John Sinclair Nr. 787
Das Medium
von Jason Dark
erschienen: 03.08.1993
Als Wayne Aldrin an diesem Tag aufstand, d...
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John Sinclair Nr. 787
Das Medium
von Jason Dark
erschienen: 03.08.1993
Als Wayne Aldrin an diesem Tag aufstand, da dachte er daran, wie herrlich der Wint er doch sein konnt e. Tiefe Tem perat uren und ein klarer Him m el zwangen ihn im m er wieder, in die Höhe zu schauen, sodass er beinahe sein Frühst ück vergaß, das er st et s in seinem kleinen Wintergarten einnahm. Aldrin freut e sich über den Tag, und er beschloss, ihn nach seinen Vorst ellungen zu genießen. An Unheil dacht e er nicht Wayne ließ sich noch eine Viert elst unde Zeit . Er wollt e die rest lichen beiden Seit en der Zeit ung lesen und den Kaffee aust rinken, bevor er sich endgültig auf den Weg machte. I m Flur nahm er seinen gefüt t ert en Wint erm ant el vom Haken, st eckt e auch die Handschuhe ein und holt e die flache Schirm m üt ze, die m it den Ohrenklappen. Er setzte sie auf, prüfte sein Spiegelbild noch einm al, war m it sich und seinem Aussehen zufrieden, bevor er die Wohnung m it einem Lächeln auf den Lippen verließ. Mit seinen vierundfünfzig Jahren fühlt e er sich gut , und es machte ihm überhaupt nichts aus, seinem Sohn die kleine Firma überschrieben zu haben. Wenn Wayne Lust hat t e, ging er ins Geschäft , wenn nicht , führt e er seine langen Spaziergänge durch, so wie heute. Er verließ das Haus durch den Hint ereingang. Der Gart en sah wint erlich aus. Kahle Bäum e, braungrünes Gras, die Beet e ohne Blum en, und die St eine auf den Wegen wirkten noch grauer als sonst. Aber es st ört e ihn nicht . I n zwei Monat en würde der Frühling beginnen und Wayne würde dann wieder seinen Garten bestellen.
Tief at m et e er die klare Landluft ein. Wie herrlich weit weg doch der Moloch London lag, obwohl m an die St adt in einer halben St unde m it dem Aut o erreichen konnt e. Aber hier war eben Land, hier war noch alles okay, und auch der Wint er ließ sich aushalt en, besonders an einem Tag wie diesem. Der Him m el st and wie eine eisblaue Decke über, dem Land, und der Frost hat t e den, Boden hart werden lassen. Aldrin kannt e durch die Lücken zwischen den kahlen Bäum en schauen und sah sie im Gegenlicht der Sonne besonders scharf kont uriert . Dieses wunderschöne Wint erbild gab ihm den inneren Frieden dazu braucht e er nicht Schnee zu haben, es war auch in dieser Form perfekt. Am hint eren Gart ent or st oppt e er seine Schrit t e. Die Kält e hat t e den Riegel fest frieren lassen, so m usst e Wayne über den Zaun hinwegst eigen, was ihm nicht s ausm acht e, er war noch im m er sport lich. Dahint er begann das flache und auch freie Land. Kein Bau st ört e den Blick, er konnt e bis hin zu der Schnellst raße schauen, die das Gelände durchschnitt. Noch davor und t iefer gelegen fand der kleine Fluss seinen Weg durch die Landschaft . Der Begriff war eigent lich übert rieben, es war m ehr ein breit er Bach, aber für Wayne war es schon im m er ein Fluss gewesen, und dabei blieb er auch. Von seinem Grundst ück aus führt e ein Tram pelpfad direkt auf das Ufer des Flusses zu. Das Lam m fell im Mant el wärm t e ihn gut . Er hat t e die Hände in die Taschen geschoben, die Ohrenschüt zer halb nach unt en geklappt und schaut e gegen die t iefst ehende Sonne, die auch gegen Mit t ag nicht viel höher st ehen würde. Hoch über seinem Kopf kreist en schwarze Vögel. Es war herrlich zu leben, und es war herrlich, so
zu leben, wie er es gern t at . Wayne spit zt e die Lippen und pfiff ein Liedchen vor sich hin. Einen alt en Schlager aus den sechziger Jahren. Seine Frau war an diesem Tag schon früh aus dem Haus gegangen. Sie hat t e den Wagen m it genom m en. Wie im m er am Dienst ag besucht e sie Freundinnen, wo sie sich zumeist bis zum Abend festredete. Und wie sie reden konnt e. Die hört e gar nicht auf, selbst beim Spazierengehen plappert e sie ununt erbrochen, so dass Wayne nicht richt ig zu Wort kam. Das war an diesem Tag anders. Er war allein, er konnt e nachdenken, und er würde am Fluss ent langgehen, dort dem fließenden Wasser zuschauen und nachsehen, ob sich das Eis verdichtet hatte. An der Böschung blieb er st ehen. Wayne dreht e sich um . Sein Haus war nicht zu sehen. Es lag hint er den Bäum en im Gart en, die wie gewalt ige dunkle Metallgebilde wirkten. Direkt unt er ihm gurgelt e das Wasser durch das Flussbet t . Er konzent riert e sich darauf und sah es als eine graue, mit weißen Fäden durchsetzte Flut über die St eine huschen. Es schäum t e in der Mit t e, aber an den Rändern, da hat t e sich bereit s eine Eisschicht gebildet . Schm ale Schollen zuerst , die dann dicker geworden waren und sich übereinander geschoben hat t en. Er lächelt e, als er über das Eis nachdacht e. Es gehört e einfach zum Wint er wie der Schnee. Nie würde Wayne in einem Land leben können, wo nur die Sonne schien. Da hät t e m an ihm Millionen zahlen können, nur Som m er passt e ihm nicht . Er braucht e eben die vier Jahreszeit en, und er fühlt e sich auch nicht wohl, wenn es im Winter zu warm war. Er wollte weitergehen, als ihn etwas störte.
Es war nur m ehr ein I m puls, so et was wie eine I dee oder ein Aufflackern in seinem Gehirn. Jedenfalls hielt er sich zurück und set zt e seinen Fuß nicht um ein Yard vor. Dafür schaut e er zum Him m el, der blau wie im m er war. Er sah die Vögel nicht m ehr. Warum nicht fragt e sich Wayne. Als sein Nacken durch die unnat ürliche Kopfhalt ung schon zu schm erzen anfing, da ent deckt e er den silberhellen Punkt im Osten. Es war ein Flugzeug! Das bracht e ihn wieder auf den Gedanken, dass nicht s im Leben perfekt war. Er dacht e daran, dass sein Haus in einer Einflugschneise lag, und oft genug hat t e er sich durch einen gewissen Fluglärm gest ört gefühlt. An diesem Morgen konnt e er sich an diesem Lärm nicht st ören, denn er vernahm nicht s. Die Maschine schien zu segeln, dabei war es ein Jet , der norm alerweise einen gigant ischen Lärm t eppich hint er sich herzog. Selt sam , dacht e er, das ist sogar noch m ehr als selt sam . Wayne Aldrin wart et e ab. Er hat t e das unbest im m t e Gefühl, dass et was passieren würde. Einen Grund konnt e er nicht nennen, es war einfach über ihn gekom m en, und er schaut e zu, wie der Clipper im m er größer wurde. Ein m ächt iger Koloss war er plöt zlich, als er an ihm vorbeisegelt e. So t ief flogen die Maschinen hier nicht , und j et zt erst wurde ihm bewusst , dass die Triebwerke t at sächlich nicht eingeschalt et waren. Hört e er das Rauschen bildet e er es sich nur ein? Aldrin wusst e es selbst nicht , aber der Schauer auf seinem Rücken stammte nicht von der Kälte. Dann kippt e die Maschine et was nach recht s. Als
wollte der Pilot ihm mit der Tragfläche zuwinken. Und dann brach die Tragfläche ab! Sie rast e nach unt en, bohrt e sich irgendwo in den Boden, was der Mann nicht m it bekam , denn was er in den folgenden Sekunden erlebt e, war für ihn ein Albt raum , der ihn bis ins Mark hinein ent set zt e. Er hat t e den Eindruck, als St at ist bei Dreharbeit en zu einem Film mitzuwirken. Leider war es kein Film . Es war die brut ale und auch die grauenhaft e Wirklichkeit , als nach dem Verlust einer Tragfläche die Maschine in der Mitte durchbrach. Die eine Rum pfhälft e kippt e nach vorn, das Heck in die ent gegengeset zt e Richt ung weg, und plöt zlich sah er etwas aus der Öffnung herausfallen. Da fielen die Menschen wie Fliegen aus der Maschine. Sie prallt en irgendwo zu Boden, zusam m en m it dem Rum pft eil, und Wayne Aldrin hört e ein gewaltiges Krachen. Auch Schreie? Nein, die bildete er sich ein. Der Rumpf fiel ebenfalls m it einer rasenden Geschwindigkeit nach vorn. Mit nur einer Tragfläche fegt e er wie eine dicke Lanze dem Unt ergrund ent gegen, bohrt e sich hinein, und das dabei ent st ehende Geräusch würde der Mann nie in seinem Leben vergessen. Wayne Aldrin wusst e nicht , wieviel Zeit vergangen war und ob überhaupt welche verst reichen konnt e, er befand sich in einer Ausnahm esit uat ion, er war ein Zeuge, er war Seine Gedanken brachen ab. Er bem erkt e nicht m al, dass seine Augen t ränt en, denn plöt zlich sah er das Feuer *
»Schaffen wir es bis London?«
»Nein.«
Der Copilot wurde bleich. »Dann können wir nur noch
beten.« »Das denke ich auch! «, flüst ert e der Flugkapit än, der alles versucht , aber nicht s erreicht hat t e. Die Triebwerke waren einfach ausgefallen, es gab keinen Grund, alles hat t e völlig norm al funkt ioniert , warum j et zt dieses verdam m t e Unglück? Ein Funker, befand sich ebenfalls im Cockpit . Er hat t e bereit s die Hände zum Gebet gefalt et , während er noch im m er verzweifelt versucht e, Kont akt m it Heat hrow aufzunehmen. Es klappt e nicht , denn der Funkverkehr war völlig zusammengebrochen. Keine einzige Meldung kam durch. Plötzlich war die rechte Tragfläche verschwunden. Es dauert e Sekunden, bis die Schreie der Passagiere zu ihnen in die Kabine drangen. Der Kapit än versucht e verzweifelt , die Maschine zu st euern, es ging nicht m ehr, und als die Chefst ewardess ins Cockpit st ürm t e, da zeigt e ihr Gesicht die nackte Panik. »Sir, Mr « Sie beendet e den Sat z nicht m ehr. Ein gewalt iger Hieb t raf die Maschine in der Mit t e. Sie wurde zerrissen und kippte mit der hinteren Hälfte zuerst zu Boden. Eine Frau und drei Männer schlossen die Augen, denn sie wollt en dem unausw eichlichen Tod nicht ins Gesicht sehen
* Es war ein Feuer, wie Wayne Aldrin es noch nie in seinem Leben gesehen hat t e. Farblich gleich und t rot zdem anders, so gewaltig und auch so seltsam rot. Ein t iefes, dunkles und schreckliches Rot , ein Feuer ohne Flam m en, als würde dort et was verschm oren oder verglühen, und das innerhalb einer riesigen Hitzeglocke.
Wayne Aldrin ging hinein in eine Geschicht e, die ihm plast isch vor Augen geführt wurde. Das w ar nicht er selbst , der sich bewegt e, nein, er war ganz woanders. Er saß in seinem Wint ergart en, schaut e gegen den fallenden Schnee, trank einen Rotwein und ließ es sich gut gehen. Warum brannte das Kaminfeuer so? Warum plöt zlich diese Glut , dieses infernalische Knacken? Warum fiel er hin? Was heult e da über ihn hinweg? Was schrie in seiner Nähe so nervenzerfetzend? Aldrin lag am Boden, ohne es richtig wahrzunehmen. Wie eine Maus, die ihr Verst eck in einer Ackerfurche gefunden hat t e. Er spürt e et w as Blut an seinem Gesicht , er konnt e auf einm al nicht s m ehr hören, und ein furcht barer Gest ank senkt e sich wie ein gewalt iges Leichent uch über ihn und die Umgebung hinweg. Er m erkt e kaum , dass er zit t ert e, in seinem Kopf war eine Leere, wie er sie nicht kannt e. Die Beine hat t e er angezogen und eine em bryonale Halt ung angenom m en. Das Furcht bare w ar zu einer grausam en Wahrheit geworden, die er nicht fassen konnte. Aldrin war einget aucht in eine Tiefe und kam sich gleichzeit ig vor, als würde er davonschweben. Geist er um gaben ihn wie wilde Gesellen. Alles war anders geworden, die Welt um ihn herum hat t e ein frem des Gesicht erhalt en, nein, sie hat t e überhaupt keins m ehr. Aldrin stand wieder auf. Er t at es im Zeit lupent em po. Als er sich schließlich aufgericht et hat t e, da überlegt e er, wo er sich befand. Sein Gehirn war so gut wie nicht mehr in der Lage, die Eindrücke zu verarbeiten, die ihn umgaben. Aldrin hob seine Hand und presst e sie gegen die Augen. Er m usst e nachdenken und wollt e sich durch nicht s ablenken lassen. Erst spät er wollt e und würde er sehen, was sich verändert hat t e, und zwar dann, wenn er sich gewissen Dingen genähert hat t e. Vert raut m achen m it den Tatsachen, die so neu für ihn waren. Er kramte in seiner Erinnerung.
Allm ählich erst st iegen die Bilder wieder vor seinem geist igen Auge auf. Der Nebel licht et e sich, aus ihm form t en sich Szenen wie Film schnit t e, die sich dann zu einem Bild zusammensetzten. Da war der Him m el gewesen, er hat t e die Kält e gespürt , und er hat t e auch das Flugzeug gesehen, das zu niedrig geflogen war. Schließlich war es abgestürzt. Wayne ging. Er bewegt e sich, ohne dass er es eigent lich wollt e. I n seinem I nnern lief ein Mot or. Er sorgt e dafür, dass er sich einem bestimmten Ziel näherte. Wayne hob die Beine an, um nur nicht zu st olpern. Er holt e Luft . Bei j edem At em zug hat t e er das Gefühl, die Lungen würden sich m it einer st inkenden Flüssigkeit füllen, die nach Rauch, Kerosin und verbranntem Fleisch schmeckte. Er schluckte. Verbrannt es Fleisch, das genau war es. Ja, so m usst e es riechen, denn in der Erinnerung sah er wieder die Puppen aus dem Loch der Maschine fallen. Nein, das waren Menschen gewesen, keine Puppen. Menschen und Feuer, keine Chance mehr. Während er ging, schaute er sich um. Überall brannte es. Schwarzer Rauch st ieg auf, w o die Maschine liegen m usst e. Dabei stank es so penetrant, dass es ihm beinahe den Atem nahm . Er schrit t nicht m ehr norm al voran, sondern schwankt e bei j eder Bewegung. Es sah so aus, als w ürde er j eden Mom ent hinfallen, aber Wayne ging weit er. Er dacht e auch nicht darüber nach, woher er die Energie nahm , er t at es einfach, und es war eigent lich sein norm aler Spaziergang, den er im m er nahm , der j et zt allerdings so furcht bar verfrem det wirkt e und zu einem Feld des Grauens geworden war. Es war kein Hügel und auch keine Anhöhe, die er hochgehen m usst e. Das Gelände hat t e nur eine et was andere Form angenom m en. Man konnt e es als eine flache Erhebung bezeichnen, um die sich der Fluss herum schlängelt e. Mit schw eren Schrit t en nähert e sich Wayne seinem Ziel, und als er den höchst en Punkt erreicht
hat t e, blieb er st ehen, runzelt e die St irn und schaut e dorthin, wo die Maschine lag. Es war ein weit es Feld, ein schreckliches Bild. Die recht e Tragfläche sah er nicht , sie lag wo anders, aber er sah die Schnauze des Clippers, die sich wie ein gewalt iger Ham m er wucht ig in den gefrorenen Boden gebohrt hat t e. Schräg dahint er lag das Heck der Maschine. Zerborst en wie ein dünner Käfig aus schm alen Holzplat t en. Was sich in ihm befunden hat t e, war herausgeschleudert worden. Gepäckst ücke, Sit ze, Puppen Er st olpert e über einen schw arzen Gegenst and. Bevor er fallen konnt e, t at er einen großen Schrit t nach vorn, blieb stehen und sah, dass es keine Puppe war. Vor ihm lag ein zusam m engekrüm m t es Bündel aus verbrannt em Fleisch. Das war einm al ein Mensch gewesen, und er war nicht allein. Wayne ent deckt e sie überall. Sie lagen verst reut in der Um gebung, sie alle hat t en nicht die Spur einer Chance gehabt . Sie waren durch die Wucht herausgeschleudert worden und hat t en sich vert eilt , um dieses schreckliche Bild in Szene setzen zu können. Über allem schwebt e der beißende Rauch des Todes. Noch im m er lodert en und zuckt en die Brände. Sie gaben diesen Gestank ab, und der Wind spielte mit dem Rauch wie mit dunklen Trauerfahnen. Wayne Aldrin ging nicht m ehr weit er. Er hat t e es im Prinzip nicht gewollt , aber er w ar t rot zdem st ehengeblieben und schaut e sich um . Er bewegt e den Kopf, nur sah er nicht s. Das heißt , er sah das Grauen, er war nur nicht st ark genug, es in all seinen Einzelheit en aufzunehm en. Vielleicht begriff er es em pirisch, aber die Det ails kam en ihm zu schrecklich vor. Sein Verst and wehrt e sich dagegen, und doch m acht e er weit er. Schaut e hin, nahm vieles auf und m erkt e nicht , dass aus einer Wunde an seinem Kopf das Blut rann. Wayne stand unter Schock. Er weinte. Die Tränen liefen an den Mundwinkeln vorbei. Die Lippen zuckt en, er bückt e sich und hob et w as auf, das nicht
verbrannt war. Es war kein Mensch, nur ein Gegenst and, der einem j ungen Menschen einm al viel bedeut et haben m usst e, denn der Mann hielt eine Puppe in der Hand. I hr helles, rundes Gesicht w ar noch so gut wie unversehrt , nur die hellen Haare zeigten einen Grauschleier, denn sie waren durch das Feuer angesengt worden. Er ließ die Puppe wieder fallen. Wie m ocht e das Kind ausgesehen haben, dem die Puppe gehört e? Es w ar nicht m ehr fest zust ellen, denn die Menschen waren in dem furcht baren I nferno um gekom m en. Die Gewalt en konnt en keine Rücksicht auf Mat erial und Menschen nehm en, alles war in diesen verflucht en Feuerst urm hineingerat en und vernichtet worden. Vorbei Alle sahen gleich aus. Alle rochen gleich. Verbrannt es und verkohlt es Fleisch, es gab keinen norm alen Körper mehr, es war wie nach einem Atomkrieg. Auch der Him m el w ar verschwunden. An seiner St elle hat t e sich ein gewalt iger Schleier ausgebreit et , eine Rauchdecke, die sich kaum vom Fleck bewegt e, w eil kein Wind wehte. Hier hat t e der Tod seine Sense gleich m ehrm als geschwungen, um auch alle zu treffen. Alle? Plöt zlich st oppt e Wayne seine schwankenden Schrit t e. Er hat t e et was gesehen, das es eigent lich nicht geben durft e. Mühsam hob er die Hand und wischt e m it der Fläche über seine Augen. Er konnt e das Bild nicht fassen, es bedurft e einer Erklärung, und die wiederum kam ihm nicht in den Sinn. Als er die Hand wieder sinken ließ und noch einm al hinschaute, da sah er das gleiche. Es lebte jemand. Aus den Trüm m ern des abgebrochenen Vordert eils war eine lebendige Frau gest iegen
*
Auch wenn ihn j em and angesprochen hät t e, Wayne wäre nicht in der Lage gewesen, eine Ant wort zu geben. Diese Frau, die sich m it geschickt en Bewegungen über Flugzeugt rüm m er hinwegschw ang, durft e es einfach nicht geben. Sie war zu anders, sie konnt e nicht überlebt haben, wo doch alle den Tod gefunden hat t en. Sie war eine frem de Person, die m usst e nicht zur Besat zung und auch nicht zu den Passagieren gehören, sie war wie vom Himmel gefallen. Und doch gab es sie. Diese Frau war körperlich, sie exist iert e, sie ließ sich überhaupt nicht beirren, denn sie ging einfach weit er und kam auf ihn zu. Erst als sie einige Schrit t e gegangen war, konnte er sich die Person genauer anschauen. Haare von undefinierbarer Farbe um weht en ihr Gesicht . Sie konnt en dunkel, aber auch heller sein. Jedenfalls waren sie lang und hoben sich von der helleren Gesicht sfarbe deut lich ab. I n diesem schrecklichen Chaos bew egt e sich die Frau m it einer selt enen Anm ut voran, sie set zt e ihre Schrit t e zielsicher und dennoch vorsicht ig. Sie um rundet e die kleinen Feuer und schien auch vor den Rauchschwaden Respekt zu haben, die über das Trümmerfeld wehten. Wayne spürt e den eigenen Herzschlag an seinen Rippen. Er sah die Frau nicht m ehr als einen norm alen Menschen an, sondern m ehr als ein Wesen, das von irgendwoher gekom m en war. Einfach aus dem Him m el gest iegen, nach unt en gefallen, ein ät herischer Körper, der auf dem Weg zur Erde Gestalt angenommen hatte. Ging sie? Schwebte sie? So genau war es nicht zu erkennen, aber sie t rug über dem Kleid oder Kost üm einen langen Mant el, den sie nicht geschlossen hat t e. Er weht e hint er ihr her, als wollt e er sie wie ein großer Schutz vor den weiteren Unbillen bewahren. Wayne hört e sie auch nicht . Diese Person bewegt e sich so gut w ie laut los, und sie int eressiert e sich für die schreckliche Umgebung, die sie durchquerte.
I m m er wieder blickt e sie nach recht s und links. Auch schaut e sie längere Zeit zu Boden, als w ollt e sie dort et was Best im m t es ent decken. Nur fasst e sie nicht s an. Sie wirkt e wie eine Person, die der Him m el ent lassen und einfach in die Welt gestellt hatte. Der Himmel oder die Hölle! Darüber war Wayne sich nicht im klaren. Das Feuer hatte das wint erliche Gras um ihn herum verkohlt , und so kam er sich vor wie auf einer schwarzen Insel. I n seinem Kopf t uckert e es. Die St irn war angefüllt m it schlim m en Gedanken, die er allerdings nicht in eine Reihenfolge bringen konnt e. I m m er w ieder st ört e ihn der Anblick dieser Person, und er hät t e sie gern nach ihrem Nam en gefragt , aber auch das t raut e er sich nicht . Er musste sie so nehmen, wie sie war. Sie kam nicht direkt auf ihn zu, sondern nähert e sich m ehr von der linken Seit e her. Allerdings war sie schon so nahe an ihn herangekom m en, dass Wayne auch ihr Gesicht besser erkennen konnt e. Es zeigt e einen Ausdruck, das musste auch so sein. Nein, es zeigte keinen Ausdruck. Es war einfach glatt und irgendwo auch nachdenklich. Das wollte Wayne Aldrin nicht in den Kopf. Jeder normale Mensch hät t e bei diesem furcht baren Anblick Schm erz und Ent set zen gezeigt , doch das Gesicht dieser Person blieb unbewegt neut ral. Sogar den Blick ihrer Augen konnt e Wayne sehen. Sie schaut e sich nachdenklich, möglicherweise auch wissend um. Jet zt hört e er sie auch. I hre Schrit t e hint erließen auf der verbrannt en Erde ein leises Schleifen. Wayne konnt e sich noch im m er nicht rühren, obwohl ihn der I m puls überkam , den Arm auszust recken, um sie anzufassen, sie zu berühren, dam it er fest st ellen konnt e, ob es sich bei der Frau t at sächlich um ein Wesen aus Fleisch und Blut handelt e. Die Begriffe Puppe und Robot er schossen ihm durch den Kopf. Ferngelenkt e, künst liche Geschöpfe, alles m ögliche konnt e da in Frage kom m en, denn die Technik
war sehr weit fort geschrit t en, aber das alles verschwand wieder aus seinem Hirn, als die Frau vor ihm st ehen blieb und ihn anschaute. Auch er blickte ihr ins Gesicht. Beide sprachen nicht , beide waren so unterschiedlich, und sie t ast et en sich m it ihren Sinnen ab. Aldrin fühlt e sich unwohl. Er m erkt e den kalt en Schauer auf seinem Rücken. Er hat t e gedacht , eine t iefe Furcht vor dieser Person zu em pfinden und wundert e sich darüber, dass es nicht der Fall war. Er st and ihr neut ral gegenüber, ließ sich anschauen und dabei durch ihre Blicke sezieren. Dann ging sie noch weiter. Wayne w ollt e zurück, was er nicht schafft e. Die Unbekannt e st reckt e ihre Hand aus. Er zuckt e noch vor der Berührung, dann ein zweit es Mal, als Finger über seine rechte Wange strichen, die so kalt wie Eiszapfen waren, und er dacht e daran, dass es sich durchaus um die Finger einer Tot en handeln konnt e, aber das war es nicht , denn diese Frau lebt e, sie exist iert e, und Tot e konnt en nicht norm al gehen und sich wie lebende Menschen fortbewegen. I hre Hand sank w ieder nach unt en. Sie war noch in der Bewegung, als bei Wayne Aldrin der Bann riss. Plöt zlich konnt e er sich wieder norm al bewegen, er fasst e auch den klaren Gedanken und setzte ihn in eine Frage um. »Wer bist du ?« Aldrin erhielt eine Ant wort . I n dem ebenm äßigen Gesicht der Frau bewegten sich die Lippen. Der Mund verzog sich zu einem Lächeln, das war auch alles. Warum wollt e sie nicht reden? Konnt e sie nicht durft e sie nicht, und er stellte die Frage noch einmal. Diesm al lächelt e sie nicht . Die Unbekannt e dreht e sich zur Seite und ging weg. Aldrin schaut e ihr nicht nach. Er m usst e erst einm al nachvollziehen, was er da erlebt hat t e. Mit nach unt en gericht et em Blick blieb er st ehen und runzelt e die St irn. Er wollt e überlegen, dazu kam er auch nicht m ehr, denn die Ant wort erreicht e ihn urplöt zlich. I hm war, als hät t e sich
sein Kopf geöffnet , dam it die flüst ernde St im m e in seine eigene Gedankenwelt eindringen konnte. »I ch bin ein Medium «
»Wieso
was ?« Plöt zlich war er durcheinander, bekam Sodbrennen. Kopfschm erzat t acken überrollt en ihn. Er konnte mit der Antwort nichts anfangen, doch er schaffte es, sich auf der St elle zu drehen, was er bereit s als einen kleinen Vorteil ansah. Er wollt e ihr nachschauen, sie vielleicht zurückholen. Das aber war nicht mehr zu schaffen. Die Unbekannt e w ar verschwunden. Es gab die geheim nisvolle Frau nicht m ehr. Sie hat t e sich zurückgezogen, sie hat t e sich »Nein, nein, das ist doch nicht m öglich! « Hier gab es keine Verstecke. Wayne war durcheinander, er konnte seine Gedanken nicht m ehr in die richt ige Reihenfolge bringen, und t rot zdem kam er, auch wenn er es dreht e und wendete, nur zu dem einen Entschluss. Diese Person hatte sich aufgelöst! Sie war w ie vom Erdboden verschwunden, sie m usst e sich unsichtbar gemacht haben. Wayne st öhnt e auf. Er schüt t elt e den Kopf, er spürt e wieder die Magensäure in seinem Mund und wischt e m it einer Gest e der Verlegenheit beide Handflächen an seiner Kleidung ab. Wayne Aldrin st and inm it t en des Chaos' w ie eine einsam e Figur. Er st arrt e zu Boden, er fror und schwit zt e zugleich, und er st and noch im m er so, als ihn die Ret t ungsm annschaft en ent deckt en * Ein neues Jahr, in das ich gut hineingerut scht war, und zwar in London, nicht m ehr im Bayerischen Wald, wo ich m it den Conollys und deren Freunden, den Gibsons, die Weihnacht st age verbracht hat t e, die beinahe zu einem Fest des Todes geworden wären, denn wir hat t en es m it dem
Kinderschreck zu t un gekriegt , zwei Personen, die lebt en wie die Hexe in dem Märchen Hänsel und Gretel. Das alles lag zum Glück hint er m ir, und den Jahresw echsel hat t e ich dann auch m it Freunden verbracht . Es war für uns alle ein sehr nachdenklicher Ausklang geworden, denn wir hat t en vieles noch einm al Revue passieren lassen und konnt en uns eigent lich t rot z aller Widrigkeiten dafür bedanken, dass wir noch lebten. Vor allen Dingen ich hat t e eine sehr hart e Ent t äuschung hinnehm en m üssen, denn dass ich m ich in Jessica Long so getäuscht hatte, das konnte ich einfach nicht vergessen. Auch m einem Freund Suko w ar es nicht eben blendend ergangen. An seine Zeit als Kind dacht e er nur m it Schaudern zurück, aber das alles lag jetzt zurück. Und auch die Feier war vorbei. Der Allt ag hat t e uns wieder, zum Glück kein dämonischer, aber das würde kommen. An diesem Morgen hat t e ich Suko allein ins Büro fahren lassen. Das heißt , wir waren schon zusam m en in die UBahn gestiegen, ich hatte sie nur zuvor verlassen. Als ich aus der Tiefe auft aucht e und zusam m en m it anderen Menschen die Treppe hochschrit t , da em pfing m ich die warme Luft. Es hatte in der vorletzten und in der letzten Nacht einen Wet t erum schwung gegeben. Es gab keinen Frost mehr, um mehr als fünfzehn Grad war die Temperatur gest iegen. Von Südw est en her war die Wärm e eingeflossen, begleit et von dicken Regenwolken, die ihre Last auch über dem Land abgeladen hat t en. Der Regen war m it dem gefrorenen Boden zusam m enget roffen. Was das bedeut et e, hat t en wir alle in den let zt en beiden Tagen m ehr oder minder stark erlebt. Glatteis! Es hat t e London und das halbe Land lahm gelegt . Es hat t e zwar unheim lichen Ärger gebracht , es war aber auch irgendwo verbindend gewesen, denn da m usst en sich auch Menschen vert ragen, die sonst nicht m al Lust hat t en, sich gegenseit ig anzuschauen. Wenn Glat t eis war, konnt en
keine Verbrecher agieren, aber auch die Polizist en waren in ihrer Bew egungsfreiheit st ark eingeschränkt . Es kam niemand voran, und auch ich war im Haus geblieben. Jetzt war die glatte Zeit vorbei, und das Leben lief wieder normal, das heißt, der Verkehrsstau packte mal wieder alles zu. Man konnte davon sprechen, dass London dicht war. Als ich den Verkehr nach dem Verlassen des U- Bahn- Schachts sah, schüt t elt e ich nur den Kopf. Es sah so aus, als hät t e fast j eder Bewohner seinen Wagen hervorgeholt , um endlich wieder im St au st ecken zu können. Verrückt , die Leute! I m St rom der Passant en m acht e ich m ich auf den Weg zur Bank. Es regnet e nicht m ehr, die Luft war t rot zdem sehr feucht und durch dicke Wolken verhangen. Manchm al rieselt e aus ihnen et was Sprüh hervor und t rieb in die Gesicht er der Menschen, Die Bank lag in der Nähe des Yard Buildings. Vor Jahren noch hat t e dort ein alt ehrw ürdiges Gebäude gest anden. Es war dann abgerissen worden. Da hat t e auch Schm iergeld eine Rolle gespielt , j edenfalls hat t en die Banker Plat z gebraucht , um ihr neues Gebäude in die Höhe zu ziehen, das ich nur als schaurigschön bezeichnen konnt e. Es war ein Palast aus Glas und St ahl. Ein Scheibenbau, in dem sich im Som m er das Licht der Sonne und der Him m el zeigt en, im Wint er aber sah er nur grau und schmutzig aus. Der breit e Aufgang zur Tür w ar durch ein Git t er in zwei Hälft en get eilt w orden. I ch nahm die recht e Seit e und ging auch zwei Stufen auf einmal hoch. Die Tür öffnet e sich, als ich den Kont akt bet rat . Wie ein großes Maul schoben sich die beiden Glashälft en der Scheiben auseinander und gewährt en m ir freien Eint rit t in diese auf vornehm get rim m t e Welt , in der die Angest ellt en auch im Som m er m it Anzug und Krawat t e herum liefen, was allerdings ihrer Gier keinen Abbruch t at , denn Banken waren geschaffen worden, um zu verdienen und zu spekulieren. Und sie verdient en verdam m t gut , denn sie hat t en es auch geschafft , im Laufe der Jahre ihre Macht
im m er m ehr auszubauen. Wenn ich an die zahlreichen Bet eiligungen dacht e, die Banken an vielen Firm en hat t en, konnte ich nur mit dem Kopf schütteln. I n der großen Schalt erhalle war es m ir zu warm . Jem and hat t e den Boden so blank geput zt , dass ich aut om at isch an das zurückliegende Glat t eis dacht e und deshalb sehr vorsichtig ging. In der Decke waren die Lampen eingelassen worden. Sie schickt en ihre St rahlen wie dreieckige Licht pyram iden in die Tiefe, und die Kegel hint erließen auf der glat t en Bodenfläche ebenfalls schim m ernde Spiegel. Hinzu kam noch, dass die Lam pen Wärm e abgaben, und ich hät t e m ir am liebst en die Jacke über den Arm gehängt . Das t at ich nicht , dafür nähert e ich m ich dem großen acht eckigen Arbeit sdeck in der Mit t e der Halle. An den Seit en st anden zahlreiche Schreibt ische, an denen die Mit arbeit er saßen, die Kunden berat en w ollt en. Ging es um große Sum m en, verschwanden Kunden und Berat er in den entsprechenden Büros. Dort hin braucht e ich nicht . I ch hat t e erst ens keine Schulden und zweit ens auch wenig auf dem Kont o. Das überließ ich anderen, die mehr verdienten. I ch hat t e m ich auf eine gewisse Wart ezeit eingericht et und wurde nicht enttäuscht. Vor allen Schaltern standen die Kunden. Sie hat t en sich gleich vert eilt , so dass es keine Rolle spielte, welche der Schlangen ich verlängerte. Vor m ir st anden noch fünf weit ere Kunden. I ch hofft e nur, dass nicht j eder eine Viert elst unde zu t un hat t e, denn wohl fühlt e ich m ich in diesem sum m enden Bienenhaus nicht . Da hockt e ich lieber in m einem kleinen Büro, das im Vergleich zur Bank so provinziell w irkt e und außer der Telefonanlage keine Spur von High- Tech zeigte. I ch wart et e, schaut e m ich um , blickt e in die Gesicht er der Kunden und versucht e daraus zu lesen, ob sie glücklich oder t raurig waren. Manche lächelt en, als sie sich auf den Ausgang zubewegt en, andere wiederum sahen verbissen aus, wieder andere schüt t elt en die Köpfe, wenn sie auf ihre Unt erlagen schaut en, und es gab auch welche, die m it
zit t ernden Fingern ihre Geldscheine zählt en, bevor sie diese sorgfält ig verst aut en. Hint er j edem Gesicht verbarg sich ein Schicksal, und das war nicht immer sehr positiv. Vor m ir st and eine ält ere Frau, die einen verschlissenen blauen Wint erm ant el t rug. Die Frau blät t ert e ihr Sparbuch durch, sie schüt t elt e dabei hin und wieder den Kopf und murmelte etwas, das ich nicht verstand. Ich wartete. Angest ellt e huscht en vorbei. Hekt isch, im m er in Bewegung. Die Frauen m it ihrer t ypischen Bankerkleidung, den Kost üm en, die Männer in Anzügen oder Kom binat ionen und st et s, das war bei beiden der Fall, einen wicht igen Ausdruck auf den Gesicht ern. I n den Augen glaubt e ich das Schim m ern irgendw elcher Münzen zu sehen, aber das war nur Einbildung und möglicherweise auch ein Vorurteil. Die ält ere Frau wollt e nur et w as Geld abheben. Fünfzig Pfund, m ehr nicht . Sie bekam den Schein und beschwert e sich dann über die Geldent wert ung, was der j unge Beam t e nur m it einem Heben der Schult er beant wort et e. »Sorry, Madam, ich kann nichts dafür. Das ist hohe Politik.« »Europa, nicht?« »Auch. Wir sind j a seit dem erst en Januar wieder ein Stück zusammengewachsen.« »Ja, ich w eiß leider.« Die Frau st eckt e den Schein in die Mant elt asche und schuf m ir Plat z. I ch dacht e über Europa anders als sie, akzept iert e aber auch ihre Meinung. Meinungsvielfalt ist das Lebenselixier einer Demokratie. »Sir ?« Der Knabe lächelt e m ich an. Er t rug ein braunes Jacket t und ein w eißes Hem d. Seine Krawat t e zeigt e ein Blum enm ust er, das Lächeln auf seinen Lippen war rein geschäft sm äßig, und die Augen hint er der Brille funkelten. »Es geht um die Veränderung einiger Dauerauft räge. Zudem m öcht e ich die Auszüge m einer Kont en haben und auch Zinsen gutschreiben lassen.« »Gern, Sir, wenn Sie m ir I hre Kont onum m er nennen würden «
Ich tat es. Es lief hier alles völlig norm al an. Vorgänge, die sich t agt äglich wiederholt en, und ich hat t e keinen Grund, misstrauisch zu sein. Zudem war ich es auch nicht. I ch schaut e in das Acht eck hinein, wo m ehrere Angestellte tätig waren, die wirklich ihren Stress hatten und auf die zahlreichen Kundenwünsche eingehen mussten. Sie sahen alle norm al aus, sie kannt en sich aus, sie waren in ihrem Job rout iniert , und einige von ihnen kannt e ich auch vom Ansehen her. Dann aber sah ich die Frau. Und dann wurde alles anders! * Sie st and plöt zlich in diesem fut urist isch anm ut enden Büro, als sei sie vom Himmel gefallen. I ch hat t e sie zuvor nicht gesehen, obwohl m eine Blicke im m er wieder durch dieses Acht eck geglit t en waren. Sie fiel mir auch deshalb auf, weil sie farblich anders gekleidet war. I hr elegant wirkendes Kost üm schim m ert e in einem int eressant en Rot . Das Kost üm saß perfekt , die Jacke war m it einem t ief gezogenen Kragen versehen, und ich konnt e erkennen, dass diese Frau m it den dunkel und gleichzeit ig röt lich schim m ernden Haaren unt er der Jacke wohl nur die blanke Haut trug. Mich irrit iert e nicht , dass sie gut aussah, nein, ich dacht e darüber nach, wo sie wohl hergekom m en sein konnt e. I ch hat t e sie nicht in das Acht eck hineint ret en sehen. Jedenfalls war sie da, und sie schaut e sich um , als wäre sie hier fremd. Auch von den Kolleginnen wurde sie et w as selt sam und m isst rauisch angesehen, und der j unge Mann, der m ich bedient e, hielt in seiner Arbeit inne und blickt e ebenfalls zu ihr. Die passte nicht dahin. Meine Aufm erksam keit war geweckt worden, und ich ließ
sie nicht aus den Augen. Sie ging ausgerechnet auf den Mann zu, der m ich bedient e. Dicht neben ihm blieb sie st ehen. Beide wirkt en et was verst ört , dann sprach die Frau den Angest ellt en an, der zuerst zurückzuckt e, eine Frage st ellt e und im nächst en Mom ent aussah, als wollt e er anfangen zu schreien. Die Frau kam dem zuvor. Sie legt e ihm eine Hand auf die Schult er, so dass der j unge Mann beruhigt w ar. Er nickt e ihr sogar zu. Dann bückt e er sich und entschwand aus meinem Blickfeld. Die Frau war an derselben St elle st ehengeblieben. Sie gab sich j et zt locker und w ar auch von den anderen Mit arbeit ern akzept iert worden, denn niem and sah sie m ehr m isst rauisch an, zudem hat t en die Leut e zuviel Arbeit , aber die Frau selbst bewegte ihren Kopf. Es geschah zwangsläufig, dass sich unsere Blicke trafen. Ich sah ihre Augen. Sie sah mich an. Da funkte es zwischen uns! Es war keine Liebe auf den erst en Blick, nein, es war et was anderes. I ch spürt e plöt zlich den St rom , der von ihr ausging, und es w aren Wellen, die ich keinesfalls als posit iv einschätzte, sondern eher als ziemlich befremdend. Da exist iert e et was zwischen uns, das nicht auf einen Nenner gebracht werden konnt e. Sie war ein Pol, ich ebenfalls, aber beide Pole st ießen sich ab. Mir fiel wieder ein, dass diese Person sehr plöt zlich erschienen w ar, wie vom Him m el gefallen, und ich hat t e es durch m einen Beruf gelernt , sehr m isst rauisch zu sein. Hinzu kam noch dieser ungewöhnliche St rom zwischen uns. I ch hät t e m ich nicht gewundert , wenn sich m ein Kreuz durch Abst rahlen von Wärm e gem eldet hät t e. Alles lief in einem norm alen Tem po ab, der Geschäft sbet rieb war durch nicht s unt erbrochen worden, und t rot zdem war et was Unnat ürliches in diesen Kreislauf eingedrungen, zum indest nach m einem Geschmack. I ch wollt e es überprüfen, als sich der j unge Angest ellt e aus seiner gebückt en Halt ung erhob. Er hielt et was in der
recht en Hand, das ich nicht genau erkennen konnt e. Als er sich allerdings dreht e, sah ich das dicke Bündel Geldscheine zwischen seinen Fingern, und ich bem erkt e auch, wie die Frau ihre Hand ausstreckte und das Geld entgegennahm. Normal oder nicht normal? Klar, in einer Bank wurde Geld eingezahlt und auch abgehoben, aber nicht auf diese Art und Weise. Was hier ablief war schon kom isch. I ch beschloss, den Angest ellt en danach zu fragen, w enn er sich wieder um m eine Belange kümmerte. Er t rat einen Schrit t zur Seit e. Dam it gab er m ir die Sicht auf die Frau frei. Kurz zuvor hat t e sie das Geld noch in der Hand gehalt en, j et zt waren die Scheine verschwunden. I ch wusst e nicht , wo sie sie hinget an hat t e, denn eine Handt asche t rug sie nicht bei sich. Wahrscheinlich hat t e sie das Paket in den Ausschnit t gest eckt , t ief und breit genug war er ja. Der Angest ellt e räuspert e sich. Mit einer fahrigen Bewegung wischte er über seine Stirn, und ich sah, dass sie schweißnass gew orden war. Auch war sein Gesicht blass geworden, und er m acht e auf m ich den Eindruck eines Menschen, der soeben erst aus einem t ranceart igen Zust and erwacht war. Er nahm m ir den Blick auf die Frau, deshalb t rat ich einen Schrit t zur Seit e, weil ich sie sehen und zurückholen w ollt e - und dann hat t e ich das Gefühl, zu spinnen. Sie war nicht mehr da. Verdam m t , es gab sie nicht m ehr. So unauffällig, wie sie gekom m en war, so unauffällig war sie auch wieder verschwunden. Aber ich hät t e sie sehen m üssen, denn es gab nur einen Ausgang, und er lag genau in m einem Blickfeld. Der Angest ellt e st and wieder vor m ir, beide Hände auf den Rand der Theke gestützt. »Wo ist die Frau?«, fragte ich. »Bitte?« »Die Frau, Mr. Thornt on.« Den Nam en hat t e ich auf dem Schild an seinem linken Revers gelesen.
Er lächelt e fahrig. »Pardon, Sir, aber von welcher Frau sprechen Sie?« I ch verdreht e die Augen, »Von der im lachsrot en Kostüm, der Sie das Geld gegeben haben.« Er wich zurück. »Pardon, ich denke, dass Sie sich irren. I ch kenne keine Frau im lachsrot en Kost üm , und ich habe auch keiner weiblichen Person in der let zt en Minut e Geld ausgehändigt. Sie müssen sich geirrt haben, Mr. Sinclair.« * I ch st and da und holt e zunächst einm al t ief Luft . Einm al, zweim al, dann räuspert e ich m ich, legt e die St irn in Falt en, schaut e noch einm al in dieses acht eckige Büro hinein und wusst e m it hundert prozent iger Sicherheit , dass ich m ich nicht geirrt hat t e. I ch wurde zwar wieder ein Jahr ält er, aber nicht senil, und ich bildet e m ir auch nicht s ein. Da steckte mehr dahinter. »Geirrt?«, fragte ich. »Ja, geirrt.« Er nickte. »Aber ich habe m ich nicht get äuscht . Sie, Mr. Thornt on, haben dieser Frau Geld gegeben. Sie ent nahm en es dem unt eren Schrank. Sie hielt en die Scheine in der Hand, das kann ich beschwören.« Er blieb geduldig, hat t e sich auch wieder gefangen und fragt e m it ruhiger St im m e: »Was wollen Sie m ir da anhängen, Sir?« »Gar nichts, die Wahrheit.« »Die habe ich Ihnen gesagt.« I ch blieb st ur. »Nein, die haben Sie m ir nicht gesagt , Mr. Thornt on. Sie haben das Geld genom m en und es der Frau gegeben. Es war, wenn ich m al schät zen darf, eine ziem lich hohe Summe.« Er schloss für einen Mom ent die Augen. »Bit t e«, sagt e er, als er m ich wieder anblickt e, »können wir j et zt zur Sache kommen.« »Wir sind dabei.«
»Nein, ich « »Wer ist Ihr Chef?« »Warum wollen Sie das wissen?« »Weil ich m öcht e, dass diese Dinge hier überprüft werden. Nicht mehr und nicht weniger.« »Es ist Unsinn, was « I ch zeigt e ihm m einen Ausweis. Das überzeugt e ihn zwar nicht , es löst e aber seine Verst ockt heit . »Gut , wenn Sie es verlangen, Sir, werde ich den Schalt er schießen, und wir können hochgehen « »Nein, Mr. Thornt on. I hr Chef wird herkom m en. I ch m öcht e hier m it ihm reden. Er soll zudem in I hrem und in m einem Beisein et w as überprüfen. Das Geld, das Sie der Lady gegeben haben, muss fehlen.« »I ch habe keiner Frau außer der Reihe Geld gegeben! «, zischt e er m ich an. »Wann wollen Sie das endlich begreifen?« »Holen Sie Ihren Chef!« »Ja, das werde ich«, sagte er patzig und telefonierte. Ich beobachtete ihn dabei und sah, wie seine Finger über die Tastatur des Telefons huschten. Er war nervös, denn ich hat t e ihn wohl aus seinem Rhyt hm us gerissen. Mit einer Hand wischt e er im m er wieder durch sein Gesicht , und er at m et e auch heft iger als sonst . Dann m usst e er wart en. Er warf m ir einen Blick zu, als er m einen Nam en sagt e, nickt e dann und legt e schließlich auf. Einen Mom ent zögert e er noch, bevor er zu mir kam. »Hat es geklappt?« »Ja, Mr. Sinclair. I n wenigen Minut en wird Mr. Filling hier bei uns sein. Er ist einer unserer Direkt oren und verantwortlich für diesen Bereich.« »Gut, ich werde warten.« Er räuspert e sich. »Wir können uns auch zu einer der I nseln begeben und dort « »Auf keinen Fall, Mr. Thornt on, ich m öcht e hier auf I hren Chef wart en. Schließen Sie den Schalt er und lassen Sie mich in Ihren Kreis hinein.«
»Das ist nicht erlaubt.« »Soll ich sagen, dass die Lady ebenfalls dort war?« I ch lächelte knapp. »Außerdem bin ich Polizeibeamter.« Zuerst schaut e er m ich verdut zt an, dann aber nickt e er und war dam it einverst anden. Er braucht e nicht lange. Jedenfalls bekam ich m eine Kont oauszüge und die Gut schrift der im let zt en Jahr angefallenen Zinsen noch vor dem Eintreffen des Direktors. Er ent puppt e sich als kleiner, schneidiger Mann im grauen Anzug und blüt enweißem Hem d. Er t rug eine dezent gest reift e Krawat t e, deren schwarze Querst reifen zwischen den weißen m it seinem Oberlippenbart harm oniert en. Das Haar hat t e er glat t zurückgekäm m t und t rug es an einer Seite kürzer geschnitten als an der anderen. Sein Händedruck war kräftig, und seine Augen musterten m ich prüfend. »Die Polizei habe ich nicht gern in der Bank, Mr. Sinclair, wie Sie sich vorst ellen können. Welche Problem e gibt es?« Er schaut e sich um . »I ch denke nicht , dass wir es mit einem Bankraub zu tun haben.« »So ähnlich schon.« Sein Lächeln verschwand. »Wieso das denn?« »I ch will es I hnen sagen, dazu aber m öcht e ich gern Ihren Mitarbeiter, Mr. Thornton, haben.« »Okay, gehen wir hinter den Schalter.« Der j unge Mann war ziem lich nervös, wirkt e aber nicht so, als hät t e er ein schlecht es Gewissen. Er redet e sofort auf seinen Chef ein und erklärt e ihm , dass er sich nicht s anhängen ließe. »Darf ich beginnen?«, fragte ich ihn. »Ja, bitte.« I ch bericht et e sehr det ailliert , was ich gesehen hat t e, und Thornt on riss sich im m er w ieder zusam m en, so schwer es ihm auch fiel. Manchm al set zt e er zu einer Ant w ort an, verkniff sie sich jedoch und schüttelte einige Male den Kopf. Sein Chef hielt m ich für verrückt . Das sagt e er m ir nicht , doch ich konnt e es ihm ansehen. Er hat t e Mühe, seine Gesicht szüge unt er Kont rolle zu behalt en. Hin und wieder
gest at t et e er sich ein Lächeln, aber einen Kom m ent ar bekam ich nicht zu hören. Erst als ich geendet hat t e, nickt e er. »Das also war I hre Version, Mr. Sinclair.« »Genau.« »Und Ihre, Mr. Thornton?« »Nichts davon ist wahr.« Filling runzelt e die St irn. »Sie behaupt en dem nach, dass Mr. Sinclair gelogen hat.« »So ist es, Sir.« »Das lässt sich leicht fest st ellen«, sagt e ich. »Sie brauchen das Geld nur dort nachzuzählen, woher Mr. Thornt on die Scheine genom m en hat . Sie m üssen j a fehlen.« Der j unge Mann regt e sich auf. »Sir, das ist Quat sch, wirklich. Ich habe kein Geld genommen.« Filling wurde nervös. Es war auch den anderen Mit arbeit ern aufgefallen, dass wir uns über ext rem e Dinge unt erhielt en, und uns t raf m anch neugieriger und misstrauischer Blick. Der Direkt or sucht e nach einem Kom prom iss. Schließlich fragt e er: »Haben die anderen Mit arbeit er diese selt sam e Dame denn gesehen?« »Ich habe keine Zeugen befragt.« »Das hät t en Sie als Polizist t un sollen.« Er wollt e gehen und spürte den Druck meiner Hand auf seiner Schulter. »Nein, bleiben Sie m al hier. Es ist besser, wenn wir das Geld durchzählen.« Filling überlegt e einen Mom ent . »Ja, wie Sie m einen.« Er wandt e sich an Thornt on. »Geben Sie m ir bit t e den morgendlichen Geldbestand dieser einen Kasse.« Thornt on holt e den Beleg aus einer Schublade, die er zuvor noch öffnen m usst e. Der Direkt or set zt e eine Brille auf, nahm sie wieder ab, put zt e m it einem Tuch die Gläser sauber, set zt e das Gest ell wieder auf und prüft e die Quittung genau. »Die Unterschriften stimmen«, murmelte er.
»Es ist alles korrekt, Sir.« »Wie hoch ist der Bestand?«, wollte ich wissen. Filling ließ den Beleg sinken. »I n Anbet racht I hres Berufs, Mr. Sinclair, werde ich ihnen die Summe nennen. Es sind genau zweiundzwanzigtausend Pfund.« »Das hört sich gut an.« I ch grinst e schief. »Bin gespannt, wie viel davon noch in der Kasse liegt.« »Alles«, sagte Thornton mit fester Stimme. »Warten wir es ab.« Filling bückt e sich. Er persönlich holt e die Kasse aus dem kleinen Tresor hervor. Er st ellt e die Kom binat ion des Schlosses ein, um den Deckel abheben zu können. Thornt on und ich rahm t en ihn zu beiden Seit en ein. Unsere Nähe m acht e ihn et w as nervös, denn er zuckt e einige Male, riss sich aber zusam m en und holt e die Scheine hervor. Sie lagen sehr dicht zusam m en, so dass sie ein Recht eck bildeten. Waren das zweiundzwanzigtausend Pfund? I ch m ocht e m ich nicht als Fachm ann bezeichnen, aber ich wollt e schon genau hinschauen und rechnet e schon beim erst en Blick dam it , dass diese hohe Sum m e nicht zusammenkam. Filling ließ sich nicht st ören. Er zählt e die Scheine blit zschnell durch. Darin hat t e er wirklich Rout ine. Er m urm elt e et was, schüt t elt e den Kopf, zählt e wieder, und ich sah, wie sein Gesicht immer mehr an Farbe verlor. Auch Thornt on zeigt e nicht m ehr die Sicherheit der let zt en Minut en. Er gab sich auch nicht verbissen. Seine Augendeckel bew egt en sich flat t ernd, dabei ließ der Direktor die Scheine wieder zurück in die Kassette fallen. »Sir, was ?« »Halt en Sie den Mund, Thornt on! « Der Direkt or dreht e sich m ir zu. »Mr. Sinclair «, er räuspert e sich. »I ch denke, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen.« »Ach j a?« Den Spot t konnt e ich m ir nicht verkneifen. »Fehlt Geld in Ihrer Kasse.«
»Ja.«
»Wie viel?«
»Genau zehntausend Pfund.«
»Hat t e ich m ir gedacht «, ant wort et e ich locker. »Das
m uss dann die Sum m e sein, die I hr Mit arbeit er dieser Lady im lachsfarbenen Kostüm gegeben hat.« »Das kann nicht sein!«, keuchte Thornton. Sein Direkt or dreht e sich scharf um . »Hören Sie auf, verdam m t ! « Filling beherrscht e sich nur m ühsam . »I ch habe zw eim al gezählt , das Geld ist und bleibt verschwunden. Das ist eine Tat sache, gegen die Sie sich nicht wehren können.« Der j unge Mann schlug die Hände vor sein Gesicht . Er war verzweifelt. Ich konnte es ihm nachfühlen und empfand auch Mit leid m it ihm . Wahrscheinlich war in diesen Augenblicken der Traum von einer großen Karriere brut al zerst ört w orden. Das Geld fehlt e. Er w ürde es nicht nur erset zen m üssen, er m usst e auch m it St raf- und Disziplinarmaßnahmen rechnen. So der normale Weg. Aber hier war es anders. Thornt on konnt e nicht wissen, dass er m ich nicht als Feind, sondern als Verbündet en an seiner Seit e wusst e. I ch m öcht e behaupt en, dass ich m ich m it Menschen einigerm aßen auskenne. I ch habe viel m it ihnen zu t un, und ich konnt e m ir bei ihm nicht vorst ellen, dass er gelogen hat t e. Er hat t e sehr int ensiv behaupt et , die Frau nicht gesehen zu haben, und ich st ellt e m ir wieder das erste Zusammentreffen dieser beiden Personen vor. Da hat t e Thornt on einen relat iv abwesenden Eindruck gem acht , so als wäre er geist ig aus dieser realen Welt verschwunden. »Wir werden j et zt in m ein Büro gehen«, erklärt e Filling und unt erbrach m eine Gedanken. »Wir werden uns dort über die weitergehenden Maßnahmen unterhalten müssen.« Thornt on ließ die Hände sinken. Er zit t ert e, er war ein gebrochener Mann. »Ja, Sir«, m urm elt e er nur und schüttelte den Kopf.
Filling aber st rafft e sich. Dann packt e er die Kasset t e wieder w eg. Er räuspert e sich und schien um einiges zu wachsen. Beinahe hat t e ich das Gefühl, dass es ihm Spaß bereit et e, einen seiner Mit arbeit er erwischt zu haben. Solche Typen m ocht e ich so gern wie verdünnt e Salzsäure. I ch t ippt e ihm auf die Schult er. Er erschrak, fuhr herum , sah in m ein lächelndes Gesicht und hört e genau hin, als ich ihm erklärt e, dass ich m it ihnen gehen würde. Es gefiel ihm nicht , aber er st im m t e brum m end zu. Wir verließen den inneren Kreis, verfolgt von den Blicken der anderen Mit arbeit er. Neben m ir ging Dave Thornt on. Er schüt t elt e immer wieder den nach vorn gedrückten Kopf. »I ch war es nicht , Mr. Sinclair. I ch war es nicht , ich habe nichts getan.« »Wir werden sehen«, sagte ich nur * Fillings Büro lag in der zweit en Et age. Wir waren m it einem Lift hochgefahren und hat t en in den dunkelbraunen Ledersesseln unsere Plät ze gefunden. Auch Thornt on hat t e sich set zen dürfen. Er spielt e m it seinen Fingern, er hat t e sich hin und wieder seine Nase geschneuzt , er t rank von seinem Mineralwasser, und er hat t e uns noch einm al seine Version des Geschehens berichtet. »Das ist ja unglaublich!«, keifte Filling, der sich aufführte wie ein Richt er in einem t ot alit ären Syst em . »Das das kann I hnen doch kein Mensch glauben. Für wie blöd m üssen Sie uns eigent lich halt en, wenn Sie uns so et was erzählen?« »Es ist die Wahrheit, Sir!« »Quat sch, Thornt on. I ch lasse m ich von I hnen nicht zum Narren m achen, verdam m t .« Er schlug m it der flachen Hand auf die Sessellehne. »Was sagen Sie dazu, Mr. Sinclair? Wollen Sie sich als Polizist das t at sächlich biet en lassen?« »Nein.«
Filling lacht e auf. »Da hören Sie es, Thornt on. Auch der Oberinspekt or wird es sich « »Ich glaube ihm!« Der Direkt or st oppt e seinen Redefluss. Sein Mund klappt e zu. Dann holt e er t ief Luft , allerdings durch die Nase, und das Schnaufen erinnert e m ich an einen schwachen Windst oß, der durch das Zim m er fuhr. »Pardon«, krächzte er, »was haben Sie gesagt?« »Dass ich ihm glaube.« »Sie sind Sie sind « I ch hob die Hand. »Reißen Sie sich zusam m en, Mr. Filling.« »Ja«, keucht e er. »Ja, das m uss ich w ohl, sonst drehe ich noch durch.« Er st üt zt e seinen Kopf m it der Hand ab, schaut e nach links, dann nach recht s, schüt t elt e wieder den Kopf und erkundigt e sich, ob wir ein Kom plot t gegen ihn geschmiedet hätten. »Bestimmt nicht.«
»Ja, wie kommen Sie denn dazu, so etwas zu behaupten,
Sinclair? Wollen Sie mich hier fertig machen.« »Nur etwas klarstellen.« Meine Ant wort en hat t en auch Dave Thornt on durcheinandergebracht . Er wusst e überhaupt nicht m ehr, wo er hinschauen und wie er sich verhalt en sollt e. Für ihn war zwar keine Welt zusam m engebrochen, doch den größt en Teil begriff er nicht m ehr. Er st reckt e m ir deshalb Sie glauben mir, Sir?« seinen Finger ent gegen. »Sie »Ja.« »Aber Sie haben doch vor einer halben St unde noch «, er brach ab, weil ihm die Worte fehlten. »Die Frau war da.« »Ich habe sie doch nicht gesehen!«, schrie er mich an. »Sie war t rot zdem da. Es reicht , dass ich sie gesehen habe. Sie werden sie aber trotzdem gesehen haben, Dave.« »Nein, das ist m ir zu hoch«, flüst ert e er. »Das kann ich nicht begreifen.« Er fasste nach dem Glas und trank es leer. »Über so et was kom m e ich nicht hinweg und «
»Sie können sich nur nicht daran erinnern.« Der Sat z hat t e ihm et w as von seinem Mut zurückgegeben. »Nicht m ehr daran erinnern? Wie m einen Sie das, Sir? Können Sie sich da genauer erklären?« »Ich will es versuchen.« Filling st and auf und ging zum Fenst er. Dort blieb er st ehen und dreht e uns den Rücken zu. Auch seine Hände hat t e er hint er dem Rücken gekreuzt . Wir sahen, wie sich die Finger unruhig bewegten. »Man hat Sie hypnotisiert, Dave.« »Ach.« Er schaut e m ich m it offen st ehendem Mund an. »Mich?« Er tippte mich an. »Sicher.« »Wer denn?« »Die Frau im lachsfarbenen Kost üm . Sie ist gekom m en und hat sie blit zschnell in ihren Bann gezogen. Das geschah praktisch von einer Sekunde auf die andere.« »Begreife ich nicht.« »Kann aber so gew esen sein. Da bin ich m ir beinahe hundertprozentig sicher.« Thornt on überlegt e. »Und und wenn es sich t at sächlich so verhalt en hat , warum sind Sie dann nicht in den Bann hineingezogen worden, Mr. Sinclair?« »Es ging nicht um m ich, sondern um Sie. Das auch nur sekundär. Prim är war diese unbekannt e Person darauf versessen, an Geld zu gelangen, was ihr j a gelungen ist . Danach verschwand sie wieder.« »Was Sie gesehen haben, hoffe ich.« »Sonst hätte ich es nicht gesagt.« Dave schluckt e zweim al. Er hat t e wieder et was Oberwasser. »Wenn Sie das gesehen haben, Sir, dann müsst en Sie diese Frau j a auch nun j a, ich m eine dam it haben Sie gesehen, wo sie hingegangen ist ? Und zuvor woher sie gekommen ist?« »Leider nein, und das genau ist das Problem.« Ich suchte nach Worten, die Dave nicht zu sehr erschreckten. »Sie war plötzlich da, als wäre sie vom Him m el gefallen.« I ch
lächelt e. »Um es et was populärwissenschaft licher auszudrücken, diese Person hat sich kurzerhand in I hrem Arbeitsbereich materialisiert.« Thornt on bewegt e die Augen. Er glaubt e m ir nicht . »Das das kann ich nicht fassen. Das ist wie im Film . St ar Treck, da sind Leut e gebeam t w orden « »Nennen Sie es, wie sie es wollen.« »Und Sie meinen, dass es so etwas wirklich gibt?« »Ja, das meine ich.« Dave Thornt on schaufelt e sein Haar in die Höhe. »Das ist doch der blanke Wahnsinn. I ch kom m e da nicht m it . So etwas kann es nicht geben, nicht wirklich, meine ich.« »Was m einen Sie, Dave, was die Wirklichkeit alles für uns Menschen bereit hält . I ch gebe I hnen Recht , es ist rät selhaft , aber es ist Zufall oder nicht zu einem Fall für mich geworden. Ich werde mich um diese Lady kümmern.« Zum erst enm al seit einiger Zeit m ischt e sich der Direkt or wieder ein. Er dreht e sich m it einer scharfen Bew egung vom Fenst er weg. Seine Absät ze hint erließen Macken im hellen Teppichboden. Das Gesicht zeigt e einen Anflug von Wut . »Sie wollen m ir doch nicht erzählen, dass Sie daran glauben, Sinclair?« »Sonst hätte ich es nicht so klar und deutlich gesagt.« »Das ist doch Schwachsinn!« »Nein, Mr. Filling.« Sein Arm zuckt e nach vorn. Er deut et e m it der Fingerspit ze auf seinen Angest ellt en. »Dieser Kerl will sich herausreden. Er wollte Geld, möglichst viel. Das ist es doch, was dahint erst eckt . Er hat versucht , auf eine außergewöhnliche Art und Weise an die zehnt ausend Pfund heranzukom m en. I ch bin sicher, dass wir das Geld irgendwo finden w erden. Vielleicht hat er es noch an seinem Arbeitsplatz versteckt oder trägt es sogar bei sich.« Das wollt e Dave Thornt on keinesfalls auf sich sit zen lassen. Er schnellt e hoch, schob seine Hände der Reihe nach in die Taschen und krem pelt e das I nnere nach außen. »Da, sehen Sie, ich habe nichts, gar nichts.«
Filling winkte ab. »Für mich beweist das nichts.« »Aber für mich.« »Sie werden sowieso entlassen.« »Mom ent m al, Mr. Filling! «, m ischt e ich m ich ein. »So einfach ist das nicht . Sie können I hren Mann beurlauben, über eine Ent lassung sollt e erst geredet werden, w enn der Fall aufgeklärt ist.« »Und das trauen Sie sich zu?« »Ja.« Er schüt t elt e den Kopf und bewies m ir, dass er m ir nicht glaubt e. Plöt zlich aber schrie Dave Thornt on auf. Er schlug sich gegen den Kopf und ließ sich in den Sessel zurückfallen. »Him m el, dass ich daran nicht gedacht habe, ich Idiot!« »Woran?«, fragte ich. »An die Video- Aufzeichnung.« Das war die I dee. Auch ich war nicht darauf gekom m en, selbst Filling nicht . »Wird denn alles aufgezeichnet ?«, erkundigte ich mich. »Ja, an den exponiert en Arbeit splät zen schon, und ich bin an einem derartigen beschäftigt.« »Das sehen wir uns an.« Filling fing an zu lachen. Er wandt e sich an m ich. »Wenn Sie so davon überzeugt sind, dass die Frau ein Geist gewesen ist oder so was Ähnliches, glauben Sie dann, dass sich die Geister auch filmen lassen?« »I m Prinzip nicht , aber es könnt e Ausnahm en geben. Und wie eine feinst offliche Gest alt ist m ir diese Lady nicht vorgekom m en.« I ch dacht e dabei an ihre Figur und m usst e schm unzeln. »Eher m öcht e ich das glat t e Gegent eil annehm en « * Die Hekt ik hört e nicht auf. Sicherlich hat t e m an m ich im Büro schon verm isst , und deshalb rief ich an, um Suko einen knappen Lagebericht zu geben. Er lacht e nur,
erkundigt e sich, ob seine Anw esenheit erforderlich wäre, und ich verneinte. »Dann viel Spaß m it deiner Lady in Rosa. Das Jahr scheint wieder toll anzufangen.« I ch lacht e gequält und gab ihm im Prinzip Recht . Was sollt e ich m achen? Es ging im m er weit er, so lange, bis es m ich einm al erwischt e. Den t rüben Gedanken schüt t elt e ich ab, als ich den Hörer auflegt e, diese selt sam e Personen st and j et zt an erst er St elle. Wer war die Frau in Rosa? I ch dacht e über sie nach und duckt e m ich, um den Kopf unt er der schallsicheren Telefonhaube hervorzuziehen. Sehr genau und auch verhältnismäßig lange hatte ich mir die Person ansehen können. I hre Gest alt hat t e sich in m ein Gedächt nis eingeheft et , und ich überlegt e, ob ich sie schon einmal gesehen hatte. Dann war ich sicher, dass sie mir das erst e Mal über den Weg gelaufen war, und dieser Auft rit t hatte eingeschlagen wie eine Bombe. Auf dem Weg zum Videoraum fand ich keine Lösung. Es blieb nur die Hoffnung auf den Film . Mit dem Gedanken daran st ieß ich die Tür auf und sah drei Männer im Raum versam m elt . Einer, der die Kasset t e einlegt e, dann noch Filling und Thornton. Dave saß auf einem St uhl, die Beine ausgest reckt , die Hände in den Hosent aschen vergraben. Er m acht e auf m ich einen ziem lich ent spannt en Eindruck, als könnt e ihn so leicht nicht s m ehr erschüt t ern. So ganz w ar er bei m ir noch nicht reingewaschen, doch ich ging m it t lerweile davon aus, dass m an ihn auf m agische Art und Weise reingelegt hat t e. Lächelnd setzte ich mich zu ihm. »Jetzt bin ich gespannt«, flüsterte er. »Ich auch.« Filling st and neben dem Recorder und dem TV- Apparat. Er erklärt e dem Helfer, welche Zeit er eingest ellt haben wollt e, und der Mann spielt e m it der Fernbedienung. Dann schalt et e er den Fernseher ein und wurde von Filling hinausgeschickt. Der Direkt or set zt e sich zu m ir. »Wir werden j a sehen,
wer Recht hat«, sagte er. Meine Sicherheit ärgert e ihn, und Filling schaut e wie ein t rot ziger böser Junge auf seine Füße. Erst nach einer Weile hob er den Kopf. I ch sah m ich auf dem Bildschirm . Erst wart end in der Schlange, dann im m er näher an den Schalt er herankom m end. Der Film lief ohne Ton ab, der war auch nicht wicht ig, auch int eressiert e ich m ich nicht für m ich selbst , sondern schaut e st et s an m ir vorbei in das I nnere des Achtecks. Dort arbeiteten die Männer und Frauen, und plötzlich war da die Lady im lachsfarbenen Kostüm. »Da ist sie ja!«, ächzte Thornton. Filling sagt e nicht s. Er schluckt e nur. Adam sapfel t anzt e dabei auf und ab. »Zeit lupe«, m urm elt e ich und nahm dem Direkt or die Fernbedienung aus der Hand, er m erkt e es kaum , denn er schaut e wie gebannt zu und konnt e wenig spät er alles in einem verlangsam t en Tem po erleben. Da sah er, wie sein Mitarbeiter mit der Frau sprach. Die Kam era st and sehr günst ig. Dreim al holt e sie das Gesicht des j ungen Dave Thornt on näher heran, und sechs Augen konnt en, wenn sie nicht eben blind waren, den ent rückt en Ausdruck auf seinem Gesicht erkennen. Trot z des verlangsam t en Tem pos w ar zu sehen, dass sich der junge Mann anders bewegte als sonst. Er musste sich selbst vorkom m en wie ein Träum er, er bückt e sich und holt e die Kasset t e nicht hervor. Dafür ent nahm er ihr das Geld und gab es der Frau. »Also doch! «, zischelt e Filling. »I ch habe Recht behalten. Sie haben es getan.« »Aber ich kann mich nicht erinnern«, schluchzte Dave. Mich küm m ert e die Unt erhalt ung der beiden nicht . I ch wollt e et w as von der geheim nisvollen Person sehen. Sie bewegt e sich noch innerhalb des Acht ecks, ging zurück j a, und dann war sie urplöt zlich verschw unden. So schnell oder phänom enal, wie sie auch auf dem Monit or oder
innerhalb des Achtecks aufgetaucht war. Filling st and. Er hat t e es auf seinem Plat z nicht m ehr aushalt en können. Er wollt e sprechen, aber selbst würgend konnte er die Wort e nicht hervorbringen. Neben ihm saß Dave und war in Schweiß gebadet . Dabei zit t ert e er so st ark, dass er keine m it Kaffee gefüllt e Tasse hät t e festhalten können. I ch schwieg. Mir ging viel durch den Kopf, aber ich schafft e es nicht , die Dinge in die Reihe zu bringen. Diese Frau war ein Phänom en. Sie war kein Geist , sonst hät t e sie nicht auf den Film gebannt w erden können, aber sie war wie ein Geist erschienen und auch wieder verschwunden. Sie m usst e die Gabe zur Mat erialisat ion und auch zur Entmaterialisation besitzen. Wer also war sie? Wie laut et e ihr Nam e? Auf beide Fragen wusst e ich keine Ant w ort . Sie aber zu finden, war die wicht igst e Aufgabe in der nächst en Zeit für m ich. Denn für diese selt sam en Vorgänge wusst e ich keine rat ionale Erklärung. Filling war unerbit t lich. »Sie haben dieser Person das Geld gegeben, Thornt on. Und dafür werden Sie geradest ehen, das kann ich I hnen versprechen. Sie hät t en « »Gar nicht s hät t e er t un können«, m ischt e ich m ich ein. »Überhaupt nicht s, denn diese Person w ar ihm über. I ch glaube ihm auch, dass Dave nichts davon gespürt hat, denn die Frau verfügt über Kräft e, die denen der Menschen weit überlegen sind.« »Davon sind Sie überzeugt?« »Bin ich.« Der Direkt or lacht e, und es klang wie das Krächzen eines Vogels. »I ch soll also so t un, als wäre nicht s geschehen oder?« »Ja, lassen Sie den Mann weiter bei sich arbeiten.« »Net t , wirklich net t .« Er fucht elt e m it den Arm en. »Wie erkläre ich den Fehlbestand in der Kasse?« »I st allein I hr Problem , Mr. Filling. Aber I hnen als
Direkt or oder Oberm uft i wird schon et was einfallen, denke ich.« »Oberm uft i! « Er verdreht e die Augen. »Wissen Sie, was Sie da gesagt haben?« »Ja, aber es küm m ert m ich nicht . I ch werde den Fall m it anderen Mitteln angehen.« »Toll! « Er wippt e auf den Zehenspit zen. »Mit welchen denn, wenn man fragen darf.« »Sie dürfen, Mr. Filling. Zunächst nehm e ich m al das Videoband in Beschlag.« »Das ist nicht viel.« »Nein, aber wir werden uns die best e Szene herausfilt ern, und von diesem St andfot o werden wir Abzüge machen und sie an die Presse geben. Könnt e doch sein, dass jemand die Frau kennt - oder?« Er hust et e, wohl m ehr aus Verlegenheit und hielt m ich auch nicht davon ab, die Kasset t e aus dem Recorder zu nehm en. Mit ihr unt er den Arm geklem m t , ging ich zur Tür. »Wir werden sicherlich noch voneinander hören«, sagt e ich. Dann nickt e ich Dave Thornt on zu. »Kopf hoch, j unger Mann, wir kriegen die Sache schon hin.« Dave zeigt e m ir nur ein verbissenes Lächeln * Wayne Aldrin hat t e in den Nächt en nach dem Abst urz so gut wie kaum geschlafen. Wenn er einm al in den Schlaf gefallen w ar, dann war es noch schlim m er geworden, denn da wurde er dann von schrecklichen Alpt räum en geplagt . Er erlebt e die Szene im m er und im m er w ieder, sie rollt e ab wie ein nie enden wollender Film . Er glaubt e sogar, das verbrannt e Fleisch zu riechen, und er wacht e danach im m er wieder schweißgebadet auf, um die nächst en St unden wach zu liegen. Gedanklich beschäft igt e er sich dann m it den Vernehm ungen, die hint er ihm lagen. Er war der einzige Zeuge, er hat t e den Leut en von der Fluggesellschaft alles
haarklein bericht et , im m er und im m er wieder, doch sie hatten ihm nicht geglaubt. Besonders dann nicht, wenn die Rede auf eine bestimmte Person gekom m en war, die das zert rüm m ert e Flugzeug völlig unverlet zt verlassen hat t e. Das konnt e niem and nachvollziehen. Er selbst st and j a auch vor einem Rät sel, das sich noch m ehr erweit ert hat t e, als m an ihm erklärt hat t e, dass eine derart ige Person nicht auf der Passagierlist e gest anden hat t e, denn inzwischen w aren alle Leichen gefunden worden. Genau achtundsiebzig Tote! I m m er w ieder m usst e sich Wayne schüt t eln, wenn er das ging daran dacht e. So viele Menschenleben, das einfach über seine Kräft e. Nicht , dass er die Lust am Leben verloren hät t e, aber es war ihm schon kom isch, wenn er am Morgen aufst and und zum Frühst ückst isch ging, den seine Frau wie immer im Wintergarten gedeckt hatte. Nat ürlich m acht e auch Melda sich Sorgen. I m m er w ieder versucht e die Frau, ihren Gat t en aufzuheit ern, ihm zu erklären, dass er einen Schut zengel gehabt hat t e, weil es ihn nicht erwischt hat t e, aber das war es nicht , was Wayne brauchte. »I ch m uss diese Person finden«, flüst ert e er nur. »Sie allein kann das Rätsel lösen.« »Und warum willst du das?« »Weil ich nicht will, dass m an m ir et was anhängt , deshalb! « Er hat t e im m er wieder genickt , denn im m er hat t en sie sich m it den gleichen Fragen und Ant wort en beschäft igt . So würde es auch an diesem Tag sein, als Wayne schon am Frühst ückst isch saß, nach draußen schaut e und dem Dunst zusah, der aus der Flussniederung hervorkroch und sich m it den t iefhängenden Wolken zu vereinen schien. Früher vor dem Unglück hat t e er sich im m er angezogen, bevor er sein Frühst ück zu sich nahm . Heut e war ihm das egal. Da saß er im Badem ant el am Tisch, auch wenn seine Frau sich darüber aufregt e, denn sie erschien
wieder adrett gekleidet. Melda Aldrin war et was füllig, was ihr nicht viel ausm acht e. Mit fünfzig konnt e m an sich das schon leist en. Sie t rug dafür eben Sachen, die nicht figurbet ont w aren. An diesem Tag einen langen, dunklen Rock und einen hellgrauen, weich fallenden Pullover. I hr Gesicht war relat iv frei von Falt en, es hat t e noch im m er den lust igen, et was puppenhaft en Ausdruck der Jugend, und auch die herrlich braunen Augen zeigten die Spuren des Alters nicht. »Gut en Morgen«, sagt e sie und set zt e sich ihrem Mann gegenüber. Der brum m t e einen Gruß. Schwerfällig dreht e er sich auf dem Korbst uhl herum . Das Geflecht knarrt e, als wollt e es jeden Augenblick zusammenbrechen. »Ja, guten Morgen.« »Hattest du wieder die Träume?« Wayne nickte. »Schlimm?« »Wie immer.« »Also hast du kaum geschlafen.« »Das kann m an sagen.« Er nahm die Kaffeekanne und schenkt e sich die Tasse voll. Seine Hände zit t ert en dabei, was Melda m it Besorgnis bet racht et e. »Hunger habe ich nicht .« Er st ellt e die Kanne wieder weg. »I ch fühle m ich blockiert.« »Du musst etwas essen.« »Verdammt, wenn ich doch nicht kann.« »Wenigstens einen Toast.« Sie reichte ihm den Korb, und Wayne t at seiner Frau den Gefallen, die es schließlich nur gut m it ihm m eint e. Er klappt e das Tuch, das über dem Toast lag, auf der recht en Hälft e zur Seit e und holt e die noch sehr warm e Scheibe hervor. Anschließend bat er um die Zeitung. Dieses Rit ual hat t e er sich auch nach den Ereignissen nicht abgewöhnt . Er m usst e einfach beim Frühst ück die Zeit ung lesen, und seine Frau t at es dann auch. Sie t eilt en sich das Blat t . Er las zuerst die erst en Seit en, Melda die letzten.
Aldrin wart et e, bis die Scheibe et was abgekühlt war. Dabei überflog er die Tit elseit e. Noch im m er Ärger im Königshaus, die Windsors kam en wohl nie zur Ruhe; Krieg im ehem aligen Jugoslawien; Hunger und verflucht es Elend in Som alia. Es hat t e sich nicht s geändert , das hat t e es im vergangenen Jahr auch gegeben, und irgendwie passt e es auch in diese verfluchte Welt hinein. Seit dem Abst urz des Jet s hat t e der Globus für Wayne Aldrin ein anderes Gesicht bekom m en. Er, der schon relat iv früh ausgest iegen war, um sein Leben zu genießen, kam dam it nicht m ehr zurecht . Wenn er eine negat ive oder sehr schlim m e Nachricht las, war er j edesm al best ürzt und verfiel in ein nachdenkliches Schweigen. Er aß den Toast m it Konfit üre. Eigent lich ein Genuss für ihn, an diesem Morgen nicht . Alles schm eckt e gleich, als er an den Hunger auf der Welt dacht e. Er fand keinen Gefallen m ehr, keinen Genuss, und er schluckt e das Essen nur herunter, weil er Nahrung brauchte. Das war auch Melda aufgefallen. I m m er w ieder hat t e sie ihren Mann besorgt beobacht et und auch versucht , m it ihm über seine Problem e zu sprechen. Sie hat t e nur im m er wieder zu hören bekom m en »Das verst ehst du nicht « oder »I ch m uss dam it allein fert ig w erden«, konkret hat t en sich die beiden über seine Sorgen nie unterhalten. Wayne nahm überhaupt nicht zur Kennt nis, dass sie ebenfalls darunt er lit t . Durch sein Verhalt en erschwert e er das Zusam m enleben zwischen ihnen. Längst hat t e sie beschlossen, m it ihrem Sohn über das Problem zu sprechen, vielleicht hörte Wayne ja auf ihn. Als er die Zeit ung um blät t ert e, schreckt e sie das Rascheln aus ihren t rüben Gedanken. Wayne biss in den Toast . Er fing dam it an, die zweit e Seit e der Zeit ung zu lesen. Er t rank Kaffee, er schluckt e, er nahm die Toast schnit t e wieder hoch, all dies kannt e Melda, aber in den nächsten Sekunden wurde sie überrascht. Ihr Mann aß nicht mehr. Seine Hand sank nach unt en. Die Finger verloren ihre
Kraft , und die Toast schnit t e rut scht e ihm aus der Hand und fiel auf den Teller, wo sie liegenblieb und nicht m ehr beacht et wurde. Er saugt e die Luft ein, er runzelt e die Augenbrauen, und Melda hört e auch das leise St öhnen, das ihr entgegenwehte. »Hast du was?«, fragte sie. Wayne gab keine Ant wort . Die Zeit ung raschelt e leise, weil das Papier ebenso zitterte wie seine Hand. Das hat t e Melda Aldrin bei ihrem Mann selt en erlebt . Er hat t e die Zeit ung j et zt sinken lassen, sie konnt e sein Gesicht und auch den Schw eiß sehen, der sich darauf vert eilt hat t e. Zudem war Wayne unw ahrscheinlich blass geworden. »Was ist denn los, mein Gott!« Aldrin schaut e sie an. Er ant w ort et e, ohne auf ihre Frage einzugehen. »Das gibt es nicht «, flüst ert e er, »das kann ich nicht begreifen, da kom m e ich nicht m it . Das ist unwahrscheinlich, aber es hat irgendwo so kom m en müssen.« »Was hat denn so kommen müssen, Wayne?« Er lächelt e, ohne zu lächeln. Es war selt sam , denn seine Lippen zuckt en nur. »I ch habe es geahnt , Melda, ich wusst e, dass es sie gibt , aber m ir hat niem and geglaubt , selbst du bist skept isch gewesen. Jet zt habe ich den Beweis.« »Welchen, Wayne?« »Die Frau!« Melda zwinkert e m it den Augen. Sie hat t e zwar et was erfahren, doch im m er noch nicht genug. »Von welch einer Frau sprichst du eigent lich, verflucht ? Warum drückst du dich nicht deutlicher aus?« »Die aus dem Flugzeug. Die überlebt hat . Die aus den Trüm m ern gest iegen ist . Die m ich berührt e. I ch habe sie gesehen, ich habe es den Leut en im m er w ieder gesagt und bin ausgelacht worden, wenn auch nicht so offen. Aber ich bin m ir sicher gewesen, und nun habe ich auch den Beweis dafür.«
»Aber ich nicht. Was ist mit der Frau?« »Sie ist ich habe sie hier in der Zeit ung gesehen. Da ist ihr Bild abgedruckt w orden. I ch erkenne sie genau, das ist sie, es gibt keinen Zweifel.« Melda sagt e nicht s. Sie hofft e allerdings, dass wieder Leben in ihren Mann zurückkehrt e, doch er t at zunächst nicht s und blieb nur st arr auf seinem St uhl sit zen. Deshalb st and Melda auf und holt e sich die Zeit ung. Sie sah das Bild der Frau, sie las die Überschrift , wo in fet t en Buchst aben stand: WER KENNT DIESE PERSON? Es wurde nicht geschrieben, w eshalb sie gesucht w urde, es war dafür eine Telefonnum m er angegeben worden, und zwar die von Scot land Yard. Deshalb konnt e die Person nur wegen eines Verbrechens gesucht werden. Melda schaut e auf das Fot o. Es war nicht besonders scharf, und die Frau befand sich darauf auch nicht als Einzelperson, aber sie st and doch sicht bar im Mit t elpunkt , und die anderen Menschen verschwam m en um sie herum . Eine Frau m it langen Haaren, einem recht hübschen Gesicht , ihr j edoch völlig unbekannt. Melda ließ die Zeit ung sinken. Über den Tisch hinweg schaut e sie ihren Mann an. »Und du hast dich nicht geirrt ?«, fragt e sie m it leiser St im m e. »Du bist dir ganz sicher?« »Ja, ich bin mir sicher.« Sie lächelt e, obwohl ihr nicht danach zum ut e war. »Aber diese Person hier wird wegen eines Verbrechens gesucht , nehm e ich an. Wer sie kennt , der soll sich an Scot land Yard wenden. Und jetzt?« Der Mann seufzt e auf. Er hob die recht e Hand und st rich dam it über die breit e St irn, »Es kom m t alles wieder zurück, Melda«, flüst ert e er. »All das Grauen, die schrecklichen Bilder. I ch bin zwar froh, dass m an die let zt en Trümmer abgeräum t hat , aber t rot zdem sehe ich das Bild im m er wieder vor m ir. Heut e deut licher denn j e. I ch ich m uss etwas tun, Melda, ja, das muss ich.« »Dann rufe beim Yard an.«
Er überlegt e, fing w ieder an zu essen, was Melda als gutes Zeichen ansah. »Soll ich?« »Ja.« »Und dann?« »Mein Got t , das kann ich dir auch nicht sagen, was dann geschieht . Es wird best im m t j em and kom m en, aber du bist der Mann, der diese Person kennt , falls du dich nicht geirrt hast.« »Das habe ich nicht!« »Eben, Wayne, dann rufe an. Tu deine Pflicht , denn dieser Art ikel ist so et was wie ein Wink des Schicksals. Du m usst dich da einhängen. Allein schon wegen dir selbst . Du hast in der let zt en Zeit Schlim m es durchgem acht , bist nur m ehr ein Schat t en deiner Selbst . Freunde, die dich lange nicht gesehen haben, würden dich kaum erkennen « »Ja, j a, j a, ich weiß schon.« Er st and auf. Er warf dabei die Serviet t e auf den Teller. Beides hät t e er ziem lich hektisch getan, und Melda freute sich darüber. Sie dacht e daran, dass ein Teil seiner alt en Energie schon wieder zurückgekehrt war, und das ließ hoffen. Wayne war in den Flur gegangen, wo eines der Telefone st and. Die Zeit ung hat t e er m it genom m en, denn dort war auch gleichzeit ig die ent sprechende Num m er abgedruckt worden * I ch hat t e London verlassen und darauf gehofft , besseres Wet t er zu finden. I ch sehnt e m ich zurück nach der Kält e und der klaren Luft , aber die t iefen Wolken und die für Januar zu warm en Tem perat uren hat t en m ich auch weit erhin begleit et , bis zu dem kleinen Ort südlich von Oxford, der mein Ziel war. Er hieß St arry und war nicht m ehr als ein Mückenschiss auf der Landkart e. Lange hat t e ich darüber nachgedacht , wo er m ir t rot zdem schon einm al unt ergekom m en w ar, und ich hat t e es auch erfahren. Er hat t e durch einen
Flugzeugabsturz traurige Berühmtheit erlangt. Die Maschine war auf einem Feld nahe St arry aufgeschlagen und t ot al zerbrochen. Soviel m ir bekannt war, hat t e es keine Überlebenden gegeben. Dieses Unglück hat t e die Nat ion entsetzt, auch m ich, aber wir Menschen vergessen oft und auch zu schnell. Andere Problem e lenken uns ab, und m an erinnert sich höchst ens in der St at ist ik, w enn am Jahresende die großen Unglücke aufgezählt werden. Aus St arry war der Anruf gekom m en. Da hat t e sich ein Mann nam ens Wayne Aldrin gem eldet , der angeblich die Frau kannte. Ich hatte mit ihm darüber gesprochen, doch er war nicht in der Lage gewesen, m ir am Telefon konkret ere Hinweise zu geben. Wahrscheinlich wollt e er nicht . Schließlich hat t e ich klein beigegeben und zugest im m t , ihn zu besuchen, nicht gerade m it dem Einverst ändnis m eines Freundes Suko, der lieber in London zurückbleiben wollt e, um dort die Meldungen abzuwarten. Obwohl es ein kleines Dorf war, hat t e ich zweim al fragen m üssen, um das Ziel zu erreichen. Aldrin wohnt e dort , wo nur noch vereinzelt Häuser st anden. Seines war das allerlet zt e. Danach begann das freie Feld, das sich bis zu einem kleinen Bachlauf hinzog. I ch wäre happy gewesen, in London im m er so t olle Parkplät ze zu finden, st ellt e den Rover vor dem Haus ab und st ieg aus. Die Luft war hier besser als in London, weniger st ark m it Abgasen belast et . Es war noch kein Nebel, deshalb hatte ich noch eine ziemlich gute Sicht. Es war ein Backst einbau der ält eren Art . Efeu rankt e an der Fassade in die Höhe. Weiß gest richene Fenst erkreuze ließen es heimelig erscheinen, es war sehr sauber, selbst zu dieser Jahreszeit sah der Garten noch gepflegt aus. Hint er einem Fenst er im Part erre bewegt e sich die Gardine. I ch braucht e auch nicht zu klingeln, als ich vor der ebenfalls weiß gest richenen Haust ür st and, denn m eine Ankunft w ar bem erkt worden, und eine rundliche Frau, die ein blaues Kleid t rug, öffnet e m ir. Sie lächelt e m ich freundlich, aber auch zaghaft an und erkundigt e sich nach
meinem Namen, indem sie ihn fragend aussprach. »Ja, ich bin John Sinclair.« Zur Sicherheit zeigt e ich ihr noch meinen Ausweis. »Melda Aldrin.« »Angenehm.« Wir reicht en uns die Hände, ich wurde in das Haus geführt , und sie schloss hint er m ir die Tür. Et was verlegen schaut e sie zu Boden, während ich abw art end st ehenblieb. »Wissen Sie, Mr. Sinclair, m ein Mann hat in der let zt en Zeit einiges durchgem acht . I ch will nicht sagen, dass es ihm schlecht geht , aber er ist nicht m ehr so agil wie früher. Er hat das Geschäft freiwillig unserem Sohn überlassen, wollt e nur noch leben, nun j a, die Sache hat ihn doch mitgenommen.« »Sie meinen das Bild in der Zeitung?« »Ja, auch.« I hre St im m e klang et was erst aunt . Sie legt e m ir eine Hand gegen den Ellbogen. »Aber da war noch das schlimme Unglück. Sie wissen von dem Absturz?« »Ja.« »Er fand prakt isch hint er unserem Haus st at t . Und m ein Mann ist Zeuge gewesen. Er hat viel gesehen, zuviel, wenn Sie m ich fragen, das hat er nicht so gut verkraft et . Wenn eben möglich, nehmen Sie bitte etwas Rücksicht auf ihn.« »Keine Sorge, das werde ich.« »Melda! I st unser Besuch nicht einget roffen?« I ch hört e die St im m e aus dem Hint ergrund. Sie klang et was ungeduldig, und Mrs. Aldrin erklärt e m ir, dass sie m ich in den Wint ergart en, den Lieblingsplat z ihres Mannes, führen wollte. Dort saß er in einem Korbsessel und hat t e sich so gedreht , dass er ins Freie schauen konnt e. Die Beine ausgest reckt , die Füße vor sich auf eine kleine Fußbank m it einem Polst er gelegt , so sah ich ihn. Seine Halt ung verändert e sich sehr bald, denn als ich eint rat , erhob er sich aus seinem Stuhl. Er war ein großer Mann. Älter als ich. Mit einem kräftigen Kinn, einer breit en St irn und weißgrauen Haaren, die als
Scheit elfrisur auf seinem Kopf lagen. Blaue Augen m ust ert en m ich, und ein kräft iger Händedruck hieß m ich willkom m en. Dieser Wayne Aldrin gehört e zu den Typen, die zupacken konnten. Seine Frau sprach davon, Kaffee zu bringen, und ich war dam it sehr einverst anden. »Schön haben Sie es hier«, sagt e ich, als m ir ein Plat z angebot en wurde und ich unt er m ir das Knarren des Sessels hörte. Aldrin nickte. »Ja, ich habe es schön.« »I ch will I hnen nicht s, Mr. Aldrin, aber sehr überzeugend hat das nicht geklungen.« »Meinen Sie?« »Ja.« »Sie haben Recht . I ch hat t e es schön, ich fühlt e m ich wohl, bis dann dieses Unglück passiert e, und von diesem Tag an ändert e sich zwar nicht m ein Leben, das kann sich nur m ehr durch Tod und Krankheit verändern, aber ich war nicht m ehr der alt e. I ch habe et was Schreckliches gesehen und kann es nicht verkraften.« »Ja, ich hörte, dass Sie Zeuge gewesen sind.« »Der einzige sogar, Mr. Sinclair, denn ich befand m ich auf m einem m orgendlichen Spaziergang, als es passiert e.« Er m usst e eine Sprechpause einlegen, da ihn die Erinnerung überwält igt e, so dass es eine Weile dauert e, bis er sich wieder gefasst hat t e. Dann aber hört e ich ihm zu. I ch erfuhr genau das, was ihm widerfahren war. Er schildert e m ir den Abst urz sehr plast isch, und ich m erkt e auch, dass er darin Rout ine hat t e, wahrscheinlich war er schon oft verhört oder gefragt worden. Er wurde im m er nervöser, ich sah auch den Schw eiß auf seinem Gesicht , und die St im m e sank zu einem Flüst ern herab, als er sich allm ählich dem Ende nähert e, aber dann zum eigent lichen Höhepunkt kam , denn er bericht et e von einer Person, die das Flugzeug unverletzt verlassen hatte. »Es ist eine Frau gewesen, Mr. Sinclair.« »Die auf dem Foto in der Zeitung?« »Ja.«
Das hat t e ich m ir gedacht , und plöt zlich spürt e auch ich die kalt en Finger im Nacken. Die hellen Augen des Mannes waren auf m ich gericht et , er wart et e auf eine Reakt ion, vielleicht auch darauf, dass ich ihn auslacht e oder einfach aufst and und wegging, st at t dessen blieb ich sit zen und lauscht e den Schrit t en der näher kom m enden Melda Wayne, die den frisch gekocht en Kaffee bracht e. Sie rückt e einen Glast isch in unsere Nähe und vert eilt e die Tassen. Nachdem sie eingeschenkt und ihren Mann m it einem besorgt en Blick bedacht hat t e, zog sie sich schweigend zurück. I ch probiert e den Kaffee, nahm auch einen zweit en Schluck und stellte die Tasse wieder hin. »Sie sagen nichts, Mr. Sinclair.« »Ich glaube Ihnen.« Aldrin holt e schnaufend Luft , bevor er sich räuspert e. Seine Hände um klam m ert en die Lehnen des Sessels, und ein flücht iges Lächeln huscht e über seinen Mund. »I ch bin froh, dass Sie es gesagt haben, denn andere haben m ir nicht geglaubt . Die Fluggesellschaft hat Expert en geschickt . I ch bin ununt erbrochen gefragt worden, ich habe die Ant wort en gegeben, aber ich hat t e auch den Eindruck, dass m an m ich für verrückt hielt , denn dass j em and den Abst urz überlebt hat t e, das konnt e niem and glauben. Das war unmöglich.« »Ich denke da anders darüber und möchte Sie fragen, ob die Person etwas zu Ihnen gesagt hat.« »Nein, sie berührte mich.« »Kein Wort ?« Er presst e seine Hände gegen die St irn. »Doch j a, ich habe sie j a gefragt . Einen Sat z nur hat sie gesagt . I ch bin ein Medium . Mehr nicht . Nur diesen einen Sat z.« Er schaut e m ich an, als erw art et e er von m ir die Lösung, die ich ihm auch nicht geben konnt e, denn die Ant wort war nur m ehr ein Hinweis. »Medium «
»Kennen Sie sich aus, Mr. Sinclair?«
»Ja, schon, denn einen ähnlichen Auft rit t dieser Person habe ich auch erlebt.« »Bei einem Unglück?« »Nein, in einer Bank. Diese Person ist , wenn m an es genau nim m t , eine Bankräuberin.« Aldrin war gespannt darauf, m eine Geschicht e zu hören, und ich spannt e ihn nicht länger auf die Folter. Für ihn war es ebenfalls kaum zu fassen, er schüt t elt e den Kopf und gab hint erher zu, dass es trotzdem ins Bild passte. »Das denke ich auch.« »Dann m üssen Sie die Frau nur noch finden, Mr. Sinclair.« »Was schwer sein wird.« Aldrin bew egt e sich und hob die Tasse an. Während er t rank, hielt er sie m it beiden Händen fest . Sein Blick glit t durch die Scheiben nach draußen, wo die Landschaft im leicht en Dunst wie eingepackt wirkt e. »Sie ist nam enlos, sie ist ein Mensch, und sie ist es doch nicht . Sie ist eine Mischung aus Mensch und Geist . Sie kann urplöt zlich erscheinen, sie kann aber auch wieder verschwinden. Wer ist sie wirklich?« »Wir kennen sie beide nicht.« »Und was hat sie im Flugzeug gesucht ? Weshalb ist sie überhaupt m it geflogen? Warum hat sie dafür gesorgt , dass die Maschine abst ürzt e und so viele Menschen zu Tode kamen, denn sie ist ja für mich eine Massenmörderin.« »Wenn Sie es so sehen, dann ja.« »Wie also kom m en w ir an sie heran? Müssen wir wart en, bis sie wieder erscheint ? Können wir dann m ehr über ihre Pläne erfahren, falls sie überhaupt welche hat?« »Ich weiß es nicht.«
»Eben, Mr. Sinclair. Trot zdem wollen Sie den Fall
aufklären. Sehr mutig von Ihnen.« »Es ist meine Arbeit.« Wayne Aldrin lächelte. »Sie sind nicht hergekommen, um m it m ir zu reden. I ch für m einen Teil schät ze Sie so ein, dass Sie etwas Konkretes vorhaben. Was, bitte schön?«
»Der Plan hat nicht gest anden, als ich zu I hnen kam , Mr. Aldrin. Mir ist erst jetzt etwas durch den Kopf geschossen.« »Bitte, sprechen Sie sich aus.« »I ch denke, dass wir beide den Weg noch einm al gehen, den sie am Morgen des Absturzes gegangen sind.« Er schwieg. »Keine gute Idee.« »Weiß ich nicht , Mr. Sinclair I ch frage m ich nat ürlich, was Sie damit bezwecken? Wollen Sie Spuren sammeln?« »Zum Beispiel.« »Oh, da werden Sie kein Glück haben. Dieses Gelände ist von Expert en schon unzählige Male auf den Kopf gest ellt worden. Die haben j eden Erdklum pen unt er die Lupe genom m en. Es t ut m ir Leid, aber große Chancen haben wir da nicht.« »I ch m öcht e es t rot zdem versuchen. Außerdem w erde ich mich nicht auf die Technik verlassen.« »Sondern?« »Sagen wir, auf mein Gespür.« Aldrin runzelt e die St irn. »Das verst ehe ich nicht . Wollen Sie nach irgendwelchen Kräft en forschen, die dort event uell vorhanden sein können und sich als Rückst ände abgelagert haben?« »Im Prinzip schon.« Er dreht e sich m ir wieder zu und legt e die hohe St irn in Falten. »Sind Sie wirklich Polizist, Mr. Sinclair?« »Möchten Sie meinen Ausweis sehen?« »Nein, nein, so habe ich das nicht einm al gem eint . I ch will nicht sagen, dass Sie m ir für einen Polizist en et was suspekt vorkommen, aber schon ungewöhnlich.« »Das m ag sein. I ch will m ich nicht verst ecken, was m eine Arbeit angeht . Sie können m ich als so et was wie einen Geist erj äger ansehen. I ch bin ein Mensch, der sich darauf spezialisiert hat , den Kräft en oder Mächt en der Finst ernis den Kam pf anzusagen. I ch j age eben Vam pire und Werwölfe oder ähnliche Geschöpfe. Ich weiß auch, dass es sie gibt, und ich liege im Clinch mit ihnen.«
Er sagt e erst m al nicht s und dacht e über m eine Wort e nach. »Komisch, aber ich glaube Ihnen.« »Das freut mich.« »Nun j a,« Aldrin st em m t e sich in die Höhe. »I ch denke, wir sollten uns das Feld mal anschauen. Die Zeit der Glotzer ist vorbei. Es hat hier beinahe so et was w ie einem Kat ast rophent ourism us gegeben, der zum Glück eingedäm pft werden konnt e. Da haben I hre Kollegen sehr gut reagiert . Glückw unsch! Jet zt werden Sie ein leeres Feld erleben, ein leeres und verbranntes. Tot e Erde, Mr. Sinclair, und wenn ich sie bet ret e, werden die Erinnerungen wieder über m ich kom m en. Sie w erden m ich überfallen wie eine breit e Wasserkaskade, aber das ist j a j et zt alles egal. Sie m üssen I hre Pflicht t un, und wenn ich kann, werde ich Sie nach Kräften unterstützen.« »Danke sehr.« Er ließ m ich vorangehen, und ich war gespannt , ob ich wirklich auf die richt ige Kart e geset zt hat t e * Es st im m t e zwar nicht , dennoch kam m ir der Dunst vor wie ein riesiges Leichent uch. Es hat t e sich über die Nat ur und die Unglücksst elle ausgebreit et , es war durchscheinend, und t rot zdem sorgt e es dafür, dass die Kont uren verschwam m en, so dass die Um gebung auf m ich wie ein großes Landschaft sgem älde w irkt e, in das Aldrin und ich als zwei fremde Personen hineingetreten waren. Wir hat t en den Gart en des Ehepaares hint er uns gelassen und schrit t en auf den Fluss zu. Über einen schmalen Pfad gingen wir, und die Sicht war gut. Es gab kein Wint ergras m ehr auf dem Feld in der Ferne, alles w ar schwarz und verbrannt . Eine t raurige Landschaft , die depressiv m achen konnt e. Neben m ir schrit t Aldrin her. Er hat t e die Hände in den Außent aschen seiner Jacke vergraben, er schaut e nach vorn, m al zu Boden und sagt e dann m it leiser St im m e: »Wissen Sie, Mr. Sinclair, wenn ich
hier über das Feld gehe, dann kom m t es m ir vor, als wären die Geist er all dieser Tot en noch hier vereint . I ch höre ihre St im m en, ihr Flüst ern, ihr Wispern, wie sie versuchen, sich aus dem Jenseit s zu m elden, und dies alles erlebe ich auch in m einen Alpt räum en. I ch habe kaum schlafen können, und wenn es dann doch geschah, quält en m ich die Träum e so st ark, dass ich j et zt unt er schweren Schuldgefühlen leide.« »Das brauchen Sie doch nicht.« »I ch weiß, aber es sagt sich so einfach. I ch j edenfalls kann mich kaum dagegen anstemmen.« »Ich verstehe.« Wir gingen schweigend weit er und hat t en nach einigen Minuten den Bach erreicht. Das Eis an den beiden Ufern war längst get aut . Einige Rest e krallt en sich noch im st arren Gest rüpp fest . Das Wasser floss schnell. Es schäum t e hellgrau über St eine und kleinere Felsbrocken hinweg, und m ein Begleit er sprach davon, dass er im m er m elancholisch wurde, wenn er hier st and und dem fließenden Wasser nachschaut e. »Es ist wie ein Leben, Mr. Sinclair. Je ält er man wird, umso schneller verrinnt es.« »Da haben Sie nicht unrecht.« »Lassen Sie uns weit ergehen. Wir werden am Ufer bleiben.« Er deut et e nach vorn. »Sehen Sie die flache Erhebung dort?« »Ja.« »Dahint er ist es dann zum Ende gekom m en. Zuvor hat t e die Maschine schon eine Tragfläche verloren, dann brach sie in der Mitte durch, um schließlich zu explodieren.« Ich konnte dem Mann nachfühlen, wie schlimm es für ihn gewesen sein m usst e, als Zeuge alles zu sehen. Es lag auf der Hand, dass er unter Alpträumen litt. Wir gingen nicht schnell, aber auch nicht langsam . I ch hat t e Zeit genug, m ir die Um gebung anzuschauen. Es war schwer, sie zu beschreiben, weil es einfach nicht s zu beschreiben gab. Felder, m al flach, m al erhöht er liegend, aber kein Wald und auch in der Ferne nur eine St raße, die
die Landschaft durchschnit t . Der Ort St arry lag hint er uns, ein anderes Dorf geriet nicht in unseren Sichtbereich. »Riechen Sie es schon?«, fragte Aldrin. »Was?« »Die Erde«, flüst ert e er, »die verbrannt e Erde. All das ich kriege diesen verschm ort e Fleisch der Leiber. I ch Geruch einfach nicht aus der Nase, und jetzt, wo wir fast an der Stelle sind, trifft er mich umso schlimmer.« I ch legt e ihm eine Hand auf die Schult er. »Es wird vergehen, Mr. Aldrin. Die Zeit löscht die Erinnerung an den Schrecken aus, glauben Sie mir.« »Bei m ir w ohl nie. I ch hat t e gedacht , ausst eigen und m ir ein warm es Nest schaffen zu können und hät t e nie dam it gerechnet , die Kält e des Todes zu erleben. Aber was rede ich, kommen Sie, ich will Sie an die zentrale Stelle führen.« Um sie zu erreichen, m usst en wir die flache Erhebung überqueren. Der Dunst war nicht m ehr so dicht wie am Vorm it t ag. Er hat t e sich zwar nicht ganz gelöst , w ar dafür höher gezogen, den Wolken nach, die auch nicht m ehr so tief lagen. Wir blieben stehen. »Schauen Sie, Mr. Sinclair!« Mein Magen zog sich zusam m en, als ich auf das Feld des Schreckens st arrt e, auf ein gewalt iges Grab ohne Tot e, dafür aber auf zwei schwarze Krat er. Einen hat t e das Heck hinterlassen, den anderen der Bug. »Einm al fand ich eine Puppe«, sagt e Wayne m it leiser St im m e. »Sie w ar fast unversehrt , nur an den Haaren etwas angesengt. Stellen Sie sich das vor, eine Puppe! Aber Menschen haben nicht überlebt . Sie sind alle umgekommen.« Um die beiden Krat er herum wuchs nicht s Grünes m ehr. Die Flam m en hat t en alles versengt , und was dabei in den Boden gesickert war, konnt e nicht m al geschät zt w erden. Hier hatte der Sensenmann wirklich ganze Arbeit geleistet. Aldrin deut et e auf den et was ent fernt er gelegenen Krat er. »Da habe ich sie gesehen, Mr. Sinclair. Allerdings
hat t e sich die Nase t ief in den Boden gebohrt . Sie ist aus dem Cockpit gest iegen und « »War das überhaupt m öglich, wo sich der Bug doch wie eine Lanze in den Boden gebohrt haben muss?« Er strich über sein Haar. »Ich weiß es nicht.« »Ja, möglich.« »Wollen wir hingehen, Mr. Sinclair?« »Sicher, deshalb bin ich ja hier.« Als wir gingen und unsere Füße über die verbrannt e Erde schleift en, blieb m ein Begleit er st um m . Hin und wieder zuckt e sein Mund. Er hat t e Mühe, die Tränen zurückzuhalten. Ich empfand die Umgebung als anders. Es war schwer zu erklären. Der Wind war kält er geworden. Er fuhr gegen mein Gesicht, als würde er kleine Eisstücke mitbringen, und ich sah ihn auch nicht als einen norm alen Wind an. Er kam m ir anders vor, als hät t e er seinen Ursprung in einer tödlichen, nicht sichtbaren Welt. Auf m einem Rücken bildet e sich eine Gänsehaut , die auch beim Weit ergehen nicht weichen w ollt e, denn dieses Gebiet hier war einfach anders als normal. Hier hat t e der Tod seine Lanze geschw ungen, und er schien noch immer zu lauern. Unsere Füße schleift en über den Unt ergrund. Das Gras, falls es noch vorhanden war, sah aus w ie ein schwarzer, leicht glänzender Teppich. Der Geruch w ar verschwunden. Dass ich ihn t rot zdem wahrnahm , konnt e auch Einbildung sein. Nur wenige Schrit t e vor dem großen Krat er hielt en wir an. Wayne Aldrin schaut e sieh um . Er hat t e dabei die St irn gerunzelt, ein Zeichen, dass er nachdachte. »Ja«, meinte er schließlich. »Ja, hier ist es gewesen. Hier ist die Stelle.« »Welche?« »Wo ich die Begegnung m it dieser Frau gehabt habe. Hier hat sie mich angesprochen.« »Und weiter?« »Sie wissen alles, warum fragen Sie?«
I ch hob die Schult ern. »Es hät t e j a sein können, dass I hnen noch et was eingefallen wäre, wo wir uns direkt am Ort des schrecklichen Geschehens aufhalten.« »Nein, es ist alles so geblieben.« I ch wollt e näher an den Krat er heran, um einen Blick hineinzuw erfen, aber da w ar et was, das m ich davon abhielt . Zuerst nur ein Gefühl, ein I m puls, vielleicht ein St echen im Hirn, aber das konnt e es auch nicht gewesen sein. Mein Kreuz? I ch überlegt e, fasst e noch nicht nach, aber eine Erinnerung drängt e sich in m ir hoch. I ch dacht e an die Szene in der Bank, wo ich m it dem gleichen Gefühl konfront iert worden war, als m ich das Medium angesehen hatte. War es hier? »Ist was mit Ihnen, Mr. Sinclair?« »Nun j a, ich « »Sagen Sie es. Sie sehen blass aus.« Er wollte mich noch fragen, doch ich ging schnell zur Seit e, um m ich nach drei Schritten mit einer blitzschnellen Bewegung umzudrehen. Vor mir stand eine Gestalt. Es war die Frau im lachsroten Kostüm! * Auch Wayne Aldrin hat t e sich gedreht , obwohl ich es selbst nicht mitbekommen hatte. Er schaute nun in dieselbe Richt ung wie ich, und ich hört e ihn schwer ächzen, bevor er die Wort e würgend hervorst oßen konnt e. »Das ist sie das ist genau die Frau. I ch ich verdam m t , das ist sie werde verrückt!« »Ruhig«, flüst ert e ich. »Bleiben Sie, um Him m els willen, ruhig, Mr. Wayne. I ch weiß nicht , was sie hier will, aber wir werden es herauskriegen.« »Ich habe Angst.« »Das ist verst ändlich. Deshalb bleiben Sie zurück und lassen Sie mich alles machen.« »Okay.«
Auch für m ich war das Auft auchen der Frau ein Rät sel, immerhin waren wir jetzt so gut wie allein und wurden nicht durch die Anwesenheit von Kunden gest ört . I ch hofft e stark, dass ich mit ihr einen Kontakt aufnehmen konnte und dass sie m ir nicht feindlich gesonnen war. Das sah nicht so aus, denn sie m acht e auf keinen Fall den Eindruck, als wollte sie mich angreifen. Sie blieb st ehen, und der leicht e Wind spielt e m it ihrem Haar. Er weht e es in die Höhe wie eine Tot enfahne. I hr Gesicht war ebenm äßig, ohne direkt schön zu sein, von ihm und den dunklen Augen ging eine für m ich geheim nisvoll wirkende Ausst rahlung aus, und die kalt e Gänsehaut auf m einem Rücken war keinesfalls verschw unden. Sie hat t e sich verdicht et , und ich würde schon herausfinden, ob sie eine Feindin war oder m ir neut ral gegenüberst and. Allerdings t ippt e ich m ehr auf die Feindin, wenn sie tatsächlich für den Absturz die Verantwortung übernahm. I ch nähert e m ich ihr bis auf drei Schrit t e. I ch w ollt e sie auch nicht provozieren, deshalb hat t e ich das Kreuz noch nicht in die Hand genom m en. Es hing unt er m einer Kleidung, nur »m eldet e« es sich nicht , was m ir ebenfalls suspekt war, da ich sie auf die andere Seite gestellt hatte. Ich war stehengeblieben. Beide schaut en wir uns an. Aus der Nähe sah ich, dass ihre Augen zwar dunkel waren, aber einen leicht grünlichen Schimmer aufwiesen. Eine sehr seltene Zusammensetzung. Da diese Frau keine Anst alt en t raf, das Gespräch zu eröffnen, tat ich es. »So sieht man sich wieder«, sagte ich. Es war genau der richt ige Sat z gewesen, denn er hat t e sie aus dem Konzept gebracht . I hre Wort e erreicht en m ich als flüst ernder St rom . »Haben wir uns denn schon gesehen?« »Ja natürlich.« »Wo?« »Es war erst gest ern. I n der Bank «
»Ah j a « Sie st rit t es nicht ab, was m ich wundert e. Sie hat t e auch
kein schlecht es Gew issen, sie wollt e nicht auf Einzelheit en eingehen, aber ich m usst e m ehr erfahren, deshalb fragt e ich sie nach dem Grund dieses ungewöhnlichen Besuchs. »Ich brauchte Geld.« »Schön, das haben Sie bekom m en und dabei andere in Schwierigkeiten gebracht.« Sie hob nur die Schultern. »Haben Sie auch einen Namen, Lady?« »Ja, ich heiße Anina.« Dieser Nam e sagt e m ir nicht s. Er war selt en, ich hät t e ihn sicherlich behalt en. »Gut , Anina, ich heiße John, und ich würde gern erfahren, was Sie hier an den Ort get rieben hat.« »Mich hierher?« »Ja.« Sie runzelt e die St irn. »I ch m usst e kom m en. Die die Geist er geben keine Ruhe. Sie haben m ich gerufen. Zuerst nur leise, danach immer stärker, sie schrien so laut, dass es in meinem Kopf widerhallte. Es war der Ruf.« »Waren es die Geist er der Tot en? Der Menschen, die einmal in einem Flugzeug gesessen haben?« »Richt ig«, wispert e sie. »Es waren die Geist er. Sie sind nicht erlöst , sie finden keine Ruhe. Sie werden zurückkehren, um m ich zu holen. Aber ich will es nicht . Deshalb bin ich gekommen. Ich habe Ihnen erklären wollen, dass ich die falsche Person bin, dass ich m it dem Unglück nichts zu tun habe.« »Wer war es dann?« Sie blickte mich starr an und schwieg. I ch versucht e es auf einem anderen Weg. »Wie ich hörte, sind Sie ein Medium.« Anina schrak zusammen. »Ja, da bin ich.« »Und weiter!« »Nichts weiter, gar nichts.« I ch holt e t ief Luft . »I ch m öcht e Sie fragen, ob Sie sich in dieser Unglücksm aschine aufgehalt en haben. Alles hat darauf hingedeut et . Jem and sah, dass Sie aus dem Cockpit
st iegen und « Noch während ich sprach, schüt t elt e sie den Kopf. »Nein, nein, das st im m t nicht . I ch habe m ich nicht in der Maschine befunden. I ch war nur hier, einfach hier «
»Ohne Grund?«
»Nein.«
»Was ist der Grund?«
»Die Tot en « »Das glaube ich I hnen nicht . Es können nicht die Geist er gewesen sein. Möglicherweise in diesem Augenblick, weil Sie dem Ruf eines schlecht en Gewissens folgen, aber nicht vor einigen Tagen, als die Maschine abgestürzt ist. Da muss et was anderes dahint erst ecken, und m ich würde der Grund interessieren.« »Er geht Sie nichts an«, sagte sie schnell. »Warum nicht?« »Nein, gar nicht s! « Sie presst e die Lippen zusam m en, um m ir klarzum achen, dass dieses Them a für sie erledigt war. Auch äußerlich dokum ent iert e sie m ir gegenüber ihre Dist anz, denn sie verschränkt e die Arm e hart und fest vor ihrer Brust. »Welch ein Medium sind Sie? Können Sie Kont akt m it dem Jenseits aufnehmen?« »Warum wollen Sie das wissen?« »Es int eressiert m ich eben. I ch m öcht e diesen Fall klären, verst ehen Sie? Dazu brauche ich eben I nform at ionen. Glauben Sie m ir, ich kenne Menschen m it m edialen Fähigkeit en, und ich weiß auch, wie unterschiedlich diese sein können.« »Sie sie quälen m ich. Die Geist er der Tot en lassen m ich nicht zur Ruhe kom m en. Sie geben m ir die Schuld, aber ich bin es nicht gewesen, nicht direkt.« »Wer war es dann?« »Ein böser, ein sehr böser Mensch.« Sie nickt e m ir zu, und es waren auch vorläufig ihre let zt en Wort e, denn plöt zlich ging sie auf m ich zu und dann an mir vorbei.
I ch hielt sie nicht auf, sondern dreht e m ich herum und sah zunächst einen Wayne Aldrin, der sich nicht vom Fleck gerührt hat t e und nur den Kopf schüt t eln konnt e. Als Anina ihn erreicht hat t e, blieb sie st ehen. Sehr kurz nur, sie streichelte über seine Wange und ging weiter. Aldrin schwankte. »Das war wie beim ersten Kontakt, Mr. Sinclair, w ie beim erst enm al. O Got t « Er schüt t elt e sich, ein Schauer floss über seinen Körper, und er schaut e aus großen Augen der Frau nach, die den direkt en Weg zum Krat er einschlug, als gäbe es dort et was I nt eressant es zu entdecken. »I ch habe I hr Gespräch gehört , Mr. Sinclair. Das ist alles so unglaublich. Oder sehen Sie das anders?« »Ich weiß es noch nicht.« »Was wollen Sie denn jetzt tun?« »Sie nicht mehr aus den Augen lassen.« »Und dann?« »Bit t e wart en Sie ab, Mr. Aldrin. Lassen Sie m ich alles m achen. Mag ihre Schale noch so hart sein, ich habe gespürt, dass sie Angst hat, und ich werde sie aufbrechen.« Der Mann sagt e nicht s m ehr und ließ m ich gehen. Anina wandt e m ir den Rücken zu, sie war dicht am Rand des Krat ers st ehengeblieben, hat t e den Kopf et was nach vorn gebeugt und schaut e hinein. Sie m acht e m ir nicht den Eindruck einer Person, die sich m it Flucht gedanken beschäft igt e, deshalb ließ ich m ir auch Zeit , als ich m ich dem Rand des Krat ers nähert e. Auf dem kurzen St ück zum Ziel erlebte ich auch die ungewöhnliche Veränderung. Es blieb äußerlich norm al, aber ich wurde sehr plast isch an Aninas Wort e erinnert , als sie von den Geist ern der Toten gesprochen hatte, die sie quälten. Woher kamen die Stimmen? Sie waren plöt zlich da, und sie weht en m ir nicht nur ent gegen, sondern t rafen m ich von allen Seit en. I ch hört e sie vor, hint er und über m ir. I ch war um webt von ihrem Wispern, Flüst ern und den gequält en Laut en, die sich im m er m ehr verst ärkt en, j e näher ich dem Krat er kam , als
würden sich dort die Toten aufhalten. St eckt en sie t at sächlich in der Tiefe, weil sie dort ein Sammelbecken für geknechtete Seelen gefunden hatten? Es war alles m öglich, und ich rechnet e auch dam it , dass diese Stimmen etwas mit dem Auftauchen der Frau zu tun gehabt hatten. Sie dreht e m ir den Rücken zu und schaut e nach wie vor in den Krat er. Abel ich hört e sie sprechen. Abgehackt e Wort e drangen aus ihrem Mund, nie vollst ändige Sät ze, sondern Fragm ent e. I ch versucht e, m eine Schrit t geräusche so leise wie m öglich werden zu lassen und m ich allein auf die Worte zu konzentrieren. »Nicht s dafür den anderen er will m ich er will er sucht m ich er hat m ich m ich wieder zurückhaben er er will das Unglück nur er hat es gewollt erpresst « Sie verst um m t e in dem Augenblick, als ich neben ihr st ehenblieb. Allerdings dreht e sie nicht den Kopf, um m ich anzuschauen. Sie st and da und schwankt e auf der St elle. Schweiß floss von ihrer St irn her über das Gesicht . Zudem bewegt e sie hekt isch ihre Augen. I ch bekam Angst um sie und fürcht et e, dass sie in den Krat er fallen konnt e, deshalb hielt ich sie fest , was Anina auch widerst andslos geschehen ließ. Sie presst e sich sogar leicht an m ich, als wäre ich ihr Schutzengel, »Es ist nichts passiert«, sagte ich leise, »es ist noch gar nichts passiert.« Sie ant wort et e m ir nicht . Darüber war ich irgendwo froh, denn so erhielt ich die Gelegenheit , endlich in einer gewissen Ruhe und Ent spannung in den Krat er schauen zu können. Es war kein Krat er, der unt en zu einem Tricht er zusam m enlief. Der Bug des Flugzeugs war zwar schräg in den Boden hineingeram m t , aber er hat t e dort ein anderes Loch hint erlassen, denn diese Schräge hat t e sich auch innerhalb der Erde weit er ausgebildet . Von m einer St elle aus lief sie nach links weg, als hät t e j em and m it einem gewaltigen Schwert schräg in den Boden hineingeschnitten.
Für m einen Geschm ack war er relat iv t ief. I ch kannt e m ich da nicht aus, aber der Grund verschwam m bereit s, obwohl er noch zu erkennen war. I ch fragt e m ich nat ürlich, weshalb Anina so sehr in den Krat er hineinschaut e und m it wem sie gesprochen hat t e, doch auf den erst en Blick hin war nichts zu sehen. Die Ränder des Lochs zeigt en keine Glät t e. Sie waren an den Seit en m it t iefen Kerben versehen, so dass diese so et was Ähnliches wie ein Relief bildet en. I n und an ihnen hat t en sich die Feucht igkeit und das Wasser gesam m elt . Es lief in kleinen Rinnsalen nach unten, um einen winzigen See zu vergrößern, der sich auf seinem Grund gebildet hatte. Mich störte die nach oben steigende Luft, wobei das nicht der richt ige Ausdruck war, sondern m ehr ein Geruch, beinahe schon ein scharfer Gestank. Er m usst e sich im Laufe der let zt en Tage dort unt en gesam m elt haben, und ich fragt e m ich, woraus sich dieser Gest ank zusam m enset zt e. Waren es die Rest e des geschm olzenen Met alls, war es das verbrannt e Fleisch der Passagiere? Neben m ir at m et e Anina heft ig. Da ich sie berührt e, spürt e ich auch ihre Veränderung. Zuerst fand ich keinen Vergleich für ihr Zit t ern und das gleichzeit ige Knist ern. Dann kam sie mir vor, als wäre sie elektrisch aufgeladen. Et was st reichelt e m eine recht e Wange. I ch bewegt e den Kopf nach links und schaut e gleichzeit ig in die andere Richt ung, um zu sehen, dass sich ihre Haare aufgericht et hat t en. Sie lagen auch nicht m ehr so dicht zusam m en, bildet en j et zt feine St rähnen wie aus unzähligen Spinnenbeinen bestehend, die zitternd und vibrierend in der Luft schw angen und im m er wieder versucht en, m ich zu berühren, was wohl nicht klappt e, da ich zu weit ent fernt war. Warum war dies geschehen? Warum nur bei ihr und nicht bei m ir? Es m usst e m it dem Krat er zusam m enhängen und wahrscheinlich mit dem, was sich dort tat. Hät t e ich Anina nicht gehalt en, sie wäre
zusam m engesunken, so aber st em m t e ich sie wieder hoch und hörte ihr Stöhnen, das mir beinahe das Herz zerriss. Sie lit t unwahrscheinlich. Sie hat t e Angst , sie fing wieder an zu sprechen und zuckt e dabei. »I ch will nicht m ehr frei! Du du zurück zu m ir. I ch will es nicht . I ch bin frei kannst m ich nicht m ehr quälen. Die Geist er sollen verschwinden. I ch t rage keine Schuld an dem Unglück. I ch bin verflucht . I ch t rage die Last m ein Leben lang m it m ir, ich will sie nicht m ehr haben. I ch will endlich so leben wie andere Menschen. I ch will kein Medium m ehr sein. I ch will nicht zu den Tot en«, sie at m et e laut die Luft ein, und ihr Gesicht sah aufgequollen aus. I ch bekam Mit leid m it ihr. Diese Frau m usst e vom Schicksal geschlagen worden sein. Aber ich wusst e einfach noch zu wenig, um ihr helfen zu können, wobei ich st ark hofft e, dass sie sich auch helfen lassen wollt e und es nicht nur selbst versuchte. Was sah sie im Krater? Ich blickte hinein. Ein düst eres schräges Gefälle, das im m er m ehr nachdunkelt e, j e m ehr es sich dem Grund nähert e, aber dort unt en war es nicht finst er, denn dort bewegt e sich etwas. Ich hielt den Atem an. Graue Schat t en, Schem en, die wie kondensiert er At em wirkt en, huscht en über die braune Schwärze der Ränder hinweg. Sie gaben kein Geräusch ab, sie waren laut los, sie schlichen dahin, sie dreht en sich dabei, aber sie kam en nicht in die Höhe, um nach uns zu greifen. I n einer gewissen Ent fernung hielt en sie sich auf, wobei sie sich auch st ändig verändert en, an einigen St ellen in die Höhe zuckt en, als w ollt en sie uns ihre geist erhaft en Arm e ent gegenst recken, dam it wir sie fassen und sie uns in die Tiefe zerren konnten. Mit einer wilden Bewegung schüt t elt e die Frau ihren Körper. I ch konnt e sie nicht m ehr halt en, sie wollt e auch nicht , denn sie schrie m it laut er St im m e: »Weg! Geht weg,
ihr Unholde! Verschwindet ! Geht ! I ch gehöre euch nicht ! Er gehört euch!« Wer, wollt e ich fragen, doch daraus wurde nicht s, denn die Frau tat genau einen Schritt zu viel. Mit der Hacke rut scht e sie am Rand des Krat ers weg. Die St elle war einfach zu glat t . Anina fand keinen Halt m ehr und rutschte dann in die Tiefe. I hre Angst schreie w aren fürcht erlich * Wie viele andere Menschen hat t e es sich auch Melda Aldrin angewöhnt , zum Einkaufen ent weder den Korb oder die Leinent asche m it zunehm en, denn m it Plast ikt üt en belastete man nur unnötig die Umwelt. An diesem Tag hat t e sie sich für den Korb ent schieden, und da es nicht m ehr so kalt w ar, würde sie auch das Rad nehmen, um zum Lebensmittelhändler zu fahren. I n einem Ort wie St arry braucht e sie sich nicht allzu st ark auf den Verkehr zu konzent rieren, weil es ihn einfach nicht gab. So konnt e sie während der Fahrt den Weg kannte sie sowieso im Schlaf ihren eigenen Gedanken nachhängen, und die st eckt en nicht eben voller Jubel. Es war einfach zu viel geschehen. Das Bild in der Zeit ung, der Anruf, der Besuch des Oberinspekt ors, all das hat t e sie aus der t äglichen Rout ine herausgerissen, und sie war auch froh gewesen, dass Sinclair ihren eigenen Mann von seinen t rüben Gedanken und seinen Depressionen fort gebracht hat t e, doch richt ig froh wurde sie darüber nicht. Melda war keine Frau m it großen Vorahnungen, nur konnt e sie sich gut vorst ellen, dass es eigent lich für sie persönlich erst richt ig begann. Wenn sie ehrlich war, hat t e sie nicht so recht an die Begegnung ihres Mannes m it der anderen Frau geglaubt , nun aber hat t e er das Bild in der Zeit ung gesehen, und j et zt war auch Melda davon übezeugt, dass die Person existierte.
Wer war sie? Jedenfalls gehört e sie zu den Menschen, die von einem Geheim nis um geben waren, und deshalb kriegt e die Frau auch eine Gänsehaut , wenn sie daran dacht e. Der Fall war für sie nicht abgeschlossen, er würde sich noch ausweit en, und es st and nicht m al fest , ob er harm los blieb oder zu einer großen Gefahr anwuchs. Melda konnt e nicht behaupt en, sich um zingelt zu fühlen, doch et was war schon vorhanden, das dieses ungewöhnliche Kribbeln ausm acht e und ihre Unruhe wachsen ließ. Da war einiges nicht m ehr im Lot . I hre heile Welt hat t e plöt zlich einen Riss erhalt en. Sie selbst braucht e eigent lich keinen Grund zu haben, sich zu fürcht en, und doch st im m t en da gew isse Vorausset zungen nicht m ehr. Dieser Tag war kein guter Tag. Trotzdem musste sie einkaufen. Das Geschäft lag an der Hauptstraße des Ortes, falls man von einer solchen überhaupt sprechen konnt e. Jedenfalls konnt e sie dort einkaufen und auch unt er einigen Läden wählen. Sie hat t e sich nicht für den ausgebaut en Laden ent schieden, der beinahe schon superm arkt ähnliche Ausm aße angenom m en hat t e, sie m ocht e den kleinen Laden der Mrs. Springfield, wo es eben auch alles gab, was sie zum Leben brauchte, inklusive eines Schwätzchens. Melda Aldrin radelt e auf den m it grauen Steinen belegten Gehst eig und st ieg ab. Sie schob das Rad in den St änder. Abzuschließen brauchte sie es nicht. Mrs. Springfield st and in der offenen Ladent ür. Sie war dabei, ein Plakat m it Sonderangebot en auf das Glas zu kleben und lächelte erfreut, als sie die Kundin sah. »Du bist es, Melda.« »Ja, ich brauchte mal wieder etwas.« Der Laden war klein und m it Waren vollgest opft . Es gab nur zwei enge Gänge, und w er sich auskannt e, der fand im m er sehr schnell seine Waren. Und Melda kannt e sich aus.
Sie wusst e nicht , wie lange der Besuch noch blieb, deshalb kauft e sie sicherheit shalber et was m ehr und nahm auch von dem dünn geschnittenen Roastbeef mit, das sie so gerne aß. Clara Springfield, beinahe schon siebzig, aber im m er noch rüst ig, st and hint er der Theke und schnit t die Scheiben ab. Dabei unt erhielt sie sich m it der Kundin, erkundigt e sich nach Wayne und lächelt e, als sie hört e, dass es ihm besser ging, säbelt e weit erhin das Fleisch ab und erzählt e dabei, dass ihr Göt t ergat t e m it einer Erkält ung im Bett lag und in den nächsten Tagen ausfallen würde. »Das ist aber schade. Bestell ihm einen Gruß von mir.« »Mach' ich, Melda.« Sie schaut e auf die Anzeige der Waage und zwinkert e hint er den Brillengläsern. »I st et was viel geworden. Soll ich ein paar Scheiben wegnehm en oder « »Nein, lass ruhig.« »Habt ihr so einen Hunger?« »Das auch. Mein Mann hat Besuch aus London. I ch weiß nicht , wie lange der Herr bleibt . Da ist es im m er gut , wenn man etwas im Haus hat.« »Klar.« Wie alle Geschäft sfrauen war auch Clara Springfield neugierig. »Wer hat euch denn besucht?« Die Wahrheit wollt e Melda nicht sagen. »Ein ehem aliger Kollege, der sich auch zur Ruhe geset zt hat . Die beiden werden wohl von alten Zeiten plaudern.« »Der war noch nie bei euch oder?« »Nein, warum fragst du?« Melda schaut e über den gläsernen Thekenaufsatz hinweg. Clara legt e das dünne Fleisch auf eine ent sprechend große Scheibe Papier. »Weil er sich bei m ir nach euch erkundigt hat. Er wusste ja nicht, wo er euch finden konnte. Aber so alt sah er mir noch nicht aus, denke ich.« Es war Melda peinlich. Jet zt bin ich reingefallen, dacht e sie und sucht e nach einer Ausrede, sie sie sich zum Glück sparen konnte, denn Clara redete weiter. »Mir war er unsympathisch.«
»Mir nicht.« Die Antwort kam spontan. »Ach ja.« »Genau. Jeder hat einen anderen Geschm ack « »Aber der sah doch so ungepflegt aus mit seinen fettigen Haaren, die er nach hinten gekämmt hatte.« I n Melda schrillt en zwar keine Alarm glocken, aber sie sagt e sich im m er nur eines. Das ist er nicht , das kann er nicht sein, Clara hat m it einem anderen gesprochen, einem Fremden. »Warum sagst du nichts, Melda? Bist du jetzt sauer?« »Nein, überhaupt nicht . I ch überlege, ob ich noch et was Käse mitnehmen soll.« »O j a, da kann ich dir helfen. Heut e Morgen ist welcher geliefert worden. Ein wunderbarer Ziegenkäse aus Frankreich.« Sie lächelt e. »Auch wir werden von der EG profit ieren und haben schon j et zt « Sie redet e und redet e. Melda best ellt e aut om at isch, m it ihren Gedanken aber war sie woanders. Wer konnt e sich denn in diesem Laden nach ihr erkundigt haben? Die Beschreibung des Mannes war zwar nicht exakt gewesen, doch Melda war sich sicher, dass sie diesen Mann nie zuvor in ihrem Leben gesehen hat t e. Mit Typen, die so aussahen, hatte sie nichts zu tun. Die wohnten auch nicht hier. Drei Käsesort en hat t e sie schließlich gekauft , obwohl ihr Mann kaum Käse aß. »So.« Clara Springfield hat t e alles eingepackt . »Kann ich sonst noch etwas für dich tun?« »Bitte was?« Die Geschäft sfrau lacht e. »Was ist denn m it dir los? Du bist so abwesend.« »Sorry, aber « Clara droht e m it dem Finger. »Du hast dich wohl in deinen Besuch verguckt, wie?« »Unsinn!« »War auch nur ein Spaß, Melda.« Clara kam hint er der Theke hervor und hört e, dass die Kundin noch Milch brauchte. »Die in den Glasflaschen, wie immer?«
»Genau die.« Einige Konserven nahm sie auch noch m it zur Kasse und kauft e auch zwei Pfund Kaffee. Zwei Kinder hat t en den Laden bet ret en und hielt en sich am St and m it den Süßigkeit en auf. Sie schaut en und bezahlt en dann m it kleinen Münzen. Clara kassiert e die Kinder zuerst ab, bevor sie die Waren der Melda Aldrin zusam m enrechnet e. Dabei sagt e sie: »Der Typ hatte einen schicken Wagen.« »Tatsächlich?« »Ja, einen Zweisitzer, silbergrau.« »Ich kenne mich damit nicht aus.« »I n unserem Alt er braucht m an das auch nicht m ehr. So, liebe Melda, das macht genau drei Pfund.« »Nicht gerade preiswert.« »Weiß ich. Liegt am Fleisch. Es wird im m er t eurer, und das ist keine Ausrede.« Melda Aldrin war froh, dass sie den Laden verlassen konnt e, und sie ärgert e sich über sich selbst . Sie hät t e sich doch m ehr in der Gewalt haben m üssen, denn ihr war einfach zu leicht anzusehen, was sie dachte und fühlte. Sie klem m t e den gefüllt en Korb auf dem Gepäckt räger fest und st ieg w ieder auf den Draht esel. I hr Mann war sicherlich noch nicht zurückgekehrt , und wenn sie ehrlich war, dann fürcht et e sie sich ein wenig vor der Heim kehr in das m enschenleere Haus. Sie hat t en den anderen Frem den noch nicht zu Gesicht bekom m en, doch schon j et zt fand sie ihn unsympathisch. Wer konnte das nur gewesen sein? Nach dem ganzen Rum m el kam Melda die St ille noch int ensiver vor. I m Prinzip liebt e sie die Ruhe, nur j et zt nicht , denn ihrer Meinung nach hat t e sie et was Beunruhigendes und sogar Heim t ückisches an sich. Es kam ihr vor, als hät t e sich im Dorf et was verändert , obwohl es auf den erst en Blick nicht der Fall war. Unbehelligt bracht e sie den Rückweg hint er sich, st ellt e ihr Rad neben der Hausm auer ab und blickt e sich vorsicht ig um , ehe sie auf die Haust ür zuschrit t und den Schlüssel ins Schloss st eckt e.
Sie ärgert e sich darüber, dass ihre Hände dabei zit t ert en, was auch nicht aufhört e, als sie den Flur bet rat und sich an die Wand lehnt e. Diesm al vor Erleicht erung, denn niem and war da, der sie erwartete. Melda holt e den Korb ins Haus, st ellt e ihn ab, schloss die Tür und ging dann in die Küche, wo sie den Korb auspackt e und die Waren im Kühlschrank verteilte. Ihr Blick glitt durch das Fenst er hinaus in den t rist en Vorgart en und darüber hinweg auf die St raße hinaus, wo sie nicht s Verdächt iges bemerkte. Als sie m it ihrer Arbeit fert ig war, ging sie in den Wint ergart en. Es hät t e j a sein können, dass Wayne schon zurückgekehrt war und er m it seinem Besuch dort saß. Sie fand ihn leer und ging wieder zurück. I m et was düst eren Flur schrak sie plöt zlich zusam m en, als die Türglocke anschlug. Wer stand vor der Tür? Sie dacht e sofort an den Frem den und ärgert e sich auch darüber, dass es kein Guckloch gab. Sollte sie öffnen? Ja, sie würde es t un, legt e aber zuvor die Ket t e an, denn nun konnte die Tür nur einen Spalt geöffnet werden. Sie zog sie auf, m erkt e sehr schnell den Widerst and und erschrak bis ins Mark. Vor ihr stand ein Fremder! Melda m usst e sich zusam m enreißen, um nicht laut aufzuschreien. Dabei t at ihr der Frem de nicht s. Allein sein Anblick j agt e ihr diesen Schreck ein, denn das m usst e der Mann sein, von dem Clara Springfield gesprochen hat t e. Es gab keine Alt ernat ive, und sie t rat unwillkürlich einen Schritt zurück. Der andere lächelt e m it seinem breit en Mund. »Mrs. Aldrin?« »Ja, das bin ich.« »Wie schön. Wir sollt en et was reden. I ch bin gekom m en, um « »Nein, nein, nein! I ch will m it I hnen nicht sprechen, Mist er. Gehen Sie wieder, verschwinden Sie! « Noch einm al
st arrt e sie ihn an, sah das breit e, et was fleischige Gesicht , die hohe St irn und auch die lackdunklen Haare, die er nach hint en gekäm m t hat t e und die sicherlich lang in seinen Nacken hineinwuchsen. Er war ungewöhnlich gekleidet , denn er t rug keinen Mant el, nur eine dunkelblaue Jacke m it hohem Kragen. Dazu eine schwarze Hose, die von einem sehr breiten Gürtel gehalten wurde. »Wann kommt er denn zurück, Mrs. Aldrin?« »Das weiß ich nicht.« »Bit t e, Sie « »Nein, gehen Sie! «, schrie die Frau und knallt e die Tür zu. Dann t rat sie zurück und lehnt e sich gegen die Flurwand. Sekunden vergingen, bevor die erst en Vorwürfe sie überflut et en. Meine Güt e, bin ich hyst erisch! Bin ich denn völlig verrückt geworden? Drehe ich j et zt schon durch? Warum habe ich m ich nur so von der alt en Clara beeinflussen lassen? Der Besuch war sicherlich harm los. Vielleicht hat t e der Mann wirklich nur m al et was wissen wollen, um Melda st and dicht davor, ihn wieder zurückzuholen, ging aber zunächst in die Küche, um aus dem Fenst er zu schauen. Über den Vorgart en hinweg schaut e sie auf den Gehsteig, wo der Mann eigentlich hätte sein müssen. Er war nicht da. Da er sich kaum in Luft aufgelöst haben konnt e, m usst e er sehr schnell verschwunden sein. Schon flucht art ig. Jet zt sah Melda es als gut an, dass sie ihn nicht in ihr Haus reingelassen hat t e. Doch sie fragt e sich, was er von ihrem Mann gewollt hat t e. Eigent lich kannt e sie alle Bekannt e und Geschäft sfreunde ihres Mannes, deshalb kam ihr dieser Besuch schon suspekt vor. Wenn Wayne zurückkehrte, würde sie mit ihm sofort darüber sprechen. Melda Aldrin wollt e sich einen st arken Kaffee aufbrühen, um wenigst ens et was ihre Nerven zu beruhigen. Sie blieb in der Küche, set zt e sich auf einen St uhl und schaut e aus dem Fenster. Der Schw arzhaarige zeigt e sich nicht m ehr. Eigent lich hät t e die Frau beruhigt sein m üssen. Wie kam es nur, dass
sie es t rot zdem nicht war und sich bei ihr schon leicht e Angstgefühle ausbreiteten? Etwas kam auf sie zu. Melda wusst e nur nicht was * Für Anina gab es keine Chance m ehr, die Rut schpart ie aus eigener Kraft zu st oppen. Die Wände des Krat ers waren einfach zu glat t , auch wenn sie m it beiden Arm en um sich schlug und die Finger in den Rillen verkant et e, sie würde keinen Halt an dieser doch relat iv weichen Wand finden, sondern immer tiefer hinein in den Krater gezerrt werden. Das alles schoss m ir in wenigen Sekunden durch den Kopf. Sie blieben m ir noch, denn Anina rut scht e nur verhält nism äßig langsam nach unt en, wo die grauen Gespenster bereits auf sie warteten. I ch wollt e ihnen die Frau nicht überlassen, deshalb warf ich m ich vor, allerdings kont rolliert , denn ich acht et e darauf, nicht auch noch über den Rand zu rutschen. I ch beugt e m ich hinein, st reckt e die Arm e aus und bekam Anina an den Haaren zu packen. I hr Schrei wurde von der Tiefe des Krat ers verschluckt . Wie Feuer m usst e der Schm erz durch ihren Kopf rasen, aber ich hielt sie eisern fest , und wenig spät er st and auch Wayne Aldrin neben mir. »Helfen Sie mir!«, keuchte ich. Er packt e m it an. Wie ich lag er am Boden und bekam die linke Hand der Frau zu fassen, denn sie hat t e ihren Arm in die Höhe und gleichzeitig auch nach hinten geschleudert. Es ging besser. I ch ließ ihre Haare los, um fasst e auch den anderen Arm , und gem einsam zogen wir sie wieder in die Höhe, was auch nicht so einfach war und uns ins Schwitzen brachte. Aus der Tiefe des Krat ers hört en wir Laut e, die m ich an ein gedäm pft es Geheul erinnert en. Laut e aus einer anderen Welt . Gespenst er, die Grenzen überschrit t en hat t en, uralt e
Geist er, Tot enseelen, die nicht wollt en, dass ihnen eine Beute entrissen wurde. Als w ir den Körper über den Rand gezogen hat t en, blieb Anina auf dem Rücken liegen. I ch schaut e in ihr Gesicht , in dem die Augen selt sam st arr waren. Überhaupt w irkt e sie j et zt so abwesend und puppenhaft , als wäre sie m it den Gedanken in fernen Welten versunken. »Hoffentlich ist ihr nichts passiert«, sagte Aldrin. »Bestimmt nicht.« Er bewegte sich vor und lugte über den Rand des Kraters hinweg. Sehr bald schon schüt t elt e er sich, als hät t e er et was Schreckliches gesehen, und ich fragt e ihn nach dem Grund. »I ch w eiß es nicht genau, aber auf dem Boden sind so kom ische «, er schluckt e, »Gest alt en.« Er st reckt e den Zeigefinger aus und bewegt e ihn im Kreis. »Weiße Gest alt en, die sich drehen. Hat t e die Frau nicht von Geistern gesprochen?« »Ja.« Aldrin schluckte. »Dann sind sie es möglicherweise.« »Kann sein.« I ch t rat noch einm al an den Rand des Krat ers. Erst in diesem Augenblick spürt e ich die Kält e, die m ir da aus der Tiefe ent gegenw eht e. Es w ar keine norm ale wint erliche Kühle, sondern ein eisiger Hauch, der nur aus einer anderen Dim ension st am m en konnt e. I ch war m ir beinahe sicher, denn so was hat t e ich schon des öft eren erlebt . Es gibt im m er wieder Sit uat ionen, wo das Jenseit s seine Pfort en öffnet und einen sehr speziellen Gruß in die Welt der Lebenden schickt. Wahrscheinlich stand ich auf der Grenze, um dies zu spüren. Warum war die Kält e erst j et zt hochgedrungen? Gehört e sie et wa zu den Begleit ern der Geist er? Deut et e sie dam it an, dass auch die Geist er der Toten den Krater verlassen wollten? I ch dacht e auch über eine andere Möglichkeit nach. I ch sucht e nach einem Zusam m enhang zwischen dem Erscheinen der Geist er, Aninas Auft ret en und dem unerklärlichen Abst urz der Verkehrsm aschine. Das waren
drei Punkt e, die irgendwie m it einander in Verbindung standen. »Kom m en Sie, Mr. Sinclair. Die Frau w ill et was sagen. Kommen Sie schnell her!« I ch dreht e m ich um . Anina hat t e sich t at sächlich m it Aldrins Hilfe aufgericht et . Er hockt e neben ihr und hielt seinen Arm seit lich ausgest reckt , dam it die Frau den nötigen Halt bekam und nicht noch auf den Rücken fiel. I ch hockt e m ich an der anderen Seit e nieder und sprach mit leiser Stimme ihren Namen aus. »Sie haben m ich kriegen wollen«, m urm elt e sie und senkt e dabei den Kopf. »Die Geist er haben m ir nicht s verziehen. All die Seelen der Tot en sind noch da. Nicht s haben sie m ir verziehen. Sie wollen m ich, und dabei habe ich nicht die Schuld. Nein, nein, nein die habe ich wirklich nicht .« Sie schüt t elt e heft ig den Kopf. I hre langen Haare flogen. »Wer war es dann?«, hakt e ich nach. »Kom m en Sie, Anina, überwinden Sie sich selbst . Sagen Sie uns endlich seinen Namen. Ich bitte Sie, so geht es doch nicht weiter.« Anina reckt e sich. Sie drückt e ihren Kopf zurück. »I ch bin das Medium , nur das Medium .« Aus großen Augen schaut e sie zum Him m el, als könnt e sie von dort die nöt ige Hilfe erwarten. »Mehr bin ich nicht.« »Und der andere?« »Ist stärker als ich.« »Warum ist er das?«, fragt e ich. »I st er m ehr als ein Mensch! Ist er vielleicht ein Dämon?« »Das ist er nicht . Er ist ein Mensch, aber ein gefährlicher dazu. Er ist Spiritist!« Das war eine Überraschung. I ch hat t e m it vielem gerechnet , dam it allerdings nicht . »Hat dieser Spirit ist auch einen Namen?«, wollte ich wissen. »Ja.« Sie nickt e leicht . »Er heißt Dubbs. Einfach nur Dubbs. Nicht mehr und nicht weniger.« Nun wusst e ich Bescheid und war irgendwo auch ent t äuscht , wie ich ehrlich zugeben m usst e. Der Nam e
Dubbs, so kom isch und ungew öhnlich er auch klang, sagt e m ir überhaupt nicht s. I ch hat t e ihn noch nie gehört . Sosehr ich auch nachdacht e, er war m ir noch nie begegnet . Auch Aldrin braucht e m ir nicht s zu sagen. Dass er die Schultern anhob, war schon Antwort genug für mich. »Was hat dieser Dubbs denn getan?« »Er ist alles, John. Er beherrscht m ich. Er ist m ein Führer, m ein Ment or « »Und weiter?« »Er will m ich in seine Gewalt bringen. I ch habe es genau gespürt . I ch bin auf der Flucht vor ihm . Dabei hat er m ich gewarnt . Er hat Schreckliches angedroht , wenn ich nicht mehr zu ihm zurückkehre. Furchtbare Dinge.« »Was denn?« Anina dreht e den Kopf und auch den Körper zur Seit e. Dann st and sie auf, blieb st ehen und klopft e so gut wie m öglich den Schm ut z von der Kleidung. »I ch m öcht e darüber nicht sprechen.« Aber ich wollt e es. Deshalb ging ich zu ihr und blieb hint er ihr st ehen. Beide Hände legt e ich auf ihre Schult ern. Aldrin t rat an den Krat er und schaut e hinein. »Kann es m it dem Absturz des Flugzeuges zusammenhängen?« Erst zögert e sie. Dann deut et e sie durch ein Nicken an, dass ich Recht gehabt hatte. »Er hat dafür gesorgt.« »Ich denke schon.« »Wie hat er das getan?« Anina hob die Schult ern. »I ch weiß es nicht . So genau kenne ich seine Kräfte nicht. Sie sind gefährlich und dunkel, und ich bin zu spät gekom m en. I ch t raf erst ein, als schon alles geschehen war und ich nur durch ein Tal der Tränen wandern konnte.« »Da habe ich sie gesehen«, m eldet e sich Wayne Aldrin. »Das habe ich Ihnen ja erzählt, Mr. Sinclair.« »Schon gut .« I ch wollt e, dass Anina weit ersprach, aber sie schüttelte den Kopf. »Ich werde jetzt gehen«, sagte sie. »Wohin?«
»Weg von hier. I ch w ill nicht , dass er m ich findet . Er ist mir auf der Spur. Er schafft es im m er, m ich ausfindig zu m achen oder die Menschen, m it denen ich zu t un habe. I ch kann ihn einfach nicht m ehr halt en, das m üssen Sie verst ehen. Er kom m t m ir näher und näher « »Das, obw ohl Sie sich unsicht bar m achen können, Anina. Oder liege ich da falsch?« Sie gab mir keine Antwort. Dann senkte sie den Kopf und hob die Schultern. »Ich bin ein Medium«, sagte sie nur. »Das ist keine Antwort.« »St im m t .« Sie ging einen Schrit t vor. »I ch kann m ich anpassen, wenn Sie verst ehen. I ch bin dann nicht direkt unsicht bar, ich kann eben nur eine andere Gest alt annehm en. Da t auche ich einfach unt er. Es m uss nur ein Mensch in der Nähe sein.« »Wie in der Bank?« »Ja, ich w ollt e et was Geld haben. I ch bin dann in eine Person eingedrungen und habe sie sehr bald wieder verlassen. Das ist m ein Schut z, aber er reicht nicht aus, Dubbs ist st ärker. I ch werde m ich vor ihm in acht nehm en müssen.« »Hier sind Sie in keine Person hineingekrochen oder?« »Nein, das nicht . I ch bin völlig norm al gekom m en.« Sie dreht e sich wieder um . »Sie können es m ir glauben, John, er ist in der Nähe. Auch wenn wir ihn nicht sehen, er ist nicht weit entfernt.« »Was wollen Sie dagegen tun?« »Weglaufen.« I ch lächelt e schief. »Das ist hin und wieder eine Möglichkeit, aber nicht für immer.« »Haben Sie einen anderen Vorschlag?« »Und ob. I ch denke, dass Sie uns vert rauen sollt en. Wir werden es schon schaffen.« Anina fing an zu lachen. Es war kein herzliches oder am üsiert es Lachen. I ch fühlt e m ich auch unwohl bis ärgerlich. Das schien sie zu merken, denn als sie ihre flache Hand gegen den Mund presst e, da verst um m t e das Lachen
abrupt . »Wenn Sie nicht wollen, Anina « Sie ließ die Hand sinken. »Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen, John, aber Sie scheinen keine Vorst ellung zu haben, was Sie sich da ant un wollen. Dubbs ist gefährlich, nein, das ist falsch, für mich ist er übermenschlich grausam.« »I ch bin auch kein Kleinkind m ehr.« Sie hob die Schult ern. »Sie sind erwachsen, John, das sieht m an j a. Wenn Sie dabei bleiben wollen, dann lassen Sie es uns gemeinsam versuchen!« »Das denke ich auch.« »Haben Sie schon einen Plan?« »Ja, wir w erden uns von hier zurückziehen « »Und die selt sam en Gest alt en kreisen auch nicht im Krat er«, erklärt e Wayne Aldrin. »Hier ist es wohl vorbei.« Er erbleichte. »Aber wo fängt es wieder an?« Beide schaut en wir auf Anina, die nur die Schult ern hob. »Eigent lich überall«, sagt e sie leise und schaudert e dabei zusam m en * Wir saßen wieder im Wint ergart en des Aldrinschen Hauses zusam m en, und diesm al befand sich auch Melda bei uns. Ziem lich aufgeregt hat t e sie uns em pfangen und dann vom Erscheinen des Frem den bericht et , der in ihr Haus hat t e kom m en wollen und den sie abgew iesen hat t e. Melda hatte uns auch eine Beschreibung geliefert. I hr Mann Wayne und ich kannt en den Mann nicht , aber Anina war ziem lich st ill geworden. Sie schaut e durch die Wände des gläsernen Wint ergart ens in den Gart en, hat t e die Stirn gerunzelt und dachte wohl über ein Problem nach. »Das war«, sagte sie, »das war Dubbs!« Mit dieser Antwort hatte sie uns Männer nicht überrascht. Dam it hat t en wir einfach rechnen m üssen, doch Melda wusste nicht, was sie damit anfangen sollte. »Bitte, wer ist Dubbs?« »Einer, der die Lady hier jagt!«
»Ein Verbrecher?« Wayne hob die Schult ern. »I ch weiß nicht , ob m an ihn als Verbrecher bezeichnen kann. Im Prinzip wohl oder?« Anina lächelt e. »Bei ihm m üssen Sie gewisse Regeln vergessen.« Sie fuhr nervös durch ihr Haar. »Er ist eben anders. Er sieht sich selbst als Spiritist an. Mir hat er einmal gesagt , dass er so et was wie ein Priest er ist , aber auf keiner Seit e st eht . Er lässt sich t reiben, er forscht , und er ist auch ein Manager best im m t er Art . Mich hat er gem anagt , m ich w ollt e er m it Haut und Haaren, er hat es t eilweise geschafft . I ch konnt e ihm nicht ent rinnen. Dann gelang es m ir doch, m ich von ihm zu lösen, doch da em pfing ich die Drohungen. Dass er sie auch in die Tat um set zt , brauche ich I hnen hier nicht zu sagen. Der Absturz spricht für sich.« Aldrin st öhnt e leise. Sein Gesicht war rot geworden. »Dann war er es t at sächlich, der sich dafür verant wort lich zeigt?« »Ja, ich sagte es schon. Ich kam zu spät.« »Wie hat er es getan?« Anina hob die Schultern. »Er hat das Material zerstört. Er hat es dank seiner geist igen Kräft e geschafft . Er ist wahnsinnig, er kann dies, er ist ein Phänom en. Wenn Sie hier eine Tasse st ehen haben und Dubbs sich darauf konzent riert , wird die Tasse irgendwann zerbrechen. So ist es auch m it dem Flugzeug geschehen. Die Expert en werden rät seln, sie werden nicht s finden, und ich m uss zugeben, dass ich zu schwach gewesen bin, um ihn st oppen zu können. Ich kam zu spät.« Die Aldrins schwiegen. Melda tastete nach der Hand ihres Mannes, um sich fest zuhalt en. Sie kam m it dieser Antwort nicht zurecht . Sie war einfach nicht zu begreifen. Selbst ich hat t e m eine Problem e dam it , aber ich wollt e m ehr wissen und hakte deshalb nach. »Diese Kräft e kom m en nicht von ungefähr, Anina. Hat er Ihnen erzählt, wie er an sie herangekommen ist?« Sie lächelt e schm al, obwohl kein Grund dafür vorhanden
war. »I ch kann es I hnen nicht so genau sagen, aber einen Teil der Schuld trage auch ich. Ich bin ein Medium, ich habe Kont akt und bin gleichzeit ig ein Sam m elbecken anderer Energien. Das hat Dubbs nat ürlich gewusst , und deshalb hat er auch m ich benut zt , indem er m ich kurzerhand anzapft e. Er verst ärkt e seine Kräft e, um die m einen zu verringern. I ch bin so et was wie eine psychische Tanksäule für ihn gewesen, denn auch ich bin nicht norm al. I ch leide unt er diesen Kräft en, die m anchm al so furcht bar sein können. I ch habe den Kont akt m it den anderen Welt en schaffen können, und er hat davon profitiert.« »Was würde geschehen, wenn Sie wieder zu ihm zurückkehren, Anina?«, erkundigte ich mich. »Er wäre glücklich.« »Kann ich mir denken, aber das ist nicht alles.« »Nein, ist es auch nicht . Er würde versuchen, noch m ehr Macht zu gewinnen. Dieser Abst urz war für ihn auch so et was wie ein Test . Er hat ihn wahnsinnige Energien gekost et . Er wird ziem lich leer sein, also braucht er m ich, um sich wieder aufzuladen. Ich bin die Zapfsäule. Und wenn er die große geist ige Macht besit zt , dann wird er versuchen, die Mächt igen zu erpressen, um an das große Geld heranzukom m en. Das sind im Prinzip seine Intensionen.« »Wir können also dam it rechnen, dass er weiß, wo Sie sich aufhalt en, Anina. Er wird also noch einm al hier erscheinen.« »Jetzt erst recht.« »Was können wir gegen ihn tun?« »Nichts.« I ch lächelt e. »I ch m öcht e die Flint e nicht so schnell ins Korn werfen, außerdem habe ich erlebt , dass auch Sie nicht ganz harm los sind. I ch m eine das nicht negat iv, aber ich habe gesehen, dass Sie ebenfalls über große Kräft e verfügen, die denen der Menschen überlegen sind. Das genau ist es, was ich m eine. Sie sind et was anders. Sie sehen aus wie ein Mensch, Anina, aber sind Sie auch ein
Mensch?« Die Frau zwinkert e m it den Augen. I hr Blick wurde ziemlich flattrig. »Wie meinen Sie das?« »Können Sie nicht mehr sein als ein Mensch?« »Was meinen Sie damit?« »I ch könnt e m ir zum Beispiel ein übergeordnet es Wesen vorstellen.« Anina senkte den Blick. »An was denken Sie da genau?« »Es gibt m ehrere Möglichkeit en « »Sagen Sie eine davon.« »I ch t ippe auf einen Engel! « Es war von m ir nicht nur so dahin gesagt , ich hat t e m ir t at sächlich m eine Gedanken gemacht, denn diese Kräfte waren übermenschlich, über die konnt e nur ein Wesen verfügen, das zwischen den Ebenen schwebt e. Und ich schien auch ins Schwarze get roffen zu haben, denn Anina m acht e den Eindruck einer Frau, die ich erwischt hat t e, denn sie saß st arr auf ihrem St uhl und starrte mich aus ihren dunklen Augen unverwandt an. Die Aldrins schw iegen. Sie hat t en zwar zugehört , nur hielt en sie sich von diesem Them a fern. Das war ihnen zu suspekt . Dam it hat t en sie sich nicht beschäft igen können, an diesen Dingen lief ihr Leben einfach vorbei, wie es auch bei Millionen anderer Menschen war. »Ich warte auf Ihre Antwort, Anina.« Sie räusperte sich. »Ja, Sie könnten Recht behalten.« »Das reicht mir nicht.« Sie hob die Schultern. »Ich bin ein Medium.« »So bezeichnen Sie sich.« »Ein Engel könnt e m an auch sagen. Man hat m ir eine nun j a, ich bin dam als Gest alt gegeben, weil ich gest orben, ich kehrt e dann w ieder zurück. I ch st arb vor sehr langer Zeit , und ich habe j ahrelang in einem Klost er m ein Leben verbracht . I ch habe m ich im m er zu den Engeln hingezogen gefühlt , so st ark, dass ich es vor Sehnsucht nicht m ehr aushalt en konnt e. I ch habe lange Tage und Nächt e nur versucht , m it ihnen Kont akt aufzunehm en, was m ir schließlich gelang, und dann war plöt zlich alles anders
für mich. Ich wurde selbst zu einem Engel.« »Indem Sie starben?« »Ja und nein.« »Was heißt das?« »I ch verw andelt e m ich in ein anderes Wesen. I ch w urde zu einem Mit t ler zwischen den Welt en. I ch wusst e selbst nicht , ob ich Mensch oder ein feinst offliches Wesen bin, und ebenso fühle ich mich auch. Ich bin ein Zwitter.« »Ein Medium also.« »Ja.« »Leben Sie hier auf der Erde?« »Das sehen Sie doch.« »Können Sie auch woanders sein?« Anina lächelt e. »I ch weiß genau, worauf Sie hinauswollen, sehr genau. Sie haben erlebt , wie ich plöt zlich da war und ebenso plöt zlich wieder verschwand. Das ist m eine neue Exist enz, es ist m ein Fluch, es ist auch m ein Glück. I ch bin von keiner Seit e m ehr richt ig akzept iert worden, ich schwebe zwischen den Dim ensionen. I ch kann sowohl in die eine hineingleit en als auch in die andere, aber ich kann nicht m ehr ruhig in der einen oder anderen leben. Es ist alles so anders geworden für m ich, aber ich habe m einen Zust and akzept iert . I ch hat t e auch vor, Gut es zu t un, als ich das Klost er auf diese ungewöhnliche Art und Weise verließ, nur spürt e m ich dieser Dubbs auf. Ein gefährlicher Mensch, ein Spirit ist , der inst inkt iv herausfand, was m it m ir los w ar. Die Doppelexist enz war vorhanden, das fand er heraus, und er nut zt dies auch für seine eigenen Zwecke aus.« »Was hatte er mit Ihnen genau vor?« »I ch war für ihn nur Mit t el zum Zweck, John. Durch m ich wollt e er seine Macht erweit ern. I hm ist j edes Mit t el recht . Der Flugzeugabst urz hat es bewiesen. I ch m uss m ich deswegen schäm en, aber alles ist einget roffen. Er hat m ir vorher gesagt , wenn ich nicht freiwillig zu ihm zurückkehre, würde etwas passieren, und nun ist er mir auf der Spur.« »Ja, das wissen wir.«
Anina fuhr m it ihren Handflächen über die Lehnen. »I ch weiß nicht , was ich da noch sagen soll, John. Es ist alles so anders geworden. Es st eckt t ief in m ir. I ch kann m ich m it m einer Doppelexist enz nicht anfreunden. I ch habe einen Fehler begangen, das sehe ich j et zt ein, aber der Drang, so zu werden wie die Engel, war in m ir einfach zu st ark. Da habe ich die Grenzen überw unden, und nun bin ich von keiner Seit e akzept iert . I ch werde ausgenut zt , Dubbs ist das beste Beispiel.« »Wie hat er Sie entdeckt?«, fragte ich. Anina hob die Schult ern. »I ch weiß nicht , ob es Zufall oder ein genaues Suchen gewesen ist . I ch weiß einfach gar nichts, John. Jedenfalls trafen wir zusammen, und genau da war ich verloren. Ich brauche nicht mehr zu erwähnen, dass er Spirit ist ist .« Sie zuckt e m it den Schult ern. »Wahrscheinlich auch ein Medium , ich weiß es nicht . Jedenfalls weiß er viel, und davor fürcht e ich m ich.« Sie holt e t ief At em . »I ch sit ze in der Falle, John, denn der Tod dieser Menschen belast et m ein Gewissen in einer Weise, wie ich es I hnen kaum sagen kann. I ch spürt e die Seelen, ich hört e die Schreie der Gequält en. Sie haben keine Ruhe, sie wollen Rache, sie wissen, dass sie noch nicht ins Tot enreich eingehen können, denn dieser Abst urz war für sie wie ein Fluch, verstehen Sie?« »Ich versuche es.« »So ist dann alles gelaufen, John. Und nun m uss ich mich mit den Tatsachen abfinden.« I ch st and auf. »Gut , dass Sie sich offenbart haben, Anina.« Mit kleinen Schrit t en ging ich zur Glaswand und schaut e hinaus. Es w ar einiges an Zeit verst richen, und die Nat ur draußen begann dam it , sich w ieder zuzudecken. Die grauen Wolken waren noch t iefer gesunken, und vom Boden, besonders in Flussnähe, st iegen die dicken Schwaden wie t räge Wolken in die Höhe und breit et en sich unt er dem Him m el aus. Wir hat t en Nachm it t ag, es würde nicht mehr lange dauern, bis die Dunkelheit und damit auch der Abend anbrach.
Hint er m ir flüst ert en die Aldrins. I ch hört e Meldas St im m e. »Das ist j a alles nicht zu fassen, was wir da gehört haben. Meine Güte, Sie haben mir Angst eingejagt.« »Das hat t e ich nicht vor«, sagt e Anina. »Es t ut m ir ehrlich Leid.« »Wie soll es denn weitergehen?« »Wir werden Sie verlassen.« I ch dreht e m ich wieder um . »Pardon, wenn ich m ich einm ische, aber das werden w ir sicherlich nicht . Wir haben hier einen Ort , den auch unser Verfolger kennt . Wenn Sie nichts dagegen haben, Mrs. und Mr. Aldrin, möchte ich gern bei Ihnen bleiben.« Die beiden überlegt en. Keiner wollt e sich ent scheiden, j eder schob die Ant wort auf den anderen, bis Aldrin schließlich fragte: »Was könnte denn passieren?« Die Wort e galt en Anina ebenso wie m ir. Und beide konnten wir keine konkrete Antwort geben. »Wir m üssen davon ausgehen«, sagt e ich, »dass dieser Dubbs hier bald erscheinen wird.« »Und dann?« »Müssen wir uns ihm stellen.« »Sie sind Polizist , Mr. Sinclair«, sagt e Melda. »Sie w ollen ihn bestimmt verhaften, nicht?« Anina lacht e. »Ohhh wenn das so einfach wäre. Keiner darf ihn unterschätzen.« »Das ist m ir klar. Aber um et w as zu t un, m üssen wir ihn haben. Und darauf warte ich.« Anina saß, ich st and. Sie schaut e m ich schräg von unt en her an. »Machen Sie es sich da nicht zu leicht, John?« »Auf keinen Fall. Ich will ihn, und ich will auch mein Licht nicht unter den Scheffel stellen.« Sie feucht et e m it der Zunge ihre Lippen an. »Es gäbe da möglicherweise eine Chance.« »Wunderbar welche?« »Die t ot en Seelen. Diej enigen, die Sie im Krat er gesehen haben. I ch konnt e sie spüren, ich nahm ihre Em pfindungen auf, und ich st ellt e fest , dass ich von ihnen nicht eben
geliebt w urde, was auch verst ändlich ist . Sie haben bem erkt , welche Rolle ich gespielt habe. Aber es ist nur eine Nebenrolle im Vergleich zu der anderen, die Dubbs innehat. Er ist der Mensch, den sie hassen. Und ich gehe davon aus, dass sie ihn verfolgen werden. Sie werden ihn suchen. Sie wollen ihn bekom m en, sie werden sich für die schändliche Tat rächen wollen. Deshalb können wir davon ausgehen, noch Helfer zu haben.« Das wollt e ich nicht best reit en und nickt e Anina zu. »Akzept iert , wäre m ir sogar recht . Nur würde m ich interessieren, wo sich diese Geister oder Wesen aufhalten?« »Das weiß ich nicht ! «, sagt e Aldrin, der zugehört hat t e, von seiner Frau j edoch angest oßen wurde, dam it er den Mund hielt. Anina st and auf. Sie kam zu m ir. I hr Gesicht zeigt e keine Regung. Sehr nachdenklich wirkt e sie auf m ich. Neben m ir blieb sie st ehen, das Gesicht gegen die Glaswand gericht et . »Wo sie sich aufhalten, weiß ich nicht, aber mir ist bekannt, dass sie den Krat er verlassen haben. Das habe ich genau gespürt . Sie werden irgendwo in der Um gebung sein.« Sie hob den Arm und deut et e gegen das Glas. »Schauen Sie hinaus, John, schauen Sie genau hin. Dort bewegt sich der Nebel, der Dunst . I st er nicht eine wunderbare Kulisse für die geisterhaften Wesen? Bietet er nicht ein hervorragendes Verst eck? Erinnern Sie sich an den Boden des Krat ers, wo Sie die Geist er gesehen haben. Dort bildet en sie eine wallende rot ierende Masse, und es wird ihnen keine Schwierigkeiten bereiten, den Krater wieder zu verlassen.« »Könnte es dann sein, dass Sie Dubbs schon haben?« »I ch habe keine Ahnung. Daran glauben kann ich nicht , denn Dubbs ist schlau. I ch weiß nicht , wann er hier erscheint , es kann sein, dass er die Dunkelheit abwart et , aber ich will auch sagen, dass ich seine Nähe spüre. I ch weiß, wann er auf m ich zukom m en will, und ich bin dann auch bereit.« »Sie wollen nicht fliehen wie sonst?« Anina schüt t elt e den Kopf. »Nein, diesm al werde ich
nicht fliehen! «, erklärt e sie m it überzeugender St im m e. »Diesmal bleibe ich. Keine Flucht vor ihm.« »Das ist gut.« »Sie sind noch zu opt im ist isch, John. Sie ahnen nicht , was er alles kann.« »Ich freue mich schon auf ihn.« »Er geht über Leichen.« I ch winkt e ab. »Das bin ich gewohnt , aber et was anderes. Wenn Sie nicht fliehen wollen, dann werden Sie sich ihm stellen und auch gegen ihn kämpfen?« Sie hob die Schultern. »Bitte, Anina, was werden Sie tun?« »Ich lasse m ir schon et was einfallen.« Danach m urm elt e sie. »Noch kennen Sie mich nicht.« »Das denke ich auch, aber ich kann es I hnen nicht verdenken, wenn Sie verschwinden.« »Keine Sorge, es gibt da noch andere Möglichkeit en.« Sie nagt e auf der Unt erlippe. »Je länger ich darüber nachdenke, um so m ehr st im m e ich I hnen zu. Sie, John, spielen darin eine große Rolle. I ch w erde Sie von m einen Fähigkeit en in der Praxis überzeugen.« Ent schlossen nickt e sie und ließ keine det ailliert e Frage m einerseit s m ehr zu. Sie hatte sich zum Schweigen entschlossen. »Wäre es nicht besser, wenn wir dann gehen würden?«, erkundigte sich Wayne Aldrin. »Wohin?« »Zu Nachbarn, zu Freunden.« I ch nickt e, und auch Anina war einverst anden. »Wenn, dann aber bitte sofort.« »Ja, nat ürlich.« Wayne Aldrin bewegt e sich hekt isch. Er nahm die Hand seiner Frau und zog sie vom Sessel hoch. »Kom m , w ir ziehen uns nur die Mänt el über und gehen zu den Claytons.« Melda widersprach nicht . I ch begleit et e die beiden noch in den Flur, wo sie an der Garderobe standen. »Es ist so am best en, Mr. Sinclair. I ch fühle m ich in m einem eigenen Haus plöt zlich nicht m ehr w ohl. Das können Sie doch
verstehen.« »Natürlich, Mr. Aldrin.« Er lächelte mich scharf an. »Außerdem weiß ich das Haus unter polizeilicher Kontrolle.« »Wenn Sie beide das beruhigt, stimme ich Ihnen zu.« »Gut , dann bis spät er. Wir sind drei Häuser zurück. Falls alles vorbei ist , geben Sie uns bit t e Bescheid.« Er set zt e einen dunklen Hut auf, und Melda wickelt e einen rot en Schal um ihren Hals. So gerüst et wünscht en uns beide viel Glück und gingen. I ch blieb vor der Haust ür st ehen und schaut e den beiden nach, wie sie rasch den Vorgart en durchquert en, den Gehsteig betraten und sich dann nach rechts wandten. Sie dreht en sich noch einm al um , ohne m ir allerdings zuzuwinken. Mir ging es auch nicht um die beiden, sondern m ehr um diesen geheim nisvollen Dubbs, nach dem ich Ausschau hielt . Außerdem nach einem silbergrauen Sportwagen. Weder ihn noch den Mann sah ich. I ch ging w ieder zurück. Draußen war es t rübe geworden. Die erst en Lam pen w arfen ihr Licht in die Tiefe und schufen auf dem Boden blanke Flecken. I ch schloss die Tür, dreht e m ich um , und sah Anina an. I hr Gesicht hat t e sich verändert . I m Flurlicht wirkt e es wächsern m it einem röt lichen Überzug versehen. Et w as war passiert , das wusst e ich sofort . Als ich auf sie zuging, schrit t Anina zurück und drückt e sich gegen die Wand. I ch braucht e die Frage nicht erst zu st ellen, denn sie antwortete von allein. »Er ist hier, John!« * I ch blieb st ehen, schaut e m ich um und blickt e auf die Treppenstufen. »Wo?« »Noch nicht im Haus.« »Aber Sie haben ihn gesehen, denke ich.« »Ja. Draußen. Er schleicht hint er dem Haus ent lang. Wie
ein Dieb, der et was ausspäht . Er er ist uns auf die Spur gekommen.« I ch schnauft e. Plöt zlich hat t e ich kalt e Hände bekom m en. »Gut , Sie haben ihn gesehen, wir wissen j et zt Bescheid, und ich frage Sie, ob Sie schon einen Plan haben.« »Den habe ich.«
»Dann sagen Sie ihn!«
Anina hielt den Mund. Stattdessen fasste sie mich an. Sie
um klam m ert e m it ihren Händen m eine Unt erarm e. »I ch möchte Sie zuvor etwas fragen. Etwas sehr Ernstes.« »Gern. Tun Sie sich keinen Zwang an.« »Vertrauen Sie mir?« »Hm.« »Sie müssen mir aber voll und ganz vertrauen!«, drängte sie. »Wenn ich nicht verschw inden soll, m uss ich m ich für eine andere Möglichkeit ent scheiden. Das bedeut et , dass wir ganz nah zusam m enst ehen und auf einer Seit e sind. Das Vertrauen muss einfach da sein.« »Ja, es ist gut.« Obwohl Anina t ief einat m et e, war sie keineswegs beruhigt er. »I ch habe doch m it I hnen über best im m t e Fähigkeit en m einerseit s gesprochen. I ch habe I hnen gesagt , dass ich m ich in andere Menschen hineinverset zen kann. Erinnern Sie sich. Wir befanden uns am Krater.« »Stimmt.« »Und diese Fähigkeit möchte ich ausprobieren. Ich werde m ich I hnen nähern, ich werde I hnen sehr, sehr nah kom m en, John. Näher geht es gar nicht m ehr. Noch sind wir zwei Personen, aber wenn Sie zust im m en, dann werden wir bald eine sein. Wir beide werden m it einander verschmelzen. I ch w erde m ich in I hnen verst ecken, John.« Sie schaut e m ir in die Augen. »Sind Sie dam it einverstanden?« »Muss ich das?« Anina lächelt e verloren. »I hnen ist nicht wohl bei der Sache oder?«
»Nein.« »Aber es ist eine Chance, um gegen Dubbs best ehen zu können. Wir müssen ihn täuschen.« I ch überlegt e. Ein gut es Gefühl hat t e ich nicht dabei. Auf meinem Rücken war es plötzlich kalt geworden. Die Haut im Nacken hat t e sich zusam m engezogen, und das Kribbeln rann schließlich bis zum letzten Wirbel durch. »Bit t e, John, sagen Sie j a. I ch m öcht e nicht im m er wieder w eglaufen. I ch weiß, dass ich Fehler begangen habe, die schon dam als im Klost er anfingen « »Es ist auch schwer für mich.« »Das st reit e ich nicht ab. Nur sind Sie der einzige Mensch, dem ich vert raue. Auch Sie vert rauen auf den Gegenst and, den ich nicht sehe, den Sie aber bei sich tragen.« »Sie meinen das Kreuz.« »Nicht nur einfach das Kreuz, sondern das besondere Kreuz, das nur Auserwählte tragen dürfen. Sie sind jemand, zu Ihnen habe ich deshalb Vertrauen. Sagen Sie ja.« Es war wieder eine dieser Mom ent - Ent scheidungen, die ich aus dem Bauch heraus fällen musste. Ich stimmte zu. Anina at m et e auf. Sie zit t ert e plöt zlich, dann aber verändert e sich ihr Gesicht , und plöt zlich fing sie an zu lachen. Sehr leise, aber auch sehr erlöst . »Es ist wunderbar, John, dass Sie zugest im m t haben. Sie werden sehen, Sie haben es nicht zu bereuen, denn nur so bekommen wir Dubbs und können ihn auch ausschalten.« »Okay, fangen Sie an.« Wir standen uns beide gegenüber. Um mich zu erreichen, braucht e sie nur einen Schrit t nach vorn zu gehen, was sie auch t at . Am Beginn dieser Bewegung sah ich sie noch als völlig normal an, da wies nichts auf irgendeine Veränderung hin, was sich allerdings ändert e, als sie einen direkt en Kontakt mit mir bekam. Zuerst spürt e ich den Druck, da war also noch Widerst and, und einen Mom ent spät er löst e sich die Gest alt
der Anina vor m einen Augen auf. Sie verändert e sich zu einem nebelhaft en Schem en, der sich in m einen Körper hineindrängt e, dabei aber noch m ehr t at , denn ich spürt e auf einm al die Kält e, die durch m ich hindurchfloss wie Eiswasser und nichts in meinem Innern ausließ. Fror ich ein? I ch verkram pft e m ich, es war ein Fehler. I ch zwang m ich einfach dazu, locker zu sein, und als ich dies geschafft hat t e, da klappt e es auch. I ch konnt e es akzept ieren, dass die andere Person in einer feinst offlichen Form in m ir steckte. Aus zwei war einer geworden! I ch konnt e es nicht fassen, denn diese Erfahrung war auch für mich wieder neu. Wie m usst e ich j et zt handeln? Wie fühlt e ich m ich? I ch rechnet e dam it , anders zu reagieren als sonst . Wenn ich nach vorn gehen w ollt e, hat t e die andere Person das Gegent eil vor und wollt e sich zurückwenden. Das schoss mir durch den Kopf, und als lustig empfand ich es nicht. Nur war und blieb es Theorie. I ch bew egt e m ich ebenso wie früher. Locker und überhaupt nicht behindert . I ch konnt e auch m einen eigenen Gedanken nachgehen. Nicht s wurde dabei gest ört , und schon nach knapp einer Minut e hat t e ich vergessen, dass noch eine andere Person von m ir Besit z ergriffen hat t e, zudem sich diese Person auch nicht auf dem Weg der Telepathie meldete. Dass in mir ein Engel steckte, daran musste ich mich erst noch gewöhnen, aber ich nahm es locker hin und w ar von nun an sogar gespannt darauf, wann dieser Dubbs endlich hier erscheinen und ob er dabei etwas merken würde. Er hielt sich noch zurück. I ch fragt e m ich auch, wie er versuchen würde, ins Haus zu gelangen. Die gleichen Fähigkeiten wie Anina hatte er wohl nicht. Vom Wint ergart en aus hat t e sie ihn gesehen. I ch beschloss, m ich ebenfalls dort um zuschauen, dazu kam es nicht m ehr, denn kaum hat t e ich m ich gedreht , als die Klingel der Tür anschlug.
I ch bekam einen innerlichen St oß. Adrenalin schoss durch m eine Adern, m öglicherweise noch verst ärkt durch die zw eit e Gest alt in m ir. Das Kribbeln spürt e ich bis in m eine Fingerspit zen hinein, dort war es kalt w ie Eiswasser geworden. Anina »meldete« sich nicht. Ich ging zur Tür. Nicht sehr flot t , sondern m it Schrit t en, die so gut wie kaum zu hören waren. Noch einmal schellte es. Okay, Dubbs war da, ich st and auf der anderen Seit e, und ich war bereit , den Kam pf gegen den Spirit ist en aufzunehmen. Mit diesem Vorsat z zog ich die Tür auf, und diesm al wurde sie von keiner Kette gehalten. * Vor m ir st and ein Mann sicherlich Dubbs , den ich noch nie gesehen hat t e. Er bem üht e sich bei m einem Anblick, freundlich zu lächeln, was aber bei m ir nicht ankam, denn ich hatte eher den Eindruck, als hätte sich der Teufel eine fleischfarbene Maske übergest reift , die ihm nicht so ganz passen wollte. Kalt e Augen, eine et was zu dicke Nase, die aber zum fleischigen Gesicht passte. Der Mund bildete sich aus dicken Lippen, und die St irn reicht e bis weit auf den Kopf hinauf, wo erst später die blauschwarzen Haare begannen. Als Kleidung t rug er ein Mit t elding zwischen Jacke, Pullover und Hem d in einer pflaum enblauen Farbe. Die schwarze Hose passt e dazu, eine Waffe ent deckt e ich bei ihm nicht. Da ich ihn anschaute, horchte ich gleichzeitig nach innen. I ch rechnet e m it einer Reakt ion der zweit en Person in m ir, aber da t at sich nicht s. Anina hielt sich zurück, und ich war froh darüber, dass sie sich gut in der Gewalt hatte. »Sie wünschen?«, fragte ich.
»Gut en Abend. Mein Nam e ist Dubbs « »Bitte, was wollen Sie?« »Ich suche eine bestimmte Person.« »Aber doch nicht mich?« »Nein, das nicht.« »Da m uss ich Sie ent t äuschen, Mr. Dubbs, aber die Bewohner des Hauses sind nicht da. I ch bin ein Bekannt er von ihnen und warte ebenfalls auf ihre Rückkehr.« »Hm .« Dubbs' Augen funkelt en. I ch konnt e m ir vorst ellen, dass er m ir dies nicht abnahm . Er hob seine Hand, spreizt e die Finger und knet et e sein Kinn. »Das ist zwar alles gut und schön, was Sie m ir da gesagt haben, ahm « Mist er »Sinclair.« »Ja, Mr. Sinclair, aber m ir geht es auch nicht um das Ehepaar, das hier lebt.« »Um wen dann?« Er ließ die Hand wieder sinken. Sein Lächeln blieb, nur war es j et zt eisig geworden. »Es geht da um eine j unge Frau. Sie heißt Anina, und sie gehört zu mir.« »Ach sie gehört Ihnen?« »I n gewisser Hinsicht schon. Wir sind Part ner. Leider haben wir uns et w as zerst rit t en. Sie ist zu den Aldrins gegangen, das weiß ich genau. Deshalb m öcht e ich m it ihr reden.« »Tut mir Leid, sie ist nicht hier.« Dubbs überlegte. Er bewegte seine Augenbrauen und zog sie zusam m en, so dass sie sich über der Nasenwurzel beinahe t rafen. »Pardon, aber ich will Sie nicht der Lüge bezicht igen, Mr. Sinclair, m eines Wissens m uss sie hier im Haus sein.« »Auf keinen Fall.« »Ich könnte mich davon überzeugen?«, fragte er. »Nein!« »Diese Antwort lässt Sie nicht gut aussehen, Mr. Sinclair. Überhaupt nicht . Sie sagt m ir, dass ich Recht habe. I ch will j et zt hinein und m ich um sehen, denn Anina gehört
t at sächlich zu m ir. Und Sie sollt en m ir keine Schwierigkeit en m achen. I ch sage I hnen das nur als Vorwarnung, denn ich bin bekannt dafür, dass ich m eine Vorhaben immer durchsetze.« »Kann alles sein, aber nicht bei m ir. Kom m en Sie am nächst en Tag noch « Da traf mich der Schlag! Brut al, heim t ückisch und verdam m t hint erhält ig. Die blit zschnell zur Faust geballt e Hand erwischt e m ich in der Magengrube, und sie war wie ein Treffer m it dem Vorschlagham m er. I nnerhalb kürzest er Zeit wurde m ir die Luft aus den Lungen gefegt . I ch t rat auch irgendw o weg, bekam nicht m it , dass ich in den Flur hineinkat apultiert wurde, in die Knie sackt e, m ich nicht m ehr richt ig halt en konnt e und zu Boden sackt e. I ch war so schwach geworden, m eine Glieder würden m ir kaum m ehr gehorchen, und ich bekam auch keine Luft mehr. I ch hockt e am Boden und hat t e die Augen weit aufgerissen, während sich m ein Mund hekt isch bew egt e w ie das Maul eines Fisches auf dem Trockenen. Auch m ein Blickfeld war ziem lich eingeengt . Nur schat t enhaft bekam ich m it , dass Dubbs den Hausflur bet rat . Er ram m t e auch die Tür zu, und bewegt e sich im Licht für m ich wie ein mächtiger fließender Schatten, der dicht an mich herantrat. I ch schaut e aus m einer Posit ion aus hoch und konnt e Dubbs ziemlich deutlich sehen. I ch ent deckt e auch die Waffe in seiner recht en Hand. Er m usst e sie an seinem Körper verst eckt get ragen haben. Es war eine Luger, deren Mündung schräg auf m einen Kopf zielt e. Da hat t e ich nicht die Spur einer Chance, der Kugel zu ent wischen. Dass es dieser Mann ernst m eint e, das stand für mich fest. »Ist es nicht nett zwischen uns beiden, Sinclair?« »Hauen Sie ab! « Nur zit t ernd und keuchend bracht e ich die Wort e hervor. Sie gefielen Dubbs nicht , denn er t rat m ir gegen die Schult er. I ch kippt e einfach um , lag flach m it dem Rücken auf dem Flurboden und wurde von dem
schrecklichen Gedanken durchflut et , dass j et zt alles vorbei war, dass dieser Mann m it m ir und der Person, die in m ir steckte, machen konnte, was er wollte. Er würde m ich nicht an m eine Beret t a herankom m en lassen. Bei der geringst en Bew egung würde er abdrücken und mir durch die Kugel den Kopf zerschmettern. »Wo ist Anina?« Drei Wort e, auf die ich eine Ant wort geben musste. »Wer ist Anina?« Dubbs bewegt e seine fleischige St irn. Auch seine Nasenflügel bläht en sich. »I ch weiß, dass sie hier ist . I ch habe sie gesehen. I ch will es kurz m achen. I ch könnt e Sie t öt en und das Haus durchsuchen, doch davor schrecke ich noch zurück. Wir können uns einigen. Sie werden Anina rufen, und ich denke, dass sie Ihrem Ruf folgt.« »Meinen Sie?« »Rufen Sie ihren Namen!« Den Magent reffer hat t e ich noch nicht überwunden. Es würde m ir schw erfallen, doch ich glaubt e nicht daran, dass m ich Dubbs in die Höhe kom m en lassen würde. I m Gegent eil, er hob seinen Fuß an und st ellt e ihn auf m einen Unterleib. »Mach es, Sinclair. Wenn nicht , zerschieße ich dir zuerst die recht e Schult er. Dann wirst du schreien. Wenn du ihren Nam en noch im m er nicht rufen willst , t rifft die nächst e Kugel deine linke Schult er. Dann wirst du noch m ehr schreien. Erscheint sie noch im m er nicht , nehm e ich m ir deine Beine vor und so weit er «
»Verst ehe « »Also?« »Okay, ich werde es versuchen.« Mein Ruf war nicht laut , ich nahm auch nicht an, dass er in den oberen Et agen gehört wurde, da ich einfach zu schwach von der St im m e her war, was auch Dubbs bem erkt e, denn er war überhaupt nicht zufrieden, und sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. »Willst du mich reinlegen?«
»Wollte ich das?«, keuchte ich. »Du sollst lauter rufen!« »Nach dem Magentreffer?«, ächzte ich. Zum indest nahm er einen Fuß von m einem Bauch weg. »Gut , eine Hilfe gebe ich dir.« Seine Augen glänzt en kalt wie Perlen. Der Mund zeigte einen sehr bösen Zug. Von ihm st rahlt e eine Aura der Gewalt ab. Er war kein Däm on im eigent lichen Sinne, er war nur ein Mensch m it besonderen Fähigkeit en, und er war gewalt t ät ig. Zählt e ich diese beiden Tat sachen zusam m en, dann war er schlim m er oder ebenso schlimm wie ein Dämon. »Noch mal!« I ch rief w ieder Aninas Nam en, und, verdam m t noch m al, m eine St im m e hört e sich kaum laut er an. Sie versickert e irgendwo im Haus, was den anderen unzufrieden machte. Er bückt e sich et was t iefer. Dadurch nähert e sich seine Waffe noch m ehr m einem Kopf. »I ch glaube, du willst m ich hier verarschen, Sinclair. I ch weiß, dass sie sich hier verst eckt hält . Sollt e es anders sein und sie sich aufgelöst haben, dann ist das kein Grund für dich zur Freude. Dann werde ich dich t rot zdem erschießen, denn ich lasse bei meinen Aktionen niemals Zeugen zurück.« »Das glaube ich Ihnen.« »Noch eine letzte Chance!« I m Liegen schüt t elt e ich den Kopf. I ch konnt e nicht s m ehr für m ich t un, sondern m usst e m ich j et zt einzig und allein auf Anina verlassen, die in m ir st eckt e. I ch hofft e nat ürlich, dass sie alles m it bekom m en hat t e, aber es gelang m ir t rot z geist iger, sehr int ensiver Bem ühungen nicht , den nöt igen Kont akt zu ihr aufzunehm en. Sie m eldet e sich nicht , sie ließ m ich allein m it diesem gewalt t ät igen Monst rum , das seine Luger auf m eine St irn richtete. Sein Finger lag am Abzug. »Dein Pech, Mist er. Es hät t e anders ausgehen können. Du hät t est dich nicht in m eine Problem e einm ischen sollen. Lass dir gesagt sein, sie kann m ir nicht ent kom m en, wir
sind durch ein geheim nisvolles Band zusam m engeket t et , was im m er sie dir auch erzählt haben m ag « Sollt e ich ihm sagen, dass sie in m ir st eckt e? War das m eine let zt e Chance, ihn zu überzeugen? Nein, Dubbs war ein Schwein, der würde auch so schießen. Plöt zlich spürt e ich wieder die Kält e. Sie kroch durch m einen Körper, und es war um gekehrt als bei Aninas Eindringen. Diesm al t rat sie hervor. Der Kält est rom in m ir wies m ir ihren Weg, ich sah sie noch nicht , aber ich konnt e t rot zdem an Dubbs' Gesicht sausdruck erkennen, dass sie meinen Körper verließ. Der Mann m acht e große Augen. Er grinst e. Sein Blick wandert e ebenfalls, aber die Luger zeigt e nach wie vor auf mich. Auf dem Kücken liegend verdrehte ich die Augen, weil ich endlich sehen wollt e, ob sich da ein Schem en über meinem Körper gebildet hatte. I n der Tat ent deckt e ich dieses feinst offliche Gebilde, das wie aus langen Gazest reifen zusam m engeset zt wirkt e und m it langsam en, t änzerisch anm ut enden Bewegungen langsam in die Höhe st ieg und dabei auch die Form en eines Menschen annahm. Dubbs grinst e noch im m er. Sein Gesicht zeigt e eine für m ich widerliche Freude, und dann st öhnt e er auf, und aus dem St öhnen hört e ich einen Sat z. »Da bist du j a « Anina sagt e nicht s. Als Schem en drückt e sie sich auf die Wand zu und blieb dort st ehen. Dort m at erialisiert e sie sich dann, und ich sah sie so, wie ich sie zum let zt enm al vor ihrem Sprung in die andere Ebene gesehen hatte. Als Mensch! Genau das hat t e Dubbs, der Spirit ist , gewollt . Er lacht e leise und knurrend, wahrscheinlich sollt e dieses Geräusch seinen inneren Triumph ausdrücken. I ch konnt e noch im m er nicht s t un, weil ich nach wie vor in die Mündung schaut e. Trot z der ext rem en Sit uat ion ließ er sich nicht ablenken und küm m ert e sich weit erhin um m ich. »I ch finde es t oll, wie alles gelaufen ist , aber ich bin dir leider nicht dankbar. Erinnere dich daran, was ich dir
über m ein Verhält nis zu irgendwelchen Zeugen gesagt habe. I ch m ag sie nicht , und deshalb will ich sie auslöschen. Für dich brauche ich nur eine Kugel. Genau zwischen die Augen!« Es war dieser Mom ent des Kippens erreicht worden. Manche nannt en ihn den »Break- even- point «. Da wurde dann alles anders, und es sollte mit meinem Tod enden. Er wollt e schießen. Ein kurzes Flackern seiner Augen, und da trat ich zu. Mein Fuß erwischt e sein Bein. I ch bracht e ihn aus dem Gleichgewicht . Als Mensch spürt e er Schm erzen, und ein Schienbein schmerzte, wenn es getroffen wurde. Die Kugel verfehlt e m ich. Sie ram m t e seit lich in eine hölzerne Treppenst ufe hinein, und ich durft e ihn nicht zu einem zweit en Schuss kom m en lassen. Noch während der nächsten Sekunde hatte ich mich aufgerichtet und wuchtete nun meinerseits eine Faust in den Körper. I ch t raf ihn sogar noch t iefer, er j ault e auf, t aum elt e zurück, dacht e nur an seine wertvollsten Teile und nicht mehr daran zu schießen. I ch kam , zog m eine Waffe, w as sehr schnell ging und trotzdem Zeit kostete. Dubbs hat t e den I nst inkt eines in die Enge get riebenen Raubt ieres. Bevor es zu weit eren Akt ionen m einerseit s kom m en konnt e, hat t e er schon reagiert und war auf Anina zugesprungen. Trot z seiner Schm erzen riss er sie an sieh und presst e der überrascht en Person blit zschnell die Mündung der Luger gegen den Kopf. Ich stand schussbereit. Und doch ließ ich die Beret t a sinken, denn seine Kugel würde im m er schneller sein * Dubbs schafft e es t at sächlich, auf sein verzerrt es Gesicht noch ein Lachen zu zaubern. Sein At em war wie ein böser Hauch der Hölle. »Okay«, sagt e er, »okay, okay du bist besser, als ich dacht e, Sinclair, aber lass dir eines gesagt
sein: Sollt e Anina versuchen, sich in den anderen Zust and zu ret t en, werde ich schießen. Und ich werde ihr Leben durch die Kugel auslöschen. I ch w erde I hren Schädel zert rüm m ern, wenn du nicht genau t ust , was ich j et zt von dir verlange, Sinclair.« »Gut, was willst du?« »Die Kanone weg!« Schweigen, St ille, gespannt e, nervenaufreibend. I ch hört e m ein eigenes Herz überlaut schlagen, und ich wusst e augenblicklich, was er wollt e. Wenn ich die Beret t a fallen ließ, war ich waffenlos, dann konnt e er m ich und die Frau töten. »Wart est du noch im m er! «, quet scht e er hervor. Zit t ernd bewegt e er seine Beine, der Schm erz t obt e noch im m er in seinem Unt erleib. »Du bist w ohl nicht darauf aus, sie zu retten!« »Doch, das bin ich. Aber ich weiß auch, dass Sie I hre Versprechen nicht einhalt en. Werfe ich die Beret t a weg, dann haben Sie freie Bahn. I ch m üsst e doch verrückt sein, wenn ich es tue.« Dubbs lacht e neben Aninas Ohr. »Ja, in der Tat , das müsstest du, Sinclair.« »Und deshalb werde ich sie behalten.« »Dann wird sie st erben.« Er drückt e die Mündung noch härt er gegen die recht e St irn der Frau. Mit dem linken Arm hielt er ihren Hals um schlungen. So w ie es aussah, hat t e das Medium nicht die Spur einer Chance, Dubbs zu entkommen. I ch gab noch im m er nicht nach, weil ich von best im m t en Überlegungen ausging. Dieser Dubbs war an Anina unwahrscheinlich int eressiert . Es m usst e ihn eine Hassliebe und gleichzeit ig auch eine Zweckgem einschaft m it ihr verbinden. Dass es ihm auf Tot e nicht ankam , hat t e der Flugzeugabst urz bewiesen, aber das hat t e er nur in die Wege leit en können, weil er Anina anzapft e. Er bedient e sich ihrer m ächt igen und auch unglaublichen Kräft e. Wenn er die Frau t öt et e, dann wäre ihm gleichzeit ig der Boden
unt er den Füßen w eggezogen worden, und das versucht e ich ihm klarzum achen. I ch schüt t elt e den Kopf. »Nein, Dubbs, nein, so einfach ist das nicht . Wer sägt sich schon den Stuhl an, auf dem er sitzt? Sie brauchen diese Frau, Sie benöt igen ihre Kräft e, und Sie werden nicht so dum m sein, sie zu töten.« »Wenn du dich da mal nicht irrst.« I ch hob die Waffe wieder an. »Das denke ich nicht , Dubbs. I hre Lage hat sich nicht verbessert , sondern verschlecht ert , wenn Sie es m al ganz nücht ern sehen. I ch glaube, dass Ihre große Zeit schon längst abgelaufen ist.« Dubbs zog sich zurück. Er zerrt e Anina m it . Wenn er den Gang weit erging, würde er den Wint ergart en erreichen. I ch fragte mich, was er vorhatte und ging ihm nach. Sein Kopf bewegt e sich nach links und recht s. Er sucht e et was. I ch wusst e nicht , w as es war, und ich m usst e erkennen, dass mit Anina ebenfalls etwas geschah. Verändert en sich ihre dunklen Haare? St ellen sie sich in die Höhe? Nahmen sie eine andere Farbe an? Plötzlich bewegte sie den Kopf. Dubbs schrie auf. Er bekam einen St oß von ihrem Ellbogen in die Seit e. Er schrie auch nicht m ehr, er m acht e nicht einm al den Versuch, abzudrücken, und Anina konnte sich befreien. Mit einer elegant en Drehung wischt e sie aus seinem Griff heraus. Dubbs hat t e für sie j eglichen Schrecken verloren, und das wollte mir nicht in den Kopf. Dann rannte sie weg. Mir drehte sie den Rücken zu. I ch sah t rot zdem ein Gesicht , ein anderes, ein zw eit es, ein grünes und hässliches, das aus ihrem Hint erkopf wuchs und zugleich fest mit ihm verbunden war. Anina war zu einem Januskopf geworden und zeigt e ihre zweite Gestalt offen. *
I ch wusst e nicht , ob sie das Richt ige t at , als sie einfach weglief und wahrscheinlich den Wint ergart en bet ret en wollt e, das alles war m ir unklar, aber ich konnt e ihr nicht nach, denn Dubbs hat t e seinen Schrecken überwunden und sich wieder gefangen. Er sah jetzt mich. Und er erinnerte sich wieder. Bevor er die Luger in meine Richtung drehen konnte, war ich bei ihm . I ch hat t e schon ausgeholt und schm et t ert e ihm m eine Beret t a gegen das Gesicht . I ch t raf dabei Zähne und Nase, da ging einiges zu Bruch, da wühlt e der Schm erz durch seinen Kopf, und Dubbs sackt e auch in die Knie. Der nächst e Hieb erwischt e sein recht es Handgelenk. Dam it war die Luger für ihn wert los gew orden. Er konnt e die schwere Pistole nicht mehr halten. Sie rutschte ihm aus den Fingern und prallte zu Boden. I ch t rat sie weg, denn Dubbs ließ m ir keine Zeit m ehr, sie aufzuheben. Er war dabei, m eine Beine zu umklammern, um mich von den Füßen zu reißen. I ch wucht et e das recht e Bein vor. Mein Knie t raf ihn am Kinn. Er ließ m ich los, der Schwung warf ihn auf den Rücken, und dort blieb er liegen. Der Kam pf hat t e Dubbs gezeichnet . Er blut et e aus der Nase und aus dem Mund. I ch konnt e m it ihm kein Mit leid haben, denn er t rug let zt endlich die Schuld an der Kat ast rophe. Trot zdem m usst e ich m ich von dem Gedanken befreien, einen Massenm örder vor m ir zu sehen, ich hät t e womöglich zu emotional gehandelt. Wütend zerrte ich ihn in die Höhe. Er m urm elt e einige Wort e, die ich nicht verst and. I ch hielt ihn fest . Mit einer Hand nur schafft e ich dies und schleudert e ihn auch herum , so dass er m it dem Rücken gegen die Wand kracht e. Dort m usst e ich ihn halt en, dam it er st ehenblieb. Er at m et e heft ig und sprüht e dabei kleine Blutspritzer aus. I ch riskiert e es und st eckt e m eine eigene Waffe weg, weil ich beide Hände braucht e. I ch m usst e ihn nach anderen Waffen abt ast en und at m et e auf, als ich keine
fand. »Und j et zt gehen w ir zu ihr! «, flüst ert e ich ihm zu. »Du willst sie doch immer noch oder?« »Hau ab!« I ch t at das Gegent eil und dreht e ihn herum . Mit der linken Hand hielt ich den St off seiner Hem dj acke im Rücken fest. In der rechten lag wieder die Beretta. Er st olpert e vor m ir her. Dubbs war wirklich schwach. Hät t e ich ihn nicht gehalt en, wäre er zusam m engefallen, denn aus eigener Kraft konnte er kaum laufen. Der Flur endet e an einer Tür, die geradewegs zum Wintergarten führt e: Man konnt e ihn auch durch eine zweite betreten, damit aber war der Wohnraum verbunden. Anina war durch die erst e Tür gelaufen, und sie hat t e sie nicht wieder geschlossen. Dubbs erreicht e sie als erst er. Er zerrt e sie m it zuckenden Bewegungen auf, und ich drückt e noch härt er in seinen Rücken, um ihn über die Schwelle zu stoßen. Düsternis umfing uns. Draußen wallt e der Dunst . Die erst en Schat t en der Däm m erung legt en sich über das Land. Die Pflanzen und Möbel des Wint ergart ens verschwam m en zu einem grauen Allerlei. Erst bei genauerem Hinsehen waren die einzelnen Stellplätze zu sehen. Aber eine Person fiel auf. Anina, die Frau m it den beiden Köpfen, st arrt e uns m it dem grünen an * I ch fragt e m ich, w arum sie m ir davon nicht s erzählt hat t e, so m usst e ich dieses Gesicht hinnehm en und scheut e auch nicht davor zurück, es mir genauer anzuschauen. Ja, es war hässlich, und dies nicht allein wegen der Farbe. Der Mund w ar weit geöffnet , und aus ihm hervor st ieß eine grünliche Zunge. Die fleckige Haut , dunkle Augen und der graugrün schim m ernde Haaransat z waren zu
erkennen. Das Gesicht t rug einen Ausdruck, als w ürde es sich vor sich selbst oder der gesam t en Sit uat ion ekeln. I ch zum indest fand bei ihm keinen direkt en Zusam m enhang zu Aninas Exist enz, denn ich fragt e m ich, ob so wie sie ein Engel aussah. Noch im m er hielt ich Dubbs fest . Er st and auf schwankenden, unsicheren Füßen, er kichert e sogar, was m ir ein Rät sel war, und ich schob m ich m it ihm zusam m en nach links zur Seit e, wo wir beide einen besseren Überblick hatten. Hint er den Scheiben bewegt e sich der Dunst , als w ollt e er uns eine finst ere Bot schaft überm it t eln. I n dem Wint ergart en war es st ill geworden, und der Eindruck der Beklemmung ließ sich einfach nicht wegleugnen. I ch m usst e m ich überwinden, um Anina anzusprechen. Nicht sehr laut sagte ich ihren Namen. Zuerst reagiert e sie nicht . Dann aber dreht e sie sich m it einer Bew egung um , die ihr ungeheuer schwer zu fallen schien. I ch verfolgt e alles genau, ich sah beide Gesichter für eine kurze Zeit spanne im Profil und schließlich wieder ihr normales Gesicht. »Was ist mir dir geschehen, Anina?« In der Düst ernis glänzt e die Haut wie eine Speckschw art e. Die Augen kam en m ir wie dunkle, blankgescheuert e Kieselst eine vor. Sie lit t unt er ihrem Zust and, und sie bew egt e einige Male den Mund, bevor sie etwas erklären konnte. »I ch bin Mensch, ich bin Engel « »Ja, das sehe ich. Aber dein zweites Gesicht. Sehen denn so Engel aus?« »Ja ein « »Bitte, Anina.« »Es war kein gut er Engel, es war ein böser, ich w eiß es nicht erst seit heut e. Aber ich war gut , m eine Seele als Mensch, sie hat sich immer gegen das Böse gewehrt. Bisher habe ich es zurückhalt en können, doch heut e nicht m ehr.
Dubbs kam , und seine verflucht e Nähe hat dieses Böse in mir herausgelockt. Ich kann selbst nichts dafür, ich muss es einfach so hinnehmen, John.« »Nein, das brauchst du nicht!« »Wie kannst du das sagen?« »Man kann das Böse vernicht en, Anina, ich weiß es, und ich kann es. Glaub mir.« »Nein, nein.« Sie schlug für einen Mom ent die Hände vor ihr norm ales Gesicht . Als sie sie wieder löst e, da w eint e sie und wurde gleichzeit ig durch einen dum pfen Aufprall erschreckt . Dafür t rug ich die Verant w ort ung, denn ich hat t e Dubbs zu Boden geschleudert , um freie Bahn zu haben. Er bewegt e sich knurrend und auf allen vieren von mir weg, dachte dabei aber nicht an Flucht. Ich ging auf Anina zu. Als sie meine erste Bewegung sah, da erstarrte sie. »Was willst du?« »Keine Sorge. I ch habe dir versprochen, das Böse auszutreiben, und das werde ich tun.« Sie kichert e häm isch, nein, nicht sie, sondern ihr zw eit es Gesicht . Anina hat t e es ebenfalls gehört , sie dreht e sich, zeigt e m ir die Frat ze, aus deren Mund die Zunge in gewissen Intervallen hervorschlug. »Bleib so stehen!«, sagte ich scharf. Mit t lerweile hat t e ich m ein Kreuz hervorgeholt , es aber noch abgedeckt , und dann sprang ich auf das Gesicht zu. Während des Sprungs lag das Kreuz plöt zlich offen, und einen Mom ent spät er wurde das Gesicht von dem geweihten Metall erwischt. Ein schlim m es Kreischen hallt e durch den Raum . Das zweit e Gesicht zuckt e wie unt er Peit schenhieben zusam m en. Es schnellt e dabei von recht s nach links, aber der andere Kopf m acht e diese Bewegung nicht m it . Er blieb in seiner norm alen Halt ung, auch Anina selbst bewegt e sich nicht . Sie hat t e m ir ihren norm alen Rücken zugedreht und st arrt e gegen die Scheibe des Wint ergart ens, als gäbe es im Garten etwas Besonderes zu sehen. Vor m ir zischt e es auf. St ückweise fiel das Gesicht
auseinander. Die Haut zeigt e keine Härt e und keinen Widerst and m ehr, sie wurde weich, und sie löst e sich in Nicht s auf. I ch legt e eine Hand auf Aninas Schult er. Sie schrak unt er der Berührung zusam m en. Meine Wort e sollten sie beruhigen. »Du kannst dich wieder umdrehen, es gibt dieses Gesicht nicht m ehr. Der böse Engel, der auch in dir steckte, wurde wieder in die Hölle geschickt.« Sie fuhr herum. Sehr, sehr langsam . I hre Äugen waren weit geöffnet , auch der Mund st and offen, und sie blies m ir ihren warm en At em gegen die Nase. Schweiß bedeckt e Wangen und St irn, sie hat t e die Schult ern hochgezogen, als würde sie frieren, sah m ein Lächeln und auch m ein Nicken. »Es ist wahr, Anina, du bist erlöst.« Sie schluckt e. Dann fiel sie gegen m ich. Klam m ert e sich fest . »Der der Engel ist weg?«, fragt e sie. »Ja, es gibt ihn nicht mehr.« »Was ist mit mir?« »Das wird sich herausstellen.« »Ich habe mich manchmal wie tot gefühlt.« »Kann ich nicht beurt eilen, aber du bist wieder zu einer normalen Frau geworden.« »Vielleicht « Ich beließ es bei der Antwort, denn ich musste mich noch um Dubbs kümmern. Als ich zu ihm gehen wollt e, hielt m ich Anina fest . Sie hat t e m einen Vorsat z m it bekom m en. »Lass es, John, lass es bitte sein. Das darfst du nicht tun.« »Wieso nicht?« »Er gehört nicht m ehr uns.« Sie sprach j et zt schneller, unt erst rich beinahe j edes ihrer Wort e m it einem Nicken. »Nein, er gehört nicht m ehr uns, er m uss bezahlen für seine schreckliche Tat . Sie werden ihn holen, John, verst ehst du « Wie hypnot isiert schaut e sie m ich an, als sollte ihr Blick in mein Innerstes dringen. »Sie w erden ihn ?«, wiederholt e ich flüst ernd. »Ja, John Sinclair, sie werden ihn holen. Er hat Schuld
auf sich geladen. Die Tot engeist er vergessen nicht s, gar nichts.« Es reicht e m ir. I ch dreht e m ich aus ihrem Griff weg und suchte nach Dubbs. Ich sah ihn. Er kroch über den Boden. Er jammerte dabei und winselt e. Und er kroch in eine best im m t e Richt ung. Er hat t e nur ein Ziel, es war das Fenst er, das ihn anzog wie ein Magnet das Eisen. Es m usst e einen Grund haben. Den erkannt e ich, als ich zwei Schritte in diese Richtung gegangen war. I ch sah j et zt nicht nur ihn, ich sah auch die Scheibe und dahint er den Dunst . Anina hat t e m eine Gedanken errat en. »Es ist kein Dunst .« I hre St im m e hört e sich dum pf an. »Es sind sie. Die Geist er wollen Ruhe, doch zuvor wollen sie Rache.« Sie holten sich Dubbs. Während ich noch überlegt e, ob ich einschreit en sollt e, hat t en sie es verst anden, das t rennende Glas zu durchgleit en und befanden sich im Wint ergart en. Da lag auch ihr Opfer. Dubbs schrie plöt zlich auf, als er die kalt en oder auch würgenden Arm e an j eder St elle seine Körpers spürt e. Er konnt e sich nicht m ehr bewegen, andere hat t en voll und ganz die Kontrolle über ihn erlangt. Anina schaut e zu. Jet zt wirkt e sie wie eine Madonna, die durch ihre Kleidung verfrem det war. »Er wird im Krat er landen. Er wird dort verfaulen, und die Vögel werden sich von seinem t ot en Fleisch ernähren, John. So wird es kom m en « Sicher, das glaubt e ich auch. Aber ich wollt e nicht , dass es soweit kam . Mocht e Dubbs noch so brut al und rücksicht slos sein, auch ein Massenm örder hat Anpruch auf ein Gericht sverfahren, und deshalb wollt e ich ihn holen. Ich lief hin und prallte gegen die Wand! I nnerhalb von Sekundenbrucht eilen war sie aufgebaut worden. Keine norm ale Wand, sondern eine aus kalt er Seelenenergie. Was sonst durchscheinend und durchgreifend gewesen war, ent puppt e sich für m ich als ein
fest er Block, den ich nicht durchdringen konnt e. Die Geist er der Tot en hielt en zusam m en. Sie wollt en ihr Opfer, sie würden es auch bekom m en, denn wehren konnt e sich der Mann nicht mehr. Dubbs wurde geholt. I ch hört e ihn schreien, und m it einem gewalt igen Krachen barst die Scheibe an der linken Mit t elseit e des Wint ergart ens. I ch zog m ich blit zschnell zurück, um von dem m ächt igen Split t erregen nicht get roffen zu werden. Geduckt st and ich da, den Kopf durch m eine Arm e geschüt zt . Doch wie ein Wunder glit t en die scharfen Scherben und Split t er an m ir vorbei. Nicht s erwischt e m ich, bis auf die kühle, eindringende Luft , und die m acht e m ich auch wieder munter. I ch erkannt e in den folgenden Sekunden, dass es keinen Sinn m ehr hat t e, et was unt ernehm en zu wollen. Die Geist er der Tot en hat t en sich Dubbs geholt , und sie ließen dem Spirit ist en keine Chance. Er war von ihnen heraus in die Däm m erung gezogen worden, und sie hat t en seinen Körper vom Boden hochgezerrt . Wie sie ihn t öt et en oder ob er schon t ot war, wer w usst e das schon ? Jedenfalls waren sie m einen Blicken schnell ent schwunden, und sie hat t en die Richt ung eingeschlagen, die zum Krat er führt e. Zufriedenheit über eine Lösung des Falls konnt e ich beim best en Willen nicht em pfinden * Der Tisch st and noch da, die Sessel waren ebenfalls vorhanden und luden zum Sit zen ein. Anina und ich saßen uns gegenüber. Es gab sicherlich viel zu bereden, doch keiner t raut e sich so recht , den Anfang zu m achen. I ch raucht e eine Zigaret t e und blies den Qualm in die Kühle und in den Dunst hinein. »Was willst du j et zt t un?«, fragt e ich. »Das weiß ich noch nicht.« »Aber du bist wieder okay oder?«
Anina hob die Schult ern. »Wer kann das schon sagen?«, m urm elt e sie. »Jedenfalls werde ich nachdenken. I ch habe j a keine Wohnung, ich lebe auch nicht m it einem Mann zusam m en, da gibt es für m ich eigent lich nur eine Lösung, denke ich.« »Das Kloster?« »Genau, John. Der Ort , aus dem ich gekom m en bin. I ch m öcht e dort hin zurückkehren. Man wird m ich best im m t aufnehmen und mir auch die nötige Sicherheit geben.« I ch hob die Schult ern. »Kann ich nicht beurt eilen, könnt e ich mir allerdings vorstellen.« »Danke.« »Ist es weit von hier?« »Es geht.« Das war keine Ant w ort , deshalb bohrt e ich weit er. »Du hast gesagt, dass du allein bist. Da wäre die Sache mit dem Geld noch zu regeln.« »Du kannst es haben.« »Gut, ich werde es zurückschicken.« »Und das zweite?« I ch schlug die Beine übereinander und schaut e sie lächelnd an. »Die ganze Zeit schon denke ich darüber nach, was m it dir geschieht . I ch frage m ich, ob ich dich nicht zum Klost er bringen soll? Ja, ich m öcht e dich begleit en, denn es int eressiert m ich einfach, dass du gut und sicher unt ergebracht bist . Darf ich auf dein Einverst ändnis zählen?« Sie hob die Schultern. »Ja oder nein?« Anina nickt e. »Ja, John, ich m öcht e, dass du m ich hinbringst.« »Abgemacht!« Mit diesem einen Wort bestätigte ich ihren Wunsch, allerdings nicht ahnend, auf was ich m ich da wieder eingelassen hat t e ENDE ENDE »Wir lieben dich, Ehrwürdige Mut t er! «, flüst ert e die
junge Frauenstimme. »Ja, wir lieben dich m ehr als unser Leben«, sagt e die andere Stimme beschwörend. I m Schein der Kerzen nähert en sich die beiden j ungen Gesicht er dem Kopf der Äbt issin. Weiche Lippen küsst en die Haut. Eine Haut , die rissig und st inkend war und einer uralt en Mum ie gehört e
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