verknüpfung mit der eigenen betrieblichen Praxis, geringe Umsetzungswahrscheinlichkeit und methodische Einseitigkeit sind Kennzeichen der mittlerweile überholten Gewohnheiten.“ (Biehal, S. 83) 45 Vgl. hierzu auch Biehal, S. 83 f; Hamm, S. 431 f; Klein, S. 122; Zeus/Skiffington, S. 14, Rückle (a), S. 134 f; Hamm, S. 431 f 46 Schulz von Thun, S. 9 47 Vgl. u.a. Rückle (a), 133 f; Böning (b), 38; Böning (c), S. 23; Roth/Brüning/Edler, S. 201 f; Looss/Rauen, S. 162 f; PEF Privatuniversität für Management, S. 1, S. 21; Vogelauer (d), S. 163; Vogelauer (a), S. V; Gloger
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
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Unterstützung und zur Begleitung von organisationalen Entwicklungs- und Veränderungs-Prozessen geworden.“48 Coaching hat jedoch nicht nur in der Vergangenheit kontinuierlich an Bedeutung gewonnen.49 Es wird auch angenommen, dass das aktuell große Interesse an Coachings künftig weiter zunehmen wird.50 Denn Coaching entspricht nach mehrheitlicher Auffassung von seinem Grundgedanken her - als eine flexible, individualspezifische, prozessbegleitende, die Selbststabilisierung unterstützende Personalentwicklungsmaßnahme, die aus der Praxis heraus entstanden ist 51 dem heutigen Zeitgeist und somit den bestehenden aktuellen Herausforderungen und Bedürfnissen sowohl auf Mitarbeiterebene als auch auf organisationaler Ebene.52 In diesem Zusammenhang wird in der Literatur vor allem auf die sich immer schneller verändernden Umweltbedingungen, den kontinuierlichen, oft auch abrupten Wandel und die daraus resultierende Notwendigkeit des Change Managements hingewiesen. Mit diesen veränderten Bedingungen bzw. neuen Herausforderungen müssen sowohl die Unternehmen als auch die Mitarbeiter lernen umzugehen.53 Coaching wird grundsätzlich als eine innovative und erfolgversprechende Antwort auf diesen allgemeinen (Werte-) Wandel gesehen.54 48
Vogelauer (d), S. 163 Vgl. u.a. Böning (b), S. 38; Böning (c), S. 38; Roth/Brüning/Edler, S. 202 f; Looss/Rauen, S. 158; PEF Privatuniversität für Management, S. 1; Rauen (c), S. 1 f; Vogelauer (a), S. V; Vogelauer (d), S. 154, S. 163; von Sassen/Vogelauer, S. 1; Doppler, S. 93; Grobe; Wrede (a), S. 11 f; Gloger; uni Magazin; Finger-Hamborg, S. 227 50 Vgl. insbesondere Böning (c), S. 23, S. 52 f sowie u.a. Böning (b), S. 37; Berglas, S. 102; Rückle (b), S. 253; PEF Privatuniversität für Management, S. 21; Alwart (a) 51 Vgl. u.a. Looss/Rauen, S. 158 52 Vgl. Rückle (a), S. 133 f; Böning (b), 37 f; Böning (c), S. 23; Roth/Brüning/Edler, S. 201 f, S. 203; PEF Privatuniversität für Management, S. 21; Doppler, S. 93, S. 94; Gloger 53 Hierzu schildert z.B. Whitmore unter dem Aspekt „Wandel als Norm”: „Das war bei unseren Großeltern anders: das meiste, was sie ihren Kindern beibrachten, war während ihres ganzen Lebens gültig. Sie lebten im großen und ganzen in einem stabilen Zustand. Stabilität war zumindest die akzeptierte Norm, selbst wenn sich das langsam änderte! Die meisten von uns sind mit dieser Mentalität aufgewachsen. Wir müssen uns aber jetzt an andere Bedingungen anpassen, die alles andere als stabil erscheinen. Unsere Enkel werden wahrscheinlich Stabilität, so wie wir sie kannten, niemals erfahren. Sie werden mit dem Wandel als Norm aufwachsen. Sie müssen deshalb nur mit der variierenden Geschwindigkeit dieses Wandels fertig werden. Wir sind die Generation, die sich damit herumschlägt und darauf einstellen muss, dass der Wandel selbst jetzt die Norm ist. Wir schlagen uns herum, weil wir uns in der Illusion von Stabilität festgebissen hatten. Wenn vieles, was wir kennen und lieben, in Bewegung ist, wird die volle Übernahme von persönlicher Verantwortung körperlich und geistig notwendig für das Überleben. Wir müssen uns selber um uns kümmern, denn niemand anderer wird dies in einem Klima tun, wo jeder mit Veränderungen zurechtkommen muss.“ (Whitmore, S. 31) 54 Vgl. u.a. Rückle (a), S. 134, S. 135; Jung, S. 118 f; Whitmore, S. 27 ff, S. 146; Behrendt, S. 156 f, S. 160; Böning (b),S. 17 f; Böning (c), S. 23, S. 52 f; Bayer (a), S. 105; Bayer (b), S. 210 f; Glatz/Lamprecht, S. 138; von Sassen, S. 60; Fischer-Epe, S. 125 ff; Dopfer, S. 60 f; Cook, S. 91, S. 49
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2 Was ist Coaching?
Wie dementsprechend beispielsweise auch Böning prognostiziert, ist „davon auszugehen, dass Coaching [auch] künftig noch weiter an Bedeutung gewinnen wird. Denn die Herausforderungen, denen sich […] [die] Unternehmen [und ihre Mitarbeiter] in den nächsten Jahren werden stellen müssen, wachsen rasant und unaufhaltsam.“55 Darüber hinaus wird allerdings auch darauf hingewiesen, dass Coaching selbst in Zukunft noch wesentlicher Professionalisierung bedarf – vor allem bezüglich einer allgemeinen wissenschaftlichen Fundierung und der Implementierung einheitlicher, allgemeinverbindlicher (Qualitäts-)Standards, worauf im Laufe dieser Arbeit im Einzelnen noch präziser eingegangen wird.
2.2.2 Fehlen einer einheitlichen Definition: Was bedeutet Coaching? Der Begriff des ‚Coachings’ ist heute, besonders auch in der modernen Unternehmenssprache, zu einem allseits bekannten Schlagwort, einem häufig verwendeten Modewort, geworden. Diese Popularität bringt es mit sich, dass zum Zwecke der Werbung und auch aus Unwissenheit der Begriff sehr diffus und uneinheitlich verwendet wird. Trotz häufiger Forderungen nach Vereinheitlichung fehlt jedoch bis heute eine allgemein einheitliche Begriffsdefinition.56 Wie hierzu u.a. Böning beschreibt, lässt sich eine „schillernde Regenbogenlandschaft [wahrnehmen] […], wenn man den Begriff ‚Coaching’ dingfest zu machen versucht und verstehen will, was darunter genau zu verstehen ist“57. Schließlich sind der Begriff ‚Coaching’ sowie die Berufsbezeichnung ‚Coach’ auch bisher rechtlich nicht geschützt 58, so dass „Coaching […] im Laufe der Zeit zu einem Sammelund Überbegriff geworden [ist] – einem Container gleich, der sehr viel Verschie-
132 f; Zeus/Skiffington, S. XIII; Czichos, S. 10, S. 14, S. 16; Schreyögg (a), S. 151; Volk, S. 34; Scott-Morgan/Hoving/Smit/van der Slot, S. 13 f; Vogelauer (a), S. VI; Berger; Looss/Rauen, S. 162 f; Klein, S. 126; Flaherty, S. 1 ff; Parsloe/Wray, S. 1, S. 11; Heß/Roth, S. 6 55 Böning (c), S. 23; vgl. hierzu auch die Ergebniszusammenfassung der Studie zu diesem Thema a.a.O., S. 52 f 56 Vgl. insgesamt Schreyögg (a), S. 7; Greif, S. 11 ff; Looss/Rauen, S. 155, S. 158; Looss (a), S. 9, S. 13; Looss (b), S. 106; Rauen (a), S. 111; Rauen (c), S. 1, S. 21; Fischer-Epe, S. 18, S. 20 f; von Sassen/Vogelauer, S. 2, S. 6, S. 28; Vogelauer (c), S. 139; Whitmore, S. 9 f; Heß/Roth, S. 14; König, S. 249; Jung, S. 134; Dopfer, S. 60; Bayer (b), S. 206; Klein, S. 115; Doppler, S. 97; Innerhofer/ Innerhofer/Lang, S. 16 f; Holzapfel; PEF Privatuniversität für Management, S. 1, S. 3, S. 21; Demmer; Böning (a), S. 107 f; Böning (b), S. 17 f, S. 20, S. 24; Prochnow, S. 60; Alwart (a); Wrede (a), S. 9; Rückle (b), S. 49; Parsloe/Wray, S. 1, S. 11, S. 41; Zeus/Skiffington, S. 21, S. 32, S. 64 57 Böning (c), S. 21 58 Vgl. Prochnow, S. 60; Böning (b), S. 25 f; Böning (c), S. 22; Holzapfel; Henkel; Demmer; Alwart (a)
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
33
denes enthalten kann“59. Nach Rauen sind auch „viele der zahlreich am Markt befindlichen Coaching-Begriffe […] keine etablierten Verfahren, sondern umbenannte klassische Trainings- und Beratungsmaßnahmen oder - noch schlimmer Ansammlungen zweifelhafter Ideen und Vorgehensweisen, die mit teilweise exotischen Erfolgsversprechungen angepriesen werden. In diesen Fällen wird der Begriff ‚Coaching’ lediglich missbraucht, um von seinem Ruf zu profitieren.“60 Viele erfahrene Coachs und Autoren von Coachingbüchern warnen daher vor „Etikettenschwindel“61, „schwarzen Schafen“62 unter den Coachs und vor falschen Versprechungen.63 Denn auch Coaching ist keine Patentlösung oder Wundermethode. 64 Mangels einer allgemein einheitlichen Coachingdefinition ist es hier zu Beginn des Kapitels - entgegen der üblichen Vorgehensweise - nicht möglich, eine einheitliche allgemeinverbindliche Begriffsklärung voranzustellen. Ein Überblick über das, was heute insgesamt unter Coaching verstanden wird, kann dennoch durch die Aufzählung vielfältiger Begriffserläuterungen gewährt werden. Aus dem Ganzen dieser zitierten Ausführungen wird dabei bereits zu Beginn dieses Kapitels vor allem die bemerkenswerte Vielfalt und insgesamt bestehende Uneinheitlichkeit im Coaching erkennbar. Neben den deutlich werdenden Unterschieden im Begriffsverständnis und der Anwendung zeigen sich aber auch klare Übereinstimmungen zu bedeutenden Merkmalen des Coachings. Eine weitere Präzisierung dessen erfolgt in den anschließenden Gliederungspunkten im Rahmen der umfassenden Ausführungen zu den einzelnen Aspekten des Coachings. Die folgend zitierten Ausführungen zum Coachingverständnis sind nach Autoren alphabetisch sortiert: Nach Bayer wird „Coaching-Kompetenz als Gestaltung und Beschleunigung sozialer Prozesse“65 verstanden, die „zum Kern der Steuerung von Veränderungsprozessen im Betrieb“ 66 zählt. Coaching-Kompetenz wird an anderer Stelle auch definiert „als ein gehobener Professionalisierungsgrad der sozialen Kompe-
59
Böning (b), S. 24; ähnlich auch Wrede (a), S. 9 Rauen (c), S. 21 und vgl. hierzu auch S. 1 f 61 Prochnow, S. 58 62 Prochnow, S. 58; vgl. auch Holzapfel 63 Vgl. u.a. Schreyögg (a), S. 7; Schreyögg (b), S. 244; Rauen (c), S. 21; Fischer-Epe, S. 20 f; Whitmore, S. 9 f; Bayer (a), S. 9; Holzapfel; Alwart (a); Demmer; Prochnow, S. 58, S. 60 64 Vgl. u.a. Whitmore, S. 10; Prochnow, S. 62; Looss (a), S. 18 f; Looss/Rauen, S. 162; Rückle (b), S. 20; Wrede (a), S. 30; Walther, S. 55; Rauen (c), S. 1, S. 45 f 65 Bayer (b), S. 209 66 Bayer (b), S. 209 60
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tenz für die Arbeit mit Menschen“67. Gemäß dieser Begriffsbestimmung ist ein Coach nach Bayer „eine Person mit der Kompetenz, soziale Prozesse zu gestalten und zu beschleunigen, mit der Folge, dass die üblichen Reibungsverluste in der (betrieblichen) Zusammenarbeit signifikant (und, wenigstens prinzipiell, messbar) reduziert werden, unabhängig davon, ob diese Leistung hauptberuflich oder im Rahmen einer anderen Funktion erbracht wird, unabhängig davon, ob diese Leistung als solche eigens ausgewiesen und verrechnet wird oder ob sie im Rahmen einer breiter angelegten oder anders definierten beruflichen Beziehung erbracht wird.“68 In dem Bestreben, sich von anderen Coaching-Definitionen, wie beispielsweise denen von Rückle, Looss und Schreyögg abzugrenzen 69, definiert Bayer Coaching insgesamt wie folgt: „In unserem Verständnis […] ist ein Coach ganz generell eine Person mit der Kompetenz, soziale Prozesse zu gestalten und zu beschleunigen. Dazu gehören die qualifizierte Wahrnehmung und die richtige/angemessene Deutung sozialer Prozesse sowie überdurchschnittlicher Mut, die sich ergebenden Konsequenzen auszusprechen und zu ‚leben’. Damit zwingend verbunden ist die Frage der gelebten Werthaltung eines Coachs, denn es kann natürlich auch manipulierend gecoacht werden - z.B. mit Hilfe von Sozialtechniken wie NLP etc. - und dies geschieht auch in der Praxis.“70 Weiter betont Bayer, dass Coaching „weit über den direkten Aufgabenbezug“ hinausgehe, denn „es muss den ganzen Menschen samt seiner Ängste, Zweifel und Hoffnungen einbeziehen. Es reicht nicht, bekannte Führungstechniken lediglich auf eine 4-Augen-Situation zu beziehen. Es reicht nicht, alte Konzepte neu zu etikettieren, und es reicht nicht, Coaching als ‚personenzentrierte Arbeit’ auf eine extern moderierte Beratungssituation zu beschränken. Exakt diese personenzentrierte und entwicklungsorientierte Arbeit ist der Beruf einer Führungskraft im Betrieb. Der Vorgesetzte muss dafür qualifiziert sein, sonst handelt er nicht nur falsch, sondern er richtet Schaden an. Insofern halten wir unsere Sicht für umfassender, genauer und vertiefender als manche heute gängige Definition im deutschen Sprachraum, welche den Teilbereich ‚Coaching als externe Beratung’ betont.“71 67
Bayer (a), S. 95 Bayer (a), S. 95 Vgl. Bayer (b), S. 209 70 Bayer (b), S. 208 und vgl. auch Bayer (a), S. 98 f 71 Bayer (b), S. 209 und vgl. hierzu auch Bayer (a), S. 96 ff 68 69
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
35
Bayer stellt zudem heraus: „Ein Coach in unserem Verständnis lebt und handelt nach dem Menschenbild, welches jeden Einzelmenschen als einzigartige, Entscheidungen treffende, zielgerichtete, selbstverantwortliche und ganzheitliche Person versteht.“72 Für Bayer stellt Coaching darüber hinaus „immer und ausschließlich Hilfe zur Selbsthilfe“ dar. „Coaching entfaltet Potenziale, ermutigt, klärt Positionen, Erwartungen, Ziele, Wege und findet (ggf. neue) Lösungsmöglichkeiten aller Beteiligten. Sowohl bei einzelnen Menschen als auch bei ganzen Organisationen geht es beim Aufbau von Coaching-Kompetenz um ‚Wachstum’ hin zur Eigenständigkeit.“73 Nach Biehal kann mit der „Lernform Coaching […] Lernen on- und off-the-job in idealerweise verknüpft werden, das Lernen individualisiert und für jede Person maßgeschneidert werden, direkt und ohne Umwege an der Persönlichkeitsentwicklung gearbeitet werden.“74 Biehal führt hierzu weiter aus: „Wirklich ergiebig wird diese Verknüpfung beider Lernformen [das Lernen on- und off-the-job] aber nur, wenn sie kontinuierlich und personenbezogen erfolgt. Damit wird es notwendig, dem einzelnen Menschen Gelegenheit zu geben, seine Praxiserfahrungen, Probleme, Erfolge und Misserfolge individuell zu besprechen und dem expliziten Lernen zugänglich zu machen. Diese Anforderung ruft bereits nach der Methodik des Coaching, das genau das ermöglicht: Reflexion des eigenen Alltagshandelns, Durchspielen schwieriger Situationen, Auseinandersetzung mit widersprüchlichen Anforderungen auf individueller, personenbezogener Basis.“75 Nach Biehal-Heimburger steht gerade in der heutigen Zeit, die geprägt ist durch rasante Veränderungen, „die Stärkung und Entwicklung der eigenen Persönlichkeit im Coaching im Vordergrund. Wer in dieser Zeit seinen innersten Kern nicht stabilisiert, keine Ich-Stärke entwickelt, steht in der Gefahr aufgerieben, verunsichert, krank zu werden. Ich-Stärke ist allerdings nicht zu verwechseln mit Starrheit oder gar Rücksichtslosigkeit anderen gegenüber. Ich-Stärke setzt voraus, scheinbar widersprüchliche Fähigkeiten in Einklang zu bringen.“76 In ihren Überlegungen geht Biehal-Heimburger vom Gesetz der ‚Tendenz zur guten Gestalt‘ aus. Dabei defi72
Bayer (a), S. 96 Bayer (b), S. 206 Biehal, S. 85 75 Biehal, S. 84 76 Biehal-Heimburger, S. 43 73 74
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niert sie diese Tendenz zur guten Gestalt als den „tief in uns verwurzelten Drang, Gestörtes in Ordnung zu bringen und bei Unterent-wickeltem Geburtshelfer zu sein.“77 „Wir erleben kein Durcheinander verschiedener optischer, akustischer, geschmacklicher, geruchlicher oder taktiler Einzelempfindungen, sondern Ordnungen, Strukturen, Gestalten.“78 „Der Mensch besitzt die Fähigkeit zur Selbstorganisation, die es ihm ermöglicht, ein inneres Gleichgewicht aus eigenen Kräften herzustellen. Allerdings können innere starre Strukturen für das Herstellen dieses Gleichgewichtes hinderlich sein. Im Coaching können solche starren Verknüpfungen zwischen bestimmten Vorstellungen mit bestimmten Verhaltensweisen starke Barrieren sein, welche die Fähigkeit zur Selbstregulation einschränken.“79 In derartigen Situationen schafft der Coach jedoch Bedingungen, die die sog. ‚Tendenz zur guten Gestalt‘ fördern und hilft, die Fähigkeit zur Selbstregulation zu erhöhen.80 Böning beschreibt Coaching als „ein hocheffizientes Instrument für Führungskräfte und Unternehmen. Es ist der konkreteste, spezifischste, individuellste und am meisten situationsnahe Ansatz zur ‘Optimierung‘ von Führungskräften beziehungsweise von Unternehmen bei psychologischen Fragen, den ich kenne. Wir verstehen unter Coaching ein relativ neues Instrument zur Unterstützung von Führungskräften und Unternehmen in den Bereichen Führungsverhalten/Managementverhalten, Leistungssteigerung [und] persönliche Entwicklung. Es handelt sich daher um eine psychologische Beratung unter dem Aspekt der Selbststeuerung der Teilnehmer die eine Hilfe zur Selbsthilfe darstellt mit dem Ziel, die Performance der Führungskräfte zu verbessern. Diese Art von Beratung bedeutet ein persönliches Begleiten der Führungskraft ähnlich wie beim Coachen eines Leistungssportlers im Hochleistungsbereich, aus dem ja der Begriff ursprünglich herkommt! Diese Beratung umfaßt sehr verschiedene konkrete Fragestellungen und beinhaltet ein breites Spektrum von Methoden. Coaching ist daher ein sehr heterogener Begriff! Im Vordergrund stehen immer Einzelgespräche, die aber ergänzt werden können durch spezielle Trainingsmaßnahmen, Seminare, Workshops und anderes.”81 77
Biehal-Heimburger, S. 44 Biehal-Heimburger, S. 44 Biehal-Heimburger, S. 44 80 Vgl. Biehal-Heimburger, S. 44 81 Böning (a), S. 107 f 78 79
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
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Wie Böning darüber hinaus darstellt, dient Coaching „nicht nur der Weiterentwicklung von emotionaler Intelligenz […] und sozialer Kompetenz […] einzelner Führungskräfte. Als Einzel- oder Teammaßnahme dient es heute primär der verhaltensbezogenen und mentalen Weiterentwicklung von Schlüsselpersonen im Rahmen von weitreichenden oder umfassenden Veränderungsprozessen in Unternehmen (strategische Neuausrichtung, Umstrukturierungen, Fusionen usw.). Oder es dient konkreten arbeitsbezogenen Problemlösungen in der Zusammenarbeit mit anderen. Auch wichtige oder kritische Projekte können prophylaktisch oder krisenbezogen begleitet werden. Das Konzept ‚Coaching’ ist weitgehend entpathologisiert und hat seine Therapieassoziationen fast ganz verloren. Im Rahmen einer differenzierten und effizienten Führungskräfteentwicklung hat sich das Grundverständnis verbreitet: Hochleister werden bei der Bewältigung herausfordernder Aufgaben unterstützt. Als Impulsgeber und Soundingboard ist das Coaching sehr gut geeignet, das Selbstwertgefühl der Top-Leute aufzubauen und soziale Lernprozesse zu ermöglichen.“82 Im Rahmen der Veröffentlichung seiner neuesten empirischen Studie „Coaching: Der Siegeszug eines Personalentwicklungsinstruments – Eine 15-JahresBilanz“ in Rauens „Handbuch Coaching“ aus dem Jahr 2005 formuliert Böning selbst jedoch keine eigene Coaching-Definition mehr, sondern verweist auf die hier später ebenfalls zitierte Begriffsbestimmung des Deutschen Bundesverbandes Coaching e.V. (DBVC). Czichos sieht Coaching als Notwendigkeit für Unternehmen in den heutigen Zeiten permanenter Veränderung, denn „das ‚Spiel’ und die Spielregeln haben sich verändert“83. Er richtet sich mit seinem Buch „Coaching = Leistung durch Führung“ speziell an Führungskräfte, die die entsprechenden Veränderungen in den Unternehmen vorantreiben müssen. Czichos spricht von der sogenannten „Change-Lawine“ bzw. „Change-Dampfwalze“, die Unternehmen heute und in Zukunft zwingen, sich konsequent umzuorientieren.84 „Führungskräfte (müssen) daher in der Lage sein, durch ihr Coaching eine Change-Kultur in ihren/ihrem Unternehmen zu etablieren!“85 Ausgehend von der Grundidee „Change braucht Coaching“86 fordert Czichos die Führungskräfte auf, sich die folgende Frage zu stellen: „Was sind die gegenwärtigen und vor allen Dingen zukünftigen Anforderungen für Leitbilder und Anforderungen an Sie selbst und an Ihre Mitarbei82
Böning (b), S. 38 Czichos, S. 12 Czichos, S. 14 85 Czichos, S. 11 86 Czichos, S. 11 83 84
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ter?“87 Denn nur wenn sich die Führungskräfte intensiv damit beschäftigen, was jetzt und in Zukunft in den Rollen der Mitarbeiter gefordert wird, können diese effektiv gecoacht werden.88 „Das Ziel des Coaching ist, dass Mitarbeiter etwas anders tun; der Weg dahin zu lernen; Coaching ist ein Prozeß, der das Lernen unterstützen soll.“89 Über diese Definition hinaus versteht Czichos Coaching in engem Zusammenhang mit Motivation: „Wie verbessert man die Leistung von Mitarbeitern? Durch Motivation? Ja! Die Bedürfnisse der Mitarbeiter erkennen und befriedigen. Man will mehr Leistung durch Motivation erreichen. Aber: Reicht das? Coaching in seinen unterschiedlichen Formen […] hat zum Ziel, die Leistung zu verbessern. Der konstruktive Coaching-Prozeß und die erzielten Leistungssteigerungen wirken dann motivierend. Motivation ist dann das Ergebnis von mehr Leistung. Coaching- und Motivationstechniken sollten als sich notwendigerweise ergänzende Managementtechniken gesehen und genutzt werden. Viele Motivationstheorien geben daher also nur jeweils die halbe Antwort.“90 Die Mitglieder des Deutschen Bundesverbandes Coaching e.V. (DBVC) haben sich 2004 auf eine einheitliche Formulierung der Coaching-Definition geeinigt, „die die wesentlichen inhaltlichen Bestimmungsstücke enthält […]. Dabei wird in dieser Ausführung pragmatisch auf bestimmte Aspekte verzichtet, die sich auf die methodischen Besonderheiten einzelner Ansätze beziehen“91: „Coaching ist die professionelle Beratung, Begleitung und Unterstützung von Personen mit Führungs-/Steuerungsfunktionen und von Experten in Unternehmen/Organisationen. Zielsetzung von Coaching ist die Weiterentwicklung von individuellen oder kollektiven Lern- und Leistungsprozessen bzgl. primär beruflicher Anliegen. Als ergebnis- und lösungsorientierte Beratungsform dient Coaching der Steigerung und dem Erhalt der Leistungsfähigkeit. Als ein auf individuelle Bedürfnisse abgestimmter Beratungsprozess unterstützt ein Coach bei der Verbesserung der beruflichen Situation und dem Gestalten von Rollen unter anspruchsvollen Bedingungen. Durch die Optimierung der menschlichen Potenziale soll die wertschöpfende und zukunftsgerichtete Entwicklung des Unternehmens/der Organisation gefördert werden.
87
Czichos, S. 11 Vgl. Czichos, S. 10 Czichos, S. 68 90 Czichos, S. 59 91 Böning (c), S. 26 88 89
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
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Inhaltlich ist Coaching eine Kombination aus individueller Unterstützung zur Bewältigung verschiedener Anliegen und persönlicher Beratung. In einer solchen Beratung wird der Klient angeregt, eigene Lösungen zu entwickeln. Der Coach ermöglicht das Erkennen von Problemursachen und dient daher zur Identifikation und Lösung der zum Problem führenden Prozesse. Der Klient lernt so im Idealfall seine Probleme eigenständig zu lösen, sein Verhalten/seine Einstellungen weiterzuentwickeln und effektive Ergebnisse zu erreichen. Ein grundsätzliches Merkmal des professionellen Coachings ist die Förderung der Selbstreflexion und –wahrnehmung und die selbstgesteuerte Erweiterung bzw. Verbesserung der Möglichkeiten des Klienten bzgl. Wahrnehmung, Erleben und Verhalten.“92 Auch Doppler und Lauterburg widmen in ihrem Buch ‚Change-Management: den Unternehmenswandel gestalten‘ dem Coaching ein eigenes Kapitel. In diesem definieren sie Coaching als eine „persönliche Beratung und Begleitung”, in der es „im Gegensatz zur Fachberatung” nicht in erster Linie um das Vermitteln von fachlichem Know-how geht, „sondern um optimales Verhalten und Führungshandeln in einem hochkomplexen und hochvernetzten sozialen und politischen Umfeld. Da geht es nicht zuletzt auch darum, die eigenen emotionalen Verstrickungen zu erkennen und zu lösen. Die gefährlichsten Stolpersteine sind bekanntlich diejenigen, die sich in einem selbst befinden. Sie sind es in der Regel, die nicht rechtzeitig erkannt werden.”93 Entsprechend den Ausführungen von Finger-Hamborg erhält „Coaching als individuell zugeschnittene Form der Personalentwicklung neben traditionellen Personalentwicklungsmaßnahmen durch folgende Aspekte zunehmende Bedeutung: Weiterbildung bezieht sich von Beginn an auf einzelne Personen (oder kleine Gruppen) und deren individuellen Fortbildungsbedarf. In einem solchen Setting ist problemorientiertes sowie emotionsorientiertes Lernen möglich. Dadurch, dass Coaching ‚on the Job’ thematisch an den aktuellen Anforderungen des Arbeitsplatzes ansetzt, ‚besteht eine sehr viel höhere Wahrscheinlichkeit, dass Gelerntes in den Beruf transferiert werden kann’. Dabei kann der Erfolg des Transfers des Gelernten in die Praxis als Überprüfung in einer nächsten Coaching-Sitzung thematisiert werden.“94 92
DBVC (a) Doppler/Lauterburg, S. 428 94 Finger-Hamborg, S. 227 unter Berufung auf Schreyögg, Coaching: Eine Einführung für Praxis und Ausbildung, Frankfurt/ Main, 1995, S. 54 93
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2 Was ist Coaching?
Darüber hinaus macht Finger-Hamborg deutlich, dass Coaching aber „nicht nur für höher angesiedelte Führungskräfte angewendet werden kann“, sondern auch auf anderen hierarchischen Ebenen, wie z.B. in handwerklichen Betrieben auf Meisterebene, „erfolgversprechende Effekte zeigt“.95 Ihrer Coaching-Definition legt Finger-Hamborg die Begriffsbestimmung Rauens zugrunde96, stellt aber den Aspekt der Freiwilligkeit des Coachings aufgrund ihrer Praxiserfahrung beim Coachen von Meistern und Schichtleitern zur Diskussion, da diese Personengruppen „im Unterschied zu Top-Führungskräften nicht aus eigenem Antrieb heraus nach Coaching verlangen“.97 Fischer-Epe sieht „Coaching als individuell maßgeschneidertes Beratungsangebot im Spannungsfeld von Rollenanforderungen einerseits und persönlichen Zielen und Möglichkeiten eines konkreten Menschen andererseits“98. „Unter Coaching verstehe ich eine Kombination aus individueller Beratung, persönlichem Feedback und praxisorientiertem Training. Im Coaching werden Fragestellungen behandelt, die die berufliche Aufgabe und Rolle sowie die Persönlichkeit des Klienten betreffen. Beispiele dafür sind: Persönliche Standortbestimmung, Entwicklung von Visionen und Formulierung von Zielen. Entwicklung geeigneter Problemlösungs- und Umsetzungsstrategien. Analyse und Weiterentwicklung des eigenen Verhaltens. Rollenklärung und Positionsbestimmung in schwierigen Entscheidungssituationen. Bewältigung des Arbeitsalltags, zum Beispiel durch Training on the Job. Es geht immer gleichzeitig um zwei Perspektiven: Person und Rolle. Der Coach versucht, mit dem Klienten Lösungen zu finden, die den Rollenanforderungen gerecht werden und gleichzeitig zur Person passen. Klärungshilfe, Supervision und Coaching sind Formen von Prozessberatung, die helfen, Probleme zu lösen und Ziele zu erreichen, ohne dass der Berater als Experte Lösungen vorgibt. Coaching ist in diesem Sinne eine professionelle Reflexions- und Entwicklungshilfe in der beruflichen Praxis mit dem Ziel, Handlungsalternativen zu entwickeln und sich in seinem Umfeld als souveräner Gestalter zu bewegen. Dabei bleibt die Selbstverantwortung des Klienten zu jedem Zeitpunkt bewahrt, die Beratung leistet Hilfe zur Selbsthilfe. Der Coach begleitet den Klienten als Partner in einem Dialog unter Experten: Der Klient ist Experte in seinem Arbeitsfeld, 95
Finger-Hamborg, S. 227 f Vgl. hierzu Finger-Hamborg, S. 228 97 Finger-Hamborg, S. 228 98 Fischer-Epe, S. 15 96
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der Coach ist Experte für Gesprächs- und Beratungsmethoden und kennt sich im Themenfeld Führung und Zusammenarbeit aus. Der Coach hilft bei der Suche nach stimmigen Zielen und angemessenen Lösungswegen, er fördert Zuversicht und persönliche Entwicklung. Hier schließt sich der Kreis […] zur sprachlichen Wurzel des Coaching-Begriffs: Eine Kutsche ist ein Hilfsmittel, ein Beförderungsmittel, um auf den Weg zu kommen und ein Ziel schneller und bequemer zu erreichen als zu Fuß. Der Benutzer bedient sich dieses Hilfsmittels, entscheidet aber selbst über die Richtung bzw. das Reiseziel. Der Kutscher kennt die Wege, kann Entfernungen und Reisezeiten einschätzen, sorgt für die Qualität des Vorankommens und für angemessene Pausen.“99 Mit anderen Worten, ist es für den Lern- und Entwicklungsprozess des Mitarbeiters notwendig, ihn „partnerschaftlich-wertschätzend zur Selbstorganisation anzuregen“.100 Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert Coaching als ein „Personalentwicklungskonzept, bei dem ähnlich wie im Sport die Aufgabe einer Führungskraft vor allem darin gesehen wird, durch individuelle Betreuung der Mitarbeiter auf ihr Leistungsverhalten einzuwirken und einen Ausgleich zwischen Unternehmensanforderungen und Mitarbeiterbedürfnissen zu schaffen und damit Hilfestellung zur Selbstmotivation zu geben.”101 Glatz und Lamprecht beschreiben Coaching als einen „längerfristigen Begleitprozeß“, in dem „an den geistigen und emotionalen Blockaden gearbeitet wird, die einer aktiven Veränderung entgegenstehen. Ängste können thematisiert werden, man kann riskieren verletzlich bzw. nicht Herr der Lage zu sein und sich mit den eigenen Unsicherheiten auseinanderzusetzen. Man kann Antworten suchen, ohne sie gleich wissen zu müssen. Man wird nicht kritisiert, leistungsbeurteilt, zielgesetzt oder verliert die Erfolgsprämie oder das Gesicht. Man kann ohne Leistungsdruck im ‚See der eigenen Ressourcen fischen‘, sich selbst besser verstehen lernen und Unterschiede im Wollen, Können und Dürfen hinterfragen.“102 „Coaching hilft Menschen, mit Situationen besser umzugehen, Probleme zu lösen, sich Fertigkeiten anzueignen und Menschen und Gruppen weiterzuentwickeln.“103 Demzufolge definieren Glatz und Lamprecht Coaching auch als „Hilfe zur Selbsthilfe“104. „Das heißt: Der Coach gibt keine Problemlösung, sondern hilft 99
Fischer-Epe, S. 21 ff Fischer-Epe, S. 27 101 Gabler Wirtschaftslexikon, S. 789 102 Glatz/Lamprecht, S. 126 103 Glatz/Lamprecht, S. 138 104 Glatz/Lamprecht, S. 126 100
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durch gezielte Fragen oder andere […] Methoden, eine Findung der Lösung beim Coachee (Coaching-Kunde) anzuregen. Während beim Training neue Fertigkeiten gelehrt und geübt werden, unterstützt Coaching den Coachee bei der Umsetzung und Anwendung von Fähigkeiten und des kognitiven Wissens in speziellen, schwierigen, neuen Situationen. Coaching leistet Hilfe bei der Orientierung in neuen Situationen und gibt Anwendungs-/Umsetzungsunterstützung. Es setzt voraus, daß der Coachee die wesentlichsten Potenziale und Fähigkeiten, um in der neuen Situation zu bestehen, mitbringt. Coaching ist bestrebt, die Selbständigkeit des Coachee zu erhöhen und vermeidet alles, was diesen abhängig macht.“105 Greif definiert zusammenfassend: „Coaching ist eine intensive und systematische Förderung der Reflexionen und Selbstreflexionen sowie Beratung von Personen oder Gruppen zur Verbesserung der Erreichung selbstkongruenter Ziele oder zur bewussten Selbstveränderung und Selbstentwicklung.“106 Wie Greif an anderer Stelle beschreibt, geht es in der Hauptphase des Coachingprozesses darum, „Ziele und Lösungswege zu erarbeiten, die Lösungswege zu erproben und zu überprüfen, ob die Ziele erreicht wurden. Die Ziele und Lösungen werden im Beratungsprozess erarbeitet und nicht vom Coach, sondern von den zu beratenden Personen bestimmt. Coaching wird deshalb oft auch als ‚Hilfe zur Selbsthilfe’ oder Förderung des Selbstmanagements charakterisiert. Beratung ist immer eine Beratung von Personen. Formulierungen wie ‚personenbezogene Beratung’ helfen deshalb nicht, Coaching von anderen Arten der Beratung abzugrenzen. Um zu verhindern, dass Coaching als populärer Containerbegriff […] ‚für alles und jedes’, insbesondere als moderner Ersatzbegriff für jede Art Beratung verwendet werden kann, sind weitere Spezifikationen erforderlich. In den meisten Definitionen werden dazu spezielle Zielgruppen oder bestimmte Probleme und Ziele für das Coaching aufgeführt und andere ausgegrenzt. Es erscheint allerdings wenig sinnvoll, Coaching nur für spezielle Zielgruppen zu reservieren (etwa wie in der DBVC-Definition für ‚Personen mit Führungs-/Steuerungsfunktionen und von Experten in Unternehmen/Organisationen’).“107 Nach Hamm ist Coaching „ein gemeinsamer Prozess des Lernens und hat das Ziel, dass der Klient in den bearbeiteten Bereichen baldmöglichst die gewünschte Kompetenz erreicht und der Coach mit seinen Fähigkeiten nicht mehr benötigt 105
Glatz/Lamprecht, S. 126 f Greif, S. 15 107 Greif, S. 12 106
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
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wird “108. Der Coach ist für Hamm dabei als „Reisebegleiter“ zu verstehen, der „ein möglichst großes Spektrum von Navigationshilfen […] für die gemeinsame Reise zur Verfügung stellt. Die Zusammenarbeit von Coach und Klient ist ein Zusammenwirken, das zu einer Abfolge von gemeinsamen Lernprozessen wird.“109 Darüber hinaus betont Hamm, dass Coaching im Sinne „einer sich lediglich systemisch verstehenden Vorgehensweise […] in der Praxis allzu häufig zu einem linearen Wenn-Dann-Verfahren mutiert“110. Unter der Überschrift „Lineare Sackgassen“ führt er hierzu weiter aus: „Dabei wird in der ‚normalen’ Herangehensweise zumeist von allen Beteiligten von der mehr oder weniger bewussten Vorannahme ausgegangen, dass die vom Klienten beschriebene Problemlage eine Ursache habe und es nun nötig sein, eine Lösung zu finden. Selbst wenn bei der weiteren Arbeit Strategien aus dem ‚Werkzeugkasten’ genommen werden, die dem systemischen Denken entspringen, bleibt jedoch ein grundsätzliches Manko: Dieses Vorgehen ist eine lineare Herangehensweise, die dem UrsacheWirkungs-Prinzip verhaftet ist und damit notwendig eindimensional bleibt.“111 Werde dennoch im Rahmen derartiger eindimensionaler Vorgehensweisen eine erfolgversprechende Möglichkeit im Coaching gefunden, sei ein solcher Erfolg „aber allzu häufig nur von kurzer Dauer, da die Ökologie des Klienten dabei nicht ausreichend berücksichtigt“112 werde. Denn wie Hamm u.a. weiter beschreibt, sei für den Erfolg im Coaching stets eine umfassende Betrachtung des Klienten und seiner Umweltbedingungen sowie damit verbunden auch die Berücksichtigung von Vernetzungen, die über ein einschränkendes lineares Denken hinausgehen, notwendig.113 Hilb legt seinem Beitrag die folgende Coachingdefinition, zitiert aus Evered/ Selman114, zugrunde: „ ‚A coach is someone who has an ongoing, committed partnership with a … performer and who empowers that person … to exceed prior levels of … performance’ “115. Im Rahmen der von Hilb gewählten Begriffsbestimmung „wird unter Coach vor allem die primäre Rolle des Linienvorgesetzten in seiner Personalverantwortung verstanden, wobei ‚die aufgabenbezogene Unterstützung betont wird’ “116. Bewusst grenzt er sich von der Auffassung 108
Hamm, S. 422 Hamm, S. 425 110 Hamm, S. 421 111 Hamm, S. 423 f 112 Hamm, S. 423 113 Vgl. Insgesamt hierzu Hamm, S. 423 f 114 Evered, R.D./Selman, J.C.: Coaching and the Art of Management, New York, 2000, S. 21 115 Hilb, S. 17 116 Hilb, S. 16 109
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ab, den Coach als externen Berater zu verstehen, „ ‚der insbesondere ausgebildet ist, die Arbeit an personenbezogenen Thematiken zu unterstützen’ “117. „Die zunehmende Globalisierung und Virtualisierung von Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft bewirkt, dass Organisationen nur dann lernfähiger und innovativer als ihre Mitbewerber sein können, wenn sie auf allen Ebenen möglichst viele Arbeitspartner beschäftigen, die sich selbst führen und sich so verhalten, als ob ihnen die Organisation selbst gehört. Dabei handelt es sich bei den Führungskräften und Mitarbeitenden um ‚Humane Mit-Unternehmen’, die über ein ausgeprägtes Maß an Kompetenz, Engagement und Integrität verfügen und sich durch ‚a cool head, a warm heart and working hands’ auszeichnen. […] In solchen erfolgreichen (Soll-)Organisationen […] führen Vor-GeNetzte (statt Vor-GeSetzte) mit breiten Vertrauens- (und nicht mit engen Kontroll-) Spannen Mit-Unter-nehmer (und nicht Unter-Gebene).“118 Jung beschreibt Coaching im Rahmen einer „betreuenden Beratungsleistung“119 als einen Prozess120, der der Hilfe zur Selbsthilfe121 dient und der sich durch die „ ‚Integration von Lernen und Arbeiten’ […] von anderen Formen des Beratungsgespächs“122 unterscheidet. Im Gegensatz zur Therapie ist Coaching „primär auf das berufliche Rollenhandeln einer Person bezogen“123. Zudem ist Coaching „stärker verhaltensbezogen als die normale Managementberatung und weniger sachbezogen als diese. Die Vorgehensweise ist vornehmlich pädagogisch orientiert.“124 „Ausgangspunkt jeder Coaching-Beratung ist ein aktuell problematischer, andauernder Handlungsfluß, in den der Manager eingebunden ist. Sie unterbricht diesen Handlungsfluß, indem sie die Führungskraft aus ihrer Welt des selbstverständlichen Handelns in den Bereich des reflexiven Innehaltens hinüberführt. Coaching kann somit verstanden werden als problemlösende Reflexion, die das Handeln des Managers unterbricht, damit dieser auch weiterhin handeln kann.“125
117
Hilb, S. 17 unter Berufung auf Bauer, R., Coaching, in: Wieser, A./Reber, G./Wunderer, R (Hrsg.), Handwörterbuch der Führung, Stuttgart, 1995, S. 201 118 Hilb, S. 17 ff 119 Jung, S. 134 120 Vgl. Jung, S. 136 121 Vgl. Jung, S. 136 122 Jung, S. 135, unter Berufung auf Sattelberger, T. (Hrsg.), Innovative Personalentwicklung – Grundlagen, Konzepte, Erfahrungen, Wiesbaden, 1989 123 Jung, S. 135 124 Jung, S. 135 125 Jung, S. 137
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
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„Professionelles Handeln erfordert vom Berater, dass er die Kompetenz anderer Disziplinen anerkennt – vor allem die seines Klienten. Der professionelle Coach kennzeichnet sich gleichermaßen durch sein methodisches Können wie durch eine klienten- und problemzentrierte Gesprächsführung aus. Darüber hinaus besitzt er psychologisches Know-how, emotionales Einfühlungsvermögen und - nicht zuletzt - eine Portion Fachverständnis für Managementprozesse. Inhaltliche Flexibilität bei gleichzeitiger formaler und methodischer Fixierung ist ein Wesensmerkmal professionellen Coachings.“126 Ferner betont Jung im Rahmen des Aspekts der Hilfe zur Selbsthilfe im Coaching, dass „ein Coach, der seinem Gesprächspartner ‚kluge Ratschläge’ erteilt“ unprofessionell agiert, „weil er damit die Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit der ratsuchenden Führungskraft nicht nur nicht wiederherstellt, sondern gänzlich aufhebt. Ein solcher Berater würde seinem Klienten die Regie für dessen eigenes Handeln endgültig aus der Hand nehmen. […] Um seinem Gesprächspartner dessen problematisierte Handlungsfähigkeit wiederzugeben, muß ein Coach bestimmte Stabilisierungs- und Interventionsverfahren zur Einstellungs- und Verhaltensänderung beherrschen sowie überprüfbare Regeln professionellen Handelns einhalten.“127 Klein versteht Coaching als diskreten, individuellen Trainingsprozess, der für Führungskräfte, Selbständige und Freiberufler entwickelt wurde, „aber […] auch für Personen sinnvoll und effektiv [ist], die sich in einer beruflichen oder persönlichen Wachstumskrise befinden“.128 Klein führt zu seiner Coaching-Definition weiter aus: „Mit der Definition des Coachings als einem individuellen Trainingsprozess grenze ich mich deutlich von anderen Coaching-Konzepten und Coaching-Definitionen ab. Die Weitergabe von fachspezifischem Wissen ist für mich kein Coaching, sondern eindeutiger mit dem Begriff Mentoring […] zu bezeichnen. ‚Beratende Gespräche’ sind nach meiner Auffassung auch kein Coaching. Diese Beratungsgespräche können sicher hilfreich, klärend und unterstützend sein, aber bei ihnen fehlt ganz eindeutig der Trainingsaspekt. […] Selbstverständlich ist das Coaching auch keine Therapie und kein Ersatz für eine eventuell notwendige Therapie. […] Aus diesen Abgrenzungen ergibt sich, dass ich Coaching als ein sehr anspruchsvolles und herausforderndes mentales Training ansehe, das es dem Klienten ermöglicht, über das bisher Erreichte wesentlich hinauszugehen, eigene Probleme zu erkennen und zu lösen, sowie mentale Haltungen und Kommunikationsformen zu überprüfen und zu wandeln.“129 126
Jung, S. 139 Jung, S. 139 128 Vgl. Klein, S. 115 129 Klein, S. 115 f 127
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2 Was ist Coaching?
König antwortet auf die Frage: „Wofür steht Coaching heute?“: „Hinter diesem Begriff findet sich ein Wirrwarr von Beschreibungen. ‚Coaching’ ist eine Sprachhülse und beschreibt in der Personal- und Managemententwicklung einen Beratungsservice für Führungskräfte […]. Wir finden darin ein Sammelsurium von unterschiedlichen Ansätzen und Vorgehensweisen der Arbeit mit Einzelnen im Unternehmen. All diesen verschiedenen Ansätzen ist gemein, dass sie der Leistungsverbesserung dienen sollen in Bezug auf Führungsfähigkeit. Ebenso vielfältig wie die Begriffe sind auch die Berufsgruppen, die sich in diesem Felde tummeln: Als Coachs fungieren Betriebswirte, Kaufleute, Lehrer und auch Psychologen.“130 König versteht Coaching „als einen Prozess, in dem ein psychologisch geschulter Berater eine Führungskraft über einen bestimmten Zeitabschnitt unterstützt.“131 Im individuellen Coaching könnten Führungskräfte offen über ihre Arbeit, über Schwierigkeiten und Erfolge, Stärken und Schwächen etc. reden und dabei gezielte Entlastung, Klärung und Anregung erhalten.132 Ziel einer Coachingmaßnahme sei dabei die Leistungsoptimierung des Klienten unter Berücksichtigung seiner Einbindung in ein wirtschaftlich funktionierendes System 133, also, wie König auch formuliert, „die Optimierung, Wiederherstellung oder Weiterentwicklung der Führungsfähigkeit des Klienten sowie das Finden eines überzeugenden persönlichen Führungsstils, der geprägt ist von Sach- und Fachkompetenz, menschlicher Integrität, Intuition und Kreativität.“134 Nach König bestimmen folgende drei Säulen das Coaching: „Denken und Wissen Fühlen und Verstehen Handeln“135 König und Volmer verstehen Coaching im Kern als „berufsbezogene Beratung“, die „bei der Bewältigung beruflicher Aufgaben“ unterstützt und sich somit „deutlich abgrenzt von einseitig therapeutisch ausgerichteten Konzepten“.136 Mit der Definition als berufsbezogene Beratung grenzt sich Coaching auch allgemein von Führung ab, so König und Volmer. „Es macht wenig Sinn, jedes Führungsverhalten als Coaching zu verstehen, wohl aber kann Coaching eine besondere Art von Führung darstellen.“137 130
König, S. 249 König, S. 249 Vgl. König, S. 250 133 Vgl. König, S. 249 134 König, S. 250 135 König, S. 250 136 König/Volmer, S. 11 137 König/Volmer, S. 11 131 132
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
47
Zusammenfassend definieren König und Volmer Coaching durch folgende Merkmale: „Coaching ist Beratung von Führungskräften, Experten, Mitarbeitern bei der Erreichung von Zielen im beruflichen Bereich. […] Der Coach unterstützt seinen ‚Coachee’, aber er gibt keine Anweisungen. Im Sinne von Beratung ist Coaching ‚Hilfe zur Selbsthilfe’.“138 „Coaching ist durch die Unterscheidung zwischen Coach und Coachee (Klient, Gecoachter) gekennzeichnet. Der Coachee hat ein Problem, zu dessen Lösung er Unterstützung erwartet. […] Der Coach ist diejenige Person, die auf der Basis ihrer CoachingKompetenz, ihres Fachwissens und ihrer Erfahrung diese Unterstützung geben kann.“139 „Coaching ist in der Regel sowohl Prozess- als auch Expertenberatung“140.141 „Im Unterschied zu einseitiger Expertenberatung oder einseitiger Prozessberatung wird hier unter Coaching beides, Experten- und Prozessberatung, verstanden. Coaching ist nicht nur fachlich ausgerichtete Expertenberatung, auch nicht nur ‚Prozessberatung auf der persönlichen Ebene’ […]. Dabei können je nach der Situation, den Erwartungen des Coachee sowie den Fähigkeiten des Coach die Anteile unterschiedlich verteilt sein.“142 „Neutralität des Coach. Dass Coaching Unterstützung eines Coachee ist, selbst eine richtige Entscheidung zu treffen, aber ihm die Entscheidung nicht abnimmt, bedeutet, dass ein Coach seine Aufgabe nur erfüllen kann, wenn er gegenüber dem Coachee und der Thematik ‚neutral’ ist: ein Coach, der sich mit dem Coachee in einem Konflikt befindet oder von ihm abgelehnt wird, oder ein Coach, der versucht, seine eigenen Interessen durchzusetzen, ist nicht mehr ‚neutral’. Der Coachee kann nicht mehr unbefangen an seinen Problemen 138
König/Volmer, S. 11 König/Volmer, S. 12 140 König/Volmer, S. 13 141 König und Volmer führen hierzu ein Beispiel an: Ein Bereichsleiter in einem Unternehmen fühlt sich im Kreis seiner Kollegen, also den anderen Bereichsleitern gegenüber, unsicher. „Aufgabe des Coach ist es hier zunächst, den Coachee dabei zu unterstützen, sich klar zu werden, was diese Unsicherheit ausmacht. Der Coach ist hier Prozessberater, der nicht die ‚richtige Lösung’ weiß (letztlich weiß nur der Coachee, was zu der Unsicherheit führt), sondern durch z.B. geeignete Fragen den Coachee dabei unterstützt, sich selbst Klarheit zu verschaffen. Prozessberatung ist Unterstützung des Klienten, sich selbst über seine Situation klar zu werden und neue Lösungsmöglichkeiten zu finden.“ (König/Volmer, S. 12) „Expertenberatung bedeutet demgegenüber, dass der Coach als Experte Anregungen für die Problemlösung gibt.“ Dabei kann auch ein zusätzlicher Fachexperte hinzugezogen werden. (König/Volmer, S. 12 f) 142 König/Volmer, S. 13 139
48
2 Was ist Coaching? arbeiten. D.h. Coaching ist nur möglich, wenn der Coach nicht selbst ‚Betroffener’ ist.“143 „Coaching als Einzelcoaching, als Zweiercoaching in Triadensituationen oder als Teamcoaching. Coaching kann als Einzelcoaching, als Coaching von Zweiergruppen oder Coaching von Teams durchgeführt werden.“144
Nach Looss ist Coaching „- verkürzt formuliert - personenbezogene Einzelberatung von Menschen in der Arbeitswelt.“145 „Wer jedoch wen in welcher Form berät oder trainiert, anleitet oder anfeuert und zu welchen Themen, darüber sind sich weder Anbieter noch Nutzer dieser Dienstleistung besonders einig. Mittlerweile haben diejenigen, die als ‚Coachs’ tätig sind, ihre jeweils eigenen Varianten durch Versuch und Irrtum gefunden. Auf der Suche nach einem gemeinsamen Kern finden wir zunächst nichts anderes als zwei Personen, die im Kontext der Berufstätigkeit miteinander in eine oft unscharf bestimmte, aber zu bestimmende Beratungsbeziehung eintreten. Die Spielarten reichen dabei inzwischen von ‚begleitender Persönlichkeitsentwicklung für Top-Manager’ bis hin zum ‚Mitarbeiter-Coaching’, das ein Vorgesetzter im Rahmen seiner ‚entwicklungsorientierten Führungstätigkeit’ betreiben solle. Das Coaching-Konzept wird seit Mitte der 80er-Jahre (wieder) im Rahmen der Managementlehre diskutiert und betrieben, und immer wieder versuchen die Adepten der unterschiedlichen Varianten, den Begriff ‚Coaching’ jeweils ‚exklusiv’ für die von ihnen präferierte Vorgehensweise zu reklamieren. Die Verständigung ist damit erschwert, und es dient der Klarheit für unsere Zwecke, wenn wir […] von ‚Einzelberatung für Führungskräfte’ sprechen.“146 Das Coaching, also die Einzelberatung für Führungskräfte, „beschreibt […] ein Beziehungsgeschehen besonderer Art: anders als andere personenorientierte Beratungs- und Beziehungssituationen spielt sich diese Beratung in der Arbeitswelt ab, der Klient ist meist eine Führungskraft, und die auftauchenden Themen und Ziele sind überwiegend auf die Arbeitswelt und die Berufsrolle des Klienten bezogen.“147 Das Coaching erfolgt „entlang der Frage, wie die Managerrolle von der Person bewältigt wird.“148 In einem von Looss und Rauen gemeinsam verfassten Beitrag zum Thema „Einzel-Coaching – Das Konzept einer komplexen Beratungsbeziehung“ wird Coa143
König/Volmer, S. 13 König/Volmer, S. 15 145 Looss (a), S. 13 146 Looss (a), S. 13 147 Looss (a), S. 15 f 148 Looss (a), S. 15 144
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
49
ching definiert als „die in Form einer Beratungsbeziehung realisierte individuelle Einzelberatung, Begleitung und Unterstützung von Personen mit Führungs- bzw. Managementfunktionen. Formales Ziel ist es, bei der Bewältigung der Aufgaben der beruflichen Rolle zu helfen. Die vielbeschworene Hilfe zur Selbsthilfe ist dabei das Mittel der Wahl, das durch Beratung auf der Prozessebene und der Schaffung von lernfördernden Bedingungen ermöglicht werden soll. Eine derartige Arbeitsbeziehung kann nicht ‚zwischen Tür und Angel’ aufgebaut werden und unterscheidet sich in Vorgehen, Tiefe und Wirkung erheblich von anderen Beratungsformen.“149 Im Rahmen dieser zusammenfassenden Definition führen Looss und Rauen weiter aus: „Der ursprünglich in die Welt der Wirtschaft und des Managements transferierte Grundgedanke des Coachings beinhaltet eine alte Idee: Es findet ein reflektierender Austausch mit einer neutralen Person statt, deren Prägungen, Vorwissen und Verhalten trotz fachlicher Kompetenz nicht von Betriebsblindheit […] und politischem Verhalten beeinflusst sind. Durch die externe Herkunft ist es dieser Coach genannten Person erlaubt bzw. oftmals erst möglich, insbesondere – jedoch nicht ausschließlich – mit ranghohen Führungskräften zu arbeiten. In gemeinsamen Sitzungen wird das Verhalten und Erleben des Klienten thematisiert und aufgearbeitet. Neben der reinen Reflexion […] spielen daher auch Rekonstruktion, Analyse, Konfrontation, Ratgeben und Planung oder auch schlicht das Vorhandensein eines kundigen Ansprechpartners eine entscheidende Rolle. Entgegen anderen Beziehungen mit beraterischen Inhalten verkörpert das Coaching jedoch kein Arzt-Patienten-Verhältnis: Der Coach vollzieht an seinem Klienten keine Dienstleistung ohne dessen Mitwirkung. Durch die Betonung der gemeinsamen Prozessarbeit wird nicht nur das ‚Selbst-Bewußtsein’ im Sinne der Selbstwahrnehmung gefördert, es verbleibt auch die Verantwortung für den Erfolg des Prozesses beim Klienten. Idealerweise entsteht so ein interaktives Geschehen, von dem Klient und Coach profitieren können. Genau diese anfängliche Bedeutung des Coachings als Beratungsbeziehung machte den Reiz des Neuen in der Geschäftswelt aus, der zu einer erheblichen Popularität führte – und auf diesem Wege dann verwässert wurde. Als Grundmuster ist diesem Konzept des Coachings jedoch geblieben, dass es folgende Ziele anstrebt: Das Eingehen einer Beratungsbeziehung, die durch Vertrauen, Offenheit und gegenseitige Akzeptanz getragen wird – auf der Grundlage zuvor getroffener Vereinbarungen und nicht auf persönlicher Sympathie.
149
Looss/Rauen, S. 157
50
2 Was ist Coaching? Das Geben einer fundierten Rückmeldung des eigenen Verhaltens […] und die Möglichkeit der reflexiven Analyse und des gegenseitigen Gedankenaustausches. Den Aufbau eines breiteren Verhaltens- und Erlebensspektrums beim Klienten, also die Vergrößerung individueller Wahlfreiheit und die Verkleinerung von Wahrnehmungsverzerrungen und –beschränkungen (‚blinde Flecken’). Das Wiederherstellen oder Verbessern der Arbeitsfähigkeit und –leistung.“150
Die PEF Privatuniversität für Management in Wien hat in ihrer 2004 durchgeführten Studie zum Thema „Bedeutung und Einsatz von Coaching“ auch das in der Praxis vorherrschende Begriffsverständnis zum Coaching untersucht. Dabei wurde die Forschungsfrage „Welches Bild haben die für Personalentwicklung Verantwortlichen von Coaching […]?“151 im Rahmen der Untersuchung „erfreulicherweise […] relativ einheitlich und klar“ beantwortet 152. „Zur Definition des Begriffes Coaching wurden acht Antwortmöglichkeiten vorgegeben, die bezüglich ihres Zutreffens eingeschätzt werden sollten. Eine eindeutige Meinung haben die Befragten darin, dass der Coach ein Prozessexperte ist, der Hilfe zur Selbsthilfe gibt und dass Coaching zur Entwicklung der Kompetenzen und der Persönlichkeit dient. Einhellig abgelehnt wurden die Behauptungen, dass Personen mit psychischen Störungen die Zielgruppe sind und dass Coaching der Überbegriff für Seminare mit psychologischem Inhalt ist.“153 Nicht ganz so deutlich fallen die Antworten aus, wenn danach gefragt wird, ob die Inhalte im Coaching eher privat oder beruflich basiert sind. Es überwiegt letztlich aber die Ansicht, dass im Coaching weniger private Inhalte als vielmehr berufliche Inhalte behandelt werden.154 „Dass der Coach ein Fachexperte ist, der Ratschläge erteilt, wird im Mittel abgelehnt, die Meinungen dazu sind jedoch nicht ganz eindeutig. Ähnliches gilt für die Beschäftigung mit der Vergangenheit im Coaching.“155 Die Frage, ob die persönliche Vergangenheit im Mittelpunkt von Coachings steht, wird von den Befragten eher verneint, wobei die Antworten auch auf diese Frage nicht eindeutig sind.156 Von den im Rahmen der Studie Befragten wird Coaching in der Praxis damit zusammenfassend wie folgt verstanden: „ein Instrument für vorwiegend berufliche aber auch private Inhalte 150
Looss/Rauen, S. 156 PEF Privatuniversität für Management, S. 1 152 PEF Privatuniversität für Management, S. 1 153 PEF Privatuniversität für Management, S. 6 154 PEF Privatuniversität für Management, S. 6 155 PEF Privatuniversität für Management, S. 7 156 PEF Privatuniversität für Management, S. 6 f 151
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
51
der Coach ist eindeutig ein Prozessexperte und nicht ein Fachexperte Coaching ist für psychisch Gesunde es dient zur Entwicklung von Kompetenzen und der Persönlichkeit Coaching grenzt sich eindeutig von Seminaren mit psychologischem Inhalt ab“157.
Weiterhin zeigte sich, „dass die Befragten die wesentlichen Vorteile, die Coaching gegenüber anderen Persönlichkeitsentwicklungsmaßnahmen hat, erkennen und auch einfordern: Coaching ermöglicht ein spezifisches Eingehen auf das berufliche Umfeld der Person und gewährleistet dadurch den hohen Lerntransfer. Gleichzeitig wirkt es nicht nur kurzfristig im Sinne der Lösung des akuten Problems, sondern verbessert die Reflexions- und Selbstmanagementfähigkeiten und hat damit einen nachhaltigen Effekt.“158 „Zusammengefasst ist die Antwort auf die […] Forschungsfrage [nach der Definition und Anwendung von Coaching], dass das Bild von Coaching und sein Einsatz in der Praxis mit der Darstellung in der Literatur sehr gut übereinstimmt. […] Beim Einsatz dominiert das externe Coaching von einzelnen Führungskräften, das situativ bzw. punktuell eingesetzt wird und nachhaltige Erfolge und einen hohen Transfer erzielen soll. Eingesetzt wird das Instrument vor allem zur Verbesserung der Führungskompetenz sowie bei Problemen nach betrieblichen Umstrukturierungen und bei Arbeitsplatzwechsel. Zentrale Erfolgsbedingungen sind dabei die Freiwilligkeit des Klienten, die soziale Kompetenz des Coachs und die gegenseitige Akzeptanz und Vertrauen. In 81% der befragten Unternehmen wurde Coaching im letzten Jahr [2003] bereits eingesetzt, wenngleich vorwiegend für weniger als die Hälfte der Führungskräfte.“159 In dem von Prochnow veröffentlichten Artikel ‚Lernen zu leben‘ wird Coaching kurz definiert als „die Möglichkeit, mit einer neutralen Person die eigene Lebenssituation zu reflektieren“160. Das heißt, „hoch spezialisierte Trainer helfen Firmenchefs, Herausforderungen zu bewältigen, Stress zu vermeiden und Krisen zu entschärfen.“161 „Mit Lenken und Ratgeben hat ernsthaftes Coaching im Gegensatz zu vielen nur auf kurzfristigen Erfolg ausgerichteten Trainings aber nichts zu tun. Nur Scharlatane setzen darauf, Verhaltensweisen einfach nur anzutrainieren. Im Kern geht es jedoch um den Anstoß eines persönlichen Entwicklungsprozesses, bei dem die Hilfe zur Selbsthilfe im Vordergrund steht. ‚Der Coach ist eine Hebamme. Er hilft dem Klienten, unbewußte Verhaltensweisen 157
PEF Privatuniversität für Management, S. 7 PEF Privatuniversität für Management, S. 12 PEF Privatuniversität für Management, S. 12 160 Prochnow, S. 60 161 Prochnow, S. 58 158 159
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2 Was ist Coaching?
bewußt zu machen‘, definiert Diers. Und nur so profitieren Unternehmer von einem Training dauerhaft.“162 Nach Rauen kann „unter dem Begriff ‚Coaching‘ […] eine Kombination aus individueller unterstützender Problembewältigung und persönlicher Beratung auf Prozessebene für unterschiedliche berufliche und private Anliegen verstanden werden. Ein Grundziel des Coaching ist – hier besteht allgemein ein breiter Konsens – die Hilfe zur Selbsthilfe und zur Selbstverantwortung. Somit muss (und kann) der Coach nicht für seine Aufgabe allwissend sein. Letztlich muss die Problembewältigung vom Klienten selbst geleistet werden. Der Coach versucht dabei, Prozesse so zu steuern, dass sich die Ressourcen des Klienten bestmöglich entwickeln, damit neue Wahlmöglichkeiten erkannt und genutzt werden können. Ziel eines Coaching-Prozesses ist somit immer, Wahrnehmung, Erleben und Verhalten des Klienten zu verbessern bzw. zu erweitern.163“ 164 Allerdings sei Coaching kein einseitiger Prozess, der nur vom Coach ausgehe, so Rauen, sondern vielmehr ein Prozess mit interaktivem Verlauf. „Der Coach greift nicht aktiv in das Geschehen ein, in dem er dem Klienten eine Aufgabe abnimmt; sondern er berät ihn, wie diese effektiv(er) zu lösen ist. Dabei darf der Coach auf keinen Fall dem Klienten seine eigenen Ideen und Meinungen aufdrängen, sondern sollte stets eine unabhängige Position einnehmen.“165 „In einer solchen Prozessberatung macht der Coach keine direkten Lösungsvorschläge, sondern der Gecoachte wird unterstützt, eigene Lösungen zu entwickeln. Als Prozessberater forciert der Coach das Erkennen von Problemursachen, Coaching dient daher nicht nur der Bearbeitung von Problemsymptomen, sondern zur Identifikation und Lösung der zum Problem führenden Prozesse.“166 Insgesamt kann nach Rauen, trotz der allgemein diffusen Begriffsverwendung, Coaching anhand der folgenden Eigenschaften präzise definiert werden 167: „Coaching ist ein interaktiver, personenzentrierter Beratungs- und Betreuungsprozess, der berufliche und private Inhalte umfassen kann (individuelle Beratung auf der Prozessebene). Im Vordergrund steht die berufliche Rolle bzw. damit zusammenhängende Anliegen des Gecoachten. ’Interaktiv’ bedeutet, dass im Coaching keine Dienstleistung am Gecoachten vollzogen wird, sondern Coach und Gecoachter gleichermaßen gefordert sind und auf 162
Prochnow, S. 61, unter Verwendung eines mündlichen Zitats von Claus Diers, Chef der Hamburger Cicero-Training „Dient ein Coaching vornehmlich der Prävention, so kann bereits das Aufrechterhalten der entsprechenden Fähigkeiten das gewünschte Ziel darstellen.“ (Rauen (a), S. 112) 164 Rauen (a), S. 112; vgl. hierzu auch Rauen (c), S. 2 165 Rauen (a), S. 112 166 Rauen (c), S. 2 167 Rauen (c), S. 1 f 163
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
168
gleicher ‚Augenhöhe’ zusammenarbeiten. Ein Beziehungsgefälle ist unerwünscht. Dem Gecoachten wird keine Verantwortung abgenommen.“168 „Coaching ist individuelle Beratung auf der Prozessebene, d.h. der Coach liefert keine direkten Lösungsvorschläge, sondern begleitet den Gecoachten und regt dabei an, eigene Lösungen zu entwickeln. Coaching ist keine Beratung ‚von der Stange’, sondern richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen des Gecoachten. Als Prozessberater ist der Coach kein Besserwisser, sondern hilft den Gecoachten, eigene Lösungen zu finden.“169 „Coaching findet auf der Basis einer tragfähigen und durch gegenseitige Akzeptanz und Vertrauen gekennzeichneten, freiwillig gewünschten Beratungsbeziehung statt, d.h. der Gecoachte geht das Coaching freiwillig ein und der Coach sichert ihm Diskretion zu. Beratung ist nur möglich, wenn ein Gecoachter auch beraten werden will. Coaching basiert auf der Beziehung zwischen Coach und Gecoachtem. Nur wenn diese Beziehung tragfähig ist, kann das Coaching Ergebnisse bringen.“170 „Coaching zielt immer auf eine (auch präventive) Förderung von Selbstreflexion […] und –wahrnehmung, Bewusstsein und Verantwortung, um so Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Die Selbstwahrnehmung des Gecoachten soll gefördert werden, d.h. blinde Flecken und Betriebsblindheit werden abgebaut, neue Gesichtspunkte werden erkannt und in der Folge ergeben sich neue Handlungsmöglichkeiten.“171 „Coaching arbeitet mit transparenten Interventionen und erlaubt keine manipulativen Techniken, da ein derartiges Vorgehen der Förderung von Bewusstsein prinzipiell entgegenstehen würde. Bewusstsein kann nicht gefördert werden, wenn der Gecoachte manipuliert würde. Daher arbeiten seriöse Coachs nicht mit manipulativen Methoden.“172 „Coaching setzt ein ausgearbeitetes Coaching-Konzept voraus, welches das Vorgehen des Coachs erklärt und den Rahmen dafür festlegt, welche Interventionen und Methoden der Coach verwendet, wie angestrebte Prozesse ablaufen können und welche Wirkungszusammenhänge zu berücksichtigen sind. Zudem sollte das Konzept dem Gecoachten soweit transparent gemacht werden, dass Manipulationen ausgeschlossen werden können. Das Arbeitskonzept des Coachs ist sein Handwerkszeug. Der Gecoachte muss über dieses Konzept aufgeklärt werden. Ansonsten kann er nicht verstehen,
Rauen (c), S. 3, vgl. auch Rauen (a), S. 113 Rauen (c), S. 3, vgl. auch Rauen (a), S. 113 Rauen (c), S. 3, vgl. auch Rauen (a), S. 113 171 Rauen (c), S. 3, vgl. auch Rauen (a), S. 113 172 Rauen (c), S. 3, vgl. auch Rauen (a), S. 113 169 170
53
54
173
2 Was ist Coaching? wie die Beratung funktioniert, was wiederum keine Förderung des Gecoachten darstellen würde.“173 „Coaching findet in mehreren Sitzungen statt und ist zeitlich begrenzt. Coaching kann durchaus über einen längeren Zeitraum stattfinden. Da es aber immer das Ziel eines Coachs ist, sich überflüssig zu machen, muss ein Coaching logischerweise auch zeitlich begrenzt sein.“174 „Coaching richtet sich an eine bestimmte Person (Gruppen-Coaching: für eine genau definierte Gruppe von Personen) mit Führungsverantwortung und/oder Managementaufgaben. Coaching ist kein Beratungskonzept für beliebige Zielgruppen, sondern richtet sich primär an Führungskräfte und Manager.“175 Coaching wird praktiziert durch Beraterinnen und Berater mit psychologischen und betriebswirtschaftlichen Kenntnissen sowie praktischer Erfahrung bezüglich der Anliegen des oder der Gecoachten (um die Situation fundiert einschätzen und qualifiziert beraten zu können). Der Coach braucht für seine Arbeit fundiertes Wissen und eine ‚Schnittfeldqualifikation’, um die Anliegen des Gecoachten verstehen und einordnen zu können. Dies bedeutet, dass verschiedene Qualifikationen aus den Bereichen Psychologie, Betriebswirtschaft, Consulting, Personalentwicklung, Führung und Management in einem Coach vereinigt sein sollten. Dennoch kann (und muss) ein Coach für seine Aufgabe nicht allwissend sein.“176 „Ziel ist immer die (Wieder-)Herstellung und/oder Verbesserung der Selbstregulationsfähigkeit des Gecoachten, d.h. der Coach soll sein Gegenüber derart beraten bzw. fördern, dass der Coach letztendlich nicht mehr benötigt wird.“177 „Der Coach macht nicht abhängig, sondern unabhängiger. Coaching zielt immer auf eine Erweiterung und/oder Flexibilisierung der Möglichkeiten des Gecoachten.“178 „Der Coach arbeitet im Rahmen zuvor vereinbarter ‚Spielregeln’, die der Gecoachte – wie das gesamte Coaching – freiwillig akzeptiert. Grundlage der Beratung ist die auf Vertrauen basierende, persönliche Beziehung zu dem oder den Gecoachten. Ein Coaching kann nur unter klaren Spielregeln funktionieren, die vom Gecoachten verstanden und als sinnvoll akzeptiert werden. Dieser ‚psychologische Vertrag’ klärt die ideologische Orientierung (Coach und Gecoachter sollten bezüglich ihrer ideologischen Ausrich-
Rauen (c), S. 4, vgl. auch Rauen (a), S. 113 Rauen (c), S. 4, vgl. auch Rauen (a), S. 113 175 Rauen (c), S. 4, vgl. auch Rauen (a), S. 113 176 Rauen (c), S. 4, vgl. auch Rauen (a), S. 113 177 Rauen (a), S. 113; vgl. auch Rauen (c), S. 4 178 Rauen (c), S. 4 174
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
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tung ‚zusammenpassen’), die Kritikfähigkeit des Gecoachten, die Bereitschaft zum kritischen Hinterfragen der eigenen Werte, das Ausmaß des Problembewusstseins, die Erwartungen, Vorannahmen, Befürchtungen, die Gesamtdauer und mögliche Ziele, Vorgehensweisen und verwendete Methoden, das Ausmaß der gewünschten Veränderung, Grenzen und ‚Tabuzonen’ uvm.“179 „Der Coach drängt dem Gecoachten nicht seine eigenen Ideen und Meinungen auf, sondern sollte stets eine unabhängige Position einnehmen. Der Coach ist nicht der ‚Macher’, sondern ein neutraler Feedbackgeber. Er darf dem Gecoachten auf keinen Fall seine eigenen Wertvorstellungen aufdrängen.“180
Roth, Brüning und Edler definieren Coaching als „eine neue und durch komplexe Strategien gekennzeichnete Maßnahme zur Unterstützung und Weiterbildung von Mitarbeitern in Organisationen“. Coaching dient dabei „primär der Förderung bzw. Wiederherstellung beruflicher Handlungskompetenz“ und ist „als eine Ergänzung zu anderen Personalentwicklungsmaßnahmen wie Trainings und Seminaren zu betrachten“, wobei „dem Erwerb von ‚Schlüsselqualifikationen‘ (Kommunikationskompetenzen, Führungsfähigkeiten, Teamfähigkeit, Kreativität, visionäres und vernetztes Denken, Motivation zu lebenslangem Lernen usw.) besondere Bedeutung geschenkt wird.”181 Roth, Brüning und Edler verstehen Coaching darüber hinaus „als eine Form der Zweierbeziehung […], die eine teilnehmende Hilfestellung bei der Lösung vorwiegend das Arbeitsleben betreffender bzw. sich darin oder dadurch manifestierender Probleme bietet. Dabei zeichnet es sich durch ein Vorgehen aus, in dem der Manager prozeßhaft die für ihn anstehenden persönlichen Konfliktfelder bearbeitet und mit Hilfe eines Coaches zu selbstbestimmten Lösungen kommt. Ein wichtiges Ziel ist, den Manager auch nach Abschluß des Coaching-Prozesses in die Lage zu versetzen, zukünftige Probleme und Krisen nach einem für ihn entwickelten individuellen Lösungsmuster zu erkennen und nach Möglichkeit zu lösen. Es geht des weiteren um die Entwicklung langfristiger Perspektiven, Strategien und Leitbilder.“182 „Grundlegende Kriterien zur Teilnahme an einem Coaching-Prozeß sind der Wunsch nach Veränderung und die Freiwilligkeit, diese Veränderungen anzuge-
179
Rauen (c), S. 5, vgl. auch Rauen (a), S. 112 Rauen (c), S. 5, vgl. auch Rauen (a), S. 112 181 Roth/Brüning/Edler, S. 201 f 182 Roth/Brüning/Edler, S. 203 f 180
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2 Was ist Coaching?
hen. Coaching kann nicht verordnet werden und macht nur dort Sinn, wo die Bereitschaft zur Aufnahme neuer Ideen vorhanden ist.“183 Ferner kommen Roth, Brüning und Edler im Rahmen der von ihnen durchgeführten Studie zum Thema ‚Praxisfeld Coaching‘ bezüglich der Frage, was die Befragten unter dem Begriff ‚Coaching’ verstehen, zu folgendem Ergebnis: „Die größte Einigkeit herrscht darüber, das Coaching als einen ‚Prozeß’ zu bezeichnen. In diesem Sinne ist Coaching als ein Hergang zu verstehen, der einen Stein ins Rollen bringt, das Rollen beobachtet, kommentiert und/oder lenkt und der an einem vorher definierten Zielpunkt beendet wird. Im Verständnis der Untersuchungsteilnehmer hat Coaching weniger übenden und trainierenden Charakter, sondern ist eher mit der Veränderung kognitiver Prozesse assoziiert. Das kommt auch in der Bezeichnung ‚Beratungsprozeß‘ zum Ausdruck. Der Begriff ‚Selbsterfahrungsprozeß‘ zeigt die Richtung der intendierten Veränderung an: keine bloße Wissensvermittlung, sondern eine intensive Auseinandersetzung mit den eigenen Bedingungen und Reaktionen. Für 13 Interviewpartner ist Coaching eine neue Idee, nur vier schließen sich dem Schlagwort ‚alter Wein in neuen Schläuchen’ […] an. Damit ist gemeint, dass es ‚auch schon vor zehn Jahren Einzelberatung für Manager gab, die findige Psychologen angeboten haben’. Dem Klienten wird eine ‚hohe Eigenverantwortung’ im partnerschaftlichen Verhältnis der Coaching-Beziehung zugeschrieben. Er ‚setzt Grenzen’, die vom Coach akzeptiert werden und hat damit einen ‚souveränen’ Stand im Geschehen. Daneben wird ihm auch eine ‚hohe Entscheidungsfreiheit’ zugestanden. Dies betrifft sowohl die Möglichkeit zum Abbruch des Prozesses als auch die Entscheidung über bestimmte Inhalte. Die freiwillige Teilnahme wird von allen Befragten gefordert, die Methode setze aber gleichzeitig eine ‚hohe Veränderungsbereitschaft’ voraus. Freiwilligkeit und Veränderungsbereitschaft fallen aber nicht immer zusammen. Einige Interviewpartner nannten als Abbruchkriterium ihrerseits das ‚Gefühl, der kommt nur mal so und will gar nicht richtig’ oder ‚er will nur hören, daß er alles richtig macht’. Der Transparenz des Coaching-Prozesses wird hohe Bedeutung eingeräumt. Wichtigstes Kriterium für Transparenz ist die ‚Orientierung des Verlaufs am Ziel’. Es wird zu Beginn des Prozesses klar festgelegt, wohin der Prozeß führen soll und an welcher Stelle er beendet werden kann.”184 „Für Coaching ist nur typisch, daß nichts typisch ist.”185 Diese Aussage stellen Roth, Brüning und Edler an den Anfang ihrer abschließenden Bewertung bezüglich des Coachings. Sie weisen damit darauf hin, dass sie in der von ihnen durchgeführten Befragung in der Praxis tätiger Coachs und im Rahmen ihrer 183
Roth/Brüning/Edler, S. 204 Roth/Brüning/Edler, S. 215 f 185 Roth/Brüning/Edler, S. 220 184
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
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Literaturrecherche zu dem Ergebnis gekommen sind, dass zwar eine gewisse „Einigkeit über bestimmte Kriterien wie z.B. den Ablauf und die Zielsetzungen von Coaching“ besteht, dennoch aber besonders in der Umsetzung offensichtlich Flexibilität und Intuition dominieren.186 „Wenn man so will, ist es genau das, was das Charakteristische und Einzigartige dieser Form von Hilfestellung ausmacht. Hierin mögen viele einen großen Vorteil sehen. Es ist aber auch zu bedenken, dass das Fehlen einer einheitlichen Konzeption und einer vorgeschriebenen Ausbildung Scharlatanen Tür und Tor öffnet. […] Die Auseinandersetzung mit dem Thema findet zur Zeit vorwiegend außerhalb der Universitäten statt. Durch vermehrte Forschung und eine verstärkte Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Praktikern sollte es jedoch gelingen, das für unsere Gesellschaft notwendige Tätigkeitsfeld ‚Coaching’ als akzeptierte Ergänzung zu anderen Personalentwicklungsmaßnahmen auf gesicherte Füße zu stellen und zu etablieren. […] In der Zukunft muß im Fokus der wissenschaftlichen Bemühungen stehen, die Modellbildung für Coaching […] voranzutreiben.“187 Rückle beschreibt Coaching als Personalentwicklungsinstrument, das „als Antwort auf den Wertewandel“188 notwendig geworden ist. „Weil früher Institutionen länger mit ihren Anforderungen überdauerten und sich innerhalb der Lebenszeit eines Menschen wenig veränderten, war das, was heute Coaching leisten muss, weitgehend unnötig. […] Heute sind Institutionen einem schnelleren Wandel unterworfen.“189 „Dieser Wandel erfordert Coaching!“190 Nach Rückle lässt sich Coaching kurz definieren „als Hilfe zur Selbsthilfe in Form eines auf Zeit begleiteten Prozesses, in dem umfassende Maßnahmen zur Hilfe bei insbesondere beruflichen Konflikten, Aufgaben und Problemen eingesetzt werden. Oder ausführlich beschreiben als eine Kombination aus individuell unterstützter Problemlösung und Konfliktbearbeitung in einem umfassenden Spektrum von beruflichen und den Beruf tangierenden privaten Problemen. Damit ist es vor allem Hilfe zur Selbsthilfe. Die Aufgabe des Coach ist nicht, die Probleme des Klienten zu lösen, sondern ihm bei der Lösung seiner Probleme zu helfen. Coaching hat einen interaktiven Verlauf. Beide, der Klient und der Coach, arbeiten miteinander an der Lösung von Konflikten und Problemen, wobei der Klient die Lösungsmöglichkeiten sucht, der Coach den Weg der Suche moderiert und die ausgewählten Möglichkeiten zusammen mit dem Klien-
186
Roth/Brüning/Edler, S. 220 Roth/Brüning/Edler, S. 220 f Rückle (a), S. 133 189 Rückle (a), S. 133 190 Rückle (a), S. 134 187 188
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2 Was ist Coaching?
ten bewertet und anschließend bei der Verwirklichung der ausgewählten Möglichkeiten hilft.“191 192 Unter dem Titel „Was ist Coaching?“ stellt Rückle darüber hinaus folgende Übersicht von Eigenschaften zusammen: 193 Coaching ist …
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eine Begleitung auf Zeit Hilfe zur Selbsthilfe ein kompaktes, umfassendes Maßnahmenbündel zur Hilfe bei insbesondere beruflichen, aber, soweit sie den beruflichen Erfolg tangieren, auch privaten Konflikten, Aufgaben und Problemen Hilfestellung bei der Ablösung alter und Entwicklung neuer Denkmuster Hilfestellung bei der Gestaltung des Wertewandels eine Möglichkeit, der Vereinsamung von Führungskräften entgegenzuwirken eine Gelegenheit zum Verändern von Einstellungen und zum Erlernen von Techniken, die helfen, besser mit Stresssituationen umzugehen
Coaching ist nicht …
Begleitung auf Lebensdauer eine neue Form der Psychotherapie eine Art von oder Ersatz für Freundschaft eine ‚Arzt-Patienten-Beziehung’ eine Unterweisung und Belehrung ein Wundermittel ein Lehrer-Schüler-Prozess eine Chance zur Verlagerung von Problemen auf den Coach
Rückle (b), S. 20 f Rückle erläutert ferner, dass Coaching nicht als neuer Führungsstil, sondern vielmehr als eine Führungsaufgabe zu verstehen sei. (Rückle (a), S. 134) Coaching „ist die systematische Auseinandersetzung mit konkreten Aufgabenstellungen und Fragen aus dem Unternehmen, um Erfolge zu erzielen und/oder zu steigern“, so Rückle. „Im Sport wird dies deutlich. Dort ist der Coach neben dem Führungskader und dem Trainer derjenige, der sich um den Sportler kümmert. Damit ist auch die Hilfe zur Selbsthilfe bei aus privaten Einflussbereichen resultierenden Problemen gemeint. Coaching hilft, den Anforderungen an seine Einstellungen und Verhaltensweisen gerecht zu werden. Neben die fachliche Aus- und Weiterbildung tritt im Coaching also die persönliche Betreuung. Die Verbindung des Wortes Coaching zum Begriff Kutsche und Kutscher zeigt die Ansatzpunkte. Wie ein Kutscher, der sich um die Leistung, aber auch um die Befindlichkeiten seiner Pferde kümmert, kümmert sich der interne oder externe Coach oder die Führungskraft als Coach neben den Sachaufgaben um die die berufliche Leistung beeinflussende persönliche Befindlichkeit des Mitarbeiters. Coaching umfasst somit alle Maßnahmen der Hilfe zur Selbsthilfe und damit zur Leistungssteigerung in beruflichen Rollen.“ (Rückle (a), S. 134) Ferner stellt Rückle in seiner Begriffsklärung die Rolle des Coachs als Gesprächspartner und „methodischen Helfer“ heraus. „Er ist Partner und distanzierter Freund, aber nicht Kumpel. Er ist ein Helfer auf Zeit, aber nicht lebenslanger Begleiter.“ (Rückle (a), S. 134) „Da es den meisten Menschen schwerfällt, sich selbst zu analysieren, und nur wenige aus den Reaktionen der Umwelt die hilfreichen Schlüsse ziehen, ist der methodische Helfer gefragt.“ (Rückle (a), S. 135) 193 Zitiert aus Rückle (b), S. 20 192
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
59
eine Gelegenheit zum Erlernen kommunikativer Fähigkeiten ein Prozess zur Entwicklung der Persönlichkeit und/oder der rollenspezifischen Fähigkeiten und Fertigkeiten
Abbildung 1:
Eigenschaften von Coachings nach Rückle
Von Sassen und Vogelauer beschreiben Coaching als „eine Form der Hilfeleistung für Lernen, Leben und Handeln von Menschen.“194 Sie definieren Coaching als eine exklusive Maßnahme, einen Prozess, an dem kein Dritter beteiligt ist. Dadurch wird es möglich, effektiv und an einem konkreten Problem zu arbeiten. eine auf den konkreten Klienten individuell maßgeschneiderte Maßnahme. eine Maßnahme, die vom Klienten fordert, nicht nur an der Sache, sondern auch an sich selbst zu arbeiten und darüber hinaus das im Coaching-Prozess Erreichte kontinuierlich zu überprüfen. einen kreativen Prozess. Denn der Coach versucht beim Klienten Kreativität zu wecken oder zu verstärken, um dessen Problemlösungsfähigkeit zu verbessern. einen Prozess, der bei der reinen gedanklichen Problemlösung oder Entscheidungsfindung nicht endet, sondern auch die Umsetzung begleitet, das heißt sich an der Initiative und Handlungsfähigkeit des Klienten orientiert.195 Darüber hinaus beschreiben von Sassen und Vogelauer, was ihrer Ansicht nach Coaching ist bzw. nicht ist, anhand der folgenden Tabelle:196 Coaching ist ...
verbindende Arbeit mit der Berufswelt des Kunden und persönlichen Aspekten zielorientierte und situativ ausgerichtete Begleitung gleichberechtigt ablaufend Unterstützung von Weiterentwicklung
Abbildung 2: 194
rein fachliche Beratung psychotherapeutische Arbeit Führung hin auf ein Arbeitsziel Team-Entwicklung und On-thejob-Training
Eigenschaften von Coachings nach von Sassen und Vogelauer
Von Sassen/Vogelauer, S. 22 Vgl. von Sassen/Vogelauer, S. 1 f 196 Zitiert aus von Sassen/Vogelauer, S. 6 195
Coaching ist nicht ...
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2 Was ist Coaching?
In der Einleitung zu seinem Buch ‚Coaching Praxis’ faßt Vogelauer darüber hinaus kurz zusammen: Coaching ist ein „wichtiges Instrument der Entwicklungberatung“197. Es ist „die individuelle Begleitung und Unterstützung von verantwortlichen Mitarbeitern – insbesondere in Veränderungsprozessen“198. Und da, so Vogelauer, unser Menschen- und Organisationsbild von der Fähigkeit geprägt sei, sich sowohl als Individuum als auch als Organisation zu entwickeln, müsse auch im Rahmen des Coachings eine „ganzheitliche Arbeit“ gewährleistet werden. Das heißt, es müsse ebenso „auf das ‚Innere‘ und ‚Äußere‘ des Themas“ geblickt werden.199 Von Schlippe und Schweitzer beschreiben, dass es beim Coaching inhaltlich darum geht, „institutionelle Konfliktsituationen auf eigene Anteile und eigene Möglichkeiten hin zu reflektieren. Dazu gehört auch die Konfrontation mit möglicherweise vernachlässigten Führungsaufgaben.“200 Im Coaching geht es darum „Wahrnehmungsblockaden zu lösen, Selbstorganisationsprozesse anzuregen […] und Selbstmanagement zu fördern […]. Im Unterschied zur Therapie ist es für einen Coaching-Kontrakt sinnvoll, eine Grenze zu vereinbaren, bis zu der persönliche Fragen angesprochen werden können“201. Von Schlippe und Schweitzer begründen darüber hinaus das gestiegene Interesse an Coachings im Bereich des Managements mit einer „langsamen Bewusstseinsveränderung“202. „Führungsqualität und persönliche Entwicklung werden zunehmend als untrennbar miteinander verknüpft erlebt […], die Angst, sich psychologische Unterstützung zu holen, ist gesunken.“203 Schreyögg versteht Coaching im Wesentlichen als „professionelle Form der Managementberatung“204, denn „im Gegensatz zu allen sonstigen Begriffsverwendungen läßt sich [nur dann] von einer ‚echten Innovation‘ sprechen“205. Nach Schreyögg verhandeln im Coaching „Führungskräfte ‚unter vier Augen‘ oder in einer Kleingruppe alle für sie aktuell relevanten Fragestellungen mit einem Coach. Coaching dient dann einerseits als Maßnahme der Personalentwicklung, die sich perfekt auf die Belange des einzelnen zuschneiden läßt. Daneben dient es als Dialogform über ‚Freud und Leid‘ im Beruf, denn hier 197
Vogelauer (a), S. V Vogelauer (a), S. V 199 Vogelauer (a), S. V; vgl. hierzu auch von Sassen/Vogelauer, S. 3 200 Von Schlippe/Schweitzer, S. 234 201 Von Schlippe/Schweitzer, S. 235 202 Von Schlippe/Schweitzer, S. 234 203 Von Schlippe/Schweitzer, S. 234 204 Schreyögg (a), S. 7 205 Schreyögg (a), S. 7; vgl. a.a.O., S. 10 198
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
61
erhalten alle beruflichen Krisenerscheinungen, aber auch alle Bedürfnisse nach beruflicher Fortentwicklung den ihnen gebührenden Raum.”206 „Das basale Ziel von Coaching besteht in der Förderung beruflicher Selbstgestaltungspotentiale, also des Selbstmanagements von Führungskräften und Freiberuflern. In diesem Punkt ähnelt übrigens das Management-Coaching dem im Sport: Hier wie dort spielen […] ‚einsame Leistungen‘ eine Rolle, auf die der Coach seine Klienten vorbereiten soll.“ 207 Schreyögg führt im Rahmen ihrer Begriffsklärung zudem ein übliches Beispiel aus ihrer Praxis an, um die bisherigen Ausführungen zu verdeutlichen: „Der Leiter eines metallverarbeitenden Betriebes fragte um Coaching an, weil er mit neuen Aufgaben konfrontiert war und ihre Übernahme allerlei Komplikationen nach sich zog. Die bislang als Familienbetrieb geführte Firma war kürzlich von einem größeren Unternehmen aufgekauft worden. Daraufhin hatte der frühere ‚Patriarch‘ das Unternehmen verlassen, und der Coaching-Klient, bislang als Leiter der Konstruktionsabteilung tätig, übernahm jetzt auf Drängen des neuen Inhabers die Position des Betriebsleiters. Er nahm dies Angebot aus verschiedenen Gründen auch gerne an. Zum einen hatte er in den vergangenen Jahren häufig den Eindruck, daß der innovative Beitrag ‚seiner‘ Konstruktionsabteilung und der dadurch potentiell zu erzielende Marktvorteil des Unternehmens durch das zu rigide Management des früheren Eigentümers verspielt wurde. Zum anderen hatte er immer wieder erlebt, daß relevante Personalentscheidungen ‚bei weitem zu buchstabengetreu und oft sogar herzlos‘ getroffen wurden. Da er beim früheren Unternehmer ein hohes fachliches Ansehen genoß, verfügte er bei diesem auch über genügend Reputation, um bei etlichen personellen Problemen mildernd oder korrigierend einzugreifen. Für diese Rolle war er schon durch seine Sozialisation prädisponiert. Wegen dieser ausgleichenden Haltung wurde es von der Belegschaft sehr begrüßt, als ihm nun die Gesamtleitung übertragen wurde. Er selbst trat seine neue Position mit dem Ziel an, ‚alles besser zu machen als der Alte‘. In den ersten Monaten nach seiner ‚Inthronisierung‘ ergab sich zunächst ein merklicher Produktivitätszuwachs, wodurch die Firma sogar manche schon verloren geglaubte Marktsegmente zurückgewinnen konnte. In der Folgezeit häuften sich aber Pannen innerhalb des Hauses, wodurch auch die Umsätze litten. Bei einer daraufhin einberufenen Betriebsversammlung beklagten vor allem Mitarbeiter der Konstruktionsabteilung, daß er entgegen seinen früheren Verlautbarungen ihre Neuentwicklungen zu wenig berücksichtigte. Und Mitarbeiter der Produktion und des Außendienstes beschwerten sich, daß er ‚wohl noch immer zu stark in der Konstruktion verankert‘ sei und ihren Beitrag deshalb viel zu wenig im Auge habe. Der Leiter ging schwer angeschlagen aus der Versammlung. Ihm schien es plötzlich, als habe er auf der ganzen Linie versagt.
206 207
Schreyögg (a), S. 8 und vgl. Schreyögg (b), S. 225 Schreyögg (a), S. 9; vgl. Schreyögg (b), S. 225
62
2 Was ist Coaching? Im Verlauf eines Coaching-Prozesses ließ sich erarbeiten, daß er sein Selbstverständnis als Betriebsleiter primär aus seiner vormals informellen Vorrangstellung im Betrieb bezog. Er hatte bislang noch nicht realisiert, daß er in der neuen Position mit gänzlich anderen Rollenanforderungen konfrontiert war und sich jetzt auch auf andere Einflußpotentiale stützen mußte. Seine als ‚Oberkonstrukteur‘ eingeübte Weise, Entscheidungen innerhalb eines Teams erst ‚gären‘ zu lassen und sie dann eher improvisatorisch zu treffen, erwies sich jetzt als weitgehend untauglich. Und seine bisher übliche kumpelhafte Art im Umgang mit den Mitarbeitern wirkte nun für etliche von Ihnen geradezu als Einladung, daß ‚man sich alles leisten kann‘, auch zu trödeln oder seine Aufgaben nachlässig zu erledigen. Seine Selbstdefinition als Betriebsleiter bezog er fast ausschließlich aus dem Vergleich zum früheren Inhaber. Im Bemühen, ‚alles anders‘ zu machen, entging ihm, daß er als anderer Mensch und als Nicht-Inhaber die Position des Betriebsleiters vollkommen neu ausgestalten mußte. Bei der weiteren Beratungsarbeit stellte sich heraus, daß er vor allem seine positionsbedingte Einsamkeit schwer erträglich fand und deshalb immer wieder in kumpelhafte Attitüden zu seinen früheren Kollegen verfiel. Im Sinne von ‚Personalentwicklung‘ fand nun der Leiter im Coaching Unterstützung, eine ihm und seiner Position angemessene neue Rollendefinition zu entwickeln. Er realisierte zunehmend, daß sich sein Einflußpotential nicht mehr ausschließlich auf seine ‚guten‘ Beziehungen zu den Mitarbeitern und auf ein ihm früher zugeschriebenes Charisma gründen konnte, sondern daß er jetzt auch seine legale Machtbasis mit allen ihm zur Verfügung stehenden Sanktionsmöglichkeiten zu nutzen hatte. Nach einiger Zeit gelang es ihm, die seit Kindertagen eingeübte Rolle als ‚informeller Integrator‘ in eine offizielle zu verwandeln. Und im Sinne einer ‚Dialogform über Freud und Leid im Beruf‘ lernte der Betriebsleiter im Verlauf des Coaching-Prozesses, seine neue Einsamkeit als selbstverständlichen Bestandteil der übernommenen Position zu ertragen und neue Ressourcen zu seiner persönlichen Stabilisierung zu nutzen.“208
Wie Schulz von Thun feststellt, habe sich in den letzten zwanzig Jahren mit dem Coaching „eine neue Qualität von Beratung und beruflicher Förderung herausgebildet, verbunden mit einer neuen Rollendefinition (auch für Führungskräfte, Lehrer etc.), die tatsächlich eine Verheißung enthält: dass ich in Zeiten schwerwiegender und verunsichernder beruflicher Herausforderungen ganz individuell wirksame Hilfe bekommen kann.“209 Coaching ist nach Schulz von Thun weiter als „Arbeitsverhältnis [zu verstehen], das tief schürfende Problemanalysen zwar nicht ausklammert, aber doch den Schwerpunkt mehr auf Ziele und Lösungen legt; das die Schwächen und Entwicklungsrückstände des Klienten zwar nicht tabuisiert, aber doch vor allem seine Stärken und Fähigkeiten betont und herausarbeitet; das die Belastungen und die manchmal schwere Not des Klienten zwar nicht verleugnet und schönre208 209
Schreyögg (a), S. 8 f Schulz von Thun, S. 9
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
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det, aber doch auch nach Perspektiven sucht, unter denen alles auch anders und positiv gesehen werden kann.“210 Das heißt, „wenn alles gut läuft, geht der Klient nicht nur gut beraten aus den Sitzungen hervor, sondern auch gestärkt und ermutigt, mit neu erworbenen Kompetenzen der Situationsdiagnostik, der Selbstklärung und Selbstberatung, der Kontakt- und Problemlösungsfähigkeit. Aber der ‚Hochleistungssportler‘ soll nicht nur und nicht vor allem lernen, schneller, höher und weiter zu springen. Er soll auch die Ziele, die er sich setzt, auf Verträglichkeit prüfen, das heißt in der Lebensbalance211 bleiben oder sie zurückgewinnen.“212 Ergänzend sei erwähnt, dass die Ausführungen Schulz von Thuns weitgehend mit dem zuvor zitierten Fallbeispiel Schreyöggs korrespondieren und daher auch als eine erläuternde Stellungnahme gelesen werden können. Obwohl Coaching im Sport und in der Wirtschaft nicht vollkommen identisch ist, so Schuppert, stellen beide Coaching-Methoden dennoch „’eine Betreuung im Sinne teilnehmender Hilfestellung beim Lösen von Problemen vor, während und nach Beanspruchungen und Belastungen [dar]. Basis ist psychologisches Grundlagen- und Alltagswissen. Coaching impliziert Diagnostik und Beratung.’“213 Ferner beschreibt Schuppert Coaching als Dienstleistung, die „eine Hilfestellung gewährleistet, die auf den Prozeß der Leistungsoptimierung einen so umfassenden Einfluß nimmt, daß man besondere Ergebnisse erzielen kann – bei entsprechendem Potential, versteht sich. Es ist die bewußte und systematische Verbesserung von Fähigkeiten.“ Coaching ist „vor allem auf den Beziehungs-, Denk- und Verhaltensbereich, auf ganz individueller Ebene der persönlichen Betreuung von Führungskräften der oberen und obersten Ebenen spezialisiert“.214 Dabei muss nach Schuppert „das Leistungsprinzip […] eingebettet werden in das Ganze des menschlichen Lebens“215. „Eine Betreuung, die der Verwirklichung des ganzen Menschen dienen will, muß [daher auch] ein Bild des ganzen Menschen haben, an dem sie sich orientiert. Ein Bild, das auch der olympischen Idee des ‚ganzen Menschen’ entspricht. Es ist der Mensch, der sowohl in seiner äußeren Erscheinung als auch in seiner Weise im Leben dazusein, sich zu verhalten, ein Sinnbild der Fülle, Ordnung und Einheit des lebendigen Seins ist. Nicht 210
Schulz von Thun, S. 11 f Wie Schulz von Thun auch an anderer Stelle beschreibt, sucht der Mensch „nach Sinn und Lebensbalance, nach Selbstverwirklichung in seiner einmaligen Existenz“. (Schulz von Thun, S. 13) 212 Schulz von Thun, S. 12 213 Schuppert, S. 123, unter Berufung auf Eberspächer, H., Individuelle Handlungsregulation, 1988 214 Schuppert, S. 121 215 Schuppert, S. 122 211
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2 Was ist Coaching?
nur äußerlich kräftig, sondern von innen heraus stark, strahlend und schön sein kann.“216 Der Coach ist demzufolge „eine Persönlichkeit mit einem feinen Gespür für das Gleichgewicht der Kräfte, mit viel Fingerspitzengefühl. Es handelt sich in optimaler Form um eine Persönlichkeit, die eine Synthese zwischen ganzheitlichem Denken und differenziertem Handeln darstellt, um einen Menschen, der ‚viel weiß, wenig sagt, etwas tut, alles ist’“217 „Ob im Sport oder in der Wirtschaft – der Coach muß strategisch denken können, entscheiden, koordinieren, das delikate Problem des Gleichgewichts innerhalb der Gesamtpersönlichkeit permanent im Auge behalten.“218 „Der Coach ist meistens ein Begleiter auf Zeit. Eine Art Hilfe zur Selbsthilfe. Er hat die Fähigkeit sich zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder entbehrlich zu machen.“219 „Angesichts der immer höher werdenden Anforderungen auf der einen Seite und der vorhandenen Defizite in der menschlichen und emotionalen Kompetenz auf der anderen Seite wird der Bedarf an Unterstützung und Beratung im Sinne des Coachings in Zukunft deutlich zunehmen. Ein persönlicher, kompetenter Berater, der ein gleichwertiger Gesprächspartner ist, der praktisch in allen Lebenslagen als Ratgeber dienen kann, wird – so meine Überzeugung – selbstverständlich. Nicht im Sinne des amerikanischen ‚Psychiaters’, sondern als Betreuer, als Sparring-Partner“220 und als „Wegbegleiter“221. „Es bedarf der Präsenz des Coachs […] in Phasen, Situationen von erhöhter Komplexität, dort, wo Veränderungsprozesse ablaufen.“222 Schwaemmle und Staehelin beschreiben Coaching als eine Methode, die durch große „Vielfalt“223 geprägt ist. Sie begründen diese Aussage mit „der Komplexität und Dynamik von inneren und äußeren Veränderungen, denen Führungskräfte und Unternehmen ausgesetzt sind. Eine angemessene Bewältigung dieser Komplexität und Dynamik im Führungsalltag wie in der strategischen Ausrichtung verlangt ein entsprechend komplexes und dynamisches Bewältigungsinstrumentarium, in dem Coaching mit seinen verschiedenen Ausprägungen eine wichtige Rolle spielt.“224 Schwaemmle und Staehelin „vertreten die Auffassung, dass 216
Schuppert, S. 122 Schuppert, S. 124, unter Berufung auf Zürn, P., ohne weitere Nachweise 218 Schuppert, S. 123 219 Schuppert, S. 124 220 Schuppert, S. 123 221 Schuppert, S. 123 222 Schuppert, S. 123 223 Schwaemmle/Staehelin, S. 109 224 Schwaemmle/Staehelin, S. 109 f 217
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
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Coaching in einem Businesskontext generell effizient und zukunftsgerichtet sein muss […]. Eine Balance zwischen den Interessen der Unternehmung und den Bedürfnissen der einzelnen gecoachten Person muss proaktiv geleistet werden. Engagement, Motivation, Selbstverantwortung und Commitment verlangten nach einem an die Bedürfnisse und Bestrebungen der individuellen Person ausgerichteten Coaching. Um jedoch Geschäftserfolge zu zeigen, muss sich Coaching ebenfalls an den Visionen, Werten und Strategien der Unternehmung oder deren Geschäftseinheiten orientieren sowie kompatibel mit der Unternehmenskultur sein.“225 Im uni magazin, herausgegeben von der Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg, heißt es in einem Beitrag zum Thema Coaching: Unter Coaching „wird eine kontinuierliche, zeitlich begrenzte und partnerschaftliche Begleitung und Unterstützung von Einzelpersonen oder Gruppen im Beruf verstanden. Thema ist die Beziehung zwischen Berufsrolle und Person.“226 Dabei ist von wesentlicher Bedeutung, „dass ein Coach, im Gegensatz zum Berater, keine konkreten Ratschläge erteilt, sondern den Coachee darin unterstützt, eigenständig Lösungen zu entwickeln.“227 „’Das Arbeitsleben findet auf einer mehrspurigen Autobahn mit hoher Geschwindigkeit statt. Ein Geräusch aus dem Motorraum ist zu hören. Sie haben ein ungutes Gefühl, ein Warnlämpchen leuchtet auf. Coaching ist nicht Wartung in voller Fahrt. Coaching leitet Sie auf den Rastplatz. Sie sehen nach und tun, was zu tun ist. Sie lernen und überlegen für die nächste Etappe. Und fädeln sich dann wieder ein in den fließenden Verkehr.’ Diese Beschreibung aus einer Informationsbroschüre zeichnet ein treffendes Bild, was Coaching in der heutigen Arbeitswelt bedeutet. Umstrukturierungen und Globalisierung lassen Anforderungen drastisch steigen. Zunehmend greifen Führungskräfte und Mitarbeiter auf die Unterstützung eines Coachs zurück.“228 Whitmore definiert Coaching in Anlehnung an Gallwey, einen der ersten Vertreter des Coachings im heutigen Sinne. Dieser beschrieb das Wesen des Coachings in Anlehnung an Sokrates wie folgt: „Coaching setzt das Potential eines Menschen frei, seine eigene Leistung zu maximieren. Es hilft ihm eher zu lernen, als daß es ihn etwas lehrt.”229 Dabei geht Gallwey von einem eher „optimistischeren Menschheitsmodell” aus, wonach die Menschen „weit mehr als leere Gefäße 225
Schwaemmle/Staehelin, S. 110 uni Magazin uni Magazin 228 uni Magazin 229 Whitmore in Anlehnung an Gallwey, S. 14 226 227
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2 Was ist Coaching?
[sind], in die alles hineingegossen werden muß, wie es noch die alte behavioristische Anschauung besagte. Dem neuen Modell zufolge ähneln wir eher einer Eichel, die bereits das gesamte Potential für die Entstehung einer herrlichen Eiche enthält. Wir benötigen Nahrung, Förderung und das Licht, um dahinzukommen, aber wir besitzen bereits alle Anlagen dafür.” Weiter heißt es: „Wenn wir dieses Modell akzeptieren, muß die Art, wie wir lernen, und noch wichtiger, wie wir lehren und trainieren, in Frage gestellt werden. Leider lassen sich Gewohnheiten (aber) nur schwer ablegen. Alte Methoden werden beibehalten, selbst, wenn wir ihre Grenzen kennen. Es ist schwer, den Erfolg neuer Methoden zu beweisen, wenn nur wenige sie vollständig verstanden und angewandt haben. Viele sind nicht bereit, ihre ausgetretenen Pfade lange genug zu verlassen, um die Vorzüge neuer Wege zu erproben.”230 Whitmore definiert als Schüler Gallweys den Begriff des Coachings zudem als eine Trainingsmethode, durch die der Gecoachte lernt, seine „Stärken und Schwächen zu erkennen und das Beste daraus zu machen”231. Darüber hinaus betont Whitmore, dass „gutes Coaching (...) eine Fertigkeit” sei, „möglicherweise sogar eine Kunst, die gründlich verstanden werden muß und viel Übung erfordert, soll sie ihre erstaunliche Kraft entfalten”.232 Wrede definiert Coaching kurz als „eine Methode zur Befähigung; es werden Denkanregungen geliefert, die dazu beitragen, dass blockierte Potenziale frei und verfügbar werden“233. Unter dem Aspekt „Unterstützung ist wichtig“ führt sie weiterhin aus: „Als wir Kinder waren, konnten unsere Eltern uns noch mit ihrem Wissen unterstützen. Sie lebten uns vor, was wir zu lernen hatten, um später im Leben bestehen zu können. Schon bald wuchsen wir mit unseren Wünschen und Zielen über den Horizont ihres Wissens und Könnens hinaus. Und noch ein wenig später suchten wir bereits nach Wissen, von dessen Existenz unsere Eltern nicht einmal etwas ahnten. Spätestens in diesem Stadium wurden aus den einst interessanten allenfalls interessierte Gesprächspartner. Als Vorbild und Mentor schieden sie aus. Ein Coach ist jemand im eigenen Umfeld, der die Funktion der einst wissenden Eltern vertreten kann. Er hilft, Potenziale zu erkennen und zu entfalten.“234 Die Methode des Coachings, die sich mittlerweile in allen Führungsebenen durchgesetzt hat 235, so Wrede, „dient vor allem der Weiterentwicklung von Leis230
Whitmore in Anlehnung an Gallwey, S. 14 f Whitmore, Klappentext 232 Whitmore, S. 10 233 Wrede (a), S. 227 234 Wrede (a), S. 9 f 235 Vgl. Wrede (a), S. 12 231
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
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tungspotenzialen. An den wachsenden Nachfragen aus der öffentlichen Verwaltung ist zu erkennen, dass die Methdode nun auch dort als praktikabel eingeschätzt wird. Und obwohl ein großes Interesse an Coaching besteht, stelle ich in meiner Praxis immer wieder fest, dass sowohl die potenziellen Kunden als auch die Anbieter nach wie vor über eine eher diffuse Einschätzung des Instruments verfügen. Der besondere Nutzen des Coachings wird nicht sichtbar, und sowohl die Kunden als auch die Anbieter hegen nicht selten unrealistische Erwartungen. Richtig angewandtes Coaching ist die derzeit effektivste Methode zur termingerechten Aktivierung ruhender Potenziale. Darum ist zu erwarten und auch wünschenswert, dass immer mehr Menschen dazu greifen. Sei es, um sich für die Anforderungen in der Arbeitswelt oder für andere Herausforderungen des Lebens bereit zu machen.“236 „Grundsätzlich gilt, dass Coaching immer dann die geeignete Methode ist, wenn jemand beabsichtigt, seinen persönlichen Einflussbereich zu erweitern, um Ergebnisse bewirken zu können, die ihm derzeit nicht möglich sind.“237 „Kurzum: man muss weder Führungskraft noch Spitzensportler, noch besonders intelligent, geschult oder begabt sein, um Coaching erfolgreich für sich nutzen zu können. Vielmehr kommt es auf die eigene Absicht an. Wenn Sie beabsichtigen, die Sie umgebenden Umstände zu verändern und wenn Sie vor allem beabsichtigen, dies im Interesse bestimmter Ziele zu tun, dann ist Coaching die richtige Methode für Sie.“238 Es gibt verschiedene Gründe für Coaching. Manche Personen wissen bereits genau, was sie durch ein Coaching erreichen wollen und können ihr Ziel präzise bestimmen. „Es gibt [aber auch] Situationen, in denen weiß man sicher, dass etwas grundlegend anders werden muss – aber man selbst ist außerstande, zu erkennen, was es ist und wie man es einleitet. Das einzige, was man in diesen Situationen sicher sagen kann, ist, dass man es nicht wagt, auf gewohnte Weise mit den Dingen fortzufahren, weil man befürchtet, sich damit in einer Sackgasse festzufahren. So, als wäre man in eine Bärenfalle getreten, die bei jeder Bewegung schmerzhaft an der offenen Wunde sägt. In einer solchen Situation spricht kein Kunde souverän von dem Wunsch, seinen Einflussbereich zu erweitern. Er bittet für gewöhnlich eher um die externe Hilfe durch geeignete Denkanregungen und Hinweise zu adäquatem Sprechen und Handeln, um sich aus der misslichen Lage zu befreien.“239 Die Basis, um das Verhalten grundlegend zu verändern und damit die bestehenden Probleme zu überwinden, liegt nach Ansicht von Wrede
236
Wrede (a), S. 12 Wrede (a), S. 13 238 Wrede (a), S. 14 239 Wrede (a), S. 16 237
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„immer in neuen Denkstrukturen, die durch Coaching und Training gut zu erlernen sind“.240 „Der Coach spricht während des Coachingprozesses mit seinem Kunden. Er bespricht alle Aspekte, die im Zusammenhang mit dem Coachingvorhaben relevant sind. Seine Aufgabe ist es dabei, so mit seinem Gegenüber zu kommunizieren, dass dieses stets bereit und in der Lage ist, den nächsten Schritt zu gehen und das als nächstes Zwischenergebnis angestrebte Ereignis herbeizuführen. Der Coach entwickelt dem Kunden keinen Plan, nach dem dieser vorgehen kann. Er fordert ihn vielmehr auf, seinen Plan selbst zu entwerfen. Auch sagt er dem Kunden nicht, was richtig oder falsch ist. Stattdessen hilft er ihm herauszufinden, welches Verhalten für die Arbeit am gewünschten Ergebnis geeignet oder nicht geeignet ist. Außerdem hilft der Coach seinem Kunden, selbst zu erkennen, welche Impulse er setzen muss, um damit das von ihm angestrebte Ergebnis zu initiieren. Und nicht zuletzt fordert der Coach den Kunden auf, diese Impulse durch sein Verhalten so zu setzen, dass sich ein Kausalverlauf ergibt, der im gewünschten Ergebnis münden kann. Insofern wirkt Coaching stark ‚selbstaktivierend’ – und das von Anfang an.“241 Der Coach „wird gleich zu Beginn, schon im ersten Gespräch, Denkanregungen liefern, die dem Kunden helfen, aus einer ‚Schön-wäre-wenn-Haltung’ oder einem lähmenden Leidensdruck in eine motivierte, wohlgespannte und zuversichtliche mentale Haltung zu finden. Im Coachingverlauf gibt der Coach immer wieder Anstöße, die dem Kunden helfen, sich selbst in diese mentale Haltung zurückzuführen und sich selbst wieder an die eigene Kraftquelle anzuschließen.“242
2.2.3 Abgrenzung zu Supervision, Psychotherapie sowie traditionellen Seminaren und Trainings Abgrenzung Coaching - Supervision Immer wieder fällt bei Recherchen zum Thema ‚Coaching’ der Begriff ‚Supervision‘. Auch dieser lässt sich, wie der Begriff ‚Coaching’, nicht eindeutig definieren und wird ebenfalls häufig als eine Art leere Worthülse für vielerlei Maßnahmen verwendet - teilweise auch als Synonym für ‚Coaching’.243 Da sich beide 240
Wrede (a), S. 18 Wrede (a), S. 22 Wrede (a), S. 23 243 Vgl. König, S. 249 sowie Doppler, der auf die selbst gestellte Frage „Welches ist der Unterschied zwischen ‘Coaching‘ und ‘Supervision‘?” antwortet: „Eigentlich keiner.” (Doppler, S. 431) 241 242
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
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Begriffe ‚Coaching’ und ‚Supervision’ nicht eindeutig und allgemeinverbindlich definieren lassen, fällt an dieser Stelle folglich auch eine exakte Abgrenzung der Maßnahmen voneinander nicht leicht. Trotz grundlegender Ähnlichkeiten lassen sich jedoch im Folgenden wesentliche Unterschiede aufzeigen, die insbesondere aus der Historie der Supervision heraus deutlich werden: „Historisch resultiert [Supervision] […] aus der Sozialarbeit und aus der Psychotherapie.“244 „Supervision entstand um die Jahrhundertwende aus der amerikanischen Tradition von Sozialarbeit, wo ursprünglich wenige fest Angestellte viele ehrenamtliche Mitarbeiter fachlich zu beraten suchten. Im Zuge der Professionalisierung von Sozialarbeit fungierten vorgesetzte Sozialarbeiter als Kontrolleure und Berater ihrer unterstellten Mitarbeiter […]. Aus dieser Epoche resultiert auch der Begriff. Im angloamerikanischen Raum bezeichnet er eine Führungsfunktion von Vorgesetzten, nämlich die Mitarbeiter zu beraten – und zu kontrollieren. Im Zuge der generellen Orientierung von Sozialarbeit an psychotherapeutischen Konzepten, […] entwickelte sich Supervision zunehmend als emotions- und beziehungsorientierte Beratungsform.“245 Zwar wurde Supervision ursprünglich, ähnlich dem Coaching, als eine „breite beruflich orientierte Beratung von einzelnen oder Kleingruppen konzipiert“246, im Laufe ihrer weiteren Entwicklung, „reduzierten sich ihre Intentionen aber […] immer deutlicher auf emotionsorientiertes Lernen“247. Die meisten der Supervisionsansätze sind bis heute psychotherapeutischen Konzepten verpflichtet und damit „auf Auseinandersetzungen mit Arbeitsbeziehungen und die emotionalen Faktoren von Arbeit begrenzt.“ 248 249 Darüber hinaus ist bis heute zu beobachten, dass Supervision im Gegensatz zum Coaching traditionell weniger in Wirtschaftunternehmen als vielmehr im
Roth, Brüning und Edler betonen ebenfalls besonders die Gemeinsamkeiten von Supervision und Coaching und weisen demzufolge darauf hin, dass Coaching auch als ‚Management-Supervision’ bezeichnet werden könne. (Roth/Brüning/ Edler, S. 212 f) 244 Schreyögg (d) 245 Schreyögg (a), S. 58 f; vgl. auch Heß/Roth, S. 23 246 Schreyögg (a), S. 58 247 Schreyögg (a), S. 58 f 248 Schreyögg (a), S. 59 249 Seit den 1980er Jahren mehren sich Stimmen, die, insbesondere angesichts von Teamsupervisionen, welche ganz offensichtlich organisationsbezogene Formen der Beratung darstellen, die bisherige „psychotherapeutisch orientierte thematische Verengung“ auf Dauer nicht als sinnvoll erachten. Vielmehr müsse demzufolge „auch der berufliche Kontext von Supervisanden thematisiert werden“. Denn „Teamsupervision, die vor einem psychotherapeutischen Hintergrund stattfindet“, könne, so Schreyögg, in vielen Fällen sogar „organisatorische Binnenprobleme“ noch verschärfen. (Vgl. Schreyögg (a), S. 60)
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2 Was ist Coaching?
Non-Profit-Bereich, bzw. „im psychotherapeutisch-sozialen Sektor“250 verbreitet ist.251 Die wesentlichen Unterschiede zwischen Coaching und Supervision bestehen in der ungleichen Gewichtung psychotherapeutischer Methoden, persönlicher und emotionaler Aspekte sowie des beruflichen/fachlichen Kontextes. Beim Coaching liegt der Fokus in der Regel auf beruflichen Fragestellungen und persönlichen Aspekten vor allem im fachlichen Feld, mit anderen Worten auf „menschlichen Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Berufsleben“ 252.253 Im Mittelpunkt der Supervision steht hingegen eine stärker emotions- und beziehungsorientierte Beratung mit ausgeprägter psychoanalytischer bzw. psychotherapeutischer Ausrichtung, die sich in der Regel stärker auf den persönlichen Kontext des Klienten bezieht, auch im beruflichen Bereich.254 Wie Wrede hierzu betont: „Der Zweck von Supervision ist die Verbesserung der Beziehungsqualität in der Arbeit. […] Supervision ist ein stark problemorientierter Beratungsansatz, bei dem ein Beziehungsproblem im Vordergrund der Beratungsgespräche steht.“255 256 Neben den angeführten grundlegenden Unterschieden zwischen Coaching und Supervision finden sich aber auch viele Gemeinsamkeiten. So zielen beide Konzepte z.B. darauf ab, „die Wahrnehmung für ein Problem [zu] erweitern, das Verständnis der vorhandenen Problematik [zu] fördern und – im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe – Voraussetzungen für eine Veränderung [zu] schaffen”257. Ferner können beide Maßnahmen als prozessorientiert und stark personenspezifisch beschrieben werden.258 Auch Fischer-Epe zeigt diese Ähnlichkeiten zwischen Coaching und Supervision auf, betont aber gleichzeitig den grundsätzlichen Unterschied - nämlich den Einsatz des Coachings im beruflichen Kontext: „Supervision und Coaching sind Formen von Prozessberatung, die helfen, Probleme zu lösen und Ziele zu erreichen, ohne dass der Berater als Experte Lösungen vorgibt. Coaching ist in diesem Sinne eine professionelle Reflexions- und Entwicklungshilfe in der beruflichen Praxis mit dem Ziel, Handlungsalternativen zu entwickeln und sich in seinem Umfeld als souveräner Gestalter zu bewegen.“259 250
Roth/Brüning/Edler, S. 213 Vgl. Rauen (c), S. 7; Roth/Brüning/Edler, S. 213; Schreyögg (d); Grobe; Doppler, S. 96 Schreyögg (a), S. 62 253 Vgl. hierzu auch DBVC (a); Roth/Brüning/Edler, S. 212; Fischer-Epe, S. 21 f; Bayer (b), S. 210; Schreyögg (a), S. 47 254 Vgl. Schreyögg, S. 58 ff; Heß/Roth, S. 23; Bayer (b), S. 210; Wrede (a), S. 35 f; Doppler, S. 96 255 Wrede (a), S. 35 f 256 Vgl. zum Ganzen u.a. Schreyögg (a), S. 47, S. 58 ff, S.65; Roth/Brüning/Edler, S. 201 und S. 212 f sowie von Sassen/Vogelauer, S. 22 ff; Bayer (b), S. 210 257 Roth/Brüning/Edler, S. 213 und vgl. auch von Sassen/Vogelauer, S. 25 258 Vgl. Heß/Roth, S. 23; Schreyögg (a), S. 61; Fischer-Epe, S. 21 f 259 Fischer-Epe, S. 21 f 251 252
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
71
Eine differenzierte Darstellung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten zwischen Coaching und Supervision liefert abschließend auch die folgende Übersicht nach Rauen260, wobei auch diese nicht als allgemeinverbindlich verstanden werden kann. Sie gibt jedoch einen guten zusammenfassenden Einblick in die Thematik. Unterschiede Coaching Zielgruppe sind i.d.R. Personen mit Management-Aufgaben Wurde im Leistungs- und Profit-Bereich entwickelt und wird dort hauptsächlich angewendet Wurde für den Kontext von Management und Unternehmung konzipiert Auch rein (betriebs-)wirtschaftliche Leistungsziele werden verfolgt Findet oftmals im direkten Arbeitsumfeld des Gecoachten statt Themen wie ‚Macht’ und ‚Hierarchien’ werden eher akzeptiert als kritisiert Oft relativ hohe Kosten bei den Varianten mit externem Coach Dient der persönlichen Leistungsverbesserung (Betriebs-)Wirtschaftliche Fachkompetenz und Unternehmenserfahrung des Beraters ist notwendig Dient neben dem Aufbau überfachlicher Kompetenz (Selbstreflexionsfähigkeit) auch dem Aufbau von Fachkompetenz (z.B. Präsentationsfähigkeit) Dient auch dem Training spezifischer Fähigkeiten und Verhaltensweisen
260
Rauen (c), S. 7 f
Supervision Traditionelle Zielgruppe sind Therapeuten und Beziehungsarbeiter Wurde im Non-Profit-Bereich entwickelt, wird im Profit Bereich erst langsam eingesetzt Ist im Kontext von Management und Unternehmung meist immer noch nicht anschlussfähig I.d.R. gibt es keine Beschränkung auf rein (betriebs-) wirtschaftliche Ziele Der ‚klassische’ Supervisor hält mehr Abstand zum Arbeitsfeld des Klienten Teilweise immer noch kritischer Umgang mit Themen wie ‚Macht’ und ‚Hierarchien’ Im Vergleich zum Coaching meist kostengünstiger Wird zunehmend als Qualitätssicherungsinstrument eingesetzt Management-Fachwissen und betriebswirtschaftliche Kenntnisse sind i.d.R. nicht notwendig Bestenfalls Aufbau überfachlicher, sozialer Kompetenz beim Klienten
Spezifische Fähigkeiten werden nicht trainiert
72
2 Was ist Coaching? Gemeinsamkeiten Analyse der Wahrnehmung der Aufgaben und der Gestaltung der Rolle Die Rolle des Beraters als prozessberatender Zuhörer und Gesprächspartner Sehr ähnliche Settings (Einzel-, Gruppen- und Team-Coaching/Supervision) Beschäftigung mit und in dem Praxisfeld des Klienten Abgrenzung von der Psychotherapie Die Selbstmanagementfähigkeiten des Klienten müssen funktionstüchtig sein Für schwerwiegende psychische Probleme ungeeignet Stark reflektierende Verfahren werden eingesetzt Beziehungsaufnahme und –gestaltung als Ziel der Maßnahmen Intimität der Beziehung ist wichtig Wenig hierarchische Beziehungen zwischen externem Berater und Klient Wird u.a. durch externe Berater praktiziert
Abbildung 3:
Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Coaching und Supervision nach Rauen
Abgrenzung Coaching - Psychotherapie Bereits in den bisherigen Ausführungen zur Abgrenzung des Coachings von der Supervision wurde auch die Psychotherapie angesprochen. Während, wie beschrieben, Supervision als eher emotions- und beziehungsorientierte Beratung stärker persönliche Problemstellungen thematisiert und dazu psychotherapeutische Methoden anwendet, stehen im Coaching in der Regel individuelle berufliche Problemkonstellationen mit persönlichen Aspekten vor allem im fachlichen Feld im Mittelpunkt der Betrachtung. Vor allem werden im Gegensatz zur Psychotherapie im Coaching keine psychischen oder psychisch bedingten Probleme bzw. Störungen behandelt. Grundvoraussetzung für ein Coaching ist, dass die grundsätzlichen „Selbstregulationsfähigkeiten des Klienten noch wirksam sind. Die Veränderung einer als problemhaft eingeschätzten Lage sollte für den Klienten aus eigenem Antrieb – wenn auch mit Hilfe eines Coachs – noch möglich sein. Im Umkehrschluss bedeutet dies klar: Für tiefgehende Probleme, die das Verhalten und Erleben einer Person bereits so weit eingeschränkt haben, dass eher eine Therapie angemessen erscheint, kann Coaching kein Ersatz sein. Klassische Beispiele Therapie erfordernder Schwierigkeiten sind neben den diversen Formen psychischer Erkrankungen die im Management häufigeren Abhängigkeitserkrankungen.“261 262 263 261
Looss/Rauen, S. 164 Vgl. hierzu auch Schreyögg (a), S. 58 ff; Roth/Brüning/Edler, S. 201, S. 212 f; Doppler, S. 427; von Sassen/Vogelauer, S. 22 ff; Greif, S. 13; Looss (a), S. 135 ff; Klein, S. 115 f; Heß/Roth, S. 21; Prochnow, S. 60
262
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
73
„Coaching ist keine verdeckte Psychotherapie für Manager“264 und „der Coach ist […] nicht Psychotherapeut“265. Denn, wie u.a der Deutsche Bundesverband Coaching e.V. (kurz: DBVC) erläutert: „Im Gegensatz zur Psychotherapie richtet sich Coaching an ‚gesunde’ Personen [266] und widmet sich vorwiegend den Problemen, die aus der Berufsrolle heraus entstehen, die ohne entsprechendes Fachwissen des Coaches nicht bearbeitet werden können. Psychische Erkrankungen, Abhängigkeitserkrankungen oder andere Beeinträchtigungen der Selbststeuerungsfähigkeit gehören ausschließlich in das Aufgabenfeld entsprechend ausgebildeter Psychotherapeuten, Ärzte und medizinischer Einrichtungen.“267 Auch Schreyögg betont den „in der Fokussierung auf berufliche Problemkonstellationen“268 liegenden Unterschied zwischen Coaching und Psychotherapie.269 Denn während Coaching als „innovative Form der Personalentwicklung“270 für eine „breite berufliche Beratung“271 konzipiert wurde, „bei der Freud und Leid im Beruf verhandelt werden“272, wurden „alle heute relevanten psychotherapeutischen Konzepte entlang der Privatwelt von Menschen entwickelt“273.274 „Der Coach sucht […], natürlich entsprechend der jeweiligen 263 Auch die Supervision grenzt sich von der Psychotherapie ab, obwohl sie psychotherapeutische Methoden anwendet. So richtet sich die Supervision analog dem Coaching und im Gegensatz zur Psychotherapie z.B. ausschließlich an gesunde Menschen, deren Selbstmanagementfähigkeiten prinzipiell funktionstüchtig sind. 264 Rauen (c), S. 5; vgl. Heß/Roth, S. 21 265 Rückle (a), S. 134 266 Dass sich Coaching nur an ‚gesunde’ Menschen richtet, bedeutet umgekehrt nicht, dass Psychotherapie ausschließlich zur „Behandlung von Krankheiten“ angewendet werden kann, wie FischerEpe annimmt. (Fischer-Epe, S. 180) So betonen u.a. von Sassen und Vogelauer ausdrücklich, dass Psychotherapie darüber hinaus auch „persönliche Lebenshilfe bzw. Seelenhilfe in schwierigen inneren und/oder äußeren Lebenssituationen und Engpässen“ gibt. So verstehen von Sassen und Vogelauer einen Therapeuten auch nicht ausschließlich „im ärztlichen Sinne“ und verweisen weiter darauf, dass Therapie ursprünglich „Dienst- bzw. Hilfeleistung“ bedeutete. (Von Sassen/Vogelauer, S. 24; vgl. ebenso Greif, S. 13) Auf diese Diskussion soll jedoch nicht näher eingegangen werden, da der thematische Fokus hier auf die Unterscheidung zwischen Coaching und Psychotherapie gerichtet ist und die angesprochene Diskussion nur am Rande tangiert wird. 267 DBVC (a); vgl. ferner Rauen (c), S. 5; uni Magazin; PEF Privatuniversität für Management, S. 6; Walther, S. 59; Greif, S. 13; von Sassen/Vogelauer, S. 6 und S. 23 ff; Fischer-Epe, S. 180 f; Looss/Rauen, S. 164 f; Looss (a), S. 135 ff; Klein, S. 115 f; Heß/Roth, S. 21; Wrede (a) S. 203 268 Schreyögg (a), S. 65 269 Vgl. ferner DBVC (a); Rauen (c), S. 5; Walther, S. 60; Looss/Rauen, S. 165; Looss (a), S. 136, S. 141; Heß/Roth, S. 21; Roth/Brüning/Edler, S. 212; Jung, S. 135 270 Schreyögg (a), S. 47 271 Schreyögg (a), S. 58 272 Schreyögg (a), S. 47 273 Schreyögg (a), S. 64
74
2 Was ist Coaching?
Problemlage, in einem ersten Schritt den Fokus der Beschwerden in der Berufswelt. Erst im zweiten Anlauf werden dann auch privatweltliche Erfahrungen als Ursache in Betracht gezogen. So strebt Coaching meistens eher Korrekturen der beruflichen Perspektiven an, der beruflichen Handlungsformen, Strukturierungsweisen und oft auch des beruflichen Umfeldes.“275 Heute finden sich allerdings immer mehr beruflich bedingte Probleme „Beunruhigungen, Krisen und Deformationen“276 - die auch zu schweren psychischen und/oder physischen Symptomen führen können. Während Psychotherapie in derartigen Situationen oft nicht weiterhilft, so Schreyögg, kann hier aber Coaching als „spezifische berufliche Beratungsform in vielen Fällen neue Entwicklungen einleiten“.277 Wobei „in der Realität […] allerdings auch Phänomene auf[treten], die sich zwar im Beruf aktualisieren, die aber im Coaching nicht zu bewältigen sind.“278 Dabei handelt es sich um bestehende psychische Erkrankungen, Abhängigkeitserkrankungen (z.B. Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängigkeit) oder andere Beeinträchtigungen der Selbststeuerungsfähigkeit sowie um Phänomene, die eine Betrachtung der gesamten persönlichen Lebensgeschichte eines Menschen notwendig machen279, bei denen Coaching an seine Grenzen stößt. Psychotherapie kann hier jedoch weiterhelfen. 280 Einen weiteren Aspekt im Rahmen der Unterscheidung von Coaching und Psychotherapie sieht Fischer-Epe in der Tiefe der Anwendung psychotherapeutischer Methoden verankert.281 Wie Fischer-Epe zum Thema ‚Die Grenze zwischen Coaching und Therapie wahren‘beschreibt: „Im therapeutischen Rahmen unterscheidet man eine weitere Tiefungsebene. Hier ist die rationale Kontrolle [des Klienten] erheblich reduziert und es kommt zu so genannten autonomen Körperreaktionen. In therapeutischen Prozessen kann es unter Umständen sinnvoll sein, diese Ebene gezielt zu fördern. Zum Beispiel mit der Auffassung, ein 274 „Die Berufswelt ist seit Freud kein Thema“, so Schreyögg. „Freud selbst nahm an, dass Menschen nur notgedrungen im Sinne des Realitätsprinzips arbeiten. Für Arbeitsstörungen, Arbeitsunlust usw. nahm er grundlegende Triebkonflikte an […]. In der Nachfolge Freuds finden wir unter Psychoanalytikern auch kaum Autoren, die sich des Themas Arbeit in besonderer Weise angenommen hätten. Arbeitsprobleme werden jedenfalls regelmäßig auf frühkindliche Erfahrungsmuster reduziert“. (Schreyögg (a), S. 64) 275 Schreyögg, S. 65; vgl. auch Heß/Roth, S. 21 276 Schreyögg (a), S. 63 277 Schreyögg (a), S. 63; vgl. Heß/Roth, S. 21 278 Schreyögg (a), S. 63 279 Mit anderen Worten, „im Coaching wird nicht vergangenheitsorientiert die Biographie des Klienten aufgearbeitet, um verdrängte Emotionen und Erfahrungen mit Hilfe von Übertragungen aufzudecken“. (Heß/Roth, S. 21 f; vgl. hierzu auch Wrede (a), S. 32 f; Rauen (c), S. 6) 280 Vgl. DBVC (a); Rauen (c), S. 5 ff; Walther, S. 59; von Sassen/Vogelauer, S. 6 und S. 23 ff; Fischer-Epe, S. 180 f;uni Magazin; PEF Privatuniversität für Management; Greif, S. 13; Looss (a), S. 135 ff; Heß/Roth, S. 21 281 Vgl. auch Roth/Brüning/Edler, S. 212
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
75
bestimmtes Gefühl ‚zuzulassen‘. Im Coaching hat diese Tiefungsebene jedoch nichts zu suchen.“282 Denn im Gegensatz zum Coaching zielt die Therapie auf „Gesundheit und die Befreiung von Symptomen mit Krankheitswert“283 ab. Ein zusammenfassender Überblick über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Coaching und Psychotherapie findet sich auch in der nachfolgenden Tabelle von Rauen: 284 Unterschiede Coaching Zielgruppe sind i.d.R. Personen mit Management-Aufgaben Wurde im Profit-Bereich entwickelt und wird dort hauptsächlich angewendet Im Vordergrund steht die berufliche Rolle bzw. damit zusammenhängende Anliegen des Gecoachten (Schwerpunkte Leistung und Führung). Ein konkreter Bezug zur Unternehmensrealität ist vorhanden Die Selbstmanagementfähigkeiten des Gecoachten müssen funktionstüchtig sein Meist geringe emotionale Tiefe der thematisierten Probleme Für schwerwiegende psychische Probleme ungeeignet Auch rein (betriebs-) wirtschaftliche Leistungsziele werden verfolgt
(Betriebs-)Wirtschaftliche Fachkompetenz und Unternehmenserfahrung des Coachs sind notwendig
Psychotherapie Keine vorbestimmte Zielgruppe Non-Profit-Bereich als Anwendungsgebiet Bearbeitung tiefgehender privater und persönlicher (psychischer) Schwierigkeiten unter Berücksichtigung der individuellen Lebensgeschichte. Die thematisierten Probleme können auch weiter zurückliegen Der Mangel an diesen Fähigkeiten macht i.d.R. eine Psychotherapie notwendig Oftmals werden tiefgehende emotionale Probleme thematisiert Explizite Ausrichtung auch auf schwere psychische Probleme Wiederherstellung der psychischen Gesundheit des Individuums auf ein funktional angemessenes bzw. mögliches Niveau I.d.R. hat der Psychotherapeut keine entsprechenden Kompetenzen
282 Fischer-Epe, S. 180; vgl. ebenso Rauen (c), S. 6; Heß/Roth, S. 22 sowie Jung, der beschreibt, dass im Coaching - im Gegensatz zur Psychotherapie - dem Klienten „auch dort nicht seine Handlungsautonomie [entzogen wird], wo es vorrangig als psychologisch fundierte Beratung auftritt“. (Jung, S. 135) 283 Fischer-Epe, S. 180 284 Rauen (c), S. 6 f; einen guten Überblick bieten u.a. auch Looss (a), S. 135 ff sowie Heß/Roth, S. 21 f
76
2 Was ist Coaching?
Coach und Gecoachter bestimmen zusammen Inhalt und Ablauf; der Gecoachte behält die Verantwortung für sein Handeln Zielorientierte Bearbeitung von Problemen, Erreichen eines Soll-Zustandes Themen wie ‚Macht’ und ‚Hierarchien’ werden eher akzeptiert als kritisiert Meist sehr hohe Kosten bei den Varianten mit externem Coach I.d.R. kurz- bis mittelfristige Maßnahme Kann an verschiedenen Orten stattfinden
Oftmals Übernahme der Verantwortung durch den Therapeuten, der auch Inhalt und Ablauf bestimmt
Oftmals ursachenorientiertes Analysieren von Problemen (nicht ausschließlich) Kritischer Umgang mit Themen wie ‚Macht’ und ‚Hierarchien’ Kosten werden i.d.R. von den Versicherungsträgern übernommen Oftmals lange Dauer Findet meist in psychotherapeutischer Praxis statt Gemeinsamkeiten Verwendung psychotherapeutisch basierter Methoden und Interventionen Analyse der Wahrnehmung der Aufgaben und der Gestaltung der Rolle Die Rolle des Beraters als Zuhörer und Gesprächspartner Beschäftigung mit den Erlebnissen des Klienten Reflektierende Verfahren werden eingesetzt Beziehungsaufnahme und –gestaltung als Ziel Wird praktiziert durch externe Berater Verhaltenserweiterung bzw. –flexibilisierung beim Klienten
Abbildung 4:
Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Coaching und Psychotherapie nach Rauen
Abgrenzung Coaching – traditionelle Seminare und Trainings Obwohl Coaching neben seiner besonderen betriebswirtschaftlichen und pädagogischen Prägung, wie bereits beschrieben auch Gemeinsamkeiten mit Supervision und Psychotherapie aufweist, ist Coaching dennoch weder mit Supervision noch mit Psychotherapie gleichzusetzen und darüber hinaus, wie im Folgenden gezeigt wird, auch von traditionellen Seminaren und Trainings abzugrenzen. 285 Seminare und Trainings sind unternehmensinterne oder auch -externe Weiterbildungsmaßnahmen, die traditionell der Vermittlung faktischen Wissens bzw. dem „gezielten Aufbau bestimmter Verhaltensweisen [dienen], d.h. es steht
285
Vgl. u.a. von Sassen/Vogelauer, S. 23 ff; Schreyögg (a), S. 41 ff; Doppler, S. 96; Jung, S. 135; König/Volmer, S. 10; DBVC (a); Rauen (c), S. 12 ff; Roth/Brüning/Edler, S. 203; Glatz/Lamprecht, S. 126 f
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
77
meist das Erlernen eines ‚idealen’ Ablaufmusters im Vordergrund“286. Sie hatten ihren absoluten Höhepunkt in den 80er Jahren.287 Grundsätzlich können zwei Veranstaltungstypen unterschieden werden: Zum einen Seminare, die rein auf die Vermittlung von Fachwissen/Sachkompetenz ausgerichtet sind, z.B. Fachseminare zu bestimmten Themen wie ‚Arbeitsrechtliche Grundlagen für Personalverantwortliche’. Diese dienen ausschließlich der Erweiterung des Fachwissens der Seminarteilnehmer. Zum anderen Trainings, die ebenfalls Fachwissen vermitteln, dabei aber stärker auf den „Auf- und Ausbau bestimmter Verhaltensweisen [zielen], d.h. es steht meist das Erlernen eines für entsprechende Situationen ‚idealen’ Ablaufmusters im Vordergrund. […] Typische Beispiele für solche Trainings sind Verkaufstrainings, Moderationstrainings, Rhetoriktrainings uvm. Besonders charakteristisch für [solche] Trainings ist der Aspekt der Übung, die im Beisein des anleitenden, Feedback gebenden und korrigierenden Trainers und unter Selbstanleitung praktiziert wird.“288 Dabei sollen die im Rahmen der Veranstaltung durchgeführten Übungen und das damit jeweils verbundene Feedback (in der Regel seitens der anderen Schulungsteilnehmer und des Trainers) zur Förderung des Transfers von Lern- und Anwendungssituationen beitragen.289 Bei beiden Veranstaltungstypen sind „die individuellen Bedürfnisse des zu Trainierenden […] zwar maßgeblich, aber der Schwerpunkt ist weniger das Individuum als eben das individuelle Verhalten bzw. die Trainingsinhalte.“290 Das hat zur Folge, dass diese Veranstaltungen, die durch derartiges pauschales Lernen gekennzeichnet sind, zwar für einige Teilnehmer oft durchaus interessant und informativ sein können, für einen anderen Teilnehmer dagegen aber eher irrelevant sind 291 bzw., dass aufgrund der pauschal vermittelten Inhalte „in einem […] Training […] für die einzelnen Teilnehmer immer nur ein bestimmter Umfang der Inhalte unmittelbar in der Praxis umsetzbar [ist]. Daher stellt sich die Frage nach einer Qualifizierung und Unterstützung, die deutlich auf eine konkrete Situation ausgerichtet ist: Wie kann der neue Bereichsleiter konkret bei der Durchführung von Zielvereinbarungen vorgehen? Wo sind bei dem ersten Versuch Schwierigkeiten aufgetreten, was hat geklappt? […] Das sind Fragen, die im Rahmen von Coaching behandelt werden“292 – im Einzelnen hingegen
286
DBVC (a); vgl. auch Rauen (c), S. 12, S. 13 f. Schreyögg spricht in diesem Zusammenhang auch vom „Bedürfnis nach sachlicher Beschulung“. (Schreyögg (a), S. 50) Vgl. König/Volmer, S. 10 288 Rauen (c), S. 12; vgl auch DBVC (a); Glatz/Lamprecht, S. 126 f 289 Vgl. Schreyögg, S. 52 290 Rauen (c), S. 12; vgl. DBVC (a) 291 Vgl. Schreyögg (a), S. 51 292 König/Volmer, S. 10 287
78
2 Was ist Coaching?
aber nicht Gegenstand von Seminaren und Trainings sind.293 Darüber hinaus bleibt immer eine kritische Frage, ob der einzelne Mitarbeiter das Gelernte auch transferieren kann.294 Weithin wird hier - ganz im Gegensatz zum Coaching - von einer „unzureichend gelösten Transferproblematik bei herkömmlichen Trainings und Seminaren […] [gesprochen]. In diesen Gruppenveranstaltungen können die Lerninhalte und –methoden oft nur ungenügend auf jeden einzelnen Teilnehmer abgestimmt werden. […] Transfer von der Lernsituation auf den Arbeitsalltag findet kaum oder gar nicht statt. Das Lernfeld ist oftmals zu klar strukturiert, zu eindimensional und fast steril, um die komplexe, vernetzte und konfliktträchtige Realität des täglichen Arbeitslebens erfolgreich simulieren zu können.“295 Doppler spricht in diesem Zusammenhang auch von ‚geplanter Folgenlosigkeit’ klassischer Trainings.296 „Hierin ist ein gewichtiger Vorteil [des Coachings] gegenüber klassischen Blockseminaren und Trainings zu sehen.“ 297 „Schon während des Coaching-Prozesses leistet der Klient Transferarbeit. […] Der Klient kann (und soll) neue Verhaltensweisen zwischen den Sitzungen im beruflichen oder auch privaten Alltag ausprobieren. Auftretende Unsicherheiten können im Rahmen des nächsten Treffens besprochen werden.“298 Im Gegensatz zu Seminaren und Trainings, im Rahmen derer neue Fertigkeiten zunächst gelehrt und anschließend gegebenenfalls z.B. in gestellten Rollenspielen geübt werden, werden die Klienten im Coaching also direkt „bei der Umsetzung und Anwendung von Fähigkeiten und des kognitiven Wissens in speziellen, schwierigen, neuen Situationen [in ihrer aktuellen Praxis unterstützt]. Coaching leistet Hilfe bei der Orientierung in neuen Situationen und gibt Anwendungs-/Umsetzungsunterstützung“299. „Coaching ermöglicht ein spezifisches Eingehen auf das berufliche Umfeld der Person und gewährleistet dadurch den hohen Lerntransfer. Gleichzeitig wirkt es nicht nur kurzfristig im Sinne der Lösung des akuten Problems, sondern verbessert die Reflexions- und Selbstmanagementfähigkeiten und hat damit einen nachhaltigen Effekt.“300 Auch Rauen zeigt in der folgenden Tabelle die wesentlichen Abgrenzungskriterien zwischen Coaching und Trainings/Seminaren auf und verweist darüber hinaus auf die Gemeinsamkeiten dieser Personalmaßnahmen 301: 293
Vgl. hierzu auch Jung, S. 135 Vgl. Schreyögg (a), S. 51 295 Roth/Brüning/Edler, S. 203 296 Doppler, S. 96 297 Roth/Brüning/Edler, S. 211 298 Roth/Brüning/Edler, S. 211 299 Glatz/Lamprecht, S. 126 f 300 PEF Privatuniversität für Management, S. 12 301 Rauen (c), S. 12 ff; ausführlich zum Ganzen auch Schreyögg (a), S. 47 ff 294
2.2 Zum Coachingbegriff: Ursprung, Bedeutung und Abgrenzung
79
Unterschiede Coaching Verwendung psychotherapeutischer Methoden und Interventionen (Betriebs-)Wirtschaftliche Fachkompetenz und Unternehmenserfahrung des Beraters ist notwendig Themen wie ‚Macht’ und ‚Hierarchien’ werden eher akzeptiert als kritisiert Analyse der Wahrnehmung der Aufgaben und der Gestaltung der Rolle Auch rein (betriebs-)wirtschaftliche Leistungsziele werden verfolgt Die Rolle des Beraters als Zuhörer und Gesprächspartner Oft relativ hohe Kosten durch externen Coach Reflektierendes Verfahren Ist beziehungsorientiert, hat die Beziehungsaufnahme und –gestaltung als Ziel Kann auch die persönliche Entwicklung betreffen Zielgruppe sind i.d.R. Personen mit Management-Aufgaben Coach und Gecoachter bestimmen zusammen Inhalt und Ablauf; der Gecoachte behält die Verantwortung für sein Handeln Kein Beziehungsgefälle beim externen Coach Dient neben dem Aufbau überfachlicher Kompetenz (Selbstreflexionsfähigkeit) auch dem Aufbau von Fachkompetenz (z.B. Präsentationsfähigkeit) Der Coach ist als Prozessberater qualifiziert und verfügt über eine Methodenvielfalt Hilfe zur Selbsthilfe als Ziel
Training Fachliche Anleitung, i.d.R. keine psychotherapeutischen Methoden und Interventionen Technisch-fachliche Kompetenz des Trainers steht im Vordergrund Ist für ein Training i.d.R. irrelevant Analyse konkreter Verhaltensdefizite Gewünschtes Verhalten wird auf- und ausgebaut Die Rolle des Trainers als Anleiter und Moderator Meist kostengünstiger als Coaching Fachliche Anleitung Ist sachorientiert, eine Beziehungsaufnahme ist Bestenfalls ein ‚Nebenprodukt’ Betrifft i.d.R. fachlich-berufliche Verhaltensweisen Keine vorbestimmte Zielgruppe Der Trainer bestimmt den Inhalt und Ablauf der Übungen und leitet den Klienten gezielt an Der Trainer ist als Fachexperte in seinem Fachgebiet klar überlegen Dient dem Auf- und Ausbau von meist fachspezifischen Fähigkeiten und Verhaltensweisen Der Trainer verfügt über spezifisches Fachwissen Anleitung zum Auf- und Ausbau spezifischer Verhaltensweisen
80
2 Was ist Coaching? Gemeinsamkeiten Wird durch organisationsexterne und –interne Personen durchgeführt Im Vordergrund steht die berufliche Rolle bzw. damit zusammenhängende Angelegenheiten des Klienten Die Selbstmanagementfähigkeiten müssen funktionstüchtig sein Meist geringe emotionale Tiefe der thematisierten Probleme Für schwerwiegende psychische Probleme ungeeignet Beinhaltet Übungssequenzen Zielorientierte Bearbeitung von Defiziten, Erreichen eines Soll-Zustandes Kann sehr hohe Kosten verursachen Verhaltenserweiterung bzw. -flexibilisierung beim Klienten Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Klienten als Ziel
Abbildung 5:
Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Coaching und Training nach Rauen
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Coaching heute „eine eigenständige Rolle in der Führungskräfteentwicklung ein[nimmt].“ 302 Coaching ist - wie hier gezeigt wurde - nach allgemeiner Auffassung also weder mit Supervision, noch mit Psychotherapie und auch nicht mit Personalmaßnahmen wie Seminaren und Trainings gleichzusetzen. Dennoch können Seminare und Trainings in Unternehmen als ergänzende Personalentwicklungsmaßnahmen zum Coaching eingesetzt werden.303
2.3 Der Grundgedanke der Hilfe zur Selbsthilfe im Coaching Coaching zielt grundlegend darauf ab, individuelle Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten.304 Darüber herrscht weitgehend Einigkeit.305 Der Klient soll im Coaching
302
Böning (b), S. 36 Vgl. Böning (b), S. 36; DBVC (a); Rauen (c), S. 12 f 304 Vgl. u.a. Rauen (a), S. 112; Rauen (b), S. 287; Rauen (c), S. 3; Böning (a), S. 108; Prochnow, S. 61; Glatz/Lamprecht, S. 126; Fischer-Epe, S. 22; PEF Privatuniversität für Management, S. 1, S. 6; König/Volmer, S. 11; Roth/Brüning/Edler, S. 213; Heß/Roth, S. 15; Jung, S. 136; Rückle (a), S. 134; Rückle (b), S. 20; Prochnow, S. 61; Czichos, S. 67; Bayer (b), S. 206; Looss/Rauen, S. 157; Klein, S. 130; Schuppert, S. 124; Doppler, S. 95; Böning (a), S. 107 f; Greif, S. 12; Henes-Karnahl; Bayer (b), S. 206; Rauen/Steinhübel, S. 293 305 Vgl. Rauen (d), S. 139; Rauen (a), S. 112; PEF Privatuniversität für Management, S. 1, S. 6; Heß/Roth, S. 137; Roth/Brüning/Edler, S. 220 303
2.3 Der Grundgedanke der Hilfe zur Selbsthilfe im Coaching
81
lernen, sich selbst zu helfen – in seiner gegenwärtigen Situation sowie in zukünftigen Situationen.306 So beschreibt z.B. Schreyögg: „Das basale Ziel von Coaching besteht in der Förderung beruflicher Selbstgestaltungspotentiale, also des Selbstmanagements […]. In diesem Punkt ähnelt übrigens das Management-Coaching dem im Sport: Hier wie dort spielen […] ‚einsame Leistungen’ eine Rolle, auf die der Coach seine Klienten vorbereiten soll.“307 Coaching wirkt damit „nicht nur kurzfristig im Sinne der Lösung des akuten Problems [in der gegenwärtigen Situation] sondern verbessert die Reflexions- und Selbstmanagementfähigkeiten und hat damit einen nachhaltigen Effekt“308. Nach Ansicht Dopplers, hilft gutes Coaching dem Klienten, „sich selbst auf die Schliche zu kommen und sich, […] auf Dauer gesehen, selbst zu helfen“. Damit ist es besser „als eine noch so erfolgreiche Einmal-Hilfe oder ein Dauertropf, die völlig außerhalb des Klienten-Systems angesiedelt bleiben.“309 Auch Bayer betont, „Coaching ist immer und ausschließlich Hilfe zur Selbsthilfe. […] Sowohl bei einzelnen Menschen als auch bei ganzen Organisationen geht es beim Aufbau von Coaching-Kompetenz um ‚Wachstum’ hin zur Eigenständigkeit.“310 Basierend auf diesem Grundgedanken der Hilfe zur Selbsthilfe im Coaching kommt auch dem Coach eine neue besondere Rolle zu, worauf später noch päziser eingegangen wird. Der Coach gibt den Anstoß zu einem persönlichen, individuellen „Lern- und Entwicklungsprozess“311 des Klienten und begleitet diesen 306 Vgl. PEF Privatuniversität für Management, S. 1, S. 6, S. 12; Rauen (a), u.a. S. 112, S. 113; Rauen (b), S. 287; Rauen (c), S. 2, S. 3, S. 20; Glatz/Lamprecht, S. 126 f, S. 138; Roth/Brüning/Edler, u.a. S. 205 f, S. 210, S. 213, S. 215; Heß/Roth, S. 15 f, S. 137, S. 162; Böning (a), S. 107 f; Fischer-Epe, S. 22, S. 27; Prochnow, S. 61; Schulz von Thun, S. 12, S. 13; Whitmore, S. 14; Schreyögg (a), S. 9, S. 147 ff; Schreyögg (b), S. 225, S. 238; von Schlippe/Schweitzer, S. 235; von Sassen, S. 79; BiehalHeimburger, S. 43 ff; Rückle (a), S. 134; Rückle (b), S. 20 f; Looss/Rauen, S. 156 f, S. 169; Klein, S. 116, S. 130; König/Volmer, S. 11; Flaherty, S. 4 f; Cook, u.a. S. 6, S. 91; Parsloe/Wray, S. 7, S. 22; Doppler, S. 95; Zeus/Skiffington, S. 3; Bayer (b), S. 206; Schuppert, S. 124; Schaffelhuber, S. 20; Alwart (a); Schröter; Grobe; Frankfurter Allgemeine FAZ.NET; Henes-Karnahl; DBVC (a); Greif, S. 12, S. 14; Jung, S. 136 307 Schreyögg (a), S. 9 und vgl. auch Schreyögg (b), S. 225 308 PEF Privatuniversität für Management, S. 12 309 Doppler, S. 102 310 Bayer (b), S. 206 311 Fischer-Epe, S. 27; vgl. u.a. auch von Sassen, S. 80; von Sassen/Vogelauer, S. 6; Hamm, S. 422; DBVC (a); Prochnow, S. 61 sowie Czichos, S. 68: „Das Ziel des Coaching ist, dass Mitarbeiter etwas anders tun; der Weg dahin ist lernen; Coaching ist ein Prozeß, der das Lernen unterstützen soll.“
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2 Was ist Coaching?
unterstützend, ohne selbst aktiv problemlösend einzugreifen. Er agiert als „Entwicklungshelfer zur Selbsthilfe“312 und fördert so zielgerichtet die Fähigkeit zur Selbststabilisierung313 bzw. „Selbstregulation“314 des Klienten. Mit anderen Worten: Hilfe zur Selbsthilfe bedeutet die Förderung der Fähigkeit zur „Selbstorganisation“315 bzw. zur „bewussten Selbstveränderung und Selbstentwicklung“316. Des Öfteren wird diesbezüglich in der Literatur auch von der Förderung des „Selbstmanagements“317 sowie der „Lebensbalance“318, das heißt der „Ausgewogenheit – […] [des] Gleichgewicht[s] im Inneren“319 gesprochen. Die begriffliche Vielfalt zur Beschreibung der wesentlichen Funktion des Coachings - der Hilfe zur Selbsthilfe - ist, wie sich zeigt, groß. Dennoch beruhen alle Formulierungen weitgehend auf dem gleichen Grundgedanken. Unmittelbar verbunden mit der Darstellung der Hilfe zur Selbsthilfe wird in der Literatur in der Regel zugleich beschrieben, wodurch dieses grundlegende Ziel im Coaching erreicht werden soll. Dabei wird häufig u.a. die Förderung der Wahrnehmungsfähigkeit und des Bewusstseins des Klienten betont sowie von einer Förderung der Fähigkeit zur Reflexion (der eigenen Lebens- bzw. Arbeitssituation, Selbstreflexion) gesprochen. Der Klient soll im Wesentlichen lernen, das Wahrgenommene (sein Erleben und Verhalten) zu deuten und zu verstehen sowie Lösungsmöglichkeiten selbst zu entwickeln und umzusetzen.320 Wie die folgend zitierten Auffassungen exemplarisch zeigen, ist im Rahmen dieser Präzisierung der Hilfe zur Selbsthilfe im Wesentlichen eine einheitliche Richtung erkennbar: Wie Rauen beschreibt, ist, ausgehend von der Hilfe zur Selbsthilfe, das grundlegende Ziel des Coachings also „immer die (Wieder-)Herstellung und/oder Verbesserung der Selbstregulationsfähigkeiten des Gecoachten“321. „Coaching zielt [damit] immer auf eine (auch präventive) Förderung von 312
Schulz von Thun, S. 11 Vgl. Biehal-Heimburger, S. 43 314 Biehal-Heimburger, S. 44; vgl. Rauen (a), S. 113; Heß/Roth, S. 15, S. 144 315 Fischer-Epe, S. 27; Biehal-Heimburger, S. 44; Schlippe/Schweitzer, S. 235 316 Greif, S. 15; vgl. auch Schaffelhuber, S. 20; Prochnow, S. 61 317 Greif, S. 12; vgl. u.a. auch Schreyögg (a), S. 9; Schreyögg (b), S. 225; von Schlippe/Schweitzer, S. 235; Czichos, S. 14; PEF Privatuniversität für Management, S. 12 318 Schulz von Thun, S. 12 319 Schaffelhuber, S. 156; vgl. auch Schuppert, S. 123, S. 124; Schulz von Thun, S. 12 320 Vgl. hierzu u.a. Rauen (a), S. 112, S. 126; Jung, S. 137; Rückle (a), S. 135; Greif, S. 14, S. 15; DBVC (a); Eidenschink (a), S. 54 f; Rauen/Steinhübel, S. 293; Glatz/Lamprecht, S. 126 f, S. 138; von Sassen, S. 79; Schulz von Thun, S. 12; von Sassen/Vogelauer, S. 2; Schwaemmle/Staehelin, S. 120 ff; Schreyögg (a), S. 158 f, S. 171 ff; Biehal-Heimburger, S. 45 ff; Roth/Brüning/Edler, S. 210 321 Rauen (a), S. 113; vgl. auch Heß/Roth, S. 15, S. 144 313
2.3 Der Grundgedanke der Hilfe zur Selbsthilfe im Coaching
83
Selbstreflexion und –wahrnehmung, Bewusstsein und Verantwortung, um so Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Die Selbstwahrnehmung des Gecoachten soll gefördert werden, d.h. blinde Flecken und Betriebsblindheit werden abgebaut, neue Gesichtspunkte werden erkannt und in der Folge ergeben sich neue Handlungsmöglichkeiten“322. Der Gecoachte soll neue Möglichkeiten erkennen und nutzen lernen323; „es gilt, Wahrnehmung, Erleben und Verhalten des Gecoachten zu verbessern bzw. zu erweitern“324.325 „Zuvor problematisch erscheinende berufliche und private Anliegen sollten nach dem Coaching dank eines erweiterten Verhaltens- und Erlebensrepertoires vom Klienten allein bewältigt werden können.“326 Dementsprechend betont auch der Deutsche Bundesverband Coaching e.V. (DBVC): „Ein grundsätzliches Merkmal des professionellen Coachings ist die Förderung der Selbstreflexion und -wahrnehmung und die selbstgesteuerte Erweiterung bzw. Verbesserung der Möglichkeiten des Klienten bzgl. Wahrnehmung, Erleben und Verhalten.“327 Ferner spricht auch Schreyögg im Rahmen der Hilfe zur Selbsthilfe von einer Förderung der „persönlichen Stabilisierung“328 und der „Förderung beruflicher Selbstgestaltungspotentiale, also des Selbstmanagements“329 bzw. der „Selbst-Lenkungspotentiale“ 330 als grundlegendem Ziel des Coachings. Um dieses Ziel zu erreichen, strebt Coaching Veränderungen beim Klienten an. Dabei geht es vor allem um „veränderte Deutungsmuster“331, Veränderungen im Handlungsrepertoire des Gecoachten332 sowie „die Flexibilisierung von Wahrnehmungs- und Denkmustern“333. Wie Schreyögg zu letztgenanntem Aspekt weiter ausführt: „Coaching hat hier die Funktion, Prozesse sukzessiver Flexibilisierung von Wahrnehmungs-, Strukturierungs- und Verstehensvorgängen zu fördern. Diese sind idealerweise auf individuelle,
322
Rauen (c), S. 3; vgl. Rauen (a), S. 113 Vgl. Rauen (c), S. 2 324 Rauen (c), S. 2; vgl. auch Rauen (a), S. 112 325 „Dient ein Coaching vornehmlich der Prävention oder der Leistungssteigerung, so kann bereits das Aufrechterhalten bzw. Verbessern der entsprechenden [genannten] Fähigkeiten das gewünschte Ziel darstellen.“ (Rauen (c), S. 2) 326 Rauen (b), S. 287 327 DBVC (a); zitiert auch in Böning (c), S. 26 328 Schreyögg (a), S. 9 329 Schreyögg (a), S. 9 und vgl. auch Schreyögg (b), S. 225, S. 238 330 Schreyögg (a), S. 9 und (b), S. 225, S. 238 331 Schreyögg (a), S. 170 332 Schreyögg (a), S. 171 f 333 Schreyögg (a), S. 150 323
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2 Was ist Coaching? interaktionale und systemische Phänomene sowie auf ihre Verschränkungen gerichtet.“334 Schulz von Thun benennt die grundlegende Funktion des Coachings als Förderung „der Lebensbalance“335. Denn „der Mensch sucht nach Sinn und Lebensbalance, nach Selbstverwirklichung in seiner einmaligen Existenz“336, so Schulz von Thun. Hierzu soll der Klient im Coaching neue „Kompetenzen der Situationsdiagnose, der Selbstklärung und Selbstberatung, der Kontakt- und Problemlösefähigkeit [erwerben]. Aber der ‚Hochleistungssportler’ soll nicht nur und nicht vor allem lernen, schneller, höher und weiter zu springen. Er soll auch die Ziele, die er sich setzt, auf Verträglichkeit überprüfen, das heißt in der Lebensbalance bleiben oder sie zurückgewinnen. Hier braucht der Coach jene Weisheit, die nicht jedes Ziel einfach zu erreichen hilft, sondern das Ziel selbst, von einer höheren Warte aus, infrage zu stellen wagt.“337 Auch Fischer-Epe und Biehal-Heimburger stellen in ihren Veröffentlichungen heraus, dass im Coaching die Förderung der „Selbstorganisation“ des Klienten grundlegend ist.338 Dabei spielen, wie Fischer-Epe beschreibt, „die Selbstverantwortung, […] Selbstklärung und das Selbsterleben“339 sowie „die Selbstreflexion des Klienten“340 eine wichtige Rolle. „Coaching ist […] eine professionelle Reflexions- und Entwicklungshilfe in der beruflichen Praxis mit dem Ziel, Handlungsalternativen zu entwickeln und sich in seinem Umfeld als souveräner Gestalter zu bewegen. Dabei bleibt die Selbstverantwortung des Klienten zu jedem Zeitpunkt gewahrt, die Beratung leistet Hilfe zur Selbsthilfe.“341 Biehal-Heimburger betont in ihren Ausführungen zum Coaching, dass „die Stärkung und Entwicklung der eigenen Persönlichkeit im Coaching im Vordergrund“ steht - besonders in der heutigen Zeit, die geprägt ist durch rasante Veränderungen. „Wer in dieser Zeit seinen innersten Kern nicht stabilisiert, keine Ich-Stärke entwickelt, steht in der Gefahr aufgerieben, verunsichert, krank zu werden. Ich-Stärke ist allerdings nicht zu verwechseln mit
334
Schreyögg (a), S. 150 Schulz von Thun, S. 12 Schulz von Thun, S. 13 337 Schulz von Thun, S. 12; vgl. hierzu auch Fischer-Epe, S. 212 338 Biehal-Heimburger, S. 44; Fischer-Epe, S. 27 339 Fischer-Epe, S. 33 340 Fischer-Epe, S. 33 341 Fischer-Epe, S. 21 f 335 336
2.3 Der Grundgedanke der Hilfe zur Selbsthilfe im Coaching
85
Starrheit oder gar Rücksichtslosigkeit anderen gegenüber.“ 342 „Jeder Mensch besitzt grundsätzlich die Fähigkeit, sein eigenes Leben sinnvoll zu gestalten“343 und verfügt über „Prinzipien und Fähigkeiten, die diese IchStärke ermöglichen.“344 In ihren Überlegungen geht Biehal-Heimburger von dem „tief in uns verwurzelten Drang [aus], Gestörtes in Ordnung zu bringen und bei Unterentwickeltem Geburtshelfer zu sein“345, was sie auch als die ‚Tendenz zur guten Gestalt‘ bezeichnet. „Wir erleben kein Durcheinander verschiedener optischer, akustischer, geschmacklicher, geruchlicher oder taktiler Einzelempfindungen, sondern Ordnungen, Strukturen, Gestalten. […] Der Mensch besitzt die Fähigkeit zur Selbstorganisation, die es ihm ermöglicht, ein inneres Gleichgewicht aus eigenen Kräften herzustellen. Allerdings können innere starre Strukturen für das Herstellen dieses Gleichgewichtes hinderlich sein. Im Coaching können solche starren Verknüpfungen zwischen bestimmten Vorstellungen mit bestimmten Verhaltensweisen starke Barrieren sein, welche die Fähigkeit zur Selbstregulation einschränken.“346 Der Coach schafft dann Bedingungen, die die sogenannte ‚Tendenz zur guten Gestalt‘ fördern und hilft, die Fähigkeit zur Selbstregulation zu erhöhen.347 Für diese Unterstützung der Selbstorganisation eines Menschen spielt im Coaching auch für Biehal-Heimburger die Förderung der Wahrnehmungsfähigkeit des Klienten eine bedeutende Rolle. Denn „die inneren Kräfte der Selbstregulation können nur wirksam werden, wenn ich mich selbst wie auch meine Umwelt möglichst unverzerrt wahrnehme. Die Wahrnehmung steht zwischen dem, was ich wahrnehme, und einem selbst, genauer, dem eigenen wahrnehmenden Organismus. Die Gefahr für Missverständnisse besteht darin, dass ich das Wahrgenommene gleichsetze mit der Wirklichkeit, also so tue, als ob ich objektiv wahrnehmen kann. Wahrnehmung ist aber immer subjektiv, d.h. abhängig vom wahrnehmenden Subjekt. […] Wir tendieren dazu, das Wahrgenommene so zu verändern, so zu interpretieren, dass es für uns ein passendes, sinnvolles Ganzes ergibt. Diese Interpretation hängt zusammen mit unseren früheren Erfahrungen und unserer Tendenz, komplexe Dinge zu vereinfachen. Unsere Wahrnehmung wird zudem von unseren Gefühlen und Gedanken beeinflusst. Begreifen wir diese nur unvollständig erwähnten Aspekte der Wahrnehmung, wird vielleicht 342
Biehal-Heimburger, S. 43 Biehal-Heimburger, S. 43 344 Biehal-Heimburger, S. 43 345 Biehal-Heimburger, S. 44 346 Biehal-Heimburger, S. 44 347 Vgl. Biehal-Heimburger, S. 44 343
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2 Was ist Coaching? deutlich, wie wichtig es ist, unserer Wahrnehmung gegenüber kritisch zu sein. Zum Beispiel kritisch zu hinterfragen, ob das, was der Kollege sagte, wirklich so gemeint war, wie es bei mir angekommen ist. Und nicht so zu tun, als ob das von mir (Heraus-) Gehörte das einzige und richtige Verständnis ist. […] Im Coaching wird […] auf Entdeckungsreise gegangen. Der Coach hilft dem Klienten, genauer hinzusehen, z.B. auf seine Körperhaltung, hinzuhören, z.B. auf seine Stimme, sich hinzuwenden zu der ihn umgebenden und in ihm wirkenden Wirklichkeit.“348 „Es geht in der persönlichen Entwicklung um die Entfaltung der Möglichkeiten, die in einem Menschen schlummern.“349 „Die Kräfte und Antriebe, die eine persönliche Entwicklung vorantreiben, sind vorwiegend in einem selbst.“350 Nach Roth, Brüning und Edler soll Coaching grundsätzlich die Wahrnehmung für ein Problem erweitern, das Verständnis der vorhandenen Problematik fördern und - im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe - Voraussetzungen für Veränderungen schaffen.351 Anders ausgedrückt: „Coaching soll über Selbsterfahrung und Erweiterung der Wahrnehmungsmöglichkeiten die Eigenverantwortung und Kreativität fördern und entwickeln, damit der Klient seine gesamten Fähigkeiten und Möglichkeiten entfalten kann.“352 Dabei spielt nach Auffassung der vorgenannten Autoren im Rahmen der Hilfe zur Selbsthilfe insbesondere die Förderung der Wahrnehmungsfähigkeit eine bedeutsame Rolle. Denn der Coachingprozess hat „in der Wahrnehmung des Klienten seinen (entscheidenden) Ausgangspunkt […]. Durch Nachfragen und Beleuchten aus unterschiedlichen Perspektiven soll eine Balance zwischen sogenannter Realität (denn eine einzige ‚wahre’ Interpretation der äußeren Umstände existiert nicht) und eigener Deutung hergestellt werden. Außerdem hat der externe Coach eher die Möglichkeit, Disharmonien und Fehlfunktionen des Systems zu erfassen, da er neutraler und unabhängig von eigenen Vor- oder Nachteilen analysieren kann.“353 Durch die Erweiterung der Selbstwahrnehmung soll das eigene Verhalten durchschaubar gemacht und so Veränderungs- und Selbsterkenntnisprozesse im Coaching ermöglicht werden.354 Im Rahmen ihrer Studie zum Thema ‚Praxisfeld Coaching‘ kommen Roth, Brüning und Edler u.a. auch zu dem
348
Biehal-Heimburger, S. 45 f Biehal-Heimburger, S. 54 350 Biehal-Heimburger, S. 54 351 Vgl. Roth/Brüning/Edler, S. 213 und vgl. auch S. 203 352 Roth/Brüning/Edler, S. 210; vgl. auch S. 215 353 Roth/Brüning/Edler, S. 206 354 Roth/Brüning/Edler, S. 205; vgl. auch Roth/Brüning/Edler, S. 215 349
2.3 Der Grundgedanke der Hilfe zur Selbsthilfe im Coaching
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Ergebnis, dass „Coaching weniger übenden und trainierenden Charakter [hat], sondern […] eher mit der Veränderung kognitiver Prozesse assoziiert [ist]. […] Der Begriff ‘Selbsterfahrungsprozeß‘ […] zeigt die Richtung der intendierten Veränderung an: keine bloße Wissensvermittlung, sondern eine intensive Auseinandersetzung mit den eigenen Bedingungen und Reaktionen.“355 Auf diese Weise kann im Coaching erreicht werden, dass der Klient lernt, wie er sich auch in zukünftigen Situationen selbst helfen kann: Ziel ist, den Klienten „auch nach Abschluß des Coaching-Prozesses in die Lage zu versetzen, zukünftige Probleme und Krisen nach einem für ihn entwickelten Lösungsmuster zu erkennen und nach Möglichkeit zu lösen. Es geht des weiteren um die Entwicklung langfristiger Perspektiven, Strategien und Leitbilder“356. Looss und Rauen stellen in einer gemeinsamen Veröffentlichung dar, dass es Ziel des Coachings ist, „bei der Bewältigung der Aufgaben der beruflichen Rolle zu helfen. Die vielbeschworene Hilfe zur Selbsthilfe ist dabei das Mittel der Wahl, das durch Beratung auf der Prozessebene und Schaffung von lernfördernden Bedingungen ermöglicht werden soll.“357 „In gemeinsamen Sitzungen [zwischen Coach und Klient] wird das Verhalten und Erleben des Klienten thematisiert und aufgearbeitet. Neben der reinen Reflexion358 […] spielen daher auch Rekonstruktion, Analyse, Konfrontation, Ratgeben und Planung oder auch schlicht das Vorhandensein eines kundigen Ansprechpartners eine entscheidende Rolle“359, um „den Aufbau eines breiteren Verhaltens- und Erlebensspektrums beim Klienten, also die Vergrößerung individueller Wahlfreiheit und die Verkleinerung von Wahrnehmungsverzerrungen und –beschränkungen (‚blinde Flecken’)“ zu erzielen und die Arbeitsfähigkeit und –leistung zu fördern.360 „Durch die Betonung der gemeinsamen Prozessarbeit wird nicht nur das ‚Selbst-Bewusstsein’ im Sinne der Selbstwahrnehmung gefördert, es verbleibt auch die Verantwortung für den Erfolg des Prozesses beim Klienten.“361 Coaching strebt also „die Förderung von Bewusstsein und (Selbst-) Verantwortung, das Aufdecken von Wahrnehmungsverzerrungen (z.B. Be355
Roth/Brüning/Edler, S. 215 Roth/Brüning/Edler, S. 203 f Looss/Rauen, S. 157 358 ‚Reflexion’ wird hier definiert als „prüfendes und vergleichendes Nachdenken. Im engeren Sinn das ‚Zurückbeugen’ des Denkens als (kritisches) Denken des Gedachten.“ (Rauen (i), S. 515) 359 Looss/Rauen, S. 156 360 Looss/Rauen, S. 156 361 Looss/Rauen, S. 156 356 357
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2 Was ist Coaching? triebsblindheit), unangemessenen individuellen und organisatorischen Verhaltensmustern und dysfunktionalen Werten“ an. „So kann es bereits ein für den Klienten überaus wertvolles Ergebnis eines Coachings sein, auf entsprechende, seinen Problemen zugrundeliegende Zusammenhänge aufmerksam gemacht zu werden. Die so gewonnene Problemsicht kann dem Klienten die notwendige Klarheit bringen, so offenkundig gewordene Defizite nun aus eigener Kraft anzugehen. Mit einer derart zustandegekommenen Hilfe zur Selbsthilfe ist dem Klienten in einer viel umfassenderen Weise geholfen, seine Berufsrolle zu gestalten, als mit dem Kurieren an vordergründigen Symptomen.“362 Heß und Roth treffen im Rahmen der Ergebnisbesprechung der von ihnen durchgeführten Studie zum Coaching folgende Aussage: „Coaching bewirkt Veränderungen auf der kognitiven Ebene, indem z.B. Deutungsmuster erweitert und differenziert werden und die gedankliche Ordnung der Wirklichkeit, ihrer Gegenstände und Bezüge untereinander verändert wird. So können sich z.B. neue Ziele oder Perspektiven ergeben oder Ziel- und Präferenzhierarchisierungen verschieben […]. Auf der Ebene der Handlungssteuerung kommt es zu einer Optimierung, was als meta-kognitive Qualifikation […] bezeichnet werden kann. Der Klient lernt, sein Handeln bewusster zu steuern und übernimmt für sein Handeln mehr Verantwortung […]. Die Zunahme von Verantwortung des eigenen Handelns bedeutet eine höhere Bewusstheit bzw. Kontrolle. Die Forschung der Kontrollüberzeugungen zeigt, daß gerade handlungsorientierte Interventionsprogramme, die Problemanalysen, Handlungsanalysen und einen systematischen Aufbau neuer Verhaltensweisen umfassen, Kontrollüberzeugungen in Richtung Internalität verändern können […]. Internale Kontrollüberzeugungen, d.h. eigene Handlungen und Handlungsfolgeergebnisse von der eigenen Person abhängig zu sehen, stehen in einem positiven Zusammenhang zu Lernen und Leistungsverhalten. Ferner ist die Erfolgsbeurteilung auf die emotionale Ebene zu beziehen. Bestand z.B. vor dem Coaching ein mittlerer Leidens- oder Veränderungsdruck, sollte es spätestens bei Abschluß des Coachings auf emotionaler Ebene zu einer subjektiven Entlastung kommen […]. Auf behavioraler Ebene wird durch das Coaching eine Erweiterung und Flexibilisierung des Handlungsrepertoires bewirkt […]. So werden z.B. vorhandene Potentiale freigelegt, neue Verhaltensweisen erlernt oder Verhaltensweisen situationsadäquater eingesetzt.“363
362 363
Looss/Rauen, S. 169 Heß/Roth, S. 162
2.4 Mögliche Anlässe für Coachings
89
„Der Coaching-Prozess [ist] letztlich immer eine Hilfe zur Selbsthilfe“, stellt schließlich auch Klein fest und beschreibt ferner: „Die Zusammenhänge und Vorgehensweisen sind leicht zu vermitteln. Die Selbstwahrnehmung des Klienten wird geschärft, und die Prinzipien der Veränderungsprozesse werden ebenfalls mitgeteilt. […] Es soll erkennbar sein, welche neuen Strukturen den Veränderungen zugrunde liegen und wie diese neuen Strukturen entwickelt wurden. Das befähigt den Klienten später, bei anderen Zielen und neuen Problemfeldern weitestgehend selbständig vorzugehen.“364 Nach Klein ist „Coaching als ein sehr anspruchsvolles und herausforderndes mentales Training an[zu]sehen, das es dem Klienten ermöglicht, über das bisher Erreichte wesentlich hinauszugehen, eigene Probleme zu erkennen und zu lösen, sowie mentale Haltungen und Kommunikationsformen zu überprüfen und zu wandeln.“ 365 Klein vergleicht den CoachingProzess mit einer Bergtour: „Der Klient muss das Ziel und den Willen haben einen Gipfel zu erreichen. Der Bergführer hat für eine entsprechende Vorbereitung zu sorgen, die nötige Ausrüstung und seine Erfahrungen zur Verfügung zu stellen. Aber er wird niemand den Berg hinauftragen.“ 366 Weiterhin geht Klein „davon aus, dass Coaching ein außerordentlich zielführender Prozess ist. Die Aufgabe des Coachs besteht darin, diesen Prozess vorzubereiten, in Gang zu setzen, absichernd zu begleiten und vor allem auch zu Ende zu führen. Der Coach orientiert sich dabei an der konkreten Situation und der besonderen Individualität des Klienten. Er wird an die vorhandenen Erfahrungen und Kompetenzen des Klienten anknüpfen und diese mit ihm gemeinsam zielgerichtet weiterentwickeln.“367
2.4 Mögliche Anlässe für Coachings Aufgrund der Fokussierung des Coachings auf den beruflichen Kontext, auch unter Berücksichtigung der damit eng verbundenen privaten Themen, sind folglich auch die Coachinganlässe grundsätzlich „überwiegend auf die Arbeitswelt und die Berufsrolle des Klienten bezogen“ 368. Da sich das Coaching immer „am individuellen Fall orientiert“369 und „im Konkreten […] selbstverständlich jedes berufliche Problem anders gelagert [ist]“370, weisen die möglichen Anlässe für 364
Klein, S. 130 Klein, S. 116 366 Klein, S. 116 367 Klein, S. 116 368 Looss (a), S. 15 369 Rauen (c), S. 46 370 Schreyögg (a), S. 65 365
90
2 Was ist Coaching?
Coachings zudem tatsächlich eine außerordentlich große Vielfalt auf. Das heißt, es gibt unendlich viele unterschiedliche Themenstellungen und Problemsituationen, die den je individuellen Wunsch einer Person, Gruppe oder eines Teams nach Coaching begründen können.371 Ferner wird darauf hingewiesen, dass nicht nur die Anlässe für Coachings sehr vielfältig sind, sondern auch die hinter diesen Anlässen stehenden eigentlichen konkreten Anliegen bzw. Ziele, die darüber hinaus den Klienten häufig „zu Beginn des Beratungsprozesses noch nicht einmal bekannt“ 372 sind. Das heißt, in der Coachingpraxis ist es dem Klienten zu Beginn des Coachings in vielen Fällen gar nicht möglich, den eigentlichen Ursprung seines Anliegens konkret zu formulieren. Zunächst kommt der Klient häufig ‚nur‘ anlässlich der Wahrnehmung verschiedener Symptome - wie einem schlechten Gefühl im Job, quälenden Magenschmerzen oder Motivationsschwierigkeiten, die er aber nicht genau zuordnen kann - in ein Coaching. Erst im Laufe des Coachingprozesses, wenn die zu den Problemen führenden Prozesse genauer betrachtet werden und untersucht wird, was getan werden kann, damit es nicht noch einmal zu einer vergleichbaren Situation kommt, werden auch die spezifischen Umstände deutlich.373 Aufgrund der unendlichen Vielfalt von Coachinganlässen bzw. -anliegen, ist es unmöglich, alle Anlässe für ein Coaching, die in der Praxis auftreten können, im Einzelnen zu beschreiben. Um dennoch einen Überblick über die Vielzahl von Coachinganlässen geben zu können, wird allgemein die Möglichkeit genutzt, eine Strukturierung der Anlässe nach verschiedenen Kategorien vorzunehmen. Allerdings gibt es hierzu in der Literatur keine einheitliche Strukturierungsweise, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Darstellungen. Das heißt, je nach Autor werden verschiedene Kriterien zur Kategorisierung der Anlässe angewendet, wobei sich die Darstellungen durch die Fokussierung auf unterschiedliche Gesichtspunkte nicht notwendigerweise widersprechen, sondern häufig eher ergänzen und überschneiden. Im Folgenden werden nun einige Darstellungsweisen verschiedener Autoren (Schreyögg, Fischer-Epe und Böning) zur Beschreibungen von Coachinganlässen vorgestellt. Dadurch wird zum einen ein Überblick über die Vielzahl möglicher Coachinganlässe gegeben und zum anderen die in Literatur und Praxis
371
Vgl. Rückle (a), S. 136 f; Schreyögg (a), S. 102, S. 132, S. 72 ff; Schreyögg (b), S. 226; Rauen (c), S. 45; Greif, S. 13; Heß/Roth, S. 24; Looss/Rauen, S. 162; König/Volmer, S. 10 f; Flaherty, S. 64 ff; Doppler, S. 95; Rauen (b), S. 279; Böning (c), S. 22; Looss (a), S. 15, S. 41; Schwaemmle/Staehelin, S. 109 f 372 Looss (a), S. 15 373 Vgl. Looss (a), S. 15; Rauen (c), S. 20; Rauen/Steinhübel, S. 297
2.4 Mögliche Anlässe für Coachings
91
vorherrschende Unterschiedlichkeit in der Betrachtungs- und Darstellungsweise (Systematisierung) von Coachinganlässen exemplarisch verdeutlicht. Coachinganlässe nach Schreyögg Nach Schreyögg werden potentielle Anlässe von Coachings zunächst im Wesentlichen nach den Kategorien „Krisen als Anlaß für Coaching“374 und „Suche nach Verbesserungen als Anlaß für Coaching“375 unterschieden. Wie Schreyögg feststellt, ist „der häufigste und naheliegendste Anlaß für Coaching […] eine Krise376. Sie kann als individuelle Krise die berufliche Leistungsfähigkeit einzelner mindern, Gefühle von ‚Überrolltsein’ erzeugen oder sogar mehr oder weniger gravierende psychische und/oder somatische Beschwerden verursachen. Anlässe für Coaching bilden aber auch kollektive Krisen in beruflichen Systemen377. Sie können durch ökonomische Engpässe, durch Veränderungen der Organisationsstruktur oder –kultur, durch Fusionen von Systemen oder gar durch politische Bedingungen verursacht sein.378 Oft taucht der Wunsch nach Coaching allerdings auch in nichtkrisenhaften Stadien auf.379 Dann suchen einzelne Menschen ihre beruflichen Aktivitäten zu 374
Schreyögg (a), S. 72 Schreyögg (a), S. 92 376 Schreyögg definiert Krisen nach Ulrich als „‚eine Bedrohung, eine Herausforderung, eine Belastung für die Aufmerksamkeit, eine Aufforderung zu neuen Handlungen, die den Keim einer neuen Organsiation in sich tragen könnte’ (Ulrich, D., Krise und Entwicklung. Zur Psychologie der seelischen Gesundheit, München/Weinheim, 1987, S. 6). Es geht also zunächst um generalisierte Bedrohungen menschlicher Identität. Die meisten Autoren, wie auch an obiger Definition deutlich wird […], unterstellen aber krisenhaften Erscheinungen andererseits eine Katalysatorfunktion für persönliche und soziale Entwicklungen. Eingeschliffene Muster unterliegen einer Destruktion von innen oder von außen, dadurch entsteht der Zwang, neue Handlungen zu mobilisieren und damit neue Entwicklungen anzubahnen. Krisen lassen sich somit als Organisationsprinzip bezeichnen, das neue Entwicklungen geradezu provoziert. Damit erscheint ‚Krise als Chance’ […] zu evolutionären Entwicklungen […]. Und für solche Anlässe ist Coaching wie geschaffen.“ (Schreyögg (b), S. 226; vgl. Schreyögg (a), S. 72 f) 377 „Hierbei handelt es sich um Krisen in organisatorischen Einheiten oder ganzen Organisationen, die von einem Kollektiv bewältigt werden müssen. In solchen Fällen erhält Coaching in der Regel die Funktion einer kompakten Personalentwicklungsmaßnahme, die dann häufig in Form von Gruppenoder Teamcoachings erfolgt.“ (Schreyögg (a), S. 87) 378 Ein Beispiel: „Vielfältige krisenhafte Erscheinungen lassen sich derzeit auch in der Automobilindustrie beobachten. Um der Konkurrenz aus Fernost standzuhalten und mit deren hoher Produktivität gleichzuziehen, werden seit einiger Zeit bei Mercedes, Opel und VW ganz ‚umfassend‘ schlanke Organisationsstrukturen eingeführt. Diese billigen Mitgliedern unterer Hierarchie-Ebenen zwar sehr viel mehr Entscheidungskompetenzen zu als bisher; mit solchen Korrekturen gehen aber für die betreffenden Mitarbeiter immer vielfältige Verunsicherungen einher, ob und wie sie nämlich den neuen Anforderungen gerecht werden können.“ (Schreyögg (a), S. 90) 379 „Die besondere Bedeutung von Coaching [besteht] in der Förderung des Selbstmanagements von Berufstätigen.“ (Schreyögg (b), S. 238; vgl. Schreyögg (a), S. 92) „Da in den letzten Jahren immer 375
92
2 Was ist Coaching?
intensivieren und zu erweitern. In saturierten Stadien kann Coaching auch von Kollektiven angefordert werden, die als organisatorische Systeme innovative Entwicklungen einleiten wollen und ihre Führungskader entsprechend zu beschulen wünschen.380“ 381 Die folgende Aufstellung gibt einen entsprechenden Überblick über die von Schreyögg gewählte Darstellungsweise zur Beschreibung potentieller Coachinganlässe: 382
mehr Menschen die konstruktiven Wirkungen von Coaching erfahren haben, wächst auch die Zahl derer, die unabhängig von beruflichen Krisen, also in Ruhe- oder Wachstumsstadien, um Unterstützung suchen. Sie wünschen dann als einzelne, ihr berufliches Dasein intensiver oder umfassender auszubauen. Solche Wünsche tauchen meistens auf, wenn eine Krise gemeistert oder ein Karriereplateau erreicht ist und die Frage ansteht, wie sich aus dem bisherigen Arbeitsleben noch mehr machen lässt. Menschen haben in solchen Situationen oft den Eindruck, dass sie die ihnen gestellten beruflichen Anforderungen umfassend und flüssig erfüllen, dass aber noch mehr Gestaltungsmöglichkeiten möglich sein müssten. Es handelt sich also um Wünsche nach beruflicher Selbstverwirklichung.“ (Schreyögg (a), S. 92; vgl. Schreyögg (b), S. 238) „Den ersten Zugang zu solcher Beratung bilden zwar auch oft krisenhafte Erfahrungen, viele suchen aber nach ihrer Überwindung weitere Begleitung im Sinne eines ‚reichen Berufslebens’.“ (Schreyögg (b), S. 238) 380 „Angesichts des raschen technologischen Wandels und einer zunehmenden Verknappung von Ressourcen gelangen immer mehr Organisationen zu der Einsicht, dass sie sich auch unabhängig von Krisen verändern müssen bzw. dass Veränderungsbereitschaft einen Dauerzustand darstellen sollte.“ (Schreyögg (a), S. 97) 381 Schreyögg (a), S. 72; vgl. auch Schreyögg (b), S. 226 382 Eine ausführliche Vorstellung der einzelnen Kategorien findet sich in Schreyögg (a), S. 72 ff sowie in Schreyögg (b), S. 226 ff
2.4 Mögliche Anlässe für Coachings
93
Anlässe von Coaching
Suche nach Verbesserung / nichtkrisenhafte Stadien
Krisen
Individuelle Krisen
Kollektive Krisen
Akute Krisen im Beruf Krisen aufgrund persönli-
Ökonomische Krisen
Individuelle Verbesserungen
Kollektive Verbesserungen
Flexibilisierung des Coping
Etablierung von Qualitätszirkeln
Erweiterung von Managementkompetenzen
Entwicklung neuer Angebotsstrukturen
Karriereberatung
Implementierung neuer Führungskonzepte
cher Faktoren *
Individuelle berufliche Krisen aufgrund situativer Faktoren ** Akute Krisen im Beruf aufgrund kombinierter Faktoren
Berufliche Deformationen *** Job-Stress *** Burnout ***
Krisen durch Umstrukturierungen Organisationskulturelle Krisen Krisen bei der Fusion von zwei Systemen
Rollenberatung
Krisen durch politische Veränderungen
Mobbing ***
* Z.B. Tod eines Familienangehörigen ** Nach Schreyögg der wahrscheinlich häufigste Anlass für Coachings. Hierzu gehören z.B. Pensionierung, Arbeitsplatzwechsel, strukturelle Korrekturen in organisatorischen Systemen etc. „Viele selbstverständliche Entwicklungen im Berufsleben von Menschen ziehen Krisen für die Betreffenden nach sich. […] Auch ein Arbeitsplatzwechsel, der zumeist mit dem Eintritt in eine neue Organisation verbunden ist, führt regelmäßig zu mehr oder weniger starken Krisenerscheinungen […]. Die geradezu automatisch bestehende anfängliche Isolation, die Notwendigkeit, in einem neuen System sozial Fuß zu fassen, neue Beziehungen anzubahnen, die spezifischen Regeln und Normen eines Systems kennenzulernen usw., zwingen Menschen immer zur Mobilisierung aller ihrer Kräfte. Hier kann Coaching eine wichtige Support-Funktion haben, insbesondere dann, wenn das neue Berufsfeld hochkomplex ist.“ (Schreyögg (a), S. 75) *** Diese Anlässe können nach Schreyögg auch in der Kategorie „schleichende Krisen“ zusammengefasst werden, die der Kategorie „Akute Krisen“ gegenübersteht. (Schreyögg (b), S. 227, S. 231 ff)
Abbildung 6:
Potentielle Coachinganlässe nach Schreyögg
94
2 Was ist Coaching?
Coachinganlässe nach Fischer-Epe Nach Fischer-Epe lassen sich - im Gegensatz zu der eben vorgestellten Systematisierung von Schreyögg - die „Anlässe für Coaching-Anfragen […] grob in drei Felder einteilen“: 1.
„Rollen- und Wertekonflikte im Zusammenhang mit äußeren Veränderungen“383 Diese Kategorie von Anlässen basiert auf äußeren Veränderungen. Zu diesen Veränderungen im Umfeld einer Person zählen z.B.: Umstrukturierung eines Unternehmens, neue Rechtsform, Fusion, Verkauf des Unternehmens, Umorientierung zum Profitcenter, Einführung neuer Produktverfahren, neuer Produkte, neuer Technologien, veränderte Innenpolitik des Unternehmens sowie Beförderung (z.B. erste Führungsaufgabe des Klienten), Versetzung oder auch Kündigung.384 385
2.
„Kritische Situationen und Konflikte in der Zusammenarbeit“386 Diese Kategorie enthält Anlässe, die sich aus der Zusammenarbeit mit anderen Personen ergeben bzw. in zwischenmenschlichen Beziehungen begründet sind. Hierzu gehören u.a. Kommunikations- und Kooperationsprobleme im Team, mit einzelnen Mitarbeitern oder auch Kunden und akute oder festgefahrene Konflikte zwischen Führungskräften, einzelnen Mitarbeitern oder Gruppen (gegebenenfalls ganzen Unternehmensbereichen) sowie kritische Situationen und Konflikte mit dem Vorgesetzten.387
3.
„Fragen der persönlichen Entwicklung“388 Der Anlass beruht auf einer Veränderung der Person selbst. „Hiermit sind alle Anliegen gemeint, in denen der Klient von sich aus ein neues Verhalten lernen oder eine innere Einstellung verändern möchte - [z.B. bei „anstehen-
383
Fischer-Epe, S. 23 Vgl. Fischer-Epe, S. 23 385 Beispiel: „Herr A, 36, war bisher vor allem für anspruchsvolle Projekte verantwortlich. Nun wird ihm im Rahmen der Fusion seiner Firma mit einem größeren Unternehmen die Position als Bereichsleiter in einem neu entstehenden übergeordneten Bereich angeboten. Ein Karrieresprung über zwei Ebenen ist in der konservativ-hierarchisch orientierten Kultur beider Unternehmen bisher unüblich. Aufstiege erfolgen in geregelten Schritten und sind unumkehrbar. Wenn man in der Führungsposition scheitert, gibt es bisher keinen Weg zurück. Herr A ist sich nicht sicher, ob ein solcher Schritt nicht zu ‚anmaßend und zu gefährlich’ ist. Im Coaching möchte der Klient klären, wie er auf das Angebot reagieren will.“ (Fischer-Epe, S. 23 f ) 386 Fischer-Epe, S. 24 387 Vgl. Fischer-Epe, S. 24 388 Fischer-Epe, S. 24 384
2.4 Mögliche Anlässe für Coachings
95
den Laufbahnentscheidungen, beruflicher Umorientierung oder Vorbereitung auf den Ruhestand“389]. Auslöser können zwar auch hier veränderte Rahmenbedingungen oder Konflikte sein - [z.B. bei „seelischen und körperlichen Symptomen von Überforderung, Überarbeitung, Sinn- und Motivationsverlust“390] - der Fokus liegt aber von vornherein und bewusst stärker auf dem Wunsch nach persönlicher Entwicklung“391. 392 Coachinganlässe nach Böning und Fritschle Die Coachinganlässe sind auch Gegenstand verschiedener Studien, wobei die Befragungsweisen und die daraus resultierenden Ergebnisse unterschiedlich sind. Im Folgenden werden exemplarisch die die Coachinganlässe betreffenden Teilergebnisse aus der Studie von Böning und Fritschle kurz dargestellt: 393 389
Fischer-Epe, S. 25 Fischer-Epe, S. 25 391 Fischer-Epe, S. 24 f 392 Zur Verdeutlichung auch hierzu ein kurzes praktisches Beispiel: „Frau C, die Leiterin der Personal- und Organisationsentwicklungsabteilung in einem männerdominierten Dienstleistungsunternehmen, erlebt, dass ihre Arbeit zwar materiell großzügig unterstützt wird, ihre Projekte aber in Leitungsmeetings immer wieder unterschwellig entwertet und vom Top-Management inhaltlich nicht wirklich unterstützt werden. Während sie diese Situation einige Jahre lang ‚wegstecken konnte, weil die Resonanz von Kollegen und Mitarbeitern immer sehr positiv war‘, reagierte sie nun zunehmend ‚allergisch‘ und mit Motivationsverlust. Sie möchte herausfinden, ob es geeignetere Strategien im Umgang mit ihrer Geschäftsführung gibt und wie sie sich wieder motivieren kann. Im Coaching merkt sie bald, dass es um die viel grundsätzlichere Frage geht, ob das Arrangement noch ihren Wünschen und Fähigkeiten entspricht, und dass sie neue Kompetenzen und Einstellungen entwickeln muss, um ihre Leistungsmotivation dauerhaft wiederzugewinnen.“ (Fischer-Epe, S. 25) 393 Zum Vergleich sei hier u.a. auch verwiesen auf die Studie der PEF Privatuniversität für Management, Wien, sowie die Studie von Roth, Brüning und Edler: Die PEF Privatuniversität für Management, Wien, hat untersucht, „welche von den Anlässen, die in der Literatur dargestellt werden, […] die Befragten als besonders geeignet für Coaching“ halten. Folgende Anlässe wurden zur Auswahl gestellt: Karriereberatung, Verbesserung der Leistung, Verbesserung der Führungskompetenz, Mobbing, Job-Stress/ Burn-out, Konflikte am Arbeitsplatz, Krise im persönlichen Umfeld, Krise durch Arbeitsplatzwechsel, Krise durch Umstrukturierung. (Vgl. PEF Privatuniversität für Management, S. 10) Die fünf meistgenannten Anlässe waren dabei (Vgl. hierzu PEF Privatuniversität für Management, S. 9): Verbesserung der Führungskompetenz Krise durch Umstrukturierung Krise durch Arbeitsplatzwechsel Konflikte am Arbeitsplatz Job-Stress, Burn-out Kontrovers gesehen wurden als Anlässe für Coachings vor allem die Krise im persönlichen Umfeld und das Mobbing. (Vgl. PEF Privatuniversität für Management, S. 10) Roth, Brüning und Edler kommen bezüglich der Anlässe für Coachings in ihrer Studie zu dem hier kurz zusammengefassten Ergebnis, dass „der häufigste Anlass für Coaching […] die Überlastung am Arbeitsplatz“ darstellt. „Eine zweite wichtige Gruppe von Anlässen kann unter der 390
96
2 Was ist Coaching?
Böning und Fritschle haben in ihrer 2004 durchgeführten Studie 70 Personalmanager aus verschiedenen Unternehmen (darunter 11 der 30 DAX-Unternehmen und 31 der deutschen ‚Top 100’-Unternehmen) sowie 50 erfahrene Coachs befragt 394, welche Anlässe für Coaching ihrer Erfahrung nach die fünf häufigsten sind. Das Ergebnis ist eine Aufstellung von Coachinganlässen, strukturiert im Wesentlichen nach dem Kriterium der Häufigkeit des Auftretens in der Praxis. Jedoch wurde während der Studie deutlich, „dass es sich bei den Personalmanagern und den Coachs um zwei Teilgruppen handelt, deren Blick auf den scheinbar gleichen Sachverhalt Unterschiedliches ergibt. Zwar sind beide Stichproben durchaus im gleichen Verständniskorridor über die Anlässe des Coachings, denn die (ungestützt) abgefragten einzelnen Dimensionen decken sich überraschend genau. Allerdings sind zwei wichtige Auffälligkeiten festzustellen: Erstens gibt es nur bei den Personalmanagern die Dimension ‚Strategie’. Und zweitens unterscheidet sich die Reihenfolge der ersten fünf Nennungen in […] [- im Laufe der Befragung -] bereits systematischer Weise: Bei den Unternehmensvertretern dominiert erkennbar die übergeordnete Unternehmensperspektive. Bei den Coachs hingegen steht eindeutig eine eher individualistische Sichtweise im Vordergrund.“395 Da die befragten Gruppen das gleiche Thema also aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten, wurde die Ergebnisdarstellung der Studie zum Befragungsgegenstand - die erfahrungsgemäß häufigsten Anlässe für Coaching ebenfalls in zwei Teile unterteilt, um die Ergebnisse nicht zu verfälschen.396
Bezeichnung Karrierefragen zusammengefaßt werden.“ Dies umfasst z.B. die „Entscheidung für eine Position“, „Probleme im Umgang mit dem Karrieresprung“ und den „Umgang mit dem Stellenkampf“. „Ein weiteres großes Feld, in dem Führungskräfte Probleme sehen, die sich nicht immer alleine lösen können, ist der Umgang mit Mitarbeitern. Hierunter fallen die Motivation und die Bewertung von Mitarbeitern, der schwierige Umgang mit dem eigenen Vorgesetzten sowie zwischenmenschliche Konflikte bis hin zum Mobbing.“ (Roth/Brüning/Edler, S. 217) 394 Vgl. Böning (c), S. 36 395 Böning (c), S. 39 396 Vgl. hierzu Böning (c), S. 39, S. 41
2.4 Mögliche Anlässe für Coachings
97
"Was sind aus Ihrer Erfahrung die 5 häufigsten Anlässe für Coaching?" Ergebnis der Befragung von 70 Personalmanagern
Organisationale Veränderungsprozesse
46%
Neue Aufgabe / Funktion / Rolle / Position
43%
Führungskompetenzentwicklung
34%
Bewältigung / Regelung von Konflikten
33%
Anlässe für Coachings
Persönlichkeits- / Potenzialentwicklung
31%
Aus Analysen / Führungsinstrumenten heraus
27%
Bearbeitung persönlicher / beruflicher Probleme
24%
Karriereplanung, Neuorientierung / Weiterentwicklung
20%
Kommunikation, soziale Kompetenz
17%
Verbesserung der Zusammenarbeit
14%
Strategie
7%
Bedarf nach sozialem Spiegel / Reflexion
6%
Outplcacement
3%
Sonstige
17% 0%
20%
40%
60%
Häufigkeit der Nennungen in %
"Was sind aus Ihrer Erfahrung die 5 häufigsten Anlässe für Coaching?" Ergebnis der Befragung von 50 Coachs
Bearbeitung persönlicher / beruflicher Probleme
52%
Karriereplanung, Neuorientierung / Weiterentwicklung
50%
Persönlichkeits- / Potenzialentwicklung
44%
Anlässe für Coachings
Neue Aufgabe / Funktion / Rolle / Position
42%
Führungskompetenzentwicklung
36%
Bewältigung / Regelung von Konflikten
30%
Verbesserung der Zusammenarbeit
30%
Organisationale Veränderungen
24%
Aus Analysen / Führungsinstrumenten heraus
18%
Kommunikation, soziale Kompetenz
18%
Bedarf nach sozialem Spiegel / Reflexion
18%
Outplcacement
3%
Sonstige
18% 0%
20%
40%
60%
Häufigkeit der Nennungen in %
Abbildung 7:
Die häufigsten Anlässe für Coachings nach einer 2004 durchgeführten Studie von Böning und Fritschle
98
2 Was ist Coaching?
Darüber hinaus haben Böning und Fritschle speziell die von den Personalmanagern genannten häufigsten Coachinganlässe auch im Zeitablauf verglichen. Denn bereits 1989 und 1998 wurden vergleichbare Studien von Böning durchgeführt. Aus Bönings Betrachtung der Ergebnisse aus den Befragungen der Personalmanager unter dem Aspekt der Zeit wird u.a. deutlich, „dass der ‚pathologieverdächtige’ Anlass ‚persönliche und/oder berufliche Probleme’ über die Jahre zurückgegangen ist. Es gibt diesen Coaching-Anlass auch heute weiterhin, aber in den Vordergrund tritt Coaching eindeutig als systematisch eingesetztes Instrument im Rahmen der Führungskräfteentwicklung sowie als Folge von Veränderungen im beruflichen bzw. unternehmensbezogenen Umfeld.“397
Neben diesen soeben exemplarisch vorgestellten Beschreibungen von Coachinganlässen nach Schreyögg, Fischer-Epe sowie Böning und Fritschle, finden sich, wie bereits angesprochen, in Literatur und Praxis viele weitere Möglichkeiten zur Systematisierung und Darstellung der vielfältigen potentiellen Coachinganlässe, da eine allgemein einheitliche, umfassende Beschreibung bisher fehlt. Deshalb wird an dieser Stelle auf weitere Beschreibungen möglicher Coachinganlässe verzichtet, denn auch damit wäre hier letztlich keine „trennscharfe und abschließende Eingrenzung“398 möglich. Schließlich existieren bis heute „keine allgemeinen Indikationsregeln“ für Coachings399, was auch die soeben verdeutlichte unterschiedliche Betrachtungsund Darstellungsweise bezüglich der Anlässe für Coaching begründen mag. Wie Heß und Roth anführen, „scheint die Indikationsklärung der Selbst-Indikation des Klienten und/oder individuellen Entscheidungskri-terien einzelner Coachs überlassen zu sein. Besonders für die interaktive Indikationsklärung innerhalb des Prozeß-Beratungs-Modells erscheint jedoch ein zukünftiger Konsens darüber, welche Dimensionen bzw. Problemtypen zur Indikationsklärung berücksichtigt werden sollten, sinnvoll. Eine Verständigung innerhalb der AnbieterGruppe wäre hilfreich, um ein ‚over-selling’ der Maßnahme zu vermeiden. Gleichzeitig dienen diese Orientierungen Personalentwicklern und Klienten als Entscheidungskriterien für den Einsatz der Maßnahme. Andererseits kann in Frage gestellt werden, ob Coaching überhaupt als eine spezifisch einzusetzende Maßnahme betrachtet werden soll, wenn keine Situation vorstellbar ist, wo Coaching nicht passt.“400 So ist auch, wie Greif feststellt, „der Verweis [in der Coa397
Böning (c), S. 40; vgl. S. 42; vgl. auch Böning (b), S. 30 Greif, S. 13 399 Heß/Roth, S. 125, vgl. auch S. 146; vgl. Greif, S. 12 f; Rauen (c), S. 45 f 400 Heß/Roth, S. 146 f 398
2.5 Der Coach
99
ching-Definition des DBVC] auf eine ‚Weiterentwicklung von individuellen oder kollektiven Lern- und Leistungsprozessen’ […] so umfassend, dass damit [letztlich] jede Beratung von Lernen sowie aller Arten von Handlungen, die irgendwie leistungsbezogen sind, Coaching genannt werden können.“401 An dieser Stelle der Diskussion um die Konkretisierung der Anlässe für Coachings sei nochmals auf die bereits erfolgte Abgrenzung des Coachings von anderen Maßnahmen in Kapitel 2.2.3 verwiesen, wodurch die möglichen Anlässe für Coachings schon grob eingegrenzt wurden. Schließlich sei hier auch noch einmal erwähnt, dass nicht wenige Autoren grundsätzlich davor warnen, Coaching als ‚Patentlösung’ oder ‚Alleilmittel’ zu verstehen402. So auch Rauen, der diesbezüglich deutlich macht: „Trotz der Vielzahl von möglichen Anlässen für Coaching-Maßnahmen ist ein Coaching jedoch kein Allheilmittel.“403 Eine grundlegende Indikationsklärung scheint aus dieser Sicht daher, auch um einer willkürlichen Anwendung entgegenzuwirken, sinnvoll.
2.5 Der Coach In diesem Kapitel steht die Person des Coachs im Fokus. Welche Rolle der Coach einnimmt bzw. einnehmen sollte und welche damit verbundenen Anforderungen in fachlicher, persönlich-sozialer und konzeptioneller Hinsicht an die Kompetenzen des Coachs gestellt werden, wird in den ersten beiden Gliederungspunkten dieses Kapitels genauer betrachtet. Im Anschluss daran werden die grundlegenden Arten von Coachs vorgestellt und deren jeweilige Vor- und Nachteile aufgezeigt. Grundsätzlich wird zwischen organisationsexternen und organisationsinternen Coachs unterschieden. Darüber hinaus wird kontrovers diskutiert, ob auch eine Führungskraft als Coach fungieren kann. Dieses Kapitel, das sich der Person des Coachs widmet, sollte idealerweise mit einer konkreten Definition des Coachs beginnen. Allerdings fehlt es ebenso wie an einer präzisen einheitlichen Definition des Coachings auch an einer einheitlichen, allgemein anerkannten Definition des Coachs. Zudem ist wie der Begriff ‚Coaching’ auch die Berufsbezeichnung ‚Coach’ rechtlich nicht geschützt. Zwar lassen die grundlegenden Ansichten über die Rolle des Coachs im Allgemeinen eine breite Übereinstimmung erkennen und auch die an einen Coach gestellten vielfältigen Anforderungen zeigen durchaus einige Übereinstimmungen in ihren Grundlagen auf; bis heute existiert jedoch keine verbind401
Greif, S. 12 f Vgl. u.a. Rauen (c), S. 1, S. 20, S. 45 f; Prochnow, S. 62; Whitmore, S. 10, S. 32; Schreyögg, (a), S. 66; Looss (a), S. 18 f, Looss/Rauen, S. 162, Rückle (b), S. 20; Wrede (a), S. 30; Walther, S. 55 403 Rauen (c), S. 20 402
100
2 Was ist Coaching?
liche, einheitliche Definition des Coachs und im Besonderen auch kein allgemein anerkanntes, verbindliches Anforderungsprofil.404 405 Schließlich hat sich bis heute damit einhergehend auch keine einheitliche Coachingausbildung durchgesetzt. Stattdessen finden sich auf dem Coachingmarkt viele verschiedene Angebote zur Ausbildung von Coachs. 406 Das Fehlen von allgemeinverbindlichen Ausbildungsstandards und der damit verbundenen Qualitätskriterien im Coaching wird immer wieder kritisiert. Im Interesse der Qualitätssicherung und -verbesserung im Coaching wird dabei zunehmend die Implementierung einer allgemein einheitlichen Ausbildung zum Coach diskutiert.407 Im Folgenden wird nun, auch ohne zuvor eine Definition des Coachs geben zu können, zunächst genauer auf die Rolle des Coachs und daran anschließend auf die mit dieser Rolle verbundenen vielfältigen Anforderungen an die Kompetenzen des Coachs eingegangen.
2.5.1 Rolle des Coachs Die Rolle des Coachs ist wesentlich durch den bereits in Kapitel 2.3 behandelten Grundgedanken der Hilfe zur Selbsthilfe im Coaching geprägt. Damit übernimmt der Coach eine bedeutsame Funktion, die sich von anderen Rollen, wie beispielsweise der des Lehrers oder des traditionellen Seminarleiters bzw. Trainers unterscheidet (vgl. hierzu auch Kapitel 2.2.3). Über die grundlegenden Aspekte bezüglich der Rolle des Coachs lässt sich im Allgemeinen eine breite Übereinstimmung erkennen: 404
Wie auch Looss hierzu feststellt: „Es herrscht […] auch nach Jahren der Praxis noch wenig Einigkeit darüber, wer eigentlich ein Coach ist, wer einer sein kann, sein darf oder sein soll. Es ist auch strittig, ob es sich beim Coach um eine Funktion handelt, die man als sonstiger Berater oder als Vorgesetzter übernehmen könne oder gar um einen neuen Beruf, mit dem sich nach verbreiteter Ansicht im Zuge der allgemeinen Beratungseuphorie schnell viel Geld verdienen lässt. Es ist auch angesichts der vielen Angebote und Presseveröffentlichungen unklar geblieben, ob und wie sich ein solcher ‚Coach’ im Einzelnen denn nun in seiner Tätigkeit von einem Unternehmensberater, einem ‚normalen’ Vorgesetzten, einem Managementtrainer oder einem Psychotherapeuten unterscheidet. Während manche Experten der Führungskunst inzwischen jeden Vorgesetzten dazu verpflichten möchten, im Rahmen seiner Führungsarbeit seine Mitarbeiter zu ‚coachen’, sehen andere jede Person in der Coach-Rolle, die einer anderen Person Anleitung, Ratschläge oder einfach nur ein offenes Ohr bieten.“ (Looss (a), S. 14) 405 Vgl. insgesamt hierzu Looss (a), S. 14; Doppler, S. 97; Schuppert, S. 124; Rauen (c), S. 62; Roth/Brüning/Edler, S. 220; Rauen (d), S. 210 f, S. 212; Jung, S. 138 406 Vgl. Roth/Brüning/Edler, S. 220; Schreyögg (b), S. 244; Wrede (b), S. 32; Rauen (d), S. 210 f, 212; Jung, S. 138 407 Vgl. Roth/Brüning/Edler, S. 220; Schreyögg (b), S. 244; Rauen (d), S. 212
2.5 Der Coach
101
Basierend auf dem Grundgedanken der Hilfe zur Selbsthilfe übernimmt der Coach die Rolle des „Entwicklungshelfer[s] zur Selbsthilfe“408. Er ist eine Art unabhängiger Berater409 im Sinne eines Moderators, Betreuers bzw. Dialogpartners, der „partnerschaftlich-wertschätzend zur Selbstorganisation“410 und „Selbsthilfe“ 411 anregt bzw. die Fähigkeit des Klienten zur „bewussten Selbstveränderung und Selbstentwicklung“412, das heißt zur Selbststabilisierung413 bzw. „Selbstregulation“414 fördert. In jedem Fall gibt der Coach dem Klienten den Anstoß zu einem persönlichen, individuellen „Lern- und Entwicklungsprozess“415 und begleitet diesen unterstützend, bis der Klient gelernt hat, wie er sich selbst helfen kann. Ein Coach ist demnach kein „Alles-besser-Wisser“416 und fungiert nicht als „Problemlöser“417, der lenkend eingreift, indem er Lösungen vorgibt und „,kluge Ratschläge’ erteilt“418.419 „Das heißt: Der Coach gibt keine Problemlösung, sondern hilft durch gezielte Fragen oder andere […] Methoden, eine Findung der Lösung beim Coachee (Coaching-Kunde) anzuregen. Während beim Training neue Fertigkeiten gelehrt und geübt werden, unterstützt […] [der Coach den Klienten] bei der Umsetzung und Anwendung von Fähigkeiten und des kogniti408
Schulz von Thun, S. 11 Wie Schulz von Thun hierzu insgesamt beschreibt: „Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Leistungssportler im übertragenen Sinne, nämlich in Ihrem Beruf in verantwortlicher Position. Was Sie unternehmen, wie Sie entscheiden, wie Sie mit den Leuten umgehen – all dies hat Folgen, für Sie selbst, für die Menschen, für die Organisation. Und stellen Sie sich weiter vor: Die Herausforderungen, die auf Sie zukommen, sind nicht leicht zu meistern: Die strategische/fachliche/menschliche/ mikropolitische Komplexität setzt Ihnen zu und wächst Ihnen zuweilen über den Kopf. Wäre es da nicht gut, Sie müßten nicht alles alleine im stillen Kämmerlein ausbrüten und entscheiden, sondern Sie könnten sich darüber aussprechen und beraten mit einem […] Menschen, der Ihnen wohlwill und Ihnen hilft, die hundert Fäden zu entwirren, die in Ihrem Kopf zusammenlaufen und nicht selten verknäueln“ – kurz, einem ‚Entwicklungshelfer zur Selbsthilfe’?“ (Schulz von Thun, S. 11) 409 Vgl. hierzu auch Rauen (a), S. 112 410 Fischer-Epe, S. 27 411 Fischer-Epe, S. 205 412 Greif, S. 15 413 Vgl. Biehal-Heimburger, S. 43 414 Biehal-Heimburger, S. 44; vgl. Rauen (a), S. 113; Heß/Roth, S. 15, S. 144 415 Fischer-Epe, S. 27; vgl. u.a. auch von Sassen, S. 80; von Sassen/Vogelauer, S. 6; Hamm, S. 422; DBVC (a); Prochnow, S. 61; Zeus/Skiffington, S. 3; Parsloe/Wray, S. 40: „Helping people to learn how to learn is the main aim of the coach“; Czichos, S. 68: „Das Ziel des Coaching ist, dass Mitarbeiter etwas anders tun; der Weg dahin ist lernen; Coaching ist ein Prozeß, der das Lernen unterstützen soll.“ 416 Rückle (b), S. 65; Looss/Rauen, S. 172; vgl. auch Henes-Karnahl; Rauen/Steinhübel, S. 292 417 Whitmore, S. 47 418 Jung, S. 135 419 Vgl. u.a. König/Volmer, S. 11 f; Prochnow, S. 61; Rauen (a), S. 117; Glatz/Lamprecht, S. 138; Vogelauer (a), S. V; PEF Privatuniversität für Management, S. 1; Alwart (a); Fischer-Epe, S. 21; Jung, S. 135
102
2 Was ist Coaching?
ven Wissens in speziellen, schwierigen, neuen Situationen.“420 Er leistet damit „Hilfe bei der Orientierung in neuen Situationen und gibt Anwendungs-/ Umsetzungsunterstützung“ 421. Anders ausgedrückt, der „Coach hilft beim Angehen von konkreten Aufgaben, Veränderungen, Problemen im Arbeits- und Berufsleben, in der sachliche, menschlich-soziale und konzeptive Aspekte verwoben sind“422. „Generell ist es [dabei] das Ziel des Coachs, den Beratungs-Prozess so zu steuern, dass der Gecoachte [selbst] neue Möglichkeiten erkennt und zu nutzen lernt.“423 Der Coach hilft dem Gecoachten, seine Wahrnehmung bezüglich seiner eigenen Person und seiner Situation zu erweitern - er „lässt das Bewusstsein wachsen“424 - sowie sein Erleben und sein Verhalten zu deuten und zu verstehen und darüber hinaus Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln und umzusetzen. Wie Jung beschreibt, unterbricht der Coach den Handlungsfluss des Klienten, indem er den Klienten aus seiner „Welt des selbstverständlichen Handelns in den Bereich des reflexiven Innehaltens hinüberführt“425. Der Coach unterstützt den Klienten also individuell in dessen persönlichem Selbststabilisierungsprozess, idealerweise durch die Förderung der Wahrnehmungsfähigkeit des Klienten, den Erwerb neuer Kompetenzen der Situationsdiagnostik bzw. der Selbstklärung sowie durch die Förderung der kreativen Problemlösungsfähigkeit bzw. der selbständigen Entwicklung von Handlungsalternativen, also der Selbstgestaltungspotentiale, und schließlich der Bereitschaft zur bewussten Selbstveränderung. 426 Indem der Coach den Klienten „das Instrumentarium“ zum produktiven Umgang „mit Konflikten und Widerständen“ im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe lehrt, macht er sich schließlich selbst überflüssig.427 Das bedeutet, „der Coach soll sein Gegenüber derart beraten bzw. fördern, dass der Coach letztendlich nicht mehr benötigt wird“428. In dem Bestreben, die Fähigkeit zur Selbststabilisierung des Klienten und dessen Selbständigkeit zu erhöhen, vermeidet der Coach somit alles, was eine Abhängigkeit zwischen ihm und seinem Klienten
420
Glatz/Lamprecht, S. 126 Glatz/Lamprecht, S. 126 422 Von Sassen/Vogelauer, S. 24 423 Rauen (c), S. 2; vgl. Rauen (a), S. 112 424 Whitmore, S. 47 425 Jung, S. 137 426 Vgl. hierzu u.a. Rauen (a), S. 112, S. 126; Jung, S. 137; Rückle (a), S. 135; Greif, S. 14, S. 15; DBVC (a); Eidenschink (a), S. 54 f; Rauen/Steinhübel, S. 293; Glatz/Lamprecht, S. 126 f, S. 138; von Sassen, S. 79; Schulz von Thun, S. 12; von Sassen/Vogelauer, S. 2; Schwaemmle/Staehelin, S. 120 ff; Schreyögg (a), S. 158 f, S. 171 ff; Biehal-Heimburger, S. 45 ff; Roth/Brüning/Edler, S. 210; Zeus/Skiffington, S. 3 427 Vgl. u.a. Klein, S. 122, S. 130; Cook, S. 6; Henes-Karnahl; Hamm, S. 422 428 Rauen (a), S. 113 421
2.5 Der Coach
103
fördern würde.429 Das bedeutet auch, dass der Coach „mit transparenten Interventionstechniken“ arbeitet und auf keinen Fall von „manipulativen Techniken“ Gebrauch macht, „da ein derartiges Vorgehen der Förderung von Bewusstsein prinzipiell entgegenstehen würde“.430 Schließlich soll der Coach, ähnlich wie im Sport, auch im Arbeitsleben den Klienten fachlich und mental431 auf „einsame Leistungen“ vorbereiten.432 433
2.5.2 Anforderungsprofil des Coachs Das Fehlen eines allgemein einheitlichen Anforderungsprofils erschwert die nähere Darstellung der konkret an einen Coach gestellten Anforderungen. Um dennoch einen Überblick über wesentliche Kompetenzen zu geben, über die ein Coach verfügen sollte, wird im Folgenden eine Auswahl von Anforderungskriterien aufgezeigt, die aus den von Coachs und Klienten in der Literatur am häufigsten übereinstimmend genannten bzw. allgemein als bedeutend herausgestellten Eigenschaften eines Coachs resultieren. Grundsätzlich sind die Anforderungen, die an die Berufsgruppe der Coachs gestellt werden, sehr vielfältig und interdisziplinär ausgerichtet. 434 Je nach individueller Situation im Coaching wird vom Coach „eine Integration unterschiedlicher Haltungen und Kompetenzen“435 gefordert. „Der Coach muß verschiedene Perspektiven einnehmen können und interdisziplinär denken“436, um gemäß
429
Vgl. auch Rauen (b), S. 287; Rauen (a), S. 112, S. 113 sowie u.a. Glatz/Lamprecht, S. 126 f; Fischer-Epe, S. 22; Böning (a), S. 108; Schuppert, S. 124; Vogelauer (a), S. VI; Fischer-Epe, S. 22 430 Rauen (a), S. 113; vgl. u.a. auch Whitmore, S. 51, S. 48; Flaherty, S. 11 431 Im Sport wird von ‚körperlich’ und ‚mental’ gesprochen. 432 Schreyögg (a), S. 9; vgl. auch Whitmore, S. 13 ff 433 Vgl. insgesamt entsprechend zur Rolle des Coachs: Schreyögg (a), S. 9, S. 71; Rückle (a), S. 134, S. 143 f; Rauen (b), S. 20 f, S. 287; von Sassen/ Vogelauer, S. 6, S. 24 ff; Whitmore, S. 47 f; Prochnow, S. 61; Vogelauer (a), S. V f; Vogelauer (d), S. 160 ff; Glatz/Lamprecht, S. 126 f, S. 138; Schulz von Thun, S. 10 f; Fischer-Epe, S. 21 f, S. 27, S. 204 f; Rauen (a), S. 112, S. 113, S. 117; Rauen (c), S. 2 ff; Böning (a), S. 108; Heß/Roth, S. 15 f; Biehal-Heimburger, S. 44; Looss/Rauen, S. 156, S. 172 f; Klein, S. 116; König/Volmer, S. 11 ff; Rückle (a), S. 134 f; Rückle (b), S. 20 f, S. 65 f; Flaherty, S. 10 f; Cook, S. 6; Zeus/Skiffington, S. 3; Parsloe/Wray, S. 40; Dehner, S. 190; Roth/Brüning/Edler, S. 203 f; Wrede (a), S. 9 f, S. 22 f; Schuppert, S. 123 ff; Jung, S. 136, S. 139; PEF Privatuniversität für Management, S. 1, S. 11 f; Alwart (a); Grobe; Frankfurter Allgemeine FAZ.NET; Henes-Karnahl; Hamm, S. 422; DBVC (a); Greif, S. 12, S. 14 f; Rauen/Steinhübel, S. 293; Looss (a), u.a. S. 14 f, S. 34 ff, S. 189 ff 434 Vgl. Heß/Roth, S. 51, S. 157; Looss (a), S. 14; Rauen/Steinhübel, S. 290; Prochnow, S. 63; Fischer-Epe, S. 15; Schreyögg (a), S. 12; Böning (a), S. 108 f; DBVC (c), S. 6 435 Fischer-Epe, S. 15 436 Fischer-Epe, S. 15
104
2 Was ist Coaching?
seiner besonderen Rolle als Coach erfolgreich individuelle Hilfe zur Selbsthilfe leisten zu können.437 Obwohl es zur Systematisierung dieser vielfältigen und interdisziplinären Anforderungskriterien in Literatur und Praxis keine einheitliche Vorgehensweise gibt, lassen sich die an einen Coach gestellten Anforderungen doch überwiegend grob den folgenden drei Kompetenzbereichen zuordnen:
menschliche bzw. soziale Kompetenzen Fachwissen und vorhandene praktische Erfahrung konzeptionelle bzw. methodische Kompetenzen.438
Allerdings warnen einige Autoren auch davor, dass im Rahmen der in der Literatur gängigen Aufzählung der ‚idealen’ Eigenschaften eines Coachs leicht der Eindruck erweckt werden könnte, es würde nach „einer gottgleichen Person mit universalen Fähigkeiten“439, also nach einem „Übermenschen“440, gesucht werden. Entscheidend für einen ‚guten’ Coach ist aber nicht, dass er ausnahmslos alle als wesentlich genannten und auch hier nachfolgend aufgeführten Eigenschaften besitzt441, sondern dass er zum Klienten und dessen spezieller Situation passt - in menschlich-sozialer, fachlicher und konzeptioneller Hinsicht - und dass sich Coach und Klient dabei „auf ‚gleicher Augenhöhe’“442 treffen. Die Auswahl eines geeigneten Coachs durch den Klienten sollte im Einzelfall daher jeweils situations- und personenbezogen erfolgen.443 Besonders die menschlichen Eigenschaften unterliegen in ihrer Beurteilung stark subjektivem Empfinden.444 Aber 437 Vgl. u.a. Looss (a), S. 14, S. 189 ff; Heß/Roth, S. 51; Schreyögg (a), S. 12; Rauen/Steinhübel, S. 290; Fischer-Epe, S. 15, S. 231, S. 235 438 Ähnlich hierzu unterscheidet Schreyögg z.B. im Wesentlichen nach menschlichen, fachlichen und konzeptionellen Anforderungen und fasst in ihrer Darstellung die menschlichen und fachlichen Anforderungen darüber hinaus in der Kategorie personenspezifische Merkmale zusammen. (Vgl. Schreyögg (a), S. 124 ff, S. 144) Auch Heß und Roth differenzieren „nach fachlichen, methodischen und persönlich/sozialen Kompetenzbereichen sowie [zusätzlich im Vergleich zu Schreyögg nach] Supervision“. (Heß/Roth, S. 51, vgl. auch S. 157 ff) Rückle unterscheidet hingegen lediglich zwischen persönlichen, sozialen und fachlichen (inklusive der praktischen Erfahrung) Kriterien. (Rückle (b), S. 65 f) Fischer-Epe unterteilt wiederum nach den drei Kompetenzbereichen „Feldkompetenz und Felderfahrung“, „Personale Kompetenz und Selbsterfahrung“ sowie „Beratungsmethodik und Beratungserfahrung“. (Fischer-Epe, S. 233 ff) 439 Roth/Brüning/Edler, S. 211 440 Rauen/Steinhübel, S. 290; vgl. Looss/Rauen, S. 172 441 Vgl. u.a. Fischer-Epe, S. 235 442 Rauen/Steinhübel, S. 290; vgl. Looss/Rauen, S. 172; von Sassen/Vogelauer, S. 6 443 Vgl. hierzu u.a. Fischer-Epe, S. 232; Roth/Brüning/Edler, S. 211; Rauen (c), S. 53; Heß/Roth, S. 147; Looss/Rauen, S. 156, 172; Vogelauer (c), S. 144; Wrede (b), S. 32; Schreyögg (a), S. 125 444 Vgl. Schreyögg (a), S. 124, S. 126; Rauen (c), S. 47; Heß/Roth, S. 53
2.5 Der Coach
105
auch fachlich passt nicht jeder Coach zu jedem (potentiellen) Klienten, denn natürlicherweise sind auch Coachs in einigen Bereichen höher qualifiziert und verfügen zu bestimmten Themenbereichen über mehr praktische Erfahrungen als auf anderen Gebieten.445 Grundsätzlich gilt: Ob ein bestimmter Coach zu einem Klienten passt, hängt nicht ausschließlich von „rationalen Argumenten“, sondern auch von „emotionalen Faktoren“ ab, „d.h. die ‚Chemie’ zwischen Coach und Gecoachten muss stimmen, gegenseitiges Vertrauen muss aufgebaut werden können. In Organisationen mit größerem Coaching-Bedarf ergibt sich somit die Notwendigkeit, mehrere Coachs zur Verfügung zu haben, um auf eine ausreichende Zahl von Alternativen zurückgreifen zu können.“446 Dieser Argumentation folgend wird in der Literatur auch auf die Problematik hingewiesen, dass es schwer falle, im Coaching ein allgemeingültiges einheitliches Anforderungsprofil für eine Rolle festlegen zu wollen, deren Besonderheit sich gerade in der Individualität widerspiegle. 447 448 Entsprechend stellt auch Schreyögg fest: „Selbstverständlich lassen sich keine allgemeingültigen Maßstäbe für den idealen Coach formulieren. Wenn aber eine gewisse Transparenz in die Coaching-Debatte kommen soll, scheint es sinnvoll, einige wesentliche Kriterien zu benennen, die für Coachingkonsumenten vorrangig relevant sind und an denen sich auch einschlägig tätige Berater oder in Ausbildung befindliche messen können.“ 449 Bis heute fehlen jedoch diese eindeutigen, allgemeinverbindlichen Orientierungshilfen bezüglich der Qualifikation des Coachs, so dass im Folgenden lediglich eine Auswahl von in der Literatur häufig genannten und allgemein als wesentlich herausgestellten Anforderungskriterien aufgeführt werden kann, um einen angemessenen Einblick in die Thematik zu gewähren. Eine vollumfängliche Aufzählung und Beschreibung aller allgemein existierenden Anforderungen ist jedoch aufgrund ihrer unbegrenzten Vielfalt an dieser Stelle weder möglich noch aussagekräftig.
445
Vgl. u.a. Heß/Roth, S. 52 Rauen (c), S, 47 In diesem Sinne argumentiert auch Fischer-Epe: „Da Coaching in verschiedenen Kontexten, zu unterschiedlichen Fragestellungen und von Beratern mit differierendem Ausbildungs- und Erfahrungshintergrund angeboten wird, kann es keine abrufbare Standarddienstleistung sein. Insofern ist Coaching-Kompetenz nicht als Standard zu definieren, auch wenn das Bedürfnis nach solchen Festlegungen verständlich ist. Man kommt also nicht umhin, die Anforderungen an ein Coaching und die erforderlichen Kompetenzen jeweils situationsbezogen (und personenbezogen) zu definieren.“ (Fischer-Epe, S. 232) 448 Vgl. Roth/Brüning/Edler, S. 211; Rückle (b), S. 21; DBVC (a); Böning (c), S. 24, S. 26; FischerEpe, S. 232 449 Schreyögg (a), S. 125 446 447
106
2 Was ist Coaching?
2.5.2.1 Anforderungen an menschliche bzw. soziale Kompetenzen In menschlich-sozialer Hinsicht werden vor allem folgende Anforderungen an den Coach formuliert: Zunächst sollte der Coach dem Klienten grundsätzlich persönlich sympathisch sein450 und über eine „gute Ausstrahlung“451 verfügen, wobei die Entscheidung hierüber nur auf dem subjektiven, ganz individuellen Empfinden des Klienten basieren kann. Wie Schreyögg ausführt: „Coaching wird ja im Allgemeinen deshalb aufgenommen, weil Berufstätige im Rahmen einer Vertrauensbeziehung die für sie relevanten Fragestellungen ihrer Profession zu verhandeln wünschen. Dann kann es nicht gleichgültig sein, ob ‚die Chemie stimmt’ oder nicht, ob ein Klient den Coach sympathisch findet und bereit ist, ihm so vorbehaltlos wie irgend möglich die aktuellen Beunruhigungen, beruflichen Krisen, Wünsche, Karriereträume usw. anzuvertrauen.“452 Es reicht jedoch nicht aus, dass der Coach dem Klienten grundsätzlich sympathisch ist. Zu den weiteren Anforderungskriterien gehört auch, dass der Coach neutral ist. 453 Er darf dem Klienten in seiner Rolle als „neutraler Feedbackgeber“454 weder seine eigenen Ideen, Meinungen und Wertvorstellungen aufdrängen, noch fremde Interessen vertreten. Der Coach sollte immer eine unabhängige, unvoreingenommene und vorurteilsfreie Position einnehmen.455 Denn „der Coach kann nur wirksam sein, wenn er in der Lage ist, eine neutrale, nicht politische oder ideologische Rückmeldung zu geben.“456 Andernfalls könnte die Beziehung zwischen Coach und Klient beispielsweise an mangelndem Vertrauen und fehlender Akzeptanz leiden und somit den Erfolg des Coachings gefährden. Wie eben angesprochen zählt also auch „gegenseitige Akzeptanz“457 zu den wesentlichen Qualitätsmerkmalen im Coaching. Das bedeutet, der Coach sollte über „ein hohes Maß an menschlicher Wertschätzung und Akzeptanz gegenüber
450
Vgl. Heß/Roth, S. 142; Wrede (b), S. 32; Schreyögg (a), S. 126; Böning (c), S. 48, S. 49; Vogelauer (c), S. 144 451 Schreyögg (b), S. 244; vgl. auch Schreyögg (a), S. 127; Böning (c), S. 48, S. 49 452 Schreyögg (a), S. 126 453 Vgl. PEF Privatuniversität für Management, S. 11; Looss/Rauen, S. 156; Henes-Karnahl; Rauen/ Steinhübel, S. 291, S. 296 f; Rauen (b), S. 274; Fischer-Epe, S. 191; König/Volmer, S. 14; Dehner, S. 190 454 Rauen (c), S. 5 455 Vgl. hierzu insbesondere Rauen (a), S. 112; Rauen (c), S. 5, S. 47, S. 54; Rauen/Steinhübel, S. 291; König/Volmer, S. 14 sowie Fischer-Epe, S. 192, die auch von Loyalität gegenüber dem Klienten spricht 456 Rauen/Steinhübel, S. 296 f 457 Rauen/Steinhübel, S. 295
2.5 Der Coach
107
dem Klienten verfügen“.458 Fischer-Epe spricht in diesem Zusammenhang auch vom Erfordernis einer positiv-wertschätzenden und partnerschaftlichen Grundhaltung459. „Diese Haltung äußert sich in der Bereitschaft, sich als Coach für den Klienten zu interessieren und sich auch selbst als Person zu zeigen“, so FischerEpe. „Beide Seiten müssen sich ergänzen: Wenn ich mich als Coach nicht für meinen Gesprächspartner interessiere oder mich selbst zu stark in den Mittelpunkt stelle, werde ich nicht viel erfahren. Wenn ich mich ausschließlich für mein Gegenüber interessiere, dabei aber selber als Person unsichtbar bleibe, gerät das Interesse zum distanzierten Ausforschen“.460 461 Auch Schreyögg betont die Notwendigkeit eines angemessenen persönlichen Interaktionsstils 462 im Coaching. Das heißt, der Coach sollte dem Klienten als Partner in einem Dialog begegnen und ihn im Wesentlichen durch geschickte Gesprächsführung in der Selbsthilfe unterstützen.463 Dabei wäre es wünschenswert, „wenn der Interaktionsstil des Coachs zwischen angemessen rezeptiven und angemessen aktiven Haltungen variiert. Und er sollte primär symmetrisch orientiert sein. Unangemessene Interaktionsstile wären demnach solche, wo der Coach ständig doziert oder jedenfalls notorisch die Führung übernimmt. Ebenso unangemessen wäre aber auch ein Interaktionsstil, wie wir ihn bei vielen Psychotherapeuten vorfinden, wo der Coach sich teilweise ganz betont zurückhaltend, […] verhält”464, denn schließlich soll der Coach den Klienten im Laufe des Prozesses dazu animieren, immer mehr über sein eigenes Verhalten und seine Situation zu lernen, entsprechend z.B. neue Handlungsalternativen zu entdecken und das Selbstmanagement fördern.465 Schließlich besteht auch darüber weitgehend Einigkeit, dass ein Coach allgemein über „Zuwendungsfähigkeit und Interesse“ am Klientenanliegen 466 verfügen sollte, was auch beinhaltet, er muss zuhören können467. 458
Roth/Brüning/Edler, S. 212, vgl. auch S. 220; Heß/Roth, S. 142; Rückle (b), S. 65; Rauen (b), S. 274; von Sassen/ Vogelauer, S. 13 459 Fischer-Epe, S. 31, S. 231, vgl. auch S. 234 460 Fischer-Epe, S. 31 461 Der Aspekt der Akzeptanz und Wertschätzung im Coaching bezieht sich dabei jedoch nicht ausschließlich auf die Person des Coachs. Der Vollständigkeit wegen sei hier ebenso darauf verwiesen, dass „sowohl der Coach als auch die Beratungsform Coaching […] vom Gecoachten akzeptiert werden“ müssen (Rauen (c), S. 47; vgl. Rauen (b), S. 274; von Sassen/Vogelauer, S. 13), damit überhaupt eine erfolgversprechende, auch durch Vertrauen geprägte Beziehung aufgebaut werden kann. (Vgl. Rauen (c), S. 47; von Sassen/Vogelauer, S. 13) 462 Vgl. Schreyögg (a), S. 127 f 463 Fischer-Epe, S. 30 f, S. 234; Schulz von Thun, S. 10 f; Schreyögg (a), S. 127 f 464 Schreyögg (a), S. 127 f 465 Vgl. auch Fischer-Epe, S. 31 ff 466 Rückle (b), S. 65; vgl. Rauen/Steinhübel, S. 291; Fischer-Epe, S. 30 f; Whitmore, S. 47 467 Vgl. Roth/Brüning/Edler, S. 220; Rauen/Steinhübel, S. 291; Whitmore, S. 47; Dehner, S. 190
108
2 Was ist Coaching?
Darüber hinaus wird vor allem auch Vertrauen als weiteres bedeutendes Anforderungskriterium formuliert. So ergab auch die von der Privatuniversität für Management durchgeführte Studie, dass neben der gegenseitigen Akzeptanz ebenso das Vertrauen zwischen Coach und Klient eine zentrale Erfolgsbedingung darstellt.468 Von einem Coach werden somit unbedingt „Vertrauenswürdigkeit“469 und „Integrität“470 erwartet, da, und hier sind sich die Experten einig, „Grundlage der Beratung […] die auf Vertrauen basierende, persönliche Beziehung zu dem oder den Klienten“471 ist. 472 Damit eng verbunden wird auch die „absolute Verschwiegenheit“ 473 bzw. „Diskretion“ 474 als grundlegende persönliche Eigenschaft des Coachs genannt. Rauen verwendet hier auch den Begriff der „Vertraulichkeit“475 im Coaching. Konkret bedeutet das: „Die Inhalte des Coachings sind vertraulich und werden nicht ‚nach oben’ oder an eine andere Person weitergegeben. Ist dies nicht gewährleistet, so fühlt sich der Gecoachte kontrolliert, es entsteht zusätzlicher Leistungsdruck und er wird mit negativen Konsequenzen rechnen - von der Kündigung bis zum ‚Gesichtsverlust’. Unter derartigen Bedingungen wird sich eine gecoachte Person nicht wirklich öffnen […], weil sie berechtigterweise misstrauisch ist. Zudem sind die damit zusätzlich entstehenden Befürchtungen einem konstruktiven und angstfreien Klima in der Coaching-Sitzung abträglich, Ängste fördern eher Widerstände als Veränderungsbereitschaft. Der Coach ist auch kein Erfüllungsgehilfe der Organisation, sondern neutraler Berater. Diskretion ist daher ein wichtiger Faktor, um nicht zum Spielball betriebsinterner Politik zu werden. Eine Organisation, die Coaching wünscht, sollte daher den entsprechenden Freiraum für Diskretion gewähren. Andersartige Aufträge sind vom Coach abzulehnen, denn sie werden den erwünschten Erfolg nicht erbringen.“476
468
PEF Privatuniversität für Management, S. 1 Roth/Brüning/Edler, S. 220; Böning (c), S. 48, S. 49; vgl. Hierzu auch Looss/Rauen, S. 161 470 Böning (c), S. 48, S. 49 471 Rauen (a), S. 112 472 Vgl. Rauen (a), S. 112, S. 113; Rauen (c), S. 5, S. 47; Heß/Roth, S. 142; Schreyögg (a), S. 126; Rauen/Steinhübel, S. 297; Looss/Rauen, S. 161; von Sassen/Vogelauer, S. 13; Hamm, S. 422; PEF Privatuniversität für Management, S. 1 473 Roth/Brüning/Edler, S. 212; Rauen/Steinhübel, S. 292; Vogelauer (c), S. 140 474 Rauen (c), S. 47; vgl auch Rückle (a), S. 143; Rauen/Steinhübel, S. 292, S. 296; Fischer-Epe, S. 191, 236 Fischer-Epe führt hierzu aus, dass „grundsätzliche Diskretion über Themen und Inhalte der Einzelgespräche und klare Absprachen darüber, wer wen wie worüber informiert“, als wesentliches Qualitätsmerkmal gilt. „Bevor er Dritte informiert, braucht der Coach eine Schweigepflichtentbindung, ähnlich wie beim Arzt“. (S. 236) 475 Rauen (c), S. 47 476 Rauen (c), S. 47; vgl. Rauen/Steinhübel, S. 296 469
2.5 Der Coach
109
Über die bereits genannten Eigenschaften hinaus wird von einem ‚guten’ Coach zudem eine grundlegende „Offenheit“477 erwartet. Denn die Bearbeitung der Klienten-Anliegen ist nur „dann effizient möglich, wenn im Coaching eine Offenheit herrscht, die im Vergleich zu anderen Gesprächs- oder Beratungssituationen sehr weitreichend ist“, so Rauen. „Gecoachte schätzen ihre Anliegen teilweise (unbewusst) als ‚heikel’ ein und sind es nicht gewohnt, diese zu besprechen - zum einen weil ein ‚Gesichtsverlust’ befürchtet wird, zum anderen, weil es ungewohnt ist, den eigenen Ehrgeiz ungeschönt thematisieren und sich darüber austauschen zu dürfen. Der Coach sollte daher eine spannungsfreie Situation schaffen, die zur Offenheit ermutigt. Dies ist wiederum nur möglich, wenn Diskretion gewährleistet werden kann und der Coach nicht bewertend agiert, sondern sich als unabhängiger Berater versteht und auch so wahrgenommen wird. Da der Coach in seinem Vorgehen nicht manipulativ sein sollte, sondern vorzugsweise mit einem transparenten Konzept arbeitet, gehört es auch zu seinen impliziten Aufgaben, Offenheit vorzuleben. Konkret bedeutet dies, auch unangenehme Fakten zu benennen, keine falsche Höflichkeit walten zu lassen und dennoch nicht schonungslos, sondern ermutigend zu sein.“478 Das heißt auch, „der Coach muss, nachdem er Vertrauen aufgebaut hat, in der Lage sein, den Ratsuchenden […] mit dessen Schwächen zu konfrontieren.“479 Dies setzt neben einem verantwortungsvollem Vorgehen480 auch eine gewisse „Konfliktbereitschaft [und] Konfliktbearbeitungsfähigkeit“481 bzw. „Zivilcourage und Konfrontationsbereitschaft [seitens des Coachs voraus], um auch Unangenehmes im Coaching thematisieren zu können.“482. Damit einhergehend sollte der Coach in schwierigen komplexen Situationen gegebenenfalls auch über die notwendige „Standfestigkeit und Frustrationstoleranz“483 verfügen. In jedem Fall ist es wichtig, dass der Coach stets eine „positive Grundhaltung“484 einnimmt, „Ruhe und Zuversicht“485 ausstrahlt sowie „Sensibilität“486 und „Empathie“487 bzw. „Einfühlungsvermögen“488 zeigt. Auch Rauen und 477
Roth/Brüning/Edler, S. 220; Rauen (c), S. 47, S. 63; Heß/Roth, S. 142, S. 145; Böning (c), S. 48, S. 49; Rauen/Steinhübel, S. 291; von Sassen/Vogelauer, S. 13 478 Rauen (c), S. 47 f, vgl. auch S. 54; Rauen/Steinhübel, S. 295 f 479 Eidenschink, S. 55 480 Vgl. u.a. Fischer-Epe, S. 237 481 Rückle (b), S. 65; vgl. Fischer-Epe, S. 235 482 Rauen/Steinhübel, S. 291; vgl. Looss/Rauen, S. 172; von Sassen/Vogelauer, S. 20 483 Rauen/Steinhübel, S. 292; vgl. auch Looss/Rauen, S. 172; Looss (a), S. 192 484 Roth/Brüning/Edler, S. 220; vgl. Fischer-Epe, S. 231, S. 234 485 Fischer-Epe, S. 234; vgl. Rauen (c), S. 48; Whitmore, S. 47 486 Rückle (b), S. 65 487 Roth/Brüning/Edler, S. 220; Böning (c), S. 48, S. 49; Rauen/Steinhübel, S. 292; Looss/Rauen, S. 172 488 Roth/Brüning/Edler, S. 220; Heß/Roth, S. 158; Rückle (a), S. 143; vgl. Vogelauer (c), S. 140
110
2 Was ist Coaching?
Steinhübel sprechen in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit, als Coach „emotionales Einfühlungsvermögen bei gleichzeitiger emotionaler Stabilität“489 zu besitzen. Von einem Coach wird zudem erwartet, ehrlich und „authentisch [zu] sein, das heißt der Coach schauspielert nicht, sondern agiert ehrlich und überzeugend. [Denn] ohne diese grundlegende menschliche Qualität, die mit Erfahrung und Kompetenz einhergeht, sind Interventionen im Resultat wirkungslos.“490 Über die bereits genannten Anforderungen hinaus benötigt ein Coach nach allgemeiner Ansicht insbesondere auch eine ausgeprägte Wahrnehmungsfähigkeit - wie Rückle formuliert, eine „ganzheitliche Beobachtungs- und Wahrnehmungsfähigkeit“491 - zur Erfassung des beruflichen und persönlichen Kontextes des Klienten sowie damit verbunden die Fähigkeit, diese Zusammenhänge zu verstehen.492 Auch Schreyögg stellt „eine gute Auffassungsgabe“ als „eine fast selbstverständliche Anforderung an den Coach“ heraus.493 Diese gehe, so Schreyögg, „mit intellektueller Flexibilität“ einher. Denn „berufliche Konstellationen von Klienten können prinzipiell so vielgestaltig sein, dass sie hohe Anforderungen an die Strukturierungs- und Verstehenskapazitäten von Gesprächspartnern stellen.“494 Der Coach benötigt auch ein gewisses Maß an „ideologische[r] Offenheit“495 und „Toleranz“496. Wobei die ideologische Offenheit des Coachs nach Ansicht Schreyöggs „mit der Fähigkeit einhergehen [sollte], das eigene Wertesystem immer wieder in Frage zu stellen.“497 Allgemein einheitlich wird auch die Anforderung formuliert, dass der Coach über ein hohes Maß an Selbsterfahrung, Selbstkenntnis und Selbstreflexionsfähigkeit verfügen sollte. 498 „Seine Coaching-Tätigkeit sollte [aufgrund des489
Rauen/Steinhübel, S. 292 Rauen (c), S. 62; vgl auch Roth/Brüning/Edler, S. 220; Rückle (b), S. 65; Heß/Roth, S. 142 Rückle (b), S. 65 492 Vgl. Roth/Brüning/Edler, S. 211 f; Rückle (b), S. 65; Schreyögg (a), S. 129; Walther, S. 58; Rauen/Steinhübel, S. 293; Bayer (a), S. 98; Whitmore, S. 47 493 Schreyögg (a), S. 129 494 Schreyögg (a), S. 129. Dementsprechend sind auch nach Auffassung Rückles „vernetztes und laterales Denken“ (sowie „analytisches und strategisches Denken“) notwendige Eigenschaften eines Coachs. (Rückle (b), S. 65) 495 Schreyögg (a), S. 130; vgl. ähnlich hierzu auch Heß/Roth, S. 54 496 Roth/Brüning/Edler, S. 220; Heß und Roth nennen hier z.B. auch die Offenheit gegenüber anderen Kulturen (Heß/Roth, S. 54) 497 Vgl. Schreyögg (a), S. 130 498 Vgl. Roth/Brüning/Edler, S. 212; Heß/Roth, S. 53, S. 158; Rückle (b), S. 65; Rauen/Steinhübel, S. 291, S. 293; Looss/Rauen, S. 173; Looss (a), S. 194 f; von Sassen/Vogelauer, S. 21; Bayer (a), S. 159; Hamm, S. 422; Fischer-Epe, S. 237, S. 238; Whitmore, S. 47, S. 53 f sowie Schreyögg (a), S. 125, S. 127, S. 130 f, die hierzu entsprechend ausführt: Trotz der ‚Mitschwingung‘ des Coachs mit dem Klienten muß der Coach jederzeit auch „in der Lage sein, für den Klienten ein Korrektiv zu 490 491
2.5 Der Coach
111
sen] durch Supervision begleitet werden. Diese im psychosozialen Bereich selbstverständliche Form der freiwilligen Auseinandersetzung mit dem eigenen Können durch den Spiegel eines professionellen Helfers ist in (Personal-) Beraterkreisen noch nicht sehr oft anzutreffen. Da Coaching aber deutlich über eine einfache Beratung hinausgeht, sollte der Coach zu seinem und des Klienten Wohl die Möglichkeit nutzen, einzelne Vorgehensweisen zu reflektieren und emotionale Belastungen mit einer neutralen Person zu verarbeiten.“499 Ein solches Vorgehen unterstützt die Fähigkeit des Coachs, seine eigenen Stärken und Schwächen zu erkennen sowie selbstkritisch zu reflektieren und gegebenenfalls zu korrigieren.500 Ein guter Coach kennt seine Grenzen und behauptet nicht, alle Probleme lösen zu können. Er lehnt vielmehr einen Auftrag ab, den er als Coach aus seiner Sicht selbst nicht erfüllen kann.501 Schließlich sollte der Coach zuverlässig502 sein und über eine grundsätzliche Flexibilität503 verfügen, was sowohl die zeitliche und örtliche Vereinbarung von Coachingterminen als auch im Wesentlichen die individuelle Bearbeitung der Klientenanliegen betrifft. Die Coachingbeziehung sollte ferner nach mehrheitlicher Auffassung auf Freiwilligkeit begründet sein.504 Das heißt, „ein Coach sollte sicherstellen, dass ein Coaching von einem Interessenten freiwillig gewollt ist. Ohne diese Freiwilligkeit fehlt die notwendige Einsicht in die Beratung. Und ohne diese Einsicht, vermag ein Coaching kaum Nutzen zu stiften. […] Der Coach sollte einem Interessenten immer die Wahl lassen, sich sanktionsfrei gegen ein Coaching zu entscheiden bzw. anderslautende Aufträge schon im eigenen Interesse abzulehnen.“505 Ein weiteres Kriterium betrifft das Geschlecht des Coachs. Rein nach den individuell unterschiedlichen Empfindungen und Erfahrungen sollte hier von Seiten des Klienten ein Coach des Geschlechts gewählt werden, dem sich die bilden. Das heißt, er muß sich von dessen aktueller Stimmungslage auch distanzieren können.“ Von Vorteil ist dabei, wenn er die Fähigkeit besitzt, sich selbst und seine Situation zu reflektieren und ggf. sein eigenes Handeln der Situation angemessen zu korrigieren. (Schreyögg (a), S. 127) 499 Roth/Brüning/Edler, S. 212, vgl. auch S. 220; vgl. Rauen (c), S. 54; Heß/Roth, S. 53, S. 54 f, S. 159; Rauen/Steinhübel, S. 291, S. 292; Looss/Rauen, S. 173; Looss (a), S. 196 ff; Fischer-Epe, S. 235, S. 237, S. 238 500 Vgl. Rauen (c), S. 53; Heß/Roth, S. 53, S. 141; Looss (a), S. 194 ff; Rauen/Steinhübel, S. 292; Fischer-Epe, S. 237, S. 238 501 Vgl. Rauen (c), S. 53; Heß/Roth, S. 145, 148; Looss (a), S. 194 ff; Fischer-Epe, S. 237 502 Vgl. Heß/Roth, S. 158; Looss/Rauen, S. 172 503 Vgl. u.a. Roth/Brüning/Edler, S. 220; Heß/Roth, S. 143; Böning (c), S. 48, S. 49; Rauen/Steinhübel, S. 292 504 Rauen (c), S. 5; S. 28, S. 46; Rauen (a), S. 112, S. 113; Rauen (b), S. 273; Heß/Roth, S. 142; PEF Privatuniversität für Management, S. 10, S. 11; Rauen/ Steinhübel, S. 294 505 Rauen/Steinhübel, S. 294
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2 Was ist Coaching?
Person besser anvertrauen kann und von dem sie meint, am besten verstanden zu werden.506
2.5.2.2 Anforderungen an fachliche Kompetenz und praktische Erfahrung Über die eben beschriebenen menschlich-sozialen Anforderungen hinaus werden auch auf dem Gebiet des Fachwissens und der praktischen Erfahrung eine Vielzahl an Qualifikationen vom Coach gefordert. Diese gelten im Vergleich zu den menschlich-sozialen Kriterien allgemein als weniger subjektiv507 und betreffen im Wesentlichen die von Fischer-Epe nachfolgend exemplarisch als Fragen zusammengefassten Themenbereiche: „Was bringt der Coach mit, um die ihm angetragenen Themen inhaltlich zu verstehen und eventuell beantworten zu können? Wie gut kennt er die Branche, in der der Klient arbeitet? Versteht er die Sprache und die Umgangsformen, kennt er die Spielregeln von Machtpolitik und Einflußnahme im Arbeitsfeld des Klienten? Wie viel Erfahrung und Kenntnis in den Themenfeldern Betriebswirtschaft, Qualitätssicherung, Führung, Personalund Organisationsentwicklung, Gruppenleitung und Moderation ist vorhanden? In welchen Themen ist der Coach selber fachlicher Experte oder zumindest erfahren?“ 508 Wie die Fragen verdeutlichen, werden vom Coach in fachlicher Hinsicht vielfältige und interdisziplinäre Qualifikationen gefordert.509 Des Öfteren wird in diesem Zusammenhang von der „Notwendigkeit einer Schnittfeldqualifikation“510 gesprochen. Denn es herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass ein Coach im Allgemeinen einerseits „einen breiten sozialwissenschaftlichen Verstehenshintergrund“511 und psychologisches Wissen und andererseits fundierte (betriebs-) wirtschaftliche Kenntnisse besitzen sollte 512, wie auch die folgend aufgeführten Zitate belegen:
506
Vgl. Schreyögg (a), S. 128 f Vgl. Schreyögg (a), S. 124; Fischer-Epe, S. 16, S. 233 ff; Schulz von Thun, S. 10 f; Roth/Brüning/Edler, S. 211 508 Fischer-Epe, S. 233 509 Vgl. Heß/Roth, S. 51, S. 157; Looss (a), S. 14; Rauen/Steinhübel, S. 290; Prochnow, S. 63; Fischer-Epe, S. 15; Schreyögg (a), S. 12; Böning (a), S. 108 f; DBVC (c), S. 6 510 Heß/Roth, S. 52, S. 157; vgl. Looss (a), S. 14 f, S. 189; Rauen/Steinhübel, S. 290; Rauen (c), S. 4; Rauen (a), S. 113 511 Schreyögg (b), S. 244; vgl. auch Schreyögg (a), S. 129 512 Vgl. Roth/Brüning/Edler, S. 211, S. 219 f; Heß/Roth, S. 141, 157; Rauen (c), S. 63; Rückle (b), S. 65; Schreyögg (a), S. 129 ff; Rauen/Steinhübel, S. 290 f; Looss (a), S. 14 f, S. 189 ff; Fischer-Epe, S. 231 ff; Prochnow, S. 63; Schulz von Thun, S. 13; Alwart (a), S. 34 507
2.5 Der Coach
113
Wie Schulz von Thun zusammenfasst, muss der Coach „in der Seele des Menschen ebenso wie im Feld der Hierarchien und Rollen, Strukturen und Organisationen“ beheimatet sein.513 Schreyögg argumentiert, dass zum Verständnis der vielfältigen KlientenThemen ein breites Wissensspektrum notwendig ist, das sich u.a. aus Managementwissen, personalwirtschaftlichen Kenntnissen, psychologischen Qualifikationen sowie dem Wissen und Verstehen von organisatorischen Phänomenen usw. zusammensetzt.514 „Ein Coach etwa, der sich nur auf psychologisches Fachwissen bezieht, schränkt die Themenvielfalt seines Klienten automatisch ein, denn er verschiebt ja dann möglicherweise alle Fragestellungen auf individuelle und emotionale Phänomene. […] Dem Coaching mangelt es dann an thematischer Breite. Im umgekehrten Fall, wo ein Coach über vielfältiges Managementwissen ohne psychologische Qualifikationen verfügt, bleibt die Bearbeitung beruflicher Fragestellungen oft zu oberflächlich oder gar zu platt.“515 Ebenso ist auch für Looss „eine interdisziplinär angelegte Schnittfeldqualifikation“ kennzeichnend, „die ihre Wurzeln in einem humanwissenschaftlichen Zugang einerseits (Psychologie, Pädagogik, Philosophie) und einem sachrationalen, technisch-wirtschaftlich orientierten Vorverständnis von Management andererseits hat. Diese Mischung von Qualifikation und Erfahrung ist notwendig, weil die personenbezogene Beratung von Führungskräften ein konzeptionelles Implantat darstellt, das mit theoretischen und praktischen Anleihen aus verschiedenen Disziplinen arbeitet.“516 Den vorangegangenen Ausführungen entsprechend, stellt auch Rauen fest: „Coaching wird praktiziert durch Beraterinnen und Berater mit psychologischen und betriebswirtschaftlichen Kenntnissen sowie praktischer Erfahrung bezüglich der Anliegen des oder der Klienten (um die Situation fundiert einschätzen und qualifiziert beraten zu können). Der Coach braucht für seine Arbeit fundiertes Wissen und eine ‚Schnittfeldqualifikation’, um die Anliegen des Gecoachten verstehen und einordnen zu können. Dies bedeutet, dass verschiedene Qualifikationen aus den Bereichen Psychologie, Betriebswirtschaft, Consulting, Personalentwicklung, Führung und Manage-
513
Schulz von Thun, S. 13 Vgl. Schreyögg (a), S. 129 515 Schreyögg (a), S. 129 f; vgl. entsprechend auch Fischer-Epe, S. 231 f 516 Looss (a), S. 14 f, vgl. auch S. 189 ff 514
114
2 Was ist Coaching? ment in einem Coach vereinigt sein sollten. Dennoch kann (und muss) ein Coach für seine Aufgabe nicht allwissend sein.“517
Sozialwissenschaftliche Kenntnisse: Speziell im Hinblick auf die geforderten sozialwissenschaftlichen Kenntnisse sollte der Coach in jedem Fall also über „fundiertes Wissen über menschliches Erleben, Verhalten, Denken, Fühlen, Handeln sowie über kommunikative bzw. interaktionale Prozesse“ 518 verfügen. Eidenschink betont darüber hinaus insbesondere die Notwendigkeit, als Coach „ein differenziertes Verständnis vom Wesen menschlicher Veränderung“ zu besitzen. Das heißt, Coachs sollten wissen, wodurch sich Menschen grundsätzlich verändern können, denn nur so sei eine professionelle Unterstützung von Menschen in beruflichen Krisenerscheinungen möglich.519 520 (Betriebs-)Wirtschaftliche Kenntnisse: Wie aus den obigen Zitaten hervorgeht, reichen die sozialwissenschaftlichen Kenntnisse im Coaching allein jedoch nicht aus. Denn ein Coach, der sich beispielsweise nur auf psychologisches Fachwissen bezieht, könnte die berufliche Problemkonstellation eines Klienten nur sehr begrenzt erfassen und würde somit möglicherweise die Fragestellungen automatisch nur auf individuelle und emoti517
Rauen (c), S. 4; vgl. Rauen (a), S. 113 Heß/Roth, S. 51 Nach Eidenschink können sich Menschen aufgrund folgender Bedingungen verändern: Zum Beispiel durch die Vertiefung der Wahrnehmungsfähigkeit, durch kritische Analysen bisheriger Überzeugungen (Förderung der kritischen Analysefähigkeit), durch Erweiterung ihres Wissens (denn „je profunder und umfassender die Kenntnisse über einen Bereich sind, desto angemessener kann man handeln“), durch die Änderung der systemischen Rahmenbedingungen, durch das Einlassen auf die eigene emotionale Grundstruktur sowie durch besseres Verstehen der eigenen Person. (Vgl. ausführlicher in Eidenschink, S. 54) 520 Speziell zu den Anforderungen bezüglich der „psychosozialen Kompetenzen“ eines Coachs sei auch auf die detailliertere Aufzählung wichtiger Kompetenzen von Rauen und Steinhübel verwiesen: „Vermittlung eines möglichst integrierten, schulenübergreifenden psychologischen Wissens (nicht beschränkt auf eine ‚Denkschule’) Vermittlung von Kenntnissen der Arbeits- und Organisationspsychologie und der klinischen Psychologie über Menschen und Gruppen, insbesondere bzgl. Kommunikation, Verhalten und Prozessen in Organisationen, Verhalten und Prozesse in Gruppen (Gruppendynamik), Entwicklungsphasen des Individuums uvm. Erlernen von Methoden und Interventionsformen möglichst mehrerer Richtungen, z.B. in den Bereichen Gesprächsführung, Rekonstruktion, Veränderung, Kreativität, Problemlösen, Selbstmanagement uvm. Anwendung diagnostischen Know-hows, insbesondere Auswahl- und Testverfahren (z.B. Assessment-Center, Potenzialanalysen, Persönlichkeitsanalysen), Phänomene des klinischen Bereiches (z.B. Kenntnis der Symptome von Sucht- und Abhängigkeitserkrankungen) Auf- und Ausbau sozialer Kompetenz im Umgang mit Menschen, Kommunikationsfähigkeiten, Beziehungsgestaltungskompetenzen“ (Rauen/Steinhübel, S. 290 f) 518 519
2.5 Der Coach
115
onale Phänomene einschränken.521 Daher wird allgemein auch ein breites (betriebs-)wirtschaftliches Know-how des Coachs gefordert. Diese (betriebs-) wirtschaftlichen Kenntnisse betreffen, wie in den Zitaten angeführt, das Wissen um organisationale Prozesse, Strukturen und Vorgehensweisen bzw. das berufliche Umfeld des Klienten. Die Wichtigkeit dieser fachlichen Kenntnisse ergibt sich aus der Fokussierung des Coachings auf den individuellen beruflichen Kontext des Klienten. Mit anderen Worten: Für einen Coach ist es wichtig, „Kenntnisse über betriebswirtschaftliche Strukturen, Abläufe, Zusammenhänge, Begrifflichkeiten und Probleme [zu besitzen], denn Coaching läuft immer vor dem Hintergrund einer Organisation ab. Hinzu kommen unter Berücksichtigung der Zielgruppe Kenntnisse über den Teilbereich Management, was u.a. Wissen über Aufgaben, typische Probleme, Denkweisen, Handeln und Sprache der Führungskräfte erfordert.“522 „Professionelle Coachs [sollten daher auch] die Prozesse und Strukturen von Führungsebenen“ kennen523, mit anderen Worten, speziell auch über „Führungskompetenz“524 verfügen. Denn „gerade bei der Arbeit mit Führungskräften ist es wichtig, die gleiche Sprache zu sprechen, den Kontext aus Macht und Einsamkeit zu verstehen und um die allgemeinen Arbeitsbedingungen in einem Unternehmen zu wissen.“525 526 Spezielles Fachwissen: Inwieweit der Coach allerdings auch über ganz spezielles Fachwissen bezüglich des konkreten Arbeitsfeldes seiner Klienten verfügen sollte, ist umstritten.527 Während einige Coachs bzw. Autoren eine passende „Feldkompetenz“528 als 521
Vgl. u.a. Schreyögg, S. 129 f; Fischer-Epe, S. 231 f; Rauen (c), S. 4; Rauen (a), S. 113 Heß/Roth, S. 51; vgl. auch Rauen (c), S. 63 sowie Rückle (b), S. 65, der ähnlich hierzu „betriebswirtschaftliche, rechtliche und organisationstheoretische Kenntnisse [sowie] Kenntnisse und Erfahrungen in den Bereichen Personalmanagement und Personalentwicklung“ fordert. 523 Rauen (c), S. 53 524 Von Sassen/Vogelauer, S. 21 525 Roth/Brüning/Edler, S. 211, vgl. auch S. 219 f 526 Speziell zu den Anforderungen bezüglich der „betrieb(wirtschaft)lichen Kompetenzen“ eines Coachs vgl. darüber hinaus auch die Ausführungen von Rauen/Steinhübel, S. 290: „Betrieb(wirtschaft)liche Kompetenzen Vermittlung wirtschaftlicher und organisationaler Abläufe und Gegebenheiten, insbesondere Fachverständnis von Managementprozessen, Entscheidungsabläufen und Konfliktmechanismen Erfahrungen mit betriebswirtschaftlichen Instrumenten Vermittlung gängiger Führungskonzepte Kenntnis des organisationalen Umfelds und seiner typischen Funktionsträger und ihrer Aufgaben“ 527 Vgl. Heß/Roth, S. 52 528 Heß/Roth, S. 157; Schreyögg (a), S. 131; von Sassen/Vogelauer, S. 21; Rauen (c), S. 63 in Anlehnung an Heß/Roth 522
116
2 Was ist Coaching?
wichtig erachten und als Qualitätsmerkmal definieren529, stehen andere, wie u.a. Whitmore, diesem Anforderungsmerkmal kritisch gegenüber. Denn ihrer Ansicht nach steht im Vordergrund des Coachings nicht die fachliche Auseinandersetzung bezüglich des speziellen Tätigkeitsfelds des Gecoachten, sondern individuelle, inhaltlich losgelöste Lernprozesse des Klienten, die der Coach als Moderator begleitet 530. Ferner geben Looss und Rauen zu bedenken, dass es „eben auch möglich [ist], dass ein Berater in einem bestimmten Themenbereich unerfahren ist und eben erst durch seine Unvoreingenommenheit problemverursachende Prozesse in Frage stellt, die mehrere Experten zuvor übersehen haben. Natürlich fußt Beratung seit jeher auf Erfahrungswissen. Daraus den linearen Zusammenhang zu schlussfolgern, ein erfahrener Coach sei automatisch der Bessere, muss nicht unbedingt falsch sein – es ist jedoch [auch] nicht die ganze Wahrheit.“531 Ähnlich hierzu vertritt auch Fischer-Epe die Ansicht, dass „ein tiefes inhaltliches Verständnis […] nicht immer unbedingt erforderlich [ist], und manchmal ist es sogar besser, wenn man gar nicht in die Gefahr kommt, sich inhaltlich einzumischen. Wenn man als Coach aber keinerlei Feldkompetenz mitbringt, sollten Klient und Coach zumindest im Auge behalten, wenn die Grenzen der Beratung erreicht sind.“532 533 529 Vgl. Heß/Roth, S. 141; Schreyögg (a), S. 131 f; Looss/Rauen, S. 172; von Sassen/Vogelauer, S. 21 sowie Rückle, der ebenso betont, dass ein Coach über „Kenntnisse und Erfahrungen in den Unternehmensbereichen, die die Coachingarbeit betreffen“, verfügen sollte. (Rückle (b), S. 65) 530 Vgl. Heß/Roth, S. 52; Czichos, S. 67; Whitmore, S. 48 ff 531 Looss/Rauen, S. 173 532 Fischer-Epe, S. 234 533 Zur Beurteilung der einzelnen Kompetenzfelder im Bereich ‚Fachwissen und praktische Erfahrung’ nach ihrer jeweiligen Bedeutsamkeit für das Coaching lassen sich zusammenfassend auch die Ergebnisse zweier Studien anführen: Nach der Studie von Böning (2005), bei der Personalmanager von Unternehmen und Coachs befragt wurden, wird „betriebswirtschaftliches Know-how“ auf einer Skala von 1 bis 3 mit durchschnittlich 2 als „teilweise wichtig“ erachtet, während das psychologische Know-how von den Befragten mit im Durchschnitt 2,6 als wichtiger beurteilt wurde. Das „fachliche Know-how im Aufgabengebiet des Coaching-Kandidaten wird mit 1,7 als nicht ganz so wichtig beurteilt. (Böning (c), S. 51) In der von der PEF Privatuniversität für Management, Wien, durchgeführten Befragung wird die Notwendigkeit psychologischen Wissens sehr hoch eingeschätzt, „während wirtschaftliches Wissen nur ‚eher wichtig’ und Branchenkenntnis gar als ‚eher unwichtig’ eingestuft wird.“ Dies sei ein sehr interessanter Aspekt, so die Aussage im Rahmen der Studie, „weil gerade die Feldkompetenz (Branchenkenntnis) immer wieder in der Literatur angeführt wird […]. Sehr gut Informierte messen diesem Punkt allerdings eine höhere Bedeutung bei.“ Grundsätzlich zeigt sich im Rahmen der Auswertung der Befragung, dass zu den Aspekten, wie wichtig wirtschaftliches Wissen und Branchenkenntnis des Coachs sind, die Einigkeit unter den Befragten eher gering ist. „Betrachtet man sich die Meinung jener Befragten, die eine Coachingausbildung haben, so beurteilen sie das psychologische Wissen weniger wichtig, jedoch die soziale
2.5 Der Coach
117
Auf jeden Fall sollte der Coach zumindest - und darüber herrscht grundsätzlich Einigkeit - über Interesse an dem Berufsfeld des Klienten verfügen.534 Wie Schreyögg formuliert: „Eine Minimalanforderung an den Coach wäre, dass er sich für das berufliche Feld seines Klienten und dessen Entwicklungen interessiert und sich ernstlich zu engagieren beabsichtigt.“535 Denn selbstverständlich kann, so Schreyögg, nicht jeder Coach in allen Gebieten gleich kompetent sein. Er sollte sich aber über seine Schwächen bewusst sein und verantwortungsvoll damit umgehen.536 Praktische Berufserfahrung: Aus der Notwendigkeit betriebswirtschaftlichen Wissens für ein erfolgreiches Coaching wird vielfach auch die Forderungen nach eigener praktischer Berufserfahrung537 in einem Unternehmen abgeleitet. Denn „ein Coach [ist] auf Erfahrung angewiesen. D.h. ein guter Coach zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sein Wissen nicht nur theoretisch erworben, sondern auch praktisch ‚erlebt’ wurde. Idealerweise geht damit auch die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel einher, d.h. der Coach ist mit typischen Anliegen im Coaching nicht nur als Berater vertraut, sondern hat diese auch aus anderen Positionen heraus kennengelernt und entsprechende Feldkompetenzen aufgebaut.“538 So hält auch Fischer-Epe „eigene Erfahrungen in der Unternehmenswelt“ für wichtig, damit der Coach den Klienten „in der Wahrnehmung seiner beruflichen Rolle“ besser beraten kann.539 „Je breiter das Spektrum der Kompetenzen und Berufserfahrungen, desto besser kann man sich auf die individuelle Situationen des Klienten einstellen.“540 Führungserfahrung: Beim Coaching von Führungskräften wird dementsprechend in der Regel auch eigene „Führungserfahrung“541 vom Coach gefordert. Ebenso argumentiert beiKompetenz wichtiger als die nicht ausgebildeten Befragten.“ (PEF Privatuniversität für Management, S. 11) Vgl. Heß/Roth, S. 52; Rückle (b), S. 65 535 Schreyögg (a), S. 131 f 536 Vgl. Schreyögg (a), S. 131 f 537 Vgl. Rauen/Steinhübel, S. 292; Roth/Brüning/Edler, S. 211, vgl. auch S. 219 f ; Looss (a), S. 14 f, vgl. auch S. 189 ff; Fischer-Epe, S. 231; Heß/Roth, S. 52, S. 141, S. 157; Rauen (c), S. 63; Böning (c), S. 48, S. 49; Schreyögg (a), S. 124; Schreyögg (b), S. 244 sowie Looss und Rauen, die diesbezüglich vom „Erfahrungswissen aus dem Bereich des Klienten“ sprechen (Looss/Rauen, S. 172) 538 Rauen/Steinhübel, S. 292 539 Fischer-Epe, S. 231 540 Fischer-Epe, S. 231 541 Böning (c), S. 48, S. 49; Fischer-Epe, S. 234; vgl. Looss (a), S. 192 f; Roth/Brüning/Edler, S. 211; Heß/Roth, S. 52, S. 141, S. 157; Rauen (c), S. 63; vgl. auch S. 219 f; Rückle (b), S. 65 534
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2 Was ist Coaching?
spielsweise Looss: „Wer Führungskräfte berät, muss wissen, wie Führungskräfte fühlen, denken und handeln, also seine Zielgruppe intensiv kennen lernen. Eine gute Möglichkeit ist es, selbst einige Zeit als Führungskraft zu arbeiten, um die in diesem Beruf herrschenden Normen, die Grundmuster, die Verhaltensweisen, die klassischen Problemlagen und Konflikte und vor allem die Sprache kennen zu lernen.“542 Lebenserfahrung: Um den Klienten besser coachen zu können, wird vom Coach neben eigener praktischer Berufs- und Führungserfahrung vor allem auch ein gewisses Maß an „Lebenserfahrung“543 erwartet. „Eine breite Berufs- und Lebenserfahrung“ qualifiziert den Coach, so Schreyögg.544 Denn erst wenn der Coach „selbst über eine reiche Lebenserfahrung verfügt und die Höhen und Tiefen beruflichen Daseins in verschiedenen Facetten an sich selbst erfahren hat […], besteht auch die Chance, dass er auf unterschiedlichste berufliche Konstellationen reagieren kann und sich im Dialog als ganzer Mensch auf sie einzustellen vermag.“545 Coaching-Erfahrung: Schließlich sollte ein Coach auch über eigene praktische „CoachingErfahrung“546 547 verfügen und eine „Coaching-/Beraterausbildung“548 abgeschlossen haben. Er sollte zudem „regelmäßige Fortbildung[en]“549 besuchen und sich in Kombination mit bereits vorhandener praktischer Berufserfahrung als Coach eine ausreichende Coaching-Kompetenz550 bzw. ausreichend „Coachingfähigkeiten“551 erarbeitet haben.
542
Looss (a), S. 192 f; vgl. entsprechend auch Roth/Brüning/Edler, S. 211, S. 219 f Rückle (b), S. 65; Rückle (a), S. 143; Böning (c), S. 48, S. 49; Vogelauer (c), S. 140; Rauen/ Steinhübel, S. 290: „Selbst- und Lebenserfahrung“; Looss/Rauen, S. 172; Looss (a), S. 189; Schwaemmle/Staehelin, S. 116; von Sassen/Vogelauer, S. 28; Heß/Roth, S. 158. Allerdings fügen Heß und Roth dieser Aussage auch hinzu, dass „unter Berücksichtigung der geringen biographischen Distanz zwischen Coach und Klient […] ein Berufsanfänger für eine Nachwuchsführungskraft geeigneter oder zumindest genauso geeignet sein kann wie ein erfahrender Coach.“ (Heß/Roth, S. 158) 544 Schreyögg (a), S. 124; vgl. auch Schreyögg (b), S. 244 545 Schreyögg (a), S. 126; vgl. ähnlich hierzu auch Wrede (b), S. 32 546 Heß/Roth, S. 52, S. 141, S. 157; Rauen (c), S. 63 547 Vgl. Heß/Roth, S. 141, S. 157; Rauen (c), S. 63; Böning (c), S. 48, S. 49, S. 51 548 Böning (c), S. 48, S. 49, S. 51; vgl. Looss (a), S. 191 f; Schwaemmle/Staehelin, S. 116; Rauen (c), S. 63; Heß/Roth, S. 52, S. 141, S. 157 549 Fischer-Epe, S. 238; vgl. auch Heß/Roth, S. 52, S. 141, S. 157; Rauen (c), S. 63 550 Vgl. Böning (c), S. 48, S. 49, S. 50 551 von Sassen/Vogelauer, S. 28 543
2.5 Der Coach
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2.5.2.3 Anforderungen an das Konzept des Coachs Nachdem die menschlich-sozialen Qualifikationskriterien sowie die Anforderungen an das Fachwissen und die praktischen Erfahrungen eines Coachs behandelt wurden, werden im Folgenden nun die konzeptionellen Kompetenzen thematisiert, die im Rahmen des Anforderungsprofils vor allem im professionellen Coachingumfeld ebenfalls zunehmend genannt werden. Im Gegensatz zu den bisherigen Ausführungen betrifft die Forderung „nach einer bündigen konzeptionellen Orientierung des Coachs“ dabei, nach Schreyögg, „eine ganz andere Kategorie von Ansprüchen, die in der Literatur bislang noch nicht verhandelt wurde“.552 Sie ist jedoch, so Schreyögg, „aus mehreren Gründen bedeutsam: Wenn Coaching zur Selbstgestaltung im Beruf beitragen soll, wäre es wünschenswert, daß dies auf der Basis von ausformulierten Konzepten geschieht; denn nur so erhält die gemeinsame Arbeit für Klienten die notwendige Transparenz553. Auch zur Etablierung von Coaching als eigenständiger Form der Beratung scheint die Entwicklung von entsprechenden Konzeptionen unverzichtbar. Erst auf diese Weise läßt sich nämlich eine Plattform für die weitere Fachdiskussion schaffen und eine Basis für Aus- oder Weiterbildung von Coaches.“554 Mittlerweile finden sich allerdings, entgegen der oben genannten Feststellung Schreyöggs, auch andere Autoren und Quellen, die das Thema der konzeptionellen Anforderungen an den Coach als wichtig erachten und mehr oder weniger intensiv thematisieren, wenn auch kaum in der gleichen Ausführlichkeit wie Schreyögg. So fordert beispielsweise auch der DBVC in seinen „Qualitätsaussagen zu Coaching-Weiterbildungen“ eine „bündige Konzeption“, worauf sich u.a. auch Rauen und Steinhübel in ihren Ausführungen beziehen.555 556 552
Schreyögg (a), S. 124 Die grundsätzliche Forderung nach „Methodenkompetenz“ (Böning (c), S. 48, S. 49) verbunden mit dem Anspruch Bönings an „Klarheit / Transparenz des Vorgehens“ im Coaching (Böning (c), S. 48, S. 49; vgl u.a. auch Ergebnis in der Studie der PEF Privatuniversität für Management, S. 11) beschreibt bereits einen wesentlichen Anspruch an die konzeptionellen Kompetenzen des Coachs. Eine Arbeitsweise, die „methodisch transparent“ sein muss, fordert u.a. auch Alwart von einem Coach, da ansonsten die Nachhaltigkeit eines Coachings und somit die Hilfe zur Selbsthilfe gefährdet wird. (Alwart (b), S. 35; vgl. Alwart (a)) Siehe zum Aspekt der Transparenz im Coaching auch die weiteren Ausführungen im Rahmen der menschlich-sozialen Anforderungen. Ein guter Coach verwendet keine manipulativen Techniken. (Vgl. Rauen (c), S. 54) „Seriöse Coachs arbeiten prinzipiell transparent und fördern Bewusstsein und Verantwortung der Gecoachten, da sie nicht manipulieren.“ (Rauen (c), S. 54) 554 Schreyögg (a), S. 124 555 DBVC (c), S. 1, S. 6; vgl. Rauen/Steinhübel, S. 301, S. 298 ff sowie darüber hinaus Rauen (d), S. 190 ff; Rauen (b), S. 284; Looss/Rauen, S. 162; Heß/Roth, S. 155; Roth/Brüning/Edler, S. 220 f; Schreyögg (a), S. 10, S. 11; Czichos, S. 69 553
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2 Was ist Coaching?
Um hier nun einen Überblick über die zu diesem Thema in der gängigen Literatur grundsätzlich behandelten Aspekte zu geben, werden im Folgenden die von Schreyögg und Rauen dargestellten Überlegungen bezüglich der Anforderungen an das Konzept des Coachs exemplarisch aufgezeigt. Denn ein einheitliches Coachingkonzept und allgemein einheitliche konzeptionelle Anforderungskriterien an die Vorgehensweisen der Coachs existieren bisher weder in der Literatur noch in der Praxis557, so dass auch anhand der folgenden Ausführungen lediglich die grundlegende Thematik exemplarisch verdeutlicht werden kann, ohne aber eine konkrete Aufstellung verbindlich existierender konzeptioneller Anforderungsstandards formulieren zu können. Da sich die Darstellungen von Schreyögg und Rauen als in der gängigen Coachingliteratur vergleichsweise ausführlich erwiesen haben, werden diese zur Verdeutlichung des Themas im Folgenden herangezogen. Zudem sei an dieser Stelle aber auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in vielen Veröffentlichungen die konzeptionellen Anforderungen an den Coach teils gar nicht angesprochen werden oder lediglich die Notwendigkeit des Vorhandenseins eines Coachingkonzepts kurz festgestellt wird.558 Konzeptionelle Anforderungen nach Schreyögg Gemäß den von Schreyögg aufgezeigten konzeptionellen Anforderungen an einen Coach sollte dieser, sofern er ernsthaft „beabsichtigt, das Selbstmanagement seiner Klienten zu fördern, […] idealerweise über ein Handlungsmodell [verfügen], dass er diesen gegenüber beschreiben und begründen kann. Es sollte vielfältige methodische, zielspezifische, theoretische usw. Aspekte enthalten, und es sollte auf einem möglichst deutlichen anthropologischen und erkenntnistheoretischen Fundament basieren.“559 In Schreyöggs Ausführungen gilt dabei „als basale Prämisse […], dass Anwendungsfälle eine unendliche Vielfalt aufweisen, die nur mit theorie- und methodenpluralen Konzepten abgedeckt werden kann. Psychotherapie, Pädagogik und Beratung, die sich dann aber wahllos jeder verfügbaren Theorie und jeder verfügbaren Methode bedienen, münden leicht in unreflektiertem Eklektizismus. […] Zur Vermeidung solcher Phänomene […] [empfiehlt sich nach Schreyögg] 556
Die verstärkte Thematisierung von konzeptionellen Anforderungen an den Coach kann darauf zurückgeführt werden, dass die Diskussion um die Formulierung von Qualitätskriterien und einheitlichen Qualitätsstandards für Coaching auch im Hinblick auf die Konzeption und Implementierung einer einheitlichen Ausbildung für Coachs immer intensiver geführt wird. (Siehe hierzu auch auf die Ausführungen in Kapitel 2.8 dieser Arbeit) 557 Vgl. auch Roth/Brüning/Edler, S. 220 558 Vgl. hierzu auch Schreyögg (a), S. 134 559 Schreyögg (a), S. 132
2.5 Der Coach
121
die Kreation von Handlungsmodellen, bei denen Theorien und Methoden auf begründete Weise in eine sogenannte Wissensstruktur integriert werden.“560 „Diese [Wissensstruktur] sollte Angaben enthalten über die Methodik, über methodische Anwendungszusammenhänge, über das diagnostische Inventarium und über die normative Basis, die dem gesamten Ansatz zugrunde liegt.“561 „Die Basis solcher Wissensstruktur bildet regelmäßig ein Meta-Modell, das einen Satz von anthropologischen und erkenntnistheoretischen Prämissen enthält. Es dient als Maßstab für alle diagnostischen und methodischen Elemente des Ansatzes. Das heißt, die jeweils verwendeten Theorien zur Strukturierung von Praxisereignissen und die Methodik zu ihrer Bearbeitung werden hier nicht nur nach rein pragmatischen Gesichtspunkten ausgewählt, sondern sie weisen jeweils Anschluß an die Prämissen des Meta-Modells auf. In diesem Sinn handelt es sich um deduktive Modellkonstruktionen, die mit der Formulierung von anthropologischen und erkenntnistheoretischen Prämissen starten. Eine nachgeordnete Ebene stellt einen Satz von Theorien dar, die zunächst entsprechend dem jeweiligen Gegenstand des Anwendungsmodells zu wählen sind. Theorien dienen ganz grundsätzlich der gedanklichen Strukturierung von realen Anwendungssituationen. Die theoretischen Konstruktionen sind aber jeweils auf ihre anthropologischen Implikate hin zu sortieren bzw. daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie mit den vorab formulierten anthropologischen Prämissen kompatibel sind. Die dritte Ebene eines Anwendungsmodells besteht in grundlegenden methodischen Anweisungen. […] Auf dieser Stufe eines Handlungsmodells sind Aussagen enthalten über die Ziele des Modells, die Art, wie Themen von Klienten […] in der aktuellen Beratungssituation rekonstruiert werden, Aussagen über die beabsichtigten Wirkungen des Modells, über den Interaktionsstil und die Handhabung von unterschiedlichen Beratungssituationen. Auch diese Ebene eines Modells muß zu den Prämissen des Meta-Modells in Beziehung stehen. Sie muß aber auch an Positionen der Theorie-Ebene angebunden sein. Die basalste Ebene eines Anwendungsmodells stellt seine Praxeologie dar. Hier sind die einzelnen methodischen Maßnahmen und prozessualen Anweisungen enthalten, die zur Realisierung von Zielen, zur Erzeugung von beabsichtigten Wirkungen usw. führen. Das potentielle Inventarium an methodischen Möglichkeiten ist auch daraufhin zu überprüfen, inwieweit es mit den vorhergehenden Ebenen kompatibel ist.“ 562
560
Schreyögg (a), S. 132 f Schreyögg (a), S. 144 sowie 132 ff 562 Schreyögg (a), S. 133 f; zum Ganzen ausführlicher auch Schreyögg (a), S. 134 ff 561
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2 Was ist Coaching?
Diesen grundlegenden konzeptionellen Überlegungen von Schreyögg folgend, ergeben sich vier wesentliche Anforderungskriterien an das Konzept eines Coachs bzw. „an die Wissensstruktur eines ausformulierten Coaching-Konzepts“: „Ihr sollte ein Meta-Modell mit anthropologischen563 und erkenntnistheoretischen564 Prämissen zugrunde liegen. Sie muss über ein breites theoretisches Rüstzeug verfügen, das speziell für die Managementberatung geeignet ist. Dieses Theorie-Inventarium steht idealerweise mit dem Meta-Modell des Coaching-Konzeptes in Beziehung. Die Wissensstruktur eines Coaching-Konzeptes sollte auch explizite Anweisungen über den Verwendungszusammenhang von Methoden enthalten, d.h. über Ziele, Rekonstruktionsformen, die beabsichtigten Effekte, den bevorzugten Interaktionsstil und die Handhabung von unterschiedlichen Coaching-Situationen. Diese Angaben sind idealerweise gleichfalls auf das Meta-Modell abgestimmt. Darüber hinaus muss die Wissensstruktur des Modells ein breites Methoden-Inventarium aufweisen, damit möglichst alle Anwendungsfälle von Managementberatung methodisch abgedeckt werden können. Dieses Methoden-Inventarium ist wieder auf alle vorhergehenden Ebenen abzustimmen. Daneben sollte die Wissensstruktur prozessuale Anweisungen enthalten.“565 Konzeptionelle Anforderungen nach Rauen Auch Rauen vertritt, wie Schreyögg, grundsätzlich die Ansicht, dass jeder professionelle Coach über ein Coaching-Konzept verfügen sollte.566 Dieses „sollte für den Klienten transparent sein und von ihm auch akzeptiert werden“567. Nach Rauen legt ein Coachingkonzept fest, „welche Methoden und Techniken ein Coach verwendet, wie angestrebte Prozesse ablaufen können und welche Wirkungszusammenhänge im Beratungsprozess zu berücksichtigen sind. Das 563 Schreyögg formuliert „vier grundlegende anthropologische Leitlinien“, die ihr „für ein qualifiziertes Coaching-Konzept relevant erscheinen“. Diese betreffen (1) die „individuelle Handlungsfreiheit“, (2) die „soziale Angewiesenheit“/„Sozialität“ sowie (3) die „Annahme, dass sich Menschen potentiell lebenslang entfalten“/kontinuierliche Selbstverwirklichung und (4) das „Verhältnis von Menschen zur Arbeit und zu Institutionalisierungen“/“maximale Identitätsentwicklung in der Arbeitswelt“. (Ausführlich hierzu Schreyögg (a), S. 136 f) 564 Schreyögg führt hierzu als Prämissen u.a. an: die subjektive Wahrnehmung und die Wahrnehmung komplexer Phänomengestalten durch Anreicherung von Perspektiven (z.B. durch Dialog). (Vgl. ausführlich in Schreyögg (a), S. 137 f) 565 Schreyögg (a), S. 134 566 Vgl. Rauen/Steinhübel, S. 298 sowie Rauen (b), S. 284; Rauen (d), S. 64 567 Rauen (d), S. 191
2.5 Der Coach
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Coaching-Konzept bildet somit das ‚Gerüst’ für jegliche Maßnahmen des Beraters.“568 Es „stellt die Basis der Beratungstätigkeit eines Coachs dar.“569 Dementsprechend sollen sich, wie Rauen des Öfteren betont, vor allem auch „die zur Verwendung kommenden Interventionen […] am Konzept des Coachs orientieren und dürfen diesem nicht entgegengerichtet sein.“570 So wäre es „z.B. nicht unmittelbar einsichtig, wenn ein grundsätzlich psychoanalytisch ausgerichteter Coach verhaltenstherapeutische Methoden verwendet.“571 Wie hier bereits deutlich wird, ist Rauen der Ansicht, dass „sich für einen individuellen Beratungsansatz wie das Coaching kein allgemeingültiges Konzept vorgeben lässt“ 572. Jeder Coach sollte dennoch zumindest sein eigenes Konzept entwickeln und sich dabei an bestimmten Richtlinien und Fragestellungen orientieren.573 Nach Rauen ist ein Konzept, das (mindestens) die im Folgenden genannten Punkte klärt, für alle Coachingmaßnahmen notwendig: Ein Coachingkonzept sollte „darüber Aufschluss geben, wie Methoden und Techniken verwendet werden (Ablauf), welche Methoden und Techniken verwendet werden, welche Absichten mit diesen Methoden verfolgt werden und welches Menschenbild dem Konzept zugrunde liegt.“574 Wie Rauen ferner darstellt, stehen „bei der Entwicklung eines Konzepts […] zunächst zwei Orientierungshilfen zur Verfügung: Das grundlegende Menschenbild des Coach bestimmt den groben Rahmen aller Maßnahmen, die mit dem Coaching angestrebten Ziele führen dann zur Auswahl konkreter Abläufe und einzelner Methoden. Ggf. sollte die Entwicklung eines Konzeptes zusammen mit anderen Personen durchgeführt werden, z.B. wenn mehrere Coachs beteiligt sind oder Anpassungen an die Ziele oder Unternehmenskultur des Klienten notwendig werden. Entwicklung und Verwendung eines Konzeptes sind somit Kennzeichen eines fundierten Coaching. Das unzusammenhängende ‚Abspulen’ einzelner Techniken - leider in populärer Literatur allzu oft vorexerziert - stellt hingegen keine ernsthafte Form von Beratung dar.“ 575 576 568
Rauen (d), S. 191; vgl. S. 175 Rauen/Steinhübel, S. 298 570 Rauen (d), S. 175 571 Rauen (b), S. 284; vgl. auch Rauen (d), S. 175 572 Rauen/Steinhübel, S. 298 573 Rauen/Steinhübel, S. 298 574 Rauen (d), S. 192 575 Rauen (d), S. 192 576 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen dass Rauen in einer gemeinsamen Veröffentlichung mit Steinhübel ebenfalls Anforderungen an das Coachingkonzept formuliert, die jedoch in ihrer Darstel569
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2 Was ist Coaching?
2.5.3 Arten von Coachs Grundsätzlich kann zwischen zwei Typen von Coachs unterschieden werden: den organisationsexternen und den organisationsinternen Coach. Als Coachs kommen folglich sowohl externe Personen, wie z.B. freiberuflich tätige Coachs oder Berater einer Unternehmensberatung, als auch Mitarbeiter aus dem eigenen Unternehmen, in der Regel aus der unternehmenseigenen Personal- bzw. Personalentwicklungsabteilung, in Frage.577 Darüber hinaus wird des Öfteren die Führungskraft als Coach benannt, die auch als Sonderform der internen Coachs gesehen werden kann. In Literatur und Praxis wird diese Variante jedoch kontrovers diskutiert 578, weshalb sie hier in einem gesonderten Kapitel betrachtet wird. Im Folgenden werden nun die verschiedenen Varianten von Coachs, das heißt der externe sowie der interne Coach und die Sonderform der Führungskraft als Coach, mit ihren jeweils spezifischen Vor- und Nachteilen vorgestellt.
lung von den hier genannten leicht abweichen. Gemäß den von Rauen und Steinhübel formulierten Anforderungen sollte ein Coachingkonzept Richtlinien und Fragestellungen zu den im Folgenden kurz aufgeführten Themenbereichen berücksichtigen bzw. beantworten (vgl. zum Ganzen ausführlich Rauen/Steinhübel, S. 298 ff): Definition/Coachingverständnis: Von elementarer Bedeutung ist die zugrundeliegende konkrete Definition von Coaching. „Mit der Erklärung des Begriffes definiert der Coach seine Arbeit“. (Rauen/Steinhübel, S. 298) „Methoden und Wirkungszusammenhänge im Coaching-Prozess“: „Entscheidend beim Einsatz von Methoden ist, ob der Coach die zur jeweiligen Situation passenden Methoden ableiten kann (was zusätzliche diagnostische Fähigkeiten und Kenntnisse erfordert) und diese Methoden mit einer angemessenen Haltung einsetzt.“ (Rauen/Steinhübel, S. 298) „Notwendige Rahmenbedingungen für ein Coaching“: Das Einhalten von Grundvoraussetzungen, wie Freiwilligkeit, gegenseitige Akzeptanz, Offenheit und Transparenz, Neutralität, Veränderungsbereitschaft, Vertrauen etc. ist zwingend notwendig. (vgl. Rauen/Steinhübel, S. 299) „Das konkrete Angebot eines Coachs und seine Besonderheiten“: „Kein Coach kann für jedes Anliegen geeignet sein, so dass Coachs i.d.R. spezialisiert sind. Dies kann z.B. in methodischer Hinsicht der Fall sein, aber auch in Bezug auf die Coaching-Variante, Zielgruppen, Branchen, Anliegen (meist eine Kombination dieser und weiterer Faktoren. Ferner bietet gerade eine individuelle Beratungsdienstleistung wie das Coaching Raum dafür, Besonderheiten anzubieten. Jedoch wird genau dieser Freiraum zuweilen genutzt, um Leistungen anzubieten, die einer seriösen Coaching-Praxis entgegenstehen.“ (Rauen/ Steinhübel, S. 299 f) „Die Haltung und das Menschenbild des Coachs“: „Auch eine ausgezeichnete Methodenkompetenz ist kein Garant für erfolgreiche Coaching-Prozesse. Entscheidend ist das Zusammenwirken von Können und Haltung. Letztere ist stark abhängig von dem Menschenbild, das die Arbeit des Coachs beeinflusst.“ (Rauen/Steinhübel, S. 300) 577 Vgl. Rauen (c), S. 22, S. 24 ff; Rauen (a), S. 114; Heß/Roth, S. 16 f; Schwaemmle/Staehelin, S. 110; Schreyögg (a), S. 189 578 Vgl. Heß/Roth, S. 17, S. 16; Rauen (c), S. 30; Rauen (a), S. 114; Rauen (d), S. 75 ff, S. 139; Fischer-Epe, S. 26 f; Schreyögg (a), S. 190, S. 198 f
2.5 Der Coach
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2.5.3.1 Externer Coach In der Praxis wird Coaching am häufigsten mit einem externen Coach (und in Form von Einzelcoachings) durchgeführt.579 Der organisationsexterne, also betriebsfremde Coach gilt aufgrund seiner außerhalb der Organisation angesiedelten Rolle als unvoreingenommen580 und „eher unparteiisch bzw. ‚kulturneutral’“581. Der externe Coach ist „nicht in das System der Klienten integriert und deshalb mit größerer Wahrscheinlichkeit in der Lage, eine neue und unbefangenere Sicht auf Probleme anzubieten”582; er bringt „andere Perspektiven“583 in die Betrachtung ein, hat eigene Erfahrungen mit verschiedenen anderen Unternehmen bzw. Kundengruppen584 und verfügt ggf. über „spezielle Expertise“585. So hat der externe Coach, im Vergleich zum organisationsinternen Coach und zu Führungskräften, aufgrund seiner regelmäßig größeren Distanz zum Unternehmen586 und seiner auch dadurch bedingten (Kultur-) Neutralität und Unabhängigkeit587 „eher die Möglichkeit, Disharmonien und Fehlfunktionen des Systems zu erfassen“ 588. Ferner kann der externe Coach dadurch, dass er nicht in das System des Klienten eingebunden ist, „also auch nicht von dessen Muster infiltriert” ist 589, „unbefangener neue Deutungs- und Handlungsmuster an den Klienten herantragen”.590 Der externe Coach kann „variabler interagieren, als wenn er dem System 579
PEF Privatuniversität für Management, S. 1, S. 3, S. 12; vgl. Rauen (c), S. 22; Vogelauer (d), S. 154, S. 161 580 Vgl. Rauen (c), S. 24; Schwaemmle/Staehelin, S. 111 581 Rauen (c), S. 24, S. 26; vgl. auch Rauen (a), S. 118; Schreyögg (a), S. 191; Roth/Brüning/Edler, S. 205 f; uni Magazin; Schwaemmle/ Staehelin, S. 111; Fischer-Epe, S. 26, S. 28; Looss/Rauen, S. 156, S. 159 Wie Looss und Rauen ausführen, ist der externe Coach „als unabhängiger und neutraler Berater […] nicht in unternehmenspolitische Interessen eingebunden und [kann] daher von einer nicht vorbelasteten Rolle profitieren […]. Genau diese Neutralität […] gilt es stets zu bewahren, der Coach ist daher auch weder Freund noch Gegner des Klienten. Vielmehr ist der Coach den gemeinsamen, erst im Beratungsprozess mit dem Klienten erarbeiteten Zielen verpflichtet. So ist es möglich, die notwendige Kombination aus beraterischem Engagement und reflektierender Neutralität sinnvoll umzusetzen.“ (Looss/Rauen, S. 159) 582 Schreyögg (a), S. 191; vgl. Schwaemmle/Staehelin, S. 111 583 Fischer-Epe, S. 28 584 Vgl. Schwaemmle/Staehelin, S. 110 585 Fischer-Epe, S. 28; vgl. Schwaemmle/Staehelin, S. 111 586 Vgl. Roth/Brüning/Edler, S. 205 587 Roth/Brüning/Edler, S. 206; vgl. Schwaemmle/Staehelin, S. 110 588 Roth/Brüning/Edler, S. 206 589 Looss/Rauen, S. 156, die hier auch von „Betriebsblindheit“ sprechen 590 Schreyögg (a), S. 193; vgl. auch Heß/Roth, S. 17; Schwaemmle/Staehelin, S. 111; Rauen (a), S. 118
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2 Was ist Coaching?
des Klienten angehörte. So kann er z.B. Fragen stellen, die im Hause des Klienten als Tabuthemen gehandelt werden. Er kann auch unübliche methodische Maßnahmen vorschlagen, also solche, die organisationsintern auf Befremden stoßen würden“.591 „Mit einem externen Berater als Dialogpartner konstelliert sich für Klienten [damit] immer eine neuartige Welt. In dieser gelingt es ihnen leichter, festgefahrene Verhaltensmuster über Bord zu werfen. […] So ergeben sich in solchem Rahmen vielfältigere Möglichkeiten von Rekonstruktionen und gezielter Veränderungsarbeit.“592 Als Beispiel, wann vor allem ein externer Coach besonders hilfreich sein kann, führt Schreyögg u.a die Begleitung innerorganisatorischer Veränderungen, beispielsweise aufgrund von Unternehmenszusammenschlüssen, im Rahmen der Personalarbeit an.593 Denn „strukturelle Korrekturen in Organisationen bleiben unverankert, wenn sie nicht mit neuen Führungsmustern gefüllt werden. Wenn man bedenkt, daß viele Firmen über Jahrzehnte hinweg ausgeprägt bürokratische Kulturen entwickelt haben, ist sofort einleuchtend, daß die heute notwendigen strukturellen Innovationen, die auch mehr Autonomie von den Mitarbeitern erfordern, häufig durch externe Berater gestützt werden müssen. Diese sind nämlich nicht in die ‚verkrustete’ Kultur integriert und somit auch nicht von ihr infiltriert. Coaching erhält hier die Funktion, soziale und konzeptionelle Managementkompetenzen der jeweiligen Führungskräfte zu fördern. 594 Dieses ‘Schicksal’ trifft heute [beispielsweise auch] viele Meister in der Automobilindustrie. Sie sollen dann z.B. ‚selbstgesteuerte Gruppen’ moderieren […]. Die ihnen bislang vertrauten Führungsformen, die oft nur im Anweisen und Überwachen bestanden, müssen jetzt zu Gunsten neuer, zum Selbstmanagement anregender Führungsstile gewandelt werden.“595 Darüber hinaus gelten organisationsexterne Coachs in der Regel auch dann gegenüber einem internen Coach als hilfreicher, wenn es um die Unterstützung der Klienten in individuellen Krisensituationen geht.596 Denn neben den bereits genannten Gründen, ist der Externe „weit weg von ihrem beruflichen Alltag […], so daß sich Bloßstellungsängste stark reduzieren“597. Es entsteht eher „eine At591
Schreyögg (a), S. 193; Schwaemmle/Staehelin, S. 111; Rauen (c), S. 26 Schreyögg (a), S. 193 und vgl. Schwaemmle/Staehelin, S. 111; Rauen (c), S. 26 f 593 Schreyögg (a), S. 194 f; vgl. auch Rauen (c), S. 27; Heß/Roth, S. 17 594 „Wenn in einem System grundlegend neue organisatorische Muster etabliert werden sollen, empfiehlt sich, [darüber hinaus] neben dem Einzel-Coaching der Führungskräfte vorübergehend auch Gruppen- oder Team-Coaching zu etablieren; denn je mehr Menschen sich in einem System mit dem Neuen intensiv befassen, desto rascher gestaltet sich die Umstellung, und desto weniger aktualisiert sich die ‚Resistance to Change’.“ (Schreyögg (a), S. 195) 595 Schreyögg (a), S. 194 f; vgl. Rauen (c), S. 27 596 Vgl. hierzu Schreyögg (a), S. 191 f; Heß/Roth, S. 17 597 Schreyögg, S. 191 592
2.5 Der Coach
127
mosphäre der Diskretion und Verschwiegenheit, die es möglich macht, offen zu reden, ohne um Ansehen und Position bangen zu müssen“598, was natürlich insbesondere für Einzelcoachings durch externe Coachs zutrifft. 599 Schreyögg spricht hier auch von einem „Vertrauensvorschuß“ 600 gegenüber dem externen Coach. Besonders für höherrangige Führungskräfte scheint diese Argumentation wesentlich zu sein - denn „generell gilt: je ranghöher die Zielgruppe, desto unabhängiger muss der Coach sein - was meistens auf eine organisationsexterne Lösung hindeutet“601, so Rauen. Entsprechend bestätigen auch Heß und Roth, dass insbesondere hochrangige Führungskräfte externe Coachs bevorzugen, und dies vornehmlich im Rahmen von Einzelcoachings.602 Wie Heß und Roth zusammenfassen, eignet sich vor allem der externe Coach durch seine besondere Position außerhalb der Organisation des Klienten „als Klärungshelfer für innere Verstrickungen, als sozialer Spiegel für Verhaltensweisen, Einstellungen, Gefühle und Gedanken des Klienten, als Diskussionspartner und nicht zuletzt als Sparringspartner für die Erprobung neu gelernter Verhaltensweisen“ 603. Die bisher als positiv bewertete Position des Coachs außerhalb des Unternehmens kann aber auch von Nachteil sein. Neben einer möglicherweise fehlenden „Fach- und Feldkompetenz“604, wird „oft […] angeführt, dem externen Coach fehle der notwendige Einblick in die internen Charakteristika der Organisation des Klienten“605. Allerdings könne diesem Argument entgegengehalten werden, so Roth, Brüning und Edler, dass Coaching ein Prozess ist, „der [ohnehin] in der Wahrnehmung des Klienten seinen (entscheidenden) Ausgangspunkt hat“.606 Rauen stellt die Stärken und Schwächen eines Coachings durch den externen Coach in einer Übersicht wie folgt dar: 607
598
Roth/Brüning/Edler, S. 205; vgl. Fischer-Epe, S. 26, S. 28; Heß/Roth, S. 17; Rauen (a), S. 118; Rauen (c), S. 26 599 Roth/Brüning/Edler, S. 205 600 Schreyögg (a), S. 191 f 601 Rauen (c), S. 23 602 Vgl. Heß/Roth, S. 17 603 Heß/Roth, S. 17; vgl. auch Roth/Brüning/Edler, S. 205 f 604 Fischer-Epe, S. 28 605 Roth/Brüning/Edler, S. 206 606 Roth/Brüning/Edler, S. 206 Entsprechend vertritt auch Whitmore die Ansicht, dass der Coach stärker mit den Erfahrungen und Wahrnehmungen des Gecoachten arbeiten sollte als mit seinen eigenen. „Gutes Coaching […] kann und sollte schließlich den Schützling über die Grenzen des Coaches […] hinausbringen.” (Whitmore, S. 17) 607 Zitiert aus Rauen (c), S. 25 f
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2 Was ist Coaching? Coaching durch den organisationsexternen Coach
Stärken Aufbau einer tragfähigen Beratungsbeziehung zu ranghohen Führungskräften Keine Rollenvorbelastung des Coachs und somit kein Beziehungsgefälle zwischen Coach und Gecoachtem Umfassendes Know-how aus anderen Organisationen wird mitgebracht (u.a. Personalentwicklungsmaßnahmen und -prozesse) Niedrigschwellige Verfügbarkeit einer personenzentrierten Beratungsdienstleistung Vertrauensbonus für den Coach, insbesondere, wenn dem Gecoachten Diskretion wichtig ist Kann ohne Wissen anderer Personen stattfinden Wenig Gefahr, auf Grund der Beratung stigmatisiert zu werden (‚Gesichtsverlust’) Keine Betriebsblindheit in Bezug auf die Organisation des Gecoachten Auch rein (betriebs)wirtschaftliche Leistungsziele werden verfolgt Führt möglicherweise zu Ergebnissen, die organisationsintern neu sind Keine Abhängigkeit vom Gecoachten und somit größere Objektivität Hat (im Vergleich zum coachenden Vorgesetzten) keine Kontroll- und Beurteilungsfunktion Kann auch die persönliche Entwicklung betreffen Richtet sich speziell an Personen mit Management-Aufgaben Kann in Form von Einzel-Coaching, als Gruppen-Coaching (samt dessen Unterformen) und in Mischformen stattfinden Dient neben dem Aufbau überfachlicher Kompetenz (Selbstreflexionsfähigkeit) auch dem Aufbau eher fachlicher Kompetenz (z.B. Präsentationsfähigkeit) Beinhaltet i.d.R. eine große Methodenvielfalt Spezialisierung auf ganz bestimmte Themen Gibt als Prozessberatung Hilfe zur Selbsthilfe und macht sich überflüssig Schwächen Bleibt meist von Sichtweisen aus zweiter Hand abhängig (von Schilderungen des Gecoachten) Kenntnisse über organisationsinterne Abläufe und Gegebenheiten müssen erst gewonnen werden Die Qualifikation des Coachs bleibt unter Umständen unklar, da es keinen allgemein akzeptierten Ausbildungsweg gibt Ein für bestimmte Anliegen qualifizierter Coach ist teilweise schwer zu finden Terminabsprachen sind oft kompliziert, da Coach und Gecoachter meist stark ausgelastet sind Kosten sind teilweise hoch
Abbildung 8:
Stärken und Schwächen des externen Coachs nach Rauen
2.5 Der Coach
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2.5.3.2 Interner Coach Der interne Coach stammt, im Gegensatz zum externen Coach, aus der jeweiligen Organisation, in der auch der Gecoachte tätig ist. Da die Sonderform der Führungskraft als Coach im nächsten Kapitel gesondert betrachtet wird, stehen im Folgenden als interne Coachs diejenigen Mitarbeiter im Fokus der Betrachtung, die hauptberuflich als Coach bzw. darüber hinaus auch ggf. im Rahmen anderer Personalentwicklungsmaßnahmen608 in der Organisation tätig sind. Organisatorisch sind diese internen Coachs in der Regel einer Stabsabteilung, überwiegend der Personalabteilung609 bzw. der Personalentwicklungsabteilung, oder auch konzerneigenen Personalentwicklungsunternehmen zugeordnet. 610 Der interne Coach hat neben seiner Rolle als Coach immer auch die Rolle als Mitglied der Organisation inne.611 Durch diese Doppelfunktion – einerseits als Coach und andererseits als Mitglied der Organisation des Klienten - verfügt der interne Coach, im Gegensatz zum Organisationsexternen, über weitreichende Kenntnisse bezüglich des Unternehmens und damit des Umfelds seines Klienten, „die bei der Bearbeitung von Problemen hilfreich sein können“612. 613 Er besitzt ausgeprägte organisationsinterne Informationen und hat eigene Erfahrungen sammeln können, er ist mit der Unternehmensstrategie und -kultur, der Geschichte und Tradition des Unternehmens sowie mit der Organisationsstruktur und den Geschäftsfeldern, in denen das Unternehmen tätig ist, vertraut.614 Er verfügt dabei auch über intime und inoffizielle Kenntnisse, wie informelle Beziehungsgeflechte, Normen und Tabus.615 Aber gerade aufgrund der Einbindung des Coachs in die Organisation des Klienten und seiner weitreichenden unternehmerischen Kenntnisse wird das Coaching mit einem internen Coach auch „vielfach als problematisch [gesehen], vor allem wegen der Rollenkonflikte, der mangelnden Neutralität und der erschwerten Verschwiegenheit“616, so ein Ergebnis der Untersuchung der Privat-
608
Vgl. Schwaemmle/Staehelin, S. 117 Vgl. Heß/Roth, S. 17 610 Vgl. u.a. Rauen (c), S. 27; Rauen (a), S. 114; uni Magazin; Heß/Roth, S. 17; Schreyögg, S. 200; Schwaemmle/Staehelin, S. 113 611 Vgl. Schwaemmle/Staehelin, S. 110 612 Rauen (a), S. 119 613 Vgl. Schreyögg, S. 190 f, S. 200; uni Magazin; Fischer-Epe, S. 28; Rauen (a), S. 123 614 Vgl. auch Schwaemmle/Staehelin, S. 110 f 615 Vgl. Schwaemmle/Staehelin, S. 111; Rauen (a), S. 123 sowie Schreyögg, die hier vom Vorhandensein „ausgeprägter Insiderkenntnisse“ spricht. (Schreyögg (a), S. 200) 616 Privatuniversität für Management, S. 3; vgl. S. 11 609
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2 Was ist Coaching?
universität für Management. 617 Demnach werden „Berater, die gleichzeitig eine Beziehung zu ihrem Klienten aufbauen und dem gleichen Unternehmen angehören, relativ bald in eine Zwickmühle geraten: Immer dann, wenn in ihrer Beratungsarbeit der Interessengegensatz zwischen den Absichten des Unternehmens und denen der beratenen Führungskraft auftaucht, erwächst ihnen ein Loyalitätsproblem. Der interne Berater ist also in Thematik, Reichweite und Intensität seiner Arbeit durch seine organisatorische Einbindung begrenzt […]. Er kann nur solche Beratung durchführen, bei denen auch vom Klienten akzeptiert wird, daß sie eindeutig im Sinne des unternehmensorientierten Verwertungsinteresses auf die Wiederherstellung oder Steigerung der Leistungsfähigkeit und Qualifikation angelegt sind. Für Fragen, die den Konflikt zwischen Führungskraft und Unternehmen problematisieren, ist der ‚Interne’ nicht der richtige Partner, weil die entstehenden Parteilichkeitskonflikte ihm seine Handlungsmöglichkeit und Unabhängigkeit begrenzen.“618 Ein wesentliches „Konfliktpotenzial […] [besteht also gerade darin], sowohl der Organisation als auch dem gecoachten Mitarbeiter verpflichtet zu sein. Eine Gefährdung der beraterischen Neutralität muss“, so Rauen, daher auch „offen mit dem Mitarbeiter geklärt werden. Faktisch hat dies die Konsequenz, dass das Coaching inhaltlich auf Ziele begrenzt ist, die sowohl im Interesse der Organisation als auch der Mitarbeiter liegen […].“619 Als Beispiele, wann Coaching durch einen internen Coach vorteilhaft sein kann, führt Schreyögg dementsprechend „das Coaching von Führungskräften bei der Einführung von Newcomern und das Coaching von Führungskräften bei der Begleitung von Mitarbeitern vor ihrem Ruhestand“ an.620 Der interne Coach verfügt also durch seine Funktion als Mitglied des Unternehmens einerseits zwar grundsätzlich über mehr unternehmerisches Wissen, ist aber andererseits nicht so unbefangen und neutral wie der externe Coach.621 Ihm fehlt die nötige Distanz zu den bestehenden Werten und Zielen der Organisation und damit die (kultur-)neutrale und „unbefangene Sicht auf organisationsinterne 617
Auch von Sassen und Vogelauer sehen Doppel- und Mehrfachrollen von Coachs kritisch: „In der Praxis wird der Zusammenhang des Coach mit dem zu coachenden (Coachee) in weiteren, über die Coaching-Beziehung hinausführenden Beziehungen unterschätzt. Im Alltag spielen diese oft im Hintergrund befindlichen Beziehungsstrukturen eine wichtige bis entscheidende Rolle. Aus der eigenen Erfahrung im Coaching sowie der Arbeit in der Organisations- und Personalentwicklung zeigt sich, dass verschiedentlich ‚Doppel- oder Mehrfachrollen’ bis zur Unvereinbarkeit mit der Coaching-Arbeit führen. Probleme bei der Umsetzung bzw. der Akzeptanz sind immer wieder darauf zurückzuführen.“ (Von Sassen/Vogelauer, S. 13) 618 Looss (a), S. 201 619 Rauen (c), S. 28; vgl. auch Rauen (a), S. 124; Heß/Roth, S. 17; uni Magazin 620 Schreyögg (a), S. 201 621 Vgl. Heß/Roth, S. 17; Schwaemmle/Staehelin, S. 110; Fischer-Epe, S. 27; Rauen (a), S. 119; Looss (a), S. 201
2.5 Der Coach
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Vorgänge“622 („Gefahr der Betriebsblindheit in Bezug auf die Organisation des Gecoachten“623). 624 Dies kann auch zu einer entsprechenden Einschränkung der Flexibilität des internen Coachs, z.B. bei der Umsetzung neuer Deutungs- und Handlungsmuster oder der Suche nach individuellen neuen Verhaltensalternativen führen.625 So haben interne Coachs auch oftmals Schwierigkeiten, neue Entwicklungen in ihrem Unternehmen zu begleiten, wofür jedoch nicht fachliches Defizit ursächlich ist, sondern vielmehr „das Verwobensein in hausspezifische Kulturmuster“.626 Ferner können mit der Mitgliedschaft des Coachs in der Organisation und der damit verbundenen Nähe zum beruflichen Alltag des Klienten auch auftretende Zweifel an der Diskretion und mögliche Bloßstellungsängste sowie Misstrauen seitens des Klienten einhergehen.627 Dies ist nach Rauen besonders dann der Fall, wenn der interne Coach organisatorisch der Personalabteilung zugeordnet wird.628 „Es besteht in einer solchen Konstellation die Gefahr, dass die Mitarbeiter den Coach als personifiziertes Assessment Center missverstehen und eine verdeckte Personalauswahl und -beurteilung befürchten. Damit wäre jedwede beraterische Tätigkeit unmöglich geworden. Die bisher beste Lösung für dieses Problem besteht darin, für den internen Coach eine unabhängige Stabsstelle zu schaffen […].“629 Auch dann sollten die Coachings aber mit den übrigen Personalentwicklungsmaßnahmen abgestimmt werden; allerdings aufgrund der im Coaching priorisierten Vertraulichkeit ohne die Inhalte der jeweiligen Coachings gegenüber Dritten zu thematisieren.630 Unterschiede zwischen internen und externen Coachs bestehen in der Regel auch bezüglich der „hierarchischen Beschränkung des Einsatzgebietes interner Berater“631.632 Während externe Coachs auch von hochrangigen Führungskräften in Anspruch genommen werden, gelten „interne Berater […] [häufig] als hierarchisch nicht ausreichend hoch angesiedelt, um höheren Managern auf gleichwer622
Schreyögg (a), S. 205 Vgl. Rauen (c), S. 29 Vgl. auch Rauen (c), S. 29; Looss (a), S. 169 ff; Schwaemmle/Staehelin, S. 112; Fischer-Epe, S. 28 625 Vgl. Schreyögg (a), S. 191, S. 193; Schwaemmle/Staehelin, S. 111 626 Schreyögg (a), S. 205 627 Vgl. Rauen (c), S. 29; Rauen (a), S. 119; Schreyögg (a), S. 191; Roth/Brüning/Edler, S. 206 628 Vgl. Rauen (c), S. 27; Roth/Brüning/Edler, S. 206 629 Rauen (c), S. 27 f; vgl. Rauen (a), S. 124; Roth/Brüning/Edler, S. 206 630 Vgl. Rauen (c), S. 28 631 Looss (a), S. 202 632 Vgl. auch Schwaemmle/Staehelin, S. 115, S. 118; Rauen (a), S. 119 623 624
132
2 Was ist Coaching?
tiger Ebene begegnen zu können.“633 „Wo beim ‚externen’ der Maßstab für eine hierarchische Einordnung fehlt und deswegen die Statushöhe nicht bestimmt werden kann, bleibt beim Internen immer noch die offene Frage, ob ein Bereichsleiter sich von einem Fachreferenten des gleichen Unternehmens ‚etwas sagen lassen’ kann, nur weil das Gespräch als Beratung oder ‚Coaching’ benannt ist. Der interne Berater muß schon eine sehr souveräne Persönlichkeit sein, wenn er dieses Statusgefälle durch seine gekonnten Beziehungsangebote überlagern will.“634 „Die zunehmende Isolierung der Manager im oberen Drittel der Hierarchie führt zu einem Mangel an loyalen und vertrauenswürdigen Gesprächspartnern innerhalb des Unternehmens. Der Coach ist hier - subsidiär zu einem eng gefassten Coachingverständnis - gefragt als Beziehungspartner, als Sparringspartner und Spiegel. Gleichzeitig werden externe Coaches gesucht, um die psychologischen und sozialen Defizite, die speziell mit den Herausforderungen der oberen Führungskräfte verbunden sind, zu bearbeiten. Lediglich im Rahmen eines externen Coachings kann diese Nähe zugelassen werden. In aller Regel hat sich deshalb die Praxis herausgebildet, daß interne Coaches sich eher auf Klienten unterhalb des Top Managements (der Geschäftsleitung etc.) beschränken.“635 Abschließend lassen sich die Stärken und Schwächen eines Coachings durch den internen Coach nach Rauen wie folgt darstellen: 636
633
Looss (a), S. 202; vgl. Rauen (c), S. 28; Schwaemmle/Staehelin, S. 118; Rauen (a), S. 119, S 123 Looss (a), S. 202 f Ferner führt Looss zu dieser Problematik weiter aus: „Hier sitzt eine ständige Frustrationsquelle für interne Berater, die ihre ausgebauten methodischen Qualifikationen aus ‚organisationskulturellen Gründen’ nicht einsetzen dürfen, weil höhere Führungskräfte die angestrebte Beziehungsqualität der Beratung nicht aushalten und sich benehmen, als ließen sie sich von einem rangniederen Referenten mal eben informieren oder etwas zeigen oder Bericht erstatten.“ (Looss (a), S. 202 f) 635 Schwaemmle/Staehelin, S. 118 636 Zitiert aus Rauen (c), S. 28 f 634
2.5 Der Coach
133 Coaching durch den organisationsinternen Coach
Stärken Aufbau einer tragfähigen Beratungsbeziehung zu mittleren und unteren Führungskräften Ist nicht nur von Sichtweisen aus zweiter Hand abhängig (den Schilderungen des Gecoachten), sondern kennt die organisationsinternen Abläufe und Gegebenheiten Die Qualifikation des Coachs kann von der Personalabteilung koordiniert werden, der Ausbildungsweg wird überprüfbar Niedrigschwellige Verfügbarkeit einer personenzentrierten Beratungsdienstleistung, bei richtiger Platzierung des Coachs Kosten sind relativ genau berechenbar Auch rein (betriebs-)wirtschaftliche Leistungsziele werden verfolgt Keine direkte Abhängigkeit vom Gecoachten und somit größere Objektivität Hat (im Vergleich zum coachenden Vorgesetzten) keine Kontroll- und Beurteilungsfunktion Erweiterung der internen Personalentwicklung; kann auch die persönliche Entwicklung fördern Richtet sich speziell an Personen mit Management-Aufgaben Kann freiwillig begonnen und beendet werden Kann in Form von Einzel-Coaching, als Gruppen-Coaching (samt dessen Unterformen) und in Mischformen stattfinden Dient neben dem Aufbau überfachlicher Kompetenz (Selbstreflexionsfähigkeit) auch dem Aufbau eher fachlicher Kompetenz (z.B. Präsentationsfähigkeit) Beinhaltet i.d.R. eine große Methodenvielfalt Spezialisierung auf ganz bestimmte Themen Gibt als Prozessberatung Hilfe zur Selbsthilfe und macht sich überflüssig Schwächen Wird von hohen Führungskräften nicht akzeptiert, weil der interne Coach nicht ranghoch genug ist und ein Beziehungsgefälle wahrgenommen wird Kann als Teil der Organisation nur bedingt eine andere Sichtweise einnehmen. Gefahr der Betriebsblindheit in Bezug auf die Organisation des Gecoachten Umfassendes und aktuelles Know-how aus anderen Organisationen fehlt Ist als interner Berater bekannt, eine Rollenvorbelastung droht immer Lohnt sich nur, wenn der interne Beratungsbedarf sehr hoch und langfristig ist Ein interner Coach ist nicht für alle Anliegen geeignet. Für spezifische Anliegen muss ggf. noch ein externer Coach engagiert werden Zweifel an der Diskretion, insbesondere, wenn darauf besonderer Wert gelegt wird Findet faktisch fast nie ohne Wissen anderer Personen statt Bei einer entsprechenden Organisationskultur besteht die Gefahr, auf Grund der Beratung stigmatisiert zu werden (‚Gesichtsverlust’) Ermöglicht eher selten Ergebnisse, die organisationsintern neu sind
Abbildung 9:
Stärken und Schwächen des internen Coachs nach Rauen
134
2 Was ist Coaching?
2.5.3.3 Führungskraft als Coach In Literatur und Praxis wird des Öfteren auch die Führungskraft als möglicher Coach thematisiert637, was jedoch allgemein kontrovers diskutiert wird. Einige Experten lehnen den Vorgesetzten als Coach sogar ganz ab. Grundsätzlich kann die umstrittene Variante des Vorgesetzten als Coach als eine Sonderform des Coachings durch einen internen Coach bezeichnet werden, da sowohl die hauptberuflichen Coachs (im vorangegangenen Kapitel als ‚interne Coachs’ bezeichnet) als auch die Führungskräfte in der Organisation ihrer Klienten tätig sind.638 Neben den nachfolgend dargestellten speziellen Vor- und Nachteilen des Coachings durch die Führungskraft gelten daher auch die bereits zum internen Coach angeführten Vor- und Nachteile, die auf der Mitgliedschaft des Coachs in der Organisation des Gecoachten basieren. Nach Rauen und Rückle kann das sog. ‚Vorgesetzten-Coaching’ als eine Coaching-Variante beschrieben werden, bei der der Vorgesetzte eines Mitarbeiters als Coach aus der Linie fungiert 639, „indem er seine Mitarbeiter im Rahmen eines klar definierten Personalentwicklungskonzepts zielgerichtet und entwicklungsorientiert führt. Ein häufig gesetzter Schwerpunkt liegt hier in der Führung und Betreuung neu in die Organisation eingetretener (Nachwuchs-)Führungskräfte. Dennoch hat der Vorgesetzte diese Führungsaufgabe generell allen Mitarbeitern gegenüber wahrzunehmen und in der Regel ist seine CoachingFunktion auch nicht zeitlich begrenzt.“640 „Grundsätzlich sehen die Befürworter des Coachings durch den Vorgesetzten […] die Notwendigkeit dieser Beratungsform darin begründet, dass es originäre Aufgabe einer Führungskraft ist, bei Problemen ihrer Mitarbeiter unterstützend einzugreifen. Um dies effizient leisten zu können, ist eine tragfähige Beziehung zum Mitarbeiter nötig, die als Voraussetzung für eine erfolgreiche Führungsarbeit gesehen werden kann. Somit benötigt der Vorgesetzte die ‚CoachingKompetenz’ […] - also u.a. die Fähigkeit, Beziehungen aktiv zu gestalten - nicht nur für das Coaching, sondern generell für seine Arbeit.“641 Dadurch, dass dem Vorgesetzten die Rolle als Coach zugesprochen wird, „wird der Führungskraft einerseits ihre Verantwortung für die Mitarbeiter verdeutlicht und andererseits die Bedeutsamkeit einer tragfähigen Beziehung zu den Mitarbeitern als Grundla637
Vgl. u.a. Rückle (b), S. 66; Rauen (c), S. 30 ff; Rauen (a), S. 120 ff; Schreyögg (a), u.a. S.198 ff; König/Volmer, S. 12; Looss (a), u.a. S. 147 ff; Fischer-Epe, u.a. S. 19, S. 26 f; Bayer (a), S. 96 f; von Sassen/Vogelauer, S. S. 15 f; Roth/Brüning/Edler, S. 206; Dopfer, S. 30 ff 638 Vgl. hierzu auch von Sassen/Vogelauer, S. 14 639 Vgl. auch Schreyögg (a), S. 198 640 Rauen (a), S. 120; vgl. ebenso Rückle (b), S. 72 f 641 Rauen (c), S. 31; ähnlich hierzu auch Dopfer, S. 30
2.5 Der Coach
135
ge für die Führungsaufgabe hervorgehoben.“642 Wie Looss formuliert, wird mit Hilfe des Coachings durch den Vorgesetzten angestrebt, die „Betreuungsintensität zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern“643 zu erhöhen. Rückle sieht im Coaching durch den Vorgesetzten zudem die „Chance für die Entwicklung einer Lernpartnerschaft, die besonders bei Führungsnachwuchs“ 644 sowie bei der „Einführung und Betreuung neu ins Unternehmen eingetretener Mitarbeiter“ 645 hilfreich ist. Diese Ansicht teilt auch Rauen, der hierzu ferner anmerkt, dass damit allerdings „teilweise [auch] die Grenzen zum Mentoring aufgehoben sein dürften“646. Als weitere Vorteile werden genannt, dass sich die Coachinggespräche zwischen Mitarbeiter und Führungskraft „unauffällig und natürlich in den Arbeitsalltag einbetten“ 647 lassen und sich der Vorgesetzte in den spezifischen Arbeitsgegebenheiten sowie in den konkreten fachlichen Details der Aufgaben seines Mitarbeiters gut auskennt. 648 „Im Idealfall […] [ist der Vorgesetzte zudem] unabhängig und souverän genug, um seinem Mitarbeiter wesentliche Eigenerfahrungen in einer schwierigen Situation nicht abzunehmen, die Situation also lernträchtig zu lassen statt auf Erledigung zu drängen.“649 Die Kritiker des Vorgesetzten-Coachings vertreten hingegen die Ansicht, dass die Variante des Coachings durch die Führungskraft „eine gewisse Unverträglichkeit“650 birgt und der Vorgesetzte tatsächlich gar „nicht als Coach im eigentlichen Sinne fungieren kann“651.652 Sie führen hierzu im Wesentlichen folgende Argumente an: 642
Rauen (a), S. 121 Looss (a), S. 152 644 Rückle (b), S. 73 645 Rückle (b), S. 73 646 Rauen (c), S. 31 647 Fischer-Epe, S. 26 f 648 Vgl. Looss (a), S. 80; Fischer-Epe, S. 26 f 649 Looss (a), S. 80; vgl. Czichos, S. 54 650 Roth/Brüning/Edler, S. 206 651 Schreyögg, S. 190 652 Vgl. entsprechend hierzu u.a. Schreyögg, S. 190, S. 199; Roth/Brüning/Edler, S. 206; Looss (a), S. 147 ff; Jung, S. 137 f sowie ansatzweise auch Rauen (a), S. 122 und Rückle (b), S. 71 ff. Anderer Auffassung hierzu u.a. Doppler, S. 430; Whitmore, S. 20 f sowie Fischer-Epe, S. 19, die aber durchaus auch kritische Punkte anspricht. Während beispielsweise Schreyögg deutlich macht, dass ihrer Ansicht nach ein Vorgesetzter „nicht als Coach im eigentlichen Sinne fungieren kann” (Schreyögg (a), S. 190), vertreten u.a. Whitmore und Doppler die Meinung, dass dies unter bestimmten Voraussetzungen durchaus ginge. Wobei Whitmore gleichzeitig jedoch einschränkend feststellt, dass die Führungskraft dafür „ausgesprochen gute Eigenschaften“ aufweisen müsse: „Einfühlungsvermögen, Integrität und Unvoreingenommenheit ebenso wie in den meisten Fällen die Bereitschaft, mit seinen Mitarbeitern gänzlich anders 643
136
2 Was ist Coaching?
Coaching durch den Vorgesetzten ist in der Regel als entwicklungsorientiertes Führungsverhalten bzw. als partnerschaftlicher und entwicklungsorientierter Führungsstil653 zu verstehen.654 Damit ist es eher ein besonderer Führungsstil bzw. eine spezielle Führungsaufgabe als ein Coaching im eigentlichen Sinne.655 So versteht es z.B. Schreyögg als eine ganz „grundlegende Aufgabe jedes Vorgesetzten […], die ihm unterstellten Mitarbeiter bei Erfüllung ihrer Aufgaben zu beraten […], Newcomer bei ihrer Integration ins Haus zu unterstützen, Mitarbeiter bei neuen Aufgabenstellungen zu begleiten usw. Solche Vorgesetztenfunktionen sollten […] fachlich und menschlich qualifiziert wahrgenommen werden. Und das, was ältere Autoren begrifflich als ‚menschlich-orientiertes Führungsverhalten’ beschreiben, wird nun bei neueren Autoren plötzlich als ‚Coaching’ bezeichnet.“656 Schreyögg argumentiert weiter, dass sich zwar aufgrund der „’Lean’-Debatte“ und den vielfach implementierten strukturellen Veränderungen in Organisationen - die in der Regel darauf abzielen, die Organisationsstrukturen zu verschlanken (Abbau von Hierarchieebenen und somit auch Senken der Mitarbeiterzahl), die Unternehmen zu entbürokratisieren und gleichzeitig zu flexibilisieren - auch eine neue, moderne Führungshaltung entwickelt hat, die den Mitarbeitern mehr Handlungs- und Entscheidungsspielräume lässt und somit stärker auf eine Förderung des Selbstmanagements ausgerichtet ist.657 Dennoch ist diese moderne, „besonders differenzierte Führungshaltung […] nicht als Coaching im eigentlichen Sinne zu bezeichnen […]. Der Begriff Coaching sollte ja, wenn er nicht gänzlich unscharf werden soll, für individuelle Formen der Personalentwicklung oder für gesonderte Formen des Konflikt- bzw. Krisenmanagements reserviert bleiben. Und derartige Aufgaben lassen sich im Rahmen einer Vorgesetzten-Untergebenen-Interaktion nicht realisieren“658, worauf auch die weiteren, im Folgenden aufgeführten Argumente der Kritiker abzielen.
umzugehen. […] Er muß womöglich sogar mit anfänglichem Widerstand seitens einiger seiner Mitarbeiter fertig werden, die jedem Abweichen vom traditionellen Management mißtrauisch gegenüberstehen.”( Whitmore, S 20 f ) Entsprechend gibt auch Doppler zu bedenken, dass die Führungskraft, um Coach sein zu können, allerdings „besonders erfahren und sozialkompetent” sein müsse und selbst dann könne, „wer mit einem anderen durch direkte Arbeitsbeziehungen im Tagesgeschäft verbunden ist, […] nicht sein völlig unbefangener Berater sein”. (Doppler, S. 430) Einen kurzen Überblick über die Diskussion bietet darüber hinaus auch Heß/Roth, S. 17. 653 An anderer Stelle spricht Fischer-Epe auch von einem „personen- und entwicklungsorientierten Führungsstil“ (Fischer-Epe, S. 19). 654 Vgl. Fischer-Epe, S. 19, S. 225; Rauen (c), S. 30; Rückle (b), S. 72; Bayer (b), S. 209 655 Vgl. hierzu Schreyögg, S. 198 f; Rauen (a), S. 122; Looss (a), S. 76 ff, S. 148 f 656 Schreyögg (a), S. 198; vgl. Bayer (a), S. 96; König/Volmer, S. 11 657 Vgl. Schreyögg (a), S. 198 f 658 Schreyögg (a), S. 199; ähnlich hierzu auch Looss (a), S. 76 ff
2.5 Der Coach
137
Coaching durch den Vorgesetzten wird zwar auch als die ursprüngliche Coaching-Variante bezeichnet, die noch heute im angloamerikanischen Raum weit verbreitet ist.659 Allerdings hat sich das Coaching in den letzten Jahrzehnten stark weiterentwickelt, so dass - besonders im deutschsprachigen Raum - Coaching durch den Vorgesetzten heute „mit der aktuellen Praxis des Coachings kaum noch in Einklang zu bringen“ ist.660 Auch beispielsweise Rückle und Looss führen hierzu aus, dass „Coachingmaßnahmen durch Führungskräfte […] hauptsächlich in den USA realisiert [wurden]. Diese Maßnahme und die daraus gezogenen Erkenntnisse sind auf andere Kulturen [jedoch] nur bedingt übertragbar. [Denn] die Beziehung der amerikanischen Führungskräfte zu ihren Mitarbeitern enthält bereits in ihren Grundlagen die Betreuung bis hinein in persönliche Belange, die z.B. in Deutschland so nicht möglich wäre.“661 Tatsächlich werden im deutschsprachigen Raum bei Coachings, die von Führungskräften durchgeführt werden, „persönliche Probleme […] meist nicht thematisiert.“ 662 Coaching durch den Vorgesetzten erlangt damit eine stark fachliche bzw. formale Ausrichtung.663 „In diesem Fall stellt sich aber die berechtigte Frage, ob eine derartige fachliche Betreuung von Mitarbeitern nicht selbstverständlich von jeder Führungskraft erwartet werden kann, ohne dies ausdrücklich ‚Coaching’ zu nennen.“664 Ferner ist umstritten, ob eine derartige, ausschließlich auf die rein fachliche Ebene bezogene Beratung überhaupt noch ein Coaching darstellt.665 Grundsätzlich sieht auch Schreyögg die Thematisierung persönlicher Aspekte im Vorgesetzten-Coaching problematisch: „Vorgesetzte müssen ja generell sorgfältige thematische Grenzen einhalten und sich auf die Personalführung im engeren Sinne beschränken. Das Eindringen etwa in die Intimsphäre von Mitarbeitern durch Vorgesetzte ist ethisch problematisch und kann zur generellen Schwächung der Beziehung führen. Selbst rein fachliche Krisen sind selten ohne Probleme in der Beziehung zu verhandeln, denn neben ihrer Förderungsfunktion haben ja Vorgesetzte immer auch Beurteilung- und Kontrollfunktionen.“ 666 Diese Doppelfunktion des Vorgesetzten einerseits als Führungskraft und andererseits als Coach begründet einen weiteren zentralen Kritikpunkt am Vorgesetzten-Coaching. Als Führungskraft ist der Vorgesetzte seinem Mitarbeiter hierarchisch übergeordnet, somit weisungsbefugt, und nimmt eine Kontroll- und 659
Vgl. Rauen (c), S. 30; Rauen (a), S. 120, S. 121; Looss (a), S. 147; Fischer-Epe, S. 19; Bayer (a), S. 96; König/Volmer, S. 11 660 Rauen (c), S. 30 f, Fn 6; vgl. König/Volmer, S. 11 661 Rückle (b), S. 74; vgl. Looss (a), S. 147; Rauen (c), S. 31; Rauen (a), S. 121 662 Rückle (b), S. 73; vgl. u.a. Rauen (c), S. 31; Looss (a), 147; Schreyögg (a), S. 199 f 663 Vgl. Rückle (b), S. 73 664 Rauen (a), S. 122, vgl. auch S. 121 665 Rauen (c), S. 31 666 Schreyögg (a), S. 199 f; vgl. auch Rauen (c), S. 31; Rauen (a), S. 121
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2 Was ist Coaching?
Beurteilungsfunktion wahr, die sich in der Regel nur schwer - wenn überhaupt mit der neutralen und vertraulichen Rolle als Coach vereinbaren lässt.667 Darüber hinaus ist der Vorgesetzte „sowohl der Organisation als auch dem gecoachten Mitarbeiter verpflichtet“668. Es entsteht das Problem der „Beziehungskonfusion“669 bzw. der „Rollenkonfusion“670 .671 Fischer-Epe beschreibt diese Problematik auch mit dem Begriff der doppelten Loyalität672: „Für den Lern- und Entwicklungsprozess des Mitarbeiters ist es wichtig, ihn partnerschaftlich wertschätzend zur Selbstorganisation anzuregen. Der Vorgesetzte steht aber vielleicht selbst unter Druck und braucht eine schnelle Verhaltensänderung des Mitarbeiters. Außerdem bewertet und beurteilt er am Ende auch dessen Leistungen und entscheidet über seine weiteren Karrieremöglichkeiten.“673 „Im Zweifelsfall ist die Neutraliät des Coachs [aufgrund seiner Doppelrolle] damit stark gefährdet - ein Umstand, dessen sich die Mitarbeiter natürlich bewusst sind, was eine echte Beratung nahezu unmöglich machen dürfte.“674 Beim Coaching durch den Vorgesetzten besteht immer die Gefahr, dass die im Rahmen des Coachings gewonnenen Erkenntnisse die Führungskraft in ihrer Bewertungsfunktion (sei es bewusst oder unbewusst) beeinflussen.675 Auch Looss argumentiert: „Wer sich beraten läßt, wird in hohem Maße auch in Personenanteilen erkennbar, die üblicherweise im Rollenkontakt nicht gezeigt werden. Wer sich beraten läßt, zeigt sich. Es bleibt immer die Gefahr, daß der Vorgesetzte aus seiner Führungsfunktion ‚Leistungsbewertung’ nicht herauskommt und die ihm sichtbar gewordenen Problemlagen des Mitarbeiters 667 Vgl. hierzu u.a. auch Rauen (a), S. 122; Rückle (b), S. 72; von Sassen/Vogelauer, S. 15; FischerEpe, S. 225 f; Czichos, S. 54 f 668 Rauen (a), S. 122; vgl. auch Fischer-Epe, S. 27, S. 225 669 Looss (a), S. 149 670 Rauen (a), S. 122 671 Vgl. ferner Roth/Brüning/Edler, S. 206; Heß/Roth, S. 17 sowie Rückle (b), S. 72: „Nach meinem Verständnis fallen die Weisungsbefugnis und der Status des Vorgesetzten und alle Rechte und Pflichten in der Rolle des Coach fort. Der Coach kann nur Freund und Begleiter, nicht aber ein in der Hierarchie höher Stehender sein. Wenn die Rollengestaltung nicht sauber definiert und getrennt ist, kann es für die Führungskraft als Coach zu erheblichen Konflikten kommen.“ 672 Vgl. Fischer-Epe, S. 27 673 Fischer-Epe, S. 27 Diesen Ausführungen fügt Fischer-Epe noch hinzu, dass „ein ‚Beziehungsverrat’“ drohe, „wenn diese doppelte Loyalität nicht transparent gemacht“ werde. (Fischer-Epe, S. 27) Anderer Ansicht ist hierzu Looss: „Was ein Vorgesetzter tut, ist praktisch immer und kraft seiner Rolle zielorientierte Einwirkung auf den Mitarbeiter und fast nie interessenfreie Beratung. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Vorgesetzte sein Loyalitätsproblem formuliert und um Verständnis bittet: ‚Als Mensch kann ich Sie zwar verstehen, aber als Ihr Vorgesetzter muss ich …’.“ (Looss (a), S. 152) 674 Rauen (a), S. 122; vgl. Rauen (c), S. 33; Heß/Roth, S. 17; PEF Privatuniversität für Management, S. 11 675 Vgl. Rückle (b), S. 73
2.5 Der Coach
139
als Beurteiler nimmt und wertet. Da ein Mitarbeiter das weiß oder annehmen muß, wird er sich auch im Beratungsverlauf kontrolliert und taktisch verhalten. Damit aber hat Beratung als kommunikatives Geschehen oft bereits ihren Sinn und Nutzen für den Beratenen verloren.“676 Entsprechend vertreten auch Roth, Brüning und Edler die Ansicht, dass „in den Augen des Mitarbeiters […] die Führungskraft in erster Linie diejenige Person [ist], von der er beurteilt wird und die entscheidenden Einfluß auf sein weiteres Arbeitsleben hat. Da die Atmosphäre in vielen Unternehmen nach wie vor vom Konkurrenzprinzip geprägt ist und Fehler und Schwächen sofort mit Verlustängsten einhergehen, scheint die vertrauensvolle Öffnung bei persönlichen Problemen sehr fraglich.“677 Ferner sollte „der Sonderfall eines Vorgesetzten, der seinen Mitarbeiter coacht“, auch unter dem Gesichtspunkt kritisch betrachtet werden, dass der Vorgesetzte eigene Interessen verfolgt, das heißt den durchaus realistischen Wunsch haben könnte, „durch Coaching beim Mitarbeiter ganz bestimmte Verhaltensweisen, Leistungen usw. indirekt ‚durchzusetzen‘“.678 Dieses Vorgehen wäre im Rahmen eines Coachings jedoch als ‚ethisch fragwürdig‘ und ‚manipulativ‘ zu verurteilen.679 Allerdings ist nach Rauen davon auszugehen, dass eine unternehmenszielorientierte Beeinflussung von Mitarbeitern in gewissem Maß in fast jeder Arbeitsbeziehung stattfindet, allerdings dürfe dies nicht im Rahmen eines Coachings geschehen oder als solches bezeichnet werden.680 „Je stärker es im Coaching aber um Verhaltensänderung geht und je mehr der Vorgesetzte selbst in die Thematik verwickelt ist (er steht vielleicht unter Druck und braucht daher eine schnelle Verhaltensveränderung), desto eher gerät er in einen Interessenkonflikt.“681 Die für jeden Coach notwendige Neutralität erfordert jedoch auch von einem Vorgesetzten als Coach „Distanz zu sich selbst und zum Unternehmen“682 sowie „die nötige Distanz zum Mitarbeiter“683 . Das heißt, wer es mit der Unterstützung der persönlichen Entwicklung im Coaching ernst meint, „muß auch gelten lassen, dass ein Mitarbeiter andere Werte und Ziele für sich definiert, die sich nicht mit den eigenen oder denen des Unternehmens decken. Die objektive Hilfe geht dann auch so weit, diesem Mitarbeiter den Wechsel von der augenblicklichen Tätigkeit in eine andere zu ermöglichen.“ 684 Da es aber selbst „für 676
Looss (a), S. 78 Roth/Brüning/Edler, S. 206 678 Von Sassen/Vogelauer, S. 15; vgl. auch Fischer-Epe, S. 27; Jung, S. 138 679 Vgl. von Sassen/Vogelauer, S. 15 680 Vgl. Rauen (c), S. 31 681 Fischer-Epe, S. 27 682 Rückle (b), S. 72 683 Von Sassen/Vogelauer, S. 15 684 Rückle (b), S. 72 677
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2 Was ist Coaching?
reife Managerpersönlichkeiten nicht immer einfach [ist], den möglichen Rollenkonflikt Führungskraft/Coach zu bewältigen“685, hält Rückle „den Einsatz eines externen, unabhängigen Coachs für wesentlich unproblematischer“686. Schließlich stellt sich beim Coaching durch die Führungskraft damit grundsätzlich die Frage, ob der Mitarbeiter überhaupt unbefangen auf diese ‚Hilfeleistung‘ eingehen könne. „Es könnten gravierendere Probleme wie Arbeitsplatzverlust o.ä. folgen.“687 So warnen aus eigenen Erfahrungen auch von Sassen und Vogelauer grundsätzlich vor Doppel- und Mehrfachrollen eines Coachs. Denn wie die Praxis zeigt, können diese „‘Doppel- und Mehrfachrollen‘ […] bis zur Unvereinbarkeit mit der Coaching-Arbeit führen. Probleme bei der Umsetzung bzw. der Akzeptanz sind immer wieder darauf zurückzuführen“.688 Beispielsweise können auch Probleme mit dem Vorgesetzten selten offen diskutiert werden, selbst wenn dieser versucht, die Coachrolle sehr souverän von seiner Führungskraftrolle zu trennen.689 „Auch wenn die Führungskraft eine regelrechte Ausbildung in Beratungsverhalten durchlaufen haben sollte, bleibt die Tatsache, daß sie in den Augen des beratenen Mitarbeiters eben weiterhin auch die Person ist, die seine Leistung bewertet und ihm Lebens- und Karrierechancen zuteilt oder nicht.“690 Ferner bezweifelt Rauen grundsätzlich, „ob derartige Schwierigkeiten durch Kompetenzsteigerungen des Vorgesetzten behoben werden können. Der Aufwand, den der Vorgesetzte mit einer Ausdifferenzierung seiner Beziehung zum Mitarbeiter treiben müsste, um eine echte Beratung zu ermöglichen, wäre wohl zu groß.“691 Darüber hinaus stellt sich für Fischer-Epe die „Frage der Gesprächskompetenz“ auch insofern, als dass gefragt werden muss, „ob eine Führungskraft sich das Coaching zu einem Verhaltensthema [selbst überhaupt] zutraut.“ 692 Von Sassen und Vogelauer bezweifeln zudem, „ob der Vorgesetzte die nötige Distanz zum Mitarbeiter aufbringt“ und, ob er über ausreichende Fähigkeiten verfügt, um mehr als nur miteinander zu reden.693 Ein weiterer Kritikpunkt des Coachings durch den Vorgesetzten ist die in der Regel nicht erfüllte Voraussetzung der Freiwilligkeit seitens des Gecoachten. 685
Rückle (b), S. 72 Rückle (b), S. 72 687 Vgl. von Sassen/Vogelauer, S. 15 688 Von Sassen/Vogelauer, S. 13 689 Rückle (b), S. 73 690 Looss (a), S. 149; vgl. Rauen (c), S. 31 691 Rauen (a), S. 122 692 Fischer-Epe, S. 27 693 Von Sassen/Vogelauer, S. 15. 686
2.5 Der Coach
141
Denn „die Interaktion zwischen Vorgesetztem und Unterstellten weist immer einen gewissen Zwangscharakter auf. So kann sich z.B. der ‚Gecoachte’ hier nicht einfach seines ‚Coach’ entledigen. Dementsprechend entfällt [auch] das Prinzip der Freiwilligkeit, das für Beratung jeder Art eine grundlegende Voraussetzung darstellt.“ 694 Hinzu kommt die bestehende Gefahr der „Abhängigkeit des Mitarbeiters“ 695, da ein Vorgesetzten-Coaching - im Gegensatz zu den bisher geschilderten Coaching-Varianten - in der Regel nicht zeitlich begrenzt stattfindet, sondern als „eine permanente Führungsaufgabe, ein andauernder Prozess ohne festgelegten Anfang und Ende“696 zu verstehen ist.697 Wie Schreyögg formuliert, nimmt das „‚Coaching’ von Mitarbeitern paradoxe Züge an, wenn es langfristig erfolgt. Entscheidungs- und handlungsfähige Mitarbeiter, die gut in ein System integriert sind, erleben einen ewig beratenden Vorgesetzten als ‚Glucke’, die ihre Jungen nicht in die Selbständigkeit entlassen kann. ‚Vorgesetzten-Coaching’ im eigentlichen Sinne des Wortes brächte dann eher abhängige Mitarbeiter hervor.“698 Schließlich ist, wie Looss beschreibt, „die durch das Konzept vom ‚Vorgesetzten als Coach’ angestrebte Erhöhung der Betreuungsintensität zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern […] denn auch vielfach auf sehr praktische Weise an banalen Dingen gescheitert: Vorgesetzte haben ‚keine Zeit’, diese intensivierte Beziehungsarbeit sich noch zu leisten. Vorgesetzte sind meist kommunikativ nicht fähig, die unterschiedlichen Beziehungsdimensionen auseinanderzuhalten. Mitarbeiter interpretieren die ‚Coaching’-Bemühungen ihrer Vorgesetzten (oft zu Recht) als gesteigerte Kontrollmaßnahmen und ‚machen dicht’. Damit aber wird die Führungsbeziehung des Vorgesetzten schließlich nicht intensiviert, sondern zusätzlich belastet.“699 Ferner muss davon ausgegangen werden, dass aufgrund fehlender sozialer Kompetenzen „nicht jede Person und nicht jede Führungskraft […] zum Coach geeignet [ist].“700 Rauen folgert daraus, dass es „also nur in seltensten Ausnahmefällen“ funktionieren kann, „Vorgesetzten-Coaching ‚flächendeckend’“ einzusetzen.701 694
Schreyögg (a), S. 200; vgl. auch Rauen (c), S. 31; Rauen (a), S. 121 Rückle (b), S. 73; vgl. auch Rauen (c), S. 33 Rückle (b), S. 72 697 Vgl. auch Rauen (c), S. 30 f; Rauen (a), S. 122 698 Schreyögg (a), S. 200, vgl. auch Rauen (a), S. 122 699 Looss (a), S. 152 700 Vgl. Rauen (c), S. 52 701 Rauen (c), S. 52 695 696
142
2 Was ist Coaching?
Nach Rauen lassen sich die Stärken und Schwächen des Coachings durch den Vorgesetzten in der folgenden Übersicht zusammenfassen: 702 Coaching durch den Vorgesetzten
702
Stärken Aufbau einer verbesserten Beziehung zu den Mitarbeitern Kenntnisse über organisationsinterne Abläufe und Gegebenheiten sind vorhanden Der Vorgesetzte kann von seiner zusätzlichen Qualifikation profitieren, z.B. bei der Beratung und dem Beziehungsaufbau zu neuen Mitarbeitern Kosten sind vergleichsweise gering, wenn Coaching als langfristige Maßnahme geplant ist Der Vorgesetzte kann seine Mitarbeiter ‚on the job’ coachen und kann den direkten Erfolg des Coachings überprüfen Auch rein (betriebs-)wirtschaftliche Leistungsziele werden verfolgt Lernpartnerschaften können insbesondere zu jungen Führungskräften aufgebaut werden Dient primär dem Aufbau fachlicher Kompetenz Die Führungsqualität des Vorgesetzten kann durch seine Coaching-Kompetenz stark verbessert werden Mitarbeiter können auf fachkompetente Unterstützung zurückgreifen Schwächen […] Rollenvorbelastung des Vorgesetzten, Beziehungsgefälle zum Mitarbeiter Die Qualifikation des Vorgesetzten muss über einen längeren Zeitraum aufgebaut werden (umfangreiche und kostenintensive Zusatzausbildung) Umfassendes und aktuelles Know-how aus anderen Organisationen fehlt i.d.R. Der Vorgesetzte hat neben seiner coachenden Tätigkeit noch andere Pflichten. Er kann sich nicht so stark spezialisieren wie ein hauptberuflicher Coach Coaching endet nie, denn der Vorgesetzte hat diese Aufgabe immer; Abhängigkeit des Mitarbeiters droht Bei einer entsprechenden Organisationskultur besteht die Gefahr, auf Grund der Beratung stigmatisiert zu werden (‚Gesichtsverlust’) Überfachliche Beratung eher unwahrscheinlich Abhängigkeit des gecoachten Mitarbeiters vom coachenden Vorgesetzten Ermöglicht nahezu nie Ergebnisse, die organisationsintern neu sind Gefahr der Betriebsblindheit Objektivität des Vorgesetzten wird vom Mitarbeiter oftmals bezweifelt Der Vorgesetzte hat gleichzeitig Kontroll- und Beurteilungsfunktion, er ist nicht neutral. Es kann zu Rollenkonflikten kommen Betrifft i.d.R. nicht die persönliche Entwicklung. Private Anliegen werden – schon aus arbeitsrechtlichen Gründen – nicht thematisiert Zitiert aus Rauen (c), S. 32 f; vgl. hierzu auch Rückle (b), S. 73
2.6 Arten von Coachings
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Wird i.d.R. nur als Einzel-Coaching praktiziert Beinhaltet i.d.R. keine große Methodenvielfalt Spezialisierung auf ganz bestimmte Themen Findet faktisch immer mit Wissen anderer statt Zusätzlicher Arbeitsaufwand für den Vorgesetzten. Überlastung ist nur vermeidbar, wenn andere Aufgaben wegfallen Kosten für Supervision fallen zusätzlich an Nur wenig Vorgesetzte können die Coach-Rolle adäquat umsetzen Die Freiwilligkeit (insbesondere der freiwillige Beginn und ein sanktionsfreies Beenden) des Coachings muss bezweifelt werden – selbst wenn dies formal zugesichert wird Möglicherweise Misstrauen gegenüber dem Vorgesetzten, insbesondere, wenn dem Gecoachten Diskretion wichtig ist
Abbildung 10:
Stärken und Schwächen des Vorgesetzten als Coach nach Rauen
2.6 Arten von Coachings Im Wesentlichen wird je nach Anzahl der teilnehmenden Personen im Coaching und deren Beziehung zueinander zwischen Einzel-, Gruppen- und Teamcoaching unterschieden703, wobei das Teamcoaching auch als eine besondere Form des Gruppencoachings verstanden werden kann. Grundsätzlich kann sich Coaching also gemäß dieser Kategorisierung sowohl auf einzelne Personen als auch auf Gruppen und Teams bzw. ganze Organisationseinheiten beziehen. 704 705 Je nachdem, ob der Coach, der das Coaching durchführt, Mitglied der Organisation des/der Klienten ist oder nicht bzw. ob er in einer hierarchischen Beziehung zum Gecoachten steht, wird auch zwischen Coachings durch einen externen und internen Coach sowie durch die Führungskraft unterschieden. Darauf wurde bereits zuvor in Kapitel 2.5.2 ‚Verschiedene Arten von Coachs’ ausführlich eingegangen.
703
Roth, Brüning und Edler sowie Doppler unterscheiden hier zwischen Einzel- und Systemcoaching (vgl. Roth/Brüning/ Edler, S. 205 f; Doppler, S. 99) 704 Vgl. Rauen (c), S. 34 ff; Schreyögg (a), S. 189, S. 207 ff, S. 214; PEF Privatuniversität für Management, S. 8 f; Böning (c), S. 42 f; Rückle (b), S. 24 ff; von Sassen/Vogelauer, S. 3; Rückle (a), S. 134, S. 137; Greif, S. 15 705 In der Regel wird im Coaching zwischen Einzel-, Gruppen- und Teamcoaching unterschieden, die in diesem Kapitel auch näher dargestellt werden. Darüber hinaus finden sich in Praxis und Literatur aber teilweise auch viele weitere sogenannte Coachingarten, die jedoch größtenteils recht umstritten sind. Unter der Überschrift „Weitere Coaching-Varianten“ weist auch Rauen beispielsweise kritisch auf das sog. „Selbst-Coaching“, „Online-Coaching“ und „Tele-Coaching“ hin. (Vgl. Rauen (c), S. 41 ff)
144
2 Was ist Coaching?
Im Folgenden werden nun die Besonderheiten sowie wesentliche Vor- und Nachteile des Einzel-, Team- und Gruppencoachings beschrieben.
2.6.1 Einzelcoaching Das Einzelcoaching findet ausschließlich in einer Zweier-Beziehung zwischen Coach und Klient statt. Das heißt, „in der Arbeitsform des Einzelcoachings wird eine Person von einem Coach beraten - egal ob von einem externen oder internen Coach oder auch einem coachenden Vorgesetzten.“706 Das Einzelcoaching gilt in Literatur und Praxis als die am häufigsten angewandte und traditionelle Form des Coachings.707 So ist auch zu beobachten, dass, wenn „von ‚dem Coaching’ gesprochen [wird], […] damit häufig nicht der Sammel- bzw. Oberbegriff gemeint [ist], sondern das Einzel-Coaching.“708 Nicht selten wird Coaching in der Literatur daher auch ausschließlich als Einzelmaßnahme dargestellt und „von einigen Experten […] [sogar] generell als ein Einzelberatungsprozess bzw. eine Zweierbeziehung definiert“709.710 Demgegenüber stellt Böning in seiner Studie jedoch fest: „Die CoachingPraxis zeigt, dass Coaching nicht auf ein reines Einzel-Coaching reduziert werden kann, wenngleich auch viele Coachs aus unterschiedlichen Gründen das Einzel-Coaching am häufigsten oder gar ausschließlich praktizieren.“711 Bönings Befragung ergab zwar, dass ein Gruppen-Coaching (gemeint ist hier speziell das Teamcoaching) deutlich weniger häufig durchgeführt wird als ein EinzelCoaching, „aber immerhin noch so häufig, dass man es als eine nicht zu vernachlässigende Größe ansehen muss“.712 Nach Roth, Brüning und Edler stellt das Einzelcoaching vor allem durch einen externen Coach nicht nur die häufigste, sondern darüber hinaus auch die „viel-
706
Rauen (c), S. 34; vgl. zum Ganzen auch Schreyögg (a), S. 207; Looss/Rauen, S. 91; Heß/Roth, S. 16; Henkel; Rauen (a), S. 124; Looss (a), S. 13; von Sassen/Vogelauer, S. 3 707 Vgl. hierzu auch Rauen (c), S. 34; Roth/Brüning/Edler, 207; Schreyögg (a), S. 189, S. 207; PEF Privatuniversität für Management, S. 8; Böning (c), S. 42 f; Doppler, S. 99; Vogelauer (d), S. 161 708 Rauen (a), S. 125 709 Rauen (a), S. 128; vgl. auch Böning (c), S. 43; PEF Privatuniversität für Management, S. 9 710 So geht beispielsweise Fischer-Epe im Rahmen ihres Buches ausschließlich von Einzelcoaching aus. Auch von Sassen und Vogelauer sowie Heß und Roth betonen explizit, dass sie sich bei ihren Ausführungen auf das Einzelcoaching beschränken. (Vgl. von Sassen/Vogelauer, S. 3; Heß/Roth, S. 16) Und Looss definiert Coaching sogar ausschließlich als eine „personenbezogene Einzelberatung von Menschen in der Arbeitswelt“.(Looss (a), S. 13) 711 Böning (c), S. 43 712 Böning (c), S. 42 f
2.6 Arten von Coachings
145
versprechendste Variante” dar. 713 Denn beim Einzelcoaching (insbesondere noch in Kombination mit einem externen Coach) wird am ehesten im Rahmen persönlicher und vertraulicher Gespräche „eine Atmosphäre der Diskretion und Verschwiegenheit [geboten], die es möglich macht, offen zu reden, ohne um Ansehen und Position bangen zu müssen”714. „Dort kann unter dem Schutz der absoluten Vertraulichkeit des Coaching-Partners jede Frage ohne Vorbehalte zum Thema gemacht werden.“715 Diesbezüglich verweist Biehal auch auf mögliche „Berührungsängste“ der Klienten mit anderen Coachingteilnehmern, die im Einzelcoaching natürlich entfallen.716 Schließlich können Einzelcoachings darüber hinaus auch vollkommen diskret ganz „ohne das Wissen anderer Personen stattfinden“.717 Ähnlich argumentiert auch Schreyögg, dass „jeder Klient, der im Coaching einen intimen Ort zur Auseinandersetzung mit seinen Anliegen sucht, [...] Coaching im Einzel-Setting bevorzugen [wird].“ 718 Besonders für die Arbeit mit höherrangigen Führungskräften und Klienten, die sich in persönlichen Krisen befinden, sei die Intimität und vertrauliche Atmosphäre des Einzelcoachings dabei von großer Bedeutung. 719 720 Zudem ist das Einzelcoaching im Gegensatz zu Gruppen- und Teamcoachings stärker personenzentriert und auf die persönliche Entwickung des Klienten ausgerichtet.721 Das Einzelcoaching ermöglicht eher eine „individuelle, intensive und vertrauliche Arbeit“722 und kann damit „sehr individuellen Bedürfnissen gerecht werden“723. Das heißt, Einzelcoachings ermöglichen im Vergleich zu 713
Roth/Brüning/Edler, S. 207; vgl. zur besonderen Bedeutung des Einzelcoachings durch einen externen Caoch auch PEF Privatuniversität für Management, S. 8; Rauen (c), S. 34 Roth/Brüning/Edler, S. 205; vgl. auch Rauen (c), S. 35; Looss/Rauen, S. 91; Heß/Roth, S. 16; Rauen (a), S. 124 f; Looss (a), S. 21; Biehal, S. 89 715 Biehal, S. 89 716 Vgl. Biehal, S. 90 717 Rauen (c), S. 35; vgl. auch Looss (a), S. 21 718 Schreyögg, A., 1998, S. 207. 719 Vgl. Schreyögg (a), S. 207, S. 214; Looss (a), S. 21; Rauen (c), S. 35 f; Rauen (a), S. 126; Böning (b), S. 23 f; Biehal, S. 89 720 Nach Looss erlaubt Einzelcoaching im Gegensatz zu den anderen Coachingarten „dem Manager, sich der Situation gestiegener Unsicherheit unter Wahrung der nötigen Diskretion zu überlassen und gleichzeitig zu versuchen, seine Rolle gegenüber der Umwelt dennoch aufrechtzuerhalten. Indem der Berater dem Manager hilft, sein Rollenbild vom Alleskönner vor anderen aufrechtzuerhalten, bleibt eine Managementkultur unangetastet, die solche unerschütterliche Leistungsfähigkeit als Leitbild zu benötigen glaubt. Dabei muss die - berufssoziologische - Frage einstweilen offen bleiben, ob nicht angesichts der Veränderungsintensität und des Paradigmenwechsels unserer Wirtschaftsgesellschaft eben dieses Managerleitbild zusammenbrechen müsse. Die Diskussion darüber ist jedoch in vollem Gang.“ (Looss (a), S. 21) 721 Vgl. Rauen (c), S. 35; Looss (a), S. 21 722 Rauen (c), S. 36 723 Rauen (c), S. 36 714
146
2 Was ist Coaching?
Gruppen- und Teamcoachings eine individuellere Vorgehensweise, die klarer auf die Bedürfnisse des Einzelnen ausgerichtetet ist. Diese Individualität, die allgemein einen wesentlichen Vorteil des Coachings insgesamt beschreibt, lässt sich in der Form nur im Einzelcoaching realisieren, wenn sich also der Coach auf eine einzige Person konzentrieren kann.724 Das Einzelcoaching weist jedoch auch Nachteile auf. So bleibt der Coach beispielsweise „der einzige Gesprächspartner für den Klienten. Selbst wenn der Horizont des Coach sehr breit ist, besteht [damit die] Gefahr, daß immer nur ein bestimmter Radius von Perspektiven und Handlungsmustern verhandelt wird.”725 Im Rahmen der individuellen Förderung methodischer, fachlicher und persönlicher Fähigkeiten, die den Klienten in der Selbsthilfe unterstützen sollen, dient im Einzelcoaching letztlich nur der Coach als Ansprechpartner, während beim Team- und Gruppencoaching auch die anderen Teilnehmer ihre unterschiedlichen Wahrnehmungen und Erfahrungen in den Coachingprozess einbringen können.726 Darüber hinaus gibt Rauen zu bedenken, dass bei einem Einzelcoaching auch der Coach in der Regel von „den ausschließlichen Schilderungen des Gecoachten“, also den eingeschränkten Wahrnehmungen und „Sichtweisen aus zweiter Hand“ abhängig ist - anders als z.B. beim Teamcoaching.727
2.6.2 Gruppencoaching An einem Gruppencoaching nehmen im Gegensatz zum Einzelcoaching grundsätzlich mehrere Klienten teil. Wie Rauen formuliert, lassen sich „unter dem Oberbegriff ‚GruppenCoaching’ […] alle Coaching-Varianten zusammenfassen, bei denen mehrere Personen gleichzeitig gecoacht werden. Daher gelten auch Coaching-Maßnahmen für kleinere Teams, Abteilungen oder Projektgruppen zunächst als Form des Gruppen-Coachings. Im Einzelnen haben sich aber z.B. für die Beratung von Teams […] weitere Begriffe (Team-Coaching […]) etabliert.“728 Entsprechend wird auch in diesem Kapitel das Teamcoaching als eigenständige Art des Coachings gesondert beschrieben, so dass im Folgenden zunächst nur auf das Gruppencoaching im engeren Sinne eingegangen wird.
724
Vgl. auch von Sassen, S. 79; Biehal, S. 90 f Schreyögg (a), S. 207, vgl. auch S. 139 Vgl. u.a. hierzu Glatz/Lamprecht, S. 135; Schreyögg (a), S. 208, S. 209; Rauen (a), S. 128 727 Rauen (c), S. 35, S. 36; Rauen (a), S. 126 f; hierzu auch Schreyögg (a), S. 166 728 Rauen (a), S. 126; vgl. Rauen (c), S. 37 725 726
2.6 Arten von Coachings
147
Schreyögg bezeichnet das hier zu betrachtende Gruppencoaching im engeren Sinn (in Abgrenzung zum Teamcoaching) als „Coaching von funktionsgleichen Organisationsmitgliedern auf gleicher hierarchischer Ebene“729, die entweder „aus unterschiedlichen Systemen“ 730 oder auch „aus einem einzigen organisatorischen System zusammenkommen“731. Demnach könnte sich eine Gruppe beispielsweise aus Personalberatern verschiedener Unternehmen, Direktoren unterschiedlicher Berufsschulen sowie aus Filialleitern verschiedener Banken oder auch der gleichen Bank zusammensetzen.732 „Um eine Gruppe zu coachen, sollte diese sinnvollerweise nicht mehr als 15 Personen umfassen - zumindest, wenn der Coach allein arbeitet“733. Die Gruppe sollte darüber hinaus so zusammengesetzt sein, dass sich vor allem ein Verstehen untereinander sowie ähnliche Erfahrungen und eine gewisse Interessenhomogenität vermuten lassen.734 Dies wäre im Allgemeinen dann der Fall, wenn es sich bei den Gruppenmitgliedern um funktionsgleiche Personen aus demselben Berufsfeld handelt, entweder aus unterschiedlichen oder auch der gleichen Organisationen.735 Dann würden die besprochenen individuellen Frage- und Problemstellungen wahrscheinlich für die meisten Relevanz enthalten und, wie Schreyögg formuliert, somit auch einen gemeinsamen „Lerneffekt” mit sich bringen.736 Daraus ergibt sich nach allgemeiner Ansicht auch ein wesentlicher Vorteil des Gruppencoachings gegenüber dem Einzelcoaching: Die Teilnehmer in Gruppencoachings haben die Möglichkeit, ihre vielfältigen beruflichen Erfahrungen miteinander auszutauschen und Frage- und Problemstellungen vor einem weiteren Horizont, mit einem umfangreicheren Erfahrungswissen, unterschiedlichen Perspektiven, Kenntnissen und Wahrnehmungen zu betrachten und zu diskutieren.737
729
Schreyögg (a), S. 189 Schreyögg (a), S. 208 731 Schreyögg (a), S. 208 732 Vgl. hierzu auch Schreyögg (a), S. 208 733 Rauen (a), S. 127; vgl. Rauen (c), S. 37. Schreyögg nennt die maximale Teilnehmerzahl von 15 Personen in Bezug auf Teamcoachings, was jedoch eine entsprechende Gültigkeit auch in Bezug auf Gruppencoachings nahelegt. (Vgl. Schreyögg (a), S. 213) Anders hierzu ist Rückle der Ansicht, dass „die Anzahl der Personen, die an einem Gruppen- oder Teamcoaching teilnehmen können, […] idealerweise auf sieben Teilnehmer“ beschränkt sein sollte. (Rückle (b), S. 29) 734 Vgl. ähnlich auch Schreyögg (a), S. 208 735 Vgl. Schreyögg (a), S. 208 736 Schreyögg (a), S. 208 f 737 Vgl. Glatz/Lamprecht, S. 135; Schreyögg (a), S. 208, S. 209; Rauen (a), S. 128; Rauen (c), S. 37, S. 38; Böning (b), S. 24; Grobe; Rückle (b), S. 29 730
148
2 Was ist Coaching?
Im Vergleich zum Einzelcoaching stellt das Gruppencoaching jedoch „niemals einen so intimen Ort […] dar“.738 Denn eine Gruppe von Menschen repräsentiert immer eine gewisse Öffentlichkeit, was bei den meisten Personen „automatisch die Bereitschaft zu persönlicher Öffnung“ reduziert739und ein intensives, vertrauliches Befassen mit persönlichen (Krisen-) Situationen einzelner Gruppenmitglieder selten ermöglicht.740 Diese Situation wird noch verstärkt, wenn die Gruppenmitglieder in der gleichen Organisation tätig sind. Dann ist damit zu rechnen, dass eine noch „höhere Hemmschwelle überwunden werden“ muss, bis Persönliches und Vertrauliches in der Gruppe besprochen werden können.741 Wie beschrieben, besteht bei Gruppencoachings also grundsätzlich die Gefahr, dass aufgrund der größeren Anzahl von Teilnehmern für den einzelnen sehr wichtige individuelle Frage- bzw. Problemstellungen nicht thematisiert werden – „die Intensität der Beratungsbeziehung zu den einzelnen Gruppenmitgliedern ist geringer“.742 Sei es, weil die Hemmschwelle zu groß ist, um in der Gruppe vertraulich-persönliche Themen anzusprechen, oder weil für die anderen Gruppenmitglieder andere Themen wichtiger sind.743 Daraus folgt schließlich, dass in der Regel nur im Rahmen eines Einzelcoachings, das auf einen einzigen Klienten fokussiert ist, wirklich an den individuellen persönlichen Anliegen intensiv und vertraulich mit einem Klienten gearbeitet werden kann. Denn selbst, wenn die Gruppenmitglieder ähnliche Frage- und Problemstellungen in das Coaching mitbringen, sind im Konkreten die situativen und persönlichen Bedingungen doch unterschiedlich.744 Insbesondere in persönlichen Krisenphasen sollte daher das Einzelcoaching dem Gruppencoaching bevorzugt werden, um eine intensive personenbezogene Unterstützung im Coaching tatsächlich zu ermöglichen.745 Einen weiteren Kritikpunkt führen u.a. Looss und Rauen an: „Eine der charakteristischen Eigenschaften des Coachings ist die besondere Qualität der Beziehung zwischen Coach und Klient, die sich u.a. durch Intimität und Neutralität auszeichnet. In einer Gruppe von Personen ist der Coach jedoch einer vollkommen anderen Beziehungssituation ausgesetzt: Alle Anwesenden wollen verstanden und beraten werden. Solange nicht klar ist, was die Beziehungsqualität einer ‚Coaching-Gruppe’ ausmacht, ist die Verwechselungsgefahr mit anderen Verfahren praktisch immer vorhanden. Aus der Unklarheit einer solchen Situation ent738
Schreyögg (a), S 207; vgl. Rauen (a), S. 128; Rückle (b), S. 29 Vgl. Schreyögg (a), S 207 f; Rauen (a), S. 128; Looss/Rauen; S. 157 740 Vgl. Schreyögg (a), S 207; Rauen (a), S. 128; Rauen (c), S. 38; Grobe 741 Schreyögg (a), S. 208; vgl. Rauen (a), S. 129 sowie Looss, der diesbezüglich auch auf die „Risiken der Rollengefährdung“ hinweist. (Looss (a), S. 157) 742 Rauen (a), S. 128 f; vgl. Rauen (c), S. 38 743 Vgl. Rauen (a), S. 128 744 Vgl. auch Schreyögg (a), S. 208; Rauen (a), S. 129 745 Vgl. Schreyögg (a), S. 207; Rauen (a), S. 125 f 739
2.6 Arten von Coachings
149
steht im schlimmsten Fall ein Einzelcoaching „unter Zeugen“746. Jegliche Diskretion wäre dann in Frage gestellt, der daraus resultierende Mangel an Offenheit und Akzeptanz würde jedes Coaching sinnlos machen, da die Grundbedingungen für eine Beratung nicht mehr gegeben wären.“747
2.6.3 Teamcoaching In den letzten Jahren war zu beobachten, dass neben Einzelcoachings verstärkt auch Teamcoachings nachgefragt wurden748, insbesondere vor dem Hintergrund zunehmender Teambildung in Unternehmen749. Obwohl Teamcoachings - das heißt „Coaching in einer Arbeitsgruppe (z.B. ein Vorstands- oder Geschäftsführungsgremium, eine Gruppe von Führungskräften mit ihrem Bereichsleiter, eine Projektgruppe oder eine Gruppe von Führungskräften, die eine organisatorische Schnittstelle haben, usw.)“ 750 - im Vergleich zu Einzelcoachings heute deutlich weniger durchgeführt werden751, stellen sie in der Coachingpraxis eine nicht zu vernachlässigende Größe dar 752. Zudem beschränkt sich diese Coachingvariante nicht mehr nur wie „früher [üblich] auf eher hochrangige Organisationseinheiten, wie z.B. Aufsichtsrat, Vorstand, Geschäftsführung u.ä. [, sondern wird] wie das Einzel-Coaching […] inzwischen auch von mittleren und unteren Ebenen nachgefragt“ und dabei sowohl von externen als auch internen Coachs durchgeführt.753 Das Teamcoaching, teilweise auch „Systemcoaching“754 genannt 755, kann als eine Sonderform des Gruppencoachings bezeichnet werden 756. Allerdings wird beim Teamcoaching im Gegensatz zu dem bereits vorgestellten Gruppencoaching (im engeren Sinne) „nicht eine beliebige Gruppe von Menschen ohne fest umrissene Beziehung zueinander beraten, sondern eine im beruflichen Funktionszusammenhang stehende Gruppe wird in ihrem organisationalen Umfeld in 746
Looss(a), S. 156 Rauen (a), S. 128 f; ausführlich hierzu Looss (a), S. 154 ff; vgl. darüber hinaus Rauen (c), S. 37; Looss/Rauen, S. 157; Rückle (b), S. 29 748 Vgl. Roth/Brüning/Edler, S. 205; Böning (b), S. 24; von Sassen/Vogelauer, S. 8 749 Vgl. Roth/Brüning/Edler, S. 205; Czichos, S. 254 f 750 Böning (c), S. 42 f 751 Böning (c), S. 42 f; vgl. Doppler, S. 100 752 Vgl. Böning (c), S. 42 f 753 Rauen (c), S. 40 754 Siehe beispielsweise Roth/Brüning/Edler, S. 205, S. 206 sowie Doppler, S. 99 f 755 Da Teams auch als ‚Systeme’ bezeichnet werden, entstand hier der Begriff des ‚Systemcoachings’. Das Systemcoaching ist daher nicht zu verwechseln mit dem ‚systemischen Coaching’. (Vgl. Rauen (a), S. 129) 756 Vgl. Rauen (a), S. 129; Rauen (c), S. 39 747
150
2 Was ist Coaching?
persönlichkeits- und aufgabenbezogenen Themen gecoacht.“757 Wie von Sassen und Vogelauer etwas präziser definieren: „Wenn zwei oder mehr Personen an derselben aktuellen Aufgabe (Projekt, Problem usw.) eng zusammenarbeiten und als Team regelmäßig am Coachingprozess teilnehmen, können wir von TeamCoaching reden.“758 Ähnlich beschreibt auch Schreyögg den Teilnehmerkreis eines Teamcoachings als „Menschen, die in einem permanenten kooperativen Zusammenhang stehen“759 sowie als eine „organisatorische Einheit“760, „eine kooperierende Arbeitsgruppe“761 bzw. auch als „institutionalisierte Gruppen“762, „die dauerhaft eine gemeinsame Aufgabe erfüllen oder die jedenfalls ihre Arbeitskraft in den Dienst einer als gemeinsam definierten Aufgabe stellen. […] Dabei kann in teamorientierten Organisationen die Aufgabenerfüllung [der einzelnen Teammitglieder] sehr eng aufeinander bezogen sein oder sogar, wie bei ‚selbststeuernden Arbeitsgruppen’, eine kollektive Verantwortung für die Aufgabenerfüllung bestehen“763 (beispielsweise in Form von gemeinsamen Zielen764). Analog zum Gruppencoaching lassen sich in einem solchen Rahmen jedoch seltener individuelle persönlich-vertrauliche Themen, insbesondere Krisen, bearbeiten. Denn „durch Auseinandersetzungen über persönliche Krisen befürchten die Teilnehmer meistens einen Gesichtsverlust vor ihren Kollegen.“765 „Um individuelle und persönlichkeitsbezogene Themen [dennoch] bearbeiten zu können, wird das Team-Coaching [daher] oft mit Einzel-Coaching für die TeamMitglieder verknüpft.“766 Besonders gut eignen sich Teamcoachings vor allem zur Bearbeitung kollektiver Probleme bzw. Fragestellungen. Denn der Fokus beim Teamcoaching liegt nicht in der Entwicklung der einzelnen Personen, sondern des Teams als Ganzem, als Einheit.767
757
Rauen (a), S. 129; vgl. Rauen (c), S. 39 f Von Sassen/Vogelauer, S. 3 759 Schreyögg (a), S. 209 760 Schreyögg (a), S. 189 761 Schreyögg (a), S. 209 762 Vgl. Schreyögg (a), S. 209 763 Schreyögg (a), S. 209 764 Vgl. Rückle (b), S. 27 765 Schreyögg (a), S. 210 766 Rauen (a), S. 130; vgl. Rauen (c), S. 40; Rückle (b), S. 27; Rückle (a), S. 138; von Sassen, S. 79; Czichos, S. 254 767 Vgl. Schreyögg (a), S. 210; Rauen (a), S. 130; Doppler, S. 100; Looss (a), 158; von Sassen/ Vogelauer, S. 8 758
2.6 Arten von Coachings
151
Wie Doppler beschreibt: „Bezugspunkt ist nicht der einzelne, sein Verhalten und seine Reaktionsmuster, sondern die Interaktionen und die Interaktionsmuster des jeweiligen Gesamtsystems. Stabilisierungen oder Änderungen von Systemleistungen können auch erreicht werden, indem beeinflussende Umweltfaktoren identifiziert und verändert werden. Im Blickpunkt der Aufmerksamkeit steht immer die Selbststeuerungsfähigkeit des jeweiligen Gesamtsystems, die es zu überprüfen und gegebenenfalls zu optimieren gilt.“768 Auch Rauen hebt hervor, dass die Aufgabe beim Teamcoaching vor allem in der Entwicklung des Teams liegt „- insbesondere der Förderung von Kommunikation, Motivation und Kooperation. Ziel ist i.d.R. die Verbesserung des Führungs- und Leistungsverhaltens, z.B. durch die Klärung von Konflikten innerhalb des Teams. Im Mittelpunkt aller Maßnahmen bleibt - wie beim Einzel-Coaching - zudem stets die Förderung bzw. der Erhalt der Selbststeuerungsfähigkeit des Teams: Das Team muss seine Aufgaben selbst erfolgreich lösen, der Coach fungiert als Analytiker und Prozessberater bei den Treffen und Besprechungen des Teams. Seine Aufgabe konzentriert sich nicht auf die Behandlung von Symptomen, sondern auf das Klären von den dahinterliegenden Ursachen. In der Konsequenz bedeutet dies, dass ein Team durch die Interventionen des Coachs in Zukunft allein Problemursachen rechtzeitig erkennen und beheben kann […].“769 Dementsprechend beschreibt auch von Sassen, dass Teamcoaching mehr ist als Moderieren (das heißt „Methoden und Hilfsmittel für den Prozess zur Verfügung“ zu stellen, sich aber „von der inhaltlichen und willentlichen Arbeit frei“ zu halten770). Denn „ein Coach fühlt sich mitverantwortlich für den Prozess und die Leistung der Gruppe, er ist - obwohl für die schlussendliche Entscheidung nicht verantwortlich - voll in der Arbeit drin. Zugleich aber beobachtend, aufmerksam machend, hinweisend, ratend, helfend aus der Übersicht des Ganzen. Dadurch ermöglicht der Coach […] der Gruppe einen intensiven Lernprozess, durch den die Fähigkeit wächst, schwierigere Probleme anzugehen und Entscheidungen herbeizuführen und die dazu notwendigen menschlichen Voraussetzungen - wie Initiative, methodisches Vorgehen und Übersicht, innere Ruhe, Mut und Entscheidungsfähigkeit - zu stärken.“771 Insgesamt sind die möglichen Anlässe für Coachings unendlich vielfältig, was auch für Teamcoachings gilt. Angewendet werden Teamcoachings in der Praxis häufig, um die Zusammenarbeit im Team zu fördern, wie von Sassen und Vogelauer formulieren, um „aus dem gemeinsamen ‚Chaos’ wieder ein gemein768
Doppler, S. 100 Rauen (a), S. 130; vgl. auch Rauen (c), S. 40 770 Von Sassen, S. 79 771 Von Sassen, S. 79 f 769
152
2 Was ist Coaching?
sames Vorgehen zu machen“772 sowie um Leistungen zu verbessern bzw. dauerhaft zu sichern oder auch bei (organisationalen) Veränderungen zu unterstützen. Hierbei geht es im Allgemeinen darum, z.B. das gemeinsame Verständnis zu stärken, Beziehungen und Konflikte zu klären, eine offene Kommunikation zu fördern und Arbeitsabläufe neu zu gestalten bzw. zu optimieren.773 Nach Schreyögg gelten Teamcoachings dann als optimal, „wenn sich ein Team neu etabliert, wenn ein Team kollektive Krisen meistern muß [- z.B. aufgrund einer Konfrontation mit veränderten Anforderungen aus der Umwelt 774-] oder wenn es neue Lernmöglichkeiten mobilisieren will“775, das heißt, wenn es „um die Entwicklung organisatorischer Lernfähigkeit geht“776.777 So ist es, wie Schreyögg beschreibt, „heute in den seltensten Fällen mit einer einmaligen Korrektur von organisatorischen Mustern getan. Anläßlich veränderter Bedingungen in der Umwelt sind Systeme nämlich meistens gefordert, sich aus einer generellen Beharrlichkeit zu lösen und ein höheres Maß an organisatorischer Lernfähigkeit zu mobilisieren. Und die besondere Bedeutung des Team-Settings liegt gerade in der Förderung organisatorischer Lernfähigkeit.“ 778 Ähnlich wie beim Gruppencoaching besteht ein wesentlicher Vorteil des Teamcoachings darin, dass die Bearbeitung der verschiedenen Themen in einem Coaching auch mit Hilfe der unterschiedlichen Sichtweisen der Teammitglieder erfolgt. Damit werden die verschiedenen Perspektiven aller beteiligten Personen im Coaching berücksichtigt. 779 Von Vorteil ist zudem, dass Teamcoachings leichter im direkten, „realen Arbeitsumfeld“ 780 des Teams stattfinden können, nämlich dort, wo die Probleme auch auftreten. So können die „Rahmenbedingungen der Beteiligten und ihrer Handlungen“781 sowie „organisationale Zusammenhänge [besser] erkannt und berücksichtigt werden“782.
772
Von Sassen/Vogelauer, S. 8 Vgl. Rauen (a), S. 130; Rückle (b), S. 28, S. 31; von Sassen/Vogelauer, S. 8 f 774 Vgl. Schreyögg (a), S. 212 775 Schreyögg (a), S. 210 sowie ausführlich S. 210 ff 776 Schreyögg (a), S. 214 777 „Das Leben ist viel komplexer geworden und verändert sich in immer kürzeren Intervallen. Der einzelne Mitarbeiter ist oft überfordert, da die persönlichen Aufgaben nicht von denen der Kollegen isoliert gesehen werden können.“ (Von Sassen/Vogelauer, S. 9) 778 Schreyögg (a), S. 212; vgl. auch von Sassen, S. 80 779 Vgl. Rauen (c), S. 40; Rauen (a), S. 131 780 Rauen (a), S. 131 781 Rauen (a), S. 131 782 Rauen (c), S. 40 773
2.7 Coaching als Prozess
153
Zu den Nachteilen von Teamcoachings gehört (auch hier ähnlich dem Gruppencoaching) vor allem, dass „es für den Coach mit wachsender Anzahl der TeamMitglieder immer schwieriger [wird], überhaupt eine tragfähige [vertrauensvolle] Beziehung aufbauen zu können“. 783 Darüber hinaus weisen Teamcoachings in der Regel eine sehr große Komplexität persönlicher und systembedingter Zusammenhänge auf.784 „Ein soziales System [wie z.B. ein Team folgt im Vergleich zu einer einzelnen Person] anderen Gesetzmäßigkeiten, die sicher komplexer, vernetzter und auf jeden Fall auch von nicht ausschaltbarer gruppendynamischer Natur sind. Hier könnte mancher Coach an die Grenzen seiner Kompetenz stoßen.“785 Nicht selten werden Teamcoachings daher auch mit mehr als einem Coach durchgeführt.786
2.7 Coaching als Prozess Coaching wird weitgehend einheitlich als Prozess definiert, der „bei der reinen gedanklichen Problemlösung oder Entscheidungsfindung nicht endet, sondern auch die Umsetzung begleitet“787, um Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Nach allgemeinem Verständnis ist Coaching ein mehrphasiger und komplexer Prozess, der sich über einen bestimmten, individuell festzulegenden Zeitraum erstreckt und dabei immer zeitlich begrenzt ist. Da sich der Coachingprozess grundsätzlich am individuellen, unmittelbaren Anliegen und an den spezifischen Fähigkeiten des Klienten orientiert, wird er ferner allgemein als „individuell maßgeschneiderte“788 bzw. „individualspezifische“789 Maßnahme oder auch als „individualisierter Lernprozess“790, als „interaktiver, personenzentrierter Beratungs- und Betreuungsprozess“791 und als „Selbsterfahrungsprozess“792 verstanden. So beschreiben beispielsweise auch Rauen und Steinhübel Coaching als einen individuell ausgerichteten Prozess, bei dem „es […] selten um die Erfüllung vorgedachter Ziele [geht]. Oft werden erst im Coaching-Prozess die eigentlichen Anliegen des Klienten deutlich. […] Dieser zunächst offene Prozess ermöglicht den gewünschten nachhaltigen Veränderungserfolg, da an den tatsächlichen Anliegen 783
Rauen (c), S. 40; vgl. Looss (a), 156 ff Vgl. Rauen (a), S. 131; Rauen (c), S. 40; Doppler, S. 100 785 Doppler, S. 100; vgl. Rauen (c), S. 40 786 Vgl. Rauen (c), S. 40; Roth/Brüning/Edler, S. 206 787 Von Sassen/Vogelauer, S. 2 788 Von Sassen/Vogelauer, S. 1 789 Roth/Brüning/Edler, S. 202 790 Looss (a), S. 135; vgl. Czichos, S. 68; Hamm, S. 422; von Sassen, S. 80 791 Rauen (a), S. 113 792 Roth/Brüning/Edler, S. 215 784
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2 Was ist Coaching?
des Klienten gearbeitet werden kann, statt sich […] auf unreflektierte Ziele festzulegen.“ Wobei der Coach keine „Garantie zur Zielerreichung [geben kann], da die Verantwortung dafür nicht allein bei ihm liegt“.793 794 Aufgrund der individuellen Ausrichtung des Coachingprozesses auf die unterschiedlichen Anliegen und Bedürfnisse sowie Fähigkeiten des jeweiligen Klienten lassen sich jedoch, wie Looss und Rauen formulieren, „erst auf der MetaEbene […] Strukturen trotz inhaltlicher Unterschiede übersichtlich darstellen“795 und vergleichen.796 Insofern geht es auch in diesem Kapitel bei der näheren Darstellung von Coachingprozessen nicht darum, „starre Handlungsabläufe auf [konkreter] inhaltlicher Ebene“ aufzuzeigen, „sondern die [zugrundeliegende] Gestaltung des Prozesses“797 auf übergeordneter Ebene zu beschreiben.798 799 Auf der übergeordneten Betrachtungsebene (Meta-Ebene), wird der Coachingprozess üblicherweise in mehrere800 Phasen unterteilt. Dies bietet dem Coach einerseits eine Orientierungshilfe und unterstützt ihn, eine überschaubare Prozessstruktur zu wahren. Andererseits wird dadurch gleichzeitig aber auch im Konkreten eine flexible, individuelle Vorgehensweise ermöglicht. Liegt der Vorgehensweise im Coaching eine überschaubare Struktur zugrunde, so wird diese auch für den Klienten transparent und er kann einen konkreten, hilfreichen Eindruck von dem gewinnen, was ihn im Coaching erwartet.801 Im Verlauf dieses Kapitels wird nun der Coachingprozess näher betrachtet. Da derzeit jedoch keine einheitliche Vorgehensweise im Coaching existiert, werden 793
Rauen/Steinhübel, S. 297; vgl. auch Rauen (c), S. 53 Zum Aspekt des Coachings als Prozess ebenso Rauen (a), S. 113; Rauen (b), S. 273 ff; Rauen (c), S. 2 ff; Heß/Roth, S. 16; Roth/Brüning/Edler, S. 203, S. 207 ff, 215 f; von Sassen/Vogelauer, S. 1, S. 6; Glatz/Lamprecht, S. 126; Fischer-Epe, S. 21 f, S. 27; Prochnow, S. 61; von Sassen, S. 66; Vogelauer (c), S. 145; Biehal, S. 84; König, S. 249; Looss/Rauen, u.a. S. 157, S. 165; Hamm, S. 422; Klein, S. 117; König/Volmer, S. 26; Rückle (b), S. 20; Flaherty, S. 37 ff, S. 60 ff; Cook, S. 36; Parsloe/Wray, S. 42; Zeus/Skiffington, u.a. S. XV, S. 13; Czichos, S. 68; Dehner, S. 198; Bayer (b), S. 206; Wrede (b), S. 30; Eidenschink, S. 56; König, S. 249; Finger-Hamborg, S. 278; Wrede (a), S. 53 ff; Jung, S. 136; PEF Privatuniversität für Management, S. 1, S. 6 f; uni Magazin; DBVC (a); Greif, S. 12 795 Looss/Rauen, S. 165 796 Vgl. Heß/Roth, S. 50 797 Looss/Rauen, S. 165 798 Vgl. auch Rauen (b), S. 273 799 Dabei weist Rauen auch darauf hin, dass seiner Ansicht nach auch derartige schematische Darstellungen des Coachingprozesses auf der Meta-Ebene „keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben“ können, wohl „aber teilweise komplexe Prozesse [veranschaulichen], ohne sie zu banalisieren“. (Rauen (b), S. 273) 800 Die konkrete Anzahl der Phasen variiert dabei jedoch stark. 801 Vgl. Vogelauer, S. 29; Looss/Rauen, S. 165; Fischer-Epe, S. 182 ff 794
2.7 Coaching als Prozess
155
nachfolgend zunächst einige gängige Prozessstrukturen verschiedener Coachs aus der Literatur kurz skizziert. Diese Darstellung soll einen ersten Überblick über derzeit im Coaching vorhandene unterschiedliche Prozessabläufe gewähren, bevor im weiteren Verlauf dieses Kapitels noch präzise auf die einzelnen Prozessphasen eingegangen und abschließend die methodische Ausgestaltung im Rahmen der Coachingprozesse genauer betrachtet wird. Der Coachingprozess nach Rauen Zunächst wird nun in einer Übersicht der Ablauf eines Coachingprozesses nach Rauen aufgezeigt, wobei dieser seine Ausführungen „auf den Ablauf eines Einzel-Coachings durch einen organisationsexternen Coach“ beschränkt: 802 Wahrnehmung des Coaching-Bedarfs Erkennen des Wunsches nach individueller Unterstützung Erstes Kennenlernen Die Kontaktaufnahme und das Erstgespräch
Vorphase
Vertragsschluss Formaler und psychologischer Vertrag Klärung der Ausgangssituation Bestimmung von Ist- und Soll-Zustand Zielbestimmung Ziele und Lösungswege werden erarbeitet
Hauptphase
Interventionen Umsetzung der gefundenen Ziele Evaluation Überprüfung der Zielerreichung
Abschlussphase
Abschluss Die Abschluss-Sitzung: Das formale Ende des Coachings
Abbildung 11: 802
Der Coachingprozess nach Rauen
Vgl. Rauen (b), S. 275
156
2 Was ist Coaching?
Der Coachingprozess nach Schreyögg Die folgende Skizze zeigt den Coachingprozess in Anlehnung an Schreyögg803: Phase der Eignungsdiagnostik
Abbildung 12:
Kontraktphase
Coaching-Verläufe
Abschlußphase
Der Coachingprozess nach Schreyögg
„Am Anfang steht die Eignungsdiagnostik, d.h. eine erste Sichtung und Einschätzung des Berufs- und Themenfeldes des Klienten durch den Coach. Darauf folgt eine Kontraktphase, in der formale und soziale Vereinbarungen für die gemeinsame Arbeit getroffen werden. Aus den Kontrakten ergeben sich je spezifische Verlaufsformen des Coaching, die vom Berater je unterschiedlich zu handhaben sind. Jede Beratung findet aber nun irgendwann ein Ende. Auch dieses bedarf einiger professioneller Überlegungen.“804 Der Coachingprozess nach Fischer-Epe Der Ablauf eines Coachingprozesses wird nach Fischer-Epe grob in drei Phasen gegliedert805: Auftragsklärung im Vorfeld
Coaching-Gespräche
Auswertung des Prozesses
Dabei lässt sich die Phase der Coaching-Gespräche nochmals unterteilen: Kontakt und Orientierung
Abbildung 13:
803
Situation und Ziele
Der Coachingprozess nach Fischer-Epe
In Anlehnung an Schreyögg (a), S. 298 ff Schreyögg (a), S. 298 805 Vgl. Fischer-Epe, S. 28 f und 182 ff 804
Lösungen
Transfer
2.7 Coaching als Prozess
157
„Die Auftragsklärung im Vorfeld dient der ersten Überprüfung, ob die angestrebten Ziele im Rahmen eines Coachings angemessen erreicht werden können bzw. welche flankierenden Absprachen oder anderen Maßnahmen noch getroffen werden müssen. Dies gilt besonders, wenn das Coaching vom Unternehmen des Klienten finanziert wird und mit expliziten oder impliziten Aufträgen empfohlen oder verordnet wurde. Nach der Auftragsklärung beginnen die eigentlichen Coaching-Gespräche. Der Beratungs- und Trainingsprozess ist immer zeitlich befristet und wird nach einer vereinbarten Frist ausgewertet. Grundsätzlich orientieren sich die Coaching-Gespräche an einem Ablauf in vier Phasen. In der ersten Phase wird Kontakt aufgenommen und Orientierung geschaffen, in der zweiten werden Situation und Ziele herausgearbeitet, die dritte Phase dient der Entwicklung von Lösungen, und am Ende wird der Transfer in die Praxis gesichert. Je nach Stadium im Coaching-Prozess sind die vier Phasen im Gesprächsablauf unterschiedlich gewichtet und betont. Nachdem die Gespräche abgeschlossen sind, verabreden Coach und Klient einen angemessenen Zeitraum, in dem die Erkenntnisse, Lösungsideen, Maßnahmen und Veränderungen im Arbeitsalltag umgesetzt und integriert werden können. Bei der Auswertung des Coaching wird dann überprüft, inwieweit die angestrebten Ziele tatsächlich erreicht werden konnten, und der persönliche Lernprozess wird gewürdigt.“806 Der Coachingprozess nach Looss Looss beschreibt den „idealtypischen Ablauf einer Beratung“ in der im Folgenden aufgezeigten Reihenfolge. Da er hierzu jedoch kein Schaubild skizziert, das die Aufeinanderfolge der Phasen im Überblick aufzeigt, ist die folgende Darstellung in Anlehnung an die Ausführungen von Looss konzipiert worden:807
806 807
Fischer-Epe, S. 28 f In Anlehnung an Looss (a), S. 85 ff
158
2 Was ist Coaching?
Suche nach dem passenden Berater
Konakt zwischen Klient und Coach Vertragsschluss: Grundlage der Beratungsbeziehung Formaler Vertrag und Arbeitsbündnis werden geschlossen
Zielformulierung Klärung der Ausgangssituation Coach muss die derzeitige persönliche und berufliche Situation des Klienten verstehen lernen Weiterer Verlauf der Beratung Arbeitsformen: Entlastung schaffen, Aufräumen, Feedback, Instruktion und Training Interventionen als Kern des Beraterverhaltens Zuhören und Zusehen, Nachfragen, Unterstützung geben, den Selbstausdruck fördern, Bedeutungen klären, Konfrontationen, Arbeitsvorschläge, Erklären und Information geben Abschluss der Beratung Ende der Beratung gemeinsam feststellen
Abbildung 14:
Der Coachingprozess nach Looss
Der Coachingprozess nach Vogelauer Vogelauer legt den von ihm durchgeführten Coachings „im umfassenden Sinne einen fünfphasigen Ablauf“808 zugrunde, der von ihm wie folgt dargestellt wird:809
808 809
Vogelauer (b), S. 29 Vogelauer (b), S. 29
2.7 Coaching als Prozess
1
2
3.1
Einstiegs-, VereinKontaktbarungs-, Kontraktphase phase
Abbildung 15:
159
3.2
Arbeitsphase
Situationsanalyse, Diagnose
4
5
Abschluss- Evaluaphase tionsphase
Phase der Problemlösung, Entwurfsgestaltung
Der Coachingprozess nach Vogelauer
Nach dieser kurzen Darstellung verschiedener im Coaching vorzufindender, grob skizzierter Prozesse, soll der Ablauf von Coachings nun detaillierter betrachtet werden. In dem Bestreben, die einzelnen Phasen des Coachingprozesses genauer darzustellen, zeichnet sich jedoch deutlich die Problematik ab, einen Prozess beschreiben zu wollen, der weder in der Praxis noch in der Literatur allgemein einheitlich gestaltet ist.810 Das heißt, während sich die Coachingprozesse einerseits in einigen Aspekten gleichen, sind andererseits deutliche Unterschiede zu erkennen. Dies erschwert im Folgenden auch die angestrebte Präzisierung des Prozesses in ihrer Darstellungsweise, da z.B. selbst die Benennung und Abgrenzung der einzelnen Phasen nicht einheitlich sind811. Aus diesem Grund erfolgt zur genaueren Betrachtung des Coachingprozesses die Gliederung zunächst nach den drei ganz allgemeinen Prozessschritten: Vorphase, Hauptphase und Abschlussphase. Denn im Rahmen dieser Gliederung lassen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede existierender Vorgehensweisen überschaubarer aufzeigen. Dabei stellt die Hauptphase, das heißt die Phase, in der die eigentlichen Coaching-Gespräche stattfinden, die bedeutsamste und auch zeitlich intensivste 810 811
Vgl. Roth/Brüning/Edler, S. 207, S. 218 f Vgl. Roth/Brüning/Edler, S. 207
160
2 Was ist Coaching?
Phase dar und nimmt folglich auch hier einen wesentlichen Teil der Betrachtung ein. Nachdem die logische Struktur des Coachingprozesses auf diese Weise im Ganzen genauer betrachtet worden ist und gezeigt wurde, was die einzelnen Phasen beinhalten, das heißt welche Themen im Coachingprozess behandelt werden, steht in dem darauffolgenden Gliederungspunkt dieses Kapitels die methodische Vorgehensweise im Coachingprozess, also die bedeutende Frage nach dem ‚Wie’, im Fokus der Betrachtung, wobei auch die methodische Ausgestaltung ebenso wie zuvor die Struktur der Prozesse ausschließlich auf der Meta-Ebene betrachtet wird, um die angewendeten unterschiedlichen Vorgehensweisen und Konzepte adäquat vergleichen zu können.
2.7.1 Vorphase: Kontaktaufnahme, Erstgespräch, Kontraktformulierung Die Vorphase beschreibt den Abschnitt des Coachingprozesses von der ersten Kontaktaufnahme812 zwischen Coach und Klient bis zum Beginn der eigentlichen Coachinggespräche. Diese Phase bildet „die Basis für das weitere Vorgehen“813. Häufig wird der hier als Vorphase bezeichnete Prozessabschnitt nochmals in einzelne Phasen unterteilt, wie auch aus den oben skizzierten Darstellungen hervorgeht. Trotz der nicht einheitlichen Untergliederung der Vorphase und der unterschiedlichen Benennung dieser ‚Unter-Phasen’, zeigen sich hier inhaltlich dennoch deutliche Übereinstimmungen. So werden nach allgemeinem Vorgehen sowohl der Erstkontakt als auch die Vertragsvereinbarung in der Vorphase thematisiert. Schreyögg unterteilt hierzu beispielsweise in die ‚Phase der Eignungsdiagnostik’ und die ‚Kontraktphase’, während Vogelauer die ‚Einstiegs-, Kontaktphase’ von der ‚Vereinbarungs-, Kontraktphase’ unterscheidet. Fischer-Epe fasst Aspekte beider Themen hingegen in der Phase ‚Auftragsklärung im Vorfeld’ zusammen.
812
Teilweise wird in dieser Vorphase bereits die Wahrnehmung des Coachingbedarfs seitens des Klienten und die Suche nach einem geeigneten Coach als Teil des Coachingprozesses mit thematisiert, da aus dem Blickwinkel des Klienten bereits zu diesem Zeitpunkt der Ablauf eines Coachings beginnt. (Vgl. Rauen (b), S. 275; Looss (a), S. 85 ff; Looss/Rauen, S. 165 f; Roth/Brüning/Edler, S. 207) 813 Rauen (b), S. 276; vgl. Heß/Roth, S. 37
2.7 Coaching als Prozess
161
Erstkontakt / Erstes persönliches Kennenlernen In jedem Fall geht es vor Beginn der eigentlichen Coachinggespräche, das heißt vor Beginn der Hauptphase, zunächst darum, dass sich Coach und Klient gegenseitig kennenlernen und alle für einen möglichen Auftrag wichtigen Informationen austauschen, um schließlich von beiden Seiten aus entscheiden zu können, ob das Coaching tatsächlich durchgeführt werden sollte. 814 Wie ein erster persönlicher Kontakt zwischen Coach und Klient ablaufen könnte, zeigt das von Vogelauer beschriebene und im Folgenden zitierte Beispiel aus seiner Coaching-Praxis: „Vor einiger Zeit rief mich eine Führungskraft an, er habe gehört, daß ich Caoch bin und Coaching mache. Nun möchte er von mir wissen, ob das für ihn geeignet sei. Ich erzählte ihm kurz, was Coaching für mich ist und was man bspw. machen und erreichen könne. Wir verabredeten uns zu einem kurzen persönlichen Gespräch, um einander kennenzulernen, die Ausgangssituation und gewünschte Ergebnisse zu besprechen, vielleicht auch über Ablauf, Art und Zeitdauer des Coaching zu reden. Ich legte ihm auch jene Unterlage im allgemeinen Zustand vor, die ich nach Spezifizierung mit dem jeweiligen Coaching-Kunden als schriftliche Vereinbarung für beide Seiten verwende. Dabei besprachen wir die eine oder andere Unklarheit. Wir sprachen auch über zeitliche Möglichkeiten, Finanzen, Ort der Gespräche und wichtige Inhalte.“815 Wie Vogelauer über die Schilderung dieses praktischen Beispiels hinaus generell feststellt, gehören „zu einer optimalen Einstiegssituation ins Coaching […] das Beschreiben der Situation durch den Coaching-Kunden und Aufnehmen der Anliegen durch den Coach, weiteres Zuhören, Klären, Hinterfragen und Präzisieren. Orientieren, was Coaching in diesem Falle leisten kann und Hinweise auf voraussichtliche Zeitdauer, Art der Vorgehensweise, der Methoden usw., eventuell mögliche Treffpunkte, Honorar.“816 In der Vorphase des Coachings stehen demnach zunächst in der Regel das gegenseitige Kennenlernen und die ersten Schritte zum Aufbau einer Beziehung zwischen Coach und potentiellem Klienten im Vordergrund. Auf Seiten des Klienten werden dabei konkret die Erwartungen, Wünsche und Absichten thematisiert. Das Anliegen des Klienten sowie die entsprechende Ausgangssituation werden so konkret wie möglich besprochen und hinterfragt.817 814
Vgl. Klein, S. 117; Prochnow, S. 61 f; vgl. Schreyögg (a), S. 298 ff, S. 324; Rauen (c), S. 55; Vogelauer (b), S. 30; Fischer-Epe, S. 188; Heß/Roth, S. 36 815 Vogelauer (b), S. 30 816 Vogelauer (b), S. 31 817 Wie bereits im Kapitel „Anlässe des Coachings“ beschrieben, sind die Gründe, weshalb ein potentieller Klient einen Coach aufsucht, sehr unterschiedlich und komplex und können darüber hinaus vom Klienten selbst vor dem Coaching häufig gar nicht konkret benannt werden. (Vgl. auch
162
2 Was ist Coaching?
Schreyögg spricht hier auch von der ersten „Sichtung und Einschätzung des Berufs- und Themenfeldes der Klienten durch den Coach“818. So geht es bei dem von ihr als Phase der Eignungsdiagnostik bezeichneten Prozessschritt zunächst vor allem um die „Präzisierung von aktuell relevanten Zielsetzungen“, was „ganz besonders der Orientierung des Coachs“ dient.819 820 Darüber hinaus wird in der Vorphase auch die Arbeitsweise des Coachs, das heißt seine Qualifikation, sein methodischer Hintergrund und sein Beratungsbzw. Werteverständnis von den Gesprächspartnern besprochen.821 Dabei werden wesentliche Aspekte wie Vertrauen und Diskretion thematisiert.822 Denn nur, wenn der Klient weiß, dass der Coach neutral bleibt und Diskretion wahrt, kann im Coaching wirklich offen mit Schwächen und Schwierigkeiten gearbeitet werden. Der potentielle Klient sollte wissen, dass Informationen über das Coaching nicht ohne sein Einverständnis weitergegeben werden – auch dann nicht, wenn der eigentliche Auftraggeber für das Coaching der Vorgesetzte des Klienten ist.823 Einhergehend mit der Darstellung seiner Grundhaltung und seines Coachingkonzepts erläutert der Coach ferner die Möglichkeiten und Grenzen des Coachings. Besonders die Information über die Grenzen des Coachings, das heißt „die realistische Darstellung der mit dem Coaching erreichbaren Veränderungen“ kann gegebenenfalls auch „mögliche ‚Übererwartungen’ des potenziellen Klienten“ dämpfen.824 So müssen falsche Erwartungen des Klienten beSchreyögg (a), S. 300) Wie Schreyögg beschreibt: „Es läßt sich behaupten, daß Klienten meistens deswegen in einen Coaching-Prozeß eintreten, weil sie für eine aktuell erlebte Thematik über keine Deutungs- und/oder Handlungsmuster verfügen. Das äußert sich im allgemeinen als diffus erlebtes Unbehagen und als Gefühl des Unvermögens, die berufliche Situation angemessen zu verstehen oder in ihr adäquat zu handeln.“ (Schreyögg (a), S. 166) An anderer Stelle heißt es: „Coaching-Klienten versuchen […] zunächst immer, ihre aktuellen Themen selbst zu strukturieren. Sie greifen dabei auf Muster zurück, die in ihrem Berufskontext üblich sind. In einen Coaching-Prozeß treten sie im Allgemeinen erst dann ein, wenn sie bemerken, daß sich ihre Strukturierungsmuster als unzureichend oder als zu eingeschränkt erweisen.“ (Schreyögg (a), S. 166) 818 Schreyögg (a), S. 298 819 Schreyögg (a), S. 318 820 Vgl. zum Ganzen auch Rauen (c), S. 55; Rauen (b), S. 276, S. 277; Vogelauer (b), S. 31; Schreyögg (a), S. 298 ff; Fischer-Epe, S. 182 ff; König/Volmer, S. 27 f; Klein, S. 117 f; Heß/Roth, S. 36 f; Wrede (a), S. 133 821 Vgl. auch Rauen (c), S. 55; Fischer-Epe, S. 186; König/Volmer, S. 27 f; Klein, S. 117, S 119; Heß/Roth, S. 34 822 Vgl. Fischer-Epe, S. 28, S. 182; König/Volmer, S. 29; Vogelauer, S. 29 ff; Prochnow, S. 61; Heß/Roth, S. 36 sowie Glatz und Lamprecht, die zwar schon die erste Phase als „Kontraktgespräch“ bezeichnen, aber dennoch dieselben Gesprächsinhalte beschreiben. (Glatz/Lamprecht, S. 129 ff) 823 Vgl. Fischer-Epe, S. 185 f; König/Volmer, S. 29 824 Rauen (b), S. 277
2.7 Coaching als Prozess
163
reits im Vorfeld eines möglichen Coachings geklärt werden, „z.B., dass der Klient nicht ‚geheilt’ werden kann, indem eine ‚Behandlung’ an ihm vollzogen wird; vielmehr sollte sich der Klient im Laufe des Prozesses selbst ‚kurieren’ und der Coach dabei als Prozessbegleiter und Auslöser von Veränderungen agieren.“825 826 Nach Glatz und Lamprecht ist anfangs auch eindeutig zu klären, wie mit heiklen Themen z.B. aus dem privaten und auch familiären Bereich des Klienten, die während des Coachingprozesses plötzlich auftreten können, umgegangen werden soll.827 Schließlich geht es „zu Beginn des Coachings [auch] darum, die Form der Coachingbeziehung zu klären“828. Das heißt, Coach und potentieller Klient besprechen nach mehrheitlicher Auffassung neben den bereits genannten Themen vor allem auch die in der speziellen Situation angemessene Art des Coachings (Einzel-, Gruppen- oder Teamcoaching), die zeitliche Ausdehnung (z.B. 6 Monate), die Anzahl der Sitzungen (z.B. zehn Sitzungen je zwei Stunden), die Regelmäßigkeit dieser Settings, den Ort, an dem die Settings stattfinden, sowie die anfallenden Kosten.829 Am Ende des Gesprächs sollten sowohl der potentielle Klient als auch der Coach entscheiden können, ob das Coaching durchgeführt werden soll. Der Klient sollte ausreichend Informationen haben, um z.B. entscheiden zu können, ob der Coach für seine Anliegen geeignet ist (z.B. Prüfen der Qualifikation), ob er grundsätzlich zu ihm passt (z.B. „gemeinsame Wertebasis“830), ihm sympathisch ist und ihm vertraut (Diskretion), ob gegenseitige Akzeptanz vorliegt und ob er vom Konzept des Coachs überzeugt ist.831 Umgekehrt sollte auch der Coach entscheiden können, ob er den Coaching-Auftrag annehmen möchte. Dazu sollte er überprüft haben, ob und „wieweit die angestrebten Ziele im Rah825
Rauen (b), S. 278 f Zum Ganzen vgl. Rauen (c), S. 55; Rauen (b), S. 276 f, S. 278 f; Vogelauer (b), S. 31; Schreyögg (a), S. 298 ff; König/Volmer, S. 27 f; Fischer-Epe, S. 188, S. 190; Klein, S. 116, S. 117, S. 119 827 „Manchmal fordern Coaches unbedingte Offenheit zu allen Lebensthemen. ‚Nur wenn der Coachee alles mit mir bespricht, kann ich sie/ihn auch wirklich wirksam unterstützen.‘ Wir teilen diese Ansicht nicht. Unserer Auffassung nach beschränkt sich Coaching auf jenen Teil des Lebens, der die Führungsfunktion (oder das professionelle Wirken) betrifft. Es geht im Coaching nicht darum, Eheprobleme zu diskutieren oder Laienpsychotherapie zu betreiben. Tiefer sitzende charakterstrukturelle Themen und unauflösbare Probleme im Privatleben sind unserer Differenzierung nach Inhalte der Psychotherapie und übersteigen den Rahmen des Coaching.“ (Glatz/Lamprecht, S. 130.) Siehe hierzu auch entsprechend die Abgrenzung vom Coaching zu anderen Methoden in Kapitel 2.2.3. 828 Glatz/Lamprecht, S. 128 829 Vgl. Glatz/Lamprecht, S. 128 ff; Schreyögg (a), S. 299 ff; Vogelauer (b), S. 31; Fischer-Epe, S. 185; König/Volmer, S. 28 f; Klein, S. 119 f; Wrede (a), S. 135 830 Rauen (b), S. 277 831 Vgl. Rauen (b), S. 274, S. 276; Rauen (c), S. 55; Vogelauer (b), S. 30; Fischer-Epe, S. 188, S. 191 f; Heß/Roth, S. 37 826
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2 Was ist Coaching?
men eines Coaching mit angemessenem Aufwand erreicht werden können“832, ob er als Coach für die konkrete Fragestellung geeignet ist und meint, eine gemeinsame Basis mit dem potentiellen Klienten gefunden zu haben. Ferner sollte er von der Freiwilligkeit und der Veränderungsbereitschaft des Klienten überzeugt sein.833 Im Zweifelsfall sollte der Coach den Auftrag begründet ablehnen834 und gegebenenfalls an einen Kollegen oder wenn nötig auch an einen Psychotherapeuten weitervermitteln.835 836 Wie Schreyögg beschreibt, sollte der Coach bereits in der Vorphase im Rahmen der „Sichtung und Einschätzung des Berufs- und Themenfeldes der Klienten“ sowie der darauf folgenden Wahl der geeigneten Coachingform eine „kompetente Eignungsdiagnostik“ anwenden. Denn dem Coach kommt die Aufgabe zu, die vom Klienten beschriebenen komplexen Sachverhalte an dieser Stelle des Coachingprozesses „zumindest vorläufig“ zu strukturieren („Aufgabe der Komplexitätsreduktion“).837 „Erst vor dem Hintergrund einer sorgfältigen Eignungsdiagnostik“838 „lassen sich nämlich angemessene Empfehlungen für die 832
Fischer-Epe, S. 186 Vgl. Rauen (b), S. 271 f, S. 276; Vogelauer (b), S. 30; Fischer-Epe, S. 186, S. 188 834 Fischer-Epe nennt hierfür als mögliche Gründe: „Es gelingt nicht, sich mit dem Auftraggeber auf realistische Ziele und angemessene Rahmenbedingungen für das Coaching zu einigen, oder die Ziele passen nicht zu meinem Beratungsund Rollenverständnis bzw. zu meinen Werten. Ich bin als Coach durch bestehende Kontakte, eigene Interessen oder meine aktuelle persönliche Situation zu verwickelt, um professionelle Distanz und Neutralität garantieren zu können. Mir fehlt als Coach die Fach- oder Feldkompetenz, die für diese Fragestellung sinnvoll wäre.“ (Fischer-Epe, S. 187) 835 Vgl. Fischer-Epe, S. 186 f; Vogelauer (b), S. 30; Rauen (c), S. 55; Rückle (b), S. 67 f 836 Vogelauer fasst die seiner Ansicht nach für eine Entscheidung wichtigsten Aspekte seitens des Coachs und Klienten insgesamt wie folgt zusammen: „Die wichtigsten Aspekte für den Coaching-Kunden sind: Vertrauen Gefühl der Kompetenz des Coach ein Problem, eine Frage, die selbst nicht lösbar erscheint Gefühl des Aufgehobenseins Akzeptanz der eigenen Person mit allen Schwierigkeiten bzw. Themen effektives Vorgehen Erfahrungen mit dem Coach (auch in anderen Zusammenhängen) bzw. Empfehlungen wichtiger nahestehender Personen Für den Coach ist in dieser Phase wichtig: wechselseitige Sympathie und Akzeptanz Offenheit und Bereitschaft, sich auf eine Phase mehrerer Gespräche einzulassen das Thema ist nach erstem Ermessen für Coaching geeignet Kundenengagement für sein Thema (und nicht Abwälzen auf den Coach).“ (Vogelauer (b), S. 30) 837 Schreyögg (a), S. 298 838 Schreyögg (a), S. 302 833
2.7 Coaching als Prozess
165
‚richtigen’ Ziele des Coachings, für sein ‚richtiges’ Setting und seinen ‚richtigen’ Ablauf aussprechen“839, so Schreyögg. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass in der gängigen Literatur eine derartige, wie hier von Schreyögg geforderte, sorgfältige und kompetente eignungsdiagnostische Vorgehensweise in der Vorphase des Coachinggprozesses in dieser Form anderweitig nicht angesprochen wird. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass derzeit allgemein keine einheitliche, fundierte eignungsdiagnostische Methode zur Analyse des Klientenanliegens in der Vorphase des Coachingprozesses angewendet wird. Gestützt wird diese Aussage zudem durch die noch folgenden Ausführungen zu den methodischen Vorgehensweisen im Rahmen der Hauptphase, der eigentlichen Coachinggespräche. Kontraktformulierung / Vertragsvereinbarung Entscheiden sich beide Parteien schließlich für das Coaching, dann werden nun die vorab in der Regel bereits besprochenen Vereinbarungen auch schriftlich festgelegt. Dieser häufig auch als Kontraktphase bezeichnete Vorgang schließt sich entweder unmittelbar an das Erstgespräch an oder erfolgt in einem separaten Termin.840 Häufig wird zwischen zwei Typen von Verträgen unterschieden: Zum einen dem formalen Vertrag841 und zum anderen dem sozialen Kontrakt842 bzw. psychologischen Vertrag843, der auch als „Arbeitsbündnis“844 zwischen Coach und Klient bezeichnet wird 845. Diese vertraglichen Absprachen bilden die „Grundlage der Beratungsbeziehung“846. Formaler Vertrag Im sogenannten ‚formalen Kontrakt’ werden die formalen Rahmenbedingungen der Beraterbeziehung zwischen den Beteiligten - das heißt dem Coach, dem 839
Schreyögg (a), S. 298 Vgl. Vogelauer (b), S. 31 f; Prochnow, S. 61; Rauen (b), S. 275; Rauen (c), S. 55; Schreyögg (a), S. 298; König/Volmer, S. 29; Klein, S. 119; Heß/Roth, S. 37; Wrede (a), S. 147 Nach Rauen sollte auf jeden Fall „die Entscheidung für ein Coaching nicht im Erstkontakt getroffen werden. Der Interessent sollte die Möglichkeit erhalten, sich in einem für ihn angemessenen Zeitraum zu überlegen, ob er mit dem Coach eine gemeinsame Beratungsbeziehung eingehen möchte.“ (Rauen (c), S. 65) 841 Vgl. Looss (a), S. 91; Schreyögg (a), S. 308; Rauen (b), S. 278; König/Volmer, S. 30; Roth/Brning/Edler, S. 208; Heß/Roth, S. 37 842 Vgl. Schreyögg (a), S. 308 843 Vgl. Rauen (b), S. 278; Rückle (b), S. 91; Roth/Brning/Edler, S. 208; Heß/Roth, S. 37 844 Looss (a), S, 93; Roth/Brüning/Edler, S. 208; Heß/Roth, S. 38 845 Vgl. auch König/Volmer, S. 30 846 Looss (a), S. 91 840
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2 Was ist Coaching?
interessierten Klienten und gegebenenfalls einem Dritten, dem Arbeitgeber des Klienten - in einem Vertrag festgehalten.847 Neben der gemeinsamen, sorgfältigen Klärung der formalen Bedingungen schafft die Abfassung dieses Vertrages gleichzeitig auch „einen rechtlich abgesicherten Rahmen für die Beratungsarbeit“.848 „Bei diesem Vertrag handelt es sich i.d.R. um einen Dienstvertrag. Es wird hier im Gegensatz zu einem Werkvertrag nicht ein bestimmtes Ergebnis versprochen, sondern vereinbart, dass der Coach eine profunde Beratungsleistung erbringt.“849 „Dies ist sinnvoll, weil die Herbeiführung eines etwaigen Erfolges ganz erheblich von der inneren Bereitschaft und Mitwirkung des Betroffenen abhängt. […] Der Berater verspricht in diesem Vertrag lediglich, in fundierter Weise auf der Grundlage von Gesprächen an den beruflichen und [damit verbundenen] persönlichen Themen und Schwierigkeiten des betroffenen Klienten zu arbeiten.“850 Inhaltlich werden nach allgemeinem Vorgehen vor allem Vereinbarungen zu den folgenden Themen getroffen: Personen, die am Coaching beteiligt sind Gesamtdauer des Coachings Anzahl, Dauer und Abstände der einzelnen Coachingsitzungen Orte, an denen das Coaching stattfindet Höhe des Honorars (betrifft vor allem den externen Coach) Vergütung sonstiger Aufwendungen (betrifft vor allem den externen Coach) Finanzielle Regelungen für den Ausfall von Sitzungen (betrifft vor allem den externen Coach) Art der Rechnungsstellung und der Zahlungsweise (betrifft vor allem den externen Coach) Haftungsfragen Geheimhaltungspflicht/Vertraulichkeit. 851 847
Vgl. Rauen (b), S. 278; Schreyögg (a), S. 308; Looss (a), S. 91; Klein, S. 119; Roth/Brüning/Edler, S. 208 848 Schreyögg (a), S. 308; vgl. Looss (a), S. 91; Wrede (a), S. 147 849 Rauen (b), S. 278; vgl. Looss (a), S. 92; Rückle (b), S. 90; Roth/Brüning/Edler, S. 208; Heß/Roth, S. 37 850 Looss (a), S. 92 851 Vgl. insgesamt hierzu Rauen (b), S. 278; Rauen (c), S. 56 f; König/Volmer, S. 30; Schreyögg (a), S. 309 ff; Looss (a), S. 92 f; Schreyögg (a), S. 308 ff; Rückle (b), S. 90; Klein, S. 119 f; Roth/Brüning/Edler, S. 208, S. 218; Heß/Roth, S. 37 f; Wrede (a), S. 148 Schreyögg weist zusätzlich darauf hin, dass „der formale Anteil von Kontrakten […] allerdings je nach den Rollenkonstellationen der Interaktionspartner unterschiedlich zu gestalten [ist]. Ein organisationsinterner Coach hat den formalen Anteil des Kontraktes anders zu regeln als ein externer. Und der externe muss wiederum unterschiedliche Gesichtspunkte beachten, je nachdem, ob er nur mit dem Klienten selbst einen Vertrag abschließt oder ob noch dritte Instanzen in Form organisations-
2.7 Coaching als Prozess
167
Sozialer Kontrakt / psychologischer Vertrag / Arbeitsbündnis Neben dem eben beschriebenen formalen Vertrag schließen Coach und Klient nach mehrheitlichem Vorgehen auch einen sozialen Kontrakt852. Dieser wird auch psychologischer Vertrag853 bzw. „Arbeitsbündnis“854 genannt. „Im Arbeitsbündnis klären die beiden beteiligten Personen ab, ob und wozu, auf welche Weise und unter Beachtung welcher Spielregeln sie sich auf die gemeinsame kommunikative Klärungsarbeit einlassen wollen.“855 „Dabei ist die Aushandlung des psychologischen Vertrags auch für den Coach kein Routinevorgang. Da die Personen und Situationen in jedem Coaching variieren, muss auch die Beziehung zum Klienten jedesmal neu und individuell definiert werden.“856 Da generell kein einheitlicher Kriterienkatalog existiert, der die in einem sozialen Kontrakt grundsätzlich zu thematisierenden Aspekte einheitlich regelt, können im Folgenden lediglich einige Beispiele genannt werden857: Wesentlich für die Ausgestaltung des sozialen Kontrakts sind zunächst die Problem- und Zielformulierung des Klienten sowie die Beschreibung des konkreten Anlasses für das Coaching zu Beginn des Prozesses.858 Wie Rauen formuliert, soll der Klient seine konkreten Erwartungen und Wünsche („Vorannahmen, Befürchtungen, Ziele“) beschreiben.859 Denn „thematisch startet jedes Coaching bei Fragestellungen oder Problemen, die der Klient von sich aus einbringt.“860 „Auch der Coach muss seine Bedingungen nennen und den Rahmen seiner Möglichkeiten deutlich machen.“861 Er muss die Grenzen des Coachings aufzeigen862, seine Coachingtechniken und Methoden mit dem Klienten besprechen863 und sollte, so Schreyögg, sein Konzept mit knappen Worten beschreiben.864
interner Finanzgeber und Mitarbeiter-Vertreter beteiligt sind.“ (Detaillierte Ausführungen hierzu finden sich vor allem in Schreyögg (a), S. 308 ff; vgl. auch Looss (a), S. 93) 852 Vgl. Schreyögg (a), S. 308 853 Vgl. Rauen (b), S. 278; Rückle (b), S. 91; Roth/Brüning/Edler, S. 208; Heß/Roth, S. 37 854 Looss (a), S, 93; Roth/Brüning/Edler, S. 208; Heß/Roth, S. 38 855 Looss (a), S. 93; vgl. auch Rauen (b), S. 278; Rauen (c), S. 55; Schreyögg (a), S. 313; Roth/Brüning/Edler, S. 208; Heß/Roth, S. 38 856 Rauen (b), S. 279; vgl. auch Rückle (b), S. 91; Roth/Brüning/Edler, S. 208; Heß/Roth, S. 38 857 Vgl. ausführlicher in: Rauen (b), S. 279; Rauen (c), S. 57; Schreyögg (a), S. 313 ff; Looss (a), S. 94 f 858 Vgl. Looss (a), S. 94 f; Roth/Brüning/Edler, S. 208; Heß/Roth, S. 39 859 Vgl. Rauen (b), S. 278, S. 279; Rauen (c), S. 57; ähnlich auch Rückle (b), S. 91 860 Schreyögg (a), S. 313 861 Rauen (b), S. 278, S. 279 862 Vgl. Rauen (b), S. 279; Schreyögg (a), S. 313; Heß/Roth, S. 38 863 Vgl. Rauen (b), S. 279; Rauen (c), S. 57; Heß/Roth, S. 38 864 Schreyögg (a), S. 316
168
2 Was ist Coaching?
Dabei ist es „nicht selten […] in der ersten Phase sehr mühevoll, die Erwartungen des Klienten mit dem Selbstverständnis des Coach und dessen realen Möglichkeiten zu vereinbaren. Viele Coaching-Suchende haben unrealistische Vorstellungen von Coaching.“865 „Der Coach macht nicht erfolgreich! Er hilft seinem Klienten dabei, sich selbst erfolgreich zu machen oder, falls dafür die Voraussetzungen fehlen, die Ziele zu verändern oder das subjektiv ungünstige Umfeld zu verlassen. Der Coach vollendet also nichts – er löst aus und begleitet! Er ‚spiegelt’ Verhaltensweisen und macht sie bewusst. Damit erfährt der Klient sehr viel über seine Problemfelder und dies kann ihm helfen, einen Anfang zu finden, die Probleme abzugrenzen und zu bearbeiten. Der Klient erfährt, was er hat und was ihm fehlt und kann Vorhandenes nutzen und Fehlendes erarbeiten oder ersetzen.“866 Im psychologischen Vertrag werden zwischen Coach und Klient schließlich auch sogenannte ‚Tabu-Zonen’ festgelegt, das heißt es werden nicht nur die Themen benannt, die im Coaching bearbeitet werden sollen, sondern auch die Bereiche, die außen vor bleiben sollen.867 868 Abschließend sei noch erwähnt, dass der psychologische Vertrag im Gegensatz zum formalen Vertrag generell als während des Coachingprozesses veränderbar gilt. Die zu Beginn des Prozesses getroffenen Vereinbarungen können somit an die im Coaching auftretenden Veränderungen angepasst werden.869 870 865
Rückle (b), S. 91 Rückle (b), S. 92; vgl. Schreyögg (a), S. 313; Rauen (c), S. 57 867 Vgl. Rauen (b), S. 278, S. 279; Rauen (c), S. 57; Looss (a), S. 94; Roth/Brüning/Edler, S. 208; Heß/Roth, S. 38 868 Weitere mögliche Inhalte eines psychologischen Vertrages finden sich insbesondere in den Ausführungen von Rauen, Schreyögg und Looss. Auf die Nennung einzelner weiterer vertraglicher Aspekte wird hier jedoch aufgrund der allgemein eher unterschiedlichen Vorgehensweise verzichtet. 869 Rückle (b), S. 92; Rauen (c), S. 57 f ; Looss (a), S. 95; Schreyögg (a), S. 313; Heß/Roth, S. 38, S. 39 870 Allerdings ist man sich bezüglich des generellen Verständnisses zum Umfang der Flexibilität des psychologischen Vertrages nicht ganz einig: Nach Ansicht Rauens ist der psychologische Vertrag grundsätzlich flexibel. „D.h. er kann von beiden Seiten jederzeit nachverhandelt werden, wenn dies notwendig bzw. für den Beratungsprozess sinnvoll erscheint.“ Allerdings sind bestimmte Vertragspunkte, wie die Bereitschaft sich mit persönlichen Anliegen auseinander zu setzen (eine der Grundvoraussetzungen für Coachings) nach Rauen nicht beliebig veränderbar. (Rauen (c), S. 57 f ) Auch Looss beschreibt, dass es während der Beratung in den meisten Fällen Anlass gibt, „das anfängliche Bündnis zu ändern, zu erweitern, einzugrenzen oder neue Spielregeln zu vereinbaren. Solche Veränderungen markieren dann wesentliche Abschnitte im Prozess, und es ist wichtig, von ihnen bewusst und explizit Notiz zu nehmen und das Bündnis jeweils sorgfältig zu reformulieren.“ (Looss (a), S. 95) Im Vergleich dazu vertritt Schreyögg die Meinung, dass „die Aushandlungsprozesse um Situationsdefinitionen einen festen Bestandteil des gesamten Coaching-Prozesses [darstellen]. Im Prinzip vollziehen sie sich vom Erstkontakt am Telephon bis zur Beendigung des Coachings. Sie bilden den 866
2.7 Coaching als Prozess
169
2.7.2 Hauptphase: Arbeitsphase / eigentliche Coachinggespräche Der hier als Hauptphase bezeichnete Prozessabschnitt ist die zeitlich umfassendste Phase und schließt sich im Coachingprozess unmittelbar an die Vorphase an. In der Hauptphase finden die „eigentlichen Coachinggespräche“ 871 statt. Vogelauer bezeichnet diesen Prozessabschnitt daher auch als die eigentliche „Arbeitsphase“872. Die Dauer der Hauptphase ist individuell unterschiedlich und abhängig von verschiedenen Faktoren, insbesondere dem speziellen Anliegen des Klienten und seiner Situation. Grundsätzlich ist die Dauer des gesamten Coachings durch die Anzahl der Sitzungen (z.B. 10 Termine) sowie deren Intervalle (z.B. wöchentlich, 14-tägig) bereits in der Vorphase zwischen Coach und Klient vereinbart worden. Auch die Länge der einzelnen Sitzungen (z.B. 2 Stunden) wurde schon im Vorfeld festgelegt.873 Üblicherweise wird die Hauptphase nochmals in weitere Prozessschritte unterteilt. Allerdings wird deutlich, dass in Literatur und Praxis hierzu bis heute keine insgesamt einheitliche Vorgehensweise existiert, weshalb zur genaueren Beschreibung der Hauptphase des Coachingprozesses nachfolgend die Prozessstrukturen verschiedener Coachs zusammenfassend aufgezeigt werden. Diese exemplarische Darstellung soll einen realistischen Einblick in das derzeit übliche prozessuale Vorgehen in der Hauptphase geben und dabei sowohl bestehende Unterschiede als auch Übereinstimmungen in der Prozessstruktur verdeutlichen. Die methodische Ausgestaltung dieser Prozessstrukturen durch die einzelnen Coachs wird in einem späteren Gliederungspunkt dieses Kapitels behandelt (siehe hierzu unter Punkt 2.7.4), wenn auch bereits in den folgenden Ausführungen - zugunsten eines umfassenderen Verständnisses - Aspekte zur methodischen Vorgehensweise enthalten sind. Letztlich ist eine strenge Trennung des strukturellen Prozessablaufs von der jeweiligen methodischen Ausgestaltung und dem gegebenenfalls damit verbundenen zugrundeliegenden (theoretischen) Konzept
dynamischen Bestandteil von Kontrakten. Diese fortlaufenden zwischenmenschlichen Aushandlungsprozesse, die sich natürlich größtenteils völlig unbemerkt vollziehen, hat nun der Coach als professionelle einzusteuern. Ihm kommt dabei die Aufgabe zu, Eckpfeiler für die jeweiligen Situationsdefinitionen zu markieren. Zu diesem Zweck muss er schon anfangs grundlegende Parameter der Beratungssituation einführen. Im weiteren Verlauf wird er wachsam sein, dass über genau die Bestimmungsmerkmale verhandelt wird, denen eine besondere situative Relevanz zukommt.“ (Schreyögg (a), S. 313) 871 Vgl. Fischer-Epe, S. 28 f 872 Vogelauer (b), S. 29 873 Vgl. hierzu auch Schreyögg (a), S. 317 ff; Rauen (b), S. 280 f; Rauen (c), S. 58 f; Klein, S. 119 f; Roth/Brüning/Edler, S. 208
170
2 Was ist Coaching?
aufgrund der bestehenden gegenseitigen Einflussnahme und Bedingtheit ohnehin nicht zweckmäßig. Die Hauptphase nach Rauen Begonnen wird nun mit der Beschreibung der strukturellen Vorgehensweise nach Rauen. Hier wird die Hauptphase eines Coachings grob in die drei - hier rot markierten - Unterphasen gegliedert: 874 Wahrnehmung des Coaching-Bedarfs Erkennen des Wunsches nach individueller Unterstützung Erstes Kennenlernen Die Kontaktaufnahme und das Erstgespräch
Vorphase
Vertragsschluss Formaler und psychologischer Vertrag Klärung der Ausgangssituation Bestimmung von Ist- und Soll-Zustand Zielbestimmung Ziele und Lösungswege werden erarbeitet
Hauptphase
Interventionen Umsetzung der gefundenen Ziele Evaluation Überprüfung der Zielerreichung
Abschlussphase
Abschluss Die Abschluss-Sitzung: Das formale Ende des Coachings
Abbildung 16:
874
Die Hauptphase im Coachingprozess nach Rauen
Vgl. Rauen (b), S. 275
2.7 Coaching als Prozess
171
1.
Die Klärung der Ausgangssituation – die Bestimmung von Ist- und Sollzustand: „Die gemeinsame Klärung der aktuellen Situation umfasst die Anliegen des Klienten sowie dessen damit verbundene Stärken und Schwächen und auch weitere beeinflussende Rahmenbedingungen. Für eine erste Übersicht werden die wichtigsten Informationen gesammelt, in Verbindung gesetzt und mögliche Problemursachen identifiziert. Zu diesem Zweck stellt der Coach zahlreiche Fragen875 bzw. lässt er den Klienten je nach Situation berichten. Dadurch können bereits die ersten Ziele geklärt werden, zudem werden die Erwartungen des Klienten bewusst.“876 877 Wie Rauen beschreibt, ist es zwar prinzipiell in Beratungsprozessen selbstverständlich, die jeweilige Ausgangssituation zu klären, allerdings kommt dem aber im Coaching eine „besondere Bedeutung zu, da der Gecoachte es nicht selten als schwer empfindet, seine aktuelle Situation und seine Zielsetzung präzise zu beschreiben. Oft ist es eher ein diffuses Unwohlsein oder ein Problemsymptom und nicht die -ursache, das ein Coaching initiiert. In derartigen Fällen liegt die Vermutung nahe, dass die aktuellen Wahrnehmungs- und Bewertungsmuster des Gecoachten nicht geeignet sind, seine Situation adäquat zu verstehen und funktionale Ziele für das Coaching zu setzen. Somit sollte gemeinsam eine angemessene (Neu-)Orientierung erarbeitet werden.“878
2.
Die Zielbestimmung – das Erarbeiten von Zielen und Lösungswegen: „Die klare Zielformulierung bildet in jeder Coaching-Sitzung einen Schwerpunkt: Zuweilen sind die Anliegen des Klienten infolge einer eingeschränkten Wahrnehmung relativ diffus (Führungsprobleme, nachlassende Motivation, allgemeines Unbehagen, mangelnder Überblick usw.) und müssen erst gemeinsam herausgefunden werden. Dabei sollte besonders bei der Zielfindung ausführlich und genau vorgegangen werden, da die Verfolgung von ‚Scheinzielen’ das Coaching faktisch nutzlos macht. Der Coach ist da-
875
Z.B.: „Wie hat sich aus Ihrer Sichtweise die jetzige Situation ergeben können? Welche Personen und Rahmenbedingungen sind an der aktuellen Situation beteiligt? Wie würden Sie Ihr Anliegen beschreiben? Wie würde dies ein Außenstehender/Chef/Mitarbeiter beschreiben?“ etc. (Siehe hierzu weiter in Rauen (c), S. 60) 876 Rauen (b), S. 281; vgl. auch Rauen (c), S. 59 f 877 Gemäß Rauen sollten die in dieser und der nächsten Phase „erarbeiteten Ergebnisse der Bestandsaufnahme, der erarbeiteten Ziele und der Stärken-Schwächen-Analyse […] schriftlich festgehalten werden. Sie bilden die Grundlage für einen gemeinsam zu entwerfenden Arbeitsplan, in dem das weitere Vorgehen festgelegt werden kann.“ So kann der Arbeitsplan „z.B. die Ausgangssituation, die angestrebten Ziele, mögliche Lösungsmöglichkeiten und notwendige Interventionen festlegen“. (Rauen (b), S. 282, vgl. auch S. 283) 878 Rauen (c), S. 59 f
172
2 Was ist Coaching? her gut beraten, sich hier genügend Zeit zur Klärung zu nehmen - zumal ein präzise formuliertes Ziel oft schon Lösungsansätze beinhalten kann.879 Somit können sich bereits hier im gemeinsamen Dialog Wahrnehmungseinschränkungen als eigentliche Ursache mancher Probleme feststellen lassen.“880 881
3.
879
Die Interventionen – die Umsetzung der gefundenen Ziele: „Genau genommen gehören die bisher beschriebenen Vorgehensweisen eines Coachs als Teil seines Arbeitskonzepts bereits zu seinen Interventionen. So kann allein die Zielfindung einen wesentlichen Teil des Coachings für sich einnehmen; und durch die Identifikation der Werte des Klienten werden ebenfalls Prozesse angeregt, die letztlich die eigene Wahrnehmung fördern und auf die Verbesserung von Selbstreflexion und Bewusstsein zielen. Im Allgemeinen werden unter den Interventionen aber erst die Vorgehensweisen verstanden, die explizit im Rahmen der Zielerreichung eingesetzt werden. Dazu gehören z.B. Simulationen, in denen mögliche Lösungsstrategien durchgespielt und zusammen bewertet werden. Auch hier ist es oft notwendig, auf Wahrnehmungsblockaden (Betriebsblindheit) hinzuweisen und alternative Sichtweisen (z.B. durch Reframing) zu eröffnen. Der Coach dominiert aber nicht die Situation als ‚Macher’, sondern beschränkt sich als Berater auf Vorschläge und Rückmeldungen (Feedback). Dies kann von dem Klienten angenommen oder ohne Beziehungsgefährdung abgelehnt werden, weil es sich um Angebote des Coachs handelt – und nicht um Belehrungen. Daher ist es ein fließender Übergang von den Zielen über die Lösungen bis zu den konkreten Interventionen, welche vom Klienten dann jedoch am deutlichsten als Methode wahrgenommen werden.“882
Wie Rauen beschreibt, sollte der Coach im Rahmen der Zielformulierung zudem darauf achten, dass es sich bei den Zielen tatsächlich um die individuellen Ziele des Klienten und nicht nur um Unternehmensziele handelt. Ferner sollten die Werte und Absichte, die hinter den vom Klienten benannten Zielen stehen, identifiziert und dem Klienten bewusst gemacht werden. Auch die Priorisierung der Ziele durch den Klienten ist nach Rauen bedeutsam. Denn die Auseinandersetzung mit Zielkonflikten und Widersprüchen ist „schon der erste Schritt zum Erkennen möglicher Lösungen“. (Vgl. insgesamt Rauen (b), S. 283) 880 Rauen (b), S. 282 und ausführlicher S. 282 f; vgl. auch Rauen (c), S. 59 f, S. 61 881 Im Rahmen der Zielbestimmung unterscheidet Rauen (gemäß Whitmore) zudem nach End- und Leistungszielen. Danach sind Leistungsziele solche Ziele, die „im Einflussbereich des Klienten selbst“ liegen. „Endziele hingegen können nicht direkt erreicht werden, sondern sind noch von äußeren Faktoren abhängig.“ Im Allgemeinen stehen im Fokus des Coachings demnach „die selbst beeinflussbaren Leistungsziele“. (Rauen (b), S. 282; vgl. hierzu auch Whitmore, S. 61 f) 882 Rauen (b), S. 283 f
2.7 Coaching als Prozess
173
Zur Erläuterung der im Rahmen des vorgestellten Prozessablaufs anwendbaren methodischen Vorgehensweise verweist Rauen auf eine von ihm zusammengestellte Methodensammlung883. Diese enthält einzelne Beschreibungen zu mehreren Methoden - sowohl zu Fragetechniken wie auch verschiedenen Testverfahren, Rollenspielen und Feedback etc. 884 - die, wie Rauen darstellt, im gesamten Coachingprozess angewendet werden können. Da es nach Rauen jedoch nicht möglich ist, vollumfänglich auf sämtliche Methoden einzugehen, „die im Coaching sinnvoll eingesetzt werden können“ 885 886, beschränkt er sich in seiner Methodensammlung auf die wesentlichsten Interventionen. Aber, wie Rauen beschreibt, ermöglicht „bereits die kompetente Anwendung dieser zentralen Methoden […] bemerkenswerte Ergebnisse – erfordert aber umfangreiche Übung, da ihre Anwendung nicht nur fundiert erfolgen (sonst können sie mehr schaden als nützen), sondern auch stimmig zum Coach passen muss.“887 Eine über die Beschreibung der einzelnen Methoden hinausgehende grundlegende allgemeine Vorgehensweise, die die konkrete fundierte Anwendung dieser beschriebenen einzelnen Methoden insgesamt regelt, wird von Rauen an dieser Stelle nicht vorgestellt. Die Hauptphase nach Looss Ähnlich wie Rauen strukturiert auch Looss seinen Beratungsprozess, wie aus dem in Anlehnung an die textlichen Ausführungen von Looss konzipierten, nachfolgend skizzierten Schaubild deutlich wird:888
883
Siehe hierzu Rauen (c), S. 60, S. 69 ff Vgl. Rauen (c), S. 70 ff 885 Rauen (c), S. 69 886 Rauen stellt hierzu fest: „Generell ist der Rahmen von Coaching-Maßnahmen so weit gefasst, dass eine Beschränkung auf bestimmte Methoden nicht zwingend notwendig ist.“ (Rauen (b), S. 284) 887 Rauen (c), S. 69 888 In Anlehnung an Looss (a), S. 85 ff 884
174
2 Was ist Coaching?
Suche nach dem passenden Berater
Kontakt zwischen Klient und Coach Vertragsschluss: Grundlage der Beratungsbeziehung Formaler Vertrag und Arbeitsbündnis werden geschlossen
Zielformulierung Klärung der Ausgangssituation Coach muss die derzeitige persönliche und berufliche Situation des Klienten verstehen lernen Weiterer Verlauf der Beratung Arbeitsformen: Entlastung schaffen, Aufräumen, Feedback, Instruktion und Training Interventionen als Kern des Beraterverhaltens Zuhören und Zusehen, Nachfragen, Unterstützung geben, den Selbstausdruck fördern, Bedeutungen klären, Konfrontationen, Arbeitsvorschläge, Erklären und Information geben Abschluss der Beratung Ende der Beratung gemeinsam feststellen
Abbildung 17:
1.
889
Die Hauptphase im Coachingprozess nach Looss
Zielformulierung: Im Vergleich zu den oben genannten Ausführungen Rauens zum Coachingverlauf hebt Looss hinsichtlich der Zielformulierung besonders kritisch hervor, dass eine konkrete Zieldefinition889 bereits zu Beginn der Coachinggespräche grundsätzlich „im Widerspruch zu der divergenten und kaum prognostizierbaren Arbeitsweise personenzentrierter Beratung“ steht. Sie stellt einen Tribut an die üblichen Denkweisen der Manager dar, die sich in
Nach Looss sind Ziele „vorgedachte erwünschte Endzustände, beschrieben durch einigermaßen klar abgrenzbare Dimensionen (Zielgrößen) und deren angestrebter Ausprägung (Zielvorschrift), die nach einem bestimmten Zeitraum (Zieldauer) erreicht sein sollte.“ (Looss (a), S. 96)
2.7 Coaching als Prozess
175
der Regel „einer vorab formulierten Zielvorstellung zu verpflichten“ suchen.890 „Anders als im Sport, wo Zielgrößen und Messverfahren meist sehr genau operationalisiert werden können, geht es bei den Arbeits- und Verhaltensschwierigkeiten der Führungskraft […] [jedoch] oft um ausgesprochen ‚weiche’, lebendige Dimensionen, die sich der technischen Messbarkeit entziehen.“891 Der Coach muss folglich zwischen dem in der Unternehmenswelt gewohnten ‚Denken in Zielen’ und der üblichen Zielformulierung in personenbezogenen Prozessen vermitteln. So reicht es im Coaching z.B. nicht aus, etwas einfach ‚besser’ machen zu wollen.892 „In einer Beratung muss hingegen erst noch heraus-gefunden werden, welche Qualitäten mit […] [diesem Wert auf der spezifischen] Skala eigentlich im Blick sind.“893 Zumal in diesem frühen Stadium des Coachings viele Phänomene oft noch gar nicht sichtbar geworden sind, sondern erst im Laufe der Beratung deutlich werden, wie Looss zu bedenken gibt.894 „Insgesamt zeigt sich, dass die Zielformulierung in dem Maße eine methodisch unproblematische Phase darstellt, wie der Beratungsanlass selbst nach Thema und Situation im vertrauten Rahmen der Führungskraft angesiedelt bleibt. Geht es dagegen um sehr personenbezogene Problematiken, so ist die Aktivität der Zielformulierung aus Sicht des Beraters ein konzeptionelles Zugeständnis, das er einstweilen an die Denkgewohnheiten seines Klienten macht. Er tut dies deshalb, weil er auf diesem Wege bereits mit dem Klienten erforschen kann, worum es diesem im Leben, in der Arbeit und im Umgang mit anderen geht. Der Klient offenbart auch bei dieser Formulierungsarbeit bereits sehr viel von seiner Weltsicht und hilft so dem Berater dabei, besser zu verstehen, wie er, der Klient, gelernt hat, sich seine Realität zu konstruieren. Das grundsätzliche Dilemma bleibt jedoch bestehen: Die auf Zielerreichung gerichtete Orientierung des Managers verträgt sich zunächst kaum mit der prozesshaften Orientierung von Beratung.“895 „Wir alle wissen natürlich bei näherem Hingucken, dass das mit der Zielorientierung nicht so richtig hinhaut. Weil Coaching zwangsläufig ergebnisoffen ist und sein muss. Das heißt nicht, dass Zielorientierung im Coaching keine Rolle spielt. Aber Zielorientierung ist die Anforderung der Wirtschaft, entspricht den dort üblichen Denkmustern.“ 896 890
Looss (a), S. 95, vgl. auch Looss (c), S. 7 Looss (a), S. 96 892 Vgl. hierzu Looss (a), S. 96 893 Looss (a), S. 97 894 Vgl. Looss (a), S. 98 f 895 Looss (a), S. 99 f 896 Looss (c), S. 7 f 891
176
2 Was ist Coaching?
2.
Klärung der Ausgangssituation: „Nachdem sich Berater und Klient in ausreichendem und angemessenem Maße Klarheit darüber verschafft haben, was vom Klienten eigentlich angestrebt wird und welche Rolle die Interessen des Unternehmens dabei spielen, muss der Berater die derzeitige persönliche und berufliche Situation des Klienten zunächst verstehen lernen. Dazu wird er den Klienten einladen, seine ‚Geschichte zu erzählen’.“897 Die Aktivitäten des Coachs beschränken sich in dieser Phase zunächst auf das ‚aktive Zuhören’ (das heißt auf Zuhören, Nachfragen und gegebenenfalls Bestätigen) und unter Umständen auch darauf, vertiefende Fragen zu stellen, um sich in die Welt des Klienten hineinzudenken und hineinzufühlen.898 Dabei können erste Reaktionen des Klienten bereits zu diesem Zeitpunkt erfolgen, so Looss.899 Denn „es ist ein Unterschied, ob jemand etwas oft gedacht und gefühlt hat oder ob er es einem anderen Menschen gegenüber ausspricht“900. „Die Klärung der Ausgangssituation ist einstweilen beendet, wenn der Klient das Gefühl hat, fürs Erste alles gesagt zu haben, und der Berater den Eindruck hat, ein erstes grobes Bild von der Wirklichkeit seines Klienten aufgebaut zu haben. Aus der Art und Weise wie der Klient seine Geschichte erzählt hat, konnte der Berater darüber hinaus bereits einen Eindruck gewinnen, welche Dimensionen des Erlebens für den Klienten leichter und welche schwerer zugänglich sind.“901
.
Für den „weiteren Verlauf der Beratung“ führt Looss nun im Anschluss an die Zielformulierung und Klärung der Ausgangssituation weitere Arbeitsschritte auf: Demnach bestehen die Aufgaben des Coachs darin, den Klienten zunächst von seiner gegebenenfalls schwerwiegenden Problemsituation zu entlasten („Entlastung schaffen“), ihn dann beim „Aufräumen“ zu unterstützen902, sowie dem Klienten „Feedback“ zu geben und ihn schließlich zu instruieren
897
Looss (a), S. 103 „In dem Maße, wie der Klient seine Geschichte entfaltet, werden die Grundzüge der Ausgangssituation deutlicher. Oft lassen sich Konfliktmuster erkennen, typische Rollenkonfigurationen archaischen Zuschnitts werden sichtbar, wie man sie z.B. von klassischen Dramen her kennt.“ (Looss, S. 104) 899 Vgl. Looss (a), S. 103 f 900 Looss (a), S. 103 901 Looss (a), S. 105 902 „Die anstrengende Arbeit des ‚Aufräumens’ bezieht sich auf alle mit dem Anlass und Thema der Beratung zusammenhängenden Dimensionen der Klientenrealität“: „Kontakte und Beziehungen im Beruf“, „Unerledigte Aufgaben“, „Ungeklärte Pläne“, „Meinungen und Überzeugungen“, „Emotionen“, „Sachen“. (Looss (a), S. 108 f) 898
2.7 Coaching als Prozess
177
und zu trainieren, das heißt bei seinem Lernprozess und den damit verbundenen Verhaltensänderungen zu unterstützen („Instruktion und Training“).903 Als „Kern des Beraterverhaltens“904 im Coaching stellt Looss insgesamt mehrere Interventionen vor, die „jenseits der methodischen ‚Schule’, der […] [ein Coach] angehört […] in unterschiedlicher Verteilung und Mischung wohl während der meisten Beratungen auftauchen dürften“905: „Zuhören und Zusehen“, „Nachfragen“, „Unterstützung geben“, „den Selbstausdruck fördern“, „Bedeutungen klären“, „Konfrontationen“, „Arbeitsvorschläge“, „Erklären und Information geben“.906 Ähnlich wie Rauen versteht auch Looss „alles, was ein Berater tut, […] [als] eine ‚Intervention’, also ein ‚Dazwischengehen’.“907 Wie Looss darüber hinaus weiter verdeutlicht, soll mit diesem ‚Dazwischengehen’ als Beschreibung des Beraterverhaltens zum Ausdruck kommen, „daß im Vordergrund immer der Klient steht: Seine Gedanken und Gefühle, seine Äußerungen, seine Meinungen sind der Gegenstand aller beraterischen Arbeit. Der Berater ist dann zwangsläufig jemand, der den kontinuierlichen Erlebensprozess seines Klienten immer wieder ‚unterbricht’. Wann er dies tut, mit welchen Worten, ob er die Aufmerksamkeit auf dieses oder jenes lenkt, ist eine Frage seiner Wahrnehmung, seiner methodischen Herangehensweise, seiner Tagesform, seines Menschenbildes, seiner professionellen Grundüberzeugungen und vieler anderer Einflussgrößen. Was dabei herauskommt, wird üblicherweise ‚Interventionsstil’ genannt und entzieht sich einer differenzierten Beschreibung, es sei denn, man würde jeweils ein Transkript der gerade interessierenden Sitzung anfertigen.“908 Die Hauptphase nach Vogelauer Vogelauer untergliedert, anders als Rauen und Looss, die von ihm als „Arbeitsphase“ 909 bezeichnete Phase der eigentlichen Coachinggespräche zunächst grob nur in zwei Prozessschritte:910
903
Siehe hierzu ausführlich Looss (a), S. 105 ff Looss, S. 118 Looss (a), S. 119 906 Hierzu ausführlich Looss (a), S. 118 ff 907 Looss (a), S. 118 908 Looss (a), S. 118 909 Vogelauer (b), S. 29 910 Vgl. Vogelauer (b), S. 29 904 905
178
2 Was ist Coaching?
1
Einstiegs-, Kontaktphase
2
Vereinbarungs-, Kontraktphase Situationsanalyse, Diagnose
Abbildung 18:
1.
3.1
3.2
Arbeitsphase
4
5
Abschluss--- Evaluaphase tionsphase
Phase der Problemlösung, Entwurfsgestaltung
Die Hauptphase im Coachingprozess nach Vogelauer
Die Situationsanalyse, Diagnose: Auch bei Vogelauer wird, ähnlich der strukturellen Vorgehensweise von Rauen, im ersten Schritt mit der Betrachtung der Ausgangssituation, das heißt mit einem Gespräch zwischen Coach und Klient zur genauen Analyse der Situation des Klienten, begonnen. 911 Dabei bleibt nach Vogelauer dieser
911 Insgesamt sind nach Vogelauer in dieser Phase für den Klienten folgende Aspekte von Bedeutung: „Vertraulichkeit […] Verständnis und Verstehen seitens des Coachs Gewinnen von Klarheit bzw. neuen Perspektiven durch die Diagnose Orientierung bekommen, wo es langgehen kann Hilfe und ‚Schutz’ beim ‚Hinter die Fassaden’ Schauen bzw. blinde Flecken entdecken Unterstützung spüren bzw. sich einlassen können und Kompetenz erleben Nähe und Kontakt Den roten Faden halten, dran bleiben an der Thematik […]“ (Vogelauer (b), S. 33) Für den Coach ist gemäß Vogelauer in dieser Phase hingegen Folgendes wichtig: „Vielfalt und Flexibilität an Methoden und Vorgehensweisen zur Diagnose Interesse und Neugierde wecken beim Coaching-Kunden Offenheit des Klienten Interesse des Klienten, mehr über die Situation, über sich und die Zusammenhänge zu erfahren Verständnis für die Situation des zu Coachenden
2.7 Coaching als Prozess
179
Vorgang im Coachingprozess jedoch nicht einmalig, denn die Diagnose ist im gesamten Coachingverlauf ein „immer wieder angewandtes Prozesselement“912. Allerdings stellt der Coach später noch vertiefende Fragen. Ähnlich zu Rauen und Looss führt Vogelauer weiter aus, dass durch die Betrachtung der speziellen Situation des Klienten nicht nur der Coach einen besseren Einblick erhält, vor allem wird so „Schritt für Schritt [auch] ein Durchblick für den Kunden selbst möglich.“913 Daher können bereits zu diesem Zeitpunkt erste Erkenntnisse, Handlungen etc. seitens des Klienten erfolgen. Wie Vogelauer ferner verdeutlicht, steht „in dieser Phase […] die Bildgestaltung und Erkenntnis im Mittelpunkt, das kann eine ‚breitere’ oder ‚tiefere’ Sichtweise zum Thema sein, es kann sich auch um eine Fokussierung eines noch diffusen Themas handeln“.914 Zur Verdeutlichung der Vorgehensweise im Rahmen der Phase der Situationsanalyse und Diagnose führt Vogelauer zudem folgendes Beispiel an: „Im ersten ausführlichen Gespräch begannen wir nach einer kurzen Einstimmung an der Problemstellung […] zu arbeiten. Zuerst mit Fragen, was sein Problem dabei sei und was ihn darin hindere, seine Aufgaben zu erfüllen. Ein paar kleine Tests, um Hintergründe auszuleuchten, wurden von mir benutzt. Und bereits beim ersten Gespräch versuchten wir, ein paar Punkte herauszuarbeiten, die bei nächster Gelegenheit umgesetzt werden könnten. Erste Erfolgserlebnisse waren daher absehbar. Aus der Mehrzahl der Ideen und Möglichkeiten wählte der Coaching-Kunde ein paar für ihn gut zu verwirklichende aus. Damit schlossen wir das Diagnosegespräch.“915 916
Gemeinsames Bild der zu bearbeitenden Situation in der Breite/Tiefe Linie halten […] Flexibilität einsetzen (wo es um wichtige Punkte oder neue Kernaspekte geht)“ (Vogelauer (b), S. 33). 912 Vogelauer (b), S. 33 913 Er gewinnt „Klarheit bzw. neue Perspektiven durch die Diagnose“ (Vogelauer (b), S. 33) 914 Vgl. insgesamt hierzu Vogelauer (b), S. 33 915 Vogelauer (b), S. 32 916 Zur Situationsanalyse, Diagnose und Problemlösung setzt Vogelauer auf Grundlage seiner Erfahrungen „folgende Methoden und Instrumente ein: Befragung: Von der offenen Frage über non-direktive Fragetechnik bis zur zirkulären Fragestellung Fragebogen verschiedenster Art (je nach Ziel und Thema) Bildbeschreibungen und ‚geistige Landkarten’ zeichnen Psychosoziale Muster zu Situationsbeschreibungen wie Abwertung, Passivität, Antreiber, Psychospiele u.a.m. Soziogramm, gezeichnet wie gestellt Lernstil und –typ Situationsanalyse-Konzept […]“ (Vogelauer (b), S. 33 und vgl. auch S. 36 ff).
180 2.
2 Was ist Coaching? Die Phase der Problemlösung, Entwurfsgestaltung: Die „Arbeit an der Problemlösung und Entwurfsgestaltung“917 beschreibt Vogelauer, indem er näher auf „die Etappen eines einzelnen Coachinggesprächs“ eingeht. Diese werden im Folgenden kurz vorgestellt:
Anknüpfen
Abbildung 19:
Aktuelles
Ziel-/ Problembearbeitung
Vorhaben, Rückblick
Transfer, Ausblick
Die Phasen eines Coachinggesprächs nach Vogelauer
Nach der hier skizzierten Vorgehensweise eines einzelnen Coachinggesprächs wird zunächst an die im Coaching bereits vorangegangenen Gespräche angeknüpft. Das bedeutet, es werden „Umsetzungsergebnisse, Erfahrungen mit ‚Hausaufgaben’ oder negative Erlebnisse zu den Vorhaben vom letzten Mal“ thematisiert.918 Daran anschließend werden „aktuelle Ereignisse, die ins Thema hineinspielen oder die sonstwie den Coaching-Kunden beschäftigen“, besprochen.919 Der nächste Schritt, die Ziel- und Problembearbeitung, nimmt in der Regel die längste Zeit in Anspruch. „Hier setzen zumeist alle diagnostischen Formen wieder ein, soweit sie nicht von vorherigen Gesprächen mit Material gefüllt sind.“920 Vogelauer verwendet dabei verschiedene „zusammenhängende Fragenkonzepte bzw. Landkarten“921 (wie z.B. das „Pentagon der Fragendimensionen“922). Auf die einzelnen speziellen Methoden923 wird im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht eingegangen. An die Phase der Ziel- und Problembehandlung schließt sich nun die Beschäftigung mit den Handlungsaufgaben und Ergebnissen aus dem Gespräch an, die umgesetzt werden sollen. Das heißt, die im Laufe des Gesprächs bisher erarbeiteten Maßnahmen werden präzisiert und zusammengefasst; es wird vereinbart, in der nächsten Coachingsitzung die Erfolge und Erfahrungen zu besprechen.924 917
Vogelauer (b), S. 34 Vogelauer (b), S. 35 Vogelauer (b), S. 35 920 Vogelauer (b), S. 35 921 Vogelauer (b), S. 35 922 Vogelauer (b), S. 36 923 Ausführlicher hierzu in Vogelauer (b), S. 36 ff 924 Vgl. Vogelauer (b), S. 39 918 919
2.7 Coaching als Prozess
181
Zuletzt wird das Coachinggespräch abgerundet, indem Coach und Klient gemeinsam noch einmal auf die bereits erfolgten Gespräche zurückblicken (Rückblick) und die Schwerpunkte der nächsten Sitzung thematisieren (Ausblick).925 Eine über die Beschreibung der Gesprächsstruktur und der von Vogelauer einzeln dargestellten Methoden (z.B. zur Situationsanalyse und Diagnose) hinausgehende grundlegende allgemeine methodische Vorgehensweise, wird von Vogelauer jedoch nicht vorgestellt. Die Hauptphase nach Whitmore Bei der exemplarischen Vorstellung einer Auswahl von im Coaching üblicherweise angewendeten Prozessstrukturen darf auch die oft zitierte Vorgehensweise nach Whitmore - das sogenannte GROW-Modell - nicht fehlen. Demnach erfolgt das Coaching nach den im Folgenden aufgeführten vier Phasen - immer im „Kontext des BEWUSSTSEINS926 und der VERANTWORTUNG sowie der Fertigkeit, Fragen so zu stellen927, daß sie beides hervorrufen“928: 929 925
Vgl. Vogelauer (b), S. 39 f Whitmore bezeichnet das Bewusstsein als „Schlüsselelement […]. Es ist das Produkt gebündelter Aufmerksamkeit, Konzentration und klaren Denkens. Nach dem Duden bedeutet bewußt sein ‚etwas wissen, sich über etwas im klaren sein‘. Und der Brockhaus beschreibt Bewußtsein als ‚die Beziehung des Ich auf einen äußeren oder inneren Gegenstand; das unmittelbare Wissen des Subjekts um geistige und seelische Zustände, die es erfährt; auch das Aufmerken auf einzelne Erlebnisse‘. Man könnte kurz auch vom ‚Wissen des Wissens‘ sprechen. Wie bei unserer Sehkraft oder unserem Gehör, die gut oder schlecht sein können, gibt es auch unendlich viele Abstufungen des Bewusstseins. Während jedoch für Sehkraft oder Gehör feste Qualitätsmerkmale gelten, ist die Norm für unser alltägliches Bewusstsein ziemlich dürftig. […] Durch gebündelte Aufmerksamkeit und Übung [kann das Bewusstsein jedoch] beträchtlich gesteigert werden! Ein gesteigertes Bewußtsein führt genau wie ein Vergrößerungsglas zu einer übernormal klaren Wahrnehmung.” (Whitmore, S. 33 f) Dabei zählt Whitmore zum Bewusstsein auch das „Sehen und Hören am Arbeitsplatz” sowie „das Sammeln und das klare Erkennen der relevanten Fakten und Informationen und die Fähigkeit, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Zu dieser Fähigkeit gehört das Verstehen von Systemen, Triebkräften, von Beziehungen zwischen Dingen und Menschen und zwangsläufig ein psychologisches Verständnis. Bewußtsein schließt auch Ich-Bewußtsein im Sinne von Selbstreflexion ein”. (Whitmore, S. 34) Bewusstsein bedeutet für Whitmore folglich sowohl „zu wissen, was um einen herum geschieht“ als auch zu wissen, was in einem selbst geschieht, „was man erlebt und erfährt“. Sich seiner Wahrnehmungen bewusst zu werden sei dabei der erste Schritt, um seine Umwelt und sich selbst besser zu verstehen. (Whitmore, S. 34 f) 927 Grundsätzlich stellt Whitmore im Rahmen seines Coachings Fragen in den Vordergrund (Vgl. hierzu insbesondere Whitmore, S. 41 ff), um Bewusstsein und Verantwortung als Kontext des Coachingprozesses zu fördern. (Vgl. Whitmore, S. 56, S. 59) Zur Funktion von Fragen erläutert Whitmore: „Fragen werden gewöhnlich gestellt, um Informationen zu erhalten. Ich benötige möglicherweise Informationen, um selbst ein Problem zu lösen oder wenn 926
182
2 Was ist Coaching?
Goal setting
G Abbildung 20:
1.
Reality checking
R
Options
O
What, When, Who, Will
W
Die Hauptphase im Coachingprozess nach Whitmore (das GrowModell)
Goal setting - „die Festsetzung des Sitzungs- sowie des kurz- und langfristigen ZIELS“930: Im Gegensatz zu Looss nimmt diese Phase der anfänglichen Zielsetzung bei Whitmore eine bedeutende Rolle ein. Bei der Festlegung der konkreten Ziele ist nach Whitmore grundsätzlich zwischen Endzielen931 und Leistungszielen932 zu unterscheiden. Ferner sollte es sich bei den vom Klienten angestrebten Zielen immer um eigene Ziele handeln, denn „der Wert von Wahlfreiheit und Verantwortung für die Selbstmotivation sollte nie unterschätzt werden.933 Als „Eigenschaften eines guten Ziels“ definiert Whitmore zusammenfassend folgende Voraussetzungen:
ich jemand anderem einen Rat anbiete oder eine Lösung vorschlage. Für mich als Coach sind die Antworten jedoch zweitrangig. Die Information brauche ich nicht selbst, und sie müssen auch nicht vollständig sein. Es ist für mich nur wichtig, zu wissen, dass der Gecoachte die notwendigen Informationen hat. Die Antworten des Gecoachten zeigen dem Coach oft, in welche Richtung die nächsten Fragen gehen sollten. Gleichzeitig kann er durch sie erkennen, ob sich der Gecoachte auf einem produktiven oder zweckentsprechenden Weg befindet, der im Einklang mit den Unternehmenszielen steht.“ (Whitmore, S. 43) „Coachs müssen besonders wachsam sein, zuhören und beobachten, um alle Hinweise auf die Richtung der nächsten Frage aufzuschnappen. Vergessen Sie nicht, dass es der Gecoachte ist, dessen Bewußtsein geschärft werden soll. Der Coach muss nicht immer die ganze Vorgeschichte einer Situation kennen. Er muss nur sicher sein, dass sie dem Gecoachten klar ist. Coaching ist also nicht so zeitaufwendig, wie es wäre, wenn der Coach alle Fakten haben müsste, um bestmöglich antworten zu können.“ (Whitmore, S. 79) 928 Whitmore, S. 58 929 Darstellung in Anlehnung an Whitmore, S. 57 f 930 Whitmore, S. 57 931 Endziele unterliegen selten gänzlich der eigenen Kontrolle. (Whitmore, S. 61) 932 Leistungsziele liegen im Gegensatz zu den Endzielen im Einflussbereich des Klienten. „Es ist somit wesentlich einfacher, sich auf ein Leistungsziel […] festzulegen und die Verantwortung dafür zu übernehmen, als auf ein Endziel […].“ Ein Endziel sollte sich, wenn möglich immer auf ein Leistungsziel stützen. (Whitmore, 61 f) 933 Whitmore, S. 63 f
2.7 Coaching als Prozess
183
Ziele müssen SMART sein, das heißt spezifisch (specific), messbar (measurable), erreichbar (attainable), realistisch (realistic) und zeitlich gegliedert (time phased). Ziele müssen überdies PURE sein, das heißt positiv formuliert (positively stated), verstanden sein (understood), relevant (relevant) und moralisch (ethical). Ziele müssen CLEAR sein, das heißt lockend (challenging), legal (legal), umweltverträglich (environmentally sound), akzeptiert (agreed) und protokolliert (recorded).934
2.
Reality checking - „REALITÄTSprüfung zur Klärung der aktuellen Situation“ 935: „Nachdem die verschiedenen Ziele definiert sind, muß jetzt die aktuelle Situation abgeklärt werden. Oft wird argumentiert, daß Ziele erst dann bestimmt werden können, wenn die gegebene Situation bekannt und begriffen worden ist, also mit der REALITÄT begonnen werden sollte. Ich stimme dem nicht zu, da erst ein angestrebtes Ziel einer Diskussion Wert und Richtung verleiht. Selbst wenn Ziele, bevor man einen detaillierten Blick auf die Situation geworfen hat, nur locker definiert werden können, muß dies der erste Schritt sein. Wenn dann die Realität klar ist, können die Ziele schärfer in den Brennpunkt gerückt oder sogar verändert werden, sofern sich die Situation etwas anders darstellt als ursprünglich angenommen.“936 Nach Whitmore ist für die Feststellung der Realität das wichtigste Kriterium die Objektivität. Das heißt, der Klient sollte die Gesamtsituation so objektiv wie möglich wahrnehmen, indem er sich über seine „Meinungen, Beurteilungen, Vorurteile, Befürchtungen, Hoffnungen und Ängste“ 937 bewusst wird, die seine Wahrnehmungen verzerren. Wobei Whitmore darauf hinweist, dass absolute Objektivität nicht existiert. 938
3.
Options - „OPTIONEN und alternative Strategien und Handlungsabläufe“ 939: „Auf der Optionen-Stufe soll nicht die ‚richtige’ Antwort gefunden werden. Vielmehr geht es darum, so viele alternative Vorgehensweisen wie möglich zu kreieren und aufzuschreiben. Die Menge der Optionen ist wichtiger als ihre Qualität und Durchführbarkeit. Aus dieser Masse kreativer Möglichkei-
934
Vgl. ausführlich hierzu Whitmore, S. 64 ff Whitmore, S. 57 936 Whitmore, S. 72; ausführlicher zum Thema siehe Whitmore, S. 72 ff 937 Whitmore, S. 72 f 938 Vgl. Whitmore, S. 73 939 Whitmore, S. 58 935
184
2 Was ist Coaching? ten werden dann die spezifischen Handlungsschritte ausgewählt. Wenn während des Sammelns bereits Präferenzen, Ablehnungsgründe, die Lächerlichkeit von Vorschlägen, Hindernisse oder das Bedürfnis nach Vollständigkeit artikuliert werden, bleiben potentiell wertvolle Beiträge möglicherweise unberücksichtigt. Die Auswahlmöglichkeiten sind dann begrenzt.“940
4.
What, When, Who, Will – „WAS muss WANN von WEM getan werden, sowie der WILLE dazu“941: „In der letzten Phase des Coaching-Prozesses geht es darum, die Diskussion in eine Entscheidung umzumünzen. Ein Handlungsplan wird aufgestellt, der einer zuvor klar spezifizierten Anforderung gerecht wird, die ihrerseits sorgfältig untersucht worden ist.“942
Die Hauptphase nach Fischer-Epe Im Rahmen der von Fischer-Epe vorgestellten Prozessstruktur wird die Hauptphase - die Phase der eigentlichen Coachinggespräche - ebenfalls in vier Gesprächsphasen unterteilt. Dabei kommt nach Fischer-Epe der strukturierten Vorgehensweise im Coaching an sich bereits auch eine wichtige methodische Bedeutung zu.943 Denn, wie Fischer-Epe betont, ist es methodisch wichtig, dass der Coach im Verlauf des Coachinggesprächs immer auch den Überblick und die Orientierung behält. „Diese Aufgabe ähnelt der eines Steuermanns, der sein Schiff durch manchmal schwierige Gewässer bringt. Dafür braucht er einerseits gute Navigationskenntnisse und andererseits die praktische Fähigkeit, das Schiff im richtigen Moment sensibel zu lenken. Der Klient hat in diesem Bild eher die Rolle des Kapitäns oder des Reedereibesitzers, der das Ziel der Reise bestimmt. Der Coach macht Vorschläge zur Navigation, erklärt den von ihm abgesteckten Kurs und lenkt das Schiff im vorgegebenen Zeitrahmen zum Zielhafen. Die folgende Struktur für Coaching-Gespräche bestimmt zunächst den allgemeinen Kurs, die sensible Feinsteuerung erfordert dann methodisches Geschick und Erfahrung. Damit das Vorgehen übersichtlich und für den Klienten gut nachvollziehbar bleibt, […] [orientiert sich Fischer-Epe] an einer einfachen Gesprächsstruktur mit vier Schritten:“944
940
Whitmore, S. 88; ausführlicher zum Thema siehe auch Whitmore, S. 88 ff Whitmore, S. 58 Whitmore, S. 96; ausführlicher zum Thema siehe auch Whitmore, S. 96 ff 943 Vgl. hierzu Fischer-Epe, S. 32, S. 41 944 Fischer-Epe, S. 41 941 942
2.7 Coaching als Prozess Auftragsklärung im Vorfeld
Kontakt und Orientierung
Abbildung 21:
185
Coaching-Gespräche
Situation und Ziele
Lösungen
Auswertung des Prozesses
Transfer
Die Hauptphase im Coachingprozess nach Fischer-Epe
.
Kontakt finden und Orientierung schaffen: „Ziel der ersten Gesprächsphase ist es, eine gute Basis für den Dialog zu schaffen und ein Einverständnis zum Vorgehen herzustellen. Die Fragen, die hier geklärt werden müssen, sind: Wie läuft das hier genau ab? Mit wem hab ich es zu tun? Können wir miteinander? In dieser Phase informiert der Coach über seine Aufgabe und seine Rolle als Berater sowie über eventuell bestehende Aufträge von außen oder über Absprachen und Rahmenbedingungen, die zu berücksichtigen sind. Gleichzeitig betont er die Selbstverantwortung des Klienten. Hier geht es also zunächst darum, sich als Berater zu zeigen und Transparenz über die Art der Zusammenarbeit zu schaffen. Die Kernbotschaft lautet: Wir sind Partner unter klaren und fairen Bedingungen. Die Orientierungsphase ist abgeschlossen, wenn auf beiden Seiten kein Vorklärungsbedarf mehr besteht.“
2.
Situation und Ziele des Klienten herausarbeiten: Im zweiten Schritt geht es darum, dass der Coach zum einen die Situation und das Anliegen des Klienten versteht (das heißt den Klienten beim Sortieren, Priorisieren sowie (Neu-) Bewerten unterstützt) und ihm zum anderen bei der Formulierung und Konkretisierung seiner oft noch diffusen Ziele hilft.945 „Die Leitfrage ist: Worum soll es genau gehen und was will der Klient erreichen?“946 Bei der Formulierung der Ziele gibt es nach Fischer-Epe grundsätzlich zwei Möglichkeiten: „Einerseits können Ziele aus einer sorgfältigen Exploration heraus entwickelt werden […]. Andererseits ist es aber nicht immer notwendig, eine Situation bis ins Detail zu verstehen, um mit Klienten an
945 946
Vgl. Fischer-Epe, S. 42 sowie darüber hinaus ausführlich S. 193 ff Fischer-Epe, S. 42
186
2 Was ist Coaching? ihren Zielen zu arbeiten. Es ist ebenso möglich, den Gesprächsprozess von Anfang an auf das Ziel des Klienten auszurichten und erst bei der Frage der Umsetzung rückwirkend auf die Ist-Situation zu schauen. Statt mit einer gründlichen Analyse der Situation würde man dann direkt einsteigen mit der Frage: ‚Was möchten Sie verändern?’ Oder: ‚Was wollen Sie erreichen?’ Die relevanten Fakten zur Situation werden erst später und auch nur punktuell einbezogen. Der Coach verzichtet in dieser Variante darauf, sich selbst ein umfassendes Bild der Situation zu machen, und vertraut stärker darauf, dass er den Klienten mit den richtigen Fragen zur Selbstorganisation anregen kann und nicht alles kontrollieren muss.“947 948 „Diese Gesprächsphase endet, wenn die Ziele und Erfolgskriterien für die gewünschte Veränderung definiert sind und sich Coach und Klient über den Schwerpunkt der Sitzung geeinigt haben.“949
3.
947
Lösungen entwickeln (sammeln und prüfen): „Ziel dieser Phase ist, einen Rahmen zu schaffen, in dem der Klient Lösungen für sein Problem oder seine Fragestellung entwickeln kann.“950 „In dieser Phase soll der Blick erst einmal weit werden für verschiedene Lösungsmöglichkeiten. Coach und Klient prüfen, welche Lösungsoptionen es geben könnte, frei nach dem Motto ‚Viele Wege führen nach Rom’ - und am Ende muss man ja vielleicht gar nicht nach Rom.“951 „Die handlungsleitende Frage lautet: ‚Was brauchen Sie auf dem Weg zur Zielerreichung?’
Fischer-Epe, S. 199 Fischer-Epe macht an dieser Stelle zudem deutlich, dass das konkrete Vorgehen des Coachs letztlich auch von seinem theoretischen Hintergrund beeinflusst ist: Im Gegensatz zur „gründlichsystematischen“ Vorgehensweise wird „in bestimmten Beratungsschulen das ziel- und lösungsorientierte Vorgehen […] [stärker] betont (zum Beispiel in der systemischen Beratung und Therapie, in der lösungsorientierten Kurzzeittherapie und im NLP). Manche Vertreter dieser Schulen neigen dazu, gründliche Problemanalysen als ‚zu problemorientiert’ oder zu umständlich zu bezeichnen [(als Beispiel vgl. hierzu u.a. Hamm, S. 429)], und treffen damit natürlich den Nerv vieler Führungskräfte. Die Idee, Veränderungen könnten zielorientiert superschnell, supereinfach und elegant vonstatten gehen, ist ja auch wirklich verlockend und manchmal auch berechtigt. Viele Themen im Coaching sind aber komplex und betreffen verschiedene Perspektiven gleichzeitig (Person, Verantwortung in der Rolle, Unternehmensrealität etc.). Da wäre es naiv, nur die persönlichen Ziele des Klienten herauszuarbeiten und bei der Beurteilung der Situation auf seine Selbstorganisation beim Ökologiecheck zu vertrauen. Gerade in komplizierten Rollenfragen braucht der Coach auch Hintergrundwissen und eine solide Situationsanalyse, wenn er kompetent Stellung nehmen soll.“ (Fischer-Epe, S. 200) 949 Fischer-Epe, S. 42 950 Fischer-Epe, S. 202 951 Fischer-Epe, S. 204 f 948
2.7 Coaching als Prozess
187
In dieser Phase ist der Coach am stärksten in seiner Funktion als Kutscher oder Steuermann gefragt. Er muss nun eine Idee haben, wie er den Klienten am besten unterstützen kann auf seinem Weg zum Ziel.“952 „Berater und Klient prüfen jetzt, welche Ressourcen zur Zielerreichung genutzt werden können und welche inneren und äußeren Hindernisse überwunden werden müssen. Der Coach bietet einen geeigneten methodischen Weg an. Zum Beispiel könnte er vorschlagen, zunächst eine längerfristige Vision zu entwickeln oder verschiedene Lösungsoptionen durchzuspielen und auf ihre Tauglichkeit zu überprüfen, in Rollenspielen eine schwierige Situation nachzuspielen oder ein Gespräch vorzubereiten.“953 „Lösungen zu entwickeln, kann dabei verschiedene Bedeutungen haben. Es kann um handfeste praktische Lösungen gehen, wie zum Beispiel eine Strategie im Umgang mit einem Team oder eine Umorganisation. Lösungen können aber auch Auflösungen sein, etwa von blockierenden Glaubenssätzen oder von überholten und ineffektiven Verhaltensmustern.“954 „Diese Phase ist abgeschlossen, wenn der Klient eine Idee bekommen hat, wie er weiter vorgehen will.“955 4.
Transfer sichern: „Die vierte und letzte Phase im Coaching-Gespräch soll dem Klienten dazu verhelfen, dass er die Verantwortung für seine Vorhaben übernimmt und bei der Umsetzung erfolgreich sein kann. Die handlungsleitende Frage lautet: ‚Wie sichern Sie die Umsetzung Ihrer Vorhaben?’“956 „Zunächst werden, wenn nicht vorher schon geschehen, noch einmal Einwände und Risiken überprüft sowie Zeitbedarf und emotionaler Aufwand realistisch eingeschätzt. Dann wird die Umsetzung so weit konkretisiert, dass sie für den Klienten [leistbar und] selbst überprüfbar ist. Diese Phase ist abgeschlossen, wenn der Klient weiß, wie er weiter vorgehen und wie er unter Umständen auftretenden Hindernissen begegnen will.“957
Bei genauerer Betrachtung der derzeit in der Praxis angewendeten und in der Literatur formulierten allgemeinen Prozessstrukturen im Coaching wird insgesamt deutlich, dass im Wesentlichen - trotz vieler Unterschiede, vor allem im Detail - die strukturelle Basis der Coachingprozesse auf übergeordneter Ebene doch überwiegend übereinstimmt. Das heißt bei allen, keinesfalls unwesentli952
Fischer-Epe, S. 202, vgl. auch S. 42 Fischer-Epe, S. 42 sowie ausführlicher S. 203 ff 954 Fischer-Epe, S. 202, vgl. auch S. 42 955 Fischer-Epe, S. 42 f 956 Fischer-Epe, S. 211 957 Fischer-Epe, S. 43; vgl. auch ausführlicher S. 211 ff 953
188
2 Was ist Coaching?
chen, strukturellen Unterschieden zwischen den einzelnen Darstellungen - vor allem in der Terminologie, der Schwerpunktsetzung sowie der Abgrenzung der Prozessschritte und zum Teil auch deren Abfolge - zeigt sich doch eine grundsätzliche Übereinstimmung in der Grundstruktur des Coachingprozesses 958: So wird im Allgemeinen mit der Klärung der Situation und der Ziele des Klienten begonnen, bevor individuelle Lösungsmöglichkeiten erarbeitet werden und der Klient schließlich bei der Umsetzung durch den Coach im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe unterstützt wird. Die hier im Rahmen der obigen Prozessbetrachtung ebenfalls bereits offensichtlich gewordene Uneinheitlichkeit bei der tatsächlichen methodischen Umsetzung dieser Prozessschritte wird in Kapitel 2.7.4 genauer thematisiert. Allerdings ist schon hier erkennbar geworden, dass sich einige der eben angeführten strukturellen Unterschiede - z.B. in der Schwerpunktsetzung, der Reihenfolge der Prozessschritte und im detaillierteren Vorgehen - auf die existierende Methodenvielfalt im Coaching und die uneinheitliche Vorgehensweise bei der Anwendung der verschiedenen Methoden zurückführen lassen könnten.
2.7.3 Abschlussphase: Beendigung und Bewertung des Coachingprozesses „Jedes Coaching findet irgendwann ein Ende.“959 Die hier als ‚Abschlussphase’ bezeichnete Vorgehensweise zur Beendigung des Coachingprozesses schließt sich unmittelbar an die zuvor beschriebene Hauptphase an. Je nach Coach bzw. Autor wird die Abschlussphase zum Teil auch in mehrere Arbeitsschritte unterteilt. Wie im Folgenden deutlich werden wird, stimmen in der Abschlussphase - trotz der uneinheitlichen Untergliederung und trotz der vorherrschenden Unterschiede in der Terminologie und in der detaillierteren Vorgehensweise - die zu behandelnden grundlegenden Aspekte jedoch im Wesentlichen überein. Denn in der Regel geht es zum Ende des Coachings allgemein darum, dass Coach und Klient auf den gemeinsam beschrittenen Weg noch einmal zurückblicken, den Prozess reflektieren und bewerten sowie gemeinsam in die Zukunft schauen. Unter anderem wird thematisiert: (Wie) Hat der Klient seine Ziele erreicht? Was befähigt ihn dazu, künftig bei anderen Zielen und neuen Problemsituationen sich selbst zu helfen? Gegebenenfalls kann nach Abschluss des Coachings in einem gewissen zeitlichen Abstand nochmals ein letztes Treffen vereinbart werden, in dem über die selbständige weitere Anwendung des im Coaching Erlernten gesprochen wird. 958 959
Vgl. hierzu auch König/Volmer, S. 31 Schreyögg (a), S. 322
2.7 Coaching als Prozess
189
Grundsätzlich besteht auch allgemeiner Konsens darüber, dass die Beendigung eines Coachingprozesses, ebenso wie der Beginn der Beratung, immer einer sorgfältigen, professionellen Vorgehensweise bedarf.960 Denn, wie Schreyögg beschreibt: „Der Coach begleitet ja Menschen auf einem für sie mehr oder weniger wichtigen Abschnitt ihres beruflichen Daseins. Und er sucht sie dabei in ihren Selbstgestaltungs-Potentialen für ihren zukünftigen beruflichen Werdegang zu stärken. Dadurch erhält jeder Coaching-Prozess eine gewisse existentielle Bedeutung für Klienten“961, was einen sorgfältigen, fundierten Abschluss des Prozesses notwendig macht. Gemäß Schreyögg sollte am Ende eines Coachings „je nach dem Setting und je nach der Dauer des Coachings ein entsprechender Zeitraum für ein abschließendes Resümee reserviert bleiben.962 Dabei sind der gemeinsame Arbeitsprozess, die besondere Bedeutung, die dieser für Klient und Coach hatte, und die Zukunftsvisionen des Klienten in einer Zusammenschau prägnant zu machen.“963 Wie Klein zusammenfasst, ist es abschließend „sinnvoll, auf den gemeinsam zurückgelegten Weg zurückzublicken und das auch schriftlich festzuhalten. Dabei sollte vor allem darauf eingegangen werden, wie der Klient seine Ziele erreicht hat. Es soll erkennbar sein, welche neuen Strukturen den Veränderungen zugrunde liegen und wie diese neuen Strukturen entwickelt wurden. Das befähigt den Klienten später, bei anderen Zielen und neuen Problemfeldern weitestgehend selbständig vorzugehen. Ein bis zwei Monate nach dem Abschluss des Coachings ist es sinnvoll, noch eine Feedbackstunde durchzuführen.“964 Nach Looss besteht dieser letzte Arbeitsschritt des Coachingprozesses im Wesentlichen darin, dass Coach und Klient gemeinsam die Entscheidung zur Beendigung des Coachingprozesses treffen965, und damit schließlich auch ihre Arbeits- und Rollenbeziehung beenden966. Dazu wird in einer „Schlußsitzung […] das gesamte Geschehen von beiden Beteiligten ausgewertet. Es wird festgehal960
Vgl. Schreyögg (a), S. 322; Looss (a), S. 128; Rauen (b), S. 286 f; Vogelauer (b), S. 40 f; Wrede (a), S. 187 f, S. 194 f Schreyögg (a), S. 322; vgl auch Vogelauer (b), S. 40 f 962 Beispielsweise bedarf ein Einzelcoaching, das sich über einen längeren Zeitraum erstreckt hat, in der Regel einer etwas intensiveren bzw. „’feierlicheren’ Abrundung, denn hier haben ja die Dialogpartner immer eine größere Strecke des gemeinsamen Weges zurückgelegt. Deshalb kommt auch der Beendigung solcher Prozesse eine größere existentiellere Bedeutung für beide Interaktionspartner zu.“ (Schreyögg (a), S. 323 und vgl. insgesamt hierzu ausführlich S. 323 f) 963 Schreyögg (a), S. 322 964 Klein, S. 130 965 Vgl. Looss (a), S. 128; ebenso vgl. Roth/Brüning/Edler, S. 210; Wrede (a), S. 195 966 Vgl. Looss (a), S. 129 961
190
2 Was ist Coaching?
ten, wo der Klient jetzt in seinem Leben und in seiner Karriere steht. Es wird geprüft, ob die Erwartungen sich erfüllt haben oder nicht.“967 Wie Looss beschreibt, stellt sich dabei oft heraus, „daß sich der Erwartungshorizont des Klienten seit Beginn der Beratung deutlich geändert hat. Ging es zu Beginn noch um ‚Notwendigkeiten’, also um ‚Nöte’, die (ab-)’gewendet’ werden sollten, ist vielfach daraus ein intensiveres Interesse an persönlicher und beruflicher Weiterentwicklung geworden. Oft sind Lebensentscheidungen wieder in den Blick gerückt, die am Anfang gar nicht im Bewusstsein waren. Horizont und persönliches Koordinatensystem des Klienten haben sich vielleicht drastisch geändert, seine weitere Reise geht in eine andere Richtung, als er es je zuvor vermutet hätte.“968 Eine Schwierigkeit beim Beenden des Coachings kann, wie Looss feststellt, darin liegen, dass sich der Klient „bereits an die Existenz des Beraters in seinem Leben ‚gewöhnt’ hat und nun nur ungern oder gar nicht auf diese etablierte Möglichkeit verzichten möchte.“ Der Klient muss hier jedoch verstehen lernen, so Looss, dass er seine Fragen und Probleme nun selbst mithilfe seines erweiterten Repertoires an Handlungsmöglichkeiten bewältigen muss.969 Entsprechend der Darstellungen von Schreyögg und Looss, geht es auch in der letzten Phase des von Fischer-Epe beschriebenen Coachingprozesses, die sie als „Auswertung“ bezeichnet, um die Überprüfung, „inwieweit die angestrebten Ziele tatsächlich erreicht werden konnten“ sowie um die Würdigung des persönlichen Lernprozesses des Klienten.970 Im Rahmen der Auswertung des Coachings mit dem Klienten stehen dabei insbesondere drei Aspekte im Vordergrund: 1.
„Zunächst geht es um die gemeinsame Überprüfung, wieweit die Ziele und Vorhaben erreicht wurden“971.
.
Im Anschluss daran erfolgt „die Reflexion über die Zusammenarbeit und das Feedback für den Coach über die Wirkung seiner Arbeit“ 972.
967
Looss (a), S. 129 Looss (a), S. 129 969 Looss (a), S. 128 f 970 Fischer-Epe, S.29 971 Konkret: „Was hatte sich der Klient vorgenommen, und wo steht er jetzt auf dem Weg zu seinen Zielen? Was wurde erreicht, und was muss noch weiterentwickelt werden? Wie haben sich die Ziele im Laufe des Coaching verändert? Wo sind Grenzen sichtbar geworden, die es zu akzeptieren gilt? Welche Konsequenzen entstehen daraus für die Zukunft?“ (Fischer-Epe, S. 217) 972 Konkret: „Wie haben beide Gesprächspartner die Zusammenarbeit erlebt? Welche Interventionen, Methoden oder Arbeitsstile hat der Klient als besonders nützlich für sich erlebt? Was hat ihm besonders geholfen? Was hat ihn gestört, und was hat er vielleicht auch vermisst?“ (Fischer-Epe, S. 217) 968
2.7 Coaching als Prozess 3.
191
Schließlich wird auch „der weitere Transfer der Ergebnisse in den Alltag des Klienten“ 973 thematisiert.
Im Gegensatz zu den vorangestellten Darstellungen unterteilt Rauen in seinem Prozessablauf die hier als Abschlussphase bezeichneten Prozessschritte zur Beendigung des Coachings explizit in zwei getrennte Phasen: die „Evaluation“ und den „Abschluss“:974 1.
Evaluation - die „Bewertung der Ergebnisse“ 975: „Nach den Interventionen werden diese in Bezug auf ihre Wirksamkeit und auf die damit erreichten Ergebnisse evaluiert. Anhand der [zu Beginn des Coachingprozesses (Vorphase)] im Arbeitsplan notierten Ziele und Erfolgskriterien kann geprüft werden, ob sich die formulierten Erwartungen erfüllt haben. Sollte dies der Fall sein, so kann das Coaching - sofern keine Ziele mehr vorliegen - beendet werden.“ 976 Andernfalls sollten die Ursachen für die Nichterreichung der Ziele analysiert und die Zielerreichung sodann wieder aufgenommen werden. 977 Rauen weist auch darauf hin, dass es bei der Evaluation von großem Vorteil ist, wenn die zu Beginn des Coachings vereinbarten und im Arbeitsplan protokollierten Ziele klar messbare und somit objektiv überprüfbare Kriterien aufweisen. Dies schließt nach Rauen jedoch nicht aus, dass auch die „subjektive Zufriedenheit des Klienten“ thematisiert werden sollte.978
2.
Abschluss: „Sind die mit dem Coaching angestrebten Ziele oder eine vereinbarte Anzahl von Sitzungen erreicht, so kann es offiziell abgeschlossen werden.“ 979 In einer Abschlusssitzung wird der Coachingprozess noch einmal rekapituliert „und eine Bestandsaufnahme der erreichten Veränderungen gemacht […]. Damit endet offiziell der Kontrakt zwischen Coach und Klient […].“980 Sollte ein Klient das Coaching aufgrund von „Trennungsängsten“ nicht beenden wollen, so sollte sich der Coach „seines Ziels ‚Hilfe zur Selbsthilfe’ bewusst sein“, mahnt Rauen. „Im Gegenteil: Die Selbstregulati-
973 Konkret: „Wie will der Klient weiter vorgehen? Wie kann er seinen weiteren Lern- und Entwicklungsprozess unterstützen? Worauf sollte er achten? Welche Empfehlungen gibt er sich selbst mit auf den Weg, und welche möchte der Klient ergänzen?“ (Fischer-Epe, S. 217) 974 Vgl. Rauen (b), u.a. S. 275 975 Rauen (b), S. 285 976 Rauen (b), S. 285 977 Vgl. Rauen (b), S. 286 978 Vgl. Rauen (b), S. 286 979 Rauen (b), S. 286 980 Rauen (b), S. 287
192
2 Was ist Coaching? onsfähigkeiten und Feedbackmechanismen sollten sich soweit verbessern, dass der Coach überflüssig wird. Zuvor problematisch erscheinende berufliche und private Anliegen sollten nach dem Coaching dank eines erweiterten Verhaltens- und Erlebensrepertoires vom Klienten allein bewältigt werden können.“ 981
Vogelauer unterscheidet im Rahmen seines Coachingprozesses ebenso wie Rauen grundsätzlich zwischen der „Abschlussphase“ und der „Evaluationsphase“. Er ordnet diese Phasen zur Beendigung des Coachings allerdings in umgekehrter Reihenfolge an.982 Auch seine Ausführungen zur Evaluationsphase des von ihm dargestellten Coachingprozesses unterscheiden sich von den vorangegangenen Darstellungen. 1.
Abschlussphase: „Ist der Coachingprozess erfolgreich in die Zielgerade eingebogen, und sind die Ziele erreicht, Probleme bearbeitet bzw. Lösungen geschafft, dann ist es zweckmäßig für beide Partner im Coachingprozess zurückzublicken und damit Abschied zu nehmen, aber auch nach vorne zu blicken und die neuen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Muster zu festigen und zu verstärken.“ 983 „Das Ende soll dem Coachingprozess angemessen sein, nicht pompös, aber auch nicht wegwerfend oder gar nicht. Eine Beziehung, die doch im Laufe von Stunden, Wochen, Monaten gewachsen ist und viel an persönlichen Dingen gebracht hat, sollte ernst genommen und verabschiedet werden. […] Dabei kann nochmals das letzte Umgesetzte behandelt werden und auch wichtige Schritte der Selbstverantwortlichkeit und Eigenaktivität des Coaching-Kunden besprochen werden.“984
2.
Evaluationsphase: „In Anbetracht der Selbständigkeit des zu Coachenden und der nun abgeschlossenen Lern- und Veränderungsarbeit geht es in die Transferierung und Implementierung in das Arbeitsfeld. Wenn der Coaching-Kunde interessiert ist, kann […] [auch zu diesem Zeitpunkt nach dem bereits erfolgten Abschluss noch einmal] ein kurzes Gespräch über die Anwendung geführt werden. Eine gemeinsame Überprüfung der Erfolge, möglicher Schwierigkeiten usw. kann nochmals Impuls für die weitere selbständige Arbeit des Coachee sein. Diese Art des Kontaktes soll nicht gleich wieder zu Coaching oder einem ‚ad-hoc-Beratungsgespräch’ werden, sondern eine freiwillige
981
Rauen (b), S. 287 Vgl. Vogelauer (b), u.a. S. 29 983 Vogelauer (b), S. 40 984 Vogelauer (b), S. 40 f 982
2.7 Coaching als Prozess
193
Erfolgsprüfung! Dieses mögliche Gespräch sollte erst in einem Mindestabstand von 3 Monaten stattfinden.“ 985
2.7.4 Methodische Vorgehensweisen im Coachingprozess Nachdem bisher vor allem die Struktur von Coachingverläufen behandelt wurde, steht nun die Frage nach der methodischen Vorgehensweise und deren konzeptioneller Basis im Fokus der Betrachtung. In den vorangegangenen Ausführungen zum Coachingprozess wurden im Interesse eines besseren und umfassenderen Verständnisses bereits auch wichtige Aspekte zu den jeweiligen methodischen Vorgehensweisen der Coachs mit dargestellt. Diese sollen hier nun im Ganzen näher betrachtet werden. Trotz des allgemein einheitlichen Verständnisses vom Grundgedanken der Hilfe zur Selbsthilfe im Coaching und der im Wesentlichen darauf basierenden Rolle des Coachs986, ist im Coaching bis heute keine Einheitlichkeit in der methodischen Ausgestaltung zu erkennen. Stattdessen wird bei genauerer Betrachtung der methodischen Vorgehensweisen deutlich, dass unüberschaubar viele verschiedene Methoden im Coaching existieren, deren jeweiliger Hintergrund auf unterschiedlichen Theorien oder teilweise auch auf theorielosen Überlegungen beruht. Es zeigt sich, dass die Anwendung von Methoden allgemein uneinheitlich erfolgt und auf keinem einheitlichen Konzept basiert. Je nach Coach und individuellem Anlass des Coachings bzw. individueller Situation im Coaching werden unterschiedliche Methoden angewendet, wobei diese individuell unterschiedlichen Vorgehensweisen - auf der hier betrachteten Meta-Ebene - keine allgemein einheitliche, wissenschaftlich fundierte konzeptionelle Grundlage erkennen lassen. Dies betrifft alle Phasen des Coachingprozesses und kommt ganz besonders deutlich in der Hauptphase zum Ausdruck - das heißt beginnend mit der Analyse der Situation und des Anliegens des Klienten sowie der Zielformulierung über die Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten bis hin zur Unterstützung der praktischen Umsetzung. Bevor nun näher auf die eben genannten Aspekte im Rahmen der methodischen Vorgehensweise im Coaching eingegangen wird, sei darauf hingewiesen, 985
Vogelauer (b), S. 41 Dieses einheitliche Verständnis lässt sich auch wie folgt kurz zusammenfassen: „Generelle Ziele eines jeden Coaching-Prozesses liegen in der Erhöhung des Selbstmanagements des Klienten und in dem Ausbau vorhandener bzw. Aufbau neuer Ressourcen. Der Klient gewinnt mehr Klarheit über sein Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster und lernt, sein persönliches Handlungsrepertoire zu erweitern und zu flexibilisieren. Es sollen durch neue Wege des Denkens und Handelns zusätzliche Wahlmöglichkeiten und damit verbunden neue Freiheitsgrade eröffnet werden, die die Selbstgestaltungsfähigkeit und damit die Selbsthilfe des Klienten erhöhen.“ (Heß/Roth, S. 48)
986
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2 Was ist Coaching?
dass in dieser Arbeit darauf verzichtet wird, die bereits angesprochene, derzeit bestehende Vielfalt an Coachingmethoden durch eine umfassende Darstellung bzw. Präzisierung der einzelnen angewendeten Methoden auf individueller Ebene konkret aufzuzeigen. Denn zum einen steht hier die Vorgehensweise im Coaching insgesamt, das heißt auf übergeordneter Ebene (Meta-Ebene), im Fokus und damit nicht die jeweils einzelne Methode selbst, sondern vielmehr die auf den Betrachtungen der individuellen Vorgehen insgesamt basierenden Aussagen zum Ganzen. Zum anderen kann eine Darstellung der einzelnen uneinheitlich angewendeten Coachingmethoden aufgrund der „nahezu unüberschaubaren Anzahl vorhandener Methoden“987 insgesamt immer nur einen begrenzten Überblick geben, was an dieser Stelle schon deshalb keinen inhaltlichen Mehrwert bieten würde, da hierzu ebenso auf bereits in der gängigen Literatur vorhandene, sehr umfangreiche Ausführungen - insbesondere von Schreyögg und Rückle verwiesen werden kann.988 Hinzu kommt, dass die derzeit im Coaching vorherrschende Vielfalt an Methoden ohnehin als ganzheitliches Phänomen bereits unter dem Begriff der „Methodenvielfalt“989 explizit thematisiert wird. 990 Dabei wird diese Methodenvielfalt häufig als notwendiges Mittel gesehen, um dem Coaching als individuell auf den Klienten zugeschnittene Maßnahme gerecht werden zu können. 991 „Vielfalt und Flexibilität an Methoden und Vorgehensweisen“ sind z.B. auch nach Vogelauer wichtig für den Coach.992 Hamm stellt metaphorisch fest: „Der Coach ist Reisebegleiter und hat hierfür ein möglichst großes Spektrum von Navigationshilfen, die er für die gemeinsame Reise zur Verfügung stellt.“993 Entsprechend beschreibt Rückle im Rahmen der Schilderung seiner strukturellen Vorgehensweise im Coaching sehr ausführlich eine Vielzahl anwendbarer Coachingmethoden, die es aus seiner Sicht sehr individuell und flexibel einzusetzen gilt: „Ich halte nicht viel davon, mich zu sehr an bestimmte 987
Looss/Rauen, S. 168 Vgl. für eine umfangreiche Darstellung verschiedener Methoden insbesondere Schreyögg (a) und Rückle (b). Siehe darüber hinaus u.a. auch Vogelauer (e) und ausführlich zum Thema Fragen bzw. Fragetechniken ebenfalls Whitmore. 989 Rauen (d), S. 75; Schreyögg (a), S. 144; Heß/Roth, S. 153; von Sassen/Vogelauer, S. 25 990 Vgl. auch Rauen (b), S. 284; Rauen (d), S. 75; Vogelauer (b), S. 33; Looss/Rauen, S. 168; Schreyögg (a), S. 142, S. 144; Heß/Roth, S. 40, S. 138, S. 153; Walther, S. 58; Böning (a), S. 108; Schwaemmle/Staehelin, S. 109 f; Eidenschink, S. 56; Hamm, S. 425; von Sassen/Vogelauer, S. 25 991 Vogelauer (b), S. 33; vgl. Rückle (b), S. 158; Schreyögg (a), S. 143; Hamm, S. 425; Heß/Roth, S. 40; Walther, S. 58; Eidenschink, S. 56 992 Vogelauer (b), S. 33; ähnlich hierzu auch Walther, S. 58 993 Hamm, S. 425 988
2.7 Coaching als Prozess
195
Modelle, Techniken oder Verfahren zu klammern. Die meisten haben in bestimmten Situationen oder Konstellationen ihre Bedeutung, sind aber nicht oder nur mit Abstrichen übertragbar auf andere Situationen. Für wichtig halte ich, daß der Coach eine möglichst große Vielfalt von Werkzeugen gut kennt und diese situativ handhaben kann. Äußert der zu Coachende Widerstände, kann dies daran liegen, daß nicht alle relevanten Informationen vorhanden sind, daß Informationen falsch interpretiert oder bei den Empfehlungen nicht berücksichtigt wurden.“994 Auch Schreyögg spricht davon, dass „aufgrund der Vielfalt der […] potentiell denkbaren beruflichen Konstellationen variable methodische Zugänge und flexible Formen prozessualer Gestaltung notwendig sind“995, demnach also „ein breites Methoden-Inventarium“ 996 bzw. ein „breites Theorie- und Methodeninventarium“997 erforderlich ist. Nach Schreyögg kann „die methodische Palette eines Coach kaum breit genug sein, um auf alle beruflichen Konstellationen, die ihm vorgetragen werden, je angemessen reagieren zu können.998 Dabei ist allerdings zu bedenken, dass das Methoden-Inventarium als Ganzes nicht nur das Selbstgestaltungspotential von Klienten stärken, sondern idealiter auch ihre Lebens- und Arbeitsfreude fördern soll.“999 Schreyögg stellt die vielfältigen von ihr verwendeten Methoden zudem ausführlich dar. Dabei geht sie auf verschiedene Methoden aus erlebnisund handlungsorientierten Psychologieverfahren ein und erläutert unterschiedliche methodische Vorgehensweisen bei der Arbeit mit Materialien („Methodische Anleihen im ‚Kinderzimmer’“1000). Vor allem stehen aber verschiedene Methoden der professionellen Gesprächsführung im Vordergrund, denn ganz allgemein beruht Coaching letztlich auf verbaler Kommunikation. Insofern bilden grundsätzlich die Gespräche zwischen Coach und Klient „das methodische Grundgerüst, in das sich auch alle nichtsprachlichen methodischen Maßnahmen einzufügen haben“1001.1002 994
Rückle (b), S. 158 Schreyögg (a), S. 142 996 Schreyögg (a), S. 142 997 Schreyögg (a), S. 144 998 Daher sollte sich, so Schreyögg, „jeder Berater für berufliche Fragestellungen […] [auch] einen möglichst umfassenden ‚Theorie-Baukasten’ zulegen, aus dem er je nach der aktuellen Thematik einmal den einen und einmal den anderen Ansatz zur Strukturierung aktueller Situationen entnehmen kann. Das müssen dann entsprechend den potentiellen Themen von Coaching einmal Theorien zum Verstehen individueller, einmal solche zum Erfassen von Beziehungsphänomenen und wieder ein anderes Mal solche zum Systemverstehen sein.“ (Schreyögg (a), S. 139) 999 Schreyögg (a), S. 143 1000 Schreyögg (a), S. 276 1001 Schreyögg (a), S. 215; vgl auch S. 11 995
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2 Was ist Coaching?
Betrachtet man die im Coaching angewendeten Methoden genauer, so fällt allerdings auf, dass es sich hier nicht nur um eine unüberschaubare Vielzahl von Methoden handelt, sondern dass sich diese Methoden auch grundlegend voneinander unterscheiden, also auf keiner einheitlichen Grundlage beruhen. Konkret bedeutet das, die „Methoden basieren auf unterschiedlichen theoretischen Konzepten“1003 oder verfügen zum Teil sogar über keinen theoretischen bzw. wissenschaftlich fundierten Hintergrund1004. Insgesamt kommt Rauen zu dem Ergebnis: „Als aus der Praxis heraus entstandene Beratungsform haben Coaching-Maßnahmen keinen eindeutigen theoretischen Hintergrund, der einem bestimmten Modell oder einer spezifischen Theorie zugeordnet werden kann. […] Die meisten professionellen Coachs arbeiten mit einem breiten Methodenspektrum und sind nicht auf eine ‚Schule’ festgelegt.“1005 So bietet z.B. auch der DBVC eine Weiterbildung zum Coach an, die als „pluralistisch bezüglich Theorien, Inhalten, Methoden und Modellen“1006 beschrieben wird.1007 Ferner zeigt sich deutlich, dass auch die Auswahl der jeweils angewendeten Methoden je nach Coach uneinheitlich ist. Insgesamt finden sich in der Literatur viele mehr oder weniger umfangreiche Methodendarstellungen, die das jeweils individuelle methodische Vorgehen bzw. die allgemein anwendbaren Methoden der Coachs beschreiben. Dabei fällt auf, dass die im Coaching verwendeten Methoden je nach Coach sehr unterschiedlich sein können, zumal sie auch „nach [individuellem] Ermessen des jeweiligen Coach kombiniert bzw. weiterentwickelt“ 1008 werden.1009 Diese Unterschiede im jeweiligen „Methodeninventari1002 Ebenso vgl. hierzu Heß/Roth, S. 130 sowie Rauen, der basierend auf dem Vergleich verschiedener Coachingansätze ebenfalls feststellt: „In der überwiegenden Zahl der veröffentlichten CoachingAnsätze nimmt der Dialog im Coaching eine entscheidende Rolle als Interventionsform ein […]. Daher finden sich in vielen Konzepten u.a. Anleihen aus der Gesprächspsychotherapie (GT), der Transaktionsanalyse (TA) und der Themenzentrierten Interaktion (TZI). Das Gespräch bildet i.d.R. den Rahmen für weitere Maßnahmen, nicht zuletzt, weil der Klient über die zum Einsatz kommenden Vorgehensweisen aufgeklärt werden sollte. Zudem erlaubt die verbale Kommunikation dem Coach einen diagnostischen Zugang zum Klienten, da hier neben inhaltlichen Aspekten auch die Anteile von Selbstoffenbarung, Appell und Beziehung zum Coach deutlich werden (vgl. Schulz von Thun).“ (Rauen (b), S. 284; vgl. auch Rauen (d), S. 139) 1003 Rauen (c), S. 70 1004 Vgl. Rauen (d), S. 209 1005 Rauen (c), S. 23 f 1006 DBVC (c), S. 6 1007 Vgl. insgesamt hierzu Rauen (c), S. 23, S. 70 sowie Rauen (d), S. 211, S. 75 ff, S. 175, S. 209; Fischer-Epe, S. 32 f; Schreyögg (a), S. 144; Roth/Brüning/Edler, S. 209; Heß/Roth, S. 40, S. 44 ff; König, S. 255; Wrede (b), S. 32; Rauen (g), S. 2; Eidenschink (a), S. 55, S. 56 1008 Rauen (b), S. 284 1009 Vgl. u.a. vor allem den Vergleich verschiedener Coachingansätze in Rauen (d), S. 75 ff sowie darüber hinaus Fischer-Epe, S. 32 f; Schreyögg (a), S. 139; Roth/Brüning/Edler, S. 219; Heß/Roth, S. 40, S. 130; Czichos, S. 68; König, S. 249; Böning (b), S. 25; Zeus/Skiffington, S. 78; PEF Privatuniversität für Management, S. 3
2.7 Coaching als Prozess
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um“1010 können dabei auf verschiedene Faktoren, wie u.a. auch auf die vorangegangenen (Berufs)Erfahrungen und den Ausbildungshintergrund eines Coachs zurückgeführt werden: Wie hierzu Heß und Roth z.B. zusammenfassend festhalten, liegen „die determinierenden Faktoren für die Art der Gestaltung des Coachings […] in der spezifischen Bedarfssituation des Klienten, der Arbeitsmethode des Coach – gemäß seiner Ausbildung und Erfahrung – sowie in der Dauer, Häufigkeit und Intensität der gemeinsamen Treffen“1011. Auch Fischer-Epe packt beispielsweise ihren individuellen „CoachingWerkzeugkoffer“1012 aus verschiedenen „Erklärungsmodellen, Beratungsmethoden und -techniken“, die sie „persönlich im Coaching besonders nützlich finde[t]“, zusammen: „Es sind letztlich wenige Grundgedanken und Interventionsideen, die man wirklich kontinuierlich nutzt, und sie müssen zum Berater passen, damit die Arbeit Spaß macht. Meine Auswahl ist natürlich ebenfalls von diesen Kriterien geprägt und damit subjektiv: Ich war Sportlehrerin, Familientherapeutin und Ausbilderin für Berater und Supervision, bevor ich mich systematisch mit der Unternehmenswelt befasst habe. Die Beratungsmodelle und Interventionen, die ich bevorzuge, wurzeln in der humanistischen Psychologie, der systemischen und lösungsorientierten Beratung und den Trainingskonzepten aus meinem Sportstudium. Ob sie sich für die Anwendung im Coaching eignen, habe ich geprüft, indem ich mich jeweils gefragt habe: Ermöglichen sie einen partnerschaftlichen Dialog? Bleibt die Selbstverantwortung des Klienten gewahrt? Leisten sie Hilfe zur Selbsthilfe? Fördern sie die Suche nach stimmigen Zielen und angemessenen Lösungswegen? Fördern sie Zuversicht, souveränes Handeln und persönliche Entwicklung?“1013 Ebenso verdeutlicht Looss in seinen Ausführungen das Vorhandensein vieler individuell unterschiedlicher Interventionsstile1014 von Coachs, die die beobachtbaren, sehr unterschiedlichen Vorgehensweisen in Coachings begründen.1015 Wie Looss deutlich macht, steht beim Coaching immer der Klient im Vordergrund: „Seine Gedanken und Gefühle, seine Äußerungen, seine Mei1010
Schreyögg (a), S. 144 Heß/Roth, S. 40 1012 Fischer-Epe, S. 32 1013 Fischer-Epe, S. 32 f; speziell zu dem Methoden siehe ausführlich S. 33 ff 1014 Nach Looss ist alles, was ein Berater tut, als Intervention, das heißt als ein ‚Dazwischengehen’ zu bezeichnen. (Vgl. Looss (a), S. 118) 1015 Vgl. Looss (a), S. 118 1011
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2 Was ist Coaching? nungen sind der Gegenstand aller beraterischen Arbeit. Der Berater ist dann zwangsläufig jemand, der den kontinuierlichen Erlebensprozess seines Klienten immer wieder ‚unterbricht’. Wann er dies tut, mit welchen Worten, ob er die Aufmerksamkeit auf dieses oder jenes lenkt, ist eine Frage seiner Wahrnehmung, seiner methodischen Herangehensweise, seiner Tagesform, seines Menschenbildes, seiner professionellen Grundüberzeugungen und vieler anderer Einflussgrößen. Was dabei herauskommt, wird üblicherweise ‚Interventionsstil’ genannt.“1016 Wie Looss weiter zeigt, lassen sich bei dem Versuch, diese vorhandenen unterschiedlichen „Interventionsstile auf die methodische Ausbildung von Beratern zurückzuführen“, viele verschiedene Beraterformen unterscheiden, die auf den unterschiedlichen Ideengebäuden der verschiedenen ‚Schulen’ agieren: So gibt es demnach beispielsweise „systemisch vorgehende Berater, die sich an den Arbeitsformen der strukturellen Familientherapie orientieren. Es gibt psychologische Berater, die ihre Arbeit auf Basis wissenschaftlich-psychologischer Konstrukte konzipieren, es gibt Berater, die ‚nach der Transaktionsanalyse’ vorgehen, ‚gestalttherapeutisch’ orientiert sind, mit dem ‚psychoanalytischen Modell’ arbeiten. Es gibt ‚neurolinguistische Programmierer’, ‚klientenzentrierte Rogerianer’, ‚Gruppendynamiker’, ‚Biodynamiker’, ‚Verhaltenmodifizierer’ und natürlich auch ‚erfahrene Praktiker’. Und viele Berater arbeiten mit methodischen Mischformen, was dann unter dem Begriff ‚Eklektizismus’ gehandelt wird.“1017
Diesen Ausführungen entsprechend kommt auch Rauen aufgrund des von ihm aufgestellten Vergleichs mehrerer Coachingansätze verschiedener Coachs - inklusive deren jeweiliger methodischer Vorgehensweisen - zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass „der Hintergrund der meisten Ansätze […] unterschiedlich [ist]“1018. Grundsätzlich stellt Rauen hierzu fest: „Ein unmittelbar mit fehlenden Definitionen und Qualifikationsstandards zusammenhängendes Problem sind die im Coaching verwendeten Interventionsverfahren. Sie stammen aus den unterschiedlichsten Bereichen diverser Psychotherapieschulen. Wie wirksam die einzelnen Techniken, besonders im Hinblick auf ihre Verwendung im Rahmen selbstentwickelter Beratungskonzepte, sind, kann nur vermutet werden.“1019 1016
Looss (a), S. 118 Vgl. hierzu insgesamt Looss (a), S. 118 f 1018 Rauen (d), S. 139; siehe insgesamt hierzu den Konzeptvergleich in Rauen (d), S. 77 ff 1019 Rauen (d), S. 211 Wie Rauen weiter ausführt, wird diese Problematik noch „durch unseriöse Anbieter [verschärft], denen es weniger um die Güte des Coaching als vielmehr um die Höhe ihrer Entlohnung geht“. (Rauen (d), S. 211) 1017
2.7 Coaching als Prozess
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„Einige Coachs beschränken sich zwar aufgrund ihres Hintergrundes auf bestimmte Interventionsmuster wie z.B. Techniken der Gesprächstherapie oder der Gestalttherapie. Jedoch agieren viele Coaches eklektisch und kombinieren bestimmte Interventionen nach eigenem Ermessen.“1020 Diese Vielfalt an unterschiedlichen methodischen Vorgehensweisen ist im Coaching derzeit möglich, da, wie Rauen formuliert, „generell der Rahmen von Coaching-Maßnahmen so weit gefasst ist, dass eine Beschränkung auf bestimmte Methoden nicht zwingend notwendig ist.“1021 1022 1020
Rauen (d), S. 175; vgl auch Rauen (b), S. 284; Heß/Roth, S. 40 Rauen (b), S. 284 1022 Um einer willkürlichen Anwendung der vielfältigen Methoden im Coaching entgegenzuwirken, sieht Rauen die Notwendigkeit, Kriterien für die Anwendbarkeit von Methoden im Coaching aufzustellen. (Vgl. Rauen (b), S. 284) Obwohl diese von Rauen formulierten Kriterien im Coaching keine allgemeinverbindlichen Standards darstellen (solche fehlen hierzu insgesamt), werden sie im Folgenden kurz dargestellt, um dem Leser einen Einblick in den derzeitigen Stand der Diskussion zu geben. Rauen nennt als die ihm „wesentlich erscheinenden Voraussetzungen für die Auswahl und Verwendung von Interventionen im Coaching-Prozess“ (Rauen (d), S. 211) folgende Kriterien: „Generell sollte die Absicht hinter jeder Interventionsmaßnahme sein, die Wahlmöglichkeiten im Verhalten und Erleben des Klienten zu erweitern. Interventionen, die im Endeffekt darauf zielen, Handlungs-, Denk- oder Wahrnehmungsmöglichkeiten einzuschränken, sollten somit nicht eingesetzt werden.“ (Rauen (b), S. 285; vgl. hierzu auch Rauen (c), S. 60) Die angewendeten Methoden müssen ebenso wie der gesamte Coachingprozess transparent sein. Das bedeutet, aufgrund der prinzipiellen „Orientierung des Coachings an der Förderung von Bewusstsein und Verantwortung“ des Klienten, sind keine Methoden anzuwenden, über deren Wirkungsweise der Klient nicht aufgeklärt ist. (Rauen (b), S. 284) Grundsätzlich sollte der Coach immer die Methoden (deren Sinn und Funktionsweise), die dem Klienten unbekannt sind, vorab erläutern. (Vgl. Rauen (b), S. 285) Dies gilt auch „besonders bei der Verwendung relativ ‚experimenteller’ […] Verfahren (z.B. imaginative Verfahren, Rollenspiele o.ä.)“. (Rauen (d), S. 176) Zudem sollten im Rahmen des zu Beginn des Coachingprozesses festgelegten psychologischen Vertrages die dort festgelegten Spielregeln bereits deutlich machen, wie weit der Coach gehen kann und welche Interventionen in diesem speziellen Coaching angemessen sind. (Rauen (b), S. 285; Rauen (d), S. 176) Nach Rauen können die zu verwendenden Methoden zudem „von der Dauer und der Zielsetzung des Coaching abhängig sein“. (Rauen (d), S. 176; ausführlich vgl. auch Rauen (b), S. 285) „So nehmen z.B. psychoanalytische Vorgehensweisen oftmals einige Zeit in Anspruch. Zwar schließt dies entsprechende Methoden nicht zwangsläufig aus; solche Vorgehensweisen können jedoch unangemessen sein, wenn aus nicht beeinflussbaren Sachzwängen heraus eine kurzfristige Zielerreichung angestrebt wird. Hier können dann entsprechend ‚schnelle’ Interventionen, z.B. adaptierte Methoden der Kurzzeitpsychotherapie, eingesetzt werden. Wenn der Coach hier aufgrund seiner konzeptionellen bzw. methodischen Ausrichtung nicht willens oder außerstande ist, derartige Techniken einzusetzen, so muss er dies dem Klienten offen darlegen und ggf. konsequent sein, das Coaching abzulehnen bzw. zu beenden.“ (Rauen (b), S. 285) Darüber hinaus müssen sich „die zur Verwendung kommenden Interventionen […] [vor allem auch] am Konzept des Coachs orientieren.“ (Rauen (d), S. 175) Gemäß Rauen legt ein Coachingkonzept fest, „welche Methoden und Techniken ein Coach verwendet, wie angestrebte Prozesse ablaufen können und welche Wirkungszusammenhänge im Beratungsprozess zu berücksichtigen sind. Das Coaching-Konzept bildet somit das ‚Gerüst’ für jegliche Maßnahmen 1021
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2 Was ist Coaching?
Aufgrund der allgemeinen Uneinheitlichkeit bei den methodischen Vorgehensweisen im Coaching lässt sich bisher weder in der Literatur noch in der aktuellen Praxis ein einheitliches, fundiertes Coachingkonzept erkennen. Sofern überhaupt Konzepte formuliert und den Coachings zugrunde gelegt werden1023, fehlt diesen Vorgehensweisen eine allgemein einheitliche theoretisch fundierte Grundlage.1024 So stellen z.B. Heß und Roth fest: „Auf konzeptioneller Ebene gibt es noch keine verbindliche Fundierung […] [, so dass] Coaching für den einzelnen Coach konzeptionell ausdeutungsfähig bleibt.“1025 Ferner finden sich „theoriegeleitete Coaching-Konzepte […] nur selten in der einschlägigen Literatur“1026. Auch Roth, Brüning und Edler bemängeln „das Fehlen einer einheitlichen Konzeption“ und warnen vor einem Missbrauch des Coachings.1027 Nach der Ansicht von König, findet sich im Coaching derzeit „ein Sammelsurium von unterschiedlichen Ansätzen und Vorgehensweisen der Arbeit mit Einzelnen im Unternehmen“1028. Mit anderen Worten, „gibt es noch keine Theorie oder Systematik zum Coaching“1029. „Das Konzept und die Methode des Coaching ist noch nicht vorhanden. Es gibt so viele Konzepte, wie es Personen gibt.“1030
des Beraters.“ (Rauen (d), S. 191) Das heißt nach Rauen: „Da ein seriös agierender Coach auf Basis eines Konzepts arbeitet, sollten die Interventionen sich ebenfalls an diesem Konzept orientieren und ihm nicht entgegenstehen.“ (Rauen (b), S. 284; vgl. Rauen (d), S. 64) Dementsprechend wäre es „z.B. nicht unmittelbar einsichtig, wenn ein grundsätzlich psychoanalytisch ausgerichteter Coach verhaltenstherapeutische Methoden verwendet.“ (Rauen (b), S. 284) 1023 Wie Rauen feststellt, wird „das unzusammenhängende ‚Abspulen’ einzelner Techniken […] leider [auch] in populärer Literatur allzu oft vorexerziert“. (Rauen (d), S. 192) Entsprechend betont Schreyögg: „Bei manchen Publikationen über Coaching entsteht der Eindruck, dass hier jede Methodik und jede Theorie, wenn sie nur hilft, zu verwenden sei.“ (Schreyögg (a), S. 134) Und auch Dopfer bestägt: „Obwohl Coachingansätze seit einigen Jahren im Trend liegen, zeigt sich, dass oft eine klare Differenzierung und entsprechende Konzepte für die Anwendung und Umsetzung fehlen.“ (Dopfer, S. 60) Vgl. hierzu auch Walther, S. 57 1024 Vgl. insgesamt hierzu Rauen (d), S. 77 ff; S. 139; Schreyögg (b), S. 244; König, S. 253, S. 255; Heß/Roth, S. 6, S. 24, S. 40; Roth/Brüning/Edler, S. 220; Wrede (b), S. 30 1025 Heß/Roth, S. 24, vgl. auch S. 6 1026 Heß/Roth, S. 6 1027 Roth/Brüning/Edler, S. 220 1028 König, S. 249 1029 König, S. 253 1030 König, S. 255
2.7 Coaching als Prozess
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Dies betont auch Schreyögg: „So vielfältig die Anlässe für Coaching, so ‚schmal’ sind die bisherigen konzeptionellen Ansätze. Wenn Coaching als ‚exklusive’ Form der Personalentwicklung eine Zukunft haben soll, bleibt hier noch manches an grundlegender Konzeptarbeit zu leisten.“1031 Dementsprechend fordern eine Reihe von Coachs bzw. Autoren, dass jeder Coach grundsätzlich über ein Konzept verfügen muss, das einen ausformulierten, theoretisch fundierten1032 Rahmen für die Vorgehensweise und damit die Anwendung bestimmter Methoden im Coaching bildet und das darüber hinaus dem Klienten auch beschrieben und erklärt werden kann.1033 Looss und Rauen unterstützen diese Forderung nach konzeptioneller Kompetenz der Coachs wie folgt: „Entscheidend für die Beratungsbeziehung bleibt […] die Art und Weise, mit der ein Coach die von ihm bevorzugten Methoden und Vorgehensweisen im Rahmen seines zwingend notwendigen Gesamtkonzepts einsetzt. […] Der Einsatz nahezu beliebig zusammengesuchter Techniken ohne erkennbares Gesamtkonzept kann dem qualitativen Anspruch einer ernsthaften Beratung […] nicht gerecht werden.“1034 Auch Schreyögg fordert: „Wenn Coaching nicht im aktuellen Dunst von methodischen Worthülsen und Zauberformeln verkommen soll, bedarf es fachlich kompetenter Berater, die ihre Arbeit auf ein ausformuliertes Coaching-Konzept gründen.“1035 Denn „in einer qualifizierten Beratung werden methodische Maßnahmen nie beliebig appliziert, sondern ihre Anwendung steht idealerweise in einem ausformulierten konzeptionellen Rahmen. Dieser sollte Orientierungen bieten, wie die in Frage stehenden Anliegen von Klienten in Beratungssituationen zu rekonstruieren und damit überhaupt zu präzisieren sind.“1036
1031
Schreyögg (b), S. 244 Vgl. u.a. Heß/Roth, S. 155 sowie Czichos, der diesbezüglich fordert: „Coaching ist ein Prozess, der das Lernen unterstützen soll.“ (Czichos, S. 68) „Ich behaupte, dass Coaching nicht theorielos, quasi als Praxishuberei, ablaufen kann. Theorien sind Konzepte, die helfen zu erkennen, was man und wie man etwas tut und wie man es anders machen könnte.“ (Czichos, S. 69) 1033 Verwiesen sei hier u.a. auf Rauen (d), S. 190 ff; Rauen (b), S. 284; Rauen/Steinhübel, S. 298 ff; Looss/Rauen, S. 162; DBVC (c), S. 6; Schreyögg (a), S. 10, S. 11; Czichos, S. 69; Heß/Roth, S. 41 f, S. 129, S. 155; von Sassen/Vogelauer, S. 3; Roth/Brüning/Edler, S. 221 1034 Looss/Rauen, S. 162 1035 Schreyögg (a), S. 10 1036 Schryögg (a), S. 165 1032
202
2 Was ist Coaching? Ebenso formulieren Heß und Roth die „Forderung nach einem [theoriegeleiteten1037] Handlungskonzept des Coaches“1038 und argumentieren: „Ein Konzept verhindert einen unreflektierten Eklektizismus durch eine beliebige Kombination von Methoden und Theorien. Schließlich ist es für die Etablierung von Coaching als eine eigenständige Beratungsform unverzichtbar und stellt eine Basis für die Aus- und Weiterbildung von Coaches dar.“1039
Abschließend lässt sich zusammenfassen: Es existieren unüberschaubar viele Coachingmethoden, die grundsätzlich je nach Coach und individueller Situation im Coaching sehr uneinheitlich angewendet werden. Trotz der vielfachen Forderung nach einer konzeptionellen Basis für jedes Coaching hat sich bis heute kein allgemein einheitliches Coachingkonzept etabliert, das eine wissenschaftlich fundierte und vor allem auch umfassende Grundlage bildet, die auf der MetaEbene einen übergeordneten, allgemeinen und konsistenten Rahmen für die Anwendung von Methoden schafft. Tatsächlich sind momentan viele sehr verschiedene Vorgehensweisen bzw. Ansätze vorzufinden, die auf jeweils unterschiedlichen (theoretischen) Grundlagen basieren und auch ihrem ausformulierten Umfang nach sehr unterschiedlich sind - bis hin zu ad-hoc-Vorgehensweisen. Dies begründet die derzeit uneinheitlichen Vorgehensweisen nicht nur in ihrer methodischen Ausgestaltung, es erklärt darüber hinaus auch die Unterschiedlichkeit in der Prozessstruktur1040 und, wie u.a. Heß und Roth anführen, letztendlich auch das Fehlen einheitlicher Ausbildungsstandards für Coachs1041.
2.8 Fehlende Standards und Qualitätssicherung im Coaching Wie im Rahmen dieser Arbeit bisher dargestellt wurde, werden trotz des Bestehens übereinstimmender Grundüberlegungen im Coaching dennoch sehr viele Aspekte uneinheitlich verstanden und umgesetzt. So hat sich gezeigt, dass es im Coaching bis heute - neben der zugrundeliegenden einheitlichen Definition des Coachings selbst, einem einheitlichen umfassenden Verständnis des Coachs und einer fundierten, einheitlichen Beschreibung der Anwendungsfelder für Coa1037
Vgl. Heß/Roth, S. 155. Wie Heß und Roth hierzu betonen: „Mit einer theoretischen Fundierung beruht das praktische Handeln des Coaches nicht nur auf singulärem Tatsachenwissen, subjektiven Überzeugungen von Zusammenhängen oder Meinungen aus privater Erfahrung, sondern auf empirisch bewährtem Zusammenhangwissen“. (Heß/Roth, S. 155) 1038 Heß/Roth, S. 155 1039 Heß/Roth, S. 41 f 1040 Z.B. bezüglich der Zielorientierung und damit der Gewichtung der Situationsanalyse unter Einbeziehung von Informationen aus der Vergangenheit. 1041 Vgl. Heß/Roth, S. 41 f
2.8 Fehlende Standards und Qualitätssicherung im Coaching
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chings - auf der hier betrachteten Meta-Ebene vor allem auch an einer allgemein einheitlichen Prozessstruktur und methodischen Vorgehensweise im Coaching fehlt. Trotz der Forderung nach einer grundsätzlichen konzeptionellen Fundierung des Coachings existiert bisher kein einheitliches Coachingkonzept, das einen verbindlichen Rahmen für das Coaching auf übergeordneter Ebene festlegt, und damit eine einheitliche, wissenschaftlich fundierte Grundlage schafft, die auf indivdiueller Ebene gleichzeitig ausreichend Raum für eine jeweils situationsund personenorientierte Ausgestaltung lässt.1042 Wie in der Literatur häufig angesprochen und kritisiert, fehlt es damit insgesamt im Coaching an einheitlichen und allgemeinverbindlichen Coachingstandards. 1043 Entsprechend beschreiben auch Roth, Brüning und Edler zusammenfassend: „Für Coaching ist nur typisch, daß nichts typisch ist.”1044 Mit anderen Worten: Es geht im Coaching „um komplexe Vorgänge“, bei denen keine eindeutigen fachlichen Standards vorliegen.1045 „Wer […] wen in welcher Form berät oder trainiert, anleitet oder anfeuert und zu welchen Themen, darüber sind sich weder Anbieter noch Nutzer dieser Dienstleistung besonders einig. Mittlerweile haben diejenigen, die als ‚Coaches’ tätig sind, ihre jeweils eigenen Varianten durch Versuch und Irrtum gefunden. Auf der Suche nach einem gemeinsamen Kern finden wir zunächst nichts anderes als zwei Personen, die im Kontext der Berufstätigkeit miteinander in eine oft unscharf bestimmte, aber zu bestimmende Beratungsbeziehung eintreten. Die Spielarten reichen dabei inzwischen von ‚begleitender Persönlichkeitsentwicklung für Top-Manager’ bis hin zu ‚Mitarbeiter-Coaching’, das ein Vorgesetzter im Rahmen seiner ‚entwicklungsorientierten Führungstätigkeit’ betreiben sollte. […] Und immer wieder versuchen die Adepten der unterschiedlichen Varianten, den Begriff ‚Coaching’ jeweils ‚exklusiv’ für die von ihnen präferierte Vorgehensweise zu reklamieren.“1046 Auch Zeus und Skiffington stellen fest: „Coaching is currently unregulated. Individuals, therefore, have no professional criteria on which to choose a suitable life skills coach.“1047
1042
Siehe hierzu insbesondere die Ausführungen im vorangegangenen Kapitel 2.7.4 sowie in Kapitel 2.5.2.3. 1043 Vgl. Heß/Roth, S. 6, S. 168; Roth/Brüning/Edler, S. 220; Looss/Rauen, S. 173 f; Böning (b), S. 25; Böning (c), S. 35 f; Rauen (c), S. 62; Parsloe/Wray, S. 7 f; Zeus/Skiffington, S. 32; Hauser; König, S. 249; Rauen/Steinhübel, S. 289; managerSeminare, S. 18; Doppler, S. 94 1044 Roth/Brüning/Edler, S. 220 1045 Vgl. Heß/Roth, S. 168 1046 Looss (a), S. 13 1047 Zeus/Skiffington, S. 32
204
2 Was ist Coaching?
Diese zuletzt zitierte Aussage macht deutlich, dass einhergehend mit den fehlenden allgemeinen Standards im Coaching bisher auch keine einheitliche fundierte Coachingausbildung bzw. entsprechende Qualifikations-/Ausbildungsstandards für Coachs existieren.1048 1049 Dabei fehlt es nicht nur an der Einheitlichkeit und Allgemeinverbindlichkeit bestehender Ausbildungs- und Qualifikationskriterien, sondern, wie Rauen beschreibt, ist es darüber hinaus bis heute „schwierig bis unmöglich, [überhaupt] wissenschaftlich abgesicherte Qualitätskriterien von Coaching-Weiterbildungen zu benennen“1050. Bisher ist der Markt folglich noch immer dadurch gekennzeichnet, „dass sich jeder seine Ausbildung [nach Belieben] selbst backen kann.“1051 Entsprechend warnt auch Wrede vor einer „Reihe von ‚Instant’Ausbildungen […], die versprechen, in wenigen Seminartagen ohne Praxiserfahrung und Supervision die Grundlagen für ein leichtes und einträgliches Coachinggeschäft zu legen“.1052 Durch die fehlende „einheitliche Zugangsvoraussetzung oder Ausbildung“ besteht somit die Gefahr, dass Coaching „ein Tummelplatz für halbgebildete Besserwisser, dilettierende Alleskönner oder selbsternannte Therapeuten“ wird.1053 „Verhaltens- und Verkaufstrainer, Personal- und Managementberater aller Couleur entdecken ein in Mode gekommenes Feld und besetzen es, um mit langwährenden Beratungsaufträgen ein ‚gutes Geschäft’ zu machen. Nicht selten bleibt dabei die vom Manager erhoffte Wirkung auf der Strecke. Um dies zu verhindern, bedarf das Coaching eindeutiger Professionsregeln.“1054 1048
Allein im deutschsprachigen Raum gab es zum Ende des Jahres 2007 knapp 300 Anbieter von Coachingausbildungen und über 300 Ausbildungsgänge, die im Coaching-Index von Rauen erfasst waren (www.coaching-index.de). Darüber hinaus nimmt auch die Anzahl an Coachingverbänden stetig zu, die sich alle individuell „mit Inhalts- und Methodikaspekten, Qualitätsfragen, Standards, Zertifizierungen und berufsständischen Themen auseinandersetzen“. (Böning (c), S. 35) Entsprechend stellt auch Looss fest: „Es gibt jetzt circa 20 Coaching-Verbände, viel zu viele Häuptlinge, immer wieder Skandale und Streit.“ (Looss (c), S. 12) 1049 Vgl. insgesamt hierzu Heß/Roth, S. 6, S. 41 f, S. 135 f, S. 139, S. 160; Schreyögg (b), S. 244; Roth/Brüning/Edler, S. 220; Holzapfel; Looss/Rauen, S. 174; Böning (c), S. 35; Wrede (b), S. 32; Jung, S. 138; Doppler, 94; Rauen (h), S. 1; PEF Privatuniversität für Management, S. 21; König, S. 249 ;Demmer; managerSeminare, S. 18; Rauen/Steinhübel, S. 289 1050 Rauen (g), S. 1 1051 Holzapfel 1052 Vgl. Wrede (b), S. 32 1053 Jung, S. 138 1054 Jung, S. 138
2.8 Fehlende Standards und Qualitätssicherung im Coaching
205
In diesem Sinne weisen auch Heß und Roth darauf hin, dass ein Coachingkonzept letztlich „für die Etablierung von Coaching als eine eigenständige Beratungsform unverzichtbar [ist] und […] eine Basis für die Aus- und Weiterbildung von Coaches dar[stellt].“1055 Zur Implementierung einer qualifizierten Ausbildung ist „eine Formulierung von Mindestanforderungen sowie von verbindlichen Richtlinien für Ausbildungsprogramme vergleichbar zu der Supervisionsausbildung erforderlich“.1056 Zudem würde eine derartige Ausbildung auch wesentlich zur Qualitätssicherung beitragen.1057 Wie häufig kritisiert wird, finden sich jedoch leider „noch viel zu viele Berater, die sich auf einem eher zweifelhaften fachlichen Hintergrund […] [zum Coaching] ‚selbst ermächtigen’.“1058 Zudem gibt es, so Schreyögg, bislang auch noch kaum Ausbildungsstätten, die in der Lage wären, die im Coaching existierende Breite an Themen abzudecken.1059 Das Fehlen einheitlicher Coachingstandards und damit auch allgemeinverbindlicher, wissenschaftlich fundierter Ausbildungskriterien für Coachs erschwert zudem, wie bereits angesprochen, auch die Qualitätssicherung, da sich bis heute keine einheitlichen Qualitätsstandards etabliert haben, die für alle Coachings verbindlich gelten, deren Erfüllung überprüft wird und die darüber hinaus als Grundlage für eine fundierte einheitliche Ausbildung für Coachs dienen.1060 Tatsächlich stellt die Qualitätssicherung im Coaching noch immer ein großes Problem dar, zumal sich aufgrund der rechtlich nicht geschützten Bezeichnung ‚Coaching’ und der Berufsbezeichnung ‚Coach’ jeder ganz legitim als Coach bezeichnen darf.1061 Viele erfahrene Coachs und Autoren warnen aus diesem Grund vor einem Missbrauch der Maßnahme, vor „Etikettenschwindel“1062 und „schwarzen Schafen“1063 unter den Coachs 1064 sowie vor falschen Versprechungen von Beratern, die Coaching als allgemeine Patentlösung anbieten1065. 1055
Heß/Roth, S. 41 f Heß/Roth, S. 160, vgl auch S. 41 f 1057 Vgl. Heß/Roth, S. 160; Schreyögg (b), S. 244 1058 Schreyögg (b), S. 244 1059 Vgl. Schreyögg (b), S. 244 1060 Vgl. u.a. Rauen (d), S. 211; Roth/Brüning/Edler, S. 220; Looss/Rauen, S. 173 f; Böning (b), S. 25 f; Jung, S. 138; Alwart (a); Hauser; Rauen (h), S. 1; Heß/Roth, S. 6 f; Rauen (c), S. 62; Hauser; Rauen/Steinhübel, S. 289 1061 Vgl. u.a. Rauen (h), S. 1; Böning (c), S. 35, S. 36; Böning (b), S. 25 f; Holzapfel; Prochnow, S. 60; Henkel; Alwart (a): „Mit der wachsenden Nachfrage nach Coaching-Angeboten steigt auch die Zahl der Coachs sprunghaft an. ‚Coach’ ist jedoch eine ungeschützte Berufsbezeichnung, mit der sich Menschen ganz unterschiedlicher Absicht und Qualifikation schmücken können.” 1062 Prochnow, S. 58. 1063 U.a. Heß/Roth, S. 8; Prochnow, S. 58 1056
206
2 Was ist Coaching? Nach Heß und Roth eröffnen der fehlende „Konsens bzgl. der konzeptionellen Fundierung von Coaching“ sowie die fehlenden „Qualifikationsstandards des Coaches und das Fehlen einer allgemeingültigen Ausbildung unseriösen Anbietern den Markt. Somit ist der Zustand auf fachlicher Seite als auch auf Seiten der Nachfrager größtenteils mit mehr offenen Fragen als mit Antworten zu beschreiben.“1066 Ähnlich hierzu stellen auch Looss und Rauen zusammenfassend fest: „Qualität ist selten“. Wobei jedoch gerade „die Sicherung der Qualität von Einzelberatungsprozessen […] für jeden Klienten und die seriös agierenden Berater von elementarer Bedeutung [ist]. Die unüberschaubare Lage des Coaching-Markts macht hier eine Schieflage offensichtlich, so dass den Aspekten der Qualität eine Schlüsselbedeutung für die Zukunft des Coachings zukommt. Gerade weil noch keine Qualifikations- und Ausbildungsstandards für Coachs existieren – wie dies z.B. in der Supervision der Fall ist – wird sich zeigen, welche Auswirkungen dies mittel- bis langfristig auf den Coaching-Markt haben wird.“1067
Zunehmend werden daher in Literatur und Praxis zur Professionalisierung und verstärkten Etablierung des Coachings mehr Qualitätssicherung und hierzu die Schaffung und Implementierung von Standards gefordert:1068 1069
1064
Vgl. Schreyögg (a), S. 7; Schreyögg (b), S. 244; Prochnow, S. 58 und 60; Fischer-Epe, S. 20 f; Bayer (a), S. 9; Holzapfel; Alwart (a); Demmer; Wrede (b), S. 32; Jung, S. 138; Vogelauer (d), S. 161 1065 Vgl. zum Thema Coaching ist keine Patentlösung u.a. Whitmore, S. 10; Prochnow, S. 62; Looss (a), S. 18 f, Looss/Rauen, S. 162, Rückle (b), S. 20; Wrede (a), S. 30; Walther, S. 55; Rauen (c), S. 1, S. 45 f 1066 Vgl. Heß/Roth, S. 6 f 1067 Looss/Rauen, S. 173 f 1068 Vgl. Looss/Rauen, S. 173 f; Heß/Roth, S. 6, S. 7 f, S. 139, S. 160; König, S. 253; Roth/Brüning/Edler, S. 221; Rauen (e), S. 3; Böning (b), S. 25 f; Böning (c), S. 35 f; Jung, S. 138; Hauser; Eidenschink (c), S. 5; Rauen (h), S. 2; Rauen/Steinhübel, S. 289; Doppler, S. 94 1069 Im Rahmen dieser Forderung nach (Qualitäts-)Standards im Coaching gibt es derzeit auch verschiedenste Bestrebungen von Coachingverbänden und einzelnen Ausbildern zur Zertifizierung von Coachs. Im Einzelnen bedeutet dies jedoch, dass derzeit jeder Ausbilder seine individuell eigene Zertifizierung anbietet. Die Zertifizierungen sind im Vergleich höchst unterschiedlich und weisen keine einheitlichen Qualitätskriterien auf, was auch dazu führt, dass sie allgemein kontrovers diskutiert werden. Rauen zieht beispielsweise die Schlußfolgerung: „Zertifikate haben null Wert“ (Rauen, in: Demmer). Ebenso herrscht eine höchst kontroverse Diskussion um die DIN-Normung des Coachings. Seit 2003/2004 wird in Deutschland verstärkt auch über eine DIN-Norm für ‚Business Coachs’ diskutiert. (Vgl. hierzu u.a. Heß/Roth, S. 9; Holzapfel; managerSeminare, S. 16 ff).
2.8 Fehlende Standards und Qualitätssicherung im Coaching
207
So argumentiert u.a. auch Böning, dass durch die Festlegung verbindlicher Qualitätsstandards und sonstiger professioneller Zugangskriterien „das Coaching ‚sauber‘ professionalisiert und von populistischen Selbstattributen unterschieden werden [soll], die mit dem eigentlichen Coaching nichts zu tun haben.“1070 „Qualität im Coaching ist nicht nur möglich, sondern unumgänglich, wenn Coaching den Status eines professionellen Personalentwicklungsinstrumentes erreichen bzw. erhalten will“, stellt auch Rauen fest. „Ohne vom Coach anwendbare und von Dritten überprüfbare Qualitätskriterien besteht für das Coaching die Gefahr, ein undurchsichtiges und beliebig missbrauchbares Beratungskonzept zu werden.“ 1071 „Ohne Transparenz ist [folglich] keine Qualität möglich. Coaching braucht daher verständliche und allgemein akzeptierte Qualitätsmerkmale. Diese Merkmale sollten allerdings nicht beliebig, sondern vorzugsweise wissenschaftlich erarbeitet und praktisch evaluiert werden.“1072 Nach Looss und Rauen ist mit der empirischen Studie und den auf dieser Basis formulierten Qualitätskriterien von Heß und Roth ein erster Schritt getan worden, „der zu einer Verbesserung bzw. Professionalisierung von Coaching beitragen“1073 kann, wobei „die Forschung im Bereich Coaching […] aber noch einiges nachzuholen“1074 hat.1075 Entsprechend den bisher zitierten Ansichten fördert auch der DBVC in seiner Funktion als Verband „das Setzen, Leben und Weiterentwickeln von Standards […] [, um] den beteiligten Gruppen im Feld eine größere Sicherheit bezüglich der theoretischen Durchdringung und der praktischen Anwendung von Coaching [zu] geben. [Dabei soll] die wissenschaftliche Fun1070
Böning (b), S. 25 f Rauen (f); Rauen (e), S. 3 1072 Rauen (e), S. 3; siehe ferner zum Thema „Gemeinschaftliche Branchen-Qualität ist notwendig“ Rauen (h), S. 2 1073 Looss/Rauen, S. 174; vgl. Rauen (e), S. 3 1074 Vgl. Rauen (e), S. 3 Denn „obwohl die Qualitätssicherung und die Evaluation von Coaching-Maßnahmen sehr bedeutsam ist, haben sich erst wenige Untersuchungen [- wie die empirische Studie von Heß und Roth-] mit möglichen Qualitätskriterien im Coaching auseinandergesetzt […]. Es existieren im Coaching-Markt bisher noch keine allgemeingültigen Standards und es bleibt abzuwarten, ob und in welcher Form sich Standards etablieren werden […].“ (Rauen (c), S. 62) 1075 Wie Rauen beschreibt, „haben sich bisherige Qualitätsbemühungen primär auf die Ergebnisqualität des Coachings konzentriert, d.h. es wurde überwiegend die subjektive Zufriedenheit des Klienten mit dem Coaching erfasst. Heß und Roth ergänzen diese Sichtweise um die Kriterien der Strukturund Prozessqualität im Coaching“ und nehmen damit eine „mehrdimensionale Qalitätsperpektive“ ein. (Rauen (c), S. 62 und vgl. darüber hinaus S. 63 ff sowie ausführlich zum Ganzen in Heß/Roth) 1071
208
2 Was ist Coaching? dierung der Arbeit […] Innovationen fördern, die auch in die Ausbildung anerkannter Coaches münden. […] [Es ist ein Ziel des DBVC] im vertrauensvollen Dialog […] eine fachliche, methodische und persönliche Reflexion [zu] betreiben, die zu einer echten Weiterentwicklung von ‚Coaching’ führt – wissend, wie unscharf die Diskussion und die Praxis noch sind.“1076 Ähnlich hierzu äußern sich Parsloe und Wray: „As with all new professions, there will be growing pressure to establish standards of performance and behaviour. […] The mainstream academic institutions will probably play an increasing role in meeting future demands for credible and nationally recognized standards that combine elements of performance evidence and academic rigour. As the debate on the establishment of national standards gathers pace, the pressure to reach agreement on the precise definitions and language of coaching […] will also increase."1077 Auf Grundlage ihrer Studie fassen auch Heß und Roth zusammen, dass mit der Formulierung von Qualitätsstandards seitens der Coachinganbieter angestrebt werden muss, ein vereinbartes Mindestniveau professionellen Handelns zu definieren. Denn die Existenz von „Ausbildungsrichtlinien, die Formulierung eines einheitlichen Anforderungsprofils, die Entwicklung eines gemeinsamen professionellen Verständnisses und die gegenseitige Qualitätssicherung sind Charakteristika einer professionellen Gemeinschaft.“ 1078 Unter den im Rahmen der Studie von Heß und Roth befragten Teilnehmern bestand zudem allgemeiner „Konsens über die Notwendigkeit, Qualitätsmerkmale in der Praxis zu definieren und zu kommunizieren und auf diese Weise zu der Etablierung eines entsprechenden Professionalitätsniveaus am Coaching-Markt beizutragen.“1079 Denn bis heute ist „der Prozeß der Professionalisierung im Coaching keinesfalls abgeschlossen […]. Dies drückt sich über einen fehlenden Berufsbezeichnungsschutz, nicht einheitliche Anforderungsprofile und Ausbildungswege sowie über bisher geringe Forschung im Anwendungsfeld Coaching aus.“1080 Nach Heß und Roth dient die Formulierung von Qualitätsstandards neben der grundsätzlichen Professionalisierung des Coachings zudem auch einer größeren Transparenz (Information) sowie einer besseren Qualitätsbeurteilung. „Stellt Coaching nicht nur eine finanzielle Investition, sondern eine hoffnungsträchtige Begleitung unsicherheitsstiftender Veränderungsprozes-
1076
DBVC (b), S. 2 f Parsloe/Wray, S. 7 f Heß/Roth, S. 160 1079 Heß/Roth, S. 160 1080 Heß/Roth, S. 7 1077 1078
2.8 Fehlende Standards und Qualitätssicherung im Coaching
209
se dar, sind Bedürfnisse nach Transparenz und Klärung über professionelle Qualitätsvorstellungen und Qualitätsbeurteilungsbedarf nachvollziehbar, denn (…) viele Veränderungs-, Entwicklungs- oder sogar Krisenprozesse in Organisationen (sind) zu delikat und zu vital für den Auftraggeber, als dass man diese dem Zufall oder der unsachgemäßen Begleitung überlassen sollte’ […].“1081 Insgesamt hielten die von Heß und Roth Befragten zur Qualitätssicherung auch eine weitere wissenschaftliche Fundierung verschiedener Aspekte des Coachings (wie beispielsweise den Wirksamkeitsnachweis von Coachings, den Coachingprozess sowie die theoretischen Grundlagen des Coachings etc.) für notwendig.1082 Auf Grundlage ihrer empirischen Studie und vor dem Hintergrund der von den Befragten geäußerten Interessen an „verstärkter Forschung im Coaching-Bereich“ regen Heß und Roth in ihren Ausführungen abschließend grundsätzlich an, weitere „Evaluationsforschung als Konzept der Qualitätssicherung und -entwicklung auf den CoachingKontext verstärkt anzuwenden“.1083 „Durch den verstärkten Einsatz von Evaluationsforschung im Coaching kann eine fortschreitende Qualitätsentwicklung und Professionalisierung im pädagogisch-psychologischen als auch im berufssoziologischen Sinne im Coaching gewährleistet werden.“1084 Abschließend seien an dieser Stelle Roth, Brüning und Edler zitiert: „Es ist […] zu bedenken, dass das Fehlen einer einheitlichen Konzeption und einer vorgeschriebenen Ausbildung Scharlatanen Tür und Tor öffnet. […] Die Auseinandersetzung mit dem Thema findet zur Zeit vorwiegend außerhalb der Universitäten statt. Durch vermehrte Forschung und eine verstärkte Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Praktikern sollte es jedoch gelingen, das für unsere Gesellschaft notwendige Tätigkeitsfeld ‚Coaching’ als akzeptierte Ergänzung zu anderen Personalentwicklungsmaßnahmen auf gesicherte Füße zu stellen und zu etablieren. […] In der Zukunft muss im Fokus der wissenschaftlichen Bemühungen stehen, die Modellbildung für Coaching […] voranzutreiben.“1085
1081
Heß/Roth, S. 8 f; vgl. ähnlich auch Looss/Rauen, S. 174 Vgl. Heß/Roth, S. 140 Heß/Roth, S. 166 1084 Heß/Roth, S. 168 1085 Roth/Brüning/Edler, S. 221 1082 1083
210
2 Was ist Coaching?
2.9 Zusammenfassung und Ausblick In diesem Kapitel ist das Gesamtphänomen Coaching mit seinen vielfältigen Facetten ausführlich betrachtet worden, das heißt es wurde konkret beschrieben, was heute insgesamt unter Coaching verstanden wird und wie sich die Anwendung dieser Personalentwicklungsmaßnahme gestaltet. Dabei ist einerseits deutlich geworden, welche herausragende Bedeutung dem Coaching in der heutigen Arbeitswelt, insbesondere vor dem Hintergrund der sich schneller vollziehenden, kontinuierlichen Veränderungen, zukommt und welche dem Coaching zugrundliegenden Aspekte dies begründen. Andererseits hat sich jedoch ebenso deutlich gezeigt, welche Schwierigkeiten bei der Begriffsdefinition und Ausgestaltung der Maßnahme bis heute bestehen und welche negativen Auswirkungen dies auf die Qualitätssicherung im Coaching hat. Die sich daraus ergebenden, im Coachingumfeld diskutierten, Entwicklungspotentiale wurden ebenfalls aufgezeigt. Für eine erste Begriffsklärung wurde am Anfang des Kapitels der Ursprung des Coachings beschrieben sowie eine Abgrenzung des Coachings zur Supervision, Psychotherapie und zu traditionellen Personalentwicklungsmaßnahmen (Seminaren und Trainings) vorgenommen. Mangels einer einheitlichen, allgemein anerkannten Coachingdefinition konnte hier jedoch keine umfassende, allgemeinverbindliche Begriffsklärung vorgenommen werden. Ein repräsentativer Überblick darüber, was heute allgemein unter Coaching verstanden wird, konnte durch das Zitieren vielfältiger Begriffserläuterungen dennoch gewährt werden. Aus der Gesamtheit dieser dargestellten Begriffsbestimmungen zum Coaching wurde schon zu Beginn dieses Kapitels deutlich, dass - obwohl über bedeutende charakteristische Merkmale des Coachings allgemeiner Konsens besteht - Coaching dennoch grundsätzlich durch eine bemerkenswerte Vielfalt und auch Uneinheitlichkeit im Begriffsverständnis und in der konkreten Ausgestaltung gekennzeichnet ist. Dieses Phänomen wurde im Zuge der anschließenden detaillierteren Betrachtung der einzelnen Aspekte des Coachings weiter präzisiert. Im Einzelnen hat sich dabei gezeigt, dass Coaching heute nach mehrheitlicher Auffassung als modernes und innovatives Personalentwicklungsinstrument1086 verstanden wird, in dem vor allem Fragestellungen aus dem Arbeits-/Berufs1086
Vgl. Schulz von Thun, S. 9; Vogelauer (a), S. V; Vogelauer (d), S. 161, S. 163; Böning (b), S. 17, S. 27; Böning (c),S. 23 f, S. 38, S. 44; Finger-Hamborg, S. 227; Dopfer, S. 60; Berglas, S. 102; Parsloe/Wray, S. 1; Zeus/Skiffington, S. VIII; Wrede (a), S. 11; Schuppert, S. 121; Jung, S. 134; PEF Privatuniversität für Management, S. 1, S. 20, Alwart (a); Fischer-Epe, S. 20; Schreyögg (a), S. 199; Rauen (c), S. 1; Roth/Brüning/Edler, u.a. S. 201, S. 202; Parsloe/Wray, S. 7; König, S. 249; Heß/Roth, S. 6; Rückle (b), S. 42
2.9 Zusammenfassung und Ausblick
211
umfeld und dem damit verbundenen persönlichen Bereich des Klienten thematisiert werden 1087. Das heißt der Coach wird in einem ersten Schritt immer zunächst „den Fokus der Beschwerden in der Berufswelt“1088 suchen. „Erst im zweiten Schritt werden dann auch privatweltliche Erfahrungen als Ursachen in Betracht gezogen. So strebt Coaching meistens eher Korrekturen der beruflichen Perspektiven an, der beruflichen Handlungsformen, Strukturierungsweisen und oft auch des beruflichen Umfeldes.“1089 Im Coaching geht es demzufolge nicht darum, „Eheprobleme zu diskutieren oder Laienpsychotherapie zu betreiben. Tiefer sitzende charakterstrukturelle Themen und unauflösbare Probleme im Privatleben sind […] Inhalte der Psychotherapie und übersteigen den Rahmen des Coaching.“1090 Darüber hinaus herrscht auch ein breiter Konsens über das grundlegende Ziel bzw. den allgemeinen Grundgedanken des Coachings, nämlich Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Der Klient soll im Coaching lernen, sich selbst zu helfen - in seiner aktuellen Situation sowie in zukünftigen Situationen. Er soll lernen, „seinen innersten Kern“ 1091 zu stabilisieren, also seine „Lebensbalance“1092, sein inneres Gleichgewicht1093 aus eigenen Kräften wiederherzustellen bzw. zu stärken. In diesem Zusammenhang wird u.a. auch von der Förderung der Fähigkeit zur „Selbstorganisation“1094 und „persönlichen Stabilisierung“1095 sowie von der „Förderung beruflicher Selbstgestaltungspotentiale, also des Selbstmanagements“1096 und von „persönlicher Selbstentwicklung“1097 gesprochen. Wie Rauen formuliert: „Ziel ist immer die (Wieder-)Herstellung und/oder Verbesserung der Selbstregulationsfähigkeit des Gecoachten, das heißt der Coach soll sein Gegen-
1087
Vgl. hierzu Schreyögg (a), S. 8, S. 47; S. 58 f, S. 62, S. 64 f; Schlippe/Schweitzer, S. 235; Roth/Brüning/Edler, S. 201 f; von Sassen/Vogelauer, S. 6; Fischer-Epe, S. 21, S. 22; Prochnow, S. 58; Schulz von Thun, S. 9; Roth/Brüning/ Edler, S. 201 und S. 212 f; von Sassen/ Vogelauer, S. 22 ff; Vogelauer (d), S. 162; Rückle (a), S. 134 f; Looss/Rauen, S. 157; König/Volmer, S. 11; Rückle (b), S. 20; Looss (a), S. 13, S. 15 f; Parsloe/Wray, S. 1; Biehal, S. 89; Pichler, S. 56; Jung, S. 135; PEF Privatuniversität für Management, S. 3, S. 7, S. 12; Walther, S. 60, S. 56; uni Magazin; Schröter; Henes-Karnahl; Rauen (a), S. 112, S. 113; Rauen (c), S. 3; Greif, S. 12; DBVC (a) 1088 Schreyögg (a), S. 65 1089 Schreyögg (a), S. 65 1090 Glatz/Lamprecht, S. 130 1091 Biehal-Heimburger, S. 43 1092 Schulz von Thun, S. 12 1093 Vgl. Biehal-Heimburger, S. 44; Schröter 1094 U.a. Fischer-Epe, S. 27 1095 Schreyögg (a), S. 9 1096 Schreyögg (a), S. 9 und vgl. Schreyögg (b), S. 225, S. 238 sowie PEF Privatuniversität für Management, S. 12 1097 Schaffelhuber, S. 20
212
2 Was ist Coaching?
über derart beraten bzw. fördern, dass der Coach letztendlich nicht mehr benötigt wird“1098. Um im Coaching tatsächlich erfolgreich Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, den Klienten also in seinem persönlichen Selbstorganisations- bzw. Selbststabilisierungsprozess erfolgversprechend zu unterstützen und zu fördern, ist es notwendig - und auch hierüber besteht weitgehend Einigkeit - jedes Coaching ganz auf die individuellen Belange und Fähigkeiten des einzelnen Klienten abzustimmen. Das heißt, dass sich der Coach immer direkt „am unmittelbaren Anliegen“1099 des zu Coachenden orientiert und grundsätzlich von den konkreten Wahrnehmungen des Klienten ausgeht.1100 Wie Schreyögg formuliert: „Coaching dient […] als Maßnahme der Personalentwicklung, die sich perfekt auf die Belange des einzelnen zuschneiden läßt.“1101 Ganz in diesem Sinne wird Coaching allgemein auch als eine „individualspezifische“1102, „individuell maßgeschneiderte“1103 und situationsnahe Maßnahme sowie als „interaktiver, personenzentrierter Beratungs- und Betreuungsprozess“1104 und sehr häufig auch ganz einfach als persönliche, individuelle Beratung beschrieben.1105 Aufgrund dieser Orientierung des Coachings am jeweils individuellen Fall des Klienten sowie an der Prämisse, dass jeder Mensch (und damit auch jede zu coachende Personengruppe bzw. jedes Team) individuell unterschiedlich ist und auch „im Konkreten […] selbstverständlich jedes berufliche Problem anders gelagert“1106 ist, ergibt sich somit eine unendliche Vielzahl verschiedener Coachinganlässe. Das heißt, es gibt unüberschaubar viele unterschiedliche Themenstellungen und Problemsituationen, die den je individuellen Wunsch einer Person, Gruppe oder eines Teams nach Coaching begründen können. Da es somit letztlich unmöglich ist, alle denkbaren Coachinganlässe im Einzelnen zu be1098
Rauen (a), S. 113; vgl. auch Rauen (b), S. 287 Schreyögg (a), S. 71 1100 Vgl. Schreyögg (a), u.a. S. 116; Biehal-Heimburger, S. 45 f; Czichos, S. 69; Rückle (b), S. 21 1101 Schreyögg (a), S. 8 1102 Roth/Brüning/Edler, S. 202 1103 Von Sassen/Vogelauer, S. 1 1104 Rauen (a), S. 113 1105 Zum Ganzen vgl. Schulz von Thun, S. 9, S. 21; Schreyögg (a), S. 8, S. 71; Schreyögg (b), S. 225; Rauen (a), S. 113; Rauen (c), S. S. 3; Roth/Brüning/Edler, S. 202, S. 206; Heß/Roth, S. 15; Böning (a), S. 107; Böning (b), S. 20; Bayer (a), S. 96; von Sassen/Vogelauer, S. 1, S. 6 f; Vogelauer (a), S. V; Vogelauer (d), S. 162; Fischer-Epe, S. 15, S. 21; Doppler/Lauterburg, S. 428; Prochnow, S. 61.; Finger-Hamborg, S. 227; Gabler Wirtschaftslexikon, S. 789; Biehal-Heimburger, S. 54; Whitmore, S. 34 f; Zeus/Skiffington, S. 3, S. 6; S. 9; S. 64; Biehal, S. 84; Wrede (b), S. 30; Rückle (a), S. 134 f; Rückle (b), S. 21; Klein, S. 115, 116, S. 120; Looss (a), S. 13; König/Volmer, S. 10; S. 8; PEF Privatuniversität für Management, S. 12, S. 21; Schuppert, S. 121, 122; König, S. 250; Jung, S. 139; DBVC (a); Czichos, S. 69 1106 Schreyögg (a), S. 65 1099
2.9 Zusammenfassung und Ausblick
213
schreiben, wurden mögliche Anlässe, wie in der Coachingliteratur üblich, nach verschiedenen Kategorien strukturiert, dargestellt. Aufgrund der in der Literatur vorzufindenden uneinheitlichen Strukturierungsweisen zu diesem Thema, wurden exemplarisch drei unterschiedliche Systematisierungen vorgestellt. Wie sich insgesamt gezeigt hat, existiert bis heute keine allgemein einheitliche, umfassende Beschreibung von Coachinganlässen. Es gibt, wie Heß und Roth hierzu anmerken, „keine allgemeinen Indikationsregeln“1107 für Coachings. Im Anschluss daran wurde ausführlich auf die Person des Coachs - die von ihm einzunehmende Rolle sowie das an den Coach gestellte Anforderungsprofil eingegangen sowie darüber hinaus die heute allgemein existierenden Arten von Coachs - externer und interner Coach sowie Führungskraft als Coach - präzise beschrieben. Dabei wurde auch auf die in Literatur und Praxis kontrovers diskutierten Aspekte eingegangen und auf allgemein fehlende einheitliche Vorgehensweisen und Begriffsbestimmungen hingewiesen. Im Wesentlichen fehlt es analog zu einer einheitlichen Coachingdefinition insgesamt auch an einer allgemein einheitlichen Definition des Coachs. Aus den Versuchen, das Anforderungsprofil eines Coachs im Speziellen zu beschreiben, wird deutlich, dass hierzu bisher keine verbindlichen Standards existieren und damit folglich bis heute auch keine einheitliche allgemeinverbindliche Aus- bzw. Weiterbildung zum Coach. Dennoch wurde in diesem Kapitel versucht, durch die Beschreibung einer Auswahl von Qualifikationskriterien, dem Leser einen tieferen Einblick in die Vielfalt und Interdisziplinarität der von einem Coach geforderten Kompetenzen zu geben. Im Rahmen dieser Ausführungen wurde nach menschlichen bzw. sozialen Kompetenzen sowie fachlichen Kompetenzen und praktischen Erfahrungen unterschieden. Zudem sind die immer häufiger gestellten Anforderungen an das Konzept des Coachs thematisiert worden, die bislang jedoch nur von wenigen Coachs bzw. Autoren tatsächlich im Einzelnen konkret beschrieben werden. Trotz des Fehlens einer einheitlichen Definition des Coachs und eines allgemeinverbindlichen Anforderungsprofils bzw. verbindlicher Qualifikationskriterien für einen Coach sowie der kontroversen Diskussion um die Möglichkeit der Führungskraft als Coach, herrscht dennoch weitgehend Einigkeit über die Vor- und Nachteile externer und interner Coachs sowie insbesondere über die zugrunde liegende Rolle des Coachs als „Entwicklungshelfer zur Selbsthilfe“ 1108 . So besteht ausgehend vom Aspekt der Hilfe zur Selbsthilfe im Coaching allgemeiner Konsens darüber, dass der Coach nicht als Problemlöser oder Ratgeber fungiert, der lenkend eingreift, indem er Lösungen vorgibt. Er nimmt viel1107 1108
Heß/Roth, S. 125 Schulz von Thun, S. 11
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2 Was ist Coaching?
mehr die Rolle eines Beraters im Sinne eines Moderators, Betreuers bzw. Dialogpartners ein, der „partnerschaftlich-wertschätzend zur Selbstorganisation“1109 anregt bzw. die Fähigkeit zur „Selbstreflexion“1110 und Wahrnehmung sowie zur „bewussten Selbstveränderung und Selbstentwicklung“1111 fördert und dabei „stets eine unabhängige Position einnehmen“1112 sollte. Mit anderen Worten gibt der Coach den Anstoß zu einem persönlichen Entwicklungs- bzw. Lernprozess und begleitet diesen unterstützend im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe, bis der Klient gelernt hat, wie er sich selbst helfen (stabilisieren) kann - auch in künftigen Situationen. Der Coach lehrt den Klienten „das Instrumentarium“ zum produktiven Umgang „mit Konflikten und Widerständen“ im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe1113 und macht sich damit schließlich selbst überflüssig. Wie auch Rauen und Steinhübel zusammenfassen: Als Prozessberater gibt der Coach „keine direkten oder vorgefertigten Lösungsvorschläge“. Er „forciert die systematische Bearbeitung von Problemen, wobei der Klient die Lösungen entwickelt, nicht der Coach. Coaching zielt daher nicht auf die Bearbeitung von Problemsymptomen, sondern auf das Erkennen und Lösen der zum Problem führenden Prozesse. Wenngleich der Coach als (Fach-)Experte seine Erfahrung im Sinne einer Fachberatung einbringen kann, sollte er keine Lösungen ‚von Außen’ aufdrängen, sondern dabei unterstützen, Anliegen eigenständig zu bewältigen. Bei komplexen Prozessen und Anliegen hilft der Coach, diese zu erfassen, einzuschätzen und verarbeiten zu können. Diese Grundausrichtung des Coachings ist die Basis des Anspruchs der ‚Hilfe zur Selbsthilfe’.“1114 Unabhängig von der Art des Coachings - unterschieden wurde hier zwischen den allgemein gängigen Varianten Einzel-, Gruppen- und Teamcoaching - wird Coaching allgemein einheitlich als Prozess verstanden. Dieser erstreckt sich über einen bestimmten, individuell festzulegenden Zeitraum und ist nach mehrheitlicher Auffassung zugleich immer auch zeitlich begrenzt. Bezugnehmend auf die zuvor dargestellten wesentlichen Merkmale des Coachings wird die Maßnahme allgemein auch als ein individueller Entwicklungs- und Lernprozess beschrieben, der sich, unterstützt durch den Coach, über mehrere Phasen erstreckt und auch „bei der reinen gedanklichen Problemlösung oder Entscheidungsfindung nicht endet, sondern auch die Umsetzung begleitet“1115. 1109
Fischer-Epe, S. 27 Vgl. u.a. DBVC (a); Greif, S. 12, S. 14 f 1111 Greif, S. 15 1112 Rauen (a), S. 112 1113 Klein, S. 122 und vgl. auch S. 130 1114 Rauen/Steinhübel, S. 293 1115 Von Sassen/Vogelauer, S. 2 1110
2.9 Zusammenfassung und Ausblick
215
Trotz grundlegender Übereinstimmung im allgemeinen Verständnis von Coaching als Prozess zeigt sich bei der detaillierteren Betrachtung der Vorgehensweisen im Coaching jedoch eine weitgehende Uneinheitlichkeit - und dies nicht nur auf individueller Ebene im ganz konkreten Fall, sondern auch auf der hier vor allem betrachteten übergeordneten Ebene (Meta-Ebene). Das bedeutet, wie in diesem Kapitel beschrieben wurde, ist einerseits zwar eine grobe Übereinstimmung in der Grundstruktur von Coachingprozessen erkennbar – das heißt im Allgemeinen wird mit der Klärung der Situation und der Ziele des Klienten begonnen, bevor individuelle Lösungsmöglichkeiten erarbeitet werden und der Klient schließlich auch bei der Umsetzung durch den Coach im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe unterstützt wird. Andererseits wird jedoch bei der detaillierteren Betrachtung von Coachingprozessen deutlich, dass über die angesprochenen prozessstrukturellen Grundlagen hinaus keine allgemein einheitliche Vorgehensweise besteht. So weisen nicht nur die Prozessstrukturen im Konkreten Unterschiede in der Terminologie, in der Schwerpunktsetzung und in der Abgrenzung der Prozessschritte voneinander sowie in der Abfolge der Prozessschritte auf; darüber hinaus gestaltet sich auch die konkrete methodische Umsetzung insgesamt sehr unterschiedlich. Wie insgesamt gezeigt wurde, existiert im Coaching heute in Literatur und Praxis eine unüberschaubare Vielfalt an Methoden, die zudem auf jeweils unterschiedlichen (theoretischen) Fundierungen bzw. zum Teil auch auf gar keiner wissenschaftlichen Grundlage basieren. Je nach Coach werden unterschiedliche Methoden und Methodenkombinationen angewendet, wobei sich diese Unterschiede im jeweiligen ‚Methodeninventarium’1116 auf verschiedene Faktoren, wie die jeweilige Ausbildung (gegebenenfalls auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ‚Schule’) und die Erfahrung des Coachs, zurückführen lassen können. Zudem fehlt es im Coaching bis heute - trotz der vielfach erhobenen Forderung nach einer konzeptionellen Fundierung des Coachings - an einem einheitlichen Coachingkonzept, das einen wissenschaftlich fundierten, umfassenden und verbindlichen Rahmen für die Vorgehensweisen im Coaching festlegt, und das dem Klienten im Sinne der Transparenz im Coaching auch erklärt werden kann.1117 Tatsächlich sind derzeit sehr viele verschiedene Vorgehensweisen bzw. 1116
Schwaemmle und Staehelin sprechen hier beispielsweise auch von einem ‚komplexen und dynamischen Bewältigungsinstrumentarium’ (vgl. Schwaemmle/Staehelin, S. 109 f). Entsprechend führt z.B. Schreyögg hierzu aus, dass, nur wenn dem Coaching auch ein ausformuliertes festes Konzept (das heißt ein „fester ausformulierter konzeptioneller Rahmen” (Schreyögg (a), S. 165)) zugrunde läge, das aufzeigt, „wie die in Frage stehenden Anliegen von Klienten […] zu rekonstruieren und damit überhaupt erst zu präzisieren” sind (Schreyögg (a), S. 165) und das darüber hinaus dem Klienten erklärt werden kann und diesen überzeugt, dann kann der Coaching-Prozess für den Klienten transparent sein und das Coaching zur Selbsthilfe im Beruf beitragen (vgl. Schreyögg
1117
216
2 Was ist Coaching?
Ansätze vorzufinden, die auf jeweils unterschiedlichen (theoretischen) Grundlagen basieren und auch nach ihrem ausformulierten Umfang sehr uneinheitlich sind - bis hin zu ad-hoc-Vorgehensweisen. Heß und Roth warnen diesbezüglich auch vor einem „unreflektierten Eklektizismus durch eine beliebige Kombination von Methoden und Theorien“1118. Insgesamt fehlt es im Coaching derzeit, wie auch im Coachingumfeld kritisiert wird, an einheitlichen und allgemeinverbindlichen Coachingstandards. So hat sich mangels eines einheitlichen Anforderungsprofils für Coachs und somit allgemeinverbindlicher, einheitlicher Qualifikationsstandards bisher auch keine entsprechende Coachingaus- bzw. -weiterbildung etabliert. Schließlich kann sich heute jeder ‚Coach’ nennen; die Berufsbezeichnung ist bisher nicht geschützt. Auch das mit den insgesamt fehlenden Standards verbundene Problem der Qualitätssicherung wird im Coaching vielfach thematisiert. Zur Professionalisierung und weiteren Etablierung des Coachings am Markt wird mehr Qualitätssicherung und hierzu die Schaffung und Implementierung von Coachingstandards gefordert. Entsprechend formuliert auch Rauen: „Qualität im Coaching ist nicht nur möglich, sondern unumgänglich, wenn Coaching den Status eines professionellen Personalentwicklungsinstrumentes erreichen bzw. erhalten will. Ohne vom Coach anwendbare und von Dritten überprüfbare Qualitätskriterien besteht für das Coaching die Gefahr, ein undurchsichtiges und beliebig missbrauchbares Beratungskonzept zu werden.“ 1119 Transparenz ist somit, auch nach Rauen, ein wesentlicher Aspekt zur Sicherung von Qualität. „Coaching braucht daher verständliche und allgemein akzeptierte Qualitätsmerkmale. Diese Merkmale sollten allerdings nicht beliebig, sondern […] wissenschaftlich erarbeitet und praktisch evaluiert werden.“1120 Mit anderen Worten kann „durch den verstärkten Einsatz von Evaluationsforschung im Coaching […] eine fortschreitende Qualitätsentwicklung und Professionalisierung im pädagogisch-psychologischen als auch im berufssoziologischen Sinne im Coaching gewährleistet werden“1121. „Durch vermehrte Forschung und eine verstärkte Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Praktikern sollte es […] gelingen, das für unsere Gesellschaft notwendige Tätigkeitsfeld ‚Coaching’ als akzeptierte Ergänzung zu anderen Personalentwicklungsmaßnahmen auf gesicherte Füße zu stellen und zu etablieren. […] In der Zukunft muss im Fokus der wissenschaftlichen Bemühungen stehen, die Modellbildung (a), S. 124 f, 132 ff sowie 141) und verkomme nicht, wie Schreyögg weiter formuliert, „im aktuellen Dunst von modischen Worthülsen und Zauberformeln” (Schreyögg (a), S. 10). 1118 Heß/Roth, S. 41 f 1119 Rauen (f); Rauen (e), S. 3 1120 Rauen (e), S. 3; siehe ferner zum Thema „Gemeinschaftliche Branchen-Qualität ist notwendig“ Rauen (h), S. 2 1121 Heß/Roth, S. 168
2.9 Zusammenfassung und Ausblick
217
für Coaching […] voranzutreiben.“1122 So betont auch Schreyögg: „Wenn Coaching als ‚exklusive’ Form der Personalentwicklung eine Zukunft haben soll, bleibt hier noch manches an grundlegender Konzeptarbeit zu leisten.“1123
1122 1123
Roth/Brüning/Edler, S. 221 Schreyögg (b), S. 244
3 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information
3.1 Einführung Bevor die konkrete Analyse des im vorangegangenen Kapitel ausführlich beschriebenen Phänomens ‚Coaching’ erfolgt - um im weiteren Verlauf die tatsächliche gegenwärtige Leistungsfähigkeit und Qualität des Coachings theoretisch fundiert zu ermitteln und zu erklären sowie Prognosen über die zukünftige Entwicklung zu erstellen und schließlich konkrete Voraussetzungen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit bzw. des Erfolgs und zur Verbesserung und Sicherung der Qualität im Coaching für die Zukunft fundiert und nachvollziehbar abzuleiten wird in diesem Kapitel nun vorab die hierzu angewendete Theorie und die auf diese Theorie bezogene Forschungsmethodik vorgestellt. Dabei wird angenommen, dass für die Analyse und Evaluation des Coachings die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information in der von Walter Dürr entwickelten und in die Forschung eingeführten Form besonders geeignet ist, mit deren Hilfe das Phänomen umfassend und logisch stringent analysiert und erklärt werden kann sowie die vorhandenen Stärken und Schwächen des Coachings systematisch ermittelt werden können und sich anschließend theoretisch fundierte Entwicklungsmöglichkeiten, sogenannte Gestaltungsempfehlungen, zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit und der Qualität des Coachings allgemein nachvollziehbar ableiten lassen. Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information, die im Wesentlichen auf zentralen Aussagen der Quantentheorie1124, der Synergetik bzw. der Lasertheorie1125 und der Informationstheorie1126 basiert, gilt als allgemeine und umfassende Theorie. Der sehr hohe Allgemeinheitsgrad 1127 ermöglicht es, die Theorie „in der unbelebten und belebten Natur und in den vielfältigen Formen der menschlichen Kultur“1128 gleichermaßen anzuwenden - das heißt also auch 1124
Vor allem auf der abstrakten Rekonstruktion der Quantentheorie nach Carl Friedrich von Weizsäcker (vgl. u.a. Dürr (f), S. 1) 1125 Nach Hermann Haken 1126 Genauer, der nicht-klassisch und synergetisch interpretierten Informationstheorie 1127 Vgl. Dürr (a), S. 19 1128 Dürr (c), S. 1
220
3 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information
auf anthropologische und soziale Phänomene sowie „auf Informationen über seelische Vorgänge“1129 und „auf dem Gebiet von Bewußtseinsphänomenen“1130, „so daß sich auch pädagogische Fragestellungen in einem völlig neuen Licht zeigen und neue überraschende Antworten sichtbar werden“1131.1132 Insgesamt ermöglicht die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information damit eine einheitliche, systematische Analyse ganz verschiedener, gerade auch sehr komplexer Forschungsgegenstände - wie beispielsweise einzelner Personen, Gruppen bzw. Teams und ganzer Organisationen sowie auch des Personalentwicklungsinstruments ‚Coaching’ - ohne dabei auf eine Vielfalt an Theorien (einen „TheorieBaukasten“1133) zurückgreifen zu müssen, lediglich durch eine veränderte Fokussierung.1134 Dabei gestattet es der hohe Allgemeinheitsgrad der hier vorgestellten Theorie und deren Forschungsmethodik zugleich, jeden Forschungsgegenstand ganz konkret mit seinen individuellen Gegebenheiten zu erfassen, zu analysieren und zu erklären. Wie im Folgenden dieses Kapitels noch genauer gezeigt wird, geht die Theorie grundsätzlich von der Individualität jedes Forschungsgegenstands und dessen konkreter Situation aus und ermöglicht im Rahmen der sich auf sie gründenden Forschungsmethodik eine stets an den individuellen Gegebenheiten der zu untersuchenden Gestalt ausgerichtete Betrachtungsweise. Folglich braucht bei der Analyse eines Forschungsgegenstands mit Hilfe der Nichtklassisch, synergetischen Theorie der Information auch nicht auf allgemeine Durchschnittswerte zurückgegriffen werden.1135 Darüber hinaus ermöglicht die Anwendung der gewählten Theorie im Rahmen der mit ihr verbundenen deduktiven empirischen Forschungsmethodik eine umfassende, ganzheitliche Betrachtung und Erklärung jedes individuellen Analysegegenstands. Insgesamt kann mit Hilfe der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information und deren Forschungsmethodik damit der Prozess der Selbstorganisation bzw. Selbststabilisierung einer konkreten Gestalt in der Zeit erklärt und die Bedingungen für die Selbststabilisierung der Gestalt in der Zeit untersucht werden.1136 Das heißt, es wird möglich, sowohl kausale Erklärungen über die Entwicklungszusammenhänge des Analysegegenstands in der Vergangenheit abzugeben als auch begründete Prognosen über dessen zukünftige Entwicklun1129
Dürr (i), S. 4 Dürr (i), S. 1, vgl. auch S. 4 in Anlehnung insbesondere an von Weizsäckers Ausführungen zur Anwendbarkeit der Quantentheorie (von Weizsäcker u.a. (c), S. 592) 1131 Dürr (i), S. 1; Dürr/Aisenbrey (b), S. 6 1132 Zum Ganzen vgl. auch Dürr (a), S. 19 f; Dürr (i), S. 1, S. 3 f; Dürr (b), S. 7; Dürr/Aisenbrey (b), S. 6 1133 Schreyögg (a), S. 139 1134 Vgl. hierzu auch Dürr (i), S. 4; Dürr (b), S. 7, S. 10 1135 Vgl. Dürr (i), S. 1; Dürr (a), S. 3 f 1136 Vgl. u.a. Dürr (i), S. 1 1130
3.1 Einführung
221
gen zu formulieren1137 sowie spezifische Gestaltungsempfehlungen für die Zukunft abzuleiten.1138 Bei den Prognosen handelt es sich um theoretisch fundierte, differenzierte Vorhersagen über das mögliche Eintreten künftiger Ereignisse im Horizont der jeweils fokussierten Gestalt.1139 Im Anschluss an die Einführung wird in Gliederungspunkt 3.2 zunächst die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information vorgestellt. Dabei wird vor allem auf die Annahmen und Bedingungen näher eingegangen, die der Theorie zugrunde liegen und die es ermöglichen, den konkreten Zustand einer Gestalt - beispielsweise des Coachings oder auch einer einzelnen Person - zum Zeitpunkt der Betrachtung nicht nur zu beschreiben, sondern auch im Rahmen der Theorie zu erklären sowie begründete Wahrscheinlichkeitsprognosen über den zukünftigen Zustand dieser Gestalt abzuleiten und so letztlich Aussagen über den Prozess der Selbststabilisierung des Forschungsgegenstands in der Zeit machen zu können. Dazu wird im Rahmen der Darstellung wiederholt auf die Theorien zurückgegriffen, auf deren Grundlage die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information im Wesentlichen entwickelt wurde. Dies sind:
1137
„Erstmals scheint es möglich, begründete Prognosen über die Bedingungen der Selbststabilisierung in der Zeit für Menschen in ihren konkreten Lebenssituationen zu leisten und zu überprüfen.“ (Dürr (i), S. 1) 1138 Vgl. u.a. Dürr/Aisenbrey (a), S. 99; Dürr (i), S. 1, S. 4; Dürr (a), S. 20 1139 Im quantentheoretischen Sinn wird die Vergangenheit als faktisch angesehen, während sich die Zukunft als ein Feld von Möglichkeiten darstellt. Aussagen über die Zukunft sind daher nur in Form von Wahrscheinlichkeitsprognosen machbar. (Vgl. von Weizsäcker (f), S. 896; von Weizsäcker (c), S. 519; von Weizsäcker (a), S. 34, S. 94; von Weizsäcker (b), S. 45; Lyre, S. 168; Dürr (a), S. 4)
222
3 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information
Die nicht-klassisch1140, holistische1141 Deutung der Quantentheorie1142 durch Carl Friedrich von Weizsäcker. Die Grundüberlegung lautet: Wenn, wie von Weizsäcker vermutet, die Quantentheorie die derzeit umfassendste uns bekannte Theorie menschlichen Wissens ist, muss dies auch Konsequenzen auf andere Wissenschaftsbereiche jenseits der Physik und damit auch auf die Erziehungswissenschaften haben.1143 So liefert, wie Dürr in Anlehnung an Kiehn formuliert, „die Quantentheorie einen Beitrag zur Erörterung des pädagogischen Ziels, so denken zu lernen, wie das Leben lebt.“1144
Die Synergetik (die Lehre vom Zusammenwirken) und damit verbunden die Lasertheorie Hermann Hakens1145, die das Phänomen der Selbstorganisation erklärt und „nach den Bedingungen für die Möglichkeit der Selbststabilisierung komplexer Gestalten in der Zeit fragt“1146. Die Synergetik nach Haken gilt als eine allgemeine Theorie komplexer Systeme, die bisher noch an keine Grenzen ihrer Anwendbarkeit gestoßen ist. Sie stellt die allgemeine Frage nach dem Entstehen und Vergehen von Strukturen und ist dabei nicht nur in der Physik, wo sie entstand, gültig, sondern auch in anderen Wissenschaften bis hin zur menschlichen Wahrnehmung.1147
1140 Mit der Beschreibung ‚nicht-klassisch‘ wird speziell auf die nichtklassische Wahrscheinlichkeitsrechnung der Quantentheorie und der damit verbundenen nichtklassischen Wahrscheinlichkeitsdefinition hingewiesen. Das heißt, es wird hier bereits angedeutet, „daß aus bekannten Fakten prinzipiell keine eindeutigen Voraussagen künftiger Ereignisse möglich sind, sondern nur Wahrscheinlichkeitsaussagen. Es führt also zu logischen Widersprüchen, wenn - wie in der klassischen Sicht - die Zukunft behandelt wird, als wäre sie faktisch. Wir vermeiden Widersprüche, wenn wir unsere Aussagen auf alles beschränken, was wirklich beobachtet wurde und was wirklich beobachtet werden kann, nämlich dokumentierte Fakten, und durch die Fakten bedingte Möglichkeiten als Wahrscheinlichkeitsaussagen über künftige Ereignisse. Dabei ist stets zu berücksichtigen und zu bedenken, daß neue Informationen immer die Wahrscheinlichkeiten verändern, mit denen wir unsere Erwartungen beschreiben.“ (Dürr (b), S. 5; Dürr (a), S. 17; vgl. auch Dürr (f), S. 2; Dürr (g), S. 3; Dürr (h), S. 34; von Weizsäcker (c), S. 322, S. 627; von Weizsäcker (f), S. 281) 1141 Der Holismus der Quantentheorie betrifft insbesondere die Aussage Heisenbergs, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Aus dem Griechischen stammend, bedeutet ‚holon’ das Ganze. Die Bezeichnung ‚Holismus der Quantentheorie’ weist auf die beziehungsbedingte Ganzheit der Wirklichkeit hin. Wie von Weizsäcker beschreibt: „Es gibt keine in Strenge vom Rest der Welt isolierbaren Objekte oder Alternativen. Alles hängt mit allem zusammen.“ (Von Weizsäcker (a), S. 134) 1142 Vgl. von Weizsäcker (f), S. 353 1143 Von Weizsäcker (a), S. 96 f 1144 Dürr (h), S. 31, vgl. auch S. 32 1145 Hierzu genauer in Haken (a), S. 69 ff, vgl. auch Dürr (j), S. 57 ff 1146 Dürr (i), S. 4 1147 Vgl. Haken (c); Haken (a), S. 28 f . Wie Haken feststellt, „scheint die Synergetik eine sehr umfassende Theorie der Selbstorganisation zu sein. Synergetik heißt ja auf Deutsch: ‚Lehre vom Zusammenwirken‘. Und das grundsätzliche Problem ist, wie makroskopische Strukturen sich durch das Zusammenwirken der einzelnen Teile bilden, ohne spezifisches Zutun von außen. Insofern ist die
3.1 Einführung
223
Die Informationstheorie, genauer, die nicht-klassisch und synergetisch interpretierte Informationstheorie1148, die es schließlich ebenfalls aufgrund ihres hohen Allgemeinheitsgrads ermöglicht, „die wahrgenommenen Phänomene auf ihren pragmatischen, semantischen und syntaktischen Beitrag zum Entstehen oder Vergehen stabiler […] Gestalten zu befragen“1149. 1150
Diese Theorien liegen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information zugrunde und werden im weiteren Verlauf dieses Kapitels an den entsprechenden Stellen zu deren näherer Erläuterung herangezogen. Anspruch dieser Arbeit ist allerdings nicht die Herleitung der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information, sondern zunächst die Darstellung der Theorie und deren streng systematischer Forschungsmethodik, um diese im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit zur fundierten Analyse, Bewertung und Weiterentwicklung des Coachings anzuwenden. So werden die Quantentheorie, die Synergetik bzw. Lasertheorie und die Informationstheorie an den entsprechenden Stellen lediglich zur näheren Erklärung der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information herangezogen, um die grundlegenden Zusammenhänge und Ursprünge wesentlicher Annahmen und Bedingungen zu verdeutlichen, ohne aber die hier zu beschreibende Theorie herleiten zu wollen. Basierend auf der Darstellung der theoretischen Grundlagen in Kapitel 3.2 wird anschließend in Kapitel 3.3 die mit der Theorie verbundene deduktive empirische Forschungsmethodik genauer beschrieben. Dabei wird konkret aufgezeigt, wie es durch die streng systematische und theoriegeleitete Vorgehensweise mögSynergetik eine allgemeine Theorie der Selbstorganisation. […] Eine Flüssigkeit besteht aus vielen einzelnen Molekülen, eine Gesellschaft aus vielen einzelnen Individuen, eine Wirtschaft aus vielen einzelnen Akteuren. Die Synergetik zeigt, daß eben auch ein komplexes System, das aus vielen einzelnen Teilen besteht, durch wenige Variablen, das sind dann die Ordner, beschrieben werden kann“. Das heißt die Synergetik fragt, „wie man die Information, die zur Beschreibung komplexer Systeme nötig ist, auf adäquate Weise reduzieren kann“. (Haken (c)) Einen Nachweis für die Übertragbarkeit der Erkenntnisse der Synergetik auf andere Wissenschaftsbereiche, wie z.B. auf die Psychologie liefern insbesondere Haken und Schiepek in ihrem 2006 veröffentlichten Buch ‚Synergetik in der Psychologie: Selbstorganisation verstehen lernen’. Darüber hinaus weist auch Niemeier in seiner Dissertation die Anwendbarkeit der Synergetik in der Betriebswirtschaft nach (‚Organisationaler Wandel aus Sicht der Synergetik’). 1148 Wie Dürr ((m), S. VII) beschreibt, gewinnt die Informationstheorie ihre große Erklärungskraft im Rahmen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information erst dann, wenn sie synergetisch im Sinne Hermann Hakens verstanden wird. 1149 Dürr (i), S. 4 1150 Wie Dürr formuliert: „Als Theorie für die Erklärung der für eine Organisation (bzw. eine Gruppe oder einzelne Person) charakteristischen, d.h. empirisch wahrgenommenen Phänomenen, Phänomene der Gestaltentstehung, ihrer Selbststabilisierung, des Gestaltwandels und von Krisenphänomenen gewinnt die synergetische Informationstheorie als umfassende Theorie eine Bedeutung wie ‚ein neues mächtiges Sinnesorgan‘ (Popper).“ (Dürr (m), S. VII)
224
3 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information
lich wird, „kausale Erklärungen über Entwicklungszusammenhänge in der Vergangenheit“1151 einer konkreten Gestalt abzugeben, „begründete Prognosen über künftige Entwicklungen“1152 dieser Gestalt zu erstellen sowie, darauf basierend, schließlich Gestaltungsmöglichkeiten abzuleiten und damit präzise Bedingungen für die individuelle Selbststabilisierung des jeweils betrachteten Forschungsgegenstands in der Zeit nachvollziehbar zu formulieren.1153
3.2 Grundlagen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information 3.2 Grundlagen der Theorie In diesem Kapitel wird nun die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information in ihren Grundlagen vorgestellt. Dazu wird, um zu Beginn bereits einen ersten Überblick über die Theorie zu geben, der im Folgenden abgebildete, stark vereinfacht dargestellte theoretische Rahmen1154 kurz beschrieben. Dabei wird zum besseren Verständnis hier anfangs zunächst von einer unvollendeten graphischen Darstellung des zugrunde liegenden theoretischen Rahmens ausgegangen, die im Verlauf der Ausführungen schrittweise erweitert und präzisiert wird. Damit wird dem Leser in diesem Kapitel nach und nach ein vollständiges Bild der Theorie gezeichnet bzw. beschrieben, das abschließend eine präzise Erläuterung aller Annahmen und Bedingungen enthält, die der Theorie zugrunde liegen und die es schließlich ermöglichen, den konkreten Zustand einer Gestalt in der Vergangenheit nicht nur zu beschreiben, sondern auch zu erklären sowie Wahrscheinlichkeitsprognosen über den zukünftigen Zustand des Untersuchungsgegenstandes abzuleiten und Gestaltungsmöglichkeiten zu erarbeiten.
1151
Dürr/Aisenbrey (a), S. 99 Dürr/Aisenbrey (a), S. 99 1153 Vgl. Dürr (a), S. 20 1154 In Anlehnung an Dürr (b), S. 7 und Dürr (a), S. 19 1152
3.2 Grundlagen der Theorie
Abbildung 22:
225
Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information – vereinfachte graphische Darstellung (in Anlehnung an Dürr)
Wie diese graphische Darstellung verdeutlicht, wird im Rahmen der Nichtklassisch, synergetischen Theorie der Information grundsätzlich zwischen der inneren Struktur und den Rahmenbedingungen der fokussierten Gestalt unterschieden. Die innere Struktur einer Gestalt setzt sich aus den Praktiken (den Handlungsweisen), der Funktion (dem Sinn) und der Struktur zusammen. Besteht eine wechselseitige Bedingtheit bzw. Entsprechung dieser untereinander als gleichberechtigt geltenden Faktoren (Praktiken, Funktion, Struktur), dann wird von einer kohärenten inneren Struktur einer Gestalt gesprochen. Die innere Struktur sowie die Rahmenbedingungen werden zunächst getrennt voneinander analysiert, bevor beide Elemente auch miteinander in Beziehung gesetzt werden, das heißt ihre wechselseitige Bedingtheit - als Korrespondenz bezeichnet - untersucht wird.
3.2.1 Innere Struktur und Kohärenz Zur näheren Erläuterung des zuvor kurz skizzierten theoretischen Modellrahmens wird nun im ersten Schritt mit der Erklärung der inneren Struktur einer
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3 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information
Gestalt begonnen, bevor darauf folgend auf die Rahmenbedingungen präziser eingegangen wird. Die innere Struktur ist grundsätzlich, wie bereits angesprochen, durch die untereinander als gleichberechtigt geltenden Praktiken, Funktionen und Struktur einer Gestalt gekennzeichnet: Die Praktiken bezeichnen dabei alle Handlungsweisen des betreffenden Systems (der Gestalt). Darunter sind jedoch nicht einzelne, einmalige Handlungen zu verstehen, sondern wiederkehrende Handlungen, also Handlungsmuster, die über einen längeren Zeitraum und auch noch gegenwärtig angewendet werden. „Auch alle beobachtbaren Formen der Kommunikation“1155 zählen zu den Handlungsweisen.1156 Unter den Funktionen wird der Sinn der erkennbaren Praktiken, also der Sinn der Handlungsweisen einer Gestalt zusammengefasst.1157 Dabei muss jedoch nicht jede Funktion notwendigerweise einer Praktik zuordenbar sein. Die Struktur ist das spezifische Gerüst bzw. der individuelle Aufbau der untersuchten Gestalt, der die Praktiken und Funktionen erst ermöglicht.1158 Um nun genaue Aussagen über die innere Struktur einer Gestalt machen zu können, werden die systemspezifischen Praktiken, Funktionen und die Struktur in Beziehung zueinander gesetzt. Es wird deren wechselseitige Entsprechung bzw. Bedingtheit ermittelt. Das heißt, es wird nach dem Vorhandensein einer erkennbaren Kohärenz dieser inneren Struktur der betrachteten Gestalt gesucht. Ist zwischen Praktiken, Funktionen und Struktur eine wechselseitige Entsprechung erkennbar, dann besteht eine Kohärenz und es kann folglich von einer kohärenten inneren Struktur der untersuchten Gestalt zum Zeitpunkt der Beobachtung gesprochen werden. Ist hingegen keine gegenseitige Bedingtheit festzustellen, so fehlt die Kohärenz der inneren Struktur.1159 Den eben beschriebenen Ausführungen liegen einige wesentliche informationstheoretische Überlegungen zugrunde, wobei die Informationstheorie hier nichtklassisch und synergetisch interpretiert wird. Dies ermöglicht, die wahrgenommenen Phänomene auf ihren pragmatischen (Praktiken), semantischen (Funktion) und syntaktischen (Struktur) Beitrag zum Entstehen oder Vergehen stabiler 1155
Dürr (a), S. 18; Dürr (b), S. 6 Vgl. insgesamt hierzu Dürr (a), S. 18 1157 Vgl. u.a. Dürr (a), S. 18; Dürr (b), S. 6 1158 Vgl. Dürr (a), S.18; Dürr (b), S. 10; Dürr (c), S. 1; Dürr (g), S. 6; Dürr (i), S. 5; Dürr/Aisenbrey (a), S. 97 1159 Zum Ganzen vgl. Dürr (a), S. 6, S. 18; Dürr (b), S. 6 1156
3.2 Grundlagen der Theorie
227
Gestalten zu befragen: 1160 „Wenn es erlaubt ist, die […] [Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information] als Informationstheorie zu verstehen, dann erhalten die Begriffe ‚Praktiken’ (Pragmatik), ‚Funktionen’ (Semantik) und ‚Struktur’ (Syntaktik) eine tragende Bedeutung.“1161 Hierzu verweist Dürr auch auf die Aussage von Weizsäckers: „Die Komplexität eines Systems […] ist die mögliche Information, die wir empfangen werden, wenn wir seine Botschaft lesen, d.h. wenn wir seine Struktur analysieren.“1162 Die nicht-klassische Interpretation der Informationstheorie bedeutet, dass Information im Rahmen der hier vorgestellten Theorie nicht im nachrichtentechnischen1163 klassischen Sinne lediglich als „das Maß einer Menge von Form (Struktur), von Gestaltenfülle, d.h. eine Eigenschaft eines Objekts, die für ein Subjekt wißbar ist“1164, verstanden wird, sondern umfassender interpretiert wird. Denn der klassische Informationsbegriff, von Küppers und von Weizsäcker als Strukturinformation1165 bezeichnet, ist zu eng gefasst, um den Zustand einer Gestalt zu erklären. Dieser eingeschränkte Informationsbegriff, der nur die reine syntaktische Information umfasst, wird daher im Sinne eines umfassenden Verständnisses durch die semantische und pragmatische Information erweitert.1166 Informationen setzen sich damit aus den drei Dimensionen Syntaktik, Semantik und Pragmatik zusammen: Bei der syntaktischen Dimension von Information handelt es sich, wie bereits erwähnt, um die reine strukturelle Information, das heißt, die Beziehung von Zeichen untereinander.1167 Die semantische Dimension von Information bezieht sich auf die Bedeutung und den Sinn der Information.1168 Die semantische neben der syntaktischen Di1160
Vgl. insgesamt hierzu Dürr (i), S. 4; Dürr (a), S. 18 Dürr (a), S. 18 1162 Von Weizsäcker (f), S. 371 1163 Vgl. von Weizsäcker, E.U., S. 82 1164 Dürr (a), S. 5, in Anlehnung an von Weizsäcker (c), S. 167 und von Weizsäcker (d), S. 347 1165 Vgl. von Weizsäcker (d), S. 347 f; Küppers, S. 79 1166 Vgl. von Weizsäcker, E.U., S. 88 f; Dürr (a), S. 5 f 1167 Die syntaktische Information ist der zentrale Aspekt der klassischen Informationstheorie (auch als Shannonsche Informationstheorie bezeichnet), die die semantische und pragmatische Dimension ausblendet. (Vgl. Küppers, S. 64; von Weizsäcker, E.U., S. 83) Wie Küppers weiter beschreibt, ist die Shannonsche Informationstheorie dabei „im wesentlichen eine Kommunikationstheorie; sie behandelt gewisse nachrichtentechnische Probleme, die in Zusammenhang mit der Speicherung, Umwandlung und Übertragung von Zeichen und Zeichenfolgen auftreten. Der semantische Aspekt der Information, wie er sich in Sinn und Bedeutung einer Nachricht äußert, bleibt im Rahmen der Shannonschen Informationstheorie vollkommen unberücksichtigt […]. In dieser Form ist die Shannonsche Informationstheorie eine Strukturwissenschaft, das heißt, ‚sie studiert Strukturen in abstracto, unabhängig davon, welche Dinge diese Strukturen haben, ja ob es überhaupt solche Dinge gibt‘ (von Weizsäcker (d), S. 22).“ (Küppers, S. 64, ausführlich zum syntaktische Aspekt auch S. 61; vgl. auch Lyre, S. 11 ff) 1161
228
3 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information
mension einbeziehend, formuliert von Weizsäcker auch die These, dass Information nur das sei, was auch verstanden werde.1169 1170 Die pragmatische Dimension ist der Aspekt der Information, der die handlungstheoretischen Inhalte für Sender und Empfänger erfasst. Wie von Weizsäcker beschreibt, ist „pragmatische Information […] das, was wirkt. Wenn mich nicht interessiert, ob der Absender des Telegramms morgen ankommt, und ich daher nicht reagiere, so war das Telegramm wirkungslos; seine pragmatische Information für mich war gering.“1171 Mit anderen Worten: „Der pragmatische Aspekt von Information zeigt sich dort, wo eine Nachricht oder ein Ereignis den Empfänger im weitesten Sinn verändert. Unter ‚Veränderung‘ soll hier sowohl jede strukturelle Änderung des Empfängers als auch jede beim Empfänger hervorgerufene Bereitschaft für eine zielgerichtete Handlung verstanden werden.“1172 Auch nach von Weizsäcker ist daher die pragmatische Dimension ein wesentlicher Aspekt der Information, denn Information sei nur, was auch Information erzeuge. Das heißt, „allgemein ist nur dasjenige Information, dessen Wirkung im Erzeugen neuer Information liegt“1173.1174 Neben der Ergänzung der syntaktischen Dimension durch die eben beschriebene semantische und pragmatische Dimension werden diese drei Dimensionen bzw. Ebenen der Information nun zudem im Rahmen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information auch synergetisch interpretiert. Sie sind demnach als gleichwertige Dimensionen definiert, also nicht einander über- bzw. unterge1168
Vgl. Küppers, S. 251, ausführlich zum semantischen Aspekt auch S. 72 ff; von Weizsäcker, E.U., S. 86; Niemeier, S. 39 f 1169 Vgl. von Weizsäcker (d), S. 351; von Weizsäcker (c), S. 200; Lyre, S. 55 1170 Wobei Küppers dazu anmerkt, „ob und inwieweit sich ‚Sinn‘ und ‚Bedeutung‘ überhaupt objektivieren […] lassen“, denn „wie sich am Beispiel der menschlichen Sprache zeigt, kann es Semantik in einem absoluten Sinn offenbar nicht geben, sondern immer nur relativ in Bezug auf den semantischen Referenzrahmen“. (Küppers, S. 251). Wie Küppers weiter ausführt, besitzt so auch die genetische Information „keine absolute Semantik, sondern nur eine relative, bezogen auf die spezifischen Umweltbedingungen, an die das betreffende Lebewesen angepaßt ist. Die Umwelt stellt quasi eine extern lokalisierte Information dar, an der die Semantik der genetischen Information selektiv bewertet wird.“ (Küppers, S. 251 f) 1171 Von Weizsäcker (c), S. 201; vgl. von Weizsäcker, E.U., S. 86, S. 89. „Die Semantik der Semantik ist die Pragmatik.“ (von Weizsäcker, E.U., S. 87) 1172 Küppers, S. 85; vgl. auch entsprechend von Weizsäcker, E.U., S. 89: „Informationen […] sollen wirken. Sie wirken definitionsgemäß auf ihre Empfänger und verändern diese informationell. Insbesondere wird in der Regel nach dem Eintreffen einer Nachricht bei einem Empfänger die Erwartungswahrscheinlichkeit für eine gleichartige Nachricht nicht mehr gleich sein wie zuvor.“ 1173 Von Weizsäcker (c), S. 56; vgl. hierzu auch von Weizsäcker (d), S. 352 sowie Lyre, S. 56 1174 Christine und Ernst von Weizsäcker haben darüber hinaus zwei wesentliche Komponenten von Information - Erstmaligkeit und Bestätigung – mit eingeführt, die für jede Information als konstitutiv gelten. (Vgl. hierzu von Weizsäcker, E.U., S. 93 ff sowie Lyre, S. 60)
3.2 Grundlagen der Theorie
229
ordnet, und „als aufeinander bezogene Aspekte des umfassenden Informationsbegriffes“ 1175 zu verstehen. Die pragmatischen, syntaktischen und semantischen Informationen stehen also im Sinne eines umfassenden Informationsbegriffs auch in Beziehung zueinander. Das heißt, die Information setzt sich nicht aus drei zwar gleichberechtigten aber voneinander unabhängigen Dimensionen zusammen, sondern es wird davon ausgegangen, dass sie aufeinander wirken. Denn wie Dürr feststellt und auch im weiteren Verlauf dieses Kapitels gezeigt wird, gewinnt die Informationstheorie ihre große Erklärungskraft im Rahmen der Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information erst dann, wenn sie auch synergetisch im Sinne Hermann Hakens verstanden wird. 1176 Die dargestellten informationstheoretischen Grundlagen auf die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information übertragen, wird nun, wie bereits beschrieben, entsprechend von Handlungsweisen bzw. Praktiken der betrachteten Gestalt (Pragmatik), dem Sinn bzw. der Funktion dieser Praktiken (Semantik) und der Struktur, die der Gestalt den formalen Halt gibt (Syntaktik), gesprochen. Im Rahmen der Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information werden alle Informationen über das betrachtete System bzw. die betrachtete Gestalt nun begrifflich diesen drei gleichberechtigten Dimensionen zugeordnet und dann in Beziehung zueinander gesetzt (interpretiert), also deren gegenseitige Bedingtheit - die Kohärenz - untersucht.
3.2.2 Rahmenbedingungen und Korrespondenz Bei den Rahmenbedingungen handelt es sich um die äußeren Einflussfaktoren, das heißt, die spezifischen Umweltbedingungen, die auf eine Gestalt bzw. deren innere Struktur wirken. In der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information werden die den Rahmenbedingungen zuzuordnenden Phänomene der Umwelt auch als die äußeren Bedingungen der Existenz 1177 der jeweils betrachteten Gestalt bezeichnet. Grundsätzlich besteht Bezug nehmend auf die systemtheoretische Sicht zwischen den Rahmenbedingungen und der inneren Struktur der untersuchten Gestalt eine wechselseitige Beziehung. Kann eine gegenseitige Entsprechung von innerer Struktur und Rahmenbedingungen der Gestalt festgestellt werden, dann wird dies als Korrespondenz bezeichnet. Um konkrete Aussagen über das Vorhandensein 1175
Dürr (d), S. 2; vgl. Dürr (a), S. 6 Dürr (m), S. VII 1177 Vgl. von Weizsäcker (e), S. 35; Dürr (a), S. 17; Dürr (b), S. 6 f, S. 10 1176
230
3 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information
einer Korrespondenz machen zu können, muss also die Übereinstimmung bzw. die Entsprechung der Rahmenbedingungen mit der individuellen inneren Struktur der untersuchten Gestalt überprüft werden. Entspricht die individuelle innere Struktur einer Gestalt den spezifischen Rahmenbedingungen, so ist eine Korrespondenz gegeben. Fehlt hingegen eine wechselseitige Entsprechung zwischen der inneren Struktur der Gestalt und den äußeren Bedingungen ihrer Existenz, so liegt keine Korrespondenz vor.1178 Die Frage nach der Korrespondenz zeigt, dass die jeweils betrachteten Gestalten im Rahmen der hier dargestellten Theorie stets als offene Systeme verstanden werden. Als Gestalten also, die sich dem Einfluss ihrer Umwelt nicht entziehen können und sich zur Erreichung von Korrespondenz entweder an die Bedingungen ihrer spezifischen Umwelt anpassen oder aber die Umwelt ihrerseits entsprechend beeinflussen müssen.
3.2.3 Ebenen und Krisen Bezug nehmend auf die zuvor beschriebene Kohärenz und Korrespondenz lässt sich nun nach der Bedeutung des Bestehens bzw. Nicht-Bestehens einer kohärenten inneren Struktur und einer Korrespondenz dieser inneren Struktur zu den äußeren Bedingungen ihrer Existenz fragen. Sind sowohl Kohärenz als auch Korrespondenz nachweisbar, so wird im Rahmen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information angenommen, dass sich die jeweils betrachtete Gestalt in einer Ebene befindet. Eine Ebene ist definiert als eine stabile Phase - als ein Zeitraum, in dem sich eine Gestalt als stabil erweist, weil Kohärenz und Korrespondenz vorliegen.1179 Entsprechend definiert auch von Weizsäcker eine Ebene als „eine Situation der Stabilität […] [,] wenn eine Struktur oder ein Ding lange fortdauert, für lange Zeit stabil ist“1180. Fehlen hingegen die Kohärenz und/oder die Korrespondenz, so befindet sich die Gestalt in einer Krise. Krisen sind Phasen, in denen sich die untersuchte Gestalt als instabil erweist, weil keine Kohärenz und/oder Korrespondenz erkennbar sind/ist.1181 Krisen sind zudem Zeiträume, in denen stabile Gestalten vergehen, aus denen aber auch aufgrund von Veränderungen neue, differenziertere stabile Gestalten entstehen können, in denen sich also auch ein sogenannter
1178
Vgl. Dürr (a), S.19; Dürr/Aisenbrey (a), S. 97; von Weizsäcker (e), S. 35 Vgl. Dürr (b), S. 6 1180 Von Weizsäcker (f), S. 366; vgl. auch Dürr (a), S. 5 1181 Vgl. Dürr (b), S. 6 1179
3.2 Grundlagen der Theorie
231
‚Gestaltwandel‘1182 vollziehen kann. Eine Krise lässt sich demnach nicht per se als negativ bewerten, sondern kann auch positiv als eine Möglichkeit verstanden werden, aus der neue erfolgreiche stabile Systeme hervortreten können.1183 Wie von Weizsäcker in Anlehnung an Thomas Kuhn beschreibt, ist auch Wissenschaft „nicht kontinuierliche Akkumulation von Kenntnissen, sondern eine Abwechslung von Ebenen und Krisen. […] Die Krisen sind die wissenschaftlichen Revolutionen, die Paradigmenwechsel.“1184 Zusammenfassend gilt: Kohärenz und Korrespondenz sind notwendige Bedingungen für die Stabilität bzw. für die erfolgreiche Selbststabilisierung1185 einer Gestalt.1186 1187
3.2.4 Modi der Zeit: Wahrnehmung, Faktizität und Möglichkeit Wie in den Ausführungen über stabile Phasen (Ebenen) und instabile Phasen (Krisen) bereits deutlich wurde, spielt im Rahmen der hier dargestellten Theorie auch der Aspekt der Zeit eine bedeutende Rolle. Es ist bereits von Ebenen und Krisen als Phasen und einer Abwechslung von Ebenen und Krisen, von Gestaltwandel, gesprochen worden. Eine Phase beschreibt im Rahmen der Theorie einen gewissen Zeitraum, in dem sich die analysierte Gestalt in einem stabilen (Ebene) oder instabilen (Krise) Zustand zum Zeitpunkt der Beobachtung befand oder sich voraussichtlich befinden wird oder in dem ein Übergang von einer Ebene in eine Krise bzw. umgekehrt wahrscheinlich ist.1188
1182
Wie von Weizsäcker formuliert: „Gestaltwandel ereignet sich in Krisen.“ Übertragen auf den Menschen bedeutet dies „Leben ist Geburt und Tod, also Gestaltwandel. […] Die Biographie einer Person ist [somit] die Geschichte des Gestaltwandels durch Krisen“. (Von Weizsäcker (h) S. 95) 1183 Vgl. Dürr (a), S. 5, S. 18 1184 Vgl. von Weizsäcker (a), S. 93 in Anlehnung an Thomas Kuhn 1185 Genauer zum Aspekt der Selbststabilisierung siehe insbesondere nachfolgende Kapitel. 1186 Vgl. Dürr (b), S. 7; Dürr (a), S. 19 1187 Denn nach von Weizsäcker gilt: „Jedes stabile Ergebnis einer Fulguration muß eine ihm eigene Kraft der Selbststabilisierung haben, eine Korrespondenz seiner inneren [kohärenten] Struktur zu den äußeren Bedingungen seiner Existenz”. (Von Weizsäcker (e), S. 35; vgl. Dürr (b), S. 5 und Dürr (a), S. 17 in Anlehnung an von Weizsäcker) Unter ‚Fulguration’ ist das sich blitzartige Zusammenschließen vorher unverbundener Strukturen zu verstehen. (Vgl. von Weizsäcker (f), S. 494 und in diesem Sinne auch Dürr/Aisenbrey (a), S. 3) Das heißt das blitzartige Entstehen einer stabilen Gestalt durch die plötzliche Entsprechung bzw. wechselseitige Bedingtheit von Praktiken, Funktion und Struktur sowie dieser inneren Struktur einer Gestalt und deren Rahmenbedingungen. 1188 Vgl. Dürr (d), S. 3
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3 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information
Durch die Einbeziehung der Modi der Zeit - der Unterscheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Rahmen des Zeitverlaufs1189 - und der nichtklassischen Wahrscheinlichkeitsdefinition im Sinne der Quantentheorie wird es schließlich möglich, nicht nur Angaben darüber zu machen, ob sich die betrachtete Gestalt zum Zeitpunkt der Beobachtung in einem stabilen (Ebene) oder instabilen (Krise) Zustand befand, sondern darüber hinaus, ob die Fortsetzung dieses Zustands theoretisch fundiert zu prognostizieren ist oder nicht, mit anderen Worten, ob ein Übergang von einer Krise in eine Ebene oder umgekehrt wahrscheinlich ist bzw. zu erwarten sein wird.1190 In der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information wird also Bezug nehmend auf die Quantentheorie im Zeitverlauf zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unterschieden und damit die Struktur der Zeit sowie die Wahrscheinlichkeitsdefinition im quantentheoretischen Sinn übernommen. Die Grundüberlegung lautet: wenn wie von Weizsäcker vermutet, die Quantentheorie die derzeit umfassendste uns bekannte Theorie menschlichen Wissens ist, dann muss dies auch Konsequenzen auf andere Wissenschaftsbereiche jenseits der Physik haben, somit auch auf die Erziehungswissenschaften.1191 Wenn nun darüber hinaus, wie von Weizsäcker formuliert, „die Quantentheorie, so wie sie heute vorliegt, […] eine allgemeine Theorie über das gesetzmäßige Verhalten von Gegenständen der Erfahrung [ist]“1192 und „allgemein in der Erfahrung gilt, weil sie Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrung formuliert“1193, dann zeigt
1189
Vgl. u.a. von Weizsäcker (f), S. 896 Vgl. Dürr (d), S. 3 1191 „Für die Quantentheorie kennen wir heute keine Gültigkeitgrenzen. Sie scheint alle anorganischen Vorgänge zu umfassen. Auch in der Biologie ist heute der Physikalismus, die Lehre von der Physik als einziger, hinreichender Fundamentaldisziplin, ständig erfolgreich. Ich fühle persönlich keinerlei Bedürfnis, den Physikalismus anzuzweifeln. Es fragt sich dann, ob die Quantentheorie auch auf psychische Vorgänge, auch auf das Bewußtsein anwendbar ist. Meine hypothetische Antwort lautet: ja. Man muß fragen, was eine solche Hypothese bedeutet. Die Quantentheorie, völlig allgemein, also abstrakt formuliert, macht keinerlei Voraussetzungen des Inhalts, dass ihre Objekte Körper im Raum sein müßten. Sie ist eine Theorie der Wahrscheinlichkeitsprognosen für beliebig entscheidbare Alternativen. Nun gibt es eine Näherung, in welcher die Frage, in welchem Bewußtseinszustand ich morgen früh sein werde, z.B. vergnügt oder traurig, als eine irgendwie […] entscheidbare Alternative formuliert werden kann. In dieser Näherung sollte die Quantentheorie auf das Bewusstsein anwendbar sein. […] Soweit ich mir selbst Objekt der Erkenntnis werden kann, sollte ich daher der Quantentheorie unterliegen.“ (Von Weizsäcker (a), S. 96 f) 1192 Von Weizsäcker (a), S. 130 1193 Von Weizsäcker (a), S. 93 1190
3.2 Grundlagen der Theorie
233
insbesondere auch dies deren Anwendbarkeit auf die Pädagogik, die sich ebenfalls mit den Phänomenen der Erfahrung1194 und des Lernens1195 befasst. In der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information wird im Sinne der Quantentheorie davon ausgegangen, dass in der Gegenwart Phänomene wahrgenommen werden. Grundphänomen ist das ‘Jetzt’. Die Vergangenheit hingegen wird als faktisch angesehen, das heißt die Aussagen über die Vergangenheit sind als Fakten zu verstehen.1196 Wie von Weizsäcker beschreibt: „Fakten sind vergangene Ereignisse, die man heute prinzipiell wissen kann.“1197 Denn vergangene, dokumentierte Phänomene sind für immer nachvollziehbare Fakten. Die Zukunft wird als möglich, als offen, betrachtet.1198 Sie stellt sich als ein Feld von Möglichkeiten dar. Folglich können Aussagen über die Zukunft nur in Form von „Wahrscheinlichkeitsprognosen für beliebige entscheidbare Alternativen“1199 gemacht werden. Diese hier zugrunde gelegte Zukunftsdefinition entspringt dabei nicht der klassischen Wahrscheinlichkeitstheorie, denn im klassischen Sinne, das heißt im Rahmen der klassischen Weltsicht, würde die Zukunft behandelt, als wäre sie faktisch und damit objektiv mit Bestimmtheit vorhersagbar. Um aber nahe bei der Realität zu bleiben, nimmt die hier beschriebene Theorie Abstand von dieser klassischen Definition. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff, der der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information zugrunde liegt, basiert daher auf der nichtklassischen Wahrscheinlichkeitsdefinition und damit der nichtklassischen Wahrscheinlichkeitsrechnung der Quantentheorie1200. Demnach wird unter dem Begriff ‚nichtklassisch‘ verstanden, „daß aus bekannten Fakten prinzipiell keine eindeutigen Voraussagen künftiger Ereignisse möglich sind, sondern nur Wahrscheinlichkeitsaussagen“1201.
1194
„Erfahrung heißt, aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen. Zeit im Sinne dieses qualitativen Unterschieds von Faktum und Möglichkeit ist eine Bedingung der Möglichkeit von Erfahrung.“ (Von Weizsäcker (a), S. 94 f) 1195 Wenn „Erfahrung heißt, aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen.“ (Von Weizsäcker (a), S. 94 f) Dann bedeutet lernen, die Erfahrungen (aus der Vergangenheit) der Zukunft bereitzustellen. 1196 Vgl. u.a. von Weizsäcker (g), S. 218 1197 Von Weizsäcker (c), S. 519 1198 Vgl. von Weizsäcker (a), S. 34, S. 94 sowie von Weizsäcker (b), S. 45, von Weizsäcker (g), S. 218; Lyre, S. 168 1199 Von Weizsäcker (a), S. 97; Dürr (a), S. 4 1200 „Ihr Kern [der Kern der Quantentheorie] ist eine nichtklassische Wahrscheinlichkeitsrechnung, charakterisiert durch das sog. Superpositionsprinzip.“ (Von Weizsäcker (a), S. 95) 1201 Dürr (a), S. 17
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3 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information
Wie von Weizsäcker formuliert, ist „keine Beobachtung möglich […], welche eine vollständige klassische Prognose des Verhaltens des beobachteten Objekts zulassen würde“1202 - „wir prognostizieren Ergebnisse […] mit Wahrscheinlichkeit; dies ist ein Bezug auf Zukunft, also auf Zeit“1203. Um Widersprüche mit der Realität zu vermeiden, wird im Rahmen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information in Anlehnung an die Quantentheorie also davon ausgegangen, dass die Zukunft niemals mit Bestimmtheit vorhergesagt werden kann. Egal wie viel ein Beobachter über die untersuchte Gestalt aus den gegenwärtig beobachteten Phänomenen und den Fakten der Vergangenheit weiß, kann er letztlich immer nur ein „endliches Wissen“1204 über ein Objekt bzw. eine Gestalt und seine Umwelt gewinnen. Denn Wissen ist subjektbezogen, das heißt immer abhängig von dem jeweiligen Beobachter - seinem Vorwissen und seiner subjektiven (und begrenzten) Wahrnehmungsfähigkeit.1205 Alles, was wir bewusst wahrnehmen, ist stets nur ein Aspekt derjenigen Wirklichkeit, der wir selbst mit unserem Bewusstsein zugehören.1206 Aufgrund der sehr komplexen, von einem Beobachter niemals vollständig und objektiv erfassbaren Realität ist es somit immer möglich, dass unvorhergesehene oder auch unvorhersehbare Geschehnisse eintreten. Damit bleibt die Zukunft im Gegensatz zur Vergangenheit immer offen (Offenheit der Zukunft)1207, die Menge zukünftig noch entscheidbarer Alternativen also unbegrenzt, so dass Aussagen über die Zukunft nur in Form von Wahrscheinlichkeitsaussagen möglich sind1208. Hingegen können „bis zu jeder Zeit […] nur endlich viele Alternativen entschieden werden […] (endliche Faktizität der Vergangenheit)”.1209 Im Sinne dieser, der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information zugrunde liegenden, von der Realität ausgehenden Unterscheidung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kann Zeit nun auch definiert werden als ein „ständiger Übergang von Möglichkeit in Faktizität“1210. Bedingt durch diesen kontinuierlichen1211 Übergang von Möglichkeit in Faktizität wächst damit auch 1202
Von Weizsäcker (c), S. 322 Von Weizsäcker (a), S. 133 1204 Von Weizsäcker (f), S. 363 1205 Von Weizsäcker folgert daraus sogar, dass „die Wirklichkeit in Strenge niemals faktisch“ sei und damit auch „der Objektbegriff selbst […] nur eine Approximation“. (Von Weizsäcker (a), S. 96; vgl. hierzu auch Dürr (f), S. 1 f) 1206 Vgl. Dürr (a), S. 21 f und Dürr/Aisenbrey (a), S. 96 1207 Vgl. von Weizsäcker (b), S. 45 1208 Vgl. von Weizsäcker (a), S. 97; Dürr (a), S. 4 1209 Vgl. von Weizsäcker (b), S. 45; Dürr (h), S. 32 1210 Von Weizsäcker (f), S. 881 1211 Denn wie von Weizsäcker beschreibt: „Den Verlauf der Zeit erleben wir als kontinuierlich.“ (Von Weizsäcker (f), S. 320) 1203
3.2 Grundlagen der Theorie
235
die Menge der Fakten im Laufe der Zeit und somit unser Wissen und unsere Erfahrung über eine beobachtete Gestalt. Das heißt, wird ein System im Laufe der Zeit nun wiederholt beobachtet und analysiert, so bringt jede erneute Wahrnehmung und Analyse zusätzliches Wissen bzw. neu gewonnene Erfahrungen für den Beobachter mit sich (Superpositionsprinzip), wodurch die untersuchte Gestalt präziser erklärt werden kann und letztlich auch bisher nicht vorhandene Möglichkeiten, Wahrscheinlichkeitsaussagen über deren Zukunft formuliert werden können. Denn durch wiederholte Betrachtungen im Laufe der Zeit wird auch die Überprüfung (eine Bestätigung bzw. Nicht-Bestätigung) der zuvor gemachten Prognose möglich und das Eintreten bzw. Nicht-Eintreten dieser Prognose durch neu gewonnene Erfahrungen bzw. neu gewonnenes Wissen begründbar (weil ja die zu einem vergangenen Zeitpunkt erstellte Prognose mit der Zeit zu einem Faktum der Vergangenheit geworden ist).1212 Durch das zusätzlich erworbene Wissen wird eine Superposition eingenommen. Allerdings kann auch durch die Einnahme dieser Superposition, das heißt die durch das erweiterte Vorwissen umfassendere Möglichkeit, wissenschaftliches Wissen als Fakten zu erwerben, niemals die ganze Wirklichkeit der betrachteten Gestalt beschrieben werden, denn prinzipiell kann zu einem bestimmten Zeitpunkt immer nur endliches Wissen erworben werden, das zudem subjektbezogen ist. Mit dem zeitlichen Kontext der Theorie ist, wie soeben bereits deutlich wurde, also auch der Begriff der Erfahrung eng verbunden.1213 Denn jede erneute Wahrnehmung und Analyse einer betrachteten Gestalt im Laufe der Zeit bringt zusätzliche Erfahrung bzw. neu gewonnenes Wissen, wodurch die betrachtete Gestalt differenzierter erklärt werden kann und auch die Wahrscheinlichkeitsprognosen sich ändern. Wenn nun demnach „Erfahrung heißt, aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen“1214, dann bedeutet dies, dass Erfahrung nur in der Zeit möglich ist 1215. Folglich ist „Zeit im Sinne dieses Unterschieds von Faktum und Möglichkeit […] eine Bedingung der Möglichkeit von Erfahrung”1216. Mit anderen Worten: Wenn nun Erfahrung bedeutet, aus der Vergangenheit für die Zukunft zu lernen, und Lernen somit heißt, die Erfahrungen, die aus der Vergangenheit gewonnen wurden, der Zukunft bereitzustellen, dann bedeutet 1212
Wie von Weizsäcker diesbezüglich formuliert: „Wer aktuell prognostiziert, tut dies mit Hilfe von Gesetzen aus seinem gegenwärtigen Wissen heraus, also aus der bis heute aufgehäuften gegenwärtigen Vergangenheit, aus den Fakten. Er prüft die prognostizierten Ereignisse, wenn sie Gegenwart geworden sind. Dies ist der widerspruchfreie, bewußtseinsbezogene Gebrauch der Theorie.“ (Von Weizsäcker (f), S. 900) 1213 „Der Begriff der Erfahrung ist ein zeitlicher Begriff.“ (Dürr (a), S. 4, in Anlehnung an von Weizsäcker (a), S. 94 f) 1214 Von Weizsäcker (a), S. 94 f; von Weizsäcker (b), S. 44; Dürr, 1994, S. 34 1215 Vgl. von Weizsäcker (b), S. 44; Dürr (h), S. 34 1216 Von Weizsäcker (a), S. 94 f
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3 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information
dies, dass mit der Zeit die Menge der bisher gewonnenen Erfahrungen, unser Wissen, wächst. Folglich können die beobachteten Gestalten differenzierter erklärt werden und auch die Wahrscheinlichkeitsaussagen über die Zukunft werden mit der Zeit präziser, das heißt, die „Prognosen ändern sich mit jeder künftigen Beobachtung aufgrund der dadurch erworbenen Kenntnis neuer Fakten“1217. Nach Dürr gilt es damit „zu berücksichtigen und zu bedenken, daß neue Informationen immer die Wahrscheinlichkeiten verändern, mit denen wir unsere Erwartungen beschreiben. Dasselbe gilt dabei auch für Personen, die über mehr Informationen (mehr Vorwissen) verfügen als wir. Ihre Prognosen über das Eintreten künftiger Ereignisse beziehungsweise den Verlauf eines Prozesses der Selbststabilisierung werden entsprechend modifiziert ausfallen, allerdings ebenso wenig zu einer eindeutigen Voraussage führen, sondern weiterhin den Charakter relativer Häufigkeiten behalten“1218. Wenn nun, wie beschrieben, mit der Zeit die Menge an Erfahrung bzw. Wissen wächst, dann „wächst […] damit aber auch die Menge der jeweils gegenwärtigen fundierten Möglichkeiten“1219. Von Weizsäcker folgert weiter, dass wenn die Menge der Möglichkeiten wächst, auch die Entstehung neuer Gestalten zu erwarten ist 1220 1221 und auch die Entropie1222 zunimmt 1223. Mit anderen Worten: „1. Das Vergangene vergeht nicht. 2. Die Menge der Möglichkeiten wächst.“ 1224 Diese Aussage Pichts erläutert von Weizsäcker: „Gegenwärtige Möglichkeiten sind stets in gegenwärtigen Fakten fundiert (Entstehung eines Sterns ist möglich, durch die faktische Existenz eines Gasnebels; Entstehung eines Kristalls durch die faktische Existenz eines Schmelzflusses; Entstehung vielzelliger Lebewesen durch die faktische Existenz von Einzellern; etc.). Wenn nun das Vergangene nicht vergeht, sondern in den gegenwärtigen Fakten ‘aufbewahrt’ ist, so wächst die Menge der Fakten und damit die Menge der jeweils gegenwärtigen fundierten Möglichkeiten. Wenn aber die Menge der Möglichkeiten wächst, so ist Entstehung neuer Gestalten zu erwarten.”1225 Das heißt, das Entstehen von stabilen 1217
Vgl. Dürr (a), S. 4 Dürr (a), S. 17 1219 Von Weizsäcker (a), S. 34 f 1220 Vgl. von Weizsäcker (a), S. 34 f; von Weizsäcker (f), S. 881 1221 Das heißt, es wird von Gestaltwachstum im Laufe der Zeit ausgegangen. (Vgl. von Weizsäcker (f), S. 881) 1222 ‚Entropie’ wird nach von Weizsäcker als potentielles Wissen, als potentielle Information, verstanden. (Vgl. u.a. von Weizsäcker (c), S. 31 und von Weizsäcker (g), S. 208) 1223 Vgl. von Weizsäcker (g), S. 202, S. 206 1224 Picht in von Weizsäcker (a), S. 34 f 1225 Von Weizsäcker (a), S. 34 f 1218
3.2 Grundlagen der Theorie
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Systemen bzw. Gestalten ist etwas Seltenes. Je mehr Möglichkeiten es nun aber für die Entstehung stabiler Gestalten gibt (in unserer Erfahrung, den Fakten), desto wahrscheinlicher ist deren Entstehung auch zu beobachten. Zusammenfassend folgt aus der Berücksichtigung der Modi der Zeit im quantentheoretischen Sinn und damit aus dem sich permanent vollziehenden Übergang von Möglichkeit in Faktizität, dass ein ständig neues Entstehen von stabilen Gestalten zu erwarten ist - denn „Evolution ist Gestaltwachstum in der Zeit“1226 und somit ein kontinuierlicher Wechsel von Ebenen und Krisen. In Anlehnung daran definiert Dürr Ebenen auch als „in der Evolution entstehende und vergehende [stabile] Gestalten […]“1227. Eine Ebene ist, wie bereits dargestellt, in der Zeit also nicht dauerhaft. Die Stabilität einer Gestalt vergeht genau dann, wenn die Bedingungen für Stabilität nicht mehr erfüllt sind, das heißt, wenn keine Kohärenz und/oder keine Korrespondenz mehr bestehen/besteht. Dies ist konkret dann der Fall, wenn zwischen Praktiken, Funktion und Struktur keine wechselseitige Bedingtheit mehr vorliegt und/oder, wenn keine wechselseitige Entsprechung zwischen der inneren Struktur und den spezifischen Rahmenbedingungen mehr vorhanden ist. Die betrachtete Gestalt geht dann in eine Krise über. Aber auch Krisen sind, als instabile Phasen definiert, nicht dauerhaft. Durch Schaffung von Kohärenz und Korrespondenz kann sich eine Gestalt wieder stabilisieren. Der Wechsel zwischen Ebenen und Krisen ist als ein kontinuierlicher Vorgang in der Zeit - „eine Grundstruktur des Geschehens“1228 – zu verstehen.
Zeit Ebene
Ebene Krise
Abbildung 23:
1226
Krise
Der Wechsel zwischen Ebenen und Krisen als Grundstruktur des Geschehens in der Zeit
Von Weizsäcker (f), S. 881 Dürr (d), S. 2. Mit anderen Worten: Eine Ebene ist definiert als eine Phase, in der im Rahmen der Evolution eine stabile Gestalt bzw. ein stabiles Systeme existiert. Das Vergehen und Entstehen – der „Gestaltwandel“ (von Weizsäcker (h), S. 95) – vollzieht sich streng genommen in den Krisen-Phasen. 1228 Von Weizsäcker (a), S. 34 f 1227
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3 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information
Von Weizsäcker beschreibt den Prozess der Entstehung stabiler Gestalten - das Phänomen der Ebenen, Krisen und Fulgurationen - auch als „ein allgemeines Schema von Vorgängen in der Zeit“1229, das einen sehr hohen Allgemeinheitsgrad besitzt und daher überall beobachtbar ist, sowohl in der unbelebten als auch der belebten Natur.1230 Dabei ist zu berücksichtigen, dass für jede Gestalt eine ganz individuelle, kontinuierliche Abfolge von Ebenen und Krisen zu erwarten ist (Annahme der Individualität der Prozesse1231).
3.2.5 Selbstorganisation in der Zeit und Kraft der Selbststabilisierung Nachdem dargestellt wurde, welche Bedeutung im Rahmen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information der Struktur der Zeit und damit der nichtklassischen Wahrscheinlichkeitsdefinition der Quantentheorie zukommt, wird im Anschluss daran nun der Prozess der Gestaltentstehung, also das Entstehen und Vergehen stabiler Gestalten in der Zeit, präziser betrachtet. Dazu wird zu Beginn noch einmal auf die bereits angeführte, zuvor allerdings nicht vollständig zitierte Definition einer Ebene nach Dürr zurückgekommen. Vollständig zitiert, beschreibt Dürr Ebenen nicht nur als „in der Evolution entstehende und vergehende [stabile] Gestalten“, sondern als „in der Evolution entstehende und vergehende [stabile] Gestalten, [die] […] charakterisiert [sind] durch eine ihnen jeweils eigene Kraft der Selbststabilisierung“1232. Die hier beschriebene Theorie geht also davon aus, dass sich Gestalten selbst aus eigener Kraft stabilisieren. Diese Kraft der Selbststabilisierung ist die wesentliche Bedingung für das Entstehen stabiler Gestalten in der Zeit.1233 Von Weizsäcker formuliert hierzu folgendes Postulat, dem auch im Rahmen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information eine wesentliche Bedeutung zukommt: „Jedes stabile Ergebnis einer Fulguration1234 muß eine ihm 1229
Von Weizsäcker (f), S. 881 An anderer Stelle formuliert von Weizsäcker, dass das Phänomen der Ebenen, Krisen und Fulgurationen „vermutlich ein allgemeiner Zug im Verhalten etwas komplexer Systeme [ist], die sich mit der Zeit ändern“. (Von Weizsäcker (h), S. 87; vgl. darüber hinaus Dürr (a), S. 5) 1231 Von Weizsäcker (c), S. 285; Dürr/Aisenbrey (a), S. 94 1232 Dürr (d), S. 2 1233 Da jedoch nur dann von einer stabilen Gestalt gesprochen werden kann, wenn diese eine kohärente innere Struktur aufweist, die in Korrespondenz zu den Rahmenbedingungen der fokussierten Gestalt steht, sind somit auch Kohärenz und Korrespondenz „notwendige Bedingungen für die erfolgreiche Selbststabilisierung eines Systems“ (Dürr (a), S. 19). 1234 Unter Fulguration ist das sich blitzartige Zusammenschließen vorher unverbundener Strukturen zu verstehen. (Vgl. von Weizsäcker (f), S. 494 und in diesem Sinne auch Dürr/Aisenbrey (a), S. 3) Das heißt das blitzartige Entstehen einer stabilen Gestalt durch die plötzliche Entsprechung bzw. 1230
3.2 Grundlagen der Theorie
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eigene Kraft der Selbststabilisierung haben, eine Korrespondenz seiner inneren Struktur zu den äußeren Bedingungen seiner Existenz.”1235 Die theoretische Erklärung des Entstehens von stabilen Gestalten in der Zeit durch Selbstorganisation und des Bestehens einer Kraft der Selbststabilisierung basiert auf den Erkenntnissen der Synergetik bzw. der Lasertheorie Hermann Hakens und der diesen Theorien zugrundeliegenden Annahme der Nichtlinearität betrachteter Zusammenhänge (nichtlineare Differentialgleichung)1236. 1237 Die Erklärung von stabilen und sich selbst stabilisierenden komplexen Gestalten mit Hilfe der Synergetik (der Lehre vom Zusammenwirken) bzw. der Lasertheorie Hakens liegt trotz der auch hier scheinbar vorhandenen Diskrepanz zwischen der Physik und anderen Wissenschaftsbreichen, wie z.B. der Pädagogik und Betriebswirtschaft, ausgesprochen nahe. Denn die Synergetik, die aus der Lasertheorie Hakens hervorging1238, beschäftigt sich mit der allgemeinen Erklärung des Entstehens und Vergehens stabiler bzw. sich selbst stabilisierender Systeme - also mit der Frage, nach welchen allgemeinen Gesetzen sich die Strukturen von komplexen Systemen bilden. Sie richtet den Blick dabei nicht auf den Aufbau der Strukturen, sondern darauf, wie sie entstehen, wie sich Strukturen
wechselseitige Bedingtheit von Praktiken, Funktion und Struktur sowie dieser inneren Struktur und den Rahmenbedingungen. 1235 Von Weizsäcker (e), S. 35; vgl. Dürr (b), S. 5 und Dürr (a), S. 17 in Anlehnung an von Weizsäcker 1236 Der mathematische Formalismus nichtlinearer Differentialgleichungen hat abstrakt rekonstruiert auch seine Bedeutung in der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information. Denn nur auf diese Weise kann, wie von Weizsäcker begründet, „das [komplexe] Phänomen des Wandels zwischen Ebenen und Krisen“ (von Weizsäcker (a), S. 38), das Entstehen und Vergehen stabiler bzw. sich selbst stabilisierender Gestalten realistisch erklärt werden. (Vgl. Dürr (d), S. 2) Um also auch an dieser Stelle Widersprüche mit der Realität zu vermeiden, wird im Rahmen der hier dargestellten Theorie von nichtlinearen Zusammenhängen ausgegangen. Denn die Realität ist deutlich durch eine große Komplexität gekennzeichnet, das heißt, ein besonderer Umstand ist von sehr vielen Variablen abhängig, auf die wiederum eine Vielzahl von Faktoren Einfluss nehmen. Daher kann letztlich die Realität nicht als ein unbedingt linearer (geradliniger) Zusammenhang dargestellt werden. Durch die Komplexität der Zusammenhänge von Variablen wird die Nichtlinearität begründet. (Während mathematisch gesehen z.B. eine gerade Linie eine Ausprägung von linearen Zusammenhängen darstellt, ist z.B. eine Welle eine typische Ausprägung nichtlinearer Zusammenhänge.) 1237 Vgl. Dürr (d), S. 2; Dürr/Aisenbrey (a), S. 95; Dürr (a), S. 5, S. 17; Dürr (b), S. 5; Haken (a), S. 93 und Eigen, S. 59 1238 Begründet wurde die Synergetik durch Hermann Haken, der seine Erkenntnisse aus den Laserexperimenten keiner anderen herkömmlichen Theorie zuordnen konnte. (Vgl. auch Niemeier, S. 19 m.w.N.) So entwickelte sich aus der Lasertheorie schließlich die Synergetik als noch junge interdisziplinäre Forschungsrichtung, „die sich insbesondere dem Verständnis der spontanen Entstehung von Strukturen durch Prozesse der Selbstorganisation widmet“ (Niemeier, S. 19 m.w.N.).
240
3 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information
von alleine bilden bzw. sich selbst organisieren.1239 Die Synergetik nach Haken gilt als eine allgemeine Theorie komplexer Systeme, die bisher noch an keine Grenzen ihrer Anwendbarkeit gestoßen ist. Sie stellt die allgemeine Frage nach dem Entstehen und Vergehen von Strukturen und ist dabei nicht nur in der Physik, wo sie entstand, gültig, sondern auch in anderen Wissenschaften bis hin zur menschlichen Wahrnehmung.1240 Haken und Schiepek stellen hierzu fest: „Die Welt, in der wir leben, wird ständig komplexer und fordert uns Menschen immer mehr. Zugleich schreitet die Forschung weiter voran, um komplexe Vorgänge in Natur und Gesellschaft zu verstehen. Hierbei spielt die Synergetik – die Lehre vom Zusammenwirken – eine grundlegende Rolle. Sie gibt neuartige Einblicke in die spontane Entstehung geordneter Strukturen in den verschiedensten Wissensgebieten und beleuchtet zugleich die Rolle des Chaos.“1241 Anhand des Lasers ist es Haken erstmals gelungen, die Strukturen von sich selbst stabilisierenden Systemen sowie das Entstehen eines Ordnungsparameters mathematisch nachzuweisen. Nach Haken stellt der Laser ein Paradebeispiel für die Synergetik dar1242, denn „die Fähigkeit des Lasers, durch Selbstorganisation aus dem mikroskopischen Chaos in einen makroskopisch geordneten Zustand überzugehen, nämlich von den mikroskopischen chaotischen Lichtwellen zu einer makroskopischen kohärenten Lichtwelle, fasziniert die Synergetik besonders.”1243 1244 1239
Wie Haken formuliert: „Selbst wenn wir Strukturen in ihrem Aufbau erkannt haben, so müssen wir erst noch verstehen, wie die Einzelbestandteile zusammenwirken“, wie die Strukturen entstehen. (Haken (a), S. 21) 1240 Einen Nachweis für die Übertragbarkeit der Erkenntnisse der Synergetik und der Lasertheorie speziell auf die Betriebswirtschaft liefert auch Niemeier. Wie Stitzel im Geleitwort zu Niemeiers Dissertation formuliert, gelingt es Niemeier, die Synergetik in die Betriebswirtschaftslehre einzuführen, „weil ihre Grundannahmen nicht nur für das naturwissenschaftliche Phänomen Laser Aussagekraft […] [aufweisen], sondern weil es zugleich auch deutliche Indizien dafür gibt, daß auf dem Weg der Übertragung dieser Theorie betriebswirtschaftliche Tatbestände erhellt und besser verstehbar gemacht werden können. Zentraler Aspekt der Synergetik ist die Generierung theoretisch und empirisch gehaltvoller Aussagen zur Selbstorganisation komplexer sozialer Systeme. Damit ist ein Fragenkomplex angesprochen, der angesichts des sich vermindernden Glaubens an die unbegrenzte Steuerbarkeit von Unternehmen immer mehr an Bedeutung gewinnt.“ (Stitzel, S. V) Schließlich erweist sich, so Stitzel, „der Weg, die Übertragung als Spezifizierung eines allgemeinen Theorieprinzips zu begreifen, […] als gang- und fruchtbar“ und werde von Niemeier in seiner Arbeit „ausführlich legitimiert“ (Stitzel, S. VI). Der Beleg gelingt, dass die Synergetik auf die Betriebswirtschaftslehre übertragbar ist und „den Theoriefundus der Betriebswirtschaftslehre bereichern kann“. (Stitzel, S. VI) 1241 Haken/Schiepek, S. 7 1242 Haken (a), S. 74 1243 Haken (d), S. 170; vgl. auch Dürr (a), S. 6 1244 Wollen wir „das Phänomen der Selbststabilisierung von Makrostrukturen in der Zeit […] verstehen, so finden wir in der Erklärung des Laser-Lichts mit Hilfe nichtlinearer Differentialgleichungen durch Hermann Haken ein besonders eindrucksvolles Beispiel“ (Dürr (h), S. 33).
3.2 Grundlagen der Theorie
241
Zum besseren Verständnis wird im Folgenden das Grundprinzip der Synergetik anhand einer kurzen Darstellung der Laseruntersuchungen Hakens aufgezeigt:1245 Ein Laser ist, „ein physikalisches System, das aus einer mit bestimmten Atomen gefüllten Röhre besteht, an deren Enden Spiegel angebracht sind. Durch Energiezufuhr (der Laser ist also ein offenes System!) werden die einzelnen Atome oder Moleküle immer wieder energetisch angeregt und senden Lichtwellen aus, wobei die einzelnen Ausstrahlungsakte völlig unabhängig voneinander erfolgen. Die Spiegel reflektieren bestimmte Wellen, die entlang der Laserachse verlaufen, und halten sie damit lange im Laser, während die nichtreflektierten Wellen den Laser verlassen.“1246 Die folgenden Abbildungen1247 sollen dies verdeutlichen: (a)
(b) austretendes Licht
Atome Spiegel
Abbildung 24:
Spiegel
Wellen Spiegel
Spiegel Dieser Spiegel ist durchlässig, so dass Energiezufuhr etwas Licht aus dem Laser ausgestrahlt wird. Denn „schließlich wollen wir ja alles mögliche mit dem Laserlicht bestrahlen.“ (Haken (a), S. 77)
Das Grundprinzip der Synergetik am Beispiel des Lasers nach Haken (Abbildungen (a) und (b))
Zur Erklärung der Vorgänge in einem Laser wird davon ausgegangen, dass der Laser mit einem Edelgas gefüllt ist. Die Gasatome bestehen aus jeweils einem positiven Kern und einzelnen negativ geladenen Elektronen. Diese Elektronen kreisen jeweils nur auf einer ganz bestimmten Umlaufbahn um den Kern1248, wie auch die folgende Abbildung1249 verdeutlicht. Eines der Elektronen wird als das Leuchtelektron bezeichnet.
1245
Ausführlich hierzu Haken (a), S. 69 ff Niemeier, S. 20; in Anlehnung an Haken (a), S. 74 f Abbildungen des Lasers a, b und c in Anlehnung an Haken (a), S. 75 (Abbildungen 5.7, 5.8, 5.9) und S. 73 (Abbildung 5.6) 1248 1913 hatte Niels Bohr erkannt, dass ein Elektron nur auf einer ganz bestimmten Umlaufbahn um den Kern kreist, wobei sich das Elektron nicht nur wie ein Teilchen verhält, sondern auch wie eine Welle. 1249 Abbildung aus Haken (a), S. 71, Abbildung 5.1 1246 1247
242
3 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information Atom:
+ Kern
Abbildung 25:
-
Elektron
Der Aufbau eines Gasatoms
Wird nun dem Laser von außen Energie (Strom) zugeführt, also viele freie Elektronen, dann stoßen diese freien Elektronen mit den Gasatomen, die sich bereits im Laser befinden, zusammen. Dadurch kann das Leuchtelektron auf eine energiereichere Bahn hinaufgestoßen werden. Wenn das Elektron später dann spontan auf seine ursprüngliche Bahn zurückspringt, wird dabei Energie frei. Diese Energie gibt das Elektron an das Lichtfeld ab und läuft sodann auf der untersten Bahn weiter. Bei diesem Vorgang entsteht „eine Lichtwelle, genauso wie sich eine Wasserwelle bildet, wenn wir einen Stein ins Wasser werfen.”1250 Dieser Vorgang vollzieht sich in der oben skizzierten Röhre nun aber nicht nur mit einem Leuchtelektron, sondern mit einer Vielzahl von Leuchtelektronen, wodurch auch viele Lichtwellen erzeugt werden und „eine wilde Bewegung des Lichtfelds“1251 entsteht (siehe Abbildung (b)). Bei einer weiteren Erhöhung der Stromstärke, wodurch noch mehr freie Elektronen zugeführt und folglich auch immer mehr Atome angeregt werden, sollte man nun erwarten, „daß das Knäuel der Wellenzüge immer dichter wird”, also noch wildere Bewegungen des Lichtfelds entstehen.1252 Wie Haken als erster in seiner Lasertheorie zeigen konnte, ist dies jedoch nicht der Fall. „Anstelle des wirren Knäuels tritt ein völlig gleichmäßiger, praktisch unendlich langer1253 Wellenzug auf.“1254 Das heißt, „die Atome organisieren also ihr Verhalten selbst.” Dies bedeutet, dass der „Laser […] somit ein Beispiel für das Zustandekommen eines geordneten Zustands durch Selbstorganisation [ist], bei dem ungeordnete Bewegung in geordnete Bewegung überführt wird.”1255
1250
Haken (a), S. 71; vgl. hierzu auch die Abbildungen 5.2, 5.3, 5.4, 5.5 in Haken (a), S. 72 Haken (a), S. 71 1252 Vgl. Haken (a), S. 71 1253 Denn dieser wird durch die Spiegel reflektiert. 1254 Haken (a), S. 71 1255 Haken (a), S. 73 f 1251
3.2 Grundlagen der Theorie
243 (c)
Gleichmäßige Wellenbewegung
austretendes Licht Spiegel
Spiegel
Größere Energiezufuhr
Abbildung 26:
Das Grundprinzip der Synergetik am Beispiel des Lasers nach Haken (Abbildung (c))
Die entscheidende Frage ist nun, wie es der Laser tatsächlich schafft, aus dem Chaos, also dem wirren Knäuel von Wellenzügen, in einen geordneten Zustand überzugehen, sich selbst zu stabilisieren. Haken erklärt das Entstehen dieser geordneten, selbstorganisierten Bewegung mit dem Vorhandensein eines Ordners im Laser: Alle Leuchtelektronen stehen in Konkurrenz zueinander, im Wettbewerb um die optimale Lichtwelle. Eine Welle ‘gewinnt’ dabei schließlich und die anderen ordnen sich dieser Welle unter. Das heißt, sie schwingen in gleichem Takt immer wieder zwischen den Spiegeln hin und her, so dass eine geordnete Bewegung entsteht. Mit anderen Worten, diese eine Welle, die sich durchgesetzt hat, „bestimmt somit die Ordnung im Laser, sie spielt also die Rolle des Ordners“1256. „Umgekehrt bringen aber die Elektronen durch ihr gleichmäßiges Schwingen erst die Lichtwelle, das heißt den Ordner, hervor. Das Auftreten des Ordners einerseits und das kohärente Verhalten der Elektronen andererseits bedingen sich gegenseitig. […] Wir haben hier wieder ein typisches synergetisches Verhalten vor uns.“1257 Abschließend lassen sich daraus nun die wichtigsten Erkenntnisse der Lasertheorie wie folgt zusammenfassen: Die ursprünglich im „Wettbewerb“1258 zueinander stehenden Wellen (ungeordnete Wellenbewegungen) können durch einen Ordner zu „kooperativem Handeln“1259, das heißt zu geordnetem bzw. aufeinander abgestimmtem Handeln, gezwungen werden. Dieser Ordner, der das gemeinsame Verhalten koordiniert bzw. aufzwingt, ist dabei selbst Teil des Systems, er entwickelt sich aus dem System heraus.1260 Daher lässt sich von einem selbstorganisierenden System sprechen. Wobei dieser Ordnungsparameter im 1256
Haken (a), S. 76 Haken (a), S. 76 Haken (a), S. 76, S. 77 1259 Niemeier, S. 19 1260 Hierzu genauer Haken (a), S. 76 1257 1258
244
3 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information
Laser bisher nur in Form einer Welle, folglich einem nichtlinearen Zusammenhang (einer nichtlinearen Differentialgleichung) nachgewiesen werden konnte. Bezogen auf die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information lautet nach Dürr also „die zentrale Hypothese der Synergetik im Sinne Hermann Hakens […] hier, daß eine stabile sich selbst organisierende Gestalt daran erkennbar ist, daß ein ‚Ordnungsparameter‘ entsteht, wenn die Praktiken, Funktionen und die Struktur einander entsprechen (Kohärenz) und wenn zugleich eine Korrespondenz zu den Rahmenbedingungen erkennbar ist. Andernfalls deutet Instabilität auf eine Krise hin: wenn Kohärenz und/oder Korrespondenz nicht erkennbar sind.“1261 Folglich ist, was im Sinne der Synergetik als die Herausbildung eines Ordners bzw. Ordnungsparameters nach Haken verstanden wird, im Rahmen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information synonym als die Herausbildung der Kraft der Selbststabilisierung einer Gestalt zu verstehen. Denn der Ordner im Laser und die Kraft der Selbststabilisierung in komplexen Systemen bzw. Gestalten, wie Organisationen, Gruppen, einzelnen Personen oder auch dem Coaching, sind gleichermaßen für die Koordination eines betrachteten Systems zuständig, so dass letztlich aus einem chaotischen, ungeordneten Zustand (Knäuel von Wellenbewegungen; keine Kohärenz und/oder Korrespondenz) ein geordneter, stabiler Zustand entsteht (gleichförmige Wellenbewegungen; gegenseitige Entsprechung der Faktoren der inneren Struktur sowie dieser kohärenten inneren Struktur zu den Rahmenbedingungen). Bedingt durch das Vorhandensein eines Ordnungsparameters bzw. der Kraft der Selbststabilisierung können sich komplexe Gestalten selbst stabilisieren. Zudem werden sowohl in der Synergetik als auch im Rahmen der Nichtklassisch, synergetischen Theorie der Information die betrachteten Systeme bzw. Gestalten als offene Systeme verstanden. Externe Faktoren nehmen also Einfluss auf die jeweilige Gestalt. So wird beispielsweise im Laser durch die Regulierung der Stromzufuhr das System beeinflusst. Neben dieser Stromzufuhr gibt der Laser gleichzeitig aber auch Energie in Form von Laserlicht ab. „Der Laser tauscht also ständig Energie mit der Umgebung aus“ und ist somit „ein offenes System“.1262
1261 1262
Dürr (c), S. 2 Haken (a), S. 78
3.2 Grundlagen der Theorie
245
Im Laser konnte der Ordnungsparameter nur in Form einer Welle1263 nachgewiesen werden und damit rechnerisch nur mit Hilfe einer nichtlinearen Diffentialgleichung dargestellt werden. Da sich aber auch die Realität, wie sie im Rahmen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information betrachtet wird, nicht als geradlinig, mathematisch ausgedrückt ‚streng linear’, beschreiben lässt, sondern vielmehr als komplex (mit einer Vielzahl von Variablen und weiteren teils ungewissen Einflussfaktoren, die diese Variablen wiederum beeinflussen), kann auch sie nur durch eine Theorie dargestellt werden, die in nichtlinearen Zusammenhängen denkt. Die beschriebenen Selbstorganisationsprozesse, wie sie hier anhand des Lasers aufgezeigt wurden, lassen sich, so Haken, sowohl in der belebten als auch der unbelebten Natur beobachten, beispielsweise in physikalischen, chemischen und biologischen Systemen.1264 Allgemein lässt sich nach Haken das Phänomen der Herausbildung von Ordnungsparametern überall dort nachweisen, wo stabile Gestalten wahrnehmbar sind - folglich auch in der Organisationsentwicklung, im Management und in allen anderen Bereichen des menschlichen Zusammenlebens.1265 Zwar wird man Ordnungsparameter für sehr komplexe Phänomene wie Individuen, soziale Systeme u.ä. nicht mathematisch herleiten können, es lässt sich jedoch nachweisen1266, „daß [in solchen Fällen] die begriffliche Erklärung der Kraft der Selbststabilisierung […] möglich ist“1267. Und diese begrifflichen Erklärungen der Kraft der Selbststabilisierung sind nach Dürr im Sinne der Quantentheorie nichts anderes als Informationen in der Zeit und damit Teil der Analyse im Rahmen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information. So lässt sich die Kraft der Selbststabilisierung einer Gestalt also begrifflich erläutern, basierend auf den bekannten Fakten der Vergangenheit. Auf Grundlage der im Laufe dieses Kapitels insgesamt dargestellten Annahmen und Bedingungen, die der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Informa-
1263
Genau genommen ist der Zustand eines Elektrons, das um den Kern kreist, durch eine Wellenfunktion beschrieben - die sogenannte Schrödingersche Welle. Das bedeutet, dass das Elektron nicht als kleines Teilchen, als Punkt, beschrieben werden kann, weil es gar nicht an einem bestimmten Ort ist, sondern nur als Welle erscheint. Folglich läuft es streng genommen auch nicht auf Bahnen um den Kern, da es sich ja als Welle ausdehnt. 1264 Vgl. Haken (a), S. 78 und S. 79 1265 „Der Prozeß im Laser kann als Allegorie für viele Prozesse in ganz anderen Gebieten, insbesondere auch in der Soziologie, dienen“ (Haken (a), S. 74). 1266 Siehe hierzu die von Dürr durchgeführten Projekte, z.B. Alternative Wohnformen zur Anstalt, 1998 und Evaluation der außerbetrieblichen Berufsausbildung in Hamburg, 1999 1267 Dürr (d), S. 2 f
246
3 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information
tion zugrunde liegen, lässt sich abschließend nun folgender – um die wesentlichen Elemente ergänzter – Modellrahmen abbilden:1268
Abbildung 27:
1268
Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information – ergänzte graphische Darstellung (in Anlehnung an Dürr)
Abbildung in Anlehnung an Dürr (b), S. 6; Dürr (a), S. 19
3.3 Forschungsmethodik
247
3.3 Forschungsmethodik Im Anschluss an die Darstellung der theoretischen Grundlagen wird nun die auf der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information basierende Forschungsmethodik genauer beschrieben. Dabei wird aufgezeigt, wie es durch die theoriegeleitete1269, streng systematische Vorgehensweise möglich wird, den Prozess der Selbststabilisierung eines konkreten Forschungsgegenstands in der Zeit zu erklären, das heißt zum einen „kausale Erklärungen über Entwicklungszusammenhänge in der Vergangenheit“ abzugeben als auch „begründete Prognosen über künftige Entwicklungen der untersuchten Systeme“ zu erstellen1270 und darauf basierend schließlich konkrete Gestaltungsmöglichkeiten für die jeweils betrachtete Gestalt nachvollziehbar und fundiert abzuleiten. Die hier beschriebene Methodik auf Grundlage der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information ist durch eine theoriegeleitete, systematische, logisch methodische (‚reduktive’) Vorgehensweise geprägt, die eine deduktive empirische Sozialforschung ermöglicht.1271 Wie die umfassende und durch einen sehr hohen Allgemeinheitsgrad geprägte Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information, ist auch die auf dieser Theorie basierende Forschungsmethodik dementsprechend umfassend und allgemein anwendbar. Sie ermöglicht es, „alle wahrgenommenen und gewussten Phänomene über menschliches Handeln und menschliche Erfahrung als Fakten vergangenen Geschehens […] [zu erfassen, zu beschreiben] und im Rahmen der Theorie […] [zu erklären].“1272 Die Forschungsmethodik basiert dabei auf einer zunächst phänomenologischen, der Realität verhafteten, begrifflich-empirischen Herangehensweise (Datenerhebung) und einer daran anschließenden Auswertung dieser wahrgenommenen und umgangssprachlich beschriebenen Phänomene auf theoretischer Basis mit Hilfe der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information. Bei der Datenerhebung werden zunächst alle wahrnehmbaren Phänomene in gleicher Weise berücksichtigt, das heißt es werden vorab keine konkreten Hypothesen formuliert, die die Wahrnehmung von Phänomenen einschränken. Es wird zunächst immer das verständliche Ganze einer Situation wahrgenommen und beschrieben, ohne dass bereits eine theoretische Deutung vorgenommen wird. Erst die auf die Datenerhebung folgende Analyse, also die ‚Reduktion’, im Rahmen Theorie entscheidet über die Relevanz der wahrgenommenen und dokumen-
1269
Siehe hierzu das voranstehende Kapitel, da im Folgenden Wiederholungen zugunsten einer klar dargestellten Systematik weitgehend vermieden werden sollen. Dürr/Aisenbrey (a), S. 99 1271 Vgl. hierzu auch Dürr (a), S. 6 f 1272 Aisenbrey, S. 44 1270
248
3 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information
tierten Phänomene.1273 Gefragt wird dann im Rahmen der Theorie immer nach dem Stabilitätszustand der untersuchten Gestalt zum Zeitpunkt der Beobachtung (Ebene oder Krise), den Gründen für diesen Stabilitätszustand sowie nach den zukünftigen spezifischen Gestaltungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der zuvor erstellen Wahrscheinlichkeitsprognosen für die Zukunft.1274 Diese deduktive empirische Forschungsmethodik auf Grundlage der allgemeinen und umfassenden Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information ermöglicht es schließlich, jeden individuellen Analysegegenstand in seiner Gesamtheit zu erfassen, zu analysieren und einheitlich zu erklären. Wobei ein solches umfassendes und einheitliches, theoretisch fundiertes Verständnis gerade auch sehr komplexer Forschungsgegenstände hier speziell durch die Verknüpfung einer zunächst phänomenologischen, ganzheitlichen Wahrnehmung und Dokumentation des jeweiligen Analysegegenstands und einer darauf basierenden anschließenden theoretischen Erklärung seiner Struktur möglich wird. „Diese methodische Verknüpfung von phänomenologischer Gestaltwahrnehmung und theoretischer Strukturwahrnehmung ermöglicht, so ist die grundlegende These [der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information und der sich auf sie begründenden Forschungsmethodik], eine deduktive Empirie“1275, die sich in mehreren empirischen Untersuchungen pädagogischer Phänomene bereits bewährt hat bzw. bewährt.1276 Bevor nun die Forschungsmethodik auf Grundlage der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information im Einzelnen genauer dargestellt wird, soll das im Folgenden skizzierte Schaubild einen Überblick über die systematische Vorgehensweise geben:
1273 Das heißt, die Begriffe (Wortgemälde) erhalten ihren eindeutigen Sinn erst im Rahmen der Theorie. (Vgl. von Weizsäcker (f), S. 133 ff; von Weizsäcker (c), S. 624; Dürr (i), S. 1, S. 5; Dürr (h), S. 31, S. 39) 1274 In Anlehnung an Aisenbrey, S. 46 1275 Dürr (e), S. II 1276 Verwiesen sei hier insbesondere auf die Evaluation der außerbetrieblichen Berufsausbildung in Hamburg (Dürr (b)), auf die empirische Untersuchung alternativer Wohnformen zur Anstalt (Dürr (a)) sowie die derzeit in Durchführung befindliche Evaluation von Walter Dürr im Rahmen des Modellversuchsprogramms ‚Lebenslanges Lernen‘ der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung: Lebenslanges Lernen unter dem Aspekt des selbstgesteuerten Lernens und der neuen Medien. Darüber hinaus siehe auch die Dissertation von Petra Aisenbrey ‚Deduktive empirische Sozialforschung im Rahmen der ’Nichtklassischen Theorie der Selbststeuerung’ Dargestellt am Beispiel eines Evaluationsprojektes zur außerbetrieblichen Berufsausbildung’ sowie die Arbeit von Nicole Lorenz zum Thema ‚Optimierung von Lernen und Lerntransfer durch Selbstorganisation‘.
3.3 Forschungsmethodik
Wahrnehmungs- und Darstellungsebene Datenerhebung: Wahrnehmen, Beschreiben und Dokumentieren von Phänomenen und Fakten aus dem jeweiligen Untersuchungsfeld
249
Ebene der theoretischen ‚Reduk- Prognoseebene Gestaltungsebene tion’ und Erklärungsebene Analyse bzw. ‚Reduktion’ der Phänomene im Rahmen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information und Erklärung der Entwicklungszusammenhänge zum Zeitpunkt der Beobachtung
Frage nach der Bedeutung des Erklärten für die Zukunft: Wahrscheinlichkeitsprognosen über die zukünftige Entwicklung erstellen und Gestaltungsempfehlungen ableiten
Umsetzung von Gestaltungsempfehlungen
Superposition durch erneute Wahrnehmung und Auswertung
Abbildung 28:
Forschungsmethodik auf Grundlage der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information
Bedeutend bei dieser hier skizzierten Vorgehensweise ist ferner, dass, wie sich auch im Rahmen der weiteren Ausführungen zeigen wird, auf dem gesamten Weg von der Wahrnehmung und Beschreibung von Phänomenen über deren Dokumentation und Auswertung mit Hilfe der vorgestellten Theorie (der Zuordnung der Phänomene zu Praktiken, Funktion, Struktur und Rahmenbedingungen bis hin zur begrifflichen Kennzeichnung von Kohärenz und Korrespondenz, der stabilisierenden und beeinträchtigenden Faktoren sowie der Beschreibung der Kraft der Selbststabilisierung) kein einziges der anfangs wahrgenommenen Phänomene verloren geht. Alle Phänomene erhalten an der einen oder anderen Stelle ihre Bedeutung. Bei jedem einzelnen Analyseschritt, auch bei dem späteren Erstellen von Wahrscheinlichkeitsprognosen und Gestaltungsempfehlungen, wird letztlich auf die ganze Fülle der zuvor wahrgenommenen und dokumentierten Phänomene zurückgegriffen.1277
1277
Vgl. Dürr (d), S. 3 sowie Dürr/Aisenbrey (a), S. 99
250
3 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information
3.3.1 Wahrnehmung von Phänomenen und Dokumentation (Datenerhebung) Wahrnehmung von Phänomenen Zunächst wird mit der Wahrnehmung von Phänomenen und/oder Fakten1278 aus dem jeweiligen Untersuchungsfeld begonnen (Wahrnehmungsebene).1279 Das heißt, der erste Untersuchungsschritt „besteht immer darin, die komplexe Wirklichkeit in einem deutlichen Profil von Phänomenen wahrzunehmen“1280, um diese Phänomene und Fakten dann in einem zweiten Schritt zu beschreiben (Darstellungsebene). Insgesamt werden dabei im Rahmen der Datenerhebung - dem Wahrnehmen, Beschreiben und Dokumentieren von Phänomenen und Fakten aus dem jeweiligen Untersuchungsfeld - generell alle wahrnehmbaren Phänomene in gleicher Weise berücksichtigt, das heißt es existieren keine vorab konkret formulierten Hypothesen, die die Wahrnehmung von Phänomenen einschränken. Erst die sich an die Datenerhebung anschließende theoretische Auswertung der Phänomene entscheidet über deren Relevanz (siehe hierzu genauer in Kapitel 3.3.2). Phänomene werden im Sinne Niels Bohrs, der den Begriff geprägt hat, als Merkmale einer wahrgenommenen Gestalt 1281, als die „sinnliche Wahrnehmung an realen Gegenständen“1282 verstanden, wobei „Phänomene […] nicht isolierte Sinneswahrnehmungen bezeichnen, sondern jeweils […] das verständliche Ganze einer Situation, in deren Rahmen Sinneseindrücke erst eine mitteilbare Bedeutung bekommen”1283. Somit ist beispielsweise nicht das ‚Hellwerden‘ an sich ein Phänomen, „sondern eine offene Landschaft in der Frühdämmerung, in der sich der Mensch befindet, für den das Hellwerden die kommende Sonne anzeigt“1284.1285 Die Wahrnehmung von Phänomenen kann im Rahmen praktischer Untersuchungen aus verschiedenen Quellen erfolgen. So können Phänomene und Fakten z.B. durch Interviews, Literaturrecherchen oder verschiedene andere Methoden wahr1278
„Fakten sind vergangene Ereignisse, die man heute prinzipiell wissen kann.“ (Von Weizsäcker (c), S. 519) Vergangene, dokumentierte Phänomene sind für immer nachvollziehbare Fakten. (Vgl. Dürr (a), S. 20) 1279 Denn „Wahrnehmungen sind ursprünglicher als ihre Deutungen” (von Weizsäcker (a), S. 18). 1280 Dürr (a), S. 21; Dürr/Aisenbrey (a), S. 96; vgl. auch Dürr (b), S. 9; Dürr (i), S. 5; Dürr (a), S. 20; Dürr/Aisenbrey (b), S. 6 1281 Vgl. Dürr (b), S. 5 1282 Vgl. Dürr (i), S. 5; Dürr/Aisenbrey (a), S. 94 1283 Von Weizsäcker (c), S. 508 1284 Von Weizsäcker (c), S. 508 1285 Mit anderen Worten: Was Bohr ‚Phänomene’ nennt, ist nur im vollen Zusammenhang dessen gegeben, was wir gewöhnlich die Wirklichkeit nennen, und was durch Begriffe beschrieben werden kann. (Vgl. von Weizsäcker (d), S. 227)
3.3 Forschungsmethodik
251
genommen werden. Wie Dürr beschreibt, ist je nach konkretem Fall diejenige Methode auszuwählen, die der jeweiligen Fragestellung angemessen bzw. für diese möglich ist. Es wird folglich nicht die Fragestellung durch die Auswahl bestimmter Methoden eingeschränkt, sondern ganz im Gegenteil können prinzipiell alle Methoden eingesetzt werden, sofern es die Fragestellung und die Art des Forschungsfeldes erfordern.1286 Häufig wird in der Praxis die Methode des Interviews verwendet, um Phänomene wahrzunehmen.1287 Diese Interviews werden mit einzelnen Personen und auch Gruppen in der Regel anhand halbstandardisierter Interviewleitfäden1288 durchgeführt.1289 Aufgrund von Mitschriften und Tonbandaufzeichnungen werden dann über jedes Interview Protokolle1290 (Dokumente) angefertigt, die das Ausgangsmaterial für die spätere systematische Analyse darstellen.1291 Die Interviews gelten als sehr zuverlässige Methode, da sie zum einen aufgrund der halbstandardisierten Interviewleitfäden recht flexibel durchführbar (auf die Bedürfnisse des Einzelnen eingehend) und gleichzeitig standardisiert (somit vereinheitlicht und vergleichbar) sind. Zum anderen dient im Rahmen eines Interviews nicht nur die verbale Kommunikation als Quelle zur Wahrnehmung von Phänomenen, sondern darüber hinaus werden auch alle nichtverbalen Äußerungen wahrgenommen, wie z.B. Mimik und Gestik sowie die Verhaltensdynamik von Gruppen.1292 Im ersten Untersuchungsschritt gilt es also, mit Hilfe derjenigen Methode, die für die zu untersuchende Gestalt angemessen erscheint und möglich ist, die kom1286
Vgl. Dürr/Aisenbrey (a), S. 95 sowie Dürr (a), S. 20 und Dürr (b), S. 8 Siehe hierzu als Beispiel die von Walter Dürr durchgeführten Projekte, wie insbesondere: Evaluation der außerbetrieblichen Berufsausbildung in Hamburg, 1999, und Alternative Wohnformen zur Anstalt, 1998. Verwiesen sei ferner auf die Dissertation von Petra Aisenbrey ‚Deduktive empirische Sozialforschung im Rahmen der ‚Nichtklassischen Theorie der Selbststeuerung’ - Dargestellt am Beispiel eines Evaluationsprojektes zur außerbetrieblichen Berufsausbildung’, 2007. 1288 Beispiele für Interviewleitfäden siehe u.a. in Dürr (b), Anhang 1 sowie in Aisenbrey, Anhang 1 1289 Vgl. Dürr/Aisenbrey (a), S. 95; Dürr (a), S. 21 und Dürr (b), S. 8 „Der Interviewleitfaden dient dazu, unser Vorwissen, also gewissermaßen den Strukturreichtum des Beobachters für die Interviewsituation zu erschließen.“ (Dürr (i), S. 5) 1290 Bei den Protokollen handelt es sich nicht um wörtliche Abschriften (im üblichen Sinn). Es wird nicht das wortwörtlich Gesagte, sondern das Gemeinte in Form von Phänomenen dokumentiert und anschließend durch den Interviewten autorisiert. Derartige Interviewprotokolle, wie sie hier zugrunde liegen, können je als dokumentiertes Phänomen bezeichnet werden, „als das verständliche Ganze der Situation, in deren Rahmen die einzelnen Wahrnehmungen erst eine mittelbare Bedeutung bekommen“. (Dürr (c), S. 1; vgl. hierzu auch Dürr (i), S. 5) 1291 Vgl. Dürr/Aisenbrey (a), S. 96; Dürr (a), S. 22, S. 16; Dürr (b), S. 5, S. 10; Dürr (d), S. 1; Dürr (i), S. 5 1292 Vgl. Dürr (d), S. 3; Dürr/Aisenbrey (a), S. 96; Dürr (b), S. 9; ausführlich hierzu siehe auch Aisenbrey, S. 47 ff 1287
252
3 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information
plexe Wirklichkeit in einem deutlichen Profil von Phänomenen wahrzunehmen und dabei das Ganze einer Situation zu erfassen. Bezüglich des Beobachters ist dazu eine ausgeprägte Fähigkeit zur Gestaltwahrnehmung und zum Aufspüren verborgener Gestalten notwendig sowie eine Ausbildung des Strukturreichtums des Beobachters Voraussetzung.1293 Allerdings wird im Rahmen der Nichtklassisch, synergetischen Theorie der Information realistischerweise angenommen, dass auch durch eine sehr gute Vorbereitung und ein großes Vorwissen des Beobachters niemals Vollkommenheit und Objektivität erzielt werden können. Denn alles, was wir bewusst wahrnehmen, ist stets nur ein Aspekt derjenigen Wirklichkeit, der wir selbst mit unserem Bewusstsein zugehören, und die Fakten, die wir kennen lernen, wenn wir einen Untersuchungsgegenstand beobachten, vermitteln uns immer nur ein endliches Wissen.1294 Es ist „zwar ein objektives dokumentiertes - Wissen, aber es ist zugleich subjektbezogen, d.h. abhängig vom Vorwissen desjenigen, der die begriffliche Isolierung von Fakten und Möglichkeiten vornimmt oder nachvollzieht“1295.1296 Mit anderen Worten: „Wahrnehmung ist affektiv und durch die subjektive Wahrnehmungsfähigkeit der einzelnen Person des Forschungsteams geprägt.”1297 Wobei aber, wie die bereits in der Praxis durchgeführten Analysen zeigen, insofern Objektivität vorliegt, als dass jede Person des Forschungsteams, die über dasselbe Vorwissen verfügt, jeweils die einzelnen Analyseschritte im Rahmen der Theorie nachvollziehen kann und letztlich zu den gleichen Ergebnissen gelangt (‚objektive Subjektivität’). Damit wird zum einen auf die Subjektbezogenheit aller Wahrnehmung und allen Wissens verwiesen, zum anderen aber auch auf die Objektivität dieser Wahrnehmung und dieses Wissens. Denn Wissen ist auch nicht „bloß subjektiv“1298, „es ist Wissen von objektiven Fakten der Vergangenheit, die sich für jeden, der die nötige Information besitzt, identisch erweisen werden; und es ist eine Wahrscheinlichkeitsfunktion (\) für die Zukunft, die für jeden, der dieselbe Information besitzt, gilt und […] empirisch bestätigt werden kann“1299.1300
1293
Vgl. von Weizsäcker (c), S. 592; Dürr (a), S. 4 f, S. 7, S. 22; Dürr/Aisenbrey (a), S. 96; Dürr (b), S. 9 1294 Von Weizsäcker (f), S. 363; Dürr (k), S. 7 ff 1295 Dürr (a), S. 20; Dürr (b), S. 8 1296 Die betrachtete Gestalt kann sich somit aufgrund der niemals vollständigen Information eines Beobachters zu keinem Zeitpunkt in einem wohldefinierten Zustand befinden. (Vgl. Dürr (a), S. 4) 1297 Dürr/Aisenbrey (a), S. 96; vgl. Dürr (a), S. 21 f 1298 Von Weizsäcker (c), S. 519 1299 Von Weizsäcker (c), S. 519 1300 Vgl. hierzu von Weizsäcker (h), S. 436; von Weizsäcker (f), S. 353; Dürr/Aisenbrey (a), S. 96, S. 98, S. 99; Dürr (a), S. 7, S. 20, S. 24; Dürr (b), S. 9, S. 11, S. 12; Dürr (d), S. 3
3.3 Forschungsmethodik
253
Dokumentation der wahrgenommenen Phänomene Um aber nicht bei der reinen Wahrnehmung von Phänomenen zu verbleiben, müssen alle wahrgenommenen Phänomene nun auch, wie bereits angesprochen, zum Ausdruck gebracht, das heißt, beschrieben und schriftlich dokumentiert werden (Darstellungsebene). Alle wahrgenommenen Phänomene werden in einem Dokument schriftlich festgehalten und somit zu dokumentierten Fakten der Vergangenheit.1301 Die Dokumentation bildet schließlich die faktische Grundlage für die im nächsten Schritt erfolgende theoretische Auswertung der dokumentierten Phänomene (Fakten). Wobei die Dokumentation auch selbst als dokumentiertes Phänomen bezeichnet werden kann, „als das verständliche Ganze der Situation, in deren Rahmen die einzelnen Wahrnehmungen erst eine mitteilbare Bedeutung bekommen“.1302 Zur Beschreibung und Dokumentation der wahrgenommenen Phänomene wird in Anlehnung an Niels Bohr die Sprache, genauer, die „Alltagssprache“1303 benutzt.1304 Bohr weist darauf hin, „daß wir beim Beschreiben von Phänomenen stets darauf angewiesen sind, uns durch ein Wortgemälde auszudrücken’. Wenn wir kein Wort haben, das ein Phänomen eindeutig beschreibt, müssen wir mehrere ungefähre Worte gebrauchen, deren Anwendungsbereiche sich gegenseitig begrenzen.“1305 Nach Bohr ist die Sprache (die Umgangssprache) von großer Notwendigkeit und insofern auch dem mathematischen Formalismus vorzuziehen, denn, wie Bohr feststellt: Wenn wir nicht sagen können, was wir wissen, gäbe es auch keine Wissenschaft.1306 Bohr stand dem mathematischen Formalismus damit grundsätzlich misstrauisch gegenüber. Sein Denken ging nicht von mathematischen Strukturen aus, sondern immer „von der begrifflichen Beschreibung der Erfahrung und der unablässigen Reflexion auf den Sinn der Begriffe”1307. So antwortete Bohr beispielsweise auf den Satz Einsteins ‚Gott würfelt nicht‘: ‚Es kommt nicht darauf an, ob Gott würfelt oder nicht, sondern ob wir wissen, was wir meinen, wenn wir sagen, Gott würfele oder er würfele nicht.‘1308 1301
Auch von Weizsäcker benutzt den Begriff des Dokuments als Synonym für die schriftliche Beschreibung von Phänomenen der Vergangenheit, also von Fakten. „Dem entspricht, daß es Dokumente der Vergangenheit, aber nicht der Zukunft gibt“. Dies folgt nach von Weizsäcker daraus, dass die Vergangenheit faktisch und die Zukunft offen, also möglich, ist. (Von Weizsäcker (g), S. 218). 1302 Dürr (c), S. 1; vgl. insgesamt hierzu auch Aisenbrey, S. 62 1303 Von Weizsäcker (d), S. 228; vgl. auch von Weizsäcker (c), S. 509 1304 Vgl. u.a. Dürr (i), S. 5; Dürr (b), S. 10; von Weizsäcker (c), S. 508 f; Dürr (g), S. 5 1305 Von Weizsäcker (c), S. 509; vgl. auch von Weizsäcker (d), S. 225; Dürr/Aisenbrey (a), S. 94, S. 98; Dürr (i), S. 4 1306 Vgl. von Weizsäcker (c), S. 509 1307 Von Weizsäcker (c), S. 506 1308 Vgl. von Weizsäcker (c), S. 509
254
3 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information
3.3.2 Theoretische Analyse: ‚Reduktion’ der Phänomene Sind die wahrgenommenen Phänomene mit Wortgemälden beschrieben und schriftlich dokumentiert, kann im nächsten Schritt mit deren Auswertung im Rahmen der umfassenden, allgemeinen Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information begonnen werden. Das heißt, an die Datenerhebung schließt sich nun die ‚Reduktion‘ der Phänomene, also die theoretisch fundierte Interpretation der zuvor dokumentierten Phänomene, an, wodurch die Begriffe (Wortgemälde) erst ihren eindeutigen Sinn erhalten1309.1310 ‚Reduktion’ bedeutet demnach, die komplexe Realität einer konkreten Gestalt durch die zuvor wahrgenommenen und dokumentierten Phänomene mit Hilfe der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information so ‚zu betrachten‘, ‚zu komprimieren‘ - also auf einfachere Zusammenhänge ‚zurückzuführen‘, dass es möglich wird, die spezifische Situation der betrachteten Gestalt zu erklären. Ausgehend von der zunächst phänomenologischen Herangehensweise und dem darauf folgenden Prozess der Reduktion genau dieser wahrgenommenen und dokumentierten Phänomene wird es somit möglich, jeden Forschungsgegenstand ganz konkret zu betrachten und zu erklären. Bei der Analyse mit Hilfe der hier gewählten Theorie ist es folglich nicht notwendig, auf statistische Durchschnittswerte zurückzugreifen. Im Einzelnen wird bei der Reduktion der Phänomene mit Hilfe Theorie zunächst die innere Struktur der fokussierten Gestalt näher betrachtet. Dazu werden aus den dokumentierten Phänomenen die Praktiken, Funktionen und die Struktur der Gestalt herausgearbeitet und dokumentiert. Das bedeutet konkret, dass im ersten Schritt aus den dokumentierten Phänomenen die Praktiken, also die Handlungsweisen der Gestalt, ermittelt werden, bevor im zweiten Schritt nach ihrem Sinn, ihrer Funktion, gefragt wird und darauf folgend im dritten Schritt nach der erkennbaren Struktur, die die zuvor benannten Praktiken und Funktionen überhaupt erst ermöglicht.1311 Die Praktiken bezeichnen alle Handlungsweisen der fokussierten Gestalt. Darunter sind nicht einzelne, einmalige Handlungen zu verstehen, sondern wiederkehrende Handlungen, also Handlungsmuster, die über einen längeren Zeitraum und auch noch gegenwärtig angewendet werden (also auch keine vergan-
1309
Vgl. von Weizsäcker (f), S. 133 ff; von Weizsäcker (c), S. 624; Dürr (i), S. 1, S. 5; Dürr (h), S. 31, S. 39 1310 In diesem Sinne ist auch das folgende Zitat zu verstehen: „‘Erst die Theorie entscheidet, was beobachtet werden kann‘ (Einstein zu Heisenberg).“ (Von Weizsäcker (c), S. 331) 1311 Vgl. Dürr/Aisenbrey (a), S. 97; Dürr (a), S.6, S. 22 f; Dürr (b), S. 10; Dürr (c), S. 1; Dürr (i), S. 5; Dürr (c), S. 1; Dürr (g), S. 6
3.3 Forschungsmethodik
255
genen Handlungsweisen1312). „Auch alle beobachtbaren Formen der Kommunikation“1313 zählen zu den Handlungsweisen.1314 Unter den Funktionen wird der erkennbare Sinn der Praktiken der betrachteten Gestalt zusammengefasst.1315 Dabei muss ein als Funktion erkanntes Phänomen jedoch nicht notwendigerweise einer zuvor bereits identifizierten Praktik zuordenbar sein. Grundsätzlich gelten auch Wünsche und Ziele als Funktionen, also als erkennbarer Sinn für Handlungsweisen.1316 Die Funktionen werden, ebenso wie zuvor die Handlungsweisen, ausschließlich aus den dokumentierten Phänomenen entnommen.1317 Die Struktur ist das spezifische Gerüst bzw. der individuelle Aufbau einer Gestalt, der die Praktiken und Funktionen erst ermöglicht.1318 Daher wird die Struktur der fokussierten Gestalt erst dann bestimmt, wenn bereits Praktiken und Funktionen entnommen wurden. In diesem Sinne wird z.B. unter der Struktur eines Unternehmens nicht nur die offizielle Organisationsstruktur verstanden, sondern darüber hinaus auch die wahrnehmbaren inoffiziellen Strukturen sowie die erkennbaren Werte und Leitbilder, durch die die Unternehmenskultur geprägt wird - insgesamt also alle Strukturen, die die jeweiligen Praktiken und Funktionen des Unternehmens ermöglichen.
1312 „Diese strikte Abgrenzung gegenüber ehemaligen Gepflogenheiten oder einmaligen Handlungen ist notwendig und theoretisch erklärbar, da im Rahmen der Theorie nach den Möglichkeiten der Selbststabilisierung in der Zeit also zunächst zum Zeitpunkt der Untersuchung und anschließend prognostisch nach den entsprechenden Möglichkeiten in der Zukunft gefragt wird. Insofern beinhaltet diese Fragestellung bereits einen Bezug zur Zukunft. Da sich das Forschungsteam bei der Beschreibung der Möglichkeiten der Selbststabilisierung zum Zeitpunkt der Untersuchung aber auch bei der Prognose darüber, ob die aktuelle Phase der Stabilität oder Instabilität andauern wird, darauf verlassen muss, dass die beobachteten Praktiken sowohl für die beobachtete Gegenwart Gültigkeit und mit großer Wahrscheinlichkeit auch für eine bestimmte Zeit danach noch Gültigkeit besitzen, wäre es sinnlos, vergangene und nicht mehr gelebte Handlungsweisen zu berücksichtigen. Vergangene Handlungsweisen, die nicht mehr zum Repertoire der Gestalt gehören, haben keinen Einfluss auf die aktuellen Selbststabilisierungsvorgänge der Gestalt. Würden sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder gelebt werden, erhielten sie ihren Einfluss zurück. Nur liegt diese Möglichkeit außerhalb des aktuellen Wissens des Forschungsteams und spielt daher für die Auswertung keine Rolle. Lediglich die zum Zeitpunkt der Untersuchung vorliegenden Fakten, also das vorhandene sowie dokumentierte Wissen und nicht das Nicht-Wissen, sind maßgeblich für die Untersuchung.“ (Aisenbrey, S. 66) 1313 Dürr (a), S. 18; Dürr (b), S. 6 1314 Vgl. zum Ganzen u.a. Dürr (a), S. 18; Dürr (b), S. 6 1315 Vgl. u.a. Dürr (a), S. 18; Dürr (b), S. 6 1316 Vgl. Aisenbrey, S. 67 1317 Nicht aus den zuvor ermittelten Praktiken (das heißt keine Interpretation oder spekulativen Aussagen) 1318 Vgl. Dürr (a), S.6, S.18, S. 22 f; Dürr (b), S. 10; Dürr (c), S. 1; Dürr (g), S. 6; Dürr (i), S. 5; Dürr/Aisenbrey (a), S. 97
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3 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information
Wurden Praktiken, Funktionen und Struktur bestimmt, kann nun nach deren wechselseitiger Entsprechung bzw. Bedingtheit gefragt werden. Das heißt, es wird nach dem Vorhandensein einer erkennbaren Kohärenz dieser inneren Struktur der betrachteten Gestalt gesucht. Das Vorhandensein bzw. Fehlen der Kohärenz wird begrifflich erklärt und dokumentiert.1319 Ferner werden aus den dokumentierten Phänomenen die Rahmenbedingungen, die die äußeren Einflussfaktoren (Umweltbedingungen) der untersuchten Gestalt beschreiben1320, identifiziert und dokumentiert, um neben der Kohärenz auch nach der Korrespondenz, das heißt der wechselseitigen Entsprechung zwischen der bereits betrachteten inneren Struktur und den identifizierten äußeren Bedingungen ihrer Existenz (den Rahmenbedingungen), fragen zu können: Befinden sich die innere Struktur der Gestalt und die Umweltbedingungen im Einklang oder fehlt eine Übereinstimmung und warum? Darauf basierend kann nun das Vorhandensein bzw. Fehlen einer erkennbaren Korrespondenz begrifflich erklärt und dokumentiert werden.1321 Ausgehend von den bisher gewonnenen Erkenntnissen auf Grundlage der Ermittlung von Praktiken, Funktionen, Struktur und Rahmenbedingungen sowie der daraus resultierenden begrifflichen Erklärung des Vorhandenseins bzw. Fehlens einer erkennbaren Kohärenz und Korrespondenz, lassen sich nun auch Aussagen über den Stabilitätszustand der untersuchten Gestalt zum Zeitpunkt der Beobachtung machen. Grundsätzlich gilt hierbei: Sind sowohl Kohärenz als auch Korrespondenz gegeben, dann befand sich die untersuchte Gestalt zum Zeitpunkt der Betrachtung in einem stabilen Zustand bzw. einer stabilen Phase. Kohärenz und Korrespondenz sind somit notwendige Bedingungen für die Stabilität bzw. die erfolgreiche Selbststabilisierung einer Gestalt.1322 Eine stabile Phase, wird auch als Ebene bezeichnet. Wie hierzu von Weizsäcker beschreibt: „Eine Ebene ist eine Situation der Stabilität. Ich spreche von einer Ebene, wenn eine Struktur oder ein Ding lange fortdauert, für lange Zeit stabil ist, […] das Phänomen ist sehr allgemein, viel allgemeiner als seine jeweiligen kausalen Erklärungen in verschiedenen Fällen. […] Eine Ebene zu sein, bedeutet für eine Struktur oder ein Ding gerade […] erfolgreich gewesen zu sein, in jenem ‚Kampf ums Fortdauern‘, den wir die Kette der Ereignisse nennen.“1323 Da ein kontinuierlicher Wechsel von Ebenen und Krisen als Grund1319
Vgl. insgesamt Dürr (a), S.6; Dürr (i), S. 5; Dürr (b), S. 6, S. 10 Vgl. u.a. Dürr (b), S. 6 f, S. 10; Dürr (a), S. 17 Vgl. Dürr (i), S. 6; Dürr (b), S. 7, S. 10 1322 Vgl. insgesamt Dürr (b), S. 6, S. 7; Dürr (a), S. 19 1323 Von Weizsäcker (f), S. 366 1320 1321
3.3 Forschungsmethodik
257
struktur des Geschehens in der Zeit angenommen wird1324, stellt die Schaffung bzw. Beibehaltung eines stabilen Zustands somit eine ständige Herausforderung einer jeden Gestalt dar. Nur wenn es der Gestalt gelingt, eine kohärente innere Struktur herzustellen, die den spezifischen Rahmenbedingungen entspricht oder wenn es ihr gelingt, die Rahmenbedingungen entsprechend zu beeinflussen, so dass die kohärente innere Struktur in Korrespondenz zu den äußeren Bedingungen der Existenz steht, dann befindet sich die betrachtete Gestalt in einer stabilen Phase. Fehlt die Korrespondenz und/oder die Kohärenz, sind dies Merkmale von Instabilität. Der Forschungsgegenstand befand sich dann zum Zeitpunkt der Beobachtung in einer erklärbaren Krise, das heißt in einer instabilen Phase.1325 Krisen sind Zeiträume, in denen stabile Gestalten vergehen, aus denen aber auch aufgrund von Veränderungen neue, differenziertere stabile Gestalten entstehen können (Gestaltwandel). Krisen sind demnach nicht per se negativ, sondern können positiv als Möglichkeit für das Entstehen neuer erfolgreicher stabiler Gestalten gesehen werden.1326 Die Einbeziehung von stabilisierenden und beeinträchtigenden Faktoren in die Analyse, das heißt, die zusätzliche Ermittlung und Dokumentation von Faktoren, die stabilisierend bzw. beeinträchtigend auf den Forschungsgegenstand einwirken, ermöglicht darüber hinaus eine weitere Präzisierung dieser Aussagen über den Stabilitätszustand der untersuchten Gestalt im zeitlichen Kontext. Die stabilisierenden und beeinträchtigenden Faktoren werden, genau wie zuvor die Praktiken, Funktionen, Struktur und die Rahmenbedingungen, den anfangs dokumentierten Phänomenen bzw. Fakten entnommen.1327 Stabilisierende Faktoren sind Phänomene, die stabilisierend auf den Untersuchungsgegenstand einwirken, das heißt kohärenz- und/oder korrespondenzfördernd sind. Sie können daher sowohl die betrachtete Gestalt selbst (also die innere Struktur) als auch deren Rahmenbedingungen betreffen. Das Vorhandensein stabilisierender Faktoren begründet allein jedoch keine stabile Gestalt. Die hier identifizierten Faktoren wirken sich vielmehr unterstützend aus und können auch in Krisenphasen erkennbar sein. Stabilisierende Faktoren können z.B. bestimmte Handlungen, Fähigkeiten, Ziele und Umstände etc. sein1328, die die Stabilität der betrachteten Gestalt positiv beeinflussen. 1324
Siehe hierzu auch die Ausführungen zur Theorie in Kapitel 3.2 Zum Ganzen vgl. Dürr/Aisenbrey (a), S. 98; Dürr (a), S.22; Dürr (b), S. 6, S. 10 und Dürr (c), S. 2; Dürr (i), S. 6; Dürr (g), S. 6 1326 Vgl. Dürr (a), S. 5, S. 18 1327 Vgl. Dürr/Aisenbrey (b), S. 2; Dürr (d), S. 3 1328 Vgl. Aisenbrey, S. 18, S. 70 1325
258
3 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information
Unter beeinträchtigenden Faktoren lassen sich hingegen alle individuellen Faktoren zusammenfassen, die die Instabilität der untersuchten Gestalt fördern alle Phänomene also, die sich negativ auf die Stabilität einer Gestalt auswirken. Sie können grundsätzlich sowohl die Kohärenz als auch die Korrespondenz beeinträchtigen. Beeinträchtigende Faktoren können nicht nur während einer instabilen Phase existieren, sondern auch dann vorhanden sein, wenn sich der Forschungsgegenstand gerade in einer stabilen Phase befindet. Beeinträchtigende Faktoren können bestimmte Handlungen, Fähigkeiten, Ziele und Umstände etc. sein, die die Stabilität der untersuchten Gestalt sichtbar negativ beeinflussen bzw. die Instabilität fördern.1329 Auf Basis der bisherigen Untersuchungsergebnisse wird es nun ebenfalls möglich, präzise Aussagen über die Kraft der Selbststabilisierung, mit anderen Worten den Ordnungsparameter der untersuchten Gestalt in der Zeit zu machen. Die begriffliche Darstellung der Kraft der Selbststabilisierung ist die Antwort auf die Fragen: Welche Kräfte einer Gestalt bewirken, dass sich zum einen die jeweiligen Praktiken, Funktionen und die Struktur wechselseitig bedingen, so dass Kohärenz entsteht, bzw. erhalten bleibt und sich zum anderen die innere Struktur der Gestalt und die spezifischen Umweltbedingungen entsprechen, so dass gleichzeitig auch eine Korrespondenz besteht bzw. erhalten bleibt? Welche Kräfte bewirken bzw. fördern diese Ordnung (Stabilität)? 1330 Wobei die Kraft der Selbststabilisierung, wie auch die formulierten Fragen verdeutlichen, nicht nur bestimmbar ist, wenn sich die betrachtete Gestalt in einer stabilen Phase befindet, sondern auch, wenn sich die Gestalt an einem Phasenübergang von einer instabilen Phase in eine Ebene befindet. Insgesamt zielt die Analyse der Kraft der Selbststabilisierung bzw. des Ordnungsparameters damit auf die begriffliche Darstellung derjenigen Kraft ab, die das Entstehen einer stabilen Gestalt aus einem vorher instabilen Zustand heraus (eben durch Selbststabilisierung) bewirkt bzw. zur Aufrechterhaltung von Stabilität beiträgt. Denn im Rahmen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information gilt in Anlehnung an von Weizsäcker: „Jedes stabile Ergebnis einer Fulguration muß eine ihm eigene Kraft der Selbststabilisierung haben, eine Korrespondenz seiner inneren Struktur zu den äußeren Bedingungen seiner Existenz.“1331
1329
Vgl. insgesamt auch Aisenbrey, S. 18, S. 70 Vgl. Dürr/Aisenbrey (b), S. 2; Dürr (d), S. 3 1331 Von Weizsäcker (e), S. 35 1330
3.3 Forschungsmethodik
259
3.3.3 Wahrscheinlichkeitsprognosen und Gestaltungsempfehlungen Erstellen von Wahrscheinlichkeitsprognosen Basierend auf den bislang gewonnenen Erkenntnissen lassen sich nun, über die bereits getroffenen Aussagen zum Stabilitätszustand der jeweils untersuchten Gestalt in der Vergangenheit (zum Zeitpunkt der Beobachtung) hinaus, auch konkrete Aussagen über den möglichen Stabilitätszustand des Untersuchungsgegenstandes in der Zukunft (Wahrscheinlichkeitsprognosen) theoretisch fundiert erstellen.1332 Denn es ist nach allen bisherigen Analyseschritten bekannt, in welchem Stabilitätszustand sich die betrachtete Gestalt zum Zeitpunkt der Beobachtung befand. Man weiß vor allem auch, welche Kräfte diese Gestalt besitzt, die ihre Selbststabilisierung vorantreiben bzw. aufrechterhalten (Kraft der Selbststabilisierung/ Ordnungsparameter) und insbesondere welche stabilisierenden und beeinträchtigenden Faktoren den jeweiligen Stabilitätszustand fördern bzw. ihm entgegenwirken. Darauf basierend lassen sich nun begründete Prognosen erstellen1333, ob und warum sich die Gestalt weiterhin in einer stabilen bzw. instabilen Phase halten oder in den jeweils anderen Zustand übergehen wird.1334 Diese Aussagen über die Zukunft einer Gestalt können jedoch realistischerweise nie mit Bestimmtheit formuliert werden, sondern immer nur als Wahrscheinlichkeitsprognosen, egal über wie viel Erfahrung und Wissen der Beobachter bezüglich der untersuchten Gestalt verfügt.1335 Denn aufgrund der grundsätzlich subjektiven Wahrnehmung der Beobachter und der großen, praktisch niemals vollständig erfassbaren Komplexität der Realität sowie wegen der Offenheit der Zukunft und der objektiven Möglichkeit des zufälligen Eintretens faktischer Ereignisse kann immer nur ein endliches Wissen erworben werden.1336 Formulieren von Gestaltungsempfehlungen Schließlich lassen sich auf Basis allen bisher gewonnenen Wissens auch Gestaltungsempfehlungen für die fokussierte Gestalt formulieren. Denn wenn nun bisher durch die Reduktion der anfangs wahrgenommenen und dokumentierten Phänomene im Rahmen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information kausale Erklärungen über Entwicklungszusammenhänge der betrachteten 1332
Vgl. Dürr (i), S. 4; Dürr (b), S. 11; Dürr (c), S. 1 Dürr (a), S. 20: „Prognosen sind differenzierte Vorhersagen über das Eintreten künftiger Ereignisse im Horizont des jeweils fokussierten Systems […].“ 1334 Vgl. Dürr (a), S. 20 1335 Vgl. Dürr (a), S. 17 1336 Vgl. Dürr (k), S. 12 1333
260
3 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information
Gestalt in der Vergangenheit gewonnen sowie basierend auf den Daten und Erklärungszusammenhängen auch begründete Prognosen über zukünftige Entwicklungen der untersuchten Gestalt erstellt wurden1337, dann können nun auch Gestaltungsempfehlungen für die Zukunft theoretisch basiert abgeleitet werden. Das heißt, es lassen sich aus den bereits identifizierten Abweichungen von einer Stabilität nachvollziehbar Gestaltungsmöglichkeiten ermitteln, über die die betrachtete Gestalt verfügt, um in einen gewünschten Zustand übergehen zu können bzw. diesen zu erhalten. Dabei lassen sich diese Gestaltungsempfehlungen, die also die konkreten Bedingungen für eine erfolgreiche Selbststabilisierung der betrachteten Gestalt nachvollziehbar aufzeigen, für die Interventionspalette Praktiken, Funktionen, Struktur und Rahmenbedingungen jeweils explizit benennen. Die spezifischen Gestaltungsempfehlungen, die sich, wie beschrieben, immer aus der ‚Reduktion’ der dokumentierten Phänomene ergeben, können im Sinne der Selbstorganisation bzw. -stabilisierung der Gestalt jedoch immer nur Empfehlungen sein. Schließlich obliegt es der jeweils betrachteten Gestalt selbst, zu entscheiden, welche Veränderungen künftig umsetzt werden sollen und diese Veränderungen auch eigenverantwortlich vorzunehmen (Gestaltungsebene). Basierend auf der hier zugrunde liegenden Annahme eines sich kontinuierlich vollziehenden Wechsels zwischen Ebenen und Krisen als „ein allgemeines Merkmal, eine Grundstruktur allen Geschehens in der Zeit“1338, muss eine fundierte Gestaltungsempfehlung zudem immer darauf ausgerichtet sein, die individuelle (Kraft der) Selbststabilisierung der fokussierten Gestalt in der Zeit, also nicht nur einmalig, sondern nachhaltig, zu fördern.
3.3.4 Superposition Wird eine Gestalt im Laufe der Zeit wiederholt betrachtet, so werden durch jede erneute Wahrnehmung und Analyse neue Erfahrungen gesammelt, was das bestehende Wissen über den Untersuchungsgegenstand immer wieder erweitert und es ermöglicht, die Gestalt umfassender zu erklären und komplexere Prognosen zu erstellen bzw. bisher nicht vorhandene Möglichkeiten, Wahrscheinlichkeitsprognosen über deren Zukunft zu formulieren. Denn durch die Einnahme dieser so genannten Superposition wird eine Überprüfung - eine Bestätigung bzw. Nicht-Bestätigung und gegebenenfalls Korrektur - der jeweils zuvor gemachten Prognose möglich und das Eintreten bzw. Nicht-Eintreten dieser Prognose durch nun neu gesammelte Erfahrungen bzw. neu gewonnenes Wissen begründbar, da die zu einem vergangenen Zeitpunkt erstellte Prognose mit der Zeit zu einem 1337 1338
Vgl. Dürr/Aisenbrey (a), S. 99; Dürr (b), S. 11 Dürr (k), S. 7
3.4 Abschließende Bemerkung
261
Faktum der Vergangenheit geworden ist.1339 Unabhängig davon, wie groß das Vorwissen über eine bestimmte Gestalt im Laufe der Zeit aber wird, kann die zukünftige Entwicklung eines Untersuchungsgegenstands realistischerweise dennoch niemals mit absoluter Bestimmtheit vorhergesagt werden.
3.4 Abschließende Bemerkung In diesem Kapitel sind zunächst die theoretischen Grundlagen der über einen sehr hohen Allgemeinheitsgrad verfügenden, umfassenden Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information nach Walter Dürr vorgestellt worden. Darüber hinaus wurde die mit dieser Theorie verbundene Forschungsmethodik beschrieben, die eine deduktive empirische Sozialforschung ermöglicht und dabei grundsätzlich von der Individualität der betrachteten Gestalten ausgeht. Insgesamt wurde aufgezeigt, wie es im Rahmen der dargestellten Theorie und der auf sie bezogenen deduktiven empirischen Forschungsmethodik möglich wird, den Prozess der Selbststabilisierung auch gerade sehr komplexer Gestalten in der Zeit zu erklären bzw. die Bedingungen für die Selbststabilisierung einer konkreten Gestalt in der Zeit zu untersuchen. Es wurde dargestellt, wie es dem Betrachter möglich wird, nicht nur den konkreten Zustand eines Forschungsgegenstands in der Vergangenheit (zum Zeitpunkt der Beobachtung) zu beschreiben, sondern auch theoretisch fundiert zu erklären sowie darüber hinaus begründete Wahrscheinlichkeitsprognosen über die zukünftige Entwicklung der fokussierten Gestalt systematisch zu erstellen und schließlich präzise, individuelle Gestaltungsempfehlungen allgemein nachvollziehbar abzuleiten. Zudem wurde verdeutlicht, dass es die Theorie aufgrund ihres hohen Allgemeinheitsgrads auch ermöglicht, eine einheitliche, systematische Analyse ganz verschiedener Forschungsgegenstände vorzunehmen. So können beispielsweise einzelne Personen, Gruppen bzw. Teams und Unternehmen ebenso wie z.B. komplexe sozialwissenschaftliche Phänomene wie das Coaching mit Hilfe der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information und der sich darauf begründenden Forschungsmethodik umfassend und zugleich einheitlich analysiert werden, ohne dazu auf verschiedene Theorien zurückgreifen zu müssen. Im Folgenden wird nun auf Grundlage der hier vorgestellten Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information und der mit ihr verbundenen Forschungsmethodik das in Kapitel 2 bereits mit Wortgemälden ausführlich beschriebene Phänomen ‚Coaching’ umfassend und logisch stringent analysiert. Es 1339
Vgl. u.a. Dürr (d), S. 3; Dürr (f), S. 1
262
3 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information
werden die derzeitige1340 tatsächliche Leistungsfähigkeit und Qualität dieses Personalentwicklungsinstruments, die sich, mit den Worten der Theorie gesprochen, aus der Bestimmung des Stabilitätszustands, also aus dem Vorhandensein bzw. Fehlen von Kohärenz und Korrespondenz des Coachings, ergeben1341, theoretisch fundiert ermittelt und erklärt. Dabei werden auch die Stärken und Schwächen des Coachings präzise aufgezeigt. Wobei sich als Stärken im Rahmen der Theorie alle die die Stabilität bzw. Selbststabilisierung der betrachteten Gestalt begründenden und fördernden Faktoren und Zusammenhänge bezeichnen lassen.1342 Als Schwächen können hingegen, mit den Worten der Theorie gesprochen, die im Rahmen der Analyse identifizierten Abweichungen der untersuchten Gestalt von einer Stabilität bezeichnet werden, das heißt im Einzelnen, die im Rahmen der Analyse konkret ermittelten Gründe für eine fehlende Kohärenz, für eine fehlende Korrespondenz sowie die insgesamt beeinträchtigend wirkenden Faktoren. Ferner werden Wahrscheinlichkeitsprognosen über die zukünftige Entwicklung des Coachings nachvollziehbar erstellt und abschließend aus den im Rahmen der Analyse identifizierten Abweichungen des Coachings von einer Stabilität auch konkrete Bedingungen für die erfolgreiche Stabilisierung des Coachings, also für die zukünftige Steigerung der Leistungsfähigkeit und Qualität des Coachings, in Form von Gestaltungsempfehlungen allgemein systematisch abgeleitet.
1340
‚Derzeitig’ meint hier ‚zum Zeitpunkt der Beobachtung’. Wie bereits beschrieben, gelten Kohärenz und Korrespondenz im Rahmen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information als die notwendigen Bedingungen für die Stabilität bzw. die erfolgreiche Selbststabilisierung einer Gestalt und lassen sich daher umgangssprachlich auch als Kriterien für die Leistungsfähigkeit bzw. den Erfolg und die Qualität des Coachings bezeichnen. 1342 Konkret handelt es sich um die erkennbaren Gründe für das Bestehen einer Kohärenz und Korrespondenz sowie die identifizierten stabilisierenden Faktoren. 1341
4 Analyse des Coachings anhand der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information
4.1 Einführung In diesem Kapitel wird nun anhand der zuvor dargestellten Theorie und der mit ihr verbundenen systematischen Forschungsmethodik das bereits in Kapitel 2 ausführlich beschriebene Phänomen Coaching analysiert. Die derzeitige Leistungsfähigkeit und Qualität des als modern und innovativ geltenden Personalentwicklungsinstruments Coaching werden untersucht und die Untersuchungsergebnisse erklärt.1343 Dazu werden auch die Stärken1344 und Schwächen1345 des Coachings theoretisch fundiert ermittelt. Ferner lassen sich (Wahrscheinlichkeits-)Prognosen über die zukünftige Entwicklung des Coachings erstellen sowie die Bedingungen für eine zukünftige Steigerung der Leistungsfähigkeit bzw. des Erfolgs und für eine Verbesserung der Qualität des Coachings in Form von Gestaltungsempfehlungen allgemein nachvollziehbar ableiten. Grundsätzlich wird gemäß der im vorangegangenen Kapitel beschriebenen deduktiven empirischen Forschungsmethodik im Rahmen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information immer zunächst mit der Wahrnehmung und Dokumentation von Phänomenen und Fakten aus dem Untersuchungsfeld, hier dem Coaching, begonnen. Nachdem diese Datenerhebung bereits in Kapitel 2 ‚Was ist Coaching?’ abschließend erfolgt ist, kann daran anschließend hier 1343 Die derzeitige Leistungsfähigkeit und Qualität des Coachings ergeben sich dabei, mit den Worten der Theorie gesprochen, aus der Ermittlung des Stabilitätszustands des Coachings, also aus dem Vorhandensein bzw. Fehlen von Kohärenz und Korrespondenz. Kohärenz und Korrespondenz gelten im Rahmen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information als die notwendigen Bedingungen für die (Selbst-)Stabilisierung einer Gestalt (auch als Stabilitätskriterien bezeichnet) und somit als Kriterien für die Leistungsfähigkeit bzw. den Erfolg und die Qualität des Coachings. 1344 Als Stärken können im Rahmen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information alle die Stabilität bzw. die Selbststabilisierung der betrachteten Gestalt begründenden und fördernden Faktoren und Zusammenhänge bezeichnet werden; konkret sind dies die erkennbaren Gründe für das Bestehen einer Kohärenz und Korrespondenz sowie die identifizierten stabilisierenden Faktoren. 1345 Als Schwächen können, mit den Worten der Theorie gesprochen, die im Rahmen der Analyse identifizierten Abweichungen der untersuchten Gestalt von einer Stabilität bezeichnet werden, das heißt im Einzelnen die Gründe für eine fehlende Kohärenz, die Gründe für eine fehlende Korrespondenz sowie die insgesamt beeinträchtigend wirkenden Faktoren.
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4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie
nun im zweiten Schritt mit der theoretischen Analyse eben dieser bereits beschriebenen und dokumentierten Phänomene fortgefahren werden. Erst durch diese Analyse, das heißt mittels der Interpretation des zuvor Beschriebenen, auf der Grundlage der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information erhalten die bisherigen Begriffe bzw. Wortgemälde (einschließlich des Coachingbegriffs) ihren eindeutigen Sinn.1346 Konkret werden im Folgenden bei der Analyse des Coachings zunächst die zuvor dokumentierten Phänomene auf die in ihnen erkennbaren Praktiken, Funktionen und die sie ermöglichende Struktur hin untersucht sowie die Rahmenbedingungen identifiziert. So wird eine begriffliche Erklärung von Kohärenz und Korrespondenz - den Stabilitätskriterien bzw. den Kriterien für den Erfolg, die Leistungsfähigkeit und Qualität des Coachings - zum Zeitpunkt der Beobachtung möglich. Danach werden die auf das Coaching allgemein stabilisierend bzw. beeinträchtigend wirkenden Faktoren aus den dokumentierten Phänomenen herausgearbeitet sowie konkrete Aussagen über den Stabilitätszustand des Forschungsgegenstandes und die Kraft der Selbststabilisierung, den Ordnungsparameter, gemacht. Die anschließend erstellten Prognosen bezüglich der zukünftigen Entwicklung des Coachings werden in Form von Wahrscheinlichkeitsaussagen formuliert. Schließlich lassen sich aus den im Rahmen der Analyse erkannten Abweichungen von einer Stabilität des Coachings konkrete Gestaltungsempfehlungen für die künftige Entwicklung des Coachings systematisch und allgemein nachvollziehbar ableiten. Diese Gestaltungsempfehlungen können für die Interventionspalette Praktiken, Funktion, Struktur und Rahmenbedingungen jeweils explizit formuliert werden. Ein konkreter Vorschlag zur Umsetzung der in diesem Kapitel abschließend formulierten Gestaltungsempfehlungen bezüglich einer bisher im Coaching noch fehlenden einheitlichen konzeptionellen Grundlage (Coachingmethodik) wird im nächsten Kapitel erarbeitet und skizziert.
4.2 ‚Reduktion’ der Phänomene des Coachings im Rahmen der Theorie und Erklärung 4.2 ‚Reduktion’ der Phänomene des Coachings im Rahmen der Theorie Die in Kapitel 3.3 beschriebene Forschungsmethodik im Rahmen der Nichtklassisch, synergetischen Theorie der Information basiert, wie bereits aufgezeigt, auf einer phänomenologischen Herangehensweise und einer anschließenden Deutung der zuvor wahrgenommenen und umgangssprachlich beschriebenen Phänomene auf theoretischer Basis. Bei der im ersten Schritt in Kapitel 2 erfolg1346
Vgl. von Weizsäcker (f), S. 133 ff; von Weizsäcker (c), S. 624; Dürr (i), S. 1, S. 5; Dürr (h), S. 31, S. 39
4.2 ‚Reduktion’ der Phänomene des Coachings im Rahmen der Theorie
265
ten Datenerhebung wurden zunächst alle wahrnehmbaren Phänomene und Fakten aus dem Untersuchungsfeld in gleicher Weise berücksichtigt und dokumentiert. Es wurde die Personalentwicklungsmaßnahme ‚Coaching’ in ihrer wahrnehmbaren Gesamtheit beschrieben, ohne vorab zu bewerten und zu deuten. Erst die sich im zweiten Schritt an die Datenerhebung hier nun anschließende ‚Reduktion’ der beobachteten und dokumentierten Phänomene des Coachings auf Basis der gewählten Theorie entscheidet über deren Relevanz. Dabei bedeutet ‚Reduktion’ jedoch keinesfalls, dass Informationen verloren gehen. ‚Reduktion’ bedeutet vielmehr, die komplexe Realität eines Untersuchungsgegenstands - hier des Coachings - durch die zuvor wahrgenommenen und dokumentierten Phänomene mit Hilfe der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information ‚nichtlinear zu modellieren’, also auf den Zustand der Selbststabilisierung hin zu befragen, mit anderen Worten, so ‚zu betrachten‘ bzw. ‚zu komprimieren‘, also auf einfachere Zusammenhänge ‚zurückzuführen‘, dass es möglich wird, die Situation der untersuchten Gestalt theoretisch fundiert zu erklären. Grundsätzlich wird bei dieser theoretisch fundierten Analyse im Rahmen der hier angewandten systematischen, logisch methodischen, reduktiven Vorgehensweise stets auf die zuvor dokumentierten Phänomene zurückgegriffen. Der Fokus der Betrachtung liegt im Folgenden auf dem Gesamtphänomen ‚Coaching’ als Personalentwicklungsinstrument. Das heißt, die folgende Auswertung der zuvor dokumentierten Phänomene ist hier auf das Coaching als Ganzes fokussiert.1347 Aussagen im Rahmen der folgenden Analyse, beispielsweise zum Stabilitätszustand, beziehen sich somit ausschließlich auf die Maßnahme insgesamt und nicht auf einen konkreten Einzelfall. Dies bedeutet, dass sich das Coaching als Gesamtphänomen, auf der Meta-Ebene analysiert, zum Zeitpunkt der Beobachtung beispielsweise in einem instabilen Zustand befinden kann, während sich eine individuell betrachtete, einzelne Coachingmaßnahme unter den besonderen Bedingungen des Einzelfalls durchaus als stabil erweisen kann. Umgekehrt ist es ebenso möglich, dass sich das Coaching als Personalentwicklungsinstrument insgesamt betrachtet als stabil erweist, während sich ein Coaching im Ein1347
Durch die an dieser Stelle vorgenommene Fokussierung wird der Betrachtungsgegenstand genau festgelegt. Der gesetzte Fokus bildet die Grundlage für die Entscheidung, welche der dokumentierten Phänomene als Bestandteile der betrachteten Gestalt selbst gelten (also der inneren Struktur der fokussierten Gestalt zuzuordnen sind) und welche der Umwelt, das heißt den Rahmenbedingungen der Gestalt, zuzuordnen sind. Wobei aber sowohl die dokumentierten Phänomene, die als Bestandteile der Gestalt identifiziert werden, als auch die Phänomene, die die Umwelt der jeweiligen Gestalt beschreiben, im Rahmen der Analyse mit Hilfe der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information ihre Berücksichtigung finden (entweder bei der Erklärung der Kohärenz oder der Korrespondenz). Tatsächlich von der Auswertung ausgeschlossen ist nur das, was der Betrachter zum Zeitpunkt der Beobachtung nicht weiß.
266
4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie
zelfall zur gleichen Zeit unter den konkreten, individuellen Bedingungen durchaus in einem instabilen Zustand befinden kann und seine Funktion nicht erfüllt.
4.2.1 Identifizieren von Praktiken, Funktionen und Struktur des Coachings Zunächst wird im Rahmen der theoretisch basierten Reduktion der Phänomene die innere Struktur des Coachings genauer untersucht. Dazu werden aus den in Kapitel 2 dokumentierten Phänomenen zuerst die Praktiken, also die Handlungsweisen, des Coachings ermittelt, bevor nach ihrem Sinn, ihrer Funktion, gefragt wird und darauf folgend nach der erkennbaren Struktur, die die zuvor erkannten Praktiken und Funktionen erst ermöglicht. Grundsätzlich werden sowohl die Praktiken als auch die Funktionen und die Struktur des Coachings dabei ausschließlich aus den dokumentierten Phänomenen herausgearbeitet.
4.2.1.1 Praktiken Die im Folgenden dokumentierten Praktiken beschreiben alle Handlungsweisen der betrachteten Gestalt. Sie bezeichnen keine einzelnen, einmaligen Handlungen, sondern wiederkehrende Handlungen, also Handlungsmuster, die über einen längeren Zeitraum und auch noch gegenwärtig angewendet werden.1348 Die Praktiken des Coachings ergeben sich dabei speziell aus den Handlungsweisen der am Coaching beteiligten Personen und deren jeweiliger Rolle im Coaching. So zählen zum Beispiel zu den Handlungsweisen „auch alle [regelmäßig wiederkehrenden] beobachtbaren Formen der Kommunikation“1349. Allgemein lautet die Standardfrage zur Identifizierung der Praktiken: „Was wird getan?“1350 Zudem besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass einzelne Phänomene nicht nur den Praktiken, sondern zugleich auch den Funktionen zuzuordnen sind. Das heißt, „dass es aufgrund der Möglichkeiten der Sprache Formulierungen gibt, die gleichermaßen eine Praktik und eine Funktion beschreiben. Dadurch können kaskadenartige Zusammenhänge zwischen bestimmten Praktiken und Funktionen entstehen. Dies entspricht einer Vernetzung von über- und unter-
1348
Vgl. insgesamt u.a. Dürr (a), S. 18; Dürr (b), S. 6 Dürr (a), S. 18; Dürr (b), S. 6 1350 Aisenbrey, S. 69 1349
4.2 ‚Reduktion’ der Phänomene des Coachings im Rahmen der Theorie
267
geordneten Bedeutungen und Handlungen […].“1351 So hat sich z.B. gezeigt, dass verschiedene Verben neben ihrer Tätigkeitsbezeichnung auch eine Funktion bei sich führen und damit gleichzeitig den Praktiken und den Funktionen zuzuordnen sind.1352 (Vgl. insgesamt hierzu auch genauer die Ausführungen zu den Funktionen des Coachings in Kapitel 4.2.1.2) Aus der phänomenologischen Beschreibung der Rolle des Coachs als ‚Entwicklungshelfer zur Selbsthilfe’ in Kapitel 2.5.1 lassen sich folgende Praktiken identifizieren: Der Coach fördert den Klienten in seiner persönlichen Entwicklung, er hilft ihm zu lernen und begleitet ihn in seinem persönlichen Entwicklungs- bzw. Lernprozess. Der Coach unterstützt den Klienten zu lernen, sich selbst zu helfen. Er regt ihn partnerschaftlich-wertschätzend zur Selbstorganisation an. Der Coach begleitet den Klienten, ohne selbst aktiv lenkend bzw. problemlösend einzugreifen. Er erteilt keine ‚klugen Ratschläge’, sondern agiert als unabhängiger Berater im Sinne eines Moderators und Dialogpartners. Der Coach unterstützt den Klienten individuell in dessen persönlichem Selbststabilisierungsprozess. Hierzu erweitert er die Wahrnehmung und das Bewusstsein (bezüglich der eigenen Person und Situation) des Klienten, er fördert den Erwerb neuer Kompetenzen der Situationsdiagnostik bzw. der Selbstklärung sowie die kreative Problemlösungsfähigkeit und regt das selbständige Entwickeln von Handlungsalternativen an. Der Coach fördert so die Selbstgestaltungspotentiale und erhöht die Bereitschaft zur bewussten Selbstveränderung. Der Coach hilft dem Gecoachten also, bestehende Fähigkeiten auszubauen bzw. neue Fähigkeiten zu entwickeln. So gibt er Hilfestellung bei der Umsetzung und Anwendung von Fähigkeiten des kognitiven Wissens in ausgewählten schwierigen oder neuen Situationen und unterstützt den Klienten ebenso bei der Umsetzung neuer bzw. veränderter Handlungsweisen. Der Coach lehrt den Klienten den Umgang mit Konflikten und Widerständen im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe und macht sich damit schließlich selbst überflüssig. Das heißt, der Coach berät und fördert seinen Klienten derart, dass der Coach letztendlich selbst nicht mehr benötigt wird. Der Coach vermeidet alles, was den Klienten von ihm abhängig machen würde. Er steuert den Beratungsprozess so, dass der Gecoachte selbst neue Möglichkeiten erkennt und zu nutzen lernt. Ähnlich wie im Sport, bereitet der Coach den Klienten auch im Arbeitsle1351 1352
Aisenbrey, S. 67 Vgl. Aisenbrey, S. 69
268
4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie
ben fachlich und mental auf gegenwärtig und zukünftig eigenständig zu erbringende Leistungen vor. Dementsprechend wendet der Coach auch keine manipulativen Techniken sondern transparente (Interventions-)Methoden an, die er dem Klienten auch beschreibt und begründet. Beispielsweise regt der Coach den Klienten dadurch, dass er ihm gezielt Fragen stellt, zum selbständigen Suchen nach Lösungsmöglichkeiten an. Auch aus den in Kapitel 2.5.2 dokumentierten Phänomenen, die die verschiedenen Anforderungskriterien an einen Coach beschreiben, lassen sich Handlungsweisen herausarbeiten: Der Coach nimmt immer eine unvoreingenommene und unabhängige Position ein. Er geht offen und ohne Vorurteile auf den Klienten zu. Der Coach vertritt keine fremden Interessen, sondern gibt stets neutrale Rückmeldungen, die nicht z.B. politisch oder ideologisch orientiert sind. Der Coach agiert ehrlich und authentisch und bringt sich auch selbst als Person ein (kein distanziertes Aushorchen). Er handelt gegenüber dem Klienten wertschätzend und schafft Vertrauen. Der Coach nimmt insgesamt eine positivwertschätzende und partnerschaftliche Grundhaltung ein und fördert Ruhe und Zuversicht. Der Coach agiert diskret und ist absolut verschwiegen, das heißt er gibt vertrauliche Informationen nicht an Dritte weiter. Der Coach fördert gegenseitige Akzeptanz und ein angstfreies, offenes Klima, das heißt er ermutigt den Klienten zur Offenheit. Er schafft eine grundsätzlich spannungsfreie Situation und handelt sensibel und einfühlsam. Zugleich thematisiert der Coach aber auch gegebenenfalls für den Klienten unangenehme Themen, indem er den Klienten z.B. mit dessen Schwächen konfrontiert. Der Coach geht also auch konstruktive Konflikte mit dem Klienten ein. Der Coach begegnet dem Klienten als Partner in einem Dialog und unterstützt ihn durch geschickte Gesprächsführung in der Selbsthilfe. Der Coach führt mit dem Klienten Gespräche und hört ihm zu, er beobachtet und nimmt den persönlichen und beruflichen Kontext des Klienten wahr. Der Coach interessiert sich für den Klienten und den unternehmerischen bzw. beruflichen Kontext des Klienten.
4.2 ‚Reduktion’ der Phänomene des Coachings im Rahmen der Theorie
269
Der Coach strukturiert und versteht die Zusammenhänge und berät den Klienten in der Wahrnehmung seiner beruflichen Rolle. Er bewertet nicht. Ferner animiert der Coach den Klienten im Laufe des Prozesses, immer mehr über sein eigenes Verhalten und seine Situation zu lernen, entsprechend z.B. neue Handlungsalternativen zu entdecken und das Selbstmanagement zu fördern. Der Coach moderiert den individuellen Lernprozess des Klienten. Dabei nimmt er verschiedene Perspektiven ein und denkt interdisziplinär. Der Coach handelt bzw. berät individuell und flexibel je nach Klientenanliegen. Er stellt sich auf die individuelle Situation des Klienten ein. Der Coach stellt sicher, dass das Coaching vom Klienten freiwillig gewollt ist. Der Coach bildet sich regelmäßig weiter. Der Coach reflektiert sich und sein Verhalten regelmäßig selbst. Er reflektiert seine Verhaltensweisen und seine eigenen emotionalen Belastungen mit einer neutralen Person (regelmäßige Supervision). Der Coach setzt sich mit seinen eigenen Stärken und Schwächen auseinander und geht verantwortungsvoll damit um. Folglich lehnt er auch einen Auftrag ab, den er als Coach aus seiner Sicht selbst nicht erfüllen kann. Über die bereits herausgearbeiteten Praktiken hinaus können weitere Handlungsweisen auch aus der Beschreibung von Coachingprozessen in Kapitel 2.7 identifiziert werden. Aus dem dort auf Meta-Ebene phänomenologisch beschriebenen Coachingverlauf sind folgende Praktiken zu erkennen, die sowohl Handlungsweisen von Coachs als auch von Klienten im Coaching beschreiben: Vorphase (siehe hierzu Kapitel 2.7.1): Nachdem die Klienten ihren Coachingbedarf grundsätzlich wahrgenommen haben, stellen sie den ersten Kontakt zu einem Coach her. Coach und Klient führen ein erstes Gespräch und lernen sich gegenseitig kennen. Sie tauschen alle für einen möglichen Auftrag wichtigen Informationen aus. Das heißt, der Klient beschreibt seine Situation und sein Anliegen. Der Coach hört zu, hinterfragt und macht sich ein erstes Bild. Er bespricht mit dem Klienten die Möglichkeiten und auch Grenzen des Coachings und erläutert dem Klienten seine Arbeitsweise. Coach und Klient klären ihre Erwartungen, wobei der Coach
270
4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie
seine besondere Rolle als Entwicklungshelfer zur Selbsthilfe herausstellt, um eventuelle unrealistische Vorstellungen des Klienten bereits vorab zu klären. Coach und Klient prüfen, ob das Coaching für den konkreten Fall die geeignete Maßnahme ist und treffen ihre jeweilige Entscheidung, ob sie das Coaching gemeinsam durchführen wollen. Gegebenenfalls schließen sie einen Vertrag ab, in dem sie wichtige formale Aspekte des Coachings schriftlich vereinbaren (Art des Coachings, Anzahl der Sitzungen, zeitlicher Rahmen, Kosten etc.). Ferner wird in der Regel auch ein sogenannter ‚psychologischer Vertrag’ abgeschlossen, in dem die Beteiligten individuell vereinbaren, ob und wozu, auf welche Weise und unter Beachtung welcher Spielregeln das Coaching stattfinden soll. Hauptphase (siehe hierzu Kapitel 2.7.2): Anliegen konkretisieren bzw. Ziele formulieren: Gemeinsam mit dem Coach versucht der Klient, sein Anliegen und gegebenenfalls seine Ziele so konkret wie möglich zu formulieren. Sind die Anliegen des Klienten infolge einer eingeschränkten Wahrnehmung jedoch relativ diffus - was in der Regel der Fall ist - dann müssen die Anliegen erst gemeinsam herausgefunden werden. Ausgangssituation klären (Situation besprechen und analysieren): Coach und Klient klären gemeinsam die Ausgangssituation. Der Klient berichtet, er beschreibt ausführlich seine aktuelle Situation und sein Anliegen. Der Coach hört dem Klienten zu und nimmt die Informationen zur Situation und der Person des Klienten wahr. Er unterbricht aber auch den Erlebensprozess des Klienten, z.B. um Fragen zu stellen. Der Coach hört aktiv zu, er fragt nach, stellt Rückfragen und tiefergehende Fragen. Damit fördert der Coach zum einen die Wahrnehmung und das Bewusstsein des Klienten bezüglich dessen eigener Situation und Person; zum anderen lernt der Coach die aktuelle persönliche und berufliche Situation des Klienten besser kennen und verstehen. Er denkt und fühlt sich in die Welt des Klienten hinein. Coach und Klient analysieren die Ausgangssituation und identifizieren mögliche Problemursachen. Sie setzen die Informationen in Beziehung zueinander und deuten das Wahrgenommene. Der Klient erweitert seine Wahrnehmung und erlernt neue Deutungsmuster, das heißt, er lernt seine Situation zu erklären und zu verstehen. Gegebenenfalls überprüft er in Folge noch einmal seine bereits formulierten Ziele. Lösungsmöglichkeiten erarbeiten und umsetzen: Der Klient lernt, selbständig neue Lösungswege zu entwickeln, er erarbeitet alternative Vorgehensweisen selbst. Unterstützt durch den Coach sammelt, be-
4.2 ‚Reduktion’ der Phänomene des Coachings im Rahmen der Theorie
271
spricht und prüft der Klient verschiedene Lösungsmöglichkeiten, wählt aus und setzt die Veränderung(en) um. Während des gesamten Coachingprozesses handelt der Klient eigenverantwortlich. Der Coach unterstützt und begleitet den Lernprozess des Klienten. Er behält den Überblick und die Orientierung. Abschlussphase (siehe hierzu Kapitel 2.7.3): Coach und Klient treffen gemeinsam die Entscheidung zur Beendigung des Coachings. Der Coach bereitet den Abschluss des Coachings, ebenso wie den Beginn der Maßnahme, sorgfältig und professionell vor. Coach und Klient beenden das Coaching, indem sie auf den gemeinsam beschrittenen Weg noch einmal zurückblicken. Sie reflektieren und bewerten den abgelaufenen Prozess, die Zusammenarbeit und die Ergebnisse des Coachings (Evaluation) und schauen gemeinsam in die Zukunft. So wird z.B. besprochen, ob und wie der Klient seine Vorhaben erreicht hat und was ihn dazu befähigt, sich künftig bei anderen Zielen und neuen Problemsituationen selbst zu helfen. Ferner gibt der Klient dem Coach Feedback über die Zusammenarbeit. Coach und Klient planen nach Abschluss des Coachings im zeitlichen Abstand von einigen Monaten gegebenenfalls ein weiteres Gespräch. Schließlich können auch aus den insbesondere in Kapitel 2.7.4 beschriebenen methodischen Vorgehensweisen von Coachs Praktiken herausarbeitet werden: Grundsätzlich lassen sich dabei definitionsgemäß als Praktiken nur diejenigen Coachingmethoden - zur Gesprächsführung, Analyse etc. - identifizieren, die wiederkehrende Handlungen (Handlungsmuster) im Coaching beschreiben, also über einen längeren Zeitraum und auch noch gegenwärtig üblicherweise von Coachs angewendet werden. Dementsprechend lassen sich zwar ganz allgemein die verbale Kommunikation und damit das Führen von Gesprächen mit den Klienten (im Rahmen der bisher auch bereits dokumentierten Praktiken1353) als grundlegende methodische Handlungsmuster von Coachs erkennen, weitere konkretere Methoden - auch zur Analyse der Situation und Person des Klienten - können den Praktiken jedoch nicht zugeordnet werden.
1353
Z.B.: Der Klient erzählt, der Coach hört aktiv zu und fragt nach etc.
272
4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie
Vielmehr ist zu erkennen, dass Coachs je nach ihrer Person, z.B. ihrer spezifischen Ausbildung und Erfahrung, sowie je nach der individuellen Situation im Coaching sehr viele unterschiedliche Methoden individuell (uneinheitlich) anwenden. Das heißt, insgesamt setzen Coachs eine unüberschaubare Vielzahl von Coachingmethoden mit je unterschiedlichem theoretischen bzw. auch theorielosem Hintergrund flexibel, situativ und individuell auf je unterschiedliche Weise ein (zum Teil eklektisches Vorgehen). Zum Beispiel kombinieren sie verschiedene Methoden je nach individuellem Ermessen oder entwickeln diese beliebig weiter.
4.2.1.2 Funktionen Die hier als Funktionen identifizierten Phänomene beschreiben den erkennbaren Sinn der Praktiken des Coachings.1354 Grundsätzlich gelten auch Wünsche und Ziele als sinnstiftend und somit als Funktionen, also als erkennbarer Sinn von Handlungsweisen.1355 Ein als Funktion erkanntes Phänomen muss dabei jedoch nicht notwendigerweise einer der bereits benannten Praktiken zuordenbar sein. Denn ebenso wie zuvor die Handlungsweisen werden auch die Funktionen ausschließlich direkt aus den dokumentierten Phänomenen entnommen. Die Standardfrage zur Identifizierung der Funktionen lautet: „Warum wird etwas getan?“1356 Wie sich im Folgenden zeigen wird, können innerhalb der insgesamt herausgearbeiteten Funktionen bei genauerer Betrachtung auch verschiedene Ebenen von Funktionen existieren, die zugleich in engem Zusammenhang zueinander stehen. Anhand des folgenden Beispiels, zitiert aus Kapitel 2.3, soll dies kurz verdeutlicht werden. Dort heißt es: „Coaching zielt immer auf eine (auch präventive) Förderung von Selbstreflexion und -wahrnehmung, Bewusstsein und Verantwortung, um so Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Die Selbstwahrnehmung des Gecoachten soll gefördert werden, d.h. […].“1357 Im Folgenden werden in diesem Zitat zur Verdeutlichung nun alle identifizierten Funktionen durch Unterstreichungen markiert, die erkennbare übergeordnete Funktion ist zusätzlich kursiv gekennzeichnet: 1354
Vgl. u.a. Dürr (a), S. 18; Dürr (b), S. 6 Vgl. Aisenbrey, S. 67 1356 Aisenbrey, S. 69 1357 Rauen (c), S. 3 1355
4.2 ‚Reduktion’ der Phänomene des Coachings im Rahmen der Theorie
273
„Coaching zielt immer auf eine (auch präventive) Förderung von Selbstreflexion und –wahrnehmung, Bewusstsein und Verantwortung, um so Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Die Selbstwahrnehmung des Gecoachten soll gefördert werden, d.h. […].“ Wie dieses Beispiel verdeutlicht, lassen sich somit über die Hilfe zur Selbsthilfe als übergeordnete Funktion hinaus, noch weitere, konkretisierende Funktionen des Coachings aus den Phänomenen identifizieren. Zugleich zeigt dieses Beispiel auch - wie bereits im Rahmen der Praktiken des Coachings kurz angesprochen wurde - dass es grundsätzlich Phänomene gibt, die sich sowohl den Praktiken als auch den Funktionen zuordnen lassen. Das heißt, „dass es aufgrund der Möglichkeiten der Sprache Formulierungen gibt, die gleichermaßen eine Praktik und eine Funktion beschreiben.“1358 Dementsprechend beschreiben die im oben angeführten Beispiel durch Unterstreichungen markierten, präzisierenden Funktionen gleichzeitig auch Handlungsweisen und sind im vorangegangenen Kapitel demzufolge auch bereits den Praktiken zugeordnet worden: Was wird im Coaching getan? Die Selbstreflexion und -wahrnehmung, das Bewusstsein und die Verantwortung werden gefördert. (Praktiken) Warum wird dies getan? Um so Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. (Funktion) Schließlich können aufgrund dieser Möglichkeit, dass einzelne Phänomene sowohl den Praktiken als auch den Funktionen zuzuordnen sind, auch „kaskadenartige Zusammenhänge zwischen bestimmten Praktiken und Funktionen entstehen. Dies entspricht einer Vernetzung von über- und untergeordneten Bedeutungen und Handlungen […].“1359 Am folgenden Beispiel soll das Beschriebene kurz verdeutlicht werden (P=Praktik, F=Funktion): Der Coach stellt dem Klienten gezielt Fragen (P), um dessen Wahrnehmungsfähigkeit und Bewusstsein zu fördern (F). Der Coach fördert die Wahrnehmungsfähigkeit und das Bewusstsein des Klienten (P), damit dieser lernt, sich selbst zu helfen (F). Der Coach greift selbst nicht lenkend oder problemlösend in den Entwicklungsprozess des Klienten ein (P). Er stellt dem Klienten gezielt Fragen (P), um die Selbstregulationsfähigkeit des Klienten zu unterstützen (F). Der Klient soll auf diese Weise lernen, wie er sich selbst helfen kann, auch in zukünftigen Ernstsituationen (F).
1358 1359
Aisenbrey, S. 67 Aisenbrey, S. 67
274
4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie
Insgesamt sind die Funktionen des Coachings ausführlich vor allem in Kapitel 2.3 „Der Grundgedanke der ‚Hilfe zur Selbsthilfe’ im Coaching“ als Phänomene dokumentiert. Darüber hinaus sind Coachingfunktionen auf individueller Ebene auch in Kapitel 2.4 „Mögliche Anlässe für Coachings“ beschrieben. Im Folgenden werden nun zunächst die aus Kapitel 2.3 zu identifizierenden Funktionen des Coachings dokumentiert: Als grundlegende, allgemeine Funktion des Coachings lässt sich hier die Hilfe zur Selbsthilfe erkennen: Die Klienten sollen im Coaching lernen, sich selbst zu helfen - sowohl in den jeweils konkreten aktuellen als auch zukünftigen (Problem-)Situationen. Das heißt, Coaching ist keine Einmal-Hilfe, sondern soll den Klienten darin unterstützen, sich auch auf Dauer gesehen selbst zu helfen - im Sinne einer nachhaltigen Hilfe zur Selbsthilfe. So soll der Gecoachte nach dem Coaching seine (problematisch erscheinenden) Anliegen allein bewältigen können und sich als souveräner Gestalter in seinem Umfeld bewegen. Der Coach wird somit schließlich überflüssig. Coaching soll ferner als individualspezifische Personalentwicklungsmaßnahme immer am unmittelbaren Anliegen des jeweiligen Klienten, an seiner konkreten Person und spezifischen Situation individuell ausgerichtet sein. Coaching leistet also individuelle Hilfe zur Selbsthilfe. Als Personalentwicklungsmaßnahme zielt Coaching zudem darauf ab, die Klienten vor allem im Rahmen ihrer beruflichen Rolle zu unterstützen. Beim Coaching soll der Fokus auf berufsbedingten Fragestellungen und damit auch persönlichen Aspekten im Zusammenhang mit dem Arbeitsleben liegen. (Siehe hierzu auch Kapitel 2.2.3 sowie Kapitel 2.4) Im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe soll der Klient im Coaching lernen, seinen inneren Kern zu stabilisieren, also seine Lebensbalance, sein inneres Gleichgewicht aus eigenen Kräften wiederherzustellen bzw. zu stärken. In diesem Zusammenhang werden als Coachingfunktionen auch die Förderung beruflicher Selbstgestaltungspotentiale, des Selbstmanagements und der Selbstlenkungspotentiale sowie die zielgerichtete Förderung der Fähigkeit zur Selbststabilisierung bzw. zur persönlichen Stabilisierung genannt. Angestrebt wird die (Wieder-)Herstellung und/oder Verbesserung der Selbstregulationsfähigkeiten des Gecoachten, mit anderen Worten sollen die inneren Kräfte der Selbstregulation gefördert werden. Benannt werden zudem die Unterstützung der Selbstorganisation des Klienten als Funktion des Coachings und die Förderung der ‚Tendenz zur guten
4.2 ‚Reduktion’ der Phänomene des Coachings im Rahmen der Theorie
275
Gestalt’, das heißt der Tendenz, Ordnung zu schaffen1360. Coaching strebt die Förderung der Fähigkeit zur bewussten Selbstveränderung und Selbstentwicklung an sowie die Entfaltung der Möglichkeiten, die in einem Menschen schlummern, und das Wachstum hin zur Eigenständigkeit. Neben der eben herausgearbeiteten übergeordneten Funktion des Coachings - der Hilfe zur Selbsthilfe - lassen sich aus den vorhandenen Phänomenen in Kapitel 2.3 noch weitere Funktionen erkennen. Diese präzisieren und bedingen die grundlegende Funktion der Hilfe zur Selbsthilfe im Coaching und können daher auch einer zweiten Ebene von Funktionen zugeordnet werden1361: Zu diesen weiteren Funktionen gehören die Förderung der Wahrnehmungsfähigkeit und des Bewusstseins, die Förderung der Reflexionsfähigkeit (die Lebensund Arbeitssituation sowie die Person betreffend) sowie die Erweiterung der Kompetenzen der Situationsdiagnostik und der Erwerb neuer Deutungs- und Handlungsmuster. Das heißt, der Klient soll im Coaching seine Wahrnehmung und sein Bewusstsein für ein Problem bzw. eine Situation und seine eigene Person erweitern. Er soll darüber hinaus lernen, das Wahrgenommene zu deuten und zu verstehen, und darauf basierend selbst die Grundlage für Veränderungen schaffen. Der Klient soll lernen, Lösungsmöglichkeiten und damit auch neue Handlungsmöglichkeiten selbst zu entwickeln und umzusetzen und somit auch insgesamt eigenverantwortlicher zu handeln (höhere Bewusstheit bzw. Kontrolle). Mit anderen Worten, Ziel ist die selbstgesteuerte Erweiterung bzw. Verbesserung der Möglichkeiten des Klienten bezüglich Wahrnehmung, Erleben, Verstehen und Verhalten. Im Einzelnen lassen sich diesbezüglich auch die folgenden Beschreibungen aus Kapitel 2.3 als Funktionen dokumentieren:
1360
Coaching soll über die Förderung der Wahrnehmungsmöglichkeiten und der Selbstreflexion die Selbsterfahrung und Eigenverantwortung sowie die Kreativität fördern und entwickeln, damit der Klient lernt, seine gesamten Fähigkeiten und Möglichkeiten zu entfalten. Ziel ist die Förderung der persönlichen Entwicklung des Klienten, das heißt die Entfaltung der Möglichkeiten, die in ihm schlummern.
Denn „wir erleben kein Durcheinander verschiedener optischer, akustischer, geschmacklicher, geruchlicher oder taktiler Einzelempfindungen, sondern Ordnungen, Strukturen, Gestalten. […] Der Mensch besitzt die Fähigkeit zur Selbstorganisation, die es ihm ermöglicht, ein inneres Gleichgewicht aus eigenen Kräften herzustellen.“ (Biehal-Heimburger, S. 44 zitiert in Kapitel 2.3, S. 62) 1361 Aufgrund der bestehenden, bereits dargestellten kaskadenartigen Zusammenhänge zwischen Praktiken und Funktionen des Coachings, die zu einer Vernetzung von über- und untergeordneten Bedeutungen und Handlungen führen, wurden die im Folgenden genannten Funktionen dabei im wesentlichen auch bereits den Praktiken zugeordnet.
276
4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie
Die angestrebte Förderung und Flexibilisierung der Wahrnehmungsfähigkeit und des Bewusstseins des Klienten betrifft vor allem auch die Selbstwahrnehmung, das ‚Selbst-Bewusstsein’ bzw. die Selbstreflexion des Klienten, um das eigene Verhalten und Erleben durchschaubar zu machen und damit Selbsterkenntnisprozesse und entsprechende Veränderungsprozesse im Coaching zu erzielen.
Im Rahmen der Förderung der persönlichen Entwicklung des Klienten strebt Coaching insgesamt Veränderungen beim Klienten an. Es geht um die Flexibilisierung von Wahrnehmungs- und Denkmustern, um veränderte Deutungsmuster und Veränderungen im Verhaltensrepertoire des Gecoachten. Das heißt, es geht einerseits um die Förderung von Prozessen sukzessiver Flexibilisierung von Wahrnehmungs-, Strukturierungs- und Verstehensvorgängen, die idealerweise auf individuelle, interaktionale und systemische Phänomene sowie auf ihre Verschränkungen gerichtet sind. Die damit verbundenen Veränderungen auf kognitiver Ebene streben an, Deutungsmuster zu erweitern und zu differenzieren sowie die bestehende gedankliche Ordnung der Wirklichkeit, ihrer Gegenstände und Bezüge untereinander zu verändern. Andererseits strebt Coaching auch auf behavioraler Ebene eine Erweiterung und Flexibilisierung des Handlungsrepertoires des Klienten an. Hier geht es darum, vorhandene Potentiale freizulegen, neue Verhaltensweisen zu erlernen bzw. vorhandene Verhaltensweisen adäquater einzusetzen. Das heißt, es gehört auch zu den Funktionen des Coachings, dass der Klient Handlungsalternativen entwickelt und lernt, sich in seinem Umfeld als souveräner Gestalter zu bewegen.
Insgesamt zielt Coaching damit im Allgemeinen auf die Förderung bzw. Weiterentwicklung von individuellen oder kollektiven Lern- und Leistungsprozessen ab. Die neben der allgemeinen Unterstützung von Lernprozessen angesprochene Leistungsbezogenheit nimmt dabei auch Bezug auf die Förderung der Arbeitsleistung und –fähigkeit als weitere Funktionen des Coachings.
Der Klient soll lernen, genauer hinzusehen, hinzuhören, sich hinzuwenden zu der ihn umgebenden und in ihm wirkenden Wirklichkeit. Die Beschreibung des Coachings als Selbsterfahrungsprozess zeigt bereits die Richtung der intendierten Veränderung an: keine bloße Wissensvermittlung, sondern eine intensive Auseinandersetzung mit den eigenen Bedingungen und Reaktionen.
4.2 ‚Reduktion’ der Phänomene des Coachings im Rahmen der Theorie
277
Im Coaching soll der Klient neue Kompetenzen der Situationsdiagnose, der Selbstklärung und Selbstberatung, der Kontakt- und Problemlösefähigkeit erwerben, sein Erlebens- und Verhaltensspektrum soll erweitert werden. Zu den Funktionen des Coachings gehören damit auch das Erkennen von Wahrnehmungsverzerrungen und –beschränkungen, das Erfassen von Disharmonien und Fehlfunktionen sowie die Vergrößerung der individuellen Wahlfreiheit.
Über die bereits identifizierten Funktionen hinaus lassen sich auch die in Kapitel 2.4 „Mögliche Anlässe für Coachings“ beschriebenen Phänomene den Funktionen des Coachings zuordnen. Die hier im Folgenden dokumentierten Coachingfunktionen beziehen sich stärker als die bisher identifizierten Funktionen auf die individuellen, konkreten Anlässe und Ziele jedes einzelnen Klienten. Sie ergeben sich direkt aus den ganz speziellen Themenstellungen und Problemsituationen, die den je individuellen Wunsch eines Klienten, einer Gruppe oder auch einer Organisation nach Coaching begründen können. Ausgehend vom jeweiligen Einzelfall, kann jedes Coachinganliegen bzw. jede angestrebte Coachingfunktion im Konkreten unterschiedlich sein. Somit ergeben sich auf individueller Ebene insgesamt unendlich viele mögliche Coachingfunktionen. Da sich diese aber aufgrund der Vielfalt nicht im Einzelnen vollumfänglich darstellen lassen, sind die im Folgenden herausgearbeiteten Funktionen entsprechend der phänomenologischen Darstellungsweise in Kapitel 2.4 in verschiedenen Gruppen bzw. Kategorien zusammengefasst: Zu den Funktionen des Coachings zählen die Überwindung von Krisen1362 und die Suche nach Verbesserung in nichtkrisenhaften Stadien. In einer Übersicht dargestellt, lassen sich in diesem Zusammenhang folgende spezielle Coachingfunktionen identifizieren:
1362 Hat vor dem Coaching z.B. ein Leidens- oder Veränderungsdruck bestanden, sollte es spätestens bei Abschluss des Coachings auf emotionaler Ebene zu einer subjektiven Entlastung gekommen sein.
278
4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie
Funktionen von Coachings
Unterstützung bei der Überwindung von Krisen
Überwindung individueller Krisen
Unterstützung bei der Suche nach Verbesserung / nichtkrisenhafte Stadien
Überwindung Kollektive Individuelle Verbesserung kollektiver Krisen Intensivierung bzw. Erweiterung der Verbesserungen beruflichen Aktivitäten des Klienten
Akute Krisen im Beruf Krisen aufgrund persönli-
Ökonomische Krisen
Flexibilisierung des Coping
Etablierung von Qualitätszirkeln
Erweiterung von Managementkompetenzen
Entwicklung neuer Angebotsstrukturen
Karriereberatung
Implementierung neuer Führungskonzepte
cher Faktoren *
Individuelle berufliche
Krisen durch Umstrukturierungen
Krisen aufgrund situativer Faktoren ** Akute Krisen im Beruf aufgrund kombinierter Faktoren
Organisationskulturelle Krisen
Berufliche Deformationen ***
Krisen bei der Fusion von zwei Systemen
Job-Stress *** Burnout ***
Rollenberatung
Krisen durch politische Veränderungen
Mobbing ***
* Z.B. Tod eines Familienangehörigen ** Hierzu gehören z.B. Pensionierung, Arbeitsplatzwechsel, strukturelle Korrekturen in organisatorischen Systemen etc. *** Diese Anlässe können auch in der Kategorie „schleichende Krisen“ zusammengefasst werden, die der Kategorie „Akute Krisen“ gegenübersteht.
Abbildung 29:
Die Überwindung von Krisen und die Suche nach Verbesserung in nichtkrisenhaften Stadien als Coachingfunktionen (in Anlehnung an Schreyögg)
4.2 ‚Reduktion’ der Phänomene des Coachings im Rahmen der Theorie
279
Aus den in Kapitel 2.4 dokumentierten Phänomenen ergibt sich ferner, dass Coachings ebenso zur Unterstützung …
… bei Rollen- und Wertekonflikten aufgrund äußerer, also im Umfeld des Klienten auftretender, Veränderungen angewendet werden. Hierzu zählen z.B.: Umstrukturierung eines Unternehmens, neue Rechtsform, Fusion, Verkauf des Unternehmens, Umorientierung zum Profitcenter; Einführung neuer Produktverfahren, neue Produkte, neue Technologien, veränderte Innenpolitik des Unternehmens sowie Beförderungen, wie die Übernahme der ersten Führungsaufgabe des Klienten, Versetzung oder auch Kündigungen. Zu dieser Kategorie gehört auch das Beispiel aus Kapitel 2.4: „Herr A, 36, war bisher vor allem für anspruchsvolle Projekte verantwortlich. Nun wird ihm im Rahmen der Fusion seiner Firma mit einem größeren Unternehmen die Position als Bereichsleiter in einem neu entstehenden übergeordneten Bereich angeboten. Ein Karrieresprung über zwei Ebenen ist in der konservativ-hierarchisch orientierten Kultur beider Unternehmen bisher unüblich. Aufstiege erfolgen in geregelten Schritten und sind unumkehrbar. Wenn man in der Führungsposition scheitert, gibt es bisher keinen Weg zurück. Herr A ist sich nicht sicher, ob ein solcher Schritt nicht zu ‚anmaßend und zu gefährlich’ ist. Im Coaching möchte der Klient klären, wie er auf das Angebot reagieren will.“1363 Die individuelle Funktion des Coachings besteht in diesem präzisen Fall also darin, zu klären, wie der Klient auf das ihm vorliegende Jobangebot auf eine Führungsposition unter den gegebenen Bedingungen reagieren will.
… bei kritischen Situationen und Konflikten in der Zusammenarbeit (zwischenmenschliche Beziehung mit anderen Personen) dient. Hierzu gehören u.a. Kommunikations- und Kooperationsprobleme im Team, mit einzelnen Mitarbeitern oder auch Kunden und akute oder festgefahrene Konflikte zwischen Führungskräften, einzelnen Mitarbeitern oder Gruppen, gegebenenfalls ganzen Unternehmensbereichen, sowie kritische Situationen und Konflikte mit dem Vorgesetzten.
… bei Fragen der persönlichen Entwicklung (Wunsch nach persönlicher Veränderung) eingesetzt wird. Hierunter werden alle Funktionen subsumiert, die darin bestehen, dass der Klient von sich aus ein neues Verhalten erlernen möchte oder seine Einstel-
1363
Fischer-Epe, S. 23 f
280
4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie lung verändern will. Der Klient strebt von sich aus und bewusst nach persönlicher Veränderung bzw. Entwicklung.
Neben den bisher genannten möglichen Funktionen auf individueller Ebene lassen sich auch aus der in Kapitel 2.4 beschriebenen Studie bzw. Befragung Funktionen zuordnen: Demnach werden Coachings insbesondere durchgeführt zur Unterstützung in organisationalen Veränderungsprozessen, bei der Übernahme einer neuen Aufgabe/Funktion/Rolle/Position, zur Entwicklung von Führungskompetenz (Entwicklung von Führungskräften), als Unterstützung zur Bewältigung bzw. Regelung von Konflikten, zur Verbesserung der Zusammenarbeit, zur Persönlichkeits- und Potenzialentwicklung, zur Bearbeitung beruflicher und damit verbundener persönlicher Probleme, zur Unterstützung im Rahmen organisationaler Veränderungen, zur Karriereplanung, Neuorientierung bzw. Weiterentwicklung, zur Förderung der Kommunikation und sozialen Kompetenz, zur Verbesserung der Zusammenarbeit, zur Unterstützung bei der Umsetzung der (Unternehmens-) Strategie sowie zur (Selbst-)Reflexion und mit dem Ziel einer Outplacementberatung. Abschließend sei an dieser Stelle noch einmal betont, dass Coaching - trotz seiner in diesem Kapitel insgesamt beschriebenen vielfältigen Funktionen - nach allgemeiner Ansicht nicht als Allheilmittel zu verstehen ist, das in jedem Fall, egal zu welchem individuellen Zweck, angewendet werden kann. (Vgl. Kapitel 2.4 sowie Kapitel 2.2.3, insbesondere in Abgrenzung zur Supervision und Psychotherapie)
4.2.1.3 Struktur Die hier als Struktur identifizierten Phänomene beschreiben das spezifische Gerüst bzw. den individuellen Aufbau der untersuchten Gestalt, der die Praktiken und Funktionen erst ermöglicht.1364 Daher wird die Struktur des Coachings erst dann bestimmt, wenn bereits Praktiken und Funktionen herausgearbeitet wurden.
1364
Vgl. Dürr (a), S.18; Dürr (b), S. 10; Dürr (c), S. 1; Dürr (g), S. 6; Dürr (i), S. 5; Dürr/Aisenbrey (a), S. 97
4.2 ‚Reduktion’ der Phänomene des Coachings im Rahmen der Theorie
281
Insgesamt lassen sich aus den in Kapitel 2 dokumentierten Phänomenen folgende Strukturmerkmale des Coachings identifizieren: Die Struktur von Coachings ist gekennzeichnet durch die gleichberechtigte, partnerschaftlich-wertschätzende und vertrauensvolle Beziehung zwischen Coach und Klient. Coach und Klient passen zusammen: Ihre von beiden Seiten aus freiwillig eingegangene persönliche Beziehung basiert einerseits auf stark subjektiven Faktoren (menschlich-sozialen Faktoren) wie Sympathie, gegenseitiger Akzeptanz und weitreichender Offenheit sowie Vertrauen. Der Coach sichert diese Beziehung nach außen ab durch Diskretion und Verschwiegenheit sowie seine durch äußere Faktoren (z.B. durch das beauftragende Unternehmen) nicht beeinflussbare neutrale Grundhaltung. Andererseits ist die Beziehung gekennzeichnet durch eine Übereinstimmung in fachlicher Hinsicht. Die Qualifikation und Erfahrung des Coachs passen zu den individuellen Bedürfnissen des Klienten und dessen Situation. (Siehe insgesamt hierzu Kapitel 2.5.2) Grundsätzlich werden zudem zwei Arten von Coachs unterschieden: der organisations-externe Coach (die am häufigsten auftretende Variante) und der organisationsinterne Coach. Coachs können demnach sowohl externe, also unternehmensfremde Personen, wie z.B. freiberuflich tätige Coachs oder Berater einer Unternehmensberatung etc., sein als auch Mitarbeiter aus dem eigenen Unternehmen, in der Regel aus der eigenen Personal(entwicklungs)abteilung. Darüber hinaus werden zum Teil auch Führungskräfte als Coachs eingesetzt. Bei dieser Sonderform des internen Coachs steht der Klient in einer hierarchischen Beziehung zum Coach. (Siehe hierzu Kapitel 2.5.3) Ein weiteres Strukturmerkmal des Coachings stellen die in Kapitel 2.6 als Phänomen dokumentierten unterschiedlichen Arten von Coachings dar: Im Wesentlichen wird je nach Anzahl der an einem Coaching teilnehmenden Personen und deren Beziehung untereinander zwischen Einzel-, Gruppen- und Teamcoachings unterschieden. Coaching kann sich dementsprechend also ganz individuell sowohl auf einzelne Personen als auch auf Gruppen und Teams bzw. ganze Organisationseinheiten beziehen. Das Einzelcoaching als die traditionelle und am häufigsten angewandte Form des Coachings basiert auf einer Zweier-Beziehung zwischen Coach und Klient. An einem Gruppencoaching nehmen hingegen mehrere Klienten gleichzeitig teil (maximal ungefähr 15 Personen). Stehen diese Klienten in einem berufli-
282
4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie
chen Funktionszusammenhang zueinander (z.B. Projektgruppe, Abteilung, Geschäftsführungsgremium etc.) und werden in ihrem organisationalen Umfeld in persönlichen und aufgabenbezogenen Themen gecoacht, dann wird diese Form des Coachings auch als Teamcoaching bezeichnet. Mittlerweile werden neben den Einzelcoachings auch die Teamcoachings immer häufiger. Darüber hinaus existiert grundsätzlich eine unüberschaubare Vielzahl weiterer sogenannter Arten von Coachings, die jedoch insgesamt betrachtet wesentlich seltener eingesetzt werden (z.B. Online-Coaching, Tele-Coaching). Coachings weisen grundsätzlich eine Prozessstruktur auf, das heißt, der Ablauf eines Coachings stellt sich als ein über mehrere Phasen verlaufender Prozess (Entwicklungs- bzw. Lernprozess) dar. Der Coachingprozess ist immer an der konkreten Situation und Person des Klienten individuell ausgerichtet und wird durch den Coach gesteuert, das heißt begleitet und unterstützt. Es gibt keine einheitlichen Prozessstandards, so dass sich Coachings in ihrer Prozessstruktur je nach Einzelfall – je nach Situation im Coaching und je nach Coach – zum Teil auch deutlich voneinander unterscheiden. Selbst auf der Meta-Ebene betrachtet, zeigen sich sogar im Rahmen professioneller Coachings erhebliche Unterschiede. Weitgehend übereinstimmend kann aber auf der Meta-Ebene von einer Unterteilung der Coachingprozesse in drei übergeordnete Prozessphasen ausgegangen werden: Die Vorphase beinhaltet die erste Kontaktaufnahme und das erste Gespräch zwischen Coach und Klient. Ferner erhält die Beziehung zwischen Coach und Klient zu Beginn des Coachings durch einen formalen Vertrag ihre rechtliche Grundlage. In der Hauptphase, auch als eigentliche Arbeitsphase bezeichnet, finden die eigentlichen Coachinggespräche in bestimmten, vorher festzulegenden, zeitlichen Abständen (z.B. alle 14 Tage) statt. Die Länge der einzelnen Sitzungen (z.B. 90 Minuten) ist ebenso vereinbart worden, wie die Anzahl der Sitzungen (z.B. 10 Termine). Der gesamte Coachingprozess erstreckt sich dabei je nach Klient und dessen konkreter Situation immer über einen ganz individuell festzulegenden Zeitraum. Das Coaching ist darüber hinaus aber in der Regel auch zeitlich begrenzt und wird folglich im Rahmen einer Abschlussphase beendet. (Siehe insgesamt hierzu Kapitel 2.7) Im Hinblick auf die grundsätzliche Coachingmethodik, also auf das dem Coaching insgesamt zugrunde liegende Handlungskonzept, lässt sich der Struktur des Coachings schließlich auch die existierende Theorie- und Methodenvielfalt,
4.2 ‚Reduktion’ der Phänomene des Coachings im Rahmen der Theorie
283
das heißt die Anwendung eines sehr breiten Methoden- und Theorieinventariums, zuordnen. Im Coaching existieren insgesamt unüberschaubar viele verschiedene Vorgehensweisen und Ansätze, die auf jeweils unterschiedlichen theoretischen Grundlagen oder teilweise auch auf theorielosen Überlegungen bzw. auf keiner wissenschaftlichen Basis beruhen und die darüber hinaus auch ihrem ausformulierten Umfang nach sehr unterschiedlich sind, bis hin zu ad-hoc-Vorgehensweisen. Zudem besitzt jeder Coach (z.B. je nach spezifischer Ausbildung und Erfahrung) sein eigenes individuell unterschiedliches Methoden- und Theorieinventarium (einen ‚individuellen Werkzeugkoffer’), das er nach eigenem Ermessen einsetzt. Ein allgemein einheitliches Handlungsmodell, eine einheitliche bündige konzeptionelle Orientierung, mit anderen Worten, eine allgemein einheitliche Coachingmethodik als Grundgerüst für alle Maßnahmen der Coachs, also für die Anwendung insgesamt aller Methoden bzw. für alle Handlungsweisen, existiert zum Zeitpunkt der Betrachtung des Coachings nicht. (Siehe hierzu insgesamt Kapitel 2.5.2.3, Kapitel 2.7.4 und Kapitel 2.8)
4.2.2 Identifizieren der Rahmenbedingungen Sind aus den dokumentierten Phänomenen die Praktiken, Funktionen und die Struktur des Coachings identifiziert worden, so werden nun die Rahmenbedingungen ermittelt. Die im Folgenden dokumentierten Rahmenbedingungen beschreiben die äußeren Einflussfaktoren (Umweltbedingungen), das heißt die äußeren Bedingungen der Existenz der betrachteten Gestalt.1365 Sie werden ebenso wie zuvor die Praktiken, Funktionen und die Struktur des Coachings direkt aus den Phänomenen herausgearbeitet. Insgesamt lassen sich aus den Phänomenen in Kapitel 2 folgende Rahmenbedingungen des Coachings identifizieren: Coaching findet grundsätzlich im wirtschaftlichen Arbeitsumfeld, das heißt im beruflichen, nicht privaten, Kontext statt. Coachings werden in der Regel von Unternehmen für deren Mitarbeiter (für Einzelpersonen oder Gruppen bzw. Teams), aber auch von Einzelpersonen privat nachgefragt, um individuelle berufliche Fragestellungen und Problemkonstellationen sowie persönliche Aspekte 1365
Vgl. u.a. Dürr (b), S. 6 f, S. 10; Dürr (a), S. 17
284
4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie
vor allem im fachlichen Feld zu klären. Der Fokus liegt damit auf menschlichen Erfahrungen im Kontext des Berufslebens. (Siehe Kapitel 2.2.3) Die im Einzelnen möglichen individuellen Anlässe für die Nachfrage nach Coachings sind dabei, wenn auch auf das Arbeitsumfeld begrenzt, unendlich vielfältig, wie in Kapitel 2.4 als Phänomen ausführlich dokumentiert. Eine allgemein einheitliche Beschreibung der generellen Anwendungsfelder (bzw. der allgemeinen Indikationsregeln) existiert nicht. Dennoch wird vor allem im professionellen Coachingumfeld davor gewarnt, die Maßnahme generell als ‚Allheilmittel’ oder ‚Patentlösung’ zu verstehen. (Siehe hierzu insgesamt Kapitel 2.8 und Kapitel 2.4) Coaching hat in der Vergangenheit kontinuierlich an Bedeutung gewonnen (kontinuierlich gestiegene Nachfrage) und wird zum Zeitpunkt der Betrachtung als moderne, innovative Maßnahme der Personalentwicklung in vielen Unternehmen der Wirtschaft und nun zum Teil bereits auch in der öffentlichen Verwaltung eingesetzt. In der Arbeitswelt mittlerweile etabliert, wird Coaching zur Unterstützung vor allem von Führungskräften sowie zunehmend auch von anderen Mitarbeitergruppen nachgefragt. (Siehe Kapitel 2.2.1) Es wird zudem angenommen, dass das große Interesse an Coachings auch künftig weiter zunehmen wird, da mit dem Coaching nach mehrheitlicher Auffassung eine neue Art von Beratung und beruflicher Förderung möglich wird, die mit dem bisher in Unternehmen üblicherweise angewandten Spektrum von Personalentwicklungsmaßnahmen, wie Seminaren und Trainings, nicht in gleicher Weise erreicht werden kann. (Siehe hierzu Kapitel 2.2.1 sowie Kapitel 2.2.3) Coaching ist eine aus der Praxis heraus nach den derzeitigen beruflichen und unternehmerischen Bedürfnissen entwickelte Maßnahme. Die sich kontinuierlich und immer schneller verändernden Umwelt- bzw. Marktbedingungen (u.a. aufgrund fortschreitender Internationalisierung, Globalisierung, Technologisierung etc.) erfordern von den Unternehmen entsprechend ständige Veränderungsbereitschaft, mehr Flexibilität und Anpassungsfähigkeit (sogenanntes Change Management). Die Unternehmen und damit auch die Mitarbeiter müssen lernen, mit diesen neuen Herausforderungen dauerhaft umzugehen, was letztlich auch die Anforderungen an die Personalentwicklung verändert. Coaching soll, so der unternehmerische Anspruch, als modernes und innovatives Beratungskonzept entsprechende Unterstützung in Veränderungsprozessen geben und damit auch eine hohe Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter sowie den Erfolg des Unternehmens dauerhaft sichern. (Siehe hierzu Kapitel 2.2.1 sowie Kapitel 2.9)
4.2 ‚Reduktion’ der Phänomene des Coachings im Rahmen der Theorie
285
Da Coaching sowohl eine hoffnungsträchtige Begleitung in zumeist unsicherheitsstiftenden Situationen darstellt als auch in der Regel mit einer nicht unerheblichen finanziellen Investition verbunden ist, fordern die Auftraggeber nachvollziehbar die Absicherung der Qualität und des Erfolgs der Maßnahme. Einheitliche Anforderungskriterien bzw. Qualitätsstandards für Coachings existieren bisher jedoch nicht. Insgesamt sind zum Zeitpunkt der Betrachtung keine einheitlichen, allgemeinverbindlichen Coachingstandards etabliert. Zudem bestehen auch keine einheitlichen und allgemeinverbindlichen Qualifikations- und Ausbildungsstandards für Coachs. Mit anderen Worten existiert kein einheitliches Anforderungsprofil und keine dementsprechende, wissenschaftlich fundierte Aus- bzw. Weiterbildung für Coachs. Überhaupt ist es bisher schwierig bis unmöglich, wissenschaftlich abgesicherte Qualitätskriterien für Coachingaus- bzw. -weiterbildungen zu benennen. Da die Berufsbezeichnung ‚Coach’ zudem rechtlich nicht geschützt ist und auch keine allgemein einheitliche Definition existiert, wird vor unseriösen Anbietern in der Branche gewarnt. Denn jeder darf sich derzeit rechtlich legal als Coach bezeichnen. Hinzu kommt, dass auch für den Gesamtbegriff ‚Coaching’ weder eine allgemein einheitliche Definition etabliert ist noch ein rechtlicher Schutz besteht. Der Begriff wird insgesamt sehr diffus und uneinheitlich verwendet. Um einheitliche Standards zu implementieren, die Professionalisierung des Coachings voranzutreiben und der unüberschaubaren Lage am Coaching-Markt entgegenzuwirken, haben sich Coachs in Verbänden organisiert. Mittlerweile gibt es jedoch viele unterschiedliche Verbände, die auch jeweils unterschiedliche Interessen vertreten. Mitunter bieten diese Verbände sowie andere Coachingorganisationen größtenteils ihre eigenen Coachingausbildungen und individuellen Zertifizierungen an (ebenfalls basierend auf zum Teil jeweils unterschiedlichen fachlichen Grundlagen). Beispielsweise gab es Ende 2007 allein im deutschsprachigen Raum knapp 300 Anbieter von Coachingausbildungen mit insgesamt über 300 unterschiedlichen Ausbildungsgängen, die im Coachingindex von Rauen erfasst waren. (Siehe hierzu insgesamt Kapitel 2.8, Kapitel 2.5, Kapitel 2.2.2)
4.2.3 Aussagen zu Kohärenz und Korrespondenz Bisher wurden die in Kapitel 2 dokumentierten Phänomene zunächst auf die in ihnen erkennbaren Praktiken, Funktionen und die sie ermöglichende Struktur hin untersucht. Im Anschluss daran sind auf gleiche Weise die Rahmenbedingungen des Coachings identifiziert worden.
286
4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie
Auf dieser Grundlage können im Rahmen der Reduktion der Phänomene nun auch die Zusammenhänge zwischen den herausgearbeiteten Praktiken, Funktionen und der Struktur sowie der inneren Struktur des Coachings und den identifizierten Rahmenbedingungen untersucht werden. Das heißt, es lässt sich nun nach dem Vorhandensein einer erkennbaren Kohärenz sowie nach einer Korrespondenz der inneren Struktur des Coachings zu den äußeren Bedingungen ihrer Existenz fragen. Das Vorhandensein bzw. Fehlen der Kohärenz und Korrespondenz des Coachings zum Zeitpunkt der Beobachtung wird im Folgenden begrifflich erklärt. Durch die nachfolgende begriffliche Erklärung des Vorhandenseins bzw. Fehlens von Kohärenz und Korrespondenz lässt sich später konkret ermitteln, in welchem Stabilitätszustand - stabile oder instabile Phase - sich das Coaching zum Zeitpunkt der Beobachtung befand und warum. Ferner lassen sich daran anschließend unter Einbeziehung der auf das Coaching stabilisierend und beeinträchtigend wirkenden Faktoren die Aussagen zum Stabilitätszustand weiter präzisieren und auch im zeitlichen Kontext betrachten.
4.2.3.1 Kohärenz Zunächst wird die innere Struktur des Coachings untersucht. Zur Bestimmung der Kohärenz werden die zuvor identifizierten Praktiken, Funktionen und die Struktur des Coachings in Beziehung zueinander gesetzt und nach deren wechselseitiger Entsprechung bzw. Bedingtheit gefragt. Das Vorhandensein bzw. Fehlen der Kohärenz wird im Folgenden begrifflich erklärt.1366 Bei der genauen Betrachtung des Zusammenwirkens der vorab dokumentierten Praktiken, Funktionen und der Struktur des Coachings wird im Folgenden das Fehlen einer Kohärenz deutlich erkennbar. Das heißt, es besteht zwischen den Praktiken, den Funktionen und der Struktur des Coachings keine ganzheitliche wechselseitige Entsprechung. Wie folgend noch genauer gezeigt wird, hat die fehlende Kohärenz ihren Ursprung dabei vor allem in den identifizierten Strukturmerkmalen. Denn die Struktur des Coachings steht in wesentlichen Aspekten nicht in wechselseitiger Übereinstimmung mit den herausgearbeiteten Handlungsweisen und Funktionen des Coachings. Ferner bringt die Struktur zum Teil Handlungen und Praktiken hervor (insbesondere bezüglich des uneinheitlichen methodischen Vorgehens), die nicht als sinnstiftende Handlungsweisen erkennbar sind. 1366
Vgl. zum Ganzen Dürr (a), S.6, S. 18; Dürr (i), S. 5; Dürr (b), S. 6, S. 10
4.2 ‚Reduktion’ der Phänomene des Coachings im Rahmen der Theorie
287
Diese Wirkungszusammenhänge im Coaching, die die fehlende Kohärenz zwischen Praktiken, Funktionen und Struktur des Coaching erklären, seien im Folgenden nun genauer dargestellt: Die Vorgehens- bzw. Handlungsweisen im Coaching sind wesentlich durch die als Strukturmerkmal identifizierte, bestehende Theorie- und Methodenvielfalt geprägt. Im Coaching existiert ein sehr breites Methoden- und Theorieinventarium. Das bedeutet, es werden im Coaching zum Zeitpunkt der Beobachtung insgesamt unüberschaubar viele verschiedene Vorgehensweisen und Ansätze angewendet. Diese beruhen auf ganz unterschiedlichen Theorien oder teilweise auch auf theorielosen Überlegungen bzw. auf keiner wissenschaftlich fundierten Grundlage. Ferner zeigen sie deutliche Unterschiede in ihrem ausformulierten Umfang; zum Teil handelt es sich auch um ad-hoc-Vorgehensweisen. Über diese insgesamt im Coaching bestehende allgemeine Methoden- und Theorievielfalt hinaus ist zu berücksichtigen, dass auch jeder Coach individuell (z.B. je nach spezifischer Ausbildung und Erfahrung) sein eigenes Methodenund Theorieinventarium, also seinen eigenen individuellen ‚Werkzeugkoffer’, besitzt und nach eigenem Ermessen anwendet. Durch die damit einhergehende beliebig mögliche Kombination von Methoden und Theorien wächst die Gefahr eines unreflektierten Eklektizismus. Eine allgemein einheitliche Coachingmethodik, ein einheitliches Handlungsmodell im Sinne einer bündigen konzeptionellen Orientierung als Grundlage für alle Vorgehensweisen im Coaching existiert zum Zeitpunkt der Beobachtung des Coachings nicht. Folglich wird ein Coaching nicht nur je nach der konkreten Situation und Person des Klienten jeweils individuell an den spezifischen Gegebenheiten des Einzelfalls ausgerichtet - und damit der Funktion des Coachings als individualspezifische Maßnahme entsprochen - vielmehr werden auch je nach Coach ganz unterschiedliche Methoden und Theorien flexibel, situativ und individuell auf unterschiedliche Weise (zum Teil willkürlich) angewendet, ohne dass diesen Vorgehensweisen grundsätzlich eine wissenschaftliche bzw. theoretische Fundierung sowie eine konzeptionelle Basis, eine Coachingmethodik, weder individuell zugeschnitten noch allgemein einheitlich, zugrunde liegt. Durch das sich darauf - auf der bestehenden Theorie- und Methodenvielfalt ohne bündige konzeptionelle Basis und allgemeine wissenschaftliche Fundierung begründende, allgemein uneinheitliche Vorgehen im Coaching entsteht schließlich insgesamt betrachtet Intransparenz. Gerade transparente Vorgehensweisen und damit einhergehend auch die Anwendung nicht manipulativer Methoden haben aber eine erhebliche Bedeutung im Coaching. Denn transparente Vorgehensweisen stellen eine wesentliche Grundlage für die beschriebenen Funktionen
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4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie
des Coachings dar. Eine nachhaltige Selbsthilfe seitens der Klienten wird letztlich nur durch transparente Handlungsweisen der Coachs, die nicht manipulierend, sondern allgemein nachvollziehbar sind und den Klienten gegenüber auch beschrieben und erklärt werden, ermöglicht. Nur auf diese Weise können die Klienten tatsächlich lernen, wie sie sich auch in künftigen Ernstsituationen selbst helfen können. Ohne entsprechende transparente Vorgehensweisen können die Wahrnehmung, das Bewusstsein und die Reflexionsfähigkeit der Klienten nicht derart gefördert werden, dass eine nachhaltige Hilfe zur Selbsthilfe erreicht werden kann. Auch insbesondere der Erwerb und die selbstgesteuerte Umsetzung neuer Kompetenzen der Situationsanalyse und Selbstklärung sowie neuer Deutungsund Handlungsmuster basiert auf einem transparenten methodischen Vorgehen der Coachs. Denn die Klienten sollen im Laufe des Coachings z.B. neue fundierte Analyse-Methoden (Methoden u.a. zum Klären, Strukturieren und Verstehen von Situationen und Zusammenhängen) kennen lernen und darüber hinaus lernen, diese auch selbst erfolgreich anzuwenden - anfangs noch unterstützt durch den Coach und später vollkommen eigenständig. Das heißt, die Klienten sollen lernen, ihre eigene Situation und sich selbst auf Dauer gesehen auch ohne Unterstützung des Coachs besser wahrzunehmen, zu erklären und zu verstehen sowie dementsprechende Veränderungen umzusetzen. Fehlt die hierzu notwendige Transparenz und Nachvollziehbarkeit im Vorgehen des Coachs, so können die Klienten eben nicht lernen, wie sie in späteren Situationen auch ohne die Unterstützung des Coachs, also durch Selbstorganisation bzw. Selbstmanagement, erfolgreich handeln können. Coaching kann dann bestenfalls Einmal-Hilfen leisten, ohne aber seine angestrebte besondere Funktion - nämlich die nachhaltige Hilfe zur Selbsthilfe - tatsächlich erfüllen zu können. Die beschriebene Intransparenz im Coaching beruht jedoch nicht nur, wie soeben verdeutlicht, auf der insgesamt uneinheitlichen Anwendung einer Vielfalt von Methoden und Theorien im Coaching, dem Fehlen einer einheitlichen Coachingmethodik (die einen transparenten, konzeptionellen Rahmen für die Handlungsweisen im Coaching bilden würde) und dem Fehlen einer grundsätzlichen wissenschaftlichen bzw. theoretischen Fundierung, sondern resultiert darüber hinaus auch aus den bestehenden Uneinheitlichkeiten in der Prozessstruktur von Coachings. Obwohl Coachings allgemein einheitlich als Prozesse ablaufen, existieren dennoch Unterschiede in der jeweiligen strukturellen Ausgestaltung dieser Coachingprozesse, wobei sich die bestehenden Uneinheitlichkeiten in der strukturellen und der methodischen Ausgestaltung von Coachingprozessen auch gegenseitig bedingen. So bringen uneinheitliche methodische Vorgehensweisen
4.2 ‚Reduktion’ der Phänomene des Coachings im Rahmen der Theorie
289
auch Unterschiede in der strukturellen Ausgestaltung mit sich und umgekehrt. In jedem Fall existieren keine einheitlichen, fundierten Standards und keine entsprechende Konzeption für die Vorgehensweisen (methodisch und strukturell) im Coaching, was zu fehlender Transparenz führt einschließlich der damit verbundenen weiteren Auswirkungen (wie bereits dargestellt). Über die bisher aufgezeigten inkohärenten Wirkungszusammenhänge hinaus ist ferner zu berücksichtigen, dass uneinheitliches und intransparentes Vorgehen im Coaching - das heißt ein für die Klienten nicht durchschaubares und sich für sie nicht erschließendes Vorgehen - grundsätzlich auch die für das Coaching wesentliche Vertrauensbasis zwischen Coach und Klient gefährden kann, was zu einer nur bedingten Offenheit des Klienten gegenüber dem Coach bezüglich seines Anliegens, seiner Situation und Person führen und damit den Sinn des Coachings prinzipiell in Frage stellen würde. Denn ohne die auf Vertrauen, gegenseitige Akzeptanz und weitreichende Offenheit basierende Beziehung zwischen Coach und Klient ist es nicht möglich, an den unmittelbaren Anliegen und den damit u.a. auch verbundenen Problemen oder Krisenerscheinungen (auch Befürchtungen und Ängsten) der Klienten individuell, wirkungsvoll und damit allgemein sinnstiftend zu arbeiten. Wie im Rahmen dieser begrifflichen Erklärung des Fehlens der Kohärenz durch das Aufzeigen der inkohärenten Wirkungszusammenhänge im Coaching deutlich wird, fehlt es zum Zeitpunkt der Beobachtung des Coachings letztlich vor allem an einer passenden Struktur, die die herausgearbeiteten Funktionen des Coachings und die entsprechenden Praktiken tatsächlich hervorbringt bzw. überhaupt erst ermöglicht.
4.2.3.2 Korrespondenz Im Rahmen der Betrachtung der Korrespondenz wird das Vorhandensein bzw. Fehlen der wechselseitigen Entsprechung zwischen der bereits untersuchten inneren Struktur und den identifizierten äußeren Bedingungen der Existenz des Coachings – also den Rahmenbedingungen – begrifflich erklärt. Gefragt wird: Befinden sich die innere Struktur der betrachteten Gestalt und deren Umweltbedingungen im Einklang oder fehlt eine Übereinstimmung und warum?1367
1367
Vgl. insgesamt Dürr (i), S. 6; Dürr (b), S. 6 f, S. 10; Dürr (a), S.19; Dürr/Aisenbrey (a), S. 97
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4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie
Bei der näheren Betrachtung der Wirkungszusammenhänge zwischen der inneren Struktur und den Rahmenbedingungen des Coachings wird deutlich, dass sich etliche der bereits dokumentierten Rahmenbedingungen auf das zuvor erkannte Fehlen der Kohärenz noch verstärkend auswirken. Insgesamt betrachtet, lässt sich, wie im Folgenden genauer beschrieben wird, keine Korrespondenz der inneren Struktur zu den äußeren Bedingungen ihrer Existenz erkennen. Eine wesentliche Bedeutung kommt dabei der vielfältigen und uneinheitlichen, oft auch diffusen Verwendung des Coachingbegriffs zu. Denn der Coachingbegriff ist weder rechtlich geschützt, noch existiert eine einheitliche Coachingdefinition. Dies hat zur Folge, dass letztlich jede Maßnahme als ‚Coaching’ bezeichnet werden kann und somit auch unüberschaubar viele sogenannte ‚Arten von Coachings’ angeboten werden. Viele der zahlreichen am Markt vorfindbaren sogenannten ‚Coachings’ sind jedoch keine etablierten bzw. fundierten Verfahren, sondern beliebige Beratungsformen oder auch Ansammlungen verschiedenster - mitunter auch zweifelhafter - Ideen und Vorgehensweisen. Das heißt, das Fehlen einer einheitlichen Coachingdefinition und damit verbunden auch allgemeinverbindlicher Standards für Coachings, wirkt sich auf die allgemein bestehende Vielfalt und vor allem auch Uneinheitlichkeit im Coaching begünstigend aus und erhöht somit auch die Intransparenz im Coaching - einschließlich der damit verbundenen negativen Auswirkungen auf die Kohärenz. (Siehe hierzu speziell die begriffliche Erklärung der Kohärenz in Kapitel 4.2.3.1) Des Weiteren fehlt auch eine einheitliche Beschreibung der generell möglichen Anwendungsfelder bzw. der allgemeinen Indikationsregeln für Coachings. Auch dies führt, einhergehend mit der insgesamt uneinheitlichen Verwendung des Coachingbegriffs, dazu, dass sogenannte ‚Coachings’ in allen möglichen Situationen und zu jedem beliebigen Anlass eingesetzt und somit folglich als ‚Allheilmittel’ oder ‚Patentlösung’ missbraucht werden (können). Ohne jedoch auch die Grenzen der Maßnahme zu berücksichtigen, erfüllt derartiges Handeln nicht seinen eigentlichen Sinn im Rahmen der benannten Funktionen des Coachings. Wie der Coachingbegriff ist auch die Berufsbezeichnung ‚Coach’ weder rechtlich geschützt noch einheitlich definiert. Dementsprechend kann sich jeder als ‚Coach’ bezeichnen, unabhängig von Ausbildung, praktischer Erfahrung, menschlichen bzw. sozialen Eigenschaften etc. Es existiert weder ein einheitliches Anforderungsprofil noch bestehen einheitliche Zugangsvoraussetzungen. Auch allgemeinverbindliche, fundierte Qualifikations- und Ausbildungsstandards sowie eine darauf basierende allgemein anerkannte, einheitliche Aus- bzw. Weiterbildung für Coachs sind nicht etabliert. Am professionellen Coaching-
4.2 ‚Reduktion’ der Phänomene des Coachings im Rahmen der Theorie
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markt wird daher nicht nur vor dem Missbrauch des Begriffs ‚Coaching’ selbst gewarnt, sondern auch vor unseriösen Anbietern, das heißt unprofessionell agierenden ‚Coachs’ mit fraglichem Hintergrund.1368 Schließlich ergeben sich aufgrund dieser Rahmenbedingungen ernsthafte Zweifel an der allgemeinen Qualifikation und Professionalität von Coachs und damit auch an der professionellen und qualitativen Umsetzung von Coachings. Denn hierzu bedarf es neben interdisziplinären fachlichen Kenntnissen und praktischer Erfahrung auch vielfältiger menschlicher bzw. sozialer (wie z.B. der Fähigkeit zur Selbstreflexion) sowie methodischer bzw. konzeptioneller Kompetenzen des Coachs. Dementsprechend ist es unter den derzeit gegebenen äußeren Bedingungen des Coachings allgemein gesehen zweifelhaft, ob Coachs tatsächlich ihre Rolle als Entwicklungshelfer zur Selbsthilfe - wie im Rahmen der Praktiken beschrieben - professionell erfüllen können, um die Klienten individuell und nachhaltig im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe zu unterstützen. Es muss ernsthaft in Frage gestellt werden, ob Coachs im Allgemeinen - nicht im Einzelfall, worauf hier noch einmal explizit hingewiesen werden soll - unter den vorliegenden Bedingungen überhaupt die notwendige Qualifikation für ein fundiertes Vorgehen im Coaching besitzen, um die Wahrnehmungsfähigkeit, das Bewusstsein und das Reflexionsvermögen der Klienten individuell zu fördern sowie deren Kompetenzen zur Situationsanalyse zu erweitern und den Erwerb neuer Deutungs- und Handlungsmuster zu unterstützen und auf diese Weise schließlich erfolgreich Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Denn es hat sich bisher auch infolge der bestehenden Rahmenbedingungen ein allgemein uneinheitliches Vorgehen im Coaching etabliert, das wesentlich durch die unüberschaubare Methoden- und Theorievielfalt zum Teil ohne wissenschaftlichen Hintergrund geprägt ist. Die insgesamt existierende Vielfalt an Methoden und Theorien wird zudem je nach Klient und Situation im Coaching und je nach individuellem Ermessen des Coachs (Einflussgrößen können hier z.B. die spezifische Ausbildung, konkrete Erfahrungen etc. sein) allgemein uneinheitlich angewendet, ohne dass den Handlungen insgesamt eine einheitliche Coachingmethodik bzw. eine bündige und fundierte konzeptionelle Basis zugrunde liegt. Wie durch die eben beschriebenen Wirkungszusammenhänge deutlich wurde, begründen auch die bestehenden Rahmenbedingungen hinsichtlich der Person des Coachs - also das Fehlen eines einheitlichen Anforderungsprofils, einheitlicher Zugangsvoraussetzungen sowie allgemeinverbindlicher Qualifikationsstandards und einer darauf basierenden einheitlichen Aus- bzw. Weiterbil1368 Verwiesen sei diesbezüglich auch auf die kontroverse Diskussion zum Thema ‚Führungskraft als Coach’.
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4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie
dung für Coachs – im Ganzen betrachtet sowohl das Fehlen von Professionalität als auch das Bestehen einer allgemein großen Uneinheitlichkeit und die damit einhergehende Intransparenz im Coaching (siehe hierzu genauer im Rahmen der Kohärenzbestimmung), wodurch schließlich die Erfüllung der Funktionen des Coachings und die Qualitätssicherung im Coaching erheblich beeinträchtigt sind. Eine weitere Rahmenbedingung, die die inkohärenten Wirkungszusammenhänge im Rahmen der inneren Struktur des Coachings mit begründet, ergibt sich zudem aus der Entstehung des Coachings. Denn Coaching ist eine Maßnahme, die ihren Ursprung im Bereich des Sports hat und aufgrund der praktischen Bedürfnisse im wirtschaftlichen Umfeld später auch auf die Wirtschaft übertragen wurde. Zwar hat sich das Coaching als Personalentwicklungsinstrument seither weiterentwickelt; aus der Praxis heraus entstanden, fehlt es jedoch bis heute an wissenschaftlicher Fundierung. Die Auswirkungen einer fehlenden wissenschaftlichen Basis für das Coaching sind allgemein die fehlende Professionalität, das uneinheitliche Vorgehen und die damit verbundenen fehlenden Standards im Coaching, konkret z.B. die fehlenden fundierten Qualitätskriterien, die beliebige Anwendung teilweise fragwürdiger Methoden ohne theoretischen Hintergrund und fundierte konzeptionelle Grundlage sowie die uneinheitlichen und zum Teil zweifelhaften Aus- und Weiterbildungen für Coachs.
4.2.4 Identifizieren von stabilisierenden und beeinträchtigenden Faktoren Im Anschluss an die begriffliche Erklärung des Fehlens einer erkennbaren Kohärenz und Korrespondenz des Coachings zum Zeitpunkt der Beobachtung werden nun die auf das Coaching insgesamt stabilisierend und beeinträchtigend wirkenden Faktoren aus den anfangs dokumentierten Phänomenen entnommen.1369 Durch die Einbeziehung der stabilisierenden und beeinträchtigenden Faktoren in die Analyse lassen sich im weiteren Verlauf die Aussagen über den Stabilitätszustand des Coachings noch präzisieren und Aussagen über die Stabilisierung des Coachings in der Zeit formulieren.
4.2.4.1 Stabilisierende Faktoren Als stabilisierende Faktoren werden im Folgenden die Phänomene herausgearbeitet, die stabilisierend auf die betrachtete Gestalt einwirken, das heißt 1369
Vgl. Dürr/Aisenbrey (b), S. 2; Dürr (d), S. 3
4.2 ‚Reduktion’ der Phänomene des Coachings im Rahmen der Theorie
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kohärenz- und/oder korrespondenzfördernd sind. Sie können also sowohl die innere Struktur des Coachings, als auch dessen Rahmenbedingungen betreffen. Stabilisierende Faktoren können grundsätzlich sowohl in stabilen Phasen als auch in Krisenphasen identifiziert werden. Das alleinige Vorhandensein stabilisierender Faktoren begründet noch keine Stabilität (Ebene). Stabilisierende Faktoren können beispielsweise bestimmte Fähigkeiten, Handlungen, Bestrebungen, Ziele etc. sein, die die Stabilität der betrachteten Gestalt positiv beeinflussen.1370 Coaching ist eine aus der Praxis heraus entstandene Personalentwicklungsmaßnahme, was im Hinblick darauf stabilisierend ist, dass sie sich entsprechend bedarfsorientiert entwickelt hat. Coaching setzt von seinem Ursprung her am aktuellen tatsächlichen Bedarf der heutigen Arbeitswelt an, speziell vor dem Hintergrund der sich immer schneller vollziehenden, kontinuierlichen Veränderungen auf Unternehmens- und damit auch Mitarbeiterebene. Dies wird auch durch die kontinuierlich steigende Nachfrage nach Coaching bestätigt. Mittlerweile ist Coaching in vielen Unternehmen der Wirtschaft und zunehmend auch in der öffentlichen Verwaltung etabliert. Es hat sich neben den bisher üblichen Personalentwicklungsmaßnahmen, wie traditionellen Seminaren und Trainings, insbesondere aufgrund seiner individualspezifischen, an der jeweiligen konkreten realen Situation orientierten, vor allem auch überfachlichen und vom Grundsatz her auf dauerhafte Selbsthilfe (keine Einmalhilfe) ausgerichteten Beratungsform behauptet. Ebenso weisen Zukunftsprognosen für das Coaching auf eine weiterhin positive Entwicklungstendenz hin. (Siehe Kapitel 2.2.1 sowie Kapitel 2.9) Zwar hat sich bisher keine einheitliche, allgemeinverbindliche Coachingdefinition etabliert; trotz der insgesamt uneinheitlichen Begriffsverwendung wirkt sich jedoch stabilisierend aus, dass sich zumindest im professionellen Coachingumfeld einige grundlegende Übereinstimmungen zu verschiedenen Merkmalen des Coachings erkennen lassen:
1370
So wird Coaching nach mehrheitlicher Auffassung als modernes und innovatives Personalentwicklungsinstrument verstanden, in dem Fragestellungen aus dem Arbeits-/Berufsumfeld und dem damit verbundenen persönlichen Bereich der Klienten thematisiert werden. Coaching ist also grundsätzlich auf den beruflichen Kontext, das Arbeitsumfeld fokussiert. (Siehe Kapitel 2.2.3 und Kapitel 2.9)
Vgl. Aisenbrey, S. 18, S. 70
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4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie
Weitgehend einheitlich wird darüber hinaus die individuelle Hilfe zur Selbsthilfe als basale Funktion des Coachings verstanden. Der Klient soll im Coaching lernen, sich in der jeweils aktuellen Situation sowie in zukünftigen Situationen selbst zu helfen. Hierzu orientiert sich Coaching als individualspezifische Maßnahme immer am konkreten Einzelfall. (Siehe hierzu Kapitel 2.3 sowie Kapitel 2.9)
Entsprechend dieser grundlegenden Funktion des Coachings zeigen sich auch deutliche Übereinstimmungen bezüglich der Rolle des Coachs als ‚Entwicklungshelfer zur Selbsthilfe’. Allgemeiner Konsens besteht darüber, dass der Coach nicht als Problemlöser oder Ratgeber fungiert, der nach eigenen Überzeugungen den Klienten beeinflusst und ihm Lösungen vorgibt. Er nimmt stattdessen die Rolle eines Beraters im Sinne eines Moderators, Betreuers und Dialogpartners ein, der partnerschaftlich-wertschätzend zur Selbstorganisation anregt. Der Coach gibt den Anstoß zu einem persönlichen Entwicklungs- und Lernprozess des Klienten und begleitet diesen unterstützend im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe, bis der Klient gelernt hat, wie er sich selbst helfen (stabilisieren) kann. (Siehe hierzu Kapitel 2.5.1 und Kapitel 2.9)
Auch die auf Vertrauen, gegenseitige Wertschätzung und Sympathie beruhende persönliche Beziehung zwischen Coachs und Klienten bildet im professionellen Coachingumfeld nach allgemein einheitlicher Auffassung die Grundlage eines jeden Coachings. (Siehe hierzu Kapitel 2.5.2)
Ebenso besteht über die grundsätzlichen Vor- und Nachteile unternehmensinterner und -externer Coachs weitgehend Einigkeit. (Siehe hierzu Kapitel 2.5.3 und Kapitel 2.9)
Ferner wird Coaching allgemein einheitlich auch als Prozess verstanden, der sich über einen bestimmten, individuell festzulegenden Zeitraum erstreckt und nach mehrheitlicher Auffassung zugleich zeitlich begrenzt ist. Der Coachingprozess ist in mehrere Phasen unterteilt und weist in seiner Grundstruktur, auf Meta-Ebene betrachtet, einige vor allem thematische und prozessstrukturelle Übereinstimmungen auf: Vorphase: Kontaktaufnahme, Erstgespräch, Kontraktformulierung; Hauptphase, Arbeitsphase/eigentliche Coachinggespräche: Klärung der Situation und des Anliegens des Klienten, Erarbeiten individueller Lösungsmöglichkeiten, Umsetzung; Abschlussphase: Beendigung und Bewertung des abgelaufenen Prozesses. (Siehe Kapitel 2.7 und Kapitel 2.9)
4.2 ‚Reduktion’ der Phänomene des Coachings im Rahmen der Theorie
295
Neben den bereits identifizierten stabilisierenden Faktoren kann sich auch die bestehende Methoden- und Theorievielfalt stabilisierend auf das Coaching auswirken. Dies im Hinblick darauf, dass sie eine individualspezifische Ausrichtung der Maßnahme auf den speziellen Klienten und seine konkrete Situation ermöglicht. Das heißt, die derzeit existierende Vielfalt an Methoden und auch Theorien befähigt die Coachs, auf jeden Klienten und alle denkbaren beruflichen Konstellationen eines Klienten individuell eingehen zu können. Zudem ist durch die unendlich große Vielfalt an grundsätzlich möglichen Vorgehensweisen im Coaching derzeit auch gegeben, dass sich jeder Coach sein eigenes, speziell zu ihm passendes Methoden- und Theorieinventarium zusammenstellt und entwickelt (z.B. aufgrund seiner spezifischen Ausbildung und Erfahrung). (Siehe hierzu Kapitel 2.7.4) Insgesamt ermöglicht die allgemein bestehende Vielfalt im Coaching, die nicht nur in der Methoden- und Theorievielfalt, sondern mitunter auch in den vielfältigen, derzeit angebotenen Arten von Coachings und in den unterschiedlichen prozessualen Vorgehensweisen (Prozessstrukturen) zum Ausdruck kommt, vom Grundsatz her die für das Coaching charakteristische individualspezifische Ausrichtung, also eine an den jeweils individuellen Gegebenheiten des Einzelfalls orientierte Vorgehensweise. (Siehe hierzu insgesamt Kapitel 2.7 und Kapitel 2.6) Obwohl insgesamt einheitliche allgemeinverbindliche Standards für Coachings fehlen, wirken sich jedoch einerseits bereits die allgemeine Erkenntnis darüber und über die damit verbundenen Probleme (z.B. bezüglich der Transparenz im Coaching) sowie andererseits insbesondere die durch diese Erkenntnisse hinsichtlich der fehlenden Standards hervorgerufenen, bereits bestehenden Bestrebungen zur weiteren Professionalisierung des Coachings allgemein stabilisierend aus. So werden mittlerweile zur Professionalisierung und verstärkten Etablierung des Coachings zunehmend mehr Qualitätssicherung und hierzu die Schaffung von überprüfbaren (Qualitäts-)Standards angestrebt. Neben einer einheitlichen, allgemeinverbindlichen Coachingdefinition betrifft dies vor allem auch die Forderung nach einem Berufsbezeichnungsschutz sowie einem allgemeinverbindlichen, einheitlichen Anforderungsprofil und einem entsprechenden Ausbildungsstandard für Coachs. So haben sich Coachs bereits in Verbänden organisiert, mit dem Ziel, Ausbildungsstandards zu implementieren und Qualität durch Zertifizierungen (z.B. DIN-Norm für ‚Business Coachs’) zu sichern.
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4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie
Zugleich wird ein Konsens bezüglich der allgemeinen Indikationsregeln für Coachings gefordert. Eine Verständigung über die möglichen Anlässe für Coachings innerhalb der Anbieter-Gruppe wird angestrebt, um Personalentwicklern und Klienten Entscheidungshilfen für den Einsatz von Coachings zu geben sowie ein ‚over-selling’ der Maßnahme zu vermeiden. Vor einer willkürlichen Anwendung des Coachings als allgemeines ‚Allheilmittel’ bzw. allgemeine ‚Patentlösung’ wird grundsätzlich gewarnt. Ferner wird zunehmend eine bündige konzeptionelle Orientierung als Grundlage für alle Vorgehensweisen im Coaching gefordert. Es wird nach einer Coachingmethodik gesucht, die einen ausformulierten Rahmen für Coachings festlegt und damit eine einheitliche, fundierte Grundlage schafft. (Siehe hierzu insgesamt Kapitel 2.8, Kapitel 2.9, Kapitel 2.7.4, Kapitel 2.5.2.2, Kapitel 2.4 sowie Kapitel 2.2.1 und 2.2.2) Insgesamt wird vor allem aber auch eine stärkere wissenschaftliche bzw. theoretische Fundierung des aus der Praxis heraus entwickelten Coachings angestrebt. Durch vermehrte Forschung und eine verstärkte Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Praktikern soll, so wird gefordert, das Tätigkeitsfeld Coaching als akzeptierte Ergänzung zu anderen Personalentwicklungsmaßnahmen professionalisiert, ‚auf gesicherte Füße gestellt’ und etabliert werden. (Siehe hierzu insbesondere Kapitel 2.8, Kapitel 2.9)
4.2.4.2 Beeinträchtigende Faktoren Als beeinträchtigende Faktoren gelten alle Phänomene, die die Instabilität der untersuchten Gestalt fördern. Beeinträchtigende Faktoren können grundsätzlich sowohl auf die Kohärenz als auch auf die Korrespondenz beeinträchtigend wirken. Sie können nicht nur während einer instabilen Phase existieren, sondern auch dann vorhanden sein, wenn sich die untersuchte Gestalt gerade in einer stabilen Phase befindet. Das alleinige Vorhandensein beeinträchtigend auf das Coaching wirkender Faktoren begründet somit noch keine Krise. Beeinträchtigende Faktoren können beispielsweise bestimmte Fähigkeiten, Handlungen, Bestrebungen, Ziele etc. sein, die die Stabilität der betrachteten Gestalt sichtbar negativ beeinflussen bzw. die Instabilität fördern.1371 Das Fehlen allgemeinverbindlicher, wissenschaftlich fundierter Coachingstandards verbunden mit der im Coaching insgesamt vorherrschenden Vielfalt und 1371
Vgl. insgesamt hierzu Aisenbrey, S. 18, S. 70
4.2 ‚Reduktion’ der Phänomene des Coachings im Rahmen der Theorie
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zugleich Uneinheitlichkeit, sowohl im Begriffsverständnis als auch in der konkreten Ausgestaltung, wirkt sich allgemein beeinträchtigend aus - insbesondere aufgrund der daraus resultierenden fehlenden Transparenz, der somit vor allem auch nicht ausreichend möglichen Qualitätssicherung sowie der damit erschwerten weiteren Etablierung des Coachings als fundierte Personalentwicklungsmaßnahme. Denn wenn Coaching den Status eines professionellen Personalentwicklungsinstruments dauerhaft sichern will, ist auch die Sicherung von Qualität unumgänglich. Ohne vom Coach anwendbare und von Dritten überprüfbare Qualitätskriterien besteht für das Coaching die Gefahr, ein undurchsichtiges und beliebig missbrauchbares Beratungskonzept zu sein. Zum Zeitpunkt der Betrachtung ist die Professionalisierung des Coachings insgesamt noch nicht ausreichend vorangeschritten. Zumal es dem Coaching als aus der Praxis heraus entstandener Maßnahme auch allgemein an ausreichender wissenschaftlicher Fundierung und an wissenschaftlicher Evaluation fehlt. (Siehe hierzu insbesondere Kapitel 2.8, Kapitel 2.9) Im Einzelnen zeigt sich dies auch an den folgend aufgeführten beeinträchtigenden Faktoren: Der Coachingbegriff ist rechtlich nicht geschützt und auch eine einheitliche Coachingdefinition fehlt bisher. Das hat zur Folge, dass der Begriff ‚Coaching’ allgemein uneinheitlich und zum Teil sehr diffus verwendet und nicht selten missbraucht wird.1372 Im Laufe der Zeit ist ‚Coaching’ zu einem Sammel- und Oberbegriff geworden, einem allseits verwendeten Modewort, das immer wieder exklusiv für die jeweils unterschiedlichsten Vorgehensweisen von (beruflicher) Beratung reklamiert wird. So sind etliche der zahlreichen am Markt angebotenen sogenannten ‚Coachings’ auch keine etablierten bzw. fundierten Verfahren, sondern etwa klassische Trainings- und Beratungsformen oder auch Ansammlungen zweifelhafter Ideen und Vorgehensweisen, die mit unrealistischen Erfolgsversprechungen angepriesen werden. (Siehe hierzu insgesamt Kapitel 2.2.2, Kapitel 2.6, Kapitel 2.8 und Kapitel 2.9) Analog dem Coachingbegriff ist speziell auch die Berufsbezeichnung ‚Coach’ rechtlich nicht geschützt, so dass sich dementsprechend jeder als ‚Coach’ bezeichnen darf. Zudem fehlt es insgesamt an einer allgemein anerkannten, einheitlichen Definition und damit einer verbindlichen Klärung z.B. bezüglich der Fra1372
Selbst zu den gängigen Arten des Einzel- und Teamcoachings bestehen aufgrund des allgemein fehlenden einheitlichen Coachingverständnisses kontroverse Diskussionen. So verstehen einige Coachs beispielsweise ausschließlich eine Zweierbeziehung als Coaching, während andere auch ganz selbstverständlich ein Team coachen.
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4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie
gen: Wer ist eigentlich ein Coach? Wer kann und darf Coach sein? Kann beispielsweise eine Führungskraft Coach sein? Handelt es sich beim Coach eher um einen Beruf oder eine Funktion? Was macht ein Coach? Neben einer allgemein einheitlichen Definition fehlt es insbesondere auch an einem einheitlichen, allgemeinverbindlichen Anforderungsprofil für Coachs sowie einer einheitlichen, anerkannten Coachingaus- bzw. -weiterbildung. Das Fehlen verbindlicher Zugangsvorraussetzungen und Qualifikations-/Ausbildungsstandards und damit einhergehender Qualitätskriterien führt schließlich dazu, dass am Coachingmarkt viele verschiedene, teilweise auch sehr fragwürdige Aus- bzw. Weiterbildungen für Coachs angeboten werden und im Coachingumfeld daher u.a. vor sogenannten ‚Instant’-Ausbildungen sowie allgemein vor unprofessionell agierenden ‚Coachs’ bzw. Beratern mit zweifelhaftem fachlichen Hintergrund (‚schwarzen Schafen’, ‚halbgebildeten Besserwissern’ etc.) gewarnt wird. Zwar haben sich Coachs mit dem Ziel der Implementierung von Standards und der Qualitätssicherung in Verbänden organisiert und bieten über die gegründeten Organisationen auch selbst zertifizierte Ausbildungsprogramme an. Mittlerweile existieren jedoch viele verschiedene derartiger Coachingorganisationen, die zum Teil recht unterschiedliche Interessen vertreten und die ihre jeweils individuell unterschiedlichen Ausbildungen und auch Zertifizierungen anbieten ebenfalls vor dem Hintergrund unterschiedlichster (auch fragwürdiger) Qualitätsund Zertifizierungskriterien. (Siehe hierzu Kapitel 2.5, Kapitel 2.8 und Kapitel 2.9) Mit dem Fehlen einheitlicher, fundierter Indikationsregeln für Coachings geht auch eine unüberschaubare Vielfalt von unterschiedlichen Coachinganlässen einher. Da es allgemein an konkreten, allgemeinverbindlichen Entscheidungskriterien für den Einsatz von Coachings fehlt und auch keine einheitliche, umfassende Darstellung bzw. Beschreibung der generellen Anwendungsfelder existiert, wird im professionellen Coachingumfeld davor gewarnt, Coaching generell als ‚Allheilmittel’ oder ‚Patentlösung’ anzuwenden und als solches zu missbrauchen. (Siehe hierzu Kapitel 2.4, Kapitel 2.8 und Kapitel 2.9) Der strukturelle Ablauf eines Coachings stellt sich grundsätzlich als ein über mehrere Phasen verlaufender, komplexer Prozess (Entwicklungs- bzw. Lernprozess) dar, der idealerweise an der konkreten Situation und Person des Klienten ganz individuell ausgerichtet ist und sich somit je nach Einzelfall unterschiedlich gestaltet. Darüber hinaus existieren bisher keine allgemeinverbindlichen (Qualitäts-)Standards, die einen einheitlichen, fundierten Rahmen für den Coa-
4.2 ‚Reduktion’ der Phänomene des Coachings im Rahmen der Theorie
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chingprozess schaffen, so dass sich nicht nur je nach spezifischer Situation im Coaching, sondern vor allem auch je nach Coach die Prozesse in ihrer Struktur zum Teil deutlich voneinander unterscheiden und sehr uneinheitlich ablaufen. Selbst auf Meta-Ebene betrachtet, zeigen sich in Literatur und Praxis - sogar im Rahmen professioneller Coachings - trotz einiger Übereinstimmungen (insbesondere die Einteilung in drei übergeordnete Prozessphasen) deutliche Unterschiede in der strukturellen Gestaltung von Coachingprozessen (nicht nur in der Terminologie, auch in der Schwerpunktsetzung, Abgrenzung und Abfolge der Prozessschritte). Mit anderen Worten: Trotz grundlegender Übereinstimmung im allgemeinen Verständnis von Coaching als Prozess existieren zum Zeitpunkt der Betrachtung des Coachings keine allgemein einheitlichen, allgemeinverbindlichen Standards für Coachingprozesse, das heißt kein einheitlicher, fundierter struktureller Rahmen, der die Qualität sichern sowie die notwendige Transparenz in den Prozessen schaffen und damit auch Qualitätskriterien grundsätzlich überprüfbar machen würde. (Siehe hierzu Kapitel 2.7 und Kapitel 2.8) Im engen Zusammenhang mit dem vorab dargestellten beeinträchtigenden Faktor, der Uneinheitlichkeit in den Prozessstrukturen, ist darüber hinaus auch die methodische Umsetzung im Coachingprozess nicht nur vielfältig, sondern auch unüberschaubar und wirkt sich insgesamt beeinträchtigend aus. Die Vorgehensweisen im Coaching sind durch die bestehende Theorie- und Methodenvielfalt, das heißt durch die Anwendung eines sehr breiten Methodenund Theorieinventariums, geprägt. Im Coaching existieren insgesamt unüberschaubar viele verschiedene Vorgehensweisen und Ansätze, die auf jeweils unterschiedlicher theoretischer Basis oder teilweise auch auf theorielosen Überlegungen bzw. auf keiner wissenschaftlichen Grundlage beruhen und die darüber hinaus auch nach ihrem ausformulierten Umfang sehr unterschiedlich sind, bis hin zu ad-hoc-Vorgehensweisen – wie bereits begründend dargestellt. Zudem besitzt jeder Coach (z.B. je nach spezifischer Ausbildung und Erfahrung) sein eigenes individuell zusammengestelltes Methoden- und Theorieinventarium, das er mangels des Vorhandenseins einheitlicher, allgemeinverbindlicher Standards zudem ganz nach eigenem Ermessen einsetzen kann. Aufgrund der damit einhergehenden beliebigen Kombinationen von Methoden und Theorien bzw. auch theorielosem Vorgehen existiert im Coaching die Gefahr eines unreflektierten Eklektizismus. Schließlich hat sich im Rahmen der phänomenologischen Beschreibung des Coachings gezeigt, dass den Vorgehensweisen im Coaching keine einheitliche Coachingmethodik im Sinne einer bündigen konzeptionellen Orientierung zugrunde liegt. Das heißt, je nach Coach und individueller Situation im Coaching
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4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie
werden unterschiedliche Methoden angewendet, wobei die vielfältigen methodischen Vorgehensweisen im Coaching auch auf übergeordneter Ebene (MetaEbene) betrachtet keine allgemein einheitliche, wissenschaftlich fundierte und ausformulierte konzeptionelle Grundlage erkennen lassen. Ingesamt bringt das Nicht-Vorhandensein einheitlicher und überprüfbarer wissenschaftlich fundierter Standards sowohl speziell auf die methodischen Vorgehensweisen als auch, wie gezeigt, auf andere Aspekte des Coachings bezogen, nicht nur Vielfalt, sondern insbesondere auch große Uneinheitlichkeit und damit Intransparenz hervor. Dies begründet vor allem die existierende Gefahr des Missbrauchs und das bestehende Problem der Qualitätssicherung. (Siehe hierzu insgesamt Kapitel 2.7, Kapitel 2.5.2.3, Kapitel 2.8 sowie Kapitel 2.9)
4.2.5 Aussagen zum Stabilitätszustand und zur Kraft der Selbststabilisierung Im Folgenden werden nun zunächst auf Grundlage der bisher durch die Analyse gewonnenen Erkenntnisse über die Kohärenz und Korrespondenz Aussagen zum Stabilitätszustand des Coachings zum Zeitpunkt der Beobachtung getroffen. Anschließend wird es unter Einbeziehung der auf das Coaching insgesamt stabilisierend und beeinträchtigend wirkenden Faktoren möglich, die getroffenen Aussagen zum Stabilitätszustand des Coachings zu präzisieren. Ferner wird die Kraft der Selbststabilisierung, der Ordnungsparameter, falls erkennbar, begrifflich beschrieben. Schließlich lässt sich auf Basis dieser Ergebnisse aus der Analyse im Rahmen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information im folgenden Kapitel 4.3 dann auch nach der Bedeutung des bisher Erklärten für die Zukunft fragen. Das heißt, es werden sowohl Prognosen über den Stabilitätszustand des Coachings in der Zeit erstellt als auch konkrete Gestaltungsempfehlungen für die zukünftige Entwicklung des Coachings allgemein nachvollziehbar erarbeitet. Beginnend mit der Bestimmung des Stabilitätszustands des Coachings zum Zeitpunkt der Beobachtung wird nun zunächst auf die in Kapitel 4.2.3 vorgenommene begriffliche Erklärung der Kohärenz und der Korrespondenz - den Stabilitätskriterien, mit anderen Worten den Kriterien für die Leistungsfähigkeit bzw. den Erfolg und die Qualität des Coachings - zurückgegriffen. Dabei gilt grundsätzlich: Sind sowohl Kohärenz als auch Korrespondenz gegeben, dann befand sich die untersuchte Gestalt zum Zeitpunkt der Beobachtung in einem stabilen Zustand bzw. in einer stabilen Phase. Denn Kohärenz und Korrespondenz sind die not-
4.2 ‚Reduktion’ der Phänomene des Coachings im Rahmen der Theorie
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wendigen Bedingungen für die Stabilität bzw. die erfolgreiche Selbststabilisierung einer Gestalt.1373 Fehlende Kohärenz und/oder fehlende Korrespondenz sind folglich Merkmale von Instabilität. Die untersuchte Gestalt befand sich dann zum Zeitpunkt der Beobachtung in einer erklärbaren Krise, das heißt in einer instabilen Phase.1374 Instabile Phasen sind Zeiträume, in denen stabile Gestalten vergehen, aus denen aber auch aufgrund von Veränderungen neue, differenziertere stabile Gestalten möglicherweise entstehen können (Gestaltwandel). Instabile Phasen sind demnach nicht per se negativ zu bewerten, sondern können durchaus positiv als Möglichkeit für das Entstehen neuer erfolgreicher stabiler Gestalten gesehen werden.1375 Konkret auf das betrachtete Coaching bezogen, bedeutet dies: Da, wie in Kapitel 4.2.3 ausführlich dargestellt wurde, weder eine Kohärenz der inneren Struktur des Coachings erkennbar ist, noch eine Korrespondenz dieser inneren Struktur zu den äußeren Bedingungen ihrer Existenz besteht, befand sich das Personalentwicklungsinstrument Coaching folglich zum Zeitpunkt der Beobachtung grundsätzlich in einer instabilen Phase (Krise).1376 Für die ausführliche Begründung dieser Instabilität sei hier, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, auf die bereits vorgenommene ausführliche begriffliche Erklärung des Fehlens der Kohärenz in Kapitel 4.2.3.1 und des Fehlens der Korrespondenz in Kapitel 4.2.3.2 verwiesen. Unter Einbeziehung der zuvor in Kapitel 4.2.4 herausgearbeiteten stabilisierenden und beeinträchtigenden Faktoren lässt sich die Aussage zum Stabilitätszustand des Coachings nun noch präzisieren. Das heißt, werden die Faktoren, die sich allgemein stabilisierend bzw. beeinträchtigend auf das Coaching auswirken, mit berücksichtigt, dann kann z.B. auch erklärt werden, ob und warum sich das derzeit in einer erkennbaren Krise befindliche Coaching möglicherweise gleichzeitig auch in einem Übergang zu einer stabilen Phase befindet und gegebenenfalls das Entstehen einer stabilen Gestalt in Zukunft wahrscheinlich erscheint. Um die künftige Entwicklung des Coachings zu prognostizieren, wird zudem
1373
Vgl. insgesamt Dürr (b), S. 6, S. 7; Dürr (a), S. 19 Zum Ganzen vgl. Dürr/Aisenbrey (a), S. 98; Dürr (a), S.22; Dürr (b), S. 6, S. 10; Dürr (c), S. 2; Dürr (i), S. 6; Dürr (g), S. 6 1375 Vgl. Dürr (a), S. 5, S. 18 1376 Da der Fokus der hier vorgenommenen Analyse auf dem Gesamtphänomen Coaching als Personalentwicklungsinstrument im Ganzen liegt, beziehen sich somit auch alle in diesem Rahmen getroffenen konkreten Aussagen ausschließlich auf das Coaching insgesamt und nicht auf einen konkreten Einzelfall. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei darauf noch einmal explizit hingewiesen (vgl. hierzu auch die Einführung zu Kapitel 4.2). 1374
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4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie
nach dem Vorhandensein einer erkennbaren Kraft der Selbststabilisierung des Coachings gefragt. Tatsächlich lassen sich nun im Coaching neben den identifizierten beeinträchtigenden Faktoren (siehe Kapitel 4.2.4.2), die die Instabilität des Coachings fördern, auch etliche stabilisierende Faktoren deutlich nachweisen. Diese bereits in Kapitel 4.2.4.1 dokumentierten Faktoren wirken nicht nur auf die innere Struktur des Coachings, sondern darüber hinaus auch auf die Korrespondenz zwischen der inneren Struktur und den Rahmenbedingungen stabilisierend. Es können damit sowohl stabilisierende Faktoren nachgewiesen werden, die sich kohärenzfördernd auf das Coaching auswirken als auch stabilisierende Faktoren, die die Korrespondenz fördern. Zwar können die herausgearbeiteten stabilisierenden Faktoren zum Zeitpunkt der Beobachtung aufgrund des gleichzeitigen Vorhandenseins auf das Coaching deutlich beeinträchtigend wirkender Faktoren noch keinen Übergang in eine stabile Phase begründen, sie lassen jedoch den Ansatz einer stabilitätsfördernden, grundlegenden Entwicklung deutlich erkennen. Schließlich lässt sich auch ein Ordnungsparameter bzw. eine Kraft der Selbststabilisierung nachweisen. Dabei gilt bezüglich der Bestimmung der Kraft der Selbststabilisierung grundsätzlich zunächst Folgendes: Die begriffliche Darstellung der Kraft der Selbststabilisierung (des Ordnungsparameters) ist die Antwort auf die Fragen: Welche Kräfte einer Gestalt bewirken, dass sich zum einen die jeweiligen Praktiken, Funktionen und die Struktur wechselseitig bedingen, so dass Kohärenz entsteht, bzw. erhalten bleibt und sich zum anderen die innere Struktur der Gestalt und die spezifischen Rahmenbedingungen entsprechen, so dass gleichzeitig auch eine Korrespondenz besteht bzw. erhalten bleibt? Welche Kräfte bewirken bzw. fördern diese Ordnung (Stabilität)? Die Kraft der Selbststabilisierung ist dabei, wie auch die formulierten Fragen verdeutlichen, nicht nur dann bestimmbar, wenn sich die betrachtete Gestalt in einer stabilen Phase befindet, sondern auch, wenn sich diese in einer Entwicklungsphase, einem Phasenübergang von einer instabilen Phase in eine Ebene, befindet. Insgesamt zielt die Analyse der Kraft der Selbststabilisierung also auf die begriffliche Darstellung derjenigen Kraft ab, die das Entstehen einer stabilen Gestalt aus einem vorher instabilen Zustand heraus (eben durch Selbststabilisierung bzw. Selbstorganisation) bewirkt bzw. zur Aufrechterhaltung von Stabilität (Ordnung) in der untersuchten Gestalt beiträgt.1377
1377
Vgl. zum Ganzen Dürr (d), S. 2 f; Dürr (c), S. 2; Dürr (g), S. 6
4.2 ‚Reduktion’ der Phänomene des Coachings im Rahmen der Theorie
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Wie bereits erwähnt kann nun im Coaching zum Zeitpunkt der Beobachtung auch ein Ordnungsparameter nachgewiesen werden, der eine Selbststabilisierung des Coachings in der Zeit ermöglicht. Die Kraft der Selbststabilisierung im Coaching lässt sich konkret als diejenige Kraft begrifflich beschreiben, die die Erkenntnis hinsichtlich der Notwendigkeit einer professionellen Weiterentwicklung des Coachings und die aus dieser Erkenntnis resultierenden, zum Teil bereits in Umsetzung befindlichen Bestrebungen zur Schaffung einer stärkeren Vereinheitlichung und Transparenz im Coaching durch die Implementierung einheitlicher Standards, die wissenschaftlich fundiert, eine Grundlage für allgemeinverbindliche und überprüfbare Qualitätskriterien liefern, fördert. Diese Bestrebungen zur weiteren Professionalisierung und Etablierung des Coachings als erfolgreiche Personalentwicklungsmaßnahme am Markt beziehen sich dabei konkret u.a. auf eine künftig stärkere wissenschaftliche Forschung und eine entsprechende wissenschaftliche Fundierung des aus der Praxis heraus entstandenen Coachings, auf die Implementierung einer fundierten Coachingmethodik, die eine konzeptionelle Basis für alle methodischen Vorgehensweisen und möglichen Anlässe im Coaching bildet, auf die Implementierung von Zugangsvoraussetzungen und Ausbildungskriterien für Coachs sowie auf die Festlegung bzw. einheitliche Beschreibung der allgemeinen Anwendungsfelder des Coachings. Zusammenfassend konnte hier im Rahmen der vorgenommenen Bestimmung des Stabilitätszustands des Coachings schließlich die Erkenntnis gewonnenen worden, dass sich das Coaching derzeit zwar in einer instabilen Phase befindet, da Kohärenz und Korrespondenz - die Stabilitätskriterien bzw. die Kriterien für den Erfolg, die Leistungsfähigkeit und Qualität des Coachings - nicht erkennbar sind. Gleichzeitig lassen sich aufgrund der identifizierten starken stabilisierenden Faktoren und der erkennbaren Kraft der Selbststabilisierung aber auch grundlegende, stabilisierende Entwicklungstendenzen deutlich erkennen. Ein Übergang in eine stabile Phase lässt sich aus den stabilisierenden Faktoren und der beschriebenen Kraft der Selbststabilisierung zum Zeitpunkt der Beobachtung zwar noch nicht begründen, da zugleich auch starke beeinträchtigende Faktoren auf das Coaching wirken, die die Instabilität weiter fördern. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich das Coaching als eine noch junge, moderne Personalentwicklungmaßnahme derzeit wahrscheinlich am Anfang einer stabilisierenden Entwicklungsphase befindet, die entscheidend für den zukünftigen Erfolg des Coachings sein wird.
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4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie
4.3 Prognose und Gestaltungsempfehlungen auf Basis der Theorie Im Folgenden werden nun auf Grundlage der bisherigen Erkenntnisse, die aus der vorangegangenen Reduktion der Phänomene des Coachings mit Hilfe der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information gewonnen werden konnten, Wahrscheinlichkeitsprognosen1378 über die zukünftige Entwicklung des Coachings erstellt 1379 sowie darüber hinaus konkrete Bedingungen für die Steigerung der Leistungsfähigkeit bzw. des Erfolgs und für die Verbesserung der Qualität des Coachings aufgezeigt. Diese Gestaltungsempfehlungen ergeben sich dabei aus den in der Analyse zuvor identifizierten Abweichungen von einer Stabilität des Coachings1380 und können für die Interventionspalette Praktiken, Funktionen, Struktur und Rahmenbedingungen explizit benannt werden. Wahrscheinlichkeitsprognose über die zukünftige Entwicklung des Coachings Wie die bisher insgesamt aus der vorangegangenen Analyse des Coachings gewonnenen Ergebnisse zeigen, befand sich die untersuchte Gestalt zum Zeitpunkt der Beobachtung grundsätzlich in einer instabilen Phase, da sowohl die Kohärenz der inneren Struktur des Coachings als auch die Korrespondenz dieser inneren Struktur zu den spezifischen Rahmenbedingungen fehlen. Darüber hinaus erscheint durch das Vorhandensein der aufgezeigten stabilisierenden Faktoren sowie des beschriebenen Ordnungsparameters in Zukunft zwar ein Übergang des Coachings in eine stabile Phase als grundsätzlich möglich, allerdings wird durch das gleichzeitige Bestehen auch bedeutender beeinträchtigender Faktoren ebenso offensichtlich, dass die stabilisierend auf das Coaching wirkenden Faktoren und die identifizierte Kraft der Selbststabilisierung insgesamt noch nicht ausreichend stark sind, um zum Zeitpunkt der Beobachtung tatsächlich bereits einen Übergang des Coachings in eine stabile Phase zu begründen. Vielmehr zeigt sich, dass sich das Coaching als eine junge Personalentwicklungsmaßnahme derzeit noch in einer grundlegenden Entwicklungsphase befindet, die zum Zeitpunkt der Beobachtung aber deutliche stabilisierende Tendenzen erkennen lässt. Der Übergang des Coachings in eine stabile Phase wird dann wahrscheinlich, wenn sich die eingeleitete, vom Ansatz her stabilisierende Entwicklung im Coaching zukünftig noch eindeutig verstärkt, wenn also die Förderung der Professionalisie1378
Da nur die Vergangenheit faktisch ist, die Zukunft hingegen möglich, kann die Zukunft realistischerweise nie mit Bestimmtheit vorhergesagt werden, sondern stellt sich immer als ein Feld von Möglichkeiten dar. Aussagen über die Zukunft sind daher nur in Form von Wahrscheinlichkeitsaussagen möglich. (Siehe hierzu genauer in Kapitel 3.2.4 sowie in Kapitel 3.3.3) 1379 In Anlehnung an Dürr (i), S. 4; Dürr (b), S. 11; Dürr (c), S. 1 1380 Die im Rahmen der Analyse identifizierten Abweichungen des Coachings von einer Stabilität lassen sich umgangssprachlich auch als die identifizierten Schwächen des Coachings bezeichnen.
4.3 Prognose und Gestaltungsempfehlungen auf Basis der Theorie
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rung des Coachings insgesamt weiter voranschreitet, wodurch der Erfolg und die Qualität des Coachings zunehmend gesteigert und gesichert würden. Dies bedeutet allgemein die Förderung einer stärkeren Vereinheitlichung und Transparenz im Coaching im Sinne der Implementierung genereller Coachingstandards, die, wissenschaftlich fundiert, auch eine Grundlage für die Formulierung allgemeinverbindlicher und überprüfbarer Qualitätskriterien liefern. Gestaltungsempfehlungen Im Einzelnen lassen sich nun die nachfolgenden Gestaltungsempfehlungen für die zukünftige Entwicklung des Coachings formulieren, die aus den in der vorangegangenen Analyse bereits identifizierten Abweichungen des Coachings von einer Stabilität resultieren. Da die fehlende Kohärenz des Coachings, wie in Kapitel 4.2.3.1 analysiert, ihren Ursprung vor allem in den identifizierten Strukturmerkmalen hat, wird im Folgenden auch mit den Gestaltungsempfehlungen bezüglich der Struktur des Coachings begonnen. Aus den aufgezeigten Wirkungszusammenhängen ergeben sich dann auch weitere Empfehlungen zur stabilitätsfördernden Gestaltung des Coachings bezüglich der Praktiken, Funktionen und der Rahmenbedingungen: Im Rahmen der Erklärung des Fehlens der Kohärenz ist bereits aufgezeigt worden, warum es im Coaching an einer passenden Struktur fehlt, bzw. warum die Struktur des Coachings in bedeutenden Aspekten keine wechselseitige Übereinstimmung mit den herausgearbeiteten Handlungsweisen und Funktionen des Coachings aufweist und zum Teil Handlungen und Praktiken hervorbringt, die nicht als sinnstiftende Handlungsweisen erkennbar sind. Als eine bedeutende Ursache für diese inkohärenten Wirkungszusammenhänge im Coaching wurde dabei u.a. die bestehende Methoden- und Theorievielfalt identifiziert. Denn basierend auf dem Strukturmerkmal der Methoden- und Theorievielfalt wird es zwar einerseits möglich, im Coaching je nach der konkreten Situation und Person des Klienten jeweils individuell vorzugehen, was grundsätzlich positiv im Hinblick auf die Funktion des Coachings als individualspezifische Maßnahme beurteilt werden kann. Andererseits ist die Methodenund Theorievielfalt zugleich aber vor allem auch der Grund für das Vorhandensein insgesamt unüberschaubar vieler verschiedener, zum Teil sehr fragwürdiger Vorgehensweisen und Ansätze, die teilweise auf keiner wissenschaftlichen Grundlage basieren und auch von ihrem ausformulierten Umfang her sehr uneinheitlich sind (zum Teil handelt es sich auch um ad-hoc-Handlungen der Coachs). Zudem besitzt jeder Coach z.B. je nach spezifischer Ausbildung und Erfahrung sein individuell eigenes Methoden- und Theorieinventarium, also seinen eigenen
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individuellen ‚Werkzeugkoffer’, und wendet diesen auf unterschiedliche Weise nach eigenem Ermessen - zum Teil willkürlich - an, ohne das diesem Vorgehen generell ein wissenschaftlich fundiertes Handlungsmodell bzw. eine theoretisch fundierte Coachingmethodik, weder individuell zugeschnitten noch allgemein einheitlich, zugrunde liegt. Aufgrund der damit einhergehenden beliebig möglichen Kombination von Methoden und Theorien besteht insgesamt die Gefahr eines unreflektierten Eklektizismus und letztlich eines unprofessionellen und nicht sinnstiftenden (erfolglosen) Vorgehens. Schließlich entsteht durch das beschriebene, allgemein uneinheitliche Vorgehen im Coaching – das sich auf der bestehenden Theorie- und Methodenvielfalt ohne bündige konzeptionelle Basis und allgemeine wissenschaftliche Fundierung begründet – insgesamt betrachtet auch eine erhebliche Intransparenz im Coaching. Dabei kommt gerade transparenten Vorgehensweisen und damit einhergehend auch der Anwendung nicht manipulativer Methoden eine wesentliche Bedeutung im Coaching zu. Denn transparente Vorgehensweisen stellen eine wesentliche Grundlage für die identifizierten Funktionen des Coachings dar. Eine nachhaltige Selbsthilfe seitens der Klienten wird letztlich nur durch transparente Handlungsweisen der Coachs, die nicht manipulierend, sondern nachvollziehbar sind und den Klienten gegenüber auch beschrieben und erklärt werden, ermöglicht. Nur auf diese Weise können die Klienten tatsächlich lernen, wie sie sich auch in künftigen Ernstsituationen selbst helfen können. Ohne entsprechende transparente Vorgehensweisen können die Wahrnehmung, das Bewusstsein und die Reflexionsfähigkeit der Klienten nicht derart gefördert werden, dass eine nachhaltige Hilfe zur Selbsthilfe erreicht werden kann. Insbesondere erfordert auch der Erwerb und die selbstgesteuerte Umsetzung neuer Kompetenzen der Situationsanalyse und Selbstklärung sowie neuer Deutungs- und Handlungsmuster ein transparentes methodisches Vorgehen der Coachs. Denn die Klienten sollen im Laufe des Coachings z.B. neue fundierte Analyse-Methoden (Methoden u.a. zum Klären, Strukturieren und Verstehen von Personen, Situationen und Zusammenhängen) kennen lernen und darüber hinaus lernen, diese auch selbst erfolgreich anzuwenden - anfangs noch unterstützt durch den Coach und später vollkommen eigenständig. Das heißt, die Klienten sollen lernen, ihre eigene Situation und sich selbst auf Dauer gesehen auch ohne Unterstützung des Coachs besser wahrzunehmen, zu erklären und zu verstehen sowie dementsprechende Veränderungen umzusetzen. Fehlt die hierzu notwendige Transparenz und Nachvollziehbarkeit im Vorgehen, so können die Klienten eben nicht lernen, wie sie in späteren Situationen auch ohne die Unterstützung des Coachs, also durch Selbstorganisation bzw. Selbstmanagement, erfolgreich handeln können. Coaching kann dann bestenfalls Einmal-Hilfen leisten, ohne
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seine angestrebte, besondere Funktion - nämlich die nachhaltige Hilfe zur Selbsthilfe - aber tatsächlich erfüllen zu können. Auf Basis dieser hier aufgezeigten Abweichungen des Coachings von einer Stabilität ergeben sich bereits wesentliche Gestaltungsempfehlungen. So sollten generell professionelle, auf die Coachingfunktionen ausgerichtete Handlungsweisen1381 und ein insgesamt vereinheitlichtes, transparentes und nachvollziehbares Vorgehen im Coaching gesichert werden. Dies kann durch das Implementieren einer einheitlichen, wissenschaftlich fundierten Coachingmethodik ermöglicht werden, die einen vereinheitlichten, theoretisch fundierten konzeptionellen Rahmen für alle möglichen Funktionen und den diesen Funktionen entsprechenden Handlungsweisen festlegt und die für alle Coachings gleichermaßen gilt. Auf diese Weise könnte eine bisher noch fehlende, geeignete Coachingstruktur konzipiert werden, die wesentlich zur Kohärenz der inneren Struktur des Coachings beitragen würde. Allerdings muss bei einer entsprechenden Implementierung von Coachingstandards stets auch das Spannungsverhältnis zwischen einerseits der notwendigen, auf Professionalisierung abzielenden Vereinheitlichung und Reglementierung sowie anderseits dem unbedingten Erhalt der für das Coaching charakteristischen und wesentlichen Individualität berücksichtigt werden. Denn, wie bereits beschrieben, muss dem Sinn des Coachings entsprechend immer auch gewährleistet sein, dass ein Coaching als individualspezifische Personalentwicklungsmaßnahme im Einzelnen immer an den konkreten, individuellen Gegebenheiten (Anliegen, Bedürfnisse der Klienten etc.) ausgerichtet wird, sich also prinzipiell am jeweiligen Einzelfall konkret orientieren kann. Folglich müsste eine geeignete einheitliche Coachingmethodik auf jeden Einzelfall ganz konkret angewendet werden können, jeden individuellen Einzelfall für sich betrachten und es somit gestatten, jedes einzelne Coaching immer genau an den individuellen Gegebenheiten auszurichten. Diesen zunächst scheinbar unvereinbaren Anforderungen an eine Coachingmethodik (bzw. eine passende Coachingstruktur) - nämlich einerseits der notwendigen, auf Professionalisierung ausgerichteten Vereinheitlichung und Reglementierung sowie andererseits dem erforderlichen Erhalt von Individualität - tatsächlich gerecht zu werden, um die auf Stabilität abzielende Entwicklung des Coachings voranzubringen, stellt in der Umsetzung eine bedeutende Herausforderung dar. Grundsätzlich kann den bestehenden Anforderungen nur durch die Entwicklung einer einheitlichen Coachingmethodik entsprochen werden, die auf allge1381
Dies beinhaltet auch speziell die professionelle und auf die Coachingfunktionen ausgerichtete Anwendung von Methoden (und Theorien).
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4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie
meiner (übergeordneter) Ebene einen vereinheitlichten, alle möglichen Funktionen und entsprechenden Handlungsweisen im Coaching umfassenden, wissenschaftlich fundierten konzeptionellen Rahmen festlegt, und damit für jedes Coaching, also jeden konkreten Einzelfall, gleichermaßen gilt. Zugleich muss diese allgemeine einheitliche Coachingmethodik auf individueller Ebene stets auch eine jeweils einzelfallbezogene Betrachtung und eine konkret an den individuellen Gegebenheiten orientierte Ausrichtung jedes einzelnen Coachings ermöglichen. Auf diese Weise könnten somit individualspezifische, das heißt an den jeweils konkreten Gegebenheiten (den jeweiligen Bedürfnissen, Anliegen, Frageund Problemstellungen etc.) ausgerichtete Coachings ermöglicht werden, die gleichzeitig durch einen einheitlichen, allgemeinen, umfassenden, wissenschaftlich fundierten konzeptionellen Rahmen abgesichert sind, der grundsätzlich professionelle, transparente Handlungsweisen (speziell auch die Anwendung fundierter Methoden) gewährleistet, die den Funktionen des Coachings entsprechen und letztlich eine erfolgreiche individuelle, nachhaltige Hilfe zur Selbsthilfe ermöglichen. Auf Basis einer derartigen einheitlichen Coachingmethodik auf übergeordneter Ebene lassen sich zudem theoretisch fundierte, allgemein überprüfbare Qualitätskriterien für alle Coachings formulieren, die wesentlich zur Transparenz und Qualitätssicherung im Coaching beitragen und die Professionalisierung und Etablierung der Maßnahme weiter voranbringen. Dies betrifft über die (methodischen) Handlungsweisen im Coaching hinaus auch die damit in Zusammenhang stehende, bisher zum Teil noch uneinheitliche strukturelle Gestaltung von Coachingprozessen. Denn obwohl Coachings allgemein einheitlich als Prozesse ablaufen, existieren zum Zeitpunkt der Betrachtung dennoch Unterschiede in der jeweiligen strukturellen Ausgestaltung dieser Coachingprozesse. Wobei sich die bestehenden Uneinheitlichkeiten in der strukturellen und der methodischen Ausgestaltung von Coachingprozessen auch gegenseitig bedingen. So bringen uneinheitliche methodische Vorgehensweisen auch Unterschiede in der strukturellen Ausgestaltung mit sich und umgekehrt. Durch die Entwicklung einer einheitlichen, fundierten konzeptionellen Orientierung im Coaching könnte nicht nur ein bündiger, verbindlicher Rahmen auf übergeordneter Ebene für die Handlungsweisen und Funktionen festgelegt werden, sondern damit verbunden auch für den strukturellen Ablauf von Coachingprozessen. Insgesamt beeinflusst aber nicht nur eine einheitliche, allgemeine, wissenschaftlich fundierte Coachingmethodik (als Strukturmerkmal) die Handlungsweisen und das strukturelle Vorgehen im Coaching und kann hierfür professionelle Standards setzen. Gleichzeitig wirkt sich auch die allgemeine Qualifikation von Coachs - ein den Rahmenbedingungen zugeordneter Aspekt - bedeutend auf
4.3 Prognose und Gestaltungsempfehlungen auf Basis der Theorie
309
deren Handeln aus. Folglich muss, um Stabilität zu erreichen und somit die Qualität und den Erfolg im Coaching zu sichern, auch die Qualifikation von Coachs dementsprechend professionalisiert werden. Das heißt, entsprechend der noch zu entwickelnden, einheitlichen und wissenschaftlich fundierten konzeptionellen Grundlage für Coachings sollten künftig auch allgemeinverbindliche, fundierte und überprüfbare Qualifikationsstandards für Coachs geschaffen werden, die generell professionelle, sinnstiftende und transparente Praktiken der Coachs gewährleisten. Auch hier sollte dabei aber die Individualität im Einzelnen bestehen bleiben, so dass sich jeder Coach gemäß seinen spezifischen Fähigkeiten entwickeln bzw. spezialisieren kann. Denn schließlich wäre der Anspruch unrealistisch, dass jeder Coach für alle möglichen Anliegen und jeden Klienten in gleichem Maße geeignet sein sollte. Solange im Coaching insgesamt jedoch noch immer ein einheitliches Anforderungsprofil und dementsprechende Zugangsvoraussetzungen für Coachs sowie allgemeinverbindliche und wissenschaftlich fundierte Kriterien für eine Aus- bzw. Weiterbildung fehlen, ist ein Übergang des Coachings in eine stabile Phase nicht wahrscheinlich. Wie die vorhandenen Rahmenbedingungen zeigen, ist zum Zeitpunkt der Beobachtung weder die Berufsbezeichnung ‚Coach’ einheitlich definiert noch rechtlich geschützt. Folglich kann sich jeder als ‚Coach’ bezeichnen, unabhängig von Ausbildung, fachlichen Kenntnissen, praktischer Erfahrung, menschlichen bzw. sozialen Eigenschaften etc. Am professionellen Coachingmarkt wird daher auch vor unseriösen Anbietern und unprofessionell agierenden ‚Coachs’ mit fraglichem Hintergrund gewarnt. Allgemein ergeben sich aufgrund der bestehenden Rahmenbedingungen zum Zeitpunkt der Betrachtung somit ernsthafte Zweifel an der ausreichenden Qualifikation von Coachs als Grundlage für ein professionelles und erfolgreiches Coaching. Ohne eine fundierte Qualifikation der Coachs, die durch allgemeinverbindliche, fundierte und überprüfbare Qualifikationsstandards abgesichert werden sollte, lässt sich grundsätzlich kein professionelles und transparentes Vorgehen der Coachs gewährleisten. Um die Wahrnehmungsfähigkeit, das Bewusstsein und das Reflexionsvermögen der Klienten individuell und fundiert zu fördern sowie deren Kompetenzen zur Situationsanalyse zu erweitern und den Erwerb neuer Deutungs- und Handlungsmuster professionell zu unterstützen und auf diese Weise erfolgreich Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, ist daher in jedem Fall eine entsprechend umfassende, wissenschaftlich basierte Coachingqualifikation notwendig. Insgesamt ist zur Erreichung von Stabilität im Coaching somit, neben den bereits formulierten Gestaltungsempfehlungen, auch die Etablierung eines einheitlichen Anforderungsprofils, einheitlicher Zugangsvoraussetzungen sowie allgemeinverbindlicher Qualifikationsstandards und einer darauf basierenden
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4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie
einheitlichen Aus- bzw. Weiterbildung für Coachs unerlässlich. Dabei sollten die zu implementierenden dementsprechenden Qualifikationsstandards für Coachs unbedingt auch der einheitlichen Coachingmethodik auf allgemeiner Ebene und deren wissenschaftlicher Fundierung entsprechen, um auch hier einen korrespondierenden Wirkungszusammenhang zu gewährleisten. Eine weitere Gestaltungsempfehlung in Bezug auf die Rahmenbedingungen des Coachings betrifft, neben der eben thematisierten Qualifikation von Coachs, darüber hinaus die noch fehlenden verbindlichen Indikationsregeln für Coachings. Denn das Fehlen einer einheitlichen und verbindlichen Beschreibung der generell möglichen Anwendungsfelder für Coachings führt dazu, dass Coachings in allen möglichen Situationen und zu jedem beliebigen Anlass uneingeschränkt eingesetzt und schließlich als ‚Allheilmittel’ bzw. ‚Patentlösung’ missbraucht werden können. Ohne die Grenzen der Maßnahme verbindlich zu berücksichtigen und die Anwendungsfelder fundiert zu benennen und entsprechend einzuschränken, kann Coaching somit zwar generell beliebig eingesetzt werden - jedoch kann die Maßnahme dabei sehr wahrscheinlich ihren eigentlichen Sinn im Rahmen der benannten Funktionen des Coachings nicht erfüllen. Durch eine verbindliche, fundierte Festlegung der allgemeinen Anwendungsfelder des Coachings könnte daher nicht nur ein Missbrauch verhindert werden, sondern die bewusste und überlegte Anwendung des Coachings würde auch zu seiner Erfolgs- und Qualitätssicherung beitragen und zudem die Etablierung des Coachings neben anderen Beratungsformen und Personalentwicklungsmaßnahmen deutlich fördern. Schließlich sollte im Rahmen der künftigen Gestaltung des Coachings insgesamt auch die allgemeine Begriffsverwendung des Coachings unbedingt vereinheitlicht werden. Denn zum Zeitpunkt der Betrachtung ist der Coachingbegriff weder rechtlich geschützt, noch existiert eine einheitliche Coachingdefinition. Dies hat zur Folge, dass letztlich jede Maßnahme als ‚Coaching’ bezeichnet werden kann und somit auch unüberschaubar viele sogenannte ‚Arten von Coachings’ am Markt angeboten werden, von denen jedoch etliche keine fundierten Coachings, sondern beliebige, zum Teil auch recht zweifelhafte Beratungsformen bzw. -ideen darstellen. Da der Coachingbegriff bisher also sehr uneinheitlich und diffus verwendet und demzufolge häufig missbraucht wird, stellt besonders auch die Gestaltungsempfehlung bezüglich einer einheitlichen Begriffsverwendung eine bedeutende Grundlage für die zukünftige stabilisierende Entwicklung des Coachings dar. Schließlich würde durch die Vereinheitlichung der Definition des Coachings ein Rahmen für das Gesamtverständnis der Maßnahme allgemeingültig formuliert,
4.4 Abschließende Bemerkung
311
was zu mehr Transparenz führt, das Risiko des Missbrauchs reduziert (auch durch die fundierte Reglementierung von Coachingarten) und, auch durch die so ermöglichte eindeutige Abgrenzung des Coachings von anderen Entwicklungsmaßnahmen, zugleich dessen weitere Etablierung am Personalentwicklungsmarkt fördert. Dabei sind zwischen der hier geforderten Formulierung einer einheitlichen, allgemeinverbindlichen und fundierten Definition des Coachings und den anderen, bisher in diesem Kapitel angeführten Gestaltungsempfehlungen deutliche Wechselwirkungen, bzw. eine gegenseitige Bedingtheit, zu erkennen. So würde einerseits bereits die Umsetzung der bisher gegebenen Gestaltungsempfehlungen zur inneren Struktur des Coachings (Praktiken, Funktionen und Struktur) auch eine Vereinheitlichung der Begriffsverwendung des Coachings (Rahmenbedingung) begünstigen. Andererseits würde umgekehrt die Gestaltung einer einheitlichen Definition auch die Umsetzung der zuvor beschriebenen Gestaltungsempfehlungen zur inneren Struktur des Coachings, also die Implementierung wissenschaftlich fundierter Coachingstandards bezüglich Konzeption, methodischem und strukturellem Vorgehen etc., fördern. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bei tatsächlicher Umsetzung der hier herausgearbeiteten Gestaltungsempfehlungen die bereits eingeleitete stabilisierende Entwicklung des Coachings wahrscheinlich deutlich intensiviert würde und ein Übergang des Coachings in eine stabile Phase zu erwarten wäre. Durch eine derartige Professionalisierung, wie im Rahmen der Gestaltungsempfehlungen zuvor beschrieben, wird also die Entwicklung einer kohärenten inneren Struktur des Coachings wahrscheinlich, die auch in Korrespondenz zu ihren Rahmenbedingungen steht. Der Erfolg bzw. die Leistungsfähigkeit und Qualität des Coachings könnten somit erheblich gefördert und gesichert werden.
4.4 Abschließende Bemerkung In diesem Kapitel ist der zuvor ausführlich beschriebene komplexe Untersuchungsgegenstand Coaching anhand der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information und der mit dieser Theorie verbundenen Forschungsmethodik systematisch analysiert worden. Dabei wurden durch die ‚Reduktion’ der in Kapitel 2 dokumentierten Phänomene des Coachings im Rahmen der hier angewendeten Theorie schließlich der Stabilitätszustand und die Kraft der Selbststabilisierung des Forschungsgegenstands ermittelt, begrifflich erklärt und damit auch theoretisch basierte Aussagen über die Leistungsfähigkeit und Qualität des Coachings zum Zeitpunkt der Beobachtung getroffen. Ferner konnten auf Grund-
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4 Analyse des Coachings anhand der vorgestellten Theorie
lage der insgesamt aus der Analyse gewonnenen Erkenntnisse Wahrscheinlichkeitsprognosen über die zukünftige Entwicklung des Coachings abgeleitet und konkrete Gestaltungsempfehlungen erstellt werden. Im Einzelnen wurde, ausgehend von den im Rahmen der Analyse zunächst identifizierten und dann in Beziehung zueinander gesetzten Praktiken, Funktionen und der Struktur des Coachings sowie dessen spezifischen Rahmenbedingungen, das Fehlen einer erkennbaren Kohärenz und Korrespondenz - der Stabilitätskriterien bzw. der Kriterien für den Erfolg, die Leistungsfähigkeit und Qualität des Coachings - ermittelt und erklärt. Auf diese Weise wurde dargestellt, warum sich das Coaching zum Zeitpunkt der Beobachtung in einer instabilen Phase (Krise) befand. Durch die weitere Einbeziehung von Faktoren, die auf das Coaching insgesamt stabilisierend bzw. beeinträchtigend wirken (sowohl auf die Kohärenz als auch die Korrespondenz) sind diese Aussagen zum Stabilitätszustand anschließend weiter präzisiert worden. Das heißt, es konnte insgesamt aufgezeigt werden, warum sich das Coaching grundsätzlich in einer instabilen Phase befand, dass sich gleichzeitig aber auch aufgrund der identifizierten starken stabilisierenden Faktoren und der erkennbaren Kraft der Selbststabilisierung deutliche stabilisierende Entwicklungstendenzen erkennen lassen. Zwar lässt sich zum Zeitpunkt der Beobachtung ein Übergang in eine stabile Phase aus den stabilisierenden Faktoren und der beschriebenen Kraft der Selbststabilisierung noch nicht begründen, da zugleich auch starke beeinträchtigende Faktoren auf das Coaching wirken, die die Instabilität weiter fördern. Es stellt sich jedoch als wahrscheinlich dar, dass sich das Coaching als eine noch junge, moderne Personalentwicklungsmaßnahme am Anfang einer stabilisierenden, grundlegenden Entwicklungsphase befindet, die entscheidend für den zukünftigen Erfolg des Coachings sein wird. Ein Übergang in eine stabile Phase kann dann prognostiziert werden, wenn sich die bisher eingeleitete tendenziell stabilisierende Entwicklung des Coachings eindeutig intensiviert. Wie die in diesem Kapitel konkret aufgezeigten Gestaltungsempfehlungen verdeutlichen, bedeutet dies allgemein vor allem die Förderung einer stärkeren Vereinheitlichung und Transparenz im Coaching - im Sinne der Implementierung allgemeiner Coachingstandards, die wissenschaftlich fundiert, auch eine Grundlage für die Formulierung allgemeinverbindlicher und überprüfbarer Qualitätskriterien liefern - bei gleichzeitiger Sicherung der für das Coaching charakteristischen und notwendigen Individualität, also der individualspezifischen Ausrichtung jedes einzelnen Coachings unmittelbar am jeweiligen konkreten Einzelfall bzw. an den individuellen Gegebenheiten des jeweiligen Klienten. Diese zunächst scheinbar gegensätzlichen Anforderungen - einerseits die notwendige Vereinheitlichung und Reglementierung des Coachings zur Förderung der Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Qualitätssicherung sowie andererseits der
4.4 Abschließende Bemerkung
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Erhalt von Individualität, um dem Anspruch des Coachings als einer individualspezifischen Personalentwicklungsmaßnahme zu entsprechen - miteinander zu vereinen und auf diese Weise die auf Stabilität bzw. Erfolg und Qualität abzielende Entwicklung des Coachings voranzubringen, stellt dabei für die Zukunft eine bedeutende Aufgabe dar. Ein möglicher Ansatz für die Umsetzung der in diesem Kapitel herausgearbeiteten strukturbedingten Gestaltungsempfehlungen bezüglich einer einheitlichen Coachingmethodik, die einen allgemeinen, wissenschaftlich basierten konzeptionellen Rahmen für alle möglichen Handlungsweisen und Funktionen im Coaching vorgibt, und die es zugleich ermöglicht - ausgehend vom Coaching als grundsätzlich individualspezifischer Maßnahme - jeden Einzelfall in seiner Individualität separat zu betrachten und sich im Coaching immer unmittelbar an den jeweils individuellen Gegebenheiten zu orientieren, wird im nächsten Kapitel erarbeitet.
5 Entwicklung einer einheitlichen Coachingmethodik
5.1 Einführung Im vorangegangenen Kapitel wurden im Rahmen der Analyse des zu Beginn dieser Arbeit ausführlich beschriebenen Phänomens ‚Coaching’ auf Grundlage der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information und der mit dieser Theorie verbundenen systematischen Forschungsmethodik sowohl die Leistungsfähigkeit und Qualität des Coachings fundiert ermittelt und erklärt als auch Prognosen über die zukünftige Entwicklung erstellt sowie schließlich Gestaltungsempfehlungen zur künftigen Steigerung der Leistungsfähigkeit bzw. des Erfolgs und zur Förderung und Sicherung der Qualität im Coaching nachvollziehbar erarbeitet. Im weiteren Verlauf wird nun ein Vorschlag zur Umsetzung der strukturbezogenen Gestaltungsempfehlungen, die sich aus der zuvor durchgeführten Analyse des Coachings ergeben haben, entwickelt und skizziert. Denn wie aus der Analyse deutlich wurde, fehlt es im Coaching - bezogen auf die nicht erkennbare Kohärenz zum Zeitpunkt der Beobachtung des Forschungsgegenstands - insbesondere an einer passenden Struktur. Im Rahmen der vorangegangenen Analyse des Coachings wurde bereits im Einzelnen aufgezeigt, warum die Struktur des Coachings in wesentlichen Aspekten nicht in wechselseitiger Übereinstimmung mit den herausgearbeiteten Handlungsweisen und Funktionen des Coachings steht und warum die derzeitige Coachingstruktur zum Teil auch Handlungen und Praktiken hervorbringt – insbesondere bezüglich des uneinheitlichen methodischen und damit verbunden auch des prozessstrukturellen Vorgehens – die nicht als sinnstiftende Handlungsweisen erkennbar sind. Ausgehend von diesen Erkenntnissen und den daraus resultierenden Gestaltungsempfehlungen wird in diesem Kapitel nun angestrebt, eine Coachingstruktur zu entwickeln, die sowohl den identifizierten Funktionen als auch den damit verbundenen Handlungsweisen des Coachings entspricht bzw. die diese Funktionen und die dementsprechenden Praktiken hervorbringt, so dass eine Kohärenz im Coaching entsteht. Dadurch soll ein Beitrag zur theoretisch fundierten Weiterentwicklung des Coachings, mit anderen Worten, zur Förde-
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5 Entwicklung einer einheitlichen Coachingmethodik
rung der Stabilität und somit zur Förderung der Leistungsfähigkeit bzw. des Erfolgs sowie zur Sicherung und Förderung der Qualität im Coaching geleistet werden. Im Folgenden dieses Kapitels werden anfangs die aus der durchgeführten Analyse resultierenden Gestaltungsempfehlungen speziell bezüglich der Struktur des Coachings zugunsten eines besseren Überblicks noch einmal zusammenfassend dargestellt, bevor deren konkrete Umsetzung erfolgt und die Grundlagen einer den erarbeiteten Empfehlungen entsprechenden einheitlichen Coachingmethodik vorgestellt werden.
5.2 Grundlagen der Coachingmethodik Bevor im Folgenden, basierend auf den Erkenntnissen aus der im vorangegangenen Kapitel durchgeführten umfassenden Analyse des Coachings, eine entsprechende für das Coaching geeignete einheitliche Coachingmethodik entwickelt wird, sollen die hierbei konkret umzusetzenden Gestaltungsempfehlungen vorab noch einmal kurz im Überblick dargestellt werden: Entsprechend der in Kapitel 4.3 ausführlich dokumentierten strukturbezogenen Empfehlungen sollte grundsätzlich angestrebt werden, für das Coaching eine geeignete Struktur zu entwickeln, die sowohl den identifizierten Funktionen des Coachings als auch den damit verbundenen Handlungsweisen entspricht bzw. die diese Funktionen und die dementsprechenden Praktiken ermöglicht (im Sinne der Kohärenz, das heißt der wechselseitigen Entsprechung, zwischen Praktiken, Funktionen und Struktur). Unter den gegebenen Bedingungen zum Zeitpunkt der Beobachtung des Coachings wird basierend auf den Erkenntnissen aus der durchgeführten Analyse davon ausgegangen, dass dies konkret durch die Entwicklung einer bisher nicht vorhandenen Coachingmethodik möglich wird, die eine einheitliche, theoretisch fundierte konzeptionelle Grundlage für insgesamt alle Praktiken und Funktionen im Coaching festlegt und damit einhergehend auch generell professionelle und auf die Coachingfunktionen ausgerichtete Handlungsweisen sichert. Eine derartige Coachingmethodik würde letztlich ein insgesamt vereinheitlichtes, transparentes und allgemein nachvollziehbares Vorgehen im Coaching fördern. Gleichzeitig sollte neben der einerseits notwendigen Vereinheitlichung und Reglementierung zur Förderung der Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Qualitätssicherung im Coaching andererseits aber auch unbedingt der Erhalt von Individualität im Coaching gesichert werden. Mit anderen Worten, die zu entwickelnde einheitliche Coachingsmethodik muss auch auf
5.2 Grundlagen der Coachingmethodik
317
jeden individuellen Einzelfall konkret angewendet werden können. Denn die individuelle, bedarfsorientierte Ausrichtung eines Coachings am jeweils spezifischen Einzelfall stellt ein bedeutendes charakteristisches Merkmal des Coachings dar und trägt ebenso zum Erreichen der individuellen und nachhaltigen Hilfe zur Selbsthilfe im Coaching – der basalen Funktion des Coachings – bei wie die Förderung einer stärkeren, generell auf Professionalisierung ausgerichteten Vereinheitlichung und Transparenz im Coaching. Diese nun zunächst scheinbar unvereinbaren Anforderungen in einer einheitlichen Coachingmethodik miteinander zu verbinden, um somit schließlich die auf Stabilität - das heißt die auf Verbesserung der Leistungsfähigkeit bzw. des Erfolgs und der Förderung und Sicherung der Qualität - abzielende Entwicklung des Coachings weiter voranzubringen, stellt in der Umsetzung eine bedeutende Aufgabe dar. Tatsächlich könnte den beschriebenen Anforderungen grundsätzlich dadurch entsprochen werden, dass eine einheitliche, theoretisch fundierte Coachingmethodik auf allgemeiner, übergeordneter Ebene (Meta-Ebene) entwickelt wird. Denn eine derart allgemeine Coachingmethodik könnte einen generell vereinheitlichten konzeptionellen Rahmen festlegen, der alle möglichen Funktionen und die dementsprechenden Handlungsweisen erfasst, und somit auf jedes Coaching, also jeden konkreten Einzelfall, gleichermaßen angewendet werden kann. Gleichzeitig muss es diese auf allgemeiner Ebene konzipierte, einheitliche Coachingmethodik auf individueller Ebene aber auch gestatten, jeden individuellen Fall im Einzelnen zu erfassen, das heißt eine jeweils einzelfallbezogene Betrachtung und eine konkret an den individuellen Gegebenheiten orientierte Ausrichtung jedes einzelnen Coachings zu ermöglichen. Auf diese Weise könnte jedes einzelne Coaching immer am unmittelbaren Bedarf bzw. den jeweils individuellen Gegebenheiten konkret ausgerichtet werden und zugleich würden alle Vorgehensweisen im Coaching generell durch einen einheitlichen, allgemeinen, wissenschaftlich fundierten konzeptionellen Rahmen derart abgesichert sein, dass grundsätzlich fundierte, professionelle und transparente Handlungsweisen1382 gewährleistet sind, die den Funktionen des Coachings entsprechen und damit letztlich eine erfolgreiche individuelle, nachhaltige Hilfe zur Selbsthilfe im Coaching ermöglichen. Ferner sollte eine derartige Coachingmethodik als einheitliche und allgemeine konzeptionelle Grundlage für alle Vorgehensweisen im Coaching speziell auch die strukturelle Gestaltung von Coachingprozessen regeln. Denn wie bisher im Rahmen dieser Arbeit gezeigt wurde, laufen Coachings zwar derzeit allge1382
Dies insbesondere auch bezüglich der Anwendung verschiedener Methoden und Theorien im Coaching (verwiesen sei hierzu auf die Problematik aufgrund der bestehenden Methoden- und Theorievielfalt im Coaching).
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5 Entwicklung einer einheitlichen Coachingmethodik
mein einheitlich als Prozesse ab, jedoch weisen diese Coachingprozesse zum Zeitpunkt der Betrachtung deutliche Unterschiede in ihrer jeweiligen konkreten strukturellen Ausgestaltung auf. Dabei bedingen sich die derzeit bestehenden allgemeinen Uneinheitlichkeiten in der prozessstrukturellen und der methodischen Ausgestaltung von Coachings auch gegenseitig. So bringen uneinheitliche methodische Vorgehensweisen Unterschiede in der strukturellen Ausgestaltung der Coachingprozesse mit sich und umgekehrt. Die Entwicklung einer einheitlichen, allgemeinen, theoretisch fundierten Coachingmethodik erfordert somit zugleich auch die Schaffung eines dementsprechenden bisher nicht vorhandenen allgemeinverbindlichen Rahmens für den strukturellen Ablauf von Coachingprozessen auf übergeordneter Ebene. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels werden die im Rahmen der Analyse des Coachings erarbeiteten und soeben noch einmal kurz aufgeführten Gestaltungsempfehlungen bezüglich der Struktur des Coachings nun im Einzelnen umgesetzt. Dazu wird im ersten Schritt zunächst eine geeignete theoretische Basis für das Coaching aufgezeigt, mit deren Hilfe es anschließend im zweiten Schritt möglich wird, eine den Anforderungen entsprechende einheitliche Coachingmethodik auf allgemeiner Ebene zu konzipieren und diese in ihren Grundlagen vorzustellen.
5.2.1 Theoretische Fundierung Um eine wissenschaftlich basierte, einheitliche Coachingmethodik erarbeiten zu können, die auf übergeordneter Ebene einen allgemeinen konzeptionellen Rahmen für alle möglichen Handlungsweisen und Funktionen im Coaching vorgibt, und die es zugleich gestattet - ausgehend vom Coaching als grundsätzlich individualspezifischer Personalentwicklungsmaßnahme - jeden konkreten Einzelfall bzw. Untersuchungsgegenstand in seiner Individualität jeweils für sich zu betrachten und jedes einzelne Coaching immer auch unmittelbar auf die konkreten individuellen Gegebenheiten zu beziehen, bedarf es zunächst einer hierfür geeigneten theoretischen Grundlage. Im Folgenden wird in einem ersten Schritt daher eine geeignete theoretische Basis für das Coaching vorgestellt, mit deren Hilfe es anschließend möglich wird, eine Coachingmethodik zu konzipieren, die den Gestaltungsempfehlungen bezüglich der Struktur des Coachings tatsächlich entspricht. Dabei wird angenommen, dass sich als theoretische Basis für das Coaching und die zu entwickelnde Coachingmethodik die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information als besonders geeignet erweist. Im Rahmen der vorlie-
5.2 Grundlagen der Coachingmethodik
319
genden Arbeit ist diese als umfassend geltende Theorie, die über einen sehr hohen Allgemeinheitsgrad verfügt und mit deren Hilfe es möglich wird, den Prozess der Selbststabilisierung eines konkreten Analysegegenstands in der Zeit zu erklären, das heißt sowohl kausale Erklärungen über Entwicklungszusammenhänge in der Vergangenheit abzugeben als auch begründete Prognosen über die zukünftige Entwicklung der jeweils betrachteten Gestalt zu formulieren, schon vorgestellt (siehe Kapitel 3) und auch zur Analyse des Gesamtphänomens Coaching angewendet worden (siehe Kapitel 4). Somit konnte auch bereits die auf Grundlage der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information ermöglichte deduktive empirische Forschungsmethodik sowohl theoretisch als auch praktisch anhand der durchgeführten analytischen Betrachtung des Coachings aufgezeigt werden. Entscheidend ist, dass mit Hilfe dieser sehr allgemeinen und umfassenden Theorie eine deduktive empirische Sozialforschung ermöglicht wird, die es gestattet, den konkreten Prozess der Selbststabilisierung des jeweils betrachteten Forschungsgegenstands zu erklären und die konkreten Bedingungen für die Selbststabilisierung der betrachteten Gestalt in der Zeit zu formulieren. Dabei basiert die Analyse eines Forschungsgegenstands stets auf dessen ganz konkreten individuellen Gegebenheiten, Zusammenhängen und Vernetzungen. Die grundsätzliche Anwendbarkeit der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information und deren Methodik nicht nur zur Analyse des Personalentwicklungsinstruments ‚Coaching’, sondern darüber hinaus speziell auch als theoretische Grundlage für das Coaching und dessen noch zu entwickelnde Methodik ergibt sich aus dem sehr hohen Allgemeinheitsgrad1383 der Theorie. Denn die Theorie in der von Walter Dürr entwickelten und in die Forschung eingeführten Form kann grundsätzlich sowohl in der unbelebten als auch in der belebten Natur und „in den vielfältigen Formen der menschlichen Kultur“ gleichermaßen angewendet werden 1384, also auch auf anthropologische und soziale Phänomene sowie „auf Informationen über seelische Vorgänge“1385 und Bewusstseinsphänomene1386.1387 Insgesamt können mit Hilfe der Theorie somit ganz verschiedene und gerade auch sehr komplexe Forschungsgegenstände, wie beispielsweise einzelne Personen, Personengruppen, aber auch ganze Organisationen und, wie bereits im Rahmen dieser Arbeit gezeigt wurde, auch sozialwissenschaftliche 1383
Vgl. Dürr (a), S. 19 Insgesamt hierzu Dürr (c), S. 1 1385 Dürr (i), S. 4 1386 Vgl. Dürr (i), S. 1, vgl. auch S. 4 in Anlehnung insbesondere an von Weizsäckers Ausführungen zur Anwendbarkeit der Quantentheorie (von Weizsäcker u.a. (c), S. 592) 1387 Zum Ganzen vgl. auch Dürr (a), S. 19 f; Dürr (i), S. 1, S. 3 f; Dürr (b), S. 7; Dürr/Aisenbrey (b), S. 6 1384
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5 Entwicklung einer einheitlichen Coachingmethodik
Phänomene wie das Coaching als Personalentwicklungsinstrument auf einheitliche, systematische Weise analysiert werden ohne dabei auf eine Vielfalt an Theorien zurückgreifen zu müssen - lediglich durch eine veränderte Fokussierung.1388 Schließlich stellt sich durch den sehr hohen Allgemeinheitsgrad der Nichtklassisch, synergetischen Theorie der Information - der es ermöglicht, sowohl einfache Zusammenhänge als auch unterschiedlichste komplexe Gestalten einheitlich und systematisch nachvollziehbar zu analysieren - die Fundierung des Coachings mit Hilfe eben dieser Theorie nicht nur als grundsätzlich möglich dar, sondern lässt sich sogar als sehr nahe liegend beurteilen. Denn aufgrund ihres sehr hohen Allgemeinheitsgrads gilt die Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information und die mit ihr verbundene Methodik auch für alle möglichen Coachings, das heißt sie ist auf jeden Einzelfall im Coaching (jede Person, Personengruppe, Situation, Frage-/Problemstellung) gleichermaßen anwendbar. Gerade das durch große Vielfalt geprägte Coaching als ein Personalentwicklungsinstrument, das sich immer an den individuellen Gegebenheiten, das heißt am konkreten Anliegen, den spezifischen Bedürfnissen der Klienten etc., orientiert und somit sehr viele unterschiedliche Themen- bzw. Problemstellungen behandelt, könnte mit Hilfe der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information eine einheitliche theoretische Grundlage und im Rahmen der zu entwickelnden Coachingmethodik auch eine vereinheitlichte theoretisch basierte und damit transparente Vorgehensweise erhalten. Somit könnte das derzeitige uneinheitliche Vorgehen im Coaching - nämlich auf die bestehende Vielfalt von Situationen, Personen und Frage- bzw. Themenstellungen mit einer unüberschaubaren Vielzahl uneinheitlich angewendeter Theorien und Methoden und zum großen Teil auch theorielosen Überlegungen zu reagieren - mit Hilfe der hier gewählten Theorie und deren Methodik vereinheitlicht und professionalisiert werden. Dadurch würden auch die Transparenz im Coaching erhöht und die Vorgehensweisen allgemein nachvollziehbar gestaltet, was zudem die Möglichkeiten der Qualitätssicherung im Coaching verbessern würde. Die genannte Theorie und die mit ihr verbundene Forschungsmethodik erweisen sich jedoch nicht nur aufgrund ihres sehr hohen Allgemeinheitsgrads als besonders geeignet für die theoretische Fundierung des Coachings und damit auch für die zu entwickelnde einheitliche Coachingmethodik. Die Theorie geht darüber hinaus gleichzeitig auch vom Grundsatz der Individualität jedes Analysegegenstands und seines Umfelds aus und ermöglicht im Rahmen der sich auf sie 1388
Vgl. hierzu auch Dürr (i), S. 4; Dürr (b), S. 7, S. 10
5.2 Grundlagen der Coachingmethodik
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begründenden Forschungsmethodik eine stets an den individuellen Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls ausgerichtete ganzheitliche Betrachtung. So wird im Rahmen der Forschungsmethodik auf Grundlage Theorie immer zunächst die konkret zu untersuchende Gestalt insgesamt wahrgenommen und beschrieben und damit in ihrer ganzen Individualität phänomenologisch erfasst (Datenerhebung) 1389, bevor anschließend die Auswertung eben dieser konkret wahrgenommenen Phänomene auf theoretischer Basis erfolgt.1390 Zur Erklärung eines Forschungsgegenstands mit Hilfe der vorgeschlagenen Theorie wird also nicht auf allgemeine Durchschnittswerte, sondern stets konkret auf die Gesamtheit aller wahrnehmbaren individuellen Gegebenheiten und Zusammenhänge der zu betrachtenden Gestalt und ihres speziellen Umfelds zurückgegriffen. Damit erfüllt die hier vorgeschlagene Theorie auch die Anforderung, dem Coaching als individualspezifischer Personalentwicklungsmaßnahme gerecht zu werden, das heißt, immer am unmittelbaren Anliegen des jeweiligen Klienten (bzw. des jewieligen Teams), an dessen konkreter Person und der spezifischen Situation etc. ausgerichtet zu sein. Auch diese bedeutende gegenseitige Übereinstimmung zwischen Theorie und Praxis legt eine theoretische Fundierung des Coachings und speziell der zu entwickelnden Coachingmethodik durch die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information nahe. Über die bisher bereits aufgezeigten und durch die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information und deren Forschungsmethodik bereits erfüllten Anforderungen an eine geeignete theoretische Fundierung für das Coaching und für die zu entwickelnde Coachingmethodik hinaus, lassen sich noch weitere Übereinstimmungen erkennen. So eignet sich die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information und deren Forschungsmethodik auch zur Erklärung und theoretisch fundierten Begleitung bzw. Unterstützung der in Coachings im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe ablaufenden Lern- und Entwicklungsprozesse der Klienten. Im Verlauf der Coachingprozesse sollen die Klienten im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe lernen, ihren inneren Kern zu stabilisieren, also ihre Lebensbalance, 1389
Das bedeutet, es wird immer das verständliche Ganze einer Situation wahrgenommen. Die Wahrnehmung wird also nicht durch vorab formulierte Hypothesen eingeschränkt. 1390 Die Möglichkeit zur umfassenden Betrachtung und einheitlichen Erklärung eines ganz konkreten, auch sehr komplexen Forschungsgegenstands ergibt sich hier im Rahmen der Forschungsmethodik auf Grundlage der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information, also durch die methodische Verknüpfung der phänomenologischen Wahrnehmung des Forschungsgegenstands und der theoretischen Erklärung seiner Struktur. „Diese methodische Verknüpfung von phänomenologischer Gestaltwahrnehmung und theoretischer Strukturwahrnehmung ermöglicht, so ist die grundlegende These [der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information und der sich auf sie begründenden Forschungsmethodik], eine deduktive Empirie“ (Dürr (e), S. II), die sich in mehreren empirischen Untersuchungen pädagogischer Phänomene bereits bewährt hat bzw. bewährt.
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5 Entwicklung einer einheitlichen Coachingmethodik
ihr inneres Gleichgewicht aus eigenen Kräften wiederherzustellen bzw. zu stärken. Dabei geht es, wie bereits im Rahmen dieser Arbeit beschrieben, um die Stärkung der inneren Kräfte der Selbstregulation, um die zielgerichtete Förderung der beruflichen Selbstgestaltungspotentiale, die Förderung der Fähigkeit zur Selbstorganisation bzw. der persönlichen Selbststabilisierung, mit anderen Worten geht es darum, Ordnung zu schaffen. Die hier vorgeschlagene Theorie ermöglicht es nun, eben diesen Prozess der Selbstorganisation bzw. zur Selbststabilisierung einer Person bzw. eines Teams in der Zeit nicht nur zu beschreiben, sondern auch zu erklären und die konkreten Bedingungen für die Selbststabilisierung des jeweils betrachteten Analysegegenstands in der Zeit zu untersuchen.1391 Dabei gestattet es die Theorie und die mit ihr verbundene Methodik, sowohl kausale Erklärungen über die Entwicklungszusammenhänge der betrachteten Gestalt in der Vergangenheit abzugeben als auch begründete Prognosen über deren zukünftige Entwicklung zu formulieren und darauf basierend spezifische Gestaltungsempfehlungen abzuleiten.1392 Bei den Prognosen handelt es sich um theoretisch fundierte, differenzierte Vorhersagen über das mögliche Eintreten künftiger Ereignisse im Horizont des jeweils fokussierten Forschungsgegenstands.1393 Wie die vorangegangenen Ausführungen verdeutlichen, ist die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information und die mit ihr einhergehende Methodik auch deshalb besonders geeignet zur Erklärung und fundierten Unterstützung von Selbststabilisierungs- bzw. Selbstorganisationsprozessen im Coaching, da im Rahmen der Theorie und deren Methodik auch der Aspekt der Zeit, also der zeitliche Verlauf, in der Analyse mit berücksichtigt und realistischerweise zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unterschieden wird. Somit ermöglicht die Theorie bzw. die auf ihr basierende Forschungsmethodik die für das Coaching notwendige prozessbezogene Betrachtungsweise. Die Betrachtung verharrt nicht ausschließlich in der Vergangenheit, sondern bezieht neben den kausalen Erklärungen über Entwicklungszusammenhänge in der Vergangenheit auch zukünftige Entwicklungszusammenhänge und Gestaltungsmöglichkeiten für die Zukunft mit ein.1394 Die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information und deren Forschungsmethodik ermöglicht es dadurch, auch auf Coachingprozesse angewendet zu werden und damit die grundlegend auf eine Förde1391
Vgl. insgesamt u.a. Dürr (i), S. 1 Vgl. Dürr (a), S. 20; Dürr (i), S. 1, S. 4; Dürr/Aisenbrey (a), S. 99 1393 Vgl. u.a. Dürr (a), S. 4 1394 Ferner wird im Rahmen der Forschungsmethodik auf Grundlage der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information durch Einbezug der Superposition auch die Möglichkeit weiterer Betrachtungen des Forschungsgegenstands zu späteren Zeitpunkten berücksichtigt. 1392
5.2 Grundlagen der Coachingmethodik
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rung der Selbststabilisierung bzw. Selbstorganisation abzielenden individuellen Entwicklungs- und Lernprozesse der Klienten theoretisch fundiert zu erklären und zu begleiten bzw. zu unterstützen. Anhand der vorangegangenen Ausführungen ist gezeigt worden, dass die hier vorgeschlagene sehr allgemeine und umfassende Theorie und die mit ihr verbundene deduktive empirische Forschungsmethodik die Anforderungen, die aus der Praxis heraus an eine einheitliche theoretische Grundlage für das Coaching und die zu entwickelnde Coachingmethodik gestellt werden, erfüllt. Insgesamt kann aufgrund der aufgezeigten grundlegenden Übereinstimmungen zwischen Theorie und Praxis davon ausgegangen werden, dass die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information und deren Forschungsmethodik zur theoretischen Fundierung des Coachings und der zu entwickelnden Coachingmethodik besonders geeignet sind. Daher wird im Folgenden mit Hilfe der hier vorgeschlagenen Theorie und deren Forschungsmethodik nun angestrebt, eine für das Coaching geeignete einheitliche Coachingmethodik zu entwickeln, die den zuvor formulierten Gestaltungsempfehlungen bezüglich der Struktur des Coachings entspricht und somit einen Beitrag zur stabilisierenden Weiterentwicklung und Professionalisierung des Coachings leisten kann.
5.2.2 Coachingmethodik auf Basis der Theorie Im Folgenden wird nun die auf Basis der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information und ihrer Forschungsmethodik entwickelte einheitliche, allgemeine Coachingmethodik vorgestellt. Diese hier in ihren Grundlagen dargestellte Coachingmethodik hat den Anspruch, den in Kapitel 4.3 erarbeiteten Gestaltungsempfehlungen bezüglich einer für das Coaching geeigneten Struktur gerecht zu werden. Einleitend werden zunächst zwei Schaubilder einen ersten Überblick über die Coachingmethodik geben. Diese lassen bereits eine grundlegende Übereinstimmung zwischen der hier vorzustellenden Coachingmethodik und der Forschungsmethodik im Rahmen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information - wie sie bereits in Kapitel 3.3 beschrieben und in Kapitel 4 auch zur analytischen Betrachtung des Coachings praktisch angewendet wurde - erkennen. Beide Übersichten bilden die Grundlage für die sich danach anschließenden weitergehenden Ausführungen zur Coachingmethodik. Die auf Grundlage der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information und deren transparenter und nachvollziehbarer Forschungsmethodik ent-
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5 Entwicklung einer einheitlichen Coachingmethodik
wickelte einheitliche, allgemeine Coachingmethodik lässt sich in ihrer systematischen Vorgehensweise zunächst wie folgt grob skizzieren:
Abbildung 30:
Die Prozessstruktur einer einheitlichen, allgemeinen Coachingmethodik auf Basis der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information
Die Themen ‚Vertragsklärung im Vorfeld’1395 und ‚Beendigung eines Coachings’1396 sind in diesem ersten Schaubild lediglich der Vollständigkeit halber angeführt. Sie werden im Folgenden nicht noch einmal behandelt, da sich diesbezüglich keine maßgeblichen theoretisch basierten Auswirkungen ergeben. Verwiesen sei hierzu auf Kapitel 2.7.1 sowie Kapitel 2.7.3. Eine präzisere Darstellung der oben skizzierten Vorgehensweise im Rahmen der hier vorzustellenden Coachingmethodik liefert das zweite Schaubild:
1395
Die Vertragsklärung im Vorfeld beinhaltet, wie in Kapitel 2.7.1 bereits beschrieben, dass Coach und Klient einen formalen und in der Regel auch einen so genannten ‚psychologischen Vertrag’ miteinander abschließen. 1396 Hiermit wird Bezug genommen auf die Notwendigkeit einer geplanten, angemessenen Beendigung jedes Coachings, da Coach und Klient viel Zeit und auch eine intensive Zeit miteinander verbracht haben. Coach und Klient treffen gemeinsam die Entscheidung über die Beendigung des Coachings, es wird noch einmal auf den bisherigen Prozess zurückgeblickt, gegenseitiges Feedback gegeben und in die Zukunft geschaut. (Diese Beendigung des Coachings schließt hier jedoch thematisch nicht die fundierte Evaluation des abgelaufenen Prozesses mit ein.)
5.2 Grundlagen der Coachingmethodik
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5 Entwicklung einer einheitlichen Coachingmethodik
5.2.2.1 Datenerhebung: Wahrnehmen, Beschreiben, Dokumentieren Wie die vorangestellten Schaubilder bereits zeigen, wird im Rahmen der hier vorzustellenden einheitlichen Coachingmethodik zunächst mit der Datenerhebung begonnen, also mit dem Wahrnehmen und Beschreiben der Gegebenheiten aus dem jeweiligen Untersuchungsfeld. Das heißt, im ersten Schritt geht es darum, alle möglichen Phänomene und Fakten1397, die die jeweils zu coachende Person bzw. Personengruppe (das zu coachende Team)1398 und deren Umfeld betreffen, möglichst umfassend wahrzunehmen und umgangssprachlich zu beschreiben bzw. zu dokumentieren. Im Rahmen der Datenerhebung werden alle wahrnehmbaren Phänomene und Fakten aus dem Untersuchungsfeld in gleicher Weise berücksichtigt. Das heißt, die Wahrnehmung ist grundsätzlich uneingeschränkt und nicht durch vorab formulierte Hypothesen von Beginn an begrenzt. Der Blick des Coachs und des Klienten auf das Untersuchungsfeld soll offen sein; nur so kann es den am Coaching Beteiligten gelingen, die komplexe Wirklichkeit möglichst umfassend wahrzunehmen und das verständliche Ganze der Situation zu erfassen. Diese hier im Rahmen der Datenerhebung bedeutende uneingeschränkte Wahrnehmung von Phänomenen und Fakten aus dem jeweiligen Untersuchungsfeld ist prinzipiell möglich, da sich aufgrund der Anwendung der sehr allgemeinen und umfassenden Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information zur theoretischen Fundierung des Coachings konsequenterweise auch die hier skizzierte Coachingmethodik als allgemein und umfassend erweist und es somit ermöglicht, generell alle wahrgenommenen und bereits gewussten Phänomene des menschlichen Handelns und der menschlichen Erfahrung als Fakten vergangenen Geschehens zu erfassen, zu beschreiben und im Rahmen der Theorie zu erklären. Indem mit Hilfe der hier vorgestellten Coachingmethodik letztlich alles, was der menschlichen Erfahrung zugänglich ist, umfassend und einheitlich untersucht werden kann, sind grundsätzlich keine Einschränkungen in der im ersten Schritt erfolgenden Wahrnehmung, Beschreibung und Dokumentation der Gegebenheiten, Zusammenhänge und Vernetzungen aus dem jeweiligen Untersuchungsfeld notwendig. Die auf Basis der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information entwickelte einheitliche, allgemeine und umfassende Coachingmethodik schafft 1397
Für eine präzise Begriffsdefinition sei auf Kapitel 3.3.1 verwiesen. Im Folgenden wird zugunsten der besseren Lesbarkeit stets von einer zu coachenden Person oder einem Klienten als Einzelperson im Coaching gesprochen. Diese Begrifflichkeit beinhaltet im Rahmen der hier in ihren Grundlagen dargestellten Coachingmethodik jedoch ausdrücklich auch eine zu coachende Personengruppe im Sinne eines Teams.
1398
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somit die grundlegende Voraussetzung für eine offene, uneingeschränkte, ganzheitliche Wahrnehmung der jeweils konkret zu betrachtenden Person und ihres Umfelds zu Beginn des Coachingprozesses. Entsprechend wird die Datenerhebung auch nicht durch eine feste Auswahl bestimmter Methoden eingeschränkt. Prinzipiell steht hierfür das gesamte Repertoire sozialwissenschaftlicher Erhebungstechniken zur Verfügung. Es können alle Methoden eingesetzt werden, sofern es die Fragestellung und die Art des Untersuchungsfelds erfordern. Das bedeutet, es wird folglich nicht die Fragestellung durch die Auswahl bestimmter Methoden eingeschränkt, sondern vielmehr ist je nach konkretem Fall diejenige Methode auszuwählen, die für die jeweilige Fragestellung angemessen bzw. für diese möglich erscheint.1399 Im Coaching bilden vor allem die Gespräche (die verbale Kommunikation) zwischen Coach und Klient und damit verbunden speziell auch die vielfältigen Methoden der Gesprächsführung das methodische Grundgerüst. Zum einen ermöglichen es die Gespräche zwischen Coach und Klient, stets flexibel auf die jeweils spezifischen Gegebenheiten und individuellen Anliegen des Gecoachten konkret einzugehen. Zum anderen dienen im Rahmen der Gespräche insbesondere für den Coach in seiner Rolle als unterstützender Beobachter (Entwicklungshelfer zur Selbsthilfe) nicht nur die verbale Kommunikation als Quelle zur Wahrnehmung von Phänomenen, sondern darüber hinaus auch alle nichtverbalen Äußerungen des Klienten, wie z.B. Gestik und Mimik sowie die Verhaltensdynamik von Gruppen. Je nach Einzelfall kann sich aufgrund der vielfältigen methodischen Möglichkeiten zur Datenerhebung, beispielsweise in Gesprächen mit einzelnen Teammitgliedern im Verlauf eines Teamcoachings, auch die Verwendung teilstandardisierter Gesprächsleitfäden anbieten. Dabei sollten diese Gesprächsleitfäden keine konkreten vorformulierten Fragen enthalten, sondern die anzusprechenden Themenfelder nur stichwortartig erfassen. Einerseits können auf diese Weise die mit den einzelnen Teammitgliedern geführten Gespräche flexibel - situativ und personenbezogen - gestaltet werden, um keine wahrnehmbaren Phänomene prinzipiell auszuschließen. Andererseits weisen die Gespräche gleichzeitig einheitliche Themen auf und sind damit vergleichbar bzw. lässt sich so eine bestimmte Fragestellung auf Teamebene zugleich aus verschiedenen, persönlichen Perspektiven betrachten.1400 Denn letztlich liegt der Fokus bei Teamcoachings stets auf der Betrachtung des Teams als Ganzes. 1399
Vgl. Dürr/Aisenbrey (a), S. 95 sowie Dürr (a), S. 20; Dürr (b), S. 8 Verwiesen sei hierzu insgesamt auch analog auf die ausführliche Darstellung zum ‚Leitfadeninterview’, wie beispielsweise in der von Aisenbrey durchgeführten empirischen Forschungsarbeit angewendet, S. 15 ff, S. 47 ff
1400
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Über die Gespräche in einem Coaching hinaus, die die allgemeine methodische Grundlage bilden, können aber auch weitere Methoden zur Datenerhebung angewendet werden. So können beispielsweise auch bereits vorhandene Dokumente, die Aussagen über die jeweils zu betrachtende Person und ihr Umfeld beinhalten, als dokumentierte Fakten zur umfassenden Wahrnehmung und Beschreibung herangezogen werden. In Betracht kommen hierbei u.a. schriftliche Informationen über das konkrete berufliche Umfeld (z.B. die Abteilung und den Arbeitgeber) des Klienten, wie beispielsweise in Form von im Unternehmen durchgeführten Mitarbeiterbefragungen. Gegebenenfalls liegen auch aktuelle Mitarbeiterbeurteilungen vor, im Rahmen derer idealerweise sowohl die in der Vergangenheit erbrachten Leistungen als auch die Fähigkeiten und künftigen Entwicklungsmöglichkeiten aus der Sicht der jeweiligen Führungskraft und auch aus der Sicht des Mitarbeiters dokumentiert wurden. In jedem Fall geht es bei der Datenerhebung im Coaching darum, dass Klient und Coach die Gegebenheiten, Zusammenhänge und Vernetzungen des jeweiligen Untersuchungsfelds möglichst umfassend wahrnehmen, beschreiben und als Phänomene dokumentieren. Dabei wird im Coaching im Sinne der Selbstorganisation maßgeblich von den Wahrnehmungen und Beschreibungen des Klienten ausgegangen. Denn der Coach agiert ‚lediglich’ als Entwicklungshelfer zur Selbsthilfe, der den Coachingprozess und damit den individuellen Entwicklungsund Lernprozess des Klienten begleitet und unterstützt. In seiner Rolle als Moderator und Dialogpartner gibt der Coach keine eigenen Sichtweisen vor, sondern strebt an, den Klienten in dessen persönlicher Selbststabilisierung nachhaltig zu unterstützen, so dass dieser lernt, sich selbst zu helfen - nicht nur gegenwärtig, sondern auch in zukünftigen Situationen. Dies bedeutet, in einem ersten Schritt vor allem die Wahrnehmungsfähigkeit, insbesondere auch die Fähigkeit zur Gestaltwahrnehmung, und das Bewusstsein des Klienten zu stärken bzw. zu fördern. So regt der Coach in den Gesprächen mit dem Gecoachten diesen z.B. durch aktives Zuhören, durch das Stellen von Fragen (auch durch Hinterfragen, kritische Nachfrage und tiefergehende Fragen etc.) und durch das Widerspiegeln eigener Wahrnehmungen seitens des Coachs1401 (z.B. aus der beobachteten nonverbalen Kommunikation des Gecoachten während der Coachinggespräche oder auch aus einer durch den Coach begleiteten realen Arbeits- bzw. Konfliktsituation des Klienten) zur stärkeren Reflexion der eigenen Situation sowie zur Selbstreflexion an. Der Klient soll, unterstützt durch den Coach, sich selbst, seine Situ1401
Das heißt, der Klient sollte sich im Coaching auch mit Fremdwahrnehmungen auseinandersetzen. Ziel ist dabei aber nicht, diese als gegeben hinzunehmen, sondern als Denkanstöße und Unterstützungen für eine verbesserte und ganzheitlichere Wahrnehmung und zur Förderung des Bewusstseins hinsichtlich der eigenen Person und Situation zu begreifen.
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ation und sein Umfeld bewusster und umfassender wahrnehmen und beschreiben sowie sein Anliegen möglichst präzise formulieren. 1402 In dem Bestreben, die komplexe Wirklichkeit möglichst umfassend wahrzunehmen und stets das verständliche Ganze der Situation zu erfassen wird im Rahmen der hier skizzierten Coachingmethodik auf Basis der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information allerdings realistischerweise davon ausgegangen, dass tatsächlich niemals Objektivität und Vollkommenheit erzielt werden können, auch nicht durch den Klienten selbst. Denn alles bewusst Wahrgenommene ist immer nur ein Aspekt derjenigen Wirklichkeit, der auch die beobachtende Person selbst mit ihrem Bewusstsein zugehörig ist. Die Wahrnehmung gilt also grundsätzlich als subjektbezogen; sie „[…] ist affektiv und durch die subjektive Wahrnehmungsfähigkeit der einzelnen Person […] geprägt“1403. Ein Beobachter kann damit eine zu betrachtende Gestalt und deren Umfeld niemals vollständig wahrnehmen, sondern immer nur ein endliches Wissen über ein Untersuchungsfeld gewinnen.1404 Ausgehend von diesen hier zugrunde liegenden, der Realität verhafteten Annahmen bezüglich der grundsätzlichen Subjektbezogenheit und Unvollkommenheit aller Wahrnehmung und allen Wissens wird es im Coaching umso wichtiger, stets von den subjektiven Wahrnehmungen und Beschreibungen des Klienten auszugehen, der primär in seiner persönlichen Selbststabilisierung nachhaltig unterstützt werden soll. Entsprechend sind auch die Fremdwahrnehmungen des Coachs im Rahmen der Coachinggespräche niemals als einzig ‚wahr’ und ‚richtig’ zu beurteilen, sondern dienen vielmehr dazu, den Klienten zur weiteren Reflexion anzuregen und damit dessen eigene Wahrnehmung zu erweitern bzw. zu fördern.
1402
Wie Whitmore entsprechend anführt: „Fragen werden gewöhnlich gestellt, um Informationen zu erhalten. Ich benötige möglicherweise Informationen, um selbst ein Problem zu lösen oder wenn ich jemand anderem einen Rat anbiete oder eine Lösung vorschlage. Für mich als Coach sind die Antworten jedoch zweitrangig. Die Information brauche ich nicht selbst, und sie müssen auch nicht vollständig sein. Es ist für mich nur wichtig, zu wissen, dass der Gecoachte die notwendigen Informationen hat. Die Antworten des Gecoachten zeigen dem Coach oft, in welche Richtung die nächsten Fragen gehen sollten. Gleichzeitig kann er durch sie erkennen, ob sich der Gecoachte auf einem produktiven oder zweckentsprechenden Weg befindet […].“ (Whitmore, S. 43) „Vergessen Sie nicht, dass es der Gecoachte ist, dessen Bewusstsein geschärft werden soll. Der Coach muss nicht immer die ganze Vorgeschichte einer Situation kennen. Er muss nur sicher sein, dass sie dem Gecoachten klar ist. Coaching ist also nicht so zeitaufwendig, wie es wäre, wenn der Coach alle Fakten haben müsste, um bestmöglich antworten zu können.“ (Whitmore, S. 79) 1403 Dürr/Aisenbrey (a), S. 96; vgl. Dürr (a), S. 21 f 1404 Vergleiche hierzu auch die Ausführungen in Kapitel 3.3.1.
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5 Entwicklung einer einheitlichen Coachingmethodik
Schließlich gilt es im Rahmen der Datenerhebung, alle wahrgenommenen und verbal beschriebenen Phänomene, die die jeweils betrachtete Person und deren Umfeld in ihrer Gesamtheit zu erfassen suchen, auch zu dokumentieren.1405 Diese Dokumentation kann dabei auch selbst als dokumentiertes Phänomen bezeichnet werden, „als das verständliche Ganze der Situation, in deren Rahmen die einzelnen Wahrnehmungen erst eine mitteilbare Bedeutung bekommen“.1406 Die Dokumentation, die das Wissen über die jeweils betrachtete Person und ihr Umfeld zum Zeitpunkt der Beobachtung schriftlich zusammenfasst, wird von Klient und Coach gemeinsam vorgenommen. Die Verantwortung für das Dokumentierte verbleibt dabei stets beim Klienten; der Coach unterstützt ihn im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe. Aufgrund dieser Vorgehensweise kann die Dokumentation, die schließlich die faktische Grundlage für die anschließende Auswertung der Phänomene darstellt, auch als durch den Klienten autorisiert verstanden werden. Wie bereits erwähnt, werden generell bei der Datenerhebung alle wahrnehmbaren Phänomene in gleicher Weise berücksichtigt. Dies gilt im Einzelnen auch für die Dokumentation der Phänomene. Denn erst im Rahmen der sich an die Datenerhebung anschließenden systematischen Auswertung auf Grundlage der gewählten Theorie lassen sich Aussagen über die Relevanz der jeweils dokumentierten Phänomene (Fakten) machen.1407 Ferner ist zu beachten, dass bei der Dokumentation im Gegensatz zur Transkription grundsätzlich nicht das wortwörtlich Gesagte, sondern immer das Gemeinte dokumentiert wird. Die hier angesprochene Vorgehensweise bei der Datenerhebung, die stets die jeweiligen Gegebenheiten, Zusammenhänge und Vernetzungen der betrachteten Person und ihres Umfelds in ihrer Gesamtheit phänomenologisch wahrzunehmen bzw. zu erfassen sucht, und im Rahmen derer daher auch keine, die Wahrnehmung von Beginn an einschränkenden, Hypothesen formuliert werden, ist insbesondere auch im Hinblick auf die derzeit bestehende kontroverse Diskussion um die Notwendigkeit bzw. Sinnhaftigkeit einer präzisen Zielbestimmung zu Anfang eines Coachingprozesses bedeutend. Schließlich wird aufgrund der beschriebenen Herangehensweise, wie sie die hier vorgestellte Coachingmethodik auf Basis der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information ermöglicht, die bestehende Diskussion um die Zieldefinition (häufig auch als Bestimmung des 1405
Die in der Gegenwart wahrgenommenen Phänomene werden somit zu dokumentierten Fakten der Vergangenheit. 1406 Dürr (c), S. 1 1407 Das heißt, die Begriffe (Wortgemälde) erhalten ihren eindeutigen Sinn erst im Rahmen der Theorie. (Vgl. von Weizsäcker (f), S. 133 ff; von Weizsäcker (c), S. 624; Dürr (i), S. 1, S. 5; Dürr (h), S. 31, S. 39)
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konkreten Soll-Zustands bezeichnet) zu Beginn eines Coachingprozesses damit obsolet. Denn die in diesem Kapitel skizzierte allgemeine und umfassende Coachingmethodik gestattet es nicht nur, isolierte Variablen zu erfassen, sondern ermöglicht eine ganzheitliche Betrachtung des jeweiligen Untersuchungsgegenstands - sowohl im Rahmen der Datenerfassung als auch der anschließenden Auswertung. Es besteht daher keine Notwendigkeit, bereits zu Beginn eines Coachingprozesses unbedingt das Ziel des Coachings präzise festlegen zu müssen und die Betrachtung damit einzuschränken. Zudem fällt eine derartige konkrete Zieldefinition im Coaching in der Praxis meist schwer, da die Klienten ihre Anliegen und Ziele anfangs in der Regel nur relativ diffus darstellen können (z.B. aufgrund eingeschränkter Wahrnehmung, dem Fehlen angemessener Deutungsmuster etc.). Häufig sind die tatsächlichen Gründe für ein Coaching zu Beginn noch gar nicht präzise bestimmbar, oft handelt es sich um Symptombeschreibungen der Klienten. Unter diesen Voraussetzungen kann eine zu Beginn des Coachingprozesses vorgenommene Zieldefinition ohnehin nur eine Hypothese darstellen, die im Verlauf des Coachings zu überprüfen ist.1408 Die tatsächlichen Ursachen müssen in der Regel erst im Verlauf eines Coachings herausgefunden werden.
5.2.2.2 Analyse / Diagnose: ‚Reduktion’ der Phänomene im Rahmen der Theorie und Erklärung Im Anschluss an die Datenerhebung - die Wahrnehmung von Phänomenen aus dem jeweiligen Untersuchungsfeld, deren umgangssprachliche Beschreibung und Dokumentation - erfolgt nun im nächsten Schritt die Auswertung der Phänomene bzw. Fakten auf theoretischer Basis. Dabei bildet die im Rahmen der Datenerhebung vorgenommene Dokumentation aller wahrgenommenen Phänomene, die den jeweiligen Klienten und sein Umfeld möglichst umfassend zu beschreiben sucht, die faktische Grundlage für die Analyse auf Basis der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information. Bedeutend ist, dass bei der hier vorgestellten Coachingmethodik eine klare Trennung zwischen der Phase der Datenerhebung und der Phase der theoretisch basierten Auswertung der Phänomene besteht: Im ersten Schritt bei der Datenerhebung wurden die beobachtete Person und ihr Umfeld möglichst umfassend wahrgenommen und in Form von Phänomenen beschrieben. Dabei sind alle wahrnehmbaren Phänomene aus dem jeweiligen Untersuchungsfeld in gleicher Weise berücksichtigt worden. Das heißt, zum Zeitpunkt der Beobachtung hat 1408
Entsprechend warnt z.B. Rauen vor dem Verfolgen von ‚Scheinzielen’, die ein Coaching faktisch nutzlos machen. (Vgl. Rauen (b), S. 283)
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bisher noch keine Deutung des Wahrgenommenen stattgefunden und es wurden keine prinzipiell wahrnehmbaren Phänomene durch eine einschränkende theoretische Fragestellung von vornherein systematisch ausgeschlossen. Erst im zweiten Schritt wird nun die theoretische Analyse bzw. Interpretation der zuvor beobachteten und dokumentierten Phänomene mit Hilfe der umfassenden, allgemeinen Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information vorgenommen, wodurch alle dokumentierten Phänomene dann auch ihre jeweilige Bedeutung erhalten. Grundsätzlich wird durch die im Rahmen der Analyse hier erfolgende theoretisch basierte sogenannte ‚Reduktion’ der dokumentierten Phänomene, die im Folgenden dieses Kapitels noch im Einzelnen dargestellt wird, die komplexe Realität der in einem Coaching betrachteten Person und ihres Umfelds so ‚reduziert’, das heißt betrachtet bzw. komprimiert, also auf einfachere Zusammenhänge zurückgeführt, dass es möglich wird, die konkrete Situation des Klienten nicht nur zu beschreiben, sondern auch zu erklären. Dabei wird es durch die theoretisch fundierte, systematische Vorgehensweise bei der Analyse mit Hilfe der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information insgesamt ermöglicht, sowohl kausale Erklärungen über die konkreten Entwicklungszusammenhänge der jeweils betrachteten Person in der Vergangenheit abzugeben (Diagnose) als auch in einem nächsten Schritt nach der Bedeutung des Erklärten für die Zukunft zu fragen (siehe hierzu Kapitel 4.2.2.3). Das heißt, es lassen sich auch begründete (Wahrscheinlichkeits-)Prognosen über die zukünftige Entwicklung des Klienten erstellen und darüber hinaus, ausgehend von den im Rahmen der Analyse gewonnenen Erkenntnissen, konkrete Gestaltungs- bzw. Lösungsmöglichkeiten für die Zukunft des jeweiligen Klienten nachvollziehbar ermitteln. Insgesamt gehen bei dieser theoretisch fundierten Auswertung der vorliegenden Phänomene keine Daten verloren; alle dokumentierten Phänomene werden auch berücksichtigt. Bedeutend für die Auswertung der Phänomene ist zudem, dass es der sehr hohe Allgemeinheitsgrad der hier angewendeten Theorie auch ermöglicht, jeden individuellen Einzelfall im Coaching - also jede Person, jede Personengruppe bzw. jedes Team und deren jeweils individuelle Situationen und Anliegen - auf einheitliche Weise zu analysieren (siehe hierzu auch in Kapitel 5.2.1). Damit bedarf es im Coaching im Rahmen der hier skizzierten Coachingmethodik auf Basis der gewählten Theorie keiner Theorie- bzw. Methodenvielfalt zur Analyse der vielfältigen und unterschiedlichen in einem Coaching zu betrachtenden konkreten Situationen und Personen. Dies bedeutet, dass es mit Hilfe der Nichtklassisch, synergetischen Theorie der Information im Coaching möglich wird, einzelne Personen (im Rahmen von Einzelcoachings) ebenso wie Teams (im Rahmen von Teamcoachings) auf insgesamt einheitliche, systematische Weise
5.2 Grundlagen der Coachingmethodik
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analysieren zu können, ohne dabei auf verschiedene Theorien zurückgreifen zu müssen. Hierzu ist lediglich eine veränderte Fokussierung notwendig.1409 In Einzelcoachings wird demnach die jeweils zu betrachtende einzelne Person ins Zentrum gerückt, bei Teamcoachings das jeweils zu analysierende Team. In einem Teamcoaching liegt der Fokus somit auf dem Team als Ganzem und nicht auf den jeweils einzelnen Teammitgliedern. Wie im Coaching die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information nun konkret zur Analyse und Erklärung ganz verschiedener Personen und Teams einheitlich angewendet werden kann bzw. Coach und Klient die Analyse der dokumentierten Phänomene gemeinsam vornehmen, wird im Folgenden näher erläutert. Um überflüssige Wiederholungen zu vermeiden sei hierzu auch auf die bereits erfolgte allgemeine Darstellung der Analyse auf Basis der Theorie in Kapitel 3.3.2 verwiesen sowie auf deren praktische Anwendung zur Auswertung der Phänomene des Coachings in Kapitel 4.2. Zunächst ist es notwendig, dass der Coach dem Klienten die systematische und transparente Vorgehensweise im Rahmen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information vorab (idealerweise bereits zu Beginn des Coachings) genau beschrieben und erklärt hat. Erst daran anschließend sollten Coach und Klient gemeinsam mit der konkreten Analyse der dokumentierten Phänomene beginnen. Denn nur, wenn die Methodik auch für den Klienten transparent ist und er die Vorgehensweise kennt, ist es möglich, dass der Klient seine analytischen und diagnostischen Fähigkeiten im Coaching tatsächlich erweitern und, unterstützt durch den Coach, auch unmittelbar trainieren kann, um in seiner individuellen Selbststabilisierung nachhaltig gefördert zu werden und sich in späteren Situationen mit Hilfe der im Coaching erlernten Fähigkeiten auch selbst helfen zu können. Da im Rahmen der Analyse stets ausschließlich auf die zuvor dokumentierten Phänomene zurückgegriffen wird1410, verfügen Coach und Klient zum Zeit1409
Durch das Setzen des Fokus wird der Betrachtungsgegenstand genau festgelegt. Die vorgenommene Fokussierung bildet die Grundlage für die Entscheidung, welche der dokumentierten Phänomene als Bestandteile der betrachteten Gestalt selbst gelten (also der inneren Struktur der fokussierten Gestalt zuzuordnen sind) und welche der Umwelt, das heißt den Rahmenbedingungen der Gestalt, zuzuordnen sind. Wobei aber sowohl die dokumentierten Phänomene, die als Bestandteile der Gestalt identifiziert werden, als auch die Phänomene, die die Umwelt der jeweiligen Gestalt beschreiben, im Rahmen der Analyse mit Hilfe der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information ihre Berücksichtigung finden (entweder bei der Erklärung der Kohärenz oder der Korrespondenz). Tatsächlich von der Auswertung ausgeschlossen ist nur das, was der Betrachter zum Zeitpunkt der Beobachtung nicht weiß. 1410 Denn die zuvor durchgeführte Dokumentation der wahrgenommenen Phänomene bildet die faktische Grundlage für die hier vorzunehmende Auswertung.
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5 Entwicklung einer einheitlichen Coachingmethodik
punkt der Analyse grundsätzlich über das gleiche Wissen. Coach und Klient werden also notwendigerweise bei der Auswertung der Daten mit Hilfe der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information zu den gleichen Ergebnissen gelangen. Denn aufgrund der systematischen, logisch stringenten und transparenten Vorgehensweise im Rahmen der Theorie kommt jeder, der über das gleiche Wissen verfügt, auch zu den gleichen Ergebnissen. Die einzelnen Erklärungsschritte sind für jeden, der über dasselbe Wissen verfügt nachvollziehbar (subjektive Objektivität1411). Dies führt schließlich zu einer deutlichen Erleichterung bei der Unterstützung des Klienten durch den Coach und begünstigt insofern auch den Lernprozess des Klienten. Bei der Analyse wird stets damit begonnen, die dokumentierten Phänomene auf die in ihnen erkennbaren Praktiken, Funktionen und die sie ermöglichende Struktur hin zu untersuchen. Das bedeutet konkret, dass der Klient, unterstützt durch den Coach, im ersten Schritt aus den zuvor dokumentierten Phänomenen die Praktiken, also die Handlungsweisen, herausarbeitet. Im zweiten Schritt wird nach dem Sinn der Handlungsweisen, nach den Funktionen, gefragt, bevor im dritten Schritt die Struktur ermittelt wird, die die Praktiken und die Funktionen überhaupt erst ermöglicht. Die Praktiken bezeichnen alle Handlungsweisen bzw. Gepflogenheiten, die die in einem Coaching konkret betrachtete Person bzw. das jeweils fokussierte Team über einen längeren Zeitraum und auch noch gegenwärtig verwendet. Als Praktiken gelten insofern keine einzelnen, einmaligen Handlungen, sondern ausschließlich wiederkehrende Handlungen, also Handlungsmuster, die noch nicht der Vergangenheit zuzurechnen sind. Auch alle dementsprechenden beobachtbaren Formen der Kommunikation lassen sich den Handlungsweisen zuordnen.1412 Allgemein lautet die Standardfrage zur Identifizierung der Praktiken: „Was wird getan?“1413 (Verwiesen sei hierzu auch auf die Kapitel 3.3.2 und 4.2.1.1) Als Funktionen sind vom Klienten bzw. Coach alle diejenigen Phänomene zu kennzeichnen, die den erkennbaren Sinn der Praktiken der jeweils be-
1411
Das bedeutet, es ist „zwar ein objektives - dokumentiertes - Wissen, aber es ist zugleich subjektbezogen, d.h. abhängig vom Vorwissen desjenigen, der die begriffliche Isolierung von Fakten und Möglichkeiten vornimmt oder nachvollzieht“ (Dürr (a), S. 20; Dürr (b), S. 8) Siehe hierzu vertiefend auch die Ausführungen in Kapitel 3.3.1. 1412 In Anlehnung an Dürr (a), S. 18; Dürr (b), S. 6 1413 Vgl. Aisenbrey, S. 69
5.2 Grundlagen der Coachingmethodik
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trachteten Person bzw. des betrachteten Teams beschreiben.1414 Ein aus den vorliegenden Daten als Funktion identifiziertes Phänomen muss dabei nicht notwendigerweise unmittelbar einer der bereits zuvor herausgearbeiteten Praktiken zuordenbar sein. Die Funktionen werden ebenso wie zuvor die Handlungsweisen ausschließlich aus den dokumentierten Phänomenen entnommen, nicht aus den zuvor ermittelten Praktiken. Das bedeutet auch, Aussagen über den Sinn von zuvor identifizierten Praktiken, die sich dem Betrachter gegebenenfalls zwar aus rein logischen Gründen erschließen mögen, die jedoch nicht aus den dokumentierten Phänomenen abgeleitet werden können, gelten als Spekulation und dürfen nicht erfasst werden. Die Standardfrage zur Identifizierung der Funktionen aus den dokumentierten Phänomenen lautet stets: „Warum wird etwas getan?“1415 Demnach sind auch Wünsche und Ziele der jeweils in einem Coaching betrachteten Person, die sich aus den dokumentierten Phänomenen ergeben, als Funktionen, also als erkennbarer Sinn für Handlungsweisen, zu kennzeichnen. Darüber hinaus können beispielsweise auch Befürchtungen, Affekte und Ängste, die Handeln blockieren, eine Funktion haben.1416 Da Funktionen nicht unbedingt im Zusammenhang mit einer der bereits herausgearbeiteten Praktik stehen müssen, sind auch diese Funktionen, die mit Befürchtungen, Affekten und Ängsten einhergehen, hier zu dokumentieren (sofern sie sich aus den Daten erkennen lassen; auch hier sind keine Spekulationen zulässig). (Vergleiche auch Kapitel 3.3.2 sowie vertiefend hierzu Kapitel 4.2.1.2) Grundsätzlich besteht zudem die Möglichkeit, dass einzelne Phänomene sowohl den Praktiken als auch den Funktionen zugeordnet werden können. Vertiefende Erläuterungen sowie ein Beispiel hierzu finden sich in Kapitel 4.2.1.2. Die Struktur ist das spezifische Gerüst bzw. der individuelle Aufbau der betrachteten Gestalt, der die Praktiken und die Funktionen ermöglicht.1417 Daher ist es zweckmäßig, die Struktur der gecoachten Person bzw. des fokussierten Teams auch erst dann zu bestimmen, wenn bereits die Praktiken und Funktionen aus den vorliegenden Phänomenen entnommen wurden.
1414
In Anlehnung an Dürr (a), S. 18; Dürr (b), S. 6 Aisenbrey, S. 69 Vgl. Aisenbrey, S. 18, S. 67 1417 Vgl. Dürr (a), S.6, S.18, S. 22 f; Dürr (b), S. 10; Dürr (c), S. 1; Dürr (g), S. 6; Dürr (i), S. 5; Dürr/Aisenbrey (a), S. 97 1415 1416
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5 Entwicklung einer einheitlichen Coachingmethodik Die Standardfrage zur Bestimmung der Struktur lautet entsprechend: „Was ermöglicht der untersuchten Gestalt, die an ihr beobachteten Praktiken und Funktionen auszubilden?“1418 (Vergleiche hierzu auch Kapitel 3.3.2 und Kapitel 4.2.1.3)
Hat der Klient unterstützt durch den Coach die Praktiken, Funktionen und die Struktur aus den dokumentierten Phänomenen ermittelt, dann werden im Anschluss die spezifischen Rahmenbedingungen der jeweils betrachteten Gestalt aus den vorliegenden Daten herausgearbeitet. Den Rahmenbedingungen werden alle diejenigen Phänomene zugeordnet, die die spezifischen Umweltbedingungen, das heißt die äußeren Bedingungen der Existenz des Klienten beschreiben.1419 Zu den Rahmenbedingungen können beispielsweise die Arbeitskollegen, die Führungskraft etc. zählen. (Vergleiche Kapitel 3.3.2 sowie Kapitel 4.2.2) Auf Grundlage der bisher von Klient und Coach vorgenommenen Zuordnung der einzelnen dokumentierten Phänomene zu den Praktiken, Funktionen und der Struktur sowie zu den Rahmenbedingungen wird nun eine begriffliche Erklärung von Kohärenz und Korrespondenz, also den Stabilitätskriterien bzw. den Kriterien für die erfolgreiche Selbststabilisierung des Klienten, zum Zeitpunkt der Beobachtung möglich. Dazu wird, wie auch die folgende Abbildung1420 verdeutlicht, die wechselseitige Übereinstimmung zwischen den soeben zugeordneten Phänomenen untersucht:
1418
Aisenbrey, S. 69 In Anlehnung an u.a. Dürr (b), S. 6 f, S. 10; Dürr (a), S. 17 1420 In Anlehnung an Dürr (b), S. 7 und Dürr (a), S. 19 1419
5.2 Grundlagen der Coachingmethodik
Abbildung 32:
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Modellrahmen zur Analyse/Diagnose (zur begrifflichen Erklärung von Kohärenz und Korrespondenz)
Zur Bestimmung der Kohärenz werden zunächst die identifizierten Praktiken und Funktionen sowie die beschriebene Struktur der untersuchten Person miteinander in Beziehung gesetzt und deren wechselseitige Entsprechung bzw. Bedingtheit untersucht. Befinden sich die Praktiken, Funktionen und die Struktur im Einklang, so besteht eine Kohärenz. Das Vorhandensein bzw. Fehlen der Kohärenz zwischen Praktiken, Funktionen und Struktur wird schließlich begrifflich erklärt.1421 Anschließend ist nach einer Korrespondenz dieser gerade untersuchten inneren Struktur des betrachteten Klienten zu den äußeren Bedingungen der Existenz, den Rahmenbedingungen, zu fragen1422: Befinden sich die innere Struktur und die Umweltbedingungen des Klienten im Einklang oder fehlt eine Übereinstimmung und warum? Prinzipiell gilt: Trägt die wechselseitige Beziehung zwischen der inneren Struktur und den spezifischen Rahmenbedingungen zur Selbststabilisierung des Klienten bei, so wird dies als Kor1421
Insgesamt in Anlehnung an Dürr (a), S.6, S. 18; Dürr (i), S. 5; Dürr (b), S. 6, S. 10 Die innere Struktur der jeweils betrachteten Gestalt wird also systemtheoretisch als ein offenes System verstanden, das in wechselseitiger Beziehung zu seiner Umwelt, den spezifischen Rahmenbedingungen, steht. Das heißt, die jeweiligen Rahmenbedingungen nehmen Einfluss auf den Klienten, umgekehrt beeinflusst der Klient auch seine Umwelt und kann sich dieser prinzipiell auch anpassen. 1422
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5 Entwicklung einer einheitlichen Coachingmethodik respondenz bezeichnet. Schließlich wird das Vorhandensein bzw. Fehlen einer erkennbaren Korrespondenz auch begrifflich erklärt und dokumentiert.1423
Basierend auf den bisher gewonnenen Erkenntnissen im Rahmen der hier vorgestellten Analyse können nun bereits konkrete Aussagen über den Stabilitätszustand der betrachteten Person zum Zeitpunkt der Beobachtung gemacht werden. Coach und Klient können eine präzise Diagnose darüber erstellen, ob sich der Klient zum Zeitpunkt der Beobachtung in einer stabilen Phase oder in einer instabilen Phase (einer Krise) befand und warum. Dazu wird auf die zuvor ermittelte Kohärenz und Korrespondenz zurückgegriffen. Kohärenz und Korrespondenz sind die notwendigen Bedingungen für die Stabilität bzw. die erfolgreiche Selbststabilisierung einer Person in der Zeit und gelten insofern auch als Erfolgskriterien.1424 Sind sowohl Kohärenz als auch Korrespondenz gegeben, dann befand sich der Klient zum Zeitpunkt der Beobachtung in einem stabilen Zustand bzw. in einer stabilen Phase (Ebene).1425 Fehlt die Kohärenz und/oder die Korrespondenz, sind dies Merkmale von Instabilität. Der Klient befand sich dann zum Zeitpunkt der Beobachtung in einer erklärbaren Krise, das heißt in einer instabilen Phase.1426 Krisen sind jedoch nicht per se negativ zu bewerten. Instabile Phasen sind Zeiträume, in denen stabile Gestalten vergehen, aus denen aber auch aufgrund von Veränderungen neue, auch differenziertere stabile Gestalten möglicherweise entstehen können (Gestaltwandel).1427 Schließlich wird im Rahmen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information ein kontinuierlicher Wechsel von Ebenen und Krisen als eine Grundstruktur des Geschehens in der Zeit angenommen. Die Schaffung bzw. Beibehaltung einer stabilen Phase stellt somit im Verlauf der Zeit eine ständige Herausforderung an den Klienten dar. (Vertiefend insgesamt hierzu siehe Kapitel 3.3.2 sowie die theoretischen Grundlagen vor allem in den Kapiteln 3.2.3 und 3.2.4)
1423
Insgesamt in Anlehnung an Dürr (i), S. 6; Dürr (b), S. 6 f, S. 10; Dürr (a), S.19; Dürr/Aisenbrey (a), S. 97 1424 Insgesamt in Anlehnung an Dürr (b), S. 6, S. 7; Dürr (a), S. 19 1425 Insgesamt in Anlehnung an Dürr (b), S. 6, S. 7; Dürr (a), S. 19 1426 Insgesamt in Anlehnung an Dürr (a), S.22; Dürr (b), S. 6, S. 10 und Dürr (c), S. 2; Dürr (i), S. 6; Dürr (g), S. 6; Dürr/Aisenbrey (a), S. 98 1427 Vgl. Dürr (a), S. 5, S. 18
5.2 Grundlagen der Coachingmethodik
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Nachdem Coach und Klient im Rahmen der bisherigen Analyse den Stabilitätszustand des Klienten zum Zeitpunkt der Beobachtung ermittelt und begrifflich erklärt haben, werden sie nun gemeinsam die stabilisierenden und beeinträchtigenden Faktoren aus den dokumentierten Phänomenen herausarbeiten. Diese ermöglichen eine weitere Präzisierung der bisher getroffenen Aussagen zum Stabilitätszustand des Klienten, auch im zeitlichen Kontext. So lässt sich durch das Einbeziehen der auf den Klienten stabilisierend bzw. beeinträchtigend wirkenden Faktoren in die Analyse auch ermitteln, ob und warum sich der Klient wahrscheinlich in seinem bisherigen Stabilitätszustand halten wird oder sich der Klient in einem Phasenübergang befindet und ein Wechsel in den jeweils anderen Stabilitätszustand zukünftig wahrscheinlich erscheint. Basierend auf den hier identifizierten stabilisierenden und beeinträchtigenden Faktoren sowie der anschließend noch zu bestimmenden Kraft der Selbststabilisierung können Klient und Coach damit in einem nächsten Schritt (siehe hierzu im folgenden Kapitel 5.2.2.3) auch begründete Prognosen über die zukünftige Entwicklung des Klienten erstellen. Stabilisierende Faktoren sind dokumentierte Phänomene, bestimmte „Handlungen, Ziele, Motive und Umstände“1428, die stabilisierend auf den Klienten wirken, also kohärenz- und/oder korrespondenzfördernd sind. Das alleinige Vorhandensein stabilisierender Faktoren begründet jedoch noch keine Stabilität (Ebene). Stabilisierende Faktoren können sowohl in stabilen Phasen als auch in Krisenphasen existieren. Je nach spezifischem Einzelfall können gegebenenfalls vorhandene relevante fachliche Kompetenzen, wie zum Beispiel eine zur beruflichen Tätigkeit passende Berufsausbildung und Berufserfahrung oder ein entsprechendes Studium sowie überfachliche Fähigkeiten, wie Teamfähigkeit, Führungskompetenz etc. stabilisierend wirken. Unter den beeinträchtigenden Faktoren werden von Klient und Coach alle dokumentierten Phänomene zusammengefasst, die sich negativ auf die Stabilität der untersuchten Gestalt auswirken. Sie können grundsätzlich sowohl auf die Kohärenz als auch auf die Korrespondenz beeinträchtigend wirken und nicht nur während einer instabilen Phase existieren, sondern auch dann, wenn sich die untersuchte Person als stabil erweist. Beeinträchtigend wirken können gegebenenfalls je nach Einzelfall beispielsweise ein anhaltend schlechtes Arbeitsklima, eine dauerhaft hohe Arbeitsbelastung, eine vergleichsweise zu geringe Bezahlung etc.
1428
Aisenbrey, S. 18
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5 Entwicklung einer einheitlichen Coachingmethodik
Ausgehend von den bisherigen Untersuchungsergebnissen im Rahmen der Analyse wird es nun ebenfalls möglich, präzise Aussagen über die individuelle Kraft der Selbststabilisierung, den Ordnungsparameter, des Klienten in der Zeit zu machen. Insgesamt zielt die von Klient und Coach vorgenommene Ermittlung der individuellen Kraft der Selbststabilisierung des Klienten auf die begriffliche Darstellung derjenigen Kraft ab, die das Entstehen eines stabilen Zustands aus einem vorher instabilen Zustand heraus (eben durch Selbststabilisierung bzw. Selbstorganisation) bewirkt oder zur Aufrechterhaltung der Stabilität beiträgt.1429 Die Kraft der Selbststabilisierung des Klienten ist demnach nicht nur bestimmbar, wenn sich dieser in einer stabilen Phase befindet, sondern auch, wenn sich der Klient in einem Phasenübergang von einer Krise in eine stabile Phase befindet. (Siehe hierzu auch Kapitel 3.3.2)
5.2.2.3 Erstellung von Prognosen und Erarbeitung von Gestaltungs- bzw. Lösungsmöglichkeiten Auf Basis der Erkenntnisse, die im Rahmen der vorangegangenen Reduktion der dokumentierten Phänomene mit Hilfe der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information gewonnen werden konnten, lassen sich, über die bisherigen Erklärungen der kausalen Entwicklungszusammenhänge in der Vergangenheit hinaus, im Folgenden nun auch begründete Prognosen über die zukünftige Entwicklung des Klienten erstellen. Ferner können aus den im Rahmen der Analyse ermittelten Abweichungen von einer Stabilität konkrete Gestaltungs- bzw. Lösungsmöglichkeiten für die Zukunft des Klienten nachvollziehbar abgeleitet werden. Insgesamt wird nun also nach der Bedeutung des zuvor Erklärten für die Zukunft gefragt. Nach allen bisher durchgeführten Analyseschritten haben Klient und Coach konkrete Erkenntnisse darüber erlangt, in welchem Stabilitätszustand sich der Klient zum Zeitpunkt der Beobachtung befand, ob eine individuelle Kraft der 1429
Die begriffliche Darstellung der Kraft der Selbststabilisierung ist demnach die Antwort auf die Fragen: Welche Kräfte eines Klienten bewirken, dass sich zum einen die jeweiligen Praktiken, Funktionen und die Struktur wechselseitig bedingen, so dass Kohärenz entsteht, bzw. erhalten bleibt und sich zum anderen die innere Struktur des Klienten und die spezifischen Rahmenbedingungen entsprechen, so dass gleichzeitig auch eine Korrespondenz besteht bzw. erhalten bleibt? Welche Kräfte bewirken bzw. fördern diese Ordnung (Stabilität)? (In Anlehnung an Dürr (d), S. 2 f; Dürr (c), S. 2; Dürr (g), S. 6)
5.2 Grundlagen der Coachingmethodik
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Selbststabilisierung des Klienten erkennbar ist und gegebenenfalls worauf sich diese Kraft der Selbststabilisierung konkret gründet. Ferner wissen Coach und Klient vor allem auch, welche stabilisierenden und beeinträchtigenden Faktoren den jeweils analysierten Stabilitätszustand des Klienten fördern bzw. dem entgegenwirken. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse lassen sich nun auch Aussagen über den möglichen Stabilitätszustand des Klienten in der Zukunft systematisch ableiten. Coach und Klient können also Prognosen darüber erstellen, ob und warum die aktuelle Phase wahrscheinlich andauern wird oder aber ein Übergang in den jeweils anderen Zustand wahrscheinlich ist. Dabei gilt ein zukünftiger Übergang in eine stabile Phase unter den gegebenen Bedingungen grundsätzlich dann als wahrscheinlich, wenn die zuvor identifizierten stabilisierenden Faktoren gegenüber den beeinträchtigenden Faktoren überwiegen. Ein weiteres Indiz stellt die gegebenenfalls erkennbare Kraft der Selbststabilisierung des Klienten dar. Umgekehrt ist ein Übergang in eine Krise dann wahrscheinlich, wenn die beeinträchtigenden Faktoren überwiegen und damit folglich einen stärkeren auf den bisherigen Stabilitätszustand beeinträchtigend wirkenden Einfluss haben. Gegebenenfalls ist dann auch eine Kraft der Selbststabilisierung nicht mehr (deutlich) erkennbar. Im Rahmen der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information lassen sich Aussagen über die Zukunft dabei realistischerweise nur in Form von Wahrscheinlichkeitsaussagen erstellen, egal über wie viel Erfahrung und Wissen der Betrachter bezüglich des Untersuchungsfelds verfügt. Dies gilt auch für den Klienten selbst, denn auch er verfügt immer nur über eine subjektive, grundsätzlich eingeschränkte Wahrnehmung - sich selbst (Selbstwahrnehmung) sowie seine Umwelt betreffend. Letztlich kann aufgrund der generell subjektiven Wahrnehmung jedes Beobachters und der niemals vollständig erfassbaren Komplexität der Realität immer nur ein endliches Wissen erworben werden.1430 Wenn Klient und Coach bisher durch die Reduktion der anfangs wahrgenommenen und dokumentierten Phänomene im Rahmen der hier zugrundegelegten Theorie kausale Erklärungen über Entwicklungszusammenhänge des Klienten in der Vergangenheit gewonnen sowie basierend auf diesen Daten und Erklärungszusammenhängen auch begründete Prognosen über die mögliche zukünftige Entwicklung des Klienten erstellt haben, dann lassen sich daraus nun auch präzise, konkret auf den Klienten und seine spezifische Situation bezogene Gestaltungsbzw. Lösungsmöglichkeiten für die Zukunft nachvollziehbar ableiten. Das heißt, es können die individuellen Bedingungen für die erfolgreiche Selbststabilisierung des Klienten erarbeitet werden. 1430
In Anlehnung an Dürr (k), S. 12
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5 Entwicklung einer einheitlichen Coachingmethodik
Diese Gestaltungs- bzw. Lösungsmöglichkeiten, die aufzeigen, wie der Klient eine aktuelle stabile Phase erhalten bzw. stärken oder wieder in einen stabilen Zustand übergehen kann, ergeben sich dabei konkret aus den im Rahmen der Analyse erkannten Abweichungen von einer Stabilität und können für die Interventionspalette Praktiken, Funktion, Struktur und Rahmenbedingungen explizit formuliert werden. Der Klient denkt sich also nicht gemeinsam mit dem Coach, wie z.B. beim Brainstorming üblich, zunächst eine möglichst große Anzahl verschiedener Möglichkeiten aus, sondern leitet die für ihn spezifischen Gestaltungs- bzw. Lösungsmöglichkeiten zur Selbststabilisierung unmittelbar und systematisch aus den zuvor in der Analyse erkannten Wirkungszusammenhängen bezüglich Kohärenz und Korrespondenz und den identifizierten beeinträchtigende Faktoren, die insgesamt die Abweichungen von einer Stabilität des Klienten begründen, ab. Um der grundlegenden Funktion eines Coachings - der individuellen und nachhaltigen Hilfe zur Selbsthilfe - zu entsprechen, sollten die hier herausgearbeiteten spezifischen Gestaltungs- bzw. Lösungsmöglichkeiten für den Klienten zudem generell darauf ausgerichtet sein, die individuelle Selbststabilisierung des Klienten in der Zeit nachhaltig zu fördern. Denn ein Coaching zielt idealerweise nicht darauf ab, dem Klienten einmalig zu helfen und gegebenenfalls durch das Coaching einen einmaligen Übergang in eine stabile Phase zu erreichen. Der Klient soll sich in dem kontinuierlich vollziehenden Wechsel von Ebenen und Krisen, der als „eine Grundstruktur allen Geschehens in der Zeit“1431 zu verstehen ist und folglich auch das Leben jedes Einzelnen prägt, auf Dauer gesehen selbst stabilisieren können.1432 Schließlich bedeutet dies im Rahmen der hier zu formulierenden Gestaltungs- bzw. Lösungsmöglichkeiten, vor allem die jeweils individuellen Fähigkeiten und Potentiale eines Klienten im Coaching zu stärken, um dessen Selbststabilisierung in der Zeit zu fördern.
5.2.2.4 Umsetzung: Transfer begleiten und sichern Mit Hilfe der hier skizzierten Coachingmethodik konnten im Verlauf des Coachings bisher insgesamt sowohl der konkrete Stabilitätszustand des Klienten in der Vergangenheit als auch die individuellen Entwicklungszusammenhänge des Klienten in der Zeit theoretisch fundiert beschrieben und erklärt werden. Im Einzelnen ließ sich im Rahmen der Reduktion der dokumentierten Phänomene auf Basis der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information fundiert darlegen, ob und warum sich der Klient zum Zeitpunkt der Beobachtung in einer 1431 1432
Dürr (k), S. 7 Damit wird schließlich auch der Coach überflüssig.
5.2 Grundlagen der Coachingmethodik
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stabilen Phase oder in einer Krise befand. Es konnten die auf den Klienten wirkenden stabilisierenden und beeinträchtigenden Faktoren ermittelt und die individuelle Kraft der Selbststabilisierung des Klienten untersucht und soweit erkennbar begrifflich erklärt werden. Anschließend wurde nach der Bedeutung des Erklärten für die Zukunft gefragt. Dabei war es möglich, fundierte Prognosen über die zukünftige Entwicklung des Klienten nachvollziehbar zu erstellen und darauf folgend konkrete Gestaltungs- bzw. Lösungsmöglichkeiten systematisch abzuleiten. Schließlich geht es nun darum, dass der Klient Veränderungen aus den zuvor erarbeiteten Gestaltungsempfehlungen in seiner beruflichen Praxis auch tatsächlich umsetzt. Auch in dieser wichtigen Phase erhält der Klient Unterstützung durch den Coach, der den Transfer in die Praxis begleitet. Zunächst ist es notwendig, dass der Klient eine eigenverantwortliche Entscheidung über die Umsetzung der Gestaltungs- bzw. Lösungsmöglichkeiten trifft.1433 Auch hier agiert der Coach lediglich unterstützend und gibt keine Lösungen vor. Er greift nicht aktiv lenkend in den Entscheidungsprozess des Klienten ein. Die Verantwortung für die tatsächlichen Veränderungen im Alltagsleben liegt im Sinne der Selbststeuerung allein beim Klienten. Hat sich der Klient entschieden, welche Veränderungen er umsetzen möchte, so sollte er vor der konkreten praktischen Umsetzung dieser Veränderungen zunächst das weitere Vorgehen präzisieren und vorbereiten. Das heißt, um einen erfolgreichen Transfer der ausgewählten Veränderungen in den Arbeitsalltag sicherzustellen, ist vorab zu klären, wie der Klient die Veränderungen in der Praxis tatsächlich umzusetzen plant. Der Coach unterstützt die Umsetzung in die Praxis, er begleitet den Klienten bei der Vorbereitung zur Umsetzung der Veränderungen und steht idealerweise auch währenddessen als Dialogpartner zur Verfügung. Allerdings sollte sich der Coach zum Abschluss des Coachingprozesses und des damit verbundenen individuellen Lern- und Entwicklungsprozesses des Klienten im Sinne der grundsätzlich angestrebten Förderung der Fähigkeit des Klienten zur Selbststabilisierung überflüssig gemacht haben. Der Klient sollte den Coach am Ende eines Coachings idealerweise also nicht mehr benötigen, da er im Laufe des Coachingprozesses gelernt hat, wie er sich auch in zukünftigen Situationen selbst helfen kann.
1433 Es handelt sich bei den zuvor erarbeiteten Gestaltungs- bzw. Lösungsmöglichkeiten also generell um Empfehlungen – der Klient entscheidet selbst, welche Veränderungen er vornehmen möchte.
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5 Entwicklung einer einheitlichen Coachingmethodik
5.2.2.5 Erneute Wahrnehmung und Auswertung (Superposition) Wird eine gecoachte Person im Laufe der Zeit wiederholt betrachtet, so werden durch jede erneute Wahrnehmung und Analyse auch neue Erfahrungen gesammelt, die das bereits bestehende Wissen über den Klienten erweitern (Superposition). Dies ermöglicht es, die gecoachte Person auf Basis von nun insgesamt mehr Fakten erneut zu erklären und auch komplexere Prognosen bzw. bisher nicht vorhandene Möglichkeiten, Wahrscheinlichkeitsaussagen über deren zukünftige Entwicklung zu formulieren. Durch eine wiederholte Betrachtung des Klienten, kann speziell ermittelt werden, welche Veränderungen im Laufe der Zeit tatsächlich nachhaltig in die Praxis umgesetzt wurden, ob und wie es der Klient im Zeitverlauf geschafft hat, sich selbst weiterhin zu stabilisieren, und ob sich die im Rahmen des vorher durchgeführten Coachings erstellten Prognosen schließlich bestätigt oder nicht bestätigt haben. Das Eintreten bzw. Nicht-Eintreten der zuvor formulierten Prognose lässt sich dabei durch die neu gesammelten Erfahrungen bzw. das neu gewonnene Wissen auch begründen.1434 Insgesamt ermöglicht eine erneut durchgeführte Wahrnehmung und Analyse damit sowohl umfassendere Aussagen über den aktuellen Stabilitätszustand des Klienten als auch eine Bestätigung oder Korrektur der bereits im vorangegangenen Coaching erstellten Prognosen auf der Grundlage des neu erworbenen Wissens.1435
5.3 Abschließende Bemerkung In diesem Kapitel sind die aus der vorangegangenen Analyse des Coachings resultierenden Gestaltungsempfehlungen speziell bezüglich der Struktur des Coachings umgesetzt worden. Dabei ist es gelungen, den Ansatz für eine bisher im Coaching nicht vorhandene einheitliche, umfassende, theoretisch fundierte Coachingmethodik zu entwickeln, die auf allgemeiner Ebene einen einheitlichen konzeptionellen Rahmen für alle möglichen Praktiken und Funktionen im Coaching festlegt und damit verbunden auch generell professionelle und auf die Coachingfunktionen ausgerichtete Handlungsweisen sichert sowie vereinheit1434 Denn die zu einem vergangenen Zeitpunkt erstellte (Wahrscheinlichkeits-)Prognose ist mit der Zeit zu einem Faktum der Vergangenheit geworden. (Vgl. insgesamt hierzu Dürr (d), S. 3; Dürr (f), S. 1) 1435 Allerdings bleibt auch hier zu berücksichtigen, dass unabhängig davon, wie groß das Vorwissen über einen Klienten im Laufe der Zeit wird, die zukünftige Entwicklung dieser jeweils betrachteten Person realistischerweise dennoch niemals mit absoluter Bestimmtheit vorhergesagt werden kann: Denn die Zukunft ist offen.
5.3 Abschließende Bemerkung
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lichte, allgemeine Prozessstrukturen schafft. Die beschriebene Coachingmethodik, die sich auf jedes einzelne Coaching einheitlich anwenden lässt, fördert so auf allgemeiner Ebene ein insgesamt vereinheitlichtes, transparentes und allgemein nachvollziehbares Vorgehen im Coaching. Darüber hinaus ermöglicht die hier in ihren Grundlagen vorgestellte Coachingmethodik gleichzeitig auf individueller Ebene, jeden einzelnen Klienten separat zu betrachten, das heißt, jedes Coaching immer genau an den individuellen Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls auszurichten. Neben der zum einen notwendigen Vereinheitlichung und Reglementierung zur Förderung der Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Qualitätssicherung im Coaching gelingt es mit Hilfe der hier dargestellten einheitlichen, allgemeinen und umfassenden Coachingmethodik somit zum anderen auch, die für das Coaching grundlegende Individualität bzw. inhaltliche Flexibilität zu sichern. Denn die flexible, bedarfsorientierte Ausrichtung eines Coachings am jeweils spezifischen Einzelfall, stellt ein bedeutendes charakteristisches Merkmal des Coachings dar und trägt ebenso maßgeblich zum Erreichen der individuellen und nachhaltigen Hilfe zur Selbsthilfe im Coaching, der basalen Funktion des Coachings, bei wie die Förderung einer stärkeren generell auf Professionalisierung ausgerichteten Vereinheitlichung und Transparenz im Coaching. Die theoretische Grundlage der vorgestellten Coachingmethodik bildet die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information und die auf ihr basierende Forschungsmethodik. Zunächst wurde in Kapitel 5.2.1 im Einzelnen dargestellt, warum diese sehr allgemeine und umfassende Theorie und deren Methodik hier als besonders geeignet erscheinen, um nicht nur zur Analyse des Coachings angewendet zu werden, sondern darüber hinaus auch als theoretische Fundierung für eine den Gestaltungsempfehlungen entsprechende Coachingmethodik. Darauf folgend ist es in Kapitel 5.2.2 durch die konkrete Entwicklung der Grundlagen einer einheitlichen, allgemeinen und umfassenden Coachingmethodik auf Basis der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information schließlich auch gelungen, die erfolgreiche allgemeine Anwendbarkeit der Theorie und ihrer Forschungsmethodik nachzuweisen. Nachdem in dieser Arbeit damit ein neuer wissenschaftlicher Ansatz für eine bisher nicht existierende einheitliche, umfassende Coachingmethodik als allgemeine konzeptionelle Grundlage geschaffen wurde, die es ermöglicht, auf jedes Coaching einheitlich angewendet zu werden und gleichzeitig jeden individuellen Einzelfall separat zu betrachten, gilt es zukünftig nun diesen hier vorgestellten Ansatz auch in die Coachingpraxis zu transferieren und entsprechend den dabei erworbenen praktischen Erfahrungen weiter zu konkretisieren.
6 Schlussbemerkung
In dieser Arbeit ist gezeigt worden, wie das aus der Praxis heraus entstandene und bislang wissenschaftlich weitgehend unerforschte Personalentwicklungsinstrument ‚Coaching’ als komplexes, sozialwissenschaftliches Phänomen, das bis heute durch eine Vielfalt sehr unterschiedlicher, mehr oder weniger theoretisch basierter Definitionen, Ansätze und Vorgehensweisen gekennzeichnet ist, mit Hilfe der umfassenden, allgemeinen Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information und der mit dieser Theorie verbundenen deduktiven empirischen Forschungsmethodik in seiner Gesamtheit präzise betrachtet und einheitlich erklärt werden kann. Es ist gelungen, basierend auf der in dieser Arbeit durchgeführten theoretisch fundierten, umfassenden, logisch stringenten Analyse des zu Beginn ausführlich beschriebenen Phänomens ‚Coaching’, sowohl den derzeitigen Stabilitätszustand, das heißt die Leistungsfähigkeit und Qualität des Coachings zum Zeitpunkt der Beobachtung, zu ermitteln und zu erklären als auch Aussagen über die zukünftige Entwicklung des Coachings (Wahrscheinlichkeitsprognosen) systematisch abzuleiten. Schließlich konnten darüber hinaus die Bedingungen für die Steigerung der Leistungsfähigkeit bzw. des Erfolgs und für die Sicherung der Qualität des Coachings in Form von Gestaltungsempfehlungen allgemein nachvollziehbar aufgezeigt werden.1436 Konkret wurde im Rahmen der Analyse des Coachings auf Grundlage der Nicht-klassisch, synergetischen Theorie der Information zusammenfassend die Erkenntnis gewonnen, dass sich das Coaching zum Zeitpunkt der Beobachtung grundsätzlich zwar in einer instabilen Phase befand, da Kohärenz und Korrespondenz - die Stabilitätskriterien bzw. die Kriterien für den Erfolg, die Leistungsfähigkeit und Qualität des Coachings - nicht erkennbar sind. Gleichzeitig wurden aufgrund der identifizierten starken stabilisierenden Faktoren und der erkennbaren Kraft der Selbststabilisierung aber auch grundlegende stabilisieren1436
Da der Fokus der Betrachtung in der vorliegenden Arbeit auf dem Gesamtphänomen Coaching als Personalentwicklungsinstrument liegt und das Coaching in Kapitel 2 entsprechend auf übergeordneter Ebene in seiner Gesamtheit phänomenologisch beschrieben wurde, ist auch die vorgenommene Analyse auf das Coaching als Ganzes, also auf der Meta-Ebene, fokussiert. Aussagen im Rahmen der durchgeführten Analyse beziehen sich damit ausschließlich auf die Maßnahme insgesamt und nicht auf einen konkreten Einzelfall. Um präzise Aussagen über ein ganz spezifisches, individuelles Coaching machen zu können, müsste auch genau dieser Einzelfall ganz konkret betrachtet werden.
348
6 Schlussbemerkung
de Entwicklungstendenzen des Coachings offensichtlich. Ein Übergang in eine stabile Phase ließ sich aus den stabilisierenden Faktoren und der beschriebenen Kraft der Selbststabilisierung zum Zeitpunkt der Beobachtung zwar noch nicht begründen, da zugleich auch starke beeinträchtigende Faktoren auf das Coaching wirken, die die Instabilität weiter fördern. Es ist jedoch aufgrund der aus der Analyse gewonnenen Erkenntnisse anzunehmen, dass sich das Coaching als eine noch junge, moderne Personalentwicklungsmaßnahme am Anfang einer bedeutenden stabilisierenden Entwicklungsphase befindet, im Rahmen derer grundlegende Aspekte des Coachings zur notwendigen Klärung anstehen. So wird die künftige Entwicklung des Coachings mit großer Wahrscheinlichkeit auch einen entscheidenden Einfluss auf die Nachhaltigkeit des Erfolgs der Maßnahme haben. Auf Grundlage des aus der Analyse des Coachings mit Hilfe der Nichtklassisch, synergetischen Theorie der Information gewonnenen Wissens speziell über die vorhandenen Schwächen des Coachings, die sich auf die Stabilität, also die Leistungsfähigkeit bzw. den möglichen Erfolg und die Qualität, des Coachings erkennbar negativ auswirken, konnten im Anschluss an die Formulierung der Prognosen über die zukünftige Entwicklung des Coachings auch präzise Gestaltungsempfehlungen zur künftigen Stabilisierung des Coachings erstellt werden. Das heißt, es wurden die Bedingungen für die Steigerung der Leistungsfähigkeit bzw. des Erfolgs und der Qualität des Coachings allgemein nachvollziehbar ermittelt und für die Interventionspalette Praktiken, Funktionen, Struktur und Rahmenbedingungen benannt. Als Schwächen im Sinne der Theorie gelten dabei die im Rahmen der Analyse identifizierten Abweichungen des Coachings von einer Stabilität, im Einzelnen folglich die aufgezeigten Gründe für das Fehlen der Kohärenz und der Korrespondenz sowie die herausgearbeiteten, insgesamt auf das Coaching beeinträchtigend wirkenden Faktoren. Ausgehend von den durch die theoretisch fundierte Analyse des Coachings ermittelten Gestaltungsempfehlungen, die die Bedingungen für eine erfolgreiche Stabilisierung des Coachings präzise aufzeigen, ist es im Rahmen der vorliegenden Arbeit abschließend ebenfalls gelungen, eine für das Coaching bisher noch fehlende geeignete Struktur zu entwickeln, die eine Möglichkeit zur Schaffung von Kohärenz im Coaching aufzeigt und damit einen Beitrag zur stabilisierenden Weiterentwicklung des Coachings leisten soll. Konkret wurde im Rahmen der Umsetzung der auf die Struktur des Coachings bezogenen Gestaltungsempfehlungen der Ansatz für eine neue, bisher nicht vorhandene, allgemein einheitliche, umfassende und theoretisch fundierte Coachingmethodik entwickelt. Diese Coachingmethodik legt auf allgemeiner
6 Schlussbemerkung
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Ebene einen einheitlichen konzeptionellen Rahmen für alle möglichen Praktiken und Funktionen im Coaching fest und sichert damit verbunden auch generell professionelle und auf die Coachingfunktionen ausgerichtete Handlungsweisen sowie vereinheitlichte, allgemeine Prozessstrukturen. Aufgrund ihres Allgemeinheitsgrads lässt sich die aufgezeigte Coachingmethodik auf jedes einzelne Coaching einheitlich anwenden, ohne dabei auf eine Vielfalt jeweils unterschiedlicher Theorien und Methoden zurückgreifen zu müssen, und fördert so auf allgemeiner Ebene ein insgesamt vereinheitlichtes, transparentes und allgemein nachvollziehbares Vorgehen. Gleichzeitig ermöglicht die hier in ihren Grundlagen vorgestellte neue Coachingmethodik auf individueller Ebene, jeden einzelnen Klienten separat zu betrachten, das heißt, jedes Coaching immer unmittelbar an den individuellen Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls auszurichten. Neben der zum einen notwendigen Vereinheitlichung und Reglementierung zur Förderung der Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Qualitätssicherung im Coaching gelingt es mit Hilfe der in dieser Arbeit entwickelten einheitlichen, allgemeinen und umfassenden Coachingmethodik somit zum anderen auch, die für das Coaching grundlegende Individualität bzw. inhaltliche Flexibilität zu sichern. Letztlich stellt die flexible, bedarfsorientierte Ausrichtung der Maßnahme am jeweils spezifischen Einzelfall ein bedeutendes charakteristisches Merkmal des Coachings dar und trägt ebenso zum Erreichen der individuellen und nachhaltigen Hilfe zur Selbsthilfe bei wie die Förderung einer stärkeren, generell auf Professionalisierung ausgerichteten Vereinheitlichung und damit einhergehenden Transparenz im Coaching. Die theoretische Grundlage der hier zur nachhaltigen Stabilisierung bzw. Steigerung der Leistungsfähigkeit und Qualität des Coachings vorgeschlagenen einheitlichen Coachingmethodik bildet die Nicht-klassisch, synergetische Theorie der Information und die mit ihr verbundene Forschungsmethodik. Denn diese Theorie kann aufgrund ihres hohen Allgemeinheitsgrads grundsätzlich nicht nur zur Analyse des Coachings, sondern beispielsweise auch zur konkreten Analyse einzelner Personen und Teams angewendet werden, und erfüllt darüber hinaus auch, wie im Rahmen der vorliegenden Arbeit ebenfalls gezeigt werden konnte, alle anderen Anforderungen, die aus der Praxis heraus an eine einheitliche theoretische Grundlage für das Coaching und für eine geeignete Coachingmethodik gestellt werden. Schließlich wird mit den erzielten Ergebnissen aus der durchgeführten umfassenden Analyse des Gesamtphänomens ‚Coaching’ mit Hilfe der gewählten Theorie und mit dem anschließend, auf Basis der herausgearbeiteten Gestaltungsempfehlungen entwickelten und in seinen Grundlagen vorgestellten neuen wissenschaftlichen Ansatz für eine bisher noch fehlende einheitliche, umfassen-
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6 Schlussbemerkung
de Coachingmethodik angestrebt, einen Beitrag zur weiteren Professionalisierung und stabilisierenden Weiterentwicklung des Coachings zu leisten. Mit dieser Arbeit ist der Wunsch verbunden, zu einem besseren, einheitlichen Verständnis des Coachings sowie zur wissenschaftlichen Fundierung und konkreten theoretisch basierten Weiterentwicklung der Maßnahme beizutragen, um den Erfolg bzw. die Leistungsfähigkeit und Qualität des Coachings zu erhöhen, nachhaltig zu sichern und damit auch die Etablierung des Coachings am Markt zu fördern. Die praktische Bewährung des hier erarbeiteten Vorschlags für eine wissenschaftlich fundierte, bislang nicht vorhandene einheitliche und umfassende Coachingmethodik kann in Zukunft durch die Anwendung in der Coachingpraxis überprüft werden. Die in dieser Arbeit aufgezeigte praxisnahe Entwicklung der skizzierten Coachingmethodik, die streng systematisch von den realen, wahrnehmbaren Phänomenen des Coachings ausgeht, lässt dabei eine erfolgreiche künftige Umsetzung der Methodik in die Coachingpraxis erwarten. Schließlich sollte auch die Möglichkeit genutzt werden, den hier entwickelten Ansatz für eine einheitliche, theoretisch fundierte Coachingmethodik als umfassende konzeptionelle Grundlage des Coachings im Rahmen einer zukünftigen praktischen Anwendung weiter zu konkretisieren.
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