Martin Selle
Das AlienExperiment Codename Sam Band 07
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Friedlich beobachten SAM den ...
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Martin Selle
Das AlienExperiment Codename Sam Band 07
scanned 03/2008 corrected 05/2008
Friedlich beobachten SAM den Sternenhimmel in der Nähe von Ulm, ein Schul-Projekt hat sie hierher geführt, als sich eine Sternschnuppe aus dem dunklen Blau des Himmels löst. Damit beginnt für Sandra, Armin und Mario ein neues Abenteuer – sind Außerirdische auf der Erde gelandet, wollen sie die Herrschaft übernehmen oder ist das Ganze nur Einbildung? Mysteriöse Gestalten tauchen auf, ein verwirrter Biobauer kreuzt ihren Weg, Wissenschaftler entdecken Dinge, die nicht von dieser Welt sind … ISBN: 3-7074-0233-9 Verlag: G & G Buchvertriebsgesellschaft mbH, Wien Erscheinungsjahr: 2004 Umschlaggestaltung: Martin Weinknecht
Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!
DAS ALIEN-EXPERIMENT Martin Selle
Illustrationen: Martin Weinknecht
Wien – Stuttgart – Zürich
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in Der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de. abrufbar.
Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Selle, Martin: Codename Sam / Martin Selle. – Wien; Stuttgart; Zürich: G und G, Kinder- und Jugendbuch (Krimi) Geheimfall 7. Das Alien-Experiment. – 2004 ISBN 3-7074-0233-9 1. Auflage 2004 © 2004 by G & G Buchvertriebsgesellschaft mbH, Wien Covergestaltung: Martin Weinknecht Lektorat: G & G Satz: grafik design jeannette popst, wien Druck und Bindung: BBG, Wöllersdorf In der neuen Rechtschreibung. Aus Umweltschutzgründen wurde dieses Buch auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übertragung in Bildstreifen sowie der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten.
INHALT 1
Killer aus dem All.............................................. 7
2
Unsichtbares Feuer .......................................... 15
3
Aus dem Dunkel der Zukunft .......................... 24
4
Magisches Metall ............................................. 30
5
Tödliche Lichter .............................................. 37
6
Eine geheime Botschaft ................................... 45
7
MIS – Männer in Schwarz ............................... 53
8
Geheimakte-X .................................................. 59
9
Der unsichtbare Dritte ..................................... 66
10
Phantom-Post ................................................... 74
11
Versuchskaninchen Mensch ............................ 79
12
Das Geheimtreffen ........................................... 87
13
Das sprechende Haus ....................................... 94
14
Geheimes Leben ............................................ 102
15
Betet! ............................................................. 113
16
Im Höhlenlabyrinth........................................ 117
17
SETI ............................................................... 122
18
Die Sarg-Falle ................................................ 127
6
1
Killer aus dem All
Montag, 11 Uhr 58 – Unterirdische Geheimzentrale von SETI (Organisation zur Suche nach außerirdischen Lebensformen = Search for Extraterrestrial Intelligence): „Großer Gott, Victor, sag mir, dass das nicht wahr ist!“ Vom Grauen gepackt riss Doktor Jakob Sternblau sein Hemd auf. Kalter Angstschweiß glänzte auf seiner Brust. „Noch nie in meinen 51 Jahren war ich mir so sicher. Verdammt, Jakob, es ist geschehen!“ In Professor Victor Palisas Augen flackerte nackte Angst. „Das Radar muss defekt sein –“ Im Schatten des düsteren Lichtes glich Jakob Sternblaus bleiches Gesicht einer starren Totenmaske – nur Haut und Knochen, ohne Fleisch. Fiebrig, als stünde der kräftige Glatzkopf unter einem Bannfluch, wischten seine zittrigen Finger den Angstschweiß von der Stirn. In der tiefen Narbe, die ihm vom linken Ohr über sein Kinn zum Hals verlief, blieben die glänzenden Tropfen aber zurück. „Bei Gott, Victor, es muss sich ganz einfach um einen Fehlalarm handeln – es muss!“ Jakob Sternblaus Spürsinn sagte ihm, was er bisher nur aus Filmen kannte, würde bitterböse Wirklichkeit werden. Und deshalb hatte auch der sonst so besonnene Mann zum ersten Mal in seinem Leben Angst – Todesangst. 7
Gerade sah er auf die UFO-förmige Uhr an seinem rechten Handgelenk, da erblickte er das Modell des Aliens auf seinem Schreibtisch. „Alarmstufe Rot!“, rief er im Befehlston und mit nur einem Schlag zertrümmerte seine Faust die Alien-Figur in tausend Scherben. In der unterirdischen Geheimzentrale von SETI, tief verborgen in den Gebirgsfelsen der Schwäbischen Alb, herrschte sonst tagein, tagaus diese von Angst erfüllte Stille, denn wer hier arbeitete, war Teil eines Geheimnisses. Und nicht auszudenken, sollte dieses Geheimnis je an die Erdoberfläche dringen … Heute aber, als ahnten die UFO-Detektive von SETI geradezu was bevorstand, war es keine Stille, die sich in dem düsteren Raum ausgebreitet hatte – heute schwebte atemloses, sorgenvolles Schweigen über den Mitarbeitern der Geheimorganisation. Drei Augenpaare starrten schockiert auf einen Monitor, über den Bilder flackerten, die sie sich niemals hätten träumen lassen. Ein leises Ticken durchbrach das gespannte Schweigen: Die Zeiger der Uhr waren auf fünf vor Zwölf gesprungen. Regelrecht den Verstand raubend – der Gedanke –, dass es dort oben im Moment passierte. Das Gefühl von ohnmächtiger Hilflosigkeit befiel das SETI-Team. „Das gibt es doch nur im Film“, hauchte eine schwarzhaarige Frau, die eines der Schaltpulte bediente, zittrig. „Es gibt Dinge im Universum, mein Kind, die wir noch nicht einmal zu verstehen begonnen haben“, antwortete Jakob Sternblau trocken. Der UFO-Absturz bei Roswell, einer amerikanischen 8
Stadt, kam ihnen in den Sinn. Wurde wirklich die Landung von fünf Außerirdischen geheim gehalten? Schon wagten sie zu hoffen, alles sei nur ein böser Traum, da flog mit einem ohrenbetäubenden Krach die Tür zur Zentrale auf und ein dunkelhaariger Mann, Mitte dreißig, kam aufgeregt stotternd hereingestürzt. „Ein … einfach nicht … nicht …“ „Verdammt, Regener! Klartext!“, rief Sternblau, packte seinen Assistenten an den Schultern und schüttelte ihn, als wolle er ihn aus einem Alptraum wachrütteln. „Ist ein Irrtum absolut ausgeschlossen?“ „K … K … Kontakt!“, würgte Regener, knochenbleich im Gesicht, hervor und deutete auf das Funkgerät, das neben dem roten Telefon auf der Schaltkonsole stand. Sternblau ließ Regener los. Mit versteinerter Miene, als erwarte er sein eigenes Todesurteil, betätigte er die Mithörtaste des Funks. „… Hier Jansky …“, schnitt die gefilterte Stimme eines jungen Mannes aus dem Lautsprecher. „Falls mich dort unten noch jemand hört, es ist wahrhaft …“ In der gespannten Stille und von der Elektronik verzerrt, klang die zittrige Stimme beängstigend laut und fernab, fast, als käme sie durch Raum und Zeit von einem anderen Stern. Für gewöhnlich beruhigte Leutnant Janskys Stimme die Anwesenden. Nie war der junge Kampfpilot um einen Scherz verlegen. Heute aber ließen seine Worte SETIs Nervosität in blanke Panik umschlagen. Jeder Einzelne spürte sie, diese tief bohrende, übermächtige Angst in sich. „Höchste Alarmbereitschaft!“, befahl Sternblau und seine Finger umklammerten das Mikrofon so stark, dass seine 9
Knöchel weiß hervortraten. „Genaue Position, Leutnant Jansky!“ Zwei, drei Sekunden geschah nichts, dann erst drang Janskys Stimme aus dem Lautsprecher, dünn und sonderbar. „Nähere mich der österreichischen Grenze. SETI, habe Sichtkontak … Einfach unglaub …“ Erneut brachten Verzerrungen das Funksignal zum Verstummen. „Leutnant! Hören Sie mich?“ Sekunden – lang wie die Ewigkeit – verstrichen, ehe Janskys Stimme wieder aus dem Lautsprecher drang. „Habe Sichtkontakt zum Unbekannt … Oh Gott! Es … es ist einfach …!“ „Operation abbrechen“, rief Sternblau in das Mikro. „Eindringen in fremden Luftraum verboten – bestätigen Sie, Leutnant!“ Doktor Sternblaus Blick wanderte zum Monitor, auf dem verschiedene Lichtpunkte blinkten und eine leuchtende Linie die Landesgrenze zwischen Deutschland und Österreich markierte. „Wiederhole: Operation abbrechen, Leutnant!“ „Was, zum Teufel, ist dort oben los?“ Professor Palisa wusste, dass seine Frage überflüssig war. Er war im Bilde, dass hoch in den Wolken über Süddeutschland soeben das Unvorstellbare Wirklichkeit wurde. Die Angst der Anwesenden wich blankem Entsetzen, als es im Lautsprecher knackte und Leutnant Janskys Stimme rauschte. „Es … es ändert den Kurs, verfolgt – es jagt mich! Licht! Grelles, blendendes … Meine Augen – Ahhh! Ich … ich kann fast nichts …“ „Was, Leutnant? Was macht Jagd auf Sie?“, brüllte Sternblau. 10
„Gott, gütiger! Einfach unvorstellbar, diese Geschwindigkeit. Diese Technik muss der menschlichen um Jahrtausende voraus sein –“ Regener schmeckte Salz, als Schweißtropfen über seine Wangen in die Mundwinkel perlten. Professor Palisa wandte sich Sternblau zu. „Er scheint tatsächlich eines gesichtet zu haben, Jakob.“ Die beiden UFO-Forscher starrten einander für Sekunden stumm in die Augen. Dann sagte Doktor Sternblau: „Sie alle wissen, was das bedeutet … Wir müssen es tun – jetzt.“ „Da … das kann nicht … nicht Ihr Ernst sein“, fuhr Regener erschrocken aus seinem Stuhl hoch. „Mein voller Ernst“, erwiderte Sternblau trocken. „Du … du bist wahnsinnig, Jakob“, hauchte Professor Palisa tonlos. „Vielleicht – vielleicht auch nicht.“ „Weißt du überhaupt was du da …“ Victor Palisa wurde unterbrochen. Ein unheimliches Brausen und Heulen drang aus dem Lautsprecher, dazwischen ließ sich Leutnant Janskys schwache Stimme vernehmen: „SOS, SETI! S – O – S!“ „Jansky!“, schrie Sternblau, riss das Mikro an sich, drückte die Sprechtaste. „Leutnant, hören Sie mich!“ Für einen Augenblick war es totenstill, dann, das Rauschen wurde lauter, drangen Janskys hysterisch klingende Worte in die Geheimzentrale von SETI. „Das … das Licht … Es kommt näher –“ „Leutnant!“ Doktor Sternblau brüllte so laut, als ob er Jansky den Befehl ohne Mikrofon erteilen müsste. „Machen Sie die Luft-Luft-Raketen scharf!“ 11
„Verdammt, das ist Irrsinn, Jakob!“, rief Professor Palisa und stellte sich Sternblau in den Weg. „Was, wenn es nur ein Flugzeug mit Menschen ist? Was, wenn sie friedliche Absichten hegen?“ „Was, wenn es Killer aus dem All sind, die die Weltherrschaft an sich reißen wollen? Vielleicht wollen sie unsere Erde als neuen Lebensraum erobern. Sollen wir tatenlos zusehen!? Wir müssen einen erwischen! Nur so erlangen wir Klarheit!“, rief Sternblau und stieß Victor mit grimmigem Gesichtsausdruck zur Seite. „Leutnant Jansky! Hier Sternblau. Exakt 12 Uhr 59. Erteile hiermit Befehl ‚Code Terminator‘, schießen Sie das UFO ab! – Bestätigen.“ „Du stürzt die Welt ins Verderben, Jakob“, warnte Professor Palisa eindringlich. Er packte Sternblau am Hemdsärmel und riss ihn zu sich herum. Jakob Sternblau aber verschwendete keine Zeit für die Bedenken seiner Untergebenen. Mit Wucht schlug er den Ellbogen gegen Victors Nase. Der Grauhaarige taumelte zurück, stolperte und schlug mit dem Hinterkopf auf eine Schreibtischkante, die sich blutrot färbte. Sternblau zog eine Pistole aus dem Schulterhalfter und richtete sie auf seine Mitarbeiter. „Noch nie waren UFODetektive so kurz vor dem Ziel, hören Sie – noch nie! Es wird jetzt geschehen, hier und heute.“ Tosendes Knistern ließ ihn verstummen. „Raketen scharf!“, bestätigte Leutnant Jansky. „Habe Zielobjekt im Visier. Mein Gott, ist das … gigantisch!“ Ein kalter Schauer jagte den SETI-Leuten über die Rücken, als es aus dem Funkpult klickte. 12
„Oh Gott, nein!“, wimmerte Professor Palisa gebrochen, während er sich wie ein getretener Wurm unter Schmerzen am Boden krümmte. „Diese Wahnsinnigen haben es wirklich getan –“ Ein zweites Klicken bohrte sich wie eine Nadel in die Ohren der Crew – Leutnant Jansky hatte den Raketenauslöser abermals gedrückt! Niemand in der unterirdischen Zentrale wagte sich zu rühren oder auch nur zu atmen. Totenstille herrschte. Nur die Uhr tickte stetig, als sei sie der leise Herzschlag der Menschheit. Plötzlich brach Janskys Stimme wie ein Vulkan aus dem Lautsprecher: „Ich kann das verdammte Flugzeug nicht mehr halten! Magnetische Störwellen! Die Raketen – sie reagieren nicht! Die Instrumente … spielen verrück … Die Wesen … Sie feuern … Neiiiinn …!“ Das Donnern einer weit entfernten Explosion erfüllte den unterirdischen Raum. Für einen Moment war es, als erbebe der Boden. Dann fassungsloses Schweigen. Nur eintöniges Knistern rauschte im Funkgerät. „Jansky!“, schrie Sternblau wie aus einer Lähmung gerissen. „Erfolgsmeldung, Leutnant!“ Leutnant Jansky antwortete nicht – Nachdem er eine Reihe Schalter betätigt hatte, wandte sich Regener erschrocken an Sternblau. „Ko … Kontakt ver … verloren, Doktor“, stotterte er. „Der … der Kampf … Kampfjet wu … wurde abgeschossen!“ Sternblau blickte auf den Bildschirm. Der gelbe Leuchtpunkt, der den Kampfjet von Leutnant Jansky markiert hatte, war vom Monitor verschwunden. 13
Langsam ließ Doktor Sternblau das Mikrofon fallen. Noch einmal drang ein fremdartiges Heulen und Knistern aus dem Lautsprecher, dann verstummte auch dieses Geräusch. Alle Augen richteten sich auf Jakob Sternblau. „Nun hast du erreicht, was du wolltest“, brachte Professor Palisa mit Mühe hervor. „Sie werden kommen. Es gibt kein Zurück mehr. Du weißt, es ist jetzt zu tun –“ „Ja“, hauchte Sternblau mit starrem Blick ins Nichts. „Es gibt kein Zurück mehr – nicht einmal für die Unwissenden dort oben.“ Noch benommen und aus der Nase blutend, drehte Professor Palisa die Überwachungskamera und richtete sie wortlos auf Doktor Sternblau, der sich hinter seinem Schreibtisch in den Sessel hatte sinken lassen. „Niemand wird uns glauben – niemand! Alle werden es als Hirngespinst abtun.“ „Irgendjemand muss die dort oben überzeugend warnen.“ Sternblau schloss für einen Moment die Augen. Dann sprach er, sichtlich um Haltung ringend, in die Kamera. „Ich, Doktor Jakob Sternblau, wende mich in diesen Minuten an die gesamte Bevölkerung unseres geliebten Heimatplaneten Erde, denn soeben ist das geschehen, was bisher nur in unseren schlimmsten Angstträumen existiert hat. Das unmöglich Geglaubte hat aus unseren Alpträumen den Weg in die Wirklichkeit gefunden …“
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2
Unsichtbares Feuer
Rund einen Kilometer vom Schullager im Schloss Lichtenstein entfernt, schlugen die drei Detektive mit dem CodeNamen SAM (Sandra Wolf, Armin Hauser und Mario Klein) ihr Zeltlager auf. Noch ahnten sie nicht, dass die Projektwoche in der Schwäbischen Alb auf Schloss Lichtenstein nicht ihren vorher bestimmten Lauf nehmen sollte. „Komisch“, sagte Mario, in den Himmel blickend, „heute kommen mir die Sterne sehr hell vor.“ Eine Sternschnuppe löste sich und verglühte in einem silbrigen Bogen in der Atmosphäre. „Liegt an der klaren Nacht“, erwiderte Armin. Wie Diamanten auf schwarzem Samt glitzerten die Sterne am Nachthimmel. Ringsum ragten Baumkronen und zerklüftete Felsen auf. Eulen riefen ganz in der Nähe und im Unterholz krabbelte es – vermutlich ein Dachs auf Beutefang. Mario baute das Fernrohr zusammen, während Sandra im Geist noch einmal die Regeln für den geeigneten Zeltplatz durchdachte: Suche einen trockenen, leicht erhöhten Platz, in Mulden sammelt sich Regenwasser. Lege den Zelteingang gegenüber der Wetterseite an! Du 15
erkennst die Wetterseite an frei stehenden Bäumen daran, dass sie stärker verwittert ist. Meide Täler, Fluss- und Seeufer, dort bildet sich feuchter Nebel. Übernachte nicht am Fuß von Felshängen, sie sind bei Sturm, Regen und Wind steinschlaggefährdet. Zelte nicht unter allein stehenden Bäumen, sie ziehen Blitze an. Meide Plätze neben stehendem Wasser (Tümpel, Teich …), hier wimmelt es vor Mücken, Wespen … Halte Abstand zu Tierpfaden die zu Wasserstellen führen, das Zelt könnte niedergetrampelt werden. Büsche und niedrige Bäume schützen vor Regen und Wind. Zufrieden mit der ausgewählten Waldlichtung zurrte sie die letzte Zeltschnur fest. „Die Mondfinsternis wird ein toller Anblick von hier oben“, sagte Mario und schwenkte das Teleskop in den Himmel. „Dir werden die Augen übergehen“, antwortete Armin. „Sofern du unser unsichtbares Feuer zu Stande bringst und die Flammen uns nicht die Sicht rauben“, sagte Sandra grinsend. „Ist so gut wie fertig. Pass du lieber auf, dass uns der Wind das Zelt nicht wegweht!“, sagte Armin. Als wollten sie Armin ärgern, warfen Sandra und Mario ihm einen prüfenden Oberlehrerblick zu. Natürlich wussten sie genau, dass das Tarnfeuer absolut unsichtbar war, ja sogar bei Regen brannte. Seit Bestehen ihres Detektivklubs „CodeName SAM“ hatten die drei von Berufsdetektiven und anderen Spezialisten eine Menge Tipps und Tricks ge16
17
gelernt. Solche Leute wussten, wie man gefährliche Situationen in Wirklichkeit am besten meisterte. Und das war weitaus anders als im Fernsehen! Armin hatte in einer kegelförmigen Grube (ähnlich einer auf dem Kopf stehenden Pyramide) ein Feuer entfacht und einen Kochtopf darüber gesetzt – dieser schützt das Feuer vor Regen und macht die Flammen unsichtbar. Vom Boden der Grube hatte er zuvor zwei seitliche Schächte (etwa armdick) nach oben gegraben. Durch sie konnte Luft zu- und abströmen, um das unsichtbare Feuer nicht zu ersticken.* Gespannt hockten SAM sich um das wärmende, unsichtbare Feuer. Mario nahm die Süddeutsche Zeitung zur Hand, um den genauen Beginn der Mondfinsternis noch einmal nachzulesen. „2 Uhr 16. In drei Minuten“, sagte er und dann: „He, Leute, hört euch das mal an …“ Von einem Zeitungsbild starrte ihm ein schwarzhaariger Mann um die Fünfzig entgegen. „Aufregung um tödlichen Autounfall: Aus bisher noch ungeklärten Gründen kam gestern nahe der Burg Lichtenstein der Astrophysiker und Betreiber des Projektes ‚Biosphäre 2‘, Doktor Max Panck, mit seinem Wagen vom Weg ab und prallte gegen einen Baum. Das Auto explodierte. Panck konnte sich zwar noch aus dem brennenden Wrack retten, erlag aber noch an der Unfallstelle seinen schweren inneren Verletzungen. Dadurch verliert Deutschland nicht nur einen der weltberühmtesten Sternenforscher, auch die ‚Biosphäre 2‘ steht somit vor dem Aus. Doktor Panck er-
*
siehe dazu „Die schlauen Seiten“ am Ende des Buches 18
forschte, ob die menschliche Rasse in einem künstlichen, vollkommen von der (vielleicht bald völlig zerstörten) Umwelt abgeschnittenen Raum, einer Mini-Welt, überleben kann, oder ob sich dieser künstlich hergestellte Lebensraum selbst zerstört. Für Aufregung rund um Pancks Tod sorgt aber ein rätselhaftes, am Unfallort gefundenes Metallstück. Laut ersten Untersuchungen durch das Archäologische Museum Ulm, ist das Metall auf einer Silizium-Basis aufgebaut, die es auf der Erde nicht gibt. Das Begräbnis findet übermorgen am Alten Friedhof von Ulm statt.“ „Der Unfall muss hier ganz in der Nähe passiert sein“, sagte Armin. Eine weitere, noch hellere Sternschnuppe zog ihren Lichtbogen über den klaren Himmel. „Wirklich sonderbar grell heute“, meinte Sandra. „Echt toll, so eine Schullagerwoche in einem Schlosshof und in freier Natur“, schwärmte Mario und beobachtete das Firmament, als suche er einen bestimmten Stern. „Solche Schulaktionen lass ich mir gefallen!“ „Ja, und vor allem weit weg von Tasso und seinen Hohlköpfen!“, lachte Armin. Tasso Bellmann war der Kopf einer Straßenbande in Wien, deren Lebensinhalt nur darin bestand, SAM bei jeder Gelegenheit eins auszuwischen. Der Neid des sechzehnjährigen Halbstarken auf SAMs Erfolge als Detektive zerfraß ihn innerlich beinahe. In der Schule brachte ihre Freizeitbeschäftigung als listige Spürnasen jedoch nicht immer nur Vorteile. „Lasst gefälligst diesen Detektivblödsinn!“, bellte Direktor Grollmann dann immer als Eröffnung seiner Strafpredigt. 19
Lasst diesen Blödsinn – das war die oberste Regel, wenn sie nicht von ihrer Schule fliegen oder stundenlang nachsitzen und Hunderte „Übungen“ rechnen wollten. Aber das ließ SAM mittlerweile ziemlich kalt. „Da, es geht los!“, rief Armin und klappte sein Minifernglas aus. „Exakt 2 Uhr 16. Um 2 Uhr 20 ist der Mond vollkommen verdeckt.“ Langsam legte sich der Erdschatten über die fahle Mondscheibe. Und als hätte man den Ton ausgeblendet, senkte sich eine seltsam beklemmende Stille über die Waldlichtung. Selbst die Tiere waren verstummt, geradeso, als hätten sie eine düstere Vorahnung. Immer weiter verschluckte das Schwarz des Schattens das Mondlicht. Nach vier Minuten, um 2 Uhr 20, das Mondlicht war fast erloschen, entdeckte Mario etwas Merkwürdiges im Fernrohr: Aus den kalten Tiefen des Alls tauchte kurz ein heller Punkt auf, beschrieb eine ZickzackLinie und verschwand wieder. „Habt ihr den gesehen!“, rief Mario irritiert und versuchte einen weiteren Lichtschweif nicht aus dem Blickfeld zu verlieren. „Wenn das nicht mal ein Meteorit war, der einschlägt –“ „Meteoriten verglühen in der Atmosphäre, sonst wäre die Menschheit schon längst ausgestorben, wie die Dinos vor 65 Millionen Jahren“, antwortete Armin gelassen. „Echt stark“, staunte Sandra. Weitere Sternschnuppen glühten auf und schillerten immer greller. „Das müssen Hunderte sein. Ich wusste, heute sehen wir etwas Außergewöhnliches …“ 20
Wie Recht sie hatte – „Lass mich mal ans Teleskop“, sagte Armin und drängte Mario zur Seite. Er presste ein Auge an die Linse – da durchfuhr ihn eine Woge des Grauens. „Sandra, Mario! Habt … habt ihr so was schon mal gesehen?“ Er rieb sich nervös das Auge und blickte erneut durch das Fernrohr. Kein Zweifel, er hatte sich nicht geirrt! Armin spürte, wie ihm die Gänsehaut den Rücken heraufkroch. „Was ist?“, fragte Sandra. „Die Videokamera – schnell!“ „Was?“ „Du sollst die Kamera starten!“ „Warum?“ „Frag nicht, tu, was ich dir sage!“ „Ich will wissen, weshalb?“ „Weil sich dort oben etwas verdammt Helles aus den Sternen gelöst hat!“ „Hunderte Sternschnuppen haben sich heute schon gelöst. Krieg dich ein.“ „Aber noch keine, die in einer Zickzack-Linie durch die Atmosphäre schießt –“ „Was!?“ Sandra riss das Fernglas vor die Augen und folgte Armins Blick. Jetzt sah auch sie es: Aus dem funkelnden Sternenmeer hatte sich ein sonderbar heller Lichtpunkt gelöst. In willkürlich scheinendem, eckigem Kurs näherte er sich der Erde. „Die ist mir vorhin schon aufgefallen“, sagte Mario. „Ich hol doch besser die Videokamera –“ Die Art, wie Sandra die Worte aussprach, hatte etwas Beängstigendes. 21
„Was, zum Teufel, ist das?“, flüsterte Armin. Mit dem Teleskop verfolgte er das größer werdende Objekt. Es ähnelte einer silbrig weiß leuchtenden Kerzenglühbirne, die waagerecht auf den Wald zuschwebte. In der Ferne war plötzlich ein merkwürdiges Rauschen und Knistern zu hören. „Sicher eine Passagiermaschine im Anflug auf den Flughafen Frankfurt“, mutmaßte Mario. „Flugzeuge blinken rot-weiß und haben nicht die Form von ovalen Untertassen.“ „Vielleicht die internationale Raumstation ISS?“ Noch ehe Armin antworten konnte, erstarrte Mario kurz. Das seltsame Licht stoppte, verharrte einige Augenblicke, als suche es nach etwas, und sackte dann wie ein Adler im Sturzflug Richtung Erde. Sandra presste eine Kassette in die Videokamera. Fahrig vor Anspannung richtete sie das Objektiv über die Baumwipfel, wo der Lichtball jetzt schwebte. „Mach endlich!“, drängte Armin sie. Nach Sekunden fand Sandras Finger die Aufnahmetaste – Klick! „Was immer wir da beobachten“, murmelte Armin, „ein Jet kann nicht in der Luft stehen bleiben –“ „Woher kam das Ding so plötzlich?“, fragte Sandra. „Weiß nicht.“ „Es … es dreht nach links ab“, rief Mario durch sein Fernglas starrend. Das helle Ding glitt Richtung Westen, kam näher, senkte sich noch weiter ab und war gleich darauf hinter den Baumwipfeln verschwunden. 22
„Es ist gelandet!“, schauderte Sandra. Frostiges Schweigen erfüllte den Lagerplatz. Armin warf seinen Detektivfreunden einen Blick zu, als wollte er sagen: Worauf warten wir? „Auf keinen Fall, Armin! Nur heute Nacht zelten, die Mondfinsternis beobachten und morgen zurück ins Basiscamp – hat Grollmann erlaubt.“ Sandra glaubte, ihre innere Stimme zu hören, die sie warnte, erfahren zu wollen, was sie da soeben beobachtet hatten. „Ihr wisst, was bei dem UFO-Absturz im amerikanischen Roswell 1947 mit den Menschen, die das beobachtet haben, passiert ist. Ich hab keinen Bock darauf, von Weltraum-Kannibalen entführt und unters Messer genommen zu werden.“ „Roswell ist mir egal“, entgegnete Armin und schnallte seinen Gürtel mit der Detektivausrüstung um. „Kontrolliert eure Taschenlampen und die Videokamera. Was immer wir gefilmt haben, wir müssen das UFO finden und mehr Aufnahmen machen. Es könnte eine ernste Bedrohung für die Menschheit sein –“ „Wir kennen diese Gegend überhaupt nicht“, sagte Sandra. „Wer weiß, was uns dort draußen erwartet?“ Aber Armin und Mario hörten ihr nicht zu. Mit einem flauen Gefühl in der Magengegend stapften sie los, hinein in den dunklen Wald. Hinter einem mächtigen Baum, verborgen zwischen Sträuchern und von SAM unbemerkt, kauerte eine Gestalt, so schwarz wie die Nacht. Sie hatte alles mit angehört.
23
3
Aus dem Dunkel der Zukunft
„Kann sein“, sagte Armin, während sie zwischen den schwarzen Baumriesen marschierten, „dass man uns schon erwartet. Besser, wir …“ Düster verlor sich seine Stimme in der Dunkelheit. „Du hast Recht“, flüsterte Sandra. Sie blieb stehen. „Wir trennen uns und vereinbaren Geheimzeichen. So können wir uns mit der Handybeleuchtung lautlos verständigen und sie erwischen nur einen, falls hier draußen wirklich etwas ist.“ „Okay“, sagte Mario. „Ein Kreis bedeutet: alles in Ordnung; auf und ab: weiter vorwärts; links und rechts: Stopp – und eine Schlangenlinie heißt: Gefahr!“ Sandra und Armin nickten. „Tarnen“ sagte Sandra. Gesichter konnten in der Nacht verräterisch hell sein. Die Taschenlampen brauchten sie nur abzudrehen, Handys einzuschieben. Sie zerrieb Blätter und Gräser in ihren Handflächen, mischte Erde hinzu – und mit den Fingern schmierten sie sich, um ihre Gesichtszüge verschwinden zu lassen, dicke grünbraune Flecke auf Stirn, Wangen und Hals. Armin drehte das braune Futter seiner Jacke nach außen und im Schutz von Felsen, Büschen und Schatten ging es los. 24
Auf getrennten Wegen schlichen sie weiter. Im gedämpften Schein ihrer Handys folgten sie den Wildpfaden. Gut zehn Minuten lang tanzten die matten Lichtkreise durchs Dickicht, wobei SAM angespannt auf fremdartigere Geräusche wie das Knacken von Zweigen und das Rascheln von Blättern lauschten. Dann jedoch – der Wald war so dicht geworden, dass sie Mond und Sterne nicht mehr sehen konnten und nur noch SAMs Handys im Meer der Dunkelheit leuchteten – sahen sie, dass ein viertes, deutlich helleres Licht die Nacht durchbrach. Armin hielt an, gab das Stopp-Zeichen und versuchte zu erspähen, wo die Quelle des fremden Lichtes war, doch da war es auch schon wieder verschwunden. Einige Schritte weiter links erinnerte sich Mario mit Unbehagen an die Schrecken im Zombie-Wald auf Haiti zurück.* Einige Meter rechts von Armin berührte etwas Taunasses Sandras Gesicht. Sie zuckte zurück, stolperte über einen Stein und fiel auf die Videokamera. Doch es waren nur Spinnweben. Gerade erschien Mario an Armins Seite, da zeichnete Sandra die Schlangenlinie in die Nacht. Sofort erloschen alle Lichter. Dunkel umfing sie. Für Sekunden war wieder das ovale, übernatürlich grelle Licht zu sehen. „Was denkst du?“, fragte Mario Armin leise, dessen Anwesenheit er nur fühlen konnte.
*
siehe CodeName SAM 3: „Das Zombie-Elixier“ 25
„Vielleicht ist es wirklich ein UFO und wir stoßen auf Außerirdische?“ Plötzlich knackte es im Gebüsch neben ihnen. Keiner der beiden wagte zu atmen. Langsam kamen die Geräusche näher und näher. Bereit zum Schlag, hob Armin die Stablampe. Da aber, unmittelbar vor ihnen, verstummten die Geräusche. „Lasst uns umkehren, Jungs“, flüsterte Sandra verstohlen. „Bestimmt gibt es eine logische Erklärung für das seltsame Lichtoval.“ „Verdammt, Sandra!“, zischte Armin verärgert. „Ich hätte dir fast eine …“ „Hört auf!“, wisperte Mario. „Begreift ihr denn nicht … Möglicherweise sind dort draußen Zeitreisende, die aus dem Dunkel der Zukunft kommen. Eine uns Menschen weit überlegene Rasse, die neuen Lebensraum sucht und dafür unsere Erde …“ Er wagte den schrecklichen Gedanken gar nicht zu Ende zu führen. Und so schlichen sie durch das Dickicht weiter. Wurzeln und Lianen waren ihnen im Weg, die sie in der fast völligen Dunkelheit kaum sehen konnten. Sandra spürte feines Gestrüpp, Dornen zerkratzten ihre Hände. Mindestens eine Viertelstunde, so kam es ihnen vor, streiften sie orientierungslos durch den Wald. Hinter einem Felsvorsprung schien es leicht bergab zu gehen. Das Gelände wurde steiniger, die Bäume spärlicher – sie schienen sich dem Waldrand zu nähern – und da war das Schillern des Lichtes deutlich zu erkennen. Sandra blieb plötzlich wie versteinert stehen. Blitzartig flammte ihre Taschenlampe auf, sie richtete den Lichtstrahl 26
auf einen Busch und starrte diesen an – und der Busch starrte zurück. Zwei grüne Augen blitzten zwischen den Blättern kurz auf und waren ebenso schnell in der Dunkelheit verschwunden. „Was ist?“, flüsterte Mario und umklammerte fest seine Lampe. „Da drüben bewegt sich was“, flüsterte Sandra zurück, „hör mal … klingt wie etwas Flinkes.“ Mit spitzen Ohren lauschten sie. Einige Meter vor ihnen bahnte sich das flinke Etwas Äste knickend seinen Weg durch das Gestrüpp. „Nicht gut“, murmelte Armin. „Überhaupt nicht gut –“ „Still“, zischte Mario, „sie hören uns sonst noch.“ „Sie?“, flüsterte Armin. Starr vor Schreck standen SAM da und warteten, ohne auch nur die geringste Bewegung zu wagen. Noch ein letztes Knacken, dann herrschte Totenstille. „Was glaubt ihr, haben die vor?“, fragte Sandra leise. „Umzingeln uns wohl, um dann von allen Seiten über uns herzufallen“, murmelte Armin. Sandra schluckte trocken. Eine Minute lang geschah nichts. „Glaubt ihr, sie sind fort?“, flüsterte Armin. „Keine Ahnung“, erwiderte Mario. „Wir müssen’s riskieren.“ Geschmeidig wie Panter schlichen sie auf den Waldrand zu. Ihre Herzen rasten. Nach kurzer Zeit erreichten sie das Ziel. Im Schutz eines Felsschattens legten sie sich auf die Lauer, zogen ihre Mini-Ferngläser aus den Detektivgürteln und suchten das vor ihnen liegende Tal ab. Das bläuliche 27
Mondlicht erhellte inzwischen die Nacht wieder etwas. Sie hatten geglaubt, selbst auf das Schlimmste gefasst zu sein, doch was sie sahen, ließ ihnen das Blut in den Adern gefrieren. „Oh nein“, hauchte Armin. „Oh nein, oh –“ Zitternd vor Aufregung tasteten Sandras Finger nach der Videokamera. Neben dem Licht war noch etwas zu sehen – Schatten! „Da bewegt sich eine Gestalt“, flüsterte Mario. „Dort unten ist jemand.“ „Oder etwas“, murmelte Armin durch sein Fernglas spähend. Sandra bemühte sich um scharfe Bilder, die Sicht war nicht gerade gut. Plötzlich, mit einem Schlag, war das grelle Licht spurlos verschwunden. SAM starrten wieder in die mondbeschienene Nacht. „Habt ihr das gesehen?“, flüsterte Sandra. „Wie vom Erdboden verschluckt – in Luft aufgelöst.“ „Was haben wir da beobachtet, Leute?“, fragte Armin leise. Mit weit geöffneten Augen blickte er auf seine Freunde. „Vielleicht müssten wir besser fragen: ‚Wer hat uns beobachtet?‘“, wisperte Sandra. SAM lief ein kalter Schauder über den Rücken. Um sicher zu gehen, in keinen Hinterhalt zu geraten, warteten sie noch eine Weile. Dann, nachdem es ruhig blieb, machten sie kehrt, um rechtzeitig um 7 Uhr wieder im Schulcamp zu sein. Das grüne Augenpaar, das kurz im reflektierenden 28
Mondlicht aufblitzte, hätte keine Mühe gehabt SAM zu folgen. Stattdessen aber drangen atmosphärische Geräusche in den Wald und eine rauchige Stimme murmelte verstohlene Laute in ein kleines Gerät. Sie hörten sich an wie: „Versuchspersonen für Alien-Experiment ausgewählt.“
29
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Magisches Metall
Die Morgensonne überflutete die Berge und Wälder des Echaztales und tauchte die weitläufige Landschaft in purpurn glühendes Rot, als SAM, nachdem sie ihr Zelt abgebaut hatten, das Schullager im Schloss Lichtenstein erreichten. 26 Schüler hatten sich für die Erlebnis-Lagerwoche begeistert. Ein Basiscamp inmitten eines tollen Schlosses – da hatte Direktor Grollmann mal was Besonderes organisiert. Von hier aus sollten die historische Stadt Ulm und die Schwäbische Alb (eine der burgenreichsten Regionen Deutschlands mit vielen Fürstensitzen und Höhlen) erkundet werden. Der Pfad war zu Ende und sie standen am Kopf einer hohen, langen Holzbrücke. Drüben, auf der anderen Seite, auf der Spitze eines schroffen Felsens, die Fenster funkelnd im glühenden Morgenlicht, thronte eine gewaltige Burg mit rundem Aussichtsturm und einer Menge verwinkelter Zinnen und Türme – das Schloss Lichtenstein. Rufus Grollmann erwartete SAM bereits am anderen Ende der Brücke. Schnaubend wie ein tollwütiges Nashorn hatte er die Fäuste in seine Hüften gestemmt und durchbohrte SAM mit finsteren Blicken. „Oh, oh“, murmelte Sandra, „eine Stunde über der Zeit. 30
Ich glaub, das war für diese Lagerwoche die letzte Sondererlaubnis zum freien Zelten –“ Eine Minute später dröhnte Grollmanns Strafpredigt über den Schlosshof. Er tobte – wie immer – wie ein wild gewordener Stier. Gegen sechs Uhr abends hatten SAM das Ärgste überstanden und nach fast fünf Stunden im Küchenzelt, verbunden mit Küchendienst, ihre „Übungsrechnungen“ erledigt. Sandra hatte das Videoband bei sich. Zu Hause, in Wien, hatten SAM im Laufe der Zeit ein vollständiges Detektivbüro eingerichtet, das ihnen ihre Nachforschungen erleichterte. Dort verfügten sie über Computer, Funkgeräte, Mikroskop … Auf Schloss Lichtenstein mussten sie mit bescheideneren Mitteln auskommen. Im Informationsraum für die Schlossbesucher befanden sich aber ein Videorekorder sowie ein Fernsehgerät. Am Abend hielt sich dort niemand mehr auf und Sandra legte das Band ein. SAMs Gedanken wurden von einer einzigen Frage beherrscht: Was würden sie zu sehen bekommen? Anfangs sah man nur den Sternenhimmel. Eine Sternschnuppe verglühte, dann erschien der Mond am rechten Bildrand. „Schneller“, drängte Armin ungeduldig. Sandra spulte vor. „He, was ist das!?“, rief Mario verwundert, als das Video wieder lief. „Was ich befürchtet habe“, sagte Sandra kleinlaut. Schwarze und weiße Funkte tanzten wie ein wilder Schwarm Bienen über den Bildschirm. 31
„Das Band ist völlig nutzlos. Ich bin gestürzt. Die Kamera knallte gegen einen Stein. Die Kontakte des Akkus wurden beschädigt.“ „Verdammter Mist!“, ärgerte sich Armin. „Alles umsonst gewesen! Was jetzt?“ „Plan B“, sagte Mario. Sandra riss die Augen auf. „Spinnt ihr! Grollmann wirft uns von der Schule. Unsere Eltern … Und was, wenn wir zufällig wirklich etwas gesehen haben, das wir nicht hätten sehen dürfen? Denkt an die verschwundenen UFO-Zeugen in Amerika! Dann leben wir vielleicht auch nicht mehr lange …“ „Was immer gestern Nacht dort draußen war, es könnte eine Gefahr darstellen, und deshalb müssen wir es herausfinden. Wenn es wirklich Aliens sind, dann müssen sie Spuren hinterlassen haben!“, sagte Mario. Sandra seufzte tief. Aber es gab nur diese Möglichkeit, wenngleich gefährliche, der Sache auf den Grund zu gehen. Sie mussten heute Abend die festen Mauern wieder verlassen. Direktor Grollmann war am Nachmittag mit einer Schülergruppe in das Ulmer Museum gefahren und würde nicht vor 22 Uhr zurück sein – die Gelegenheit. Unbemerkt schwindelten sich SAM mit den gemieteten Fahrrädern zwischen den übrigen Schlossbesuchern durch das Burgtor. Sie hatten nur die nötigste Ausrüstung für die Spurensuche mitgenommen. Richtig wohl war ihnen nicht bei der Sache. So etwas wie eine unheimliche Vorahnung saß ihnen im Nacken. Auf einer Karte hatten sie einen Weg gefunden, der in 32
die Nähe jener Stelle führte, an der sie in der letzten Nacht die unheimliche Erscheinung gesehen hatten. Im letzten Licht der Abenddämmerung stellten sie im Wald die Fahrräder ab und tarnten sie unter Ästen, damit sie nicht entdeckt werden konnten. Dann marschierten sie zum Waldrand und im Schatten der Bäume suchten sie mit ihren Ferngläsern das darunter liegende Tal ab. Alles war ruhig und sie wollten schon aufgeben, als Sandra erstarrte und heftig schluckte. „Dort“, flüsterte sie, „der Bauernhof hinter dem Maisfeld ist uns gestern Nacht überhaupt nicht aufgefallen.“ Klein und unauffällig, fast schon verschüchtert, ragte das niedrige Fachwerkhaus in den abendlichen Himmel. Die Gegend um den Hof wirkte wie ausgestorben. Nur aus der Scheune war dann und wann ein müdes Bellen zu hören, das wie eine Warnung klang. Ringsum erstreckten sich Maisfelder, im Westen lag eine eingezäunte Pferdekoppel, sie war leer. Gleich neben der Scheune parkte ein schwarzes Motorrad. Unheimlich aber war, was sie im östlich vom Hof gelegenen Maisfeld sahen. „Es gibt sie also wirklich“, stammelte Mario. Mitten im Feld befand sich ein riesiger Kreis, in dem die Maispflanzen platt gedrückt waren. „Das sind mindestens 15 Meter Durchmesser“, sagte Sandra mit starrem Blick. „Los!“ Wie magisch gelenkt, schlichen sie den Hügel zum Bauernhof hinab. Jetzt war SAMs Spürsinn voll erwacht. Hintereinander stapften sie durch das mannshohe Maisfeld auf den Kreis zu. Und dann standen sie davor. 33
„Unglaublich!“, entfuhr es Armin, als er sich niederhockte. Sanft strich seine Hand über die umgelegten Maishalme. „Wie ist so was denn möglich?“ Auch Sandra und Mario brachten vor Staunen kein Wort zu Stande. Alle Halme waren im Uhrzeigersinn gekippt, aber kein einziger abgebrochen. „Das ist kein Werk von Menschenhand“, flüsterte Sandra. „Lasst uns weg von hier –“ „Da!“, rief Mario und wies mit dem Finger auf einen Gegenstand, der im Feldkreis lag, und kurz in der untergehenden Abendsonne aufblitzte. Vorsichtig hob er das schwere Stück, das einem silbrig blauen Stein glich, auf. „Habt ihr schon mal Metall von dieser Farbe gesehen? Und so schwer – sicher schwerer als Gold.“ „Vielleicht magisches Metall von einem abgestürzten UFO“, meinte Sandra. „So eines wie damals in Roswell, das man zerknüllen kann – und wenn man loslässt, nimmt es wieder die ursprüngliche Form an.“ Armin schob das glänzende Ding in seinen Detektivgürtel. Sandra griff zu ihrem Handy und wählte eine Nummer. „Was soll das?“, fragte Mario verständnislos. „Keine Verbindung. Bei UFO-Landungen treten oft elektromagnetische Störwellen auf. UFO-Forscher vermuten, die Aliens tarnen sich so vor unserem Radar.“ Allmählich kroch SAM die Angst in die Glieder. Die Nacht war inzwischen hereingebrochen und sie hatten gerade den Rückweg zu ihren Fahrrädern angetreten, da 34
blieb Mario, kreidebleich im Gesicht, plötzlich stehen und winkte Sandra und Armin zu sich heran. Wie durch Milchglas blickte er auf das, was sich vor ihm auf dem Hohlweg im Licht seiner Taschenlampe breit machte. „Oh Gott …“, flüsterte er beunruhigt und seine Stimme war nicht mehr als ein Hauch. Armin, geübt in Spurensicherung, griff sofort nach der Alufolie, dem Gipspulver und der Wasserflasche. Trotz der Anspannung versuchte er sich zu konzentrieren und von dem fremdartigen Fußabdruck mit nur drei Zehen einen sorgfältigen Gipsabdruck abzugießen: Er faltete die Alufolie zu einem fünf Zentimeter breiten Streifen zusammen, legte sie dann wie eine Kuchenform rund um den Abdruck und goss den dünn angerührten Gipsbrei in die Form. Vorsichtig drückte er einige feine Aststäbchen hinein, um die Form stabiler zu machen. Er wartete kurz, drehte anschließend den Abdruck um und reinigte ihn sorgfältig von der Erde. Sandra wollte Armin gerade auf die Schulter klopfen, als sie ein Geräusch aufschreckte: Ein stöhnendes Krächzen drang aus der Scheune herüber – schwach, atemlos …
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Tödliche Lichter
Dicht aneinander gedrängt schlichen SAM auf den Bauernhof zu. Er sah heruntergekommen aus, man erkannte mit Leichtigkeit, dass er schon bessere Zeiten erlebt hatte. Die Marillenbäume im Gemüsegarten waren ebenso verwildert wie die Beete und Wege. Landwirtschaftliche Geräte standen herum und waren sicher schon seit Wochen nicht mehr im Einsatz gewesen. „Irgendetwas stimmt hier nicht“, flüsterte Sandra. „Der Hof macht einen … unheimlichen Eindruck. Fast, als wäre er ausgestorben.“ Vorsichtig wagten sie sich auf die Scheune zu. „Ist hier irgendjemand?“, rief Mario, der sich ein Herz gefasst hatte, laut. Er bekam keine Antwort, aber in der Scheune kläffte zaghaft ein Hund, und einen Augenblick später klirrte etwas. „Wenn hier noch jemand lebt, dann ist er vielleicht verletzt und kann nicht mehr auf die Beine“, sagte Armin leise. Mario rief noch einmal. Nichts – Totenstille. Langsam drehten sie sich im Kreis und sahen sich um. Einige Fenster standen offen, zwei tote Hühner lagen vor der Veranda und eine Tür schlug irgendwo im leichten Wind, stetig wie ein Herzschlag, auf und zu. 37
Aus der Scheune ertönte wieder das winselnde Hundegebell. SAM beschlossen, zuerst die Scheune zu untersuchen. „Ich hab noch nie jemanden erlebt, der weggeht und die Türen offen lässt“, sagte Armin. „Wir haben auch noch nie einen Bauernhof wie diesen gesehen“, erwiderte Sandra. Langsam öffneten sie das große Scheunentor und gleich darauf bohrten sich die Lichtstrahlen ihrer Taschenlampen in die Finsternis. Sie erkannten im Lichtkegel ihrer Lampen einen völlig verbeulten und verrosteten Pick-up, dessen dunkelblauer Lack großflächig abplatzte. Armin schwenkte seine Taschenlampe nach links und zuckte erschrocken zurück. Ein glühendes Augenpaar starrte ihn an. Der Hund, dessen heiseres Gebell sie gehört hatten, war an die Vorderachse eines Traktors gekettet. Einen Moment lang knurrte er wild, schien aber gleich darauf zu spüren, dass Armin Tiere gern hatte – kein Wunder bei einem Tierarzt als Vater. Schwanzwedelnd und mit angelegten Ohren kam der Hund auf Armin zugekrochen. Der Anblick brach SAM fast die Herzen. Der Schäferhund war total abgemagert, nur Haut und Knochen. Er musste seit Tagen hier gefangen sein. Entschlossen kniete Armin nieder, klappte sein Messer aus und durchtrennte das Lederhalsband, an dem die Kette befestigt war. Der Hund erhob sich auf die dürren Beine, leckte kurz an Armins Hand und lief dann mit letzter Kraft in die Nacht hinaus. „Nein … Rex … bleib!“, krächzte da eine Stimme im Dunkel hinter SAM. 38
Erschrocken fuhren sie herum. Ein Mann kauerte verängstigt in der hinteren Scheunenecke. Seine Arme umfassten die Knie. Er zitterte am ganzen Leib, als wäre ihm der Teufel höchstpersönlich begegnet. Seine rechte Hand umklammerte einen Hammer so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Er hielt ihn wie eine Waffe. Der Hammerkopf war rostrot gefärbt – kein Zweifel, das war Blut! „Wer sind Sie“, fragte Sandra unsicher. Der angstvolle Blick des grauhaarigen Mannes wanderte von einem zum anderen. „Fe … Fellner, Uwe Fellner“, stotterte der Mann. „Was ist hier passiert?“, fragte Armin. „Sind … sind sie noch da?“ „Wer soll noch da sein?“ „Ver … verschwindet, solange ihr noch Zeit dazu habt.“ Uwe Fellner schien sich allmählich zu beruhigen. Langsam löste er seine verkrampfte Haltung und zog sich an einem Schaufelstiel auf die Beine. Sein Blick war aber noch immer der eines lauernden Tigers. SAM konnten seine Anfeindung deutlich spüren. Ebenso, dass in Fellners Stimme noch etwas anderes gelegen war – nackte Furcht! Doch wovor? „Wir möchten Ihnen nur ein paar Fragen stellen, Herr Fellner“, sagte Armin ruhig. „Es gibt nichts zu sagen, haut ab, ehe es wieder geschieht!“, brüllte er. In seinen Augen funkelte etwas, das SAM bis in die Knochen erschreckte. SAM wurde plötzlich klar: Diesem Mann musste etwas Schreckliches widerfahren sein. Armin griff langsam in seinen Detektivgürtel und zeigte 39
Uwe Fellner das seltsame Metallstück. „Das haben wir vorhin in ihrem Maisfeld gefunden –“ Eine Weile starrte Uwe Fellner geistesverloren auf Armins Hand. Dann murmelte er düster: „Ihr wollt es nicht anders! Meinetwegen … steigt in den Pick-up!“ „Der Hammer“, flüsterte Sandra, die nicht glauben wollte, was Armin und Mario da vorhatten. „Was, wenn er damit jemanden erschlagen hat?“ „Hast du einen besseren Plan?“, stieß Mario sie an. Neben ihnen kletterte Uwe hinter das Steuer, zog den Schlüssel aus der Tasche und startete ungeschickt. Mario hätte gewettet, dass Uwe Fellner noch nie ein Auto gefahren hatte. Als sie auf den Weg in Richtung einer riesigen Wiese einbogen, rammte Uwe eine Mülltonne, die scheppernd umfiel. Fellner blickte starr geradeaus, als hätte er das überhaupt nicht bemerkt. Geistesabwesend lenkte er den Pick-up über Stock und Stein. Sandra atmete erleichtert auf, als sie endlich am Rand der Wiese stoppten. SAM stiegen aus. Uwe blieb neben dem Wagen stehen und deutete mit ausgestrecktem Arm auf einen vielleicht fünfzig Meter entfernten dunklen Fleck, den sie im Licht der Scheinwerfer ausmachten. Es war klar, dass er sich keinen Schritt weiter vorwagen würde. Seine Miene verhieß nichts Gutes. Zögernd näherten sich SAM dem dunklen Fleck in der Wiesenmitte. „Verbrannte Erde“, meinte Sandra, als sie an ihren Fingern roch, in denen sie eine Bodenprobe zerrieben hatte. „Verbrannt, vielleicht durch ein UFO-Triebwerk“, sagte Mario. Er drehte sich kurz zu Uwe um, der noch immer 40
wie angewurzelt dastand. „Der hat irgendetwas gesehen, Leute …“ „Sieht aus, als wäre die Erde …“ Weiter kam Armin nicht mehr. SAM hörten, wie hinter ihren Rücken der Motor des Wagens gestartet wurde. Uwe war wieder hinter das Steuer geklettert. Er blendete die Scheinwerfer voll auf, sie hörten das Getriebe krachen, und wild hin und her schaukelnd fuhr er los. Der Wagen wurde immer schneller. Schon fast zu spät, erkannten SAM die Gefahr. Uwe Fellner schoss direkt auf sie zu, dennoch standen die drei wie gelähmt da. Geblendet rissen sie die Arme hoch. Sie starrten in das stechende Licht, das unaufhaltsam näher kam. Erst im allerletzten Moment löste sich ihre Bewegungslosigkeit und sie hechteten zur Seite, so spät, dass sie den Luftzug des vorbeirasenden Pick-ups spürten. „Was, zum Henker, soll das!“, kreischte Armin. Der Wagen schleuderte herum und kam in einer Staubwolke zum Stehen. Halb benommen kamen SAM auf die Beine und sahen einander bestürzt an. Uwe versuchte sie umzubringen! Erneut heulte der Motor auf. In dem sich langsam senkenden Staubschleier konnten SAM sehen, wie die Räder erneut die verbrannte Erde hochschleuderten. Fast gleichzeitig flammten ihre Taschenlampen auf und für einen Moment war Uwes Gesicht hinter dem Steuer zu sehen. Seine Augen funkelten gnadenlos und zugleich leer. SAM wurde endgültig klar: Er würde erst aufgeben, wenn sie tot waren. Sie liefen los – jeder in eine andere Richtung. Die Taschenlampen erloschen. Im Scheinwerferlicht des Pick-ups tauchte die fliehende Gestalt Armins auf. Dieser schlug einen Haken und verschwand aus dem Lichtkegel der Ha41
logenleuchten. Uwe bremste, wendete. Sandra querte das Lichtfeld. Sofort heftete sich das Fahrzeug an ihre Fersen. Angsterfüllt blickte Sandra sich um, stolperte und fiel der Länge nach hin. „Steh auf, Sandy“, brüllte Mario. „Lauf!“ Rasend schnell fraßen sich die Lichter durch die Dunkelheit. In Kopfhöhe schoss die Stoßstange heran. Sekunden vor dem Zusammenstoß rollte sich Sandra nach rechts weg. Um Zentimeter donnerte der Pick-up an ihr vorbei. Uwe bremste heftig, das Fahrzeug kam zum Stillstand. Mario hatte eine Idee. Sein Plan war waghalsig, aber er sah keinen anderen Ausweg. Entschlossen trat er in das Scheinwerferlicht des Autos und leuchtete mit der Taschenlampe in Uwes Gesicht. „Bist du irre“, schrie Armin. „Hau ab, du Idiot!“ Mario und Uwe belauerten einander wie zwei Gladiatoren vor dem alles entscheidenden Kampf. Fellners Augen glommen leer. Brummend setzte sich der Pick-up in Bewegung. Mario lief so schnell er konnte auf den nahen Waldrand zu. Nach einigen Metern blieb er stehen. Sein Herz jagte und er zitterte am ganzen Leib. Wieder rannte er, wieder blieb er stehen, um nicht aus den Scheinwerferkegeln zu verschwinden. „Was hat der dumme Kerl vor?“, rief Sandra, als sie Armin erreichte. Marios Vorsprung schmolz, den noch fünfzig Meter von den ersten Bäumen am Waldrand trennten. Fellners Wagen schlingerte kurz, fuhr knirschend über fußballgroße Steine und war dann nur mehr dreißig Meter hinter Mario, der keuchend eine mannsdicke Föhre erreicht hatte und sich mit dem Rücken an den Stamm presste. „Jetzt hab ich dich, du Mistkerl“, knurrte er wütend. 42
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Sandra und Armin standen starr vor Schreck. Unvermindert schnell bewegte sich der Pick-up auf Mario zu. Sie sahen ihren Freund im Lichtkegel eng an den Stamm gepresst. Knirschend mahlten Uwe Fellners Kiefer – bestürzt weiteten sich plötzlich seine Augen. Im letzten Augenblick wich Mario zur Seite, jäh wuchs die Föhre vor Uwe an. Mit voller Kraft trat er auf die Bremse. Es folgte ein gewaltiges Klirren und Krachen, Fellner war mit dem Pick-up gegen den Baumriesen gekracht. Die Motorhaube stand offen und Wasserdampf stieg auf. Nichts regte sich. „Bist du okay?“, rief Sandra mit heiserer Stimme, als Armin und sie Mario erreichten. „Bis auf den Schreck, ja. Was ist mit Uwe? Ist er tot?“ „Hoffentlich ist er nur verletzt“, sagte Armin. „Der wollte uns umbringen!“, schimpfte Sandra. „Los, er braucht vielleicht unsere Hilfe“, murrte Armin. Sie gingen zum Auto, von dem nicht mehr als ein Blechhaufen übrig war. „Wir helfen Ihnen, Herr Fellner!“, rief Sandra. „Halten Sie durch.“ Mit vereinten Kräften zogen sie die klemmende Fahrertür auf. „Das … das gibt’s doch nicht!“ Mario stand mit offenem Mund da. „Ich hab doch gesehen, wie er auf mich zuraste –“ Hinter dem Steuer saß niemand. Uwe Fellner war spurlos verschwunden.
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Eine geheime Botschaft
Am nächsten Morgen wachten SAM im Schlosshof von Lichtenstein in ihren Pfadfinderzelten ungewöhnlich früh auf, es war noch dunkel. Sandra, die ihr Zelt mit Beate und Ulli, zwei Schülerinnen aus der siebenten Klasse, teilte, tastete nach ihrem Wecker und sah auf das Zifferblatt. Es war halb nach fünf. Sie atmete tief durch, drehte sich um und versuchte wieder einzuschlafen. Doch nun, da sie wach lag, konnte sie die schrecklichen Bilder der vergangenen Nacht nicht aus ihren Gedanken vertreiben. In drei Stunden würden sie in Ulm sein und die gesicherten Spuren einem Archäologen zur Untersuchung übergeben. Schließlich gab sie die Hoffnung auf, wieder einzuschlafen. Sie stand auf, zog sich an und schlenderte in die Lagerküche. Dort war Klaus Koller, der Lagerkoch, schon dabei, das Frühstück zu bereiten. Über einer heißen Tasse Himbeertee erwachten Sandras Lebensgeister. Langsam füllte sich das Zelt, Mario und Armin setzten sich zu Sandra. Wie üblich erschienen Timo Hellmeier und Marko Mangol, zwei Kerle, die zu Tasso Bellmanns Straßenbande gehörten, als Letzte. Mit einem spöttischen Grinsen stolzierten sie durch die Tischreihen, als wäre die Standpauke, die Grollmann SAM verpasst hatte – sie waren leider erst 45
kurz nach 22 Uhr im Schloss angekommen – ihr ganz persönlicher Triumph gewesen. Grollmann hatte SAM nicht ein Wort geglaubt – Hirngespinste hatte er gepoltert. Marko trat neben Sandra, beugte sein schwabbeliges Schweinegesicht über ihr Himbeermarmeladebrot und sagte mit einem gemeinen Lachen: „Na? Wieder kleine grüne Männchen gesehen?“ „Hau ab“, stieß ihn Sandra beiseite. „Ich hab dich nicht gebeten, den Wichtigtuer zu spielen.“ Marko grinste noch hämischer über das ganze Gesicht. „Hört mal alle her“, sagte er in gespielter Oberlehrerart, „zieht mal alle eure stinkenden Socken aus, unsere drei Oberschlauen hier suchen jemanden, zu dem dieser Fußabdruck passt …“ Marko hielt eine Zeichnung von SAMs Gipsabdruck hoch und sofort brach tosendes Gelächter über sie herein. „Der Mistkerl ist in unser Zelt eingedrungen“, zischte Armin wütend. Mario sprang zornig auf, doch Sandra war schneller – patsch, patsch. Zwei gepfefferte Ohrfeigen waren in Markos Gesicht gelandet. Armin, Mario und Timo sahen einander mit großen Augen an. „Noch ein Wort, du Hohlbirne, und …“, zischte Sandra. „Das reicht“, sagte Armin und hielt Sandras Hand fest, die noch einmal ausholen wollte. In diesem Moment betrat Direktor Grollmann den Raum. „Komm“, murrte Timo, und im Nu saßen Marko und er artig vor ihrem Frühstück. 46
Armin und Mario nickten Sandra verblüfft und beeindruckt zu. „Irgendwann schieß ich diese dämlichen Affen auf den Mond … Sind ohnehin zu blöd, einem Baby den Schnuller zu klauen.“ Der Rest des Tages verlief, wie Schulausflüge oft verlaufen: ein Spaziergang durch die Ulmer Altstadt, Besichtigung des Ulmer Münsters, jener Kirche, deren Turm mit 161,60 Metern der höchste der Welt ist und – worauf SAM gehofft hatten – ein Besuch des Archäologischen Museums. In einer Essenspause war es ihnen gelungen, das silbrig blaue Metallstück und den Gipsabdruck Professor Albert Weinstein, einem Experten für die Untersuchung von außergewöhnlichen Funden, zu zeigen. Umgehend versprach er, die merkwürdigen Dinge genau unter die Lupe zu nehmen. Sobald er Gewissheit habe, würde er SAM Nachricht geben. Zu Hause aber, im Lager, wartete bereits eine Nachricht ganz anderer Art auf SAM. „Der Schäferhund war abgemagert bis auf die Knochen“, sagte Klaus, als er Armin einen verschraubten Aluminiumköcher übergab, auf dem S.A.M. stand. „Das Ding hing an seinem Halsband. Mann, der hat gefressen wie ein Staubsauger.“ Im Zelt der Jungs schraubte Armin die Verschlusskappe der Metallhülse ab. Ein leeres Blatt Papier kam zum Vorschein – leer, aber nur für Unwissende. 47
„Eine geheime Botschaft“, überlegte Armin, während er das Papier nach allen Seiten drehte und wendete. Er hatte sich auf dem Gebiet der Geheimschriften schlau gemacht, kannte beinahe jeden Trick, Nachrichten unsichtbar zu übermitteln. Hierbei hatten sie es mit der unsichtbaren Wachsschrift zu tun: Der Absender bricht von einer Kerze ein Stück Wachs ab, knetet es, bis es weich und verformbar wird. Dann rollt er in den Händen daraus einen „Stift“ und schreibt in Blockbuchstaben seine geheime Nachricht. Der Empfänger pinselt Wasserfarbe oder staubt ein feines Pulver (Kakao, Puder … ) darüber. Die Nachricht wird sichtbar. Genau das tat Armin jetzt, und Sekunden später wollten SAM nicht glauben, was sie da lasen: Helft mir! Sie kommen wieder, Es geht um mein Leben! U. F. „Langsam spitzt sich der Fall zu“, meinte Mario nachdenklich. „Fall?“ Sandra schüttelte kritisch den Kopf. „Ich seh keinen Fall. Wir haben ein paar außergewöhnliche Spuren entdeckt, ja. Da erlaubt sich doch nur jemand einen bösen Scherz mit uns.“ „Gestern Nacht – das mit Uwe – das war dann ein ziemlich böser Scherz“, widersprach Armin. „Und Doktor Panck, der ‚Erfinder‘ von Biosphäre 2 ist tot. Habt ihr das seltsame Metall, das an der Unfallstelle gefunden wurde, schon vergessen?“, kombinierte er weiter. „Stimmt“, sagte Mario. „Wir müssen noch einmal zum 48
Bauernhof. Vielleicht ist Uwe von irgendetwas … besessen und braucht wirklich unsere Hilfe.“ „Damit wir von Timo und Marko wieder als Spinner hingestellt werden?“, entgegnete Sandra. „Keine Widerrede“, sagte Mario. „Wie sagte der in Ulm geborene berühmte Physiker Albert Einstein: ‚Das Schönste, das wir entdecken können, ist das Geheimnisvolle.‘“ Sandra seufzte: „Grollmann reißt uns die Köpfe ab –“ SAM hatten sich freiwillig zur Lagerwache gemeldet. Von 23 bis 1 Uhr, das musste reichen. Nach ihnen waren Timo und Marko an der Reihe. Glücklicherweise konnte Grollmann an manchen Tagen nicht auf Schlaftabletten verzichten, um ein Auge zuzukriegen. Leise stahlen sie sich davon. Auf Uwe Fellners Hof angekommen, hörten sie, wie noch immer eine offen stehende Tür im Wind schlug. Armin drückte die Klinke der Hauseingangstür, öffnete einen Spalt und rief: „Uwe, sind Sie hier?“ Das Haus schien menschenleer. Mario fand einen Lichtschalter. Eine trübe Glühbirne flackerte auf und tauchte den Raum in spärliches Licht. Was sie sahen, ließ sie heftig schlucken. Der Wohnraum war von Spinnweben übersät, an den Mauern breitete sich Schimmel aus. Kreuz und quer lagen Möbel. Ein alter, wackeliger Kasten war kurz vor dem Umkippen. An den Wänden – schief – hingen Fotos von Uwe. Sie zeigten ihn als Ballonfahrer und Reiter. Ein Bild fiel Sandra besonders auf. Es zeigte Uwe mit einem zweiten Mann, den sie schon mal gesehen hatte. Im Moment wusste sie aber nicht genau, wo. Sie winkte Armin herbei. 49
„Uwe und Max Panck“, staunte er. „Das muss in der Biosphäre 2 sein.“ Die beiden Männer standen zwischen Sträuchern unter der Kuppel eines riesigen Glashauses und lachten in die Kamera. Gerade wollte Mario das gerahmte Foto von der Wand nehmen, da hörten sie ein leises Knarren – jemand Unsichtbarer schloss langsam die Tür, stumm wie ein Schatten – dann knallte sie ins Schloss. Die drei fuhren entsetzt herum – es war nur der Wind gewesen. „He, was ist das?“ Unter dem von der Tür zur Seite gewehten Staub entdeckte Sandra eine schuhschachtelgroße Klappe im Holzboden. Sie öffnete, griff hinein und ertastete einen flachen, viereckigen Gegenstand – ein Buch. „Uwe führt ein Tagebuch!“, sagte sie erstaunt, nachdem sie den abgegriffenen Deckel geöffnet hatte. Sie setzten sich direkt unter die Glühbirne und Sandra blätterte in den Seiten … 6. August Schon wieder reißen mich diese merkwürdigen Geräusche aus dem Schlaf. Der Mond scheint seltsam hell. 7. August Ich bin mir jetzt sicher, da draußen ist jemand, der mich beobachtet. Deutlich sah ich das grünliche Augenpaar aufleuchten. 50
8. August Bald zweifle ich an meinem Verstand. Es war in der gestrigen Nacht. Ich schloss gerade das Scheunentor, als es passierte. Ich entdeckte ein helles, ballförmiges Licht am Himmel. Es bewegte sich rasend schnell und im Zickzack, drehte sich um die eigene Achse. Ich hatte Angst. Das Licht kam näher. Ich glaube nicht an UFOs, doch sah ich deutlich in das Innere eines Flugobjekts. Die Fremden starrten mich an. Sie hatten eine silbergraue Gesichtsfarbe, waren nicht größer als 110 cm, die großen Köpfe besaßen keine Ohren, zwischen zwei schräg liegenden, dunklen, olivenförmigen Augen, die mich an Eidechsen erinnern, verlief eine winzige, schmale Nase, die oberhalb eines schmalen, lippenlosen Mundes saß. Mir wurde klar: Sie wollen mich entführen. Immer näher kam das Licht. Ich fühlte mich plötzlich wie in einem Traum und erst als ich auf meine Uhr sah, begriff ich: Es gab eine Zeitlücke von über drei Stunden. Kein Mensch braucht so lange, um ein Scheunentor zu schließen! Ich muss im UFO gewesen sein! Doch mir fehlt jede Erinnerung. Irgendetwas hält mich hier fest, ich kann von hier nicht weg. 9. August Sie haben mich wieder in ihr UFO gebracht. 51
Ich sterbe fast vor Angst. Sie treten per Gedankenübertragung mit mir in Verbindung, untersuchen meinen Körper. Sie schneiden mir Haare ab und stechen eine riesige Nadel in meine Armbeuge. Ich will schreien, meine Kehle bleibt aber stumm. Dann werde ich ohnmächtig. Als ich aufwache, liege ich wieder in meinem Bett – Damit endete das Tagebuch. „Hier geschehen wirklich unheimliche Dinge“, sagte Sandra. Sie klappte das Tagebuch zu. Die Art, auf die Uwe seine Erlebnisse schilderte, ließ in SAM das Gefühl von Hilflosigkeit hochsteigen. Von Uwe fehlte jede Spur, alles war ruhig, auch der Hund war nirgendwo zu entdecken. Mario steckte das Tagebuch in seinen Detektivgürtel, bevor sie sich auf den Rückweg zum Lager machten. Sie sahen weder das gleißende Licht, das sich am Nachthimmel rasend schnell näherte, noch das grün schillernde Augenpaar hinter der Gartenhecke.
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MIS – Männer in Schwarz
SAM blieben nur noch wenige Minuten. Die Wachablöse rückte näher. Sie gingen schneller. Seit Minuten folgte ihnen das Licht. Manchmal verschwand es hinter einem Hügel, tauchte wieder auf, verschwand aber nie ganz. Mario lief ein eiskalter Schauer über den Rücken, wenn er an Uwes Gesicht hinter dem Steuer zurückdachte. Wenn er je Todesangst in den Augen eines Menschen gesehen hatte, dann gestern Nacht. Einfach unheimlich. Uwe war kein Spinner, der leuchtende Tieraugen für kleine graue Männchen hielt, zumindest nach dem, was er in sein Tagebuch geschrieben hatte. Wer oder was immer ihm begegnet war, es hatte nichts mit Wahnvorstellungen oder Sinnestäuschungen zu tun. An einer Straßenkreuzung blieben SAM stehen. Ein LKW kam näher, das Brummen und Reifensurren wurde lauter, der LKW rauschte an ihnen vorbei, entschwand in der Nacht. Das tiefe Brummen blieb. Für einen Moment starrten SAM verwirrt dem Laster nach. Plötzlich begann der Boden unter ihren Füßen zu erzittern, das gespenstisch abund anschwellende Dröhnen wurde noch lauter. Dann entdeckten sie das Licht. Es leuchtete anders als 53
bei der ersten Begegnung, war um vieles blendender geworden. Ein bläuliches, gleißend grelles Licht, das unaufhaltsam näher kroch – vom Himmel herabkam! Sandra glaubte zu spüren, wie sich eine eisige Hand um ihren Hals schloss und langsam zudrückte. Sie war unfähig sich zu bewegen, um Hilfe zu rufen oder klar zu denken. Eine Zeile aus Uwes Tagebuch ging ihr durch den Kopf: „Sie wollen mich entführen!“ Das Licht schwebte über SAM. Geblendet rissen sie die Arme hoch. „Sie wollen mich entführen!“ Die Panik löste die Lähmung in SAMs Beinen. Sie liefen los. Aber das Licht hielt mühelos mit, wurde noch heller. Es gibt sie also! Uwe hatte Recht. Nun holten sie SAM. Todesangst packte sie. Fast blind vom gleißenden Licht stolperten sie weiter. Ein bebendes Dröhnen ließ die Luft erzittern und Windstöße wirbelten Staub und Blätter auf. Sie konnten dem Lichtkegel entkommen und den schützenden Wald erreichen. Dornen zerkratzten ihnen Gesicht und Hände. Blind vor Angst und Entsetzen taumelten sie weiter. Sie verhedderten sich in Wurzeln, stießen in der Dunkelheit gegen Baumstämme. Es war wie das Spiel, in dem die Katze die Maus so lange jagt, bis diese am Ende ihrer Kräfte ist und dann gefressen wird. Fast am Ende der Kräfte erahnte Armin, mehr als er ihn sah, den Eingang einer Höhle. Mit letzter Anstrengung retteten sie sich hinein. Für Augenblicke benommen, kauerten sie sich an die Felswand. 54
Das gleißende Licht senkte sich langsam vor dem Höhleneingang. Flapp, flapp, flapp … Armin erkannte das Geräusch auslaufender Rotorblätter. Das UFO war ein Helikopter! Der Strahl eines Scheinwerfers bohrte sich suchend in die Höhle. Zwei dunkel gekleidete Gestalten sprangen aus dem Hubschrauber und ein Motorrad hielt am Höhleneingang. SAM konnten nur die Umrisse erkennen, aber sie fühlten die kalte Bedrohung, die von den Fremden ausging. Die finsteren Gestalten traten in den Lichtschein und blieben im Höhleneingang stehen. Sandra ahnte, dass hier etwas vor sich ging, das vielleicht gefährlicher und tödlicher war, als sie je für möglich gehalten hatte. Alles an den drei Männern war schwarz: schwarze Sonnenbrillen, schwarze Kapuzen, die nur die Augen und den Mund freiließen, schwarze Handschuhe, schwarze Overalls. Sekundenlang musterten die Männer SAM. Der mittlere, offenbar der Commander, gab ein Handzeichen. Ganz langsam hoben sie die Hände. Metall schimmerte kurz im Scheinwerferlicht. Noch immer geblendet konnten SAM nicht genau erkennen, was es war. Die schwarzen Schatten kamen näher, SAM erkannten eigenartige Pistolen in den Händen der Unbekannten. Es ging ganz schnell: Plopp – plopp – plopp. SAM verspürten schmerzhafte Nadelstiche in den Beinen und Augenblicke später befiel sie bleischwere Müdigkeit, ihre Sinne verwirrten sich und Tränen verschleierten ihre Blikke. 55
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Armin glaubte zu sehen, wie sich der Commander zu ihnen herunterbeugte: „Hört jetzt genau zu …“ Die Stimme klang dunkel und verzerrt, als käme sie von weit her. „Wer … wer sind Sie“, keuchte Mario mühsam. „Belanglos“, antwortete die kalte Stimme. „Wenn ihr Glück habt, werdet ihr es auch nie in eurem Leben erfahren – SAM.“ „Wo … Woher kennen Sie unseren CodeNamen?“, krächzte Sandra. Sie versuchte sich Merkmale der dunklen Gestalt einzuprägen, aber alles verschwamm immer mehr vor ihren Augen. Am Kragen der Kombination nahm sie jedoch ein silbriges, UFO-förmiges Abzeichen mit einer seltsamen Aufschrift wahr: MIS. „Ihr steckt eure Nasen in Dinge, die euch nichts angehen, klar.“ Der Commander nickte einem seiner Begleiter zu. „Das Tagebuch!“ Grob packte einer der Männer Mario und riss Uwes Tagebuch aus seinem Detektivgürtel. Dann sprach die Stimme wieder: „Ich werde euch jetzt sagen, was eure Ermittlungen ergeben haben. Merkt es euch, denn beim zweiten Mal … Neugierigen Reportern werdet ihr sagen, dass Uwe Fellner ein armer, geistesverwirrter Säufer ist, der sich in seiner Einsiedler-Fantasie UFO-Märchen ausspinnt. Ihr habt absolut nichts Verdächtiges oder Außergewöhnliches entdeckt. Haben wir uns verstanden? Wenn nicht, werden diese Pistolen beim nächsten Mal mit Bleikugeln gefüllt sein –“ „Wer, zum Henker, sind Sie?“, keuchte Mario schwach. „Niemand“, antwortete die Stimme trocken. „Ihr habt 57
mich nie gesehen und dieses Treffen hat niemals stattgefunden – nur einer eurer Alpträume, falls ihr die nächste Klasse erleben wollt, kapiert …“ Dann zogen die drei Männer die kurzen Pfeile aus SAMs Beinen. Am Höhleneingang blieb der Commander noch einmal stehen und drehte sich um. „Wir gehen kein Risiko ein. Merkt euch das. Manchmal erwischt es auch die Eltern und Geschwister von Zeugen, die reden –“ Mit diesen Worten trat er zurück in das gleißende Licht. Was SAM in diesen Minuten fühlten, war pure, nackte Todesangst. Die Männer von MIS verschwanden so schnell wie sie aufgetaucht waren. Sandra fasste sich an die schmerzende Einstichstelle am Unterschenkel, ihr wurde plötzlich schwindelig, und wie Armin und Mario fiel sie in ein tiefes schwarzes Loch aus Bewusstlosigkeit.
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Geheimakte-X
Das Leben meldete sich mit bohrendem Kopfschmerz zurück. Bunte Sterne tanzten vor SAMs Augen, als sie sie öffneten. Das helle Licht blendete sie. Sie sahen die Schatten im Sonnenlicht um sich herum. Mario rührte sich. Stöhnend quälte er sich auf die Beine und schaute in die Lagerrunde. Das fiese, schadenfrohe Grinsen von Marko und Timo blickte SAM entgegen. Dann kam Grollmann ins Blickfeld, seine Augenbrauen schoben sich über seiner Nasenwurzel angriffslustig zusammen. Geschlagene drei Stunden hatten die Schüler am Morgen nach SAM gesucht. „Lagerarrest!“ – so endete Grollmanns Standpauke. Da hatte nicht einmal Armins Ausrede von den Eindringlingen ins Lager geholfen, die sie bis zur Höhle verfolgt hätten, wo sie schließlich erschöpft eine Verschnaufpause eingelegt und dabei eingeschlafen waren. Grollmann gab SAM ihre Detektivgürtel zurück und verdonnerte sie zu Küchendienst bei Klaus, während für alle anderen ein Tag am Rummelplatz auf dem Plan stand. „Und vergesst nicht die Klos zu polieren“, spotteten Timo und Marko hinterlistig, als sie aufbrachen. „Am besten schrubbt ihr mit euren Zahnbürsten!“ 59
Die Ereignisse der vergangenen Tage gaben erheblichen Anlass zur Sorge. Irgendetwas stimmte hier nicht, das waren keine Zufälle. SAM glaubten ebenso wenig an einen Alptraum wie an Halluzinationen. Und schließlich waren die Einstiche in ihren Beinen schmerzliche Wirklichkeit. Mario verstaute gerade seinen Detektivgürtel, als er etwas Ungewöhnliches entdeckte. „Wie kommt die in meinen Gürtel?“ Sandra und Armin starrten auf den flachen, eckigen Gegenstand in Marios Hand. „Die muss Grollmann zu deiner Ausrüstung gesteckt haben“, sagte Sandra. „Bestimmt dachte er, sie gehört dir.“ „Könnte der eine Mann von MIS das verloren haben, als er dir das Tagebuch abgenommen hat?“, fragte Armin. Sandra betrachtete die golden glänzende DVD in der Kunststoffhülle und sagte: „Vielleicht ist eine GeheimakteX auf der DVD gespeichert? Ein Glück, dass die anderen weg sind. Lasst sie uns sofort ansehen.“ „Zuerst untersuchen wir sie auf Fingerabdrücke, hoffentlich finden wir nicht nur Grollmanns Prints“, widersprach Armin. „Wir brauchen Beweise, wenn wir nicht wieder als Vollidioten dastehen wollen.“ Das Sichern von Fingerabdrücken war einer von SAMs vielen Tricks, die sie von Rainer Lennert, einem befreundeten Privatdetektiv in Wien, gelernt hatten. Armin hauchte die DVD-Hülle an – so zeigten sich Fingerabdrücke kurz, die sonst für das Auge unsichtbar blieben. Da waren tatsächlich Abdrücke. Auch seltsame Abdrücke von – ja, von wem oder was eigentlich? Diese 60
Prints waren SAM vollkommen fremd. Armin griff nach seiner Ausrüstung. Vorsichtig, mit einem weichen Pinsel, trug er Kakaopulver auf die verdächtigen Stellen auf und blies das überschüssige Pulver sanft weg. Das Kakaopulver blieb am Fett des Abdrucks haften und zeigte ihn deutlich. „Unglaublich!“, entfuhr es Sandra, als sie den Abdruck eines unmenschlich langen, schmalen Daumens sah. Die Rillen waren nicht rund und schlingenförmig wie bei Menschen, sondern eckig! Behutsam klebte Armin ein breites Stück Klebstreifen auf den Abdruck, dann zog er ihn langsam wieder ab und der Fingerabdruck haftete jetzt auf dem Film. Nun sicherte er den Abdruck, indem er einen zweiten Streifen darüber klebte und so den Pulverabdruck einschloss, damit dieser nicht mehr verwischt werden konnte. „Klasse!“, rief Mario anerkennend. „Jetzt zum DVDPlayer.“ Fünf Minuten später, im Videoraum, erschien am Bildschirm ein glatzköpfiger Mann mit einer tiefen Narbe im Gesicht. Am rechten Handgelenk trug er eine UFOförmige Uhr und er sprach in eine Kamera: „Ich, Doktor Jakob Sternblau, wende mich in diesen Minuten an die gesamte Bevölkerung unseres geliebten Heimatplaneten Erde, denn soeben ist das geschehen, was bisher nur in unseren schlimmsten Angstträumen existiert hat …“ Als die Aufzeichnung zu Ende war, hatten sich SAMs Lippen zu stummen Fragen geöffnet. „Wir sollten uns aus der ganzen Sache raushalten“, murmelte Sandra schließlich. 61
„Raushalten!?“, rief Armin verständnislos. „Uwe wollte uns umbringen, schwarz gekleidete Männer drohen versteckt, unseren Familien etwas anzutun, wenn …“ „… wenn wir nicht den Mund halten“, fiel ihm Mario ins Wort. „Sie werden bald merken, dass sie die DVD verloren haben –“ „Vielleicht ist Professor Panck gar nicht ‚zufällig‘ gegen den Baum gekracht? Möglicherweise hat da irgendwer nachgeholfen“, sagte Sandra nachdenklich. „Wo käme sonst das silbrig blaue, magische Metall her?“ Armin runzelte die Stirn. „Wir sollten die DVD einem Fernsehsender übergeben, der sie ausstrahlt. Ist doch merkwürdig, dass bisher außer uns noch niemand von diesen seltsamen Vorgängen und Erscheinungen etwas bemerkt oder gesehen hat?“ „Die anderen haben sicher auch mit MIS Bekanntschaft gemacht und beschlossen, die Klappe zu halten und dafür nicht ins Gras zu beißen“, sagte Sandra. „Zeugen sterben, hat’s geheißen! Außerdem kommen sie sicher zurück, um die DVD …“ „Uns spielt da nur jemand einen Streich“, war Mario überzeugt. „Und wir werden herausfinden, warum – Aliens! Ich hab da einen Plan, der könnte klappen. Hört mal her …“ Fünf Minuten später raufte sich Sandra die Haare. „Okay, mal langsam: Kein Zweifel, 1980 wurde über dem Dachsteingebirge in Österreich zweimal ein UFO gesichtet und von Abfangjägern unseres Militärs auch fotografiert. Die Aufnahmen verschwanden auf mysteriöse Weise spurlos. Ähnliches passierte in Wedel nahe Hamburg in 62
Deutschland … Klar ist auch, dass die Menschen seit Jahren versuchen mit Aliens Kontakt aufzunehmen und dass sie an künstlichen Lebensräumen, den Biosphären, forschen. Man weiß ja nie, vielleicht braucht man das Wissen um die Biosphären, falls Aliens in kriegerischer Absicht die Erde besuchen. Aber das ist noch lange nicht Grund genug für ein solches Himmelfahrtskommando –“ „Was ist dann genug für dich?“, fragten Armin und Mario wie aus einem Mund. Sandra blickte ihre Freunde ungläubig an. „Oh, verdammt! Warum seid ihr Jungs immer so stur?“ Eine Viertelstunde später war das anonyme Zeitungsinserat, mit dem sie herausfinden wollten, ob noch jemand das unbekannte Flugobjekt gesehen habe oder MIS kenne, fertig. Sandra, die seit Jahren in den Sommerferien die Morgenzeitung per Rad ausfuhr, kannte sich im Zeitungsbetrieb bestens aus. Der Text war kurz und bündig: Alien-Kontakt unter SMS: 0668/23 09 13 13 Jetzt hieß es warten. SAM waren auf dem Weg zu Klaus’ Küche, um ihre Strafe abzudienen und Direktor Grollmann nicht noch mehr auf die Palme zu bringen, da schrillte das Telefon beim Schlossportier, Herrn Perter, und er rief sie zu sich. „Für euch, ein gewisser Professor Weinstein aus Ulm.“ SAM drängten sich eng an den Hörer und lauschten gespannt. Gedämpft drang Albert Weinsteins Stimme aus dem Hörer: „Niemand kennt einen derartigen Fußabdruck. 63
Der Größe nach zu urteilen ist das Wesen, zu dem er gehört, um die 120 Zentimeter groß. Verblüffender aber ist das silbrig blaue Metallstück: Es besteht zu 99,9 % aus Silizium, der Rest, 0,01 %, stammt nicht von der Erde. Es scheint enormer Hitze ausgesetzt gewesen zu sein, was einen Temperaturschock verursachte.“ „Was ist daran so merkwürdig?“, fragte Armin. „Eine solche Hitze könnte bei einem UFO-Absturz hervorgerufen werden. Und jetzt haltet euch fest: Im Gegensatz zu unserem bekannten Silizium weist eures abnormale Eigenschaften auf. Es ist ein schlechter Wärmeleiter, ist nicht magnetisch und – schmilzt durch Eis! Ja, da ist euch UFO-Detektiven ein Volltreffer gelungen. Schätze, in spätestens zwei Tagen kennt euch die ganze Welt. Ich hab schon eine Pressekonferenz ausschreiben lassen, Radiound TV-Sender kontaktiert. Toll, was?“ SAM tauschten alarmierte Blicke. „Sofort wieder absagen!“, rief Armin. „Wie … was …?“ „Ab-sa-gen!“ „Trotzdem danke, Professor“, sagte Armin. „Sie hören wieder von uns.“ Er legte auf. Bis fünf Uhr morgens geschah nichts Ungewöhnliches mehr. Dann aber riss ein spezieller Piepston seines Handys Armin aus dem Schlaf. Unter der Nummer 0668/23 09 13 13 war eine äußerst rätselhafte Kurzmitteilung eingegangen: Alien-Kontakt! Geheimes Treffen: Heute, 15 Uhr, Café Einstein, 64
Schwambergerstraße 35. Kommt alleine! Auf eure Frage „Wie ist das Spiel ausgegangen?“ antworte ich: „Die Gegner haben einen Spieler mehr auf dem Feld.“
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Der unsichtbare Dritte
Klaus war ein echter Kumpel. Ohne zu zögern hatte er SAM auf ihre Bitte hin nach Ulm „dringend einkaufen“ geschickt. Fünf Minuten vor drei sprangen SAM aus dem Bus, überquerten die Straße und betraten Punkt 15 Uhr das Kaffeehaus. Es war gesteckt voll, von Stimmengewirr erfüllt und Zigarettenqualm verpestete die Luft. Eine Frau mit hübschem Gesicht und goldblonden Haaren jonglierte ein volles Tablett mit Kaffee und Kuchen durch die Besuchermenge. SAM kämpften sich in die hintere Ecke durch, wo ein kleiner Tisch zwischen den Fenstern frei war. „Jeder hier könnte unser Kontakt sein“, seufzte Mario. Schon dröhnten Armins Worte durch das Stimmengewirr: „Woher soll ich wissen, wie das Spiel ausgegangen ist!“ Augenblickliche Stille – alle Köpfe wandten sich ihm zu. „Nicht schlecht“, sagte Sandra, die sofort kapiert hatte. Minuten verstrichen, nichts geschah. Die Köpfe hatten sich schon längst wieder abgewendet. Ein Mann nahm eine Zeitung von der Garderobe neben SAM. Versehentlich stieß er gegen SAMs Tisch und stolperte. Er murmelte ein „Entschuldigung“ und ging. Zurück blieb aber ein zerknüllter Zettel auf SAMs Tisch. 66
Sandra blickte über den Rand ihrer Cola hinweg und verschluckte sich fast – eine Botschaft! Mario ergriff unauffällig das Papier, öffnete es und las ebenso unauffällig vor: Die Gegner haben einen Spieler mehr auf dem Feld. Parkstraße 19, beim Alten Friedhof. Mit Riesenschritten stapfte der Mann aus dem Lokal. SAM zahlten, verließen das Café und folgten dem Unbekannten. Auf dem Weg zu seiner Wohnung stellte sich der Kontaktmann in der verwaschenen Jeans und der weinroten Baseballjacke SAM als Walter Brandell vor. Er verdiente seine Brötchen als Journalist und schrieb für das UFOzine, ein Magazin zum Thema UFO und Außerirdische. In der Parkstraße 19 angekommen, gelangten sie in die seltsamste Kellerwohnung, die sie je gesehen hatten. Im Grunde sah sie gar nicht aus wie eine Wohnung, eher wie eine Mischung aus einem Fotoatelier und einem Antiquitätenladen. Poster und Bilder von merkwürdigen Lichterscheinungen tapezierten die Wände, in einer Ecke, neben einem breiten Bett, stand ein Teleskop und auf einem Schreibtisch versanken Computer, ein Alien als Lampe und UFO-Modelle in einem Chaos an Papierstößen. Walter machte die Lampe an und die großen Augen des Aliens tauchten alles in scharlachrotes Dämmerlicht. Er holte vier Zitronenlimos aus dem Kühlschrank und setzte sich an einen kleinen Tisch. Es war stickig warm. Auf einem der Poster stand: „Wer bereit ist zu suchen, der findet.“ 67
„Du glaubst doch nicht wirklich an diesen Spruch, oder?“, fragte Sandra. „Ihr doch auch“, erwiderte Walter. „Warum gebt ihr sonst eine so geheimnisvolle Anzeige in der Abendzeitung auf?“ Sandra warf ihren Freunden einen misstrauischen Blick zu. „Warum hast du darauf so geheimnisvoll geantwortet?“, entgegnete Mario. Walter seufzte. „Okay, wenn ihr nicht wollt …“ „Wir wollen ja darüber reden“, sagte Armin. „Aber wie können wir sicher sein, dass du nicht einer von ihnen bist … Du könntest uns was vorspielen, um uns auszuhorchen.“ „Hm … Misstrauisch wie alle Detektive“, murmelte Walter. Er ließ einige UFOzine-Hefte auf den Tisch fallen. „Ich schreibe seit Jahren für dieses Magazin. Überzeugt euch selbst. Wenn wir einander nicht vertrauen, hat es von vornherein keinen Sinn zusammenzuarbeiten.“ SAM und Walter starrten einander für Momente an. Schließlich nickte Walter und zeigte SAM eine ausgedruckte E-Mail. Der Absender war unbekannt und der Betreff lautete: „Sie entführen mich!“ „Es ist klar“, sagte Walter, „dass ich nicht der Einzige sein kann, der diese unerklärlichen Lichtbälle in den letzten Tagen gesichtet hat. Ich brauche diese Story von diesem EMail-Absender, den ich für mich den unsichtbaren Dritten nenne, für das UFOzine. Viele Leute, die UFOs gesichtet haben oder von Aliens entführt wurden, wenden sich an uns. Die meisten sind Spinner, die in die Schlagzeilen wollen, doch es gibt auch Fälle, die, wissenschaftlich betrach68
tet, nicht einfach ins Reich der Fantasie abgeschoben werden können –“ Das Eis war gebrochen. In allen Einzelheiten erzählten SAM Walter, was sie in den letzten Tagen erlebt hatten. „… und dann“, erklärte Mario, „nachdem wir das silbrig blaue, dieses geradezu magische Metall und den Gipsabdruck zu Professor Weinstein gebracht hatten, entdeckten wir außer dem Kreis im Maisfeld das Tagebuch von Uwe, der uns umbringen wollte. Dann jagten uns auch die Männer von MIS …“ „Einfach unglaublich!“, rief Walter. „Ihr habt ein Video von dem UFO?“ Sandra seufzte. „Leider ist der Akku bei meinem Sturz kaputtgegangen. Das Band ist leer.“ „Na auch egal. Was ihr schildert, deckt sich jedenfalls genau mit den Erlebnissen meines unsichtbaren Dritten.“ „Demnach muss er hier ganz aus der Nähe sein“, folgerte Armin. „Vielleicht hat er ja nur Angst, für irrsinnig erklärt und in eine Gummizelle weggesperrt zu werden –“ „Er hofft, nicht der Einzige zu sein, der die rätselhaften Erscheinungen sah“, bezog sich Walter auf die E-Mail. „Was mir allerdings echtes Kopfzerbrechen bereitet, ist eure Begegnung mit MIS …“ Er rieb sich betroffen das Kinn. „Die Männer von MIS fackeln nicht lange und es gibt die merkwürdigsten Geschichten über sie. Die sind wie körperlose Geister, tauchen dort, wo UFOs gesichtet werden, wie aus dem Nichts auf und verschwinden ebenso wieder im Nichts. Kein Mensch weiß, woher sie kommen oder wer sie sind.“ „Was weiß man genau über sie?“, fragte Sandra. 69
„Nichts. Normalerweise erhalten Zeugen von UFOSichtungen Besuch von den Männern in Schwarz. Völlig unerwartet tauchen sie auf, warnen die Zeugen unmissverständlich und haben oft Ausweise bei sich, die sie als Mitglieder von Geheimdiensten ausweisen. 1953 soll der UFOExperte Albert Bender von MIS gekidnappt und in die Antarktis verschleppt worden sein, wo er jämmerlich erfrieren sollte, falls er nicht schweige wie ein Grab und sein UFOWissen für sich behalte. Sie vernichten manchmal auch Beweismaterial. Man vermutet, die Männer hüten ein strenges Geheimnis. Oft verschwinden Zeugen spurlos und tauchen nie wieder auf. Vielleicht haben sie geheimen Kontakt zu den Aliens.“ „Das hört sich nicht gut an“, meinte Armin. Ihn beschlich eine beklemmende Vorahnung. Plötzlich veränderte sich Walters Stimme und senkte sich geheimnisvoll: „Wissenschaftler glauben, dass MIS ein eigenständiger Geheimbund sei und im Auftrag von verschiedenen Regierungen arbeite, welchen, weiß man nicht. Mit Hilfe von MIS soll vertuscht werden, dass Kontakte zu Außerirdischen bestehen. Man will das Wissen geheim halten. Ist auch logisch. Oder würdet ihr, angenommen ihr könntet euch zum Beispiel unsichtbar machen, dieses Wissen allen mitteilen? Nein, ihr würdet das Geheimnis wohl bewahren.“ Walter stand auf und legte eine Videokassette in seinen Rekorder. In seinem Gesicht stand große Anspannung. „Es gibt zwei Zwischenfälle, die seit Jahren Aufsehen erregen“, sagte er und winkte SAM zu sich auf das Sofa. Merkwürdige Bilder flackerten über den Bildschirm. 70
Männer in silbernen Asbest-Anzügen, wie sie normalerweise Vulkanologen tragen, durchsuchten ein Gelände. „Roswell, USA, 4. Juli 1947“, kommentierte Walter die stummen Bilder. „Bis heute wird das vertuscht. Kurz nach dem Absturz erschienen Suchtrupps und ließen sämtliches Beweismaterial verschwinden. Ufologen behaupten, dass es aber Wrackteile und Leichen von Aliens gibt. Ein Ranger namens Mac Brazel entdeckte einen Einschlagkrater und Wrackteile aus seltsamem Metall. Er konnte es wie Papier zusammenknüllen, und als er die Hand wieder öffnete, war es so glatt wie vorher! Kurz darauf klingelte bei Glen Dennis, dem örtlichen Leichenbestatter, das Telefon. Eine düstere Männerstimme erkundigte sich, welche Größe die kleinsten Särge hätten, die er auf Lager habe. Er sagte 120 Zentimeter und daraufhin bat ihn die Stimme, ein paar für sie zu reservieren. Dann erkundigte sich die Stimme, mit welchen Chemikalien man tote Körper haltbar macht –“ SAM stockte der Atem, dann wechselten die Bilder. Ein Operationssaal war auf dem TV-Schirm zu sehen. Auf einem Metalltisch lag ein menschenähnliches Wesen mit großem Kopf und schmalen Schultern – halb zugedeckt mit weißen Tüchern. Ein Arzt griff gerade zum Skalpell – „Diesen Film über die Obduktion eines Aliens drehte Jack Barnett im Auftrag der Luftwaffe“, sagte Walter. Der Arzt schnitt der Länge nach in den Körper des Aliens. „1995 präsentierte Ray Santilli diesen Film der Öffentlichkeit. Ob die Aufnahmen echt sind? Der Film wurde von verschiedenen Experten chemisch und physikalisch geprüft. Im Untersuchungsbericht der Firma Kodak wird be71
stätigt, dass das Filmmaterial tatsächlich aus einem der Jahre 1927, 1947 (!) oder 1967 stammt.“ Walters Aufregung war förmlich zu spüren. Sein Blick wirkte eigentümlich fremd, seine Augen glitzerten. Auch SAM ahnten, was die Stunde geschlagen hatte. „Wir legen uns da mit etwas an, das möglicherweise eine Nummer zu groß ist für uns“, meinte Mario. „Die ganze Sache kommt mir äußerst komisch vor“, sagte Armin skeptisch. „Jahrelang findet man keine Beweise für UFO-Landungen und Außerirdische und dann plötzlich überschlagen sich die Ereignisse – da ist was faul, wenn ihr mich fragt.“ Sandra blickte ihn misstrauisch an. „Beweise? Wo haben wir Beweise?“ „Stimmt“, sagte Mario. „Wir haben lediglich ein paar merkwürdige Dinge gesehen und gefunden. Von einem UFO oder einem Alien fehlt aber nach wie vor jede Spur. Damit steht wohl fest, dass wir weiter ermitteln müssen. Vielleicht erlaubt sich wirklich nur jemand einen Spaß mit uns. Wenn nicht, wissen wir sicher schon zu viel und man versucht noch mal, uns …“ „Wie sieht euer weiterer Plan aus?“, unterbrach ihn Walter. „Ich bin mir noch nicht sicher! Aber wir sollten den Männern von MIS mal auf den Zahn fühlen … Irgendetwas lässt mir keine Ruhe. Wenn ich nur wüsste, was?“, antwortete Mario. „Ich versuche inzwischen Informationen über den unsichtbaren Dritten herauszubekommen. Der weiß sicher noch viel mehr. Wir bleiben per SMS über unsere Handys 72
in Verbindung. CodeName: Alien-Kontakt.“ Walter kritzelte seine Handynummer auf einen Zettel und gab ihn Armin. „Wir geben einander Bescheid, wenn sich was tut.“ Und es tat sich etwas …
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Phantom-Post
Auf dem Rückweg zum Schloss Lichtenstein kauften SAM noch etwas Gemüse und Brot, um keinen falschen Verdacht bei Grollmann, Timo und Marko aufkommen zu lassen. „Glaubt ihr wirklich, dass es irgendwo dort oben noch Leben gibt“, fragte Sandra mit Blick zum Himmel. „Gut möglich, bei so vielen Sternen“, antwortete Armin. „Wer hätte vor 1969 wirklich daran geglaubt, dass der Mensch eines Tages den Mond betritt? Und dann war es so weit“, sagte Mario. „Ich hab im Fernsehen mal einen Bericht über die Raumsonde Voyager 1 gesehen“, sagte Sandra. „Sie führt an Bord Mitteilungen für außerirdisches Leben in Form einer Bild-Ton-Platte mit sich. Seit 1977 ist die Sonde unterwegs. Neben den Geräuschen von Buckelwalen und der Musik von Mozart finden sich Wortmeldungen vom früheren amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter und dem ehemaligen österreichischen UNO-Generalsekretär Dr. Kurt Waldheim drauf. Vielleicht haben Aliens diese ‚irdische Visitenkarte‘ gefunden –“ „Wie auch immer“, meinte Mario. „So wie einst Christoph Kolumbus nur eines genau wusste, nämlich dass es hinter dem Horizont etwas gibt, so müssen wir ebenfalls mit dem Unerwarteten rechnen.“ 74
„Toll gesagt, Herr Professor“, witzelte Sandra. Irgendwie hatte sie es nicht eilig, das Unerwartete zu erfahren. Noch heute Nacht sollte ihnen klar werden, warum … Beim Abendessen besprachen SAM heimlich ihr weiteres Vorgehen. „Das ist viel zu gefährlich“, flüsterte Sandra über ihren Gemüseeintopf gebeugt. „Aber auf Uwes Hof finden sich mit Sicherheit noch weitere Hinweise“, gab Mario nicht nach. „Ich übernehme das, ihr beide …“ Weiter kam er nicht. Direktor Grollmann trat in den Speisesaal und eilte direkt auf SAM zu. Er griff in seine Jackentasche und ließ ein Kuvert auf den Tisch fallen. „Phantom-Post für euch“, sagte er kurz und machte ohne weiteren Kommentar kehrt. „Habt ihr irgendetwas bestellt?“, fragte Armin. Sandra und Mario schüttelten die Köpfe. „Kein Absender“, flüsterte Armin. Timo und Marko bekamen vor Neugier bereits Stielaugen. „Wir öffnen den Umschlag in eurem Zelt“, schlug Sandra vor und löffelte den Eintopf im Eiltempo aus. „Und ich schau mich inzwischen noch mal auf Uwes Bauernhof um“, sagte Mario leise. „Wenn ihr beide im Lager bleibt, fällt mein Abhauen gar nicht auf.“ Innerlich beunruhigt wünschten Sandra und Armin Mario viel Glück. Sie hätten ihre Unruhe ernster nehmen sollen – viel ernster, dann hätten sie ihren Freund vielleicht 75
nicht alleine gehen lassen. So aber tappte er gegen 20 Uhr 13 schnurstracks los, direkt in die vorbereitete Falle … Sandra vergewisserte sich noch einmal, dass niemand am Zelt lauschte oder sie beobachtete. Sie zog den Reißverschluss fest zu und Armin öffnete vorsichtig das Kuvert, das an SAM adressiert war. Der Inhalt war rechteckig. „Wer uns das wohl geschickt hat?“ Er drehte den Umschlag um und auf den Schlafsack rutschten Fotografien. Es waren die geheimnisvollsten und zugleich beängstigendsten Fotos, die Sandra und Armin je in ihrem Leben gesehen hatten. „Das … das gibt’s doch überhaupt nicht!“, entfuhr es Sandra bestürzt. Jedes Bild war mit Datum in der rechten unteren Ecke versehen. 09. 08. – 2 Uhr 20 stand auf dem ersten Bild. Es zeigte die helle Vollmondscheibe über dem Tal von Uwes Bauernhof. Darunter schwebte ein seltsam greller Lichtball. Auf dem zweiten, dritten und vierten Bild sah man vor einem grellen Lichtball Schattenumrisse, die nicht größer als rund 120 Zentimeter waren – 09. 08. – 2 Uhr 24. „Das ist unglaublich!“, rief Armin, als er das fünfte Bild zur Hand nahm. Sandra rückte näher an ihn heran. „Oh Gott, nein!“ 09. 08. – 2 Uhr 39. Durch einen bläulichen Lichtstrahl mit der Erde verankert, schwebte ein UFO über dem Bauernhof. Die Schattenumrisse, jetzt deutlich erkennbar, untersuchten mit seltsamen Werkzeugen die Umgebung. Es sah aus, als würden sie Pflanzenproben sammeln. Sie gruben Moose, Gräser und Sträucher aus. Die kleinen grauen 76
Wesen erinnerten Sandra eher an Kobolde, wären da nicht die großen dunklen Schrägaugen, die schmale Nase und der lippenlose Mund gewesen. „Das sind echte Aliens, Sandra!“, flüsterte Armin so leise er konnte. „Das ist der Beweis, nach dem wir gesucht haben. Sie existieren!“ Fassungslos starrten sie einander an, ehe sie klare Gedanken fassen konnten. „Wir müssen die Bilder der Polizei oder besser Professor Weinstein zeigen“, sagte Sandra. Armin schüttelte den Kopf. „Was, wenn die Männer von MIS davon Wind kriegen? Zeugen und Beweise verschwinden spurlos –“ „Wir verbrennen sie. Keine Fotos, keine Zeugen!“ „Wir könnten davon Kopien angefertigt haben –“ „Dann verstecken.“ „Zwecklos. Die Männer von MIS würden weiß Gott was anstellen, um an die Bilder zu gelangen.“ „Was dann, Armin?“ „Walter. – Wir treffen uns noch mal mit Walter, das halte ich im Moment für das Sicherste.“ Er tippte eine Kurzmitteilung in sein Handy und betrachtete dann nochmals die Fotos. „Ich weiß nicht, aber irgendwas kommt mir an den Fotos komisch vor“, murmelte Armin. „Glaubst du, es könnten Fälschungen sein?“ „Ich weiß nicht. Ist nur so ein komisches Gefühl beim Betrachten, als stimme etwas nicht darauf …“ „Warum hat ausgerechnet uns jemand diesen Beweis für fremdes Leben im Universum geschickt?“, grübelte Sand77
ra. „Und wer? Vielleicht ein dummer Scherz von Timo und Marko, eine Fotomontage, am Computer gemacht?“ „Ach die, die sind doch zu blöd ihren eigenen Namen zu buchstabieren. Es muss jemand sein, der weiß, dass wir ermitteln und Informationen haben. Ich tippe auf den so genannten unsichtbaren Dritten. Er könnte unser Zeitungsinserat gelesen und über meine Handynummer meinen Namen in Erfahrung gebracht haben. Oder aber es war Uwe.“ „Der unsichtbare Dritte hätte die Fotos doch an Walter geschickt. Und Uwe – oh Gott, nein!“ Sandra schlug erschüttert die Hand vor die Stirn. „Mario!“, rief sie. „Er ist auf dem Weg zu Uwes Hof!“ „Verdammter Mist!“, stieß Armin zwischen den Zähnen hervor. „Komm, nichts wie hin!“ „Aber Grollmann …“ „Vergiss Grollmann!“
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Versuchskaninchen Mensch
Langsam, sein Herz pochte heftig, schlich Mario durch den Wald auf Uwes Hof zu. Er huschte den Wiesenhang zum Bauernhof hinunter. Der Mond tränkte das Tal in ein kaltes, bläuliches Licht. Vorsichtig bog er um eine Scheunenecke, da blieb er wie vom Blitz getroffen stehen. Er hörte ein Durcheinander an merkwürdigen Geräuschen. Dann folgte Stille und plötzlich, wie aus heiterem Himmel, flackerte wenige Meter vor ihm ein gleißendes Licht auf. Mario wankte. Er hielt schützend die Hände vor die Augen und blinzelte durch einen Fingerspalt. „Sie haben mich erwischt!“, fuhr es ihm durch den Kopf. Mario war wie gelähmt. Dann machte er fremdartige, ungefähr in der Größe eines achtjährigen Kindes, auf ihn zukommende silbergraue Gestalten mit nur drei Fingern an der Hand aus. Unwillkürlich wich er einen Schritt zurück. „Was … was wollt ihr von mir?“, würgte er hervor. Eines der Wesen hob einen spitzen Gegenstand hoch. Mario glaubte eine lange Injektionsnadel zu erkennen. Das gleißende Licht schien ihn einzuhüllen. Wieder blinzelte er durch die Finger. Er träumte nicht – die Aliens schlichen auf ihn zu, wie ein hungriger Löwe 79
auf seine Beute. Die großen Augen funkelten gespenstisch – wie glühende Kohlen. Dann, aus dem Nichts, schlug Mario etwas so fest ins Genick, dass er vor Schmerz aufschrie und den Boden unter den Füßen verlor. Die Bilder trübten sich, als sich seine Augen mit Tränen füllten. Für Sekunden glaubte er in die Gesichter der fremdartigen Wesen zu blicken. Er spürte, wie ihn kräftige Arme hochhoben und davontrugen. „Nein … nein!“, keuchte er schwach. Er konnte sich nicht wehren. Das Einzige, was ihm blieb, war, sich daran zu erinnern, wie man sich als Geisel am besten verhielt, um eine möglichst große Überlebenschance zu haben. Bleib ruhig. Angst und Panik führen zu unüberlegten, oft tödlichen Handlungen. Ärgere deine Entführer nicht. Präge dir Einzelheiten zu Orten, Gerüchen, Geräuschen und Personen genau ein, an die du dich später erinnern kannst. Folge den Anweisungen der Kidnapper, versuche aber Zeit zu gewinnen – verhalte dich ungeschickt, tollpatschig und langsam. Mario hob den Kopf ein Stück, konnte im gleißenden Licht aber nichts erkennen. Bring an deinem Aufenthaltsort unauffällig Markierungen (Kratzer, Abrieb deiner Schuhsohlen, geklebten Kaugummi …) an, um ihn später sicher wieder zu erkennen. Versuche dir Fahrtrichtungen zu merken. Der Stand von Sonne und Mond helfen, geht es bergauf bergab, ist es kurvig … 80
„Wohin bringen sie mich?“, dachte er noch flüchtig. Eine Minute später wusste Mario es. Er wurde auf einen kalten, silbrig schimmernden Metalltisch gelegt. Wieder blendete ihn Licht. Er versuchte sich aufzurichten, doch aus irgendeinem Grund konnte er sich nicht bewegen. Er war festgeschnallt. Er wandte den Kopf nach rechts und erblickte ein Tablett, auf dem lange, messerähnliche Werkzeuge lagen, auch spiralförmige und spitze waren darunter. Mario durchfuhr ein eiskaltes Schaudern. Das SantilliVideo schoss ihm in den Sinn. Er war ein Versuchskaninchen, das Versuchskaninchen Mensch! War das Rache? Mit ganzer Kraft zerrte und riss Mario an den Fesseln, aber es half nichts. Im Augenwinkel erblickte er, wie eines der Wesen einen spitzen Gegenstand mit einer bläulichen Flüssigkeit füllte und diesen an seinen rechten Ellbogen setzte. Angsterfüllt erwartete er den Einstich. Ein kurzer, stechender Schmerz durchzuckte ihn, noch glaubte er an einem Handgelenk ein miniaturisiertes UFO zu erkennen, darauf die Ziffern 22:53 blinken zu sehen. Dann umhüllte ihn endlose, schwarze Tiefe. Vor seinen Augen tanzten zwei weiße Lichtpunkte. UFOs! Er blinzelte, versuchte sich aufzurappeln, doch er war zu müde. Er blinzelte wieder. Es waren gar keine UFOs. Es waren Taschenlampen. Die besorgten Gesichter von Sandra und Armin tauchten verschwommen über Mario auf. „Was, zum Teufel, ist passiert?“, fragte Sandra. Mario starrte sie an. Allmählich kam die Erinnerung: „Sie … sie haben mich …“ Er schob den rechten Ärmel 81
seines Sweaters hoch. In der Ellbogenbeuge war der Einstich einer Nadel zu sehen. Wie von der Tarantel gestochen riss er sich jetzt den Pulli vom Leib, doch weder auf Brust, Rücken noch sonst wo konnte er Narben, Wundmale oder Nähte finden. „Wie spät ist es?“, fragte er Armin aufgeregt. „1 Uhr 53.“ „Über zwei Stunden. Ich war mehr als zwei Stunden in ihrer Gewalt –“ „Wir haben uns ganz schön Sorgen um dich gemacht“, sagte Sandra, froh, dass sie ihren Freund wieder hatten. „Los, komm, auf die Beine“, meinte Armin und gemeinsam stützten sie Mario. „Den Rest kannst du uns auf dem Heimweg erzählen. Wir haben auch ziemlich interessante Neuigkeiten. Die Fotos …“ Armins Handy piepste. „Eine Kurzmitteilung von Walter. Das Treffen morgen um zehn im Supermarkt geht okay.“ Zur gleichen Zeit waren Timo und Marko bei ihrem Wachdienst am Lagerfeuer eingenickt. Eine dunkle Gestalt schlich lautlos, wie eine Katze auf weichen Samtpfoten, auf Armins und Marios Zelt zu … „Ein Glück, dass die beiden solche Schlaftabletten sind“, kicherte Sandra leise, als sie sich in das Lager stahlen. Mario war wieder etwas zu Kräften gekommen. Sie schlossen gerade das Holztor zum Innenhof des Schlosses hinter sich, da nahmen sie in Markos Nähe eine Bewegung wahr. Flink huschte ein Schatten durch den 82
Schein des Lagerfeuers und verschmolz mit der Dunkelheit. SAMs Augen suchten das Lager Zentimeter für Zentimeter ab, doch in der Finsternis regte sich nichts. „Manchmal glaub ich, wir sehen schon Gespenster“, flüsterte Armin. Auf Zehenspitzen schlichen sie in Richtung Marios und Armins Zelt an Marko vorbei, der übrigens wie ein Walross schnarchte, da hörten sie ein klingendes Geräusch – als hätte jemand an einer dicken Gitarrensaite gezupft. Irgendwer war über eine straff gespannte Zeltschnur gestolpert … SAM tauchten aus dem Schein des Feuers weg und in den Schutz der schwarzen Nacht ein. Sie hatten eben beschlossen sich dem Zelt von drei Seiten gleichzeitig zu nähern, als sie den Schatten wieder entdeckten: Er flog scheinbar über den schlafenden Timo hinweg und bewegte sich zielstrebig auf Marios und Armins Zelt zu. Vor dem Eingang kauerte sich die schwarze Gestalt nieder und blickte verstohlen nach allen Seiten. Als sie sicher schien, nicht beobachtet zu werden, zog sie einen rundlichen Gegenstand aus der Hosentasche. Kurz war metallisches Knarzen zu hören, als ob ein Metallsplint aus einer Öse herausgezogen werden würde. Dann rollte die dunkle Gestalt das Ding vorsichtig ins Zelt. Eine Sekunde später ertönte ein leises Zischen. „Betäubungsgas“, murmelte Sandra in sich hinein, die hinter einem Zelt in Deckung gegangen war und von da aus mit Armin und Mario, ebenfalls im Schutz von Zelten, in Blickkontakt stand. Die beiden nickten zustimmend, als sie im diffusen Licht, so gut es ging, per Zeichensprache 83
ihren Plan mitteilte. Gut möglich, dass der Unbekannte eine Pistole bei sich trug … Der Eindringling machte sich am Zelteingang zu schaffen. Er hatte gewartet und öffnete ihn nun leise. Offensichtlich war das heimtückische Gas entwichen. Mario hatte einen murmelgroßen Stein gefunden. Er zielte und warf. Volltreffer! Der Stein knallte gegen Timos Kopf – doch dieser Siebenschläfer schnarchte nur einmal laut auf und döste weiter. Der schwarze Schatten horchte kurz auf, dann stieg er lautlos in das Zelt ein. Das gedämpfte Licht einer Taschenlampe flammte auf. SAMs Sachen wurden durchsucht. SAM glitten auf das Zelt zu. Auf Sandras Zeichen hin postierten sich Armin und Mario bei den Zeltschnüren. Sandras Finger zählten den Countdown. Drei – zwei – eins – jetzt! Gleichzeitig rissen sie die Heringe aus dem Boden und das Zelt stürzte wie ein Kartenhaus über der dunklen Gestalt zusammen. Timo und Marko dösten weiter … Mario stürzte sich auf die deutlich sichtbare Gestalt unter der Zeltplane, die den Ausgang suchte. Er spürte einen dumpfen Schlag, strauchelte und fiel hin. Das Licht im Zelt erlosch. Armin versuchte die Beine des Eindringlings zu umklammern. Stumm und verbissen wurde gerungen. Doch mit immenser Kraft trat der Unbekannte um sich und traf Armin mit voller Wucht im Magen. Armin blieb die Luft weg. Timo und Marko dösten weiter … Sandra griff nach einem Hering … Da tauchte der Kopf des Eindringlings aus dem Zelt84
dunkel auf. Sandra blickte den Fremden erschrocken an. Für einen kurzen Moment sah sie im Schein des flackernden Feuers langes, schwarzes Haar. Das halb im Schatten liegende Gesicht des Unbekannten wirkte starr und maskenhaft. Timo und Marko dösten weiter … Für den Bruchteil einer Sekunde war Sandra unkonzentriert, blickte zu ihren Freunden, die sich unter Schmerzen aufrappelten. Der Fremde nützte den Augenblick und stieß Sandra mit unglaublicher Wucht gegen die Schulter. Sie taumelte zurück und schlug hart auf dem Boden auf. Benommen blieb sie liegen. Der Unbekannte sprang leichtfüßig über Sandra hinweg und lief zum Burgtor. Mühelos wie eine Katze, um jedes unnötige Geräusch durch das Tor zu vermeiden, kletterte er auf den Torbogen. SAM starrten hinüber. Der Fremde war kaum zu sehen, ein Schatten nur, inmitten einer Wand aus Schwärze. Er hatte etwas in der Hand, das er vorsichtig in seiner Kleidung verstaute. Er schien SAM noch einen letzten Blick zuzuwerfen, dann sprang er auf die Holzbrücke vor dem Burgtor hinunter. Sekunden später wurde ein Motorrad gestartet. Es war wohl von dunkler Farbe, vielleicht schwarz, denn SAM hatten es bei ihrer Rückkehr im Dunkeln nicht gesehen. Knatternd entfernte sich das Motorengeräusch. Timo und Marko dösten weiter … „Verdammt!“, knurrte Mario, als er Sandra auf die Beine half. Erst jetzt kroch Direktor Grollmann schlaftrunken aus 85
seinem Zelt. „Was macht ihr hier für einen Lärm!“, polterte er sofort los. „Zurrt eure Zeltschnüre gefälligst ordentlich fest wie alle anderen, dann steht es auch sicher und …“ In dem Moment sah er Timo und Marko vor sich hindösen und SAM konnten ausmachen, wie sich Grollmanns Augen zu Schlitzen verengten. SAM mussten innerlich grinsen. Die nächste Standpauke hatten sich Timo und Marko gesichert. Beunruhigt betrachteten sie das in sich zusammengefallene Zelt. Noch hegten sie nur einen schlimmen Verdacht – doch der sollte sich bestätigen, als das Zelt wieder stand.
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Das Geheimtreffen
„Ich hab’s geahnt“, sagte Sandra und sank enttäuscht auf Marios Schlafsack nieder. „Er hat die DVD und die Fotos gestohlen. Damit sind unsere Beweise weg.“ Auch Armin und Mario hockten sich mit hängenden Köpfen nieder. „Komisch“, sagte Sandra, „aber irgendwie, als der Fremde da so im Feuerschein stand, hatte ich das Gefühl, ihn schon mal irgendwo gesehen zu haben. Aber ich weiß nicht, wo.“ „Zweifellos ist uns jemand auf die Schliche gekommen“, sagte Mario. „MIS!“, folgerte Armin. „Sie wissen jetzt, dass wir die Fotos gesehen haben. Wir müssen zu Hause anrufen und alle warnen!“ „Wovor denn?“, seufzte Sandra tief. „Willst du Anna, deiner Halbschwester, etwa sagen: ‚Mario wurde von Außerirdischen entführt, ihr seid in Lebensgefahr, weil die Männer in Schwarz wissen, dass wir was wissen.‘ Die kriegt doch einen Lachkrampf. – Wenn ich nur wüsste, woher ich den Kerl von vorhin kenne …“ „Walter wird auch glauben, dass bei uns ein paar Schrauben locker sind“, stöhnte Armin. „Immerhin hab ich ihm mitgeteilt, dass wir ihm beim morgigen Treffen Beweise zeigen können.“ 87
„Oh Mann, was für eine Nacht!“ Mario konnte nicht anders. Er musste trotz allem grinsen. Tags darauf hatten SAM jedoch kaum etwas zu lachen. Vom Frühstück an nahmen die ungewöhnlichen Ereignisse jetzt erst richtig ihren Lauf. Es fing bereits damit an, dass Timo und Marko aufgrund ihrer „Nachtwache“ auf die üblichen Morgenspötteleien beim Frühstück verzichteten und wie geprügelte Hunde bei Tisch saßen, als Sandra ihnen Müsli, sie hatte Frühstücksdienst, servierte. Mario hatte sich Klaus’ Einkaufsliste geben lassen. Vierzig Minuten später betraten SAM das Speiserestaurant des Supermarkts, wo Walter schon ungeduldig auf sie wartete und an seinem Kaffee nippte. „Da seid ihr ja. Was müsst ihr mir nun so Unglaubliches zeigen?“, fragte Walter in neugieriger Erwartung. Armin warf seinen Freunden einen betretenen Blick zu, als sie sich setzten und Mineralwasser bestellten. Für einen Moment schwiegen alle. Dann sagte Armin: „Wir hatten bereits Beweismaterial, aber gestern Nacht, da …“ Er erzählte Walter in groben Zügen von der DVD, den Fotos und Marios Erinnerungslücke zwischen 22 Uhr 53 und 1 Uhr 53. Walter starrte SAM wie ein seltenes Tier an. „Wir wissen, die Geschichte klingt unglaublich, aber jede Einzelheit ist wahr“, sagte Mario. Er schob den Ärmel seines Shirts beiseite und zeigte Walter den Nadeleinstich. „Die Sache wird allmählich zu heiß“, murmelte Walter. Und dann zu Sandra: „Wenn du bloß wüsstest, woher du den Einbrecher kennst?“ 88
„Wir müssen unbedingt rauskriegen, wer uns die DVD und die Fotos geschickt hat“, meinte Sandra. „Vielleicht war es Walters unsichtbarer Dritter? Unsere Adresse auf dem Kuvert wurde eindeutig von einer starken Männerhand geschrieben“, sagte Armin, der wie beim Spurenlesen auch im Lesen von Handschriften eine Klasse für sich war. Und eine Handschrift ist unverwechselbar wie ein Fingerabdruck und verrät viel über die Person zu der sie gehört. „Vielleicht ist auch er ein Zeuge und MIS will ihn beseitigen? Die DVD und die Fotos sind so etwas wie ein stummer Hilfeschrei.“ „Ich muss euch leider enttäuschen“, schüttelte Walter den Kopf. „Ich bin nach unserem ersten Geheimtreffen, wie ihr noch nicht wisst, fündig geworden. Ich weiß, wer der unsichtbare Dritte ist – genauer gesagt, die unsichtbare Dritte, es ist nämlich eine Sie.“ „Eine Sie?“, staunte Mario. „Ja.“ „Wer?“, fragte Sandra ungeduldig. „Das errät ihr nie.“ „Spann uns nicht auf die Folter“, drängte Armin. „Zuerst konnte ich es selbst nicht glauben.“ Walter nahm einen Schluck Kaffee. „Es ist Vera – Vera Panck.“ „Die Frau von Max Panck, dem Erfinder der Biosphäre 2?“, staunten SAM gleichzeitig. „Genau die.“ „Wie hast du das rausgefunden?“, fragte Mario. „Ich dachte, bei Pancks Beerdigung könnte ich vielleicht ‚interessante‘ Leute treffen. Und so war es dann auch.“ 89
„Das heißt, es gibt also noch jemanden, einen unsichtbaren Vierten“, kombinierte Sandra. „Hatte Max Panck etwa Kontakt zu Aliens?“, fragte Armin. „Haben die seinen Unfall veranlasst und ihn getötet?“ „Sie weiß es nicht, hält es aber für möglich.“ Walter nippte wieder am Kaffee. „Sie hat mir diesen Brief hier in den Postkasten gesteckt.“ SAM warfen einen Blick auf das Schreiben, sahen sich die erste Seite genauer an … Die Handschrift war eindeutig eine andere als auf dem Fotokuvert.
Verehrter Herr Brandell! Wenn Sie diese Zeilen erhalten, bin ich aus Angst umgezogen, anonym. Der Grund ist eine von mir gemachte Beobachtung in unserem Haus, die mir einen regelrechten Schock versetzte. Im Zuge seiner Forschungsarbeit an Biosphäre 2, so berichtete mir mein Mann, führte er am Hof des Landwirts Uwe Fellner (er belieferte die Biosphäre mit Gemüse, Obst und Getreide) Sternbeobachtungen durch. Vor wenigen Tagen entdeckte er dabei seltsame – wie er es bezeichnete – Feuerbälle, die sich in Zickzack-Linien fortbewegten. Er schoss Fotos und suchte nach weiteren Leuten, die 90
das rätselhafte Himmelsphänomen beobachtet haben. Tags darauf – ich kam gerade vom Theater nach Hause – erhielt mein Mann Besuch. Ich traute meinen Augen und Ohren nicht! Ein völlig in Schwarz gekleideter Fremder richtete eine Pistole auf meinen Mann und drohte ihn umzubringen, falls er die Fotos nicht rausrücke und schwöre, über das Gesehene zu schweigen wie ein Grab – und jetzt ist mein Mann tot, wenn auch offiziell durch einen Unfall …! Nun habe ich schreckliche Angst, mir könne es ebenso ergehen. Ich bitte Sie, Herr Brandell, bringen Sie die Wahrheit an die Öffentlichkeit. Wenn alle Menschen Bescheid wissen, stelle ich alleine keine Gefahr mehr dar und kann vielleicht wieder ein normales Leben führen … „Das erklärt möglicherweise, warum Uwe uns umbringen wollte“, sagte Mario. „Max Pancks plötzlicher Unfalltod jagte ihm Angst ein. Er dachte, ihm könnte ein ähnliches Schicksal blühen. Wir beobachten auf seinem Hof die Landung eines Lichtballs, stellen ihm unangenehme Fragen. Als wir den Maisfeldkreis, die Fußspur und das silbrig blau schimmernde Metall entdecken, kriegt Uwe die Panik, 91
flippt aus und versucht uns zu beseitigen, um nicht als Mitwisser dazustehen.“ „Dann kriegen wir vom unsichtbaren Vierten, der ebenfalls um sein Leben bangt, die DVD und die Fotos“, spann Armin den Gedanken weiter. „Ein Mann von MIS klaut sie uns, lässt uns aber in Ruhe, da im Moment vielleicht wir das einzige Verbindungsglied zu jenen Zeugen sind, die noch leben …“ „Uns steht das Wasser wieder mal bis zum Hals“, schimpfte Sandra ärgerlich. „Vera Panck hat Recht, wir sollten die ganze Geschichte im UFOzine veröffentlichen. Die Leute von MIS können ja wohl schlecht Tausende wissende Leser verschwinden lassen. Und falls diese Männer in Schwarz tatsächlich bei Professor Pancks Tod und Uwes Verschwinden ihre Finger im Spiel haben, dann reden wir hier von Mord!“ „Die Fotos nicht zu vergessen“, sagte Mario. „Das waren Aliens auf der Erde!“ Armin aber schmiedete einen ganz anderen Plan. „Hört mal her“, flüsterte er. „Ich will nicht mehr SAM heißen, wenn wir dort nichts entdecken. Vielleicht sogar, wohin sie verzogen ist. Also, wir schleichen uns heute Abend heimlich in …“ Er erklärte seinen Plan in allen Einzelheiten, Walter steuerte noch Wissen aus dem Brief bei. „Das ist verrückt!“, protestierte Sandra. „Die Polizei hat es abgeriegelt wie einen Tatort – das ist Einbruch!“ „Ohne hieb- und stichfeste Beweise brauchen wir weder zur Polizei noch zum Fernsehen oder zu Zeitungen gehen“, sagte Armin. 92
„Stimmt“, pflichteten ihm Mario und Walter bei. „Die lachen uns aus.“ Sandra schlug stöhnend die Hände vors Gesicht. „Ihr seid schuld, wenn ich meinen nächsten Geburtstag nicht erlebe“, schimpfte sie schließlich. Armin lachte. „Na, das hört sich doch wieder ganz nach unserer Sandy an!“ „Halt den Mund, du weißt, ich hasse den Spitznamen!“ Gegen 19 Uhr stiegen die Schüler in den Bus. Abendtheater war angesagt. „Wenn ich zurückkomme, ist hier alles fein säuberlich aufgeräumt“, mahnte Grollmann nachdenklich SAM, die sich freiwillig für den Küchendienst gemeldet hatten. Wortlos sahen sie dem davonfahrenden Autobus nach. Kaum war er hinter der Biegung verschwunden, griff Armin zum Handy und rief ein Taxi. Die Abenddämmerung senkte sich gerade über die Schwäbische Alb, als SAM sich auf den Weg machten. Auch ihr Weg führte nach Ulm. Noch ein schneller Blick zurück auf das Lager. Sie fühlten förmlich, dass nach dieser Nacht alles anders sein würde als zuvor …
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Das sprechende Haus
In Ulm war der vereinbarte Treffpunkt bald erreicht. Walter wartete schon. Tiefe Schatten bedeckten weite Teile des Hauses der Pancks. Es sah aus, als wäre das Haus schon vor Jahren verlassen worden. Rotweiße Plastikbänder der Polizei warnten vor unbefugtem Zutritt. SAM und Walter kletterten leise über den Gartenzaun. Walters Aufsprung klang laut, als seine Füße auf dem Steinpflaster aufsetzten. „Schhhht!“, zischte Armin. SAM kannten die Tricks des richtigen Anschleichens aus ihrer Pfadfinderzeit. Steige über Gegenstände hinweg, die verräterischen Lärm verursachen können. Schleichst du dich an ein Tier (einen z. B. Hund) an, mach kurze Schritte und bleib immer wieder stehen, um nicht bemerkt zu werden. Beobachte es genau. Kurz bevor es den Kopf hebt, um nach Gefahr Ausschau zu halten, wedelt es meist mit dem Schwanz. „Na, wenigstens kein Wachhund“, dachte Sandra. Schon mal was. Prüfe ständig das Gelände vor dir, um Lärm durch laute Auftritte zu vermeiden. Bewege dich quer zum oder gegen den Wind. Auch Gerüche können dich verraten. 94
Gebückt huschten sie zu einem Kellerfenster. Es war verschlossen. Als Mario mit seinem Schweizer Messer den alten, verrosteten Riegel knackte, gab auch das einen lauten Knacks. Sie hatten das Gefühl, es würde doch nicht so einfach werden, wie sie gehofft hatten. Vorsichtig, einer nach dem anderen, schlüpften sie durch das Fenster und ließen sich in das dunkle Kellergewölbe hinuntergleiten. SAMs Taschenlampen flammten auf. Es war still wie in einem Grab. Sie sahen Wasser- und Heizungsrohre in alle Richtungen abzweigen. „Nach oben“, sagte Mario und wies die anderen mit einer Handbewegung an, ihm zu folgen. Sandra, Armin und Walter eilten ihm nach. Gerade erschien ihnen das Haus menschenleer, da hörten sie das erste Geräusch. Augenblicklich stieg Angst in ihnen hoch. Walter spürte, wie seine Handflächen vor Aufregung zu schwitzen begannen. „Na also!“, flüsterte Sandra angespannt. „Sprechende Häuser gibt’s ja wohl nicht. Endlich erwischen wir einen von ihnen!“ Die gedämpften Stimmen kamen aus einem der oberen Räume. SAM, hinter ihnen Walter, stiegen leise, Schritt für Schritt, die Kellertreppe hoch. Mit einem trockenen Schlucken drückte Mario die Klinke. Langsam schwang die Tür auf. Sie standen am Beginn eines Flurs, in den ein seltsames rötliches Dämmerlicht fiel. Die Taschenlampen gingen aus. An der Wand entlang schlichen sie auf die offene Tür am Flurende zu. Die Stimmen wurden lauter. 95
Mario verrenkte sich den Hals, um in den anschließenden Raum sehen zu können – es war ein Büro – ein Büro, wie er vorher noch nie eines gesehen hatte. Es war leer und auf sein Zeichen folgten ihm die anderen. Die Fenster zur Straßenseite waren mit dicken Wolldecken verhangen. Auf einem Tisch standen zwei Tassen, in denen Tee dampfte. Ein Fernsehapparat lief, die Stimmen, die sie gehört hatten, drangen aus dem Gerät. „Hier wohnt noch jemand“, flüsterte Armin. „Das Haus ist doch von der Polizei abgeriegelt worden“, erwiderte Walter ungläubig. „Merkwürdig“, sagte Mario leise. An den Wänden hingen Fotos von Professor Pancks Projekt, der Biosphäre 2. Auch Uwe war darauf zu sehen, auf einem standen er und Panck vor einem Helikopter. Zwischen den Fotos waren Poster von Aliens und UFOs in allen Farben und Formen aufgehängt. Auf dem Schreibtisch waren waghalsig Baupläne der Biosphäre 2 gestapelt. Während die anderen in aller Stille die Fotos und Poster betrachteten, bewegte sich Sandra wieder auf den Flur hinaus – sie wollte die Küche finden, der dampfende Tee machte sie nervöser, als sie ohnehin schon war. Nach einer Minute war sie wieder zurück, ging auf den Fernsehapparat zu und drehte ihn leise ab. – Armin und Mario lauschten mit offenen Mündern. Eine Stimme war nicht verstummt. Im Nebenraum telefonierte jemand. Sie erschraken und wollten vorsichtig den Raum verlassen. Walter berührte dabei ungewollt einen Papierstapel. Mit einem dumpfen Poltern fiel dieser um. 96
Sandra und Armin verschwanden in der Küche, Mario und Walter huschten in Richtung Kellertreppe. Gespannt hielten alle den Atem an. Die Tür zum Nebenraum ging auf. Ein Kopf schob sich in das Büro, sah sich um, verschwand aber gleich wieder. Dann war erneut gedämpftes Getuschel zu hören. Langsam kehrten sie in das Büro zurück, das war wohl ein längeres Telefonat. „Was, zum Teufel, ist das?“ Eine Mischung aus Neugier und Unbehaglichkeit befiel Armin, als er eine schwarze Mappe aufhob, die zwischen den Bauplänen auf dem Boden lag. Sie war beschriftet: Streng geheim! SETI Das Alien-Experiment Armin öffnete die Mappe. Doch in ihr befand sich nichts weiter als eine DVD. „Sieht genauso aus wie unsere“, flüsterte Sandra. „Der Beweis!“ „Wer seid ihr“, ertönte da eine kalte Stimme hinter ihnen. Erschrocken fuhren SAM und Walter herum – und ihnen stockte der Atem. Sie blickten geradewegs in die Mündung einer Pistole. Vor ihnen, die Hand fest um den Griff der Waffe gelegt, stand eine sonderbar wirkende Frau. Ein schwarzes Kleid umhüllte ihren schlanken Körper wie eine zweite Haut. Ihre vollen Lippen waren blutrot gefärbt und wirkten unheimlich in ihrem bleichen Puppengesicht. „Was soll die Rumschnüffelei?“, fragte sie barsch. 97
Als Erste fand Sandra ihre Sprache wieder. „Vera Panck?“, erwiderte sie zögernd. „Ja“, sagte die schwarzhaarige Frau und ließ die Pistole langsam sinken. „Und wer seid ihr?“ Walter wischte sich zitternd, aber sichtlich erleichtert, den Angstschweiß von der Stirn. „Armin Hauser, Mario Klein und Sandra Wolf – CodeName SAM“, stellte Sandra vor. „Und das ist Walter Brandell vom UFOzine, sein Name dürfte Ihnen ohnehin bekannt sein.“ „Ihr habt mir vielleicht einen Schrecken eingejagt. Ich dachte schon die Männer von MIS …“ „Sie können ruhig weiterreden“, sagte Armin. „Wir sind voll im Bilde. Wir kennen auch Ihren Brief, den Sie Walter geschickt haben. Wir müssen unbedingt mit Ihnen reden. Wir sind Detektive und wenn unser Verdacht stimmt, schweben wir alle in Lebensgefahr – und Ihr Mann war das erste Opfer.“ Mit einer flüchtigen Handbewegung bedeutete ihnen Vera, sich an den Tisch, auf dem die zwei Teetassen standen, zu setzen. Vera ließ die Pistole aber nicht aus den Händen. „Worum geht’s?“ Armin berichtete im Telegrammstil, was Vera seiner Meinung nach wissen musste, um Vertrauen zu gewinnen. Sonst würde sie aus Angst und Misstrauen ihr Wissen sicher nicht preisgeben … „In der zweiten Nacht unserer Schullagerwoche – wir zelteten außerhalb der Burg Lichtenstein, um die Mondfinsternis zu beobachten – machten wir die gleiche Entdeckung wie ihr Mann: Ein UFO lande98
te in der Nähe von Uwe Fellners Bauernhof. Dann geschah das Unglaubliche – wir fanden einen unmöglich von Menschenhand entstandenen Feldkreis, silbrig blau schimmerndes Metall, das laut einer wissenschaftlichen Untersuchung nicht von der Erde stammt, und einen unidentifizierten Fußabdruck. Wir fanden Uwe Fellner, der versuchte uns mit dem Auto platt zu walzen; Männer in Schwarz bedrohten uns; Mario wurde schließlich von Aliens entführt, kann sich aber an die Zeit im UFO nicht erinnern.“ Mario zeigte Vera die Einstichwunde. Dann fuhr Armin fort: „Und schließlich tauchte ein Mann in Schwarz in unserem Lager auf und entwendete das Beweismaterial aus unserem Zelt.“ „Kam dieses Beweismaterial von Ihnen?“, fragte Sandra. „So wie der Brief an Walter.“ Vera hatte nun anscheinend Vertrauen gefasst und erzählte ihre Geschichte: „Von mir ist euer Beweismaterial jedenfalls nicht. Ich verschicke keine Fotos und DVDs. Das Ganze begann vor zehn Tagen und war wie ein Schock für meinen Mann. Er war gerade zu einer ernsten Besprechung bei Uwe …“ Vera reichte SAM einen Brief, der mit dem Bundesadler bedruckt war. „… Kurz vor seinem Durchbruch teilte ihm die Regierung mit, dass die Forschungsgelder für Biosphäre 2 eingestellt worden seien, da das Projekt zu teuer werde. Niemand mehr glaubte daran, dass mit der Erfindung weltweit Geld verdient werden könne. Unsere Bank, die auch darüber informiert worden war, mein Mann hatte sich privat an dem Projekt beteiligt, forderte mit sofortiger Wirkung die Rückzahlung von einer Million Euro an Kredit99
schulden. Wenn wir nicht zahlen könnten, würden wir unser gesamtes Privatvermögen – Haus, Auto, Sparbuch, einfach alles – verlieren. Also machte Max Druck. Auch bei Uwe, der die Biosphäre mit Pflanzen, Obst, Gemüse, Mais und Getreide versorgte. Bei der Besprechung sahen sie, wie ihr, ein UFO landen, maßen dem aber keine Bedeutung zu, denn sie glaubten an einen Kometen oder eine Sternschnuppe. Nichts geschah zunächst, bis mein Mann die seltsame Erscheinung in einem Fernsehinterview erwähnte, den Kreis fotografierte und eine DVD von einem gewissen Doktor Jakob Sternblau erhielt. Max kündigte an, die Beweise der Polizei zu übergeben. Ihr könnt euch das Gelächter auf dem Polizeirevier vorstellen …. Tags darauf erhielten wir, wie in meinem Brief erwähnt, Besuch von MIS. Man drohte uns umzubringen, falls wir nicht schwiegen. Mein Mann ließ sich aber nicht einschüchtern, ging zur Polizei und dann, am Heimweg … der tödliche Unfall!“ Vera wischte sich mit einem Taschentuch Tränen von den Wangen. „Ich erhielt eine zweite Warnung von MIS. Tagelang tauchte mehrmals ein Mann auf einem schwarzen Motorrad vor unserem Haus auf. Ich hatte das Gefühl, jeder meiner Schritte würde überwacht. Deshalb täuschte ich den Umzug vor. Ich hatte Angst, auch einen ‚plötzlichen Unfall‘ zu erleiden. Ein Polizist, der meinem Mann anscheinend geglaubt hat, half mir und versiegelte das Haus zum Schein.“ Plötzlich schrillte Walters Handy. „… Ja! Alles klar. Ich komme sofort.“ Walter erhob sich. „Ich muss dringend in die Redaktion, den Leitartikel für die nächste Ausgabe des 100
UFOzine Korrektur lesen. Ich melde mich bei euch.“ Er verabschiedete sich und ging. „Ich nehm’ den Kellerausgang“, sagte er und machte sich auf den Weg. „Mehr weiß ich auch nicht“, fuhr Vera fort und zündete sich etwas zitternd eine Zigarette an. Sie hatte Angst. „Erwarten Sie Besuch?“, fragte Mario nach einer Weile. „Warum stehen zwei Teetassen auf dem Tisch?“ „Oh, das … Der Versicherungsvertreter kommt jeden Augenblick. Wir haben die Auszahlungsart der Ablebensversicherung meines Mannes zu besprechen. Aber weil du von Tassen sprichst. Ich hab euch noch nicht mal was zu trinken angeboten. Was bin ich bloß für eine schlechte Gastgeberin! Bin gleich wieder da. Ich hab im Keller ein besonderes Tröpfchen Fruchtsaft für euch. Holt schon mal Gläser. Sie sind im braunen Kasten in der Küche.“ „Sie sollten wirklich die Wohnung wechseln – zu ihrer eigenen Sicherheit“, rief Sandra Vera noch nach, doch die war schon draußen. Armin nahm die schwarze Mappe wieder zur Hand. „Was ist SETI? Und worum geht’s beim AlienExperiment?“ Er wollte gerade die DVD einlegen, da splitterte mit einem ohrenbetäubenden Krachen die Eingangstür des Hauses. Sandra, Armin und Mario gerieten in Panik, als drei dunkel gekleidete Männer in das Zimmer stürmten. „Ihr hattet eure Chance zu schweigen“, grunzte einer der Männer mit todernster Miene. „Eure Uhr ist abgelaufen. Ihr werdet von nun an ewig schweigen.“ Die Männer nickten einander zu, dann folgten drei grelle Mündungsblitze. Plopp – plopp – plopp … 101
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Geheimes Leben
SAM spürten sofort, wie sich ihre Sinne verwirrten. Die Knie wurden butterweich und die Bilder verzerrten sich zäh wie Kaugummi. Sie wurden gefesselt. Vielleicht war das ihre letzte Chance. Ein müder Gedanke zuckte durch SAMs Gehirne: Wenn man dich fesselt … … atme tief ein, schieb die Schultern nach hinten, drück die Muskeln fest gegen die Fesseln – mach dich beim Fesseln so groß und breit wie möglich. Machst du dich anschließend klein, könnte der so gewonnene Spielraum reichen, um die Fesseln abzuschütteln. Nur vage nahm Sandra wahr, wie etwas um ihre Brust gewickelt wurde. Benommen atmete sie ein. Fesselt man dich an Ober- oder Unterschenkeln, drücke die Fußspitzen zusammen und drehe die Beine leicht nach außen, bei entspannten Muskeln kannst du die Fesseln nach unten schieben. Fesselt man deine Fußgelenke, drücke sie auseinander, indem du Knie und Fußspitzen zusammenpresst. So fest er noch konnte, drückte Armin seine Knie zusammen. Halte die Handgelenke so weit wie möglich auseinander. Schließt du sie nach dem Fesseln, kannst du den Kno102
ten vielleicht mit den Zähnen öffnen. Lass Hände und Gelenke locker und drehe sie, bis die Fesseln über die Hände rutschen. Nutze hervorstehende Objekte, um die Fesseln zu lösen. Mario ballte die Fäuste und spannte die Handmuskeln so fest es ging. Doch er wurde wie Sandra und Armin von Sekunde zu Sekunde schwächer. Die Umgebung schien in immer weitere Ferne zu rücken. SAM hörten noch ein kaltes „Los!“, dann verloren sich die Stimmen in der über sie hereinbrechenden Dunkelheit. Als sie langsam erwachten, Sterne tanzten vor ihren Augen, fanden sie sich auf dem Boden eines weitläufigen Raumes wieder, der mit technischen Instrumenten, Schaltpulten und Schreibtischen voll gestopft war. Bildschirme flackerten, Computer liefen, ein Radarschirm piepste gleichmäßig. An den Wänden hingen Fotos, auf denen die stark beschädigten Überreste von etwas, das nicht von dieser Welt stammte, zu erkennen waren. Dieser Gegenstand hatte die Form einer Untertasse. Ein in der Mitte der Untertasse angebrachter, kuppelförmiger Aufbau thronte darüber. „Wo … wo sind wir?“, flüsterte Armin schwach. „Commander, sie wachen auf“, stellte eine Stimme trocken fest. Dann schob sich ein Mann in Schwarz in das Blickfeld von SAM. „Ihr wolltet die Wahrheit wissen?“, hauchte er kalt. „Ihr werdet sie erfahren. Gleich.“ SAMs Herzen pochten heftig. Vielleicht hätten sie doch die Finger von dieser Sache lassen sollen. Aber jetzt war es zu spät. 103
Sie waren noch an Händen und Füßen gefesselt, richteten sich so gut es ging an dem Aktenschrank, neben dem sie erwacht waren, auf, und kauerten sich fest aneinander, so dass die Männer nicht sehen konnten, wie Mario seine Fesseln an der Kante des stählernen Schrankes rieb. Er merkte, dass sie sich langsam lockerten. Der Commander öffnete in der Zwischenzeit eine Tiefkühltruhe, die in einer Nische des Raumes stand. Eiskalter Nebel kroch heraus, als sich der Deckel mit einem leisen Zischen hob. Einer der Männer durchtrennte ihre Fußfesseln, der Commander winkte sie zu sich. Sandra war aufgefallen, dass er zuvor drei starke Sicherheitsschlösser an der Kühltruhe geöffnet hatte. „Dieser Anblick soll euch nie vergessen lassen, mit wem wir es zu tun haben“, sagte der Commander mit düsterer Stimme. „Mit … mit wem?“, fragte Armin mit einem Zittern in seiner Stimme. Der Mann in Schwarz drehte ihm den Kopf zu. „Besser: Womit?“ Bissige Kälte schlug ihnen aus der Eistruhe entgegen. Aber es war nicht die Kälte, die ihr Blut gefrieren ließ, als sie einen Blick hineinwarfen. Es war das, was da in der Kühltruhe lag. Der Anblick – entsetzlich! Dieses … ETWAS. Das war kein Mensch, auch kein ihnen bekanntes Tier. Kein Zweifel, dieses Wesen stammte nicht von der Erde. „Wir sind nicht allein“, sagte der Commander tonlos. Mario musste sich zwingen, den Kopf nicht wegzudrehen. 104
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Der silbergraue Kopf des Wesens wirkte überdimensional groß auf den schmalen Schultern. Hände und Füße hatten jeweils nur drei Finger und Zehen und der Alien war nicht größer als ein neunjähriges Kind. Der Mund war lippenlos, die Nase schmal, die dunklen Augen standen schräg, Ohren und Haare fehlten. Aber das war nicht das Schlimmste. Weitaus Grauen erregender war, was SAM fühlten. Das Ding strahlte Gefährlichkeit aus, obwohl es nicht mehr lebte. Sandra wurde leicht übel. Der Commander klappte den Deckel zu, verriegelte ihn und grinste überlegen. „Killer aus dem All“, schauderte Armin. „Engel aus dem All“, berichtigte ihn der Mann. „Sie sind hier, um die Menschheit vor dem Untergang, vor ihrer Selbstzerstörung zu retten.“ „Was!?“, entfuhr es Sandra. „Wovon sprechen Sie?“ „Wer sind eigentlich Sie?“, fragte Armin. „Unwichtig für unser Ziel.“ „Ziel? Welches Ziel?“ Mario war entsetzt. „Wir gehören einer Geheimorganisation an. Viele Länder betreiben UFO-Forschung, doch niemand hat auch nur annähernd unseren Wissensstand. Gibt es Leben auf anderen Planeten? – Das ist die auf der Erde am häufigsten gestellte Frage. Lange behaupteten Wissenschaftler, das sei unwahrscheinlich, bis 1996 ein Stein auf dem Mars gefunden wurde, in den Fossilien winziger Lebewesen eingeschlossen waren. Vor Milliarden Jahren gab es auf dem Mars einfachste Lebensformen. Viele Organisationen suchen mit gigantischen Radiote106
leskopen von bis zu 300 Metern Durchmesser – so die Forscher von SETI – nach außerirdischem Leben oder experimentieren mit primitiven Biosphären, um etwas über die Entstehung von Leben zu erfahren, aber uns gelang der erste Kontakt.“ „Warum passiert das alles im Geheimen?“, rief Armin wissbegierig. „Um das Alien-Experiment nicht zu gefährden. – 1980, der Dachstein-Zwischenfall in Österreich, war kein Zufall. Die Grauen, wie wir die Fremden nennen, empfingen im Sternsystem Orion eine Botschaft der Raumsonde Voyager 1.“ „Die Bild-Ton-Platte!“, rief Sandra und allmählich fühlte sie sich überhaupt nicht mehr wohl in ihrer Haut. „Was ist das Alien-Experiment?“, bohrte Mario nach. Die Männer warfen einander fragende Blicke zu, dann nickten alle drei und der Commander sprach weiter. „Unser Ziel ist: Geheimes Leben! Die Grauen erkannten bei ihrem ersten Besuch auf der Erde sofort, dass diese Welt aufgrund der Umweltzerstörung durch den Menschen in absehbarer Zeit nicht mehr bewohnbar sein wird. Menschen, Tiere und Pflanzen wird es in wenigen Jahren keine mehr geben. Viele werden vorher aufgrund der Überbevölkerung einen grausamen Hungertod erleiden. Um ein Überleben der Menschen auf einem anderen Planeten zu sichern, machten die Grauen die Menschheit zu einem Teil ihres galaktischen Überlebensprogramms –“ Plötzlich stand Angst in SAMs Gesichtern. Angst vor etwas, wofür es keine Worte gab. Armins Herz hämmerte, als wollte es ihm den Brustkorb sprengen. 107
„Doch dann stürzte ein UFO ab“, fuhr der Commander fort. „Neugierige UFO-Detektive begannen zu ahnen, dass dort draußen im All Gewaltiges passiert. Es ist keine Fantasie, kein Traum. Die Grauen entwickelten für ein paar Menschen ein Überlebensprogramm für den Fall der natürlichen oder militärischen Zerstörung der Erde. Die Grauen wissen, dass das Leben, wie wir es heute kennen, so nicht weitergehen kann. Deshalb versuchen sie in einem AlienExperiment einen Menschen für die Zukunft zu schaffen. Dazu benötigen sie menschliches Forschungsmaterial … Die neuen Menschen müssen fähig sein, in einer neuen Biosphäre, sprich Welt, atmen und leben zu können, die sich von der heutigen Erde deutlich unterscheidet. Die Grauen wissen von anderen Planeten, dass nach einer Zerstörung der Umwelt Lufttemperaturen von rund 85 Grad Celsius herrschen werden, die Sonne zehnmal so heiß auf die Haut brennen wird wie heute, nur mehr wenig Sauerstoff zum Atmen vorhanden sein wird. Flüsse, Seen und Meere werden durch Industrieabwässer verseucht, die Böden verstrahlt und lange Zeit unfruchtbar sein. Die Wüsten werden sich schnell ausbreiten, Trinkwasser ein noch kostbareres Gut werden.“ Mario hatte das Gefühl, als würde Stück für Stück die Verbindung mit der Wirklichkeit gekappt. „Unsere Aufgabe ist es, die Testpersonen, die nicht als Studienobjekte geeignet sind und auf die Erde wieder zurückgebracht werden, einzuschüchtern, damit sie schweigen, und Beweise zu beseitigen. Die Existenz der Grauen muss um jeden Preis geheim gehalten werden. Die Militärs würden sie mit allen nur erdenklichen Mitteln, bis hin zu 108
Atomwaffen, jagen. Dies wiederum hätte die Zerstörung dieser Welt zur Folge, genau das, was nicht geschehen darf.“ „Wir haben keine Beweise mehr. Sie können uns also in Ruhe nach Hause schicken“, sagte Sandra und schluckte dabei trocken. Für Sekunden herrschte angespanntes Schweigen. Dann sprach wieder der Commander. „Eure Beweise sind völlig belanglos. Es hat sich in den letzten Stunden eine vollkommen neue Situation ergeben … die Grauen forschen nur mehr an …“ Er räusperte sich kurz und sagte dann mit fester Stimme: „Wir werden euch noch heute Nacht überstellen.“ „Uwe haben Sie ihnen auch übergeben, nicht wahr? Deshalb ist er verschwunden!“ Sandra zitterte am ganzen Leib. Armin und Mario hielten verzweifelt Ausschau nach irgendetwas, das ihnen aus ihrer bedrängten Lage helfen konnte. Die drei mussten sich wieder auf ihren Platz auf den Boden setzen. Mario begann sofort wieder an seiner Handfessel zu scheuern. „Genießt eure letzten Erdenminuten“, sagte der Commander und drückte einen Knopf an einem Schaltpult. Sandras Verstand arbeitete jetzt präzise wie ein Computer, prüfte, bewertete, schätzte jede Fluchtmöglichkeit ab. Der Commander murmelte unverständliche Worte in Richtung der anderen, die daraufhin ebenfalls an das Schaltpult herantraten und konzentriert Schaltungen vornahmen. Irgendwie wirkten die Männer nervös. 109
Sandra nickte Armin und Mario zu und wies mit einem schnellen Blick auf die Tür an der gegenüberliegenden Raumseite. Wenn man so lange ein Team war wie SAM, konnte man sich auch ohne Worte verständigen. Mario hatte es inzwischen geschafft, seine Fessel durchzuscheuern. Jetzt war Armin an der Reihe, seine Fessel an der Kante des Aktenschrankes zu durchtrennen, während Mario vorsichtig den Knoten an Sandras Fesseln löste. Sie spürte den Schmerz in ihren Fingerkuppen, das Hämmern und Pochen, als ihre Finger wieder durchblutet wurden. Zum Glück hatten die Männer SAMs Detektivgürteln keine Beachtung geschenkt. Mario riskierte es, das Schweizer Messer aus Armins Gürtel zu fingern, dann befreite er seinen Freund mit einem schnellen Schnitt endgültig. Erleichtert atmeten SAM auf – und zuckten im nächsten Moment zusammen. Einer der Männer blickte kurz über die Schulter nach ihnen, trat vom Pult zurück und kam auf sie zu! Hatte er etwas bemerkt oder wollte er nur routinemäßig ihre Fesseln überprüfen? Die drei wussten – das war ihre letzte Chance – jetzt oder nie! Im letzten Moment sprang Mario auf und ließ sein linkes Bein vorschnellen. Mit voller Wucht traf er das rechte Knie des Mannes. „Ahhh!“, brüllte der Getroffene vor Schmerz und ging zu Boden, er umklammerte sein Knie. Die drei nützten das Überraschungsmoment und liefen auf die Tür zu, Mario voran. Der Commander stellte sich Sandra und Armin irgendwie hilflos mit ausgebreiteten 110
Armen in den Weg, aber er wurde einfach überrannt. Er taumelte, stürzte rückwärts über einen Schreibtisch und fegte ihn im Fallen leer. Auch ein kleines Kästchen mit zwei Hebeln und einer Antenne war darunter. Mario hatte die Tür bereits erreicht. Gott sei Dank! – sie war nicht abgeschlossen. Sandra sah aus dem Augenwinkel, wie der dritte Mann nach seiner Pistole griff. Sie sah Metall schimmern. Der Mann stieß einen zornigen Fluch aus. Seine UFOförmige Armbanduhr hatte sich im Halfter verhakt. SAM flitzten durch die Tür. Ein langer, tunnelartiger Felsgang lag vor ihnen. Nasskalte Luft wehte ihnen entgegen. Die Angst verlieh ihnen Flügel. Drei Taschenlampen blitzten auf. So schnell sie konnten, rannten SAM den Tunnel entlang. Sie nahmen mehrere Abzweigungen, kletterten über Tropfsteine und sprangen über Felsspalten. Abgekämpft erreichten sie eine Treppe, die in eine riesige, hallenartige Tropfsteinhöhle hinabführte. Da hörten sie, wie sich hinter ihnen schon Schritte näherten – MIS! „Wir sind in der Nebelhöhle – 380 Meter lang!“, flüsterte Mario keuchend; er hatte beim ersten Ausflug von Schloss Lichtenstein gut aufgepasst. „Scheint eine Verbindung zur geheimen MIS-Zentrale zu sein. Hier drinnen sind die schneller als wir –“ „Dort … hinter die Steinriesen“, sagte Sandra leise. Die Taschenlampen erloschen und SAM machten sich im Schatten von bizarren Steintürmen so klein sie konnten. Keine Minute später hasteten dunkle Gestalten in die Höhle. Nur zwei Meter von SAM entfernt, auf der anderen Sei111
te der Tropfsteine, blieben die Männer stehen. Aufmerksam suchten sie die Höhle ab. SAM hielten den Atem an. Man hätte eine Stecknadel fallen hören, so still war es. Auf ein Handzeichen des Commanders liefen sie weiter. Erleichtert atmeten SAM auf. „Jetzt wissen wir wenigstens, wo der Ausgang ist“, stöhnte Sandra. „Wir müssen sofort zur Polizei“, sagte Armin. „Wir holen uns die DVD von Vera als Beweis, machen Kopien und verteilen sie an TV-Sender, Radiostationen und Zeitungen. Walter muss einen Bericht im UFOzine veröffentlichen. Die ganze Welt muss von Doktor Sternblaus Warnung, den vertuschten Machenschaften von MIS und den Grauen erfahren!“ „Lass dich nicht ins Bockshorn jagen“, meinte Sandra. „Wie!?“ „Vergiss es. Ich hab da einen Verdacht. Wenn ich richtig liege, gibt es überhaupt keine … So könnte das klappen … zuerst müssen wir zu Veras Haus.“ „Bist du jetzt völlig übergeschnappt?“, fragte Mario. Aber Sandra ließ sich nicht beirren.
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Betet!
Entschlossen, aber dennoch mit einem ziemlichen Kribbeln im Magen, stiegen SAM durch das Kellerfenster in das Haus Veras ein. Ein paar Straßen von Veras Haus entfernt hatten sie ihr Taxi verlassen, der Fahrer hatte die drei zwar misstrauisch angesehen, aber kein Wort gesprochen. „Vera scheint nicht zu Hause zu sein“, flüsterte Armin. Die Uhr am Kaminsims zeigte 19 Uhr 19. Schubladen, Schränke, Regale – wo sie auch suchten, keine DVD. Enttäuscht ließ Mario die schwarze Mappe auf den Tisch fallen. „Wieder kein Beweis.“ „Hab ich so erwartet“, sagte Sandra nachdenklich. Armin und Mario warfen immer wieder nervöse Blicke in Richtung Eingangstür, die komplett erneuert war. „Vielleicht würdest du uns in deine Theorie einweihen“, sagte Armin gereizt. „Wir scheinen ja zu blöd, von selbst draufzukommen –“ „Schnapp nicht gleich ein … Ich meine, seit Roswell 1947 sehen die Menschen UFOs, aber dass auch nur zwei davon einmal völlig gleich wären, kommt in den Augenzeugenberichten so gut wie nie vor! Das bedeutet, dass wir es mit Hunderten unterschiedlichen Raumschiffen zu tun haben müssten, die einmal die Erde besuchen und dann auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Das ist doch unlo113
gisch! Genau so verhält es sich bei der Gestalt der Aliens – von kleinen Grauen bis zu Monstern wollen die Menschen alles gesehen haben. Ist das, was wir gesehen und erlebt haben, nun wirklich oder unwirklich? Bei UFOs und Aliens haben wir es mit etwas zu tun, das vollkommen anders ist als unsere gewohnte Welt. Bis heute konnte niemand beweisen, dass es UFOs nicht gibt –“ „Dass es sie gibt, ist auch nicht bewiesen“, sagte Mario. „Eben. Und deshalb sind Menschen bei diesem Thema sehr hellhörig – ein Umstand, den man geschickt nützen kann, wenn man es richtig anpackt.“ Sandra war jetzt voll in Fahrt. „Aber wir haben es mit eigenen Augen gesehen!“, rief Armin: „Die Kühltruhe, das silbrig blau schimmernde Metall und … Professor Weinstein ist doch kein Spinner!“ „Natürlich nicht“, antwortete Sandra. „Und vor allem die plötzlich auftauchenden Spuren. Deshalb frage ich mich: Was haben wir denn wirklich gesehen? Der Groschen fiel bei mir aber erst, nachdem ich mich an das Gespräch mit Vera erinnerte. Von ihr, sagte sie, auf meine Frage hin, ob das Beweismaterial von ihr stamme, seien die Fotos und die DVD nicht. Woher wusste sie, dass eine DVD und Fotos gemeint waren? Wir haben das mit keinem Wort erwähnt, wir haben von Beweismaterial gesprochen.“ „Sie könnte also doch der unsichtbare Vierte sein“, sagte Mario. „Die Fotos!“ Armin schlug sich Armin mit der Hand auf die Stirn. „Na klar! Oh, warum bin ich nur nicht gleich darauf gekommen – 2 Uhr 20 stand auf dem Bild, auf dem die Aliens Pflanzen sammelten! Die Mondfinsternis – um 2 114
Uhr 20 war die Mondscheibe durch den Erdschatten fast verdunkelt. Auf dem Foto aber schien der Mond hell – ein gefälschtes Foto!“ „Genau!“ „Aber gefälscht von wem?“, grübelte Mario. „Und das silbrig blau schimmernde Metall?“ „Das stammt wirklich nicht von dieser Welt“, sagte Sandra. „Es ist der Überrest eines Meteors, der bei seinem Sturz auf die Erde nicht vollständig verglüht ist. Solche Meteoriten findet man überall auf der Erde. Viele Menschen sammeln sie sogar. Ich hab im Fernsehen einen Bericht darüber gesehen.“ „Ein absichtlich ausgelegter Köder! Aber warum und wozu das alles?“, fragte Mario ungläubig. „Und von wem? Immerhin hat Uwe versucht mich umzubringen und der Nadeleinstich ist auch keine Einbildung!“ „Mario hat Recht“, sagte Armin. „Du hast das … Ding in der Tiefkühltruhe doch auch mit eigenen Augen gesehen –“ „Ich hab durch eiskalte Schwaden hindurch irgendetwas gesehen“, erwiderte Sandra und studierte abermals die Fotos an den Wänden. „Wenn wir nur die DVD hätten. Irgendetwas auf ihr lässt mir keine Ruhe.“ „Und MIS?“, gab Armin zu bedenken. „Außerdem war kein einziger Halm im Feldkreis geknickt! Und die Fußabdrücke?“ „Ja. Und wir haben einen Lichtball gesehen, den wir für ein UFO hielten …“, fügte Sandra leicht schmunzelnd hinzu. Man konnte erkennen, dass sie von ihrer Theorie fest überzeugt war. „Vera ist vom Theater nach Hause gekom115
men, als ihr Mann von MIS Besuch hatte. Am Theater gibt es bekanntlich Kostüme …“ „Du … du glaubst, jemand spielt uns hier nur etwas vor?“, schüttelte Armin den Kopf. „Wozu?“ „Das erfahren wir vielleicht auf Uwes Bauernhof“, antwortete sie ernst. „Und wenn du dich irrst und die Männer von MIS doch echt sind?“, motzte Mario. „Wir wissen zu viel!“ „Dann betet, dass ich mich nicht irre!“
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Im Höhlenlabyrinth
21 Uhr 29. Kein Tag war SAM je so lange vorgekommen wie dieser. Die Sonne war untergegangen, als sie beim Bauernhof ankamen. Eine Mischung aus Angst und Erregung erfüllte Sandra. Sie musste einfach Recht haben – sie musste! Wenn nicht … Gespenstisch ruhig lag der Fellner-Hof vor ihnen. „Tausend Dinge können schief gehen“, flüsterte Mario, während sie das Scheunentor vorsichtig aufzogen. „Wonach suchen wir eigentlich?“, fragte er. „Sucht nach etwas, was eigentlich nicht in eine Scheune gehört“, antwortete Sandra. Sie schalteten ihre Taschenlampen ein und machten sich auf die Suche, Schritt für Schritt. Die Lichtkegel der Taschenlampen zerschnitten die Dunkelheit der Scheune und ab und an glitzerten Staubkörnchen im Schein der Lampen auf. Armin spürte plötzlich unter seinem Schuh einen harten Gegenstand, der unter dem auf dem Boden herumliegenden Stroh verborgen war. Er trat fester auf – das klang hohl, wie eine Pauke. Mario richtete den Strahl seiner Taschenlampe auf Armins Füße, bückte sich und scharrte mit seiner freien Hand das Stroh beiseite. Ein rostiger Metallring kam zum Vorschein. 117
„Leute, da ist etwas!“, sagte er heiser. Mit hektischen Bewegungen befreite er eine größere Fläche vom Stroh. „Eine Falltür“, sagte Sandra leise. „Vielleicht ein Geheimgang?“ Mit vereinten Kräften zogen sie am Metallring und knarrend öffnete sich eine Luke. Ein rabenschwarzes Loch klaffte vor ihnen, das Licht aus den Taschenlampen erhellte eine Treppe, die in das Dunkle hinabführte. „Okay, ich als Erster“, sagte Armin. „Na los“, drängelte Sandra. Sandra und Mario folgten ihm. Sie stiegen in eine dunkle, fremdartige Welt hinab. Die Felswände waren kantig und kalt. Die Treppe machte eine Biegung nach links und endete dann in einer Höhle. Tunnel verzweigten sich. „Wir müssen ganz schön tief im Berginneren sein“, sagte Mario und seine Worte hallten von den Steinwänden wider. „Ein wahres Höhlenlabyrinth“, murmelte Sandra und musterte die Tropfsteine. „Welchen?“, fragte Armin. Mario zog Streichhölzer aus seinem Detektivgürtel und rieb eines an. Die Flamme neigte sich im schwachen Luftzug nach rechts. „Da hinein!“ Langsam, darauf bedacht keinen Lärm zu machen, schlichen sie den Tunnel entlang und erreichten eine zweite Treppe, die noch tiefer in das Berginnere hinabführte. Modrige, stickige Luft schlug ihnen entgegen. Am Ende der Treppe bogen sie in einen schmalen Felstunnel ein. Nach ungefähr 200 Metern, knapp vor einer Biegung, blieb Sandra stehen und der Lichtkreis ihrer Taschenlampe verharrte reglos auf einem Punkt auf dem Boden. Sie kniete nieder und legte eine Hand in eine Fußspur. 118
Sie hatte das Gefühl, eine eiskalte Hand packe sie am Genick. Sandra blickte in düsterer Vorahnung zu Armin und Mario hoch. Deutlich, wie ein Stempel, zeichnete sich eine dreizehige Spur ab. Sie sah so aus wie ihr Gipsabdruck. Daneben war das grobe Profil von Turnschuhen zu sehen. Doch das wirklich Besorgnis erregende war die Schrittlänge der Schuhabdrücke. „1,45 Meter!“, schätzte Mario. „Zu wem auch immer diese Turnschuhe gehören – er ist schnell gelaufen! War er auf der Flucht? Auf der Flucht vor … vor Aliens?“ Sandra stand auf. Das Herz pochte ihr bis zum Hals. Während sie einander anstarrten und seltsames Unbehagen in ihnen hochstieg, drang entferntes Knarren an ihre Ohren. Armin spähte um die Tunnelbiegung und erkannte am Ende des Ganges, in rund 60 Meter Entfernung, einen matten Lichtschein, der durch einen Spalt auf dem Boden zu sickern schien – einen Türspalt. Wortlos, nur auf ein Kopfnicken hin, schlichen SAM auf die Tür zu. Schritt um Schritt verwandelte sich ihr Unbehagen in Nervosität und schließlich in Ängstlichkeit. Sie horchten gespannt an der Tür, doch kein Laut drang zu ihnen. Mario öffnete vorsichtig. Das Ächzen der Türangeln klang unwirklich laut durch die Tunnelgänge. Langsam betraten sie den hell erleuchteten Raum. „Ich glaub’s nicht!“, sagte Sandra. Auch Armin und Mario staunten nicht schlecht. „Die MIS-Zentrale!“, flüsterte Mario mit besorgt klingender Stimme. 119
Armin musterte den Raum und sein Blick machte an einem offen stehenden Wandschrank Halt. Rote Lichtschalter blinkten darin. „Denkt ihr auch, was ich denke –“ Sandra nickte. „Hier stinkt eine Sache mächtig zum Himmel …“ Armin drückte den unteren der drei Knöpfe und eine fugenlos in die stahlgraue Wand eingefügte Tür glitt zur Seite. Sie blickten in eine Aufzugskabine. „Mal sehen, wohin uns dieser Geheimaufzug bringt“, sagte Armin. Mario tippte auf den obersten Knopf, die Lifttür schloss sich und lautlos fuhr die Stahlkabine nach oben. 13 Sekunden lang, dann hielt sie. In ihren Mägen rumorte es. Was erwartete sie auf der anderen Seite der Stahltür? Dann, mit einem leisen Zischen, schoben sich die Stahlflügel zur Seite und gaben den Blick auf etwas so Überwältigendes frei, wie SAM es sich hätten nicht mal träumen lassen. „Einfach unglaublich!“, hauchte Armin. Helles Mondlicht floss wie geschmolzenes Silber durch die hohe, weit gewölbte Glaskuppel über ihren Köpfen. Es zeichnete dämonische Schatten der Bäume, Sträucher und Felsen auf den Boden. Sterne waren zu sehen, irgendwo in der Ferne rauschte ein Bach. „Biosphäre 2“, flüsterte Mario beeindruckt. SAM kamen aus dem Staunen fast nicht mehr heraus. Mit offenen Mündern durchschritten sie diese künstliche, von Max Panck erschaffene Welt. Auf einer dunklen Wasseroberfläche glitzerten die Sterne als flirrende Lichtreflexe. 120
Vor der Asche eines Lagerfeuers blieb Armin stehen. Nachdenklich studierte er die Feuerstelle. „Na klar!“, sagte er plötzlich. „Jetzt weiß ich, was mir an diesem Maisfeldkreis bei Uwes Hof die ganze Zeit keine Ruhe lässt. Der Brandfleck – er fehlt!“ „Was?“ Mario sah ihn fragend an. „Uwe zeigte uns einen UFO-Landeplatz – der Brandfleck in der Wiese … Im Maisfeld aber fehlt jede Feuerspur! Und ein Antrieb wie bei einem senkrecht startenden Kampfjet wäre so stark, dass es gebrochene und geknickte Kolben geben müsste, aber – Fehlanzeige!“ „Kampfjet!“, sagte Sandra. „Du sagst es! Auf der DVD von Jakob Sternblau erteilte dieser einem Leutnant Jansky den Befehl, ein UFO abzuschießen –“ Mario wusste sofort, worauf Sandra hinaus wollte. „Richtig! Und wenn ein Pilot und ein Kampfjet spurlos verschwinden, dann müsste darüber doch in den Nachrichten und in den Zeitungen berichtet werden, aber …“ „… Fehlanzeige!“, ergänzten Sandra und Armin wie aus einem Guss. „Kommt“, sagte Mario gespannt, „bin schon neugierig, ob uns in der Mitteletage Überraschungen erwarten …“ Und SAM erwarteten Überraschungen …
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SETI
„Vielleicht ist Biosphäre 2 in Wirklichkeit nur eine Tarnung und das Alien-Experiment ein geheimes Forschungsprojekt“, meinte Sandra, während sie mit der Liftkabine nach unten fuhren. „Ein Forschungsprojekt wofür?“, fragte Armin. „Irgendeine … Superwaffe, die Militärs gemeinsam in einem geheimen Laboratorium entwickeln?“ „Du siehst zu viel fern“, sagte Mario. „Trotzdem – möglich ist alles. Deshalb sollten wir uns beeilen, Beweise – und die Wahrheit – zu finden.“ „Die Wahrheit hat meist einen hohen Preis“, erwiderte Armin. Der Aufzug hielt, die Lifttüren glitten auseinander. Der Anblick verschlug ihnen die Sprache. „Eine zweite unterirdische Zentrale!“, entfuhr es Mario erstaunt. In dem Raum, der in ihren Vorstellungen der Kommandobrücke eines Raumschiffes ähnlich sah, war es unnatürlich still. Die Apparaturen und Computer entsprachen dem neuesten Stand der Technik. An einem Schreibtischbein waren deutlich rostrote Flecke erkennbar. Bilder und Alien-Poster hingen an den Wänden – es waren Bilder und Poster, die SAM bereits kannten … 122
SAM war gruselig zumute. Vielleicht war es nur ein Angstgefühl, vielleicht auch nicht, aber sie glaubten, die Menschen auf den Bildern starrten sie an, als ob sie wüssten, dass Fremde eingedrungen waren, die nicht hier sein dürften. Auf dem Schreibtisch in der Raummitte stand ein Namensschild: Dr. Jakob Sternblau – SETI „Wo sind all die Menschen geblieben, die normalerweise diese Geräte hier bedienen?“, fragte Mario. „Es sieht aus, als wäre dieser Raum panikartig verlassen worden.“ „Vielleicht sind sie tot“, meinte Armin. „Entführt von den Grauen –“ Sandra fiel ein Computer auf, der nicht an die Stromversorgung angeschlossen war. „Vielleicht ist das hier die Steuerzentrale von Biosphäre 2 oder es gibt überhaupt niemanden, der dies alles hier verwendet“, sagte sie. Armin trat an ein Schaltpult, auf dem ein Radarschirm stand, heran und begann die Schubladen zu durchwühlen. „Na, wer sagt’s denn!“, rief er und hielt einen Gegenstand hoch. „Noch eine DVD!“ Mario öffnete sofort ein Laufwerk an einem PC. „Jetzt wird’s heiß!“ Das Laufwerk schloss, da durchbrach ein helles Klicken das leise Summen der Geräte – die Aufzugkabine war gerufen worden! „Unter den Schreibtisch!“, zischte Mario. Sie drängten sich aneinander, zogen einen Sessel vor und hockten da wie ein riesiger Löwe in einem viel zu engen Käfig. 123
Die Lifttür öffnete sich, Schritte kamen näher. Zuerst fiel ein Schatten in ihr Blickfeld, dann die Gestalt, zu der er gehörte. Vor einem Schrank, den er soeben öffnete, stand der Commander. Mario schluckte. Der Commander legte seine Pistole und die schwarze Kleidung im Schrank ab. Als er seine Stiefel auszog und sie achtlos hineinwarf, sah Armin die Sohle – seine Augen weiteten sich. Als Sandra die tiefe Narbe sah, die von seinem linken Ohr über das Kinn zum Hals verlief, hielt sie die Hand vor den Mund. Marios Blick fiel auf die UFO-förmige Armbanduhr, die der Mann am rechten Handgelenk trug. Die Erinnerung ließ ihn hochfahren und er stieß mit dem Kopf leicht gegen die Schreibtischplatte. Augenblicklich fuhr der Commander herum. Seine stechenden Augen suchten jeden Millimeter des Raumes ab. „Ist da jemand?“, rief der Commander. Er murmelte etwas von Gespenstern, wandte sich wieder dem Schrank zu, schlüpfte in ein buntes Hemd, Jeans und Turnschuhe, schloss die Schranktür und verschwand aus SAMs Blickfeld. Kurz darauf hörten sie das Zischen der Aufzugstür und der Lift fuhr an. SAM krochen aus ihrem Versteck. Was sie soeben gesehen hatten, schien ihren unheimlichen Verdacht zu bestätigen. Mario spielte nun die DVD ab. „Diese UFO-förmige Armbanduhr – ist sie euch auch aufgefallen?“, fragte er Sandra und Armin. 124
„Nicht nur die!“, rief Sandra erregt. „Geh auf ein Standbild von Jakob Sternblau!“ Sandra nahm ein Bild von der Wand, das Max Panck zeigte. Sie schlug den Rahmen fest gegen eine Schreibtischkante. Das Glas splitterte und klirrte laut zu Boden. Dann suchte sie nach einer Schere und schnitt das Gesicht von Max Panck sorgfältig aus dem Bild heraus – ohne Haare. Mario ahnte, was sie dachte. „Du glaubst doch nicht wirklich, Sternblau und Panck sind … Panck wurde begraben!“ Mario sah Sandra an, als zweifle er an ihrem Verstand. „Leute! Seht, was ich hier entdeckt habe“, sagte Armin und hielt triumphierend ein Blatt Papier in der Hand. „Eine Kopie des Vertrags von Professor Pancks Lebensversicherung.“ „Und?“ Mario hielt die DVD an, als sie Jakob Sternblau zeigte. „Die Versicherungssumme ist interessant: Eine Million Euro!“ „Exakt so hoch wie die Schulden für Biosphäre 2!“, kombinierte Sandra sofort. „Jungs, wir haben’s!“ Sie hielt das ausgeschnittene Gesicht von Max Panck neben das Standbild am Bildschirm. „Ich glaub, ich spinne!“, sagten Armin und Mario wie aus einem Mund. SAM ging ein ganzes Lichtermeer auf, jetzt ergaben die Puzzleteile ein schlüssiges Bild! „Wie beweisen wir es?“, fragte Armin. „Wir stellen jemandem eine Falle“, antwortete Sandra 125
und griff zum roten Telefon, das auf dem Schreibtisch stand. „Und zwar eine Sarg-Falle!“ „Du willst zum Alten Friedhof in Ulm!“, riefen Armin und Mario. „Alles kapiert. Wir brauchen Zeugen. Oben funktionieren die Handys. Wir rufen Direktor Grollmann an. Timo und Marko werden vor Neugier die Augen übergehen.“ „Ich telefoniere mit einem Vertreter der Versicherung“, sagte Armin. „Er muss die Polizei mitbringen, die Genehmigung für das andere wird er sicher im Nachhinein erhalten …“ „Walter? … Ja, ich bin’s“, sagte Sandra ungeduldig in die Telefonmuschel. „Hör zu: Wir haben die Beweise und wissen jetzt, was und wer hinter dem Alien-Experiment steckt. Wir haben in einer unterirdischen Zentrale von SETI die DVD gefunden. Das wird die Story deines Lebens für das UFOzine! In einer Stunde, am Alten Friedhof in Ulm …“ Eine gute Stunde später trafen SAM am Alten Friedhof von Ulm ein. Jemand war schon da, doch es war nicht Walter. Es waren auch nicht Direktor Grollmann und andere eingeplante Zeugen.
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Die Sarg-Falle
Es war Roderich Schreck, der Friedhofswärter. Als SAM vor seinem Haus standen und klopften, bemerkten sie, dass überall die Vorhänge zugezogen waren. Roderich rief: „Komme schon!“, bevor er sie einließ und die Tür hinter ihnen schloss. Drinnen erfüllte nur das flackernde Licht eines Kerzenleuchters den Raum. Armin warf ständig nervöse Blicke aus dem Fenster, nachdem er den Vorhang etwas zur Seite geschoben hatte. Draußen herrschte stockfinstere Nacht. Als ahne er, was bevorstand, hatte sich heute sogar der Mond hinter düsteren, schweren Regenwolken versteckt. „Also, was führt euch mitten in der Nacht zu mir auf den Friedhof?“ Vor ihnen stand ein dürrer, knochenbleicher Mann mit Hakennase und fettigem, schulterlangem weißem Haar. Und in diesem Moment flackerte etwas in seinen Augen, das SAM sagte, dass sie sich auf ein gefährliches Spiel eingelassen hatten. „Sie sind unsere letzte Hoffnung“, sagte Sandra mit fast zittriger Stimme, nachdem sie versucht hatte, Roderich von ihrem Plan zu überzeugen. „Nur wir können das AlienExperiment noch gefährden. Sie werden alles versuchen, 127
um uns zu beseitigen. Ohne ihre Hilfe haben wir keinen stichhaltigen Beweis – wir brauchen diese Bilder!“ Ungläubiges Entsetzen verzerrte Roderichs Gesicht zu einer starren Maske. „Nun hört mal genau zu ihr drei, mit euch geht die Fantasie durch. Und solltet ihr auch Recht haben, dann mischt ihr euch da in Dinge ein, die euch nichts angehen. Vergesst den Plan und vergesst, wer in dem Grab liegt“, krächzte Roderich mit rauchiger Stimme. „Genau darum geht es uns ja“, sagte Mario. „Wer wurde nach Max Pancks Unfall wirklich beerdigt?“ „Vielleicht überzeugt Sie ja das hier“, sagte Armin. Weiter hinten im Zimmer stand ein Fernseher mit DVDSpieler. – Doktor Sternblau erschien auf dem Bildschirm. Je länger Jakob Sternblau sprach, desto mehr schien Roderichs Körper zu versteinern. Steif wie ein Brett glotzte er in den Fernseher. Nur seine Augen bewegten sich noch und stierten mit dem Ausdruck äußersten Entsetzens auf die Bilder. „Unfassbar!“, presste er hervor. „Also gut … Hätte nie gedacht, dass ich so was mal tun muss. Und die Polizei stimmt zu, sagt ihr?“ „Sicher“, wiederholte Armin hoffnungsvoll. Leichter Nieselregen hatte eingesetzt, als sie nach draußen traten, Roderich eine Schaufel packte und zu graben begann. Mario richtete den Fotoapparat auf Pancks Grab. „Ich muss verrückt sein!“, brummte Roderich, während Erde aus dem immer tiefer werdenden Loch flog. „Das bringt mich um meine Arbeit als Friedhofswärter.“ 128
Keinem war wohl bei dieser schaurigen Sache. Doch es gab keine andere Möglichkeit, Beweise zu beschaffen. Die Schaufel stieß auf etwas Hartes. Ein dumpfes Geräusch drang aus dem Grab nach oben. SAMs Taschenlampen flammten auf und erhellten das Erdloch. Roderichs Gesicht war fahl. Der schmale Mund zuckte unruhig. Er hatte den Sarg erreicht. „Öffnen Sie ihn“, flüsterte Armin, im Hals staubtrocken vor Schauder und von einer Woge des Grauens durchlaufen. Auch Sandra und Mario trauten sich nicht nach unten zu sehen, als sie hörten, wie Roderich den knarrenden Holzdeckel aufklappte. Und dann ertönte sein markerschütternder, geschockter Aufschrei: „Großer Gott! … Es stimmt!“ SAM holten tief Luft. Sie schoben ihre Köpfe über den Grabrand und starrten in den offenen Sarg hinab. Leer! – Der Sarg war LEER! „Ich hab’s geahnt“, rief Sandra. „Der Unfall war vorgetäuscht – von Anfang an Teil seines Plans!“ „Kluges Köpfchen“, drang plötzlich eine düstere Stimme aus dem Dunkel hinter SAM. Erschrocken fuhren SAM herum, die Lichtkegel ihrer Taschenlampen erfassten vier Gestalten. „Sieh an, Jakob Sternblau oder soll ich besser Professor Max Panck sagen?“, meinte Armin, als eine Person die dunkle Sonnenbrille abnahm, die die vier Personen trotz der Dunkelheit trugen. In der Hand von Panck glaubte Sandra eine Pistole wahrzunehmen. 129
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„Ihr habt euch soeben euer eigenes Grab geschaufelt.“ Seine Kiefer mahlten angriffslustig. „Wer sich mit uns anlegt, legt sich selbst die Schlinge um den Hals“, sagte eine zweite Stimme. Sie gehörte eindeutig zu Walter. Neben ihm standen Uwe und Vera, die in der Zwischenzeit ebenfalls die Sonnenbrillen abgenommen hatten. „Her mit der DVD!“, sagte Vera im Befehlston. „Ihr gefährdet das Alien-Experiment nicht mehr länger.“ „Gefährden?“, fragte Mario. „Wir sollten es doch wohl als Teil ihres Plans in der Öffentlichkeit verbreiten. Eine Alien-Panik war ihr Ziel. Dann hätten die Menschen die Notwendigkeit von Biosphäre 2 verstanden und die Geldquellen wären wieder geflossen.“ „Genau.“ „Was geht hier vor?“, stammelte Roderich, der aus dem Grab geklettert kam und wie angewurzelt stehen blieb, als er Max’ Pistole erblickte. „Ein genialer Plan“, sagte Mario in Richtung Panck. „Die Regierung stellte die Fördergelder für Biosphäre 2 ein. Sie und Vera standen deshalb vor dem Bankrott, weil die Bank dadurch die Rückzahlung der Schulden forderte – eine Million Euro!“ „Daraufhin“, führte Sandra Marios Gedanken weiter, „daraufhin schlossen Sie eine Lebensversicherung über genau diesen Betrag ab, täuschten einen Unfall, ihren Tod und das dazugehörige Begräbnis vor. Vera sollte die Versicherungs-Million kassieren.“ „Richtig. Das Projekt Biosphäre 2 ist somit gerettet und kann weitergeführt werden.“ 131
„Doch damit hatten Sie nicht genug. Sie wollten von der Regierung unabhängig sein und erfanden das AlienExperiment“, erklärte Armin. „Und da kamen wir ihnen gerade recht, als wir die Mondfinsternis beobachten wollten: Sie suchten jemanden, der neugierig und wissbegierig genug war, die UFO-Landungen und die Spuren zu untersuchen und an die Öffentlichkeit zu bringen. Selbst konnten Sie nicht mehr auf den Plan treten, wenn die Versicherung zahlen sollte. Also erfanden Sie SETI, verpassten sich eine neue Identität als Jakob Sternblau und spielten uns mit Walter als Victor Palisa, Uwe als Regener, und Vera ein perfektes Theaterstück vor. Kostüme, künstliche Narben und dergleichen gibt es am Theater, wo Vera arbeitet, ja genügend.“ „Und wir haben uns, wie man sieht, nicht geirrt, als wir nach cleveren Ködern Ausschau hielten“, sagte Walter. „Tagelang haben wir euch beobachtet, auch mit Nachtsichtgeräten, um ganz sicher zu sein, dass ihr die verlässlichen Panikmacher seid.“ „Ihr Plan war auch perfekt“, erwiderte Mario. „Der Maisfeldkreis – mit den Rotorblättern eines Hubschraubers gemacht, nicht wahr?“ „Klug kombiniert“, sagte Panck. „Doch dann unterliefen Ihnen Fehler“, sagte Sandra zu Max Panck. „Das Foto von den Aliens: Es wurde um 2 Uhr 20 aufgenommen. Da war Mondfinsternis; die Mondscheibe auf dem Bild aber leuchtete hell. Dann ihre UFOförmige Armbanduhr, die Sie rechts tragen. Ihnen war klar geworden, dass sie auf der DVD und auf den Fotos, die in Uwes Hof und in ihrer Wohnung hingen, zu sehen war – 132
das hätte ihre Dreifachrolle verraten und den Schwindel auffliegen lassen. Also schlichen Sie nachts in Armins Zelt und raubten die ‚Beweise‘, die wir eigentlich für Sie an die Öffentlichkeit bringen sollten …“ „Wir wussten, ihr seid helle Köpfe.“ „Hätte eine ähnliche UFO-Hysterie eingesetzt wie in Roswell“, sagte Armin, „hätten Sie mit dem Verkauf von Souvenirs ein Vermögen verdient und wären obendrein reich geworden.“ „So war es geplant und so wird es geschehen“, erwiderte Max kalt. „Aber wir mussten den Druck auf euch erhöhen, da ihr die DVD nicht wie geplant weitergegeben habt. Also musstet ihr mit MIS Bekanntschaft machen und Mario mit den Aliens. Nach Uwes vorgetäuschtem Mordversuch mit dem Wagen waren wir sicher, ihr würdet die Polizei einschalten.“ „Und Ihnen unterlief ein weiterer Fehler“, sagte Sandra. „Aber das konnten Sie nicht wissen: Als wir MIS entkamen, rissen Sie bei Ihrem Sturz über den Schreitisch eine Fernsteuerung mit. Da wurde mir plötzlich einiges klar – das UFO, das wir gesehen hatten, war nur ein ferngesteuerter Modellhubschrauber mit Scheinwerfern.“ „Und dass wir den Brandfleck in der Wiese nachträglich mit Benzin machten, ist euch auch längst klar“, sagte Max. Er trat siegesgewiss ein paar Schritte vor. „Heute haben wir den geheimen Verbindungsgang zwischen Uwes Hof und Biosphäre 2 entdeckt. Während Sie sich umzogen, sahen wir das aufgeklebte, dreizehige Profil des Alien-Fußabdrucks auf der Sohle ihrer Stiefel. Damit stand fest, dass wir es mit einer Schmierenkomödie und 133
mit einem Versicherungsbetrug zu tun haben. So erklären sich auch die eckigen Fingerabdrücke auf der DVD – präparierte Handschuhe“, erklärte Armin. „Schmierenkomödie?“, stieß Max einen kehligen, wütenden Schrei aus. „Ihr kapiert überhaupt nichts! Biosphäre 2 sichert eines Tages das Überleben der Menschheit. Das Projekt muss zu Ende geführt werden – um jeden Preis! Seht ihr es denn auch nicht? Der Mensch hat die Achtung vor der Natur verloren, was zu folgeschweren Übeln führt. Die Selbstzerstörung der Menschheit ist in vollem Gange und keiner merkt es. Jeden Tag erreichen uns Schreckensmeldungen: Erdbeben, Dürren, Hochwasserkatastrophen, Ozonschichtzerstörung, Nahrungsmittelknappheit, Missernten, Terror, Kriege, unheilbare Seuchen, Verkehrschaos, Platzmangel … Für immer mehr Menschen wird unsere Welt immer kleiner. Leider hat das der Großteil der Menschheit noch nicht erkannt. Dazu kommt die ungerechte Verteilung von Nahrung, Grund und Boden … Das alles geschieht, weil die Menschen aufgrund ihrer Gewinnsucht das Problem der Überbevölkerung immer noch weiter ankurbeln, weil sie sich vor dem Verlust ihrer Machtpositionen und ihrer Profitquellen fürchten. Somit wird unser Lebensraum Erde – die Biosphäre 1 – unweigerlich zerstört werden. Ich, Professor Max Panck, schenke jenen, die es kapiert haben, Biosphäre 2 – ein neues Leben nach dem Untergang, wenn der gnadenlose Konkurrenzkampf seinen Tribut gefordert hat.“ SAM wechselten beklommene Blicke. Tief in ihrem Inneren wussten Sie, dass Panck Recht hatte. Doch rechtfertigte das sein Tun – einen derartigen Versicherungsbetrug? 134
Einen Mordversuch – was hätte alles schief laufen können! Und strebte er nicht selbst nach Reichtum und Macht durch den Verkauf von UFO-Souvenirs und durch seine Kenntnisse über Biosphäre 2? „Den Fotoapparat – los!“, sagte Walter schroff. Sandra sah Armin und Mario an und ihre Augen schienen ihnen einen Hinweis geben zu wollen. Ihre Gegner waren aalglatt und clever. „Sie haben Recht, was Biosphäre 2 betrifft“, sagte sie. „Aber bei einem millionenschweren Betrug spielen wir nicht mit. Das Geschäft ist unredlich!“ „Und eure Neugier ist euer Todesurteil“, krächzte Max und hob die Pistole. SAM wussten, dass dies keine leere Drohung war. In diesem Augenblick tauchten Direktor Grollmann, Timo und Marko am Friedhofseingang auf und wurden zu vor Angst gelähmten Beobachtern der Szene. Langsam kamen die vier auf sie zu, ihre Augen unverwandt auf SAM gerichtet. „Als ihr mich vorhin angerufen habt, wusste ich, dass ihr versuchen würdet das Grab zu öffnen“, sagte Walter heiser. „Mutig von euch, anstelle der Polizei, selbst zu Roderich gegangen zu sein … das macht alles viel leichter …“ Die letzten Worte spuckte Walter förmlich aus und sie klangen endgültig … „Sie schießen doch nicht auf Kinder“, sagte Sandra. Armin wusste, ihre kaltschnäuzige Rede war kein Heldentum. Sandra wollte Zeit gewinnen. Ihre Augen funkelten. 135
„Achtung!“, konnte Armin gerade noch rufen, dann trat er blitzschnell mit dem rechten Fuß zu und traf Max’ Hand. „Ahhh!“ Die Pistole knallte gegen Pancks Stirn. Armin traf abermals. Ein Schuss – der lange Feuerblitz fraß sich in die Dunkelheit. Die Pistole wirbelte durch die Nacht und landete mit einem lauten Poltern im Sarg. Wie ein Rudel Wölfe stürzten sich die vier auf SAM. Walters Hände bekamen Mario zu fassen und schlossen sich um dessen Hals. „Wenn Sie uns töten wollen, dann müssen Sie uns alle drei töten!“, krächzte Mario grimmig, doch der Luftmangel ließ ihn leichenblass werden und ihm wurde schwindelig. Walters Grinsen wurde breiter. „Gleich hast du ausgehustet, Kleiner!“ Womit er aber nicht gerechnet hatte, war, dass SAM in Selbstverteidigung geübt waren. Mario wusste, wie man sich aus einem Würgegriff von vorne befreite: Kräftig stieß er beide Hände von unten durch Walters Arme, fasste Walters Kopf und riss dessen Oberkörper fest gegen sein hochstoßendes Knie, das er Walter in den Magen rammte. „Urghhh!“ Mit einem gequälten Aufschrei taumelte Walter zurück, stolperte über eine Grabeinfassung und schlug mit dem Kopf gegen einen Grabstein. Noch einmal drang schmerzerfülltes Stöhnen aus seiner Kehle, dann sackte er bewusstlos zur Seite. „Hinter dir!“, warnte Armin Mario noch vor Vera, da spürte er, wie sich Uwes Arme von hinten um seinen Brustkorb klammerten. Uwe grapschte nach Armins Taschenmesser im Detektivgürtel. 136
Mit voller Wucht stieß Armin seinen Kopf nach hinten gegen Uwes Nase. Uwe schrie auf. Tausend Sterne explodierten vor seinen Augen. Mit blutender Nase und vernebeltem Blick taumelte er zurück, doch gleich darauf, wankend wie ein Betrunkener, wieder auf Armin zu. Zügelloser Zorn loderte in seinem Blick. Hellwach machte Armin einen Schritt zur Seite und bückte sich. Mit voller Kraft schlug Uwes Faust ins Leere. Er stürzte auf das offene Grab zu. Sein Körper verschwand plötzlich, als habe sich die Hölle vor ihm aufgetan und ihn verschluckt. Dann hörte man ein dumpfes Poltern. Vera hatte jedoch nicht Mario, sondern Sandra gepackt. Sie stürzten und rollten über den Boden. Erst sah es aus, als könne sich Sandra dem harten Griff entziehen, doch dann kam Max, der sich von dem überraschenden Angriff erholt hatte, Vera zu Hilfe. Er fasste Sandra am Hals, ihr Gesicht wurde blasser, ihre Gegenwehr nahm ab, bis sie nur noch zappelte. Mario atmete schwer, als er Max Panck erreichte. Er hatte sich Roderichs Schaufel geschnappt und schlug sie mit Wucht gegen Pancks Schienbein. Es knackste. Max Panck fiel wie ein gefällter Baum. Er schrie vor Schmerz auf und rief mit weinerlicher Stimme immer wieder „Au, das tut weh!“. Noch immer reagierten Grollmann, Timo und Marko nicht. Vera war aus einem anderen Holz geschnitzt! Sie hatte in der Zwischenzeit nach einem Stein gegriffen und wollte damit auf Sandra einschlagen, als ein gezielter Wurf von Armin, er hatte einfach seine Taschenlampe geschleudert, ihr in letzter Sekunde den Stein aus der Hand schlug. Ma137
rio eilte zu Vera und half Sandra aus der Umklammerung. Schließlich konnten sie beide Vera zu Boden halten. Aus der Ferne waren sich nähernde Polizeisirenen zu hören. Auch Roderich war aus seiner Erstarrung erwacht und lief um Stricke. Grollmann, Timo und Marko setzten sich endlich in Bewegung, jetzt, wo die größte Gefahr vorbei war. Mit vereinten Kräften fesselten sie die Gauner. Grollmann schnaufte dabei und murmelte ständig: „Das hat ein Nachspiel. Mit mir macht man so was nicht!“ Als die Polizei eintraf, fand sie einen Friedhof vor, der einem Schlachtfeld glich. „Wir hoffen, die Beweise sind ausreichend, Herr Kommissar“, keuchte Mario und übergab einem Mann in Zivil, der leicht erkennbar das Kommando innehatte, den Fotoapparat und die DVD. „Ich hatte ganz schöne Angst um euch“, sagte ein kleinerer, untersetzter Mann neben ihm. Und wie Sandra schaltete Florian Beck, der Versicherungsvertreter, sein Handy aus. „Tolle List!“ Er hatte von Anfang an alles mitgehört. „Warum haben wir uns ausgerechnet euch ausgesucht“, ächzte Max, der langsam begriff, was eigentlich alles geschehen war. „Das war Ihr größter Fehler“, sagte Sandra. „Ich hätte es wissen müssen, dass ihr der Sache auf den Grund geht“, antwortete er. „Dazu ist es jetzt zu spät“, lachte Mario und SAM klatschten triumphierend die Hände ab. Erleichterung – warme, tief greifende Erleichterung – durchflutete die drei Hobbydetektive. 138
Am nächsten Morgen, Max, Walter, Uwe und Vera saßen hinter Gittern, erzählten SAM auf dem Polizeirevier dem Kommissar die ausführlichen Einzelheiten. „Brillant, wie ihr den Fall gelöst habt“, sagte der Kommissar so leise, dass Direktor Grollmann es nicht hören konnte. Es klopfte an der Tür und ein junger Mann, der sich als Tobias Höfer vorstellte, steckte den Kopf in das Büro. „Entschuldigen sie die Störung, aber … ihr drei seid SAM, diese berühmten Detektive, nicht wahr?“ Sandra, Armin und Mario nickten stolz, besonders in Richtung von Timo und Marko, die vor Neid fast zerplatzten. „Ich biete jedem von euch 500 Euro für ein Exklusivinterview. Ich bin Reporter beim UFOzine, das ist …“ „Wir wissen, was das ist“, lachten SAM. „Geht klar!“ Timo und Marko wären am liebsten im Erdboden versunken, als sie das hörten. „Tolle Nachricht“, rief der Kommissar als er den Hörer auflegte. „Das Land Baden-Württemberg übernimmt die Finanzierung von Biosphäre 2 – das Projekt wird zu Ende geführt!“ Alle Anwesenden klatschten Beifall, denn trotz der Vorfälle wussten sie, im Grunde hatte Max Panck Recht. Die Umweltzerstörung musste wirklich gestoppt werden – dringend! Die Protokolle waren aufgenommen und der Rest der Lagerwoche in der Schwäbischen Alb nahm seinen Lauf – diesmal aber den gewohnten. 139
„Wenn ihr wollt“, flüsterte Mario Timo und Marko zu, als sie die Lagerwache ablösten, „kaufen wir euch einen tollen Feldstecher – für den speziellen ‚Durchblick‘ – könnte ja sein, dass während eurer Wache ein UFO auftaucht …“ Timo und Marko liefen an wie eine Tomate. „Verschwindet, ihr hattet nur Glück!“, grummelte Timo zornig. „Nehmt’s leicht, vielleicht klappt’s ja auch bei euch mal und ihr löst einen Fall. Fangt klein an zu üben – vielleicht damit, wie man einem Baby den Schnuller klaut.“ SAM lachten auf und machten sich schnell auf den Weg zu Klaus, um noch einen ordentlichen Happen zu sich zu nehmen. Schließlich konnten sie nicht wissen, dass das nächste Abenteuer unmittelbar bevorstand – und es sollte ein wahrhaft unheimliches Abenteuer sein.*
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siehe CodeName SAM, Geheimfall 8: „Der Fluch der Geisterpiraten“ 140
7. Mai 1980, 15.50 Uhr: Ein holländischer KLM-Jet überfliegt die Weststeiermark in Österreich. Plötzlich sichten die Piloten ein unbekanntes, schwarzes Flugobjekt. UFOAlarm! Zwei Abfangjäger vom Typ Saab 105 Oe steigen auf, doch die Manöver des UFOs sind zu schnell. 2 Stunden später: Wieder UFO-Alarm – über dem Dachstein. Die Abfangjäger steigen jetzt, ausgerüstet mit einem ‚Fotoaufklärer‘, auf, um das UFO zu fotografieren. Foto um Foto wird geschossen, doch seltsamerweise sind die Bilder nach der Entwicklung ‚unbrauchbar‘. Die Militärbehörde in Österreich ordnet Verteidigungsbereitschaft an, der damalige Bundespräsident, Dr. Rudolf Kirchschläger, wird verständigt. Die Angelegenheit soll geheim gehalten werden, was aber durch die Tageszeitung „Kurier“ nicht gelingt. Die Militäreinsatzzentrale behauptet, es habe sich um einen Wetterballon gehandelt. Doch das widerspricht dem ungewöhnlichen Flugverhalten des Phänomens. Und außerdem: War Österreichs Luftverteidigung nicht im Stande, einen Wetterballon zu fotografieren? Oder schlummern irgendwo in Österreich bis heute geheime „XAkten“? 141
1977 Wedel bei Hamburg, Deutschland: Walter Schilling fotografiert einen tellerähnlichen Flugkörper (Bild). Untersuchungen zeigen, dass genau an der Stelle ein Schatten ist, wohin ihn ein etwa zehn Meter großes Objekt, in rund 150 Meter Entfernung vom Augenzeugen, hätte werfen müssen (zum Zeitpunkt des Fotografierens).
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Albert Einstein (1879-1955) war Physiker. In Ulm geboren, verlieh man ihm 1922 den Nobelpreis für Physik (=Naturkunde). Er entwickelte die Relativitätstheorie: Sie besagt, dass die Zeit, je nachdem, von wo aus wir etwas beobachten, nicht immer gleich schnell vergeht, weil alles im Universum in Bewegung, also veränderlich (=relativ) ist. Nur die Lichtgeschwindigkeit (=299.792,5 km pro Sekunde) bleibt immer gleich.
Ein verblüffendes Gedankenexperiment Stell dir vor, von Ort A nach Ort B sind es 100 km. Wie lange brauchst du mit verschiedenen Geschwindigkeiten, um diese Strecke zurückzulegen? Bei 100 km/h = 1 Stunde (60 Minuten) Bei 400 km/h =15 Minuten Bei 6.400 km/h = 0,9375 Minuten (=56,25 Sekunden) Bei 6,4 Millionen km/h = 0,055 Sekunden usw. Irgendwann wärst du so schnell, dass überhaupt keine Zeit mehr verstreichen würde. Steht die Zeit dann ab einer gewissen Geschwindigkeit still? Wärst du dann an beiden Orten gleichzeitig? Oder gäbe es dich überhaupt nicht? Oder gibt es dich x-beliebig oft, weil du dann ja „jederzeit“ an allen Orten „gleichzeitig“ sein könntest? Wären dann Zeitreisen möglich?
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Die Schwäbische Alb (=Gebirge im südwestlichen Deutschland) entstand vor rund 150 Mill. Jahren. Reich an Schlössern und Burgen. Überall trifft man auf Tropfsteinhöhlen. In die Nebelhöhle (380 Meter lang) steigt man über 141 Stufen hinab. Die Donaustadt Ulm geht bis ins Jahr 854 zurück. Im 15. Jh. war Ulm eine der reichsten Städte Europas. Der Westturm des Ulmer Münsters (=Kirche) ist mit 161 Meter der höchste Kirchturm der Welt.
Was geschieht, wenn die Erde durch Atomkraftwerkunfälle und Umweltverschmutzung unbewohnbar wird? Können wir Menschen in einer künstlichen Welt überleben? Um dies zu erforschen, begann im September 1991 der 150 Millionen Dollar teure Bau der Biosphäre II. Riesige Glashäuser mit Stahlskelett beinhalten eine Anlage, die künstliches Wetter erzeugt. Gemüse, Obst und Getreide wurden angebaut … Vier Männer und Frauen sollten sich in dieser Mini-Welt zwei Jahre lang selbst versorgen. Bald gab es Probleme mit der Atemluft, Gifte entstanden, alles geriet aus dem Gleichgewicht. Das Experiment schlug fehl. Ergebnis: der Mensch kann nur in Biosphäre I überleben – auf unserer Erde.
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Magisches Metall: Dieses Stück Metall stammt von Dr. Michael Wolf aus Connecticut, USA. Es schmilzt durch Eis und stammt angeblich aus Roswell, von der Fundstelle, wo 1947 ein UFO abgestürzt sein soll.
Eine von vielen Abbildungen.
Alien-
Das Santilli-Video zeigt, wie ein Arzt einen angeblichen Alien untersucht.
Querschnitt durch ein richtig angelegtes Grabenfeuer (unsichtbares Feuer).
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