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PERRY RHODAN – Extra 2 Das Antares-Riff Autor: H.G.Francis ERNEUTER VORSTOß INS UNIVERSUM – MUTIGE TERRANER RISKIEREN DEN HYPERSTURM Zu Beginn des 14. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung leiden die Menschen auf der Erde und auf den zahlreichen Planeten der Milchstraße immer noch unter den Nachwirkungen des so genannten Hyperimpedanz-Schocks. Zahlreiche technische Annehmlichkeiten, an die sich die Terraner gewöhnt haben, können auf einmal nicht mehr genutzt werden. Doch seit Perry Rhodan der Menschheit den Zugang zu den Sternen erschloss, haben die Bewohner der Erde immer wieder eine Möglichkeit gefunden, sich gegen alle Schwierigkeiten durchzusetzen. Findige Konstrukteure und tollkühne Piloten wagen erneut den Aufbruch ins All. Sie greifen dabei auf eine Technologie zurück, die als »veraltet« galt. Ausgerechnet ein Sektor der Galaxis wird zum Ziel, der besonders gefährlich ist. Dort toben Hyperstürme, die Raumfahrt zu einem riskanten Abenteuer machen. Trotzdem startet eine Expedition in diese Region – es ist DAS ANTARES-RIFF
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Man kann Gott bis in die Tiefen des Universums hinein oder bis ins Innerste eines Atoms suchen, finden wird man ihn nur im Herzen! Perry Rhodan, 4. August 1999 Auf zweiundvierzig Monitoren konnte Albion Aldograd verfolgen, wie der Junge einen kurzen Anlauf nahm und dann mit einem weiten Satz vom Dach des siebenhundertdreißig Meter hohen Gebäudes sprang. Die langen blonden Haare flatterten um seinen Kopf, während er nahezu ungesichert in den Abgrund stürzte - die Arme balancierend ausgebreitet, das Gesicht von höchster Konzentration gezeichnet. Er trug keinen Antigravgürtel und hielt lediglich einen Haken aus hochverdichtetem, mit Nanopartikeln durchsetztem T-Verkonit in der Hand. Für ihn und seine Freunde wäre es unicy gewesen, sich anderer Hilfsmittel zu bedienen. Sie gingen das Risiko bewusst ein, und niemand, der anders vorgegangen wäre, hätte Zugang zum Kreis ihrer verschworenen Gemeinschaft bekommen. Erst vor wenigen Wochen war Albion Aldograd auf ihn und die anderen Jungen und Mädchen aufmerksam geworden. Im Laufe seines Berufslebens als Journalist hatte er ein Gespür für Dinge entwickelt, denen nachzugehen sich lohnte. Er war immer auf der Jagd nach neuen, interessanten Themen. Wie schon so oft war er sich auch dieses Mal sicher, dass er einen Stoff gefunden hatte, an dem auch für TTR kein Weg vorbeiführte. Das Geschehen war so ungewöhnlich und so aufregend, dass die Öffentlichkeit einen Anspruch darauf hatte, darüber informiert zu werden. Neun Miniaturkameras waren auf den springenden Jungen gerichtet. Jede nahm ihn aus einer anderen Perspektive auf. Daher konnte Albion Aldograd sein Gesicht Format füllend auf einem der Monitoren sehen, während die flatternden
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Haare über einen der anderen wirbelten, die weit geöffneten Augen sich auf einem dritten abzeichneten und die Füße das Bild auf einem weiteren bestimmten. Jede der Kameras war mit einem Mikrograv versehen, sodass sie flugfähig war und dem Jungen folgen konnte, um jede Phase des »Todessprungs« mit allen Details zu erfassen. Eine der Kameras erhaschte einen Blick auf das Gesicht der jungen Frau in dem Gleiter, den der Junge sich als Ziel ausgesucht hatte. Gespannt, jedoch mit der innerlichen Gelassenheit, die der Beruf mit sich brachte, beobachtete der Journalist, wie sich die Füße dem Heck des Gleiters näherten. Er war sicher, dass sie dort aufprallen und haften würden. »Gutes Bild«, flüsterte Aldograd. Tatsächlich landete der Surfer auf der Maschine. Augenblicklich entspannte sich sein Gesicht, und während er noch um sein Gleichgewicht kämpfte, ging ein strahlendes Lächeln über seine Lippen. Das aber erlosch, als der Gleiter urplötzlich zur Seite kippte, sodass sich der Junge nicht mehr halten konnte. Er warf sich nach vorn und hangelte verzweifelt mit der Linken nach einem Spoiler, während er den Haken, den er in der rechten Hand hielt, auf die Karosserie zu schlagen versuchte. Das T-Verkonit hätte die dünne Außenhaut des Gleiters zweifellos durchbohrt. Doch der Haken verfehlte den Gleiter, und die linke Hand erreichte den Spoiler nicht. Zudem verließ die Maschine wider alle Wahrscheinlichkeit die positronisch kontrollierte, vorgeschriebene Bahn, bog in den freien Raum zwischen zwei Hochhäusern ab und jagte gleichzeitig in die Tiefe. Wild um sich schlagend fiel der Surfer in den Abgrund. Eine der Kameras war auf die anderen Jungen und Mädchen gerichtet. Sie standen auf dem brückenartigen Gebilde, das beide Gebäude dicht unter ihrer Spitze miteinander verband. Von dieser Position aus beobachteten sie die unter ihnen vorbeiziehenden Gleiter, um dann
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überraschend für die Insassen auf die Maschinen zu springen, möglichst aufrecht darauf zu landen und während des weiteren Fluges darauf stehen zu bleiben. Albion Aldograd war den Surfern seit Monaten auf den Fersen. Eigentlich seit Anfang dieses Jahres 1336 NGZ. Ständig wechselten sie die Orte für ihre gewagten Aktionen, legten Pausen von manchmal mehr als zwei oder drei Wochen ein, bevor sie ihre Abenteuer fortsetzten. Sie verstanden es, blitzschnell unterzutauchen, sobald ihnen Sicherheitsroboter oder lebende Ordnungshüter zu nahe kamen. Vergeblich hatte er versucht, ein Interview mit ihnen zu führen oder zu filmen. Zumindest mit einem einzigen. Doch immer wieder waren ihm die Surfer ausgewichen. So blieb ihm nur die Möglichkeit, sie mit Hilfe seiner Technik zu beobachten. Bisher war ihr provokantes Spiel aufgegangen. Die Gleiter bewegten sich auf Flugbahnen, die sowohl von der bordeigenen Positronik als auch von stationären Satelliten aus kontrolliert wurden. Sobald die Beschleunigungsphase abgeschlossen war, flogen alle Maschinen mit vorgegebener Geschwindigkeit, sodass sich für den geübten Surfer genau vorausberechnen ließ, wann und wie schnell sie unter der Brücke hindurchschwebten. Für die Jungen und Mädchen war es ein »icy game«, wie sie es nannten, und je erschrockener die Insassen der Gleiter waren, desto mehr genossen sie den lebensgefährlichen Ritt in siebenhundert. Metern Höhe und mit minimaler Sicherung: Mittlerweile hatte Albion Aldograd dank seiner Beharrlichkeit Bildmaterial gesammelt, das er als geradezu sensationell einstufte und das er der Öffentlichkeit auf jeden Fall zugänglich machen wollte. Jetzt stand er vor einem Problem. Er musste sich blitzschnell entscheiden. Was nun?, überlegte er. Ein Junge, der unaufhaltsam in die Tiefe stürzt. Und ein Gleiter der die Technik überlistet und die positronisch kontrollierte Bahn verlässt. Beides sind Themen!
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Ausschlaggebend für die Entscheidung des Journalisten war die Tatsache, dass die Maschine langsamer flog, als der Junge fiel. Er konnte den Stürzenden beobachten. Danach blieb ihm voraussichtlich noch Zeit, sich um den Gleiter zu kümmern. Er lenkte die Kameras in die Tiefe. Nach nur wenigen Sekunden hatte er das von einem Schock gezeichnete Gesicht des Jungen im Bild. Die Augen waren geweitet, aber blicklos. Angesichts des drohenden Todes hatte der Surfer geistig abgeschaltet. Falls er überhaupt noch etwas sah, dann waren es Bilder, die vor seinem inneren Auge abliefen. Albion blendete kurz um zu den anderen Surfern auf der Brücke. Sie hatten sich alle auf den Boden geworfen, lagen unmittelbar an der Kante der Brücke und blickten entsetzt in die Tiefe. Keiner von ihnen schien sich je mit dem Gedanken befasst zu haben. sie könnten tatsächlich abstürzen. Sie alle hatten diesen Gedanken verdrängt, so als ob Gleitersurfen ein Trivid-Spiel sei, das man jederzeit abbrechen konnte. Der Journalist hätte dem Stürzenden etwas mitteilen können. Er hätte die Möglichkeit gehabt, Kontakt zu ihm aufzunehmen. Er verzichtete darauf, als Journalist war er nur Beobachter, kein Akteur. Nie wäre ihm auch eine Frage über die Lippen gekommen wie »Was fühlst du jetzt?« Albion war auf Sensationen aus. Unbestritten. Dabei aber schreckte er vor jenen Banalitäten zurück, wie sie vielen seiner Berufskollegen immer wieder unterliefen. Er verfolgte den Jungen, bis sich kaum zwanzig Meter über dem Boden ein Antigravfeld vor dem Gebäude aufbaute und ihn auffing. Der Stürzende raste in das Feld hinein und wurde ziemlich abrupt abgebremst. Er war zu jung und zu unerfahren, um von dieser automatischen Gebäudesicherung zu wissen. Die Wucht des Aufpralls wirbelte ihn herum, sodass er sich mehrmals überschlug und die Orientierung vollkommen verlor. Als er auf dem Boden landete, stand er unter einem schweren Schock und war
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nicht mehr in der Lage, sich auf den Beinen zu halten. Er schrie, erlitt einen Weinkrampf und schien sich nicht mehr daraus lösen zu können. Die Kameras liefen. * Albion war mit dem Ergebnis seiner Arbeit am heutigen Tage zufrieden. Er hatte eine schwere Zeit hinter sich, eine Mitteln kämpfte er gegen den Untergang Karriere mit atemberaubenden Höhen und Tiefen. Er hatte bei Terra Network Trivid angefangen, als Inszenator, Journalist und Korrespondent. Rhetorik, Schnitt, Informationsaufbereitung, Grafik, Sound, Kameraführung ... alles syntrongestützt selbstverständlich. Es war wie eine goldene Zeit gewesen. Alles, was er tat, hatte von Anfang an darauf gezielt, einen eigenen Trivid-Sender aufzubauen. Dabei hatte er Erfolg gehabt und erklomm nach harter, erfolgreicher Arbeit den Thron des Produzenten. Zwei Sender hatten ihm gehört: der Infotainmentsender Albion3D und der auf Nachrichten und Wissenschaft spezialisierte Earth & Space. Von der Pike auf, pflegte er es seinen Mitarbeitern damals immer wieder zu sagen, von der Pike auf habe ich dieses Metier erobert. Ihr könnt mir nichts vormachen. Also arbeitet ordentlich! Und dann die Katastrophe: Der 11. September 1331 NGZ hatte den totalen Einbruch in seiner Karriere bedeutet. Die Geschichtswissenschaft nannte es mittlerweile nur noch den HyperimpedanzSchock, und die Naturwissenschaftler tüftelten an Neulösungen alter Verfahren herum. Doch für Albion Aldograd war es wie die Begegnung mit seiner ganz persönlichen Nemesis. Buchstäblich über Nacht war jegliche moderne Technik irreparabel ausgefallen. Und er hatte seinen Trivid-Sender EAS selbstverständlich mit den exaltiertesten Entwicklungen ausstaffiert, die es bei maximaler Ausreizung seines finanziellen Gestaltungsspielraums gegeben hatte. Futsch.
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Von einem Augenblick auf den anderen war er nur noch der Besitzer von Schrott. Den Ausfall der gesamten Sendeanlagen seines privaten Trivid-Senders hatte er nicht einmal ansatzweise finanziell oder technisch auffangen können. Albion Aldograd musste hilflos zusehen, wie sich sein Milliardenvermögen in nichts auflöste und wie die Welt nur um Haaresbreite dem Chaos entkam, das der Hyperimpedanz-Schock bedeutet hatte. Mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mittel kämpfte der gegen den Untergang von EAS. Am Ende war er wieder das, was er zu Anfang seiner Karriere gewesen war — ein mittelloser Produzent und ein tätiger Journalist. Die Welt hatte sich gewandelt. Sie roch wieder neu — und gefährlich. Zumindest für jemanden, der wieder bei null anfangen musste, was im Grunde bedeutete: für alle. Doch nicht alle hatten so viel verloren wie Aldograd. Die Landung auf dem Boden der Tatsachen war hart und schmerzhaft. Ihm blieb nichts anderes übrig, als seinen Sender technisch auszuschlachten, wo dies noch möglich war und sinnvoll erschien, sowie alle Verträge mit seinen Mitarbeitern aufzulösen und sämtliche finanziellen Verpflichtungen zu neutralisieren. Als er einen Schlussstrich zog, war er Eigentümer eines riesigen, leeren Gebäudes mitten in Terrania City, für das es derzeit weder Verwendung noch neue Mieter oder Besitzer gab. Terraner packen an!, hatte sich 1331 zum geflügelten Wort entwickelt und einen weltweiten Motivationsschub bedeutet, auf den am 11. September kein noch so kühner Buchmacher hätte Wetten abschließen mögen. Während die meisten Terraner sich dem direkten, handfesten Wiederaufbau widmeten, hielt Albion Aldograd an seiner Vision fest und begann dort, wo er schon einmal begonnen hatte. Nachdem er seine Wohnung gekündigt hatte, die in einem anderen Stadtteil lag, richtete er sich in einem der Räume seines Senders ein und beschaffte sich mit den
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Kontakten, die ihm geblieben waren, Minipositroniken und einfache Kameras, Schneidmaterial und Rechnerzugriffe. Anfangs benutzte er sogar lediglich einen Stift und Schreibfolien, weil nichts anderes verfügbar war. Wenn er sich danach aufmachte, um irgendwo in der Stadt oder ihrer näheren Umgebung zu recherchieren, verschloss er die Eingangstüren, obwohl er nicht zu befürchten brauchte, dass irgendjemand eindrang und Schaden anrichtete. Später räumte er eine ganze Etage, um Menschen Unterkunft zu gewähren, die im Zuge des totalen Zusammenbruchs der Wirtschaft obdachlos geworden waren. Sie waren ihm dankbar dafür, verhielten sich ruhig und boten ihm ihre Hilfe an, wo immer es ihnen möglich war. Hin und wieder beschäftigte er den einen oder anderen für kleine Aufträge, die er so gut entlohnte, wie er konnte. Er gab nicht auf. Schon in den ersten Tagen nach dem Hyperimpedanz-Schock war er auf der Suche nach Themen. Stieß er auf eines, das ihm interessant genug erschien, ging er mit einer Sorgfalt und Intensität vor, als könne er es tatsächlich verwerten. Dabei gab es keine Sender mehr, an die er es hätte verkaufen können. Er produzierte auf Vorrat für später, überzeugt davon, dass es irgendwann wieder eine farbige Trivid-Landschaft geben würde. Wochen verstrichen, bis TTR - Terrania-Trivideo - wieder auf Sendung ging. Zunächst versorgte die staatlich gelenkte Anstalt die Bewohner der Stadt für kaum eine Stunde mit Informationen, später wurden mehrere Stunden daraus. Die Regierung - auf diesem Gebiet vertreten durch Homer G. Adams - nutzte die Möglichkeiten von TTR, um die sich auftürmenden Probleme des Neuaufbaus nach dem Hyperimpedanz-Schock und dem Ausfall aller Syntronik zu bewältigen. Für journalistische Arbeiten der Art, wie Albion Aldograd sie anbot, war kein Platz. Dennoch suchte der ehemalige Herr über die Privatsender Albion3D und EAS die Büros der Redakteure wenigstens einmal in
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der Woche auf, um sich und seine Arbeiten anzubieten und für ein wenig Unterhaltung beim Sender zu plädieren. * »Bei mir rennst du offene Türen ein, Albion«. beteuerte Frisher Kreea mit geradezu beängstigender Gewissheit jedes Mal, wenn Aldograd ihm Material anbot. Kreea war ein etwa einhundertzwanzigjähriger Redakteur, der seit vielen Jahren schon bei TTR arbeitete. Albion hatte den Eindruck, dass er schon gar nicht mehr anders denken konnte als in den von diesem Sender vorgegebenen Bahnen. Er war klein und zierlich, hatte ein rotes Gesicht mit kräftigen Wangen, einer kleinen Nase und weit auseinander stehenden blauen Augen, die sich - Wenn er sich gestresst fühlte - unabhängig von einander bewegten. Er saß in einem kleinen Büro, das ohne die projektiven Gestaltungselemente eines einfachen Syntrons plötzlich sowohl leer als auch extrem beengend erschien. Alles hier atmete die Hoffnung, es werde irgendwann wieder so werden wie früher, ganz besonders Kreea selbst, eingeklemmt zwischen Schreibfolien und positronischen Geräten, von denen jedoch nur eines eingeschaltet war. Das schüttere, mausgraue Haar war dünn geworden und bedeckte seinen Schädel nur noch wie ein Nebelhauch. »Wenn es nach mir ginge, würde ich noch heute Unterhaltung bringen. Aber es geht nicht nach mir. Der Staat bedarf des Senders, um das Leben in diesen unsiche... interessanten Zeiten zu begleiten und zu sichern. Wenn all das vorbei ist ... diese schreckliche Sektengeschichte, du weißt schon, Technikfeinde, Untergangspropheten und all das ... dann, ja, vielleicht dann.« Er hob die Schultern an den Kopf, um seine Hilflosigkeit anzudeuten. Dabei blies er die Wangen auf und verdrehte die Augen. »Natürlich.«
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Albion Aldograd ließ sich nicht täuschen. Er kannte diesen Redakteur schon seit Jahren, und mit niemandem hatte er mehr Schwierigkeiten gehabt als mit ihm. Bedauerlicherweise war Frisher Kreea der Einzige im Sender, der überhaupt für Außenstehende ansprechbar war. Dieser sture und engstirnige Mann verweigerte normalerweise allein schon das Gespräch über Unterhaltung im Trivid. Dennoch, nahm der Journalist sich vor. Lass ihn sein, wie er will, ich bleibe am Ball. Die Entwicklung spricht für mich. Früher oder später wird Kreea seinen Platz räumen oder sich neuen Anweisungen beugen. Er war fest davon überzeugt, dass auch einem Sender wie TTR nichts anderes übrig blieb, als seine Sendungen mit mehr und besserer Unterhaltung anzureichern, um überhaupt Zuschauer ansprechen zu können. Kein Mensch konnte daran interessiert sein, immer nur sachliche Informationen über die Wasser- und Energieversorgung der Stadt, die Verkehrsregelungen, über politische Entwicklungen auf der Erde, erste und weiterführende Schritte ins All, die Pflege von Säuglingen oder Alten, erlaubte und nicht erlaubte Zusätze im Brot, die Möglichkeit, sich selbst Haut pflegende Mittel herzustellen und andere praktische Hinweise zu erhalten. Die Menschen wollten nicht wissen, wie die Verkehrswege allmählich wieder aufgebaut wurden, sie wollten sie benutzen, sie wollten keine endlosen juristischen Vorträge über das Kleingeschriebene in Mietverträgen hören. sondern sie wollten Wohnungen haben, in denen sich leben ließ. Und sie wollten zuweilen Unterhaltung und Reportagen, die diesen Namen auch verdienten. Irgendwann war Schluss mit dem, was die Journalisten wenig respektvoll unter sich Schul-Trivid nannten. »Es ist brisantes Material, das förmlich nach Ausstrahlung schreit«, sagte er. »Du solltest es nicht zu weit in die Ecke legen. Vielleicht brauchst du es schon morgen.«
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»Ich werde daran denken«, versprach Frisher Kreea und gähnte hinter der vorgehaltenen Hand. Er war gelangweilt und glaubte nicht daran, dass der Sender sein Programm in absehbarer Zeit ändern würde. Unter seiner Ägide würde es jedenfalls nichts geschehen. Als Albion Aldograd - und viele seiner Freunde und Kollegen - erkannten, wie sich TTR entwickelte, versuchten sie mit vereinten Kräften, einen eigenen Sender aufzubauen. Den privaten Infotainmentsender Albion3D. Dazu war die Genehmigung der Behörden nötig. Tatsächlich erhielt Aldograd eine Lizenz, die allerdings mit einigen Auflagen verbunden war. Gleichzeitig ging eine zweite, staatliche Anstalt auf Sendung mit einem minimalen Anteil an Unterhaltung und einem geradezu erdrückenden Anteil an Information. Albion Aldograd fluchte. »Das ist Langeweile pur! Ich verstehe nicht, dass die Menschen sich so etwas gefallen lassen.« Angesicht der extrem knappen Mittel, die ihm zur Verfügung standen, war er zunächst lediglich in der Lage. für eine Stunde am Tag auf Sendung zu gehen. Seine Reportagen aus der Stadt Terrania kamen gut an. Das Publikum verlangte nach mehr. Schließlich erweiterte er das Programm auf zwei Stunden täglich. Mehr war nicht möglich. da die flankierenden Werbeaufträge aus der Wirtschaft fehlten, mit denen er die Trivid-Anstalt hätte finanzieren können. Er hatte nicht einmal genügend Mittel, um Mitarbeiter einzustellen. Daher war er darauf angewiesen. einige Produktionen an die öffentlichen Sender zu verkaufen. Solange jedoch keine Verträge abgeschlossen wurden, floss auch kein Geld, und seine Situation verbesserte sich nicht. Doch Albion Aldograd gab nicht auf. Er machte weiter. Er folgte seiner Vision vom Aufbau privater Sender, die überwiegend Unterhaltung brachten und damit das lieferten. was ein großer Teil der Zuschauer wollte. 2.
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Wir sind in diese Welt getreten, nicht nur, dass wir sie kennen und erkennen, sondern dass wir ihr positiv entgegengehen. Perry Rhodan, 27. Dezember 2780 Die Jungen und Mädchen hoch oben auf der Brücke konnten nicht sehen, was geschehen war. Sie wandten sich in stummer Trauer ab und lehnten sich Trost suchend aneinander. Albion verzichtete darauf, ihnen mitzuteilen, dass der Junge der Sturz überlebt hatte. Das war nicht seine Aufgabe. und es hätte seine derzeitige Chance auch zunichte gemacht. Er schickte ihnen ein Holo und stellte sich kurz als Journalisten vor, der nichts als ein paar Antworten haben wollte. »Ich möchte mit euch reden«, sagte er. Argwöhnisch wandten sie sich dem Holo zu. Er merkte ihnen an, dass sie sich in die Defensive gedrängt fühlten. Was Wunder! Sie glaubten, einen ihrer Freunde verloren zu haben. »Was willst du von uns?«, fragte ein brünettes Mädchen. Es war schlank. Seine weiblichen Formen waren noch nicht sehr ausgeprägt. »Ich würde gerne wissen, ob ihr euch von Anfang an der Gefahren bewusst gewesen seid, die mit dem Gleitersurfen verbunden sind«, antwortete er. »Keine Sau konnte damit rechnen, dass die Kapsel plötzlich abkippt«, bemerkte einer der Jungen. Er hatte grün gefärbte Haare, die er sich in die Stirn gekämmt hatte. Sie bedeckten nahezu sein ganzes Gesicht. »Gleiter können so was nicht.« »Wieso reden wir eigentlich mit dem Spießer?«, rief ein Mädchen, das allein neben den anderen stand. Sie hatte geweint. Ihre Augen waren gerötet und die Wangen verschmiert. »Der hat sowieso keine Ahnung, was den Kick ausmacht.« Die Surfer blickten einander kurz an, waren sich einig und spritzten in wilder Flucht auseinander. Sie flüchteten ins Innere des Gebäudes, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Albion Aldograd lächelte.
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Er brauchte keine weiteren Antworten. Ihr Verhalten verriet ihm alles. Sie waren Kinder, die einen besonderen Anreiz wollten, den Kick. Sie wollten aus dem langweiligen Allerlei des täglichen Lebens ausbrechen und in gewisser Hinsicht auch die Erwachsenen provozieren. Sie wollten, was ihnen der Alltag verweigerte Unterhaltung. Plötzlich fiel ihm ein, dass er den Gleiter vergessen hatte. Er war möglicherweise noch wichtiger als die jugendlichen Surfer. Die Verkehrssysteme auf der Erde konnten nur funktionieren, solange sich alle Verkehrsteilnehmer an die vorgegebenen Verkehrswege hielten. Das war vor allem in den großen Städten die Voraussetzung für den reibungslosen Ablauf des Verkehrs. Da es aber immer Verkehrsteilnehmer gab, die nicht einsichtig genug waren, sah sich der Staat gezwungen, Korridore für alle Flugmaschinen einzurichten. Überall installierte positronische Geräte sorgten dafür, dass niemand abweichen konnte. Freien und völlig unkontrollierten Flug gab es selbst für Polizeigleiter und Regierungsmaschinen nicht. Unter bestimmten Bedingungen konnten ihre Maschinen allerdings mit erhöhter Geschwindigkeit fliegen, sodass sie in der Lage waren, andere Gleiter einzuholen oder zu überholen. Ein Zentralrechner überwachte jedes Fluggerät und zeichnete seinen Kurs auf. Albion Aldograd kontrollierte die Filmaufnahmen, die er gemacht hatte. Vor allem interessierte ihn die Frau in dem Gleiter, der gekippt und dann abgebogen war. Enttäuscht stellte er fest, dass sie nicht so ohne weiteres zu erkennen war. Er benötigte positronische Hilfsmittel, um ein besseres Bild von ihr zu erhalten. Immerhin fand er anhand der Gleiternummer heraus, dass es sich nicht um eine Regierungsmaschine handelte, dass der Gleiter nicht der Polizei zugeordnet werden konnte und auch sonst zu keiner Behörde gehörte. Blieb die
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Möglichkeit, dass sie im Dienst der Abwehr stand. Unwahrscheinlich - befand er angesichts der Tatsache, dass die Frau den Gleiter offensichtlich bewusst abgekippt hatte, um den Surfer mit diesem Manöver abzuschütteln. Sie hatte den Jungen abstürzen lassen, ohne sicher sein zu können, dass es bei diesem Hochhaus eine Sicherung gab. Eiskalt hatte sie seinen Tod in Kauf genommen. So etwas machte niemand, der im Dienste des Staates stand. Wie aber war zu erklären, dass der Gleiter in der Lage war, die positronisch kontrollierte Bahn zu verlassen? Der Vorfall war einen Bericht wert. Ohne Frage. Er musste in dieser Sache nachfassen und recherchieren. * Er ließ seine Kameras ausschwärmen und suchte die Umgebung des Hochhauses nach dem Gleiter und seiner geheimnisvollen Insassin ab. Vergeblich. Er fand keine Spur mehr von der Maschine. Sie war irgendwo im Meer der Häuser verschwunden, vermutlich in einer der Garagen gelandet. Über einer der großen Gütertrassen zog eine schier endlose Kolonne von Containern vorbei, getragen von Gravopaks und unbeirrbar dem vorgegebenen Kurs folgend. Darunter und darüber glitten kleinere Einheiten ihrem Ziel entgegen, einem der großen Umschlagplätze in den Gewerbegebieten von Terrania City, von wo aus die Güter zu ihren Bedarfszentren weitergeleitet wurden. Zahlreiche Firmen nutzten die Boden- und Seitenflächen der Container für Werbeholos, sodass manche der riesigen Behälter aussahen wie GigaMonitoren. Albion Aldograd blickte nur flüchtig hin. Die meisten Holos empfand er als langweilig. Sie hielten keinem Vergleich mit jenen Werbespots stand, die vor der Zeit des Hyperimpedanz-Schocks zum Erwerb oder zur Inanspruchnahme einer überwältigenden Fülle von Waren und
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Dienstleistungen verführten. Jetzt ging es um Güter und Leistungen, die nach wie vor nur im beschränkten Maße zur Verfügung standen und die kaum miteinander konkurrierten. Die Versorgungslage auf der Erde hatte sich in den vergangenen vier Jahren deutlich verbessert, war aber noch lange nicht ausreichend. Von Überfluss oder gar Luxus konnte nirgendwo die Rede sein. Dennoch - er wäre froh gewesen, wenn einige dieser Werbeholos bei Albion3D gelaufen wären. Er rief die Kameras zurück in sein Studio und speicherte die Aufnahmen. Als er alles gesichert hatte, spielte er die Szene ab, in welcher die Frau den Surfer abschüttelte. Er hielt den Film an und versuchte anhand des Standbildes zu erkennen, wer sie war. Die Windschutzscheibe war abgedunkelt und spiegelte zudem, sodass kaum mehr als ein Schattenriss auszumachen war. Albion ließ die Szene nun Bild für Bild vorrücken, bis er eines erreichte, das ein wenig mehr zeigte als die anderen. Er nutzte nun die verschiedenen Möglichkeiten seiner hoch qualifizierten Anlagen, um das Gesicht hinter der Scheibe deutlicher zu machen. Nach und nach filterte er alle störenden Elemente heraus, bis sich ein holografisches Porträt vor ihm aufbaute, das - obwohl noch immer verschwommen und unscharf - das Antlitz einer jungen Frau mit auffallend großen Augen, leicht eingefallenen Wangen und tiefen Kerben um den Mund herum darstellte. Albion Aldograd lehnte sich in seinem Sessel zurück, blickte auf das Holo und fuhr sich ächzend mit beiden Händen durch das Haar. Auf seiner Stirn formten sich mehrere Falten. »Nein«, sagte er zweifelnd. »Das kann nicht sein. Du hast dir bekannte Informationen abgerufen und in das Bild eingebaut. Das war nicht meine Absicht. Ich wollte wissen, ob ich die Frau im Gleiter mit deiner Hilfe identifizieren kann. Aber ich wollte nicht unbedingt ein mir vertrautes Gesicht.«
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»Du irrst«, erwiderte die Positronik. »In keiner Phase habe ich eine Übereinstimmung gesucht.« Albion lehnte sich erschrocken vor. »Das kann nicht sein!«, protestierte er. »Gib mir ein Bild von Halle Marie Platt!« »Gern.« Das Holo baute sich schlagartig auf. Es zeigte das Gesicht einer jungen, schönen Frau mit klaren Zügen und ausdrucksvollen Augen. Die Ähnlichkeit mit der Frau im Gleiter war frappierend und doch gab es gewaltige Unterschiede. Halle Marie Platt war eine gesunde, lebensfrohe Frau - jene aus dem Gleiter sah dagegen schrecklich aus. Ihr Gesicht war gezeichnet, wodurch auch immer. Es konnte sich nicht um die gleiche Frau handeln. * Halle Marie Platt war eine Journalistin, die kurz vor dem Eintreten des Schocks als der kommende neue Star in seinem Medienimperium gehandelt worden war. Seit mehr als drei Jahren hatte er sie nicht mehr gesehen, doch er erinnerte sich nur zu gut an sie, an ihren Charme und an ihre unbestechliche Intelligenz. Wie keine andere hatte sie es verstanden, Verbindungen zu den wichtigsten und einflussreichsten Persönlichkeiten Terras aufzubauen. Er hatte sie geliebt. Mehr als ein Jahr waren sie zusammen gewesen, bis ihr ein anderer Mann den Kopf verdreht und sie sich für ihn entschieden hatte. Diese Entscheidung hatte Albion nie nachvollziehen können. Sie hatte ihm ein Holo hinterlassen. »Eine Frau ist keine Gitarre«, verabschiedete sie sich. »Man kann sie nicht an die Wand hängen, nachdem man auf ihr gespielt hat.« Sie hätte lieber schweigen sollen. Diese Worte trafen ihn hart und schmerzlich, sah er doch alles andere als eine Gitarre in ihr. Doch sie gab ihm keine Chance auf eine Erwiderung. Sie verschwand mit dem anderen. Hinzu kam der Hyperimpedanz-Schock. Er ließ das Medienimperium
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zusammenbrechen. Halle meldete sich nicht mehr bei ihm, während er zu manch anderen Journalisten und Reportern noch Kontakte pflegte. Einige Mal suchte er nach ihr, weil er hoffte, irgendein Projekt mit ihr gemeinsam machen zu können. Mit der Zeit aber verlor sich das Interesse mehr und mehr, sodass er sich als Einzelkämpfer sah, der ohne jede Hilfe über die Runden kommen musste. Er schlug mit der Faust auf die Projektionsfläche der Holoarmaturen. »Die Frau im Gleiter kann nicht Halle Marie Platt sein!« Er glaubte, sie gut genug zu kennen, um zu wissen, dass sie niemals einen jugendlichen Surfer umbringen würde, der voller Übermut und Abenteuerlust auf ihren Gleiter sprang. Sie konnte hart und konsequent sein, sie hasste Mittelmaß, und sie verabscheute Kollegen, die Kompromisse eingingen, um ihre Story verkaufen zu können. Aber sie ließ keinen Jungen in den Tod stürzen. Die Frau im Gleiter konnte nicht Halle sein - es sei denn, sie war im Rahmen ihrer Arbeiten ein zu hohes Risiko eingegangen. * Drei volle Wochen lang fahndete Albion Aldograd mit Hilfe aller Freunde und ehemaligen Mitarbeiter, Kollegen und aller, von denen er annahm, dass sie Halle Marie Platt kannten oder gekannt hatten. Auf diese Weise kamen verschiedene Hinweise zusammen, die er wie die Bausteine eines Mosaiks nach und nach zusammenfügte, bis sich ein Bild herausschälte, das ihm bei seiner Suche nach ihr entscheidend half. Es gestaltete sich allerdings nicht so schön und makellos, wie er erwartet hatte. Die begnadete und unbestechliche Halle Marie Platt schien unter dem Hyperimpedanz-Schock ganz besonders gelitten zu haben. Sie hatte ihre luxuriöse Wohnung, die in der Nähe des Residenzparks in Antares City lag, aufgegeben und war nach AltaiOst gezogen, einst für eine viel höhere
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Bevölkerungszahl geplant, als derzeit in Terrania lebten, und deswegen ein weitgehend leer stehender Bereich, dessen Ruf in den letzten Jahren immer mehr gelitten hatte. Dort war sie gelegentlich in einigen Kneipen aufgetaucht, in denen Journalisten ihre Treffs abhielten, jedoch immer seltener, wobei ihre Spur auf seltsame Weise mehr und mehr verblasste, bis sie sich in nichts aufzulösen schien. Einiges sprach dafür, dass sie sich in die Subetagen von Happytown begeben hatte, aber nichts Konkretes war dabei. Vor etwas mehr als einem Jahr war sie vor die Schranken des Gerichts zitiert und wegen eines Eigentumsdelikts angeklagt, jedoch freigesprochen worden. Albion schüttelte lächelnd den Kopf, als er es las. Ausgerechnet Halle Marie sollte etwas gestohlen haben? Das erschien ihm ausgeschlossen. Albion Aldograd fügte die Hinweise zusammen, bis er zu wissen glaubte, wo er nach der jungen Frau suchen musste. Mittlerweile schien nicht mehr ausgeschlossen zu sein, dass sie tatsächlich in dem Gleiter gesessen hatte, der den Surfer abgeschüttelt hatte. An einem Dienstag im August 1336 NGZ verließ er seine Unterkunft in dem weitgehend leer stehenden Gebäude seines ehemaligen Senders und machte sich auf die Suche nach Halle. Es war ein drückend heißer Tag, bei dem ein aus dem Osten kommender Wind feuchtwarme Luft herantrug. Sie fing sich zwischen den hohen Gebäuden der Stadt und schien nicht mehr von dort weichen zu wollen. Als Albion auf das Parkdeck seines Hauses hinaustrat, hatte er das Gefühl, gegen eine Wand zu laufen, die nur widerwillig nachgab, während er zum Gleiter ging. Er atmete auf, als sich die Tür der Maschine schloss und er reine, kühle Luft atmen konnte. Im Gleiter spürte man nichts von den Temperaturen, die in Terrania City herrschten. Er startete vom Parkdeck, als die Steuerung ihm eine Lücke im Verkehrsstrom des nahen Gleiterkorridors signalisierte, nannte das Fahrtziel und
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überließ alles Weitere der Positronik. Der Gleiter ordnete sich auf die vorgegebene Bahn ein, flog einige hundert Meter weit in Richtung Osten, verließ die Höhe und reihte sich in die Kette jener Gleiter ein, die sich dicht über dem Boden bewegten und dabei in Richtung eines der düsteren Viertel der Stadt strebten. Hier waren die Gebäude nicht mehr so hoch, ihre Fassaden wiesen Risse auf, und die ursprünglichen Farben der Häuserfronten waren nur in wenigen Fällen noch zu erkennen. Wie überall in der Stadt waren die Gebäude aus vorgefertigten Teilen zusammengesetzt und bestanden aus einem witterungsbeständigen Material, das auch nach Jahrzehnten noch wie neu aussehen sollte. Wo jedoch die Pflege ausblieb, verloren auch diese Materialien ihre Ansehnlichkeit. Der Gleiter landete neben einem lang gestreckten Gebäude, bei dem die meisten Fenster fehlten. Eine schwarze, ölige Flüssigkeit war an der Fassade heruntergelaufen und hatte sie verunstaltet. Albion Aldograd stieg aus und hatte danach Mühe, sich durch allerlei Gerümpel hindurch und an Bergen von Abfall. vorbei zum Eingang durchzukämpfen. Einige abenteuerlich gekleidete Gestalten lungerten am Wrack eines ausgebrannten Großgleiters herum und äugten misstrauisch zu ihm herüber. Einer von ihnen versorgte sein Vibrationsmesser demonstrativ mit einer neuen Batterie. Er war sicherlich zweieinhalb Meter groß. Das intensiv rot leuchtende Haar fiel ihm offen bis weit in den Rücken herab. Er hatte grüne, dunkel wirkende Augen und den eigenartig blassen Teint gewisser süchtiger Menschen. Alles begann mit einem einfachen »Naturheilmittel« gegen Depressionen - und endete so. Die Verelendung einiger Menschen - und auf der Erde lebender Außerirdischer - seit 1331 NGZ nahm seit kurzem sprunghaft zu, und fast immer lag es an Psychopharmaka oder bewusstseinsverändernden Drogen. Irgendwo gab es jemanden, der dafür sorgte, den Leuten dieses Teufelszeug
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zugänglich zu machen. Vor dem Hyperimpedanz-Schock und den darauf folgenden Ereignissen, die in der Besetzung des Solsystems durch riesige Raumschiffe gegipfelt hatten, war schlichtweg kein Markt vorhanden gewesen. Die Menschen waren zu jener Zeit satt und zufrieden. Mittlerweile waren sie zwar fast wieder satt, doch bis auf den Grund ihres Wesens erschüttert und verängstigt. Ideale Opfer der Drogenbarone, die es zweifellos irgendwo gab. Albion hatte Mühe. sein Unbehagen vor ihnen zu verbergen. Sein Rücken verspannte sich. Eine solche Situation hatte er noch nicht erlebt. Er wusste nicht, wie er sich verhalten musste, um die vier Männer und die beiden Frauen nicht herauszufordern. Schenkte er ihnen seine Aufmerksamkeit, ermutigte er sie damit womöglich zu einem Angriff. Beachtete er sie nicht, war es denkbar. dass sie sich beleidigt fühlten und ihn erst recht attackierten. Es war bereits an ihnen vorbei, als ihm ein Gedanke kam. Er blieb stehen, zögerte kurz und wandte sich ihnen zu. Erschrocken registrierte er, dass der Mann mit dem Vibrationsmesser sich ihm bereits bis auf wenige Schritte genähert hatte. Es beruhigte ihn nur wenig, dass er seinen Weg nun nicht fortsetzte, sondern abwartend stehen blieb. »Ich bin auf der Suche nach einer Frau«, sagte er. Befriedigt nahm er zur Kenntnis, dass seine Stimme so fest klang, wie er erhofft hatte. Er richtete sich ein wenig höher auf. »Ihr Name ist Halle Marie Platt.« Albion Aldograd war ein kleiner, eher schmächtiger Mann. Von seiner äußeren Erscheinung her keineswegs beeindruckend. Auffallend war vor allem die hohe Stirn, die durch den weit hinten am Schädel beginnenden Haaransatz noch höher wirkte, als sie tatsächlich war. Den Mangel an Haaren oben glich er durch einen sorgfältig gepflegten Oberlippenbart und einen kurzen. sehr dichten Kinnbart aus. Er hielt sich betont gerade, pflegte
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aber den Kopf stets ein wenig vorzuschieben, als sei er kurzsichtig und daher bestrebt, seine blauen Augen näher an das Objekt seines Interesses heranzubringen. Das Haar an seinem Hinterkopf war bereits leicht ergraut und voller kleiner Locken, die er sorgfältig bürstete, um sie in die richtige Form zu bringen. »Was willst du von ihr?«, fragte der Selmnuss-Kauer. Ein flüchtiges Lächeln glitt über die Lippen des Journalisten. Er erkannte, dass er kurz vor seinem Ziel war, hatte ihm der andere doch zu verstehen gegeben, dass ihm Halle Marie Platt bekannt war. Der Name hatte die gewünschte Reaktion hervorgerufen. Er vermutete, dass sie sich irgendwo in der Nähe aufhielt. »Wo ist sie?« Das Messer richtete sich auf sein Herz. »Du solltest auf meine Fragen eingehen, Freundchen. Wir mögen es nicht, wenn man uns so behandelt, als seien wir Menschen zweiter Klasse.« »Das hatte ich nicht vor, und ich würde euch auch niemals so einstufen. Ich bin ein alter Freund aus besseren Tagen«, wich Albion aus. »Könnte sein, dass ich ein gutes Angebot für sie habe.« Der Mann spuckte eine bräunliche Brühe aus, überlegte kurz und zeigte dann mit dem Kopf auf den Eingang zum Gebäude. »Die Treppe hoch, dann links den Gang entlang bis zur siebten Tür. Wenn sie uns zu verstehen gibt. dass du kein Freund bist, ergeht es dir schlecht.« »Sie wird bestätigen, was ich gesagt habe«, gab Albion sich zuversichtlich. »Ihr werdet es erleben.« * Er stieg über verschimmelte Dosen hinweg. die irgendwann einmal Nahrungsmittel enthalten hatten, atmete erleichtert auf. als eine Ratte vor ihm floh. sodass er sie nicht vertreiben musste, und stieg eine Treppe hinauf, deren Geländer man herausgerissen und vermutlich verbrannt hatte. Obwohl ein grünes Licht
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den ordnungsgemäßen Zustand der Anlage signalisierte, vertraute er sich dem Antigravschacht vorsichtshalber nicht an. Er folgte dem Hinweis. den man ihm gegeben hatte, und drückte gleich darauf eine vollkommen verschmutzte und teilweise zerstörte Tür auf, die man schon lange nicht mehr abschließen konnte. »Halle Marie?« Er hob seine Stimme, um auf sich aufmerksam zu machen. Mittlerweile hielt er buchstäblich alles für möglich. Sogar dass jemand auf ihn schoss, falls er sich zu leise und zu unauffällig bewegte. Sie kauerte zwischen leeren Dosen, Tuben, verschmutzten Trinkbechern, einer alten, zerschlissenen Decke. einem zusammengeknüllten Schal, zerfetzten Schuhen und den Trümmern eines Trivideo-Gerätes auf dem Boden und blickte mit leeren Augen ins Nichts. Das Haar klebte fettig an ihrem Kopf. Es war schon lange nicht mehr geschnitten worden und reichte ihr bis auf die Hüften herab. Ihr Gesicht war klein, schmal und schmutzig. Die Augen lagen dunkel in den Höhlen. Tiefe Kerben umrahmten den kleinen Mund. »Halle Marie!« Kein Zweifel. Sie war es. Sie hatte sich in unvorstellbarer Weise verändert, aber sie war es. Sie blickte nicht auf, und ihre Augen belebten sich nicht. Albion Aldograd ließ sich vor ihr in die Hocke sinken. »Ich muss mit dir reden, Halle Marie!« Behutsam legte er ihr die Hand an die Schulter. Jetzt endlich kehrte das Leben in ihre Augen zurück. Langsam wandte sie ihm das Gesicht zu. Ihre Züge blieben ausdruckslos. Er sah, dass die Seiten ihres Nasenrückens leicht violett verfärbt waren, und jetzt glaubte er zu wissen, was ihr Problem war. »Erkennst du mich?« Ihre Blicke richteten sich auf ihn, und er wich ihnen nicht aus. Eine schier unerträglich lange Zeit verging, bis sie sanft nickte. »Albion. Was willst du?« »Ich will dich hier herausholen. Im EASGebäude ist Platz genug. Dort kannst du
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unterkommen. Ich kann dir alles bieten. was du brauchst.« Sie lächelte flüchtig. »Alles?« »Ich denke schon.« »Aber du wirst mir nicht alles geben.« »Das kommt darauf an. Wenn ich es kann ...« »Auch Deon?« Er schlug die Augen nieder. Die DeonDroge war es, die ihre Nase verfärbt und die Kerben in ihr Gesicht gegraben hatte. Sie war es, die für ihren Zustand verantwortlich war. Er hatte es vermutet, und jetzt sah er sich bestätigt. »Ich denke - nein.« »Ich kann nicht ohne sie sein.« »Das hängt von dir und deinem Willen ab. Komm mit mir. Du brauchst eine Dusche und neue Kleider. Wir bringen dich erst einmal in Ordnung, und dann reden wir über alles andere.« Wortlos erhob sie sich und wandte sich der Tür zu. Er folgte ihr hinaus und bis hin zu dem Gleiter, mit dem er gekommen war. Niemand behinderte sie. Die heruntergekommenen Gestalten am Eingang des Gebäudes beobachteten das Geschehen lediglich, stellten jedoch keinerlei Fragen. Albion Aldograd dachte flüchtig daran, dass Halle Marie Platt vermutlich voller Ungeziefer war und dass dieses nun Einzug in seinen Gleiter halten würde. Er hoffte, dass die Biester nicht auf ihn überspringen würden und die Maschine rechtzeitig auf sie reagierte und sich von ihnen reinigte. Er hatte noch nie Kontakt mit Flöhen, Läusen oder Wanzen gehabt. Da er sich vor ihnen ekelte, rückte er so weit von Helle Marie ab, wie es ihm in der Gleiterkabine möglich war. Sie ließ sich nicht anmerken, ob es ihr auffiel. Ihre Blicke waren wieder leer geworden und in weite Fernen gerichtet. Er war sicher, dass sie unter dem Einfluss der Droge stand und nicht klar denken konnte. Er startete, gab das Ziel an und überließ alles Weitere der Positronik der Maschine und des öffentlichen Verkehrssystems. Der Gleiter stieg rasch auf, beschleunigte und ging auf die vorgeschriebene
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Geschwindigkeit. Albion wusste nicht, was er sagen sollte. Er überlegte, wie er Halle passende Kleider und die entsprechende Wäsche besorgen konnte. Dazu musste er seine Wohnung verlassen. Doch darin sah er kein Problem. Halle würde in dieser Zeit ausgiebig duschen und sich reinigen, vielleicht würde sie etwas essen, und dann würde sie auf ihn warten, bis er ihr die Kleider gab. Obwohl er keine konkreten Aufträge hatte, würde er sie mit journalistischen Arbeiten locken. Er würde ihren Ehrgeiz anstacheln und sie behutsam an Probleme heranführen, die nicht so ohne weiteres zu lösen waren und die ihren ganzen Einsatz erforderten. Damit hoffte er, sie aus ihrem Elend herausholen zu können. Es würde nicht leicht werden. 3. Krösus, der als der reichste Mann des Altertums galt, konnte sich mit all seinen Schätzen keine einzige Zigarre, keine Tasse Kaffee oder einen posiCod kaufen. Alle Goldmünzen zusammen, die er als Erster hat prägen lassen, hätten ihm dazu nicht verhelfen können. Ein Armer unserer heutigen Welt wird für wenige Solar aus allen Teilen der Milchstraße besser bedient als Krösus, selbst wenn dieser seine ganze Schatzkammer geleert und noch alle seine Sklaven hinzugegeben hätte. Perry Rhodan, 2. März 3133 Albion Aldograd wusste nicht sehr viel von der synthetischen Deon-Droge, gerade das, was in der Allgemeinheit so bekannt war, aber ihm war klar, dass sie süchtig machte und dass man sich nicht von einem Tag auf den anderen von ihr befreien konnte. Während Halle im Bad war, rief er einen Freund an, Arka Ben How, der sein Büro am Golf von Persien hatte. »Ich könnte ins Archiv gehen«, sagte er nach der kurzen Begrüßung, »aber ich habe nicht viel Zeit. Es muss schnell gehen. Was weißt du von Deon?«
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»Ein Teufelszeug«, erwiderte Arka, der für die Regierung arbeitete und sich auf Sachthemen spezialisiert hatte. Er war ein Mann, mit dem man stundenlang schwatzen konnte, der sich aber auch auf einige wenige Sätze konzentrieren konnte, wenn es sein musste. »Ist mir klar. Weiter!« »Lass die Finger davon.« »Ich habe nicht vor, das Zeug zu nehmen. Was noch?« »Es ist teils synthetisch, basiert aber auf dem Gift von Folgogon-Skorpionen.« »Folgogon? Davon habe ich nie gehört.« »Ein kleiner, unbedeutender Planet im Praesepe-Sternhaufen. zwischen Oxtorne und Precheur quasi. Kein Mensch hätte diese Welt beachtet, wenn es dort nicht gewisse Phänomene gäbe, die mit dem Sextadimbereich zu tun haben«, antwortete Arka Ben How. »Jetzt frag mich nicht, was das alles zu bedeuten hat. Wenn es über die vierte oder fünfte Dimension hinausgeht, ist bei mir Ende. Ich weiß nur, dass Folgogon-Skorpione ein Gift produzieren, das bisher noch von keinem Wissenschaftler analysiert werden konnte.« »Ein Stoff, der noch nicht analysiert werden konnte? Das ist wirklich höchst ungewöhnlich. Kaum zu glauben. Und woher haben sie es? Existiert irgendwo eine Zucht dieser Kreaturen auf Terra? Ich kann mir das einfach nicht vorstellen.« »Ist aber wahrscheinlich so. Fest steht: Um Deon gibt es ein Geheimnis, das bisher noch nicht gelüftet werden konnte. Einige der Wirkungen dieser Droge sind bekannt, aber nur einige. Ich habe mit verschiedenen Spezialisten gesprochen. Sie alle haben mir gesagt, dass Deon überaus gefährlich ist, weil niemand sagen kann, welchen Einfluss es auf den Süchtigen hat.« »Möglicherweise verleiht es ihm ungewöhnliche Fähigkeiten.« . »Wahrscheinlicher ist, dass es ihn innerlich auffrisst und seine Persönlichkeit vernichtet.« Albion beendete das Gespräch. Es wurde höchste Zeit, sich um Halle Marie Platt zu
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kümmern. In einen flauschigen Bademantel gehüllt, kam sie aus der Hygienekabine. wo sie geduscht hatte. Der Dreck war herunter, und sie sah wesentlich besser aus als vorher. »Kommst du allein klar?«, fragte er. »Ich muss einiges besorgen.« »Geh nur«, forderte sie ihn auf. »Und mach dir keine Sorgen.« Die Besorgungen waren einfach, und es gab keine Komplikationen. Er kehrte schneller in seine Wohnung zurück; als er selbst erwartet hatte. »Ich habe alles, was du brauchst, Halle Marie«, rief er beim Eintreten. »Und noch eine kleine, hübsche Überraschung dazu. Ich habe ...« Er stockte, weil er erst jetzt sah, dass seine Wohnung vollkommen durchwühlt worden war. Schubfächer waren herausgerissen worden, die Sessel lagen umgekippt auf dem Boden, nachdem man die Gravopaks daran ausgeschaltet hatte, und sogar die positronischen Bilder waren aus den Wänden gebrochen. Es war Halle jedoch nicht gelungen, seinen Tresor zu öffnen. * Er meinte die mahnenden Worte Arka Ben Hows zu hören. Es war ein Fehler gewesen, Halle Marie allein zu lassen. Er hatte nur an sie gedacht, nicht aber an das Gift, das jede ihrer Körperzellen verseuchte. »Bei den neunschwänzigen Chaokraten«, fluchte er und lief hinaus zum Parkdeck, da die junge Frau eigentlich nur diesen Fluchtweg benutzt haben konnte. Tatsächlich mühte sie sich mit dem Gleiter ab, dessen Diebstahlsicherung sie vergeblich zu überwinden versuchte. Sie trug einen Anzug von ihm. der ihr viel zu weit war und um ihren Körper schlotterte. »Lass es!«, empfahl er ihr. »Das schaffst du doch nicht.« »Los, gib mir den Gleiter!«, schrie sie ihn an. Ihre Stimme war schrill in diesem Moment und überschlug sich geradezu. Sie streckte ihre Finger nach ihm aus, als
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wollte sie ihm an die Gurgel gehen. »Außerdem brauche ich Geld.« »Kein Problem«, erwiderte er ruhig. »Du kannst so viel Geld verdienen, wie du willst. Dafür musst du allerdings arbeiten.« »Du Hurensohn«, fuhr sie ihn an. Ihre Augen schienen zu lodern. »Ich brauche das Geld sofort. Und du wirst es mir geben.« »Woher hattest du denn bisher das Geld, um deine Drogen zu bezahlen?«, fragte er. »Das geht dich gar nichts an.« »Ich will es wissen.« »Transporte«, antwortete sie widerwillig. »Ich hole die Sachen aus dem Labor in der Provinz. Draußen in der Wüste. Deshalb brauche ich entweder den Gleiter oder Geld.« Er packte sie am Arm, wirbelte sie herum und legte den anderen Arm um sie, sodass sie sich nicht mehr rühren konnte. Er war nicht sonderlich kräftig, aber für eine Frau wie sie noch immer stark genug. Sie wehrte sich, gab jedoch schnell auf. Er führte sie in die Wohnung zurück, richtete einen der Sessel auf und stieß sie hinein. Sie fiel in die Polster und kauerte sich zusammen wie ein kleines, frierendes Kind im Regen. »Du hast keine Ahnung, was du anrichtest«, flüsterte sie. »Dafür werden sie dich umbringen.« »Wofür?« »Du verdirbst ihnen das Geschäft. Wenn ich keine Ware hole, können sie nichts verkaufen. Sie bringen jeden um, der ihnen in die Quere kommt!« »Oder sie schenken ihm etwas, das ihn oder sie - dann langfristig umbringt. Richtig, Halle?« Sie wich seinem Blick aus. Treffer. Er stellte die anderen Sessel auf und setzte sich ihr gegenüber. Gelassen streckte er die Beine aus, verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete sie. In ihrem Gesicht arbeitete es. Ihr Körper baute die Droge ab, und die Sucht machte sich bemerkbar. Sie brauchte einen gewissen Deon-Spiegel im Blut. Fielen ihre Werte unter einen bestimmten Level, benötigte
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sie Nachschub. Sie würde keine Ruhe geben, bevor sie die Droge nehmen konnte. Er richtete einige Kameras auf sie und begann mit der Aufzeichnung. Im staatlichen Trivideo gab es keine Berichte über Drogensüchtige. Man leugnete seitens der Sicherheitskräfte das Problem nicht, wollte jedoch nichts tun, um es »hochzuspielen und dadurch attraktiv zu machen«, sondern setzte vielmehr auf verdeckte Ermittler des Terranischen LigaDienstes oder privater Sicherheitsunternehmen. TTR nahm eine strenge Zensur vor, weil die Senderverantwortlichen davon überzeugt waren, dass die Drogendealer umso weniger Chancen hatten, ihre gefährliche Ware abzusetzen, je weniger Menschen darüber informiert waren, dass es sie gab. Ein gefährlicher Irrtum, wie ihnen jeder Kenner der Materie hätte sagen können: Der Drogenkonsum breitete sich im Untergrund von Happytown und in den Künstlervierteln wie Atlan Village ebenso rasch aus wie in den Bereichen, die der staatlichen Ordnung allmählich entglitten, wie Altai-Ost. Albion Aldograd hielt es für seine journalistische Pflicht, darüber zu berichten. »Du wirst keine Drogen mehr nehmen, Halle Marie«, sagte er ruhig. »Du bleibst hier in der Wohnung, bis du wieder clean bist. Und wenn es Wochen dauert. Ich lasse dich nicht hinaus.« Sie schürzte die Lippen, während sie ihn mit geradezu heimtückischen Blicken beobachtete. »Als ob das so einfach wäre«, schnaubte sie. »Du kannst Deon nicht so ohne weiteres absetzen. Der Mangel würde mich innerhalb von zwei Tagen umbringen. Das wäre Mord.« »Und was soll ich tun?« »Du möchtest mir Deon austreiben?« »Allerdings.« »Das geht nur, wenn ich einverstanden bin, aber das bin ich nicht. Aber wenn es so wäre, müsstest du die Dosis etwa drei Wochen lang von Tag zu Tag reduzieren, bis ich überhaupt nichts mehr benötige. Folglich musst du Deon besorgen und mir
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geben.« Sie kicherte leise vor sich hin. »Aber wie viel brauche ich täglich? Mit welcher Dosis schleicht man sich aus? Woher bekommst du das Zeug in der benötigten Reinheit? Du hast keine Ahnung. Diz bist einfach nur naiv.« Sie erhob sich. »Es ist besser für dich, wenn du mich gehen lässt.« Wortlos ging er zu einem Schrank. Kratzer an den Türen deuteten darauf hin, dass sie versucht hatte, ihn zu öffnen. Es war ihr nicht gelungen. Er machte es mit einem Handgriff, wobei er darauf achtete; dass sie es nicht sehen konnte. Als er sich umdrehte, hielt er einen kleinen Metallstab in den Händen. Bevor sie begriff, was er vorhatte, schlang sich eine positronische Fessel um ihre Handgelenke und ihre Füße. Obwohl sie sich mit aller Kraft wehrte und dabei aus vollem Halse schrie, als wollte er sie umbringen, hob er sie hoch und legte sie auf eine Couch. »Ich komme später wieder«, sagte er. »Du kannst um dich schlagen, aber damit erreichst du gar nichts. Wir sehen uns.« Sie beschimpfte ihn, flehte und bettelte. Es half alles nichts. Er befreite sie nicht aus ihrer Lage. In diesem Gebäude würde sie niemand hören. Die Menschen, denen er Unterkunft gewährt hatte, befanden sich im untersten Stockwerk und somit weit von ihr entfernt. An der Tür blieb er stehen. »Eine Frage noch, Halle Marie. Du bist also als Kurier tätig gewesen. Du durftest dich nicht erwischen lassen. Das ist klar. Aber musstest du den Surfer abwerfen?« Sie blickte ihn erstaunt an. »Welchen Surfer?« »Ich spreche von dem Jungen, der auf deinen Gleiter gesprungen ist. Du hast die Maschine abkippen lassen, sodass er abgestürzt ist.« Sie hob die Hände an den Kopf und begann zu zittern. »Ich musste es tun. Er hat es mir befohlen. Ich hatte keine Wahl.« »Er? Wer ist er?« »Er war bei mir. Es ist besser, wenn du nicht mehr fragst. Es ist gefährlich, zu viel zu wissen.« »Du warst allein im Gleiter.«
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»Nein, das stimmt nicht. Er saß hinter mir. Schräg hinter mir.« Wortlos ging Albion Aldograd zu seinen Geräten und überprüfte die Bilder, die er ausgefiltert hatte. Bei seiner Untersuchung war er immer davon ausgegangen, dass Halle Marie allein in der Maschine gewesen war. Deshalb hatte er gar nicht erst nach einem anderen Insassen gesucht. Jetzt stellte er fest, dass sie die Wahrheit sagte. Hinter ihr war noch jemand gewesen. Allerdings zeigte sich, dass es technisch unmöglich war, sein Gesicht herauszufiltern, dafür war die Aufnahmequalität zu schlecht. Selbst mit einem Syntron wäre es beinahe unmöglich gewesen, dachte Albion und wünschte sich einmal mehr die »gute alte Zeit« zurück. * Er verließ die Wohnung, um erst nach Stunden zurückzukehren. In einem Gravokorb führte er mit, was er eingekauft hatte. Es war eine ganze Menge. Weitaus mehr, als Halle Marie und er eigentlich benötigten. Ein Röhrchen mit DeonTabletten gehörte dazu. Es lag tief unter den Kleidern verborgen, die er für Halle Marie ausgesucht hatte. Nach einem ausführlichen Gespräch mit einem Drogenexperten hatte er sich davon überzeugen lassen, dass sie diese Droge brauchte, um zu überleben. Sylal Kvss, ein Wissenschaftler, der in Terrania City arbeitete, hatte ihm penibel auseinander gesetzt, mit welchen Problemen DeonAbhängige zu kämpfen hatten. Fazit war, dass im Grunde genommen keine Chance bestand, sie je wieder aus ihrer Abhängigkeit zu lösen. »Solange sie auf der Erde sind, haben sie immer die Möglichkeit, sich die Droge zu besorgen«, argumentierte er, wobei er ihm eine Reihe von Statistiken als Beweis unterbreitete. »Du kannst die Abhängigen einsperren, und sie werden sich die Droge doch beschaffen. Wenn es menschliche Kontakte gibt, dann öffnet sich ihnen auch ein Weg zur Droge. Anders wäre es, wenn
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du einen Süchtigen an Bord eines Raumschiffs bringst, das kein Deon oder etwas Vergleichbares mit sich führt und das wenigstens drei Monate im Weltraum bleibt. Diese Zeit könntest du für die Entwöhnung nutzen. Wobei die Gefahr bestehen bleibt, dass der Abhängige nach der Rückkehr auf die Erde einen Rückfall erleidet. Doch das muss nicht sein. Hängt unter anderem auch von ihm selbst ab und seiner psychosozialen Stabilität.« Am Ende des Gesprächs gab er ihm noch eine Empfehlung mit auf den Weg. »Lass die Finger von ihn. Es ist besser so. Du kannst sie doch nicht retten. Erstens will sie nicht. Und zweitens mag das organisierte Verbrechen nicht, wenn man ihm seine Kunden wegnimmt. Verlass dich darauf. Früher oder später merken die, dass du dich um Halle Marie bemühst. Sie werden reagieren. Meistens tun sie es, indem sie ihren Widersachern gewaltsam Deon einflößen. Eine einzige Dosis genügt. Sie macht dich garantiert süchtig. Das Risiko ist zu hoch für dich. Niemand wird dir helfen. Überlass das den Leuten, die sich damit auskennen. Dem TLD.« Albion verdrängte diesen Gedanken, den er nicht weiterverfolgen wollte, und betrat seine Wohnung. »Halle Marie?« Die Wohnung war leer. Halle Marie Platt hatte es trotz der Fesseln geschafft, sie zu verlassen. Fassungslos blickte er sich in der Wohnung um, wobei er hoffte, sie doch noch irgendwo zu finden. Doch sie war nicht mehr da. Sie war spurlos verschwunden, so als habe sie sich in Luft aufgelöst. Albion mobilisierte seine Freunde und Bekannten. Er tat alles, was ihm möglich war, um sie aufzuspüren. Vergeblich. Niemand schien sie gesehen zu haben. Dabei hätte sie auffallen müssen. Eine Frau in Energiefesseln konnte sich nicht normal bewegen. Sie musste ins Auge fallen. Doch es war nicht so. Bis in die Nacht hinein mühte er sich ab, teils an den verschiedenen Kommunikationsgeräten, teils draußen, indem er durch die Gegend streifte und
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nach Spuren von ihr suchte. Es half alles nichts. Halle Marie Platt war weg. 4. Niemand ist so klein und so unbedeutend, dass er nicht Würde zeigen könnte. Wer sich behauptet, und sei er noch so schwach, zeigt Würde, wer sich aufgibt, erteilt auch seiner Würde die Kündigung. Perry Rhodan, 4. September 3367 Es dauerte mehr als vier Wochen, bis er den ersten Hinweis auf sie erhielt. Danach machte er sich sofort auf und flog nach Tiansian, einer kleinen Stadt am Gelben Meer, die erst vor wenigen Jahren gegründet worden war. Dabei ließ er den Gleiter auf der schnellsten vorgesehenen Routen fliegen, einer positronisch markierten Fernstraße, von der man nur in besonders großen Abständen und an wichtigen Knotenpunkten abbiegen konnte. Dieses Mal war er nicht allein. Bei ihm war ein Roboter, eine humanoide Gestalt von imponierender Größe. Die Maschine war unbewaffnet, verfügte jedoch über eine ausgefeilte Technik, sodass sie in der Lage war, sich im Kampf gegen mehrere Männer zu behaupten. * Als Albion Aldograd auf einem Parkplatz am Rande einer Villensiedlung landete, stieg keine zwanzig Schritte von ihm entfernt ein mittelgroßer, rothaariger Mann in einen anderen Gleiter. Er war so überrascht, dass er nicht schnell genug reagierte. Bevor er sich bemerkbar machen konnte, war Reginald Bull bereits in seine Maschine gestiegen und gestartet. Viel zu spät sprang der Journalist aus seinem Gleiter auf den Parkplatz hinaus und reckte die Arme in die Höhe, um auf sich aufmerksam zu machen. Die Maschine mit dem Unsterblichen an Bord verschwand in den Wolken.
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Im Verlauf seines journalistischen Lebens hatte er einige Male engen Kontakt mit Reginald Bull gehabt. Von Anfang an hatten sie einander gemocht, jedoch stets auf die gebotene, durch gegenseitigen Respekt gekennzeichnete Abgrenzung geachtet. Nichts war schlimmer für einen Menschen seines Berufes, als sich von einer Persönlichkeit in einer derartigen Position und mit einem solchen Einfluss vereinnahmen zu lassen. Er ließ sich gegen seinen Gleiter sinken und blickte nachdenklich zu den Wolken hoch. Unwillkürlich fragte er sich, warum ihm nicht schon längst der Gedanke gekommen war, sich an Reginald Bull zu wenden. Er hatte den Unsterblichen als einen weltoffenen, liberalen Mann mit klaren Zielen kennen gelernt. Bully konnte hart und konsequent sein; wenn es die Situation erforderte, aber er war ein Mann, mit dem man reden konnte. Nicht zu vergleichen mit den verknöcherten Bürokraten, mit denen er es in den letzten Monaten zu tun gehabt hatte und denen es offenbar wichtig war, ihr kleines Reich der fachlichen Zuständigkeit mit allen Mitteln zu verteidigen. Von Osten her nahte ein kleines schwarzes Raumschiff. Es war ein Diskus, der an seiner Unterseite mit einem seltsam verschnörkelten Symbol versehen war Langsam zog es über ihn hinweg. Ein derartiges Symbol hatte er nie zuvor gesehen. Es rief ein eigenartiges Gefühl der Bedrohung in ihm hervor und erinnerte ihn daran, dass er hier war, um nach Halle Marie Platt zu suchen. Er fragte sich, wie sie an Deon geraten war, ob man es ihr womöglich gewaltsam verabreicht hatte, nachdem sie sich bei ihrer journalistischen Arbeit im Netz der organisierten Kriminalität verstrickt hatte. Die Gefahr war immerhin gegeben. Sicher war. dass Verbrecher zu den großen Nutznießern des Hyperimpedanz-Schocks gehörten. Durch den Ausfall der Syntroniken und vieler differenzierter Hightech-Methoden der Polizeiarbeit war es den Sicherheitskräften um einiges schwerer gemacht worden, in ihre Kreise
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einzudringen und ihre Geschäfte zu stören oder gar zu zerschlagen. Er musste die Warnung des Wissenschaftlers Sylal Kyss ernst nehmen. Falls Halle Marie tatsächlich in die Fänge des organisierten Verbrechens geraten war, konnte er sich keine Fehler leisten -- oder es würde ihm ergehen wie ihr. Obwohl er sich dessen bewusst war, dachte er nicht daran aufzugeben. Warum eigentlich?, überlegte er. Sie liebt mich nicht mehr, so wenig wie ich sie, und Journalistinnen gibt's wie Sand im GobiReservat. Warum tue ich das alles? Er fand keine Antwort, die er sich zu geben wagte, und prüfte kurz seine Medienausrüstung. »Komm!«, befahl er dem Roboter an seiner Seite. »Wir holen Halle Marie!« Er ging voraus, und es war beruhigend für ihn, dass er die Schritte des Roboters hinter sich vernahm. Eine durchschlagende Hilfe gegen hartgesottene Gangster konnte er von ihm allerdings nicht erwarten. Er hoffte, dass es gar nicht erst zu einem Kampf kommen würde. Die Siedlung machte einen friedlichen Eindruck. Sie bestand hauptsächlich aus kleinen Villen, wie sie von vielen Wohlhabenden am Wochenende und in den Ferienbevorzugt wurden. Die meisten Häuser waren gepflegt und befanden sich in einem hervorragenden Zustand, so als seien sie erst neu errichtet worden. Die Gärten ließen ebenfalls die Hand liebevoll gelenkter Gartengeräte erkennen. Als er zwischen zwei Häusern hindurchging, konnte er das Gelbe Meer sehen. Obwohl es diesen Namen trug, war es nicht gelb. Im Licht der tief im Westen stehenden Sonne erschienen die Wellenkämme rot, während das Wasser im Übrigen schwarz aussah. Am Strand brannte ein kleines Feuer. Ein gutes Dutzend armseliger Gestalten scharte sich um die Flammen. Diese Menschen störten das allgemeine Bild. Sie passten nicht hierher. Doch niemand sonst ließ sich blicken. Es schien, als sei die Siedlung verlassen.
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»Ist sie aber nicht«, sagte Albion leise, während er sich der Gruppe näherte. »Bully war hier, und er hat sicherlich 'nicht mit diesen Leuten gesprochen.« Halle Marie kauerte etwas abseits auf den vom Wasser abgewaschenen und glatt geschliffenen Steinen. Sie stützte die Ellenbogen auf die leicht angezogenen Knie und blickte schweigend auf die See hinaus. Neben ihr lagen mehrere geleerte Flaschen und Konservendosen. Ein paar Schritte weiter ruhten zwei Gestalten in verkrümmter Haltung auf dem Boden. Eine zerschlissene Decke bedeckte sie, nur Füße und Hände lugten hervor und ein Teil ihrer Gesichter. Die Augen lagen frei. Sie standen weit offen, im Tode erstarrt. Halle Marie trug eine Jacke und eine lange Hose, die zahlreiche Löcher aufwies und total verschmutzt war. Ihr Gesicht und ihre Hände waren zerkratzt und verdreckt, den Schädel hatte sie sich kahl geschoren. »Da bin ich also«, sagte Albion, als er dicht neben ihr in die Hocke sank. Der Sand und die Steine unter seinen Knien waren angenehm warm und weich. »Wollen wir gehen?« Sie blickte nicht auf, schien ihn nicht gehört zu haben. Nichts an ihr veränderte sich. Ein kleiner schwarzer Käfer kroch langsam über ihre Wange. Er hinterließ eine feuchte Spur auf ihrer Haut. Sie merkte es nicht. »Du wusstest, dass ich dich irgendwann finden würde«, fuhr er fort. »Warum lässt du mich nicht in Ruhe?«, fragte sie. »Ich habe das Recht, so zu sterben, wie ich will. Ebenso wie meine Freunde.« Sie nickte kurz zu den beiden Toten hinüber. »Das hast du«, gab er zu. »Allerdings willst du nicht sterben. Nicht du selbst. Die Droge in deinem Blut zwingt dir diesen Gedanken auf, und du wehrst dich noch nicht einmal dagegen.« »Ich habe meine Würde. Ich kann über mich selbst bestimmen. Du hast nichts damit zu tun.« »Die Halle Marie, die ich kenne, hat einen scharfen, analytischen Verstand. Sie würde selbst unter Deon nicht so einen Unsinn
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sagen. Du hast deine Würde längst der Droge geopfert.« Sie ließ den Kopf in den Nacken sinken und blickte zu den Sternen auf, deren Licht sich an dem allmählich dunkler' werdenden Himmel durchsetzte. Dumpf grollend zog ein großer Kugelraumer über sie hinweg. Wenig später rollte die von dem mächtigen Gebilde verdrängte Luft über den Strand und wirbelte den Staub auf. »Bully war hier«, eröffnete er ihr. »Aber ich glaube nicht, dass er dich gesehen hat.« Langsam wandte sie sich ihm zu. Ihre Finger glitten zitternd über die schmutzigen Wangen, und ihre Augen weiteten sich ein wenig. Sie hatten ihren Glanz verloren. »Bully? Bully wer?« »Bully. Reginald Bull. Residenz-Minister für Verteidigung. Er ist gerade eben in seinen Gleiter gestiegen und weggeflogen.« Er legte ihr die Hand auf den Arm. »Es ist gut, dass er dich nicht gesehen hat. Nicht in dem Zustand, in dem du bist.« Sie senkte den Kopf und begann am ganzen Körper zu zittern. »Oh, mein Gott!«, kam es kaum hörbar über ihre Lippen. »Reginald Bull!« Über ein Jahr lang hatte sie ihn als Journalistin begleitet, um danach von ihm und seiner Arbeit, seinem privaten Leben und seinen Freunden zu berichten, unter anderem von seiner Lebensgefährtin Fran Imith. Zu Anfang war sie äußerst kritisch gewesen. Je länger sie ihn jedoch begleitete, je mehr sie von ihm erfuhr, desto mehr wuchs der Respekt vor ihm und seiner Leistung. Albion Aldograd ließ sie nicht aus den Augen. Er spürte, dass er sie an einem Punkt berührt hatte, an dem er sie und ihr Innerstes tatsächlich noch erreichte. Ihr war nicht gleichgültig, was Reginald Bull von ihr dachte. Sie begann zu weinen. Die Tränen wuschen dünne Bahnen in den Schmutz auf ihrer Haut. »Hilf mir, Albi«, bat sie leise, aber eindringlich. »Bitte, hilf mir! Allein schaffe ich es nicht. Aber wenn du mir hilfst, ist es vielleicht noch nicht zu spät.«
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Die anderen Männer und Frauen kamen zögernd heran. Einer von ihnen fragte: »Ist alles in Ordnung, Halle Marie?« Sie hob abwehrend eine Hand, stemmte sich ächzend auf und antwortete: »Alles klar. Vergesst mich.« Sie hatte einen lichten Moment, in dem sie sich ihrer Situation nicht nur bewusst war, sondern in dem sie diese auch ändern wollte. Der Verlust ihrer Freunde und ihrer erfolgreichen, schönen Vergangenheit, symbolisiert in der Gestalt Reginald Bulls, mochte dafür verantwortlich sein. Albion nutzte seine Chance. Er führte sie zum Gleiter und flog mit ihr und dem Roboter nach Terrania City zurück. Auf dem Weg dorthin sank sie in sich zusammen, redete brabbelnd mit sich selbst und schien vergessen zu haben, wo sie war. * Halle Marie machte eine ganz erstaunliche Entwicklung durch. Sie nahm nur noch äußerst geringe Dosen Deon, gerade so viel, wie sie zum allmählichen Ausschleichen benötigte. Sie ging mehrmals täglich unter die Dusche, um sich zu reinigen, pflegte sich wie früher, ernährte sich vernünftig und kam rasch wieder zu Kräften. Ihre Haare wurden länger und bedeckten ihren Schädel bald wie ein dünner blonder Pelz. Sie arbeitete täglich. bis sie die Kräfte verließen und sie dort, wo sie gerade war, in Schlaf verfiel. Albion Aldograd passte auf, dass dies nicht gerade mitten in seiner täglichen Sendung geschah. Er war sicher. dass sie ihre Krise überwunden hatte. Behutsam schob er ihr immer mehr Arbeit zu. Er glaubte, dass sie umso weniger an Deon dachte, je mehr sie zu tun hatte und je mehr Verantwortung er ihr übertrug. Zwei Wochen lang ließ er sie nicht aus den Augen, dann endlich wagte er es, seine Wohnung und den Sender für eine kurze Zeit zu verlassen, um irgendwo eine Reportage zu drehen oder sich um Lizenzprobleme zu kümmern. Dabei schälte sich immer mehr heraus. dass sein
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eigentlicher Gegner nicht die kleinen, subalternen Beamten waren. sondern der mächtige Homer G. Adams. Das Wirtschaftsgenie arbeitete mit größtem Einsatz daran, die zusammengebrochene Wirtschaft des Planeten Erde und der ihm angeschlossenen Wirtschaftsbereiche wieder in Gang zu bringen. Die Umstellung von Syntronik auf Positronik dauerte unerwartet lange und bereitete Probleme, die teilweise nur in langwierigen Prozessen bewältigt werden konnten. Homer G. Adams legte ihm keine Steine in den Weg und verbot ihm auch nichts - aber er gab keine Gelder für ihn und seine Produktionen frei. Julian Tifflor. der Innenminister, unterstützte diese Politik. Und das war entscheidend. Reginald Bull war ganz anders als die beiden. Er war poltriger, emotionaler, näher am Volk, ehrlicher, wie Albion fand. Bully machte keinen Hehl daraus, dass ihm das Programm der öffentlichen Sender zu langweilig war und deren Aufgabe sich keinesfalls darin erschöpfen durfte, die Wirtschaft mit Wachstumsimpulsen zu versorgen. Falls überhaupt eine Anschubfinanzierung zu erreichen war, dann mit Hilfe Reginald Bulls. Albion Aldograd versuchte, einen offiziellen Gesprächstermin beim Residenzministerium zu bekommen, scheiterte jedoch immer wieder oder wurde auf eine lange Wartezeit vertröstet. Es gab Hunderte Projekte, denen sich Bull widmen musste, um die LFT »am Laufen zu halten«. Ihm fehlte die Zeit, sich mit all jenen zu befassen, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen an ihn wandten. Widerstrebend nahm Albion Aldograd zur Kenntnis, dass er Geduld haben musste. Es missfiel ihm. Er war ein ungeduldiger Mann, der Projekte rasch und zügig zu Ende bringen wollte, wenn er sie erst einmal ins Auge gefasst hatte. Kam er im Verlauf des Tages oder der Nacht irgendwann zur Ruhe, dann überlegte er, wie er zu einem Treffen mit Reginald Bull kommen konnte. Zugleich verfluchte er die
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Tatsache, dass er um ein paar Sekunden zu spät am Gelben Meer angekommen war. Nur wenig später, und er hätte Bully direkt ansprechen können. * Missmutig kehrte Albion Aldograd von einer Reportage über eine Werft zu seinem Sender zurück. Das ganze Projekt erwies sich als Fehlschlag. Er hatte gehofft, über moderne Raumschiffe berichten zu können, fand jedoch keine kompetenten Gesprächspartner und erhielt darüber hinaus nicht die Genehmigung, Filmaufnahmen von wirklich interessanter Technik zu machen. Derartige Fehlschläge waren nicht neu für ihn. Damit musste er in seinem Beruf immer rechnen. Dennoch hatte ihm das letzte Interview gründlich die Laune verdorben. Sein Gesprächspartner kam sich allzu wichtig vor. Während er sich seiner Wohnung und dem Studio seines Senders näherte, nahm er sich vor, Halle Marie nicht mit dem Problem zu belasten. Er bemühte sich damit, sich selbst aufzuheitern. Doch das wollte ihm nicht so recht gelingen. * Als er die Tür zu seiner Wohnung öffnete, verflog auch der Rest der guten Laune, der ihm verblieben war. Bestürzt blieb er stehen, um sich das Chaos anzusehen, das er vorfand. Die gesamte Wohnungseinrichtung sah aus, als sei sie von einem Tornado durcheinander gewirbelt worden. Sogar der Tresor war aus der Wand gerissen und aufgebrochen worden. Glücklicherweise hatte er so gut wie keine Wertsachen enthalten. Halle Marie Platt saß tränenüberströmt auf dem Fußboden und lehnte sich mit dem Rücken an die Tür zum Studio. Ihre Augen waren unnatürlich geweitet und so leer und ausdruckslos wie bei einer Toten. Sie war jedoch nicht tot. Ihr Brustkorb hob und senkte sich, und ihre Hände zitterten. Sie war voll mit Deon!
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Sie hatte einen Rückfall erlitten und befand sich in einem Zustand, in dem sie nicht ansprechbar war. Langsam ließ er sich vor ihr auf die Knie sinken. Er griff nach ihren Händen, wobei er hoffte, die unsichtbare Barriere überwinden zu können, die das heimtückische Gift zwischen ihnen aufgebaut hatte. Vergeblich. Sie war nicht erreichbar. Nachdem er eingesehen hatte, dass er nicht mit ihr sprechen konnte, hob er sie auf seine Arme und trug sie zu einem Polster, das nicht vollends zerstört worden war. Weil sie zu frieren schien, deckte er sie zu. Nachdem er ihren Pulsschlag kontrolliert hatte, war er sicher, dass sie nichts weiter brauchte als Ruhe, um das Gift in ihrem Körper abbauen zu können. Er öffnete die Tür zum Studio, und nun endlich begriff er. Halle Marie hatte sich jenen entgegengestellt, die bei ihm eingedrungen waren und seine Wohnung geplündert hatten. Sie konnte nicht verhindern, dass sie alles mitnahmen, was wertvoll für sie war, aber sie hatte nicht zugelassen, dass sie das Studio betraten. Sie hatte sich vor die Tür gesetzt und verteidigt, was wichtiger für sie und für ihn war als alles andere in der Wohnung. Die unbekannten Täter hatte das Studio nicht betreten. Keines der Geräte wies auch nur die geringste Beschädigung auf. »Danke, Halle Marie«, sagte er leise, während er ihre Lippen mit ein wenig Wasser befeuchtete. »Das werde ich dir nie vergessen.« Er vermutete, dass man ihr das Deon gewaltsam eingeflößt hatte. Vielleicht waren die Täter jene gewesen, für die sie das Gift aus den Labors in der Wüste geholt hatte. Er zweifelte daran, dass sie es ihm sagen konnte. Möglicherweise würde er es nie erfahren. Halle Marie hatte eine Katastrophe verhindert. Dennoch war der einwandfreie Zustand seines Studios nicht dazu angetan, seine Stimmung aufzuhellen. Die Stunde rückte näher, in der er auf Sendung gehen musste. aber es fiel ihm schwer, sich darauf zu konzentrieren. Er war versucht, ein Psychopharmakon zu nehmen,
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verzichtete dann aber darauf, weil er sich der Gefahr eines solchen Schrittes bewusst war. Er beschloss, den Film über die Surfer zu senden. Dabei ließ er sich dazu hinreißen, scharfe Kritik an den Behörden zu üben, die sich zu sehr um die Technik und zu wenig um die Menschen kümmerten. Früher hatte es Vorrichtungen gegeben, die alles verhindert hatten - reaktive Prallfelder und Antigravkissen um hohe Gebäude, syntronische Sicherheitsroutinen in Gleitersteuerungen und vieles mehr. All das war, mit Abstrichen, auch heute noch möglich, wenn auch schwieriger zu erreichen und wesentlich energieintensiver. Dafür aber musste doch wohl Geld da sein! Er war sich klar darüber, dass ihm diese Kritik Schwierigkeiten einbringen würde. aber das nahm er in Kauf. Er hörte Halle Marie nebenan husten, und er musste daran denken, dass die Gangsterbanden mitten in Terrania City mit Rauschgift handeln konnten, ohne behelligt zu werden. Am Ende erhob er sich, nahm eine Kamera und berichtete aus seiner Wohnung. Er zeigte die Zerstörungen, und er brachte Halle Marie ins Bild. Dabei scheute er sich nicht, die organisierte Kriminalität zu verdächtigen. Die Sendung war keine zwei Minuten zu Ende, als er einen Anruf erhielt, mit dem er unter gar keinen Umständen gerechnet hatte. Es verschlug ihm den Atem. 5. Wir haben nicht zu wenig Zeit. Wir nutzen nur zu wenig unserer Zeit. Wer Zeit verschenkt, existiert. Wer Zeit nutzt, lebt. Perry Rhodan, 16. Juli 3588 n. Chr. (1 NGZ) Das mit Sommersprossen gesprenkelte Gesicht Reginald Bulls zeichnete sich auf dem größten Monitor vor ihm ab. »Bilde dir bloß nichts ein«, sagte der Unsterbliche mit einem gewissen Funkeln in seinen Augen. »Ich habe deine Sendung nur zufällig gesehen. Es war wirklich der pure Zufall. Aber dann ist mir sauer
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aufgestoßen, was ich gesehen und gehört habe. Sei froh, dass ich mich bei dir melde und nicht Noviel Residor oder Julian Tifflor. Die waren nur knapp zu spät, sodass ich sie bremsen konnte. Aber das hier wird kein Spaziergang. mein kleiner Medienmogler.« »Hallo. Bully!», brachte der Journalist mühsam hervor. »Hallo. Albion. Ich kenne dich eigentlich als im Großen und Ganzen vernünftigen Mann. Was zum Teufel hat dich geritten, dich nicht nur mit der Unterwelt, sondern auch noch mit der LFT anzulegen? Hast du keine Probleme, oder kriegst du nicht genug davon?» »Ich bin stinksauer. Hast du Halle Marie gesehen? Sie haben sie mit Deon voll gepumpt. Sie ist unten. Ganz unten!« »Und wir tun nichts, meinst du? Da bist du aber total daneben, Junge. Der TLD ist dabei. die organisierte Kriminalität abzuwürgen. Aber es ist wahnsinnig schwer. Vielleicht werden wir es nie ganz schaffen. Kaum ist eine Organisation zerschlagen, entsteht sofort eine neue und füllt die Lücke aus, die wir gerissen haben. Aber Residor und Tifflor sind am Ball. Und wie! Irgendwann erwischt es jede Organisation. Es ist nur eine Frage der Zeit.« »Ich versuche seit geraumer Zeit. einen Gesprächstermin bei dir zu bekommen«, wechselte Albion das Thema. »Es ist fast aussichtslos.« Bull brummte etwas Unbestimmtes und runzelte die Stirn. Dann sagte er: »Komm morgen früh vorbei. Ich habe Zeit für dich. Alles klar?« »Alles ... alles klar, Bull...y. Und vielen Dank auch«, stammelte Albion Aldograd, den das Angebot derart überrascht hatte, dass er kaum Worte fand. »Alles Weitere kannst du mit meinem Büro regeln. Ich stelle dich durch. Bis dann.« Damit war das Gespräch zu Ende. Reginald Bulls Bild verschwand, und wenig später erschien dafür das Gesicht einer jungen, attraktiven Frau. Nachdem Albion den Termin festgemacht hatte,
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sprang er auf und eilte jubelnd in den Nebenraum, um Halle Marie zu unterrichten. Sie war schon auf dem Flur vor der Wohnung. Auf allen vieren kroch sie auf den Antigravschacht zu, offenbar entschlossen, wiederum vor ihm und dem Entzug zu entfliehen. Er hob sie mühelos auf und trug sie in die Wohnung zurück. Sie wehrte sich, gab aber sehr schnell auf, begann hemmungslos zu weinen und klammerte sich an ihn. * »Sie haben es mir aufgezwungen«, schluchzte sie. »Erst wollten sie mich töten, aber dann haben sie mir Deon gegeben.« Verzweifelt presste sie sich an ihn. »Lass mich nicht fallen. Albi. Bitte!« Er hasste jene Unbekannten für das, was sie getan hatten, und er hasste sie umso mehr, als er wusste, dass er nichts gegen sie ausrichten konnte. Immerhin tröstete ihn, was Bully gesagt hatte. Die Polizei war jenen Kräften auf der Spur. Sie machte ihnen das Leben so schwer wie nur irgend möglich. Ihm blieb nichts übrig, als sich auf die Ordnungskräfte zu verlassen und zu hoffen, dass sie diese Organisation aus dem Verkehr zogen. Ein wenig hatte sich seine Lage bereits verbessert. Wenn er dafür sorgte. dass es Verbindungen zwischen Albion3D und Reginald Bull gab, baute er einen Schutzschild zwischen sich und der organisierten Kriminalität auf. Die Unterwelt würde sich hüten, sich mit dem Unsterblichen anzulegen. Der Tag hatte schlecht begonnen, am Ende aber war ihm ein vielversprechender Schritt gelungen. * Am nächsten Tag hatte er das Treffen mit Reginald Bull. Es gelang ihm dabei, nicht nur seine Schwierigkeiten zu. schildern, sondern ihm auch seine Visionen vorzustellen. Der Unsterbliche hörte ihm zu, und dann reagierte er ganz anders, als
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Albion Aldograd es erwartet hatte. Er blickte kurz auf seinen Terminkalender und sagte: »Ich besuche dich und deinen Sender in einer Woche. Ist es dir recht?« Der Journalist war so überrascht, dass es ihm den Hals zuschnürte. »Kann ich darüber berichten?«, fragte er mühsam die Kontrolle über seine Stimme wahrend. Bully grinste breit. »Das sollst du sogar, Junge. Das ist die Absicht, die dahinter steckt. Ich will die Werbetrommel für dich rühren. Falls du das bringst, was ich von dir erwarte, stellst du damit deinen Sender auf die Beine. Genau das will ich erreichen.« »Tatsächlich?« Die Gedanken Albions überschlugen sich, sodass es ihm kaum gelang, sie einigermaßen zu ordnen. Nie und nimmer hatte er sich vorstellen können, dass sich der Verteidigungsminister in das mühsame Geschäft der privaten Trivid-Sender einmischen würde. Das Kulturgeschehen gehörte nicht zu Bullys Zuständigkeitsbereich als Minister. Mit einem demonstrativen Auftritt bei Albion3D verfolgte er vermutlich ganz persönliche Interessen. Er versuchte, die verkrustete Trivid-Landschaft aufzubrechen, indem er jene Kräfte provozierte, die sich bislang gegen Unterhaltung gesperrt hatten. Albion erinnerte sich daran, dass es innerhalb des Kabinetts zu heftigen Auseinandersetzungen über die Gestaltung der Medienlandschaft gekommen sein sollte. Nichts davon war öffentlich ausgetragen worden, aber die Gerüchte, die er aufspürte wie ein guter Jagdhund, hatten sich verdichtet: Anlass waren verschiedene Berichte über Raumschiffsbesatzungen, Ausbildung, den Einsatz von Raumkampftruppen sowie Manöver der Spezialeinheiten für den Bodenkampf auf exotischen Planeten gewesen. Er hatte selbst einen Teil dieser Berichte gesehen und befunden, dass sie maßlosschlecht gewesen waren. Bull als Verteidigungsminister hatte angeblich ebenfalls darauf hingewiesen, dass solche
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Berichte keine Werbung für das Militär sein konnten. Es lag auf der Hand, dass Reginald Bull sich nun tatkräftig einmischen würde, um die Zustände zu ändern. Frisher Kreea würde sich schwarz ärgern! Albion war es nur recht, wenn Reginald Bull einen Konflikt heraufbeschwor und der Trivid-Bereich damit endlich in Bewegung geriet. Der Unsterbliche hielt Wort. Als er eine Woche später, begleitet von mehreren Beamten und den Verkaufsmanagern von einigen großen Konzernen, im Gebäude von Albion3D erschien, hatte Albion Aldograd sich entsprechend vorbereitet. Er hatte für eine gründliche Reinigung der wichtigsten Gebäudeteile gesorgt und eine Reihe von Räumen mit Mobiliar versehen. Die obdachlosen Männer und Frauen hatten ihm dabei tatkräftig zur Seite gestanden. Zugleich hatte er alles getan, was in seiner Macht stand, um Halle Marie Platt bei ihrer Gesundung zu helfen. Er hatte sie so weit aufgebaut, dass sie sich in der Lage sah, an seiner Seite zu stehen und Bully und seine Begleiter zu empfangen. Als die Delegation eintraf, glitt ihr ein ganzer Schwarm von fliegenden, positronisch gesteuerten Mikrokameras entgegen, die durch drei etwas größere Geräte begleitet wurden. Bully und seine Begleiter sollten die Kameras sehen können. Albion Aldograd triumphierte. Der Besuch dieser Delegation war eine Art Ritterschlag für ihn und seinen Sender. Wenn sich einer der bedeutendsten Unsterblichen bei ihm blicken ließ, dann konnte es nur noch aufwärts gehen. Als Bull sogar verkündete, er vermisse das »gute alte EAS«, schien Albion wie auf Wolken zu schweben. Halle Marie hatte sich große Mühe gegeben, ihr Äußeres so positiv zu verändern wie nur eben möglich. Sie war sogar bei einem Kosmetiker gewesen. Dennoch konnte sie Bully nicht täuschen. Nachdem er eine Weile mit Albion Aldograd gesprochen hatte, nahm er sie zur
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Seite, legte ihr den Arm um die Schultern und blickte sie ernst an. .Wenn du willst, schicke ich dich in eine Klinik«, sagte er so leise, dass die anderen ihn nicht hören konnten. »Um die Kosten brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich übernehme das. Kein Problem. Allein oder nur mit der Hilfe Albions schaffst du es nicht.« Er erinnerte sie an die Zeiten, in denen sie eng zusammengearbeitet hatten. Tränen stiegen ihr in die Augen. Beschämt senkte sie den Kopf. »Ich weiß nicht, wie es geschehen konnte«, antwortete sie kaum hörbar. »Ich habe wohl dem falschen Mann vertraut.« »Ich will keine Entschuldigung von dir hören«, erwiderte er. »Ich möchte dir helfen. Du bist eine von den wenigen Journalisten, die mich durch ihre Klugheit, Fairness und ihren guten Riecher beeindruckt haben.« »Ich komme darauf zurück«, wich sie ihm aus. »Jetzt kann ich Albion nicht allein lassen. Wir müssen den Sender aufbauen. Das wird schwer genug.« »Wie du willst. Aber vergiss nicht, dass du dich jederzeit an mich wenden kannst. Mein Angebot gilt. Auch in zehn Jahren noch oder noch später. Ich habe ja Zeit, weißt du?« Sie dankte ihm mit einem verlegenen Lächeln. Dann begleitete sie ihn zu den anderen zurück, die sich mittlerweile im Salon neben dem Zentralstudio versammelt hatten. * »Wir brauchen einen Paukenschlag«, stellte Dort Koagan fest, Ressortmanager eines der ganz großen Konzerne der Erde. DOAM stellte nicht nur die besten Gleiter her die es auf Terra gab, sondern belieferte auch nahezu alle Raumschiffswerften mit Zubehör. »Wir brauchen ein paar Sendungen, bei denen es den Zuschauern buchstäblich den Atem verschlägt. Nicht irgendetwas, das sie so oder in ähnlicher Form schon mal gesehen haben, sondern einen absoluten Knaller.«
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»Nichts wäre mir lieber«, stimmte Albion zu. »Am besten wäre eine Aufsehen erregende Weltraumaktion, eine Reportage aus einem Bereich der Milchstraße, die so ungewöhnlich und so extrem ist, dass sie buchstäblich alle Menschen der Erde vor die Monitoren lockt«, fuhr Koagan fort. Er war ein mittelgroßer, eleganter Mann mit markanten Gesichtszügen. Er fiel jedoch nicht in erster Linie wegen seines guten Aussehens auf, sondern wegen seiner Ausstrahlung, die ihn aus dem Kreis aller anderen hervorhob. Ihm konnte man ansehen, dass er ein wichtiger, ungewöhnlich intelligenter und erfolgreicher Mann war. Albion Aldograd sah sich bestätigt. Reginald Bull hatte sich eingemischt, weil er lebendige und interessante Berichte aus dem Bereich der Raumfahrt haben wollte. Sein Ziel war es, junge Menschen zu begeistern und für die Raumfahrt zu gewinnen. So war es nur logisch, dass er auf dem Umweg über Dort Koagan - eine Reportage aus dem Weltraum haben wollte. »Einverstanden«, stimmte er zu. »Leider verfügt der Sender über kein Raumschiff, mit dem er eine solche Expedition unternehmen kann, und er hat vorläufig auch nicht die Mittel, sich einen geeigneten Raumer zu leasen.« »Kein Problem«, behauptete Dort Koagan und lächelte hintergründig. »Ich denke an die MARQUITTA VENDETTE, einen Ringraumer. Sie gehört unserem Konzern und könnte als Medienschiff hervorragend geeignet sein. Wir werden die Mittel gemeinsam mit anderen Investoren zur Verfügung stellen.« Er wandte sich an Bully. »Hast du spontan eine Idee, mit der wir uns befassen könnten?« »Allerdings«, antwortete der Unsterbliche. »Ich denke an das Antares-Riff. Es liegt auf halbem Wege zwischen Terra und dem Arphonie-Sternhaufen. Es wäre geeigneter als jedes andere Projekt.« »Das Antares-Riff.« Albion Aldograd hatte das Gefühl, dass sich ihm ein stählerner Ring um die Brust schloss, der sich
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erbarmungslos verengte und ihm das Atmen immer schwerer machte. Er hatte nur vage Vorstellungen von dem erwähnten Zielgebiet, war sich jedoch klar darüber, dass es zumindest problematisch war. Doch das war es nicht, was ihn schwindeln ließ. Vor dem Besuch der Delegation um Reginald Bull war er ein mehr oder weniger mittelloser Trivid-Produzent gewesen. Jetzt plötzlich eröffneten sich ihm und seinen Sendern Perspektiven, die er noch vor wenigen Stunden in den Bereich von Deon-Träumen verwiesen und für absolut unrealistisch gehalten hätte. »Wir brauchen eine Werbeplattform, mit der wir die breite Masse überall im Solsystem erreichen«, betonte Dort Koagan. »Wie sich in der Vergangenheit gezeigt hat, können die privaten Sender leisten, was wir haben wollen. Also werden wir investieren.« Er reichte Albion Aldograd die Hand. »Auf gute Zusammenarbeit!«
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ihre Wohnung zurückzog. Albion war sicher, dass sie sich in dieser Zeit mit der Droge versorgte. Dabei dosierte die junge Frau das Gift jedoch so behutsam, dass sie nicht durch ein verändertes Verhalten ausfiel. * Am 31. Dezember 1336 NGZ erweiterten die beiden Aldograd-Sender ihr Programm schlagartig um mehr als zwölf Stunden täglich. Der Erfolg war überwältigend. Wenige Tage darauf standen die Werbeagenturen buchstäblich Schlange vor den Büros der Sender, um die Werbespots ihrer Kunden unterzubringen. Während dieser turbulenten Zeit der Vorbereitungen kam er kaum mal zur Besinnung. Dabei wollte er den Kopf frei haben für neue Projekte, vor allem für ein Projekt, das ihm besonders am Herzen lag — das Projekt Antares-Riff. *
* Die Zusammenarbeit entwickelte sich viel schneller, als Albion Aldograd sich hatte vorstellen können. Dort Koagan machte die Kräfte seines Konzerns frei. Er erwarb eine Minderheitsbeteiligung an den Sendern Albion3D und EAS und trommelte aus allen Teilen der Welt Fachkräfte zusammen. Jetzt bekam das Unternehmen nicht nur den nötigen professionellen Anstrich, sondern auch den finanziellen Hintergrund, ohne den keine Entwicklung zu einem schlagkräftigen Senderverbund möglich gewesen wäre. Angesichts der rasanten Entwicklung hatte Albion Aldograd das Gefühl, von einem gewaltigen Strom mitgerissen zu werden und die Fäden des eigenständigen Handelns aus den Händen zu verlieren. Halle Marie Platt brachte sich mit ganzer Kraft ein, doch zeigte sich nun, dass sie in den vergangenen Jahren auf dem Altar ihrer Deon-Sucht allzu viel Kraft und Energie verloren hatte. Sie brauchte immer wieder Ruhepausen, in denen sie sich in
In den ersten Januartagen flog Albion Aldograd nach Südafrika. In der Bar seines Hotels begegnete er Steve Or Darbenhouk. Der dunkelhäutige Kommandant der MARQUITTA VENDETTE hatte einen kurzen, gedrungen wirkenden Oberkörper und ungewöhnlich lange, dünne Beine, die den Eindruck erweckten, als gehe er auf Stelzen. Ein breiter Kopf saß auf steil abfallenden Schultern. So war Steve Or Darbenhouk alles andere als ein gut aussehender Mann, beeindruckte dafür umso mehr durch seine Persönlichkeit. Er strahlte eine ungewöhnliche Ruhe aus. »Das Antares-Riff«, sagte der Kommandant mit dumpf grollender Stimme, die tief aus seiner Brust zu kommen schien. »Muss es ausgerechnet dieses Gebiet sein?« »Daran führt kein Weg vorbei«, erwiderte Albion Aldograd. »Wir brauchen eine ganz große Reportage, einen Bericht, der zum Straßenfeger auf der Erde wird. Die Menschen der Erde wissen ja noch gar nicht, was für ein Monstrum sozusagen vor
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ihrer eigenen Tür entstanden ist. Es wird höchste Zeit, sie darüber zu informieren. Ich gebe zu, ich weiß ebenfalls nicht viel. Was ist das Problem beim Antares-Riff?« Steve Or Darbenhouk griff nach seinem Becher mit dem Spezialkaffee und trank ein wenig. Er schien nach den richtigen Worten für den Einstieg in das Gespräch zu suchen. »Ein Hypersturm hat sich rings um die Sonne Antares in einem Gebiet von etwa 100 Lichtjahren festgesetzt«, führte er aus. »Es herrschen Sturmstärken von 180 bis 200 Meg, praktisch jede Sekunde schwankend. Mehr noch - die Doppelsonne Antares ist von wenigstens drei erratisch wandernden Tryortan-Schlünden umgeben.« Er blickte den Journalisten an, als erwarte er, dass sich das blanke Entsetzen in dessen Gesicht abzeichnete. Albion Aldograd ließ jedoch nicht erkennen, was er dachte und empfand. »Tryortan-Schlünde - das sagt mir nicht viel«, gestand er ein. »Bei einem Tryortan-Schlund handelt es sich um ein Phänomen, das mitunter bei Hyperstürmen auftritt und sich als eine Art >Öffnung ins Nichts< darstellt, durch die sämtliche Materie mit unbekanntem Ziel entstofflicht und einer Zwangstransition unterworfen wird oder aber in der Art eines Paratron-Aufrisses im übergeordneten Kontinuum verweht.« »Du meinst also: entweder vernichtet oder verloren? Auch das wäre ein prächtiger Arbeitstitel für die Reportage, was meinst du?« In Darbenhouks Mundwinkeln zuckte es kurz. »Also der Traum eines guten Journalisten, hm? Aber nicht gerade ein Gebiet, das ein guter Raumfahrer anstreben würde. Freilich hast du mächtige und einflussreiche Freunde. Demzufolge werde ich wohl mitziehen müssen.« Albion Aldograd konnte sich denken, dass ein Mann wie Steve Or Darbenhouk nicht gerade begeistert war, wenn er ein Raumschiff in so einen Bereich lenken sollte. »Der Durchmesser des trichterförmigen Tryortan-Schlundes beträgt annähernd
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30.000 Kilometer, die Länge des sich verengenden Ausläufers fast 500.000 Kilometer«, fuhr Steve Or Darbenhouk fort. »Gefährdet sind jedoch alle Raumschiffe im Umkreis von vielen Millionen Kilometern, da die Ausläufer in die normalen Gewalten des tobenden Hypersturms übergehen - und der Tryortan-Schlund selbst plötzlich wandern kann beziehungsweise an neuer Stelle erscheint, zwischen wenige Millionen Kilometer und einigen Lichtjahren weit entfernt. Das weiß niemand vorher.« »Was ist mit Hyperfunkund Hyperortung?«, fragte Albion Aldograd, dem erste Bedenken kamen, ob eine Expedition zum Antares-Riff wirklich zu verantworten war. »Versagen. Prallfelder und Antigravs an Bord bereiten Schwierigkeiten. Das kann wirklich unangenehm werden, weil auch die Andruckabsorber ausfallen. Schutzschirme flackern und drohen instabil zu werden.« Ruhig trank Steve Or Darbenhouk einen weiteren Schluck Kaffee. Er berichtete vom Antares-Riff, als ob er nicht persönlich betroffen sei. »Probleme bereiten auch die Triebwerke. So sind im Sublichtbereich deutliche Leistungseinbußen zu verzeichnen, der Übergang in den Linearraum ist in diesem Augenblick praktisch unmöglich. Gefährliche Fesselfeld-Fluktuationen treten auch bei Nugas-Speicherkugeln auf. Selbst die konventionelle Physik erfährt im Hypersturm Technikaussetzer und merkwürdige Verzerrungen, die keinem nachvollziehbaren Schema folgen. Die überlichtschnelle Ortung ist im Sturmgebiet selbstverständlich so gut wie blockiert.« »Selbstverständlich«, kommentierte der Journalist nicht ohne einen gewissen Fatalismus. »Der Weltraum selbst verwandelt sich also in eine gefährliche Zone, in der Raumschiffe jederzeit verunglücken können.« »Ich sehe, du hast angefangen zu verstehen, worauf du dich da einlässt.« Der Kommandant lächelte flüchtig. Er warf Albion einen prüfenden Blick zu. »Nicht
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nur dass der Sturm sich praktisch stationär verhält - so als wolle er sich an dieser Stelle des Raums auf Dauer festsetzen -, die Tryortan-Schlünde im Antares-Sektor zeigen laut Orterprotokoll ein höchst ungewöhnliches Verhalten. Sie speien in unregelmäßigen Abständen Objekte aus. Kleine Himmelskörper, Staubmassen und Ähnliches, was möglicherweise von anderen Schlünden in anderen Gebieten der Milchstraße eingesogen und einer Zwangstransition zu den Schlünden von Antares unterworfen wurde.« »Mir scheint, wir haben es mit einem Monstrum zu tun, wie es die Raumfahrt unter den alten Bedingungen niemals kennen gelernt hat.« Albion grinste schief. »Gut so. Das ist genau das, über was ich berichten möchte. Die Zuschauer interessieren sich für extreme Erscheinungen.« »In der Tat. Hier geht es um ein Monstrum mit einem Hypersturm-Riff! Das hat es vor dem Hyperimpedanz-Schock nicht gegeben. Jedenfalls nicht in dem uns bekannten Teil des Universums. Die Folgen für die Raumfahrt sind katastrophal.« Steve Or Darbenhouk blickte ihn eindringlich an, und allmählich entspannte ein breites Lächeln sein dunkles Gesicht. »Wir Raumfahrer sehen im Antares-Riff den Teufel schlechthin. Wir weichen ihm so weit aus, wie wir nur können. Und das solltest du auch tun.« »Tut mit Leid. Das werde ich nicht. Auf keinen Fall.« »Verdammt noch mal!«, fluchte der Kommandant. »Da denkt ihr Sesselfurzer euch was aus und habt keine Ahnung, was so etwas in der Praxis bedeutet.« »Es bedeutet vor allem, dass Dort Koagan es will«, erwiderte Albion Aldograd kühl. »Er ist dein Boss, wenn ich mich nicht irre.« Steve Or Darbenhouk faltete seine endlos langen Beine auseinander, schob den Kaffeebecher unwillig zur Seite und stemmte sich in die Höhe. »Ist mir klar«, kam es beinahe knarrend über seine Lippen. »Der Boss hat es beschlossen, und wir werden tun, was wir tun müssen. Er
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bleibt in seinem bequemen Sessel, aber wir riskieren Kopf und Kragen.« »Ich ebenfalls«, versetzte Albion Aldograd ruhig. »Ich bin mit an Bord. Das ist schließlich der Sinn der Sache. Wir wollen die aufregendste Reportage machen, die vermutlich jemals aus dem Weltraum geliefert wurde. Mein Team gehört zum Besten, was zurzeit zur Verfügung steht. Wir werden alles dokumentieren.« »Euren eigenen Tod werdet ihr filmen«, sagte der Kommandant der MARQUITTA VENDETTE mit einem geringschätzigen Seitenblick auf den Journalisten voraus. Er hielt rein gar nichts von der geplanten Expedition und von dem Medienstab, der ihn begleiten sollte. Das spürte Albion allzu deutlich. Darbenhouk hielt ihn für naiv und reichlich unbedarft. »Die MARQUITTA VENDETTE muss nach Terrania City«, bestimmte er. »Möglichst noch heute. Dort werden wir sie mit allem ausstatten, was wir als Journalisten für die Expedition benötigen.«. Um ihm zu danken, streckte er Steve Or Darbenhouk die Hand hin. Zögernd und mit einem gewissen Widerwillen schlug der Kommandant ein. »Wir werden Probleme mit der Besatzung haben«, befürchtete er. »Sobald meine Leute erfahren, wohin es geht, wird die Hälfte den Dienst quittieren. Vielleicht noch mehr.« »Dann engagieren wir neue Leute«, entgegnete der Journalist gelassen. »In . Terrania City wimmelt es nur so von Raumfahrern, die lieber heute als morgen einen Job annehmen und an Bord eines Raumschiffs gehen würden. Wir werden keine Schwierigkeit haben, genügend fähige Leute zu finden.« Steve Or Darbenhouk murmelte einen erneuten Fluch. »Genau das fürchte ich auch. Dabei wäre es mir lieber, wir fänden keine und müssten die ganze Expedition aus diesem Grunde abblasen. Ich fürchte jedoch, das wirst du nicht tun.« »Auf keinen Fall. Wir haben schon zu viele Vorbereitungen getroffen. Außerdem beginnt zu dieser Stunde eine
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Pressekonferenz in Terrania City auf der wir bekannt geben, was wir vorhaben. Wir wollen diese Reportage schließlich verkaufen und damit eine völlig neue Trivid-Landschaft aufbauen. Dort Koagan hat gesagt, wir brauchen einen Paukenschlag. Also werden wir die Pauke schlagen!« »Noch ein Grund mehr, dich zum Teufel zu wünschen«, sagte der Kommandant mit fast geschlossenem Mund. »Aber dahin fliegen wir ja ohnehin.« 6. Wer die Zukunft gestalten will, sollte sich der Vergangenheit mit Respekt und Ehrfurcht erinnern und der Gegenwart mit einer gehörigen Portion Misstrauen begegnen. Perry Rhodan, 14. Januar 17 NGZ Albion3D sowie EAS waren nicht die einzigen Sender, die von der Pressekonferenz und von der geplanten Expedition berichteten. Die öffentlichen Sender erwähnten die Absichten ihres Wettbewerbers jedoch nur in Nebensätzen, um ihm nicht noch mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, als er ohnehin erhielt, oder sie übten sich in scharfer Kritik. Sie warfen den Sendern Verantwortungslosigkeit gegenüber der Raumschiffsbesatzung vor, deren Leben der Sensationslust wegen aufs Spiel gesetzt wurde. Im Vorfeld der Sendungen hatte Albion Aldograd noch einmal mit Dort Koagan gesprochen und auf die besonderen Gefahren der Expedition hingewiesen. Sein Versuch, den Finanzier auf andere Projekte einzustimmen, die weniger riskant waren, scheiterte jedoch. »Entweder ihr macht die Geschichte«, entgegnete Koagan kalt und entschlossen, »oder du kannst deine Sender vergessen. Mit halbseidenen Geschichten brechen wir die Trivid-Szene nicht auf. Mach's, oder ich baue einen eigenen Sender auf.« Albion Aldograd gab seinen - ohnehin geringen - Widerstand auf und zog sich mit
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den Worten zurück, die Expedition werde wie geplant und ohne jegliche Verzögerung starten. Ihm war klar, dass Dort Koagan die Mittel hatte, eigene Sender aus dem Boden zu stampfen, er wusste aber auch, dass die Behörden in der Lage waren, ihm mit allerlei juristischen Tricks die dafür nötigen Lizenzen auf Jahre hinaus zu verweigern, während Albion3D und EAS bereits über diese Lizenzen verfügten. Am 2. Februar 1337 NGZ lief der Countdown für die MARQUITTA VENDETTE an. Albion Aldograd und sein Tross von Kameraleuten und Technikern zog an Bord des ringförmigen Raumers, der fünf röhrenförmige Speichen hatte. Sie liefen in der Mitte des Rings zusammen und mündeten dort in eine Kugel. Die Hauptleitzentrale befand sich nicht im Zentrum, sondern in einem Teil des Rings. Die Speichen und die Mitte waren dem Antrieb vorbehalten. * Ein kleiner Stab von Spezialisten begleitete die Männer und Frauen auf Schritt und Tritt bis hin zu den Schleusenschotten, um jede Phase des Unternehmens zu dokumentieren. Er folgte jedoch nicht mit ins Raumschiff, sondern blieb in Terrania City zurück. Die letzten Bilder fing er ein, als der 200 Meter durchmessende Ringraumer startete und im wolkenlosen Himmel verschwand. Albion Aldograd hatte sich in letzter Minute von diesen Mitarbeitern verabschiedet. Danach zog er sich in seine Kabine zurück, um an einem Script zu arbeiten, in dem er den Rahmen für die große Reportage steckte. Verlief alles wie geplant, konnte die Expedition mit überwältigenden Bildern rechnen. Doch die allein genügten nicht. Sollten sie die beabsichtigte Wirkung erzielen, mussten sie in einen dramaturgisch ausgefeilten Rahmen eingebettet werden. Halle Marie Platt platzte herein, was ihn keineswegs überraschte. Im Gegenteil, er hatte sich bereits gewundert, dass sie nicht
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schon früher gekommen war. Sie war bleich bis an die bebenden Lippen. »Du verdammter Hund!«, schrie sie ihn an. »Was hast du getan?« Er schwenkte seinen Sessel gelassen herum. Mit erhobenen Fäusten stand sie vor ihm, hatte jedoch nicht die Absicht, ihn zu schlagen, sondern verkrampfte die Hände, weil sie auf diese Weise ihr Zittern verbergen wollte. Ihre nach vorn geneigten Schultern zuckten. Dabei sah sie aus, als fehle ihr die Kraft, sich auf den Beinen zu halten. »Ich weiß nicht, was du meinst, Halle Marie«, erwiderte er. Sie sank in einen freien Sessel. »Und ob du das weißt! Du hast dafür gesorgt, dass ein Teil meines Gepäcks in Terrania City geblieben ist.« Er wich ihren Blicken nicht aus. »Ja, das ist richtig.« »Ich hasse dich. Dafür werde ich dich umbringen. Das ist sicher. Wenn du mir irgendwann den Rücken zuwendest, stoße ich dir ein Messer in die Gegend, in der normale Menschen ein Herz haben, in der bei dir aber nichts, absolut nichts zu sein scheint!« »Das ändert auch nichts an der Tatsache, dass du noch nicht einmal ein Mikrogramm Deon oder irgendeine andere Droge an Bord finden wirst«, sagte er. »Das wirst du akzeptieren müssen. Ich kann nicht zulassen, dass irgendeiner von der MARQUITTA VENDETTE zu irgendeinem Zeitpunkt nicht voll einsatzfähig ist. Ich muss mich auf jeden von euch verlassen können.« Halle Marie brach in Tränen aus. »Aber ich ertrage das nicht«, schluchzte sie. »Es bringt mich um, wenn ich kein Deon bekomme.« »Keine Sorge. Die Schiffsärztin ist informiert. Die nächsten Tage werden schwer für dich werden, sehr schwer, aber sie hilft dir. Du wirst diese Phase überstehen.« »Du überschreitest deine Kompetenzen«, beschuldigte sie ihn. »Ich bin ein freier Mensch, und ich kann tun und lassen, was ich will. Niemand hat das Recht, meine
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Freiheit einzuschränken. Deon zu nehmen ist nicht verboten. Nur damit zu handeln ist illegal.« »Schlechte Gesetze sind das eine Problem - deine Gesundheit ein anderes. Ich möchte dir helfen. Du wirst zugrunde gehen, falls du nicht aufhörst mit dem Zeug.« »Das ist meine ganz persönliche Entscheidung.« »Du bist nicht mehr frei. Du bist vom Deon abhängig. Frei bist du erst wieder, wenn du clean bist.« »Darüber streite ich nicht.« Sie funkelte ihn hasserfüllt an. »Du kannst dich darauf verlassen, dass ich es dir heimzahlen werde. Sei auf der Hut, Albion! Genau zu dem Zeitpunkt, an dem du es am wenigsten brauchen kannst, werde ich zuschlagen, und dann wirst du bereuen, was du getan hast.« »Komm. Wir gehen zur Ärztin.« Wie ein störrisches Kind schüttelte sie den Kopf. Sie flehte, um ihn zu einer Umkehr zur Erde zu bewegen, bis er sie anschrie. »Du bist doch schlau genug, du weißt doch, dass ich die Expedition deinetwegen nicht abbrechen werde!«, schnauzte er sie an. Dann packte er sie kurzerhand und brachte sie in die medizinische Station, wo er sie der Bordärztin Kushan Singha übergab, einer zierlichen Person. Bei der Auswahl der Besatzungsmitglieder hatte Aldograd sich für sie entschieden, weil sie über eine langjährige Erfahrung mit Abhängigen verfügte. * Was für Bilder! Welch unglaubliches Geschehen! An Bord der MARQUITTA VENDETTE herrschte ehrfurchtsvolles Schweigen. Keiner der Männer und Frauen hatte je zuvor Derartiges beobachtet. Das gesamte Antares-Riff war ein Meer aus treibender Materie und Energie, ein Meer aus Formen und Farben, überwiegend ein chaotisches Durcheinander, das sich keiner physikalischen und keiner mathematischen
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Formel beugen wollte, teils aber auch von vollendeter Harmonie in seinen filigranen Gebilden. Albion Aldograd und sein Team filmten pausenlos. Es war bemüht, jedes einzelne Detail zu erfassen. und war dabei ständig auf der Jagd nach noch eindrucksvolleren Bildern. Alle Kameras waren außen an der MARQUITTA VENDETTE montiert. Sie konnten von verschiedenen Stellen in der Zentrale aus gesteuert werden. Jeder der Bildjournalisten hatte seine speziellen Monitoren, mit deren Hilfe er die Kameras überwachte, und er hielt die nötigen Steuergeräte in der Hand. Auf dem größten Monitor in der Zentrale des Raumschiffs zeichnete sich die Doppelsonne Antares ab, die von drei wandernden Tryortan-Schlünden umgeben war. Sie glühten tiefrot. Schwarze, gezackte Risse, pulsierenden Arterien gleich, zeichneten sich immer wieder für Sekunden oder Minuten auf den gigantischen Energietrichtern ab, um dann zu verschwinden und sich an anderen Stellen wieder aufzubauen. Eine unglaubliche Drohung ging von den Tryortan-Schlünden aus. Ihre Trichteröffnungen wanden sich hin und her, richteten sich überraschend zur einen oder anderen Seite, so als suchten sie nach Opfern im Weltraum, die sie verschlingen konnten. Einer der Schlünde verschwand von einer Sekunde zur anderen, wobei er ein kurzes blaues Leuchten in jenem Gebiet hinterließ, das er zuvor ausgefüllt hatte. »Das sieht verdammt noch mal nicht gut aus«, stöhnte Halle Marie Platt, die an einem der Schaltpulte saß und einige der Kameras lenkte. »Wo ist das Biest hin? Es kann sich doch nicht einfach aufgelöst haben.« »Er ist ... transitiert, glaube ich. Wir müssen näher heran«, forderte Albion Aldograd. »Zu gefährlich«, sträubte sich Kommandant Darbenhouk. Er blickte sich in der Zentrale um, die eine Fläche von beinahe 150 Quadratmetern einnahm. Nicht nur sieben Besatzungsmitglieder
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hielten sich dort auf und versahen ihre Aufgaben an den Geräten, sondern auch vierzehn Männer und Frauen aus dem Team von Albion3D Und EAS. Seine Offiziere signalisierten ihm, dass die MARQUITTA VENDETTE schon viel zu nah an dem Krisengebiet des Antares-Riffs war. Aus ihrer Sicht waren die Bilder auf den Monitoren geradezu überwältigend, zumal die mit Teleobjektiven ausgestatteten Kameras Details herausholten, die mit dem normalen Auge nicht zu erkennen waren. Damit nicht genug – mit Hilfe von positronischen Tricks ließen sich die Bilder noch weiter heranzoomen. »Das reicht nicht«, beharrte Albion auf seinem Wunsch. »Für Laien mag es so aussehen, als seien die Bilder ausreichend. Für mich sind sie es nicht. Im ProfiBereich wird ein bisschen mehr verlangt.« »Wir riskieren Kopf und Kragen, wenn wir noch näher herangehen«, gab der Kommandant zu bedenken. »Wo ist beispielsweise der Tryortan-Schlund geblieben, der eben noch bei der Doppelsonne war?« Albion schwenkte seinen Sessel herum. »Das weiß niemand«, gab er zurück. »Es wäre spannend, sein Auftauchen irgendwo in dem Gebiet vor uns zu beobachten. Solche Bilder müssen wir haben. Vielleicht können wir anhand von physikalischen Erscheinungen schon vorher erkennen, wo der Trichter entstehen wird. Falls er überhaupt wieder entsteht und nicht in einem anderen Universum auf Nimmerwiedersehen verschwunden ist. Oder wo auch immer.« Halle Marie Platt stöhnte erschrocken auf, und Albion fuhr herum. Der TryortanSchlund war wieder da. Er war zwischen ihnen und der Doppelsonne Antares entstanden. Vorher war er etwas weniger als ein Lichtjahr entfernt gewesen. Jetzt betrug die Distanz höchstens noch ein halbes Lichtjahr. »Gottes Werk in einem KatastrophenSzenario sondergleichen«, flüsterte Steve Or Darbenhouk. »Reicht das noch immer nicht? Wenn wir noch näher herangehen,
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hängen wir womöglich plötzlich mitten in so einem Trichter, und dann kann uns nichts mehr retten. Gar nichts.« Als Halle Marie Platt protestierte und ihm übertriebene Vorsicht vorwarf, machte er sie auf die Ortungsschirme aufmerksam. Auf ihnen zeichneten sich zahlreiche Objekte ab, die sich im Bereich des Tryortan-Trichters befanden. Mit Hilfe anderer Geräte identifizierte er sie als Gesteinsbrocken, Weltraumtrümmer unterschiedlicher Zusammensetzung. »Sieh dir die Anzeigen an!«, forderte er und zeigte auf die Monitoren einiger Ortungsgeräte. »Sieh genau hin, dann erkennst du, wie die Objekte beschleunigt werden. Der Schlund saugt sie in sich hinein. Und wie er das tut! Genau das wird auch mit uns und der MARQUITTA VENDETTE geschehen, wenn wir keinen Mindestabstand einhalten.« Sie sah nicht gut aus. Ihre Augen lagen tief in den Höhlen, und ihre Wangen waren hohl. Hin und wieder zuckten ihre Lippen unkontrolliert und gaben die Zähne frei. Doch sie lächelte nicht. Ihr Gesicht spiegelte die Qualen wider, die sie im Rahmen des Entzugs erlitt. * Albion glaubte nicht eine Sekunde daran, dass Halle Marie bereits alles überstanden hatte und dass sie nun keine Rachegedanken mehr ausbrütete. Das Gift war noch lange nicht vollständig ausgeschieden. Es waren Reste da- von in ihr vorhanden, und die konnten jederzeit zu einer gefährlichen Krise führen. Das war einer der Gründe dafür, dass Deon als tückisch galt. Glaubte man, dass die Gefahr vorbei sei, konnte die Sucht wie aus dem Nichts heraus zuschlagen. Den Tryortan-Schlünden nicht unähnlich, dachte er. Man wähnt sich sicher, und dann plötzlich passiert es. Er schreckte auf, weil ein eigenartiges Geräusch aus einigen der Lautsprecher hallte. Zunächst hörte es sich nach einer funktechnischen Störung an. Es heulte und zischte, als sei der Empfänger an einen
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Sender geraten, der sich nicht exakt genug einstellen ließ, sodass es zu Verzerrungen kam, doch dann schälten sich Laute heraus, die an eine Sprache erinnerten. Als der Journalist ihn fragend anblickte, schüttelte Steve Or Darbenhouk den Kopf. »Die Positronik zeigt nicht an, dass es etwas zu übersetzen gibt«, vermeldete er. »Was ist das?« Halle Maries Hände wanderten nervös auf dem Schaltpult herum, als suchten sie irgendwo Halt. »Es ist unangenehm. Ein Angriff auf uns?« »Es muss etwas mit dem Antares-Riff zu tun haben«, vermutete Albion Aldograd. »Verdammt, wir müssen näher heran. Was wir bis jetzt haben, genügt mir nicht. Die Kameras liefern bessere Bilder, wenn wir näher am Geschehen sind.« »Dieses Risiko können wir nicht eingehen«, weigerte der Kommandant sich. »Hast du vergessen, weshalb wir hier sind?«, fuhr ihn der Albion3D-Eigner an. Aldograd erhob sich und ging zu ihm. »Wir unternehmen diese Expedition, weil wir einen Paukenschlag benötigen. Wir wollen keine Larifari-Synth-Reportage, sondern einen Hammer, bei dem es die Zuschauer aus dem Sessel haut. Wir wollen, dass es ihnen bei unseren Bildern eiskalt über den Rücken läuft.« »Dennoch können wir nicht ...«, wandte der Kommandant ein. »Und ob wir können«, rief Albion erregt. »Und wir werden!« »Als Kommandant habe ich die Verantwortung für die MARQUITTA VENDETTE und die Besatzung«, betonte Steve Or Darbenhouk. »Und ich habe als Leiter der Expedition die Weisungsbefugnis. Und deshalb befehle ich dir: Näher heran!« »Ha! Leiter der Expedition! Du weißt nicht, was du verlangst.« »Ich will jetzt nichts mehr hören, Steve. Du befolgst meinen Befehl. Ende der Diskussion.« So hatte sich der Senderchef und Journalist dem Kommandanten noch nicht präsentiert. Albion Aldograd hatte Punkt für Punkt dargestellt, wie es war. Als Expeditionsleiter und mit dem mächtigen
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Dort Koagan im Rücken konnte er der Schiffsführung tatsächlich Befehle erteilen. Im bisherigen Verlauf der Expedition hatte er darauf verzichtet, doch nun machte er von seiner besonderen Befugnis Gebrauch. Darbenhouk beugte sich ihm. »Näher heran!«, befahl er seinen Raumfahrern. Die MARQUITTA VENDETTE nahm Fahrt auf. Für Sekunden war es still in der Hauptleitzentrale des Ringraumers. Nur das verhaltene Wispern der Positronik war zu hören. Dann aber krachte es aus den Lautsprechern, und nach der vorausgegangenen Stille traf es alle in der Zentrale mit körperlich spürbarer Kraft. Aus dem Riff-Gebiet trafen Notsignale ein! Irgendjemand befand sich mitten im Meer aus treibender Energie und Materie, war vermutlich Teil des chaotischen Durcheinanders aus Formen und Farben und aus physikalischen Widersprüchlichkeiten, die lebensfeindlicher nicht sein konnten und die darüber hinaus unter den erratisch treibenden Tryortan-Schlünden dem Ende ihrer Existenz entgegenschwebten. Damit änderte sich die Situation schlagartig. * Albion Aldograd beobachtete die Männer und Frauen um den Kommandanten, die sich alle bemühten, die Quelle des Notrufs zu ermitteln. Die Kosmonauten nutzten die hoch entwickelte Technik der MARQUITTA VENDETTE und durchforsteten das in Frage kommende Gebiet, ohne jedoch den Absender der Notrufe ermitteln zu können. Allein die Richtung, aus der die Notrufe kamen, stand fest. Der Kurs des Ringraumers musste bis in die Nähe der Tryortan-Schlünde und der Doppelsonne Antares führen. Dort irgendwo im Chaos der physikalischen Unmöglichkeiten befand sich jemand in höchster Not.
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Die Signale bestanden aus einer Folge von Tönen, die dem intergalaktischen Notruf entsprachen. Gesprochene Worte gehörten nicht dazu, sodass Steve Or Darbenhouk nicht ermitteln konnte. welchem galaktischen Volk die in Not Geratenen angehörten. Es war das übliche Verfahren. wenn die Bedingungen für Funksprüche so schlecht waren, dass man lediglich hoffen konnte, sich mit einfachen Tönen in rhythmischer Folge verständlich machen zu können. Die Funkleitstation des Ringraumers antwortete. Sie peilte sich auf das Gebiet ein. aus dem die Signale kamen, und strahlte die Nachricht aus, dass Hilfe unterwegs sei. Sie setzte darauf. dass das gesprochene Wort durchkommen würde. Zugleich bat sie um eine Identifikation und nähere Hinweise auf die Situation, in der sich die unbekannten Havaristen befanden. Vergeblich. Die Notrufe kamen in kurzen Abständen, eine Antwort auf die Fragen jedoch nicht. Albion Aldograd und seine Kamerateams schalteten schnell und konsequent. Sie nutzten die Gelegenheit, die sich ihnen als Journalisten bot. »Gut so«. lobte Halle Marie. »Das gibt unseren Berichten einen besonderen Kick.« Die Funkleitstation ging nun dazu über. mit rhythmischen Impulsen zu antworten. »Es wird ungemütlich werden an Bord«, sagte der Kommandant voraus. »Sichert euch ab. Wir müssen davon ausgehen, dass die Andruckabsorber teilweise oder ganz ausfallen, dass sie zumindest Aussetzer haben. Ist das der Fall und ihr seid nicht angeschnallt, findet ihr euch als human pie an der Decke wieder!« Albion erinnerte sich an das, was der Kommandant ihm bei ihrer Begegnung in Südafrika erzählt hatte. Danach stand ihnen allerdings einiges bevor. 7. Hebt man den Blick zu den Sternen, sieht man keine Grenzen. Perry Rhodan, 29. März 129 NGZ
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Die ersten Schläge kamen wie erwartet und befürchtet. Eine Riesenfaust schien die MARQUITTA VENDETTE zu packen und zu schütteln. Plötzlich stimmte nichts mehr in der Hauptleitzentrale. Oben und unten schienen sich ebenso gegeneinander auszutauschen wie links und rechts, vorn oder hinten. Welch subjektives Gefühl sich aus den objektiven Veränderungen ergab, hing einzig und allein davon ab. wie die Andruckabsorber auf die hyperphysikalischen Turbulenzen im Antares-Gebiet reagierten. Albion Aldograd war einige Male in seinem Leben mit einem Raumschiff geflogen. Dabei hatte er niemals Erschütterungen gespürt und war in keinem Fall ungewöhnlichen Belastungen ausgesetzt gewesen. Die MARQUITTA VENDETTE schwankte wie ein Schiff auf den Wellen eines von Sturm gepeitschten Meeres. hin und her geworfen von Kreuzseen, und ihre Hülle aus hochverdichtetem, mit Nano-Elementen verstärktem Ynkonitstahl ächzte, als würde sie verformt. Trotz ihrer extremen Härte verfügte sie über eine gewisse Elastizität, die ihr erlaubte, sich gegen die auf sie einwirkenden Kräften zu behaupten. Die Frage ist nur, wie lange sie widerstehen kann!, schoss es Albion Aldograd durch den Kopf, während er sich an seinen Sitz klammerte und sich gegen das Gefühl wehrte, vorübergehend unter der Decke zu hängen. Die Warnung des Kommandanten war nur zu berechtigt gewesen. Eine der Kameras, die nicht gesichert worden war, flog wie ein Geschoss durch die Hauptleitzentrale und krachte gegen die Wand. Steve Or Darbenhouk fing sie mit einem Traktorstrahl ein und verstaute sie sicher. »Kanaille-Journaille«; knurrte er dabei. Nachdem Albion Aldograd seinen ersten Schrecken überwunden hatte, wandte er sich an seine Mitarbeiter, die ihre Arbeit eingestellt hatten und bleich in den Andrucksesseln kauerten. Angst zeichnete ihre Gesichter.
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Steve Or Darbenhouk fluchte lauthals und mit Worten, die wohl bei keinem anderen zum Wortschatz gehörten. »Wahnsinn!«, rief er. »Es ist Wahnsinn, dass wir das machen. Aber wir haben keine andere Wahl. Raumfahrer in Not helfen einander, und auch wir werden nicht zusehen, wie die anderen zugrunde gehen.« Einige leuchtend helle Energiewirbel rasten an der MARQUITTA VENDETTE vorbei. Albion gelang es, sie zu filmen, während sie aus dem Nichts heraus entstanden und von unbekannten Kräften davongeschleudert wurden. »Wo sind die Havaristen?«, rief der Kommandant. »Ihr müsst sie doch längst geortet haben!« »Wir können nur die Notrufe anpeilen«, antwortete die Funkleitstation. Die Stimme des Leitenden Offiziers hallte verzerrt und schwer verständlich aus den Lautsprechern. »Demnach sind wir auf dem richtigen Kurs. In den nächsten Minuten müssten wir ein klares Ortungsbild haben.« Auf den Monitoren zeichnete sich das Chaos ab. Albion Aldograd erkannte so gut wie gar nichts mehr — abgesehen von Energiewirbeln und einem schier unübersehbaren Gewirr von Materiebrocken. Mittlerweile war die MARQUITTA VENDETTE einem der Tryortan-Schlünde so nah gekommen, dass der Weltraumhintergrund sich flächendeckend in einem intensiven Dunkelrot auf den Monitoren abzeichnete, immer wieder unterbrochen von plötzlich auftretenden schwarzen Rissen. Die Navigation wurde unter diesen Umständen immer schwieriger, zumal die Instrumente unter dem Ansturm der auf sie eindringenden hyperphysikalischen Energien keine verlässlichen Werte mehr anzeigten. Albion Aldograd schwankte zwischen Furcht und Begeisterung. Auf der einen Seite sah er den Zeitpunkt heranrücken, an dem das Raumschiff sich nicht mehr behaupten konnte und zerbrach, auf der anderen Seite fing er Aufnahmen ein, wie
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sie noch kein Bildjournalist Terras jemals zuvor gemacht hatte. * »Das ... das ist Wahnsinn!«, stammelte Halle Marie Platt, die sich kaum noch in ihrem Sessel halten konnte. Ihr Kopf pendelte haltlos hin und her, während es in der MARQUITTA VENDETTE dröhnte, als sei das Raumschiff gegen eine unsichtbare Wand geprallt. »Wir werden die Havaristen nie erreichen, sondern vor die Hunde gehen.« »Wir haben sie!«, meldete die Ortungsleitstation. »Direkt vor uns. Noch etwa hunderttausend Kilometer entfernt.« Ein Gesteinsbrocken, der nur unmerklich kleiner war als die MARQUITTA VENDETTE, wirbelte in kaum vier Kilometern Entfernung an dem Raumschiff vorbei. Steve Or Darbenhouk beschwerte sich bei den Ortungsoffizieren, weil diese ihn nicht gewarnt hatten. »Wir haben den Brocken erst erfasst, als er schon mit uns auf gleicher Höhe war«, antwortete die Ortung. »Vorher war absolut nichts auf unseren Monitoren zu sehen. Das Ding kam buchstäblich aus dem Nichts.« Der Kommandant verkniff sich weitere Bemerkungen. Albion Aldograd aber glaubte zu wissen, was er dachte. Der nächste Brocken, der möglicherweise noch größer war, konnte auch un-mittelbar vor dem Raumschiff entstehen, sodass eine Kollision mit ihm unausweichlich war. Unter den Bedingungen des Antares-Riffs schien alles möglich zu sein. Allmählich schälte sich das Objekt, von dem die Notrufe ausgingen, aus dem mahlenden Strom von Energie und Materie, dem zuckenden Chaos aus Lichtblitzen und wandernden, wabernden Energiefeldern, die aus unerklärlichen Gründen auftauchten und nach Sekunden oder Minuten wieder verschwanden, sich spiralförmig drehten und dabei immer mehr verdichteten, bis sie nur noch wie eine Lichtlanze .erschienen oder sich in einem Lichtpunkt konzentrierten, der einen
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Durchgang zu einem unbekannten Universum zu brennen schien. »So ein Ding habe ich noch nie gesehen«, konstatierte Steve Or Darbenhouk. Auf dem Monitor markierte er das fremde Raumschiff mit einem Kreis, um es dann mit allen in der Positronik gespeicherten Schiffstypen vergleichen zu lassen. Binnen Sekunden war die Aufgabe erledigt. Die Positronik kannte keinen Schiffstyp wie diesen. * Das Objekt glich einem fliegenden Stern mit einem größten Durchmesser von annähernd 420 Metern. Im zentralen Kern erreichte das Raumschiff eine Höhe von mehr als 190 Metern. Die Arme des Sterns waren mit Höckern, Beulen, Einschüben, Einbuchtungen und Öffnungen versehen, die sich alle klar voneinander unterschieden. Darüber hinaus schien es, als sei das Raumschiff mit zahllosen Flicken versehen worden, sodass es an Patchwork erinnerte. Welchen Sinn diese Formen hatten, war nicht zu erkennen. Unzweifelhaft aber war, dass die Notrufsignale von diesem Stern ausgingen. Albion Aldograd bemerkte, dass mehrere seiner Kameraleute ihre Arbeit eingestellt hatten und das Geschehen voller Spannung beobachteten. »Hey!«, herrschte er sie an. »Wir sind nicht hier, um Maulaffen feilzuhalten, sondern um zu berichten. Ich habe euch an die Kamera gesetzt, damit ihr Bilder macht, nicht aber damit ihr mir hinterher mit leeren Händen sagt, wie aufregend das alles war.« Sie schreckten auf. Sichtlich verlegen setzten sie ihre Arbeit fort. Während Albion sowohl seine Kameras als auch seine Mitarbeiter beobachtete, warf er hin und wieder einen Blick auf den Kommandanten und auf den Piloten. Die beiden Männer mühten sich schwitzend und fluchend ab, um die MARQUITTA VENDETTE unter Kontrolle zu behalten und weiter an das havarierte Raumschiff heranzuführen. Je näher sie ihm kamen,
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desto schwieriger wurde ihre Aufgabe, da der Antrieb kaum noch in der Lage zu sein schien, die Belastungen zu bewältigen. Gleichzeitig versuchte die Funkleitstation, Verbindung mit den Unbekannten aufzunehmen und ihnen mitzuteilen, dass sie gekommen waren, um ihnen zu helfen. Es war nicht zu erkennen, ob sie damit Erfolg hatten. Albion war zu wenig Fachmann, um beurteilen zu können, wie groß die Probleme tatsächlich waren. Er konnte nicht interpretieren, was die vielen Instrumente aussagten und was die Hinweise auf den Monitoren zu bedeuten hatten. Buchstäblich mit dem Hinterteil aber konnte er fühlen, dass die Antriebsaggregate nicht rund und störungsfrei liefen, sondern immer wieder mal aussetzten, in ihrer Schubleistung überraschend anstiegen oder abfielen. Die Flüche des Kommandanten, und die Tatsache, dass. der Pilot sich immer häufiger mit einem Tuch über das Gesicht fuhr, um den Schweiß abzuwischen, sagten ihm, dass er sich nicht irrte. * Plötzlich schlug die Ortungsstation Alarm. Die Trümmer eines stabförmigen Raumschiffs rasten heran, wobei sie sich immer wieder überschlugen. »Sie liegen genau auf Kurs!«, meldete der Leitende Offizier. Steve Or Darbenhouk verzögerte stark. Buchteile von Sekunden später flog das Wrack in einer Entfernung von kaum zweitausend Metern vorbei. Deutlich zeichnete es sich auf den Monitoren ab. Es war ausgebrannt und weitgehend zerfetzt. Seltsamerweise war es von energetischen Leuchtpunkten übersät, die wie zahllose Wassertropfen an ihm hafteten. Während das Wrack vorbeizog, lösten sich einige dieser Punkte in nichts auf. »Was für Bilder!«, rief Albion Aldograd begeistert. »Unsere Zuschauer werden ausrasten, wenn sie das sehen.« »Bleib icy, Freund«, ermahnte der Kommandant ihn. »Sie werden sie nur
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sehen, falls es uns gelingen sollte, diese Hölle lebend wieder zu verlassen. Und das sehe ich noch nicht.« Die MARQUITTA VENDETTE beschleunigte wieder. Eine Riesenlast drückte sich auf Albion. Sie war so groß, dass er kaum noch atmen konnte und nahe daran war, das Bewusstsein zu verlieren. Hinter ihm begann Halle Marie zu wimmern. Plötzlich aber arbeiteten die Andruckabsorber wieder normal, und die Last wich. Sprunghaft schnell näherte sich das Raumschiff dem Havaristen. Albion konnte nicht umhin, Kommandanten und Piloten zu bewundern. Selbst unter diesen schwierigen Umständen behielten sie die MARQUITTA VENDETTE unter Kontrolle. Am Ende führten sie das Schiff behutsam an den Fremden heran, bis sie ihn mit Hilfe von Traktorstrahlen an sich binden konnten. »Das wär's!« Steve Or Darbenhouk atmete hörbar auf, und dann gab er das Kommando zum Rückzug. Albion Aldograd entging nicht, dass seine Kameraleute durchaus nicht so. kühl und beherrscht waren, wie sie sich bis dahin gegeben hatten. Einer von ihnen fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen, um die Tränen abzuwischen. Für ihn war die Belastung ein wenig zu groß gewesen. Bei einem anderen begannen die Hände derart heftig zu zittern, dass er nicht mehr in der Lage war, seine Kamera zu steuern. »Macht euch nichts vor, Leute«, warnte er sie. »Wir haben es noch nicht überstanden. Der Rückzug wird mindestens so schwierig und gefährlich.« »Womit du ausnahmsweise mal Recht hast«, gab der Kommandant zurück. Aus der Sicht der Journalisten bewegte sich die MARQUITTA VENDETTE viel zu langsam aus dem Chaos heraus. »Täusche ich mich, oder wandern die Tryortan-Schlünde tatsächlich heftiger als vorher?«, fragte Halle Marie Platt. Sie deutete auf einen der großen Monitoren, dessen Bild hauptsächlich vom Dunkelrot geprägt war. Gezackte, schwarze Blitze zuckten darüber hinweg.
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»Du irrst dich«, beruhigte der Kommandant sie mit lauter, durchdringender Stimme, während das Raumschiff wie unter einem schweren Einschlag schwankte und zugleich in seinen Streben ächzte und schrie wie ein lebendes Wesen. »Man kann sich auf keines der Instrumente verlassen. Auch nicht auf die Monitoren.« Er grinste breit, und seine Augen blitzten vor Freude. »Ich wusste schon immer, dass die MARQUITTA VENDETTE ein hervorragendes Raumschiff ist«, rief er. »Jetzt haben wir den Beweis. Die gute alte Tante wird uns sicher aus dem Krisengebiet bringen. Du wirst es erleben.« Es war so optimistisch wie zu keinem Zeitpunkt der Expedition zuvor. Plötzlich aber erlosch sein Lachen. Die Alarmpfeifen an Bord heulten auf, und ein so heftiger Schlag traf das Raumschiff, dass einer der Andrucksessel mit dem darauf sitzenden Journalisten aus der Verankerung brach. Schreiend streckte der Mann die Hände aus, um sich abzufangen. Zu seinem Glück drehte sich der Sessel, sodass er seitlich aufprallte. Andernfalls hätte er sich mit Sicherheit beide Arme gebrochen. So sackte er bewusstlos zusammen. Schlaff blieb er in den Gurten hängen. Tiefrot baute sich ein Tryortan-Schlund vor der MARQUITTA VENDETTE auf. * Steve Or Darbenhouks Gesicht wurde schlagartig aschgrau. Aus seinen Händen schien jegliches Leben gewichen zu sein. Wie erstarrt lagen sie über den Instrumenten. Albion Aldograd wollte etwas sagen, doch die Worte blieben ihm buchstäblich im Halse stecken. »Aus!«, krächzte der Kommandant. »Wir haben zu viel gewagt. Es ist vorbei.« Mit den Kameras außen am Raumschiff ließ sich nicht exakt erfassen, was geschah. Die Positronik beschrieb es anhand der von ihr angestellten Berechnungen mit mehreren Grafiken auf den Monitoren.
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Die MARQUITTA VENDETTE taumelte in einen Tryortan-Schlund hinein. Vergeblich versuchte der Zentralrechner, die Abweichung vom einprogrammierten Kurs zu korrigieren. Als die Triebwerke hochfuhren, um ihre ganze Kapazität einzusetzen, dröhnte das Raumschiff wie eine gewaltige Glocke und erbebte gleichzeitig, als schwanke die Leistung der Triebwerke im Sekundentakt. »Wo kommt dieser verdammte TryortanSchlund her?«, rief einer der Offiziere. »Ich weiß genau, dass er eben noch nicht da war.« »Er holt sich seine Beute zurück«, flüsterte ein Navigator, der nicht weit von Aldogard entfernt saß und schreckensstarr auf den Monitor schaute. Albion Aldograd erinnerte sich an. die Worte des Kommandanten, als er ihm die Tryortan-Schlünde beschrieben hatte. Danach entstanden diese Gebilde plötzlich und unberechenbar irgendwo im Bereich des Antares-Riffs und schlangen alles an Materie in sich hinein, was in ihren Einzugsbereich kam. Ebenso konnten sie wieder verschwinden, ohne dass sich mathematisch vorhersagen ließ, wann dies geschehen würde - und vor allem wohin der betreffende Schlund danach wanderte. Demnach blieb noch eine winzige Hoffnung. Vielleicht löste sich der Schlund auf, bevor er die MARQUITTA VENDETTE vernichtete. Steve Or Darbenhouk fuhr herum. Er brüllte seine Offiziere an, um sie aufzuschrecken und zu intensiver Arbeit zu treiben. In rascher Folge erteilte er Befehle mit ganzen Serien von Fachausdrücken, sodass Albion Aldograd so gut wie nichts verstand. Immerhin begriff er, dass der Kommandant jetzt alle Kräfte mobilisierte, um das Raumschiff aus dem saugenden Schlund herauszuführen. Tatsächlich schien es so, als könnte es ihm gelingen. Die MARQUITTA VENDETTE flog langsamer, und dann schien sie sogar für einige Zeit vollkommen stillzustehen. Dann aber machte sich die zusätzliche Last durch das angekoppelte Raumschiff der
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Fremden bemerkbar, und sie geriet außer Kontrolle. Mit hoher Beschleunigung raste sie in den Schlund hinein. Blankes Entsetzen machte sich in der Zentrale breit. »Aus und vorbei!« Die Verankerungen, die das Stern Raumschiff banden, erloschen. Eine nach dem anderen - bis es zwischen den beiden Raumschiffen praktisch nur noch den sprichwörtlichen seidenen Faden gab. Einer der Männer schrie. Ein anderer betete. Albion Aldograd schwieg. Eine eisige Hand schien sich um seine Kehle zu schnüren. Er blickte Halle Marie Platt an, deren Gesicht von Todesfurcht gezeichnet war. Ein Blitz durchzuckte die Hauptleitzentrale, eine unwiderstehliche Kraft zerfetzte den Journalisten. Zumindest erschien es ihm so. Albion hörte sich schreien. Ihm war, als rase ein Stromschlag durch seinen Körper. Dann ein erneuter Schlag. Nie gekannte Schmerzen schleuderten ihn in die Dunkelheit. Er war sich sicher, dass es kein Erwachen mehr geben würde. Dies war das Ende. 8. Die Erde war ein Gefängnis, das wir alle durch die gleiche Tür betreten haben, um dann in unterschiedlichen Zellen zu leben. Mit dem Schritt ins All haben wir die Zellenwände eingeschmolzen. Wir müssen verhindern, dass sie in der Weite unserer Milchstraße wieder aufgebaut werden. Perry Rhodan, 28. Mai 402 NGZ Halle Marie Platt blickte verwundert auf ihre Fingernägel. Es war stockdunkel in der Hauptleitzentrale der MARQUITTA VENDETTE. Umso auffallender war, dass von ihren Fingernägeln ein intensives, hellblaues Licht ausging. Es war so hell, dass sie sogar Albion Aldograd erkennen konnte, als sie ihre Hände auf ihn richtete. Bewusstlos hing er in den Polstern seines
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Sessels. Haltlos pendelte sein Kopf unter dem Einfluss der schweren Erschütterungen hin und her, die — wie sie vermutete — von schweren Detonationen hervorgerufen wurden. Ständig krachte es irgendwo im ringförmigen Schiffskörper. Es konnten nur die Auswirkungen von Explosionen sein. Die MARQUITTA VENDETTE schwankte und nickte, als befände sie sich noch immer inmitten der Energiewirbel des Antares-Riffs. Nach kurzem Zögern befreite sich die Journalistin aus den Gurten, verließ ihren Sessel und arbeitete sich über den heftig schwankenden Boden zum Kommandanten durch. Dabei hob sie ihre Hände und nutzte das geheimnisvolle Licht, das von ihren Fingernägeln ausging. Steve Or Darbenhouk war ebenso bewusstlos wie der Pilot. Das Raumschiff war führerlos und taumelte blind durch das Nichts. Halle Marie erinnerte sich daran, dass es in einen Tryortan-Schlund gesogen worden war. Danach hatte sie einen Schlag verspürt, der jeden ihrer Nervenfäden zu zerfetzen schien. Aber sie war nicht ohnmächtig geworden. Sie hatte verfolgt, wie das Licht erloschen war und wie offenbar alle Geräte an Bord ihre Arbeit eingestellt hatten. Sie drehte sich hin und her, wobei sie ihre Hände ausstreckte und mit weit geöffneten Augen zu erkennen suchte, wo die anderen Männer und Frauen in der Zentrale waren. Im diffusen Licht erkannte sie mehrere Gestalten, die regungslos in ihren Sesseln lagen. Sie war die Einzige, die bei vollem Bewusstsein geblieben war. Nachdenklich blickte sie auf ihre Hände, und dann glitt plötzlich ein Lächeln über ihre Lippen. Keine Frage. Es konnte nur eine Ursache dafür geben, dass ihre Fingernägel leuchteten und dass sie bei vollem Bewusstsein war. Die Reste des Deons in ihrem Körper! Nur durch Deon unterschied sie sich von allen anderen.
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War das Teufelszeug doch zu irgendwas gut! Verdammt sollte es sein! * Eine weitere Explosion erschütterte die MARQUITTA VENDETTE. Sie war so heftig, dass Halle Marie zu Boden stürzte. Mit einiger Mühe richtete sie sich wieder auf. Plötzlich war die Angst wieder da. Es half ihr so gut wie gar nichts, dass sie bei vollem Bewusstsein geblieben war, denn sie konnte nichts tun, um weitere Explosionen — und damit Zerstörungen im Schiffsinneren — zu verhindern. Ohne den Kommandanten und die Offiziere war sie hilflos. Sie musste handeln. Sie durfte nicht untätig bleiben und einfach nur abwarten in der Hoffnung, dass die Explosionen aufhörten, bevor das ganze Raumschiff vernichtet war. Was aber konnte sie tun? Sie war Journalistin. Von Raumfahrt und der Bedienung eines Raumschiffs hatte sie nicht die geringste Ahnung. Außerdem schienen alle Instrumente ausgefallen zu sein. An keinem einzigen von ihnen leuchtete noch ein Licht. Alle Monitoren waren dunkel. Sie wusste nicht, wo die MARQUITTA VENDETTE war, ob sie sich noch am Antares-Riff befand oder in einem anderen Teil der Milchstraße. Sie konnte noch nicht einmal ausmachen, ob sie sich bewegte. Vielleicht stand sie still im Raum? Möglicherweise aber trieb sie noch immer im Tryortan-Schlund. Oder sie raste mit halber Lichtgeschwindigkeit oder mehr direkt auf eine Sonne zu. Alles war möglich. Verängstigt blickte sie sich um. Es gab nur eine Möglichkeit. Sie packte Steve Or Darbenhouk bei den schmalen Schultern und schüttelte ihn. Als das nichts half, schlug sie ihm die flache Hand ins Gesicht. Dabei dachte sie daran, dass dies eine wundervolle Gelegenheit sei, sich an Albion Aldograd zu rächen. Doch dann schob sie diesen Gedanken wieder zur Seite. Sie verspürte nicht den Drang zur
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Rache, sondern wollte Hilfe, und die konnte nur vom Kommandanten kommen. Sie schlug kräftiger zu, so kräftig, dass es vernehmlich klatschte. Steve Or Darbenhouk schlug die Augen auf. »Was ist los?«, fragte er mit heiserer Stimme. »Welcher Teufel reitet dich Miststück, dass du mich schlägst?« »Von wegen Miststück!«, fuhr sie ihn mit schriller Stimme an und schlug erneut zu. '»Das Schiff ist in Not, und der Kommandant schläft! Willst du fauler Sack pennen, bis wir in eine Sonne stürzen?« »Was ... was ...«, stammelte er, während er sich aufrichtete. Er hatte Mühe, sich zu orientieren. »Was fällt dir ein, so mit mir zu reden? Was ist überhaupt los? Was ist mit deinen Fingernägeln? Wieso leuchten sie?« »Ich habe dich schon immer für eine Pfeife gehalten. Große Sprüche und nichts dahinter«, provozierte sie ihn. Es half. »Das reicht!«, fuhr er sie an, stieß sie zur Seite und ließ seine Hände über das Instrumentenpult wandern, an dem er auch zuvor schon gearbeitet hatte. Unmittelbar darauf glommen die Deckenbeleuchtung wieder auf und einige der Monitoren. Mehrere der positronischen Geräte surrten leise, als begännen sie wieder zu arbeiten. »Was ist passiert?«, fragte sie. Er zögerte kurz mit seiner Antwort. Dann sagte er: »Es muss eine Transition gewesen sein. Wir wurden in den Schlund gesogen, entmaterialisiert und irgendwo an anderer Stelle wieder stofflich. Der TryortanSchlund hat uns nicht umgebracht, sondern in einen anderen Bereich des Universums transportiert.« »Hoffentlich hat es uns nur im Raum versetzt und nicht auch noch in der Zeit«, stöhnte einer der Offiziere. »Die Chronometer zeigen das Jahr 1337 an. Vielleicht erfahren wir nie, ob das stimmt.« Auf einem der Bildschirme waren Sternenballungen zu sehen. »Jedenfalls fliegen wir durch den freien Raum«, stellte sie fest. Er verzog das Gesicht. »Das ist nicht die Sicht in Flugrichtung«, gab er zu
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bedenken. Er nahm einige Schaltungen vor, dann baute sich ein anderes Bild auf einem der größten Monitoren auf. Halle Marie sah eine riesige rote Sonne, die sich vor ihnen blähte. Sie war so groß, dass sie nahezu den ganzen Holowürfel ausfüllte. »Oh, mein Gott!«, entfuhr es dem Kommandanten. Er versuchte, sich auf die Monitoren und die Instrumente zu konzentrieren. Doch auch jetzt erschütterten schwere Explosionen die MARQUITTA VENDETTE. Rote Alarmlichter leuchteten auf, und pulsierende Farbmarkierungen zeigten an, dass sich das Raumschiff durch die entstandenen Schäden in höchster Gefahr befand. »Was ist los?«, fragte sie. »Das siehst du doch«, stöhnte er. »Wir fliegen direkt auf die rote Sonne zu. Gut, dass du mich geweckt hast. In ein paar Minuten wäre alles zu spät für uns gewesen. Jetzt können wir uns vielleicht noch retten. Vielleicht.« Er stieß sie von sich. »Schnell!«, rief er. »Ich brauche Hilfe. Allein kann ich es nicht schaffen. Du musst die anderen aufwecken. Zuerst die Offiziere. Beeile dich, oder es ist aus mit uns, bevor wir bis zehn gezählt haben.« Während Halle Marie zu den bewusstlosen Offizieren eilte, blickte sie auf ihre Fingernägel. Das blaue Leuchten verschwand allmählich. Sie vermutete, dass es durch die besonderen Effekte der Transition hervorgerufen worden war, und sie hoffte insgeheim, dass sich nun verursacht durch die gleichen Effekte - die Reste des Deons in ihrem Körper auflösten. Hinter sich hörte sie den Kommandanten fluchen. Sie achtete nicht darauf, sondern unternahm alles, um die Offiziere zu wecken. Es gelang ihr, einen nach dem anderen aus der Bewusstlosigkeit zu holen, doch war sie es bald leid, jedem Einzelnen von ihnen zu erklären, was geschehen war. »Du bist Offizier«, fuhr sie den dritten .Mann an, der ihr die gleiche Frage stellte wie die anderen zuvor. »Mach die Augen
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auf, dann kannst du die Lage besser beurteilen als ich.« Steve Or Darbenhouk und seine Offiziere arbeiteten fieberhaft. Sie redeten aufgeregt miteinander, verwendeten jedoch eine derartige Fülle von Fachbegriffen, dass Halle Marie ihnen nicht folgen konnte. Den ganzen Umfang der Gefahr erfasste sie erst, als der Kommandant feststellte: »Der Raumer ist nur noch Schrott!« Halle Marie beobachtete immerhin, dass die rote Riesensonne allmählich aus dem Bild wanderte. Sie schloss daraus, dass es den Offizieren gelungen war, die MARQUITTA VENDETTE auf einen anderen Kurs zu bringen und dadurch die Gefahr für sie alle zumindest zu verringern. Die Explosionen wurden seltener. Die Aktionen des Kommandanten griffen. »Wo sind wir?«, fragte sie. »Doch wohl nicht mehr am Antares-Riff - oder?« »Nein«, erwiderte er. »Ganz sicher nicht. Wir befinden uns in der Paukenwolke, die auch Arphonie-Haufen genannt wird. Demnach sind wir etwa 500 Lichtjahre von der Erde entfernt. Mit anderen Worten, wir haben auf einen Schlag etwa 330 Lichtjahre zurückgelegt, wodurch auch immer.« Er zeigte auf die Monitoren, auf denen sich zahllose Sterne abzeichneten. »Hier gibt es etwa 120.000 Sternenmassen. Aber das bedeutet keineswegs mehr Sicherheit für uns. Die MARQUITTA VENDETTE ist so gut wie flugunfähig. Wir sind am Ende. Der Tryortan-Schlund hat uns hierher versetzt, aber hätte er uns gleich umgebracht, hätte das keinen Unterschied gemacht.« Albion Aldograd raffte sich auf und erhob sich aus seinem Sitz. Er war benommen und hatte starke Kopfschmerzen. Er brauchte einige Zeit, bis er begriff. Dabei war er jedoch noch schneller als die anderen Journalisten. Abgesehen von Halle Marie erholten sich die Kosmonauten am schnellsten. »Wie geht es weiter?«, fragte er den Kommandanten. *
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Darbenhouk streckte seine endlos langen Beine aus und legte die Hände müde und erschöpft vor das Gesicht. Doch dann erhob er sich und ging mit weit ausgreifenden Schritten zum Ausgang. »Gar nicht«, erwiderte er über die Schulter hinweg. »Wir setzen zurzeit einen Notruf ab. Aus eigener Kraft können wir diesen Sektor nicht mehr verlassen. Die MARQUITTA VENDETTE ist nur noch Schrott. Die Explosionen haben so ziemlich alles vernichtet, was aus ihr ein Raumschiff gemacht hat. Und jetzt lass mich in Ruhe. Ich muss wissen, ob es Opfer unter der Mannschaft gegeben hat. Wenn es Verletzte gegeben hat, müssen wir sie versorgen. Alles andere kann warten.« Während er die Zentrale verließ, arbeiteten die Techniker fieberhaft an den Geräten. Sie vermittelten dem Journalisten, dass es überall an Bord Videosensoren gab, sodass man von der Zentrale aus jederzeit Einblick in die verschiedenen Räume und Sektoren des Raumschiffs hatte. Ein großer Teil dieser Sensoren war jedoch ausgefallen und ließ sich nur schwer wieder aktivieren. Albion hörte kaum hin. Alle seine Hoffnungen lösten sich in nichts auf. Mit welch hochgesteckten Erwartungen war er doch zu dieser Expedition gestartet! Geradezu euphorisch hatte er verfolgt, welch phantastische Bilder sein Team aufgenommen hatte. Doch nun zeigte sich, dass alle Mühen vergeblich waren. Albion3D und EAS würden diese Bilder niemals senden können. Nahezu unbeteiligt beobachtete er, dass es den Offizieren gelang, einen Notsender in Betrieb zu nehmen. Auf einem der Monitoren konnte er ablesen, dass die Reichweite des Senders etwa drei Lichtjahre betrug. Er merkte auf, und seine Stimmung besserte sich. Irgendwann vor dem fehlgeschlagenen Unternehmen hatte der Kommandant gesagt, dass der Arphonie-Haufen recht häufig von terranischen Raumschiffen angeflogen
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wurde. Also bestand durchaus Hoffnung, dass die Notrufe ihren Zweck erfüllten. Die Medikerin Kushan Singha meldete sich kurz und teilte mit, dass sie gemeinsam mit dem Kommandanten fünf Verletzte gefunden hatte und Hilfe für den Abtransport benötigte. Sie verfügte über drei Mitarbeiterinnen, die nun das Raumschiff nach weiteren Verletzten durchsuchten. »Zum Glück hat es keine Toten gegeben«, konstatierte sie. Als ein erneutes Alarmsignal ertönte, zuckte Albion erschrocken zusammen. Schrille Töne hallten aus den Lautsprechern. Sie riefen eine Unruhe bei den Offizieren hervor, die er als beängstigend empfand. Er ahnte, dass eine Bedrohung auf einem Sektor entstanden war, der bisher als sicher gegolten hatte. »Was ist los?«., fragte er. »Keine Ahnung«, erwiderte Halle Marie. Sie blickte sich nervös um. Verstört begann sie an ihren Nägeln zu kauen. Er bemerkte, dass ihre Zähne in einem schwachen blauen Licht leuchteten. »Druckverlust«, meldete einer der Techniker. »Verdammt, das ist doch nicht möglich! Das kann nicht stimmen. Aber die Instrumente zeigen es an. Eindeutig: Wir haben einen Druckverlust.« »Wieso sollte das nicht möglich sein?« Halle Marie Platt griff nach seinem Arm. Da keiner von der Besatzung Zeit für Erklärungen hatte, wandte sie sich an ihn. »Verstehst du das?« »Allerdings«, antwortete Albion. »Soweit ich weiß, besteht die Schiffswandung aus einer experimentellen Form von Ynkonitstahl, die nach dem Sandwichverfahren mit Nano-MemoryElementen verstärkt wurde. Das Verfahren ist brandneu und wurde speziell und erstmalig bei diesem Raumschiff eingesetzt.« »Und das bedeutet?« »Wenn die Schiffswand aufgerissen wird, wodurch auch immer, schließt sie sich von selbst wieder. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, hat Commander Darbenhouk gesagt, dass so ein Riss bis zu
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zwei Metern breit und zehn Meter lang sein darf, bevor er zu einem echten Problem wird. Die Reparatur geschieht zügig. Sie hätte bereits beendet sein müssen.« Das Alarmsignal war verstummt, doch immer noch blinkten verschiedene Lichter auf den Instrumentenpulten. Der Druckverlust bestand nach wie vor, und keiner der Offiziere hatte eine Erklärung dafür. Steve Or Darbenhouk kehrte in die Hauptleitzentrale zurück. Schweißperlen bedeckten sein dunkles Gesicht. Ärgerlich fuhr er seine Offiziere an. »Wenigstens einer von euch sollte in der Lage sein, mir zu sagen, ob tatsächlich ein Druckverlust vorliegt oder ob wir es mit einem Fehlalarm zu tun haben.« »Druckverlust«, entgegnete Carg Goonth, einer der Techniker. »Unzweifelhaft Druckverlust. Ein Fehlalarm ist ausgeschlossen.« Er zeigte dem Kommandanten verschiedene Anzeigen an den Instrumenten und betonte, die Kombination aller Anzeigen lasse keinen anderen Schluss zu. »Angezeigt wird ein Leck von etwa zwei Quadratmetern.« »So ein Leck kann nur bestehen bleiben, wenn irgendetwas oder irgendjemand verhindert, dass es sich von selbst schließt«, stellte der dunkelhäutige Kommandant fest. »Verdammt!« Seine Hände glitten über die Schaltungen. Blitzschnell wechselten die Bilder auf den Monitoren, bis ein Bild erschien, das niemand in der Hauptleitzentrale erwartet hatte. Halle Marie schrie entsetzt auf. »Das kann doch nicht sein!«, klagte sie. Auf dem Monitor war ein großer Raum zu sehen, der sich an der Peripherie des Ringraumers befand. Eine relativ kleine Lücke klaffte in der Schiffswand. Durch sie drängten mit schweren Waffen ausgestattete Gestalten herein. Einige von ihnen schossen auf die Schiffswand und sorgten auf diese Weise dafür, dass sich die Lücke nicht schließen konnte. »Das sind die Havaristen«, sagte einer der Offiziere mit tonloser Stimme. Er schien nicht glauben zu wollen, was die
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Videosensoren erfassten. »Sie dringen als Sturmkommando zu uns vor. Begreifen sie denn nicht, dass wir ihnen geholfen haben?« »Offenbar nicht.« Die fremden Wesen waren nicht sehr groß. Sie trugen Raumkombinationen, die semitransparent waren, sodass nicht alle Einzelheiten darunter zu erkennen waren. Immerhin wurde deutlich, dass sie ein geflecktes Fell und flach gedrückte, weit nach vorn strebende Schädel hatten, die auf langen Hälsen hin und her pendelten. »Gruselige Bilder«, flüsterte Halle Marie Platt, die unwillkürlich vor dem Monitor zurückwich, als könne sie ihre Sicherheit dadurch erhöhen. »Aliens wie aus dem Horrorkabinett. Die erinnern mich an etwas ... Tiere von der Erde.« »Tatsächlich?«, gab der Kommandant zurück. »Aber wohl nur vom Äußeren her. Das Verhalten ...« Halle Marie nickte langsam. »Diese breiten Kiefer und die Reißzähne, Fleischfresser sind es, das steht fest. Wenn die langen Hälse und dieser merkwürdige Körper nicht wären ...« Tatsächlich fiel bei den Wesen ein starkes Hohlkreuz auf. Sie bewegten sich auf dicken, äußerst muskulösen Beinen. Dabei schienen sie sehr schnell zu sein. »Hyänen«, sagte Albion plötzlich. »Die Köpfe erinnern an Hyänen.« »Stimmt«, pflichtete ihm Halle Marie bei. »Genau nach dem Wort hatte ich gesucht. Tüpfelhyänen oder Lachhyänen ... Ich bin keine Zoologin, aber das wäre die Assoziation, die ich hatte.« »Schön, wenn wir jetzt einen Ähnlichkeitswettbewerb durchgeführt haben, nennen wir sie halt Lachtüpfler«, brummte der Kommandant, »aber das klärt nicht die alles entscheidende Frage: Was wollen sie?« »Das ist ganz sicher die falsche Frage«, mischte sich Albion Aldograd ein. »Die richtige und die, für die sich unsere Zuschauer interessieren, lautet: Wollt ihr zulassen, dass diese Wesen das Schiff übernehmen?«
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»Ich denke gar nicht daran«, erwiderte der Kommandant. »Wir zeigen ihnen, was wir von Wesen halten, die wir gerettet haben und die uns danach angreifen.« »Vielleicht ist alles nur ein Missverständnis. Wir müssen ihnen sagen, dass wir ihnen helfen wollen.« »Das kannst du von mir aus machen, nachdem sie dich totgeschossen haben«, schnappte der Kommandant. Doch dann fing er sich rasch. Er atmete einige Male tief durch. Schließlich hob er eine Hand, um dem Journalisten und seinem Team zu bedeuten, dass genügend Zeit für die nötigen Vorbereitungen blieb. »Diese Wesen sind noch weit von uns entfernt, und sie wissen nicht, wo die Hauptleitzentrale ist. Sie müssen sie suchen, und das wird einige Zeit dauern. Wir können unsere Verteidigung in aller Sorgfalt aufbauen. Dann wird sich zeigen, was die Fremden aufzubieten haben.« Er lächelte grimmig. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie es wirklich schaffen. Die MARQUITTA VENDETTE .. ist so konstruiert, dass wir überall Schotten hochfahren und Prallfelder errichten können, die niemand so ohne weiteres überwinden kann. Also - an die Arbeit! Wir geben Waffen aus. Auch an die Journalisten.« »Gut so«, lobte Albion Aldograd. Er wandte sich an sein Team. »Wir wehren uns unserer Haut, wo es nötig ist, aber dabei vergessen wir nicht, welche Aufgabe wir haben. Ich erwarte, dass wir Aufnahmen von diesem Kampf machen. Sollten wir es schaffen, zur Erde zurückzukehren, will ich weitere Bilder haben, die unsere Zuschauer aus den Sesseln holen!« Er trat ein wenig näher an Steve Or Darbenhouk heran, als suche er Schutz bei ihm. Der Kommandant wollte bei aller Abwehrbereitschaft die Möglichkeit einer friedlichen Lösung nicht ausschließen. Er wandte sich direkt an die Fremden und forderte sie zu einem Dialog auf. »Glaubst du wirklich, das hat noch Sinn?«, fragte der Journalist, wobei er sich von zwei schwebenden Kameras begleiten ließ.
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»Die Fremden sind mir vollkommen egal«, erwiderte der Kommandant. »Mir geht es um die MARQUITTA VENDETTE, für die ich Verantwortung trage. Ich will nicht, dass sie sich in ein Schlachtfeld verwandelt. Und ich will nicht, dass die Besatzung gefährdet wird. Wenn wir kämpfen müssen, gibt es unweigerlich Tote und große Schäden. Das will ich vermeiden, wenn es irgendwie geht.« * »Achtung!«, rief einer der Offiziere und machte auf einen der Monitoren aufmerksam. Es war den Fremden gelungen, durch eine Schleuse einzudringen. Das bedeutete, dass sie sich nun innerhalb des geschlossenen Systems des Ringraumers befanden und dass keine Atemluft mehr in den Weltraum entwich. Zu sehen war ein langer Gang, über den die Eindringlinge sich näherten. Im Vordergrund stand eine junge Frau im einfarbigen Overall einer Wartungstechnikerin. Sie war offensichtlich unbewaffnet. Langsam und mit leicht erhobenen Händen schritt sie auf die Fremden zu. »Um Himmels willen!«, rief ihr der Kommandant über die Systeme des Raumschiffs zu. »Kehr um, Helva!« »Ich will mit ihnen reden«, antwortete sie. »Es sind intelligente Wesen. Sie sind garantiert nicht an Bord gekommen, um zu töten. Das ist alles nur ein Irrtum, ihr werdet sehen. Eine Verständigung mit ihnen muss möglich sein.« Es waren ihre letzten Worte. Einer der »Lachtüpfler« feuerte mit einem Energiestrahler. In der Zentrale konnten alle verfolgen, wie der Energiestrahl durch ihren Körper schoss und mitten im Rücken wieder heraustrat. Sie brach auf der Stelle zusammen. * Halle Marie Platt war sichtlich geschockt. »Sie ... sie war ... unbewaffnet«, stammelte
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die Journalistin. »Was sind das für Ungeheuer, die so etwas tun?« Steve Or Darbenhouk war nicht anzusehen, was er empfand. Sein Gesicht war ausdruckslos, als er sagte: »Ihr habt alle gesehen, was passiert ist. Also gebt euch keinen Illusionen hin. Die Fremden fackeln nicht. Sie werden uns alle töten, wenn wir sie nicht vorher eliminieren. Es gibt keine Verständigung mit ihnen. Sie oder wir. Nur einer von beiden wird überleben.« Albion Aldograd, Halle Marie Platt und die anderen Mitglieder des Journalistenteams nahmen kleine Energiestrahler vom Kommandanten entgegen. »Ich hoffe, ich muss euch nicht erklären, wie die Dinger funktionieren«, sagte er, wobei er einen nach dem anderen zweifelnd anblickte. »Ich habe eine solche Waffe noch nie in der Hand gehabt«, antwortete der TVProduzent. Voller Unbehagen verzog er das Gesicht. »Und Kampferfahrung habe ich auch nicht. Ich werde mich auf die Reportage beschränken. Schießen werde ich erst, wenn es gar nicht mehr anders geht. Das Kämpfen überlassen wir der Mannschaft. Die ist auf so etwas trainiert und weiß, wie sie sich zu verhalten hat.« Er blickte sich um und stieß bei allen Mitgliedern seines Teams auf Zustimmung. Es wäre in der Tat ein unverantwortliches Risiko für jeden Journalisten und Trivid-Techniker gewesen, sich auf ein Feuergefecht mit den Fremden einzulassen. »Gut so«, lobte der Kommandant. »Aber passt auf, dass ihr uns nicht im Wege seid. Wenn es um Kopf und Kragen geht, nehmen wir keine Rücksicht auf euch.« Albion diskutierte kurz mit Halle Marie und einigen anderen Journalisten, ob sie in der Hauptleitzentrale bleiben und das Geschehen an den Monitoren beobachten sollten oder ob sie versuchen sollten, direkt an das Geschehen heranzugehen. Er einigte sich schließlich mit ihnen darauf, sich zu teilen. Zusammen mit Halle Marie und dem zur Besatzung gehörigen Techniker Gus Harmon Try verließ er die Zentrale und
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eilte durch eine der Speichen im Inneren des Rings zum Zentrum des Raumschiffs. * Gus H. Try war ein kleiner, ungemein agiler Mann mit schütterem blondem Haar, klaren blauen Augen und einem gedrungenen, muskulösen Körper. Ein kräftiger Bart zierte seine Oberlippe. Seine Spitzen ragten seitlich bis weit auf die Wangen hinauf. Da er sein halbes Leben auf Raumschiffen wie diesem verbracht hatte, kannte er sich bestens aus und wusste, wie man schnell vorankam. Er rannte vor Albion und Halle Marie her und trieb sie dabei zur Eile an. Als sie jedoch das kugelförmige Gebilde betraten, in dem die Speichen im Mittelpunkt des Rings zusammenliefen, wurde er deutlich langsamer. Mahnend hob er eine Hand. Dann deutete er auf die verschiedenen Triebwerksblöcke, die sich auf vier Stockwerken erhoben. Von ihnen ging kein gleichmäßiges Summen aus, so, wie es gewesen war, als die Journalisten auf dem langen Flug zum Antares-Riff das Schiff besichtigt hatten. Die gigantischen Maschinen vibrierten stark, die Geräusche variierten auf verstörende Weise, und an einigen. Stellen sprühten Funken aus den Blöcken heraus. »Das sieht gar nicht gut aus«, kommentierte der Techniker, während sie das Zentrum verließen, um in einer anderen. Speiche weiter vorzudringen. »Warum schaltet der Kommandant sie nicht einfach ab?«, fragte Halle Marie. »Er ist dabei, aber das geht nicht so ohne weiteres«, erwiderte er. »Triebwerke dieser Art kann man nicht einfach ein- und ausschalten wie eine Lampe. Sie hochzufahren dauert beinahe zwei Stunden und sie -stillzulegen etwa eine Stunde.« An peripheren Triebwerksaggregaten vorbei hasteten sie weiter in Richtung Ring. Von verschiedenen Seiten waren Explosionen zu hören, die jedoch nicht so heftig waren, dass sie Wände zerstörten oder in anderer Weise direkt auf sie einwirkten.
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»Vorsicht«, warnte der Techniker. »Wenn wir das nächste Schott öffnen, sehen wir aller Voraussicht nach die Fremden. Wir werden uns vorher darüber informieren, wo sie sind.« Albion und Halle Marie bereiteten ihre Kameras auf den Einsatz vor. Sie hofften, die Fremden ins Bild bringen zu können, ohne in Kampfhandlungen verwickelt zu werden. »Macht euch darauf gefasst, dass wir ganz schnell verschwinden müssen«, sagte Gus Harmon Try. Sie hatten das Schott erreicht. Ein kleiner Monitor befand sich daran. Als der Techniker ihn einschaltete, konnten sie in einem Holo sehen, wie es auf der anderen Seite des Schotts aussah. Erschrocken fuhren sie zurück, denn vier der Fremden kamen direkt auf sie zu. Fünf weitere folgten ihnen. Seltsamerweise bewegten sich alle im gleichen Takt. Sie bildeten eine Einheit, in der jeder Schritt, jede Geste gleich waren. Es schien, als seien sie durch ein unsichtbares Band miteinander verbunden, als seien sie nicht neun Individuen, sondern ein einziges Individuum, das sich in neun Körper aufgespalten hatte. »Weg hier!«, rief Try. »Schnell!« Er brauchte Albion Aldograd und Halle Marie Platt nicht zu sagen, in welcher Gefahr sie sich befanden. Das war ihnen auf Anhieb klar. Sie fuhren herum und flüchteten auf dem gleichen Weg zurück, auf dem sie gekommen waren. Als sie etwa zwanzig Meter weit gelaufen waren, explodierte eines der Aggregate vor ihnen. Im gleichen Moment ging das Licht aus, und es wurde so dunkel, dass sie die Hand vor Augen nicht mehr sehen konnten. Licht fiel erst zu ihnen herein, als sich das Schott öffnete und die neun Fremden mit angeschlagenen Waffen in ihre Richtung vordrangen. 9. Freiheit findest du nicht irgendwo. Sie wird dir' nicht verliehen. Du kannst sie nicht erwerben. Sie liegt in dir selbst. Wenn du frei sein willst, dann bist du frei.
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Schreckst du vor der Freiheit mit all ihren Konsequenzen, wie etwa der vollen Verantwortung für dich selbst, zurück, wirst du niemals frei sein. Perry Rhodan, 17. Mai 333 NGZ Eine Situation wie diese hatte Steve Or Darbenhouk noch nicht erlebt. Er war kein Mann, der sich bereits in Kämpfen mit Vertretern fremder Sternenvölker bewährt hatte. Doch er war während seiner Ausbildungszeiten durch eine harte Schule gegangen. Auch nachdem man ihm das Kommando über die MARQUITTA VENDETTE gegeben hatte, waren seine Schulungen fortgesetzt worden. Er war der Raumfahrtbehörde dankbar dafür, denn nun wusste er, was er zu tun hatte, ohne lange überlegen zu müssen. Während sich seine Männer im Raumschiff verteilten und die verschiedenen Verteidigungspositionen einnahmen, überwachte er den Funkverkehr der Fremden. Nachdem sie zunächst beharrlich geschwiegen hatten, verständigten sie sich nun bei ihrem Vorstoß in den Ringraumer pausenlos miteinander. Sie kannten sich mit diesem Schiffstyp nicht aus und waren noch nie Terranern begegnet. Wie nicht anders erwartet, suchten sie nach der Hauptleitzentrale, die sie jedoch nicht irgendwo im Ring, sondern im Zentrum vermuteten, dort, wo die Speichen zusammenliefen. Der Kommandant setzte ihnen Widerstand entgegen, indem er immer wieder Schotten blockieren ließ, sodass sie diese nicht mit Hilfe der positronischen Steuerung, sondern nur durch den Einsatz ihrer Waffen öffnen konnten. Das kostete nicht nur Zeit, sondern verstärkte sie in der Überzeugung, auf dem richtigen Wege zu sein. Darbenhouk dagegen gewann Zeit für die notwendigen Vorbereitungen im Kampf gegen die Lachtüpfler. Der positronische Translator analysierte die Sprache der Fremden bis in die Details hinein. Sie nannten sich Prophozeuten. Ihren Anführer bezeichneten sie als den Abgott. Dabei war anhand des Bildmaterials, das in der Zentrale einlief,
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nicht zu erkennen, wer ihr Anführer war. Sie bewegten sich vollkommen synchron in geordneten Gruppen, als seien sie aus einem sorgfältig einstudierten Ballett hervorgegangen. Der Anführer konnte das Wesen an der Spitze einer der Gruppen sein, jedoch auch jenes besonders korpulente Wesen, das jeweils die Mitte einer Einheit einnahm. »Machen wir uns nichts vor«, sagte der Kommandant zu seinem Ersten Offizier, der neben ihm saß. »Wie auch immer der Kampf ausgeht, die MARQUITTA VENDETTE ist verloren. Sie ist nur noch ein Wrack. Weiter nichts.« Jana Layann, der Erste Offizier, beugte sich langsam vor. Sie deutete mit ausgestreckter Hand auf einen der Monitoren. »Die Aggregate im Zentrum werden explodieren«, stellte sie fest. »Ich kann sie nicht herunterfahren. Sie haben sich bereits zu sehr erhitzt.« »Moment mal!«, Steve Or Darbenhouk. fuhr erschrocken auf. »Sind nicht Gus Harmon und die Journalisten in diesem Bereich unterwegs?« »Sind sie«, bestätigte die junge Frau: Sie war eine elegante Erscheinung. Jede ihrer Bewegungen war von einer gewissen Anmut. Das dunkelbraune Haar lag eng an ihrem schmalen Kopf. »Ich werde sie warnen. Sie müssen sich sofort zurückziehen.« »Beeil dich. Sie haben nicht mehr viel Zeit.« Sie nahm eine Schaltung vor. Dann rief sie Gus Harmon Try über Bordfunk. Der Techniker meldete sich nicht. Es knackte kurz in den Lautsprechern. Dann war es still. Bestürzt blickten der Kommandant und sein Erster Offizier sich an. * Albion Aldograd zuckte erschrocken zusammen, als die Stimme des Kommandanten aus dem Funkgerät Gus Harmon Trys ertönte. Ihm kam es vor, als knalle sie wie ein Kanonenschlag in die
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Dunkelheit hinein, in der ansonsten nichts zu hören war als das Summen der Maschinen und einige ferne Explosionen. Der Techniker schaltete augenblicklich ab, um seinen Standort nicht noch deutlicher zu verraten. Die fremden Eindringlinge reagierten blitzschnell. Sie feuerten ihre Energiestrahler ab, und für einige Sekunden wurde es unangenehm hell. Während der Trupp der Fremden weitgehend im Dunkeln blieb, standen Albion Aldograd, Halle Marie Platt und der Techniker plötzlich deutlich sichtbar vor einem Schott, das unter den Nachwirkungen einiger Treffer an mehreren Stellen glühte und auch nach dem Erlöschen der Energiestrahlen noch ein diffuses Licht verbreitete. Albion war in keiner Weise für einen derartigen Kampf ausgebildet. Aber er reagierte sofort. Mit einem lauten Aufschrei warf er sich gegen Try und die junge Frau, stieß sie zur Seite und stürzte mit ihnen zu Boden, während die Fremden erneut feuerten und sie abermals verfehlten. Im Schutz eines Maschinenblocks rafften sie sich auf. »Wohin?«, zischte er dem Techniker zu. Try zögerte. Es war nun wieder so dunkel, dass sie so gut wie nichts erkennen konnten. Matt leuchteten die Fingernägel und die Zähne Halle Marie Platts. Das von ihnen ausgehende Licht reichte jedoch bei weitem nicht für die Orientierung. »Ich kann ein bisschen was sehen«, wisperte sie. »Jedenfalls ist es nicht ganz dunkel für mich.« »Ich sehe absolut nichts«, antwortete Albion ebenso leise. »Da drüben ist ein anderes Schott«, teilte Gus ihnen mit. Er zog sie zu sich hin, um ihnen ins Ohr zu flüstern, damit die Fremden nichts hörten. »Wenn du etwas erkennen kannst, Mädchen, dann führe uns dorthin. Aber schnell!« Sie vernahmen die lauten Stimmen der Fremden. Sie klangen bellend und schrill zugleich. Sie waren so unangenehm, dass es ihnen eiskalt über den Rücken lief. Schwere Schritte näherten sich ihnen, und dann plötzlich flammten kleine
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Scheinwerfer auf. Scharf gebündelte Lichtlanzen durchstachen das Dunkel. »Runter mit den Köpfen!«, raunte Albion seinen Begleitern zu, während sie gemeinsam im Schutz eines Maschinenblocks zu einem Schott eilten, das noch nicht durch Energiebeschuss beschädigt worden war. »Es geht in die Maschinenhalle«, flüsterte der Techniker. »Sobald wir das Schott öffnen, wissen sie, wo wir sind.« »Das spielt keine Rolle«, antwortete der Trivid-Produzent. Die heranrückenden Lachtüpfler machten ihn nervös. Er machte kein Hehl daraus, dass er Angst hatte. »Achtung!«, flüsterte Gus, während die Lichtlanzen allzu deutlich anzeigten, dass die Fremden unaufhaltsam näher rückten. »Ich öffne jetzt das Schott. Sobald wir hindurch sind, müsst ihr sofort zur Seite laufen, damit ihr 'aus ihrem Blickfeld verschwindet. Lauft ihr für sie sichtbar in die Halle hinein, seid ihr so gut wie tot.« »Ist schon klar«, erwiderte Halle Marie. »Wir sind schließlich nicht doof.« »Dann los!« Zischend öffnete sich das Schott. Sie rannten in die Halle hinein und wichen sofort zu den Seiten aus. Gerade schnell genug, denn mehrere Energiestrahlen schossen bedrohlich nahe an ihren Köpfen vorbei. Die großen Leuchtelemente an der Decke der Halle waren ausgefallen. Doch die Notlampen brannten. Es waren die üblichen Nano-Dioden. Sie verbreiteten genügend Licht. Albion Aldograd blieb schon nach wenigen Schritten verzweifelt stehen. Bei mehreren Explosionen waren die riesigen Maschinenblöcke schwer beschädigt worden. Das war selbst für ihn als Laien deutlich zu erkennen.. Kleinere Explosionen rissen die Maschinenblöcke auf. »Ich fürchte, hier fliegt gleich alles in die Luft!«, rief Albion. »Womit du verdammt Recht hast«, stimmte ihm Gus zu. »Mir nach, rasch!« Er führte sie quer durch die Halle zu einem großen Schott, durch das sie auf einen kühlen, unbeschädigten Gang hinaustraten.
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»Du solltest mit dem Kommandanten reden«, empfahl ihm der Journalist. »Hm, was glaubst du, was ich vorhabe?« Gus schaltete sein Funkgerät ein und meldete sich.' »Ja, wir wissen, wo ihr seid«, antwortete Darbenhouk. Obwohl er hastig sprach, war jede Silbe seiner Worte deutlich zu verstehen. »Wir blockieren jetzt alle Ausgänge. Der größte Teil der Prophozeuten, wie sich die Lachtüpfler selbst nennen, ist in der Maschinenhalle eingeschlossen, und gleich explodiert der gesamte Maschinenblock. Wir können es nicht mehr verhindern, aber wir sorgen dafür, dass die Fremden die Halle nicht mehr verlassen können. Lauft endlich! Entfernt euch so weit wie möglich von der Halle.« »Wir sind schon unterwegs«, erwiderte Albion. Er zog Halle Marie Platt mit sich, die noch zögerte. Kaum hatten die beiden Männer und die junge Frau drei Schotten passiert und hinter sich geschlossen, als eine schwere Explosion das Raumschiff bis in seine Grundfesten hinein erschütterte. Eine Druckwelle warf sie zu Boden, und da die Andruckabsorber versagten, rollten sie haltlos bis an ein Schott heran. Hier endlich konnten sie sich abfangen. Try prallte so hart gegen die Wand, dass er sich einen blutigen Riss an der Stirn zuzog. Fluchend richtete er sich auf. Er drückte ein Tuch gegen die Stirn, um die Blutung zu stillen. »Das war es dann wohl«, kam die Stimme des Kommandanten aus dem Funkgerät. »Wie sieht es aus bei euch?« »Wir haben es überlebt«, knurrte Albion, der kaum das Beben in seiner Stimme verbergen konnte. »Die Antriebsblöcke haben ihren Geist aufgegeben. Es hat die Kugel in der Mitte des Rings weitgehend zerrissen«, fuhr der Kommandant ruhig fort, so als habe die Explosion sonst weiter keine Konsequenzen. »Die meisten der Prophozeuten sind tot. In der Halle hat jedenfalls keiner überlebt.« »Wo sind die anderen?«, fragte der Journalist.
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»Jedenfalls nicht in eurer Nähe«, beruhigte Darbenhouk ihn. »Ich denke, wir werden mit ihnen fertig. Einige deiner Kameraleute haben faszinierende Bilder von, ihnen gemacht.« * Halle Marie sank seufzend auf den Boden. Sie legte die Hände vor das Gesicht und schüttelte den Kopf, als könne sie nicht begreifen, dass sie überlebt hatten. Albion sah, dass ihre Fingernägel zerbröckelten und von ihren Fingern abfielen. Darunter zeigte sich eine zartrosa Haut. »Was ist mit deinen Zähnen?«, fragte er, während er langsam neben ihr in die Hocke sank. »Die sind zum Teufel«, nuschelte sie und spuckte die Reste ihrer Zähne aus. Einen nach dem anderen. »Deon und Transition scheinen sich nicht zu vertragen. Vielleicht waren es auch die verrückten Bedingungen im Antares-Riff, die diese Reaktion hervorgerufen haben.« Sie hob den Kopf. »Fieh miff nifft fo an, du Efel«, zischelte sie mit zahnlosem Mund. »Glaubft du, ef gefällt mir, wie iff auffehe?« »Mach dir keine Sorgen«, grinste er. »Du hast bald andere Zähne. Dafür wird die Bordärztin schon sorgen.« »Hör auf mit dem Feiff!«, erregte sie sich. »Du weift genau, daff fie dafür keine Feit hat. Daf wird erledigt, wenn wir wieder auf der Erde find. Fallf wir jemalf dorthin kommen. Bif dahin mufft du miff ja nifft unbedingt küffen.« »Ich kann mir was Schöneres vorstellen«, flachste er. Sie warf ihm einen wütenden Blick zu, stand auf und blieb vor dem Schott stehen. Von einer Sekunde zur anderen änderte sich ihre Haltung. Bisher hatte sie sich selbstsicher und trotzig gegeben. Doch das war sie nicht. Wie jetzt deutlich wurde, war sie tief in ihrem Inneren verunsichert und in höchstem Maße verängstigt. »Albion, waf gefleht mit mir?«, fragte sie leise und mit einem verräterischen Zittern
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in der Stimme. »Meine Fähne, meine Fingernägel ... waf noch?« »Ich weiß es nicht«, antwortete er voller Mitgefühl. Er befürchtete das Schlimmste. Zähne und Fingernägel waren äußerliche Zeichen. Was aber geschah mit ihren Organen, tief verborgen in ihrem Körper, der sich wider Erwarten noch lange noch von dem Gift befreit hatte? Er erinnerte sich an sein Gespräch mit Arka Ben How. Der Journalist hatte von den Geheimnissen gesprochen, die Deon umgaben, und die bisher ungeklärt waren, von einer Sextadim-Komponente, die nicht analysiert werden konnte. Seine Sorge um Halle Marie wuchs. »Waf für ein Mifft!«, nuschelte sie und öffnete das Schott. Leise zischend glitt es zur Seite. Es gab den Blick auf einen Gang frei, über den einer der Fremden herankam. * Der Prophozeut war korpulent, vielleicht gar außerordentlich fett unter seiner halb transparenten Kombination. Schwankend und mit eingeknickten Beinen bewegte er sich mühsam voran, wobei er sich mit einer Hand an der Wand abstützte. Eine Blutspur kennzeichnete seinen Weg. Auf den ersten Blick war nicht zu erkennen, ob er noch eine Waffe bei sich trug. Deutlich aber war, dass sein Schutzanzug unterhalb des haltlos pendelnden Halses verbrannt und aufgerissen war. Der Fremde bemerkte sie und blieb stehen. Seine Augen waren fast geschlossen. Gus Harmon Try hob seinen Energiestrahler und richtete ihn auf den Fremden. »Nein«, protestierte Albion. »Nicht schießen.« Langsam sackte der Fremde auf die Knie. Er versuchte wieder aufzustehen, schaffte es jedoch nicht, sondern kippte zur Seite weg und fiel auf den Boden. Es krachte dumpf, als er aufschlug. Albion Aldograd eilte zu ihm, kniete nieder und suchte nach einer Waffe. Er fand keine. »Er ist unbewaffnet«, rief er.
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»Wahrscheinlich hat er seine Waffen verloren, als er verwundet wurde.« Während Halle Marie Platt sich ihm näherte, schaltete sie ihre Kameras ein. Sie schwebten über und neben ihrem Kopf und glitten dann auf ihren Befehl ganz nah an den Fremden heran. »Er ist tot«, sagte Try unwillig und ohne das geringste Interesse an dem Prophozeuten. Er tupfte sich die Stirn mit dem Tuch ab, um die Blutung zum Stillstand zu bringen. »Was wollt ihr noch mit dem?« Halle Marie hob den Kopf. »Ruf die Medikerin! Fnell. Kuffan Fingha foll kommen. Er lebt noch. Sie muff ihm helfen.« »Muss sie das?«, entgegnete Try gelangweilt. Abfällig zuckte er die Achseln. »Dieser Hundesohn würde uns, ohne zu zögern, töten, wenn er könnte. Aber wir sollen ihm helfen!« »Weil wir Menschen sind und keine Ungeheuer«, fuhr Albion ihn an Maries Stelle an. »Wenn wir uns ebenso verhalten wie sie, sind wir um keinen Deut besser als sie. Das haben wir nicht nötig. Terraner können nicht auf eine so großartige Geschichte zurückblicken, weil sie sich wie die Bestien benommen haben, sondern weil sie die Erde von großer Moral getragen verlassen haben und ins Universum hinausgetreten sind. Wenn wir uns von reinem Revierverhalten bestimmen lassen, haben wir das Erbe unserer finstersten Vergangenheit noch immer nicht abgelegt.« »Revierverhalten?« Der Techniker blickte die Journalisten irritiert an. »Was soll das nun wieder?« »Dies ist mein Platz, mein Revier, und das teile ich mit niemandem sonst«, versuchte Albion seine Ansicht kurz und prägnant verständlich zu machen. »Ach so!« Er begriff offensichtlich gar nichts, nahm aber nun endlich Verbindung mit der Bordärztin auf und rief sie zu sich. Danach verständigte er den Kommandanten darüber, dass sie einen der Prophozeuten hatten, der anscheinend seinen Verletzungen noch nicht erlegen
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und möglicherweise in der Lage war, etwas über die Hintergründe seines Handelns auszusagen. »Ich komme sofort«, rief Steve Or Darbenhouk. »Sorgt dafür, dass er am Leben bleibt.« 10. Das Böse lebt nicht im Nebel zwischen den Sternen, es wohnt allein in den Herzen jener Entitäten, die in der Lage sind, zwischen gut und böse zu unterscheidenganz gleich, ob sie sich Terraner, Arkoniden, Schohaaken, Ennox, Plophoser oder sonst wie nennen. Perry Rhodan 13. August 1333 NGZ Albion Aldograd filmte, wie Halle Marie ihre Jacke auszog und dem Verletzten unter den Kopf legte, wie sie ihm den Kopfschutz abnahm und rotes Blut von seinen Lippen tupfte. Mit dem flachen Kopf, den kleinen, fast geschlossenen Augen sowie dem halb geöffneten Mund mit den scharfen, spitzen Zähnen sah der Prophozeut unheimlich und bedrohlich aus. Dann übernahm Halle Marie die Kamera. »Iff kann wohl kaum interviewen, nifft wahr?«, meinte sie dazu. Albion trat näher an das fremdartige Wesen heran, dessen Kopf auf den ersten Blick so frappierend an eine Hyäne erinnerte. »Kannst du mich hören?«, fragte der Journalist ihn. Weil er an die möglichen späteren Zuschauer dachte, verwendete er Interkosmo. Der Prophozeut schlug die Augen auf und blickte ihn mit einem Ausdruck an, den er als höchst verächtlich empfand. Nur ein schwaches Röcheln kam über die Lippen des Verletzten, jedoch keine Antwort. »Wir haben versucht, euch zu helfen«, fuhr Albion unverdrossen fort. »Offenbar haben wir uns dabei so verhalten, dass ihr uns falsch verstanden habt. Die Opfer wären nicht nötig gewesen. Lass uns wenigstens jetzt versuchen. uns miteinander zu verständigen.«
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Der Fremde schloss die Augen und schwieg auch weiterhin. Sanft legte Halle Marie ihrem Produzenten die Hand auf die Schulter. »Laff ef miff verfuchen«, sagte sie. »Wenn du meinst, dass du es besser kannst als ich ... bitte sehr! Deine Stimme können wir nachher nachbessern.« Er blickte sie nicht an, sondern richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf den Fremden. Hätte er es getan, wäre ihm sicherlich etwas an ihr aufgefallen. Während er sich erhob, kniete sich Halle Marie neben dem Verletzten auf den Boden und sprach ihn an, wobei sie ebenfalls Interkosmo sprach. Albion wollte sie darauf hinweisen, dass sie aus seiner Sicht einen Fehler machte. Nachdem er es selbst auf diese Weise versucht, jedoch keine Antwort erhalten hatte, konnte er sich nicht vorstellen, dass der Fremde diese Sprache verstand. Doch er irrte sich. Die Augen des Prophozeuten weiteten sich, der Mund schloss sich für einen kurzen Moment, und als er sich wieder öffnete, war eine klare Antwort zu hören: »Ja, ich verstehe eure Sprache.« Albion war überrascht, dass er auf sie einging. bei ihm jedoch geschwiegen hatte. Das leichte Gefühl der Eifersucht kam nur kurz in ihm auf, verflüchtigte sich dann aber rasch. Er konzentrierte sich darauf. die Hände und das Gesicht Halle Maries möglichst nicht ins Bild zu bringen, sondern sie immer nur von schräg hinten zu filmen. Er wollte nicht, dass ihr zahnloser Mund zu sehen war, und er wollte auch nicht zeigen, dass sie alle Fingernägel verloren hatte. »Wer bift du?« Sie bemühte sich, klar und deutlich zu sprechen. Da ihr die Zähne ausgefallen waren, fiel es ihr nicht leicht. Albion ließ sie gewähren. Die Sprache konnte er später immer noch am Computer verändern und verbessern. Wichtig war ihm ein möglichst authentischer Bericht. Kleine Fehler machten ihn nur noch glaubhafter und überzeugender. Ehe der Fremde antworten konnte, traf die Medikerin ein. Sie kniete sich neben dem Verletzten auf den Boden und untersuchte
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ihn kurz. Dann schüttelte sie resignierend den Kopf. »Ich denke nicht, dass ich viel für ihn tun kann«, sagte sie. »Sein Organismus ist mir fremd. Außerdem reicht die Wunde unter dem Hals tief in den Körper hinein. Ich denke, er wird innerhalb der nächsten Minuten sterben. Seine Lebensfunktionen werden immer schwächer. Aber Halle kann ich helfen.« Mit wenigen geschickten Handgriffen schob sie der Journalistin ein Stück Syntho-Fast in den Mund, eine spezielle bioaktive Formmasse. »Das wird reichen, bis ich mich genauer mit dir befassen kann.« Halle Marie seufzte erleichtert und versuchte es noch einmal. »Wer ... bist ... du?«, fragte sie langsam und mit deutlicher Artikulation. »Kadoi Abgott Faurán vom verlorenen Raumschiff OROZCO«, antwortete er mit leiser. schwankender Stimme. Die Journalistin ließ ein winziges Mikrofon vor seinen Lefzen schweben, und Albion steuerte es höher aus, so dass er besser zu verstehen war. »Abgott ist dein Name?« Der Sterbende hob abwehrend eine Hand. Offenbar wollte er damit zu verstehen geben, dass Abgott eher ein Titel als ein Name war. Vielleicht der Titel eines Anführers oder Kommandeurs. Obwohl er als Journalist über eine langjährige Erfahrung verfügte, war Albion doch überrascht, welche Fülle von Fragen Halle Marie dem Fremden stellte. Dabei rüttelte sie ihn hin und wieder an der Schulter, um eine Antwort anzumahnen, blieb in den meisten Fällen jedoch erfolglos. Es schien als wolle oder könne der Sterbende nichts erwidern. »Du solltest deinen Fragen ein Abgott anfügen«, empfahl Albion ihr, einer spontanen Eingebung folgend. »Vielleicht war das mein Fehler.« »Ich kann es ja mal versuchen.« Überzeugt war sie nicht, doch sie tat, was er ihr geraten hatte - und provozierte eine Art Lachen bei dem Verletzten.
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Mit zittriger, knarziger Stimme begann das fremde Wesen zu sprechen; ein Translator übersetzte in Interkosmo. Dabei blickte er die Menschen an, als sei etwas an oder in ihren Gesichtern, dem er sich nicht entziehen konnte. »Ich, Kardoi Abgott Faurán, und meine Mannschaft sind als Späher unterwegs, als Vorhut und Datensammler unseres Volkes.« »Dann wird dein Volk euch also nachfolgen. Wenn es auftritt wie ihr, wird es nicht gerade willkommen sein.« Ihre Worte erheiterten den Fremden offenbar, denn wiederum erklang dieses eigenartige Lachen aus seinem Rachen. »Wir werden erst kommen, wenn ihr nichts mehr dagegen tun könnt. Wir Prophozeuten fungieren vornehmlich als Resteverwerter«, erläuterte er. »Einige bilden als Späher die Vorhut. Dann ziehen wir uns zurück und überlassen TRAITOR das Feld. Wenn die Armada fertig ist, reisen wir hinterher« »TRAITOR?«, wiederholte sie. »Noch nie gehört.« Vielleicht hatte sie den Namen sogar falsch verstanden, die Aussprache des Fremdwesens klang sehr fremd, und die Übersetzung des Translators, wobei sie seinen Kopf ein wenig zurechtrückte, damit er es bequemer hatte. Die Medikerin erhob sich und trat einige Schritte zurück, entfernte sich jedoch nicht. Offenbar waren die eigenen Verletzten der MARQUITTA VENDETTE ausreichend versorgt. Jetzt wollte sie ebenfalls hören, was der Abgott zu verkünden hatte. »Unsere Macht wird diese Galaxis durchqueren und auf ihre Weise behandeln«, fuhr Kardoi Abgott Faurán fort. »Um das, was von euren armseligen Zivilisationen übrig bleibt, kümmern wir Prophozeuten uns. Wie wir es mit allen Galaxien machen, die wir aufsuchen. So haben wir es mit jener gemacht, die wir gerade verlassen haben, und so werden wir es mit jener machen, die wir nach der Milchstraße mit unserer Anwesenheit beehren werden. Unermessliche Reichtümer warten auf uns. Wir müssen sie nur aufheben.«
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»So geht ihr immer vor?« »So haben wir verschiedene Galaxien und ihre Bewohner von ihren Schätzen befreit«, bestätigte er. »Jetzt konzentrieren wir uns voll und ganz auf die Milchstraße. Wir Prophozeuten sind das Vorauskommando, das die Schwächen der Völker dieser Galaxis zu ermitteln hat, damit unsere Macht so wirksam wie nur irgend möglich zuschlagen kann. Dummerweise sind wir an das Antares-Riff geraten. Darauf waren wir nicht vorbereitet. Das Riff hat uns die OROZCO gekostet.« Halle Marie ließ sich nicht anmerken, was sie bei diesen Worten empfand. Ihre Aufgabe als Journalistin war, zu ermitteln und zu berichten, nicht aber sich emotional involvieren zu lassen. »Was ist dieses TRAITOR?« Mit flacher Hand tippte sie mehrfach auf die Brust des Fremden, um ihn zu einer Antwort zu ermuntern. Wieder reagierte Kardoi Abgott Faurán mit jenem eigenartigen Geräusch, das die Terraner als Lachen interpretierten, das möglicherweise aber etwas ganz anderes war. Schmerzen hatte er offenbar nicht. »TRAITOR ist«, kam es krächzend und knarzig aus seinem Rachen. Er spuckte etwas Blut. »Es ist die Hölle für ... euch.« Albion Aldograd fragte sich, ob der Abgott nur Drohungen ausstieß, hinter denen sich nicht allzu viel verbarg, oder ob TRAITOR tatsächlich so gefährlich war, wie er behauptete. »TRAITOR ist der Untergang für jede Galaxis, die von dieser Armee heimgesucht wird«, fuhr der Fremde fort. »Wenn diese Macht mit euch fertig ist und wieder geht, bleiben nur Ascheklumpen von Planeten übrig. Dann schlägt unsere Stunde, die Stunde der Prophozeuten, dann fallen wir über die Reste her – und wir haben noch immer genügend Beute gemacht, um zufrieden zu sein. Auch mit der Milchstraße werden wir so verfahren und es wird niemanden mehr geben, der noch von euch spricht.«
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»Du wirst es nicht mehr erleben«, ließ sich Halle Marie zu einer Bemerkung hinreißen, die eigentlich nicht zu ihrem Repertoire gehören durfte. Abermals das seltsame Lachen, bei dem den Terranern eine Gänsehaut über den Rücken lief. »Aber sicher doch! Auf einer anderen Existenzebene. Das vorübergehende Erlöschen in dieser Welt spielt keine Rolle für mich.« »Was ist das genau, dieses TRAITOR? Ich muss mehr darüber wissen. Woher das Interesse an der Milchstraße?« Der Abgott bäumte sich plötzlich auf. Zugleich stieß er mit den Beinen und begann, am ganzen Körper zu zucken. Blut quoll aus seinem Rachen hervor. Dann sank er zurück auf den Boden und verschied. Halle Marie rüttelte ihn in der Hoffnung, ihn noch einmal zurückholen zu können. Vergeblich. Das Leben war aus seinem korpulenten Körper gewichen. Albion Aldograd schaltete die Kameras aus. »Das hast du gut gemacht, Halle Marie«, lobte er seine Mitarbeiterin. »Ich hätte nicht gedacht, dass du ihm so viele Informationen entlocken kannst. Er hatte keinen Grund, dir dies alles zu verraten. Immerhin können wir uns jetzt vorbereiten auf das, was möglicherweise kommt.« »Richtig«, pflichtete ihm Try bei. »Als Anführer einer Einheit hätte er das eigentlich nicht alles verraten dürfen. Wie hast du das gemacht, Halle Marie?« Sie erhob sich seufzend, und dabei blickte sie Albion Aldograd an. Ihre Augen leuchteten in einem intensiven Deon-Blau. »Wo ist die Medikerin?«, fragte sie mit schwankender Stimme. »Ich fürchte, ich werde blind.« »Hier«, meldete sich Kushan Singha und reichte ihr die Hand. »Komm, wir gehen in die Medostation. Vielleicht kann ich dein Augenlicht noch retten oder einen Biotausch vornehmen.« Halle Marie ging mit ihr. Unsicher. Kaum dass sie die Füße vom Boden hob. Sie musste geführt werden, weil sie nichts mehr sehen konnte.
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»Mit meinen Augen passiert das Gleiche wie mit meinen Fingernägeln und meinen Zähnen«, hörte Albion sie sagen. »Verfluchtes Deon.« »Wir kriegen das schon hin«, tröstete die Medikerin sie. »Ich bin sicher, dass deine Augen den Abgott zum Sprechen gebracht haben. Er konnte sich dem Deon-Blau nicht entziehen. Das war deutlich zu spüren. Und das ist doch auch etwas. Oder?« Albion vernahm ihre Worte, und er brauchte einige Sekunden. um sie zu verarbeiten. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er hatte nicht auf Halle Marie geachtet. Ihr nicht ins Gesicht gesehen, sonst wäre ihm kaum entgangen, was mit ihren Augen geschehen war. Selbst als er beobachtet hatte, wie fasziniert Abgott seine Mitarbeiterin angesehen hatte, war er nicht darauf gekommen, dass es an ihren Augen liegen könnte. * »Ich kann nur dringend davor warnen«, sagte Gus Harmon Try, während er seinen Platz in der Hauptleitzentrale der MARQUITTA VENDETTE einnahm. Vor wenigen Minuten erst war Albion Aldograd mit ihm zusammen von einer weit entfernten Stelle an der Peripherie des Ringraumers zurückgekehrt. An der einzigen noch bestehenden Verbindungsstelle mit dem sternförmigen Raumschiff der Prophozeuten hatte der Techniker eine Reihe von Messungen vorgenommen. »Das musst du schon begründen«., sagte der Kommandant, der mit verschränkten Armen an einem Instrumentenpult lehnte. Er bemühte sich um Haltung, konnte jedoch eine gewisse Ratlosigkeit nicht vor den anderen verbergen. »Nach allem, was wir von dem Abgott erfahren haben, scheint es mir überaus wichtig zu sein, dass wir das Raumschiff der Fremden genau inspizieren. Ich denke, wir können eine Fülle von Erkenntnissen gewinnen, wenn wir es tun.«
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Try schüttelte den Kopf. »Wir müssen das Weite suchen. Je schneller wir uns von dem Stern trennen, desto besser. Die Messergebnisse lassen keinen Zweifel zu. Das Ding wird explodieren. Und zwar sehr bald.« Er übergab dem Kommandanten einen kleinen Chip. Wenig später erschienen die von ihm gewonnenen Ergebnisse auf den Monitoren. Steve Or Darbenhouk ging sie nur flüchtig durch, dann wurde er grau im Gesicht. »Teufel auch!«, stöhnte er. »Das sieht noch viel schlimmer aus, als ich dachte. Du hast Recht. Wir müssen uns von dem Ding trennen. Sofort.« »Die Frage ist nur — wie?«, warf Albion Aldograd ein, doch keiner von der Besatzung beachtete ihn. »Die Triebwerke sind im Eimer. Oder nicht?« Darbenhouk und seine Offiziere arbeiteten fieberhaft und die meiste Zeit schweigend. Nur hin und wieder machte mal einer von ihnen eine Bemerkung. Albion gab seinem Team das Zeichen, die Kameras einzuschalten und alles aufzuzeichnen. »Kann mir mal jemand erklären, was hier überhaupt passiert?« Er wandte sich an Try Der untersetzte Mann strich sich lächelnd die Bartspitzen zur den Seiten weg. Die drohende Gefahr durch die Explosion konnte ihn nicht aus der Ruhe bringen. »Du hast richtig beobachtet«, entgegnete er. »Mit den Triebwerken können wir nichts mehr anfangen. Sie existieren nicht mehr. Aber wir haben Andruckabsorber, Gravopaks und Traktorstrahler. Mit dem bisschen Energie, die uns noch geblieben ist, setzen wir sie ein und drücken den Patchstern von uns weg.« Er zeigte auf die Monitoren, auf denen nun deutlich auszumachen war, dass sich das fremde Raumschiff langsam von der MARQUITTA VENDETTE entfernte. Meter für Meter schwebte es fort von ihr. »Wir können nur hoffen, dass es schnell genug geschieht«, fügte Try seinen Worten hinzu. »Alles hängt davon ab, wann der Stern explodiert.« Albion und den anderen Journalisten verschlug es den Atem. Der Techniker tat
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ganz so, als seien er und die vielen anderen an Bord der MARQUITTA VENDETTE nicht betroffen. Dabei würde eine Explosion des Prophozeuten-Raumers auch ihr Raumschiff fraglos vernichten — und mit ihm jeden, der sich an Bord befand. »Und dann bist du so ruhig?« Try, zuckte fatalistisch die Achseln. Damit deutete er an, dass er ohnehin nichts ändern konnte. »Unser Schicksal liegt in Gottes Hand. Das ist nun mal so und wird auch immer so sein!« Albion schluckte mühsam. Er vermochte seine Blicke nun nicht mehr von den Monitoren zu lösen. Viel zu langsam aus seiner Sicht wuchs der Abstand zwischen den beiden Raumschiffen. Das Hauptschott öffnete sich, und Halle Marie Platt trat ein. »Kushan Singha hat ein Wunder bewirkt«, verkündete sie fröhlich. »Seht mich an. Sie hat meine Augen regeneriert. Ich kann wieder sehen. Sogar besser als vorher. Es ist nicht zu glauben. Die Zahnprothese stimuliert mein Zahnwachstum, und die Fingernägel werden schon von selbst nachwachsen.« Als er ihre Stimme hörte, wandte Albion sich ihr zu. Die Augen seiner Mitarbeiterin waren dunkel. Nichts an ihnen erinnerte mehr an die blau leuchtenden DeonAugen. Mit geschlossenen Lippen lächelnd kam sie zu ihm und setzte sich neben ihn. »Kushan Singha sagt, ich bin vollkommen clean. Ich fühle mich wunderbar. Du kannst dich darauf verlassen, Albi, dass ich das Zeug niemals wieder an mich heranlasse. Das hoffe ich jedenfalls. Die Versuchung ist da, und sie wird auch nicht weichen. Einmal süchtig — immer süchtig. Es ist nur die Frage, ob man der Sucht nachgibt. Das werde ich nicht mehr tun.« »Ich gratuliere dir. Du hast es geschafft.« »Ja, das könnte sein.« Munter sah sie sich um. »Was ist los? Ihr seid alle so still!« In diesem Moment überschüttete blendende Sonnenglut den Ringraumer. *
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Stichflammen schossen grellweiß aus dem Wrack der OROZCO hervor, riesige Trümmerstücke wirbelten mit rasender Geschwindigkeit durch den Raum. Eines von ihnen traf die MARQUITTA VENDETTE und zertrümmerte einen Teil ihres ringförmigen Körpers. Der Aufprall war so heftig, dass sich der Raumer aufbäumte und sich danach noch mehrfach überschlug. In der Hauptleitzentrale aber war nur wenig davon spürbar. Die Andruckabsorber griffen allerdings recht schnell und sorgten dafür, dass die Besatzung nicht allzu sehr unter den Beschleunigungseffekten zu leiden hatte. Darbenhouk und seine Offiziere versuchten hastig, das Wrack abzusichern. Unter der Wucht des Aufpralls drohte es in mehrere Teile zu zerbrechen. Eine halbe Stunde verstrich, in denen das Schicksal der Raumschiffsbesatzung in der Schwebe hing. Doch dann hatten sie es geschafft — sie und der neuartige NanoYnkonitverbund. Schließlich schwebte der kümmerliche Rest der einst stolzen MARQUITTA VENDETTE sanft und ohne Antrieb durch den Weltraum. Während der gesamten Zeit sendete die Funkleitzentrale Notrufe. Der automatische Sender deckte den gesamten Raum im Umkreis von drei Lichtjahren ab. Sollte sich irgendjemand in diesem Gebiet aufhalten, musste er sie ganz sicher hören. 11. Menschen können sich irren. Deshalb sollte ein Standpunkt nicht etwas sein, auf dem man stehen bleibt. Wer sich nicht weiterentwickelt, gleicht dem Frosch, der im Brunnen lebt und die Welt nach dem Brunnenrand beurteilt. Der Geist des Menschen gleicht den Planeten eines Sonnensystems. Diese würden untergehen, würden sie sich nicht bewegen. Perry Rhodan, 29. September 1333 NGZ Albion beobachtete die Bemühungen der Besatzung, wenigstens die Zentrale und
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ihre nähere Umgebung so herzurichten, dass eine Sicherheitszone entstand, in der sie sich gefahrlos aufhalten konnten und die mit ausreichend Energie versorgt wurde. »Was geschieht mit dem Prophozeuten?«, wandte Albion Aldograd sich an Halle Marie. »Hat die Medikerin schon etwas in dieser Hinsicht durchblicken lassen?« »Mit dem passiert gar nichts«, antwortete sie bedauernd. »Kushan Singha hat die Leiche in die Medostation bringen lassen. Sie wollte sie sezieren. Doch die Mühe hätte sie sich sparen können. Abgott hat sich zersetzt.« »Zersetzt? « »Der Körper hat sich verflüssigt und wie Säure den Schutzanzug von innen mit aufgefressen. Dann ist er zu Boden gesickert und hat sich mit dem Bodenbelag zu einer Art teerartigem Fleck verbunden. Es ist nichts mehr übrig, was sich zu untersuchen lohnt. Mit anderen Worten: Was wir auch unternehmen, mehr Informationen als bisher werden wir nicht gewinnen.« Sie lächelte schwach. »Derzeit lassen sie noch atomare Reste durch irgendwelche Analysatoren laufen, um vielleicht dadurch Rückschlüsse ziehen zu können.« Albion gähnte hinter der vorgehaltenen Hand. Nach all den ungewohnten Anstrengungen, die hinter ihm lagen, war er müde und fühlte sich ausgelaugt. Er hatte das Bedürfnis, sich auszuschlafen. »Hier passiert nichts mehr«, sagte er, nachdem er sich kurz umgesehen hatte. Die meisten Offiziere hatten ihre Arbeit eingestellt und saßen nun abwartend in ihren Sesseln. »Nein«, stimmte sie ihm zu. »Jetzt können wir nur noch warten, dass irgendwann eine Antwort auf unsere Notrufe eintrifft. Das kann dauern. Vielleicht sogar einige Wochen.« Er gähnte erneut. »Ich lege mich aufs Ohrs. Falls sich jemand meldet, bleibt immer noch genügend Zeit für einen Bericht.« Er verließ die Zentrale und suchte seine Kabine auf, die weitgehend unzerstört war.
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Mit dem Ausfall der Andruckabsorber war lediglich ein wenig Unordnung entstanden. Er kümmerte sich nicht darum, sondern legte sich in seine Koje und schlief fast augenblicklich ein. Als er seine Kabine zehn Stunden später erfrischt verließ und in den Speiseraum ging, der für das Journalistenteam eingerichtet worden war, traf er Halle Marie Platt dort an. Sie hatte sich ein kleines Frühstück zusammengestellt. »Nichts Neues«, begrüßte sie ihn, bevor er noch fragen konnte. »Wir haben noch immer keine Antwort auf unsere Notrufe.« Er prüfte das Angebot des Automaten und entschied sich für Kaffee, frisch gebackenes Brot und Honig. »Da sitzen wir auf dem sensationellsten Filmmaterial, das je gedreht worden ist«, seufzte er. »Und können nichts damit anfangen.« Prüfend blickte er sie an. »Du bist erstaunlich ruhig.« »Soll ich ständig vor lauter Sorge auf Fingernägeln kauen, die ich nicht mehr habe?« Sie zeigte ihm ihre Finger mit den rosigen Nagelbetten. »Wir können nur abwarten und hoffen.« »Jedenfalls habe ich alles zusammengepackt für den Fall, dass wir abgeholt werden. Alle Speicherkristalle mit den unglaublichen Aufnahmen aus dem Gebiet des Antares-Riffs und jene mit der OROZCO und vor allem mit der Befragung Abgotts. Das wird ein Knüller, ich versprech's dir.« Er trank etwas Kaffee. »Ich nehme an, es ist dir recht, dass nirgendwo etwas von deinen blauen Augen und den Fingernägeln zu sehen ist.« »Und ob mir das recht ist.« Sie schob die Reste ihres Frühstücks gesättigt von sich. »Wenn wir das alles senden, bedeutet das für Albion3, EAS und damit für dich ein Vermögen. Alle Sender der Erde werden dir das Material aus den Händen reißen. Und nicht nur die der Erde, sondern auch die TV-Anstalten zahlloser Planeten in der Milchstraße. Schließlich ist nicht nur die Erde bedroht, sondern die gesamte Galaxis. Es könnten mehr als 100.000 Abnehmer werden. Nicht schlecht! Mit dem Material
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in den Händen kann dein großer Partner den Verlust leicht verschmerzen. Was wirst du tun?« »Das ist die Frage!« Er stand auf, um zum Automaten zu gehen und sich noch mehr Kaffee zu holen. Eigentlich aber ging es ihm nicht um das Getränk. Er wollte Zeit gewinnen. Er stand in der Tat vor einer Entscheidung, der er nicht ausweichen konnte. Sie hatten erstaunliches Filmmaterial erarbeitet. Wenn auch nur ein Bruchteil von dem der Wahrheit entsprach, was der sterbende Kadoi Abgott Faurán ausgesagt hatte, kam eine unvorstellbare Bedrohung auf die LFT und alle anderen Völker der Milchstraße zu. Über vergleichbares Material hatte noch nie zuvor ein Sender verfügt. * Die Tage vergingen, ohne dass sie eine Antwort auf ihre Notrufe erhielten. Von Tag zu Tag verschlechterte sich die Stimmung an Bord. Zunächst hatten Steve Or Darbenhouk und seine Offiziere noch überlegt, ob sie das Wrack des Raumers irgendwie doch noch bewegen konnten. Vergeblich. Es gab keine Möglichkeit. Obwohl Albion Aldograd und sein Team nur wenig Hoffnung auf Rettung hatten, arbeiteten sie hart und konzentriert. Aus dem vorhandenen Material stellten sie mehrere Filme zusammen, führten sie in der Hauptleitzentrale vor und diskutierten sie mit der Besatzung. Sie nahmen Änderungen vor, gaben einigen Aufnahmen mehr Gewicht und werteten dafür andere geringer, bis sie davon überzeugt waren, die besten denkbaren Filme geschaffen zu haben. Fehlte nur noch die Musik, mit der einige Effekte verstärkt werden konnten. Doch die konnte man auf der Erde ohne großen Aufwand hinzufügen, zumal man sich schnell darüber einig wurde, welche Musikthemen man auswählen wollte. Albion Aldograd legte alles bis ins Detail fest. Danach folgten zwei Tage, an denen auch sein Team und er nichts mehr zu tun
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hatten. Das untätige Warten war schwer erträglich. An Bord wurde es immer stiller. Beinahe alle zogen sich zurück und beschränkten die Kontakte auf das Notwendigste. Die Reserven des Raumers neigten sich ihrem Ende zu. Das betraf vor allem den Sauerstoff. Rettung musste bald kommen, oder es war zu spät. * Einige der Besatzungsmitglieder und einige der Journalisten verfassten Briefe, in denen sie sich von jenen verabschiedeten, die ihnen besonders nahe standen. Jeder an Bord spürte, dass der Tod von Stunde zu Stunde näher rückte. Daher traf es Besatzung und Passagiere wie ein Donnerschlag, als nach einer Wartezeit von beinahe drei Wochen eine Antwort kam. Die Notrufe waren aufgefangen worden. Hilfe war bereits unterwegs. Kommandant Darbenhouk verbreitete die Nachricht augenblicklich über Lautsprecher. Er drehte die Lautsprecher besonders weit auf, damit niemand seine Worte überhörte, und beorderte alle zur Hauptleitzentrale. Seine Worte waren sowohl eine Erlösung für die Besatzung als auch für die Journalisten. Sie lösten allgemeinen Jubel aus. Besatzung und Passagiere gerieten in eine geradezu euphorische Stimmung. Alle Spannung, die sich in der langen Wartezeit aufgebaut hatte, fiel von ihnen ab. Dies war umso mehr der Fall, als der Kommandant endlich bestätigen konnte, dass sie nur im Raum, nicht aber in der Zeit versetzt worden waren. Als verbindliches Datum nannte er den 22.11.1337 NGZ. »Wir werden abgeholt«, verkündete er. »Jetzt dauert es nicht mehr lange, bis wir auf der Erde sind. In ein paar Stunden sind mehrere Beiboote eines Forschungsraumers da und nehmen uns auf. Bereitet alles vor, damit die Aktion so schnell wie möglich abgeschlossen werden kann. Raumanzüge sind nicht nötig, da unsere Ingenieure eine der Außenschleusen
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so repariert haben, dass die Space-Jets andocken können.«Er wandte sich an Albion. »Den Journalisten kann ich nur empfehlen, das gewonnene Filmmaterial nicht an Bord zu vergessen.« Er grinste breit, und in seinen dunklen Augen funkelte es belustigt. Er war sich dessen sicher, dass die von ihm angesprochene Gefahr ganz sicher nicht bestand. »Wir werden nicht noch einmal zur MARQUITTA VENDETTE zurückkehren. Das Wrack wird irgendwann in eine Sonne stürzen.« * Das Jahr 1337 NGZ neigte sich seinem Ende zu, als Besatzung und Passagiere der MARQUITTA VENDETTE auf der Erde eintrafen. Voller Ungeduld sah vor allem Albion Aldograd der Landung entgegen. Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern verließ er den Raumhafen und flog zum Sender Albion3D hinüber, der in den vergangenen Wochen wie gewohnt sein tägliches Programm abgespult hatte. Nachdem er die Anlagen des Senders inspiziert und sich über alles informiert hatte, was während seiner Abwesenheit geschehen war, übergab er dem Senderleiter einen Speicherkristall mit Filmmaterial, in dem er für die Abendstunden die Sensation des Jahres ankündigte und von der vielleicht wichtigsten Sendung des Jahres sprach. Er tat alles, um die Spannung beim Publikum aufzubauen, um damit eine möglichst große Zuschauerzahl anzulocken. Halle Marie Platt informierte parallel dazu die Presse der Erde, gab jedoch nichts davon preis, um was es bei der angekündigten Sendung tatsächlich ging. Sie machte lediglich deutlich, dass sie buchstäblich jeden Menschen betraf und dass Ereignisse bevorstanden, die von galaxisweiter Bedeutung waren. Sie rührte die Werbetrommel, wie man es geschickter kaum hätte machen können. Zwei Stunden vor der Ausstrahlung des Films vom Antares-Riff und von Abgott
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und seinen Ankündigungen sah sich Albion Aldograd gezwungen, seine Arbeit zu unterbrechen. Eine Gruppe unauffällig gekleideter Männer und Frauen besetzte den Sender. Ein grauhaariger Mann, dem der Produzent auf den ersten Anblick ansehen konnte, dass er es gewohnt war, Befehle zu erteilen, die augenblicklich und widerspruchslos ausgeführt wurden, trat an seinen Arbeitstisch heran. »Sendeverbot«, erklärte er ruhig und legte ein kleines Bündel Schreibfolien auf den Tisch. »Wir können es kompliziert und ausführlich machen mit allen juristischen Details. Wir können es uns aber auch einfach machen. Die Regierung ist nicht damit einverstanden, dass der Bericht gesendet wird.« Albion Aldograd fiel buchstäblich aus allen Wolken. Mit einem Schlag zerstoben alle seine Träume vom galaxisweiten Erfolg und vom finanziellen Gewinn. »Zensur?« Er schüttelte verständnislos den Kopf. »Das kann nicht sein. Es muss sich um einen Irrtum handeln. Das Verteidigungsministerium hat dieses Unternehmen gesponsert. Reginald Bull selbst hat uns nach Kräften geholfen und für die nötigen Verbindungen gesorgt.« »Das ist mir bekannt«, erwiderte der Graue. »Reginald Bull erwartet dich in seinem Büro. Wenn es dir recht ist, können wir gleich dorthin fliegen.« »Mir recht?« Tausend Gedanken schossen Albion Aldograd durch den Kopf. Er sah seine Felle davonschwimmen,. ohne irgendetwas dagegen tun zu können. Dabei konnte er sich nicht vorstellen, dass Bully ihm das Unternehmen erst ermöglicht hatte, um ihm dann solche Steine in den Weg zu legen. In diesem Verhalten lag ein Widerspruch, den er, aber nicht aufzulösen vermochte. Nein, dahinter musste sich etwas anderes verbergen. Möglicherweise Dort Koagan, der Konzernchef. Fraglos wusste er genau, welch ungeheure Verdienstmöglichkeiten sich ergaben. Kommandant Steve Or Darbenhouk stand bei ihm in Lohn und Brot, und es war davon auszugehen, dass dieser ihn über die Expedition und über
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alle Filmarbeiten informiert hatte. Versuchte Dort Koagan das Geschäft jetzt allein zu machen, war er hilflos. Gegen einen Mann mit derart gewaltigen finanziellen Möglichkeiten hatte er nicht den Hauch einer Chance. Jetzt machte er sich heftige Vorwürfe, weil er Dort Koagan nicht sofort nach seiner Ankunft auf der Erde von Ausgang und Erfolg der Expedition unterrichtet hatte. Bei einem Anteilseigner mit einem derartigen Gewicht wäre es seine Pflicht gewesen. »Wenn du jetzt bitte kommen würdest? Der Verteidigungsminister ist ein viel beschäftigter Mann. Er hat nicht ewig Zeit.« 12. ... oder, wie man schon im Mittelalter der Erde zu sagen pflegte: Quidquid agis, prudenter agas et respice finem! - Was du tust; das tue klug und bedenke das Ende. Perry Rhodan. 11. Dezember 1334 NGZ Reginald Bull kam hinter seinem Arbeitstisch hervor und streckte ihm die Hand entgegen. Hinter ihm stand Noviel Residor. der Leiter des terranischen Geheimdienstes, und über ein Holo waren auch Maurenzi Curtiz, der Erste Terraner. und Perry Rhodan, Terranischer Resident. zugegen. Sie überließen allerdings Bully das Reden. »Ich bin froh, dass du so schnell gekommen bist«, begrüßte der ResidenzMinister den Unternehmer. Albion Aldograd blickte ihn verblüfft an. Zögernd ergriff er die Hand. »Nimm Platz«, forderte der Unsterbliche ihn freundlich auf. Er ließ sich in einen der Sessel sinken. Seine Gedanken überschlugen sich. Er wollte Fragen stellen, wusste jedoch nicht, womit er anfangen sollte. Bully kehrte hinter seinen Arbeitstisch zurück, auf dem nur wenige Papiere lagen. »Du scheinst überrascht zu sein.« »Das kann man wohl sagen!«, stöhnte der Journalist.
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»Seit deiner Rückkehr haben wir noch keine Zeit gefunden. miteinander zu reden«, sagte der Verteidigungsminister der LFT. »aber ich habe mit Darbenhouk gesprochen. Er hat mir berichtet, was geschehen ist.« »Das wollte ich auch«, sagte Albion. »Ein entsprechender Bericht liegt fertig in meinem Büro.« »Er hätte mich allerdings erst nach der Sendung erreicht«, stellte der Verteidigungsminister fest. »Und das wäre zu spät gewesen. Ich muss den Film sehen, bevor er ausgestrahlt wird. Etwas anderes kann ich nicht zulassen. Oder ist dir nicht klar, welche Wirkung er möglicherweise auf die Öffentlichkeit hat? Panik unter allen, die die kurze Schreckensherrschaft Gon-Orbhons vor viereinhalb Jahren noch gut im Gedächtnis haben?« »Ich denke - doch«, gab Albion zögernd zurück. »Keiner hier will deinen Erfolg schmälern«, beteuerte Bully. »Und keiner will Zensur ausüben. Dennoch müssen wir eure Reportage als Erste sehen.« * Die Versammelten schwiegen eine Weile. Albion hatte den Verteidigungsminister genauestens beobachtet - Residor zeigte sowieso niemals Gefühle, und Curtiz und Rhodan waren als Hologramme schlechter einzuschätzen und zudem zwei der besten Diplomaten der LFT. Reginald Bull hingegen war emotionaler. Er verfolgte die Bilder kommentarlos. Als die Befragung des Prophozeuten kam, beugte er sich erbleichend vor, schwieg aber auch weiterhin. Erst als der Abspann lief, richtete er sich auf und wandte sich Residor. Rhodan und Curtiz zu. Albion Aldograd konnte ihnen buchstäblich ansehen, was nun kommen würde. »Das Material können wir nicht zur Veröffentlichung freigeben«, sagte Reginald Bull. »Das ist ausgeschlossen. Erstens sind die Informationen wichtig für die Systemverteidigung der LFT, und zweitens könnte der Film eine Panik
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auslösen. Der Film ist nicht für die Öffentlichkeit geeignet.« Albion Aldograd war buchstäblich am Boden zerstört. Unendlich wichtiger noch als ein möglicher finanzieller Erfolg war ihm als Journalisten, dass seine Arbeit veröffentlich wurde. Er hatte nicht für die Schublade gearbeitet. Dieser Film war das vielleicht bedeutendste Werk seines Lebens - und ausgerechnet dieser Film sollte in einem Archiv verstauben? »Ich will alle Aufnahmen«, hörte er Reginald Bull fortfahren. »Jeden einzelnen Schnipsel, den ganzen Film und alle Kopien. Nichts bleibt bei dir und deinen Sendern. Absolut nichts.« Seine Blicke richteten sich auf ihn. Ernst und durchdringend. »Im Übrigen seid ihr alle Geheimnisträger.« Die Worte trafen ihn hart und unerbittlich. »Alle Besatzungsmitglieder und alle aus deinem Team gehören dazu. Keine Information geht an die Öffentlichkeit, die ich nicht abgezeichnet habe.« Albion hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen verloren zu haben. »Wo ist Halle Marie?«, fragte Albion Aldograd, als er in die Räume seines Senders zurückkehrte. »Keine Ahnung«, antwortete Bert Gonan, einer seiner Redakteure. »Sie ist vorhin gegangen. Ziemlich verstört, wie. mir schien. Die Aktion der Herren und Damen vom Verteidigungsministerium hat sie ziemlich mitgenommen. Man hat uns alle zu Geheimnisträgern erklärt.« »Ist mir bekannt«, antwortete Albion, während er bereits weitereilte, um in sein Büro zu gehen. Kaum an seinem Arbeitstisch angekommen, versuchte er, Verbindung zu der jungen Frau aufzunehmen. Er hatte Angst um Halle Marie. Er selbst hatte unter den Bestimmungen gelitten, die Reginald Bull festgelegt hatte, und er litt noch immer. Für sie musste es noch schlimmer gewesen sein. Sie hatte das Verhör in der Art eines Interviews mit
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dem Fremden geführt, sie hatte Abgott die entscheidenden Informationen entlockt. Auf eine Situation, wie sie jetzt entstanden war, konnte sie sehr sensibel reagieren. Möglicherweise zerstörte sie alles, was sie mühsam aufgebaut hatte. Eine einzige Dosis Deon brachte das Fundament zum Einsturz, auf das sie sich während der Expedition gestellt hatte. Er rief eine Reihe von Freunden und Bekannten an und fragte nach ihr. Vergeblich. Niemand schien Halle Marie gesehen zu haben, nachdem sie den Sender verlassen hatte. Es war, als hätte sie sich in Luft aufgelöst oder sich unter einem Deflektor versteckt. Sie war verschwunden. Enttäuscht stützte er die Ellenbogen auf die Arbeitsplatte und legte die Hände vor das Gesicht. Tu mir das nicht an, Halle Marie! Verzweifelt überlegte er, wo er sie noch suchen konnte. Er führte einige weitere Gespräche, dann plötzlich schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf und ließ ihn nicht mehr los. Tiansian, die kleine Stadt am Gelben Meer! * Er landete wiederum auf dem Parkplatz und musste das letzte Stück zum Strand zu Fuß gehen. Die Sonne stand bereits tief über der mongolischen Wüste. Es würde rasch dunkel werden. Nachdenklich folgte er einem schmalen Weg, der zum Wasser führte. Am Strand brannten Feuer. Armselig aussehende Gestalten hatten angeschwemmtes Holz gesammelt, aufgeschichtet und angezündet. Während Albion Aldograd an ihnen vorbeiging, blickte er in einige der Gesichter. Leere, glanzlose Augen. Die meisten der Männer und Frauen am Strand hatten die typischen Deon-Flecken auf dem Nasenrücken. Sie alle waren Verlorene, für die es nur in Ausnahmefällen Rettung geben konnte.
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Wenn sie etwas fanden, für das es sich zu leben und zu kämpfen lohnte. Suchend blickte er sich um. Der Strand war etwa drei Kilometer lang. Er bestand teils aus feinem weißem Sand und war in anderen Abschnitten mit kleinen Steinen bedeckt. Langsam ging er an der Wasserlinie entlang, wobei er ständig nach Halle Marie Ausschau hielt. Er hoffte, sie irgendwo zu finden, ohne von aggressiven Süchtigen aufgehalten und angefallen zu werden. Sein Unbehagen wuchs. Nirgendwo war etwas von Halle Marie zu sehen. Er wollte bereits aufgeben, als ihm einige Felsbrocken auffielen, die sich in einer Gruppe auftürmten. Zwei zierliche Füße ragten hinter den Steinen hervor. Er schritt schneller aus. »Hey«, rief jemand hinter ihm. »Geh nicht weiter. Rede mit mir.« Er blieb stehen und drehte sich langsam um. Keine drei Schritte von ihm entfernt stand ein beinahe zweieinhalb Meter großer Mann. Seine Kleidung hing zerfetzt und verschmutzt an seinem Körper, als habe er sie lediglich flüchtig über die Schultern geworfen. In der Hand des Riesen lag ein Messer. Es war beinahe so lang und so breit wie sein Unterarm. »Ich brauche Geld«, sagte der Riese. »Du gehst mit mir zum Automaten und buchst zu meinen Gunsten ab.« Albion Aldograd sah keine Möglichkeit, den Mann abzuwehren. Angesichts des Messers in seiner Hand wäre es Selbstmord gewesen, mit ihm zu kämpfen. Er wollte sich bereits einverstanden erklären, als er eine helle, nur zu bekannte Stimme hinter sich vernahm. »Lass ihn in Ruhe, Odo!«, befahl Halle Marie. »Er ist ein Freund. Besorge dir dein Geld woanders.« Albion drehte sich um. Zierliche Füße, die tief im weichen Sand eingesunken waren. Er fürchtete sich davor, ihre Augen und ihr Gesicht zu sehen. Er hatte Angst, dass beide vom Deon-Konsum gezeichnet waren.
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»Warum siehst du mich nicht an?«, fragte sie. Ihre Augen waren klar. In ihrem Gesicht gab es nicht das geringste Anzeichen für einen Rückfall. Mittlerweile hatte sie sogar neue Zähne. Sie zeigte sie mit ihrem Lächeln. Er atmete auf. »Ich dachte ...« »Du meinst, ich könnte es nicht ertragen, dass alles vergeblich war?« »So ungefähr.« »Es war ein schwerer Schlag, aber er hat mich nicht umgeworfen. Das Problem war — ich hatte das Gefühl, in Terrania nicht mehr atmen zu können. Ich brauchte die frische Seeluft. Wir hätten es uns vorher denken können. Bullys Reaktion war logisch.« Sie bückte sich, nahm einen flachen Stein und warf ihn über das Wasser. Er hüpfte fünfmal, bevor er versank. »Da ist noch etwas, das du wissen solltest, Halle Marie.« »Das war noch nicht alles?« »Nein. Bully wird einen Teil des Materials freigeben. Albion3D wird auf Sendung gehen und von unserer Expedition ans Antares-Riff berichten.« Er lächelte. »Wir werden Bilder zeigen, wie sie noch nie zuvor im Trivid zu sehen gewesen sind. Abgott wird allerdings noch eine unbestimmte Zeit warten müssen, bevor er sich unseren Zuschauern vorstellen kann.« »Zumindest das!« Ein strahlendes Lächeln ging über ihr Gesicht. Er setzte sich in den Sand und winkte sie zu sich heran. »Und dann ist da noch etwas«, eröffnete er ihr, als sie neben ihm saß. »Reginald Bull hat das Material nicht einfach beschlagnahmt, das Abgott betrifft und sein Raumschiff, das wie ein Stern aussieht. Er ist sich durchaus dessen bewusst, dass wir einen schweren Verlust erlitten haben, weil wir die MARQUITTA VENDETTE aufgeben mussten.« »Er ist sich dessen bewusst! Nun ja, das ist ja immerhin etwas.« Der ironische Ton war unüberhörbar. »Hat er wenigstens eine Träne für uns vergossen?«
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»Das nicht gerade«, antwortete er, griff unter seine Jacke und zog eine beschriftete Folie hervor. »Aber er hat mir diese Bankanweisung gegeben!« Halle Marie Platt nahm die Folie entgegen, warf einen Blick auf die Zahl, die darauf stand, stutzte und warf einen zweiten, sehr viel längeren Blick darauf. Dann schrie sie auf und sprang auf. »Das ist nicht wahr!«, stammelte sie. »Das ist ... das ist ... Albi!« Er stand deutlich langsamer auf als sie, und plötzlich flog sie ihm in die Arme, um sich fest an ihn zu pressen. »Das ist ja Wahnsinn!«, schluchzte sie: »So eine Summe! Hast du ihm mit Totschlag drohen müssen, damit er so viel Geld herausrückt?« Albion Aldograd lachte. »Nein, überhaupt nicht. Bully hat mir die Summe angewiesen, ohne dass ich ihn dazu auffordern musste.« »Das reicht aus, um eine MARQUITTA VENDETTE II zu kaufen«, stammelte sie. Freudentränen liefen ihr über die Wangen. »Mindestens. Davon könnten wir sogar noch eine zusätzliche MARQUITTA VENDETTE III anschaffen, falls wir wieder mal Richtung Antares-Riff fliegen müssen.« »Ich finde Bully großartig!« »Da bin ich ausnahmsweise mal deiner Meinung. Voll und ganz.« Er zog sie in seine Arme, und sie ließ es sich nur zu gern gefallen. * Es war schon dunkel, als sie Arm in Arm zum Gleiter gingen. Er berichtete ihr von seinem Gespräch mit Reginald.. Bull: »Er wollte wissen, wie wir Abgott einschätzen«, sagte er. »Ob er die Wahrheit gesagt hat oder nicht. Ich habe ihm gesagt, dass er die Drohung ernst nehmen sollte. Die geradezu apokalyptische Prophezeiung des Prophozeuten dürfen wir nicht einfach so abtun.« »Richtig«, stimmte sie zu. »Wir müssen davon ausgehen, dass TRAITOR tatsächlich die Hölle ist, und wir müssen
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alles tun, was in unserer Macht steht, um uns auf den Angriff dieser unheimlichen Armee vorzubereiten.« »So etwas haben wir nicht zum ersten Mal gehört«, stellte er fest. »Schon manche Völker haben Drohungen gegen uns ausgestoßen. Wir müssen abwarten.« Als sie mit dem Gleiter starteten, schaltete sie das Trivid ein und ging auf den Sender Albion3D. Es lief gerade ein Trailer, der auf die bevorstehende Sendung über die Expedition zum Antares-Riff hinwies. Es war ihre Arbeit, und sie war mit Recht stolz darauf.
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»Ich bin gespannt wie ein kleines Kind«, gestand sie. »Hoffentlich gibt es tatsächlich den Aufreger, den wir erwarten, wenn unsere Bilder vom Antares-Riff über den Sender gehen.« »Darauf kannst du dich verlassen, Halle Marie«, erwiderte er. »Solche Bilder hat die Menschheit noch nie gesehen. Es ist das erste Mal, das Profis wie wir sich mit so einem Projekt befasst haben. Das wird ein Straßenfeger. Darauf verwette ich meinen Hut!« »Mehr nicht?«, lächelte sie. »Du könntest wenigstens was Wertvolles nehmen. Die Bankanweisung Bullys zum Beispiel.« Er lachte laut auf.
ENDE